Vollrath Hopp
Grundlagen der chemischen Technologie
@WILEY-VCH
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Vollrath Hopp
Grundlagen der chemischen Technologie fur Studium und Berufsbildung Vierte, vollstandig uberarbeitete und erweiterte Auflage
unter Mitarbeit von Dip1.-Ing. G. Loos, Dip1.-Chem. 1. Henning Chem. Techn . F. Merz 7 Dip1.-Ing. E. Stiirz t
@WILEY-VCH Weinheim . New York . Chichester . Brisbane Singapore .Toronto
Professor Dr.-Ing. Vollrath Hopp. Universitat Rostock Odenwaldring 3 I D-63303 Dreieich
Das vorliegende Werk wurde sorgfaltig erarbeitet. Dennoch ubernehmen Autor und Verlag fur die Richtigkeit von Angaben, Hinweisen und Ratschlagen sowie fur eventuelle Druckfehler keine Haftung.
Einbandgrafik und Zeichnungen vor den Kapiteln: Vohdth Hopp, Jr., Berlin Anfertigung der FlieBbilder und Schemata: Arnim Beck
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- CIP-Einheitsaufnahme
Ein Titeldatensatz fur diese Publikation 1st bei Der Deutschen Bihliothek erhaltlich ISBN 3-527-29998-X Gedruckt auf slurefreiem Papier
0WILEY-VCH Verlag GrnbH, D-69469 Weinheirn (Federal Republic of Germany), 2001 Alle Rechte, insbesondere die der Ubersetzung in andere Sprachen, vorbehalten. Kein Teil dieses Buches darf ohne schriftliche Genehmigung des Verlages in irgendeiner Form - durch Photokopie. Mikroverfilmung oder irgendein anderes Verfahren - reproduziert oder in eine von Maschinen, insbesondere von Datenverarbeitungsmaschinen, verwendbare Sprache ubertragen oder ubersetzt werden. Die Wiedergabe von Warnbezeichnungen, Handelsnamen oder sonstigen Kennzeichen in diesem Buch berechtigt nicht zu der Annahme daB diese von jedermann frei benutzt werden durfen. Vielmehr kann es sich auch dann um eingetragene Warenzeichen oder sonstige gesetzlich geschutzte Kennzeichen handeln, wenn sic nicht eigens als solche markiert sind. All rights reserved (including those of translation into other languages). No part of this book may be reproduced in any form - by photoprint, microfilm, or any other means - nor transmitted or translated into a machine language without written permission from the publishers. Registered names, trademarks, etc. used in this book, even when not specifically marked as such, are not to be considered unprotected by law. Satz und Druck: Zechner Datenservice und Druck, D-67346 Speyer Bindung: Wilh. Osswald, D-67433 NeustadUWstr. Printed in the Federal Republic of Germany
Gewidmet : Max Hopp ( I 999),Freiburg, Lea Hopp (1992),Berlin
Zum Geleit der ersten Auflage 1978
Die chemische Technologie wird oft als Bindeglied zwischen Chemie und Maschinenbau verstanden. Aber ist sie nicht eher als ein Instrument im Konzert der Natur- und Ingenieurwissenschaften zu verstehen? So, wie ein Musikstuck, das fur das Ohr harmonisch klingen soll, gleichen Takt und aufeinander abgestimmte Instrumente voraussetzt, so kann ein chemisches Produkt nur dann reproduzierbar hergestellt werden, wenn die Produktionsanlage in ihrem technischen Ablauf auf den chemischen Reaktionsablauf abgestimmt ist. Chemisches, physikalisches und ingenieurtechnisches Wissen im weitesten Sinne mussen dabei standig prasent sein und eingesetzt werden.
Die chemische Technologie ist ein Paradebeispiel fur das Teamwork der Wissenschaften; ihre Anwendung setzt aber gleichermaBen ein Teamwork kooperationswilliger Mitarbeiter voraus, die bereit sind, Erkenntnisse und Wissen sowohl zu erarbeiten als auch weiterzugeben. Dam gehort ein Ausbildungswesen, das die Grundlagen all denen vermitteln soll, die sich Wissen aneignen wollen. Ein Hilfsmittel dabei soll das vorliegende Buch sein, dem man nur wunschen kann, ebenso zu einem Instrument im Zusammenspiel der Lehrenden und Lernenden zu werden, wie es die chemische Technologie bei dem der verschiedenen Disziplinen der Naturwissenschaften ist. Professor Dr. rer. nat. Dr. rer. nat. h. c. Klaus Weissennel
Vorwort zur vierten Auflage
Nachdem die dritte Auflage seit einem Jahr vergriffen ist, ist es an der Zeit, eine neue Auflage vorzustellen. Wie auch die vorangegangenen Auflagen richtet sich dieses Lehrbuch mit dem Titel ,,Grundlagen der chemischen Technologie fur Studium und Berufsbildung" an die praxisorientierten Berufe der chernischen Produktion und in den Laboratorien sowie an technische und Ingenieurberufe. Doch auch die Kaufleute vom Vertrieb und der Beschaffung sollen sich durch dieses Lehrbuch angesprochen fuhlen. Die Menschen in einem Chernieunternehrnen mussen so zusammenarbeiten, wie die Mitglieder eines Orchesters zusammen spielen. Jedes Mitglied und jeder Mitarbeiter ist gleich wichtig. Alle miissen in einem Team die gleiche Sprache sprechen. Stoff-, Energie-, Informations- und Kapitalstrome hangen miteinander zusamrnen und mussen gut aufeinander eingestimrnt sein. Das ist eines der Geheimnisse eines erfolgreichen Chernieunternehmens. Deshalb richtet sich dieses Buch auch an die Finanzexperten und Manager, die die Stoffe, Energien und Informationen zu bewerten haben. Nun kann man sagen, wer versucht, einen Personenkreis mit so unterschiedlichen Interessen und Aufgaben anzusprechen, spricht niemanden richtig an. Hier liegt auch die Schwierigkeit moderner Lehrbucher, namlich die geeigneten Themen auszuwiihlen und diese in einer verstandlichen nichtakademischen Sprache zu erlautern. Expertenwissen wieder zu einer Ganzheit zu bundeln, mu8 das Ziel einer modernen Berufsbildung sein. Diese neue Auflage setzt sich aus acht Teilen zusammen: I I1
Chemische Grundlagen Physikalische Grundlagen 111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chernischen Technik V Grundoperationen VI Grundlagen der Arbeitssicherheit VTI Verhalten von Stoffen im Nanobereich VIII Anhang
Teil I umfaBt urn die Reaktionskinetik und die einfachen Grundlagen der Thermodynamik, um die Bedeutung der Energie besonders hervorzuheben. Den Abschlu8 bildet ein Abschnitt uber vergleichbare mathematische Funktionen in Natur und Technik. In Teil I1 werden die Thernen Wiirmelehre, Elektrizitatslehre, Elektrolyse und Disperse Systeme ausfiihrlich behandelt. In Teil I11 werden wichtige Prozesse zur Herstellung von chemischen Massenprodukten beschrieben. Wegen ihrer besonderen Bedeutung werden in der vorliegenden Auflage die Oxoverbindungen sowie Farbmittel, Farbstoffe und Pigmente intensiv beriicksichtigt. Das Kapitel ,,Chemie und Umwelt" unterstreicht den Entsorgungsaspekt in der chemischen Produktion und will den lernenden Leser fur die aktuelle Umweltproblernatik sensibilisieren. Ein umfangreiches Kapitel irn Teil 111 nehmen die Stoffkreislaufe des Wassers, des Kohlenstoffs, Stickstoffs, Phosphors, Sauerstoffs, Schwefels, Wasserstoffs und Chlors ein. Es sind diejenigen Elemente, die die groBe Produktionspalette der Chemiewirtschaft ausrnachen. Es sind aber zugleich auch die Elemente, die maBgeblich am Aufbau der biologischen Systeme, einschlieBlich des Menschen, beteiligt sind. Chemische Industrie, chemische Forschung und die Chemie der Natur sind nichts Gegensatzliches. Das hohe Bevolkerungswachstum zwingt uns dazu, die Chemie der Technik und die der Natur als Erganzung zu begreifen. Dieses Umdenken ist in vollem Gange und wird noch manche Produktionsverfahren verandern. Eine Chernieanlage ist ohne geeignete Maschinen, Gerate und Apparaturen nicht vorstellbar. Oft ist es schwierig, die entsprechenden Werkstoffe zu finden, um die gewunschten chemischen Reaktionen kontrolliert ablaufen zu lassen. Dem Teil IV ist sornit das Kapitel ,,Werkstofflcunde - eine Einfiihrung" hinzugefugt worden. Teil V wird durch das Therna ,,Grundoperationen" charakterisiert. Mit diesem Thema sol1 die Vielfalt der Prozesse in der chemischen Fabrik, die weniger chemischer, sondem mehr physikalischer und rnechanischer Natur ist, transparent
VlIl
Vorwort zur vierten Auflage
gernacht werden. Es wird gezeigt, daB das Prinzip vieler Grundoperationen den Kuchen in den Haushalten abgeguckt worden ist. Teil VI ,,Grundlagen der Arbeitssicherheit" beriicksichtigt in der vorliegenden Uberarbeitung neben den Grundlagen die rnodernen SchutzrnaBnahrnen und die aktuellen Gesetze. Teil VII skizziert kurz die Eigenschaftsveranderungen von Stoffen irn Nanobereich. Eine Auflockerung erfZhrt die vierte Auflage durch viele neue Skizzen, Abbildungen und FlieBschemata, die dern Leser auf einen Blick das Wesentliche vermitteln. Vorangestellt ist wieder die Landkarte der Chemiestandorte Deutschlands (s. S. 3). Sie sol1 u.a. auch auf die Bedeutung der Chemieregion zwischen Saale und Elbe hinweisen. Statt der Werkfotos vor den einzelnen Teilen sind Skizzen eines jungen Kunstlers eingefugt worden, die das geistige Wesen eines technischen Prozesses eingefangen haben. Technik ist nicht nur rationale Nuchternheit, Technik ist auch kunstlerische Phantasie und kulturelle Innovation.
Ein Lehrbuch vollig allein zu schreiben und herzustellen ubersteigt in einer Zeit der spezialisierten Arbeitsteilung das Vermogen des Autors. Viele helfende Menschen wirkten mit. Allen danke ich an dieser Stelle fur ihre Hilfsbereitschaft herzlich. Fur das sorgfaltige Anfertigen von Typoskripten der iiberarbeiteten Kapitel bedanke ich mich bei der Textverarbeiterin Frau Marlene Weber. Herm A. Beck danke ich fur die viele Miihe, die er fur die Zeichnungen aufgewendet hat. Auch den Freunden und Kollegen aus vielen Chernieunternehrnen sei aufrichtig Dank gesagt fur die zahlreich erhaltenen Informationen. Erst diese Informationen rnachten es rnoglich, aus einern klassischen Chernielehrbuch ein Buch der Chernischen Technologie fur die Berufsbildung und Praxis werden zu lassen.
Universitat Rostock Februar 200 1
Vollrath Hopp
Einfuhrung - Was sind die Grundlagen einer naturwissenschaftlichenBerufsbildung?
Eine Analyse der Buchthemen auf dem Markt der Lehrbiicher ergibt, dal3 das umfangreiche Angebot sich vorwiegend an zwei groBe Leserkreise wendet. Das sind die Schuler der allgemeinbildenden Schulen einschliel3lich der Berufsschulen einerseits und die Studenten der Universitaten andererseits. Die immer zahlreicher werdende dritte Gruppe der Techniker und Ingenieure von den Fachund Fachhochschulen und der Berufstatigen aus der Industrie und dem Handwerk, die uber Weiterbildungskurse zusatzliche Berufsqualifikationen erwerben wollen, wird kaum angesprochen. Es handelt sich bei diesem Personenkreis um Menschen, die den Zugang zu den Ingenieurund Naturwissenschaften uber anwendungsorientierte Fragen und Probleme gewinnen. Ihr Bildungsweg fuhrt vom Spezialproblem und Detailwissen zu den allgemeinen Gesetzen der Naturund Ingenieurwissenschaften, in die alle Spezialkenntnisse eingebettet sind. Hierin besteht eine wichtige didaktische Herausforderung fur Biicher zur Einfiihrung in die Grundlagen der angewandten Natur- und Ingenieurwissenschaften . Eine zweite wichtige didaktische Forderung ist eine gut verstandliche Sprachfomulierung der Probleme, ihrer Erlauterungen und konsequenten schrittweisen Herleitung von Losungsmoglichkeiten. Die ausgewiihlten Themen behandeln vorwiegend die allgemeinen Grundlagen der angesprochenen Fachgebiete und weniger die detaillierten Spezialfragen. Damit wird bewul3t auf die Bedeutung des Grundlagenwissens in der beruflichen Bildung hingearbeitet. Das Spezialwissen mul3 von Fall zu Fall am Arbeitsplatz envorben werden. Mit diesem Lehrbuch sol1 das interdisziplinare Denken und Arbeiten gefordert und ausgelost werden . Faktenwissen ist die eine Saule der Berufsqualifikation. Dieses Wissen in die Systeme der Technik und Natur einzuordnen, um Prozesse in der Technik und der Natur zu erkennen und zu verstehen, ist die zweite Saule der Berufsqualifikation. Durch sie wird Berufsqualifikation erst
zur Berufsbildung und somit zu einem erganzenden Bestandteil der allgemeinen Bildung . Beobachten, Vergleichen, Messen, Interpretieren und SchluBfolgerungen ziehen sind die Schlusseltatigkeiten eines Meisters, Technikers, Ingenieurs und Wissenschaftlers. Um immer wieder nachvollziehbar und reproduzierbar vergleichen zu konnen, miissen die Fahigkeiten des Messens und Rechnens gut beherrscht werden. Grundkenntnisse in Mathematik sind eine wichtige Voraussetzung, um Vorgange in der Technik und der Natur beschreiben und beurteilen zu konnen. Die behandelten Themen wenden sich dem Stoff, den Prozessen und Methoden, durch die er bearbeitet und verarbeitet wird, und den Apparaten und Geraten zu, die zu einer Stoffumwandlung notig sind. Stoff- und Energiestrome, ihre Wechselwirkungen sowie die dazu erforderlichen Behaltnisse und Transporteinrichtungen bestimmen die komplexen Systeme der Technik und der Natur.
Fachiibergreifendes Denken In erster Linie wendet sich dieses Buch an Menschen, die in unserer technischen Welt mit dem Stoff zu tun haben. Damit ist die Stoffgewinnung, Stoffaufbereitung, der Stoffumsatz, die Stoffreinigung und die Weiterverarbeitung von Stoffen zu Nutzungs- und Gebrauchsgutern gemeint. Stoffe und deren Umwandlungen sind komplexe Systeme. Ein breites Grundlagenwissen ist notig, um die Stoffumwandlungen in der Natur und die in der industriellen Welt zu verstehen. Gesetze aus Teilgebieten der allgemeinen Natur- und Ingenieurwissenschaften mussen fachubergreifend miteinander verknupft werden, um die unterschiedlichsten mit dem Stoffumsatz verbundenen Probleme zu losen (Abb .I ) . Warum werden immer wieder neue Lehrbucher geschrieben? Nicht deshalb, wed das Wissen veraltet und durch neues Wissen ersetzt oder ergiinzt werden muB. Das gilt fur manche Spezialgebiete, aber nicht fur die Grundlagen der Natur- und Ingenieurwissenschaften.Die Gesetze uber die Vorgange in der Natur und Technik
X
Einfuhrung
Abb. 1. Der Energie- und Stoffumsatz und seine fachubergreifenden Arbeitsgebiete.
andern sich nicht. Es andern sich die jeweiligen Aspekte, unter denen sie angewendet werden, bzw. die Phanomene und Fragestellungen. Die Fahigkeit, bekannte Gesetze auf neue Erscheinungen zu ubertragen, mu8 geubt und gelehrt werden. Das ist eine weitere Forderung an moderne Lehrbucher. Nicht alles kann ausgebildet oder studiert werden, was spater warend der Berufsausiibung gefordert wird. Fur die Berufsschulen, Technikerschulen und auch fur die Hochschulen heiRt das, technisches und naturwissenschaftliches Denken und Arbeiten wahrend der Ausbildung bzw. des Studiums auf einer breiten fachubergreifenden Grundlage zu fordern. Weg vom verengenden linearen Denken zum Denken in Analogien, Kreislaufen und vernetzten Systemen. Das ist die dritte Herausforderung an die Fachkrafte der Wissenschaft und Technik. Dieses Buch wendet sich an die Chemiefachkrafte ebenso wie an die Ingenieure der verschiedenen Arbeitsbereiche. Denn sie arbeiten in der Produktion, der Anwendungstechnik, der Beschaffung, im Vertrieb und auch in der Wissenschaft im Team. Je mehr Fakten und Daten in unserem technischen Geschehen und wahrend des wissenschaftlichen Arbeitens anfallen, desto notwendiger ist es, nach Grundmodellen und Fundamentalgesetzen Ausschau zu halten, um die Mu-
ster zu erkennen, nach denen die Prozesse in der Natur und Technik ablaufen. Analoge Betrachtungen zwischen den Informationssymbolen unserer verbalen Sprache, dem Binarsystem in der lnformatik und den Reproduktionscodes der biologischen Systeme und dem biologischen Bauprinzip mogen das verdeutlichen. Abbildung 2 zeigt die Gemeinsamkeiten von einfachen zu komplexen Bausystemen, sie zeigt den damit verbundenen Energieaufwand. Mit dem Erkennen der Gemeinsamkeiten schalen sich auch zugleich die Unterschiede heraus. Diese Betrachtungsstrategie wurde von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) erstmals formuliert. Heute ist sie Bestandteil modernen wissenschaftlichen Arbeitens und wirkt integrierend in die Steuerungs- und Regelungsmechanismen stofflicher und energetischer Umwandlungen hinein. ,,Ein neues System der chemischen Philosophie" lautete der Titel von John Daltons Buch von 1808, mit dem die moderne Chemie begann. Es war einer der ganz groRen Wurfe der wissenschaftlichen Literatur: DaR alle Stoffe aus gleichartigen Atomen oder Molekulen bestehen, wurde dargelegt, daR die Substanzen atomweise miteinander chemisch reagieren, alle Stoffe also die Elemente in ganzzahligen Mengenanteilen enthalten.
Einfuhrung
Komplexe Systeme
Schrtftsprache
W h e n aus Wirtschafl und Technologie
f2z:khsm zEEle
Programme Datebn
(Erbinformation)
Dalensatz
(Teil der DNS)
Blologlsch-
Sprache und
Sllben
Variabel lang Kombinatlon Bus 36 Zetchen Unendlikh vide Miylliikeiten 36 Zeichen
Einheitliche Lange
I
Strukturgen (Teil sines Gens)
Einheilliche Liinge
8 Zeichen (1 Byie) 3 Zelchen (TtipletI) P=256Mtiglichkeiten 43 = 64 Mglichkeibn Z. 6.: ooiioioi I ACG, ACC, CGT AABBABAB AS,, AS?, ASS' 2 Zeichen
4 Zeichen (Aminobasen)
XI
Komplexe Systeme
Organismus (Komplexe ZellZellstrukturen Organellen: Miichondrien, ChbroDhsten) Blopolymere: Nudeinauren. ATP:' Proteine, Kohlenhvdmte. Fetle Biomonomere: Nucleotide (Aminobasen, Einfachrudter, Phospho-ure), Aminosliuren, Acetylrest, Porphyrin leinfache chem.
Elemente Sonderzeichen
Symbole und Bauelemente nach V. Hopp u. L. Mischnick
Abb. 2. Analogien zwischen Alphabet, Binarsystern und biologisch-chernischen Infonnationssystemen unter
Einbeziehung der Nanotechnologie * APS = Arninosaure, A = Adenin, C = Cytosin, G = Guanin,T = Thymin, U = Uracil ** ATP = Adenosintriphosphat
John Daltons ,,Philosophie" hatte die Vorstellung bereits nahegelegt , und die Quantenmechanik hat sie bestatigt: Die Atome binden sich aneinander mit Hilfe gerichteter Valenz-,,Anne" (und nicht etwa durch kugelsymmetrische Kraftfelder). Die Folge: Molekule sind raumliche Strukturen. Und immer deutlicher schalte sich die Erkenntnis heraus, da13 die makroskopischen Eigenschaften der Stoffe nicht nur von der Zusammensetzung, sondern ebenso von der speziellen Struktur ihrer Molekule bestimmt werden. Der Chemiker unserer Tage denkt daher prinzipiell raumlich. Der Computer hat schon bald nach seiner Erfindung in der Chemie ,,Arbeit bekommen" friiher als in vielen anderen Wissenschaften. Das konnte im Grunde auch gar nicht uberraschen: Das, was die Chemie erforscht und hervorbringt, jede ihrer Hunderttausende, ja Millionen ,,Verbindungen", setzt sich aus einer nur kleinen Zahl von Baustein-Sorten zusammen, ist - gemaB Daltons ,,chemischer Philosophie" - ein kleiner, groBer oder mitunter auch riesiger Komplex aus
einer Handvoll Atomarten. Die Chemie hat also einen in hohem Grad kombinatorischen Charakter - und wer vermochte wohl besser eine unabsehbare Vielfalt von Kombinationen zu bilden, zu erfassen und zu verwalten als der Computer?
Vom Wissen zur Bildung Beobachten, Messen und Vergleichen ist die eine Seite der naturwissenschaftlichen Arbeitsmethoden. Sie allein fuhren nicht zu objektivierbaren Erkenntnissen. Auf der anderen Seite miissen die Forschungs- und Untersuchungsergebnisse im Zusammenhang mit denen von Nachbardisziplinen gesehen werden. Eine einfache Summierung von Fakten, Daten und Teilwissen bringt uns dem Verstandnis der Welt und des immer wieder faszinierenden Menschen keinen Schritt niiher. Dazu gehoren manuelles Geschick zum Experimentieren und theoretische Modelle, die die Teile zum Ganzen verbinden und veranschaulichen
XI1
Einfuhrung
um mit den Worten Werner Heisenbergs* zu sprechen. Es gilt, das Expertenwissen wieder zu einer Ganzheit und Gesamtschau zusammenzufugen, damit Wissen zur Bildung wird. Dann konnen die
-
*
Heisenberg, Werner (1901-1976) dtsch. Physiker. Arheitsthemen: Heisenbzrpsche Unwharferelation. Weltformel.
Naturwissenschaften anregend und beeinflussend auf Weltanschauung und Selbstverstandnis wirken. Die Natur erkennen und verstehen, das ist ein wichtiger Beitrag der Ingenieur- und Naturwissenschaften zur Bildung.
Inhalt
Griindungszeit und Standorte von Chemieunternehmen
2
0.1 Die Griindungszeit europaischer Chemieunternehrnen 1 0.2 Cherniestandorte in Deutschland 2
4
I
Chemische Grundlagen
6
Chemische Definitionen 12 Wasser 34 Sauren 37 Laugen oder Basen 42 Der pH-Wert, ein MaR fur die
7
0
3
Wasserstoffionen-Konzentration 44 Neutralisationsreaktionenund Salzbildung 46 7 Anorganische Oxoverbindungen Wasserstoffperoxid und Perborate 48 Kohlenwasserstoffe 56 8 Arornatische Verbindungen 9 (Aromaten) 63 10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik 113 11 Grundbegriffe aus der Thermodynarnik 134 12 Vergleichbare rnathernatische Funktionen zur Beschreibung von Prozessen in Natur und Technik 145 Literaturhinweise zu Teil I 162
6
Einige physikalische Grundlagen Kristallsysterne, ein Uberblick 167 Mechanik fester Korper 169 Mechanik der Gase 172 W m e l e h r e 177 Elektrizitatslehre 189 Disperse Systeme 198 Literaturhinweise zu Teil I1 2 13 111 Produktionsverfahrenzur
Herstellung von Chemischen Grundprodukten 1
Der Stoff- und Energieurnsatz in der chernischen Industrie 222
5
8 9 10
11 12 13 14
Vorn Steinsalz zu Chlor, Natronlauge und Soda 273 Methanchlorierung 286 Schwefelsaureherstellung nach dem Doppelkontaktverfahren 289 Vorn Rohphosphat zur Phosphorsaure 294 Aluminium- und Siliciurngewinnung 303 Vorn Luftstickstoff iiber Ammoniak zurn Diingernittel 3 18 Harnstoffsynthese 33 1 Sy nthesegaschernie 335 Ethylen und Propylen als Schliisselprodukte 357 Die Herstellung von Bioprotein 363 Chemie und Umwelt 369 Die Chernie des Erdols und der Kohle 413 Sto!Tkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik 439 Literaturhinweise zu Teil 111 500
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik Werkstoffe 5 1 1 Schraubenverbindungen 537 Rohre und Rohrleitungen 539 Absperrvorrichtungen 545 Kontrolleinrichtungen (MeRgerate) 552 Dichtungen an Wellen 573 6 7 Lagerung und Forderung von festen Stoffen 575 Lagerung und Forderung von 8 Fliissigkeiten 579 Lagerung und Forderung gasformiger 9 Stoffe 585 10 Dosieren 588 I 1 Heizung und Kiihlung 592 12 Reaktionsapparate 598 Literaturhinweise zu Teil IV 605
XIV
Inhalt
V
Grundoperationen
1
Grundlagen der chemischen Verfahrenstechnik 610 Trennung auf thermischem Wege 613 Mechanische Trennung von Feststoffen und Fliissigkeiten 634 Trocknen 640 Zerkleinem 644 Klassieren von Festoffen 649 Mischen 654 Fermentation 662 Literaturhinweise zu Teil V 663
2 3
4 5 6 7 8
Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz und nach der Gefahrstoffverordnung, VBG 125 7 13 16 Schlubbemerkung 720 Literaturhinweise zu Teil VI 720 15
VII Verhalten von Stoffen im Nanobereich 1 2
3 4
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit 5 1
2 3 4
5 6 7 8 9 10
11 12 13 14
Sicherheit - die Verantwortung eines jeden Mitarbeiters 669 Verhalten im Laboratorium und Betrieb 670 Personliche Schutzausriistung 674 Leitem und Geriiste 678 Transport 680 Lagem und Stapeln 68 1 Arbeiten an laufenden Maschinen 682 Arbeiten mit atzenden Stoffen 684 Gesundheitsschadlicher Staub 685 Giftige und gesundheitsschadigende Feststoffe und Flussigkeiten 686 Case und Darnpfe 688 Brand- und Explosionsgefahr 696 Gefahren durch Druck 705 Gefahren des elektrischen Stroms 708
Definition 724 Beispiele fur physikalisches Verhalten 725 Oberflachen- und Grenzflacheneffekte 726 Biologische Systerne im Nanobereich 728 Kohlenstoff-Nanorohrchen 729 Literaturhinweise zu Teil VII 729
VIII Anhang 1 2 3 4
SI-Einheiten 732 Das griechische Alphabet 734 Vorsatzzeichen fur Zehnerexponenten 735 Literaturhinweise zu Teil VIII 735 Zusammenschliisse europaischer Chernieuntemehmen - Ubersicht 736
Register 737
0 Grundungszeit und Standorte von Chemieunternehmen
0.1 Die Grundungszeit europaischer Chemieunternehmen Die Kondratiew-Zyklen Die moderne Industrialisierung der Welt ging von England aus und setzte mit dem Bau einer Dampfmaschine durch James Watt ein. Die darauf folgenden 200 Jahre waren bis in die Gegenwart immer wieder von neuen Innovationsschuben gekennzeichnet. Der beriihmte russische Volkswirtschaftler Nikolai Dimitrejewitsch Kondratiew (1892-1930) faBte diese Technologieschube zu Zyklen zusammen und leitete daraus bestimmte GesetzmaBigkeiten ab, die als die Kondratiew-Zyklen in die Literatur eingegangen sind. Stalin paf3ten diese Uberlegungen nicht in sein bolschewistisches Fortschrittskonzept, so daO Kondratiew im Moskauer Gefangnis eingesperrt und hingerichtet wurde. Den einzelnen Schwingungsphasen bzw. Frequenzen ordnete er eine Zeit von 4-60 Jahren zu, bis sie dann von einem neuen Innovationszyklus abgelost werden. Hohen und Tiefen werden als Begriffe fur Zustandsbeschreibungen von Prozessen vermieden. An ihre Stelle treten die Innovations- bzw. Aktivitatsphasen einerseits und die Regenerationsphasen andererseits. Die Unterschiede zwischen ihnen sind bei zeitlicher Verschiebung als Amplituden aufzufassen, die von den Innovationsbooms und den Regenerationsphasen begrenzt werden. Auf diese Weise gelangte Kondratiew zu den langen Wellen der wirtschaftlichen Konjunktur und ihren Basisinnovationen. Dieses Denkmodell ist auf alle biologischen und soziologischen Prozesse ubertragbar, den Lebensrhythmus des Menschen eingeschlossen. Damit wird die gemeinsame Dynamik technischer, wirtschaftlicher, biologischer und soziologischer Vorgange deutlich und ihre Vernetzung sichtbar. Auf eine Aktivitatsphase folgt immer wieder eine Ruhe-, d. h. Entspannungsphase. Das ist ein von der Natur vorgegebener Rhythmus, ein Vermeiden von Hoch und Tief in der Be-
schreibung von konjunkturellem Aufschwung und Abschwung entdramatisiert die oft hochgespielten Vorgiinge an der Borse. Der 7. Kondratiew wird wegen der zunehmenden Weltbevolkerung von dem soziologischen und psychologischen Verhalten der Menschheit bestimmt . Psycho-soziologische Innovationen werden groRe Bedeutung gewinnen (Abb. 0-1). Studiert man die Geschichte der weltbekannten Chemiefirmen, so fallt auf, daB die meisten von ihnen im 19. Jahrhundert gegriindet wurden (Abb. 0-1 und Tab. 0-1). Sie blicken damit auf eine lange Tradition wissenschaftlichen und produzierenden Arbeitens zuriick. Ihre Griindungen fallen in eine Zeit, als die Chemie sich aus der Alchemie zur erkenntnistrachtigen Naturwissenschaft entwickelte. Namen wie Antoine L. Lavoisier (1743-1794), John Dalton (1766-1844), Julius Lothar Meyer (1830-1895), Dimitrij I . Mendelejew (1834-1 907), Robert J. Mayer (1814-1878), Josiak W. Gibbs (1839-1903), Hermann v. Helmholtz ( 1821-1 894), James Watt (173&1819), Werner v. Siemens (1816-1892), Georg S . Ohm (1789-1854) und viele andere stehen fur die spannenden Entdeckungen der Gesetze der Stoff- und Energieumwandlungen. Am Ende des 18. Jahrhunderts (1789) hatte James Watt in England mit seiner Dampfmaschine die Kohle als Energietrager fur eine allgemeine Technik nutzbar gemacht. Zu nennen sind auch Werner v. Siemens und Georg S. Ohm, die die Gesetze des elektrischen Stroms fur den technischen Einsatz von elektrischer Energie anwendeten. Es war auch eine Zeit, in der in Europa die Bevolkerung stark zunahm und Hunger fur die Massen selbstverstandlicher war als satt zu sein. Viele Menschen wanderten nach den USA und Sudamerika aus. Die franzosische Revolution von 1789 zeigt ebenfalls ihre befreienden Wirkungen. Der Drang nach geistiger Loslosung von feudalen und kirchlichen Herrschaftsstrukturen tat sein ubriges (Abb. 0-1). Mit der Kohle gab es einen interessanten und unerschopflichen Rohstoff fur die Griindungen von Chemiefirmen. AuBerdem lie0 sie sich zugleich als Energiequelle nutzen. Wasser gab es in
2
I Cheniische Grundlagen
Innwationsamlaser Innovations-
umsetzung
z.:g2nQer
W v Siemens
~-
J Wan
Damphaschine - - - .. - Baumwolle
F KNPP
Stahl Elsenbahn G Siephenaono
Ohm
W. Shakley K Zuse
G.Natta
Elektrotechnik Petrochemie Chemie Automobil F Haber u
Informationstechnik
E ChargaW
K Lomz
F H Cn&
VerhaltensSYSteme
810- und Gentechologle J. D. WaUon
H Ford
Innovation
Regeneration-. Weltbevolkerung-- -
- 1.8 Mrd.
- 1 Md. I
I 1. KONDRATIEFF
11790 Franz. Revolution
I ~
Knege
- 2.5 Mrd
I
-6Mrd.
-6Mrd
I
1
- - 7 - - + - -
I
1 2 . I 3 1 4 . 1 5 . 1 6 . 1 7 . I KONDRATIEFF I KONDRATIEFF I KONDRATIEFF I KONDRATIEFF 1 KONDRATIEFF I KONDRATIEFF
I
I
1850
1900;
I
I
I
1950
1 Weltkneg 2 . Weltkfleg
I 2000
i
--l--I-2010
2020
[Zeit]
Endedes ' Kallen Kneges Globalb'erung
Abb. 0-1. Die Kondratiew-Zyklen - Rhythrnische Innovationsfolgen im Laufe des Beviilkerungswachxtums
und ihrer Industrialisierung.
Europa in seinen vielen Flussen genug. Auf ihnen konnten Rohstoffe und Endprodukte schnell und einfach transportiert werden. Ebenso waren die Flusse Wasserspender fur Kuhlung, Reaktionsmedien und Reaktionskomponenten. Mit der Nutzung der Kohle als Energiequelle wurde auch dem Abholzen der Walder in Europa Einhalt geboten. Bis dahin war Holz neben der Wasserkraft der einzige Energielieferant. Die Chemie des 19. Juhrhunderts war eine Kohluchrmie. Viele junge Chemieunternehmen dieser Zeit suchten ihr Cluck in der Produktion von Farben. Das Kapitel der chemischen Industrie begann mit dem schwierigen Gebiet der Aromutenchemie. Es bedurfte groBer Anstrengungen, um eine entsprechende Aliphatenchemie auf Kohlebasis zu entwickeln. Die Carbidchemie legte dafur ein beredtes Zeugnis groBen Erfindergeistes ab. Die Carbidchemie ist eine sehr energieaufwendige Chemie, da fur die Kohlehydrierung der Wasserstoff aus dem Wasser bereitgestellt werden mulJ. Die Geschichte der Primarchemikalien aus den verschiedenen Rohstoffquellen liest sich zusammengefal3t wie folgt: 19. Jahrh. Kohlechemie:
20. Jahrh. Petrochemie: \
Ethylen
/
/
C=C
\
Aromaten
8
ca. ab 1975 Chemie der nachwachsenden Rohstoffe: I I Ethanol -C-C-
'
I
OH
Das Bemuhen in der Rohstoffversorgung bestand immer darin, ausreichende C,- oder Aromatenbausteine, wie z.B. Acetylen, Ethylen usw., Benzol, Toluol, Xylole und Naphthaline, zur Verfugung zu haben.
0.2 Chemiestandorte in Deutschland In Deutschland gibt es drei groBe Regionen mit Chemiestandorten. Sie befinden sich entlang des Rheins, sudlich der Donau und in Mitteldeutschland zwischen Saale und Elbe. Die VEB-Chemiekombinate sind inzwischen in Aktiengesellschaften umgewandelt worden und befinden sich in einer Umstrukturierung.
0 Grundungszeit und Stdndorte von Chemieunternehmen
3
Abb. 0-2. Chemiestandorte entlang des Rheins und in Deutschland.
Rohstoff- und Energieversorgung , Transportmoglichkeiten, Markt- und Kundenniihe, qualifizierte Fachkrafte und geeignete politische Rahmenbedingungen waren die Griinde, daB sich in den drei genannten Regionen Chemiefirmen ansiedelten, die sich im Laufe eines Jahrhunderts zu internationaler Bedeutung entfalteten. Das Merkmal einer chemischen Produktion ist der Stoff- und Energieumsatz. Die Rohstoffe sollten sich entweder in der Nthe der chemi-
schen Fabriken befinden oder sich leicht transportieren lassen. Bevorzugte Transportwege sind die Fliisse. So ist verstandlich, warum sich in der Mitte des 19. Jahrhunderts zahlreiche Chemiebetriebe langs des Rheins und seiner Nebenflusse, wie Neckar, Main oder Ruhr niedergelassen haben. Die Grundlage der Chemie im letzten Jahrhundert bis zum Ende des zweiten Weltkrieges war die Kohle. Im Ruhrgebiet gab es genug Steinkohle. Auf
4
I Chemische Grundlagen
Tab. 0-1. Beispiele von Grundungen chemischer Firmen (s. auch Abb. VIII- I , S . 736)
Name und Ort
Grundungsjahr
Erste Produkte
Geigy, Schweiz
1759
Handelshaus fur Chemikalien
DuPont: E. J . du Pont de Nemours and Co., USA
1802
SchicBpulver
Riedel de Haen, Seelze, seit 1995 zu Allied Signal gehbrend
1814
Natriumsulfit, Antimonsalz
Merck AG, Darmstadt
I668 Apotheke 1827 Fabrik
Ptlanzeninhaltsstoffe, Morphin
K. Oehler, OffenbachiM (Werk Offenbach der Hoechst AG), seit 1999 zu Clariant gehorend
1842
Teerdestillation, Zwischenprodukte fur Farbstoffe
Riitgerswerke AG, Frankfurt/M
1849
Aromatische Kohlenwasserstoffe aus Kohle und Teer
Pfizer, USA
1849
Weinsaure, Kampfer
W. C. Heraeus, Hanau
1x51
Chem.-techn. Apparate aus Platin-Gold. Platin-Rhodium
Schering, AG, Berlin
I853 Apotheke
Chemikalien fur Photographie und Pharmazie
Chemische Werke Griesheim-Elektron, FrankfudM, seit 1999 zu Clariant gehorend
1856
Soda nach Leblanc. Schwefelsaure Knochenleim. wasserlosliche Stickstoffund Phosphordunger
Landwirtschaftlich-chemischeund Leimfabrik, Biebrich a. Rhein, seit 1999 Industriepark Kalle- Albert Ciba, Schweiz
1859
Fuchsin
Boehinger Mannheim GmbH, Mannheirn, seit 1998 Roche Diagnostics GmbH
1859
Chinin
Hoechst AG, FrankfudM
1863
Fuchsin, Anilinol, seit 1999 in verschiedene Nachfolgefirmen aufgeteilt
Bayer AG, Leverkusen
1863
Fuchsin, Alizarin
Kalle und Co., Biebrich a. Rhein, seit 1999 Industriepark Kalle-Albert
1863
Fuchsin, Violett, Biebricher Scharlach
Solvay u. Cie. S. A., Belgien
1863
Soda
Dr. Theodor Schuchhardt, Gorlitz (heute Munchen)
1865
Org. und anorg. Praparate, photographische Chemikalien
BASF AG, Ludwigshafen
1865
Fuchsin. Anthrazenblau. Soda
Agfa (Aktiengesellschaft fur Anilinfabrikation), Leverkusen (heute Bayer AG)
I870
Anilin, Fuchsin, Malachitgrun
Cassella AG, FrankfudM, seit 1999 zu Clariant gehorend
1870
Zwischenprodukte auf Basis Naphthalinderivate, Teerfarbstoffe
Degussa AG, Frankfurt/M
1873
Edelmetalle und deren S a k e
Henkel KGaA, Dusseldorf
I876
Wasserglas, ATA
Eli Lily a. Co., USA
I876 Apotheke
Pharmazeutika
Linde AG, Wiesbaden
I879
Luftzerlegung
0 Griindungszeit und Standorte von Chemieunternehrnen
5
Tab. 0-1. Fortsetzung. Name und Ort
Griindungsjahr
Erste Produkte
Deutsche Gelatine Fabriken Gebriider Koeuff, I880 Goppingen, heute DGF Stoess, Eberbach
Gelatine
Metallgesellschaft, FrankfudM, seit 2000 mg technologies
1881
Aufarbeitung von Erzen
Beiersdorf AG, Hamburg
1882
Hansaplast
Edison SPA, USA
1884
Elektr. Energie
C. H. Boehringer Sohn, Ingelheim
1885
Zitronensaure
Knoll und Co., Ludwigshafen (heute BASF AG)
I886
Alkaloide, Methylmorphin
Sandoz AG, Schweiz, 1998 in Novartis eingegangen
I886
Anilinfarbstoffe
Montecatini SPA, Italien
1888
Anorg. Chemikalien
Hoffrnann-LaRoche und Co., Aktiengesellschaft,Schweiz
1896
Pharmazeutika
Tropon GmbH, F r a n k f u m - Boston USA
1897
Tropon aus Fleischfasern und Leguminosen
DOW Chemicals, USA
1897
Anorg. F’rodukte
Monsanto, USA
1901
Gumrnichemikalien
Norsk Hydro, Norwegen
1903
N-Diingemittel
Rohm GmbH, Darmstadt, ab 2001 zur neuen Degussa gehorend
1907
Chemikalien zur Lederbearbeitung
1. Ammoniakfabrik (BASF)
1912
Ammoniak
Wacker Chemie GmbH, Miinchen
1914
Essigsaure, Aceton Pharmazeutika
Roussel-Uclaf S. A,, Frankreich
1920
ICI Imperial Chemical Industries, England
1926 durch Zusam- Farben, anorg. Chemikalien, ZwischenrnenschluB von 4 produkte, Polymere, Pharmazeutika engl. GroBfirmen
Ruhrchemie AG, Oberhausen, seit 1999 zu Celanese gehorend
1927
RhBne Poulenc S. A,, Frankreich
1928 durch Fusion der SociCtC des Usines du RhBne (1895) rnit Etablissement Poulenc Frkres ( I 858)
Veba Oel AG, Gelsenkirchen, seit 2000 mit Viag zur E.on fusioniert
1935
Kohle-Hydrier-Benzin
Hiils Aktiengesellschaft, seit 2001 in neue Degussa eingegangen
1938
Synthesekautschuk
Ticona, Kelsterbach, seit 1999 zu Celanese gehorend
1961
Kunststoffe
Montedison SPA, Italien (aus Montecatini SPA und Edison SPA entstanden)
1966
Montecatini 1988 (Anorganika) Edison 1884 (Energie)
Ciba-Geigy AG, Schweiz (Fusion der beiden Firmen Ciba und Geigy)
1970
Farbholzer, Fuchsin
Zeneca aus ICI hervorgegangen
1993
Pharmazeutika
Veredlung von Kohle
6
I Chemische Grundlagen
Tab. 0-1. Fortsctzung.
Name und Ort
Grundungsjahr
Erste Produkte
1995 Dystar GmbH, Frankfurt. Zusammcnschlufi der Geschaftsbereiche Textilfarben der BASF, Bayer und Hoechst AG
Text i lfarben
Astra Zeneca aus IC1 und Astra
1995198
Pharmazeutika
Novartis aus Ciba Geigy und Sandoz
1998
Pharmazeutika. Agrochemikalien
Clariant aus Ciba Geigy und Teile der Hoechst AG
1998
Fein- und Spezialchemikalien
Aventis aus RhGne Poulenc und Teile dcr Hoechst AG
1999
Pharmazeutika. Agrochemikalien
Syngenta AG, hervorgegangen aus Teilen von 2000 Novartis und Astra Zeneca
Agrochemikalien
Degussa AG (neue), fusioniert aus Degussa Huls und SKW
Fein- und Spezialchemikalien, Biotechnologie. Baustoffchemikalien
200 I
dem Rhein konnte sie einfach und kostengunstig bis nach Basel transportiert werden. Als Erganzung kam spater die Braunkohle im Revier zwischen Koln und Aachen sowie das Braunkohlebecken zwischen Halle und Leipzig hinzu. Das Chemiezentmm in Sudostbayern ist etwas jiinger. Seine Griindung ist auf den billigen elektrischen Strom um die Jahrhundertwende zuriickzufiihren, der aus der Bewegungsenergie der Flusse erhalten werden konnte (Abb. 0-2). Nach dem zweiten Weltkrieg wurde die Kohlechemie von der Petrochemie abgelost. Als zusatzliche Transportwege wurden Pipelines gebaut, in denen Erdol und Fertigprodukte wie z.B. Ethylen transportiert werden. Das Roholnetz in Deutschland hat zur Zeit eine Lange von 3000 km, von denen 2500 km im westlichen Teil liegen. Der Chemieschwerpunkt in Mitteldeutschland orientiert sich im Tieflandbecken um das Gebiet Halle und Leipzig an den Flussen Saale, Mulde und Elbe mit ihren Nebenflussen. Dort dominierte noch die Acetylenchemie auf der Basis von Braunkohle. Die Petrochemie steckt noch in ihren Anfangen. Eine wichtige Erdolleitung kommt aus RuBland und gabelt sich bei Schwedt an der Oder in eine nordliche Richtung zum Ostseehafen Rostock und eine sudliche in die Chemieregion Leipzig/Halle. Vor der Wende am 9. November 1989 gab es in Ostdeutschland 14 VEB-Chemiekombinate, die im wesentlichen nach Produktklassen zusammengefaRt oder abgegrenzt waren. Diese VEBChemiekombinate waren in 100 Kombinatsbe-
triebe gegliedert, die sich an 150 verschiedenen Standorten befanden. In ihnen waren 350000 Menschen beschaftigt. Inzwischen wurden diese ehemaligen Chemiekombinate neu geordnet, verkleinert und teilweise in Aktiengesellschaften umgewandelt. Einige aus der Zeit vor der Spaltung Deutschlands herriihrenden Bindungen und Freundschaften wurden wieder mobilisiert, um auf diese Weise die dritte Chemieregion Deutschlands zu modernisieren. Die BASF AG Ludwigshafen, Bayer AG Leverkusen, Degussa AG Frankfurt, Dralle GmbH Hamburg, Henkel KGaA Dusseldorf, Schering AG Berlin, SKW Trostberg AG, Wella AG Darmstadt und auslandische Firmen, wie Dow Chemical, Elf Aquitaine, um nur einige Beispiele zu nennen, entfalten ein reges Engagement auf dem Produktionssektor in dieser dritten Chemieregion Deutschlands.
Literaturhinweise: Kondratieff N. D. (1926). Die langen Wellen der Konjunktur, Archiv fur Sozialwissenschaft und Sozialpolitik Bd. 56, Nr. 3 . Nefiodew L. A. ( 1 997), Der sechste Kondratieff - Wege zur Produktivitat und Vollbeschaftigung im Zeitalter der Information, 2 . uberarb. Aufl. Rhein-Sieg Verlag, St. Augustin. Hopp, V. (2000), Die Zukunft hat schon begonnen, CIT plus. Heft 3 u . 4.
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Chemische Grundlagen
1 1.1 1.1.1 1.1.2 1.1.3 1.1.4 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 1.3 1.3.1 1.3.2 1.3.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.5 1.6 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.7.4 1.8 1.8.1 1.8.2 1.8.3
2 2.1 2.2 2.3
3 3.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.6 3.7
Chemische Definitionen 12 Physikalische und chemische Vorgange 12 Physikalische Vorgange 12 Phase 12 Dispersion 12 Chemische Vorgange 12 Element und Atom als Begriff 13 Element 13 Das Atom und sein Aufbau 14 Das Periodensystem der Elemente 14 Die Atommasse 16 Absolute Atommasse 16 Relative Atommasse 16 Isotope 16 Molekul und Molekulmasse 19 Molekiil 19 Molekiilmasse 19 Stoffmenge und molare Masse 20 Die chemische Bindung 20 Der Begriff der Wertigkeit 21 Die chemische Reaktion 22 Stoffumsatz 22 Energieumsatz 22 Oxidationsreaktionen mit Sauerstoff 24 Reduktionsreaktionen 29 Metalle 30 Eigenschaften von Metallen 30 Gewinnung von Metallen 30 Halbmetalle 33 Wasser 34 Vorkommen 34 Chemische und physikalische Eigenschaften 36 Physikalische BezugsgroRen 36 Sauren 37 Schwefelsaure 37 Schweflige Saure 37 Phosphorsaure 37 Salpetersaure 38 Kohlensaure 38 Salzsaure 39 Eigenschaften von Sauren 39
3.8
Unterschiedliche Stirken von Sauren 40
4 4.1
Laugen oder Basen 42 Eigenschaften und Verhalten von Hydroxiden 42 Unterschiedliche Stkken von Laugen 43
4.2 5
5.1 6
6.1 6.2 7
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2 7.2.3 7.2.4 7.2.5 7.3 7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6 8 8.1 8.2 8.2.1
Der pH-Wert, ein Man fur die Wasserstof'fionen-Konzentration 44 Definition des pH-Wertes 44
Neutralisationsreaktionenund Salzbildung 46 Neutralisation 46 Eigenschaften von Salzen 46 Anorganische Oxoverbindungen Wasserstoffperoxid und Perborate 48 Begriffsbestimmung 48 Anorganische Oxosauren und ihre Salze 48 Natriumhypochlorit und Chlorkalk 48 Chlorate 49 Perchlorate 49 Permanganate 50 Chromate 50 Peroxoverbindungen 50 GroRtechnische Herstellung von Wasserstoffperoxid 50 Eigenschaften und Verwendung von Wasserstoffperoxid 52 Metallperoxide 52 Hamstoffperoxohydrat 53 Peroxoborate 53 Natriumpercarbonat ,NaPC 54 Kohlenwasserstoffe 56 Gesattigte aliphatische Kohlenwasserstoffe 56 Ungesattigte aliphatische Kohlenwasserstoffe 60 Die homologe Reihe der Alkene 60
10
1 Chemische Grundlagen
8.2.2 8.2.3
Die homologe Reihe der Alkine 61 Kohlenwasserstoffe mit mehreren Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen 62 Cycloaliphatische Kohlenwasserstoffe 62
9.7.5
Aromatische Verbindungen (Aromaten) 63 Aromatische Grundstruktur 63 Einkernige aromatische Kohlenwasserstoffe 63 Mehrkernige aromatische Kohlenwasserstoffe 63 Heterocyclen 64 Funfringe 64 Sechsringe 64 Kondensierte Heteroringsysteme 65 Funktionelle Gruppen 65 Herstellung substituierter Kohlenwasserstoffe 66 Reaktionen an funktionellen Gruppen 68 Chemische Reaktionen 70 Substitutionsreaktionen 70 Austausch- und Umwandlungsreaktionen 73 Herstellung und Weiterverarbeitung aromatischer Zwischenprodukte 79 Farbmittel, Farbstoffe und Pigmente 81 Begriffsbestimmung 8 1 Anorganische Pigmente 8 1 Chemische und physikalische Eigenschaften der Pigmente 83 Optische Eigenschaften pigmentierter Anstriche, Kunststoffe, Betonstoffe usw. 84 Leuchtfarbmittel 86 Chemische Herstellungsverfahren wichtiger Pigmente 86 Anorgnaische Fullstoffe 91 Chemische Herstellungsverfahren wichtiger Fullstoffe 93 Organische Farbmittel 95 Die Entwicklung synthetischer Fdrbmittel 95 Farbigkeit organischer Verbindungen 97 Qualitatsforderungen und Qualitatsmerkmale von Farbmitteln 98 Herstellung synthetischer Farbmittel am Beispiel von Azofarbstoffen 99
9.7.9
8.3
9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.3 9.3.1 9.3.2 9.4 9.4.1 9.4.2 9 .5 9.6 9.6.1 9.6.2 9.6.3 9.6.4 9.6.5 9.6.6 9.6.7 9.6.8 9.7 9.7.1 9.7.2 9.7.3 9.7.4
9.7.6 9.7.7 9.7.8
10 10.1 10.2 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 10.3.5 10.3.6 10.3.7 10.4 10.5 10.6
10.7 10.7.1 10.7.2 10.7.3 10.7.4 10.8
10.8.1 10.8.2
Einteilung der organischen Farbmittel 102 Das Farben von textilen Fasern 108 Organische Pigmente Anwendungsgebiete 109 Farbstoffe fur nichttextile Bereiche 111 WeiStoner 112
Grundbegriffe der Reaktionskinetik 113 Betrdchtung einer chemischen Reaktion 113 Die Reaktionszeit I 13 Die Reaktionsgeschwindigkeit 115 Allgemeines 115 EinfluB der Konzentration der Reaktionspartner auf die Reaktionsgeschwindigkeit 116 Reaktionsordnung 118 Temperaturabhangigkeitder Reaktionsgeschwindigkeit 119 Aktivierungsenergie 120 Katalysatoren 121 Beispiel zur Bestimmung der Reaktionsordnung 121 Reversible und irreversible Reaktionen, Gleichgewichtszustand 122 Das Massenwirkungsgesetz 123 Vom Prinzip des gestorten Gleichgewichtes 123 Reaktionen mit vorgelagertem Gleichgewicht 125 Definition 125 Die Oxidation von Stickstoffmonoxid zu Stickstoffdioxid als Beispiel fur ein vorgelagertes Gleichgewicht 1 25 Die Michaelis-Menten-Gleichung und die Michaelis-MentenKonstante 126 Von einfachen zu komplexen Molekulstrukturen 128 Kriterien zur Beschreibung von Reaktionen in der chemischen Technik und in biologischen Systemen 130 Vergleich chemisch-technischer Systeme mit biologischen Systemen 130 Erlauterungen zu den Kriterien zu den Beschreibungskriterien von Reaktionen 130
1 Chemische Definitionen
11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 11.4.5 11.4.6
Grundbegriffe aus der Thermodynamik 134 Thermodynarnische Zustande und Systeme 134 Kinetik von Systemen 134 Die Verknupfung der Therrnodynamik mit der Reaktionskinetik 134 Energiebilanzierung 135 Der HeBsche Satz 135 Erster Hauptsatz der Thermodynamik 135 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik 136 Entropiebegriff 137 Freie Reaktionsenergie und freie Reaktionsenthalpie 138 Berechnung von Enthalpien und Entropien 139
12 12.1 12.2 12.2.1 12.2.2 12.2.3 12.2.4 12.2.5 12.3 12.3.1 12.3.2 12.3.3
11
Vergleichbare mathematische Funktionen zur Beschreibung von Prozessen in Natur und Technik 145 Zustandsfunktionen 145 Ausgleichsvorgange 145 Das Gesetz fur allgerneine Ausgleichsvorgange 145 Ausgleichsvorgange mit linearern Verlauf 147 Wachsturnsprozesse 147 Abklingvorgange 154 Uberlagerungsprozesse 155 Die Zeit als Parameter in technischen, biologischen, soziologischen und okonornischen Prozessen 158 Kinetik - Betrachtung zeitabhingiger Prozesse 159 Physikalische, biologische und psychologische ZeitmaBe 159 Erfassen von komplexen Vorgangen ZahlundZeit 160
Literaturhinweise zu Teil I 162
Chemische Definitionen
1.l Physikalische und chemische Vorgange 1.1.1 Physikalische Vorgange Die Erscheinungsfurmen gasfiirmig, Jiissig und fest werden unter dem Begriff Aggregatzustande zusammengefaflt. Die drei Aggregatzustande sind durch die Beweglichkeit der Einzelteilchen des Stoffes gekennzeichnet. Im festen Stoff sind die Einzelteilchen unbeweglich, im flussigen Stoff sind sie gleitend, d. h. gegeneinander verschiebbar, und im gasformigen Stoff sind sie frei beweglich. Der Aggregatzustand eines Stoffes wird von seinem Energieinhalt bestimmt. der vun Temperatur und Druck abhangt. Die Anderung des Aggregatzustandes ist ein physikalischer Vorgang.
sehen. Dem festen Aggregatzustand eines Stoffes konnen aber mehrere Phasen entsprechen. Der im festen Aggregatzustand vorliegende Kohlenstoff kommt in den Phasen Diamant, Graphit der seltenen Fullerene* und in der teilweise amorphen Form der Kohle vor.
1.13 Dispersion Liegt eine Phase in einer anderen feinverteilt vor, so spricht man von einer Dispersion (lat. Zerstreuung) oder auch von einem dispersen (feinverteilten) System. Die Phase, die den feinverteilten Stoff enthalt, heifit Dispersiunsmittel. Der feinverteilte Stoff selbst heil3t disperser (oder dispergierter) Bestandteil. Dispersionsmittel und disperser Bestandteil bilden das disperse System. Einige wichtige disperse Systeme sind Tabelle I- 1 zu entnehmen. 1.1A Chemische Vorgange
1.1.2 Phase Als Phase im physikalischen Sinne wird die Erscheinungsform eines in sich einheitlich (homogen) aufgebauten Stoffes bezeichnet. Sie hebt sich gegenuber ihrer Umgebung und anderen Phasen durch scharfe Trennungsflachen ab. Die Aggregatzustande gasformig, flussig, fest werden zugleich als verschiedene Phasen ange-
Wasser, dem das 20fache der zur Verdampfung erforderlichen Energie zugefiihrt wird, verliert die fur das Wasser oder auch fur den Wasserdampf typischen Eigenschaften. Aus dem einheitlichen Stoff Wasser sind zwei neue Stoffe mit vollig anderen Eigenschaften entstanden, namlich Wasserstoff und Sauerstoff, die im Wassermolekul durch die Bindungs-
Tab. 1-1. Beispiele wichtiger disperser Systeme.
Bezeichnung des Systems
Dispersionsmittel
Disperser Bestandteil
Rauch, Aerosol Nebel, Aerosol Schaum Emulsion Sol, Suspension fester Schaum Schlamm
gasformig gasformig fliissig fliissig fliissig fest
fest
fliissig gasformig fliissig fest gasformig,fliissig, fest fest (z. B. Sand)
fliissig (2. €3. Wasser)
*
Fullerene sind groBe Kohlenstoffmolekule, die eine in sich geschlosssene (raumliche) Kafigstruktur aufweisen. Der stabilste und auch bekannteste Vertreter ist das BuckminsterFulleren mit der Summenforrnel CM).
1 Chernische Definitionen
13
W[kJI
2000
1600
Wasser s tof fatoms (ca 1320 kJlmol I
1200
800
Bindungsenergie des Wassermolekuls
LOO
0
.'-fest
(Eis)
Abb. 1-1.Vergleiche zwischen Energien von physikalischen und chemischen Vorgiingen.
energie zusammengehalten wurden: Wasser ist also aus zwei anderen Stoffen zusammengesetzt (Abb. 1-1). Fiihrt man einer dieser beiden Komponenten, d.h. entweder dem Sauerstoff oder dem Wasserstoff, noch mehr Energie zu, so tritt eine Spaltung in weitere Stoffe nicht mehr ein. Im Wasserstoff und im Sauerstoff mussen also elementare Stoffe vorliegen, die sich nicht mehr in weitere Komponenten aufspalten lassen. Bei noch weiterer Zufuhr von Energie nehmen die Stoffe die Eigenschaften von elektrisch geladenen Teilchen an, wenn ihre Ionisierungsenergie iiberschritten wird.
Physikalische Vorgange sind immer mit Anderung von Energieinhalten oder Energieformen verbunden. Bei chemischen Vorgangen treten neben Energieumsatzen stets Stoffumwandlungen auf.
1.2 Element und Atom als Begriff 12.1 Element Der elementare Stoff ,,Wasserstoff" oder das Element Wasserstoff muB also aus Teilchen zusam-
14
I Chemische Grundlagen
mengesetzt sein, die alle den gleichen Charakter haben. Diese Teilchen heiSen Atome. Ein Element ist demnach ein Stoff, der aus Atomen nur einer einzigen Art besteht, z.B. Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Eisen, Quecksilber. In der Natur gibt es ca. 92 stabile Elemente. Sie sind die Bausteine fur die uns umgebende belebte und unbelebte Natur. Wasserstoff und Sauerstoff sowie der in der Luft vorkommende Stickstoff sind solche Elemente. Als wichtige Elemente sollen weiterhin Kohlenstoff, Phosphor, Schwefel, Fluor und Chlor genannt werden sowie die Metalle Eisen, Quecksilber, Kupfer, Gold, Blei, Silber und Platin. Dreizehn weitere Elemente sind kunstlich hergestellt worden; sie kommen nicht in der Natur vor. Dazu kommen weitere 15 Elemente, die aufgrund ihrer hohen Radioaktivitat nur eine sehr kurze Existenzdauer, d. h. Halbwertszeit haben (Abb. 1-2).
122 Das Atom und sein Aufbau Die kleinste, rnit chemischen Mitteln nicht weiter zerlegbare Einheit eines Elementes ist das Atom. Ein Atom besteht aus einem Atomkern und einer Atomhiilk.Ein Atomkern ist aus den Elementarteilchen Protonen und Neutronen zusammengesetzt. Die Atomhiilk besteht aus Elektronen. Die Anzahl der Protonen im Kern ist gleich der Anzahl der Elektronen in der Hiille. Ein Element ist ein Stoff, der aus Atomen einer Art besteht, d. h. aus Atomen mit der gleichen Anzahl Protonen.
1.23 Das Periodensystem der Elemente Die Eigenschaften der Elemente sind auRerst unterschiedlich, sie bedingen ja Ietztlich die Vielfalt der Natur. Zwischen dem leichten, explosiven Gas Wasserstoff und dem Gold liegt eine Welt. Aber schon ein fliichtiger Vergleich zeigt, daR bestimmte Merkmale in ahnlicher Form immer wieder vorkommen: Man kann die Elemente in Familien oder ,,Gruppen" einteilen. Eine Gruppenbildung liegt schon vor, wenn zwischen Wasserstoff als Gas und Gold als Metall unterschieden wird. Eine solche Einteilung kann man verfeinern. Als das eigentlich entscheidende Merkma1 stellte sich schlieRlich die Protonenzahl im Kern der Atome heraus. Ordnet man die Elemente nuch steigender Anzahl der Protonen im Kern, so ergibt sich eine
periodische Anderung der Elementeigenschaf ten. Ein darauf gegriindetes Ordnungsschemu hegt das Periodensystem der Elemente. Die Anzahl der Protonen im Kern, die diese Ordnung bewirkt, he@ Ordnungszahl (Abb. 1-2). Die waagrechten Reihen des Periodensystems, in denen sich die Eigenschafren der Elemente periodisch andern, he$'en Perioden. Die senkrechten Spulten heiJen Gruppen. Die in einer Gruppe untereinander stehenden Elemente haben ahnliche chemische und teilweise auch ahnliche physikalische Eigenschafren. Dabei ergeben sich 8 Gruppen, die man von links nach rechts zahlt und rnit der entsprechenden Gruppennummer versieht. Ganz links im Periodensystem steht die Gruppe I rnit den Alkalimetallen. Die Gruppe ganz rechts rnit den Edelgasen wird allerdings meist als Gruppe 0 (Null) bezeichnet. Erdalkalimetalle und Halogene sind andere wichtige Gruppen. Die Ordnungszahl bestimmt iiber den Aujbau der Elektronenhiille die chemischen und physikalischen Eigenschaften der Elemente. Die Elektronenhiille besteht aus einzelnen Schalen oder Schichten (Orbitalen)*, die rnit Elektronen besetzt sind. Die Elektronen der jeweils aubersten Schale eines Elementes bestimmen dessen chemische Eigenschaften. Elektronen bewirken die chemischen Bindungen. Die Anzahl der Elektronen in der AuSenschale legt fest, wie viele Bindungen ein Atom eingehen kann oder welche Wertigkeit es hat. Die nahere Betrachtung fuhrt auf ein interessantes Ergebnis. Die Gruppennummer legt die maximale Wertigkeit der Elemente in der betreffenden Gruppe fest. Bei den Edelgasen ist die AuRenschale gerade bis zur maximalen Anzahl von Elektronen, die auf dieser Schicht ,,Platz" haben, aufgefullt. Hier besteht nur eine auBerst geringe Neigung, Elektronen aufzunehmen oder abzugeben, und daher sind die Edelgase in der Regel ,,nullwertig", d. h. nur schwer zur Reaktion zu bringen. Dagegen sind die im Periodensystem davor- und danachstehenden Elemente gerade besonders reaktionsfahig, weil sie leicht ein Elektron aufnehmen bzw. abgeben konnen. Wir miissen unsere Diskussion an dieser Stelle abbrechen und auf eine weitere Erorterung des Feinbaus der Elektronenhulle und der RegelmaBigkeit des Periodensystems verzichten. Es war das Ziel dieses Abschnitts, ein grundsatzliches Verstandnis fur den Bauplan der Atome zu vermitteln.
*
orbk (lat.)= Krei\
Abb. 1-2. Periodensystem der Elemente. - Atommassen in Klammern: Masse des stabilsten oder am besten untersuchten Isotops.
Schale
Q-
Schale
0-
N-
YSchale
L-
K-
16
I Chemische Grundlagen
1.3 Die Atommasse 13.1 Absolute Atommasse Messungen ergaben, daR ein Proton und auch ein Neutron ca. 1836mal schwerer sind als ein Elektron. W2re also die Masse von einem Elektron 1 g, so w2re die Masse des Protons 1,836 kg. Stets wird also die Atommasse im wesentlichen von der Masse der Protonen und Neutronen bestimmt, wahrend die Masse der Elektronen vernachlassigt werden kann. Die absolute Atommasse setzt sich aus der Summe der Massen der Neutronen und Protonen zusammen, d . h .j e mehr Protonen und Neutronen im Atomkern vereinigt sind, desto griiJ3er ist die Atommasse des Elementes. Die Atommasse des Heliums ist groRer als die des Elementes Wasserstoff, die Atommasse des Elementes Kohlenstoff ist g r o k r als die des Elementes Helium; die des Elementes Stickstoff groRer als die des Elementes Kohlenstoff. Die absoluten Masse von Proton und Neutron sind auRerst gering, namlich 1,67 * g. Entsprechend ist die Masse des Elektrons 1836mal kleiner, d.h. 0,916. g. Die GroRenverhaltisse in einem Atom sollen mit Hilfe eines Vergleiches verdeutlicht werden: Wird der Durchmesser eines Atoms mit 1 km angenommen, so hat sein Atomkern einen Durchmesser von 10cm; das entspricht also dem lOOOOsten Teil des ganzen Atomdurchmessers. Im Atomkern sind aber 99,95% der gesamten Masse des Atoms vereinigt. Auf das Element Eisen ubertragen heiRt das: Die Atomkerne von ca. lo00 m3 Eisen, die ca. 8000 t wiegen, lassen sich in 1 mm3 unterbringen. Der ubrige Raum, der von den Elektronen besetzt wird, ist praktisch ohne Masse. Im Atomkern sind die schweren Elementarteilchen auf engstem Raum angeordnet, und in ihm bejindet sich nahezu die gesamte Masse des Atoms. Da man sich unter einer Masse von 10-24g schwer etwas vorstellen kann bedeutet 0 ,.... (23 Nullen...)! - ist es sinnvoll, die Masse der Atome in einer sehr vie1 kleineren Masseneinheit aus dem atomaren Bereich selbst auszudriicken. Als BezugsgroRe fur 1 atomare Masseneinheit wurde daher das Kohlenstoffatom gewiihlt. 1 atomare Masseneinheit ( u ) ist 1/12 der Masse des Kohlenstoffatorns, dessen Kern aus 6 Protonen und 6 Neutronen besteht. Der Durchmesser eines Atoms betragt ern bis 10-7cm,
der eines Atomkerns cm bis lo-'* em; cm = 1 fm (Ferntometer) Die Masse des Wasserstoffatoms betragt 1,008 u. Es genugt fur technische Rechnungen haufig, die Masse des Wasserstoffs gleich 1 u zu setzen. Eine Vorstellung atomarer GroBenordnungen vermittelt Abb. 1-3. Der Durchmesser eines Atomkerns verhalt sich annahernd zu dem einer Kirsche wie der Durchmesser der Kirsche zu dem der Sonne.
1 3 2 Relative Atommasse Bei Massenangaben im atomaren Bereich laRt man die Einheit oft ganz weg und spricht dann von der relativen Atommasse (Tab. 1-2.). Sie gibt an, wievielmal schwerer ein Atom (allgemein: Teilchen) als ein Teilchen mit der Masse 1 u ist (oder auch als ein Wasserstoffatom, wenn es auf die kleine Abweichung in der 3. Stelle nach dem Komma nicht ankommt). Gebrauchlich ist auch die Atommasseneinheit 1 Dalton = 1 D*.
1 3 3 Isotope Neben den Protonen enthalten alle Atomkerne auRer denjenigen des normalen (Jeichten") Wasserstoffs - auch noch Neutronen. Im Gegensatz zu Protonen und Elektronen tragen Neutronen keine elektnsche Ladung, d.h. sie sind, wie in ihrem Namen anklingt, neutral. Zu einem Element mit einer bestimmten Anzahl von Protonen in den Kernen konnen nun verschiedene ,,Sorten" von Atomen gehoren, die sich durch die Anzahl der Neutronen in den Kernen unterscheiden. AuRer Wasserstoff enthalten alle Atome mindestens die gleiche Anzahl an Neutronen wie an Protonen! Die Neutronen wirken wie ,,Kit", der die Protonen, die sich gegenseitig abstoRen, zusammenhalt. Atome eines Elementes konnen eine unterschiedliche Anzahl an Neutronen enthalten, sie heiRen dann Isotope. Die Masse eines Atoms wird aber von den im Atomkern vorliegenden Neutronen und Protonen bestimmt und durch die Massenzahl charakterisiert. Die Massenzahl ist definiert als die Anzahl aller Elementarteilchen - Protonen und Neutronen - im Kern, sie ist immer eine ganze Zahl (ohne Einheit). Da Protonen und Neutronen etwa
*
I Dalton = I D ist definiert als die Masse eines hypothetischen Atoms vom Atomgewicht 1 in der chem. Atomgewichtsskala und entspricht 1,66018 . 10 24 g. Dalton, John (176&1844).engI. Chemiker.
1 Chemische Definitionen
Erde
17
I8
I Chemische Grundlagen
Tab. 1-2. Die relativen Atommassen der chemischen Elementc Sym- Name bol
Atommasse
Relative Atommasse a) 1975
Sym- Name bol
I In Ir
Jod Indium Iridium
K Kr Kto
Kalium 19 Krypton 36 KurtschwatoviumO I04
La Li Lr Lu
Lanthan Lithium Lawrencium Lutetium
57 3 103 71
138,9055 6,941 (256) 174.97
Md Mg Mn Mo
Mendelevium Magnesium Mangan Molybdan
101
(257) 24.305 54,9380 95,94
N Na Nb Nd Ne Ni No Np Nt
Stickstoff Natrium Niob Neodym Neon Nickel Nobelium Neptunium Niton
0
Sauerstoff Osmium
76 15 91 82 46 61 84 59 78 94
30,97376 [23 1.03591 207,2 106,4 (145) (209) 140,9077
Pu
Phosphor Protactinium Blei Palladium Promethium Polonium Praseodym Platin Plutonium
Ra Rb Re Rh Rn Ru
Radium Rubidium Rhenium Rhodium Radon Ruthenium
88 37 75 45 86 44
[226,0254] 85,4678+ 186,207 102,9055 (222) 101,07+
S Sb Sc Se Si
Schwefel Antimon Scandium Selen Silicium
16 51 21 34 14
32,06 121,75+ 44,9559 78,96+ 28,0855
Ac Ag Al Am Ar As At Au
Actinium Silber Aluminium Americium Argon Arsen Astatin Gold
89 47 13 95 33 85 79
(227) 107,868 26,98154 (243) 39,948+ 74.92 16 (210) 196-9665
B Ba Be Bi Bk Br
Bor Barium Beryllium Bismut Berkelium Brom
5 56 4 83 97 35
10.81 I37,33 9.0 12 I8 208,9804 (247) 79.904
C Ca Cb Cd Ce Cf CI Cm Co Cp Cr Cs Cu
Kohlenstoff Calcium Columbium Cadmium Cer Californium Chlor Curium Cobalt Cassiopeium Chrom Caesium Kupfer
18
6 12,011 20 40.08 Siehe Nb 48 112,41 58 140.12 98 (25 1 ) 17 35,453 96 (247) 27 58,9332 Siehe Lu 5 1,996 24 55 132,9054 29 63.546+
0s
66
Dy
Dysposium
Em Er Es Eu
Emanation Erbium Einsteinium Europium
F Fe Fm Fr
Fluor Eisen Fermium Francium
Ga Gd Ge GI
Gallium Gadolinium Germanium Glucinium
31 64 32 Siehe Be
H Hao He Hf Hg Ho
Wasserstoff HahniumO Helium Hafnium Quecksilber Holmium
1 105 2 72 80 67
100
87
53 49 77
12 25 42 7 II 41 60 10
28 I02 93 Siehe Rn 8
Relative Atommasse a) 1975 126,9045 114.82 192.22 +
39,0983+ 83,80 (260) +
+
14,0067 22,98977 92,9064 144,24+ 20,179+ 58,80 (255) [237,0482] 15,9994 190.2
+
162,50+
Siehe Rn 68 I67,26' 99 (254) 63 151.96 9 26
Atomnummer
18,998403 55,847 + (257) (223) 69,72 157,25+ 72,59 1,0079 (262) 4,00260 178,49+ 200,59+ 164,9304
P Pa Pb Pd Pm Po
Pr R
195,09+
(244)
+
1 Chemische Definitionen
19
Tab. 1-2. Fortsetzung
Sym- Name bol
Atommasse
Relative Atommasse a)
Sym- Name bol
Atomnummer
1975
Sm Sn Sr
Ta Tb
Tc Te Th Ti TI Tm
Samarium Zinn Strontium
62 50 38
Tantal Terbium Technetium Tellur Thorium Titan Thallium Thulium
73 65 43 52 90 22 81 69
I50,4 I18,69+ 87,62 180,9479+ 158,9254 [98,9062] 127,60+ [232,0381] 47,90+ 204,37+ 168,9342
Relative Atommasse a) 1975
U
Uran
92
V
Vanadium
23
W
Wolfram
74
183,85+
Xe
Xenon
54
131,30
Y Yb
Yttrium Ytterbium
39 70
88,9059 173,04’
Zn
Zink Zirconium
40
Zr
30
238,029 50,94 14
65.38 91.22
* Relative Atmommassen 1975, bezogen auf das Kohlenstoffisotop “C. Die Unsicherheit betragt
f 1 in der letzten Stelle; wenn mit versehen, betragt sie f 3. Werte in runden Klammern geben die Nukleonenzahl (oder Massenzahl) des stabilsten bekannten Isotops an, Werte in eckigen Klammem die relative Atommasse des bekanntesten Isotops. Diese Elemente sowie deren Symbol sind international noch nicht anerkannt. +
*
die relative Masse 1 haben, gibt die Massenzahl auch die ungefhre relative Atommasse an. Isotope sind somit Atome mit gleicher Protonenzahl, aher verschiedener Massenzahl. Einige Isotope senden energiereiche Strahlen aus, man nennt sie dann radioaktiv. Das Normalkohlenstoffatom besitzt die Massenzahl 12, d. h. der Kohlenstoffkern baut sich aus 6 Protonen und 6 Neutronen auf. Das Kohlenstoffisotop mit der Massenzahl 14 hat im Kern 8 Neutronen. Es ist radioaktiv und kann zur Kennzeichnung von organischen Verbindungen herangezogen werden, die zur Aufk l b n g von Stoffwechselprozessen in der Medizin und Biochemie eingesetzt werden. Die radioaktiven Strahlen konnen mit entsprechenden Geraten, z. B. Geigerzahler, registriert werden. Somit kann immer ausfindig gemacht werden, wo sich die markierte chemische Verbindung befindet und in welcher Menge sie vorhanden ist.
1.4 Molekiil und Molekulmasse 1.4.1 Molekiil Das kleinste Teilchen einer Verbindung wird Molekiil genannt. Es entspricht dem Atom bei den Elementen. So gibt es z.B. das Wasser-Mole-
kul-, das Kohlenstoffdioxid-Molekul, das Schwefeldioxid-Molekul usw. Es gibt kleine und grol3e Molekule, je nachdem, ob sie aus wenigen oder vielen Atomen zusammengesetzt sind. Sehr grolle Molekule werden aus einer Vielzahl kleiner Molekiile gebildet und haben die Bezeichnung Makromolekiile. Als Makromolekiile sind KartoffelstQke, Cellulose (der Hauptbestandteil des Holzes) und Kunststoffe - wie Polyethylen und Polyvinylchlorid - sowie Synthesefasern (z. B. Nylon und Perlon) bekannt. Makromolekule sind aus Hunderten oder Tausenden von Atomen zusammengesetzt.
1.4.2 Molekiilmasse Die Molekiilmasse ist die Summe der Atommassen derjenigen Elemente, die am Aufbau eines Molekuls beteiligt sind. Diese Aussage gilt sowohl fur die absoluten als auch fur die relativen Massen. Die Molekiilmasse fiir Kohlenstoffdioxid, COz, errechnet sich (mit gerundeten Zahlen) wie folgt: Element C 0
Atommasse
Molekulmasse
12 16
12 32
Die Molekulmassse fur Kohlenstoffdioxid betragt also 44.
20
I Chemische Grundlagen
1.4.3 Stoffmenge und molare Masse lm ,,Gesetz iiber die Einheiten im MeBwesen" vom 26. Juli 1970 wurde fur die Basisgroae SfofSmengedie Basiseinheit Mol mit dem Zeichen mol festgelegt. Das Formelzeichen fur diese GroBe ist n. 1 mol enthalt 6,022. loz3 kleinste Teilchen (die Teilchen konnen Molekiile, Atome, lonen usw. oder Gruppen von diesen sein). Da gleiche ,,Mengen" verschiedener Stoffe die gleiche Anzahl von kleinsten Teilchen beinhalten, miissen sich die moluren Mussen (d. h. die Masse fiirje 6,022 . loz3Teilchen) verhalten wie die relativen Atom- bzw. Molekiilmassen. Die molare Masse mit dem Formelzeichen M hat als Einheit Kilogramm durch Mol mit dem Zeichen kg/mol. Haufiger wird als Einheit noch Gramm durch Mol gebraucht: g/mol. Es besteht die Beziehung I
g = 10-3- kg = 1 kg mol mol kmol
-
Den Zahlenwert erhalt man aus der relativen Atommasse (Molekiilmasse) mit der Einheit der molaren Masse. Beispiele Die relative Atommasse von Schwefel ist 32, die Stoffmenge n = 1 mol hat dann die molare Masse M=32g/mol. Die Masse des einen Mol* Schwefel betragt somit m = M.n. m =
32 g . 1 mol = 32 g mol
Die relative Molekulmasse von Kohlenstoffdioxid ist 44, folglich ist die molare Masse 44 g/mol.
1.5 Die chemische Bindung In den vorangegangenen Kapiteln 1st das Atom als das kleinste Teilchen eines Elements bezeichnet worden; es besteht aus dem Atomkern und der Atomhiille. Ein Molekiil wurde als das kleinste Teilchen einer Verbindung definiert. Molekiile bestehen aus mindestens zwei Atomen.
* Mol steht hier fur 6,022 . lo2' Atome, friiher ,,Tom".
Wie kommt eine chemische Verbindung zustande? Aus der Elektrizitatslehre ist bekannt, dafi sich gleichnamige Ladungen abstoBen und entgegengesetzte anziehen. Kommen sich zwei Atome sehr nahe, so konnen die - negativ geladenen - Elektronen des einen Atoms in den Anziehungsbereich des - positiv geladenen - Kerns des anderen Atoms geraten. Daraus resultiert in der Regel eine Anziehung. Die vorher in sich abgeschlossenen Atomhiillen der beiden Elemente haben sich nun zu einer neuen Hulle um die beiden Atomkerne formiert (Abb. 1-4). Die beiden Atomkerne dieses neu entstandenen Molekiils bleiben in einem ganz bestimmten Gleichgewichtsabstand voneinander entfernt. Dieser Abstand heiBt Atomabstand. Unter dem Atomubstund versteht man die Entfernung zwischen den Atomkernen der Atome eines Molekiils. Versucht man, die Atomkerne einander uber den Atomabstand hinaus zu nahern, so werden AbstoBungskrafte wirksam, da jetzt die gleichsinnig geladenen Kerne unmittelbar aufeinander wirken. Es muB Energie oder Arbeit aufgewendet werden, um diese AbstoBungskrafte zu iiberwinden. Umgekehrt mu8 auch Energie aufgewendet werden, um die Kerne vom Gleichgewichtsabstand voneinander zu entfernen. Nun miissen die Anziehungskrafte zwischen den Elektronen und den Atomkernen iiberwunden werden. Im Atomabstand wird die AbstoBung der positiven Atomkerne durch die negative Ladung der Elektronen, die sich im Raum zwischen den Kernen am hlufigsten aufhalten, ausgeglichen. Die beiden Atome werden zu einer Einheit, dem Molekiil, verbunden. Unter chemischer Bindung sind die wechselseitigen Anziehungskriifre zwischen den Elekrronen der Atomhiille und den Protonen verschiedener Atome zu verstehen. Die Energie, die notig ist, um eine chemische Bindung wieder zu losen, d. h. die Anziehungskrafte zwischen Kernen und Elektronen zu beseitigen, nennt man Bindungsenergie. .... ..
+
Atom
r
__c
At om
Abb. 1-4. Modell einer Molekulbildung.
Mdekul
1 Chemische Definitionen
Die chemischen Eigenschaften und das chemische Verhalten eines Elements werden von der Elektronenzahl in der auiuOersten Elektronenschale seiner Atome bestimmt. Atome, aus deren Hiille Elektronen entfernt werden oder in deren Hiille uberziihlige Elektronen eingefiillt werden, laden sich positiv bzw. negativ auf. Solche elektrisch geladenen Teilchen heiBen Ionen. Die Entfernung von Elektronen aus der Atomhulle heil3t Ionisierung, die dafur erforderliche Energie Ionisierungsenergie. Ionen sind elektrisch geladene Atome oder Molekiile. Die Elektronen konnen sich in der Elektronenschale einsam, d. h. als Einzelelektron, um den Kern bewegen. Sie konnen aber auch rnit einem zweiten Elektron zu einem Elektronenpaar gekoppelt werden und als solches den Atomkern umkrei sen. In der auBeren Elektronenschale muR zwischen einsamen - oder ,,ungepaarten" - Elektronen und Elektronenpaaren unterschieden werden. Einsame Elektronen lassen sich leichter als zu Paaren gekoppelte Elektronen aus der Elektronenschale entfernen, d. h. die erforderliche Ionisierungsenergie ist geringer als die fur Elektronenpaare.
1.6 Der Begriff der Wertigkeit Atome rnit einsamen Elektronen in ihrer auBeren Elektronenschale konnen sich durch Bildung eines gemeinsamen Elektronenpaares zu einem Molekul verbinden. Beispielsweise konnen die beiden einsamen Elektronen zweier Wasserstoffatome zu einem Elektronenpaar zusammentreten: H*+-H
-
H:H
Der Strich bedeutet die chemische Bindung. Er steht fur ein Elektronenpaar. Auch Elektronenpaare, die nicht an chemischen Bindungen beteiligt sind, kennzeichnet man oft durch Striche, die an die betreffenden Elementsymbole angelegt werden. Fur das 0-Atom beispielsweise, dessen AuBenelektronenschale zwei Einzelelektronen und zwei Elektronenpaare enthalt, ergeben sich so zwei gleichwertige Schreibweisen:
.. ..
~
oder
.O.
-0. ~
Das Sauerstoffatom rnit seinen beiden Einzelelektronen vermag mit je einem Einzelelektron zweier Wasserstoffatome zwei neue Elektronenpaar-Bindungen zu bilden. Sauerstoff ist demnach zweiwertig, Wasserstoff wieder einwertig. H.
..
+ .o. .. +
.H
oder H - 0-- H
-
..
H:O:H
oder H 2 0
Im Ammoniak, NH3, sind 3 Wasserstoffatome rnit 1 Stickstoffatom verbunden; Stickstoffim Ammoniak ist dreiwertig: H
.. :N:H ..
H I
oder IN-H I
H
H
Im Schwefelwasserstoff, H2S, sind 2 Wasserstoffatome mit 1 Schwefelatom verbunden; Schwefel in Schwefelwasserstoff ist zweiwertig :
..
H:S:H
oder
H - S-- H
Im Methan, dem wesentlichen Bestandteil des Erdgases, sind 4 Wasserstoffatome mit 1 Kohlenstoffatom verbunden; Kohlenstoff in Methan ist vierwertig: H
oder kurzer H + H
21
H,
Die Wertigkeit gibt an, wieviele Einzelelektronen ein Atom eines Elements zu den Bindungen mit anderen Atomen im Molekiil beigesteuert hat. In chemischen Formeln deutet man Elektronen, die sich in den AuDenschalen der Atome befinden, haufig - wie oben fur Wasserstoff geschehen - durch Punkte an. H. bedeutet danach den Kern des Wasserstoffatoms mit seinem Einzelelektron. Statt H:H schreibt man meist H-H.
H H:&H
..
H
I oder H-C-H I
H
Man kann die Wertigkeit eines Elements festlegen als die Anzahl der Wasserstoffatome oder das Doppelte der Anzahl der Sauerstoffatome, die ein Atom zu binden vemzag. Nach dieser Definition ist Wasserstoff immer einwertig und Sauerstoff immer zweiwertig. Der Vergleich zahlreicher Verbindungen zeigt, daJ manche Elemente in verschiedenen Wertigkeitsstufen aufireten konnen.
22
I Chernische Grundlagen
Deswegen muB gesagt werden: ,,Schwefel in Schwefelwasserstoff ist zweiwertig" und nicht einfach: ,,Schwefel ist zweiwertig". Im Schwefeldioxid, SO,, ist 1 Schwefelatom mit 2 Sauerstoffatomen verbunden. Nach der getroffenen Festlegung ist Schwefel in Schwefeldioxid vierwertig: -
~
o=s=o Im Stickstoffpentoxid, N205, [penta (grch.) funfl sind 2 Stickstoffatome mit 5 Sauerstoffatomen verbunden. Formal kommen auf 1 Stickstoffatom 2 ' / , Sauerstoffatome, die Wertigkeit des Stickstoffatoms in dieser Verbindung ist also fiinf, namlich die zweieinhalbfache Anzahl der Sauerstoffatome pro Stickstoffatom. Die so errnittelte Wertigkeit spiegelt sich in der Anzahl der Bindungen wider, die in der Formel des N205 von jedem Stickstoffatom ausgehen:
1.7 Die chemische Reaktion 1.7.1 Stoffumsatz Vereinigen sich zwei oder mehrere Stoffe derart miteinander, darj ein oder mehrere vollig neue Stoffe entstehen, so spricht man von einer chemischen Reakrion, und zwar von einer Bildungsreaktion. Man spricht auch von einer chemischen Reaktion, wenn ein Stoff in zwei oder mehrere Kornponenten mit anderen Eigenschaften zerfallt. Hier handelt es sich um eine Zerfullsreuktion. Die Reaktionsgleichung fur die Verbrennung von Wasserstoff mit Luftsauerstoff zu Wasser lautet: 2Hz
+
Wawrstoff
0,
-
Sauerstoff
2 H20 Wahser
Setzt man jetzt statt der chemischen Symbole die molaren Massen in Gramm in die Reaktionsgleichung ein, so erhalt man 2.2g
Nach diesen Beispielen kann Stickstoff 3- oder 5wertig sein, Schwefel 2- oder 4wertig. Schwefel kommt noch in weiteren Wertigkeiten vor. Die Metalle Natrium, Na, und Kalium, K, sind stets einwertig. Sie werden einer Gruppe von Metallen mit niedriger Dichte zugeordnet, die als Alkalimetalle bezeichnet werden. Die Leichtmetalle Magnesium, Mg, Calcium, Ca, und Barium, Ba, die der Gruppe der Erdalkalimetalle angehoren, sind stets zweiwertig. Die Elemente Fluor, F, Chlor, C1, Brom, Br, und Iod, I, die Halogene (Salzbildner) heifien, verhalten sich bevorzugt einwertig. Beispiele fur einwertige Halogenverbindungen, die aus einwertigen Wasserstoffatornen und einwertigen Halogenatomen gebildet werden, sind folgende Molekiile: Fluonvasserstoff Chlorwasserstoff Bromwasserstoff Iodwasserstoff
HF HC1 HBr HI
+
32g
C-CJ
4g
+
32g
-
2.18g \--
36 g
d. h. 4 g Wasserstoff reagieren mit 32g Sauerstoff unter Bildung von 36 g Wasser. Selbstverstandlich kann man statt Gramm auch andere Masseneinheiten in die Gleichung einsetzen. Wie bei jeder Gleichung mussen auf der rechten und linken Seite der chemischen Gleichung die gleichen Massen stehen. Nuch dem Gesut7 vnn der Erhaltung der Musse bkibt bei allen chemischen Vorgangen die Gesamtmasse der Reaktinn.rpartner und Reaktiorisprodukte unverandert.
Die Molekulmassun errechnen sich als Summe der Atommassen, die z. B. dem Periodensystem der Elemente zu entnehmen sind (s. Abb. 1-2).
1.7.2 Energieumsatz Wie schon in Abschn. 1-1.1.4erwahnt, wird jeder Stoffumsatz von einem Energieumsatz begleitet. Es gibt Reaktionen, bei denen warend ihres Ablaufs Energien in Form von W h n e frei werden. Das Reaktionssystem gibt also Energie ab und wird dadurch energiehner. Dieser Reaktionstyp gehort zur Gruppe der exothermen Reaktionen.
1 Chemische Definitionen
Bei einem anderen Reaktionsablauf mussen W b n e oder elektrische Energie zugefuhrt werden, um den Reaktionsverlauf zu ermoglichen. Das Reaktionssystem nimmt also Energie auf und wird somit energiereicher. Hier handelt es sich um den endothermen Reaktionstyp. Mit Hilfe der chemischen Reaktionsgleichung und den zugehorigen Energiedaten der an der chemischen Umsetzung beteiligten Reaktionspartner I a t sich eine Energiebilanz aufstellen. Energiebilanz Jeder Stoff verfugt uber einen bestimmten Energieinhnlt. Der absolute Wert dieser Energieinhalte ist nicht bekannt. Es konnen immer nur die Anderungen der Energieinhalte bestimmt werden, d. h. ob bei stofflichen Veranderungen von den jeweiligen Substanzen Energie abgegeben oder aufgenommen wird. Um zu vergleichbaren GroBen zu gelangen, werden die Energieinhalte aller chemischen Elemente in ihrem stabilen Zustand bei 298,15 K (Kelvin) und dem Normdruck von 1,013 bar gleich Null gesetzt. Reagieren je zwei Mole des Elements Wasserstoff und ein Mol Sauerstoff miteinander, so entsteht Wasser unter gleichzeitiger Freisetzung von 571,6W (Kilojoule) Wbneenergie, wenn das Wasser fliissig anfallt und eine Temperatur von 25 "C aufweist. Die Elemente Wasserstoff und Sauerstoff sind in der Verbindung Wasser um diesen Betrag energiebner. Die Wiirme wurde an die Umgebung abgegeben. Deshalb wird dieser Wert mit dem Vorzeichen (-) versehen. Die Bildungswhe, abgekiirzt ABH des Wassers betragt also A&f=-571,6 kJ/mol. Diese B i l d u n g s w h e entsteht, wenn sich 4 g Wasserstoff mit 32g Sauerstoff zu 36 g Wasser umsetzen. 2 HZW
Wasserstoff 2.2g 2.0k.l
+
OZW
Sauerstoff
32 g
OH
-
23
von den Verbindungen abgegeben (-) oder aufgenommen (+) werden, wenn ihr Aufbau direkt aus den Elementen erfolgt. Die Bildungswbnen von chemischen Verbindungen liegen in einschlagigen Tabellenwerken katalogisiert vor und sind alle auf 1 mol bezogen. Reaktionswarme (Reaktionsenthalpie) Unter Reaktionswarme versteht man diejenige Wbnemenge, die wahrend eines Reaktionsablaufes zwischen chemischen Verbindungen vom Reaktionssystem abgegeben (-) bzw. aufgenommen (+) wird. Bildungswbnen sind ein Sonderfall der Reaktionswhen. Wie schon erwiihnt, wird von Bildungswbnen immer dann gesprochen, wenn die Reaktion zwischen elementaren Partnern erfolgt. Die Reaktionswbnen, auch Reaktionsenthalpien genannt und allgemein mit AH (sprich: Delta H) gekennzeichnet, konnen aus den Bildungswbnen mit Hilfe der chemischen Reaktionsgleichnung errechnet werden (s. Kap. 1-11). Es wird die Summe der Bildungswkmen der Reaktionskomponenten der linken Seite einer chemischen Reaktionsgleichung gebildet und die Summe der Bildungswknen der Reaktionsprodukte der rechten Seite. Von der Summe der Bildungswknen der rechten Seite wird die Summe der Bildungswknen der linken Seite abgezogen. Diese Rechnung sol1 an einem allgemeinen Beispiel erlautert werden: Reaktionsgleic hung: 2A+B
-
2C+D
- -
Bildungswiirmen: 2 H,Oo, Wasser (A&,, = -57 1.6 kJ/mol) 2.18g 2 (-285,8) kJ = -571,6 kJ/mol
Wird die freigesetzte Wiirmeenergie auf 1mol Wasser, d. h. 18g, bezogen, dann betragt ihr Wert ABH,,,= -285,6 kJ/mol
Auf diesem Wege lassen sich fur alle chemischen Verbindungen die Bildungsw-en bestimmen, d. h. diejenigen W h e m e n g e n , die
2 . ASHA ;ASHB
2 . ABHC ;ABHD
linke Seite
rechte Seite
Summe der Bildungswbnen: 2 . ABHA + ABH,
2 . ABHC
+ ABHD
Reaktionswbne: ARH = ( 2 ABHC + ABHD)
-
( 2 ABHA + ABHB)
Der erste Buchstabe B als Index sol1 andeuten, daB es sich um Bildungswbnen handelt. Die
24
I Chemische Grundlagen
zweiten Buchstaben A, B, C , D als lndizes geben an, fur welche Reaktionspartner die Bildungswiirmen gelten. Fur die Verbrennung von Hexan in Luftsauerstoff ist folgende Rechnung zu vollziehen: Reaktionsgleichung : 2 c ~ H ~+~ 19 (o ~ )~ Hexan
-
,~)
+
12c02(g)
Luftsauerstoff
14H20(I,
Kohlenstoff- Wasser dioxid
Bildungswarmen (ABW: 2 . (-198.82) kJ 19. (0)kl
fur Hexan fur Sauerstoff
12 . (-393,Sl) !d 1 4 . (-285.83) kJ
fur Kohlenstoffdioxid fur Wasser
Summe der Bildungswkmen (A&): linke Seite: -397.64 kJ/mol rechte Seite: (4722,12 kJ/mol)
+
(4001,62 kJ/mol) i
-8723.74 Wlmol
Reaktionsw-e
ARH = - 8326,I kJ/mol
(A&):
ARH = (-8723,74) kJ - (-397,64) kJ = -8326,l kJ/mol
Die Reaktionsenthalpie betragt ARH = -X326,1 kJ/mol,
wenn 172 g Hexan rnit Luftsauerstoff vollstandig zu Wasser und Kohlenstoffdioxid verbrannt werden. Um diesen Energiebetrag wird das Reaktionssystem m e r . Er wird an die Umgebung abgegeben oder, z. B. beim Autofahren, technisch genutzt. Eine chemische Reaktionsgleichung rnit den dazugehorigen Mengen- und Energiebilanzen w k e also wie folgt zu formulieren:
-
2 c ~ H ~+ ~19(02(g, ~ ,
l2
Hexan
Kohlenstoff- Wasser dioxid
2.868
Luftsauerstoff
19.32~
+ l4
"2,g)
Bei der Berechnung und der Angabe von Bildungs- und Reaktionswkmen ist immer zu beriicksichtigen, fur welchen Aggregatzustand des jeweiligen Stoffs die Angaben gelten. Die Bildungswiirme fur gasformiges Wasser betragt ABH = - 241,8 kJ/mol, die fur flussiges Wasser ABH = - 285,8 kJ/mol. Die Bildungswarme fur flussiges Wasser ist also dem Betrag nach groRer als fur gasformiges, denn wahrend des Uberganges vom gasformigen in den flussigen Zustand gibt das System, in diesem Falle Wasser, noch Wiirme (die Kondensationswiirme) an seine Umgebung ab (s. Abschn. 11-4.5.3). Es wird also energiekmer. Die angegebenen Werte fur die Bildungswarmen beziehen sich alle auf die Stoffmengeneinheit 1 mol. Die Reaktionsenthalpien werden auch auf die Stoffmengeneinheit mol bezogen. Sie mussen aber immer im Zusammenhang rnit der Reaktionsgleichung, d. h. dem stochiometrischen Umsatz, gelesen und interpretiert werden. Die Reaktionsenthalpie fur die Hexanverbrennung ist in diesem Beispiel rnit
12.44g
H2°(I>
14.18g
2 . (-198.82) kJ/mol 19 . (0) !d/mol 12 . (-393,5 1) kJ/mol 14. (-285,83) kJ/mol (AnH = -8326,l kJ/mol)
angegeben. Will man die Reaktionsenthalpie fur 1 mol Hexanverbrennung angeben, muR der Wert ARH= - 8326,l kJ/mol durch 2 dividiert werden, da laut Reaktionsgleichung 2 mol Hexan verbrannt worden sind. Die Bildungs- und Reaktionswiirmen mussen ferner, wenn sie eine exakte Aussage geben sollen, immer auf eine bestimmte Temperatur bezogen werden. In der Regel ist die Bezugstemperatur 25 "C, das entspricht 298,lS K. Bei Gasen muR zusatzlich noch der Bezugsdruck angegeben werden. In der Regel ist dies der Normdruck von 1,013bar. Um anzudeuten, auf welchen Aggregatzustand sich die angegebenen Werte beziehen, werden die Stoffe in den Reaktionsgleichungen rnit einem Index versehen, und zwar: feste Stoffe mit flussige Stoffe mit gasformige Stoffe mit
(s)
(I) (8)
Stoffe, die in Wasser gelost vorliegen, werden mit dem Index (aq) versehen.
1.7.3 Oxidationsreaktionenrnit Sauerstoff Reaktionen, bei denen sich ein Element oder eine Verbindung mit Sauerstoff zu einer neuen Ver-
25
1 Chemische Definitionen
+
bindung umsetzt, nennt man Verbrennungen oder
2 H,
auch Oxidationen. Die Oxidutionsprodukte heiBen Oxide. Die dabei auftretenden W h e m e n gen werden haufig auch Verbrennungswamen eenannt. " Im Gegensatz z. B. zur Kohleverbrennung laufen manche Reaktionen so langsam ab, daR die entstehende W h e rnit unseren Sinnesorganen nicht wahr genommen wird. Es gilt also, zwischen langsam und schnell ablaufenden chemischen Reaktionen zu unterscheiden. Im weitesten Sinne versteht man unter einer Oxidation die Zunahme der positiven und Abnahme der negativen Ladung. Beim Bleiakkumulator ist die Aufladung eine Oxidation und die Entladung eine Reduktion:
Wasserstoff
-
O2
2 HzOo,
Sauerstoff
Wasser
32 g
36 g (AH=-571,6kJ/mol)
Bei Zimmertemperatur verbinden sich Wasserstoff und Sauerstoff praktisch nicht. Ein Gemisch von Wasserstoff und Sauerstoff im Volumenverhaltnis 2 : 1 kann man tage- und monatelang aufbewahren, ohne daR es zu einer merklichen Reaktion kommt. Die Wasserstoffund Sauerstoffmolekiile mussen erst aktiviert werden, d. h. in einen angeregten Zustand versetzt werden (s. Kap. 1-10). Das ist moglich durch Zufiihrung von Aktivierunnsenergie in Form von W m e oder Oxidation durch Heribsetzlng der Aktivierungsenergie rnit Pb" Pb4+ + 2eKatalysatoren (z. B. feinverteiltem Platin oder Reduktion Palladium). Der wahrzunehmende laute Knall dieser Schnelle Oxidationen Knallgasexplosion kommt dadurch zustande, daR der entstehende Wasserdampf infolge der moSchnelle Oxidationen verlaufen unter heftiger mentan entwickelten Oxidationswiirme ein vie1 Wmeentwicklung und haufig unter Leucht- groDeres Volumen benotigt als das urspriingliche erscheinungen, wie z. B. die Kohleverbrennung Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch,so daR die umTreibstoff-Sauerstoff-Gemisch-Verbren- gebende Luft plotzlich rnit groRer StoRkraft wegoder nung in Verbrennungsmotoren. Die bei diesen gedriickt wird. Verbrennungen auftretenden Temperaturen nennt man Verbrennungstemperaturen. Wird Kohlenstoff mit SauerstoffunterschuR Reuktion zwischen Treibstoffen und Sauerstoff verbrannt, so entsteht Kohlenstoffmonoxid. Unter Treibstoffen versteht man KohlenwasserAuch bei dieser Reaktion wird ein bestimmter stoffe wie Benzine und Dieselole. So wie es sich Energiebetrag als W b n e frei. bei der Verbrennung von Kohlenstoff rnit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid und von Wasserstoff 2c + o2 2 co mit Sauerstoff zu Wasser um energieliefemde Kohlenstoff Sauerstoff Kohlenstoffmonoxid Reaktionen handelt, werden auch bei der Ver24 i3 32 g 56 g brennung von Kohlenwasserstoffen hohe Betrage (AH=-221.0kJ/mol) an Wameenergie frei (s. Abschn. 1-1.7.2).
-
Bei 700 "C verbrennt Kohlenstoffmonoxid rnit Sauerstoff unter starker Whneentwicklung zu Kohlenstoffdioxid.
-
2co +
0,
Kohlenstoffmonoxid 56 g
Sauerstoff
2 CO, Kohlenstoffdioxid 88 g (AH= -566.0 kJ/mol)
2C6H,,
+ 190,
-
12C0,
+
14H20
Treibstoff (Hexan)
Lufrsauerstoff
Kohlenstoffdioxid
Wasser
I72 g
608 g
528 g
252 g
(AH=-8326,l kJ/mol)
Diese und %hnliche Verbrennungsreaktionen spielen sich in den Zylindern der Verbrennungsmotoren von Automobilen, z.B. den Otto- und Dieselmotoren und anderen WbnekraftmaReuktion zwischen Wusserstof und Sauerstoff schinen ab. Bringt man ein Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch Die im Treibstoff (2. B. Hexan) enthaltene bei ca. 600°C zur Entzundung, so bildet sich chemische Energie wird bei der Verbrennungsexplosionsartig Wasser (Knallgasreaktion, s. reaktion als Wmeenergie freigesetzt. Die Abschn. 1-1.7.1). Wlirmeenergie wird iiber die beweglichen Kol32 g
26
I Chemische Grundlagen
ben in den Verbrennungszylindern mittels der Volurnenausdehnung der Verbrennungsgase in Bewegungsenergie urngesetzt. Es gilt folgendes Energiescherna: Chemische Energie (als Bindungsenergie im Treibstoff)
1
Verbrennungsreaktion
1
Druckausgleich durch Kolbenverschiebung
Warmeenergie (Druckerhohung im Verbrennungszylinder)
Neben Pyrit, einer naturlichen Eisen-Schwefel-Verbindung, ist Schwefel der Rohstoff fur die groBtechnische Schwefelsaureherstellung. Dazu ist es notwendig, dab elementarer Schwefel uber die Reaktion mit Luftsauerstoff zu Schwefeldioxid und weiter zu Schwefeltrioxid urngesetzt wird (vgl. Abschn. 111-4.3). Diese Oxidationsreaktion erfolgt in zwei Stufen. Wird Schwefel in Gegenwart von Luftsauerstoff verbrannt, so entsteht unter Freiwerden von Warmeenergie Schwefeldioxid. 1. Stufe
+
S
0,
-
Bewegungsenergie (rnechanische Energie)
Ammoniakverbrennung
2. Stufe
Bei der Amrnoniakverbrennung handelt es sich um eine katalytische Reaktion, die allerdings, ist sie erst einmal angelaufen, unter Warmeabgabe verlauft. Die Amrnoniakverbrennung 1aBt sich zusammenfassend durch folgende Reaktionsgleichung beschreiben (vgl. Abschn. 111-7.3.2).
Die Oxidation von Schwefeldioxid zu Schwefeltrioxid erfolgt nicht ohne weiteres. Die Molekiile rnussen mittels Katalysatoren zunachst aktiviert werden, dann lauft die Reaktion unter Warrneentwicklung weiter.
+
4NH,
Kat
50,
Arnmoniak
Sauerstoff
@+g
160 g
4N0
+
2s0, 6H,O
StickqtottWasser monoxid 120 g 108 g (AH= -906,3 kl/molj
Das entstehende Stickstoffmonoxid reagiert mit dern Sauerstoff weiter zum Stickstoffdioxid. Auch hier wird Warme freigesetzt. 2N0
+
0,
-
Schwefeldioxid I28 g
Sauerstoff 32 6
so,
Schwefel 32 g
+
o* Sauerstoff
32 g
Schwefeldioxid @+g (AH = -297 kJlrnol)
Kal.
2 so, Schwefeltrioxid 160 g
(AH= -198 kJlmol)
Setzt man definitionsgerniiI3 die Oxidationsstufe* eines Elementes rnit Null an, so liegt der Schwefel im Schwefeldioxid in der positiven vierwertigen Stufe vor, Schwefeltrioxid in der positiv sechswertigen Stufe.
2 NO,
Stickstoffmonoxid
Sauerstoff
Stickstoffdioxid
60 g
32 g
92 s ( A H = - I 14.2 kUmolj
Wird das Stickstoffdioxidgas von Wasser absorbiert, entsteht durch eine weitere chernische Reaktion die Salpetersaure HNO,.
Schwefelverbrennung Elernentarer Schwefel kornmt in riesigen Lagerstatten in der Natur vor und wird als solcher abgebaut. Er fallt auBerdem in groBen Mengen bei der Reinigung, d. h. Raffinierung, des Rohols an.
0
II
o=s=o
o=s=o
Schwefeldioxid (positiv vienvertiger Schwefel)
Schwefeltrioxid (positiv sechswertiger Schwefelj
Wird Schwefeltrioxid in Wasser eingeleitet, vermag es rnit diesern zu der wichtigen Schwefelsaure H,SO, zu reagieren.
*
Oxidationsstufc. Oxidationszahl: Zahl der Ladungen, die das Atom besPBe, wenn das Molekiil aus Ionen aufgebaut ware!
1 Chernische Definitionen
Phosphorverbrennung
Elementarer Phosphor kommt in der Natur nicht vor. Er mu8 nach besonderen Herstellungsverfahren aus den Rohphosphaten gewonnen werden. Es gibt weifien, roten und schwarzen Phosphor. Diese Sorten unterscheiden sich in ihren Zustandsformen und zeigen bei gleicher chemischer Zusarnrnensetzung unterschiedliches physikalisches Verhalten (vgl. Abschn. 111-5.6.4). Der w e g e Phosphor wandelt sich beim Stehenlassen an Licht unter Leuchterscheinungen in die stabile rote Mod$kation urn. Unter Selbstentzundung reagiert er mit Luftsauerstoff unter kraftiger Wweentwicklung zu Phosphoroxid P,O,, (Diphosphorpentoxid). 4P
+
50r
-
weikr LuftPhosphor sauerstoff 160g 124g
27
an trockener Luft und in luft- und kohlenstoffdioxidfreiem Wasser nicht verandert. Unter diesen Bedingungen bildet sich an der Oberflache eine dunne, zusammenhangende Oxidschicht, die das darunterliegende rnetallische Eisen vor weiteren Luftsauerstoffangriffen schutzt. Diesen Vorgang nennt man fassivierung.
Unter Passivierung ist das Entstehen einer zusammenhangenden Oxidschicht an der Oberjlache eines Metalls zu verstehen, die das darunter liegende Metall vor weiterer Oxidation schutzt.
+
4Fe
302
metallisches Eisen 223,2g
-
trockene Luft 96g
2 Fe203 Eisenoxid 319.2 g
P4OIO
(AH= -1648.6 kJ/mol)
Phosphoroxid 284 g
(AH= -2984 kJ/mol)
Diphosphorpentoxid ist ein weiBes, sehr begierig Wasser anziehendes (hygroskopisches) Pulver. Mit Wasser reagiert es zu Phosphorsaure, die ein bedeutendes Ausgangsprodukt fur grol3technische Industriechemikalien ist. Wiihrend der Verbrennung mit Sauerstoff 2ndert sich die Oxidationsstufe von Null beim elementaren Phosphor auf positiv funf im P4010.
Die Erscheinung der Passivierung ist mit ein Grund fur die Moglichkeit, reine, hochkonzentrierte Schwefelsaure in Eisenkesseln transportieren zu konnen. Wird Eisen dagegen von feuchter Luft oder lufthaltigem Wasser angegriffen, bildet sich ein wasserhaltiges Eisenoxid. Dieses Oxid heiBt Rost und der Vorgang Rosten. Chemisch handelt es sich um eine komplizierte Reaktion, die hier nur in einer zusammenfassenden Reaktionsgleichung formuliert werden soll. 4Fe
Langsame Oxidationen Langsarne Oxidationen oder Verbrennungsvorgange, auch stille Verbrennungen genannt, verlaufen unter nicht wahrnehrnbarer W m e - oder Lichtentwicklung. Dazu gehoren: das Rosten von Eisen, das Anlaufen von Metallen (vgl. Abschn. IV13, die Passivierung von reinem Aluminium, die Verwesung von organischen Substanzen wie z.B. von Holz, Pflanzen oder tierischen Bestandteilen, die Atmung und der dadurch eingeleitete Abbau von Nahrungsmitteln im lebenden Organismus (biologische Oxidation). Rosten von Eisen
Chernisch reines Eisen ist ein silberweifles, relativ weiches Metall, das sich in kompakter Form
+
metallisches Eisen
3H20 + 2 0 ,
-
2 Fe(OH), . FeO Rost
feuchte Luft oder lufthaltiges Wasser
(AH= -1464 kJ/mol)
Die durch Rosten gebildete Oxidschicht ist unzusammenhtingend und nicht fest haftend. Der gebildete Rost ist arnorph und weich, so daB der Rostvorgang weiter in das Innere des Eisens fortschreiten kann. Die Oxidschicht als Schutzschicht
Zusammenhangende Oxidschichten konnen rnanche Metalle vor weiterer Oxidation schutzen. Diese Passivierungserscheinung macht man sich technisch zunutze. Durch spezielle Verfahren werden auf bestimmten Metallen zusarnmenhangende, gegen rnechanische Einwirkungen unempfindliche Oxidschichten erzeugt. Die Schichtdicken konnen je nach den technischen Anforderungen unterschiedlich sein.
28
I Chemische Grundlagen
Besondere Bedeutung hat die Obefluchenpassivierung beim Aluminium erlangt. Obwohl Aluminium sehr leicht mit Sauerstoff unter Wiirmeentwicklung reagiert, wird dieser Oxidationsvorgang durch die entstehende Oxidschicht gestoppt. 4Al
+
Aluminium 107,9g
30, Sauerstoff 96 g
-
2 A1203 Aluminiumoxid 203,9 g (AH = -335 1 kJ/mol)
Die Bestandigkeit von Aluminium gegenuber oxidierenden Sauren wie Salpetersaure beruht auf der Bildung einer schutzenden Oxidschicht. Mit Hilfe der elektrolytischen anodischen Oxidation von Aluminium ist es gelungen, kunstliche Oxidschichten zu erzeugen, die allen technischen Anforderungen an Schutzschichten geniigen. Anodisch oxidiertes Aluminium heiBt auch eloxiertes Aluminium. Eloxal ist elektrolytisch oxidiertes Aluminium. Da sich die Oxidschicht auch bei Beschadigungen sofort wieder neu bildet, ist das Aluminium vor korrosivem Angriff geschutzt.
- Urnwandlung
Energie-Quelle
Biologische Oxidationen
Durch die Atmung werden im lebenden Organismus sowohl der Pflanze als auch des Tieres und des Menschen organische Verbindungen wie Nahrungsmittel (Kohlenhydrate, Fette) mit Sauerstoff zu Kohlenstoffdioxid und Wasser verbrannt; z. B. ChHIZO, Traubenzucker (Glucose) 180 g
+ 602
Biokatalysator
Kohlenstuffdioxid 108g 264g (AG = - 2876 !d/mol*)
I92 g
- Speicher
I
t
I
Fotosynthese
Atrnung
I
Sonnenenergie
6 H 2 0 + 6C0,
Die in den Nahrungsmitteln gespeicherte biochemische Energie wird bei dieser langsamen und flammlosen Verbrennung als Wiirme oder Muskelarbeit abgegeben oder wieder in Form anderer, energiereicher Aufbaustoffe im Organismus gespeichert. Die biologische Verbrennung ist das Ende einer langen Kette von Energieumwandlungsprozessen, in denen uber viele biochemische Reaktionsstufen die Sonnenenergie in eine unserem lebenden Organismus entsprechende Energieform umgewandelt wird (Abb. 1-5).
c
I
-
Wasser
Sauerstoff
'I 7 ' +
Wandler Pflanze Mikroorganismen
Speicher: Kohlehydrate, Fette, Eiweil3
Warme-
energie
'
4
i
Elektr. Energie
I G G q e n , Eiweil3, Fette
J-
I
Stoffwechsel- und Abbauprodukte; Cog, H20, Harnstoff. Phosphate u. a.
Sauerstoff,
L.2_1 Abb. 1-5. Biochemische Energie- und Stoffumwandlungen.
*
AG Freie Reaktionsenthalpie (vgl. Abschn. 1-1 1.4.5)
I I
1 Chemische Definitionen
1.7.4 Reduktionsreaktionen
2. Herstellung von Aluminium aus Bauxit
Unter Reduktion versteht man im engeren Sinne die Abspaltung von Sauerstoff aus einem Oxid oder einem sauerstoffhaltigen Molekiil. Im weiteren Sinne bedeutet die Reduktion immer eine Zunahme der negativen und Abnahme der positiven Ladung, z. B.
-
AI3’+ 3eLi +e-
Eine Reduktion geht immer mit einer Oxidation einher und umgekehrt. Deshalb spricht man auch von Redoxreaktionen. Ein Beispiel ist die Wechselreaktion zwischen zwei- und dreiwertigen Eisen-Ionen, wie sie fur den roten Blutfarbstoff charakteristisch ist. Fe”
-
-
e-
Fe2’
Wasser
-
Kohlenstoffdioxid
3. Herstellung von Eisen aus Eisenerz
Fe304 + 2 C
-
+ 6 HzO + 6 0 2
C&(OH), Glucose
Quarz
2C Kohlenstoff
-
+ 2COZ
3Fe
+
-
2Fe203 + 3 C
(AH= +33 1 kl/mol)
+ 3 CO,
4Fe
Hamatit
-
(AH = +469 kJ/mol)
2Fe + 3 C O ,
Sauerstoff (AG= +2876 kl/mol)
4. Herstellung von Phosphor aus Rohphosphat P,O,
-
+ 5c
Phosphorpentoxid
2P
Kohlenstoff
+
2Ca,(PO,),F
Si
+
Silicium
2CO Kohlenstoffmonoxid (AH= +690 kJ/mol)
+ 5CO
Phosphor Kohlenstoffmonoxid (AH= +939,3 kJ/mol)
+
15 C
Rohphosphat
Kohlenstoff
6P
+
Phosphor
15 CO
+
8 SO,
-
Quarz
6 CaSiO,
KohlenCa-Silicat stoffmonoxid
+
Ca.,Si,O,F, Ca-F-Silicat
(AH= +4423 kJ/mol)
5. Herstellung von Wasserstoff aus Wasser oder Methan
-
2 H20 Wasser
Wasser
1. Herstellung von Silicium aus Quarz
+
dioxid
Magnetit
2H,O
+
Wasser
CH, Methan
-
Beispiele von technisch wichtigen Reduktionsreaktionen: SiO,
+ Kohlenstoff-
Eisen
(AH= +302 kl/mol)
Dreiwertige Eisen-Ionen f&ben das Blut hellrot, wie es beim arteriellen Blut der Fall ist; zweiwertige Eisen-Ionen fiirben es dunkelrot, wie beim venosen Blut. Die wichtigsten Reduktionsmittel in der chemischen Technik sind Kohlenstoff und Wassersto8 Hydrierungsreaktionen sind Reduktionsreaktionen. Reduktionsverfahren haben in der chemischen Technik eine grofie Bedeutung. Auch die Photosynthese ist eine Hydrierungsreaktion und damit eine Reduktion. Der Wasserstoff-Lieferant ist in diesem Falle das Wasser, das durch die Lichtenergie in Wasserstoff und Sauerstoff gespalten, d. h. photolysiert wird.
12 HzO + 6 COz
3CO2
Aluminium Kohlenstoffdioxid (AH=+2161 kJ/mol)
Eisenspat
Reduktion
Photosynthese
+
4A1
Kohlenstoff
2 FeCO, + C
Oxidation
+
-
2A1203+3C Bauxit
Eisenerz + Kohlenstoff
A1 Li-
+
29
0 2
+
2H2
Sauerstoff Wasserstoff (AH=+571,8kJ/mol)
CO,
+
4H,
KohlenWasserstoff stoffdioxid (AH = +253 kJ/mol)
6. Herstellung von Ammoniak aus Stickstoff N, Stickstoff
+
3H, Wasserstoff
-
2 NH3 Ammoniak (AH=-92,1 kJ/mol)
30
I Chemische Grundlagen
1.8 Metalle
Je nach den angewendeten Verfahren unterscheidet man zwischen der
1.8.1 Eigenschaften von Metallen
-
Metalle sind chemische Elemente rnit einer sehr hohen elektrischen Leitfahigkeit, die rnit steigender Temperatur abnimmt. Die elektrische Leitfahigkeit beruht auf dem geringen Energieunterschied der Elektronen im Valenzzustand und im Zustand der freien Beweglichkeit im Kristallgitter. Das sog. ,,Elektronengas" bewegt sich fast frei zwischen den positiv geladenen Atomriimpfen. Gekoppelt mit der elektrischen Leitfahigkeit sind -
die Warmeleitfahigkeit und
- das hohe Adsorptions- und Reflexionsvermo-
gen fur sichtbares Licht, mit dem der typische Metallglanz zusammenhangt. Die Metallbindung beruht auf der Wechselwirkung der Coulombkrafte zwischen den auf Gitterplatzen lokalisierten Metallionen und den delokalisierten Valenzelektronen. So wie die Ionenbindung und die van-derWaals-Bindung ist auch die metallische Bindung nicht gerichtet. Daher riihrt die Neigung der Metalle, Raumgitter rnit dichtester Kugelpackung zu bilden. Die Richtungsunabhiingigkeit der Bindung, auch Isotropic* genannt, ist eine Voraussetzung fur die gute plastische Verformbarkeit der meisten Metalle. Metalle sind bis auf eine Ausnahme bei Raumtemperatur fest. Diese Ausnahme ist das Quecksilber, welches bei Raumtemperatur flussig ist und erst bei -39 "C erstarrt.
Pyrometallurgie, Hydrometallurgie und - Elektrometallurgie. -
Die Pyrometallurgie befal3t sich rnit Verfahren, die im Temperaturbereich zwischen 200 "C und 3000°C ablaufen, z.B. Eisen- und Stahlerzeugung durch Reduktion von Eisenerzen. Unter Hydrometallurgie sind Verfahren zusammengefdt, die in waBrigen Medien bei Temperaturen bis 100°C bei Normdruck und im Autoklaven bei Temperaturen bis 300 "C ablaufen. Sie wird fur die Gewinnung von Nichteisenmetallen angewendet, z. B. beim AufschluB von Kupfererzen mit wiiBriger Schwefelsaure oder bei der Goldgewinnung mit wiilhiger Natriumcyanid-Losung. Die Elektrometallurgie ist durch die Anwendung des elektrischen Stroms gekennzeichnet und kann Bereiche der - Pyrometallurgie und - Hydrometallurgie
uberdecken. Die Aluminium- und Siliciumgewinnung durch Schmelzflul3elektrolyse sind elektrometallurgische Verfahren. Auswahlkriterirn ,Fir die Verjhhren
Temperatur- und druckabhangige Werte der freien Reaktionsenthalpien, AG, der jeweils vorliegenden Metallverbindungen wie - Oxide, - Sulfide, - Arsenide, -
1.8.2 Gewinnung von Metallen Nur wenige Metalle kommen in der Natur gediegen, d.h. rein vor. Diese sind Platin, Iridium, Gold und Kupfer. Die ubrigen sind nur als Verbindungen rnit anderen Elementen anzutreffen.
Allgemeine Verfahren zur Metallgewinnung Die Gewinnung von Metallen erfolgt in der Regel aus ihren Erzen in drei Stufen: -
Konzentration und Aufbereitung,
- Reduktion, -
*
Rafination (Reinigung). ism (grch.) = pleich
Halogenide
bestimmen u. a. die ani-uwendenen Verfahren. Weitere Faktoren sind die physikalische Beschaffenheit der Ausgangsstoffe und die geforderte Durchsatzleistung, Energieverfugbarkeit, Reinheit des zu erzeugenden Metalls, gewinnbare Nebenprodukte. Preis, behordliche Auflagen, Wasserreinhaltung, Abfallbeseitigung, Luftreinhaltung.
1 Chemische Definitionen
Rosten Sulfidische Erze werden durch Oxidation
Teilweise in Gegenwart von Wasserstoff findet dann die thermische Zersetzung statt. Das Metall fallt in Pulverform an.
- mit Luft,
mit Sauerstoff angereicherter Luft oder - mit reinem Sauerstoff
-
31
(NH,),MCI,
therrnische
Zersetzung
Metall
+ Ammo- + Chlor niumchlorid
in Metalloxide umgewandelt. Metallsultid
+ Sauerstoff
-
Metalloxid
+ Schwefeldioxid
Folgende Sulfiderze werden dem Rosten unterworfen: Zink, Blei, Kupfer, Nickel, Molybdan und Eisen. Das Schwefeldioxid wird zu Schwefelsaure weiterverarbei tet.
Feststoff-Gas-Reaktionen rnit Wasserstoff dienen zur Reduktion von Metalloxiden und gelegentlich auch von Metallhalogeniden zu den Metallen. Metalloxid
+ Wasserstoff
-
Metall
+ Wasser
Beispiel: Molybdan, Wolfram, Rhenium.
Chlorieren Feste Metalloxide werden durch Umsetzen rnit Chlor in Gegenwart von Kohlenstoff in flussige oder gasformige Chloride ubergefiihrt. Als Reaktoren dienen Schachtofen oder Wirbelschichtreaktoren.
-+
Metalloxid
Reduktion mit Wasserstoff
Chlor + Kohlenstoff Metallchlorid + Kohlenstoffmonoxid
Beispiele: Magnesium, Titan, Zirkonium.
Reduktion
Wasserstoff/Kohlenstoffmonoxid-Gemische dienen zur Reduktion von Eisenerzpellets zu Eisenschwamm im Schachtofen.
Carbothermische Reduktion Unterschieden wird zwischen der indirekten carbothermischen Reduktion von Metalloxiden rnit Kohlenstoffmonoxid bei Temperaturen bis etwa 1000°C Metalloxid
Wahrend der Reduktion wird die aus der Konzentrationsstufe als Feststoff oder Losung hervorgehende Metallverbindung zerlegt. Das Metall wird als Roh- oder Reinmetall gewonnen. Unter Reduktion wird nicht nur die Zerlegung eines Oxids rnit Kohlenstoff oder Wasserstoff als Reduktionsmittel verstanden, sondern jede Zerlegung einer Verbindung unter Energiezufuhr. Metalloxid + KohlenMetall + Kohlenstoff stoffmonoxid
-
Reduktion rnit pyrometallurgischen Methoden Darunter versteht man die thermische Zersetzung von Metallverbindungen. In der Endstufe eines hydrometallurgischen Trennprozesses liegen z. B. die Platinmetalle als komplexe Salze vor, z. B. (NH4)2MClh M = Iridium, Osmium, Rhodium, Platin.
+ Kohlen-
-
stoffmonoxid
Metall + Kohlen- (1) stoffdioxid
und der direkten carbothermischen Reduktion von zum Teil vorreduziertem Metalloxid durch Kohlenstoff im angrenzenden Temperaturbereich bis etwa 1600"C Metalloxid
+ Kohlen- -.-
Metall
+ Kohlen-
(2)
stoffdioxid In Gegenwart von uberschussigem Kohlenstoff wird das nach G1. (1) gebildete Kohlenstoffdioxid oberhalb von 900°C wieder zu Kohlenstoffmonoxid reduziert. stoff
Kohlenstoff- + Kohlenstoff dioxid
-
Kohlenstoff- (3) monoxid
Carbothermische Reduktionen sind haufig Schmelzreduktionsverfahren.
Beispiel: Eisen und Eisenlegierungen mit Silicium, Mangan, Chrom, Nickel, Zink, Blei.
32
1 Chemische Grundlagen
Bei einer carbothermischen Reduktion werden uber die Metallcarbonyle und Metallcarbide hohere Legierungsanteile in Ferrolegierungen erhalten. Metallsulfide und Metallhalogenide lassen sich nicht mittels Kohlenstoff oder Kohlenstoffmonoxid reduzieren.
ist die elektrochemische Spannungsreihe von grundsatzlicher Bedeutung. Die Elektrodenpotentiale ?I verandern sich durch Variation der Metallionen-Konzentration, des pH-Wertes und des Wasserstoffdruckes. Zementution
Metallothermische Reduktion Diese Verfahren dienen der Gewinnung von schwer reduzierbaren, praktisch kohlenstofffreien Sondermetallen. Es bilden sich keine Carbide. Die metallothermische Reduktion ist eine Verdrangungsreaktion. Das Oxid oder Halogenid des zu reduzierenden Metalls M wird durch ein unedleres reaktives Metall R reduziert. Metalloxid Metallchlorid
+R +R
Reduktionsmetall R
-
Metall + R-Oxid
Metall + R-Chlorid
I Gewonnenes Metall M
Unter Zementation versteht man die elektrochemische Abscheidung eines Metalls aus Losungen durch Zusatz eines unedleren Metalls, das in der elektrochemischen Spannungsreihe vor dem auszufallenden Metall steht und anstelle des edleren Metalls in Losung geht. Beispiel: Auslaugen von Kupfer zur Reinigung von Kobalt- und Zink-Laugen mittels Kobalt- bzw. Zink-Pulver. Zementation von Kupfer aus Grubenwassern rnit Eisenblechschrott: CuSO,
Natrium
Titan. Tantal
Magnesium
Beryllium, Titan, Zirkonium Hafnium, Uran und I11 bGmppenmetalle
Calcium
V- und 111 b-Gruppenmetalle
Aluminium
Calcium, Chrom, Niob, Vanadium-AluminiumLegierung. kohlenqtofffreie Ferrolegierungen
Der edle oder unedle Charakter eines Metalls ist durch seine Stellung in der elektrochemischen Spannungsreihe bestimmt. Die Oxide bzw. Halogenide des zur Reduktion dienenden Metalls R miissen eine negativere freie Bildungsenthalpie besitzen als die zu reduzierenden Verbindungen des Metalls. Die metallothermische Reduktion der Oxide und Halogenide reaktiver Sondermetalle erfordert die Anwendung von vdkuum oder Schutzgas, wenn weitgehend sauerstoff- und stickstofffreie Metalle gewonnen werden sollen.
Reduktion mit hydro- und elektro-metallurgischen Methoden
+
Kupfersulfat
Fe
-
FeSO,
+
Cu
Eisensulfat (AH = - 157 kJ/mol)
Druckreuktion mit WusserstoJ
Hohere pH-Werte der Losung und hoher Wasserstoffdruck steigern die Reduktionskraft des Wasserstoffs. Beispiel: Nickelfallung aus kobalthaltigen ammoniakalischen Losungen bei Temperaturen bis 200 "C und einem Wasserstoff-Partialdruck von 20 bar. AnschlielJend kann auf dieselbe Weise auch Kobalt gefallt werden. Elektrolyse
Kathodische Metallabscheidung als Reduktionsreaktion, zum Beispiel die Aluminium- und Magnesium-Gewinnung. Beide Metalle - Aluminium ausschliealich und Magnesium uberwiegend - werden technisch durch Elektrolyse der Oxide bzw. der Chloride in Salzschmelzen gewonnen.
Fur die hydrometallurgischen Reduktionsmethoden
Gewinnung von Alkalimetallen
z. B. Zementation, Druckreaktion mit Wasserstoff, Elektrol yse
Die Gitterenergie der Alkalimetalle ist aufgrund des groBen Atom- und Ionenvolumens verhaltnismaBig klein.
1 Chemische Definitionen
Von technischer Bedeutung fur die Gewinnung von Alkalimetallen und deren Anwendung ist, daB sie bei relativ niedrigen Temperaturen in weiten Temperaturbereichen flussig sind. Die niedrigen Dampfdriicke von Lithium und Natrium sind gunstig fur eine Gewinnung mittels SchmelzfluBelektrolyse. Kalium und Casium haben einen weit hoheren Dampfdruck und sind fur eine SchmelzfluBelektrolyse nicht so gut geeignet. Kalium wird durch Reduktion von Kaliumchlorid mit Natrium bei 870 "C erhalten. Es entsteht eine Kalium-Natrium-Legierung. Diese wird im 2. Verfahrensschritt in Gegenwart von Stickstoff als Schutzgas fraktioniert destilliert.
Gewinnung von Strontium und Barium Rohstoffe: Coelestin, SrSO, Strontianit, Sr C 0 3 Schwerspat, BaSO, Witherit, BaCO,
SrSO,
+2C
SrS + C02 + H 2 0 Strontiumsulfid
-
-
SrS
Aus Strontiumcarbonat wird im elektrisch beheizten Vakuumofen Strontiumoxid gewonnen.
Gewinnung von Erdalkalimetallen Calcium kann nach der SchmelzfluBelektrolyse oder nach dem aluminothermischen Verfahren aus Calciumchlorid bzw. Calciumoxid erhalten werden. Aluminium dient als Reduktionsmittel. Das aluminothermische Verfahren wird unter Hochvakuum bei Temperaturen zwischen 1100°C bis 1200°C und einem Druck von 0,l mbar durchgefuhrt. Das erhaltene Calcium kann durch Vakuumdestillation gereinigt werden. Temp. 900°C bis 925 "C, Druck < 0,l mbar.
1.8.3 Halbmetalle
Die Reduktion von feingemahlenem Strontiumsulfat erfolgt bei 1100°C bis 1200°C mit Kohle im Drehrohrofen. Dabei entsteht Strontiumsulfid, das mit heissem Wasser ausgelaugt wird. Nach Filtration wird das Sulfid aus der Lauge mit Kohlenstoffdioxid oder Soda als Carbonat gefallt Strontiumsulfat
33
+
2COZ
Strontiumsulfid
(AH= -2300 !d/mol) S K 0 3 + H2S Strontiumcarbonat
(AH= +491 !d/mol)
Die Halbmetalle stehen beziiglich ihrer Eigenschaften zwischen Metallen und Nichtmetallen. Zu ihnen ztihlen Bor, B, Kohlenstoff, C, Silicium, Si, Germanium, Ge, Arsen, As, Antimon, Sb, Selen, Se, und Tellur, Te. Sie kommen meist in mehreren Modifikationen (Zustandsformen) vor, namlich in einer oder mehreren nichtmetallischen und in einer metallischen Modifikation. In ihrer metallischen Modifikation leiten die Halbmetalle bei Raumtemperatur den elektrischen Strom maBig. Bei W-ezufuhr jedoch steigt im Gegensatz zu den Metallen bei diesen Stoffen die elektrische Leitfhigkeit an. Die Halbmetalle und halbmetalltihnliche Verbindungen haben als Werkstoffe fur Halbleiter in der Elektroindustrie ein groBes Einsatzgebiet gefunden (s. Abschn. 111-6.2). Auch Kohlenstoff ist zu den Halbmetallen zu rechnen, sonst konnte man ihn nicht als Elektrodenmaterial verwenden.
2 Wasser
2.1 Vorkommen Wasser gehort zu den Huuptbestundteilen der uns umgebenden belebten und unbelebten Natur (s. Abschn. 111-12.2). Es bedeckt 70,s % der Erdoherfarhe in Form von Meeren, Seen und Fliissen; der menschliche Korper besteht zu einem Massenanteil von 0,6 bis 0,7 (60 bis 70%) aus Wasser, Friichte und Gemiise enthalten oftmals einen Massenanteil an Wasser, der groBer als 0,9 (90 %) ist. In geringen Erdtiefen findet man es als Grundwasser. Die Atmosphare kann Volumenanteile bis zu 0,04 (4%) an Wasser in Dampfform aufnehmen und es bei Druck- oder Temperaturiinderungen in Form von Niederschlug abgeben (Regen, Wolken, Nebel, Reif, Schnee, Hagel). Mineralien enthalten oft chemisch gebundenes Wasser als Kristallwasser. Das Gesamtwasservolumen unserer Erde betragt 1,384 Mrd Kubikkilometer. Davon sind 97,4%, das sind 1,348 Mrd Kubikkilometer, in
Verdunstung Ober Meer: 425 (0.031%)
Atmosphare:
; Weltmeere:
: 1.348.000 ;
(97.4%)
den Weltmeeren, die wegen ihres hohen Salzgehaltes nicht so ohne weiteres als Trinkwasser oder industrielles Nutzwasser geeignet sind. 2,65 % bzw. 0,036 Mrd Kubikkilometer liegen als SiiBwasser vor. Sie verteilen sich in unterschiedlichen Mengen auf das Polareis und die Gletscher 2,0%, auf das Grundwasser und die Bodenfeuchte 0,58 % und auf die Seen und Fliisse 0.02 %. Von den gesamten Wassermengen befinden sich 0,073 % bzw. 1 ,O Mio Kubikkilometer im standigen UmwandlungsprozeR zwischen Verdunstung, Kondensation (Niederschlage) und atmospharischem Bestandteil (Abb. 1-6). Der Anteil der Wasservorrate, der mit ca. 1 Mio Kubikkilometer am standigen Zyklus des Verdampfens, Kondensierens, Erstarrens und Schmelzens teilnimmt, ist sehr klein. Aber gerade dieser Teil beeinfluat das Klima auf der Erde entscheidend. Ein weiterer Klimafaktor sind die Weltmeere selbst, die sich durch eine hohe Speicherkapazitat fur die Warmeenergie auszeichnen. In den Abb. 1-7a und I-7b sind die Energiemengen schematisch einander zugeordnet, die beim
Meer: 385 (0.028%)
35
2 Wasser Aufnahme von 2260 kJ Verdampfungswanne
n
-w-
Wasser
Abgabe von 2260 kJ Kondensationswarme Wasser
Umwandlungsvorgange des mit der Masse von 1 kg
-
E
Wasser
-<[I->
c k
Wasser
Erstamngswarme Abgabe von 335 kJ
Aufnahme Schrnelzwanne von 335 kJ
(273 K = O°C; 1 kcal = 4,184 kJ)
Abb. I-7a. Energieumsetzung des Wassers. - Dabei auftretende Energieverluste sind nicht beriicksichtigt.
Verdampfungswarme (+ 2260 kJ)
w Dampf
373
Kondensationswarme(- 2260 kJ)
E
-E
I
3
x
Urnwandlungsvorgange des Wassers (H,O)
E
I-" Schmelmarrne (+ 335 kJ)
273
I
Erstamngswarme (- 335 kJ)
....-.
I.335 kJ I
419kJ
I
2260 kJ
J
*
Energie [kJ] (273K 0 OC; 1 kcal= 4,184 kJ) Abb. I-7b. Diagramm fur die Energieumsetzung des Wassers bezogen auf 1 kg. - Dabei auftretende Energieverluste sind nicht beriicksichtigt.
36
I Chemische Grundlagen
Wechsel des Wassers von Fliissigkeit, Dampf und Eis umgesetzt werden.
2.2 Chemische und physikalische Eigenschaften Wasser ist eine Verbindung, die aus einem Massenanteil von 0,889 (88.9 %) Sauerstoff (0,)und einem Massenanteil von 0,111 (1 1,l %) Wasserstoff (H,) besteht. Es entsteht beim Verbrennen von Wasserstoff oder wasserstoffhaltigen Verbindungen in sauerstoffhaltiger Atmosphare.
+
2H,
0,
-
2 H,O
Wasserstoff
Sauerqtoff
Waqser
4g
32g
36 g (AH=-S71.6kJ/mol)
Bei Neutralisationsreaktionen und vielen anderen chernischen Reaktionen entsteht ebenfalls Wasser (s. Abschn. 1-6.1). HCI Saure
+
NaOH Lauge
Neutralisation
-
NaCl Salz
+
Physikalische Daten bei Normdruck (1,013 bar): 0 "C Erstarrungspunkt 100°C Siedepunkt 334,96 I d k g Schmelzwarme 2258,4 kJ/kg Verdampfungswarme 1 kg/dm3 GroRte Dichte (bei 4°C) Volumenausdehnung am Gefrierpunkt bei Umwandlung von 9 % Massenanteil, Wasser in Eis d.h. Eis ist leichter als fliissiges Wasser Die meisten Stoffe nehmen in fester Form an ihrem Gefrierpunkt ein kleineres Volumen ein, als in flussiger Form. Beim Wasser ist das umgekehrt, man spricht daher von der Anornulie* des Wassers. Wasser hat bei Normdruck bei +4"C seine groBte Dichte.
2 3 Physikalische BezugsgroBen H,O Wasser
(AH= -56.1 kJimol)
Beide Reaktionen, sowohl die Verbrennung des Wasserstoffs als auch die Neutralisation, verlaufen exotherm, d.h. es wird Energie freigesetzt. Das Reaktionsprodukt, in diesern Fall Wasser, ist energie-er als die Ausgangsprodukte. Wasser ist eine energiearrne und damit chemisch stabile Verbindung. Umgekehrt rnuR man Energie aufwenden, um Wasser in seine Elernente Wasserstoff und Sauerstoff zu zerlegen. Aufgrund ihres hoheren Energiegehalts sind Wasserstoff und Sauerstoff sehr reaktionsfahige Stoffe. Reines Wasser ist eine geruch- und geschmacklose, durchsichtige, in dicker Schicht blaulich schimrnernde Fliissigkeit.
Die Masse von 1 dm' Wasser bei 4 "C ist 1 Kilogramm (kg).
Fur die Temperaturskala nach Celsius dienen die Umwandlungstemperaturen des Wassers unter Normdruck als Fixpunkte.
0 "C 100 "C
-
Gefrierpunkt des Wassers Siedepunkt des Wassers
Auch bei der friiheren Definition der Warmemenge bediente man sich des Wassers: 1 kcal** entspricht der Wiimemenge, die man benotigt, urn 1 kg Wasser von 14,s "C auf 1 5 3"C zu erw m e n , das entspricht 4,187 kJ.Der Druck wurde oft in rnm Wassersaule angegeben.
*
**
anomales (grch.) = regelwidng, uneben. kcal als Einheit der Warmemenge ist nicht mehr zulassig.
3 Sauren
Im Abschn. 1-1.7.3 sind einige Oxidationsreaktionen zwischen Nichtmetallen und Sauerstoff vorgestellt worden. LaBt man diese Oxidationsprodukte, namlich die Nichtmetalloxide, mit Wasser reagieren, so entstehen als Reaktionsprodukte Sauren, eine wichtige chemische Stoffklasse.
von Waschrohstoffen, Kunststoffprodukten, Dungemitteln usw. Schwefelsaure mit w**(H2S0,) = I (100 %) heiBt Monohydrat, und eine Losung von Schwefeltrioxid in Monohydrat heiBt Oleum oder rauchende Schwefelsaure.
3.2 Schweflige Saure
3.1 Schwefelsaure
SOzcg, + H&) SO3(g)
+ H20(1)
Schwefeltrioxrd 80 g
----t
HzS04,,,
Wasser
Schwefelsaure
18 g
98 g
-.-
H2%,q)
Schwefel- Wasser dioxid
schweflige Siure
@g
82 g
18g
( M =-26,4 kJ/rnol) (AH=-l32,6kJ/rnol)
Schwefelsiure
0-H
Schwefeltrioxid tritt in fester Form in 3 Modifikationen auf, die bei 40 "C zu schmelzen beginnen und an der Luft stark rauchen. Die eisartige y-Modifikation schmilzt schon bei 16,8 "C. Mit Wasser reagiert Schwefeltrioxid stark exothenn. Es entsteht Schwefelsaure, eine schwere, olige Flussigkeit. Sie siedet bei 338°C mit einer konstanten Zusammensetzung von 0,98 (98 %) Massenanteilen Schwefelsaure und 0,02 (2 %) Wasser. Das ist die gewohnliche, konzentrierte Schwefelsaure des Handels. Sie ist stark wasseranziehend (hygroskopisch*). Vorsicht ist beim Verdiinnen der Schwefelsaure geboten. Immer muB die Schwefelsaure in Wasser geschuttet werden und niemals umgekehrt. Das Verdiinnen erfolgt unter starker Warmeentwicklung. Schwefelsaure hat viele Einsatzgebiete. Sie wird benotigt bei der Herstellung
* **
hygro (grch.) = Feuchtigkeit. scopein (grch.) = beobachten. spahen. w(X) ist der Massenanteil eines Stoffes X in einer Mischung. Er ist der Quotient aus seiner Masse m(X) und der Masse rn der Mischung, w(X)= ni(X)/m.
Schwefeldioxid ist im Gegensatz zurn Schwefeltrioxid ein Gas und 1aBt sich in Gegenwart eines Katalysators mit Luft zu Schwefeltrioxid oxidieren. In Wasser lost sich Schwefeldioxid, reagiert aber nur zu einem minimalen Anteil zur schwefligen Saure.
o= s / \
0-H schweflige Siure
0-H
Schwefeldioxid kommt in Druckgasflaschen und Kesselwagen in den Handel und dient zurn Bleichen und Raffnieren. Fur Bleichzwecke in der Leder- und Papienndustrie sowie in Zuckerund Starkefabriken ist Schwefeldioxid unentbehrlich.
3 3 Phosphorsaure Durch Verbrennen von Phosphor entsteht ein weikr, fester, leicht sublimierender Stoff, Diphosphorpentoxid, P,O Diphosphorpentoxid ist sehr hygroskopisch und als das starkste wasseranziehende Mittel bekannt. Die Sublimationstemperatur liegt bei 350"C, d.h. Phosphoroxid geht bei dieser Tem-
38
I Chemische Grundlagcn
peratur unter Uberspringen des flussigen Zustandes vom festen in den gasformigen Zustand iiber. Die Umsetzung von Phosphoroxid mit Wasser liefert Orthophosphorsaure, gewohnlich Phosphorsaure genannt.
4 NO,,,)
P-tOi,,,,I + 6H2011,
4 HJ'O,i.,q,
0
O~~hophoaphoruiure 392 g ( A f i= -368.6 kJ/mol)
N-0-H II 0
Phosphoroxid
Wasser
2x4 g
108 g
-
Die Phosphorsaure des Handels ist eine sirupose, viskose Flussigkeit mit einem Massenanteil von 0,80 bis 0,85 (80 % bis 85%) H,PO,. Die Wirkstoffe einiger Pflanzenschutzmittel, z.B. E 605, enthalten Phosphorsaureabkommlinge . Fur die Herstellung von reinen Phosphorsaure-Salzen, die in der Futtermittel-, Lebensmittelund Waschmittelindustrie Verwendung finden, sind groRe Mengen Phosphorsaure notwendig. Auch zur Behandlung von Metalloberflachen wird sie in groberen Mengen eingesetzt (Phosphatierung).
3.4 Salpetersaure Wird Ammoniak in Gegenwart von Katalysatoren bei Temperaturen von 450 "C bis 500°C verbrannt, so erhalt man Stickstoffoxide. 4 NH,
+
5 O,,,,
Kat.
Ammoniak Sauerstoff 6X g
160 g
2 NO,,, + Ozlr, Stickstoffmonoxid 60 g
-
4 NO,,, + 6 HZO(,t Stickstoff- Wasser monoxid 120 g 108 g (NZ = -'N6,3 kJ/mol)
Sauerstoff
Stickstoffdioxid
32 f
92 g ( M = - I 1 4 , 2 kJ/mol)
Beide Reaktionen verlaufen stark exotherm. Stickstoffdioxid ist ein braunrotes, charakteristisch riechendes, giftiges Gas. Leitet man Stickstoffdioxid zusammen mit Sauerstoff in Wasser, so erhalt man Salpetersaure .
+ 2 H,O(,, +
Stickstoffdioxid
Wasser
1X4p
36 f
Ozlp) Sailer-
-
4 HNOx.tqi Salpetsrsiure
stoff
32 g
252 g (AH = -346.9 kJ/mol)
I1
Salpetersaure
Die Salpetersaure ist neben Ammoniak die wichtigste anorganische Stickstoffverbindung. Sie ist ein starkes Oxidationsmittel und siedet bei 86°C. Die konzentrierte Saure enthalt einen Massenanteil von 0,68 (68 %) HNO,. Die Salpetersaure ist ein wichtiger Grundstoff zur Produktion von Dungemitteln, Explosivstoffen, Farbmitteln usw.
3.5 Kohlensaure Luft hat einen Volumenanteil von 0,00038 (0,038 %) Krihlcnstoffdioxid. Es dient den PflanZen als Rohstoff (vgl. Abb. 1-5). Kohlenstoffdioxid tritt bei der alkoholischen Garung auf, ebenso in vielen Verbrennungsgasen. Aus Abgasen kann Kohlenstoffdioxid rein gewonnen werden. Es kommt in fester Form als Trockeneis in den Handel. Festes Kohlenstoffdioxid sublimiert, d.h. es geht unmittelbar, ohne zu schmelZen, in Dampfform uber. Kohlenstoffdioxid wird in Druckgasflaschen gehandelt und wird vielfach als Schutzgas zum SchweiUen unlegierter Stahle eingesetzt. Kohlenstoffdioxid ist ein farbloses, geruchloses Gas. Es liist sich in Wasser und verbindet sich mit Wasser zu einem geringen Teil zu Kohlensiiure. Das gelBste Kohlenstoffdioxid kennt man in Sodawasser, Coca-Cola u.a. Hierzu wird Wasser mit Kohlenstoffdioxid unter 3 bis 4 bar behandelt .
3 Sauren
3.6 Salzsaure
Vereinfachte Schreibweise:
Durch Reaktion von Wasserstoff und Chlor (Chlorknallgas), beides Produkte, die bei der Alkalichlorid-Elektrolyse anfallen, entsteht Chlorwasserstoflgas (vgl. Kap. 111-2).
HCI
Ha,,
+
Wasserstoff 2g
Cl2W Chlor 71 E
-
2 HCl,,) Chlorwasserstoff 73 g (AH= - 1x45 kJlmol)
Chlonvasserstoffgas wird technisch bei der Chlorierung von Kohlenwasserstoffen als Nebenprodukt erhalten (vgl. Kap. 111-3). Wird Chlonvasserstoffgas in Wasser eingeleitet, entsteht unter groBer Whneentwicklung Salzsiiure (Chlorwasserstoffsaure). Die auftretende Losungswarme betragt bei 0 "C je nach Verdiinnung 54kJ/mol bis 75 kJ/mol.
H20
HCI,,) Chlorwasserstoff
-
Salzsaure
Die Salzsaure findet fur verschiedene Zwecke Verwendung in der chemischen und chemischtechnischen Industrie, Metall- und Nahrungsmittelindustrie, Leim- und Gelatinefabriken, zur Wasseraufbereitung u. a.
3.7 Eigenschaften von Sauren
Wasser
*
C1
Die allgemeine Schreibweise fur die iibrigen in den Abschnitten 1-3.1 bis 1-3.6 genannten Sauren ist dann folgende: Schwefelsaure H$04
-
+
2H'
SO,'
Das Saurerest-Ion der Schwefelsaure heiBt Sulfat-Ion . Schweflige Saure HzSOi
-
+
2H'
SOl'
Das Saurerest-Ion der schwepigen Saure heirjt Suljit-Ion.
H3P04 -.-
H30+
+
+
3H'
PO,'
Salpetersaure HNO3
CI-
Hydronium- ChloridIon Ion
-
H'
+ NO,
Das Saurerest-Ion der Salpetersaure heiBt Nitrat-Ion. Kohlensaure HK03
Sie alle dissoziieren (spalten sich) in w3Briger Losung in positiv geladene Wasserstoff-Ionen* und negutiv geladene Saurerest-lonen, wobei die Wasserstoff-Ionen niemals frei vorkommen, sondern stets an ein Wassermolekiil gekoppelt sind und in der Losung als Hydronium-Ionen, H 3 0 + , vorliegen. In chemischen Gleichungen schreibt man der Einfachheit halber gewohnlich H' statt H,O', auch spricht man nur von Wasserstoff-Ionen.
Salzslure
+
Das Saurerest-Ion der Phosphorsuure heiBt Phosphat-Ion.
(Der Index aq bedeutet: in Wasser gelost)
Dissoziation
H'
Phosphorsaure
HCLtq) (AH= -75 kJlmol)
HCI + HzO
H2O
39
-t
2H'
Das Saurerest-Ion der Kohlensaure heiBt Carbonat-Ion.
Man unterscheidet verschiedene Saurearten: die anorganischen Sauren, zu denen die sog. Mineralsauren gehoren, und die organischen Sauren, zu denen u.a. die Carbonsauren und die organischen Sulfonsauren gehoren. Wal3rige Saurelosungen schmecken sauer und ftirben blaues Lackmuspapier rot. Sie leiten den elektrischen Strom. Die positiven Ionen, die zur negativen Kathode* wandern, nennt man Kutionen, die negativen Ionen, die zur positiven Anode wandern, Anionen.
* ion (grch.) = gehend, abgekitet von;
ienai (grch.) = gehen: anienai (grch.) = hinaufgehen; kata (grch.) = hinab.
+ CO,'
*
hodos (grch.) = Weg
40
I Chemische Grundlagen
3.8 Unterschiedliche Starken von Sauren Es gibt Sauren, die in wahiger Losung fast vollstandig in Wasserstoff-Ionen und Saurerest-Ionen dissoziiert (gespalten) sind. Zu diesen gehoren z. B. Salpetersaure und Salzsaure. Diese Sauren nennt man starke Sauren. Es gibt aber auch Sauren, die nur einen geringen Anteil Wasserstoff-Ionen in wal3riger Losung abspalten; das sind z.B. Essigsaure, Kohlensaure, Schwefelwasserstoffsaure, Borsaure. Diese Sauren nennt man schwache Siiuren. Als Mal3 fur die Starke einer Saure dient die Angabe, wie weit eine Saure in wal3riger Losung in Wasserstoff- und Saurerest-Ionen aufgespalten ist. HCI
Dissoziation
-
H'
+
CI
Dieses Ma8 ist der Dissoziationsgrad einer SBure . Der Dissoziationsgrad gibt das Verhulhisder Anzahl dissoziierter Sauremolekule - oder auch der Konzentration c(H') - zur Gesamtzahl der gelosten Sauremolekiile bzw. der Konzentration c ~ ; in , ~ einer , ~ Liisung ~ an. Allgemein lautet die mathematische Formulierung des Dissoziationsgrades:
a = - c (H') Csaurr
Sind in einer Losung alle Sauremolekiile dissoziiert, d.h. ist c(H+)=cs,,,, so ist a= 1 . Sind nur 60% der Molekiile dissoziiert, ist also c(H') = 0,60 cSaure,so wird a = 0,6. Die Sauren konnen nach ihrem Dissoziationsgrad, d.h. nach ihrer Starke eingeteilt werden. Da der Dissoziationsgrad von der Temperatur und von der Konzentration der Losung abhangig ist, mussen bei der Angabe der Dissoziationswerte immer die Temperatur und die Konzentration der Saurelosung mit berucksichtigt werden.
Im allgemeinen nimmt der Dissoziationsgrad mit steigender Temperatur und steigender Verdiinnung zu. Beispiel: Konzentrierte Schwefelsaure lost keine Metalle auf. Sie kann deshalb auch in eisernen Tanks transportiert und aufbewahrt werden. Sie ist fast nicht dissoziiert. In verdunnter Schwefelsaure dagegen liegen Wasserstoff-Ionen vor, die Metalle angreifen. Haufig werden die Dissoziationsgrade fur 18°C und Losungen mit einer Aquivalentkonzentration c (eq) = 1 mol/L angegeben (alte Bezeichnung Normallosung, 1 N). Die Aquivalentkonzentration c (eq) eines gelosten Stoffes X ist der Quotient seiner Aquivalentstoffmenge n ($. X) und dem Volumen V der Losung. c ( 4 =
n (+ X)
I /
Die Aquivalentstoffmenge n (+.X) einer Saure oder Base (friiher val oder Grammaquivalent) ist diejenige Menge an Substanz, die 1,0088 (1 mol) Wasserstoff-Ionen abzugeben oder aufzunehmen vermag. Die Aquivalentstoffmenge n (+. HCI) Salzsaure entspricht 36,5/1 g HCI.
-
HCI 36.511 g
H'
+
1g
C1 35.5 g
Die Aquivalentstoffmenge Schwefelsaure n (+ H2SO4)entspricht 98/2 g H,SO,
-
HSO, 9812 g
2H'
+
SO4'9612 g
?/2 g
Die Aquivalentstoffmenge Natronlauge n ($ NaOH) entspricht 40/1 g NaOH
-
NaOH 10/1g
OH17/1
+
H' Ill g
-
Na' 231 g
H,O IX/I g
+
OH1711 g
3 Sauren
Einteilung der Sauren nach ihrem Dissoziationsgrad
3. Mittelstarke Sauren, a = 0,2 bis 0,O I
1. Sehr starke Sauren, a = 1 bis 0,l
H,PO, HF
Salpetersaure 0,82 Salzsaure 0,79 Bromwasserstoffsaure 0,9 [c HBr) = 0,1 mol/L] HI Iodwasserstoffsaure =: 0,9 =: 0,9 HCI03 Chlorsaure HClO, Perchlorsaure =: 0,9 HN03 HCl HBr
(t
2. Starke Sauren, a = 0,7 bis 0,2 H,SO,
Schwefelsaure
0,51
H2S0,
Phosphorsaure Fluorwasserstoffsaure (HuBsaure) schweflige Saure [n ($ H2S03) =
0,17 0,07
0,15 0,l mol/L]
4 . Schwache und sehr schwache Suuren, a < 0,Ol H2C03 Kohlensaure H2S Schwefelwasserstoffsaure HCN Blausaure H,BO, Borsaure
41
0,0017 0,0007 0,000 1 0,000 1
4 Laugen oder Basen
Die Oxide der Alkali- und Erdalkalimetalle sind sehr reaktionsf~hig. Sie verbinden sich sehr leicht mit Wasser zu den entsprechenden Hydroxiden, deren waBrige Losungen Laugen genannt werden ,z .B .
KOH
K-OH Kaliumhydroxid (wiBrige Losung: Kalilauge)
Mg(OH),
Mg,
, OH
Magnesiumhydroxid
OH
2 NaOH,.., Natriumhydroxid wiiBriger Lasung Natronlauge genannt)
(in
(AH= -237.65
kJimol)
2 KOH,,) Kaliumhydroxid (in waRriger Lowng Kalilauge genannt) (AH= -35 I,Of5 kJ/inol)
OH
,
Ca(OH),
Al(OH),
Calciumhydroxid 'OH (waBrige Losung: Kalkwasser oder Kalklauge) Ca':
/
OH
Al- OH
Aluminiumhydroxid
\
OH +
H
Mg(OH)a,i Magnesiumhydroxid
(AH= CaO,,, + H20,1, Calcium- Wasser oxid
-
~
H-N
H
OH
H
36.8 kJ/mol)
Arnmoniumhydroxid Ca(OHh,, Cdlciumhydroxid (in waBriger Lorung Kalkwaser genannt) (AH= -82.0 kJ/mo])
Fur die Hydroxide ist die OH-Gruppe, Hydroxidgruppe genannt, charakteristisch.
4.1 Eigenschaften und Verhalten von Hydroxiden Hydroxide zeigen gemeinsame chemische Eigenschaften und sind ebenso wie Sauren als eine typische Verbindungsklasse anzusehen. Vergleicht man die chemischen Formeln der Laugen miteinander, stellt man fest, daR in allen die Hydroxidgruppe auftritt. NaOH
NH,OH
Na-OH Natriumhydroxid (waBrige Losung: Natronlauge)
Ein Vergleich dieser Formeln zeigt, daR die Hydroxidgruppe immer einwertig auftritt. Die Hydroxidgruppe ist immer einwertig. So wie Sauren aufgrund ihrer WasserstoffIonen (H') in waBrigen'f,osungen sauren Charakter besitzen, zeigen die Hydroxide in waariger Losung aufgrund ihrer Hydroxid-Ionen (OH-) basischen (alkalischen) Charakter. Verbindungen, die in waRriger Losung Hydroxid-Ionen bilden, nennt man Basen bzw. Laugen. Sie reagieren basisch (alkalisch) und fiirben rotes Lackmuspapier blau. Die geliisten Metallhydroxide dissoziieren in waBriger Losung in positiv geladene Metall-Ionen (Kationen) und negativ geladene HydroxidIonen (Anionen).
NaOH Natriumhydroxid
Dissoziation
Na'
+
NatriumIon
OH Hydroxid Ion
4 Laugen oder Basen
Analog dissoziiert auch Calciumhydroxid: Ca(OH),
Dissoziation
Calciumhydroxid
-
Ca'+
+
CalciumIon
Dissoziation
-
M'+
4.2 Unterschiedliche Starken von Laugen
2OHHydroxidlonen
Allgemein wird die Dissoziation der Metallhydroxide in folgender Schreibweise formuliert: M(OH)
43
OH-
M steht hier anstelle eines beliebigen einwertigen Metall-Ions.
Spezielle Hydroxide Festes Natriumhydruxid ist im. Handel als Atznatron und Kaliumhydroxid als Atzkali bekannt. Sie werden in Plattchen- oder Schuppenform in Blech- oder Kunststoffbehalter luftdicht verpackt, weil sie sehr hygroskopisch sind. Atznatron ist der Grundstoff zur Herstellung von Natronlauge und wird in grol3en Mengen eingesetzt bei der Herstellung von Zellwolle, Zellstoff, Papier und Seifen, z. B. Natronseifen, die als Kernseifen bekannt sind. Ebenso ist Atznatron bei der Herstellung von Glas, Gerbstoffen, Farbstoffen und Reinigungsmitteln sowie bei der Wasseraufbereitung unentbehrlich. Atzkali dient ebenso wie Atznatron zur Herstellung von Seifen; damit werden die weniger teuren Schmierseifen hergestellt, Atzkali ist ebenso wie Atznatron ein wichtiger Rohstoff bei der Glasproduktion. Natronlauge und auch Kalilauge werden neben Chlor als Hauptprodukt der AlkalichloridElektrolyse erhalten. Nach der Hohe der gegenwiirtigen Produktion und ihrer Bedeutung als Grundstoff fur zahlreiche wichtige chemische Verfahren gehoren Natronlauge und Chlor zu den bedeutendsten Erzeugnissen der modernen anorganischen Groaindustrie.
Ebenso wie Sauren in wabriger Losung unterschiedlich stark dissoziiert (gespalten) sind, sind es auch die Metallhydroxide. Es gibt Metallhydroxide, die in wal3riger Losung nur wenig, und andere, die vollstandig in Metall-Ionen und Hydroxid-Ionen gespalten sind. Das MaR fur die Stiirke einer Base (Lauge) ist der Dissoziationsgrad. Er gibt an, inwieweit ein Hydroxid in waRriger Losung in seine Metall-Ionen und Hydroxid-Ionen dissoziiert ist.
Einteilung der Basen nach ihrem Dissoziationsgrad Der Dissoziationsgrad Jst fur 18"C und Losungen mit einer Aquivalentkonzentration* c(eq) = 1 molL angegeben (Abweichungen in Klammern). 1. Sehr starke Basen, a = 1 bis 0,7
KOH NaOH Ba(OH),
Kaliumhydroxid Natriumhydroxid Bariumhydroxid
0,77 0,73 0,70
2 . Starke Basen, a = 0,7 bis 0,2 Ca(OH),
Calciurnhydroxid 0 76 [c($Ca(OH),) = 0,015 rnol/L]
Sr(OH),
Strontiumhydroxid
= 0,6
3. Mittelstarke Basen, a = 0 2 bis 0,l AgOH
Silberhydroxid 0.6 [c(+AgOH) = 0,l mol/L]
4 . Schwache und sehr schwache Basen, a < 0,l NH,OH
Ammoniumhydroxid 0,14 [c(+NH,OH) = 0,l mol/L]
Al(OH)3
Aluminiumhydroxid
*
Aquivalentkonzentration s. Abschn. 1-3.8
< 0,1
5 Der pH-Wert, ein Man fur die Wasserstoffionen-Konzentration
Bei der Klassifizierung der Sauren (Abschn. 1-3.8) wurde zwischen starken, weniger starken und schwachen SBuren unterschieden. Als UnterscheidungsmaB diente der Dissoziationsgrad, der angibt, wieviel Prozent der vorliegenden Sauremolekule in Wasserstoff-Ionen und Saurerest-Ionen gespalten sind. Damit ist aber noch nicht ausgesagt, wieviele Wasserstoff-Ionen in der jeweiligen Saurelosung vorliegen. In einem Liter einer konzentrierten Losung einer schwachen Saure konnen mehr freie Wasserstoff-Ionen vorliegen als in einem Liter einer verdunnten Losung einer starken Saure. Um ein MaB fur die Menge der in einer Losung vorliegenden Wasserstoff-Ionen zu schaffen, wurde die pH-Skala eingefuhrt. Sie umfaBt praktisch die Werte 0 bis 14. Der pH-Wert ist ein MaJficr die Konzentration freier Wasserstoff-lonen (Hydronium-Ionen) in wayriser Liisung.
5.1 Definition des pH-Wertes Als Bezugssubstanz fur die Definition des pHWertes dient reinstes Wasser. Genaue Messungen haben ergeben, daB reinstes Wasser zu einem ganz geringen Teil in Wasserstoff-Ionen (Hydronium-Ionen) und Hydroxid-Ionen dissoziiert ist, und Lwar nach folgender Gleichung:
+
2H20
H,O’
Wd\\er
pocltlv
negdtii
gelddene
gelddene
Hqdronium
Hydroxid Ionen
Ionen
e
H’
+
In einem Wasser-Volumen von 10 Mio L = lOOOOOOOL = lo7 L ist bei Zimmertemperatur 1 mol(18g) Wasser in Ionen gespalten und zwar in 1 mol ( 1 g) H+-Ionen und 1 mol (17 g) OH-Ionen. Danach errechnet sich die Konzentration an dissoziiertem Wasser und damit die Konzentration an Wasserstoff- und Hydroxyd-lonen L . ( H ~ O ) ~=~ ,c(H+) , = <,(OH-) I mol - 1 rnol -- -~ lo7 L 10’ L
Im Dissoziationsgleichgewicht fur Wasser und waarige Losungen (Sauren, Basen) ist das Produkt aus den Konzentrationen der Wasserstoff- und Hydroxid-Ionen konstant, d. h.
lo-’“
(y)’.
Mathematisch formuliert ist das
Ionenprodukt des Wassers (K w )
OH
vereinfacht: H,O
stimmter Anteil der Molekule spaltet sich, und im selben Moment vereinigen sich andere gespaltene Bestandteile wieder zu Molekulen. Das Verhaltnis der gespaltenen zu den nicht gespaltenen Molekulen bleibt aber stets unverandert. Im Wasser herrscht also ein Gleichgewicht zwischen dissoziierten und undissoziierten Wassermolekulen. Die Dissoziation des Wassers ist sehr gering.
Das heifit: In chemisch reinem Wasser ist die Wasserstoffionen-Konzentration gleich der Hydroxidionen-Konzentration Mathematisch gilt:
OH
Der Doppelpfeil sol1 andeuten, daB die Reaktion sowohl nach der einen als auch nach der anderen Seite verlauft und sich ein dynamisches Gleichgewicht einstellt. Man spricht von Gleichgewichtsreaktionen (s. Abschn. I- 10.4). Ein be-
Man sagt, die Wasserstoffionen-Konzentration im Wasser betdgt IO-’mol pro Liter, abgekurzt c(H+) = IO-’rnol/L
5 Der pH-Wert, ein MaS fur die Wasserstoffionen-Konzentration
Diese Gleichung wird logarithmiert und es folgt: igc(H+) = ig lo-' l g ~ ( H + )= -7 -Ig c(H+) = 7
Der Ausdruck -Ig c(H+) wird durch das &ichen pH abgekurzt. = -Igc(H+)
PH
H+-Ionen im UberschuO <
I
'
1
I
I
I
t
0
1
2
3
4
5
6
8aurer Bereich
Abb. 1-8. pH-Wert-Skala.
*
; neutral
Wasser ist neutral. WaSrige Losungen mit pH = 7 werden als neutral bezeichnet. Uberwiegt die H+-Ionen-Konzentration, ist der pH-Wert kleiner als 7, z.B. pH = 6 , dann ist die Liisung suuer. Es sind in 1 L Losung 1/106= 10" mol Wasserstoff-Ionen vorhanden; iiberwiegt die OH--1onen-Konzentration, ist der pH-Wert grofier als 7 , z . B . pH = 8, dann ist die Losung alkulisch (basisch).
OH--1onen i m UberschuO
Wasser
45
1
1
I
I
I
I
I
8
9
lb
11
12 I
13 1
14
alkalischer Bereich
*
6 Neutralisationsreaktionen und Salzbildung
6.1 Neutralisation Vereinigt man aquivalente Mengen gleichstarker Sauren und Basen, z.B. von Salzslure und Natronlauge, so verbinden sich die aus der Saure stammenden Wasserstoff-Ionen mit den aus der Base stammenden Hydroxid-Ionen zu undissoziierten Wassermolekiilen. Dabei wird Neutrulisutionswurme frei, z. B.
+ CI- + Na' + OH-
H'
Saure
-
23g
35.5g
+ CI- + HzO,,,
+
-+ I g
Na'
Salz
Lauge 17g
23g
Wa\\er
35.5g
18g
(A'f =-55,65 kJ/rnol)
Ubrig bleiben in dieser b s u n g positive Natriurn-Ionen und negative Chlorid-Ionen. Darnpft man die Losung ein, d.h. befreit man sie vom Wasser, scheiden sich Steinsalz- bzw. Kochsalzkristalle aus. Man erhalt also ein Salz, das auskristallisiert. Vor der Reaktion war der pH-Wert der salzsauren Losung kleiner als 7, der pH-Wert der Natronlauge groBer als 7; nach Vereinigung der aquivalenten Menge Saure und Lauge ist der pHWert 7, d. h. die Losung ist nun neutral. Die Umsetzung zwischen aquivalenten Mensen Sauren und Laugen nennt man eine Neutralisationsreaktion . Das Charakteristische einer Neutralisation ist stets die Vereinigung von Wasserstoff-Ionen mit Hydroxid-Ionen zu undissoziiertem Wasser unter Freiwerden von Warmeenergie, der Neutalisationswarme und die Bildung eines Salzes. Na+LosU,,g + C1-I.~,,u,l,
-
Chlorid-Ion
Natrium-Ion
23 s
355 s
H'
+
OH-
Salze entstehen aus den positiven Metall-lonen der Lauge und den negativen Saurerest-Ionen der Saure. Sauren, die mehr als ein Wasserstoff-Ion abspalten konnen (zwei- und mehrbasige Sauren), konnen auch Saurerest-lonen bilden, die noch Wasserstoff enthalten. So bildet z.B. Schwefelsaure auBer SO,'-- auch noch HS0,--Ionen und PhosphorsLure auUer PO,'-- auch noch H2PO4 -1onen und HP04* -1onen. Diese Ionen haben noch saure Eigenschaften und konnen in wariger Losung weitere Wasserstoff-Ionen abspalten.
6.2 Eigenschaften von Salzen Salze sind im festen Zustand gewohnlich kristallin. In den Kristallen sind die lonen der Salze gitterformig nach bestimmten geometrischen Gesetzen angeordnet (Abb. 1-9).
N aC1,.Iql Kochsalrlnsung
A
585 g
H& (AH=
~
55 6 kJ/mol)
Abb. 1-9. Modell eines Kochsalz-Kristalls.
6 Neutralisationsreaktionen und Salzbildung
Werden Salzkristalle in Wasser aufgelost , so wird die geometrische Anordnung der Metallund Saurerest-Ionen aufgehoben. Das Salz dissoziiert in seine Bestandteile.
in Wasser
NaCl Natriumchlorid
+
C1-
NatriumIon
Ion
Na'
Chlorid-
(AH= +4,184 kJ/mol)
47
In wapriger Liisung sind Sake in Metall- und Saurerest-Ionen dissoziiert. WaBrige Salzlosungen reagieren nicht irnmer neutral. Salze, die durch Neutralisation einer schwachen Saure mit einer starken Base gebildet wurden, reagieren basisch. Die verschiedenen Salze mehrbasiger Sauren reagieren teils sauer, teils neutral oder basisch.
7
Anorganische Oxoverbindungen Wasserstoffperoxide und Perborate
7.1 Begriffsbestimmung Die Oxoverbindungen gehoren zu der Gruppe der Komplexverbindungen. Sie setzen sich aus einem Zentralatom und Atomen, die dieses Zentralatom umgeben, den Liganden, zusammen. In NH4+ (Ammoniumion) z.B. stellt der Stickstoff N das Zentralatom, der Wasserstoff H die Liganden dar. Komplexe Ionen werden hiiufig durch eine eckige Klammer eingefaBt. Zentralatome in Komplexverbindungen konnen sowohl Metalle als auch Nichtmetalle sein,
Das Sauerstoffatom weist in seiner aul3eren Elektronenschale nur 6 Elektronen auf, zwei Elektronenpaare und zwei Einzelelektronen, die sich bei der Reaktion mit einem geeigneten Reaktionspartner zu einem Elektronenpaar vereinigen. Es ist daher bestrebt, sich an Zentralatome, die uber freie Elektronenpaare verfugen, anzulagem und so die Liicke von 2 Elektronen zu schlieRen und die abgeschlossene Valenzschale mit 8 Elektronen zu erreichen (vgl. Abschn. I1 S):
z.B.: Chrom Mangan Aluminium Eisen Kupfer Kohlenstoff
Cr Mn A1
Fe Cu C
Chlor Schwefel Sauerstoff Stickstoff Phosphor
CI S 0 N P
An diese Zentralatome lagem sich Atome, Molekiile oder Ionen zu sog. Verbindungen hoherer Ordnung an. Bestehen die Liganden einer Komplexverbindung aus Sauerstoffatomen, dann spricht man von Oxoverbindungen. Zwei Beispiele fur anorganische Oxoverbindungen sind: -
'01
12-
So kennt man z. B. vier Sauerstoffsauren des Chlors. Unter Aufnahme eines Elektrons vom Wasserstoffatom, das dann zum positiven Wasserstoffion wird, verfugt Chlor uber vier freie Elektronenpaare. Nach steigender Zahl der Sauerstoffatome im Komplexion geordnet, sind das die Sauren: 1 . Chlor(1)-saure, H'
Na,CrO, = Natriumchromat
[ ICll-0 I]
2 . Chlor(II1)-saure, Chlorige Saure, HCIOz H+
[0 =Q -0
I]
3. Chlor(V)-saure, Chlorsaure, HClO,
H '
Na2S0, = Natriurnsulfat
Hypochlorige Saure, HClO
[-
-1
1 0 11 I 0 =CI-Ql
4. Chlor(VI1)-saure, Perchlorsaure, HCIO,
7.2 Anorganische Oxosauren und ihre Salze Zu den wichtigsten Oxoverbindungen gehoren die sauerstoffhaltigen Sauren der Nichtmetalle und deren Salze.
7.2.1 Natriumhypochlorit und Chlorkalk Waarige Losungen der hypochlorigen Saure zersetzen sich im Dunkeln langsam, im Sonnenlicht
7 Anorganische Oxoverbindungen - Wasserstoffperoxide und Perborate
jedoch sehr rasch unter Bildung von Salzsaure und atomarem Sauerstoff. 2 HClO Hypochlorige Saure
-
-
2HCI
+2.0.
Salzsaure + Sauerstoff (atomarer)
Die hypochlonge Saure gehort aufgrund dieses Verhaltens zu den starksten Oxidationsmitteln. Der bei ihrer Zersetzung zuerst entstehende atomare Sauerstoff hat eine sehr intensive bleichende und desinfizierende wirkung. Die Salze der hypochlorigen Saure, die Hypochlorite, wirken in wariger Losung ebenfalls als starke Oxidationsmittel und finden als Bleichlosungen fur Papier, Zellstoff, Textilien usw. und als Desinfektionsmittel Verwendung. Wichtige Vertreter sind Natriumhypochlorit und Chlorkalk. Natriumhypochlorit kann man durch Einleiten von Chlor in Natronlauge herstellen: C1,
+ 2 NaOH
Chlor + Natronlauge
-
+ H20 Natriumhypochlorit +
NaOCl + NaCl Natriumchlorit
+ Wasser
Aus den Produkten der Alkalichlorid-Elektrolyse kann Natriumhypochloritlosung direkt gewonnen werden, indem man das an der Anode entwickelte Chlor auf die gleichfalls gewonnene Natronlauge einwirken lal3t. Es entsteht die sog. Chlorbleichlauge (Abschn. 111-2.5). Setzt man Chlor rnit geloschtem Kalk (Calciumhydroxid Ca(OH),) um, so entsteht Chlor-
kalk: CI2
+ Ca(OH),
Chlor + Calciumhydroxid
-
/
wendet und zum Desinfizieren von Hallen- und Freibadern .
7 3 2 Chlorate Von den Salzen der Chlorsaure haben die Alkalichlorate Kaliumchlorat, KC103, und Natriumchlorat, NaCIO,, Bedeutung erlangt. Das Arbeiten rnit Alkalichloraten erfordert stets groBte Vorsicht, da bereits die Anwesenheit kleiner Mengen von oxidierbaren Stoffen wie Schwefel, Phosphor oder organischen Verbindungen beim Reiben zu Explosionen fuhrt. Die Alkalichlorate zersetzen sich beim ErhitZen leicht unter Sauerstoffentwicklung, z. B. KCIO, Kaliumchlorat
-
KCI
+$O,
Kaliumchlorid + Sauerstoff
Alkalichlorate finden deswegen in der Technik haufig als Oxidationsmittel Anwendung. Kaliumchlorat wird in groRen Mengen in der Zundholzfabrikation verwendet. Die schon seit 1848 bekannten Sicherheitszundholzer enthalten im Streichholzkopf auBer Kaliumchlorat als sauerstoffabgebendes Mittel noch brennbare SubstanZen und Bindemittel. Auf den Reibflachen befindet sich im Gemisch mit Glaspulver roter Phosphor, der beim Anstreichen des Zundholzes an der Reibflache mit dem Chlorat Feuer fangt und das leicht brennbare Gemisch der Zundholzkuppe entzundet. Weiterhin finden die Alkalichlorate technische Verwendung bei der Herstellung von Feuerwerkskorpern und Sprengstoffen sowie zur Unkrautbekampfung .
CI
+H20
Ca
\
49
OCI
Chlorkalk + Wasser
Chlorkalk stellt ein gemischtes Calciumsalz der Salzsaure, HCl, und der hypochlorigen Saure, HC10, dar. Die Bedeutung des Chlorkalks hat sich in den letzten Jahrzehnten deutlich vemngert. Heute wird Chlor kaum noch als Chlorkalk versandt, sondern hauptsachlich in verfliissigter Form. Die benotigten Bleichlaugen werden in der Regel an den Orten des Bedarfs aus Chlor hergestellt. Ahnlich wie die Alkalisalze der HOCl sind auch die der chlorigen Saure, HC102, starke Oxidationsmittel. Sie werden vor allem zum Bleichen von Textilien und Zellstoff ver-
7.23 Perchlorate Die Perchlorsaure, HClO,, gehort zu den stiirksten Sauren. Kommt sie mit brennbaren Stoffen wie Papier und Holz in Beriihrung, so fuhrt ihre stark oxidierende Wirkung zu einer explosionsartigen Entzundung. Auf der Haut erzeugt die Perchlorsaure schmerzhafte und schwer heilende Wunden. Die Perchlorate sind die bestandigsten Sauerstoffverbindungen des Chlors. In der Sprengstoffindustrie verwendet man sie daher an Stelle der leichter zersetzlichen und somit gefahrlicheren Chlorate, vor allem das gegen Schlag unempfindliche, aber auf Initialzundung explodierende Ammoniumperchlorat , NH,CIO,. Die Perchlorate werden in Raketentreibmittel und in Feuerwerkskorpern eingesetzt.
50
I Chemische Grundlagen
7.2.4 Permanganate Bei den Permanganaten handelt es sich um Komplexverbindungen, in denen Mangan, Mn, das Zentralatom ist:
r
f
1-
O=Mn-Ol
chere Verbindung. Man kann somit Wasserstoffperoxid als ein Oxidationsprodukt des Wassers auffassen: 2 H z 0 +02
Wasser + Sauerstoff
Me'
-
2H,O,
Wasserstoffperoxid (AH= + 189.1 kJlmo1)
Eine komplizierter aufgebaute Peroxoverbindung dagegen ist das Kaliumperoxodisulfat:
M e ' = Metallion
Die Permanganat-Ionen, Mn0,-, sind charakteristisch violett gefrirbt. Die weitaus groRte Bedeutung unter den Permanganaten besitzt das Kaliumpermanganat ,KMnO,, das tiefpurpurrote Prismen bildet. Kaliumpermanganat spaltet leicht Sauerstoff ab und dient deswegen vielfach als Oxidationsmittel. Es wird aufgrund der stark oxidierenden Wirkung auch zum Bleichen von Wolle, Seide. und anderen Fasern sowie zum Entfarben von Olen verwendet. AuRerdem ist es ein Desinfektionsmittel.
7 2 5 Chromate In den Chromaten ist Chrom, Cr, das Zentralatom:
Auch in dieser Verbindung sind zwei Sauerstoffatome unmittelbar miteinander verbunden. 73.1 GroBtechnische Herstellung von Wasserstoffperoxid In den letzten Jahrzehnten hat die Bedeutung von Wasserstoffperoxid erheblich zugenommen. Heute betragt die Weltjahresproduktion bereits mehr als 2,l Mio t als 100%ige Ware gerechnet. Etwa 90% der Weltproduktion wird nach organischen Prozessen hergestellt. Die weitaus grol3te Bedeutung kommt dem Anthrachinonverfahren zu, nach dem in Europa heute etwa 97% des Wasserstoffperoxids hergestellt werden. Bei diesem Verfahren werden Anthrachinonderivate, d. h. vom Anthrachinon abgeleitete Verbindungen verwendet, z. B.
Chromate haben als Gerbstoffe und als Pigmente Bedeutung (Abschn. 1-9.6.2).
7.3 Peroxoverbindungen In den Peroxoverbindungen sind Sauerstoffatome unmittelbar miteinander verbunden.- Die Peroxoverbindungen sind durch eine ' 0 -0 * Briicke ausgezeichnet. Die einfachste Verbindung dieser Art stellt Wasserstoffperoxid (,,Wasserstoffsuperoxid") dar: H-0-0-H
;
HzOz
Wasserstoffperoxid ist im Vergleich zu Wasser, das ebenfalls aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff aufgebaut ist, die sauerstoffrei-
1 0 1
Die Anthrachinonderivate werden in einem Losemittelgemisch gelost. Durch Einleiten von Wasserstoff in Gegenwart eines Katalysators werden die Anthrachinonderivate zum entsprechenden Anthrahydrochinon hydriert. Der bei der Hydrierung verwendete Katalysator wird anschlie5end durch Filtration abgetrennt und die Hydrochinonlosung in einer weiteren Reaktionsstufe mit Luft begast, wobei unter Riickbildung der Anthrachinonderivate Wasserstoffperoxid gebildet wird (Abb. 1-10):
7 Anorganische Oxoverbindungen - Wasserstoffperoxide und Perborate
51
2. Oxidation
Abb. 1-10. Herstellung von Wasserstoffperoxid (H202)nach dem Anthrachinonverfahren.
2-Ethyl-anthrachion % 2-Ethyl-anthrahydrochinon H I 101 I
101
fH A I1
Rcduktion
4
I 1 0 1 I
1 0 1
+o, (Luft)
H
GH,
Die groBtechnische Darstellung des Wasserstofiperoxi~sUber das ~ ~ ~latsic., h in ~ 4 Verfahrensschritte unterteilen: 1. Hydrierung des Anthrachinonderivats ReduktionsprozeB (Hydrierung) 2. Begasung mittels Luft und Bildung von Wasserstoffperoxid (OxidationsprozeB) 3. Extraktion (Auswaschen) des Wasserstoffperoxids tion
~
~
52
I Chemische Grundlagen
Das entstandene Wasserstoffperoxid wird mit Wasser aus dem Reaktionsgemisch Anthrachinoflasserstoffperoxid ausgewaschen. Die nach Auswaschung des Wasserstoffperoxids verbleibende Anthrachinonlosung steht nach Trocknung und Reinigung wieder als Ausgangsstoff zur Verfugung. Die Wasserstoffperoxid-Rohlosungwird in weiteren Verfahrensstufen vorgereinigt und durch Abdestillation des Wassers konzentriert. Dieser KreislaufprozeB wiederholt sich fortwarend. Es wird jedoch laufend ein Teil des eingesetzten Anthrachinonderivats abgebaut und dadurch verliert es die Faigkeit zur Wasserstoffperoxidbildung und muB ersetzt werden.
73.2 Eigenschaften und Verwendung von Wasserstoffperoxid Wasserstoffperoxid stellt in reinem, wasserfreiem Zustand eine farblose Fliissigkeit dar. Sie ist sowohl in reinem Zustand ak auch in wariger L& sung bei Zimmertemperatur bestandig. Unter Normdruck von 1013 mbar erstarrt Wasserstoffperoxid bei -0,4"C und siedet bei 150"C, seine molare Masse betragt 34 g/mol. Durch Erhohung der Temperatur oder durch die Gegenwart verschiedener Stoffe, wie z. B. feinverteiltem Silber, Platin, Braunstein, Staubteilchen, Alkali oder auch Stoffen mit rauher Oberflache, zerfallt Wasserstoffperoxid unter groBer W-eentwicklung in Wasser und SauerstoH. 2H,0z
-
2 H,0+02
mittel benutzt, so z. B. als Mundwasser oder zum Ausspiilen von Wunden. Auf die Eigenschaft, Sauerstoff abzuspalten, beruht auch seine Bedeutung als Bleichmittel, z.B. fur kosmetische Zwecke (Blondfarben der Haare) oder fur Stroh, Federn, Elfenbein, Schwamme, Leim, Fette, Leder, Pelzwerk usw. Auch bei der Bleicherei von Faserstoffen wie Wolle, Baumwolle, Seide und Kunstfaserstoffen nimmt der Einsatz dieser Verbindung standig zu. Wasserstoffperoxid verdrangt immer mehr die Chlorbleiche, weil es schneller und nachhaltiger wirkt und die Fdser schonender behandelt (Abb. 1-1 I). Reines Wasserstoffperoxid ist eine schwache Saure und somit zur Salzbildung befahigt. Die Salze heiBen Peroxide. Die bedeutendsten Produzenten sind weltweit die Solvay mit Kapazitaten von 600000 t/a gefolgt von Degussa mit 430000 t/a.
7 3 3 Metallperoxide Wichtige Salze des Wasserstoffperoxids sind Na-0-0-Na 16-6 I \ / Ba Laat man z.B. Natriumperoxid auf Wasser einwirken, so entsteht zunachst Wasserstoffperoxid (I), das sofort Sauerstoff abspaltet (11): Natriumperoxid Bariumperoxid
+
Na,O,; Ba02;
1. 2 NazOz 4 HzO
(AH= - 189.1 kJ/mol)
So konnen in hochkonzentrierte Wasserstoffperoxidlosungen hineinfallende Staubteilchen heftige Explosionen auslosen Selbst Spuren von Alkali, die vom Glas abgegeben werden, fuhren zu einer langsamen Zersetzung des Wasserstoffperoxids. Aus diesem Grund benutzt man zum Aufbewahren konzentrierter reiner Losungen GlasgefaBe, die mit Paraffin ausgegossen sind. Technischem Wasserstoffperoxid werden zur Erhohung der Haltbarkeit oft kleine Mengen von Stoffen zugesetzt, die die Zersetzung von Wasserstoffperoxid verzogern oder aufheben. Stoffe mit dieser Wirkung sind z.B. Phosphorsaure, Barbitursaure und Harnsaure. Auf dem starken Bestreben von Wasserstoffperoxid, Sauerstoff abzuspalten, beruht seine Bedeutung als Desinfektions- und Bleichmittel. Wasserstoffperoxid kommt entweder als 3%ige oder als 30%ige waBrige Losung (Perhydrol) in den Handel. In der Medizin wird verdunntes Wasserstoffperoxid als Desinfektions-
11. 2 H,02
-
2 H,Oz 2Hz0
+ 4 NaOH +O,
Die Salze des Wasserstoffperoxids wirken somit ebenfalls stark oxidierend und finden zur Herstellung von Bleichbadern fur die verschiedensten tierischen und pflanzlichen F'rodukte Venvendung. Natriumperoxid wird ebenfalls in groBtechnischem MaBstab hergestellt. Zu seiner Gewinnung wird metallisches Natrium in rotierenden Trommeln durch Einblasen von Luft in zwei Stufen oxidiert. Natrium
+ oz + Sauerstoff
2. 2Na20 Natriumoxid
+ 0, + Sauerstoff
1. 4 N a
-
2Naz0 Natriumoxid (AH= -832.6 kJ/mol)
2Na,O, Natriumperoxid
(AH = -177.4 kJ/rnol)
Die Oxidation zum Natriumoxid erfolgt bei einer Temperatur.jm Rohrinnern von etwa 150°C bis 200°C, die Uberfuhrung des Natriumoxids zum Natriumperoxid bei etwa 350 "C.
7 Anorganische Oxoverbindungen - Wasserstoffperoxide und Perborate
53
Textilindustrie
7
6%
Urnwelt
Wasch- und Reinigungsmittel 23 Yo Abb. 1-11.Einsatz von Wasserstoffperoxid Weltproduktion 1999: 2,l Mio t , berechnet auf 100% H,O,. (Quelle: Information der Degussa AG)
73.4 Harnstoffperoxohydrat Beim Harnstoffperoxohydrat ist Wasserstoffperoxid HO-OH an die organische Verbindung Harnstoff
angelagert. Diese H,O,-Anlagerungsverbindung ist das einzige wichtige organische Peroxohydrat, das im Handel auch unter den Namen Percarbamid oder Carbarnidperhydrat zu erhalten ist. Sein Wasserstoffperoxidanteilbetragt etwa 35%. Harnstoffperoxohydrat ist ein Feststoff, auch ,,festes Wasserstoffperoxid" genannt, der bei trockener und kiihler Lagerung gut haltbar ist. Die Bedeutung von Harnstoffperoxohydrat liegt in seiner Verwendung als Haarbleichmittel und Desinfektionsmittel bei der Wundbehandlung .
Von der Orthoborsaure kann formal die Metaborsaure, HB02, abgeleitet werden, indem man sich ein Wassermolekiil abgespaltet denkt.
HO-BOW
HO-B=O
Die Peroxoborate unterscheiden sich von den Orthoboraten dadurch, dal3 sie ein zusatzliches Sauerstoffatom an Bor gebunden enthalten, das leicht abspaltbar ist und somit oxidierend und bleichend wirken kann. Charakteristisch_sind-wie fiir alle Peroxoverbindungen die (.Q-Q.)Briicken. Der wichtigsten Verbindung dieser Art, dem Natriumperoxoborat , auch kurz als Natriumperborat bezeichnet, kommt folgende Struktur zu:
7 3 5 Peroxoborate Als Borate bezeichnet man die Salze der Borsauren. Die Orthoborsaure, H,BO,, hat folgende Strukturformel: OH I
B
HO'
'OH
Ersetzt man ein oder mehrere Wasserstoffatome der Orthoborsaure durch Metallatome, so erhalt man Borate.
Im Ionengitter dieses Salzes befinden sich auaerdem Wassermolekiile, die sich als sog. Kristallwasser angelagert haben, so daB dem Natriumperoxoborat folgende Bruttoformel zukommt: NaB02(0H)*.3 H 2 0 NatriumperoxoboratTrihydrat
Natriumperborat ist das bestandigste Perborat und stellt somit ein ungefahrliches Mittel dar, Wasserstofieroxid infester Form aufiubewahren.
54
I Chemische Grundlagen
Die Perborate zerfallen namlich in waBriger Losung unter Ruckbildung von Wasserstoffperoxid und wirken deshalb ahnlich wie diese Verbindung, d.h. sie geben leicht Sauerstoff ab. Die Perborate haben deswegen grol3e Bedeutung als Wasch- und Bleichmittel fur die verschiedensten Stoffe erlangt. So enthalt das im Handel erhaltliche Natriumperborat etwa 10,4% aktiven Sauerstoff. Die Waschmittel fur Textilien stellen in der Regel ein Gemisch von waschaktiven SubstanZen, Soda und Natriumperborat dar, wobei der Anteil an Natriumperborat haufig bis zu 30%betragt.
dete Peroxoboratteilchen mit der uberlaufenden Flussigkeit mitgerissen werden. Zur Sicherheit wird diese Kreislaufflussigkeit vor dem erneuten Eintritt in die Kolonne gefiltert. Ein Teil der Flussigkeit wird am Boden der Kolonne abgefuhrt, die Peroxoboratkristalle in einem Filter abgetrennt und die Mutterlauge uber den Vorratsbehalter dem Kreislauf wieder zugefuhrt. Das anfallende feuchte Salz wird anschlieBend getrocknet und abgefullt.
7 3.6 Natriumpercarbonat, Na,CO, * 13 H,O, (abgekiirzt NaPC) Eigenschafren
GroBtechnische Herstellung von Natriumperoxoborat Die technische Herstellung von Natriumperoxoborat erfolgt zweckmaRigerweise in zwei Stufen. Im ersten Schritt wird aus Borax, Na,B,O,, und Natronlauge eine Natriummetaboratlosung hergestellt:
+ Natronlauge
Borax Na2B,0,
+ 2 NaOH
-
Natriummetaborat
4BaB0,
+ Wasser + H,O
Die Natriummetaboratlosung wird anschlieBend mit Wasserstoffperoxid zu Natriumperoxoborat umgesetzt: Natrium- Wassermeta- + stoff + Wasser borat peroxid NaBO,
+ H,O, + 3 H,O
-
-
Natriumperoxoborat
NaBO,(OH), 3 H,O
Um Natriumperoxoborat von gleichmaBiger Qualitat zu erhalten, wird diese zweite Stufe in einem kontinuierlichen Herstellungsverfahren durchgefuhrt . Die Apparatur m r kontinuierlichen Herstellung von Natriumperoxoborat besteht aus einer vertikalen Kolonne (Abb. I- 12a). Mit Hilfe einer Pumpe wird die Reaktionsfliissigkeit in einem Kreislauf durch die Apparatur gepumpt, und zwar gelangt die Flussigkeit durch die vertikale Kolonne nach oben zu einem Uberlauf und wird uber ein Filter und einen Sammelbehalter der Kolonne wieder, zugefuhrt. Wahrend Natriummetaborat am Uberlauf zugegeben wird, IaRt man Wasserstoffperoxid am unteren Ende der Kolonne einflieaen. Durch Erweiterung der Kolonne am oberen Ende wird infolge der geringeren Flussigkeitsstromung verhindert, dal3 gebil-
Bei dem Produkt Natriumcarbonat-Peroxohydrat (handelsublicher Name: Percarbonat) handelt es sich um eine Anlagerungsverbindung, die schon seit langem bekannt ist und bis vor einigen Jahren grofitechnisch ausschliefilich im Kristallisationsverfahren hergestellt wurde. Es ist ein weiBes kristallines Salz, bedingt durch das Herstellverfahren sind es kugelrunde Partikel mittleren Durchmessers von 0.6 mm. Es reizt Augen und die Haut, wirkt oxidierend und ist brandfordernd. Herstellung
Die Produktion bei Degussa erfolgt mittels einer kontinuierlichen Spriihgranulation (Aufbaugranulation). Aus Soda, Na,CO,, und Wasserstoffperoxid, H202,werden Losungen mit bestimmten Konzentrationen hergestellt, die aus Pufferbehaltern mit Pumpen direkt zu den Dusenstationen gefordert werden. In der Granulationsstufe werden mit Mehrstoffdusen die ProzeB-Losungen aus Soda- und H,O,-Losungen in einem bestimmten Mengenverhaltnis gemischt. Die Liisungstropfchen treffen in dieser kontinuierlich arbeitenden Verfahrensstufe auf in der Wirbelschicht befindliche Partikel (s. Abb. 11112b). Die kugelformigen Partikel liegen in einer bestimmten Kornverteilung vor, die je nach Kundenwunsch verandert werden kann. Wichtige Elemente des Verfahrens sind der Bau des Reaktionsapparates und der Spriihdosen und die Technik zur Kontrolle der Keimbildung zum Aufbau des Granulates. Nach dem Aufbau des Granulates wird in einer Wirbelschicht eine Hullschicht, coating, aus Natriumsulfat aufgebracht, um die Lagerstabilitat des Produktes zu sichern, z. B. in Waschmitteln in der Abmischung mit anderen Komponen-
7 Anorganische Oxoverbindungen - Wasserstoffperoxide und Perborate
dl
55
Kuhlung
i
Natriurnperoxoborat NaBO,(OH), 3 H,O
-
Abb. 1-12a. Apparatur zur kontinuierlichen Herstellung von Natriumperoxoborat Na2S04
Soda
rn Sodalosen
-
Granulierenl Synthesa
1
Coating
-
Absacken
-
Veraand
Bulk-Versand
Abb. 1-12b. GrundflieRbild Natriurnpercarbonat-HerstellungsprozeR Quelle: Degussa AG
ten. Das Fertigprodukt wird in Big Bags ?I 1000 kg oder in Sacke ?I 25 kg abgefullt oder auch in Verlade-Silos gefordert . Entsprechend der Formel NaCO, .1,5 H202 ergibt sich aus dem Molverhaltnis, daR reines NaPC zu 67,5% aus Soda und zu 32,5 % aus H202 besteht. Der tatsachliche Verbrauch an Edukten fur die Produktion weicht von diesen
theoretischen Werten ab. Die technisch realisierbare H,O,-Ausbeute liegt unter 100%.
Als Bleichmittel in Waschmitteln, Geschirreinigem, Fleckensalz und technische Spezialanwendungen.
Kohlenwasserstoffe
- aliphatische Kohlenwasserstoffe,
Aufbau organischer Verbindungen Untersuchungen iiber die Zusammensetzung organischer Verbindungen mit Hilfe der Elementaranalyse zeigen, daR neben dem Kohlenstoff nur noch wenige andere Elemente am Aufbau organischer Verbindungen beteiligt sind. Es handell sich hierbei hauptsachlich um Wasserstoff Sauerstoff Stickstoff Halogene Schwefel Phosphor
-
cycloaliphatische Kohlenwasserstoffe, aromatische Kohlenwasserstoffe.
Die aliphatischen Kohlenwasserstoffe lassen sich noch in gesattigte und ungesattigte Kohlenwasserstoffe mit geraden bzw. rnehr oder weniger verzweigten Kohlenstoffketten unterteilen.
H
0 N F, C1, Br, I S P
8.1 Gesattigte aliphatische Kohlenwasserstoffe Die homologe Reihe der Alkane (Paraffine)
Trotzdem ist die Zahl der organischen Verbindungen wesentlich groOer als die der anorganischen (6 Millionen gegeniiber ca. 500000). Die Ursache hierfiir liegt in dern besonderen chernischen Verhalten des Kohlenstoffs: Kohlenstoff kann sowohl mit anderen nichtmetallischen als auch mit metallischen Elementen Molekule bilden. Beispiele hierfur sind:
c1 I
Tetrachlorkohlenstoff CC14 (Tetrachlormethan)
c1-
c- c1
Der einfachste Kohlenwasserstoff ist das Methan. H I H-C-H I H
Von ihm leiten sich durch Aufbau des Kohlenstoffgeriistes, d. h. durch Hinzunehmen von jeweils einer Methylengmppe
I CI
H I
oder . C . I
CH3 Bleitetramethyl
H
I
CH3- Pb- CH3
I
CH3
Die vierbindigen Kohlenstoffatome konnen sich zudem untereinander zu Ketten, Ringen, Netzen oder dreidirnensionalen Gebilden verbinden. Die einfachsten organischen Verbindungen bestehen nur aus den Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff, sie heiBen deswegen auch Kohlenwasserstoffe. Sie werden in folgende grol3e Gruppen unterteilt:
die weiteren gesattigten Kohlenwasserstoffe oder Alkane ab. Die Alkane oder Paraffine haben die allgemeine Summenformel C,,H2n+2 (Tab. 1-3). Die nachfolgenden der in Tab. 1-3 aufgefuhrten Verbindungen sind: Heptan Octan Nonan Decan
C,H,,
C,H,, C,H,,, C,,,H,,
Eine Reihe von Verbindungen, in der sich die Glieder jeweils urn eine bestimmte Atomgruppe unterscheiden, nennt man eine homologe Reihe.
8 Kohlenwasserstoffe
57
Mit steigender Kohlenstoffatomzahl erhohen sich die Siede- und Schmelzpunkte. Paraffine* sind reaktionstrage organische Verbindungen, was auch in ihrem Namen zum Ausdruck kommt [parum affinis (lat.), wenig reaktionsfahig].
Die einzelnen Glieder einer solchen Reihe hei8en Homologe*. Innerhalb der genannten homologen Reihe wirkt sich das jeweilige Hinzutreten einer Methylengruppe (.CH,.) nur wenig auf die chemischen Eigenschaften der Verbindungen aus, z. B. - Brennbarkeit, -
Methan
Whnebestandigkeit,
- Bestandigkeit gegeniiber Sauren.
Methan ist ein farb- und geruchloses Gas, dessen Siedepunkt bei -164°C- und dessen Schmelzpunkt bei -184°C liegt. Es bildet mit Sauerstoff oder Luft explosive Gemische. Die untere Explosiongrenze liegt sowohl bei MethadLuft-- als auch bei MethanlSauerstoff-Gemischenbei einem Volumenanteil an Methan von 0,06 (6%),
Dagegen kommt es zu deutlichen Anderungen der physikalischen Eigenschaften, z. B. bei - Schmelz- und Siedepunkt, - Dichte, - Geruch.
Tab. 1-3. Alkane. - Zahlen aus Chemiker-Kalender 1984.
Alkan
Summen-
Strukturformel formel
Siedepunkt in "C
Schmelzpunkt in "C
H I
Methan
Ethan
Propan
Butan
Pentan
Hexan
*
CH4
C2H6
C,H,
C4H,O
C,H12
C6Hl,
H-C-H I H
-
H
H
I
I
H-C-C-H
-
I
I
H
H
H
H
H
I
l
l
H- C- C- C- H I
l
l
H
H
H
H
H
H
H
I
l
l
1
H-C-C-C-C-H I
I
I
I
H
H
H
H
H
H
H
H
H
I
I
I
I
I
H-C-
C-C-C-C-H I
I
I
I
I
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
H
I
I
I
I
I
I
H-C-C-C-C-C-C-H I
I
I
I
I
I
H
H
H
H
H
H
homos (griech.)- gleich; logos (griech.) - Bedeeutung.
*
164
88,5
- 184
-
172,l
- 443
- 189,9
-
0,5
- 135
+
36.15
-
130,8
+
66,8
-
935
parum affinis (lat.) - wenig reaktionsfahig.
58
I Chemische Grundlagen
die obere Explosionsgrenze (vgl. Abschn. VI12.3) bei Methan/Luft-Gernischen bei einern Volurnenanteil von 0,12 (12 %) Methan, bei Methan/Sauerstoff-Gernischen jedoch bei 0,55 (55 %). Erinnert sei an Grubenexplosionen, als schlagende Wetter bekannt, die durch Entzundung von Grubengaskuft-Gernischen ausgelost werden. Das rnethanhaltige Gruhengas bildete sich bei der Entstehung der Steinkohle aus urzeitlichen Pflanzen vor etwa 300 bis 400 Millionen Jahren. Methan stellt den Hauptanteil des Erdgases und rnacht den groBten Anteil am Sumpfgas aus. Surnpfgas entsteht durch Vergarung pflanzlicher und tierischer Reste unter LuftabschluB rnit Hilfe von Faulnisbakterien, z.B. irn Schlarnrn von Seen und Surnpfen. Heute wird dieser ProzeR bei der Vergarung von Fiikalien und Schlarnrnabsetzstoffen aus Abwassern zur Gewinnung von Methan ausgenutzt. Das sogenannte Biogas, das hierbei entsteht, findet als Heizgas Verwendung. Weiterhin bildet sich bei der Verkokung von Kohle das heizkraftige Leucht- oder Stadtgas rnit einern Volurnenanteil von etwa 0,27 (27 %) Methan. Bei der Destillation von Erdol werden die gelosten Gase frei (Erdolgas), und bei vielen technischen Prozessen fallt Methan als Nebenprodukt an. Methan ist neben seiner Verwendung als Brennstoff ein sehr wichtiger Rohstoff fur die organisch-chernische GroRtechnik:
r
+
Sauer\toff
- Licht-
bogen
- + Chlor
-
+
Ammoniak
-
-
der Molekule unter Hitzeeinwirkung, Acetylen (Ethin), C2H2,bzw. Ethylen (Ethen), C2H4,aus Propan, C3H,, auch Propyfen (Propen),CIH,, gewonnen. Sowohl Ethen als auch Propen sind wichtige Ausgangssubstanzen fur technische Synthesen.
Kat.
CZH,,,, kthan
Pmpan
C,Hx,g) Propan
Acetylen 26 E
30 g
CJ,,g,
CZHz(p, + 2 H,,,,
-
Wasserstoff 4g
(AH = +3 1 I .3 kJimol)
C2H.t,g, + CHqg, Ethylen
Methan ( LW = +R
I .2 kJimol)
CJL,,, + H?,p, Propylen
Wasscrstoff
(LW=+124.3 kJimol)
Propan wird weiterhin zur Herstellung von Nitroalkanen venvendet. Aus Butan werden vorwiegend Butene hergestellt, die wiederurn Ausgangsstoffe fur die Produktion von Butadien sind, der Grundsubstanz des synthetischen Kautschuks und der C,Chernie sind:
-
- H2
CH~-CH~-CHZ-CH~(,) Butan
CHZ=CH-CH~-CH~(,) 1-Buten
(AH = +126,0 kJ/mol) Synthesegas (CO + H,) Benzin. Methanol Acetylen (C2H,) -t Waserstoff (H,) Chlorierte Methane: Methylchlorid H,C-CI (Chlormethan) Chloroform HCCI, (Trichlormethan) Tetrachlorkohlenstoff CCI, (Tetrachlormethan) Blausiiure (HCN)
Ethan, Propan, Butan Ethan, Propan und Butan kornrnen als Begleiter des Erdols und in Crackgasen vor. Sie dienen als wichtige Ausgangsstoffe fur die Synthese organischer Verbindungen. Aus Ethan, C2H6,und Propan, C3H,, werden durch thermisches Cracken, d.h. durch Spalten
CH2=CH-CH=CH2(,) I ,3-Butadien
(AH= +110,5 kJ/mol)
Hohere Alkane Die bisher besprochenen Vertreter der Alkane sind gasformig, die folgenden Glieder der homologen Reihe bis zu einer Kettenlange von 16 Kohlenstoffatornen flussig, und ab C,, liegen die Verbindungen in festern Aggregatzustand vor. Das Erdol enthalt einen hohen Anteil an Alkanen verschiedener Kettenlange: von C , bis etwa Ceo.Es wird bei seiner Verarbeitung der fraktionierten Destillation (vgl. Abschn. V-2.2) unterworfen, d. h. es werden die in einern bestirnrnten Ternperaturbereich siedenden Verbindungen verdampft und der Darnpf zurn Destillat kondensiert. Die Fraktionen der Erdolverarbeitung wer-
8 Kohlenwasserstoffe
den nach bestimmten Siedebereichen eingeteilt und enthalten Gemische von Alkanen rnit bestimmter Kettenlbge, z. B.
59
dieselbe molare Masse auf. Sie unterscheiden sich jedoch in ihren physikalischen und chemischen Eigenschaften voneinander, z. B. im Schmelz- und Siedepunkt:
Benzin Leichtbenzin Schwerbenzin Leuchtol Gasol Schmierol
( 30°C- 100°C)
C, - C, (100°C-200°C) C, - Cl0 (200 "C- 250 "C) C, - C 16 (250°C-300°C) Ci2- CIS (uber 300°C) Ci6CZ2
Parafin stellt eine Mischung fester Alkane dar aus uberwiegend geradkettigen, gesattigten Kohlenwasserstoffen mit einer Kettenlange von CZ0bis C , . Man unterscheidet Paraffinsorten nach ihrem Schmelzpunkt, namlich Weich-, Mittel- und Hartparaffine. Isoparaffine sind kettenverzweigt. So enthalt das Weichparafin kurzere und stiirker verzweigte Kohlenstoffketten, das Hartparafin dagegen hoherschmelzende Paraffine rnit langeren Kohlenstoffketten. Ein wichtiges Losemittel ist ein Kohlenwasserstoffgemisch aus Pentanen und Hexanen, das unter dem Trivialnamen Petrolether bekannt ist. Es handelt sich um eine leichtbewegliche Fliissigkeit von groBer Fliichtigkeit und Brennbarkeit.
n-Butan i-Butan
Siedepunkt
Schmelzpunkt
0,5"C -1 1,7"C
-135°C -159,4"C
-
Chemisch verschiedenartige Verbindungen mit gleicher Summenformel und unterschiedlicher Strukturformel bezeichnet man als strukturisomere Stoffe. Mit zunehmender Kohlenstoffzahl wachst die Zahl der theoretisch moglichen Isomeren erheblich an (s. Tab. 1-4). Tab. 1-4. Vergleich der Anzahl der Kohlenstoffatome in einem Kohlenwasserstoff rnit der Anzahl theoretisch moglicher Isomere.
Zahl der C-Atome
Zahl der Isornere
12 13
5 9 18 35 75 159 355 802
15
4347
20
366319
6 7 8 9 10
II
Isomere* Verbindungen Kohlenwasserstoffe rnit mindestens vier Kohlenstoffatomen konnen auch anders als einfach kettenformig gebaut sein. Sie konnen sog. Seitenketten haben. So kommt das Butan in zwei unterschiedlichen Strukturen vor, n h l i c h als unverzweigtes Butan (n-Butan) und als verzweigtes Butan (Isobutan oder i-Butan): H
H
H
H
I
I
I
I
H-C-C-C-C-H
I
I
I
I
H
H
H
H
H
H
H
I
l
l
H-C-C-C-H
I H
l
l
normal-Butan oder n-Butan
iso-Butan oder i-Butan (2-Methylpropan)
CH3H
Beide Konfigurationen des Butans weisen die gleiche Summenformel (C,H,,) und damit auch
*
isos (griech.) - gleich. meros (griech.) Teil. ~
Das Isooctan (2,2,4-Trimethylpentan), dem als MaR fur die Cute des Benzins die Octanzahl 100 zugeordnet ist, stellt also lediglich eine der 18 moglichen strukturisomeren Stoffe des Octans dar. H
CH3H
CH3H
I
I
I
I
I
I
I
H-C-C-C-C-C-H
I
I
H
CH3H
I
CH3H
2 ,ZA-Trimethylpentan(Isooctan)
60
I Chernische Grundlagen
8.2 Ungesattigte aliphatische Kohlenwasserstoffe Neben den Alkanen gibt es weitere homologe Reihen, deren Glieder stets weniger Wasserstoffatome enthalten als die gesattigten aliphatischen Kohlenwasserstoffe. Sie enthalten mindestens eine Doppel- oder Dreifachbindung zwischen zwei Kohlenstoffatomen.
fine fur Alkene. Die veraltete Bezeichnung Olefine beruht auf der Fahigkeit der niederen Alkene, sich mit Halogenen zu oligen Flussigkeiten zu verbinden. Die wichtigsten Alkene sind die gasformigen Stoffe: - Ethen, - Propen, - Buten.
Alkene sind durch eine Kohlenstoff-Zweifachbindung >C=C< gekennzeichnet. Gegenuber den entsprechenden Alkanen fehlen den einzelnen Verbindungen jeweils zwei Wasserstoffatome.
Sie haben heute als wichtige Grundchemikalien der organischen Chemie eine entscheidende Bedeutung erlangt. Die Ausweitung der sog. Olefinchemie ist sowohl auf die grolje Reaktionsfahigkeit dieser Verbindungen als auch auf ihre rationelle Herstellung aus Erdol und Erdgas zuriickzufuhren.
Beispiele fur diese Kohlenwasserstoffe sind:
Ethen (Ethylen)
8.2.1 Die homologe Reihe der Alkene
CzH,
H\
/H \
H,
H I
Ethen (Ethylen)
H
H I
Daraus leitet sich die allgemeine Sumrnenforme1 der Alkene C,,H2,,ab, wobei n immer groRer als 1 ist. Da die Vierwertigkeit der Kohlenstoffatome ganz allgemein gilt, rnussen bei den Alkenen jeweils zwei C-Atome doppelt gebunden sein. Bei diesen beiden C-Atornen sind sornit jeweils zwei Valenzen an der Ausbildung einer Doppelbindung beteiligt. Wahrend die C-Atome bei den Alkanen ausschlieljlich durch Einfachbindungen verkniipft sind, enthalten die Alkene mindestens eine Doppelbindung. Nach der IUPAC-Nomenklatur* enden alle Namen fur ungesattigte Kohlenwasserstoffe, die Doppelbindungen enthalten, auf -en. Kohlenwasserxtoffe mit Doppelbindungen sind besonders reaktionsfahig. Die Anwesenheit von Doppelbindungen in den reagierenden Molekulen befahigt sie zu polymerisieren. Die friiher ubliche Endung -ylen wird noch haufig verwendet, ebenso die Bezeichnung Ole-
Das Ethylen, H,C =CH,, wird heute hauptsachlich durch thermisches und katalytisches Cracken von gesattigten Kohlenwasserstoffen des Erdols sowie durch Dehydrieren von Ethan gewonnen. In der organisch-chemischen lndustrie stellt Ethylen einen der wichtigsten Rohstoffe dar. Alkene konnen auch mit sich selbst reagieren. Die Verkniipfung von Einzelmolekiilen zu groDen Kettenmolekiilen nennt man Polymerisation. Viele Polymerisationsprodukte haben als Kunststoffe groOe Bedeutung erlangt, so z. B. das Polyethylen (s. Abschn. 111-10.2). n CH,
=CH,
IUPAC. Abkurzung fur International Union of Pure and Applied Chemistry.
[
*
CH, - CH,. ] ,,
Polyethylen
Die Molekulmassen der gebildeten Polyethylene variieren zwischen 10000 und 3 Millionen. Polyethylen hat vielfaltige Verwendungsbereiche, z. B. fur die Herstellung von Haushaltsartikeln aller Art, Spielwaren, Transport- und Lagerbehaltern, Rohren, geblasenen Hohlkorpern fur Chemikalien, Kosmetika und pharmazeutischen Praparaten sowie Folien (Abschn. 111-1.6).
Propen (Propylen) Auch das Propylen, CH,=CH-CH,, hat eine groBe Bedeutung und ist Ausgangsrnaterial fur viele Synthesen. Ahnlich wie das Ethylen IaRt sich auch Propylen polymerisieren. n HC=CH2 I
*
-
n Ethylen
CH3 n Propylen
-
*
CH- CH2 AH3
1
Polypropylen
n
8 Kohlenwasserstoffe
61
Dieser Kunststoff zeichnet sich durch grol3e HWe, gute Wmebestandigkeit und Unernpfindlichkeit gegenuber Chemikalien aus und wird deshalb vorwiegend fur hochbeanspruchte technische Teile verwendet.
Ben und Schneiden ausgenutzt wird. So werden beirn Verbrennen von Acetylen-Sauerstoff-Gernischen Flarnmentemperaturen bis zu 3 100 "C erreicht. Friiher wurde Acetylen hauptsachlich aus Calciumcarbid und Wasser hergestellt:
83.2 Die homologe Reihe der Alkine
CaCZ(\)+2H20,,,
H - CEC-H,,,
Die Stoffklasse der Alkine ist durch eine Kohlenstoff-Kohlenstoff-Dreifachbindung,.C = C ., ausgezeichnet. Alkine sind somit urn vier Wasserstoffatorne m e r als die entsprechenden Alkane. Die wichtigsten Vertreter der Alkine sind:
Calcium- Wasser carbid
Acetylen
H-CEC-H Ethin (Acetylen)
H,C - C
C-H
Propin
Die allgemeine Summenformel der Alkine lautet: CnH2,-Z (n 2 2)
+
64,l g
36g
26g
+ Ca(OH),,,, Calciumhydroxid
74.1 g
(AH=-128 kJlmol)
Die Hauptrnenge an Acetylen wird heute jedoch aus Erdgas und Erdol gewonnen. Aus Erdgas, das einen hohen Anteil an Methan enthalt, kann Acetylen im Lichtbogen- oder irn Flarnmenverfahren hergestellt werden. Bei dem zuerst genannten Verfahren wird Methan in einen elektrischen Lichtbogen von 2000 "C eingeblasen. Bei dieser Temperatur erfolgt endotherme Wasserstoffabspaltung unter Bildung von Acetylen:
Auch bei den Alkinen gibt es wie bei den Alkenen strukturisomere Formen, z.B. Butin-(1) und Butin-(2)
CH, Methan
Acetylen
Wasserstoff
H - C = C - CH2 -CH3
32 g
26 &
6g (AH = +376,6 kllrnol)
Lichtbogen
*
C2H2
Butin-( I)
H,C
-
C = C - CH,
Butin-(2)
Die Ziffer hinter der Silbe -in gibt das erste CAtom der Kette rnit der Dreifachbindung an. Fur die Nornenklatur der Alkine gelten ahnliche Vorschriften wie fur die Alkene, die Narnen der Alkine enden jedoch auf -in. Der ungesattigte Zustand der Alkine bedingt deren Reaktionsfahigkeit. So ist Ethin (Acetylen) ein sehr wichtiger Rohstoff fur zahlreiche technische Synthesen in der organischen Chernie. Erwiihnt sei die Reppechernie, die von Walter Reppe (1 892-1969), einern Cherniker in der BASF. entwickelt wurde.
Ethin (Acetylen) Acetylen ist ein farbloses, nicht giftiges Gas mit sulllichem Geruch. Es ist im Gernisch mit Luft bei einem Acetylengehalt von 3 % bis 70 % hochexplosiv. Ein Acetylen-Luft-Gernisch hat somit weit auseinanderliegende Explosionsgrenzen. Acetylen weist eine hohe Verbrennungswame auf, die bei der Venvendung von besonders konstruierten Brennern beirn autogenen Schwei-
+
3Hz
Beim Flarnmenverfahren (Methanspaltung) wird Methan mit einer begrenzten Luftrnenge teilweise verbrannt. Dabei entsteht neben Acetylen Synthesegas (CO + H2). Die Erdolfraktion Leichtbenzin ist bei der HTP (Hochternperaturpyrolyse) der Ausgangsstoff fur die Acetylenherstellung. Sie enthalt gesattigte C,- bis C,- Kohlenwasserstoffe, die bei einer Ternperatur von 2000°C gespalten werden. Dabei entstehen neben einern hohen Anteil an Acetylen weitere Produkte wie Ethylen und Synthesegas. Acetylen ist ein wichtiger Ausgangsstoff fur technische Synthesen. Die katalytische Urnsetzung rnit Chlorwasserstoffgas fuhrt zurn Vinylchlorid (Chlorethen). H-CrC-H
+ HCI
Kat.
H-C=C-H I
I
H C1 Acetylen
Chonvasserstoffgas
Vinylchlorid
26 E
365 g
625 g
(AH = -99 kJ/mol)
Vinylchlorid ist der monornere Baustein fur das Polyvinylchlorid, PVC.
62
I Chemische Grundlagen
8 2 3 Kohlenwasserstoffemit mehreren Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen Neben den einfach ungesattigten Kohlenwasserstoffen gibt es viele Verbindungen, die zwei oder auch mehr als zwei >C=C<-Doppelbindungen in ihrem Molekul enthalten. Hier sollen nur die Verbindungen mit zwei Doppelbindungen, die Diene, kurz behandelt werden. Die Diene stellen aufgrund ihres ungesattigten Charakters sehr reaktionsfiihige Verbindungen dar. Ihre Eigenschaften hangen jedoch sehr stark von der Stellung der Doppelbindungen zueinander ab. Man unterscheidet Molekule mit:
8.3 Cycloaliphatische Kohlenwasserstoffe Eine weitere grolje Gruppe von Kohlenwasserstoffen kann man sich durch Zusammenschlua der Enden einer Kohlenwasserstoffkette zu Ringen entstanden denken. Aufgrund des ringformigen (cyclischen) Molekulaufbaus heil3en diese Verbindungen cycloaliphatische oder alicyclische Kohlenwasserstoffe.
I . kurnulierten (gehauften) Doppelbindungen Beispiel:
H2C=C =CH2
Cyclopentan
Cyclohexnn
Propadien. Allen
H
2. knnjugierten Doppelbindungen Beispiel:
H,C' =CzH-C'H=CJH2 Butadien4 I,3)
c1.
C--H /cy \
3 . isolierten Doppelbindungen Beispiel:
C1
H2C'=C'H-C7H2-C'H=C5Hr
/ \ C1 H Hexachlorcyclohexan (Garnmexan)
Pentadien-( I .4)
Bei Verbindungen mit konjugierten Doppelbindungen wechseln Doppel- und Einfachbindungen in der Kette miteinander ab, d.h. die Doppelbindungen sind jeweils durch eine Einfachbindung voneinander getrennt. Das einfachste und auch technisch wichtigste Dien rnit konjugierten Doppelbindungen stellt das Butadien dar: H2C'=C'H-C'H
=CJH2
Butadien-( 1.3)
Aus ihm wird durch Polymerisation synthetischer Kautschuk, Buna, hergestellt. Der Baustein des Naturkautschuks ist Isopren, 2-Methylbutadien-( 1.3) HZC =C-CH =CH, I CH, 2-McthyIbutadien-( I , 3 ) , I5opren
Die allgeriieine Summenformel der Cyclealkane lautet: C,,HZ,,
In ihrem Verhalten sind die cycloaliphatischen Verbindungen den Aliphaten sehr ahnlich, jedoch bestehen Abstufungen in der Reaktionsfahigkeit der Ringe. So sind die kleinen Ringe (C3, C,) instabil und daher besonders reaktionsfahig, die mittleren (C5, C , ) und die groaen (C,, C,) sind wesentlich stabiler und reaktionstrager und entsprechen weitgehend den Alkanen. Die wichtigsten Cycloalkane sind Cyclopentan, C,H,,,, und Cyclohexan, C , H I 2 ,die zu einem hohen Anteil in naphthenischen Roholen enthalten sind. Die Grundstruktur des Cyclohexans liegt im Insektizid Gammexan, dem Lindan, vor, einem bedeutenden Ptlanzenschutzmittel der Syngenta (2000 entstanden durch Fusion aus Novartisteilen und Astra Zeneca) Lindan ist biologisch schwer abbaubar und darf in Deutschland nicht mehr verwendet werden.
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Viele aromatische Kohlenwasserstoffe und deren Abkommlinge lassen sich aus Steinkohlenteer und Erdol sowie Erdolspaltprodukten gewinnen. Ihr Anwendungsgebiet erstreckt sich auf weite Bereiche der organischen Chemie, z.B. die Herstellung von Farbmitteln, Pharmazeutika, Pestiziden, synthetischen Elastomeren, Lackrohstoffen. Insgesamt werden heute mehrere tausend verschiedene Zwischenprodukte in Mengen von wenigen jato bis zu 2 Mio jato erzeugt. Ausgangsmaterialien sind in den meisten Fallen die BTX-Aromaten Benzol, Toluol und 0-, m-, p-Xylol sowie Phenol, Naphthalin und Anthracen.
9.1 Aromatische Grundstruktur Aromatische Verbindungen haben im Grundgeriist ein aromatisches Bindungssystem, d. h. ein ebenes ringformiges Grundgeriist, in dem alle CAtome durch gleichartige Bindungen verkniipft sind. Die wichtigste Stammsubstanz der aromatischen Verbindungen ist, wie bereits erwahnt, das Benzol mit der Summenformel C,H,. Die ubliche Strukturformel fur das Benzol bringt die Gleichartigkeit der Bindungen nicht zum Ausdruck: H
9.1.1 Einkernige aromatische Kohlenwasserstoffe Vom Benzol leiten sich die Alkylbenzole ab. Sie zahlen zu den einkernigen aromatischen Kohlenwasserstoffen. Wichtige Vertreter der Alkylbenzole sind das Toluol und die isomeren Xylole, aber ouch Phenole.
Toluol (Methylbenzolj
Xylole (Dimethylbenrolej
Phenol (Hydroxybenzolj
Die Formelschreibweise fur die Xylole sol1 andeuten, daB die zweite Methylgruppe am Ring verschiedene Stellungen einnehmen kann. Die C,H,-Gruppe
heiBt Phenylrest.
9.13 Mehrkernige aromatische Kohlenwasserstoffe AuBer den einkemigen gibt es auch mehrkemige aromatische Kohlenwasserstoffe. Man unterscheidet zwei Gruppen: -
einfach verbundene Ringe,
- kondensierte Ringsysteme.
H
Um darzustellen, daR im Benzolring weder Einfach- noch Doppelbindungen vorliegen, verwendet man besser folgendes Symbol:
Die erste Gruppe enthalt Ringe, die durch Einfachbindungen oder iiber C-Atome miteinander verbunden sind, z. B.
Biphenyl
64
I Chemische Grundlagen
Biphenyl bildet farblose glanzende Blattchen vorn Schmelzpunkt 70°C, die sich nicht in Wasser losen, wohl aber in Ethanol, Benzol und Ether. Es dient als Konservierungsmittel fur Citrusfriichte und irn Eutektikurn rnit Phenolethern als Fullmasse in Warrnetauschern. Biphenyl ist ein wichtiges Ausgangsprodukt fur viele Zwischenprodukte der Cherntec Leuna und der Clariant, z.B. 4-Biphenylcarbonitril, Chlorobiphenyl, 4-Methylbiphenyl. H
9.2 Heterocyclen Ringsysterne, die aul3er C-Atomen noch andere Atome, sog. Heteroatomr (hauptsachlich N, 0 und S), im Ring enthalten, heil3en hererocyclische Verbindungen. Hierzu gehoren auch solche Systeme, bei denen heterocyclische Molekulstrukturen rnit z. B . Benzolringen kondensiert sind. Auch heterocyclische Verbindungen haben arornatischen Charakter.
92.1 Funfringe Einfache Funfringe sind: Triphenylmethan
Im Triphenylrnethan sind drei H-Atorne des Methans durch Phenylreste ersetzt. Kondensierte Ringsysteme sind rnehrkernige aromatische Systerne, in denen zwei oder mehrere Ringe jeweils uber gerneinsame C-Atorne rniteinander verbunden sind, z. B .
H Pyrrol
Furan
Thiophen
Heterocyclen rnit zwei Heteroatomen im Ring sind:
H Pyrazol
H Imidazol
Oxazol
Thiarol
9.2.2 Sechsringe Der wichtigste einfache Sechsring mit einem Heteroatom ist:
Pyridin
Sechsringe rnit zwei N-Atomen sind:
Pyridazin
Pyrimidin
Pyrazin
9 Arornatische Verbindungen (Aromaten)
9 3 3 Kondensierte Heteroringsysteme
65
9 3 Funktionelle Gruppen
Wichtige kondensierte Heteroringsysteme sind:
H Indol
Chinolin
Werden in einem Kwst*-Molekul ein oder mehrere Wasserstoffatome durch Atome oder Atorngruppen ersetzt (substituiert), andert sich das Verhalten - die Funktion - des Molekuls ganz entscheidend. Man nennt diese Atorne oder Atomgruppen deshalbfunktionelle Gruppen. CH3-CH3
Beispiel
Ethan
gesattigter Kwst gasfonnig (Kp. = -89 "C) reaktionstrage
H Benzthiazol
CH,-CH,-OH
Purin
Vom Pyrimidin leiten sich die wichtigen Pyrimidinbasen Cytosin, Uracil und Thymin, die als Bausteine der Nukleinsauren eine groDe Rolle spielen, ab. Auch die Stoffklasse der Purine hat eine groBe Bedeutung fur das Tier- und Pflanzenreich, so z. B. die Basen Adenin und Guanin fur den Aufbau der Nukleinsauren und des ATPt ADP. Aus drei kondensierten Ringen mit einern Heteroatom bestehen:
Aus den unpolaren C-C- und C-H-Bindungen werden dabei polare C-X-Bindungen (X = 0-,N-, S- oder C1-Atome).
-C-C-
Beispiel
I
I
unpolar Elektronen gleichmaBig verteilr
I
H Carbazol
Acridin
Aus drei kondensierten Ringen mit zwei Heteroatornen besteht:
Ethanol
Kwst mil funktioneller Gruppe flussig (Kp. = +78,4 "C) reaktionsfreudig
-c-0 I polar Elektronen zum 0 verschoben
An diesen polaren Bindungen kann jetzt vie1 leichter ein Angriff erfolgen, das Molekul ist reaktionsfaihiger geworden. Die Tabellen 1-5 bis 1-8 geben eine Ubersicht uber die wichtigsten funktionellen Gruppen, geordnet nach den entsprechenden Atomen (0,N, S ,Halogene). Neben den einfach substituierten Kohlenwasserstoffen gibt es auch Verbindungen mit mehreren funktionellen Gruppen, wie z.B. die Aminosauren und die Zucker: H I
'-
-I
'OoH
a-Arninocarbonsauren, Arninosauren
2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo-p-dioxin (TCDD) (haufig auch einfach Dioxin genannt)
*
Kwst, Abkurzung fur Kohlenwasserstoffe.
66
I Chemische Grundlagen
Tab. 1-5. Sauerstoffhaltige funktionelle Gruppcn. .~
Beispiele Funktionelle Gruppe
Name der Verbindungsgruppe
Aliphati sche Verbindung
-OH
Alkohole (aliph.)
CH3 -CH2 -OH
Hydroxygruppe
Phenole (aromat.)
Ethanol
Phenol
Acetaldehyd
Benzaldehyd
-
Aromatische Verbindung
v
OH
H -CLo
Aldehyde
Aldeh ydgruppe \
,c=o
Ketone
CH
C-CH3 3- II
Aceton0
Carbonylgruppe
ocooH
0
-c4
I--'
'
Carbonsauren
CH3 - COOH
OH Carboxylgruppe
Essigsaure
Benzoesaure
Direkte Substitution an aliphatischen Kohlenwasserstoffen
H
/
c=o
Methanchlorierung
I
H-C-OH I
H
HO-C-H
H
I
CI
H-C-OH H
H-C-OH I
CH20H
Merhan
H
Die genannten funktionellen Gruppen lassen sich haufig nicht durch direkte Austauschreaktion in das gesattigte Kwst-Molekiil einfuhren.* In den meisten Fallen muB man bei der Herstellung substituierter Kwst von den sehr reaktiven ungesattigten Verbindungen (Alkene, Alkine) oder bereits substituierten gesattigten Kwst ausgehen. Eine Ausnilhme bilden die arornatischeo Kwst. die wcsentlich leichter substituiert werden kiinnen.
+
HCI
H Chlor
OH
a D Glucose (Schmp 146°C)
93.1 Herstellung substituierter Kohlenwasserstoffe
*
I H-C-C1
I
I
Polyhydroxyaldehyd
Hitze
Chlormethdn Chlorwas(Methylchlorid) \errtoff
Sulfoxidation H
I R-C-
I H Alkan
H H H uvI I I Licht C- - H + S O z + O d K- -C-C-S03H I I I H H H Schwefel- aktiver dioxid Sauerstoff
Alkansulfonsiiure
Methanchlorierung und Sulfoxidation sind groatechnisch bedeutende Prozesse. Wegen des gesattigten Charakters der Alkane verlaufen sie jedoch nur unter drastischen Bedingungen.
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Tab. 1-6. Stickstoffhaltige funktionelle Gruppen. Beispiele Funktionelle GruPPe
Name der Verbindungsgruppe
-NO2
Nitroverbindungen
Nitrogruppe
Aliphatische Verbindung
Aromatische Verbindung
CH3 -NO2 Nitromethan
O N @ Nitrobenzol
- NH2
Amine (aliph.)
CH3 -NH2
Aminogruppe
Aniline (arom.)
Methylamin
Anilin
-C=N Nitril- oder Cyanogruppe
Nitrile oder Cyanide
CH3 -CN
0
Acetonitril
Benzylcyanid
CH2- CN
Tab. 1-7. Schwefelhaltige funktionelle Gruppen. Beispiele Funktionelle GruPpe
Name der Verbindungsgruppe
Aliphatische Verbindung
- SO,H
Sulfonsauren
CH,
Aromatische Verbindung I-\
- CH,
- SO,H
Sulfonylgruppe
Ethansulfonsaure
- SH
HS- CHZ- CH- COOH I NH, C ystein
Mercaptogruppe
Mercaptan
Benzolsulfonsaure
0
SH
Thiophenol
Tab. 1-8. Halogenhaltige funktionelle Gruppen. Beispiele Funktionelle GmPPe
Name der Verbindungsgruppe
Aliphatische Verbindung
Aromatische Verbindung
- Br, - J Halogen-Gruppen
Halogen-Kwst
F2C = CFZ Tetrafluorethylen
Chlorbenzol
- F, - C1,
0
.
1
67
68
I Chcmische Grundlagen
Addition an ungesattigte Kohlenwasserstoffe
+
CH3-OH
CHZ=CH, Ethen (Ethylen)
H,SO,. H '
+ H-OH
Kat.
HCECH +H-CN
CHZzCH-CN
Blauaiiure
KohlenWasserstoffinon- atoff oxid
CH,CI
+
NH,
CH,-CH2-I Iode t han (Ethyllodid)
+ NaNO, Natriuninitrit*
-
Methanal Wasser (Pormaldehyd)
112 0
2
Sauerstoff
Kat.
+
H3C-C-CH3
H20
II 0
-
Chlormethan Amnioniak (Methylchlorid)
Propanol-2 (lsopropanol)
Propanal
Propanon-2 (Aceton)
Austauschreaktionen an substituierten Kohlenwasserstoffen NH,CI
H20
OH
CH,-CH-CHO
Druck
+
H3C-C-CH3
I
Kat.
Sauerstoff
H I
Aurylnitril
CH, = CH2 + CO + H, Ethen
Methanol
Ethanol
+
H'
CHq-CHZ-OH
Washer
Ethin (Acetylen)
'\C = 0
Kat.
11202
CHT-NH2
Washer
b) Carbonylgruppe
+
HCI
Aminomethan Chlor(Methylamin) wasserstoff
CH,-CH2-N0,
+ NaI
Nitroethan
Natriumlodid
Durch diese Substitutionsreaktionen lassen sich zahlreiche funktionelle Gruppen in bereits substituierte Kwst einfuhren.
93.2 Reaktionen an funktionellen Gruppen Viele funktionelle Gruppen lassen sich nach keiner der in Abschn. 1-9.3.1 genannten Methoden in ein Molekul einfiihren. Sie bilden sich durch Reaktionen an bereits vorhandenen funktionellen Gruppen. Im folgenden sind einige wichtige Reaktionsmoglichkeiten von funktionellen Gruppen genannt.
Die Carbonylgruppe >C=O besitzt ahnlich wie das Ethen, H2C=CH2,eine Doppelbindung, die das Molekul reaktionsfaig macht. Die bevorzugten Reaktionen sind deshalb neben der Oxidation - Additionweaktionen.* Oxidation zu Carbonsauren H CH3-C< 0 Ethanal (Acctaldehyd)
+
1/202
-
Sauerstoff
CH3-C\
/
OH 0
Ethansaure (EhsigsPure)
Diese Reaktion ist groatechnisch zur Herstellung von Essigsaure, einem vielfach eingesetzten Produkt, von Bedeutung. Essigsaure wird heute zunehmend auf Basis des Synthesegases, CO+H,, nach der Oxosynthese produziert. Ketone lassen sich nicht weiter oxidieren, da bei ihnen das H an der Carbonylgruppe fehlt.
Sauerstoffhaltige funktionelle Gruppen a ) Hydroxygruppe Die wichtigste Reaktion der Hydroxygruppe ist die Oxidation zu Aldehyden und Ketonen. Die ebenfalls bedeutende Reaktion mit Carbonsauren wird unter c) beschrieben.
*
Sa1.z der salpetrigen Saure HNOZ.
* Wcgen
der groBen ElektonegativitPt des Sauerstoffatomr kann man bei chemischen Rcaktioncn die Carbonylgruppe in folgendcr Form schreiben:
Ein polares Molekiil (z. B . H-OH) wird jetzt so addiert. daB der positive Teil (H') an den negativen Sauerstoff und der negative Teil (OH-) an den positiven Kohlenstoff geht.
69
9 Arornatische Verbindungen (Aromaten)
Stickstoffhaltigefunktionelle Gruppen
Polare Additionsreaktion cH3\
-
+ H-CN
C=O CH3' Aceton
CH3, /
a ) Aminogruppen
,OH C
CH?
\
CN _.
Acetoncyanhydrin ( Ausgangsprodukt fur Plexiglas)
Blaudure
c ) Carboxygruppe
Wie die anorganischen Sauren bilden auch die organischen Carbonsauren mit Basen in einer Neutralisationsreaktion Salze:
+ NaOH
CH,-COOH Essigsiure
-
Natronlauge
Natnumacetat
-
Methylamin
Essigsaure
-
Wasser
H,C-C-NH-CHI II 0
+ HzO
Essigsaure-N-methylamid Wasser
Eine wichtige Amidbindung kommt in den Eiw e i k n vor, sie wird hier auch Peptidbindung genannt. (EiweiBe sind polymere Verbindungen aus Aminosauren.) Auch in einer Gruppe von Synthesefasern, den Polyamiden (Nylon, Perlon) und den Polyurethanen ist die Amidbindung der verknupfende Bestandteil.
b ) Cyanogruppe - Nitrilgruppe
0 Ethanol
0 Benzoesaureethylester (Pfefferminzol)
Wasser
Ester aus niederen Carbonsauren und kurzkettigen Alkoholen sind - oft naturlich vorkommende - Duft- und Aromastoffe. Auch Fette und Wachse gehoren zur Gruppe der Carbonsaureester (s. Tab. 1-9). Tab. 1-9. Ubersicht uber die Zusammensetzung von Estern.
Ester
Carbonsauren
Alkohole
Fruchtessenzen Fette
niedere und mittlere Kettenlange gesattigte und ungesattigte Iangerkettige Kwst. groRe Kettenlange
niedere und mittlere Kettenlange Glycerin
Wachse
CH3NH2+ H3C-C-OH II n
CH,-COO Na'+ HzO
Die Alkalisalze hoherer Carbonsauren (wegen ihres Vorkommens in Fetten auch Fettsauren genannt) sind die Seifen. Die wichtigste Reaktion der Carbonsauren ist ihre Verbindung rnit Alkoholen zu Carbonsaureestern
Benzoesaure
Verbindungen mit einer Aminogruppe verhalten sich ahnlich wie die entsprechenden Alkohole. Sie konnen mit Sauren unter Wasserabspaltung zu esteranalogen Verbindungen, den Saureamiden reagieren:
groRe Kettenlange
Reaktionen an der Cyanogruppe (-C EN) ahneln denen an der Carbonylgruppe. Es finden vorwiegend Additionsreaktionen statt, wobei die Dreifachbindung der Nitrilgruppe weniger leicht reagiert als die Doppelbindung der Carbonylgruppe. Eine der wichtigsten Reaktionen der Cyanogruppe ist die Hydrolyse (Reaktion mit H,O) zu Carbonsauren: CH2-CeN Benzylcyanid
+ 2 H20 Wasser
D C H z - C - OI1 H
+
NH3
0 Phenylessigsiiure
Ammoniak
Eine weitere Additionsreaktion ist die Reduktion mit Wasserstoff zu Aminoverbindungen. Man gewinnt so das fur die Nylonsynthese wichtige Hexamethylendiamin aus Adipinsauredinitril:
70
I Chemische Grundlagen
N=C-(CHZ).,-C=N Adipintauredinitril Kdt --t
+
Chlorierung
4 H, Wasserstoff
HIN - CH, - (CHZ), - CH2 - NH,
Bei der Chlorierung werden H-Atome am Ring durch C1-Atome ersetzt.
Hexamcthylendiamin ( I .6-Diaminohexan)
Sulfonsauregruppe Der in ein Kwst-Molekul eingefuhrte Sulfonylrest kann als starke Saure leicht mit Basen zu Salzen neutralisiert werden. Bei langen Kwst-Resten kommt man zu einer wichtigen Gruppe synthetischer Detergentien, den Alkansulfonaten: R-SO,H
+ NaOH
AlkanNaLronsulfonsaure lauge
-
R-SO,- Na' Alkansulfonat
+ H,O Wasser
9.4 Chemische Reaktionen Die chemischen Reaktionen des Benzols und der anderen aromatischen Verbindungen gleichen keineswegs denen der ungesattigten Cycloalkene. Die typischen Reaktionen des Benzols sind nicht Additionsreaktionen an Doppelbindungen, sondern solche, bei denen der Wasserstoff am Ring gegen andere Atome oder Atomgruppen ausgetauscht wird. Die aromatische Struktur des Rings lndert sich bei diesen Substitutionsreaktionen nicht. Der Vielzahl der darstellbaren aromatischen Verbindungen steht dabei eine verhaltnismlBig kleine Zahl grundlegender Verfahren gegenuber, mit deren Hilfe am aromatischen Grundkorper, dem ,,Kern", Substituenten eingefuhrt und gegeneinander ausgetauscht werden konnen. Man kann diese Reaktionen in zwei Gruppen einteilen: a) einfache Substitutionsreaktionen, b) Austuusch oder Urnwandlung bereits vorhandener Substituenten.
9.4.1 Substitutionsreaktionen
Es gibt vier wichtige Substitutionsreaktionen, die an der Stamrnsubstanz Benzol erlautert werden sollen.
Benrol
Chlor
ChlorbenLol
Chlorwasserbturr
Wird nur ein H-Atom durch ein C1-Atom ersetzt, spricht man von Chlorierung. Bei der Mehrfachchlorierung entsteht Di- undoder Trichlorbenzol .
Sulfonierung Bei der Sulfonierung (Sulfierung, Sulfurierung) werden H-Atome am Ring durch die SOIHGruppe (Sulfonylgruppe) ersetzt.
Benzol
Schuefelsaurc
Die Einfuhrung der Sulfonylgruppe erfolgt mit Schwefelsaure, Oleurn (reine H2S0, + SO,) oder Chlorsulfonslure, HSOJCl. Die Sulfonierung ist eine Gleichgewichtsreaktion, die zum vollstandigen Umsatz einen groBen UberschuB an Schwefelsaure erfordert. Andererseits kann die Sulfonylgruppe aber relativ leicht gegen andere Gruppen ausgetauscht werden. Die Einfuhrung einer Sulfonylgruppe in eine aromatische Verbindung erhoht durch den hydrophilen Charakter der Gruppe die Wasserloslichkeit der Verbindung. Die Verbindungsklasse hat als Sulfonamide in Arzneimitteln und als Sulfonate fur Detergentien grolle Bedeutung. Da es oft schwierig ist, die Sulfonsauren aus dem Reaktionsgemisch abzutrennen, iiberfuhrt man die freie Saure mit Natronlauge in das Natriumsalz, das leichter zu handhaben ist:
71
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
w
H + C1 C2H5
Benzolsulfonsaure
Natronlauge
Natriumbenzolsulfonat
Benzol
Ethylchlorid
Ethyl benzol
Wasser
Chlorwasserstoff
GroBtechnisch wichtiger ist die Alkylierung mit ungesattigten Kohlenwasserstoffen.
Nitrierung Bei der Nitrierung substituiert man H-Atome am Ring durch NO,-Gruppen (Nitro-Gruppen).
Benzol Benzol
Salpetersaure
Nitrobenzol
Wasser
Man nitriert mit sog. Mischsauren, die aus Salpetersaure und Schwefelsaure in verschiedenen Konzentrationen bestehen. Die Nitrierung verlauft unter starker Warmeabgabe. Da die Nitroverbindungen brennbar oder explosiv sind (Trinitrotoluol, TNT), muB unter Kuhlung und besonderen SchutzmaBnahmen gearbeitet werden., Ahnlich wie die Chlorverbindungen dienen die Nitroverbindungen als Vorstufen fur wichtige aromatische Zwischenprodukte. Die wichtigste Folgereaktion ist die Reduktion zu aromatischen Aminen.
Alkylierung Bei der Alkylierung wird ein H-Atom am Ring durch eine Alkylgruppe (aliphatischer KwstRest) ersetzt.
Ethylen
Ethylbenzol
Man kann sie auch als Addition von Benzol an ein Alken auffassen. Ethylbenzol wird durch Dehydrierung der Seitenkette zu Styrol, dem Monomeren des Polystyrols, umgesetzt. Technisch wichtige Zwischenprodukte wie Cumol (Isopropylbenzol) werden auf diese Weise hergestellt: CH3
I
Benzol
Propylen
Cumol
Cumol ist Ausgangsstoff fur die Herstellung von Phenol und Aceton.
Mehrfachsubstitution,Isomerie, Nomenklatur Werden am Benzolring statt eines H-Atoms (Monosubstitution) zwei (Disubstitution) oder mehrere (Mehrfachsubstitution) durch andere Atomgruppen ersetzt, tritt Stellungsisomerie auf. Es ergibt sich die Notwendigkeit, am Benzolring die C-Atome zu bezeichnen, die die Substituenten tragen. Bei Disubstitution ergeben sich drei isomere Derivate:
72
I Chemische Grundlagen X
X
X
X I .2-ortho-(w) (grch.) = neben
I .3-n7e/u-(m-) (grch.) = darwischen
1,4-poru-(p-j (grch.) = gegenuber
NH:!
c1 Handelsname: 4-Chlor-toluidin Echtrot TR-Base rationelk Bez.: 4-Chlor-2-methylaminohenzol
Die Numerierung irn Benzolring erfolgt irn Uhrzeigersinn. Es gibt dernnach drei verschiedene Xylole oder Dirnethylbenzole
SO3H Handelsname: o-Chlor-m-toluidin-p-sulfonsau~ Lackrot-C-Saure rationelle Bez.: 2-Amino-5-chlor-4-methylbcnzolsulf~nsaure
Ch 0-Xylol ( I 2-Dimethylbenzol)
in-Xylol ( 1 5Dimethylbenzol)
p-Xylol ( I A-Dimethylbenzol j
In kondensierten Ringsystemen werden die CAtorne nicht nur durch Numerierung, sondern auch durch griechische Buchstaben bezeichnet: OH
Befinden sich drei oder mehr Substituenten am Benzolring, wird analog nurneriert:
c1 cr-Naphthol ( I -Hydroxynaphthalin)
c1 I .2A-Trichlorhenzol
Sind die Substituenten verschieden, bestirnmt die ranghochste Gruppe die Verbindungsklasse; die ubrigen Sustituenten werden in alphabetischer Reihenfolge - unter Wahrung des Prinzips kleinster Chiffren - genannt. Rangfolge (Beispiele): Carbonsauren, Saurederivate, Nitrile, Aldehyde, Ketone, Alkohole, Amine, ... Daneben sind immer noch eine Reihe von Trivial- oder Handelsnarnen gebrauchlich, die allerdings keinerlei Ruckschlusse auf die chernische Konstitution zulassen:
Bei Heterocyclen benutzt man fur die Starnmsubstanz meistens eingeburgerte Trivialnamen. Rationelle Bezeichnungen sind noch weitgehend ungebrauchlich. Bei substituierten Heterocyclen mit einem Heteroatom beginnt die Zahlung der Ringatorne beim Heteroatorn. Sind zwei Heteroatome irn Ring, erfolgt die Zahlung von einem Heteroatom ausgehend uber das zweite Heteroatom in der Reihenfolge 0, S und N. I1
I
3-Methylpyrrol
4-Aminopyrimidin
2-Aminothiazol
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Fur die Synthese mehrfach substituierter Benzole gelten zwei einfache Regeln: a) 1st am Ring bereits eine CI-, OH-, NH2oder Alkylgruppe (Substituenten 1. Ordnung) vorhanden, geht die Substitution relativ leicht weiter. Dabei werden vorzugsweise o- oder pIsomere gebildet . b) 1st am Ring eine NO2-, S03H- oder COOHGruppe (Substituenten 2. Ordnung) vorhanden, ist die weitere Substitution erschwert. Wenn sie doch erfolgt, entsteht vorwiegend das mIsomere. Substituenten 1. Ordnung erleichtern also die weitere Substitution und dirigieren in a- und p Stellung, wobei die p-Stellung bevorzugt ist. Substituenten 2 . Ordnung erschweren die weitere Substitution und dirigieren in m-Stellung. So liefert die Nitrierung von Chlorbenzol das a- und p-Nitrochlorbenzol:
c1
c1
c1
73
chen Substitutionsreaktionen nicht herstellen. Man erhiilt sie durch Austausch- oder Umwandlungsreaktionen an bereits substituierten Aromaten.
Austauschreaktionen Austauschreaktionen nennt man die Reaktionen, bei denen ein vorhandener Substituent am Benzol (z. B. S03H-, C1-) gegen einen anderen Substituenten (z. B. OH-, NH,-) ausgetauscht wird. Verseifung zu Phenolen Austauschreaktionen mit OH-Gruppen (Verseifung) fiihren zu aromatischen Hydroxyverbindungen, den Phenolen. Setzt man Chlorbenzol bei hohem Druck und Temperatur mit wariger Natronlauge um, erhalt man iiber die Zwischenverbindung Natriumphenolat das Phenol. OH
CI
Chlorhenzol
Natronlauge
Phenol
Natrium chlorid
N@ Chlorbenzol
o-Nitrochlorbenzol
p-Nitrochlorhenzol
Die Trennung der beiden Isomeren erfolgt mit physikalischen Methoden wie Destillation oder Kristallisation. Eine wirtschaftliche Herstellung von Zwischenprodukten ist allerdings nur dann moglich, wenn alle anfallenden Isomeren verwertet werden konnen. m-Nitrochlorbenzol lli13t sich auf diese Weise nicht herstellen. Hierzu muR entsprechend den Substitutionsregeln Nitrobenzol chloriert werden.
Der Austausch des Chlors gegen die Hydroxygruppe gelingt wesentlich leichter, wenn das Halogen durch Nitrogruppen in 0- oder p-Stellung aktiviert wird. So konnen a- oder p-Nitrophenol durch einfaches Erhitzen mit wariger Natronlauge unter geringem Uberdruck aus den entsprechenden Nitrochlorbenzolen hergestellt werden: CI
NQ p-Nitrochlorhenzol
Nitrobenzol
m-Nitrochlorbenzol
9.4.2 Austausch- und Umwandlungsreaktionen Eine Reihe wichtiger aromatischer Zwischenprodukte I a t sich durch die beschriebenen einfa-
OH
NQ! p-Nitrophenol
Eine weitere Moglichkeit, die OH-Gruppe in den aromatischen Kern einzufuhren, ist die ,Reaktion von Sulfonsauren mit Atzkali- oder Atznatronschmelzen. Ausgehend von der Benzol-mdisulfonsaure fiihrt der ProzeB zum Resorcin, einem fur die Reifenindustrie, Holzleimherstellung und fur pharmazeutische Zubereitungen wichtigen Produkt:
74
I Chemische Grundlagen SO3H
I
+
4NaOH o-Nitrochlorbenzol
Benzol-m-disulfonsaurc ( B e n m - I ,3-disulfonJure)
Ammoiiiak
n-Nitranilin (2-Nitroaminobenrol)
Ammoniumchlorid
OH
Austausch gegen Alkoxygruppen Etherbildung Tauscht man, entsprechend der Verseifung, einen Chlorsubstituenten gegen eine Alkoxy-Gruppe (aus aliphatischen Alkoholen) aus, erhalt man aromatisch-aliphatische Ether:
Resorcin (nz-Dihydrcixybenrolj
Analog entsteht aus P-Naphthalinsulfonsaure das @-Naphthol,ein wichtiges Zwischenprodukt fur die Farbmittelchemie:
W
S
O
3
"
+
2NaOH
OCHj
CI
()-Nitrochlorbenrol
Mcthanol
o-N i t roan i sol (2-Nitromethoxybcnzol)
@-Naphthalinsulfonsaure
,H-4-w,
OH
@-Naphthol
Die gleiche Verbindung kann man auch durch Veretherung des entsprechenden Phenols gewinnen .
Umwandlungsreaktionen
Technisch bedeutend sind diese Verseifungsreaktionen nur fur die Herstellung von Phenolderivaten, da Phenol selbst vorwiegend auf andere Weise (Cumol-Phenol-Synthese nach Hock*) gewonnen wird.
Bei Umwandlungsreaktionen wird ein vorhandener Substituent durch chemische Reaktionen in einen anderen umgewandelt.
Aminolyse zu Anilinen
Reduziert man Nitrobenzol, kommt man zur einfachsten Aminoverbindung des Benzols, zu Aminobenzol oder Anilin. Die Reaktion kann mit verschiedenen Reduktionsmitteln durchgefiihrt werden, am giinstigsten ist jedoch die Reduktion mit katalytisch angeregtem Wasserstoff.
Aromatische Chlorverbindungen rnit einem reaktiven Chloratom, wie z.B. die envahnten Nitrochlorbenzole, lassen sich statt rnit Natronlauge auch leicht mit Ammoniak umsetzen. Es entstehen aromatische Amine, die Aniline. Diese Reaktion wird als Aminolyse bezeichnet und bietet eine Moglichkeit Verbindungen herzustellen, die aul3er der Amino- noch eine Nitrogruppe am Kern besitzen, die sog. Nitruniline:
Reduktion von Nitroverhindungen
Nitrobend
*
Hock, Heinrich (1887-1971 j , deutscher Chcmiker.
NH2 I
Noz I
Wasserstoff
Anilin
Waaaer
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Auch substituierte Aniline. die technisch groBe Bedeutung besitzen, lassen sich auf diese Weise herstellen:
N%
75
Oxidationsreaktionen Eine weitere Gruppe wichtiger Zwischenprodukte wird durch Oxidation substituierter Benzole hergestellt , Besondere Bedeutung haben in letzter Zeit Oxidationsprozesse unter Verwendung von Luftsauerstoff erlangt, so z.B. die Oxidation von p-Xylol zu Terephthalsaure, einem Vorprodukt der Synthese von Polyestern wie z.B. Trevira@.
NHZ
2,4-Dinitrotoluol
m-Toluylendiamin (2,4-Diaminomethylbenzol)
Bei Anwesenheit aktiver Chloratome ist die Reduktion mit katalytischem Wasserstoff nicht mehr moglich. Statt dessen muB rnit Eisen und Salzsaure reduziert werden. Dabei entsteht als Nebenprodukt ein Gemisch von Eisenoxiden, das zu anorganischen Farbmitteln aufgearbeitet werden kann (s. Abschn. 1-9.6.2). Die Reduktion aromatischer Nitrogruppen ist chemisch ein sehr komplizierter Vorgang, der uber verschiedene Zwischenstufen verlauft. Mit speziellen Reduktionsmitteln, wie z.B. Zink in stark alkalischer Losung, erhalt man eine dieser Zwischenstufen, das Hydrazobenzol. Durch Saureeinwirkung entsteht daraus durch Umlagerung die Biphenylverbindung Benzidin.
COOH
CH3
Terephthalsaure
p-Xylol
(Benzol-p-dicarbonsaure)
Durch Oxidation von Hydrochinon erhalt man p-Benzochinon: OH
0
OH
0
Hydrochinon @-Dihydroxybenzol)
p-Benzochinon
Veretherung von Phenolen
Nitrobenzol
Phenole lassen sich iihnlich wie aliphatische Alkohole mit Alkylverbindungen zu Phenolethern umsetzen: Hydrazobenzol
@N-@
O
i
K
p -Nitrophenol
t CH2- CH3 Ethylchlorid
Benzidin
Substituierte Benzidine sind technisch wichtige Zwischenprodukte fur die Farbmittelherstellung, wahrend das Benzidin selbst wegen seiner krebserregenden Eigenschaft nur noch sehr selten synthetisiert wird.
p-Nitrophenetol (4Nitroethoxybenzol)
Setzt man mit Methylchlorid um, erhalt man die entsprechenden Methoxyverbindungen oder Anisole.
76
I Chemische Grundlagen
Acylierung von Anilinen
Genau wie aliphatische Amine lassen sich auch Anilin und seine Derivate mit Carbonsauren (Acylgruppen) zu Saureamiden umsetzen. Durch Reaktion von Anilinen rnit Essigsliure entstehen Acetylaminoverhindungen:
& OCH3
N
H
t
x
t C -C H 3 I1
0 o-Anisidin (2-Aminomerhox ybenzol)
Beide reagieren in Bhnlicher Weise wie die Acetessigsaure und fuhren zu den gleichen Endprodukten. Phenylhydrazine
Phenylhydrazine sind arornatische Derivate der anorganischen Verbindung Hydrazin NH2-NH2. Die Hydrazinogruppe -NH-NH, entsteht aus einer Aminogruppe durch sog. Diazotieren (Reaktion mit Natriumnitrit, NaNO,, und Saure zur Diazoniumverbindung [A r - b N ] und anschlieBende Reduktion mit Natriumhydrogensulfit, NaHSO,).
Essigslure
OCHi
NH2
o-Acetanisidid
Wasser
(2-Acetylaminomethoxybenzol)
mi-Nitranilin
Analog entstehen mit der Aceressigsliure Acetoacetylaminoverbindungen, sog. Acetessigarylide (aromatische Acetessigsaureverbindungen):
,,Diazoniumchlorid”
&
NH- NE12. HCl
Reduktiot NaHS03
NO;?
N
H
o-Anisidin
t
x
rti-Nitrophenyl-hydrazin-hydr~chlorid
t C- CH2- C-CII3 I1
11
0
0
Die Phenylhydrazinderivate werden als Salze (Hydrochloride oder Sulfate) gewonnen. Durch Umsetzung mit Basen konnen sie in das freie Phenylhydrazinderivat uberfuhrt werden. Phenylhydrazinderivate sind u. a. Ausgangsprodukte fur die Herstellung von Pyrazolonen, bedeutenden heterocyclischen Zwischenprodukten.
Acelessigsiiure
Aceteaaig-o-anisidid
Wasscr
(2-Acetoacetylaminomethoxybenzol)
Die Acetessigarylide sind wichtige Vorstufen zur Pigmentherstellung (s. Abschn. 1-9.6.2). Statt der sehr unbestandigen Acetessigsaure wird ihr Ethylester, der sog. ,,Acetessigester“ (CHZ-C-CH2-C -OC,H,), seit einigen JahII II 0 0 ren auch Diketen (CH,=C-CH2) verwendet. I I
Sandmeyer*-Reaktion
Die oben beschriebene Diuzoniumverbindung kann a u k zu Phenylhydrazin auch zu anderen wichtigen Zwischenprodukten weiterreagieren. + So 1aRt sich die Diazoniumgruppe -NGNI unter Mitwirkung eines Katalysators gegen Chlorid-, Brornid- oder Cyanidgruppen austauschen und zu den entsprechenden Chlor-, Bromoder Nitrilverbindungen urnsetzen.
0-c=o
*
Sandmeyer, Trdugott (185&1922). schweiL. Industriechemiker be1 Geigy.
77
9 Arornatische Verbindungen (Aromaten)
ren* als Katalysator verwendet werden, bei b) jedoch jede Spur von Eisen, Aluminium, Kupfer usw. vermieden werden muB. Die Reaktion wird statt dessen durch Bestrahlen mit ultraviolettem Licht beschleunigt. Auch die Reaktionstemperaturen sind verschieden. Wiihrend a) schon in der Kdte ablauft, reagiert b) erst bei Siedetemperatur. Kurz zusammengefaBt gilt also:
SandmeyerL.aL,.
,,Diazoniumchlorid
Katalysator
Natriumcyanid
a) Kalte
o-Chlorbenzoniuil
Stickstoff
b) Siedehitze
Natriumchlorid
Die Bedeutung der Sandmeyer-Reaktion liegt darin, uber eine Nitrogruppe Substituenten in den aromatischen Kern einzufuhren, die durch direkte Substitution gar nicht (oder nicht an der gewunschten Stelle) eingefuhrt werden konnen. - Noz
- Rcduktion
+ Katalysator:
Diazotieren
-NH2
-t
--EN1
+
Kernsubstitution
KKK
Sonnenlicht: Seitenkettensubst.
SSS
Werden bei der Seitenkettenchlorierung groBere Mengen Chlor verwendet, entstehen neben einfach auch rnehrfach chlorierte Produkte:
Sandmeyer
-
-CENI
Seitenkettenchbrierung Chloriert man Alkylaromaten wie Toluol, die Xylole oder Ethylbenzol, gibt es zwei grundsatzlich verschiedene Moglichkeiten der Reaktion: a) Das Chloratom ersetzt ein Wasserstoffatom am Benzolkern (0-, m-, p-Chlortoluol): Kernchlorierung (s. Abschn. 1-9.4.1). b) Das Chloratom ersetzt ein Wasserstoffatom der Alkylgruppe: Seitenkettenchlorierung .
cfH2-+-
Toluol
Benzylchlorid (Chlormethylbenzol)
Benzotrichlorid (Trichlormethylhenzol)
Durch Austauschreaktionen mit OH- oder Fluoridgmppen entstehen daraus wichtige Synthesezwischenprodukte . a) Verseifen mit H 2 0 CH2CI I
CH2- OH I
Chlor Benzylchlorid
Benzylchlorid (Chlormethylbenzol)
Benzalchlorid (Dichlormethylbenzol)
Benzylalkohol
Chlorwasserstoff
Chlorwasserstoff
Beide Reaktionen werden in iihnlicher Weise durchgefiihrt . Der wesentliche Unterschied liegt darin, dal3 bei a) Eisen oder andere Lewis-Sau-
*
G. N . Lewis schlug 1923 vor,den Saurebegriff zu enveitem. Danach zkhlen alle Elektronenakzeptoren, d. h. positiv geladenen lonen, zu den Sauren.
78
I Chemische Grundlagen
6 6
H I
6 -6 c=0
CHCl2
+
€120
Benzalchlorid
-
+
2HCI
D
COOH
+2H>O
Benmtrichlorid
Benzotrichlorid
6 CF3
3HF FluBsaure
-
’
u t HH5C20
I
C-CH?
-
II
b) Austausch gegen Fluorid
+
N
0
+3HCI
Bcnzoesaure
cc13
c -C H ~
+ - +N
Benzaldehyd
CCI 1
6
Die Herstellung erfolgt durch eine Ringschluj’rraktion mit Phenylhydrazin und Acetessigester als zweiter Komponente. Unter Abspaltung von Ethanol und Wasser bildet sich aus den beiden Molekulen ein neuer Ring:
+ 3HCI
Benzotrifluorid
Phenylhydrazin
Acetessigester
@NTCH3 0 1 -Phenyl-3-methyI~S-pyrerolon
Das Analgetikum Pyramidon@ist ein Derivat dieser Verbindung. Analog entstehen aus:
Die Darstellung von Benzotrifluorid durch Fluorieren der Seitenkette von Toluol gelingt nicht.
RingschluJ zu Pyrazolonen Pyrazolone sind heterocyclische Zwischenprodukte, die in der Farbmittel- und Arzneimittelproduktion Verwendung finden. Grundkorper ist ein Keton des Pyrazols, das Pyrazolon .
nr-Nitranilin (3-NitroaminobenLol)
Jn-Nitropyrazolon ( 1 -(3-Nitrophenyl)-3-methyl5-pyrazolon)
0 Sulfanilsaure ( I -Aminobenzol-4-sulfons~iiire) Pyrazolon
Das wichtigste Derivat ist 0
0 Pyrarolsaure-41 -(4-sulfophenyl)-3-mt.thyl-S-pyra7olon
1 -Phenyl-3-methyl-S-pyrazol~n
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Eine weitere Gruppe von Pyrazolonen, die besonders fur die Herstellung von Pyrazolonfarbstoffen wichtig ist, wird mit Oxalessigester (anstelle von Acetessigester) hergestellt:
-
Im Regelfall gelangen sie weder in die Hand des Verbrauchers noch in die Natur. Nach den unter Abschnitt 1-9.4 besprochenen chemischen Reaktionen lassen sich die meisten aromatischen Zwischenprodukte dem Bedarf entsprechend gezielt herstellen. An einem Beispiel, ausgehend vom Benzol, sol1 fur das p-Acetaminophenol ein Syntheseweg zusammenfassend dargestellt werden (s. Schema 1).
II
0 Phenylhydrazin
79
Oxalessigester
COOC2H5
+ H2O + R-OH
Carbethox ypyrazolon ( I -Phenyl-5-pyrazolon-3-carbonslureethylester)
Durch Verseifung der Estergruppe entsteht daraus COOH
Ausgangsprodukt ist das Benzol, das zum groaten Teil durch chemische Aufarbeitung des Erdols gewonnen wird. Durch Chlorieren erhalt man Chlorbenzol, Dieses wird anschlieBend nitriert zu den beiden Isomeren o-Nitro- und pNitrochlorbenzol (Abschn. 1-9.4.1). Nach der physikalischen Trennung der beiden Isomere verseift man das p-Nitrochlorbenzol zu p-Nitrophenol. Dann w i d die Nitrogruppe zum p-Aminophenol reduziert (Abschn. 1-9.4.2). Acetylieren der Aminogruppe fuhrt zum p-Acetaminophenol. Diese Substanz ist pharmakologisch als Analgetikum wirksam. Uber Briickenglieder konnen die Aromatenkerne auch miteinander verknupft werden. Seitenketten und Briickenglieder ermoglichen un-
0 Carboxypyrazolon ( I -Phenyl-5-pyrazolon-3-carbonsaure)
9.5 Herstellung und Weiterverarbeitung aromatischer Zwischenprodukte Was sind aromatische Zwischenprodukte? Zwischenprodukte sind Produkte zwischen den (oft aus der Petrochemie stammenden) Rohstoffen und den Endprodukten, die chemisch nicht mehr weiter umgewandelt werden. Im engeren Sinn: bestimmte ,,aromatische" (ringfomige Molekulstruktur) Verbindungen (Abb. I- 13). Sie sind somit Produkte, die entweder selbst weiterverarbeitet oder von anderen Chemiefirmen zur Weiterverarbeitung gekauft werden: Ihr Markt ist hinsichtlich der Zahl der Abnehmer begrenzt: ,,Produkte von Fachleuten fur Fachleute".
Abb. 1-13. Stammbaum fur aromatische Zwischenprodukte
80
I Chemische Grundlagen
Schema I
0
ZlorierunE
Benzol
c1 f ! J ,
c1
NY :;i g_
@ w
Chlorbenzol
OH
OH
Vri&ung_
@
,fJ
:hktion_
NOL
p-Nitrochlorbenzol
NH2
p -Nitrophen01
p-Aminophenol
I
Acetylieren
zahlige Variationen fur die Synthesen in der Aromatenchemie.
CH+XOH
I
Miigliche Briickenglieder zwischen aromatischen Struktureinheiten
@!j
-CHz-; -0-; -CH2-0- CH2- CH,- ; -S-; -CH2-S-CHZ- CHZ- CHZ- ; - S - S - ; - CH2- S - S - N = N - ; -C,H,- N = N - CeH, - ; Abbildung I- 13 veranschaulicht den Stammbaum fur aromatische Zwischenprodukte auf der Basis von Benzol und Toluol. Aromatische Zwischenprodukte werden hauptsachlich zu Endprodukten in folgenden Bereichen weiterverarbeitet: Farbmittel Pestizide Pharmazeutika, z.B. Aspirin Gummichemikalien und Antioxidantien Sonstige
(ca. 47%) (ca. 13%) (ca. 12%) (ca. 11%) (ca. 17%)
Aspirin Aspirin bzw. die Acetylsalicylsaure ist Bestandteil der Weidensafte [salix (lat.) - Weidensaft]. 0 O : L E - C H II ~ I
OH
Schon Hippokrates von Kos (460-377 v. Chr.) erkannte die schmerzlindernde Wirkung des Saftes. Krauterfrauen im Mittelalter kochten die Weidenrinde auf und gaben das bittere Gebrau den schmerzgeplagten Menschen. Das Pfliicken der Weiden wurde aber bald unter Androhung von hohen Strafen verboten, weil man sie dringend fur die Korbherstellung benotigte.
NH
I
c-0 I
CH3 p Acctarnrnophenol ~
Als Napoleon 1806 die Kontinentalsperre verhangte, konnte Chinin als das damals bekannte fiebersenkende Mittel nicht mehr aus Peru importiert werden. Man erinnerte sich an die Weidensafte. 1828 kochte der Munchener Pharmazieprofessor Johann Andreas Buchner daraus eine gelbliche Masse, die er Salicin nannte, der franzosische Apotheker Leroux gewann daraus kristallines Salicin. Der Marburger Professor Hermann Kolbe (1818 - 1884) klarte die Struktur auf und synthetisierte die Salicylsaure, so dab 1874 mit der industriellen Produktion begonnen werden konnte. Dem Bayer-Chemiker Dr. Felix Hoffmann gelang die Umsetzung der Salicylsaure mit Essigsaure [acetum (lat.) - Essig] zur besser vertraglichen Acetylsalicylsaure (ASS). Am 1. Februar 1899 wurde Aspirin als Warenzeichen durch Bayer angemeldet und bereits am 6. M a n desselben Jahres in die Warenzeichenrolle des Kaiserlichen Patentamtes in Berlin eingetragen.
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
9.6 Farbmittel, Farbstoffe und Pigmente 9.6.1 Begriffshestimmung Farben, Farbstoffe, Farbmittel und Farbpigrnente* sind Begriffe, die vom Nichtfachmann haufig im gleichen Sinne verwendet werden und so in ihrer Bedeutung nicht scharf voneinander unterschieden werden. Von den Fachnormenausschussen Farbe, Pigmente undFullstoffe im Deutschen NorrnenausschuB (DNA) sind diese Begriffe definiert und eindeutig gegeneinander abgegrenzt worden. Wird als Farbe in DIN 5033 ein durch das Auge vermittelter Sinneseindruck verstanden, so ist der Ausdruck ,,Farbmittel" nach DIN 55945 als Sammelname fur alle farbgebenden Stoffe zu verwenden. Die Farbmittel sind unterteilt in Pigmente und Farbstoffe. Ein Pigment ist ein in Losemitteln und/oder Bindemitteln praktisch unlosliches organisches oder anorganisches buntes oder unbuntes** Farbrnittel. Ein Farbstoff dagegen ist ein in Losemitteln und/oder Bindemitteln losliches organisches Farbrnittel. Bei den Pigmenten ist nach DIN 165 15 zwischen den anorganischen und organischen Pigmenten zu unterscheiden. Zu den anorganischen Pigmenten zkihlen die naturlichen anorganischen Pigrnente (Erdpigrnente), synthetische anorganische Pigmente (Mineralpigmente), metallische Pigmente (Bronzen) und die Kohlenstoffpigmente . Die organischen Pigrnente werden wie Farbstoffe in naturliche (tierische oder pflanzliche) und synthetische Pigmente unterteilt.
9.6.2 Anorganische Pigmente Anorganische Pigmente werden oft gerneinsam mit Fullstoffen verarbeitet und die Trennlinie zwischen beiden ist flieRend. So werden bei der Papierherstellung Silikate und Kieselsauren sowohl als Fullstoffe verwendet, weil sie das Papiervolumen vergroBern und das Durchschlagen von Druckfarben verhindern, als auch als Pigmente betrachtet, weil sie WeiRheit und Undurchsichtigkeit des Papiers verbessern.
* **
pigmentum (lat.) - Malerfarbe. Schwarz und WeiD sind unbunte Fwben.
81
Auch der RuR ist ein Beispiel dafur, wie der gleiche Stoff sowohl als verstiirkender Fullstoff (in Kautschukmischungen) als auch als Pigment (z.B. in Druckfarben) verwendet wird. Im allgemeinen ist die Trennlinie zwischen Pigmenten und Fullstoffen durch folgende Kriterien markiert: - Pigmente sind feinteiliger als Fiillstoffe, - Pigmente sind teurer als Fullstoffe, - WeiRpigmente haben einen groBeren Bre-
chungsindex als weiRe Fullstoffe. Die meisten anorganischen Pigrnente sind Metalloxide wie Titandioxid Ti02, Eisen(II1)oxid Fe,03 und Zinkoxid ZnO. Der unterschiedliche chemische Aufbau der anorganischen Pigmente gegenuber den organischen Farbmitteln bedingt ihre groRere Dichte, ihre im allgemeinen bessere Lichtechtheit und ihre meist weitaus groDere Ternperaturbestandigkeit . So ist es nicht moglich, ein Ernail, das einer Metalloberflache aufgeschmolzen wird, mit einern organischen Pigment anzuf&ben. Organische und anorganische Pigmente werden sowohl nebeneinander als auch in Kombinationen verwendet. In den Kombinationen nutzt man vor allern die groRere farbliche Brillanz organischer Pigmente aus.
Einteilung der anorganischen Pigmente nach DIN 55944 Natiirliche anorganische Pigmente werden erhalten durch Schroten, Mahlen, Sieben, Schlarnmen und Trocknen (Abb. 1-14). Beispiele sind Kreide, Ocker, Griinerde, Umbra, gebrannte Terra di Siena, Graphit u. a. Aufgrund ihrer chernischen Stabilitat sind die anorganischen Pigrnentteilchen sehr licht-, wetter- und ternperaturbestandig. Lediglich Pigmente, die wie das gelbe Eisenoxid oder das griine Chromoxidhydrat Kristallwasser enthalten, andern warend des Erhitzens ihren Farbton, wenn das irn Pigment gebundene Wasser abgespalten wird. Eisenoxidschwarz, Fe,O,, andert beim Brennen seine Farbe durch Oxidation zum roten FeZ03. Synthetische anorganische Pigmente werden aus geeigneten anorganischen Grundstoffen durch chernische und physikalische Umwandlungen wie AufschlieBen, Fallen und Gluhen gewonnen. Zu den anorganischen Pigmenten zahlen ferner die Glanzpigmente mit Metalleffektpigrnenten, die Perlglanzpigmente und Aufdampfschich-
82
I Chemische Grundlagen
Mineralisches Erz (aufbereitet)
Feinmahlen < 0,5 mm Sieben
Feingut
f Feinstmahlen < 0,05 mm
S ichten Eindic kenlFiltrieren
+
Pigment
Ruhrwerksmahlen
Feinteige
I
Mischen
Mahlen in Strahlmuhlen
Pigment Mikronisieren > 5 ~ m
mikronisiertes Pigment
Abb. 1-14. Mechanischer Verfahrensflua zur Herstellung von anorganischen Pigmenten.
ten sowie die Leuchtpigmente mit Fluoreszenzund Phosphoreszenzeigenschaften. Glanzeffekte beruhen auf einer gerichteten Reflexion des Lichtes an flachig ausgebildeten und ausgerichteten Pigmentteilchen, 2.B. Aluminium- oder Silberbronzen. Bronzen sind Legierungen, die sich aus mindestens 60% Kupfer und einem oder mehreren Hauptlegierungszusatzen, von denen Zink nicht uberwiegen dad, zusam-
mensetzen. Silberbronzen bestehen aus einer Kupfer-Zink-Nickel-Legierung . Bei Aluminiumbronzen handelt es sich urn reines Alurniniumpulver. Metalleffektpignente enthalten blattchenformige Metallteilchen, wie z. B . Goldbronze, Silberbronze, Aluminiumbronze u. a. Perlglanzpigmente bestehen aus farblosen transparenten und stark lichtbrechenden Blatt-
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
83
Tab. 1-10. Beispiele von synthetischen anorganischen Pigmenten.
Zusammensetzung
Bezeichnung
ZnO TiO, ZrO,
ZnS Zn + BaSO,
Zinkoxid Titanoxid Zirconiumdioxid Zinndioxid Antimontrioxid BleiweiB basisches Zinkcarbonat basisches Bleisulfat Zinksulfid Lithopone
Pb(Cr, S)O, Pb@4 CoAI,O, a-Fe,O, Cr,O, Cd(S, Se) in ZrSiO, Na8[A16Si60241Sx
Chromgelb Mennige Cobaltblau Hamatit (gelbrot bis blaurot) Chromoxid Cadmiumrot Ultramarin
Fedh (Fe, Mn),03 Co,O, braun bis schwarz Co,04 grau bis schwarz
Eisenoxidschwarz Eisen-Manganschwarz Cobaltschwarz
WeiBpigrnente Oxide
SnO, Sb@, 2 PPbCO, . Pb(OH)2 2 ZnCO, .3 Zn(OH), 2 PbSO, . Pb(OH)2
Carbonate Sulfate Sulfide Buntpigmente Oxide
Silikate + Sulfide Silikate Schwarzpigmente
chen. Nach einer Parallelorientierung der Pigmentteilchen in Lacken und Kunststoffen wird das Licht an der Oberflache mehrfach in unterschiedlicher Tiefe der Beschichtung reflektiert und dadurch ein weicher Glanzeffekt erzielt. Das erste Pigment dieser Art war das heute noch in Nagellacken verwendete guaninhaltige Fischsilber.
H
H Guanin (2-Amino-6-hydroxypurin)
GroBere Mengen kristallines Guanin finden sich in den Schuppen und in der Haut von Fischen, Amphibien und Reptilien, worauf deren eigenartiger Glanz zuriickgefiihrt wird. Guanin ist neben Adenin, Cytosin, Thymin und Uracil ein wichtiger Bestandteil der Nukleinsauren.
9.63 Chemische und physikalische Eigenschaften der Pigmente Anorganische Pigmenge sollen moglichst iiber keine chemische Reaktionsfahigkeit verfiigen, es sei denn, sie werden fur Korrosionsschutzanstriche benutzt, wo von ihnen eine Verbesserung der Schutzwirkung erwartet wird. In diesen Fallen verwendet man aktive Pigmente. Das Vergilben von Anstrichen und das anschlieBende Kreiden sind Zeichen fur eine Zerstorung des Bindemittels, die vom Pigment verursacht sein kann. Wenn an die chemische Inaktivitat hochste Anforderungen gestellt werden, werden die Pigmentteilchen unter Umstanden durch Oberflachenbehandlung mit vollig inaktiven Stoffen abgedeckt. Das geschieht u.a. bei speziellen Titandioxidpigmenten. In erster Linie werden von Pigmenten physikalische Eigenschaften erwartet, wie - hohes Deckvermogen, groBes Aufhell- oder F~beverrnogen, - bei WeiBpigmenten moglichst g r o k Brechzahl,
84 -
-
-
I Chemische Grundlagen
moglichst vollstandige Unloslichkeit in Bindemitteln (z.B. Kunststoffen) und Losemitteln (z.B. Wasser), groRe und gleichmlljige Feinheit der Pigmentteilchen, leichte Verteilbarkeit der Pigmentteilchen im Bindemittel.
Das Brechungsgesetz nach Snellius* Einfallslot N
optisches dunneres Medium 1 Physikalische und chemische Eigenschaften fur die Beschreibung von Pigmenten in der Kosmetik sind: Reflexionseigenschaften, z. B. gllnzend matt Brechungseigenschaften, Brechungsindex - Licht- und Warmebestandigkeit - Hydrophile und hydrophobe Eigenschaften - Hautvertraglichkeit - Schutzeigenschaften - Bestandigkeit der Pigmente und der dispergierten Systeme
A
optisches dichteres Medium 2
-
In der Kosmetik spielen die Effektpigmente zum Einfarben von Lippenstiften, Nagellacken, Wimperntusche, Augenbrauenstiften, Hautschutzmitteln eine herausragende Rolle. Der Farbeindruck und die Farbvariationen wird durch die Lichtstreuung an den Pigmentteilchen wesentlich beeinfluat. Physikalische Eigenschaften und Gesetze zur Beschreibung der Lichtstreuung sind die Wellenlungen der verschiedenen Lichtstruhlen bzw. das Rejlexionsgesetz.
Lichrhrechung (Refraktion)** ist die Richtungsanderung (Ablenkung), die ein Lichtstrahl neben der Reflexion erfahrt, wenn er im Winkel in ein optisch andersartiges Medium eintritt, z. B. beim Ubergang von Luft in Wasser. Dabei andert er seine Fortpflanzungsgeschwindigkeit c. Je optisch dichter das Medium, desto geringer die Lichtausbreitungsgeschwindigkeit. Das Snelliussche Brechungsgesetz besagt, daR der Quotient aus dem Sinus des Einfallswinkels a des einen optischen Mediums und dem Ausbreitungswinkel p des anderen optischen Mediums fur die jeweils kombinierten Stoffe eine konstante G r o k ist. Sie ist eine Materiulkonstunte. sin a ~
sin p
Einfallslot N Einfalls-
I
sin
Ausfalls-
(Y
sin p
=n
-
n = Materialkonstante
CI ('2
Je groBer sein Brechungsindex n , desto optisch dichter ist ein Stoff.
9.6.4 Optische Eigenschaften pigmentierter Anstriche, Kunststoffe, Betonsteine usw. Es gilt: Einfallswinkel a = Ausfallswinkel a ' . Die GroBe des Einfallswinkels hangt unter anderem von der Beschaffenheit der Stoffoberflache ab.
Farbigkeit Die bunte oder unbunte Farbe eines nicht selbstleuchtenden Korpers, z. B, eines pigmentierten Kunststoffes oder eines Papiers, nennt man Korperfarbe. Sie hangt von der Lichtart ab, mit der der Gegenstand beleuchtet wird.
* **
Snellius, Snell von Rojen (1580-1626), niederlandischer Mathematiker und Physiker. refringere, refractus (lat.) - aufhrechen. Brechung.
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Das weiBe Sonnenlicht ist ein Gemisch der bunten, leuchtenden Spektralfarben, wie sie geordnet im Regenbogen sichtbar sind. Ein Korper, der im Sonnenlicht schwarz erscheint, verschluckt (absorbiert) alle diese Farben. RUB ist fast vollkommen schwarz. Er absorbiert etwa 95% der eingestrahlten Lichtenergie. Die aufgenommene Lichtenergie kann einen farbigen Gegenstand sowohl erwiimen als auch chemische Reaktionen in ihm bewirken. Violettes Licht und die unsichtbaren ultravioletten Strahlen sind besonders energiereich. Fehlen im zuriickgeworfenen Licht einzelne Farben, so erscheint der Gegenstand irn Sonnenlicht rot oder griin usw., je nachdem, welche Mischfarbe der Rest ergibt. WeiB und Blau mischen sich zu Hellblau, WeiB und Gelb zu cremefarbenem Gelb usw. Je weniger Licht ein Korper zuriickschickt, desto dunkler wirkt seine Farbe. Dabei entsteht z.B. aus Rot Rotbraun und Dunkelbraun. Werden alle Farben des Sonnenlichtes in gleichem Ma13 zuriickgestrahlt, so entsteht der Farbeindruck WeiB. Polierte Silberoberflachen reflektieren etwa 90% der Helligkeit jeder Spektralfarbe . An Oberflachen, die nicht hochglanzpoliert, sondern mehr oder weniger uneben sind, findet keine spiegelnde Reflexion, sondern eine diffuse, in verschiedene Richtungen gelenkte Reflexion statt.
Lichtbrechung, Brechzahl Fallt Licht auf einen Korper, so wird ein Teil davon an der Obefflache reflektiert, w2hrend ein anderer Teil in den Korper eindringt. Das in den Stoff eintretende Licht wird gebrochen, d. h. es andert seine Richtung. Je groBer diese Lichtbrechung ist, desto groBer ist die Brechzahl des betriffenden Stoffes (Tab. I- ll).
Deckvermogen, Farbe- und Aufhellvermogen Pigmentierten Materialien liegen feinverteilte (dispergierte) Pigmentteilchen vor. Durch diese kleinen Teilchen wird das eingedrungene Licht diffus reflektiert und erneut gebrochen - und dadurch gestreut. Gleichzeitig wird das eingedrungene Licht durch Absorption geschwacht, so daB es nicht tief in den pigmentierten Gegenstand eindringen kann. Auf diese Weise wird der Untergrund eines Lackes abgedeckt: Der pigmentierte Klarlack wird undurchsichtig. Je besser das Deckvermogen eines Pigmentes in einem Anstrichfilm bestimmter Filmdicke ist,
85
Tab. 1-11. Brechzahlen von Bindemitteln, Fullstoffen und WeiBpigmenten.
I ,o
1. Luft 2. Bindemittel
Wasser Hamstoff-Formaldehydharze
1,3 I,6
3. Fiillstoffe
Stoffgruppe Substanz Kieselsaure S ili kate
Carbonate Oxide Sulfate
Siliciumdioxid Kieselgur (Diatomeenerde) Aluminiumsilikat Kaolin (China Clay) Calciumsilikat Natrium-Aluminium-Silikat Kreide gefalltes Calciumcarbonat Tonerde Bariumsulfat (Blanc fixe)
4. Weifipigmente
Stoffgruppe
Substanz
Sulfide Oxide
Zinksulfid Zinkoxid Titandioxid (Anatas) Titandioxid (Rutil)
2.4 2 ,o 2,55 2.75
desto geringer braucht seine Konzentration zu sein, um den Anstrich undurchsichtig zu machen. Ebenso wird eine Chemiefaser, die transparent ist, undurchsichtig und matt, wenn sie mit einem WeiBpigment pigrnentiert wird. Die beiden Faktoren, von denen das Deckvermogen einer Pigmentdispersion ganz iiberwiegend abhangt, sind - die Brechzahl des Pigmentes; je groBer sie ist, desto besser ist das Deckvermogen. - GroBe und Form der Pigmentteilchen; die Pigmentteilchen miissen kugelig und moglichst klein sein. Bei FarbruBen liegt die TeilchengroBe (der Primiirteilchen) zwischen 15 nm und 30 nm. Die als Fiillstoff verwendeten GummiruBe dagegen haben etwa lo00 ma1 so groBe Durchmesser. Beim Titaldioxid liegen die optimalen Teilcheng r o k n zwischen 400 nrn und 500 nrn. Um ein maximales Furbevermogen bzw. bei WeiBpigmenten ein maximales Aufhellvermogen zu erzielen, miissen diese optimalen Teilchen-
86
I Chcmischc Grundlagcn
griiljen auch im Bindernittel vorliegen. Kommt es im Bindemittel zu einem teilweisen Zusammenballen (Agglomeration) der Pigmentteilchen - zur Bildung der sog. Sekundarstruktur -, sinken Farbstarke und Deckvermogen. Volle Farbstarke wird also erreicht, wenn jedes Pigmentteilchen vom Bindemittel umhullt ist. Eine spezielle Oberflachenbehandlung mancher Pigmente hat das Ziel, die Pigmentteilchen ,,bindemittelfreundlicher" zu machen. Verglichen mit den Pigrnenten haben Fiillstoffe Brechzahlen, die sich nur unwesentlich von der Brechzahl des betreffendcn Bindemittels unterscheiden. Haben Bindemittel und Fullstoff die gleiche Brechzahl, so ist der Fiillstoff im Bindemittel ebenso unsichtbar wie Ethanol in Wasser. Die grol3e Brechzahl des Titandioxids dagegen hat zur Folge, dalj impragniertes Papier weiB und auf regennasser StralJe die Weiljmarkierung gut sichtbar bleibt.
9.65 Leuchtfarbmittel Eine besondere Gruppe anorganischer Farbmittel sind die Leuchtpigmente (Luminophore). Bei Belichtung oder anderen Arten der Energieeinstrahlung leuchten diese Pigmente kurzfristig (Fluoreszenz) oder langfristig (Phosphoreszenz) nach. Lichtpigmente bzw. Lurnineszenzpigmente sind anorganische oder organische lumineszenzfahige Stoffe, die nach Anregung durch elektromagnetische Strahlung (Licht) Fluoreszenz und/ oder Phosphoreszenz zeigen. Sie werden Anstrichstoffen, Beschichtungen, aber auch Kosmetika beigegeben. Als Lumineszenz* wird die Emission von Strahlungsquanten (Photonen), die Stoffe nach vorzugsweiser quantenhafter Anregung ohne Einwirkung von thermischer Energie zeigen, bezeichnet. Dieser Effekt wird von einem Leuchten der Stoffe begleitet, dabei mulj zwischen Fluoreszenz** und Phosphoreszenz*** unterschieden werden. Bei einer Fluoreszenz strahlt (emittiert)**** der angeregte Stoff innerhalb von lo-"' Sekun-
*
** *** ****
lumen (lat.) - Licht. Leuchte: LumineaLenL is1 dnr Leuchten yon Stoffen hei normaler Tcmperatur (kaltes Licht). fluere (lat.) flieRen; Fluorcsrcnz ist das Selhstleuchten mancher Stoffe bei Belichtung. phoaphoros (grch.) lichttragcnd: Phosphorcszcnz ist die Eigenschaft von Stoffen, nach Bestrahlung (Anregung) nachruleuchten. emittere (lat.) - aussenden.
den bis 10 ' Sekunden Licht in anderer meist groRerer Wellenlange aus. Bei der PhoupharesZen: beginnt die Eigenausstrahlung erst nach lo-' Sekunden und dauert nach dem Aussetzen der Anregung als Nachleuchten an. Die Lumineszenzeffekte von Stoffen beruhen auf der Wechselwirkung zwischen den Elektronen der Substanzmolekiile und der von auBen einwirkenden elektromagnetischen Strahlung des Lichtes, den Photonen (Lichtquanten). Durch die energetischen Einwirkungen von Photonen auf eine Substanz werden Elektronen innerhalb eines Molekuls auf ein hoheres Energieniveau angehoben. Fallen diese angeregten Elektronen wieder in den Grundzustand zuruck, senden sie den Differenzenergiebetrag zwischen dem hiiheren Energieniveau und dern Grundzustand in Form von Lichtenergie an die Umgebung Bus.
9.6.6 Chemische Herstellungsverfahren wichtiger Pigmente Fallungsverfahren aus waRrigen Losungen Die meisten anorganischen Pigmente werden durch Fallungsreaktionen hergestellt. Um Pigrnentteilchen gewiinschter Grolje zu erhalten, miissen jeweils bestirnmte Fallungsbedingungen eingehalten werden. Temperatur und pH-Wert sind beim Fallen ebenso von Bedeutung wie die Konzentrationen der Ausgangslosungen und die Entscheidung, ob beide Losungen nacheinander oder gemeinsam einlaufen und wie schnell in der Mischturbine geriihrt wird.
Fallung von Lithoponen (Bariumsulfat/Zinksulfid) Bas
+
ZnSO,
Bnriurnsulfid
+
Zinksulfat
-
RaSO,L
+
ZnSl
Bariumsulfat (weiB)
+
Zinksulfid (weiB)
Je grol3er der Anteil an Zinksulfid im Lithopon ist, desto wertvoller ist es.
Fallung von Chromgelb (Bleichrornat) Pb(NO,), +Na,CrO, Bleinitrat
+ Natriunichroinat
-
PbCrO,l
+ 2NaN0,
Rlcichromat (gclb)
+ Natriumnitrat
-
-
Auch die anderen Chromatpigmente wie Zinkchromat, ZnCrO, (Zinkgelb), und Bariumchromat, BaCrO, (Barytgelb), werden durch FBIlung hergestellt.
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Fallung von Cadmiumgelb (Cadmiumsulfid) CdCl,
+ Na,S
Cadmium. chlorid
+
Natriumsulfid
-
CdS 1 + 2NaCl Calcium + Natriumsulfid chlorid (gelb)
Nach der Fallung werden die Pigmente abgetrennt, gewaschen und getrocknet. Einige Pigmente, z.B. die Chromatpigmente und das Cadmiumgelb, werden dann hu; noch gemahlen, um miteinander verwachsene Kristalle zu trennen. Haufig werden jedoch nur Rohpigmente ausgefallt, die in Bezug auf Kristallstruktur und TeilchengroBe keine optimalen Pigmenteigenschaften haben. Solche Rohpigmente sind Titandioxid, Eisenoxid, Lithopone, Cadmiumrot u. a. Sie werden durch Gluhen nachbehandelt. Bei dieser Wiirmebehandlung ordnen sich die Bausteine des Pigments, die Anionen und Kationen, unter Umstanden zu veriinderten raumlichen Gruppierungen: Die Kristallstruktur andert sich.
Herstellung von Titandioxid (Sulfatverfahren) Titandioxidpigmente werden nach zwei miteinander konkurrierenden Verfahren produziert, nach dem Sulfat- und dem Chloridverfahren, wobei Neuanlagen aus okologischen und okonomischen Griinden nach dem Chloridverfahren arbeiten. Das Sulfatverfahren ist ein Fallungsverfahren (Abb. 1-15). Als Rohstoff werden das Mineral 11menit, FeTi03, ilmenithaltige Sande oder aus Ilmeniten gewonnene eisenarme Titanschlacken eingesetzt. Das Ausgangsmaterial wird mit Schwefelsaure aufgeschlossen. Je nach Verunreinigung durch begleitendes Gestein, der sog. Gangart, enthalt Ilmenit gewichtsmaaig 30% bis 55% TiO,, Titanschlacken dagegen 70% bis 85% TiO,. Beim AufschluB mit Schwefelsaure werden zur Beseitigung des Ilmenit gebundenen Eisens pro 1 kg Eisen 1.8 kg 100%ige Schwefelsaure verbraucht. Titanschlacken werden bei uber 1200°C im Lichtbogenofen gewonnen. Dabei wird das Eisenoxid des Ilmenits zu metallischem Eisen reduziert und so abgetrennt. Beim Sulfatverfahren bereiten der Schwefelsaurehaushalt und besonders die Aufarbeitung der Abfalle (Eisensulfat und mit Eisensulfat verunreinigte verdunnte Schwefelsaure) Schwierigkeiten. Zur Reinhaltung der Umwelt ist das aber erforderlich.
87
Die Herstellung von Titandioxid nach dem Sulfatverfahren laBt sich in vier Verfahrensschritte gliedern. AufschluR des Ilmenits und Reduktion der Eisenionen - Abtrennung der Gangart und eines Teils des gebildeten Eisen(I1)-sulfats - Fallung von Titandioxid - Nachbehandlung des Titandioxids -
I . AufschluJ und Reduktion Beim AufschluB des Ilmenits bildet sich Eisen(II1)-sulfat, das bei der Fallung des titandioxids durch Bildung von Unloslichem rotbraunem Eisen(II1)-hydroxid storen wurde. 4FeTi0, Ilrnenit
+ 14H,SO,
+
Schwefelsaure
4Ti(S04)?+ 2Fe,(SO,), Titansulfat
+ 14H,O
Eisen( 111)sulfat
Wasser
Durch Zusatz einer berechneten Menge Eisenschrott werden die Fe'+ des Eisen(II1)-sulfats zu Fez+des Eisen(I1)-sulfats reduziert: Fe2(S04)3 Eisen(1Il)-sulfat
+
Fe
-
Eisen
3FeS0, Eisen( 11)-sulfat
2. Abtrennung der Gangart und eines Teils des Eisen(il)-sulfats Da die Gangart von der konzentrierten Schwefelsaure nicht angegriffen wird, laRt sie sich in AbsitzgefaBen von der Liisung des aufgeschlossenen Ilmenits abtrennen. Die AufschluRreaktion ist exotherm. Beim Abkiihlen der heiRen Losung fallt ein Teil des gebildeten Eisen(I1)-sulfats alb kristallwasserhaltiges Salz, FeSO, . 7 H20, aus. Aus diesem Abfallsalz wird Schwefelsaure zuriickgewonnen.
3. Fallung von Titandioxid Durch Verdunnen der stark schwefelsauren Losung reagiert das Titansulfat mit dem zugefuhrten Wasser (sog. Hydrolyse). Es fallt wasserhaltiges Titandioxid aus. Ti(s04)2
+' 2 "
. aq
-+
+
H2S04
weiB
Die Fdlung wird durch Zusatz von Kristallisationskeimen gefordert .
88
I Chemische Grundlagen I
it
4.
Sc,hwefelsaure
Nachbehandlung
7 ser
t
Sedlmentleren
Gangart
At
Wasser
Flltrleren Waschen
Kristalllsleren
Trocknen
Mahlen
I
Rohtitandioxid
Titandioxid (oberflachenbehandelt)
Abb. 1-15. Herstellung von Titandioxid (Sulfatverfahren).
4 . Nachhehandlung des Titandimids
Nachdem das Rohpigment von der Diinnsaure, einer verdunnten Schwefelsaure mit FeS0,-Gehalt, abfiltriert und sorgfaltig gewaschen ist, wird es in Drehrohrofen gegliiht (calciniert). Bei Temperaturen von uber 1000°C entsteht dabei aus der Kristallform des Anatas die dichter gepackte Kristallstruktur des Rutils. Titandioxid ist in dieser Kristallstruktur pigmenttechnisch wertvoller,
weil Rutil die hohere Brechzahl aufweist (s. Tab. 1-11). Da bei der Kristallisation im Drehrohrofen zu groRe Pigmentteilchen entstehen, wird anschlieBend gemahlen. Dann schlieBt sich meist eine chemische Nachbehandlung an, bei der durch Fallung Hydroxide und Oxide des Aluminiums, Siliciums und Zinks auf der Oberflache des Pigmentkorpers abgeschieden werden. Auf diese Weise werden Licht- und Wetterstabilitat des
9 Arornatische Verbindungen (Arornaten)
Pigments erhoht. Durch Nachbehandlung mit organischen Chemikalien wird die Dispergierbarkeit in Lacken und Kunststoffen verbessert.
Ein zweiter Rohstoff fur die Herstellung von Titandioxidpigmenten ist der seltene und teuere Natur-Rutil. Er ist mehr oder weniger reines TiO, und wird auch durch Aufkonzentrieren von Sanden, die nur 0,1% Rutil enthalten, gewonnen. Das Chloridverfahren hat nicht nur in den USA, sondern auch in Westeuropa zunehmend an Bedeutung gewonnen. Natur-Rutil oder Titanschlacken werden in korniger Form mit Petrol-
Titanerze Petrolkoks oder -schlacke
koks vermischt und wirbelnd mit gasformigem Chlor aufgeschlossen (Wirbelchlorierung) (Abb. 1-16):
2Ti02 + 3C + 4C1,
Herstellung von Titandioxid (Chloridverfahren)
Chlor
-
2TiC1,
+ C02 + 2CO
Das Titantetrachlorid, TiCl,, wird durch Destillation gereinigt, denn insbesondere beim AufschluD von Titanschlacken werden auch andere Metallchloride, vor allem Eisenchlorid, gebildet. Abgetrenntes, reines Titantetrachlorid wird unter gleichzeitiger Ruckgewinnung eingesetzten Chlors mit reinem Sauerstoff zu hochreinem Titandioxid verbrannt: TiC14+ O2
+
Ti0, + 2C1,
Sauerstoff
r Destillation
89
Verbrennung
1' Nachbehandlung
90
I Chemische Grundlagen
Durch Nachbehandlung lassen sich Wetterstabilitat und Dispergierbarkeit des Titandioxids verbessern.
Herstellung von Eisenoxidpigmenten Die Farbskala der verschiedenen Eisenoxidpigmente reicht vom leuchtenden Gelb uber Orange, Rot und Braun bis zum Schwarz. Ihre optische Leistung ist, bezogen auf ihren Preis, sehr hoch. Billige Ausgangsstoffe fur ihre Herstellung sind z. B. die Dunnsauren aus Ilmenitaufschlussen und die Beizlosungen aus der eisenverarbeitenden Industrie. Durch Zusatz von Eisenschrott wird der SaureuberschuB dieser Losungen weitgehend beseitigt und zusatzlich in Eisen gelost: Fe
+
H,SO,
-
Eisen(l1)~ulfat
Schwefelelure
Eisen-
schrott
FeSO,
+
Hz Wasser\tOff
Durch Neutralisation, z. B. mit Natronlauge, wird Eisen(I1)-hydroxid ausgefallt. FeSO,
+
Eisen(I1)sulfat
2NaOH
-
Natriumhydroxid
Fe(OH)21 + NaSO, Eisen(I1)hydroxid
Natriumsulfat
Durch Einleiten von Luft wird das Fe(OH), je nach Dosierung ganz oder teilweise zu ebenfalls unloslichem Eisen(II1)-hydroxid, Fe(OH),, oxidiert. Nach dem Filtrieren werden durch Trocknen oderhnd Gluhen Eisenoxidpigmente in drei Grundfarben gewonnen: gelb
rot schwarz
FeO(0H) FezO, FeO . Fe,O,
basisches Eisen(II1)-oxid Eiscn(II1)-oxid (Fe704)Eisen(l1,III)-oxid
Ein anderes bedeutendes Verfahren zur Herstellung von Eisenoxidpigmenten nutzt die Tatsache, daR bei der Reduktion von Nitrobenzol zu Anilin rnit Guaeisenspanen in saurer Losung Eisenoxide anfallen. Durch Zusatz geeigneter Metallsalze lassen sich so hochwertige Pigmente gewinnen. Durch Waschen, Abfiltrieren und anschlieaendes Trocknen oder Gliihen werden leuchtend gelbe, rote, blaustichig rote, braune oder schwarze Pigmente hergestellt. Harte Eisenoxidpigmente werden auch als Bestandteil von Polierpasten und ferromagnetische Eisenoxide fur Magnetbander zum Speichern von Informationen verwendet.
Andere Herstellungsverfahren fur Pigmente Im gasformigen Zustand werden bei hohen Temperaturen z. B. Metalldampfe mit Sauerstoff zu Pigmenten umgesetzt 2Zn+0, Zink
-
2Zn0 Zinkoxid (ZinkweiR)
oder Metallchloride in der Wasserstoffflamrne (Knallgas) in Oxide verwandelt. 6H2 + 3 0 2 + 4AlCI, Knallga\
-
2A1,0,
+ 12HCI
Aluminium-
Aluminium-
chlorid
oxid
Im geschmolzenen Zustand werden z.B. kobalthaltige Erze mit Quarzsand und Kaliumcarbonat (Pottasche) zu einem dunkelblauen Pigment umgesetzt, das zum Farben von Keramik, Glas und Email verwendet wird.
Verwendung und wirtschaftliche Bedeutung von Pigmenten 1998 wurden weltweit 11 Mio t Pigmente hergestellt. Davon entfallen 10 % auf den organischen Teil. Anorganische Eisenoxidpigmente naturlichen Ursprungs, sog. Erdpigmente (Mineralien), wurden in prahistorischer Zeit beim Ausmalen von Hohlen verwendet. Schon im Altertum wurden aber auch die anorganischen Pigmente BleiweiB und Mennige hergestellt. In wirtschaftlichen Mengen wurden Pigmente aber erst im 19. Jahrhundert produziert . Heute konnen sowohl der steigende Bedarf als auch die Qualitatsanforderungen, die an anorganische Pigmente gestellt werden, von den in der Natur vorkommenden Minerdhen nicht befriedigt werden. Die anorganischen Pigmente werden daher uberwiegend synthetisch hergestellt. Synthetische Pigmente zeichnen sich durch groRere Reinheit, gleichbleibende Qualitat, hohere Farbstarke und spezielle Verarbeitungseigenschaften aus. Ein typischer Anwendungsbereich fur anorganische Pigmente ist das Einfarben von Anstrichstoffen und Kunststoffen. Von Bedeutung sind auch die Einfiirbung von Waschbeton, Asbestzement, von Keramik, Glas und Email und die Verwendung anorganischer Pigmente fur Druckfarben. Die Verwendung der WeiRpigmente reicht vom Heizkorperlack uber weiRes Papier und weiBe Hemden aus Chemiefasern bis zum Zebrastreifen auf der StraBe.
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Nach Menge und wert gemessen, sind die WeiBpigmente die weitaus wichtigste Gruppe unter den anorganischen Pigmenten*. Weit uber die Halfte der Weltproduktion an anorganischen Pigmenten (ohne RUB) entfallt auf das WeiRpigment Titandioxid. Die Produktion weltweit betrug 2000 ca. 4,2 Mio t. An zweiter Stelle folgen in der westlichen Welt die synthetischen Eisenoxidpigmente. Es sind gleichzeitig die wichtigsten Buntpigmente. Je nach chemischem Aufbau und nach raumlicher Anordnung der kleinsten Teilchen in den winzigen Kristallen haben Eisenoxidpigmente die Farbe gelb, rot, braun oder schwarz. In Europa werden diese Buntpigmente uberwiegend zum Einf&ben von Baustoffen (Betonsteine, Dachpfannen. Pflastersteine, Asbestzement, Fassadenputze), in Nordamerika fur Anstrichstoffe verwendet. In der Bundesrepublik Deutschland wird fast die Halfte der Weltproduktion an synthetischen Eisenoxiden erzeugt. Eisenblau, auch Berliner Blau (Fe"'-[Fe(CN),] genannt, wird in einer Menge von 12000 t hergestellt. Zinkoxid ist ein WeiBpigment, das besonders in Osteuropa fur Anstrichstoffe Bedeutung hat. In der westlichen Welt werden jahrlich etwa 550 000 t Zinkoxid als Aktivator und Vulkanisationsbeschleuniger in der Kautschukindustrie und erst in zweiter Linie als Pigment fur Anstrichmittel und in der Keramik- und Glasindustrie hergestellt. Zinkoxid wird auch fur die Herstellung von Kopierpapieren verwendet, weil bestimmte Zinkoxide bei Belichtung unterschiedliches elektrostatisches Verhalten zeigen. Die Jahresproduktion anorganischer Pigmente in der Welt betrug 1998 knapp 10 Mio t. Der Anteil von Zinksulfid und Lithoponen entspricht ca. 5%. Mit insgesamt weniger als 5% an der Weltproduktion sind folgende Buntpigmente beteiligt: Chromatpigmente (Bleichromat, Zinkchromat, Bariumchromat) Chromoxid Molybdatrot Cadmiumgelb (Cadmiumsulfid) Cadmiumselenide Eisenhaltige Blaupigmente (z.B. Berliner Blau) Ultramarin
91
Mennige (Bestandteil korrosionsschutzender Grundierungen, rot) BleiweiB Auch wenn man von der RuRproduktion absieht, werden in der Bundesrepublik der Menge nach mehr anorganische Pigmente als organische Farbmittel und organische Pigmente hergestellt. Andererseits sind die anorganischen Pigmente durch ihren einfachen Aufbau aber vie1 billiger. Im Gegensatz zu raschen, forschungsintensiven Entwicklungen auf dem Gebiet der organischen Farbmittel und zu schnellen Veranderungen der Farbpaletten fur Textilien sind in den letzten Jahren nur wenige anorganische Verbindungen fur die Verwendung als Pigmente entwickelt worden. Die Aufmerksamkeit richtet sich bei den anorganischen Pigmenten in erster Linie darauf, die Eigenschaften der bekannten Pigmente zu verbessern. RuBpigmente werden weltweit in einer Menge von ca., 400000 t jahrlich (2000) produziert.
9.6.7 Anorganische Fiillstoffe
Begriffsbestimmung Fullstoffe sind Zusatzstoffe, die in zahlreichen Produkten enthalten sind - von Tabletten und kosmetischen Praparaten iiber Seifen, pulverformige Wasch- und Reinigungsmittel, Druck- und Malerfarben, Klebstoffe, FuBbodenbelage aus PVC, Kunststoffolien, duroplastische KunstharzPrehassen und vulkanisierte Kautschukmischungen bis zu Edelputz, Textilien, Papieren und Tapeten. Mit Ausnahme von RuR, Holzmehl, Papierund Textilschnitzeln sind alle bedeutenden Fullstoffe weiBe pulvrige, durchweg anorganische Substanzen. Fullstoffe sind ebenso wie Pigmente in Bindemitteln und Losemitteln unloslich. Fullstoffe sind heute nur noch selten bloBe (billige) Streck- oder Verschnittmittel. Sie sind uberwiegend Hilfsstoffe, die die Qualitat eines Produktes erhohen. In diesem Sinn spricht man von aktiven Fullstoffen. Aktive Fiillstoffe konnen wichtige Gebrauchseigenschaften von Produkten verstarken oder uberhaupt erst bewirken.
Einteilung der Fiillstoffe *
Literaturhinweis: Crerner. M. (1986). Non-Ti02 white pigments with special reference to ZnS pigments, Technical Service Note, Sachtleben Chemie GmbH (Hrsg.), Duiaburg.
Ebenso wie bei den Pigmenten unterscheidet man bei den Fullstoffen die Naturprodukte von den synthetisch hergestellten Produkten, den sog.
92
I Chemische Grundlagen
Extendern. Fullstoffe, die in der Natur vorkommen, sind: Schwerspat BaSO, (Bariumsulfat) Kreide CaCO, (Calciumcarbonat) Kieselgur oder wasserhaltiges SiOz Diatomeenerde (Siliciumdioxid) Kaolin und Tone Calcium-Aluminiumsilikate China Clay besonders reines Kaolin Quarzmehl, Schiefermehl, Gesteinsmehl, Glaskugelchen und Glasschuppchen Fullstoffe, die synthetisch hergestellt werden, sind: RuRe C (Kohlenstoff) Uber 90% der Jahresproduktion sind Fullstoffe, sog. GummiruMe. Weniger als 10% sind feinteilige FarbruRe fur Druckfarben, Lacke und Kunststoffe. - Kieselsauren (Si02), . x H,O und modifizierte Kieselsauren, die Oxide wie CaO, MgO, AI,O? und BaO enthalten.
-
Nach dem Herstellungsverfahren und Verwendungszweck unterscheidet man zwischen pyrogenen und gefallten Kieselsauren. - Blanc fixe BaSO, (Bariumsulfat) - SatinweiR ein Gemisch aus CaSO,/Al,O, - Calciumsilikat wasserhaltiges CaSiO, - Aluminiumsilikat wasserhaltiges A1,0,. SiO, - Tonerdehydrat Al,O,. H 2 0 - gefalltes CalciumCaCO, carbonat Mit Ausnahme von Glas, Schiefermehl, Gesteinsmehl, Tonen und der RuRe sind alle genannten Fullstoffe weiRe Feststoffe.
Physikalische Eigenschaften - Aunere und innere Oberflache,Thixotropie* Alle Fullstoffe sind feinteilige Feststoffe. Ihre hervorstechende gemeinsame Eigenschaft ist ihre groRe Oberflache. Je groRer der Zerteilungsgrad eines Stoffes ist, desto g r o k r ist seine auBere Oberflache. Die GroEe der Fullstoffteilchen (Primirteilchengrok) liegt gewohnlich zwischen 10 nm und 100 nm. Je nachdem, ob diese Partikel platte, runde oder zerkluftete Ober*
thixis (grch.) - Beriihrung. trepein (grch.) wenden. ~
flachen haben, betrlgt die spezifische Oberflache zwischen 10 m2 und 400 m' pro Gramm Fullstoff. Zu den aktiven Fullstoffen zahlen RuBe (VerbrennungsruRe), Kieselgur, gefallte und pyrogene Kieselsauren, gefalltes Calcium- und Aluminiumsilikat . Die groRe auRere Oberflache laRt Anziehungskrafte (sog. Grenzflachenkrafte) zur Wirkung kommen. AuRerdem haften die Fullstoffteilchen auch teilweise aneinander (Sekundiirstruktur), wodurch sie das Bindemittel wie ein Geriist durchziehen. Auf diese Weise wird die mechanische Festigkeit eines ,,gefullten" Elastomeren aus Kautschuk oder Siliconkautschuk erhoht , Eine besonders interessante Wirkung haben hochaktive Kieselsauren in Lacken. Diese Lacke tropfen nicht. sie sind thirotrop, d. h. unter dem Druck eines Pinsels oder einer Malerrolle oder bei mechanischen Erschutterungen flieRen sie, um beim Verschwinden des Druckes oder beim Ruhestand schlagartig wieder fest zu werden. Thixotropie ist ganz besonders bei Tauchlacken erwunscht, urn ein Ablaufen und Nachtropfen zu verhindern . Ursache fur die Thixotropie ist die Geriiststruktur, die die Fullstoffteilchen im Bindemittel bilden. Bei Einwirkung einer Kraft zerbricht das Geriist. Beim Verschwinden der Scherkraft baut sich erneut eine Geriiststruktur auf
Geriiststruktur = nichttropfender Lack
zerstorte Geriiststruktur = fliissiger Lack
Andere Fiillstoffe, wie z.B. Gele der Kieselsauren und Metalloxide zeichnen sich durch eine besonders groRe innere Oberfache aus. Die Partikel dieser Fullstoffe weisen eine starke innere Zerkluftung auf, sie haben z. B. kapillare Struktur. Dadurch konnen sie z.B. gut Feuchtigkeit binden und so die Rieselfahigkeit von Pulvern verbessern oder durch die Aufnahme von Losemitteln als Verdickungsmittel wirken. Sie haben besonders als Adsorptionsmittel Bedeutung.
93
9 Arornatische Verbindungen (Arornaten)
9.68 Chemische Herstellungsverfahren wichtiger Fiillstoffe
Fallungsverfahren aus wahrigen Losungen fur Silikate und Kieselsauren
RuBe
Bei den Fallungsverfahren werden zwei Losungen miteinander vermischt. Dabei bildet sich durch chemische Reaktionen der unlosliche Fullstoff. Er fallt als fester Stoff aus. Diese Fiillstoffe heiBen deshalb nuJgefallte Fiillstoffe. Eine der beiden Losungen ist stets eine Wasserglaslosung (Natriumsilikat-Losung). Sie wird durch Zusammenschmelzen von gemahlenem Quarzsand und Soda und durch anschlieBendes Auflosen dieser Schmelze in Wasser hergestellt. Die zweite Losung ist
RUB ist sehr feiner, feinteiliger Kohlenstoff mit einem geringen, wechselnden Gehalt an Wasserstoff und Sauerstoff. Zu seiner Herstellung werden gasforrnige, flussige oder feste Kohlenwasserstoffe bei ungenugendem Luftzutritt unvollstandig - also ruBend - verbrannt. Diese sog. VerbrennungsruJe sind aktive Fullstoffe. Sie haben besondere Bedeutung als verstakende Fullstoffe in der Kautschukindustrie. OfenruJ (Furnace-RUB) wird aus Ruckstandsolen und Teerolen, aus Erdolraffinerien, Kokereien und Crackanlagen, die reich an aromatischen Kohlenwasserstoffen (besonders Naphthalin und hoheren Aromaten) sind, hergestellt . Die Ole werden in die Ofenflamme eingespritzt. Sie werden dabei thermisch gecrackt in RUB und Wasserstoff. Es lassen sich auch Ofenruk gewinnen, die so feinteilig sind, daB sie als FarbruBe geeignet sind. GasruJ (channel black) wird aus gasforrnigen oder vergasten Kohlenwasserstoffen durch partielle Verbrennung hergestellt. GasruR ist ein idealer FarbruB. FlammruJe haben unter den Verbrennungsruben die geringste Bedeutung. Die sog . SpultruJe werden bei vollstandiger Abwesenheit von Sauerstoff gewonnen. Vor allem Erdgas (Hauptbestandteil: Methan) wird thermisch zersetzt:
hohe
CH4
Methan
RUB
+
2H2
Wasserstoff
Spaltrulle sind weniger feinteilig als Verbrennungsrulle. Sie haben jedoch gute Leitfahigkeit fur elektrischen Strom. Sie werden deshalb zur Herstellung von Elektroden verwendet. Ein bekanntes Beispiel sind die Kohleelektroden in der Trockenbatterie. Als inaktive RuBe haben SpaltruBe fur Spezialzwecke Bedeutung, z. B. f i r Vulkanisate, die elektrische Leitfahigkeit haben sollen.
a) bei der Herstellung von gefallten Kieselsauren eine Saure:
+ 2HC1
Na,O. (SiO,), Wasserglaslosung
Salzsaure
(SiOJn . x H,O Polykieselsaure
+ 2 NaCl Natriumchlorid
b) bei der Herstellung von gefullten Silikuten eine saure Salzlosung wie Aluminiumsulfat-Losung oder Calciumchlorid-Losung: Na,O . (SiO,),
+
Wasserglaslosung
3CaSi0, H 2 0 Calciumsilikat
3CaC1,
3
Calciumchlorid
+
2NaCl Natriumchlorid
+ 4HCI Salzsaure
Durch Wahl geeigneter Fallungsbedingungen bilden sich Fullkorperpartikel gewunschter Primiirgrok. Durch Verwachsen und Verkitten mehrerer Primarteilchen entsteht die erforderliche Sekundkstruktur. Die gefallten Kieselsauren bestehen aus porenreichen Teilchen. Sie besitzen daher auch eine innere Obefflache.
Pyrogene Kieselsauren Die pyrogenen (im Feuer gewonnenen) Kieselsauren sind besonders reine Kieselsauren mit uber 98% Si02-Gehalt*. Sie bilden sehr kleine kugelformige Teilchen mit porenfreier Oberflache. Deswegen haben pyrogene Kieselsauren eine grobe Aktivitat. *
Obwohl SiO, = Siliciurndioxid dab Anhydrid der Kieselsauren ist, setzt man oft SiOLund ,,Kieselsaure" im Sprachgebrauch gleich.
94
I Chcmischc Grundlagcn Siiure oder Salzlosung
Wassei
UI I
Natriumsilikat-
Mutterlauge
Abb. 1-17. GrundflieRbild der Herstellung naRgefallter Kieselsluren und Silikate.
Zu ihrer Herstellung wird Siliciumtetrachlorid, SiCl,, verdampft und in einer Knallgasflamme zu SiOz umgesetzt. Beim Brennen der Knallgasflamme bildet sich Wasserdampf, der das Siliciumtetrachlorid in Siliciumdioxid umwandelt. Als Nebenprodukt entsteht Chlorwasserstoffgas. 2Hz + 0
2
-
Knallgas
SiCI,
8 Warserstofl
2H20 Wasserdampf
+ 2H,O
Wassertetrachlorid darnpf Silicium-
SiCI,
1Ooo"C
Reaktion im Brenner
( A H= -S7 I ,S kJirnol) LUft
SiO, Siliciumdioxid
+ 4HCI
Wiedergcwinnung
D
Salzsaure
Da das SiCl, in einer Flamme mit H,O umgesetzt wird, tragt das Verfahren den Namen Flarnrnenhydrolyse. Die kugelformigen Einzelteilchen der gebildeten Kieselsaure schlieBen sich ahnlich wie RuBteilchen zu Ketten und Bandern zusammen und werden von den Verbrennungsgasen als Flocken abgetrennt. Um Reste von Chlorwasserstoff, HCI, die an der grol3en Oberflache der Fiillstoffpartikel haften, zu entfernen, wird mit feuchter HeiRluft nachbehandelt. Dariiberhinaus werden vor allem pyrogene Kieselsauren mit Chemikalien nachbehandelt, um durch chemische Reaktionen die Oberflache der Kieselsauren vertraglicher fur die Einbettung (Dispergierbarkeit) in organische Substanzen (z. B. Kunststoffe) zu machen.
HeiRluft
Chcmikalien
50, pyrogene Kieselsaure
Abb. 1-18. GrundflieRbildder Flammcnhydrolysevon
Silicium-Tetrachlorid.
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Azofarbstoffe
9.7 Organische Farbmittel
Aus dem 1841 gefundenen Anilin
9.7.1 Die Entwicklung synthetischer Farbmittel
Mauvein, Fuchsin und Indigo Als erstes synthetisches Farbmittel wurde 1856 Mauvein, ein basischer Azinfarbstoff, von W. H. Perkin* in England hergestellt. Drei Jahre spater entwickelte Verguin in Frankreich den Triarylmethanfarbstoff Fuchsin. Beide wurden zum Ftirben von Wolle eingesetzt, spielen heute als Textilfarbstoffe jedoch keine Rolle mehr. In der Papierindustrie ist Fuchsin allerdings auch heute noch als Farbstoff sehr bedeutsam. Folgende Strukturformel gibt seinen chemischen Aufbau wieder:
95
’ 0
\-NH,
stellte der Chemiker P. Griess*** 1858 die erste Diazoniumverbindung her. Uber die Diazoniumverbindungen war der Zugang zu der groljen Klasse der Azofarbmittel eroffnet .
Indanthren@ 1901 wurde durch das Indanthrenblau RS die Entwicklung der Anthrachinon-Kupenfarbstoffe eingeleitet . Das Indanthrenblau RS hat folgende chemische Struktur:
-
0
L
I NH, Fuchsin
-
Mit der Synthese der Farbstoffe Mauvein, Fuchsin und Alizarin wurde eine umwalzende Entwicklung der Farbenindustrie eingeleitet, in der bald Deutschland die Fuhrung ubernahm. Die Synthese von Indigo durch Adolf v. Baeyer** im Jahre 1880 leitete das Zeitalter der synthetischen Farbmittel ein. Echtere und brillantere Farbmittel wurden synthetisiert und f i r die verschiedensten f&berei- und drucktechnischen Anwendungen entwickelt.
Anilin-hydrochlorid ( Aniliniumchlorid)
* ** ***
****
+
salpetrige Saure
-
Die Indanthrenfarbstoffe enviesen sich als licht- und waschecht. Ihr Name wurde zu einer geschutzten Qualitatsbezeichnung fur gute Farbstoffeigenschaften zum Farben von Zellulosefasern. Die Ausgangsstoffe fur diese kompliziert aufgebaute Farbstoffklasse wurden friiher aus dem Steinkohlenteer gewonnen. ay
= Registriertes Warenzeichen
Phthalocyanine In den Jahren 1928/29 wurden von Linstead**** und de Diesbach die Phthalocyanine aufgefun-
Benzoldiazoniumchlorid
Perkin, William Henry (1838-1907),engl. Chemiker. Von Baeyer, Adolf (1835-1917). dtsch. Chemiker. Griess, Peter (1829-1902),dtsch. Cherniiker. Lindstead, Sir Reginald Patrick (1909-1966). engl. Chemiker
+
Wasser
96
I Chemische Grundlagen
den. Der technisch bedeutendste Vertreter ist das Kupferphthalocyanin. Es ist als Pigment gleichermal3en geeignet zum Einfiirben von Kunststoffen und Lacken und findet als Druckfarbmittel groBe Verwendung. Die GroBe des Molekuls, die Art seiner Kristalle und die PigmentteilchengroBe sowie die TeilchengroBenverteilung sind fur die Verwendung als Pigment von entscheidender Bedeutung. Das Kupferphthalocyanin frirbt rnit klaren Tonen blau, chloriertes Kupferphthalocyanin frirbt dagegen griin. Das Molekul besitzt als farbtragendes Strukturelement ein cyclisches System von konjugierten Doppelbindungen. Fiihrt man in das Phthalocyaninmolekul Sulfonsaure- (- SO,H) oder Hydroxylgruppen ein, dann wird es wasserloslich und eignet sich zum F k b e n von Nichtsynthese-Fasem.
Reaktivfarbstoffe Nach dem zweiten Weltkrieg wurden Reaktivfarbstoffe entwickelt, die aufgrund ihrer Echtheit von sich reden gemacht haben. AuBer der eigentlichen Farbstoffiomponente enthalten sie spezielle reaktionsfahige chemische Gruppen, durch die sie eine stabile chemische Bindung rnit der anzufarbenden Cellulose-oder Proteinfaser eingehen. Die guten Waschechtheitseigenschaften sind auf die Stabilitat der Faser-Farbstoffbindung zuruckzufuhren.
Organische Pigmente Auf der durch Runge* 1834 geschaffenen wissenschaftlichen Grundlage der Steinkohlenteerindustrie wurden zunachst Textilfarbstoffe synthetisiert. Spater erst wurden aus diesen die ersten organischen Pigmente hergestellt. Man setzte wasserlosliche anionische oder kationische Farbstoffe rnit entsprechenden Fallungsreagenzien um. Auch machte man sich die Erkenntnisse der Eis-und spater Naphtol-ASh-Farberei zunutze. Man versuchte die echtesten Textilfarbstoffe, die unloslichen Kupenfarbstoffe, durch entsprechende Finish-Prozesse in Pigmente umzuwandeln. So lief die Pigmententwicklung lange Zeit parallel zur Textilfarbstoffentwicklung. Erst mit den fortschreitenden Erkenntnissen der Pigmentphysik in neuerer Zeit hat sich die Pigmentchemie mehr und mehr von der Textilfarbstoffchemie geliist und stellt eine eigene Forschungsrichtung dar.
*
Runge. Ferdinand (1795-1867). dtrch Chemiker
Pigmententwicklung in chronologischer Reihenfolge: Verlackte Pigmente aus Textillarbstoffen bis 1900 Litholrot 1899 Litholrubin I903 Toluidinrot 1 YO5 Nichtverlackte Pyrazolonpigmente, Dinitranilinorange 1907 Hansagelbpigmente 1909 Naphtol-AS-Pigmente 1911 Phthalocyanin- und Diarylidgelbpigmente I935 Kiipenpigmente ah 1950 Chinacridonpigmente 19% Azokondensationspigmente. Ampigmente der Benzimidamlon-Reihe und der I ndol inon-Reihe, AzomethinMetallkomplexpigmente ab I960 In der organischen Farbmittelerzeugung steht die Bundesrepublik Deutschland in der Welt mit knapp 15% an zweiter Stelle. Der wertmaBige Anteil ist allerdings hoher anzusetzen. Er wird auf ca. 18% bis 19%geschatzt. Der Grund dafur ist die groBe Palette hochwertiger Farbmittelspe.tiahtaten. Mehr als die Halfte gehen in den Textilsektor, ca. 25% werden als organische Pigmente fur Druckfarben, Lacke, Anstrichfdrben und fur das einfarben von Kunststoffen benotigt und der Rest wandert in Sondergebiete wie den Papier-, Leder-, Pelzsektor u.a. Im Colour-Index sind alle bis zum heutigen Tag bekannten einheitlichen Farbmittel registriert.* Die Aufwendungen fur die Entwicklung neuer Farbmittel wuchsen seit dem zweiten Weltkrieg immer schneller. Allein schon aus diesem Grund kann die Entwicklung synthetischer Farbmittel in der ganzen Welt maBgeblich nur von den grol3en Chemiefirmen wahrgenommen werden. Vor allem fur die synthetischen Fasem und Kunststoffe die entsprechenden Farbmittel zu entwickeln, ist heute ein Hauptanliegen der For-
*
I n ihm sind allc synthetischcn Farbmittcl von Gclh nach Schwarz geordnet und einzeln heachrielxn. Er lxateht L Z ~ . aus 5 Binden yon je ca. 1000 Seiten. Der erste Band enthiilt das Register. iin rweiten Band hind die Konstitutionen der Farbmittel aufgefuhrt und im dritten his funften Band sind die einzelncn Vcrtreter der Farhmittelklassen bewhriehen. Die letzte Auflage erfolgte im Jahr 1971. Der Colour-Index wird vieneljahrlich durch Bciheftc crganzt. Herausgeber: Society of Dyers and Colourists. Bredfordi England und American Association of Textile Chemists and Colorists. Chorlcy & Picker\gill Ltd. in Leed.; and L o n Verlag: don
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten) schung. Weitere Aufgaben und Probleme ergeben sich aus den Veranderungen in der Fiirbereitechnik. Die Eigenschaften von Druckfarben miissen neuen Papiersorten und schnell laufenden Druckmaschinen angepaBt werden. Bei den Lacken werden die anorganischen Pigmente durch hochechte organische Pigmente ersetzt. Die Maschinenindustrie schuf eine ganze Anzahl von Maschinen, die halb- und vollkontinuierliche Fiirbe- und Ausriistverfahren ermoglichen . Mit dem sogenannten Pad-Steam-Verfahren gelang es nach dem zweiten Weltkrieg, die einzelnen Stufen der diskontinuierlichen Kupenf&berei von Baumwolle zu einem vollkontinuierlichen Vorgang zusammenzufassen. Farbstoffe mussen heute also auch fur Fabemaschinen mit hoher Warengeschwindigkeit geeignet sein.
9.72 Farbigkeit organischer Verbindungen Licht und Farbe Farbigkeit ist auf die Eigenschaften des Lichtes und die chemische Zusammensetzung der Stoffe zuriickzufuhren, aus denen die Gegenstiinde in unserer Umwelt aufgebaut sind. Licht 1aBt sich physikalisch als elektromagnetische Welle beschreiben. Das menschliche Auge kann von diesen elektromagnetischen Strahlen nur den Wellenlangenbereich von ca. 400 nm bis 750 nm (sichtbarer Bereich) wahrnehmen.
WeiBes Licht (Sonnenlicht) setzt sich im sichtbaren Bereich aus Spektralfarben, denen jeweils ein bestimmter Wellenlangenbereich zukommt, zusammen (Tab. 1-1 1). Innerhalb des Spektrums* gibt es je zwei Farben, die sich zu weiBem Licht erganzen, sie werden Komplementiidarben** genannt. Wird von einem Korper die Gesamtheit aller auftretenden Lichtstrahlen unverandert reflektiert, dann erscheint uns dieser Korper weis. Werden samtliche Lichtstrahlen absorbiert***, erscheint der Korper schwarz. Absorbiert der Korper dagegen selektiv eine Spektralfarbe, so erscheint er uns in der KomplementWarbe zur absorbierten Farbe.
Absorption der Spektralfarbendurch chemische Verbindungen Eine chemische Verbindung erscheint dann farbig, wenn sie aus dem sichtbaren Bereich des Sonnenspektrums einen Teil der Spektralfarben absorbiert. Gesattigte Kohlenwasserstoffe, wie das gasformige Methan oder flussige Oktan, sind fur unser Auge farblos, sie absorbieren nur im Ultraviolettbereich bei ca. 200 nm. Betrachtet man dagegen Kohlenwasserstoffe mit einer Doppelbindung, so beobachtet man eine Verschiebung der Absorption in Richtung zum sichtbaren Teil des Spektrums. Durch Haufung von Doppelbindungen, besonders von konjugierten Doppelbindungen (d. h. Doppel- und Einfach-
Tab. 1-11. Farben des Sonnenlichtes und Komplementarfarben.
Wellenlangenbereich nm
Absorbierte (verschluckte) Spektralfarbe
Reflektierte Komplementarfarbe, wenn die entsprechende Spektralfarbe absorbiert wird
unterhalb400 400-435 435-480
ultraviolett violett blau (indigo) blau oder tiirkis blaugriin griin gelbgriin gelb orange rot ul trarot
(unsichtbar) gelbgriin gelb orange rot purpur violett blau blau oder tiirkis blaugriin (unsichtbar)
480490 490-500
500- 560 560-580 580-595 595405 605-750 oberhalb 750
* **
***
spectrum (lat.) - Erscheinung. complere (lat.) - erganzen. absorbere (lat.) - verschlingen
97
98
I Chernische Grundlagen
bindungen in regelmaRigem Wechsel), verlagert sich die Absorption immer mehr in das Gebiet des sichtbaren Spektrums. Typisch hierfur sind die Polyene, die durch mehrere konjugierte Doppelbindungen gekennzeichnet sind; bei Polyenen rnit funf Doppelbindungen ist bereits ein Gelbton zu beobachten. Zu der Gruppe der Polyenfarbmittel gehoren u.a. die Carotine, die den Karotten die gelbrote Farbe verleihen. Bei der Lichtabsorption treten die Elektronenpaare der (Farbmittel-)Molekule mit den elektromagnetischen Wellen des Lichtes in Wechselwirkung, d.h. sie werden durch die eingestrahlte Lichtenergie angeregt. Diese energetische Wechselwirkung erfolgt besonders leicht in organischen Verbindungen rnit leicht beweglichen (freien) Elektronenpaaren. Organische Farbmittel mussen daher Bausteine mit konjugierten Doppelbindungen oder aromatischen Systemen aufweisen. Tragt ein solches Molekiil Substituenten, die ebenfalls Doppelbindungen enthalten, wird die Anregung erleichtert und der Absorptionsbereich verschiebt sich vom ultravioletten zum energiearmeren, sichtbaren Spektralbereich. Atomgruppen, die die selektive Absorption in Richtung zum sichtbaren Bereich entscheidend beeinflussen, nennt man Chromophore (Farbtriiger). Phc,,,,l
>llrlrnlnp
b
p-Nilrophcnol
U,l~llTU"~ b
Pikrinsdure
OH
0H
aromatischen Teil der farbigen chemischen Verbindung. Folgende funktionelle Gruppen haben auxochrome Wirkung: Hydroxyl- b w . Phenolgruppe
4 H -NH,
-N
Aminogruppe (primares Arnin)
/Rl
'RL
substituierte Arninogruppc (tertiares Amin)
Die Bausteine eines Farbmittelmolekuls sind zusammengefal3t am Beispiel des para-Aminoazobenzols (Anilingelb) dargestellt:
C'hrornophor
I
I
-/+ 'hrornoge ; i\inochrorn (
('hromogcn
ti
+ :\ii\ochrorn = Farbrnittelrnolekiil
Eine farbige Verbindung ist aber noch nicht in jedem Fall ein Farbmittel. Von diesem erwartet man eine stabile Haftfahigkeit, die physikalischer oder chemischer Natur sein kann, und rnit den zu farbenden Fasern, Geweben, Gewirken, bzw. im Fall der Pigmente Unloslichkeit und Vertraglichkeit in den betreffenden Bindemittelsystemen aufweisen.
OF1
9.73 Qualitatsforderungenund Qualitatsmerkmalevon Farbmitteln Qualitatsforderungen Wichtige Chromophore sind z. B.: -N=N-
Azogruppc
-N=O
Nitrosogruppe >C=O
-N
NO
Nitrogruppe
>C=C< Ethylengruppe
Carbonylgruppe
>C=NH Carbiminogruppe
NO
Verbindungen, die ein System von konjugierten Doppelbindungen und - in der Regel mehrere - chromophore Gruppen enthalten, nennt man Chromogene (Farberzeuger). Eine zusatzliche Verschiebung der Farbigkeit, z.B. von gelb uber orange nach rot, erreicht man durch die Einfuhrung von Auxochromen* in den
*
auxrhis (lat.) Zunahme ~
Die Qualitat eines Farbmittels hat den Forderungen zweier Personenkreise Rechnung zu tragen, dem Verarbeiter ( 2 . B. FarbedAusriister) und dem Verbraucher. Der Verarbeiter fordert von einem Farbmittel. daR es leicht auf das zu farbende Material aufzubringen ist und das Material selbst nicht geschadigt wird. Je nach Material und Verwendungszweck werden bestimmte coloristische und Echtheitseigenschaften gefordert, wie z.B. jiir Textiljarbsrcffe: Lichtechtheit Wasserechtheit Waschechtheit SchweiRechtheit Reibechtheit Bugelechtheit Temperaturbestandigkeit u.a.
fur Pigmenre:
Wetterechtheit Lichtechtheit Ausblutechtheit Uberspritzechtheit u.a.
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Farbmittel durfen nicht giftig sein. Lebensmittel- und Kosrnetikfarbstoffe unterliegen gesetzlichen Bestimmungen. Die Vielfalt der speziellen Eigenschaften, die die Farbmittel haben sollen, wird bestimmt durch die groBe Palette der zu farbenden Materialien und der geforderten anwendungstechnischen Eigenschaften, von denen oben einige genannt worden sind. Folgende Materialien seien als Beispiel aufgefuhrt: Wolle, Seide, Baumwolle und Leinen, Regenerat- und synthetische Fasern, Leder, Pelze, Gummi, Papier, Kunststoffe, Lacke, Druckfarben, Holz, Fette, Wachse u.a. m.
Qualitatsmerkmale Die Qualitatsmerkmale eines Farbmittels richten sich nach dem Einsatzgebiet. Die Wahl eines Farbmittels wird bestimmt von dem Material, das geRrbt oder bedruckt werden soll. Ein Farbstoff fur Futterstoffe des Oberbekleidungssektors rnuR nicht licht-und braucht nur bedingt waschecht zu sein. Zum Farben von Tischdecken werden Licht- und hohe Waschechtheit verlangt. Dagegen mussen Farbmittel fur das Farben und Bedrucken von Vorhangen zwar hoch lichtecht, aber nicht besonders waschecht sein . Wahrend irn textilen Sektor die Farbstoffe dorninieren, spielen in der graphischen Industrie, der Druckfarbenindustrie, in der Lackindustrie und zurn Farben von Kunststoffen die Pigmente die groBere Rolle. Bei allen Farbmitteln werden sowohl bei Farbstoffen als auch Pigmenten eine ganze Anzahl von verschiedenen Echtheitseigenschaften unterschieden. Sie werden in Skalen gemessen, die in 5 Stufen eingeteilt sind. Die 1 steht fur schlechte und die 5 fur sehr gute Eigenschaften. Ein wichtiges Echtheitsmerkmal fur Farbmittel ist die Lichtechtheit. Hier ist die Echtheitsskala in 8 Stufen unterteilt, wobei 1 wieder die schlechte Eigenschaft und 8 die sehr gute zurn Ausdruck bringt. Die Farbstiirke wird irn Vergleich zwischen der Probe und einer standardisierten Mustervorlage bestirnrnt. Die Priifungen werden mit einem Farbmeagerat vorgenomrnen. Haufig sind auch noch visuelle Priifungen notwendig. Hierfiir sind groae praktische Erfahrungen und geubte Augen notig. Die Ausgiebigkeit gibt an, wieviel Farbmittel zum Flirben einer bestimmten Materialmenge und Farbtiefe notig ist.
99
9.7.4 Herstellung synthetischer Farbmittel am Beispiel von Azofarbstoffen Es soll das technologische Verfahren zur Darstellung von Hansa-Gelb@G vom Prinzip her erlautert werden. Hansa-Gelbm G ist ein organisches Pigment und gehort chernisch zur Gruppe der Azoverbindungen . Als Ausgangskomponenten zur Herstellung von Azofarbrnitteln dienen u. a. aromatische Amine, die sich chemisch z.B. vom O N H ,
Anilin
herleiten lassen. Fur die Herstellung von HansaGelbm G geht man vom 4-Amino-3-nitro-] -methylbenzol aus.
'NO,
Diazotierung Um die chromophore Gruppe, in diesem Fall die Azogruppe -N=N-, aufzubauen, wird das aromatische Amin im stark sauren Medium rnit salpetriger Saure umgesetzt. Die Reaktion eines aromatischen Amins mit salpetriger Saure zu einer Diazoniumverbindung nennt man Diazotieren . -NH2
4-Amino-3-nitro1-rnethylbenzol
-
+ HCI + HO-N=O -2H,O
+
salpetrige Saure
Salzsaure
4-Amino-3-nitro- l-methylbenzoldiazoniurnchlorid
+ Warme
In wahriger saurer Losung ist das entstandene Diazoniumchlorid schwach gelb gefiirbt. Die Diazotierung ist eine exotherme Reaktion. Schon bei Zimmertemperatur zersetzt sich die Diazoniumverbindung schnell, deshalb wird die Diazotierung unter Eiskuhlung durchgefuhrt.
100
1 Chcmische Grundlagen
K uppIung Das Diazoniumsalz wird rnit einer weiteren Kornponente, der sogenannten Kupplungskornponente, haufig auch Azokornponente genannt, zur Reaktion gebracht. Dabei vergroaert sich das Molekiil, weil ein zweites Molekiil (an-)gekuppelt wird.
-
Diazoniumsalz + Kupplungskomponente Farbmittel + SalLsaure Die Kupplung von 4-Amino-3-nitro- 1-methylbenzoldiazoniumchlorid und Acetessigsaureanilid in waBriger Losung ergibt das Pigment Hansa-Gelb@G.
Acetessigsaureanilid
3. Reinigung der Diamknmpnnente und Kupplung
Urn die Diazokomponente von nicht Umgesetztem zu befreien, muB die Losung der Diazokomponente meistens auch filtriert werden. Irn allgerneinen wird so verfahren, daR die geklarte Losung unrnittelbar in den Kuppelbottich einlauft. Urn die Diazokomponente schnell rnit der Kupplungskornponente (Azokomponente) zur Reaktion zu bringen, wird wahrend des Zulaufs iiber eine Verteilerbrause kraftig geriihrt. Es bildet sich eine Suspension (Niederschlag) von HansaGelb@G. Die bei der Kupplung entstehende Salzsaure wird neutralisiert. Auf diese Weise wird der pH-Wert auf der gewiinschten Hohe gehalten. pH-Wert, Temperatur und Geschwindigkeit des Zulaufs der Diazokomponente haben bei der Kupplung neben anderen Einwirkungen groBen EinfluB auf die Qualitat des entstehenden Pigments. Damit ist der chernische Teil der Herstellung des Hansa-Gelb" G abgeschlosscn. 4 . Aufarbeitung
Hansa-GelbmG
Technische Durchfiihrung I . Diazotierung In einern gegen Saure widerstandsfahigen Riihrgefal3 wird das aromatische Arnin mit Wasser und Salzsaure angeschlamrnt und bis zu rnehreren Stunden geriihrt. Hierbei bildet sich eine Losung oder Suspension des arornatischen Aminchlorids. Vor der eigentlichen Diazotierung wird sie durch Eiszugabe oder rnittels Mantelkuhlung auf eine Temperatur von ca. 0°C eingestellt. Auf keinen Fall darf die Temperatur 10 "C ubersteigen. AnschlieBend laBt man eine waRrige Natriumnitritlosung solange zulaufen, bis das Molverhaltnis l : l betragt (Abb. 1-19).
2. Liisen der Kupplungskomponente (Azokomponente) Parallel zur Diazotierung wird in einem GefaR rnit Ruhrwerk, dern sogenannten ,,Kuppelbottich", die Kupplungskornponente in Wasser gelijst oder angeschlarnmt, ein bestirnmter pHWert eingestellt und auf die zur Kupplung erforderliche Temperatur gekuhlt.
Nach der Kupplung mu8 das Farbrnittel von der Mutterlauge, das ist die Losung, in der das Pigment entstanden ist, getrennt werden. An das Filtrieren schlieBen sich die Arbeitsgange des Waschens, Trocknens und Mahlens an. Das Filtrieren und Waschen erfolgt hiufig in ein und demselben Apparat. Beim Mahlen von Fdrbmitteln handelt es sich urn das Zerkleinem von feuchter oder getrockneter Fabrikationsware (z. B . PreBkuchen) zu Pulver. Generell ist zwischen einer diskontinuierlichen und kontinuierlichen Aufarbeitung zu unterscheiden. Der Vorteil einer diskontinuierlichen Aufarbeitung besteht in dem Einsatz von einfachen und universe11 verwendbaren Geraten wie Nutschen, Filterpressen und Trockenschranken. So konnen fast alle Farbmittel aufgearbeitet werden. Andererseits ist dieses Verfahren sehr lohnintensiv. Kontinuierliche Aufarbeitungsanlagen werden dann erstellt, wenn eine ganze Farbmittelgruppe oder gar ein spezieller Farbstoff oder spezielles Pigment einen bestirnrnten Produktionsurnfang erreicht hat und die technischen Voraussetzungen gegeben sind. Sie sind weniger arbeitsintensiv und damit wirtschaftlicher.
5 . Formierung Da die Eigenschaften eines Farbmittels nicht nur durch seinen chemischen Aufbau, sondern auch wesentlich von seinem physikalischen Verhalten
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Einsatz Diazotierung
10 1
DiazotiergefaO
Ve r un rein igu ng en
Kupplungskomponente
I Wasc hwasser
Kuppelbottich
Filterpresse Mutterlauge Abwasser
Trockner
Muhle
Waage Azopigment Abb. 1-19. Schema zur Herstellung eines Aropigments
bestimmt werden, muB es haufig in eine Form mit den gewunschten physikalischen und anwendungstechnischen Eigenschaften ubergefuhrt werden. Dies gilt vor allem fur Pigmente und Dispersionsfarbstoffe. Unter Formierung (haufig auch Finish genannt) werden somit die letzten Arbeitsgange
einer speziellen physikalischen Nachbehandlung fur bestimmte Farbmittel verstanden. Nicht alle Farbmittel mussen formiert werden. Spezielle Vorgange des Formierens sind Mahlen, Mischen und thermisches Behandeln. Durch das Mahlen sol1 das Farbmittel auf eine bestimmte KorngroBe mit einem optimalen Verteilungsgrad ge-
102
I Chernische Grundlagen
bracht werden. Haufig werden KorngroBen zwischen 0,O 1 p m und 1 p m gefordert, da von ihnen die Farbstarke, Deckkraft und andere wichtige Eigenschaften wesentlich beeinfluat werden. Der hohe Grad der FeinverteilunR wird im allgemeinen durch Vermahlen von feuchtem Mahlgut oder einer Suspension auf Spezialmuhlen mit Hilfe von Mahlhilfskorpern und gegebenenfalls unter Zusatz von oberflachenaktiven Substanzen erreicht. Als Muhlen werden oft Ruhrwerkskugelmiihlen und Rollmuhlen eingesetzt, auch Kneter werden zur Zerkleinerung herangezogen. Der Feinheitsgrad eines Farbmittels wird u.a. beeinfluBt von den zugesetzten oberflachenaktiven Substanzen, der Mahldauer, der Mahltemperatur und dern pH-Wert des Mahlgutes. Die Art der Kristallstruktur eines Farbmittels, KorngroBe und Korngrofienverteilung konnen die mannigfaltigen Eigenschaften wie Farbstarke, Lichtechtheit, Deckkraft, Brillanz und vieles andere mehr beeinflussen. Die dem Farbmittel bei der Formierung vermittelten Eigenschaften sind Arbeitsergebnisse, die empirisch durch zahlreiche und sehr sorgfaltig gefuhrte Versuche gewonnen werden. Sie gehoren zum Know-how eines jeden Farbmittelherstellers.
6 . Einstellen eines Furhrnittels Wenn auch nicht alle Farbmittel formiert werden, so mussen doch alle auf einen Handelstyp, d . h. eine bestimmte Farbstarke, Nuance, u.a. eingestellt werden. Die Handelstypen sind sehr oft keine chemisch einheitlichen Farbmittel, sondern Mischungen aus diesen. Fur das Einstellen werden Farbstoffmuhlen benutzt. Der Handelstyp ist ein Farbmittelmuster, das im allgemeinen bei der Herstellung des jeweiligen Farbmittels als maagebend fur die Qualitat festgelegt wird. Alle folgenden Partien werden nach diesem Muster angefertigt und, wenn notig, so lange korrigiert, bis sie dem Typmuster entsprechen. Erst dann wird das Farbmittel zum Verkauf freigegeben. Je nach Einsatzgebiet und Verarbeitungsweise kommen die Farbmittel als Granulate, Pulver, PreBkuchen, Teige, Pastcn oder in Flussigform in den Handel.
9.75 Einteilung der organischen Farbrnittel Die Farbmittel lassen sich im allgemeinen nach zwei verschiedenartigen Prinzipien einteilen. Einmal nach ihrer chernischen Struktur, wie z.B.
Arofarbrniltel Anthrachinonfarbmittel Indigoide FarbrnittCl Triarylrnethanfarbrnittcl
Phthalocyaninfarbmittel Acridinfarbrnittel Chinacridonfarbmittel Perylenfarbrnittel
Schwefe'farbmittcl
Zum andern nach coloristischen Uberlegungen, d.h. nach den Anwendungsgebieten und Farbemethoden. Als Beispiel seien einige wichtige Klassen aus der Gruppe der Farbstoffe, d.h. der loslichen Farbmittel, genannt. Es sind dies die Direktfarbstoffe Kupenfarbstoffc Reaktivfarbstoffc Saurefarbstoffc
Kationische Farbstoffe Dispersionsfarbstoffe Schwefelfarbstoffe Naphthol AS-Farbstoffe
Einteilung einiger loslicher Farbmittel nach ihrer farbereitechnischen Anwendung Direktfclrbs tqffe Unter Direktfarbstoffen wird eine Gruppe von Farbstoffen zusammengefaBt, die auf pflanzliche Fasern ohne besondere Vorbehandlung aus wal3riger Losung direkt aufzuziehen vermogen. Die Direktfarbstoffe werden an der Zellulosefaser durch zwischenmolekulare Krafte gebunden. Das Anhaften der Farbstoffmolekule ist in dem strukturellen Aufbau des Farbstoffmolekuls und seiner Aggregationsfahigkeit begriindet. Zu dieser Gruppe gehort eine groOe Zahl von Azofarbstoffen. Kiipenfurbstoffe Kupenfarbstoffe sind wasserunloslich. Durch Zugabe von Natriumdithionit Na,S,O,, Zinkstaub, Eisen-(11)-salzen oder anderen Reduktionsmitteln lassen sie sich leicht reduzieren und in alkalischen Flotten (Farbebad) in eine losliche Form uberfuhren. Die reduzierte Form der Kupenfarbstoffe ist oft farblos oder weniger farbintensiv als der eigentliche Kiipenfarbstoff, deshalb werden die reduzierten Kupenfarbstoffe auch als Leukoverbindungen* bezeichnet. Der Vorgang des Reduzierens heifit Verkiipen, die entstandene Farbstofflosung Kupe. Die zu farbende Faseware wird in die Kupe gebracht und nach dem Farben der auf der Faser befindliche Farbstoff oxidiert. Durch den Sauerstoff erfolgt eine Ruckoxidation zum urspriinglichen wasserunloslichen Farbstoff. Kupenfarbstoffe sind sehr
*
leukoa (priech
)
~
farhlos. weiB.
103
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten) Tab. 1-12. Farbmittel nach ihrer chemischen Struktur (einige wichtige Farbmittelklassen) Chernische Bezeichnung
Verwendungsbeispiele
Azofarbmittel
Hauptvertreter der organischen Pigmente und Farbstoffe: Saure-, Direkt-, Reaktiv- und Dispersionsfarbstoffe zur Farbung von Natur- und Chemiefasem;
~~~~
Monoazofarbmittel Disazofarbmittel Polyazofarbmi ttel
Farbmittel BeispieleName
Formel
~
Echtrot AV (Farbstoff)
?I1
7 0 2
Pigmente fur die Druck-, Lack- und KunststoffIndustrie
Hansa-Rot@ (Pigment) B
H3c-o-N=N-Q -
Anthrachinonfarbmittel als Kiioen- und ReaktivIndanthren-Rot 5 GK farbstdffe zum Farben und Farbstoff Beizenfarbmittel Bedrucken von CelluloseAnthrachinonfasern fur hochste Ekhtheitsanspriiche Dispersionsfarbmittel Anthrachinon-Kupenals Saurefarbstoffe zum farbmittel Fiirben von Wolle; Anthrachinon-Reaktivals Dispersionsfarbstoffe farbmittel zum F ~ b e von n Synthetics Indigoide Farbmittel Kupenfarbstoffe Indigosole@ Anthrasole@ Pigmente
zum Flrben und Bedrucken von Cellulosefasem fur hochste Echtheitsanspruche zur Herstellung hochwertiger Industrielacke
Indigo (Farbstoff)
H
\pJ/ I H
\c/
o”‘c=c”‘~ \
Permanent-Rotviolett MR (Pigment)
0 II
I
/
/I 0
Cl I
c1
0”
/ I
Cl Tkiarylmethanfarbmittel als kationische Farbstoffe zum Farben und Amino- und OxitriarylBedrucken von Polyacrylmethanfarbmittel nitrilfasern: als Saurefarbstoffe fur Wolle; als Farblacke und innere Salze haben sie als Pigmente Bedeutung
Kristallviolett (Farbstoff) +
c1-
104
I Chemische Grundlagen
Tab. 1-12. Fort.tet:utig
Chemische Bezeichnung
Verwendungsbeispiele
Farbmittel BeispieleiName
Formel
Schwefelfarbmittel
zum Farben von Baumwolle ahnlich den Kiipenfarbstoffen
Immedial-Reinblau"OB (Farbstoff
Phthalocyaninfarbmittel
als Pigmente fur Lacke.
Hostaperm-Blau Druckfarben und KunstB2GL stoffe und zum Bedrucken Hostaperm von Cellulosefasern, (Pigment) als lasliche Farbstoffe 7um Farben von Cellulosefaxem
N
N II
I
Acridin- und Chinacridonfarbmittel
Kationische Farbstoffe: einigc Vertreter fur die Ledcrfiberei sowie fur Kokos und ahnliche Fasern
Acridinorange NO (Farbstoff) u
r
t als Pigmente fur hoch-
Hostaperm-Rot E3Ba
wertige Industrie- und Autolacke
wasch- und lichtecht und haben im allgemeinen ein hohes Echtheitsniveau (,,Indanthren"-Farbstoffe). Leukokupenesterfurhstoffe: Die Leukoverbindungen, d . h. die reduzierte Form der Kupenfarbstoffe, lassen sich in organischen Losemitteln und in Gegenwart von Metallpulver mit Chlorsulfonsaure, Cl-SO,H, verestern. Als organisches Losemittel dient haufig Pyridin. Es entstehen die Leukokupenesterfarbstoffe. In technischen Verfahren werden Reduktion und Veresterung in einem Arbeitsgang durchgefuhrt. Auf diese Weise werden die Leukokupenesterfarbstoffe der Indigo-und Anthrachinonreihe erhalten. Sie dienen zum Farben und
l+ €i
a;yJyJ 0
H
I H
II 0
Bedrucken von pflanzlichen Fasern. Da es sich bei den Leukoestern um stabilisierte Leukoverbindungen handelt, mussen sie nach dem Aufbringen auf das zu farbende Material nach der Esterspaltung wieder durch Oxidation zum Kupenfarbstoff entwickelt werden. Reuktivfurbstoffe
Die Reaktivfarbstoffe wurden erst nach 1945 entwickelt. Sie enthalten neben der eigentlichen Farbstofflkomponente spezielle reaktionsfahige Gruppen, die sogenannten Reaktivkomponenten, uber die sie mit den Faserstoffen chemisch verbunden werden konnen. Als Farbstoffkomponente sind im Prinzip alle organischen Farbstoffe geeignet. Beim Farben geht die Reaktivkomponen-
-
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
te z.B. mit den freien Hydroxylgruppen der Zellulose oder mit den Amino- (-NH,), Carboxyl(-COOH) und Thiol-( -SH) Gruppen der Wolle, Seide und Polyamidfasern eine echte chemische Verbindung ein. Wichtige Reaktivkomponenten sind die
@-A
+H
@-sO,-CH=CH,
O
-
7
105
1
Cellulosefaser
@-so~-cH,-cH~-o-~ I
I
gefirbte Cellulosefaser
H
Monochlortriazinkomponente
"7-Cl
Nv/N I
R H
Dichlortriazinkomponente
@-"(""iCl
N-N I
c1
,
@-N-C\
Ad
ycl
@-SO,--CH,--CH,--O--SO$
Dichlorchinoxalinkomponente Oxethylsulfonschwefelsaureesterkomponente
Saurefarbstoffe Saurefarbstoffe lassen sich in Gegenwart von Sauren auf tierische und Polyamid-Fasern aufbringen. Sie sind wasserloslich und ziehen direkt auf die Fasern auf. Da sowohl Wolle, Seide als auch Haare chemisch ahnlich aufgebaut sind - allen gemeinsarn ist eine Vielzahl von Arnidgruppen -N-Cund Aminoendgruppen - lassen sie I II H O sich alle mit Saurefarbstoffen anfkben und bedrucken. Die Aminoendgruppen binden die Sauregruppen der Farbstoffe salzartig. Die Wasserloslichkeit dieser Farbstoffe ist auf die Anwesenheit von wasserloslichmachenden Gruppen, den hydrophilen Gruppen, zuriickzufiihren. Hydrophile Gruppen im Saurefarbstoffmolekiil sind z.B.
R I
N/~N @-HN/'-N/\F "
,J
Monofluortriazinkomponente
Difluorchlorpyrimidin-
die Carboxylgruppe R-COOH, die Sulfonsauregruppe R-SO,H die Hydroxygruppe R-OH.
In wuriger Liisung liegt der Farbstoff dissoziiert vor:
r
,OH
@ steht fur die Farbbstoffkornponente.
Die Mono- und Dichlortriazingruppen reagieren mit der Cellulosefaser unter Bildung von Celluloseestern bei Abspaltung der Abgangsgruppen, beispielsweise des Chlors, als HCI. Die Oxethylsulfonschwefelsaureestergruppe dagegen bildet in alkalischer Liisung zuerst eine Vinylsulfongruppe, die sich anschliel3end mit der Cellulosefaser zu einern Celluloseether urnsetzt.
@ -S02-CH2-O-S0,H Redk t i v farbbtoff
Alkali
@ -S02-CH=CH2 Vinylsulfongruppe
und
&Naphtholorange, Siiurefarbstoff
1
1
Der Farbstoff ist in diesem Falle das Anion, deshalb spricht man auch von anionischen Farbstoffen. Wolle, Seide und Haare bestehen aus EiweiR rnit den entsprechenden freien Aminogruppen. Im sauren Firbebad, der Flotte, bilden die Molekiile dieser tierischen Faser reaktionsf h i g e Ammoniumkationen aus. Vereinfacht wird dieser Vorgang durch folgende Gleichung ausgedriickt:
106
I Chemische Grundlagen
- O O C - ~ ~ - - N H +~H+ +
Wollemolekul
+ Wasserstoffion
--[HOOC---NHNH,+] -
Wollemolekul mit reaktionsfahigem Amnioniuniion
Das Farbstoffanion und das kationische Wollemolekul ziehen sich gemaB ihrer entgegengesetzten Ladungen elektrostatisch an und gehen eine feste Salzbildung ein, so daB der Farbstoff auf der Faser haftet. Zur Gruppe der Saurefarbstoffe gehoren auch Azofarbstoffe, Anthrachinonfarbstoffe, Azinfarbstoffe, Triarylmethanfarbstoffe. Nitrofarbstoffe u.a.
Schwefe&rbstoffe Schwefelfarbstoffe, auch Immedial-Farbstoffe genannt, sind hochmolekulare schwefelhaltige Verbindungen aus aromatischen Ringsystemen, die z.B. aus Disulfidbrucken -S-S-,
Kutionische bzw. busische Furbstoffe Kationische Farbstoffe enthalten als Auxochrome NH2- oder N(R),-Gruppen und auch stickstoffhaltige Heterocyclen. Zu ihnen zahlen einige Azofarbstoffe. Die kationischen Farbstoffe gehorten in der Welt zu den ersten synthetischen organischen Farbstoffen der Farbenfabriken. Wegen ihrer mangelnden Lichtechtheit auf Wolle und Baumwolle sind sie unbedeutend geworden. Erst durch die PAC-Faser erlangten sie erneut die grol3e Bedeutung. Zur Polyacrylnitrilfaser besitZen die kationischen Farbstoffe eine hohe Affinitat und zeichnen sich in vielen Fillen durch eine sehr hohe Lichtechtheit sowie gute Brillanz und Farbstiirke aus.
Dispersion$urbstoffe Dispersionsfarbstoffe sind nur spurenweise wasserloslich und werden somit aus wai3rigen Dispersionen auf die Faser aufgebracht. Sie dienen zum Fiirben von Polyester- und Celluloseacetatfasern. Den Dispersionsfarbstoffen gehoren u. a. wasserunlosliche Monoazo-, Disazo-, Anthrachinon- und Chinophthalonfarbstoffe an. Die dispergierten Farbstoffe werden bei 120°C his 130°C oder in Gegenwart eines Carriers bei Kochtemperatur auf die Polyesterfaser aufgebracht. Carrier sind Fiirbebeschleuniger, die dem Fiirbebad zugesetzt werden, um die Diffusion der Farbstoffe in die Faseroberflache zu fordern. Der Farbkorper des Dispersionsfarbstoffes diffundiert in die ,,aufgeweichte" Faseroberflache und wird in der Faser gelost. Ein weiteres Verfahren zum Farben mit Dispersionsfarbstoffen ist das Thermosolieren. Die Faser wird mit einer waRrigen Farbstoffdispersion impragniert, anschlieBend wird die Farbung getrocknet und ca. 30 Sekunden mit heiBer Luft von 200°C bis 220°C behandelt. Bei dieser Temperatur wird die gesamte Faser aufgequollen und der Farbstoff diffundiert in das Faserinnere.
H I
Hc/N_\ Thiazinringen
11
HC,-,CH S -
CH I1
und anderen Schwefelverbindungen aufgebaut sind. Sie entstehen durch Erhitzen der verschiedensten aromatischen Stoffe mit schwefelabgebenden Komponenten wie elementarem Schwefel. S,, oder Natriumpolysulfiden, z.B. Na-SS- S -S -S -S -Na. Bei den Schwefelfarbstoffen handelt es sich immer um Gemische einander ahnlicher Verbindungen von unterschiedlichem Schwefelungsgrad, d. h. sie unterscheiden sich in ihrem Schwefelgehalt und der Verkniipfung durch Schwefelbriicken zu groBmolekularen Strukturen. Ein wichtiger Farbstoff dieser Gruppe ist das licht- und waschechte Schwefelschwarz T. Es wird durch Schwefelung von 2.4-Dinitrophenol 0,N-
0 \
\
-OH,
NO, erhalten. Ebenfalls besonders licht- und waschecht sind die Hydronblau-Marken, z. B. Hydronblau R. Sie werden durch Schwefelung von Carbazol-indoanilin in Butanol gewonnen.
H
Carbam-indtuni I i n
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Hydronblau R baut sich aus den Ringsystemen des Thianthrens und Phenothiazins auf.
lungskomponenten und den diazotierten Echtbasen bzw. Echtsalzen. Eine der zahlreichen Kupplungskomponenten ist das unter dem Warenzeichen '€0 fur Dystar (s. Tab. 0-1) geschutzte 3-Hydroxy-2-naphthoesaureanilid.
--
Thianthren
Naphtholkomponente
-
H
Phenothiadn* Schwefelfarbstoffe iihneln den Kupenfarbstoffen. Die Verknupfung wird auf die Anwesenheit von Mercaptogruppen, -SH, oder Schwefelbriicken, - S - , zuriickgefuhrt, die rnit Natriumsulfid, Na-S-Na, in Na-S-Gruppen ubergehen. 2R-SH Mercaptoverbindung
+
Na-S-Na
-
Anilidsaurekomponente
Die Buchstaben AS stehen fur Anilidsaure. Anilide zahlen zur Stoftklasse der Amide und lassen sich von organischen Sauren R-CH,-C-OH durch Substitution der OHII 0 Gruppe durch den Anilidrest ableiten: R-CH,-C-OH It 0
organ. Saure
+ H-N-
I
-H-OH
H Anilin
Natriumsulfid 2 R-S-Na
Natriumsalz der Mercaptoverbindung
+
H-S-H Schwefelwasserstoff
Schwefelfarbstoffe dienen vorwiegend zum F ~ b e nvon Baumwolle. Sie zeichnen sich durch leichte Firbbarkeit, hohe Waschechtheit und niedrige Gestehungskosten aus. Schwefelfarbstoffe sind preiswert und einfach herzustellen. Sie sind je nach Handelsform vorreduziert und damit wasserunloslich. Mittels Sauerstoff entsteht durch Ruckoxidation der urspriingliche Farbstoff rnit guter Licht- und Waschechtheit auf der Faser. Eine groRe Rolle spielen die Blau- und Schwarzmarken fur Arbeitsanzuge. Naphtol A,!?-Farbstoffe Die Naphtol AS-Farbstoffe ziihlen zur Gruppe der Entwicklungsfarbstoffe. Sie entstehen als Azofarbstoffe auf der Textilfaser durch Kupplungsreaktionen zwischen den Naphtholkupp*
107
Phenothiazin wird auch als Vertilgungsmittel fur Muckenlarven und als Darmantiseptikum bei Tieren benutzt.
Anilid
Die Entwicklung der Naphtol AS-Komponenten kann mit einer Vielzahl Diazokomponenten, den Echtbasen, erfolgen. Unter einer Naphtol AS@-Kombinationist das Kupplungsprodukt einer diazotierten Farbstoffbase auf der Faser rnit Naphtholverbindungen zu verstehen. Viele wasserlosliche Textilfarbstoffe sind so gut wasserloslich, daB sie nicht nur als Farbstoffpulver, sondern auch nach dem Aufbringen auf die Faser durch Firben oder Drucken bis zu einem gewissen Grad noch loslich sind und daher oftmals nur geringe Ndechtheitseigenschaften aufweisen. Dieses Problem la& sich ausschalten, wenn auf der Faser ein wasserunloslicher Farbstoff erzeugt wird. Das gelingt, indem man auf die Faser zuerst eine Naphtol AS-Marke und anschlieaend ein diazotiertes aromatisches Amin aufbringt, die zusammen den unloslichen Farbstoff ergeben. Echtbasen bzw. Echtsalze ist eine Sammelbezeichnung fur Diazokomponenten auf der Grundlage aromatischer Amine, z.B. Anilin. Sie ergeben nach einer Diazotierung zu Diazoechtsalzen mit Kupplungskomponenten z. B. Naphtol AS-Entwicklungsfarbstoffe.
108
I Chemische Grundlagen
9.7.6 Das Farben von textilen Fasern Urn sich eine Ubersicht uber Farbrnittel fur das Anfarben von Textilfasern zu verschaffen, ist es zweckrnaBig, die Vielfalt der Fasertypen nach gemeinsamen Eigenschaften in funf Gruppen zusamrnenzufassen. Cellulosefasern: Baurnwolle, Leinen, Hanf, Jute Regeneratfasern: regenerierte Cellulosefasern. Die bedeutendsten sind die Viskose(CV) und Acetatfasern (CA und CT) Animalische Fasern: Wolle, Seide, Haare (auf dern Textilsektor haben speziell die Kaninchenhaare fur die Herstellung von Haarhuten eine besondere Bedeutung) Synthesefasern: Polyamidfasern (PA), Polyesterfasern (PES), Polyacrylnitrilfasern (PAC) Glasfasern: Fasern anorganischer Zusammensetzung. Ihr Hauptbestandteil ist Siliciurndioxid, SiO,, mit unterschiedlichen Zusatzen von Alurniniurntrioxid, AI2O3, und Bortrioxid, B203. Die Glasfaser hat zunehrnende Bedeutung fur nicht-brennbare Textilien gewonnen. Fur das Farben von textilen Fasern spielen die Farbstoffe eine dorninierende Rolle. Die Pigrnente sind fur die Spinnfarbung von Bedeutung. Sie haben auch fur den Druck von Textilien einen erheblichen Marktanteil. Auf dern Weltrnarkt fur Textilfarbstoffe wurden 1999 8,3 Mrd DM urngesetzt; daran ist DyStar als der groflte Farbmittelproduzent rnit 1,45 Mrd DM beteiligt.
Farbstoffe fur Cellulosefasern Zurn Farben und Bedrucken von Cellulosefasern eignen sich Direktfarbstoffe (,,substantive" Farbstoffe) Kupenfarbstoffe Reaktivfarbstoffe Azoentwicklungsfarbstoffe Schwefelfarbstoffe Leukokupenfarbstoffe Beizenfarbstoffe
Farbstoffe fur Regeneratfasern Die Grundstrukturen und der chemische Aufbau der Viskosefasern entsprechen irn Prinzip denen der Cellulosefasern (Baurnwolle). Somit eignen sich zum Fiirben und Bedrucken von regenerierten Cellulosefasern die gleichen Farbstoffe, wie
sie bei den Cellulosefasern venvendet werden. Das sind Direktfarbstoffe, Kiipenfarbstoffe, Naphtol-AS-Kornbinationen, Schwefel- und Reaktivfarbstoffe.
Farbstoffe fur animalische Fasern Zum Farben und Bedrucken von tierischen Fasern eignen sich insbesondere die Saure-und Reaktivfarbstoffe.
Farbstoffe fur synthetische Fasern Beim Farben und Bedrucken von synthetischen Fasern mussen wir zwischen Polyarnid-, Polyester- und Polyacrylnitrilfasern unterscheiden. Der chemische Aufbau von Polyarnidfasern ist wie bei den tierischen Fasern durch die Amidgruppe -N-C-gekennzeichnet. Fur die salzI II H O artige Bindung FasedFarbstoff sind jedoch nur die freien Aminogruppen geeignet. Fur Polyamidfasern kornmen Saurefarbstoffe, wie sie fur Wolle, Seide und Haare venvendet werden, in Betracht. Fur das Farben von Polyesterfasern eignen sich insbesondere die Dispersionsfarbstoffe und fur die Polyacrylnitirilfasern die kationischen Farbstoffe.
ComputergestutztesFarben mit Remazol-Farbstoffen Remazol-Farbstoffe gehoren zur Gruppe der Reaktivfarbstoffe. Irn Gegensatz zu anderen Farbstoff-Klassen gehen Reaktivfarbstoffe eine chemische Bindung mit der Faser ein. Dadurch entstehen Farbungen rnit hoher Echtheit. Gewebe oder Gewirke aus Cellulosefasern lassen sich mit Remazol-Farbstoffen nach dem Ausziehverfahren und Klotzverfahren farben. Behandelt man das zu farbende Material Iangere Zeit in einer wasserigen, mit Alkali aktivierten Losung von Remazol-Farbstoffen, der sogenannten Fabeflotte, zieht der Farbstoff aus dern Bad auf die Faser und wird dort fixiert. Beirn Klotzverfahren wird die Gewebebahn kontinuierlich innerhalb weniger Sekunden durch einen Behalter (Chassis) rnit Farbstoff-Losung gefuhrt. D.ie Ware nirnmt dabei die F%rbeflotte auf. Der Uberschulj wird - ahnlich wie bei einer Waschemangel - rnittels zweier Walzen herausgepreBt. Diesen Vorgang nennt man in der Fachsprache Klotzen. Auf dem so irnpragnierten Gewebe tritt anschlieljend die Reaktion des Farb-
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
stoffes rnit der Faser ein. Diese kann nach verschiedenen Methoden erfolgen. Das wichtigste Klotzfkbeverfahren fur Rernazol-Farbstoffe ist das ,,Klotz-KurzverweilVerfuhren" (KKV). Hierbei setzt man bereits der Farbstoff-Losung Alkali als Fixiermittel zu. Die Ware wird mit dieser Flotte geklotzt und dann ,,auf Docke gefahren", das heiBt, es werden einige tausend Meter Gewebe auf eine groBe Rolle aufgewickelt. Nach einigen Stunden des Lagerns bei Raurntemperatur wird die Ware wieder von diesem 'Wickel abgezogen, nachgewaschen und fertiggestellt. Die Vorteile dieses Verfahrens: niedriger Investitionsaufwand, geringer Energiebedarf und hohe Betriebssicherheit. Allerdings bewirkt das Alkali, das beirn KKVVerfahren der Farbstoff-Losung zugesetzt werden rnuB, auch eine unenviinschte Nebenreaktion rnit dern Wasser, die sogenannte Hydrolyse. Sie vemngert die Farbausbeute. Die Stabilitat der Klotzflotte ist daher begrenzt. Aus diesern Grund werden Farbstoff und Alkalilosung getrennt angesetzt und iiber ein Mischgerat entsprechend dem Flottenverbrauch durch die Ware erst unrnittelbar vor Bedarf dern Chassis zugefiihrt. Dennoch kann bei ungunstigen Arbeitsbedingungen schon irn Chassis die Hydrolyse so weit voranschreiten, daR eine fehlerhafte Fiirbung entsteht. Fur ein sicheres Arbeiten nach dern KKV-Verfahren ist es daher wichtig, die jeweilige Haltbarkeit der Flotte zu beriicksichtigen. Angaben uber die Haltbarkeit waren aber bisher nur bedingt moglich. Man kann nur stehende Flotten priifen. Unter Betriebsbedingungen jedoch wird diese Flotte einerseits standig von der Ware verbraucht, andererseits fortlaufend frische Flotte zugefiihrt. Dadurch stellt sich ein Gleichgewichtszustand ein, der von den Arbeitsbedingungen abhangt und nur schwer abzuschatzen ist. Moderne Textilfairbernethoden bedienen sich eines Rechenprogramms, das sich in einen GroRoder Taschencomputer eingeben laat. Damit kann der Praktiker auch ohne besondere mathematische Kenntnisse genaue Berechnungen iiber den Zustand der Flotte bei laufendern Verfahren anstellen. Der Computer fragt den Anwender iiber eine LCD-Anzeige nach folgenden Parametern des Verfahrens: 1 . Inhalt des Chassis in Litern 2. Gewicht der zu fkbenden Ware in Grarnrn pro laufender Meter 3. Geschwindigkeit des Verfahrens in Meter pro Minute
109
4. Flottenaufnahme in Prozent des Warengewichts 5. Temperatur der Flotte in Grad Celsius Auaerdem werden noch Hydrolyse- und Temperatur-Konstanten der einzelnen RemazolFarbstoffe benotigt. Der Fkber kann sie aus einer aufgestelltenTabelle ablesen. Shtliche Daten gibt er uber die Tastatur des Rechners ein. Der Computer errechnet dann die Gleichgewichts-Konzentration an reaktionsfihigern Rernazol-Farbstoff und teilt uber die Anzeige rnit, ob die zulassigen Toleranzen eingehalten werden. 1st dies nicht der Fall, ermittelt er die fur ein sicheres Arbeiten erforderlichen Verfahrensbedingungen. In extrem ungunstigen Fallen erscheint auf dem Anzeigefeld ein Hinweis, sich mit einem Spezialisten der Anwendungstechnik in Verbindung zu setzen. Mit der beschriebenen Neuentwicklung wird die Betriebssicherheit des KKV-Verfahrens fur Remazol-Farbstoffe noch weiter erhoht.
9.7.7 Organische Pigmente Anwendungsgebiete Bedeutung und Eigenschaften organischer Pigmente Die organischen Pigrnente haben in den letzten Jahren standig an Bedeutung gewonnen, vor allern durch den stark zunehrnenden Verbrauch an bunten graphischen Druckfarben, gefkbten Kunststoffen und farbigen Lacken in Dispersionen. Auch fur die iibrigen Einsatzgebiete der organischen Pigrnente ist insgesarnt eine steigende Tendenz zu erkennen: die Spinnfkbung synthetischer und regenerierter Fasern, das Bedrucken von Textilien rnit Pigrnenten, das Anfkben von kosmetischen Artikeln und Buroartikeln, das Fiirben von Papier und Leder etc. Es kommen organische Pigrnente der verschiedensten Verbindungsklassen zur Anwendung. Monoazopigrnente des P-Naphthols, der P-Naphtholarylide, der Acetylacetanilide, verlackte Monoazofarbstoffe, Disazopigmente des 3,3 '-Dichlorbenzidins, der Pigrnente auf Basis von Naphthalintetracarbonsaure, des Thioindigos, der Chinacridone, des Carbazols, des Tetrachlorisoindolinons, der sulfierten Triphenylacrylmethane u.a. rnehr. Neben der chernischen Konstitution der Pigrnente ist deren physikalische Beschaffenheit (Kristallform, TeilchengroBe und TeilchengroBenverteilung) fur die Anwendungstechnik von ausschlaggebender Bedeutung .
110
I Chernische Grundlagen
Dies wird bei der Herstellung der Pigmente bereits beriicksichtigt. Man lenkt den Herstellungsprozelj so, daR Pigmentteilchen entstehen, die hinsichtlich Dispergierbarkeit, Farbstdrke, Echtheitseigenschaften und EinfluR auf die rheologischen* Eigenschaften der pigmentierten Systeme ein Optimum darstellen. Unter den Bedingungen des Trocknens der aus waBrigem Medium isolierten Pigmente lagern sich solche Teilchen zu lockeren Agglomeraten msammen, die sich beim Dispergiervorgang in Dreiwalzwerken, Kugelmuhlen oder Dissolvern wieder leicht in ihre Primarteilchen zerlegen lassen. Die GroRe der Teilchen liegt zwischen 1 p m und 0,Ol p.m; die spezifische Oberflache der Pigmente reicht von 8 m' bis ubcr 100 m2 pro Gramm . Besonders einfach ist der Dispergiervorgang fur die pigmentverarbeitende Industrie dann, wenn vom Pigmenthersteller Pigmentpraparationen geliefert werden, die entweder unter Umgehung des Trocknens durch Flushprozesse** erhalten wurden oder bei denen durch Vordispergierung in einem geeigneten Medium die Agglomerate weitgehend zerlegt worden sind. In neuerer Zeit sind auch eine Reihe von leicht dispergierbaren Pigmenten in den Handel gekommen, bei denen die Agglomerationstendenz durch Umhullung der Pigmentoberflache mit geeigneten Substanzen wahrend der Herstellung vermindert wurde. In allen diesen Fallen genugt zur Pigmentierung ein einfaches Verteilen durch Einriihren der Pigmente in das zu farbende Medium.
Organische Pigmente fur graphische Farben Zur Herstellung von graphischen Farben werden uberwiegend Pigmente mit hoher Farbstarke und hoher Transparenz benotigt. Dies sind Voraussetzungen, die bei vielen organischen Pigmenten besser als bei den anorganischen erfullt sind. Fur den Mehrfarbendruck kommen hauptsachlich Pigmente auf Basis 3,3 '-Dichlor-benzidin (Gelb), calciumverlackte P-Hydroxynaphthoesaurepigmente (Rot) und Phthalocyanine der P-Modifikation (Blau) in Frage. Dariiber hinaus werden vor allem fur Verpackungsdruckfarben
* **
rheos (grch.) - HUB; Kheologie 1st die Lehre von den FI ieSeigenschaften. Ein FlushproLeB ist das Uberfuhren eines Pigments iius der waisrigen in die lipophile. d.h. fettlosliche Phase. Dabei wird der wPBrige PreRkuchen mit Mineralolen oder synthetischen Firniasen geknetet.
zahlreiche andere, meist farbstarke Pigmente maRiger bis mittlerer Lichtechtheit verwendet. Die Pigmente werden in den Druckfarbenfabriken in Pulverform oder als Prlparation auf die Weise verarbeitet, daR sie je nach Viskositat des Druckfarbenfirnisses und der Dispergierbarkeit des Pigmentes mit Dreiwalzwerken, mit Kugelmuhlen, im Falle pumpfahiger Dispergieransatze rnit Ruhrwerkskugelmuhlen oder mit Dissolvern dispergiert werden. Zur Verbesserung der verarbeitungstechnischen Eigenschaften und der Farbstarke werden vor allem die Oberflachen von Pigmenten fur den Illustrationstiefdruck und den Offsetdruck prapariert. Praparationen fur den Spezialtiefdruck enthalten ca. 20% bis 50% Pigmente und als Bindemittel Nitrocellulose, Maleinatharze oder Copolymerisate auf Basis Polyvinylchlorid/Polyvinylacetat.
Organische Pigmente fur Lackund Anstrichsysteme Fur Anstrichstoffe verwendet man vorwiegend anorganische Pigmente wegen ihrer uberlegenen Deckkraft und der hohen Licht- und Wetterechtheiten. Organische Pigmente kommen immer dann in Frage, wenn sie auch hohe Deckkraft besitzen und in der Licht- und Wetterechtheit an die anorganischen Pigmente heranreichen oder wenn man die Vorzuge von anorganischen Pigmenten mit denen der organischen Pigmente in Kombinationsfarbungen verbinden will. Es handelt sich um spezielle organische Pigmente mit besonderen KorngroRenverteilungen. Das konnen hochwertige Azopigmente der Benzimidazolon- und Azokondensationsreihe sowie polycyclische Pigmente der Phthalocyanin-, Chinacridon-, Perylen- und Perinonreihe sein. Die Dispergierung in den verschiedenen Bindemitteln erfolgt mit Dreiwalzwerken, Ruhrwerkskugelmuhlen, Sandmuhlen oder Dissolvern . An Pigmentpraparationen fur Anstrichsysteme sind die folgenden Typen im Handel: waBrige Pigmentteige fur wabrige Dispersionsanstric hfarben, Dispersionen in mittelol igen AlkydharzlGsungen als Abtonpasten, Universalabtonpasten fur die Pigmentierung waBriger und nicht waBriger Anstrichsysteme sowie in Nitrocellulose dispergierte Pigmente in Chipform fur Nitro- und Nitrokombilacke.
9 Aromatische Verbindungen (Aromaten)
Organische Pigmente fur das Farben von Kunststoffen Fur das Einfirben von Kunststoffen werden anorganische wie organische Pigmente verwendet. Die rneisten eingefarbten Materialien sind PVC, Kautschuk, Polyolefine, Polystyrol, Polyrnethacrylat, ungesattigte Polyester und Polyurethane. Fur PVC werden organische Pigmente auf Basis 3,3' -Dichlorbenzidin, verlackte Pigmente auf Basis P-Hydroxynaphthoesaure, Monoazopigrnente des Benzimidazolons, kondensierte Azopigmente, Derivate der Perylentetracarbonsaure, Phthalocyaninpigmente,Carbazolpigrnente,Thioindigopigmente, Pigrnente auf Basis Tetrachlorisoindolinon und Chinacridonpigmente eingesetzt . Aus der Vielzahl der fur PVC geeigneten organischen Pigrnente werden zum Fiirben von Kautschuk diejenigen herausgegriffen, die sich durch besonders hohe Farbstkken auszeichnen und die den Beanspruchungen der Vulkanisation widerstehen. Bei Polyolefinen ist die Zahl der geeigneten Pigmente noch mehr eingeschrankt wegen der hohen Verarbeitungsternperaturen. Fur Niederdruckpolyolefine (Verarbeitungstemperatur bis zu 300 "C) kornmen nur noch Phthalocyanin-, Chinacridon-, Perylentetracarbonsaurepigrnente und temperaturstabile Azopigmente in Frage. Je nach Art des Kunststoffes werden die Pigmente entweder in dem thermoplastischen Material bei Temperaturen oberhalb des Erweichungspunktes dispergiert oder sie werden bereits wahrend der Herstellung des duroplastischen Kunststoffes dern Reaktionsgemisch als fertige Dispersion zugefugt . Zur Erleichterung des Dispergiervorganges, der rnittels Extrudern, Zweiwalzwerken, Knetern, Zweischneckenmaschinen oder Dissolvern vorgenomrnen wird, werden der pigmentverarbeitenden Kunststoffindustrie von den Pigmentherstellern eine Reihe von Pigmentkonzentraten (Master-Batches, Praparationen) in grol3eren Stiicken, als Pulver, Granulat, Mikrogranulat oder in Pastenform angeboten. Die F'raparationen enthalten die betreffenden Pigrnente fein verteilt in verschiedenen, dern jeweiligen Anwendungsgebiet angepdten Dispergiermedien, z. B. in Weichmachern, Vinylcopolymerisaten, Polyolefinen und Polyolefinwachsen.
Organische Pigmente fur Spinnfarbungen Das Prinzip der Spinnfirbung beruht darauf, dal3 losliche Farbstoffe oder farbgebende fein disper-
11 1
gierte Pigrnente in der Spinnrnasse rnit versponnen und dadurch gleichmaig im Fasermaterial eingebettet werden. Die Zugabe der Pigrnente zu den Spinnmassen erfolgt in Form wal3riger Dispersionen (Viskosefarbung), dispergiert in Losungen des zu verspinnenden Materials (Spinnfkbung von Celluloseacetat, Polyvinylchlorid, Polyacrylnitril) oder als Pigrnentkonzentrat in einern plastisch erweichten Material (Schrnelzspinnfarbung von Polypropylen). Dementsprechend sind waiBrige Teige und in den betreffenden Medien vordispergierte Pigmente als Praparationen im Handel. Die zugrundeliegenden Pigmente gehoren den verschiedenen organischen Pigmentklassen an und werden ausgewahlt nach Dispergiermediurn, Farbton und Echtheit.
Organisehe Pigmente fur verschiedene Anwendungsgebiete Neben den drei Haupteinsatzgebieten Druck, Lack und Kunststoffe - die Spinnf&bungen werden zum Bereich der Kunststoffeinfirbung gerechnet - werden organische Pigrnente nach gleichen oder anlichen anwendungstechnischen Verfahren noch fur viele andere Zwecke eingesetzt: zum Fiirben von Papier und Papieranstrichen, Pigrnentieren von Lederzurichtungen, Fiirben von Seifen, Lippenstiften, Nagellack, Anf&ben von Buntstiftminen und Tuschen, zur Herstellung von Kunstlerfarben und Plakatfarben, f i r Schuhpflegemittel, Bohnerwachse, Holzbeizen u. a.
9.78 Farbstoffe fur nichttextile Bereiche Zu den Farbkorpern, welche fur nichttextile Bereiche Verwendung finden, werden auch Farbstoffe gerechnet, die sich im Gegensatz zu den Pigmenten in den zu fairbenden Medien losen und deren Einsatz eben auf dieser Loslichkeit beruht. Zu dieser Gruppe gehoren die kohlenwasserstoffloslichen Fettfarbstoffe, die alkoholloslichen Zaponfarbstoffe und die in transparenten Kunststoffen wie Polystyrol, Polyrnethacrylat und ungesattigten Polyestern gut loslichen Fluoreszenzfarbstoffe, ebenso die Solvaperm@-und Hostanol@'-Farbstoffe. Die Fettfarbstoffe, hauptsachlich Monoazofarbstoffe des P-Naphthols und Pyrazolons, dienen zurn Anfiirben von Wachsen, zurn Fiirben von Treibstoffen, Mineralolen und Schmierfetten sowie zurn Fiirben von Phenolharzprehassen und vereinzelt auch als Farbstoffe fur transparente Polystyrol- und Polyestereinf&bungen.
I12
I Chemische Grundlagen
Die Zaponfarbstoffe, welche aus wasserloslichen Farbstoffen der verschiedensten Verbindungsklassen durch Umsetzung der Sulfongruppen mit langkettigen Aminen hergestellt werden, werden fur bunte, transparente Folienlacke auf Basis alkoholloslicher Nitrocellulose (Zaponlacke) sowie fur Metalleffektlacke eingesetzt, verlieren ihre Bedeutung auf diesem Gebiet aber mehr und mehr an bestimmte, wasserunlosliche Metallkomplexfarbstoffe, die auRer in Alkoholen auch in Estem und Ketonen loslich sind. Bei den Fluoreszenzfarbstoffen handelt es sich um Vertreter verschiedener chemischer Klassen, um Naphthoesaure-, Rhodamin-, Xanthensiure- und Thioxanthensaurederivate; sie fluoreszieren nur dann, wenn sie in den betreffenden Medien echt gelost sind. Die gute Loslichkeit hat allerdings eine geringe Migrationsechtheit* zur Folge. Man versucht diesen Nachteil dadurch auszugleichen, daR man die Fluoreszenzfarbstoffe in hochvemetzte Harze auf Basis PhenoUMelamin einbettet und das erhaltene Material gemahlen in Pulverform als Fluoreszenzpigmente (Tagesleuchtfarben) einsetzt. Die Einfarbung technischer Kunststoffe, z. B . Polystyrole, Polycarbonate u. a. mit loslichen Farbstoffen gewinnt zunehmend an Bedeutung. 9.7.9 WeiBtoner
wart von Weifitonern mehr sichtbares Licht zuriickgestrahlt, als er empfangen hat. Er wirkt weil3er. Man wendet WeiBtoner iiberall dort an, wo naturliches WeiB verbessert werden SOH. Im Gegensatz zum IdealweiB remittiert natiirliches WeiB iiber den sichtbaren Spektralbereich nicht hundertprozentig. Es remittiert im Blaubereich des Spektrums vie1 weniger (Blaudefekt) und wirkt dadurch gelblich. Die menschliche Psyche bewertet gelbliches WeiB aber als schmutzig, ein blaustichiges WeiB dagegen als rein, sauber (schneeweia!). Der von WeiBtonem hervorgebrachte Blaustich kommt dieser Bewertung sehr entgegen. Ein im Schnee liegender optisch aufgehellter Gegenstand laBt diesen erwiinschten Blaustich deutlich hervortreten und zeigt, daB man das SchneeweiB noch ubertreffen kann. Weiatoner sind selbstverstandlich wirkungslos, wenn die beleuchtende Lichtquelle kein langwelliges UVLicht enthalt. Zur Zeit werden mehr als 1000 Handelsprodukte weltweit angeboten. Viele Handelsprodukte sind chemisch identisch und lassen sich auf ca. 80-100 Verbindungen zuruckfiihren. Diese wiederum basieren auf wenigen chemische Grundkorpern . Der bedeutendste dieser Grundkorper ist ein Stilbenderivat:
Optische Eigenschaften Eine besondere Art von organischen Substanzen sind die WeiBtoner (WeiRmacher, optische Aufheller). Sie enthalten im Molekiil ein System konjugierter Doppelbindungen und sind den organischen Farbstoffen, einer Untergruppe der bunten Farbmittel, in dieser Hinsicht sehr ahnlich. Unterschiedlich sind WeiBtoner und bunte Farbmittel aber in der Absorption elektromagnetischer Strahlung. Farbstoffe absorbieren im Bereich des sichtbaren Spektrums, remittieren also nur einen Bruchteil des eingestrahlten Lichtes und wirken deshalb farbig. WeiBtoner, korrekt angewandt, absorbieren kein sichtbares Licht. Sie vermogen aber unsichtbares UV-Licht zu absorbieren. Die so aufgenommene Energie wandeln WeiBtoner in energiearmeres, Iangerwelligeres blaues Licht um und emittieren dieses dann. Man nennt diese Erscheinung Fluoreszenz. Vom beleuchteten Korper wird also in Gegen-
*
rnigrare (lat.)
~
(aus-)wandern
\
X
R und R ' sind Substituenten am Stilbenmolekiil, X und X' konnen H oder als Substituenten die Gruppe -S 0 3 H bedeuten. Durch die Substituenten werden neben der Nuance der Fluoreszenz (rotliches oder griinliches Blau) auch die Affinitat zu diversen Substraten, die Loslichkeit, die Stabilitat gegen Saure und Alkali, gegen Oxidationsmittel, die Lichtechtheit usw. bestimmt. Die wichtigsten Einsatzgebiete sind zu: 47% 32% 17% 4%
Waschmittelaufheller Textilaufheller Papieraufheller fur synthetische Fasem
10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik
10.1 Betrachtung einer chemischen Reaktion Verfolgt man den Ablauf einer chemischen Reaktion, z.B. die Umsetzung von Wasserstoff und Stickstoff zu Ammoniak oder von Synthesegas zu Methanol 3HZ
+
Wasserstoff
2H,
+
Wasserstoff
Hinreaktlon
N,
2 NH?
Ruckreaktlon
Stickstoff
CO
Ammoniak
-
Kohlenstoffmonoxid
(AH= - 92,l kJlmol) CHSOH Methanol
(AH= 92,O kJ/mol) ~
zeichnet. Die Bestimmung des chemischen Gleichgewichts gehort zu den Fragestellungen der Thermodynamik.Die Lage eines chemischen Gleichgewichts wird durch das Massenwirkungsgesetz und die Gleichgewichtskonstanten beschrieben (s. Abschn. 1-10.5 und -10.6). 4 . Mit welcher Geschwindigkeit Iauft eine chemische Reaktion ab? Hier findet der Faktor Zeit Eingang bei chemischen Betrachtungen. Den zeitlichen Ablauf einer Reaktion zu verfolgen und die Reaktionsgeschwindigkeit zu ennitteln, gehort zu den wesentlichen Aufgaben der Reaktionskinetik, die ein Teilgebiet der physikalischen Chemie ist.
5. Wie verhalt sich ein Reaktionsverlauf in einem offenen System? Die Gesetze zur Beschreibung von FlieBgleichgewichten sind heranzuziehen.
so stellen sich fiinf Fragen: 1. In welchem Massen- oder Volumenverhiiltnis reagieren die Ausgangsprodukte miteinander, und in welchen Mengen entstehen die Reaktionsprodukte? Auf diese Frage gibt die Stiichiometrie eine Antwort.
2. Welche Energiemengen werden bei der Reaktion umgesetzt? Handelt es sich um eine energiefreisetzende (exotherme) oder eine energiebindende (endotherme) Reaktion? Durch Kenntnis der Bildungswarme der in der Reaktionsgleichung vorkommenden Verbindungen kann diese Frage beantwortet werden (vgl. Abschn. 1-1.7.2).
3. Stellt sich ein Gleichgewicht beim Reaktionsablauf ein? Bei vielen chemischen Reaktionen reagieren die Endprodukte wieder miteinander und setzen sich zu den Ausgangsprodukten um. Bei solchen Reaktionen gilt es zwischen einer Hin- und einer Riickreaktion zu unterscheiden. Wahrend des Reaktionsablaufes wird ein Zustand erreicht, in dem gleich viele Molekiile der Ausgangskomponenten zu den Endprodukten reagieren wie Molekiile der Endprodukte zu den Ausgangskomponenten riickreagieren. Dieser Zustand wird als chemisches Gleichgewicht be-
10.2 Die Reaktionszeit Es sollen zwei Versuche beschrieben werden, an denen verdeutlicht wird, daB die Zeiten, die zum Ablauf einer chemischen Reaktion erforderlich sind, sehr verschieden sein konnen. 1. Versuch
In ein Reagenzglas wird eine waBrige Natriumchlorid-liisung gegeben und mit einer salpetersauren Silbernitrat-Losung versetzt. Augenblicklich bildet sich ein w e i k r Niederschlag von Silberchlorid. NaCl Natriumchlorid
+
AgNOS
-
Silbemitrat
AgCl J Silberchlorid
+
NaNO,
Natriumnitrat (AH=- 5836 kJimol)
Der Niederschlag wird sofort abfiltriert. Das Filtrat bleibt klar, es hat sich also kein weiteres Silberchlorid gebildet. Der Versuch zeigt, daB das Silbernitrat in sehr kurzer, praktisch nicht meBbarer Zeit mit dem Natriumchlorid reagiert hat. Die Reaktionsgeschwindigkeit war also sehr groB.
114
I Chemische Grundlagen
2 . Versuch In einem Reagenzglas wird verdunnte Wasserstoffperoxid-Ltjsung vorgelegt und dazu werden einige Milligramm Mangandioxid (Brdunstein) gegeben. Sofort beginnt sich Sauerstoff zu entwickeln.
stoffperoxid
An diesen beiden Versuchen wird sichtbar, daa es Reaktionen gibt, bei denen die Reaktionszeit keine Rolle spielt, da sie praktisch unmeabar schnell ablaufen, und solche, bei denen die Reaktionszeit eine mefibare GroBe darstellt. Die letzteren, die zeitabhangigen chemischen Reaktionen, sollen anschlieaend naher erlautert werden.
Konzentration-Zeit-Kurve (AH=- 196.1 kJimol)
Auf das Reagenzglas wird ein Ableitungsrohr gesetzt und der sich entwickelnde Sauerstoff in einem mit einer Volumenskala versehenen Zylinder aufgefangen (Abb. 1-20).
Abb. 1-20. MeBmethode fur die Sauerstoffentwicklung.
Die gebildete Sauerstoffmenge nimmt am Anfang des Reaktionsverlaufes schnell, dann immer langsamer zu, bis die Sauerstoffbildung schliealich ganz zum Erliegen kommt. Die Reaktion ist beendet . Im Gegensatz zum ersten Versuch hat diese Reaktion eine Iangere Zeit gebraucht, um vollstandig abzulaufen.
Der Zerfall des Wasserstoffperoxids in Wasser und Sauerstoff wurde in seinem zeitlichen Ablauf uber die Bestimmung der gebildeten Sauerstoffmenge verfolgt. In ahnlicher Weise kann die Abnahme der Wasserstoffperoxid-Konzentration der Ausgangslosung gemessen werden. Im ersten Falle betrachtet man die Zunahme der Menge des Reaktionsprodukts, im zweiten Falle die Abnahme der Menge einer Ausgangskomponente. Das Wasserstoffperoxid hat am Anfang des Versuchs eine bestimmte Anfangskonzentration. Da zu Beginn der Reaktion vie1 Sauerstoff entsteht, nimmt auch die Peroxid-Konzentration am Anfang schnell ab. Eine geringer werdende Sauerstoffentwicklung auf der einen Seite bedeutet auf der anderen Seite auch eine langsame Abnahme der Wasserstoffperoxid-Konzentration.Wenn die gebildete Sauerstoffmenge ihren Hochstwert erreicht hat, dann haben alle Peroxidmolekule reagiert. Die Peroxidkonzentration ist also praktisch auf Null abgesunken. Zur anschaulichen Darstellung des Reaktionsverlaufes wird in einem Diagramm die Konzentration des Peroxids in Abhangigkeit von der Reaktionszeit aufgetragen (Abb. 1-21), Das Kurvenbild von Abbildung 1-21 ist typisch fur die Konzentrationsanderungen bei allen einfachen chemischen Reaktionen, die vollstandig ablaufen.
A
E 0
E +
z6 0
Konzentration ist fasl aui Null abgesunken
t (Reaktionszeit)
Abb. 1-21. KonzentrdtionZeit-Kurve.
10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik
115
103 Die Reaktionsgeschwindigkeit
Fur die Reaktionsgeschwindigkeit gilt analog
103.1 Allgemeines
c2-cI v=-=t2 - t I
Legt ein Auto in der Stunde einen Weg von 50 km zuriick, dann f;ihrt es mit einer Fahrgeschwindigkeit von 50 kmih. Geschwindigkeit =
zuriickgelegter Weg benotigte Zeit 50 krn
v = -- 50 krn/h
lh
Eine Analogieiiberlegung fuhrt zu dem Begriff der Reaktionsgeschwindigkeit. Werden bei einer chemischen Reaktion in einer Stunde 50 kg eines chemischen Endproduktes erhalten, so ist die Reaktionsgeschwindigkeit 50 k g h . gebildete Stoffrnenge Am Reaktions=benotigte Zeit At geschwindigkeit = 50 kg
--
Ih
kg
=50 -
h
2
oder
Konzentrationsanderung Ac Reaktions=geschwindigkeit = benotigte Zeit At
AC At
cI ist die Konzentration zum Zeitpunkt t l , c2 die Konzentration, die zum Zeitpunkt tz gemessen wird (vgl. Abb. 1-21).
Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeit f i r den Peroxidzerfall Die bei einer chemischen Reaktion entstehenden oder umgesetzten Stoffmengen werden haufig nicht absolut in Gramm oder Kilogramm angegeben, sondern auf den stochiometrischen Formelumsatz bezogen, man spricht von relativen Konzentrations- bzw. Mengenangaben. Das hat den Vorteil, daB die Reaktionsgeschwindigkeiten fur alle Reaktionspartner in vergleichbaren Zahlenwerten ausgedriickt werden. Die MaBzahl fur relative Mengenangaben ist die Aquivalentstoffmenge n (eq) (friiher Grammaquivalent oder Val). Nach den Gesetzen der Stiichiometrie errechnet sich der Formelumsatz des Wasserstoffperoxidzerfalls aus folgender vereinfachter Reaktionsgleichung: HzOz
-
Wasserstoffperoxid 34 g
H,O
+
$0,
Wasser
Sauerstoff
18g
16 g
(AH = - 9R.05 kJimol)
xrnol/L =x---m o l L - rnol -lh h h.L In der Praxis werden bei der Bestimmung der Geschwindigkeiten nicht die absoluten Weglangen bzw. Stoffmengen oder Konzentrationen der Reaktionssubstanzen und Zeiten ermittelt, sondern deren Differenzen. Das Zeichen fur Differenzen ist A (gesprochen: Delta). Bei der Fahrgeschwindigkeit wird die Weganderng As in einer bestimmten Zeit At und bei der Reaktionsgeschwindigkeit die Stoffmengenanderng Am oder Konzentrationsanderng Ac in einer bestimmten Zeit gemessen. Zur Abkurzung der Begriffe werden Formelzeichen verwendet. Fur die Geschwindigkeit setzt man den Buchstaben v , fur den Weg s und fur die Konzentration c . sZ-s,
As
tZ - t ,
At
Fahrgeschwindigkeit v = -- -
Aus 34g Wasserstoffperoxid entstehen 18 g Wasser und 16 g Sauerstoff. Wenn beispielsweise im 2. Versuch (Abschn. 1-10.2) 20 g Wasserstoffperoxid pro Stunde zerfallen, betragt die Reaktionsgeschwindigkeit v = 20 g/h. Gleichzeitig haben sich 20. 18 -g = 1039 g Wasser und 34
20. 18
34
g = 9,41 g Sauerstoff
gebildet . Die auf Wasser bezogene Reaktionsgeschwindigkeit w*e 10,59gh und die auf Sauerstoff bezogene 9,41 g h . Wird dagegen mit den relativen, auf den Formelumsatz bezogenen Mengen (Aquivalentstoffmengen) gerechnet, dann haben alle Ge-
116
1 Chemische Grundlagen
schwindigkeiten den gleichen Zahlenwert (s. Tab. 1-12}.
1 0 3 2 EinfluB der Konzentration der Reaktionspartnerauf die Reaktionsgeschwindigkeit
I
Zwei chemische Substanzen A und B reagieren miteinander zu den Produkten C und D nach der Reaktionsgleichung: A
+
B
-----)
HqC-CHZ-OH Ethylalkohol
+
die Reaktionswahrscheinlichkeit mit der Anzahl der Zusammenstoae zu. Die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt mit der Anzahl der ZusammenstoJk, d . h . mit der Konzentration der Reaktionspartner ;u Die Reaktionsgeschwindigkeit ist also direkt proportional der jeweils vorhandenen Konzentration der Reaktionspartner: dc
- - c
dt
C + D
Unter Einfuhrung eines Proportionahtgtsfdktors k gelangt man zu einer mathematischen Gleichung:
H,C-COOH Essigsiure
Es sol1 der Konzentrationseinflulj dieser beiden Komponenten auf die Reaktionsgeschwindigkeit untersucht werden. Voraussetzung fur das Zustandekommen einer chemischen Umsetzung ist, daB sich die Molekiile des Stoffes A mit denen des Stoffes B bis zum ZusammenstoB nahem. Es ist leicht einzusehen. dalj die Anzahl der Zusammenstolje in einem vorgegebenen Reaktionsvolumen pro Zeiteinheit umso groBer sein wird, je mehr Molekule von A und B in dem vorgegebenen Reaktionsvolumen vorhanden sind, d.h. je groljer die Konzentration der Reaktionspartner ist. Obwohl nicht jeder ZusammenstoB zwischen den Molekulen zu einer Reaktion fuhrt, nimmt
Der Proportionalitatsfaktor heifit in diesem Falle Reaktionsgeschwindigkeitskonstante. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstantegibt diejenige Reaktionsgeschwindigkeit an, die bei der Konzentrationseinheit ,,eins" herrschen wurde. Fur eine Reaktion 1 . Ordnung (s. Abschn. I- 10.3.3) ist beispielsweise die Geschwindigkeitsgleichung fur die abreagierende Substanz L8=
dc -=-k.c dt
Fur einen speziellen Fall moge der Wert fur k = 2,s . lo-' s-I betragen. Das bedeutet, daB
Tab. 1-12. Berechnung der Reaktionsgeschwindigkeit der Zersetzung von Wasserstoffperoxid. Stoff
Molare Masse
Reaktionsgeschwindigkeit molih
g/mol
2 0 g . 1 rnol Peroxid
34
Wasser
18
10,59
Sauerstoff
16
9,41
1059 g . 1 mol
h . 18g 9,41 g . 1 rnol
h.16g
= 0,58X
= 0,588
10 Grundbegriffeder Reaktionskinetik
bei einer Konzentration c = 1 m o l L der vergehenden Substanz die Reaktionsgeschwindigkeit 25 * moV(Ls) betragt. Es muB beriicksichtigt werden, daD die Dimension von k von der Reaktionsordnung abhangt . Nimmt die Konzentration des Reaktanden ab (abreagierende Substanz), dann ist die Konzentrationsanderung und damit die Reaktionsgeschwindigkeit negativ: dc
v= -=-k.c dt
Nimmt die Konzentration des Reaktanden zu, dann ist sie positiv: dc
v= -=+k.c dt
Zu kliiren ist nun noch, ob die Reaktionsgeschwindigkeit der Summe oder dem Produkt der Konzentrationen der Reaktionsteilnehmer, auch Reaktanden genannt, proportional ist. Diese Frage sol1 anhand eines Denkmodells beantwortet werden (Abb. 1-22). In einem abgeschlossenen Raum befinden sich je ein Molekiil A und B. Die beiden Molekiile sind standig in Bewegung, haben also eine gewisse kinetische Energie. Sie stoaen an die Wandungen und werden von dort elastisch zuriickgeworfen. Irgendwann treffen die beiden Molekiile aufeinander.
117
Die Anzahl der ZusammenstoBe pro Zeiteinheit wird willkiirlich mit 1 angenommen. Wird nun die Anzahl der A-Molekiile auf 2 erhoht, dann erhoht sich auch die Wahrscheinlichkeit der Zusammenstok pro Zeiteinheit auf 2, da sich die StoDmoglichkeiten von 1 auf 2 erhoht haben. Ein weiteres Teilchen B erhoht die StoBmoglichkeiten auf 2 . 2 = 4, also auch die Zahl der Zusammenstobe pro Zeiteinheit auf 4. Bei 3 Molekiilen A und 2 Molekiilen B erhoht sich die Zahl der ZusammenstoBe pro Zeiteinheit auf 2 * 3 = 6, da jedes Molekiil A mit jedem Molekiil B zusammenstoBen kann. Bei 3 Molekiilen A und 3 Molekiilen B ergeben sich somit 3 . 3 = 9 Zusammenstok pro Zeiteinheit. Tab. 1-13 ist zu entnehmen, daR sich die Wahrscheinlichkeit der ZusammenstoDe pro Zeiteinheit aus dem Produkt der Teilchenanzahl der Reaktanden, die sich in einem bestimmten Volumen befinden, ergibt. Tab. 1-13.Zusammenfassende Ubersicht der Ergebnisse des Denkmodells.
Anzahl der A-Molekule
Anzahl der
B-Molekule I 1
2 2 3
Wahrscheinlichkeit der ZusammenstoSe pro Zeiteinheit 1.1=1 2. I =2 2.2=4 3.2=6
3.3=9
Abb. 1-22 a-d. Zusammenhang zwischen StoSzahl und Teilchenkonzentration.
118
I Chemische Grundlagen
Eine Teilchenzahl pro Volumen ist eine Konzentration. Daher ist auch die Anzahl der ZusammenstoRe von Teilchen A und Teilchen B vorn Produkt ihrer Konzentrationen abhiingig. Nicht alle Zusammenstoae fiihren zu einer Reaktion, sondern nur ein Bruchteil davon. Je mehr Molekiile pro Zeiteinheit zusammenstoJen, um so hoher ist die Reaktionsgeschwindigkeit. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist die bei einer chemischen Reaktion auftretende Konzentrationsanderung der Reaktionspartner (Reaktanden) in der Zeiteinheit. Die Reaktionsgeschwindigkeit ist also dem Produkt der Konzentrationen der miteinander reagierenden Stoffe direkt proportional. Kurz ausgedriickt:
- c ( A ) . c(B)
v
dc
Anderung der Konzentration
dt
Anderung der Zeit
-
~'2-c'
dt v
c(A) c(B)
-
v
1st die Geschwindigkeit einer Reaktion nur von der Konzentration des Stoffes A abhangig, dann lautet die Geschwindigkeitsgleichung: v = k . (.'(A)
Eine solche Reaktion wird als Reaktion I . Ordnung bezeichnet. 1st die Geschwindigkeit von zwei Konzentrationen LJ
tz-fi
Reaktionsgeschwindigkeit Konzentration des Stoffes A Konzentration des Stoffes B steht fur ,,ist proportional"
= k.c(A).c(B)
Diese Gleichung besagt, daR die Reaktionsgeschwindigkeit urn so groljer ist,
a) j e hoher die Konzentrationen der an der Reaktion beteiligten Stoffe sind, b) j e hoher die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante ist. Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstantegibt den Bruchteil der ZusammenstoRe an, die zu einer chemischen Reaktion fiihren. Betrachtung der Reaktion: Es gilt
A+2B A+B+B
dann gilt
v
-
= k.c'(A).c'(B)
oder vom Quadrat einer Konzentration abhtinRig? L)
dc
=-=
v
1 0 3 3 Reaktionsordnung
= k . (.?
so liegt eine Reaktion 2 . Ordnung vor. Die Reaktionsordnung wird durch die Reaktionspartner bestimmt, deren Konzentrationen biw. Partialdriicke die Geschwindigkeit der betrachteten chemischen Reaktion beeinflussen. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Reaktionsmolekularitat, die bestimmt wird durch die Anzahl der Teilchen, wie z.B. Molekiile, Atorne, Ionen und Radikale, deren gleichzeitige Interaktion zur chemischen Umsetzung fuhrt. Mathematisch erhalt man die Reaktionsordnung nus der Summe der Exponenten der KonZentrationen der geschwindigkeitsbestimmenden beteiligten Reaktionspartner. Der Exponent der Konzentration nur eines Reaktionspartners in der Geschwindigkeitsgleichung gibt die Teilreaktionsordnung des Reaktionssystems an. Fur die Reaktion, die irreversibel verlauft 2 A + B + C -
D
sol1 die Geschwindigkeitsgleichung fur die vergehenden Substanzen lauten: D D
- c ( A ) . c ( B ) . c(B)
v = k . (.(A). ?(B)
Die Koeffizienten einer chemischen Reaktionsgleichung treten als Exponenten in der Reaktionsgeschwindigkeitsgleichungauf.
df Die Teilreaktion ist beziiglich der Reaktionskomponente A von 2 . Ordnung, Reaktionskomponente B von 1 . Ordnung, Reaktionskomponente C von 0. Ordnung.
10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik
Die Gesamtreaktion ist von 3. Ordnung, d.h. sie ist die Summe der Teilreaktionsordnungen. 1st eine Reaktion in bezug auf einen Reaktanden von 0. Ordnung, so hat dieser auf die Geschwindigkeit der Reaktion keinen EinfluR. Das ist dann der Fall, wenn sich die Reaktion 2 A + B + C
-
2. Ordnung Die Verseifung von Estern H~C-C-OC~HS II
+
B
E + C 2A
+B+C
-
+
Alkali
D Gesamtreaktion
Die erste Teilreaktion ist hier geschwindigkeitsbestimmend. Die Konzentration von C in der zweiten Teilreaktion hat auf die Reaktionsgeschwindigkeit keinen EinfluR.
WasseI
-
D
E langsame Teilreaktion (1) D sehr schnelle Teilreaktion (11)
HOH
0 Essigsaureethylester
in Teilreaktionen zerlegen l a t , die nacheinander ablaufen und von verschiedener Geschwindigkeit sind, wie z. B. 2A
119
H3C-C-OH II
+ C~HSOH
0 Essigsaure
Ethylalkohol
3 . Ordnung Reaktionen 3. Ordnung finden selten statt, da sie die gleichzeitige Interaktion von drei Molekiilen voraussetzen.
103.4 Temperaturabhangigkeitder Reaktionsgeschwindigkeit
Bei den iiberlegungen zur Herleitung des Zusammenhanges zwischen der Konzentration der Reaktionspartner und der Reaktionsgeschwin0. Ordnung digkeit wurde davon ausgegangen, daR sich die Elektrolyse; die Elektrolysegeschwindigkeit ist Molekule regellos bewegen. Sie besitzen einen unabhhgig von der Konzentration des Aus- bestimmten Energieinhalt der Bewegung ,kinetische Energie genannt. gangsproduktes. Wird den Molekiilen in Form von W&me Autokatalyse; die entstehenden Produkte wirken weitere Energie zugefiihrt, erhoht sich damit reaktionsgeschwindigkeitserhohend, aber die auch ihre Bewegungsgeschwindigkeit. Durch die Geschwindigkeit der Autokatalyse ist unabhanschnellere Bewegung stoBen die Molekiile haufigig von der Konzentration der Ausgangsstoffe. ger zusammen, und die Reaktionsgeschwindigkeit nimmt zu. Zufuhr von Warme, die sich durch eine SteiI . Ordnung gerung der Reaktionstemperatur bemerkbar Der Zerfall radioaktiver Substanzen. macht, bewirkt eine Zunahme der ReaktionsgeDie Hydrolyse des Rohrzuckers in Glucose und schwindigkeit . Fructose In der Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung wird dies durch die Temperaturabhangigkeit der C,,H,,O,, + HOH C ~ H I Z +O ~C ~ H I Z O ~ Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten k zum Saccharose Wasser Glucose Fructose Ausdruck gebracht. Die Decarboxylierung
Beispiele fur Reaktionsordnungen
-
R-COOH
-
organische Saure
RH
+
Kohlenwasserstoff
CO, Kohlenstoffdioxid
Der Zerfall von Distickstoffpentoxid KO5 Distickstoffpentoxid
-
N,O, Distickatoffoxid
+
1/20, Sauerstoff
v = k . c ( A ) . c(B) k =f(r,
k ist eine Funktion der Temperatur T . Der niederlandische Cherniker Jacobus Hendricus van't Hoff (1852-1911) fand als Faustregel, daR eine Temperaturerhohung urn 10K ein Anwachsen der Reaktionsgeschwindigkeit urn das Zwei- bis Vierfache bewirkt.
120
I Chemische Grundlagen
1 0 3 5 Aktivierungsenergie
Hierin bedeuten k die Geschwindigkeitskonstante, H der Haufigkeits- oder Frequenzfaktor, E , die Aktivierungsenergie, R die universelle Gaskonstante, T die absolute Temperatur. GemaB der kinetischen Theorie haben die einzelnen Molekiile bei gegebener Ternperatur einen unterschiedlichen Gehalt an Translations-, Rotations-, Schwingungs- und gegebenenfalls an Elektronenanregungsenergie. Die Verteilung dieser Energien zwischen den Molekiilen kann durch das Maxwell-Boltzrnannsche Energieverteilungsgesetz beschrieben werden (Abb. 1-24). Bei jeder Temperatur existiert folglich ein definierter Bruchteil von Molekiilen, deren Energieinhalt den kritischen Wert der Mindestenergie ubersteigt. Der Haufigkeitsfaktor H gibt die (theoretisch) maximal mogliche Reaktionsgeschwindigkeit wieder.
Darnit zwei Molekiile iiberhaupt reagieren konnen, rniissen sie zusamrnenstoBen. Der ZusammenstoR allein geniigt jedoch nicht, er muB vielmehr mit einer bestimmten Mindestenergie erfolgen. Diejenige Energie, die den Molekiilen zugefuhrt werden muR, urn sie auf die erforderliche Mindestenergie zu bringen, nennt man Aktivierungsenergie E, (Abb. 1-23), 1st der Anteil der ZusamrnenstoBe, der zur Reaktion fuhrt, gering, dann rnuR ein hoher Energiebetrag als Aktivierungsenergie zugefuhrt werden. Fur die Reaktion zwischen Silbernitrat und Natriumchlorid (s. Versuch 1 , Abschn. I- 10.2) irn wal3rigen Medium ist eine Zufuhr von zusatzlicher Aktivierungsenergie fast nicht erforderlich. Die fur die Reaktion notwendige Mindestenergie ist in diesem Fall vorhanden, der Reaktionsablauf erfolgt spontan, die Reaktionsgeschwindigkeit ist sehr grol3. Urn Wasserstoffperoxidrnolekiile in Wasser und Sauerstoff zu spalten (s. Versuch 2, Abschn. I-10.2), wird eine hohe Aktivierungsenergie benotigt, um das Niveau der Mindestenergie zu erreichen, das die Reaktion erst ermoglicht. Die Abhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten von der Temperatur kann in vielen Fallen mathematisch durch die von dern schwedischen Physikochemiker Svante August Arrhenius (1 859-1927) formulierte Differentialgleichung beschrieben werden.
E.
Der Ausdruck e R l entspricht nach der kinetischen Theorie dernjenigen Bruchteil der Molekiile, die beim ZusarnrnenstoB aufgrund der vorhandenen Mindestenergie zur Reaktion befahigt sind. E.
Das Produkt k = H . e -FF gibt also die tatsachliche Reaktionsgeschwindigkeit in der Einheit der Konzentration wieder.
-
wenn T
Nach Integration erhalt man d In k = -
E, RT
-
~~
0;dann e
EX Rr
-
0;
k sehr klein, die Reaktion verlauft sehr langsarn; wenn
+ Konstante ( H )
T sehr groB; dann e
_ _Ea
RT
-
I;
k = H , das bedeutet eine explosionsartige Reaktion; alle Zusarnrnenstok fuhren zur Reaktion. Energie EnergleinhaH
t - r i i t i v i e r u n g s e n e r g i e
EA+B
der Reaktionskomponenten
1
Abb. 1-23. Darstelluna
\
Energieinhalt
E der Reaktlonsprodukte
A
B
B Reaktionsverlauf
,
der Aktivierunaenergie.E, AktivierunGnerSe, EA+BEnergieinhalt der Reaktionskomponenten A und B, E,, Energiezustand
des Reaktionsproduktes AB.
10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik
121
Abb. 1-24. Maxwell-Boltzmannsche*** Energieverteilung. T = Temperatur in Kelvin; E, = Aktivierungsenergie
103.6 Katalysatoren* In Versuch 2,Abschn. 1-10.2, wird erst durch Zusatz von Mangandioxid der Reaktionsablauf eingeleitet und damit die Reaktionsgeschwindigkeit erhiiht. Mangandioxid wirkt hier als Katalysator. Substanzen, die dem Reaktionsgemisch in nur geringer Menge zugegeben werden miissen, dabei die Reaktionsgeschwindigkeit erhohen und nach der Reaktion unverandert vorliegen, nennt man Katalysatoren. Substanzen, die eine Reaktionsgeschwindigkeit erniedrigen, nennt man Inhibitoren**. Die Mindestenergie wird hier erhoht und damit auch der erforderliche Betrag an Aktivierungsenergie.
103.7 Beispiel zur Bestimmung der Reaktionsordnung Zu bestimmen sind die Ordnung und Reaktionsgeschwindigkeitskonstante aus den folgenden Versuchsdaten unter der Annahme, daB die Reaktion bei gleichen Anfangskonzentrationen isotherm und isochor ablauft (Tab. I-14a und-14b). Zur Auswertung sind die integrierten Geschwindigkeitsgleichungenzu verwenden. Gsung: Es werden die Zeitgesetze fur die Reaktionen 1. und 2. Ordnung iiberpriift. 1. Ordnung: c, = co e-*'; In c, = - k t
Zusammenfassung Die Geschwindigkeit einer Reaktion kann im wesentlichen durch drei MaBnahmen erhoht werden:
2. Ordnung: c, =
co ~
l+kcot
+ In c,
1
1
c,
C,
., - -- k I + -
In Abb. 1-25a ist In c, gegen f aufgetragen.
Tab. I-14a. MeBdaten. t i n min
0
I
c,inmollL
0,200
0,141
2 0,109
3 0,088
4 0,075
1. Durch die Erhohung der Konzentration der Reaktionspartner, da dadurch die Anzahl der ZusammenstoBe vergriiBert wird. 2. Durch Erhohung der Reaktionstemperatur, da sich dadurch die Molekiile schneller bewegen, was ebenfalls die Anzahl der ZusammenstoBe erhoht . 3. Durch Zugabe von Katalysatoren, da diese eine Herabsetzung der Aktivierungsenergie bewirken. *
**
***
katalysis (grch.) - Aufldsung. inhibere (lat.) - einhalten. hemmen. Maxwell, James Clerk (1831-1879),engl. Physiker. Boltzmann, Ludwig (18441906), osterr. Physiker.
5 0,065
6 0,057
7 0,051
8 0,046
9
10
0,042
0,038
Tab. I-14b. Auswertung der MeBdaten. t i n min
0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
10
In c, -1,609 -1,959 -2,216 -2,430 -2,590 -2,733 -2,865 -2,976 -3,079 -3,170 -3,270
1Ic,
5 ,ooo 7,092
9,174 11,360 13,330 15,380
17,540 19,600 2 1,740 23,810 26,310
122
I Chemische Grundlagen
Es ergibt sich keine Gerade. Eine Reaktion 1. Ordnung liegt also nicht vor. In Abbildung 1-25b ist Ilc, gegen t aufgetragen . Die Punkte liegen auf einer Geraden. Es liegt also eine Reaktion 2. Ordnung vor. Aus der Steigung der Geraden errechnet man die Geschwindigkeitskonstante k .
A
-
-k
Hinreakuon
Ruckreaknon
-
C + D
Viele chemische Reaktionen verlaufen nicht nur einseitig irn Sinne der Reaktionsgleichung, sondern die entstandenen Reaktionsprodukte setzen sich wieder zu den Ausgangskomponenten urn. Es ist also zwischen einer Hin- und einer Riickreaktion zu unterscheiden. Dieser Sachverhalt wird fur ein abgeschlossenes System durch nachstehende Gleichung beschrieben.
Bei Vorliegen der Stoffe A und B setzt die Reaktion mit der Hinreaktion ein. Die Kornponenten Aund B reagieren zu den Endprodukten C und D. Liegen auch nur geringste Mengen C und D vor, setzt sofort die Ruckreaktion zu den Ausgangskomponenten ein. Reaktionen, die nicht nur von links nach rechts, sondern gleichzeitig von rechts nach links ablaufen, heil3en umkehrbare oder reversible Reuktionen. Bei den reversiblen Reaktionen stellt sich immer ein Gleichgewicht ein. Im Reaktionsverlauf wird ein Zustand erreicht, in dern sich gleich viele Molekiile A und B zu den Produkten C und D urnsetzen, wie Molekule C und D wieder zu den Ausgangsstoffen A und B reagieren. Einen solchen Zustand nennt man den thermodynamischen Gleichgewichtszustand. Die Zahl der in der Zeiteinheit gebildeten neuen Molekule ist gleich der Anzahl der riickgebildeten Molekule der Ausgangsstoffe. Obwohl weiterhin standig Hin- und Riickreaktionen ablaufen, ist die Gesarntreaktion fur den Betrachter auBerlich zurn Stillstand gekomrnen. Der Gleichgewichtszustand ist erreicht.
y * = h ct
y*=
k=
y**-y*,
26-5 L -=2.1 10-0 mol min ~
n*,-x*,
10.4 Reversible und irreversible Reaktionen, Gleichgewichtszustand
'
t
-13-
-2,o-
-25-
-3,O-
-35-
Abb. 25a. Auswertung nach einer Reaktion I . Ordnung
Abb. 25 b. Auswertung nach einer Reaktion 2. Ordnung
10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik
Ein solches Gleichgewicht, bei dem also ein standiger Austausch stattfindet, nennt man ein dynamisches Gleichgewicht. Als Beispiel einer reversiblen Reaktion sol1 folgende Reaktion betrachtet werden:
CO
+
CO, + H,
H,0
Kohlen- Wasser stoffmonoxid
KohlenWasserstoff stoffdioxid
(AH=-41 Idimol)
Wird ein Gemisch von Kohlenstoffmonoxid und Wasser zur Reaktion gebracht, so entstehen Kohlenstoffdioxid und Wasserstoff. Fur diese von links nach rechts ablaufende Hinreaktion gilt die Geschwindigkeitsgleichung v- = k ,
. c (CO).c (H,O)
Sowie sich aber Kohlenstoffdioxid- und Wasserstoffmolekule gebildet haben, setzt auch die Ruckreaktion ein, bei der aus CO, und H, wieder CO und H,O entstehen. Fur diese von rechts nach links ablaufende Ruckreaktion kann die Geschwindigkeitsgleichung V,
= k , . c (CO,). c
(H,)
angesetzt werden. Zu Beginn der Reaktion wird, da die Konzentration an CO und H,O hoch, die C0,- und H,Konzentration aber klein sind, die Hinreaktionsgeschwindigkeit v- g r o k r sein als die Ruckreaktionsgeschwindigkeit v,. Da jedoch die CO- und H,O-Konzentrationen abnehmen. wahrend die C0,- und H,-Konzentrationen zunehmen, wird einmal der Zeitpunkt kommen, wo die Reaktionsgeschwindigkeiten von Hin- und Riickreaktion gleich sind: v, = v.
123
Die Konzentrationen werden mit * gekennzeichnet, da es sich hier nicht urn beliebige Konzentrationen handelt, sondern urn die Gleichgewichtskonzentrationen. Stellt man diese so urn, dal3 die Geschwindigkeitskonstantenauf der einen Seite und die Gleichgewichtskonzentrationen auf der anderen Seite stehen. erhalt man: k+
_ --
k-
c*(CO2).c*(Hz) c*(CO).c*(H,O)
Da k , und k, Konstanten sind, ist auch der Quotient aus beiden eine Konstante. K,=
k, -
k,
Diese Konstante wird Gleichgewichtskonstante K,- genannt. Der Index ,,c" deutet darauf hin, daR auf der rechten Seite der Gleichung Konzentrationen stehen. Die Gleichgewichtskonstante ist also der Quotient aus der Geschwindigkeitskonstanten der Hinreaktion k, und der Geschwindigkeitskonstanten der Ruckreaktion k,. Damit gilt fur den Gleichgewichtszustand:
c*(CO,).c*(H,) k, - K =c*(CO).c*(H,O) ' k , Das Massenwirkungsgesetz, abgekiirzt MWG geschrieben, sagt aus, daj' das Verhaltnis der Produkte der Gleichgewichtskonzentrationen der Endprodukte und der Ausgangsstoffe einer Reaktion bei gegebener Temperatur konstant ist. Das Massenwirkungsgesetz bzw. die Gleichgewichtskonstante stellt die Verknupfung her zwischen der chemischen Thermodynarnik und der Reaktionskinetik. Es ist zuerst von den Norwegern Carl Maxirnilian Guldberg (1 8 3 6 1 902) und Peter Waage ( 1833-1 900) formuliert worden. C . M . Guldberg war Chemiker und Mathematiker, und P. Waage war Naturforscher.
10.5 Das Massenwirkungsgesetz Da im chemischen Gleichgewichtszustand die Geschwindigkeiten der Hin- und Ruckreaktion gleich sind, d. h. v- = v, ist, gilt auch, daR die rechten Seiten der beiden Geschwindigkeitsgleichungen gleich sind. k , . c*(CO). c*(H,O) = k ,
. c*(CO,). c*(H2)
10.6 Vom Prinzip des gestorten Gleichgewichts Ein fur die chemischen Prozesse in der Natur und Technik wichtiges Gesetz ist das von dem chernischen Gleichgewicht. Es spielt bei Stoffumwandlungen eine bedeutende Rolle und besagt,
124
I Chemische Grundlagen
daR bei einer chemischen Umsetzung Hin- und Ruckreaktion immer in einem thermodynamischen Gleichgewicht stehen. Das heifit, ein ProzeS lauft nie zu 100% in Richtung der gewunschten Produkte ab. Sie befinden sich immer in Wechselbeziehung mit den Ausgangsstoffen. Allerdings gilt das nur fur abgeschlossene Systeme. Komplizierter werden die Verhaltnisse in offenen Systemen, in Systemen also, die in standigem Energie- und Stoffaustausch mit ihrer Umgebung stehen, so daR die Produkte aus dem Reaktionsraum weggefuhrt werden. Dann ist das Gleichgewicht gestort. Ausgangsstoff
z.B. CO
Nz
+ H,O + 3Hz
--
-
+
gewunschte Produkte, ~ U dem S Reaktor ausgeschleust
Gleichgewicht herrscht, wenn rnL= rnR,d.h. wenn die Massen auf beiden Seiten des (gleicharmigen) Waagebalkens gleich sind. Zwischen den links- und rechtsseitigen Massen besteht keine Austauschbarkeit, damit existiert auch keine Reversibilitat. Therrnodynarnisches Gleichgewicht
Gleichgewicht herrscht, wenn
dmA dt
-
'IB
_ . _ -
ist, d. h. wenn die VerBnderungsgeschwindigkeit des Stoffes A gleich der des Stoffes B ist.
CO, + H,? 2 NH3?
Biologische und okologische Systeme sind solche offenen Systeme. Zwar haben Begriffe wie ,,biologisches" und ,,okologisches Gleichgewicht" uberall Eingang gefunden, doch handelt es sich dabei nicht um thermodynamische Gleichgewichte, sondern um FlieSgleichgewichte. Thermodynamische Gleichgewichte schlieSen die Umkehrbarkeit ein. Sie sind im Grundsatz ,,reversibel". FlieBgleichgewichte sind dagegen irreversibel.
Diese Forderung bedingt die Reversibilitat und den Austausch der Reaktionskomponenten. Das thermodynamische Gleichgewicht beinhaltet den Faktor Zeit und bildet die Verknupfung zur Kinetik und gibt damit Hinweise uber Veranderungen im molekularen Bereich. Im Gegensatz zu stationken Systemen handelt es sich hierbei um beidseitig fluide Systeme. Zwischen der linken und rechten Seite findet ein standiger Austausch statt.
Von den verschiedenen Gleichgewichten in Technik und Natur
FlieJgleichgewicht
Generell ist zu unterscheiden zwischen dem mechanischen und dem thermodynamischen Gleichgewicht sowie dem FlieRgleichgewicht.
mE
'
I
I
Masse des Eingangsproduktes
mp
'
Masse des Ausgangsproduktes
Mechanisches Gleichgewicht Flie6gleichgewicht (steady state) herrscht, wenn
d m ~ dmp - dt dt
Ein mechanisches Gleichgewicht ist stationar.
unter der Bedingung der IrreversibiIiHist.
FlieBgleichgewichte sind einseitig gerichtete fluide Systeme, die offene Systeme bedingen. Ein biologisches Recyclingsystem ist zeitlich einer standigen Veranderung unterworfen. Nichts ist station&, alles ist im FluR. Das ist Leben (s. Abschn. 111-12.1.2).
10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik
10.7 Reaktionen mit vorgelagertem Gleichgewicht
in G1. (5) eingesetzt, ergibt V,
Besteht eine Reaktion aus mehreren Stufen, von denen ein Zwischenprodukt (AB) mit den Ausgangsstoffen A und B im thermodynamischen Gleichgewicht steht, so spricht man von einem vorgelagerten Gleichgewicht. +
B
(AB)
Ausgangs- Ausgangsstaff A staff B
-
Zwischenprodukt AB
Endprodukt C
V,
= k, . c ( A ) . c(B)
(1)
V,
= k , . c(AB)
(2)
Fur ein thermodynamisches Gleichgewicht gilt
K=-
k, k,
=
= k;c(AB)
(3)
c(AB) c(A).c(B)
(4)
Bei diesem Modellansatz wird der geringere Anteil von dem Zwischenprodukt (AB), der sich langsam zum Endprodukt C umsetzt. vernachlassigt . Fur die Berechnung der Bildungsgeschwindigkeit des Endproduktes C darf folgende Gleichung formuliert werden: dc(C) v, = -= k L . c ( A B ) dt
Aus GI. (4) folgt c(AB) = K . c ( A ) . c ( B )
k , K=-
k,
ist v, =
k', . k, ~
k,
C
Vor-Gleichgewichte (engl. pre-equilibrium) treten auf, wenn die Bildung des Zwischenproduktes und seine Ruckreaktion in die Ausgangssubstanzen vie1 schneller erfolgen als die Weiterreaktion zu einem Endprodukt. Unter der Voraussetzung, daB zwischen A, B und (AB) ein thermodynamisches Gleichgewicht besteht, kann folgender rechnerischer Ansatz formuliert werden:
k;c(A).c(B)
= kl, K . c ( A ) . c(B)
da
10.7.1 Definition
A
125
(5)
. c ( A ) . c(B)
Teilreaktionsgeschwindigkeitskonstanten Die werden zu einer neuen Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten zusammengefaBt: k=-
k', . k, k+
oder k=kL.K
Die Reaktionsgeschwindigkeitsgleichungfur das Endprodukt C lautet demnach: v, = kl, . K . (.(A) . c (B)
siehe die Analogie zu GI. (1 0) v, = k
,
c(A). c(B)
(6)
Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstante k fur die irreversibel angenommene Reaktion zum Endprodukt C setzt sich wie folgt zusammen: A + B
(AB)
-
C
k , steht fur die Reaktion k, kl,
fur fur
A + B A + B (AB)
-
(AB) (AB) C
10.7.2 Die Oxidation von Stickstoffmonoxid zu Stickstoffdioxidals Beispiel fur ein vorgelagertes Gleichgewicht Ein Beispiel fur eine Reaktion mit vorgelagertem Gleichgewicht ist die Oxidation von Stickstoffmonoxid zu Stickstoffdioxid:
126
I Chcmische Grundlagen
- N,O,* -
2 NO N,O,+O, 2NO+0,
-
Stickstoffmonoxid
(1) ( M = - I 9 0 . 7 5 kJimol)
2 NO2
(11)
(AH=+76.61
{NLO:
-
+ O,}
Zwischenprodukt Didckstoffdioxid
kJimol)
2N0, (111)
Endprodukt Stickstoffdioxid
(AH = - I 14.14 kJiniol)
Wurde man die Gesamtreaktionsgleichung ohne Beriicksichtigung des Zwischenproduktes N 7 0 2hinschreiben, namlich 2NO+02
-
2 NO2
dt
oder
c(N202)= K . (.'(NO)
(9)
Wird Gleichung (9) in Gleichung (8) eingesetzt, so folgt die Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung fur die Oxidation des Stickstoffmonoxid zu Stickstoffdioxid
(1V)
= k . c'(N0). ~ ( 0 ~ )
um eine Reaktion 3 . Ordnung handeln, und die Reaktion miil3te sich in einem einzigen Schritt vollziehen. DreierstoRe sind in der Technik und auch in der Natur sehr unwahrscheinlich oder zumindest sehr selten. Experimentell wurde auMerdem beobachtet, daR bei einer Erhijhung der Reaktionstemperatur die Reaktionsgeschwindigkeit abnimmt. Diese Beobachtung laRt auf einen komplizierten Reaktionsverlauf schliebcn. Sie erkllrt sich durch ein vorgelagertes Gleichgewicht zwischen dem Zwischenprodukt N,02 und der Ausgangskomponente NO. Die Reaktionsgeschwindigkeitsgleichunglautet fur die Reaktion (I)
und die fur Reaktion (11)
*
C(N202) K=(.'(NO)
(AH= - I 14 kJirnol)
dann wurde man uber den Ablauf der Reaktion zu Fehlschlussen kommen. Nach Gleichung (IV) wiirde es sich nach der Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung dc(N02)
Das Massenwirkungsgesetz fur die Reaktion (I) liefert die Massenwirkungskonstante K .
Rildung\enthalpic von N,O, 4 , H = -10,2508 kJimol. Lit. Dinerman. Carl, E. Ewing. George. E. (1970). J . Chem. Phys. 53 ( 2 ) . S . 6 2 6 6 3 I.
Gleichung (10) erklart die abnehmende Reaktionsgeschwindigkeit bei steigender Temperatur. Die Gleichgewichtskonstante nimmt ab, da die Dirnerisierung von Stickstoffmonoxid LU Distickstoffdioxid exotherm ist. 2N0
N,O, (AH=-I90.75 klimol)
Dieses Phlnomen kann unter der Annahme eines Modells mit vorgelagertem Gleichgewicht erfaBt werden.
10.73 Die Michaelis-Menten-Gleichung und die Michaelis-Menten-Konstante Vorgleichgewichte spielen bei Reaktionen in biologischen Systemen eine grol3e Rolle. Eine allgemeine Theorie wurde 1913 von L. Michaelis* und M. L. Menten entwickelt und spater von G . E. Briggs und J. B. S. Haldone erweitert. Reaktionen in biologischen Systemen laufen in der Regel unter Beteiligung von Enzymen** ab. Enzyme sind katalytisch wirkende Zellinhaltsstoffe, die die zur Umsetzung der Reaktionskomponenten (Substrate) benotigte Aktivierungsenergie herabsetzen. Wie sich experimentell zeigen IaRt, hangt die Geschwindigkeit einer enzymatischen Reaktion bei Konstanthaltung aller iibrigen EinfluBgroRen von der Enzymkonzentration ab. Analog der allgemeinen Reaktionsgleichung fur ein vorgelagertes Gleichgewicht
-
A
+
* **
Michaelir. Leonor (1875-1949). amcrikan. Cheiniker 7yme (grch.) Saucrtcig.
(AB)
B
-
C
(V)
10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik
laBt sich eine enzymatische Reaktion wie folgt beschreiben: E
+
k +2
k+l
S
k-l
Enzym Substrat
(ES)
e
EnzymSubstrat-
k -2
P Produkt
+
E
(VI)
Um die aus der GI. (VI) resultierende Zerfallsgeschwindigkeit vom Enzym-Substrat-Komplex zu bestimmen, mussen sowohl die Zerfallsreaktionen aus der G1. (VII), (ES) % E + S und aus GI. (VIII), (ES)% P + E beriicksichtigt werden.
Enzym
(13)
Komplex
Die Reaktionsgleichung (VI) 1aBt sich in zwei Teilschritte zerlegen: E
+
S
k+l
(ES)
k-l
k +? (ES) 1------ P
+
E
(VIII)
k-2
[ F ] z 2 = - k + 1 c(ES)
Die Summe dieser beiden Zerfallsreaktionsgeschwindigkeitsgleichungen (13) und (14) entspricht dem totalen Zerfall des Enzym-SubstratKomplexes. Die entsprechende Zerfallsgeschwindigkeit fur den totalen Zerfall Z lautet dann:
Die Anfangsgeschwindigkeit einer Enzymreaktion vo ist der Konzentration des EnzymSubstrat-Komplexes (ES) direkt proportional. Aus der Reaktionsgleichung (VII) folgt: q,= k+2 . c(ES)
dt
d c (ES)
= - k-1 c(ES) - k+, c(ES)
(11)
Die Reaktionsgeschwindigkeitskonstantek+2 und die Konzentration des Enzym-SubstratKomplexes sind nicht direkt bestimmbar. Fur v, mussen andere meBbare Parameter gefunden werden. Aus G1. (VII) folgt fur die Bildungsgeschwindigkeit des Enzym-Substrat-Komplexes (ES) dc(ES)
= k+l [C(E,)- c(ES)] . c(S)
c (I%,-) ist die totale vorliegende Enzymkonzentration, die um den Betrag c(ES) gemindert ist, mit dem sie im Enzym-Substrat-Komplex vorliegt. Nach dieser Reaktionsgeschwindigkeitsgleichung ist die Enzymreaktion 2. Ordnung. Der Anteil der Enzym-Substrat-KomplexKonzentration, der aus einer moglichen Ruckreaktion E + P (ES) gebildet wird, wird im weiteren Rechnungsgang vernachlassigt. Das ist erlaubt, da der Beginn der Hinreaktion nach GI. (VII) unter der Voraussetzung betrachtet ist, daB die Substratkonzentration c(S) sehr hoch ist und die Endproduktkonzentration c (P) noch nahe bei Null liegt. AuBerdem sol1 die Reaktion nach GI. (VIII) sehr langsam verlaufen.
3
127
-
[F]
= k-, c(ES) + k+z c(ES)
(15)
HieRgleichgewicht (steady state) herrscht aber nur dann, wenn die Bildungsgeschwindigkeit einer Substanz gleich ihrer Zerfallsgeschwindigkeit ist. Fur unser Modell bedeutet das, daB GI. (121, die fur die Bildungsgeschwindigkeit steht, und GI. (15), die fur die Zerfallsgeschwindigkeit steht, gleichgesetzt werden konnen. k+,[c(E,)-c(ES)] . c ( S ) = k-,c(ES)+k+,c(ES)
k,, [c(E,) - c(ES)] ’ c(S) = (k-1
+ k+2)
c(ES)
Es folgt: [c(Er)-c(ES)I c (ES)
’
c(S) - k-,
+k+2
k+ I
= KM
(16)
K M Michaelis-Menten-Konstante Gleichung (16) ist die Michaefis-MentenGfeichung. Sie erlaubt uns, die Gleichgewichtskonzentration eines Enzym-Substrat-Komplexes zu berechnen:
128
I Chemische Grundlagen
K,.(.(ES)=C(S).C(&)-C(ES).C(S)
Die Michaelis-Menten-Konstante Fur den speziellen Fall der halben maximalen
In GI. (17) ist die totale Enzymkonzentration c(ET) bekannt. Sie wird in einem Experiment vorgegeben. Dasselbe gilt fur die Substratkonzentration. Sie kann gemessen werden. Die Michaelis-Menten-Konstante K M ist bekannt bzw. kann aus den Teilreaktionsgeschwindigkeitskonstanten berechnet werden. Wird GI. (17) in GI. ( I 1 ) fur die Bestimmung der Anfangsgeschwindigkeit einer Enzymreaktion eingesetzt, dann ist
Reaktionsgeschwindigkeit -= vo la& sich aus 2 der Michaelis-Menten-Gleichung, G1. (20). folgende Beziehung herleiten: \'m.,x ~
2 1
-
2
-
~'m.,, .
C(S)
K, + c ( S )
c.6) K,+c(S)
K,v = c (S)
Die Michaelis-Menten-Gleichung Wird die Substratkonzentration in einem enzymatischen Reaktionssystem so hoch vorgegeben, daB das Enzym im wesentlichen als Enzym-Substrat-Komplex (ES) vorliegt, d . h. das Enzym vollig mit Substrat abgesattigt ist, dann wird die maximale Anfangsgeschwindigkeit erreicht. Aus GI. ( 1 1) v(, = k+? . c(ES)
folgt dann
Denn in diesem Falle ist r(ES) = c(E$). WirdGI. (19) inG1.(18)eingesetzt,dann wird die Michaelis-Menten-Gleichung zur Berechnung der Anfangsgeschwindigkeit erhalten.
Die Michaelis-Menten-Gleichung (20) verknupft hier mathematisch die Anfangsgeschwindigkeit v,, mit der maximalen Reaktionsgeschwindigkeit v,,,,,, der Substratkonzentration c (S)und der Michaelis-Menten-Konstanten K M . Die totale Enzymkonzentration c(&) steckt im Ausdruck v,,,;,~ = k + Z . c(&).
(21)
Hieraus folgt, daB die Michaelis-MentenKonstante K M gleich derjenigen Substratkonzentration ist, bei der die Reaktionsgeschwindigkeit halb so groB wie die maximale Reaktionsgeschwindigkeit ist. Es folgt weiter, daB der Wert der K,-Konstanten unabhangig von der Enzymkonzentration ist. Ihre Einheit fur eine Ein-Substrat-Reaktion ist Mol pro Liter (mol/L). So wie die Gleichgewichtskonstante ein signifikantes Kriterium fur ein thermodynamisches Gleichgewicht ist, das von Guldberg und Waage* durch das Massenwirkungsgesetz mathematisch formuliert worden ist, so ist analog die Michaelis-Menten-Konstante ein Kriterium fur enzymatische Reaktionen, die sich durch vorgelagerte Gleichgewichte auszeichnen.
10.7.4 Von einfachen zu komplexen Molekiilstrukturen Prozesse einer steten, ununterbrochenen Stoffund Energieumwandlung konnen nur erfolgen, wenn sich kein thermodynamisches Gleichgewicht einstellt. In der Tat gehorchen die in der Natur ablaufenden Vorgange einem Prinzip der steten Gleichgewichtsstorung. Auch in der chemischen Produktion macht man sich diesen Effekt zunutze. Eine wirtschaftlich vertretbare Stoffausbeute wird nur erreicht, wenn bei Gleichgewichtsreaktionen das Reaktionsprodukt dem Reaktionssystem entzogen wird. Das Gleichgewicht wird nach der gewunschten Richtung stindig verschoben, indem
*
G u l d k r g , Carl Maxiinilian (1836-1902). norweg. Chrmiker iind Mathematiker stellte zusammen mit Waage, Peter ( 1833-1900) das Massrnwirkuii€seeset/ s u f .
10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik
die entstandenen Produkte sofort ausgeschleust werden. Dabei versucht es sich immer wieder von neuem einzustellen. Das ist das Prinzip von kontinuierlich arbeitenden chemischen Produktionsverfahren. In ahnlicher Weise verlaufen die Bioprozesse in unseren Okosystemen. Auch hier werden Gleichgewichtseinstellungen durch Storungen verschiedenster Art verhindert. Die Reaktionsprodukte werden allerdings aus dem System ,.Natur" nicht vollstandig ausgeschleust. Sie konnen mit anderen Reaktionspartnern weiterreagie-
ren und auf mehr oder weniger ,,verschlungenen" Wegen ins Ausgangsprodukt zuriickverwandelt werden; es entsteht ein Kreislauf. Reagieren sie mit dem urspriinglichen Reaktionspartner weiter, bilden sich neue Reaktionsprodukte, die zugleich auch die Reaktionsbedingungen verandern. Bei bestimmten kritischen Zustanden nehmen die Molekule hohere Organisationsstrukturen ein, die ab einer bestimmten Komplexitat zum Metabolismus, zur Reproduktion und Mutation befahigt sind. Quantitat wandelt sich in Qualitat um (s.Abb. 1-26 u. Abb. 2 im Kap. Einfiihrung).
Chlorophyll - BlattgrCln Hamin - roter Blutfarbstoff Cyanocobalamin - Vitamin 812 Phthalocyanine - synthetische Farbstoffe
Porphyrinringstruktur
Nukleinsauren (NukleotidmolekCll)
Phosphor- Ribose lteterocyclische SiiUE Basen H
H
I
R
-
Aminoseuren
C - COOH
&2
H
I
I
I
1
HS-C-C
- COW
Proteine
H NH2
CH20H I
Sttlrke, Glycogen, Zellulose
Aktivierte Essigsllure
H ~ C CSS -
lsopren
H C=C-CH=CH 2 1 2
II
Fettsauren
-Coenzym A
- Fette
Kautschuk
ErdOl Erdgas
I
H
Kohlenstoff, elementar
1
I.C=
Kohlenstoffdioxld
I
Bausteine
c -c=c- c-c.1 ICqln;
ICgln:
C02 : ICO3I2-
I
n
Ceo
129
Karbin Diarnant, Graphit und Fullerene Carbonate
IFoaalle StoffelBiopolymX]
Abb. 1-26. Von einfachen zu komplexen Molekiilstrukturen
130
I Chemische Grundlagen
Hierbei handelt es sich um endergonische Vorgange, d.h. um Prozesse, die freie Energie binden. Die Entropie nimmt standig ab, da die Ordnungsstruktur komplexer wird (s. auch Hopp, V. (2000); Grundlagen der Life Sciences, Chemie - Biologie - Energetik, Wiley-VCH, Kap. 11).
10.8 Kriterien zur Beschreibung von Reaktionen in der chemischen Technik und in biologischen Systemen 10.8.1 Vergleich chemisch-technischer Systeme mit biologischen Systemen Ein Vergleich chemisch-technischer mit biologischen Systemen ist in Tab. 1-15 beschrieben.
10.8.2 Erlauterungen zu den Beschreibungskriterienvon Reaktionen Temperatur Limitierender Faktor fur die Temperaturbereiche von technischen Reaktionen ist die Stabilitat der Eingangs- und Ausgangsprodukte. Biologische Reaktionen verlaufen in waBrigen Medien. Die Fixpunkte des Wassers sind die limitierenden Faktoren. In der Nahe des Siedepunktes des Wassers koagulieren die Proteine und begrenzen damit in der Regel den Fortbestand von Lebensvorgangen. Mit dem Gefrieren des Wassers bzw. der warigen Losungen verliert das Wasser seine Eigenschaft als Transportmittel. Die physiologischen Vorgange kommen zum Stillstand. Im Gegensatz zur EiweiBkoagulation ist dieser Stillstand reversibel. Druck Die grol3e Druckspanne fur technische Reaktionen ist erforderlich, da viele chemische Umsetzungen in der Gasphase erfolgen. Es kann das gesamte Spektrum vom Vakuum bis zu hohen Uberdrucken ausgenutzt werden. Limitierende Faktoren sind durch die Stabilitats- und Festigkeitseigenschaften der Werkstoffe gegeben. Die Drucksteigerung oder Druckemiedrigung fur Reaktionen im biologischen Bereich halt sich in engen Grenzen. Biologische Prozesse vollziehen sich in wal3rigen Medien. Druckveranderungen in waRrigen Losungen sind durch die geringe Kompressibilitat der Flussigkeiten begrenzt.
Der EinfluB gasformiger Stoffwechselprodukte wird durch die Substrate begrenzt. Drucksteigerungen wirken sich auf die Enzymaktivitat negativ aus, da sich die Stereochemie der Enzyme, wie auch die der Substrate, verandert. Durch eine Steigerung der Substratkonzentration w i d die Reaktion nur wenig beeinflul3t. Ein Enzym kann immer nur bis zur Sattigung in seiner Aktivitat mobilisiert werden. Eine Druckemiedrigung fuhrt umgekehrt zur Verringerung der Enzym-Substrat-Komplexbildung , damit wird das vorgelagerte Gleichgewicht nach Michaelis-Menten nach links verschoben (s. Abschn. 1-10.7.3). E+S
(ES)
P
+
E
Es bedeuten: E S (ES) P
Enzym Substrat Enzym-Substrat-Komplex biologisches Reaktionsprodukt.
Konzentrationen Bei technisch-chemischen Reaktionen werden, soweit moglich, immer hohe Konzentrationen der Reaktionspartner angestrebt. Auf diese Weise sol1 eine hohe Stoffausbeute in angemessener Reaktionszeit und im Verhaltnis zum Reaktionsvolumen erreicht werden. Biologische Reaktionen verlaufen in wal3rigen Losungen bei niedrigen Konzentrationen. Der osmotische Druck innerhalb der Zelle als Reaktor und die Konzentrationsunterschiede fur die Austauschbarkeit der Stoffwechselprodukte zwischen Zellinnerem und ZellauRerem sind die Grenzen fur Konzentrationsvariationen. Eine Konzentrationsminderung wurde das FlieBgleichgewicht zwischen Enzym-Substratund Produktkonzentration storen. Der geschwindigkeitsbestimmende Schritt ist die Reaktion des Enzym-Substrat-Komplexes zum Endprodukt. (ES)
-
P
+
E
Reaktionszeit Die Reaktionszeit in chemisch-technischen Systemen kann durch die Temperatur, den Druck und die Konzentrationen beeinflufit werden. Alle drei Parameter dienen dam, die Wahrscheinlichkeit der StoBhaufigkeit der Reaktionspartner und damit auch die Reaktionswahrscheinlichkeit zu steigem. Die Temperatursteigerung erhoht
10 Grundbegriffe der Reaktionskinetik
131
Tab. 1-15. Vergleich chemisch-technischer mit biologischen Systemen. ~
~________
Chemische Technik
Biologische Systeme
Temperatur
Breites Temperaturspektrum von niederen his zu sehr hohen Temperaturen. Meist groBe Temperaturdifferenzen.
Temperaturgrenzen durch die Fixpunkte des Wassers vorgegeben, daher relativ niedriges Temperaturniveau rnit kleinen Temperaturdifferenzen .
Druck
Niedrige bis hohe Drucke. Vielfach groBe Druckdifferenzen.
Normdruck in der Regel 1013 mbar. Keine extremen Druckdifferenzen, mit Ausnahme von Kapillardrucken.
Konzentrationen
Es werden aus Wirtschaftlichkeitsgriinden u. a. hohe Konzentrationen im Reaktionsmedium angestrebt. GroRe Konzentrationsgradienten. Reaktionen verlaufen rnit dem Konzentrationsgefalle.
Reaktionsmedien mit meist niedrigen Konzentrationen. Kleine Konzentrationsgradienten. Viele Reaktionen verlaufen entgegen einem Konzentrationsgefalle.
Reaktionszeit
Kurze his lange Reaktionszeiten Hohe Stoff-Zeit-Ausbeute.
Stoffwechsel mit langen Reaktionszeiten. Niedrige Stoff-Zeit- Ausbeute.
Systemtyp
Geschlossen, adiabatisch geschlossen und offen.
Offen
Reuktor Flachen- und Volumenbedarf fur Reaktionsort
Kleine Reaktionsoberflachen im Verhaltnis zur Reaktionsmenge.
GroRe innere Reaktionsflachen im Verhaltnis zur Reaktionsmenge. Verschiedene Reaktionskompartimente.
Katalyse
Heterogene und hornogene Katalysatoren. Geringe Substratspezifitat. Starke Herabsetzung der Aktivierungsenergie in einer Stufe oder in wenigen grol3en Stufen.
Heterogen fixierte Homogenkatalysatoren. Gezielte Substratspezifitat. Starke Herabsetzung der Aktivierungsenergie, dies jedoch in vielen kleinen Stufen.
Reaktionsarten
Reversible, irreversible, Folge- und Parallelreaktionen.
Bedingt reversible, irreversible. Ausgepragte Folgereaktionen. Ausweichreaktion bei Zwischenproduktstau .
Gleichgewichtstyp
Thermodynamisches Gleichgewicht und FlieBgleichgewicht. Prinzip des standig gestorten thermodynamischen Gleichgewichtes.
FlieRgleichgewicht.
Verfahrenstyp
Diskontinuierlich, semikontinuierlich, kontinuierlich.
Semikontinuierlich, kontinuierlich
Reaktionsprodukte
Haupt- und Nebenprodukte. Konsequenz: Reinigungs- und Trennmethoden.
Spezifische Reaktionsprodukte, wenig Nebenprodukte. Nebenprodukte werden zumeist metabolisiert . Die Zelle belastende Nebenprodukte werden ausgeschleust.
Keine
Flexible Anpassungsmoglichkeiten an unterschiedliche Substrate.
Binarcode
Triplettcode aus vier Zeichen (s. Abb. 2 im Kap. Einfuhrung)
Speicherung von Iigormationen
132
1 Chemische Grundlagen
auBerdem den Anteil der aktivierten Reaktionspartner. Die begrenzenden Faktoren fur die Rcaktionszeit und Reaktionsgeschwindigkeit in biologischen Systemen sind die hohen Verdiinnungen, die Stereospezifitat zwischen Substrat und Enzym und das enge Temperaturintervall. Sie bedingen eine niedrige Stoff-Zeit-Ausbeute. Sie wird ausgeglichen durch die Vielzahl der wirksamen Zellen, d . h. der biologischen Reaktoren .
Systemtyp Isolierte Systerne in bezug auf Stoff- und Energieaustausch gibt es sowohl im technischen als auch biologischen Bereich nicht. Es sind Denkrnodelle. Im technischen Sektor dominieren die geschlossenen Systeme, die durch einen Energieaustausch charakterisiert sind, oder die offenen Systeme, die den gleichzeitigen Stoff- und Energietausch mit der Umgebung ermoglichen. Biologische Systeme sind prinzipiell offene Systeme. Zur Aufrechterhaltung der Lebensvorgange wie Metabolismus, Reproduktionsfahigkeit, Reizbarkeit, Adaption und Mutation ist ein standiger Stoff- und Energietausch mit der Umgebung erforderlich.
Reaktor Technische Reaktoren zeichnen sich durch kleine Reaktionsflachen im Verhaltnis zur Reaktionsmenge aus. Der Wunsch nach groBen Reaktionsfllchen fur die Reaktanden wird durch spezielle Reaktoreinbauten und Mischvorgange realisiert. Das Verhaltnis zwischen Reaktorvolumen und Reaktionsflache muR fur jeden Reaktionstyp und jeden Reaktionsverlauf immer von neuem optimiert werden. Die Vielzahl der Mikroreaktoren, der Zellen, bedingt im biologischen Sektor eine groBe Reaktionsoberflache im Verhaltnis zum Reaktionsvolumen. Auch im Inneren der Zellen stehen groRe Reaktionsoberflachen im Verhaltnis zur Reaktionsmenge zur Verfiigung.
Katalyse - Enzymatik Die Katalysatoren dienen dazu, die Aktivierungsenergie sowohl fur technische als auch biologisch-chemische Reaktionen herabzusetzen. Das bedeutet, daB der Anteil der aktivierten Reaktionspartner schon bei niederer Temperatur
relativ hoch ist. Im chemotechnischen Bereich stehen hierfur nur ein- oder zweistufig wirkende Katalysatoren zur Verfugung. Sie erniedrigen die Aktivierungsenergie in relativ groRen Energiespriingen. Dabei werden oft unerwunschte Begleitreaktionen mitinitiiert. Biologische Reaktionsverlaufe arbeiten rnit Enzymkomplexen, die aus einer ganzen Serie von substratspezifischen Enzymen bestehen. Die Herabsetzung der Aktivierungsenergie erfolgt stufenweise nach dem Treppenprinzip. Das bedingt eine Reaktionsfolge aus zahlreichen Einzelreaktionen. Es entstehen keine unerwunschten Nebenreaktionen.
Reaktionsarten Chernisch-technische Reaktionen liefern selten nur das eine gewunschte Produkt. Folge- und Parallelreaktionen fuhren zu unerwunschten Begleitprodukten. Ein weiteres Kriterium chemotechnischer Reaktionen ist hlufig ihre Reversibilitat. Um hohe Stoffausbeuten zu erhalten, mu13 durch spezielle chemotechnische Manipulationen nach dem Prinzip des standig gestorten thermodynamischen Gleichgewichtes eine Irreversibilitat angestrebt werden. Das gelingt durch standiges Ausschleusen des Reaktionsproduktes aus dem Reaktionssystem. Biologische Reaktionen sind irreversibel . Das Grundprinzip dieser Irreversibilitat wird durch das Verhalten des Enzym-Substrat-Komplexes bestimmt. Die Reversibilitat beschrankt sich auf das vorgelagerte Gleichgewicht zwischen Enzym, Substrat und Enzym-Substrat-Komplex. E
+
S
k+l
(ES)
k-l
Die nachfolgende Reaktion vom Enzym-Substrat-Komplex zum Produkt und dem abgespalteten Enzym verlauft in der Regel irreversibel. (ES)
-
P + E
Dieses Reaktionsverhalten bedingt das FlieRgleichgewicht im biologischen Bereich (s. Abschn. 1-10.7.3).
Gleichgewichtstypen FlieBgleichgewichte schlieRen eine Reversibilitat aus. Es sind einseitig gerichtete fluide Systeme, die offene Systeme bedingen.
10 Gmndbegriffe der Reaktionskinetik
In der chemischen Technologie wird nach dem Prinzip des standig gestorten thermodynamischen Gleichgewichts gearbeitet, um reversible Prozesse in quasi irreversible Prozesse umzuwandeln. Auf diese Weise gelingt es, auch thermodynamische Gleichgewichte, deren Gleichgewicht sehr weit nach der linken Seite verschoben ist, zu hohen Stoffausbeuten zu zwingen. Biologische Systeme gehorchen generell den Gesetzen der FlieBgleichgewichte. In der Gesamtheit sind biologische Vorgange nicht reversibel. Ihre Erneuerung erfolgt immer iiber eine biologische Reproduktion, aber getrennten enzymatischen Wegen.
Verfahrensty p Chemisch-technische Verfahren konnen sowohl diskontinuierlich als auch halbkontinuierlich oder kontinuierlich ausgelegt werden. Die Auswahl richtet sich nach dem gewiinschten Produkt und der Produktmenge, auBerdem nach den Ausgangsstoffen, deren Reaktionsstufen und Reaktionsmechanismen. Fur biologische Systeme sind kontinuierliche Prozesse kennzeichnend, wenn man sie auf das Individuum bezieht. Kontinuierliche Prozesse bedingen ein FlieBgleichgewicht. Versorgung und Entsorgung miissen sich in der Balance befinden. Semikontinuierliche Vorgange sind dort anzutreffen, wo biologische Systeme fur technische Zwecke ausgenutzt werden, z. B. bei der Herstellung von Bioprodukten durch Mikroorganismen. In bestimmten Zeitintervallen muB ein Teil der Biomasse aus dem Nahrmedium entfernt werden.
Reaktionsprodukte Bei chemisch-technischen Reaktionen fallen Haupt- und Nebenprodukte an, die haufig durch aufwendige Operationen voneinander getrennt werden miissen. Ein unvollstandiger Reaktionsablauf zwingt zu technischen Kunstgriffen. Nicht umgesetzte Ausgangsstoffe miissen aus dem Endreaktionsgemisch abgetrennt werden und dann wieder als Reaktionskomponenten den Ausgangsstoffen zugesetzt werden. Bei biologischen Prozessen fallen relativ wenige Begleitstoffe an. Die Zelle belastende Stoffe werden automatisch ausgeschleust. Die ausgeschiedenen Stoffwechselprodukte der einen Spezies bilden in vielen Fallen die Nahrungsquellen fur andere.
133
Auf diese Weise stellen die biologischen Systeme insgesamt einfluides Recyclingsystem ohne Reversibilitat im Einzelorganismus dar.
Reaktionsflexibilitat Chemotechnische Reaktionssysteme sind inflexibel. Sie sollen es auch sein, da sie gemaB den vorgegebenen Bedingungen verlaufen sollen. Reaktionssysteme im biologischen Bereich sind flexibel. In bestimmten Grenzen pal3t sich der Metabolismus* einer Veranderung durch auRere Einfliisse an. Die Anpassung kann so weit gehen, daB sie zu einer Umorganisation der Organismenstruktur fiihren kann. Man spricht dann von einer Adaption**. Fiihrt die Adaption zu vererbbaren Verhaltensanderungen, dann ist es eine Mutation***. Um diese Vorgange zu verfolgen, miissen die Lebensdaten der Organismen nicht in willkiirlich definierten Zeiten angegeben werden, sondern in Generationsfolgen. Es sind die Generationsfolgen und die damit einhergehenden Veranderungen zu bestimmen.
Speicherung von Informationen Veranderungen in Technik und Natur beruhen auf Informationsiibertragung durch Signale, Im kulturell-sprachlichen Bereich liegen die Informationen in Worten, Satzen, Schriften und Bibliotheken gespeichert vor. Im stofflichen Bereich sind die Informationen durch die Struktur der Molekiile und Molekiilverbande verschliisselt. Fur die gesamte derzeitig iiberschaubare Materie gibt es dafiir 109 Elemente, d. h. Informationssymbole. Die moderne Technik bedient sich des Binarcodes und verschafft sich wegen der einheitlichen Wortlange schnell verschliisselbare Informationen. Analog verfahren biologische Systeme mit dem Triplettcode. Die Vielfalt der Kombinationen ist durch einen Triplettcode erheblich groBer als bei einem Binkcode. Das ist auch notwendig, um die biologische Komplexitat von einer Generation zur anderen weiter zu vermitteln (Abb. 2, Einfiihrung).
* **
***
metabole (grch.) Veranderung. adaptare (lat.) - anpassen an. mutare (lat.) - wechwln. verandern. ~
11 Grundbegriffe aus der Thermodynamik*
11.l Thermodynamische Zustande und Systeme Die Thermodynamik ist die Lehre von den inneren Energiezustanden von Stoffen oder Stoffsystemen. Zur Beschreibung der Energiezustande dienen ZustandsgroBen wie z.B. Temperatur T , Druckp, Volumen V , Masse m ,elektrische Spannung U , Stromstlrke I. Sie sind in der Regel leicht zu messen. Aus ihnen lassen sich mittels der thermodynamischen Zustandsfunktionen und -gesetze die thermodynamischen Daten, wie die Enthalpien, Entropien oder die Gleichgewichtskonstanten berechnen. Zu beriicksichtigen bei thermodynamischen Betrachtungen ist die Systemart. d . h. oh ein abgeschlossenes, geschlossenes, offenes oder adiabatisch** abgeschlossenes System vorliegt. Diese vier Modellsysteme konnen alle den gleichen Stoff beinhalten. Sie unterscheiden sich aber in ihren Abgrenzungen und der Beschaffenheit ihrer Wande. Abgeschlossene Systeme sind undurchlassig fur Stoffe, Arbeit und Warme. z.B. cine ideale Thermosflasche. - Geschlossene Systeme sind undurchlassig fur Stoffe und durchlassig fur Arbeit und Warme, z. B. Warmetauscher, Heizkorper. - Offene Systeme sind sowohl durchlassig fur Stoffe, als auch fur Arbeit und Warme, z.B. Verdampfer, Lebewesen, biologische Systeme. - Adiabatisch abgeschlossene Systeme sind undurchlassig fur Stoffe und Warme aber durchlassig fur Arbeit, (elektrische Energie, Strahlung), z.B. Akkumulatoren.
-
11.2 Kinetik* von Systemen Sowohl die thermodynamischen als auch die kinetischen Gesetze sind zur Beschreibung von chemischen Reaktionssystemen notig.
*
**
therme (grch.) - Wiirme; dynamis (grch.) Kraft. adiabenein (grch.) nicht hindurchgehcn; in dicsem Falle bedeutet das. dal5 keine Warme hindurchflieBt. ~
~
Die Thermodynamik beschreibt die Zustande eines Systems und vermag dann Zustande miteinander zu vergleichen. Die Kinetik gibt Informationen uber die Art und Weise von Systemveranderungen. Mit ihrer Hilfe konnen zusatzlich Tendenzaussagen uber einen Reaktionsverlauf gemacht werden. Die Kinetik versucht die Gesamtheit der Eigentumlichkeiten von Prozessen zu beschreiben. Im Vordergrund stehen dabei Aussagen uber Zeitabhangigkeit und Tendenz eines Prozesses. Wahrend also durch die Thermodynamik die energetischen und stofflichen Zustande eines Systems vor und nach einer chemischen Reaktion bestimmt werden, verfolgt man mit der Kinetik den VeranderungsprozeB in eincm festgelegten Zeitintervall. Als weitere Variable wird dafur die Zeit eingefuhrt. Der Parameter Zeit ist das Charakteristikum der Reaktionskinetik. An einem einfachen Beispiel moge das erlautert werden. Als Zustandsbeschreibung ist es unbedeutend, ob die Fullhlihe eines Glases mit einer Flussigkeit als halbvoll oder halbleer bezeichnet wird. Aus der Sicht der Kinetik bekommen diese Aussagen eine groBe Bedeutung. Von einem Glas zu sagen, dal3 es halb voll sei, bedeutet, da8 es der Tendenz nach voller wird und nicht leerer.
11 3 Die Verknupfung der Thermodynamik mit der Reaktionskinetik Die Briicke zwischen Thermodynamik und Reaktionskinetik bilden die van't Hoffsche** Reaktionsisotherme, Reaktionsisobare und die Reaktionsisochore.
* **
kinein (grch.) hewefen. Jaccobu\ Henricua van't Hoff (1852-191 I ) . niederliindischer Chemiker. 11.a.Profebsor in Berlin. Fur seine Unterwehungen dcr elektrolytischen DissoLiation und die Entdeckung deb Ge\etLe\ uber den osmoti\chen Druck in vcrdunnten Ldsungen erhielt er I901 den ersten Nobelpreis fur Chemie. ~
11 Grundbegriffe aus der Thermodynamik
Das Massenwirkungsgesetz ist einerseits definiert als der Quotient aus den Reaktionsgeschwindigkeitskonstanten der Hin- und Ruckreaktion (s. Abschn. 1-10.5). k, K.= k,
Andererseits stehen die Gleichgewichtskonstanten rnit den freien Reaktionsenthalpien durch folgende Gleichung in Beziehung: AG=-RTIn K
Hierin bedeuten AG die Anderung der freien Reaktionsenthalpie, R die universelle Gaskonstante, T die absolute Temperatur und K die Gleichgewichtskonstante. Aus dieser Gleichung lassen sich die van? Hoffsche Reaktionsisotherme, Reaktionsisobare und Reaktionsisochore herleiten* ( s . Abschn. I- 12.3).
11.4 Energiebilanzierung 11.4.1 Der HeBsche Satz Zur Charakterisierung und Bilanzierung von chernischen Reaktionszyklen sind nicht nur Stoffurnsatze, sondern auch die Energieurnsatze von groRem Interesse. Wahrend die Massenbilanzen von chemischen Reaktionen aufgrund der stochiornetrischen Gesetze relativ einfach aufzustellen sind, ist das Erstellen von Energiebilanzen schon schwieriger. Massenveranderungen konnen durch Massenbestimmungen, z. B. durch Wagen oder Volumenmessungen der Ausgangs-, Zwischen- und Endprodukte ermittelt und verfolgt werden. Energiebilanzierungen von chernischen Reaktionsablaufen stoaen auf zwei Schwierigkeiten. Die absoluten inneren Energieinhalte von Stoffen und Stoffsysternen sind von Natur aus nicht bekannt. Es konnen prinzipiell imrner nur die Anderungen der inneren Energie bestirnrnt werden. Eine zweite Schwierigkeit besteht darin, daR nicht jede Anderung der inneren Energie experirnentell nachvollzogen werden kann. Um Angaben uber Veranderungen von inneren Energien zu machen, rnussen die Ausgangsund Endzustande von Stoffen und Stoffsysternen vor und nach den chemischen oder physikali*
isos (grch.) - gleich, therme (grch.) - Warme. barns (grch.) - Schwere. isobar - gleicher Druck choros (grch.) - Volumen.
135
schen Prozessen genau definiert und beschrieben werden. Das erfolgt in der Regel durch die Angabe von Temperatur, Druck oder Volumen. Die Anderungen innerer Energien von Stoffsysternen konnen experirnentell uber die Bestimrnung von Reaktionswarmen, d. h. zum Beispiel iiber Ternperaturmessungen ermittelt werden. Dieser Methode liegt der HeRsche Satz von den konstanten Warmesurnrnen zugrunde. Er wurde 1840 von H. G. HeR* als Erfahrungssatz, vor der Formulierung des 1. Hauptsatzes der Thermodynarnik, ausgesprochen. Der HeJsche Satz besagt, daJ die aufgenommenen oder freigesetzten Reaktionswarmen von Stofimwandlungsprozessen nur vom Ausgangsund Endzustand des Stoffsystems abhangen und nicht von den Reaktionswegen, d . h . den einzelnen Reaktionszwischenstufen. Aufgrund des HeRschen Satzes ist es also rnoglich, auch Reaktionswarmen von experirnentell nur schwer zuganglichen Stoffumsatzen zu berechnen. Die Berechnungen von Bildungsenthalpien, Reaktionsenthalpien und freien Bildungs- und Reaktionsenthalpien basieren auf dern HeRschen Satz und den therrnodynarnischen Daten.
11-42 Erster Hauptsatz der Thermodynamik** Nach dern Energieerhaltungssatz kann Energie weder gewonnen werden noch verloren gehen. Eine Energieform kann nur in eine andere umgewandelt werden. Eine Sonderstellung nirnrnt die Warmeenergie ein. Sie IaRt sich nicht vollstandig in andere Energieformen, wie Volumenarbeit, chernische Energie, elektrische Energie u. a. iiberfiihren. Ein Restbestandteil bleibt im System
* H.G.Hel3 (1802-18.50), russischer Chcmikcr und Professor an der Universitlt Petersburg. Mediziner in Heilbronn,crkannyon mechanischer te 1842 ala erster das Aquivalen~prin~ip Energie und Wimeenergie. Er berechnete das mechaniache Warmeiiquivalent. J . P. Joule ( I 8 I8 -I 889) war Brauereibesitzer und splter Prasident der Literary and Philosophical Society in ManChester. Durch die verschiedensten experimentellen Untersuchungsmethoden gelang es ihm 1843, den Zahlenwert fur das mechanische Wlrmeiquivalent exakt anzugeben. Unabhangig von Mayer definierte er klar das Energieprinzip. H. von Helmholtz (1821-1894), Militararzt und spdter Inhaber eines Lehrstuhls fur Physik an der Universitat Berlin. sprach 1847 den Zusammenhang zwischen dem Energieprinzip und der Unmoglichkeit eines ,.Perpetuum mobile" aus. Damit war der 1 . Hauptsatz der Thermodynamik als Erfahrungssatz formuliert .
** J . R . Mayer (1814-1878).
136
I Chemische Grundlagen
immer als ,,gebundene Energie" nicht umwandelbar. Dagegen lassen sich alle ubrigen Energieformen vollstandig in Warmeenergie umsetzen. So wie jeder Stoff und jedes Stoffsystem durch die systemeigenen GriiBen Masse und Volumen gekennzeichnet sind, besitzen sie auch ihre systemeigene Energie u . Wie Masse und Volumen, ist auch die innere Energie eine ZustandsgroBe und hangt von den Zustandsvariablen ab: Temperatur Volumen Druck Masse u
V
P m
Unter innerer Energie ist der gesamte Energievorrat eines Systems aufgrund seiner Zustandsvariablen (innere Parameter) zu verstehen. In der chemischen Therrnodynamik sind der Arbeits- und Warmeaustausch bei Stoffumwandlungen mit der Umgebung von besonderem Interesse. Im 1. Hauptsatz der Thermodynamik, der ebenfalls ein Erfahrungssatz ist, ist die Anderung der inneren Energie eines Systems mit den zuoder abgefuhrten Warmeenergien y und den ubrigen Arbeitsenergien w in Zusammenhang gebracht worden. Mit dem 1 . Hauptsatz wird die Sonderstellung der Warmeenergie gegenuber allen anderen Energieformen, wie elektrische Energie, magnetische Energie, Strahlungsenergie, mechanische Energie u. a. herausgestellt. Im Gegensatz zu allen ubrigen Energieformen laat sich die Warmeenergie nicht vollstandig in andere Energien uberfuhren. Er beschreibt ein Naturgesetz und zeigt ein Problem unserer technischen Energieversorgung an. Der 1.: Hauptsatz der Thermodynamik besagt, daB die Anderung der inneren Energie gleich der Summe der einem System in Form von Warme und/oder Arbeit zu- oder abgefuhrten Energie ist. Die mathematische Formulierung lautet
+
Aw
(1)
Unter Berucksichtigung von differentiellen Anderungen* der inneren Energie eines Systems gilt die Schreibweise
*
+ dw
(2)
Bei chemischen Reaktionen tritt anstelle der Arbeit haufig die Volumenarbeit dw = -p. dv du = dq - p . dv
(3)
Fur Reaktionssysteme, die bei konstantem Volumen, d. h. dv = 0, ablaufen, gilt demnach du = d q
T
= f ( T ; v; m) und u = f ( R p : m )
Au = Aq
du = dq
Mit differentiellen Anderungen sind aolche gemeint. die nur sehr geringe Zustandsanderungen bewirken oder in sehr kleinen Teilschritten erfolgen. Mit ihnen lasren sich reversihle Prmesse nachvollziehen. und sie kKnnen mit Hilfc von L)iffert.ntialgleichungen rnathematisch beschrieben werden.
Die dem System zu- oder abgefuhrte Warme macht sich vollstandig in der Anderung der inneren Energie bemerkbar. Chemische Reaktionen, die bei konstantem Druck ablaufen, spielen in der Natur wie auch in der Prozelitechnik eine groBe Rolle. Bei diesen muB also die erbrachte Volumenarbeit, haufig auch Volumenenergie genannt, bei der Berechnung von Reaktionswarmen mitberiicksichtigt werden. Bei isobaren Prozessen werden die Andemngen der inneren Energie und der Volumenenergie zu einer neuen ZustandsgroBe, der Enthalpieunderung* dh, zusammengefaljt. dh = du
+p
. dv
(4)
11.43 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik Der 1 . Hauptsatz bringt die Sonderstellung der Warmeenergie zum Ausdruck. AuBerdem macht er eine Aussage uber die Umwandelbarkeit von mechanischer Energie in Warmeenergie und umgekehrt. Er macht aber keine Aussage dariiber. welcher Anteil der Warmeenergie sich in mechanische Energie umwandeln laBt und in welche Richtung derartige Vorgange verlaufen. Fallt ein Korper von einem hoheren Niveau auf ein niedrigeres, so wird die potentielle Energie in kinetische Energie uberfuhrt, und letztere wandelt sich beim Aufprall in Warmeenergie um. Dieser Vorgang verlauft freiwillig. Die umgekehrte Richtung ist nicht moglich. Fur alle freiwillig ablaufenden Vorgange ist somit eine ganz bestirnmte Richtung vorgegeben. *
Enthalpcin (grch.) - erwiirmcn. - Diese GroUe wurde 1850 von Rudolf Clauhiur (1822-1888) eingefihrt. Er war Phyaikprofeasor an den Universititen Berlin, Wurrhurp wwie Bonn und an der ETH Zurich. Er prigte auch den Ausdruck der inneren Energie.
1 1 Grundbegriffe aus der Thermodynarnik
Ebenso geht W-eenergie immer nur von einem wbneren Korper zu einem kalteren iiber. R. Clausius' und W. Thornsen** faBten diese Erfahrungen 1850 zu einer allgemeinen Aussage als Zweiten Hauptsatz der Thermodynamik zusammen: Es ist unmoglich, periodisch Arbeit auf Kosten von Warmeenergie zu gewinnen, ohne ahJ diese gleichzeitig von einem warmeren auf ein klilteres ReservoirjlieJt. Zur Bestimmung desjenigen Anteils der Wiirmeenergie, der sich unter vorgegebenen Bedingungen nicht in mechanische Energie (z.B. Arbeit) uberfiihren l u t , ist von R. Clausius 1865 der Begriff der Entropie*** eingefuhrt worden. Damit war die mathematische Formulierung des zweiten Hauptsatzes moglich geworden.
137
Entropie als Man der Zustandswahrscheinlichkeit Die einem System zugefiihrte W-eenergie kann sich z. B. durch Temperaturerhohung, Schmelzvorgange und Verdampfungen auBern. Diese Vorgange sind immer mit einer Zunahme der molekularen Unordnung verbunden. Fiihrt man einem System (Korper) einen bestimmten Wbnebetrag dq bei einer konstanten Temperatur T zu, z.B. zum Schmelzen eines Feststoffes bei der Temperatur T , so erhoht sich nach der Gleichung dq = T.ds,
&=dq T
11.4.4 Entropiebegriff Die Entropie, S, kann als der Kapazitatsfaktor der thermischen Energie (Wbneenergie) aufgefaBt werden, wahrend die Temperatur der Intensitatsfaktor ist. Die therrnische Energie setzt sich aus dem Produkt dieses Kapazitats- und Intensitatsfaktors zusammen. = Kapazitatsfaktor Energie Thermische = EntropieEnergie menge
= s
¶
x x
Ternperatur Ternperatur
As>O
. T
Fur differentielle Anderungen gilt also d9
= s
dT
d9
= T
ds
(5)
Durchflieljt eine gegebene Entropiemenge s ein Temperaturgefalle dT, so wird dabei die thermische Energie dq frei. Die Einheit der Entropie ist Joule durch Kelvin (J K-'). Die Entropie ist ebenfalls e k e ZustandsgroBe. Das bedeutet, daB jedes System, genauso wie es eine Masse, ein Volumen, eine Temperatur oder eine innere Energie besitzt, auch durch eine bestimmte Entropie charakterisiert ist. s = f ( T ; v ; rn) und s = f ( T ; p ; rn)
*
** ***
auch die Entropie urn den Betrag ds. Die Entropie kann somit auch als ein Ma8 fur die Unordnung eines Systems angesehen werden. In der Natur sind ungeordnete Zustande wahrscheinlicher als geordnete. Da freiwillig ablaufende Vorgange sich immer von einem geordneten in einen ungeordneteren Zustand vollziehen, sind sie immer mit einer Entropiezunahme verbunden.
R. J. E. Clausius (1822-1888). Physiker und Professor in Zurich, Wiirzburg und Bonn. Mitschopfer der mechanischen W h e t h e o r i e . W. Thomsen (Lord Kelvin; 1824-1907), Physikprofessor in Glasgow. entrepein (grch.) - umkehren.
Hieraus folgt eine weitere Formulierung des 2 . Hauptsatzes. Bei freiwillig verlaufenden Vorgangen erhoht sich stets die Entropie des Systems und strebt einem Hochstwert zu. Bei abgeschlossenen Systemen, die mit ihrer Umgebung weder in einem Stoff- noch Energieaustausch stehen - ist im Gleichgewichtszustand die Entropieanderung gleich Null. ds = 0
Reaktionsentropie Jeder Stoff besitzt einen ganz bestimmten Entropieinhalt, der unter definierten Zustandsbedingungen exakt angegeben werden kann. Entsprechend kommt auch den Reaktanden eines Ausgangsgemisches eine bestimmte Entropie zu, die sich aus der Summe der Entropien der einzelnen Reaktanden zusammensetzt. Das gleiche gilt fur die Endstoffe eines Reaktionssystems. Die Anderung des Energievorrates wiihrend der Reaktion, die Reaktionsentropie, ist also gleich der Differenz aus den Summen der
138
I Chemische Grundlagen
Entropien der Endstoffe und den Summen der Entropien der Ausgangsstoffe* . AS = Z tiESki- Z n,,, S ,
(7)
11.45 Freie Reaktionsenergie und freie Reaktionsenthalpie Chemische Reaktionen sind immer mit Energieumsatzen verbunden, die sich in freiwerdenden oder aufgenommenen Reaktionswarmen BuRern. Ein Teil dieser bei Stoffurnwandlungen umgesetzten Warmeenergien lafit sich in die verschiedensten Energieformen, also in Nutzarbeit wNutroder elektrische Arbeit umwandeln, wahrend ein anderer Teil nur als Warme an die Umgebung abgegeben wird und nicht in Nutzarbeit uberfuhrt werden kann. Die umgesetzten Reaktionsenergien bei chemischen Prozessen setzen sich aus einem freien Energieanteil, der als Arbeit genutzt werden kann, und aus einem gebundenen Energieanteil, das ist diejenige Wmeenergie, die nicht in Arbeit umgewandelt werden kann, zusammen. Reaktions- = freie Reaktionsenergie energie A1lRerltiwi
=
Reaktionsenergie
+ AqC2chrlnct~.n
= T.ds
lautet die mathematische Formulierung dUReaktlon = dcc’,,,,
-t
7 ’ ds
Das ist die Reaktionsenergie fur einen isothermisochoren Reaktionsablauf. Da die freie Reaktionsenergie wichtige Aussagen iiber die Triebkraft von isotherm-isochoren Prozessen macht, wird sie durch das Symbol f ** hervorgehoben: du df
*
**
= df = du
+ -
T,ds 7 . d ~
dh = du
+ p.dv
Auch in diesem Fall setzt sich die Anderung der Reaktionsenthalpie aus einem freien Teil, der freien Reaktionsenthalpie mit dem Symbol g und dern gebundenen Tei1.zusammen. Fur differentielle Anderungen lautet die Gleichung dhRcau,,,,,
= dh,,, + dhgc~Lx,,,c,,
dh,,,,
= dg It. Definition
( 1Oa)
Aus dem ersten Hauptsatz lafit sich fur isotherme Prozesse herleiten
du
Fur differentielle Anderungen und unter Beriicksichtigung des 2 . Hauptsatzes dq
Fur chemische Reaktionen, die isobar verlaufen, wurde die Anderung der inneren Energie u und die dabei zu verrichtende Volumenarbeit zu einer neuen ZustandsgroIJe zusammengefafit, s. auch G1. (4).
= dw =
+ p.dv
+ dq
-p . dv
+
T . ds
= T.ds
(8)
Aus den dargelegten Uberlegungen und dem 1. Hauptsatz folgt =
f = f ( T : 1’; u ) .
drr d11
+ gebundene + Aq!,,,”,,,,,,
A’frc,
J’ist ebenfalls eine Zustandsfunktion.
(9)
Die mathematische Gleichung fur die freie Reaktionsenthalpie kann man demnach schreiben als, wenn GI. 10b in GI. 10a eingesetzt wird dhR,;,,,,,,, = dg
+
T . ds
dl:
-
T . ds
(11)
Fur isotherm-isobare Vorgange ist die freie Reaktionsenthalpie diejenige Nutzarbeit, die eine chemische Reaktion auf Kosten ihrer inneren Energie unter Beriicksichtigung der Volumenarbeit zu verrichten vermag. Die Gleichungen (9) und (1 1 ) df dX
= du - T . ds und = dh - T.d.5
sind unter dem Namen Gibbs*-Helmholtzsche Gleichungen oder thermodynamische Zustdndsfunktionen bekannt.
* Index .,E‘ steht fur die Endstoffe und ..A‘ fur Ausgangsstoffe. n ist die Stoffmenge in mol der an drr Reaktion heteiligten Komponenten. Nicht LU verwechseln mit Beseichnung fur Funktionen. z.B.,f(x) = x’.
= dh
J . W. Gibha (1839-190.1). Professor fur mathem. Physik an dcr Yale-UnivcrsitaUUSA. Er gehorte zu den maageblichen Begandern drr Thermodynamik und fuhrte thermodynamische Berechnungen chemischer Vorglnge auf hreiter Basis durch. Er stellte die Phasenregcl fur heterogene Gleichgewichtszustlnde auf.
11 Grundbegriffe aus der Thermodynamik
Sie sind die Fundamentalgleichungen der chemischen Thermodynamik. Mit ihrer Anwendung konnen die Nutzarbeiten chemischer Reaktionen berechnet werden. Die Berechnung dieser thermodynamischen GroBen erfolgt uber die Bestimmung der kalorischen GroBen wie Reaktionsenergie, -enthalpie und -entropie, die wiederum auf Messungen von Temperatur-, Druck- und Volumenanderungen beruhen. Je nachdem, ob bei chemischen Reaktionen Enthalpien vom Reaktionssystem abgegeben oder aufgenommen werden, d. h. ob sie negativ oder positiv sind, spricht man von exothermen Reaktionen oder von endothermen Reaktionen
Ah = (-) Ah = (+)
139
Zwischen den Molwbnen von idealen Gasen fur isobare und isochore Temperaturanderungen besteht die Beziehung C" - c,. = p . d V
Fur pdV folgt aus der thermischen Zustandsgleichung fur ideale Gase bezogen auf 1 mol pV p.dV
=RT = R.dT,
laut Definition der M o l w m e ist dT = 1 K, und somit ist p.dV
= R
J C,. = R = 8 , 3 1 mol . K
Prozesse mit negativen freien Reaktionsenthalpien heil3en exergonisch, die mit positiven freien Reaktionsenthalpien werden endergonisch genannt.
C,
exergonisch endergonisch
11.4.6 Berechnung von Enthalpien und Entropien
Werden die Stoffumsatze immer auf 1 mol einer jeweiligen Reaktionskomponente bezogen, dann werden anstelle der kleinen Buchstaben fur die Symbole groRe Buchstaben verwendet. Die Gibbs-Helmholtzschen Gleichungen lauten demnach fur molare Umsatze:
Unter Bildungsenthalpie wird diejenige Bildungswbne verstanden, die bei der Bildung chemischer Verbindungen aus den Elementen unter isobaren Bedingungen von diesen aus der Umgebung aufgenommen oder an diese abgegeben wird. Sie wird bei molarem Umsatz mit dem Symbol ABH bezeichnet. Jeder Stoff hat einen bestimmten inneren Energieinhalt. Die absoluten Werte dieser inneren Energie sind nicht .bekannt. Wie schon erwiihnt, konnen nur die Anderungen der Energieinhalte gemessen oder berechnet werden. Es kann bei Stoffumsatzen bzw. Stoffveranderungen nur ermittelt werden, ob von den Reaktionskomponenten Wkneenergien abgegeben oder aufgenommen werden. Urn zu vergleichbaren BezugsgroBen zu gelangen, werden die inneren Energien aller chemischen Elemente vereinbarungsgemiiI3 gleich Null gesetzt . Kommt ein Element in verschiedenen Modifikationen vor, wird unter den jeweiligen Zustandsbedingungen die stabilste Modifikation als Bezugselement ausgewahlt, z. B. f i r Kohlenstoff Graphit. Fur die Standardbildungsenthalpie,d. h. unter den Bedingungen bei p = 1,013bar des gilt also ABHn,,, = 0. Kohlenstoffs CGraphit Daraus ergibt sich fur den Kohlenstoff in der Diamantmodifikation CDiamant
AF
= A U - T.AS AG = AH- T.AS
oder fur differentielle Umsatze d F = dU - T ' d S dG = dH - T . d S
Der Zusammenhang zwischen der freien Reaktionsenergie und -enthalpie besteht iiber die Volumenarbeit bzw. uber die Nutzarbeit. Unter Beriicksichtigung von d f i = dU
+ p.dV
gilt: dG = dU
dF = d U dG
-
+
p.dV- T'dS - T.dS
d F = p . d V = dWN,,,
(12)
Analog gilt fur den Zusammenhang zwischen der Reaktionsenthalpie und -energie dH
-
dU = p * d V
(13)
-
(s. Abschn. 11-3.5).
ABH0Z9R =
+ 1,8966 J/mol
140
I Chemische Grundlagen
Um die Bildungsenthalpien der verschiedensten chemischen Verbindungen miteinander vergleichen zu konnen, mussen auch die Zustandsbedingungen, namlich der Druck und die Temperatur, angegeben werden. Hier wird zwischen den Standardbildungsenthalpien &HOT und - den Normalbildungsenthalpien &HoZYK
und der Summe der molaren Bildungsenthalpien der Ausgangsstoffe
zn,ABHoZYH
Au5g.,ng,rtc,ffr
AKHoZUX = Z n,A,H"ZUx- Z n,ABHoZyX Cnd,tolfe
(15)
Au%g.mg%\tofte
-
unterschieden. Die Standardbildungsenthalpie bezieht sich immer auf einen Druck von 1 ,013 bar, wobei die Bezugstemperatur T als Index anzugeben ist. Die Normalbildungsenthalpie ist immer auf einen Druck von 1,O 13bar und eine Reaktionstemperatur von 298,15 K bezogen. Die Bildungsenthalpien werden in der Regel kalorimetrisch ermittelt. 1st dies nicht moglich, konnen sie aufgrund des Heljschen Satzes unter Hinzuziehen der Reaktionsenthalpien errechnet werden. Beispiel: Die Normalbildungsenthalpie von Wasser aus den Elementen Wasserstoff und Sauerstoff wurde kalorimetrisch bestimmt.
Beispiel: Berechnung der Reaktionsenthalpie fur die Verbrennung von Hexan rnit Luftsauerstoff 2 GH14i1i+ 19 0
~
g
i
-
12 COz,e)+ 14 HZOII,
Bildungsenthalpien A s p z y X linke Seite: 2 . (-198,82) kJ/mol + 19. (0) kJ/mol rechte Seite: 12. (-39331) kJ/mol + 14. (-285,83) kJ/mol Summe der Bildungsenthalpien I:n,ARL'0298., Ausgangsstoffe: -397,64 Hlmol
Endstoffe: -8723.74 kJlmo1
Reaktionsenthalpie ARH'IY, ena an = -8723,4 kJ/mol - (-397,64 kJ/mol) = -8326,l kJ/mol Da laut Reaktionsgleichung von 2 mol Hexan ausgegangen wurde, muR der Wert der Reaktionsenthalpie durch 2 dividiert werden, urn die molare Reaktionsenthalpie zu erhalten.
Bestimmung von Reaktionsenthalpien Die Reaktionsenthalpien konnen entweder experimentell rnit kalorimetrischen Methoden ermittelt oder aus den Bildungsenthalpien berechnet werden. Und zwar miissen die Bildungsenthalpien der Ausgangsstoffe und der Endstoffe eines chemischen Reaktionssystenis bei gleichen Zustandsbedingungen bekannt sein. Unter Anwendung des Hebschen Satzes ist die Reaktionsenthalpie gleich der Differenz der Summe der molaren Bildungsenthalpien der Endstoffe
zn,ABH02yX.
**
E ~ ~ . L < ~ I I ~
* **
Die Indizes g. I und s stehen fur die Aggregatmstande gasformig. tlussig (liquid) und fest (solid) eines Stoffes. Der Index .,i" steht fur die jeweilige Reaktionskomponente.
8326,l kJ kJ/mol A ~ H= ~ ) ~ ~ = -4163 ~ 2 mol ~
Berechnung der Bildungsenthalpie LaSt sich die Bildungsenthalpie einer Verbindung nicht so ohne weiteres experimentell ermitteln, kann man sie unter Hinzuziehen der Reaktionsenthalpie berechnen, wenn die Bildungsenthalpien der ubrigen Reaktionskomponenten bekannt sind. Beispiel: Berechnung der Bildungsenthalpie fur Brenztraubensaure Die Verbrennungsreaktion von Brenztraubensaure verlauft nach folgender Reaktionsgleichung: 2 CH,-C-COOH(l) II
0
+ 5 02(,)
-
6 CO2(,i + 4 HzOoi
141
1 1 Grundbegriffeaus der Thermodynamik
Die Bildungsenthalpie von Wasser ist
In der Umkehrung dieser Aussage bedeutet das, daB fur Temperaturen oberhalb Null Kelvin fur jeden Stoff ein Entropiewert existieren muB. Die mathematische Formulierung des 3. Hauptsatzes lautet
ABHnz,, = -285,83 kJ/mol
limS = 0
Die Reaktionsenthalpie betragt ARHoZsX= -1168 kJ/mol.
(16)
T-0
und von Kohlenstoffdioxid ABHn,,, = -39331 kJ/mol.
Auf der Basis des HeBschen Satzes lautet die mathematische Gleichung f i r die Normalreaktionsenthalpie der Brenztraubensaure* :
Der 3. Hauptsatz macht verstandlich, warum rnit dem Entropieinhalt eines Stoffes unmittelbar der Temperaturbegriff verknupft ist. Der 3. Hauptsatz ist auch unter der Bezeichnung ,,Nernstsches Wiirmetheorem" in die Thermodynamik eingegangen*.
2 &H"zYx.BTS = 6 ABH"zY,,KD + 4 ABH'Z,~.w - 2 A B H ~ ~ Y ~ ~ . B T S
Gesucht ist die Bildungsenthalpie fur Brenztraubensaure, BTS. Entsprechend wird diese Gleichung umgestellt: 2 ABH"ZY,. BTS = 2 ABH*Zyx.eTS = 2 ABH"2,,. B~~ = 2 ABHo2,,, BTS = ABH'~,,, BTS =
- 2 ARHOm,. el-s + 4 ABH~ZY,, w 6 ABH'z,,, KD 6 (-39351 kJ/rnol) + 4 (-285,83 kJ/rnol) - 2 (-1168 kJ/mol) + 2336 kJ/mol - 1143,3 kJ/mol -2361 ,I kJ/rnol -1 168,4 kJ/mol -584,2 kJ/mol
Der 3. Hauptsatz - Berechnung der Reaktionsentropie
Die molare Reaktionsentropie errechnet sich also nach folgender Gleichung
Die Reaktionsentropien konnen nach dem gleichen Rechenverfahren ermittelt werden wie die Reaktionsenthalpien, wenn die Entropiewerte der einzelnen Ausgangs- und Endstoffe einer chemischen Reaktion bekannt sind. Im Gegensatz zu den Enthalpien wird hier rnit den absoluten Entropiewerten der Reaktanden gerechnet. Auch die chernischen Elernente besitzen bei den jeweiligen Zustandsbedingungen bestimrnte Entropiegehalte. Dieser Tatbestand ist auf den 3 . Hauptsatz der Thermodynamik zuriickzufuhren. Er besagt, daB die Entropien aller Stoffe im Idealfall mit fortschreitender Ann2herung an den absoluten Nullpunkt dem Wert Null zustreben.
AB9298
Es wird ebenfalls wieder zwischen Standardund Nonnalreaktionsentropien unterschieden . Beispiel: Berechnung der Reaktionsentropie fur die Verbrennung von Hexan 2 ChH14(1, + 19 OzcU,
-
12 COZca,+ 14 H20c1)
Die Nonnalentropien sind n,5"so,,,.,, in J/(mol * K)
*
Wasser.
ni9298.,u,$ang~~totfe
(17)
2 . (296)
* BTS Brenztraubensaure: KD Kohlenstoffdioxid; W
= z n,pZY8,End\roffe -
19. (205,033
-
12. (21359)
14. (6991)
W. Nernst (1864-1941), Professor fiir physikalische Chemie in Gottingen und spater fur Experirnentalphysik an der Universitat Berlin. 1906 wurde van ihm der 3 . Hauptsatz ausgesprochen und 1911 von dem deutschen Physiker M . Planck mathernatisch definiert. M. Planck (1858-1947), Professor fur theoretische Physik an der Universitat Berlin.
142
I Chemische Grundlagen
Die Surnrne der Norrnalentropien Z n,S)r9x,, Daraus folgt fur die freie Reaktionsenthalpie ist fur Ausgangsstoffe:
Endstoffe:
448737 J/(mol K)
354 1 $2 J/( mol K)
Die Reaktionsentropie betragt:
AnS)2qx= 3541.82
-
4487,57
= -945.75 J/(mol K) bzw. auf I Mol bezogen =
4.4728 kJ/(K. rnol)
Berechnung der freien Bildungs- und Reaktionsenthalpie Wie bei den anderen therrnodynarnischen Zustandsgroaen dienen als definierte BezugsgroBen die
AKG”25)X = -8052,84 - (-8.56) = -8044.28 kJ/mol
bzw. auf 1 mol bezogen -4022,14 kJ/rnol. Die Standard- und Norrnalwerte fur die Bildungs- und Reaktionsenthalpien sowie fur die entsprechenden Bildungs- und Reaktionsentropien und die freien Bildungs- und Reaktionsenthalpien sind, soweit sie bekannt sind, in Tabellenwerken fur therrnodynarnische Daten aufgefuhrt. Aus der Gibbs-Helmholtzschen Gleichung (Gl. 11) kann sehr einfach der gebundene und der freie Anteil der Reaktionsenthalpie errechnet werden.
freien Standardbildungsenthalpien A , d ’ , und die + gebundene Reaktions- = freie freien Norrnalbildungsenthalpien ARG02LJX enthalpie ReaktionsReaktionssowie die enthalpie enthalpie freien Standardreaktionsenthalpien ARC0, und die - 4163,05 kJ/mol freien Normalreaktionsenthalpien A,6’,,, = - 4022,14 kJ/mol + 298.15 K . (- 0,47288) kJ/(K rnol) Die freien Bildungsenthalpien der chernischen Elernente sind definitionsgemaa wieder gleich - 4 163.05 kJ/mol Null gesetzt. = - 4022,14 kJ/mol - 140,99 kJ/mol Es konnen nur die Anderungen der freien Bildungs- oder Reaktionsenthalpien bestirnrnt werBei der Verbrennung von 1 mol Hexan, das den. Absolute Werte gibt es nicht. Sind die freien sind 86g, werden bei einer Ternperatur von Bildungsenthalpien der Ausgangs- und Endstoffe 298,15 K 4163 kJ Wiirmeenergie freigesetzt. eines Reaktionsablaufs bekannt, so gilt wieder Von diesen lassen sich theoretisch 4022 kJ unnachstehende Gleichung fur die Berechnung der rnittelbar in Nutzarbeit umsetzen. 141kJ konnen rnolaren freien Reaktionsenthalpie. nicht in Arbeit urngewandelt werden. Vergaserkraftstoffe enthalten betrachtliche AR@29x = niABC2’2c,H. - n,ABG’29x. (18) ~.ndbtl,rrc A””gil,lg,Anteile Hexan. Nirnrnt man an, daa reines Hexan ,l<,llr als Kraftstoff verwendet wird, so werden bei der Verbrennung von 1 kg Hexan Beispiel: Berechnung der freien Reaktionsenthalpie fur 4163 kJ . 1000 g die Verbrennung von Hexan = 48 407 kJ 86 g
Die freien Normalbildungsenthalpien betragen n,ABd’zex,,(in kJ/rnol) 2 . (4,28)
19. (0)
-
12 . (-394,36) 14 ’ (-237.18)
Die Surnrne der freien Normalbildungsenthalpien Ausgangsstoffe:
Endstoffe:
-8,56 kJ/mol
-8052.84 kJ/mol
an Verbrennungswiirme freigesetzt. Von diesen lassen sich 141 kJ . 1000 g
= I640 kJ
86 g
nicht in Nutzarbeit urnsetzen.
143
11 Grundbegriffe aus der Thermodynamik
Berechnungen der Verbrennungsenthalpien von Kohlenstoff, Kohlenstoffverbindungen und Wasserstoff und der entsprechenden Heizwerte Der Heizwert ist diejenige W h e m e n g e , die bei der Verbrennung eines Brennstoffes frei wird. Sie errechnet sich aus der Verbrennungsenthalpie und wird im allgemeinen auf 1kg Brennstoff bezogen. Man unterscheidet zwischen einem unteren Heizwert, Hu, und einem oberen, Ho. Der untere Heizwert gibt die freiwerdende W h e m e n g e pro Kilogramm Brennstoff an, bei der Wasser noch als Dampf vorliegt. Der obere Heizwert ist auf flussiges Wasser bezogen, d.h. auf eine Temperatur von 298K. Der obere Heizwert unterscheidet sich von dem unteren urn den Betrag der Verdampfungsenthalpie des Wassers und der w&rend der Abkuhlung auf 298 K freiwerdenden Warme. In Tab. 1-16 sind die oberen Heizwerte einiger Energietrager angegeben. Folgende Reaktionsgleichungen dienten als Basis zur Berechnung der Verbrennungsenthalpien und der oberen Heizwerte:
-
1. Wasserstoff 2H, + 0,
CH4
+
202
3. Hexan
+
2C,H,,
4. Ethanol 2CzHsOH
190,
+
602
5.Cellulose [C,H,(OH)sI, + 6n 0,
6. Glucose C,H,(OH),
+
7. Kohlenstoff LC,L
+
6n02
60,
-
2H20
-
14H,O
-
6HzO
-
5nH2O
-
-
Berechnung der Bildungsenthalpiefur Methylengruppen cow +
2b
Kohlenstoffmonoxid
Wasser stoff
+
CO,
(AH = -890,4 kJimol)
+
12C0,
g ,
-
=
4COz
(AH = -1366,9!dimol)
+
6nCO2
(AH = -2846.7 kJ/rnol)
6H,O
+
6C0,
(AH = -2825.0 kUmol)
6nC0, (AH = -3935 kllmol)
Methylengruppen
Wasser
-165,O kJ/mol bezogen auf 1 mol
Methylengruppen
ARHsZs,,,20= -243.8 kJ/mol ARHs2s,r0 = -1 10,04 kJ/mol ARHs25,c02=,-394,22 kJ/mol AnHszs,~, = 0 ARHSX,C = 0 ARHSZ~ = ~ B H S Z S . C H ~ + ~ Eo-AsHszs,co HSZS.H AEHSZ~,C = H~~R ~ S Z S - ~ E H S ~ S , H ~ O + ~ ~ ARHszS,cH, = -165 - (-243,8) + (-1 10.04) ARHszS.CH2 = -3 1,2 kJ/mol bezogen auf I mol
Methylengruppen
(AH = 4163.0kYmol)
+
(43Iz-hg) + H20,g)
Die Reaktionsenthalpie fur diese Reaktion wurde expenmentell aus der Fischer-Tropsch-Synthese ermittelt. AKHSz5
2 H,O (AH = -2858 kJimol)
2. Methan
Den hochsten Heizwert hat Wasserstoff. Die Hohe der Heizwerte von Kohlenwasserstoffverbindungen wird wesentlich von dem Verhaltnis Kohlenstoff- zu Wasserstoffgehalt bestimmt. Je groRer der Anted des Wasserstoffs, desto hoher ist auch der Heizwert eines Brennstoffes. Am niedrigsten ist, unter den in der Tabelle aufgefiihrten Substanzen, der Heizwert der Glucose. Das ist auf den relativ hohen Sauerstoffanteil im Glucosemolekul zuriickzufiihren. Da Glucose der Baustein fur die Cellulose ist, liegt auch der Heizwert des Holzes im Vergleich zu Kohle und reinen Kohlenwasserstoffen, wie sie im Erdol vorkommen, relativ niedrig (Tab. 1-16).
Berechnung der Reaktionsenthalpie fur die Hydrierung von Kohlenstoff zu Kohlenwasserstoffen Folgende theoretische Bruttoreaktionsgleichung wird als Berechnungsbasis zugrunde gelegt: 3 C,, + 2 HzOCg) Kohlenstoff
Wasserdarnpf
0
2 (-243.8)
-
-
2 (4Hz-)
Kohlenstoffdioxid
2 (-3 I .24)
-394.22
ARHSZS= 2 AEH~ZS.CHZ + A~H525.co2- 243H525.~20 A,HS2=, = 2 (-31 24) + (-394,22) - 2(-2433) ARHS2, = -62,48 - 394,22 + 487,6 A,H,,,
= +30,9 kJ/mol
144
I Chemische Grundlagen
Die Bildungsenthalpien fur gasformiges Wasser, fur Kohlenstoffmonoxid und Kohlenstoffdioxid bei der Temperatur von 525 K wurden den
speziellen Stoffwertblattern fur thermodynamische Daten von M. Schonberg, Hoechst AG, entnommen.
Tab. 1-16. Vcrgleich von Heizwerten einiger technischer und biologischer Encrgictriigcr.* Brennstoff
Rildungsenthalpie, &H [kJimol]
Verbrennungsenthalpie. AH [kJ/mol]
Molmasse
Oberer Heizwert Ho [kJ/kgl Brennstoff
Wasserstoff, H,
0
- 285 ,YO
2
142950 ,O
Methan, CH,
-74,8
- 890,40
16
55 650.0
Hexan, C,H,,
-
-4 163,OO
86
48 407 ,O
Benzol, C,H,
- 82,8
- 3 135,70
78
40 20 1 ,O
Polyethylen, +H2C$;,
-31,2
- 648.20
nx(14)
46 607 ,O
Palmitinsaure, H 3C f CH,S;4COOH
-917,6
- 9 953,OO
256
3XX78,O
Capronsaure, H,C f CHlACOOH
-581.6
- 3 49s
,oo
116
30300.0
Kohlenstoff, [C6ln
0
6 n x (- 39350)
n x (72)
n x 32 792.0
- 277,6
- 1366,40
44
29 705 ,O
Methanol. H,C-OH
-238,7
-726.51
32
22 703,4
Alanin H,C-CH2-OH
-556.6
- 1656.00
89
18400,O
-36,6
-I
n x (62,7)
19000,0
Glycerin, H2C-CH -CH2 I t I OHOH OH
-659.8
- 1 664.40
92
I8091,O
Cellulose, [C,H,(OH),],
- 943 ,O
nx(-2846,230)
11x162
n x 17572,O
Glucose, C,H,(OH),
-
- 2 825,OO
180
15667,O
- 283,OO
28
10 107,O
-
-
l0000,O
Ethanol, H ,C -CH2-
OH
198,s
I
NH, PVC,
129,60
IH2c-I;T
Kohlenstoffmonoxid, CO Hausmull, C, H, 0,N , P, S ~~
*
~
1256,O 110,s
-
~~
Beim Polyethylen und Polyvinylchlorid, PVC, handelt es sich um Mittelwerte, da die Polymerketten nicht einheitlich lang sind. Auch beirn Hausmull ist die Zusammensetzung sehr unterschiedlich, so daR ebenfalls nur ein Richtwert angegeben werden kann.
12 Vergleichbare mathematische Funktionen zur Beschreibung von Prozessen in Natur und Technik
fur ideale Case
12.1 Zustandsfunktionen Ein Phanomen, das sowohl in der Natur, Technik und Wirtschaft als auch irn sozialen Verhalten beobachtet werden kann, ist die Veranderung. Sie zeigt sich in der Regel in den verschiedensten Typen von dynarnischen Prozessen. Um Veranderungen zu beschreiben, miissen stationiire Bezugssysteme geschaffen, d. h. als Model1 gedacht werden. Dafur mussen Zustande definiert und als Funktionen mathernatisch forrnuliert werden. Veranderungen in der Natur, Technik und auch in der Wirtschaft werden durch Stoff-, Energie- und Informationsstrome hervorgerufen. In der Wirtschaft kommen noch die Kapitalstrome hinzu. Sie wirken im Verbund und beeinflussen sich gegenseitig. Um Gemeinsamkeiten und Unterschiede dieser Mengenstrome in der Natur wie auch bei technischen Prozessen zu erkennen, ist es notwendig, ihre GesetzmaRigkeiten mathematisch zu erfassen. Zustande von Systemen werden durch Zustandsfunktionen beschrieben. Wichtige Parameter sind Masse bzw. Konzentration, Volumen, Temperatur, Druck, elektrische Spannung, Stromstarke, elektrischer Widerstand und Kapital . Die mathematische Beschreibung von physikalischen und chemischen Zustanden geschieht bei rnakroskopischer Betrachtung uber Proportionalitaten, z.B. mit dern Ohrnschen Gesetz U = f(R; I ) und den thermischen V = f(p; T), kalorischen U = f(V; T ) bzw. H = f(p; T) und thermodynarnischen F =f(V; T), G = f(p; T), S = f(p; T ) Zustandsgleichungen (Abschn. I11.4.2und -11.4.3)*: -
7)
(v - n 6 ) = n RT
fiir reale Case (van der Waals'sche Gleichung) -
kalorische Zustandsgleichungen Fur die differentiellen Anderungen gilt: dU = dW + d Q dH = dU + p dV I
- thermodynamische Zustandsgleichungen
Sie bringen eine Verknupfung zwischen dem 1. Hauptsatz der Thermodyamik (Energie) und dem 2. Hauptsatz (Entropie).
(:IT= (:)T
T($)v-p
= T ($)p
darin gilt
+V
darin gilt
Fur differentielle Anderungen der thermodynamischen Funktionen gilt: dU=-pdV+TdS;
dH = V d p + T d S
dF=-pdV-SdT;
dG = Vdp-SdT
thermische Zustandsgleichungen
P'" *
(p+
=nRT
= innere Energie = Wlrmeenergie = Freie innere Energie = Entropie n = Anzahl der Mole a u. b = Stoffkonstanten
U Q F S
R = universelle Gaskonstante W = innere Energie aukr Wheenergie H = Enthalpie G = Freie Enthalpie
12.2 Ausgleichsvorgange 123.1 Das Gesetz fur allgemeine Ausgleichsvorgange Voraussetzung fur das Entstehen von Stromen sind Potentialdifferenzen, z. B . Konzentrationsdifferenzen, Druckdifferenzen, Ternperaturdiffe-
146
I Chemische Grundlagen
Hohen - Ternperatur - Druck - Konzentrations - eiektrische Spannungs-Differenzen Potential zwischen Guthaben - Schulden /
\
Ausgang
Eingang Prozesse I
-
I
Abb. 1-27. Bilanzierung als Vergleich zwischen Eingangs- u
Eingang
Kapital
Ausgangsmengen.
Ausgang
-
Kapital I
\
Information
information
Edukte
Produ kte
Energie
Energie
__c
Zeit
Abb. 1-28. Ausgleichsvorgange als Zeitfunktionen* I Abklingvorgang I1 Wachstumsvorgang 111 Uberlagerungsvorgang, Zusammenwirken von Wachstums- und Abklingvorgang
renzen und auch Kapitalunterschiede. Freiwillig flieBen Strorne immer von Hohen in Senken. Es handelt sich also um Ausgleichsvorglnge, die durch Ausgleichsfunktionen beschrieben werden konnen. Der gemeinsame Parameter dieser Funktion ist die Zeit (Abb. 1-27 und -28). Abbildung 1-28 beschreibt graphisch einige prinzipielle Ausgleichsvorgange von Prozessen in Natur und Technik bzw. Wirtschaft.
*
Es bedeuten: p = Druck V = Volurnen T = absolute Temperatur in K U = elektrische Spannung
K = Kapitdi c = Konzentration i = Information f =&it
Das Gesetz fur allgemeine Ausgleichsvorgange lautet qualitativ: fliellende Menge Zeiteinheit
-
treibender Gradient (Potentialdifferenz) Widerstand
Auch auf geistige Prozesse, die Voraussetzung fur eine Innovation sind, 1aBt sich das Gesetz der allgemeinen Ausgleichsvorgange ubertragen. Allerdings ist es in diesern Fall zur Zeit noch schwierig, eindeutig meBbare, d. h. quantitativ faBbare GroBen zu finden. Den Widerstand kann man sich aus zwei G r o k n zusammengesetzt denken, aus der Trag-
12 Vergleichbare mathematische Funktionen
heit und der reziproken geistigen Aufnahmekapaziat analog zum elektrischen Widerstand, der der reziproken Leitfthigkeit entspricht. Innovation
-
Informationsflull Zeiteinheit
-
Neugierde (Begabungspotential) Tragheit + reziproke Aufnahmekapazitat ~
Der mathematische Ansatz, Ausgleichsfunktionen zu beschreiben, erfolgt mit Hilfe von Differentialgleichungen. Haufig handelt es sich um lineare homogene und lineare inhomogene Differentialgleichungen erster und zweiter Ordnung. Die Integrationen dieser Differentialgleichungen fiihren in vielen Fallen zu - linearen oder exponentiellen Wachstumsfunk-
tionen, - Abklingfunktionen oder auch - Uberlagungsfunktionen.
Diese Funktionen sind typisch fur Vorgange in biologischen Systemen, fur chemische Reaktionen, zahlreiche technische Produktionsablaufe, Finanzierungen, wie z. B. Kapitalverzinsungen, Renten, Tilgungen und Amortisationen. Wachstumsprozesse konnen aber auch hyperbolischen Funktionen gehorchen (Abb. I-3Oc). Von den Wachstumsgesetzen zu unterscheiden sind die Ratenansatze (Abb. 1-29). Sie bringen die Abhangigkeit der zeitlichen Anderung der Menge von der Menge selbst zum Ausdruck. Beispiele hierfiir bieten haufig biologische Verrnehrungsprozessen, z. B. die Zunahme der Weltbevolkerung in verschiedenen Zeitspannen oder die Vermehrungskurven von Mikroorganismen. Hier muS sehr genau beobachtet werden, ob es sich im mathematischen Sinne um Ratenansatze oder Wachstumsgesetze handelt. Zur Formulierung von kinetischen Gesetzen ist das von groSer Bedeutung. Die Ausgleichsfunktionen lassen sich in eine allgerneine mathematische Form bringen, deren Parameter je nach speziellem Ausgleichsvorgang physikalisch, chemisch, biologisch oder okonomisch gedeutet und interpretiert werden konnen. Eine Vielzahl von Ausgleichsvorgiingen werden durch die nachstehenden mathematische Funktionen beschrieben:
A, = C
.r +B
147
(linear)*
A, = A, . eur
(exponentiell)*
Je nachdem, ob a > 0 oder a < 0 ist, handelt es sich urn eine Wachstums- oder Abklingfunktion. Die ijberlagerungsfunktionen entstehen durch Addition oder Substraktion zweier oder mehrerer Ausgleichsfunktionen (Beispiele Abb. 1-37 bis 141).
12.2.2 Ausgleichsvorgange mit linearem Verlauf Ausgleichsvorgange mit linearem Verlauf gehorchen der Funktion A,=C.t+B
Die Steigung C beinhaltet haufig phanomenspezifische Konstanten (Abb. 1-31). Die Widerstandsfaktoren treten beim Stoffund Energietausch insbesondere an den Grenzflachen auf, bei einem Informationsaustausch an den Schnittstellen. Viele Ausgleichsvorghge setzen sich aus gleichgerichtet und entgegengesetzt wirkenden dynamischen Teilprozessen zusammen. Ihre mathematischen Funktionen sind entsprechend kompliziert und ihre Losung erfordert einen groBeren rechnerischen Aufwand. Zu ihnen zahlen unter anderem die ijberlagerungsfunktionen. Uberlagerungsfunktionen dienen auch zur Erfassung von Speichervorgangen. Eine Speicherung tritt irnmer dann auf, wenn sich der Abnahmeprozess gegeniiber dem Zuwachsprozess verzogert, z. B. bei Vermehrungsfunktionen von Mikroorganismen, der Zunahme der Weltbevolkerung oder der Verweilzeit eines Arzneimittels im Organismus.
12.2.3 Wachstumsprozesse Unlimitiertes Wachstum Unlimitierte Wachstumsprozesse gehorchen der Beziehung: A, = A o . e"'
*
Es bedeuten:
I
A,
A, a C
B
= Zeit als unabhagige Variable der Funktion = Zustand des Vorganges zur Zeit t = Zustand des Systems zur Anfangszeit r=O = Ausgleichskonstante = Steigung der Geraden = Konstante (Abschnitt auf der Ordinaten)
I Chemische Grundlagen
Rate 1st unabhang,gvon der Menge
4
Menge
Zeit
E
'5 m
P
r 0
L
m
E,
a
Abb. 1-29. Vergleich zwischen verschiedenen Ratensatzen. a) unabhangig von der Menge, b) lineare Ratenzunahme, c ) quadratische Ratenzunahme.
*
Abb. 1-30. Vergleich zwischen linearen (a), exponentiellen (b) und hyperbolischen ( c ) Wachstumsfunkt ionen.
a (grch.) - nicht; syn (grch.) - zusarnrnen; piptein (grch.) fallen. asymptome ~
~
nicht zusammenfallen; Nahemngsgrade
12 Vergleichbare mathematische Funktionen
149
Beispiele*: Ohmsches Gesetz AC AU -= -=[ A1 R
A(t) = 27
Diffusion nach Fick (station&)
W iirmeubertragung
Filtration AV -=-
P~-P[
At
Wk
t
Abb. 1-31. Linearer Ausgleichsvorgang. A(t)
= hEXP(0.4t)
26 24 -
5
2220 18 16 14-
Q 1210 -
8-
64-
2 0 0
I
1
I
I
2
1
I
I
3
I
4
t
Abb. 1-32. Unlimitiertes Wachstum.
Hierbei handelt es sich um Wachstumsvorgiinge, die keinem Endzustand zustreben, z. B. wenn die Potentialdifferenzen sich nicht ausgleichen (Abb. 1-32).
* Es
1
~~~~~~
= Widerstand I = Strornstiirke t =&it n = Anzahl der diffundierenden Teilchen c = Konzentration q = Querschnitt an der hrgangsflache T = Temperatur in Kelvin
x
= Diffusionsstrecke
D = Diffusionskoeffizient Q = Wmernenge 1 = Schichtdichte der Wglrmedurchgangsflache q V = Filratvolumen Ap = Filrationsdruck (p2-p1) W, = Widerstand des Filterkuchens A = Wiirmeleitzahl
150
I Chemische Grundlagen
Beispiele fur unlimitiertes Wachstum sind:***
- Zellteilung
- Konzentrationszunahme eines chemischen Reaktionsproduktes, z. B. bei einer Autokata-
lyse, einer Esterhydrolyse, deren Reaktionsgeschwindigkeit durch die gebildeten Wasserstoffionen beschleunigt wird oder der Rubenbzw. Rohrzuckerhydrolyse.
1 r'.
dc
- = a!
dr
-
.c ;
-
dT
In?
- Kapitalvermehrung durch Verzinsung
K, = KO . eh' ; 6 =In(l-v)
I
;dc =a!sdt
Dampfdruckzunahme bei steigender Temperatur (Clausius-Clapeyron*-Gleichung) dlnp
N , = No . e"
AHv
RT'
-
Weitere Beispiele sind die van't Hoff'sche* Reaktionsisobare, Reaktionsisochore und Reaktionsisotherme (s. Abschn. 1-1 1.3 u. 11.4).** Die Reaktionsisobare driickt den Zusammenhang der Gleichgewichtskonstaten (kp, k,, k,) in Abhangigkeit von der Temperatur bei konstantem Druck aus.
Die Reaktionsisochore stellt den Zusammenhang zwischen der Gleichgewichtskonstanten und der Temperatur bei konstantem Volumen her.
_-AHV
p(T) =p(To).e
RT
- Zunahme der Reaktionsgeschwindigkeitskon-
stanten bei steigender Temperatur (Arrhenius**-Gleichung) dlnk
-
dT
E
(drTkc) - A d v RT' ~
Die Reaktionsisotherme bringt den Zusammenhang zwischen der Gleichgewichtskonstanten und dem Druck bei konstanter Temperatur zum Ausdruck.
RT2 AV
E -~
k(t)
=H.e
Rr
- Bevolkerungszunahme
dB
-=P.B dt
B,
* ** ***
= B, . eBr
Clqxyron, Benoit. Pierre, Emile (1799-1864). frz. Ingenieur. Clausius, Rudolf ( I 822 - 1888). dtsch. Physiker. Arrhenius, August, Svante (1859-1927), schwed. Physikochemiker. Essind: H , = Verdampfungsenthalpie E = Aktivierungsenergie k = Reaktionsgeqchwindigkeitskonstante H = Haufigkeitsfaktor B, = aktuelle BevBlkerungszahl in Jahren B, = Bevolkerung zur Zeit t,, /3 = Wachstumsrate zuc Zeit 0,01 1 pro Jahr
7'
RT
Herleitung der Zinses-Zins-Gleichungin exponentieller Schreibweise*: KO K,
Anfangskapital zur Zeit f = 0; Kapital nach t Jahren
r
(Zinssatz) =
~
P 100
Nach einem Jahr hat sich das Anfangskapital K,, vermehrt um
* Hoff, van't, Jacobus Hendricus (1852-191 I ) , niederl. Chemiker. (grch.) - gleich; baros (grch.) - Schwerc, Druck; choros (grch.) - Platz, Raum; therme (grch.) - W h e .
** isos
12 Vergleichbare mathematische Funktionen nach zwei Jahren Kz
= K,
+ K, . r = K, (1 + r) = KO(l+r)'
Aus Gleichung (1) folgt dann, wenn At = td und Nt = 2 No gesetzt: 2 No
In-=
nach t Jahren K,
= K,-I
In2
=p.td
Id
In 2 - -
Logarithmierung der letzten Gleichung ergibt:
CL
In K , = In KO+ t . ln(l+r)
Wenn In( 1 + r ) = S
gesetzt wird, dann folgt
=InKO+t.6
Durch Entlogarithmieren wird die ZinsesZins-Gleichung in exponentieller Schreibweise erhalten: K, = Ku.es
p.td
NO
+ K,- .r = Kt- , ( l + r )= KO(l+r)'
InK,
15 1
S = In( 1+2)
In 2 P
= -
p
= n.ln2 1 - Teilungsrate, entspricht dem rezi-
n
td
rd
proken Wert der Verdoppelungszeit.
Gleichung (2) in Gleichung (1) eingesetzt, ergibt N,
= NO.en
In
Ar
Zellteilung als unlimitiertesWachstum Herleitung der expunentiellen Wachstumsfunktion uhne Berucksichtigung der Sterberate *:
Limitiertes Wachstum
Der Zuwachs der Zellen dN in der Zeit dt ist der Anzahl der Zellen N , zur Zeit t direkt proportional. Es gilt somit
Limitiertes Wachstum strebt immer einen Endzustand an. Die zugehorige Funktionsgleichung (Abb. I33)
cW-N
A,
= A;(l-e-"')
cW- dt dN-N.dt
laBt sich wie folgt herleiten:
Einfiihrung der Proportionskonstanten p als spezifischer Wachstumsrate ergibt
-
dt
= a@-A,)
Integration der Differentialgleichung
dr
nach Trennung der Variablen und Einfuhrung der Integrationsgrenzen
cW= p . N . dt Differentialgleichungen werden durch Integration gelost.
A,
0
t
* Nt In - = p At NO
Es sind: N , = Zellzahl zum Zeitpunkt f n = Anzahl der Zellteilungen in der 1
Zeiteinheit = Teilungsrate n = t
f,
Berechnung der Verdoppelungszeit td. Das ist die Zeit, in der sich die Anzahl der Zellen N, zur Zeit t bzw. eine Biomasse verdoppelt hat.
= Zeit = Verdoppelungszeit der E l l -
Id
masse = Generationszeit [h] = spezifische Wachstumsrate [h-1] K, = Kapital zum Zeitpunkt I k, = Anfangskapital 6 = Wachstums- bzw. Zinsintensitat p
152
I Chemische Grundlagen A.
I
-In(A,-A,)
I
=ar
A,
I
fiirr=OistA,=O, fiirr=r istA,=A,
0
Einsetzen der Grenzen fuhrt zu -[[ln(A,-O)]-[In(A,-A,)]]= In Ae - In [A, -A,]
[a.O-ar] = at
Bei biologischen, pharmakokinetischen, chemischen, technischen, okonomischen und soziologischen Prozessen bleibt der treibende Gradient in der Regel nicht konstant; er andert sich ebenfalls mit der Zeit. Das wird mathematisch durch einen zeitabhiingigen Proportionalitatsfaktor ausgedriickt, z. B. A(?) bzw. a(t).Die entsprechende Exponentialfunktionen bekommen folgende Formel:
= at
Die bisher vorliegenden Daten uber die Verbreitung der mit dem Aidsvirus infizierten und erkrankten Menschen scheint ebenfalls dem Ge-
Beispiele fur limitierte Wachstumsvorgiinge sind*:
*
- freier Fall
- Kondensatoraufladung
Es sind: V, = Fallgeschwindigkeit Lur Zeit t V, = End-Fallgeschwindigkeit p = Reibungskoeffizient rn = Masse des fallenden Korpers U , = Spannung am Kondensator zur &it Uc = anliegende Endspannung
f
1 = Zeitkonstante; R = Widerstand; C = Kondensator-
RC kapazitat p, = spezifische Wachstumsrate [h-'1 S = Konzentration des wachstumslimitierenden Substrats [g . L-I1 K , = Substratkonzentration bei maximaler Wachstumsrate p,,,,. A, = Grenzkonzentration (mogliche Endkonzentration
- limitiertes Zellwachstum (Abb. 1-34 und 1-35)
A(t) = 1 .Jr(l-EXP(-t)) .,-
14
-
GrenzkonzentrationA,
13
I .2 1.2 1.1
-
11.0 .o -
0,8 0.6 0.5 0.3
0.2 0.1 0.0 0
1
2
t
3
Abb. 1-33.Limitiertes Wachs-
tum.
12 Vergleichbare mathematische Funktionen
0
3
2
1
Abb. 1-34. Beispiel fur ein limitiertes Zellwachstum.
4
t
'/*
153
'ID
loo
An Eftragsblldung
100
belelligl:
-90
++-I4
- 80 --+
- 70
Y
-60
- 50 - 40 - 30
50
-20 10 .Gnaml-N-Aufnahmo"
0
April
Mai
Juni
Juli
naChStURWundJUNG .Elnlage?ung def Acslmllatr" nad~ STOY
August
Abb. 1-35. Stickstoffaufnahmeund Assimilateinlagerung*im Weizenkorn w2hrend der Wachstumsphase. (Quelle: Manzenschutz (1992) Folienserie des Fonds der chemischen Industrie, Karlstr. 21, Frankfurt am Main)
*
Assimilatio (lar.) - Angleichung. Urnwandlung.
154
I Chemische Grundlagen
setz des limitierten Wachstums zu gehorchen (Abb. 1-36). Das lafit einerseits eine Prognose uber die noch zu erwartende Aidsausbreitung zu, andererseits kann auch zu einem bestimmten Zeitpunkt eine Selbstimmunisierung der Menschen erwartet werden. Nimmt man eine konstante Inkubationszeit von 7 Jahren an, so zeigt die gestrichelte Kurve den plotzlichen Anstieg des Aids-kankheitsverlaufs.
A(t) = 5+EXP(0.8t)
6 1 5
4 c h
7
3
2 1
0
I /-
1
0
loo
2
3
4
t
Abb. 1-37. Abklingfunktion.
Beispiele fur Abklingvorgange sind:* Konzentrationsabnahme einer Substanz wahrend einer chemischen Reaktion
-
5
0
I
I
10
15
t [Jahre]
Abb. 1-36. HIV*-Inzidenz (Aids-Erkrankung), (Quelle: Fricke, J. (1988) Modelle zur Seuche Aids, Physik in unserer Zeit, 19. Jg. Nr. 3.)
C, ( t ) =
c,.,<> . e-k'
- radioaktiver Zerfall
Beriicksichtigt man die realistischere Erkrankungsfunktion, so steigt die Aids-Erkrankungskurve zunachst schneller, zu spateren Zeitpunkten langsamer an, als die urn 7 Jahre versetzte Sprung-Funktion.
cw -
dt
N, -
12.2.4 Abklingvorgange A,=Ao.e
Vorgange, die von einer gegebenen Grundgesamtheit A" beim Zeitpunkt to starten und die zeitliche Abnahme der Grundgesamtheit darstellen, werden als Abklingvorgange oder auch Degressionen** bezeichnet. Ihre Vorgange werden vielfach durch lineare Differentialgleichungen beschrieben, deren Losung eine fallende Exponentialfunktion ergibt (Abb. 1-37). * HIV, Human Immunodeficiency Virus. **
incisio (lat.) - einschneiden, einfallen; lnridenz bezeichnet die Anzahl neuer Erkrankungsfalle in der Zeiteinheit. degredi (lat.) - herabschreiten.
= N,, . e
Kondensatorentladung U,
04'
=A.N
=U,,.e
I - RC _
- Lichtabsorption Jd
-
=Jo.e-k'd
Barometrische Hohenformel _ _m - g nh
=n,.e
kT
'h
Eine Erweiterung des Giiltigkeitsbereichs des barometrischen Hohensatzes fuhrt zum Boltschmannschen e-Satz.
12 Vergleichbare rnathematische Funktionen
155
AuswaschprozeB von kontinuierlichen Biokult uren
-
x, = x, .
e-(D-
X"
- Tilgungen
K --K , e- 6 1 . , ,
10
In X, - In X, = ( p - D ) (t - ro)
S=ln(l+r)
Xt In X,
= ( p - D ) At
=xo.
e(w-n)Af
Herleitung der Gleichung fur den AuswaschprozeBvon kontinuierlichen Biokulturen
Xl
Die Anderung der Biomassekonzentration dX ist direkt proportional der Ausgangskonzentration X ( t ) zu Zeit t und der Auswaschzeit dt.
Uberlagerungs- bzw. Ubergangsprozesse entwickeln sich im Zusammenwirken von Wachsturns- und Abklingvorgangen. Aus den entsprechenden Wachstumsfunktionen werden Ubergangsfunktionen, wenn der WachstumsprozeB durch parallel laufende Abklingvorgange kompensiert wird (Abb. 1-38 und 1-39). In den Phasen A, B, C und D ist die Vitalitat eines Systems erheblich stiirker als die Mortalita* (Sterblichkeit). In der Phase E ist die Wachstumsrate gleich der Sterberate. Das Wachstum leitet in einen Abklingvorgang iiber, wenn die parallel verlaufenden Abnahmeraten grol3er sind als die Zuwachsraten. Zur Aufkliinrng von natunvissenschaftlichen, wie chemischen, biologischen, pharmakologischen Reaktionen, technischen, wirtschaftlichen und sozialen Vorgangen sind die Ubergangsphasen von besonderem Interesse (Abb. 1-40). Analog zum Wachstum von Mikroorganismen verhalt sich uber den Zeitraum der Menschheitsgeschichte die Wachstumskurve der Weltbevolkerung (Abb. 1-39). Wird das Niihrstoffangebot bei beiden betrachteten Populationssystemen unter den normalen Bedarf verringert, treten Strel3situationen ein, die die Sterblichkeitsziffer erhohen. Deshalb ist es interessant und wichtig, dariiber zu spekulieren, wann die Bevolkerungswachstumskurve in die stationiire Phase ubergehen und von welchen Symptomen sie begleitet wird, z. B. Hunger, Epidemien, Burgerkriegen, Psychoterror u. a. Mathematisch konnen Uberlagerungsvorgange qualitativ durch folgende Uberlegungen beschrieben werden:
dx - x ( t )
dx
-X(t) .df
dX -df
dX
= pX(r)dr-DX(t)dr
p ist in diesem Fall die spezifische Wachstumsrate [pro Stunde] und D ist die Verdunnungsrate [pro Stunde].
*
Es sind r
n
f Vn
= spez. Wachstumsrate
-- Verdunnungsrate
f = v,, =
ZufluBrate = AhfluBrate Arbeitsvolumen c, = Konzcntration einer Reaktionskomponenten A C.4" = Ausgangskonzentration der Komponenten A zur Zeit I = 0
k
= Reaktionsgeschwindigkeitskonstante
N, Nu A
= Anzahl der Teilchen zur Zeit t = Anzahl der Teilchen zur Zeit t = 0
&I
c
x,
xn J, Jo d c k nh no rn
g
k p
D
KO 8
= Zerfallskonstante = Ausgangsladung des Kondensators zur Zeit f = 0 = Kondensatorkapazitat = BiomassekonLentration [g . L-'1 zur Zeit t = Biomassekonzentration zur Zeit f = 0 = Lichtintensitat in Abhangigkeit der Schichtdicke des ahsorbierenden Mediums = Lichtintensitat vor Eintritt in das Medium = Schichtdicke des Mediums = Konzentration einer absorbierenden Losung = Ahsorptionskonstante = Teilchen in der Hohe h = Teilchenzahl in der Hohe 0 m = Masse der Gasteilchen = Gravitationskonstantc = Boltzmannsche Konstante = spez. Wachstumsrate [h-'1 = Verdunnungsrate [h-l] = Anfangsschuldenbetrag = Wachstums- bzw. Zinsintensitat
12.2.5 Uberlagerungsprozesse
*
mortalitas (lat.) - Sterblichkeit, Sterblichkeitsziffer.
156
I Chemische Grundlagen
A
.-0 c
2
c
a
2 Y 0
.-E
A Inkubationsphase" B Accelerationsphase C exponentielle Wachstumsphase E stationare Phase (Stagnation) F letalephase
2?
*&.
d
\ *
Zeit
Abb. 1-38. Wachstumskurve von Mikroorganismen.
8
Mrd.
2.Gtine Revolutio
i
Stickstoffdungung 6
Revolutionder Krankheitsbekampfung
f5
1-
5 4
1. Griine Revolution
lndustrielle energe-
0
Verhaltensevolutior
> z- 3
&
U
&-----q 1350
l
1650
1700 1750
1800
1850
1900 1950
2000 2050 2100
Jahreszahl-
Abb. 1-39. Wachstumskurve der Erdbevolkerung.
Mengenhderung im Ubergangsmilieu = zuflieRende Menge-abfliel3endeMenge dAz -= F , .A,(r)-F,.A,(t)
dt
Dabei handelt es sich urn eine lineare inhomogene Differentialgleichung. F , und F, sind Konstanten. die berechnet werden miissen-und fur das jeweils betrachtete System zu interpretieren sind.
* Ln = Logarithmus naturalis, d.h. zur Basis e=2,718282, Eulersche Formel. **
Euler, Leonhard (1701-1783). schweiz. Mathematiker. incubare (lat.) - briiten; accelerare (lat.) - beschleunigen; letalis (lat.) - tMIich: stagnare (lat.) - still stehen.
12 Vergleichbare mathematischeFunktionen
157
Modell: Kesselkaskade
-
MasseZulauf
Masseirn Folgekessel
-
MasseAblaui
Stoffurnsatz: Chemie: A-Produkt
Folgereaktion I.Ordnung Z-Produkt
Enzymreaktion:
Flieagleichgewicht
p
E- Produkt
I C . 1 F]
r--l
m ~,
EnzymSubstrat-
Komplex
Substrat
Enzym
Pharmakologie: Verhalten eines Arrneimittels im Organismus Muskel Urin
I c p , 1-
Physik: Mutternuklid
pT-
1-
Radioaktiver Zerfall Tochternuklid
V l
Enkelnuklid
Umwandlung von U-238 in Pu-239 Abb. 1-40. Analogien zwischen Uberlagerungsvorgangen.
Beispiele: - Wachstum der Bevolkerung (Abb. 1-39) - Konsekutivreaktionen einer chemischen Um-
setzung (Abb. 1-40) - Enzymreaktionen (FlieBgleichgewichte) (Ab-
schn. 1-10.7.3, Michaelis-Menten-Gleichung) Verweilzeitverhalten einer Substanz in einer Riihrkesselkaskade Absorption und Ausscheidung einer Wirksubstanz im Organismus, Pharmakokinetik (Abb. 1-41)
- Lebenszyklus eines Industrieproduktes (Abb.
1-42) - Radioaktiver Zerfall unter Beriicksichtigung der Zwischenstufen (Abb. 1-40) - Zusammenspiel von KapitalzufluB und -abfluB - Wachstumskurve von Mikroorganismen
158
I Chemische Grundlagen
Verweilzeitfunktionen von Arzneimitteln und Produkt-Lebenszyklen als Uberlagerungsfunktionen Typische Beispiele fur Uberlagerungsfunktionen, die aus Wachstums- und Abklingvorgangen zusammengesetzt sind, sind die Verweilzeitfunktionen von Arzneimitteln im menschlichen Korper. Sie ermoglichen exakte Aussagen uber die notwendige Mindest- und Hochstdosierung von Arzneimittelgaben, deren wirksame Aktivitat und Eingrenzung von Nebenwirkungen (Abb. 1-41), Die Verzogerungszeit ist diejenige Zeit, die von der Einnahme bzw. Applikation* eines Arzneimittels bis zum Beginn der Resorption** durch den Korper erforderlich ist. Im Punkt C ist die Arzneimittelkonzentration so hoch, daB sie pharmakologisch zu wirken beginnt. Im Punkt D ist das Maximum der Konzentration erreicht. Danach beginnt die Ausscheidung des Arzneimittels aus dem Korper. Die Uberlagerungskurve flacht ah. Im Punkt E unterschreitet die Arzneimittelkonzentration die Wirkungsschwelle. Ein ideales Arzneimittel ist dasjenige, bei dem die Wirkungsdauer moglichst lang und das Maximum im Punkt D oberhalb der Wirkungsschwelle moglichst niedrig. Die Lebenszyklen von Produkten auf den Mlrkten gehorchen hlufig ebenfalls den Gesetzen von Uberlagerungsprozessen. Wird ein Produkt nach der Forschung und Entwicklung in den Markt eingefuhrt, durchlauft es eine Einfuh-
rungsphase in der noch keine Gewinne erzielt werden. Mit zunehmendem Umsatz steigen auch die Gewinne und erreichen wahrend der beginnenden Sattigungsphase, d. h. Umsatzstagnation, die hochsten Werte (Abb. 1-42). Dieses ist der Zeitpunkt, in dem ein Unternehmen Maanahmen fur eine neues Produkt oder mindestens fur eine Produktverbesserung einleiten sollte. In der Regel ist dieser Zeitpunkt schon zu spat, vielmehr sollte bereits wahrend des exponentiell-ahnlichen Umsatzwachstums uber neue marktgangige Produkte nachgedacht werden. Wahrend der Degenerationsphase nehmen sowohl der Umsatz als auch die Gewinne ab, wobei ersterer zu Beginn der Degeneration* oft starker als der Gewinn sinkt. Das fuhrt haufig zu falschen oder verzogerten Entscheidungen.
12.3 Die Zeit als Parameter in technischen, biologischen, soziologischen und okonomischen Prozessen Die Zeit manifestiert sich als Folge nacheinander ablaufender Ereignisse. Sie verkniipft Ereignisse miteinander, wobci die Verknupfungsdichte unterschiedlich sein kann, nlmlich sehr lose oder eng, je nachdem wie dicht die Ereignisse aufeinander folgen.
1 z1 C
0 .c
e
c
C
mN
-
C
s I
c
-
Verzogerungszeit A B C Einnahrne
1 Wirkungsdauer
Zeit x
I D
* applicare (lat.) - nahebringen. ** resorbere (lat.) - einsaugen.
E
Abb. 1-41. Verweilzeitfunktion
(idealisiert)eines Arzneimittels.
*
degenerare (lat.)
~
entarten
12 Vergleichbare mathematische Funktionen
159
Zeit Deganera-
tiansphase
Abb. 1-42. Produkt-Le-
benszyklus (idealisiert)
Die Zeit wird als etwas Stromendes wahrgenommen, kann aber weder reguliert noch manipuliert werden. Wie ein Flu13 ist sie ein einseitig gerichteter Parameter und damit unumkehrbar, d. h. irreversibel. Eine riicklaufige und damit entgegengerichtete bzw. negative Zeit gibt es nicht.
12.3.1 Kinetik* - Betrachtung zeitabhangiger Prozesse Physikalische Ereignisse und Tatbestande spielen sich in Raum und Zeit ab. Ihre Bestimmung bzw. Fixierung erfolgt mit Hilfe von Raum- und Zeitkoordinaten. Die Kinetik ist eine Lehre von zeitabhangigen Prozessen, z. B. Bewegungen, Stromungen, Vermehrungen, Konzentrationsanderungen, Temperatur- und Druckanderungen. - Kinetik des Wachstums der Pflanzen, der Mi-
kroorganismen und der Weltbevolkerung (Abb. 1-38 und 1-39). - Anderung der Menge als Funktion der Zeit (Wachstumsgesetze, Abb. 1-28). - Anderung der Wachstumsgeschwindigkeit mit der Menge, d. h. Abhangigkeit der zeitlichen Anderung der Menge von der Menge selbst (Ratengesetz, Abb. 1-29 und 1-30). - Mechanik** ist die Lehre von den Bewegungen und den sie auslosenden au13eren und inneren Kraften. *
**
kinesis (grch.) - Bewegung. mechanike techne (grch.) - Maschinenkunst.
- Reaktionskinetik ist die Lehre von chemi-
schen Reaktionsverlaufen in Abhangigkeit von der Zeit (Konzentrationszeit-Zeit-Funktionen, Abb. 1-32 und 1-37). - Pharmakokinetik ist die Lehre von den Konzentrationsanderungen von Pharmaka im Organismus in Abhangigkeit von der Zeit (Resorption - Verteilung - Elimination, Abb. I41). - Agrokinetik der Pflanzenschutz- und Dungemittel ist die Lehre von den Konzentrationsanderungen der entsprechenden Wirkstoffe im Boden und in der Pflanze (Abb. 1-35).
12.3.2 Physikalische, biologische und psychologische Zeitmafie Die Zeit ist ohne Korper und Form, sie ist mit den Sinnesorganen nicht ertastbar, sie hat keinen Anfang und kein Ende. Sie ist deshalb nur bedingt meBbar, nicht als absolute GroBe, sondern relativ, als Differenz von willkurlich festgelegten Bezugspunkten, den Anfangs- und Endereignissen. Als physikalisches MuJ ist die Sekunde [s] als Basiseinheit 1 s = 9191 631 779 . To festgelegt worden. T,, ist die Periodendauer der Strahlung, deren Frequenz (Energie) dem ijbergang zwischen den beiden Hyperfeinstrukturniveaus des Grundzustandes von '33C~-Atomenentspricht. Das biologische MuJ ist die Generationsphase einer lebenden Spezies. Sie unterscheidet sich vom physikalischen Ma13 in ihrer variablen Dauer. Aber sie ermoglicht es, Generationsfolgen
160
I Chetnische Grundlagen
verschiedener biologischer Systeme miteinander zu vergleichen und auftretende Veranderungen wie z. B. Adaptationen*, Mutationen**, ResistenZen***, Krankheitsdauer, zueinander in Beziehung zu setzen. Das psychologische MaR lallt sich als quantitative Basiseinheit nicht definieren. Es ist subjektiver Art. Es hangt von der Ereignisdichte und der Wahrnehmungs- bzw. Erlebnisfahigkeit des jeweiligen Menschen ab. Je hoher Ereignisdichte und Wahrnehmungsdichte sind, desto schneller wird der ZeitfluB empfunden.
12.3.3 Erfassen von komplexen Vorgangen Zahl und Zeit Mit Zahlen werden nicht nur quantitative Aussagen gemacht. Zahlen dienen auch zum Vergleich von nicht mellbaren Phanomenen, z. B. psychologischer oder mentaler Art, von Leistungsverhalten in Schule und Beruf usw. Allzu leicht wird dabei die Komplexitat der Phanomene nicht erfallt und es kommt zu fatalen Fehlschlussen. Das gilt insbesondere fur Vorgange in biologischen bzw, lebenden Systeme, fur die haufig nur - unter Vorbehalt - Trends aufgezeigt werden konnen. Das gilt auch im Bereich der Wirtschaft, wo der Zahl in ihrer Bedeutung zum Darstellen von wirtschaftlichen Fakten und Entwicklungen ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Trotzdem ist es schwer, anhand des vielen Zahlenmaterials zuverlassige Prognosen zu stellen. Im allgemeinen werden dynamische Prozesse, die sich in fortlaufenden Veranderungen von Zustanden offenbaren, durch zeitabhangige Parameter nach dem linearen Kausalitatsprinzip beschrieben. Sie werden nach dem Muster des linearen A 4 B + C + D
Kausaldenkens in der Zeitfolge als nacheinander auftretende Ereignisse und Ablaufe behandelt. Diese Denkmethode erlaubt es, viele FlieBvorgange, d. h. stromende Veranderungen durch einfache mathematische Funktionen auszudriicken. Da es ublich geworden ist, Eigenschaften und Ereignisse durch Zahlen zu bewerten, kommt der Zahl als Quantitatsmerkmal bei der Darstellung dynamischer Vorgange in der Natur, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft eine beson*
**
***
aptare (lat.) - anpassen; ad (lat.) an, zu. mutare (lat.) - wechseln, verandern. resistere (lat.) Widerstand leisten. ~
~
dere Bedeutung zu. Diese Art naturwissenschaftlichen, wirtschaftlichen und gesellschaftswissenschaftlichen Denkens hat in den letzten zwei Jahrhunderten auch zu aullergewohnlichen Ergebnissen von Erkenntnissen iiber Natur, Technik und Mensch gefuhrt. Der Erfolg einer linearen kausalen* Betrachtungsweise fuhrt aber zugleich an ihre Grenzen der moglichen Erkenntnisse. La& sich die Kinetik einer chemischen oder mancher biochemischen Reaktion exakt und reproduzierbar mittels Abkling-, Wachstums- oder Uberlagerungsfunktionen verfolgen, so stollt man in der Pharmakokinetik, bei biologischen Systemen oder bei wirtschafts- und gesellschaftspolitischen Prozessen auf unubenvindliche Schwierigkeiten, sofern man nur dem linearen Kausalitatsprinzip folgt. Wie ist es zu erklaren, daB viele Prognosen und Trends, obwohl sie mit wissenschaftlicher Zuverlassigkeit und Akribie erstellt werden, sich nicht bewahrheiten bzw. an der Realitat vorbeizielen? Neben dem Quantitatsdenken muR auch das Qualititsdenken beim Erfassen und Analysieren von dynamischen Prozessen in gleicher Weise entwickelt werden. Das setzt voraus, dall neben der Zerlegung eines komplexen Prozesses in seine Teilprozesse, d. h. in der expliziten funktionellen Darstellung von zwei oder drei Parametern, z.B. y = f ( x ) bzw. z = ( x ; y ) , auch der komplexe Vorgang in seiner Gesamtheit beschrieben werden sollte, F(x,y,z, ...) = 0. Dafur werden mathematische Funktionen benotigt, die die qualitativen Zusammenhange ausdriicken. Sie gibt es zur Zeit noch nicht. Hierfur mull zunachst die Aussagekraft der Zahlen erweitert werden. Neben der quantitativen Aussage mussen die Zahlen rnit einem qualitativen Aussagemerkmal belegt werden. Qualitatsdarstellungen durch Zahlen unter Beriicksichtigung von gegenseitiger und multilateraler Wechselwirkung haben in der chinesischen Kultur eine jahrtausendalte Tradition. Der Vergleich einer Wachstumsfunktion eines chemischen Reaktionsablaufes mit dem einer Wachstumsfunktion fur die Vermehrung von Mikroorganismen oder mit der Zunahme der Erdbevolkerung zeigt vordergriindig auf viele Gemeinsarnkeiten hin; z. B. das unterschwellige EinsetZen des Vorganges (Inkubation), das dann in ei-
*
causalis (lat.) LU causo - Ursache. Das Kausalgesetz ist der Grundsatz. daH jeder Sachverhalt. jedes Ding seine Ursache haben muR.
12 Vergleichbare mathematische Funktionen
nen beschleunigten Ablauf uberleitet, der sich zunachst oft sehr gut durch Exponentialfunktionen beschreiben M t , spater in der Regel einem oberen Grenzwert zustrebt, bei dem als ProzeB zum Stillstand kommt (Stagnationsphase). Diesen drei dynamischen Prozessen ist weiterhin das Zusammenwirken einer endlichen, aber sehr groBen Menge von Individuen der Grundgesamtheit gemeinsam (Abb. 1-33 bis 1-42). Trotzdem sind direkte Vergleiche und Ruckschlusse nach der linearen Kausalitat nur bedingt erlaubt. W a r e n d die EinfluBparameter einer chemischen Reaktion und ihre Interaktionen uberschaubar und bekannt sind, gilt das fur pharmakokinetische, biologische, wirtschafts- und gesellschaftsveriindernde Prozesse nicht. Sie sind das Ergebnis einer Vielzahl von in Abhangigkeit stehenden und sich gegenseitig beeinflussenden Parametern, die analytisch im einzelnen nicht zu erfassen sind. Der Komplexwirkungen enzymatischer Systeme ist man sich heutzutage bewuBt, vielleicht werden sie eines Tages auch aufgekliirt sein. Komplizierter wird es allerdings bei Prozessen in biologischen Systemen, und zwar im gesamten Spektrum von den Mikroorganismen bis zum Menschen. Individual- und Gruppenverhalten mussen beriicksichtigt werden. Hier schlagen die Qualitiitsparameter 6 1 1 durch, die bei quakitativen mathematischen Berechnungen miteinbezogen werden miifiten. Ein weiteres Phanomen wird beim Vergleich der vorgenannten Beispielen offenbar. Allen gemeinsam ist die Abhangigkeit vom Parameter &it. Der Ablauf einer chemischen Reaktion wird in der Kinetik in Sekunden, Minuten und Stunden gemessen, die Vermehrung von Mikroorganismen in der Regel in Minuten oder Stunden,
161
das Bevolkerungswachstum dagegen in Jahren. Die Bezugsgrok dieser Zeitangaben beruht auf dem Zeitempfinden und der zeitlichen Erlebensfaigkeit des Menschen. Sie kann bei der Deutung von Prognosen und Trends zu Fehlschlussen fuhren, was im biologischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bereich auch oft der Fall ist. Dynamische Prozesse von biologischen Systemen, einschlieBlich die des Menschen, mussen in Generationsfolgen dargestellt werden. Die Zeitphase ,,eine Minute" hat bei einem Mikroorganimus eine andere Bedeutung als die von einer Eintagsfliege oder die von einem Menschen. Zeitlich adaquat ist die Generationsphase von 20 min eines Escherichiu CoEi zu der von 12 Stunden einer Eintagsfliege und der Generationsphase von 20 Jahren beim Menschen. Nimmt man die Existenz des homo supiens seit ca. 6 Mio Jahren an, so hater bis zur Gegenwart 300000 Generationen durchlebt, mutiert und evolutioniert. Dagegen benotigen Bakterien mit einer Generationsphase von 20 min fur 300000 Generationsfolgen 11,4 Jahre - wen verwundert da noch die relativ schnelle Mutationsfaigkeit von Mikroorganismen bzw. die Entwicklung ihrer Resistenzkraft gegenuber toxischen SubstanZen? Der Mensch muB seinen Zeitbegriff relativieren, um zu neuen Erkenntnissen uber Biologie, Wirtschaft und Gesellschaft zu gelangen. Wenn die Wissenschaften von der Natur, Technik und Wirtschaft weiterfuhrende Erkenntnisse erschlieBen wollen, mussen in der Mathematik Funktionen zur Erfassung von qualitativen Prozessen entworfen werden. Die Wissenschaften stehen an der Schwelle neuer Methoden, wie die Natur, Technik, Wirtschaft und Gesellschaft in ihrer Gesamtheit und Komplexitat durchleuchtet und verstanden werden kann.
162
I Chemische Crundlagen
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I1 Einige Physikalische Grundlagen
1
Kristallsysteme, ein Uberblick 167
4.5.4
2 2.1 2.2 2.3
Mechanik fester Korper 169 Arbeit 169 Leistung 169 Energie 170
3 3.1
Mechanik der Gase 172 Volurnenabhangigkeit des Gasdruckes 172 Temperaturabhangigkeit des Gasdruckes 173 Temperaturabhangigkeit des Gasvolurnens 174 Das Abhangigkeitsverhaltnis zwischen Volurnen, Ternperatur und Gasdruck 174 Die universelle Gaskonstante 175
4.5.5 4.5.6 4.5.7 4.5.8 4.5.9 4.5.10
3.2 3.3 3.4 3.5 4 4.1 4.1.1 4.1.2 4.1.3 4.1.4 4.1.5 4.2 4.2.1
4.2.2 4.2.3 4.3 4.3.1 4.3.2 4.4 4.4.1 4.4.2 4.4.3 4.5 4.5.1 4.5.2 4.5.3
Warmelehre 177 Wiime als Energieform 177 Wiime und Ternperatur 177 Wiimernenge 177 Einheit der Wiirmernenge 178 Spezifische Wiirme 178 Berechnung der W h e m e n g e 178 Ausdehnung durch Warme 179 Langenausdehnung bei Feststoffen 179 Volurnenausdehnung von Flussigkeiten 179 Volurnenausdehnung von Gasen 180 Ternperaturmessung 180 Quecksilberthermorneter 180 Andere Flussigkeitsthermometer 180 Wiirmeubertragung 182 Wiimeleitung 182 Wiirmestrornung 182 Warmestrahlung 182 Aggregatzustande 183 Ternperatur und Aggregatzustand 183 Schmelzwarme und Erstarmngsw&me 183 Verdarnpfungs- und Kondensationsw&me -184-
4.6 5 5.1 5.2 5.3 5.4 5.4.1 5.5
5.5.1 5.5.2 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.7 5.8 5.9 5.10 5.1 1 5.12
6 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.3 6.3.1
Verdarnpfen, Verdunsten, Sieden 185 Siedepunkt und Druck 185 Sublimieren 186 Losungswiime 186 Gefrierpunkt - Schmelzpunkt 187 Uberhitzter Darnpf 187 Siedepunkt von Losungen, Siedepunktserhohung 188 Verbrennungswhe 188
Elektrizitiitslehre 189 Reibungselektrizitat 189 Elektrische Spannung 189 Elektrischer Strorn 189 Elektrische Spannungsquellen 190 Galvanische Elernente 190 Elektrische Leiter und Nichtleiter 191 Strornleitung in Metallen (Leiter 1 . Ordnung) 191 Strornleitung in Flussigkeiten (Leiter 2. Ordnung) 191 Zusarnrnenhang zwischen Spannung, Strornstkke und Widerstand 192 Spannung und Strornstkke 192 Widerstand und Stromstkke 192 Das Ohrnsche Gesetz 193 Elektrische Ladung 193 Elektrische Arbeit und Leistung 193 Wiirmewirkung des elektrischen Strornes 194 Chernische Wirkung des elektrischen Strornes (Elektrolyse) 196 Der Bleiakkurnulator 197 Prinzip des Generators und Elektromotors 197 Disperse Systeme 198 Einteilung der dispersen Systeme 198 Grob-disperse Systerne 199 Eigenschaften und Beispiele 199 Trennrnethoden grob-disperser Systerne 199 Kolloid-disperse Systerne 201 Eigenschaften 201
166
6.3.2 6.4 6.4.1 6.4.2 6.4.3 6.5 6.5.1 6.5.2 6.5.3 6.5.4 6.6
I1 Einige Physikalische Grundlagen
Herstellung und Trennung kolloid-disperser Systeme 202 Molekular-disperse Systeme 203 Eigenschaften 203 Trennung homogener Gemische 205 Losemittel 205 Beispiele fur disperse Systeme 206 Legierungen 206 Emulsionen 207 Schaume 207 Aerosole 207 Disperse Systeme in verschiedenen Arzneiformen 208
6.6.1 6.6.2 6.6.3 6.6.4 6.6.5 6.6.6 6.6.7 6.6.8 6.6.9 6.6. I0
Definition des Begriffes Arzneimittel 208 Arzneimittel als disperse Systeme 208 Aerosole 208 Pulver und Puder 209 Schaume 209 Emulsionen 2 10 Gele 210 Salben, Pasten, Cremes 210 Tabletten-Komprimate 21 1 Suppositorien 2 13
Literaturhinweise zu Teil I1 2 13
1 Kristallsysteme, ein Uberblick
Stoffe unterscheiden sich voneinander durch ihre chemische Zusammensetzung und ihre strukturierte geometrische Form. Die Mehrzahl der Stoffe zeichnet sich durch eine geometrisch gesetzmaBige Form aus. Sie treten kristallin* auf. Es gibt aber auch Stoffe, die keine strukturierte geometrische Form aufweisen. Sie sind amorph**, d. h. ohne eine spezifisch charakteristische Gestalt, z. B. Gele (erstarrte kolloidale Losungen). Kristalle dagegen sind nach geometrischen Gesetzen aufgebaute Korper, die von ebenen Flachen begrenzt sind. Ihre Flachen schneiden sich in Kanten und Ecken. Fur jeden kristallinen Stoff ist eine bestimmte geometrische Form spezifisch. Die Mannigfaltigkeit der verschiedenen Kristallformen 1 s t sich in sieben Kristallsysteme unterteilen (Abb. 11-1). Diese sind: -
das kubische*** (regulae) Kristallsystem rnit drei gleichwertigen senkrecht aufeinander stehenden Hauptachsen, z. B. Steinsalz, Bleiglanz,
- das tetragonale**** (quadratische) Kristall-
system mit zwei gleichwertigen Nebenachsen im 90O-Winkel und einer verschieden langen, dazu senkrechten Hauptachse,
* krystallos (grch.) - Eis. ** amorphe (grch.) - ohne Gestalt *** kubus (lat.) - Wiirfel. **** tetragon (grch.) - Viereck.
-
das trigonale* Kristallsystem mit drei gleichwertigen Achsen, die in ihrem Schnittpunkt schiefwinklig aufeinanderstehen,
- das hexagonale** Kristallsystem mit drei
gleichwertigen Nebenachsen, die sich im Winkel von 90" schneiden und einer verschieden langen im Schnittpunkt dazu senkrechten Hauptachse, - das orthorhombische*** Kristallsystem rnit
drei ungleichwertigen aufeinander senkrecht stehenden Achsen, - das monokline**** Kristallsystem rnit drei
ungleichwertigen Achsen, die sich unter zwei rechten und einem schiefen Winkel schneiden, - das trikline Kristallsystem mit drei ungleich-
wertigen Achsen, die sich unter schiefen Winkeln schneiden. Eine Kenntnis der Kristallsysteme ist notwendig, urn die vielen physikalischen und mechanischen Eigenschaften von Stoffen zu verstehen. Das raumliche Vorstellungsvermogen von Chemiefachkraften sollte wieder zurn Bestandteil des Studiums und der beruflichen Ausbildung werden.
* ** *** ****
trigon (grch.) - Dreieck. hexagonale (grch.) - sechseckig. orthos (grch.) recht; rhombos (grch.) - Umdrehung; Raute. monos (grch.) - einzig; klinein (grch.) - neigen. ~
168
I1 Einige Physikalische Grundlagen
a+
b
kubisch a=b=c a=p=y=goo
1. Wurfel
2. Oktaeder
@ K7
4. Pyritoeder
5. Tetraeder
3. Rhombendodekaeder
6. Bleiglanz
C
hexagonal a, = a2= a,# c a = p = 90":y = 120" 7.Hochquarz
Q
trigonal a, = a2= a, a,= a2=a,# 90"
tetragonal a=b#c a = p = y = 90"
i
8. Apatit
11. Rhomboeder
14. Anatas
orthorhombisch a#b#c
15. Wulfenit
0
9. Beryl1
12. Skalenoeder
13. Turrnalin
16. Zirkon
17. Apophyllit
20. Baryt
21. Topas
19. Aragonit
1
fel
monoklin a#b#c a = y = 90";p # 90" 22. Auripigment
ED
24. Otthoklas
23. Augit
a*
triklin a#b#c b a # p # y # 90"
25. Kupfersulfat
26. Rhodonit
27. Plagioklas
Abb. 11-1. Die sieben Kristallsysteme (aus Werk + Wirken, April 1987, Zeitschrift der Wacker-Chernie GmbH, Munchen).
2 Mechanik fester Korper
Fur 1 Nm fuhrt man die Einheit Joule (J) ein. 1 Joule entspricht 1 Wattsekunde (W s).
2.1 Arbeit Im taglichen Leben spricht man von Arbeit, wenn etwa ein Schlosser feilt oder ein Bauarbeiter eine Last hebt, also mit Muskelkraft die Hemmungen ubenvindet, die in der Festigkeit des Materials bzw. im Gewicht der Last liegen. In der Physik faBt man den Ausdruck Arbeit genauer. Da die GroBe der Arbeit sowohl von der wirkenden Kraft als auch von der Liinge des zu uberwindenden Weges abhangt, versteht man unter der Arbeit im physikalischen Sinne das Produkt aus diesen beiden GroBen, wobei die Kraft in Richtung des Weges maBgebend ist. Arbeit = Kraft x Weg x cos a
1 N m = 1-
1 kgm2
= l J = 1Ws
S2
Um 1 kg eines Stoffes 1 m zu heben, mul3 eine Arbeit von 9,81 N m = 9,8 1J aufgewendet werden, da 1 kg mit einer Gewichtskraft von 9,81 N von der Erde angezogen wird.
Rechenbeispiel Es sollen 15 Fasser mit einer Masse von je 50 kg von der Laderampe in ein 24 m hoher gelegenes Stockwerk gebracht werden. Welche Arbeit ist dazu notig? 1kg wird mit einer Kraft von 9,81 N von der Erde angezogen. 15 . 50 kg werden dann mit einer Kraft von N
15 50 kg .9,81
-
= 7357,s N
kg
angezogen. Der Weg, entlang dem diese Kraft wirkt, ist 24 m lang. M
S
Daraus folgt: Arbeit ist das skalare* Produkt zwischen Kraftvektor** F , dem vom Massenpunkt M zuriickgelegten Weg s und dem Cosinus des eingeschlossenen Winkels a zwischen Kraftkomponente und Wegrichtung . Die Einheit der Kraft ist das Newton***, die Einheit des Weges ist das Meter. Die Einheit der Arbeit ist dann das
Kraft
x
73573 N
*
Weg = Arbeit 24 m = 176580 N m
= 1765805
Die aufzuwendende 176580 J.
Arbeit
betragt
also
2.2 Leistung
Newton x Meter = Newtonmeter (N m).
* ** ***
scala (lat.) - Treppe. Skalar ist eine durch eine einzige Zahl bestimmte Grok. z.B. Temperatur. vector (lat.) - Trager, eine durch MaRzahl und Richtung besrimmte G r o k . Newton, Isaac (1643-1727). engl. Mathematiker und Physiker.
Wenn ein Arbeiter Ziegelsteine der Gesamtmasse 600 kg in 50 min 10 m hoch und ein anderer Arbeiter 400 kg in 25 min 15 m hoch tragt, so verrichten beide Arbeiter die gleiche Arbeit. Arbeiter 1: m
600kg.9,81 - . 1 0 m = 5 8 8 6 0 J S2
170
11 Einige Physikalische Grundlagen
Arbeiter 2:
2. Rechenbeispiel
m 4 0 0 k g - 9 . 8 1 y .1 5 m = 5 8 8 6 0 J S-
Da der zweite Arbeiter die Arbeit in kurzerer Zeit ausgefuhrt hat, hat dieser aber eine groBere Leisrung vollbracht. Allgemein gilt, daR die Leistung groBer wird, wenn die fur dieselbe Arbeit benotigte Zeit kleiner wird .
Wie groB ist die Leistung einer Pumpe, wenn sie in 5 min 10 m-3Wasser 20 m hoch fordert? Berechnung der Arheit: Zu diesem Zweck mu8 zunachst die Masse des Wassers bestimmt werden. Dies geschieht durch Umrechnen mit der Dichte ( p ) des Wassers. Dichte ( p ) =
Arbeit Lcistung = Zeit
Die Einheir der Leistung ergibt sich durch Division der Einheit der Arbeit durch die Einheit der Zeit. Die Einheit der Arbeit ist das Joule. Die Einheit der Zeit ist die Sekunde. Arbeit J Lcistung = -in - (Joule durch Sekunde) Zeit s
Fur 1 Joule* durch Sekunde wird die Einheit Watt (W) eingefuhrt.
171
;
Volurnen ( V )
111
= 10 in'
111
= 10 000 kg
1000
p=-
V
kg rn
Dies ist die Masse Wasser, die gefordert werden soll. Kraft
x
m 9,81 y
I0000 kg
Nm J I---=l-=]W S
Masse ( i n )
Weg =Arbeit
2 0 m = 1962000
S-
kg m2
(J)
S-
Die aufzuwendende Arbeit betragt 1 962 000 J (Joule) = 1,96 MJ (10" Joule = I MJ).
S
1. Rechenbeispiel Ein Aufzug fordert I 000 kg in 30 s 25 m hoch. Welche Forderleistung hat er?
Berechnung der Leistung: Die Arbeit sol1 in 5 min = 5 . 60 s = 300 s geleistet werden.
Berechnung der Arbeit:
Arbeit Leistung = Zeit
Kraft
x
Weg
=
Arbeit
Ill
kg in
s-
S-
I000 kg .9,81 ;25 m = 245 250
= 245 250 J
Berechnung der Leisrung: Leistung =
Arbeit
1 962 000 J
300 s = 6 540 W
= 6540
J S
= 6.54 kW
Die Pumpe hat somit eine Forderleistung von 6.54 kW.
~
&it
245 250 J J -= XI75 - = 8175 W 30 s b
8175 W = 8,175 kW, denn 1 kW = 1000 W Der Aufzug hat also eine Beforderungsleistung von 8,175 kW (Kilowatt).
*
-
Joule, James Prescott (1818-1889) engl. Physiker
2 3 Energie Hebt man einen Stein vom Boden auf, so muR man eine Arbeit verrichten. LaRt man diesen Stein wieder fallen, so venichtet dieser seinerseits eine Arbeit. Daraus ist zu entnehmen, daB der Stein allein aufgrund seiner erhohten Lage imstande war, Arbeit zu verrichten. Die Fahigkeit, Arbeit zu verrichten, wird als Energie bezeichnet.
IL llll
I
Abb. 11-2. Energieformen bei einem festen Korper.
Energie ist also gespeicherte Arbeit. Es gibt verschiedene Energieformen. Der aufgehobene Stein hat eine bestirnmte Energie der Lage oder potentielle Energie. LaBt man den Stein fallen, so wandelt sich die potentielle Energie in Bewegungsenergie urn. Die Bewegungsenergie heiBt auch kinetische Energie. Trifft der Korper auf dem Boden auf, wird er mornentan abgebrernst. Die kinetische Energie wird als Deformationsarbeit verbraucht. Dabei wird ein Teil der kinetischen Energie in Warmeenergie umgewandelt (Abb. 11-2). Mit diesern Gedankenexperiment sind drei verschiedene Energieformen beschrieben worden: 1 . die potentielle Energie*, 2 . die kinetische Energie**, 3. die Wbneenergie.
*
**
potens (lat.) - machtig. kinein (grch.)- bewegen.
2 Mechanik fester Korper
171
Genannt werden sollen auaerdem noch die elektrische Energie und die chemische Energie. In Substanzen ist die chernische Energie gespeichert. Bei vielen chemischen Reaktionen wird ein Teil dieser chemischen Energie als Warmeenergie freigesetzt (s. Abschn. I- 11.4.5). Bei allen Energieumwandlungsprozessen gilt irnrner der Satz von der Erhaltung der Energie: Energie kann weder gewonnen werden noch verloren gehen. Es konnen nur die einzelnen Energieformen ineinander umgewandelt werden. Eine oft vorkommende Kette von Energieurnwandlungen. ist die folgende: Bei der Verbrennung von 01 entsteht aus chemischer Energie Warmeenergie. - Mit der Wiirmeenergie wird Wasserdampf erzeugt, der eine Dampfturbine treibt. Es entsteht aus Wbneenergie Bewegungsenergie. Hierbei ist zu beriicksichtigen, dal3 nicht die gesamte freigesetzte Wbneenergie in Nutzenergie umgesetzt wird. - Die Darnpfturbine treibt einen Generator an. Aus Bewegungsenergie entsteht elektrische Energie. - Mit der elektrischen Energie wird ein Motor angetrieben. Aus elektrischer Energie entsteht wieder Bewegungsenergie usw. Die Einheit der Energie ist dieselbe wie die der Arbeit, da Energie gespeicherte Arbeit ist. Energiemengen, gleich welcher Art, werden in Joule angegeben.
3 Mechanik der Gase
3.1 Volumenabhangigkeit des Gasdruckes
Druck x Volumen = ? I 2 10
Flussigkeiten lassen sich praktisch nicht zusammendriicken. Bei Gasen (Luft, Stickstoff, Wasserstoff usw.) ist das anders. Gase lassen sich zusammendriicken (komprimieren). Setzt man ein in einem Behalter eingeschlossenes Gas unter Druck, so wird, wie man aus der tiglichen Erfahrung weiB, der vom Gas eingenommene Raum kleiner (vgl. Fahrradpumpe). Bei Verdoppelung des Druckes wird das Volumen halbiert. Diese Vorgange lassen sich auch mittels eines Zylinders, der einen beweglichen Kolben besitzt, demonstrieren (Abb. 11-3).
'
I
= I
. 0,5
= 1 = I
.
0.1
Das Resultat ist, daB das Produkt aus Druck und Volumen hier immer 1 ergibt. Daraus folgt: Das Produkt aus Druck ( p ) und Volumen ( V ) ist gleichbleibend, namlich in diesem Fall immer gleich 1. Deshalb lautet die Formel des Boyle-Mariotteschen Gesetzes: p .V
= konstant (gleichbleibend)
bzw. 1
P
= konstant
-
V
Das bedeutet, daB der Gasdruck dem Volumen umgekehrt proportional ist.
-1 P
- -V1
Das Zeichen - bedeutet ,,ist proportional". Wird der Druck auf das Gas bei konstanter Temperatur vergroBert, vemngert sich das Volumen; wird das Volumen vergrokrt, nimmt der Gasdruck ab.
Abb. 11-3. Zusarnrnenhang zwischen Druck und Volumen.
Auch hier gilt wieder, daB der vom Gas eingenomrnene Raum kleiner wird, wenn der Druck ansteigt. Diese Beziehungen zwischen Druck und Volumen sind im Boyle-Mariotteschen Gesetz* zusammengefaBt. Aus folgenden Versuchen wird dieser Zusarnmenhang abgeleitet. Wenn der jeweilige Druck mit dem zugehorigen Volumen multipliziert wird, so werden folgende Werte erhalten:
*
Robert Boyle (1627-1691) engl. Physiker und Chemiker. Edme Seigneur de Chazeuil Mariotte (1620-1684) franz. Physiker.
Das Produkt aus Anfangsdruck und Anfangsvolumen ist bei gleichbleibender Temperatur gleich dem Produkt aus Enddruck und Endvolumen.
p , . V , = konst. = p 2 . V2
Dabei kann beliebig jeder Druck mit dem zugehorigen Volumen als Anfang oder Ende angesehen werden. Wichtig ist, daB das Boyle-Mariottesche Gesetz nur bei gleichbleibender Temperatur gilt. Die Temperatur des Anfangszustandes mu13 also gleich der Temperatur des Endzustandes sein. Die Aussage dieses Gesetzes wird an einem Betriebsheispiel erlautert: Es ist die Aufgabe ge-
3 Mechanik der Gase stellt, aus einer Gasdruckflasche von 60 L Inhalt und einem Druck von 150 bar 500 L Wasserstoffgas von 1 bar in eine in einem offenen Kessel befindliche Fliissigkeit zu leiten. Folgende Uberlegung wird angestellt: Wiirde Wasserstoff, der in einer Druckgasflasche von 60L Inhalt unter einem Druck von 150 bar steht, in ein groBes GefaB ausstromen, in dem der Druck dann nur 1 bar betragt, wurde aufgrund der Versuche ein GefaB von 9000 L benotigt. Die Berechnung ergibt sich aus dem BoyleMariotteschen Gesetz, wonach das Produkt aus Anfangsdruck und Anfangsvolumen gleich dem Produkt aus Enddruck und Endvolumen ist. Also: 150
.60
Anfangsdruck
x
=
1
Anfangs- = Endvolurnen druck
. 9000 x
Endvolurnen
Nun werden von den 9000 L, die unter dem Druck von 1 bar stehen, die geforderten 500 L unter dem Druck von 1 bar entnommen. Dann bleiben 8500 L Wasserstoffgas unter dem Druck von 0,9444 bar iibrig. Diese 8500 L Wasserstoffgas sollen nun wieder in die Druckgasflasche mit dem Volumen von 60 L zuriickgebracht werden. Hierzu mussen die 8500 L auf 60 L zusammengepreat werden. Es fragt sich, welchen Druck das Gas dann haben wird. Der Anfangsdruck ist jetzt 0,9444 bar ( p l ) , das Anfangsvolurnen 8500 L ( Vl). Das Endvolumen (V,) ist gegeben durch den Rauminhalt der Druckgasflasche (60 L). Der Enddruck ( p , ) ist unbekannt, I a t sich aber nach dem uns nun bekannten BoyleMariotteschen Gesetz berechnen: 0,9444.8500 = p 2 . 60 8024
= 60P2
P2
--
P2
=
8024 60
133,79bar
In dieser Druckgasflasche mit 60 L Inhalt wiirde also das Wasserstoffgas unter einem Druck von 133,79bar stehen. Selbstverstandlich wird man nicht erst Gas aus der Flasche ausstromen lassen und dann wieder in die Flasche hineinpressen, sondern man wird aufgrund des Boyle-Mariotteschen Grundgesetzes berechnen, daB man aus einer Druckgasflasche von 60 L In-
173
halt und 150 bar dann 500 L Gas von 1 bar Druck entnommen hat, wenn der Druck auf 133,79 bar abgesunken ist. Diese Beziehungen zwischen Druck und Volumen sind auch aus anderen Griinden wichtig. Bekanntlich diirfen Druckkessel erst benutzt werden, wenn sie vorher ,,abgedriickt", d.h. gepriift sind. Diese Priifung nimrnt man so vor, daB man den Kessel restlos rnit einer Fliissigkeit, meistens Wasser, fiillt und unter Druck setzt. Platzt hierbei der Kessel, so fliegen die Stiicke nicht weg, weil sich ja Flussigkeiten kaum zusamrnenpressen lassen. Die unter Druck stehende Flussigkeit dehnt sich also beim Platzen des Kessels nicht aus, so daB keine Stiicke wegfliegen konnen. Wurde man den Kessel mit einem Gas abdriicken, etwa einen Kessel von l00L Inhalt mit einem Druck von 10 bar, so wurden beim PlatZen des Kessels einzelne Stiicke wegfliegen, weil das Gas sich stark ausdehnt. In diesem Fall wiirden die im Kessel unter Druck von 10bar stehenden 100 L Gas sich plotzlich auf 1000 L ausdehnen, da sich nach dem Boyle-Mariotteschen Gesetz 10 bar. 100 L = 1 bar. 1000 L,
also lo00 L von 1 bar ergeben, was etwa dem Atmosphfirendruck entspricht.
3.2 Temperaturabhangigkeit des Gasdruckes Das Boyle-Mariottesche Gesetz gilt nur, wenn die Temperatur vollig gleich bleibt. Aus der tiiglichen Erfahrung ist aber bekannt, dal3 Gase sich bei Erw-ung ausdehnen. Wurde das Gas in einem vollig geschlossenen GefaB erw-t, wobei sich das Volumen nicht vergroaem kann, so wurde der Druck in diesem G e f d steigen. Wurde ein G e f d erw-t, das einen beweglichen Deckel (Kolben) -besitzt, so wiirde der Gasraum (Volumen) groBer werden, der Druck wiirde gleich bleiben. Man hat gefunden, daB bei gleichbleibenden Volumen (wenn das GefaB keinen beweglichen Deckel besitzt) der Druck bei jedern Grad Erwbnung urn /3 = 1/273 des Druckes zunimmt, unter dem das Gas bei 0 "C steht. Steht also ein Gas bei 0°C unter dern Druck po = 10 bar und wird es auf 80°C e r w b t , so wird folgender Enddruck p erreicht:
174
I1 Einigc Physikalische Grundlagen
1 prr=10bar+10bar~-----80°C 213 "C = 10 bar+
800
bar 213 = 10 bar + 2,93 bar p , = 12,93 bar ~
vi3
Der Enddruck betragt also 12,93 bar. Die allgemeine Formel dieses Gesetzes von Amontons* bei gleichbleibenden Volurnen lautet: Prr = PI, +PI) .
I ~
213
. I7
folgt
/w)
p ist der Kompressibilitatskoeffizient.
Wenn die Temperatur nicht in Grad Celsius, sondern in Kelvin angegeben ist, kann man den Gasdruck auch folgendermal3en bestimmen:
oder p = konst.. T
Nach der Formulierung gilt, daR der Gasdruck der absoluten Temperatur direkt proportional ist .
3 3 Temperaturabhangigkeit des Gasvolumens 1st dagegen der Deckel eines geschlossenen Gefal3es heweglich, wird also der Gasraum bei Erwarmung griiBer, so bleibt der Druck gleich
= IOOL
+-
Guillaume Amontons (1663-1705), franr. Physiker.
=
1
273 "C
v,, + V,)
v,= v,,
8000
80 "C
L
I '
(
I+-
-'
213
6
2:3)
T
vo = v,, 213
wobei 6wieder die betreffende Temperatur in "C ist.
v, Q
= Vn.(l
ist der Volumenausdehnungskoeffizient.
3.4 Das Abhangigkeitsverhaltnis zwischen Volumen, Temperatur und Gasdruck Bis jetzt sind die Volumenabhangigkeit des Gasdruckes (Boyle-Mariottesches Gesetz) und die Temperaturabhangigkeit des Gasdruckes (Amontonsches Gesetz) unabhangig voneinander betrachtet worden. Bei diesen Betrachtungen ist immer eine der EinfluRgriikn, Volumen, Druck oder Temperatur, konstant gebliehen. Jetzt sollen Druck und Volumen gleichzeitig verandert werden.
* *
+ IOOL. -.
213 = 100 L + 29,31 L V, = 129,3 L
v,
wobei fur 6 jeweils die betreffende Temperatur in "C einzusetzen ist. pit = PI,' (1 +
= 100L
Das allgemeine Gesetz von Gay-Lussac* fir gleichbleibenden Druck lautet fur diesen Fall entsprechend:
213 +6
T = 213+6 T Prr = PI, 213
und das Volumen nimmt um 11273 des Volumens zu, welches das Gas bei 0 "C eingenommen hat. Nirnmt ein Gas hei 0 ° C einen Raum von lOOL ein, so nimmt bei Erwarmung auf 80°C das Gas folgenden Raum ein:
Joseph Louis Gay-Lussac (1778-1 850). franz. Physiker u. Chemiker.
3 Mechanik der Gase
Es wird von den bereits bekannten Abhangigkeiten ausgegangen: p p
1
- V -T
-
175
Die Gleichung
-P I-' V I - -P 2 . V Z TI
(Boyle-Mariotte) (Amontons)
T2
wird nach der gesuchten GroRe V , umgestellt.
Die Vereinigung der beiden Beziehungen ergibt: T P - -
Auf der rechten Seite werden nun die bekannten Zahlenwerte und Einheiten eingesetzt.
V
Durch Einfuhrung einer Proportionalitatskonstanten (konst.) ist: p = konst..
T -
V
oder
v,
=
I bar. S m' .263 K 298 K .0,4bar
= 11
rn3
Das Gas dehnt sich auf ein Volumen von 1 I m3 aus. Diese Tatsache muR beim Entwerfen eines entsprechenden Ballons beriicksichtigt werden.
P.V - = konst.
T
Analog zum Boyle-Mariotteschen Gesetz kann dann die folgende Gleichung formuliert werden:
3.5 Die universelle Gaskonstante Zunachst werden in die Zustandsgleichung fur ideale Gase
-"T
Diese Gleichung wird als Zustandsgleichung der idealen Gase bezeichnet. Sie setzt sich aus den Gesetzen von Boyle-Mariotte, Gay-Lussac und Amontons zusammen. In dem folgenden Rechenbeispiel sind die Zustandsvariablen (Druck, Temperatur, Volumen) durch die Zustandsgleichung fur ideale Gase miteinander verknupft. Auf der Erde wird ein Wetterballon bei 25 "C mit 5 m3 Wasserstoffgas mit einem Druck von 1bar gefullt. Welches Volumen nimmt das Gas im Balloninneren ein, wenn der Druck in grol3eren Hohen auf 0,4 bar abftillt und gleichzeitig die Temperatur auf -10°C sinkt? Liisung:
- konst.
die Zahlenwerte der Zustandsvariablen (Druck, Temperatur, Volumen) fur den Normzustand eingesetzt . Fur den Gasdruck gilt: PO
N = 1,013. 10' -, rnz
das entspricht 1,013 bar. Fur die Temperatur gilt: T,, = 273,lS K,
Zunachst wird die Temperatur von Grad Celsius in Kelvin umgerechnet:
das entspricht 0 "C.
0 ° C = 273K 25°C = 298K -10°C = 263K
Als Volumen im Normzustand ist das Volumen von 1 Mol eines idealen Gases bei Normdruck und 273,15 K definiert. Dieses
176
I1 Einige Physikalische Grundlagen
Volumen wird auch als Molvolumen bezeichnet. Es hat den folgenden Wert:
v gibt das Volumen von x Molen eines Gases an. Daraus resultiert:
V,, = 22,4 L/mol
p ' I' -=
R ' T bzw
n
Wenn die gegebenen Werte in die Zustandsgleichung eingesetzt werden, erhalt man die universelle Gaskonstante. Sie wird mit dem Buchstaben R bezeichnet.
=n.R.T
p.v
Diese Gleichung wird als allgemeine Zustandsgleichung fur ideale Gase bezeichnet.
Rechenbeispiel Wasserstoff befindet sich in einer Stahlflasche mit einem Volumen von 20 L bei einem Druck von 200 bar und 20 "C. Wieviel Gramm Wasserstoff befinden sich in der Stahlflasche? Nm J R = 8,31 - = 8.31 rnol K mol K ~
Die universelle Gaskonstante hat die Dimension einer Energie pro Mol und K . Wenn fur die Zustandsvariablen (Druck, Temperatur, Molvolumen) Zahlenwerte mit anderen Dimensionen gegeben sind, nimmt die universelle Gaskonstante ebenfalls andere Werte an. Mit der Einfuhrung der universellen Gaskonstante nimmt die Zustandsgleichung fur ideale Gase folgende Form an:
N
1 bar = 10' ;
rn-
200. 10' N . 20. 10 ' m' . rnol . K
-
n
m 2 . 8.31 N m , rnol. 293 K 200. 100. 20 = rnol = 164,3 mol 8,31 . 293
Die Molmasse von Wasserstoff betragt 2 g/mol. P --V - R T
Stoffrnenge = m
12
V steht fur das Molvolumen und die Gleichung gilt nur fur 1 Mol. Sol1 die Gleichung fur rnehrere Mole gelten, muB die Stoffmenge n eingefiihrt werden. Dies geschieht uber die Beziehung Y = n . V.
Masse Molmasse
= -
M
m = n.M=164,3rnol.2-
s mol
m
= 3286g
Die Stahlflasche enthalt 328,6 g Wasserstoff.
Warmelehre
4.1 Warme als Energieform Fullt man aus der Wasserleitung Wasser in einen Eimer, so empfindet man es als kalt. Hangt man einen Tauchsieder hinein und schaltet ihn ein, so ernpfindet man es erst als warm, dann als heil3. Beirn Erhitzen wurde elektrische Energie aus dem Stromnetz entnommen und diese dem Wasser zugefuhrt, d. h. elektrische Energie wurde in Warmeenergie umgewandelt. Auch andere Energieformen konnen in Wirme umgewandelt werden, z.B. entsteht beim Reiben zweier Korper aneinander W m e ; die Strahlung der Sonne wird beim Auftreffen auf einen Korper zum Teil in W k n e umgewandelt.
(Ferner gibt es noch die Temperaturskalen nach Rkaurnur* und, vorwiegend in englisch sprechenden Landern, nach Fahrenheit* * .)
4.1.1 Warme und Temperatur Wenn man sagt, dal3 ein Korper warm oder kalt ist, so ist dies keine exakte, vergleichbare Aussage. Um vergleichbare Aussagen machen zu konnen, wurde der Begriff der Temperatur eingefuhrt. Die Ternperatur eines Korpers wird mit Thermornetern gemessen und als Zahlenwert angegeben. Die in Deutschland allgemein iibliche Celsius-Skala ist benannt nach dem schwedischen Astronom Celsius*. Der Nullpunkt der CelsiusSkala ist die Temperatur des schmelzendes Eises. Der Siedepunkt des Wassers bei 1,013 bar ist der andere Festpunkt (Fixpunkt). Den Abstand zwischen diesen beiden Fixpunkten, dem Schmelzpunkt des Ekes und dem Siedepunkt des Wassers, teilte Celsius in 100 "C. Neben der Einteilung nach Celsius-Graden ist besonders die Kelvin-Teilung** wichtig. Diese Teilung geht vom absoluten Nullpunkt (-273 "C) aus: Kelvingrade bezeichnet man mit K (Kelvin). Man gibt damit die absolute Temperatur an (Abb. 11-4).
*
**
Abb. 11-4. Vergleich der Temperaturskalen "C und K .
4.12 Warmemenge Betragt die Temperatur einer bestimmten Wassermenge z. B. 8 0 ° C so ist noch lange nicht bekannt, wieviel W h e e n e r g i e wirklich vorhanden ist. Ein MaB fur die Wmeenergie ist die Wiirmemenge. Mit einem Versuch sol1 dieser Zusammenhang veranschaulicht werden: In ein hohes, 2 L fassendes GefaR rnit Drahtriihrer werden ein Tauchsieder und ein Thermometer hineingehangt. Zuerst werden 0,5 L Wasser eingefullt und die Zeit gernessen, die benotigt wird, urn das Wasser von 20°C auf 50 "C zu e r w h e n . Dann wird der Versuch mit 1 L bzw. 2 L Wasser wiederholt. Der Versuch zeigt, daB bei groBeren Wassermengen langer geheizt werden mul3, um die gleiche Temperatur zu erreichen. Da der Tauchsieder in gleicher &it stets die gleiche Energiemenge abgibt, heifit das, daB *
Anders Celsius (1701-1744), schwedischer Astronom. William Thomson (182&1907), 1892 Erhebung in den Adelsstand, Lord Kelvin. engl. Physiker.
**
Reaumur, de Rent Antione Ferchault (1683-1757). franz. Jurist und Naturforscher. Fahrenheit, David Gabriel (168&1783), Physiker in Deutschland und England.
I78
I1 Einige Physikalische Grundlagen
die groRere Wassermenge mehr Energie aufnimmt und folglich dann auch die groRere Warmemenge enthalt. Daraus folgt: Die in einem Korper enthaltene Wurmemenge ist von der Masse des Korpers abhungig. Je grop e r die Masse, umso griger ist die Warmemenge, die er bei gleicher Temperatur enthalt.
In einem zweiten Versuch werden zwei 500mL-Becherglaser rnit je 0,25 L Wasser gefullt. In einem Glas hat das Wasser 20 "C, im zweiten 60°C. AnschlielJend wird zerkleinertes Eis zugegeben. Um das Eis zu schmelzen, ist Warme notwendig, diese wird dem Wasser entzogen. Es wird soviel Eis hineingegeben, bis es nicht mehr schmilzt. Im Wasser von 60°C ist ca. 3mal soviel Eis geschmolzen wie in dem Wasser von 20°C. In dem warmeren Wasser ist also eine groaere Warmemenge enthalten. Daraus folgt:
Energie zugefuhrt werden, um die gleiche Temperaturerhohung zu erreichen. Damit ergibt sich, daf3 die Warmemenge, die notig ist, um 1 kg Glykol von 20°C auf 50°C zu erwarmen, kleiner sein mu13 als diejenige, die man benotigt, um 1 kg Wasser von 20°C auf 50 "C zu erwarmen. Zur gleichen Erkenntnis gelangt man, wenn in ahnlichen Versuchen Metalle gepriift werden. Fur ein Experiment werden u. a. ein Heizbad, rnit dem Wasser zum Sieden erhitzt wird, drei Becherglaser rnit je 0,3 L Wasser von 20"C, Thermometer, Ruhrer und drei gleichschwere Metallklotze aus Aluminium, Eisen und Blei benotigt. Die drei Klotze werden fur ca. 5 min in das siedende Wasser getaucht. Danach werden sie schnell in die Becherglaser rnit kaltem Wasser gebracht. Unter Ruhren wird der Temperaturanstieg des Wassers beobachtet (Abb. 11-5).
Die in einem Korper enthaltene Warmemenge ist von der Temperatur des Korpers abhangig. Je hoher die Temperatur, desto griiier ist die Warmemenge, die er bei gleicher Masse enthalt.
Zusammenfassend gilt: Die in einem Korper enthaltene Warmemenge ist abhangig von der Masse und der Temperatur des Korpers.
4.13 Einheit der Warmemenge Die Whnemenge ist eine Form der Energie, ihre Einheit ist das Joule (J). l J = I N m = IWs*
4.1.4 Spezifische Warme Wahrend in den vorhergehenden Versuchen nur mit Wasser gearbeitet wurde, werden jetzt auch andere Stoffe betrachtet. Ein 2000-mL-Becherglas wird mit 1000 g Wasser gefullt und diejenige Zeit bestimmt, die benotigt wird, um das Wasser von 20°C auf 50°C zu e n v h n e n . AnschlieRend werden anstatt Wasser 1000 g Glykol eingefullt und wieder die Zeit fur die Temperaturerhohung von 20°C auf 50°C gemessen. Es wird eine kurzere Zeit benotigt. Bei gleicher Stoffmenge muRte weniger
*
In der Technik wird manchmal noch die Einheit Kalorie (cal) verwendet. 1 cal = 4,187 J .
Abb. 11-5. Versuch zur spezifischen Warme.
Obwohl die Metallklotze gleiche Masse und Anfangstemperatur haben, erwarmen sie das Wasser verschieden stark. Und zwar erwarmt der Aluminiumklotz das Wasser am stiirksten und der Bleiklotz am schwachsten. Dies bedeutet wieder, daR die Stoffe unterschiedliche Warmemengen enthalten. Bei gleicher Masse und Temperatur ist die in einem Stoff enthaltene Warmemenge noch von einer weiteren Stoffeigenschaft, der spezz5schen Warme abhangig. Als spezifische Warme wird die Warmemenge in I d definiert, die benotigt wird, um 1 kg eines Stoffes um 1 K zu envarmen. Einige Beispiele spezifischer Warmen verschiedener Stoffe gibt Tab. 11-1 wieder. Wasser besitzt von allen Stoffen die hochste spezifische Warme.
4.15 Berechnung der Warmemenge Anhand der durchgefuhrten Versuche sieht man, da13 die Warmemenge ( Q ) umso groRer ist, je groaer die Masse ( m ) , die Temperaturdifferenz (A@) und die spezifische Warme ( c ) sind.
4 Warmelehre Tab. 11-1. Spezifische Wiirme einiger Stoffe.
Stoff
Spezifische Warme kJ kg . K
Wasser Eis Alkohol
Glycerin Aluminium
Eisen Blei
4.19
2,Ol 2,43 2 39 0,88 0,SO 0,13
Daraus ergibt sich folgende Gleichung:
zur Berechnung der Warmemenge.
4.2 Ausdehnung durch Warme 4.2.1 Langenausdehnung bei Feststoffen Ein Metallrohr wird auf einer Seite befestigt. Mit der anderen Seite wird es auf eine drehbare Scheibe rnit Zeiger gelegt. Der Zeiger bewegt sich, wenn das Rohr vom durchstromenden Wasserdampf erwarmt wird. Wird die Dampfzufuhr gestoppt, kiihlt sich das Rohr wieder ab. Der Zeiger bewegt sich zuriick (Abb. 11-6). Der Zeiger hat sich bewegt, weil sich das Rohr bei der E r w h u n g ausgedehnt und beim Abkuhlen wieder zusammengezogen hat. Diese Liingenanderungen durch Temperaturschwankungen sind in der Technik von sehr groaer Bedeutung, da dabei gleichzeitig sehr g r o k Krafte auftreten.
Kalt
tL
Abb. 11-6. Ausdehnung eines Metallrohres.
*
Bei der Berechnung von Wiirmemengen rechnet man im allgemeinen mit Temperaturangaben in "C (Grad Celsius). Bei Berechnung mit den Gasgesetzen beniitigt man die absolute Temperatur in K (Kelvin).
179
Ein Eisentrager einer Briicke, der bei 10°C eine Lange von 10 m hat, andert seine Lange bei einer Erwtimung auf 30°C im Sommer um ca. 0,5cm. Diese Langenzunahme mu13 beim Bau der Briicke durch Dehnungsfugen beriicksichtigt werden. Andere Beispiele, bei welchen die Langenausdehnung bei Envarmung eine wichtige Rolle spielt, sind, der Bau von langen Rohrleitungen sowie der Uberlandleitungen. Ein Stab von 1 m Lange dehnt sich bei IOK Erwarmung um einen bestimmten Betrag aus (Tab. 11-2). Die Liingenausdehnung ist von Stoff zu Stoff verschieden, aber fur jeden einzelnen Stoffchurakteristisch. Zwischen 0 "C und 100 "C kann man mit einer regelmaBigen Langenausdehnung rechnen, d. h. je Grad E r w h u n g dehnt sich ein Korper einer bestimmten Lange um einen bestimmten Betrag aus. Der Ausdehnungskoeffizient ist die Zahl, die angibt, um den wievielten Teil seiner Lange sich ein Stab bei Erwarmung um 1 "C (1 K) ausdehnt. Tab. 11-2 gibt die Ausdehnung von Staben aus verschiedenen Materialien bei Erwknung an. Tab. 11-2. Ausdehnung eines Stabes von 1 m Lange bei Erwiirmung urn 10 K.
Stoff
Ausdehnung (in mm)
Aluminium Stahl Kupfer Fensterglas
02 4 0,12 0,17 0,08S
4.22 Volumenausdehnung von Fliissigkeiten Ein OJ-L-Kolben wird bei Zimmertemperatur vollstandig mit Alkohol gefiillt und rnit einem Stopfen verschlossen, durch den ein diinnes Steigrohr fiihrt. UmfaBt man jetzt den Kolben rnit den Handen, so steigt die Flussigkeit im Rohr schnell hoch (Abb. 11-7), sie dehnt sich aus. Fliissigkeiten dehnen sich bedeutend starker aus als Feststoffe, z.B. dehnt sich 1 L Eisen bei IOK Temperaturerhohung um 0,36 cm' aus, I L Alkohol dagegen um 11 cm3. Deshalb spielt die Ausdehnung von Flussigkeiten beim Fullen von Fassern und anderen geschlossenen Behaltem eine g r o k Rolle; solche Behalter diirfen nie bis zum Rand gefullt werden. Wird z. B. ein FaB von 200L Inhalt bei 10°C vollig mit Alkohol gefiillt
180
II Einige Physikalische Grundlagen
und dann in der Sonne bei 30°C gelagert, so nimmt das Volumen um 4,14 L zu. Das StahlfalJ dehnt sich zwar auch aus. aber nur um 0.14 L. Das bedeutet, daB das Fa13 durch die Ausdehnung des Inhaltes platzen kann, da die auftretenden Krafte sehr groB sind.
1,013bar und 0°C besitzt (Normaustand). aus (vgl.Abschn. II-3.3),d. h. das Volumen eines Gases vergrol3ert sich bei l K Erwarmung bei einem Ausgangsvolumen von I m i um 3,66 L.
4 3 Temperaturmessung Um die Temperatur eines Korpers zu messen, werden Thermometer [therme (grch.), W k m e ] und andere TemperaturmeBinstrumente benutzt. Hierbei nutzt man das Verhalten verschiedener Stoffe beim Erwarmen aus und miBt damit die Temperatur eines anderen Korpers.
43.1 Quecksilberthermometer 20oc
30°C
Abb. 11-7. Ausdehnung von Fliissigkeiten.
4.23 Volumenausdehnung von Gasen Um die Volumenanderung von Gasen zu zeigen, werden ein 0,25 L groBer, dunnwandiger Glaskolben mit langem, dunnen Rohransatz und ein Becherglas mit, Wasser benotigt. Der Kolben wird mit der Offnung nach unten ins Wasser getaucht und mit beiden Handen envarmt (Abb. 11-8). Nach kurzer Zeit tritt Luft aus dem Kolben aus und perlt durch das Wasser nach oben. Das Volumen des Gases (der Luft) hat sich vergroBert. Nimmt man nun die Hande weg und llUt den Kolben abkuhlen, so zieht sich das Gas wieder zusammen. Da ein Teil des Gases beim Erwarmen entwichen ist, steigt nun Wasser in dem Rohr hoch.
n
Abb. 11-8. Ausdehnung von Gasen. Gaw dehnen sirh noch starker als Fliissigkeiten aus. Erwarmt man ein Gas um 1 K, so dehnt es sich um 1/273 seines Volumens, das es bei
Am bekanntesten ist das Quecksilberthermometer. Es besteht aus einem kleinen, mit Quecksilber gefullten GlasgefaB mit einer angesetzten, evakuierten Kapillare. Beim Erwarmen dehnt sich das Quecksilber aus und steigt in der Kapillare hoch. Die Steighiihe ist ein MaJ fur die Temperutur. Auf einer Skala hinter der Kapillare kann dann die Temperatur abgelesen werden (vgl.Abschn. 11-4.1. I ) . Quecksilberthermometer sind fur den Temperaturbereich von -39 "C (Erstarmngspunkt des Quecksilbers) bis +350 "C brauchbar. Fur hohere Temperaturen (bis etwa +600"C) muU die Kapillare uber dem Quecksilber mit Stickstoff gefullt werden . Falls man statt des Glasgefaks ein QuarzgefaB fur das Thermometer verwendet, kann man es bis +750 "C benutaen.
4 3 2 Andere Fliissigkeitsthermometer Anstelle des Quecksilbers kann man auch Ethylalkohol als Thermometerflussigkeit verwenden. Eth~lalkoholthermometerlassen sich fur Temperaturen zwischen -100 "C und +70 "C benutzen. - Fur Temperaturen zwischen -190°C und +20 "C kann man mit Pentan oder anderen niedrig siedenden Kohlenwasserstoffen gefullte Thermometer verwenden. Bei Fliissigkeitsdruckthermgmetern ist eine Flussigkeit (Quecksilber oder 01) in eine Rohre eingeschlossen; die Flussigkeit dehnt sich beim Erwarmen aus und bewegt durch ihren Druck ein Hebelsystem und einen Zeiger uber einer Skala (Abb. 11-9).
4 Warmelehre
181
erwarmt, so flieat weniger Strom. Die Skala des StrommeBgerates A kann direkt in Graden geeicht werden. Der MeRbereich urnfaRt Temperaturen von etwa -220 "C bis +750 "C. R
II Abb. 11-9. Quecksilberdruckthermometer.
U
433 Weitere Temperaturmefiinstrumente Das Bimetallthermometer (Abb. IT- 10) besteht aus einer Spirale aus Bimetall, die sich bei Ternperaturanderung knirnrnt. Ein Bimetall besteht aus zwei verschiedenen, aufeinander gewalzten oder geschweihten Metallstreifen (z. B. A1 auf Fe), die verschiedene Ausdehnungskoeffizienten besitzen. Mit ihrem freien Ende bewegt die Bimetallspirale einen Zeiger. Dieses Thermometer hat einen MeBbereich bis 500 "C.
B
Abb. 11-11. Widerstandsthermorneter. - B Batterie, R Widerstand, A Amperemeter.
Ein Thermoelement besteht aus zwei verschiedenen Metalldrahten, die an einem Ende rniteinander verlotet sind. Erwarmt man die Liitstelfe, d.h. bringt man die Lotstelle dorthin, wo die Temperatur gemessen werden soll, und halt die beiden anderen Enden der Drahte kalt, so entsteht eine elektrische Spannung, deren GroRe ein MaR fur den Temperaturunterschied zwischen der Lotstelle und den beiden anderen Drahtenden ist . Es sind nur solche Metallkombinationen brauchbar, die eine genugend groRe Thermospannung erzeugen, die man in Millivolt miRt. Das Miflivoltmeter kann wiederum direkt in Celsiusgraden geeicht werden (Abb. 11-12).
a Kupfer
Konstanton
Abb. 11-10. Bimetallthermometer.
Abb. 11-12. Thermoelement.
Das Widerstandsthermometer beruht auf der Tatsache, daO der elektrische Widerstand eines Metalldrahtes von der Temperatur abhangt. Als Metal1 venvendet man Platin oder Nickel. Erhitzt man einen stromfuhrenden Draht, so wird sein Widerstand groRer. Bei der Anordnung (Abb. 11-11) flieht von der Batterie B aus ein Strom uber den Draht, durch den Widerstand R und das StrommeOgerlt. Wird der Widerstand R
Am haufigsten benutzt man Thermoelemente entsprechend Tab. 11-3. Beim Pyropter oder optischen Pyrameter (Abb. 11-13) schaut man durch ein Fernrohr, in dem man den zu messenden gluhenden Korper und einen dunnen elektrischen Heizdraht (Normalstrahler) erblickt. Mittels der Batterie B kann man den Heizdraht ebenfalls zum Gluhen bringen. Man Bndert den Heizstrom so lange, bis der
182
I1 Einige Physikali\che Grundlapen
Tab. 11-3. Temperaturbereichc von Thermoelementen.
Thcrmoclcment Kupfer-Konstantan* Eisen-Konstantan* Nickel-Chromnickel Platin-Platinrhodium
*
Temperaturbereich in "C von
his
-200 -200 0
+ 600
0
+
900 +I300 + I600
Konstantan ist eine Widerstandslegierung aus Kupfer. Nickel. Mangcn oder Eisen.
Heizdraht dieselbe Gluhfarbe hat wie der zu messende Kiirper. Der hierru benotigte Strom wird mit einem MeRinstrument gemessen, das direkt in Celsius-Graden geeicht ist. Bei der Messung mussen die Oberflacheneigenschaften des Strahlers berucksichtigt werden. Dieser Pyrometer ist nicht rum Messen von Flammentemperaturen geeignet. Objektiv
usw. Schlechte Warmeleiter sind Haare, Federn, Stroh, Holz, Glas und alle Case. Cute Warmeleiter braucht man, um Warme schnell zu ubertragen oder wegzuleiten. Schlechte Warmeleiter (W?irmeisolatork) benutzt man, um Warmeleitung weitgehend zu verhindern.
4.4.2 Warmestromung Bei der Warmeleitung bleiben die Teilchen des leitenden Korpers auSerlich in Ruhe. Bei der Warmestriimung wandert nicht nur die Warme, sondern auch der Stoff. Warmestromung findet man deshalb nur bei fliissigen und gasformigen Stoffen. Von dieser Warmestriimung macht man z.B. bei der Warmwasserheizung Gebrauch (Abb. 11-14).
Okular
Abb. 11-13. Optisches Pyrometer*. - B Batterie.
Abb. 11-14. Demonstration der Warmwasserheizung.
4.4 Warmeubertragung
4.43 Warmestrahlung
4.4.1 Warmeleitung Halt man das Ende eines Metallstabes in eine Flamme, so wird bald auch das andere Ende warm, das man in der Hand halt. Die Warme wird also innerhalb des Stabes weitergeleitet. Man spricht deshalb von Warmeleitung. Es gibt gute und schlechte Warmeleiter. Cute Warmeleiter sind Metalle. Am besten leitet Silber die Warme, dann Kupfer, Aluminium, Eisen
*
pyr (grch.) Fcucr ~
In der Nahe eines heiRen Ofens empfindet man, dab vom Ofen her eine Erwarmung des menschlichen Korpers stattfindet, ohne daR eine Warmestromung oder eine Warmeleitung vorhanden ist. - Beispielsweise erreicht die Energie der Sonne die Erde auch durch den Jeeren" Raum des Weltalls. Diese Art der Warmeubertragung wird als Warmestrrihlung bezeichnet. Es ist eine den Lichtstrahlen ahnliche Strahlung, die sich auch im Vakuum ausbreitet. Sie wird infrarote Strahlung genannt und ist fur das menschliche Auge unsichtbar.
4 Wmelehre
4.5 Aggregatzustande Man unterscheidet drei Aggregatzustande: fest - fliissig - gasformig Beim fesren Aggregatzustand sind im allgemeinen die kleinsten Teilchen des Stoffes - die Atome bzw. Molekiile - in einem bestimmten System fest in ein Kristallgitter eingeordnet (Abb. 11-15), Gegeneinander sind sie nur sehr schwer zu verschieben. Der Stoff hat eine bestimmte Form und nimmt ein bestimmtes Volumen ein.
fest
flussig
gasformig
Abb. 11-15. Aggregatzustande.
Im fliissigen Aggregatzustand sind die Teilchen nicht mehr an einen Ort gebunden, sie lassen sich gegeneinander leicht verschieben. Zwar besitzt eine Flussigkeit noch ein bestimmtes Volumen, nimmt aber jede beliebige Form an. Im gusfirrnigen Aggregatzustand sind die Teilchen weit voneinander entfernt und iiben kaum noch Krafte aufeinander aus. Sie lassen sich sehr leicht gegeneinander verschieben. Eine Gasrnenge nimmt jede beliebige Form an und jedes beliebige Volumen ein.
45.1 Temperatur und Aggregatzustand Ein Stuck Eis ist bei 0°C bekanntlich fest. Die Wassermolekule sind in einem festen Gitter angeordnet. Halt man Eis in der Hand, so wird die Hand kalt. Das Eis nimmt Warme auf und
183
schmilzt. Dabei entsteht Wasser, das fliissig ist. Wird Wasser in einem Topf aufgefangen und zum Kochen gebracht, so verdampft es und wird gasformig. Durch Energiezufuhr kann ein Stoff vom festen in den gasformigen Zustand uberfuhrt werden. Die dabei zugefiihrte Energie regt die Teilchen des Stoffes zum Schwingen an. Durch das Schwingen wird zuerst das Kristallgitter zerstort, der Stoff wird fliissig; dann werden auch noch die in der Fliissigkeit vorhandenen Anziehungskrafte iiberwunden und der Stoff wird gasformig. 4 5 3 Sehmelzwarme und Erstarrungswarme In einem Becherglas wird 1 kg Wasser von 0°C auf moglichst kleiner Flamme erwarmt. In einem anderen Becherglas wird mit gleich kleiner Flamme 1 kg fein zerkleinertes Eis von 0°C erwiirmt (Abb. 11-16), Wahrend im Glas mit dem Wasser die Temperatur langsam. aber stiindig ansteigt und das Thermometer je nach der GroBe der Flamme schon 30 bis 40 "C anzeigt, herrscht im Glas mit dem Eis nach sorgfaltigem Umriihren immer noch eine Temperatur von 0 " C ,solange Eis vorhanden ist. Die dem Eis zugefuhrte Warme wird also nicht zur Temperaturerhohung verbraucht, sondern zum Schrnelzen. Man nennt sie deshalb Schrnelzwarrne. Erst wenn das gesamte Eis geschmolzen ist, beginnt die Temperatur zu steigen. Schrnelzwarrne ist also die Warme, die man braucht, um eine bestimmte Menge, z.B. 1 kg eines Stoffes, ohne Temperaturerhohung vom festen in den fliissigen Zustand zu uberfuhren. Sie wird auch latente* (verborgene) Warme genannt. Die verschiedenen Stoffe nehmen also beim Schmelzen Warme auf, ohne daB die Temperatur ansteigt. Sie benutzen die W-eenergie, um das feste Kristallgefuge zu lockern. Die Temperatur, bei der ein Korper vollig fliissig wird, heiBt Schrnelzpunkt. L a t man einen geschmolzenen Korper abkuhlen, so beginnt er wieder fest zu werden, sobald er die Temperatur erreicht, bei der er vorher geschmolzen ist. Dieser Punkt ist der Ersturrungspunkt. Manche Fliissigkeiten, z. B. Natriurnthiosulfat, lassen sich auch unter den Erstarmngspunkt abkuhlen, wenn man sie ganz ruhig stehen lafit. Durch AnstoR, durch Einwer*
latere (lat.) verborgen sein. ~
184
I I Einige Physikalische Grundlagen
L Zeit
o-ooc
n Anfangszustand
-
a Erwarmen
Endzustand
Ahh. 11-16. Versuch zur Schnielzwarmc.
fen eines Kristalls, oft schon durch ein Staubkornchen, erstarren sie ganz plotzlich. Flussigkeiten, die unterhalb ihrer Erstarrungstemperatur noch ,,flussig" sind, nennt man unterkuhlte Flussigkeiten. Wird z. B . etwas Natriumthiosulfat (Schmclzpunkt + 4 8 "C) in einem Reagenzglas geschmolZen und dann vorsichtig abgekuhlt, so bleibt es unter Umstanden bis +IS"C flussig. Wird ein Kristall Natriumthiosulfat hineingeworfen, so beginnt die flussige Schmelze zu erstarren. Gleichzeitig steigt das Thermometer auf + 4 8 "C. Dieses Ansteigen der Temperatur zcigt, dab beim Erstarren Warme frei wird; das ist dieselbe latente Warme, die zum Schmelzen notwendig ist, d.h. dem Korper zugefiihrt werden mulJ. Die Ersturrungswarme ist diejenige Warmemenge, die frei wird, wenn ein Korper vom flussigen in den festen Zustand iibergeht. - Erstarrungspunkt und Schmelzpunkt eines Kiirpers sind gkich.
4 5 3 Verdampfungs- und Kondensationswarme In einem offenen Becherglas wird I kg Wasser solange crhitzt, bis das hineingehaltene Thermometer 100°C anzeigt. Dann wird weiter erhitzt. Obwohl mit der Flamme stlndig mehr Warme zugefuhrt wird, steigt die Temperatur nicht uber 100°C. Dagegen verringert sich die Wassermenge: Das flussige Wasser verwandelt sich in Wasserdampf. Die Warme, die dem Wasser weitcr zugefuhrt wurde, diente d a m , das Wasser in Dampf zu verwandeln. Sie heiBt deshalb Verdumpfungswiirme. Sie ist ebenfalls eine latente Warmemcnge (vgl. Tab. 11-4). Wird der Dampf wieder abgekuhlt, indem er in Wasser von 0°C eingeleitet wird, so wird diese Warme als Kondensationswarme wicder frei. Das kalte Wasser erwarmt sich. Verdampfungswarme ist diejenige Wlrmemenge, die man braucht, um eine bestimmte
4 Wiirmelehre
185
Tab. 11-4. Schmelz- und Siededaten einiger Substanzen. Stoff
Schmelzpunkt
"C Wasser Ethylalkohol Schwefelsiiure Aluminium Blei Schwefel
0 .oo - I I4 10.5 660 327 I13
Schmelzwiirme kJ/kg
Siedepunkt "C
VerdampfungswLme kJikg
333.7 I05 109 386 24 39
lO0,oo 78.3 338 2 500 1 700 444
2 258 858 51 1 10 796 92 1 293
Menge (meist 1 kg) eines Stoffes ohne Temperaturerhohung vom flussigen in den gasformigen Zustand uberzufuhren. Kondensationswarme ist diejenige Warmemenge, die frei wird, wenn eine bestimmte Menge (meist 1 kg) eines Stoffes ohne Temperaturerniedrigung vom dampfformigen in den flussigen Zustand ubergeht.
Thermometer O
mit
h
Aceton
45.4 Verdampfen, Verdunsten, Sieden Wenn einer Flussigkeit am Siedepunkt Wiirmeenergie zugefuhrt wird, dann verdampft sie. Daneben gibt es auch ein Verdampfen, das ohne Heizen vor sich geht. Man nennt es Verdunsten. Es ist der langsame Ubergang einer Flussigkeit in den Dampfzustand. Wird ein Thermometer mit einem kleinen Wattebausch oder etwas Filterpapier umwickelt und mit wenig Aceton getrankt, so sinkt die Temperatur des Thermometers langsam. Das Aceton aus dem Wattebausch verdunstet gleichzeitig. Dabei hat sich die Umgebung, also auch das Thermometer, abgekiihlt. Das Aceton hat zum Verdunsten Warme gebraucht, die als Verdunstungskiilte bezeichnet wird (Abb. 11- 17). Die Geschwindigkeit der Verdunstung ist von verschiedenen Umstanden abhangig: a) von der Art des Stoffes b) von der GroBe der Oberflache c) von der Luftbewegung oberhalb der Flussigkeit d) von dem Dampfgehalt der uber der Flussigkeit stehenden Luftsaule e) von der Temperatur
4 5 5 Siedepunkt und Druck Wird eine Flussigkeit bis zu ihrem Siedepunkt erhitzt, so steigen in der Flussigkeit Dampfblasen
Abb. 11-17. Verdunstungskalte.
an die Oberflache. Die Flussigkeit siedet. Wasser siedet unter normalem Luftdruck von 1,O 13 bar bei +IOO"C. Wird Wasser in einen Kolben gefullt und mit einer Wasserstrahlpumpe Luft aus dem Kolben gesaugt, so siedet das Wasser schon bei niedrigerer Temperatur. Der Siedepunkr einer Flussigkeit ist druckabhangig. Mit steigendem Druck steigt auch der Siedepunkt an. Eine Fliissigkeit siedet dann, wenn ihr Dampfdruck den auf der Fliissigkeit lastenden Druck iiberwindet .
186
I1 Einige Physikalische Grundlagen
4.5.6 Sublimieren Ein Reagenzglas wird in einen durchbohrten Stopfen gesteckt und in die Offnung eines Rundkolbens eingepal3t (Abb. 11-18).In dem Reagenzglas befindet sich etwas Schwefel, der mit kleiner Flamme enviirmt wird, zugleich wird der Kolben mit Wasser gekuhlt.
auflost, z.B. Kochsalz in Wasser. Lost man einen solchen Stoff in Wasser auf, so entzieht er dem Wasser die zum Auflosen notige W-e, die Liisungswarme. Das Wasser kiihlt sich ab. Die Losungswarme ist nicht bei allen Stoffen gleich grol3. Besonders gut laBt sie sich bei solchen Stoffen feststellen, die eine groRe Losungswarme besitzen.
,Schwefel
I I Nach kurzer Zeit hat sich an der gekuhlten Wand des Kolbens Schwefel angesammelt. Im Reagenzglas dagegen befindet sich kein geschmolzener Schwefel. Die bisherigen Gedankenexperimente haben bewiesen, darj sich durch Warmezufuhr ein Stoff erst verfliissigt und dann verdampft. Durch Warmeentzug (Abkuhlen) wird der Stoff wieder fliissig, dann fest. Bei dem beschriebenen Versuch tritt der fliissige Zustand nicht auf, sondern der Stoff wird sofort gasformig und bei Abkiihlung wieder fest. Diese Eigenschaft nennt man Sublimieren*. Dabei muR beim Erwarmen gleichzeitig die Schmelz- und die Verdampfungswarme zugefiihrt bzw. wieder abgefiihrt werden.
4.5.7 Losungswarme Von der Schmelzwarme, die ein Korper braucht, um ohne Temperaturerhohung vom festen in den fliissigen Zustand iiberzugehen, ist die Losungswarme zu unterscheiden. Manche Stoffe benotigen Wiirme, wenn man sie in einem Losemittel
* sublimare (lat.) - emporheben
Abb. 11-18. Sublimation.
Lost man z. B. 30 g Ammoniumchlorid (NH,CI) in 100 g Wasser, so sinkt die Temperatur um ungefiihr 18"C, also z. B. von +20"C auf +2"C. Lost man 60g Ammoniumnitrat (NH,NO,) in 100 g Wasser, so sinkt die Temperatur sogar um 20"C, also etwa von +15 "C auf -5 "C. In diesem Falle ist auch bei -5 "C die warjrige Losung noch nicht gefroren, wahrend doch sonst Wasser bei 0 "C gefriert (s. Abschn. 11-4.5.8). Neben Stoffen, die beim Auflosen Losungswarme aufnehmen, gibt es andere, die beim Auflosen Warme abgeben. Lost man z.B. Kaliumhydroxid in Wasser, so kiihlt sich das Wasser nicht ab, sondem envarmt sich. Man spricht deshalb allgemein von der Warmetonung des Losungsvorgangs. Tritt beim Auflosen eines Stoffes eine Temperaturemiedrigung auf, wird Losungswarme aufgenommen, und man spricht von einer negativen Warmetiinung. Tritt dagegen beim Auflosen eines Stoffes in einem Losemittel durch andere beim Auflosen ablaufende Prozesse eine Temperaturerhohung ein, so wird von einer positiven Warmetiinung gesprochen. Die eigentliche Losungswiirme ist immer negativ. Tritt beim Auflosen eine positive Warme-
4 Wiirmelehre
tonung ein, so ist der Losungsvorgang von chemischen oder physikalischen Reaktionen begleitet.
4.5.8 Gefrierpunkt- Schmelzpunkt Kiihlt man Wasser ab, beginnt es bei 0°C zu gefrieren. Die Temperatur bleibt so lange konstant , bis das ganze Wasser gefroren ist. Das Eis kann man dann weiter abkiihlen. Beim Gefrieren des Wassers wird die sog. Erstarmngswarme freigesetzt. Die Erstarmngsw m e ist die W m e m e n g e , die beim Erstarren einer Fliissigkeit ohne Temperaturandemng frei wird. Die Temperatur, bei der diese Phasenumwandlung stattfindet, wird als Erstarrungspunkt oder Gefrierpunkt bezeichnet. Erwarmt man Eis von sehr niedrigen Temperaturen, beginnt es bei 0°C zu schmelzen. Die Temperatur bleibt solange konstant, bis das ganze Eis geschmolzen ist. Erst dann kann das entstandene Wasser weiter erwarmt werden. Die Warmemenge, die zum Schmelzen des Eises benotigt wird, wird als Schmelzwarme bezeichnet. Sie ist genau so grol3 wie die Erstarmngswme, also sind auch GefLier- und Schmelzpunkt gleich. Die Schmelzwarme ist die Wkmemenge, die beim Schmelzen eines Korpers ohne .Temperaturanderung frei wird. Wenn man Salz in Wasser lost und diese Losung abkiihlt, stellt man fest, dal3 die Losung bei 0 "C noch fliissig ist. Sie gefriert erst bei einer Temperatur, die deutlich tiefer als der Gefrierpunkt von Wasser liegt. Der Gefrierpunkt bzw. Schmelzpunkt waBriger Losungen liegt also unterhalb von 0°C. Es 1st eine Gefrierpunktserniedrigung oder Gefrierpunktsdepression* eingetreten. Die Grol3e der Gefrierpunktserniedrigung hangt von der Masse des gelosten Stoffes ab. Da wal3rige Losungen erst unterhalb 0°C gefrieren, kann man Kiihlsolen herstellen, die Temperaturen von -20 "C und niedriger aufweisen. Diese werden z. B. zum Kiihlen von Reaktionskesseln venvendet. Von der Gefrierpunktsemiedrigung macht man Gebrauch, wenn man im Winter Eis oder Schnee mit einem Salz auftaut. Wird Salz auf Eis gestreut, schmilzt das Eis, weil die aus der Mischung entstehende Salzlosung einen tieferen Gefrierpunkt hat als das reine Wasser.
*
deprimere (lat.) niederdriicken ~
187
45.9 Uberhitzter Dampf Nicht nur ein niedrigerer (vgl. Abschn. II-4.5.5), sondern auch ein hoherer Siedepunkt kann durch die Verandemng des Druckes erreicht werden. Wasserdampf kann mit einem Gas verglichen werden. Nach dem Gesetz, von Amontons (s. Abschn. 11-3.2) Pi+ = Po (1 +
LW)
wird ein hoherer Dmck erhalten, wenn Gase erwarmt werden und dabei die VergroBerung des Volumens verhindert wird. Es mu13 in einem vollig geschlossenen GefaB gearbeitet werden. Wird z. B. Wasser in einem geschlossenen GefaB erhitzt, so dal3 der entstehende Dampf nicht entweichen kann, so steigen sowohl Druck als auch Temperatur von Wasser und Dampf. Folgende MeBdaten veranschaulichen diesen Zusammenhang :
Temperatur in "C
Dampfdruck in bar
105 110 120 130 150 200 300
1,21 1,43 1,98 2,10 4,16 15,54 86,l
Dampf bei der zugehorigen Kondensationstemperatur bezeichnet man als gesattigten Dampf (Sattdampf) . Uberhitzter Dampf oder HeiJdampf entsteht aus gesattigtem Dampf, wenn man weiter erhitzt. Man stellt iiberhitzten Dampf in Dampferhitzem her. Es kommt manchmal vor, dal3 eine Fliissigkeit erst zu sieden beginnt, nachdem sie langst iiber ihren Siedepunkt hinaus erhitzt ist. Man spricht dann von Siedeverzug. Er kann z.B. eintreten, wenn in einem gut gereinigten Gefal3 luftfreies Wasser erhitzt wird. Das Sieden kann dann plotzlich durch eine leichte Erschiitterung des GefaBes, durch Hineinwerfen eines Steinchens 0. a. ausgelost werden. Dann verwandelt sich plotzlich eine groBe Menge Fliissigkeit in Dampf. Diese plotzlich entstehende Dampfmenge kann bei geschlossenen Kesseln zu Kesselexplosionen fiihren, da die Offnung des Sicherheitsventils in die-
I88
11 Einige Physikalische Grundlapen
sem Fall oft zum Abfuhren des Dampfes nicht geniigt. Man vermeidet den Siedeverzug, wenn man die Flussigkeit durch Riihren bewegt. Luft hindurchsaugt oder poriise Tonscherben (Siedesteinchen) in den Kessel gibt. 45.10 Siedepunkt von Losungen,
Siedepunktserhohung Es wurde festgestellt, daU Liisungcn einen tieferen Erstarrungspunkt haben als das reinc Liisemittel (Gefrierpunktsdepression). Aber nicht nur der Erstarrungspunkt, sondern auch der Siedepunkt ist bei Losungen anders als beim reinen Losemittel: Liisungen von festen Stoffen haben einen hoheren Siedepunkt als das reine Losemittel. Man nennt diese Erscheinung S i d e punktserhchung . VErsuch: In einem Becherglas wird eine Liisung von 12.4g Kochsalz in lOOg Wasser zum Sieden gebracht. Das Thermometer zeigt einen Siedepunkt von 102°C. In einem anderen Becherglas wird eine Liisung von 40,7g Kochsalz in l00g Wasser ebenfalls Lum Sieden gebracht. Es stellt sich einc Siedetemperatur von I08,X"C ein. Wird das Thermometer in den aufsteigenden Dampf gehalten. so zeigt e5 in jedem Falle eine Temperatur von 100 "C an (Abb. 11- 19).
Wahrend des Erhitzens einer Salzliisung steigt der Siedepunkt immer weiter an, je mehr Wasser verdampft. Man kann auf diese Weise aus der jeweiligen Siedetemperatur die Konzentration der Losung feststellen. SchlieBlich wird ein Punkt errcicht. an dem sich festes Kochsalz abscheidet. Dann ist die Liisung gesattigt, und der Siedepunkt steigt nicht mehr weiter. Bei weiterem Eindampfen fallt immer mchr festes Salz aus, ohne dal3 der Siedepunkt ansteigt.
Eine Sirclepiitikt.serhiihulrlg tritt iriirner nur dotin ein, wenn drr Uampfdriick des geliisten Stoffes niedrigcr licgt cils der Dnmpfdruck de.s Liisernitte1.s. Dies trifft fur das Liisen von Fcststoffen. z.B . von Salzen, in Wasser zu. Lost man 25g Kochsalz in 1OOp Wasser. so siedet diese Losung bei 104,6 "C. Anstelle cine5 Salzes kann aber auch eine Fliissigkeit in Wasser gelost werden. Bei Aufliisung von Ethanol in Wasser liegt der Siedepunkt niedriger als dcr des Wassers. Der Siedepunkt einer 70 %igen Alkohol-Wasser-Liisung liegt bei 80 "C. Reiner Alkohol siedet bei 78 "C, reines Wasser bei 100°C. Bei manchen derartigcn Gemischen, bei denen beide Komponenten fluchtig sind, kann oft durch Destillation keine vollstandige Trcnnung herbeigefuhrt werden, wie das bei einer Salzliisung durch Verdampfen des Wassers miiglich ist. Mischungen, die durch Destillation nicht zu trennen sind, werden als nzeotrope* Gemische bezeichnet.
4.6 Verbrennungswarme
r
Abb. 11-19. Siedepunkt von Liisungcn
Die Verbrennungswiirme oder Verbrennungsenthalpie wird bei der vollstiindigen Verbrennung von Verbindungen frei. Der Heizwert ist diejenige Warmemenge. die bei der Verbrennung eines Brennstoffes frei wird. Sie errechnet sich BUS der Verbrennungsenthalpie und wird i.a. auf 1 kg Brennstoff bezogen. Man unterscheidet zwischen einem unteren Heizwert, H , , . und einem oberen. H,, ( s . Abschn. 1-11.4.6 und Tab. 1-16), *
ich \icdc: t r o p w (frch.) (grch.) nicht: ~ e (grch.) o Kichtung: ;i/rotrop ( F r c h . )- nicht in cine Kichtung \leden. d. h . nicht trennhor. ii
~
5 Elektrizitatslehre
5.1 Reibungselektrizitat Der Name Elektrizitiit kommt vom griechischen ,,Elektron". Dies ist die griechische Bezeichnung fur Bernstein. Reibt man Bernstein (man kann auch andere nichtleitende Stoffe, z.B. Glas, Kunststoff oder Hartgummi nehmen) mit einem trockenen Wolllappen und bringt dann in die Nahe des Bernsteins kleine Papierstuckchen, so werden diese angezogen. Der Bernstein ubt eine Kraft auf die Papierstuckchen aus, obwohl sich am Bernstein auBerlich nichts verandert zu haben scheint. Wie ist diese Kraftwirkung zu erklaren? Fur die Entstehung des ,,elektrischen" Zustandes sind Elektronen verantwortlich, negativ geladene Elementarteilchen (vgl. Abschn. I- l .2.2). Durch das Reiben des Bernsteins hat man Elektronen vom Bernstein abgetrennt. Sie sarnmeln sich auf dem Lappen an. - Werden Ladungen getrennt, so haben sie das Bestreben, sich wieder zu vereinigen. Zwischen ihnen herrscht eine Kraft, die auch auf andere Korper, z.B. Papierstuckchen, wirken kann. Zwischen Bernstein und Wollappen besteht ein Ladungsunterschied, der sich nicht ausgleichen kann. Die Krafte zwischen den Korpern werden umso grofler, je mehr Ladungen man voneinander trennt. Reibt man den Stab lange genug, so kann man beobachten, wie Funken zwischen Lappen und Stab uberspringen. Jetzt tritt durch die Luft ein Ladungsausgleich ein. Diese Erscheinung ist in der Natur als Blitz beim Gewitter zu beobachten. Es handelt sich dabei urn eine Ladungstrennung durch Reibung. Durch Luftstromungen reiben sich Luftmolekule aneinander, und die Ladungen sammeln sich in den Wolken an. Sind die Ladungen sehr groB, so tritt Entladung in Form eines Blitzes auf.
5.2 Elektrische Spannung Den Ladungsunterschied zwischen zwei Korpern kann man messen. Man bezeichnet ihn als elek-
trische Spunnung und gibt ihm die Einheit Volt* (V). Folgende Aufstellung gibt Beispiele fur Spannungswerte an: Autoakkumulator Netzspannung Fernleitungen Blitz
6 V, 12 V 110v,220v bis 380 000 V bis 10 Millionen V
5 3 Elektrischer Strom Wird an den Klemmen eines Autoakkumulators (z. B. 6V) eine Gluhlampe (6V) angeschlossen, so leuchtet die Gluhlampe auf, und man sagt, es tlieRt ein Strom. Was geschieht hier? - Zunachst sei an die Reibungselektrizitat erinnert. Negative Elektronen wurden vom Bernstein abgetrennt und sammelten sich auf dem Lappen. Die Stelle, an der sich die Elektronen sammeln, die also negativ geladen ist, wird als Minuspol (-), die Stelle, an der Elektronen fehlen, die also positiv geladen ist, als Pluspol (+) bezeichnet. Beim Autoakku ist eine Klemme mit einem (-)-Zeichen, die andere mit einem (+)-Zeichen versehen. Diese Klemmen sind am Minuspol bzw. am Pluspol befestigt. Werden die beiden Pole des Akkus uber den diinnen Draht der Gliihbirne miteinander verbunden, so kiinnen die Elektronen vom (-)-Pol zum (+)-Pol flieBen. Dieser Vorgang des Ladungsausgleiches ist das FlieRen von elektrischem Strom. Stromrichtung In der Technik ist festgelegt: Der elektrische Strom fliel3t vom Pluspol zum Minuspol. Die Einheir der elektrischen Stromstiirke isr das Ampere** (A). Den Strom kann man mit Strommessern (Amperemetern) messen. Einige Beispiele fur Stromstarken sind:
*
Volta (ital.)
~
Drehung, Wendung.
** Andre-Marie Ampere (1775-1836), franzosischer Mathematiker u. Physiker.
190
11 Einigc Physikalische Grundlagen
192
I I Einigc Physikalischc Grundlagen
Teilchen heifien Ionen*. Aufgrund ihrer elektrischen Ladung in der Losung sind die Ionen, ebenso wie die freien Elektronen irn Metall, in der Lage, den elektrischen Strom zu leiten. Sie bewegen sich in der Flussigkeit zwischen den Elektroden. Ebenso wie Salze dissoziieren auch Sfuren und Laugen in waBriger Losung. Wafirige Losungen von Salzen, Sauren oder Laugen bezeichnet man als Elektrolyte oder Leiter 2. Ordnurig (s. Abschn. 1-3.7,l-4 u. 1-5).
5.6 Zusammenhang zwischen Spannung, Stromstarke und Widerstand 5.6.1 Spannung und Stromstarke
r--
100 crn
I -
7 -
Ahh. 11-22. Verxuch zum Ohmschen CesetL. Gleichbleibender Widerstand. variierende Spannung.
5.6.2 Widerstand und Stromstarke Bei gleichbleibender Spannung von 6 V l-liefit ein elektrischer Strom durch einen Konstantandraht von 100 em, 200 ern und 300 crn Lange. Dabei wird die Stromstiirkc gemesscn (Abb. 11-23),
Um uber die Beziehung zwischen elektrischer Spannung und Stromstlrke etwas auszusagen, wird bei gleichbleibendem (konstantem) Widerstand die Anderung der Stromstarke gemessen. Elektrischer Strom aus einem Akkumulator flieht durch den Konstantandraht (Widerstand) von 100 em Lange und 0.5 rnm Durchrnesser bei verschiedenen Spannungen (Abb. 11-22). VersuLhsersehnis:
Spannung
2V
3V
6V
Stromstiirke
0.13 A
0.26 A
0,39 A
bei 1 . 2 V Spannung hat man 1 .0,13 A Stromstarke bei 2 . 2 V Spannung hat man 2 .0,13 A Stromstarke bei 3 . 2 V Spannung hat man 3 .0,13 A Stromstfrke Folgerung: Je grb$er die Spannung, urnso gro$er die Stramstarkc.
Wenn die 'pannung verdoppelt, verdreifacht usw. wird, wird auch entsprechend die Stromstarke bei konstantem Widerstand 2mal, 3mal usw. grof3er.
I
T
I
1
Abb. 11-23. Vcrsuch zum Ohmschen Gesetz. Glcichbleibendc Spannung, variicrcnder Widerstand.
Bei gleichbleibender Spannung von 6 V werden folgende MeRwerte erhalten: Widerstandsliinge 100 cm
200 cm
300 cm
Stromstlrke
0.82A
055A
1,64A
Aus den Menwerten folgt: J e groj3er der Widerstand, urn so kleiner i,yt die StrcpnLytarke, Diese BeLiehungen kannen auch formuliert werden: bei 1 . 100 cm = 100 cm Widerstandslfnge erhalt man *
I " A
1
I "
*
0
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5 Elektrizitltslehre
5.5 Elektrische Leiter und Nichtleiter Versuch: Es sind eine Spannungsquelle (6 V) und eine 6-V-Gliihbirne erforderlich. Weiterhin braucht man je zwei Kupferdrahte, Konstantandrahte und Kunststoffdrahte von gleicher Dicke (z.B. 0,5 mm Durchmesser) und 0,5 m Lange. Die Gluhbirne wird zuerst mit den beiden Kupferdrahten mit der Spannungsquelle verbunden. Die Lampe brennt hell. Werden die beiden Kupferdrahte durch Konstantandrahte ersetzt, so brennt die Lampe dunkler. Bei Verwendung von Kunststoffdrahten bleibt die Lampe vollig dunkel (Abb. 11-21),
191
Teil der Elektronen ist im Metall frei beweglich. Legt man einen Metalldraht an die beiden Pole einer Gleichspannungsquelle, so wandem die freibeweglichen Elektronen zum Pluspol, da dort die Elektronen fehlen. Am Minuspol sind zu viele Elektronen, die nun in den Draht und dann durch diesen Draht zum Pluspol wandern. MaRgebend fur die Stromleitung im Metall sind also die freien Elektronen. In einem Nichtleiter sind keine freien Elektronen vorhanden, die zum Pluspol wandern konnten. Da im Metall die Atome in ein Kristallgitter eingebaut sind, miissen sich die freien Elektronen zwischen Atomen hindurchschlangeln. Die Atome im Draht wirken auf die sich bewegenden Elektronen wie ein Hindernis. Der Draht besitzt einen elektrischen Widerstand. Vergleiche zwischen gleich langen und gleich dicken Drahten ergeben: Je groBer der Widerstand eines Drahtes ist, um so schlechter leitet er den Strom. Die Einheit des elektrischen Widerstandes ist das Ohm (Q).* 552 Stromleitung in Fliissigkeiten
(Leiter 2. Ordnung)
Lampe
Abb. 11-21: Schaltung zur Untersuchung von Leitern und NichtleiGrn.
Da wahrend des Versuches nur die Driihte ausgewechselt wurden, muB die Helligkeit der Lampe durch die Drahte hervorgerufen worden sein.
Versuchsergebnis: Die Stoffe leiten den elektrischen Strom sehr unterschiedlich. Stoffe, die den elektrischen Strom gut leiten, werden als Leiter eingestuft. Silber leitet den Strom am besten, danach folgen Kupfer und die anderen Metalle. Diese Metalle werden als Leiter 1. Ordnung bezeichnet. Nichtleiter sind Stoffe, die den elektrischen Strom nicht leiten, man nennt sie Isolatoren*. Zu ihnen gehoren: Kunststoffe, Keramik, Glas, Papier und trockenes Holz.
5.5.1 Stromleitungin Metallen (Leiter 1. Ordnung)
In ein Becherglas mit destilliertem Wasser werden zwei Platinelektroden hineingestellt. Uber eine kleine Gliihbirne (6V) wird eine Gleichspannungsquelle angeschlossen. Das Birnchen leuchtet bei Verwendung von destilliertem Wasser nicht auf. Jetzt wird etwas Kochsalz, NaC1, in das Wasser gestreut. Das Salz lost sich auf, und die Gluhbime beginnt zu leuchten. Derselbe Effekt tritt auf, wenn anstelle von Kochsalz etwas Schwefelsaure, H 2 S 0 4 , oder Natronlauge, NaOH, in das destillierte Wasser gegeben wird. Durch das Auflosen von Salzen, Sauren oder Laugen wird das Wasser stromleitend. Beim Losen eines Salzes in Wasser zerfallt das Salzmolekiil in mehrere Teilchen, die elektrisch unterschiedlich geladen sind; es dissoziiert. Beispielsweise: NaCl
-
Na'
+
C1
Das Natrium-Teilchen ist positiv und das Chlor-Teilchen negativ geladen. Diese geladenen
Metalle sind aus Atomen aufgebaut. Diese bestehen aus Atomkernen und Elektronenhullen. Ein
* *
isolare (lat.) - abtrennen.
Georg Simon Ohm (1789-1854), Physiker u. Mathematiklehrer u. a. in Niirnberg.
192
11 Einige Physikalische Grundlagen
Teilchen heiBen Zonen". Aufgrund ihrer elektrischen Ladung in der Losung sind die Ionen, ebenso wie die freien Elektronen im Metall, in der Lage, den elektrischen Strom zu leiten. Sie bewegen sich in der Fliissigkeit zwischen den Elektroden. Ebenso wie Salze dissoziieren auch Sauren und Laugen in waBriger Losung. WaBrige Losungen von Salzen, Sauren oder Laugen bezeichnet man als Elektrolyte oder Leiter 2. Ordnung ( s . Abschn. I-3.7,I-4 u. 1-5).
5.6 Zusammenhang zwischen Spannung, Stromstarke und Widerstand 5.6.1 Spannung und Stromstarke
w 100 cm
T
Abb. 11-22. Versuch zum Ohmschen Gesetz. Gleichbleibender Widerstand, variierende Spannung.
5.6.2 Widerstand und Stromstarke Bei gleichbleibender Spannung von 6 V fliel3t ein elektrischer Strom durch einen Konstantandraht von 100 cm, 200 cm und 300 cm Lange. Dabei wird die Stromstarke gemessen (Abb. 11-23).
Um iiber die Beziehung zwischen elektrischer Spannung und Stromstarke etwas auszusagen, wird bei gleichbleibendem (konstantem) Widerstand die Anderung der Stromstiirke gemessen. Elektrischer Strom aus einem Akkumulator flieBt durch den Konstantandraht (Widerstand) von lOOcm Lange und 0,5mm Durchmesser bei verschiedenen Spannungen (Abb. I€-22).
300 cm 200 cm 100 cm
Versuchsergebnis: Spannung
2V
4V
6V
Stromstarke
0,13 A
0,26 A
0,39 A
bei 1 . 2 V Spannung hat man 1 .0,13 A Stromstarke bei 2 . 2 V Spannung hat man 2 .0,13 A Stromstiirke bei 3 . 2 V Spannung hat man 3 .0,13 A Stromstarke Folgerung: Je groper die Spannung, umso groj3er die Stromstarke. Wenn die Spannung verdoppelt, verdreifacht usw. wird, wird auch entsprechend die Stromstarke bei konstantem Widerstand 2ma1, 3mal usw. grol3er.
*
Ion (grch.) gehen, wandern ~
Abb. 11-23. Versuch zum Ohmschen Gesetz. Gleichbleibende Spannung, variierender Widerstand.
Bei gleichbleibender Spannung von 6 V werden folgende MeBwerte erhalten: Widerstandslange 100 cm
200 cm
300 cm
Stromstiirke
0,82A
03.5 A
1,64A
Aus den MeRwerten folgt: Je groper der Widerstand, um so kleiner ist die Stromstarke. Diese Beziehungen konnen auch formuliert werden: bei 1 . 100 cm = 100 cm Widerstandslange erhalt man 1 . 1,64A = 1,64AStromstarke
5 Elektrizitatslehre
bei 2 . 100 cm = 200 cm Widerstandslange erhalt man 0,5 . I ,64A = 0,82 A Stromstarke bei 3 . 100 cm = 300 cm Widerstandslange erhalt man 1
3
- 1,64 A
= 0,55 A Stromstarke
F~~gleichbleibende spannung gilt: wenn der Widerstand verdoppelt, wird die Stromstarke halbiert. Zu Ehren des deutschen Forschers Georg Simon Ohm (1787-1854) heiBt die Einhejt des elektrischen Widerstands Ohm. Man benutzt das Zeichen R (ein griechisches 0,gesprochen Omega).
5.63 Das Ohmsche Gesetz Georg Simon Ohm fand 1826 das nach ihm benannte Ohmsche Gesetz, das die Beziehung zwischen Spannung, Widerstand und Stromstiirke wiederg ibt . 1 . Die Stromstarke ist um so groper, je groper die Spannung ist .
2 . Die Stromstarke ist um so kleiner, je groper der Widerstand ist. Deshalb lautet das Ohmsche Gesetz: Stromstdrke =
Spannung Widerstand
Man bezeichnet die Stromstarke auch mit I (Intensitat), die Spannung mit U (Hohenunterschied, Spannungsunterschied) und den Widerstand mit R (Reibung). Dann kann man das Ohmsche Gesetz in folgender Form schreiben: I
U - R
Fur die Berechnung des Widerstundes gilt:
I
193
5.7 Elektrische Ladung Wenn bei den Versuchen einer Stromquelle die Stromstarke von 1 A entnommen wird, so flieRt aus der Stromquelle eine bestimmte Ladungsmenge, d. h. eine bestimmte Menge Elektronen, ab. Als Einheit der Elektrizitatsmenge (elektrische Ladung) wird die Ladung definiert, die aus einer StrOmqUelle abflieBt, wenn cine Sekunde lang ein Strom von einem Ampere fliefit. 1 Ampere x 1 Sekunde = Ampere- = I Coulomb* sekunde IA . IS =1As = IC
Die elektrische Ladung (Elektrizitatsmenge) errechnet sich dann nach folgender Gleichung: Elektrizitatsmenge
Q
= Stromstarke x Zeit = I ' t
Als Beispiel sei hier die Ladung erwahnt, die in einem Bleiakkumulator** enthalten ist. Auf dem Etikett ist z.B. angegeben: 64Ah (Amperestunden). Man kann dem Akkumulator also 64 Stunden lang 1 Ampere oder 32 Stunden lang 2 Ampere oder 1 Stunde lang 64 Ampere usw. entnehmen. Man konnte aber auch auf kleinere Zeiteinheiten umrechnen, z.B. I Stunde hat 3600 Sekunden, 64A . 3600 s = 230400 As; das bedeutet, dab man 230 400 s lang eine Stromstarke von 1 A entnehmen kann (s. Abschn. 11-2).
5.8 Elektrische Arbeit und Leistung Mit Hilfe des elektrischen Stromes konnen ein Elektromotor betrieben, Lasten angehoben, Fahrzeuge bewegt werden, d. h. es wird Arbeit verrichtet. Fur die mechanische Arbeit wurde als MaBeinheit das Joule (J) eingefuhrt. Diese Arbeitsbzw. Energieeinheit muB auch fur die elektrische Arbeit gelten (s. Abschn. 11-2). Die elektrische Arbeit ist das Produkt aus Spannung und Ladung:
Fur die Berechnung der Spannung gilt: U
= 1.R
*
**
Charles Augustin Coulomh (173ct1806). franz. Physiker und tngenieuroffizier. accumulare (lat.) anhaufen. ~
194
I1 Einige Physikalischc Grundlagen
Elektrische Arbeit = Spannung x Ladung W = u .fJ Als MaBeinheit ergibt sich dann: Einheit der Spannung x Einheit der Ladung = V
= Wh
A5
W s (Wattsekunde)
=
J
In der Mechanik ist die Leistung als die in der Zeiteinheit geleistete Arbeit definiert worden, Arbeit also als . Zeit ~
Entsprechend lautet die Formel fur die elektrische Leistung: Elektrische Leistung = -
Zeit Zeit
Es gilt weiter, da13 Ladung/Zeit die elektrische Stromstarke ergibt. Wird deshalb fur Ladung/Zeit die Bezeichnung Stromstiirke eingefuhrt, so leitet sich daraus die Formel fur die elektrische Leistung her: Elektrische Leistung = Spannung =
IW
=
I kWh = 1000 W . 3600 s = 1 kW. 1 h
Spannung x Ladung
Spannung x Stromstarke x Zeit
P
Die Multiplikation mit der Spannung ergibt die Leistung. Diese Leistung ist um so kleiner, jc linger die Zeit ist, die das Elektrizititswerk fur die Lieferung der Elektrizitatsmenge braucht. Was dem Elektrizitatswerk bezahlt wird, wenn der Zahler abgelesen wird, kann also nicht die Leistung sein. Denn sonst mul3te um so weniger bezahlt werden, je langer das Elektrizitatswerk fur die Lieferung von 10 Coulomb braucht. Das Elektrizitatswerk erhalt die elektrische Arbeit vergutet, die mit dem flieRenden Strom verrichtet worden ist. Die Einheit der elektrischen Arbeit ist aber die Wattsekunde ( W s ) oder das Joule (J). Die in der Technik venvandte Einheit ist die Kilowattstunde (kWh).
U IV
x
Stromstlrke
.
I
.
I A
5.9 Warmewirkung des elektrischen Stromes Vursuch: Ein Tauchsieder von 1000 W wird in 2.5 kg Wasser von 20 " C ,die sich in einer Thermosflasche befinden, gesteckt. Dann wird genau 5 min lang aus der Steckdose Strom von 220 V Spannung hindurchgeleitet. Nach dem Ausschalten des Stromes wird noch 1 bis 2 Minuten gewartet, ehe der Tauchsieder herausgenommen wird. Das Wasser wird gut umgeriihrt. Nun wird eine Wassertemperatur von 46,8 "C gemessen (Abb. 11-24).
Die Einheit d e r elektrischen Leistung ist dann (VA). Dieses Produkt erhielt den Namen Watt (W).* 1000 W = 1 kW (Kilowatt). Wenn elektrischer Strom benotigt wird, dann liefert das Elektrizitatswerk eine gewisse Menge von Elektronen, z . B. 10 Coulomb. Wenn diese Menge in 10 Sekunden geliefert wird, dann ist die Stromstarke 220v [ =
Q
-
=
IOCoulomb
lOAs
--
10Sekunden
t
10s
= IA
Ahh. 11-24. IJrnwandlung van elektrischer Energie in WBrme.
wenn sie in 1 Sekunde geliefert wird, ist die Stromstarke: I =
Q ~
t
*
=
IOCoulomb I Sekunde
IOAs
-~ -
= 10A
Is
Der Englsnder James Watt (1763-1819) entwickelte die erste lechnisch nurrbare Damphischine.
Es sol1 die Warmewirkung des elektrischen Stromes berechnet werden. Ein Tauchsieder von 1000W war 5 Minuten lang an einem Stromkreis von 220 V angeschlossen. Watt ist die Einheit der elektrischen Leistung.
Elektrische Leistung
x
Zeit
P
'
t
= elektrische Arbeit =
W
5 Elektrizitatslehre
195
Es wurde elektrische Arbeit in Warmeenergie umgewandelt. (Energie = ,,aufgewendete Arbeit"!)
Wenn man genau miBt und jeden W m e verlust vermeidet, erhalt man aus einer Wattsekunde ein Joule.
W = P.t
IWs= IJ
W = 1000W.5~60~
Man nennt diese Zahl das elektrische Warmeaquivalent. Es ist diejenige Wiirmemenge, die der elektrischen Arbeit gleichwertig (aquivalent) ist.
W = 300 000 WS
Die errechnete elektrische Arbeit ist aufgewendet worden, um 2,5 kg Wasser von 20°C auf 46,8 "C zu erwarmen. Aus der Formel zur Berechnung der Warmemenge (vgl. Abschn. 11-4.1-5) kann die zugefuhrte Warmemenge Q ermittelt werden. Warmemenge = Masse x spezifische Warme -
Q
m
.
c
x
Tcmpexatur
.
o
Die spezifische Warme des Wassers betragt =4,187-
c
kJ
Eine kW h (Kilowattstunde) = loo0 Watt x 3600 Sekunden = 3 600 000 Wattsekunden
entsprechen also 3 600 000 Joule. 3600000Ws = 3600000J = 3600kJ Unter Anwendung der Formel fur die Errechnung der Warmemenge Q ergibt sich, daR man mit einer Kilowattstunde ungefahr 10 kg Wasser von Zimmertemperatur (ca. 18 "C)zum Kochen (100 "C) bringen kann.
kg "C
Sicherungen Am Anfang betrug die Wkmemenge Ql = 2,5 kg. 4,187
kJ ~
kg "C
20 "C
Q l = 209.4 kJ
Nach dem Erwarmen ergibt sich eine Warmemenge Q2 = 2 5 kg ' 4,187
kJ ~
kg "C
46.8 "C
Q2 = 4899 kJ Die zugefuhrte W m e m e n g e ist die Differenz aus den beiden errechneten Wmemengen:
Q,
=
QZ
-
QI
QL = 4899 kJ
-
209,4 kJ
Q, = 2803 kJ = 280500J
Die zugefuhrte Warmemenge wird durch die elektrische Arbeit dividiert. Fur die elektrische Arbeit von 1 W s wird eine Wiimemenge von 0.935 J erhalten: Q, = -
W
280500J 300000 W s
= 0,935 J
1Ws
Bei dem Tauchsieder und bei Gluhbirnen werden die Driihte durch elektrischen Strom erwarmt und zum Gliihen gebracht. Der Widerstand eines Leiters ist vom verwendeten Material, dem Querschnitt und der Lange des Drahtes abhangig. Je kleiner der Querschnitt des Drahtes, urn so groRer ist sein Widerstand. Die Erwbnung eines Drahtes ist urn so groher, je groRer der flieknde Strom und je groRer der Widerstand ist. Bei elektrischen Leitungen in lndustrie und Haushalt mussen die Zuleitungsdrahte so stark sein, d. h. einen so grol3en Querschnitt haben, daB sie nicht warm oder gar gluhend werden. Die Stromstiirke darf also nicht g r o k r sein, als der Querschnitt der Drahte es ohne Gefahr zulal3t. Andernfalls wurde die Isolierung der Drahte verschmoren, es konnte ein Brand entstehen. Um aber ganz sicher zu gehen, baut man bei allen elektrischen Leitungen zwischen Stromzufiihrung und Verbraucher ein diinnes Drahtchen, eine sog. Sicherung ein. Diese Sicherung, eine Schmelzsicherung (Abb. 11-25), besteht aus einem diinnen Drahtchen, meistens einem Silberdrahtchen, das in einer Porzellan- oder Glashulle in Sand eingebettet ist. Schmilzt das Drahtchen infolge zu grol3er Stromstiirke durch, so wird der Stromkreis sofort unterbrochen. Es kann dann in dem abgesicher-
196
I1 Einigc Phyxiknlischc Grundlagen Siihrungselemenl 1
Potzellankdrper Schraubkappe
Fu6kontakt
KopfkontaM SanclMlung Kontmllhiilchen
Abb. 11-25, Schmehicherung
ten Leitungssystem kein Brand entstehen. Die Brandgefahr beim Durchschmelzen des Sicherungsdrahtes ist durch die Einbettung in Sand ausgeschaltet. Ein Sicherungsuutomut ist ein Schalter, der vom Strom selbst betatigt wird. Flieljt ein starker Uberstrom, so erregt er einen Elektromagneten so kriiftig, daB dieser den Kontakt unterbricht. Bei schwachem Uberstrom, der zum Betatigen des Magneten nicht ausreicht, aber bei langem FlieRen des Stromes doch Schaden verursachen konnte, wird ein Bimetallstreifen erw k m t , der nach einigen Sekunden den Kontakt ebenfalls unterbricht. Zur willkiirlichen Abschaltung kann man den Sicherungskontakt mit einem Druckknopf unterbrechen. Wenn die Storung beseitigt ist, kann man den StromfluR durch einen zweiten Druckknopf wieder herstellen.
Zur Erzeugung von Chlor aus Kochsalz benotigt man elektrischen Gleichstrom. In einem Gefalj befindet sich unten eine Quecksilberschicht, die an den ncgativen Pol der Stromquelle angeschlossen wird. Uber dem Quecksilber befindet sich reine Kochsalzlosung, in die eine Kohleelektrode eintaucht. Die Kohleelektrode wird an den positiven Pol der Stromquelle angeschlossen. Laljt man nun einen Strom durch die Losung tlieRen, so steigen an der Kohleelektrode Gasblasen auf. Beobachtet man das Quecksilber, so kann man sehen, dalj es nach einiger Zeit fest wird. Was passiert in dieser Anordnung? In der waljrigen Kochsalzlosung liegt das Kochsalz in Ionenform vor. Es gilt:
2Na'
+
2CI
Flieljt Gleichstrom durch die Losung, so wandern die negativen Chlor-Ionen zur positiven Elektrode (Anode). Dort sind zu wenig negativ geladene Ladungen. Die Chlor-Ionen geben ihre negativen Ladungen, die Elektronen, ab. und es entstehen Chlor-Molekule.
-
2 CI-
CI2
+
2e
Das entstehende Chlor entweicht gasfijrmig. Das Natrium-Ion ist positiv geladen und wandert zur negativen Elektrode (Kathode). Dort befinden sich Elektronen im Uberschulj, und die Natrium-Ionen nehmen Elektronen auf und gehen in Natrium-Atome iiber. 2Na'
5.10 Chemische Wirkung des elektrischen Stromes (Elektrolyse)
-
2 NaCl
+
2e
-
2Na
Das Natrium lost sich im Quecksilber und bildet cine Quecksilber-Natrium-Legierung (Amalgam*). Diese wird fest, wenn sich vie1 Natrium im Quecksilber gelost hat. Bei dem technischen Verfahren darf keine Verfestigung der Legierung auftreten, deshalb IiiRt man das Quecksilber langsam durch das Gefa8 flieBen (s. Abschn. 111-2.3). Mit Hilfe des Gleichstroms werden Ionen ,-u den Elektroden transportiert, dort entladen und als Gas oder Feststoff abgeschieden, d.h. mit elektrischer Energie lassen sich in Losungen Stoffe voneinander trennen und isolieren. Diesen Vorgang nennt man Elektrolyse. Die elektrolytische Chlorgewinnung ist ein sehr wichtiges Verfahren. - Weiterhin benutzt man die Elektrolyse zur Gewinnung von Wasserstoff und Sauerstoff aus Wasser sowie zur Ge-
*
al-malgham (arab.) - erweichende Salbe.
5 Elektrizitatslehre
197
winnung und Reinigung von Metallen (z. B. Aluminium, Kupfer, Zink).
5.12 Prinzip des Generators und Elektromotors
5.11 Der Bleiakkumulator
Hohere Sannungen - wie man sie z. B. aus dem Stromnetz entnehmen kann - erzeugt man mit Generatoren. Das Prinzip kann an einem einfachen Versuch klargemacht werden. Dazu sind ein starker Hufeisenmagnet und eine Spule mit ca. 50 Windungen aus Kuferdraht erforderlich. Die beiden Enden der Spule werden an ein empfindliches Spannungsmefigerat angeschlossen (Abb. 11-27),
Es werden zwei saubere Bleiplatten in verdunnte Schwefelsaure der Dichte 1,18 g/cm3 gesteckt. Dann schlieSt man iiber ein Amperemeter eine geeignete Gleichspannungsquelle an und 1aSt 60 s lang einen Strom von 1 Ampere flieSen. Die Elektroden verilndern sich. Die eine Platte farbt sich braun, wahrend die andere blank bleibt. Schaltet man nun den Strom ab, so sieht man am angeschlossenen Voltmeter, daR auch jetzt noch eine Spannung von ca. 2,2 V an der Platte liegt. An den Bleiplatten wird elektrische Energie in Form von chemischer Energie gespeichert, die anschlieaend wieder entnommen werden kann. Beim Laden und Entladen treten in der Losung und an den Platten Reaktionen auf, die zu Farbanderungen fuhren: Beim Ladevorgang entsteht dort, wo der positive Pol der Spannungsquelle angeschlossen wird, braunes Bleidioxid, Pb02, am negativen Pol Blei, Pb. Bei der Entladung entsteht an beiden Platten Bleisulfat, PbSO4, wie Abb. 11-26 zeigt.
Anode
Kathade
Abb. 11-26. Aufbau eines Bleiakkumulators. - Chemische Reaktionen, die beim Entladen des Bleiakkumulators ablaufen; beim Ladevorgang erfolgt die Riickreaktion.
n
Abb. 11-27. Versuch zur Spannungserzeugung. Wird die Spule iiber einen Schenkel des Magneten bewegt, so schlagt das MeSgerat nach links oder rechts aus. Es zeigt eine Spannung an. Diese Art der Spannungserzeugung wird bei den Genereatoren in Kraftwerken ausgenutzt. Dabei drehen sich zwei groBe Spulen in starken Magnetfeldern. Bei der Umkehrung des Versuchs hangt die Spule still iiber dem Magneten. Fur kurze Zeit wird eine Gleichspannung an die Enden der Spule gelegt, es flieRt ein Strom. Deutlich sichtbar bewegt sich die Spule. Wird die Spannung umgepolt, so bewegt sich die Spule in entgegengesetzter Richtung. Aus den Versuchen ergibt sich: Befindet sich eine stromdurchflossene Spule in einem Magnetfeld, so tritt zwischen Spule und Magnet eine Kraft auf, die die Spule in Bewegung versetzt. Dies ist das Prinzip des Elektromotors. In der Praxis baut man eine drehbar gelagerte Spule in ein starkes Magnetfeld und erhalt auf diese Weise eine Drehbewegung. Diese laBt sich vie1 gunstiger ausnutzen als die oben beschriebene Langsbewegung.
Reaktionsablauf Pb(s)
Fmladen
+ SO4&
PbO,,,, +SO,&,
Laden
+ H+,.,,
+ 2 e-
Enrladm
Laden
PbSO,,,,
+2 e
6 Disperse Systeme
6.1 Einteilung der dispersen" Systeme Wenn man die Stoffe des taglichen Lebens auf ihre chemische Natur untersucht, zeigt es sich, daB man nur selten mit Elementen oder reinen Verbindungen zu tun hat. Die meisten Stoffe sind vielmehr Gemenge. Haufig bezeichnet man den betrachteten Ausschnitt aus der stoftlichen Welt als System. Ein solches System kann der Inhalt eines Reagenzglases oder einer ganzen Produktionsapparatur sein, ein Stuckchen Granit oder die ganze Erde. Der Begriff ,,System" enthalt keine groBenmaBige Begrenzung, er sagt auch nichts uber die Einheitlichkeit der darin enthaltenen Stoffe aus. Sehr viele naturliche und auch technisch hergestellte Systeme erscheinen schon mit dem blolJen Auge uneinheitlich oder hererugen. Eine Handvoll Erde enthalt z. B. viele Bestandteile, angefangen von kleinen Gesteinsbrocken, die selbst wieder aus mehreren kristallinen Komponenten aufgebaut sein kiinnen, uber Sandkornchen und verwesende Pflanzensubstanzen (Humus) bis zu den eingeschlossenen, feinsten Luftblaschen. - Im Ziegelmauerwerk erkennt man zunachst die groben Bezirke der Ziegelsteine und des Mortels. Jedes dieser Systeme ist wiederum heterogen aufgebaut. Der Mortel z. B. enthalt, aul3er Lufteinschlussen und Sandkornern, den abgebundenen Kalk, in dem man mit der Lupe oder dem Mikroskop verfilzte Kalksteinkristalle entdecken kann. In manchen Fallen mu8 man noch leistungsfahigere VergroRerungsgerate benutzen, urn die verschiedenen Bestandteile heterogener Systeme sichtbar zu machen. So erscheint Glas unter dem Lichtmikroskop noch vollkommen einheitlich (homogen). Erst bei 100OOOfacher VergrBRerung mit dem Elektronenmikroskop zeigen sich feinste, tropfchenformige Bezirke, die andere stoffliche Eigenschaften besitzen als die sie umgebende zusammenhangende Masse.
*
dispergere Oat.) - zerstreuen
Die Gesamtheit aller gleichartigen festen, tlussigen oder gasformigen Teile eines heterogenen Systems bezeichnet man als Phase. Ein solches System besteht also mindestens aus zwei Phasen. Zwischen diesen existieren Grenzflachen, an denen sich die stofflichen Eigenschaften sprunghaft andern. Sind in dem ganzen System keine Grenzflachen zu erkennen, so besteht es nur aus einer Phase, es ist humogeti. Ein Kochsalzkristall, Kochsalzliisung oder Luft sind Beispiele fur homogene Systeme. Viele heterogene Systeme bestehen aus einer zusammenhangenden Phase und einer anderen, die darin mehr oder weniger fein verteilt ist. Ein derartiges System bezeichnet man als disperses System. Die zusammenhangende Phase nennt man Dispersionsmittel, die feinverteilte heist disperse Phase. In der folgenden Ubersicht (Tab. 11-5) sind einige Beispiele, geordnet nach dem AggregatLustand der beiden Phasen, aufgefuhrt. Zwei gasformige Phasen konnen nur kurze Zeit nebeneinander existieren, denn sie vermischen sich stets homogen miteinander (Beispiel: Luft). Ebenso besteht die Moglichkeit, dalj sich auch Flussigkeiten untereinander homogen vermischen. Das gilt auch fur feste Stoffe. Prinzipiell lassen sich also heterogene Dispersionen uber verschiedene Zwischenstufen in eine homogene Phase uberfuhren, d. h. in eine echte Losung. Die Einteilung der Dispersionen erfolgt nach dem sog. Dispersionsgrad, d. h. dem Feinheitsgrad des verteilten Stoffes. Man unterscheidet hierbei drei groOe Gruppen: 1. Grob-disperse Systeme
a) makroskopische Systeme b) mikroskopische Systeme 2. Kolloid-disperse Systeme 3. Molekular- oder ionen-disperse Systeme Durch geeignete Zerkleinerungsprozesse ist es moglich, die GroBe der Teilchen bis zur MolekulgroBe herabzusetzen. Die disperse Phase durchIauft dabei die obengenannten drei Stufen. Wahrend grob-disperse und kolloid-disperse Systeme
6 Disperse Systeme
199
Tab. 11-5. Disperse Systerne.
Disperse Phase
Dispersionsrnittel
fest
fest Xerosole*
fliissig Lyosole**
gasformig Aerosole***
Thermit, Gesteine, Legierungen, Gold im Rubinglas
Blut, Anstrichfarben
Rauch, Staub
Allg.: Suspensionen fliissig
Dynamit, Einschliisse von Mutterlauge in Kristallen
Latex, Mayonnaise, Milch, FuBbodenpflegemittel Allg.: Emulsionen
gasformig
Schaurnglas, Bimsstein, Schaurnstoffe
Schlagsahne, Seifenschaum, Mineralwasser
Allg.: feste Schiiume
Allg.: Schaume
* **
Nebel, Spray
xeros (grch.) - trocken.
solutus (lat.) - aufgelost; lysis (grch.) - Auflosung.
*** aer (grch.)- Luft.
unechte Losungen darstellen, handelt es sich bei molekular-dispersen bzw. ionen-dispersen Systemen um echte Losungen. Grobe Stoffe
Zeneilung Dispersion
* Kolloide
Sie llBt sich mikroskopisch gut bestimmen. Beispiele fur diese Art der Dispersionen sind: Aufschlammungen von Ton, Sand oder 01in Wasser.
Zusammenballung Kondensation
Der kolloide Zustand der Materie ist ein Gebiet mit besonderen Eigenschaften. Es ist ein allgernein moglicher Zustand, unabhangig vom chemischen Charakter des Stoffes. Nachfolgend sollen die drei dispersen Systeme im einzelnen behandelt werden.
6.2 Grob-disperse Systeme 6.2.1 Eigenschaften und Beispiele Die grob-dispersen Systeme unterteilen sich in makroskopische und mikroskopische Dispersionen. Bei den ersteren betragt die GroBe der Teilthen 1 mm; diese sind noch ohne Hilfsmittel wahmehmbx. Die Bestimmung der GroBe kann durch Sieben oder direktes Messen erfolgen. Bei den mikroskopischen Systemen liegt die TeilchengroBe zwischen 1rnm und 1/10000 mm.
Echte Losungen
Dazu zahlen auch Rauch und Nebel sowie Mineralgemische. Diese so verschieden erscheinenden Dispersionen haben eines gemeinsam: die Teilchen der dispersen Phase setzen sich nach kurzer Zeit ab, sofern sie sich selbst uberlassen sind. Die Absetzzeit hangt dabei von der GroBe der Teilchen und von deren Dichte ab. Diese Eigenschaft der grobdispersen Systerne wird fur eine Reihe von Trennmethoden ausgenutzt.
6.2.2 Trennmethoden grob-disperser Systeme
%nnung fest-fliissiger G~~~~~~ Die einfachste Methode ist die &dhenfalion*. Der feste Stoff sinkt ZU Boden, die Suspension** klart sich und zwar desto schneller, je grol3er der
*
**
&ere (iat.) sich setzen. suspendere (lat.) - schweben machen, aufhangen. ~
200
I1 Einige Physikalische Grundlagen
Dichteunterschied zwischen Feststoff und Flussigkeit ist. Die Trennung erfolgt praktisch durch die Einwirkung des Schwerefeldes der Erde. VerIauft die Sedimentation infolge zu kleiner Dichteunterschiede oder zu geringerer Teilchengrofie nur langsam, kann man die sedimentierende Kraft vervielfachen, indem man das Gemenge Lentrifugiert. Die Schwerkraft wird dabei durch die Fliehkraft erganLt.
Trennung fliissig-gasformigerGemenge
Trennung fest-fester Gemenge
Infolge cines Dichteunterschiedes trennen sich die Fliissigkeiten in zwei Schichten. So samrnelt sich auf stehender Milch der leichtere Rahm an der Oberflache. Auch hier kann man die Trennung durch Zentrifugieren beschleunigen (Milchzentrifuge).
Diese kann man durch das Schwimm-Sink-Verfohreii mit Hilfe von Fliissigkeiten trennen, deren Dichte zwischen denen der Gemengebestandteile liegt. Der schwerere Stoff sinkt zu Boden. wahrend der leichtere an der Oberflache schwirnmt. - Sind beide Stoffe schwerer als die Fliissigkeit, so kann man die evtl. unterschiedlichen Absetzgeschwindigkeiten ausnutzen. Als Beispiel diene ein Gemenge von Bleiglanz und Sand. Wiihlt man das Gemenge in einem Gefafi mit unter Druck stehendem Wasser auf, so wird der spezifisch leichtere Sand fortgeschwemmt, wahrend sich das Mineral absetzt. Man bezeichnet dieses Verfahren als Schliimmen. Man wendet es heute noch zur Aufbereitung von Erzen an, friiher wurde es in der Goldwascherei angewendet. - Benutzt man anstelle der Fliissigkeit Luft, so spricht man von ,,Windsichten", einem Verfahren, das man zur Reinigung von gedroschenem Getreide anwendet oder zur Klassierung von Kunststoffgranulat.
Trennung fest-gasformiger Gemenge Liegt ein fest-gasformiges Gemenge vor, so scheiden sich die Teilchen ebenfalls aufgrund ihrer Dichte ab, ahnlich wie bei den fest-fliissigen Gemengen. Ein Beispiel ist die Flugstaubreinigung von rauchiger Luft. Zur Erhohung der Absetzgeschwindigkeit baut man Prallwande in die Kammern, durch die das Gemisch hindurchzieht. Auch hier kann man die Schwerkraft durch eine starkere Kraft ersetzen: die elcktrische Anziehungskraft. Die Staubteilchen werden an einer Spruhelektrode (Kathode) negativ aufgeladen und bleiben an der Niederschlagselektrode (Anode) hangen, wo sie mechanisch beseitigt werden. Vielfach wird dieses Verfahren nach Cottrell* auch als Elektrofiltration bezeichnet, was jedoch nicht exakt ist.
*
Frederik Gardener Cottrell (1877-1948), amerikan. Chemiker. Er entwickelte ein Verfahren zur Entstaubung von Gasen.
Eine Miiglichkeit dcr Trennung beruht auf dem Dichteunterschied der Partner. Ein Beispiel hierfur ist das Niederschlagen von Wassertropfchen aus nebliger Luft. Eine zweite Moglichkeit ist durch Herabsetzung der Aufientemperatur gegeben (Ausfrieren).
Trennung fliissig-fliissiger Gemenge
Filtration Ein wichtiges Trennverfahren heterogener Systeme, das sowohl bci flussigen als auch gasfiirmigen Dispersionsmitteln Verwendung findet, ist die Filtration. Nach der Teilchengrofie des zu filtrierenden Stoffes richtet sich das Filtermaterial. Als solches werden verwendet: Papierfilter, Filtertucher, Sinterinassen und keramisches Material. Die Fliissigkeitsteilchen sind kleiner als die Poren des Filtermaterials und laufen infolge ihres eigenen Gewichts durch das Filter, wahrend die grofieren Feststoffteilchen zuriickgehalten werden. Diese Operation laat sich beschleunigen durch erhohten Druck oberhalb des Filters oder durch Druckminderung unterhalb desselben. Technisch von Bedeutung ist vor allem die Druckfiltration mit Filterpressen. Sie findet Anwendung auf dem Farbstoff- und Kunststoff-Sektor sowie in der Zuckerindustrie zum Auspressen von Rubenschnitzeln, ebenso noch beim Keltern. Von der Filtration unter Druckverminderung oder Vakuumfiltration macht man Gebrauch bei der Trennung von fest-flussigen, fest-gasfiirmigen und fliissig-gasformigen Gemischen, indem man die Gase durch Watte oder Tuchfilter hindurchsaugt; in dicsen bleiben die festen bzw. fliissigen Teilchen haften. Anwendungsbeispiel sind die Filter der Gasmasken.
Flotation* Eine in der Erzaufbereitung vielfach angewendete Trennmethode, das Flotieren, beruht auf der unterschiedlichen Benetzbarkeit der Komponen* flot (franr.) Welle. ~
6 Disperse Systeme
ten. Erze werden von Wasser schlechter benetzt als die Begleitsteine, die sog. Gangart. Diese Grenzflacheneigenschaften kann man noch beeinflussen durch den Zusatz bestimmter organischer Verbindungen, die man Sammler nennt. Diese werden von den Erzkomchen adsorbiert und verstkken deren wasserabweisende Wirkung (Hydrophobic*). Blast man durch eine Suspension eines auf diese Weise praparierten Mineralgemisches von unten Luft durch, so bildet sich Schaum. Die schlechter benetzbaren Erzteilchen setzen sich an den Luftblaschen fest und werden mit diesen nach oben gerissen. Sie sammeln sich im Schaum, der anschlieBend abgetrennt wird. Das Flotationsverfahren wurde anfangs nur zur Sortierung von Roherzen angewendet, hat heute aber in fast alle Gebiete des Feststoffsortierens Eingang gefunden. Bedingung ist, daB die Teilchen auf eine GroBe zwischen 0,05mm und 0,l mm gebracht werden konnen. Anwendungsbeispiele sind: Abtrennen von Feinkohle, Ruckgewinnen wertvoller Rohstoffe aus Industrieabgangen, Trennen organischer, infolge ihrer Konstitution unterschiedlich hydrophober Verbindungen, Reinigung von Nahrungsmitteln.
6.3 Kolloid-disperse Systeme** 6.3.1 Eigenschaften Zerkleinert man die relativ groBen Molekulverbande einer Aufschlammung bis auf 1/1000 000mm TeilchengroBe, so erhalt man noch keine Einzelmolekule, sondern sehr kleine Molekulpakete. Eine solche Losung kann zwar rein auBerlich das Aussehen einer echten Losung haben, ihre physikalischen Eigenschaften sind jedoch andere. Kolloide Teilchen konnen mikroskopisch nicht gesehen werden, auBer mit dem Elektronenmikroskop. Fallt ein Lichtstrahl durch ein sog. Sol,*** so wird er an den Teilchen gebeugt und sein Weg somit sichtbar. Diese Erscheinung - Tyndall-Effekt**** genannt - kann man z. B. auch an einem Sonnenstrahl in staubiger Luft beobachten, da die Staubteilchen
* ** ***
****
hydor (grch.) - Wasser: phohos (grch.) - Furcht; philos (grch.) - Freund. kolla (grch.) - Lcim. solutus (la1.j - au~geliisl. John Tyndall(I820-1893), engl. Physiker.
20 1
kolloidale GroBe besitzen. Im Gegensatz zu grobdispersen Systemen, die sich infolge der Einwirkung der Schwerkraft in ihre Komponenten zerlegen lassen, sedimentieren kolloide Dispersionen gar nicht oder nur sehr langsam. Auch durch normale Filtration konnen sie nicht getrennt werden. Benutzt man jedoch Cellulosederivate als Filtermaterial, so werden die Kolloidteilchen zuriickgehalten, wahrend die leichteren Losemittelmolekule das Filter passieren, ebenso wie die echt gelosten Teilchen. Man macht sich diese Tatsache bei der Dialyse zunutze. Hierbei werden echte Losungen von kolloiden getrennt aufgrund ihrer Fahigkeit, durch sog. Ultrajlter zu wandem. Friiher vermutete man, daR nur kristalline Stoffe in der Lage seien, solche Membranen zu durchdringen. Thomas Graham (1 805-1 869), englischer Chemiker und der Begriinder der Kolloidlehre, unterschied deshalb kristalline und kolloide Stoffe. Erstere gehen als Ionen in Losung und konnen deshalb dialysieren, kolloide Stoffe nicht. Heute weil3 man jedoch, dab auch kristalline Stoffe kolloid in Losung gehen konnen. Kolloidteilchen in Form von Molekul- oder Ionen-Verbanden bezeichnet man gelegentlich als Micellen, im Gegensatz zu Molekiilkolloiden. Bei letzteren handelt es sich um Makromolekule, die infolge ihrer GroBe keine echte Losung mehr bilden. MaBgebend fur das Vorliegen einer echten oder einer kolloiden Losung ist also der Durchmesser des gelosten Teilchens, nicht der Zustand, in dem es in der Losung enthalten ist.
Lyophile Kolloide Sole - auch als Lyosole oder, mit dem Dispersionsmittel Wasser, als Hydrosole bezeichnet sedimentieren zwar nur sehr langsam, sind jedoch im Vergleich zu echten Losungen instabil. Sie streben der Ausflockung oder Koagulation zu. Das Sol geht dabei in ein Gel uber. Der umgekehrte Vorgang, die Losemittelanlagerung an ein ausgeflocktes Gel unter Bildung eines Sols, heifit Peptisation. Sol
* ** ***
-
Koagulation*, Ausflockung
Peptisation* *
-
Gel***
coagulare (lat.) - gerinnen. pcpsis (grch.) - Vcrdauung, Wiedcrauflosung. Gel, KurzbeLeichnung fur Gelatine.
202
I1 Einige Physikalische Grundlagen
Man kann sich diese Erscheinung folgendermaljen crkliiren. Fur den kolloiden Zustand ist die groBe Oberflache der Teilchen kennzeichnend. Entsprechend der Oberflache nimmt aber auch die Oberflachenenergie zu. Da in der Natur der energieQmste Zustand zugleich der stabilste ist, muljten sich die Kolloidteilchen sofort zusammenballen und ausflocken. Dies ist jedoch nicht der Fall, da zwischen den gleichartig aufgeladenen Teilchen AbstoRungskrafte wirksam sind. Erst wenn diese iiberwunden werden, z. B. durch Zugabe eines Elektrolyten, erfolgt Ausfallung. Laat sich das koagulierte Gel zuruckvcrwandeln, so spricht man von einem reversiblen Vorgang. Man unterscheidet demzufolge zwei Arten von Kolloiden: reversible und irreversible. Bei letzterem ist die Ausflockung nicht riickgangig zu machen. In diesem Zusammenhang spricht man auch von lyophilen und lyophoben Kolloiden. Lyophile - oder auf Wasser bezogen, hydrophile - Kolloide gehoren zu den reversiblen. Die Stabilitat dieser Systeme (z. B. Eiweilj, Starke, Leim, Gelatine) beruht auf einer Wechseiwirkung mit dem Dispersionsmittel. Die Solvatmolekule umhullen die Teilchen und verhindern somit einen Zusammenschlulj. Die Oberflache dieser Teilchen ist also die durch das Losemittel gebildete Solvathulle. Bei Koagulation geht die Sole dann in die stark losemittelhaltigen Gele uber. Eine vollstandige Ausfillung ist nur zu erreichen, wenn man eine groBe Menge eines Elektrolyten zusetzt oder das Losemittel vollig entzieht. Der pH-Wert, bei dem die Ausflockung eintritt, also die geringste Loslichkeit vorhanden ist, nennt man isoelektrischen Punkt. AuRerdem kann man Sole durch eine Elektrolyse ausflocken, da die geladenen Kolloidteilchen wie die Ionen in der Losung wandern und sich an einer Elektrode entladen. Die Gele sind infolge ihrer groljen Oberflache, der Hohlraume und Kapillaren in der Lage, vie1 Losemittel bzw. Wasser aufgrund von Adsorption zu binden. Eingetrocknete Gele werden deshalb in der Chemie als Trockenmittel verwendet, z. B. Kieselsauregel. ~
Lyophobe Kolloide Die Ursache der Stabilitat lyophober Kolloide also solcher Kolloide, die kein Losemittel aufnehmen - beruht auf der elektrischen AbstoBung der gleichsinnig aufgeladenen Teilchen, die bei Ionen durch die Eigendissoziation gegeben ist. Als Beispiel seien kolloidale Losungen von ~
Metalloxiden und -hydroxiden genannt. Die Teilchen werden sich bei Annaherung gegcnseitig abstolien, so daR sie nicht ausfallen. Gibt man jedoch einen Elektrolyten oder ein gegensinnig aufgeladenes Kolloid zu, so erfolgt die Ausfallung. Dies ist bei einem lyophoben (oder mit Wasser als Dispersionsmittel, hydrophoben) Kolloid nicht wieder riickgangig LU machen, d. h. es liegt ein irreversibler ProzeR vor. Zu dieser Gruppe gehoren die meisten kolloiden Losungen von Metallen, z.B. ein Sol von kolloidem Silber, Gold oder Platin. Es kann jedoch eine Stabilisierung erfolgen durch Zusatz von Stoffen, die die kolloiden Teilchen einhullen und dem Dispersionsmittel ahnlich sind. Dadurch werden die lyophoben Kolloide in lyophile umgewandelt. Solche Zusatzstoffe nennt man Schutzkolloide. Im Handel befindliche Metallsolen enthalten stets Schutzkulluide. Silber mit Eiweilj als Schutzkolloid ergibt das in der Medizin haufig gebrauchte ,,Kollargol"; kolloides Platin enthalt meist Gelatine. Eiweilj und Gelatine ubertragen dabei ihre Fahigkeit, reversibel von einem Gel in ein Sol ubergehen zu konnen, auf ihre lyophoben Schutzlinge.
6.3.2 Herstellung und Trennung kolloid-disperser Systeme Kondensation Wie schon erwahnt, entspricht bei einer Reihe von Stoffen die MolekulgroBe der Groae von kolloid-dispersen Teilchen. Dazu gehoren u. a. viele Kunststoffe, Starke, Cellulose und EiweiBstoffe. Bei der Auflosung erhalt man hier keine echten Losungen, sondern Kolloide. Man nennt solche Stoffe, deren kolloidaler Charakter nicht vom Dispersionsgrad, sondern von der MolekulgroRe herruhrt, Molekulkolloide. Im Gegensatz dazu stehen die Phasenkolloide, dercn disperser Anteil eine Phase ist. Die Grundbedingung fur die Darstellung von kolloiden Losungen ist die Schwerliislichkeit des Stoffes im Dispersionsmittel. Dabei kann man von echten Liisungen ausgchcn und diese in das Dispersionsmittel, in dem der Stoff schwer 16slich ist, einflieljen lassen. Dispersionsmittel und Losemittel mussen hier vollig mischbar sein. Man bezeichnet dicscn Vorgang auch als Kondensation von Kolloiden.
6 Disperse Systeme
Diwersion Der zweite Weg der Darstellung geht von grobdispersen Stoffen aus, weshalb man hier von Dispersionsrnethoden spricht. - Die Zerteilung von grob-dispersen Stoffen kann einmal durch Zermahlen in Kolloidmuhlen erfolgen. Zum anderen lassen sich kolloide Losungen durch Zerstaubung im elektrischen Bogen unter Wasser herstellen. Die letzte Methode wird vor allem bei Metallen angewendet, wobei diese die beiden Elektroden darstellen. Weiterhin kann man die Zerteilung durch hochfrequente Erschutterungen (Ultraschall) durchfiihren. Bei den genannten Verfahren erfolgt eine Umwandlung der zugefuhrten Energie (mechanische Energie, Warmeenergie usw.) in Oberflachenenergie, denn diese oberflachenreichen Systeme sind sehr energiereich. Urn die Bestandigkeit der kolloiden Systeme zu erhohen, miissen sie gereinigt werden, eventuell beigemengte Elektrolyte mussen entfernt werden. Dies geschieht vor allern durch die Dialyse.
Dialyse* Die kolloide Losung befindet sich in einem zylindrischen GefaR, dessen Wand fur die kolloiden Teilchen undurchlassig ist (D-e, Pergament, Cellulosederivate). Dieses GefaR befindet sich in einem groaeren, das von reinem Wasser durchstrornt wird. Entsprechend dern Konzentrationsunterschied zwischen der Losung und dern Wasser diffundieren die echt gelosten Teilchen aus der Losung in das Wasser und werden von dort weggefiihrt. Die kolloiden Teilchen bleiben zuriick, d. h. die Losung ist vom Elektrolyten getrennt worden.
6.4 Molekular-disperse Systeme 6.4.1 Eigenschaften Unter einer Losung versteht man ein homogenes System, in welchem die disperse Phase - ein Stoff oder mehrere Stoffe - bis auf Molekiil- oder IonengroBe zerteilt sind. Der Durchmesser der dispergierten Teilchen liegt bei 1/1 000 OOO mm bis 1/10 OOO 000mm. Schickt man einen Lichtstrahl durch eine solche Losung, so durchlauft er
*
dialysis (grch.)
~
Aufliisung.
203
diese, ohne seinen Weg sichtbar zu machen. Das Licht wird an den Molekiilen oder Ionen nicht reflektiert, so daB die Losungen ,,optisch leer" erscheinen, wie es bei rauch- und staubfreier Luft der Fall ist. Der Begriff ,,Losung" wird irn allgemeinen nur auf fliissige Losungen angewendet, gilt jedoch in gleicher Weise fur den festen und den gasformigen Aggregatzustand. Eine ,,feste Losung" liegt dann vor, wenn zwei kristalline Substanzen sich im Kristallgitter vertreten und sog. Mischkristalle bilden. Dies ist bei einigen Legierungen unter besonderen Bedingungen der Fall, z. B. bei Gold - Kupfer, Silber - Kupfer und Aluminium - Zink. Im Gaszustand sind alle Stoffe unbegrenzt ineinander loslich; haufig wird hier auch der Ausdruck Mischbarkeit anstelle von Loslichkeit angewendet. Kennzeichnend fur eine Losung ist, daO die disperse Phase unverandert aus der Losung zuriickgewonnen werden kann. Ein Beispiel dafur ist die Kochsalzgewinnung aus Salzlosungen in den Salinen oder aus dem Meerwasser in den sog. Salzgirten. Hierbei wird durch zugefiihrte Wgjme oder unter Ausnutzung der Sonnenwkme das Wasser abgedampft, wahrend das Salz in kristalliner Form zuriickbleibt.
Losevorgang Die Fahigkeit einer Substanz, mit einem geeigneten Losemittel Losungen zu bilden, ist fur die jeweilige Kombination spezifisch und eine Funktion der Temperatur. Bei festen Stoffen nimmt die Loslichkeit im allgemeinen rnit steigender Temperatur zu, bei Gasen dagegen nimmt sie ab. Das ist die E r k l b n g fur den Sauerstoffmangel in den Gewassern an sehr heiBen Tagen und das in solchen Zeiten auftretende Fischsterben. Um eine Substanz in Losung bringen zu konnen, ist es offenbar notig, daB zwischen dem Losemittel und dem zu losenden Stoff gewisse hnlichkeiten bestehen. Diese treten dadurch in Erscheinung, daB sich Solvate - lockere Addukte des Losemittelmolekuls an das Feststoffmolekul oder Feststoffion - bilden. Alkohole, deren charakteristische Gruppe die OH-Gruppe ist, losen sich ebenso in Wasser (H-OH), wie die mehrere OH-Gruppen enthaltenen Zuckermolekule. In Wasser nicht loslich sind vollig artfremde Molekule wie Fette und Ole oder Wachse. Diese konnen in Wasser nur im groBeren Molekiilverband dispergiert werden und bilden sornit heterogene Systeme.
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I1 Einige Physikalische Grundlagen
Man stellt sich den Losevorgang bei echten Losungen - auch Solvatation* genannt - folgendermaBen vor. In einem Losemittel ist die Anziehungskraft der Feststoffmolekule untereinander geringer als in Luft. Es konnen sich Feststoffteilchen vom Verband trennen und in die Flussigkeit hineinwandern. Durch hohere Temperaturen, also groBere Eigenbewegung der Molekule, wird dieser Vorgang beschleunigt. Da die Molekule des Feststoffs in der Losung von allen Seiten von Molekulen des Losemittels umgeben sind, haben sie nicht mehr die Moglichkeit, in den Feststoffverband zuriickzugelangen. Aus diesem wandern jedoch weiterhin Molekule in die Flussigkeit hinein. Vermag das Losemittel vom zugesetzten Stoff nichts mehr aufzunehmen, so liegt eine gesattigte Losung vor. Aber auch hier losen sich aus dem Feststoff noch Teilchen heraus, gleichzeitig wandern aber ebensoviele in den Molekulverband zuriick. Urspriinglich galten diese Betrachtungen nur fur ionen-disperse Systeme, also fur echte Losungen von Elektrolyten. Hierbei wird das Ion von den Dipolmolekulen des Wassers vollig eingeschlossen. Das Modell laDt sich jedoch auch auf den Losevorgang bei Molekulen anwenden. Hier spielt der polare Charakter von Losemittel und zu losendem Stoff eine wesentliche Rolle. Der Losevorgang 1aRt sich durch drei Faktoren beschleunigen. VergroBert man die Oberflache, so konnen die Molekiile leichter in die Flussigkeit hineinwandern. Schon envahnt wurde die Temperaturerhohung und die damit verbundene schnellere Eigenbewegung der Molekule. - Zukker lost sich bekanntlich in heiRem Tee schneller als in kaltem. - Ebenfalls beschleunigend wirkt das sofortige Wegfuhren des gelosten Stoffes. Dies wird durch intensives Ruhren erreicht.
Die Osmose spielt in der Natur eine groBe Rolle bei allen Lebensvorgangen. Die Zellwande dienen dabei als semipermeable Membranen. Auf dieser Erscheinung beruhen z. B. das Offnen und SchlieBen der Bluten, das Welken, der Stoffwechsel usw. Eine physiologische Kochsalzlosung rnit 0,95 % Volumenanteilen NaCl hat den gleichen osmotischen Druck wie das Blut und kann deshalb dieses fur kurze Zeit ersetzen; man spritzt es bei Operationen direkt in die Blutbahn. Hatte die Losung einen kleineren osmotischen Druck, so wiirde Wasser in die Blutkorperchen dringen, wodurch diese stark schwellen und zerplatzen konnten. Bei zu hohem osmotischen Druck klme es zum Austritt von Wasser aus den Blutkorperchen und damit zu einer Schrumpfung.
Diffusion**
Gefrierpunktserniedrigung
Zu den wichtigsten Eigenschaften einer Losung zahlt unter anderem die Diffusion. Legt man einen tiefblauen Kupfersulfatkristall in ein mit Wasser gefulltes GefaB, so beobachtet man eine allmahliche Auflosung des Kristalls, die mit der Bildung und der Ausbreitung einer blauen Schicht verbunden ist. Nach einigen Wochen ist die Blaufarbung gleichmaaig uber die gesamte Flussigkeit verteilt. Die gelosten Salzpartikel sind entgegen der Schwerkraft nach oben gewandert.
Eine weitere, fur das tagliche Leben interessante, physikalische Eigenschaft von Losungen ist die Veranderung von Siedepunkt und Gefrierpunkt. Eine Salzlosung siedet bei einer hoheren Temperatur als das reine Losemittel. Umgekehrt liegt ihr Gefrierpunkt bei einer tieferen Temperatur als beim Losemittel. Eine Salzlosung bleibt auch noch bei 0 "C fliissig, wahrend das Wasser zu Eis gefriert. Man nutzt diese Tatsache im Winter bei der Schnee- und Eisbeseitigung mit Hilfe von Streusalz aus. In der Technik macht man davon
* **
solvere (lat.) losen. diffundere (lat.) - ausbreitcn.
Dieses Ausdehnungsbestreben bezeichnet man als Diffusion. Setzt man diesem einen Widerstand entgegen mit einer sog. semipermeablen Membrarz, d. h. halbdurchlassigen Wand, so kann man die treibende Kraft messen. Befinden sich zu beiden Seiten dieser Membran Losungen verschiedener Konzentration, so hat die starkere Losung auch das starkere Bestreben, sich auszudehnen. Die Molekiile des gelosten Stoffes konnen nicht durch diese Wand hindurch, wohl aber die Molekule des Wassers. Diese dringen in die konzentriertere Losung ein und verdunnen sie, wodurch auf dieser Seite ein Uberdruck entsteht, den man als osmotischen Druck bezeichnet. Als semipermeable Membranen konnen Pergamentpapier, Cellophan, tierische Haut oder auch Tonzellen rnit einem anorganischen Niederschlag venvendet werden.
Osmotischer* Druck
~
*
osiiios (grch.)
~
StoR
6 Disperse Systeme
Gebrauch beim Kuhlen mit sog. Kaltesolen. Das sind stark konzentrierte Salzlosungen, die infolge ihrer Gefrierpunkterniedrigung auch unterhalb von 0°C noch flussig bleiben (s. Abschn. 11-4.5.8).
6.4.2 Trennung homogener Gemische Destillation und Kondensation Eine Bedingung, die an ein Losemittel im Sinne einer echten Losung gestellt wird, ist die, daB sowohl das Losemittel als auch die disperse Phase unverandert zuriickgewinnbar sein miissen. Eine Moglichkeit wurde schon am Beispiel einer Salzlosung aufgezeigt: Ruckgewinnung des Feststoffes durch Verdampfen des Losemittels. Zur Ruckgewinnung des Losemittels wendet man die Destillation an, d. h. Verdampfen des leichter fliichtigen Gemengebestandteiles und anschlieBendes Kondensieren des Dampfes. - Dieses Verfahren ist jedoch nur dann sinnvoll, wenn die Siedepunkte der beiden Komponenten weit genug auseinander liegen. Destilliert man dagegen eine wassrige Alkohollosung, so enthalt der Dampf neben dem leichter fliichtigen Alkohol auch Wasser. Man wird also in diesem Falle keine vollstandige Trennung erreichen. Unterwirft man die erhaltene Fraktion mehrmaliger Destillation, so IaBt sich die Reinheit steigern (s. Abschn. V-2). Gasformige Losungen lassen sich trennen, indem man sie bis zur Verflussigung abkuhlt und anschlieaend fraktioniert destilliert. Auf diesem Wege zerlegt man Luft in ihre Bestandteile.
Trennung durch Phasenneubildung aufgrund von Temperaturanderungen Durch Abkuhlen einer flussigen oder gasformigen Losung kann man eine feste Phase gewinnen, die entweder aus einer Losungskomponente besteht oder beide in einem anderen Verhaltnis enthalt. Kuhlt man z. B. eine verdunnte wassrige Salzlosung ab, so scheiden sich zunachst reine Eiskristalle aus, das reine Salz reichert sich in der Losung an. Man nutzt diese Tatsache bei der Konzentrierung von Losungen aus, z. B. bei der Erhohung des Alkoholgehaltes von Weinen durch Ausfrieren des Wassers. Von groBerer Bedeutung ist dieser Vorgang jedoch bei geschmolzenen Metallgemischen. Durch Kristallisation der einen Komponente ist eine Anreicherung des Gemisches in Bezug auf die zweite Komponente zu erreichen. Bei mehrmaliger Kristallisation spricht man von fraktionierter Kristallisation.
205
Phasenneubildung nach dem Nernstschen Verteilungssatz AuRer durch Temperaturanderungen ist eine Phasenneubildung auch durch Zugabe einer weiteren Komponente zu erreichen. Gibt man zu einer Losung eines Feststoffes in flussiger Phase ein zweites Losemittel hinzu, das mit dem ersten nicht mischbar ist, so wird sich der Feststoff in beiden verteilen, wie es seiner jeweiligen Loslichkeit entspricht. Diese Tatsache beschreibt der Nernstsche* Verteilungssatz:
Ein Stoff verteilt sich in zwei nicht miteinander mischbaren Liisemitteln im Verhaltnis seiner beiden Einzelloslichkeiten. Die Trennung des Feststoffes vom Losemittel erfolgt umso vollsttindiger,je besser die Loslichkeit des Feststoffes im zweiten Losemittel 1st. Der Feststoff laat sich allerdings nicht vollig aus dem einen Losemittel entfernen, da es sich um einen GleichgewichtsprozeB handelt. Da sich die Phasenneubildung mit einem Losemittel auch auf feste Stoffe anwenden IaBt, kann man auf diesem Wege verunreinigte Kristalle durch Auflosen in einem geeigneten Losemittel und Wiederauskristallisieren reinigen. In der Technik benutzt man bei Gasreaktionen haufig spezifische Losemittel fur eine Komponente eines Gasgemisches. So wird z. B. beim Haber-Bosch-Verfahren mit Hilfe von Druckwasser das Kohlenstoffdioxid aus dem Synthesegas herausgelost. Die beiden Phasen lassen sich dann sehr einfach voneinander trennen.
6.4.3 Losemittel Im engeren Sinne sind Losemittel Stoffe, die einen Stoff oder mehrere Stoffe - gleichgiiltig, in welchem Aggregatzustand sie vorliegen - in eine homogene Losung uberfuhren konnen. Das Geloste mu13 wieder in der urspriinglichen Form zu gewinnen sein. Im allgemeinen bezeichnet man aber auch solche Stoffe als Losemittel. in denen das Geloste weder molekular-dispers vorliegt noch vollstandig zuriickzugewinnen ist. Die Losemittel konnen die verschiedensten Aufgaben erfullen. Sie konnen einmal als Depotund Transportmittel fur Case, Fliissigkeiten und feste Stoffe dienen, da sie es ermoglichen, feste
*
Wallher Nernst (1864-1941), dtsch. Physikochemiker.
206
11 Einige Physikalische Grundlagen
Stoffc unter Formveranderung zu ubertragen. Ein Beispiel sei die Oberflachenlackierung: der Lackrohstoff wird dispergiert, als Losung aufgetragen und nach dem Abdampfen des Losemittels in feinverteilter Form auf der Oberflache des zu lackierendcn Objektes erhalten. Als chemische Substanz kann das Losemittel zwischenzeitlich Partner der darin ablaufenden Reaktionen sein. Neben dem wichtigsten Losemittel Wasscr, in dem sich S a k e ionen-dispers und Gase als Molekule losen, gibt es cine Reihe von Substanzen, die man als wasserahnlich bezeichnet. Dazu gehorcn Ammoniak, Schwefelwasserstoff, Essigslure und die Alkohole Methanol und Ethanol sowie in einigen Fallen auch Aceton. Inlolge ihrer stark polaren Wirkung sind diese Liiscmittel wie Wasser in der Lage, Ionengitter zu brechen. Eine weitere Aufgabe der Losemittel ist die Beeinflussung von Reaktionen in fliissiger Phase. Hierher gehoren bekannte Verfahren der organischen Synthese, wie Hydrierung, Oxidation, Chlorierung, Veresterung usw. Fur jede Reaktion muR das Losemittel ausgesucht werden, das optimale Betriebsbedingungen liefert. Es kann aber auch unmittelbar an der Reaktion beteiligt sein. Schon der einfache Fall, daB ein Losemittel die Ausgangsprodukte leicht, die Reaktionsprodukte praktisch nicht lost, hat groUe Bedeutung. Wenn ein Partner unloslich ist, so wird dieser zur Aufrechterhaltung des Gleichgewichts stindig nachproduziert, was letzten Endes einen fast 100 %igen Umsatz ergibt. Davon macht man z.B. in der Kunststoffproduktion bei der FB1lungspolymerisation Gebrauch. Wahrend das Monomere im Reaktionsmedium gut loslich ist, fallt das Polymere solort aus (s. Abschn. 111-1.6).
6.5 Beispiele fur disperse Systeme 6.5.1 Legierungen Legierungen konnen sowohl echte Losungen in einem Feststoff sein, als auch grob-disperse Systeme darstellen. Die Metalle Gold und Silber losen sich in flussigem wie in festem Zustand vollig ineinander und bildcn eine luckenlose Reihe von Mischknstallen. Die Bedingung dafur ist, daU die Metalle sich chemisch ahnlich verhalten und ihre Atomradien nicht allzu verschieden sind. Die Mischkristallbildung kann einmal erfolgen, indem ein Atom des Kristallgitters durch ein Atom des anderen Metalls ersetzt wird. Dazu gehoren die Legierungen von Silber und Kupfer
mit Gold. Die Verteilung der Atomarten im Kristallgitter erfolgt statistisch. Ebenso konnen Mischkristalle gebildel werden, bei denen in die Zwischenriume des Kristallgitters Atome mit kleinerem Atomradius eingelagert werden. Es erfolgt hierbei kein Austausch der Gitteratome. Dies ist z. B. bei Kohlenstofflegierungen der Fall. Man fuhrt die Hiirte der Stahle und die besondere hartende Wirkung geringer Fremdzusatze auf die Bildung solcher Einlagerungsstrukturen zuruck.
Messing Legierungen, deren Hauptbestandteile Kupfer und Zink sind, bczcichnet man als Messing. Es handelt sich hierbei um eine echte Losung, bei welcher Kupfer und Zink eine Verbindung bilden. Man unterscheidet drei Arten von Messing. Tombak und RotguB enthalt bis zu 2 0 % Zink und besitzt infolge des hohen Kupfergehaltes eine gelbrote Farbe. Das gewohnliche Messing, auch als GelbguU bezcichnet, enthalt etwa 20% bis 50 % Zink. Messing mit iiber SO % Zink ist sehr sprodc und kann nicht mehr mechanisch bearbeitet werden (WeiBguR).
Bronzen Ebenfalls um feste Liisungen handelt es sich bei den Bronzen. Das sind Kupfer-Zinn-Legierungen. Der schon seit altester Zeit bekannte Begriff Bronze wurde inzwischen auch auf Kupferlegierungen ausgedehnt, die kein Zinn enthalten. Man spricht so von Aluminium-, Phosphor- und Silicium-Bronzen. Reine Zinnbronzen wurden friiher zum GlockenguR verwendet und deshalb als Glockenbronzen bezeichnet. Sie enthalten ungefahr 20 % Zinn in Kupfer. - Das Munzmetall der sog. Kupfermunzen ist eine Aluminiumbronze. - Phosphorbronze ist eine Kupfer-ZinnLegierung, die Phosphor nur in Spuren enthalt. Sie zeichnet sich durch Widerstandsfghigkeit gegen Chemikalien aus, und wird auch vie1 im Maschinenbau verwendet.
Amalgame* In die Reihe der Feststoff-Feststoff-Dispersionen, die echte Losungen darstellen, gehoren auch die Quecksilber-Legierungen, die sog. Amalgame. E s bilden sich Verbindungen von Silber, Gold oder Zinn mit Quecksilber. Diese Losungen kon-
*
al-malgharn (arah.) emeichcnde Salbe ~
6 Disperse Systeme
nen teils fest, teils flussig sein, dies richtet sich nach dem Anteil des beigemengten Metalls. Die Amalgame von Silber und Gold werden vielfach in der Zahnmedizin zu Zahnfullungen benutzt. Natriumamalgam dient in der Chemie als Reduktionsmittel. Bei der Alkalichloridelektrolyse bildet sich aus dem abgeschiedenen Alkalimetal1 Natrium das Natriumamalgam (s. Abschn. 111-2.3). 6.5.2 Emulsionen (s. Abschn. 11-6.6.6) Milch Sie ist eine kolloide Disperion von Oltropfchen und EiweiBstoffen in wariger Phase. Nach langerem Abstehen erfolgt eine Entmischung, die Aufrahmung. Durch Erhitzen auf eine bestimmte Temperatur sowie durch Zusatz von Mineralsauren oder Metallsalzen wird eine irreversible Ausfallung des EiweiBes erreicht, man spricht hier von einer Denaturierung (Kochen von Milch und EiweiBstoffen).
207
Schmutzteilchen und Tensidmolekiil, so wird der Schmutz in der Reinigungslosung dispergiert. Tenside stellen eine Art Schutzkolloid dar, indem sie das Schmutzteilchen von allen Seiten umgeben und somit in Micellen einschlieBen. Man spricht hier vom Schmutztragevermogen der Reinigungsflotte. Dieses ist ein Ma13 fur die Wirksamkeit eines Reinigungsmittels.
6.5.3 Schaume Kohlenstoffdioxid in Getranken Hier handelt es sich um eine echte Losung von Kohlenstoffdioxid in flussigen Medien, da Kohlenstoffdioxid molekular-dispers vorliegt. Da die Loslichkeit von Gasen in flussiger Phase bei Druckerhohung zunimmt, ist Kohlenstoffdioxid unter erhohtem Druck in den Getranken gelost. Beim Entspannen der Losung entweicht soviel Gas, bis die dem herrschenden Aufiendruck entsprechende Konzentration in der Losung erreicht ist. Das gilt auch fur Dispersionen von anderen Gasen in flussigen Medien.
Latex* Dies ist der Milchsaft einiger tropischer Wolfsmilchgewachse. Er enthalt in einer kolloiden Emulsion 35% Rohkautschuk, der in Form von Makromolekulen in waDriger Phase dispergiert ist. Beim Ansauern oder Rauchern des Latex wird der Rohkautschuk als z5he klebrige Masse abgeschieden. In dieser Form wird er den unterschiedlichen Verarbeitungsprozessen zugefuhrt.
Seifenschaum
Reinigungsmittel
6.5.4 Aerosole
Es sind meist kolloide Emulsionen von grenzflachenaktiven Substanzen in waBrigen oder alkoholischen Medien. Solche Stoffe, auch Tenside** genannt, enthalten eine hydrophile d.h. wasserlosliche - und eine hydrophobe wasserabweisende - Gruppe im Molekul. Man nimmt an, daB sie infolge ihres Zwittercharakters nur in sehr verdunnten Losungen molekulardispers vorliegen, normalerweise aber Micellen also Molekiilverbiinde - bilden. Aus diesen konnen Einzelmolekule herauswandern und z. B. an der Grenzflache eines Schmutzteilchens adsorbiert werden. 1st die Anziehungskraft zwischen einem Schmutzteilchen und dem Material, an dem es haftet, geringer als die zwischen
Nebel
* **
latex (lat.) - Fliissigkeit. tensio (lat.) - Spannung
Hier liegt keine echte Losung mehr vor. Die Luft, bzw. allgemein das Gas, ist in kleinen Blaschen in der Flussigkeit dispergiert; es handelt sich demnach.. um ein kolloid- oder grob-disperses System. Ahnlich verhalt es sich mit Schlagsahne oder Eischnee.
Bei Nebel handelt es sich teils urn kolloiddisperse oder auch grob-disperse Systeme von Feuchtigkeit in Luft. Bei starker Zusammenballung der Wasserpartikel zu groBeren Tropfen schlagen sie sich als Tau oder Regen nieder. Die Bezeichnung Nebel bezieht man auch auf Dispersionen von anderen Flussigkeiten in einem Gas. Man spricht z. B. von Olnebel, Saurenebel usw. (s. Abschn. 11-6.6.3).
Spriihmittel Bei den Spriihmitteln befindet sich das Gas in der Spraydose unter erhohtem Druck. Es enthalt als disperse Phase die zu verspriihende Fliissigkeit. Bei Betatigung des Ventils an der Spraydose wird das Aerosol aus der Dose gedriickt und entspannt
208
I I Einige Physikalische Grundlagen
Tab. 11-6. Disperse Systcme verschiedener Arzneiformen.
Disperse Phase/Dispersionsmittel
Arineiform
flussig/gasfiirmig fest/gasfiirmig gasfiirmig/flussig flussig/flussig fcst/flussig gasforrniglfest flussig/fest fest/fest
Aerosole/lnhalate* Staubaerosole, Puder, Pulver Schaume Emulsionen Gele, Salben, Pasten, Cremes Tabletten, Kleinkomprimatc**
* ** *** ****
Emulsionssuppositoricn*** Suspensionssuppositorien****
inhalare (lat.) - anhauchen, cinatmen eines Heilmittels. cornprimere (lat.) - zusammendriicken. emulgere (lat.) - ausrnclken; supponere (lat.) darunterlegen suspendere (lat.) - aufhangen. schwebend machen.
sich. Dabei reiRt das Gas die Flussigkeitspartikeln mit sich und verteilt sie in feinster Form. Zum Teil besteht die flussige disperse Phase wiederum aus einer Dispersion, z. B. eines Feststoffes in einer Flussigkeit. Hierbei wird durch das Aerosol die Suspension verspriiht, deren leichtfluehtiges Dispersionsmittel verdunstet, wahrend der Feststoff feinstverteilt auf einer bespruhten Flache zuriickbleibt. Solche kombinierten dispersen Systeme fafit man jedoch alle unter der Bezeichnung Aerosol zusammen. Beispiele dafur sind: Lacksprays, Reinigungsmittel, Pflanzenschutzmittel, Arzneimittel etc. Aerosole haben infolge i hrer einfachen Handhabung sehr starke Verbreitung auf vielen Gebieten des taglichen Lebens gefunden.
menschlichen oder tierischen KBrpers abweichende Zustande zu erkennen. Ein Arzneimittel ist immer ein Mehrkomponentensystem. Es besteht aus dem Wirkstoff und den Hilfsstoffen. Die Art der Hilfsstoffe hangt davon ab, wie ein Arzneimittel appliziert*. d.h. angewendet oder dargereicht werden soll. Applikation und Darreichungsform bestimmen die Arzneimittelzubereitung, die Art der Zusammensetzung des Mehrkomponentensystems und damit die Verfahren der Arzneimittelfertigung. Ein Arzneimittel mu8 so zubereitet sein, dab es den Organismus nicht schadigt und der Wirkstoff an dem gewunschten Ort des Korpers in der vorgesehenen Zeit freigegeben wird.
6.6.2 Arzneimittel als disperse Systeme
6.6 Disperse Systeme in verschiedenen Arzneiformen* 6.6.1 Definition des Begriffes Arzneimittel Arzneimittel sind Stoffe, die am menschlichcn oder tierischen Korper angewendet werden. Dort sollen sie Krankheiten, Schaden, Storungen, Beschwerden oder sonstige vom Normalbefinden des Korpers abweichende Zustande heilen, beheben, verhuten oder lindern. Zur Gruppe der Arzneimittel zahlen auch die Diagnostika, die d a m dienen, Krankheiten, Schaden, Storungen, Beschwerden oder andere vom Normalbefinden des
*
Hopp, V. (2000). Grundlagen der Life Sciences, Chcmic Biologie Energetik, Kap. XXV u. XXVI. Wiley-VCH Verlag GrnhH. Weinheim. ~
Arzneimittel sind nach ihrem Aufbau disperse Systeme. Legt man das Ordnungsprinzip der Dispersitlt zugrunde, so lassen sich Arzneimittel in 8 groRe Gruppen unterteilen (s. Tab. 11-6).
6.6.3 Aerosole (s. Abschn. 11-6.5.4) In Aerosolen** sind Flussigkeiten in einem Gas als Feinsttropfchen verteilt. Sie befinden sich in dem Gas in der Schwebe. Etherische Ole oder Inhaliermittel sind auf diese Weise dispergiert. Das Dispersionsmittel, in diesem Falle das Gas, dient bei sogenannten Druck- oder Treibgaspackungen als Treibgas (Abb. 11-28), * applicare (lat.) - nahebringen.
**
aer (arch.) I.uft; soIutu\ ~
(131.) -
aufgrliist.
6 Disperse Systeme Sprirhknopf
(QaMnig) M i u n g aus
whkstofn6sung
209
verteilt. Die Feinverteilung des Gases auaert sich in Gasblasen. Die Schaumstabilitat hangt von der GroBe der Blasen und von derViskositat* des Dispersionsmittels ab. Es wird zwischen einem Kugelschaum und Polyederschaum unterschieden. Der Kugelschaum ist eine Anhaufung in sich selbstandiger Kugelblasen. Jede Blase ist durch eine eigene Blasenmembran zur Nachbarblase abgegrenzt (Abb. 11-29),
und fliissigemTreibgas Steigrohr
Abb. 11-28.Aufbau einer Treibgaspackung.
Aerosol-Treibgaspackungen werden zur Anwendung von Lokalanaesthetica in der Zahnheilkunde, von Dermatica, Antiseptica, Antimykotica. Antibiotica, bei Wundverbanden u. a. verwendet. Abb. 11-29. Kugelblasenhaufwerk.
6.6.4 Pulver und Puder Pulver und Puder sind als disperse Systeme ,,fest in gasformig" aufzufassen. Das Dispergiermittel ist die Luft. Die disperse Phase, namlich die Feststoffpartikelchen sind so dicht gepackt, daB sie sich gegenseitig indirekt beriihren, denn diese Beriihrung erfolgt uber absorbierte Luft- oder Feuchtigkeitsschichten. Diese ,,nur" indirekte Beriihrung erlaubt eine leichte Verschiebung der Feststoffteilchen gegeneinander und bestimmt die Lockerheit dieses Systems. Pulver und Puder werden mittels Zerkleinern stuckiger oder korniger Substanzen hergestellt. Sie konnen aber auch durch Ausfallen und der damit einhergehenden Vergroberung von molekular- oder ionendispersen Systemen erhalten werden. Zerkleinerungsprozesse sind sehr energieaufwendig. Pulver und Puder unterscheiden sich durch ihren Feinheitsgrad der KorngroBen. Da die Fertigprodukte moglichst eine einheitliche Korngroaenverteilung aufweisen sollen, schlieBt sich an der Zerkleinerung immer eine Klassierung an. Puder und Pulver durfen sich an der Luft nicht zersetzen und bei Feuchtigkeits- und Flussigkeitsaufnahme nicht zerflieSen. 6.6.5 Schaume (s. Abschn. 11-6.5.3)
Schaume sind ,,gasformig-flussig" disperse Systeme. Gas ist in einem flussigen Medium fein
Der Polyederschaum** ist aus polyedrisch geformten Blasen aufgebaut. Typisch ist, daR benachbarte Blasen sich eine gemeinsame Membran*** teilen (Abb. 11-30),
Abb. 11-30. Polyederblasenhaufwerk.
*
** ***
viscum (lat.) - Vogelleim, Mistel; visqueux (frz.) - zahfliissig, klebrig. poly (grch.) - "iCl;he& (grch.) - sitz,Flkche. membrurn ( h i . ) - Korperglied.
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I1 Einige Physikalische Grundlagen
Bekannte Schaume, deren disperse Phase aus Luft besteht, sind Rasierschaum, Schlagsahne oder die Schaummasse auf Gelatinebasis i n Mohrenkopfen. Bei pharmazeutisch wirksamen Schaumen handelt es sich immer um Blasen mit Polyederstruktur. Schlume fur Arzneimittelfertigung enthalten hlufig andere Case als Luft. Angewendet werden kontrazeptiv* wirksame Schaume. Auch in der Dermatologie** werden Wirkstoffe uber Schaume appliziert.
6.6.6 Emulsionen ,,Flussig-flussig" disperse Phasen heillen Emulsionen. Von zwei nicht oder nur begrenzt ineinander loslichen Flussigkeiten ist die eine Flussigkeit das Dispersionsmittel, d. h. die geschlossene Phase und die andere die zerteilte - disperse Phase. In Milch ist Wasser das Dispersionsmittel und Fett die zerteilte Phase. In Butter und auch Lebertran ist es umgekehrt (s. Abschn. 11-6.5.2). Die Stabilitat von Emulsionen hangt vom Verteilungsgrad der dispersen Phase und von Stabilisatoren ab. In der Milch ubernimmt das MilcheiweiB die Stabilisatorfunktion. Die Stabilisatoren, auch Emulgatoren genannt, verhindern die Entmischung von Dispersionsmittel und disperser Phase. Pharmazeutische Emulsionen sind sowohl Wasser in 01-,als auch 01 in Wasser-Emulsionen. Emulsionspraparate werden zur innerlichen oder aullerlichen Anwendung hergestellt. Olige Praparate, z. B. fettlosliche Vitaminkompositionen, lassen sich als , , 0 1 in Wasser-Emulsionen" leichter verabreichen.
6.6.7 Gele Gele sind erstarrte fest-flussige Dispersionen. Die feste Phase ist in einer Flussigkeit fein verteilt. Die flussige Phase ist wegen der Erstarrung nicht mehr frei beweglich. Ein allgemein bekanntes Gel ist eine erstarrte Gelatinelosung. Wenn die zerteilte feste Phase BUS organischen Makromolekulen, den Polymeren***, besteht, werden die Gele auch als Gallerten bezeichnet.
*
**
***
contra (lat.) - gegen; concipere (lat.) kontra7eptiv. empfangnivverhiitend. derma (grch.) - Haut. merns (grch.) Teil. ~
-
aufnehmen:
Gelatine ist aus tierischen EiweiRmolekulen aufgebaut. Gallerten zeichnen sich durch eine hohe Formstabilitat aus. Setzt sich die feste disperse Phase aus anorganischen Substanzen zusammen, wie z. B. Bentonit", Aluminiumhydroxid, Silikatverbindungen u. a., dann werden die Gele zur Unterscheidung von den Gallerten als Magma bezeichnet. Die Strukturen von Gelen sind unterschiedlich. Sie sind aus Fadenmolekulen mit wenigen Haftpunkten aufgebaut (Abb. 11-3 1 a). Die Fadenmolekule konnen parallel angeordnet und durch mehrere Haftpunkte miteinander verknupft sein (Abb. 11-31 b). Die Fadenmolekule konnen aullerdem zu Strlngen gebundelt sein. Dabei bilden sich kristalline Bereiche heraus. Dieser Strukturtyp wird haufig von Cellulosesubstanzen bevorzugt (Abb. 11-3I c). Bentonite bilden in der Regel eine sogenannte Kartenhausstruktur (Abb. 11-3I d). Haufig sind bei Gelen auch Nadelgeriiststrukturen, die aus langlichen Partikeln bestehen, anzutreffen (Abb. 11-31 e) oder lockere Geriiste aus kugelformigen Teilchen (Abb. 11-31 f). Die Kristallblattchen der Bentonite besitzen eine sehr groRe spezifische Oberflache in der GroRenordnung von 100m' bis 300 m2 pro Gramm. Schon eine 8 his 12%ige Bentonitkonzentration bildet gut streichfahige stabile Gele. Bentonite erhohen die Viskositat der waRrigen Dispersionsmittel. Deshalb werden sie als Emulsionsstabilisatoren bei 0 1 in Wasser-Emulsionen und als Suspensionsstabilisatoren bei der Salbenzubereitung benutzt.
6.6.8 Salben, Pasten, Cremes Salben sind ,,fest-flussige" disperse Systeme. Die disperse Phase ist eine Festsubstanz. Das Dispersionsmjttel ist eine Flussigkeit. Es kann aus Wasser, Olen, Fetten u. a. bestehen. Salben sind demnach Gele mit plastischer Verformbarkeit. Die Wirkstoffe enthalten sie im Dispersionsmittel gelijst, emulgiert oder suspendiert. Salben wirken entweder nur abdeckend zum Schutz der LulJeren Haut gegen UV-Strahlung, Wasser, Chemikalien und andere Einflusse. Sie heillen deshalb Schutz- oder Dccksalben. Salben
*
Bentonite sind Magnesium/Aluminiumsilikate mil einer typischen Krictallstruktur. die vie1 Wasscr aufzunchmcn vcrmag. Die Bezeichnung Bentonit kommt von dem groaen Fundort bei Fort Renton. Wyoming (USA).
6 Disperse Systeme
b
unvemeigte Fadenmolekule mit wenigen Haftpunkten
21 1
C
einzelne Fadenmolekule verlaufen, durch rnehrere benachbarte Haftpunkte rniteinander verknirpft, Dber sine kurze Strecke paralell zueinander
rnehrere Fadenmolekijle sind zu Strangen oder Biindeln assoziiert
f
Kartenhausstruktur aus
larninaren Partikeln
lockeres Gerirst aus spharioden Partikeln
NadelgerM aus liinglichen Pattikeln
Abb. 11-31. Strukturen von Gelen.
rnit Arzneimittelwirkstoffen werden zur lokalen Behandlung von erkrankten Haut- und Schleirnhautpartien verwendet. Der Wirkstoff rnuB dabei in die tiefergelegenen Hautschichten eindringen. Salben rnit Eindringungseigenschaften heiBen Penetrationssalben *. Es ist zu unterscheiden zwischen Salben, die auf einer wasserfreien oder auf einer wasserhaltigen Grundlage zubereitet werden. Cremes sind Salben rnit besonders weicher Konsistenz, die irn allgerneinen durch einen hohen Wasseranteil erreicht wird. Pasten sind Salben rnit fester Konsistenz. Sie enthalten einen hohen Prozentanteil an pulveroder puderformigen Festbestandteilen. Die physikalischen Eigenschaften der Salben, Cremes und Pasten, wie Viskositat, Konsistenz, Streichfihigkeit, Eindringfaigkeit in die Haut, werden von dem Aufbau der Grundlage bestimmt. Wichtige Substanzen fur Salbengrundlagen sind: - Kohlenwasserstoffgele,
z. B.
Paraffinole,
Vaselin; - Lipogele, das sind Fettgele, bzw. fettahnliche
Gele, wie z. B. Wachse;
*
penetrare (lat.) - durchdringen.
- Hydrogele, das sind Gele, deren disperse Pha-
se aus Wasser besteht, z. B. Alginate, Gelatine, Pektine, Stiirke; - Silicongele, das sind Gele aus Silikatverbin-
dungen, z. B. Siliconole; -
Polyethylenglykolgele, das sind Polyrnerisationsprodukte aus Ethylenoxid- und Ethylenglykolgernischen. Es sind hochrnolekulare Stoffe, die je nach Kettenlange Gele rnit unterschiedlichen Verformbarkeitseigenschaften zu bilden vermogen.
6.6.9 Tabletten*, Komprimate Tabletten und andere Komprimate wie Pillen und Dragees ziihlen zur Gruppe der einzeldosierten Arzneiformen. Unter Zugabe von Hilfsstoffen werden aus feinen kristallinen oder granulierten Pulvern durch Pressen Tabletten hergestellt. Je nach dern Verdichtungsgrad dieser kleinen Haufwerke entstehen disperse Systerne ,,fest-gasformig" bis ,,gasformig-fest". Bei den rneisten Tabletten liegen beide Systeme gleichzeitig vor. Die Gestalt der Tabletten ist sehr unterschiedlich. Sie ist eines der wichtigsten Unterschei-
*
tabuletta (lat.) - Tafelchen.
212
I1 Einige Physikalische Grundlagen
dungsmerkmale zwischen Tabletten mit unterschiedlichen Wirkstoffen. Die Tablettenform wird auch von der geforderten mechanischen Festigkeit und der Anwendungsart bestimmt. -
Tabletten, die ihren Wirkstoff sehon in der Mundhohle freisetzen und dort von den Schleimhauten resorbiert* werden, heiaen deshalb auch Buccal**- oder Sublingual***Tabletten.
- Eine andere Gruppe sind die Lutsch- und
Kautabletten. Im Mund- und Rachenraum uben die freigesetzten Wirkstoffe eine lokale desinfizierende und teilweise auch anasthesierende Wirkung aus.
-
- es ist eine Steuerung der Wirkstoff-Freigabe
und damit die Resorption durch die Zugabe von geeigneten Hilfsmitteln moglich, -
-
Tabletten, die mittels operativer Maanahmen in Korpergewebe eingesetzt werden, heiaen Implantationstabletten** ***. Sie mussen stenlisiert sein und diirfen keine irritierenden, d. h. Reize erregenden Stoffe enthalten. Entsprechende Anforderungen sind auch an Augentabletten zu stellen, die zum Einlegen in Bindehautsacke verwendet werden.
- Losetabletten dienen zur Herstellung von Lo-
sungen mit bekannter Konzentration. In diesem Fall mussen sowohl Wirk- und Hilfsstoffe in dem jeweiligen Losemittel hundertprozentig loslich sein. Eine besondere Art der Losetabletten sind die Reagenzientabletten. Durch sie eriibrigt sich das Abwiegen und Abmessen von Reagenzien. Die Fertigung von Arzneimitteln in Tablettenform hat viele Vorzuge. Einige sind:
sie lassen sich leicht einnehmen und handhaben,
- fast alle festen Wirkstoffe lassen sich zu Ta-
bletten verarbeiten, - Tabletten sind als trockene Arzneiform lange
haltbar, lassen sich gut lagern und einfach transportieren, -
- Eine dritte Gruppe von Tabletten gibt die
Wirkstoffe erst im Magen-Dam-Trakt frei. Spezielle Tablettentypen passieren den Magen unzersetzt und die Wirkstoffe werden erst im Darmkanal von den Schleimhauten aufgenommen. Durch spezielle Hilfsstoffe kann eine verzogerte Resorption durch MagenDarmschleimhaute erreicht werden. Man spricht von den Retard****-Formen.
die zu inkorponerenden* Wirkstoffe lassen sich leicht dosieren,
Tabletten konnen maschinell in groBen Mengen rationell hergestellt werden.
Granulate** Granulate sind ,,fest-gasformig" disperse Systeme und als solche Feststoffzusammenballungen aus kleineren Teilchen, wie z.B. Pudern und Stauben. Durch das Granulieren werden Feststoffpartikel zu groaeren Komem vereinigt. Die auBere Form der Granulate ist sehr unterschiedlich, sie kann kugel-, stahchen- oder zylinderformig sein. Die Durchmesser der einzelnen Granulate variieren zwischen 0,5 mm bis 2 mm. Gegenuber Pulvern zeigen die Granulate eine bessere FlieBfahigkeit. Sie ist auf die geringere Gesamtoberflache eines Granulats und den niedrigeren Adhasionskraften zwischen den Teilchen zuriickzufuhren. Pulverpartikel stehen in einer vie1 innigeren Beriihrung miteinander. Tabletten aus Granulaten haben eine hohere mechanische Festigkeit als die aus Pulverpartikeln. Je nach Granulierungsverfahren wird zwischen einem Krustengranulat, Klebstoffgranulat und Sintergranulat unterschieden. Granulate sind staubfrei. Dragees
Drdgees sind Komprimate, die zusatzlich mit einer luckenlosen haufig gefarbten Schicht iiberzogen sind. Die Kerne eines Dragees konnen Tabletten, Pillen oder besonders geformte Granulate sein. Meistens werden als Kerne Tabletten verwendet. Die Uberzugschichten bestehen aus Zucker. weiteren Gesehmacksstoffen, Farbmitteln und _,
* **
*** **** *****
resorbere (lat.) - einsaugen. bucca (lal.) - die Backe. sublingual (lat.) - untcr der Zungc. retardare (lat.) - zuriickhalten. plantare (lat.)- pflanzen; implantare. einptlanzen
*
**
corpus (lat.) - Knrper; incorpus (lat.)- Einverleibung. granula (lat.)- Komchen.
6 Disperse Systeme
anderen Hilfsstoffen. Je nach der Dicke der ijberzugsschicht wird zwischen Normaldragees, Dunnschichtdragees und Filmdragees unterschieden. Nach der Art ihrer Applikation gibt es Schluckdragees, die unzerkaut ganzheitlich zu schlucken sind, Lutschdragees und Kaudragees. Komprimate mit einer Deckschicht zu uberziehen, dient dazu, einen unangenehmen Geschmack, Geruch oder unappetitliches Aussehen zu verdecken, das Arzneimittel irn Kern gegen mechanische Einflusse, Luftfeuchtigkeit oder Luftsauerstoff zu schutzen, eine bessere Einnahmemoglichkeit durch den Patienten zu gewarleisten, eine notwendige Magensaftresistenz* zu erzielen und damit eine Wirkstoffabgabe aus dem Kern erst im Dunndarm sicherzustellen,
2 13
Gehorgange, Harnriihre, Scheide oder Mastdarm sind unterschiedliche Formen notig. Suppositorien werden als Zapfchen, Stabchen oder Kugel geformt. Die in den Suppositorien eingearbeiteten Wirkstoffe sind emulgiert oder suspendiert. Man spricht deshalb auch von Emulsionssuppositorien oder Suspensionssuppositorien. Die Problernatik bei ihrer Herstellung besteht darin, daR sie bei Raumternperatur eine feste Konsistenz besitzen und bei Korpertemperatur schmelzen mussen. Die Temperaturspanne fur die Fertigung, Haltbarkeit, Lagerung und Transport ist relativ gering. Als Grundmassen fur Suppositorien, in denen die Wirkstoffe emulgiert, suspendiert oder gar gelost sind, dienen Fette, Paraffine, Gelatine, Polyethylenglykole u. a. Prinzipiell komrnen nur Substanzen in Frage, die bei Korpertemperatur schmelzen und sich in der am Anwendungsort vorhandenen Korperflussigkeit losen (s. Tab. 11-6).
die Wirkstoff-Freigabe zu steuern, einer Verwechselungsgefahr mit anderen Arzneimittelkomprirnaten vorzubeugen. Pillen** Pillen sind kugelformige Arzneimittelzubereitungen aus plastischen Massen, sie sind zur oralen Einnahrne bestimmt. In der modemen Arzneimittelfertigung haben die Pillen keine Bedeutung mehr. An ihre Stelle sind Tabletten oder Kapseln getreten.
6.6.10 Suppositorien*** Suppositorien sind Darreichungsformen von Arzneimitteln, die am Applikationsort erweichen, sich verflussigen oder zerfallen sollen. Sie dienen zur ortlichen Behandlung. Emulsionssuppositorien sind ,,flussig-fest" disperse Systeme und Suspensionssuppositorien sind ,,fest-fest" disperse Systeme. Zurn Einfuhren in die verschiedenen Korperhohlen wie
*
**
***
resistere (lat.) - Widerstand leisten. pilula (lat.) - Kiigelchen. supponere (lat.) - darunterlegen.
Literaturhinweise zu Teil I1 Brockhaus (1972/1973), ahc, Physik, 1 u. 2. Bd., VEB F. A. Brockhaus Verlag, Leipzig. Fleischmann, R. (19801, Einfuhrung in die Physik, 2. Aufl., Physik Verlag, Weinheim. Grimsehl, E. (1988), Lehrbuch der Physik, Bd. 2, Elektrizitatslehre, BSB B. G. Teubner Verlagsgesellschaft, Leipzig. Heywang, F.; u. a. (1999), Physikfir Techniker mit Versuchen undAufgabenbeispielen, Verlag Handwerk und Technik GmbH, Hamburg. Higatsberger, M. J. (1977), Physik in 700 Experimenten, Dr. G. Holland (Hrsg.), Blick in die Welt - Film- und Dokurnentations-GmbH, Frankfurt (M). Tadros, T. F. (1 987), Einige theoretische Aspekte auf dem Gebiet der Emulsionen und Dispersionen, Sonderdruck der ICI Speciality Chemicals, Heft Sept., Kortenberg, Belgien.
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I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
1
1.1 1.2 1.2.1 1.2.2 1.2.3 I .2.4 1.2.5 1.2.6 1.2.7 1.3 1.4 1.4.1 1.4.2 1.4.3 1.4.4 1.4.5 1.4.6 1.5 1.5.1 1.5.2 I .6 1.6.1 1.6.2 1.6.3 1.6.4 1.6.5 1.6.6 1.6.7 1.7 1.7.1 1.7.2 1.7.3 1.8
Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie 222 Chemie, die Wissenschaft vom Stoff- und Energieumsatz 222 Das Grundkonzept einer chemischen Produktion 223 Veranderte Produktionsbedingungen in der chemischen Industrie 223 Formen 223 Die Reaktion 224 Trennen und Reinigen 226 Formulieren 226 Verpacken und Verladen 227 Die Schaltwarte 227 Der Energiebedarf 227 Oxidation und Reduktion in der chemischen Technik 228 Ethylenoxid 229 Acetaldehyd 229 Aceton 230 Essigsaure 230 Acrylnitril 230 Formaldehyd 230 Hydrierungsprozesse 23 1 Methanolsynthese 23 1 Oxosynthese 23 I Polymerisationreaktionen,Herstellung von Makromolekulen 232 Isotaktische, syndiotaktische und ataktische Polymerisation 232 Polymerisationsverlauf 233 Copolymerisation 234 Verfahren zur Polymerisationstechnik 235 Polyaddition und Polykondensation 236 Strukturen der Makromolekule 237 Einteilung von technischen Polymeren 239 Katalytische Reaktionen (Katalysen) 249 Technische Katalysatoren 249 Metallocen-Katalysatoren 252 Biokatalysatoren 254 Grundtypen und technische Betriebsformen von chemischen Reaktoren 256
1.8.1 1.8.2 1.8.3
1.8.4 1.8.5 1.9 1.9.1 1.9.2 1.9.3 1.10
2 2.1 2.2 2.3 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.5 2.6 2.6.1 2.6.2 2.6.3 2.6.4 2.6.5 2.6.6
3 3.1 3.2 3.3
Chargenbetrieb 256 FlieBbetrieb 257 TeilflieBbetrieb 257 Grundtypen chemischer Reaktoren 258 Bildliche Darstellung von Verfahren und Anlagen 260 Verbundsysteme in der Chemiewirtschaft 264 Rohstoffe 264 Stoff- und Energieverbund 265 Transportverbund 267 Organisation eines Chemieunternehmens 268
Vom Steinsalz zu Chlor, Natronlauge und Soda 273 Das Element Chlor 273 Chemische Grundlagen der Alkalichlorid-Elektrolyse 274 Technische Durchfiihrung des Amalgam-Verfahrens 274 Konkurrierende Verfahren 276 Elektrolyse in Diaphragmazellen 276 Elektrolyse in Membranzellen 277 Vergleich von Quecksilber-, Diaphragma- und Membranverfahren 278 Technologie-Entwicklungder Alkalichlorid-Elektrolyse; Deutsches Reich, Bundesrepublik Deutschland 279 Technische Verwendung von Chlor, Natronlauge und Wasserstoff 279 Sodagewinnung nach Solvay 28 1 Rohstoffe 281 Chemische Grundlagen 281 Technische Durchfuhrung 282 Technische Verwendung von Soda 284 Das Trona-Verfahren 284 Der Verbund zwischen der Sodaund Alkalichlorid-ElektrolyseChemie 284 Methanchlorierung 286 Chemische Grundlagen 286 Technische Durchfuhrung 287 Technische Verwendung der Chlorierungsprodukte 288
218
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
4
Schwefelsaureherstellungnach dem Doppelkontaktverfahren 289 Schwefel- und Sulfidvorkommen 289 Ausgangsstoffe 289 Technische Durchfiihrung 290 Technische Verwendung von Schwefelsaure 293
6.2.6
Vom Rohphosphat zur Phosphorsaure 294 Phosphor und seine Eigenschaften 294 Rohphosphatvorkomrnen 294 Forderung der Rohphosphate 294 Verwendung der Phosphate 294 Das NaBaufschluBverfahren fur Rohphosphate 295 Rohstoffe 295 Chemische Grundlagen 295 Endprodukte und Nebenprodukte 296 Verfahrensbeschreibung 296 MengenfluD an Stoff und Energie 297 Apparative Beschreibung 297 Elektrothermisches Verfahren zur Herstellung von Phosphor 299 Chemische Grundlagen 299 Technische Durchfuhrung 299 Siiderberg-Elektrode 300 Vom Phosphor zur Phosphorsaure 300 Verwendung von rotern Phosphor 302
7.1.1
4.1 4.2 4.3 4.4 5
5.1 5.2 5.3 5.4 5.5
5.5.1 5.5.2 5.5.3 5.5.4 5.5.5 5.5.6 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.6.4 5.6.5
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6. I .3 6.1.4 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.2.5
Aluminium- und Siliciumgewinnung 303 Aluminiumgewinnung 303 Aluminium und seine Eigenschaften 303 Bauxitvorkommen 303 Technische Durchfiihrung der Aufbereitung des Bauxits 303 SchmelzfluDelektrolyse 304 Siliciumgewinnung 306 Vorkommen des Siliciums 306 Reduktion des Quarzes zu Silicium 307 Technische Verfahrensschritte zur Herstellung von Trichlorsilan 307 Herstellung von polykristallinem Reinstsilicium 309 Herstellung von SiliciumEinkristallen nach dern Zonen- und Tiegelziehverfahren 3 10
6.2.7
7 7.1
7. I .2 7.2 7.2. I 7.2.2 7.2.3 7.3 7.3.1 7.3.2
8 8.1
8.2 8.3 8.3.1 8.3.2
9 9.1 9.1.1 9.1.2 9.2 9.2.1 9.2.2 9.2.3 9.2.4 9.3 9.3.1 9.3.2 9.3.3 9.3.4 9.4 9.4.1
Aufarbeitung von Siliciumtetrachlorid zu Kieselsaure 3 12 Produktpalette von Siliciumverbindungen 3 I3
Vom Luftstickstoff uber Ammoniak zum Dungemittel 3 I 8 Stickstoff als Bauelement von EiweiD 318 Eigenschaften und Vorkomrnen des Stickstoffs 3 18 Die Stickstoffixierung in der Atrnosphare 3 18 Ammoniaksynthese 3 19 Eigenschaften des Arnrnoniaks 3 19 Technische Durchfiihrung 3 19 Technische Verwendung des Ammoniaks 323 Vorn Arnmoniak zum Dungemittel 324 Diingemittelbedarf 324 Salpetersaure und Diingernittelsalze 324 Harnstoffsynthese 33 1 Rohstoffe fur die Harnstoffproduktion 33 1 Eigenschaften des Harnstoffs 33 1 Herstellung von Harnstoff 331 Chernische Grundlagen 331 Synthese 332 Die Synthesegaschemie 335 Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid als Synthesegas 335 Herstellung von Synthesegas 335 Direktsynthesen auf Synthesegasbasis 335 Die Methanolsynthese 336 Eigenschaften des Methanols 336 Chemische Grundlagen 337 Technische Durchfuhrung 337 Technische Venvendung 338 Die Oxosynthese 339 Chemische Grundlagen 339 Technische Durchfuhrung 340 Das Niederdruck-RhodiumOxoverfahren 342 Wirtschaftliche Bedeutung von Oxoprodukten 344 Die Chernie der C,-Bausteine ein Uberblick 344 Wichtige C, -Bausteine in der chemischen Technik 344
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
9.4.2 9.4.3 9.4.4 9.4.5 9.4.6 9.4.7 9.4.8 9.4.9 9.4.10 9.4.11 9.4.12 9.5 9.5.1 9.5.2 9.5.3 9.5.4
10 10.1 10.1.1 10.1.2 10.1.3 10.1.4 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3
Kohlenstoffdioxid, COz 345 Kohlenstoffmonoxid, CO 345 Methan, CH4 346 Methanol (Methylalkohol), CH30H 346 Formaldehyd, HZC=O 346 Ameisensaure, HCOOH 346 Harnstoff, HzN-CO- NH2, Isocyansaure, H -N=C=O, Cyanwasserstoff, H-CGN 347 Cyanwasserstoff nach dern DegussaBMA-Verfahren 348 Isocyansaure, H-N=C=O 350 Phosgen (Kohlenstoffoxochlorid), COCI, 350 Schwefelkohlenstoff (Kohlendisulfid), cs, 351 Essigsaure nach dem Carbonylierungsverfahren 351 Eigenschaften der Essigsaure 35 1 Chemische Grundlagen 35 1 Technische Durchfuhrung der Carbonylierung 352 Technische Verwendung 355
Ethylen und Propylen als Schlusselprodukte 357 Produktstammbaum des Ethylens und Propylens 357 Die Entdeckung des Makromolekuls 357 Ethylen und Propylen als Schlusselprodukte fur die Chemieproduktion 358 Ethylen (Ethen) als Prirnarchemikalie 358 Propylen (Propen) als Prirnslrchemikalie 360 Vorn Ethylen zum Polyethylen 360 Chernische Grundlagen 361 Technische Verfahrensschritte 36 1 Verarbeitung 362
Die Herstellung von Bioprotein 363 Nahrungsmittelmangel und EiweiRknappheit 363 Der Produktionsweg von Nahrungs11.2 rnittelproteinen 363 11.3 Herstellung von Bioprotein auf rnikrobiologischem Wege 364 11.3.1 Das Prinzip einer mikrobiologischen Produktion 364 1 1.3.2 Bioreaktoren 364 11.4 Die technische Bioproteinproduktion 365
11 11.1
11.4.1 11.4.2 11.4.3 11.4.4 1 1.4.5 11.5 11.6
2 19
Sterilisation 365 Impfen 365 Regelung 366 Trocknung 366 Weitere Aufarbeitung 367 Ausbeute und Bilanz 367 Sojamehl bzw. -schrot als EiweiBquelle 367
Chemie und Umwelt 369 Der Mensch und seine Umwelt 369 12.1 12.1.1 Evolutionszyklen 369 12.1.2 Stoffzyklen und FlieBgleichgewichte 370 12.1.3 Exponentiell fortschreitende Evolutionsschwingungen 370 12.1.4 Recycling 37 1 12.1.5 Biosphslre 373 12.1.6 Hydrosphslre 374 12.1.7 UmweltangepaBte chemische Produktionstechnik 374 Wasser 377 12.2 12.2.1 Kreislauf des Wassers in der Natur 377 12.2.2 Naturliche Wasserarten 377 12.2.3 Inhaltsstoffe in naturlichem Wasser 377 2.2.4 Aufbereitung des naturlichen Wassers nach Verwendungszweck 377 2.2.5 FluBwasseraufbereitung mit Ozon 380 2.2.6 Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung 380 Abwasserreinigung 38 1 2.3 12.3.1 Vorgiinge in Gewassern 38 1 12.3.2 Reinigung von Abwassern 384 12.3.3 Der Biohoch-Reaktor 386 12.3.4 Wasser in einem Chemiewerk 388 Entsorgung 390 12.4 12.4. I Begriffsbestimmungen 390 12.4.2 Das Entstehen von Reststoffen 390 12.4.3 Entsorgungsstrategien und ihre Manahmen 390 12.4.4 Produktionsintegrierter Umweltschutz 391 12.4.5 Reststoffverwertung 392 12.4.6 Beispiel einer Entsorgung aus der Industrie 393 12.4.7 Beseitigungsverfahren 394 Luft 402 12.5 12.5.1 Zusammensetzung der Atmosphtire 402 12.5.2 Luftverunreinigung 403 12.5.3 Reinigung von Abgasen 404 12.5.4 Rauchgasreinigungsanlage 406
12
220
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Crundprodukten
12.5.5 Fluorchlorkohlenwasserstoffe 408 12.5.6 Der mikrobiologische Abbau von Erdol - eine Moglichkeit der Entsorgung 4 10
13 13.1 13.1.1 13.1.2 13.2 13.3 13.4 13.5 13.5.1 13.5.2 13.6 13.6.1 13.6.2 13.6.3 14
14.1 14.1.1 14.1.2 14.2 14.2.1 14.2.2 14.2.3 14.2.4 14.2.5 14.3 14.3.1 14.3.2 14.3.3 14.3.4
Die Chemie des Erdols und der Kohle 413 Die fossilen Kohlenstoffquellen 41 3 Entstehung von Erdol, Kohle und Erdgas 413 Vorkornrnen 424 Vergleich zwischen Erdol und Kohle als Rohstoffe fur die Chemie 43 1 Chemische Zusammensetzung des Rohols 432 Destillation des Rohols 433 Technische Durchfuhrung der Destillation 434 Theorie 434 Destillationsvorgang 434 Die Chernie der Kohle 436 Historische Entwicklung 436 Vergasen 437 Kohleverflussigung 437 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik 439 Das Zusamrnenwirken der verschiedenen Stoffkreislaufe 439 Von einfachen Molekulen zu komplexen Molekulstrukturen 439 Kohlenstoffverbindungen als Bausteine von biopolymeren Naturstoffen 442 Der Kohlenstoffzyklus 447 Kohlenstoffdioxid als Schlusselverbindung irn Kohlenstoffkreislauf 447 Biochemischer Auf- und AbbauprozeR von Biopolymeren 449 Die Photosynthese als Motor des Kohlenstoffzyklus 450 Einige typische biochernische Reaktionen innerhalb des Kohlenstoffzyklus 451 Massen und Energiebilanz des Kohlenstoffzyklus 454 Der Stickstoffzyklus 457 Eigenschaften und Vorkomrnen des Stickstoffs 457 Biologischer Stickstofflcreislauf 458 Abbau pflanzlicher und tierischer Stickstoffverbindungen 458 Biologische Stickstoff-Fixierung 458
14.3.5 Einbringen von Amrnoniak, NH,, und Nitraten, NO1-, aus Niederschlagen 459 14.3.6 Vom Stickstoff zum Ammoniak 459 14.3.7 Amrnoniak als Schlusselverbindung 460 Der Phosphatzyklus 46 I 14.4 14.4.1 Vorkommen und Entstehung von Phosphatlagern 461 14.4.2 Der Phosphor als Bioelement 463 14.4.3 Phosphate als Nahrsubstanz fur Pflanzen 464 14.4.4 Der Zyklus der Phosphorsaure in der Biosphiire 465 Der Sauerstoffzyklus 466 14.5 14.5.1 Eigenschaften und Vorkommen des Sauerstoffs 466 14.5.2 Die reduzierende Erdatrnosphiire 469 14.5.3 Die Entstehung der sauerstoffhaltigen Atmosphare 470 14.5.4 Sauerstoffbindende Reaktionen Oxidation durch Luftsauerstoff 473 14.5.5 Zusamrnenfassung - die Erdatrnosphare als Bestandteil der Biosphiire 474 Der Schwefelzyklus 478 14.6 14.6. I Vorkornmen 478 14.6.2 Geochemische Bildung von elementarem Schwefel 478 14.6.3 Wechselbeziehungen zwischen Sulfiden und Sulfaten 478 14.6.4 Technische Gewinnung von Schwefel 480 Wasserstoff - Schlusselelement in der 14.7 chemischen Technik und in der Chemie der biologischen Systeme 481 14.7.1 Vorkornmen 48 1 14.7.2 Wasserstoff als energiereiches Element 481 14.7.3 Wasserstoff und Wasserstoff-Ionen als Bezugselement fur physikalischchemische MeRgroBen 481 14.7.4 Wasserstoff als Reaktionspartner 482 14.7.5 Stoffzyklen in der Natur - die Photosynthese als Hydrierung 482 14.7.6 Amrnoniaksynthese und biologische Stickstoffixierung 484 14.7.7 Einsatzgebiete fur Wasserstoff als Hydrierrnittel 486 14.7.8 Zukiinftige Verfahren fur die Wasserstoffgewinnung 487 Chlor und seine Verbindungen - ihr 14.8 Kreislauf in Natur und Technik 487 14.8.1 Bedarf an Chlor und Chlorverbindungen 487 14.8.2 Eigenschaften des Chlors 489
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
14.8.3 Physiologisches Verhalten von Chlor gegenuber lebenden Organismen 490 14.8.4 Chlorwasserstoffsaure,HCl, oder Salzsaure 490 14.8.5 Vorkommen in der Natur 491 14.8.6 Bindungsarten von Chlorverbindungen 492 14.8.7 Chlor als hochreaktiver Aktivator, z. B. Vinylchlorid, PVC 494
22 1
14.8.8 Kreislauf des Chlors 494 14.8.9 Entsorgung von chlororganischen Verbindungen 496 14.8.10 Gesichtspunkte zur Verminderung des Chlorverbrauchs 498 14.8.11 Festlegung von Bezugsgrooen 498 Literaturhinweise zu Teil I11 500
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
1.1 Chemie, die Wissenschaft vom Stoff- und Energieumsatz Die Chemie ist eine Wissenschaft, die sich mit den Gesetzen und Methoden der Energie- und Stoffumwandlung und der Stoffcharakterisierung befalk Das Ziel der chemischen Technik ist es, neue Stoffe auf ihre anwendungstechnischen Eigenschaften hin zu prufen und geeignete Produkte fur den menschlichen Bedarf unter kostengunstigen und umweltschonenden Bedingungen im groBen Mal3stab zu produzieren. Die Leistungsfahigkeit einer chemischen Industrie driickt sich einerseits in dem Produktionswert aus, andererseits aber auch in der breiten Palette veredelter Endprodukte. Diese kann aus Massengutern wie Kunststoffen, Fasern oder Dungemitteln bestehen, aber auch aus hochwirksamen Praparaten wie Arzneimitteln, Pflanzenschutzmitteln, Farbmitteln odcr Feinchemikalien. Die Aufgabe der industriellen Chemie ist es, Produkte bereitzustellen, die die Lebensbedingungen in aller Welt erleichtern helfen. 6 Milliarden Menschen wollen tiiglich essen, trinken, sich bekleiden, sich vor Krankheiten und Seuchen schutzen und Wohnungen errichten. Im Jahre 2025 werden es uber 8 Mrd Menschen auf unserem Planeten sein, die leben wollen. Die Chemie vermag hier einen wesentlichen Beitrag zu leisten, indem sie zur Sicherung der Ernahrung Dungemittel, Pflanzenschutzmittel und Konservierungsmittel produziert. Ein Drittel der Weltgetreideernte, die 1998 2,06 Mrd Tonnen (einschlieBlich Mais) betrug (s. Abschn. 111-14.1. I , Tab. HI- lo), wird immer noch durch Schadlinge vernichtet. Stoffe mussen auf ihr chemisches Verhalten, ihre physikalischen Eigenschaften und toxischen Wirkungen gepriift werden. Die Herdusforderung besteht darin, aus relativ wenigen organischen Rohstoffen - wie Erdol, Erdgas, Kohle, Holz und nachwachsenden Rohstoffen - oder anorganischen Rohstoffen - wie Steinsalz, Rohphosphate, Schwefel, Luftstickstoff, Sauerstoff und Wasser - veredelte Endprodukte herzustellen. Neben den schon genannten Produkten sind
dies Fasern, Folien, Lacke, Reinigungsmittel und viele andere mehr. Die chemische Industrie ist einer der forschungsintensivsten Wirtschaftszweige. AuGerdem ist sie sehr exportintensiv. Sie mu13 es sein, denn die Bundesrepublik Deutschland ist ein rohstoffarmes Land. Mit den sog. chemischen ,,Intelligenzprodukten" mussen wichtige Importstoffe wie Erdol, Erdgas, Rohphosphate, Bauxit, Erze u.a. bezahlt werden. Nur wenige Rohstoffe gibt es bei uns iin Inland: Kohle, Steinsalz, Kalk, Luft und Wasser. Doch dann ist die Liste der Rohstoffvorkommen in der Bundesrcpublik Deutschland, die fur eine Chemieproduktion von Bedeutung sind, schon abgeschlossen. Die gesamte chemische Industrie in der Welt produzierte 1999 Produkte im Gegenwert von 2852 Mrd DM. Nach den USA und Japan steht Deutschland mit einem Anteil von 6,7 % der Welt-Chemieproduktion, das entspricht 100,O Mrd DM, an 3. Stelle. Davon wurden Chemieprodukte im Wert von 127,6 Mrd DM. exportiert. Mit einer Exportquote von 6 7 % ist die deutsche chemische Industrie eng mit dem internationalen Markt verknupft. 2000 waren in Deutschland im Chemiesektor 471 000 Personen beschiiftigt. ,,Chemikalie", ein mifiverstandener Begriff
Der Begriff ,,Chemikalie" hat fur viele Menschen einen leichten Beigeschmack erhalten, der sich mit Vorstellungen von giftig, gefiihrlich. verschmutzend, kunstlich und anderen negativen Eigenschaften verknupft. Mangelnde Kenntnisse naturwissenschaftlicher Zusammenhange und industrieller chemischer Verarbeitungsmethoden mogen hierzu beigetrdgen haben. Steinsalz und Kochsalz unterscheiden sich chemisch nicht voneinander. Beide sind fast reines Natriumchlorid. Wann ist Kochsalz ein Gewurz und Konservierungsmittel fur Nahrungsmittel und wann eine Chemikalie? Der Chemiker sagt, Natriumchlorid ist eine Chemikalie, die sich sowohl zum Wurzen von Speisen als auch zum Konservieren von Nahrungsmitteln eignet, auBerdem ist es ein wichtiger Rohstoff zur Herstellung von Chlor. Dabei fallen noch als interes-
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
sante Nebenprodukte Natronlauge und Wasserstoff an. Entsprechendes gilt fur Essigsaure, Soda, Zucker, Ethylalkohol. Diese Aufztihlung lafit sich um viele andere Stoffe erweitern. Essigsaure ist eine Chemikalie, die in Form ihrer 3 %- bis 5 %igen waBrigen Losung, als Gewurz- und Konservierungsmittel dient. Sie reagiert aber auch mit Cellulose zu loslichem Celluloseacetat. Die Cellulose bildet die pflanzliche Geriistsubstanz, ist also eine Biochemikalie. Sie ist aber auch ein wichtiger textiler Ausgangsstoff. Celluloseacetat laBt sich leicht zu Celluloseacetatfaden und -fasern verarbeiten. Mit Ethylen reagiert Essigsaure in Gegenwart von Sauerstoff zu Vinylacetat. Es polymerisiert unter bestimmten Bedingungen leicht zu Polyvinylacetat. Als Polymerisat ist es ein Kunststoff, der als Bindemittel in Dispersionsfarben sowie als Klebstoff, Lackrohstoff und Textilausriistungsmittel eingesetzt wird. Aber auch zu Fasem 1aBt es sich verarbeiten. Aus der Mischpolymerisation mit Ethylen gewinnt man eine Selbstglanzemulsion fur die FuBbodenpflege. Polyvinylacetat ist aufierdem Bestandteil von Haarsprays und die Basiskomponente fur Kaugummi. Natriumhydrogencarbonat dient in geringer Dosierung als Treibmittel beim Kuchenbacken. Soda ist eine Chemikalie mit der chemischen Bezeichnung Natriumcarbonat. Sie dient zur Neutralisierung und ist eine wichtige Reaktionskomponente zur Herstellung von Waschmitteln, Seifen und Glas. Ethylalkohol ist ebenfalls eine Chemikalie, die einerseits ein Genufimittel ist, als Konservierungsmittel Verwendung findet und auBerdem ein bedeutendes Zwischenprodukt fur ungezahlte organische Endprodukte in der Synthesechemie ist. Rohrzucker ist ein Disaccharid aus Glucose und Fructose und somit auch eine Chemikalie. Er ist ein ganz wichtiges Grundnahrungsmittel. AuBerdem ist Zucker Ausgangsprodukt fur viele mikrobiologische Prozesse. Kochsalz, Essigsaure, Soda, Ethylalkohol und Zucker konnen alle giftig wirken, wenn sie vom Menschen in einer unvernunftigen Dosis eingenommen werden. Die Grenzen zwischen Chemikalien, Endprodukten und Gebrauchsgutern sind fliefiend und in wissenschaflichem Sinne nicht so ohne weiteres zu definieren. Es kommt immer darauf an, was der Mensch mit einem Stoff (einer Chemikalie) beabsichtigt zu tun.
223
1.2 Das Grundkonzept einer chemischen Produktion 1.2.1 Veranderte Produktionsbedingungenin der chemischen Industrie Kapital-, Stoff-, Energie- und Informationsstrome bestimmen den Rhythmus einer technologisch hochentwickelten Chemiewirtschaft. Das Optimieren chemischer Verfahren wird von der technologischen Seite heute von vier wesentlichen Faktoren bestimmt: - sparsamer Rohstoffeinsatz, - hohe Energieausnutzung und Produktausbeu-
te, umweltangepafite Reaktionsfuhrung, - sicherer Verfahrensablauf. -
Unter diesen Vorgaben mussen die Produkte neben ihrer Qualitat auch von der Kostenseite her auf dem Weltmarkt noch konkurrenzfahig sein. Dem Vertrieb obliegt die Aufgabe, die chemischen End- und Zwischenprodukte zugig und anwendungsgerecht an den Weiterverarbeiter oder Endverbraucher zu bringen. Das erfordert geeignete Transportmittel und eine den Produkten gernafie Lagerhaltung. Entsprechende Sicherheitsmafinahmen mussen auch hier beriicksichtigt werden. Ein ausreichender Vorrat an Rohstoffen, Zwischenprodukten und Fertigprodukten ist notwendig, um kurzfristige Schwankungen des Angebotes und der Nachfrage auf den Mi4rkten der Rohstoffe und Veredelungsprodukte fur einen ausgeglichenen Produktionsablauf abzufangen. GroBe Lagerhallen fur die Massenguter Dungemittel und Kunststoffe sind ebenso erforderlich wie Gefrierkammern fur kleinere Mengen hochempfindlicher Wirkstoffe.
1.2.2 Formen Stoffe, die miteinander reagieren sollen, mussen zueinander gefuhrt und in Reaktionskesseln oder -rohren miteinander in Kontakt gebracht werden. Doch vorher mussen die Reaktionskomponenten in einen reaktionsbereiten Zustand versetzt werden. Feststoffe mussen bis zu bestimmten Stuckoder Korngrofien zerkleinert werden. Dazu sind Brecher, Schroter, Muhlen, Schneidwerke oder andere Zerkleinerungsmaschinen notwendig (Abb. 111-1).
224
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
HBufig mussen Feststoffe erst in entsprechenden Losemitteln gelost werden, damit sie sich mit dem Reaktionspartner gut durchmischen lassen. Das Losen von Steinsalz fur die Alkalichlorid-Elektrolyse erfolgt in speziellen Losebunkern, die ein Fassungsvermogen bis zu 5000 m3 und mehr haben konnen. Bauchspeicheldriisen werden durch einen Fleischwolf zerkleinert, bevor aus ihnen wertvolle Hormone extrahiert werden konnen. Das Formen von Rohstoffen ist sehr energieaufwendig. Mineralien wie Rohphosphate zur Phosphorsaure- oder Phosphorherstellung, Bauxit zur Aluminiumgewinnung oder Metallerze werden erst durch Brecher, Schroter oder Miihlen zerkleinert. Hierzu ist sehr vie1 mechanische Energie notwendig. Braunkohle enthalt bis zu 60% Wasser. Sie mul3 vorher getrocknet werden, um sie in Synthesegas, ein Gemisch aus Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff, umzuwandeln oder als Reduktionsmittel fur Eisenerze einzusetzen. Zum Trocknen bedarf es der Zufuhr einer grol3en Warmemenge.
Steinsalz wird durch Elektrolyse zu den Produkten Chlor, Wasserstoff und Natronlauge umgesetzt. Vorher muB es in eine waBrige Losung uberfuhrt werden. Hierzu ist Energie fur eine gute Durchmischung notig. Formgebungen sind physikalische Umwandlungsprozesse, die, ebenso wie chemische Reaktionen, nicht ohne Energiezufuhr moglich sind. Stoff- und Energieumwandlungen sind eng miteinander verknupft.
1.2.3 Die Reaktion Reaktionsfuhrung Die Prozesse in chemischen Produktionsbetrieben konnen diskontinuierlich, kontinuierlich oder halbkontinuierlich gefuhrt werden. Der klassische Reaktionsbehalter fur einen diskontinuierlichen Betrieb, auch Chargen- oder Satzbetrieb genannt, ist der Ruhrkesselreaktor. Er wird u. a. bei der Herstellung von Farbmitteln und Wirkstoffen fur Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel eingesetzt. Derselbe Reaktor kann
Einrichtungen und MaBnahmen zum Umweitschutz
Katalysator n
Abb. 111-1. Schema eines Grundkonzeptes einer chemischen Produktion.
[
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
fur die verschiedensten Produkte verwendet werden. Fur kontinuierlich arbeitende Verfahren haben sich als Reaktoren Stromungsrohre, DurchfluBriihrkessel oder Kesselkaskaden bewahrt (s. auch Abschn. 111-13). Die kontinuierliche Anlage fur den sog. FlieBbetrieb ist in der Regel nur fur ein einziges Produkt ausgelegt. Sie ist mit einem hohen Aufwand von Me&, Steuer-, Regel- und Dosiereinrichtungen ausgeriistet. Die Ammoniak- und Methanolsynthese, ebenso die Oxosynthese, die Alkalichlorid-Elektrolyse und das elektrothermische Verfahren zur Phosphorherstellung sind klassische Beispiele fur FlieBbetriebe. Es wird immer angestrebt, Massenprodukte nach kontinuierlichen Verfahren zu fertigen. Aufgrund des chemischen Reaktionsablaufs mu8 oft die eine Komponente in einem Reaktionsbehalter vollstandig eingefiillt werden. Das entspricht dem Chargenbetrieb. Die zweite Reaktionskomponente Iauft danach kontinuierlich zu. Dabei beginnt die chemische Umsetzung. Fliichtige Reaktionsprodukte werden dann wieder, ahnlich wie in einem FlieBbetrieb, kontinuierlich wahrend der Reaktion abgezogen. Beispiele hierfur sind Veresterungsreaktionen oder die Chlorierung flussiger Kohlenwasserstoffe. Das Wesentliche einer chemischen Reaktion, die Interaktion der Komponenten im Reaktor mit allen ihren Konsequenzen der stofflichen und energetischen Veranderungen, kann nicht sichtbar gemacht werden. Sichtbar sind immer nur die Ausgangs- und Endzustande, die zum einen an der Bildung eines neuen Stoffes selbst, zum anderen an Temperatur-, Druck-, Konzentrationsund pH-Anderungen zu erkennen sind. Um den Ablauf einer chemischen Reaktion zu verfolgen, sind eine Vielzahl von Meainstrumenten notwendig. Sie sind die Voraussetzung fur automatisch gesteuerte chemische Prozesse und garantieren ein HochstmaR an Sicherheit und optimaler Energieausnutzung und Produktausbeute. Dem Reaktor miissen Energien zugefuhrt werden, wenn in ihm endotherme, d.h. energiebindende Stoffumsetzungen ablaufen sollen. Endotherme Verfahren sind die AlkalichloridElektrolyse, die elektrothermische Phosphorherstellung, die Schmelzfluklektrolyse zur Aluminiumgewinnung, um nur einige Beispiele zu nennen. Bei exothermen Verfahren sind die freigesetzten Energien abzufuhren. Ein Reaktor ist nicht nur der Ort des Stoffumsatzes, sondern auch der des Energieaustausches und der Energieumwandlung .
225
Unvollstiindiger Reaktionsablauf Reagieren zwei Stoffkomponenten A und B miteinander unter Bildung eines neuen Stoffes C, so kommt in vielen Fallen die Reaktion nach einiger Zeit BuBerlich zurn Stillstand, ohne dab sich alle Ausgangsstoffe zum gewunschten neuen Produkt umgesetzt haben. Es hat sich ein chemisches Gleichgewicht eingestellt. Dieses Gleichgewicht ist dadurch gekennzeichnet, daB ein Teil der entstandenen Endprodukte wieder in die Ausgangskomponenten zuriickreagiert. Bei vielen chemischen Reaktionen befindet sich dieses Gleichgewicht sehr weit auf der Seite der Ausgangsstoffe. Der Anteil der Endprodukte ist sehr gering. Um auch solche Reaktionstypen im Verfahrensablauf wirtschaftlich zu gestalten, d. h. eine hohe Ausbeute an Reaktionsprodukten zu erzielen, werden die Ausgangskomponenten im Kreislauf gefuhrt. Durch die Abtrennung der Reaktionsprodukte C wird das chemische Gleichgewicht standig gestort, und die Reaktion verlauft zugunsten der Endprodukte immer weiter. Der nicht umgesetzte Teil der Ausgangskomponenten wird nach Abtrennung des Reaktionsproduktes wieder in den Reaktor zuriickgefiihrt. Dabei werden sie um diejenigen Mengen Ausgangsstoffe ergbzt, die sich zum Endprodukt umgesetzt haben. Auf diese Weise ist haufig auch eine optimale Energieausnutzung moglich (Abb. 111-2). chem. e
A + B L__
-~
Ausgangs-
komponenten
C
Gleichgewicht
Endprodukt
Unter Ausnutzung dieses Effektes des fortwarend gestorten Gleichgewichtes sind viele groBtechnischeVerfahren entwickelt worden. Typische Beispiele sind die Ammoniaksynthese, Methanolsynthese und die Harnstoffsynthese. Bei der Ammoniaksynthese reagieren nur ca. 20%des Stickstoffs und Wasserstoffs zu Ammoniak. Der nicht umgesetzte Stickstoff- und Wasserstoffanteil wird wieder dem Rohrreaktor zugeleitet. Entsprechend verlauft auch die Methanolsynthese aus Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff. Das nicht verbrauchte Synthesegas wird nach der Methanolabtrennung und Anreicherung mit Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff erneut in den Reaktor gebracht. Nach dem gleichen Prinzip ist die Harnstoffsynthese konzipiert worden, die von den Reaktionspartnern Arnmoniak und Kohlenstoffdioxid ausgeht.
226
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Stoffeinsatz Energieeinsatz
Stoffurnsatz Energieurnsatz
Stofftransport Energietranspolt
Fittrieren Extrahieren Destillieren u. a.
Reaktionspartner
Reaktions-
Warrneenergie
Reststoffe, Entsorgung
Abb. 111-2. Schema fur einen unvollstandigen Reaktionsablauf.
1.2.4 Trennen und Reinigen Nach abgelaufener chemischer Umsetzung mussen die gewunschten Reaktionsprodukte von den durch Nebenreaktionen entstandenen Begleitstoffen oder den nicht vollstandig umgesetzten Ausgangsstoffen befreit werden. Das geschieht in den speziellen Trennungs- und Reinigungsstufen, die einer Reaktoranlage nachgeordnet sind, wie z. B. durch Filtrieren, Kristallisieren, Extrahieren, Windsichten, Sieben u. a. Mit einer Filtrution werden die Feststoffe aus einem Feststoff-Flussigkeitsgemisch abgetrennt. Als Trennmittel wirkt der Filterkuchen selbst, der sich an oder auf einer porosen Unterlage bildet, die fur die Flussigkeit durchlassig ist. Durch Krisfullisieren werden aus Losemitteln Feststoffe in Form von Kristallen abgeschieden, die dann durch Filtration abgetrennt werden konnen. Voraussetzung fur die Bildung von Kristallen ist, daR eine ubersattigte Losung vorliegt. Die Destillurion 1st ein Verfahren zum Trennen von Flussigkeitsgemischen durch Verdampfen mit anschlieRender Kondensation des Dampfgemisches. Die Trennung beruht auf den unterschiedlichen Dampfdriicken der Flussigkeitskomponenten bzw. den unterschiedlichen Siedepunkten. Unter Extruhieren ist das Herauslosen bestimmter Stoffe aus flussigen oder festen Stoff-
gemischen mit einem selektiv wirkenden Losemittel zu verstehen. Unter Ausnutzung der Schwer- bzw. Fliehkraft konnen durch Windsichfm Feinkomteilchen gleicher Dichte nach der KomgroBe oder Teilchen gleicher KorngroBe nach der Dichte getrennt werden. Sieben ist das Trennen von Feststoffen, die in Form von Kiirnem vorliegen, nach ihrer Korngrol3e. Eine spezielle Art der Trennung und Reinigung ist das Trocknen. Die Reaktionsprodukte mussen haufig noch von Restbestanden organischer oder waBriger Losemittel befreit werden. Das geschieht durch Verdunsten oder Ausdampfen der Flussigkeiten. Die dazu erforderliche Warmeenergie wird durch Trocknungsluft oder beim Ausdampfen durch Beheizung zugefuhrt.
1.2.5 Formulieren Liegen die gewunschten chemischen Wirkstoffe fur ein Arzeinmittel, Pflanzenschutzmittel, Farbmittel oder fur ein Dungemittel gereinigt vor, dann miissen sie fur den Verbraucher und Anwender in eine anwendungsgeeignete Form gebracht werden. Dafur werden sie oft rnit Zusatzen versehen. Wirkstoffe fur Arzneimittel wer-
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
den zu Tabletten, Dragees, Pulver, Salben und anderen Darreichungsformen fur den Patienten verarbeitet . Dragieren ist das ijberziehen eines Arzneirnittels rnit rnehreren Schichten, die aus Zuckersirup, Puderzucker oder Sttirke und einern Farbstoff bestehen konnen. Die auBere Schicht wird rnit Wachsen oder Olen poliert. Das Dragieren erfolgt in rotierenden Kesseln. Die Eigenschaften eines Farbrnittels werden nicht nur durch seinen chernischen Aufbau, sondern auch wesentlich von seinern physikalischen Verhalten bestirnrnt. Deshalb rnuR es haufig in eine Form rnit den gewiinschten anwendungstechnischen Eigenschaften ubergefuhrt werden. Unter Formierung, haufig auch Finish genannt, werden sornit die letzten Arbeitsgange einer speziellen physikalischen Nachbehandlung fur bestimrnte Farbrnittel verstanden. AnschlieSend rnussen sie noch auf einen Handelstyp, z.B. FarbstPke und Nuance, eingestellt werden. Pflanzenschutzrnittel rnussen als bestiindige Ernulsionen, Pulver oder Granulate ausgeliefert werden, darnit sie vorn Landwirt in der entsprechenden Dosierung auf dem Feld verspriiht bzw. zerstaubt werden oder durch Beizen direkt auf dern Saatgut fixiert werden konnen. Die Qualitat eines Dungernittels richtet sich nicht nur nach seiner chernischen Zusamrnensetzung, sondern auch danach, wie gut es sich lagem und auf das Feld bringen lafit. Ein Diingernittel darf warend des Lagerns weder verbacken, verhirten noch zerflieBen. Deshalb werden rnoglichst runde Granulate in bestirnrnter KorngroBenklasse hergestellt. Wenn notwendig, werden sie noch mit besonderen Stoffen eingepudert. Auf diese Weise erreicht man, dab zwischen den Granulaten nur wenig Beriihrungsflachen bestehen.
1.2.6 Verpacken und Verladen Die deutsche chernische Industrie ist sehr exportintensiv. lhre Erzeugnisse werden in alle Welt verkauft. Die Chernieunternehrnen sind in fast allen Landern durch Produktionsstatten, Verkaufskontore und Niederlassungen vertreten. Diese halten eine schnell reagierende Verteilerorganisation aufrecht. Fur den Transport zurn Kunden als Weiterverarbeiter oder Endverbraucher rniissen die chernischen Produkte zweckentsprechend verpackt und versandt werden. Die Produkte konnen Gase, Flussigkeiten, Feststoffe und Gernische sein. Sie fallen als Massenguter an oder auch nur in Milligrarnrnmengen. Darunter
227
befinden sich gegenuber W-e, Feuchtigkeit, Sonnenlicht und anderen aul3eren Einflussen hochernpfindliche Substanzen, wie z. B. Arzneirnittel, Biochernikalien oder Feinchemikalien. Sie konnen nur in Spezialverpackungen versandt werden. Jedes Produkt erfordert seine besondere Verpackungsart und sein entsprechendes Transportmittel. Verpackung und Transportmittel bestirnmen wieder die Bauweise der Abfiillstationen und die Art des Verladens. Es gibt kein rnodernes Verpackungsrnittel, das sich der Versand von chernischen Produkten nicht zunutze gernacht hat. Chemieprodukte werden in Fassern, Sacken. Kisten, Containern, ebenso aber auch als Schuttgut transportiert. Die Verpackung hat allen Sicherheitsforderungen vorn Produkt und dern Schutz der Urnwelt her zu geniigen.
1.2.7 Die Schaltwarte Die rapide Entwicklung der Informations- und Leistungselektronik hat dazu gefuhrt, daR auch in der chernischen ProzeRtechnik die Autornatisierung weit vorangeschritten ist. Grofie Produktionseinheiten werden nur noch von einer Schaltwarte aus gesteuert. Das Messen von Stoffzustanden, wie Ternperaturen, Driicken, Konzentrationen, pH-Werten, und die Verarbeitung dieser Daten hat durch die Informationselektronik zur optirnaleren Energie- und Rohstoffnutzung und vor allern zu unfallsicheren Verfahren gefiihrt. Die autornatische Steuerung hat die Storanfalligkeit von chernischen Prozessen erheblich verrnindert.
1.3 Der Energiebedarf Urn Stoffe reaktionsbereit zu rnachen, rnuR ihnen wduend einer standigen innigen Durchrnischung zusatzlich Energie zugefuhrt werden. Es mu8 Wweenergie aufgewendet werden, urn die Hemrnschwelle zu iiberwinden, die haufig einer chernischen Umsetzung von Reaktionspartnern entgegensteht. Diese Barriere wird rnittels technischer Katalysatoren gesenkt. Energie ist auch notwendig, urn rnit Kornpressoren Druck zu erzeugen, rnit Purnpen zu evakuieren oder auf tiefe Ternperaturen zu kiihlen, um nur einige Beispiele zu nennen. Elektrische Energie wird insbesondere bei der Elektrolyse von Schrnelzen oder waBrigen Losungen benotigt.
228
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Der Primarenergieverbrauch in Deutschland betrug 1998 492 Mio t SKE (Steinkohleeinheiten). Der Anteil an elektrischer Energie war mit 13,8% 67 Mio t SKE. Die chemische Industrie gehort zu den Branchen mit einem hohen Energiebedarf. Der Bedarf an elektrischem Strom belief sich 1998 auf 6,l Mio t SKE*; das entspricht 44940 Mio kWh.
derlichen Temperaturen auf, bei denen die Reduktion des Eisenerzes durch Kohle und Kohlenstoffmonoxid einsetzt. Der Reaktionsablauf des endothermen Reduktionsprozesses im Hochofen ist sehr komplex. Vereinfachend lafit er sich durch nachstehende Gleichungen beschreiben: 2Fe203,,, + 3 C
Exotherme und endotherme Reaktionen In der Chemie gibt es exotherme (energiefreisetzende) und endotherme (energieverbindende) Reaktionen. Bei exothermen Reaktionen muB die im Reaktor freiwerdende Energie iiber Warmetauscher abgefiihrt werden. Die Ammoniaksynthese verlauft stark exotherm.
3H,
+
Waserstoff
N,
--
Kat
Stickstott
L
Ammoniak
Bei stark exothermen Verfahren dient die freiwerdende Energie in Abhitzekesseln zur Erzeugung von Wasserdampf, dessen Warmeenergie nun anderen Produktionsverfahren zugefiihrt wird (s. Abschn. 111-1.9.2). Ein schon seit Jahrhunderten bekanntes und sehr bedeutendes endofhermes Verfahren ist die Eisengewinnung. Als chemischer Reaktor dient der Hochofen. Beim HochofenprozeJ werden die Eisenoxide mit Kohle bei Temperaturen zwischen 400 "C und 1400°C reduziert. Der Kohle fallen hier zwei Aufgaben zu: einmal die des Energiespenders fur die erforderliche Reduktionswarme und zum anderen die des Reduzierens. Die Kohle, die im Hochofenschacht in Ebenen verschiedener Hohe zwischen Eisenerz und Zuschlag geschichtet liegt, verbrennt mit dem Luftsauerstoff exotherm zu Kohlenstoffmonoxid und Kohlenstoffdioxid.
+
0,
2 CO + O2
-
2CO
(AH=-221,0kl/mol)
2 COz
(AH= - 566, I kllmol)
Die freiwerdende Verbrennungswarme heizt die Beschickung des Hochofens bis zu den erfor-
*
FeO,,, Eiwnoxid
+ +
2C
CO
Kohlcnctoff
+ 3 CO, (AH= + 469,4 kJ/mol) 3 Fe,,, + 2 CO,
4 Fe,,,
(AH = +331,7 kUmol)
+ C02 (AH = - 16,7 kJ/mol)
Fe,,,
reduziertcs Eisen
Kohlenstotfdioxid
2 NH,
(AH= - 92,l kJ/mol)
2C
Fe,O,,,,
-
I SKE = 29308 kJ = 7000 kcal = 8,141 kWh
Mit zunehmender Reduktionsstufe nimmt der Sauerstoffgehalt der Eisenoxidverbindung ab. Der HochofenprozeR zeigt als klassisches Beispiel eines chemischen Produktionsverfahrens, wie Energien von exothermen und endothermen Reaktionen zur optimalen Ausnutzung sinnvoll gefiihrt werden konnen. Die bei der Verbrennung von Kohlenstoff zu Kohlenstoffmonoxid und Kohlenstoffdioxid freigesetzten Warmeenergien dienen dazu, die Beschickung des Hochofens auf die Temperaturen aufzuheizen, bei denen die Reduktion des Eisenerzes zu metallischem Eisen eingeleitet wird. Der ReduktionsprozeR ist ein energiebindender Vorgang. Die notwendige Energie wird durch die Verbrennung (Oxidation) der Kohle geliefert (s. Abschn. 1-1.7.4 u. 1-1 3).
1.4 Oxidation und Reduktion in der chemischen Technik Nur wenige chemische Elemente und Verbindungen kommen in der Natur so vor, wie sie die Industrie zur Verarbeitung und die Menschen zum Verbrauch benotigen. Da SauerstofS das haufigste Element auf der Erde (s. Abschn. 111-14.1.1, Tab. 111-8) und auaerdem sehr reaktionsfreudig ist, kommen viele andere chemische Elemente an Sauerstoff gebunden als Oxide - wie z. B. Erze, Sake und andere Mineralien - vor.
229
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
Die Sauerstoffverbindungen sind in der Regel sehr stabil, d. h. energiearm. Zur Abtrennung des Sauerstoffes aus seinen Verbindungen muB haufig sehr vie1 Energie aufgewendet werden, d. h. bei Reduktionsprozessen handelt es sich vorwiegend um endotherme Reaktionen. Die Metalle werden im allgemeinen durch Reduktion gewonnen. Als Reduktionsmittel dienen u. a. Kohlenstoff, Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff, daneben auch Methan und Ammoniak. Ammoniak wird als Reduktionsmittel zur Entfernung von Stickstoffoxiden aus Rauchgasen eingesetzt. Dabei entstehen dann elementarer Stickstoff und Wasser. 4NH,
+
Ammoniak
4N0
+
Stickstoffmonoxid
0,
-
Eine g r o k Rolle spielt die Oxidation von organischen Schliisselprodukten, wie z. B. Ethylen, Propylen und Methanol, zu wichtigen organischen Zwischenprodukten.
1.4.1 Ethylenoxid
Die Direktoxidation von Ethylen an Silberkatalysatoren nach dem ShellprozeR fihrt zum Ethylenoxid. H ~ C = C H Z (+~ , 112 0 2
Ag
H~C-CHZ,~) \ / 0
4N, Stickstoff
+
6H,O Wasser
(AH= - 1896 kllmol) In diesem Zusammenhang sei nochmals auf den HochofenprozeR hingewiesen. Beispielhaft genannt seien auBerdem die SchmelzfluBelektrolyse zur Gewinnung von Aluminium aus Bauxit und das elektrothermische Verfahren zur Gewinnung von elementarem Phosphor aus Rohphosphaten. In beiden Fallen wird Kohlenstoff als Reduktionsmittel eingesetzt (s. Abschn. 1-1.7.4). Andere Stoffe mussen dagegen oxidiert werden, um aus ihnen die gewiinschten Endprodukte zu erhalten. Elementarer Schwefel wird zu Schwefeldioxid und Schwefeltrioxid oxidiert. Diese Schwefeloxide reagieren mit Wasser leicht zur schwefeligen Saure bzw. Schwefelsaure. Die Phosphorverbrennung, d. h. die Oxidation von elementarem Phosphor, fuhrt zu Phosphorpentoxid, aus dem mit Wasser reinste Phosphorsaure hergestellt wird. Ein Oxidationsmittel fur groatechnische Verfahren ist der Luftsauerstoff. Reaktionen mit Luftsauerstoff verlaufen immer exotherm. Oxidations- und Reduktionsvorgiinge sind unmittelbar miteinander gekoppelt. Wird ein Stoff oxidiert, mu8 ein anderer reduziert werden. 1st das gewunschte Endprodukt ein Oxidationsprodukt, dann spricht man von einem Oxidationsverfahren. Das ist bei der Schwefelverbrennung der Fall, ebenso bei der Ammoniakverbrennung zu Stickstoffoxiden. Aluminium wird durch Reduktion mit Kohlenstoff wahrend der SchmelzfluBelektrolyse gewonnen. Hier handelt es sich um ein Reduktionsverfahren (s. Abschn. 1-1.7.3 und 1-1.7.4).
Ethylen 28 g
Sauerstoff 16 g
Ethylenoxid 44g
(AH= - 105,OkJ/mol) Der Vorgang verlauft exotherm. Ethylenoxid ist das Ausgangsprodukt fur die Herstellung von Ethylenglykol HZC-CHZ
I
OH
1
OH
das als Gefrierschutzmittel fur wassergekuhlte Automobile groBe Bedeutung erhalten hat. Ethylenglykol und Terephthalsaure sind die Ausgangskomponenten fur Polyesterfasern (z. B. Trevira@).
1.4.2 Acetaldehyd
Nach dem Wacker-Hoechst-Verfahren gelangt man durch Direktoxidation des Ethylens in Gegenwart von Palladiumchlorid und Kupfer(I1)chlorid als Katalysatoren zum Acetaldehyd. Die dabei ablaufenden Teilreaktionen lassen sich durch eine Gesamtreaktionsgleichung ausdriicken:
?I)
Kat.
Ethylen 28 g
Sauerstoff 16 g
Acetaldehyd 44g
(AH= - 244,7 kJlmol) Dieses Verfahren wird heute mehr und mehr durch die Carbonylierung auf Synthesegasbasis verdrangt (s. Abschn. 111-9.5).
230
111 Produktionsverfahren zur Herstcllung von chemischen Grundprodukten
1.4.3 Aceton
1.4.5 Acrylnitril
Nach dem gleichen Verfahren wird Propylen zum Aceton oxidiert.
Von einfachen Rohstoffen ausgehend, namlich von der Primlrchemikalie Propylen, die leicht aus Benzinfraktionen des Erdols zu bekommen ist, dem Ammoniak und dem Luftsauerstoff, gelangt man uber nur wenige Verfahrensschritte zu einem hochveredelten Endprodukt. Nach dem Sohio-Verfahren erhalt man durch Ammoniakoxidation des Propylens, d. h. durch katalytische Oxidation in Gegenwart von Ammoniak, Acrylnitril.
CH.? I
HC=CH2(g,
+
112 0 2
-
H~C-F-CHJ(I)
0 Propylcn 42 g
Sauerstoff 16 g
Aceton
5s P
(AH = -268,6 kJ1mol)
1.4.4 Essigsaure
II?C=CH-CH3(,)
+ NH3(g) + 3/2 02
Propylen
Ammoniak
42 g
17 g
Wird Acetaldehyd mit Luftsauerstoff katalytisch weiteroxidiert, so entsteht Essigsaure (s. Abschn. 111-9.5).
Kat.
Luftsauerstoff 48 g
+ 3 H20(g)
H$=C-CGN(,, I
H 0 I/
+
H3C-C
117 02Cg)
I
-
H3C-C
44g
(AH= - 5 16,O kJ/mol)
I
041, Sauerstoff 16 g
Wasser 54 g
53 g
II
H Acetaldehyd
Acrylnitril
0
Essigsiure 60 g
(AH = -292,O kJlmol)
Essigsaure gehort zu den wichtigsten aliphatischen Zwischenprodukten. Auch bei der Vergarung von Wein zu Essig handelt es sich um eine Oxidation. Sie ist die 81teste Methode zur Essigslureherstellung und wird auch heute noch bei der Gewinnung von feinem Speiseessig angewendet. Der Ethylalkohol wird enzymatisch oxidiert. Die En,-?.me, auch Biokaralysaroren genannt, werden von speziellen Bakterien (Acetobacter) geliefert.
Als Nebenprodukte fallen Acetonitril, H,C-C=N, und Blausaure, H - C = N , an. Die Polymerisation des Acrylnitrils fuhrt zum Polyacrylnitril, das geschmolzen und versponnen die Faser Dokin@(Dralon@,Orlon@u. a.) liefert.
H
1H
CN
CNln
Polyacrylnitril
AcrylniLril
(AH = -76.6 kJ1mol Monomer)
1.4.6 Formaldehyd Formaldehyd wird groBtechnisch durch katalytische Oxidation des Methanols erhalten. Als Katalysator wird u. a. eisenhaltiges Molybdinoxid eingesetzt (s. Abschn. 111-9.4). CH30H,,,
04,) Ethylalkohol 46 g
Luftsauerstoff 32 g
EvigsPure
60 g
Wasser 18 g
(AH = - 494 kJ1mol)
Methanol 32 g
+ I/:!
Ol(g,
Sauerstoff 16 P
0 II H-C-H(,,
Moo3 KaL.
Formaldehyd 30 g
+
H20(1)
Wasser 18g
(AH = - 164.5 kJ1mol)
I Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen lndustrie
Formaldehyd kondensiert leicht rnit Phenol zu den Fomldehyd-Phenol-Harzen, die je nach Kondensationsgrad als thermoplastische oder duroplasrische Kunststoffe und Kunstharze Verwendung finden. Formaldehyd-Harnstoff-Kondensationsprodukte haben als Lackharze Bedeutung erlangt, die Formaldehyd-Melamin-Harzeals Einbrennlacke.
1.5 Hydrierungsprozesse Umsetzungen von chemischen Elementen bzw. Verbindungen rnit Wasserstoff bezeichnet man als Hydrierungen. Es sind im weitesten Sinne Reduktionsreaktionen. Elektronentheoretisch betrachtet ist eine Oxidation irnmer gleichbedeutend rnit einer Elektronenabgabe des oxidierten Elementes (s. Abschn. 111- 14.7). Oxidation,
2 Fe Eisen
+
3/20,
Reduktion,
6e------)
Sauerstoff Elektronen
2 Fe
+ 3/2 Oz
Eisen
-
2 Fe3+ + 6e-
23 1
Allen Hydrierungen ist gemeinsam, daR sie bei erhohten Temperaturen unter Druck und in Anwesenheit von Katalysatoren verlaufen. Sie sind alle exotherm, denn Wasserstoff ist eines der energiereichsten und damit auch reaktionsfreudigsten Elemente. Verbindet sich Wasserstoff chemisch rnit einem anderen Element, wird ein Teil seiner Energie als Wiirme freigesetzt. Neben der Ammoniaksynthese sind die Methanol- und Oxosynthese groatechnisch gleichbedeutende Hydrierungsverfahren. Mit der Entwicklung der Ammoniaksynthese im Jahre 1913 durch Fritz Haber (1868-1934) und Carl Bosch (1874-1940) wurde eine neue Entwicklung in der chemischen Verfahrenstechnik eingeleitet. Die GesetzmaSigkeiten bei Arbeiten bei hohen Temperaturen und Driicken und der EinfluR von Katalysatoren konnte eingehend studiert werden. Die Erfahrungen konnten dann auf technisch ahnlich ablaufende Verfahren, wie die Methanolsynthese und auch Oxosynthese, ubertragen werden.
Eisen-Ionen Elektronen
1.5.1 Methanolsynthese
30’-
Ausgangsprodukte fur die Synthese von Methanol sind Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff. Als Katalysator dient ein Gemisch aus ZinkoxidChromoxid, ZnO/Cr,03 (s. Abschn. 111-9.4.1).
Sauerstoff-lonen
-
( 2 Fe” + 3 02-]
Sauerstoff
Fe,O,
Eisen(II1)oxid
Es gilt also: Oxidation = Elektronenabgabe = Zunahme der positiven Ladung
Kohlenstoffmono x id
28 g
Reduktion = Elektronenaufnahme = Zunahme der negativen Ladung
-
3 Hz
N,
+
Stickstoff
3H,
6e-
-
Elektronen
+
Wasserstoff
N, Stickstoff
6H’
+
Methanol
4g
32 g
(AH= - 92 kllmol)
Eine typische Hydrierungsreaktion ist die Ammoniaksynthese. Der Stickstoff wird durch den Wasserstoff reduziert, der Wasserstoff selbst wird dabei oxidiert (s. Abschn. 111-7.2) Warserstoff
Wasserstoff
he-
Wasserstoff- Elektronen Ionen
Wie bei der Ammoniaksynthese und auch der Oxosynthese geht rnit der Reaktion eine Volumenabnahme einher. Die Bildung dieser drei genannten Hydrierungsprodukte wird durch Druck stark begunstigt. Die Halfte der gesamten Methanolproduktion in der Bundesrepublik Deutschland wird fur die Gewinnung von Formaldehyd verwendet (s. Abschn. 111-9.2).
2 N3Stickstoff-Ionen
{6H’+ 2N’ )
-
1.5.2 Oxosynthese 2NH,
Ammoniak (Stickstoffhydrid)
(AH= - 92 kJ/mol)
Je nach den angewendeten Verfahren lassen sich aus einfachen Grundprodukten interessante Zwischen- und Endprodukte rnit eindeutigen Eigenschaften gewinnen (s. Abschn. 111-9.3).
232
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Fur Propylen als ungesattigten Kohlenwasserstoff lassen sich die Reaktionsablaufe durch folgende Gleichung beschreiben:
+ 2 CO,,, +
2 H,C-CH=CH,,,, Propylen
Kohlcnstoffmonoxid
2 H,,,, Wasscrstoff
But anal
0
+ H3C-CH-CC, I
fi
(AH= - 243.5 kJ/mol)
%)
CH3 2-Methylpropanal
1.6 Polymerisationsreaktionen, Herstellung von Makromolekulen Bisher sind Reaktionstypen besprochen worden, die aus kleinen Molekulen zusammengesetzte Produkte liefern. Es erhebt sich die Frage, welche Reaktionen ablaufen mussen, um zu Stoffen zu gelangen, die aus gro8en Molekulen aufgebaut sind. Viele Naturstoffe setzten sich aus solchen Makromolekulen zusammen. Bekannt sind der Naturkautschuk, die Starke, Cellulose, EiweiR und die Nukleinsauren, um nur einige zu nennen. Starke und Cellulose sind aus einer Vielzahl von gleichen Bausteinen zusammengesetzt, die untereinander chemisch gebunden sind. Die Bausteine der Starke und Cellulose sind Glucosernolekiile. Sie reihen sich als Kette aneinander. Bei der chemischen Verkniipfung von zwei Glucosebausteinen wird immer ein Molekul Wasser frei.
Glucosernolekiile
Sllrke
Wassermolekiile
Die Bausteine fur Eiwege, auch Proteine genannt, sind die Arninosauren. Die erwahnten in der Natur vorkommenden Molekule werden von den lebenden Organismen fur zahlreiche Zwecke genutzt. Sie bauen daraus Geriistsubstanzen, wie
Pflanzenfasern (Cellulose), Knochensubstanz (Kollagen) oder lagerfahige Reservestoffe (Depotstoffe), z. B. Glycogen in der Leber, und Starke oder Fette fur die Eigenemahrung auf, sowie die Nukleinsauren als Informationsspeicher. Die Polymerisation* ist ein chemischer Vorgang, bei dem sich viele kleine Molekiile eines einfachen Stoffes oder mehrerer einfacher Stoffe zu groRen Molekulen, den Makromolekulen, verknupfen. Die als Bausteine dienenden kleinen Molekule hei8en Monomere** und die aus den Makromolekulen bestehenden Endprodukte Polymerisate. Die Molmasse des neuen Molekulverbandes nimmt GroRenordnungen bis in die Millionen an. Das Polymerisat hat vollig andere chemische und physikalische Eigenschaften als das Monomere. Die Polymerisation des gasformigen Ethylens fuhrt in Gegenwart wirkungsspezifischer Katalysatoren zu festem Polyethylen, das nach dem Niederdruckverfahren groatechnisch hergestellt wird.
H
H
Ethylen
LH
H
I1
111 n
Polyethylen
(AH = -106,3 kJ/mol Monomeres und flussiges Polymerisat)
Polymerisationsreaktionen sind exotherme Vorgange. Die Polymerisationswiime des Ethylens ist sehr hoch und mu8 abgefuhrt werden, da sonst Explosionen auftreten konnen. Die Eigenschaften des Polymerisates hangen entscheidend von der GroBe des Molekulverbandes ab, die wiederum vom Katalysator, der Reaktionstemperatur und dem Reaktionsdruck bestimmt wird.
1.6.1 Isotaktische, syndiotaktische und ataktische Polymerisation*** Geht man fur die Polymerisation nicht vom Ethylen, sondern vom Propylen als Monomerem aus, werden je nach der Anordnung der Methyl-
*
**
***
poly (grch.) - viel; meros (grch.) Teil. monos (grch.) - ein. iso(grch.)-gleich; syn (grch.)-mit. zusammen: a(grch.) - als Vorsilbe, unrhythmisch. ~
I Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen lndustrie
seitengruppe, CH3., verschiedene Polymerisationsprodukte erhalten, die sich in ihren mechanischen und physikalischen Verhalten sehr voneinander unterscheiden. Innerhalb der Polymerenkette konnen die Methylgruppen auf derselben Seite des Kohlenstoffgeriistes stehen, wobei man von einem isotaktischen Polymer spricht. H H I 1 nC=C I I H CH3
-
Vinylchlorid
H,C=C-H
I
Tetrafluorethylen
H2C =CH
H
H I
H
H I
H
H I
H
-
Polyvinylchlorid
-
Polyacrylnitril
-
Polytetrafluorethylen
-
Polystyrol
C=N Acrylnitril
F2C=CF2
Propylen
H I
H,C=C-H I CI
233
I1 I Styrol
H
I H CH3
I H CH3
I H CH3
I H CH3
Allen diesen Polymerisaten gemeinsam ist ein aus einer Kohlenstoffkette bestehendes Geriist:
isotaktisches Polypropylen
Befinden sich die Methylgruppen in regelmaBiger Folge abwechselnd auf der einen und der anderen Seite der Kohlenstoffkette, so liegt ein syndiotaktisches Polypropylen bzw. Polymerisat vor. H
H
H
CH3
H
H
H
H
CH3
Von einem ataktischen Polymerisat spricht man, wenn die Seitengruppe, in diesem Falle die Methylgruppen, regellos auf beiden Seiten der Kohlenstoffkette verteilt sind. H
H
H
H
I H CII~
CH~
I
H
I H
H
H
H
I H CH3
Weitere Monomere, die nach dem gleichen Prinzip wie Ethylen und Propylen polymerisieren, sind:
R I
R
I
An diesem hangen nun die verschiedenen Seitengruppen in isotaktischer, ataktischer und syndiotaktischer Verteilung. Sowohl der chemische Charakter der Seitengruppen als auch ihre statistische Verteilung langs der Kohlenstoffkette bieten Variationsmoglichkeiten fur die Werkstoffeigenschaften von Polymerisationsprodukten (s. Abschn. 111-1.6.7).
1.6.2 Polymerisationsverlauf Die Polymerisation wird in der Regel durch einen Katulysator eingeleitet. Er bestimmt wesentlich den Polymerisationsgrad, namlich die Kettenlange des Polymerisates, die Verteilungsart der Seitenketten und die Polymerisationsgeschwindigkeit. Die Polymerisationen sind Kettenreaktionen und lassen sich wie folgt unterteilen: -
Startreaktion,
- Wachstumsreaktion, -
Abbruchsreaktion.
Die Geschwindigkeit der Polymerisation wird durch die langsamste Teilreaktion bestimmt.
234
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Cirundprodukten
Die Startreaktion erfordert die hochste Aktivierungsenergie aller Teilreaktionen, sic leitet die eigentliche Reaktion ein und kann durch Zufuhr von Warmeenergie, d. h. durch thermische Anregung, durch Strahlungsenergie von UV-Licht oder Gammastrahlen und schliefllich durch spezielle Substanzen, die unter den Begriffen Aktivatoren, Initiatoren oder Katalysatoren bekannt sind, ausgelost werden. Bei der Polymerisation des Ethylens zum Polyethylen besteht die Startreaktion in der Aufspaltung der Ethylendoppelbindung. Es bilden sich reaktionsfahige Ethylenradikale.
Abbruchsreaktion:
c-c.
2 R . + .C-C
I Abbruchsregler
I
I
Polymensationkeue Radikaienden
init
LH
Sta rtreaktion: H I
14
I H
I H
I
I
FiJn+3
Polyrnsrisationrprodukt
Encrpic
II
H
I
I
I H
I H
c=c y .c-c. Ethylenmolekiil
Ethylenradikal
Je nach der chemischen Struktur der Monomeren verlaufen die Start-, Wachstums- und Abbruchsreaktionen nach sehr unterschiedlichen Reaktionsmechanismen ab.
Wachstumsreaktioii:
2
H
H
I
I
I
I
H
H
*c-c.
+
n
H I
H I
I
I
H
H
c=c
Ethylradikalc
Polymerisationskettc mit Radikalendcn
Die Ethylenradikale sind nun befahigt, eine Kohlenstoffkette zu knupfen, indem die Radikale sich mit weiteren Ethylenmolekulen verknupfen. Wahrend der Wachstumsreaktion werden so weitere Monomere an die aktivierten Endmonomere, auch Primaraddukte genannt, angelagert. Das Ende dieses Molekulkettenwachstums wird durch eine Abbruchsreaktion erreicht. Das Radikalende des Kettenmolekuls wird abgesattigt. Dazu werden vielfach spezielle Abbruchsregler verwendet. In diesem Falle konnen es Fremdmolekule mit Radikalcharakter sein.
1.6.3 Copolymerisation Fur eine Polymerisation kann nicht nur von Monomeren eines Stoffes, sondern auch von Monomeren zweier oder dreier Stoffe als Bausteine ausgegangen werden. Auf diese Weise werden Copolymerisate erhalten, z. B. die Copolymerisate von Ethylen mit Propylen. Die Anordnung der verschiedenen Monomeren in der Kette ist wieder vielfaltig und hangt unter anderem von dem Molverhaltnis der Monomerenkomponenten ab (Abb. 111-3). Die Reihenfolge der Bausteine kann statistisch scin, sie gehorcht keiner GesetzmaBigkeit. Das Produkt ist dann ein statistisches Copolymerisat. Eine andere Mijglichkeit ist der alternierende Aufbau. Nach einem Monomeren A folgt das Monomere B, dann wieder A und so fort. Die dritte Moglichkeit ist die Anordnung in Blocken. An eine aus den Monomeren A aufgebaute Teilkette schlieat eine aus den Monomeren B zusammengesetde Teilkette an. Eine vierte Variation der Anordnung von verschiedenen Bausteinen ist die des Pfropfens. Auf eine vorhandene Polymerkette aus der Komponente A wird eine andere aus der Komponente B aufgepfropft.
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen lndustrie
235
statistisches Copolymer
alternierendes Copolymer
Block-Copolymer
Pfropf-Copolymer
0Monomer A MonornerB
Abb. 111-3. Bauprinzipien von Copolymeren. 1.6.4 Verfahren zur Polymerisationstechnik
Zahlreiche Polymerisationsverfahren sind in der Kunststoffchemie entwickelt worden. Jede Polymerisationsmethode fuhrt zu Produkten mit ganz speziellen und eindeutig definierten Eigenschaften. Wichtig in der Polymerisationstechnik angewandte Methoden sind die - Blockpolymerisation, -
Losemittelpolymerisation,
- Fallungspolymerisation, -
Emulsionspolymerisation,
- Suspensions- oder Perlpolymerisation.
Bei der Blockpolymerisation erstarrt das Polymerisationsprodukt zu einer geschlossenen Masse. Besonderes Augenmerk ist auf das Abfiihren der exothermen Polymerisationswiirrne zu richten, da sich leicht Blasen im Polymerisationsgut bilden. Der Polymerisationsvorgang wird deshalb sehr langsam gefiihrt. Dickwandige grol3e Formteile oder Rotationsformen von Hohlkorpern werden nach dem Blockverfahren hergestellt. Wie der Name schon ausdriickt, erfolgt die Liisemittelpolymerisation in geeigneten Losemitteln. In ihnen miissen das Monomere wie auch
das Polymerisat loslic.. sein. In Gegenwart von Katalysatoren und bei entsprechender Temperatur setzt die Polymerisation ein. Die niedrige Viskositat des Reaktionsgemisches erlaubt vor allem eine leichte Wiirrneableitung, z. B. durch Arbeiten am RuckfluRkuhler. Bei der Losemittelpolymerisation entstehen im allgemeinen kurze Molekulketten, da die Losemittel einen friihzeitigen Kettenbruch begunstigen. Werden Losemittel verwendet, in denen das Monomere loslich ist, das Polymere aber als unlosliches Produkt ausfallt, so spricht man von der Fallungspolymerisation. Die Viskositat der Losung andert sich in dem Falle nicht. Nach diesem Verfahren werden Ziegler*-Polyethylen und Polyacrylnitril, um nur zwei zu nennen, hergestellt. Bei der Emulsionspolymerisation werden in Wasser unlosliche Monomere durch Zugabe von Emulgierungsmitteln und unter Ruhren in feinste Topfchen verteilt, d. h. emulgiert. Der Katalysator ist wasserloslich und wird der Emulsion zugesetzt, dabei wird standig geriihrt. Die Polymerisation setzt bei den Monomeren ein, die in der Niihe der Emulsionstropfchen zum geringeren Teil im Wasser gelost sind. Aus den Tropfen der Monomer-Emulsion werden standig losliche Monomere nachgeliefert. Es entsteht ein milchi-
*
Ziegler, Karl (1898-1973), drsch. Chemmiker.
236
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
ges Dispersionspolymerisat, aus dem die festen Polymere abgetrennt und getrocknet werden. Wird das Monomere ohne Emulgiermittel oder Schutzkolloid nur durch Ruhren in Wasser fein verteilt, erhalt man eine Suspension. Der zugesetzte Katalysator ist im Wasser ebenfalls nicht loslich, dagegen aber im Monomeren. Diese Polymerisationsmethode heifit Suspensions- oder Perlpolymerisation. Sie findet direkt in den Suspensionstropfchen statt, und das Polymerisat fallt in Perlen an. Diese Methode vereinigt in sich die Vorziige der Block- und Emulsionspolymerisation. Es entstehen reine und klare Polymerisate, und die Warmeabfuhr bereitet keine speziellen Probleme. Polyvinylchlorid wird nach diesem Verfahren in grofiem Umfang hergestellt.
1.6.5 Polyaddition und Polykondensation Neben der Polymerisation gibt es noch zwei weitere Reaktionstypen zum Aufbau von Makromolekulen aus Monomeren. Diese sind die Polyaddition und die Polykondensation. Damit sich die Monomeren auf eine dieser Polymerisationsarten zu einer Kette verkniipfen konnen, mussen die Monomermolekiile mindestens zwei gleiche oder auch verschiedenartige funktionelle Gruppen besitzen. Sie miissen bifunktionell sein.
0
0 I ,I-Rutrndiol
Im Gegensatz zu Polymerisationsreaktionen verlaufen die Polyadditionen im allgemeinen unter milderen Bedingungen und vielfach ohne Katalysator und bei Raumtemperatur. Wie bei der Polymerisation werden bei der Polyaddition keine niedermolekularen Molekiile als Nebenprodukte abgespalten. Die Polyurethane beispielsweise entstehen durch fortlaufende Addition der Monomeren Is. GI. (l)]. Die Addition kommt dadurch zustande, daR die Wasserstoffatome des Butandiols zum Hexamethylendiisocynat wandern. Die reaktionsfahigen Zentren der Monomere fur die Polymerisation sind die ungesattigten Kohlenstoff-Kohlenstoffbindungen (Doppel- und Dreifachbindungen). Im besprochenen Beispiel einer Polyaddition treten als reaktionsbereite Zentren die funktionellen Gruppen auf. Im Butandiol ist es die alkoholische und im Hexamethylendiisocynat die Isocynatgruppe. Die Polykondensalion ist der ZusammenschluR von Monomeren unter Abspaltung einfacher niedermolekularer Verbindungen, wie Wasser, Ammoniak, Chlorwasserstoff, Alkohole u. a. Die Synthese der Polyesterfaser Treviraa Iauft iiber die Polykondensation. Es kondensieren Ethylenglykol mit den zwei alkoholischen Gruppen und Terephthalsaure mit den beiden Carboxylgruppen. Dabei tritt Wasser aus [s. GI. (2)].
Hexamethylendiisocyatiat
O
H
H
o l n
O
H
H
O
Polyurethan
n
Ethylenglykol
Terephthalsaure (2)
n Polyethyleiiglykolterephthalat
Wasser
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
Es ist leicht einzusehen, dal3 tri- oder polyfunktionelle Monomere iiber die Polykondensation engmaschig, raumlich vernetzte Molekiilstrukturen liefern.
1.6.6 Strukturen der Makromolekiile
237
mensetzen, so abwechslungsreich und mannigfaltig sind auch die Strukturen der Makromolekiile. Die verschiedenen Bauprinzipien lassen sich in vier Grundtypen unterteilen (Abb. 111-4). GroBe und Molekiilmasse der gebildeten Makromolekiile sind nicht einheitlich. Kettenlange und Vernetzungsgrad eines Polymerisates und damit auch die Molekiilmasse liegen in statistiY
So zahlreich wie die verschiedenartigen Monomere, aus denen sich die Makromolekiile zusam-
Abb 111-4. Bauprinzipien von Makromolekiilen. - a) Lineares Makromolekul, b) verzweigtes Makromolekul.
238
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chernischen Grundprodukten
scher Verteilung vor. Der Verteilungsbereich kann j e nach Herstellungsmethode sehr breit, aber auch sehr eng gefafit sein und beeinflufit die Werkstoffeigensc@ten und das physikalische Verhalten der hochmolekularen Stoffe maBgeblich. Die Vielzahl der Variationsmoglichkeiten zur Herstellung hochmolekularer Substanzen erlaubt es der Kunststoffchemie, Polvmere fur einen sehr weiten Anwendungsbereich zu produzieren.
Einige Faktoren, durch die die Polymerprodukte in Qualitat, Verhalten und Eigenschaften wesentlich beeinflufit werden, sind:
Die monomeren Bausteine a) ungesattigten Kohlenstoff-Kohlenstoffbindungen b) mit funktionellen Gruppen c) oder ohne Seitengruppen
2. Die Anordnung der Seitengruppen innerhalb der polymeren Kette; iso-, syndio- oder ataktische Anordnung
Abb 111-4. Bauprinzipien von Makrornolekiilen. - c ) Vernetztes Makromolekiil, d) Vernetztung nach dern Lei-
terprinzip.
1 Der Stoff- uind Energieumsatz in der chemischen Industrie
3. Der Polymerisationsgrad 4. Der Vernetzungsgrad und die Molekulstruktur 5. Der Verteilungsgrad der polymeren Kettenlangen 6. Wahl der Katalysatoren in bezug auf ihre Wirkungsspezifitat 7. EinfluR von Druck und Temperatur 8. Polymerisationstechniken
1.6.7 Einteilung von technischen Polymeren Die Unterscheidungsmerkmale der technischen Polymere orientieren sich an ihren physikalischen und mechanischen Eigenschaften und den davon abzuleitenden Verwendungsarten. Fusern zeichnen sich durch linear ausgerichtete Kettenstrukturen der Makromolekule aus. Diese bilden sich wiihrend eines einseitig gerichteten Streckvorganges aus. Sie werden mittels Spritzdusen erhalten. Beispiele sind Fasern auf Basis von Celluloseacetat, Polyamiden, z. B. Nylon, Perlon, Aramide, Polyester, z. B. Trevira, Polyacrylnitril, PAC, u. a. Folien sind dunne, flachige, flexible, aufwickelbare Bahnen, die durch GieRen, Kalandrieren, Extrudieren u. a. Methoden erhalten werden konnen. Besonders dunne Folien nennt man Filme. Zweidimensionale Verstreckungsmechanismen fuhren zu geringsten Schichtdicken und gleichmaBiger Oberflachenbeschaffenheit. Produktionsbeispiele sind: Polyethylenfolie (HDPE = high density polyethylene), PVC-Filme, Polyesterfilme, Celluloseacetatfilme u. a. Plustomere*, Kunststoffe im engeren Sinne, sind Polymere, deren Makromolekiile uber Seitenketten oder Briickenglieder dreidimensional miteinander vernetzt sind. Der Vernetzungsgrad kann durch Zusatzstoffe (Additive) beeinflulit werden. Weitmaschig vernetzte Plastomere heiBen Elastomere**, engmaschig vernetzte Duromere***. Neben der Vernetzung weisen die Kunststoffe in ihrer Struktur teilkristalline Bereiche auf. Aus den Kunststoffen werden Blocke, Hohlkorper, Flachenstucke geformt, die als Werkstoffe zur Fertigung von Bau- und Apparateteilen, Apparaten, Geraten, Behaltern u. a. dienen.
*
**
***
plassein (grch.) - bilden. meros (grch.) - Teil elastos (grch.) - dehnbar. durus (lat.) - hart.
239
Bekannte Beispiele sind: Polyethylen, Polypropylen, PVC, Polyacrylsaureester, Polystyrol, Polyurethan, Silicon u. a. Harze sind makromolekulare Verbindungen, deren Struktur sie an einer Ausbildung von Kristallgittern hindert. Sie sind deshalb meist amorph und haben keinen ausgepragten Schmelzpunkt, sondern ein Erweichungsintervall, das sich uber einen grol3eren Temperaturbereich erstrecken kann. Harze verhalten sich wie unterkuhlte Schmelzen. Beispiele fur Kunstharze sind: Phenol-Formaldehydharze, Melamin-Formaldehydharze, Hamstoff-Formaldehydharze,Epoxidharze, Siliconharze u. a. Wachse sind chemisch betrachtet Ester aus langkettigen Alkoholen der Kettenlange ab C24 und langkettigen Fettsauren der Kettenlange ab c22.
Die Montanwachse sind als Naturwachse, die aus den Bitumen der Braunkohle gewonnen werden, sehr bekannt. Sie bilden ein Gemisch aus 53 % Ester, langkettigen Fettsauren, freien Wachsalkohlen und asphalthaltigem Material. Wachse dienen zur Oberflachenbehandlung von Holz, Kunststoffen, Metallen sowie als Gleitmittel und als Zusatzmittel in Lippenstiften, Druckfarben, Bunt- und Fettstiften. Klebstoffe sind Polymere mit oberflachenbzw. grenzflachenaktiven Eigenschaften. Je nach Anwendungsort und -bereich wird zwischen Kalt-, Warm-, Reaktionsklebstoffen und Leitklebstoffen unterschieden. Kalt- und Warmklebstoffe binden uber Adsorptivkrafte. Der AbbindeprozeB bei den Reaktionsklebstoffen verlauft uber chemische Reaktionen wie z. B. die verschiedenen Polyreaktionen zeigen. Leitklebstoffe sind haufig Kunstharzsubstanzen, die mit elektrisch leitenden Metallpulvern oder -pigmenten versetzt sind. Beispiele: Polyvinylacetat, Polyvinylalkohol, Polymethacrylate, Polyisocyanate, Leime auf EiweiR- oder Stiirkebasis, Silicone. Biopolymere sind makromolekulare Naturstoffe pflanzlicher oder tierischer Herkunft. Naturkautschuk ist ein Polyisopren, dessen rnonomerer Baustoff Isopren ist. Stiirke ist ein Polysaccharid, in dem die Glucosemolekiile a-(1,4)-glykosidisch verkettet sind. Sie ist die Energiereserve fur viele PflanZen, z. B. Getreide. Cellulose ist ebenfalls ein Polysaccharid, in dem im Gegensatz zur Stiirke die Glucoseeinheiten p-( 1,4)-glykosidisch miteinander verknupft sind. Cellulose ist der Geriiststoff im Holz
240
Ill Produktionsverfdhren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Nukleinsauren sind Biopolymere, die aus den Bausteinen der Phosphorsaure und Ribose zu einer Polyribosephosphorsaurekette aufgebaut sind. An dieser Hauptkette sind nach einem bestimmten Rhythmus Nucleobasen* angeknupft. Jedes Basentriplett, d. h. 3 benachbarte Aminobasen, enthalt jeweils eine biologische Information gespeichert. Anorganische Polymere auf der Basis von Kieselsaure. Diese Polymergruppe bestimmt in ihren unuberschaubaren Abwandlungsmoglichkeiten den Aufbau der mineralischen Natur. Als Hauptkette ist immer wieder die
und in Fasem wie Baumwolle, Sisal, Flachs und Jute. Die Faserstrukturen dieser Pflanzen sind sehr mannigfaltig. Lignin ist ein Copolymerisat aus Cellulose und Phenylpropanol. Proteine sind Biopolymere, die sich aus his zu 20 verschiedenen Aminosauren aufbauen konnen. Im tierischen Bereich stellen sie die Geriiststoffe, Geriistproteine genannt. Von diesen unterscheiden sich die Funktionsproteine in den verschiedensten Wirkungen. Weit verbreitete Proteine sind - Weizeneiweib, der sogenannte Kleber - MilcheiweiB, Casein - Kollagen, Knochenfasern - Gelatine, hydrolysiertes Kollagen - Wollproteine, Wollfasern - Insulin, ein Hormon - Enzyme, Biokatalysatoren
-&i-&-ij-
I
Veknijpfung
I
anzutreffen. Produktionsumfang und Einsatzgebiete von Kunststoffen sind den Abbildungen 111-5 und 111-6 zu entnehmen.
Polypropylen 16 YO
Sonstige17%
hi-
P S I EPS 8 %
- PUR5%
\
m-.. PC
I
P W ABS I sAN/ ASA
PVC 15 %
technische Kunststoffe, Blends 10 %
SONST:
Abb. 111-5. Weltproduktion von Kunststoffen aufgegliedert nach Kunststoffarten 1 Y98 (Tonnage in Prozent). Sonstige 18.8 %
Verpackung
26.2 % Mobel 7,6 %
Landwirtschaft 1.6 % Haushaltswareni 4.9 % FahneWe Elektroindustrie 7.896 7,3010
Bau 25,8 %
*
Abb. 111-6. Einsatzgebiete von Kunststoffen in Deutschland (Prozent) 1998.
z.B. Adenin, Cytosin. Guanin, Thymin, Uracil
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
Ubersicht iiber wichtige technische Polymere
EPM
Polymere, deren Hauptkette aus einer Verkniipfung von Kohlenstoffatomen besteht
HDPE
I
High Density Polyethylene aus Ethylen H2C=CH2. Nach dem Niederdmckverfahren werden weitgehend lineare, wenig verzweigte Makromolekiile erhalten, s. LDPE.
241
Ethylen-Propylen-Kautschuk (Rubber). Das M steht anstelle von ,,R" immer dann, wenn es sich um eine gesattigte Kohlenwasserstoffkette handelt. H*C=CH* Ethylen; H 2 C = C H Propylen I c H3 H2C
H2C-CH24 H2-CH2-CH-CH24H2
LDPE
I
c H2
EPDM
Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk (Rubber), s. EPM z. B. Ethylen; Propylen; Isopren
dH3
Low Density Polyethylene aus Ethylen HzC=CHz, ist ein Polyethylen fCH2-CH2& niedrigerer Dichte. Es besteht aus verzweigten Polyethvlenmolekiilen mit Seitenketten
H,CSH;
H2C =C H2:
CH3
f- -H2C 4 H2
CPE
I
H<
H2
4 H=C
I
H<
H2
c H3
F'ropylen-
lsoprenkomponente
Chloriertes Polyethylen wird aus
Ethylen H2C=CH2 und anschliehender Chlorierung des Polyethylens in Losemitteln oder Suspension erhalten. Die Chlorradikale sind unregelmahig iiber das Makromolekiil verteilt. Als reiner Kunststoff spielt CPE keine Rolle, aber als Mischung mit PVC.
n
pvc
Polyyinylghlorid aus Vinylchlorid H2C=C IH ;
F C = C : h
CI
PTFE
Polyietrafluorethylen aus Tetrafluor-
ethylen, F2C=CF2;
+HZ-CHZ&
iso-PP
4 H2 - C
c H3
Ethylen-
VLLDPE Very Low Low Density Polyethylene aus Ethylen H2C=CH2, ist ein Polyethylen sehr niedriger Dichte mit linearer unverzweigter Kettenstruktur. Die Herstellung erfolgt unter hohen Driicken.
H?C=C-CH=CHz I CH3
I
htaktisches Polypropylen aus Propylen H*C=CH I CH3
hat eine regelmaige Seitenkettenanordnung auf einer Seite (Abschn. 111-1.6.1).
Gemisch aus Fluorethylenen
f-Wn und Fluorpropylenen
#{$ F CH
242
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
PMMA
polymethylmetharcylat, z. B. Methylacrylsaurernethylester OS-OCH, ;
aus
H&=L LH3
synd. PP u i o t a k t i s c h e P o l y p p y l e n Die Seitengruppen sind in regelrnabiger Folge abwechselnd auf beiden Seiten der Kohlenstoffkette angeordnet (s. Abschn. 111-1 6 . 1 ) H H
H CHjH H
H CH3H
I
I
I
I
-J-J-A-J-L<-C<-CI I I I I I I I H CH3H H H CHsH H
,
COC
I H
Cycloolefincopolyrnere, Topas HZC=CH2und Norbornen;
Gs Ethylen,
YC=Y
ein Cyclohepten H C - C H Z - C H
PIB
\
H2C-CH2
Pol yisobutylen y
/
3
aus Isobutylen H& =C
I
CH3
Ethylenkornponente
ist das alteste grobtechnisch hergestellte Olefin-Polymer (1935 durch IG-Farben). BR
Butadien-Rubber BUS H,C = CH-CH =CH,
I I R1 R2 Norbornenkornponente
PAN
Polyacrylnitril aus Acrylnitril H*C=CH I C=N
Butadien
oft auch bezeichnet als
) H 2 C -C H=C H - C H2
EVA
IJthylen-Yinylacetat-(=opolymer aus Ethylen H2C=CH2 und Vinylacetat
PAR
Polyacrylni tril-Rubber
NBR
Nitril-Butadien-Rubber (AcrylnitnlButadien-Kautschuk) aus Acrylnitril H>C=CH I C =N
H3C-C 4C H =C H2
II
und Butadien
0
t
H2C =C H-CH =CH2
H2C-CH2-CH2
I
H--CH2<
o<=o I
CH3 Ethylen-
Vinylacetakomponente
CE N n
H=CH-CH2
243
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
synd. PS M i o t a k t i s c h e s Polystyrol Die Benzolkerne sind in regelmaBiger Folge abwechselnd auf beiden Seiten der Kohlenstoffkette angeordnet (Abschn. 111-1.6.1).
PS
ABS
Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer aus Acrylnitril, H2C=C H, I C =N
Butadien, H2C=CH-CH%H2
Polystyrol aus Styrol H,C=CH
und Styrol, H ~ C - C H
--C =N
SPS
S = Suspensionspolymer; pS = Polystyrol Je nach Polymerisationsart, d. h. Emulsions-, Losungs- oder Perl(Suspensions)polymerisation, erhalt man unterschiedliche pulverformige Produkte.
Acrylnitril-
ABC
ButadienKomponente
Styrol-
La
Butadien Chloropren
I+C=CH-CH=CH2 YC=C-CH=CHZ
Styrol-Acrylqitril-Copolymere aus Styrol H p C = C H und
8
&I
,
I
~C-CH+CH~-CH=CH-CH~+CCY=CH-CH~
LA
I
&I
T .
Acrylnitril H2C=CH I
Acrylnitril-
CGN
ASA
Butadien-
Chloroprenkomponente
Acrylnitril-Styrol-AcrylsaureesterCopolymer aus H p C = C H , HpC-CH I
SBR
I
Acrylnitril-Butadien-chloropren-Copolymer aus Acrylnitril YC=CH
t"0l""'f. SAN
,
Styrol-Butadien-Rubber aus Styrol H ~ C = C H
und H2C=CH
b
I O=C--ORt
und Butadien H2C=CH--CH=CH2 r
1
Acrylnitril-
Styrol-
AcrylsaureesterKomponente
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
244
SMA
Styrol-Maleinsaurealkylester-Copolymer aus Styrol H2C=CH
Pvlymere, deren Hmptkohlenstqffkeite durch SciuerstofJhriicken. -C-O-C., unterbrvchen ist
POM
und MaleinsPurcalkylester
Polyoxymethylen auch bekannt als Polyacetal oder Polyformaldehyd, hergestellt aus Synthesegas (CO + H2) uber Formaldehyd H-C-H, II
ester C H S H I
r;” ‘I-f.
ROOC tH2C
0
I
COOR
,O-CHz
0=C4R
li-i.
+Styrol-
Maleinsaureesterkomponente
PEO C4-Monomere,Butanderivate als Kautschukbausteine H3C-CH2--CH2-C
H,
0
\ / O-CHz
H-t
iOd-OR
\
Trioxan H2C
Pol yox ymethy len
Polygthylenoxid aus Ethylenoxid H ~ C - C Hdurch ~ \ /
0
Homopolymerisation.
+-
Butan
H2-C H 2 - 0 k
H2C-CH2-CH2-CH2
I
HO
I
I ,4 Butandiol
Unter Homopolymerisation* wird die Polymerisation mit nur einem Monomeren verstanden, in diesem Falle mit Ethylenoxid. Bei Beteiligung von mehreren Monomeren spricht man dann von Copolymerisation.
OH
H2C =CH-CHz--C y
HzC=C
H3
3
Isobutylen bzw. Isobuten hzw. Dimethylethylen
I
c H3 H2C=CH-CH=C H2C =C -C H
I
I -Butylen bzw. I-Buten
H2 x H2
Butadien
Polyghenylenoxid bzw.
Chloropren
CI H2C =C -C H S H2 I c H3
PPO
PPE Isopren bzw. 2-Methylbutadien
k*
Polyphenylenether ist die korrektere Bezeichnung. Es sind aromatische Polyether, die beispielsweise durch katalytische Luftoxidation von substituierten Phenolen erhalten werden, z. B.
2,6-Dimethylphenol
g 1
OH
CH3
*
homoios (grch.) gleich, gleichartig ~
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
PC
LCP
Polycarbonat
245
Liquidcrystallinpolymere aus 1,4-Hydroxybenzoeslure HO+-OH
d durch Polykondensation von Bisphenolen
und 3,7-Hydroxynaphthoesaure
""y$&ooH 6
5
Naphthoesaurekomponente
und Phosgen CI-C-CI - 1
! !L
unter Abspaltung von Chlonvasserstoffgas, HCI.
-+
PAEK
Polyacryletherketon bzw.
PEEK
Polyether-etherketon aus z. B. 4,4'-Difluorbenzphenon
Benzoesaure- Esterkomponente bindung
Epoxidharze sind Polyether und werden durch
und
F-&-*
0
Polykondensation von Epoxidverbindungen, die in Nachbarstellung zur Epoxidgruppe noch einen reaktionsfhigen Substituenten tragen, und einem mehnvertigen Alkohol oder einem Phenol erhalten.
Hydrochinondikaliumsalz
Keto- bzw. Carbonyl-
+ Etherbindung
-
-C -C- Epoxidgruppe; \
Etherbindung
/
0
H&-CH-CH,CI
PPPe
\
/
-
nachbarschaftl. reaktionsf3hige GNPPe
Beispiel:
CH2-CF-,CH2 CI 0 Epichlorhydrin
+ Bisphenol A
Epichlorhydrin
246
111 Produktionsverfahren m r Herstellung von chemischen Grundprodukten
PF
Phenol-Formaldchyd-Harre
aus Phenol W H
Polymere, die innerhulh der Kohlenstofiauptkette Stick.~tofJbriickeniri Form yon Amid- oder hidbindungen enthulten.
und Formaldehyd H<=O
PA 6
I
H
+ S T # + H
h8
N-C-C
PET
Eolyethylenterephthalat
aus Glycol, H2C-CH2 , und
PA 6,6
HO I OH I
Dimethylterephthalat, DMT, H~CO -
8
C -
~ 0
~
C
H
~
I C=O
I HN
Perlon
Hz-C Hz-CH2-CHz-CHz n +
Polyamid aus Hexamethylendiamin H 2 N f C H 2 j p H z und Adipinsaure HO-c -fcH+: II 0
--
F-(j +,-ox
Polyamid 6 aus 6-Caprolactam, einem Lactam der &- Aminocapronsaure H2C -C H2 -C H2-CHz-C H2
-0 H 0
--
H 2 - C H2-0
0
0
Terephthalat- Glycol-Komponente
Adipinslure- Hexamethylendiaminkornponente
PET
eolybutylenterephthalat aus I ,4-Butandiol
PA 4,6
H~C-CH~--CHZ-CHZ HO I
HO-C-(CH2k$-OH
0
8
Butandiol-Komponente
-Adipinsaurc-
PCT
Poly~yclohexenyl-dimethylolterephthalat
L
2 - L
Dimethylolhexenyl-
. I
Terephthalat-
DimethylolcyclohexenylKoinponente
aus DMT = Dimethylterephthalat und 1,4-Dimethylolcyclohexenyl, HO--H~C+H~OH
0
+ p . k $ + H 2 k; yHf
0
Terephthalat-
aus 1,4-Butandiamin
l + N f C H 2 b H $ und Adipinsaure
AH
und DMT, s. unter PET.
f - . ) .Hcfp-3+: -+
Polyamid
.
H n
I ,4-ButandiaminLoniponeute
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
PPA
Gemisch aus polyamiden (Blends)*. Das erste P steht fur weichmacherhaltig.
HTN
High Temperature Nylon
PUR
$olyUrethan-Bubber aus Diisocyanaten, z. B. Hexamethylendisocyanat O=C4fCH2kN=C=0 und zwei-
PI
247
Polyimide sind durch die Saureimid-
gruppe H -N
'c-
J
charakterisiert und werden als hochwbnebestandige Kunststoffe genutzt. Durch Polykondensation von 4,4 '-Oxydianilin und Pyromellithsauredianhydrid entsteht z. B. der Kunststoff Kapton:
wertigen Alkoholen, z. B. 1,4-Butandiol HO
fC~~j-0~. 4
-Hcxametylendiisocyanat-
UF
Urea (Harnstoff)-Formaldehyd-Copolymer
Hamstoff
NHz
Fonnaldehyd +
L o I
NH2
ButandiolKomponente
H-C=O HI
+
H-C-
-
Pyromellithsaurekomponente
PEI
Oxydianilinkomponente
Polygtherimide z. B. aus N-Phenyl-4-
nitrophthalimid
Dimethylolhamstoff
I
NH-CHz--OH
L o I
HN-CHZOH
H
und dem Natriumsalz des Bisphenol A
lineares Vorkondensat H H I I
I
In mehreren entsteht
-+ Imidgruppe
+
k- Etherbindungen 2
Kondensationsstufen
+ Imidgruppe
Typisch fur die Polyetherimide sind 0
Imidgruppen
N --'
'c-
und Etherver-
8
knupfungen *
blend (engl.) - Mischung: Blends sind Gemische aus verschiedenen Kunststofftypen, die physikalisch das Verhalten von Legierungen annehmen konnen, man spncht deshalb auch von Kunststofflegierungen.
J-0A-i I I
sie garan-
tieren gute mechanische und thermische Eigenschaften, Flexibilitat und gute Verarbeitung.
248
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
PA1
PSF
Pol yamidimide
entstehen durch Polykondensation von Imidketten mit aromatischen Amiden. Beispiel eines PA1 ist Torlon.
Formmassen auf Basis von polyphenylensulfid PP S
Wi
und eolyarylethergulfone, PES
Arnidhindung Imidgmppe
Polyamidimide zeichnen sich durch hohe Festigkeit im weiten Tempera-190 oc bis 260 OC, turbereich hohe MaSbestandigkeit, hohe Bestandigkeit gegeniiber- Chemikalien und UV-Licht aus.
MFPPS
MF = Metallfaser verstiirkt, PPS = Polyphenylengulfid, s. auch GFPPS
GFPPS
GF PPS
= Glasfaser verstarkt,
= Polyphenylensulfid
Polymere, die innerhalb der KohlenstofJhauptkette Schwefelbriicken in Form von Sulfid- oder Sulfongruppen enthalten
aus Dichlorbenzol, CI
PAS
und Natriumsulfid. Na-s-Na
Polyalkylsulfone sind Copolymere
aus bestimmten Olefinen und Schwefeldioxid O=S=O.
PES
Polyarylethersulfone aus
-
Arylether
0-9-0
PSU
P\
Bisphenol A-Gruppe
0
Sulfonrest
Diphenylengmppe
Phcnylsulfongruppe
aus Bisphenol A und 4,4'Dichlordiphenylsulfon,
II
und Sulfonylderivaten R-2-OH
Aryl-, d. h. Phenylenethergruppe
Eolymlfon
Sulfon-
reSl
GFK
Glasfaser verstarkter Kunststoff
I
1 Der Stoff- und Energieurnsatz in der chernischen Industrie
Polymere, deren Hauptketten aus SiliciumSauerstoff-Silicium- Verkniipfungen bestehen
Siliconkautschuk y
3
z. B. aus Dimethyldichlorsilan C I - S i - C I I
c H3 und Methanol H,C--OH.
I Pol ydimethylsiloxan
1.7 Katalytische Reaktionen (Katalysen)" 1.7.1 Technische Katalysatoren Fur die Wirtschaftlichkeit der chemischen Produktion ist neben Rohstoffeinsatz, apparativer Anordnung, Energieaufwand, ProzeBbedingungen (z. B. Reaktionstemperatur und -druck) und Anlagenauslastung vor allem die Raum-ZeitAusbeute von maBgeblicher Bedeutung. Die Ausbeute wird entscheidend von der Reaktionsgeschwindigkeit und dem Reaktorvolumen beeinfluBt, die wiederum von verschiedenen Faktoren abhiingig sind. Zu diesen zahlen unter anderem die Konzentrationen oder Partialdriicke der miteinander reagierenden Partner, - der Mechanismus der chemischen Reaktion, bzw. die davon abhangigen Reaktionsordnungen, - die Reaktionstemperatur, - die Aktivierungsenergie, d. h. derjenige Mehrbetrag an Energie, der notwendig ist, um eine chernische Reaktion auszulosen (s. Abschn. -
1-10.3).
*
katalysis (grch.) - Auflosung.
249
Eine weitere wesentliche Beeinflussung der Reaktionsgeschwindigkeit erfolgt durch Katalysatoren. Darunter sind Stoffe zu verstehen, die auf die Reaktionsgeschwindigkeit einen EinfluB haben, am Ende der Reaktion aber in unveranderter Form vorliegen, so daB sie in der Reaktionsgleichung nicht erscheinen. Der Begriff Katalysator wird ublicherweise nur fur reaktionsbeschleunigende Substanzen benutzt. Stoffe, die chemische Reaktionen verzogern, heiaen Inhibitoren*. Fur die chemische Reaktions- und Produktionstechnik sind Katalysatoren von allergroBter Bedeutung, denn der uberwiegende Teil der groBtechnischen chemischen Reaktionen verlauft nur bei Zugabe von Katalysatoren. Die katalytische Wirksamkeit von chernischen Elernenten und Verbindungen besteht im wesentlichen in einer Herabsetzung der Aktivierungsenergie. Damit wird eine gewunschte Reaktionsgeschwindigkeit bei einer niedrigeren Reaktionstemperatur erreicht. Technisch brauchbare Reaktionsgeschwindigkeiten, die ohne Katalysator nur bei Temperaturen erreicht werden, bei denen sich die Reaktionspartner oder deren Reaktionsprodukte schon zersetzen, werden bei Zusatz von Katalysatoren schon bei vie1 niedrigeren Ternperaturen erreicht. Auf diese Weise gelingt es, Reaktionen unter technologisch rnilderen Bedingungen ablaufen zu lassen. Die Natur bedient sich in lebenden Organismen stiindig katalytischer Verfahren. Die Katalysatoren sind hier unter den Namen Fermente**, Enzyme oder auch Biokatalysatoren bekannt. Als einfaches Beispiel fur eine katalytische Reaktion sei die Verbrennung von Knallgas (Wasserstoff-Sauerstoff-Gemisch) genannt. Knallgas entziindet sich erst bei ca. 600°C (s. Abschn. 1-1.7.3) und reagiert explosionsartig unter groBer W%rmefreisetzung. Taucht man in ein Knallgasgemisch einen Platindraht, erfolgt die Explosionsreaktion schon bei Raumtemperatur. Die Lage des chemischen Gleichgewichtes wird von den Katalysatoren nicht verandert, ihre reaktionsbeschleunigende Wirkung betrifft sowohl die Hin- als auch die Ruckreaktion (s. Abschn. 1-10.1). Die in der Praxis benutzten Katalysatoren sind in ihrer chemischen Natur und Zusammensetzung sehr unterschiedlich. Als Katalysatoren konnen feste, flussige (geloste) und gasformige Substanzen eingesetzt werden.
* **
inhibere (lat.) - einhalten, hemmen. fermenturn (lat.) - Sauerteig.
250
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Homogene und heterogene Katalyse" Generell werden homogene und heterogene Katalyse voneinander unterschieden. Von homogener Katalyse spricht man, wenn der Katalysator den gleichen Aggregatzustand einnimmt wie die umzusetzenden Reaktionspartner und sich mit ihnen innig und gleichrnafiig, d. h. homogen, vermischt. Das ist nur in der Flussig- und Gasphase moglich. Dabei gehen die Katalysatoren mit einer der Reaktionskomponenten haufig eine Zwischenverbindung ein, die dann mit der zweiten Komponente reagiert. Solche Zwischenreaktionen verlaufen schneller als die direkte Reaktion zwischen den urspriinglichen Reaktanden der Ausgangsstoffe. Beispiel Die Raktanden A und B reagieren zum Produkt AB
A
+ B
-AB
Direktreaktion
Diese Rcaktion verliiuft langsam. Unter Zugabe eines Katalysators K bildet sich die Zwischenverbindung AK. A
+ K
AK + B A
+ B
-
-AK
AB
+
1 . Zwischenreaktion
K
-AB
2. Zwischenreaktion
Gesamtreaktion
+ Alkohole Wawxhtoff-, lonen
Ester + Wasser
Ein weiteres Beispiel einer Wasserstoff-Ionenkatalyse (Saurekatalyse) ist die Rohrzuckerinversion. Hierunter ist die Spaltung des Rohrzuckers, eines Disaccharids, in die beiden Monosaccharide Fructose und Glucose zu verstehen.
*
homos (grch.) glcich; hctcros (grch.) - verschieden. ~
Wanrrrtoff
~-
loncn
Rohriuckcr
342 g
Wawr 18 R
C,H,,O, Fructose I xo g
+ Glucow 18Og
Bei anderen Reaktionen, wie z.B. bei der Esterverseifung, konnen auch Hydroxid-Ionen die Rolle des Katalysators ubernehmen (Basekatalyse) . Den Wasserstoff- und Hydroxid-Ionen kommt besonders bei biochemischen Reaktionen und Stoffwechselvogangen in lebenden Wesen eine dominierende Stellung zu. Bei heterogenen Katalysen haben die Katalysatoren einen anderen Aggregatzustand als die umzusetzenden Reaktionsteilnehmer. In der Regel sind diese Katalysatoren Festsubstanzen, die aus fast allen Elementen des Periodensystems oder deren Verbindungen bestehen kiinnen. Diese sind u. a. reine Metalle, deren Oxide und Peroxide, Sauren, Salze, Hydroxide, Halogenide, Sulfide oder Gemische. Vor allem bei den Verfahren zur Herstellung chemischer Massenprodukte spielen heterogene Katalysen eine bedeutende Rolle, beispielsweise bei folgenden Reaktionstypen: Reduktionen, Oxidationen, - Hydrierungen, - Polymerisationen, - Crackprozessen. -
-
Ein typisches Beispiel einer solchen Reaktionsart ist die Esterbildung zwischen einer organischen Saure und einem Alkohol in der Flussigkeitsphase. Erst wenn das Saure-Alkoholgemisch mit einer geringen Menge Schwefelsaure, also mit Wasserstoff-Ionen, versetzt worden ist, tritt die Veresterung ein. Hier wirken die Wasserstoff-lonen als Katalysatoren. Carbonsaure
C 1 Z H 2 2 0 1+, H,O
Von einer heterogenen Katalyse wird immer dann gesprochen, wenn eine Reaktion an einer Phasengrenzflache - insbesondere der Oberflache der Katalysatoren - beschleunigt ablauft. Deshalb werden diese auch Kontaktkatalyatoren genannt. Uber die Wirkungsspezifitat von einzelnen Katalysatoren ist aufgrund langjahriger Erfahrungen schon sehr vie1 bekannt. Bei Zugabe eines Katalysators wird nicht nur die Reaktionsgeschwindigkeit erhoht, sondern es kann bei geeigneter Wahl des Katalysators auch einer von mehreren moglichen Reaktionsablaufen bevorzugt beschleunigt und die Ausbeute des speziellen Endproduktes gesteigert werden. Katalysatoren erhohen dann die Selektivitat der Reaktion. Nicht nur die chemische Zusammensetzung, sondern auch die Beschaffenheit der Oberflache ist fur die katalytische Wirksamkeit von Feststoffen von maageblicher Bedeutung. Bei der Kontaktkatalyse in der chemischen Technik bestehen
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
die Katalysatoren aus porosen Korpern mit groBer innerer Oberflache (10m2/g bis iiber 10oO rn2/g). Bei Katalysatoren aus Metallen und Metallverbindungen spielen die freien Elektronen, die sogenannten Katalysatorelektronen, eine ausschlaggebende Rolle. Sie greifen an der Kontaktflache als Reaktionsteilnehmer direkt in den Reaktionsmechanismus ein.
Prinzipieller Ablauf heterogen-katalytischer Reaktionen Heterogen-katalytische Reaktionen laufen an der Phasengrenze zwischen einem Gas oder einer Flussigkeit und einem festen Katalysator ab. Hierzu zahlen alle Urnsetzungen in Festbett-, FlieBbett- und Wanderbettreaktoren, aber auch solche, die an suspendierten Kontakten, z.B. in Riihrkesseln oder Blasensaulen, ablaufen.
Teilschritte der heterogenen Katalyse Bei heterogen-katalytischen Reaktionen findet die Umsetzung rneist in den Poren des Katalysators, an der inneren Oberflache statt, da diese wesentlich grofier ist als die auBere Oberflache. Dies bedingt, daB bei der heterogenen Katalyse prinzipiell rnehrere Teilschritte nacheinander ablaufen (Abb. 111-7). 1. Anlieferung der Reaktanden durch die stagnierende bzw. laminar stromende Grenzschicht (auch Grenzfilm: Filmdiffusion).
25 1
2 . Transport der Reaktanden in den Poren des Katalysators zu den aktiven Zentren der inneren Oberflache (Porendiffusion).
3 . Adsorption und Chemisorption: Unter Adsorption ist die Bindung der Reaktionskornponenten an der Kontaktobefflache durch zwischenmolekulare Anziehungskrafte zu verstehen. Bei der Chemisorption treten die adsorbierten Reaktionsteilnehmer unter Lockerung ihrer chemischen Bindungen mit der Katalysatorsubstanz in Elektronenaustausch. 4. Chernische Reakrion an der Katalysatoroberflache. 5. Resorption (Loslosung) der Reaktionsprodukte von der Katalysatoroberflache.
6 . Transport der Reaktionsprodukte aus den Poren an die a u k r e Oberflache (wiederum Porendiffusion). 7. Abtransport der Produkte durch den laminaren Grenzfilrn in das stromende Medium (Filmdiffusion). Bei der heterogenen Katalyse sind haufig die Diffusionsvorgange an den Kontaktflachen der geschwindigkeitsbestimmende Schritt einer Reaktion. Trotz vieler Forschungsarbeiten, Erfahrungen im Umgang mit Katalysatoren und vergleichender Untersuchungen ist man bis heute bei der Entwicklung selektiv wirkender Katalysatoren immer noch auf Versuche angewiesen. Sichere Voraussagen aufgrund von Regeln und Gesetz-
k-
aunerc Oberflache
I
,
innere Oberfloche
Grenzschicht
Abb. 111-7. Teilschritte der heterogenen Katalyse
252
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chcmischen Grundprodukten
mlbigkeiten iiber die miigliche katalytische Wirkung einer Substanz sind schwer zu treffen. Der Anteil der Kosten fur Katalysatoren einer Produktionsanlage ist betrachtlich. Er betragt je nach Verfahren mehrere hunderttausend bis Millionen DM. Auch die Lcbensduuer ist unterschiedlich, sie betragt fur Katalysatoren der Ammoniaksynthese bei ordnungsgemaaer Betriebsfiihrung ca. 10 Jahre. Durch die lange Lebensdauer des Katalysators sind die Katalysatorkosten hier mit ca. 1 76 an den Herstellungskosten beteiligt. Bei anderen Verfahren konnen die Katalysatoren nach bestimmten Betriebszeiten regeneriert, d. h. reaktiviert werden.
Cyclopentadien, CSH,, ist ein zweifach ungesattigter Kohlenwasserstoff mit einem Siedepunkt von 41 "C.Er kommt in der Rohbenzolfraktion des Steinkohlenteers vor und tritt im C,-Schnitt des Pyrolysebenzins aus dem Steamcracking auf (Abb. 111-9). HC-CH
II
HC
IH
'/d\
H
H
Abb. 111-9. Schreibweisen fur Cyclopentadien
Katalysatoreigenschaften
1.7.2 Metallocen-Katalysatoren Chemischer Aufbau Der Begriff Metallocen leitet sich ab von ,,Metall", das an einem aromatischen Kohlenwasserstoff komplex gebunden ist. Es bildet sich ein Aromaten-Ubergangsmetall-Komplex. Metalle, die auf diese Weise komplex gebunden werden, erhalten die Endung ,,wen" angehangt, fur Eisen z. B. lautet der Ubergangsmetall-Komplex ,,Ferrocen" (Abb. 111-8). Bei der aromatischen Verbindung handelt es sich haufig um eine Dicyclopentadienylgrundstruktur, die von Fall zu Fall variert werden kann.
Abb. 111-8. Verschiedene Schreibweisen fur Ferrocen, (CSHs),Fe.
Um die stereospezifischen katalytischen Eigenschaften der Metallocene zu verstehen, mu8 etwas iiber stereoregulke Polymere gesagt werden. Ein Monomer wie das Propylenmolekul kann in verschiedener Weise mit anderen Propylenmolekiilen zu einer Kette verkniipft werden (s. Abschn. 111-1.6.1 undAbb. 111-1Ound-1I). Wenn die Polymerkette nur eine dieser Verknupfungsarten (isotaktisch oder syndiotaktisch) aufweist, so ist das Polymer ,,stereoregular" aufgebaut, die Polymerisation ist ,,stereospezifisch" verlaufen. Eine stereoregulke Kette kann ,,Baufehler" aufweisen. Man bezeichnet die Zahl der fehlerfrei eingebauten Monomereinheiten zwischen zwei Fehlereinbauten als taktische Sequenzlange, in der isotaktischen Kette als isotaktische Sequenzlange. Sie beeinflufit die Eigenschaften des Polymeren. Sterospezifische Metallocene sind symmetrische Verbindungen, bei denen aromatische Ringsysteme durch eine Silicium- oder Kohlenstoffbriicke mit dem aktiven Zirconiumzentralatom verkniipft sind (Abb. 111-12).
Abb. 111-10. Isotaktisches Polypropy-
len: Die Methylgruppen liegen gleichgerichtet.
Abb. 111-11. Syndiotaktisches Polypropylen: Die Methylgruppen sind gleichformig altemierend angeordnet.
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
Abb. 111-12. Beispiele fur stereospezitischeMetallocene mit Zirconium als Zentralatom.
Bei der Polymerisation rnit Metallocen-Katalysatoren wird der stereoregulare Aufbau der Kette durch die spezielle Geometrie des aktiven Zirconiumkomplexes herbeigefuhrt. So entsteht die isotaktische Kette durch einen Katalysator, der chiral* und Cs-symmetrisch ist (links). Fur die Struktur des isospezifischen Katalysators ist des Weiteren charakteristisch, da8 sie durch eine 180"-Drehung um eine Achse, die durch das Zr-Zentralatom und das Si-Briickenatom geht, in sich selbst uberfuhrt wird. Fur den Aufbau einer syndiotaktischen Kette muB der Katalysator (rechts) eine andere Symmetrie besitzen. Der Katalysator ist achiral und C,-symmetrisch, d. h, eine Spiegelebene durch Zentralatom und Bruckenatom teilt das Molekul in zwei Halften, die jeweils das Spiegelbild voneinander sind.
Eigenschaften von Polymeren, die rnit Metallocenkatalysatoren hergestellt werden Mit Metallocenen hergestelltes Polypropylen hat eine andere Struktur wie das rnit Ziegler-Natta*Katalysatoren aufgebaute. Ziel der Entwicklung und der Produktion von neuen Kunststoffen ist es, die Vielfalt der Kunststoffpalette zu vemngem und mit weniger Polymertypen auszukommen, die dafur mehrere physikalische und mechanische Eigenschaften in sich vereinigen. Damit sollen einerseits okologische Forderungen erfiillt werden und ein umfassenderes Recyclingkonzept realisiert werden, andererseits aber dem Bedarf an neuen Werkstoffen cheir (grch.) - Hand. Chiralitat) ist die 1904 von Lord Kelvin eingefuhrte Bezeichnung fur die Eigenschaft eines Stoffes, sich von aeinem Spiegelbild zu unterscheiden. Wie bei einem Paar Hande, konnen zwei unterschiedliche Strukturen ein und desselben Stoffes nicht zur Dcckung gcbracht wcrdcn. Sie unterscheiden sich durch ihr Spiegelbild. Ziegler, s. S. 235. Natta, Giulio ( 1903-1976). ital. Chemiker.
253
mit verbesserten Leistungsprofilen Rechnung getragen werden. Der Trend zur Sortenvereinheitlichung gilt fur Massenkunststoffe, speziell fur solche, bei denen die Einzelmenge pro Anwendungstyp hoch ist, wie z. B. im Automobil, oder bei denen, wie bei Verpackungsmaterialien, die Gebrauchsdauer sehr kurz ist. Solche Kunststoffe sollten in gro8er Menge verfugbar, preiswert und gut recyclierbar sein. Isotaktisches Polypropylen ist ein Polymer rnit einem solchen Profil. Es werden heute davon ca. 2,5 Mio t/a produziert. Der Bedarf ist steigend und seine Anwendungen decken Verbrauchsguter, wie Verpackungen und Textilien, ebenso ab wie technische Teile in Automobilen und Elektrogeraten. Es ist gelungen, neue Metallocenstrukturen als Katalysatoren zu entwickeln, die isotaktische Polypropylene in dem f i r praktische Anwendungen relevanten Molmassenbereich katalytisch feinsteuern konnen. Mit wachsender Sequenzlange steigen Schmelzpunkt, Harte und Steifheit des Polymers, warend die Schlagzahigkeit und Transparenz abnehmen. Dieser Effekt kann gezielt verstarkt werden, wenn man ein Katalysatorsystem verwendet, der mehrere geeignete Metallocene miteinander kombiniert. Bei Einstellung niedriger Sequenzlangen erhalt man transparente und schlagzahe Polymere, die in den gleichen Anwendungsbereich passen wie die Propylen-Ethylen-Copolymere mit herkommlichen Katalysatoren. Gegenuber letzteren haben die Metallocen-Polypropylene ausgewogenere mechanische Eigenschaften. Mit den Metallocen-Katalysatoren la& sich jede molekulare Eigenschaft des Polypropylens unabhangig von den ubrigen variieren. Damit kann das Verhalten des Polymers wahrend des Verarbeitungsprozesses zu speziellen Werkstoffen fur Gerate, Verpackung, Textilien u. a. besser als bisher optimiert werden. Die Optimierung kann sich auswirken in - einem niedrigeren Energieaufwand, - einem hoheren Materialdurchsatz, - einer Materialerspamis durch geringere
Wand- und Foliendicken bei Verpackungen, - einer fliehpurenfreien Fertigung von Karos-
serieteilen, - einem besseren ,,textilen Griff ' bei Spinnvlie-
sen u.a.m. Mit Metallocen-Katalysatoren ist es auch moglich, ganzlich neue Polymere auf Basis von
254
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
cyclischen Monomeren zu entwicklen. Polymerisiert man cyclische Olefine wie Cyclopenten
oder
Cylobuten
HZ n
HC ,
/L\
I
CHz
HC=CH
1
HzC-CH2
I
I
HC=CH
so erhalt man sehr starre Polymerketten aus direkt verknupften Ringen. Diese ungewohnlichen Strukturen fiihren zu extrem hohen Schmelzpunkten von 400 "C und dariiber, die deutlich iiber den zur Zeit in der Kunststoffverarbeitung iiblichen Schmelztemperaturen (mehr als doppelt so hoch wie der Schmelzpunkt von Polypropylen) liegen. Entsprechend schwer lassen sich diese Polymere verarbeiten. Die Copolymerisation eines Cycloolefins mit einem offenkettigen Olefin liefert dagegen Kunststoffe rnit einem hochinteressanten Eigenschaftsprofil; z. B. sind Copolymerisate aus Norbonen und Ethylen, HZC=CH,, nicht mehr kristallin, sondern amorph und damit hochtransparent. .H
brauchstemperaturen erhalten. lhre Bestandigkeit gegenuber UV-Strahlung und den damit verbundenen Abbau durch Tageslicht ist ebenfalls ausgezeichnet. Die Ursache dafiir ist, daR diese Cycloolefinpolymerisate keine Doppelbindungen und aromatischen Strukturen mehr aufweisen und die Wechselwirkung zwischen dem Polymer und den Lichtwellen denkbar schwach ist (s. nachstehende chemische Strukturformel).
tA cH
H -c y
-C H&,c
1
+-
R"
Das eroffnet ihnen auch Einsatzmoglichkeiten in Bereichen wie der optoelektronischen Datenleitung und Datenspeicherung. Diese Beispiele zeigen, daR die MetallocenKatalysatoren eine ganze Palette von neuen Polymeren erschlieBen mit einem bisher noch nicht vorhandenem Eigenschaftsprofil. Viele neue anspruchsvolle Anwendungen im technischen Sektor werden durch sie moglich. Bedeutender Produzent von Cyclooletincopolymerisaten ist die Fa. Ticona. Frankfurt am Maiaiederrad. 1.7.3 Biokatalysatoren*
Norbonen ist eine farblose kristalline Substanz mit einem Schmelzpunkt zwischen 52 "C und 54°C. Sie ist in Wasser nicht liislich; leicht loslich in organischen Losemitteln. Wie alle amorphen Polymere behalten diese Cycloolefincopolymerisate bis zur Verfliissigungstemperatur eine sehr hohe mechanische Festigkeit (s. Abschn. 111-1h . 7 , COC). Ihr Glaspunkt* kann iiber die Zusammensetzungsanderung des Copolymers bis auf 250 "C angehoben werden. Auf diese Weise werden transparente Polymere mit hohen Dauerge*
Die Glasubergangstemperatur, auch hlufig Glaspunkt genannt. ist diejenige Temperatur, hei der ein amorpher Festkorper aus dem flussigen in den Claszusrand ubzrgeht. Fur Makromolekule kennzeichnet der Glaspunkt diejenige Temperatur des C;lasumwandlungsin~ervalls,oberhalb dessen die Molekule die sogenannte Makro-Brownsche Molekularbewegung ausrufiihren vermogen. Bei Temperaturerniedrigung verfestigt sich das Polymerisat und wird transparent.
Biokatalysatoren zeichnen sich durch eine hohe Spezifitat und Selektivitat** aus. Dagegen setzen sie die Aktivierungsenergie im Gegensatz zu den technischen Katalysatoren immer nur in kleinen Portionen herab (Abb. 111- 13). Deshalb sind fur Stoffwechselprozesse in biologischen Systemen eine Vielzahl von Zwischenreaktionen notwendig. Andererseits wird auf diese Weise eine optimale Energieausnutzung garantiert. Durch die standige Entwicklung von neuen Katalysatoren wird in der chemischen Technik angestrebt, diesem Prinzip naher zu kommen. Ein biotechnologisch bedeutsarnes Verfahren ist die alkoholische Garung. Zucker wird durch Biokatalysatoren, Enzyme von Mikroorganismen, zu Ethylalkohol abgebaut. Auf einem ahnlichen Prinzip beruht die Reinigung und K l a n g von Abwlssern durch Mikroorganismen. * **
bios (grch.) - Leben. seligere (lat.) auswahlen ~
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
255
+A G7
...............................................
E i = Biokatalysaoor ( E r n )
A G = merung dec gesamten freien Enthelpie AQ = A GProduM AGEduM
t
w
AM. Komplex ....................................
Abb. 111-13. Vergleich Biokatalysator,
technischer Katalysator. a) Biokatalytischer Reaktionsablauf, Ex Biokatalysator (Enzyrn), S Substrat, B, C, D, E, F und G Zwischenprodukte: b) technisch-katalytischer Reaktionsablauf. Die technischen Katalysatoren sind weniger spezifisch und selektiv als Biokatalysatoren. Sie bewirken eine starke Herabsetzung der Aktivierungsenergie. Dies geht immer auf Kosten der Selektivitat. Haufig werden eine Reihe von Parallelreaktionen initiiert, wie z. B. bei der 0x0synthese oder Kohlehydrierung. Eine Chemie der milden Reaktionsbedingungen zu schaffen, war schon immer der Traum der Forscher und Produktionschemiker. Doch erst die Biotechnik, Mikrobiologie und Enzymtechnik eroffneten hier noch lange nicht ausgeschopfte Reaktionsbedingungen. Bei Normaldruck und Temperaturen zwischen 20°C und 50°C werden mit Hilfe von Mikroorganismen wie Bakterien, Pilzen und Algen oder mit gentechnisch umprogrammierten Organismen chemische Produkte hergestellt, die man nach klassischen Reaktionsverfahren entweder gar nicht er-
halten wiirde oder die nur umstandlich rnit einem hohen Energie-, Rohstoff- und apparativen Aufwand zuganglich wiiren. Der Energiebedarf von mikrobiologischen Verfahren kann allerdings auch sehr groB sein. Fermentationen verlaufen in der Regel in sehr verdiinnten Losungen. Die erforderlichen Energien zur Abtrennung des Fermentationsproduktes z. B. Filtrieren, Zentrifugieren oder zum Eindampfen von Losungen konnen betrachtlich sein. Eine Chemie der milden Reaktionen ist eine umweltfreundliche Chemie. Friiher muBte man zur Gewinnung von einer Tonne Zitronensaure 30 Tonnen Zitronen auspressen, das sind ca. 300000 Friichte. Auf Melassebasis werden heute jiihrlich weltweit nach einem mikrobiologischen Verfahren 500000 Tonnen Zitronensaure mit einem Marktwert von ca. 1 3 Mrd DM produziert.
256
111 Produktionsvcrfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Das Prinzip mikrobiologischer Verfahren besteht in der Anzucht und Auswahl gecigneter Mikroorganismen. In speziell dafur konstruierten Reaktionsbehaltern, die in diesem Falle Fermenter oder Bioreaktoren heiBen, werden die fur eine optirnale Vermehrung erforderlichen Lebensbedingungen geschaffen; kontrolliert werden z. B. Konzentration der Nahrstofflosung, Ternperatur, Druck, pH-Wert oder Viskositat der Kulturlosung. Eine spezielle Entwicklung der Apparatetechnik ist der Biohoch-Reaktor, ein Bioreaktor in Hochbauweise, der sich fur die biologische Abwasserreinigung besonders bewahrt hat (Abb. 111-96).Gegenuber Klarbecken in Flachbauweise benotigt er wenig Platz und keine Ruhraggregate, die Antriebsenergie erfordern und Gerausche verursachen. Die geschlossene Bauweise des Biohoch-Reaktors verhindert jegliche LBrm- und Geruchsbelastigung.
1.8 Grundtypen und technische Betriebsformen von chemischen Reaktoren Der Reaktor ist derjenige Teil einer chemischcn Produktionsanlage, in dern die chernische Rcaktion durchgefuhrt wird (s. Abschn. IV-12). Der klassische Reaktor ist der Ruhrkessel. Er ist durch einfache MaBstabsvergroBerung aus dem im Laboratorium als ReaktionsgefaR gebrauchlichen Ruhrkolben hervorgegangen. Wahrend in den Anfangen der chemischen Industrie die chemischen Umsetzungen entsprechend dem Laboratoriurnsversuch stets absatzweise (diskontinuierlich) ausgefuhrt wurden, geht die Entwicklung schon seit langem dahin, Chemieanlagen kontinuierlich zu betreiben. Grundsiitzlich konnen drei Betriebsweisen unterschieden werden: 1. die
diskontinuierliche Reaktionsfuhrung, auch Satz- oder Chargenbetrieb genannt, 2. die kontinuierliche Reaktionsfuhrung, Fliel3betrieb, und 3. die halbkontinuierliche Reaktionsfiihrung. der TeilflieRbetrieb. 1.8.1 Chargenbetrieb
Beim Chargenbetrieb werden zu Beginn alle fur die Reaktion benotigten Stoffe wie z. B. Reak-
tionspartner, Losemittel, Katalysator in den Reaktor (Ruhrkessel) eingebracht und gemischt. Die Reaktionsmischung verbleibt wahrend der vorgegebenen Reaktionszeit im Reaktor; danach wird die gesamte Reaktionsmasse, bestehend au~s den entstandenen Reaktionsprodukten, nicht umgesetzten Ausgangsstoffen, Losemitteln, Katalysator und Nebenprodukten, aus dem Reaktor entfernt und aufgearbeitet. Da sich im Chargenbetrieb wahrend des Reaktionsablaufs die Konzentrationen bzw. Partialdriicke (und meist auch die Temperatur und der Gesamtdruck) zeitlich andern, bezeichnet man diese Betriebsweise als .,nicht station&''. Der Chargenbetrieb ist auch heute noch unter bestimrnten verfahrenstechnischen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten notwendig und sinnvoll. Mit der Einfuhrung einer speicherprogrammierbaren Steuerung gelingt es, auch Chargenprozesse zu autornatisieren. Sie konnen somit vom Energie- und Stoffeinsatz, von der Stoffausbeute und der Produktqualitiit her optirniert werden. Der Chargenbetrieb hat Vorteile
bei derHerstellung eines Produktes in relativ geringen Mengen, wie dies z.B. bei vieIenWirkstoffen fur Farbmittel und Arzneimittel der Fall ist; bei der Herstellung verschiedener Produkte in dem gleichen Reaktor (z. B. verschiedene Farbmittel oder Varianten eines Polymers). Hier ist der absatzweise Betrieb anpassungsfahiger und laBt qich flexibler handhaben als eine auf ein spezielles Produkt konzipierte kontinuierliche Adage; beirn Vorliegen extremer Forderungsprobleme. Diese treten z. B. bei zusammenbackenden Feststoffen oder zahen Teigen und Schlarnmen auf. Sie fiihren leicht zu Verkrustungen mit Verstopfungen in Rohrleitungen und Dosiereinrichtungen und machen dadurch eine gleichrnlliige Dosierung unrnoglich; 4. bei vielen biologischen Reaktionen zur Herstellung von Antibiotika, Enzymen und Fermenten ist auch heute noch der Chargenbetrieb am wirtschaftlichsten, da hohe Ausbeuten auf Grund der speziellen Wcichstumskurven der Mikroorganismen nur im Chargenbetrieb erreicht wcrden konnen. Nuchteile des Chcirgenbetriebes sind I . die unvermcidlichen Totzeiten beim Fullen, Entleeren, Autheizen und Kuhlen;
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
2. hohere Energiekosten infolge des Aufheizens und Abkuhlens nach jeder Charge (die gesamte Apparatur muB jedesmal mitgeheizt und gekuhlt werden!);
3. groBerer Personalaufwand bei der Bedienung und Uberwachung (dieser Faktor wird heute teilweise durch Einsatz von Prozeljrechnern kompensiert). Baufonnen von Chargenreaktoren Als Reaktionsapparate fur den Chargenbetrieb werden offene Bottiche, geschlossene Tanks, Kessel und Autoklaven, welche meist mit Ruhrvorrichtungen ausgestattet sind, sowie auch Tiegel, Wannen und Kammem verwendet (s. Abschn. IV-12). Anwendungsbereich Im Chargenbetrieb werden Reaktionen rnit fliissigen und festen Reaktanden durchgefuhrt. Gasformige Reaktanden setzt man wegen der groBen Volumina in der Regel nur kontinuierlich oder im TeilflieBbetrieb um.
1.8.2 Fliefibetrieb Beim FlieBbetrieb werden die Reaktionspartner zusammen mit anderen Komponenten (Losemittel, Katalysator, Tragergas usw.) kontinuierlich in den Reaktionsraum eingespeist. Ebenso kontinuierlich wird ein Endgemisch, welches die entstandenen Stoffe, nichtimgesetzte Ausgangsstoffe. Nebenmodukte. Losemittel usw. enthalt. aus dem Reakkonsraum ausgetragen. Werden alle Bedingungen, wie Zulauf- und Ablaufstrome, Temperaturen, Driicke, Reaktorfullung usw., konstant gehalten, so neigt ein FlieBsystem dazu, einen zeitunabhangigen Zustand einzunehmen. Es liegt dann eine stationare Betriebsweise vor. Virteile des Flieflbetriebes Der FlieBbetrieb ermoglicht eine weitgehende Mechanisierung und Automatisierung. Dadurch ergibt sich
1. ein geringerer Personalbedarf, 2. eine gleichmaige Produktqualitat; 3. hohere Betriebssicherheit; 4. verbesserte hygienische Arbeitsbedingungen,
da eine Abgeschlossenheit der Anlage leichter zu erreichen ist.
257
Auch Energiekosten werden gespart, da das Heizen und Kuhlen nach jeder Charge entfallt. Zudern kann eine kontinuierliche Anlage wesentlich kompakter gebaut werden als eine Chargenanlage gleicher Kapazitat, was die Investitionskosten senkt. Nachteile des Flieflbetriebes Die hohen Aufwendungen fur MeR-, Steuer-, Regel- und Dosiereinrichtungen (bis zu 25 %) belasten die Investitionskosten nicht unerheblich. Da diese Aufwendungen von der AnlagengroRe nur wenig abhangig sind, besteht schon daher ein Bestreben, die Kapazitat kontinuierlicher Anlagen so groB wie moglich zu wiihlen. Kontinuierliche Anlagen sind von geringerer Flexibilitat, da sie nur fur ein spezielles Produkt mit bestimmter Kapazitat wirtschaftlich optimal ausgelegt werden konnen. So kommt eine moderne Raffinerieanlage schon bei einer Kapazitatsauslastung unter 75 % in die Verlustzone. Die Forderung nach gleichbleibender Produktionsqualitat setzt die Versorgung mit Rohstoffen voraus, die sowohl in der chemischen Zusammensetzung als auch in der physikalischen Beschaffenheit (z. B. Kornverteilung bei Feststoffen) gleichbleibend sein mussen. Baufonnen von FlieJreaktoren Charakteristische technische Ausfuhrungsformen von Reaktoren fur den FlieRbetrieb sind das Stromungsrohr und der DurchjluJriihrkessel sowie hintereinander " geschaltete DurchfluBriihrkessel, die man Kesselkaskaden nennt, oder Drehrohrofen. Fur heterogene Reaktionen werden Reaktionsturme (mit und ohne Einbauten), Drehrohrofen, Festbett-, FlieBbett-, Wanderbett- und Flugstaubreaktoren verwendet.
1.8.3 Teilfliefibetrieb Bei vielen technischen Reaktionen werden Reaktoren benutzt, die sowohl Merkmale des Chargenbetriebes als auch solche des FlieRbetriebes zeigen. Hierzu gehoren z. B. Reaktoren fur Verestemngsreaktionen, bei denen Saure und Alkohol zu Beginn vorgelegt werden (Chargenbetrieb), aber das gebildete Wasser laufend entfernt wird, urn das Gleichgewicht moglichst weit zugunsten des Esters zu verschieben. Alkohol
+ organ. Saure
Kat.
Ester
+ Wasser
258
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Teilfliebbetrieb im engeren Sinn liegt vor, wenn an einer Umsetzung zwei Phasen verschiedener Dichte beteiligt sind, wobei die gesamte schwerere Phase diskontinuierlich in den Reaktor eingefullt wird (Chargenbetrieb), wahrend die leichtere Phase kontinuierlich zugefuhrt (und auch wieder abgefuhrt) wird. Als Beispiele seien die Chlorierung flussiger Kohlenwasserstoffe und die Herstellung von Phosphorpentachlorid genannt. In beiden Fallen werden die Ausgangsverbindungen (flussiger Kohlenwasserstoff bzw. Phosphortrichlorid) diskontinuierlich in den Reaktionskessel eingebracht, dann wird kontinuierlich Chlor eingeleitet, bis der gewiinschte Umsatzgrad erreicht ist. Wahrend bei der Kohlenwasserstoffchlorierung Chlorwasserstoffgas entsteht, das kontinuierlich abgezogen wird, erhalt man bei der Chlorierung von Phosphortrichlorid kein Nebenprodukt (Abschn. 111-3). Fur den TeilflieRbetrieb ist charakteristisch, daD uber die gesamte Betriebszeit kein stationarer Zustand erreicht wird.
1.8.4 Grundtypen chemischer Reaktoren Die Vielfalt der in der Praxis verwendeten chemischen Reaktoren lassen sich im Prinzip auf drei idealisierte Modellreaktoren zuriickfuhren: 1 . der diskontinuierlich betriebene Ruhrkessel mit vollstandiger Durchmischung der Reaktionsmasse:
2. der kontinuicrlich durchstromte Riihrkessel mit vollstandiger Durchmischung der Reaktionsmasse (ldealkessel);
3. das ideale Stroniungsrohr. Diese drei Grundtypen unterscheiden sich in ihrem zeitlichen und ortlichen Konzentrationsverlauf (Abb. 111- 14). Beim chargenweise betriebenen Reaktor bewirkt die Ruhrung, daB die Konzentration jeder Reaktionskomponente sowie auch die Temperatur und die physikalischen Eigenschaften der Reaktionsmasse in einem bestimmten Augenblick an jeder Stelle des Reaktionsraumes gleich sind. Man bezeichnet dies als ideale Ruckvermischung und einen solchen Reaktor als einen homogenen Reaktor. Die Konzentrationen der einzelnen Reaktionskornponenten sowie die physikalischen Eigenschaften der Reaktionsmasse andern sich zeitlich. Die Konzentration der Ausgangsstoffe fallt von Canr.zu Beginn der Reaktion bis Crlld. am Ende. Die Zeit, die benotigt wird, um die Ausgangskonzentration auf die Halfte (C,,J zu senken, wird Halbwertzeit t,,* genannt. Die Reaktionsgeschwindigkeit bei konstanter Temperatur ist am Anfang der Reaktion groB, nimmt stetig ab und erreicht beim Abbruch der Reaktion ihren kleinsten Wert. Bei exothermen, Warme freisetzenden Reaktionen gilt entsprechendes fur die entstehenden Warmemengen.
Konzentrationsverlauf ( s c h e m d t i s c h )
Abb. 111-14. Betriebsweisen von chemischen Reaktoren.
I Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
Bei stark exothermen Reaktionen sind die freiwerdenden Whnemengen mitunter so grob, daR man zum TeilflieRbetrieb ubergehen muB, d. h. eine Reaktionskomponente wird langsam eindosiert. Beim Stromungsrohr wird der Reaktionsraum von einem Rohr gebildet, dessen Lange in der Regel im Vergleich zu seinem Durchmesser sehr groB ist. Das Reaktionsgemisch tritt an einem Ende des Rohres ein, das Endgemisch wird am anderen Ende des Rohres ausgetragen. Fur das ideale Stromungsrohr (Idealrohr) wird angenommen, dal3 keine Vermischung Iangs der Rohrachse auftritt und daB die Zusammensetzung der Reaktionsmischung an jeder Stelle des Rohres uber den Querschnitt konstant ist. Es liegt eine ideale Ruckwirkungsfreiheit vor. Man spricht von einer Kolben- oder auch Pfropfenstromung. In einem solchen Rohrreaktor andert sich die Zusammensetzung der Reaktionsmischung vom Eintritt zum Austritt, d. h. urtlich langs des Rohres (s. Abschn. IV-12.3). Im stationaren Betriebszustand ist dagegen die Zusammensetzung der Reaktionsmischung an jeder Stelle des Rohres zeitlich konstant. Beim kontinuierlich betriebenen Ruhrkessel mit vollstandiger Durchmischung des Reaktionsgemisches (Idealkessel) wird das Anfangsgemisch, welches die Reaktionspartner enthalt, kontinuierlich eingespeist und das Endgemisch kontinuierlich abgezogen. Das wichtigste Merkma1 des Idealkessels ist die intensive (ideale) Ruckvermischung. Der Ausgangsstrom aus dem Kessel hat daher dieselbe Zusammensetzung wie der gesamte Kesselinhalt. Bei der Darstellung des Konzentrationsverlaufes ist stationiire Betriebsweise vorausgesetzt. Unter diesen Bedingungen sind Konzentrationen, Temperatur und
259
physikalische Eigenschaften sowohl zeitlich als auch urtlich konstant. Im kontinuierlich durchstromten Idealkessel wird ein Produkt stets uberall unter den gleichen Reaktionsbedingungen gebildet. Im Gegensatz dazu stehen Idealrohr und diskontinuierlicher Riihrkessel, bei denen die Bildung des Produktes unter verschiedenen Konzentrationsbedingungen und oft auch bei verschiedenen Temperaturen erfolgt.
Kombinierte Reaktoren Neben den gezeigten einstufigen Reaktoren benutzt man in der chemischen Technik sehr oft Kombinationen von gleichartigen oder verschiedenen Reaktoren. Eine solche Kombination ist die Kaskade. Sie ist eine Serienschaltung von kontinuierlich betriebenen Idealkesseln (Abb. 111- 15a). Abbildung 111-15 b zeigt die Konzentrationsstufen in der Kaskade bei stationiirer Betriebsweise. Man erkennt, daR fur jeden einzelnen Kessel die Charakteristik des Idealkessels (homogener, stationiirer Reaktor) gilt. Die Kaskade wird angewendet I . wenn die Verweilzeit der Reaktanden moglichst einheitlich sein soll, ein Reaktionsrohr aber nicht angewendet werden kann; 2. um bei stark exothermen Reaktionen durch unterschiedliche Reaktionstemperaturen in den einzelnen Kesseln der Kaskade die Reaktionsgeschwindigkeit gezielt verandern zu konnen; 3. um Nebenprodukte, die auf den weiteren Reaktionsverlauf schadlich wirken, nach jeder Stufe auszuschleusen. Hier spricht man auch von Kreuzstromreaktoren.
t
1.Kessel 2.Kessel 3.Kessel
1Kessel
-
2 Kessel 3Kessel x.t
Abb. 111-15. Drei-Kessel-Kaskade. - a) ApparateflieBbild, b) Konzentrationsstufen c, x = Bruchteil der zu-
flieknden Konzentration c, der den jeweiligen Kessel zur Zeit t verlaSt.
260
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundproduktcn
1.8.5 Bildliche Darstellung von Verfahren und Anlagen
5. die Kotrsrriiktioiis~eichnung,die mafistablich die Gestalt und GriiRe von Apparaturen und Maschinen zeigt.
Bei der Darstellung chemisch-technischer Vorgange und Anlagen sind folgende Darstellungen mogl ich: 1. dus GrundflieJbild, auch als schematisches FlieRbild bezeichnet, welches bewuRt darauf verzichtet, uber die konstruktive Gestaltung nahere Angaben zu machen. 2. dus VerfclhrenstlieJbild, auch apparatives Fliefibild genannt, welches schon Ausfiihrungsformen der notwendigen Apparaturen erkennen laat, 3. dcls Rohrleitungs- und InstrumentenfieJbild, welches die technische Ausriistung einer Anlage darstellt, 4. die Isomerrif (isometrische Projektion), die die raumliche Anordnung der Rohrleitungen wiedergibt,
Das vor allen Dingen zeichnerisch einfachere Grundfliefibild genugt in der Regel, um die Grundziige eines Verfahrens darzustellen. In ihm werden keine Apparate, sondern nur Verfahrensschritte anzeigt. zu 1: GrundfieJbild Das GrundflieRbild setzt sich zusammen aus Stoffwegen, Energiewegen und Verfahrensschritten. Die Stoffwege verbinden die einzelnen Verfahrensschritte miteinander. Der Weg der Fertigung wird durch Pfeile gekennzeichnet. Neben den Verfahrensschritten sollen der HauptstofffluM sowie die Eingangs- und Ausgangsstoffe deutlich ersichtlich sein. Es konnen ferner noch Stoffmengen, Energiestrome und charakteristische Betriebsbedingungen angegeben werden.
Erdgas Entschwefelung
I
Wnsserdarnpi
CHq
+
Steamcracking H 2 O . d C O
+
3 H2
1
lull
Nachverbrennung 2 up i022 H2 0
PrOLeD("f1
2 CH4
+ 02 + 4
N2-
-
-
2 CO
I Synthese
Np i3 Hbp-\ Kreislnufgns
I
2 NH3
+4
H p + 4 Np
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
TRANSPORTIEREN
FORMEN
REAKrION
TRENNEN
MISCHEN
261
FORMULIEREN KONFEKTIONIEREN
Abb. 111-16b. VerfahrensflieBbild bzw. apparatives FlieBbild - Ablaufschema einer chemischen Produktion.
Die Verfahrensschritte, auch Teilanlagen bei Fabrikationskomplexen, werden durch k e c h t ecke mit eingeschriebener Benennung, Stoffund EnergiefluB durch Linien mit Pfeilen dargestellt, Nebenwege werden durch diinne Volllinien, die HauptfluBrichtung durch eine dicke Vollinie dargestellt. Ausgangsstoffe sowie Endprodukte und Energien werden durch groRe Hohlpfeile gekennzeichnet. Die HauptfluBrichtung kann von links nach rechts oder von oben nach unten verlaufen (Abb. 111-16a und 16b).
Zerkleinerung
Extrahion
zu 2: Verfahrensfliebbild Das Verfahrensflieibild soll alle fur das Verfahren erforderlichen Apparate, Maschinen und Hauptflulllinien (Rohrleitungen, Transportwege) zeigen. Es soll auch die Benennung der Einund Ausgangsstoffe sowie charakteristische Betriebsbedingungen enthalten (Abb. 111- 17). Weiterhin konnen Energiestrome, Energiernengen, wesentliche Armaturen, Stoffwerte und Betriebsbedingungen angegeben werden.
Konzentrierung
Abb. 111-17. Verfahrensfliebbild der Insulinextraktion.
Saldallung
Reinigung
262
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Apparate und Maschinen werden durch Bildzeichen dagestellt. Abb. 111- 17 zeigt eine vereinfachte Darstellung der lnsulingewinnung aus tierischen Bauchspeicheldriisen. zu 3: Rohrleitungs- u n d InstrurnentenjlieJbild (Rl-FlieJbild) Das Rohrleitungs- und Instrumentenflieabild (RIFlieabild) sol1 alle Maschinen und Apparaturen einschliealich Antriebsmaschinen, Rohrleitungen, bzw. Transportwege und Armaturen, enthalten, ferner Nennweiten, Druckstufen, Werkstoffe
und Ausfiihrung der Rohrleitungen, sowie Aufgabenstellung der MeR-, Steuerungs- und Regelungstechnik. Es kann auch die Benennung der Stoffe und Energietrager sowie die Hohenlage von Apparaten und Maschinen enthalten. Einen Ausschnitt aus einem RI-Flieabild 7.eigt Abb. 111-18. Die Ausfiihrung der drei FlieBbilder ist in dem Normblatt DIN 28 004, Blatt 1- 10 festgelegt. Diese Norm, die vom Fachnormenausschua Chemischer Apparatebau im Deutschen Normenausschua herausgegeben wurde, legt die Einzelhei-
183 61- 2 5 -108131
W 2 Destillatkuhler 25m2 LIC
32
I
I
I
I
I
@---: I
-I 1
n
1 1
I
Umlaufverdampfer
I 15m Werkst -Nr 1 L 5 7 1 891 61-50-10 H131 Abh. 111-18. Beispiel eines Rohrleitungs- und Instrumentenfliel3bildes.
I Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen lndustrie
ten der Ausfiihrung fest, Itil3t aber vie1 freien Raum fur die individuelle Gestaltung der FlieBbilder. Einzelheiten zur Gestaltung der FlieBbilder konnen der Norm DIN 28004 entnommen werden.
263
zu 4: Isometrie Die Isometrie findet Venvendung bei der Festlegung und Fuhrung von Rohrleitungen in chemischen Anlagen. Die raumliche Anordnung ist in der lsometrie gut zu erkennen. Mit Hilfe der Isometrie konnen Rohrleitungen vorgefertigt werden (Abb. 111- 19).
Abb. 111-19. Isometrische Darstellung einer Rohrleitung (Quelle: skw Trostberg AG).
264
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
1.9 Verbundsysteme in der Chemiewirtschaft 1.9.1 Rohstoffe
Abb. 111-20. Konstruktionszeichnung eines Maschinenteils (Keilriemenscheibe im Schnitt).
Zwei Raumachsen sind j e 30" zur Waagerechten geneigt, die senkrechte Raumachse bleibt unverandert. Seitenverhaltnis (+y):(+K) : = 1:l:l.
(+z)
zu 5 : Konstriiktion.~,7eichni~ti~ Die Konstruktionszeichnung bildet die Grundlage fur die Anfertigung von Apparaten und Maschinen. Man unterscheidet nach ihrem Inhalt zwischen Gesamt-Zeichnungen, Gruppen-Zeichnungen, Teilzeichnungen u. a. Die Gesamtzeichnung zeigt eine Anlage, Maschine oder ein Gcriit im zusammengebauten Zustand. Die Gruppenzeichnung ist die Darstellung einer Gruppe (Baueinheit) eines Erzeugnisses, die diese in Ifisbar undoder unliisbar zusammengebautem Zustand zeigt. Die Teilzeichnung ist die Darstellung eines Teiles einer Maschine oder Apparatur (Abb. 111-20). Die Ausfuhrung aller Konstruktionszeichnungen wie Schriften, Sinnbilder, Strichstarken, Formate usw. ist in DIN-Normen festgelegt und im DIN-Taschenbuch 2 zusammengefaBt.
Die chemische lndustrie ist eine Veredlungsindustrie. Sie geht von wenigen Rohstoffen mit relativ einfachem Molekulaufbau aus und wandelt diese uber mehrere Stufen zu einer breiten Palette von Endprodukten mit komplizierten Molekulstrukturen und genau definierten Stoffeigenschaften um. Je nach chemischem, physikalischem und mechanischem Verhalten werden diese Wirkstoffe bzw. Werkstoffe zu Arzneimitteln, Schadlingsbekampfungsmitteln, Konservierungsmitteln, Textilhilfsmitteln, Waschmitteln, Korrosionsschutzmitteln oder zu den Massenprodukten wie Dungemitteln, Kunststoffen, Fasern, Fdrbmitteln, Baumaterialien u. a. weiterverarbeitet. Drei Rohstoffilassen haben fur die Chemieproduktion groRe Bedeutung erlangt. Es sind dies die Klasse der Anorganika, z. B. Rohphosphat, Kalkstein, Steinsalz, Sylvin, Bauxit und Schwefel oder Schwefelkies. Auch Wasser und Luft sind hinzuzurechnen. Zur zweiten Klasse zahlen die f i x d e n Rohstoffe, wie Erdgas, Erdol, Stein- und Braunkohle. In der dritten Klasse werden die nachwachsenden Rohstoffe zusammengefaBt, die im letzten Jahrhundert mehr und mehr das lnteresse auf sich gezogen haben, das sind Holz, Baumwolle, Rohrzucker, Pflanzenstarke, -eiweilJ und -fette. Nicht zu vergessen sind auch tierische Organe, aus denen Arzneimittel und Enzyme gewonnen werden. So sehr sich die einzelnen Produktionsverfahren in ihren Reaktionsmechanismen voneinander unterscheiden, so sind sie doch aus der Sicht der Technologie, namlich der Verfahrensabliiufe und des Apparatewesens, von vielen Gemeinsamkeiten gekennzeichnet (Abb. 111-23). Erdgas, Erdol, Kohle, Cellulose, Starke und Zucker sind wegen der Kohlenstoffatome, die in diesen Rohstoffen in reaktionsfahigem Zustand vorliegen, von groBem Interesse. Sie sind die Grundlage fur Stoffklassen, deren Geriiststruktur aus einer Verkettung von Kohlenstoffatomen entstanden ist. Alkane, Alkene, Aromaten, Heterozyklen sind die Bausteine fur Plastomere, Elastomere, Fasern, Lacke, Klebstoffe, Reinigungsmittel, um nur einige bekannte Endprodukte zu nennen. Es gibt chemischc GroBunternehmen, in denen der Anteil von Petrochemikalien am Ein-
265
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie Kohle
61
&fnichte, Zuckerrohr, ROben Frirchte, GernOse Jilhtlich prod. Biornasse: 170 000 Mio. tlJahr
I
Bekannte Vo6te: 1 039 OOO Mio. t Stein- und Braunkohie 145 600 Mrd. m3 Erdgas 140 OOO Mio. t 0 1
Abb. 111-21. Gesamtproduktion nachwachsender Rohstoffe (6 Mrd Tonnen pro Jahr) und Gesamtverbrauch fosssiler Rohstoffe (7,3 Mrd Tonnen Olaquivalente pro Jahr).
kaufsvolumen aller Rohstoffgmppen 65 % betragt. Weitere 10% des Rohstoffeinkaufs entfallen auf tierische und pflanzliche, d. h. nachwachsende Rohstoffe. Der Rest besteht aus anorganischen Mineralien. Wie auch immer die einzelnen Rohstoffgruppen mengenmaig aufgeteilt sind, fur Produkte auf hoher Veredelungsstufe ist immer eine gesicherte Basis von Grund- und Primirchemikalien erforderlich (Abb. 111-21). In der industriellen Chemie werden unter Grundchemikalien Chlor, Salzsaure, Schwefelsaure, Phosphor, Phosphorsaure, Salpetersaure, Ammoniak, Natronlauge und Soda verstanden. Chlor gehort zu den Chemikalien, dessen Produktionsmengen ein Kriterium fur die Leistungsfahigkeit einer modernen, in ihren Endprodukten stark differenzierten chemischen Industrie ist. In einer Chemiewirtschaft mit vielen Veredelungsstufen ist Chlor von weit hoherer Bedeutung als in einer chemischen Grundstoffwirtschaft, fur die der Erzeugerindex von Schwefelsaure und Natronlauge charakteristisch ist. In den Wirkstoffmolekulen der Arznei- und Pflanzenschutzmittel und in Farbmittelmolekulen ist Chlor als Bauelement wegen seiner spezifischen Funktionen sowie als Aktivator fur Veredlungsreaktionen von Feinchemikalien unerlKI3lich. Unter der Bezeichnung Primarchemikalien werden Wasserstoff, Methan, Ethen, Ethin, Propen und die Butene zusammengefal3t. Sie werden aus Erdol und Erdgas in Raffinerieanlagen mittels Reinigungs- und Trennverfahren und anschlieaenden petrochemischen Reaktionsmethoden gewonnen. Diese Primirchemikalien dienen
als Ausgangsstoffe fur Methanol, Ethanol, Essigsaure, Acetaldehyd und die BTX-Aromaten, das sind Benzol, Toluol und Xylol. Als aliphatische und aromatische Zwischenprodukte der 1. Stufe spielen sie fur die Synthese von Fein- und Spezialchemikalien eine Schliisselrolle. Raffinerien und petrochemische Anlagen werden daher in unmittelbarer Nachbarschaft zueinander errichtet. Fur die kondensierten Aromaten Naphthalin, Anthracen, Phenanthren, Fluoranthren oder Pyren ist nach wie vor der Steinkohlenteer die wichtigste Rohstoffquelle.
1.9.2 Stoff- und Energieverbund Ethen, Ethin, in der chemischen Industrie haufig als Ethylen bzw. Acetylen bezeichnet, Propen, Alkane und die Aromaten mussen in vielen Fallen chloriert, sulfoniert, sulfochloriert oder nitriert werden, um aus ihnen die Zwischenprodukte fur Pharmazeutika, Farbmittel, Treibmittel, Insektizide, Losemittel u. a. herzustellen. Da es sich hier im wesentlichen um gasfonnige und flussige Reaktionspartner handelt, ist es aus technischen und wirtschaftlichen Uberlegungen nutzlich, auch das Chlor, die Schwefelsaure und Salpetersaure aus der N&e zu beziehen. Es bietet sich also an, von einander abhangige und sich erganzende Produktionseinheiten in Industrieparks zusammenzufassen (Abb. 111-22). Dadurch werden Transportwege insbesondere fur Gefahrenguter vermieden. AuBerdem wird die Energieausnutzung optimiert und eine luckenlose Entsorgung von Reststoffen sichergestellt (Abschn. 111-12.4.4).
266
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten Phosphat
Alkalichlorid elektrolyse
Erdgas
n
Schwefelsaureherstellung
~, Schwefel
I
I
,
H2S04
+
Ramnation
I
,
Erdolfraktionen
synthese NH3
H W 4
NH3
Hamstoff-und Salpetersaureherstellung
Phosphorsaureherstellung
I
petrochemische Gmndprodukte und BTX-Aromaten
HNO,
Dungemittel I
Lu7z
Erdol
u
Am rnoniak-
CI,
NaOH
n
I
Kosmetika
I
I 1 I
#
Kunststoffe Folien Fasem
I I
Abb. 111-22. Verbundwirtschaft in der chemischen Industrie.
Der fur die Ammoniaksynthese benotigte Wasserstoff wird aus der Erdgasspaltung erhalten. Die Ammoniaksyntheseanlagen sind in Deutschland inzwischen bis auf Ludwigshafen am Rhein und Piesteritz a. d. Elbe alle geschlossen worden, da die Versorgung mit dem Wasserstofflieferanten Erdgas zu teuer ist. Stattdessen ist von der BASF im petrochemischen Areal der Niederlande eine der grol3ten Ammoniakanlagen der Welt gebaut worden (s. Abschn. 111-7). Die Errichtung einer Ammoniakfabrik zwingt zum gleichzeitigen Bau einer Salpetersaureanlage und zur Fabrikation von Stickstoffdunger. Das Ammoniak wird zum groljten Teil zu Stickstoffoxiden verbrannt, die rnit Wasser zu Salpetersaure umgesetzt werden. Mit der Salpetersaure wird eine grol3e Anzahl von organischen Verbindungen nitriert und damit eine weitere groRe Gruppe organischer Zwischenprodukte zuganglich gemacht. 75 % der Ammoniakerzeugung werden zu Dungemitteln umgesetzt. Vom Ammoniak gelangt man durch Reaktion mit Kohlenstoffdioxid sehr
leicht zum Harnstoff, der sowohl eine wichtige Futtermittel- als auch Dungemittelkomponente rnit Depotwirkung im Boden ist (s. Abschn. 111-8). Schwefelsaure ist ein AufschluRmittel fur Rohphosphate zur Produktion von Phosphorsaure und phosphathaltigen Dungemitteln. Ein Unternehmen, das die Herstellung von Phosphorsaure in ihrem Produktionsprogramm hat, braucht also auch schon aus diesem Grunde eine Schwefelsaurefabrik, wie z. B. im marrokanischen Phosphatwerk in Safi (s. Abschn. 111-4). Die gewonnene sog. ,,NaRphosphorsaure" wird durch Neutralisation rnit Ammoniak zu phosphathaltigen Dungemitteln rnit Stickstoffanteil weiter verarbeitet. Eine Neutralisation mit Natronlauge fuhrt zu Futtermittelphosphat oder Natriumpolyphosphaten, die als Industriereiniger und Tragematerial fur Katalysatoren interessant sind. Die hierfur erforderliche Natronlauge entsteht bei der Alkalichlorid-Elektrolyse als Parallelprodukt und kann in einem Transportverbund schnell an den Bedarfsort gefuhrt werden (s. Abschn. 111-5).
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
Bei der Raffinierung von Erdol und Erdgas wird Schwefel freigesetzt. Durch den immer noch hohen Verbrauch an Erdgas und Erdol im Haushalt, in der Industrie und im Kraftverkehr fallen entsprechend groBe Mengen elementaren Schwefels an. In Schwefelsaurefabriken wird dieser fur die Schwefelsaureproduktion eingesetzt. Schwefelsaure wird neuerdings auch aus dem Schwefeldioxid aus der Rauchgasreinigung von Kohle- und Olkraftwerken hergestellt. Bei stark exothermen Reaktionen, wie z. B. bei der Ammoniaksynthese, Ammoniakverbrennung zu Stickstoffoxiden, der Schwefelverbrennung zu Schwefeldioxid, dient die freigesetzte Wiirmeenergie in Abhitzekesseln zur Erzeugung von Wasserdampf, dessen Energie anderen Produktionsstatten zugeleitet oder uber Turbinen und Generatoren in elektrische Energie umgewandelt werden kann. Stromleitungen, Rohrleitungen und Forderbander jeglicher Art halten diesen Energie- und Stoffverbund aufrecht. Mit der Energie aus exothermen Reaktionen konnen wieder endotherme Verfahren betrieben, bzw. ihr Energiebedarf aus dem externen Energienetz gespeist werden. Als endotherme Verfahren seien nur die Alkalichlorid-Elektrolyse, das elektrothermische Verfahren zur Herstellung von elementarem Phosphor, die Aluminiumherstellung aus Bauxit und die Siliciumherstellung aus Quarz genannt.
1.9.3 Transportverbund Pipelines Der Energie- und Stoffverbund ist nur uber ein weitverzweigtes Transportnetz zwischen den Rohstoffquellen und den Chemieunternehmen einerseits und in den einzelnen Chemiewerken andererseits aufrecht zu erhalten. Erdol und Erdgas werden in Pipelines von den Forderquellen zu den Bestimmungshafen gepumpt und von dort mit Tankern in alle Welt verschifft. Selbst Mineralien und Erze werden als Feststoffe mittels Forderbandern ebenfalls uber viele Kilometer transportiert (Abb. 111-41). Die leichte Transportf~igkeitdes Erdols und Erdgases waren ein entscheidender Grund dafur, daB sich diese beiden fossilen Rohstoffe in den letzten 50 Jahren neben der Kohle als weitere Energietrager durchsetzten und die Kohle teilweise sogar verdrangten. Die Bedeutung liegt darin, daB sie die so wertvollen und begehrten Kohlenwasserstoffe enthalten. Bei Venvendung von Kohle als Rohstoff mussen die Kohlenwasser-
267
stoffe durch Kohlehydrierung oder uber eine Kohlevergasung erst hergestellt werden. Diese Verfahren sind energieaufwendig. Sie spielen in Sudafrika bei der Sasol (Suid Afrikaanse (Steenkool-, Olieen Gaskorporasie) noch eine groBe Rolle. Denn Kohle ist hier billig und Erdolquellen sind kaum vorhanden. Es ist deshalb nicht verwunderlich, daB seit dem ersten Bau einer Roholleitung vor 125 Jahren weltweit ein Pipelinenetz von ca. 2 Mio km Lange verlegt wurde. In der Bundesrepublik Deutschland hat das Netz allein fur den Roholtransport eine Liinge von ca. 3000krn. Dam kommen die Pipelines fur Erdgas, Mineralolprodukte, Fernheizsysteme u. a. Die Erdgasfernleitungen in der GUS haben eine Lange von ca. 240000 km. Das Erdgas wird mit einem Druck von 75 bar durch die Leitungen transportiert.
FlieRen und Verandern Bei Betreten eines Chemiewerkes fallen als auBere Kennzeichen sofort die vielen einzelnen oder gebundelten Rohrleitungen unterschiedlichen Durchmessers auf. Sie dienen zum Transport von Gasen, Flussigkeiten, Wasserdampf als Warmeenergietrager oder Wasser als Kuhl- oder Losemittel. Der Produktionsablauf in einem Chemiebetrieb ist ein flieBender ProzeB. Die Verweilzeiten der Reaktionskomponenten in den Reaktionskesseln oder -rohren sind unterschiedlich lang. Ein reibungsloser Energie- und Stoffaustausch und damit Energie- und Stofftransport ist in einer chemischen Fabrik Voraussetzung fur energie- und rohstoffsparende Produktionsverfahren. Transportwege mit allen Sicherheitsvorkehrungen sind technisch aufwendig und wirtschaftlich kostspielig. Man wird deshalb immer bemuht sein, Transportwege kurz zu halten. In der chemischen Industrie werden deshalb viele einzelne Produktionsbetriebe zu groberen Einheiten zusammengefdt und in ihren technologischen, okologischen und chemischen Gegebenheiten aufeinander abgestimmt. Neben dem wirtschaftlichen Nutzen ist es auf diese Weise moglich, umweltfreundliche Produktionsstatten zu enichten. Anfallende Nebenprodukte und auftretende WZnneenergien konnen nutzbringend anderen Betrieben zugefuhrt werden, ohne daB die Umwelt belastet wird oder besondere Vorkehrungen zu ihrem Schutz getroffen werden muBten.
268
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten Controlling Arbeitssicherheit
Firmen
Berufsbildung
1.10 Organisation eines Chemieunternehmens Die Aufgabe eines Chemieunternehmens ist es, chemische Produkte mit genau definierten Eigenschaften unter Beriicksichtigung der vorgegebenen Randbedingungen herzustellen. Diese sind -
sparsamer Rohstoffeinsatz, umweltangepaate Reaktionsfuhrung, hohe Energienutzung, sicherer Verfahrensablauf, Konkurrenzfahigkeit auf dem Weltmarkt.
Das Optimieren chemischer Verfahren wird heute von diesen funf genannten Faktoren wesentlich bestimmt. Die Organisation eines Produktionsunternehmens ist der Ordnungszusammenhang zwischen den Betriebsangehorigen und den Betriebsmitteln (Abb. 111-23). Durch die Auflauorgunisation werden die Aufgaben eines Unternehmens in Teilaufgaben gegliedert und ihr Zusammenwirken geregelt. Nachdem der Ort der Produktionsstatte festgelegt ist, wird der Rohstoff- und WarenfluB bestimmt (s. Schema 1).
Schema 1: Rohstoff Beschaffung
Produktion Betriebsrnittel
-
Vertrieb
{
Fertig- u. Zwischenprodukte
}
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
Nachdem der ProduktionsfluR bekannt ist, gilt es, die unterstiitzenden Abteilungen, die unmittelbar in die Produktionsstrecke eingeschaltet werden mussen, einzugliedern, wie z. B. - Rohstoffkontrolle (Analytik), -
Lagerhaltung von Rohstoffen,
- Betriebs- und Produktionskontrolle (Betriebs-
laboratorium), - Warenlagerhaltung.
Daneben sind die unterstutzenden Abteilungen, die unmittelbar den ProduktionsfluR begleiten, einzuordnen, wie -
Energieversorgung,
- Messen und Regeln, - Technische Wartung, -
Sicherheitsiiberwachung, Umweltschutz und Entsorgung.
Zusatzlich sind die unterstiitzenden Abteilungen, die mittelbar den ProduktionsfluR begleiten, zu beriicksichtigen. Genannt seien - Forschung und Entwicklung, -
Anwendungstechnik, Anlagenplanung und Anlagenbau.
Rohstof f e
Die Unternehmensleitung sorgt zusammen mit den koordinierenden Abteilungen fur eine Abstimmung zwischen den einzelnen Abteilungen und fur die Aufgabenzuteilung. Koordinierende Aufgaben haben das Finanz- und Rechnungswesen, die Abteilungen fur Sicherheitsiiberwachung und Umweltschutz, - das Personal- und Sozialwesen, - die Berufsbildung, - die Stabsabteilungen, - das Controlling. -
Das zeitlich-raumliche Zusammenwirken zwischen den Betriebsmitteln, den Betriebsangehorigen und den anderen Aufgaben wird durch die Ablauforganisation geregelt. Man kann zwischen einseitigen und wechselseitigen Beziehungen unterscheiden. Einseitige Beziehungen sind: Betriebskontrolle Rohstoffkontrolle Kontrolle zur Reinhaltung der Umwelt Sicherheitsiiberwachung
Zwischenprodukte Ammoniak Elhen Chlor Phosphorpentoxid Wasserstoff
NH3
-
Produktion, Einkauf, Produktion, Produktion.
Nutz- und Endprodukte
H2C = CH2 Clr P205 H2
(reaktionsf reudig)
z. 6.: Wasser Kohle Sleinsalz Phosphal Stickstoff
"20
-CC,,-, NaCl CadPOJ2 Nz
269
-AH2
(rea kt io nstrllge) Abb. III-24. Energieschema einer chemischen Produktion.
(bedingt reaktions-
270
Ill Produktionsvertahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Betriebs- und Rohstoffkontrolle sollen eine gleichbleibende Qualitat des chemischen Produktes sicherstellen. Die Kontrolle der Reinhaltung von Wasser und Luft sol1 eine moglichst geringe Umweltbelastung garantieren. Wechselseitige Beziehungen sind: Forschung u. Entwicklunp
Entsorgung, Arbeitssicherhcit
Produktion
Anwenduhgstechnik u. Markcting
Arkitstec
ik
Die Wechselbeziehungen stellcn den notwendigen Erfahrungsaustausch zwischen den verschiedenen am chemischen Produkt arbeitenden Abteilungen sicher.
Funktionsprinzipeiner chemischen Produktion, energetisch betrachtet Reaktionsstrage Ausgangsstoffe werden zu reaktionsfreudigen Zwischenprodukten unter Energieaufwand umgewandelt. Als Energiequelle werden Warmeenergie, elektrische Energie und haufig Strahlungsenergie, z. B. bei photochemischen Reaktionen, eingesetzt. Reaktionssfreudige Zwischenprodukte reagieren in der Regel exotherm zu weniger reaktionsbereiten Endprodukten, die als Nutz- und Gebrauchsguter der weiterverarbeitenden Industrie als Werk- und Wirkstoffe, aber auch dem privatern Endverbraucher zur Verfiigung stehen. Die Summe aller chemischen Ablaufe in einer chemischen Industrieproduktion ist endotherm (Abb. 111-24).
Umstrukturierung der chemischen Industrie Sowohl das stofflich-energetische Verbundsystem als auch die luckenlose ProzeSlinie vom Rohstoff bis zum Endprodukt waren typisch fur die chemische Industrie in den letzten 150 Jahren (Abb. 111- 1, -2 und -22). Dieses Konzept hat seine Wurzeln in der deutschen Kohlechemie, fur die die Kohle und das Wasser Stoff- und Energie-
quelle zugleich waren. Es bestimmte die Wahl der Produktionsstandorte und die Eigentumsverhaltnisse. -
Rohstoff- und Energieversorgung, geeignete Transportmoglichkeiten wie Fliisse, Kusten, Schienen und StraRen, Markt- und Kundennahe und nicht zuletzt qualifiziertes technisches Personal
waren die Auswahlkriterien fur geeignete Chemiestandorte (Abb. 0-2. Chemiestandorte in Deutschland). Nach dem Ende des 2. Weltkrieges wurde diese auf einer langen Tradition beruhende Verbundstrategie in den 50er Jahren zum ersten Male erschuttert. Die Kohlechemie wurde von der Petrochemie in relativ kurzer Zeit verdrangt. Das Erdol und bald spater auch das Erdgas waren preiswertere, leichter transportierbare Energieund Stoffquellen. AuBerdem hatten sie den Vorteil, daB sie nicht mehr hydriert werden muBten. Sie enthielten die begehrten Kohlenwasserstoffe. Aber die Erdol- und Erdgasquellen lagern auBer Landes. Die internationalen Olgiganten und die Erdol aufbereitenden Raffinerien traten als Lieferanten, Kunden aber auch als Konkurrenten der klassischen Chemiefirmen auf. Fur die Offentlichkeit unbemerkt, begann sich das traditionelle Chemieverbundsystem von der Rohstoffseite her umzustrukturieren. Die Beteiligungsverhaltnisse der Kapitalgesellschaften veranderten sich. Die Konvertibilitat der Wahrungen und Liberalisierung der Miirkte forderten den freien KapitaliluB und den Rohstoff- und Warenaustausch zwischen den westlichen Industrienationen. Die groRen deutschen, schweizerischen, italienischen, franzosischen, belgischen, niederlandischen und englischen Chemiekonzerne begannen, sich international auszurichten. Dieser Trend verstiirkte sich mit dem zunehmenden Bevolkerungswachstum insbesondere in den asiatischen Landern und auf dem indischen Subkontinent. Die groBen Verbrauchermiirkte mit hohen Wachstumsraten verlagerten sich von Europa nach Asien und Indien aber auch nach Nord- und Sudamerika. Seit der Offnung der Grenzen zwischen den ehemaligen Ostblocklandern mit ihrer straffen sozialistischen Planwirtschaft und den von der freien Wirtschaft gepragten westlichen Industrienationen ist der Weg zu einer Globalisierung der Markte vorgezeichnet. In bevorzugten Lebensregionen nimmt die Bevolkerungsdichte immer mehr zu. Orte der Rohstoff-, Energie- und Nahrungsmittelquellen
1 Der Stoff- und Energieumsatz in der chemischen Industrie
27 1
sind nicht identisch mit den Produktionsstandorten und Wohngebieten. Globalisierung bedeutet eine Vernetzung der Lagerhaltung, Produktions-, Transport- und Kommunikationssysteme, um Wasser, Energie, Rohstoffe, Produkte und Informationen je nach Bedarf storungsfrei auszutauschen und zu nutzen. Als meRbare Bezugs-, Vergleichs- und SteuerungsgroRe wirken die Kapitalstrome. Sie haben eine regulierende Aufgabe und durfen um einer ausgereizten Profitabilitat nicht zum Selbstzweck werden. Life-Sciences* und Globalisierung bedingen einander und zwingen die Unternehmen, die Produktionsmethoden der Ressourcenverknappung und Umweltregeneration anzupassen. Sie fordern dazu heraus, Forschungsziele neu zu uberdenken und mit den Kapitalquellen sparsam und haushalterisch umzugehen. Globalisierung muR nicht heiRen, die regionalen und nationalen Systeme aufzuheben. Sie sollte sie vielmehr miteinander verknupfen und die Teilsysteme stabilisieren. Hierin steckt das Prinzip der biologischen Selbstorganisation. Gegenwiirtig wird die Globalisierung durch den ZusammenschluB nationaler Wirtschaftseinheiten und Konzerne zu internationalen Megakonzernen verwirklicht. Das ist solange sinnvoll, wie eine hohere Innovation, bessere Ressourcenausnutzung, ein optimaler Kapitaleinsatz und ein gesteigerter Wettbewerb zu besseren Produkten und kundenadaquaten Dienstleistungen fuhren. Fusionen werden gesellschaftspolitisch hochbrisant, wenn sie zu einer globalen Arbeitslosigkeit fuhren und nur die Profitabilitat im Auge haben. Arbeitslosigkeit ist der beste Niihrboden fur Revolutionen, Burgerkriege und Kriege. Politiker und Wirtschaftsmanager sollten das nicht vergessen. Im Mittelpunkt sollte immer eine Life-Science-Strategie stehen. Die wachsende Bevolkerung wird ihren Bedarf an hygienisch einwandfreiem Wasser und ausreichender Nahrung, Energie und Gesundheit bei den industriell hochentwickelten Landern massiv einklagen. Die derzeitigen Fusionen groRer internationaler Unternehmen sind nur die erste Phase der Globalisierung. Denn diese Zusammenschlusse erfolgen in der Regel nur zwischen Firmen der westlichen Industrielander und Japan. Diese Situation wird sich im Laufe der nachsten Jahrzehnte allmahlich Zndern, wenn kapitalkraftige Konzerne aus rohstoffreichen sogenannten Schwellenlandern sich als Konkurrenten ent-
wickelt haben und auf den Weltmarkt im globalen Wettbewerb auftreten. Dies wird die 2. Phase der Globalisierung mit ihren Chancen aber auch Turbulenzen einleiten. Die weltumfassende Vernetzung der Transport- und Kommunikationssysteme bedeutet auch eine Globalisierung der Risiken. Der private und geschaftliche moderne Tourismus errnoglicht es den Menschen, den Globus in wenigen Tagen zu umkreisen. Sie gelangen in Regionen mit anderen Mikroorganismen, denen ihr Immunsystem nicht gewachsen ist. Es kommt zu Erkrankungen mit nachhaltigen Schaden und oft todlichem Ausgang. Gefahrdet sind auch Bevolkerungsgruppen. die vor kriegerischen und biirgerkriegahnlichen Auseinandersetzungen in friedlichere Gegenden fluchten mussen. Schwierigkeiten in der Anpassung der Immunsysteme der dortigen einheimischen Bevolkerung und der neu hinzugekommenen Bevolkerungsgruppen sind die Folge.* Ein mindestens ebenso groRes Risiko bringen die weitgespannten Transportstrome von Nahrungsmittelrohstoffen zwischen allen Landern der Welt mit sich. Die Rohstoffe werden in groRem MaBstab industriell zu Halbfertigprodukten und Fast-Food-Produkte verarbeitet. Oft hat ein Nahrungsmittel viele tausende Kilometer zuriickgelegt und wurde zwischendurch noch einige Zeit in Kuhlhausern gelagert, bevor es vom Endverbraucher verspeist wird. Infolge der weitverzweigten Verteilungsketten (Catering) der Nahrungsmittel reicht eine einzige Infektion aus, um sehr viele Menschen einer ganzen Region erkranken zu lassen. Die immer wieder auftretenden Salmonellenherde sind allzu bekannt. Ahnliche Auswirkungen gehen auch von den Wasserverteilungsleitungen aus, wenn diese hygienisch nicht sorgfaltig und streng uberwacht werden. Die zunehmende Weltbevolkerung bedeutet nicht nur einen groBeren Bedarf an Nahrungsmitteln, sondern auch einen hoheren Aufwand an Hygiene und Gesundheitsvorsorge bzw. -fursorge. Landwirtschaft, Nahrungsmittelindustrie, Pflanzenschutzmittelproduzenten, Pharmaunternehmen und Kosmetikfknen sind zur Losung dieser skizzierten Probleme in gleichem MaBe gefordert. Sie begegnen und erganzen sich in dem weitgespannten interdisziplinarem Gebiet der Life Sciences. Fast alle Chemiekonzerne der Welt haben aufgrund der hier kurz skizzierten Analyse ihre
*
*
Hopp, V. (ZOOO), Grundlagen der Life Sciences, Chemie Biologie - Energetik, Wiley-VCH Verlag GmhH, Weinheim.
Werner, M.-A. u. Otterbach. K. (1999). Aus Teufels Kiiche. Falken Verlag, Niedernhausen.
272
111 Produktionsvcrfahrcn zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
zu Auslagerung
Kontraktproduzenten (DSM, Lonza, DN)
zu Abfullern Abb. 111-25. Wertschopfungskette in der pharmazeutischen lndustrie (Quelle: Dr. Wolfgang R. Hartmann, Darmstadt). Unternehmensstrategien verandert, die unter dem Stichwort Restrukturierung zusammengef a t werden. Begonnen hat damit Anfang der 90er Jahre der englische Konzern ICI, der die Pharmasparte unter dem neuen Namen Zeneca abgespalten hat. Mit der Fusion der schwedischen Arzneimittelfirma Astra entstand einige Jahre spater Astra Zeneca. Generell haben sich die im Verbund stehenden Arbeitsfelder als eigenstandige Unternehmen verselbstandigt (s. Abschn. 0 u. Tab. 0-1): 1. Produktion von Basis- und Primarchemikalien 2. Massenprodukte wie Polymere (Kunststoffe, Fasern u. a.) und Dungemittel 3. Fein- und Spezialchemikalien 4. Pharmazeutika und Agrochemikalien, speziell Pflanzenschutzmittel 5. Biotechnologische Produkte
Beispiele sind unter anderem der ZusammenschluR der Farbmittelbereiche von BASE Buyer und Hoechst zu Dystar. Das Schweizer Chemieunternehmen Clariant ist durch ein Verschmelzen der Chemikalienbereiche der ehemaligen Konzerne Sandoz und Hoechst hervorgegangen.
Eine Fusion zwischen Degussa-Hiils und SKWTrostberg zu einem sich erganzendem Verbundunternehmen erfolgte 2001. Novam's ist als Schweizer Pharmakonzern aus den Pharmabereichen der ehemaligen Ciba und Sandoz gegriindet worden. Eine GroBfusion von globalem AusmaR ist die zwischen den Pharma- und Agrobereichen der Rhone-Poulenc Rover und der Hoechst Marion Russel zum Aventis-Konzern einschlieBlich der AgrEvo zu AgroScience. Das Fusionskarussel im Zuge der Globalisierung ist noch nicht beendet. Treibende Kraft ist nicht nur die Kristallisation von sich erganzenden Kerngeschaften, sondern auch das Aufbrechen der klassischen ProzeRlinien, die im allgemeinen vom Rohstoff bis zur Fertigung eines verkaufsfahigen Endproduktes kontinuierlich verliefen. Am deutlichsten wird diese Entwicklung an den RestruktuierungsmaBnahmen der Pharmaindustrie. Moderne Pharmaunternehmen werden in Zukunft nur noch aus den Aktivitaten Forschung und Entwicklung sowie Marketing und Vertrieb bestehen. Die Bereiche Produktion sowie Formulierung und Verpackung werden an Auftragsfirmen (Kontraktproduzenten) vergeben (Abb. 111-25).
2 Vom Steinsalz zu Chlor, Natronlauge und Soda
2.1 Das Element Chlor Chlor* gehort zur Gruppe der Halogene** oder Salzbildner (s. Abschn. 111-14.8). Chlor ist ein sehr energiereiches und daher auch aukrordentlich reaktionsfreudiges Element. Deshalb kommt es in der Natur nicht elementar, sondem nur an andere Elemente gebunden vor. Die in der Natur haufigsten Chlorverbindungen sind die Salze: Natriumchlorid (Steinsalz), NaCl, und Kaliumchlorid (Sylvin), KCI. Der Vorrat an Steinsalz in den Lagerstatten der Erde wird auf lo00 Billionen Tonnen geschatzt und ist damit unerschopflich. Davon befinden sich nach heutigen Kenntnissen mehr als 10 Billionen Tonnen, in verhaltnismaBig reinem Zustand in deutschen Lagerstatten. In den niederrheinischen Steinsalz- und Kalisalzlagerstatten, die in einem Zechsteinbecken liegen, befindet sich das groRte europaische Steinsalzbergwerk Borth der Deutschen SolvayWerke GmbH. Die Salzvorkommen liegen uber den Kohleflozen in Schichten von 19 m bis 200 m Machtigkeit. Eine zweite groBe Lagerstatte befindet sich im StaSfurter Bezirk in Mitteldeutschland mit einer Machtigkeit bis zu loo0 m. In den Weltmeeren sind 36000 Billionen Tonnen Natriumchlorid gelost. In Landern der warmen Klimazonen wird Seewasser fur die Gewinnung von festem Natriumchlorid herangezogen. Vulkaneruptionen, die Ozeane und die mikrobiologischen Systeme geben taglich Chlorwasserstoff und chlorierte organische Verbindungen in die Biosphiire ab. Die Vulkane emittieren jahrlich 0,4 Mio t Chlorwasserstoff, bei spontanen Eruptionen steigen diese Mengen bis zu 3 Mio t und hoher an. Aus den Ozeanen werden jiihrlich 300 Mio t Chlorwasserstoff freigesetzt. Der Moderpilz gibt bis 5 Mio t chlororganische Verbindungen an die Natur ab. Chlor wurde 1774 von dem schwedischen Chemiker Karl Wilhelm Scheele zum ersten Ma1 * **
chloros (grch.) - gelbgriin halos (grch.) Salz. ~
dargestellt. Es ist ein gelbgriines, stechend riechendes Gas, das die Schleimhaute stark angreift. Unter Druck 1aBt es sich leicht verflussigen und gelangt als flussiges Chlor in Stahlflaschen und Kesselwagen in den Handel. Innerhalb chemischer GroBbetriebe wird Chlor vom erzeugenden Betrieb zur Weiterverarbeitung durch Rohrleitungen transportiert . Aufgrund der chemischen Reaktionsfahigkeit, der leichten Verdampfbarkeit und der Giftigkeit des Chlors sind bei seiner Lagerung, Abfullung und beim Transport besondere Schutz- und Sicherheitsmahahmen einzuhalten. Unter Normdruck kondensiert Chlor bei -34°C und erstarrt bei -101,6"C. Weil der innere Energiegehalt des Chlors sehr hoch ist, wird bei Reaktionen mit anderen Stoffen Energie in Form von Wiirme freigesetzt. Chor selbst geht in seinen Verbindungen dabei in einen energie-eren Zustand uber. Chlorierungsreaktionen, wie z. B. die Methanchlorierung, sind immer energiefreisetzende Umsetzungen (s. Abschn. 111-3). Seine Reaktionsfreudigkeit macht das Chlor zu einem interessanten Partner bei der Synthese chemischer Zwischen- und Endprodukte. Vom hohen Energieniveau ausgehend entstehen in thermodynamisch freiwillig ablaufenden Reaktionen die gewiinschten chlorierten Produkte. Umgekehrt mussen berachtliche Energiemengen aufgewendet werden, urn Chlor aus seinen Verbindungen mit anderen Elementen abzuspalten. Ein Drittel des produzierten Chlors wird fur die chemische Synthese als Zwischenstufe benotigt, ohne daB es im Endprodukt noch enthalten ist. Die restlichen Zweidrittel dienen zur Herstellung von Chlorkohlenwasserstoffen, zu denen Losemittel, Treibgase und Polyvinylchlorid zahlen. Polyvinylchlorid besteht zu 57 % aus Chlor und 43 % aus Ethylen. Der Massenstrom des Chlors und seiner Verbindungen verlauft also zwischen dem im ionisch gebundenen Steinsalz und den kovalent gebundenen organischen Chlorverbindungen wie z. B. Vinylchlorid, der Baustein des Polyvinylchlorids, den schwer abbaubaren Fluorchlorkohlenwasserstoffen, den chlorierten Methanverbindungen, die als Losemittel eine bedeutende Rolle
274
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
spielen, u. a. Zwischen den ionischen Ausgangsstoffen und den sehr stabilen Chlorkohlenwasserstoffen liegen als Zwischenstufen der Chlorwasserstoff und eine groRe Zahl von chlorierten Zwischenprodukten, wie z.B. das Trichlorsilan. Chlorierte organische Zwischenprodukte sind fur die Synthese von Arzneimitteln, Pflanzenschutzmitteln und Farbmitteln unerlal3lich. Metallchloride sind haufig eine Zwischenstufe zur Herstellung von Reinstmetallen. Genannt sei das Reinstsilicium als Werkstoff fur die Halbleiterbauelemente in der Elektronik. Kovalente Kohlenstoff-Chlor-Verbindungen besitzen hohe Bindungsdissoziationsenergien. Das macht ihre groBe Stabilitat und Beliebtheit als Nutz- und Werkstoffe aus. Der Nachteil dieser festen Bindungen besteht dagegen in der schweren Abbaubarkeit der Produkte. Erst Strdhlungsenergie von Wellenlingen unter 300 Nanometern vermogen die entsprechenden Energien aufzubringen, um die Chlor-Kohlenstoff-Bindung aufzubrechen. Das ist der Grund, warum erst in der Stratosphare aus organischen Chlorverbindungen das Chloroxidradikal freigesetzt wird und in den komplexen Reaktionsmechanismus der Atmosphare einzugreifen vermag. Chlor und seine Verbindungen sind ubiquitare Stoffe. Je nachdem, in welcher Bindungform sie vorliegen, sind sie fur Menschen und biologische Systeme essentiell, indifferent oder toxisch. Die Aufgabe okologischer Forschung wird sein, jede Verbindung in ihrem Natur-Technik-Kreislauf individuell zu verfolgen und zu bewerten und nicht eine ganze Stoffilasse pauschal zu diskreditieren (s. Abschn. 111-14.8).
2.2 Chemische Grundlagen der Alkalichlorid-Elektrolyse Weltweit werden zur Zeit 35 Mio t Chlor produziert, davon in Westeuropa 10 Mio t und in Westdeutschland 3 3 Mio t . Der Rohstofff ist Steinsalz (NaCI). Um aus dem reaktionstragen Natriumchlorid das aggressive und reaktionsfreudige Chlor zu erhalten, mu13 sehr vie1 Energie aufgewendet werden. Das geschieht mit Hilfe der Alkalichlorid-Elektrolyse. Drei Verfahren konkurrieren okologisch und wirtschaftllich miteinander: das Amalgamverfahren, das Diaphragmaverfahren und das Membranverfahren. Der Trend beim Bau neuer Anlagen geht zum Membranverfahren.
In der Aikaiichiorid-Eic.ktrolyse werden Natronlauge, eine alkalisch reagierende Verbindung, und Chlor durch elektrolytische Zersetzung von waariger Steinsalzlosung erzeugt. Der chemische Stoff- und Energieumsatz IaRt sich durch nachstehende Reaktionsgleichung zusammenfassen: 2 NaCI,,, Steinsab
+
2 H20,,, Wasser
-
CI,,,, + 2 NaOH,;,,, + H Z l p , Chlor
Natronlauge
Wa\ser-
'mff
(Nf= + 454,4 kJ/mol* in Form von elektrischer Energie) Die Alkalichlorid-Elektrolyse ist eine energieverbrauchende (endotherme) Reaktion. Der tatsachliche Energiebedarf ist hoher als der theoretisch zu berechnende. Er hangt ab von der Zusammensetzung der Anoden, dem Elektrodenabstand, der Uberspannung und den technischen Bedingungen . Mengen- und Energiehilclnz Aus 3500 kW h, 1,65 t gereinigtem Steinsalz und 0,5 t Wasser entstehen 1 t Chlor, 1 .I t Natronlauge (100 %ig) und 0,028 t Wasserstoff. Die Halfte der Chlorentstehungskosten sind Energiekosten.
2.3 Technische Durchfuhrung des Amalgam**-Verfahrens Der technische Prozefi laat sich in funf Stufen unterteilen (Abb. 111-26): 1 . Losen, 2. Reinigen, 3. Elektrolyse, 4.Amalgamzersetzung, 5. Chlorierung.
I. Lusen Das gelagerte Steinsalz wird in den Losebunkern durch die aus der Elektrolyse zuruckgefuhrte *
**
Die angegebenen Reaktionsentalpien buiehen sich auf d1e Bedingungen 298.15 K und 1.013 har. Die verwendctcn lndizes bedeuten g gasformig, I flussig. s Teat. aq w8Brige Lnsung. al-malgham (arab.) erweichende Salbe. ~
2 Vorn Steinsalz zu Chlor, Natronlauge und Soda
275
Abb. 111-26. Alkalichlond-Elektrolyse,VerfahrensflieBbild vereinfacht.
verarmte Sulzsofegelost. Die Losetemperatur betragt 75 "C. Unter Salzsole wird im technischen Sprachgebrauch eine wahrige Salzlosung verstanden. Nach dem Passieren der Elektrolysezellen ist die Salzkonzentration geringer als vorher. Im Losebunker wird die Salzsole wieder auf die erforderliche Konzentration gebracht, d. h. aufkonzentriert.
2 . Reinigung Mit einer Sattigungskonzentration von ca. 315 g NaCl pro Liter Liisung verlaot die Rohsole den Losebunker und wird zur Ausfallung von Fremdsalzen durch Fallgefape geleitet. W%hrend dieses Vorganges wird die Lijsung von Luft durchstromt und dadurch standig durchmischt. Nach Passie-
ren einer Filtrierstation gelangt die gereinigte Sole (Klarsole) in ein ZwischenlagergefaB.
3. Elektrolyse Die elektrolytische Zersetzung erfolgt in den Elektrolysezellen. Das sind leicht geneigte, schmale, gummierte und geschlossene Wannen, auf deren Boden das Quecksilber in dunner Schicht flieBt. Es stellt die Kathode (negativer Pol) dar. ijber dem Quecksilber befinden sich in etwa 3 mm Abstand Graphitanoden. In den modemsten Anlagen wird anstelle von Graphit Titan als Elektrodenmaterial eingesetzt. Durch elektrischen Gleichstrom mit einer Spannung von ca. 4,2 Volt wird an den Graphitanoden gasfonniges Chlor (CI,) abgeschieden. An der Kathode, d. h.
111 Produktionsverfahren zur Hcrstellung von chemischen Grundprodukten
276
im Quecksilber, scheidet sich metallisches Natrium ab, das sich rnit Quecksilber zu Natriumamalgam umsetzt. Der nicht umgesetzte Steinsalzanteil wird als verarmte Salzsole (Diinnsole) wieder zur Anreicherung in den Losebunker geleitet. 4 . Amalgamzersetzung* In den Amalgamzersetzern wird das als Amalgam vorliegende Natrium rnit Wasser zu Natronlauge und Wasserstoff umgesetzt. Der Wasserstoff stammt also aus dem Wasser. 2 Na,,,
+
2 H-OH,I,
-
2 NaOH,,,,,
+
Hzcg,
(AU= - 279.1 kJ/mol) Das natriumfreie Quecksilber aus den Zersetzern wird in die Elektrolysezellen zuriickgeleitet. Bei dem Quecksilberverfahren, auch Amalgamverfahren genannt, handelt es sich um ein im Kreislauf arbeitendes kontinuierliches Verfahren, das weitgehend automatisiert ist.
5 .Chlorreinigung In Flussigkeitsabscheidern wird das Chlor von mitgerissener Sole getrennt. Verbleibender Wasserdampf wird mit Hilfe von Schwefelsaure entfernt (Chlortrocknung). Energieversorgung Moderne Elektrolyseanlagen haben AnschluBwerte in der GroBenordnung um 100 Megawatt (100 Millionen Watt). GroBkraftwerke liefern den Dreiphasen-Drehstrom rnit etwa 100 Kilovolt (100000 Volt) Spannung. Gewohnlich wird der Drehstrom in den ortlichen Umspannwerken auf 25 kV heruntertransformiert, in den Elektrolyseanlagen auf die Arbeitsspannung von etwa 500V bis 1000 Volt gebracht und rnit Siliciumgleichrichtern in Gleichstrom umgewandelt. In Deutschland gibt es Elektrolyseanlagen, die mit bis zu 200000 Ampere belastet werden, in den USA Anlagen bis 300000 Ampere Stromstarke. Die Elektrolysezellen sind in einem Stromkreis hintereinander geschaltet. In jeder Zelle werden etwa 4 Volt Spannung abgebaut. Bei einer Arbeitsspannung von 500 Volt konnen also bis zu 125 Zellen hintereinander geschaltet werden. Elektrolyseanlagen arbeiten rnit Stromausbeuten von annahernd 98 %. * al-malgham (arah.) erweichende Salbe ~
2.4 Konkurrierende Verfahren 2.4.1 Elektrolyse in Diaphragmazellen* Die Diaphragmazellen bestehen aus zwei getrennten Kammern, dem Kathodenraum rnit Stahlnetz-Kathoden und dem Anodenraum rnit Titan-Anoden. Beide Kammem sind durch eine porose, halbdurchlassige Scheidewand, durch das Diaphragma aus Asbestfasern, getrennt. Die Asbestfasern sind mit fluoriertem thermoplastischem Kunststoff stabilisiert. Das Diaphragrna dient zur Trennung des an der Kathode entstehenden Wasserstoffs und des an der Anode freiwerdenden Chlorgases. AuSerdem verhindert es eine Durchmischung der an der Kathode und Anode entstehenden Elektrolyten und damit eine Reaktion zwischen diesen. Die Diaphragmen sind so zusammengesetzt, daU sie eine der OH--1onenwanderung entgegengesetzt gerichtete Fliissigkeitsstromung erlauben. Die frische Steinsalzsole wird in den Anodenraum geleitet. An der Anode werden die Chlorid-Ionen des Natriumchlorids zu Chlor entladen. 2NaCl Natriumchlorid
Di\\oridtion
+
2Na'
NatriumIonen
2C1 Chlorid Ionen
Vorgang an der Anode (+): Entladung
+ 2e
2CI
CI,
ChloridIonen
elementarea Chlor
Elektronen
Die Nariumchlorid-Ionen wandern durch das Diaphragrna in den Kathodenraum und bilden mit den dort gebildeten Hydroxid-Ionen, die aus der Elektrolyse des Wassers stammen und durch die Solestromung im Kathodenraum zuriickgehalten werden, Natronlauge. Vorgang an der Kathode (-): 2H20 Wa\ser
+
2e-
-
Elektronen
H,
+
Wawratoft
20H HydroxidIonen
Das Chlor aus dem Anodenraum und der Wasserstoff aus dem Kathodenraum konnen, getrennt durch das Diaphragma, abgezogen und * Diiiphragma (grch.) Scheidewand. -
2 Vom Steinsalz zu Chlor, Natronlauge und Soda
277
2.42 Elektrolyse in Membranzellen Das Kernstuck dieses 1975 in die Technik eingefuhrten Membran-Verfahrens sind die perfluorierten Kationenaustauscher-Membranen, die als Separator, zur Trennung von Chlor im Anodenraum und Wasserstoff wie auch Lauge im Kathodenraum der Elektrolysezellen dienen. Die Anoden bestehen aus Titan, die Kathoden aus Edelstahl oder Nickel. Vorgang an der Anode (+): 2 ClC12 + 2e-
-
Abb. 111-27. Diaphgragrnazelle.
gereinigt werden. Bevor die gereinigte Sole in die Elektrolysezellen (Elektrodenabstand 3 mm bis 4mm) eintritt, wird sie e r w m t . Das erhoht ihre elektrische Leitfahigkeit (erleichtert die Ionenwanderung), da die Viskositat der Losung vermindert wird. Je nach technologischen Anforderungen ist die Konstruktion von Diaphragmen sehr unterschiedlich (s. Abb. 111-27). Die FlieBgeschwindigkeit der Sole wird in der Diaphragmazelle so eingestellt, daB die urspriinglich gesattigte Natriumchlorid-Losung im Kathodenraum noch etwa 170g NaCl pro Liter und 14Og NaOH pro Liter enthalt. Hohere Konzentrationen an NaOH lassen sich bei einer wirtschaftlichen Nutzung des elektrischen Gleichstroms nicht erreichen. In einer nachgeschalteten mehrstufigen Eindampfung wird schliefilich 50 %ige Natronlauge mit nur noch 1 % bis 2 % NaC1-Gehalt gewonnen. Diese Verarmung an Natriumchlorid gelingt, weil es weniger gut wasserloslich ist als Natriumhydroxid und deswegen beim Eindampfen ausfallt und abgetrennt werden kann. Die erforderliche Wiirmeenergie (Energietrager Wasserdampf) zum Aufkonzentrieren und gleichzeitigem Reinigen der Natronlauge belastet die Wirtschaftlichkeit des Diaphragma-Verfahrens. Da aber andererseits die erforderliche Elektrolysespannung mit 2,9 Volt bis 3,6 Volt niedriger ist als beim Amalgamverfahren (die Abscheidespannung von Wasserstoff an Stahlkathoden ist kleiner als die von Natrium an Quecksilber-Kathoden), sind die Energiekosten insgesamt nahezu gleich hoch .
-
Vorgang an der Kathode (-): 2 H 2 0 + 2eH, + 2 0 H
Im Unterschied zum porenreichen Asbestdiaphragma ist die trennende Kunststoffmembran nur selektiv ionenleitend, d.h. sie ist fur Natrium-Ionen (und wenig Wasser) durchlksig, nicht aber fur Chlorid-Ionen. So bildet sich - wie beim Amalgamverfahren - chloridfreie Natronlauge, die allerdings nur 20 % bis 35 % Massenanteile NaOH enthalt (s. Abb. 111-28). Die Zellenspannung betragt etwa 3,2 V; es wird also weniger elektrische Energie benotigt als beim Amalgamverfahren. Die Sole muB allerdings sehr vie1 reiner sein als beim Amalgamverfahren, da sie sonst 2.B. durch Ablagerungen von Calciumhydroxid die Membran schnell zerstort. Bei der Entwicklung des Verfahrens war es besonders schwierig, Membranen zu finden, die bei hoher Konzentration an Salz und Chlor bzw. Natronlauge hinreichend lange bestandig sind und nur Natrium-Ionen. nicht aber Chlor und Chlor
ver
Abb. 111-28. Mernbranzelle
Wasserstoff
e
278
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Chlorid-Ionen passieren lassen. Derartige Membrdnen bestehen aub vollstandig fluoriertem Polyethylen mit Seitenketten, die anionische Gruppen wie -SO,- tragen. Eine der bekanntesten Membranen ist die Nation"-Membran der Firma Du Pont, USA. Bei diesem Typ handelt es sich um perlluorierte Kationenaustausch-Membranen, die die Wanderung von Natrium-Ionen rnit Wassermolekulen von der Anoden- zur Kathodenseite zulassen, dagegen die Wanderung von Chlorid-Ionen und Hydroxid-Ionen verhindern. Nationm wird durch Copolymerisation von Tetrafluorethylen und einem Vinyl-Sulfonylfluorid hergestellt. Folgende Molekulstruktur wird angenommen:
Die Struktur ist ein Geriist aus Polytetrafluorethylen, in dem uber Sauerstoffbriicken (Etherbriicken) die endstandigen ionenaustauschenden Sulfonsaure- oder Carboxylgruppen eingebaut sind.
2.43 Vergleich von Quecksilber-, Diaphragma- und Membran-Verfahren Fur die elektrolytische Herstellung von Chlor und Wasserstoff aus wallrigen NatriumchloridLosungen gibt es konkurrierende Verfahren. Nach dem Quecksilberverfahren wurden 1988 in Westdeutschland etwa 60 % des benotigten Chlors gewonnen; 1972 waren es 9 0 % . Das zweite Verfahren, das Diaphragma-Verfahren, ist schon friih in den USA weiterentwickelt worden und hat dort und in Japan besondere Bedeutung erlangt (USA 1972/1984: 73 %/85 %; Japan 1972/1984: 4%/70% der Chlor-Produktion nach dern Diaphragma-Verfahren). Daruber hinaus sind in den letzten Jahren Alkalichlorid-Elektrolysen nach dem Membran-Verfahren errichtet worden (Japan 1984: ca. 10% der Chlor-Produktion). Ein viertes Verfahren zur Herstellung von Chlor, das im Rahmen einer modernen Recycling-Wirtschaft zunehmende Bedeutung erhalt, geht vom Nebenprodukt Salzsaure aus.
Der Vorzug des Quecksilber-Verfahrens vor dem Diaphragma-Verfahren ist, daB dieses Verfahren reinste Natronlauge liefert, die vollig frei von Natriumchlorid ist. Je nach Verwendungszweck der Natronlauge ist diese hohe Reinheit jedoch verschieden bedeutsam. Auch das erzeugte Chlor ist von hoher Reinheit und enthalt nicht 1 % bis 3 % Volumenanteile Sauerstoff wie beim Diaphragma- und Membran-Verfahren. Im Gegensatz dazu liefert das DiaphragmaVerfahren eine Natronlauge, die noch gelostes Natriumchlorid enthalt. Die Vorteile dieses Verfahrens aber sind geringere Investitionskosten, die Vermeidung von Quecksilber und die Verwendbarkeit von weniger gereinigten Natriumchlorid-Salzlosungen, die durch unterirdisches Aussolen (Losen von Steinsalz durch unter Tage gepumptes SuUwasser) hergestellt werden. Die Vorteile des Membran-Verfahrens liegen im einfachen Zellenbetrieb, in der Reinheit der produzierten Natronlauge und in der Umweltfreundlichkeit, da keine SchutzmaBnahmen wegen moglicher Quecksilber- (Amalgam-Verfahren) oder Asbestemissionen (Diaphragma-Verfahren) notwendig sind. AuBerdem erfordert das Membran-Verfahren geringere Energiekosten und Investitionskosten. Ein Nachteil liegt in den hohen Reinheitsanforderungen an die Salzlosung. Sie mu13 sehr aufwendig gereinigt werden, damit die Membranen nicht durch die Einlagerung von schwer loslichen Verbindungen, wie z.B. Schwermetallverbindungen u. a,, irreversibel geschadigt werden. Vergleich der Eigenschaften zwischen Quecksilberzellen, Diaphragmazellen und Membranzellen:
Quecksilherzellen Umwelteinflusse: Probleme mit Quecksilber im Abwasser. Technische Losungen sind mit zusatzlichen Kosten moglich; Solereinigung relativ einfach Natronlauge: Reines Produkt, 50 %ige Losung; Typischer Energieverbrauch: 3300 kWh/t CI,
Diaphragmazellen Urnwelteinflusse: Mogliche Asbestgefahren. Technische Losungen sind mit zusatzlichen Kosten moglich; Natursole moglich
2 Vom Steinsalz zu Chlor, Natronlauge und Soda
279
Natronlauge: Vor dem Verdarnpfen 12 %ige NaOH rnit Sole vermischt, nach dem Verdarnpfen 50 %ige NaOH, 1 % Salz; Typischer Energieverbrauch: 2800 kWh/t CI, + 6 t Dampf
giebedarf und die nicht vorhandene Belastung der Urnwelt durch Quecksilberdarnpfe begunstigen diese. 1998 wurden weltweit 20 % des Chlors nach dern Membranverfahren hergestellt,
Membranzelle
2.5 Technische Verwendung von Chlor, Natronlauge und Wasserstoff
Urnwelteinflusse: Keine Verschmutzung oder gefahrliche Materialien; Solereinigung aufwendig Natronlauge: Hohe Reinheit, 35 %iges Produkt; Typischer Energieverbrauch: 2500 kWh/t C1, Diese Zahlen fur den Energieverbrauch beziehen sich lediglich auf den zur Elektrolyse erforderlichen Gleichstrom. Jedoch auch beim gesarnten Energiebedarf eines AlkalichloridKornplexes zeigt sich, daB die Mernbrantechnologie den geringsten spezifischen Energiebedarf hat. 2 A A Technologie-Entwicklung der Alkali-
chlorid-ElektrolyseDeutsches Reich, Bundesrepublik Deutschland
Abb. 111-29 zeigt, daB die Bedeutung der einzelnen Verfahren zur Herstellung von Chlor und Natronlauge, irn Laufe von fast 100 Jahren Chemie, in der Vergangenheit sehr unterschiedlich gewesen ist. In der Zukunft wird das Mernbran-Verfahren wieder einen sehr hohen Stellenwert erhalten. Faktoren wie hohere Ausbeute, geringerer Ener-
Die Produktion ausreichender Mengen von Chlor und Natronlauge als notwendige Grundstoffe ist Voraussetzung fur die Erzeugung wichtiger chemischer Bedarfsguter hoherer Veredelungsstufen. Die Produktion von Chlor in Deutschland betrug 1999 3,4 Mio t. Das ist ca. ein Drittel der westeuropaischen Erzeugung (1999: 9,4 Mio t). Die Produktion von NaOH betrug 1999 fast 3 3 Mio t. Die Hohe der Chlorproduktion ist ein Kriteriurn fur die Leistungsfhigkeit einer modernen, in ihren Endprodukten stark differenzierten chemischen Industrie. Pjlanzenschutz- und Schadlingsbekampfungsmittel, Farbmittel, Pharmazeutika und viele andere unentbehrliche chemische Endprodukte enthalten Chlor in unterschiedlichen Mengen. Weltweit wurden 1999 40 Mio t Chlor produziert. Die Hauptrnenge des Chlors wird fur Chlorierungsreaktionen in der organischen Chernie, insbesondere bei der Methanchlorierung und fur PVC benotigt. Eine chemische Produktion ist ohne Chlor nicht rnoglich (Abb. 111-162 und 164).
80
60
40
20
Abb. 111-29. Technologie1900
1920
1910
1960
KIWI
2000
[J&m]
Entwicklung der AlkalichloridElektrolyse Deutsches Reich und Bundesrepublik Deutschland.
Kohlenstoffdioxid
+ Bauxit
+ FluDsaure
+
+ Schwcfcldioxid
+
I
-
Benzol
Stickstoff
+ Silizium
+ L -
B -
C
Pigmenre. Gerbstoffe
Aluminium
e
Toluidin
~
Farbstoffc, Pharmazeutika, Polymethane, Losemittel
Ester, Losemittel, Riechstoffe, Aromastoffe, org. Zwischenprodukte
Speisefette
Isocyanate. Polymethane
Krafiwerke, Brennstoffzelle
- Ammoniak ___ Dungemittcl - Silane Silicone
- Alkohole
-
h
rn
L
.-
w
b
a -
M -
- Anilin
- Cyclohcxan -Org. Zwischenprodukie, Kunststoffe
Reinigungsmittel
Waschrohstoffe, Pharmazeutika in wasserloslichen Zustand Zellwolle, Papier, Scifen Regenerieren von lonenaustauschern Entschalen von Kartoffeln (Pommes Frites) Reinigungsmittel
Uberfihren zahlreicher org. Verbindungen wie
-+ Nitrobenzol b0 - + Nitrotoluol + pflanzl. Fette und Ole cn + Produkte der Oxosynthese
-+
Holzschutzmittel, FluBmittel, Zahnpasta
-Kryolith (FluDmittel zur Aluminiumherstellung)
Neutralisieren
-
+ Aluminiumoxid
Soda
Starke, Papier, Mercerisieren
+ Glas. Seife
Feuerloscher, Backpulver
Reduktionsmittcl, Bleichmiitel
Fullstoffe
Bisulfit (Hydrogensulfit), Sulfit
Entharten, Bleichen
Natriurnsilikate
Waschmittelzusatze und
Natriumperborat
Natriumtripolyphosphat
w Bicarbonat (Hydrogencarbonat)
b
-t
-Endprodukte und Einsatzgebiete
Stroh, Holz, Baumwolle
& + Chromerze
I
Phosphorsaurc
+ Borax, Borsaure + Quarzsand
+
I
U
E
(P
1
e s
M
w
I
Ausgangsstoffe
2 Vom Steinsalz zu Chlor, Natronlauge und Soda
Natronlauge wird im wesentlichen zur Neutralisation und als AufschluJmitteE eingesetzt. Der als Nebenprodukt anfallende Wasserstoff wird Hydrierungsprozessen zugefuhrt, z. B . der Ammoniaksynthese, der Methanolsynthese oder der Hydrierung ungesattigter Fette. 1999 fielen in Deutschland 2948 Mio Kubikmeter Wasserstoff an (Abb. 111-30 und -31).
2.62 Chemische Grundlagen
2.6 Sodagewinnung nach Solvay
CaC03
Der chemische Vorgang gliedert sich in funf Stufen.
I . Stufe: Kalkbrennen zur Gewinnung von Kohlenstoffdioxid
Kalkstein wird in Schachtofen bei ca. 1400°C gebrannt.
-
Kalk
-
-
Koks Kalkstein Steinsalz Ammoniak Wasser
CaO
(1)
BranntKalk
2 . Stufe: Gewinnung von Ammoniumhydrogencarbonat
Kohlenstoffdioxid wird in eine wabrige ammoniakalische Steinsalz-Losung eingeleitet. 2 CO,
+ 2 NH, + 2 H20
-
2 NH4HCOI
(2)
Ammoniumhydrogencarbonat
(AH = + 337.9 kJ/mol)
Na2C03 + CaCl, (AH = + 87,06 kJ/mol)
Doch so ohne weiteres verlhft diese Verdrangungsreaktion nicht. Sie ist nur uber den Umweg von Ammoniumhydrogencarbonat moglich. Als Rohstoffe des Ammoniak-Soda-Verfahrens - wie das Solvay-Verfahren auch genannt wird - sind: -
+
( A H = + 178,7 kJ/mol)
Das Solvay-Verfahren beruht auf der Umsetzung von wabriger Steinsalz-Losung mit Ammoniumhydrogencarbonat. Die technische Durchfuhmng gelang erstmalig dem belgischen Chemiker Ernest Solvay (1838-1932), der 1863 eine Familiengesellschaft Solvay & Cie. griindete. Der chemische Vorgang des Solvay-Verfahrens ist eine Verdrangungsreaktion zwischen dem Natriumchlorid (Steinsalz) und Calciumcarbonat (Kalkstein) in wassriger Losung. Die Chlorid-Ionen des Steinsalzes verdrangen die Carbonat-Ionen aus dem Kalkstein.
+ CaCO,
C02
Kohlenstoffdioxid
2.6.1 Rohstoffe
2NaCl
281
3. Stufe: Gewinnung von Natriumhydrogencarbonat
Arnmoniumhydrogencarbonat wird durch Zugabe von Natriumchlorid in Natriumhydrogencarbonat uberfiihrt.
-
2 NH4HC03+ 2 NaCl
+ 2 NH4CI
Natriumhydrogencarbonat
[CfJ" CaCO, NaCl NH, H2O
erforderlich. Kalkstein dient als Kohlenstoffdioxid-Lieferant, CO,, oder Carbonat-Ionen-Lieferant, CO,*-; Steinsalz ist der Lieferant fur die Natrium-Ionen, und Ammoniak ist notig fur das Zwischenprodukt Ammoniumhydrogencarbonat . Der Koks dient als Feuerungsmaterial beim Kalkbrennen.
2 NaHCO,
(3)
Ammoniumchlorid
(AH = + 87,8 kJ/mol)
4 . Stufe:
2NaHC0,
Calcinierung des Natriumhydrogencarbonats
-
Na2C0,
+
CO,
+
H,O
(4)
Natriumcarbonat
(AH = +68,46 kJ/mol)
Das der Soda anhaftende Wasser wird verdampft .
282
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
2.63 Technische Durchfiihrung
5. Stufe: Riickgewinnung des Ammoniaks mit geliischtem Kalk Der geloschte Kalk wird aus dem Branntkalk erhalten, indem dieser in horizontal gelagerten Drehtrommeln unter Zugabe von Wasser geloscht wird.
-
CaO+H,O Branntkalk
Ca(OH),
(5)
Lorchkalk
(AH= -8 1 ,S kJ/mol) 2NH4CI
+
-
Ca(0H)Z CaClz
+
2 N H , + 2 H 2 0 (6) (AH = + I7 1 5 kJ/mol)
Das Zusammenfassen der chemischen Reaktionsgleichungen (1-6) aus den vier Teilstufen fuhrt zu folgender Bruttoreaktionsgleichung, die als Grundlage fur eine Materialbilanz dient: 2NaCl +CaCOI 2 '58.5
-
100.1 p
Na2C07 +CaCI, 106g
(7)
lllg
(AH= +X7,06 kJ/rnol) Aus der Grundgleichung des AmmoniakSoda-Verfahrens ergibt sich stochiometrisch ein Einsatz von -
1170 kg Steinsalz (NaCI) und 1001 kg Kalkstein (CaCO,).
Aus ihnen entstehen 1060 kg Soda (Na,CO,) und 1 1 1 1 kg Calciumchlorid (CaCI,). In der Praxis werden fur die Produktion von 1 Tonne 99 %ig reiner Soda benotigt: -
Die technische Produktion verlauft in mehreren nacheinander und parallel geschalteten Stufen ab (Abb. 111-32 und -33). Bei der Sodaherstellung ist zwischen dem direkten Produktionsweg von Steinsalz, NaCI, zur Soda, Na,CO,, und dem begleitenden Kohlenstoffdioxidkreislauf sowie dem Ammoniakkreislauf zu unterscheiden.
1500 kg
~
1550 kg Steinsalz,
- 1100 kg - 1250 kg Kalkstein, - ca. 500 kg Ammoniak und - 60 kg - 62 kg Koks mit einem Heizwert
von 29 500 kUkg. EinschlieBlich der Branntkalkgewinnung betragt der Energieaufwand pro Tonne Soda ca. 12Gigajoule. Davon entfallen ca. 3,s Gigajoule auf die Calcinierung, 4 Gigajoule auf die Ammoniakriickgewinnung und 1,s Gigajoule fur das Brennen des Kalksteins. Die restliche Energie wird fur die ubrigen Verfahrensschritte gebraucht. Fur l t Soda ist somit die Energie von 400 kg Koks erforderlich.
1 . Der Weg vom Steinsalz zur Soda Aus Steinsalz und Wasser wird eine nahezu gesattigte Losung hergestellt, die von anorganischen Begleitstoffen, wie z.B. Magnesium- und Calcium-Verbindungen durch Fallungsreaktionen und anschlieBender Filtration gereinigt werden. Die Reinsole wird unter Kiihlung in Absorptionskolonnen mit Ammoniak gesattigt. AnschlieBend wird in Carbonisationskolonnen bei ca. SO "C Kohlenstoffdioxid zugefuhrt. Es entsteht nach GI. (2) Ammoniumhydrogencarbonat, welches nach GI. (3) die Umsetzung zu Natriumhydrogencarbonat bewirkt. Das ausgefallte Natriumhydrogencarbonat wird durch Filtrieren oder Zentrifugieren von der Mutterlauge getrennt. Durch das Erhitzen und Calcinieren wird das Natriumhydrogencarbonat nach GI. (4) in Natriumcarbonat iiberfuhrt. Dabei werden Wasser und Kohlenstoffdioxid abgespal ten. Kohlenstoffdioxid wird aufgefangen und dient wieder zur Carbonisierung bzw. Bildung von Natriumhydrogencarbonat nach GI. (2) und GI. ( 3 ) .
2 , Der Kohlenstoffdioxid- Kreisluuf Das Kohlenstoffdioxid wird nach GI. ( I ) durch Brennen von Kalkstein in Schachtofen bei Temperaturen von ca. 1400°C erhalten. Das wahrend der Calcinierung nach GI. (4) freigesetzte Kohlenstoffdioxid wird immer wieder in den ProzeR zuriickgefuhrt. Der Branntkalk wird in horizontal gelagerten Drehrohrofen mit Wasser zu Loschkalk, Ca(OH),, umgesetzt. Mit dem Loschkalk wird der Ammoniak zuriickgewonnen.
3 . Der Ammoniak-Kreislauj Nach GI. (3) entsteht aus dem Ammoniumhydrogencarbonat Ammoniumchlorid. Aus diesem wird das Ammoniak mit Loschkalk nach GI. (6) zuriickgewonnen. Das schwacher basische Ammoniak wird von der starker basischen
2 Vom Steinsalz zu Chlor, Natronlauge und Soda
283
Abb. 111-32. Blockschema des Amrnoniak-Soda-Verfahrens (Solvay).
Kalkmilch, Ca(OH),, freigesetzt. Das freie Amrnoniak wird in Destillationskolonnen mit Dampf ausgetrieben. Das Ammoniak wird wieder den Absorptionsturmen zur ammoniakalischen Sattigung der Reinsole zugeleitet. Der Wiedergewinnungsanteil des Ammoniaks ist mit 99 % sehr hoch. 4. Recycling Der Verfahrensablauf des Ammoniak-Soda-Verfahrens ist ein partielles Recycling-Verfahren. Das Kohlenstoffdioxid aus dem Kalkstein wird zu 50% in der Soda gebunden und zu 50% im Kreislauf gefuhrt. Der Ammoniak wird vollstandig im Kreislauf gefuhrt. Die Emissionsverluste
von Kohlenstoffdioxid und Ammoniak sind sehr gering . Als weiteres Produkt des Ammoniak-SodaVerfahrens bleibt noch das Calciumchlorid, CaCl,. Das Hauptanwendungsgebiet des Calciurnchlorids liegt im StraRen- und Wegebau zur Verfestigung und Entstaubung der Oberflachen. Mit CaCl, lassen sich Kaltemischungen mit Temperaturen bis - 50 "C herstellen. Sie werden deshalb im StraRenwinterdienst eingesetzt. AuBerdem wird es als Abbindebeschleuniger in Zement und Beton verwendet.
284
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
- In der Eisenhuttenindustrie wird Soda zur
Entschwefelung von Roheisen, GuBeisen und Stahl verwendet, auaerdem als Flotationsund FluUmittel. - In der Waschmittel- und Seifenindustrie werden rnit Soda Grobwaschmittel und andere Reinigungsmittel hergestellt und Fette verseift . - In der Zellstoff- und Papierindustrie dient Soda sowohl zum AufschluU, zur Neutralisation, zum Reinigen und Bleichen als auch zur Aufarbeitung von Altpapier.
2.65 Das Trona-Verfahren
Flu5sigkcits-
,lTbco2
AuPgang
Abb. 111-33. Schnitt durch einen Fallturm.
2.6.4 Technische Verwendung von Soda Weltweit werden gegenwartig (1997) jahrlich ca. 39 Mio t Soda produziert. In Deutschland betragt das Marktvolumen ca. 2,4 Mio t (1999). Der grol3te Teil der Soda wird von funf Industriebranchen aufgenommen. -
-
Die Glasindustrie braucht Soda als Rohstoff fur ihre Glasschrnelzen. Sie ist der groBte Sodaverbraucher. Die chernische Industrie setzt Soda ein zur Herstellung von Bleichmitteln, Borax, Chromaten, Farben, Fullstoffen, Gerbereihilfen, lndustriereinigern, Kryolith, Leim- und Klebstoffen, Metallcarbonaten, Natronsalpeter, Perborat, Phosphaten, Silikaten, Sulfit, Ultramarinfarben, Wasserglas u. a. Chemikalien.
Neben dem Ammoniak-Soda-Verfahen zur Herstellung von Soda hat sich in den USA seit 1952 das Trona-Verfahren mehr und mehr durchgesetzt. Die letzte Ammoniak-Soda-Fabrik nach Solvay schlolj 1985 ihre Pforten. Trona ist ein Bestandteil der Natursoda in den Natronseen vieler Wustengebiete. Es hat die chemische Zusammensetzung Na,CO,. NaHCO, . 2 H 2 0 . Der Name leitet sich von dem arabischen Wort ,,tron" her. Das ist eine Kurzbezeichnung fur natrum, Soda. Nach dem Trona-Verfahren wird das bergmannisch gewonnene CarbonatSalz zerkleinert und durch Losen in heil3em Wasser von Begleitstoffen befreit. Nach dem Eindampfen im Vakuum erhalt man ein Monohydrat der Zusammensetzung Na,C03. H 2 0 , das zu Soda calciniert wird.
2.6.6 Der Verbund zwischen der Soda- und Alkalichlorid-Elektrolyse-Chemie
Der Rohstoff fur Natronlauge, Chlor und Soda ist Steinsalz. Die Alkalichlorid-Elektrolyse liefert zusatzlich noch Wasserstoff. Alle vier Stoffe zahlen zu den wichtigen Schlusselprodukten einer modernen chemischen Verbundwirtschaft und der ihr nachfolgenden Anwendungs-Industrie. Alle vier Schlusselprodukte erganzen sich und sind auch die Voraussetzung fur eine diversifizierte industrielle organische Chernie mit ihren zahlreichen Zwischenprodukten und hochveredelten Endprodukten (Abb. 111-34).
2 Vom Steinsalz zu Chlor, Natronlauge und Soda
TI
..
.
..
.
L
I
,
!
s
.
I
i
285
3 Methanchlorierung
2. Stufe
3.1 Chemische Grundlagen
CHTCI,,,
Zur Herstellung von Chlormethanverbindungen geht man von Methun und elementarem Chlor aus. Das Methan wird aus den Erdolraffinerien, dem Erdgas und auch aus den Crackanlagen bezogen. Das Chlor stammt aus der AlkalichloridElektrolyse. Die Chlormethan- und Vinylchlorid-Produzenten sind die Hauptabnehmer des in der Elektrolyseanlage erzeugten Chlorgases (s. Abschn. 111-14.8). Die Methanchlorierung ist eine Folge von energieerzeugenden (exothermen) Substitutionsreaktionen, die sich in den nachstehenden Gleichungen formulieren lassen. Die Reaktion verlauft in vier Stufen. Im Methan treten an die Stelle der Wasserstoffatome sukzessive Chloratome. Diesen Vorgang nennt man Substitution.
I . Stuff CHq,, Methan
+
Clz,,,
-
Chlor
CH,iCI,,l
+ HCI,,)
Chlor-
Chlorwasserstoff
meihan
( A H = -98,3 kJirno1)
+
CI,,,)
Chlormethan
-
Chlor
CHzCI,,,) + HCI,g) Dichlormethan
( A H = -103,8 kJ/mol)
3. Stufe CHZCIzg, + C1zgi Dichlormethan
-
Chlor
CHCI,,,, Trichlormethan
4. Stuje CHCI,,,,
+ CI,,,,
Trichlormethan
-
CCI,,,,
Chlor
Tetrachlorkohlcnstoff
\
kllrnol
\;103,8 \
\-+-,
i
200
\\;102,9
-
kJlmol
\
: :
100
\
\-92.0kJlmol \
\-*--
0 2 NaCl
cl,
CH3 CI
CHzC12
CHC13
u Alkalichloridelektrolyse
Methanchlorierung
Abb. 111-35. Chlorierungen als exotherme Reaktionen.
+ HCI,,, Chlorwa\\er\toff
Bei dieser Reaktionsfolge ist auffallend, dal3 fur jedes in das Molekul eingebaute Chloratom ein weiteres Chloratom zur Chlonvasserstoffbildung verbraucht wird. Als Nebenprodukt entsteht also Chlorwasserstoffgas (Abb. 111-35).
400 j
Chlorwasserstoff
( A H = -92,O kJlmol)
Reaktionsenthalpie [ A H ]
’
+ HCI,,,
(AH = -102.9 kJimo1)
500
300
Chlorw,as\erstott
cc14
.
3 Methanchlorierung
3.2 Technische Durchfuhrung Es wird hier die Kreislaufchlorierung beschrieben. Das Arbeitsprinzip des Verfahrens ist die thermische Aktivierung des Chlors, d. h. durch W-ezufuhr wird molekulares Chlor in das reaktionsfahige atomare Chlor gespalten. Urn Nebenreaktionen und Explosionsgefahr zu vermeiden, betragt das Volumenverhaltnis von Methan zu Chlor etwa 8 : 1. Die technische Durchfuhrung lauft in vier Verfahrensschritten ab (Abb. 111-36): Mischen und Reaktion der Komponenten Methan und Chlor, Auswaschen des Chlorwasserstoffs, Kompression und Verfliissigung der Reaktionsprodukte, Destillative Trennung der Reaktionsprodukte.
287
I . Mischen und Reaktiun Zu dem auf 180"C vorgewarmten Kreislaufgasstrom, der uber 80 % Volumenanteile Methan, ca. 10 % Volumenanteile Chlormethan und ca. 10 % Volumenanteile Inertgase enthalt, wird uber eine Mischdiise gasformiges Chlor eingeleitet. Inertgase nehmen nicht an der Reaktion teil. Der Reaktur ist ein zylindrischer Kessel aus nickelplatiniertem Stahl. Er ist so konstruiert, daR das einstromende Gemisch zu einem inneren Umlauf im Reaktor nach dem Prinzip des Schlaufenreaktors gezwungen wird. Dabei werden Frischgase durch den exothermen Reaktionsverlauf sehr schnell auf die Reaktionstemperatur von 420°C gebracht (s. auch Abb. 111-55 und IV-128).
2. Auswaschen des Chlorwasserstufls Der als Nebenprodukt anfallende Chlorwasserstoff wird mit Wasser im Gegenstrom in Waschtiirrnen mit Gummiauskleidung als Salzsaure ausgewaschen. Man erhalt die sogenannte
Abb. 111-36. Vereinfachtes VerfahrensflieRbild der Methanchlorierung.
288
111 Produktionsverfahren m r Herstellung von chemischen Grundprodukten
Kreislaufsaure mit ca. 31 % HCI (Massenanteile). Sie wird verkauft oder elektrolytisch wieder in Wasserstoff und Chlor gespalten. Noch verbliebene geringe Reste von Chlorwasserstoff werden in einem weiteren Waschturm mit Natronlauge ausgewaschen. Es entsteht eine Kochsalzlosung, die in der vorliegenden Konzentration keine Abwasserbelastung darstellt. 3. Kornpression und Verfliissigung Ein Verdichter komprimiert die vom Chlorwasserstoffgas befreiten Case auf 6bar bis 7 bar und halt damit den Gaskreislauf der gesamten Anlage aufrecht. Die Kondensation erfolgt uber Vor-, Mittel- und Tiefkuhler bis -40°C. Das vom Produkt weitgehend befreite Kreislaufgas wird zum Reaktor zuriickgefuhrt. Uber Regelventile werden Methan und Chlor eingespeist, und damit ist der Kreislauf geschlossen. Um eine Anreicherung von Inertgasen wie z.B. Stickstoff zu vermeiden, wird ein Teil des Reaktionsgases aus dem Kreislauf abgefuhrt.
4 . Destillutive Trennung der Reuktionsprodukte Die nebeneinander entstehenden Chlorierungs-
- Monochlormetha
- Dichlormethan
€
produkte Chlor-. Dichlor-, Trichlor- und Tetrachlormcthan werden durch Destillution in nacheinander geschalteten Destillierkolonnen getrennt.
3 3 Technische Verwendung der Chlorierungsprodukte Das Chlormethan (Methylchlorid) dient zu Methylierungen und damit zur Herstellung von Zwischenprodukten fur Farben, Textilhilfsmittel und Pharmazeutika, aulierdem zur Herstellung von Siliconolen und Silikonkautschuk. Dirhlormethan (Methylenchlorid) ist ein wichtiges technisches organisches Losemittel fur die Film- und Lackindustrie und Extraktionsmittel fur die Erdol- und pharmazeutische Industrie. Trichlormethan (Chloroform) und Tetruchlormethan sind die Grundstoffe fur fluorierte-chlorierte Methanverbindungen (Abb. 111-37). Allerdings spielen die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, FCKW, in Nordamerika und Europa fur technische Zwecke keine Rolle rnehr. Ihre Verwendung ist gesetzlich untersagt. Sie belasten die Ozonschicht zu stark (s. Abschn. 111-14.8).
Methylzellulose
Pharmazeutika
Silicone
Siliconole, Siliconkautschuk
techn. Losemittel
Filmindustrie, Lackindustrie, Metallreinigung
Extraktionsmittel
Erdol- u. pharmazeut. Industrie
-techn. Losemittel
Lackindustrie
Extraktionsmittel Methanv - Trichlormethan chlorierung
Pharmazie
Difluormetha
Chloroform als Losemittel
--E
Kaltemittel Kunststoff PTFE
Fluorwasserstoff (HF)
-Tetrachlormethan
Aerosol
Dichlordifluormethan
$
Kaltemittel Verschaumung
Abb. 111-37. Ubersicht uber die Weiterverarbeitung von Chlorierungsprodukten des Methans.
4 Schwefelsaureherstellung nach dem Doppelkontaktverfahren
4.1 Schwefel- und
USA (Texas und Louisiana), Polen, Italien, Japan und Kanada. Eine wichtige Quelle elementaren Schwefels ist das Erdol, bei dessen Raffination er anfallt. AuBerdem sind durch Erschliehng von Erdgasfeldern in den letzten Jahren zusatzliche Kapazitaten zur Erzeugung von elementarem Schwefel entstanden. Weltweit werden zur Zeit 35 Mio jato verarbeitet. 80% davon dienen der Schwefelsaureherstellung.
Sulfidvorkommen Als Rohstoffbasis fur die Schwefelsaureherstellung dienen elementarer Schwefel und sulfidische Erze, insbesondere Pyrit (FeS,, Schwefelkies). In Westeuropa finden sich sulfidische Erze in ausgedehnten Lagerstatten in Spanien, Norwegen und auf der Insel Zypern. Die wichtigsten Pyritvorkommen in Westdeutschland liegen bei Meggen an der Lenne. Elementarer Schwefel kommt im Gegensatz zu den Sulfiden nur in geringerem Umfang vor. Die zur Zeit bekannten Reserven von etwa 400 Mio t Schwefel verteilen sich auf Mexiko,
4.2 Ausgangsstoffe Elementarschwefel, sulfidische Erze, Abfallsulfate und verunreinigte Schwefelsaure sowie Endstoffe
Ausgnagsstoffe
Erdol
Rafiinauon
p
Schwefclwvserrlall
Oxidation
W
Kohlc
Kokcn
elcmcntarcr Schwcfcl
Absorption
Luftraucntofl
r----
I
und Spalten 01, Schwcfcl
Abb. 111-38. Verfahren zur Schwefelsaureherstellung.
I
290
111 Produktionsverfahren m r Herstellung von chemischen Grundprodukten
Dunnsaure sind Ausgangsstoffe fur die Schwefelsaureherstellung. Als Dunnsaure wird in der chemischen Industrie eine verdiinnte wassrige Schwefelsaure bezeichnet. Durch Abdampfen von Wasser wird aus ihr wieder eine konzentrierte Schwefelsaure zuriickgewonnen. Neben elementarem Schwefel und Schwefelverbindungen sowie dem Luftsauerstoff ist Wasser Rohstoff fur die Schwefelsaureherstellung (Abb. 111-38).
4 3 Technische Durchfiihrung
1. Schwefeldioxidgewinnung durch Abrosten von Pyrit bzw. Verbrennung des elementaren Schwefels und Abhitzeverwertung, 2. Katalytische Oxidation des SO2zu SO.?,
3 . Absorption des Schwefeltrioxids durch konz. Schwefelsaure, Reaktion
5. Endabsorption 1. Schwefeldioxidgewinnung Dieser Verfahrensschritt ist technisch am problemlosesten, wenn reiner geschmolzener Schwefel verbrannt wird. Der geschmolzene Schwefel wird in Brennern, die den Heizolbrennern ahnlich sind, verfeuert. Die zur Verbrennung erforderliche Luft wird durch Auswaschen mit 96 %iger Schwefelsaure getrocknet.
s,.,
Das Verfahren ist in funf Verfahrensschritte zu unterteilen (Abb. 111-39):
Verbrennunq
4. Oxidation des schwefeldioxidhaltigen Restgases zu Schwefeltrioxid,
Absorption
+
Schwefel
-
oz,F,
SOL,B,
Sauer-
Schwcfcldioxid
stoft
(AH=-296.5 kJ/mol) Der angegebene AH-Wert bezieht sich auf 1 mol festen Schwefel. Die Warmeenergie der exothermen Reaktion wird zur Dampferzeugung genutzt. Pro Tonne Schwefel, die verbrannt wird, erzeugt man etwa 3,4 t Dampf von 30 bar. Reaktion
Endabsorption
G"' Abb. Ill-JY.
Vereintachtes Vertahrenstlieljbild der Schwetelsaureherstellungnach dem Doppelkontaktvertahren.
4 Schwefelsaureherstellung nach dern Dvppelkontaktverfahren
Die Erzeugung von Schwefeldioxid aus sulfidischen Erzen geschieht durch sog. Rosten. Die sulfidischen Erze werden auf dem Rost verbrannt (abgerostet). Dabei verbrennt der gebundene Schwefel zu Schwefeldioxid: 4 FeS2,%)+ 11 Schwefelkies
Luftsauerstoff
-
3 . Katalytische Oxidation des Schwefeldioxids zu Schwefeltrioxid Das gasformige Schwefeldioxid wird mit dem Restsauerstoff, der nach der Erzeugung des SO, iibrig geblieben ist, weiter zum gasformigen Schwefeltrioxid oxidiert:
2 Fe203,,)+ 8 Eisen(Il1)oxid
Schwefeldioxid
( A H = -3310,O kJ/mol)
Fur die Rostung der Sulfide wurden zahlreiche Ofentypen konstruiert, von den Stuckkiesofen uber Etagen- und Drehrohrofen bis zu Wirbelschichtofen. Das erzeugte SO, ist z.T. mit erheblichen Staubmengen verunreinigt. Die notwendige Gasreinigung fiihrt bei Verwendung von sulfidischen Erzen als Rohstoff zu einer Verdoppelung der Anlagekosten, verglichen mit den Anlagen, die vom Elementarschwefel ausgehen. Beim Pyritrosten im Wirbelschichtofen (nur bei arsenfreiem Kies) werden 1,4 t Dampf, im Drehrohrofen ca. 1 t Dampf (30bar) pro Tonne Schwefelkies erzeugt. Die Konkurrenzfhigkeit gegeniiber dem Elementarschwefel hangt auch entscheidend vom Preis der Schwefelkiese und hauptsachlich davon ab, ob der Abbrand, das Eisenerz (Fe,O,), vollwertig in der Stahlindustrie einzusetzen ist. Reste von Kupfer, Zink, Blei und Edelmetallen miissen aus dem Abbrand entfernt werden, bevor er im Hochofen verhiittet wird. Diese wenig wirtschaftliche Aufarbeitung der Abbrande der Schwefelindustrie hatte in Deutschland eine alte Tradition in der Duisburger Kupferhiitte. Ein hohes technisches ,,Know-how" zur Aufarbeitung von Abbranden und metallhaltigen Altlasten hat die Metallgesellschaft AG in Frankfurthlain entwickelt. Die Produktion von Schwefelsaure aus elementarem Schwefel hat zu Lasten des Schwefelkieses immer grol3ere Bedeutung gewonnen. Aus 1 t Elementarschwefel lassen sich 3 t Monohydrat (100 %ige Schwefelsaure, bezogen auf die Massenanteile) herstellen.
2 . Reinigung des Schwefeldioxids Eine sorgfaltige und intensive Gasreinigung ist notwendig, um Schwefeldioxid von allen Kontaktgiften zu befreien, die die Wirksamkeit des Katalysators herabsetzen konnten. Mittels elektrischer Heiagasreinigung werden die Staubteilchen abgeschieden. Die gasformigen Begleitstoffe werden durch eine Gaswasche mit Wasser und verdunnter Schwefelsaure herausgewaschen .
29 1
2 SO,,,) Schwefeldioxid
+
o,,,,
-
L
Luftsauerstoff
2 SO% Schwefeltrioxid
(AH= -198,O kJ/mol) Diese Reaktion verlauft erst oberhalb von 600°C einigerrnden schnell. Bei so hohen Temperaturen zerfallen die SO,-Molekiile aber zu einem erheblichen Teil wieder in Schwefeldioxid und Sauerstoff. Das hat zur Folge, dal3 bei 600"C nur 70% des SO, in SO, iibergefuhrt werden konnen. Der riickwtirts gerichtete Pfeil in der Reaktionsgleichung beschreibt das. Verwendet man aber einen geeigneten Katalysator, so verlauft die Reaktion auch bei weniger hohen Temperaturen, bei denen das SO3 stabil ist, mit grol3er Geschwindigkeit. Daher verwendet man zur Herstellung von SO, Vanadiumoxid- und Kaliumoxid-haltige Kontakte (Katalysator: V205).An ihnen reagiert das SO,Luft-Gemisch unterhalb 500"C. Unter Zwischenkiihlung setzt sich das SO, zu etwa 95 % zu SO, um.
4 . Absorption des Schwefeltrioxids durch konzentrierte Schwefelsaure In Absorptionstiirrnen werden von herabrieselnder, in Tropfchen feinverteilter konzentrierter Schwefelsaure die von unten entgegenstromenden Schwefeltrioxidgase absorbiert . Das Wasser, das in der konzentrierten Schwefelsaure enthalten ist, reagiert mit dem Schwefeltrioxid zu Monohydrat, das weiteres SO3 losen kann. Es entsteht eine Losung von SO, in H2S04,die Oleum genannt wird.*
Sox,, Schwefeltrioxid
-
+ H 8 0 , (HZO~I) 2 H2SO4,,, konz. Schwefelsaure
Monohydrat
A,HD,,,:*
-395 .I
-1 12.4
2 . (-814)
(AH= -1 1 I99 kJ/rnol)
*
ABW29w sind die in dieser Rechnung verwendeten Bildungsenthalpien,
Verwcndung als Elekrolyt
Trockenmittel
Entharzen von Mineralolen
Sulfonierung und Sulfatierung
Reaktionen rnit Olefinen (bes. in USA)
Bestandteil der Nitriersaure
kurzfristige Einwirkung auf Stahl
Monomeren
grohechnische Herstcllung von
Bestandteil von Fallbadern
und Chromaten
AulschluD von Phosphaten, Fluoriden
w
c
-
+
-
+
c
*
( 2 . B.
fur Chlor) Akkumulatorensaure im Bleisammler (Akku)
Trockenmittel fur Gase
Erdbl- und Altolraffination
organ. Chemikalien
Klebstoffe, Farbstoffe, Arneimittel,
Tensidc (Waschmittel). Weichmacher.
Alkohole, z. B. Ethylalkohol
Sprengmittel
Nitrozellulose, Farbstoffe, Kunststoffe.
Nitrobenzol. Dinitrotoluol, Nitroglycerin.
(Stahlbeize)
Obcrflachenbehandlung von Stahl
Meth ylmethacrylat
Aminocaprolactam fur PA 6,
regenerierte Zellulose
saure und Chromsaure
Phosphorsaure. Fluorwasserstoff-
Titandioxid (Weinpigment)
AufschluB von Titanrnineralicn c
Ammoniumsulfat
Dungemittel
2 -
1
Endprodukte und Einsatzgebiete
Neutralisation von Ammoniak
AufschluD von Rohphosphaten
Abb. 111-40. Ubersicht uber die Weiterverarbeitung von SchwefelsaureiOleum.
Ausgangsstofie
4 Schwefelsaureherstellung nach dem Doppelkontaktverfahren
Der Anteil an SO3 irn Oleurn betragt 25 % bis 30 % (Massenanteile). Der AbsorptionsprozeB wird in zwei hintereinandergeschalteten Stufen durchgefuhrt, wobei die erste zur Erzeugung von 20 % bis 35 %igern Oleum und die zweite zur Erzeugung von 98 %iger Schwefelsaure (Massenanteile) dient.
5. Oxidation des schwefeldioxidhaltigen Restgases zu Schwefeltrioxid und Endabsorption Das SO,-haltige Restgas, das noch 0 , 5 % Volurnenanteile SO, und 5 % bis 6 % Volurnenanteile 0, enthalt, wird uber einen zweiten Kontakt emeut oxidiert und anschlieknd absorbiert. Daher stamrnt auch der Fachausdruck Doppelkontaktverfahren. Beirn Doppelkontaktverfahren wird die SO,-Ausbeute auf insgesarnt uber 993 % gesteigert. Gleichzeitig rnildert sich das Abluftproblern. Wahrend die Restgase alterer Anlagen noch 0,2 % bis 0,s % (Volumenanteile) SO2 enthielten, wird die SO,-Konzentration beim Doppelkontaktverfahren auf 100ppm bis 300 ppm* und tiefer herabgesetzt. So konnte bei der Erzeugung von Schwefelsaure trotz Produktionssteigerung die Schwefeldioxid-Emission ganz erheblich gesenkt werden (s. Abschn. 111-12.5). Zu welcher Vollkomrnenheit die Technik der Schwefelsaureherstellung gelangt ist, zeigt der hohe Autornatisierungsgrad des Prozesses. So kornmt beispielsweise eine rnodeme Schwefelsaure-Anlage, die Elernentarschwefel als Rohstoff verwendet, bei einer Tagesleistung von 500 t SO, rnit einer Belegschaft von zwei Mann pro Schicht aus. Eine weitere SO,-Quelle zur Herstellung von Schwefelsaure sind die Rauchgase von Kohleoder Olkraftwerken. Das aus den Rauchgasen entsorgte SO2 wird iiber Rohrleitungen zu einer Schwefelsaureanlage geleitet.
4.4 Technische Verwendung von Schwefelsaure In Deutschland wurden 1999 3,l Mio t Schwefelsaure (berechnet auf SO,) erzeugt. MengenrnaBig ist Schwefelsaure vor Arnmoniak, Chlor und Natronlauge die wichtigste anorganische Industriechemikalie. Weltweit werden zur Zeit knapp 90 Mio t hergestellt. G r o k Mengen Schwefelsaure werden bei dern Nafiaufschlullverfahren fur Rohphosphate benotigt. Ein anderer Teil wird zur Urnsetzung von Arnrnoniak zu Arnrnonsulfatdungem eingesetzt. Nicht unerheblich ist der Bedarf an Schwefelsaure fur Sulfonierungsreaktionen in der organischen Chernie zur Herstellung reaktionsfahiger Zwischenprodukte. GroBtechnische Sulfonierungsprodukte sind die waschaktiven Substanzen in unseren Waschmitteln. Ein weiterer Teil der Schwefelverbindungen wie z. B. Schwefelkohlenstoff, CS2, wird in der Kautschukindustrie als Ausgangsprodukt fur Vulkanisationsbeschleuniger und bei der Herstellung von Viskosefasem benotigt . Zusarnmen rnit der Salpetersaure bildet Schwefelsaure die Nitriersaure, die fur Nitrierungsreaktionen, d. h. die Einfuhrung von Nitrogruppen in organische Verbindungen (z. B. Benzol), benotigt wird. Auf diese Weise erhalt man organische Zwischenprodukte fur die groBe Palette der Farbmittel und Pharrnazeutika (Abb. 111-40).
Die grol3te Schwefelsaureanlage in Europa wurde Ende 2000 vorn Dungernittelkonzern Ferriheria in HuelvdSpanien in Betrieb genornmen. Sie hat eine Kapazitat von 800000 jato. Als Rohstoff dient elernentarer Schwefel. Als exothermes Verfahren fallen jahrlich 1,l Mio t HochdmckdarnpP an, der in einern Generator mit einer Leistung von 15 Megawatt verstrornt wird. Der anfallende Niederdruckdarnpf* wird in den Phosphorsaureanlagen eingesetzt, zurn AufschluB der Rohphosphate (Abschn. 111-5). Die Schwefelsaureanlage wurde von der Lurgi-Metallurgi GrnhHIFrankfurt errichtet. Kosten 28 Mio Euro. *
*
100 ppm = 0.001 c/r (Volumenanteile).
293
Niederdmckdampf (ND) P his IS bar bzw. I ,S MPa Mitteldruckdampf(MD) P oberhalb 15 bar his 25 bar hzw. I ,S MPa - 2,s MPa Hochdruckdampf(HD) P oberhalb 25 bar his 100 bar bzw. 2.5 MPa - 10 MPa Hnhere Dampfdriickc hciBen Hnchstdruckdampf.
5 Vom Rohphosphat zur Phosphorsaure
5.1 Phosphor und seine Eigenschaften Phosphor - chemisches Symbol P - ist sehr reaktionsfahig und kommt daher in der Natur nicht elementar vor. Er muB aus phosphorhaltigen Verbindungen, den Rohphosphaten, durch chemische Aufbereitung gewonnen werden. Der elementare Phosphor tritt in drei verschiedenen Erscheinungsformen, auch Modifikationen genannt, auf. Es sind diese der gelbe oder weil3e Phosphor, der rote und der schwarze Phosphor. Die schwarze Form ist nur unter aufwendigen Bedingungen zu erhalten. Bei der grol3technischen Darstellung von elementarem Phosphor wird immer erst die weiBe Modifikation erhalten, aus der dann die rote entsteht (s. Abschn. III14.4).
5.2 Rohphosphatvorkommen Die Weltvorrate an Rohphosphaten werden gegenwartig auf 45 Mrd t geschitzt. Riesige Vorrate lagern in Marokko und Spanisch-Marokko. Weitere bedeutende Lagerstitten liegen in den USA und in Siidafrika. In der GUS liegen ebenfalls groBe Vorkommen. Auch in der VR China sind groBe Phosphatlager entdeckt worden. Ihr Umfang ist noch nicht bekannt. Die Rohphosphatforderung in der gesamten Welt wurde fur 1997 mit 123 Mio t angegeben. Marokko ist der groRte Rohphosphatexporteur der Welt. Die marokkanischen Vorkommen zeichnen sich durch groae Reinheit aus, werden aber von bestimmten Lagerstatten auf der Halbinsel Kola noch ubertroffen. Westeuropa verfugt nur uber sehr geringe Vorkommen. Ein bekanntes Phosphatmineral 1st der Apatit, ein Eruptivgestein. Es besteht aus fluorhaltigem Calciumphosphat Ca,(PO,),F und ist vorwiegend auf der Halbinsel Kola in RuBland anzutreffen. Durch Venvitterung entstehen daraus Phosphorite, das sind Anhaufungen von Calcium-
phosphaten, die mit zunehmenden Lagerzeiten kristallin wurden. Die Vorkommen in Marokko und den USA (Tennessee, Florida, Idaho) bestehen im wesentlichen aus Phosphoriten. Rohphosphate sind nicht nur die Ausgangsmaterialien fur Phosphor und dessen Verbindungen, sondern auch fur Uran. Der Urangehalt des marokkanischen Rohphosphates betragt, wie auch der der Phosphatlager auf Florida, 150 g bis 200 g pro Tonne. Amerikanische Phosphorsaurehersteller haben ausgerechnet, daB jahrlich 270 t Uran ungenutzt durch ihre Anlagen flieI3en.
5 3 Forderung der Rohphosphate Die Rohphosphate werden in den Phospharminen mit GroJschaufelradbaggern gelockert und gefordert, deren Tagesleistung bis zu 100000m' betragt. Es sind dieses die gleichen Bagger, wie sie bei der Schurfung von Braunkohle im Revier Koln-Aachen oder von Olsand in Kanada eingesetzt werden. Das gebrochene Rohphosphatmineral wird auf eigens dafiir errichteten Forderbandern, wie z.B. in Spanisch-Marokko, uber Hunderte von Kilometern uber Land zur Verladestation der Phosphathafen transportiert. Ein weiteres klassisches Transportmittel ist die Eisenbahn. Haufig werden die Rohphosphate in der Nahe der Hafen schon zu Phosphorsaure aufgeschlossen (Abb. 111-41).
5.4 Verwendung der Phosphate Verbindungen des Phosphors sind, besonders in Form der loslichen Phosphate, wichtige Bestandteile der tierischen und pflanzlichen Organismen. Dort sind sie in der Knochen-, Nerven- und Zellsubstanz zu finden. Phosphorsaure ist ein wichtiger Bestandteil beim Aufbau der Nukleinsauren, des Adenosintriphosphats, ATP, und der Phospholipide. ATP ist der Energiespeicher der Zellen, und die Phospholipide sind die wichtigsten Komponenten fur
5 Vom Rohphosphat zur Phosphorsaure
295
Abb. 111-41. Phosphatforderband in Marokko.
den Aufbau der zellularen Membranen (Abschn. 111- 14.4.2). Phosphate sind deshalb fur die Erniihrung von Mensch, Tier und Pflanze notig und damit auch eine wichtige Dungemittelkomponente. Uber 85 % der geforderten Rohphosphate werden mit Salpetersaure oder Schwefelsaure nach dem NaBaufschluBverfahren fur Dungemittel aufbereitet. Weltweit wurden 1998 3 7 9 Mio t phosphathaltige Dungemittel, berechnet auf P20,, erzeugt. Ein Teil der restlichen 15% der jahrlich gewonnenen Rohphosphate wandert als wichtiger Nahrstoffbestandteil in die Nahrungs- und Futtermittelverarbeitung. Ein anderer Teil wird fur die Industriereiniger aufbereitet. Eine uberragende Stellung nirnmt ein Polyphosphat, das Pentanatriumtriphosphat, NasP,O,,,, als wesentliche Komponente synthetischer Industriereiniger ein. Die kondensierten Phosphate binden Calcium- und Magnesiumionen, die die H m e des Wassers ausmachen, zu Komplexverbindungen, die auch beim Erhitzen wasserloslich bleiben. Phosphathaltige Industriereinigungswasser werden sorgfaltig entsorgt.
5.5 Das NaBaufschluBverfahren fur Rohphosphate 55.1 Rohstoffe Die Herstellung von Phosphorsaure, H3P04, durch NaBaufschluB erfolgt aus Rohphosphaten mit Schwefelsaure. Die Rohphosphate (Phosphorite) sind wasserunlosliche Substanzen mit vielen Begleitstoffen. Ihre chemische Zusammensetzung kann durch die Formel CaS(P04),F wiedergegeben werden. Als Begleitstoffe sind vor allem Silikat- und Fluorverbindungen des Calciums, Magnesiums, Aluminiums und Eisens anzutreffen. Die Schwefelsaure zum Aufschliekn des Rohphosphats wird nach dem DoppelkontaktVerfahren hergestellt (s. Abschn. 111-4). Die Herstellung von Phosphorsaure erfolgt haufig schon in den Phosphatforderlibdern, die dann die Phosphorsaure ungereinigt in die Chemielkder exportieren. Dort wird sie dann gereinigt. In Deutschland wird rnit ca. 49000 t nur noch wenig Phosphorsaure hergestellt (1999). Vlissingen in den Niederlanden ist ein bedeutender Phosphorsaureproduktionsstandort geworden. Dort wird importierte Phosphorsaure gereinigt und Phosphor nach dem elektrothermischen Verfahren gewonnen.
55.2 Chemische Grundlagen Das chemische Prinzip des NaBaufschluBverfahrens besteht darin, daB die im Rohphosphat als
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundproduktcn
296
Salz gebundene mittelstarke Phosphorsaure durch die starke Schwefelsaure freigesetzt wird und dann abgetrennt werden kann. Die Schwefelsaure wird zu fast unloslichem Calciumsulfat gebunden. Ca.,(POJI Calciumphosphat
-
+ 3 HZSO, + 3 H1O Schwefclslure
55.4 Verfahrensbeschreibung
Washer
+ 2 H,PO,
3 CaSO, . H 2 0
Phosphorsaure
Calcium-
sulfat
( A H = -206.8 kJ/mol)
Die komplexen Vorgange wahrend des technischen Herstellungsganges lassen sich vereinfacht durch folgende Reaktionsgleichung zusammenfassen: Ca,(PO,)?F
+ SHZSO, + 10H,O
Rohphosphat
Schwefclsaurc
5 CaSO, 2 H 2 0 Glps
-
Washer
+ 3 H,PO, + Phosphorraure
HF Fluorwaserhtorr
( A H = -2959 kJ/mol)
Der Fluorwasserstoff wird als Silikatverbindung abgefdngen. SiO,
+
6HF
Silicium- Fluordioxid wasscrstoff
Culciumsu&t, CaSO, . H,O (Gips), fallt bei der Herstellung von Phosphorsaure als Nebenprodukt an. Es kann direkt vom Filter ohne weitere Reinigung der Bauindustrie zur Weiterverarbeitung zugefuhrt werden.
-
HZISiF,I tieiafluorkicselsaure
+
2 H20 Washer
( A H = -I 16.7 kJ/rnol)
Diese Prozesse sind exotherm. Die entstehenden Wlrmemengen mussen abgefiihrt werden.
5 5 3 Endprodukte und Nebenprodukte Aus der Phosphorsaure werden durch Neutralisieren die verschiedensten Phosphate hergestellt. Die Cdciumphosphate wie Calciumhydrogenphosphat, CaHPO,, und Calciumdihydrogenphosphat, Ca(H,PO,),, sind Bestandteile von Futtermitteln und Phosphatdiingem. Ammoniumphosphate werden vielfach zur Herstellung von Mehrnlhrstoffdungern benutzt. Die Natriumphosphate sind wesentliche Komponenten von mineralischen Beifuttermischungen und pharmazeutischen Starkungsmitteln. Kaliumphosphat, K,PO,, wird flussigen Reinigungsmitteln beigegeben.
Aus den Rohstoffen Rohphosphat und Schwefelsaure wird eine ca. 3 1 %ige Phosphorsaure (Massenanteile) gewonnen (Abb. 111-42). In einem A&chluJgefb$ wird feingemahlenes Rohphosphat mit verdunnter Schwefelsaure und Phosphorsaure (Rucklaufsaure) bei ca. 90 "C intensiv gemischt und aufgeschlossen, dabei bildet sich Calciumsulfat als Hemihydrat, 2CaS0, . H,O, das vielfach Rohphosphat mit einschlieat. Vom AufschluBgefaR Iauft die Hemihydratmaische in den Kristallisator. Hier werden vollstandig hydratisierte Impfkristalle (CaSO,. 2 H 2 0 ) zugegeben und gekuhlt. Durch die Umlagerung von Hemihydrat zu Dihydrat werden Phosphateinschliisse frcigelegt und ein hoher AufschluBgrad erzielt. Die Impfkristalle wachsen zu einer leicht filtrierbaren Form. Bei dieser indirekten Weise der Bildung von Dihydrat wird auBerdem der Anteil an Phosphorpentoxid, P,O,, vermindert, der sonst als zitratlosliches Calciumhydrogenphosphat mit dem Gips verloren geht. Mit einer Maischepumpe wird das Dihydrat zur Filterstation gefordert, in welcher die Phosphorsaure bei 2stufiger gegenlaufiger Waschung des Filterkuchens vom Gips getrennt wird. Ein Teil der Phosphorsaure wird als Riicklaufsaure in den Reaktionskreislauf zuruckgefiihrt. Die Phosphorsaure kann bei Bedarf auf jede hohere Konzentration eingedampft werden. Der als Nebenprodukt anfallende Gips wird auf Grund seiner Reinheit teilweise in der Bauindustrie als synthetischer Gips direkt verwendet. Aber nicht der gesamte Gips kann sinnvoll verwendet werden. Um das Anwachsen von Gipshalden in dicht besiedelten Gebieten zu vermeiden, werden die NaBaufschluBverfahren in dunnbesiedelte Phosphatforderlander z. B. Marokko und GUS u.a. verlagert. Zur Produktion von 1.38 t Phosphorsaure, die 1 t reinem Phosphorpentoxid, P,O,, entsprechen, miissen 3,l t Rohphosphat mit 34%igem P,Os-Gehalt und 2,94 t 96 70ige Schwefelsaure eingesetzt werden. Als Nebenprodukt fallen 5.5 t Gips an. Der Materialumschlag ist beachtlich.
5 Vom Rohphosphat zur Phosphorsaure Forrnung
297
Trennung
Reaktion
@
2
Brecher
KristallisiergefaR
\
Rlter
J
----- --
Calciumsulfat CaS04 2 HO ,
I RuhrgefaR (Digester)
r
I f
Phosphorsaure
Abb. 111-42. Phosphorsaureherstellungdurch NaRaufschluR, VerfahrensflieRbild.
555 MengenfluR an Stoff und Energie
Fur die Herstellung von Phosphorsaure (bezogen auf 1 t P,O,) werden die in Abb. 111-43 eingetragenen Mengen an Stoffen und Energien benotigt.
55.6 Apparative Beschreibung Aufbereitung des Rohphosphates Das Kernstuck einer Phosphorsaureanlage sind die Aufschlup- und KristallisationsgefaJ3e. Sie stellen jedoch nur den kleineren Teil der Anlage dar. Rohstofftransport, Rohstoffaufbereitung, Trennen und Aufarbeiten der Endprodukte erfordern einen weitaus groBeren apparativen Aufwand. Das Rohphosphat wird durch einen Trogkettenforderer kontinuierlich der Muhle zur Zerkleinerung zugefuhrt. In der Muhle wird es auf eine bestimmte KorngroRe vermahlen und mit einem zirkulierenden Luftstrom uber einen Sichter geleitet. Von dort gelangt das gemahlene Rohphosphat in den Zwischenbunker. Die zu groben
Teilchen werden in dem Sichter abgeschieden und fallen in die Mahlzone zuriick. Der Abluftventilator sorgt fur den notigen Unterdruck, um eine Staubbelastigung auszuschlieBen. Gleichzeitig ermoglicht er die kontinuierliche Frischluftzufuhr zum Einstellen des Feuchtigkeitsgehaltes und der Temperatur. Das nun gemahlene Rohphosphat wird vom Phosphatbunker zu den Elevatoren, den Becherwerken, transportiert. Die Elevatoren fullen einen Zwischenbunker mit dem Mahlgut . Uber Transportschnecken und Bandwaage wird das Rohphosphat aus dem Zwischenbunker in das Reaktionsgefaia gefordert.
Herstellung der AufschluRsaure Die fur den AufschluR erforderliche Schwefelsaure wird im Verdunnungskuhler mit Wasser auf die fur den ProzeR erforderliche Konzentration verdunnt. Die Verdunnungswiirme wird durch Wiirmetausch mit Wasser abgefuhrt. Das erhitzte Wasser wird als Filterkuchenwaschwasser venvendet.
298
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
I
1
I I
I
I I
I
I
I I I
I
I
Abwasser
I I
I I I
I I
Kristallisation
I
I
I
I I
I I
I
I
I
Ver teiler
I 1Rucklaufsaure
I I
I
I
I
I
Filtration
I I
I
L.
I
I N D - Darnpt
11 5 t / h
+
I
Gipstranspor t
I I
I
~Phosphcrsaure3V/~
v
Abwasser
Verdampfen
t IKuhlwosser120°C I n O d / h ]
a
Phosphorsoure co S O V ~ ]
Abb. 111-43. Phosphorsaureherstellung durch NaBaufschluB. - Stoff- und EnergiefluB, schematisch. ND = Nicderdruck. I bar bis 20 bar; HD = Hochdruck, 100 bar bis 5000 bar.
Die Konzentration der Riicklaufsaure, die vom Filter zum AufschluRgerat zuriickgefuhrt wird, wird durch den Dichtemesser geregelt. Die verdunnte Schwefelsaure und die Rucklaufsaure werden dem AufschluBgefaB als Gemisch zugefuhrt. Die im Aufschlul3gefaB entstehenden Abgase werden abgesaugt und im Wascher gewaschen.
Aufschlufi des Rohphosphates Das Gemisch aus gemahlenem Rohphosphat und gemischter Saure wird in einem bestimmten Temperaturbereich gehalten und kraftig geriihrt. Die sich daraus ergebende Muische flieBt in die Digester*, von dort in die Kristallisatoren. Dort
*
Digestor. Behalter; von digerere (lat.) - zerteilen.
5 Vom Rohphosphat zur Phosphorsaure
299
wird die Maische mit Kiihlluft, welche durch das Kiihlluftgeblase erzeugt wird, heruntergekiihlt. Aus dem letzten Kristallisator wird die Maische mit einer Pumpe in den Maischeverteiler gepumpt. Hier wird die Maische in zwei Teile geteilt. Ein Teil wird zuriickgefiihrt, urn Impfkristalle fur gutes Kristallwachstum zu liefern. Der andere Teil, entsprechend der Anlagenleistung, gelangt zum Filter, in dem die Phosphorsaure vom Gips getrennt wird.
werden. Als Reduktionsmittel dient Kohlenstoff, die Reaktion verlauft endotherm. Der Reduktionsvorgang lafit sich vereinfacht durch nachstehende Reaktionsgleichung beschreiben:
Filtrieren
Die erforderliche Energie wird als elektrische Energie zugefiihrt. Das im Rohphosphat reichlich vorliegende Calcium und andere Begleitstoffe werden als Silikatschlacke gebunden. Die Reduktion von Fluorapatit rnit Kohlenstoff in Gegenwart von Kies wird durch folgende Reaktionsgleichung wiedergegeben:
Die Filtrationsanlage besteht aus dem Filter, Rezipienten, Tropfenfanger, Kondensator, der Vakuumpumpe, den AbschluJbehaltern und Pumpen. Der Filter ist in verschiedene Filtrationsund Waschzonen eingeteilt. Hierdurch wird es moglich, die konzentrierte Phosphorsaure, die diinne Phosphorsaure und das Waschwasser getrennt aufzufangen. Bestimmte Saurekonzentrationen werden in einem Mischbehalter hergestellt. Die anfallende Phosphorsaure kann fur weitere Reaktionen eingesetzt werden. Der Abtransport des Gipses, der durch Filtration abgetrennt worden ist, erfolgt nach vorherigem Anmaischen rnit einer Pumpe. Der MaterialfluB und ProzeBablauf wird von der MeBwarte aus gesteuert und iiberwacht.
RohstoMager Die Ausgangsprodukte zur Phosphorsaureherstellung sind Rohphosphat und Schwefelsaure. Das Rohphosphat wird im Rohphosphatlager aufbewahrt. Von dort wird es mit den entsprechenden Fordereinrichtungen der weiteren Verarbeitung zugefiihrt. Die Schwefelsaure lagert in Schwefelsauretanks. Die Tanks sind entsprechend der Schwefelsaurekonzentration aus Stahl oder aber mit schiitzenden Materialien ausgekleidet. Die Schwefelsaure wird iiber Rohrleitungen zum AufschluBgerat gefordert .
5.6 Elektrothermisches Verfahren zur Herstellung von Phosphor 5.6.1 Chemische Grundlagen Der im Rohphosphat an Sauerstoff gebundene Phosphor mu13 von diesem befreit, d. h. reduziert
P,O,
+
Phosphorpentoxid
-
5C
+
2P
Kohlenstoff
5CO
elementarer Phosphor
Kohlenstoffmonoxid
( A H = +939,3 kJ/mol)
2 Ca,(PO,),F Fluorapatit
6P
+
15 C
+
Koks
+
15 CO
8 SiO,
-
Kies
+
6 CaSiO, +Ca4Si2O7F2
Phosphor KohlenCa-silikat stoffmonoxid
Ca-fluorsilikat
(AH = +4423 kJ/rnol)
Um eine Tonne elementaren Phosphor zu erhalten, mussen 12,6 t Ausgangsstoffe eingesetzt werden, davon entfallen ca. 9 t auf Rohphosphat, 3 t auf die Zuschlage und 0,6 t auf die Elektrodenmasse. Neben der Materialintensitat ist dieses Verfahren eines der energieintensivsten aller chemischen Verfahren. Fur 1 t Phosphor werden ca. 48 500kWh an elektrischer Energie benotigt. Die Phosphorausbeute betragt 92 % bis 93 %. 5.6.2 Technische Durchfuhrung Eine elektrochemische Anlage zur Erzeugung von weiBem Phosphor 1aBt sich in vier Verfahrensschritte gliedern (Abb. 111-44).
I . Rohstoffauflereitung Stiickiges Rohphosphat wird zerkleinert und mit trockenem Koks als Reduktionsmittel und Kies zur Bindung von Begleitstoffen verrnischt.
2 . Reaktionsstufe und Elektroofen Hier spielen sich die Vorgange der a) Rohstoffzufiihrung, b) Reduktion und c) Abfiihrung der Reaktionsprodukte (z. B. Schlacken und phosphorhaltige Gase) ab. Die erforderliche elektrische Energie wird iiber Soderberg-Elektroden zugefiihrt.
300
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Rohstoffaufbereitung
Reaktionsstufe
Reinigung
Kondensation Kohlenstoffrnonoxid (CO)
Koksslaub Teer Anthrazil
+
U
n
Warmwasser
Abb. 111-44. Phosphorherstellung nach den1 elektrochernischen Verfahren.
3. Reinigungsstufe Die Reinigung der phosphorhaltigen Gase erfolgt uber Elektrofilter. Hier werden begleitende Staubteilchen aus den Phosphordampfen abgeschieden. 4 . Kondensationsstufe In der Kondensationsanlage erfolgt die Umwandlung der gereinigten Phosphordampfe in den flussigen Aggregatzustand. Der fliissige Phosphor wird bei ca. 60 "C mit Piimpen weiterbefordert und in Stahlbehaltern unter LuftabschluB gelagert. Die Abgase werden wegen ihres hohen Kohlenstoffmonoxidgehaltes und damit groaen Energiewertes zur Vorwarmung der Rohstoffe ausgenutzt.
Einsatz der Siiderherg-Elektmden gelungen. Die Elektrodenmasse besteht aus speziell thermisch behandeltem Anthrazit, Koks, Teer und Pech, die in bestimmten Mengenverhaltnissen miteinander gemischt werden. Ohne dab der Ofen ausgeschaltet werden muB, werden neue Mantelschiisse, eine Ummantelung fur die Elektrodenmasse, aufgeschweiRt, die mit der pastenformigen Elektrodenmasse gefiillt werden. Das Nachsetzen der Elektroden in den Ofen erfolgt hydraulisch.
5.6.4 Vom Phosphor zur Phosphorsaure Der elementare Phosphor wird mit Luftsauerstoff zu Phosphoroxid verbrannt, das rnit Wasser zu Phosphorsaure umgesetzt wird:
5.63 Soderberg-Elektrode
4 P(s)
Fur die Wirtschaftlichkeit und Aufrechterhaltung der Kontinuitat dieses Verfahrens ist die Herstellung und Fuhrung der Elektroden wichtigste Voraussetzung. Wahrend des kontinuierlichen Reduktionsvorgangs brennen die Elektroden ab und mussen fortlaufend verlangert werden. Dies ist durch den
Phosphor
+
5
o,,,,
P,Olo(,, + 6 H l O , I , Phosphoroxid
-
Wasw
P40 1 0 , \ , Phosphorox id
Luftsauerstoff
-
( A H = -2984 kJ/rnol) 4 H.~PO,(I, Orthophosphorsiure
( A H = -377 kJ/mol)
Schwefel
+ Schwefel
A
+ Chlor
I
Y
Y
-I
L * n
5
LI
+ Luft + Chlor Oxidation
Flotationsmittel Pyrotechnik, Ziindholzindustrie
Vorprodukte rur Fungizide. Insektizide, Schmieroladditive w Phosphorpentasulfid
Phosphortrisulfid
Chlorierungsmittel fur organische Produkte
Metalloberflachenbehandlung
Zwischenprodukt zur Herstellung von Estern der phosphorigen Saure, die als Weichmacher, Treibstoff- und Schmiermittelzusatze bedeutsam sind Reduktionsrnittel. Katalysator,
Trocknungsmittel fur Gasc Hilfsmittel bei der Farbmittelherstcllung
Saucrungsmittcl fur Getranke
Flamrnfestausrijstung fur Textilien
Metalloberflachenbehandlungsrnittel. Reinigungsmittel
Waschhilfsmittcl, Reinigungsmittel. Industrierciniger
Nahrstoffzusatz in Lebensmitteln Kosmetik, Zahnpasta
Waschmittelphosphatc Geschirrspulmittel
Futtermittelindustrie
Dungcmittelindustrie
- phosphathaltige Mehrstoffdunger
c roter Phosphor
*
c Phosphorpentachlorid
phosphorige Saurc
Phosphoroxichlorid
c Phosphorpentoxid
c Harnstoffphosphat
c Natriumpyrophosphat
Phosphortrichlorid
Neutralisation
c Di-Calcium4Ammoniumphosphat
Abb. 111-45. Ubersicht iiber die Weiterverarbeitung von Phosphorsaure und elementarem Phosphor.
lektrohermisches M Terfahren
Idj
+ Harnstoff
+ Natronlauge
Monocalciurnphosphat
Endprodukte und Einsalzgebiete
302
111 Produktionxverfahren /ur Herstellung von chernischcn Grundprodukten
Die uber das elektrochemische Verfahren hergestellten Phosphorsiuren und die durch anschliellende Neutralisation erhaltenen Phosphate finden vomehmlich in der Nahrungs- und Futtermittelindustrie Verwendung. Sie zeichnen sich durch hohe Reinheit aus.
5.65 Verwendung von rotem Phosphor Hochreiner roter Phosphor, hergestellt nach einem speziell entwickelten Verfahren, wird in einer Reinheit von 99,9999% an die ElektronikIndustrie geliefert. Sie stellt daraus phosphorhaltige Halbleitermaterialien her. Rofer Phosphor, dessen Oxidationsempfindlichkeit und Entzundbarkeit durch geeignete Additive und durch Mikroverkapselung entscheidend herabgesetzt wurde, gewinnt als Flammschutzrnittel an Bedeutung. Auf dern gleichen Gebiet wird Ammoniumpolyphosphat verwendet. Uber die Umsetzung von Phosphorwassers t o p mit ungesattigten Kohlenwasserstoffen konnen verschiedene Alkylphusphane. -phusphanoxide und -phosphoniumverbindungen hergestellt werden. Sie kommen unter anderern als Baugruppen in katalytisch wirkenden Schwermetallkomplexen, als spezielle Extraktionsrnittel (zurn Beispiel verschiedene Hostarex@-Typen) und als Biozide zum Einsatz. Ein weiteres Anwendungsgebiet bilden Phasentransferkatalysatoren - das sind Reaktionsbeschleuniger - in Systemen aus nicht miteinander mischbaren Reaktionspartern. Modeme Stofftrennungsverfahren, zum Beispiel die Flussigmenbran-Extraktion, eroffnet neue Einsatzgebiete fur schon bekannte Extrakt-
*
PhoaphurwasserstoTfverbindungen heiOen auch Phoaphane. P2H4.Disphosphan: P,H,. Tetraphosphan.
7 . B.
ionsmittel aus der Klasse der Phosphorsuureund Thiophosphoruiureester. Mit solchen Verfahren lassen sich beispielsweise Zink aus Produktionsabwissern oder - bei der Dungernittelproduktion - Cadmium aus Rohphosphorsiure zuriickgewinnen. Tm Pharmabereich benotigt man Phosphonsaurederivate als Baugruppen fur physiologisch vertrigliche Verbindungen des in der Radiodiagnostik verwendeten Isotops Technetium 99 m. Phosphonsaure- und Phosphinsaureanhydride dienen als Hilfsstoffe bei der Peptid- und Hormonsynthese. In Abb. 111-45 sind Anwendungsgebiete der Phosphorsaure und des elementaren Phosphors sowie die wichtigsten Prozesse schematisch aufgelistet. '0'
II H-P-OH I ~
IOH -
Phosphonsaure
'0'
II H-P-OH I H Phosphinaaure
Phosphole sind funfgliedrige zweifach ungesattigte heterocyclische Verbindungen mit einem Phosphoratom im Ring. Sie zeigen keinen aromatischen Charakter. Die gesattigten Derivate heiBen Phospholane. HC-CH
I
H Phosphole
H,C -CH,
I
H Phospholane
6 Aluminium- und Siliciumgewinnung
6.1 Aluminiumgewinnung 6.1.1 Aluminium und seine Eigenschaften Der Name Aluminium stammt vom lateinischen Wort alumen, Alaun. Alaun ist ein Kalium-Ahminiumsulfat, KAI(SO,),, das seit Gaius P. Secundas (23-79 n.Chr.), einem romischen Schriftsteller, als Gerb- und Beizmittel zur Lederherstellung verwendet wird. Aluminium gehort zu den Erdmetallen und steht im Periodensystem der chemischen Elemente in der 3. Hauptgruppe. Am Aufbau der Lithosphae ist es mit 7 5 7 % Masseanteilen beteiligt und damit bezogen auf die Masse nach Sauerstoff und Silicium das dritthaufigste Element in der Erdkruste (s. Abschn. 111-14.1.1 ,Tab. 111-8). Die Dichte des Aluminiums betragt 2,702gcm-'. Es ist ein ziemlich weiches Leichtmetall, das bei 66037 "C schmilzt. Je nach Werkstoffzustand liegt die Festigkeit zwischen 40 N nut-' und 160N mm-2. Aluminium leitet den elektrischen Strom sehr gut und ist ebenfalls ein guter W h e l e i t e r . Damit eignet es sich als Material fur WWetauscher in der chemischen IndusUie. Friedrich Wohler (1800-1882), Chemiker, gelang es 1827 erstmals, reines Aluminium aus AlCI, mittels Reduktion durch Natrium herzustellen. Obwohl ein sehr unedles Metall, ist Aluminium gegen Sauerstoff und Feuchtigkeit relativ unempfindlich. Es bildet an seiner Oberflache eine zusammenhangende dichte Oxidschicht, die das metallische Aluminium gegen weitere Korrosion schutzt. Diesen Vorgang nennt man Passivierung. Seine einfache Ver- und Bearbeitung, mechanische Stabilitat trotz der geringen Dichte und seine Passivierung haben es zu einem begehrten Werkstoff werden lassen.
6.1.2 Bauxitvorkommen In der Natur kommt Aluminium wegen seiner hohen Affinitat zum Sauerstoff nie elementar vor, sondern immer in den verschiedensten Verbindungen, wie z.B. Feldspat und Glimmer, und deren Verwitterungsprodukten, den Tonen.
Korund ist ein besonders hartes Aluminiumoxid, a-AI2O3,das in der Mohsschen Hiirteskala mit dem Wert 9 gleich nach dem Diamant als dem hartesten Mineral rangiert. Ein weiteres wichtiges Aluminiummineral ist der Bauxit, der auch das Ausgangsmineral fur die Aluminiumgewinnung durch die SchmelzfluBelektrolyse ist. Die Bezeichnung Bauxit leitet sich von dem Namen des Fundortes Les Baux, der Fels, in Sudfrankreich ab. Bauxit ist ein haufig von Eisenoxiden riitlich gefkbtes Sedimentgestein, das bis zu 65 % Massenanteile A1203 enthalten kann. Weitere Bestandteile sind Oxide des Titans und Siliciums. Die Vorrate werden heute auf iiber 38Mrd t geschatzt, von denen in Australien 4Mrd t liegen. Weitere bedeutende Vorkommen sind in Ungarn, Jugoslawien, Frankreich, Guinea, Sudamerika, Afrika, GUS und den USA anzutreffen. 1998 wurden weltweit 124,7 Mio t Bauxit gefordert. Ein Uberblick iiber Vorkommen in der VR China fehlt noch (s. Abschn. 111-14.1.1, Tab. 111-10).
6.13 Technische Durchfiuhrung der Aufbereitung des Bauxits Der fur die Schmelzfluaelektrolyse verwendete Bauxit muB 'sehr rein sein. Bauxit ist aber von vielen Begleitstoffen verunreinigt. Ihm konnen bis zu 28% Eisenoxid, Fe203, 7 % Siliciumdioxid, SiO,, 4 % Titandioxid, TiO,, beigemengt sein. AuBerdem enthalt er zwischen 12% und 30 % Kristallwasser. In der Formungs- und Aufbereitungsphase werden die Bauxitbrocken in Walzen- oder Backenbrechem zerkleinert , in Trommel- oder Etagentrocknem entwbsert und in Kugelmuhlen zu feinem Pulver vermahlen. Der gemahlene Bauxit wird in Mischern mit einer 35%- bis 45 %igen Natronlauge angeriihrt (Abb. 111-46). Im Autoklaven bei 40 bar und 150 "C oder in einem Durchlaufrohr bei lOObar bis 200bar erfolgt die Umsetzung des Aluminiumoxids zu Natriumaluminat. Die beirn BauxitaufschluB mit Natronlauge eintretenden Reaktionen lassen sich
304
111 Produktionsverfahren 7.ur Herstellung von chernischen Grundproduktcn Reinigung
AufschluB
Trennung
7.
Calcinierung
Elektrolyse
Wasser
Aluminiumhydroxid
Abgas
Abb. 111-46. Vereinfachtes Verfahrensflieflbild der Aluminiumherstellung durch folgende Bruttoreaktionsgleichung zusarnmenfassen. Alz03,,, + 2 NaOH,,,,, Bauxit
-
Natronlauge
2 NaA102(',,, + H2O,,, Na-Aluminat
Wasser
ren zwischen 1200"C und 1300 "C getrocknet und vollstandig entwassert. Es wird ein feuchtbestandiges ,,totgebranntes" Aluminiumoxid, A1203,erhalten, das nun der SchmelzfluRelektrolyse zugefuhrt werden kann.
( A H = + 469,4 kJ/mol)
Nach dem AufschluR wird mit Wasser verdunnt, dabei setzt sich das Natriumaluminat zu gelostem Aluminiumhydroxid urn. Den chemischen Vorgang beschreibt nachstehende Reaktionsgleichung: 2 NaAIO,,,,, Na-aluminat
+ 4 HzO,,,
-
Wasser
2 AI(OH),,,, Aluminiumhydroxid
+ 2 NaOH,,,, Natron-
lauge
( A H = - 522,4 kJ/mol)
Die sog. Aluminatklarlauge wird nun mit Hydrargillitkristallen, das ist Aluminiumhydroxid bestimmter Kristallstruktur, geimpft, und es fallt reines Al(OH), als Hydrargillit aus. Das reine Aluminiumhydroxid wird in Drehrohrofen oder Wirbelschichtofen bei Temperatu-
6.1 A SchmelzfluBelektrolyse Chemische Grundlagen Der Schmelzpunkt des Aluminiumoxids liegt mit 2050 "C sehr hoch. Bei diesen Temperaturen eine SchrnelzfluBelektrolyse durchzufuhren, ist von der Apparatetechnik her sehr aufwendig und kostspielig. Durch Zugabe von Kryolith, Na,AIF, (Natrium-Aluminiumfluorid), als FluRmittel wird die Schmelztemperatur auf 950°C bis 980 "C emiedrigt . Als Elektrolyt dient somit eine Schmelze aus Kryolith. die ca. 5% bis 10% (Massenanteile) Alurniniumoxid gelost enthalt. In der Schmelze wird das AlzOl durch Elektrolysegleichstrom in Aluminium und Sauerstoff zerlegt. Das metallische Aluminium wird an der Kathode abgeschieden. Der an der Anode freiwerdende Sauerstoff reagiert exotherm mit dem Anodenkohlenstoff zu einem Gemisch aus Koh-
6 Aluminium- und Siliciumgewinnung
305
lenstoffdioxid, COz, und Kohlenstoffmonoxid,
Technische Durchfiihrung
Durch Zufuhr von elektrischer Energie wird Aluminiumoxid von Kohlenstoff zu elementarem Aluminium reduziert. Der Gesamtvorgang ist endotherm.
Das Elektrodenmaterial besteht aus Kohlenstoff, da nur dieser den Anforderungen an gute Leitfahigkeit und Bestandigkeit gegen die aggressiven Fluoridschmelzen genugt. Die Elektrolysezellen bestehen aus Stahlwannen, die mit einer gestampften Kohlenmasse ausgekleidet sind. Der Kohleboden ist als Kathode geschaltet. Die ebenfalls aus Kohle bestehenden Anodenblocke sind uber Aluminiumschienen mit der Gleichstromquelle verbunden. Der Kontakt zwischen Anode und Kathode wird durch die Schmelze hergestellt. Durch den elektrischen Widerstand der Schmelze erhitzt sich das Bad auf 950°C bis 980°C. Das flussige Aluminium scheidet sich unterhalb des Elektrolyten ab und ist auf diese Weise gegen Oxidation durch den Luftsauerstoff geschutzt. Auf geneigtem Boden sammelt sich das Rohaluminium und wird abgestochen (Abb. 111-47).
co.
-
2 A1,0,
302 +4C 2AI20,+4C
-
4Al+30,
(AH = + 3352 kJ/mol)
2CO2+2CO (AH = -1008,4 kJ/mol) 4Al+2C02+2C0 (AH= + 2343,6 kJ/mol)
Die anodischen Kohleelektroden werden durch den Sauerstoff nach und nach abgebrannt und mussen laufend erganzt werden. Das erfolgt nach dem Prinzip der Soderberg-Elektroden, die in dem MaBe durch neues Elektrodenmaterial kontinuierlich ersetzt werden, wie sie an der Reaktionsflache verbraucht werden (s. Abschn. 111-5.6.3). Die Bindung des Aluminiums an den Sauerstoff ist sehr stark, so daB vie1 Energie benotigt wird, um diese chemische Bindung zu losen. Diesen Sachverhalt bringt die Bildungswiime* des Aluminiumoxids zum Ausdruck. 4AI
+
Aluminium
30,
-
Sauerstoff
2A1,0, Aluminiumoxid
(ABH= -3352 kJ/mol)
Bei der Bildung von 102 g (1 mol) A1,0, werden 1675,5kJ an Warmeenergie frei. Ein zusatzlicher Betrag muB auBer der notwendigen Schmelz- und Aufheizwiime bei der SchmelzfluBelektrolyse aufgewendet werden. Er betragt 9,3 kWh pro Kilogramm Aluminium. Fur die Gewinnung von 1 Tonne Huttenaluminium mit einem Reinheitsgrad von 995 % bis 99,8 % (Massenanteile) sind erforderlich - 4
t Bauxit, das entspricht 2 t reinem AIz03, - 0,5 t Elektrodenmaterial, - 0,05 t Kryolith und - 13 MW h elektrische Energie
*
Unter Bildungswarme, auch Bildungsenthalpie genannt. w i d diejenige Warmeenergie verstanden, die bei der Bildung chemischer Verbindungen aus den Elementen unter isobaren Bedingungen von diesen aus der Umgebung aufgenommen oder an diese abgegeben wird. Ihr Symbol ist ABH.
Technische Verwendung des Aluminiums Als die wichtigsten Lander der Aluminiumproduktion sind die USA, Kanada, die GUS, Japan, Frankreich und die Bundesrepublik Deutschland zu nennen. Weltweit wurden 1998 22,6 Mio t Aluminium produziert. 1998 wurden in Westdeutschland ca. 600000 t Hiittenaluminium hergestellt. Als Huttenaluminium bezeichnet man dasjenige Aluminium, das direkt aus der SchmelzfluRelektrolyse zur weiteren Verarbeitung gelangt. Es enthalt noch Verunreinigungen bis zu 0 3 % (Massenanteile). Urn diese zu beseitigen, wird es einer weiteren elektrolytischen Raffination untenvorfen. Wegen seiner guten elektrischen Leitfahigkeit wird Aluminium in der Elektrotechnik fur Kabel, Draht und Stromschienen verwendet. Seine mechanische und chemische Widerstandsfahigkeit nutzt man im Gerate-, Apparate- und Behalterbau fur die chemische Industrie aus. Transport-, Lager- und Reaktionsbehalter sind haufig aus Aluminium hergestellt. Aluminium und Aluminiumverbindungen sind nicht giftig. Behalter aus diesem Leichtmetall haben in der Nahrungsmittelindustrie Eingang gefunden. Aluminiumfolien sind ein beliebtes Verpackungsmaterial. Huttenaluminium dient zur Herstellung von Halbzeug-, CUB-und Knetlegierungen.
306
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Aluminiumoxid (Graphitanoden)
r 1
Graphitanoden
A l u mini urnoxid Kryolith-
I
1[
II
Alurniniurnschrnelze
Aluminium
Wegen ihrer geringen Dichte haben Aluminiumlegierungen im Flugzeugbau, in der Kraftfahrzeugindustrie und im Bau von Eisenbahnwaggons rnannigfaltige Verwendung gefunden. Aluminium zeichnet sich durch hohe Korrosionsfestigkeit aus, deshalb ist es auch zu einem bevorzugten Material beim Bau von Kernenergieanlagen geworden. Aufgrund seiner groBen Affinitat zum Sauerstoff wird Aluminium als Reduktionsmittel fur schwer reduzierbare Metalloxide eingesetzt.
6.2 Siliciumgewinnung 6.2.1 Vorkommen des Siliciums Silicium* ist nach dern Sauerstoff das am hlufigsten in der Natur vorkommende Element. Im Periodensystem der Elemente steht es unter dem Kohlenstoff in der 4. Hauptgruppe.
*
rilex (lat.)- Kiesclstein
Ahh. 111-47. Schmelzfluklektrolyse von Aluminiumoxid, AlzO,.
Silicium ist ein Halbmetall rnit der Atommasse 28,086 und ist vierwertig. Von ihm gibt es drei Isotope und zwar "Si mit 92,16 96, '"Si mit 4,71 % und -'"Si mit 3,13 F/o Anteil. Am Aufbau der Erdkruste bis zu einer Schichttiefe von 16 krn ist es mit 25,8 % Massenanteil beteiligt. Elementares Silicium ist sehr sprode und hart. Seine Harte nach der Mohsschen Skala ist 7 und seine Dichte 2,33gcm-'. Es schmilzt bei 1412°C. Es leitet den elektrischen Strom. Die Leitfahigkeit nimmt rnit steigender Temperatur zu. Reines Silicium kristallisiert als Oktaeder und bildet dunkelgraue bis silberglanzende Oberflachen. Silicium ist sehr reaktionsfahig, somit leicht verbrennbar unter Bildung von Siliciumdioxid. Es reagiert gut rnit Halogenen und lost sich gut in FluBdure. In der Natur kommt Silicium nicht elementar vor, sondern als Quarz, SiO,, und den sich daraus herleitenden Silikatmineralien.
6 Aluminium- und Siliciumgewinnung
307
Strom
flhiges PmduM
Abb. 111-48. Elektrothermischer Reduktionsofen.
Blechmantel
Quarz tritt zum Teil in groRen Lagerstatten als Quarzkies in hoher Reinheit auf. Diese Lagerstatten sind die Rohstoffquellen fur die Herstellung von elementarem Silicium nach dem Reduktionsverfahren. Silicium wurde 1829 von Jons Jakob Berzelius (1779-1848) entdeckt. Er erhielt elementares Silicium durch Reduktion von Siliciumfluorid rnit elementarem Kalium.
6.2.2 Reduktion des Quarzes zu Silicium Das Verfahren verbindet altbekannte metallurgische und chemische Prozesse mit neuen physikalischen Methoden. ,,Metallurgisches" Silicium als 1. Stufe wird durch elektrothermische Reduktion von Siliciumdioxid mit Kohlenstoff im Niederschachtofen gewonnen (Abb. 111-48). Si02
+
Siliciumdioxid
2C
-
Kohlenbtoff
Si
+
Silicium
2CO Kohlenstoffmonoxid
(ARH= + 6899 kJ/mol*)
Zu vermeidende Nebenreaktionen sind: SiO,
+
Siliciumdioxid
-
C Kohlenstoff
sowie SiO, Silicium
+
3C Kohlenstoff
SiO + CO Silicumoxid
-
Kohlenstoffmonoxid
In Abb. 111-49 sind die Verfahrensschritte als einfaches FlieSschema dargestellt. Quarz wird als Fels-Quarz oder als KieselQuarz hoher Reinheit rnit uber 99 % SiO, eingesetzt. Als Reduktionskohlenstoff werden Mischungen verschiedener Kohlesorten, Koksarten, Holzkohle und Holzschnitzel verwendet. Sie werden ausgewahlt nach Reinheit, elektrischem Widerstand und Preis. Der Verbrauch an elektrischer Energie ist sehr hoch: 14 kWh/kg Silicium. Daher richten sich die Standorte fur die Produktion von Rohsilicium vor allem nach der Verfugbarkeit preisgunstiger elektrischer Energie. ,,Metallurgisches Silicium" wird als Legierungsbestandteil in der Aluminiumindustrie und als Ausgangsmaterial fur die als ,,Silicone" bekannten Produkte der chemischen Industrie in Mengen von ca. 350000 t (1999) produziert. Davon wurden 70000 t zu Siliconen und 18000 t zu polykristallinem Silicium aufbereitet*. Eine typische Spezifikatiohn lautet: Si Fe A1 Ca
+
2CO
Silicium- Kohlenstoffcarbid monoxid
Bildungsenthalpien zur Berechnung der Reaktionsenthalpie AaH2,,a,h,02 = 910,94 kJ/mol; ABH29R.C0= - 110,52kJ/mol = 2 ' (-Il0,52) - (- 910.94) AnH298 = - 22 I ,04 + 910.94 = 689,9 kJ/mol
0,06%bis 0,09 % 0,02% bis 0,04 % 25 pprn bis 35 pprn 15 ppm bis 25 pprn
Das Rohsilicium wird auf Korngrbgen <0,.5mm gemahlen.
- Umsetzung im Wirbelschichtreaktor bei 300 "Cbis 400 "C mit Chlorwasserstoffgas.
Si
*
Ti C B P
6.23 Technische Verfahrensschritte zur Herstellung von Tkichlorsilan -
Sic
mind98% 0,35 % bis 0,45 % 0,20%bis 025 % 0,05 % bis 0,lO %
+
3HCI
-
Silicium Chlorwasserstoff
~
SIHCI-,
+
H,
Trichlorsilan
(AH = -2 18 kJ/mol)
*
Quelle: Wacker Siltronic AG, 84489 Burghausen
308
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chcrnischen Grundprodukten Felsquarz aus Steinbruch Fluflquarz IKieselquarz)
Brechen. Sieben
IHolzschnitzell
Reduktionskohlenstoff
Chips (wie fur Celluloseherstelluna)
\1 I
I
sieben
Elektrotherrnischer
Vergiessen. Abkohlen. Brechen,
boh-Siliciurn, stockig
Im Vorlugetunk ist bereits der griiljte Teil der Verunreinigungen des Rohsiliciums abgeschieden, wie z. B. Eisenchlorid, FeCIZ; Calciumchlorid, CaClz und Aluminiumchlorid, AICI,.
Konkurrenzreaktionen sind:
Si
+ 4HCI +
2HCI
-
SiCI,
+
2Hz
- Nur relativ wenige Chlorverhindungen der
Begleitstoffe haben eine gleich hohe Fluchtigkeit wie Trichlorsilan, SiHCl,.
Tetrachlorsilan
SiHzClz Dichlorailan
Es muS darauf geachtet werden, daS keine zusatzlichen Verunreinigungen in das Trichlorsilan eingeschleppt werden. Trichlorsilan ist nach Tetrachlorsilan die am einfachsten herzustellende Siliciumverbindung. Bei der technischen Durchfiihrung unter Nichtgleichgewichtsbedingungen bestimmen die Bildungsgeschwindigkeiten von SiCI, und SiHCI, die Zusammensetzung der Gasphase.
Abb. 111-49. Verfahrensschritte aus Quarz
Es wird eine Ausbeute von 90% des Rohsiliciums erreicht. Das Trichlorsilan wird als Fliissigkeit aufgefangen (Abb. 111-SO).
Si
I
aschearmer Koks Anlhracit Holzkohle (1st ideal)
-
In einer Leichtsieder-Kulonne wird das Kondensat vor allem von gelostem Chlorwasserstoffgas, Dichlorsilan SiH,Cl,, Kp = 8,3"C und Bortrichlorid BCI,, Kp = 12,S"C gereinigt. In groljen Destillationsanlagen wird das bei 3 1,8 "C siedende Trichlorsilan von begleitenden anderen Silanverbindungen wie SiH2C12, SiCl, und weiteren Verunreinigungen des metallurgischen Siliciums befreit. In der nachfolgenden Schwersieder- Kolonne wird das Trichlorsilan Kp = 31,8 "C vom Tetrachlorsilan Kp = S7,6"C und Methyl-
309
6 Aluminium- und Siliciumgewinnung
V
4
L
Trlchlwsllan
Abb. 111-50. Technische Verfahrensschritte zur Herstellung von Trichlorsilan. - 1 Wirbelschichtreaktor, 2 Staubfilter, 3 Kondensator, 4 Vorlagebehalter, 5
Kolonne zur Leichtsiederabtrennung, 6 Kolonne zur Hochsiederabtrennung, 7 Zwischenvorlagen, 8 Vorratstank.
dichlorsilan Kp = 40,4"C (CH$iHCI,), Hexachloridsilan, Si2Cl,, Kp = 145°C und zahlreichen anderen hohersiedenden Chloriden wie
von Feuchtigkeit vermindert, sondem auch die Betriebssicherheit erhoht. TrichlorsilanLuft-Gemische sind explosibel.
PC13 POC13 S,Cl, SOCl, AsCI, SbC1,
Phosphortrichlorid Phosphoroxytrichlorid Dischwefeldichlorid Thionylchlorid Arsentrichlorid Antimontrichlorid
u.a. abgetrennt. - Den AbschluB bildet die Feinstjruktionierung.
Die destillative Reinigung wird in der Regel durch selektive chemische MaRnahmen zur Raffination, wie z.B. die Zugabe von Komplexbildnern, erganzt. -
Werkstoffe der Anlage: Die gesamte Anlage besteht aus rostfreiern Stahl mit Polytetrafluorethylen (PTFE)-Dichtungen. Hierdurch wird nicht nur die Gefahr der Einschleppung von Verunreinigungen, z.B. durch Korrosion uber die Einwirkung
6.2.4 Herstellung von polykristallinem Reinstsilicium Als dritte Stufe wird aus dem destillativ hochgereinigten Trichlorsilan durch thermische Zersetzung bei 1100 "C unter Zugabe von Wasserstoff polykristallines Reinstsilicium erzeugt. Die Reaktionsgleichung bringt zum Ausdruck, daB unter technischen Bedingungen immer Siliciumtetrachlorid als Nebenprodukt auftritt. SiC1, wird wieder zu SiHCI3 umgearbeitet oder fur die Herstellung anderer Produkte verwendet. 4SiHClz Trichlorsilan
+
2H,
-
Wasserstoff
3Si
+
Silicium
SiCI,
+
Siliciumtetrachlorid
8HCI Chlorwasseratoff
= + 964 kJ/mol)
3 10
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von cheniischen Grundprodukten
Bevor Trichlorsilan in polykristallines Silicium umgewandelt wird, mulj es durch eine Testabscheidung von Silicium auf seine Qualitat, insbesondere auf seine Verunreinigungen durch Bor, Aluminium und Phosphor uberpriift werden. Es mu13 in einem Temperaturbereich gearbeitet werden, in dem sich das Gleichgewicht rasch einstellt. Der optimale Temperaturbereich liegt bei 1050 "C bis 1200 "C (Abb. 111-51).
la
Ouarzglocke
polykristallines Siliciurn Dunnstab (aus Si)
Podest -
~~
Podest
Im Verlauf des Aufwachsens von Silicium auf die vorgelegten Stabe, deren Durchmesser 5 mm bis 8mm betragt, wird der Strom nachgeregelt, um die Oberflachentemperatur der Stabe konstant zu halten. Das Ausgangsgemisch aus Wasserstoff und Trichlorsilan wird in einem Sattiger erzeugt und durch eine Duse in den Reaktor geleitet. In einer modernen Abscheideanlage lassen sich bis zu lOOOkg polykristallines Silicium je Charge herstellen. Aus den Abgasen, die hauptsachlich aus Chlonvasserstoffgas, HCl, Tetrachlorsilan, SiCl,, und Trichlorsilan, SiHCI3, bestehen, wird das Trichlorsilan zuriickgewonnen und erneut dem ProzeB zugefuhrt. Apparateteile, die mit den heiBen Reaktionskomponenten in Beruhrung kommen, z.B. das Podest, sind im allgemeinen aus Quarz bzw. aus entsprechend praparierten Metallkorpern gefertigt. Die Quarzglocke befindet sich auljerdem noch unter einer speziellen Schutzglocke, die gekuhlt wird und mit einem Sichtfenster versehen ist.
3
c -
6.2.5 Herstellung von Silicium-Einkristallen nach dem Zonen- und Tiegelziehverfahren Sattiger Wasserstoff
Trichlorsilan
'J
Abb. 111-51. Schematische Darstellung einer Anlage zur Abscheidung von polykristallinem Silicium aus der Gasphase.
Als Nebenprodukt entsteht SiCl,. Dieses wird abgetrennt und anderweitig verwendet; z.B. zu hochdisperser Kieselsaure verarbeitet . Das erhaltene Silicium enthalt an elektrisch aktiven Verunreinigungen nur lo-' %. Der Kohlenstoff- und Sauerstoffgehalt betragt ca. %. Beide sind elektrisch inaktiv. Infolge der hohen Reaktionstemperatur mu13 darauf geachtet werden, daB auch hier keine Verunreinigungen in das Silicium eingeschleppt werden. Das Silicium wird daher auf einem aus hochreinem Silicium bestehenden stabformigen Trager (Seele) abgeschieden, der durch eine direkte elektrische Beheizung uber Graphitelektroden auf die erforderliche Temperatur gebracht wird (Siemens-Verfahren).
Reinheitsanforderungen In dem Werkstoff fur die Chipsherstellung sind Verunreinigungen nur in Hohe von lo-' % in bezug auf elektrisch aktive Elemente zulassig, d. h. im chemisch gereinigten Halbleitersilicium ist auf 10 Mrd Siliciumatome nur ein elektrisch aktives Fremdatom als Verunreinigung anzutreffen. Die Haupverunreinigungen im Halbleitersilicium sind die elektrisch inaktiven Elemente Kohlenstoff und Sauerstoff. Wegen ihrer elektrischen Inaktivitat werden sie bei den Verunreinigungsangaben haufig nicht besonders erwahnt. Beide Elemente kommen in Konzentrationen von ca. % Atomanteilen vor. Fur die verschiedenen elektrischen Anwendungen werden Silicium-Einkristalle mit sehr unterschiedlichen Konzentrationen an elektrisch aktiven Elementen benotigt. Es handelt sich dabei meistens um Bor, Blei, Arsen oder Antimon. Durch gezielte Zugabe, auch Dotieren genannt, werden Dotierelementkonzentrationen zwischen lo-* % und % Atomanteile eingestellt. Fur Sonderanwendungen wird das polykristalline Silicium durch mehrmaliges Zonenziehen, d. h. durch mehrmalige Kristallisation bzw. Seigerung gereinigt. Die Verunreinigungskonzentrationen an elektrisch aktiven Elementen betragen dann
6 Aluminium- und Siliciumgewinnung
nur Atomanteile. Der Kohlenstoff- und Sauerstoffgehalt bei reinsten zonengezogenen Einkristallen ist in diesen Fallen rnit % Atomanteilen noch geringer geworden. Die Verfahren des Zonen- und Tiegelziehens dienen dazu, aus feinkristallinem Reinstsilicium Einkristallsilicium herzustellen. Zur Zeit werden weltweit jahrlich 3,6 Mio m2 hochreine und polierte Siliciumoberflachen benotigt. Das entsprechen 360 Hektar. Fur diesen Bedarf sind Scheiben rnit Dicken von 200pm bis 800ym erforderlich, die aus Einkristallstaben mit Durchmessern von 100 mm bis 300 mm gesagt, gebordelt und einseitig poliert werden. Die plastische Deformation erfolgt im Temperaturbereich von 900 "C bis 1400 "C.* Das hochreine Silicium muR zunachst durch indirekte Heizung, z.B. durch Strahlung, auf eine genugend hohe elektrische Leitfaigkeit gebracht werden, bevor es durch den Strom direkt beheizt werden kann. Die direkte Herstellung von Einkristallen beim Aufwachsen des Siliciums ist zwar moglich, aber noch nicht in einem wirtschaftlich tragbaren Konzept verwirklicht worden. Als Schutzgas bei der Einkristallherstellung dient Argon, evtl. mit geringem Zusatz von Wasserstoff.
H
II
31 1
Hochfrequenzgenerator
poiyltrisra
Silicium
I
' 'Y I I &4.
Vacuum oder
X e l z -
r]
Impfkristall
Abb. 111-52. Aufbau einer Zonenziehanlage rnit feststehender Hochfrequenzspule und axialer Verschiebung der Siliciumstabe.
Zonenziehen Beim tiegelfreien Zonenschmelzverfahren nutzt man die verhaltnismafiig hohe Oberflachenspannung der Siliciumschmelze aus (Abb. 111-52). Ahnlich einem Wassertropfen zwischen zwei Fingerspitzen wird eine Schmelzzone zwischen den Enden zweier senkrechter Siliciumstabe gehalten. Dazu bedient man sich der Hochfrequenzinduktionsheizung , bei der Energie aus einer Hochfrequenzspule in den Stab eingekoppelt wird. Am unteren Ende eines senkrecht gehalterten polykristallinen Stabes wird eine Schmelzzone erzeugt und mit einem ebenfalls in einen verschiebbaren Halter eingesetzten Impfkristallstab in Kontakt gebracht. Durch Senken der Stabe oder Verschieben der Hochfrequenzspule 1aBt man die Schmelzzone, vom Impfling ausgehend, zum oberen Stabende hin wandern. Der Vorteil dieses Verfahrens liegt in der Vermeidung von Verunreinigungen durch eine Tiegelwandung. Es bietet dariiber hinaus die Moglichkeit einer weiteren Reinigung des Siliciums. Verunreinigungen, die sich ihrem Verteilungskoeffizienten entsprechend in der
*
Quelle: Wacker Siltronic AG, Burghausen
Schmelze anreichern, werden mit der wandernden Schmelzzone zum Stabende hin verschoben. Durch haufig wiederholtes Zonenschmelzen konnen hochstreine Stababschnitte im unteren Bereich erhalten werden. Fiihrt man den Vorgang im Hochvakuum aus, wird der Reinigungseffekt noch durch Ausdampfen unterstutzt. Man kann so Reinstsilicium mit spezifischen Widerstandswerten von mehreren tausend Ohm. cm, beispielsweise fur Strahlungsdetektoren, herstellen. Zonengezogenes Silicium wird hauptsachlich fur Bauelemente der Leistungselektronik rnit hohen Betriebsspannungen, Gleichrichter, Thyristoren u.a. venvendet.
Tiegelziehen Reinstsilicium wird in stiickiger Form in einen Tiegel aus reinstem Quarzglas gefullt . Dieser wird in einen Stutztiegel aus Graphit eingesetzt und in einer mit Schutzgas beaufschlagten Kammer durch elektrische Widerstandsheizung , wenig uber die Schmelztemperatur des Siliciums 1420 "C, erhitzt. Nach dem Einschmelzen wird ein Silicium-Impfkristall an einem senkrecht
3 12
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von cheniischen Grundprodukten
verschiebbaren, sich drehenden Halter rnit der Schmelzoberfllche in Kontakt gebracht. Durch Warmeabfuhr langs des lmpfkristalls erstant Silicium an dessen Ende, der Impfkristall wachst. Der Wachstumsgeschwindigkeit von etlichen Zentimetern pro Stunde entsprechend, wird der Imptkristall aus der Schmelze ,,gezogen" (Abb. 111-53).
8 41-8 n
II
)mpfkristall
A
3I
saure, SiO,, iiberfuhren. Im Handel wird sie unter dem Namen AerosiI@ gefuhrt. Bei der Hochtemperaturpyrolyse wird ein homogenes Gemisch aus dampfformigem Siliciumtetrachlorid, Wasserstoff, Sauerstoff und einem Inertgas rnit einem Brenner in einem gekuhlten Verbrennungsraum bei ca. 1000"C verbrannt. Folgende Reaktionen verlaufen nebeneinander ab:
+
2H, Einkristall
I
Wasserstoff
0,
SiC14,g, + 2 H?O,,, Siliciumtctrachlorid
-
2 HzOig, Wasscrdampf
Sauerstoff
-
Washerdampf
(AH = - 483.6 kJirnol)
+ SiC14,sl + O2
-
SiO?,,,
4 HCI,,, Chlorwasserstaff
Kiewsaurc
(AH=
2 Hz
+
SiO?,,,
~
209.5 kJ/rnol)
+ 4 HCI,,,
(AH= - 693.1 kJimol) I I
-
I / Heizwicklung
Graphittiegel Antrieb
Abb. 111-53. Aufbau einer Tiegelziehanlage fur einkristalline Siliciumstabe.
Durch geeignete Temperaturfiihrung der Schmelze, verbunden mit dem Hub, erreicht man, dal3 der wachsende Kristall sich zunachst bis zum Solldurchmesser verdickt (Schulterziehen). Dann wird durch Regelmechanismen, die den Durchmesser des Kristalls optisch erfassen und die Heizleistung sowie die Abziehgeschwindigkeit beeinflussen, der Durchmesser des Kristalls beim weiteren Ziehen konstant gehalten. So lassen sich zylinderformige Einkristalle rnit einem Durchmesser bis zu 250 mm und einem Gewicht bis zu 80 kg ziehen.
6.2.6 Aufarbeitung von Siliciumtetrachlorid zu Kieselsaure Durch Hochtemperaturpyrolyse l a t sich Siliciumtetrachlorid in eine hochdisperse Kiesel-
Bei diesem ProzeB handelt es sich um eine exotherme Reaktion. Beriicksichtigt man allerdings den hohen Energieaufwand fur die Wasserstoffgewinnung, dann ist die Hochtemperaturpyrolyse nur noch mit dem Betrag von AH= -209,5 kJ/mol exotherm. Der freiwerdende Energiebetrag bei der Wasserstoffverbrennung mu8 vorher fur die Wasserspaltung in Wasserstoff und Sauerstoff aufgewendet werden. Einsatzgebiete,fiir die pyrogene Kieselsaure Die Kieselsaure dient als Adsorptionsmittel von Feuchtigkeit aus technischen Gasen. Sie ist auBerdem beliebtes Adsorptionsmittel zur Entfernung von EiweiRsubstanzen aus Bier, Wein und Saften. Kieselsauren werden als Dichtungsmassen und zur Viskositatseinstellung von Pasten, Farben und Lacken eingesetzt. Sie sind ein Zusatzmittel bei der Herstellung von Papier, Futtermitteln, Pharmazeutika, Kosmetika, Zahnpasta, Klebstoffen, Korrosionsschutzmitteln, Schmierfetten; sie eigenen sich als Trilgersubstanzen fur Katalysatoren. Die Anwendungspalette der Kieselsaure ist sehr breit gespannt.
6 Aluminium- und Siliciumgewinnung
62.7 Produktpalette von Siliciumverbindungen Silicium und seine Verbindungen haben sich in der Chemie und Energietechnik wegen ihrer vielseitigen Eigenschaften grol3e Anwendungsgebiete erobert. Reinstsilicium ist der Werkstoff zur Herstellung von Halbleiterbausteinen (Chips). Sie werden in der Leistungselektronik fur die Energiesteuerung und -verteilung benotigt. In der Mikroelektronik dienen sie zur Signal- und ProzeRsteuerung. Silicium ist die Basis fur Solarzellen, die die Energiegewinnung aus Sonnenenergie ermoglichen. Die Halbleiterbauelemente werden aul3erdem in der Optoelektronik, d. h. der optischen MeR-
Quarzsand
Kohle
Trimethylchlorsilan
und Nachrichtentechnik und in der Sensorelektronik, d. h. der allgemeinen Temperatur- und Druckmessung sowie dem Messen von Reaktionen in biologischen Systemen eingesetzt. Die Abbildungen 111-54 und 111-55 zeigen das Schema einer Silicon-Produktion der WackerChemie und eine Verbundproduktion zwischen Chlorwasserstoff, HCl, Silicium, Si, Ethylen, H2C=CH2,und Steinsalz, NaCl. Die bedeutendsten Silicon-Produzenten in Deutschland sind die Bayer AG, Leverkusen, die Wacker-Chemie GmbH, Munchen und die Degussa-Hiils AG, Frankfurt am Main. Die Wacker Siltronic AG, Burghausen, ein 100%iges Tochterunternehmen der Wacker GmbH, ztihlt zu den fuhrenden Produzenten und Lieferanten von Reinstsilicium fur die Halbleiterindustrie auf dem Weltmarkt.*
Erdgas
Silicium
3 13
Chlor
Methylchlorid
Methyltrichlorsilan
Bauschutz-
Dlmethyl-
SiliconIrnpragniermitlel
Siliconharze
FOllstoffe
Siliconfetle
Abb. 111-54. Schema einer Silicon-Produktion (Methylpolysiloxane). *
Mit dem Erwerb der Kapitalmehrheit an der japanischen NSC Electron Corporation kann die Wacker Chemie ihre Position als weltweit zweitgrobter Waferlieferant festigen.
I
I
silicium
Si iiciumtetrachlorid
I
M
Vinnol P
Vinnol
Vinnol E
Vinnoi S
wasreratoff
I
I
Vl nnol-
4I1I-
Acetaldehyd
Pioioform
r
Dispersions-
Vi nylacetat
1
4 Ethylacetat 1
schutz-
Zwirchen-
Acet-
Acet ylaceton
Essigalure-
Keten
7 G
n
a
t
2
Natroniauge
I
pff
I
1 Vinyichlorid
1 DichlorethanI I
Steinaalz
Abb. 111-55. Schema einer Verbundproduktion zwischen Methanol, Chlorwasserstoff, Silicium, Ethylen und Steinsalz nach Wacker-Chemie.
Antirchaum-
/Silicon-)
Silicon-
Silicondle
I
Tric hlor
Silicium
‘i
Organochlor-
Chlorwasserstoff
6 Aluminium- und Siliciumgewinnung
3 15
Der groRte Produzent von Siliciumwafer ist Japan mit 69%, das sind mehr als zwei Drittel des Weltgesamtwertes von 6 Mrd US-$. Das restliche Drittel teilen sich Europa und Amerika mit 17 % bzw. 14%. Die Einsatzgebiete der elektronischen Schaltund Stromkreise sind vielfaltig. Sie lassen sich zu sechs groljen Teilgebieten zusammenfassen und gliedern sich rnit einem Gesamtwert von 150 Mrd US-$ wie folgt auf (Abb. 111-57): Sllldum-Wafer
Kieselsaure und Derivate
Reinstslliaum
Abb. 111-56. Die Veredlungsstufen von Reinstsillcium in Mrd US-$.
Die Wertschopfung der einzelnen Veredlungsstufen von Rohsilicium bis zu den elektronischen Endprodukten ist sehr hoch. Der Wertzuwachs betragt 1 : 1000.Weltweit werden zur Zeit fur ca. 0,8 Mrd US-$ Reinstsilicium hergestellt. Aus diesen werden fur ca. 6 Mrd US-$ Silicium-Wafer gefertigt, die fur die elektronischen Schaltkreise venvendet werden, deren Marktwert ca. 150 Mrd US-$ betragt. Sie bilden die Kernelemente fur die elektronischen Bauteile rnit einem globalen Markturnfang von 1000 Mrd US-$ (Abb. 111-56). Die jahrlichen Wachstumsraten fur Siliciumwafer werden global auf 22% geschatzt. Die hochsten Zuwachsraten sind in den asistischen Pazifik-Landern mit 46 % zu verzeichnen, gefolgt von Amerika rnit 22%, Europa rnit 15% und Japan mit 14%. Elektronikfur die Miliir- und ZNilmumhrt
Aufgrund seiner Vierbindigkeit vermag Silicium eine grolje Zahl von analogen Verbindungen zum Kohlenstoff zu bilden. Siliciumverbindungen neigen zur Polymerisation, z. B. Kieselsaure, (SO2)%: Die Kieselsauren kann man sich als ein Polymerisat denken mit den Monomeren OH
I HO- Si -OH II
HO- Si -OH
I
OH
0
Orthokiesclsaure HdSi04
Metakieselslure HzSiO3
OH OH OH OH I I I I -0- Si - 0- Si -0- Si -0- Si I I I I OH OH OH OH -0- S i - 0 II 0
Si- 0- Si- 0- SiII 0
II
0
ll 0
KommunikatiansElektronik Kraflfahneua-
IndusbieEktronik 2196
Abb. 111-57. Aufteilung der Einsatzgebiete fur elektronische Schalt- und Stromkreise." Daten- ProzeIL Eleldronik
49%
*
Quelle: Wafers for the World of Microchips (2000). Published by Wacker Siltronic AG, Burghausen.
Quarzsand
P
-B
X H ] OC.
1
Hydmchlorierung
Wasserglas Na2O .sio2
Cl-Ti-U
H-Ti-Cl
Trichlorsilan
Zwischenprodukte
-L2
Urnwandlungsprozesse
Hydrotharmaler AufschluR, NaOH
Na20 .Si02
ReduMier AufschluB mil Kohlenstoff
Silicium; Si
Metallurgische
1. Veredlungsstufe
I
Trimeihylchlomwthan
Aluminatfallung AI(OH)3. aq + NaOH
I
+ 0, bei 1000 O C
Sibnisierung z. B.
mil H,
Fkmmenhydrotyse
Veresterung z. B. mil
Urnwandlungsprozesse
;
GefBlMe Kieseleuren
-SiO-si-~
b Nalz [(AIOz)lz (SiOz)lzl
;
.27 HzO
Hydrophobe Kieselduren
Aerosile, pyrcgene Kieselsiure ( S i Y = --eSr+si-;
Zeoliih A.
I t+&O-$OC&
Tetraalkylsilikate;
: Ant-
Kafalysaioren und -tdger. lonenaustauscher(Builder in Waschminel) Adsorptionsminel. Molekularsiebe
Zur Verdickungvon Flfissigkeiten. Verslrkerffillsioff IOr Silicone und Kaulschuk. Katalysator auf Aerosilbasis. WBrmeisoliimng. Zahnpastaaddiiiv. Verbesserung der Rieselfahigkeitvcm Puhrem. EntschBumer. Hilfsminel in der Galenik.
Steinverfestigerim Bautenschutz. Fonnenbauffir MetallguR. Herstellung von Zinkstaublarben.
Verstarkeradditiv, b Organosilane; Haftvermitiler im Gummi
Handelsprodukte
Abb. 111-58. Starnmbaum wichtiger Siliciumverbindungen - vom Quarz zu Siliciumprodukten (nach Degussa AG).
1
Rohstoff
I
1
6 Aluminium- und Siliciumgewinnung
Man kann sich vorstellen, wie sich diese linearen Polymere untereinander leicht zu Hachen- und Raumstrukturen vernetzen. CH3
CH3
CH3
I
I
I
-0- S i - 0 -
Si- 0- Si-0-
CH3
I Si-
I
I
I
I
CH3
CH3
CH3
CH3
Poly-(dimethylsiloxan)
Poly-(dimethylsiloxan) ist ein Silicon. Silicone sind silicium-organische Verbindungen, in denen die Siliciumatome uber Sauerstoffbriicken miteinander verknupft sind. Die restlichen Valenzen des Siliciums sind durch Kohlenwasserstoffreste abgesattigt, z.B. Methyl-, Ethyl-, Propyl-, Phenylgruppen u.a. (Abb. 111-55 und 58). Wasserglas dient als Verdickungsmittel von Flussigkeiten, Verstiirkerfullstoff fur Kautschuk, Waschmittelzusatzstoff u.a. Aerosil dient als Fullstoff, Wiinneisolierung, Entschaumer, Additiv in der Galenik und als Katalysatortrager. Chemisch betrachtet, entspricht Aerosil in seiner Zusammensetzung dem Siliciumdioxid, SiO,. Die physikalischen Stoffeigenschaften des technisch hergestellten Aerosils sind jedoch vollig andere. Die extrem kleinen Primiirteilchen haben einen Durchmesser von 7 nm bis 40 nm ( I nm = lo-’ m). Daraus ergibt sich eine innere Oberflache von 50 m2/g bis 500 m2/g. Zeolithe sind kristalline dreidimensionalstrukturierte Aluminiumsilikate. Sie haben als Katalysatoren, Katalysatortrager, Enthiirter in Waschmitteln, Molekularsiebe u. a. grofie Bedeutung erlangt. Monosilan ist Ausgangsprodukt fur die Reinstsiliciumherstellung in der Elektronikindustrie. Hydrophobe Kieselsauren eignen sich als Versttirkerfullstoff in organischen Systemen, in denen hydrophobe und hydrophile Grenzflachen zu uberbriicken sind. Die Obefflachenreaktionen kommen durch Ausbildung einer - S i 4 - C Briickenbindung zustande.
3 17
Tetraalkylsilikute enthalten die interessante Sauerstoff-Silicium-Kohlenstoffbindung QSi€und haben sich als Steinverfestiger im Bautenschutz den Markt erobert. Nach den Siliconen stellen sie mit ihrem Marktvolumen den bedeutendsten Anteil an organischen Siliciumverbindungen. Funktionelle Organopolysiloxane eignen sich zur Anbindung von Wirkstoffen. Sie eignen sich gut, bestimmte Wirkstoffe wie Enzyme, Katalysatoren, insbesondere Rhodiumsysteme, und Ionenaustauschsysteme zu fixieren und damit zu immobilisieren. Dadurch wird der Einsatz dieser Wirksubstanzen wirtschaftlicher. Auch lassen sich die Reaktionsprodukte leichter von dem Reaktionsmedium abtrennen. Organosilan, bekannt als Si69, ist ein bedeutendes Produkt der Degussa. Es zeichnet sich durch rnultifunktionelle Eigenschaften aus. Es wirkt z.B. als Haftvermittler in Kieselsaure verstiirkten Gummiartikeln, insbesondere in Reifen. Wahrend des Mischvorganges verankert es sich uber die Silylgruppen* chemisch auf dem Fullstoff. In der anschliel3enden Vulkanisation reagiert es in Anwesenheit von Beschleunigern uber die Vierer-Schwefelbriicke mit ungesattigten Funktionen des Kautschuks unter Ausbildung von Schwefel-Kohlenstoff-Bindungen. Gefallte Kieselsauren sind chemisch betrachtet immer polymerisierte SO,-Bausteine. Obwohl die chemische Zusammensetzung eindeutig definiert ist, kann das Erscheinungsbild der Kleinstfestkorper in relativ weiten Grenzen variiert werden. Wesentliche Kenngrosen sind: -
spezische Oberflache in m2/g
- Struktur, mefibar in Oladsorption oder Kom-
pressibiliatat - Silanolgruppendichte -%OH, flache -
an der Ober-
optische Eigenschaften beim Einbetten in Pol ymersysteme
- Teilchengrofie und TeilchengroRenverteilung
*
Silyl ist die Bezeichnung fur die Atomgruppierung .SiH,
7 Vom Luftstickstoff uber Ammoniak zum Dungemittel
7.1.1 Eigenschaften und Vorkommen des Stickstoffs Unter den Bedingungen unserer Umgebung ist Stickstoff ein Gas. Er hat einen Schmelzpunkt von -2 10 "C und einen Siedeuunkt von -196 "C. Im Periodensystem der Elemente steht er an 1. Stelle der 5 . Hauptgruppe. Seine Atommasse betragt 14,0067. An der Zusammensetzung der Erdatmosphare ist Stickstoff mit 78,09 % Volumenanteilen beteiligt. Er liegt hier molekular, als N,. vor. Da die Bindungsencrgie zwischen den beiden Stickstoffatomen, I N = N I , sehr grob ist (941,4kJ/mol), ist er in seiner molekularen Form extrem reaktionstdge. Als Mineral kommt Stickstoff in nennenswerten Mengen nur als Natriumnitrat in der Salpetenvuste im nordlichen Chile vor. Natriumnitrat, NaNO,, ist deshalb auch unter dem Namen Chilesalpeter bekannt, der als stickstoffhaltiges Dungemittel verwendet wird. Diese Nitrate sind biogenen Ursprungs. Sie sind Abbauprodukte der Fikalien von SeevBgeln, auch Guano* genannt. Stickstoff ist das zentrale Element beim Aufbau der EiweiBe (Proteine), die Voraussetzung allen Lebens sind. Als Aminogruppe, -NH,, ist er ein wichtiger Bestandteil der Aminosauren (s. Abschn. 111-14.3): H
I R -C -COOH I NH,
*
huano (peruanisch) - MISI. Das sirid die stickstoff- und phosphorhaltifen Exkremente von Seevogeln und Fledermiiusen. die sich seit vielen Jahrtausenden an den trockenen Kiisten Perus und Chiles in Schichten his zu 80 m Dicke an-
hiiufen.
In der Atmosphare reagieren Sauerstoff und Stickstoff zu den entsprechenden Stickstoffoxiden. N ~ ( +~ o,,,, ,
-
2 NO,,, (AH = +180.5 kJ/mol)
Die erforderlichen Reaktionsenergien bzw. -enthalpien werden durch die UV-Strahlung oder durch elektrische Entladungen (Blitz) bereitgestellt. Auf diese Weise bilden sich verschiedene Stickstoffoxidverbindungen, die sich mit der Luftfeuchtigkeit zu Salpetersaure umsetzen und mit dem Regen auf die Erdoberflache gelangen. Die Menge des durch atmospharische Vorglnge gebundenen Stickstoffs wird auf jahrlich ca. 46Mio t geschatzt. Durch die stickstoffixierenden Mikroorganismen werden weitere 200 Mio t Stickstoff im Boden gebunden und den Pflanzen zuganglich gemacht. Die Stickstoffoxidbildung in der Atmosphare und die biologische Stickstoffixierung durch Bakterien in der Erdkrume sind die naturlichen Quellen der Stickstoffverbindungen, die fur das Pflanzenwachstum zur Verfugung stehen. In der Natur findet ein standiger Kreislauf des Stickstoffs statt (Abb. 111-59).Der Weg fuhrt vom elementaren Stickstoff der Luft uber die Oxidbildung in der Atmosphare oder uber die Fixierung durch Mikroorganismen in die Pflanzen. Die Pflanzen bauen aus den Stickstoffverbindungen Proteine auf, die nach dem Absterben und Verwesen der Pflanzen wieder in anorganische Stickstoffverbindungen oder in elementaren Stickstoff zuriickverwandelt werden (s. Abschn. 111- 14.3). Die durch den Stickstoffkreislauf in der Natur fur das Ptlanzenwachstum zur Verfugung stehenden Stickstoffverbindungen reichen aber fur eine intensive landwirtschaftliche Nutzung des Bodens nicht aus. Zur Steigerung z. B. der Getreide-, Kartoffel-, Ruben-, Baumwolle-. Zuckerrohrernten sind gezielte Gaben von stickstoffhaltigen Diingemitteln notwendig. Es ist nicht
7 Vom Luftstickstoff uber Ammoniak zum Dungemittel
Vorrat 10% V a l -ant elementarer Stickstoff (NZ) in der Atmosphare
3 19
Hydrierung y o n S t l r k r t o t f durrh Synthere IN2 +3H21
Harnrtoflaurrcheidung
1. Tierisches EiweiO
-C-NI
durth Bekterien
I
O H ___r___cIVerwesung und Abbau von
'
-C-N-
Denitrifikation durch Bakterien zu N7O und N7
Abb. 111-59. Kreislauf deb Stickstoffs in der Natur.
zufallig, daR weltweit zur Bekampfung des Hungers Dungemittelfabriken, insbesondere Ammoniakfabriken, errichtet worden sind. Die Versorgung der Weltbevolkerung mit genugend NahrungseiweiB hangt unmittelbar mit der Produktion von Stickstoffdunger zusammen. Im Dungemitteljahr 1998/99 wurden von der Landwirtschaft in der gesamten Welt ca. 91 ,OMio t Stickstoff in Form von Stickstoffverbindungen als Dungemittel eingesetzt. In Gesamtdeutschland wurden im selben Zeitraum 1,14 Mio t Stickstoffdunger produziert.
7.2 Ammoniaksynthese 73.1 Eigenschaften des Ammoniaks Ammoniak ist aus den Elementen Stickstoff und Wasserstoff aufgebaut und eine der wichtigsten anorganischen Stickstoffverbindungen uberhaupt. Es ist die Ausgangsverbindung fur alle anderen Stickstoffverbindungen. In der Natur entsteht Ammoniak bei der Faulnis tierischer und pflanzlicher Proteine. Ebenfalls ist es ein Abbauprodukt beim StoffwechselprozeB in tierischen Organismen und beim Menschen. Hier wird es als Harnstoff bzw. bei Vogel und Reptilien als Harnsaure gebunden und ausgeschieden.
Ammoniak ist ein bei Zimmertemperatur charakteristisch riechendes, farbloses und giftiges Gas. Unter Normdruck kondensiert Ammoniak bei -333 "Cund wird bei -77°C fest. In Wasser ist es sehr gut loslich, bei 15"Closen sich 727 L Ammoniak in 1 L Wasser. Es entsteht dabei eine alkalisch reagierende waBrige Losung.
72.2 Technische Durchfiihrung Die Synthese von Ammoniak aus Wasserstoff und Stickstoff 1aBt sich in drei Produktionsstufen unterteilen: 1. Aufbereitungsstufe 2. Reaktionsstufe 3. Trennungsstufe
I . Aujbereitungsstufe Wasserstoffgewinnung Der fur die Ammoniaksynthese erforderliche Wasserstoff wird heute aus Erdgas oder speziellen Erdolfraktionen, dem Naphtha, gewonnen. Nur dort, wo elektrische Energie preiswert und ausreichend zur Verfugung steht, wie z . B . in Nonvegen oder in AssuadAgypten, wird der Wasserstoff durch elektrolytische Spaltung des
320
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Wassers gewonnen. Nach vorausgegangener Entschwefelung wird Erdgas mit Wasserdampf bei Temperaturen bis 900 "C in Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff gespalten. CH,,,, + H,O,,, Methan
-
+
CO,,,
3 H2,,,
Kohlenstoff- Wasserstoff monoxid
Wasser
(AH = +206,2 kJ/rnol)
In diesem Spaltgas liegen Wasserstoff, Kohlenstoffmonoxid und Methan als Gemisch nebeneinander vor. Die fur die Gewinnung des Spaltgases notwendige Energie wird durch Heizgasverbrennung erzeugt .
fel mit Wasserstoff katalytisch zu Schwefelwasserstoff hydriert und dieser von Zinkoxid absorbiert wird.
Stickstoffgewinnung Der Stickstoff wird aus der Luft, der Prozebluft, gewonnen, indem diese mit Erdgas und Wasserstoff umgesetzt wird. Die chemischen Vorgange lassen sich zusammenfassend durch nachstehende Reaktionsgleichungen beschreiben.
Kat.
Das Spaltgas mulj von Begleitsubstanzen befreit werden. Dazu wird es auf ca. 350°C abgekuhlt. Die freiwerdende Warme wird in Dampfkesseln, Abhitzekesseln und Speisewasservorwarmem zur Erzeugung von Wasserdampf genutzt. Kohlenstoffmonoxid wird uber eine dreistufige COKonvertierungsanlage mit Wasserdampf in Gegenwart von Katalysatoren zu Kohlenstoffdioxid oxidiert.
+ HZO,g)
Kohlenstoff- W a s w monoxid
-
COz,gi
+ Hzg,
Kohlenstoff-
Wasser-
dioxid
stoff
( A H = - 4 1 kJimol)
Durch die exotherme Reaktion erhijht sich die Temperatur auf ca. 420 "C. Das Gas wird abgekuhlt und in den beiden nachsten Konvertierungsstufen bis auf einen geringen Restgehalt vom Kohlenstoffmonoxid befreit. Nach Beendigung der Konvertierung hat das Spaltgas eine Temperatur von ca. 220 "C. AnschlieOend wird das Kohlenstoffdioxid durch Waschen mit einer waljrigen Kaliumhydrogencarbonatlosung aus dem Spaltgas entfernt. Nun erfolgt durch die Methanisierung die vollige Entfernung des Kohlenstoffmonoxids gemaf3 der Reaktionsgleichung: CO,,,
+
3 H,,,,
Kohlenstoff- Wasaermonoxid stoff
-
+
4 N:,,,
+
Kohlenatoff- Stickinonoxid htoff
Reinigung des Spaltgases
CO,,,
2 CO,,,
CHug! + HzO,,! Methan
Wasser
(AH = -21 S , 2 S kJimol)
In dieser Reinigungsstufe werden auch die Restschwefelmengen beseitigt, indem der Schwe-
4
H,,,,
Wasserstoff
(AH= -7 I ,S kJ/rnol) 2 H x g i + Ozgi + 4 N z p i Wasser-
ProzeBluft
atoff
Kat.
2 HZO,,, Wasscr
+ 4 N2,g) Stickstoff
(AH = -57 I .S kJirnol)
Die beiden Reaktionen verlaufen exotherm, die Temperaturen des Spaltgases steigen an. Durch eine Nachverbrennung des Spaltgases wird der Sauerstoff aus der Luft zu Kohlenstoffmonoxid bzw. Wasserdampf umgesetzt und zugleich eine Entfernung des Methans erreicht. Die Nachverbrennung kann so gesteuert werden, dab Wasserstoff und Stickstoff im Spaltgas im gewunschten Verhaltnis 3 : 1 vorliegen. Das gereinigte Spaltgas wird in den Synthesegas-Kompressor eingespeist.
2. Reaktionsstufe Das Synthesegas wird durch Kompressoren auf den Reaktionsdruck und durch Vorw&rmung auf die Reaktionstemperatur gebracht und in den Reaktorofen zur Umsetzung gefuhrt. Die Synthese verlauft unter starker Warmeentwicklung in den Katalysatorbetten. Das Synthesegas wird im Kreislauf gefuhrt, da bei einem Durchgang durch den Kontaktofen aufgrund der Gleichgewichtseinstellung nur ein relativ geringer Volumenanteil, maximal 21 %, von Wasserstoff und Stickstoff zu Ammoniak umgesetzt werden. Die durch die Ammoniakbildung dem Kreislauf ent-
7 Vom Luftstickstoff uber Ammoniak zum Dungemittel
321
Abb. 111-60. Vereinfachtes VerfdhrensflieBbild der Ammoniaksynthese.
zogenen Komponenten Wasserstoff und Stickstoff werden uber den Kompressor standig durch Synthesegaseinspeisung erganzt (Abb. 111-60). Je nach verwendeten Katalysatoren verlauft die Synthese bei Betriebstemperaturen zwischen 400 "C und 500 "C und Driicken von 300 bar bis 400 bar. Die Synthesereaktion selbst ist exothem. 3 H,,,,
+ NZW
Waaserstoff
Kat
Stick\toff
2 NH,,,, Aminoniak
(AH = -92 kJ/mol)
3. Trennungsstufe
Das Raktionsgas durchstromt nach Verlassen des Reaktorofens einen Warmetauscher, in dem das Synthesegas vorgewhnt wird. Im anschlieknden Abhitzekessel wird dem Reaktionsgas Energie entzogen, die zur Dampferzeugung genutzt wird. Die noch verbleibende W-eenergie wird dem Gas durch Luft und Wasserkuhler entzogen.
Wahrend dieses Kuhlprozesses kondensiert Ammoniak, das in Abscheideflaschen vom Gasstrom getrennt und in Zwischenentspannungsbehalter geleitet wird. Die Hauptelemente des Ammoniakkreislaufes sind 1. der Ammoniakreaktor mit Steuerung der Reaktionstemperatur durch Kaltgase,
2. ein System von Warmetauschern fur die zirkulierende Gasmenge,
3. ein Abhitzekessel und Kiihler zum Abfiihren der Reaktionsw-e, 4. eine Abscheidevorrichtung fur kondensiertes Ammoniak und
5 . ein Kreislaufverdichter zum Ausgleich des Druckverlustes im Synthesekreislauf. Wahrend des gesamten Produktionsablaufes werden grol3e Mengen an Energien benotigt. Die
NO-
+ Hz
1-
+ Schwefeldioxid + Wasser
- + Formaldehyd (H-CG;
- -t Sulfonsaurechloride (-SO,-Cl)
I
- -t Methan
- + 02-
+ Chlor und Natronlauge
+ Kohlenstoffdioxid -
I
I
Kompression 25 "C/21,6 bar
w
t
t
t
t
t
t
Ammoniumsulfat [(NH,),SO,]
Salmiakgeist (NH,OH)
flussiger Arnmoniak
Vernetzungsmittel fur Kunststoffe wie Phenolharze u. Kautschuk; Arzneirnittel
Ammoniumthiosulfat [(NH4)2SZ03]-Fixiersalze - Fotoindustrie
Urotropin
Arzneimittel, z. B. Prontosil, Marfani
Blausaure: Oberflachenvergutung v m Metallen - Polyacrylnitril, Polyamid, Kunstfasern, Methionin
Cyanwasserstoff (HCN) Sulfonamide (R-SO2-NH2)
Caprolactam
Entzugsmittel fur Sauerstoff aus Hochdruckkesselwasser, Brennstoff f i r Raketentriebwerke
Harnstoff-Formaldehvd fur Kunststoffe. Lacke und Leime Dungemittel, eiweifiaufbauende Komponente im Viehfutter fur Wiederkauer
Backpulver - Hirschhornsalz
Dungemittel
Zusatz bei Putz- und Reinigungsmitteln Herstellung von Ozalid-Pauspapier
Kornpressionskalternaschinen - Kunsteis
Korrosionsschutzrnittel im Wasserdampf
Salpetersaure (HNO,)
Endprodukte und Einsatzgebiete
Hydroxylamin ( N H 2 0 H )
Hydrazin (H2N-NHz)
0
It Harnstoff (H,N-C-NH2)
Amrnoniumhydrogencarbonat (NH,HC03)
-
c
-
Ammoniakverbrennung
Abb. 111-61. Ubersicht uber die Weiterverarbeitung von Ammoniak
<
E
E"
.-cdC
+
+ Schwefelsaure
-
-
I
2 4 -
W
z
5
n
+ Wasser
-
- + Sauerstoff
I
Ausgangsstoffe
7 Vom Luftstickstoff iiber Ammoniak zum Diingemittel
bei der exothermen Synthesereaktion freiwerdende Energie reicht nicht aus, um den Energiebedarf vor allem in der Aufbereitungsstufe sicherzustellen. Uber die Heizgasverbrennung und elektrische Energie fur die Kompressoren muB dem Verfahren standig Energie zugefuhrt werden. Ein Teil davon wird als nutzbare W W e zur Erzeugung von Wasserdampf und zur Vorwiirmung wiedergewonnen und dabei im Kreislauf gefiihrt. Ein anderer Teil (ca. 25 % bis 27 %) geht als nicht nutzbare Warme an das Kiihlwasser und als Abstrahlung an die Umgebungsluft verloren. Eng mit dem StofffluB ist somit der Energie- und DampffluB verkniipft . Polyurethan
323
7.23 Technische Verwendung des Ammoniaks 75 % der heute jahrlich in der Welt iiber die Ammoniaksynthese verfiigbaren Mengen Stickstoff werden zu Diingemitteln weiterverarbeitet . 20 % benotigt man im chemischen Sektor zur Herstellung von Faserrohstoffen, Kunststoffen, Klebstoffen, Farbmitteln und Pharmazeutika (Abb. 111-61 und -62). Im Jahre 1999 betrug die Erzeugung von Syntheseammoniak in der Bundesrepublik Deutschland 2,4 Mio t, berechnet auf N; es zeigt sich eine abnehmende Tendenz in den letzten vier Jahren.
Melarninharz
Polyacrylnitril
L. B. Reaktivfarbstoffe
O H
t
Formaldehyd HCOOH
Zwischenprodukte
Polymerisation
Butandiol HOfCH2) ,-OH
Cyanurchlorid
Acrylnitril
Melamin
CI
H2C=CH-CEN
I
cI-c%J/c-cI
Toluoldiamine
+3
co,
+6 NH3
+ Katalysator
Acetylen
t
Trimerisation
HCE CH
6 Harnstoff
Reduktion
Dinitrotoluol
Blausaure
Harnstoff
Chlor
-G-+
H-CEN
Qc,
1
Toluol
Oxidation
Salpetersaure, HO-NQ
Abb. 111-62. Chemie auf Ammoniakbasis (SKW-Stammbaum).
+
+
cH4 02
Ammonoxidation
N H ~ , Ammoniak
Chlorcyan CI-EN
324
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
7 3 Vom Ammoniak zum Diingemittel
gem (N-P-K fur Stickstoff-Phosphor-Kalium) lauten fur 1998: ca. 91 ,O Mio t fur N-Dunger ca. 37,9 Mio t fur P-Dunger ca. 25,3 Mio t fur K-Dunger"
73.1 Diingemittelbedarf Eine ausreichende menschliche Emahrung kann nur durch hohe Emteertrage sichergestellt werden. Langfristig konnen diese nur erzielt werden, wenn die dern Boden entzogenen N2hrstoffe durch zusatzliche Dungernittelgaben erganzt werden. Das Wachstum und der Ertrag von Pflanzen richten sich nach dem Nahrelement, das im Verhaltnis zum Bedarf in geringster Menge zur Verfugung steht . Diesen Zusammenhang hat zuerst J . v. Liebig (1803-1873) durch sein Minimumgesetz ausgesprochen. Die Entzugsmengen an mineralischen Nahrstoffen von wichtigen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen sind in Tabelle 111-1 aufgelistet. Innerhalb der fur das Gedeihen und die Entwicklung einer Pflanze erforderlichen 16 Nahrelernente komrnen dern Stickstoff, Phosphor und Kalium besondere Bedeutung zu. Der Stickstofl ist als essentieller Bestandteil fur den Aufbau des Pflanzeneiweises notwendig, das dem Menschen direkt als Nahrungsmittel oder uber den Tiermagen als Quelle tierischen EiweiBes dient. Die Zahlen fur die Weltproduktion an N-P-K Dun-
73.2 Salpetersaure und Diingemittelsalze Chemische Grundlagen Salpetersaure, HN03, ist eine einbasige starke Saure. Rein und wasserfrei ist sie eine farblose Flussigkeit, die bei 84°C siedet und bei 4 1 "C zu weisen Kristallen erstarrt. Ammoniuk (s. Abschn. 111-7.2) und Luft werden katalytisch zu Stickstofloxiden verbrannt, die mit Luft und Wasser zu Salpetersaure reagieren. 4 NH,(,,
+ 5 Or
Ainmoniak
Kat. -----)
Luftsauerstoff
4 NO(,, + 6 H20
Wasser
(AH = -906,3 kJ/mol) 2NO(,,
+
0,
-
Luftsauerstoff
Stickstoffmonoxid
2 NOZW Stickstoffdioxid
(AH= -1 14,2 kJ/mol)
Tab. 111-1. Entzugsmengen wichtiger landwirtschaftlicher Kulturpflanzen in Kilogramm pro Erntemengen* ~~~~
~
Fruchtart
Roggen Weizen Wintergerste Triticale Hafer Komermais Raps Spatkartoffeln Zuckerruben Rotklee Silomais Senf Markstammkohl Stoppelriiben Wiesen (25 % TM)**
*
**
~
Erntemengen in Dezitonnen, 1 dt = 100 kg
Nahrstoffe in kg pro Erntemenge** N
W
10 dt Korner m. Stroh 10 dt Korner m. Stroh 10 dt Korner m. Stroh 10 dt Korner m. Stroh 10 dt Korner m. Stroh 10 dt Korner m. Stroh 10 dt Korner m. Stroh 100 dt Knollen m. Kraut 100 dt Ruben m. Blatt 10 dt Heu (20 YOTM) 100 dt Griinmasse 100 dt Griinmasse 100 dt Grunmasse 100 dt Grunmasse 100 dt Heu
20-30 25-35 20-35 15-25 20-30 25-30 33-50 60-90 40-55 4446 25-35 40-50 60-70 20-30 15-25
7-15 7-14 8-12 8-15 10-15 10-15 20-25 22-36 15-20 10-16 15-20 6-10 18-23 10-20 15-18
s
K2O
CaO
MgO
20- 30 20- 25 20- 30 20- 25 30- 40 30- 40 30- 40 100- 130 70- 90 50- 70 35- 45 35- 45 70- 80 50- 60 49- 52
6- 10 4- 8 8- 12 4-6 4- 8 6- 10 70- 90 15- 40 100-200 20- 35 12- 18 35- 45 40- 45 20- 40 10- 25
2- 5 2- 5 2- 4 2- 6 3- 5 6-10 7-12 18-35 10-20 8-16 5-10 2- 5 10-15 8-12 5-1 1
Quelle: Dungungsratschlage fur den Bauernhof, Hrsg. Fachverband Stickstoffindustrie Dusseldorf, SteinstraBe 2 3 , 8 . Auflage. Stickstoff-Dunger berechnet als N, Phosphor-Dunger berechnet als P,O,, Kalium-Dunger berechnet als K,O, TM = Trockenrnasse.
7 Vorn Luftstickstoff uber Ammoniak zurn Dungemittel
Das entstandene Stickstoffdioxidgas wird vom Wasser absorbiert und reagiert mit diesem zu Salpetersaure. 3 NOxg) + HZO
-
Wasser
2 HNO,(,, + NOCg, Salpetersiiure
Stickstoffmonoxid
(AH= -7 1,6 kJ/mol) Das hier entstehende Stickstoffmonoxid wird im Kreislauf wieder der Oxidation zu Stickstoffdioxid zugefiihrt.
Technische Durchfiihrung Das Verfahren zur Salpetersaureherstellung uber die Ammoniakverbrennung 1aRt sich in vier Stufen gliedern (Abb. 111-63): 1. Mischen der Ausgangsstoffe, 2 . Ammoniakverbrennung und Dampferzeugung , 3. Oxidation und Absorption, 4. Restgasreinigung.
Mischen der Ausgangsstoffe
Ammoniakverbrennung und Dampferzeugung
I . Mischen der Ausgangsstoffe In einem Verdampfer wird fliissiges Ammoniak verdampft und danach mit gefilterter Luft in einem Mischer vermischt. Von groRer Bedeutung ist die sorgfaltige Reinigung der Verbrennungsluft. Schon die geringsten Verunreinigungen wirken auf die Katalysatoren als Kontaktgifte. Sie setzen die Ausbeute an Stickstoffoxiden stark herab. 2. Ammoniakverbrennung und Dampferzeugung Bei Temperaturen zwischen 800 "C und 900 "C wird das Ammoniak-Luft-Gemisch an einem Platin-Rhodium-Katalysator verbrannt. Die ablaufenden Reaktionen sind alle exotherm. Die freigesetzten Warmeenergien werden zur Dampferzeugung im Abhitzekessel genutzt. Dabei kiihlen sich die Gase, die aus Stickstoffmonoxidgas, Luftstickstoff und Wasserdampf bestehen, auf 120°C bis 150°C ab. In einem nachfolgenden Kiihler werden die Gase auf 20°C bis 35 "C heruntergekiihlt. In dieser zweiten Kuhlungsstufe wird auch das bei der Ammoniakverbrennung entstandene Wasser ausgeschieden.
Oxidation und Absorption
Salpetersaure Abb. 111-63. Vereinfachtes VerfahrensflieRbild der Salpetersaureherstellung .
325
326
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
3. Oxidation und Absorption In den Oxidations- und Absorptionstiirmen wird das Stickstoffmonoxid mit Luft weiter zu Stickstoffdioxid umgesetzt. In den Absorptionstiirmen werden die Stickstoffdioxidgase vom Wasser absorbiert, das den aufstromenden Gasen entgegenfliek Wahrend dieser Absorption reagiert das Stickstoffdioxidgas rnit Wasser zu Salpetersaure. Die Absorptionsturme sind rnit Raschigringstufen oder rnit Sieb- oder Glockenboden versehen. Die entstehenden Absorptions- und Oxidationswiirmen miissen durch spezielle Kuhlvorrichtungen abgefiihrt werden. Bei der Absorption wird je nach Verfahren eine 50 %ige bis 68 %ige Salpetersaure (Massenanteile) erhalten. 4. Reinigung der Restgase Alle Ammoniakverbrennungsanlagen sind mit Abgasaufbereitungsvorrichtungen ausgestattet. Sie dienen dazu, die restlichen giftigen nitrosen Gase aus den Abgasen zu entfernen oder so weit zu reduzieren, daR sie fur die Umwelt unschadlich sind. Die Stickstoffoxide im Abgas werden katalytisch an Palladiumkontakten in elementa-
ren Stickstoff und Sauerstoff gespalten. Die dazu erforderliche Warmeenergie wird durch katalytisches Verbrennen von Methan, Propan, Wasserstoff oder Kohlenstoffmonoxid bereitgestellt. Die im UberschuR auftretenden Reaktionswarmen werden uber Abhitzekessel oder durch Restgasturbinen ausgenutzt .
Verwendung von Salpetersaure Abbildung 111-64 gibt eine schematische Ubersicht uber die Verwendung von Salpetersaure.
Neutralisation zur Dungemittelherstellung Eine Neutralisation der Salpetersaure rnit Ammoniak fiihrt zum Ammoniumnitrat, einer wertvollen Komponente fur stickstoffhaltige Dungemittel. In Deutschland miissen ihm mindestens 30 % inerte Stoffe beigefiigt sein. Ammoniumnitrat, mit Kalksteinmehl oder Dolomit vermischt, wird als Kalkammonsalpeter, einer der wichtigsten Stickstoffdiinger, gehandelt . Kalksalpeter ist ein Nitratdunger, der durch Neutralisation der Salpetersaure rnit Kalk erhalten wird. Endprodukte und Einsatzgebiete
Ausgangsstoffe
+
-
Soda
Dungemittel, Sprengstoff Natriumnitrat (NaNO,)
___ Zusatzmittel bei der Glas- und Emailleherstellung. Pokelsalz
Ammoniumnitrat (NH,NO,) .
+
Ammoniak -
+ Kalksteinmehl
-
.
+
Calciumcarbonat
.
+
Rohphosphat Ca,(PO,),F zum AufschlieDen
.
+ Schwefelsaure
Calciumnitrat Ca(NO,),
-
~
Diingemittel, Sprengstoff im Berghau Oxidationsmittel
Kalkammonsalpeter (Diingemittel)
~
Nitriersaure
Kalksalpcter (Diingemittel)
phosphathaltige Diingemittel
Einfiihrung von Nitrogruppen in aromatische Verbindungen wie Anilin, Farbmittel, Explosivstoffe, TNT (Trinitrofoluol) reine Salpetersaure in verschiedenen Konzentrationen zur Oberflachenbehandlung von Metallen, Oxidationsmittel
Abb. 111-64. Ubersicht uber die Verwendung von Salpetersaure.
7 Vom Luftstickstoff uber Ammoniak zum Dungemittel Luft
Erdgas
Ammoniak
Ammonsulfat
327
-
Kalkammonsalpeter
Kalksalpeter
Volldunger
Abb. 111-65. Vom Erdgas zum Dungemittel.
2 HNOl(.3q) + CaCO,,,, Salpeterwure
-
Calciumcarbonat
Ca(NO,)x.eq) + HzO(I, + COz(g) Calciumnitrat
Wasser
Kohlenstoffdioxid
(AH = -15,l kJ/mol)
Dem Kalksalpeter werden haufig noch kleine Mengen Ammoniumnitrat beigegeben. Die Neutralisation von Ammoniak mit Schwefelsaure fiihrt zum Ammoniumsulfat.
328
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Schematisch laRt sich das Verfahren in drei groBe Teilschritte unterteilen. von denen die ersten beiden endotherm sind.
2 NH,OH,,,,, +H,SO,,,, Ammonium-
hydroxid
Schwefelhiiure
-
(NH,)zSO,.,qi Amrnoiiiuin.;ulf;it
+ 2 H,O,i, W;i\\er
(AH= -207.1 I kJimol) Grol3e Bedeutung haben die Mehrstoffnahrdunger erlangt. Neben den wichtigen Spurenelementen enthalten sie die wesentlichen Nahrstoffe Stickstoff, Phosphor und Kalium in bestimmten Mengenverhaltnissen. Sie werden deshalb auch NPK-Diinger genannt. Die Stickstoffkomponente der NPK-Dunger wird von den Ammonium- bzw. Nitratverbindungen geliefert. Die Phosphorkomponente stammt aus den Phosphaten, die uber die NaBphosphorsaure gewonnen werden, und die Kaliumkomponente wird durch Zugabe von Kaliumsalzen (Kaliumchlorid, Kaliumsulfat) erhalten. Die Produktion der Mehrstoffnahrdiinser erfolgt in den Volldungerbetrieben (Abb. 111-65).
Kalkstickstoff Seiner chemischen Zusammensetzung nach ist Kalkstickstoff ein Calciumcyanamid CaNCN (abgeleitet von Cyanamid. H H,\ N - C E N ) . Er wird als Dungemittel eingesetzt, das fur die Pflanze wertvolle Nahrstoffe liefert, die Ackerstruktur verbessert und durch seine fungiziden und herbiziden Eigenschaften als Pflanzenschutzmittel wirkt. Kalkstickstoff bildet so a h anorganische Substanz eine Brucke zwischen den stickstoffhaltigen Dungemitteln und den Ptlanzenschutzmitteln (s. Abschn. 111- 14.3)her. Herstellung
Fur die Verfahren nach A. Frank und N. Caro* werden leicht zugangliche Rohstoffe benotigt, namlich Kalk (Calciumcarbonat. CaCO,), Kohlenstoff in Form von Kohle, C,, und der aus der Luft nach dem Linde-Verfahren gewonnene Stickstoff, N2. Der ProzeR selbst ist endotherm, also sehr energieaufwendig.
*
Adoph Franh ( 18.34- I Y 16). deuwher Ctieinietechnologe und Industrieller. begrundete mit N . Caro die Kalkstick\toffindustrie iiii Jahre I XYS. Er entdecktr die Knlisalilager
in StaBfurt. Nikodeiii Can, (1x7 l L l Y 3 S ) * deutxher Cheiniker. cntwickelte maammen mit A . Frank das Verfahren Lur Heratellung vnii Kalkstick\tnff.
I . Kulkbrennen bei Temperuturen von cu. 1400 "C Branntkalk (Calciumoxid)
Kalk
Kohlen\loffdioxid
(AH= + I77 .X kJimol) 2 . Curbidherstellung itn Elektroojen
Calcium-
Calciumcarbid
Kohlenstoff
OXld
Kohlenstoffmonoxid
(AH= +465 kJimol) 3. Caiciumcyananiic~stujeim Azotierujen und mit Elekrt-obeheizung Dieser Teilschritt verlauft exotherm. Die HeiLung ibt notwendig, um die Temperdtur auf hohem Niveau zu halten.
-
/c I I00"C + NLIp) c,,,
Ca ,,Ill
C;ilciuiiicarbid
Stickbtoff
UaN-CeN,,,
Calciumcyanamid
+ C,,, Kohlenstoff
(AH = -289 kJimol)
CaCO, + N1 + 2C
CaN-CEN
+ CO, + CO
(AH= +3S4.1 kJ/mol) Die BrutturectktionsKfeichun~ergibt sich aus der Summierung der drei Teilreaktionsgleichungen und driickt mit dem Enthalpicwert von + 354,l kJlmol den hohen Energiebedarf dieses Prozesses aus.
Vet-haltenim Bodeti Kalkstickstoff wird im Boden uber mehrere Stufen zum Harnstoff, einem Amidstickstoff, abgebaut. Amidstickstoffverbindungen und ihre Zwischenprodukte kBnnen 7war direkt als Nahrstoffe von den Pflan7en aufgenommen werden, in der Regel werden sie aber im Boden langsam in einfache Nahrstoffen, wie Ammonium-, NHd', und Nitratverbindungen, NO,-, umgewandelt. Amiddunger bilden daher eine Grundlage fur Depotdunger.
7 Vom Luftstickstoff uber Ammoniak zum Diingemittel
I
GuanaminFormaldehydharr
I
f
Alkyl- oder Arylnitrile
Ammoniumchlorid, NH&I
yc-CN; Q-CN
YH2
R-C+
329
,C-NH2 N
Guanamine Dicyandiamid
NH
(Cyanguanidin)
R = C& Benzoguanamin = CH3 Methylguanamin
HzN-C-NH-CN II
NH
Dimetisation
Ammoniumchlorid Guanidin-Verbindungan H2N-C-NHR
t
Cyanamid
+ Schwefel-
~
NH&I
H2N--CN
I1
NH (Iminohamstoff) -CaCO,
I
Thiohamstoff HzN--C-N&
____)
wasserstoff. Hfi
II
S
p G q
+c q
+
+w
Calciumcyanamid CaN-CN
t +&
Acrylnilril
Acrylstiure
HZGCH-CN
HZC=CH-COOH
\ +$
+ HCN
t Kalk,
C ~ C O ~
Elektr. Energie
Abb. 111-66. Chemie auf Kalkstickstoffbasis (SKW-Stammbaum).
Kohle
[ CG ] n
330
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
In der ersten Stufe werden sie hydrolysiert: CaN-CEN,,, Kdlkstickstoff
+ H-OH,,,
HzN-CE N,,,
Wa\w
-
H,N-C=N,,, Cyanamid
+ Ca(OH),,,,, Calciumhydroxid
(AH = -308,2 kJ/mol) (AH= -205,9 kJ/mol)
In der zweiten Stufe findet eine enzymatische Reaktion zu Hamstoff statt, die von Eisen- und Manganionen katalysiert wird. HZN-CEN,,)
+ H-OH,,)
-
H,N-C-NH,(,) II 0
Cyanamid
Wasser
AuBerdem bilden sich aus Cyanamid durch Dimerisation geringe Mengen Dicyandiamid.
Harnstoff
(AH = -105,S kJ/mol) (AH = - 82,4 kJ/mol)
+
NEC-NHZ,,)
HZN,
,C=NH,,,
-t
NEC-N
I
H Cyanamid
Dicyandiarnid
(AH = -92,s kJ/mol) ( AG = -6 1,6 kJ/mol)
Dicyandiamid wird unter dem Handelsnamen DIDIN von den SKW-Trostberg als Nitrifikationshemmer auf den Stickstoffdungemittelmarkt gebracht. Es sorgt fur einen langsameren AufschluB des Harnstoffs im Boden. Kalkstickstoff ist auBerdem ein interessantes Ausgangsprodukt fur eine Reihe wertvolier stickstoffhaltiger Zwischenprodukte (Abb. III66).
8 Harnstoffsynthese
8.1 Rohstoffe fur die Harnstoffproduktion Harnstoff ist ein naturliches Abbauprodukt des tierischen und menschlichen EiweiBstoffwechsels und wird mit dem Urin ausgeschieden. Eine Synthese gelang erstmals Friedrich Wohler* im Jahre 1828. Fur die grol3technische Synthese des Harnstoffes geht man direkt vom fliissigen Ammoniak und Kohlenstoffdioxid aus. Die Herstellung erfolgt aus diesern Grunde direkt im Verbund mit der Ammoniaksynthese. Sie stellt, von den Rohstoffkomponenten her betrachtet, eine ideale Nutzung billiger und leicht zuganglicher Ausgangsmaterialien dar. Harnstoff besteht zu 46,7 % Massenanteilen aus Stickstoff und hat als Stickstoffdunges (Amiddunger) im letzten Jahrzehnt zunehmend an Bedeutung gewonnen. Auch' wird er als eiweirjaufbauendes Viehfutter fur Wiederkauer vor allem in den USA verwendet. Die Weltkapazitat an Harnstoff betrug 1999 knapp 125 Mio t . Produziert wurden 101 Mio t, yon denen 87 % als wertvolle Stickstoffdunger eingesetzt wurden. Neben Ammoniakanlagen wesden in den industriell weniger entwickelten Landem auch Produktionsstatten zur Hamstofferzeugung errichtet, um damit iiber die Dungemittelherstellung die Grundlage zur ausreichenden menschlichen Ernihrung sicherzustellen. Die Harnstoffproduktion in der Bundesrepublik Deutschland betrug 1999 ca. 1,64 Mio t. Die Kapazitat betragt zur Zeit 1,98 Mio t.
8.2 Eigenschaften des Harnstoffes
Seine molare Masse betragt 60 g/mol. Es handelt sich um eine feste, geruch- und farblose Verbindung, die bei 132,7"C schmilzt. Harnstoff lost sich leicht in Wasser und reagiert neutral. Bei 17,l "C losen sich lOOg Harnstoff in 100 g Wasser auf. Aufgrund seiner chemischen Konstitution und Eigenschaften ist er eine Briicke zwischen anorganischen und organischen Verbindungen.
8.3 Herstellung von Harnstoff 83.1 Chemische Grundlagen
Bei der Harnstoffsynthese handelt es sich um eine Druckreaktion. Sie wurde erstmals 1914 bei der BASF durchgefiihrt, ausgehend vom Kohlenstoffdioxid, COz,und Ammoniak, NH,. Die Synthese verlauft in 2 Teilreaktionen. W a r e n d der 1. Teilreaktion bildet sich aus Ammoniak und Kohlenstoffdioxid Ammoniumcarbaminat. Dieser Teil der Reaktion verlauft exotherm, d. h. bei der Bildung von 78 g (1 mol) Ammoniumcarbaminat werden 159,7 kJ an Warme frei. 2 NH?(,, + CO*(,, Ammoniak 34 8
Kohlenstoffdioxid
In der 2. Teilreaktion spaltet sich aus dem Ammoniumcarbaminat unter Hamstoffbildung Wasser ab. Dieser Reaktionsverlauf ist endot h e m , es wird Warme gebraucht. Die Bildung von 1 mol, d. h. 60 g Harnstoff aus 1 mol Animoniumcarbaminat erfordert 41,43 kJ.
H,N-C-NH,
Ammoniumcarbaminat 78 g
*
Wohler, Friedrich ( 1 800-1882), dtsch. Chemiker
78 g
(AH=-159,7 kJ/rnol)
NH2COONH,(,,
II
NHKOONHq,, Amrnoniumcarbaminat
44 s
Hamstoff, das Diamid der Kohlensaure, hat die chemische Formel
0
-
-
H,N-C-NH,(,, II 0 Harnstoff
60 g
+H,O,,, Wasser
18 g
(AH= +4 1,43 kJ/rnol)
332
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Die Synthese lPRt sich durch Zusammenfassen der beiden Teilreaktionen mit nachstehender chemischer Reaktionsgleichung beschreiben: 2 NH,,,,
+ CO,,,,
-
H,N-C-NH,,,,,,, II
+ H20,,,
0
Ammoniak Kohlen\toff-
34 g
dioxid 44 g
Harmtoff
f1ri
W;iwer
18 g
(AH =-I 18.27 kJirnol)
Beide Teilreaktionen verlaufen in fliissiger Phase in einem Temperaturbereich von I70 "C bis 190°C und bei einem Druck von 130bar bis 200 bar. Der Gesamtreaktionsverlauf ist exot h e m . Pro mol Harnstoff. das sind 60 g, werden II8 kJ Warme freigesetzt. Die Reaktionswarme wird durch Dampferzeugung aus dem System abgefiihrt. Die zweite Teilreaktion ist der geschwindigkeitsbestimmende Reaktionsschritt. Sie verlauft langsamer als die erste Teilreaktion.
Reaktion
Trennung
Entspannung
83.2 Synthese Die Synthese erfolgt in einem Verfahrensschritt in einem Hochdruckreaktor. Ammoniak und Kohlenstoffdioxid werden mit Hilfe von Kompressoren auf den entsprechenden Betriebsdruck (130 bar bis 200 bar) gebracht und in den Reaktor gedriickt (Abb. III67). Im allgemeinen wird mit AmmoniakiiberschuB gearbeitet, Je nach Reaktionsbedingungen wird ein Umsatz von 50% bis 60% erreicht. Das Reaktionsgemisch, das aus Hamstoff und Ammoniumcarbaminat besteht, wird auf Atmosphirendruck entspannt und in Destillierkolonnen bei 70°C vom Ammoniumcarbaminat befreit. AnschlieBend wird der Harnstoff getrocknet. Ammoniumcarbaminat zerfallt beim Erhitzen in die Bestandteile Ammoniak und Kohlenstoffdioxid, die mittels Umlaufkompressoren wieder in den Reaktor zuriickgefiihrt werden. Es handelt sich hier, wie bei der Ammoniaksynthese, um eine im Kreislauf gefiihrte Reaktion. Konzentration
Harnsloff
+W S S W
Abb. 111-67. Vereinfachtes VerfahrensflieUbildder Harnstoffsynthese.
Formulierung
8 Harnstoffynthese
NH2COONH4,,, Ammoniumcarbaminat
-
(AH=+159,7 kJ/mol) 2 NK,,,
+ CO*(,,
Ammoniak
Kohlenstoffdioxid
Einige technische Reaktionen des Harnstoffs und die Folgeprodukte sind in den Abb. 111-68 und 111-69 aufgefuhrt.
Harnstoff (Carbarnid) I
1.1 Addieren Kondensieren
1.2 Poly-Kond.
-b
+ 2.1 Pyrolysieren
2.2 Triazin-Bildg.
2.3 Triazin-Bildg.
HOCH2-NHCONH2 +HOCH,NHCONHCH,OH Mono-Methylolharnstoff Di-Methylolharnstoff
t HCHOFormaldehyd
-b
t x H,NCONH, dto.
t y HCHO
Polymethylenharnstoff
-tdto.
Harnstoff-Formaldehyd-Harze
140O C
+ t H,NCONH, -+
___)
-
H,NCONHCONH, 4- NH, Biuret
( . (y7i: 250 O C
t2 H,NCONH,
HO
-NH,
350 "C
+ t 6 H,NCONH,
O - H N .Cyanursaure'
NA
H
H,N
CO, t 6 NH,
N= A H 2 .Melamin'
2.4 Substituieren
140 "C
-+ t R - N H ,
___)
Amin 3.1 Amidieren
60OC
-+ t H,SO, t SO,
____)
,Oleurn"
H,NCONHR 4- NH, subst. Harnstoff
-+-
2 H2N-S0,H CO, .Sulfaminsaure" 0
0
0
0
150OC
3.2 hid-Bildg.
N H t C02t H,O L+
Phthalimid
Phthals. Anhydrid' 3.3 Ureid-Bildg.
/
COOH(R)
H2~O-)l~zO(2ROH)
+t H 2 C
\
___)
COOH(R) Malondurc (R-Ester) 4. Oxidieren
+ t NaOCl t 2 NaOH Na-hypochlorit
5. Spalten
333
+ +H,NCONH,+K,CO, Kaliumcarbonat
CO-NH ,Barbitursaure"
-
___)
Abb. 111-68. Technische Reaktionen des Harnstoffs.
+
H,N-NH, * H,O NaCl Hydrazin - Hydrat
+
+ Na,CO,
2 KCNO 2 NH, -ICO, t H,O Kaliumcyanat
334
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chernischen Grundprodukten
I
Reaktionspartner I . Formaldehyd
- 2. dto
1-
- 3. dto.
2. Harnstoff
,--I
- 2. dto,
- 3.dto.
- 4. Anilin
4-
3. Oleum
- 2. Phthalsaure-
Derivate:
Verwendung :
(Di-) Methylolharnstoff
Vorprodukt fur Textilhilfsmittel u. a.
Polymethylenharnstoff
N-Depot- oder Langzeitdunger
Harm toff-Harze
Sperrholz, PreBplatten, Leime
Biuret (103)*
N-Futtermitteladditiv, Harze
Cyanursaure (129)
Bleich- und Scheuermittel N-Chlorcyanursauren und Salze Desinfektionsmittel
Melamin (126)
Melaminharze
Phenylharnstoff (136)
Aminoplaste, Herbizide
Sulfaminsaure (97)
Flammschutzmittel, Herbizide SiiBstoff, Beizmittel
Phthalimid (147)
Phthalocyanin-Farbmittel
Barbitursaure (128)
Barbiturate-Arzneimittel
Hydrazin-Hydrat (SO)
Reduktionsmittel, Hydrazide
Kaliumcyanat (81)
Herbizid, org. Isocyanate, Metall-Hartesalze
Anhydrid - 3. Malonester-
Anhydrid 4. Chlorbleich-
1-
lauge 5. Pottasche
Abb. 111-69. Folgeprodukte des Harnstoffs
*
Die Zahlen in den Klamrnern gehen die jeweiligen Molinassen an
9 Synthesegaschemie
9.1 Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid als Synthesegas Sowohl Wasserstoff als auch Kohlenstoffmonoxid kommen auf unserer Erdoberflache in nennenswerten Mengen nicht vor. Aufgrund ihrer hohen Reaktionsfreudigkeit reagieren sie mit dem sie umgebenen Luftsauerstoff sofort weiter zu Wasser bzw. Kohlenstoffdioxid. 2H2
+
0 2
2 c o + 0,
-
2H2Oo)
-
2cozCg)
.
Gegebenheiten im Tagebau gefordert werden. Bei einer derzeitigen Fordermenge von durchschnittlich 120 Mio t wurde der Vorrat noch 300 Jahre reichen. Die Vorrate im Mansfelder Land, in der Lausitz und im Raum HalleLeipzig werden auf 21 Mrd t geschatzt. Das Prinzip der Synthesegasherstellung beruht auf der Teiloxidation des Kohlenstoffes der Kohle bzw. des Methans im Erdgas bei Temperaturen zwischen 600°C und 900°C. Oxidationsmittel ist Wasserdampf, der zu Wasserstoff reduziert wird. Diese partiellen Oxidationen lassen sich vereinfacht durch folgende Reaktionsgleichungen beschreiben:
(AH= -571,6 kl/mol) C,,J + H&g)
(AH= -566 kllmol)
Im Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff liegen diejenigen Elemente vor, aus denen die meisten organischen Verbindungen aufgebaut sind, namlich Kohlenstoff, Wasserstoff und Sauerstoff. Interessant ist in dieser Kombination der Sauerstoff. Aus den Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff lassen sich, z. B. durch die Kohlehydrierung, Kohlenwasserstoffe unterschiedlicher Kettenlange herstellen. Dagegen gelingt es, aus Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff mit Hilfe von speziellen Katalysatoren durch Direktsynthese ohne viele Zwischenstufen eine ganze Reihe von Aliphaten mit funktionellen Gruppen zu gewinnen. Man spricht deshalb auch von einer Synthesegas-Chemie. Das Gemisch aus den Reaktionskomponenten Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff wird in der chemischen Produktionstechnik als Synthesegas bezeichnet.
Kohle
-
Wasserdampf
+
HZ(g)
Synthesegas
(AH = + 130 Hlrnol)
CH4(,, + H20W Methan
Kat.
Wasserdampf
c o w + 3 H2(g) S ynthebegas
(AH= +205 kJ/mol) Je nach Verfahrenstyp wird die aufzuwendende W2irmeenergie durch Verbrennen der Kohle oder des Erdgases im Reaktor selbst erzeugt, oder es erfolgt von auBen eine zusatzliche W2irmezufuhr.
9.1.2 Direktsynthesen auf Synthesegasbasis Methanisierung CO(g) + 3 Hag)
--+
CH4(,) + H?O,g) (AH= -205 kJ/mol)
9.1.1 Herstellung von Synthesegas Die Rohstoffbasis fur eine Synthesegasproduktion fur die deutsche chemische Industrie ist das rheinische Braunkohlenrevier zwischen Koln und Aachen. Dort liegen 55 Mrd t wertvolle Braunkohle. Ca. 35 Mrd t konnen nach den gegenwirtigen technischen und wirtschaftlichen
Essigsauresynthese 2CO<,,
+ 2 Hqg)
-
CHTCOOH,,)
(AH = -263,5 kJ/mol)
336
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Glycolsynthe.se 2 COlg1+ 3 Hz(rI
-
H2C-CH2,i1
I
I
HO
OH (AH = -234 kJ/mol)
Homologisierung (hornokatalytische Umsetzung)
-
nutzt wird (s. Abschn. 111-9.3). Mit diesen technisch relativ einfachen Synthesen werden durch den Erhalt von funktionellen Gruppen bedeutsame Schlusselprodukte mit speziellen chemischen Eigenschaften erhalten. Sie dienen wieder als Ausgangsstoffe fur grofltechnische Synthesen von Kunststoffen, Farbmitteln, Textilfasern, Pflanzenschutzmitteln u. a. (Abb. 111-70).
CHTOHigi + CO(g) + 2 Hzgi
CH,CH,OH,,)
+ HZO,,)
9.2 Die Methanolsynthese
(AH=-159 kJ/mol) 9.2.1 Eigenschaften des Methanols Polymethylensynthese (Fischer-Tropsch-Synthese) n CO,,,
+
-
2n H,,,,
tCH*+,,,,
+ n H*Ol,l
(AH=-165,O kJ/mol)
Methanol ist eine farblose Flussigkeit mit dem typischen alkoholischen Geruch und einem Siedepunkt von 643 "C.Es nimmt leicht Wasser aus der Luftfeuchtigkeit (hygroskopisch) auf und verbrennt an der Luft mit blaulicher Flamme zu co, und H,O,
Die chemische Formel des Methanols ist
Selektive Fischer- Tropsch-Synthese 2n CO,,,
-
+ 3n Hzc,,
H
t C H = C H k z , , , + 2n HZO,,, (AH = -150 kJ/mol)
I H-c-oH
I
H
Eine Reaktion zwischen Synthesegas und Oelfinen fuhrt sogar zu einer KettenverIangerung, wie sie bei der Oxosynthese ausge-
und die molare Masse 32 g/mol. Aufgrund der OH-Gruppe und seines kurzen aliphatischen
Nickeloxid-Chromoxid-Kal.
Methanislerung
1
~~
Eisen-Cobalt-Kat
__--_
Fischer-Tropsch(FT-Synthese) W Y t n
Zeolith (ZSMS) Kat.
I C O t 3 y
Polymethylen-Synlhese W Y t n
Kupferoxid-, ZinkoxidAluminiumoxid-KaL
Eisen-Cobalt-Kat.
Cobalt-Ruthenium-Kat.
Rhodium-Kal.
R-CH2-OH Cobalt-Rhodium-Ruthenium-Kat.
Abb. 111-70. Beispielc fur selektiv katalytische Reaktionen des Synthesegases.
9 Synthesegaschemie
Kohlenwasserstoff-Restes, der Methylgruppe, ist es dem Wasser sehr verwandt und z. B. in diesem in jedem Konzentrationsverhaltnis loslich. Die Methylgruppe allerdings ist dafur verantwortlich, daB Methanol auch mit des meisten organischen Losemitteln mischbar ist (s. Abschn. 111-9.4.1). Methanol ist sehr giftig. Es wird im Organismus im Gegensatz zum Ethanol, CZH50H,nur unvollstandig abgebaut. Dabei bilden sich Ameisensaure, H-COOH, und Formaldehyd H-C-H II 0
9.2.3 Technische Durchfuhrung Die Methanolsynthese IaBt sich in funf Verfahrensstufen unterteilen (Abb. 111-71). 1 . Stufe: Gewinnung des Synthesegases 2. Stufe: Kompression des Synthesegases 3. Stufe: Hydrierung des Kohlenstoffmonoxids 4. Stufe: Abtrennung des Methanols aus dem Reaktionsgemisch 5 . Stufe: Reinigung des Rohrnethanols von Nebenprodukten durch Destillation
I. Stufe
Formaldehyd fallt EiweiB aus, bzw. hiirtet dieses. Damit werden die Oxidationsvorgange im Organismus blockiert. Insbesondere sind dabei die Netzhaute der Augen betroffen, die einen hohen Sauerstoffverbrauch haben, so daB sich die ersten Vergiftungserscheinungendurch Sehstorungen, Herz- und Muskelschwache, Krampfe, Schuttelfrost bemerkbar machen.
9.2.2 Chemische Grundlagen Die Hauptreaktion der Methanolsynthese besteht aus der Hydrierung des Kohlenstoffmonoxids in Gegenwart des Mischkatalysators Zinkoxid Chromoxid, ZnO/Cr,O,. Sie verlauft nach folgender Reaktionsgleichung:
Kohlenstoff- Wasserstoff
monoxid 28 g
337
4g
Methanol 32 g
(AH= - 92,O kJ/mol) Um 1 t Methanol herzustellen, mussen bei vollstandigem Umsatz 0,875 t CO und 0,125 t H2 eingesetzt werden; dabei werden 2,87 Mio kJ an Wiirmeenergie freigesetzt. Die Methanolsynthese verlauft also stark exotherm. Mit der Reaktion geht eine Volumenabnahme des Reaktionsgemisches einher, denn aus 3 Volumenteilen Synthesegas (1 Volumenanteil Kohlenstoffmonoxid und 2 Volumenanteile Wasserstoff) entsteht ein Volumenanteil Methanoldampf. Die Bildung von Methanol wird daher durch Druckanwendung stark begunstigt.
Synthesegas als Wassergas aus Koks. Leitet man Wasserdampf uber gluhenden Koks, wirkt der Koks als Reduktionsmittel und entzieht dem Wasser den Sauerstoff unter standiger Energieaufnahme. Anstelle von Koks wird heute in hohem MaBe auch von Methan ausgegangen.
2. Stufe Das Synthesegas, auch Frischgas genannt, wird durch einen Kompressor auf den erforderlichen Druck zwischen 200 bar und 700 bar gebracht und passiert einen druckfesten Wiimetauscher, in dem Frischgas durch das den Reaktor verlassende heiBe Gasgemisch der Reaktion vorgewarmt wird. Das Gasgemisch aus dem Reaktor kuhlt sich infolge von Wiirmeabgabe ab. Durch Regulierung der Stromungsgeschwindigkeitdes Frischgases und der Gase des Reaktionsgemisches stellt sich die erforderliche Reaktionstemperatur ein.
3. Stufe Das vorgewiirmte Synthesegas (Frischgas) durchstromt anschlieBend den Reaktor, in dem ein Gemisch aus Zinkoxid (ZnO), Kupferoxid (CuO) und Chromoxid (Cr203)als Katalysator untergebracht ist. Die Hydrierung des Kohlenstoffmonoxids erfolgt bei ca. 380°C. Infolge exothermer Reaktion steigt die Temperatur im Reaktor an. Bei einmaligem Durchgang des Synthesegases werden nur 15 % Volumenanteile des zugefuhrten Kohlenstoffmonoxids umgesetzt, um die Ternperatur nicht uber einen Hochstwert ansteigen zu lassen. Sonst werden unerwiinschte Nebenreaktionen begunstigt. Die Methanolsynthese ist also ein kontinuierliches Verfahren im Kreislauf.
338
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
I
Rohmethnnnl u
Kreislaufgas
I
Kuhlwasserablauf
Kuhlwa zulauf
Kuhler
Kreislaufgas COlHl
I
c-
Abb. 111-71. Vereinfachtes Verfahrensfliefibild der Methanolsynthese.
4. Stufe Nach der Reaktion wird das Gas zuerst in den Vonvarmer und anschlieBend in einen Kiihler geleitet. Hier scheiden sich Produkte wie Methanol, Dimethylether und andere hohersiedende Verbindungen als fliissige Phase ab. Dieses Flussigkeitsgemisch, das man als Rohmethanol bezeichnet, wird nach Entspannung auf Nomdruck verschiedenen Reinigungsverfahren unterworfen und dann der fraktionierten Destillation in Destillationskolonnen unterzogen. Nicht umgesetztes Synthesegas stromt als sog. Riickgas dem Kompressor am Eingang des Verfahrens wieder zu (s. auch Ammoniaksynthese, Abschn. 111-7.2.1). Ein Teil wird allerdings dem Kreislauf entzogen, um die Anreicherung von Inertgasen, wie z. B. Stickstoff, zu verhindern. 5. Stufe
Wahrend der fraktionierten Destillation laBt sich Dimethylether mit einem Siedepunkt von
-23,4"C in der ersten Kolonne leicht abtrennen. Damit Dimethylether flussig anfallt, wird diese Kolonne unter leichtem Druck betrieben. In der zweiten Kolonne geht Reinmethanol als Kopfprodukt iiber. Als Ruckstand verbleiben hoher siedende Verbindungen. Methanol wird in eisernen Tanks, evtl. unter Stickstoffatmosphare, gelagert.
9.2.4 Technische Verwendung Methanol ist im Gemisch mit anderen Komponenten ein wichtiges Losemittel fur Fette, Ole und Lacke und wird als Extraktionsmittel bei der Zerlegung von festen oder fliissigen Stoffgemischen eingesetzt. AuBerdem dient es als Mittel zur Gasreinigung. 10% des erzeugten Methanols werden in den genannten Bereichen verbraucht. Die Produktionsmenge betrug 1998 weltweit 26,2Mio t. Davon werden ca. 9 0 % von der chemischen Industrie fur eigene Zwecke verwendet.
9 Synthesegaschemie
Weitere 10 % werden fiir die Essigsauresynthese nach dem Carbonylierungsverfahren gebraucht. Aukrdem dient Methanol als Zusatzmittel fur Motoren- und Raketentreibstoffe und in den USA im Gemisch rnit Wasser als Frostschutzmittel in Autokuhlern. Etwa 50 % des hergestellten Methanols werden zu Formaldehyd umgesetzt. Methanoldampfe werden dabei zusammen rnit Luft bei 600 "C uber Silber-Katalysatoren geleitet. Methanol ist ein sehr wichtiges Methylierungsmittel zur Herstellung von Methylcellulose. Ebenso ist es eine unerlaBliche Reaktionskomponente zur Synthese von Dimethyltherephthalat, DMT. DMT ist ein Zwischenprodukt zur Herstellung von Polyesterfasern (Trevira@).Trevira ist eine hochwertige synthetische Textilfaser. Der zunehmende Bedarf am MTBE (Methyl-tertbutylether) als Antiklopfmittel 1aBt die Methanolproduktion weiter ansteigen.
Die Oxosynthese ist ein modernes Verfahren zur groatechnischen Herstellung aliphatischer Aldehyde und Alkohole. Ausgangsprodukte sind Kohlenstoffmonoxid, CO, Wasserstoff, H2 und Kohlenwasserstoffe rnit einer endstbdigen Doppelbindung, R -CH = CH,. Bei der Oxosynthese enstehen aus geradkettigen Alkenen rnit endstandiger Doppelbindung unter Anlagerung von Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff nebeneinander geradkettige und verzweigte Aldehyde. a) An ein Kohlenstoffatom des Alkens, das eine endstandige Doppelbindung enthalt, lagert sich ein Wasserstoffatom (Hydrogenium) an. H I R-C=C I
I
H
H
Alken
+
H2
-r 7 7 1
Wasserstoffmolekiil
9.3 Die Oxosynthese 9.3.1 Chemische Grundlagen Der Chemiker Otto Roelen (1897-1 993) machte im Jahre 1938 bei der Ruhrchemie AG in Oberhausen-Holten die Entdeckung, dal3 sich Ethylen in Gegenwart von Kobalt-Thorium-Katalysatoren mit Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff bei erhohtem Druck und erhohter Temperatur zu Propionaldehyd umsetzt. Als Reaktionsprodukt ist eine sauerstoffhaltige Kohlenwasserstoffverbindung entstanden, also eine Oxoverbindung. Schnell setzte sich der Begriff Oxosynthese fur dieses Verfahren durch. Die Ruhrchemie AG erkannte die wirtschaftlithe Bedeutung dieser Re&tion. SO gfindeten die Ruhrchemie AG, die IG-Farbindustrie AG und Henkel u. Cie 1940 die Oxogesellschaft GmbH, die in Oberhausen-Holten die erste 0x0produktionsanlage der Welt errichtete. Die Anlage hatte eine Kapazitat von 10000 jato und nahm ihre Produktion noch Anfang 1945 auf. Im Jahre 1959 gelang es aufgrund gesammelter Erfahrungen eine vollkontinuierlich arbeitende groDtechnische Anlage in Betrieb zu nehmen, deren Kapazitat bis 1968 auf 220000 jato enveitert wurde. Seit 1989 gehorte die Ruhrchemie als Werk Oberhausen zur Hoechst AG und seit 1999 zur Celanese AG.
339
unbestiindiges Zwischenprodukt
Wasserstoffatom
Diese Teilreaktion kann als Hydrierung aufgefaBt werden. b) Das Kohlenstoffmonoxid reagiert ebenfalls mit einem Wasserstoffatom zur Aldehydgruppe, auch Formylgruppe genannt.
C=O
+
Kohlenstoffrnonoxid C)
.H
-
Wasserstoff
unbestandige Aldehyd(Formyl-)gruppe
Das unbestandige Zwischenprodukt und die unhshndige AldehYdgruPPe reagieren Sofort zum bestandigen aliphatischen AldehYd.
340
[
111 Produktinnsverfahren xur Herstellung von chemischen Grundprodukten
H
+ [,C<:
R-i-;.] H
1
H
H
unbestandiges Zwischenprodukt
H
1
H
H
Alkene (Olefine)
2 C O + 2 H,
+ H?C-CH-C\ I
H 0
Die Oxosynthese ist immer mit einer Verlangerung der Kohlenstoffkette um ein Kohlenstoffatom verbunden. Als Reaktionsprodukte werden Aldehyde erhalten, die in einer zweiten Reaktionsstufe ohne vorherige Abtrennung mit katalytisch aktiviertem Wasserstoff zu den entsprechenden Alkoholen hydriert werden [ s. G1.
(111.
Da diese Alkohole aus Oxoprodukten erhalten werden, heiBen sie Oxoalkohole. Ihnen kommt unter den Oxoprodukten in der chemischen Anwendungstechnik eine groBe Bedeutung zu. Die Oxoalkohole dienen der Herstellung von Liisemitteln fur die Lack- und Kunststoff-
H
beraweigte Alkanale
H
H
H
+ H+-CH2-C I
/
~ CH& C OH ~
n - Hutanol
+
2H2
%<
(1)
\O
CH3 Rutanallg,
/
(AH= -234,s kJ/mol)
--+
geradkettige Alkanalr
\O
%
CH?
Synthesegas
/
I1
2-Methylpropanal(,,
K at
H
H&-CH2-W-C
/
Butanal(,,
WBhrend des eigentlichen Reaktionsablaufes sind die Teilreaktionen nicht voneinander zu trennen, sie verlaufen gleichzeitig und parallel, so daB die Oxosynthese oder Hydroformylierung durch nachstehende Reaktionsgleichung beschrieben werden kann.
+
2Hz
CH3- CH2- CH2- C
aliphatischer Aldehyd
2 R-CHrCHz
+
2CO
Kohlenstoff- Wassermoiloxid stoff Kat.
R-{-{-c<
H
,
-
unbestandigr Aldehydgruppe
1
+
2CH,-CH=CH, Propy le n
2-Methylpropanal(,,
Wasserstoff
Isomerengemisch
H3C- CH2- CHl- OH I CH3 Isobutanol(g,
(AH = - 1 34,7 kllrnol)
Die Alkanale (Aldehyde) sind somit die Primarprodukte der Oxosynthese, sie enthalten j e Molekul gegenuber dern Ausgangsolefin ein Kohlenstoffatom mehr. Propylen ist das technisch am haufigsten eingesetzte Ausgangsalken fur die Oxosynthese. Fur Propylen als ungesattigten Kohlenwasserstoff lassen sich die Reaktionsablaufe durch folgende Gleichung beschreiben.
industrie, von Weichnzachern fur Polymere und Lackformulierung und als Ausgangsstoffe zur Fabrikation von Waschmitteln.
9.3.2
Durchfiihrung
Die Synthese von Oxoaldehyden und Oxoalkoholen laBt sich in funf Stufen untergliedern (Abb. 111-72):
9 Synthesegaschemie
34 1
Abgas zur Verbrennung
-
I
Verbrennund Butyraldehyd-
Abb. 111-72. Vereinfachtes ApparateflieSbild der Oxosynthese.
1 . Stufe: Hydroformylierung 2. Stufe: Regenerierung des Katalysators 3 . Stufe: Aldehydisolierung durch Destillation 4. Stufe: Hydrierung der Aldehyde zu Alkoholen 5. Stufe: Destillation des Alkoholgemisches 1. Stufe
Die gasformigen Ausgangsstoffe fur die 0x0synthese, wie die Alkene und das aus Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff bestehende Synthesegas, werden von unten in ein senkrecht stehendes Hochdruckrohr rnittels eines Kompressors kontinuierlich eingefuhrt. Bei Reaktionstemperaturen von 120 "C bis 200 "C,bei Driicken von 200 bar bis 300 bar und bei gleichzeitigem Einsatz geeigneter Katalysatoren setzt die Hydroformylierung ein. Die Hydroformylierung ist fast auf alle Alkene mit endstiindiger Doppelbindung anzuwenden. Die Urnsetzung ist exotherm und je nach eingesetztem Alken werden pro Mol 117k.l bis 147kJ frei. Die Reaktionswiime wird durch im
Reaktionsrohr angeordnete Kuhlrohren abgefiihrt und dient zurn Vorwirmen des in den Reaktor eintretenden Frischgernisches. Das Reaktionsprodukt der Hydroformylierung wird durch eine mehrstufige Entspannung in Fliissigkeit und Kreisgas, das nicht urngesetzte Synthesegas, getrennt. Die Flussigkeit besteht im wesentlichen aus den sog. Oxoaldehyden und dern in ihr gelosten Katalysator.
2. Stufe Sind die gasformigen Anteile aus den Reaktionsprodukten iiber einen Gasabscheider entfernt worden, wird in einer gesonderten Verfahrensstufe der Katalysator aus der Flussigphase abgetrennt, aufgearbeitet und dem Oxoreaktor wieder als Losung oder Suspension zugegeben. Bei Iiingerkettigen Aldehyden wird zur Katalysatorenabscheidung das Reaktionsprodukt bei 120"C bis 180 "C mit Wasserstoff behandelt. Die empfindlichen niederen Aldehyde werden durch Luft als Oxidationsmittel von den Katalysatorcarbonylen befreit. Die Katalysatoren fallen als wiil3rige Salzlosung an. Die Katalysatoren-
342
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chetnischen Grundprodukten
entfernung und -regenerierung bei der Oxosynthese ist von besonderer Wichtigkeit. Dafur sind viele unterschiedliche chemische und technische Verfahren entwickelt worden.
3. Stufe Die durch Hydroformylierung entstandenen Aldehyde mussen nicht nur voneinander destillativ getrennt, sondern auch von Nebenprodukten befreit werden. Als Nebenprodukte fallen in unterschiedlich kleinen Mengen Verbindungen an, wie gesattigte Kohlenwasserstoffe, Alkohole, Ameisensaure, Ester, Ketone, u. a. Als Nebenreaktion wird z.B. die Hydrierung des Aldehyds zum gesattigten Kohlenwasserstoff und auch Alkohol begunstigt. Die Reinigung und Isolierung der Oxoaldehyde wird in groljem Stile nur bei niedrig siedenden Produkten praktiziert. Die Rohaldehyde werden zur Spaltung von Acetalen und Trimeren mit etwas Saure versetzt und dann destilliert. 4. Stufe
Sind nicht Aldehyde, sondern Alkohole als Zwischenprodukte fur Synthesen hoherer Veredelungsstufen erwunscht, so werden die Aldehyde in einem weiteren Verfahrensschritt mit Wasserstoff zu entsprechenden Alkoholen hydriert, d. h. reduziert. Nach der Hydrierung wird das flussige Alkoholgemisch in einem Abscheider gesammelt. 1st fur die Oxosynthese Propen eingesetzt worden, so werden die Alkohole
stand verbleiben 10 5% bis 25 9%der eingesetzten Menge als Dickol. Je nach Bedarf kiinnen in der Oxoanlage mehr Aldehyde oder mehr Alkohole gewonnen werden. Werden in der ersten Destillationsanlage weniger Aldehyde abgenommen, so erhoht sich nach der Hydrierung und der zweiten Destillation die Alkoholausbeute.
9.3.3 Das Niederdruck-RhodiumOxoverfahren
Herstellung von n-Butyraldehyd Ein neuer Weg zur Synthese von Butyraldehyd ist das Niederdruck-Rhodium-Oxoverfahren. n-Butyraldehyd H H ~CCH?- C H ~ c' \
0
ist ein groBtechnisch wichtiges Zwischenprodukt der chemischen Industrie mit einer Jahresproduktion von etwa 1,14 Mio t in Deutschland (1 999). Weltweit stellt n-Butyraldehyd neben Methanol das mengenmaaig bedeutendste Folgeprodukt auf der Basis von Synthesegas dar. n-Butyraldehyd wird zu einer Reihe wichtiger Produkte weiter verarbeitet. z. B. - zu 2-Ethylhexanol
H,C -CH, -CH, -CH,-CH,
C*HS
n-Butanol
dem Vorprodukt des Dioctylphthalat, DOP, das in groljem Umfang als Weichmacher fur Polyvinylchlorid, PVC, verwendet wird;
und H lC -CHI -CH, -OH I CH i
-
5. Stufe
Vor der destillativen Trennung der Alkohole wird zur Entfernung von Aldehydspuren dem Gemisch Alkali zugegeben. Als Destillationsriick-
zu n-Butylamin, H,C -CH2
i-Butanol (Isobutanol)
erhalten. Bei der Hydrierung nicht verbrauchter Wasserstoff wird von einem Kompressor abgesaugt und in den Kreislauf zuriickgefuhrt.
-CH2- OH
I
H,C-CH2-CH,-CH2-OH
-
CH,
-
CH,
-
NH,;
- zu n-Buttersaure, H,C - CH, - CH, - COOH, oder -
LU ti-Butanol, H,C - CHZ - CHL - CHZOH,
einem vielbenotigten Losemittel fur Lacke. Seit Sommer 1984 wird n-Butyraldehyd bei der Ruhrchemie in Oberhausen, einem Werk der Celanese AG, nach dem Niederdruck-Rhodium-
9 Synthesegaschemie
Oxoverfahren produziert. Die neue ProduktionsstraBe wurde als Freiluftanlage auf einer relativ kleinen Grundflache errichtet. Ein Charakteristikum des neuen NiederdruckRhodium-Oxoverj-ahrens ist die Verwendung eines wasserloslichen Rhodium-Katalysators, der von der franzosischen Firma Rh8ne-Poulenc im Labor entwickelt wurde (Abb. 111-73). Als Vorteil dieses ,,Ruhrchemie/RhGnePoulenc-Verfahren" genannten Prozesses gegeniiber dem herkommlichen Kobaltverfahren sind zu nennen:
343
I
niedrigere Investitionskosten, da die neue Anlage mit geringerem Druck arbeitet, - hohere Ausbeute an n-Butyraldehyd, - geringerer Energieverbrauch und - zusatzliche Erzeugung von ProzeBdampf durch Nutzen der Reaktionswme. -
Herzstiick der Anlage ist der neuentwickelte Reaktor, der das w a r i g e Rhodium-KatalysatorSystem praktisch ,,ortsfest" enthalt und sowohl die chemische Umsetzung der Hydroformylierung als auch die Phasentrennung zwischen dem organischen Reaktionsprodukt und der stationir bleibenden Katalysator-Losung ermoglicht. Der prinzipielle Verfahrensablauf ist der Abb. 111-74 zu entnehmen. Propen wird rnit dem Synthesegas Kohlenstoffmonoxid und Wasserstoff vermischt und iiber einen Zerstauber dem Reaktor zugefuhrt. AuBerdem enthalt der Reaktionskessel die w a n ge Katalysator-Losung. Das Reaktionsgemisch wird im Kreislauf gefiihrt und uber eine Abscheidekolonne (Stripper) geleitet. Dabei wird das Reaktionsprodukt von nicht umgesetzten Ausgangskomponenten befreit, die dem ProzeB wieder zugefuhrt werden. Auf diese Weise wird Propen wieder der Reaktion zugefiihrt. Die Oxosynthese ist ein exothermer ProzeR. Die freigesetzte Reaktionswiirme wird durch einen Warmetauscher zur Dampfgewinnung genutzt. Nach Verlassen des Reaktionskessels passiert das Reaktionsgemisch einen Gas-Separator, um den n-Butyraldehyd von Begleitgasen zu trennen. Die Anlage ist rnit einern neuen, voll integrierten ProzeBleitsystem ausgeriistet. Auf Bildschirmen lassen sich die Verfahrensschemata mit den aktuellen MeRwerten. die Reglereinstellungen, Kurvendarstellungen und Alarmfolgen abrufen.
Abb. 111-73. Chemische Formel des wasserloslichen Rhodium-Katalysators, Chlorotris(tripheny1phosphin)rhodium. - a) Strukturformel, b) Raummodell.
344
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten Dampf
-
T
AbQas
4
c3
Propen
Syhhesegas 1. Reaktionskessel 2. Gasabscheider 3. Kolonne 4. ROhrer 5. WBrrnetauscher
AuBerdem gehoren ein Drucker und ein Kopiergerat dazu, das jederzeit die Bildschirrnanzeige zur Dokumentation als Kopie aufzeichnen kann. Beim Niederdruck-Rhodium-Oxoverfahren fallt kein Prozellabwasser an. Die Anlage wurde mit einem umfassenden Leckagen-Sammelsystem ausgeriistet und die Beatmung an das 0x0-Abgassystem angeschlossen. Damit arbeitet dieser Betriebsteil sehr umweltfreundlich.
9.3.4 Wirtschaftliche Bedeutung von Oxoprodukten Im Jahre 1990 wurden in der Welt ca. 3 Mio t Oxoprodukte erzeugt, davon ca. 947 000 t in der Bundesrepublik Deutschland. Die Kapazitaten der Anlagen fur die Oxoproduktion betragen weltweit 7,3 Mio t. Fur die Bundesrepublik Deutschland werden sie mit 1.2 Mio t angegeben. Das Werk Ruhrchemie der Celanese AG unterhalt Oxoanlagen mit einer Kapazitat von 385 000 jato. Dabei handelt es sich im Wesentlichen um das Oxoprodukt normal- u. iso-Butyraldehyd. Die sturmische Entwicklung der Oxosynthese wurde durch zwei Faktoren begunstigt. Aus dem
Abb. 111-74. FlieRbild eines Oxoprozesses zur Herstellung von n-Butyraldehyd.
Erdol konnen reine Alkene fur die Oxosynthese gewonnen werden. Das Synthesegas, bestehend aus Wasserstoff und Kohlenstoffmonoxid, kann sowohl auf Erdol-, Erdgas- oder Kohlebasis hergestellt werden. Die ErschlieBung des Erdols als Rohstoffquelle fur die Alkene und der Kohle fur das Synthesegas ermoglicht es, preiswerte Alkohole in steigenden Mengen zu produzieren. In der Oxosynthese begegnen und erganzen sich die Petro- und Kohlechemie.
9.4 Die Chemie der C ,-Bausteine
- ein Uberblick
9.4.1 Wichtige C,-Bausteine in der
chemischen Technik Unter C,-Bausteinen werden einfache Kohlenstoffverbindungen zusammengefdt, die nur ein Kohlenstoffatom im Molekul enthalten. Bekannte C, -Kohlenstoffverbidungen sind z. B.:
345
9 Synthesegaschemie
co coz
Kohlenstoffmonoxid
CH,
Methan
CHiOH
Methylalkohol
H-C=O
Formaldehyd
Kohlenstoffdioxid
I
H
H-C=OH II
Ameisensaure
H--CN
Cyanwasserstoff
NHZ-C-NH2 II
Harnstoff
H
II
6 COz + 12 H2O
+ 12 H,S
Isocyansaure
0 s=c=s
Phosgen
C&(OH)6 + 6 H2O + 6 0, Glucose
-
6 CO, + 8 NH3
Wasser
Sauerstoff
(AG = +2870 Id/mol)
C6H6(OH)6+ 6 H 2 0 + 12 S
Schwefelwasserstoff
0 Cl-c-CI II
-
Kohlen- Wasser stoffdioxid
6 CO,
0
H-N=C
das Kohlenstoffdioxid als ihre Kohlenstoffquelle. Unter der Einwirkung der Sonnenenergie werden aus Kohlenstoffdioxid und Wasser kornplizierte organische Verbindungen wie z. B. Glucose, Fructose und deren Biopolyrnere S t i k e und Cellulose aufgebaut. Diese Vorgange sind unter dern Begriff ,,Photosynthese" bekannt.
Schwefel
-
(AG = +432,59 k.Vmol)
C&(OH), + 6 HZO + 4 N,
Ammoniak
Stickstoff
(AG = + 162,63 H/mol)
Schwefelkohlenstoff
Alle diese C,-Verbindungen spielen in der chernischen Produktionstechnik eine bedeutende Rolle. Sie sind Ausgangsstoffe fur die groBe Palette der organischen Zwischenprodukte. Von ihnen fuhren zahlreiche Synthesewege zu den chernischen Massenprodukten wie Kunststoffe, Lacke, Farbrnittel u. a. oder den High-Chern-Produkten wie z. B. Arzneirnittel, Pflanzenschutzrnittel oder den Werkstoffen fur die Elektronikbausteine.
Aber auch Anaerobier*, das sind Mikroorganisrnen, die ohne Luftsauerstoff zu leben vermogen, konnen Kohlenstoffdioxid in Kornbination rnit Methan als Kohlenstoffquelle nutzen. Die erforderliche Reaktionsenergie beziehen sie aus dern energiereichen Methan. 3 CH, Methan
+ 3 co,
-
Kohlenstoffdioxid
C&(OH)6 Glucose
(AG = +418,12 Hlmol)
9.4.3 Kohlenstoffmonoxid, CO 9.4.2 Kohlenstoffdioxid, C 0 2 Unter den C,-Bausteinen nimrnt Kohlenstoffdioxid eine Sonderstellung ein. In der Luft ist es rnit 0,035 % Volurnenanteilen reichlich vorhanden. Auch laBt es sich durch Brennen des Kalksteins leicht gewinnen. Aber thermodynarnisch nirnrnt es unter den C,-Bausteinen den energiemsten Zustand ein und ist deshalb als Kohlenstofflieferant fur groBtechnische Synthesen nicht gut geeignet. Abgesehen von der Harnstoffsynthese (s. Kap. 111-8) gibt es kein groBtechnisches Verfahren, das direkt vorn Kohlenstoffdioxid ausgeht. Diesen Luxus vermag sich nur die Natur zu leisten. Denn das Leben auf der Erde ist ohne Kohlenstoffdioxidchernie nicht denkbar. Griine Pflanzen und einige Mikroorganisrnen nutzen
Kohlenstoffrnonoxid ist neben Methan einer der wichtigsten Kohlenstofflieferanten fur groB technische Synthesen und zusarnrnen rnit Wasserstoff die Basis fur die Synthesegaschemie (s. Kap. 111-9). Kohlenstoffrnonoxid ist ein farb-, geruch- und geschrnackloses Gas. Es kondensiert bei -191,48"C und erstarrt bei -204,O"C. Die Verbrennungsenthalpie des Kohlenstoffmonoxids ist mit -283 kJ/rnol sehr hoch. Es ist deshalb sehr reaktionsfaig und ein wertvoller Energietrager. Sein oberer Heizwert betragt 10,107 MJkg. Kohlenstoffrnonoxid entsteht bei unvollstandiger Verbrennung des Kohlenstoffs und der Kohlenwasserstoffe und ist stark giftig, weil
*
an (grch.) - nicht, ohne; aer (grch.) - Luft
346
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
seine Affinitat zum Hamoglobin der roten Blutkorperchen groRer ist als die des Sauerstoffs. Mit dem Eisen des Hamins des roten Blutfarbstoffs bildet es Eisencarbonyle. In seinen physikalischen Eigenschaften wie Schmelzpunkt, Siedepunkt, Flussigkeitsdichte und der Wasserloslichkeit ist es dern Stickstoff sehr ahnlich. Kohlenstoffmonoxid und Stickstoff gleichen sich irn Aufbau ihrer Elektronenschalen. Sie enthalten 10 Aufienelektronen und sind somit isorlektronisch.
Beide Molekule besitzen die gleiche Protonen- und Elektronenzahl. Insbesondere auf den analogen Aufbau der Molekulorbitale ist unter anderern das fast identische verfahrenstechnische Prinzip der Methanolund Amrnoniaksynthese zuriickzufuhren. CO+2H,
N2+3H2
-
H,C-OH (AH = - 92 kJlrnol)
2NH,
(AH=- 92.2 kJlmol)
9.4.5 Methanol (Methylalkohol), CH,OH Methanol zahlt zu den bedeutendsten Schlusselprodukten der chemischen Industrie. In Deutschland wurden 1999 I ,S3Mio t produziert. Die Herstellung erfolgt auf der Basis von Synthesegas. CO
+
Kohlenstoftmonoxid
2H,
-
Waserstoff
Methanol
(AH = -92 kJlmol)
Das Verfahren ist dem der Ammoniaksynthese sehr ahnlich. Die ersten Untersuchungen uber diese Synthesegasreaktion hat I91 3 schon A. Mittasch* in der BASF durchgefuhrt. Methylhalogenide, Methyl-tert-butylether, Methylamine, Methylmethacrylat, Ameisensaure erfordem zu ihrer Herstellung Methylalkohol.
9.4.6 Formaldehyd, H,C=O Formaldehyd wird durch eine Oxidation des Methanols an Silber-Katalysatoren erhalten. H,C -OH
+
1/2 O2
--
* ppm,
parts per million; das ist eine Teil-Rcimcngung auf 1 Mio Teile Substanz.
H-C=O I H
+ H,O
(AH= -201 kJ/rnol)
9.4.4 Methan, CH, Die wichtigste Quelle fur Methan ist das Erdgas, in dern es mit bis zu 90% der Hauptbestandteil ist. Technisch fallt es auch irn Kokereigas an. In der Troposphiire ist es mit einem Anteil von 1,6pprn* vorhanden. Die Hilfte davon stammt aus den fossilen Brennstoffen, die andere entsteht bei der Methangarung, dern Celluloseabbau durch anaerobe Bakterien. Aufierdem entsteht es in den Faulturmen und wird dann Biogas genannt, in den Siirnpfen als Sumpfgas und in den Pansen von Wiederkauem. Methan ist also auch ein Stoffwechselprodukt von Mikroorganisrnen und dient zum chemosynthetischen Aufbau von Biopolymeren. Methan ist ein farbloses, geruchloses, ungiftiges Gas und brennt mit blaulicher Flamme. Ini Wasser ist es wenig loslich, gut dagegen in organischen Losemitteln. Es entzundet sich bei 600 "C und hat einen oberen Heizwert von S5,6MJ/kg. Methan ist ein wichtiger Energielieferant fur Kraftwerke und Ausgangsprodukt fur viele grofitechnische Synthesen.
CH,OH
In reinem, wasserfreiem Zustand ist Formaldehyd bei Zimmertemperatur ein farbloses, stechend und durchdringend riechendes Gas. Er kondensiert bei -19,2"C und ist in Wasser leicht Ioslich. Die Dampfe sind brennbar und Gemische mit Luft explosionsfahig. Das grofite Einsatzgebiet fur Formaldehyd ist die Herstellung von Phenol-, Harnstoff- und Melaminharzen und Polyoxymethylenen. In Deutschland wurden 1999 knapp 1 Mio t Formaldehyd hergestellt.
9.4.7 Ameisensaure, HCOOH Die Arneisensiiure wird durch Direktsynthese groRtechnisch auf zwei Wegen erhalten. Der eine ist die Hydratisierung von Kohlenstoffmonoxid mit Wasser bei 115 "C bis 150 "C und einem Druck von 8 bar bis 30 bar. CO
+
H,O
-
H-C=O
I
H Kohlenstoffmonoxid
*
Waa\er
Arneisensaure
(AH = -29,l kJ/mol)
Mittasch, Alwin (1869-1953). dtsch. Chcmikcr
9 Synthesegaschemie
Um das Bildungsgleichgewicht nach rechts zu verschieben, setzt man dem Reaktionsgemisch Natronlauge, NaOH, oder Calciumhydroxid, Ca(OH),, zu. Technisch bedeutsamer ist das Verfahren, bei dem anstelle von Wasser Methylalkohol als Reaktionskomponente eingesetzt wird. CO
+
H,C-OH
Kohlen- Methanol stoffmonoxid
H-C=O I 0-CH3 Ameisensauremerhylester
(AH = -213 kJ/mol)
Dieses Verfahren Iauft bei 70 "C und 20 bar bis 200 bar in Gegenwart von Natriummethylat ab. Ein Methanoliiberschulj bewirkt einen 95 %igen Kohlenstoffmonoxidumsatz. Ameisensaure ist eine klare, fluchtige, stechend riechende, farblose Flussigkeit mit einem Siedepunkt von 101 "C. Ameisensaure ist die einfachste Carbonsaure und ist im Pflanzen- und Tierreich als Stoffwechselprodukt sehr weit verbreitet. Sie ist die stiirkste aller Carbonsauren und lost auch Metalle unter Wasserstoffentwicklung auf. Dabei bilden sich deren Salze, die Metallformiate. Ameisensauredampfe sind brennbar und mit Luft bilden sie, bei bestimmten Mischungsverhaltnis, explosible Gemische. Die Produktion in Deutschland betrug fur Ameisensaure, ihre Salze und Ester 1999 309 000 t. Die Anwendungsgebiete fur Ameisensaure sind recht vielfaltig. Sie dient zur Unterstutzung der Milchsauregarung bei der Griinfuttersilage fur die Tierzucht. Ameisensaure ist ein beliebtes Ansauerungsmittel von Farbbadern und wird auch zum Beizen und Desinfizieren angewendet. Aluminium- und Natriumformiat sind Hilfsmittel in der Lederund Textilindustrie. Methylformiat wird auch als Insektizid eingesetzt.
9.4.8 Harnstoff, H2N- CO-NH,, Isocyansaure, H-N= C=O, Cyanwasserstoff, H- C= N Hamstoff, Isocyansaure und Cyanwasserstoff sind C,-Bausteine, die eine Kohlenstoff-Stickstoffbindung enthalten. Die C-N-Bindungen spielen sowohl in der Natur als auch bei chemischen Syntheseprodukten eine grolje Rolle.
347
In der Natur sind es die Proteine mit ihren typischen Peptidbindungen, H -C-N-
I
II
0
wie sie z. B. im Kollagen, in der Wolle und Seide und im EiweiD fur die menschliche Ernahrung vorliegen. Die Peptidbindungen sind aber auch typisch fur die Polyamide Nylon und Perlon, die Polyurethane und die Ararnidpolymeren*. Die Herstellungsverfahren fur Harnstoff und Cyanwasserstoff oder Blausaure sind technisch leicht zu handhaben. Die stickstoffliefernde Komponente ist in beiden Fallen Ammoniak. Der Kohlenstoff im Harnstoff stammt vom C,-Baustein Kohlenstoffdioxid und im Cyanwasserstoff vom Methan. Die chemischen Reaktionen lassen sich durch nachstehende Bruttoreaktionsgleichungen zusammenfassen (s. Abschn. 111-9.4.9 und -8.3). NH,
+
Ammoniak
CO,
-
Methan
H-CEN Cyanwasserstoff
+
3Hz Wasserstoff
(AH = +233,8 kllmol)
2NH3
+
CO, -.+ NH2-C-NH2 II
+
Kohlenstoffdioxid
Wasser
H,O
0
Ammoniak
Hamstoff
(AH= -1 18,27 kl/mol) Eine analoge Reaktion lauft auch im menschlichen Organismus ab. Beim Abbau des Nahrungseiweiaes entsteht Ammoniak, der in groljeren Mengen giftig ist. Er wird dadurch entgiftet, daR er mit dem ebenfalls im Korper entstehenden Kohlenstoffdioxid als Harnstoff gebunden und als solcher ausgeschieden wird. Die Harnstoffproduktion in der Welt wird mit uber 100 Mio jato angegeben. Aufgrund der zunehmenden Weltbevolkerung wird diese Menge steigen. Denn 80% davon werden als Dungemittel, 11 % als eiweikpendendes Futtermittel und 9 % als Komponente im Sektor der HamstoffForrnaldehyd-Harze eingesetzt. Aus Harnstoffdunger werden auch die stickstoffhaltigen Langzeit-(Depot) Dunger durch Zugabe von Abbauverzogerern hergestellt (Kap. 111-8).
*
Aramid ist ein aromatisches Polyamid (Poly-p-Phenylentercphthalamid).
348
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
9.4.9 Cyanwasserstoff nach dem Degussa-BMA*-Verfahren
+
NH,
Ammnniak
CH,
-
Methan
H-CENI
+
3H,
Cyanwasserstoff Wasaerstnff
(AH = +233,8 kllmol)
Die Reaktion verlauft drucklos zwischen 1000°C und 1200°C an einem Platin-Ruthenium-Aluminium-Katalysator mit kurzen Verweilzeiten, darnit sich der Cyanwasserstoff bei diesen hohen Temperaturen nicht gleich wieder zersetzt. Durch Absorption im Wasser wird der Cyanwasserstoff isoliert. Es entsteht Blausaure. Der als Begleitprodukt entstandene Wasserstoff wird bei der Degussa fur die Hydrierung, zur Wasserstoffperoxidgewinnung nach dem Anthrachinonverfahren, genutzt (Abschn. 1-7.3.I). Blausaure ist eine farblose, aufierst giftige von charakteristischem Geruch gekennzeichnete Fliissigkeit, die schon bei 26°C siedet. Mit Wasser und Ethanol ist sie in jedem Verhaltnis mischbar. Blausaure ist eine sehr schwache Saure. Ihre hohe Giftigkeit beruht auf der Blockierung des dreiwertigen Eisens der Cytochromoxidase. Deshalb kann kein Sauerstoff rnehr aus dern Hamoglobin des Blutes auf die Gewebe iibertragen werden. Blauslure ist ein bedeutendes Zwischenprodukt und als solches hat es eine breite Anwendungspalette fur mannigfaltige Synthesen (Abb. 111-75). Uber das Cyanhydrin des Acetons fuhrt der Weg zum Methacrylnitril und Methacrylester. Ausgehend von Methylrnercaptan, Acrolein, Blausaure und Wasser stellt die Degussa die essentielle Aminosaure Methionin her: H2C-CH, -CH -COOH
Sie enthalten das farblose, giftige Anion C=N-. Die wichtigsten und bekanntesten Cyanide sind das
Kaliurncyanid KCN, Natriumcyanid NaCN und die Erdalkalicyanide, wie z. B. Calciumcyanid Ca(CN),.
Die Cyanide sind kristalline Substanzen, die in Wasser leicht liislich sind. In Wasser hydrolisieren sie. d.h. spalten sich in die positiven Alkalimetallkationen und die negativen Cyanidanionen. z. B. NaCeN
-
Natriumcyanid
NA'
+
CN~
Natrium-Kation Cyanid-Aninn
Diese Hydrolysate riechen nach Blausaure. Die Schwermetallcyanide wie Silbercyanid, AgCN, sind rneist unliislich. Unliislich sind auch die kornplexen Cyanide des Silbers und Goldes. z. B.
Na[Ag(CN),] Na[Au(CN),]
Natriurndicyanoargentat Natriurndicyanoaureat
Diese beiden Cyanidkornplexe spielen bei der Cyanidlaugerei der Edelmetalle zur Abscheidung von Gold und Slber eine grofie Rolle. Die organischen Cyanide, die man als Ester der Blausaure auffassen kann, heil3en Nitrile, z. B. Acrylnitril H,C=CH.
I
C=N Cyanidlaugerei
Inzwischen wird Methionin auch auf mikrobiologischern Wege hergestellt. Ein andercs sehr wichtiges Folgeprodukt ist Chlorcyan, I g - C = N I .
Die Cyanide dienen u. a. zur Trennung von Edelmetallen aus ihren Erzen und unerwiinschten Begleitstoffen. Mit Hilfe von Natriurncyanidlosungen, NaCN, oder Kaliurncyanidlosungen, KCN, werden die Edelmetalle von Begleitstoffen befreit, z. B. verunreinigtes Gold:
Cyanide, Me -C= N
Gold. verunr.
I
SCH,
I
NH,
Cyanide sind Salze der Cyanwasserstoffsaure, H-CGN.
* BMA
2Au
Wasser
+
H,O
Luftsauerstnff
+
' / , 0 2+ 4KCN
~
Blausaure. Methan, Ammoniak
Kaliumcyanid
knmplexes Goldsalz
2K[Au(CN),]
Kalilauge
+
Kaliumdicyanoaureat
2KOH
9 Synthesegaschemie ~~
Herstellung
Reaktionskomponenten
Reaktionsprodukte ~~~
K-dicyanoargentat, KIAG(CN)d
Wasserstoffperoxld *OH
-
Chlor,
-
D C Y ~ EC-CEN Chlorcyan a-EN
-m
Benzoylchlorid
Kaliumcyanat, KG-C!N Kaliwrrhodankl. KS-EN
~
Cyanidlaugereifur Trennunf von Edelmetallen Gold, Silb Platinmetalle Zwischenproduktfur Urethane Metallurgie. Fotoindustrie, Gakanotechnik Zwischenprcdukte
Cyanurchlorid
F
Benzoylcyanid
Mschenprcdukt fur ierbizide, Fungizide ?eaktivfarbstoff, iptische Aufheller
Zwischenproduktfur Herbizide und Pestizide
O', C-CEN
0s-a
~
Verwendung
~
Nadicyano aureat, Na[Au(CN),]
Nach dem BMADegussaVerfahren
349
~
Yethan
Aceton
yc-FO
Aceton
yc-eo
Cyanhydrine
Methacrylsaureester
CH4
Acrylglas. PMM. Formmassen, Bindeminel liir Lacke. Klebstoffe
+ Ammoniak NH3
I
.1
+
yc
Ammoniak. N b + Wasserstoff, I+
-
Isophorondiamin, IPDA H,
H2c:
,cq,
c-c'c'c-N+ bc' '% l+ I+
-aausaure
Neue Anl. Antwerpen ~
H-C=N
+
A,,inoaceton#ril l+N-CI+-C:N
Formldehyd, H - T O Blausaure ist eine farblose charakteristisch riechende. Bunerst giftige Flussigkeit
/Nl+
c-c,
Mirter fur losemittelfreie Epoxidharze in der Bauindustrie. C-Kettenverlangererfur Polyurethane (Dispersionen Pulverlacke).
H
+
a-Aminoessigsiiure l+N-Cl+--cooH (Glycin)
lrrinodiacetonitrii
-+
Iminodiessigsiiure
W-CEN Ammniak,
&
Methylmrcaptan. hC-SH
+ Acrolein, I-l2C=CH-F0
-
Totalherbizidzwischenprodukt (Monsanto)
Cl+-CC€IH
NdCl+-CEN
dCl+-COCH
Ntrilotriacetonitril
Nitrilo-Natriumtriaceta Builder: Komplexentharter fur Ca- u. Mg-lonen, fordert Schmutzablosung, stabilisie Schmutztragevermogen in der Waschflotte.
3-Methylthiopropionaldehyd
-
I-bS-;
D-L-Methionin, schwefelhaitige Arninosaure
Essentieller Proteinbaustein als Zusatz in Futtemitteln
l+y-cH2-~ttaa
l+C-W-FO
n
Futtenittel- und Nahrungsmittelzusatz
H
YC-s
w
+o,t Propen
+
Ammoniak
Hzc=*cH2+
-b
Acrylnitril
-m
l-bC=C+CEN
Sohio-Acrylnitril-Veltahren
Abb. 111-75. Chemie auf Blausaurebasis (Degussa Stammbaum).
Vorprodukt fur Pestizide. Monomeres fur PACN (Pol) acrylnitrilfasern)
350
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Mit einem unedlerem Metal1 wie z. B. Zink, l3Rt sich das komplex gebundene Gold rein zuriickgewinnen. komplcxcs Goldsalz
2 K[Au(CN)J
Zink
+ Zn
-
Zinkkomplcxverbindung
Gold. rein
KJZn(CH),]
+ 2Au
Nalriumcyanid
AgzS
+ 4 NaCN
-
Koniplexea Silbersalz
2 Na[Ag(CN):J
+
Phosgen
H2N-(CH2)(,-NHz + CI,C=O Hexamelhylendiamin
-
Phorgen
O=C=N-(CH2),-N=C=0
+ 4 HCI
Hcxaincthylcndi isocyanat
9.4.1 1 Phosgen (Kohlenstoffoxochlorid),
Analog gilt fur Silber: Silbersulfid
0=CCl2
COCI, Natriumsulfid
+ Na,S
Natriumdicyanoarpentat
Der Name leitet sich vom griechischen Wort phos, Licht, ab. Es bildet sich bci Belichtung eines Gasgemisches aus Kohlenstoffmonoxid und Chlor exotherm.
+
-
1998 wurden in Europa ca. 500000 t Cyanwasserstoff produziert, weltweit waren es ca. I ,8 Mio t. GroRabnehmer sind die pharmazeutische lndustrie fur die Vielzahl ihrer Wirkstoffsynthesen und die Hersteller von Polymethacrylaten z. B. fur das bekannte Plexiglas.
CO
9.4.10 Isocyansaure, H- N= C= 0
Die Reaktion verlauft technisch an Aktivkohle in einem gekuhltcn Riihrenreaktor. Phosgen wird entweder durch Kuhlung auskondensiert oder von einem organischen Liisemittel, z. B. o-Dichlorbenzol, absorbiert. Phosgen ist ein farbloscs, sehr giftiges, nicht brennbares Gas mit einem auch in groaer Verdunnung siiRlich fauligem Obstgeruch. Der Geruch wird erst bei toxischen Konzentrationen wahrgenommen. Phosgen siedet bei +7,6 "C und erstarrt bei -128 "C. Mit Wasser zersetzt es sich zu Kohlenstoffdioxid und Salzsaure. Phosgen ist ein hochgefahrliches Atemgift und ist deshalb ein Bestandteil von Kampfgasen. Beim Einatmen kommt es zu Atemnot, Husten und Tranenreiz, Lungenodemen und gegebenenfalls zu Herzstillstand. Die schwereren Symptome treten haufig erst nach einigen Stunden auf. Phosgen ist ein vielseitiges Reagenz in der organischen Chemie. Es ist sowohl Lieferant der Carbonylgruppe, C=O, als auch des Chlors, CI,. Es ist eine Teilkomponente zur Herstellung von Isocyanaten, H-N=C=O, und Chlorameisensaureestern,
In der Isocyansiiure ist der Peptidbaustein als Briickenglied dcr EiwciRe und insbesondere der Polyurethane direkt vorgegeben. Daher ruhrt auch die grolle Bedeutung der Isocyanate bzw. der Diisocyanate fur groatechnische Synthesen. Wichtige Bausteine fur die Polyurethane sind: HDI, Hexamethylendiisocyanat O=C=N-( CH,),-N=C=O TDI, Toluylendiisocyanat
MDI, Methandiphenyldiisocyanat
Die Herstellung dieser Diisocyanate erfolgt durch die Phosgenierung von Aminen, z.B. die des Hexamethylendiamins oder des Toluylendiamins bzw. die des Methandiphenyldiamins. Mit der Phosgenierung wird in die Amine die Carbony lgruppe
I
C=O
I ei ngebracht .
CI,
CI-c-CI II 0
Kohlenstoffmonoxid
Chlor
Phohgen
(AH= -108,6 kJ/mol)
CI-C-0-R
II 0
Phosgen ist ein Chlorierungsmittel zur Herstellung von Metallchloriden, z. B. Aluminiumchlorid, AICI3, Vanadiumoxidchlorid, VOCI, u. a. Ca. 85 % der Phosgenproduktion werden fur die Phosgenisierung von Aminen zu Isocyanaten
9 Synthesegaschemie
verbraucht, aus denen Polyurethane hergestellt werden, d. h. es wird die Kohlenstoff-Stickstoffbindung rnit Peptidcharakter gekniipft.
9.4.12 Schwefelkohlenstoff (Kohlenstoffdisulfid), CS, Die Herstellung von Schwefelkohlenstoff erfolgt nach dem Methan-Schwefel-Verfahren. CHI(,, + 2 Methan
Sap,
Schwefel kohlenstoff
-
351
nigern, Flotationsmitteln, Korrosionsinhibitoren, Pflanzenschutzmitteln und Zwischenprodukten fur Arzneimittel.
9.5 Essigsaure nach dem Carbonylierungsverfahren 9.5.1 Eigenschaften der Essigsaure
csz(g)+
2 HAg,
Schwefelwasserstoff
Schwefel-
(AH = -129,s kJ/mol)
Auf 540°C vorerhitztes Methan und verfliissigter Schwefel werden einem Reaktionsofen, der rnit 18 ProzeBrohren aus Chrom-Nickelstahl ausgeriistet ist, zugefuhrt. Der Schwefel, der sehr rein sein muR, verdampft in den ProzeRrohren, wird iiberhitzt und reagiert bei 650 "C rnit dem Methan zu Schwefelkohlenstoff. Dabei stellt sich ein Druck von 7 bar ein. Der aus den ProzeBrohren abgefuhrte Gasstrom wird auf 150°C abgekuhlt, um den nicht umgesetzten Schwefel auszukondensieren. Nach einer anschlieaenden Abkiihlung auf 20 "C kondensiert der Schwefelkohlenstoff zu einer Flussigkeit. Danach erfolgt eine Reinigungsstufe. Schwefelkohlenstoff ist eine farblose, leicht bewegliche, stark lichtbrechende Fliissigkeit rnit einem Siedepunkt von 46,3 "C. In reinstem Zustand riecht Schwefelkohlenstoff angenehm aromatisch, aber schon die kleinsten Verunreinigungen losen einen widerwtirtigen Geruch aus. Unter Lichteinwirkung verfkbt sich CS, gelb. Schwefelkohlenstoff entziindet sich schon bei 102°C und ist somit als BuRerst feuergefahrlich einzustufen. Auf das Zentralnervensystem wirkt CS, stark toxisch. Die Produktionskapazitat in der Welt wird auf ca. 1,7 Mio jato bis 2,0 Mio jato geschatzt. 50 % bis 60 % der Weltproduktion werden von der Chemieindustne zur Herstellung von Viskose verwendet, die zu Faden, Fasern und Folien verdrbeitet wird. 10% bis 15 % dienen der Erzeugung von Cellophan aus Viskose. Fur die Produktion von Tetrachlorkohlenstoff werden 10% der Weltproduktion verbraucht. Die restlichen 15 % bis 30 % verteilen sich auf die verschiedensten Anwendungsgebiete, z. B. zur Herstellung von Vulkanisationsbeschleu-
Die wasserfreie Essigsaure, haufig auch Eisessig genannt, ist eine klare, farblose Flussigkeit von stechendem, die Augen zu Tranen reizendem Geruch. Sie siedet bei 117,9"C und erstarrt bei 17 "C. Mit Wasser, Alkohol, Ether, Tetrachlorkohlenstoff, Chloroform und etherischen Olen ist Eisessig in jedem Verhaltnis mischbar. Reine wasserfreie Essigsaure ist brennbar. Essigsaure ist eine schwache Saure, ihre Salze heisen Acetate. Als aktivierte Essigsaure, H,Cist sie der C,-Baustein zum biologischen Aufbau der Fettsauren, die rnit Glycerin verestert die allbekannten Fette liefern.
6=a,
9.5.2 Chemische Grundlagen Drei Synthesewege beherrschen die groRtechnische Essigsaureproduktion (Abb. 111-76). Das eine ist die Acetaldehydoxidation rnit Luftsauerstoff in Gegenwart eines Katalysators. 2 H,C-C-H II 0
+02
Acetaldehyd
Luft
Kat.
2 H3C-C-OH
II
0 Essigsaure
(AH= -584 kJ/mol) Dies ist ein Weg der C,-Chemie. Der Acetaldehyd wird nach dem Hoechst-Wacker-Verfahren durch katalytische Direktoxidation des Ethylens erhalten. H,C=H,
+
1/2 0,
Kat.
H,C-C-H II
0
Ethylen
Luft
Acetaldehyd
(AH= -244,7 kJ/mol) Das zweite Verfahren ist die katalytische Carbonylierung von Methanol und somit ein typisches Verfahren der C,-Chemie.
352
I11 Produktionsverfahren Lur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Abb. 111-76. Synthesewege zu Essigsaure, Essigsaureanhydrid und ihren Derivaten. - Schematischer Uber-
blick.
H,C-OH
+CO
Kat.
HJ-C-OH II
0 Methanol
Kohlenstoffmonoxid
Ewg\,iure
(AH= - 1 35,3 kJ/mol) Methanol ist leicht aus dem Synthesegas herzustellen. CO
+
Kohlenstoffmonoxid
2H2 Wasserstoff
Kat
H,C-OH Melhanol
(AH= -92 kJ/mol)
Die beiden C,-Bausteine CO und CH,OH, lassen sich sehr elegant zu einem der wichtigsten C,-Zwischenprodukte, namlich der Essigsaure, verknupfen. Diese Aufbaureaktion stellt damit groBtechnisch die Briicke zwischen den wichtigen C,- und den bedeutenden C,-Bausteinen her. Das dritte Verfahren verfolgt die Oxidation von Butan. Es hat nur noch eine untergeordnete Bedeutung.
9.5.3 Technische Durchfuhrung der Carbonylierung Es gibt mehrere Varianten fur die Carbonylierung von Methanol zu EssigsPure. Da die Celanese AG einer der groaten Hersteller von Essigsaure und Essigsaureanhydrid der Welt ist, sol1 diese neue Variante hier besprochen werden. Ausgangsstoffe sind Methanol und Kohlenstoffmonoxid, die sich an einem in Losung homogen verteilten Rhodium-Ytterbium-LithiumSilikat-Katalysator zu Essigsaure umsetzen. Gleichzeitig wird in den Reaktor Methylacetat eingespeist, das ebenfalls carbonyliert wird. Auf diese Weise entsteht in einem Verfahrensschritt neben der Essigsaure das Parallelprodukt Essigsaureanhydrid. 3H,C-OH
+3C=O
Kat
3H3C-C-OH II 0
Methanol
Kohlen5toffmonoxid
Ewgsaure
(AH = -405.90 kJ/mol)
9 Synthesegaschemie H,C-C-OH
II
Mengenanteilen Methanol und 95 Anteilen Methylacetat entstehen 100 Mengenanteile Essigsaurehydrid und 342 Mengenanteile Essigsaure. Von den letzteren werden 62 Mengenanteile zur Herstellung von Methylacetat eingesetzt, die dann wieder in den Reaktor, zur Cabonylierung zu Essigsaure, geleitet werden. In Abb. 111-77 ist der MengenfluR als Ubersichtsschema dargestellt. Dem Reaktor sind eine Reihe von Destillationskolonnen nachgeschaltet, mit denen das nicht umgesetzte Methanol und andere leichter siedende Begleitstoffe abgetrennt werden. Die schwerer siedende Essigsaure und das noch schwerer siedende Essigsaureanhydrid werden nacheinander destillativ voneinander getrennt. Besondere Aufmerksamkeit verdient der Katalysator. Bevor die Reaktionsprodukte einer Destillation unterworfen werden, werden die mit dem Reaktionsprodukt ausgeschleusten Katalysator-
+HJ-OH
0 Essigsaure
Methanol
Kat
H3C-C-OCH3
II
+H20
0 Methylacetat
Wasser
(AH = -8,lO kllmol)
H3C -C H3C-C-OCHj II 0 Methylacetat
+
C=O
Kat.
k \
A
H3C -C Kohlenstoffmonoxid
/
\
0
0 0
Essigsaureanhydrid
(AH= -67,68 kJ/mol)
Methanol
Kohlenstoffmonoxid
353
Essigsaure
Essigsaureanhydrid
Wasser
(AH= 4 8 2 , 2 kJ/mol) Die Cabonylierung lauft bei 190"C und 50 bar ab. Die Veresterung von Methanol mit Essigsaure findet in einem getrennten Reaktor statt. Aus 192 Mengenanteilen Kohlenstoffmonoxid, 164
192
CO
bestandteile abgetrennt und wieder in den Reaktor zuriickgefiihrt. Zusammenfassend gilt, daB die Carbonylierung von Methanol und Methylacetat eine exo-
190 "C
,
b
EssigsBureAnhydrld
100
-
MeAc
4 RCickstand
62
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
354
&
I
+
relnigung
1
A
L
4
----I
Reaktor
J-
190°C
AnhydrM kobnne
Leidrteiedecabtrennung
Abb. 111-78. Essigsaure/Essigsaureanhydrid-Carbonylie~ngsve~ahren.
theme homogene Katalyse mit hoher Selektivitat ist, bei der nur geringe, aber gut beherrschbare Reststoffe entstehen, die die Umwelt nicht belasten (Abb. 111-78). Dieses Verfahren zeichnet sich auBerdem durch eine hohe Roduktflexibilitat aus. Je nachdem, wie hoch der Anteil des eingespeisten Methylacetats ist, kann das Produktvcrhlltnis zwischen Essigsaure und Essigslurcanhydrid gesteuert werden.
Das Keten wird schnell abgekuhlt, um das Gleichgewicht nach der rechten Seite zu verschieben. Die Ketenausbeute betrlgt 90 70. Keten kann mit Essigsaure groatechnisch leicht zu Essigsaureanhydrid umgesetzt werden. Dabei wird Keten bei 45 "C bis 55 "C und vermindertem Druck von 0,05 bar bis 0,2 bar zum Essigsaureanhydrid umgesetzt. Diese Reaktion ist exotherm. 0 II
Vom Keten iiber Diketen a m Essigsiiureanhydrid Essigsaure wird in Gegenwart eines Katalysators (Triethylphosphat) bei 700 "C bis 750 "C unter vermindertem Druck zu Keten und Wasser thermolysiert. Der Vorgang ist endotherm. H,C-C-OH
H2C=C=0
II
+
I
OH hsigsaure
+
lI?c=C II 0
H20 Ketcn
0 Essigsaure
HBC- C
Keten
(AH = + 147 kJlrnol)
Die dabei freigesetzte Phosphorsaure aus dem Katalysator wird noch in der Gasphase mit Ammoniak oder Pyridin neutralisiert.
-
H3C - C
4 \
H3C -C
0 0
/
\
0
EssigGiureanhydnd
(AH= - 63 kJ/rnol) Dirnerisierung von Keten i u Diketen Keten neigt leicht zur Dimerisierung. Wird Keten bei 35 "C bis 40°C in Rieseltunnen einem Flussigkeitsstrom von Diketen entgegengeleitet, so
9 Synthesegaschemie
entsteht mit hoher Ausbeute, unter Freisetzung von W m e , Diketen. H2C=C=O
-
+
H2C=C -0 I I H2C-C=0
H2C=C=O Keten
Diketen
(AH= -1 89 kJ/mol) Chloressigsaure Von den Chloressigsauren hat die Monochloressigsaure die groljte Bedeutung. Die Produktion betrug weltweit in 2000 415000 t, davon in Europa 160000 und in China 100000 t. Chloressigsaure wird durch Chlorierung von Essigsaure in fliissiger Phase bei 85 "C und einem Druck bis zu 6 bar ohne Katalysator hergestellt. Als Initiatoren, d. h. Reaktionsstarter, dienen Acetanhydrid oder Acetylchlorid. H,C-COOH
I
-
+ CI,
I
c1
Weitere Chlorierungen fiihren zu Dichloressigsaure, CHCl,-COOH, und Trichloressigsaure, CC13-C00H. Monochloressigsaure ist ein wichtiges Ausgangsprodukt fur die Herstellung von Carboxymetylcellulose und ein Zwischenprodukt fur Farbmittel, Pflanzenschutzmittel und Arzneimittel. Trichloressigsaure wird in Form seines Natriumsalzes als Herbizid venvendet.
c1 I
C1-C -COONa
I
c1 Trichlornatriumacetat
+ HCI
H,C-COOH CI
Essigsaurc
Chlor
Monochloressigsaure
Chlorwasserstoff
(AH = -214.18 kJ/mol)
9.5.4 Technische Verwendung Der wesentliche Anteil der Essigsaure wird fur die Herstellung von Vinylacetat benotigt, das fast ausschliei3lich zu Polyvinylacetat (Mowilith), Polyvinylalkohol (Mowiol) und Polyvinylbutyral (Mowital) weiterverarbeitet wird. Diese Produkte finden u. a. Anwendung bei Dispersionsfarben, Kunststoffen, Leimen, Textilausriistungen, Lakken, Folien fur Verbundglas (Abb. 111-79).
Essigsaure
t
t
Acetoxylierung
Chlorlerung
Veresterung
t
Chloressigslluren
Vinylacetat
I
Polyvinylacetat, -acetal, Polyvlnylalkohol
Kunststoffe, Leime, Textllausrhtung, Binder, Lacke, Follen
I
Acetate
I 1
Dehydratlslerung
I
Keten
Sonstlges
I '
Salze, DOnn-
methylcellulose
Vltamine, Coffeln. Pharmazeutika. Herblzlde
Textilausr0stung. Kunststoffe, LebensmlttelZUClbtZO
Abb. 111-79a. Venvendung von Essigsaure.
355
Lbsemittel, Weichmacher, Ewtraktionsmlttel. Rlechatoffe
EssigFarbstoffe, skurePharmaanhydrid zeutlka, Insektlride. SorbinsBure
TH-Produkte, Lbsemittel far Terephthalshreherstellung (Polyesterrohatoffl, Konservierung, Belzen,
356
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
M 43%
43%
AcetaldehydOxidahn
Melhanok Carbonfling
12 %
294
LeichtbenzinO X i
Andere Verfahren
Abb. 111-79b. Herstellungskapazitat der Essigsaure in der Welt - die wichtigsten Verfahren. Im Jahre 2000 wurden insgesamt 1,327 Mio t Essigsaure produziert.
Eine wichtige Gruppe der Essigsaurederivate sind auch die Chloressigsauren, die in groBen Mengen fur die Herstellung von Carboxymethylcellulose - einem wichtigen Ausgangsstoff fur Kunststoffe, Kosmetika, Lebensmittelzusatze und fur die Textilveredelung - benotigt werden. Weitere Folgeprodukte von Chloressigsauren sind Pharmazeutika, Vitamine, Coffein und Herbizide. Durch Spaltung von Essigsaure entsteht Keten, das seinerseits wiederum mit Essigsaure
groatechnisch zu Essigsaureanhydrid umgesetzt werden kann odcr zur Sorbinsaureherstellung dient. Keten wird andererseits zu Diketen dimerisiert, das uber Acetessigsauren ein wichtiger Ausgangsstoff fur Farbstoffe, Pharmazeutika, Insektizide, Konservierungsstoffe und Farbfilme 1st. Acetate werden durch Veresterung von Essigsaure hergestellt und finden vor allem als Losemittel, Weichmacher, Extraktionsmittel und Duftstoffe Verwendung. Nicht zu vergessen ist der Einsatz von Salzen der Essigsaure, z. B. als Hilfsprodukte der textilverarbeitenden Industrie und als Katalysatoren, wie auch die direkte Verwendung von Essigsaure als Losemittel fur die Herstellung von Terephthalsaure - einem Polyesterrohstoff - sowie zur Konservierung von Lebensmitteln. Essigsiiureanhydrid dient ubenviegend als Acetylierungsmittel. Hauptanwendungsgebiet weltweit ist die Herstellung von Celluloseacetat als Ausgangsstoff fur textile Fasern, Zigarettenfilter, Lacke, plastische Massen und Folien. Viele Pharmazeutika wie Acetylsalicylsaure (Aspirin), Paracetamol und Ibuprofen benotigen zur Synthese Essigsaureanhydrid. Aber auch hochwertge Kunststoffe wie z. B. Vectra konnen nur nach vorheriger Acetylierung der Ausgangsmonomere zu Materialien mit den geforderten Eigenschaften polymerisiert werden. GroBe Mengen an Essigsaureanhydrid werden fur die Herstellung von Tetraacetylethylendiamin (TAED) verwendet, das als Perborataktivator modernen Waschmitteln zugesetzt wird (Abb. 111-80).
Chlorierunp
Acetylierung
Ace t y Icellulose -
Faaern
-
Filter
-
Zigarettenfilter Laoke
.
Marren Folien
Acetylsalicylsaure Pharmazeutika
Acet monomere
Acetan 11 id
t
Farbstoffe Pharmazeutlka
I
(PAR ACE TAM OL)
Kunatrtoffe Fanern (V ECT R A, VECTRAN)
Tetraacetylethylendiamin
t
Komplexbildner Waschmittel-
zusatz (TAED)
Ace t y Ichlorld
t
Pharmazeutika (IBUPROFEN)"
10 Ethylen und Propylen als Schlusselprodukte
10.1 Der Produktstammbaum des Ethylens und Propylens
~ H C I- C H , ?
10.1.1 Die Entdeckung des Makromolekuls*
und Polyvinylacetat an die Offentlichkeit. Durch diese Pioniertat gelang es erstmalig, vollsynthetische Chemiefasern herzustellen. Die Chemie der Makromolekiile wurde von Hermann Staudinger (1 881-1965) und seinem Arbeitskreis in Freiburg/Breisgau begriindet. Staudinger erkannte, daL3 polymer aufgebaute Kunststoffe und Naturstoffe aus vielen molekularen Grundeinheiten, die kovalent miteinander verkniipft sind, zusammengesetzt sind. In einer Arbeit uber ,,Polymerisation" pragte er 1924 auch den Begriff ,,Makromolekiil". 1938 gelang Paul Schlack* die Polymerisation von E-Caprolactam, H2C-CH2-CH2 -CH,-CH -C =O , I I HN I zu dem faserbildenden pol yamid-6. Diese Faser wurde spater unter dem Handelsnamen ,,Perlon" bekannt. Sie wurde dem amerikanischen Produkt ,,Nylon" eine ebenbiirtiger Konkurrent. Mit der Entwicklung der makromolekularen Chemie ist eng die Katalysatorchemie verbunden. Polymerisationsvorgange einzuleiten, zu steuern und abzustoppen sind wesentliche Voraussetzungen, um die Makromolekiile entsprechend dem Verwendungszweck mal3zuschneidern. Das Makromolekiil als Geriiststruktur und in seinen physikalischen Eigenschaften fur Werkstoffe, Textilfasern, Fasem, Lacke u.a. ist zum Forschungsobjekt aller Anwendungstechniker geworden. Ein groBer Fortschritt war die Entdeckung der Mischkatalysatoren zur Herstellung von Niederdruck-Polyethylen durch K. Ziegler (1898-1973) im Jahre 1953. Mit diesen Katalysatoren gelang es Giulio Natta (1903-1979) und Karl Ziegler, Propylen stereospezifisch zu polymerisieren.
Wer hinter die Geheimnisse der Natur kommen will, mu8 sich der drei Tugenden ,,des Beobachtens, des Messens und des Vergleichens" befleiBigen. Auf diese Weise sind haufig schon sehr friih Erscheinungen und Eigenschaften von Stoffen entdeckt worden, ohne ihre Ursachen und technischen Bedeutung zu erkennen. Schon 1939 beobachtete der deutsche Chemiker E. Simon**, daL3 sich Styrol beim E r w m e n oder bei Lichteinwirkung von einer klaren Fliissigkeit in eine feste Masse umwandelt. Der franzosische Chemiker M. Berthelot*** publizierte I866 seine Untersuchungsergebnisse iiber die chemische Zusammensetzung des fliissigen und festen Styrols. Er folgerte, daB beide Stoffzustande des Styrols die gleiche Bruttozusammensetzung haben miissen.
Die Umwandlung von fliissigem in festes Styrol belegte er mit dem Begriff ,,Polymerisation". Das erste Patent fur die Herstellung von Lacken und Gebrauchsgegenstanden auf Polystyrolbasis wurde 191I F. E. Matthews, dtsch. Chemiker, erteilt. In den Jahren 1912 bis 1915 traten F. Klatte und E. Zacharias**** aus Griesheim mit grundlegenden Arbeiten und Patentanmeldungen iiber die technische Herstellung von Polyvinylchlorid, *
** *** ****
Domininghaus, H. (1998). Die Kunsrsrofe und ihre Eigenschaften,VDI Verlag GmbH, Dusseldorf. Simon, E., dtsch. Chemiker bei den I.G. Farben. Berthold, Pierre Eugene (1827-1907). frz. Chemiker. Klatte, Fritz (188&1934), dtsch. Chemiker. Zacharias, Emil ( I 867-1944), dtsch. Chemiker.
*
Schlack, Paul (1897-1987). dtsch. Chemiker in IG Farben und Farhwerke Hoechst.
358
111 Produktionsverfahren m r Herstellung von chemischen Grundprodukten
Selektiv wirkende Katalysatoren ermoglichen eine breite Anwendung der Makromolekule im technischen und privaten Sektor. 1955 nahm die Hoechst AG die erste groBtechnische Produktion von Niederdruckpolyethylen nach K. Ziegler auf.
lI2C=CH2,,,
-
+
Clz,,,
I
H2C--H2(,, I
c1 Ethylen
('hlor
1.2-Dichlorrthan
Kat.
- HCI
10.1.2 Ethylen und Propylen als Schlusselprodukte fur die Chemieproduktion Ethylen und Propylen sind Schlusselprodukte fur weitere Veredelungsstufen. Sie dienen nicht nur zur Polymerisation, sondern sind auch bedeutende Ausgangschemikalien fur wichtige Zwischenprodukte. Aus dem Ethylen werden Vinylchlorid, Acetaldehyd, Vinylacetat, Ethylenoxid, um nur die wichtigsten zu nennen, hergestellt. Diese werden dann zu Pflanzenschutzmitteln, Farbmitteln, Arzneimitteln, Lackrohstoffen, Tensiden, Fasern u. a. weiterverarbeitet. Wenn auch Propylen nicht in den gleichen Mengen produziert wird wie Ethylen, spielt es als Primarchemikalie und Schlusselprodukt eine nicht geringere Rolle. Ein Teil wird polymerisiert zum Polypropylyen, ein anderer geht in die 0x0synthese zur Herstellung von Oxoalkoholen. Sic sind die Basis fur Weichmacher in Kunststoffen oder sind Ausgangsprodukte zur Herstellung von Fasern. Die Bedeutung des Ethylens und Propylens fur lebensnotwendige chemische Endprodukte zeigt der Produktstammbaum in (Abb.
CI
Kat.
&C=C11 I C1
Yinylchlorid
(AH = +72,8 kJ/mol)
I CI Vinylchlond
r H
H
LH
CI H
H I
H
CIJ n
Polyvinylchlorid
Auch bei der Herstellung von Acetaldehyd wird vom Ethylen ausgegangen. Es handelt sich um eine katalytische Oxidation. Haufig wird das Wacker-Hoechst-Verfahreneingesetzt, das sich zusammenfassend durch folgende Reaktionsgleichung ausdriicken lafit:
111-8 1). Ethylen
Luftsauerstoff
10.1.3 Ethylen (Ethen) als Primarchemikalie Der Weg fuhrt vom Ethylen uber die Polymerisation direkt zum Polyethylen. H H I I 2n C = C I
I
€I
H
bthylen Ethen
~o~~mrriaation t
H
H
H
H
"
l'olyethylen Pol\ethrn
Die Polymerisationswlrme betriigt AH = -93,s kJ pro Mol monomeres Ethylen unter der Voraussetzung, daB das Polymerisat gasformig ist. Fallt das Polymerisat als Kondensat an, betragt AH = -106,3 kJ/mol. Fur den Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC) ist das Ethylen ebenfalls Ausgangsstoff. Als zusatzliche Veredelungsreaktion ist neben der Polymerisation die Chlorierung erforderlich (s. Abschn. 111-14.8.7).
Acetaldehyd
(AH= -244,7 kJ/mol) Acetaldehyd ist ein wichtiges Zwischenprodukt zur Herstellung von Arzneimitteln, Farbmitteln, Pflanzenschutzmitteln, um nur einige Endprodukte zu nennen. Modernere Verfahren gehen von Synthesegas aus (Abschn. 111-9.5). Ebenso basiert die grofltechnische Herstellung des Vinylacetats auf Ethylen. H,C=CH,,,) Ethylen
+
-
112 0 2 ( g ) + CHJCOOH(I) Luftsauerstoff Essigsaurr
Kat
H
I H2C=C--O-C-CH3
(1)
+ H,O,I,
II
0 \ mylacetat
(AH = -2033 kJ/mol)
10 Ethylen und Propylen als Schliisselprodukte
I
U p f
359
360
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chernischen Grundprodukten
Die Polymerisation des Vinylacetats fuhrt zum Polyvinylacetat, das die Grundlage fur die breite Palette der Lackrohstoffe und Klebstoffe bildet. 2n H?C=CH El
I
H
CH3
I
Poly-
merisation
Propylen, Propen
0-C-CH3
e
-
I I
2nC=C
B
II
-c25
0
'E
Die Polymerisationsenthalpie betragt AH = - 86,6 kJ/mol monomeres Propylen, wenn das Polymerisationsprodukt gasfonnig anfallt. Fur kondensiertes Polymerisat betragt die Enthalpie AH = -104,2 kJlmol. Acrylnitril wird durch Ammonoxidation des Propylens, d. h. durch katalytische Oxidation in Gegenwart von Ammoniak, erhalten.
Vinylacetat
t
ra 'I' Ti-r-H
Polypropylen. Polypropen
H
I CI
[I
i
I
0- C- CH3
s
II
HzC=C-CCH3(g)
0
Propylen
+ h?13(gl + Xmmoniak
Pvlyvinylacetat
3/2 Oqgi
Luftsauerstoff
H
Ethylen kann mit Luftsauerstoff in Gegenwart eines Katalysators direkt zurn Ethylenoxid oxidiert werden.
Acrylnitril
Wasser
(AH= -5 159 kJlrnol) Die Polymerisation des Acrylnitrils fuhrt zum Polyacrylnitril. Nach dem Losen Id3t es sich gut verspinnen und liefert z. B. die Faser Dolan@.
10.2 Vom Ethylen zurn Polyethylen Vom Ethylenoxid ausgehend, IaRt sich leicht Ethylenglykol, HJ-CH,, das als Gefrier-
I
1 HO OH
schutzmittel Verwendung findet, herstellen. AuRerdem ist Ethylenglykol die Grundlage fur die Herstellung von Tensiden und die Reaktionskomponente, die zusammen mit Dimethyltherephthalat, DMT, zur Polyesterfaser fuhrt. Diese ist unter dem Markennamen Trevira@weltweit bekannt geworden.
10.1.4 Propylen (Propen) als Primarchemikalie Der groRte Teil des Propylens dient als Ausgangsstoff zur Produktion des Kunststoffs Polypropylen, der Chemiefaser Polyacrylnitril und der Oxoalkohole. Letztere werden als Losemittel und zur Herstellung von Weichmachern fur Kunststoffe benutzt.
In der Bundesrepublik Deutschland sind im Jahre 1999 insgesamt 4,9 Mio t Ethylen und 3,4 Mio t Propylen erzeugt worden. Ausgangsbasis fur diese bedeutende Primarchemikalie ist das Erdol. Der weitaus groBte Teil des Ethylens dient der Polymerisation zum Polyethylen. Die entsprechenden Zahlen fur die weltweite Produktion lauten fur 1998 80,5 Mio t bzw. 41,9 Mio t. Die PolyethylenherstellunR erfolgt in groBem Umfang nach dem Niederdruckverfahren. Diese wurde in den Jahren 1954/55 in Deutschland von Karl Ziegler* entwickelt, der dafur den Nobelpreis erhielt. Durch besondere Katalysatoren ist es dabei moglich, bei niedrigen Driicken (im vorliegenden Fall 10bar) und niedrigen Temperaturen (85 "C bis 90 "C) ein Produkt zu erstellen, das Festigkeitseigenschaften aufweist, die von einem nach anderen Herstellungsverfahren erhaltenen Polyethylen nicht erreicht werden.
*
s. FuBnote
S. 235.
I0 Ethylen und Propylen als Schliisselprodukte
361
10.2.1 Chemische Grundlagen
10.2.2 Technische Verfahrensschritte
Das Ethylenmolekiil ist der Baustein des Polyethylens. Die einzelnen Bausteine werden ,,Monomere" genannt, sie lagern sich zum Polyethylen, dem ,,Polymeren" zusammen. Diesen Vorgang bezeichnet man als ,,Polymerisation" (s. Abschn. 111-1.6). Das Einsatzprodukt Ethylen (C2H4) wird durch Katalysatoren zur Reaktionsfsihigkeit aktiviert, dabei wird die Doppelbindung gespalten.
Der Produktionsubluuf zur Herstellung von Niederdruck-Polyethylen kann in drei Verfahrensschritte unterteilt werden (Abb. 111-82):
H\
H Katalysator /
c= c \
H'
-
H
H
I
1
H
H
.c-c I I
10bar,88"C
H
Ethylenmolekiil
aktiviertes Ethylenmolekiil
Diese aktivierten Molekule lagern sich an den reaktionsbereiten Stellen (die durch Punkte gekennzeichnet sind) zusammen, z. B. im Falle der Vereinigung von drei Molekulen. H
H
I
1
3-c-c. I I H H
H
H
H
H
H
H
I
I
I
I
I
I
- ~c-c-c-c-c-c I
I
I
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I
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Durch Zugabe von Wasserstoff (H2) kann die Zusammenlagerung von Ethylenmolekulen zu einer Kette unterbrochen werden. H
H
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H
H
H
H
Statt der hier im Beispiel venvendeten 3 Ethylmolekiile treten normalenveise 2000 bis 3000 Molekiile zu einer Kette zusammen. Die Kettenlange wird durch die Menge des zugegebenen Wasserstoffs reguliert: - groBere Wasserstoffzugabe ergibt kurze Ket-
ten, - geringere Wasserstoffzugabe ergibt lange Ket-
ten.
1. Polymerisation, 2. Trennung der Suspension, 3. Trocknung des Polymerisatpulvers.
I . Polymerisation Das von der Raffnerie in hoher Reinheit gelieferte Ethylengas wird gefiltert, die Menge wird mittels Volumenmessung registriert und das Gas auf den in der Anlage herrschenden Betriebsdruck (= 10 bar) entspannt. Vor dem Einsatz des Gases in die Polymerisationsanlage wird es analysiert und mit Wasserstoff (H2) zur Einstellung der Kettenliinge und Buten (CH3&H2&H=CH2) bzw. Propylen (CH3&H=CH2) zur Beeinflussung der Dichte gemischt. Den eigentlichen Polymerisationsreaktoren wird uber getrennte Leitungen und Mengendosierungsanlagen das Gas und die Katalysatorsuspension zugefiihrt. Polymerisiert wird in der Suspension bei Driicken von etwa 10 bar und Temperaturen von 88 "C. Die dem Reaktor zugefiihrten gasformigen Monomeren werden nahezu vollstandig zum Polyethylen umgesetzt. 2. Trennung der Suspension Die Polymerisatsuspension wird kontinuierlich aus dem Reaktor in eine Vorlage abgelassen. In dieser wird das Reaktionsgemisch entgast. Die anfallenden Gase bestehen, da die Reaktion nahezu vollstandig verlauft, aus nicht polymerisierbaren Gasen wie Wasserstoff und Inertgasen. Sie werden so weit wie moglich verbrannt. Aus der Suspension wird dann in einem Dekanter die Phase des organischen Losemittels von der waBrigen Phase abgetrennt. Das Dispergiermittel wird mit Wasserdampf aus der warigen Phase ausgetrieben. Die Phase des organischen Losemittels, die unter anderem die katalytisch wirksamen Aluminium-organischen Verbindungen enthalt, wird direkt in den ProzeB zuriickgefuhrt. Dadurch ergeben sich hohe Einsparungen an Kosten fur Einsatzstoffe und Energie. Das in der Wasserdampfdestillation abgetrennte Dispergiermittel wird uber die Katalysatorherstellung wieder in den ProzeB eingebracht.
362
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Reaktion
CH, = CH,
Trocknen
Reinigung
rI
Wasserdampfdestillation
Abluft uber Stau babscheider
n
I
3
Reinigung
Wasserdampf
I1 Polyethylen
Abb. 111-82. Vereinfachtes VerfahrensflieEbild der Ethylenpolymerisation nach Ziegler
3. Trocknittig des Polymerisutpulvers Nach der Wasserdampfdestillation wird das Polymerisat (Polyethylen) durch eine Zentrifuge vom Wasser befreit. Das anfallende feuchte Pulver wird in einem FlieRbetttrockner mit Luft getrocknet und zum Pulversilo geblasen. 10.2.3 Verarbeitung Das Polyethylen gelangt als Pulver oder Granulat in den Handel. Zum Verkauf als Pulver wird das Produkt stabilisiert, eventuell abgesackt und zum Versand bereitgestellt.
Zur GrcmuIutgewinnur7g wird das Pulver in einem Extruder, eventuell mit Farbmitteln, aufgeschmolzen und anschlieBend granuliert. Die zylindrischen Granulatteilchen werden dann, nachdem sie getrocknet wurden, in einem Granulatbunker gelagert und von dort aus in Sacken oder Tanks versandt. Das Niederdruck-Polyethylen wird eingesetzt zur Herstellung von Haushaltsgeraten, Flaschen, Transportkasten, Mulltonnen, Kanistern, Fassem, Heizoltanks, Folien, Bandem, Rohren und Platten.
11 Die Herstellung von Bioprotein
11.1 Nahrungsmittel und EiweiRknappheit Zur Zeit (2000) leben auf unserem Planeten 6Mrd Menschen, davon etwa 2 5 % , namlich 1,4 Mrd, in den Industrielandern. Fur das Jahr 2050 wird die Weltbevolkerung auf ca. 10 Mrd geschatzt, von denen nur 15%, das sind ca. 1,5 Mrd, den industriell entwickelten Landern zuzurechnen sind ( s .Abb. 1-39, S. 156). Es stellt sich die Frage, ob diese Anzahl von Menschen iiberhaupt ausreichend erniihrt werden kann? Von der FA0 (Food and Agricultural Organization) wird fur eine ausreichende Ernahrung eines 1,70 m groBen und 70 kg schweren Menschen bei durchschnittlicher korperlicher Betatigung ein Nahrungsmittelbedarf rnit einem physiologischen Energiewert von 11300 kJ/Tag (2700 kcal/Tag) angegeben. Das Existenzminimum eines Menschen zum nackten iiberleben ist mit einem Wert von 6690 kJ/Tag (1 600 kcal/Tag) errechnet worden. Ein Hungerzustand wird durch einen Bioenergiewert ab 9205 kJ/Tag (2200kcal/Tag) und darunter definiert. Ein Nahrungsmittelangebot, das in seinem Bioener-
giewert zwischen 9205 kJ/Tag und 1 1 300 kJ/Tag liegt, wird als Unterversorgung angesehen. Tab. 111-2 zeigt den taglichen Energieverbrauch pro Kopf einiger Weltregionen.* Die Daten ergeben, daf3 in den unterentwickelten Landern eine akute Unterversorgung an Nahrungsmitteln besteht. Am st;irksten betroffen sind einige Lander in Afrika, Sud- und Ostasien. Die Zahlen in Klarnmern geben den erreichten %-Anted an den FAO-Mindeststandards an. Der Hunger in der Welt ist nicht nur durch die unzureichende Versorgung mit physiologischer Bioenergie gekennzeichnet, sondern auch durch einen gravierenden EiweiBmangel. Nach den Richtlinien des National Research Council, USA, betragt der tagliche EiweiBbedarf des Menschen pro Kilogramm Korpergewicht 1 g, mindestens 33 % der Nahrungsproteine sollen tierischer Herkunft sein. Der Eiweihnangel im Nahrungsmittelangebot verschwt die Ernahrungssituation sehr. Die EiweiMucke ist noch lange nicht geschlossen (s. a. Kap. 111-7). In den europaischen Landem, Nordamerika und Ozeanien besteht ein Uberangebot an eiweiBhaltigen Speisen. Die Bevolkerung in Afrika, Lateinamerika, im Nahen und Fernen Osten leidet unter akutem Eiweil3mangel.
Tab. 111-2. Taglicher Energieverbrauch (pro Kopf)
einiger Weltregionen.* Bioenergiewerte (kJRag) Prognosen fur 2000 Industrielander 14226 (130) Unterentwickelte Lander (UL) 9058 (94) Lateinamerika 11336(114) NordafrikdMittlerer Osten 10000 (103) ubrige afrikanische UL 7531 (77) Siidasien 8305 (105) Sudostasien 9665 (105) Ostasien 9 707 ( 105) *
11.2 Der Produktionsweg von Nahrungsmittelproteinen Die Ausweitung der Arnrnoniakproduktionskapazitaten in der Welt (s. Kap. 111-7) und die Steigerung der Proteinerzeugung stehen in unmittelbarem Zusamrnenhang. Es geht darum, die Kulturpflanzen mit geniigend stickstoffhaltigen Diingemitteln zu versorgen, damit insbesondere das Getreide gute Proteinausbeuten liefert. *
Die Werte i n Klammem geben die Uber- bzw. Unterversorgung an, wenn 100 als Normalversorgung definiert wird.
The Global 2000 Report to the President, prepared by the Council on Environmental Quality and the Department of State. Gerald 0.Barney, USA, July 1981, page 275.
364
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chcmischcn Grundproduktcn
Da ein Teil der Proteine fur die menschliche Ernlhrung aber tierischen Ursprungs sein mul3, mussen Pflanzen bzw. Pflanzenproteine an das Vieh zwecks Mast verfuttert werden. Denn nur durch eine ausreichende Versorgung mit tierischem und pflanzlichem Protein 1aBt sich der Bedarf an essentiellen Aminosauren decken. Essentielle Aminosauren sind Proteinbausteine, die der menschliche Korper nicht aufbauen kann. Diese mussen dem Organismus durch FremdeiweiBe zugefiuhrt werden. Die ausreichende Versorgung mit essentiellen Aminosauren ist das schwachste Glied in der Kette der Stoffumwandlungen vom Nahrungsmittel bis zum korpereigenen EiweiR des Menschen. PflanzeneiweiB muB erst den Tierstoffwechsel passieren, um dann den Menschen in Form von Fleisch als EiweiBquelle zur Verfugung zu stehen. Die Verlustquote bei der Umwandlung von PflanzeneiweiB in tierisches EiweiB betragt 90 %. Um den EiweiBmangel in der Zukunft nicht noch groBer werden zu lassen, bzw. das EiweiBdefizit zu verringern, wurden seit ca. 1970 groBe Anstrengungen unternommen, rnit Hilfe von Mikroorganismen, wie Bakterien und Pilzen, eiweiBhaltige Biomasse auf mikrobiologischem Wege zu gewinnen. Doch diese Verfahren konnten sich noch nicht durchsetzen, weil der Preis fur Sojabohnen niedriger ist als der fur Bioprotein.
1 1 3 Herstellung von Bioprotein auf mikrobiolog&chem Wege 113.1 Das Prinzip einer mikrobiologischen Produktion Mikrobiologische Produktionsmethoden bestehen darin, die Fahigkeit von Mikroorganismen bestimmte Substanzen im Verlauf ihres Stoffwechsels zu produzieren, technisch auszunutzen. Das Ziel einer mikrobiologischen Produktion ist es, das Wachstum ausgewahlter Mikroorganismen, ihren Stoffwechsel, den damit verbundenen biochemischen Stoffumsetzungen und die apparativen Voraussetzungen miteinander in Einklang zu bnngen. Der Stoffumsatz im lebenden Organismus steht hierbei im Vordergrund. Dazu gehort, die gunstigsten Bedingungen fur eine Vermehrung bzw. fur optimale Stoffwechselleistungen der Mikroorganismen zu finden. Drei grolje Bioprodukttypen sind wirtschaftlich von besonderer Bedeutung:
I . Extrazellulare Stoffwechselprodukte wie Ethylalkohol, Zitronensaure, Milchsaure, Sorbose, Ascorbinsaure, Antibiotika u. a. 2 . Intrazellulare Substanzen wie Enzyme, Farbstoffe, Nukleinsauren u.a. 3. Die Zellmasse selbst, die einen hohen Proteinanteil aufweist. Bei der Gewinnung der Zellmasse ist das Protein von groBem Interesse.
Mikrobiologische Verfahren, haufig auch Fermentationen* genannt, gliedem sich in die Stufen: a) Selektion und Ziichtung von Mikroorganismen mit den gewunschten Eigenschaften, auch Screening genannt. b) Vermehrung der Mikroorganismen unter optimalen Wachstumsbedingungen im technischen MaRstab (s. Abb. 1-38, S . 156). c) Aufarbeitung der extra- bzw. intrazellularen Stoffwechselprodukte oder der Biomasse. 1 1 3 3 Bioreaktoren Behalter oder GefaBe, die fur die Anzucht oder Vermehrung von Mikroorganismen vorgesehen sind, heiljen Bioreaktoren oder Fermenter. Sie sind das Kernstuck jeder mikrobiologischen Produktionsanlage (Kap. IV-12.4). Fur technische Fermentationen mussen der Bioreaktortyp und die Betriebsvariablen so gewahlt werden, daB die Lebensbedingungen fur die Mikroorganismen und die Wirtschaftlichkeit optimal aufeinander abgestimmt sind. Wesentlich dafur sind die Nlhrstoffversorgung und die Einhaltung von Parametern wie pH-Wert, Temperatur, Beluftung, Durchmischung u. a. Die fur die Mikroorganismen gunstigen Wachstumsbedingungen bestimmen die Bauweise der Bioreaktoren. Zu diesen Anforderungen zahlen insbesondere:
I . Die sterile Anzucht der Mikroorganismen. Das problemlose Beschicken des Fermenters mit Nahrlosungen unter AusschluB von Fremdkeimen sowie die sterile Beimpfung mit der Mikroorganismenkultur. 2 . Das Einhalten der erforderlichen Arbeitsbedingungen wahrend des Wachstums und der Vermehrung, wie z. B. Temperatur, pH-Wert, Durchmischung der Kulturlosung.
*
fermcntum (lat.) - Sauerteig
1 1 Die Herstellung von Bioprotein
3. Ausreichende Zufuhr der einzelnen N3h1-1osungskomponenten. Das sind die Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorquellen sowie weitere Zusatze, die fur die Versorgung der Mikroorganismen notig sind.
4. Das Beluften der Kulturlosung, d.h. ausreichende Zufuhr von Luftsauerstoff, wenn es sich urn aerobe Verfahren handelt. 5 . Das Abernten. Dazu gehoren das Entnehrnen der Mikroorganismensuspension aus dern Bioreaktor und die weitere Aufarbeitung zum gewiinschten Endprodukt. Bei der Konstruktion von Bioreaktoren ist die
Art der Kultivierung, d. h. ob die Kulturen stiindig Luftsauerstoffzufuhr (aerob)* benotigen oder nur unter Luftsauerstoffausschlua (anaerob)** gedeihen, nicht ohne EinfluR.
365
Fur Kulturlosungen mit gro13en Viskositaten sind Schlaufenreaktoren ungeeignet. Schlaufenreaktoren werden z. Z. vor allem fur die Bioproteinproduktion und die mikrobiologische K l h n g von Abwasser gebaut. Man spricht auch von Biohoch-Reaktoren Fur die Bioproteingewinnung wird die Substanz mit einem geeigneten Mikroorganismus geimpft. In der ehemaligen Hoechst AG wurde das Bakterium Methylomonas clara verwendet. Unter Substrat versteht man die Komponente in einer Nahrlosung, die die Mikroorganismen als bevorzugte Kohlenstoffquelle zum Wachstum benotigen. Als Kohlenstoffquelle dient in diesem Falle Methylalkohol und als Stickstoffquelle Ammoniak. Dazu komrnen Phosphate und andere Mineralien als Niihrsalze (Abschn. 111- 14.3 U. -14.4). 11.4.1 Sterilisation
11.4 Die technische Bioproteinproduktion Die Bioproteinproduktion im grofitechnischen MaBstab erfolgt in Schlaufenreaktoren. Das sind Rohrreaktoren, die mit einem zusatzlichen Einsteckrohr versehen sind. Das Verhaltnis von Hohe zu Durchmesser sol1 nicht kleiner als 30 : 1 sein, da sich sonst schwer ein stabiler flussigkeitsstrom einstellt (Abb. IV-126, -127 u. -128). Die Durchmischung der Kulturlosung in einem Schlaufenreaktor erfolgt in der Weise, daB vom unteren Ende ein Luft- oder Gasstrom eingeblasen wird. Die Flussigkeit beginnt von unten nach oben zu stromen. Sie tritt uber das obere Ende des Einsteckrohres und stromt au13erhalb des Einsteckrohres wieder zum unteren Ende des Schlaufenreaktors (Abb. 111-83). Es entsteht ein kontinuierlicher Flussigkeitsstrom, der eine gute Durchmischung bewirkt. Der Vorteil des Schlaufenreaktors besteht darin, dal3 kein Riihrwerk angetrieben werden muls. Ruhrantriebe erfordern groBen Enegieaufwand. Diese Energie wird in W W e umgesetzt. Sie mu13 aus der Kulturlosung durch W h e t a u s c h e r abgefuhrt werden. Die bei Stoffwechselprozessen der Mikroorganismen auftretende W h e mu13 ebenfalls abgefuhrt werden. Schlaufenreaktoren sind deshalb auch mit Kuhlmanteln versehen.
* **
aero (grch.) - Luft. anaerob (grch.) ohne Luft ~
Eine entscheidende Mafinahme fur eine erforderliche Fermentation ist die Sterilisation. Sie wird mit iiberhitztem Wasserdampf von 120 "Cdurchgefiihrt . Sarntliche Ventile und die angeschlosse;en Apparate- und Anlagenteile stehgn wahrend der Fermentation unter Dampfdruck, urn ein Eindringen Infektionskeimen in die Kulturlosung zu verhindern. Nhrlosung und mussen ebenfalls sorgfiltig sterilisiert werden, Die Sterilisation der zuzufuhrenden Luft erfolgt durch Filtration und Absorption. Die Luft wird durch cine Schicht Glaswolle, Baumwolle oder Aktivkohle, die in einen Stahlbehalter eingeprefit ist, gedriickt. Vorher muB der Luftfilter selbst sterilisiert werden.
11.43 Impfen
im Produktionsfementer ein intensives Wachstum der Mikroorganismen zu garantieren, muR er mit einer relativ groBen Menge an Mikroorganismenkeimen geimpft werden, Die Mikroorganismen werden dafur in Form vorkulturen vermehrt und bereitgehalten. Fur viele Fermentationen gilt ein Anzuchtverhaltnis von d, h. cine Impfiultur wird zur Beimpfung des etwa 10fachen Volumens an N&losung verwendet. Wiihrend der Zucht in den Vorkulturfermentern werden die Mikroorganisrnen bereits in der Nahrlosung, die zur Zucht im Produktionsfermenter venvendet wird, vermehrt und damit an das betreffende Substrat gewohnt (s. Abb. 1-38, S. 156).
366
111 Produktionsverfahren Lur Herbtellung von chemischen Grundprodukten
Am
Bakteriurns
I< -
1
Schlaufenreaktor
Abtrennen der Zellen Recycling
DAufschluRder Zellen durch Therrnolyse Trocknung I\
r'
/@ 1
He'"lufl
Extraktion rnit Arnrnoniak Wasser Methanol
/q
610rnasse
-
,
-
-
W Nukleinsauren
Abb. 111-83. Vcrcinfachtes ApparateflieBbild zur fermentativen Herstellung von Bioprotein
Wenn eine ausreichende Mikroorganismenmenge angezuchtet worden ist, kann im Produktionsfermenter die Hauptfermentation beginnen.
Als Rohprodukt wird die Zellmasse, auch Biomasse genannt, erhalten. Auf Trockensubstanz bezogen enthalt sie 80% Rohprotein oder 70 % Protein Massenanteile.
11.43 Regelung Die Kontrolle einer Fermentation erfolgt durch die Messung des Sauerstoffgehaltes in der Kulturlosung , des Kohlenstoffdioxidgehaltes in der Abluft, der Substratkonzentration, d. h. des Gehaltes an Methylalkohol, des pH-Wertes und der Temperatur in der Kulturlosung. Der Vermehrungsprozefi dieses Bakteriums wird im Schlaufenreaktor kontinuierlich gefuhrt.
11.4.4 Trocknung Die anfallende Biomasse wird zur Abtrennung des Wassers zentrifugiert. Dabei wird der Feuchtigkeitsgehalt auf 70% bis 72 % verringert. Eine weitere mechanische Abtrennung des Wassers ist nicht moglich, da das Wasser fest an und in den Zellen gebunden ist. Deshalb wird mit dem Spriihtrockner weiter entwassert. Hierbei sinkt
11 Die Herstellung von Bioprotein
der Wassergehalt auf 5 9'0 bis 6 9'0. Dieser Trocknungsvorgang ist sehr energieaufwendig und kostspielig. Vor der Spriihtrocknung mittels HeiBluft wird die Zellmasse einer Thermolyse unterworfen. Die Thermolyse ist ein spezielles ZellaufschluRverfahren, das die Zellwande unter Hitzeeinwirkung aufbricht. Nun konnen aus dem Zellinnem die Fette, Nukleinsauren und andere wichtige Inhaltsstoffe gewonnen und isoliert werden (Abb. 111-83).
Der Stoff- und Energieumsatz einer mikrobilogischen Bioproduktion laBt sich vereinfacht durch nachstehende Bruttoreaktionsgleichung beschreiben:
11.5 Ausbeute und Bilanz" Um 100kg Bioprotein mit Hilfe des Bakteriums Methylomonas clara herzustellen, mussen eingesetzt werden: 200 kg 17 kg 11,2 kg
7,s kg 1550 kg
*
Methanol als Kohlenstoffquelle, Ammoniak als Stickstoffquelle, Phosphorsaure als Phosphorquelle , Mineralsalze als Quelle der Spurenelemente , Luft als Sauerstoffquelle.
Faust, U . (1979). Process result from SCPpilot plant based on methanol, Uhdc Dortmund, in: Dechema Monographie, Band 83, Nr. 17041723, Verlag Chemie, Weinheim.
+ 023 NH, + 1.26 0,
1.55 CH,OH Methanol
11A5 Weitere Aufarbeitung Nukleinsauren stellen einen wesentlichen Bestandteil der Zellkerne dar. Ein Zuviel an Nukleinsaure ist fur die menschliche Emahrung nicht geeignet. Sie werden wahrend des Stoffwechselprozesses zu Harnsaurederivaten abgebaut, die sich dann als Nieren- oder Blasensteine abscheiden oder Gicht ehervorrufen konnen . Zur Abtrennung der Nukleinsauren mu13 die Biomasse zerkleinert werden. Das geschieht in Kugelmiihlen. Danach werden mit einem E s e mittelgemisch aus Ammoniak und Methanol die Fette (Lipide) extrahiert. Ihr Anteil betragt 8 %. Nach der Entfernung der Fette werden die Nukleinsauren aus der Zellmasse herausgelost . Die von den Fetten und Nukleinsauren befreiten Bioproteine sind fur die menschliche Ern&rung zur Erganzung der EiweiRversorgung ausgezeichnet geeignet.
367
Biomasse
n
Ammoniak
Sauerctoff
Kohlenstoffdioxid
Wasser
(AH= - 649 kJ/mol)
11.6 Sojamehl bzw. -schrot als EiweiBquelle Die wesentlichen Inhaltsstoffe getrockneter Sojabohnen sind Proteine (34,1%), Fett (17,7%), Kohlenhydrate (33,s %) und Wasser (l0,O%). AuBerdem sind sie reich an Vitaminen des BKomplexes und Vitamin E*). Dank ihres verhaltnismaljig hohen Protein- und Fettanteils sind Sojabohnen ein hochwertiges Nahrungs- und Futtermittel. 1997 sind weltweit 140 Mio t Sojabohnen geerntet worden, davon 70 Mio t in den USA. Deutschland ist ein groBer Importeur dieser Bohnen; 1997 sind 3 Mio t eingefiihrt worden. Dieses hohe und preisgunstige Sojabohnenangebot war ein wichtiger Grund dafur, dalj sich die GroBanlagen fur ein fermentatives Protein nicht durchsetzen konnten, obwohl die so hergestellten Bioproteine ebenfalls alle wichtigen essentiellen Aminosauren enthalten. Anlagen in den ehemaligen Ostblockliindern und eine 20 000 jato Anlage der ICI mufiten wieder stillgelegt werden. Aufgrund der haufigeren BSE-Vorfalle bei Rindem ist der Sojabohnenpreis im Dez. 2000 von 40 DM pro 100 kg auf 80 DM sprunghaft gestiegen. Der Weg, Sojaschrot als Futtermittel an Rinder, Schweine, Gefliigel ma. zu verfiittern und auf diese Weise den Bedarf an essentiellen Aminosauren uber tierisches Fleisch zu decken, wird im Moment noch bevorzugt.
*
Wissenschaftliche Tabelle Geigy (l98l), 8. Aufl. Hrsg. Ciba-Geigy Ltd., Basel. Schweiz.
368
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundproduktcn
Dabei durfen die negativen Begleiterscheinungen einer Massenaufzucht von Masttieren nicht ubersehen werden, z.B. der hohe Giilleanfall und mogliche Nebenwirkungen von Tiermehl- u. a. Futtermittelzusatzen, die vorwiegend aus Rinderkadavern gewonnen werden, sowie die Gefahr von Krankheitsinfektionen. Die im letzten Jahrzehnt immer haufiger bei Rindern auftretenden BSE-Erkrankungen (bovine spongiforme Enzephalopathie) werden auf Tiermehlfutterung im grol3en Stil fur die Tiermast zuriickgefiihrt. Als krankheitsausliisende Ursachen werden Prionen angesehen. Das sind korpereigene Proteine, die vor allem in den Ner-
venzellen des Gehirns vorkommen. Es wird verrnutet, dal3 todlich wirkende Prionen eine andere Kettenstruktur haben als natiirliche. Sie vermogen ihre abnorme Struktur aber normalem Prionen-Protein aufzuzwingen. Es wird angenommen, daS das Fleisch von BSE-erkrankten Rindern beim Menschen die Jakob-Creuzfeldt*Krankheit auszulosen vermag, die sich ebenfalls in der Degeneration des zentralen Nervensystems auBert. Unter diesem Gesichtspunkt kann die Bioproteinproduktion auf fermentativem Wege mittels Mikroorganismen wieder interessant werden.
*
Jakob. Alfons J . (1884-1931). dtsch. Neurologe in Hamburg. Creuzfeld, Hans. G. C. (1885-1964). dtsch. Neurologc in Kiel. (Quelle: Roche Lexikon Medizin (1987). 2 . Aufl.. Hrsg. Hoffrnann-LaRoche AG u. Urban-Schwarzenherg, Miinchen)
12 Chemie und Umwelt
12.1 Der Mensch und seine Umwelt
gischen Systeme begreifen lernt, wird er diese Sorge um seine Umwelt richtig einzuordnen wissen und nicht als existenzbedrohend empfinden. Er ist nicht der Mittelpunkt. Der Mensch ist ein Bestandteil aller derzeitigen biologischen Systeme, er ist ein Glied in der langen Kette der biologischen Entwicklungsphasen und ist den Entwicklungsgesetzen dieser Systeme unterworfen. Die exponentiell fortschreitenden Evolutionsschwingungen veranschaulichen diesen Grundgedanken (Abb. 111-84). Einfache Urbausteine, die Biomolekiile, haben sich iiber die Biomonomere und Biopolymere zu reproduktionsfiihigen Zellstrukturen entwickelt. Aus ihnen sind komplexe Zellstrukturen hervorgegangen, die die Basis fur noch komplexere biologische Systeme bilden. Das komplizierteste System ist der Mensch. Dieser EntwickIungsprozeB ist nach wie vor in vollem Gange und bestimmt den Verhaltensmechanismus der
12.1.1 Evolutionszyklen Beim Versuch, den Begriff ,,Urnwelt" zu definieren, werden sofort die Schwierigkeiten und moglichen Unzulanglichkeiten aller Definitionen offenbar. In dem Wort ,,Urnwelt" steckt eine Subjekt-Objekt-Beziehung. Als Subjekt empfindet sich in dieser Beziehung der Mensch, der mit Sorge die Veranderung der Umgebung unter seinem eigenen EinfluB wahrnimmt. ,,UmweltbewuBt" wurden die Menschen erst, als sie zu ahnen begannen, durch ihre Lebensweise konnte die Welt so verhdert werden, dal3 fur die Spezjes ,,Mensch' keine optimalen Lebens- und Uberlebensbedingungen mehr vorhanden sein wiirden. Erst wenn der Mensch seine Rolle und Stellung innerhalb der biolo-
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KOMPLEXE ZELLSTRUKTUREN Verbund von differenrterten Zellslrukluren.
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iehIungsf&hige Informationssyoteme, b h sr Energiebedarl
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Chlomplarlen. MelabOlkrnus. Wachslim Rnpmduklan, R*Qbarkdl
BIOPOLYMERE NukleinsPumn, Pmteine. Kohlenhydrate. Felie, KautsChuk
.
2-
BIOMONOMERE Nukleotide. ATP, Amhobasen, Arnlnos(iwen. Monosaiaccaride, Pwphyrin. Acetyl (CP-Baustein). lhp" URBAUSTEINE N,: SH,. H,. OH,. CO,, NH,. CH.: H,PO,.
0
1
2
3
4
Abb. 111-84. Evolutionskurve.
t [Zeit]
I
Urreit
Mikroorganismen
-.
__l__r
Gegenwart
Primate
Mensch
370
111 Produktionsverfahren Lur Herstellung von chemischen Grundprodukten
\
A lnkubal onspnase (Anlaulphasel B AcceleraUonsphase (Ubergangsphase) C exponenbelle Wachslumsphase E stallonare Phase F elalephase
I
Zeit
Abb. 111-85. Zum Vergleich mit 111-84, Wachstumsphase von Mikroorganismen.
okologischen Systeme. Sie zeichnen sich durch ihre Stoffwechselprozesse (Metabolismen)*, Fortpflanzung und Vermehrung (Reproduktionsfahigkeit)** und Anpassungsfahigkeit (Mutagenitat)*** aus. Alle diese Vorgange erganzen sich zu offenen zyklischen Prozessen. Die Notwendigkeit der fortwahrenden Anpassung an die in der Natur wirksamen Umweltveranderungen zwingt die Zyklen zu einer irreversiblen Weiterentwicklung. Es handelt sich um energieaufnehmende Prozesse. Ein System folgt aus dem anderen in gegenseitiger und fortschreitender Wechselbeziehung. Biologische Systeme sind, thermodynamisch betrachtet, offene Systeme.
12.12 Stoffzyklen und FlieBgleichgewichte Die Biosphare, in der auch der Mensch lebt, ist im wesentlichen von steten Energie- und Stoffzyklen bestimmt. Ihr Zusammenwirken ergibt das, was heute als Okosystem bezeichnet wird. Die Zustande im Okosystem sind nicht stationar, sondern flieRend. Sie werden immer wieder durch mannigfaltige Teilprozesse verandert, beziehungsweise gestart. Allerdings auBern sich die Wirkungen solcher Storfaktoren in der Regel uber lange Zeitabschnitte, so daB genugend Zeit fur die Anpassung an die neuen Bedingungen gegeben ist, denn die Reaktionsprodukte werden aus dem System nicht ausgeschleust. Sie konnen mit den urspriinglichen Reaktionspartnern weiterreagieren. Biovorgange haben evolutionaren und keinen revolutionaen Charakter. Es stellen sich FlieBgleichgewichte ein, deren typisches Merkmal die Veranderung ist. Eine statische Gleichgewichtssituation wird niemals erreicht.
* ** ***
metabole (grch.) Veriinderung. reproducere (lat.) - nachbilden. mutere (1a1.) wechbeln, verlndern.
Aufgrund der thermodynamischen GesetzmaRigkeiten ware das auch gleichbedeutend mit dem Tod auf dem Planeten Erde. Ein entscheidender Faktor fur nicht abrupte Anpassungsvorgange ist die Zeit. Die Menschen vermogen es noch nicht nachzuvollziehen, sich nicht als Mittelpunkt aller biologischen Systeme zu betrachten. Sie mussen ihre homozentrische Betrachtungsweise der Umwelt aufgeben, um die wirksamen Naturgesetze zu erkennen. Erst dann wird es moglich sein, ein okonomisches System diesen biologischen Gesetzen soweit wie moglich anzupassen. Diese Umorientierung muR zuerst in der geistigen Haltung der Menschen erfolgen. Dann wird sie auch technologisch umsetzbar sein. Ohne subtile naturwissenschaftliche Erkenntnisse wird diese geistige und technische Herausforderung der Zukunft nicht zu leisten sein. Der Chemie wird hier eine Schlusselaufgabe zufallen.
12.1 3 Exponentiell fortschreitende Evolutionsschwingungen Veranderungsprozesse in der Natur lassen sich hlufig als mit der Zeit kontinuierlich fortlaufende Schwingungen veranschaulichen. Die Frequenzen und Amplituden der einzelnen sich periodisch vollziehenden Prozesse sind allerdings sehr unterschiedlich, z.B.: -
-
-
-
der Umlaufrhythmus der Planeten um die Sonne, der Tagesrhythmus fur den Menschen, der Jahresrhythmus, dieAtmung, die Peristaltik*, Herzschlag, Menstruationszyklus, in biologischen Systemen oszillierende chemische Reaktionen.
Sowohl der Lebenslauf einer gesamten biologischen Spezies als auch der eines Individuums ist ein fortschreitender, periodischer Rhythmus. Die Evolutionskurve (s. Abb. 111-84) beschreibt den makroskopischen Verlauf. Makroskopische Verlaufe sind z. B. Wachstums- und Alterungsprozesse. Sie unterliegen einer stetigen Frequenz- und Amplitudenveranderung. Die fur biologische Prozesse charakteristischen FlieRgleichgewichte und der einseitig
~
~
*
peristdltikos (grch.) - zusarnmendriickend: wellenformige Zusammenriehung von Mu\keln hei Hohlorganen.
12 Chemie und Umwelt
ausgerichtete Faktor Zeit bedingen die Irreversibilitat biologischer Entwicklungen (Abschn. 1-10.7.3). Evolutioniire Vorgange sind durch Anlauf-, Ubergangs-, Exponential-, Stagnations- und Abklingphasen gekennzeichnet. Sie unterscheiden sich durch die Frequenzen und Amplituden der fur sie typischen zyklischen Lebensfunktionen. Die Veranderung dieser zyklischen Ablaufe ist in Wirklichkeit ein offener Zyklus. Die Ursache liegt im Faktor Zeit und in der biologischen Eigendynamik. Sie verhindert einen geschlossenen Zyklus und bewirkt eine Aneinanderreihung von gestorten Zyklen, die sich dann als Schwingungen auffassen lassen (Abb. 111-85). Die Verlnderungen dieser offenen Zyklen erfolgen nicht willkurlich. Sie unterliegen biologischen Gesetzen und lassen sich uber lange Zeitraume durch mathematische Funktionen beschreiben. Eine besondere Bedeutung kommt der Exponentialphase zu, in der sich z.B. das heutige Bevolkerungswachstum der Welt befindet. Zur Aufrechterhaltung der Schwingungen bedarfes sowohl in der Technik als auch in der Natur einer standigen Energiezufuhr, sei es in Form von Sonnenenergie, chemischer, physilogischer oder technischer Energie. Die Evolutionskurve ist eine einseitige Umhiillungskurve. Sie verbindet die Amplitudenmaxima einer fortlaufenden angeregten Schwingung (s. Abb. 111-84). Auf die Entwicklung der biologischen Systeme, in ihrer Gesamtheit bezogen, deuten die Amplitudenmaxima die jeweils erreichte Strukturkomplexitat der am hochsten entwickelten Spezies bzw. eines Individuums in der jeweiligen Entwicklungsphase (-zeit) an. Die Frequenz zeigt dagegen die Entwicklungsgeschwindigkeit der Generationsfolgen an. Die Amplitudenminima sind durch eine NullLinie verbunden. Diese zeigt an, daR jedes Individuum und auch jede Spezies durch das Absterben immer wieder in die einfachsten Urbausteine zuriickfallt und aus diesen heraus mit Hilfe von Energiezufuhr wieder zu einer neuen typischen Komplexitat entwickelt wird. Eine Verdichtung der Schwingungen entspricht einer Frequenzzunahme. In dieser Phase vollziehen sich die Evolutionsschube besonders intensiv. Sie entspricht einem exponentiellen WachstumsprozeR. Die am hochsten entwickelte Spezies ist zur Zeit der Mensch. Die vorausgehende Amplitude ist den Primaten zuzuordnen. Die niedrigsten Amplituden symbolisieren die einzelligen Mikroorganismen.
371
Welches Ende die Entwicklung eines biologischen Systems nehmen wird, ist schwer vorauszusagen. Es kann nur spekulativ vermutet werden . Entsprechend der Erkenntnisse iiber Verlauf von Wachstums-, Abkling- und Uberlagerungsfunktionen kijnnen Evolutionsprozesse zum Stillstand kommen, d. h. in einer Stagnationsphase venveilen (s. Abschn. 1-12). Dieses ist jedoch kaum anzunehmen, da das dem biologischen Uberlebensdruck widerspricht. Ein Ubergang in eine Abklingphase des biologischen Systems wurde nur eintreten, wenn sich die Lebensbedingungen in der Biosphare in einer erdgeschichtlich relativ kurzen Zeit verschlechtern wiirden. Der Fall einer Endkatastrophe ist aus der Erfahrung des bisherigen Verlaufs uber die Entwicklung des biologischen Systems, einschlielllich der Spezies Mensch, unwahrscheinlich, da alle Chancen der Anpassungsmoglichkeiten durch Adaption und Mutation .wahrgenommen werden, um immer wieder ein Uberleben zu sichern. Uber das Schicksal des Einzelwesens sagt diese Erfahrung natiirlich nichts aus. Biologische Evolution schlieat Hoffnung mit ein. Das gilt auch fur das Wechselspiel zwischen Mensch, Technik und Natur.
12.1.4 Recycling Die Natur lehrt uns, daR biologische Vorgange nicht einbahnig, sondern in offenen Zyklen verlaufen. Es gibt keinen Anfang und kein Ende. Im Recycling findet dieses Umdenken seinen Niederschlag. In der Natur gibt es keinen Abfall. Unter Recycling wird die Ruckfiihrung der aus dem Produktions-Konsumgiiterkreislaufausgeschleusten Gebrauchs- und Nutzguter verstanden. Hierzu zahlen im weitesten Sinne auch die wahrend einer Produktion und Fertigung anfallenden Nebenprodukte und Rohstoffe. Obwohl Wiederverwendungskreislaufe zur Zeit noch technisch sehr energieaufwendig und kostspielig sind. werden alle Anstrengungen unternommen, geeignete Technologien zu entwickeln. Das Grundprinzip aller Fertigungs- und Produktionsmethoden zur Herstellung oder Gewinnung von Gebrauchs- und Nutzgutern besteht in Stoffumwandlungs- und Stoffbearbeitungsverfahren. Sie sind mit Energieaufwand, d.h. mit Energieumwandlungsverfahren gekoppelt. Dabei verdienen die damit verbundenen Energie-
372
III Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
umwandlungen vorrangige Beachtung. Bei ausreichender kostengunstiger Energie lassen sich immer die Gebrauchs- und Nutzguter fur die Menschen in ausreichender Menge und Qualitlt herstellen. Vcrcdelungsmethoden von Primlrstoffen uber die verschiedensten Aufarbeitungs- und Fertigungsstufen sind im physikalisch-chemischen Sinne Stoffzustandsanderungen. Mit Hilfe von Veredelungsmethoden werden Stoffmstande angestrebt, die fur den menschlichen Bedarf nutzlich und zweckmlBig erscheinen. Genugen die Stoffzustiinde den Erfordernissen des alltaglichen oder langfristigen Bedarfs nicht mehr, so werden sie ungerechtfertigterweise als Abfall, Schrott, Mull und dgl. bezeichnet. Diesem Verhalten des Menschen liegt ein Denken zugrunde, das den Wcg vom Rohstoff uber Nutz- und Gebrauchsgut zum Abfall fur eine EinbahnstraBe halt. Die Umwandlungsprozesse von Stoff und Energie in der Natur verlaufen aber nicht einbahnig, sondern in Zyklen. Fur die Entwicklung einer umweltangepalJten Technologie ist es nicht gleichgultig, ob in Zyklen oder einbahnig gedacht wird. Im Recycling findet das Denken in zyklischen Prozessen seinen Niederschlag. Diesen Denkansatz weiter verfolgcnd, darf es lang-
fristig fur cine moderne chemische Technik den Begriff ,,Abfall" nicht mehr geben. Stoffe befinden sich in den unterschiedlichen Zwixchen- und Umwandlungsstufen, die je nach Bedarf und aufgrund ihrer physikalischen. chemischen und ernahrungsphysiologischen Eigenschaften in Gebrauchs-. Verbrauchsguter, d. h . in Werk- und Wirkstoffe umgewandelt werden konnen (Abb. 111-86). Bei zukunftigen Recyclingverfahren mussen auch die langfristig wirkenden naturlichen Regenerationsstufen mit einbezogen werden. Entsprechend mussen die Deponien fur ausgeschleuste Cuter. die heute leider noch ,,Mulldeponien" heiaen, organisiert und angelegt werden. Durch den Aufbau einer Recyclingwirtschaft bei landwirtschaftlichen und industriellen Produkten kiinnen nach Schiitzungen der EG-Kommision wertvolle Sekundarrohstoffe zuruckgewonnen werden. Eine Arbeitsgruppe an der Universitat Oldenburg hat im Labormaastab ein Verfahren entwikkelt, wie die Biomasse von Holz gezielt abgebaut werden kann. Die Abbauprodukte sind dann als Ausgangs- und Zwischenprodukte fur die Weiterverarbeitung zu Nutzgutern geeignet. Die im groBen MaMstab einsetzende Kompostierung von organischen Reststoffen aller Art
6
Abh. 111-86. Modell eines Lyklischen Stoffumwandlungsprozesses
12 Chemie und Umwelt
und ihre anschlieBende Verwendung als Humusboden zeigen bisher ungenutzte Moglichkeiten auf. Jahrlich werden in den Landern der Europaischen Gemeinschaft eine Reihe von Gutern produziert und verbraucht, von denen bei entsprechenden Technologien ein beachtlicher Teil zuriickgewonnen werden konnte (Tab. 111-3). Die Ruckgewinnung von Metallen aus Altmaterial spielt in der Bundesrepublik Deutschland schon eine groBe wirtschaftliche Rolle. Bezogen auf den Verbrauch werden z.B. folgende Metalle zuriickgewonnen*:
373
gen die laufenden Kosten bei 1,4 Mrd DM, fur die Larmbekampfung fielen Kosten in Hohe von 93 Mio DM an. Reststoffe konnen nicht beseitigt werden, sondern nur in andere Zustandsformen umgewandelt werden, die die Umwelt nicht belasten. Das sind einfache Folgerungen aus den Hauptsatzen der Thermodynamik. Umwandlungsprozesse sind Energie- und Stoffurnwandlungen, die im technischen Maastab zusatzlich mit aufwendigen Transportvorgangen verknupft sind.
12.15 Biosphare Tab. 111-3. Anteile von zuriickgefuhrten Metallen. Aluminium, Al: Kupfer, Cu: Blei, Pb**: Rohstahl, Fe:
35 % 48 % 23 % 33 %
Eine Technologie, die sich zyklisch arbeitenden Verfahren offnet, nutzt Kostenvorteile bei der Giiterherstellung durch billigere Einsatzstoffe, fur die sonst aufwendige Entsorgungskosten zu verrechnen sind. Eine solche Technologie entlastet die Umwelt von Reststoffen und ausgeschleusten Nutzgutern. Sie schont auljerdem die naturlichen Rohstoffreserven, von denen im westlichen Europa so wenig vorhanden sind. Im Jahr 1997 gaben die deutschen Chemieunternehmen rund 695 Mio DM fur Umweltschutzinvestitionen aus. Hinzu kamen noch einma1 rund 5,9 Mrd DM an Umweltschutzbetriebskosten. Der groljte Anteil der Umweltschutzinvestitionen 1997 entfiel mit 300 Mio DM auf den Gewasserschutz. Fur die Lufteinhaltung wurden 246 Mio DM ausgegeben, fur die Abfallbeseitigung 129 Mio DM und fur die Larmbekampfung 20 Mio DM. Auch bei den laufenden Umweltschutzbetriebskosten entfiel der groBte Anteil mit 2,6 Mrd DM auf den Gewasserschutz. An zweiter Stelle rangieren hier die Kosten fur die Abfallbeseitigung (1,8 Mrd DM). Fur die Luftreinhaltung la-
* **
Taschenbuch des Metallhandels (19971, Hrsg. Miinster, H . P.. Giesel-Verlag GmbH, 30916 Isernhagen. 80 % des Elcktrodenbleis aus Batterien werden zuriickgefuhrt.
Die Bereiche der Erdoberflache, die von pflanzlichen und tierischen Organismen besiedelt sind und mittels ihrer Stoffwechselprozesse Biomasse und Begleitprodukte erzeugen, werden als Biosphare zusammengefafit. Sie ist durch die Vielfalt der biologischen Systeme einschliefilich der erforderlichen Umwelt charakterisiert. Die Biosphiire urnfaat Bereiche der Atmosphare, Hydrosphiire und Lithosphare. Die Entwicklung und Erhaltung der Biosphare wird, global gesehen,von funf Faktoren bestimmt: -
Bevolkerungsdichte,
- ausreichendes Angebot von Nahrstoffen, -
Wasser,
- Sonnenenergie und - Temperatur.
Das Zusammenwirken von Wasser oder Feuchtigkeit und Wiirme bestimmt das Klima, in dem Bauelemente wie Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor, Schwefel und Spurenelemente uber Energie- und Stoffzyklen in der Biosphiire zu Bioverbindungen reagieren konnen. Diese Stoffzyklen zu studieren und die Produktionsmethoden darauf abzustimmen, das ist die Herausforderung an die Menschheit (Abschn. 111-14). Die modernen Wissenschaften der Biochemie, der Molekularbiologie, der Geochemie, der Meteorologie, Ozeanographie u . a. haben in den letzten zwei Jahrhunderten wertvolle Erkenntnisse sammeln konnen, die fur eine bioangepafite Technologie Voraussetzung sind. Doch der Weg von einer wissenschaftlichen Erkenntnis bis zur technologischen Umsetzung erfordert ebenfalls Zeit.
374
I I I Produktionhvcrfahrcn xur Hcrstcllung von chcmischcn Grundprodukten
12.1.6 Hydrosphare Unter der Hydrosphare versteht man die Wasserhulk an der Erdoberflache. Zu ihr zahlen die Ozeane, die Gewasser des Festlandes, die als Eis gebundencn Wassermengen der Arktis, Antarktis und Gebirgsgletscher sowie die Wasserdampfbestandteile der Luft. Zusammen ergeben sie 1.348 Mrd km' Wasser. Wasser ist eine der notwendigen Voraussetzungen zur Entfaltung von biologischen Systemen (s. Abschn. 1-2.1). Eine Uberschlagsrechnung bringt zum Ausdruck. dalJ statistisch auf jeden Quadratzentimeter Erdoberflache 27 1.4 Liter Meerwasser, aber nur 7,l Liter Suljwasser und 0,003 Liter Wasserdampf entfallen. Von 7.1 L SuRwasser sind ca. 5,s L als Fcstlandeis gebunden. Wo kein Wasser ist, entwickelt sich keine Biosphiire. 30 % der gesamten Festlandoberfllche zahlen heute zu Wusten und Wustensteppen. Von den 148.5 Mio km', die die festen Landmassen unserer Erde umfassen, konnen zur Zeit nur 13,31 Mio km', das sind knapp 9 %I.als Kultur- und Ackerland genutzt werden. Es ist nicht zufallig, daR der weitaus groRte Teil der Weltbevolkerung sich an Flussen, in Fluaniederungen und in Kustenniihe niedergelassen hat. Wasser als Nahrungsmittelspender, als Voraussetzung fur eine uppige Vegetation, Wasser als Transportmittel und Energietriger sind die Grunde fur die hohe Besiedlungsdichte in FluMund Kustennlhe (s. Kap. 1-2).
12.1.7 UmweltangepaBte chemische Produktionstechnik Das erste Umweltgesetz in Europa wurde 1810 in der Zeit Napoleons von der franzosischen Regierung erlassen. Aus dieser Zeit stammt auch der Ausdruck ,,pollution industrielle". Das war gerade 41 Jahre nach dem Bau der ersten technischen einsetzbaren Dampfmaschine durch James Watt im Jahre 1769.* Bei jedem technischen Verfahren fallen neben dem gewunschten Hauptprodukt immer Begleitstoffe an. Den Anteil der Begleitstoffe moglichst
*
Watt. J a r n e b (1736-181Y).engl. Ingrnieur
gering zu halten, ist schon nus wirtschaftlichen Grunden oberstes Gebot. Haufig lassen sich diese Begleitstoffe wieder in den ProduktionsprozeR zuruckfuhren, oder sie bilden fur andere Prozesse wertvolle Ausgangsstoffe. lnsbesondere in der chemischen lndustrie mit ihrem verzweigten Stoff- und Energieverbund bieten sich mit zunehmender moderner Technologie immer interessantere Moglichkeiten an. Nicht jeder Begleitstoff ist somit ein Abfallstoff, sondern er ist im Verhiiltnis zum Hauptprodukt ein Reststoff, der weiter vcrwendet werden kann. Der Anteil der Reststoffe, der wirtschaftlich nicht mehr genutzt werden kann. wird zum Abfall. Nur ein geringer Prozentsatz dieses Abfalls ist chemiespezifischer Sondermull, der einer speziellen Entsorgung und Lagerung bedarf, z. B. im stillgelegten Abbaufeld der Grube Herfa-Neurode, eine von der Kali- und Salz AG eingerichtete Untertage-Deponie (s. Abb. 111-103). Neben der Verwertung der Rohstoffe und einer sorgfaltigen Beseitigung der Abfallstoffe spielt in der chemischen ProzeRtechnik die Fuhrung der ,,Warmefrachten" eine bedeutende Rolle. Jeder Stoffumsatz ist mit einem Energieumsatz gekoppelt. Energien werden einem Reaktionssystem entweder als elektrischer Strom oder als Warme zugefuhrt. Die bei chemischen Reaktionen freigesetzten Warmeenergien mussen andererseits abgefuhrt werden. Das geschieht so weit wie moglich in geschlossenen KuhlkreisIaufen. Transportmittel fur die Warmeenergien sind Wasser oder Dampf. Als ProzeRwarme konnen sie teilweise noch genutzt werden. Doch nach den Hauptsitzcn der Thermodynamik kann nicht alle Warmeenergic in nutzbare Energie umgewandelt werden. Dieser Restwarmeanteil wird bei niedriger Temperatur an die Umgebung abgegeben. Das Prinzip eines sowcit in sich geschlossenen chemischen Produktionsprozesses, welches besagt, daR an die Umwelt nur ungefahrliche Abfallstoffe und niedertemperaturige Warme abgegeben werden. ist in der Abb. 111-87 dargestellt. In der chemischen Produktionstechnik werden heute zwei Wege verfolgt, um die Umweltbelastung durch Abfallstoffe kraftig zu vermindern: I . Weg Durch Verfahrensverbesserung wird der Anteil der Abfallstoffe niinimiert.
2. Weg Es werden Entsorgungsanlagen fur feste Abfalle. Abwasser und Abluft errichtet und, wo erforderlich, zu einem Verbund zusammengeschlossen.
12 Chemie und Utnwelt
I
I
I
I
375
I
r-----II
Abb. 111-87. Prinzip eines geschlossenen chemischen Produktionsprozesses.
Bei den alteren Verfahren aus dem Jahre 1964 betrug die Ausbeute, ausgehend vom Ethylen, Comonomeren und Hilfsmittel, 84.4 % an HDPE. 15,6% Abfallstoffe waren zu beseitigen .
Fur den 1. Weg sollen zwei Beispiele kurz skizziert werden: -
MengenfluR des HDPE, High-Density Polyethylen. Das seit 1991 arbeitende neue Verfahren weist eine Ausbeute von 97,8 % aus, und nur 1,3 % Abfallstoffe sind zu entsorgen (Abb. 111-88).
-
Reduktion von Nitroaromaten zu aromatischen Aminen.
1991
&Abi?as
zum Keselhws
Deponle 0,6% (6kg
1964 h
/
Deponle 7,6% (90kg)
Abb. 111-88. Mengenflufi des HDPE.
Ill Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
376
Bei dern neuen Verfahren wird Wasserstoff als Reduktionsrnittel in Gegenwart eines Katalysators verwendet. Es werden alle Moglichkeiten zur Verrninderung der Schadstoffernission genutzt. So sinkt die Abwassermenge urn rund 90%, die Abwasserbelastung sogar urn iiber 95% und die Belastung durch gasfiirmige Emissionen ebenfalls um iiber 99%. Ferner entfallt die Aufarbeitung und Entsorgung der 19000 t Eisendioxidschlarnrn, die pro Jahr anfielen. Bezogen auf 100 kg aromatische Amine fallen nach dern neuen Verfahren 2 kg Abfallstoffe an, der CSB-Wert* konnte auf 0,03 kg gesenkt werden. Nach einern alteren Verfahren wurden Nitroarornaten mit Hilfe von Eisen zu arornati-
1)
2 ' maren
4 3 kg
w -
I
neues Verfahren (kat. Reduktion)
1
schen Arninen reduziert. Dabei fielen pro Jahr 19000 t Eisenoxidschlamm an, die rnittels der Wasserdampfdestilllation gereinigt werden muRten, bevor sie entsorgt werden konnten. Diese Aufbereitung erforderte einen hohen Energieeinsatz und verursachte groRe Abwassermengen. Bezogen auf IOOkg aromatische Amine rnuBten 237 kg Abfallstoffe entsorgt werden. Der chernische Sauerstoffbedarf (CSB) lag bei 6,25 kg (Abb. 111-89).
Fur den 2. Weg werden in den nachfolgenden Kapiteln die geeigneten Entsorgungsanlagen ausfuhrlich besprochen.
,M kg)
Aromatische Amine
hl
I
n
176 g Atmosphtue
loom
A r o m a t i i Amin,
altes Verfahren (Eisenreduktion)
237 kg Eisenordd + DeSt.-Rk%st
Abb. 111-89. Vergleich zwischen einer Eisen- und Katalyse-Reduktion von Nitroaromaten
*
CSB = Chemischer Sauer5toffbedarf (Abschn. 111-12.3.3).
12 Chemie und Umwelt
1 2 2 Wasser 122.1 Kreislauf des Wassers in der Natur Wasser wird im eigentlichen Sinne nicht verbraucht, sondern n i r gebraucht. In der Natur nimmt es an einem standigen Kreislauf teil. Dieser besteht aus folgenden Vorgangen: Verdunstung, Kondensation (Wolken, Niederschlage) und die teils parallel, teils nacheinander ablaufenden Vorgange wie Nutzung des Wassers durch Pflanzen, Tiere und Menschen, Sammeln der Niederschlage in Flussen, Seen, Meeren und als Grundwasser und die abermalige Verdunstung (s. Kap. 1-2). Die mittlere Niederschlagsmenge in der Bundesrepublik Deutschland betriigt etwa 800 rnm im Jahr.
12.2.2 Naturliche Wasserarten Regenwusser Es ist unter den naturlichen Wassern in dunn besiedelten Regionen das relativ reinste, da es einem naturlichen Destillationsprozeb unterzogen worden ist. Es enthalt Staubteilchen und geloste Gase . Quell- und FluJwasser Der geloste Feststoffanteil von 0,Ol % bis 0,2 % besteht groljtenteils aus Calcium- und Magnesiumverbindungen, welche fur die Wasserhiirte ausschlaggebend sind. Mineralwusser Unter Mineralwasser versteht man Quellwasser, das grokre Mengen an Gasen oder gelosten Feststoffen enthalt. Mineralquellen weisen zuweilen Temperaturen bis zu 100 "C auf. Meerwasser Es enthalt ca. 3,S% (und teileise mehr) geloste Salze, von denen durchschnittlich 3,O % Kochsalz sind. Die restlichen 0,s% bestehen aus Verbindungen von etwa 50 verschiedenen Elernen-
ten.
1 2 2 3 Inhaltsstoffe in naturlichem Wasser Das Wasser in der Natur kommt mit der Luft, den Gesteinen und dem mit Pflanzen bewachsenen Boden in Beriihrung.
377
In seinem naturlichen Kreislauf nimmt es dabei eine Reihe von Stoffen in suspendierter, kolloider und geloster Form auf. Die suspendierten und kolloiden ,,Frachtstoffe" sind feinverteilte mineralische oder organische Feststoffe, abgestorbene Mikroorganismen, Humusstoffe u.a. Gelost kommen im Wasser im wesentlichen die Gase der Luft, wie Stickstoff, Sauerstoff und Kohlenstoffdioxid, vor. Zu den gelosten Stoffen zahlen weiterhin Salze, insbesondere Calciumund Magnesiumhydrogencarbonat als Hartebildner, Natrium- und Magnesiumchlorid und die Sulfate des Kaliums und Magnesiums. Geloste organische Verbindungen stammen aus den biologischen Abbauvorgangen der im Wasser lebenden tierischen und pflanzlichen Organismen. Je nach dem Ursprung und dem Vorkommen des Wassers sind die ,,Frachtstoffe" unterschiedlich zusammengesetzt. Der Salzgehalt z. B. reicht von wenigen Milligramm pro Liter bis zu 270 g/L im Toten Meer.
12.2.4 Aufbereitung des naturlichen Wassers nach Verwendungszweck Eine chemische Herstellung des Wassers eriibrigt sich, da es in ausreichender Menge in der Natur vorkommt und durch Aufbereiten in einen verwendungsfahigen Zustand gebracht werden kann. Allerdings ist es regional unterschiedlich verteilt, von UberschuBgebieten bis zu den Trokkenzonen. Um das in der Natur vorkommende Wasser fur Trinkwasser oder fur Industriezwecke zu nutZen, muR es von den Begleitstoffen ganz oder teilweise befreit werden. Vollig entfernt werden mussen die suspendierten und kolloiden Schwimm-, Schwebe- und Sinkstoffe. Wasser fur die Industrie, insbesondere fur die Darnpferzeugung, ist irnmer zu enthuen. Trinkwasser dagegen mu13 einen bestimmten Anteil an gelosten Mineralsalzen enthalten. Fur die Wasseraufbereitung sind eine Reihe von technischen Verfahren entwickelt worden, die jeweils nach der Zusammensetzung der Begleitstoffe angewendet werden. Suspendierte und kolloide Verunreinigungen konnen durch -
Sieben, Klaren, Ausflocken, Flotieren,
378 -
111 Produktionsverfahren I u r Hcr5tcllung \on chemischen Grundprodukten
Trinkwasser
Filtrieren,
Als Trinkwasser ist Quellwasser am besten ge-
- Entolen
eignet. In Ermangelung dessen unterwirft man Grund- und Fluljwasser einer Aufbereitung. Sie besteht aus einer mechanischen Filtration, haufig auch einer chemischen Reinigung und vor allem einer griindlichen Entkeimung des Wassers, z. B. durch Ozonisierung, 03. Bei der Trinkwasseraufbereitung werden keinesfalls alle gelosten Stoffe aus dem Wasser entfernt, denn vollig reines Wasser schmeckt aul3erordentlich fade und viele der im Wasser gelosten Salzspuren sind fur die menschliche Ernlhrung sogar lebensnotwendig. z. B. zur Aufrechterhaltung des osmotischen Druckes im Bhtgefa8system und in den Korperzellen.
beseitigt werden. Geloste S a k e lassen sich ebenfalls auf verschiedene Weise entfernen. Gangige Methoden sind die -
Entcarbonisierung,
- Enthartung mittels Fallungsreaktionen und
lonenaustausch, Entsalzung durch lonenaustausch. Destillation, Elektrol yse. Umkehrosmose. - Ultrafiltration.
-
Die Entfernung von Gasen gelingt nach dem Prinzip der Verdrlngung durch andere Gase, durch thermische Entgasung, indem Wasser zum Sieden erhitzt wird oder durch chemische Umsetzungen. Beispielsweise kann das Kohlenstoffdioxid im Wasser durch Luft ausgetrieben werden, indem diese dern Wasser uber Rieselvorrichtungen entgegengeleitet wird. Sauerstoff kann aus dem Wasser durch Reaktion mit Hydrdzin gebunden wcrden.
-
N2H.u.q, +
0 2
Hydruin
Sauerstoff
+
N,
Stickstoff
Der Wbsserbedcrrf in Privuthaushalten In einem Privathaushalt in der Bundesrepublik Deutschland werden zur Zeit pro Person taglich 138 Liter Wasser benotigt. Sie mussen dem Benutzer in gesundheitlich und geschmacklich einwandfreier Form zur Verfugung gestellt werden. Doch nach Gebrauch darf auch dieses Wasser erst uber Klar- und Reinigungsanlagen in Flusse, Seen oder ins Grundwasser zuruckgefuhrt werden. Die offentliche Abwasserbeseitigung in Deutschland leitet ca. 98% aller Abwasser, in denen auch die der Privathaushalte enthalten sind, uber Klar- und Reinigungsanlagen . Der Wasserbedarf pro Person im Haushalt verteilt sich auf folgende Verwendungszwecke (Abb. 111-90):
2H20 Wasser
(AH = -508.7 kJimol)
Stickstoff ist ein inertes* Gas und belastet das Wasser fur die Dampferzeugung nicht. Garten-
bewasserung Trinken und Koched
51
- -Autowaschen
DuschenundBaden
Waschewaschen
42 I
17 I
Trinkwaserverbrauch:138 Liter pro Person und Tag
*
inen (h.)unriitig. unbelciligt. rcultion\trlge. ~
*
Abb. 111-90. Trinkwasserverbrauch im deutschen Haushalt.*
Quellr. VDJ-Nachrichtcn (1996).Nr. 44
12 Chemie und Urnwelt Destilliertes Wasser Die Reinigung des naturlichen Wassers durch Destillation wird im allgemeinen nur fur chemische, pharmazeutische und medizinische Zwecke angewendet. Je nach dem geforderten Reinheitsgrad wird das Wasser ein- oder mehrmals in Glas-, Quarz- oder Edelmetallapparaturen destilliert. Anstelle von destilliertem Wasser wird oft auch mit Hilfe von lonenaustauschern entsalztes Wasser verwendet.
379
ste Hydrogencarbonate des Calciums und Magnesiums, die sich beim Kochen des Wassers in wasserunlosliche Carbonate umwandeln und sich als unloslicher Kessel- oder Wasserstein absetzen, z. B.: Ca(HCO,),*
kochen ~
Calciumhydrogencarhonat (liialich)
t
CaCO,
+
H20 + C 0 2
Calciumcarbonat (unliislich)
(AH = +39,45 kJ/mol)
Wasserfur technische Zwecke Bei der Aufbereitung naturlichen Wassers zu Dampkesselspeisewasser oder fur andere technische Zwecke, z. B. als Kuhlwasser, fur den Gebrauch bei chemischen Reaktionen oder in Waschereien wird naturliches Wasser nach der mechanischen Abscheidung von Schwebstoffen und anderen festen Verunreinigungen fur manche Zwecke nur enthartet, fur andere entsalzt und zuweilen auch noch entgast. Enthartung Die Wasserharte, im wesentlichen hervorgerufen durch geloste Calcium- und Magnesiumsalze, ist bei der technischen Verwendung von Wasser oft storend. Deshalb hat man Methoden entwickelt, um das Wasser von diesen Bestandteilen zu befreien. Man unterscheidet zwischen temporarer Hiirte, auch Carbonatharte genannt, und permanenter Hiirte. Die Carbonatharte ist bedingt durch gelo-
Die permanente oder bleibende Harte (Nichtcarbonathiirte) ist im wesentlichen auf den Gehalt von Calcium- und Magnesiumsulfat (CaSO,, MgSO,) zuriickzufiihren. Carbonatharte und permanente Hiirte ergeben zusammen die Gesamtharte, die in Hartegraden angegeben wird: Gesamtharte = Carbonatharte + Nichtcarbonathlrte Gesamthlrte = Calciumhirte + Magnesiumharte 10 mg Calciumoxid (CaO) pro L Wasser oder aquivalente Mengen anderer hartebildender Salze entsprechen einem deutschen Hiirtegrad ("d, manchmal auch "dH). Nach DIN1301 ist als MaReinheit fur die Harte 1 mmol Erdalkali-lonen pro 1 Liter Wasser definiert. In der Technik verwendet man zum Entharten des Wassers vielfach Ionenaustauscher, da sie den geringsten Aufwand erfordern und einfach zu bedienen sind.
n Abb. 111-91. Entcarbonisierung nach dem Kontaktverfahren.
Rohwaaaer
*
Bildungsenthalgie von Calciumhydrogencarbonat AHH=-192656 klimol
380
I l l Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Entccirhonisirrun nuch tlrrii Kotztakt~~Erfuhr~n Ca( HCO t ) 2
+ Ca(OH),
Calciomhydrogencarhonat
Kalhinilch
-
-
2 CaCO, Calciumc;irhon;it
+ 2 H,O Wa\w
(AH = -57.84 kJiniol) Mg(HC01)2
+
2 Ca(OH)?
Magnesium- CalciumhyiIr~,gencarhoiint hydrr,xid
-
Mg(OH), Magnesiumtiydi-nritl
+ 2 CaCO., + Calcium-
2 HZO Wiiswr
c;ii-honat
Danach wird das Wasser zur Entfernung der permanenten Hlrte uber lonenaustauscher geschickt (Abb. 111-91). Dieses enthlrtete Wasscr eignet sich gut als Kesselspeisewasser zur Dampfcrzeugung, da die wassersteinbildenden Anteile entfernt sind. In der Waschmittelindustrie werden Zeolithe. das sind Natrium-Aluminium-Silikate mit spezieller Kristallstruktur, zur Enthartung des Wassers eingesetzt. Die Zcolithe bilden rnit Ca2'- bzw. Mg2+-lonen komplexe Verbindungen, die in Losung bleiben und weder durch Erhitzen noch durch Anwesenheit von waschaktiven SubstanZen ausgefallt werden kbnnen. Polyphosphate als Entharter werden nur noch in Spezial-hdustriereinigern verwendet, bei denen eine Entsorgung gesichert ist.
12.25 FluRwasseraufbereitung rnit Ozon FluBwasser ist vielfach mit hohen Frachtstoffanteilen belastet. Sie stammen aus abgetragenen Mineralien aus den Gebirgen, den Abwassern der Kommunen, Industrie und privaten Haushalten und den Abbauprodukten der in den Fliissen lebenden Organismen. Urn das Fluljwasser zu einer Grundwasserqualitat aufrubereiten. ist ein Verfahren entwickelt worden, das die Oxidations- und Reinigungskraft des Orons ausnutzt. Eine Ozondosierung von 20mg/L reduziert die Zahl der Mikroorganismen von ca. 1 Milliarde auf weniger als 100 pro Liter. Geloste organische Substanzen werden oxidiert und abgebaut. Zusatzlich fordert
Ozon die Koagulation* der kolloiden Verunreinigungen. Zur anschlieflenden Flockung werden Eisen(lI1)-Losung, Flockungshilfsmittcl, Aktivkohle und WeiRkalkhydrat eingesetzt. Der ausgeflockte Schlamm setzt sich ab, und das Kllrwasser wird danach uber Kies rnit einer Kiirnung von 1 mm bib 2 mm filtriert. Das nach diesem Verfahren aufbereitete Mainwasser beispiclswcise ist in der Qualitat dem Grundwasser gleichwertig. Alle storenden Verunreinigungcn, wie Feststoffe, Kolloide. geloste organische SubstanZen, Keime, Mikroorganismen, sogar Viren, werden vollstlndig im Schlamrn des Flockers eingebunden und damit entfernt.
12.2.6 Wasserversorgung und A bwasserbeseitigung Das Wasserdargebot in der Bundesrcpublik Deutschland betrug 1998 insgesamt I82 Milliarden Kubikmeter. Die bedeutendsten Quellen sind Grundwasser, Quellwasser, Oberflachenwasser und das Uferfiltrat (Abb. 111-92). Uferfiltrat ist Wasser, das den Wassergewinnungsanlagen durch das Ufer eines Flusses oder Sees im Untergrund nach relativ kurzer Bodenpassage zusickert und sich rnit dem anstehendcn Grundwasser vermischt. Die privaten Haushalte werden von der iiffentlichcn Versorgung bedient. Den groliten Wasserbedarf haben rnit 59 % die 188 Wiirmekraftwerke. Davon werden 94% zu Kuhlungszwecken benotigt. Durch Kreislauffuhrung wird jeder Kubikmeter Wasser 1,8ma1 genutzt. Nach der Nutzung wird das Kuhlwasser fast zu 100 9% in Oberflachenwasser abgeleitet. Ca. 1 .4Mrdmi werden vorher ruckgekuhlt. 50 Mio m3 davon mussen einer Abwasserbehandlung unterzogen werden. Wasseraufkommen und Wasserableitung stehen im unmittelbaren Zusammenhang. Die Abwasserableitung erfolgt durch Direkt- und Indirekteinleitung. Unter einer Direkteinleitung wird die Abwassermenge verstanden, die unbehandelt oder nach Behandlung unmittelbar in ein Oberflachengewasser bzw. in den Untergrund abgeleitet wird. Als indirekt eingeleitetes Wasser wird die Abwassermenge bezeichnet, die unbehandelt oder behandelt in die Gffentliche Kanalisation bzw. an andere Betriebe abgeleitct wird.
*
coagulare (lat.) - gerinnen
12 Chemie und Umwelt
381
Wassernutzung Kraftwerke 27,8 Mrd. rn3
lndustrie offentliche Wasserversorgung 5 3 Mrd. m3
Landwirtschaft 1,6 Mrd. rn3
Abb. 111-92. Wasserdargebot und Wassernutzung in Deutschland; Wassernutzung durch offentliche Wasserversorgung 3 %.*
Wasserdargebot insgesarnt 182 Mrd. rn3
123 Abwasserreinigung 123.1 Vorgange in Gewassern Photosynthese Wie auf der Erdoberflache finden auch in den oberflachennahen Schichten der naturlichen Gewasser photosynthetische Vorgange statt. Das im Wasser geloste Kohlenstoffdioxid wird unter der Lichteinwirkung der Sonnenstrahlen von Algen, dem Phytoplankton** und anderen WasserpflanZen assimiliert. 6C0,
+
Kohlenstoffdioxid
12H,O Wasser
-
C,H,(OH), Glucose
+ 6 H,O + 6 Wasser
0 2
Sauer'.toff
(&*** = +2876 kJ/mol)
*
** ***
Qucllen: Statistisches Bundesarnt; Umweltamt; Bundesanstalt fur Gewasserkunde; BGW. phytos (grch.) - Pflanse; planktos (grch.) Urnhergetreibenes. AC ist die freie Enthalpie. Bei biologiachen F'rozessen wird immcr die freie Enthalpie angegehen; das is diejenige,die vollstiindig in andere Energieformen umgewandelt wcrdcn kann. ~
~
Die noch wasserlosliche Glucose wird in der Pflanzenzelle zur wasserunloslichen Starke oder Cellulose polymerisiert. Die Photosynthese spielt sich in den oberen Wasserschichten bis zu Tiefen ab, die die Sonnenstrahlen noch durchdringen, das sind 5 m bis 8m. Photosynthese ist die Energiepumpe, die es ermoglicht, dal3 aus den im Wasser gelosten Stickstoff- und Phosphorverbindungen, dem Kohlenstoffdioxid und den Spurenelementen, insbesondere Eisen und den Alkali- und Erdalkalisalzen, Biomasse produziert wird. Der dabei freigesetzte Sauerstoff wird zum Teil im Oberflachenwasser gelost. Der groBere Teil wird aber an die Atmosphare abgegeben. Der limitierende Faktor eines grenzenlosen Algenwachstums in Seen und stehenden Gewassern ist die Selbstbeschattung der Algen. Auch der Gehalt an Spurenelementen in den Gewassern ist fur eine Begrenzung des Wachstums verantwortlich. Eutrophierung von Gewiissern, Uberdiingung Eine erhohte Zufuhr von Phosphatverbindungen regt in den Gewassern zu einer starken Vermehrung von Algen und Phytoplankton an. Man nennt diesen Vorgang Eutrophierung* . Die pflanzlichen Mikroorganismen dienen als Nahrung fur die tierischen Mikroorganismen, z. B. dem Zooplankton**. * **
eutroph (grch.) - nahrstoffreich. soon (grch.) - Lebewesen. Tier.
382
111 Produktionsvcrfahrcn zur Hcrstcllung von chcmischcn Grundprodukten
Bei gesteigerter Nahrungszufuhr vermehren auch d i e x sich stiirker, als es dem eingespielten FlieBgleichgewicht in diesem Okosystem entspricht. Sterben die Wasserpflanzen, die pflanzlichen und tierischen Mikroorganismen ab. dann sinken sie in die tieferen Wasserschichten und auf den Seen- oder FluBgrund. Die abgestorbenen Organismen werden durch Bakterien oxidativ (aerob) abgebaut. Diese verbrauchen dabei den im Wasser gelosten Sauerstoff. Die Endstufen des aeroben Abbaus sind im wesentlichen Wasser, Kohlenstoffdioxid und Mineralsalxe. Ubersteigt das Angebot an abgestorbener Biomasse, als Folge eines durch zusiitzliche Phospha-
te angeregten Wachstums der Wasserorganismen, den Sauerstoffvorrat, dann wird dieser vollstandig aufgebraucht. Das Gewiisser ist tot. Wegen des Sauerstoffmangels kommt es zum Sterbcn von Kleinstlebewesen und Fischen. Die aeroben Abbauvorgange schlagen in anaerobe bakterielle Prozesse um. Das sind Faulnis- und Verwesungsvorgange. Beim anaeroben Abbau entstehen durch Reduktion Endprodukte, die fur ein aerobes Biosystem toxisch sind, das sind z. B. Schwefelwasserstoff, Methan, Ammoniak. Diese Stoffe beeintrlchtigen die Vermehrung derjenigen Fischarten, deren Laich auf dem Seegrund abgelegt wird. Faulnisvorgange finden bevorzugt in stehenden Gewassern statt. Flusse erfahren eine bessere
Franklurt
t Abwasserreinigung Standorte von biologischen Abwasserreinigungsanlagen der europaischen chemischen lndustrie entlang des Rheins und in seinem Einzugsbereich -.
~-
a
%I
-~
Ahb. 111-93. Standorte von biolopischen Abwasscrrcinigungsanlagen der chernischen lndustrie entlanp des
Rheins und in scincm Einzugsbereich.
12 Chemie und Umwelt
Umwalzung des Wassers und erleiden deshalb nicht so schnell Sauerstoffmangel. Zur Belastung der Binnenseen und Fliisse mit Phosphat tragen nicht gereinigte oder nur unzureichend gereinigte Abwasser aus Kommunen und das von nicht vorschriftsmaflig gedungten landwirtschaftlichen Nutzflachen abflieflende Wasser bei. Wusserverschmutzung Abwasser aus dem menschlichen Lebens- oder Tatigkeitsbereich enthalten eine Vielzahl von Stoffen, die vor allem organischer Natur sind. Lange Zeit konnte man es sich leisten, diese Abwasser entweder im Boden versickern zu lassen oder in den nachstgelegenen FluB oder See einzuleiten. Mit fortschreitender Industriealisierung und wachsender Bevolkerungsdichte - vor allem nach dem Zweiten Weltkrieg - fiihrte dieses Verhalten zu einer standig steigenden Belastung der Oberflachengewasser. Die im Gewasser gemeinsam mit Einzellern und hoheren Lebewesen existierenden Bakterien sind in der Lage, die aus den Fakalien stammenden organischen SubstanZen, aber auch einen groBen Teil der synthetisch hergestellten Stoffe oxidativ abzubauen. Mit wachsender Belastung eines Gewassers durch solche Stoffe nimmt die Zahl der Bakterien zu und damit der im Wasser geloste Sauerstoff ab. Unterschreitet der Sauerstoffgehalt Konzentrationen von 4 mg/L bis 5 mg/L, dann beginnen hohere Lebewesen, wie z.B. Fische, auszusterben bzw. abzuwandern. Neben biologisch abbaubaren Stoffen zahlen auch nicht abbaubare organische Substanzen, anorganische Salze und Schwermetalle zu den die Gewasser belastenden Inhaltstoffen. Einige von ihnen fuhren schon bei niedrigen Konzentrationen zu Schadigungen von Wasserlebewesen. Folgende Ionenkonzentrdtionen fiihren in Flussen bereits zum Fischsterben: 0,l mg/L CN0,2 mg/L CI, I mglLS0, 0.5 mg/L Cu2’
(Cyanid-Ionen) (Chlor) (Schwefeldioxid) (Kupfer-Ionen)
Hierdurch gelangen sie in die Nahrungskette des Menschen, der sie im Fettgewebe speichert. was ein Gesundheitsrisiko darstellt. Abb. 111-93 zeigt das dichte Netz von Abwasserreinigungsanlagen der chemischen lndustrie entlang des Rheins. Tab. 111-4. Standorte von mechanisch-biologischen Abwasserreinigungsanlagcn der chemischen Industrie entlang des Rhcins und in seinem Einmghbereich. Nr.
* **
DDT. I , I -pp’-Dichlordiphenyl-Z~~-trlchlorethan. PCB. polychlorierte Biphenyle.
Betrieb
Degussa AG Degussa AG Witco Bayer AG Bayer AG Bayer AG/Erdolchcmie Bayer AG/Erdiilchemie Bayer AG Wacker-Chemic GmbH Degussa AG Degussa AG Dynamit Nobel AG Degussa AG 14 Union Kraftstoff 15 ROW Rheinibche Olefinwerke 16 Dynamit Nobel AG 17 Zschirnmer & Schwarz 18 lndustriepark 19 Clariant 20 Scheidetnandel 21 Industriepark Kalle-Albert 22 Clariant 23 AKZO N . V. 24 Ticona 25 Ticona Polymenvcrke GmbH 26 C. H . Boehringer Sohn 27 E. Merck AG 28 AKZO N . V. 29 E. Merck AG 30 CSL Chemische Werke I 2 3 4 5 6 7 8 9 10 II 12 13
31 32 33
34
Organische schwer- oder nicht abbaubare Stoffe - hierzu gehoren z.B. DDT* und PCB** reichern sich, wenn sie im Wasser nur in Spuren vorliegen, im Fischgewebe an.
383
35 36 37 38 39 40 41
BASF AG Joh. A. Benckiser Deutsche GelatineFabrikcn Stocss & Co. Chemische Fabrik R. Baumheier Haltermann Hawker & Sohn G. Conrad & Sohn Ciha AG Hoffmann-La Roche AG Fa. Grace BASF - Lacke u. Farben
Standort Marl Marl Bergkamen Ucrdingen Wuppertal Dormagen Dormagen Leverkusen Kiiln
Hurth Knapsack Lulsdorf Wesseling Wesseling Wesseling Troisdorf Lahnstein Ffm.-Hochst Ffm.-Grieheim Wiesbaden Wiesbaden Offenbach Kelsterbach Kelsterbach Kelsterbach Ingelheim Darmstadt Obernburg Gernsheim Per I -SaarLothringen Ludwigshafen Ladenburg Eberbach Weidenthal Speyer Vai hingen Vaihingen Grenzbach Grenzach Worms Besigheim
384
111 Produktionsverfahren Lur Her9tellung voii chemischen Grundprodukten
Tab. 111-4. Fortsetzung Biologische Abwasserreinigungsaiilagen der schweizerischen chernischen lndustrie in der Baseler Region Nr.
Betrieb
Standort
I 2
Novartis Basel CibdRoche Birs I I Ciha Roche Rhein
Huningue Basel
3 4 5 6 7
Basel Basel Basel Basel Basel
Biologischc Abwasscrrcinigungsanlagen der franzosischcn chemisehen Industrie im Elsa8
Tab. 111-4. Fortsetzung. Biologische Abwasserreinigungsanlagen der niederIZndischen chemischen Industrie im Stromgehiet des Rheins Nr. Betrieb
S
ACF AKZO Chem AKZO Zout Aqualon ACRO Chemie
6 7 8 9
CCA CCA Cindu Cyanamid DSM Chemicals Duphar DuPont AKZO N. V. AKZO N. V. Exxoniarom
1
2 3 4
Nr.
Standort
Nr.
Standort
10 II
1
Lauterbourg Beinheim Drusenheim Reichstatt Strasbourg Obernai SClestat
8 9 10 II 12
Kayaersberg Biesheim
12
2 3
4 5 6 7
13 I4
Betrieb
I 2 3 4 5
BASFAG BayerAG Monsanto Degwsa AG Finaneste ESSO BP Chemical., Belgium
6
7
IS
Cernay Thann Huningue ChalampdOttmarsheim
Biologischc Abwasscrrcinigiingsanlagen der belgischen chemischen lndustrie entlang der Schelde irn Bereich von Antwerpen Nr.
13 14
Mulhouse
Auf einer Strecke von 832 km zwischen Basel und Rotterdam werden von der chemischen lndustrie 76 biologische Abwasserreinigungsanlagen betrieben. EinschlieRlich der Anlagen am petrochemischen Standort Antwerpen sind es 83 Einrichtungen (Tab. 111-4).
16 17 18 19
20 21
Nach den jeweils angewendeten Methoden zur Reinigung von Abwasser sind verschiedene Anlagentypen erforderlich.
Maarssen Deventer Rotterdam Zw ijndrecht RotterdamBotlck Gorinchem Gorinchem Uithoorn RottcrdamBotlck Rotterdam Weesp Dordrecht Arnhcim Edc RottcrdamBotlck Delft Delft Rotterdam Dcldcn Pcrnis Gouda
In chemischen Betrieben sind dies zum Beisoiel: - Absetzbecken zum Klaren wallriger Losemittel und Abtrennen von Schlamm, - Adsorptions- und Extraktionsanlagen, - Destillationskolonnen, Neutralisations- und Flockungsanlagen mit Kalkmilch oder Natronlauge als Neutralisationsmittel und Eisensulfat oder anderen speziellen Fallmitteln zur Ausflockung, - Oxidations-/Reduktionsanlagen. ~
123.2 Reinigung von Abwassern
Gelatine Delft Gist Brocades ICI Servo Shell Unichema
Standort
12 Chemie und Umwelt
Binlngische Abwasserreinigung Das Kernstuck der Abwasserreinigung sowohl in den Kommunen als auch in der chemischen Industrie ist die biologische Reinigungsstufe. In einer biologischen Reinigungsanlage werden organische Substanzen auf die gleiche Weise durch aerobe Bakterien abgebaut wie in Seen oder Flussen. Die Belastung des in einer biologischen KlLanlage zu reinigenden Abwassers rnit organischen Substanzen ist jedoch vie1 groBer als die Belastung der Oberflachengewasser. Um diese groRe Menge an organischer Substanz abbauen zu konnen, mufi daher die Konzentration der Bakterien in der Klaranlage weit uber der in einem Oberflachengewasser liegen. Sie ist etwa l00OOOmal so hoch. Die Bakterien liegen in Form von Schlamm vor und benotigen groRe Mengen an Sauerstoff, der rnit speziellen Beluftungssystemen eingetragen werden muR. Ebenso sind Stickstoff- und Phosphorverbindungen falls nicht schon im Abwasser vorhanden - als Nahrstoffe zuzufugen. Es hat sich herdusgestellt, dalj die in der Natur vorkommenden Bakterien durch Anpassung (Adaption*) in der Lage sind, auch synthetische organische Verbindungen abzubauen. Allerdings laBt sich nicht jedes Chemieabwasser gleich gut reinigen. Daher mussen dem Bau einer biologischen Klaranlage fur einen Chemiebetrieb umfangreiche Versuche in Labor und Technikum vorausgehen, um das optimale Konzept fur die Anlage zu finden. Mit Hilfe der Bakterien konnen je nach Zusammensetzung des Abwassers 60 % bis 90 % der organischen Bestandteile abgebaut werden. Die kommunalen Abwasser, die aus den Haushalten, offentlichen Einrichtungen und Gewerbebetrieben stammen, werden vor der biologischen Reinigung einer mechanischen Klarung im Sandfang, an Sieben oder Rechenanlagen unterzogen. Dann kann sich eine chemische Fallungsstufe anschlieben. in der neutralisiert wird undloder durch Zugabe von Fall- und Flockungsmitteln weitere absetzbare Stoffe, wie z.B. Phosphate, Sulfide oder Schwermetalle abgetrennt werden. Die abgetrennten Feststoffe gelangen bei Eignung auf die Mulldeponie oder werden Faulturmen oder -raumen einem Faulnisprozelj ausgesetzt. Bei Krankenhausern kann es sich als notwendig erweisen, deren Abwasser gezielt durch Erhitzen oder Chloren zu desinfizieren. Die Abwaisser einer chemischen Fabrik werden, ehe man sie einer zentralen Klaranlage zu-
*
adaptarc (lat.)
~
anpasscn an
385
fiihrt, in den Betrieben, je nach Abwasserart, vorer setzen sich aus einer sern zusammen. Sie fallen bei der Produktion von organischen Zwischenprodukten, Farbmitteln, Textilhilfsmitteln, Arzneirnitteln, Pflanzenschutzmitteln und vielen anderen chemischen Endprodukten an. Je nach Produktionsmethode und Produktentyp schwankt auch der Grad der Verunreinigungen. Teilabwlsser werden in einem gesonderten Kanalsystem zusammengefaat und als Mischabwasser der biologischen Klaranlage zugefuhrt. Im beigefugten Ablaufschema ist die zentrale industrielle Klaranlage des Industriepark Hochst dargestellt (Abb. 111-94). Kommunale Klaranlagen unterscheiden sich im biologischen Teil im Prinzip nicht von industriellen Anlagen. Nach der Vorreinigung im Betrieb werden die Abwasser im Neutralisations- und Flockungsbecken rnit Kalkmilch und Eisensulfat versetzt. Die Kalkmilch neutralisiert die haufig sauren Abwasser. Das Eisensulfat setzt sich im neutralen oder alkalischen Medium zu Eisenhydroxid um und flockt aus. Dabei werden suspendierte Feststoffe und auch einige der gelosten Stoffe ausgefallt. Diese Mischung aus gefallten Stoffen und Wasser wird in ein Vorklarbecken gepumpt. Der abgesetzte Schlamm wird rnit Schlammraumern entfemt. Das vorgeklarte Wasser gelangt nach dem Uberlaufprinzip in das Belebungsbecken. Im Belebungsbecken bauen die Bakterien die organische Substanz ab. Dort werden die Bakterien mit Stickstoff- und Phosphorverbindungen sowie mit ausreichendem Luftsauerstoff versorgt. Beim Abbau der organisch-chemischen Verunreinigungen zu Kohlenstoffdioxid und Wasser vermehren sich die Bakterien und erzeugen dadurch neue Bakterienmasse. Die Verweildauer des durchflieBenden Abwassers im Belebungsbecken betragt ca. 20 Stunden und die Konzentration 3 g bis 7 8. Trockensubstanz pro Liter. Wieder nach dem Uberlaufprinzip flieRt das mikrobiologisch behandelte Wasser in ein Nachklarbecken. Der Bakterienschlamm setzt sich hier ab. Uber den Kontrollschacht gelangt das geklarte Wasser in den Main. 90% des Bakterienschlamrns werden aus dem Nachklarbecken wieder zum Belebungsbecken zuriickgefuhrt, um die Konzentration an Bakterien konstant zu halten. Der UberschuR wird abgezogen und weiterbehandelt. Der Klarschlamm wird im Schlammeindicker von weiterem Wasser befreit. Das Dekantat wird wieder in das Neutralisations- und Flockungs-
386
Ill Ploduktir)nsverfal~r~i~ /.ur Her\tellung v o n chemischcn Grundprodukten Neutralisation
Vorklarschlamm
-+
-+
Bunker fur Klarschlamrn
Filtrat- und Dekantot-Ruckfuhrung
1
L-
I
I
II
Membranfilteroiessen
Dickschlammabrug
Abb. 111-94. Schema eiiier biologischen Ahwasherreinieunp~.anl~t~e in Hochbauwcix
becken riickgefuhrt. Nach der Eindickung wird der Schlamm init Kalkmilch und Eisensultht gcmischt, urn im nachsten Schritt eine gute Entwiisserung zu ermoglichen und die Bakterien abzutiiten. Das Schlarnrngernisch wird iiber Pressen weiter entwassert. Der Feststoffgchalt der Filterkuchen betragt ca. 43 %. Je nach Zusarnmensetzung werden dicse in einer speziellen Abfallverbrennungsanlage verbrannt oder mittels Container auf die Deponie gefdhren.
1 2 3 3 Der Riohoch@-Reaktor Biologische KILanlagen in konventioneller Flachbauweise brauchen wegen ihrer geringen Wassertiefe vie1 Platz. Und den gibt es oft nicht. Hinzu komnit, daR offene Anlagen in der Niihe von Wohngebieten zu Geruchs- und Lannbelastigung fuhren. Deshalb wurde das Konzept fur Abwasseranlagen von der flachen Bauform zur mittelhohen Form und schlieBlich zur Hochbauweiqe weiterentwickelt.
12 Chemie und Umwelt
Eine der technologisch modernsten Entwicklungen in der mikrobiologischen Klarung von Abwassern ist der Bau von Biohoch-Reaktoren. Biohoch-Reaktoren sind biologische Abwasserreinigungsanlagen aus Stahl. Der Belebungsraum und die Nachklarung sind baulich zu einer Einheit zusammengefal3t. Die Nachklarung ist als konische Ringkammer um den Belebungsraum angeordnet. Die Biohoch-Reaktoren haben Hohen bis zu 25 m. Ihr Durchmesser betragt im oberen Teil bis zu 44 m. Das Herz der BiohochReaktoren sind Radialstromdiisen, uber die ein Gemisch aus Abwasser und Luft dem Belebungsraum zugefuhrt wird. Sie sorgen fur feine Luftdispergierung und gute Blasenverteilung. Verstopfungen durch Fremdkorper sind nahezu ausgeschlossen (Abb. 111-95). Die hohe Wassersaule im Belebungsraum steigert die Sauerstoffloslichkeit. Leitrohre, auch Schlaufen genannt, uber den Diisen verbessern die Ruckvennischung. Die Reaktoren sind innen mit Kunststoff beschichtet. Der Biohoch-Reaktor bietet folgende Vorteile vor biologischen Kliiirdnlagen in konventioneller Flachbauweise -
Geringer Platzbedarf. Damit konnen auch dort biologische Abwasserreinigungsanlagen errichtet werden, wo fur die Beckenbauweise kein Platz ist.
Energieeinsparung gegenuber konventionellen Anlagen um SO % bis 80 % aufgrund des modernen Beluftungssystems mit hoher Sauerstoffausnutzung . - Reduzierung der Geruchsprobleme, da der Luftbedarf und die Abgasmenge wegen der guten Sauerstoffausnutzung sinken. AuRerdem ist die kleine Wasseroberflache vie1 einfacher abzudecken. -
387
- Absenkung des Gerauschpegels, da die im
Behalter untergebrachten Radialstromdusen nahezu gerauschlos arbeiten. Die Biohoch-Reaktoren haben gefullt ein Gesamtgewicht bis zu 22000 Tonnen. Das Model1 eines Biohoch-Reaktors ist in Abb. 111-96 gezeigt. Zur Charakterisierung des Abwassers und fur die Auslegung der Klaranlage mussen einige Abwasserkenngrofien bekannt sein. Hierzu zahlen vor allem der biochemische Sauerstoffbedarf, BSB, und der chemische Sauerstoffbedarf, CSB. Der biochernische Suuerstoffbedurf ist ein MaB fur die Gesamtheit der biologisch leicht abbaubaren Substanzen. Er gibt diejenige Menge Sauerstoff an, die aerobe Mikroorganismen benotigen, wenn man sie eine bestimmte Zeit auf die im Wasser enthaltenen organischen SubstanZen bei 20°C einwirken 1aDt. Im allgemeinen wird der Sauerstoffbedarf fur eine &it von 5 Tagen angegeben, das entspricht dann dem BSB,Wert . Der chemische Sauerstomedarf ist ein MaR fur die Gesamtheit organischer Substanzen. Er gibt diejenige Menge Sauerstoff an, die bei einer chemischen Oxidation der im Wasser vorliegenden Substanzen benotigt wird. Neben den biologisch leicht abbaubaren organischen Substanzen werden mit dieser Methode auch die nicht oder nur schwer abbaubaren organischen Substanzen erfaRt. Als Standardbestimmung hat sich die Oxidation mit Kaliumdichromat durchgesetzt. Durch Dichromat oxidierbare anorganische Stoffe konnen storen, wenn sie in mit den organischen Substanzen vergleichbaren Konzentrationen vorliegen. Das gilt vor allem fur das Chlorid, das in Chemieabwassern haufig vorkommt. Die Chloride werden bei der CSB-Bestimmung mit
t Russigkeit
Abb. 111-95. Funktion einer Radialstroindiise.
388
I l l Produktion~verfahren/ur Herstellunf von chernischen Grundproduktcn
Abb. 111-96. Modell eines Biohoch-Reaktors
Quecksilbersulfat maskiert. d . h. unwirksam gemacht.
123.4 Wasser in einern Chemiewerk Fur die chemische Industrie ist Wasser ein unentbehrlicher Stoff, der in groRen Mengen als Warmeubertrager beim Heizen und Kiihlen, als Reaktionsmediuni fur chemische Prozesse sowie a k Lose- und Reinigungsmittel venvendet wird.
Wcissrr cils Rohstof Wasser dient u . a. als Ausgangsmaterial zahlreicher Synthesen, als Losemittel und als Ausgangsstoff zur Gewinnung von Wasserstoff. Eine Methode Lur Zerlegung des Wassers in seine Bestandteile ist die Elektrolyse, d . h. Spaltung durch Zufuhr elektrischer Energie:
12 Chemie und Umwelt
Die elektrolytische Zersetzung des Wassers ist also ein energiebindender, endothermer Vorgang. Die Gewinnung von Wasserstoff auf diesem Wege ist relativ teuer gegenuber anderen Verfahren, wie z.B. dem Cracken von Kohlenwasserstoffen aus Roholdestillaten. Auch die Sauerstoffgewinnung durch Luftzerlegung ist billiger als die Wasserelektrolyse. Die elektrolytische Wasserspaltung wendet man deshalb nur dort an, wo besonders billige elektrische Energie zur Verfugung steht. Das gilt im allgemeinen fur Lander, die ihre elektrische Energie uber Wasserkraftwerke erzeugen, z. B. Norwegen, Schweiz, Assuan-Staudamm in Agypten oder den groBen Staudammen in Brasilien, China u. a. Landern. Die groBten Mengen Wasserstoff werden fur die Ammoniaksynthese und als Hydrierungsmittel ungesattigter organischer Verbindungen und bei der Fettveredelung benotigt. Wasserstoff ist auBerdem ein wichtiges Reduktionsmittel in der Metallurgie und Metallverarbeitung (Abschn. 111-14.7 und Abb. 111-160).
Wasser als ProzeJwasser Die Versorgung mit Wasser kann ebenso zu einem Problem werden wie die Reinigung von Abwasser. Um Kosten fur die Aufbereitung von naturlichem Wasser zu sparen und spezielle Probleme bei der Abwassereinigung zu umgehen, werden ProzeRwasser moglichst im Kreislauf gefuhrt. Bei der Herstellung von 1 t Feinstpapier z.B. werden ca. 400 t Wasser benotigt. Durch Kreislauffuhrung des Betriebswassers unter Zwischenschaltung einer Reinigungsstation kann der Wasserverbrauch um mehr als 50 % gesenkt wer-
389
den. Vor allem bei Kuhlwasser ist es naheliegend. dieses im Kreislauf zu fuhren, denn auBer der Ternperaturerhohung e r f i r t das Kuhlwasser keine Veranderung. Das Wasser wird deshalb zur Riickkuhlung verrieselt und gibt seine W m e unter einem gewissen Verdunstungsverlust an die Atmosphae ab.
Der Wasserhaushalt in einem Chemieunterne hmen Durch den Industriepark Hochst sind dem Main in den letzten Jahren im Durchschnitt taglich ca. 3 15000m3Wasser entnommen worden. Das sind etwa 2 5 % der mittleren TagesdurchfluBmenge des Mains. Doch bevor dieses Wasser der Produktion als Kuhl- oder ProzeBwasser zugefuhrt wird, muB es erst gereinigt werden. Dabei fallen taglich je nach Wasserstand zwischen 10 t und 50 t entwasserter Schlamm an, der in der Deponie abgelagert wird. Etwa 90 % des entnommenen Mainwassers dient als Kuhlwasser und kommt mit keiner Art von Chemikalien in Beriihrung. Da es vor der Venvendung gereinigt worden ist, kann es nach Benutzung ohne zusatzliche Reinigungsverfahren in den Main zuriickgefuhrt werden. Um dem Main so wenig Wasser wie moglich entnehmen zu mussen, sind fur die Produktion Kuhlkreislaufe eingerichtet worden. Durch Ruckkuhlwerke wird das im Kreislauf gefuhrte Wasser auf die gewunschten Temperaturen abgekuhlt, urn es dann wieder als Kuhlmittel zu verwenden. Durchschnittlich etwa 10% der taglich aus dem Main entnommenen Wassermengen kommen mit chemischen Substanzen in Beriihrung
Mainwasser
Gtundwasser
Fi Fremdbezug
Abb. 111-97. Wasserautkommen und Wassemutzung irn lndustriepark Hochst.
I Kesselspeise- 1
390
Ill I’roduktionsverfahren m r Herstellung von chernixhen Grundproduklen
und werden dabei teilweise verschmutzt. Dieses sop. ProLelJwasser wird vor dem Wiedereinleiten in den Main mechanisch, chemisch und biologisch gereinigt. Auf diese Weise werden im Industriepark tlglich mehr als 30000 m’ Abwasser gereinigt und gekllrt (Abb. 111-97).
12.4 Entsorgung 12.4.1 Begriffsbestimmungen Das Ziel einer jeden wirtschaftlichen Tatigkeit ist das Bereitstellen von Giitern. Bei deren Herstellung fallen jedoch im ProduktionsprozelJ neben den Hauptprodukten auch unerwunschte Guter - Reststoffe oder Ruckstlnde - an. Diese entstehen auch beim Verbrauch der Guter, z.B. in den privaten Haushalten. Aus Griinden des Umweltschutzes ergibt sich die Notwendigkeit, diese unerwunschten Guter schadlos zu beseitigen. Dafur ist inzwischen das stoffliche, chemische und thermische Recycling entwickelt worden. Am gunstigsten ist es, wenn Reststoffe oder Ruckstlnde durch eine spezielle Aufarbeitung wiederverwendet werden konnen. Unter stojjTicheni Recycling versteht man die Wiederverwendung eines Stoffes ohne chemische Umwandlung, L. B. Wiederaufschmelzen von Kunststoffen zu neuer Formgebung oder Nutzung von Abfallgips als Baumaterial. Bei chemischem Recycling von Produktionsreststoffen werden diese chemisch verandert, z.B. durch Oxidation oder Elektrolyse, um die in den Ruckstanden enthaltenen Stoffe oder Energien ganz oder teilweise zu verwerten. Dies kann unter Ruckfuhrung in den urspriinglichen ProduktionsprozeB erfolgen . Zu nennen ist hier die Uberfuhrung von Chlorwasserstoffgas, das bei der Verbrennung von chlorhaltigen organischen Stoffen entsteht, in Natriumchlorid. Chlorwasserstoffgas wird in Salzsaure umgewandelt und diese mit Natronhuge neutralisiert (Abb. TIT-171). 1st die Verwertung der Reststoffe aus technischen oder wirtschaftlichen Grunden nicht moglich, so werden diese zu Abfallen, und ihre schadlose Entsorgung hat im Rahmen eines rechtlich und tcchnisch geordneten Beseitigungsverfahrens zu geschehen. Dann wird neben der Deponie haufig das [hertnische Recycling mittels Mullkraftwerken gewahlt. Thermische Entsorgung ist die Verbrennung von nicht mehr gebrauchsfahigen Nutzgii-
tern und Reststoffen, die im wesentlichen BUS organischen Bestandteilen wie Kunststoffen, Papier, Textilien u . a . brennbaren Stoffen bestehen. Die in den Kunststoffen gespeicherte chemische Energie wird als Warmeenergie wieder freigesetzt. Sie kann als ProzeBwlrme genutzt oder uber Turbinen und Generatoren in elektrische Energie umgewandelt werden (Abschn. TIT- 14.8.9). 12.4.2 Das Entstehen yon Reststoffen
Die Bildung von Reststoffen kann vide Ursachen haben
-
-
-
Die Rohstoffe enthalten Nebenbestandteile als Verunreinigungen, die z.T. chemisch verandert werden. Die Umsetzung der Rohstoffe erfolgt im allgemeinen in einem Reaktionsmedium (z. B . organische Liisemittel, Wasser) und in Gegenwart von Hilfsstoffen und/oder Katalysatoren ,
Gleichgewichtsreaktionen fuhren zu einer unvollstandigen Umsetzung. Folgereaktionen fiihren zur Bildung von Neben- und Folgeprodukten und mindern damit die Ausbeute.
-
In nachgeschalteten Verfahrensschritten wird das Rohprodukt mit Hilfe von organischen Losemitteln aufgearbeitet bzw. gereinigt.
-
Durch Umsetzungsreaktionen (z. B. Veresterung) konnen organische Losemittel gebildet und damit freigesetzt werden.
12.43 Entsorgungsstrategien und ihre Mafinahmen Ziel ist es, unerwunschte Stoffe - die Reutstoflk zu entsorgen. Das ist Aufgabe des Entsorgungsmanagements mit seinen Strategien des procluktionsintegrierteti und cicidiriven Uniwcltschutces. Deren Mafinahmen sind: -
-
das Vermeiden bzw. Vermindern von Rcststoffen,
-
das Verwerten von Reststoffen,
- das geordnete Beseitigen der Reststoffe als
Abfall. Dabei haben die Vermeidungs-. Verminderungs- und Verwertungsmafinahmen Vorrang vor der Beseitigung als Abfall.
12 Chemie und Umwelt
auf einem Minimum zu halten und ihr Verwertungsanteil ist zu steigern. Als Folge davon ist der Anteil der zu entsorgenden Abfallstoffe zu minimieren (Abb. 111-98). Auch bei einem optimal verwirklichten produktions- bzw. produktintegrierten Umweltschutz fallen immer noch Abwasser, Abgase und Abfalle an. die entsorgt werden miissen. Diese Maanahmen werden unter dem Begriff des additiven Umweltschutzes zusammengefabt, wie z. B. Abwasserreinigung, Abgasreinigung, Abfallbeseitigung . Um den steigenden Anforderungen der Technik im Umweltschutz gerecht zu werden, miissen die Produktions- und Herstellungsverfahren immer wieder iiberarbeitet werden. Dabei kommt der Minimierung von Abwasser-, Abfall- und Abluftmengen durch eine verbesserte technische Reaktionsfiihrung besondere Bedeutung zu. Neben den Umweltschutzmafinahmen, die den chemischen Verfahren unmittelbar nachgeschaltet sind, hat der produktionsintegrierte Umweltschutz an zunehmender Bedeutung gewonnen . Darunter ist das Betreiben von Chernieanlagen zu verstehen, in denen von vornherein die urnweltbelasteten Emissionen verringert und im Idealfall vermieden werden oder die haufig entstehenden Reststoffe innerhalb derselben Anlage verwertet werden.
12.4.4 Produktionsintegrierter Umweltschutz Der produktionsintegrierte Umweltschutz orientiert sich an den Maanahmen des Vermeidens, Verminderns und des Verwertens von Reststoffen. Unter diesen Vorgaben werden Verfahren gesucht und auch immer wieder iiberpriift, die weder die Luft, das Wasser noch den Boden nicht oder so wenig wie miiglich belasten. Okologische und okonomische Interessen sind in Einklang zu bringen. Diese Ziele konnen z.B. erreicht werden durch: - Entwickeln von neuen Synthesen, -
Einsatz von Katalysatoren mit hoherer Produktionselektivitat und damit eine Verminderung der Reststoffe (s. Abb. 111-88 u. -89),
- ein Verbundsystem zwischen unterschiedli-
chen Produktionseinheiten am selben Standort zur Reduzierung von Reststoffen bzw. durch eine verbundwirtschaftliche Aufarbeitung. Das Ziel eines produktionsintcgrierten Umweltschutzes ist es, den Rohstoffbedarf einschlieblich des Energieaufwendens so niedrig wie moglich zu halten. Der Wirkungsgrad der eingesetzten Energie ist zu erhiihen, Reststoffe sind
Produktlons- und produktbazogener Umweftschutz, UWS
1-1
Pmduktionsintegrierter
Anlagenbezogener
1
Additiir
HBV-Anlagen
I
Abwasseneinigung
uws
-~I 1
Venvertung von Reststoffen
I-
7 MU-Anlagen
I
Abgdnigung
I
Kuhl- und Riickhaltesystern
391
Abfallbeseitigung
Abb. 111-98. Mogliche Gliederung von Umweltschutzmahahmcn in der chemischen Industrie.
392
111 Produktionsverfahren Lur Herstellung von chcmischen Grundprodukten
Eine verbesserte technische Reaktionsfuhrung, verbunden mit einer Erhohung der Reaktionsselektivitat des jeweiligen Prozesses steht hier im Vordergrund. Dazu gehort auch die Ruckgewinnung von Liisemitteln, Sauren. Laugen und Salzen, die in vielen Prozessen unentbehrliche Hilfsmittel sind . Im Zusammenhang mit der fur die chemische Industrie typischen Verbundwirtschaft erfahrt der produktionsintegrierte Umweltschutz eine erhebliche Erweiterung. Es wird versucht, die Reststoffe nicht nur innerhalb einer Produktionsanlage sinnvoll zu verwerten. sondern mehrere Produktionsbetriebe zu einem Verbund zusamrnenzuschlieUen bzw. nahe beieinanderliegende Chemiewerke wie z.B. im Tndustriepark Hochst zu einem Werksverbund zu integrieren. Fur das letztere Ziel sind von der verfahrenstechnischen Forschung und Entwicklung noch Aufgaben zu losen. Sie gliedern sich in Optimierung der Reaktionsbedingungen im Hinblick auf Ausbeute, Ruckfiihrung von nicht umgesetzten Ausgangsstoffen und Hilfsstoffen innerhalb der Anlage, Abtrennen von Nebenprodukten und deren Venvendung in einem anderen ProzeU. Aufarbeiten und Reinigen von Abluft und Abwasser.
12.45 Reststoffverwertung Die in einem ProduktionsprozeR entstehenden gasformigen, fliissigen oder festen Reststoffe, die selbst unter optimalen Betriebsbedingungen noch anfallen, lassen sich in vielen Fallen verwerten.
Abb. 111-99. Synthese von Polyethyletiterephthalat.
Dazu gehort z. B.: -
Die betriebsinterne Verwertung durch Recycling direkt innerhalb des Prozesses. Dies erfolgt meistens mit Hilfe von Aufarbeitungsmalhahmen; z. B . bei Losemittelreststoffen durch Destillation, Rektifikation, Extraktion, Strippung und Absorption verbunden mit Desorption.
- Die Verwertung
im erweiterten Produktionsverbund. Darin konnen Produktionsverfahren bei anderen Untemehmen eingeschlossen sein. Auch konnen dabei die Losemittel-Reststoffe chemisch zu neuen Produkten umgesetzt werden. -
Der Einsatz zur Energieerzeugung Sind energiereiche organische Losemittelreststoffe im ProzeRverbund stofflich nicht verwertbar, so werden sie verbrannt und somit energetisch verwertet. Chemische Energic wird dabei in W a m e umgewandelt, die in Form von Dampf und/oder Strom in anderen Prozessen Einsatz findet. Auf diese Weise konnen andere Energietrager (z. B . Heizol, Erdgas) eingespart werden.
Nachstehend wird die Reststoffverwertung an drei Verfahrensbeispielen erlautert:
Synthese vnn Polyethylenterephthalat Durch optimale ProzeRfuhrung, Abwasser- und Abluftverbrennung gelingt es, aus den Rohstoffen das Polyesterprodukt zu erhalten. Dies ist der Ausgangsstoff fur die Faser TREVIRA”. Dabei fallt als Reststoff nur Kohlenstoffdioxid an. Das fur den ProzeR erforderliche Methanol wird destillativ zuruckgewonnen und zuruckgefuhrt, indem das im Produktionsprozclj anfdllende Methanol-Ethylenglykol-Gemischdestillativ aufgearbeitet wird. Durch die Bildung von Neben-
12 Chemie und Umwelt
t
t
Abgas
Ruck - C,H,CI,
produkten - sogenannten Leichtsiedern - entstehen geringe Methanolverluste. Die Leichtsieder werden zur energetischen Verwertung verbrannt, weil fur dieses Losemittelgernisch eine stoffliche Venvertung technisch nicht moglich ist (Abb. 111-99).
Verbrennung halogenhaltiger Rcststo~emit produktionsintegrierter HCI-Riickgewinnung in der Vinylchlorid-Produktion Dichlorethan ist das Zwischenprodukt fur Vinylchlorid (VC). Es wird durch Direktchlorierung von Ethen erhalten. Dabei fallen flussige und gasfiirmige Reststoffe an. Diese werden verbrannt, und es wird dabei Salzsaure als Reststoff erhalten. In der VC-Produktion entsteht ebenfalls Salzsaure als Reststoff infolge von HCI-Abspaltung aus Dichlorethan. Beide HCIReststoffstrome werden in dem OxichlorierungsprozeB rnit Ethen und Luftsauerstoff wieder zu Dichlorethan umgesetzt (Abb. 111- 100). Die Oxichlorierung kann der zur Verfugung stehenden HCI-Menge angepaljt werden. Dies ist ein Beispiel fur ein Verbundsystem zwischen mehreren Produktionsanlagen.
Abgas
Y
Abb. 111-100. Herstcllung
von Vinylchlorid.
dampfer abdestilliert. Das zuriickbleibende Harz wird anschlieljend verbrannt. Alle MC-Gasstrome werden uber einen Kondensator gefuhrt. Damit wird das MC zuruckgewonnen. Das Abgas des Kondensators wird uber Aktivkohle gefuhrt. Anschlieljend wird die Aktivkohle rnit Wasserdampf behandelt. Dabei wird das MC desorbiert. Es entsteht ein Wasser/MCGemisch. Dieses wird im Trenngefalj in die beiden Phasen MC und Wasser separiert. Die dabei erhaltene warige Phase ist infolge der Loslichkeit MC-haltig. Dabei wird das MC-haltige Wasser in einer Strippkolonne durch Einblasen von Luft von MC befreit (Abb. 111-101).
12.4.6 Beispiel einer Entsorgung aus der Industrie* In der ehemaligen Hoechst-Inlandsgruppe wlren ohne ein Entsorgungsmanagement 1995 ca. 2,7 Mio t potentieller Abfalle bzw. Reststoffe angefallen. Durch die Einfuhrung neuer Verfahren in den zuruckliegenden Jahren konnten I ,77 Mio t wiederverwertet werden, z. B.: -
Riickgewinnung von Methylenchlorid in der Esterwachsproduktion Ausgangsrohstoff fur die Herstellung von Esterwachs ist das Rohmontanwachs. Dieses enthalt Harzbestandteile. Mit Methylenchlorid (MC) werden die Bestandteile dem Rohwachs entzogen. Mit einern Bandfilter wird die harzhaltige MC-Losung von dern entharzten Rohwachs (ERW) getrennt. Das ERW ist noch MC-haltig. Mit Dampf wird in einer Strippkolonne das ERW von MC befreit. Das MC wird von der harzhaltigen MC-Losung mit einem Umlaufver-
393
Zuruckgewinnung durch Redestillation von diversen aliphatischen und arornatischen Losemitteln 630 000 t 3120OO t - Salzsaure (3 1 %) - Salzsaure (100 %) aus der Vinylchloridherstellung nach dem Direktchlorierungsverfahren I75 000 t - aromatischen und aliphatischen Kohlenwasserstoffen 67000 t -
*
Chribt, U. (2000). Umwelr.\c.honmdr Trthologierr uus industrieller Sicht - Verfuhren~,erbrsserrmRen und Sfoflreis/iiuP.. Chem.-lng.Techn.. Heft 112.
394
I l l Produktion4vertahrcn zur Her\tellung von cherniwhen Grundproduhtcn Rohwachs
Methylenchlorld ( M C )
Abb. 111-101. Methylenchlorid-RuckgewinnuiigI n der Wach\produhiion
-
~
-
-
Gewinnung und Zuruckfuhrung von Schwefelsaure durch destillative Aufarbeitung Weiterverwendung von Kunststoff-Reststoffen Riickgewinnung von Essigsaure und Acetaldehyd energiereiche Reststoffe als Ersatzbrennstoff
5Y 000 t
geeigneten Beseitigungsverfahrens bzw. dcr Beseitigungsanlage. Die physikalischen. chemischen und biochemischen Eigenschaften der Abfalle miissen untersucht werden.
51000t
84000 t 58000 t
Ca. 0,33 Mio t Reststoffe blicben ubrig. Sie muRten als Abfalle beseitigt werden. Dies entspricht einer Verwertungsquote von 85 70;d.h. als Abfall verbleiben noch I5 5% der Gesamtanfallmenge. Neben Kllrschliimmen aus Abwasserreinigungsanlagen und hausmiillahnlichen Abfallen besteht diese Abfallmenge aus Sonderabfallen. Deren Hauptbestandteile ist Bauschutt .
12.4.7 Beseitigungsverfahren
Trarisport von Abfall Abfall kann erst dann voni Ort der Entstehung zur Beseitungungsanlage transportiert werdcn, wenn dem Abfallerzeuger die Annahmebestiitigung des Betreibers einer Abfdlbeseitigungsanlage vorliegt. Der Transport von Abfallstoffen unterliegt wie deren Beseitigung dem Abfallbeseitigungsgesetz und wird im einzelnen von der Abfallbeforderungsverordnung geregelt. Danach ist der Abfdlltransport uber iiffentliche StraBen nur mit einer entsprechenden Genehniigung der Behorde moglich. Ausgenommen hiervon ist der Transport von Bodenaushub ohne Schadstoffe. Weiterhin sind die verkehrsrechtlichen Vorschriften zu beachten. Auch sind beim Abfalltransport die nach Abfallnachweisverordnung notwendigen Abfallbegleitscheine mitzufuhren.
Deponierung Bei der Abfallbeseitigung sowic bei deren behordlicher und innerbetrieblicher Uberwachung werden Abfalle unter mehreren Gesichtspunkten beurteilt. Dabei geht es insbesondere um das Verhalten der Abfiille beim Befordern, Zwischenlagern und Beseitigen sowie um die Auswahl des
Wks ist eine Deporiic? Die Deponie* ist eine Lagerstatte fur Abfallstoffe in einer geordneten. kontrollierbaren und moglichst umweltneutralen Weise.
*
deponere (la(.) niederlegen ~
12 Chemie und Umwelt
395
Urnfahrt J
_ - - -- -
..La%
I /
Abfallschuttung
/ I Randgraben Hanggraben
Abb. 111-102. Aufbau einer Deponie.
Sie ist ein in der Bundesrepublik Deutschland von den staatlichen Umweltschutzamtern genehmigter Lagerplatz fur alle Arten von Abfallstoffen aus Industrieproduktionen, Privathaushalten, Bauschutt und Asche.
Ubertagedeponierung Die geordnete Ablagerung oder Deponierung wird als Verfahren definiert, bei dem Abfalle systematisch ausgebreitet, verdichtet und mit geeignetem Material abgedeckt werden, so daB keine Gefahrdung des Grund- und Oberflachenwassers zu befurchten ist und den hygienischen und asthetischen Belangen Rechnung getragen wird. Man unterscheidet Hausmull-, Industrieabfall- und Sondermulldeponien. Errichtung und Betrieb Fur die Errichtung und den Betrieb einer Abfalldeponie ist ein formales Genehmigungsverfahren, das sog. Planfeststellungsverfahren,erforderlich. Dabei werden die vom Trager der Deponie eingereichten Unterlagen von der Genehmigungsbehorde unter Hinzuziehung von Fachbehorden gepriift und in der Standortgemeinde offentlich angezeigt. Art und Menge der Abfalle und deren Beschaffenheit bestimmen jeweils die technischen Anforderungen und das Ausstattungsniveau der Deponieanlage. AuszuschlieBen von der Ablage-
rung sind organische Losemittel, leicht entzundbare Abfallstoffe, geruchsintensive Abfalle und solche Abfallstoffe, die eine Wirkung auf SicherheitsmaBnahmen zurn Schutz des Grundwassers haben konnen. Die Deponieform, wie Halde, Anboschung oder Grube, wird rnit der Gelandeauswahl vorbestimmt. Bei Boschungen und Halden sind Standsicherheitsproblerne zu beachten. Zum Schutz des Grundwassers ist eine Basisabdichtung der Deponie erforderlich (Abb. III102). Diese kann aus einer naturlichen oder kunstlichen Abdichtung bestehen. Naturliche Abdichtungen sind undurchlassige Boden, wie Lehme und Tone. Als kiinstliche Abdichtungen werden haufig Kunststoffbahnen mit darunter eingebrachter Tonschicht verwendet. Die uber der Sperrschicht anfallenden Sickerwasser sind durch Flachendrainagen* zu sarnmeln und abzuleiten. Im PlanfeststellungsbeschluB werden dem Betreiber der Deponie bezuglich der abzulagemden Abfalle und des gesamten Deponiebetriebes eingehende Auflagen gemacht. Diese bedingen ein umfangreiches Kontrollsystem auf der Deponie, das mit seinen vielen EinzelmaBnahmen den organisatorischen und technischen Betrieb auf der Deponie bestimmt.
*
to
drain (engl.) entwissern ~
396
111 Produktionsverfahren m r Herhtellung von cherniwhen Grundprodukten
Der orgnnisatorisrhe Retrieh der Deponie wird nach einem Betriebsplan gefuhrt, der von der Behorde genehmigt sein mu8. In diesem mussen alle Betriebsabllufe inhaltlich und zeitlich aufgefuhrt sein. Er enthalt auch einen Ablagerungsplan, der rnit einem Kartierungssystem eine genaue Festlegung der Ablagerung der Abfalle auf der Deponie ermoglicht. Dabei wird jeder Deponieabschnitt in Planquadrate von der GroRe ca. 20 rn x 20 rn unterteilt. Es durfen nur die Abfalle gelagert werden, die im behordlichen Positivkatalog fur die betreffende Deponie aufgefuhrt sind. Im Eingangsbereich der Deponie werden folgende KontrollmaUnahmen durchgefuhrt: Prufung der rnit den Abfallen rnitgefuhrten amtlichen Begleitscheine, Prufung, ob fur die Abfalle eine Ablagerungsgenehmigung vorliegt, Sichtkontrolle der Abfalle und im Zweifelsfallen Probenahme rnit anschlieflender analytischer Untersuchung. Im Deponiebereich sind vom Betreiber insbesondere folgende KontrollmaRnahmen wahrzunehmen: - Untersuchung der Deponiesickerwasser und
Messung deren Menge, - Untersuchung des Grundwassers aus Beob-
achtungsbrunnen. Der rechnische Betrieb auf der Deponie erfolgt nach dem Betriebsplan rnit einem entsprechenden Maschinenpark. Dieser hat folgende Arbeitsgange zu bewaltigen: Transport, Verteilen, Einbau, Verdichten, Planieren, Abdecken und Rekultivieren. Nach der Verfullung mull die Deponie wieder in das Landschaftsbild eingegliedert werden. Hierfiir sind Rekultivierungsmalhahrnen notwendig, die folgende Aufgaben haben: die Deponie dern Landschaftsbild durch ortsubliche Bepflanzung anzupassen, die Deponie gegen Erosionsvorgange zu schiitzen, das Oberflachenwasser durch ,,Eigenverbrauch" zu binden und das Eindringen in den Deponiekorper zu mindern.
Depponieemissionen Die Deponierung rnit ihrer speziellen Betriebstechnik fuhrt zur Bildung eines Deponiekorpers, der aus den verschiedensten Abfallen besteht. Das typische Merkmal dieses Deponiekorpers sind die darin vorhandenen ungesteuerten physikalischen, chemischen und mikrobiologischen Prozesse, wie Auslaugung, Setmng, Ausfallung, Mineralbildung und Stoffwechsel von Mikroorganismen.
Vorbereitung einer Deponie Ein Feld, das fur eine Deponie vorgesehen ist, mu8 als Anlage erst vorbereitet werden. Strenge Auflagen miissen erfullt sein. Es darf kein Sikkerwasser aus der Deponie in das Grundwasser gelangen, und es mu8 jegliche Geruchsbelastigung fur die umliegenden Wohnsiedlungen ausgeschlossen sein. Au8erdem muB sich eine Deponie in das jeweilige Landschaftsbild einpassen, wenn sie nach mehreren Jahrzehnten der Nutzung geschlossen wird. Deponien durfen keine Trinkwasser-Schutzgebiete beruhren. Das Auftreten von Sickerwassern hat drei Ursachen. Das Regenwasser dringt in die gelagerten Reststoffe ein und wascht wasserlosliche Stoffe aus. Aus diesem Grunde muB die oberste Abdeckschicht so aufgebracht sein, dalJ die Niederschlage schon an der Oberschicht ablaufen und in einem Leitungssystem auBerhalb des Deponiekorpers aufgefangen werden. Die zweite Ursache fur Sickerwasser besteht in dem Auspressen des Begleitwassers der Rest/ Abfallstoffe durch ihren Eigendruck wahrend der Lagerung. Die dritte Ursache sind die chemischen und mikrobiologischen Abbaureaktionen. Sie setzen ebenfalls Wasser frei. Urn die Sickerwasser zu beherrschen, werden moderne Deponieanlagen auf einer wasserundurchlassigen Bodenschicht errichtet, von der vorher die Humusschicht abgetragen worden ist. Danach wird eine zusatzliche Untergrundabdichtung geschaffen. Uber dem von Natur gewachsenen Boden wird eine Tonschicht ausgebreitet, die in der Regel 60cm stark ist. Auf die Tonschicht wird ein lOcm starkes Sandbett aufgetragen, das rnit 2.5 rnm starken Polyethylenplatten abgedeckt wird (s. Abb. 111-102). Die nachste Schicht besteht aus Fullkies. Sie ist bis zu 30cm dick. Saugrohre rnit 100mm Durchmesser rnunden in Sammelleitungen, de-
12 Chemie und Umwelt ren Durchmesser 150 mm betragt. In Abstanden von 100 m sind die Sammelleitungen mit Kontrollschachten versehen. Im freien Gefalle lauft das Sickerwasser in einen Sammelschacht und wird von dort mittels Pumpen und Druckleitungen in eine biologische Kltiranlage gepumpt. Abbauvorgiinge in Deponien
Auf der Deponie unterliegen die abgelagerten Stoffe mehreren Abbau- und Umwandlungsprozessen. Sie verlaufen teilweise parallel und nacheinander. Bei den mikrobiologischen Prozessen werden organische Stoffe sowohl durch aerobe als auch durch anaerobe Prozesse abgebaut. Aerobe und anaerobe mikrobiologische Vorgange werden von der Venvitterung insbesondere an der Oberflache einer Deponie uberlagert. Organische und anorganische Materialien werden anaerob zu Kohlenstoffdioxid, CO,, Methan, CH,, Ammoniak, NH,, Schwefelwasserstoff, H,S, Phosphorsaure, H,PO, u. a. abgebaut und dienen zum Teil anderen Mikroorganismen wieder als Energie- und Nahrungsquelle. Anaerobe Prozesse sind exergonisch; sie setzen Warme frei: Organische Stoffe
+
Prozessen durch Reduktionsvorgange aus Sulfaten Schwefelwasserstoff. Bei der Venvitterung wirken rein chemische und aerobe mikrobiologische Stoffumwandlungen zusammen . Eine chemische Verwitterung wird ausgelost durch Einwirkung von Sauerstoff, Wasser und das im Wasser geloste Kohlenstoffdioxid, H2C03,auf abgelagerte Stoffe. Der Luftsauerstoff oxidiert insbesondere Schwefelverbindungen zu Schwefelsaure und Stickstoffverbindungen zu Salpetersaure. Stark vereinfachte Reaktionsgleichungen veranschaulichen diese komplexen Prozesse Is. G1. ( I ) und GI. ( 2 ) ] . 4H,S+702
+ - + +
4NH3+70, 2 HNO,
+ 27713 kJ
(I)
4 H20 + 1382,4 kJ
(2)
2 H,SO1
2 H,SO,
2 HNO,
Die Kohlensaure lost vor allem die Carbonate. CaC03+ H,O
+ CO,
-
CaCO,
Kalk
+ H,CO, + 20.31 kJ
Ca(HCO,),
(3)
Calciumbicarbonat
anaerobe htikroorganismen
Der Abbau unter anaeroben Bedingungen verlauft in zwei Stufen. In der ersten Stufe werden polymere SubstanZen (Fette, Cellulose, Proteine, Nukleinsauren) in Bausteine aufgespalten (Fettsauren, Zucker, Aminosauren, Nukleotide). Diese werden dann weiter von einer vielfaltigen Bakterienflora zu den G-rodukten H2, CO,, Fonniat, Acetat, Phosphorsaure und hohere Fettsauren umgewandelt. Damit ist ein starker Anstieg von organischen Sauren verbunden. In der zweiten Stufe werden diese Abbauprodukte entweder direkt oder aber nach einer weiteren Umsetzungsstufe zu Methan und Ammoniak umgewandelt. Auch entsteht bei anaeroben
397
Bei der Mineralbildung entstehen Stoffe mit verminderter Loslichkeit, z.B. bilden sich mit dem bei mikrobiologischen Prozessen entstandenen H2S und CO, schwerlosliche Metallsulfide bzw. Metallcarbonate. Bei aeroben Vorgungen wird beim Abbau uberwiegend CO,, Wasser und Energie produziert, wodurch es zu einer Erwhnung im Abbaubereich kommt. Parallel verlaufen unter den oxidativen Bedingungen der Verwitterung die aeroben biochemischen Abbaureaktionen mittels Mikroorganismen: Organische Stoffe
+
LuftSauerstoff Mikro-
398
111 Produktionsverfahren Liir Herstellung von chemiachen Griindprodukten
Die wahrend der Verwittcrung und des rnikrobiologischen aeroben Abbaus gebildeten Sauren konnen durch Kalk oder Calciurncarbonat wieder neutralisiert werden. Bei diesem Neutralisationsreaktionen entstehen u. a. Calciumnitrat, Calciurnphosphate und Calciurnsulfat (Gips). Die oxidative Venvitterung, der aerobe Abbau und auch die Neutralisationsreakionen sind exotherm oder exergonisch, je nachdem ob es sich urn geochernische oder rnikrobiologische Reaktionen handelt. Bei allen Abbaustufen wird Warme freigesetzt. Das gleiche gilt fur den anaeroben Abbau. Aus diesern Grunde erwarrnt sich das Innere einer Deponie bis zu Temperaturen von 80°C. Diese wenigen, sehr vereinfachten chernischen Reaktionsgleichungen sollen die Kornplexitat der Abbauvorgange in einer Deponie andeuten. Die Reaktionsrnechanismen zu studieren und sorgfiiltig zu verfolgen, werden noch manche interessante Aufschlusse uber den Recyclingrnechanismus in der Natur liefern. Im wesentlichen gehen von einer Deponie Emissionen in Form von Sickerwasser und Gasen aus. Die Menge an Sickerwasser ist abhangig von der Niederschlagsmenge, der Verdunstung. dern AbflulJ im Oberflachenbereich und den wasserbildendcn Prozessen irn Dcponickorper. Das Sickerwasser enthalt organische und anorganische Stoffe. Aufgrund dieser Inhaltstoffe ist nach der Sammlung eine Reinigung des Sickerwassers erforderlich. D a m wird am haufigsten das Sickenvasser in bestehende kornrnunale oder industrielle Abwasserreinigungsanlagen eingeleitet. Die mikrobiologischen Prozesse haben die Bildung von Gasen zur Folge. Dies tritt vor allem bei Hausrnull und hausmullahnlichen Gewerbeabfallen auf. Daher werden auf Deponien Entgasungssysteme eingebaut, die aus Gasschachten oder horizontalen Gasdranen bestehen.
Untertagedeponierung Fur eine Vielzahl von Industrieabfillen kornrnen die Beseitigungsverfahren Deponierung oder Verbrennung nicht in Betracht. Hier bietet sich die Ablagerung in geologischen Forrnationen unter Tage an. Die Kali- und Salz AG hat 1972 in einem stillgelegten Abbaufeld der Grube Herfa-Neurode eine Untertage-Deponie eingerichtet. Diese befindet sich in ca. 800 rn Tiefe in einer 300 m machtigen standfesten Salzforrnation, uber der
vcrschicdcne wasserbperrend wirkende Schichten liegen (Abb. 117-103). Selbst bei Erdbeben oder anderen tektonischen Ereignissen konnen die abgelagerten Abfalle nach Voraussagen nicht frei werden; sie bleiben auch dann in den Salzrnassen eingeschlossen. Um die Sicherheit der Untertage-Deponie zu gewahrleisten. mussen die chemische Zusamrnensetzung und alle physikalischen Eigenschaften der Abfalle bekannt sein. Es sind daher entsprechende Untersuchungen durchzufuhren. Die Kali- und Salz AG pruft irn Genehmigungsverfahren die Untersuchungsunterlagen und leitet diese an die Genehrnigungsbehorde, das Bergamt Bad Hersfeld, weiter. Diese zieht zur fachtechnischen Uberpriifung die Hessische Landesanstalt fur Urnwelt hinzu. Nach Zustimmung der Bergbehorde erhalt der Abfallerzeuger die Annahrneerklhng von der Untertage-Deponie. Die aufzunehmenden Abfalle durfen nicht: -
-
unter den Ablagerungsbedingungen unter Tage explosive, zundfiihige oder toxische Gas/ Luftgernische bilden, rnit dem urngebenden Salzgebirge reagieren, zur Selbstentzundung neigen,
-
flussig sein, radioaktiv sein. Weiterhin ist eine einwandfreie Verpackung
z. B. in Stdhlfassern erforderlich. Abfalle, die im freien Zustand rnogkherweise miteinander reagieren konnen, werden in raumlich ausreichend voneinander getrennten Abbauzonen abgehgert. Einige Abfallgruppen werden gernaB den behordlichen Auflagen nach gewissen Zeitabstanden oder, wenn eine bestimrnte Menge erreicht ist, in ihrem Ablagerungsraum verschlossen. Dies erfolgt durch AbschluB rnit einem Salzdamrn oder einer Ziegelsteinrnauer. Analog zur Ablagerungskartierung einer Ubertage-Deponie werden auf einern GrubenriB Ort, Zeit, Art und Menge der abgelagerten Abfalle eingetragen. Es ist daher moglich, bestimrnte Abfallstoffe zu einern spateren Zeitpunkt wieder auszulagem, urn sie z. B. einer Verwertung zuzufuhren. Dies ist bereits fur rnehrere 1000 t Abfalle erfolgt. Folgende Abfalle bzw. Abfallgruppen werden zur Zeit in der Untertage-Deponie Herfa-Neurode abgelagert:
12 Chemie und Umwelt
399
Abb. 111- 103. Untertage-Deponie Herfa-Neurode.
Destillationsriickstande aus der organischen Chemie, insbesondere aus der Herstellung von Farbmitteln und Pflanzenschutzmitteln,
Hlrtesalzabfalle mit Cyanid-, Barium-, Nitritund Nitrat-Gehalten in wasserloslicher Form (ca. 10000 t/a),
-
hochchlorierte Destillationsriickstande aus der Chlorierung von Kohlenwasserstoffen,
- Abfalle, die Blei, Chrom, Cadmium, Arsen,
Selen, Quecksilber und andere Metallverbindungen enthalten,
111 Produktionsvcrfahrcn zur Hcrstcllung von chcmischcn Grundproduktcn
400 -
Galvanik-Ruckstandc.
-
verbrauchte Katalysatoren,
-
auaer Betrieb genommene Kondensatoren und Transformatoren, bei denen polychlorierte Biphenyle als Isolationsmaterial verwendet wurden.
Auch flussige Abfalle konnen durch Einleiten in tiefliegende geologische Schichten unter Tage deponiert werden. Dieses Verfahren wird auch als Versenkung in Schluckbrunnen oder als Tiefversenkung bezeichnet. Das Versenken von fliissigen AbMlen ist an bestimmte geologische Bedingungen gebunden. Voraussetzung ist eine porlise Schicht von groBer Ausdehnung und Machtigkeit in ausreichender Tiefe, die von einer undurchlassigen Gesteinsschicht, z. B. Ton, Steinsalz, unter- und uberlagert wird. Als aufnahmefahige Schichten sind z.B. Sand, Kalk- und Dolomitgesteine geeignet. Dieses Verfahren hat in den USA seine weiteste Anwendung gefunden. Im Jahr 1974 waren dort etwa 200 Schluckbrunnen in Betrieb. Dabei kommt es zum Versenken von flussigen aromatischen und organischen Abfallstoffen.
Abfallbeseitigung durch Verbrennen In Verbrennungsanlagen an Land werden feste, pastiise und fliissige Abralle aus industrieller Produktion beseitigt, die aufgrund ihrer umweltrelevanten Inhaltsstoffe von der Deponierung ausgeschlossen sind und die ohne Explosion verbrennen. Bei diesen Abfillen handelt es sich irn
wesentlichen um organische Produktionsriickstlnde, pflanzliche und tierische Fettprodukte, Pflanzenbehandlungs- und Schadlingsbekampfungsmittel, Mineralolprodukte aus der Erdolverarbeitung und Kohleveredelung, organische Lijsemittel, Farben, Lacke, Klebstoffe, Kitte und Harze. Bei der Verbrennung miissen schadliche Emissionen vermieden werden. Daher sind die Rauchgase entsprechend zu reinigen. Chemische Abfalle werden in der Regel in eigens dafiir gebauten Anlagen verbrannt. Ein Zusatz von festen oder fliissigen brennbaren Abfallen zur Feuerung von Kraftwerkskesseln wird nur in Sonderfallen angewendet. Abb. 111- 104a zeigt das Verfahrensflieabild einer KIarschlammverbrennungsanlage, in der Abfalle beliebiger Konsistenz verbrannt werden kiinnen. Aus den verschiedenen Lagern werden die Abfalle dem Ofen und die fliissigen Abfalle zum Teil der nachgeschalteten Nachbrennkammer zugefiihrt. An die Brennkammer schlieat sich ein Abhitzekessel an. Der hier erhaltene Dampf kann zur Stromerzeugung genutzt werden. AnschlieRend werden die Rauchgase in einem Elektrofilter von Flugasche und in einem Rauchgaswascher von Schadgasen wie z.B. Schwefeldioxid, Stickstoffoxiden oder Chlorwasserstoffgas sowie von Aerosolen befreit. Die nassen gereinigten Rauchgase werden dann im allgemeinen nachgewarmt und uber den Schornstein in die Atmosphare geleitet.
Vurbehundlung der Abfulle Jeder Abfallstoff muB vor der ersten Anlieferung auf die relevanten physikalischen und chemi-
0Karnin
schichtraurn Wirbel-
Erdgas
I
\".-a Erdgas
Behandlungs-
Abb. 111-104a. Klarschlammvcrbrcnnungsanlage.
*
R Rauchgasriickfiihrung bei Teillastbetrieb.
12 Chemie und Umwelt
schen Stoffdaten untersucht werden. Dadurch sol1 sichergestellt werden, daB bei der Verbrennung die zulassigen Emissionswerte und die Erfordernisse des Arbeits-, Gesundheits- und Brandschutzes eingehalten werden. Bei der Anlieferung der Abfallstoffe wird im Bedarfsfall zur Kontrolle eine Identitatsanalyse durchgefiihrt. AnschlieBend erfolgt die Entleerung der Transportbehalter und die Lagerung. Diese ist abhangig von der Abfallkonsistenz. Die Lagerkapazitat umfaBt daher Bunker fur feste und teigige Stoffe, Tanklager fur schlammige und flussige Abfalle sowie FaBlager. Fasser werden in den meisten Fallen nicht entleert, sondern mitverbrannt, soweit sie aus brennbaren Materialien bestehen. Fur die Anlieferung von fliissigen Abfallen werden auch Druckbehalter verwandt, die direkt an die Beschickungsvorrichtung des Ofens angeschlossen werden. Sind diese Behalter beheizbar ausgefiihrt, so konnen darin Abfallstoffe transportiert werden, die sich bei Normtemperatur nicht pumpen lassen.
Verbrennung im Wirbelschichtofen Die gute Durchmischung im Wirbelschichtofen (Abb. IIL104b) fiihrt zu einer gleichmaSigen Verbrennung. Die Verbrennungstemperatur betragt ca. 850°C bis 1200 "C. Eine Anpassung der Venveilzeit an die unterschiedlichen Brenneigenschaften der Abfalle wird durch Variation des Brennstoffes und der
Verbrennungsluft geregelt. Der Abzug der Schlacke kann im trockenen oder schmelzfliissigen Zustand vorgenommen werden. Dabei wird die fliissige Schlacke meist in einen Na13entschlacker eingegeben. Dies fiihrt zu einer granulierten Schlacke, die deponiert oder zum Wegebau verwendet werden kann.
Warmetausch Die mit etwa 1000°C aus dem Wirbelschichtofen austretenden Rauchgase mussen vor Eintritt in die Reinigung auf eine Temperatur von ca. 300°C abgekuhlt werden. Urn bei groBeren Anlagen die Energie zu nutzen, wird die W h n e in der Regel durch Dampferzeugung zuriickgewonnen. Dies erfolgt mit besonders konstruierten Abhitzekesseln. Reinigung der Rauchguse Die wesentlichen Schadstoffe, die in den Rauchgasen von Abfallverbrennungsanlagen auftreten, sind Staub, Schwefeldioxid, Chlorwasserstoff und Fluorwasserstoff, in geringen Mengen Stickstoffoxide. Behordlicherseits werden folgende Emissionsgrenzen vorgeschrieben: Staub < 100 mg/m3,
CI
< 100mg/m3,
F
<
5 mglm'.
I
+ I
I
Abb. 111-104 b. Wirbelschichtofen zur Schlammverbrennung.
=
Anstrtirnboden
2 = Wirbelschichtofen (WSC 3 = Nachbrennkarnrnern 4
= Vorbrenn-
karnrner 5 = Abhitzekessel
6
Bre""slc.lf
40 I
=
Luftvorw2irrner (Luvo)
402
Ill Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Die Werte im ungereinigten Rauchgas uberschreiten diese Grenzwerte oft um ein Mehrfaches. Daher wurde eine Anzahl von nassen und trockenen Reinigungsverfahren entwickelt. Mechanische Entstauber haben eine beschrankte Abscheideleistung. Am weitesten verbreitet sind Elektrofilter. Die Rauchgastemperatur sol1 dabei zwischen 250°C bis 350 "C liegen. Eine nasse Staubabscheidung ist auch moglich. sie fiihrt jedoch zu hoch belastetem Abwasser. Zur Abscheidung gasformiger Schadstoffe werden die aus dem Warmetauscher kommenden heiRen Rauchgase iiblicherweise in einem Einspritzkiihler rnit Wasser abgekiihlt. Dann schliel3t sich eine zweistufige Wasche an. In der ersten, sauren Stufe wird Chlorwasserstoff, HCI, in der zweiten, schwach basischen Stufe (pH 6,5 bis 7,5),Schwefeldioxid, SOz,absorbiert. Die Abfalle der Verbrennungsanlage Schlacke und Asche - werden getrennt behandelt und deponiert. Das bei der Rauchgaswasche anfallende Abwasser wird entweder, meist mit Kalk, neutralisiert und entschlammt oder einer zentralen Abwasserreinigungsanlage zugeleitet.
Verbringen in die hohe See Spezielle Industrieabfalle, die aus bkologischen oder bkonomischen Griinden auf Land nicht beseitigt werden konnen, werden durch Verbringen in die hohe See einer Beseitigung zugefiihrt. Dies kann erfolgen durch: - Verbrennen auf dem Meer (engl. incineration
at sea) mit speziell dazu ausgeriisteten Schiffen, -
Einbringen (engl. dumping) in das Meer durch Schiffe mit bestimmten Techniken wie Verklappen, Versenken, Verquirlen.
Seit Oktober 1989 werden keine Abfalle mehr aus der Bundesrepublik Deutschland auf hoher See verbrannt. Ebenfalls ist 1989 die Verklappung von Diinnsaure aus der deutschen Titandioxidproduktion eingestellt worden. In diesem Zusammenhang hat im Mlrz 1990 die 3. Nordseeschutz-Konferenz in Den Haag folgendes festgestellt: - Fast alle Nordsee-Staaten haben die Ein-
bringung von Klarschlamm auf See eingestellt. Groljbritanien hat sich verpflichtet, dies ebenfalls bis Ende 1998 zu tun.
-
-
Das Einbringen von Industrieabfallen haben ebenfalls fast alle Nordsee-Staaten cingcstellt. GroRbritanien wird dieses Einbringen Ende 1992 beenden. Die Abfallverbrennung auf hoher See wurde bis Ende 1990 beendet .
125 Luft 125.1 Zusammensetzung der Atmosphare Die Gashiille. die die Erde umgibt und an ihrer Rotation teilnimmt, wird als Atmosphare bezeichnet. Sie wird durch die Erdanziehungskraft zusammengehalten. Die in der gegenwartigen Atmosphare vorkornmenden Gase lassen sich in drei Gruppen unterteilen. Diese sind: Hauptgase, Edelgase, - Spurengase. -
Der Anteil der atmophilen Stoffe an der Zusainmensetzung der Atmosphare ist in der Tabelle 111-5 aufgefuhrt. Eine obere Grenze der Atmosphlre I l R t sich nur durch Definition festlegen. In ihren auBeren Schichten steht sie im Materialaustausch mit dem innerplanetarischen Raum. Angeregt durch die Energiestrahlung der Sonne finden zwischen den einzelnen Gaskomponenten fortwahrend chemische Reaktionen statt. Sie sind ein Grund dafiir, daR nur ein bestimmter Ausschnitt der Sonnenstrahlung (vorwiegend sichtbares Licht und kosmisches und solares Rauschen) die Erdoberflache erreicht.* In einer Hohe von 20km bis 30km ist das Ozon, 03,starker angereichert als in den niedrigeren und hoheren atmospharischen Schichten. Die Bildung der Ozonmolekiile erfolgt durch die Einwirkung der energiereichen kurzwelligen Sonnenstrahlen auf die Sauerstoffmolekiile. Die Ozonmolekiile zerfallen auch wieder. Dabei wird ein Teil der aufgenommenen Energie als langwelligere Warmeenergie freigesetzt. Die gesamten in einem FlieRgleichgewicht stehenden komplexen Reaktionsmechanismen lassen sich
12 Chemie und Umwelt
403
Tab. 111-5. Zusamrnensetzung der unteren Erdatmospharenschicht
Atmophile Verbindungen
Volumenantcil in %
Hauptguse : Stickstoff, N,
78,09 2095 0,035*
Sauerstoff, 0, Kohlenstoffdioxid, C 0 2 Edelgase:
Argon, Ar Neon, Ne Helium, He Krypton, Kr Xenon, Xe
0,934 1,8 10 5,2 lo4 I,O 10 8,O lo4
Spurengase:
(iiberwiegend natiirlichen Ursprungs): Methan, CH, Wasserstoff, H, Distickstoffoxid, N,O Kohlenstoffmonoxid, CO Ozon ,0, Ammoniak, NH3 Schwefelwasserstoff, H,S Stickstoffoxid, NO Stickstoffdioxid, NO, Schwefeldioxid, SO,
' -1.
6 0 . lo-'"'
5 10" bis 20.10" 2 . 10" bis I lo-' 2 .lo" 2 . bis 20 . 3 '10-7 5 . 2 '
variabel 0 bis 4
Wasserdampf, H,O **
1,5 10""
5,O
Relativer Anstieg zur &it ca. 0,3 % his 0.4 % pro Jahr Relativer Anstieg zur Zeit ca. I ,O '70 bis 2 '70 pro Jahr. Relativer Anstieg zur &it ca. 0,2 % pro Jahr.
durch nachstehende Reaktionsgleichung beschreiben. 0 2
molekularer Sauerstoff
20,+20
-
-
2 0 atomarer Saucrstoff
20
(AH = + 495 kJ/mol)
3
Oron
3 0,
-
(AH = - 206 kJ/mol)
20
3
(AH = + 289 kJ/mol)
Die Ozonschicht wirkt als Filter, das vor dem Einfall der kurzwelligen, fur die Lebewesen schadlichen Sonnenstrahlen schutzt (Abschn. 111- 14.5).
125.2 Luftverunreinigung Mit dem Bau der Dampfmaschine durch James Watt im Jahre 1769 und der Nutzung der Kohle als Primarenergietrager setzte die stiirmisch verlaufende Industrialisierung in Mitteleuropa ein. Die Emissionsprodukte* ,insbesondere hervorgerufen durch die Verbrennung von fossilen Brennstoffen, begannen seit dieser Zeit auf die naturlichen Stoff- und Energiezyklen einzuwirken. Emissionen sind gasformige, flussige oder feste Stoffe, die von einer Anlage oder einem technischen Vorgang in die Atmosphiire oder andere Umweltbereiche gelangen. Zu den Emissionen zahlen auch Gerausche, Erschutterungen, Warme und Strahlungen. Unter der Immission** versteht man die Konzentrationen der Spurenelemente oder anderer Stoffe in der Luft am Einwirkungsort.
* **
emittere (lat.) - aussenden. immissio (lat.) Einfiihrung ~
404
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischcn Grundprodukten
Die Spurenstoffe konnen technischen (z. B. Schwefeldioxid) oder naturlichen (z. B. Stickstoffdioxid, Ozon) Ursprungs sein. Die Immissionsmessung erfolgt mit stationaren oder beweglichen Einrichtungen. Pflanzen sind gegenuber Schwefeldioxid empfindlicher als der Mensch. Es ist bisher ungeklart, in welchem Umfang Luftverunreinigungen fur die Waldschaden verantwortlich sind, die fern von Ballungsraumen in Gebieten mit niedrigen Immissionen auftreten. Die Schwefeldioxidbelastung in der Bundesrepublik Deutschland durch Kraftwerke betrug I996 I ,14 Mio t. Gegenuber 1990 ist das eine Abnahme urn 58 % mit weiterhin fallender Tendenz.
Es entfallen in Deutschland: auf Kraftwerke, die mit fossilen Brennstoffen, wie Erdgas, ErdoI oder Kohle arbeiten, Industriefeuerung, 10,6 % auf Privathaushalte und Verkehr, 4,32 70 auf IndustrieprozeRe
61,8 %
.c
800
E
400
e c
200
$
0
8
5
11
1990 91
92
93
Aktive Vulkane schleudern riesige Mengen Methan, Schwefeldioxid, Stickstoffoxide und Staub aus ihrem Inneren, die dann fur unterschiedlich begrenzte Zeit als atmospharische Verunreinigungen den Erdball umkreisen. Zu diesen Naturgewalten zahlen auch die bekannten Wustensandsturme, deren Feinstaubteilchen sich global verteilen. Emissionen und damit auch die Immissionen nehmen in der Bundesrepublik mit Ausnahme der Stickstoffoxide seit mindestens zwanzig Jahren ab (Abb. Ill-10s).
einrichtungen. Quellen der Staubemissionen sind die GroBfeuerungsanlagen der Kohlekraftwerke, der Stahl- und Zementindustrie. Eine weitere
c
600
Schwefeldioxid, SO2
c
.c 4000 c .'$ 3000
.g
2000
v)
E c
1000
$
94
1990 91
Stickstoffoxide NOx als NO2
Z: 2500
=5
;
7
c
4
2000 1500
500
0 92
93
94
95
-
2000 1500
i3
1000
c
I ::
E
93
94
95
96
-I
n
2500 2000 1500
g
1000
500 0
96
Tv) J t-
92
Fluchtige organische Verbindungen 3000
8
6
1000
1990 91
0
96
95
c
8 5
n
5000
-
3000
in Kraftwerken und Industriefeuerung, durch den Verkehr, in den Privathaushalten,
Entstaubung ist ein Teil der Abgasreinigungs-
Kohlenstoffdioxid, 1000
30 % 61 % 6%
12.53 Reinigung von Abgasen
Die Stickstoffoxidbelastung betrug aus den Kraftwerken 1996 0.37 Mio t. In Deutschland
g
verteilt sich die NO,-Belastung auf folgende Quellen:
1990 91
92
93
94
95
96
Staub
n ?--l
500
1990 91
92
93
94
95
96
Abb. 111.105. Entwicklung der Jahresemissionen in Deutschland (Quelle Umweltdaten Deutschland 1998, UBA, Berlin). Daten fur 1993. 1994,1995 und 1996 sind vorlaufige Angaben.
1 2 Chemie und Umwelt
nicht zu iibersehende Staubquelle ist der Abrieb von den Reifen und Bremsbelagen der Kraftfahrzeuge. Belastungen auf die menschliche Gesundheit uben die Feinststaubteilchen aus, die von den Atmungswegen nicht mehr zuriickgehalten werden. Sie dringen in das Innere des Organismus ein. In reiner Hochgebirgsluft sind pro Kubikmeter nur sehr wenige Staubpartikelchen enthalten. in industriefreier Landschaft sind es 5 bis 20 Staubteilchen und in den von Industrie durchsetzten Ballungsraumen steigt die Zahl auf uber 4000 Partikel an. In den letzten zwei Jahrzehnten konnten wirksame Mafinahmen gegen Staubernissionen getroffen werden. Sie bestanden einmal in der Verbesserung der jeweiligen technischen Produktionsverfahren und in den Staubabscheidungssystemen. Je nach der StaubkorngroBenverteilung sind unterschiedliche Abscheidungssysteme notig. Haufig mussen sie miteinander kombiniert werden. In Tab. 111-6 sind einige bekannte Systeme mit ihren StaubkorngroDenbereichen aufgefuhrt. Die Gesarntstaubemission betrug 1996 in Deutschland 0 3 2 Mio t, 1990 waren das noch 2 Mio t. Tab. 111-6. Staubabscheidungssysteme
Abscheidungssy steme
Trocken- oder NaBelektrofilter Tuchfilter Mechanische NaBwascher Zyklon Absetzkammer
Einsatzbereich bezogen auf die Staubkomgrol3e in p m 0,0075 - 100 0,0075 - 100 0,08 - 100 4 - 1200 90 - 1600
Die Reinigung von Abgasen konzentriert sich zur Zeit auf die Beseitigung der Schwefeldioxidund Stickstoffoxidgase. Schwefeldioxid entsteht bei der Verbrennung schwefelhaltiger Primaenergietrager wie Kohle, Erdol, Erdgas, Torf und Holz. Diese Brennstoffe vor der Verbrennung von schwefelhaltigen Verbindungen zu befreien, w%re an sich eine der wirksamen Vorkehrungen, urn die SO,-Emission zu senken, ist aber technisch nur begrenzt moglich (Abb. 111-105). Moderne Raffination des Erdols und die Entwicklung von noch besseren Entschwefelungsanlagen haben die Schwefeldioxidemission auf weniger als 1,85 Mio t pro Jahr gesenkt. 72%
405
dieser Restmenge entfallen auf die Privathaushake, Kraftverkehr und Kraftwerke. Bei den Schwefelsaureanlagen in der chemischen Industrie ist die SO,-Abtrennung aus den Abgasen gelost. Die SO2-Konzentration dieser Abgase ist auf 100 ppm bis 300 pprn herabgesetzt*, Wahrend die Schwefeldioxidemission aufgrund der Abgasreinigungsanlagen seit dem letzten Jahrzehnt trotz gestiegener Produktionseinheiten fallend ist, zeigt die Stickstoffoxidemission wegen der immer noch zunehmenden Verkehrsdichte steigende Tendenz. Die Schwefeldioxidemission lieB sich durch Verwendung von schwefelfreien bzw. schwefelarmen Brennstoffen und zusatzlichen Einbau von Schwefeldioxid-Absorptionsanlagen auf ein Mindestmd driicken. Die Situation ist dagegen bei der Stickstoffoxidemission komplizierter. Stickstoffoxide entstehen aus Begleitreaktionen zwischen dem Sauerstoff und Stickstoff der Luft in Feuerungsanlagen, in konventionellen Kraftwerkstationen, verschiedenen industriellen Produktionsprozessen und in jedem einzelnen Kraftfahrzeugmotor. 6 1% aller Stickstoffoxidemissionen werden von den Kraftfahrzeugen verursacht. Stickstoff und Sauerstoff sind die Hauptbestandteile der Luft . Jeder Verbrennungsvorgang erzeugt bei ausreichend hohen Ternperaturen auch entsprechende Mengen Stickstoffoxide, die aus dem Stickstoff-Sauerstoffgemisch entstehen. Diese Ursache der Stickstoffoxidbildung wird nur bedingt zu beseitigen sein. Hier richten sich die Mafinahmen auf die Entwicklung wirksamer Technologien zu ihrer Minderung. Fur grofitechnische Verbrennungsanlagen wird daran gearbeitet, anstelle von Luft, reinen Sauerstoff einzusetZen. Es werden dann stickstoffoxidfreie Verbrennungsgase erhalten. Die Stickstoffoxidemittenten der chemischen Industrie sind neben den Kraftwerken die Anlagen zur Herstellung von Salpetersaure. Sie sind die Grundlage fur die Produktion von stickstoffhaltigen Dungemitteln. Schwer absorptionsf&ige Stickstoffoxide werden in einer Endabsorptionsstufe weitgehend dem Abgas entzogen und ggf. unter Verwendung von Katalysatoren reduziert. Die Autoabgase belasten die Umwelt durch den immer noch zu hohen Anteil an Kohlenstoffmonoxid, unverbrannten Kohlenwasserstoffen, Stickstoffoxiden und den imrner noch als Anti-
*
100 pprn entsprechen 0,Ol I Volumenanteil.
406
Ill Produktionsverfahren L u r Herstellung von chemischen Grundprodukten
klopfmittel zugesetzten Bleiverbindungen. Mit dem Einbau von Abgaskatalysatoren fur eine vollstandige Verbrennung des Treibstoffs und die Entwicklung von bleifreien Antiklopfmitteln. z.B. MTBE*, ist eine wirksame Entgiftung der Autoabgase eingeleitet worden. Das Endoxidationsprodukt von Kohlenstoff und seinen Verbindungen ist in Natur und Technik das Kohlenstoffdioxid. Innerhalb des Kohlenstoffzyklus in der Natur kommt dem Kohlenstoffdioxid eine Schlusselrolle zu (Abschn. 111-14.2). O b die zusatzliche Kohlenstoffdioxiderzeugung aus technischen Prozessen den naturlichen Kohlenstoffzyklus einschliefilich des damit verbundenen Warmehaushalts in der Atmosphare und Biosphire beeinfluat, muB aufmerksam verfolgt werden. Eine andere groBe Stoffklasse mit toxischen Eigenschaften sind einige Schwermetallverbindungen. Blei, Cadmium und Quecksilber sind wegen ihrer Toxizitat in den Mittelpunkt der Untersuchungen geriickt. Sie sind ab einer bestimmten Konzentration Zellgifte fur Pflanzc, Tier und Mensch. Andererseits gibt es Schwermetalle. die in Spuren unbedingt fur die Aufrechterhaltung von Stoffwechselvorgangen vorhanden sein mussen, wie z.B. Kupfer, Zink. Kobalt u . a . Auch Cadmium scheint als Spurenelement fur Stoffwechselprozesse notwendig zu sein. Toxizitit ist zugleich eine Frage nach der vertraglichen Dosis fur die jeweilige biologische Spezies.
125.4 Rauchgasreinigungsanlage Die wichtigsten Energietrlger fur die Bereitstellung von technischer Nutzenergie sind Kohle, Erdol und Erdgas. Im Jahre 1998 wurden weltweit ca.
3,s Mrd t 4,6 Mrd t 2300 MrdNm'
Erdol, Stein- und Braunkohle, Erdgas
gefordert (Tab. 111-I0,Abschn. 111-14.1. I ) . Abgesehen von ca. 10 % des E r d d s und Erdgases, die von der chemischen Industrie als Rohstoffe fur hochwertige Chemieprodukte benotigt werden, dienen die geforderten fossilen Rohstoffe ausschliealich als Energiequelle. WLhrend der Verbrennung wird die gebundene chemische Energie als Warmeenergie freigesetzt. Als Verbrennungsprodukte entstehen Kohlenstoffdioxid und Wasser.
*
MTUE, Methyl-frrt-butylether
c +
0,
- co2 (AH - + (AH
= -393 .S kJimol)
CH,
+
2 OL
CO,
2 H,O
= - X90,4 kJimol)
Alle fossilen Energietrager enthalten schwefelhaltige Verbindungen. Sic stammen von den Mikroorganismen und den Pflanzen, aus denen sich im Laufe der Erdgesehichte das E r d d bzw. die Kohle gebildet haben. Wahrend der Verbrennung entsteht aus diesem Restschwefel Schwefeldioxid.
s+
0,
- so,
( N I = -296.5 kJirnol)
Fur Verbrennungsprozesse ist immer Luftsauerstoff notig. Doch fast vier Funftel der Luft bestehen aus Stickstoff. Bei den hohen Verbrennungstemperaturen,,von I200 "C bis 1500"C in den Kohle- oder 01- bzw. Erdgaskraftwerken, wie auch im Hubraum der Autos reagiert der sonst trage Luftstickstoff mit Sauerstoff zu Stickstoffoxiden. 2N
+ 0,
-
2NO
(AH = -90.25 kJimol)
Sowohl Schwefeldioxid als auch Stickstoffoxide sind umweltbelastende Case. Sie mussen den Verbrennungsgasen vor dem Eintreten in die Atmosphare entzogen werden. Dafur wurden inzwischen hochleistungsfahige Rauchgasreinigungsanlagen entwickelt. Die erste simultan arbeitende Anlage in Europa wurde fur die EVO* Oberfranken in Arzberg von der Uhde GmbH Dortmund fertiggestellt. Sie arbeitet nach dem BergbauforschungsLJhdeVerfahren. In dieser Anlage werden 1,l MioNm' Rauchgas stundlich gleichzeitig entschwefelt und entstickt. Der Grad der Entschwefelung liegt bei 95 % und derjenige der Entstickung bei 70 % (Abb. 111-106). Die Grundlage dieses Verfahrens bilden die adsorptiven und katalytischen Eigenschaften des Aktivkokses im Temperaturbereich von 90 "C bis 150 "C.
Adsorption** Durch Einspritzen von Wasser wird das Rauchgas zunachst auf 120 "C abgekuhlt. AnschlieBend
* **
Elektriiit~tsvcrrorEungOberfranken. adsorbere (lat.) bei rich auhlehemcn ~
12 Chernie und Umwelt
407
Rouchgas zum Komin
Rauthgas vom Kesa 1
I
1
I
I
I
I
Wasser
kuhler
I Entschwefelung I1 Entstickung
* Lizenz
Eergbau- Forschung GmbH
Abb. 111-106. Prinzipschcrna dcs BF/Uhde-Verfahrens zur Rauchgasreinigung.
wird es in den Adsorber geleitet, wo Schwefeldioxid, Sauerstoff und Wasserdampf zunachst an Kohle adsorbiert werden. Dort werden sie zu Schwefelsaure umgesetzt und in den Poren gespeichert. SO,
+
1/20?
+
H,O
-
HW4
(AH= -2 13,7 kJ/mol)
Vor Eintritt in die 2 . Adsorberstufe wird Ammoniak ins Rauchgas eingedust. Die Stickstoffoxide werden dabei gemalJ 6N0
-
+ 4NH7
5N,
+
6H,O
(AH = -1259,h kJ/mol)
unter der katalytischen Wirkung des Aktivkokses in Stickstoff und Wasser uberfuhrt. RestSchwefeldioxid wird unter Bildung von Ammoniumhydrogensulfat bzw. Ammoniumsulfat abgeschieden.* 3 SO2
*
+
312 0,
+
3 H,O + 4 NHq 2(NH,)HSO, + (NH,),SO, (AH = -1259,6 kJ/rnol)
-
Bildungsenthalpie fur Ammoniumhydmgenwlfat Ammoniurnsulfdt
A,Jf =- 1024,4 kJimol &pH = - I 18 I ,2 kJimol
Das entschwefelte und entstickte Rauchgas entweicht uber den Kamin in die Atmosphire.
Desorption* Von der Adsorption gelangt der Aktivkoks uber einen Sichter in den Rohrendesorber. Im Sichter wird die Flugasche ausgetragen. Der Desorber wird indirekt mittels Rauchgasen, die in einer gesonderten Brennkammer erzeugt werden, auf 400°C bis 500°C aufgeheizt. Kontinuierlich wird der Aktivkoks dem Desorber zugefuhrt und den genannten Temperaturen ausgesetzt, Dabei wird die Schwefelsaure wieder zu Schwefeldioxid reduziert. Das ist eine endotherme Reaktion. Es muR also Energie in Form von W b n e zugefuhrt werden. 2 HZSO,
+C
-
2 SO2 + COZ + 2 HzO (AH = + 69 ,Y kJ/mol)
Das Reichgas enthalt ca. 25 % bis 30 % Volumenanteil Schwefeldioxid. Das Reichgas kann alternativ zu flussigem Schwefeldioxid, zu Schwefelsaure oder zu elementarem Schwefel und damit zu verkauflichen Endprodukten weiterverarbeitet werden. *
desorbere (lat.) wegnehmen. ~
408
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Der desorbierte Aktivkoks wird in dem unteren Teil des Desorbers indirekt mittels Luft auf ca. 100°C abgekuhlt und anschliefiend nach Absiebung des Abriebs wieder der 2. Schicht des Adsorbers zugefiihrt. Vorteile des Bergbauforschungs-Uhde-Verfahrens: Das Verfahren arbeitet abwasserfrei. Es erfolgt keine Umschichtung der Probleme aus der Luft ins Wasser. Es entstehen keine Deponieprodukte. Die entstehenden Endprodukte Schwefeldioxid, Schwefelsaure oder elementarer Schwefel konnen von der chemischen lndustrie sinnvoll weiterverwendet werden. Gleichzeitig werden Schwefeldioxid Stickstoffdioxid entfemt.
und
Die zweite Anlage dieser Art wurde von der Uhde GmbH im werkseigenen Kraftwerk der ehemaligen Hoechst AG in Frankfurt-Hochst errichtet. Sie hat eine Entgasungskapazitat von 325000Nm” pro Stunde und ist fur eine trivalente Kesselanlage ausgelegt, d . h. sie kann sowohl mit Steinkohle als auch mit Erdgas oder Erdiil befeuert werden. Im Industriepark Hiichst wird das Schwefeldioxid aus dem Rauchgas uber eine Rohrleitung der Schwefelsaureanlage zugefiihrt. Betreiber der Schwefelsaureproduktion im Industriepark Hochst sind die Grillo Werke GmbH Duisberg. Die Jahreskapazitat betragt ca. 340000 t.
metausch in Kuhlschriinken und g r o k n Kalteanlagen sowie als Feuerliischmittel. In den letzten 2 Jahrzehnten hat sich herausgestellt, daB die FCKW mafigeblich fur das Ozon-Loch in der Erdatmosphare verantwortlich sind.
EinJlu. von FCKW auf die Ozonschicht Was fur die technische Nutzung ein hochgeschatzter Vorteil ist, erweist sich beim Abbau der FCKW in der Atmosphiire als gravierender Nachteil. Ihre hohe chemische Stabilitat und Reaktionstragheit fuhrt dazu, daR sie in den unteren atmospharischen Luftschichten nicht zersetzt und abgebaut werden. Erst durch die Einwirkung der harten energiereichen UV-Strahlung der Sonne werden aus den FCKW in der Stratosphiire, in Hohen zwischen 25 km bis SO km, sehr reaktionsfreudige Chlorradikale freigesetzt. Diese Chlorradikale reagieren mit dem Ozon, O,, und bauen es zum gewohnlichen zweiatomigen Sauerstoffmolekiil ab. Der Ozonabbau wird durch Chlorradikale katdlysiert. Der Reaktionszyklus laBt sich durch folgende chemische Gleichungen, am Beispiel des Dichlordifluormethan als FCKW, vereinfacht darstellen:
Dichlordifluorrnethan
IT\’-
Dichlorfluorrnethanradikal
Strahlung
1 2 5 5 Fluorchlorkohlenwasserstoffe Im letzten Jahrzehnt haben die Fluorchlorkohlenwasserstoffe, abgekurzt FCKW, das Interesse der Menschen erregt. Es wurden pro Jahr weltweit ca. 1 Mio t FCKW produziert. Die FCKW wurden einmal als groBe Enungenschaft der technischen Chemiesynthese betrachtet. Es handelt sich bei dieser Stoffklasse um farblose und im allgemeinen leicht zu verflussigende Case oder leicht bewegliche Flussigkeiten. Sie sind thermisch und chemisch sehr bestandig, nicht brennbar und - bis auf die ungesattigten und einige narkotisch wirkende Derivate - relativ gering giftig. Sie haben die Eigenschaften, die sie geradezu fur die Verwendung in Industrie und Haushalten geeignet erseheinen liefien. Sie wurden als Treibgase in Spraydosen verwendet. Sie dienten als Medium fur den W L -
Ozon-
Chlurradikal
radikal
.@. +
~-
.g-g
einatomiger Chloroxidradikal Sauerstoff
Chlorosid- zweiatorniger radikal Saurrsioff
-
IC1. Chlorradikal
+ o=o zweiatomiger Sauerstoff
Bei dieser Kettenreaktion werden immer wieder Chlorradikale freigesetzt, die mit neuen Ozonmolekulen reagieren konnen (s. Abschn. 111-14.5.1 und -14.8.8). Der atomare (einatomige) Sauerstoff entsteht aus dem molekularen zweiatomigen Sauerstoff, der durch den kurzwelligen energiereichen Teil des Sonnenlichts mit einer Wellenlange unterhalb 300 nm gespalten wird.
1 2 Chemie und Umwelt
409
Treibhauseffekt Ozon, zweiatorniger und einatorniger Sauerstoff stehen rniteinander irn Wechselspiel, das sich zu einern dynarnischen Gleichgewicht stabilisiert.
dreiatornig
zweiatomig
einatomig
Wie bekannt, spalten Stickstoffoxide ebenfalls Ozon. Stickstoffdioxid dagegen vermag diese durch Chlorradikale initiierte Kettenreaktion zu unterbrechen. Stickstoffdioxid verbindet sich mit dern Chlormonoxidradikal zu Chlornitrat, das auf die Erde zuriickgelangt und im Boden zu ungiftigen Substanzen abgebaut wird. Folgende Reaktionskette wird dafiir nach den neuesten Theorien angenommen: 2N2
+
Stickstoff
2N20
+
2 0
-
einatomiger Sauerstoff
+
Stickstoffmonoxid
4N0,
-
zweiatomiger Sauerstoff
Distickstoffoxid
4N0
0 2
+
Stickstoffdioxid
40,
-
dreiatomiger Sauerstoff
4C10
-
Chloroxidradikal
2N20 Distickstoffoxid
(AH = +164,1 kJ/mol)
4N0 Stickstoffmonoxid
(AH = -30 1,5 kJlmol)
4N0,
+
Stickstoff dioxid
40, zweiatomiger Sauerstoff
(AH = -798,9 kUmol)
Auch im Zusammenhang rnit dern Treibhauseffekt werden FCKW genannt. Obwohl der Treibhauseffekt das Leben auf der Erdoberflache iiberhaupt erst ermoglicht, hat er irn Laufe der Diskussionen iiber Urnweltproblerne einen negativen, bedrohlichen Klang bekornrnen. Dabei geht es urn den Anteil des Treibhauseffekts, der iiber das natiirliche und notwendige MaB hinaus, durch industrielle und damit rnenschliche Einfliisse auf die Atrnosphtire, erzeugt wird . Das kurzwelligere Sonnenlicht durchdringt die Luftschichten der Erdatrnosphtire wie das Glasdach eines Treibhauses. In den unteren erdnahen Luftschichten wandelt sich die Lichtenergie in langwelligere Wiimeenergie um. Eine Ruckstrahlung in die Atmosphtire wird durch die sog. Treibhausgase verhindert. Die Treibhausgase erfiillen also dieselbe Funktion wie das Glasdach eines Treibhauses. Durch diesen Effekt erwiirrnt sich die mittlere Ternperatur der Biosphiire auf ca. +15"C. Ohne diesen gewunschten Treibhauseffekt wiirde man auf der Erdoberflache nur eine rnittlere Temperatur von -15 "C messen. Mehr als zwei Drittel des natiirlichen Treibhauseffekts gehen auf den Wasseranteil in der Atrnosphiire zuriick, der dort gasformig, tropfchenartig und kristallin vorliegen kann. Weitere treibhauseffektverursachende Stoffe sind die Gase Kohlenstoffdioxid, Methan, FCKW, Ozon, Distickstoffoxid und stratospharisches Wasser. Der anteilige Treibhauseffekt von FCKW wird heute auf 24% geschatzt (Abb. 111-107). Treibhausgase regeln den Warrnehaushalt der Atmosphiire und der Erdoberflache. Sie nehrnen die Rolle eines Thermostaten wahr. Durch Anrei-
4 CJNO, Chlornitrat
co, aus
Kohlensloffdioxld, CO,. am fossilen
Brandrodung
(AH = -370,3 kJ/mol)*
Die Kornplexitat der chernischen Reaktionen in der Atrnosphiire liegt darin, dal3 alle Reaktionen rniteinander gekoppelt sind und direkt oder indirekt durch den photochernischen Effekt der harten Lichtenergie aktiviert werden (Abschn. 111-14.8.8).
Fluorchlohohle wasssrstofle. FCKW Melhsn. CH,
Abb. 111-107. Anteil der Spurengase am Klimarisiko
(Treibhauseffekt).*
*
Bildungsenthalpie fur Chlormonoxid, CIO, bff =+I0128 kJ/mol und geschatzt fur Chlornitrat, CINO?, &H = A 1 9 kJ/mol
*
Quelle: Steinkohle Jahresbericht (1999), Hrsg. Gesamtverband des deutschen Steinkohlebergbaus, Essen.
410
111 Produktionsverfahren zur Hcrstcllung v o n chernischen Grundpradukten
cherung von bestimmten Gasen wie Kohlenstoffdioxid, Mcthan, FCKW u . a . in der Atmosphare wird dieser Thermostat ,,nach oben verstellt". Das mu8 verhindert werdcn. Der Begriff ,,Treibhauseffekt" sollte in den Diskussionen wertneutral verwendet werden, denn er ist notwendig fur die Entwicklung und Erhaltung des Lebens auf der Erde.
125.6 Der mikrobiologischeAbbau von Erdol - eine Moglichkeit der Entsorgung Jahrlich werden weltweit 35 Mrd t Erdol aus den Bohrlochern gepumpt. Sie werden mittels Pipelines und Schiffscontainern zu den Raffinerien transportiert, um gereinigt, entschwefelt und zu Kraftstoffen, Leichtden, Schwerolen, d . h. Benzin, Dieselolen, Flugzeugbenzinen, Heizolen und Primarchemikalien verarbeitct zu werden. Erdol ist ein Gemisch aus aliphatischen Kohlenwasserstoffen unterschiedlicher Kettenlange. cycloaliphatischen und aromatischen Kohlenwasserstoffen. Dabei stellen die aliphatischen Kohlcnwasserstoffe mit bis zu 90 % den groRten Anteil. Wiihrend ErdoI in chemischer Hinsicht ein relativ reaktionstrager Stoff und ungefahrlich in der Verarbeitung und Lagerung ist, ist es fur die biologischen Systeme giftig und einer der groRten Umweltschadstoffe. Olverschmutzungen der Umwelt erfolgen durch direktes Eindringen des Erdols in die Okosysteme. Zum einen kann E r d d direkt aus den naturlichen Lagerstatten in die Umwelt gelangen, zum anderen durch den Transport von der Lagerstatte zum Einsatzort, wahrend der Weiterverarbeitung in den Raffinerien und der nachfolgenden industriellen und privaten Nutzung der Erdol produkte . Olverschmutzungen an Land lassen sich eingrenzen und sind in ihren Konsequenzen vorhersehbar und uberschaubar. Sie sind im allgemeinen einfach zu beherrschen. Olaustritte im Meer sind vie1 schwieriger zu beseitigen. Sie unterliegen den wechselnden Einflussen von Stromungen, Gezeiten und Wetter. Folgende Ursachen fuhren im wesentlichen zur Kontamination* der Meergew"asser: -
Schiffsunfalle und -defekte,
-
chronixhe Kontamination durch bewuRtes Freisetzen von Ballaststoffen und Spulwasser aus Schiffstanks auf den Meeren,
- Verschmutzung der Kustenregionen durch
vielfaltige Ursachen. 1990 wurden weltweit 764 Falle von Kustenverschmutzungen registriert. Nach einem Bericht der Shell Company* gelangen jahrlich 2 Mio t 01ins Meer. Davon stammen 20 96 aus der Erdolforderung, -veredlung und dem Transport, weitere 2 5 % sind auf den Schiffsverkehr (ohne Oltanker) und naturliches Aussickern zuruckzufiihren. Eine grolje Chance zur Reinigung von olverschmutzten Gewassern bieten obligate** marine** * Bakterien . Von Wissenschaftlern des Institutes fur Biochemie und Biotechnologie der TU Braunschweig (D. S. Lang) und der Gesellschaft fur Biotechnologische Forschung Braunschweig (Dr. M. M. Yakimov und Dr. P. Golyshin) wurde aus Meereswasserkulturen eine aerobe stabfiirmige Gram-negative Bakterienart isoliert, die in der Lage ist, bei Natriumchloridkonzentrationen von 0,OS mol bis 0,5 mol, das sind ca. 0,47 9% bis 3 % wallrige NaCI-Losungen bzw. 4,68 g bis 29,25 g Natriumchlorid in 1 Liter Wasser. zu wachsen.**** Als Nahrstoffe benotigen die Bakterien aliphatische Kohlenwasserstoffe, aber keine Aminosauren, Proteine, Kohlenhydrate oder Polysaccharide. Die Kulturen enthielten eine Mischung von Alkanen, die mit Nordseesedimenten aus der Nahe der Insel Borkum geimpft worden waren. Entsprechend wurden die Bakterien mit dem Namen Alcanivorar borkumensis belegt. Inzwischen konnten sich ahnlich verhaltende Bakterien auch aus dem Japanischen und Sudchinesischen Meer isoliert werden. 27 Abwandlungen der Spezies Alcanivorar sind in offentlichen Datenbanken bisher erfaljt worden. Parallel zu den Alcanivorax ist eine weitere Bakterienart isoliert worden, die sich auf aroma-
*
** ***
- Unfalle im Zusammenhang mit Bohr- und
Pumpaktivitaten im Meer und an der Kuste,
*
contaminare (lat.) - beruhren. entweihen, im iibertragenen Sinne verunreinigen.
****
Morgan. P. (1991 ). Biotcchnology and Oil Spills. Obligare (lat.) - binden. vrrpflichten: ohlieat - unerl20lich. unbedingt crfordcrlich. res marine (lat.) S r e w e w ~ obligatc marine Bakterien sind Uakrerien. die nur i n Gewlsaern gedeihen. Timmis. K. N.. Yakimov. M . M . 11. Colyshin. P. N. (1999). Wiasenschaftlichcr Ergebnisbericht 1998. Flr\g Gesellschaft fur biotrchnologi\che Forschung mbH. 38124 Rraunwhweiy ~
12 Chemie und Umwelt
tischen Kohlenwasserstoffen ausgezeichnet verrnehrt, die Naphthale. Alcanivorax und Naphthale werden unter der Bezeichnung hydrocarbono-clastische Bakterien (HCB) zu einer Gruppe zusamrnengefal3t. Die Natriumchloridvertraglichkeit der HCB ist um ein rnehrfaches hoher als die der bisher bekannten obligaten marinen Bakterien, sie reicht von 0,08 mollL bis zu 3,s mol/L. das sind 4,68 g/L bis 204,lS g/L. HCB sind in nicht olverschmutzten Regionen nur in geringer Menge anzutreffen, in olverschmutzten Gewassern dagegen in sehr vie1 groReren Konzentrationen von 2-3facher GroBenordnung. Daraus ist zu schlieljen, daB die HCB bei der naturlichen Reinigung von kontarninierten marinen Systemen eine grol3e Rolle spielen. Diese Erkenntnisse bilden die Grundlage fur eine biotechnische Strategie zur Reinigung von olverschmutzten Gewassern. Generell werden die HCB in zwei Gruppen eingeteilt, je nachdern, ob sie aliphatische oder arornatische Kohlenwasserstoffe abbauen. Als aliphatische Kwst (Kohlenwasserstoffe) abbauende HCB gelten Akanivorax borkumensis, ein Nordsee-Isolat, Marinohacter hydrocarbonoclasticus, ein Mittelrneer-Tsolat und Marinobacter sp. CAB, ebenfalls ein Mittelmeer-Isolat. Sie nutzen lineare und kettenverzweigte Aliphate als Substrate, einige von ihnen wachsen auch auf einfachen Derivaten organischer Sauren wie Acetaten (Essigsaure) und Pyruvaten (Brenztraubensaure) . Aromatische Kwst abbauende HCB sind z.B. Cycloclasticus oligofrophus,Cycloclasticus pugetii, ein Karibik-Isolat, und Psychroserpens burtonensis, ein Antarktis-Isolat. Sie leben von Benzol, Toluol, Naphthalen, Phenanthren und Anthracen als einziger Kwst-quelle. Der Stoffwechsel lebender Zellen vollzieht sich in wassrigen Medien, in denen die Substrate, Nahrstoffe, Stoffwechselprodukte, Spurenelemente u. a. gelost vorliegen. Der Transport dieser Substanzen in die Zelle hinein und aus ihr heraus wird durch spezielle Membrantransportrnechanisrnen reguliert. Das Eindringen von hydrophoben Substanzen in das Zellinnere erfolgt nicht so reibungslos. Sie losen sich zudern in den Zellmembranen auf, so dalj auch das Austreten erschwert wird. Hohere Konzentrationen von hydrophoben Substanzen losen sogar die Zellrnernbran auf und zerstoren die Zellen, rnit denen sie in Kontakt komrnen .
41 1
Urn von hydrophoben Stoffen nicht zerstort zu werden, haben Kwst abbauende Bakterien die Fiihigkeit entwickelt, Substanzen zu produzieren und abzusondern, die hydrophobe Substrate zu emulgieren vermogen. Dadurch werden diese in kleine Tropfchen verteilt und ihre Oberflache vergroRert. Aukrdern werden die kleinen emulgierten Tropfchen rnit einem Material urnrnantelt, das' die biologische Membran der Bakterien vor einer Zerstorung schutzt. Bei den von den Bakterien ausgeschiedenen schutzenden emulgierenden Substanzen handelt es sich urn Biotenside. Das sind oberflachenaktive Stoffe, die die Oberflachenspannung von Flussigkeiten herabsetzen und dadurch eine bessere Vermischung von hydrophoben (wasserabweisenden) und hydrophilen (wasserfreundlichen) Flussigkeitsphasen begunstigen. Folgende bedeutsarne Beobachtungen wurden bei Untersuchungen der hydrocarbooclasfischen Bakterien, HCB, gernacht: - In Regionen mit hoher Olverschmutzung des
Meeres wurden hohe Konzentrationen an HCB gernessen. - ihre Fahigkeit, Kwst aus Erdol in wassriger
Phase zu emulgieren und - auf ihnen als einziger Kohlenstoff- und Ener-
giequelle in Salzwasser zu gedeihen und sich zu vermehren; - ihre Fahigkeit, Kwst effektiv bei extrern niedriger Konzentration aufzunehrnen und - ihre Unfahigkeit, auf anderen fur heterotrophe Mikroorganisrnen typischen Sustraten, d. h. nicht reinen Kwst wie Fetten, Kohlenhydraten oder Proteinen zu wachsen. Diese Beobachtungen deuten daraufhin, daR die HCB als typische Spezies, deren Nahrungsquellen auf 01 beruhen, eine bedeutende Rolle bei der naturlichen Reinigung von rnarinen Okosystemen spielen. Dabei ist es gleichgiiltig, ob das 01 in hoher Konzentration oder in niedriger Konzentration, aber dafur einer giftigeren Zusammensetzung vorliegt. Die Fahigkeit der HCB, olverschrnutztes Meerwasser zu reinigen, liesse sich eventuell auch zur Beschleunigung des Olabbaus in Ballastwasser nutzen. Oft werden Abwasser, die aus Meerwasser, Roholresten, Schiffsrnaschinenol bestehen, ungeklilrt kiistennah im Meer abgelassen. Sie sind eine erhebliche Quelle fur chronische kustennahe Olverschrnutzung. Hier durfte es zwei potentielle Anwendun-
412
III Produktionsverfahren zur Herstellung von chernischen Grundprodukten
gen von HCB fur eine Reduzierung von olverschmutzten Ballastwassern geben. Einmal durch die Verbesserung des biologischen Abbaus im Tank selber und zum anderen in den Reinigungseinrichtungen an Land. Interessant ist eine biotechnische Gewinnung von Biotensiden und Bioemulgatoren mit Hilfe
der HCB. Diese Substanzen waren bei der tertiaren Olgewinnung, der Reinigung von olhaltigen Containern, z. B. von Ballast-Tanks, und iiberall dort, wo eine gute Vermischung von hydrophoben und hydrophilen Phasen notig ist, nutzlich.
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle
13.1 Die fossilen Kohlenstoffquellen 13.1.1 Entstehung von Erdol, Kohle und Erdgas
Erdol Erdol, Kohle und Erdgas sind Umwandlungsprodukte von abgestorbenem organischem Material. Erdol ist aus den Mikroorganisrnen des Meeres entstanden, Kohle aus Festlandpflanzen. Die einund rnehrzelligen Mikroorganismen, von denen in einem Liter Meerwasser bis zu mehreren Hunderttausend enthalten sein konnen, werden unter dem Sarnmelnamen Plankton gefuhrt. Diese Bezeichnung umfal3t die Gesamtheit der im Wasser frei schwebenden tierischen (Zooplankton**) und pflanzlichen (Phytoplankton**) Kleinstlebewesen. Sie vermehren sich ungeschlechtlich und rasch durch Zellteilung. Die Zusammensetzung und Vermehrung von Plankton* ist abhangig von der Lichteinstrahlung auf das Meer, der Ternperatur und dern Salz- und Sauerstoffgehalt des Wassers. Das pflanzliche Plankton betreibt Photosynthese, es ist damit der groBte Sauerstofflieferant des Meeres. Nach dern Absterben sinken die Mikroorganismen zusarnmen rnit den vom Festland herangefuhrten Sinkstoffen, einer sogenannten TonTriibe, auf den Meeresboden. Ein grol3er Teil dieser abgestorbenen Kleinsttierwelt wird in Gegenwart von Sauerstoff vollstandig abgebaut. Bei einern anderen Teil wird durch rechtzeitige Ablagerung von mineralischen Sedirnenten die Sauerstoffzufuhr verhindert und es setzt in Gegenwart von anaeroben Bakterien eine Faulschlamrnbildung ein. Das Entstehen von Faulschlamrn wird begunstigt, da die uber dem Meeresboden befindliche Wasserschicht sauerstoffarm ist. Bei der anaeroben Zersetzung entstehen in der tiefen Meeresschicht Schwefelwasserstoff, H2S, Methan, CH4,Ammoniak, NH,, die wieder-
* planktos (grch.) - Umhergetriebenes ** zoon (grch.) - Tier, Lebewesen. phytos (grch.) - F'flanze.
um die Vermehrung von anaeroben Bakterien fordern. Der Faulschlamm besteht zu 45 % aus Cellulose, 45 % aus Proteinen und 5-10% aus Fetten. Die Zusammensetzung weist darauf hin, daR ein groRer Teil der so abgebauten Mikroorganismen dem Phytoplankton angehort. Der Nachweis von Chlorophyll im Erdol erhiirtet diese Annahme. Aber auch Haminderivate lassen sich, die das ehernalige Vorhandensein von tierischen Lebewesen bestatigen, nachweisen. Mit zunehrnender Sedirnentiiberdeckung geraten solche ,,Erdol-Muttergesteinsschichten"in Tiefenbereiche, in denen durch die Sedirnentauflast der Druck und die Temperatur - letztere bis zu 16O0C-18O0C - soweit ansteigen, daR Kohlenhydrate, Proteine und Fette des Faulschlamms in Bitumen* urngewandelt werden. Bio- und geochemische Prozesse sind die treibenden Krafte, die die Biopolyrnere der Mikroorganisrnen in Erdol umwandeln, das dann im Sedirnentgestein fein verteilt ist. Bei entsprechend hohem Druck der Gesteinsschichten, die sich durch tektonisch-geologische Veranderungen uber das Muttergestein schieben, wird dieses noch mehr verdichtet, und die Kohlenwasserstoffe .des Erdols werden als Tropfchen ausgeprel3t. 01 und Gas sarnrneln sich in den kleinen Poren der Muttergesteine. Die Kohlenwasserstoffe drangen nun aus dem Muttergestein in hohere Schichten, in die Speichergesteine, bis diese Emigration** von undurchlassigen Schichten, dem cap-rock, gestoppt wird und sich somit erdolspeichernde Gesteinsschichten bilden. Kapillaraktive Krafte, Druckdifferenzen und Auftrieb des Ols, welches leichter als Wasser ist, lassen das Erdol nach oben wandern. Die Tropfen dieses wandernden Erdols haben Fadenlangen von mindestens 1 m, da sonst die bewegungshernmende Oberflachenspannung zu groB ist und nicht durch die anderen genannten Krafte uberwunden werden kann.
* **
Bitumina (lat.) - Erdpech. Allgemein werden unter Bitumen mit Sedimentgesteinen durchsetzte Kohlenwasserstoffe verstanden. migrare (lat.) - wandern.
4 14
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chcmischcn Grundprodukten
Abb. 111-108. Erdolfiihrende Seditnentbecken im Off-shore- und On-shore-Bereich der GUS (Gemeinschaft
unabhingiger Staaten) und der Beitrag der Produktionsareale m r Landesfiirderung. Dieser ProzeB der Erdolentstehung erklart auch, warum alle Erdolgebiete i n ehemaligen Sedimentbecken* von Meeren oder in noch ungestortem Kustenvorland der Kontimente, den Schelfgebieten, liegen. Olbildung und Olanreicherung in Sedimentgesteinen sind immer dort anzutreffen, wo sich in friiheren Zeiten der geologischen Veranderungen unserer Erdoberfllche ganz oder teilweise von Land umgebene Meeresbecken oder Troge befandcn, z. B. im Off-shore- und On-shore-Bereich** der GUS angefiihrt werdcn (Abb. 111-108). Auf die einheitliche erdgeschichtliche Entwicklung des nordafrikanischen Raumes uber Vorderasien bis zum Persischen Golf, die riesige Erdollagcrstatten hervorbrachte, sol1 hier nur hingewiesen werden. Der Beginn der Erdolbildung fallt mit der Formation des Kambriums vor 500 bis 600 Millionen Jahren zusammen (Tab. 111-7). In dieser erdgeschichtlichen Zeit haben sich ein Klima und eine Land-Wasserverteilung auf der Erde herausgebildet, die in etwa den gegenwartigen Verhaltnissen entsprechen, wenn auch
*
**
die Strukturen auf der Erdoberflache wahrend der einzelnen Formationen standigen Veranderungen untenvorfen waren und auch heute noch sind. Im Ubergang vom Prakambrium m m Kambrium setzte ein iippiges Wachstum von formenreichen pflanzlichen und tierischen Mikroorganismen im Meerwasser ein. Die Bildung von Faulschlamm in Sedimentgesteinen auf dem Meeresboden vollzog sich in allen Phasen der Erdgeschichte und vollzieht sich auch heute noch standig. Die Umwandlung von pflanzlichen und tierischen Organismen in Erdol ist somit als ein ProzeR zu verstehen. in dem Kohlenstoff dem natiirlichen Kreislauf, entzogen wird: Kohlenstoffdioxid tierische Biomasse
-+ +
pflan~licheBiomasse Abbau
+
Durch die Forderung und Ausnutzung des Erdols fur Energie- und Stoffumwandlungen wird das Kohlenstoffdioxid allerdings wieder freigesetzt.
Kohle sedimenturn (lat.) sich gmetzt. off-shore (engl.)- kiistennah, ablandig: on-shore (engl.) - landwarts, in Kiistennahe. ~
Eine ahnliche Ausschleusung von Kohlenstoff aus dem Naturkreislauf crfolgte durch die Um-
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle
wandlung von Landpflanzen in Torf, Braunkohle, Steinkohle, Anthrazit und Graphit. Hauptbestandteile der Landpflanzen sind Cellulose und andere polymere Kohlenhydrate. Sie sind die Baustoffe der Pflanzengeriiste. Beim Holz ist die Cellulose von Lignin eingehiillt. Lignine sind Gemische von hochpolymeren verzweigten Produkten aus Koniferyl-, Sinapinund o-Hydroxy-zimtalkohol. Der Ligninanteil von Holz betragt 20% bis 30%. Werden Landpflanzen von Gesteinsschichten uberdeckt und dadurch von der Luftzufuhr ausgeschlossen, setzt der anaerobe Abbau ihrer organischen Substanzen wie Cellulose, Lignin und anderer Biopolymere ein. Es beginnt die Inkohlung, d. h. die Umwandlung der Pflanzenreste zu elementarem Kohlenstoff. Beim Zusammenpressen werden die Pflanzenreste zunachst entwassert und mit Humuskolloiden durchtrankt. Die biochemischen Umwandlungen werden teilweise noch uner aeroben Bedingungen von Bakterien und Pilzen eingeleitet. Die Cellulose wird groatenteils vergoren. Dabei werden Kohlenstoffdioxid und Methan abgespalten. Lignin wird zu Huminsauren umgesetzt. Es entsteht als erste Inkohlungsstufe der faserige Torf. Beim Ubergang vom Torf zur Braunkohle verlieren die Huminsauren einen Teil ihres Wassers. In der Steinkohle sind aus den Huminsauren alkali-unlosliche Humiten* geworden. Steinkohle enthalt keine Carboxy-Gruppen,
haltes verfolgen. Die Anderungen der Stickstoffund Schwefelanteile sind weniger gravierend. Mit zunehmender Inkohlung nimmt der aromatische Anteil in den Inkohlungsprodukten zu. Dieser Anteil kann gut uber die Erzeugung von Mellithsaure* aus Kohle abgeschatzt werden. Sie wird durch vorsichtige Oxidation der aromatischen Bestandteile der Kohle mittels Salpetersaure erhalten. Die Menge der durch Oxidation erhaltenen Mellithsaure kann als MaR fur die Aromateneinheiten in der Kohle angenommen werden; denn ihre Bildung setzt das Vorhandensein von Benzolringen voraus. COOH
COOH Der Gehalt an fliichtigen Bestandteilen in der Kohle wird durch trockenes Erhitzen unter LuftabschluR und Bestimmung des Gewichtsverlustes ermittelt. Der Gehalt an aromatisch strukturierten Kohlenstoffverbindungen nimmt mit dem Inkohlungsgrad standig zu. Bei Flammkohlen betragt er 80% und beim Anthrazit 100%. Braunkohle enthalt noch grohere Anteile von aliphatisch verkniipften Kohlenstoffatomen, z. B.
II
Untcr Humiten werden die in sodaalkalischer Losung nicht loslichen Anteile der Huminsauren zusammengefaflt.
I
I
I
I
I
I
I -C-
I
I
-C-
0
*
I
-c-c-c-c-c--;
*C-OH
mehr. Unter weiterer Abspaltung von Wasser und teilweise auch von Methan und Kohlenstoffdioxid brechen vorhandene Kohlenstoffketten auf und bilden aromatische Ringe, die sich zu immer groReren Ringsystemen vernetzen. Nach vollstandiger Inkohlung ist Anthrazit oder Graphit entstanden. Die letzten Stufen der Inkohlung sind geochemische Prozesse, die bei Temperaturen von bis zu 200°C iiber lange Zeitabschnitte ablaufen. Der Ubergang des Holzes zum Torf, zur Braun- und Steinkohle 1aBt sich unabhangig von den Veranderungen der Molekulstrukturen an der Abnahme des Wassergehaltes, der fluchtigen Bestandteile, des Wasserstoffs und Sauerstoffs und an der Zunahme des Kohlenstoffge-
4 I5
I
Einen Hinweis, welche Verbindungen in Kohlen vorkommen konnen, gibt eine Umrechnung der Prozentanteile in das Atomzahlenverhaltnis der Elemente. Eine hochwertige Steinkohle, die Fettkohle, enthalt danach: 1000 C-Atome 680 H-Atome 32 0-Atome 18 N-Atome 4 S-Atome *
me1 (lat.) - Honig, der Name Mellithsaure leitet sich von dem Ausdruck Honigstein ab. Mellit ist das Aluminiumsalz der Mellithsaure. Honigstein ist eineb der wenigen organischen Mineralien AIC,O,. 9 HZO.Honigstein ist honiggelb und kristallisiert in tetragonaltrapezoedrischen Kristallen. Er ist manchmal in Form von kleinen Kliimpehen in Stein- und Braunkohlelagern anzutreffen. ~
4 16
Ill Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten H
I
H\&
I /c+ H
C\ /H C
I1 /c\ C
I
Benzol C & j C:H=l :1 H
Naphthalin C10H8
C : H = 1,25 : 1 H
H
H
H
H
I
I
I
Anthracen C14H10
C : H = 1,4 : 1 H
H
H
H
I
H\c4c\C/H
I
II
H\C/C,,C/C\C,H
I
II
C H/
C
\c4
I
\ C&C\
C : H = 1,6 : 1 H
II
*
H/ C
Pyren C16H10
II C
# \
C
I
H
H
Coronen C24H12 C:H=2:1
Abb. 111-109. Kohlenstoff-Wasserstoff-Verhlltniskondensierter aromatischer Kohlenwasserstoffe.
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle
417
Abb. 111-110. Beispiele von aromatischen Verbindungen, die aus Kohle extrahiert werden konnen.
Ein solch hoher Anteil C-Atome bezogen auf H-Atome ist in der organischen Chemie nur bei aromatischen Verbindungen anzutreffen. Zum Beispiel: C:H Benzol Napththalin Anthracen Pyren Coronen
C6H6 C,& CI4HlO C16H10 C24H I 2
1,oo: 1 1.25 : 1 1,40: 1 1,60: 1 1,oo: 1
Die zweidimensional gezeichneten Strukturformeln verdeutlichen diese Zusammenhange und geben Hinweise auf die Graphitstruktur der Kohle (Abb. 111-109 und -110). Chemisch gesehen kann die Inkohlung des Holzes uber Torf, Braun- und Steinkohle, Anthrazit zum Graphit als eine kontinuierlich fortschreitende Diagenese* betrachtet werden. Unter Diagenese ist die Verfestigung lockerer Sedimente zu Festgesteinen zu verstehen. Bei der
*
genesis (grch.) - Entstehung, Entwicklung.
Diagenese von Pflanzenresten zu Torf und Kohle wirken noch Mikroorganismen mit. Sie wird dann als Fossilisation* bezeichnet. Die Bildung von Torf, Braunkohle und Steinkohle sind vollig voneinander unabhiingig ablaufende Prozesse. Nicht das Pflanzenmaterial und der Zeitfaktor wiihrend der Fossilisation bestimmen, ob sich Braunkohle oder Steinkohle bzw. Anthrazit bilden, sondern die Art der biochemischen Reaktionen. Steinkohle entsteht in der Regel dann, wenn die biochemische Phase durch anaerobe Abbaureaktionen eingeleitet wird. Die Braunkohlenbildung ist in der ersten Phase auf aerobe, d. h. oxidative Abbaureaktionen zuriickzufuhren. Die sich anschlieknden, aber auch uberlappenden und parallel abspielenden geochemischen und geomechanischen Reaktionen geben den Kohlenarten die fur sie typische Struktur, Festigkeit und das Aussehen: - Porenwasser mit den darin gelosten Stoffen, - Mikroorganismen, *
fnssilis (lat.) - ausgegraben; Fossil ist der versteinerte Rest eines Lebewesens der erdgeschichtlichten Vergangenheit. Fossilisation ist der Vorgang der Versteinerung.
4 18
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von cheinischen Grundprodukten
Entstehung einer Geosynklinalen: Vor der Senkung
Nach der Senkung
L herausgefaltete Schwelle
Geosynklinale (Senkungstrog)
Druck (vcrursacht durch die Gesteinsschichten), Temperatur (abhangig von der geothermischen Tiefenstufe)* und Zeit sind die Faktoren, die das Endprodukt einer Fossilisation bzw. Inkohlung maljgeblich beeintlussen. Einer Torf- und Kohleentstehung geht immer ein Absinken dcs Festlandes voraus, wobei der Grundwasserspiegel ansteigt und so eine Sumpfund Moorlandschaft entsteht, in der dann die vorhin erlauterten biochemischen Umwandlungen stattfinden. Torfbildung findet auch in unserer Gegenwart standig statt. Die Entstehungszeit der heute abgebauten Torflager reicht bis zu 1 Mio Jahre in das Diluvium, das Quartar unserer Erdgeschichte, zuriick. Irland ist fur seine reichhaltigen Torflager bekannt; sie liefern einen wesentlichen Primarenergieanteil zur Erzeugung von Elektrizitat (s. Tab. 111-7). Braunkohlelager haben sich im Ubergang von der Kreideformation zum Tertiar vor ca. 80 Mio Jahren, vor allem aber im Tertiar selbst vor ca. 4&50 Mio Jahren gebildet. Zu dieser Zeit wurde die Norddeutsche Senkungszone bis zur Mittelgebirgsschwelle nochmals uberflutet. Nachdem sich das Meer auf das heutige Nordseegebiet zuriickgezogen hatte, entstanden in dem sumpfigen Festlandbecken die rheinischen, mitteldeutschen, hessischen und bohmischen Braunkohlcreviere. Die aufeinanderfolgenden bis zu 100 m machtigen FloLe verdanken ihre Entstehung dem stetigen langsamen Absinken dcr Norddeutschen Tiefebene. Die Waldflora dieser Zeit bestand aus Palmen, Nadel- und Laubbaumen. Die Phase der Umwandlung von Pflanzenresten in Steinkohle erstreckte sich uber fast 100 Mio Jahre. Sie begann im oberen Devon und reichte bis in den Perm. Die produktivste Zeit der
*
Gcathcnnischc Tiefenrtufe ist die Tiefe mni Erdinnern, bei der sich die Temperatur um 1 "C erhiiht, irn oberen Teil des Erdmantels rind dies ca. 30 in-35 rn.
Abb. 111-111. Entstehung der
Geosynklinalen.
Steinkohlebildung aber war das Karbon vor 300 Mio Jahren, das nach der .,Kohle" benannt wurde. Die Flora des Karbon ist durch auRerordentliche Wachstumsiippigkeit und Individuenreichtum gckcnnzeichnet. Reste dieser Pflanzen werden in den Steinkohleflozen als Abdriicke und Fossilien in groRer Menge gefunden. Sie legen Zeugnis ab von den optimalen Vegetationsbedingungen dieser Erdfoniiation. Leitformen der pflanzlichen Fossilien aus dieser Zeit sind Schuppenbaume, Schachtelhalme mit Durchmessern bis zu 1 m, Siegelbaume als baumartige Barlappgewachse, Fame und viele andere mehr. Sic gehiircn allc schon den samentragenden Blutenptlanzcn an. Das Karbon war eine tektonisch sehr unruhige Zeit. Das Bild der Erdoberfliiche anderte sich durch tektonische Verjnderungen vdlig. Intensive Vulkantatigkeit, Uberfluten von Landmassen, Senkenbildung und Gebirgsfaltung sind einige der Kennzeichen. Es entstand die mitteleuropaische Geosynklinale. Darunter werden Senkungstroge in labilen Erdzonen verstanden. Solche Senkungstroge sind oft uber 1000 km lang und 100 km breit. Mit der Senkung ist eine Herausfaltung dcr Nachbarzonen verbunden (Abb. 111-1 11). Tropisch-feuchtwarmes Klima auf der niederschlagsreichen Nordwestflanke des Gebirges in Mitteleuropa schafften optimale Bedingungen fur cine iipplge Flora. In dem Ubergangsmilieu vom Festland zum Meer kam es in mehreren Zyklen abwechselnd zu uppigem Pflanzenwuchs bzw. Ausbreiten von groRen Waldern und Uberfluten und Uberschichten durch Meerwasser bzw. Sedimenten. Die entstandenen Moore und Siimpfe standen am Anfang einer Inkohlung zur Steinkohle. Im Zeitabschnitt des Westfals im Oberkarbon entstanden im Ruhrgebiet die zahlreichen Floze. Aus der gleichen Zeit stammen das oberschlesische Steinkohlebecken und die Lager in Belgien und auf der britischen Insel. Diese Lager konnen alle einem Senkungstrog zugeordnet werden (s. Tab. 111-7).
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle
Die Steinkohlebildung schritt im Laufe der Erdgeschichte von Norden nach Suden auf der Obefflache unserers Erdballs fort. Zeitlich, wie auch von der geographischen Lage her, konnen fiinf Phasen unterschieden werden: - im Oberdevon entstanden reichhaltige Kohleschichten in der Arktis und auf der Biireninsel, - im Unterkarbon auf Spitzbergen, im Gebiet um Moskau und am Ural, - im mittleren Westfal des Oberkarbon in Europa und den USA, - im Stefan des Oberkarbon und bis in den Perm in Sibirien und China, - am Ende der Karbonzeit in Vorderindien, Siidafrika und Australien. In der westfalischen Vortiefe lagern in Gesteinsschichten bis zu 5000 m Tiefe mehr als 40 iibereinandeliegende abbauwiirdige Floze mit 250 Mrd t Steinkohle. Im Donezbecken der Ukraine erreichen die Kohlefloze enthaltenden Erdschichten Machtigkeiten bis zu 8000 m.
419
Theorie der Plattentektonik Es fallt auf, daR auf allen Kontinenten die altesten Steinkohlelager im Norden liegen und die spateren in immer siidlicheren Regionen entstanden sind. Eine E r k l b n g gab die erstmals von Alfred Wegener* vertretene Kontinentalverschiebungstheorie. Sie beruhte auf zahlreichen Beobachtungen und geophysikalischen Messungen und lieferte die Voraussetzungen fur die heute wissenschaftlich gesicherte und noch umfassendere Theorie der Plattentektonik. Diese besagt, dalj die auI3ere Schale der Erde aus wenigen groBen und rnehreren kleinen Litosphiirenplatten besteht, die sich langsam aber stetig gegeneinander verschieben und auf denen die Kontinente mitdriften. Heute weiB man, daB sich wiihrend des Palaozoikums (Tab. 111-7) die Appalachen im Osten Nordamerikas ununterbrochen uber Irland und Schottland bis in die Hochgebirge Skandinaviens fortgesetzt haben. Die Abbildung 111-112 veranschaulicht die Lage der Kontinente wiihrend der Karbonzeit. Scheinbar unregelmaljig geformte Kontinental-
Abb. 111-112. Die Lage der Kontinente wahrend des Karbon.
*
Wegener, Alfred ( I 88Cb-1930).dtsch. Geophysiker u. Meteorologe.
Zeitalter
Z = 155 Mio
D = 25 Mio
Z = 130 Mio
D = 30Mio
D = 40 Mio
D = 35 Mio Z = 60 Mio
Z = 25 Mio
Z = 1 Mio
Z=Jahre vor de Jetztzeit (etwa) D = Zeitdauer (etwa) Z = 8000 J.
lura
(reide
rertiiir
Zuartar
Zeitibschnitte (Formationen)
Keuper
oder Lias
{ brauner Jura oder Dogger { schwarzer Jura
Wealden
Gault
i Oligozan Eozan Palaozan
weil3er Jura i oder Malm
Obere Trim
Oberer Iuru Minlerer htru Unrerer Iuru
Alltertiar
Pleivroziin (Diluvium)
Holozin (Alluvium)
Abteilungen und Stufen
I
Verschwinden der baumformigen Sporenpflanzen
Erstes Auftreren der hiiheren Sau- I getiere (urspriinglichste RaubRuckgang der und Huftiere) Nacktsamer Zahlreiche Knochenfische. Aussterben der riesigen Reptilien (Dinosaurier). zahntragender Vogel. Ammoniten und BeErscheinen der lemniten. Viele Schwamme, Bedeckrsunier Echiniden und Muscheln (Inoceramen) Bliitezeit der Ammoniten. Belemniten, Kriechtiere auf dem Bliitezeit der ZyLand (Saurier). Dinosaurier kadeen, Ginkgound Nadelbaume im Wasser (Nacktsamer) Erste V ~ g eund l Flugsaurier
Wechsel von Festland- und Ersteprimitive Suirger (Beuteltiere) Meeresablagerungen bei meist warmem Klima Knochenfische und Dinosaurier
Vorwiegend Ablagerungen des Meeres Schwacher Vulkanismus
Beginn von Meerestransgressionen. Bildung von Steinkohlenflozen (Deister)
Weltweite Meeresriickzuge und Uberflutungen. Bildung der Schreibkreide
~
--I-
I
Geschichte der Erde und des Lebens Entwicklung der Pflanzenwelt Tierwelt- und MenschheitsWichtigste erdgeschichtliche Vorgange entwicklung Letzte Ausgestaltung der ErdHerrschaft des Kulfurnienschen Heutige Heutige Tierwelt (Haustiere) Pflanzenwelt. oberflache Bildung von GesteinsablagerunKulturpflanzen gen in FluBtalern und Meeren I Vulkanismus Kaltesteppe im Vereisung Norddeutschlands in Resre des Menschen (Vormehreren VorstoBen mit ZwiWechsel mit iipmensch, Neandertaler), groBe scheneiszeiten. Eiszeitliche Sauger (Mammut, Nashorn. pigem PflanzenRiesenhirsch. Moschusochse, Ablagerungen. LoBbildungen wuchs Schwacher Vulkanismus Rentier, Raubtiere) Vor- u. Zuriickweichen des Meeres. Bildung Erscheinen des primitwen Menvon Braunkohlenfloschen. Herrschufr der Siiuger Zen. Starker Vulka- Alpi(groBe Riisseltiere und Raub- Starke Entwicknismus. Diahas. Tro- dische lung der dikorvtiere) und echrer VOgel. Insekpisches. spater kalter Fallen Loribharime ten, Uruffen. Uberwiegen von werdendes Klima. rung Muscheln, Schnecken, ForaHerausbildung der miniferen, Aussterben von heutigen KontiAmmoniten und Belemniten nente, Klimazonen, -floren und -faunen
v
3
a
-
D = 580 Mio
2 = 520 Mio
D= = 440 80Mio
12 = 1OOOMio
I
I
I
Algonlkium
I
I
1
Si,ur
D = 20Mio Z = 360 Mio
Karbon
Devon
I
I
(:::it
{ EE:zne
Mittelkumbrium
Oberkambriurn )
Untersilur
Obersilur (Gotlandium)
Mitreldeuon
Oberdevon
Unterkarbon Dinant
Oberkarbon rG$Fal {Namur
1
Algonkium
Oberes Algonkium Unteres
Karelium
Jotnium
I Unrerkumbrium )
I
I
I
I
1
Rotliegendes
I Zechstein
l~~~s)
D = 50Mio Z = 340 Mio
Z = 290 Mi0
D = 70Mio
ID = 35 Mio Z = 220 Mio
aus dem SternstadLm
htstehung der Urkonfinente
Varme Meeresablagerungen. aber such vereisungsvorgange
deeresablagerungen
Lraftiger Vulkanismus
deeresablagerungen
I
I
I
I
1
hte 2efabpflan zen Psilophyten)
Crste Landpflanzen (erst blattlose Sporenpflanzen. dann sparliche Belaubung)
Entstehung der Lebewesen in Form 'flunzenspuren von einfachen wirbellosen (Kalkalgen) Meerestteren(Einzeller)
Herrschaft wirbelloser mariner Tiere, insbesondere der Drei. h e Pflunzenreste lapper (Trilobiten), Brachioin Form von poden, Mollusken und WiirMeeresalgen mer. Weitere Entwicklung der Lebewelt
Erste Wirbeltiere (Panzerfische). Hauotentwicklune der Trildbiten, Nautileen und Gruptolithen. Riesenkrebse. Ko-rallen, Muscheln
Reiche Meeresfauna. Bliitezeit der Goniatiten. Formenreiche Aeeres- und Festlandbildungen. Knorpelfische (Panzerfische, Vulkanische Tatigkeit Schmelzschupper u.a.) Aussterben derGraptolithen
Linnenmeerbildungen mit mach- I Brachiouoden. eanoide Fische k t e s Erscheinen tigen Salzlagernin trockenem der Samenpflanund Reptilien Bliitezeit d. Arnphibiengruppe d. Klima Zen und Bluren4blagerungen eines WiistenPanzerlurche (Stegozephalen) pflanzen (Ginkgo) klirnas. Starker Vulkanismus Aussterben der Trilobiten Varislildung von SteinErste Reprilien und gefliigelte Craftige Entwicklung der Pterido kohlenflozen auf zische Insekten (Urlibellen) Hauptentwicklung der Crinophyten (Fame, dem Festlande Fulrung in iden, Reichturn an BrachioBarlapp-.Schach poden und Goniatiten. Foratelhalmgewachse AeeresiiberflutunMittelgen und -absatze europu rniniferen, Muscheln (auch und Gymnonichtrnarine Muscheln) spermen) 3
c
N
09
422
111 Produktionsverfahrenzur Herstellung von chemischen Grundprodukten
platten fiigen sich in dieser Anordnung fast liickenlos ineinander. Klimazeugnisse und fossile Pflanzenreste aus der Karbonzeit bilden uber die heutigen Kontinente hinweg einheitliche Giirtel. Eismassen entstanden in Polniihe, Salzlager haben ihren Ursprung in den ariden Subtropen, und Kohlelager bildeten sich in Gebieten mit optimalen Wachstumsbedingungen, z. B. feuchtem und warmem Klima. Die Klimazonen vor ca. 300 Mio Jahren unterscheiden sich kaum von den heutigen. Nur die Lage der Kontinente zueinander und ihre Verteilung auf der Erdoberflache ist heute anders.
Kohlenwasserstoffe
Erdgas Erdgas ist ein Begleitprodukt der Erdol- und Kohlebildung. Umwandlungsprozesse von Plankton oder Pflanzenresten, die ausschliel3lich zum Erdgas gefuhrt haben, sind bisher nicht bekannt. In den Kohlegruben ist es als Grubengas gefiirchtet. Die riesigen Abfackelflammen in den Erdolfordergebieten zeugen davon, daB die zu den Aliphaten fiihrenden Umwandlungsreaktionen von einer Methan- und in geringem MaBe auch von einer Ethanabspaltung begleitet sind.
Erdgas I Erdolbildung
I*
AG = - 98,8
N
111
0 c
+
aktivierte Essigsaure
-2 b
6 C
IV
N
II
J-
I
II
8
3 t
+
0 C
N
Inkohlung/Carbonisation
Kohlenstoff (Grs lit)
I
-1
Cellulose, Starke
I
AG = - 503,5
6 C
N
+
f
0
i?
c
N
. m
0
I II
I
I
V
J- 8 0” 0
1’
8
VI
t
N
Kohlenstoff
I
Photosynthese
b
Glucose
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle
423
Erlauterungen zu Abb. 111-1 13*: Eine vereinfachte theoretische Stoff- und Energiebilanz von der Photosynthese zur Kohle-, Erdol- und Erdgasbildung
I.
Polymerisation der Glucose zu Starke bzw. Cellulose
-
Glucose
n C6H6(OH)6
Polyglucose
Wasser
[C,H,(OH),]
+
n H-OH
(AG=-3,l kJ/mol Glucoseeinheit)
11. Abbau der Polyglucose (Starke/Cellulose) zur aktivierten Essigsaure. Dies ist ein mehrstufiger anaerober und aerober ProzeS. Polyglucose
Sauerstoff
[C,H,(OH),].+ 2 n 0
2
-
Ewgsaure
Kohlen\toff- Wasser dioxid
+ 2 n CO2 +
2 YI H,C-COOH
n H-OH (AG=-l137 kJ/mol Glucoseeinheit)
111. Decarboxylierung organischer Sauren zu Kohlenwasserstoff (Erdol),am Beispiel der Essigsaure Essigsaure
2 n H,C-COOH
-
Methan
2nCH,
Kohlenstoffdiox~d
+ 2nC0, (AG =-98,8 kJ/mol Glucoseeinheit)
IV. Carbonisation von Kohlenwasserstoffen zu Kohle Methan
2nCH4
Sauerstoff
+ 2n02
-
Graphit
2nC
Wasser
+
4nH-OH (AG =-847,3 kJ/mol Glucoseeinheit)
V. Oxidation (Verbrennung) von Kohlenstoff zu Kohlenstoffdioxid 2nC 2 n O2 2nC0, (AG =-790,4 kJ/mol Glucoseeinheit) GI. I-V:
n C,H,(OH),
+ 6 n O2
6 n 0 2 + 6nH-OH (AG=-2876,6 kJ/mol Glucoseeinheit)
VI. In Umkehrung des Glucoseabbaus uber die Kohle-, Erdol- und Erdgasbildung und der Abbau zum Kohlenstoffdioxid konnen durch Photosynthese aus dem Kohlenstoffdioxid wieder die energiereichen Polyglucoseprodukte aufgebaut werden. Kohlenstoffdioxid
6nC0,
Wasser
+ I2nH-OH
-
Glucose
Die Zusammensetzung des Erdgases ist sehr unterschiedlich. Es gibt Lagerstatten, in denen das Erdgas nur aus Methan besteht. Haufig enthalt es auBer Methan, CH4, auch Ethan, H3C-CH3, Stickstoff, N2, Kohlenstoffdioxid, COz, und Schwefelwasserstoff, H,S.
*
Wasser
Sauerstoff
nC6H6(OH)6 + 6nH-OH + 6 n 0 2 (AG= +2876,6 kJ/mol Glucoseeinheit)
Verwendete freie BildungsenthalpiewerteA,G",,, [kJ/mol] Wasser, HOH -231,20 Kohlenstoffdioxid, C02 -395,20 Methan, CH, - 50,75 Essigsaure (aq), H,C-COOH -396,56 Glucose, C,H,(OH), -917,21 Cellulose/Starke, LC&(OW,In -648,OO bezogen auf 1 Glucoseeinheit
Das sogenannte Erdolgas, das in Begleitung des Erdols auftritt, enthalt neben Methan haufig Ethan, Propan, Butan und auch Pentan, die sich durch Verfliissigung von Methan leicht abtrennen lassen. In Sumpfgebieten werden als Abbauprodukte bei der anaeroben Zersetzung von Pflanzenmaterial merkliche Methan- und Kohlenstoffdioxidentwicklungen, auch Sumpfgas genannt, beobachtet. Die Zersetzung von Cellulose unter LuftabschluS kann durch folgende Bruttoreaktionsgleichung beschrieben werden (Abb. ITI- 1 13).
424
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprndukten
Ccllulosc/Stlrke
Was\er
[Cds(OH),I,, +
t 1H20
Mcthan +
3 12 CH,
Kohlenatoffdioxid
+ 3 n CO,
(AH=417
kJlmol)
Methan ist ein farb- und geruchloses Gas. Unter Atmospharendruck siedet es bei -161,7 "C.Zur Verflussigung wird es auf diese Temperatur tiefgekuhlt und dann als Massengut in Spezialtankern verschifft. Kohle, Erdol und Erdgas sind fur die immer noch zunehmende Weltbevolkerung die wichtigsten Energiequellen. Aus ihnen wird die i n Form von chemischer Energie gespeicherte Sonnenenergie aktiviert und fur technische Zwecke in Warme, Bewegung oder elektrischen Strom uberfuhrt.
Kohlenhydrate und Glucose Die chemische Energie der nachwachsenden Rohstoffe wird als physiologische Energie fur Nahrung und Stoffwechselprozesse genutzt. Die Menge der energiehaltigen Rohstoffe zur Erzeugung der physiologischen Energie, d. h. fur die Ernlhrung des Menschen, und die zur Erzcugung der technischen Energie sind nahezu gleich groa. Die Kohlenhydrate des Getreides, der Kartoffel (Wurzelfriichte), des Zuckers, die Proteine der Hulsenfriichte, Sojabohnen und Fleisches enthalten ebenso wie die fossilen Rohstoffe das Kohlenstoffatom als wesentliches Bauelement. Ohne Kohlenstoff ist die Bildung von Biomasse, d. h. die Existenz des Lebens auf dem Planeten Erde nicht denkbar. Von gleicher Bedeutung sind allerdings der Stickstoff mit Ammoniak, NH,, als Schlusselverbindung und der Phosphor in Phosphatform PO,'-. Das uber die Photosynthese erhaltene Glucosemolekul ist eine Schlusselverbindung (key product), aus der in der Natur durch biochemische Variation zahlreiche Werk- und Wirkstoffe aufgebaut werden (Tab. 111-10). Die Bildung von Urorganismen, den Eobianten, vor mehr als 3,6 Mrd Jahren wahrend der Erdurzeit, dem Proterozoikum, ware ohne Vorhandensein des Kohlenstoffs in Form von Kohlenstoffdioxid nicht moglich gewesen. Als Wasserstofflieferant zum Aufbau der Kohlenhydrate dienten zu jener Zeit Ammoniak, NH,, Methan, CH,, und Schwefelwasserstoff, H2S. Ammoniak lieferte auch den Stickstoff zum Aufbau von Aminosauren. Phosphate bzw. Phosphorsaure, H,PO,, waren notwendig, um die Nukleinsauren aufzubauen.
Mit dem Wasser als Lose- und Transportmittel und der Sonnenenergie waren damit alle Voraussetzungen gegeben, um splter die Biopolymere, Kohlenhydrate, EiweiR und Nukleinsauren zu bilden. Das Wasser ubernahm die Rolle des Wasserstofflieferanten fur die Hydrierung des Kohlenstoffdioxids Lichtenergie
2876 kJ
Wasser
Kohlenstoffdioxid
+ 6 H20 + 6 C02
-
Glucose
Sauerstoff
C,H,(OH), + 6 O2
Davor ubte Wasser bzw. die Wasserdampfhiille vor allem eine Schutzfunktion gegenuber einer zu starken UV-Strahlung der Sonne aus, da sich zu dieser Zeit noch keine Sauerstoffatmosphare im heutigen Sinne ausgebildet hatte. Elementarer Sauerstoff fur Lebensvorglnge gewann, gemessen an den Spannen des Erdzeitalters, erst vie1 spater grol3e Bedeutung. Die heute noch ablaufenden anaeroben Stoffwechselprozesse der Mikroorganismen entstanden dagegen schon in den ersten Stadien der Lebensentwicklung.
13.1.2 Vorkommen Die fossilen kohlenstoffhaltigen Rohstoffe* kommen in einer solch konzentrierten Ansammlung vor, daB sie seit fast zwei Jahrhunderten groRindustriell abgebaut werden. Die Ausnutzung dieser Rohstoffe als Primarenergiequellen ist Grundlage und Ausgangspunkt fur die sturmische technologische Entwicklung der heutigen lndustrienationen gewesen. Eine ausreichende Versorgung mit Erdgas, Erdol und Kohle ist gegenwartig zu einem wirtschaftspolitischen Problem ersten Ranges geworden. Seit dem letzten Jahrzehnt werden die Machtpositionen in den weltweiten politischen Auseinandersetzungen von dem Zugang oder dem Zurverfugungstehen fossiler Lagerstatten entscheidend beeinfluat. Die Verteilung der fossilen Rohstoffvorkommen in der Welt zeigen die Grafiken in Abb. 111-1 15. Die sicher gewinnbaren Erdgasresewen der Welt werden auf 145596 Milliarden Kubiknieter geschatzt. Mehr als zwei Drittel sind in der GUS und in1 Mittleren Osten konzentriert. Zu Beginn des Jahres 1998 wurden die sicher gewinnbaren Erdol- und Kondensat-Reserven der Welt auf rund 140 Milliarden Tonnen veranschlagt. Van diesen Reserven befinden sich mehr
*
Sicmcns AG Hrsg. (1992). Standpunkt 5 ( I ) Berlin und Munchen.
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle I I 1
a
Rohalleitungen Produktenleitungen Rohol verarbeitende Raffinerien (1 KMchen entspricht 1 Mio. Tonnen JahresdurchsatzkapaziUt)
0
Ehemalige Raffinerid stillgelegte Rohalverarbeitung
von
Stand: 31.12.1999
TAL von Triest
Abb. 111-114. Erdolpipelines,Raffinerien und ihre Standorte in Deutschland.
425
426
111 Produktionsverfahrcn zur Herstcllung von chemischcn Grundprodukten
als drri Virrrel i n den OPEC-kindern. Davon ist wiederum niehr (11sdie Hiilfte in h i Stiicrteri wir Saudi-Arabien, Irak, Kuwait und lrmi konwitriert. Die 24 westlichen OECD-Stanten (von Australien bis USA) verfugen nur iiber finf Prozetit der Gesamtreserven, Die Kvhlevorkommen sind weltweit breiter gestreut und dwnit krisrnsicherer als Erdd und Erdgcis. Quelle: Deutsche Shell AG, Gcscrmtverbnnd des dcutschen Sreinkohlenher~baus
recht dunn. Bei einer Jahresforderung von iiber 303 Mio t reichen die Polster in Hohe von knapp 6,6 Mrd t auch nicht mehr lange. Bei den Reserven handelt es sich um Mengen, die sich unter den derzeitigen okonomischen und technischen Bedingungen aus bekannten Lagerstatten sicher fordern lassen. Daneben kennen die Geologen noch unbestatigte Reserven. die sich entweder mit hoher Wahrscheinlich-
c
GUS 5.6 it [China 2.3
An Erdol-, Erdgas- und Kohlereserven, die weltweit mobilisiert werden konnen, herrscht kein Mangel. Eher an den richtigen Rahmenbedingungen, die den internationalen Kapitalgebern das Vertrauen geben, ihre Mittel zur Erschliel3ung von Ressourcen zur Vcrfiigung zu stellen.
Naher Osten , ' W7 u \ , ' - A u ? . t r a l i e n
Erdolreserven Die sicher gewinnbaren Erdolreserven der Welt belaufen sich auf etwa 140 Mrd t. Bei dem derzeitigen Forderniveau von iiber 3,6 Mrd t pro Jahr reichen sie rechnerisch gesehen bis weit in die Mitte dieses Jahrhunderts. Der Mittlere Osten verfugt uber Olvorkommen wie keine andere Region der Welt; dort liegen zwei Drittel aller sicher gewinnbaren Reserven. Im Gegensatz dazu betragt der Anteil des gesamten Mittleren Ostens an der Weltforderung nur gut ein Viertel. Theoretisch reichen dort die Vorrate bei dem derzeitigen Forderungsumfang etwa 110 Jahre. Ganzlich umgekehrt ist die Situation in Nordamerika, wo iiber 402 Mio t pro Jahr gewonnen werden, aber nur ca. 3 Mrd t unberiihrt in den unteren Stockwerken der Erde liegen, die gerade noch fur knapp Lehn Jahre reichen. Auch in der GUS, der Nr. 3 unter den ForderIandern, sind die sicher gewinnbaren Reserven 215*7
0,3
Ferner Osten 1.5
Abb. 111-115a. Verteilung der Erdolvorkommen in Prozent, Gesanitmenge 140 Mrd t 1998.* Europa 3,6
\
Afrika 7,O
Mittel- u
GUS 38.3
Ferner Osten 5.1
y
a
h
e
r Osten 34,O
Abb. 111-115b. Verteilung der Erdgasvorkommen in Prozent, Gesamtmenge 145 600 Mrd Nm' 1998.*
192,3
94'6
633
61,4
40,g
31,7
,8,5
000000000 Nordarnerika
GUS
VR China
Ferner Osten
Australien
Afrika
EU-I5
Ost- Mittel-l europa Sudarn.
Abb. 115 c. Verteilung der Steinkohlevorkommen in Prozent, Gesasmtmenge 799.8 Mrd t SKE.*
*
Quelle: Stcinkohle Jahresbericht 1999, Hrsg. Gesarntverband des deutschen Steinkohlebergbaus, Essen.
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle
keit oder aber nur rnit geringer Wahrscheinlichkeit aus bereits identifizierten Lagerstatten ausbeuten lassen. Femer gibt es wirtschaftlich nutzbare Vorkommen, die noch nicht entdeckt worden sind, deren Existenz die Geologen jedoch fur mehr oder weniger wahrscheinlich halten und die sich eventuell wirtschaftlich nutzen lassen (Abb. 111- 1 15).
GroBere Ausbeute der Lagerstiitten Dartiber hinaus ist in der Reservenschatzung noch Spielraum nach oben, wenn die mittlere Ausbeute der Vorkommen - in der Regel werden nur etwas mehr als 30 % des in einer Lagerstatte vorhandenen 01s gefordert - durch technologisch aufwendige und kostenintensive Fordertechniken gesteigert wird. Schatzungen zufolge liegt das Explorationspotential fur neue Erdollagerstatten bei gut 67 Mrd t. Ein Drittel des weltweiten Potentials wird den fur die Versorgung Deutschlands so wichtigen GUS zugeordnet. Neben den konventionellen Erdollagerstiitten gibt es noch riesige, nahezu unerschopfliche Vorkommen an Teersanden, Schwerolen und 01schiefer, aus denen sich ebenfalls 01 gewinnen laat. Grobe Schatzungen iiber die Reichweite der (sicheren) Erdolreserven, in denen die Menge des noch im Untergrund befindlichen 01s durch die jeweilige Jahresforderung dividiert wird, fiihren imrner wieder zu falschen Bildem. Friiheren Berechnungen zufolge hatten die Erdolreserven schon mehrfach aufgebraucht sein miissen. So hiel3 es beispielsweise im Jahr 1955, daB bei der Produktion 760 Mio t die Reserven fur knapp 35 Jahre ausreichen, also bis Anfang der neunziger Jahre. Tatsachlich wurde zu Beginn der neunziger Jahre ein Reserven-Rekordniveau konstatiert - obgleich die Forderung mittlerweile bei iiber 3,s Mrd t pro Jahr liegt. Die Erfahrung hat irnmer wieder gezeigt, daB sich die Surnme der geschatzten Erdolvorrate als Ergebnis der intensiven AufschluBtatigkeiten der Olgesellschaften von Jahr zu Jahr vergroBert.
Erdgasreserven Die sicher gewinnbaren Erdgasreserven der Welt steigen seit den funfziger Jahren schneller als die Forderung. Das gesamte Volumen wird auf 145596 Mrd Kubikmeter geschatzt (40 GJ/m3). Damit kann das heutige Forderniveau von 2324,6 Mrd Kubikmetem mehr als 62 Jahre durchgehal-
427
ten werden. Mehr als zwei Drittel der Reserven sind in den GUS und im Mittleren Osten konzentriert. Die GUS ist rnit einem Polster von 48 110 Mrd Kubikmetem das erdgasreichste Land der Welt. Die GUS weisen mit 43 % auch das hochste Erdgas-Explorationspotential auf. Die kiinftige Exploration auf Erdgas wird sich schwerpunktmaBig auf die Gebiete konzentrieren, in denen neu entdeckte Erdgaslagerstatten auch nahgelegene M2rkte versorgen konnen (Nordamerika, Europa, GUS) (Abb. 111-1 15 b). Etwa ein Drittel des Erdgasvolumens wurde durch Pipelines transportiert, der Rest als LNG (Flussiggas) mit Tankschiffen (Abb. 111-1 16 und -1 17). Westeuropas gasreichstes Erdol- und Erdgasrevier ist die Nordsee.
Kohlereserven Die groRte Reichweite unter allen fossilen Energietragem hat rnit Abstand die Steinkohle. Die wirtschaftlich gewinnbaren Reserven betragen nach Angaben des Gesamtverbandes des deutschen Steinkohlenbergbaus, der als Quelle Schatzungen des Weltenergierats angibt, rund 800Mrd t SKE. Bei heutigem Verbrauch errechnet sich daraus eine theoretische Reichweite von fast 240 Jahren. An der Spitze der Lander mit den grol3ten Steinkohlevorraten stehen die USA und China (Abb. 111-115c). Die wirtschaftlich abbaubaren Braunkohlevorrate belaufen sich nach Zahlen der Rheinbraun AG auf 523 Mrd t. Das entspricht dem Energieinhalt von 174 Mrd t SKE. Daran halten die USA und die GUS rnit rund 50 % den groBten Anteil. Erhebliche Mengen der Welt-Braunkohlevorrate lagem in infrastrukturell wenig oder unzureichend erschlossenen Gebieten, wodurch ihre wirtschaftliche Nutzungsmoglichkeiten stark eingeschrankt sind. Deutschland ist mit Braunkohle reich gesegnet. Die Vorkommen in der Region zwischen Koln und Aachen werden auf 35,2 Mrd t geschatzt, und die in Mitteldeutschland im Mansfelder Land, in der Lausitz und im GroBraum Hallebeipzig werden mit 21 Mrd t angegeben. In Deutschland wird die Braunkohle im Tagebau gefordert.
Weltbevolkerung und Energiebedarf Auf der Welt wurden 1999 ca. 6 Mrd Menschen geziihlt. Ihr Energieverbrauch in Form von Koh-
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle
429
.-.----.-.
-
Opipeline lertiggestelfi
fettiggesteln ------- Gaspipeline Opipeline gepbnt e.
Abb. 111-117. Erdol- und Erdgasquellen in der Nordsee.
Gaspipeline geplant Gassarnrnelleiiungengeplanl
430
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Weltenargleverbrauch Mid t SKE
Abb. 111-118. Zusammenhang zwischen Weltbeviilkerungszunahme und Energiebedarf. Weltenergieverbrauch Mid t SKE
Abb. 111-119. Prognose iiber den Weltenergieverbrauch.
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle
43 1
Abb. 111-120. Energieverbrauch in Deutschland in Mio t SKE. Primarenergiebedarfin Deutschland Nach den USA, China, GUS und Japan ist Deutschland der fiinftgroflte Energiemarkt der Welt. Der Wirkungsgrad der Energieausnutzung 1st in Deutschland sehr hoch. Zur Erzeugung eines vergleichbaren Bruttoinlandproduktes von DEM 1000 ist in Deutschland nur etwas halb so vie1 Energie aufzuwenden wie im weltweiten Durchschnitt. Bei einem realen Wirtschaftswachsturn um 50 % bis zum Jahre 2020 wird ein um 5 % ge-
13.2 Vergleich zwischen Erdol und Kohle als Rohstoffe fur die Chemie
23 000
Steinkohle
ringer Energieaufwand vorausgesagt, namlich nur 471 Mio t SKE (Abb. 111-120). Deutschland mu13 heute schon 60% seines Energiebedarfs importieren; bei steigender Tendenz wird eine Importrate bis zu 75 % prognostiziert. Vor allem Erdol und Erdgas mussen importiert werden, da es von diesen Rohstoffen keine nennenswerten Vorrate im Land gibt (Abb. 111-121).
Braunkohle
Erdgas
Erddl
Abb. 111-121. Nutzbare Vorrate in Deutschland in Mio t SKE.
Die Ende der dreiBiger Jahre dieses Jahrhunderts entdeckten Erdolvorrate am Persischen Golf konnten sehr kostengunstig gefordert werden. Sie leiteten einen harten Konkurrenzkampf gegenuber der Kohle auf dem Energiesektor ein. Diese Konkurrenzsituation verscharfte sich nach dem 2. Weltkrieg mit dem Fundigwerden weiterer Erdolquellen, vor allem in den nordafrikanischen Mittelmeerlandern. Nicht nur als Energietrager verdrangte das Erdol die Kohle, sondern auch als begehrter Rohstoff fur die chemische Industrie. Das Erdol ist ein Gemisch aus Kohlenwasserstoffen, deren
432
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Ketten aus Methylengruppen (-CH,-) aufgebaut sind. Die Kohlenwasserstoffe liefern die interessanten Primarchemikalien fur weitere Folgeprodukte (Abb. 111-122). Dagegen mu8 eine chemische Industrie, die auf Kohlebasis arbeiten will, Verfahren zur Kohlehydrierung entwickeln, um elementaren Kohlenstoff in Kohlenwasserstoffe umzuwandeln. Dieses erfordert Verfahrensschritte, fur die Energie aufgewendet werden mu8 und die zusatzliche Kosten verursachen. Im Erdol und Erdgas liegt der Kohlenstoff in Kohlenwasserstoffverbindungen vor. Diese Kohlenwasserstoffe sind es, die das Erdol und Erdgas fur die chemische Industrie so interessant und wichtig werden lieBen. Die Kohlenwasserstoffe lassen sich relativ leicht zu einem reaktionsbereiten Zustand aktivieren. Sie sind die Ausgangsverbindungen fur eine Anzahl von groBtechnischen Syntheseverfahren. Nachdem das Erdol in den Raffinerien gereinigt und durch Destillation in verschiedene KohlenwasserstoffFraktionen getrennt worden ist, werden die Primiirchemikalien mittels spezieller petrochemischer Verfahren gewonnen. Man erhalt Produkte wie Ethylen, Acetylen, Propylen und die BTXAromaten (Benzol, Toluol, Xylol), die die Grundlagen fur die Herstellung von Kunststoffen, Synthesefasern, Farbmitteln, Pharmazeutika, waschaktiven Substanzen und vielem anderen mehr bilden.
Nur knapp 10 96 des in der Welt geforderten Erdols und Erdgases werden in der chemischen lndustrie zu wertvollen Nutzprodukten fur die Menschheit verarbeitet. Allerdings spielt die Kohlehydrierung in Sudafrika noch eine groBe Rolle. Dort gibt es keine nennenswerten Erdollager, aber die reichhaltigen Kohlevorkommen lassen sich leicht und kostengunstig abbauen. Die Sasol, Suid Afrikaans Sintetiese OIie Reperk, erzeugt nach der abgewandelten Fischer-Tropsch-Synthese aus Steinkohle Synthesegas, Benzin, Primkchemikalien wie Ethylen, Propylen, Benzol, Toluol, Xylole u. a.
13.3 Chemische Zusammensetzung des Rohols Das Rohol, in dem Hunderte verschiedener organischer Verbindungen nachgewiesen werden konnen, setzt sich im wesentlichen aus gesattigten Kohlenwasserstoffketten zusammen. Daneben enthalt es wechselnde Anteile von schwefel-, sauerstoff- und stickstoffhaltigen Verbindungen. Die Entfernung der schwefelhaltigen organischen Verbindungen ist wichtig, da sie als Verbrennungsprodukte u. a. das korrosionswirksame Schwefeldioxid, SOz, liefern. Man unterscheidet bei der Zusammensetzung des Rohols zwischen
Zwischenprodukte Schmierlile Kraftstoffe
2.8.: &Rzd.Tduol, Xyk4
Endprodukte zB.:mschakiin Substanzen. Kunststotk,~farem. Arzneimittel.Farbminel
Abb. 111-122. Vom Erdol zu chemischen Endprodukten - ein Rohstoffverbund.
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle 1. den paraffinischen Roholen, das sind Rohole
mit mehr als SO% Kohlenwasserstoffen mit gerader und verzweigter Kette im Molekulbau. Die Zusammensetzung dieser Verbindunsich durch die Summenformel gen C,,H2,,+2angeben. Hierbei bedeutet die Anzahl der Kohlenstoffatome,
2. naphthenischen Roholen, das sind Rohole mit cycloaliphatischem Kohlenwasserstoffanteil, z. B.
433
13.4 Destillation des Rohols Die Desfilhtion ist das wichtigste Trennverfahren fur Erdol. Dabei werden die unterschiedlichen Siedepunkte der einzelnen Bestandteile ausgenutzt. Aus Sicherheitsgriinden werden die Apparaturen als Freiluftanlagen emchtet, denn die entstehenden Produkte. Gase oder Fliissigkeiten, sind alle leicht brennbar. Von zentralgn MeBwarten aus wird eine Raffinerieanlage iiber MeB- und Regelsysteme von wenigen Fachkraften kontrolliert und gesteuert. Bei der Destillation unter Normaldruck ist es moglich, alle bis 350°C siedenden Komponenten des Rohols abzutrennen. Danach wird Vakuum angelegt. Die Roholdestillation erfolgt mittels kontinuierlich arbeitender Fraktionierungskolonnen, die mit Glockenboden ausgeriistet sind (Abb. 111-123). Die Glockenboden dienen zur Erhohung des Trenngrades.
3 . gemischtbasischen Roholen. Sie setzen sich aus paraftinischen und naphthenischen Anteilen zusammen. Erdole aus dem mittleren Osten und Nordafrika gehoren zu dieser Gruppe.
,123. Destillationskolonne fur Erdol.
434
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
13.5 Technische Durchfuhrung der Destillation 13.5.1 Theorie Die einfache Destillation ist ein Trennverfahren fur Flussigkeiten, deren Komponenten sich in ihren Siedepunkten stark voneinander unterscheiden. Die Trennung des Flussigkeitsgemisches erfolgt in der Weise, daB die Komponenten in die Gasphase iiberfiihrt und anschlieliend ohne Riicklauf kondensiert werden. Der Anteil der leicht fliichtigen Komponente, d. h. der mit dem niedrigeren Siedepunkt, ist im Destillat groBer als im Anfangsgemisch. Die Rektifikation, auch Gegenstromdestillation genannt, wird zur Trennung von fliissigen Stoffgemischen angewendet, deren Komponenten nur kleine Siedepunktdifferenzen aufweisen. Das Prinzip der Rektifikation beruht auf wiederholtem Verdampfen und Kondensieren der Komponenten. Dazu dienen besondere Rektifizierkolonnen, in denen ein GegenstromprozeB zwischen der aufsteigenden Gasphase und der ablaufenden Flussigkeit der wieder kondensierten Anteile ablauft. Zwischen aufsteigender Gasphase und ablaufender Fliissigkeit erfolgt ein W-eund Stoffaustausch (s. Abschnitte V-2.2 und V-2.3). Fraktionieren bedeutet die stufenweise Zerlegung eines Stoffgemisches in seine einzelnen Bestandteile unter Ausnutzung unterschiedlicher Siedetemperaturen, Loslichkeiten in einem bestimmten Losemittel oder anderer Eigenschaften. Die aufgefangenen abgetrennten Anteile heiBen Fraktionen oder Schnitte. Die bei der fraktionierten Destillation abgetrennten Teilmengen (Fraktionen, Schnitte) sind nicht durch scharfe Siedepunkte, sondern durch Siedebereiche charakterisiert. In der technischen Erdolaufarbeitung ist es iiblich, alle hier genannten Trennvorgange unter dem Begriff Destillieren zusamenzufassen.
13.5.2 Destillationsvorgang Der Destillationsvorgang des Rohols l a t sich in 4 Stufen unterteilen:
1. Vorwarmung des Rohols, 2. Vorgang im Rektifizierteil oder Verstarkerteil der Kolonne, 3. Vorgang in der Abstreifzone, 4. Abnahme der Destillate.
1. Vorwarmung des Rohols In einem Rohrenofen, der aus einem System beheizter Rohren besteht, wird das Rohol auf ca. 300 "C vorgewarmt, teilweise verdampft und in das untere Drittel der Fraktionierkolonne eingespritzt. Auf diese Weise bringt das zu destillierende Gut einen groBen Teil der notwendigen Verdampfungswarme mit.
2. Vorgang im Rektijkierteil bzw. Verstiirkerteil der Kolonne Der bei der Einspritztemperatur verdampfende Teil des Rohols steigt im Verstkkerteil* der Kolonne nach oben. Auf den Destillationsboden, dic rnit zahlreichen Glocken versehen sind, bilden sich Fliissigkeitsschichten. Die nachfolgenden Dampfe mischen sich intensiv mit der Fliissigkeit, und diese reichert sich rnit schwer-siedenden Bestandteilen an. Durch Riickfiihrung eines Teiles des Kopfdestillats (,,RiickfluB") wird ein standiger Flussigkeitsstrom erzeugt, der den Dampfen entgegenstromt. 3. Vorgang in der Abstreifione Die Abstreifzone, auch Abtriebsteil genannt, ist der Kolonnenteil vom RohgemischeinlaB abwiirts. Der nichtfliichtige Anteil des Rohols mischt sich rnit dem Fliissigkeitsstrom aus dem Verstkkerteil und fliel3t iiber die Glockenboden der sogenannten Abstreifzone nach unten. Ein Teil wird in einem zweiten Rohrenofen erhitzt, dabei teilweise verdampft und der Kolonne wieder zugefiihrt. Dadurch finder auch auf den Glockenboden der Abstreifzone ein intensiver Stoff- und Energieaustausch statt. 4. Abnahme der Destillate Die Destillate werden in einer Reihe von Schnitten mit genau definierten Siedebereichen der Fraktionierkolonne entnommen. Sie werden je nach ihrem Siedebereich in unterschiedlicher Hohe der Fraktionierkolonne als Seitenstrome abgezogen. In der Kolonne stellt sich ein stationaires Temperaturgefalle von der Abstreifzone bis zum Kopf ein. Am Kopf der Kolonne wird der Schnitt mit dem niedrigsten Siedebereich, das sogenannte Rohbenzin, abgezogen. Am FuJ der Kolonne flieBt der Destillationsriickstand bei ca. 375°C ab. Er wird uber einen
* Verstarkerteil nennt man den Eintritts des Rohgemisches.
Kolonnenteil oberhalb des
f f Butylacetat
PVC
c
Y
Ethylacetat
I
Polyacrylate Verdickungsmittel, Flockungsmittel als anionische u. kationische Polyelektrolyte
I
Acrylate als Ester und Alkalisalze Butylacrylat
Acrylsaure
3 Isopropylalkohol (Benzinzusatz)
Abb. 111-124. Erdol als Lieferant von Primgrchemikalien.
DMT = Dimethylterephthalat PVC = Polyvinylchlorid MTBE = Methyl-lerle-butylether SRR = Styrol-Butadien-Rubber
Y
Y
Essigsaure
Ethylenoxid f i r nichtion. Tenside
Vinyichlorid
Ethanol
C4-Produkte
+
Butadien
Alkoholische Veresterungskomponente: DMT: MTBE
IH
Erdol (Rohol)
Methyl-tertiarbutylether (MTBE) Zusatz f i r Vergaserkraftstoff
n- n, -Butanole
+
Tenside
Weichrnachcr
2-Ethylhexanol Cyclohexanon
Cyclo-
~ o l y s t y r oals ~ Copolymerisat (SBN
Vergaserkraftstoff
C, bis C16 Kettenlange
C, bis GoKettenlange
Methylmeth-
PolYmethYlmethacrylat (PMMA) Werkstoff (Plexiglas) Klebstoff
J 4l Phenolhame Alkylphenole Bohr& additive
1
Dimethyltereohthalat
saure
436
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Wkmetauscher geleitet, um seinen hohen Warmeenergiegehalt auf das frisch zufliel3ende Rohol zu ubertragen. Der Ruckstand kann im Vakuum durch weitere fraktionierte Destillation aufgetrennt werden und als schweres Heizol oder Bitumen fur den StraRenbau venvendet werden. Die Kapazitat einer Fraktionierkolonne ist so ausgelegt, daR sie in einer Stunde ca. 250 t Rohol (300 m3) zu destillieren vermag. Diese Mengen entsprechen 6 bis 7 Eisenbahnzugen zu je 40 bis 50 Wagen pro Tag. Die Weiterverarbeitung von Primarchemikalien zu Endprodukten zeigt Abbildung 111-124.
13.6 Die Chemie der Kohle 13.6.1 Historische Entwicklung Die Kohlenwasserstoffverbindungen im Erdol haben eine Aliphatenstruktur. In der Steinkohle dominieren die aromatischen Verbindungen. So ist es auch nicht zufallig, daR die chemische Industrie ihren Anfang bei den Aromaten und deren Derivaten nahm. Diese Aromaten wurden im Steinkohlenteer gefunden. Die wissenschaftlichen Grundlagen zur Nutzung des Steinkohlenteers legte F. F. Runge". Durch fraktionierte Destillation von Steinkohlenteer entdeckte er 1834 Chinolin, Pyrrol, Anilin und Phenol. Der englische Chemiker W. H. Perkin (1838-1907) synthetisierte 1856 als erstes Farbmittel Mauvein. Es wurde zum Farben von Wolle verwendet. Die Aromatenchemie, haufig auch Teerfarbenchemie genannt, nahm eine steile Aufwartsentwicklung. Viele ihrer Zwischenprodukte waren auch fur die Synthese von pharmazeutischen Wirkstoffen interessant: aus der Farbmittelchemie entwickelte sich die Pharmachemie. Erst vie1 spater, nach dem 1. Weltkrieg, gelang es, auf Kohlebasis die kettenformigen aliphatischen Verbindungen systematisch aufzubauen. Die Karbidchemie trat ihren Siegeszug an. Nun erst waren die Voraussetzungen fur eine industrielle makromolekulare Chemie gegeben. Nachdem es moglich war,ausreichend Acetylen herzustellen, nahm in den dreiRiger Jahren dieses Jahrhunderts die Chemie der Kunststoffe ihren Anfang. Ahnliches gilt fur die Chemie der Tenside als Grundlage fur die grofitechnische Produk-
*
Runge, Friedrich Ferdinand (1795-1867), dtsch. Chemiker.
tion von Waschmitteln. Sie beruhte friiher auf der Spaltung von Tier- und Pflanzenfetten. Als es Friedrich Bergius (1884-1 949) und Matthias Pier (1882-1965) gelungen war, mit der katalytischen Hochdruckhydrierung Kohle in flussige Kohlenwasserstoffe umzuwandeln, konnte der regenerative Rohstoff ,,Fett" mehr und mehr durch ,,hydrierte Kohle" erganzt und der steigende Bedarf der Menschen in Deutschland an Kunststoffen und Tensiden gedeckt werden. In der Zeit von 1927 bis 1944 wurden im Deutschen Reich 12 Hydrienverke mit einer Produktionskapazitat von fast 4 Mio Jahrestonnen Kohlenwasserstoffen mittlerer Kettenlange errichtet. Durch das reichhaltige und kostengunstige Angebot von Erdol wurde diese Entwicklung mit Beginn der funfziger Jahre abgebrochen. Die Aliphatenchemie des Erdols hielt ihren Einzug. Der Steinkohlenteer ist immer noch eine sehr bedeutende Rohstoffquelle fur eine grofie Zahl von kondensierten Aromaten, wie Naphthalin, Anthracen, Phenanthren, Fluoranthren oder Pyren:
Naphthalin, CIOH6;C : H = 1,25 : 1
Anthracen, C,,H,,; C : H = 1,4 : 1
Phenanthren, C,,H,,; C : H = 1,4 : 1
Fluoranthren, C,,H,,; C : H = 1,6 : 1
Pyren, C,,HIO;C : H = 1,6 : 1
13 Die Chemie des Erdols und der Kohle
437
Kohle als eine der wichtigsten Quellen fur Primkenergie und Rohstoff fur die chemische Produktion ist immer wieder von neuem Gegenstand aufwendiger Forschungsvorhaben. Zwei Verfahren haben in der Zeit der Kohlechemie eine groSe Rolle gespielt. Das Vergasen von Steinkohle zur Erzeugung von Wassergas - ein Gemisch aus Kohlenstoffmonoxid, CO, und Wasserstoff, H,, - und Generutorgas, ein Gemisch aus Kohlenstoffmonoxid und Stickstoff, N,. Als zweites Verfahren ist die Kohleverflussigung, die auf der Hydrierung von Kohle beruht, zu nennen. Sie wurde schon 1913 von F. Bergius entwickelt und zur technischen Reife gefuhrt.
serdampfes erforderliche Energie. In der Bilanz verlauft die Vergasung endotherm.
13.6.2 Vergasen
2 HzO,,
Die Kohle wird vorher entgast, es entweichen bei trockenem Erhitzen alle fluchtigen Bestandteile, und zuriick bleibt Koks. Man spricht auch von der Verkokung. Unter Vergasen versteht man die vollstandige Umwandlung der festen Kohlesubstanz in gasformige Verbindungen. Als Ruckstand bleiben Asche und Schlacke. Das sind mineralische, d. h. anorganische Bestandteile. Das Vergasen erfolgt, indem abwechselnd Luft und Wasserdampf in dosierten Mengen uber gluhenden Koks geleitet werden. Wahrend des ersten Teilprozesses entsteht Generatorgas.
+
4N,
0,
+
Luft
2C Koks
-
4NZ+2CO i_ci
Generatorgas
AHvergasung = rnGenerarorgas + AHVergasung = -221 kJ/mol
+
AHwassergas
260 Wmol
AHverga7ung = +39 kUmol
Die Bereitstellung von reaktionsfahigem elementarem Wasserstoff fur die Kohlehydrierung ist einer der wesentlichen energiebindenden Vorgange. AuSer den Kohlenwasserstoffen ist Wasser die einzige ausnutzbare Wasserstoffquelle. Die Wasserspaltung ist sehr energieaufwendig .
-
2 HX,,
+
%, (AH = +572 kJ/mol)
Vie1 Wkmeenergie ist weiterhin notwendig, um zufriedenstellende Reaktionsgeschwindigkeiten zu erreichen und damit zu wirtschaftlichen vertretbaren Ausbeuten zu gelangen. Es muS auf einem hohen Temperaturniveau bei ca. 1000 "C gearbeitet werden. Die Vergasung ist von einer Anzahl von Parallel- und Folgereaktionen begleitet. E r w a n t werden sol1 hier nur das Boudouard-Gleichgewicht", das den Kohlenstoff in seinen Wechselbeziehungen zu seinen Oxiden beschreibt und damit auch fur energetische Betrachtungen wichtig ist.
c +
co,
Kohlenstoff
Kohlenstoffdioxid
===-
(AH = -221 kJ/mol)
Die freiwerdende Warme bringt den Koks zur WeiSglut. Danach wird die Luftzufuhr unterbrochen und Wasserdampf uber den Koks geleitet. Der gluhende Koks reduziert den Wasserdampf und wird selbst zu Kohlenstoffmonoxid oxidiert. 2H,O Wasserdampf
+2C Koks
-
2 H , + 2CO Wassergas
(AH = +260 kJ/mol)
Bei der Vergasung sind ein energiefreisetzender (exothermer) und ein energiebindender (endothermer) Vorgang miteinander gekoppelt. Die wahrend der Oxidation bei der Generatorgasherstellung freiwerdende Whneenergie kompensiert zum Teil die bei der Reduktion des Was-
2 co Kohlenstoffmonoxid
(AH = +172 kJ/mol)
13.6.3 Kohleverfliissigung Die Kohleverflussigung ist eine Direkthydrierung von festem Koklenstoff mit Wasserstoff. In Gegenwart von selektiv wirkenden Katalysatoren erhalt man bei hoheren Temperaturen, z. B. von 500 "C, und erhohtem Wasserstoffdruck, z. B. von 250 bar, die jeweils gewiinschten Kohlenwasserstoffe. In der ersten Reaktionsphase werden die hochmolekularen Strukturen der Kohle gespalten und in der zweiten werden diese Spaltstucke hydriert. Die Gesamtreaktion zeigt einen exothermen Verlauf.
*
Boudouard, 0. (1872-1923), frz. Chemiker.
438 (C6),z Kohlenstoff
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
+
6nH, Wasserstoff
-
6 n -CCH,-F Methylengruppen
(AH = -187,5 kJ/mol)
Mittels fraktionierter Destillation lassen sich die oligen Hydrierungsprodukte nach ihren Kohlenwasserstoffkettenlangen trennen.
Fischer-Tropsch-Synthese Durch die Fischer-Tropsch-Synthese war es moglich, vom Kohlenstoffmonoxid ausgehend, aliphatische Kohlenwasserstoffe zu erhalten. 1925 gelang es F. Fischer und H. Tropsch, durch katalytische Normdruck-Hydrierung des Kohlenstoffmonoxids bei 250 "C gesattigte und un-
gesattigte Kohlenwasserstoffe zu synthetisieren. Dieses Verfahren hat in der Kohlechemie eine zentrale Bedeutung erhalten. In Pilot-Anlagen wird in Sudafrika an technologischen Verbesserungen gearbeitet. Allerdings wendet sich die Sasol (Suid-Afrikaanse Sintetiese Olie Reperk) in jungster Zeit verstiirkt der Erdgaschemie zu. Die Grundreaktion der 1925 entwickelten Fischer-Tropsch-Synthese* wird durch die nachstehende Reaktionsgleichung zusammengefafit. Sie ist exotherm.
2n CO + n H,
Fe-Kat.
-tCH,-En
+ n CO,
(AH525 = -204,7 kJ/mol Methylengruppe)
*
Franz Fischer (1 877-1947), Hans Tropsch ( I 889-1935), dtsch. Chemiker.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
14.1 Das Zusammenwirken der verschiedenen Stoffkreislaufe 14.1.1 Von einfachen Molekiilen zu komplexen Molekiilstrukturen In der Chemie gibt es Methoden, Stoffe zu charakterisieren und Methoden, Stoff- und Energieumsatze technisch zu beherrschen, um sie industriell im groBen MaBstab zu nutzen. Vergleicht man die prozentualen Anteile der Elemente, die den chemischen Aufbau der Litho-, Hydro- und Atmosphare ausmachen, mit derjenigen der chemischen Zusammensetzung der lebenden Organismen, insbesondere des Menschen, so stellt man in der Verteilung der Elemente gravierende Unterschiede fest. Lithosphare, HydrosphBlre und Atmosphiire sind aber die Rohstofflieferanten for alle biologischen Systeme auf unserer Erde. Der Anteil des Elements Kohlenstoff an der Zusammensetzung der Erdrinde betragt nur 0,087 % Massenanteile (Tab. 111-8). Zum Aufbau des menschlichen Korpers steuert er 18 % Massenanteile bei (Tab. 111-9). Entsprechende Differenzen bestehen auch zwischen den Elementen Wasserstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel. Daraus erhebt sich die Frage, was sich ereignen muB, damit eine Anreichemng von diesen Stoffen in Biosubstanzen erfolgt. Es miissen die in mineralischen Verbindungen vorliegenden Elemente, wie z. B. Kohlenstoff, Wasserstoff, Sauerstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel in Biosubstanzen iiberfiihrt werden. Darunter sind Kohlenhydrate, Cellulose, Fette, EiweiBe und Nukleinsauren zu verstehen, um nur wenige zu nennen. Die Kohlenstoffatome bilden die Geriiststruktur von Biopolymeren. Durch Einbau von Sauerstoff, Wasserstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel erhalten die Kohlenstoffgeriiststrukturen die spezifischen Eigenschaften, die von einem Biomolekiil innerhalb des gesamten biologischen Systems gefordert werden (Abb. III125).
Tab. 111-8. Zusammensetzung der Erdrinde (16 kni Schichttiefe) einschliealich Hydrosphare und Atmosphiire.
Lfd. Nr. 1 Sauerstoff 2 Silicium
Aluminium Eisen Calcium Natrium Kalium Magnesium Wasserstoff Titan Chlor Phosphor 13 Kohlenstoff 14 Mangan 15 Schwefel 16 Stickstoff 17 Rubidium 18 Fluor 19 Barium 20 Zirkonium 21 Chrom 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12
Symbol 0 Si A1 Fe Ca Na K Mg H Ti c1 P C Mn S N Rb
F Ba Zr Cr
%-Massenanteile
4,7 3,38
0,88
0,41 0,19 0,09 0,087
} 97,94% ’
0,085 0,048 ’ 1,9496 0,03
0,029 0,028 0,026 0,02 1 0,019 ,
Isopren ist der Baustein des Biopolymers Kautschuk. Er ist aus den Elementen Kohlenstoff und Wasserstoff aufgebaut. Werden Kohlenwasserstoffgeriiste durch Sauerstoff erganzt, dann konnen Kohlenhydratmolekiile wie Glucose und Ribose entstehen. Ihre Polymerisation liefert Cellulose, Starke oder Glycogen, den Depotzucker in der Leber. Ribose ist ein Baustein der Nukleinsauren. Aus den gleichen Elementen sind die Fette aufgebaut. Werden zusatzlich Stickstoffatome in die Kohlenstoffgeriiste aufgenommen, dann konnen sich die Aminosauren bilden. Sie sind die Bausteine der groBen Palette der Proteine. Eine Erweiterung der Bauelemente Kohlenstoff, Sauerstoff, Wasserstoff und Stickstoff um die Phosphoratome fuhrt u. a. zu den Adenosinphosphaten. Sie nehmen im StoffwechselprozeB
440
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Tab. 111-9. Am Aufbau korpereigener menschlicher Biomasse beteiligte Elemente in % Massenanteil.
Elemente des elektrolytischen Milieus
Prima Bausteine Sauerstoff Kohlenstoff Wasserstoff Stickstoff Phosphor Schwefel
65,OO
18,OO 10,OO 3,OO 1,oo 0,25
97,25
Calcium
1,50
Kalium Natrium Chlor Magnesium
02 0,15 0,15 0,05
f
2,05 = 99,3 % Massenanteil
der Zellen als Energietrager und -urnformer eine zentrale Stellung ein. Sie sind die Kraftwerkstationen unter den Biomolekulen in den Zellen. Phosphor ist aber ebenfalls am Aufbau von Nukleinsauren und Phospholipiden beteiligt, die fur die Struktur der Zellmembranen verantwortlich sind. Ein Ribosemolekul, ein Phosphorsauremolekul und eine Aminobase bilden einen Nukleotidbaustein. Die Nukleinsauren sind aus vielen Nukleotiden zusammengesetzt. Der Schwefel in den Proteinen ist in seiner besonderen Anordnung fur die Eigenschaften von tierischer Wolle und Seide verantwortlich, ebenso fur die Aktivitat des lebenswichtigen Hormons Insulin. Er tritt gebunden in den Aminosauren Cystein, Cystin und Methionin auf.
I
Chemische Bioelemente
Biomolekiile Biomonomere
H, C, N, P,
CH,, NH3, H,S, H,O,
i
Viele Biomolekule sind nach dem Prinzip des Porphyrinrings strukturiert, z. B. das Blattgriin, der rote Blutfarbstoff, das Vitamin BI2. Diese hierachische Ordnung von einfachen zu komplexen Strukturen als Naturgesetz deutet auch den Ubergang zu biologischen Systemen und deren Entwicklung an (s. Abb. 111-84). Der Kohlenstoffzyklus (s. Abb. 111-135) bringt zum Ausdruck, wie der Mensch unmittelbar, einschlieBlich seiner industriellen Produktionsmethoden, in diese naturlichen Stoff- und Energieumwandlungen eingebunden ist. Die Rolle des Kohlenstoffs als Energie- und Bausteintrager wird an Tabelle 111-10 deutlich. Kohlenstoff und seine Verbindungen sind der Lieferant von technischer und physiologischer Nutzenergie.
Biopolymere
Zellstrukturen
Nucleinsauren, ATP, Proteine, Kohlenhydrate, Fette. Naturkautschik, Vitamine A, D, E
Zellkern, Organellen, Mitochondrien. Chloroplasten, u. a.
Komplexe Zellstrukturen (Organismen) -~
0,s,
Elektrolyte
co*
Nucleotide (Aminobasen, Einfachzucker, Phosphorsaure), Aminosauren, Acetylrest, Porphyrin, Isopren
Abb. 111-125. Von einfachen zu komplexen Strukturen.
Mikroorganismen, Viren, Bakterien, Pilze, Pflanzen, Tiere und Menschen
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
441
Tab. 111-10. Welterzeugung bzw. Gewinnung von mineralischen Bodenschatzen und Energierohstoffen, landwirtschaftlichen Erzeugnissen und industriellen Produkten. -
Technische Energietrager Steinkohle Erdol Braunkohle Erdgas [Mrd. Nm3]* Physiologische Energietrager Getreide mit Mais Wurzelfruchte und Kartoffeln Hulsenfriichte Fleisch Zucker Fette und Ole (tierische und pflanzliche) Werkstoffe und Chemieprodukte Rohstahl Zement Phosphat Bauxit Huttenaluminium Papier und Pappe Baumwollgme Kunststoffe Naturkautschuk Synthesekautschuk Chemiefasern Stickstoffdunger I Phosphatdunger (P205)’ Kalisalze (K,O) I Schwefelsaure (100 %)
in Mio jato -
1995
1996
1997
1998
3646,76 3302,60 922,76 2222,40
3818,22 3371,50 936,04 223 1,40
3811,40 3469,80 924,67 2300.00
3704,45 35 18,90 883,74 2349,20
1883,64 56,76 207,16 119,75 96,25
2068,84 662,52 54,04 204,88 126,26 99,82
2100,28 627,58 55,38 221,oo 126,62 101,89
2054,68 625,22 56,99 216,20 123,86 105,68
755,90 1374,70 139,OO 122,36 19,72 282,03 17,13 1 12,oo 6,27 934 22,20 80,40 35,OO 24,50 87,69
750,OO 1507,60 142,OO 122,76 20,83 282,08 17,27 109,OO 6,59 9,69 25,33 86,OO 35,90 24,30 86,42
798,84
77594
-
-
-
-
-
125,56 21,79 289,60
124,65 22,60 29 1,92
-
-
115,OO 6,76 10,27 27,52 90,97 36,80 24,10 89,52
121,30 6,80 10,45 27,82 9D,09 37,90 25,30 -
* Nm’ Normkubikmeter, d. h. 1 Kubikineter uuter Normzustand, Temperatur T, = 273,lS K,
’
Druck P. = 101 325 Pa = 1,01325 bar. Wirtschaftsjahre, die am 30.06. des angegebenen Jahresenden. Quelle: Statistisches Bundesamt, Zweigstelle Berlin; Chemiewirtschft in Zahlen 2000, Hrsg. Verband der Chemischen Industrie e.V., Frankfurt am Main
Wasser ist sowohl der Lieferant des Wasserstoffs als auch des Sauerstoffs. Wasserstoff ist in der Natur wie in der Technik das wichtigste Hydrierungsmittel (s. Abschn. 1-2 und Abschn. 111-12.2). Es fallt auf, dalj Wasserstoff, Sauerstoff, Kohlenstoff, Stickstoff, Phosphor und Schwefel auch in der chemischen Industrie zu geeigneten Verbindungen als Massenprodukte umgesetzt werden. Wir treffen sie in der groRen Palette der organischen Polymere an, z. B. die Synthesefasern,
Folien, Kunstharze und Kunststoffe. Sie bilden heute die Grundlage fur die modemen Werkstoffe. Die Vielfalt ihrer Einsatzmoglichkeiten ist noch lange nicht erschopft. Die Variationsmoglichkeiten aliphatischer und aromatischer Zwischenprodukte zu Farbmitteln, Pflanzenschutzmitteln, Arzneimitteln u. a. fiihrt in die Stoffklasse der unverzichtbaren Wirkstoffe. Ammoniak und Salpetersaure, Phosphorsaure und Schwefelsaure sind die Grundchemikalien fur den weltweiten Bedarf an Dungemit-
442
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
teln fur die Sicherung der Ernahrung (s. Abschn. 111-7.3). Die Kreislaufe des Wassers bzw. des Wasserstoffs, Sauerstoffs, Kohlenstoffs, Stickstoffs und Schwefels in der chemischen Technik sind direkt in die Kreislaufe der Natur eingebunden. Die chemisch-technischen Prozesse dienen zur Unterstutzung der naturlichen Stoffzyklen, um die Uberlebensbedingungen und die Lebensqualitat der Menschen zu verbessem. Technische Stoffkreislaufe stehen nicht im Widerspruch zu den naturlichen, sondern sie erganzen diese. Die chemisch-technischen Produktionsverfahren den naturlichen Stoffzyklen anbzw. in diese einzupassen, ist eine der groBen Herausforderungen der gegenwwigen und zukunftigen Chemiewirtschaft. Je besser die Ablaufmechanismen in der Natur bekannt sind, umso angepaBtere Produktionsmethoden wird die chemische Technik entwickeln. Der Weg von einfachen Elementen und Molekulen zu hochkomplexen Molekiilstrukturen ist ein ProzeB der steten Stoff- und Energieumwandlung. Das gilt sowohl fur die Prozesse in der chemischen Industrie als auch in der Natur. Der Motor dieser Reaktionskette ist die Photosynthese. Einerseits wird Sonnenenergie als chemische Energie gespeichert, andererseits entstehen die erforderlichen komplexen Biomolekule. Die Stoff- und Energiestrome in der Natur und der Chemotechnik gehorchen den Gesetzen der offenen Systeme und damit dem Prinzip der gestorten Gleichgewichte (s. Abschn. 1-10.6).
14.1.2 Kohlenstoffverbindungen als Bausteine von biopolymeren Naturstoffen Wichtige Biopolymere zur Bildung und Existenzsicherung von lebenden Organismen sind die Kohlenhydrate, Fette, Proteine und Nukleinsauren. Der wesentliche Baustein fur die Kohlenhydrate und Cellulose ist die Glucose. Durch Photosynthese wird sie standig in den Pflanzenzellen aus Wasser und Kohlenstoffdioxid mit Hilfe des Chlorophylls als Biokatalysator und durch Zufuhr von Sonnenenergie produziert.
,.. h
(jC02
Wasser
Kohlenstoffdioxid
I> I
Chlorophyll
12H20
+
C6H6(OH)6 + 6H2O + 6 0 2 Glucose
Wasser
Sauerstoff
(AG = +2876,6 kJ/mol)
CH20H I
c-0
H I
\I:
I /H
I
H
I
OH
Unter Bildung von Sauerstoffbruckenbindungen und Wasserabspaltung entstehen die Polymerprodukte Stake, Cellulose oder Glycogen, das Depotkohlenhydrat in der Leber (Abb. III126 und - 127). Der Auflau von EiweiJsubstunzen erfolgt uber die Verknupfung einer Vielzahl von Aminosauren. Sie sind die Bausteine der Proteine und damit des Lebens. Bisher sind in der Natur 26 Aminosauren gefunden worden, von denen 20 fur den Aufbau biologischer Systeme von groBer Bedeutung sind. Acht von diesen sind fur den menschlichen Organismus essentiell. Sie konnen von ihm nicht aufgebaut werden und mussen ihm mit der Nahrung zugefuhrt werden. Das Charakteristische einer Aminosaure ist die Aminogruppe. Bei den in der Natur vorkom-
H < l F
0
H
OH
H
0 OH
Abb. 111-126. Ausschnitt aus der Strukturfonnel eines Starkemolekdls.
Abb. 111-127. Schematische Helixstruktur eines
Amylosemolekiils.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
menden Aminosauren sind sie in a-Stellung zur Carboxylgruppe gebunden. Die am einfachsten gebaute Aminosaure ist das Glycin, eine a-Amino-Essigsaure. H
443
Ein Ribosemolekul, ein Phosphorsauremolekiil und eine Aminobase bilden einen Nukleotidbaustein. Die Nukleinsauren sind aus vielen Nukleotidbausteinen zu einem Polyestermakromolekul zusammengesetzt (Abb. 111-128).
H
I
I
R-C-COOH
H-C-COOH
NH,
NH,
Aminosaure
Glycin
I
I
Durch eine Reaktion zwischen je einer Aminogruppe und Carboxylgruppe entstehen unter Wasserabspaltung die Peptidbindungen: H I
+ H-N-CCH2-COOH
H~N-CHZ-C-OH
II
I
I
OH
OH
Ribosestruktur
OH Phosphorsaurestruktur
Funf Aminobasen spielen als Baumolekule der Nukleinsauren die entscheidende Rolle. Es sind diese die drei Aminobasen der Pyrimidinstruktur Cytosin, Thymin und Uracil
H
I H2N-CH2-
C- N- CH2- COOH II 0
Die Amidgruppe
I!-!{
-Q-P=0 I
0 I - I"
wird haufig als
Peptidbindung bezeichnet. Durch Variationen der Sequenzen, d. h. Veranderung der Reihenfolge der Aminosauren in einer Proteinkette und Abwandlung der raumlichen Strukturen dieser Ketten ist es moglich, eine Vielfalt von Proteinmolekulen aufzubauen. Die Nukleinsauren sind aus der Ribose, der Phosphorsaure und den Aminobasen aufgebaut. Die Ribose- und Phosphorsauremolekule sind uber Esterbindungen miteinander verknupft. Sie ergeben ein fadenformiges polymeres Kettengeriist. Mit den Ribosemolekulen sind die Aminobasen in einer systematischen Reihenfolge gekoppelt. Die Kopplung erfolgt durch eine Kohlenstoff-Stickstoffbindung, d. h. die Aminobasen sind N-glykosidisch an den Ribosemolekulen gebunden.
0
Abb. 111-128. Ausschnitt aus einer Nukleinsaurestruktur, schematisch. - Die Nukleinsauren sind die Trager der genetischen Informationen. Als polymere Kettenmolekule verschliisseln sie die Informationen in der Abfolge ihrer Nukleotide und damit der Aminobasen. Die Aminobasen sind wie Buchstaben oder wie Symbole einer Programmiersprache angeordnet.
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
444 H
H \
0
/
N
0 I
0
H I
H- C- C- OH + H-S-Coenzym A I H
0 I
H
H
C = Cytosin
mit dem Coenzym A iiber eine Schwefelbriickenbindung verbundene Acetylreste:
II O
Essigsaure
I 1
T = Thymin
H I H-C-C-S-Coenzym
0
I H
Coenzym A
A
II O
+
H20
aktivierte Essigsaure
J fH0
I
H U = Uracil
und die ubrigen zwei Aminobasen mit Purinstruktur H\
N
Der Essigsaurebaustein mit seinen zwei Kohlenstoffatomen ist die Ursache dafur, dal3 die in der Natur vorkommenden Fettsauren immer eine gerade Zahl von Kohlenstoffatomen enthalten. Ereanzend zu der Glucose. den Aminosauren und dUer Essigsaure als Bausteine der Kohlenhydrate, Proteine und Fettsauren sollen das Isopren und das Porphin als Bauelemente von Naturstoffen genannt werden.
/H H
I H,C=C-C=CH, I CH, Isopren (2-Methyl-l,3-butadien) H
Isopren kann als Baustein des Naturkautschuks aufgefdt werden.
A = Adenin
0
H3C' I
H
H G = Guanin
Als Baustein der Fettsauren fungiert die zwei Kohlenstoffatome enthaltende Essigsaure. Die fur die Biosynthese von Fettsauren notwendigen Verkniipfungsreaktionen erfolgen zwischen aktivierten Essigsauremolekiilen. Das sind
H
Ausschnitt aus der Strukturformel von Naturkautschuk
Aber nicht nur im Naturkautschuk ist es als Baueinheit anzutreffen, sondern ebenso in den fettloslichen Vitaminen A, Axerophthol D, Calciferol, E, Tocopherol, K, Phyllochinon.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
445
sammengesetzt (Abb. 111-131). Erwahnt seien nur die bekanntesten wie
Diese Vitamine bestehen aus Derivaten von teilcyclisierten isoprenoiden Polymeren. Allen kann man die Isopreneinheit als Baustein zugrundelegen, s. Abb. 111-129 und 111-130, in denen die Modelle von Strukturformeln der Vitamine A, D3, E und K veranschaulicht sind. Die Kohlenstoffgeriiste fast aller terpenoider Riechstoffe sind aus der Isoprengrundeinheit ZU-
Linalool, Geranio19 Citral.
ZUden Porphyrinfarbstoffen zahlen die biologisch wichtigen Farbstoffkomponenten
CH3
CH3
I CH/C\CH/CH~\,,-~
I cH\c~/c\[~/cH\
Acetat: R = CO . CH3 Palmitat: R = CO . (CH2)14 . CH3
Vitamin A
fH3
CH3
2
/CH\CH~
HO
V i t a m i n O3
Abb. 111-129. Strukurformeln der Vitamine A und D,.
Vitamin E CH3 y 3
CHz\[H/C\CH,/CH2\CH
I
2 /CH\CH
CH3
I
CH3
I
2/ C H ~ \ [ H Z / C H ~ [ H , / C H ~ \ ( H ~ / c H \ [ ~ ~
CH3 0
Vitamin K
Abb. 111-130. Strukturformeln der Vitamine E und K.
Abb. 111-131. Strukturformeln terpenoider Riechstoffe.
446
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Phyt o( [ C H ,,
I 0-R
R Phytyl
CH3
CHI
I CH
I
CH,
OH) :
CHI
CH2
I
I CH
CHI CH,
CH a
CH3
CHI
CHI
CHz
CH
Abb. III-132a. Strukturformel des%hlorophylls a und b.
$H=CH2
c H3
CH2
c H2
I
COOH
I I COOH CH?
Abb. III-132b. Strukturformel des Hamins.
Abb. III-132c. Strukturformel des Vitamins BIZ.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
447
14.2 Der Kohlenstoffzyklus
des Blutes, das Hamin, des Blattgriins, das Chlorophyll* und des Vitamins B,2, das Cyanocobalamin (Abb. III-l32a, b, c).
14.2.1 Kohlenstoffdioxid als Schliisselverbindung im Kohlenstoffkreislauf
Als Grundstruktur enthalten alle das Porphyrin, das aus vier Pyrrolringen, die durch vier Methinbriicken miteinander verbunden sind, aufgebaut ist (Abb. 111-133). Den synthetisch gewonnenen Phthalocyaninen liegt ebenfalls die Struktur des Porphyrinringes zugrunde (Abb. 111-134).Anstelle der vier Methingruppen sind Stickstoffbriicken, -N=, getreten und an jedem Pyrrolkem ist noch ein Benzolring kondensiert. Als Metalle konnen Kupfer, Nickel u. a. komplex gebunden sein.
Von den in der Natur vorkommenden Kohlenstoffverbindungen ist das Kohlenstoffdioxid die energetisch stabilste. Alle Oxidationsreaktionen des Kohlenstoffs und seiner Verbindungen fuhren zum Kohlenstoffdioxid. Sie laufen freiwillig ab. Kohlenstoffdioxid in andere Kohlenstoffverbindungen zu iiberfuhren, erfordert damit Energie. Vom chemischen Energiegehalt her betrachtet, steht der elementare Kohlenstoff, d. h. Kohle bzw. Graphit, zwischen den Kohlenwasserstoffverbindungen, wie dem Erdol oder Erdgas, und dem Kohlenstoffdioxid. Ein Vergleich der jeweiligen Reaktions- bzw. Verbrennungsenthalpien zeigt dieses: CH,
c
Abb. 111-133. Modell der Molekulstruktur des Porphyrinnnges.
CH,
-
+ 0,
+o, + 20,
C
+
2H,O
(1)
(AH = - 496,9 kJ/mol) CO,
(2) (AH = -393,5 kJ/mol)
CO,
+ 2H20
(3)
(AH= -890,5 kJ/mol)
Abb. 111-134. Strukturformel des Kupferphthalocyanins (s. Tab. 1-12, S. 104).
Schema Methan
I: CH,
+ 0,
-
C
+
2H,O t
AH = - 496,9 kJlmol
CH,
Methan
*
c + 0,
Kohlenstoff
+ 20,
chloros (grch.) - gelbgriin; phyllum (lat.) - Blatt.
Aus der Summe der Teilreaktionsgleichungen (1) und ( 2 ) folgt G1. (3). Vom Methan bis zum Kohlenstoffdioxid uber den elementaren Kohlenstoff besteht ein Energiegefalle (s. Schema 1 und Abb. 111-141). Aus der Energietechnik ist bekannt, dal3 die Heizwerte von Methan und anderen Kohlenwasserstoffen des Erdols hoher sind als der Heizwert der Kohle.
-
CO,
-
CO,
AH = -3933 kJlmol
+
AH = - 890,4 kJlmol
2H20
c-
* Kohlenstoffdioxid
Kohlenstoffdioxid
448
111 Produktionsvertahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Bildung von Carbonaten
CaO
+ H2 0 + COp-CaC03
+ Hp 0
-~
u Vorrat: 346 ppm Kohlenstoffdioxid (Cop )
Pflanzen
b
Atmung Cop 6 Cop
1-
Carbonate im Meer und Boden
GIlrung ~und 1,65 ppm alkoholische c6 H2; cop Methan (CH4 1 in der Atmosphlre
+6 H20 O6
+
\
1
y2
Abbau unter 0, - Ausschlufl
(MeC03 Elementarer Kohlenstoff in Kohlelagern Erdgas (CH4 ) Kohlenwasserstoffe im ErdOl
t
7 Abbau unter 0 7
- AusschluS
1
~
I Verbrennung von CH4 + 2 0 2 -Cop
+ 2 Hp 0
_ -
Abb 111-135. Der KohlenstoffLyklus.
Durch die Photosynthese wird der Kohlenstoff des Kohlenstoffdioxids - mit einem niedrigen Gehalt an innerer Energie - in Verbindungen mit hiiheren inneren Energieinhalten uberfuhrt (s. GI. (4)). 6C0, 6x444g
+
12H20
-
C,H,(OH), + 6 H20 6x18g
- der Kohlenstoff mit seiner Aromatenstruktur
in der Kohle und im Graphit.
+ 6 0, (4) 6x32g
(AH = +2825,0 kJ/mol) (AG = +2876,6 kJ/mol)
Fur den Kreislauf des Kohlenstoffs in der Natur sind vier Verbindungsarten charakteristisch (s. Kap. 111- 13). Diese sind -
die Kohlenwasserstoffe im ErdoI und Erdgas als fossile Stoffe mit Aliphatenstruktur;
Der Kohlenstoff ist in der Natur somit in reduzierter und oxidierter Form anzutreffen.
12xISg
180g
-
das Kohlenstoffdioxid einschliefilich seiner Carbonatmineralien, wie z. B. Kalkstein, Dolomit, Kreide;
reduzierte
__
elemeninre
oxidierte Form
Diese Verbindungen zeichnen sich durch ganz bestimmte innere Energieinhalte aus. Der Motor des Kohlenstoffzyklus ist die Photosynthese, die sich sowohl im Wasser in phytogenen* Mikroorganismen als auch auf dein Festland in den Pflanzen abspielt. Bei der Photosynthese wird oxidierter Kohlenstoff reduziert zu Cellulose, Starke u. a. organischen Polymeren. Hierbei wird Sonnenenergie als chemische Energie gespeichert (Abb. 111- 135).
- die Biopolymere Cellulose, Lignin, Stlrke,
Kautschuk, Fette und Proteine als Biomasse. Sie sind die wesentlichen Bestandteile der nachwachsenden Rohstoffe;
~
* phytos (grch.)- Pflanze
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
14.2.2 BiochemischerAuf- und AbbauprozeB von Biopolymeren
wieder als Kohlenstoffdioxid vor, der entweder an die Erdatmosphare abgegeben wird oder sich in Wasser lost und sich dort zu wasserliislichen Hydrogencarbonaten umsetzt oder als unlosliche Carbonate niederschlagt. Bei Prozessen, die unter LuftausschluB ablaufen, wird ebenfalls ein Teil des Kohlenstoffs in Kohlenstoffdioxid umgesetzt. Der Sauerstoff starnmt hier aus den Biopolymeren selbst. Ein anderer Teil aber kann unter geologisch gunstigen Voraussetzungen zu Kohlenwasserstoffen, wie Erdol und Erdgas, uberfuhrt werden oder in den teilweisen elementaren Zustand verschiedener Torf- und Kohlearten umgewandelt werden. Der Entzug des Kohlenstoffs aus dern Kreislauf durch die Bildung von Torf-, Kohle-, Erdolund Erdgaslagern erfolgte im Verlauf von Milliarden Jahren der Erdgeschichte. Das ist ein stan-
Uber die Nahrungskette werden die pflanzlichen Kohlenhydrate, wie Cellulose und Stake, sowie Proteine und Fette von den tierischen Organismen zur Aufrechterhaltung ihres Betriebsstoffwechsels wieder in Wasser und Kohlenstoffdioxid zuriickgefiihrt oder in arteigene Biomasse fur den Baustoffwechsel umgewandelt. Pflanzliche und tierische Organismen konnen nach dem Absterben aerob, d. h. in Gegenwart von Luftsauerstoff oder anaerob, das bedeutet unter LuftausschluB, abgebaut werden (Abb.
111-136). Bei aeroben Vorgangen handelt es sich ausschliefllich um oxidative Prozesse. In der Endstufe liegt der gesamte Kohlenstoff der Biomasse
AG = - 2844 kJlmol
Ii
Tz 2 H,C-$-COOH
.
+
,
geneMO
AG = + 420.6 k mol
Chloro-
I
. 01
Milchslure-
.-
anaerob bakbfle/
2 H,C-$-COOH
r * ul
s
Hz0
+ 1 2 H2S
phyll
+ 4{H}
0
AG = - 9 6 , 6 3 3,4;:;:\
2 HjC-CH-COOH
2
12s
coz+ 1 2
6
AG = - 32 kJlmol
Glycolyse
E
5
anaerob
methano-
3 CH, + 3 COz ,
AG = + 2876 kJ/rnol
+ 4{H}
0
Glycolyse
methanokJ/mol
449
kJlmol
2 H3C-CHz-OH
+202
I
+ 2 CO?
acetogene M O
AG = - 904,3 kJ/mol aerob
Abb. 111-136. Zusarnrnenwirken von aeroben und anaeroben Prozessen innerhalb des Kohlenstoffzyklus.
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
450
diger Vorgang, der bis in die Gegenwart anhalt und sich auch in Zukunft vollziehen wird, solange sich Leben auf der Erdoberflache ereignet. Diese Ausschleusung des Kohlenstoffs aus dem biologischen Zyklus fuhrte zu dem UberschuB an ungebundenem elementaren Sauerstoff in der Atmosphare. Durch die Ausnutzung der Erdol- und ErdgasLagerstatten und der Kohlenfloze als Energieund Rohstoffquellen ist im Zeitalter der Technik, neben den nachwachsenden Kohlenstoffquellen, eine weitere Kohlenstoffdioxidquelle geoffnet worden. Das Verbrennungsprodukt Kohlenstoffdioxid wird in den Kohlenstoffzyklus aber nur teilweise wieder eingeschleust und der Photosynthese teilweise wieder zugangig gemacht. Immer mehr des in Lagerstatten gebundenen Kohlenstoffs wird uber die Verbrennung in Form von Kohlenstoffdioxid freigesetzt und an die Atmosphare abgegeben. Daraus erfolgt ein relativer Anstieg des Volumenanteils von Kohlenstoffdioxid in der Atmosphare von - zur Zeit - 0,3 % bis 0,4% (s. Abschn. 111-12.5). Kohlenstoffdioxidemissionen erhohen den Treibhauseffekt uber das naturliche, d. h. von der Natur vorgegebene MaB hinaus. Von den Kernkraftanlagen abgesehen, sind die fossilen Rohstoffe wie Kohle, Erdo1 und Erdgas die wichtigsten Energielieferanten fur die Industrie, den Verkehr und die Privathaushalte. Wahrend der Verbrennung wird die in den fossilen Rohstoffen gespeicherte Energie als Warmeenergie freigesetzt, z. B. +
C Kohlenstoff
-
0 2
Sauerstoff
fCH2 f +3/2 0 MethylenWPPe
2
COP Kohlenstoffdioxid
-
Sauerstoff
(AH = -393,5 kJlmol)
CO2
+
Kohlenstoffdioxid
HZO Wasser
(AH*= -670,8 kJ/mol) CH, Methan
+ 202
+
Sauerstoff
CO,
+
2H20
Kohlenstoff- Wasser dioxid
(AH = -890,4 kJ/mol)
*
Mittlere Verhrennungsenthalpie fur eine Methylengruppe, errechnet aus dem Kwst C2,H,,; Eicosan.
A&,,-
+ 6112 0,
Kohle : Erdol : Erdgas = 1 : 1,7 : 2,3 Eine Verbrennung von Erdgas liefert die geringste Kohlenstoffdioxidbelastung und somit den geringsten Treibhauseffekt. Die Zunahme der Erdbevolkerung in den nachsten 20 Jahren auf uber 8 Mrd Menschen 1aBt erahnen, in welcher Weise dieser ProzeB zur Energiegewinnung sich noch beschleunigen wird. Jeder zusatzliche Erdenburger bedarf Energie in Form von Nahrung und Technik. Im Laufe der Erdgeschichte haben sich der Sauerstoff- und Kohlenstoffdioxidgehalt in der Atmosphare, beeinflufit von der Intensitat der Photosynthese, verandert. Man nimmt an, daB der Gehalt des Kohlenstoffdioxids in der Karbonzeit", d. h. vor ca. 300 Mio Jahren, einer Zeit der optimalen Pflanzenvegetation, am hochsten war. Entsprechend ist der Sauerstoffanteil gestiegen (s. Tab. 111-7. S. 420). Diese Veranderungen erfolgten uber lange Zeitspannen, so daB die Lebensformen Zeit genug hatten, sich dem standig zunehmenden Sauerstoffgehalt in der Atmosphare anzupassen. Der gesamte in der Erdatmosphare vorkommende Sauerstoff entstammt dem Wasser, aus dem er durch die Photosynthese als Begleitprodukt freigesetzt wurde.
14.2.3 Die Photosynthese als Motor des Kohlenstoffzyklus Die in Wirklichkeit recht komplizierten Zusammenhange der bio- und geochemischen Reaktionen sind in einem Ubersichtsschema zusammengefaBt und vereinfacht dargestellt (s. Abb. 111-113, -135, -136).
-
20 0, + 21 CO, (AH= -13 416 kJ/mol) = -13416/20 = -670,8 kJ/mol
H3C ( CH,) ,&H3
Ein Vergleich der freigesetzten W-eenergien zeigt, daB mit steigendem Wasserstoffgehalt pro Kohlenstoffatom die Reaktionswarme zunimmt. Die freigesetzte Warmemenge, bezogen auf eine Masseneinheit Kohlenstoffdioxid, ist bei der Kohleverbrennung am niedrigsten und beim Erdgas am hochsten, die des Erdols liegt dazwischen. Das Verhaltnis der freigesetzten W-eenergien in bezug auf die Kohlenstoffdioxidemission betragt
*
carho (lat.) - Kohle
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
14.2.4 Einige typische Reaktionen innerhalb des Kohlenstoffzyklus
Inkohlung/Karbonisation* Im folgenden werden einige biochemische AbIaufe anhand vereinfachter Bruttoreaktionsgleichungen erlautert. Als Ausgangsprodukt fur den Kohlenstoffzyklus wird bei diesen Uberlegungen von der Verbrennung des elementaren Kohlenstoffs ausgegangen. Die fur den oxidativen (aeroben) Abbau typische Reaktion ist exotherm:
c +o, 12g
32g
-
CO* 44 g
(AH = -3933 kJ/mol)
Kohlenstoffdioxid und Wasser sind die Reaktionskomponenten, aus denen in Gegenwart von Chlorophyll als Biokatalysator und unter Zufuhr von Sonnenenergie Glucose entsteht. Dabei wird Sauerstoff aus dem Wasser abgespalten (s. G1. (4), S. 448). Aus einfachen energiearmen Stoffen, wie Kohlenstoffdioxid und Wasser, werden energiereiche Stoffe mit komplizierten Molekulstrukturen aufgebaut. Es handelt sich um eine Reduktion. Die Polymerisation der noch wasserloslichen Glucose in wasserunlosliche Stkke als Energiedepot und in die pflanzengerustbildende Cellulose wird durch folgende Bruttoreaktionsgleichung beschrieben:
Glucose nx180g
Cellulose/Stirke n x 162g
nxl8g
(AH = +26,7 kJ/mol Cellulosebaustein) (Ah = +165,0 kJkg Cellulosebaustein)
Die Biopolymerisation von Glucose zu Cellulose verlauft endotherm. Die Polymerisationsenthalpie ist positiv. Zu uberlegen ist nun, durch welche Reaktionsgleichungen die bio- und geochemischen
*
Inkohlung bzw. Karbonisation sind geochemische und biochemische Prozesse. Ihre Energieumsetzungen mufiten teilweise durch die Reaktionsenthalpien AH und durch die freien Reaktionsenthalpien AG angegeben werden. Das ist bei diesen komplexen Vorgangen kaum auseinander zu halten. Aus diesem Gmnde wurden nur die Reaktionsenthalpien AH zur Bilanziemng herangezogen. Die dabei auftretenden Ungenauigkeiten bzw. Fehler sind fur eine Gesamtbehandlung in diesem Falle unerheblich.
45 1
Prozesse zusammengefaBt werden konnen, die der Inkohlung gerecht werden und zur Kohle fuhren. Beim hochsten Inkohlungsgrad liegt fast nur elementarer Kohlenstoff vor. Wasserstoff und Sauerstoff aus der Cellulose sind als Wasser, teilweise aber auch als Kohlenstoffdioxid und Methan uber Decarboxylierungsreaktionen abgespalten worden. Wahrend der Inkohlung laufen viele aerobe und anaerobe Prozesse als Parallel- und Folgereaktionen ab. Vier zusammenfassende Reaktionsgleichungen werden hier zu ihrer Beschreibung und als Berechnungsgrundlage fur Energiebilanzen angegeben: 1. Die Cellulosespaltung zu Glucose (s. G1. 6 )
2. Der anaerobe Abbau der Glucose zu Essigsaure (s. GI. 7) 3. Die Decarboxylierung der Essigsaure zu Methan (s. GI. 8) 4. Die Dehydrierung der Cellulose zu Graphit (s. G1. 9) Cellulosespaltung zu Glucose: [C6Hs(OH)sI,,+ '1 H 2 0 Cellulose nx162g
-
nxl8g
n C6H6(OW6
(6)
Glucose nx180g
(AH = -26,7 kJ/mol Glucose)
Dieser Vorgang ist exotherm. Er ist die Umkehrung der Biopolymerisation. Neben den durch Sedimentation der Gesteinsschichten und Zusammenpressen der Pflanzenreste auftretenden Warmeenergien ist diese Reaktionswkme fur die steigenden Temperaturen bei bio- und geochemischen Ablaufen mitverantwortlich.
Der anaerobe Abbau der Glucose zu Essigsaure durch Bakterien: n CJMOW6 Glucose nx180g
-
3 n CH,COOH
(7)
Essigsaure 3n x 60 g
(AH= - 65,8 kJ/mol Essigsaure) Aus der biotechnischen Herstellung von Essigsaure ist bekannt, daB dieser Prozerj exot h e m ist.
452
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
anteil in einer Verbindung, desto hoher ist auch die Verbrennungsenthalpie.
Die Decarboxylierung der Essigsaure zu Methan: 3n CH,COOH
-
Essigsaun-.
3n CH, Methan
3nx60g
3nx16g
+ 3n CO,
(8)
Kohlenstoffdioxid 3nx44g
Methan: CH, + 2 0 2 4/3 kg
16/3 kg
Die Dehydrierung von Cellulose bzw. Stdrke mit parallel laufender Umlagerung in Graphitstruktur:
-
[CSHS(OH)~I,~ Cellulose nx162g
[c61n + 5nH7.O
(9)
AnthrazMGraphit nx72g 5nx18g
(AH= - 486 kJ/mol Cellulosebausteine) Dieser Wert zeigt, daB die Inkohlung als Summe aller Teilprozesse ein exothermer Vorgang ist. Die Umwandlung von Biopolymeren in Kohle ist theoretisch mit einem Energieverlust verbunden. Ein Vergleich der Verbrennungsenthalpien von Methangas, Cellulose (Holz) und Kohle bestatigt dieses auch, wenn die entsprechenden Enthalpien immer auf 1kg Kohlenstoff in der jeweiligen Verbindung bezogen werden. Denn die Verbrennungsenthalpie von Cellulose ist kleiner als die von Methan und grol3er als die von elementarem Kohlenstoff (Kohle) [s. G1. (lo), (11) und ( 12)]. Die Methanbildung wahrend der Inkohlung ist die Ursache fur die ,,schlagenden Wetter" beim Kohleabbau. Die Verbrennungsenthalpien werden in organischen Verbindungen wesentlich vom Wasserstoffanteil bestimmt. Je groBer der Wasserstoff-
CO,
+
1113 kg
2H20
(10)
9/3 kg
(Ah = -74 197 kJkg Kohlenstoff bzw. pro 413 kg Methan) (AH= -890.4 kJ/mol Methan)
(AH= +16,2 kJ/mol Methan) Der Vorgang ist endotherm. Die Decarboxylierung erklw, wie bei der Inkohlung Methan entstehen kann. Die drei Bruttoreaktionsgleichungen (6), (7) und (8) geben Hinweise, welche chemischen Reaktionen wahrend der Inkohlung unter Freisetzung von Methan und Kohlenstoffdioxid ablaufen konnen. Die vierte Bruttoreaktionsgleichung (9) sol1 den eigentlichen InkohlungsprozeB beschreiben, bei dem in der letzten Stufe elementarer Kohlenstoff mit Graphitstruktur entsteht. Fur alle Reaktionen der stufenweisen Dehydrierung und Umlagerung in die Graphitstruktur wird zusammenfassend folgende Gleichung formuliert:
-
Cellulose: [CsHs(OH)S],+ 6n 0, 914 kg
813 kg
-
6n CO,
+ 5n H,O
11/3 kg
5/4 kg
(1 1)
(Ah = -39 538 kJ/kg Kohlenstoff bzw. pro 9/4 kg Cellulose) (AH = -2846,7 kJ/mol Cellulosebaustein)
Kohlenstoff (Kohle): [CJ, + 6 n 0 , 6nCO, 1 kg
8/3 kg
-
(12)
1113 kg
(Ah = -32792 kJkg Kohlenstoff) (AH= -3933 kJ/mol Kohlenstoff)
Erdolbildung Die Erdolbildung aus Plankton* bzw. aus den Biopolymeren Cellulose, Proteinen und Fetten, ist als Ubersichtsschema in Abb. 111-137 dargestellt (s. Abschn. 111-13.1.1). Das abgestorbene Plankton setzt sich mit den iibrigen Sinkstoffen auf dem Meeresboden ab und verwandelt sich in Faulschlamm. Faulschlamm ist eine Anhlufung von abgestorbenem und unter SauerstoffausschluBteilzersetztem tierischem und pflanzlichem Plankton. Er ist als Produkt der ersten anaeroben Abbauphase aufzufassen. In flachen Meeresbecken, z. B. Kustenvorfeldem und stehenden Gewassern, bildet sich Faulschlamm als ein feinkomiges graues bis tiefschwarzes Sediment, das sehr protein- und fetthaltig ist. Die Faulschlammbildung begiinstigt wiederum die Entwicklung von anaeroben Bakterien. Diese zersetzen den Faulschlamm weiter und wandeln ihn in ein Gemisch von Kohlenwasserstoffen um. Dabei werden Schwefelwasserstoff, mineralisierte Phosphorverbindungen, Ammoniak, Indol (Benzopyrrol) u. a. abgespalten und von Ton- und Kalkgesteinen adsorbiert.
* planktos (grch.) - Umhergetriebenes.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
I
LSYO
Plankton Cellulose L5% Proteine
1
453
1
5-10% Fette
Absetzedken Sawrs?off vorhanden)
Faulscl-hmm ~
Adsorption an Tan-
H,S,P, O,.NH,,
lndol
I
anaerob wachsende Bakterien zersetzen den Foulxhlamm zu einem Gernisch = Bltumen
Verbindung von Kohlenwasserstoffen rnit Sawrstoff oder Schwefel
f
a_rg Sauren +Mineralien
t
i
S p a n g und Aufnahrne von ti,
polare organische Stof fe werden an Ton adsorbiert
'
\
lSalze,gelost in H,O
1
Erwarrnen und Dehydrieren
I
&lymeri
iTGxziq
I
Bakterien bewtrken Ringb&t-. indem sie die Paraffine s p m
1Naphthene;Thiophane)
Abb. 111-137. Entstehung von Erdol.
Durch auBere Einfliisse wie Druck und Temperatur entstehen aus den Kohlenwasserstoffgernischen Bitumen und Erdpech, d. h. verfestigte Kohlenwasserstoffe, die in Gesteinen eingebettet sind. Die bio- und geochemischen Umwandlungsprozesse setzen sich unter dem EinfluB von anaeroben Bakterien fort. Die Vielzahl der sehr komplizierten aufeinanderfolgenden und parallel verlaufenden chemischen und biochemischen Abbaureaktionen sind die Ursache fur die zahlreichen Kohlenwasserstoffverbindungen im Erdol (Abb. In-137). Die Kohlenwasserstoffe der Alkan-, Cycloalkan- und Aromatenreihe liegen im Erdol in unterschiedlichen Mengenanteilen vor. In der Regel dominieren die langkettigen Aliphaten. Die Folge ist ein breites Siedepunktspektrurn bei der destillativen Auftrennung (Abb. 111-138). Bei den Stoffwechselprozessen von pflanzlichen und tierischen Organismen nimmt die aktivierte Essigsaure eine zentrale Stellung ein. Sowohl Cellulose als auch StSrke, Proteine und Fette werden zu den Acetylbausteinen in Form von aktivierter Essigsaure abgebaut. Auf diese Reaktionsfolge, d. h. den Abbau der Biopolymeren aus dem Plankton bis zur aktivierten
Essigsaure und dem darauffolgenden Aufbau von langerkettigen Fettsauren rnit parallel verlaufender Kohlenstoffdioxidabspaltung, namlich der Decarboxylierung, ist die Erdolbildung zuriick-
700
Destillotions-Produkte
10
20
30
LO
SO
60
Anzahl der Kohlenstoffatome irn Molekul
Abb. 111-138. Siedebereiche von Erdolprodukten.
454 2 CH,-CO-~
111 Produktionsverfahren Lur Herstellung von chemischen Grundprodukten
-CH,-CO-CH,-CO-IC~AI
zufiihren (Abb. 111-1 39). Der Acetylrest ist dafiir H-(C~A] verantwortlich, daB die Kohlenwasserstoffkette
+
immer um zwei Kohlenstoffatome verliingert wird. Anschlieljend erfolgt eine Hydrierung unter Wdsserabspaltung. CH,-CH-CH,-CO&ZJ In Abb. 111-140 sind die moglichen BruttoreI aktionsgleichungen schematisch aufgezeichnet. Sie zeigen beispielhaft, wie der Abbau der CelluOH lose, Proteine und Fette his zu niedermolekularen Kohlenwasserstoffen, z. B. Propan, EtCH,-CH= CH- co [CoAI han und Methan, fuhren kann. Alle Umwandlungsreaktionen fuhren uber 11.1 Fettsauren. Bei Decarboxylierungen entstehen die entsprechenden urn ein Kohlenstoffatom verringerten Alkane. Parallel verlaufende Cyclisierungs- und Aro+c H , m rnatisierungsreaktionen fiihren zu den Cycloalkanen, haufig auch Naphthene genannt, und den Aromaten Benzol, Toluol, Xylol und anderen. CH3-CH~-CH~-CO-CH2-C0
.-I
CY-CH,-CH,-CO&Z~
I
-a
14.2.5 Massen- und Energiebilanz des Kohlenstoffzyklus Massen- und Energiebilanz
Abb. 111-139. Schema fur den Aufbau von Fettsluren aus den1 C?--Bausteinder aktivicrtcn Essigsaure.
Cellulose
'wltung
Prote,ne Spaltung
Glucose
COOH H,N-
4
Decarboxylierung c02
Buttersaure IC,H,COOHI
Oecorboxyllerung Propan lC,l+,l
Ethand IC,H,OH)
Hydrierung. +HI - HZO
-H -NH,
- c02
ungegttigte Fet tsaurereste
CH FH
7 Fettsauren
h r b o x y l i e r u n q Alkane
- c02
COOH +HZ
y
2
FH2
cow
Decarboxylierung
Ethan
Hydrierunegesattigte FettGurereste
COOH
Furnarsaure
Asporaglnsoure
Methan ICH,)
~
COOH
FH2 COOH
Glycerin
Ess,gsoure (CH,COOHI
Desarnhieruq - NH,
Arnlnosauren
Es liegt ein KreisprozeB vor. Anfangs- und Endzustand dieses Systems werden als gleich angenommen. Geht man also vom elementaren Zustand des Kohlenstoffs aus und fiihrt die Teilpro-
Alkane
wird in Glucoseabbauweq eingeschleust
F
Essigsaure
-
Methan
-co2 4 0 2
Buttersaure
L Ethanol
Abb. 111-140. Miigliche Umwandlung von Biornasse in Alkane.
Ethan
Bernsteinsaure
Ropan
HO ,
Ethan
14 Stoftlcreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik 3nC@* 3n CH' Kohlenwmserst of fe
-
455
3nCH3COOH aktivierte Essigsaure
='I
Ah=
- 6746
H
6
C
0
3+ ; z I I
c
fi It
IQ :
g s 5
133 gi3 -.n =a
'
6nC0, +12nH,O --nC,~10H16+6nH,0+
6n0,
zesse so, daB man schlieI3lich wieder zum Kohlenstoff gelangt, so ist der Anfangszustand gleich dem Endzustand (Schema 2). Unter diesen Bedingungen sind nach dem HelJschen Satz die Reaktionsenthalpien unabhangig vom Weg. Die Summe aus den Reaktionsenthalpien der einzelnen Teilreaktionen mu6 also wieder Null sein. Dieser Kohlenstoffzyklus laRt sich in zwei Teilkreislaufe untergliedern. Der eine beginnt mit dem Kohlenstoff (Kohle) und fiihrt iiber die Verbrennung zum Kohlenstoffdioxid, dann mittels der Photosynthese zu Glucose und uber die Biopolymerisation zu Cellulose bzw. Stiirke. Mit der Inkohlung wird der Kreislauf zum Kohlenstoff wieder abgeschlossen. (Abb. 111-141). Der andere Teilkreislauf wird ebenfalls beim Kohlenstoff begonnen. Uber die Verbrennung, Photosynthese und Biopolymerisation zur Cellulose bzw. Stake wird er erweitert durch den Abbau der Biopolymeren Cellulose und Stake zur aktivierten Essigsaure. Die Decarboxylierung der Essigsaure fuhrt unter Kohlenstoffdioxidabspaltung zum Methan. Erst die Methanverbrennung laRt den Zyklus wieder zum Kohlenstoff gelangen.
?
Abb. 111-141. Idealisiertesvereinfdchtes Schema des Kohlenstoffzyklus in der
Massen- und Energiebilanz fur den Teilkreislauf vom Kohlenstoff uber die Inkohlung zum Kohlenstoff Nebenrechnung: Zur vollstandigen Verbrennung von 12 g Kohlenstoff werden 32 g Sauerstoff benotigt. Fur die Verbrennung von 1 kg Kohlenstoff sind somit 0,32 kg . 1600 kg = 813 kg Sauerstoff erforder0,012 kg lich und es entstehen 1113 kg Kohlenstoffdioxid. Die Massen der Ausgangs- und Endprodukte der jeweiligen Teilreaktionen sind unter den Reaktionsgleichungen als Kilogrammangaben aufgefiihrt ( s . Schema 2).
Massen- und Energiebilanz fur den Teilkreislauf vom Kohlenstoff uber die Methanbildung zum Kohlenstoff Die Addition der umgesetzten Massen und Energien fiihrt nicht zum Ergebnis Null. Bei der Decarboxylierung der Essigsaure werden 50 % des Kohlenstoffs in Form von Kohlenstoffdioxid aus dem bei dieser Betrachtung zugrunde gelegten Kohlenstoffzyklus ausgeschleust. Da bei diesen Uberlegungen von 1 kg Kohlenstoff ausgegan-
456
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Schema 2:
[C,l., + 6n 01 I
813
-
ARh"2y8in k l k g Kohlenstoff
6nC0,
- 32 792
I113
+ 39 167
+ 371 [C,HS(OH),l,, 914
-
[C& + 5n H 2 0
- 6746
5 I4
I
Summe der umgesetzten Massen und Energien:
0
Schema 3:
[C& + 6n 0, I 13
1
6 n C 0 2 + 6nH,O I113
312
-
-
ARhu,,, in kJkg Kohlenstoff bn CO,
- 32792
I113
nC,H,(OH),
+
6n0,
512
+ 39 I67
813
+ 371
3n CH,COOH I 014
3n CH,
+
213
3n O2 413
-
3nCH, 213
+
+ 675
3nC0, 1116
lC61,,12 + bn H 2 0 I 12
- 20702
312
Schema 4: ARP29, = 3[A&"'xx, rm - A ~ f f ' 2 9 ~0 .2 - AtJf',,,
c.1
A R P , , , = 3 . (-393,s I ) = - 1 180,53 kJ pro 36 g Kohlenstoff ARh'12yX= -I I80,53 . 5001 36 = -16 396 kJ pro 500 g Kohlenstoff
-16396 kJ +I6396 kJ
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
Rolle in Organismen. Als Aminogruppe (-NH,) bildet er mit organischen Sauren die Aminosauren. Diese sind die Monomeren fur die mannigfaltigen Strukturen der Proteine. 20 Aminosauren bilden die Bausteine fur weit uber eine Million verschiedener Proteine. Des weiteren ist Stickstoff ein Bestandteil heterocyclischer Basen, von denen funf fur die Zusammensetzung der Nukleinsauren von grofiter Bedeutung sind. Man unterscheidet aufgrund ihrer unterschiedlichen Struktur zwischen Purin- und Pyrimidinbasen (s. Abschn. 111-14.1.2).
gen wurde, sind am Ende des Kreisprozesses nur noch 0,5 kg Kohlenstoff vorhanden. Entsprechend ist die Energiebilanz dieses Kreislaufes ungleich null (s. Schema 3 ) , d. h. ARh",,, = -16 396kJ. Fur die Reaktion [C,],, 112
+
3n0, 413
-
457
3nCO2 11/6
errechnet sich eine Reaktionsenthalpie fur n = 1 (s. Schema 4). Bezieht man diesen Wert in die Bilanz mit ein, dann ist die Summe der umgesetzten Massen und Energien wieder gleich Null.
14.3 Der Stickstoffzyklus 14.3.1 Eigenschaften und Vorkommen des Stickstoffs
Purinbasen
F'yrimidinbasen
Adenin Guanin
Cytosin Thymin Uracil
Der Stickstoff ist auch in einigen Vitaminen, wie zum Beispiel den B-Vitaminen B , (Thiamin), B2 (Riboflavin), B, (Pyridoxin) und B I 2
Neben Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasserstoff spielt Stickstoff als Bioelement eine essentielle Proteine
Nukleinsauren
- Strukturproteine z. B. Kollagen, Wolle, Seide
- Ribonukleinsauren - Desoxyribonukleinsauren
- Funktionsproteine z. B. Enzyme, Hormone (z. B. Insulin) (Aventis, Eli Lilly, Novo Nordisk)
- Mononukleotide (ATP, GTP)
Heterocyclische Basen (z. B. Cytosin)
Aminosauren
0 II H
C-N
I
H,N-C-C-OH I II R O (Degussa-HuIs, BASF) Harnstoff
/
\
\
/
H-N
C-NH,
c=c I
I
H H (Norsk Hydro, SKW Piesteritz)
H,N-C-NH,
II 0 lsocyansaure
O=C=N--H
(Bayer AG, Polyurethane)
Caliumcyanamid (Kalkstickstoff)
CaN-C=
(Degussa)
Blausaure
H-C=N
Nitrate Ammoniak Stickstoff
NHJ NEN
1
N
(Degussa) (Neste, Norsk Hydro, BASF)
Abb. 111-142.
Hierarchie von Stickstoffverbindungen.
458
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Schema 5: AG = - 16,s kJ/mol AH = -46 kJ/mol
NH,
4
Ammoniak
Reduktion
AG = +5 1,s kJ/mol AH = +33,2 kJ/mol
NZ
Oxidation
Stickstoff
*
NO2
Stickstoffdioxid
-
(Cobalamin) enthalten. Abbildung 111-142 zeigt eine hierarchische Anordnung der wichtigsten Stickstoffverbindungen. Obwohl Stickstoff ein unentbehrlicher Baustein biologischer Systeme ist, konnen weder Pflanzen noch Tiere und Menschen ihren Stickstoffbedarf direkt aus dem Luftstickstoff decken. Lediglich einige Mikroorganismen (Knollchenbakterien) sind in der Lage, den Luftstickstoff unmittelbar zu binden. Die Spannweite des inneren Energieinhalts der Stickstoffverbindungen liegt zwischen dem des Ammoniaks und dem des Stickstoffdioxids (Schema 5).
Nitr$kation
14.3.2 Biologischer Stickstoffkreislauf
14.3.4 Biologische Stickstoff-Fixierung
Innerhalb des Stickstoffkreislaufs gibt es nur eine naturliche Stickstoffquelle, die Luft. Von ihr leiten sich drei Reaktionswege ab:
Nur Prokaryonten" sind in der Lage, den Luftstickstoff direkt zu fixieren. Sie leben entweder frei im Boden oder als Symbionten** in Wurzeln von Pflanzen. Die Wirtspflanzen, zu denen die Leguminosen und einige Nicht-Leguminosen zahlen, konnen den als Ammonium-Ionen (NH,') fixierten Stickstoff direkt nutzen. Als Gegenleistung liefern sie den Knollchenbakterien (Rhizobien) die erforderlichen Nahrstoffe und Stoffwechselenergien. Durch die stickstoffixierenden Mikroorganismen werden jahrlich ca. 200 Mio t Stickstoff im Boden gebunden und den Pflanzen zuganglich gemacht. Die Stickstoffbindung vollzieht sich als Reduktion an einem Enzymkomplex, der Nitrogenase. Voraussetzung dafiir ist ein nahezu sauerstofffreies Milieu. Sauerstoff ist ein Inhibitor*** (Verzogerer) der Stickstoffixierung. Um den Sauerstoffpartialdruck moglichst gering zu halten, verwenden Mikroorganismen zur Sauerstoffbindung Leghiimoglobin, ein dem Hamoglobin verwandtes Pigment. Seine Bildung ist eine spezifische Leistung der Symbiose zwischen Wirtspflanze und den Knollchenbakterien. Zur Fixierung von Stickstoff ist Energie notwendig.
1. Abbau pflanzlicher und tierischer Stickstoffverbindungen. 2. Biologische Stickstoff-Fixierung Mikroorganismen.
mittels
3 . Einbringen von NO, aus der Luft, das durch Niederschlage in den Boden gelangt.
14.3.3 Abbau pflanzlicher und tierischer Stickstoffverbindungen Tierische Ausscheidungen von Harnstoff und Harnsaure und die durch Venvesung pflanzlicher und tierischer Zellen in den Boden eingebrachten stickstoffhaltigen Molekule werden von Bakterien abgebaut. Dabei wird Stickstoff als Ammoniak freigesetzt. Die zur Faulnis und Verwesung beitragenden Mikroorganismen haben es in erster Linie auf die Kohlenstoffietten der Aminosauren abgesehen. DemgemaS wird Ammoniak abgespalten. Im Boden liegt der Ammoniak als Ammonium-Ion vor. Dieses kann durch Bakterien der Gattung Nitrosomonas und Nitrobakter mit Hilfe von Sauerstoff uber Nitrit zu Nitrat oxidiert werden. Man bezeichnet diese Oxidation als Nitrijikation. Nitrat-Ionen aber konnen von Pflanzen leicht aufgenommen werden.
0 2
NH,'
NO2-
0 2
NO,
Ein Teil des vorhandenen Nitrats wird aber unter LuftabschluS von Mikroorganismen zu molekularem Stickstoff abgebaut. Das ist die Denitrifikation. Dem Boden wird also standig Stickstoff entzogen. Denitri3kation NO,-
* ** ***
Mikroorganisrnen
* N2
+
0, oder H,O
Prokaryonten: Organismen, deren Erbinformation frei im Zytoplasma der Zellen vorliegt und die somit iiber keinen geschlossenen Zellkem verfiigen. Symbiosein (grch) - Zusammenleben. inhibere (lat.) - hemmen, verhindem.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
459
Schema 6:
+
8[H]
N2
+
Nitrogenase
2Hf
12ATP Reduktionsaquivalente
Stickstoff
+
-
+
2NH4'
H2
+
12ADP
12Pi
Protonen
Ammonium- WasserIonen stoff
Die Energie wird uber das Adenosintriphosphat ATP entweder aus der Photosynthese, aus der Gamng oder der Endoxidation von Zuckermolekulen zu Kohlenstoffdioxid bereitgestellt. Bei der Reaktion entstehen aus einem Molekul Stickstoff, Nzr und zwei Wasserstoff-Ionen, H', unter Einsatz von 12 ATP und 8 Wasserstoffatomen (Reduktionsaquivalenten) zwei AmmoniumIonen, NH,', und ein Molekul Wasserstoff, HZ, sowie 12 ADP, Adenosindiphosphat, und 12 Phosphorsauremolekiile (Pi)* (s. Schema 6).
N,
+
0 2
Stickstoff
2N0
Adenosindiphosphat
7
Sauerstoff
+
Stickstoffmonoxid
0,
2N0 Stickstoffmonoxid
-
Sauerstoff
(AH = +180,5 W/mol
2N0, Stickstoffdioxid
(AH = -1 14,2 kJlmol
14.3.6 Vom Stickstoff zum Ammoniak 14.3.5 Einbringen von Ammoniak, NH,, und Nitraten, NO,-, aus Niederschlagen In der Atmosphare reagieren Sauerstoff und Stickstoff zu den entsprechenden Stickstoffoxiden (Abb. 111-143 und Abschn. 111-7.1.2).
Z
1840 formuliert der Chemiker Justus von Liebig
(1803 bis 1873) das Minimumgesetz. Es besagt, dal3 das Wachstum und der Ertrag von Pflanzen sich nach dem Nahrelement richten, das im Verhaltnis zum Bedarf in geringster Menge zur Ver-
L
Bakterien
a d
g %
-s
Ammoniak
*
=
'5q s
J0 =so
g 'Zs Y
9)
Y
9)
riJ
~m .c r
Harnstoff- spalter
P, steht als Abkiirzung fur die im StoffwechselprozeB frei gesetzte Phosphorsaure.
$ 0
460
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
fiigung steht. Dies trifft im besonderen auf die Elemente Stickstoff. Phorphor und Kalium zu. Die ErschlieBung von Phosphat- und Kalidungern war aufgrund der naturlichen Vorrate mit meist einfachen Methoden moglich. Stickstoff in Form von Natriumnitrat (NaNO,) wurde aus Chile eingefiihrt und aufbereitet. Der Chilesalpeter ist, wie schon envahnt, biogenen Ursprungs und durch Mineralisierung von Vogelfakalien, Guano, entstanden (s. Abschn. 111-7. I . 1). Zwischen 1879 und 1884 kam es wlhrend des Stickstoffkrieges in Sudamerika zu Lieferschwierigkeiten. Um sie zu umgehen, wurde Ammoniak aus Kokereigasen gewonnen. Erst 1913 mit der Haber-Bosch-Synthese wurden diese Engplsse iiberwunden. Nachdem der Stickstoff als das essentielle Bauelement aller Proteine und anderer bedeutsamer Bioverbindungen identifiziert worden war, war der Schlussel zum Verstandnis der Nahrungskette zwischen Mikroorganismen, Pflanzen, Tieren und Menschen gefunden. Niihrungsrnittelkette:
-
Mikroorganismus bzw. Ptlanze Mensch
Tier
-
Die Umwandlung von elementarem Stickstoff uber Ammoniak und Nitrat zu den Aminosauren bzw. Proteinen zeigt die Schwachstelle in der Nahrungsmittelversorgung der Menschheit. Denn nur das tierische EiweiB enthllt alle fur die menschliche Ernahrung so wichtigen essentiellen Aminosauren (s. Kap. 111-7). Nitrierungsrea ktionen
1p
,
14.3.7 Ammoniak als Schliisselverbindung
Um den groRen Vorrat an Luftstickstoff biologisch und technisch zu nutzen, muB das reaktionstrage Molekul in eine reaktionsbereite und fur die Pflanze verwertbare Verbindung uberfuhrt werden. Technisch wurde das von Fritz Haber (1863-1934) im Jahre 1909 durch die Ammoniaksynthese gelost. Carl Bosch (1874-1940) baute 1913 bei der BASF in Oppau eine Ammoniakfabrik. Mit dem Haber-Bosch-Verfahren ist es somit iiber den Weg der Ammoniaksynthese moglich, den Luftstickstoff fur die menschliche Ernahrung zu nutZen. Den dazu erforderlichen Wasserstoff erhielt man durch die Spaltung des Wassers in Wasserstoff und Sauerstoff. ZusammengefaRt sind mit der Stickstoffhydrierung zu Ammoniak drei wichtige Synthesepfade eroffnet worden (Abb. 111- 144). - Salpetersauresynthese (s. Abschn. 111-7.3.2), -
Harnstoffsynthese (s. Abschn. III-8.3),
-
Cyanwasserstoffsynthese (s. Abschn. 111-9.4.I).
Alle diese technischen Synthesewege sind letzten Endes ebenfalls am natiirlichen Kreislauf des Stickstoffs beteiligt. Ohne Dungemittel laBt sich das hohe Niveau des landwirtschaftlichen Ertrags nicht aufrechterhalten. Vor diesem Hintergrund sind technische Synthesewege in den Stickstoffkreislauf eingebunden, da die griiBte
+ eromat. Verbindungen
SalpeterSynthese
78% Val.Anteil Np
-I
+
‘“2
NH3
-c E
ernllhrung
Harnstotf-Synthesef
H2 N-C-N Z H
A-
H Cvanwasserstoff-
- Pflanzen-
sake
AminosClure (Methionin)
- Depot-N-
-
‘-
1-
Dilnger Arzneimittel KunstharzeWerkstoffe Futterrnittel
- Ernghrung - Arzneimittei
Synthese
Abb. 111-144. Ainmoniak als Ausgangsverbindung fur technische Synthesen
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
Aufbau
461
w eiektrochemische Oxidation (slltd
N 2 -bindend9
iakLultstickstolf (78 94 Vol.-Ant.) + 3 Hp
Oxidation zu NllratdOnger
Ammoniak
NH 3
Nitrifikation durch
Protein
- R-C=N-R' MO~NO2- - N03Nitrit
Nitrat
II
I
O H
Abbau von Proteinen (Verweeund
Abbau
4
Abb. 111-145. Stickstoffkreislauf in der Natur und Technik.
Menge an chemisch fixiertem Stickstoff uber den Weg der Dungung in die NahrungseiweiRe fuhrt, um wieder uber die mikrobielle Denitrifikation als molekularer Stickstoff zuriick in die Atmosphtire zu gelangen (Abb. 111-59 und -145).
14.4 Der Phosphatzyklus 14.4.1 Vorkommen und Entstehung von Phosphatlagern Geochemische Vorgange Der Kreislauf des Phosphors und der Phosphate in der Natur ist nicht so ohne weiteres zu erfassen wie die Zyklen des Wassers, Sauerstoffs, Stickstoffs oder Kohlenstoffs. Keine seiner Verbindungen komrnt in der Natur in nennenswerten Mengen gasformig vor, der Phosphatzyklus verlauft ausschliel3lich in der festen Phase oder gelost im Wasser der Flusse, Seen und Meere. Die Phosphatmineralien sind Salze der Phosphorsaure. Bekannte Phosphate sind Apatit und Phosphorit. Die abbauwurdigen Weltvorrate werden zur Zeit auf ca. 45 Mrd t geschatzt (s. Abschn. 111-5.2). Am Aufbau der Erdrinde mit einer Schichttiefe von 17km bis 30 km ist Phosphor mit 0,09%
Massenanteilen beteiligt; der Anteil an der menschlichen Biomasse betragt 1 % (s. Tab. 111-8). Die in der Erdkruste vorkornmenden Mineralien haben als Rohstoffe nur geringen wirtschaftlichen Wert, wenn sie nicht in abbauwiirdigen Lagerstatten angereichert sind. Es ist von g r o k m geologischen Interesse, die Anreichemngsvorgange zu kennen, um Aussagen iiber den Zyklus eines Minerals zu rnachen. Geochernische und biogene Prozesse wirken haufig zusarnmen. Die Rohphosphatlager sind magrnatischen und sedimentiiren Ursprungs (s. Abb. 111-146). Als Magma* wird die gashaltige und glutflussige Gesteinsschmelze im Erdinneren bezeichnet, die wtihrend des Eindringens und Durchbrechens in die obere Erdschicht erstant. Deshalb wird es auch Erstarrungsgestein genannt. Aufgrund der unterschiedlichen Schrnelzpunkte und Loslichkeiten der einzelnen Mineralien in der Schrnelze entmischt sich das Magma w3hrend des Ternperaturabfalls und der Druckerniedrigung in verschiedene Mineralkomponenten. Sedimentgesteine** sind durch Absetzen und Ubereinanderstapeln von verwitterten, in Wasser gelosten und wieder auskristallisierten Stoffen entstanden.
*
massein (grch.) - kneten.
** sedimentum (lat.) - sich gesetzt.
462
Ill Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Diese Stoffe konnen anorganischer und organischer Natur sein. Die Phosphatmineralien gelangen als Magma aus Schichten von mehreren hundert Kilometern Tiefe an die Erdoberflache. Das an Phosphaten angereicherte Magma kann his zu 60 % ails Apatit, &,[(OH, F, C1)(PO4)J, Calciumhydroxylfluorophosphat, bestehen. Die bekanntesten Hauptvorkommen dieser Art sind das PalaboraLager in Sudafrika und das Khibury-Lager auf der russischen Halbinsel Kola.
Die mit dem Magma an die Erdoberflache geforderten phosphorhaltigen Mineralien werden teilweise verwittert. Dabei werden sie chemisch in Phosphate umgewandelt. Sie werden von Mikroorganismen, Pflanzen und Tieren zum Aufbau ihrer arteigenen Biomasse verwendet und gelangen somit in den Kreislauf der Biosphare. Ein anderer Teil der verwittecen Mineralien wird durch Erosion abgetragen. Uber die Fliisse werden diese Phosphate in das Meerwasser ge-
spiilt und dienen dort den Meeresorganismen als essentielle Nahrsubstanz. Die von den Fliissen ins Meer transportierten erodierten Gesteinsmassen haben betrachtlichen Umfang. Der Rhein tragt jahrlich mehr als 4,5 Mio Kubikmeter Begleitstoffe ins Meer. Die vom Amazonas in Sudamerika hinausgetragenen Massen werden auf mehr als I Mrd Kubikmeter pro Jahr geschatzt. Die abgestorbenen Kleinlebewesen sinken auf den Meeresboden, sie sedimentieren und sind anderen Mikroorganismen eine willkommene Nahrungsquelle. Auf dem Meeresboden werden die organischen phosphathaltigen Reststoffe anaerob abgebaut, d. h. biomineralisiert. Ein Teil der biomineralisierten Phosphate wird durch die Aufwiirtsstromung in die oberen Gewasser gefordert und dient den Meeresorganismen wieder als Nahrstoff. Ein anderer Teil der biomineralisierten Phosphate verbleibt auf dem Meeresgrund und baut sich zu den marinen Sedimenten auf und wird dem biologischen Kreislauf entzogen. Phosphathaltige marine Sedimente entstehen an den Kiistenvorfeldern, die im EinfluRbereich von konti-
Abb. 111-146. Der Langzeit-Phosphatzyklus. - Phosphat zirkuliert in einem groljen geochemischen Kreislauf langsam vom Land zum Meer und wieder zuriick. Dabei wird es unzsihlige Male von den pflanzliehen und tierischcn Zellen als Biomolekiil eingebaut und spielt eine wichtige Rolle beim Energiestoffwechsel der Lebewesen. Im Meer nehmen
Pflanzen und Tiere Phosphate auf. Wenn sie absterben und zu Boden sinken, bleiben Reste ihrer organischen Substanz als Phosphatkiigelchen auf dem flachen Schelf. Ein kleiner Teil des Phosphats gerat auf einer ozeanischen Platte unter einen Kontinentalrand und steigt mit dem Krusten-Magma an einzelnen Stellen nach oben.
Biochemische Vorgange
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
nentalen Meeresstromungen liegen. Wo die Meeresstromungen parallel zu den Westkusten der Kontinente verlaufen, werden sie von den Passatwinden nach Westen zum offenen Meer hin abgelenkt. Die abflieRenden Oberflachenwasser werden durch emporsteigende kalte Wassermassen aus den Tiefen ersetzt. Die aus tiefen Meeresschichten mitgefuhrten Phosphatmineralien setzen sich im Kustenvorfeld ab. So haben sich machtige Phosphatlager auf den Kontinentalschelfen ausgebildet. Beispiele fur diese Phosphatlager sind die Vorkommen in der Karibik und im Sudosten und Nordwesten der USA. Auf iihnliche Weise sind auch die Lager in Marokko und der westlichen Sahara entstanden. Der geo- und biochemische Kreislauf schlieRt sich, indem Teile dieser Sedimentphosphate in der Subduktionszone* wieder unter die Festlandplatte geschoben werden. Eines Tages taucht dieser Teil mit dem Magma wieder an irgendeiner Stelle der Erdkruste auf. Das ist ein ProzeR, der sich iiber eine Zeitspanne bis zu einer Milliarde Jahre erstreckt (Abb. 111-146). Der Kurzzcit-Zyklus der Phosphatverbindungen wird im wesentlichen durch biologische Vorgange in Gang gehalten. In den letzten 70 Jahren kommen dazu noch die technischen Prozesse zur Herstellung von Diingemitteln, Futtermitteln und Industriereinigern. Weltweit wurden 1997 ca. 145 Mio t Rohphosphate gefordert, von denen 80 % als Diingemittel aufbereitet worden sind (s. Abschn. 111-5.4).
H Adenosin I I
I
*
463
14.4.2 Der Phosphor als Bioelement
Der Phosphor ist in den biologischen Systemen am Aufbau - der Adenosinphosphate, z. B. ATP, -
des Nicotinamid-Adenin-Dinucleotidbzw. (-Phosphat), NAD (NADP),
-
der Nukleinsauren,
-
der Phospholipide und
-
der phosphathaltigen Geriistsubstanzen der Krusten- und Schalentiere sowie
- der Knochensubstanz von Tieren und von
Menschen wesentlich beteiligt und spielt somit beim StoffwechselprozeR biologischer Systeme eine bedeutende Rolle. Das ATP ist ein Energiespeicher und Energieubertrager und in den Mitochondrien der Zellen lokalisiert (Abb. 111-147). Die Mitochondrien sind die Kraftwerkstationen der Zellen. Der menschliche Organismus setzt im Laufe des Tages eine ATP-Menge urn, die anniihernd seinem Korpergewicht entspricht. Das NAD, Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid und NADP, Nicotinamid-Adenin-DinucleotidPhosphat, sind die Transportmittel fur Wasserstoff und damit an den Redoxvorgangen in einer Zelle beteiligt (Abb. 111-148 und -149).
H I
AMP AdenosindlDhosDhat ADP
~denoslnmonoDhosDha1
Adenosintriphosohal
sub (lat.) - unter; ducere, fiihren.
4
a
ATP
Abb. 111-147. Strukturaufbau I
der Adenosinphosphate.
464
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
-
Adenin b
N icotin amid
i
NH2
A
Ribose
Ribose
I
4 NAD
HO-~-OH 0
NAP
Abb. 111-148. Strukturaufbau des Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid(CPhosphat).
(Redukticn) + 2H
- 2H ( Oxidation)
I II
-?
Abb. 111-149. Wirkungsmechanismen bei Redoxvorgangen mit NAD.
Phosphorsaure ist in den Nukleinsauren mit den Ribosemolekulen uber Esterverbindungen verknupft. Es bildet sich eine polymere Kette, die nach einer genau festgelegten Reihenfolge an jedem Ribosebaustein eine Aminobase tragt. Die Nukleinsauren sind in den Zellkernen und den Plasmiden einer Zelle lokalisiert. Sie enthalten die Erbinformationen durch die Sequenzen der Aminobasen verschlusselt (s. Abb. 111- 128). Phospholipide bilden das Grundgeriist fur die Zellmembranen (Abb. 111-1.50). Sie sorgen mit ihren hydrophilen (wasserfreundlichen) und hydrophoben (wasserabweisenden) Verhalten fur eine Abschirmung des Zellinneren von der Umgebung, zugleich aber auch fur die Durchlassig-
keit der Stoffwechselprodukte der Zelle. Phosphate sind auch am Aufbau der Knochen beteiligt. 100 g fettfreies Knochengewebe eines 18 bis 35jahrigen jungen Menschen enthalten ca. 1 1,3 g Phosphor in Form von Hydroxylapatit, CaS(OH)(POJ3.
14.4.3 Phosphate als Nahrsubstanz fur Pflanzen Fur ein normales Pflanzenwachstum enthalt der Boden ausreichende Phosphate, die von den Pflanzen absorbiert werden konnen. Mit der notwendigen Steigerung der Getreide- und Hackfruchternten mufiten dem Boden die fehlenden
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
465
a) LarithirmoleMl b) 'Ruide' Bilayer c) 'rigide ' Bilayer d) Lipidvesikel e) Lipid-DoppetschicM (%hmatisch)
Abb. 111-150. Grundgerust fur Zellrnenbranen (aus Umschau in Wissenschufrund Technik, Miirz 1981).
Phosphate als Dungemittel zugesetzt werden. Insbesondere auch deshalb, weil die organischen Phosphorverbindungen der Pflanzen als Erntegut dem Acker verlorengehen. Der Regenerationsprozel3 durch Recycling wird hier durch das Abernten vermindert. Die phosphathaltigen Nahrstoffmengen, die dem Boden durch landwirtschaftliche Kulturpflanzen entzogen werden, sind in Tabelle 111-1 (s. Abschn. HI-7.3.1) aufgelistet. Die Rohphosphate sind wasserunloslich. Auch organische Sauren, wie die Huminsauren des Bodens, vermogen sie nicht in eine fur PflanZen resorbierbare Form zu uberfuhren. Deshalb werden die in den Phosphatminen geforderten Rohphosphate mit Salpetersaure oder Schwefelsaure nach dem NaBaufschluBverfahren in Phosphorsaure iiberfiihrt und anschlieRend wieder neutralisiert. 85 % aller gewonnenen Rohphosphate werden nach diesem Verfahren aufgeschlossen (s. Abschn. 111-5.5). Organische Phosphorsaureester dienen als Wirkstoffe fur Schadlingsbekampfungsrnittel. Sie sind spezifisch toxisch, werden aber nach einigen Tagen zu harmlosen Riickstanden abgebaut. Eine iiberragende Stellung nimmt ein Polyphosphat, das Pentanatriumtriphosphat, Na5P30,", ein. Es war ein wesentlicher Bestandteil in Waschmitteln und ist heute nur noch in In-
dustriereinigern anzutreffen. Die kondensierten Phosphate binden Calcium- und MagnesiumIonen, die die Htirte des Wassers ausmachen, zu Komplexverbindungen. Auch beim Kochen, z. B. von Wasche, bleiben sie wasserloslich und konnen sich somit nicht in der Wasche ablagern und diese vergrauen. An die Stelle von Pentanatriumtriphosphat sind in den Waschmitteln fur Haushalte die Zeolithe, Natrium-Aluminiumsilikate,und Komplexbildner wie z. B. Nitrilotriessigsaure (NTA)* getreten. Nach langjtihrigem Einsatz zeigen auch sie erhebliche Nachteile. Es ist abzusehen, daR die Phosphate als Wasserenthiirter in den Waschmitteln wieder ein ,,comeback" haben werden, insbesondere auch deshalb, weil sie sich aus den Abwassern leicht entfernen lassen. 14.4.4 Der Zyklus der Phosphorsaure in der Biosphare Wo bleiben nun die abgebauten und in die Dungemittel, Futter- und Nahrungsmittel iiberfuhrten Phosphate? Als Stoffwechselprodukt oder mit dem Absterben der Pflanzen und Tiere gelangen sie nach deren Verwesung in feinverteilter Form in den
*
NTA (engl. Abk.) - nitrotriacetic acid.
466
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
biogene Umwa nd Iung 4
I
-Biomlneralisation
ate
Zersetzung im Boden oder
Na6aufschluB
t
Mineralische Rohphosphate (wasserunlt)slich)
Phosphorylierung
~
Phosphorsiure
biologischer Abbaul Umbau
DNS, RNS
-
Phosphol ipide
-- - - - -
PhosphatdOnger, Nahrungs- u. Futtermittel Waschhilfsmittel
Phoaphorsiure Neutrallsation
H3 PO4 elektrothermlsche Reduktion
Phosphorsllure H3 PO4
elementclrer Phosphor
technische Synthese
---------
-~ Phosphorsllureester 81s Pflanzenschutzmittel b
Abbau im Boden
technische Aufarbeitung Abb. 111-151. Der Zyklus der Phosphorsaure in der Biosphare.
Boden und werden dort zu wasserlijslichen Verbindungen mineralisiert. Im Boden kristallisieren die wasserloslichen Phosphate stufenweise wieder in wasserunlosliche Modifikationen urn. Die Biomineralisation wird von Mikroorganismen besorgt. Das sind z.B. Bakterien, Ringelwurmer, Mollusken und GliederfiiBler. Sie produzieren u. a. folgende Phosphatverbindungen: Ca3Mg3(P04), CaHPO, ‘ 2 H,O CaF . Ca,(PO,), Ca,(OH)(PO,),
Calcium-MagnesiumPhosphat Bruskit Francolit Hydroxylapatit
Vom menschlichen Organismus wird als Abbauprodukt Phosphorsaure ausgeschieden. Das Zusammenspiel der technischen Aufbereitung von Rohphosphaten fur Dungemittel, Nahrungsmittel, Futtermittel, Waschhilfsmittel und Pflanzenschutzmittel und ihrer biogenen Umwandlung ist schematisch in Abb. 111-15 1 dargestellt. Das Schema zeigt, daB die chemotechnische Nutzung der Rohphosphate und der biogene Kreislauf nicht im Widerspruch stehen, sondern sich bei sinnvoller Fuhrung der technischen Verfahren erganzen.
14.5 Der Sauerstoffzyklus 14.5.1 Eigenschaften und Vorkommen des Sauerstoffs
Molekularer Sauerstoff Sauerstoff ist ein chemisches Element mit der Molekulmasse 32. Das Symbol ,.O‘ ist von dem griechischen Wort o q s , sauer, hergeleitet worden. Im periodischen System der Elemente steht Sauerstoff in der Gruppe der Chalkogene, der 6. Hauptgruppe, an erster Stelle. Die ersten Vorstellungen von chemischen Reaktionen in der Atmosphlre wurden mit der Entdeckung des Sauerstoffs, Stickstoffs und Kohlenstoffdioxids als Bestandteile der Luft gewonnen. John Priestley (1 733-1 804), 1771, Karl Wilhelm Scheele (1742-1780), 1772, und Antoine Laurent de Lavoisier (1743-1794), 1774, wiesen nach, daB Luft aus den Komponenten Sauerstoff und Stickstoff besteht. Es wird angenommen, daB das Sauerstoffatom wahrend der Bildung der chemischen Elemente aus ihren Elementarteilchen durch Verschmelzung von vier Heliumkernen entstanden ist. Jeder Heliumkern steuert zwei Protonen bei. Sauerstoff enthalt acht Protonen. 1st die Anzahl der fusionierten Heliumkerne geradzahlig, so
14 Stoftkreislaufeund ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
sind die daraus hervorgegangenen Elernente besonders stabil. Das erk1th-t auch, warurn die chemischen Elernente rnit gerader Protonenzahl haufiger in der Erdkrustenrnaterie vertreten sind als die rnit ungerader Protonenzahl. Die irn Sauerstoff vorliegende Viererkornbination von Heliumkernen zeichnet sich durch bevorzugte hohe Stabilitat und einer entsprechend groBen Haufigkeit irn Vergleich zu allen anderen Elernenten aus. Sauerstoff ist ein rnolekulares Gas, 02,das sich bei -182,97"C und einern Normdruck von 1,0133 bar zu einer hellblauen Fliissigkeit verfliissigt. Bei -218,9"C erst& der Sauerstoff zu festen rhornboedrischen Kristallen. Vorn Sauerstoff sind drei Isotope rnit den Massenzahlen 16, 17 und 18 bekannt; die Anteile am Isotopengernisch betragen fur 16
,O 99,7587 %; '
18
0,2039%;
Der elernentare Sauerstoff ist chernisch sehr reaktionsfreudig, so dal3 er sich rnit fast allen Elernenten in der Natur zu den entsprechenden Oxiden umsetzt. In der N&e der Meeresspiegelhohe ist der Sauerstoff rnit 20,946 % Volurnenanteilen an der Zusamrnensetzung der Luft beteiligt (s. Tab. 111-5, Abschn. 111-12.5). Mit steigender Hohe nimrnt der Sauerstoffanteil ab. Sauerstoff ist in Wasser relativ gering Ioslich. Unter Normdruck losen sich bei 20°C in einern Liter Wasser 3 1,3 crn3. Diese Menge ist aber irnrnerhin ausreichend, urn irn Wasser Lebensvorgange rnit oxidativen Stoffwechselprozessen gedeihen zu lassen. Die Lithosphire, das ist die etwa 17km bis 30 km rnachtige Erdkruste, besteht aus 49,5 % Massenanteilen Sauerstoff (s. Tab. 111-8, Abschn. 111-14.1). Die Gesamtmenge an gebundenern und freiern Sauerstoff auf der Erde wird heute auf 3,2 . 10" Grarnrn geschatzt. Davon entfallen 4 %, das sind 1,3 . 10" Grarnrn, auf den atrnosphiirischen Sauerstoff. Die restlichen 96% sind auf der Erdoberflache als Wasser und in der Erdkruste als Eisenoxide, Sulfate und Silikate gebunden. Denkt man sich die gesteinsbildenden Minerale als dicht gepackte Gitter von kugelforrnigen Sauerstoffatornen, so wird das Volurnen der Lithosphiire aufgrund des Atomradius des Sauerstoffs zu 99 % vom Sauerstoff ausgefullt. Die anderen rnineralbildenden Elemente, wie Ei-
467
sen, Siliciurn, Aluminium, Calcium, befinden sich in den Liicken zwischen den Kugelpakkungen. Unter Zufuhr von Strahlungsenergie oxidiert Sauerstoff zu Ozon, rnit Wasserstoff wird er zu Wasser reduziert:
-
AH = -286 kJ/rnol
H20 Wasser
AH = +163,? kJ/rnol 0 2
Sauerstoff
* 03 Ozon
Ozon* Ozon ist ein dreiatorniges Molekiil des elementaren Sauerstoffs. Das Ozonrnolekiil ist energiereicher als die rnolekulare Form des Sauerstoffs. Ozon ist ein tiefblaues Gas rnit einern charakteristischen Geruch. Bei -119°C und Normdruck verdichtet es sich zu einer tiefblauen Flussigkeit, die bei weiterern Abkiihlen ab -251 "C zu blauschwarzen oder dunkelvioletten Kristallen erst&. Die Loslichkeit des Ozons in Wasser ist besser als die des molekularen Sauerstoffs. 1 L Wasser lost unter Normbedingungen fast 0,5 L gasformiges Ozon.
Ozonschicht in der Atmosphare Ozon hat sich bevorzugt in einer Hohe zwischen 20krn und 30 krn angereichert, und es ist rnit einern Volurnenanteil von 2 . lo6% bzw. rnit einern Massenanteil von 3,3 . % vertreten. Dieser Bereich wird auch Ozonosphire genannt. Die Ozonkonzentration in der Atrnosphare ist hohenabhangig. Das Maximum von 1 2 . 10" % Volurnenanteilen findet man in 30 km Hohe. Ozon entsteht iiberall dort, wo atomarer Sauerstoff rnit rnolekularern Sauerstoff reagieren kann. Die Spaltung von rnolekularern Sauerstoff in atornaren erfordert Energie. Es ist eine endotherme, d. h. energiebindende Reaktion. In der Ozonosphiire wird der rnolekulare Sauerstoff durch den kurzwelligen Teil der Sonnenenergie, das sind die ultravioletten Strahlen, rnit einer Wellenlange unterhalb 300 Nanometer*, in atornaren Sauerstoff gespalten (s. Abschn. III12.5.5). Hierbei handelt es sich um eine Photodissoziation.
*
Ozon (grch.) - das Riechende
468
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Gruiidprodukten 250
-.
Kosmische Strahlung
Luttdruck 1 0 - ' 0 mbar
-
10-6
-
200-
-
--
150-
-
-
Hohe km
Y I
Meleore
a
- Turbopause-
100-
10-3
Mesopause-
A
Mesosphare
50 -
1 -
10-3 Perimutlerwolken c>
Abb. 111-152. Das Temperaturprofil in der Atmosphare.
0 2
-
I < 242 nrn
-
2 0
(1)
( A H = 4 9 5 kJlmo1)
20, (2) (AH = -206 kJ/mol)
20+202---~
3
~~
i. < 242 nm 0 2
7
1200 nm
~~~
-
203
-
( 31
(AH= +289 kJ/mol)
Der atomare Sauerstoff reagiert mit dem molekularen Sauerstoff zum Ozon. Die Energiebilanz der Bruttoreaktionsgleichung (3) ist positiv, d. h. es handelt sich um einen energiebindenden Vorgang. Die vereinfachten Reaktionsgleichungen zeigen, daB die kurzwellige harte Energiestrahlung des Sonnenlichts absorbiert wird und in chemische Energie bzw. in Warmeenergie, einer Energie weicher Strahlung, umgewandelt wird. In der Ozonosphiire steigt die Temperatur wieder an. Eine der Ursachen hierfiir ist die exo-
*
I nm = 10-"m.
therme Reaktion zwischen dem aktiven atomaren Sauerstoff und dem molekularen Sauerstoff, s. Teilgleichung (2) und Abb. 111- 152. Die Reaktionen ( I 1, ( 2 ) und (3) verlaufen auch in umgekehrter Richtung. In der Ozonosphke hat sich uber die Photodissoziation ein relativ stabiles dynamisches Gleichgewicht zwischen Sauerstoff und Ozon eingestellt. Die Ozonspaltung wird im Gegensatz zu der des Sauerstoffs nicht nur von UV-Strahlung initiiert, sondern auch vom Licht des sichtbaren Bereiches, d. h. im Bereich unter 1200 nm. Durch vertikale Luftstromungen gelangt das Ozon manchmal bis in die Nahe der Erdoberflache. Es wird hier aber durch die katalytische Wirkung der durch die in Erdnahe vorhandenen Luftverunreinigungen Lersetzt. Die Reaktionsablaufe zwischen Sauerstoffatomen und -molekulen sind dafur verantwortlich, daB die UV-Strahlungen nicht rnit hoher Intensitat bis zur Erdoberflache durchdringen, mit der sie die biologischen Systeme in ihrer Existenz bedrohen wiirden. Die Ozonschicht mit ihren komplexen Reaktionsablaufen bildet ein Schutzschild gegen die harte atmosphiirische Strahlung.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
14.5.2 Die reduzierende Erdatmosphare Der elementare Sauerstoff in der Luft und in geloster Form auch im Wasser ist biogenen Ursprungs. Er ist als Nebenprodukt photosynthetischer Reaktionen in Mikroorganismen und griinen Pflanzen entstanden. Die Erde hat sich vor ca. 4,7 Mrd Jahren aus der Urmaterie gebildet. Wiihrend der allmiihlichen Abkuhlung und Erstarmng nahm sie eine abgeplattete Kugelform an. Die Materiemassen des Erdplaneten verteilten sich ungleichmaBig. Im Erdinnem konzentrierten sich die Elemente mit groBerer Dichte, wie Eisen und Nickel. In der Erdkruste reicherten sich die Elemente mit geringerer Dichte an, das sind Silicium, Aluminium, die Erdalkalien u. a. Mit der Erstarmng der Erdoberflache entfaltete sich eine intensive Vulkantatigkeit, die in abgeschwachter Form bis in unsere Gegenwart anhalt. Heute werden auf der Erde noch 500 aktive Vulkane gez2hlt. Sie sind die Folge der immer noch anhaltenden Ausgasung. Aus den Vulkanen stromten mit den riesigen Massen an Lavaschmelzen ungeheure Gasmengen, aus denen sich im Laufe der Millionen Jahre die Uratmosph&re bildete. Alle Forschungsergebnisse weisen darauf hin, daB die Uratmosphkire im wesentlichen aus - Wasserdampf, H20, - Kohlenstoffdioxid, C 0 2 , - Stickstoff, N2,
bestand. In geringen Mengen waren auch - Methan, CH,, -
von Wasser bedeckt. Diese nur kurz skizzierten Vorgiinge spielten sich in den ersten 500 Mio bis 700 Mio Jahren der Erdgeschichte ab (s. Abb. 1-6, S. 34). Die Voraussetzungen fur biologische Vorgange waren geschaffen. In den Meeren entstanden die ersten Organismen, die zum Stoffwechselprozel3, Wachstum, zur Fortpflanzung, Reizbarkeit und Mutation* sowie Adaption** befkigt waren. Es waren autotrophe*** Mikroorganismen in einer sauerstofffreien Umgebung. Unter chemoautotrophen Organismen versteht man Lebewesen, die unabhiingig von organischen Substanzen und damit unabhangig von anderen Lebewesen sind. Die Silbe ,,chemo" bringt zum Ausdruck, daB die erforderliche Energie durch chemische Reaktionen im Organismus freigesetzt wird und nicht von auBen durch Lichternergie gesondert zugefiihrt werden muB. Als Kohlenstoffquelle diente zum Beispiel Kohlenstoffdioxid und als Reduktionsmittel und Energielieferant der sehr reaktionsfahige Wasserstoff. Bei der Reduktion des Kohlenstoffdioxids zu organischen Verbindungen wird die notige Energie zum ,,Leben" dieser Organismen freigesetzt. Die zusammengefaBten vereinfachten Gleichungen fur die Stoffwechselreaktionen von anaeroben chemoautotrophen Bakterien mogen das veranschaulichen. Fur Essigsaure gilt: 2 C0zcs, + 4H2(p)-
CH2COOH(aq,+ 2 H*O(n, (4)
KohlenWasserstoffdioxid stoff
Essigsaure
Schwefelwasserstoff, H2S, - Chlorwasserstoffgas, HCl, - Fluorwasserstoffgas, HF, und - elementarer Wasserstoff, HZ,
-
anwesend. Es gibt keine Hinweise, die auf elementaren Sauerstoff in der Uratmosphbe schlieBen lassen. Zu jener Zeit besaB die Erde eine reduzierende Gashiille. Die Abkuhlung der Erdoberflache unter 100 "C leitete die Wasserdampfkondensation zu flussigem Wasser ein. Das Wasser sammelte sich in den Senken der Erdkruste. Es entstanden Ozeane, Seen und Flusse. In dem Meer losten sich alle wasserloslichen Salze und Mineralien. Es bildete sich die Hydrosphiire. 70,8% der knapp 5 10 Miokm2 umfassenden Erdoberflache sind
Wasser
(AG = -80,56 kJ/mol)
Kohlenstoffmonoxid, CO,
- Ammoniak, NH3,
469
Die freie Reaktionsenthalpie ist negativ. Pro Mol im Wasser geloster Essigsaure werden 80S6 kJ freigesetzt, die fur Stoffwechselprozesse zur Verfiigung stehen. Fur Methanbakterien gilt: CO,
+
Kohlenstoffdioxid
4H, Wasserstoff
-
CH,
+
Methan
2HZ0
(5)
Wasser
(AG = - 130.66 kJ/mol)
Auch bei dieser Reaktion ist die freie Enthalpie negativ, die dann die Stoffwechselvorgange in den Methanbakterien aufrechterhalt.
*
**
***
mutare (lat.) - wechseln, verandern. adaptare (lat.) anpassen an. autos (grch.) - selbst; trophe (grch.) - Nahrung. ~
470
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Mit den aus den Reaktionen (4)und (5) freigesetzten Energien konnten dann energieverbrauchende Reaktionen zum Aufbau von Biornonomeren, in diesem Falle Glucose, gespeist werden:
+
3CHd
Kohlenstoffdioxid
Methan
3CO2
+
(6)
C,H,(OH), Gluco5e
(AG = + 422,98 kJ/mol)
Die Case Kohlenstoffdioxid, Wasserstoff und Methan waren in der reduzierenden Atmosphare ausreichend vorhanden. Die Entwicklung des Lebens wurde im Wasser nicht nur durch die vielen rnineralischen Spurenelemente, die zum Aufbau von Biosubstanzen erforderlich sind, sondern auch durch die schiitzende Wirkung des Wassers selbst gegen die harte UV-Strahlung des Sonnenlichts ermoglicht. Denn die Ozonschicht gab es in dieser Zeit der Evolution der Biosphare noch nicht.
14.5.3 Die Entstehung der sauerstoffhaltigen Atmosphare Photosynthetisierende Mikroorganismen Als die wasserstoffliefernden Verbindungen, wie der elementare Wasserstoff, Schwefelwasserstoff, Ammoniak oder Methan, nicht mehr aus-
6C02
+
Kohlenstoffdioxid
3HZS
+
6 HzO
Lichtenergie
Wa,ser
Schwefelwasserstoff
C,H,(OH),
reichten fur die Nahrstoffversorgung der Mikroorganismen, schaltete ihr StoffwechselprozeB auf einen andcren Wasserstofflieferanten, namlich das Wasser, um. Da das Wassermolekul, H,O, eine an innerer Energie sehr arme, stabile Verbindung ist, muR fur dessen Spaltung sehr vie1 mehr Energie aufgewendet werden, als chemische Reaktionen im wasserigen Medium freizusetzen vermogen. Einige Mikroorganismen mutierten in der Weise, daR sie die reichlich vorhandene Lichtenergie auszunutzen wuBten. Die Umschaltung auf die Photosynthese wird auf die Zeit vor ca. 3 3 Mrd Jahren datiert. Die ersten photosynthetisierenden Bakterien waren die griinen Schwefelbakterien (Clilorobiuceue). Als Wasserstoffquelle diente ihnen u. a. Schwefelwasscrstoff. Die entstehenden Nebenprodukte sind Schwefel bzw. Schwefelsaure (s. GI. (7)). Eine andere Bakterienspezies, die sich friih der Photosynthese rnit Schwefelwasserstoff als Wisserstoffspender bedienten, sind die schwefelhaltigen Purpurbakterien (Chromutiucea) (s. G1. (8)). Als die ersten aus dem Wasser sauerstoffabspaltendcn Bakterien gelten Blaualgen (Cynnobakterien*) (s. G1. (9)). Alle diese drei genannten Biosynthesen sind energiebindende Reaktionen. Als Energiequelle mobilisieren die Bakterien das Sonnenlicht.
+ 3 HZSO,
(7)
Schwefcl\aurc
Glucose
(AG = +743,91 kJ/mol)
6C02
+
Kohlcnatoffdioxid
12H2S
+
Schwetelwasser\toff
-
Lichtenergie
C,H,(OH),
+ 6H20 +
Glucow
12s
(8)
Schuefel
Waaaer
(AG = +439,59 kJ/mol)
6COz
+
Kohlcnstoffdioxid
12H20 Wasser
+
-
Lichtenergir
C,H,(OH),
+ 6H,O +
Glucose
Waaaer
60,
(9)
Sauerrtoff
(AG = +2876,6 kJ/rnol)
*
kyanosi? (grch.) Kornhlume. ~
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
/ /I
I
I
I
I
8
lsdnneneneraiel
471
II \
Abb. 111-153. Oxidationsprozesse im Meer und auf dem Festland.
Mit dem Wasser war eine unerschopfliche Wasserstoffquelle erschlossen. Als Nebenprodukt entstand der reaktionsfreudige Sauerstoff, der fur die photosynthetisierenden Mikroorganismen giftig und lebensbedrohend war. Der freigesetzte Sauerstoff wurde aber sofort von anderen im Wasser gelosten Ionen abgefan-
gen, indem sie oxidiert wurden und den Sauerstoff als Oxide banden. Unter anderem war im Wasser reichlich zweiwertiges Eisen gelost, das zum unloslichen dreiwertigen Eisenhydroxid bzw. Eisenoxid umgewandelt wurde (Abb. 111-153).
472
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
8 Fe(OH),,,,, + 4 H 2 0 Eisen-11-
Wasser
hydroxid
+ 2 0,
Wasser als Wasserstomieferant fur die Photosynthese
Sauerstoff
4 Fe(OH)3,t,,,+ 2 Fe203,,,,,,+ 6 H20 Eisen(II1)-
Eisen( 111)hydroxid
Wasser
oxid
(AH= - 229,44 kllmol) Die gesamten in den Ozeanen vorhandenen gelosten zweiwertigen Eisenverbindungen wurden oxidiert und sanken als eisenreicher Schlamm auf den Meeresboden. Aus diesem Eisenschlamm bildeten sich nach Entwassemng und Verfestigung durch Druck die rotgebanderten Eisensteine der friihen Erdgeschichte. Teile von diesen Sedimenten stellen die in aller Welt vorkommenden abbauwurdigen Eisenerzlager. In der Summe verlaufen die Prozesse exotherm. Da es sich hierbei um nicht-biologische Vorglnge handelt, muB mit den AH-Werten gerechnet werden. Erst als das zweiwcrtige Eisen in die dreiwertige Oxidationsstufe in Ozeanen uberfuhrt, der Schwefelwasserstoff zu Sulfatverbindungen oxidiert und auch alle ubrigen oxydierbaren Stoffe in Oxide umgewandelt waren, begann sich der durch die Photosynthese freigesetzte Sauerstoff in der Atmosphare anzusammeln (Abb. 111-154).
Vor 2 Mrd Jahren betrug der Volumenanteil des Sauerstoffs in der bodennahen Atmosphiire 0,2%. Auch auf dem Festland wurden erst alle oxidierbaren Minerale in Oxide uberfuhrt. Aus den Eisenverbindungen entstanden die kontinentalen Rotsedimente. Noch vor 1 Mrd Jahren war der Volumenanteil des Sauerstoffs in der Luft erst auf 2 % angestiegen. Mit zeitlicher Verzogerung bildete sich eine photosynthesierende Landflora, die ebenfalls Sauerstoff als Begleitprodukt abgab. Der Sauerstoffgehalt in der Atmosphiire stieg langsam aber stetig, wlhrend der Kohlenstoffdioxidgehalt entsprechend zuriickging. Das war vor ca. 400 Mio Jahren. Mit zunehmendem Sauerstoffanteil im Wasser wie auch in der Atmosphiire p&te sich ein Teil der Mikroorganismen diesen neuen Lebensbedingungen an. Sie entwickelten sich zu Aerobiern, d. h. Organismen, die zu atmen vermogen. Sie erhielten die Fahigkeit, ihre eigenen Biopolymere oxidativ abzubauen. Dadurch stand ihnen fur ihren Stoffwechsel mehr Energie zur Verfugung als bei einem anaeroben Stoffwechsel. Indem die Lebewesen atmen, konnen sie die gesamte uber die Photosynthese gespeicherte Sonnenenergie fur ihre Lebensvorgiinge wieder mobilisieren. Damit waren sie zur Umkehrung der Photosynthesereaktion befiihigt.
spri
erste _ _ _ _ _ ~ ~
~~
ohne Namen
4.5
4,O
33
3,O
23
2,O
1,5
1,0
MYiMdFm Jstrevader Qeganwm
Abb. 111-154. Die Anreicherung des Sauerstoffgehaltes in der Atrnosphiire im Laufe der erdgeschichtlichen Entwicklung.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
C,H,(OH),
+
G1u cose
6 CO,
Kohlen-
6H,O
+
Wasser
+
12 H,O
60, Sauerstoff
+
Lichtenergie
wieder elementarer Sauerstoff gebunden. Nachstehende Reaktionen veranschaulichen das:
(AG = & 2876 kJ/mol Glucose)
Aus dieser Reaktionsgleichung geht hervor, daB bei der Photosynthese von 18Og Glucose 6 Mol Sauerstoff entstehen. Unter Normbedingungen bei 0 "Cund 1,O 1 33 bar sind das 1 3 4 3 L bzw. 192 g Sauerstoff. Die Glucose enthalt die Sonnenenergie in Form von chemischer Energie gespeichert. Wtihrend des Stoffwechselprozesses wird durch den Abbau der Glucose zu Wasser und Kohlenstoffdioxid diese Energie als physiologische Energie wieder freigesetzt. Als EnergieZwischenspeicher dienen die Mitochondrien in den Zellen (s. Abschn. 111-14.4.2). Die Photosynthese ist eine Stoffumwandlungspumpe von einfachen Molekulen zu den hochwertigen Biopolymeren und zugleich eine Energiepumpe. Sie ist die Schlusselreaktion und Voraussetzung fur alle danach folgenden biologischen Evolutionen, die zu den komplexen Strukturen der Saugetiere und des Menschen gefuhrt haben. AuBerdem gibt die Photosynthesegleichung einen Hinweis, welche Leistung die Griinpflanzen in den Wohn- und Buroraumen zur Sauerstoffversorgung vollbringen. Der gegenwartige Volumenanteil des Sauerstoffs in der Atmosphare von nahezu 2 1 % wurde vor ca. 300 bis 350 Mio Jahren erreicht. Es war dies die Zeit der Steinkohlenbildung. Deshalb wird sie auch Karbonzeit genannt. Die Flora des Karbons ist durch auherordentliche Wachstumsuppigkeit und Individuenreichtum gekennzeichnet. Reste dieser Pflanzen sind in den Steinkohlenflozen als Abdriicke und Fossilien in grol3er Menge zu sehen. Sie legen Zeugnis ab von den optimalen Vegetationsbedingungen dieser Erdformation (s. Abb. 111-154). 14.5.4 Sauerstoffbindende Reaktionen Oxidation durch Luftsauerstoff
Biochemische Oxidationsvorgange Wahrend der oxidativen Stoffwechselprozesse der Mikroorganismen, Pflanzen und Tiere wird
-
Kohlenhydrate Wasser
+ 0, + Kohlenstoffdioxid
Fette
+ 0, + Kohlenstoffdioxid + 0,
Wasser
Wasser
stoffdioxid
473
EiweiB Wasser
-
-
+ Kohlenstoffdioxid +
Nitrate
Der Mensch benotigt zur Atmung je nach Belastung zwischen 4 L und 100 L Luft pro Minute. Etwa 16 % des mit der Luft eingeatmeten Sauerstoffs werden physiologisch gebunden. Der durch die Photosynthese aus dem Wasser abgespaltene Sauerstoff mii5te nach dem Absterben der Organismen und deren vollstandigem oxidativen Abbau wieder gebunden werden. Ein iiberschul3 von freiem elementarem Sauerstoff durfte nicht entstehen. Die Endprodukte des biologischen Abbaus sind namlich wieder Kohlenstoffdioxid, Wasser und bei Proteinen zusatzlich Nitrate. Ein Teil der uber die Photosynthese gebildeten Biomasse wird aber nicht wieder in die herkommlichen Ausgangsprodukte zuriickverwandelt werden. Er entzieht sich der Ruckoxidation. Der groBte Teil der photosynthetisierenden Mikroorganismen in den Ozeanen sinkt nach dem Absterben auf den Meeresboden, wird von Begleitsedimenten bedeckt und ist damit dem weiteren Abbau durch Sauerstoff nicht zuganglich. Diese organischen Substanzen erfahren einen anaeroben, d.h. luftsauerstofffreien Abbau. Der Lebensrhythmus des Planktons bewirkt, daB jiihrlich 30 Mrd t bis 40 Mrd t an abgestorbener Biomasse auf den Meeresgrund sedimentieren. AuRerdem sind mit dem Auftreten der Photosynthese auf dem Festland in der Erdkruste 10. 10" g organischer Kohlenstoff aus abgestorbener tierischer und pflanzlicher Biomasse abgelagert worden. Er ist in der Erdkruste fein verteilt. Nur ca. ein Tausendstel davon liegt in Erdgas-, Erdol- oder Kohlelagerstatten in abbauwurdigem Zustand vor. Der heutige biologische Rhythmus in der Biosphare setzt durch die Photosynthese mehr Sauerstoff frei, als fur den oxidativen Abbau dieser Biomasse wieder benotigt wird, weil ein hoher Anteil der Biomasse aus dem naturlichen Recycling ausgeschleust wird. Dieser Effekt des Sauerstoffuberschusses wird noch durch denitrifizierende Bakterien im
474
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Boden unterstiitzt. Sie reduzieren die im Boden vorhandenen Nitrate und Nitrite, die aus dem oxidativen Abbau der Proteine stammen, wieder zu elementarem Stickstoff und Sauerstoff (s. G1. (1 1)). Das Verhaltnis Stickstoff zu Sauerstoff in der Atmosphare betragt ca. 4: 1 . Nach der Reaktionsgleichung N, Volumenanteile: 1
+ +
2 0,
2
-
gietrager mit Sauerstoff oxidiert werden. Als Oxidationsprodukte entstehen Wasser und Kohlenstoffdioxid.
14.5.5 Zusammenfassungdie Erdatmosphare als Bestandteil der Biosphare Die Biosphare als Stoffwechselsystem
2 NO,
2 (AH = +66,3 kJ/mol)
reichen 10 % Volumenanteile des Luftstickstoffs aus, urn den gesamten Luftsauerstoff zu Stickoxiden und damit Nitraten umzusetzen. DaB diese Reaktion in Wirklichkeit in der Natur nicht abIauft, ist auf den niedrigen inneren Energieinhalt des elementaren Stickstoffs zuriickzufiihren. Der Sauerstoffzyklus ist unmittelbar mit dem Zyklus des Kohlenstoffdioxids bzw. Kohlenstoffs, des Stickstoffs und dem des Wassers verkniipft. Die Verkniipfungsreaktionen sind einerseits die Photosynthese, anderseits die Oxidationsreaktionen.
Die Biosphke ist ein riesiges Stoffwechselsystem zum -
Einfangen (Absorbieren),
- Speichern und Umwandeln (Transformieren), -
Ubertragen (Transferieren) von Energien.
Diese Stoffwechselfunktionen werden von Vorgangen wesentlich bestimmt. -
durchGZmng
C.&(OH)6
Bei den Oxidationsreaktionen ist zwischen der biologischen Oxidation bzw. Atmung und den technischen Redoxreaktionen zu unterscheiden. Die letzteren Reaktionen dienen u. a. dazu, aus Erzmineralien reine Metalle zu gewinnen. Dazu sind Reduktionsmittel erforderlich, die eine groBere Affinitat zum Sauerstoff haben als die zu reduzierenden Stoffe. GroBtechnisch wird als Reduktionsmittel Kohlenstoff oder Wasserstoff eingesetzt (s. Abschn. 1-1.7.4).
C6Hs(OH)6+ 6 0 ,
Bakterien
N, und 0,
(11)
(NO bzw. NO,)
Spezielle, sehr wichtige Oxidationsreaktionen sind die Verbrennung von Kohlenstoff und Kohlenwasserstoffverbindungen. Holz, Kohle, Erdol, Erdgas und partiell auch elementarer Wasserstoff sind die wichtigsten Primarenergietrager fur die Menschen (Tab. 1-16). Um die in dem Wasserstoff, den Kohlenwasserstoffen wie Erdgas, Erdol, der Kohle und dem Holz gespeicherte Energie in technische Nutzenergie umzuwandeln, miissen diese Ener-
*
Redox ist die Abkiirzung fur Reduktion-Oxidation.
+
2C0, Kohlenstoffdioxid
(AG = -236 kJlmol) - durch Atmung
denitrifizierende
2CzH5OH Ethylalkohol
Technische Redoxreaktionen*
NO,
-
Glucose
G1ucose
-
Sauerstoff
6H,O + 6C0, Wasser
Kohlenstoffdioxid
(AG = -2876 kUmo1)
Bei beiden Stoffwechselreaktionen wird Glucose enzymatisch iiber Zwischenstufen abgebaut. Dabei wird Energie freigesetzt. Die Ursache unserer sauerstoffhaltigen Atmosphiire ist die Photosynthese (s. GI. (9), S. 470). 1 m2 tropischer Regenwald produziert jahrlich 1,9 m3 bis 3,8 m3 Sauerstoff. An der Gesamt-Sauerstoffproduktion der Landvegetation sind die Tropenwalder mit ca. 30 % beteiligt. Nach neueren Messungen spielt auch die Sauerstoffproduktion durch Photolyse von Wasserdampf in den oberen Schichten der Atrnosphare eine wichtige Rolle. Wird der photolytisch aus Wasser entstandene Sauerstoff vernachlassigt, SO beruht der Sauerstoffanstieg in der Hydrosphke und Atmosphare auf der sedimentaren Ausschleusung einer aquivalenten Menge an Kohlenstoff. Damit die Atmosphare mit Sauerstoff angereichert werden konnte, mul3te der Kohlenstoff der Kohlenhydrate jeweils schneller in den Sedimen-
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
475
Tab. 111-11.GroBenordnungsverhaltnis fur die Sauerstoffbindung in der Welt (2000).
Luftzerlegung Verhaltnis
1
Mrd t 0,
0,l
% der
0,1
natiirlichen Erzeugung
Menschliche Atmung
ten begraben werden, als der neu gebildete Sauerstoff in Oxidationsprozessen verbraucht wurde. Dieser Zyklus dauert seit ca. 3 Mrd Jahren an. Der atmosphiirische Sauerstoffgehalt beruht somit vonviegend auf einer Verzogerung der oxidativen Stoffumwandlung photosynthetischer Produkte im geochemischen Kreislauf. Die gesamte Pflanzenwelt erzeugt j&rlich 94 Mrd t Sauerstoff, dies entspricht in etwa der Menge, die von Mensch, Tier und Pflanzen fur die Atmung benotigt wird (Tab. 111-11). Fast die Halfte dieser Sauerstoffproduktion tragt das in den Oberflachenschichten der Meere schwebende Phytoplankton bei. Die Pflanzen sind jedoch auch kraftige Atmer. Vor allem warend der Nacht decken sie ihren Energiebedarf durch den Abbau organischer
Primarenergie (Verbrennung)
Substanz. Nach Schatzungen geht man davon aus, dal3 innerhalb von 2000 Jahren der in der Atmosphare vorhandene Sauerstoff durch die in der Biosphiire wachsenden Pflanzen einmal umgesetzt, d. h. erneuert wird. Erdgeschichtlich ist das eine sehr kurze Zeitspanne (s. Abb. 111-154).
Der Sauerstoffverbrauch durch technische Verbrennungsprozesse Der biologische Kreislauf (Abb. 111- 155) sorgt dafur, daR der Sauerstoffgehalt der Luft konstant bleibt. Die im Laufe der vergangenen 60 Jahre durchgefuhrten Messungen des Sauerstoffgehaltes in der Luft ergaben nur geringfiigige Schwankungen der Konzentration zwischen den Volumenanteilen von 20,945 % und 20,952 %.
+ N p techn. und biolog. Oxidation + P techn. Oxidation
Sauerstoff der Luft (021 0,8 % Vol.-Anteile
-
. Nichtrnetalloxide ~ C O ~ , S -O ~ , N O , , P ~ O ~ Oxidation Metalloxide, Erze
Denitrifizierung
+ C techn. und
biolog.
------ ------
Reiner Sauerstoff
Abb. 111-155. Sauerstoffzyklus in der Natur und Technik.
476
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Tab. 111-12. Sauerstofffreisetzung durch Photosynthese und Sauerstoffbindung durch Verbrennungsprozesse.*
Jahrliche Freisetzung von 0, durch Photosynthese in Mrd t Fur die Verbrennung benotigteOZ-Menge in Mrd t Bindung fur die Primaenegie-Freisetzung in %
1970
I980
1990
2000
94
94
94
94
14
19
22
27
15
20
23
29
Zwar werden der Atmosphare durch industrielle Verbrennungsprozesse vorwiegend zur Energieerzeugung jahrlich ca. 27 Mrd t Sauerstoff entzogen. Auf das gewaltige Reservoir der Luft bezogen, bedeutet diese Entnahme allerdings nur eine Sauerstoffabnahme von 0,0022 % pro Jahr, also 2,2 % in tausend Jahren. Selbst wenn die gesamten Brennstoffvorrate der Erde, die derzeit auf 8000 Mrd t Steinkohleneinheiten geschatzt werden, auf einmal verbrannt wurden, ergabe sich daraus eine Abnahme der Sauerstoff-Konzentration um nur I ,4 %. Bedenklich ware allerdings die damit verbundene Zunahme des C0,-Gehaltes der Luft. Der Atmungssauerstoff-Bedarf der Weltbevolkerung betragt etwa 2 Mrd t Sauerstoff jlhrlich. Eine Sauerstoffverknappung durch die industriellen Verbrennungsprozesse ist daher nicht zu befiirchten. Eine Folgeerscheinung der industriellen Nutzung der fossilen Energievorrate ist allerdings die meRbare Zunahme des Kohlenstoffdioxidgehaltes der Luft. Die Sauerstoffbindung fur die PrimarenergieErzeugung aus der Verbrennung wird fur 2000 mit ca. 27 Mrd t Sauerstoff angegeben. Der Energiebedarf fur das gleiche Jahr betrug 1 12.7 Mrd t Steinkohleeinheiten (Tab. 111- 12). Der Sauerstoffbedarf fur die technischen Verbrennungsreaktionen (Primarenergiefreisetzung), der menschlichen Atmung und fur die Luftzerlegung verhalt sich wie 270 : 20 : I ( s . Tab. 111- 1 1 ). Der Sauerstoffentzug durch Luftzerlegungsanlagcn wird derzeit (2000) weltweit auf 5,4 Mrd Nm3 geschatzt.** Dieser wurde vorwiegend durch Tieftemperaturzerlegung der Luft gedeckt.
* **
Quelle: SauerstoflBroschure, 0.810.010, Ausgabe 9105N der Messser Griesheim GmbH, FrankfurUMain. Information durch Messer Griesheim GmbH. Krefeld.
Sauerstofftransport Der Transport von reinem Sauerstoff erfolgt flussig in Tankwagen oder gasformig in Rohrleitungen. Der flussige tiefkalte Sauerstoff wird in vakuumisolierten Tankwagen bei einem zulassigen Betriebsuberdruck von 2 bar bis 4 bar transportiert. Je nach Erfordernissen werden kleine Verteilerfahrzeuge mit einem Fassungsvermogen von 5000 L bis 10000 L oder groRe UberlandSatteltankwagen mit bis zu 30000 L eingesetzt. Fur das Abtanken sind auf den Tankwagen Kreiselpumpen mit einem maximalen Betriebsdruck von 30 bar montiert. Zur Mengenmessung wurden von Messer Griesheim eichfahige DurchfluRzahler entwickelt. Fur den Transport uber Entfernungen von mehr als 200 kin und bei entsprechenden betrieblichen Voraussetzungen werden auch vakuumisolierte Eisenbahnkesselwagen eingesetzt. Fur groRe Gasmengen 1st der Transport durch Rohrleitungen die wirtschaftlichste Versorgungsart. Auch bei sehr unterschiedlichen Abnahmemengen ist eine kontinuierliche Versorgung gcwahrleistet. Druckspeicher und das Rohrvolumen selbst fangen periodisch wiederkehrende Bedarfsspitzen auf. Zusatzlich wird Sauerstoff fliissig in groljen Tanks gespeichert und - wenn erforderlich - verdampft und in das Rohrleitungsnetz eingespeist. Zur Versorgung von GroBverbrauchern in Huttentechnik und Chemie betreibt Messer Griesheim Rohrleitungsnetze an Rhein, Ruhr, Saar und Sieg mit einer Gesamtlange von rund 500 Kilometern. Stundlich werden bis zu 500000 m3 Sauerstoff mit einem Druck von 30bar bis 40 bar eingespeist (Abb. 111-156).
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
477
Mannesrnannr6hren-Wehe Muhlheim-Ruhr
Prcduktionszentrale
0
Kunden
-
Sauerstoff
-Stickstoff
.-...Sauerstoffleitungenvon Vertragspartnern _.._. Stickstoffleitungenvon Vertragspartnern Abb. 111-156. Rohrleitungsnetz f i r den Sauerstofftransport.
478
I11 Produktionsverfdhren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
14.6 Der Schwefelzyklus 14.6.1 Vorkommen In der unbelebten Natur kommt Schwefel sowohl elementar als auch in Form von Salzen wie Sulfiden und Sulfaten vor. In der obersten Erdrinde ist er mit einem Massenanteil von 0,05 % enthalten und steht damit an 15. Stelle der am Aufbau der Lithosphare beteiligten Elemente (s. Tab. 111-8). Viele Erze werden als Sulfide wie Glanze, Blenden oder Kiese gefiirdert, z. B. Bleiglanz, Zinkblende, Kupferkies oder auch Pyrit (Eisensulfid). Bekannte und haufige Sulfate sind Gips, Anhydrit, Magnesiumsulfat, Bariumsulfat und Natri umsul fa t. GriiBere Mengen sulfidischen Schwefels sind in den fossilen Brennstoffen Kohle, Erdol und Erdgas enthalten. Sie stammen im wesentlichen aus pflanzlichem und tierischem Zellmaterial, aus denen sich ini Laufe von mehreren hundertmillionen Jahren Kohle bzw. Erdol und Erdgas gebildct haben. In diesen Zellen ist der Schwefel als Schwefelwasserstoffrest in einigen Aminosauren - Methionin, Cystein und Homocystein gebunden. Bei der anaeroben Zersetzung von biologischen Stoffen wird der sulfidischc Schwefel als Schwefelwasserstoff abgespaken. Dies ist die Ursache dafiir, daB Erdol und Erdgas vor der Weiterverarbeitung entschwefelt werden miissen. H
H
I H,C-CH,
I H,C-S
-C-COOH I NH2
le Reduktions- und Oxidationspartner reagierten sie zu elementarem Schwefel. Es entstanden dichte Schwefelwolken, die dann allmahlich auf der Erdoberflache sedimentierten. Auf Unterwasservulkane sind die tieferliegenden Schwefellager zuriickzufuhren. 2HzS
wasserstoff
6C0,
Wahrend des Entgasungsprozesses der Erdkrustenbildung sind aus den unzahligen Vulkanen und Erdrissen riesige Mengen Schwefelwasserstoff und Schwefeldioxid entwichen. Als idea-
+
Kohlensttiffdioxid
+
2HzO
SchwKfKl
Wasser
12H,S
+
Schwcfclwasserstoff
C,H,(OH), GlUCo\K
+
6H,O
+
Waaaer
Schwefcl
12s
(AG = + 432,59 kJ/mol)
Cystcin
14.6.2 Geochemische Bildung von elementarem Schwefel
3s
Schwefeldioxid
Die Weltvorriite des Schwefels in seinen verschiedenen Verbindungen, berechnet auf elementaren Schwefel, werden nach Wagner* auf 25 Mrd t geschatzt. Die Bildung von elementarem Schwefel ist auch auf chemotrophe Reaktionen von Mikroorganismen zuruckzufuhren. Dabei ist Schwefelwasserstoff zugleich der chemische Energielieferant. Anstelle von Wasser ubernimmt der Schwefelwasserstoff die Rolle des Wasserstofflieferanten, um Kohlenstoffdioxid zu Glucose zu reduzieren. Dieser ProzeR zum Glucoseaufbau als Schlusselmolekul innerhalb der biologischen Systeme ist weniger energieaufwendig als die Photosynthese auf der Basis von Wasser.
I
Der in der Natur vorkommende elementare Schwefel ist vulkanischen Ursprungs. Noch heute werden jahrlich aus den S O 0 aktiven Vulkanen ca. 40Mio t Schwefeldioxid in die Atmosphare emittiert.
SO,
(AH = -233,57 kJ/mol)
H,C-C-COOH I I HS NH2
Methionin
+
Schwefel-
14.6.3 Wechselbeziehungenzwischen Sulfiden und Sulfaten Der unter anaeroben Bedingungen entstandene Schwefelwasserstoff ist unter aeroben Gegebenheiten, d. h. in Gegenwart von Luftsauerstoff, nicht bestandig. Er wird durch die chemotrophen Schwefelbakterien und spezielle phototrophe Bakterien iiber die Stufen des elementaren Schwefels und des Sulfits zu Sulfaten oxidiert; dabei wird Energie freigesetzt.
*
Wagner, Wmrer-Kalmdw 14 ( 1980) 163-170
H,S
- 0,
Schwefelwasserstoff
S
0,
Schwefel
SO2
0 2 4
Schwefeldioxid
cose aus Kohlenstoffdioxid benotigen, mittels Oxidation von Sulfiden zu Sulfaten oder von Eisen(I1)-Verbindungen zu Eisen(II1)-Verbindungen (s. GI. (4)und ( 5 ) ) .
SO, Schwefeltnoxld
lHzo
SO3'-
so,*-
Sulfit
Sulfa1
+
CuS
+
Kupfersulfid
432.49k.l
Energie
Bei den phototrophen Bakterien handelt es sich um Organismen, die als Energiequelle Licht benotigen. Umgekehrt werden mineralische Sulfate durch bestimmte Mikroorganismen anaerob zu Schwefelwasserstoff reduziert. Die Sulfate ubernehmen hier die Rolle des Sauerstofflieferanten. Auf diese Weise konnen Mikroorganismen mittels Sulfat-Atmung Substrate weitgehend oxidieren und die dabei freigesetzte Energie fur ihre Lebenstatigkeit einsetzen. So bleibt mit Hilfe von Sulfaten die Atmungskette funktionsfihig. Der Sulfat-Schwefel wird dabei zu sulfidischem Schwefel reduziert, der sich u. a. mit Metallen zu den entsprechenden Sulfiden umsetzt. Die Sulfatreduktion wird in der Zelle mit einer recht energieaufwendigen Sulfat-Aktivierung eingeleitet. Das erfolgt durch das Enzym ATPSulfurylase. Die Reduktion des Sulfats verlauft iiber die Stufe des Sulfits bis zum Sulfid. Als Oxidationsprodukt entsteht Wasser (s. GI. (1) bis (3)).
SO3?&) + 6 {H'J Sulfit
so,:,;, Sulfat
-t
-
intermedike Wasserstoffionen
+ 8 {H'I intermediae Wasxrstoffionen
-
SO3&
+
+
S'- (aq)
+
Sulfid
S2-,,,, Sulfid
H20
3 HZO
4 H,O Wasser
+
(AG)
(4)
Energie
+
24H'
-
12s Schwefel
CGH6(OHl6+ 6 H z 0
(5)
Wasser
Bei Temperaturen von 25°C bis 37°C und einem pH-Wert von ca. 2 oxidieren die Bakterienarten Thiobacillus ferrooxidans, Ferrobacillusferrooxidans Fe(I1)-Verbindungen und Sultide sowie elementaren Schwefel. Diesen biologischen Stoffwechselprozefi nutzt man beim Bioleaching* von sulfidischen Erzen, insbesondere bei Kupfererzen aus. Das erhaltene Kupfersulfat ist wasserloslich und wird dann mit salzhaltigen waBrigen Losemitteln aus der Gangart ausgelaugt. Als gewiinschter Nebeneffekt wird der Kupfergehalt in der Losung kraftig konzentriert. AnschlieRend kann durch Elektrolyse aus der Kupfersulfatlosung metallisches Kupfer gewonnen werden (s. Abb. 111-157). Bei vielen Pflanzen und Mikroorganismen dienen Sulfate als Schwefelquelle zum Aufbau von Zellmaterial, z. B. zur Synthese von schwefelhaltigen Aminosauren. Die Sulfate werden
-
20,84kJ
(1)
Frcie Energie
+
Wasser
+
6C0,
Kohlenstoff- Wasserstoffdioxid lieferant
Glucose
Wasser
Sulfit
CuSO,
Kupter
+
Bestimmte Bakterien verschaffen sich die freie Energie, AG, die sie zum Aufbau von Glu-
intermediare Wasserstoffionen
Baktenen
Sauerstoff sulfat
Energie
Sulfat
-
20,
(AG=-608,4 kJ/mol)
+
Encrgie
SO,&) + 2 (H'I
479
14 StofTkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
139,20 k.l
(2)
Freie Energie
+
118,36 kJ
(3)
Freie Energie
*
leaching (engl.) - auslaugen.
480
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chernischen Grundproduktcn Organlsch gebundener Schwefel SH - Gruppen in Aminoslhuren
Desulfuration im Zuge der Minerelisation
------------------Blogener Schwefel In fossilen Brennstoffen
Assimilatorische Sulfetreduktion durch Pflenzen und
L
Sulfetatmung durch Mikroorganismen (Reduktion)
Oxidation durch Schwelelbakterien und phototrophe Bakterien
I
Abb. 111-157. Schwefelkreislauf in Natur und Technik
hierbei unter Beteiligung anderer Enzyme und Reaktionswege als beim vorgenannten Energiestoffwechsel bis zur Stufe des Schwefelwasserstoffs reduziert. Dabei wird Energie freigesetzt (s. GI. (6)). SO4&, Sultat
8 n+ t
S;il Sulfid
+
4H20
(6)
Wawv
(AG=-1 18,36 kJlrnol))
14.6.4 Technische Gewinnung von Schwefel Elementarer Schwefel wird sowohl aus seinen naturlichen Vorkommen gefordert als auch aus Erdol und Erdgas gewonnen. Die Gewinnung erfolgt, wo besondere geologische Verhaltnisse es zulassen, nach dem Frusch-Verjiuhren*. Durch unmittelbares Einpressen von heiRem Wasser und Wasserdampf wird der Schwefel aus dem Gestein ausgeschmolzen. Der flussige Schwefel wird mit komprimierter HeiRluft an die Oberflache gedriickt. Wenn die Lagerstatten des schwefelhaltigen Gesteins nicht in zu grol3en Tiefen oder unter dem Meeresboden liegen, so wird der elementare Schwefel auch bergmannisch abgebaut, wie z. B.
in Polen. AnschlieRend wird er durch Flotation, Schmelzen und Destillation vom Gestein getrennt und gereinigt. Die Weltproduktion erreichte nach Angaben der amerikanischen BergbauBehorde 1993 eine Menge von 34,8 Mio t. Westeuropa ist damn mit 9 % beteiligt. In Deutschland wurden 1999 ca. 1,7 Mio t Schwefel gewonnen bzw. aufgearbeitet.
Entschwefelung von ErdoI und Erdgas Vor der Verwendung des Erdols und Erdgases als Energielieferant mussen diese entschwefelt werden. Dabei fallen riesige Mengen von elementarem Schwefel an, der zu Schwefelsaure weiterverarbeitet wird. Bei der Entschwefelung des Erdols und der Erdolfraktionen werden die organischen Schwefelverbindungen zunachst durch Hydrierung in gasformigen Schwefelwasserstoff umgewandelt (sog. Hydrofinieren), der dann in meterhohen Tiirmen ausgewaschen wird. Der Schwefelwasserstoff wird im Cluus-ProzeJ* durch unvollstandige Verbrennung zu elementarem Schwefel umgewandelt. Durch dosierte Luftzufuhmng wird die Oxidation unter Mithilfe eines Katalysators so gesteuert, daR Wasserdampf und Schwefel gebildet werden.
* H. Frasch(1851-1914)entwickelte 1890ein Verfahren, wie Schwefel aus tief gelegenen Lagerstatten zu gewinnen ist.
*
Claus. Carl Ernst (17961864). dtsch. Chemiker.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
An der Schwefelproduktion ist weltweit die Entschwefelung von Erdgas und Erdol rnit 40 % beteiligt. Mit dem Frasch-Verfahren werden 21% gewonnen, beim Riisten von Pyriten und Kiesen fallen 19 % an (s. GI. (7)). 2H,S
+
Schwefelwassentoff
0,
-
Sauerstoff
2H,O Wasser
+2S
(7)
Schwefel
(AH = -531,8 kJ/mol)
Der in den fossilen Brennstoffen Erdgas, Erd61 und Kohle enthaltene Restschwefel wird bei
der Verbrennung in Kraftwerken zu Schwefeldioxid umgesetzt, einem Hauptschadstoff der Luft. Schwefeldioxid lost sich in Regenwasser zur schwefligen Saure bzw. Schwefelsaure und fiihrt zur Sauerung des Bodens. Aus diesem Grunde mussen die Kraftwerke auf Basis von Kohle, Erdol und Erdgas rnit Rauchgasentschwefelungsanlagen versehen werden. Durch geeignete Absorptionsanlagen wird das Verbrennungsprodukt Schwefeldioxid zuriickgehalten ( s . Abschn. 111-12.5.4). Es wird ebenfalls der Schwefelsauregewinnung zugefiihrt. 85 % bis 90 % des geforderten und erzeugten elementaren Schwefels werden von der chemischen Industrie zur Produktion von Schwefelsaure verbraucht. Daneben spielen auch sulfidische Erze als Rohstoffe eine Rolle. Nach der erzeugten Menge ist Schwefelsaure die wichtigste anorganische Industriechemikalie. Mit einer Produktionsmenge von ca. 90 Mio Tonnen jahrlich steht Schwefelsaure an 13. Stelle der in der Welt gewonnenen bzw. erzeugten mineralischen, industriellen und landwirtschaftlichen Produkte (s. Tab. 111-10, Abschn. III14.1.1). In Deutschland wurden 1999 2,63 Mio t Schwefelsaure berechnet als SO, produziert.
14.7 Wasserstoff Schlusselelement in der chemischen Technik und in der Chemie der biologischen Systeme 14.7.1 Vorkommen Wasserstoff wurde von Henry Cavendish (engl. Chemiker, 1731-1 8 10) durch Umsetzung von Metallen mit verdunnten Sauren erstmals dargestellt. Die Elektrolyse von Wasser gelang im Jahre 1789.
48 1
Wasserstoff stellt mit nur einem Proton im Atomkern das leichteste Element dar. Protonen sind Bausteine aller iibrigen Elemente. Die Anzahl der Protonen ist ein Ordnungskriterium im Periodensystem der Elemente (Abb. 1-2. S. 15). Wasserstoff ist das am haufigsten vorkommende Element unseres Sonnensystems. Die Sonne besteht zu 80% aus Wasserstoffkernen, 10% aus Heliumkernen, 1 % aus schweren Kernen wie Kohlenstoff, Neon u. a. Nach dem Sauerstoff rnit 55 % Atomanteilen und Silicium mit 16,33 % Atomanteilen ist Wasserstoff mit 15,52% Atomanteilen das dritthaufigste Element in der Erdrinde. Die wichtigste und stabilste Verbindung des Wasserstoffs auf unserem Planeten ist das Wasser. Die Erdoberflache ist zu 70 % rnit Wasser bedeckt, und der Mensch besteht ebenfalls zu ca. 70 % aus Wasser.
14.7.2 Wasserstoff als energiereiches Element Wasserstoff ist ein sehr reaktionsfreudiges Element. Deshalb ist seine Neigung groR, mit anderen Elementen Verbindungen einzugehen. Elementar kommt Wasserstoff auf unserem Planeten in nennenswerten Mengen nicht vor. Die wichtigsten in der Natur vorkommenden Hydride sind das Wasser H20, der Schwefelwasserstoff H2S und die Kohlenwasserstoffe, insbesondere Methan CH,. Diese drei Verbindungen sind zugleich Schlusselverbindungen fur biologische Systeme wie auch fur technische Prozesse. Der hohe innere Energiegehalt des Wasserstoffs wird belegt durch seine Verbrennungsenthalpie und dem sich daraus errechnenden Heizwert, sowie durch die Verbrennungsenthalpien einiger wasserstoffhaltiger Kohlenwasserstoffverbindungen, die der Menschheit als Primarenergietrager dienten und noch dienen. Je hoher deren Wasserstoffgehalt, desto hoher der Heizwert (s. Tab. 1-16, S. 144). Der Heizwert des Kohlenstoffs liegt zwischen dem der Kohlenwasserstoffe und dem der sauerstoffhaltigen Kohlenwasserstoffverbindungen.
14.7.3 Wasserstoff und Wasserstoff-Ionen als Bezugselement fur physikalischchemische MeBgroBen Die Wasserstoffionenkonzentration von reinem Wasser dient bei definierter Temperatur und definiertem Druck als MaR fur den pH-Wert und da-
482
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
mit auch fur die in der chemischen Technik und in der Biochemie so wichtigen Begriffe sauerneutral - alkalisch (s. Abschn. 1-3 bis -6). Die Normalwasserstoffelektrode ist die Bezugselektrode fur die Normalpotentiale aller Elemente und Molekulgruppen, die als elektrochemische Spannungsreihe geardnet wurden. Die Auswahl des Wasserstoffs als Bezugselement zeigt die generelle Bedeutung und Rolle des Wasserstoffs innerhalb aller Elemente. Diese Definitionen erlauben es, allgemein gultige Aussagen uber chemisch-technische und biologische Systeme zu machen.
14.7.4 Wasserstoff als Reaktionspartner In Deutschland sind 1998 2,9 Mrd m3 Wasserstoff hergestellt worden. Sowohl bei technischen Reaktionen als auch bei biochemischen oder Stoffwechsel-Prozessen wird Wasserstoff als Reduktionsmittel bzw. Hydriermittel benotigt. Das gemeinsame Problem fur alle Reaktionstypen 1st die Aktivierung bzw. Freisetzung des Wasserstoffs aus seinen Verbindungen Wasser oder Methan. Im Wasser ist der Wasserstoff starker gebunden als im Methan. Das beweisen die Bildungsbzw. freien Bildungsenthalpien.
CH,:
ABH= -74,81 kJ/moi ABG= -50,75 kJ/mol
H,O:
ABH = -285,83 kJ/mol ABG= -231,20 W/mol
Die Bildungsenthalpie des Methans betragt nur 1/4 bzw. 1/5 von der des Wassers. Das ist der Grund, warum fur viele chemisch-technische Prozesse Methan und andere Kohlenwasserstoffe als Wasserstofflieferanten herangezogen werden. Die Verwendung von Wasser als Wasserstofflieferant ist sehr energieaufwendig. Nur dort, wo elektrische Energie uber Wasserkraft gewonnen wird, ist sie sehr preiswert und wird deshalb auch zur Wasserelektrolyse eingesetzt. ElektrischeEnergie + H 2 0
-
H2 + ' k 2 0 2
(AH = +285,83 kJ/mol = 0,079 kW Wrnol)
Wasserelektrolysen grol3en AusmaRes gibt es in folgenden Landern (Tab. 111-13). Die Wasserspaltung mittels Thermolyse uber gluhendem Koks wird ebenfalls genutzt. Letzteres Verfahren dient zur Herstellung von Aliphaten auf der Basis von Kohle und Wasser (s. Ab-
Tab. 111-13. Wasserelektrolysen grol3en AusmaBes.
Zellentyp
Ort
Kapazitat in Nm' HJh
Nangal, Indien Assuan, Agypten Ryukan, Norwegen Ghomfjord, Norwegen Kwe Kwe, Simbabwe Trail, Kanada Cuzco, Peru Three Georges Yangtse River, China
De Nora Brown Boveri Norsk Hydro Norsk Hydro Lurgi Trail Lurgi
30 000 33 000 27900 27 100 21 000 15200 4 500 18000 MW
schn. 111-9.l), z. B. in den Kohlehydrierungsanlagen der Sasol* in Sudafrika nach einer abgewandelten Fischer-Tropsch-Synthese. Aufgrund der hohen Bindungsenergien in Methan und Wasser sind Wasserstoffabspaltungsreaktionen katalytische bzw. biokatalytische Prozesse, sie verlaufen endotherm bzw. endergonisch.
14.7.5 Stoffzyklen in der Natur die Photosynthese als Hydrierung Die Stoffzyklen des Kohlenstoffs, Stickstoffs, Sauerstoffs und Schwefels sind unmittelbar mit dem Zyklus des Wasserstoffs verknupft. Der Wasserstoffzyklus in der Natur und Technik beinhaltet Hydrierungen und Dehydrierungen. Er ist der ubergreifende und alle anderen Stoffzyklen verbindende Kreislauf. Wasserstoff stellt die 1. Stufe der aus der Lichtenergie umgewandelten chemischen Energie dar. Der Motor fur alle diese Zyklen ist die Photosynthese. Sie fungiert als Energiepumpe und Stoffumwandler. Die Startreaktion ist die Photolyse des Wassers, durch die der Wasserstoff fur die nachfolgende Hydriemng des Kohlenstoffdioxids aktiviert wird (s. Abschn. 111-14.1). Diese durch Licht induzierte Wasserspaltung wird nach ihrem Entdecker Hill-Reaktion** genannt. Zusammen mit den Licht- und Dunkelreaktionen veranschaulicht sie den Zusammenhang zwischen dem Kohlenstoff-, Sauerstoff- und Wasserstoffzyklus in der Natur. Diese Reaktionen sind die Voraussetzung fur die Aufrechterhaltung des Lebens auf unserem Planeten. Die
* **
Sasol = Suid-Afrikaanse Steenkool-, Olieen Gaskorporasie Beperk, mit Sit2 in Sasolburg. Robert L. Hill, geb. 1899, entdeckte 1938 die lichtinduzierte Wasserspaltung.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
Hill-Reaktion ist die Reaktion, die die Erdatmosphare mit Sauerstoff versorgt und den Wasserstoff fur die Reduktion des Kohlenstoffdioxids zu Glucose liefert (s. GI. (1) bis (4)). Wasserstoff ist auch ein sehr bedeutender Energielieferant fur biologische Vorgange. Es gibt Bakterien, die molekularen Wasserstoff aktivieren und ihn zugleich als Energiespender und als Reaktionspartner fur reduktive Synthesen nutzen. Zu diesen Mikroorganismen z2hlen z. B. die Knallgasbakterien. Durch eine modifizierte und gebremste Knallgasreaktion, d. h. durch die Oxidation von Wasserstoff zu Wasser, wird chemische Energie freigesetzt (vgl. Reaktion 5). Dagegen ist die Reduktion des Kohlenstoffdioxids mit Wasserstoff zu Glucose eine energiebindende Reaktion (vgl. Reaktion 6). Photolyse, Hill-Reaktion:
-
48 H,O 24 OH36 H,O Lichtreaktion (Ladungstransport):
12 NADP'
+
24 H,O+ + 24 e-
18ADP
+
18H3P04
Dctnkelreaktionen:
6C0,
6C0,
H,
+
+
18ATP
+
+
12(NADPH+H+)
18HZO
+ 12HzO
1/20,
-
-
-
-
+ 6 CO,
-
+ 24 OH
12H20
+ 24 e-
+ 6 0,
24H,O+
+24e-
+60,
12 (NADPH
+
H')
+ 24 HZO
18ATP
+
18H,O (3)
12NADP
+ 18 ADP + + 6H,O
C,H,(OH),
+
C,H,(OH),
(5)
H,O
C,H,(OH),
+ 6 H,O
(6)
(AG = +30,8 kJ/mol)
13 H,
+ 6 CO, + 1/2 0 2
-
C,H,(OH),
Damit die Reaktion (6) mit der notwendigen Energie versorgt wird, muB neben der Menge Wasserstoff, die stochiometrisch fur die Reduktion des Kohlenstoffdioxids und des Sauerstoffs im Kohlenstoffdioxidmolekiil erforderlich ist, zusatzlich noch Wasserstoff zu Wasser umgesetzt werden (vgl. G1. ( 5 ) ) . Die vereinfachte Gesamtbruttoreaktion (s. GI. (7)) weist dann einen exergonischen Verlauf auf. Glucose ist innerhalb der biologischen Systeme ein Schlusselprodukt. Viele Synthesen in der Natur gehen von der Glucose aus und wandeln diese zu den verschiedensten Naturstoffen um. Gleiche Bedeutung wie die Biomonomere haben z.B. das Ethylen und Acetylen als Bausteine in der Chemischen Technik. Sie sind Ausgangsstoffe fur weitere Zwischenprodukte und fur die Polymerchemie.
24H30+
(AG = -237,2 kJ,mol)
12 H,
483
+ 7HzO
(7)
(AG = -206,4 Id/mol)
6H,O
18 H,PO,
+ 60,
(4) (AG = +2876 kJ/mol)
Eine der Photosynthese entsprechende Reduktionsreaktion in der Technik ist die Kohlehydriemng. Das Ziel dieses Verfahrens ist es, zu Kohlenwasserstoffen zu gelangen. Diese dienen dann als Ausgangsstoffe fur weitere Veredelungsprodukte der chemischen Industrie.
484
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Von den Pflanzen wird Stickstoff in Form von Nitrat- und Ammoniumverbindungen in Wasser gelod, uber die Wurzeln und Blatter aufgenommen. Nur einige Mikroorganismen sind in der Lage, elementaren Stickstoff unmittelbar zu nutZen. Die Stickstoffquelle ist die Luft. Dort finden wir ihn mit 7 8 % Volumenanteil. Die Fahigkeit der Leguminosen (z. B. Klee, Erbsen, Bohnen, Lupinen), der Erle und des Sanddorns, elementaren Luftstickstoff zu assimilieren, geht auf die symbiontischen Knollchenbakterien in den Wurzeln zuriick. Die Blaualge Anahaena awlla lebt mit dem Algenfarn in Symbiose und wandelt fur diesen den Luftstickstoff mit Hilfe des Enzyms Nitrogenase in Ammonium um. Der Mensch und die Tiere sind auf die Aufnahme von stickstoffhaltigen Nahrungsbestandteilen wie EiweiBe angewiesen.
Kohlehydrierung: 2HzO
2Hz
7H20
+C +2C
+
3C
+
-
2Hz
+
COZ
(AH = +178,15 kJhnol)
2tCH,t (AH = -62,48 kJ/mol)
?tCH,f
+
CO,
(AH= + I 15,77 kJ/mol) Zur Gewinnung von einer Tonne Methylengruppen mussen also 1,286 t reinen Kohlenstoffs eingesetzt werden. Aus der errechenbaren Reaktionsenthalpie folgt, daO bei einer Reaktionstemperatur von 25 "C die theoretisch aufzuwendende Warmeenergie 4 140 Megajoule betragt, dafur mussen ca. 141 kg Steinkohle mit einem Heizwert von 1 SKE pro Kilogramm eingesetzt werden. Photosynthese einerseits und technische Hydrierung andererseits sind vergleichbare Vorgange. Aus den Monomeren dieser Prozesse und davon abgeleiteten Produkten lassen sich sehr unterschiedliche Makromolekule gewinnen. Kohlenstoff ist das Bauelement fur Polymere im technischen und auch im biologischen Sektor. Zahlreiche Polymere im technischen Sektor sind als Faser- und Werkstoffe bekannt. Wenn auch das strukturbildende Element der Kohlenstoff ist, so stehen sowohl ihre Herstellung als auch ihre speziellen physikalischen und mechanischen Eigenschaften sehr stark mit dem Wasserstoff im Zusammenhang. Wichtige Biopolymere sind Kautsehuk, Cellulose, Stiirke, Nukleinsauren. Cellulose ist dcr gerustbildende Werkstoff der Pflanzen. Im tierischen Bereich werden die Geruststrukturen vorwiegend von Proteinen gebildet, fur die zusatzlich Stickstoff als Bauelement charakteristisch ist. Die Geriistsubstanz der Insekten, Krebse und Spinnen ist Chitin. Chitin ist ein stickstoffhaltiges Polysaccharid, das aus N-Acetylglucosamin-Bausteinen aufgebaut ist (Abb. 111- 158).
14.7.6 Ammoniaksynthese und biologische Stickstoffixierung Die technische Stickstoffhydrierung uber die Ammoniaksynthese ist sehr energieaufwendig, wenn der Energiebetrag mit in die Bilanzierung einbezogen wird, der zur Gewinnung von elementarem Wasserstoff erforderlich ist. Die Ammoniaksynthese ist somit eine endotherme Reaktion. Aus den folgenden Teilbruttoreaktionsgleichungen lassen sich die theoretischen Reaktionsenthalpien berechnen (s. Abschn. 111-7.2): Wasserstoffgewitiizirrigsreaktiorinus Mrthun und Wasserdclmpf:
3CH,
+
I
A
dH-COCH3
Abb. 111-158. Ausschnitt aus einer Chitinkette.
12H,
+
3COz
(AH = +495 kJlmol)
Stickstqflydrieriingsreaktion: 4Nz
+
12H2
3CH4
+
4N2
-
CH20H
-
6HZ0
dH20H
+
-(AH -(AH +
8NH, = -368 !d/mol)
6H,O
8NHX + 3 C 0 , = 127 kJlmol)
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
Dient als Wasserstoffquelle nur Wasser, dann sieht die Energiebilanz noch ungunstiger aus. Die bei der Hydrierung anfallende W m e e n e r gie kompensiert auf keinen Fall den Energieaufwand, der zur Wasserstoffabspaltung aus Methan oder Wasser notig ist. Gegenuber der biologischen Hydrierung des Stickstoffs haben die technischen Verfahren einen weiteren Nachteil. Die Synthese verlauft nur auf hohem Temperaturniveau. Wegen der hohen Energiekosten fur die Wasserstoffbereitstellung sind in der Bundesrepublik Deutschland im Verlauf dieses Jahrzehnts viele Ammoniaksyntheseanlagen stillgelegt worden. Die Hoechst AG stellte 1985 ihre letzte Ammoniakanlage ab. Die Guano-Werke AG in CastropRauxel haben Ende 1987 ihr Werk Nordenham geschlossen. Bei den Dungemittelwerken Victor GmbH in Castrop-Rauxel, die ebenso wie die Guano-Werke AG zur BASF-Gruppe gehorten, ist die Produktion 1990 eingestellt worden. Die ruhmreiche Entwicklung des Haber-BoschVerfahrens, die am 7. Mai 1912 mit dem Bau einer grobtechnischen Anlage durch die BASF in Oppau begann, muB in der Bundesrepublik Deutschland vor den hohen Energiekosten fur die Wasserstoffgewinnung kapitulieren. Zur Zeit wird in Deutschland nur noch im Werk Ludwigshafen der BASF und in SKW-Piesteritz a. d. Elbe Ammoniak hergestellt. Die Ammoniakproduktion hat sich zum groBen Teil nach Antwerpen verlagert. Dort ist Methan als Wasserstofflieferant preiswert zu haben. Trotz der hohen Energiekosten fur die Wasserstoffgewinnung nimmt die Ammoniakproduktion nach wie vor eine Schlusselstellung ein. Die Bedeutung des Ammoniaks in der Produktionstechnik wird durch Abb. 111- 144 veranschaulicht. Mit der Stickstoffhydrierung zu Ammoniak sind drei wichtige Syntheseschienen eroffnet worden. Die Rolle des Wasserstoffs wird sowohl bei der Ammoniaksynthese in der Technik als auch durch die Stickstoffixierung im biologischen Bereich deutlich. Beides sind Hydrierungsprozesse. Die Stickstoffixierung der Mikroorganismen verlauft uber das Hydrierungsprodukt Ammoniak. Sie ist aber nur moglich, wenn aktivierter Wasserstoff vorhanden ist. Die Wasserstoffquelle ist in diesem Falle wieder das Wasser. Fur die biologische N,-Bindung ist das ,,Nitrogenase-System" verantwortlich. Die N2Bindung ist ein reduktiver ProzeB, und Ammoniak ist das erste fabbare Produkt dieses Vorgangs. Unter der Annahme, daB jeweils zwei Elektronenpaare iibertragen werden, konnten als
485
Nitrogenase
-______
Nitrogenaee
-------
ATP
Abb. 111-159. Reduktion von Stickstoff in biologischen Systemen, schematisch.
Intermediiirprodukte Diimid und Hydrazin gebildet werden. Hydrazin wird weiter zu Ammoniak reduziert. Es ist ein endergonischer Vorgang. Die Energie wird durch ATP (Adenosintriphosphat) bereitgestellt. Wahrscheinlich treten jedoch bei der N,-Fixierung keine Intermeditkprodukte auf; der ReduktionsprozeB vollzieht sich am selben Enzymkomplex, und erst das fertige Reduktionsprodukt lost sich vom Enzym (Abb. 111-159). Die in der Technik aufzuwendende Spaltungsenergie erfolgt immer iiber Wmeenergie. Auch der elektrische Strom wird durch Umwandlung von Wiimeenergie erzeugt. Sowohl bei der Photosynthese als auch bei der biologischen Stickstofffixierung werden die Hydrierungen von Lichtenergie oder chemischen Energien angetrieben. Energieverluste uber nicht nutzbare Warmeenergien treten bei biologischen Stoffumsetzungen nicht in dem Umfang auf wie bei chemisch-technischen Prozessen. Dadurch ist eine optimale Energieausnutzung garantiert. Den Unterschied zwischen einem technischen und einem biologischen Energieumsatz driickt das GibbsHelmholtzsche* Gesetz aus: AH - AG = T . AS. Gibbs, Josiah Willard (1839-1903). amerikan. Mathematiker u. Physikwhemiker; Helmholtz, Hermann Ludwig Ferdinand (1821-1894), dtsch. Physiker.
I l l Produktionsverfahren zur Herstellung von chernischen Grundprodukten
486
sich u.a. folgende Unterschiede (s. Schema 1, s. a. Abschn. 1-10.8.1).
Biologische Energieumwandlungen werden durch die freie Reaktionsenthalpien AG angegeben. Sie unterscheiden sich von AH um den Betrag der gebundenen Energie T . AS, der zugleich auf die Temperaturabhangigkeit der Warmeenergie und den bei technischen Prozessen nicht nutzbaren Warmeenergieanteil hinweist (s. Abschn. 1-1 1.4). Beim Vergleich zwischen Hydrierprozessen in der chemischen Technik und der Natur ergeben
Schemu I: Chemische Trchtzik: - hohes Tcmperaturniveau - Dmckreaktion - katalytische Reaktion - endotherme Reaktion - Verfahren im Kreislauf zur Steigerung des Umsatzes - elektrischer Strom oder Warme als Energielieferanten
- zerlegung Koksofengas-
-
Kohlevergasung
Kohleveredlung
I
-Spaltung hohersled. K. w. Naphthaspaltung Ethandehydrierung
14.7.7 Einsatzgebiete fur Wasserstoff als Hydriermittel
Die umfangreichen Einsatzmiiglichkeiten des Wasserstoffs als Reaktionspartner in chemischtechnischen Verfahren zeigt die derzeitige Marktstruktur des Wasserstoffbedarfs (s. Abb. 111- 160).
Ndur: - normales Temperaturniveau - Normaldruck - enzymatische Reaktion - endcrgonische Reaktion - natiirliches Recycling infolge des anaeroben und aeroben Stoffwechsels - ATP als Energieubertrager Aldehyde u [Ketone aus Alkoholen
- WasserSpaltruR Methanol. spaltung Ammoniakspaltung
- verfa Sachsse-* hren
-Verfahren Lichtbogen-
Yolefinanlagenll Acetylenanlagenl +paltproressell
-Propylen
elektrolySe
- trOlySe HCI-Elek-
NaCI-Elektrolyse Elektrolysen
- Restgase NH3-
Anlagen
I 1~
~
~
~
Amrnonolysen y ~prozesse ehydnerj
4
I
I
Wasserstoff
II u. Metalle
Folgeprodukte -DMT
- Kohle-
hydrierung produkte Mobiloil-Vet. Diingemittel Homologi-MethylTechnische methasiewng Folgeprod. crylat S.N. G. -Methyl. -Treibstoff arnine u.a. -8rennstoff Schwachgas
-
-2-Ethylhexanol -Hydrotreating -n-Butanol -Hydrotreating - , - ~ ~ t ~ ~ Mittelole ~ l -sonstige -Hydrotreating Alkohole Schwerole -Hydrocracker Hydro-dealkvlie,,,naen
-
Cydohexan Anilin Isocyanate Fettamine Polyamid. Vorprodukte
-Nahrungsmittel Ole u. Fette Technische Ole u. Fette
- Nahrungsmittelindustrie
1,4-Butandiol Fettalkohole
Wasserstoffperoxid Siliciumchemie (Silane) EiseneRreduktion Metallgewinnung u. -verarbeitung
Wasserstofftechnoloyie Dechema-Monoyrafie (1 986
DMT = Dimethylterephthalat. S.N.G. = Synthetic natural ga%z. B. durch Kohlevergasung. Acetylen durch unvollstandigc Verhrennung von Methan, Flussiggiia crder Leichthenzin gcwonnen. Dahei f i l l t auch
Abb. 111-160. Marktstruktur von Wasserstoff
*
Sachssc. Hans, geh. 1906, Prof. fur Technische Chemie. Mainz. Nach seinem Vcrfahren w i r d Acetylen durch unvollstandige Verbrennung von Methan, Fliissiggas oder Leichthenzin pewonnen. Dahci fallt auch H2 an.
Hz an.
~
14 Stoffkreisllufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
14.7.8 Zukunftige Verfahren fur die Wasserstoffgewinnung Entsprechend der immer noch zunehmenden Bedeutung von Wasserstoff ist die Entwicklung gunstiger technischer Herstellungsverfahren sehr erstrebenswert. Auf den verschiedensten Gebieten wird an diesem Problem gearbeitet: - Solarenergie, - Vergmng von Biomasse, - Photoproduktion von Wasserstoff aus -
Biomasse durch phototrophe Bakterien, Biophotolyse des Wassers, Ausnutzung des Photosyntheseapparates der Pflanzen mit Hilfe der Cvanobakterien (technisch noch nicht realisierbar).
Die Photosynthese und die Stickstoff-fixierung zeigen, da8 der Weg zu einer ,,sanften Chemie" fur die wichtigen Massenprodukte noch sehr weit ist. Die Barriere ist das fur das Leben so notwendige stabile Wasser. Die Primarenergiequellen sind gegenwartig Wasserkraft, fossile Rohstoffe, Nuklearenergie und in Zukunft vielleicht auch die Solarenergie. Wasserkraft, fossile Rohstoffe und Nuklearenergie werden in elektrische Energie umgewandelt. Der Weg fuhrt aber immer uber die W m e enregie. Nach den Hauptsatzen der Thermodynamik ist das mit Warmeenergieverlusten verbunden. Mit den fossilen Rohstoffen wird heute mittels Wbneenergie der Wasserstoff aus Wasser oder Methan abgespalten (Abb. 111-161). Die Solarenergie laat sich mit Hilfe von Solarzellen direkt in elektrische Energie umwandeln. Der sonst ubliche Umweg iiber W m e energie wird hierbei eingespart. Die Solargeneratoren bestehen aus kristallinen Siliciumzellen.
Sonne 1"*0
Wasserkraft
- HZO
HI
H20
Fossile Rohstoffe
lH*O
Nuklearenergie Abb. 111-161. Primiirquellen fur die Wasserstofferzeugung.
487
Mit dem elektrischen Strom sol1 dann Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff elektrolytisch zersetzt werden.
14.8 Chlor und seine Verbindungen - ihr Kreislauf in der Natur und Technik 14.8.1 Bedarf an Chlor und Chlorverbindungen Vier g r o k Anwendungsgebiete bestimmen den Bedarf an Chlorverbindungen: 1. Die Nahrungsmittelindustrie in Form von Kochsalz als Gewurz- und Konservierungsmittel im StoffwechselprozeB.
2. In der Metallurgie* zur Trennung und Reinigung von Metallen durch Uberfuhrung in Metallchloride mittels Chlor oder Chlorwasserstoffgas (Abb. 111- 162). 3. In der Photoindustrie in Form von Silberchlorid zur Herstellung von lichtempfindlichen Filmen. 4. In der chemischen Industrie zur Herstellung
von Salzsaure, fur die Wasser- und Abwasserbehandlung, zur Herstellung von Natriumhypochlorit; zur Herstellung von Titandioxid und von chlororganischen Verbindungen wie z. B. fur Losemittel (Chlormethane), fur Metallentfettung, - fur organische Zwischenprodukte, - aliphatische, z. B. Chloressigsauren, - aromatische, z. B. Phenylchloride oder Benzylchloride, fur polymere Werkstoffe, z. B. Polyvinylchlorid, fur Katalysatoren, z. B. bei der homogenen Katalyse der Oxosynthese. -
Ein Drittel des moduzierten Chlors wird zur Synthese von Zwischenprodukten benotigt (Abb. 111-163). Zwei Drittel dienen zur Herstellung von chlorierten Losemitteln, Fluorchlorkohlenwasserstoffen, Polyvinylchlorid und Polyurethanen (Abb. 111-164).
*
ergon (grch.)- Arbeit.
P
+ + *
+
+ +
Chlor
+ +
+ + + + +
t R
A
7-
1
0
t
8
z
-
I
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik MethanchloneNngund Ldserninel 16%
Propylenoxid Phosgen, COCI?
Salrsaure. HCI
\
35%
c1 35,453 17 C1 35 C1 37
+
CI2
2K
+
Cl,
-
75,53 % 24,47%
2 NaCl
(AH = - 822 kllmol)
2KCI
(AH=-872kJ/mol)
ebenso die Erdalkalimetalle,
*
Sonsme Abb. 111-164. Chlorein24% satzgebiete (1997 ca. 9,4 Mio t in Westeuropa und 3,6 Mio t in Deutschland). Mg Ca
Es steht in der 7. Hauptgruppe des PSE und gehort zu den Halogenen. Chlor* ist unter Normbedingungen ein griingelbes, gasformiges Molekul, C12, von stechendem Geruch. Es ist 2,5mal schwerer als Luft. Die Dichte bei 0°C betragt 3,214 g k . Bei Chlorausbruch ist es deshalb sinnvoll, die obersten Stockwerke von Gebauden aufzusuchen. Da die kritische Temperatur des Chlors recht hoch liegt, kann es leicht verflussigt werden. Kritische Temperatur: 143,9 "C; kritischer Druck: 77,l bar Flussiges Chlor leitet nicht den elektrischen Strom und bildet beim Erstarmngspunkt Fp: -101,6"C eine feste gelbe kristalline Masse. In Wasser ist Chlor nur r n a i g loslich. Bei 20°C losen sich ca. 2,3 L Chlorgas in 1 L Wasser. Nach Fluor ist Chlor das reaktionsfiihigste aller nichtmetallischen Elemente. Es reagiert schon bei Raumtemperatur mit den rneisten Elementen unter Freisetzung groBer Warmeenergien. Mit Natrium reagiert es unter gelber Lichterscheinung : 2 Na
/
1
14.8.2 Eigenschaften des Chlors Symbol: Atommasse: Ordnungszahl: Naturliche Isotope:
I
\
PVC
489
chloros (grch.) - gelbgriin; ha1 (grch.) - Salz; gennan (grch.) - erzeugen.
-
+ C1, + C1,
MgCI,
(AH=-650,2 kUmol)
CaCI,
(AH= - 795 Idlmol)
Phosphor, Silicium und Bor entziinden sich in Chlorgas von selbst. 2 P (weil3) + 5 Clz
-
-
Si
+
Si
+ 3 HCl
2B
+ 2C1,
2 C1,
-
2 PCI,,,, (AH = - 887 kllmol) SiCI4,,, (AH = - 687,O Idlmol) SiHClzln,+ H, (AH = - 2 18 Idlmol) B,CI,,fl, (AH = - 523 Idlmol)
Kalium und Magnesium gehen schon bei gewohnlicher Temperatur in Chloride uber. Blei, Silber, Gold und Platin reagieren beim ErwLmen zu Chloriden.
2Au
+ CI, + C1, + Cl,
t'F
+
Pb 2Ag
CI,
---
-
PbCI,
(AH= - 359,4 Idlmol)
2 AgCl,,, (AH = - 254,2 Idlmol) 2 AuCI,,, (AH= F'tCI,(.,
-
69,5 Idlmol)
(AH=-440,0kllmol)
Mangan, Zink, Eisen, Kobalt und Quecksilber verbrennen in Chlorgas ebenfalls zu Chloriden.
Zn
+ +
Fe
+ C1,
Co
+ +
Mn
Hg
CI2 CI,
Cl, C1,
-
-
MnCI,,,,
(AH= -481,3 kJlmol)
ZnCl,,n,
(AH=-415,1 kJlmol)
FeClztfl, (AH = - 341,8 Idlmol) CoClzo,
(AH=- 3123 kJlmol)
HgCI2(,,
(AH=-224,3 Idlmol)
490
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Mit Sauerstoff, Stickstoff, Kohlenstoff, Edelgasen, Iridium reagiert Chlor nicht unter einfachen Bedingungen. Hier miissen Umwege gegangen werden.
Weitere wichtige Reaktionen mit Chlor Durch Chlorierungsrraktianeri wird Chlor in organische Verbindungen eingefiihrt, z. B. zur Herstellung von Vinylchlorid oder den Chlormethanen.
Kochsalz aufgenommen. Sie spielen im SaureBase-Gleichgewicht, im biologischen Wasserhaushalt sowie bei der Nieren- und Magensekretion eine essentielle Rolle. Die desinfizierende Wirkung von Chlorkalk beruht im wesentlichen auf der Freisetzung von atomarem Sauerstoff.
r
1
OCI
Die ChlorknallRasrrrrktion. Mit Wasserstoff bildet Chlor im Verhaltnis 1 : 1 das Chlorknallgasgemisch. Unter EinfluB von direktem Sonnenlicht reagieren beide Elemente explosionsartig zu Chlorwasserstoffgas unter Freisetzung von grol3er Warinemenge k
'
[CaCIZ . Ca(OH)z] ' 5 HZO
+
0
atomarer Sauerstoff
Vereinfacht:
I
H,,,, + CL,,, + 2 H C L l
HOII
(AH= -I 85 kJ/mol)
CaOC1, -CaCI2
+O
(AH= -98,74 kJlmol)
14.8.3 Physiologisches Verhalten von Chlor gegenuber lebenden Organismen
14.8.4 Chlorwasserstoffsaure, HCI, oder Salzsaure
Chlor zerstort Gewebe
Salzsaure ist die wlssrige Losung von Chlorwasserstoff. 1 L Wasser lost bei 0 "C 825 g oder 525 L Chlonvasserstoffgas. Eine bei 20 "C gesattigte HCI-Losung ist 40,4%ig. Eine 0,l %ige bis 0,5 %ige Salzsaure befindet sich im Magensaft des Menschen und hoherer Tiere, auch Magensaure genannt. Der pH-Wert des Magensaftes betragt 0,9 bis 2,3. Die Salzslure im Magen unterstutzt die eiweiBabbauenden Enzyme, z. B. Pepsin und hemmt schadliches Bakterienwachstum. Sodbrennen ist auf eine Uberproduktion von Salzsaure und Milchsaure im Magen zuriickzufiihren. Salzsaure kommt in der Natur bei Vulkanausbriichen vor.
pflanzliches
und
tierisches
- teils durch Oxidation, - teils durch Verdrangung von Wasserstoff in
-
organischen Verbindungen unter Bildung von HCI, teils durch Chloraddition an Doppelbindungen.
Auf diese Weibe vemichtet Chlor auch Mikroorganismen wie Bakterien, Pilze und Algen. Der MAK-Wert (maximale Arbeitplatzkonzentration) betragt 1 3 mg Chlor pro 1 m' Luft. 0,00005 % MAK-Wert, 0,0001 % Chlor i n der Luft reitzt die Atemwege und ist durch Geruch zu erkennen, aber ist nicht lebensgefahrlich, Chlor greift die Lungen schwer an, 0,001 % haben todliche Vergiftungen zur Fol0,Ol % ge, wirken auf Mensch und Saugetiere 0,5-1% rasch todlich. Negativ geladene Chlorid-Ionen sind lebensnotwendig. Sie werden in Form von gelostem
Herstellung: -
-
Weiterverarbeiten des bei der Chlorierung von Kohlenwasserstoffen anfallenden Chlorwasserstoffgases, Verbrennen von Chlorgas mit Wasserstoff in Quarzofen.
Hag,
+ CIzg,
-
2 HChg,
(AH= -185,O kJ/mol)
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
491
Das Chlorwasserstoffgas wird nach speziellen Absorptionsmethoden im Wasser zu Salzsaure umgesetzt. 1999 wurden in Deutschland 1 3 Mio t Salzsaure bzw. Chlorwasserstoffgas, berechnet auf 100% HCI, hergestellt.
bis 1,7 Mio t/Jahr emittiert. Aus der industriellen Produktion von 1 Mio t gehen 1800 t bis 4000 t in die AtmosphLe. Aus Algen stammen ca. 10000 t/Jahr Organobromverbindungen (CHBr,, CHBrCI2, CH2Br2,CHBr2CI, CHBrC12 u. a.) und 1 Mio t bis 40 Mio t Methyljodid.
14.8.5 Vorkommen in der Natur
Verteilung irn Menschen
Verteilung in der Lithosphare
Der menschliche Organismus enthalt etwa 0,15 % ionisiertes und chemisch gebundenes, d. h. nichtionisiertes Chlor (s. Tab. 111-9, Abschn. 111-14.1.1).
Vulkaneruptionen, die Ozeane und die mikrobiologischen Systeme geben taglich Chlonvasserstoff, Chlor und chlorierte organische Verbindungen in die BiosphLe ab. Die Vulkane emittieren jahrlich 0,4 Mio t Chlonvasserstoff, bei spontanen Eruptionen steigen diese Mengen bis zu 3 Mio t und hoher an (Abb. 111-165). Wenn auch die Schatzungen beziiglich der QuellengroRe fur (niedere) Chlorkohlenwasserstoffe weit auseinandergehen, so ist doch sicher, daR in der Natur groBe Quellen fur Chloraliphaten bestehen. Methylchlorid (CH,Cl) wird von Algen und Bakterien im Ozean entwickelt. Die Schatzungen reichen von 5 Mio t/Jahr bis 28 Mio t/Jahr. Aus menschlichen Produktionen stammen als Zwischenprodukt 0,35 Mio t/Jahr. An Tetrachlorkohlenstoff werden 0, I8 Mio t/Jahr
>hlOrWaSserstOffQaS
(HCD
Algen als Halogen-KohlenwasserstoffProduzenten An der Westkuste Irlands sind 60 verschiedene halogenierte, d. h. chlorierte, bromierte und jodierte Kohlenwasserstoffe entdeckt worden. Sie werden von Rot- und Braunalgen produziert (Abb. 111-166). Weitere Produzenten und Emittenten von halogenorganischen Verbindungen sind: Seetang, Manzen, Baumpilz, Pilze, Meeresschwamm, Flechten, Bodenpilz (Abb. 111-167).
langlebige organische Chlorverblndungen
300 Mio. tfa
Abb. 111-165. Kreislauf und Emissionsquellen von Chlorverbindungen.
492
*
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
C1Br-CH2 CI,Br-CH CIBr2
BrZ-CH2 Br,-CH IZH3
ICHZ-CHZ-CH CH,-CHI-CH,
CI ,-CH CCI,
CH,CI
CI
CHBr, CHZCICOOH
CI
lCH2<2Hj
CI
CH2FCOOH
Pflonzen
c l ) g ) 2 CI
Baurnpilt
OCH,
H&CH-CH;
Pike
I CH,Br
CI c*:
Abb. 111-166. Algen als Halogen-KohlenwasserstoffProduzenten (aus Juhresberichr 1989, Biologische Anstalt Helgoland). - Biogene Bildung halogenierter Kohlenwasserstoffe in Rot- und Braunalgen vor der Westkiiste Irlands.
14.8.6 Bindungsarten von Chlorverbindungen
NaCl Steinsalz
HCI
aq
aq
+
Na' H'
+
OCHS
4r
OH Meeresschwamm Br Cl
'
'
HO c
OH CI
Ionische Bindungen
Br
Seetang
CICHZ-CH2-CH,I BrCH,-CH2
3
CI
Flechten
CI
CI
CI
Bodenpilz
Salraiure
Kovalente (homoopolare)* Bindungen (nichtionische Bindungen) Cl, Chlor
-
HCI
CI-CI
H-CI
Chlorwa\\er\toff
CH,- CI
-
Chlormethan
H
I
H-C-CI
I
H
*
Abb. 111-167. Beispiele halogenorganischer Verbindungen in der Natur.
homoios (grch.) - gleich. gleichartig; hvmiiopolare Bindung, apolare Elektronenbindung.
Man unterscheidet also Chlorverbindungen mit ionischer Bindung, z.B. Steinsalz, von solchen mit kovalenter Bindung, z. B. Vinylchlorid, dem Baustein des Polyvinylchlorids, chlorierte Methanverbindungen oder Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Zwischen den ionischen Ausgangsstoffen und den stabilen Chlorkohlenwasserstoffen liegen als Zwischenstufen der Chlorwasserstoff und eine grol3e Zahl von chlorierten metallischen oder halbmetallischen Zwischenprodukten.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
493
Bindungsfestigkeit von Chlor-Kohlenstoftbindungen
Tab. 111-14. Bindungsenergien verschiedener Verbindungen.
Die Bindungsenergie ist ein MaB fur die Festigkeit der untereinander verknupften Atorne. Der gleiche Energiebetrag muB aufgebracht werden, urn die Bindung zwischen den Atomen zu spalten. Eine hohe Bindungsenergie bewirkt zugleich eine hohe Molekulstabilitat gegenuber auBeren Einwirkungen. Eine hohe Stabilitat haben das Polyvinylchlorid und die Fluorchlorkohlenwasserstoffe. Ihren hervorragenden Nutzungs- und Gebrauchswert als Werkstoff und Kalternittel verdanken sie ihren hohen Bindungsenergien. Doch diese Vorteile als Nutzungsguter geraten bei der Entsorgung zum Nachteil. Sie konnen bisher nicht biologisch abgebaut werden. Geeignete Mikroorganisrnen konnten weder gefunden noch gezuchtet werden. Die Werte der Bindungsenergien f i r Chlorkohlenwasserstoffe zeigen, daB sie erst bei einer Strahlungsenergie ab einer Wellenlange von A < 340 nrn, d. h. ab dern ultravioletten Bereich oder jenseits des sichtbaren Bereichs des Lichtes gespalten werden konnen. Erst bei A < 340 nrn werden Energiebetrage von rnehr als 350 H h o l ubertragen (Tab. 111-13 und -14, Abb. 111-168). Die Atmosphiire hat zwei Fenster, durch die Strahlung aus dern Weltall bis zu uns auf den Erdboden komrnt: ein schmales fur Licht, fur das unsere Augen empfindlich sind, und ein breites fur Radiowellen. Fur ein vollstandiges Bild von den Prozessen irn Weltall muB man moglichst in allen Wellenlingen forschen.
Bindungsart
Bindungsenergie kJ/mol
Bindungslbge nm
H,; H-H F,; F-F CI,; CI-Cl Br,; Br-Br I,; 1-1 CH4; C-H NH,: N-H HzO; 0-H
435,136 158,992 242,672 192,464 150,624 435 43 1 494
74 142
Halogenwasserstoffe:
H-F H-Cl H-Br H-I Methylhulogenide.
CH3-H CH3-F CH,-CI CH,-Br CHJ
Frequenz
Farbe
rs-7
700 675 600
4,286. lOI4 4,444. 1014
500 450 400 340 295 286
6,o. loi4 6,666. lOI4 7,s. loi4 8 , ~1014 . 10,169. lOI4 10,49 . loL4
200
15,O.
5,o. loi4
* 1 Einstein entspricht 1 mol Photonen.
Energie pro Einstein* [kJI
dunkelrot rot orange gelb griin blau violett ultraviolett (unsichtbar)
435,136 45 1,872 35 1,456 292,88 234,304
Chlorkohlenwasserstoffe: 35 1,456 35 1,456 25 1,04 359,824 284.5 I2
CH&I H,C=CH-CI H2C=CH,-CHz-C1 C6Hs-CI C6Hs-CH2-C1
Tab. 111-13. Energieaquivalente von 1 Einstein bei verschiedenen Wellenlangen.
Wellenlange [nml
569,024 430,952 368,192 297.064
171 176,7 199 239,4 265 299 351,5 405,8 4 18.5 598,5
110 101 96
494
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chernischen Grundprodukten
Gamrnastra hlung
*-----I 1-
--
Ultraviolettstrahlung
Infrarotstrahlung
-1
Rontgenstrahlung
Mikrowellenstrahlung
Q
durchsichtig
In C
Absorption durch N2, 0 2 , 0 3
-
Radiostrahlung
I-
ti W
Radiofenster
LL
u)
1
a,
r
s
.-
w
undurchsichtig
a
\
0
0:1
1
io
I
100
I
I
,1
v Nanometer
10 u
I
100,
Mikrometer
Meter
Millimeter
Abb. 111-168. Die Strahlungspalette aus dern All.
14.8.7 Chlor als hochreaktiver Aktivator,
3. Stufe: Polymerisation von Vinylchlorid
z. B. Vinylchlorid, PVC
Methanchlorierung (s. Abb. 111-36, S. 287). Die Chlorierung verlauft stufenweise und exotherm. Herstellung von Vinylchlorid und Polyvinylchlorid. I . Stufe: Oxichlorierung von Ethylen H,C=CH2 Ethylen
+
1/2 O2
Sauerstotf -+
+
2 HCI Chlorwas\entott
H2C-CH2 I I CI CI Dichlorethan
+ HzO Wasser
(AH= -275 kJ/mol) 2. Stufe: 1,2-Dichlorethan-Spaltung H,C-CHZ I I CI CI
-
H2C=CH I CI
c1
L
H
C I n~
Der Chloranteil im PVC betragt 56%. Die Polymerisation vcrliiuft exotherm. Das erste Patent zur Herstellung von PVC aus Acetylen und Chlorwasserstoff wurde 1912 von den Chemikem F. Klatte und E. Zacharias (Griesheim Elektron) unter der Patent-Nr. DRP 281 877 angemeldet. 1938 lief in Bitterfeld eine Produktionsanlage fur 1500 t pro Jahr an. Unter dem Markennamen Igelit kamen die ersten PVCProdukte in den Handel. Igelit erinnert an den Chemiekonzem IG-Farben. Der Markenname Hostalit des PVC-Produkts der Hoechst AG leitet sich davon ab.
+ HCI 14.8.8 Kreislauf des Chlors
(AH= +7 1 kJ/mol) Die Pyrolyse des Dichlorethans erfolgt in der Gasphase bei 500°C bis 600 "C ohne Katalysator. Der Reaktionsdruck kann bis zu 30bar ansteigen.
Chlor im biologischen Kreislauf Abbildung 111- 169 zeigt den Kreislauf des Chlors in unserer Umwelt.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
I
e
l C h l o r h a l k e oroanische Verbindungen Ausbringung. Verdampfung
Zerstorung der Ozonschicht in der Stratosphare Ozon kann durch katalytische chernische Prozesse wieder in molekularen Sauerstoff zuriickverwandelt werden (s. auch Abschn. 111-12.5.5):
globale Verteilung in der Biosphare Boden, Wasser. Luft
-\
I
- f
1
495
203
+X+
XO
hv -+
3 O Z + XO
+
X
X wird dabei in XO und XO wieder in X urngewandelt und steht so erneut fur die Zerfallsreaktion des Ozons zur Verfugung. X und XO sind reaktionsfreudige Radikale und wirken als Katalysatoren. Fur die Zerstorung des Ozons in der Stratosphare sind am starksten verantwortlich: X = NO und XO = NO2 X = CI und XO = C10
Abb. 111-169. Der Weg der organischen Chlorverbindungen iiber die Nahrungskette.
Ozonbildung in der Stratosphare (s. Abschn. 111-14.5.1)
,o=o, /
\
-{o:
+ :o;
(AH = +495 kJ/mol)
302
-
(AH= -206 kJ/mol) 20 3
(AH= +289 kJ/mol)
In der Stratosphire wird molekularer Sauerstoff durch Photodissoziation unter der solaren UV-Strahlung (1< 240 nm) in atornaren Sauerstoff gespalten. Dieser verbindet sich rnit rnolekularern Sauerstoff zu Ozon. Es kornrnt daher in der Stratosphire oberhalb von lOkm bis 15 krn vor und erreicht bei 30 krn ein Maximum, Ozon ist das einzige Gas, das die fur die lebenden Organismen schadliche UV-Strahlung der Sonne irn Wellenlangenbereich von 240 nrn his 310 nm in nennenswerten Urnfang absorbieren kann. Der Ozon-Gurtel in der Stratosphiire ist daher ein Schutzschild fur das Leben auf der Erde. Die Absorption der solaren UV-Strahlung durch Ozon ist auaerdern eine wichtige Energiequelle fur die Stratosphiire, die bewirkt, daR dort die Ternperaturen his etwa 50krn zunehrnen. Diese Ternperaturinversion stabilisiert die Atmosphire und hat Bedeutung fur das Klirna der Erde (s. Abb. 111-152, S. 468).
Die durch rnenschliche Aktivitaten erzeugten Stickstoffoxide NO und NO, sind dabei von geringerer Bedeutung, da sie bereits in der Atrnosphiire wieder entfernt werden. Zentrale Bedeutung hat das aus dem Stickstoffkreislauf der Biiden in die Atrnosphare entweichende, sehr stabile Distickstoffmonoxid NZO (Lachgas). Es wird erst in der Stratosphiire durch die solare UV-Strahlung angegriffen, wobei NO und NO, entstehen. Noch wichtiger fur die Entstehung des Ozonlochs in der Stratosphire sind die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKWs), insbesondere CFC13 und CF2C12, die ebenfalls chemisch sehr stabil sind und daher auch erst in der Stratosphire oberhalb 25 km durch UV-Strahlung gespalten werden. Dabei entstehen C1- und C10-Radikale.
Reaktion der Chlor-Radikale mit Ozon in der Stratosphare
0
-
-iitj. + o=g 7+ .o. - + o=o -
ICI. +EL,
'0
- ICI-0. - -
0
\-
0
-
~
(AH = -163,l kUmol) -~
IC1. ~
~~
(AH= -228.8 kJ/mol)
0 3
+
0
20
2
(AH = -39 1,9 kJ/mol)
Der katalytische Zyklus beginnt rnit der Spaltung des Ozonrnolekiils durch ein Chloratorn unter Bildung von Chlormonoxid und rnolekularern Sauerstoff (s. a. Abschn. 111-12.5.5, S 408).
496
I11 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Das Chlormonoxid reagiert weiter mit einem Sauerstoffatom, das durch Photodissoziation eines anderen Ozonmolekuls entstanden ist. Dabei wird ein C1-Radikal freigesetzt, das erneut zur Reaktion gelangt.
14.8.9 Entsorgung von chlororganischen Verbindungen
Recycling Kunststoffgemische konnen pyrolytisch in aliphatische oder aromatische Kohlenwasserstoffe gespalten werden. Die Spaltprodukte werden anschlieoend durch fraktionierte Destillation getrennt (Abb. 111-170). Die Pyrolyse* erfolgt in der Regel bei Temperaturen zwischen 600 "C und 800 "C unter Luft-
Kunststoffabfalle
-
Abb. 111-171. Der Kreislauf der Chlorverbindungen in der Technik.
sauerstoffausschlufl. Der Sauerstoff wiirde bei diesen Temperaturen die polymerisierten Kohlenwasserstoffe verbrennen. Das bei der chemischen Entsorgung von Polyvinychlorid entstehende Chlorwasserstoffgas wird in Salzsaure iiberfiihrt und durch Natronlauge neutralisiert. Auf diese Weise ist das im PVC gebundene Chlor in seine ursprungliche Rohstoffquelle, namlich Steinsalz, ebenfdlls zuruckverwandelt worden (Abb. 111-171). Eine entsprechende Anlage zur Entsorgung von freigesetzten Chlonvasserstoffgasen ist 1990 von der Solvay AG und der ehemaligen Hoechst AG als Gemeinschaftswerk in Betrieb genommen worden (Abb. 111-172).
Thermische Entsorgung von Kunststoffen Die thermische Entsorgung wird das Konzept der Zukunft sein.* Die bei der Verbrennung freigesetzte WiirmePropen) werden aufgetrennt _____.--______-__--_------energie kann zur Erzeugung von Wasserdampf z. 8. in Benzd, Toluol, 50 % Uberschu6gas mit anschlieflender Umwandlung der WiirmeWachs energie in elektrische Energie verwendet werden. Abb. 111-170. Wirbelschichtverfahren zur Pyrolyse von Kunststoffabfallen.
* * pyro (grch.) Feuer; lysis (grch.) - Aufliisung ~
Fischer, R., Menges. Ci. (1992). Abfille irn Sauerstoffstrorn, VDl-Nuchrichtm 7.2.92. 28.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verknupfung zwischen Natur und Technik
i
auch Holz. Chemisch betrachtet handelt es sich um Kohlenstoff und Kohlenwasserstoffe. Werden sie in den Kraftwerken, Autos oder in F'rivathaushalten verbrannt, dann entstehen Kohlenstoffdioxid und Wasser. Als exotherme Reaktionen setzen sie Warmeenergie frei. Die aus den Verbrennungsenthalpien berechneten oberen Heizwerte sind fur (Tab. I- 16): Kohlenstoff (Kohle) Hexan (Erdol) Methan (Erdgas) Polyethylen Cellulose (Bestandteil von Holz) PVC
Abb. 111-172. Das ,,PVC-Meta-Konzept". VC =
Vinylchlorid
Folgende Griinde sprechen dafur: - Der komplizierte Sammel- und Sortierungs-
aufwand entfallt. Es muB nur zwischen brennbaren und nichtbrennbaren Stoffen unterschieden werden. - Ausnutzung der in organischen Abfallprodukten gespeicherten chemischen Energie als W m e - und elektrische Energie. - Verringerung des Abfallvolumens auf den minimalsten Umfang, namlich die Asche. -
AuBer Kohlenstoffdioxid fallen keine nennenswerten die Umwelt belastenden Abgase an. Denn die energiefreisetzenden Miillverbrennungsanlagen wiirden nach dem Prinzip der Kohle- oder Erdolkraftwerke arbeiten und umweltbelastende Abgase wiirden entsorgt werden. Auch das Dioxinproblem ist technisch gelost.
- Eine
Wirtschaftlichkeitsberechnung unter Beriicksichtigung der Okobilanz wiirde die Entsorgungskraftwerke noch mit einem finanziellen Gewinn arbeiten lassen.
Die wichtigsten Energietrager in der Welt sind immer noch Kohle, Erdol, Erdgas und teilweise
497
32 792 k J k g 48 407 W k g 55 650 I d k g 46 607 I d k g 17 572 k J k g 19000 k l k g
Ein Vergleich dieser Heizwerte miteinander zeigt, daB die Kunststoffe wertvolle Energierohstoffe sind. Im Grunde sind sie nichts anderes als uber den Umweg von chemischen Prozessen maageschneiderte Kohlenwasserstoffverbindungen, die gezielt zu Werkstoffen und Wirkstoffen verarbeitet worden sind. Was liegt also niiher, als sie wieder als Energierohstoff zu verwenden? Insbesondere wenn man bedenkt, daB sie nur einen sehr geringen Anteil der zu verbrennenden Energierohstoffe ausmachen. 1998 wurden folgende Mengen an kohlenstoffhaltigen Energietragern gefordert bzw. gewonnen (s. Tab. 111-10, S. 441). Steinkohle Erdol Getreide mit Mais Braunkohle Erdgas
3,7 Mrd t 3,5 Mrd t 2,05 Mrd t 0,9 Mrd t 2300 Mrd Nm' * (- 80500 Petajoules)
Sie alle werden zu Kohlenstoffdioxid und Wasser umgesetzt, auch das Getreide als Nahrungsmittel fur Mensch und Tier zur Aufrechterhaltung ihres Stoffwechsels. Daran wird sich auch in Zukunft nichts andern. Gegeniiber diesen Mengen ist der Anteil der chemischen Industrie am Erdol zur Produktion von organischen Produkten wie Kunststoffe, Synthesefasern, Farbmitteln, Pflanzenschutzmitteln, Arzneimitteln und Losemitteln fast vernachlassigbar. Knapp 10 % des Erdols werden von der chemischen Industrie zur Synthese von neuen Stoffen benotigt, das sind ca. 300 Mio t pro Jahr.
*
Nm' Normkubikmeter, d. h. I Kubikmeter unter Normalbedingungen. I Petajoule = 10"Joule.
498
111 Produktionsverfahren zur Herstellung von chemischen Grundprodukten
Es liegt auf der Hand, diese Syntheheprodukte, insbesondere die Kunststoffe, auch zu verbrennen, wenn sie als Nutzgiiter nicht mehr geeignet sind. Bei entsprechend hohen Verbrennungstemperaturen werden alle oganischen Verbindungen in Kohlenstoffdioxid und Wasser ohne toxische Begleitstoffe wie die chlorierten Dibenzodioxine und Furane iiberfuhrt. Dioxine sind hochgiftige chlorierte aromatische Ringverbindungen, die in Spuren bei jeder Verbrennung entstehen, z. B. auch bei der Holzverbrennung oder dem Rauchen einer Zigarette. Im Prinzip sind sie allgegenwartig. In der Luft werden die Dioxine unter Lichteinwirkung in wenigen Tagen abgebaut. Im Boden vollzieht sich ihr Abbau wesentlich langsamer. Dort betragt die Halbwertszeit 10 Jahre bis 20 Jahre. Ihre Bindungsenergie ist sehr hoch. Beispiel einer DioxinsubstanL:
TCDD: 2,3.7,8-Tetrachlor-Dihen7o-/~-dioxin
Bei der Riickstandsverbrennungsanlage im Industriepark Hochst entstehen weniger als 1 Nanogramm Dioxin pro Kubikmeter Luft, das sind 1 milliardstel Gramm. In einem Jahr sind das insgesarnt 0,4 g Dioxin. Staubemissionen und fluchtige Metalle konnen durch geeignete Aktivkohlefilter, HeiBgasfilter und Elektrofilter aufgearbeitet werden. Die Entsorgung von Schwefeldioxid und Chlorwasserstoffgas gehort heute zur technischen Routine. Die hohen Verbrennungstemperaturen von ca. 1600 "C konnen erhalten werden, indem die Abfallstoffe im reinem Sauerstoffstrom verbrannt werden. Dabei wird als Nebeneffekt fast noch die Stickstoffoxidbildung vermieden oder auf ein MindestmalJ reduziert. Bei mit reinem Sauerstoff gefiihrten Verbrennungsanlagen vermindert sich das Volumen der Brenngase auf 25 c/o, da der in der Luft enthaltene Stickstoffballast von 78 % Volumenanteil fehlt. Die Verbrennungsgase bestehen zu 48 % Volumenanteilen aus Wasserdampf und zu 48 5% Volumenanteilen aus Kohlenstoffdioxid und nur zu 4 % aus verschiedenen Gasen, wie z.B. Chlorwasserstoff, Schwefeldioxid, Metallchloride, die sich alle durch technisch bewahrte Absorptionsmittel entfemen lassen.
Bei diesen hohen Temperaturen werden mineralische Zuschlagstoffe, die im Mull vorhanden sind oder zugegeben werden miissen, in verglaste, nicht aufliisbare Schlacken gebildet, in die giftige Metallverbindungen eingebunden werden. Diese Schlacken konnen beispielsweise als Baumaterial eingesetzt werden und belasten als Sondermiill somit nicht die Deponien. Inzwischen hat die BASF AG Katalysatoren eingesetzt, die schon bei Temperaturen unter 250 "C organische Riickstande zu Kohlenstoffdioxid und Wasser ohne toxische Begleitstoffe verbrennen.*
14.8.10 Gesichtspunkte zur Verminderung des Chlorverbrauchs Als Ersatz fur die FCKWs in Kaltemitteln und Treibmitteln zum VerschPumen von Kunststoffen bieten sich die neu entwickelten teilhalogenierten Fluorkohlenwasserstoffe an, die sehr vie1 weniger stabil sind und daher abgebaut werden, bevor sie in die Stratosphare gelangen. An die Stelle der Chloratome treten Wasserstoffatome. Ammoniak ist als Ersatz fur FCKW-Kaltemittel wieder im Gesprach. Ammoniak ist ein farbloses, stechend riechendes, giftiges, zu Tranen reizendes Gas mit der Dichte 0,5967g/cm3 bei 0 "C und 1 bar, Smp. -78 "C, Sdp. -33 "C. Es kann bei gewohnlicher Temperatur bereits bei einem Druck von 8 bar bis 9 bar verfliissigt werden. Konzentrationen von 1,5g bis 2,5g Ammoniak pro m3 Luft wirken innerhalb einer Stunde todlich, desgleichen die Aufnahme von 3 ml bis 5 ml Ammoniumhydroxid (Salmiakgeist) in den Magen. Allerdings sind Ammoniakvergiftungen wegen friihzeitiger Geruchs-Warnzeichen selten.
14.8.11 Festlegung von BezugsgroBen Ein Vergleich der natiirlichen und industriellen Emissionsquellen fur Chlonvasserstoffgas und chlororganische Verbindungen zeigt, daR der Anteil der Chlorverbindungen aus den natiirlichen Emissionen bei weitem hoher liegt, als der aus der industriellen Produktion. Damit sollen die moglichen Gefahren der industriellen Emissionen nicht unterbewertet werden. Es ist also dringend notwendig, die Halogenkreislaufe in der *
Die Katalysatoren hat die BASF von Prof. Hagemeier, Univ. Tubingen, der sie entwickelte und patenticrcn lieD, in Lizenz genommen.
14 Stoffkreislaufe und ihre Verkniipfung zwischen Natur und Technik
499
Natur zu erforschen, um naturliche Bezugsg r o k n zu erhalten, an denen die Belastungen durch industrielle Emissionen zu bewerten und zu interpretieren sind. Jedes Vergleichen und Messen im naturwissenschaftlichen Sinne setzt eine BezugsgroRe oder ,,Nullbasis" voraus. Das gilt sowohl fur Langenmessung, Energiemessung, Strahlungsmessung u. a. Festlegen und Definieren von BezugsgroL3en ist die Grundlage jedes wissenschaftlichen Arbeitens. Ein Student sollte das in den ersten Studiensemestern gelemt haben, wenn er spater erfolgreich arbeiten will. Entsprechende Forderungen sind auch an die Bewertung von moglichen Umweltbelastungen zu stellen. Beim aufmerksamen Studium der wissenschaftlichen Fachliteratur fdlt auf, daR hier noch vieles im argen liegt. Chlor und einige seiner Verbindungen werden schon seit der Bildung der Erdkruste standig emittiert. Das Spektrum emittierender chlororganischer Verbindungen erweiterte sich mit der Entwicklung des mikrobiellen, pflanzlichen und tierischen Lebens auf der Erde. Es mu13 also im biologischen System der Erdoberflache Reaktionsmechanismen geben, die diese umweltbelastenden Substanzen wieder unwirksam machen. Diese Mechanismen sind auch heute in der Natur noch vorhanden. Sie diirfen nicht auRer acht gelassen werden, wenn wertvolle und wichtige Wirk- und Werkstoffe nach ihrer Umweltbelastung beurteilt werden. Organische Chlorverbindungen natiirlichen Ursprungs konnen sich in hohen Konzentrationen im Boden und Grundwasser befinden. Das haben danische, niederlandische und schwedische Untersuchungen im Rahmen des europaischen Umweltprogramms Step ergeben. Starke Spuren chlorhaltiger Chemikalien in der Umwelt deuten im allgemeinen auf IndustrieausstoRe. Die niederlandische Regierung setzt einen theoretischen ,,A'-Wert von 0,l mg organischer Chloride pro Kilogramm als natiirlichen Hintergrund an und benutzt ,,B"- und ,,C"-Werte als Alarmausloser. Bodenproben aus Moorgebieten in den Niederlanden zeigten jedoch organisch gebundene Chlorverbindungen in zehn- bis fiinfzigmal hoherer Konzentration als der ,,A"-Wert. Bei coulometrischen und neutronendiffraktiometrischen* Analysen von Proben aus Iandlichen
Gegenden in Schweden wurden sogar Konzentrationen bis zu 800 Milligramm organischer Chloride pro K i l o g r a m nachgewiesen. Lufttransporte konnen das Phanomen nicht erkliiren, da hohe Chlorgehalte auch in tieferen Bodenschichten vorkommen. Die chlorhaltigen Chemikalien sind vor allem an Humus gebunden. Nach Berechnungen bei TNO* sind von den 30mgkg bis 40mgkg der normalen Chlorladung des Rheins wahrscheinlich 15 mgkg bis 30mg/kg natiirlichen Ursprungs.
*
*
fractus (lat.) - gebrochen; Diffraktion bedeutet physikalisch Lichtbeugung. Neutronendiffraktion ist die Beugung von Neutronenstrahlen an Kristall- und Stoffstrukturen.
TNO Abkurzung fur Organosatie voor Toegepast NatuurwetenschappelijkOnderzoek. TNO ist das niederlandische Zentrum fur angewandte Industrieforschung.
500
111 Produktionsverfahrenzur Herstellung von chemischen Grundprodukten
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IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Werkstoffe 5 11 Werkstoffe in der chernischen Industrie 511 Werkstoffkunde - eine Einfuhrung 5 I2 1.2 1.2.1 Einteilung und Eigenschaften der Werkstoffe 5 12 1.2.2 Stahl und Eisenwerkstoffe 5 18 1.2.2.1 Werkstoffnormen von Stahl und Eisen 518 1.2.2.2 Stahle fur bestirnrnte Verwendungszwecke 523 I .2.3 Die Nichteisenrnetalle (NE-Metalle) 526 1.2.4 Nichtrnetallische anorganische Werkstoffe 528 1.2.5 Kunststoffe 530 1.3 Korrosion und Korrosionsschutz 535 1.3.1 Allgerneine Korrosion 535 1.3.2 LochfraR 536 1.3.3 Spannungskorrosion 536 1.3.4 Korrosionsschutz 536
1 1.1
Y
4 4.1
4.2 4.2.1 4.2.2 4.2.3 4.2.4 4.2.5 4.3 4.3.1 4.3.2 4.3.3 4.4 4.4.1 4.4.2 5
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.3 2.4
Schraubenverbindungen 537 Schrauben 537 Gewindearten 537 Schraubenarten 537 Muttern 537 Schraubensicherungen 537 Schraubenschlussel und Schraubendreher 538
5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.2.1 5.2.2 5.3 5.3.1
3 3.1 3.1.1 3.1.2
Rohre und Rohrleitungen 539 Rohrleitungsteile 539 Rohrschusse (Rohrstucke) 539 Whneausdehnungsstucke (Kornpensatoren, Ausdehnungsbogen) 539 Rohrverbindungen 540 Rohrverschraubungen 540 Muffenverbindungen 540 Flanschverbindungen 540 Dichtungen fur Flanschverbindungen 542 Kennzeichnung von Rohrleitungen 543
5.3.2
3.2 3.2.1 3.2.2 3.2.3 3.2.4 3.3
5.3.3 5.3.4 5.3.5 5.4 5.4.1 5.4.2
Absperrvorrichtungen 545 Nichtregelbare Absperrvorrichtungen 545 Regelbare Abspenvorrichtungen 545 Hahne 545 Ventile 545 Schieber 546 Druckrninderventile (Reduzierstationen) 547 Inbetriebnahrne einer Druckgasflasche 547 Sicherheitseinrichtungen 548 Sicherheitsventile 548 ReiSscheiben 549 Riickschlagventile 550 Kondensatableiter 550 Schwirnrnergesteuerter Kondensatableiter 550 Bimetall-Kondensatableiter 550 Kontrolleinrichtungen (MeBgerate) 552 MeBumfonner 552 Pneurnatisches Einheitssignal 552 Elektisches Einheitssignal 552 Druckrnessung 552 Druckrnessung rnit Manometer 552 Druckrnessung rnit KraftrneRdose 553 Standrnessung 554 Standrnessung rnit Hilfe eines Schauglases 554 Standmessung rnit einern Schwirnrner 554 Standrnessung nach dern Bodendruckprinzip 554 Standrnessung nach der Einperlrnethode 555 Standrnessung nach der Verdrangungsmethode 556 DurchfluRrnessung 557 DurchfluRrnessung rnit dern Schwebekorpermesser 557 DurchfluRrnessung rnit der Normblende 558
5 10 5.4.3
IV Grundlagcn der Maschinenkunde in der chemischen Technik
5.1 I .2
Mengenmessung mit dem Ovalradziihler 559 pH-Wert-Messung 559 Temperaturmessung 560 Ausdehnungsthermometer 560 Temperaturmessung mit dem Themoelement 56 1 Temperaturmessung rnit dem Widerstandsthermometer 562 Membranregelventil 562 Regelstrecken 563 Regler 563 Stetige Regler 564 Proportional-Regler 564 Regler mit I-Verhalten 566 Einheitsregler 567 Unstetige Regler 567 Zweipunktregler 567 Dreipunktregler 569 Leitieriit 569 Steuerungen 570 Definition 570 Signale in Steuerungen 570
6 6. I 6.2 6.3
Dichtungen an Wellen 573 Stopfbuchsen 573 Gleitringdichtungen 574 Stopfbuchslose Abdichtung 574
7
Lagerung und Forderung von festen Stoffen 575 Lagerung fester Stoffe 575 Forderung fester Stoffe 575 Diskontinuierlich arbeitende Forderer 576 Kontinuierlich arbeitende Fiirderer 577
5.5 5.6 5.6.1 5.6.2 5.6.3 5.7 5.8 5.9 5.9.1 5.9.1.1 5.9.1.2 5.9.1.3 5.9.2 5.9.2.1 5.9.2.2 5.10 5.1 1 5.1 I . I
7.1 7.2 7.2.1 7.2.2
8 8.1 8.2 8.2.1 8.2.2
Lagerung und Forderung von Fliissigkeiten 579 Lagerung von Fliissigkeiten 579 Forderung von Flussigkeiten 580 Pumpen 580 Druckfasser (pneumat i sche Flussigkeitsforderer) 583
9 9. I 9.1.1 9.1.2 9.1.3 9.1.4
Lagerung und Forderung gasrormiger Stoffe 585 Verdichtung von Gasen 585 Kolbenverdichter 585 Rotationsverdichter 585 Kreiselverdichter 587 Strahlpumpen 587
Dosieren 588 Definition 588 Dosierung von Feststoffen 588 Dosieren durch Feststoffforderer 588 10.2.2 Dosierbandwaagen 589 10.3 Dosieren von Flussigkeiten 589 10.3.1 Dosierpumpen 590 10.3.2 Membranpumpen 590 10.4 Dosieren von Gasen 59 1
10 10.1 10.2 10.2.1
Heizung und Kuhlung 592 Heizung 592 Kiihlung 592 Kuhlungsarten 592 Das Funktionsprinzip von Kiiltemaschinen und Wiirmepumpen 594 11.3 Wirme- und Kiilteisolierung 595 11.3.1 Isolierstoffe 595 1 1 3.2 Ausfiihrungsarten von Isolierungen 595
11
11.1 11.2 11.2.1 11.2.2
12 12.1 12.2 12.3
12.4 12.4.1 12.4.2 12.4.3 12.4.4 12.4.5
Reaktionsapparate 598 Einteilung 598 Druckbehalter 598 Reaktionsapparate fur kontinuierliche Verfahren 599 Bioreaktoren 60 1 Reaktor und Mikroorganismen 601 Ruhrkesselfermenter 603 Laborfermenter 603 Schlaufenfermenter 604 Schaufelradfermenter 604
Literaturhinweise zu Teil IV 605
1 Werkstoffe
1.1 Werkstoffe in der chemischen Industrie Die breite Palette der in der chemischen Industrie hergestellten Produkte erfordert nicht nur eine groBe Anzahl verschiedener Apparate, sondern auch eine sorgfaltige Auswahl der Werkstoffe (Tab. IV-1).
Gesichtspunkte Fur die Auswahl von Werkstoffen Die verwendeten Werkstoffe mussen nach ihrem spateren Verwendungszweck sowie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten ausgewahlt werden. Die wichtigsten Gesichtspunkte bei der Auswahl von Werkstoffen sind: -
mechanische Eigenschaften,
- physikalische Eigenschaften, -
Korrosionsbestandigkeit, Preis.
Die physikalischen, mechanischen und chemischen Eigenschaften werden u.a. durch die mikrokrostalline Struktur der Werkstoffe bestimmt (Abb. IV-1).
Wirtschaftliche Gesichtspunkte Ein wesentlicher h n k t bei der Auswahl von Werkstoffen ist neben allen technischen Eigenschaften auch der Preis. Hier gilt es, zwischen Moglichkeiten und unbedingten technischen Erfordernissen abzuwagen. Es ist nicht notwendig, das teuerste Material zu verwenden, wenn auch preiswertere Werkstoffe den technischen Anforderungen vollauf genugen. Andererseits ware es unwirtschaftlich, ein Material nur wegen seines niedrigen Preises auszuwahlen, das spater durch vorzeitigen VerschleiO und standige Reparaturen hohe Kosten verursacht, die ein Vielfaches des Anschaffungspreises betragen. Diese wenigen Beispiele deuten bereits an, wie wichtig es ist, Grundkenntnisse uber Werkstoffe zu besitzen.
Tab. IV-1. Ubersicht uber die gebrauchlichsten Werkstoffe in der chemischen Industrie.
Metalle und deren Legierungen
Nichtmetalle, anorganische Werkstoffe
Organische Naturstoffe und halbsynthetische Stoffe
Oganische vollsynthetische Stoffe
Eisen, Stahl legierte Stahle A I u m in i u m Kupfer Magnesium Zinn
Glas Quarz Email Porzellan Steinzeug Steingut Graphit Ziegel Steine Silicium
Naturkautschuk Holz Kork Fasem Bitumen
Kunststoffe: z. B. Thermoplaste Duroplaste Schaumstoffe Synthesekautschuk Kohlenstoffasern
Zink
Blei Nickel Silber Platin Tantal Titan Wolfram Messing
5 12
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chernischen Technik
1.2 Werkstoffkunde eine Einfuhrung 1.2.1 Einteilung und Eigenschaften der Werkstoffe Die Werkstoffe konnen in zwei Hauptgruppen eingeteilt werden, in metallische und nichtmetallische Werkstoffe (Abb. IV-2). Churukteristische Metulleigenschuften sind Reflexionsvermogen fur Licht (Metallglanz), hohe elektrische und thermische Leitfiihigkeit und gute Dehnbarkeit. Nichtmetalle, die zwar einige dieser Eigenschaften besitzen konnen, haben diese Eigenschaften jedoch nicht als gemeinsames Merkmal. Etwa 80% der naturlichen Elemente sind Metalle.
Abb. IV-1. Mikrokristalline Struktur eines warmfesten Stahls (Ferrit-Perlit-Gefuge).
Metallische Werkstoffe Man unterscheidet Reinmetalle und MetallLegierungen. Reinmetalle, d. h. Metalle ohne Fremdelemente, sind schwer herstellbar. Nur mit groBem Aufwand ist es moglich, kleine Mengen Eisen mit weniger als 0,Ol % Massenanteil Fremdelementen herzustellen. Man spricht daher von
Werkstoffe
Metallische Werkstoffe Eisenwerkstoffe
Nichtmetallische Werkstoffe
werkstoffe
Anorganische nichtmetallische Werkstoffe
Schwernietalle Leichtmetalle
keramische Werkstoffe
Nichteixenrnetall-
Organische Werkstoffe
~
Stahl GuReisen
Kunststoffe Schmier- und Kuhlmittel Kautschuk Holz
Verbundwerkstoffe
I
Stahlbeton, Stahlgurtelreifen, Werkstoffe mit Korrosionsschutz-Deckschichten,Hartrnetalle, Faserverbundwerkstoffe z. B , mit Kohlenstoff- oder Gladxmn Abb. 1V-2. Einteilung der Werkstoffe
1 Werkstoffe
Reinstmetallen. So wird z.B. das in groReren Mengen hergestellte Eisen mit 0,1% Massenanteil an Fremdelementen als technisch reines Eisen bezeichnet (Elektrolyt-Eisen, Armco-Eisen). Hochste Reinheitsgrade werden chemisch durch Reduktionsverfahren und durch Vacuummetallurgie erreicht. Metall-Legierungen (ligare - verbinden) bestehen aus zwei oder mehr Elementen, von denen ein beliebiges Metal1 den groaten Einzelgehalt darstellt. Bronzen bestehen z.B. aus iiber 90% Massenanteil Kupfer und wechselnden Mengen anderer Elemente. Nach der wirtschaftlichen Bedeutung unterscheidet man Eisenwerkstoffe und Nichteisenmetallwerkstoffe. Eisenwerkstoffe sind Stahl und GuBeisen. Als Stahl werden schmiedbare Eisenwerkstoffe bezeichnet, die weniger als 2,06% Massenanteil Kohlenstoff enthalten. Als Gufleisen bezeichnet man Eisenwerkstoffe mit einem Kohlenstoffgehalt von 2,06 % bis 4%, deren Formgebung durch GieRen erfolgt; ggf. werden sie spanend bearbeitet. Zu Nichteisenmetallwerkstoffen gehoren alle Metalle auBer Eisen. Nach der Dichte unterscheidt man Leicht- und Schwermetalle. Die Grenze ist in der Norm nicht festgelegt. Im Leichtbau, z.B. Flugzeugbau, wird Titan, p = 4,5 g/cm2,als schwerstes Leichtmetall bezeichnet. Nach der chemischen Bestandigkeit unterscheidet man edle Metulle, z.B. Platin, Gold und Silber, und unedle Metalle, z.B. Magnesium, Aluminium und Eisen. Nach ihrer Schmelztemperatur kann man die Metalle einteilen in niedrigschmelzende (Schmelztemp. bis 1000"C), mittelschmelzende (Schmelztemp. bis 2000 "C) und hochschmelzende (Schmelztemp. iiber 2000 "C) Metalle. Metalle sind die wichtigsten Konstruktionswerkstoffe, bei denen es in erster Linie auf die mechanischen Eigenschaften ankommt, die durch Legieren, Wmebehandlung wie Hiirten, Weichgliihen oder mechanische Behandlung, z. B. Umformen, dem Verwendungszweck angepaBt werden konnen. Nichtmetallische Werkstuffe
Die Chemie, die sich mit der Energie- und Stoffumwandlung der Materie befal3t, unterscheidet - unargunische Stoffe, das sind alle nicht-
kohlenstoffhaltigen Verbindungen (Kohlen-
513
stoffdioxid und Carbonate werden zu den anorganischen Stoffen gerechnet) und - organische Stoffe, das sind die Verbindungen zwischen Kohlenwasserstoffresten und anderen Elementen. Keramische Werkstoffe bestehen aus anorganischen nichtmetallischen Verbindungen. Es sind uberwiegend Oxide, z.B. A1,0,, Si02, seltener Carbide, Boride und Nitride. Diamant und Graphit sind Polymerisate aus Kohlenstoffatomen unterschiedlicher Struktur. Dem Diamant liegt eine Tetraederstruktur und dem Graphit eine Sechsringstruktur zugrunde. Alle keramischen Werkstoffe besitzen eine hohe chemische und therrnische Bestandigkeit. Ihre Schmelzpunkte nehmen Werte bis zu 4000"C an. Die technisch wichtigsten Keramiken sind: Aluminiumoxid, A1,0,, bildet sich u.a. als Korrosionsschutzschicht auf A1 und Al-Legierungen und dient zur Herstellung von Schleifmitteln und hochtemperaturbestiindigen Werk- und Schneidstoffen. KaolinIPorzellanerde, A1,0, . 2 SiO,, bildet den Ton zur Herstellung von Wand- und Bodenplatten, Topfen u. a. Keramikerzeugnissen. Lehm (= stark verunreinigter Ton) dient zur Herstellung von Mauer- und Dachziegeln.
Technisch wichtige organische Werkstoffe sind Kunststoffe, Schmier- und Kiihlschmierstoffe, Kautschuk und Holz. Kunststuffe sind entweder umgewandelte Naturstoffe, z.B. Papier, Celluloid und Naturkautschuk, oder vollsynthetische Kunststoffe, das sind bei erhohter Temperatur verformbare Plastomere, nicht verformbare Duromere, gummielastische Elastomere und die von -100°C bis 300 "C bestandigen Silicone. Silicone sind Polymere, deren Grundgeriist aus Silicium- und Sauerstoffatomen aufgebaut ist. Als Kohlenstoffverbindungen besitzen die Kunststoffe geringe Dichte, hohes elektrisches Isolierverrnogen, z.T. sehr hohe Zugfestigkeit, chemische Bestandigkeit und eine niedrige Erweichungstemperatur (Abschn. 111- 1.6.7). Schmier- und Kuhlschmierstuffe werden meist aus Mineral01hergestellt. Schmierfette sind Aufquellungen von Seifen in 01. Trockenschmierstoffe sind Graphit und der Kunststoff Polytetrafluorethylen (PTFE).
5 14
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Verbundwerkstoffe
Mechanische Eigenschaften
Verbundwerkstoffe nennt man den physikalischen Verbund von zwei oder mehr Werkstoffen mit unterschiedlichen Eigenschaften. Allgemein bekannte Beispiele sind die sich bei Temperaturanderung mehr oder weniger krummenden Bimetallstreifen in Thermometern, zum Oberflachenschutz plattierte Bleche und Stahlbeton (Beton fur Druckspannungen, Stahlstabe fur Zugspannungen). Von besonderer Bedeutung sind die Faserverbundwerkstoffe. Verbundwerkstoffe bestehen aus einer Kombination unterschiedlicher Mineralien (Werkstoffe), deren chemische und physikalische Eigenschaften die der Einzelkomponenten ubertreffen. Als Einzelkomponenten kommen vorwiegend Metalle, Holz, Glaser, Polymere und keramische Werkstoffe in Frage, z.B. auch Kohlenstoff- und Glasfasern.
Alle zum Bau chemischer Anlagen verwendeten Werkstoffe mussen in Laborversuchen genau gepriift werden. Maschinen, Apparate, Rohrleitungen und Kontrollgerate sollen von langer Lebensdauer sein und durfen die Sicherheit am Arbeitsplatz nicht gefhrden. Es ist daher eine genaue Kenntnis der Eigenschaften der verwendeten Werkstoffe erforderlich. Wichtige mechanische Eigenschaften von Werkstoffen sind Festigkeit, HWe, Elastizitat und Temperaturbestandigkeit .
Technische, mechanische, chemische und physikalische Eigenschaften der Werkstoffe Technische Eigenschaften Bei der Verarbeitung verhalten sich die verschiedenen Werkstoffe unterschiedlich. Man unterscheidet: Nach Anwarmen umformbare Werkstoffe,die durch Schmieden, Warmwalzen oder Warmpressen umgeformt werden konnen: Stahl, Kupfer, Blei, Zinn, Zink, Walzmessing und Aluminium. Ohne Anwarmen umformbare Werkstoffe,die man bei Raumtemperatur treiben, walzen, biegen und ziehen kann: Stahl, Kupfer, Messing und Aluminium. Giej'bare Werkstoffe,die in Formen gegossen werden konnen: GuReisen, Stahl, Kupferlegierungen, Blei, Zinn, Zink und LeichtmetallGublegierungen. Schnittbearbeitbare Werkstoffe,die spanabhebend bearbeitet werden konnen, z. B. durch Sagen, Bohren, Drehen, Hobeln und Frasen. Schweqbare Werkstoffe,die durch Schmelzoder PreRschweiRung miteinander verbunden werden konnen. Das sind Metalle und einige Kunststoffe. Die SchweiBbarkeit ist von groRer Bedeutung. Sie ermoglicht die Herstellung grol3er Stahlkonstruktionen, z.B. GroBtanker, GroRrohrleitungen, Bohrinseln und grol3e Druckbehalter fur Chemieanlagen und Kernkraftwerke .
Festigkeit ist die Widerstandskraft eines festen Materials gegen Formanderung und Bruch. Sie gibt die mechanische Beanspruchungsgrenze in N/mm2 oder N/cm2 an. Je nach der Beanspruchungsart wird zwischen verschiedenen Festigkeitsarten, wie Zug-, Druck-, Scher-, Biege-, Knick- und Verdrehfestigkeit unterschieden. Druckfestigkeit gibt die Widerstandskraft eines festen Korpers an, wenn die Krafte in Langsrichtung angreifen und den Korper dabei stauchen und verkurzen, bis er zerdriickt wird. Harte ist diejenige Widerstandskraft, die ein Werkstoff dem Eindringen eines anderen Korpers entgegensetzt. Nach der Mohsschen Harteskala werden 10 Hiirtestufen unterschieden, die durch spezielle Stoffe definiert werden (Tab. IV-2). Die Brinellharte* gibt die Widerstandskraft an, die ein fester Korper Eindringkugeln aus Stahl oder Hartmetall bestimmter Abmessungen und bei international festgelegten Kraftstufen entgegensetzt. Elastizitat ist die Eigenschaft von festen Korpern, bei Einwirkung von auBeren Kraften durch Formanderung nachzugeben und bei einer Tab. IV-2. Harteskala
Hiirtestufe 1 2 3 4 5 6 7 8 9 10
*
Stoff Talk (Mg,H,Si,O,,. aq) Gips (CaS04. 2 H,O) Kalkspat (CaCO,) FluBspat (CaF,) Apatit [CasF(P04),I Feldspat (KAl,SiO,) Quarz (SiO,) Topas (AI,F,Si04) Korund (A1,OJ Diamant (C)
Brinell. Johan August (1849-192s). schwed. Ingenieur
1 Werkstoffe
Krafteentlastung wieder die urspriingliche Form anzunehmen. Elastische Stoffe sind z. B. Gummi und Federstahl. Verdreh- oder Torsionsfestigkeit ist die Widerstandskraft eines festen Korpers, die einer um die Materialachse angreifenden und ein Drehmoment erzeugenden Kraft entgegenwirkt, bis der Korper zerdreht wird. Torsionskrafte treten bei Ruhrerwellen und Pumpenwellen auf. Die Temperaturbestandigkeit eines Werkstoffes gibt den Temperaturbereich an, in dem sich die mechanischen und physikalischen Eigenschaften nicht wesentlich andern.
Beispiele: Warmfeste Stahle sind bis zu 600°C bestandig. Einige Kunststofftypen erweichen schon bei 100"C und versproden bei 0 "C. Die folgenden beiden Versuche geben einen ersten Uberblick uber die wichtigsten mechanischen Eigenschaften der Werkstoffe (Abb. IV-3). Die Belastung bzw. Beanspruchung des Drahtes ist, wie bei allen Werkstoffen, in jedem Falle mit einer Formanderung verbunden, und umgekehrt erfordert jede Formanderung per Werkstoffe die Einwirkung einer Kraft. Man unterscheidet plastische, d. h. bleibende und elastische, d. h. nicht bleibende Formanderungen. Der Werkstoff setzt seiner Verformung Widerstand entgegen, so dal3 die verformende Kraft im Werkstoff Spannungen erzeugt. Je nach Art der verformenden Krafte unterscheidet man Zug-, Druck-, Biege-, Scher- und Verdrehbeanspruchungen. Jede Beanspruchungsart ruft im Werk-
Abb. IV-3. Versuche zu rnechanischen Eigenschaften von Werkstoffen. - a) Ein im Schulraum gespannter Kupferdraht wird mit geringer Kraft gezogen, d.h. auf Zug beansprucht. Nach erfolgter Entlastung federt er zuruck. Der Draht wird federnd oder elastisch
515
stoff entsprechende Spannungen hervor, die auf die Flacheneinheit des beanspruchten Querschnittes bezogen werden (Abb. IV-3 a). Zugspannung oZ Zugkraft
-
(in
=
Flacheninhalt des Querschnitts
A,
L) mmz
Streckgrenze Re, ist die auf den Draht-/Bauteilquerschnitt bezogene Kraft F , bei der die plastische Streckung des Drahtes in Abb. IV-3 b begann .
Bei einer bestimmten Beanspruchung reil3t der Draht .
Zugfestigkeit R, ist die in Abb. IV-3 a von der Probe im Verlauf des Versuches ertragene Hochstkraft F,, bezogen auf den vor dem Versuch gemessenen Probenquerschnitt Ao.
Bruchdehnung 6 ist die nach dem Bruch in Abb. IV-3 b vorliegende Verlangerung des Drahtes in %.
6=
Lange nach dem Bruch minus Anfangslange '
Anfangslange
100 (in%)
verformt. b) Der Kupferdraht wird mit groBerer Kraft gezogen. Nach erfolgter Entlastung geht er nicht in seine ursprungliche Lage zuruck. Der Draht wird gestreckt, d. h. bleibend oder plastisch verformt.
516
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Die Bruchdehnung ist ein Ma13 fur die Formanderungsfahigkeit des Werkstoffes.
Fesrigkeit: Die Bemessung der Bauteile hangt von der Festigkeit der verwendeten Werkstoffe ab. Die Festigkeit eines Werkstoffes ist sein Widerstand gegen plastische Verformung (Streckgrenze) und Trennung (Ausbreitung von Rissen). Beispiele: Sprode keramische Werkstoffe konnen nicht plastisch verforrnt werden, jedoch konnen sich Risse darin leicht ausbreiten. Weiche Metalle, z.B. Cu und Pb, neigen nicht zur Ausbreitung von Rissen und sind gut plastisch verformbar (niedrige Streckgrenze). Beide Werkstoffe besitzen geringe Festigkeit. Sprode Stoffe, z.B. Glas und GuReisen, brechen ohne merkliche bleibende Verformung und konnen nicht plastisch verformt werden, sie sind nur elastisch. Zahe Stoffe sind elastisch und plastisch verformbar und konnen Spannungsspitzen durch plastische Verformung abbauen. Werkstucke aus zahem Werkstoff, z . B . Stahl, werden bei zu gro13er Belastung durch starke Verformung, die vor dem Bruch eintritt, unbrauchbar.
Hitzebestandigkeit bedcutet Widerstand gegen HeiBgaskorrosion im Temperaturbereich oberhalb 550 "C.
Physikalische Eigenschaften Darunter werden Leitfahigkeit fur Warme und elektrischen Strom, die Warmedehnung, die Dichte und der Schmelzpunkt zusammengefaRt,
Der Zugversuch Der Zugversuch dient zur Ermittlung des Werkstoffverhaltens uber den ganzen Querschnitt bei gleichmafiiger Zugbeanspruchung. Genormte Zugproben nach Abb. IV-4 werden in einer Zugprufmaschine so lange auf Zug beansprucht, bis sie zerreiBen. Der Schaulinienzeichner der Priifmaschine zeichnet wahrend des Zugversuches die KraftVerlangerungsdiagramme auf (Abb. IV-5). Durch Umrechnen der Prufkrafte in Spannungen und der Verliingerungen L in Dehnungen entsteht das Spannungs-Dehnungs-Diagramm (Abb. IV-6). Im Spannungs-Dehnungs-Diagramm werden die Spannungen aus dem Anfangsquerschnitt der Probe, die Dehnungen aus der AnfangsmeRlange der Probe hergeleitet.
Chemische Eigenschaften
F
Korrosionsbestlndigkeit ist der Widerstand gegen Zersetzung von der Oberflache her durch chemische Angriffe von Luft, Wasser, Sauren oder Chemikalien.
Ordinate:Spannung
(T
Ahwisse: Dehnung
F
=-
A,,
=
L
I00
--
(in%)
L,,
1 m
....
Abb. IV-4. Zugversuch.
-
1......d.0.
..........................
1
L,, = 5 d,,, kurzer Stab; L,, = 10 do, langer Stab; d = Durchrnesser.
....
1 Werkstoffe
517
I
verlangerung +
Abb. IV-5. Kraftverlangerungsdiagramme fur verschiedene Materialien (a - d).
auf den tntskhlichen Querschnilt bezogen
auf den ursprtlngllchen Querschniltbezogen
Abb. IV-6. Spannungs-Dehnungs-
Einschnurdehnung
Die Verlangerung hL. ist in jedem Augenblick des Zugversuches die Differenz zwischen der MeBlange L und der AnfangsmeBlange L). AL = L - &)
Diagramm fur unlegierten Stahl. Re,- untere Streckgrenze (L - lower), Re, obere Streckgrenze (H -higher), R , Zugfestigkeit (R - Resistance), F, Hochstzugkraft, - die Gerade unterhalb R,, ist die Hookesche Gerade.
Die Spannung o ist in jedem Augenblick des Zugversuches die auf den Anfangsquerschnitt, A,,, bezogene Zugkraft F . Die Zugfestigkeit R, wird als Quotient aus der groBten Zugkraft F, und dem Anfangsquerschnitt A, errechnet.
Die Dehnung ist die Verltingerung AL, bezogen auf die AnfangsmeBlange L,,. Sie wird in Prozent angegeben L-h,
&
=-'
hL 100 = - 100 '
4,
Lo
Die Streckgrenze ist die Spannung bei der bei zunehmender Verlangerung die Zugkraft erstma-
5 18
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chernischen Technik
lig gleichbleibt oder abfallt. Man unterscheidet die obere Streckgrenze RcH und die untere Re,*. Die Bruchdehnung (Dehnung nach dem Bruch) d ist die auf die Anfangslange &, bezogene bleibende Langenanderung ALr
Die Dehngrenze, R,, o,z: Spriide Werkstoffe, z.B. gehiirteter Stahl oder GrauguR, haben keine ausgepragte Streckgrenze. Bei diesen Werkstoffen wird die Dehngrenze R,,,,2 bestirnmt, das ist die Spannung, bei der eine 0 2 % i g e bleibende Verlangerung eintritt. Die Zugfestigkeit und die Streckgrenze sind wichtige Werkstoffeigenschaften. Nach der Streckgrenze werden die Apparate und Bauteile konstruiert, und zwar so, daB die Streckgrenze durch die sog. Sicherheit dividiert wird. Dieser Quotient ergibt die zulassige Spannung: R, I
U U ,I
=V
V , Sicherheit =
1.5 - 2
Mit dieser zulassigen Spannung durfen die Apparate belastet werden,
1.2.2 Stahl und Eisenwerkstoffe Je nach Hohe des Kohlenstoffgehalts werden die Eisenwerkstoffe in 3 Hauptgruppen eingeteilt:
0,OS % bis 0,s % Baustahle 0,s 9% bis 1.7 % Werkzeugstahle 2,s % bis S,O% GrauguB Bei den Baustahlen unterscheidet man allgemein Baustahle oder Massenstiihle, Einsatz- und Vergiitungsstahle. Massenstahle haben einen relativ hohen Phosphor- und Schwefelgehalt und einen Kohlenstoffgehalt von unter 0,3S%. Wegen der geringen Reinheit sind diese Massenstahle fur eine Warmbehandlung nicht geeignet und vorgesehen. Einsatz- und Vergutungsstahle sind von groBerer Reinheit (weniger als 0,045 % P und S) und GleichmaBigkeit; man nennt sie deshalb auch Qualitatsstahle. Normalerweise werden sie nach einer spanabhebenden Verformung einer Warmbehandlung unterzogen.
*
H = hlgh, L = Low
Einsatzstahle haben einen Kohlenstoffgehalt von 0,I % bis 0 , 2 % und k6nnen nach Aufkohlung der Oberflache oberflachengehartet werden. Vergutungsstahle haben einen Kohlenstoffgehalt von 0,25% bis 0,6% und konnen durch Verguten (Erwarmen auf Hartetempeatur, Abschrecken und Anlassen bis zu Temperaturen von 600°C) wesentlich in ihrer Festigkeit und Zahigkeit gesteigert werden.
1.2.2.1 Werkstoffnormen von Stahl und Eisen Die Vielfalt der vorhandenen Werkstoffe erfordert eine Normung, in der die Materialien in ihren Besonderheiten zusammengefaBt und moglichst kurz benannt werden. Das ubliche System, in dem die Werkstoffe normenmaSig erfalJt worden sind, sind die DINNormen. Buchstaben und Zahlen geben Auskunft uben Art und Zusammensetzung des Werkstoffes. Stahl und Eisen sind nach DIN 17006 systematisch benannt. Die in DIN 17006 vorhandenen Angaben sind jedoch fur elektronische Datenverarbeitung nicht so gut geeignet. Es wurden deshalb Werkstoffnummern nach DIN 17007 eingefuhrt. Dabei handelt cs sich urn siebenstellige Zahlen, die durch Punkte in Gruppen aufgeteilt worden sind. Ein abgewandeltes Normensystem ist die EURONORM. Sie trennt die Benennung der Werkstoffbezeichnungen nach der Zusammensetzung und den physikalischen Eigenschaften.
Begriffserklarung Stahl Stahl ist alles ohne Nachbehandlung schmiedbare Eisen mit einern Kohlenstoffgehalt unter 2,0696. Der Werkstoff wird in drei Gruppen aufgeteilt: 1. unlegierter Stahl, 2. niedriglegierter Stahl, 3. hochlegierter Stahl.
Unlegierter Stahl Er enthalt keine Bestandteile, die dem Werkstoff absichtlich beigemengt worden sind, um ihm besondere Eigenschaften, wie zurn Beispiel hohe Warmfestigkeit, zu geben. Elernente, die von sich aus im Stahl enthalten sind, durfen folgende Prozentwerte nicht ubersteigen: Aluminium 0,1 % Kupfer 0,25% Mangan 0,8 3'%
Silicium 0,5 5% Titan 0,1 %
I Werkstoffe
Werden die oben genannten Prozentanteile uberschritten, ist ein Stahl legiert. Ein Stahl wird ebenfalls als legiert bezeichnet, wenn ihm Stoffe beigemengt werden, die seine Eigenschaften verandem. Unlegierte Stahle, die nicht warmbehandelt werden, sind nach ihrer Zugfestigkeit genormt.
Fur Stahl steht ,,St". Der Werkstoff St 37 ist ein Stahl von 370 N/mm2 Mindestzugfestigkeit. Nach DIN 17006 gilt diese Bezeichnung fur ,,Allgemeine Baustahle" der Gutegruppe I . Man venvendet diese Werkstoffe fur Bauteile, an die keine besonderen Anforderungen gestellt werden. Fur besondere Anforderungen w h l t man Gutegruppe 2 , fur Sonderanforderungen besonders beruhigte Stahle der Gutegruppe 3 . Gutegruppe 1 taucht in der Werkstoffbezeichnung nicht auf, wahrend Gutegruppe 2 und 3 gekennzeichnet werden. Man schreibt deren Nummer mit Bindestrich hinter die Zugfestigkeit. So ist St 50 - 2 ein Stahl der Gutegruppe 2 mit 500 N/mm2 Zugfestigkeit. Kennzeichnung nach Zusammensetzung
Sol1 unlegierter Stahl im Laufe der Verarbeitung einer Warmbehandlung unterzogen werden, ist seine Festigkeit im unbehandelten Zustand fur die Werkstoffbezeichnung zweitrangig. Wichtig hingegen ist die Zusammensetzung des Materials, besonders sein Kohlenstoffgehalt. Um fur den C-Gehalt in der Werkstoffbezeichnung glatte Zahlen zu erhalten, multipliziert man die Prozentzahl mit 100. So bekommt beispielsweise ein Stahl rnit einem mittleren Kohlenstoffgehalt von 0,22% die Zahl 22 (0,22 x 100). Als Kennbuchstabe fur Kohlenstoff wird das chemische Kurzzeichen ,,C" verwendet. Die so benannten Stahle werden als Qualitatsstahle bezeichnet . C22 ist also ein unlegierter, fur Warmbehandlung bestimmter Qualitatsstahl rnit einem mittleren Kohlenstoffgehalt von 0,22 %. Edelstahle sind besonders rein. Sie besitzen eine bessere Oberflache als Qualitatsstahle und sind weitgehend frei von nichtmetallischen Einschlussen. Sie enthalten sehr wenig Phosphor und Schwefel und sind daran zu erkennen, daB hinter dem Kohlenstoffzeichen ein ,,k"als Index steht. C, 60 ist also ein Edelstahl von 0,6 % mittlerem Kohlenstoffgehalt mit besonders ,,kleinen" Beimengungen von Phosphor und Schwefel.
519
Die Normung von unlegierten Stahlen erfolgt 1. fur allgemeine Baustahle, die nicht warmbehandelt werden sollen, in drei Gutegruppen nach der Zugfestigkeit; Beispiel: St 37-3 2. fur Qualitatssthle, die warrnbehandelt werden sollen, nach ihrem mittleren Kohlenstoffgehalt; Beispiel: C 35 3. fur Edelstiihle, die einen besonders niedrigen Phosphor- und Schwefelgehalt haben, wie bei den Qualitatsstahlen rnit dem Index ,,k"; Beispiel: Ck45 Berucksichtigung der Herstellungsart und des Behandlungszustandes in der WerkstofJbezeichnung
Die bisher erwahnten Werkstoffbezeichnungen lassen nicht erkennen, wie der Stahl hergestellt worden ist, ob er besondere Eigenschaften besitzt, und in welchem Behandlungszustand er geliefert werden soll. Auskunft dariiber geben Kennbuchstaben, die der Werkstoffbenennung entweder voran- oder nachgestellt werden. Die Tab. IV-3 gibt einen Auszug aus den DIN-Normen und zeigt, welche Kennbuchstaben vor und welche hinter der Werkstoffbezeichnung stehen. Die Wahl des Herstellungsverfahrens ist im allgemeinen dem Produzenten uberlassen. Der Behandlungszustand wird vom Besteller bestimmt. Die Kennbuchstaben fur Erschmelzungsart und besondere Eigenschaften stehen vor der Werkstoffbezeichnung, die fur den Behandlungszustand dahinter. Die Werkstoffbenennung gliedert sich damit in Angaben uber Herstellung - Zusammensetzung
-
Behandlung
1st dem Behandlungsteil noch eine Zahl nachgestellt, ubernimmt der Lieferant die Garantie fur eine bestimmte Zugfestigkeit. Bei
I '
Behandlung rnit Festigkeitsgarantie Zusammensetzung Herstellung und besondere Eigenschaften
IV Grundlagen der Maschinenkundc in der chemischen Technik
520
Tab. IV-3. Werkstoffbezeichnung nach Herstellung und Behandlung
I
I Erschmelzungsart Vor dem Werkstoffkurzzeichen
E J M T
Elektrostahl Elektrostahl (Induktionsofen) Siemens-Martin-Stahl Thoinasstahl*
A B L
alterungsbestandig basisch laugenri8bestandig schnielzschweiljbar
S Y U R RR
Besondere Eigenschaften
I
sauer
unberuhigt vergossen heruhigt vergossen besonders beruhigt vergossen
Werkstoffzusammensetzung A
Hinter dern Werkstoffkurzzeichen
E H HJ
Behandlungsustand
N S V
handelt es sich um einen sauren (Y) SiemensMartin-Stahl (M) mit 0,35 % Kohlenstoffgehalt, der vergutet (V) geliefert wird mit einer garantierten Zugfestigkeit von 700 N/mm2.
Legierter Stahl Bei legierten Sttihlen werden die Legierungsbestandteile ihrem Anteil nach geordnet zur Werkstoffbenennung herangezogen. Niedriglegierte Stahle enthalten unter 5 % Legierungsbestandteile. Um glatte Zahlen fur die Kennzeichnung des Stahls zu bekommen, sind
angelassen einsatzgehartet gehartet oberflacheninduktionsgehartet
normalgegluht spannungsarmgegliiht vergutet
den einzelnen Elementen bestimmte Multiplikatoren zugeordnet (Tab. IV-4). Die Multiplikatoren lassen sich relativ einfach merken, wenn man sich das Wort ,,Alcumotiv" einpragt. Jede Silbe entspricht einem Element als Legierungsbestandteil rnit dem Multiplikator 10. Nichtmetalle haben den Multiplikator 100, alle anderen Legierungsbestandteile der Tabelle den Multiplikator 4. Sol1 ein niedriglegierter Stahl benannt werden, so steht an erster Stelle ohne chemisches Kurzzeichen der Kohlenstoffgehalt. Danach werden die chemischen Zeichen der Legierungsbe-
Tab. IV-4. Multiplikatoren fur die Kennzeichnung von Stahlen. Legierungsbestandteil 4
8
-
co Cobalt
Cr Chrom
A1 Aluminium
cu
Mn Mangan
Nickel
Si Silicium
Ti Titan
V Vanadium
Ni
I
n
5 .-wa
5
10
100
Kupfer
Mo
Molybdiin
P
S
N
Phosphor
Schwefel
Stickstoff
C Kohlenstoff
W Wolfram
1 Werkstoffe
standteile angegeben und in gleicher Reihenfolge die Kennzeichnung fur deren Anteil. Ein Stahl mit 0,13% Kohlenstoff, 1 % Chrom und 0,4% Molybdan ist demnach
4,0 %? '
% Molybdan
Hochlegierte Stahle sind durch ein ,,X' vor der Werkstoffangabe gekennzeichnet. Der Anteil der Legierungsbestandteile wird in Prozenten angegeben, Nur fur den Kohlenstoffgehalt wird als Kennziffer das l0Ofache der vorhandenen Kohlenstoffmenge in Prozenten eingesetzt: Fur einen hochlegierten Stahl rnit 0,12% Kohlenstoff, 17% Chrom und 7 % Nickel steht die Bezeichnung
4/4 = 1 % Chrom
X
0.1 3 % Kohlenstoff
Diese Benennung gibt nur Auskunft uber die Zusammensetzung des Werkstoffes. Angaben uber Herstellung und Behandlung sind wie bei unlegierten Stahlen zu rnachen. So ist EB 1 3 C r V 5 3 .8V ein basischer (B) Elektrostahl (E) rnit 0,13 % Kohlenstoffgehalt, 1,25 % Chrom und 0,3 % Vanadium. Der Stahl ist vergutet (V). Die Zahl irn Behandlungsteil bedeutet, dal3 der Hersteller eine Garantie fur besondere Eigenschaften des Werkstoffes, hier Warmfestigkeit, ubernimrnt. Die Zahl ist von den vorhergehenden Kennzahlen fur den Legierungsanteil bestimmter Elemente durch einen Punkt zu trennen (Tab. IV-5) . Tab. IV-5. Kennzeichnung von Garantien fur Werk-
stoffeigenschaften. Gewahrleistung fur .I .2
.3
.4 .5 .6 .7
.8 .9
Streckgrenze Falt- oder Stauchversuch Kerbschlagzahigkeit Streckgrenze und Falt- oder Stauchversuch Falt- oder Stauchversuch,Kerbschlagzahigkeit Streckgrenze,Kerbschlagzahigkeit Streckgrenze,Falt- oder Stauchversuch, Kerbschlagzahigkeit Warmfestigkeit oder Dauerstandfestigkeit elektrische oder magnetische Eigenschaften
521
12 Cr
Ni
17 7
hochlegierter Stahl 0,12 % Kohlenstoff 17% Chrorn Cr 17
7 % Nickel Ni 7
Bei unlegierten und niedriglegierten Stuhlen stehen vor der Angabe uber die Werkstoffzusarnmensetzung Kennbuchstaben fur die Herstellungsart und besondere Eigenschaften, hinter der Werkstoffbenenung in genannter Reihenfolge: 1. eine durch den Punkt getrennte Zahl, die bestimmte Eigenschaften des Werkstoffes garantiert, 2. Kennbuchstaben fur den Behandlungszustand, 3. eventuell eine Zahl, die irn Zusarnmenhang mit den Kennbuchstaben eine Mindestzugfestigkeit garantiert.
Beispiele: A St 42.6 N EB 1 3 C r V 5 2 . 8 V Die Kennziffer fur den Anteil der Legierungsbestandteile errechnet sich aus dem Anteil in Prozenten ma1 Multiplikator.
Benennung der GuJwerkstoffe nach DIN I7006 Betrachtet man die Bezeichnung 34CrMo4, so fehlt offensichtlich die Kennzahl, die zur Bestimrnung des Molybdangehaltes erforderlich ist. Sie ist jedoch absichtlich weggelassen worden, da der Molybdangehalt sehr gering ist. Legierungsbestandteile, deren Anteil niedrig ist, werden mengenrnaBig nicht durch Kennbuchstaben erfaBt.
Die GuRwerkstoffe werden nach den gleichen Regeln benannt wie die Stahle. Charakteristischer Kennbuchstabe fur GuB ist das ,,G' vor der Werkstoffbezeichnung. Die verschiedenen GuRarten sind durch angehangte Buchstaben gekennzeichnet. Die Kennbuchstabengruppe steht rnit Bindestrich vor der Festigkeitsangabe oder der Werkstoffbezeichnung. Folgende Benennungen sind ublich:
522
1V Grundlagen der Maschinenkundc in der chemischen Technik
G GG GGG GH GS GT GTW GTS
allgemeines GuBzeichen GrauguB SpharoguB HartguB StahlguB TemperguB (allgemein) weiBer TemperguB schwarzer TemperguR
EB 13 Cr V 5 3.8 V 70 Legierter, warmfester Einsatzstahl mit l3/100% =0,13% C,S/4%= 1 , 2 5 % C r u n d 3/l0% = 0 , 3 % V . Garantierte Warm- und Dauerstandfestigkeit, vergutet auf eine Mindestzugfestigkeit von 700 N/mm'.
Besondere VergieBungsarten sind durch nachgestellte Buschstaben gekennzeichnet. Es bedeuten: K Z
KokillenguR, Schleuder (Zentrifugal-) guB
GrauguB mit 120 N/mm2 Mindestzugfestigkeit und bestimmten elektrischen oder magnetischen Eigenschaften 1st:
Guf3
Grdugufl
I20 Nimm' Zugfestigkeit
besondere niagnetische Eigcnschaften
Legierter StahlguJ3 wird wie legierter Stahl bezeichnet. Vor der Werkstoffbezeichnung steht das entsprechende GuBzeichen. Fur die Legierungsbestandteile gelten dieselben Multiplikatoren wie fur Stahl.
67 SiCr 5 Federstahl rnit 67/100% = 0,67% C , S/4% = 1,25 % Si und geringen Anteilen Chrom.
c, 35
Unlcgierter Vergutungsstahl (Edelstahl) C = 0,35 %, besonders kleiner P, S Gehalt.
9 s 20 Automatenstahl mit 0.20% Schwefel, C = 0,0970. H I, H 11, H 111, H IV Kesselblech fur Druckbehalter siehc (A-DMerkblatter) ,* Sjmvnatik der Werkstoffnurnmern Jeder Werkstoff wird durch eine funfziffrige Nummer gekennzeichnet. Die erste Ziffer gibt die Werkstoff-Hauptgruppe an und wird durch einen Punkt abgetrennt. Die nachsten Ziffern bilden die Sorten-Nummer. Bei Bedarf kann durch einen Punkt abgetrennt - eine ein- oder zweiziffrige Zahl angchlngt werden. ~
GS - E 25 C r Mo 5 6 V + S 65 ist ein Elektro (E) StahlguB (GS) rnit 0,25% Kohlenstoff, 1,2S % Chrom und 0.6% Molybdan. Der Werkstoff ist vergutet (V) und spannungsarm gegluht (S). Der Hersteller garanticrt fur 650 N/mm' Zugfestigkeit. BeiJpiele fur die Benennung von Stahl nach DIN 17 006 und A-D Merkblattern:
c 15 Unlegierter Einsatzstahl (Qualitatsstahl) rnit einem mittleren Kohlenstoffgehalt von 15/100%=0,15%.
c 4s Unlegierter Vergutungsstahl (Qualitatsstahl) rnit 45/100% = 0.45 % C. 16MnCr5 Legierter EinsatLstahl mit 16/100% = 0,167O C, S/4 % = 1,25 % Mn und geringem Anteil Cr.
WcrkstoffSorten-Nunimer Hauptgruppc
Anhangezahl
Werkstoff-Hauptgrupj~c Die Werkstoff-Hauptgruppen sind:
0
GuReisen, Roheisen und Ferrolegierungen 1 Stahl 2 Schwermetalle auOer Stahl 3 Leichtmetalle 4 Metallpulver, Sinterwerkstoffe 5.. .8 Nichtmetallische Werkstoffe 9 Frei fur internen Gebrauch
*
A-D-Merkbl&er. Arbeitsgemeinschaft Druckbehalter
I Werkstoffe
Sorten-Nummer In der Sorten-Nummer geben die ersten beiden Ziffern die Sorten-Klasse an.
Beispiele: 01 15
72 85
Unlegierte Baustiihle bis 0,3 % Unlegierte Werkzeugstahle Giiteklasse 1 Cr-Mo-Baustiihle bis 0,35 Mo Nitrierstahle
Die dritte und vierte Ziffer der Sorten-Nummer sind meistens reine Zahlzahlen innerhalb der Sorten-Klasse.
Anhangezahl Die Anhangezahl gibt in ihrer ersten Ziffer die Erschmelzungs- oder Vergiehngsart, in der zweiten Ziffer die Behandlung an.
Beispiele fiir die Werkstoff-Kennzeichnung Werkstoff-
Kurzname
nummer DIN 17 007
DIN 17 006
1.
1.0306
2.
1 .om1
3. 4. 5. 6. 7. 8. 9. 10. 11. 12. 13. 14. 15. 16. 17.
1.1221 1.0711 0.6020 0.7040 0.7060 I .0906 1.1673 1.208I 1.4111 1.4988 1.7145 1.7741 1.7783 I .454 1 1.4571
USt 347 C60 Ck 60 9 S 20 GG-20 GGG-40 GGG-60 65 Si 7 c 135 w 2 G-X 190Cr 10 X 110 CrMoV 15 X 8 CrNiMoVNb 16 13 GS-50 CrMn 4 4 42CrMoV5 1 X 41 CrMoV 51 X 10 CrNiTi I8 9 (V2A) X 10 CrNiMoTi 18 10 (V4A)
12.22 Stahle fur bestimmte Verwendungszwecke Baustahle Als Baustahle werden die in Tab. IV-6a aufgefuhrten Stahle venvendet, die im wesentlichen aufgrund ihrer Zugfestigkeit und Streckgrenzen z.B. im Hochbau, Tiefbau, Briickenbau, Wasserbau, Behalterbau, Fahrzeug- und Maschinenbau verwendet werden.
523
Diese Stahle sind nicht fur eine Warmebehandlung vorgesehen und sind in die Gutegruppen 2 und 3 unterteilt. Die Giitegruppe 1 entfallt, nachdem Thomasstahl nicht mehr hergestellt wird. Die gebrauchlichsten Walzerzeugnisse (Profilstahle und Bleche) aus diesen Werkstoffen sind in Tab. IV-6 b aufgefiihrt. Qualitats- und Edelbaustahle sind fur eine Warmebehandlung vorgesehen, z. B. Oberflachenhaen, Vergiiten. Bei Temperaturen uber 400 "C rniissen warmfeste Stahle benutzt werden. Normale Baustahle sind fur diese Temperaturen nicht mehr geeignet. In Pharmabetrieben werden Baustahle verzinkt fur Gebaudeteile verwendet.
Nichtrostende Stahle Stahle, die mindestens einen Chromgehalt von 12% haben, werden als nichtrostende Stahle bezeichnet. Chrom-Nickel-Stahle (V2A, V4A) werden wegen ihrer Korrosionsbestandigkeit immer haufiger angewendet. Von oxidierenden Substanzen werden sie passiviert. Ebenso hat die Zahigkeit der Chrom-NickelStahle fur Druckapparaturen grol3e Bedeutung. In der pharmazeutischen Industrie werden aus nichtrostenden Stiihlen, wie V2A und V4A, Behalter und Rohrleitungen, Lijsemittel-Abfullmaschinen, Biihnen, z.T. Tranenblech fur Buhnenbelag, und alle Gebaudeteile im NaRbereich hergestellt. Warmfeste Stahle Mit steigender Temperatur nimmt die Festigkeit der Stahle ab. Bis etwa 350°C konnen die bei Raumtemperatur venvendeten Stahle eingesetzt werden. Fur Temperaturen von 350 "C bis 540 "C werden niedriglegierte sog. warmfeste Stahle venvendet. Mit Wolfram und Osmium legierte Stiihle zeichnen sich durch besondere Warmebestandigkeit aus. Die Verwendbarkeit aller hochlegierten Stahle kann hier nicht aufgezahlt werden. Es sol1jedoch betont werden, daR mit Legierungsmetallen, die in Tab. IV-7 aufgefiihrt sind, die Eigenschaften der Stahle in nahezu jeder gewiinschten Weise verandert werden konnen. W-ebehandlungen sind Oberflachenhaen und Vergiiten. Beim Oberflachenharten werden sog. Einsatzstiihle an der Oberflache aufgekohlt und dann g e h a e t , so bleibt der Kern des Werkstiickes zah und die Oberflache abriebfest (z.B. fur Nockenwellen, Zahnrader).
U, N 310bis510
U, N
U, N
-
-
U
R
1.0035
1.0037
St 33-2
St 37-2
USt 37-2 1.0036
RSt 37-2 1.0038
1.0044
1.0144 RR
St 44-2
St44-3
R
1.0116 RR
St 37-3
420
1510bis630/ 500
430 bis540
350
-
Bruchdeh~ung~ ~
365
355
275
~
~
345
265
345
315
275
335
255
215
-
-
-
335
-
305
-
265
-
325
-
245
-
205
-
~
-
325
295
255
315
235
~
195
~
8
12
16
18
18
21
14
1
~
11
16
20
22
22
26
18
10
15
19
21
21
25
-
~
9
14
18
20
8
12
16
18
18
22
-
Langsproben Querproben fur Dicken in m m fur Dicken in mm />16 1>40(36)1>63/> 80 12 3 l r 4 0 ( 3 6 ) l > 631 12 3 1 > 4 0 ~ I 631 I 16 5 40(36) I 6 3 I 80 I 100 < 3 S40(36) 6 6 3 6100 < 3 6 4 0 6 6 3 1 6 1 0 0 , N/mm2 % min. min.
Streckgrenze4
-
-
-
27
27
27
-
-
-20
Kerbschlagarbeit6
I
I
1
-
max
0,060 0,06(
%
C-, P- und SGehalt in Gew
1 Die Stahle mit einer Werkstoffnummer 1.OOxx sind Grundstahle. die Stahle mit einer Werkstoffnummer l.0xxx sind Qualitatstahle 2 Dem Hersteller freigestellt, U unberuhigt, R unberuhigter Stahl nicht zulassig, RR besonders beruhigt. 3 U warmgeformt, unbehandelt, N normalgegluht. 4 Die Werte gelten fur die ohere Streckgrenzen. 5 Gultig fur Proben von der MeBlange = 5 do bei Erzeugnissen Z 3 m m Dicke. 6 Gultig fur ISO-Spitzkerbproben aus Erzeugnissen bis 63 m m Dicke. Fur groBere Dicken sind die Werte zu vereinbaren. 7 Gultig fur Erzeugnisse bis 100 mrn Dicke oder von entsprechendem Querschnitt. 8 Bei den fur das Blankziehen geeigneten Stiihlen kann von folgenden Richtwerten fur den Kohlenstoffgehalt ausgegangen werden: 0,30 % C fur ZSt 50-2,0,40 % C fur ZSt 60-2, 0.50 % C fur ZSt 70-2.
I
N
U, N
U
U , N 360bis470
% : 25 0" $ i
I63 N/mm2
fur Dicken in m m
2
&M
I Zugfestigkeit
WerkstoffNr.'
a '=o
L
I N- I
Kurzname
Stahlsorte
lSt52-3 ll.0570 RR
I
Mechanische Eigenschaften
Tab. IV-6 a. Allgemeine Baustahle. Auszug aus DIN 17 100. - Diese Stahle sind zurn Teil den Grundstahlen, zum Teil den Qualitatsslhlen zuzuordnen.
I Werkstoffe
525
Tab. IV-6 b. Kurzzeichen fur Walzwerkerzeugnisse. Kurzzeichen in Stucklisten
Bedeutung
T 80 x 600 DIN 1024
Rundkantiger T-Stahl von 80 mm Hohe und 600 mm Lange nach DIN 1024
TB 50 x 200 DIN 1024
BreitfiiBiger T-Stahl von 50 mm Hohe, 100 mm FuBbreite und 200 mm Lange nach DIN 1024
I400 x 800 DIN 1025
Doppel-T-Stahl von 400 mm Hohe und 800 mm Lange nach DIN 1025
IPS 400 x 2 OOO DIN 1025
Parallelbreitflansch-Doppel-T-Stahl von 400 mm Hohe 2000 mm Lange nach DIN 1025
U 200 x 800 DIN 1026
U-Stdhl von 200 mm Hohe und 800 mm Lange nach DIN 1026
L 80 x 10 x 60 Lg DIN 1028
GleichschenkligerWinkelstahl von 80 mm Schenkelbreite, 10 mm Dicke und 60 mm Lange nach DIN 1028
L 120 x 80 x 12 x 800 DIN 1029
UngleichschenkligerWinkelstahl von 120 mm und 80 mm Schenkelbreite, 12 mm Dicke und 800 mm Lange nach DIN 1029
Z 120 x 900 DIN 1027
Z-Stahl von 120 mm Hohe und 900 mm Lange nach DIN 1027
FI 80 x 10 x 400 DIN 1017
Flachstahl von 80 mm Breite, 10 mm Dicke und 400 mm Lange nach DIN 1017
Rd 20 x 100 DIN 668
Rundstahl von 20 mm Durchmesser und 100 mm Lange nach DIN 668
Rohr 76 x 3 x 500 DIN 2448
Nahtloses Stahlrohr von 76 mm AuBendurchmesser, 3 mm Wanddicke und 500 mm Lange nach DIN 2448
B18x 1 0 0 0 ~ 2 0 0 0 D I N 1 5 4 3
.
Stahlblech von 8 mm Dicke, 1000 mm Breite und 2000 mm Lange nach DIN 1543
Verguten ist Hirten rnit nachfolgendem Anlassen bei 450 "C bis 650 "C.
Wahl eines Eisenwerkstoffes (Beispiele) Die folgenden aufgefuhrten Beispiele konnen als Diskussionsgrundlage dienen: 1. St 37-2 Kurbelwelle einer Dampfrnaschine
2. H I Druckbehalter fur nichtaggreaaive Medien
3. St60 Kniehebel fur Spritzgullmaschine 4. C 1 5 Bolzen fur Bechenverk, einsatzgehiirtet 5. C r 4 5 Kurbelwelle fur Kompressor
6. 1 0 5 C r 2 Teile fur Kugellager
7. 105 WCr 6 Tabletten-Stempel gehartet bei 800 "C und angelassen bei ca. 350 "C auf 57 HRC (Hiirtegrad nach Rockwell) 8. 34 Cr4.V80 Kurbelwelle, vergutet auf 800 N/mrn2 Zugfestigkeit
9. 3 4 C r A l 6 Schnecke fur Kunststoffpresse 10. 1 3 C r M o 4 4 HeiDdampfkuhler
11. 2 4 C r M o 5 5 Stiftschrauben fur Hochdruck-HeiBdampfschieber
12. 2 0 M n C r 5 Zahnrader irn Getriebebau (oberflachengeh8;rtet) 13. 1 5 M o 3 Dampfrohr bis 100 bar Druck
526
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der cheinischen Technik
Tah. IV-7. EintluB der Zusatrstoffe und Legierungsmetalle auf die Eigenschaften von Stahl und Eisen Bcstandteilc
erhiiht
erniedrigt
Kohlenstoff, C
Festigkeit, Hhrte, Hirtbarkeit
Schmelrpunkt, Zahigkcit, Dehnung, SchwciR- und Schmiedbarkeit
Silicium, Si
Elastizitit, Fcstigkcit, Durchhartbarkeit, Warmhirtc. Korrosionsbcstandigkeit, Graphitausscheidung bei GG
SchwciRbarkeit
Phosphor. P
Dunnflussigkeit. Warmfestigkeit
Dehnung. Schlagfestigkeit
Schwcfel. S
Dickflussigkeit, Rotbruchigkeit, Spanbruchigkeit
Schlagfestigkeit
Mangan, Mn
Durchhartbarkeit, Festigkeit. Schlagfestigkeit, Verschleiafestigkeit
Zerspanbarkeit, Graphitausscheidung bei GG
Nickcl, Ni
Zahigkeit, Festigkeit. Korrosionsbestandigkeit. elektr. Widerstand, Hitsebesthndigkeit, Durchhartbarkeit
Warmedehnung
Chrom. Cr
Hart,, Festigkeit , Warrnfestigkeit , Hartetemperatur, Schneidhaltigkeit, Korrosionsbestandigkeit
Dehnung (in geringem MaBe)
Vanadium, V
Dauerfestigkeit, Hlrte, Zahigkeit, Warmfestigkeit
Ernpfindlichkeit gegen Uberhitmng
Molybdan, Mo
Hhrte, Wannfestigkeit. Dauerfestigkeit
Dehnung, Schrniedbarkeit
Cobalt, Co
Harte. Schneidhaltigkeit
Zahigkeit, Empfindlichkeit gegen Uberhitzung
Wolfram. W
Harte, Festigkeit, Korrosionsbestandigkeit. Hartetemperatur, Warmfestigkeit, Hitzebestandigkeit. Schneidhaltigkeit
Dehnung (in geringem MaBe)
14.
Aluminium
123 Die Nichteisenmetalle (NE-Metalle)
Aluminium bildet wegen seiner groaen Affinititat zum Sauerstoff an der Luft eine dunne, aber dichte Oxidschicht, die es vor weiterem Korrodieren schutzt. Die Oxidschicht kann kunstlich verstLkt werden (Eloxal-Verfahren)*. In der pharmazeutischen Industrie w i d Aluminium hauptsachlich als Verpackungsmaterial verwendet, und zwar zu Aerosoldosen, Tuben, Durchdriickfolien, Tiefziehstreifen (Blister), Verschliissen usw.
Im Maschinen- und Apparatebau werden auRer Eisenwerkstoffen noch eine ganze Reihe von NE-Metallen venvendet (Tab. IV-8).
*
15. 16. GTW TemperguB (weiB)
GTS TemperguB (schwarz)
Fittings fur Rohrleitungen, Flugel. muttern, Handrader, Schraubstiicke, , HPhne. Ventile u.&.
Eloxal - uektrisch uidiertes d u m i n i u m
1 Werkstoffe
527
Tab. IV-8. Ubersicht uber Nichteisenmetalle.
Element Aluminium Zink Zinn Nickel
Kupfer Silber Blei Platin
Dichte gkm'
Schmelzpunkt "C 659 419 232 I450 1083 960 327 I764
Kupfer
Kupfer hat vor allern wegen seiner Verarbeitbarkeit und Warmeleitfahigkeit grol3e Bedeutung. Es wird deshalb irn Apparatebau uberall dort verwendet, wo es auf guten Warmeubergang ankornrnt . Kupfer ist auch bei sehr tiefen Ternperaturen und g r o k n Temperaturdifferenzen gut geeignet, weil es seine Elastizitat behalt (z. B. Lindeanlagen zur Destillation von flussiger Luft). Ebenso ist Kupfer ein guter Leiter fur elektrischen Strorn und wird deshalb in der Elektrotechnik als Strornleiter angewendet. Seine chernische Bestandigkeit gegen nicht oxidierende Substanzen ist sehr gut. Von oxidierenden Stoffen, z.B. Salpetersaure, wird es jedoch rasch gelost. Kupfer wird von Halogeniden und von arnmoniakalischen Lijsungen stark korrodiert. Von Salzsaure und verdunnter Schwefelsaure wird es nur wenig angegriffen. Organische Sauren und einige Losemittel greifen es nur in Gegenwart von Luft an. Haufig wird Kupfer zur Herstellung von Legierungen verwendet. Messing
Messing enthalt rnindestens 50 % Kupfer und als Hauptlegierungszusatz Zink. Normbezeichnung: CuZn40 (60% Cu, 40% Zn). 1st der Kupfergehalt uber 67 %, nennt man die Legierung Tornbak. In der pharmazeutischen Industrie werden aus verchromtern Messing Spritzgestelle verwendet. Bronzen
Bronzen sind Legierungen rnit rnindesten 50 % Kupfer und einern oder rnehreren Legierungszusatzen, jedoch nicht uberwiegend Zink. Die
Zugfestigkeit N/mm2 80 150
20 400
220 180 90 150
Warmeleitzahl kJ/(m h "C) 754 398 230 210
1341 1508 I26 25 1
Bronzen werden nach ihrem Hauptlegierungszusatz benannt, z. B. Zinnbronze Bleibronze Aluminiurnbronze Nickelbronze Zinnbronzen
Zinnbronzen bestehen aus Kupfer und 20 % Zinn (rnax). Kurzzeichen fur Zinnbronzen mit 6 % Sn: CuSn6. GuBzinnbronzen rnit 14% Sn: G CuSnl4. RotguJ
RotguR ist eine Gruppe von GuRlegierungen, die aus Kupfer, Zinn, Zink und Blei bestehen (SnGehalt 4% bis 10%). Kurzzeichen fur RotguB rnit 5 % Sn, z. B .: G CuSnS ZnPb. Kupferlegierungen werden zur Herstellung von Kleinarmaturen wie Hahnen, Ventilen, Schiebern, Manometern und fur viele andere Armaturen verwendet . Ebenso konnen diese Legierungen fur Lagerbuchsen eingesetzt werden. Rohrleitungen aus Kupferlegierungen werden wegen ihrer guten Warmeleitfahigkeit fur Heizund Kuhlschlangen benutzt. Aus Beryllium-Bronze werden funkenfreie Werkzeuge fur explosionsgefahrdete Betriebe hergestellt. Zu bernerken ist hierbei, daO diese Werkzeuge nicht absolut funkenfrei sind. Auch hier konnen Schlagfunken entstehen. Man bezeichnet sie darurn besser als ,,funkenhemmende" oder ,,funkenanne" Werkzeuge.
528
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Lagermetulle Lagermetalle, auch WeilJmetalle genannt, sind vorwiegend auf einer Blei-Zinn-Grundlage aufgebaut. Sie dienen als Gleitlagerwerkstoffe und werden in Lagerschalen in Form von AusguRschichten aufgetragen. Lagermetalle sind verschleiBfest, korrosionsbestandig und druckfest. Sie leiten die Warme gut ab und verhindern bei Ausfall der Schmierung das ,,Festfressen" (Notlaufeigenschaft).
Blei Blei ist weich und biegsam und darum auch wenig druckfest. Es ist besonders bestandig gegen verdunnte Schwefelsaure und Salzsaure. Es wird darum zum Auskleiden von Behaltern und Rohren benutzt. Man unterscheidet zwei Arten der Verbleiung: 1 . Ausklciden mit Walzblei 2. Die homogene Verbleiung
Die erste Art ist die haufigste. Die zweite Art ist sehr teuer, aber auch, im Gegensatz zur ersten Art, gasdicht. Gerate aus Blei mussen versteift werden. Bleirohre mussen unterstutzt werden. Man zieht sie heute in Stahlrohre ein. Blei ist gegen Luft und Feuchtigkeit bestandig, wird jedoch von kohlenstoffdioxidhaltigem Wasser stark angegriffen. Ebenso greifen Alkalien Blei stark an, weil Blei ein amphoteres* Element ist. Die Verwendung von Blei fur Trinkwasserleitungen ist wegen seiner Giftigkeit verboten.
Durch Legicrcn lassen sich die Festigkeitswerte des Titans wesentlich steigem.
Beispiel: TiA17Mo4 hat eine Zugfestigkeit von 1340N/mm2, Streckgrenze 1230N/mm' und Bruchdehnung von 12 70. Hastelloy Hastelloy ist eine Legierung auf Nickel-Basis, mit sehr geringem Kohlenstoffgehalt und anderen Zuschlagen von z.B. Molybdan, Chrom, Mangan. Es gibt viele Hastelloy-Legierungen*. In der pharmazeutischen Industrie wird hauptsachlich Hastelloy-Alloy C 4 eingesetzt. Das ist eine hochkorrosionsbestandige Legierung gegcnuber organischen und anorganischen Medien. Hastelloy-Alloy C 4 ist bestandig gegen stark oxidierende Salze und gegen oxidierende Atmospharen. Es ist bestandig gegen interkristalline Korrosion, SpannungsriB-Korrosion und LochfraR. Die Legierungen werden in der pharmazeutischen Industrie fur Ruhrapparate, Zentrifugen, Filter, Armaturen und Rohrleitungen eingesetzt. Zinn
Zinn ist ein silberweiRes, an Luft glanzend bleibendes Metall. Es ist bei Raumtemperatur gegen Luft, Wasser und auch gegen schwache Sauren und Basen bestandig. Da es auBerdem ungiftig ist, werden 50 % der Zinnerzeugung in der Nahrungsmittelindustrie zum Verzinnen von Stahlblech verwendet (WeiRblech). Anwendungen von Blei: Fur die Pharma-Industrie sind viele Dosen - Sammlerplatten (Akkumulator) (Abschn. 11-5.11) und Fasser aus WeiRbleich gefertigt. - Kabelummantelung Zinn ist ein teures Metall. - Schutz gegen Rontgenstrahlen - Farben: Mennige und BleiweiB 12.4 Nichtmetallische anorganische - Weichlote (Schmelzpunkt niedriger als 450 "C) Werkstoffe - Lagermetalle fur Gleitlager Keramische Werkstoffe und Glas Titan Keramisches Material und Glas haben wegen ihrer Chemikalienbestandigkeit besondere BedeuDie bedcutendsten Eigenschaften des Titans sind tung fur die pharmazeutische und chemische Inseine hohe Festigkeit bei guter Korrosionsdustrie. Ebenso zeichnen sie sich durch gute bestandigkeit und geringer Dichte (4,s g/cm'). Nachteilig sind die hohen Herstellungs- und Ver- Temperaturbestandigkeit aus, wie z. B. feuerfeste Steine. Infolge der Porositat bestimmter Sorarbeitungskosten. ten lassen sie sich auch als Diaphragmen und FilIn der Pharma-Fertigung werden Plattenwartersteine verwenden. Nachteilig ist die Bruchmetauscher und Ruhrapparate aus Titan verwenempfindlichkeit. det.
*
amphoteros (grch.) - beides; teils sauer, teils basisch reagierend.
*
Hastelloy ist ein eingetragenes Warenzeichen der UCC. Union Carbide Corporation.
1 Werkstoffe
529
Steingut
Asbest
Steingut sind porose Tonwaren, die als Filter und Diaphragmen benutzt werden.
Asbest ist ein verfilztes faserartiges Mineral und gehort chernisch zur Gruppe der Magnesiurnsilikate. Er ist von hoher Ternperaturbestandigkeit, brennt nicht und hat ein schlechtes Leitvermogen fur W h e und Elektrizitat sowie eine grol3e Saurebestandigkeit. Es gibt weil3en und blauen Asbest. Blauasbest (Hornblendenasbest) zeichnet sich durch besonders gute Saurebestandigkeit aus. Je langer die Faser, umso hochwertiger ist das Material. Asbest darf als WerkstoJ"wegen der kanzerogenen Wirkung des Staubes nicht mehr als Werkstoffeingesetzt werden .
Steinzeug
Steinzeug ist glasiertes Steingut. Aus diesem Material konnen saurefeste Gerate und Apparate hergestellt werden. Porzellan
Sowohl Porzellan als auch Steingut und Steinzeug bestehen in ihren Grundrnaterialien aus Tonerde und Quarz, denen Feldspate und andere Stoffe zugesetzt werden. Die hergestellten Stukke werden glasiert. Es ist sehr hart und hitzebestandig, unempfindlich gegen Ternperaturanderungen und chernisch sehr gut bestbdig. Daher wird Porzellan uberall dort verwendet, wo es auf gute thermische und chemische Bestandigkeit ankornmt. Wegen seines guten Isoliervermogens wird Porzellan auch als Isoliermaterial in der Elektrotechnik verwendet. Schamottsteine
Schamottsteine werden aus 213 Anteilen Kieselsaure und 113 Anteil Tonerde gebrannt. Sie sind auBerordentlich feuerfest und werden zur Ausmauerung von Ofen und Reaktionskesseln verwendet. Email*
Email ist eine spezielle Form des Glases. Es dient als nichtrnetallischer Uberzug auf Eisen, urn eine hohere Chernikalienbestandigkeit zu erzielen. Email ist sehr ernpfindlich gegen Temperaturschwankungen und schlag- und stoBempfindlich. Ernailbehalter durfen nicht mit Alkalien und Soda gereinigt oder ausgekocht werden. Vorzuziehen ist die Reinigung mit verdunnten Sauren wie z.B. Salzsaure. Ebenso ist dern Anheizen und Abkiihlen Aufmerksamkeit zu schenken. Emailbehalter mussen langsam angeheizt und abgekiihlt werden. Ebenso darf bei der Reinigung nicht mit scharfen Gegenstanden (Metallspaten etc.) gearbeitet werden.
*
imailler (frz.) - schmelzen; Email ist ein auf Metall geschmolzcner Uberzug .
Holz
Holz wird heute in der chemischen Industrie als Werkstoff weniger verarbeitet. Es wird immer mehr von Kunststoffen abgelost. Es dient noch zum Bau von Geraten und Maschinen in der Landwirtschaft, Textil- und Ledertechnik, im Wasserbau u. a. Durch Absperren (Sperrholz) lassen sich die Festigkeitseigenschaften von Holzplatten wesentlich verbessern. Die Haltbarkeit kann durch Konservierung erhoht werden, wie z. B. Streichen oder Tranken rnit Teer, Olfarben und Pech, Impragnieren mit Chemikalien. Pitchpine ist ein in der Chemie haufig verwendetes Holz, das zur Herstellung von FilterpreBrahmen und Bottichen benutzt wird. Es ist ein gelbrotes bis rotbraunes, ziemlich hartes und zahes Holz der nordamerikanischen Kiefer Pinus rigida, das sich durch Elastizitat, Tragkraft und lange Haltbarkeit auszeichnet . Glas und Glusfusern
Ein in der chemischen Verfahrenstechnik immer haufiger verwendeter Werkstoff ist das Glas. Wegen seiner Durchsichtigkeit werden aus ihrn Stand-, Schau- und Kontrollglaser fur die verschiedensten Anlagen, selbst fur Druckapparate uber 100 bar produziert. Groatechnische Apparate, Rohrleitungen, kleinere Behalter werden heute aus Glas hergestellt. Der weitaus groBte Teil aller Laboratoriumsgerate besteht aus Glas. Die Grundbestandteile des Glases sind Kieselsaure (Sand) und die Oxide der Alkalien und Erdalkalien. Glas ist sehr gut chemikalien- und hitzebestandig. In der Chernie werden spezial gefertigte Glaser, z.B. von der Fa. Schott und Gen. in Mainz verwendet. Diese Glaser vertragen
530
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
selbst bei groaerer Wanddicke krasse Temperaturunterschiede. Sie sind von guter Chemikalienbestandigkeit, werden aber von Fluaslure (HF) und Alkalien angegriffen. Als Isolationsmaterial fur Rohrleitungen wird ,,Glaswolle" eingesetzt. In der Pharma-Verpackung wird Glas in Form von Flaschen fur Losungen, Safte und Tropfen sowie fur Ampullen venvendet. Zunehmende Bedeutung gewinnen heute Glasfasem, die mit Fadendurchmessem von 10 pm und darunter hergestellt werden. Aus ihnen gewebte textile Artikel sind unbrennbar, korrosionsbestandig gegen viele Chemikalien. Glasfaserverstarkte Kunststoffe zeichnen sich durch erhebliche Festigkeit aus. Ein interessantes Einsatzgebiet fur Glasfaserbundel ist die Optik. In der Nachrichtentechnik werden Glasfaserkabel eingesetzt. Sie gestatten eine von der Geraden beliebig abweichende Lichtfuhrung ohne Spiegelreflexion. Bei der Konstruktion von medizinischen Sonden bieten die Glasfasern vorher ungeahnte technische Moglichkeiten. 1.25 Kunststoffe
Einsatzgehiere (s. Abschn. 111-1h.7)
Kunststoffe sind chemische Polymerisationsprodukte. In der Regel sind sie organischer Natur. Kunststoffe als Werkstoffe sind in ihren Ausgangsmaterialien, Art der Herstellung, Eigenschaften und Verarbeitung sehr voneinander verschieden. Ihre chemischen, mechanischen und elektrischen Eigenschaften, ihre Elastizitat und Plastizitat ermoglichen eine vielseitige Anwendung auf allen Gebieten. Aus Kunststoffen werden kalt- und warmgepreate Gebrauchsguter, Isolierstoffe, Acrylglaser, Schlauche, Fasern, Folien, Platten, Rohre, Lager, Zahnrader und viele andere Gegenstande in der Technik produziert In Tab. IV-9 sind einige Hersteller von Kunststoffen aufgelistet. In neuerer Zeit werden ganze Apparaturen und Rohrleitungen von groaen Nennweiten aus Kunststoffen fur die Ver- und Entsorgung von Wasser und Abwasser gebaut. Sie sind wegen ihrer chemischen Bestandigkeit, ihrer geringen Dichte und ihrer leichten Verarbeitbarkeit besonders geschatzt. In der Pharma-lndustrie wird Kunststoff hauptsachlich als Verpackungsmaterial verwendet. Aus Polyvinylchlorid, PVC, werden mit AluFolie nach dem Durchdruckverfahren Blisterpackungen hergestellt.
Polyethylen wird zu Flaschen fur Kosmetika, Pulver und Granulate sowie zu Schraubenverschlussen verarbeitet. Polypropylen ist das Ausgangsmaterial fur Applikationsgerate, das sind Dosierhilfen, Flaschen und Dosen mit hoher Dichtigkeit. In der Pharma-Fertigung und -Verpackung haben folgende Kunststoffe Eingang gefunden: 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7.
Polyethylen Polyvinylchlorid (PVC) Polypropylen Polytetrafluorethylen GFK (Glasfaserverstarkte Kunststoffe) Acrylharze (Plexiglas, Fa. Rohm, Darmstadt) Gummi
PolyethyLen
Polyethylen zeichnet sich durch Geruchs- und Geschmacksfreiheit, hohe chemische Bestandigkeit, aul3erst geringe Wasseraufnahme und sehr gute Isoliereigenschaften gegenuber dem elektrischen Strom aus. In der pharmazeutischen Industrie werden Siebe und Transportbehalter aus Polyethylen eingesetzt. Tafelformiges Halbzeug aus ,,PE-hart" wird beim Bau chemischer Apparate vielseitig venvendet. Ein wirtschaftlich bedeutsames Gebiet fur den Einsatz von Polyethylen ist der Bau von Trinkwasserleitungen (Insel Sylt). Aus HartPolyethylen konnen Rohre bis zu einer Nennweite von IS0 mm auf Trommeln gewickelt und somit weitgehend ohne Verbindung verlegt werden. Pulyvinylchlorid ( P VC)
In der pharmazeutischen Industrie wird das reine, nicht mit Weichmachern versehene PVC-hart bevorzugt. Die hervorstechendste Eigenschaft des PVChart ist seine groae Bestandigkeit gegen Sauren, Laugen, Alkohole, Mineralole und Benzin. Es laat sich gut kleben und schweiaen. In Benzol, Estem und Ethern quillt es. ,,PVC-hart" wird hauptsachlich fur Rohre und Behalterauskleidungen, fur den Bau von KanPlen und Luftschachten benutzt. Polypropylen
Dieser Kunststoff zeichnet sich durch hohe Hiirte, Steifigkeit und Warmebestandigkeit aus.
**
*
I PE-
I
I
I PS/
I
Quelle: Verzeichnis der Anbieter von Kunststoffen:http://www.kunststoffweb.de PET/PBT,POM ,PC ,PTFE
Hersteller
t Kunststoffarten I ABS/ I I
I
I
I Duro- I
532
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chernischen Technik
Der Einsatz in der pharmazeutischen Industrie erfolgt hauptsachlich fur das Auskleiden von Behaltem und Rohren. Hier schatzt man besonders die hohe Warme und Chemikalienbestandigkeit. Es werden Vorlagen fur nichtbrennbare wassrige Medien, Waschturme und Rohrleitungen aus Polypropylen verwendet.
Acrylhurze
Polytetrafluorethylen (PTFE) Die Produktion von PTFE ist sehr kostspielig. Aus diesem Grunde wird Polytetrafluorethylen nur dort angewendet, wo seine besonderen Eigenschaften den hohen Preis rechtfertigen. Die sehr feste Kohlenstoff-Fluor-Bindung (C-F) bewirkt eine hohe Chemikalien- und Warmebestindigkeit. Nur elementares Fluor, F2, Chlortrifluorid, CIF3, und Alkalimetalle greifen es an. PTFE kann im Temperaturbereich von -200°C bis +250"C eingesetzt werden. Es werden z. B. Ventile fur den Transport und die Dosierung von Sauren und Laugen, Dichtungen und Membranpumpen aus FTFE hergestellt. Auch bis zu 220 "C hitze- und chemikalienbestandige Filtertiicher sind aus Polytetrafluorethylen sowie viele andere Apparate- und Maschinenteile mit speziellen Anforderungen in der chemischen und pharmazeutischen Produktionstechnik.
Glusfuserverstarkte Kunststoffe ( G F K ) Viele SchichtpreBstoffe werden rnit Glasfaserfullungen hergestellt. Glasfaden von 4 wm bis 9 pm Dicke verleihen dem SchichtpreBstoff eine Zugfestigkeit von 200 N/mm* bis 900 Nlmm'. Die Glasfasem werden z. B. als Gewebe lagenweise in die Form eingelegt und mit dem zahflussigen Harz und Hiirtungsmittel getrankt. Die Aushartung erfolgt dann mit oder ohne Druck sowie rnit oder ohne Warme. In der Pharma-Industrie werden aus GFK Behalter fur wassrige nichtalkalische Medien z. B. Salzsaure (HCI) benutzt.
Plexiglas ist ein Werkstoff aus Acrylkharzen. Plexiglas ist laugenfest, bestandig gegenuber verdunnten d. h. bis zu 20 %igen Sauren, Fetten und Speiseolen, nicht jedoch gegeniiber Alkoholen und organischen Losemitteln. Es la& sich spanlos bzw. warm und spanend verarbeiten. Acrylharze sind spritzbar, schweiBbar, klebbar und unempfindlich gegen Temperaturschwankungen. Plexiglas wird als Verkleidung fur Glasapparate verwendet. Weiter werden Linsen und Brillenglaser sowie Zahnersatz aus Plexiglas@gefertigt. Als bedeutender Produzent gilt u.a. die Fa. Rohm in Darmstadt.
Gummi Gummi ist der Sammelbegriff fur naturlichen und synthetischen Kautschuk. Die meisten Gummisorten bestehen aus einem Gemisch von naturlichem und synthetischem Kautschuk und anderen Kunststoffen. Ein bekannter Gummiwerkstoff ist ,,Buna". Die Sorten Buna S , Buna 85, Buna 115 und Perbunan sind verbreitete Handelsprodukte (Tab. IV-9b). Buna ist teurer als Naturgummi, hat aber gegenuber diesem viele Vorteile. Im Gummi konnen die Mischungskomponenten mannigfaltig variiert werden, um den jeweiligen Anforderungen nach Elastiziat, VerschleiBfestigkeit, Chemikalien- und Wiirmebestandigkeit zu genugen. Gummi wird zu Schlauchen, Dichtungen, Manschetten u.a. verarbeitet. Er ist bestandig gegen Salzlosungen, Sauren und Laugen. Mit ihm werden Behalter und Rohrleitungen ausgekleidet. insbesondere wenn feuchtes Chlor und Salzsaure in ihnen befordert werden sollen. Gummi besitzt auBerdem gute elektrische Isoliereigenschaften. In der Pharma-Verpackung werden aus Gummi Verschlusse fur Injektions- und Infusionsap-
Tab. IV-9b. Ubersicht uber die Gurnrniarten. ~
Sorten
Naturgumrni
Perbunan
Buna
Buna
Buna N
S
85
Buna 1 I5
2600
3000
2750
I750
2000
600
600
650
600
700
ZerreiDfestigkeit (N/cm2)
Bruchdehnung (%)
1 Werkstoffe
533
Abb. IV-7. Bmchwiderstand, Zugfestigkeit und Steifigkeit in funktionaler Abhbgigkeit fur verschiedene
Werkstoffe. parate sowie Dichtungseinlagen fur Kappen gefertigt . Drei entscheidende Eigenschaften von Werkstoffen sind ihre Steifigkeit (Widerstand gegen Biegen), ihre Zugfestigkeit (Widerstand gegen Strecken) und ihr Bruchwiderstand (Widerstand gegen StoB). In Abb. IV-7 sind mehrere organische und anorganische Werkstoffe nach ihren Werten fur diese drei GroBen in einen ,,Festigkeitsraurn" rnit logarithmischer Skala eingetragen. Steifigkeit und Zugfestigkeit sind in Pascal angegeben; 100Megapascal entsprechen dabei 1 Kilobar oder etwas rnehr als 10 Kilopond pro
Quadratmillimeter. Die Einheit fur den Bruchwiderstand ist die Energie (in Joule), die aufgebracht werden rnuB, urn Risse rnit einer GesarntBruchflache von einem Quadratrneter zu erzeugen . Organische Materialien wie Holz besitzen zwar einen hohen Bruchwiderstand, aber nur eine geringe Steifigkeit. Fur anorganische Werkstoffe wie Glas gilt praktisch das Gegenteil. Mit Nylon-Fasern verst2rkter MDF*-Zernent erreicht bei allen drei GroBen nahezu die Werte von Aluminium. * MDF = makro-defekt-freierZustand.
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chernischen Technik
534
Silicone Je nach ihren Anwendungsgebieten werden die Silicone in Ole, zahplastische und dunnfliissige, vernetzbare Polyrnere, Harze und salzartige Verbindungen eingeteilt. Siliconole sind linearpol ymere Dirnethylsiloxane YHJ
H,C-Si
I
CH,\
THq
0-Si CH,ln
CH, I 0-Si-CH, I
CH3
Es sind klare, farblose, neutrale, geruchsfreie, hydrophobe Fliissigkeiten rnit einer Molrnasse von 1000 g/mol bis 150000 g h o l und einer Dichte von 0,94 g/crn' bis 0,97 g/crn'. Die Viskositaten konnen zwischen 1 rnm2/s und 1 Mio rnrnz/s variieren und sind nur wenig ternperaturabhangig. An der Luft sind sie dauerwiirmebestandig bis 180°C. Die Stockpunkte sind bei -80°C bis -40°C niedrig. Stuckharze sind rnehr oder weniger stark vernetzte Polyrnethyl- oder Polyrnethylphenylsiloxane. Ihre Elastizitat und Warmebestandigkeit nirnrnt rnit dem Gehalt an Phenylgruppen zu. Die Dauerwannebestandigkeit liegt zwischen 180"C und 200 "C. Die giinstigen dielektrischen Werte sind bis 300 "C weitgehend ternperaturabhangig. Ein Methylphenylsiliconharz kann 10000 Stunden, ein Epoxid- oder Alkydharz dagegen nur wenige Stunden bei 200 "C beansprucht werden. Siliconkautschukr sind in den gurnrnielastischen Zustand iiberfiihrbare Massen, welche als Grundpolyrnere aus Polydiorganosiloxanen bestehen und zusatzlich noch vernetzungsfahige Gruppen enthalten. Vernetzungsfahige Gruppen sind z. B. Wasserstoffreste, H-, Hydroxylreste, -OH, und Vinylreste; H2C=CH. In den Siliconkautschuken werden Fiillstoffe als Verstarker eingelagert, deren Art und Menge das rnechanische und chernische Verhalten der Vulkanisate beeinflussen. Bei den Polyorganometallosiluxunen sind in die Siliconrnakrornolekiilketten Metallatome, z.B. M = Al, Ti, Co, Ni, eingebaut.
Fluorsilicone enthalten anstelle der Methylgruppen Fluoralkylgruppen,
1
C F ~ CH,FI~
Fluorsilicone sind sehr oxidations- und chernikalienbestandig. Sie dienen u. a. als Schrniermittel fur extrem hohe Temperaturen, als Hydraulikole, Kornpressorenole und Entschaumer.
Kohlenstoffasern Kohlenstoffasem sind linear langgestreckte Kohlenstoffpolyrnere, deren Makrornolekiile in der Langsorientierung gleichgerichtet sind. Sie wurden erstmalig 1879 von Thomas A h a Edisonmaus Cellulose fur Larnpengliihfaden hergestellt. Nach ihrern Kohlenstoffgehalt werden die Fasern in drei Typen eingeteilt: - verkohlte Fasern rnit einern C-Gehalt <90 %, - Kohlenstoffasern rnit einem C-Gehalt von 91 % bis 99%, - Graphitfasern rnit einern C-Gehalt >99%.
Die Kohlenstoffasern rnit einern niedrigen Kohlenstoffgehalt sind aus aliphatischen Bausteinen (Rayon**) aufgebaut, die rnit einern hohen Kohlenstoffgehalt werden aus arornatischen bzw. leicht arornatisierbaren Rohstoffen hergestellt, so z. B, Polyacrylnitril-Fasern (PAC) und Mesophasenpech.
i:Jn
CHz-
Peche sind zahfliissige bis feste teerartige bzw. biturninose schrnelzbare Ruckstande, die bei der Destillation organischer Stoffe (Naturstoffe) oder von Steinkohlen- und Braunkohlenteer zuriickbleiben. Ihr Erweichungspunkt variiert je nach Zusarnrnensetzung zwischen 40°C und 85 "C. Die Peche enthalten elernentaren Kohlenstoff, mehr oder weniger hochrnolekulare kondensierte *
**
Thomas A h a Editon (1837-1931). amerikanischer Elektrotechniker. Rayon (frz.) Lichtstrahl, Bezeichnung fur seidig glanzende Chemiefasern aus regenerierter Cellulose oder Celluloseester. ~
1 Werkstoffe
aromatische Kohlenwasserstoffe, Heterocyclen sowie ruBartige Bestandteile. Mesophasen sind Aggregatzustiinde, in denen der Ordnungszustand von plastischen Kristallen wesentlich besser als der in Fliissigkeiten, aber schlechter als in Kristallen ist. Mesophasen werden auch als kristalline Fliissigkeiten bezeichnet. Aufgrund der unterschiedlichen Orientierbarkeit der hochkondensierten aromatischen Kohlenstoffpolymere bei der Mesophasenpech-Bildung haben die Kohlenstoffasern unterschiedliche Qualitaten. Sie sind bis zu Temperaturen von 2500°C hochfest, viermal leichter als Stahl, korrosionsbestandig, zugfest und besonders elastisch. Deshalb erweitern sich ihre Einsatzgebiete in Form von Garnen, Bandern und Geweben zunehmend. Sie dienen zur Fuserverstarkung von Kunststoffen, in Fahrzeugbauteilen, Hitzeschilden, Sportgeraten, medizinischen Implantatwerkstoffen, in der Elektroindustrie und als MetallmatrixVerbundstoffe fur Hochtemperatur-Werkstoffe. Kohlenstoffaserverstarkte Epoxidhurze spielen als Werkstoffe in der Luftfahrtindustrie eine groBe Rolle bei der Konstruktion von Seiten- und Hohenleitwerken, Tragflachenklappen, Verdichteraufhangungen, Trager und Beplankungen, Holmen und Rippen. Kohlenstoffuserverstarkte Kunstharze, CFK, werden fur Sportgerate verwendet, z.B. Golfschlager, Tennisrackets, Skier u.a., auch werden aus ihnen Antriebswellen und Rotoren hergestellt . In der chemischen und petrochemischen Industrie werden Destillations- und Rektifikationskolonnen mit Carbonfaserpackungen versehen. Durch sie werden hohere Trennstufenzahlen erreicht und damit eine s c h a e r e Trennung der einzelnen Fraktionen. Carbonfasergewebe erlauben eine hohe Betriebstemperatur und sind auBerdem sehr korrosionsbestbdig . Im Werkstoff Graphit sind fast keine Metallspuren zugegen, die wiihrend der Rektifikation evtl. katalytisch zersetzend oder polymerisierend auf das Destillat wirken konnten.
1 3 Korrosion und Korrosionsschutz Unter Korrosion versteht man die von der Oberflache ausgehende Zerstorung eines Werkstoffes. Sie wird durch ungewollte chemische oder elektrochemische Vorgiinge hervorgerufen. Die meiI
I
-
535
sten VerschleiB- und Alterungsschaden an chemischen Anlagen entstehen durch Korrosion. Korrosionsprozesse durch atmosph&ische Einflusse werden stark von der Luftfeuchtigkeit bestimmt. Man unterscheidet drei Arten der Korrosion: 1. die allgemeine Korrosion (Oberflachenkorrosion), 2 . Lochfrd (s. Abb. IV-81, 3. die Spannungskorrosion (s. Abb. IV-9).
Abb. IV-8. LochfraB.
Abb. IV-9. Spannungskorrosion.
13.1 Allgemeine Korrosion Die allgemeine Korrosion ist eine gleichrnbpige Abtragung des Werkstoffes, die keinen EinfluB auf die Festigkeit des Werkstoffes hat. Durch chemische Reaktionen bildet sich an der Oberflache eines Metalls oder einer Metallegierung eine Korrosionsschicht. So iiberziehen sich beispielsweise Aluminium, Chrom und Nickel an der Luft mit einer dichten Oxidhaut, die einen weiteren Angriff der Luft auf das Metall verhindert. Diesen Vorgang nennt man ..Passivierunn". Wird keine zusammenhangende Schutzschkht gebildet, so losen
536
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Tab. IV-10. Ubersicht iiber die Arten der Schutzschichten.
Metallische Uberzuge
Nichtmetallische Uberzuge
Chemische Veranderungen der Oberflache
Aufwalzen von Metallfolien
Auskleiden mit Gummi oder Kunststoffen
Phosphatieren
Tauchen in fliissiges Metall
Aufspritzen von Kunststoffen
chemisch oxidieren (beizen), elektrolytisch oxidieren
Metallspritzen
Emaillieren
Galvanisieren
Ausmauern mit slurefesten Steinen, Schutzanstriche
sich die Reaktionsprodukte ab. Der korrodierende Angriff schadigender Stoffe kann weiter fortschreiten und die Wandstake z.B. eines Druckbehalters verringern. Das fuhrt zu Gefahren im Betrieb dieses Druckbehalters, da der Betriebsdruck auf eine bestimmte Wandstarke berechnet ist. Rosten von Eisen ist ein Beispiel fur die allgemeine Korrosion. Die allgemeine Korrosion wird als Massenverlust Flache . Zeit
(In &)
angegeben (d, Einheitenzeichen fur Tag).
13.2 LochfraB An einzelnen, ortlich begrenzten Stellen entstehen zuweilen durch Korrosion an der Oberflache eines Metalls Ldcher oder Risse, die sich schnell vergroaern und den Werkstoff schliefilich zerstoren. Dabei bleibt die Oberflache neben den Lochern erhalten. Diese Locher sind oft nicht ohne weiteres erkennbar, weil sie von Rost oder anderen Korrosionsriickstanden uberdeckt sind. Sie konnen ein Werkstuck, dessen Wanddicke genau berechnet ist, betrachtlich schwachen und dadurch sehr gefahrlich werden.
1 3 3 Spannungskorrosion Die Spannungskorrosion setzt aul3er dem chemischen und elektrochernischen Angriff auf den metallischen Werkstoffen noch eine mechanische Beanspruchung, namlich sog. Spannungsrisse voraus. Oftmals genugt fur diesen KOITOsionsangriff bereits die innere Spannung eines Werkstuckes.
13.4 Korrosionsschutz GroBe Reinheit erhoht die Korrosionsbestandigkeit der Metalle erheblich (Beispiele: Reinaluminium, Reinzink usw.). - Die Oberflachenpolierung oder eine GuReisenhaut wirken ebenfalls korrosionshemmend. Der beste Schutz gegen Korrosion ist das Uberziehen des zu schutzenden Werkstoffes rnit korrosionshestandigen Schichten. Die sich selbst bildenden Schutzschichten (Passivierung von Al, Cr. Ni, Sn usw.) sind besonders wichtig. Ihre Bildung kann durch chemische und elektrochemische Reaktionen noch wesentlich verbessert werden. Bekannte Verfahren sind die Phosphatierung von Eisen und die Eloxierung von Aluminium. Es konnen aber auch Schutzschichten aus anderen Metallen aufgezogen werden. Dafur gibt es verschiedene Verfahren, z.B.: - Plattieren, - Aufspritzen, - Tauch-Schmelzverfahren
(Feuerverzinkung)
und Galvanisieren. Ferner konnen Schutzschichten aus Gummi und Kunststoffen durch Auskleidung mit Folien oder Aufspritzung angebracht werden. Besonders wichtig sind Schutzschichten aus Email (aufgeschmolzener Uberzug aus glasartigen Silikaten). Gegen stark angreifende Sauren schutzt oft die Ausmauerung mit saurefesten Steinen. Anstriche dienen nur zum Schutz gegen Witterungseinflusse (Tab. IV- 10).
2 Schraubenverbindungen
Irn Maschinen- und Apparatebau kennen wir feste und losbare Verbindungen. Die hlufigste Verbindung ist die Schaubenverbindung.
2.12 Schraubenarten Die Befestigungsschrauben unterscheiden sich im wesentlichen durch die Form ihres Kopfes. Es gibt den Sechskantkopf, Zylinderkopf, Senkkopf usw. (Abb. IV-12 a+).
2.1 Schrauben Man unterscheidet zwischen Befestigungsschrauben fur losbare Verbindungen von Bauteilen aller Art und Bewegungsschrauben zum Urnwandeln von Drehbewegungen in Langsbewegungen, wie z.B. Spindeln fiir Ventile, Schieber, Schraubstock.
2.1.1 Gewindearten
i C
a
2.2 Muttern I
Die gebrauchlichsten Muttern sind: Sechskantmuttern, sie werden meist zusamrnen rnit Sechskantschrauben verwendet; Hutrnuttern, sie verhindern Beschadigungen des Gewindes und schutzen vor Verletzungen; Kronenrnuttern, sie dienen zur Schraubensicherung. Abb. IV-10. Spitzgewinde (Dreiecksgewinde).
Abb. IV-11. Trapezgewinde.
2 3 Schraubensicherungen Da Schraubenverbindungen losbare Verbindungen sind, rnuS haufig ein selbstandiges Losen der Schrauben oder Muttern verhindert werden. Dies erreicht man rnit Schraubensicherungen, wie: - Kronenrnutter rnit Splint (Abb. IV-13 a), - Zahnscheiben, - selbstsichernde Sechskantrnutter, - Federring (Abb. IV-13 b), - Gegenmutter (Kontermutter).
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
538
Schlitzschrauben werden mit einem Schraubendreher (Schraubenzieher) angezogen oder gelost. Beim Anziehen von Schrauben und Muttern miissen folgende Punkte beachtet werden:
1. Der Schraubenkopf sol1 eine gerade Unterlage haben .
2 . Sollen bei einem Deckel oder Flansch mehrea
b
Abb, IV-13. Schraubensicherungen. a) Kronenmutter rnit Splint, b) Federring.
2.4 Schraubenschlussel und Schraubendreher Zum Anziehen oder Losen der meisten Schrauben und Muttern ist ein Schraubenschliissel (Gabelschliissel, Ringschliissel) erforderlich. Fur versenkte Schrauben benutzt man Steckschliissel. Zylinderschrauben mit Innensechskant werden mit einem abgewinkelten Sechskantstift angezogen oder gelost. Alle Schliissel sind aus zahem Werkstoff, meist Chrom-VanadiumStahlen, gefertigt. Die Lange der Schliissel richtet sich nach der jeweiligen Schliisselweite der Schrauben oder Muttem. Sie konnen damit per Handkraft (max. 150 N) fest genug angezogen werden.
re Schrauben angezogen werden, mu6 erst iiber Kreuz leicht angezogen werden, um ein Verspannen zu verhindem. Die Dichtung wiirde sonst einseitig gequetscht und unbrauchbar. Dann werden alle Schrauben in der gleichen Reihenfolge fest angezogen.
3. Es mulJ darauf geachtet werden, dal3 die Schrauben lang genug sind. Sie sollen so lang sein, daR das Gewinde etwa 2 mm iiber die Mutter hinausragt. 4. Das Gewinde der Schraube sol1 mit etwas 0 1 und Graphit eingeschmiert werden. Bei der Bestellung von Schrauben sind folgende Angaben notwendig: 1. Schraubenart, z.B. M Maschinenschraube, 2. Gewindedurchmesser (in mm), z.B. 16, 3. Lange der Schrauben (in mm), z.B. 80, 4. N o I I T I , z . B . D I N ~- ~4 ,I6 - 2 , 5 . Festigkeitsklasse.
Beispiel: Sechskantschraube M 16 x 80 DIN 931 - 4 , 6 - 2
3 Rohre und Rohrleitungen
Rohre und daraus hergestellte Rohrleitungen gehoren zu den wichtigsten Bauelementen einer chemischen Fabrik. Beim Betreten einer Anlage fallen die vielen, verschieden dicken, teils isolierten Rohrleitungen auf. In diesen Rohrleitungen werden Rohstoffe, Fertigprodukte und Energie in gasformiger, fliissiger oder fester Form gefordert. Man kann die Rohrleitungen als die wichtigsten Transportwege einer chemischen Fabrik bezeichnen. Eingebaute Armaturen ermoglichen Regelung oder Absperrung der Weiterleitung des Fordergutes. Rohrleitungen werden moglichst parallel oder rechtwinklig zu den Gebaudeachsen verlegt, damit man eine gute Ubersicht behalt und bei Reparaturen gut an die Leitungen herankommt. Bei langen Rohrleitungen, besonders wenn diese erwiirmt werden (Dampfleitungen), mussen Dehnungsausgleichsstucke,z. B . Kompensatoren, eingebaut werden (s. Abschn. IV-3.1.2).
3.1 Rohrleitungsteile 3.1.1 Rohrschusse (Rohrstucke) Je nach Venvendungszweck werden die Rohrschiisse aus geeigneten Werkstoffen vorgefertigt und dann zur Rohrleitung zusammengefiigt. Gukisen, Stahl, nichtrostender Stahl, Kupfer, Aluminium, Glas und Kunststoffe sind einige Beispiele dafur. Stahlrohre sind bei Bedarf im Innern mit einem anderen Stoff uberzogen, um sie vor Korrosion zu schutzen. Sie konnen verbleit, gummiert, emailliert, einbrennlackiert sein. Fur manche Verwendungszwecke sind bestimmte Werkstoffe aus Unfallverhutungs- und Gesundheitsgriinden amtlich vorgeschrieben. So diirfen beispielsweise fur Trinkwasser keine Bleileitungen, sondern nur galvanisierte (verzinkte) Leitungen oder Kunststoffleitungen verwendet werden.
Rohre, Verbindungen und Armaturen sind genormt. Die wichtigsten Kenndaten fur Rohrleitungen sind:
1. Nennweite, 2. Nenndruck, 3. Werkstoff, 4.hikhstzulassige Temperatur.
Die Nennweite (DN, friiher M.v) entspricht etwa der lichten (inneren) Weite eines Rohres oder einer Armatur in Millimeter gemessen. Dabei kann die Wandstarke, je nach Druckstufe, verschieden sein. Der Nenndruck (PN, fruher ND) ist der hochstzulassige Betriebsdruck in bar. Da die Festigkeit stark von der Temperatur abhangig ist , diirfen Rohrleitungen bei erhohten Temperaturen nicht mit dem vollen Nenndruck belastet werden. Dafur gelten folgende Werte: - Betriebsdruck I bis 120 "C
100%des Nenndruckes, - Betriebsdruck I1 von 120"C bis 300 "C 80 % des Nenndruckes, - Betriebsdruck 111 von 300 "C bis 400 "C 64 % des Nenndruckes.
Rohrhalterungen haben die Aufgaben, die Rohrleitung in einer bestimmten Lage zu halten. Lospunkte, wie Gleitlager oder Rohrschuhe, mussen meist senkrecht zur Rohrachse wirkende Krafte (Gewicht, Windkraft) und Festpunkte, sowohl diese als auch axiale Krafte aus Gewicht und Dehnung, aufnehmen konnen. Das Gewicht von Rohrleitung und DurchfluBmedium muB beriicksichtigt werden.
3.12 Warmeausdehnungsstucke (Kompensatoren,Ausdehnungsbogen) Rohrleitungen, die Temperaturanderungen unterworfen sind, mussen zur Aufnahme der Langenausdehnung an entsprechenden Stellen mit beweglichen Rohrhalterungen, das sind Loslager, und mit Dehnungs-Ausgleichstiicken, wie U-Rohr-Bogen (Abb. IV-14). Lyra-Bogen (Abb. IV-15) oder Wellrohrkompensatoren (Abb. IV-16), versehen sein, um die Wiirmedehnung aufzunehmen.
540
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
3.2.1 Rohrverschraubungen Fur Wasser- und Gasleitungen benutzt man als Rohrverbindungen vonviegend Verschraubungen (Abb. IV-17). Die Verbindung der einzelnen Rohrstiicke erfolgt durch Muffen, Bogen, TStucke, Kreuzstucke usw., welche unter dem Sammelnamen Fittings zusammengefaBt werden.
Abb. IV-14. U-Rohr-Bogen.
Abb. IV-17. Rohrverschraubung.
3 2 2 Muffenverbindungen Abb. IV-15. Lyra-Bogen.
-JL I
Normale BaulPnge A
Bei der Verbindung von Muffenrohren werden die Rohre zusammengesteckt und der zwischen Muffe und Rohr freibleibende Raum rnit Dichtungsmaterial (Teerstrick o. a.) ausgestopft. Die Muffe wird mit Kitt abgedichtet oder rnit Blei ausgegossen (Abb. IV- 18). Muffenverbindungen sind etwas beweglich und gestatten geringe Abweichungen von der geraden Rohrachse, wodurch die Montage erleichtert wird. Sie werden vor allem fur Abwasserleitungen im Erdreich verwendet. Als Rohrmaterial dienen keramische Stoffe (Steinzeug), Beton, Eternit und GuBeisen. Muffenverbindungen sind relativ schwerlosbare Verbindungen.
Abb. TV-16. Wellrohrkompensator.
3.2 Rohrverbindungen Feste Rohrverbindungen werden durch SchweiRen hergestellt. Sind aus Montage- oder Betriebsgriinden losbare Verbindungen notwendig, konnen folgende Verbindungsarten angewendet werden: 1. Rohrverschraubungen fur kleine Durchmes-
ser, 2. Muffenverbindungen fur Leitungen im Erdreich, 3. Flanschverbindungen.
F: Abb. IV-18. Muffenverbindung.
3 2 3 Flanschverbindungen Die Flanschverbindung wird in Chemiebetrieben haufig angewendet. Flansche sind ebenso wie Rohre veenormt. Flanschverbindungen gestatten Y
C
3 Rohre und Rohrleitungen
ein rasches Auswechseln der Rohre. Die Rohre werden miteinander verbunden, indem man mit Schrauben und Muttern die mit entsprechenden Lijchem versehenen Flansche nach Zwischenlegen einer Dichtung aufeinanderpreat. Die Abmessung der Flansche sowie der zugehorigen Dichtungen, Schrauben und Muttem sind so genormt, daB sie bei entsprechender Nennweite und entsprechendem Nenndruck genau zueinander passen (Abb. IV-19).
%kd ~
541
Abb. IV-20. Fester Flansch,
VorschweiRflansch.
Abb. IV-19. Flansch (Draufsicht). - d Lochdurchmesser, D Flanschdurchmesser, DN Nennweite, k Lochkreisdurchmesser.
Abb. IV-22. Loser Flansch
Aus der Vielzahl der Flanschverbindungen werden einige der gebrauchlichsten als Beispiele beschrieben.
Fester Flansch, Vorschweiyjlansch Der VorschweiRflansch (Abb. 1V-20) wird an das Rohrende angeschweiljt und bildet mit dem Rohr eine Einheit.
Loser Flansch mit Anschwegbund Der lose Flansch ist nicht mit dem Rohrende verbunden. Da er lose - d. h. drehbar - angeordnet ist, braucht man nicht auf die Lage der Schraubenlocher zu achten. Er ist also einfach zu montieren. Der Flansch wird von einem AnschweiRbund am Rohrende gehalten (Abb. IV-21).
mit Bordelrohr.
Loser Flansch mit Bordelrohr Der lose Flansch dieser Bauart erfordert am Rohrende einen Anschlag, der durch Bordelung des Rohrendes hergestellt wird (Abb. IV-22).
Nut- und Federjlansch Nut- und Federflansche (Abb. IV-23) werden vorzugsweise bei Rohrverbindungen fur hohe Driicke angewendet. Der eine Flansch besitzt die Feder (hervorstehender Ring), der andere die Nut (Vertiefung), in die die Feder des anderen Teiles hineinpaBt. Zwischen beiden liegt in der Nut die Dichtung, die somit nicht ausweichen, also nicht herausgedriickt werden kann.
542
IV Grundlagen der Maschinenkundc in der chemischen Technik
gefullt sein. Deshalb ist die Flanschverbindung stets so zu trennen, dab man iiber der Rohrleitung arbeitet und die Schrauben 1 und 2 unter der Rohrleitung zuerst lost. Erst wenn man festgestellt hat, daB keine Fliissigkeit mehr in der Rohrleitung ist, lost man die Schrauben 3 und 4.
3.24 Dichtungen fur Flanschverbindungen Abb. IV-23. Nut- und Federtlansch.
Als weitere wichtige Flanschverbindungen sind Vor- und Riicksprungflansche sowie Hochdruckjlansche fur Linsendichtungen in Anwendung.
Montage einer Flanschverbindung
Zur Montage einer Flanschverbindung geht man zweckmlBig nach folgendem Schema vor (Abb. IV-24): Die Schrauben 1 und 2 einstecken; Muttern anbringen; die Dichtung von oben einstecken; Schrauben 3 und 4 einstecken und Muttern anbringen; mit 2 Schraubenschliisseln iiber Kreuz die Schrauben 1 , 3 und 2 , 4 leicht anziehen; danach wieder iiber Kreuz alle Schrauben fest anziehen.
Trennen einer Flanschverbindung Zuerst mu13 man feststellen, ob die durch den zu trennenden Flansch verbundene Rohrleitung drucklos ist. Femer kann sie noch mit Fliissigkeit
Durch genaue Bearbeitung der Dichtflache als Planschliff IaRt sich eine gute Abdichtung erreichen. Diese Art der Abdichtung ist aber nicht nur sehr teuer, sondern auch sehr empfindlich gegen mechanische Beschadigung. Durch Einbau einer Dichtung aus einem Material mit geringem Formanderungswiderstand (plastisches Material) werden die Dichtungsaufgaben in vielen Fallen auf einfachere und billigere Weise genau so gut erfiillt. Die Erzeugung der zur Abdichtung erforderlichen Kraft erfolgt durch Schraubenkraft. Wahrend des Betriebes unterliegen Dichtungen sehr verschiedenen Beanspruchungen. Daher sind folgende Gesichtspunkte bei der Auswahl von Dichtungen zu beachten: 1. ausreichende Plastizitlt zurn Ausgleichen von Unebenheiten der Dichtflachen,
2. ausreichende Elastizitat Lur Aufnahme des AnpreBdruckes und der Warmedehnung, 3. Bestandigkeit gegen chemische Einflusse des Rohrinhalts auf das Dichtungsmaterial, 4. Temperaturbestandigkeit auch bei haufigem Wechsel vom kalten zum warmen Zustand,
5. wirtschaftliche Gesichtspunkte, 6. Druckbestandigkeit. Die nachfoleend beschriebenen Materialien u finden fur Dichtungen an Flanschverbindungen als Flachdichtungen oder Formdichtungen Verwendung:
Pappe und Papier Sie sind fur Wasser- und Luft- und Stickstoffleitungen mit geringem Druck und bei normaler Temperatur geeignet. Vorteilhaft ist ihr niedriger Preis. Asbest (s. Abschn. IV-I .2.4)
Abb. IV-24. Flansch.
Er eignet sich besonders zur Abdichtung bei hohen Temperaturen. Asbest ist gegen die meisten Chemikalien bestandig. Nachteilig ist wegen der
3 Rohre und Rohrleitungen
faserartigen Struktur seine geringe Druckbestandigkeit. Auch als Dichtungsmaterial darf Asbest nur noch begrenzt eingesetzt werden. Dichtungen aus Asbest (ca. 8 5 % ) und anorganischen Fullstoffen werden haufig It-Dichtungen genannt. Als Bindemittel werden meist Kautschuk oder teerartige Substanzen venvendet. It-Dichtungen sollen vor dem Einbau graphitiert werden, um ein Festbrennen zu verhindern. Werden sie hoheren Driicken ausgesetzt, miissen damit bestiickte Flansche nach dem ersten Anheizen nachgezogen werden, da der Werkstoff schrumpft. Es gibt weiterhin eine ganze Reihe von Kombinationsdichtungen, welche aus It-Material und anderen Stoffen, wie Metallen und Kunststoffen, aufgebaut (kombiniert) sind. Gummidichtungen, meist mit Gewebeeinlagen, eignen sich besonders gut, wenn Bestandigkeit gegen Salzsaure und waBrige Kochsalzlosungen bei Temperaturen bis etwa 60°C erforderlich ist. Gummi ist gegen organische Losemittel, z.B. Benzin, Benzol und artverwandte Stoffe, unbestandig Kunststoffe
Sie zeichnen sich vor allem durch gute Chemikalienbestandigkeit aus. Ungiinstig wirken sich hoher Druck und hohe Temperaturen auf Kunststoffdichtungen aus: sie erweichen und werden plastisch verformt, was zu Undichtigkeiten fiihrt. Die wichtigsten als Dichtungsmaterial verwendeten Kunststoffe sind: PVC, Polyethylen, Polypropylen und PTFE*.PTFE zeichnet sich durch gute Besttindigkeit gegen fast alle Chemikalien, a u k gegen heiBe, konzentrierte Natronlauge, aus (s. Abschn. IV-1.2.5 u. 111-16.7).
543
durch wird ein Herausfliegen verhindert. Die Linsendichtung eignet sich fur hiichste Driicke (> 100 bar). Einlegen neuer Dichtungen Beim Einlegen neuer Dichtungen ist darauf zu achten, daB alle alten Dichtungsreste entfernt sind. Die Dichtflachen miissen griindlich gereinigt werden. Alte, plastisch verformte Dichtungen sollen nicht wieder verwendet werden, da sie ihre Dichtkraft eingebiibt haben. Die neu eingelegte Dichtung muB die Dichtflache vollkommen bedecken. Nach Einlegen der Dichtung zieht man iiber Kreuz die Schrauben leicht an, urn sie dann auf gleiche Art fest anzuziehen. UngleichmaBiges Anziehen fiihrt zu Verspannungen und beschadigt die Dichtung. Sie halt nicht mehr dicht.
3 3 Kennzeichnung von Rohrleitungen Aus Griinden der Sicherheit und Wiedererkennung des Inhalts miissen Rohrleitungen gekennzeichnet werden. Gerade bei chemischen Anlagen ist es unbedingt erforderlich, alles zu tun, um Verwechslungen zu vermeiden. In den Betrieben sind Behalter angeordnet, in die mehrere gleiche Rohrleitungen einmiinden. In solchen Fallen ist die beste Kennzeichnung das Anbringen von Schildern am Ende der Leitung iiber dem entsprechenden Absperrorgan. Die Schilder miissen fest angebracht sein. Email- oder Kunststoffschilder sind gut geeignet. Eine weitere Kennzeichnungsart fur Rohrleitungen ist die Farbe-
Formdichtungen
Bei Hochdruckapparaturen ist es unbedingt erforderlich, die Dichtpressung zu erhohen und zu verhindern, dab die Dichtung herausfliegt. Urn diese Forderungen zu erfiillen, verwendet man Formdichtungen oder entsprechende Flansche (Nut- und Federflansch, Vor- und Riicksprungflansch). Die bekannteste Forrndichtung ist die Linsendichtung. Eine Dichtung, die die Form einer Linse besitzt, paBt genau in die Aussparung, die in Flansch und Gegenflansch eingedreht ist. Hier-
*
FTFE - Polytetrafluorethylen
Tab. IV-11. Kennzeichnungsfarben fur Rohrleitungen.
DurchfluBstoff
Farbe
Wasser Dampf Luft brennbare Gase nicht brennbare Gase Sauren Laugen brennbare Flussigkeiten nicht brennbare Flussigkeiten Vakuum
grun rot blau gelb (roter Ring) gelb orange violett braun (roter Ring) braun grau
544
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chernischen Technik
kennzeichnung. Bei der Vielzahl der DurchfluBstoffe ist es nicht miiglich, fur jeden Stoff eine andere Farbe zu wahlen. Man hat deshalb die gebrauchlichsten Fliissigkeiten und Gase zusammengefaat und ihnen eine Grundfarbe gegeben. Die einzelnen Stoffe konnen dann durch farbige Ringe oder Pfeile gekennzeichnet werden. Letztere geben auch die FlieOrichtung des Mediums an. Die DurchjluJhtoffe sind in 10 Gruppen eingeteilt. Die farbliche Zuordnung ist Tab. IV- 11 zu entnehmen (s. auch Teil VI).
Rohrleitungen miissen nicht in ihrer gesamten Lange mit Farben gekennzeichet werden. Meist begnugt man sich mit Ringen an gut sichtbaren Stellen. Eine gut gekennzeichnete Apparatur sollte sowohl beschildert als auch mit Farben gekennzeichnet sein. Vielfach verwendet man heute farbige Klebeschilder, die im Klartext und nicht mit chemischen Formeln beschriftet sind und an deren Pfeil auOerdem die DurchfluOrichtung zu erkennen ist.
4 Absperrvorrichtungen
Fur Rohrleitungen, Behalter und ReaktionsgefaBe werden Einrichtungen zum Absperren und zum Regulieren des Gas- und Flussigkeitsstromes benotigt. Man unterscheidet: regelbare und nichtregelbare Absperworrichtungen ( s . Teil V).
leitung nun geoffnet oder verschlossen. Blindflansche dienen zum VerschlieBen des Endes einer Rohrleitung oder eines Stutzens.
4.2 Regelbare Absperrvorrichtungen
4.1 Nichtregelbare Absperrvorrichtungen Hierzu z h l e n Steckscheibe, Signalscheibe, Schwenkscheibe und Blindjlansch. Bei Steckscheiben (Abb. IV-25 a) sollte das herausragende Ende wegen der besseren Ubersicht rot getrichen sein. Beim Stecken der Steck- und Signalscheiben (Abb. IV-25 b) ist darauf zu achten, daB diese zwischen zwei Dichtungen eingebaut werden. AuBerdem muS auf die Korrosionsbestandigkeit und Dmckfestigkeit dieser Gerate geachtet werden. Blindflansche mussen ebenfalls gegen Korrosion durch Schutzfolien oder Volldichtungen geschutzt werden. Steckscheiben und Signalscheiben dienen zum Verschliekn von Rohrleitungen. Sie werden in die Flanschverbindung gesteckt. Sollen Rohrleitungen @Serer Nennweiten verschlossen werden, verwendet man Schwenkscheiben (Abb. IV-25c). Diese sind schwenkbar an einer Flanschverbindung montiert. Bei Bedarf wird die Flanschverbindung wieder angezogen. Je nach Stellung der Schwenkscheiben ist die Rohr-
Nach Art der bewegten Dichtungskorper unterscheidet man folgende Grundbauarten: -
H&ne,
- Ventile und -
Schieber.
42.1 Hahne Bei Hiihnen erfolgt das Offnen oder SchlieBen durch Drehung des durchbohrten Dichtungskorpers (Kuken oder Kugel) um 90".H h n e gestatten deshalb schnelles Offnen und SchlieBen. Vorteilhaft ist ihr geringer Stromungswiderstand. Man unterscheidet Durchgangs- und Mehrweghiihne (Dreiweghahne). Die DurchfluBrichtung ist durch eine Kerbe am Schlusselzapfen des Dichtungskorpers zu erkennen. Bei Dreiweghahnen ist eine T- oder L-Kerbe angebracht (Abb. IV-26). Zur Erhohung der Betriebssicherheit befestigt man den Hahnschlussel auf dem Schlusselzapfen mit einer Halteschraube. H&ne werden aus folgenden Werkstoffen hergestellt: RotguB, GrauguB, Stahl, SiliciumguBeisen, Steinzeug ,Porzellan, Glas, Sondermetallen und Kunststoffen.
4 2 3 Ventile
a
b
C
Abb. IV-25. Nichtregelbare Absperrorgane. -
a) Steckscheibe,b) Signalscheibe,c) Schwenkscheibe.
Bei Ventilen erfolgt das Offnen und SchlieBen durch Bewegungen der Ventilplatte (Kegel 0.a.) senkrecht zur Dichtflache. Ventile sind zum Drosseln und Regeln der DurchfluBmengen gut geeignet. Nachteilig sind die groBen Druckverluste, die durch Andemngen der Stromungsrichtung innerhalb des Ventilkorpers auftreten.
546
1V Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
t
m L..... . . .. ...
-____
......
a
b
d
Die Durchfluljrichtung ist in der Regel gegen die Unterseite des Ventilkegels gerichtet und wird durch einen auf dern Gehause eingegossenen Pfeil sichtbar gemacht. Der Einbau mu6 entsprechend vorgenommen werden. Da der Druck von unten auf den Ventilkegel gerichtet ist, wirkt er der Dichtkraft entgegen. Es gibt eine Reihe von Ventil-Bauarten (Abb. IV-27). Normalerweise schlieljt sich das Vcntil bei Rechtsdrechung der Spindel. Bei autornatischen Ventilen, den Regelventilen, kann das Offnen oder Schlieljen pneumatisch oder mittels elektrischen Antriebs erfolgen. Feineinstell- und Regelventile erhalten zur Verbesserung der Regelfahigkeit Ventilkegel in Form eines Kegelsturnpfs oder in parabolischer Form. Dadurch ergeben sich langere Wege bis zur vollen Offnung. Dies gilt besonders fur das Nadelventil, bei dern der Ventilkegel die Form einer Nadel hat. Dies ermoglicht eine noch genauere Regelung. Als Werkstoffe werden benutzt: GrauguB, StahlguB, legierter Stahl, Siliciumguljeisen, Alurniniurnlegierungen, GuBbronze und Kunststoffe.
4 2 3 Schieber Schieber sind Absperrvomchtungen rnit geradem Durchgang. Bei Schiebern erfolgt das Offnen oder Schlieljen durch Bewegen des AbschluRkorpers senkrecht zur Strornungsrichtung. Der platten- oder keilformige AbschluBkorper (Flachschieber bzw. Keil-Ovalschieber) wird in einen nach oben verlangerten Gehauseteil gezo-
Abb. IV-26. Hlhne. - a ) Durchgangshahn (Liingsschnitt);b) -d) Dreiweghahn (Querschnitt)in verschiedenen DurchfluBstellungen.
Abb. IV-27. Verschiedene Ventile. - a) Durchgangsventil, h) Kolbenventil (Bauart Klinger), c) Schragsitzventil.
gen und gibt darnit den vollen Querschnitt frei. Der Abschluljkorper legt sich mit seinen Dichtflachen an die Gehausedichtung an (Abb. IV-28). Der Druckverlust ist bei Schiebern gering. Bei den rneisten Schiebern kann der DurchfluD in beiden Richtungen erfolgen.
4 Abspemomichtungen
547
auf einen Betriebsdruck von 0,sbar herabgemindert werden. Hierbei wird, wie bei den meisten Reduzierventilen, die Steuerung des Druckes durch eine eingebaute Membran ubernommen. Durch eine Stellschraube kann der Druck verstellt werden. Die Druckminderventile fur Druckgasflaschen sind je nach Gasart mit verschiedenen Farben gekennzeichnet (Tab. IV- 12). Tab. IV-12. Kennzeichnung fur Druckgasflaschen Abb. IV-28. Keil-Oval-schieber mit innenliegender
und Druckminderventile.
Spindel.
Gas
Kennfarbe
Entsprechend ihrer Spindelanordnung unterscheidet man zwei Arten von Schiebern:
Sauerstoff Stickstoff Wasserstoff
blau grun rot gelb grau
-
Schieber mit innenliegender Spindel, Schieber mit auBenliegender Spindel.
Bei Schiebern mit innenliegender Spindel schraubt sich die Spindel in den AbschluBkorper. Sie liegt im DurchfluBstoff (Korrosion!) und fuhrt eine Drehbewegung aus, durch welche der AbschluBkorper sich hebt. Schieber mit aupenliegender Spindel haben im Aufsatz eine Antriebsmutter. Diese bewirkt, daB sich Spindel und AbschluBkorper bei Drehung heben. Schieber fur den Erdeinbau und andere schlecht zugangliche Schieber haben meistens innenliegende Spindel. Als Werkstoffe f i r Schiebergehause werden vorwiegend GrauguB und StahlguB verwendet.
4.2.4 Druckminderventile (Reduzierstationen) Druckminderventile werden dann verwendet, wenn Gase oder Dampfe von hohem Druck in eine Leitung oder einen Apparateteil uberfuhrt werden mussen, in welchem ein geringerer Druck gehalten werden muS. Laut Unfallverhutungsvorschrift muB ein Druckminderventil eingebaut sein, wenn die Druckdifferenz zwischen Speicherbehalter und Apparateteil mehr als 10 % betragt (bei Driicken unter 20 bar bei einer Druckdifferenz von mehr als 2 bar). Eine besondere Ausfuhrung eines Druckminderventils ist die Reduzierstation zur Entnahme von Gasen aus Druckgasflaschen (Abb. IV-29). Mit Hilfe dieses Ventils kann der in einer Druckgasflasche herrschende Druck von 1 SO bar
Acetylen
alle anderen nichtbrennbaren Gase
AuBerdem unterscheiden sie sich durch ihre AnschluBgewinde. Reduzierventile fur Druckgasflaschen mit nichtbrennbaren Gasen haben Rechtsgewinde, solche fur brennbare Gase Linksgewinde. Ventile fur Acetylenflaschen haben einen BugelverschluB.
4.25 Inbetriebnahme einer Druckgasflasche Die Flasche muB zuerst gegen Umfallen gesichert werden. Dann wird die Flaschenkappe abgenommen. Nach Wahl des richtigen Reduzierventils sollen die Dichtungen kontrolliert werden. Erst jetzt kann das Reduzierventil auf die Druckgasflasche geschraubt werden. Nach dem Anziehen der AnschluBschraube uberzeugt man sich, ob das Abnahmeventil des Reduzierventils geschlossen und die Stellschraube fur den Druck vollstandig gelost ist. Nun kann das Flaschenventil geoffnet werden. Das erste Manometer zeigt den Flaschendruck an. Mit der Stellschraube bewegt man anschlieknd die in der Station befindliche Membran so lange, bis das zweite Manometer den gewunschten Entnahmedruck anzeigt. Jetzt kann das Entnahmeventil geoffnet werden. Die Flasche ist betriebsbereit. Aus Sicherheitsgriinden gilt grundsatzlich der folgende Satz: Es ist strengstens untersagt, an Reduzierstationen selbst Anderungen und Reparaturen vorzunehmen. Die Reduzierstation ist durch eine eigenes Sicherheitsventilgesichert (s. Kap. VI-13.4).
548
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chernischen Technik
Floschendruck-
G e br auc h sdr uck
Druckminder
~
Schlouchtu//e
Stellschroube
Abb. IV-29. Druckminderventil (Redu~ierstation)
43 Sicherheitseinrichtungen Sicherheitseinrichtungen miissen selbsttatig arbeiten und sollen entweder verhindern, daR ein Gefahrenzustand auftritt, oder sie sollen bei eingetretenem Gefahrenzustand, z. B. Uberdruck, diesen selbstandig durch Sicherheitsventile beseitigen (s. Kap. VT-13.1). Die uberwachte Anlage wird bei gefarlichen Abweichungen der Sollwerte entweder von Sicherheitseinrichtungen stillgelegt, oder Regler bringen die abweichende GrijRe auf den Sollwert zuriick. Haufig wird das Ansprechen der Sicherheitseinrichtungen durch optische oder akustische Signale gemeldet (Wamlampen, Hupen). Die Uberbeanspruchung wird mit Hilfe der Sicherheitseinrichtungen normalerweise in solchen Grenzen gehalten, daO keine Beschadigung der Apparate eintritt. Es gibt jedoch auch Anordnungen, bei denen die Uberbeanspruchung an einer bewuBten schwachen Stelle einen Schaden herbeifuhrt, der leicht zu beheben ist (ReiRscheiben, Sicherungsbolzen usw.). Sicherheitseinrichtungen werden oft vom Bedienungspersonal als Iastig angesehen, besonders dann, wenn der Grund ihres Ansprechens nicht richtig erkannt wird. Solche Schutzeinrichtungen jedoch auf hohere Belastungen einzustellen oder gar ganz unwirksam zu machen, kann katastrophale Folgen haben. Entsprechende Anderungen
sind deshalb strengstens untersagt und nach dem Gesetz strafbar. Anderungen durfen nur von Sachverstandigen nach eingehender Priifung angeordnet werden. Alle Sicherheitseinrichtungen miissen laufend fristgprecht auf ihre Betriebssicherheit und richtige Einstellung uberpriifi und standig gewurtet werden. Dies wird von dem eigens dafiir verantwortlichen Personal durchgefiihrt. Zu den Sicherheitseinrichtungen zahlen: Sicherheitsventile, Ruckschlagklappen, Bruchsicherungen wie ReiBscheiben, Berstscheiben und Scherbolzen sowie mit Alarmgebem versehene Kontrolleinrichtungen (s. Kap. VI).
43.1 Sicherheitsventile Sicherheitsventile sollen die Uberschreitung des zulassigen Betriebsdrucks verhindem. Je nach Belastungsart unterscheidet man: -
gewichtsbelastete Sicherheitsventile und
- federbelastete Sicherheitsventile.
Bei gewichtsbelasteten Sicherheitsventilen wird das Ventil durch die Kraft eines Gegengewichts geschlossen. Wird der Dyck zu groB, offnet sich das Ventil und la& den Uberdruck ab (Abb. IV-30). Das Gegengewicht ist genau auf den zulassigen Druck abgestimmt. Deshalb ist eine Anderung oder Verschiebung des Gegengewichts streng verboten.
4 Absperrvorrichtungen
549
Abb. IV-30. Gewichtsbelastetes Sicherheitsventil
Beim Sicherheitsventil mit Federbelastung preBt die Druckfeder den Ventilkegel gegen den Sitz an der Druckseite. Die Kraft der Feder kann mit Hilfe der Federspindel verandert werden (Abb. IV-31). Es ist strengstens untersagt, an Sicherheitsventilen eigenmachtig Veranderungen durch Auflegen oder Verschieben von Gewichten bzw. Anderungen des Federdruckes vorzunehmen! Deshalb sind Sicherheitsventile plombiert*. 1st die Plombe an einem Sicherheitsventil beschadigt, so muO es ausgetauscht werden.
4 3 2 ReiBscheiben In chemischen Anlagen werden ReiRscheiben immer dort eingesetzt, wo die Verwendung von Sicherheitsventilen aus betrieblichen Griinden nicht zweckmaRig ist. Nur nach Genehmigung durch den Technischen Ubenvachungsverein (TUV) durfen Bruchsicherungen eingebaut wer-
Abb. IV-31. Federbelastetes Sicherheitsventil.1 Stutzkolben,2 Ventilkegel.
den. Regscheiben (Abb. IV-32) sind in der Regel ebene Platten, die an einem Ausblasestutzen blind vorgeflanscht werden. Aber auch gewolbte ReiRscheiben, das sind ReiBfolien, kommen zur Anwendung. Abb. IV-33 zeigt eine gewolbte berstende ReiRscheibe. Jeder Werkstoff hat einen von &it und Temperatur abhangigen Festigkeitsabfall durch Materialermudung. Um einem Platzen bei zu niedrigem Druck vorzubeugen, sol1 der Betriebsdruck nicht uber 80 % des Nennwertes der ReiBscheibe liegen. ReiRscheiben sind wesentlich billiger als Sicherheitsventile. Folgende betriebliche Nachteile sind bei Verwendung von ReiBscheiben in Kauf zu nehmen: Verlust eines GroBteils des Behdterinhalts sowie zeitweilige Stillsetzung der Adage.
Abb. IV-32. ReiBscheiben.
*
plumbum (lat.) - Blei; friiher Bleiverschlub. heute auch andere Materialien.
550
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemixchen Technik 1
2
Die Ausgangsleitung des Kondensats muB so verlegt sein, dalj es beim Austritt von Kondensat und Dampf nicht zu Unfallen wie Verbruhungen kommen kann.
4.4.1 Schwimmergesteuerter Kondensatableiter 3
4
Abb. IV-33. Berstende ReiBscheibe
4 3 3 Ruckschlagventile In Rohrleitungen, die nur in einer Richtung durchflossen werden durfen, werden Ruckschlagventile eingebaut. Sie mussen bei Stromung in unzulassiger Richtung sofort und selbsttatig schlieBen (Abb. IV-34).
Beim Kondensatableiter mit geschlossenem Schwimmer (Abb. IV-35) ist dieser meist als Kugel ausgebildet, die auf dem Kondensat schwimmt. Der Schwimmer ist uber ein Gestange mit einer regelbaren Absperreinrichtung verbunden (Ventil, Schieber, Kugel). Steigt das Kondensat, so steigt die Kugel mit und offnet uber das Gestange die Absperreinrichtung. Das Kondensat lauft nun so lange ab, bis Kondensat und Schwimmer soweit gesunken sind, daB durch das Hebelsystem die Absperreinrichtung wieder geschlossen wird. Dadurch wird das Kondensat immer auf etwa gleichem Niveau gehalten und eine ruhige und stetige Arbeitsweise erreicht. Der Druck und damit auch die Temperatur des Dampfes bleiben konstant (s. Abschn. IV10.3).
4.42 Bimetall-Kondensatableiter
6 Abb. IV-34. Rbckschlagvcnt~l.
4.4 Kondensatableiter Kondensatableiter haben den Zweck, das in Dampfleitungen, Heizkorpem und dampfbeheizten Apparaten sich standig bildende Kondensat abzuleiten, ohne daB der Dampf selbst aus der Leitung austritt. Kondensatableiter befinden sich am Ende der Leitung hinter der Apparatur und arbeiten als automatische Gerate.
Der Bimetall-Kondensatableiter (Abb. IV-35 d) arbeitet durch die Warmeausdehnung von Metallen. Die AblaBtemperatur ist bei diesen Ableitern einstellbar. Die geben das Kondensat also bei einer gewunschten Temperatur ab. Die Steuerelemente sind Bimetallplattchen, die sich bei Erwiinnung kriimmen und so wie eine Feder wirken. Hierdurch wird der Ventilkegel in den Ventilsitz hineingezogen und verschlieBt damit den Kondensatablauf. Der Ableiter offnet den Ablauf erst wieder, wenn eine bestimmte, einstellbare Unterkuhlung des Kondensats eingetreten ist.
4 Abspemorrichtungen
C
d
Abb. IV-35. Gebrauchliche Kondensatableiter.a) schwimmergesteuerter Kondensatableiter; b) -d) temperaturgesteuerter Kondensatableiter.
551
5 Kontrolleinrichtungen (MeBgerate)*
Chemische und physikalische Vorgange in Behaltern, Apparaten und Rohrleitungen werden von Kontrolleinrichtungen iibenvacht. Es miissen dabei Temperatur, Druck, pH-Wert, Standhohe und DurchfluBmenge gemessen werden.
5.1 MeBumformer 5.1.1 Pneumatisches Einheitssignal
Beispiel 1 Eine MeBstelle ist so ausgelegt, dab sie Temperaturen von 0 "C bis + I SO "C erfaBt. Die MeBwerte werden dem MeRumformer als Signale zugefuhrt. Er wandelt das Signal fur 0°C in eine Druckangabe von 0,2 bar um. Steigt die Temperatur, steigt auch der Ausgangsdruck des MeOumformers auf 0,3 bar, 0,4 bar usw. an. Bei dem Endwert +lSO°C gibt der MeBumformer einen Druck von 1 ,O bar aus. Bei pneumatisch arbeitenden Geraten betragt das pneumatische Einheitssignal immer 0,2 bar bis 1,0 bar. Beispiel 2 Eine MeBstelle erfaRt die Fiillung eines Behalters von 0,s m Fiillhohe bis 2,Sm Fiillhohe. Die MeBwerte werden von MeBumformern in das pneumatische Einheitssignal umgeformt. Dann entspricht 0,s m Fiillhiihe dem Ausgangsdruck 0,2 bar und 2,8 m Fiillhohe dem Ausgangsdruck l,Obar, da j a das pneumatische Einheitssignal 0,2 bar bis I ,O bar betragt. Die Instrumente, die nach der Umformung die MeRwerte anzeigen, sind stets Manometer mit der Skala 0 ... 10, entsprechend 0 % ... 100%. 0 % entspricht dem Druck 0,2bar, 100% entspricht dem Druck 1,0 bar. Auf jedem Manometer mu13 man die Skalenbeschriftung angeben, welchem wahren MeBwert (z.B. Temperatur, Fiillhohe usw.) 0 % und welchem 100%des DruckmeRwertes entspricht. *
Siehe auch: Hopp, V. (1994). Das chemische technische Praktikum, Kap. 2, Messen und Regeln, VCH VerlagsgesellschafL mbH. Weinheim.
5.1.2 Elektrisches Einheitssignal Die elektrischen MeBumformer arbeiten genauso wie die pneumatischen. Nur wird hier eine beliebige MeBgroBe vom MeBumformer in einen Strom umgewandelt. Das 1. elektrische Einheitssignal betragt OmA bis 2OmA. Diese OmA bis 20mA entsprechen 0 % bis 100% des MeBwertes. Das 2. elektrische Einheitssignal betrugt 4mA bis 2OmA. Die 4 m A entsprechen 0% des MeBwertes. Beim 2. elektrischen Einheitssignal werden mit dem Strom von 4mA, die auch beim MeRwert 0 flieBen, alle Gerate mit Energie versorgt.
Zusammenfassung
%IAbb. IV-36. Umformung in Einheitssignale. A pneumatisches Einheitssignal, E elektrisches Ein-
heitssignal.
5.2 Druckmessung 5.2.1 Druckmessung mit Manometer Theoretische Grundlagen Unter einem Druck versteht man den Anteil Kraft, der senkrecht auf eine bestimmte Flache wirkt.
5 Kontrolleinrichtungen (MeBgerate)
Der Druck p ist die Kraft F pro Flacheneinheit A.
553
6) Plattenfedennanometer (Abb. IV-39)
F p=A
Die Kraft ist in der Lage, die Form eines Korpers zu verandern. Je stiirker die Formiinderung ist, umso g r o k r ist der Druck, der wirkt (Abb. IV-37). Diese Forrnanderung wird mit Hilfe sehr empfindlicher mechanischer MeBwerke angezeigt.
Abb. IV-37. Formanderung durch Druck.
@
Abb. IV-39. Plattenfedermanometer. - 1 DruckanschluR, 2 Plattenfeder, die sich bei Druck nach oben wolbt, 3 Zeigerwerk, 4 Zeiger.
Technische Durchfuhrung Der Druck wird gernessen mit
c) Balgfedennanorneter (Abb. IV-40)
a) Rohlfedetmanometer (Abb. IV-38)
Abb. IV-40. Balgfedermanometer. - 1 DruckanschluR, 2 MeBbalg, der sich bei Druck nach oben ausdehnt, 3 Zeigerwerk, 4 Zeiger und Skala.
Abb. IV-38. Rohrfedermanometer. - 1 Druckanschlua, 2 Rohrfeder, die sich bei Dmck aufbiegt, 3 Zeigerwerk, 4 Zeiger.
5 - 2 2 Dmckmessung mit Kraftmefidose
zurM~~~~~~des ~~~k~~
Hilfe einer rnelldose mull der Druck in eine Kraft urngewandelt werden. Statt ein MeBwerk zu betatigen, kann der Druck auch elektrisch gemessen werden. Man nutzt dabei die Eigenschaft bestimmter Kristalle oder besonderer Bauteile aus, ihre elektrische Eigenschaften zu iindern, wenn sie unter Druck gesetzt werden (Abb. IV-41).
554
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Technische Durchfiihrung
Abb. IV-41. Druckmessung mit KraftmeSdose. 1 Stromversorgung,2 KraftmeSdose, 3 Anzeigeinstrument. 4 Kraft.
5.3 Standmessung
Zwischen zwei Flanschen an der Seite eines Behalters wird ein Glasrohr angebracht, in dem sich die Flussigkeit in genau derselben Hohe einstellt wie im lnnern des Behalters. Die Ventile oben und unten an den Flanschen kann man schlieBen, urn das Glasrohr wechseln zu konnen (Abb. IV-42 b). Beide Ventile mussen bei neuer Inbetriebnahme wieder vollig geoffnet werden. Diese Methode gestattet eine einfache Standmessung auch bei Behaltern unter Druck. Der so gemessene Stand eignet sich nicht zur Fernubertragung.
5.3.2 Standmessung mit einem Schwimmer 5.3.1 Standmessung mit Hilfe eines Schauglases Theoretische Grundlagen In zwei miteinander verbundenen GefaRen stehen die Flussigkeiten immer gleich hoch (Abb. IV-42a). Voraussetzung ist, daR in beiden GefaBen die gleiche Flussigkeit enthalten ist und gleiche Temperatur und gleicher Druck herrschen.
Theoretische Grundlagen Ein leichter Kijrper schwimmt auf einer Flussigkeit. Steigt die Fullhohe in einem Behalter, steigt auch der Schwimmer mit nach oben (Abb. IV-43).
Abb. IV-43. Anzeige durch schwimmenden Korper.
Technische Durchfiihrung Der Schwimmer ist uber ein Seil oder ein Gestlnge mit einem Anzcigeinstrument auBerhalb des Behalters verbunden. Beim Steigen oder Fallen der Flussigkeitsoberflache steigt oder fallt der Schwimmer rnit und verstellt das Anzeigeinstrument (Abb. IV-44).
5.3.3 Standmessung nach dem Bodendruckprinzip
I :Abb. IV-42. Fliissigkeitsstlnde in verbundenen GefaBen. - a) Flussigkeit in verbundenen GefaBen, b) Flussigkeit in Behalter mit Schauglas.
Theoretische Grundlagen Je groBer die Hohe einer Fliissigkritssiiulr ist, umso groBer ist der Druck, den sie am Boden erzeugt. Dieser Druck ist ein MaB fur die Hohe der Fiillung im Behalter.
5 Kontrolleinrichtungen (Meagerate)
555
Potentiometer
1
-U
9 --
-___ ---
-
-_---a)
C)
Abb.IV-44. Standhohenmessungmit Schwimmem. a) Anzeige an einer Skala, b) Bewegen eines Eisenstiickes in einem Hufeisenmagnet, c) Verstellen eines elektrischen Widerstands. G Gegenmasse, S Schwim-
Bei geringer Fiillung ergibt sich ein kleiner Druck, bei vollstandiger Fiillung ein groBer Dmck (Abb. IV-45).
-
mer, E Eisenkern, U Wechselspannungsversorgung, - U Gleichspannungsversorgung, A Strommeagerat, V Spannungsmeagerat.
P =pu + Pst Um den Druck zu errnitteln, der nur durch die Fiillung entsteht, muB von der Gesamtdruckanzeige der Uberdruck im Behdter abgezogen werden. PSI
=P
-
Pu
Dieses Rechnen kann ein DifferenzdmckrneRumformer iibernehmen, dem man die MeBwerte beider Driicke zufiihren muB. Er gibt ein MeBsignal aus, das dann nur von der Fiillhohe abhangig ist. Abb. IV-45. Standmessung nach dem Bodendruckprinzip.
Technische Durchfuhrung Am Behalterboden wird an der Offnung ein Manometer oder ein DruckmeBurnformer (7) angeschlossen (Abb. IV-47). Zwischen dem Behalter und dem MeBinstrument rnuR sich ein Abspenventil befinden, damit Manometer oder MeRumformer ausgewechselt werden konnen, ohne daB der Behalter auslauft. Die Manometerskala wird mit rn (Standhohe), rn3oder kg (Inhalt) beschriftet. Steht der Behalter unter Druck, zeigt das Manometer am Boden den Druck iiber der Fliissigkeit (Uberdruck) puund den zusatzlichen Druck, den die Fliissigkeit auf den Boden ausiibt (statischer Druck der Fliissigkeit) p,,, an.
5.3.4 Standmessung nach der Einperlmethode
Theoretische Grundlagen Der Druck, mit dem man blasen rnuB, damit aus dem Rohr Perlen aufsteigen, ist abhangig von der Hohe der Fliissigkeit iiber dem RohrauslaB und von der Dichte der Fliissigkeit. Bei groBerer Hohe des Fliissigkeitsspiegels braucht man einen groBen Druck, bei kleiner Hohe einen kleinen Druck. Die Manometerausschlage entsprechen den Hohen in den Behaltern (Abb. IV-46).
Technische Durchfiihrung Mit dem Ventil (1) wird der Luftstrom (oder der Strom eines Schutzgases) so eingestellt, daR ca. 20 L/h bis SO L/h einstromen. Am Stromungsmesser ( 2 ) , z. B. SchwebekorperdurchfluBrnesser, kann die Stake des eingestellten Gas-
556
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Abb. IV-46. Standmessung nach der Einperlmethode. - Mit zunehmender Flussigkeitshohe ist ein entsprechend groberer Druck notwendig, um die Luft austreten zu lassen.
stromes abgelesen werden. Der Gasstrom verdrangt die Fliissigkeit im Perlrohr (3), steigt dann in Perlen zur Fliissigkeitsoberflache und entweicht durch die Beliiftung (4)des Behalters (Abb. IV-47). Der Druck, der zu diesem Vorgang notwendig ist, ist ein MaB fur die Hohe der Fiillung. Dieser Druck wird am Manometer ( 5 ) angezeigt und im MeBumformer ( 6 ) in ein Einheitssignal umgeformt. Die Skala des Manometers kann mit L oder kg Inhalt beschriftet sein. Bei Venvendung der Einperlmethode an Behaltern unter Druck muB dafiir gesorgt werden, daB das Perlgas uber eine Druckregelung entweichen kann.
5.3.5 Standmessung nach der Verdrangungsmethode
@--
Theoretische Grundlagen
P
i"
Ein Korper erscheint umso leichter, j e weiter er in eine Flussigkeit eintaucht. Eine Feder, die den Korper halt, wird dabei immer mehr entlastet und zieht sich zusammen. Die LInge der Feder ist ein MaB fur die Hohe einer Fullung (Abb. IV-48).
Technische Durchfuhrung An zwei seitlichen Rohrstutzen am Behalter wird ein Rohr ( I ) angebracht, in dem sich der Auftriebskorper ( 2 ) befindet. A m oberen Rohrende ist die MeBeinrichtung (3), die die Veranderung
I
Abb. IV-47. Methode zur Messung des Fliissigkeits-
standes. - I Einstellventil, 2 Stromungsmesser, 3 Perlrohr, 4 Beluftung, 5 Manometer, 6 MeRumformer fur Perldruck, 7 MeRumformer fur Bodendruck, 8 MeRumformer fur Differenzdruck, pu Uberdruck, pststatischer Druck der Flussigkeit.
1
Abb. IV-48. Standmessung nach der Verdrangungsmethode. - Mit zunehmender Flussigkeitshohe wird
die Feder entlastet.
5 Kontrolleinrichtungen (MeBgerate)
557
der Haltefeder in ein Einheitssignal umsetzt, das der Hohe der Fiillung entspricht. Die MeBeinrichtung kann natiirlich nur den Fullstand eines Behalters im Bereich des MeDrohres (1) anzeigen. Sinkt z.B. der Fullstand unter das Niveau des MeDrohres ab, kann er vom MeBinstrument nicht mehr erfal3t werden. Die Methode kann an offenen Behaltern und an Gefd3en unter Druck angewendet werden (Abb. IV-49). umso groDer, je schneller die Fliissigkeit flieDt. Bei gleicher geforderter Menge in der Zeiteinheit flieRt die Flussigkeit bei kleinem Rohrquerschnitt schneller, bei groBem Rohrquerschnitt langsamer.
Technische Durchfiihrung In einem sich nach oben erweiternden (konischen) Rohr befindet sich eine Kugel. Die von unten stromende Flussigkeit tragt die Kugel nach oben, bis sie durch den entstehenden Zwischenraum zwischen Kugel und Rohr hindurchfliekn kann (1). Bei stirker werdendem DurchfluS wird die Kugel weiter nach oben getragen, damit ein groDerer Zwischenraum zwischen Kugel und Rohr entsteht (2). Die Hohenlage der Kugel ist ein MaB fur die durchstromende Fliissigkeitsmenge pro Stunde (Abb. IV-5 1). Bei noch groljeren DurchfluRmengen werden statt Kugeln (1) Kegel ( 2 ) (Abb. IV-52) als Schwebekiirper verwendet. Die Skala ist auDen am Glasrohr angebracht. An dieser Skala befindet sich auch ein Hinweis, fur welche Fliissigkeit die Skala gilt. Stromt eine andere Fliissigkeit mit abweichender Dichte oder Zaigkeit durch das Gerat, ist der abgelesene Wert zu korrigieren. Abb. IV-49. Einrichtung zur Standmessung nach der Verdfingungsmethode. - 1 Mefiroh, 2 Auftriebskorper, 3 Mefistelk mit MeBumformer.
5.4 DurchfluBmessung 5.4.1 Durchflunmessung mit dem Schwebekorpermesser
Theoretische Grundlagen Stromt eine Flussigkeit oder ein Gas durch ein Rohr von unten nach oben, versucht sie, alle Korper, die sich im Rohr befinden, nach oben mitzutragen (Abb. IV-SO). Die Kraft der Flussigkeit 1st
Abb. IV-51. Freie Stromungsquerschnitte im konischen Rohr.
558
1
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
2
dem Hindernis entsteht daher ein groaerer Druck als hinter dern Hindernis. Der Druckunterschied zwischen den Stellen vor und hinter dem Hindernis ist von der Geschwindigkeit abhangig, mit der die Flussigkeit das Hindernis passiert. Auch bei strornenden Gasen tritt dieser Druckunterschied auf (Abb. IV-54).
Abb. IV-52. SchwebekBrper
Technische Durchfuhrung Meistens wird die Stellung des Kegels an einer Oberkante abgelesen. Bei Kugeln oder anderen Schwebekorpern muR man sich an die Betriebsanweisungen der MeBinstrurnente-Hersteller halten (Abb. IV-53).
In ein gerades Rohrstuck wird eine MeJblende eingebaut. Sie besteht aus einern Ring mit scharfer Kante, dessen innerer Durchmesser kleiner ist als der Innendurchmesser des Rohres. Die Flussigkeit oder das Gas mussen die Blende passieren, dabei entsteht ein Stau, dessen GroBe ein MaR fur den hindurchfliefienden Strorn ist. Der Druckunterschied zwischen der + Seite und der Seite wird mit dern Differenzdruck-MeBgerat angezeigt oder mit einem -MeBumforrner in ein Einheitssignal umgeformt. Die Skala des Instrumentes ist in m3/h oder bei Darnpf in tlh eingeteilt (Abb. IV-55).
Abb. IV-53. Ablesestelle am Rohr mit Schwebe-
korper. Einen besonderen EinfluR auf die Messung hat die Zahigkeit des stromenden Stoffes. Temperaturanderungen verandern die Zaigkeit und bewirken dadurch MeBfehler. 5.4.2 Durchflufimessungmit der Normblende
Theoretische Grundlagen (s.Abschn. 1-5) Trifft eine stromende Flussigkeit in einern Rohr auf ein Hindernis, staut sich die Flussigkeit. Vor
Abb. IV-55. MeRblende und Differenzdruckmessung.
Abb. IV-54. Stromlinien am Hindernis im durchflossenen Rohr.
5 Kontrolleinrichtungen (MeBgerate)
559
Abb. IV-56. Bewegung der Ovalrader im ZiihIer
5.4.3 Mengenmessung mit dem Ovalradzahler
Technische Durchfuhrung Zwei Ovalrader mit Zahnung stehen sich in einem Gehause gegenuber und dichten gegeneinander und mit der Gehausewand ab. Werden die Ovalrader von einer Flussigkeit angestromt, so beginnen sie sich zu drehen. (Abb. IV-56). Die Bewegung der Ovalrader ist so gerichtet, dal3 das eingeschlossene Flussigkeitsvolumen zwischen Rad und Gehause aus dem Ziihler stromen kann. Die Umdrehungszahl der Ovalrader in der Zeiteinheit ist von dem Flussigkeitsstrom durch das Rohr abhkgig. Das Volumen der Flussigkeit, die das MeBwerk durchstromt, wird erfaRt, die Me& groSe in elektrische Impulse umgesetzt und an ein elektrisches Anzeigegerat weitergegeben. Niemals darf ein Ovalradziihler ohne Schutzsieb in der Zuleitung betrieben werden: die empfindlichen Ziihne oder das glatte Gehause mussen vor Beschadigung geschutzt werden, urn ein Klemmen und Steckenbleiben des Ovalrades zu verhindern.
So bedeutet z. B. pH 1 starksauer pH 5 schwach sauer pH 7 neutral, d. h. weder sauer noch basisch pH 9 schwach basisch pH 14 stark basisch (s. auch Kap. 1-5).
Technische Durchfuhrung Der pH-Wert wird mit sehr empfindlichen MeOfuhlern als schwaches elektrisches Signal gemessen und uber Spezialkabel auf einern Anzeigegerat sichtbar gemacht. Als MeBfiihler dienen zwei verschiedene Elektroden (eine MeO- und eine Bezugselektrode), die mit Salzlosungen gefiillt sind und zwischen denen, je nach pH-Wert in der MeBflussigkeit, eine geringe Spannung auftritt (Abb. IV-58).
5.5 pH-Wert-Messung Theoretische Grundlagen (Abschn. 1-5) Der pH- Wert ist ein MaR fur die Wasserstoffionen-Konzentration. Die gebrauchliche pH-Skala ist in 14 Stufen eingeteilt und reicht von 0 bis 14 (Abb. IV-57).
0
1
2
1
l
1
souer
3 1
L 1
5 1
6
7
8
9
1
1
1
1
neutral
Abb. IV-57. pH-Wert-Skala.
1011 1
I
121314 I I I
bosisch
Abb. IV-58. pH-Wert-
MeBprinzip. Die Messung der sehr kleinen Potentialdifferenz zwischen den Elektroden wird schon gestort, wenn das Kabel nicht ordnungsgema verlegt ist oder sich an der Elektrode durch Beriihren rnit b l o k n Fingern ein Fettfilm gebildet hat. Die MeBanordnung muR deshalb regelmaig uberprtift werden. Dazu werden die MeBfiihler in Eichlosungen (Pufferlosungen) eingetaucht. Der Ausschlag am Anzeigeinstrument muB dann mit dem jeweiligen Kennwert der Eichlosung ubereinstimmen (Abb. IV-59 bis IV-61).
560
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Abb. IV-59. Glaselektrode.
Abb. IV-60. Bezugselektrode.
Abb. IV-61. Einstabmeakette.
1 Glasmembran, 2 Bezugslosung, 3 Ahleitelektrode, 4 Schim, 5 Diaphragma, 6 Elektrolyt, 7 Bezugselektrodcnsystem, 8 Nachfullbsung, 9 Koaxialkabel.
5.6 Temperaturmessung 5.6.1 Ausdehnungsthermometer
Theoretische Grundlagen Wird ein Korper e r w m t , dehnt er sich aus, kiihlt er ab, vemngert sich sein Volumen. Case und Flussigkeiten zeigen diese Eigenschaft besonders ausgepragt. Diese Volumenanderung eines Gases oder einer Fliissigkeit bei sich andemder Temperatur bildet die Grundlage fur die Temperaturrnessung mit Ausdehnungsthermometem (s. Abschn. 11-4.3).
Behalter iiber eine Kapillare an ein DruckmeBgerat angeschlossen. Bei steigender Temperatur dehnt sich das Quecksilber in dem Behalter aus und driickt das in der Kapillare befindliche Gas zusammen, oder die organische Flussigkeit dehnt sich aus und geht teilweise in den gasformigen Zustand uber. Mit beiden Methoden wird ein Druck erzeugt, der am Manometer abgelesen werden kann und ein MaJ fur die Temperatur ist (Abb. IV-63). Stabthermometer Auch mit Hilfe der Ungenausdehnung eines Stabes kann man die Ternperatur messen. Eine Seite des Stabes ist dazu fest eingespannt, die an-
Technische Durchfuhrung Fliissigkeitsthermometer In einen kleinen Fliissigkeitsbehalter aus Glas, der in ein langes, diinnes Rohrchen auslauft, wird Quecksilber gefiillt. Bei Erwarmung dehnt sich das Quecksilber aus und steigt in dem Rohrchen hoch (Abb. IV-62). Die Hohe der Quecksilbersaule ist ein MaR fur die Temperatur der Umgebung. Anstelle von Quecksilber konnen auch andere Flussigkeiten, z. B. Ethylalkohol, verwendet werden. Gas- und Fliissigkeitsfederthemometer In einen Fliissigkeitsbehalter wird Quecksilber oder eine organische Flussigkeit gefullt und der
Abb. IV-62. Temperaturmessung durch Ausdehnung einer Fliissigkeit hei Erwikmung.
5 Kontrolleinrichtungen (Meagerate)
561
--
Abb. IV-63. Fliissigkeitsfederthermometer.
dere Seite ist beweglich angeordnet und verstellt bei Langenausdehnung einen Zeiger (Abb. IV-64). Dabei darf sich die Lange der Halterung bei WiirmeeinfluB nicht verandern.
! I II"
5.6.2 Temperaturmessung mit dem Thermoelement Theoretische Grundlagen Verbindet man zwei Driihte aus verschiedenen Metallen durch Verdrillen, Loten oder SchweiBen und erhitzt man diese Verbindungsstelle, kann an den AnschluBklemmen eine sehr geringe elektrische Spannung gemessen werden. Diese Spannung ist abhangig von der Art der beiden Metalle und von dem Temperaturunterschied zwischen der erhitzten Stelle und den AnschluBklemmen (Abb. IV-65). Das Drahtpaar nennt man Thermoelement.
Technische Durchfuhrung Man benutzt zur Temperaturmessung Thermoelemente aus folgenden Metallkombinationen:
:
Abb. IV-65. Thermoelement.
Pluspol
Minuspol
Spannung
Eisen Nickelchrom Platinrhodium
Kupfernickel Nickel Platin
5,4mV/100"C 4,l mV/100"C 0,64mV/100"C
Verlangerungen der Thermoelemente bis zur MeBstelle werden aus Spezialleitungen (Ausgleichsleitungen) hergestellt, die die gleichen Kennfarben (blau, griin, weiB) haben wie die verwendeten Elemente selbst (Abb. IV-66). Die Vergleichsstelle Die Spannung am Instrument (6) ist abhangig von dem Temperaturunterschied zwischen MeB-
Abb. IV-64. Stabthermometer. 1 Skala und Zeiger, 2 Ausdehnungsstab, 3 feste Halterung.
Kennfarben
Kurzbezeichnung
rot-blau rot-griin rot-weiB
Fe-CuNi NiCr-Ni PtRt-R
stelle (1) und Vergleichsstelle (4). Die Vergleichsstelle muB deshalb immer konstante Temperatur haben. Es gibt dafur genormte Temperaturen:
0°C 20 "C
50 "C
mit Eisbad mit Hilfe einer elektr. Schaltung, die die Temperatur vortauscht mit Thermostat und Heizung
562
0
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
0 0
0
0
8
Technische Durchfiihrung Der MeBwiderstand besteht aus Platindraht und ist auf einen Keramiktrager aufgewickelt oder in ein Glasstabchen eingeschmolzen (Abb. IV-68). Der MeBwiderstand, man nennt ihn Widerstandsthermometer, wird in ein Schutzrohr eingelassen und so an den MeBort gefuhrt.
Abb. IV-66. Thermoelement-MeRanordnung. 1 Thermoelement, 2 AnschluRstelle des Elements, 3 Verlangerungsleitung (Ausgleichsleitung), 4 Temperatur-Vergleichsstelle, 5 Kupferleitung, 6 MeRinstrument, 7 Abgleichwiderstand.
n
Von der Skalenbeschriftung des Anzeigeinstruments kann auf die Temperatur der Vergleichsstelle geschlossen werden.
5.6.3 Temperaturmessung mit dem Widerstandsthermometer Theoretische Grundlagen Der Strom (I), der bei konstanter Speisespannung durch einen Stromkreis flieBt, ist von dem elektrischen Widerstand ( 2 ) abhangig. Durch Erhohung der Temperatur wird der elektrische Widerstand (4) grbjer, so daB ein kleiner Strom (3) flieljt (Abb. IV-67). Diese Anderung des Stromes wird zur Bestimmung der Temperatur a m Widerstand benutzt.
Seine technische Bezeichnung lautet Pt 100 DIN. Um eine ungewollte Widerstandsanderung der MeBleitungen zum Anzeigeinstrument auszuschlieBen, sind MeBschaltungen auszufiihren, bei denen drei Leitungen am Widerstandsthermometer angeschlossen werden (Dreileiterschaltung). Bei 0 ° C hat das Pt 100 DIN den Widerstand 100 Ohm. Bei 100°C hat es einen Widerstand von fast 140 Ohm.
5.7 Membranregelventil
I
Ein Regelventil hat die Aufgabe, ein Produkt zu dosieren. Der Kegel ( I ) wird d a m mehr oder weniger dem Sitz (2) genahert, so d& sich die Offnungsflache verandert (Abb. IV-69). Der Kegel wird bei Handregelventilen mit Hilfe eines Handrades und einer Gewindestange bewegt. Bei Membranregelventilen wird das Ventil durch
I
Abb. IV-67. Widerstandsthermometer, MeRprinzip. 1 Stromanzeige bei kaltem Widerstand, 2 Widerstand (kalt), 3 Stromanzeige bei env-tem Widerstand, 4 E r w m u n g des Widerstands.
-
Abb. IV-69. Ventilarmatur.- 1 Kegel, 2 Sitz.
5 Kontrolleinrichtungen (Meagerate)
563
5.8 Regelstrecken
d Abb. IV-70. Pneumatischer Stellantrieb. - 1 Oberer DruckanschluB, 2 unterer DruckanschluB, 3 Membran, 4 Gestiinge.
einen pneumatischen Stellantrieb verstellt (Abb. IV-70). Im betrieblichen Einsatz unterscheidet man prinzipiell zwei Arten von Ventilen, das SchlieJventil (Abb. IV-71 a) und das Ofiungsventil (Abb. IV-71 b). Der Unterschied zwischen den beiden besteht darin, daB das SchlieBventil schlieBt, wenn es,mit Druckluft angetrieben wird, wahrend das Offnungsventil mit Druckluft offnet. Besonders wichtig sind diese Eigenschaften im sog. Sicherheitsfull: fdlt die Druckluft (Ausgangssignal eines Reglers) aus, geht das Ventil, von einer starken Feder angetrieben, in die Sicherheitsstellung, d. h. das SchlieRventil offnet sich, das Offnungsventil schlieRt sich. Durch Verandem der Wirkungsrichtung der Feder und AnschlieDen der Steuerluft auf der entgegengesetzten Seite der Membran kann das Verhalten eines Ventils umgekehrt werden.
Anlagenteile, in denen physikalische GroBen wie Druck, Temperatur, DurchfluD gegen Storungen aufrecht erhalten werden, nennt man Regelstrecken. Der zur Regelung herangezogene MeBwert aus der Regelstrecke heifit RegelgroJe x. Die Aufgabe der Regelung ist es, die RegelgroBe in der Regelstrecke konstant zu halten oder nach Programm zu verandern. Um die RegelgroBe einstellen zu konnen, wirkt der Regler uber ein Stellgerat (2.B. Ventil) auf die Regelstrecke. Dazu gibt der Regler ein Stellsignal y aus. Man betrachtet eine Regelstrecke als Teil eines Regelkreises mit dem Eingang y (StellgroRe) und dem Ausgang x (RegelgroRe).
5.9 Regler Viele Vorgange in der Technik verlaufen nur dann einwandfrei, wenn bestimmte Bedingungen genau eingehalten werden. So laufen z. B. einige chemische Reaktionen nur bei ganz bestimmten Temperaturen ab, die Temperatur im Reaktionsbehalter muR also auf einem konstanten Wert gehalten werden. Das kann dadurch geschehen, daR ein Facharbeiter am Thermometer beobachtet und das Ventil fur die Dampfbeheizung entsprechend der Abweichung mehr oder weniger offnet. Stimmt die RegelgroJe x mit dem Fiihrungswert w (Sollwert) uberein, steht das
Abb. IV-71. a) SchlieBventil, b) Offnungsventil. - 1 Mernbrankarnmer, 2 Feder, 3 Kegelstange, 4 Kegel, 5 Sitz.
564
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Dampfventil in der richtigen Stellung. Die Abweichung zwischen Regelgroae und FiihrungsgroBe wird Regelabweichung xw genannt. Bei auftretender xw muR die Stellung des Dampfventils so verandert werden, daB die Temperatur wieder der FiihrungsgroBe entspricht. Regelungsaufgaben werden in der heutigen hochtechnisierten Produktion von selbsttatigen Reglern gelost. Ein Regler ,,versteht" die MeBsignale und auch die FiihrungsgroBen in der ,,Sprache" des Einheitssignals. MeBwerte, die dem Regler zugefiihrt werden sollen, miissen deshalb vorher von einem MeBumformer in ein elektrisches oder pneumatisches Einheitssignal umgeformt werden. Im Regler vergleicht ein MeBwerk die FiihrungsgroBe w mit der gemessenen RegelgroBe x . Tritt eine Abweichung der beiden ein (xw), verandert der Regler die Stellgrofle y , durch die z. B. ein Ventil auf einen anderen DurchfluOquerschnitt eingestellt wird. Die RegelgriiBe beeinflufit wieder die MeBstelle I , und der Kreis ist geschlossen. Man spricht deshalb von einem Regelkreis. 1st dieser Regelkreis an einer Stelle unterbrochen, kann die Regelung nicht mehr funktionieren (Abb. IV-72).
U
Im Gegensatz dazu konnen unstetige Regler nur fest vorgegebene Ausgangssignale abgeben. Der Zweipunkt- oder Ein-Aus-Regler nur 0 % oder 100%, der Dreipunktregler nur z.B. 0 % , 50 % oder 100 70.
5.9.1.1 Proportional-Regler Theoretische Grundlagen Von einem proportionalen Verhalten eines Reglers spricht man, wenn eine Anderung des Ausgangssignals der Eingangssignalanderung im gleichen Verhaltnis folgt. An dem zweiseitigen Hebel einer Regeleinrkhtung fur Standhohe 1aBt sich dieser Zusammenhang leicht erklaren. Dabei sol1 y die Stellungsanderung des Ventils sein, die auf der anderen Seite durch die Regelabweichung xw hervorgerufen,wurde. Der Ubertragungsbeiwert errechnet sich aus KPR=
\i
Ausgangsanderung
XW
Eingangsanderung
A =
Wie in Abb. IV-73 gezeigt, sind zum Durchlaufen des Stellbereichs y = 100% auf der anderen Seite des Hebels unterschiedliche xw, abhangig von der einzustellenden Lage,,des Drehpunktes, notwendig. Die prozentuale Anderung von x (Eingang), die notwendig ist, urn ein y (Ausgang) von 100% am Regler zu bewirken, nennt man den Proportionalbereich Xp des P-Reglers. In Abb. IV-73 sind bei a) ein Xp = loo%, bei b) ein Xp von SO 5% und bei c ) ein X , = 200 % eingestellt. &loo%
0%
Abb. IV-72. Blockdarstellung eines Regelkreises. - 1 MeBstelle mit MeRfuhler, 2 Signalleitung, 3 MeRumformer, 4 MeRsignal als Einheitssignal (RegelgroRe), 5 Regler, 6 FuhrungsgroRe als Einheitssignal, 7 StellgroOe als Einheitssignal, 8 Regelventil, 9 Produktleitung, 10 RegelgroRe.
lOO%
100%
5.9.1 Stetige Regler
i , 0%
Stetige Regler sind in der Lage, einen Stellantrieb in jede mijgliche Stellung zu bringen. Dem Ausgang des Reglers steht der gesamte Stellbereich zwischen 0 und 100% zur Verfiigung.
Abb. IV-73. y ist x W proportional
+ w
a) Befindet sich der Drehpunkt in der Mitte, wird zur Einstellung von y = 1.F% und xw von 100%benotigt. Der Ubertragungsbeiwert des Signals xw betragt 1.
= 50%
b) Teilt der Drehpunkt den Hebel im Verhaltnis 2 : 1, wird nur ein xw von 50 % benot.igt, um y von 100% einzustellen. Der Ubertragungsbeiwert betragt 2.
X,
y=lOO%
565
x, = 100%
Drehpunkt
y=lOO%
5 Kontrolleinrichtungen (Meagerate)
x, = 200%
Technische Durchfuhrung Regler werden dort eingesetzt, wo bestimmte Bedingungen trotz eintretender oder erwarteter Storungen aufrecht erhalten werden sollen. In Abb. IV-74 wird eine Regeleinrichtung mit einem Proportionalregler eingesetzt, um den Druck p in der Rohrleitung trotz unterschiedlicher Entnahme durch die Ventile V,, V,, V, konstant zu halten. Durch weiteres Offnen der Ventile wird mehr entnommen, und der Druck in der Rohrleitung sinkt. Bei sinkendem Druck p nimmt die Druckkraft im MeDbalg M ab, und die Feder F driickt rechts den Hebelarm des Reglers nach unten, bis die Federkraft wieder gleich der Druckkraft ist. Je nach eingestelltem Proportionalbereich X , (Drehpunkt) wird die Wegeanderung am Eingang auf das Ventil iibertragen, welches sich dadurch ein Stuck weiter offnet. Mit dem Proportionalregler ist es jedoch nicht moglich, bei groBerer Entnah-
c j Teilt der Drehpunkt den Hebel im Verhaltnis 1 :2, wird nur ein xw von 200 % benot.igt, urn y von 100 % einzustellen. Der Ubertragungsbeiwert betragt 0,5.
me durch V , , V,, V, den Druckp wieder auf seinen urspriinglichen Wert einzustellen. Weil das Ventil V mehr hindurchlassen soll, muf3 der Kegel etwas angehoben bleiben. Diese Stellung ist jedoch nur moglich, wenn der Druck im Mef3balg und damit in der Rohrleitung kleiner ist als vorher, denn Kegel und MeBbalg sind starr miteinander verbunden. Es stellt sich eine sog. bleibende Regelabweichung ein. Diese kann durch Verschiebung des Drehpunktes nach rechts, also in Richtung kleinerem Proportionalbereich X,, vemngert werden. ,,Ubertreibt" man die Verkleinerung des Proportionalbereichs X,, hat dies zur Folge, daO bereits kleinste Druckschwankungen in der Rohrleitung zu grof3en Bewegungen des Ventilkegels fiihren. Damit wird die RegelgroBe nicht mehr stabil. Das kann so weit fiihren, daB das Ventil im Wechsel ganz auf oder ganz zu f& und der Druck in groDen Bereichen schwankt.
Abb. IV-74. Proportionalregler fur Druck.
566
1V Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Der Vorteil des P-Reglers liegt darin, dafi er auf eine Storung sehr schnell reagiert und sofort den Durchlafiquerschnitt des Ventils so einstellt, daI3 der Storung entgegengewirkt wird. Sein Nachteil ist die bleibende Regelabweichung.
5.9.1.2 Regler mit I-Verhalten Theoretische Grundlagen In der Mathematik verwendet man die Rechenart Jntegrieren" zur Summierung kleinster GroBen zwischen Anfangs- und Endbedingung eines Vorgangs. Regler mit I-Verhalten sind integrierend wirkende Regler. Das bedeutet in diesem Zusammenhang, dalJ der Regler die Summe aus den Abweichungen zwischen Sollwert und Istwert iiber die gesamte Zeit bildet. Entsprechend der Summe der Abweichungen xw stellt sich das Ausgangssignal y des Reglers ein. Daraus kann man schlieBen, daR sich das Ausgangssignal y stets vergrofiert, solange eine Abweichung xw zwischen Istwert und Sollwert vorhanden ist, und daR das Ausgangssignal y umso schneller wlchst, j e groI3er die Abweichung x, ist. Ein integrierend wirkendes Gerat ist z. B. der Stellantrieb, der von einem Gleichstrommotor angetrieben wird. Der Motor M o erhalt seine Spannung aus dem Unterschied zwischen dem festen Kontakt auf
Abb. IV-76. Integrierend wirkender Regler fur Druck.
der oberen Seite des Widerstandes R und dern beweglichen unteren Abgriff K . Stehen sich die beiden Kontakte gegeniiber, ist die Spannung U = ,n = 0, und der Motor bewegt sich nicht. Steht der Abgriff K um x W versetzt, wie in Abb. IV-75 gezeigt, liegt am Motor die Spannung U an, und j e nach Polaritat der Versorgungsspannung dreht der Motor die Welle rechts oder links herum. An der Motorwelle befindet sich eine Gewindestange, die die Hiilse H um y nach oben oder unten bewegt. Solange eine Regelabweichung xw vorhanden ist, dreht der Motor, und die StellgroI3e y wachst. Je groBerx, ist, umso schneller dreht der Motor und umso schneller wachst y.
Abb. IV-75. Elektrischer Stellantrieb als Regelkreis
mit I-Verhalten.
5 Kontrolleinrichtungen (Meagerate)
Technische Durchfuhrung In Abb. IV-76 wird ein I-Regler eingesetzt, um den Druckp in der Rohrleitung trotz unterschiedlicher Entnahme durch die Ventile V , , V,, V , zu gewahrleisten. Durch SchlieBen eines der Ventile wird weniger aus der Rohrleitung entnommen, der Druck steigt. Bei steigendem Druck wird die Druckkraft im MeBbalg M groRer als die Federkraft. Der MeBbalg dehnt sich nach links aus und druckt dabei die Feder F so weit zusammen, bis die Federkraft gleich der Druckkraft im MeBbalg ist. Bei diesem Vorgang hat sich der Abgriff K am Widerstand R aus der Mittelstellung nach links verschoben. Nun liegt entsprechend der Abweichung xw eine Spannung U am Elektromotor an. Der Motor dreht, und die Hulse H wird nach unten bewegt. Sofort beginnt der Druck in der Rohrleitung zu fallen. Damit nimmt die Druckkraft am MeBbalg ab, die Feder dehnt sich aus, bis wieder die Federkraft und die herrschende Druckkraft im MeBbalg gleich sind. Damit hat sich der Abgriff K am Widerstand R ein Stuck nach rechts verschoben. x, und damit U sind kleiner geworden. Der Motor dreht langsamer und wird zum Stillstand kommen, wenn der Druck wieder so groB geworden ist, dab die beiden Abgriffe am Widerstand R gegenuberstehen. Jetzt ist trotz geringerer Entnahme der gewunschte Druck wieder erreicht. Das Regelventil V befindet sich jedoch in einer anderen Stellung, weil weniger aus der Rohrleitung entnommen wird und deshalb auch weniger nachgeliefert werden darf. Anders als beim Proportionalregler ist der I-Regler in der Lage, den Wert der FuhrungsgroBe wieder zu erreichen. I-Regler haben keine bleibende Regelabweichung. Sie sind jedoch gegenuber dem P-Regler langsamer, und die RegelgroBe neigt eher zum Schwingen.
567
Unabhangig vom Gerltetyp oder Hersteller lassen sich Regleraufgaben durch Regler mit unterschiedlichem Regelverhalten losen. Die Wirkung der Regler wird in Blockdarstellungen erIautert, in denen man die Art der Signalverarbeitung im Innern des Gerates auRer acht laBt und nur die Eingangs- und Ausgangssignale der Regelkreisglieder betrachtet.
5.9.2 Unstetige Regler Bei den unstetigen Reglern besteht ein ,,unstetiger" Zusammenhang zwischen Abweichung (xw) der RegelgroBe von der FuhrungsgroBe und dem Stellsignal y als Ausgang des Reglers. Der einfachste Regler in der Gruppe der unstetigen Regler ist der Zweipunktregler. Aber auch Mehrpunktregler gibt es in der grol3en Palette technischer Losungen von regelungstechnischen Problemen.
5.9.2.1 Zweipunktregler Theoretische Grundlagen Zweipunktregler gehoren zu den haufig verwendeten Reglern. Sie sind preisgunstig und ohne groBen technischen Aufwand betriebsbereit. Als Beispiel fur einen Zweipunktregler wird der Bimetallregler erlautert. Der MeBfuhler eines solchen Reglers ist ein Bimetallstreifen. Der Bimetallstreifen besteht aus zwei kalt aufeinandergewalzten Blechen unterschiedlicher Metalle, die fest aufeinander haften und verschiedene Langenausdehnungskoeffizienten besitzen (Abb. IV-77).
5.9.1.3 Einheitsregler Die in den beiden Abschnitten IV-5.9.1.1 und -5.9.1.2 beschriebenen Regler sollen die grundsatzlichen Wirkungsweisen von P- und I-Reglern zeigen. In der modernen Regelungstechnik venvendet man selten diese Reglertypen, sondern setzt sog. Einheitsregler ein, die mit den Einheitssignalen 0 ... 20 mA, 4 ... 20 mA oder 0,2 .. . 1 bar arbeiten und an denen das Verhalten P, I und D* eingestellt werden kann.
Abb. IV-77. Bimetallstreifen als Temperaturfiihler.
*
i n OK-
P = Proportional-, I = Integral- und D = Differentialregler.
E r w k n t sich der Streifen, erfdm das Untere Metal1 eine groBere Langenausdehnung als das obere. Dadurch biegt sich der an einem Ende befestigte Streifen nach oben. Zu jeder Temperatur stellt sich eine bestimmte Biegung ein bzw. eine bestimmte Hohenanderung, bezogen auf die Lage des Streifens bei LU
L.
568
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Technische Durchfiihrung In diesem sehr einfachen Temperaturregelkreis (Abb. IV-78) dient die Lampe als Heizung. Mit der Stellschraube wird die FuhrungsgroRe von 60 "C eingestellt. Dazu wird der Bimetallstreifen wie eine Blattfeder nach auBen gedriickt. Der elektrische Strom flieRt uber die Stellschraube zum Bimetallstreifen, von dort zur Lampe und wieder zuriick zur Spannungsquelle. Die Isolation I sorgt dafiir, daR der Strom iiber die Kontakte flieljen muR.
ein bestimmter Abstand unterschritten, zieht der Magnet das Eisenplattchen an, und der Kontakt schlieBt sich. Zur Losung des Kontaktes muR der Bimetallstreifen eine bestimmte Spannung uberschreiten, bis das Eisenplattchen vom Magneten wegspringt (Abb. IV-79).
$0 ,bp ,"o oc
B
m
Sollwert w
Abb. IV-79. Bimetallregler mit Sprungschalter in der Phase der Abkuhlung.
Abb. IV-78. Zweipunkt-Bimetall-Temperaturregler.
Die Lampe heizt den Bimetallstreifen solange auf, bis er die Temperatur von 60°C uberschreitet. Jetzt lost sich der Streifen vom Kontakt. Der Strom wird unterbrochen, die Lampe erlischt. Der Bimetallstreifen kuhlt sich ab und verliert dabei wieder an Kriimmung. Bereits nach kurzer Zeit hat er die Kontaktschraube wieder beriihrt. Im gleichen Moment ist der Stromkreis wieder geschlossen, die Lampe leuchtet auf, und der Vorgang beginnt von vorn. Die Beriihrung des Bimetallstreifens mit der Kontaktschraube erfolgt ohne Kraft. Dabei kann es bei hoheren Schaltleistungen zu Funkenbildung oder zu Lichtbogen komrnen, die die Kontakte miteinander verschweiBen konnen oder zu Abbrand fuhren. Aus diesem Grund und auch urn die Schalthaufigkeit der Kontakte herabzusetzen, wird bei solchen Reglern ein Sprungschalter benutzt. Er besteht z. B. aus einem kleinen Dauermagneten mit gegeniiberliegendem Eisenplattchen. Wird
Der Sprungschalter bringt eine groRere Schaltleistung und bewirkt wegen der geringeren Schalthaufigkeit eine hohere Lebensdauer der Kontakte. Dafur nimmt die Uberschwingweite der Temperatur zu (Abb. VI-80).
Abb. VI-80. Verlauf der RegelgriirJe ,,Temperatur" bei einem Regelkreislauf rnit Zweipunktregler.
5 Kontrolleinrichtungen (MeBgerate)
5.9.2.2 Dreipunktregler
569
Die in der Abb. IV-83 dargestellten Bezeichnungen bedeuten:
Theoretische Grundlagen Bei Dreipunktreglem ist es moglich, neben den beiden Schaltzustanden AUS und EIN eine Schaltstelle fur z. B. halbe oder dreiviertel ,,Last" zu betatigen. Die Schaltfolgediagramme zeigen die eingeschaltete ,,Last", z. B. die in einer Heizung umgesetzte elektrische Leistung (Abb. IV81 und -82).
K1: Volle Last EIN K2: Halbe Last EIN K3: AUS R , und R2: Heizwiderstande
Die gezeigte Schaltung hat zwei Moglichkeiten: R2 allein eingeschaltet oder RZund R , in Reihe geschaltet. Gemeinsam haben R , und R2 einen hoheren elektnschen Widerstand. Bei gegebener SpanPraktische Durchfiihrung nung U wird ein geringerer Strom flieRen und Am Beispiel eines Dreipunkt-Bimetall-Tempera- damit weniger elektrische Energie in Wiinne turreglers mit Mittelkontakt sol1 das Prinzip die- umgesetzt werden, als bei der Einschaltung von R2 allein. ses unstetigen Reglers dargestellt werden.
Abb. 1V-81. Zweipunktregler. I4
U
Abb. IV-83. Dreipunkt-Bimetall-Temperatumegler.
!7
b
5.10 Leitgerat
100%
50%
0
Abb. IV-82. Dreipunktregler.
t
Um von der MeBwarte aus auf eine Regelung EinfluB nehmen zu konnen, werden Leitgerate installiert. An ihnen kann die FiihrungsgroRe fur den Regler an dem Drehknopf ( 2 ) (Abb. IV-84) eingestellt und dem Regler (1) zugefuhrt werden. Das Ausgangssignal des Reglers geht zum Leitgerat zuriick und iiber einen Schalter (3) zum Ventil (5). Sol1 die Ventileinstellung durch den Regler erfolgen, muB der Schalter (3) auf ,,Automatik" (A) stehen. Will man das Ventil von Hand bedie-
570
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Abb. IV-84. Schaltplan eines Leitgerates. - 1 Regler,
2 Drehknopf zur Einstellung der Fuhrungsgro8e.
nen, mul3 der Schalter auf ,,Hand" (H) umgelegt werden. Nun kann man mit dem Drehknopf ,,Hand' (4)das Ventil (5) offnen und schliehen. Bei der Umschaltung am Leitgeriit von Automatik auf Hand und umgekehrt mu8 dafiir gesorgt werden, daO dieselbe StellgroBe am Handeinstellknopf eingestellt ist, wie sie auch der Regler zur Zeit ausgibt. Dazu besitzt das Leitgerat zwei Instrumente, welche die Werte ,,StellgroRe Regler" und ,,StellgroRe Hand'' unabhangig vom Umschalter anzeigen. Erst wenn beide Zeiger sich genau gegeniiberstehen, darf umgeschaltet werden (Abb. IV-85).
3 Umschalter Hand, Automatik, 4 Drehknopf zur Einstellung der StellgroSe von Hand, 5 Ventil.
Ruckfiihrung der RegelgroBe (die angibt, welche Wirkung der Eingriff des Steuersignals in der Anlage hatte) an das Steuergerat. Bei einer Steuerung liegt eine ,,offene Kette" vor und nicht wie bei der Regelung ein ,,geschlossener Kreis" (Abb. IV-86 und -87).
x:xSirecke
Stellen
Vergleichen
Abb. IV-86. Geschlossener Regelkreis.
Strecke
Abb. IV-85. Frontansicht eines Leitgerates. - 2 Dreh-
knopf zur Einstellung der FiihrungsgroBe, 3 Umschalter Hand, Automatik, 4 Drehknopf zur Einstellung der StellgroSe von Hand.
5.11 Steuerungen
Abb. IV-87. Offene Steuerkette.
5.11.1 Definition
5.11.2 Signale in Steuerungen
Im Gegensatz zur Regelung, deren Hauptmerkma1 ein geschlossener Wirkungsablauf von Messen, Vergleichen mit der FuhrungsgroBe, Verandern des Stellsignals und wieder Messen darstellt, versteht man unter einer Steuerung das Beeinflussen eines Energie- oder Massenflusses durch ein Steuersignal. Dabei erfolgt keine
Die Steuerungstechnik gehort zu dem Gebiet der ,,automatischen Signalverarbeitung" und findet in der chemischen Technologie breiten Einsatz. Mit der Entwicklung der Elektronik ergaben sich fur die Steuerungstechnik eine grohe Zahl unterschiedlicher Anwendungsgebiete.
5 Kontrolleinrichtungen (Meagerate)
57 1
5 4 -
3 2 1 -
a) Signal analog iiber eine Leitung.
0
0
I
0
c 0
1
0 1
0 1
0
0
0
0
0
0
0 ' 1 A
0
01
1
'd D
0000 1000
0
b) Signal digital parallel: 4 Leitungen notwendig (die Ziffern werden von oben
nach unten gelesen).
c) Signal digital seriell iiber eine Leitung (die Ziffern werden von links nach
rechts gelesen).
1
Abb. IV-88. Signaldarstellung analog und digital.
Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal von Steuerungen ist die Art der Signale, mit denen sie arbeiten. Man unterscheidet analoge, binare und digitale Signale.* Ein analoges Signal kann innerhalb eines Bereiches jeden beliebigen Wert annehmen. Binure Signale werden zur Darstellung von Grenzwerten herangezogen. Sie konnen die Signalzustande 0 oder 1 annehmen. Ein digitales Signal setzt sich aus einer Reihe von dualen Signalen zusammen, die ihm einen Informationsgehalt geben.
*
ana logon (grch.) - im richtigen Verhaltnis. hinar (engl.) - zweiwertig. digitus (lat.) - Finger.
Abb. IV-88 zeigt die gleichen MeBwerte in analoger und digitaler Signalart. Zu den Zeiten 0, 1, 2, 3 ... Sekunden wurde die GroDe des analogen Signals abgelesen und in ein digital-paralleles und digital-serielles Signal umgewandelt. Beim digital-parallelen Signal (Abb. IV-88 b) hat der Signalteil A die Werte 0 oder 1, Signalteil B die Werte 0 oder 2, Signalteil C die Werte 0 oder 4 und Signalteil D die Werte 0 oder 8. Die Werte der zur gleichen Zeit ubereinanderliegenden Impulse werden addiert und ergeben den Wert, den das analoge Signal (Abb. IV-88 a) beim Durchlaufen der Zeitlinie 0, 1, 2 ... Sekunden besitzt. In Abb. IV-88 c werden in jeder Sekunde alle vier Signalteile A, B, C und D hintereinander aufgeztihlt. Auch hier gelten die Werte, die den
572
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Signalteilen zugeordnet sind. Die Summe aus diesen Werten innerhalb jeder Zeitspanne ist wieder gleich dem Wert, den das analoge Signal beim Durchlaufen der Zeitlinien 0, 1, 2 . . . Sekunden besitzt. Umsetzung des Analogsignals (Dezimalwert) in Digitalsignal (Dualwert) siehe nachfolgende Tabelle:
Dezirnalwert
Dualwert*
Entschlusselung
I
0001 0101 1000 0111 0100
1 ' 2O
5 8 7 4 2
*
0010
Zur Verarbeitung digitaler Signale werden Zahler, Register und Speicher benutzt. Mit Hilfe von Verkniipfungs-, Zeit- und Speichergliedern werden binare Signale zu Steuerungs- oder Stellbefehlen verarbeitet.
1.20+0.2'+1.2' 0 . 2 ° + 0 . 2 ' + 0 , 2 2 +I . 2 ' I .20 + 1 . 2 ' + 1 , 2 > 0 ' 2 " + 0 ' 2 ' + 1 '2' 0 . 2 " + 0 . 2 ' + I .2'
=I =5 =8 =7 =4
=2
Das Dualsystem ist ein Stellenwensystem zur Basis 2. das iiber einen Vorrat von zwei Ziffern (0 und I ) verfugt. Der Stellenwen eincr Ziffcr steigt von rechts nach links in Potenzen zur Basis 2 an, z . B . Die Dual~ahl101 10 hat die Dezimaldarstellung 0 . 2 " + 1 ~ 2 ' + 1 . 2 ' + 0 . 2 ' + 1, Z 4 = 0 + 2 + 4 + 0 + 1 6 = 2 2
6 Dichtungen an Wellen
Die schwachsten Stellen einer Anlage oder Maschine sind haufig Dichtungen an Wellen. Ihr Versagen fiihrt zu Stillstand der Maschine und Produktionsverlusten und gefahrdet nicht selten die Umgebung, besonders wenn durch Undichtigkeit giftige, brennbare, atzende oder explosive Stoffe entweichen. Der Auswahl der Dichtungen und Packungen ist daher besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Dichtungen an Wellen werden als Stopfbuchsen oder Gleitringdichtungen ausgefiihrt.
6.1 Stopfbuchsen Der innere Aufbau von Stopfbuchsen soll nach Abb. IV-89 ausgefiihrt sein. Die auBere Form der Stopfbuchsen richtet sich nach den ortlichen Erfordernissen und Gegebenheiten. Das Packungsmaterial wird nach pH-Wert, Druck, Temperatur und Umfangsgeschwindigkeit ausgewahlt.
Wartung und Pjlege von Stopjbuchsen Der Druckring der Stopfbuchsen darf nicht zu fest angezogen werden, da sonst die Bewegung der Welle gebremst wird. Aufierdem tritt hierdurch Reibungswkme auf, die zur Zerstorung der Packung fuhrt. Von grofiter Wichtigkeit ist weiter das gleichmaaige Anziehen der Druckschrauben. Unsachgemue Wartung von Stopfbuchsen kann zur Zerstorung der Wellen fiihren, ,,Fressen" der Welle. Der natiirliche VerschleiB soll sich immer an der Packung auswirken, nicht an der Welle . 1st der im Behalter befindliche Stoff heifi, ist es empfehlenswert, den Raum urn die Stopfbuchse mit einem Kiihlmantel zu umgeben. Beim Einbau in Pumpen soll die Stopfbuchse etwas tropfen. Dadurch wird die Stopfbuchse vom Fordergut mitgeschmiert und gekiihlt. Dies ist natiirlich nur bei ungefahrlichen, nicht giftigen und nicht atzenden Stoffen erlaubt.
Verpackung einer Stopfbuchse
Abb. IV-89. Stopfbuchsen.- I Welle, 2 Packungsschnure, 3 Druckring.
Die gebrauchlichsten Packungsmaterialien sind: flammenhydrolytisch gewonnene Kieselsauren, auch Kunststoffe auf Silicon-, Polysulfid- und Acrylbasis und Baumwollgewebe, die mit verschiedenen Gleitstoffen, z. B. Graphit oder PTFE*,impragniert sein konnen, sowie reine Graphitbander (s.Abschn. 111-1.6.7). *
Eolytetra_fluor~thylen.
Bevor eine Stopfbuchse verpackt oder nachgezogen werden kann, mufi die Welle stillstehen. Behalter miissen drucklos sein. Arbeiten an Stopfbuchsen bei laufender Maschine sind strengstens verboten (Unfallgefahr!). Der Motor muB abgeklemmt oder der Schalter abgeschlossen werden. Wenn die Maschine stillgesetzt und der Motor abgeklemmt oder dessen Schalter abgeschlossen ist, wird der Apparat drucklos gemacht und entleert,wenn der Behalterinhalt iiber der Welle steht. Das Abklemmen des Motors darf nur von einem Elektriker durchgefuhrt werden. Die alte Packung mufi restlos entfernt und die Welle griindlich gereinigt werden. Danach wird die neue Packschnur zu Einzelringen passend zugeschnitten. Die geschnittenen Packungsringe werden einzeln mit einer Hiilse, keinesfalls mit einem Stab, auf den Grund gedriickt, bis die Buchse gefiillt ist. Das Einlegen der Ringe hat mit jeweils um 90" versetzten Schnittenden zu erfolgen. Damit sol1 verhindert werden, dafi der DurchfluBstoff an den Stofistellen durchdringt . Nun setzt man Druckring und Brille auf und zieht
574
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
6.2 Gleitringdichtungen Die Gleitringdichtung setzt sich aus einem feststehenden radialen und einem rotierenden axialen Dichtelement zusammen. Sie enthilt mindestens ein elastisches Teil, um die entstehenden Reibungskrafte aufzufangen. Diese Art der Abdichtung verwendet man bei hohen Dichtheitsanspruchen und hoheren Drehzahlen. Hierbei ist imrner cine Sperrflussigkeit zum Schmieren und Kuhlen erforderlich (Abb. 1V-90). Abb. IV-90. Gleitringdichtung.
6 3 Stopfbuchslose Abdichtung mindestens zwei Druckschrauben wechselweise gleichmaBig an. Einseitiges Anziehen beschadigt Packung und Welle. Oft ist es nach dem ersten Anziehen erforderlich, noch einen oder mehrere Packungsringe einzulegen. Es sollen jedoch nur soviel Ringe eingelegt werden, dalj der Druckring j e nach Stoffbuchsengrolje 10 mm bis I5 mm im Gehause sitzt und die Muttern der Druckschrauben voll auf den Gewindebolzen passen. Alte Stopfbuchsen sollte man nur im auljersten Notfall nachverpacken. Man erneuert besser die ganze Packung.
Bei Kreiselpumpen gibt es eine Bauart mit stopfbuchsloser Abdichtung. Diese eignet sich besonders zum Fiirdern giftiger Stoffe. Pumpe, Motor und Lager befinden sich hier in einem Gehause, ohne Durchfuhrung nach auBen (SpaltrohrmotorPumpe). Die stopfbuchslose Abdichtung hat viele Vurteile: vollige Dichtheit, Vermeidung der Reibung an der Stopfbuchse, keine Wartung. Nachteilig sind der relativ hohe Preis und die schlechte Zuganglichkeit bei Betriebsstorungen.
7 Lagerung und Forderung yon festen Stoffen
Der Betrieb einer chemischen Fabrik erfordert den Transport und die Lagerung groRer Mengen fester, flussiger und gasformiger Stoffe. Lagerund Speicheranlagen sind erforderlich, um genugend Vorrat an Rohstoffen und Fertigprodukten zu haben.
7.1 Lagerung fester Stoffe Je nach Art, Eigenschaften und Wert kann die Lagerung fester Stoffe erfolgen: - im Freien, - in geschiitzten Lagem, das sind Schuppen und
Hallen, - in Gebaudelagern wie Lagerhausern, Spei-
chern, in Bunkern und Silos.
Lugerung im Freien
Witterungsbestandige Stoffe konnen im Freien gelagert werden. Beim Aufschutten und Lagern groRer Mengen fester Stoffe im Freien muB der Boschungswinkel beachtet werden. 1st der Boschungswinkel zu steil, konnen gefahrliche Unfallquellen entstehen, da die Schuttguter ins Rutschen kommen und Abgrenzungen (Mauern) eindriicken konnen. Weiter mu6 beachtet werden, daB sich viele organische Stoffe, auch Kohle und Briketts, beim Lagern in zu hohen Haufen durch den eigenen Druck erwarmen und entzunden konnen. Die zulassige maximale Lagerhohe darf nie iiberschritten werden. Lugerung in geschutzten Lagern
Zur Lagerung von Stoffen, die zwar unempfindlich sind, aber doch nicht direkten Witterungseinfliissen ausgesetzt werden sollen, benutzt man offene Lagerhallen oder Schuppen. Steine, Holz, Leeremballagen, aber auch Produkte in Fassern 0.a. kann man so lagern.
Lugerung in Gebaudelagern
In geschlossenen Gebaudelagern oder Speichem werden vorzugsweise fertige Produkte in Fassern, Sacken, Kannen, Hobbocks, Kartons usw. gelagert. Lagerhauser und Speicher sind einoder mehrstijckige Gebaude. Insbesondere bei Gebauden mit mehreren Stockwerken ist die zulassige Deckenbelastung zu beachten. Diese wird in kg/m2 auf einer Tafel oder direkt an der Wand in jedem Stockwerk angegeben . Lugerung in Silos
Silos sind senkrechtstehende Behalter zur Lagerung flieflfahiger Schuttgiiter, z. B. Pulver, Granulate. Die Fullung erfolgt von oben durch Fordereinrichtungen. Die Entleerungsoffnung befindet sich unten, sie ist meist mit einer Abfullvorrichtung, der Absackanlage, gekoppelt. In Silos konnen nur solche Stoffe gelagert werden, die nicht stark zum Verbacken neigen. Durch Frittenbiiden am Boden der Behalter kann Luft eingeblasen werden, um ein Verbacken zu vermeiden. Dungemittel und Kunststoffpulver werden auf diese Weise gelagert. Bereits gefiillte Fasser, Kannen, Sacke usw. mussen bezuglich Inhalt und Menge einwandfrei beschriftet sein. Die Beschriftung sol1 mit Farbe erfolgen und nicht verwischbar sein. Beschriftung mit Kreide 0.a. genugt nicht. Die Beschriftung erfolgt heute durch Aufdrucken. Von Waren, die zum Versand kommen, mu6 ein Standmuster zuriickgehalten werden, urn bei spateren Reklamationen eine Kontrolle vornehmen zu konnen.
7.2 Forderung fester Soffe Das Gesicht einer modernen Fabrik wird durch mannigfaltige Transporteinrichtungen, das sind Rohrleitungen, Bander, Bahnen, Krane usw., gepragt. Verkehrsanschlusse bestimmen die Lage der einzelnen Betriebe, wobei Betriebe mit hohem Guterumschlag am gunstigsten an einem Wasserweg liegen.
576
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Fiirdermittel Bei der Wahl der Fordermittel spielt die Wirtschaftlichkeit eine besondere Rolle. Das Fordermittel wird von der Art des zu fordernden Stoffes bestimmt. Weiter ist zu beachten, daR fast jeder Transport, jedes Umladen und jede Forderung fester Soffe mit einem Abrieb des Materials bzw. einer Zerkleinerung und deshalb mit Verlust und Entwertung des Produkts verbunden ist. Forderer werden nach ihrer Betriebsweise in -
diskontinuierlich arbeitende Forderer und kontinuierlich arbeitende Forderer
eingeteilt. Hierbei kann man nach den Fordermittelkonstruktionen weiter unterteilen in -
pneumatische Forderer, hydraulische Forderer und mechanische Forderer.
72.1 Diskontinuierlich arbeitende Forderer Diskontinuierliche Forderer fur waagerechte und senkrechte Fiirderung sind: Elektrokarren, Gabelstapler, Hubkipper, Aufzuge, Krane, Seil- und Hangebahnen, Winden, Flaschenzuge, Elektroziige usw. Eine bedeutende Rolle in der diskontinuierlichen Fbrdertechnik spielen Krane und Aufiiige. Die wichtigsten Bauarten sind: Handkrine, elektrische Laufkrane, auch Laufkatzen genannt, Portal- oder Bockkrane, Drehkrane und Verladebrucken. Wegen der Gefahrlichkeit der Krane sind eine ganze Reihe von Sicherheitsvorschriften zu beachten. Eine der wichtigsten Sicherheitsvorschriften 1st: Im Schwenkbereich der Krane und unter schwebenden Lasten ist der Aufenthalt strengstens verboten. Bei Aufrugen unterscheidet man Kleinlastenaufzuge bis 100 kg Tragkraft, Lastenaufzuge mit und ohne Fuhrer, Personenaufzuge und Forderanlagen fur Bergwerke. Alle Vorschriften fur den Betrieb von Aufzugen sind in der Aufzugsordnung enthalten. Zum Ausgleich des Fahrkorbgewichts dienen Gegengewichte von 40 % bis SO % der Nutzlast. Turverriegelungen verhindern den Betrieb des Fahrstuhles, solange eine Tur geoffnet ist. Rollenfiirderer (Abb. IV-9 I ) dienen dem Transport von Kisten, Fassern und Sicken. Bei schwach steigender Forderung konnen die Rollen angetrieben werden, bei schwach geneigter Forderung rollt der Gegenstand infolge der Schwerkraft. Rollenforderer sind fast wartungs-
Abb. IV-91. Rollenfiirderer.
frei, im Betrieb BuBerst billig und sehr betriebssicher. Fluschenziige werden von Hand betrieben. Sie durfen nicht uberlastet werden, die Hochstlastangabe auf dem Zug ist zu beachten. Auch Elektroflaschenzuge finden in Chemiebetrieben zum Heben Verwendung. Fur geringe Hubhohen benutzt man Winden und hydraulische Hebebiicke. Fur den innerbetrieblichen Transport von Stuckgut haben sich Gahelsrupler immer mehr durchgesetzt. Gabelstapler sind sehr beweglich und mit speziellen Zusatzgeraten vielseitig einsetzbar.
Abb. IV-92. Paletten. - a) Gitterboxpalette. b) Flachpalette.
7 Lagerung und Forderung von festen Stoffen
577
Eng verbunden mit der vielseitigen Verwendung der Gabelstapler war die Entwicklung der Palette. Eine Palette ist eine transportable Plattform mit oder ohne Aufbau, mit deren Hilfe man eine Giitermenge zusammenfassen und eine Ladeeinheit zum Befordern mit mechanischen Einrichtungen oder zum Lagern und Stapeln bilden kann (Abb. IV-92).
7.2.2 Kontinuierlich arbeitende Forderer Fiirderschnecken sind Schuttgutforderer fur waagerechte oder geneigte Forderung bis max. 30%. Die angetriebene Schnecke wirkt als Forderorgan, man kann damit feinkorniges Material fordern. Sie sind unzweckma5ig fur scharfkantige Stoffe. Nachteilig an dieser Forderung ist, da5 sie zerkleinernde Wirkung hat. - Forderschnecken finden auch als Mischschnecken Verwendung (Abb. IV-93). Mit Bandfiirderern lassen sich alle vorkommenden Schuttguter befordern. Sie sind vor allem fur Massenguter wie Dungemittel, Erze, Kohle u.a. geeignet. Es werden bis zu 3 m breite, endlose, flache oder muldenformige Bander aus Geweben, Gummi, Kunstfasern oder Metallgeflechten verwendet. Besonders gut geeignet sind Muldenbander, da sie pro Zeiteinheit groBere Mengen als Flachbander transportieren kon-
Abb. IV-94. Fiirderbander. - a) Flachband, b) Muldenband.
nen und das Fordermaterial durch die Muldenform besser gegen Herunterfallen geschutzt ist (Abb. IV-94). Wegen der Gefahr der elektrostatischen Aufladung miissen die Bander aus leitfahigem Material bestehen. Bandforderer arbeiten heute mit einer Bandgeschwindigkeit von ca. 5 d s . Die maximale Forderleistung liegt bei 18 000 t/h. Bandforderer werden fur horizontale und schwach steigende Forderung verwendet (Abb. IV-95).
Abb. 1V-93. Fiirderschnecke.
Abb. IV-95. Bandforderer. 1 Spannwalze,2 Antriebswalze.
578
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Abb. IV-96. Elevator.
Elevatoren* bzw. Becherwerke gestatten sowohl eine senkrechte, als auch eine geneigte Forderung . Dies sind Schuttgutforderer mit Bechem als Trageinrichtungen und Gurtbiindern oder Ketten als Zugeinrichtungen. Die Becher schop-
*
elevare (lat.) - emporheben.
fen das Gut meist aus einem Trog und geben es oben durch Umkippen wieder ab (Abb. IV-96). Mit Hilfe der pneumatischen Forderung werden Guter bis zu einer KomgroBe von 50 mm transportiert. Bei dieser Forderart wird das Gut durch einen bewegten Luftstrom gefordert, welcher mit Ventilatoren erzeugt wird. Dabei mu13 die Stromungsgeschwindigkeit des erzeugten Luftstromes groBer sein als die Sinkgeschwindigkeit des Fordergutes. Je nach Stoffart betragt diese Geschwindigkeit 15mls bis 50 m l s . Es wird weiter zwischen Saug- und Druckfiirderung unterschieden. Saugforderung wird angewendet, wenn von verschiedenen Lagerbehaltern an eine Stelle, z.B. an die Produktionsstelle, gefordert werden soll. Druckfiirderung wendet man an, wenn von einer Stelle, der Produktionsstelle, an viele Stellen gefordert werden soll. Ungeeignet fur die pneumatische Forderung sind klebrige Stoffe. Die Vorteile der pneumatischen Forderung liegen in der selbsttatigen, schonenden und staubfreien Forderung. Die Arbeiter kommen mit dem Fordergut nicht in Beriihrung. Es treten keine Forderverluste auf, und der Raumbedarf der Forderanlage ist gering. Nachteilig ist der hohe Leistungsbedarf. Wegen der gro13en Reibung besteht auch Gefahr der elektrostatischen Aufladung, deshalb mussen alle Teile der pneumatischen Forderung geerdet werden.
8 Lagerung und Forderung von Flussigkeiten
8.1 Lagerung von Fliissigkeiten Als Lagerbehalter fur Flussigkeiten werden sowohl drucklose Behalter als auch Druckbehalter eingesetzt. Die drucktechnisch gunstigste Form eines Flussigkeitsbehalters ist die Kugelform. Dieser Form angenahert ist die Zylinderform mit halbkugelformigen Enden. Solche Behalter konnen sowohl stehend als auch liegend angeordnet sein. Fur viele Behalter und Tankanlagen gelten besondere Vorschriften. Fur Druckbehalter gelten die Bestimmungen der Unfallverhutungsvorschrift ,,Druckbehalter". Besonders gefahrlich ist die Lagerung brennbarer Fliissigkeiten. Hierbei sind diejenigen Flussigkeiten, die nicht mit Wasser mischbar sind (Gruppe A) gefahrlicher als solche, die mit Wasser mischbar sind (Gruppe B). - Die Vorschriften fur die in Betrieben erlaubten Lagermengen weichen wegen der unterschiedlichen Gefahrlichkeit der Flussigkeiten voneinander ab. AuBerdem ist die Art der LagergefaBe (Bruchsicherheit) von ausschlaggebender Bedeutung. Es gilt der Grundsatz: AuJer den im Arbeitsgang befndlichen Mengen sollen sich keine brennbaren Fliissigkeiten im Arbeitsraum befinden, d. h. Arbeitsraume sollen nicht gleichzeitig als Lagerraume benutzt werden. Eine wichtige Sicherheitseinrichtung fur unter Normdruck stehende Tanks und Apparaturen fur brennbare Flussigkeiten ist die Flammenriickschlagsicherung (KitoRost). Sie wird aus gewellten Metallbandern hergestellt, die zu kreisformigen Scheiben aufgewickelt werden. Die Bandbreite betragt meist 10 mm. Das Metallband besteht aus Kupfer, Neusilber, nichtrostendem Stahl und dergleichen. Die Bander werden dachformig gewickelt, um Wasser oder Kondensat ablaufen zu lassen. In der Regel werden zwei bis drei Kito-Roste hintereinandergeschaltet. Die Roste befinden sich in einem Gehause aus Stahl, GuBeisen, nichtrostendem Stahl oder ahnlichen Metallen. Die Wirkungsweise der Flammenschutz- oder Flammenriickschlagsicherung beruht, wie bei der Davyschen Sicherheitslampe (Bergmanns-
lampe), auf der guten Wthmeleitfahigkeit von bestimmten Metallen (z. B. Kupfer). Wird das durch die Flammenschutzsicherung aus der Entliiftung entweichende Gas gezundet , schlagt die Flamme bis zur Flammenschutzsicherung zuriick. An dieser wird durch die gute Wthmeleitfahigkeit des Metalls die W a m e so gut abgefuhrt, daB unterhalb der Flammenschutzsicherung die Entzundungstemperatur des Gases nicht mehr erreicht wird. Die Flamme schlagt nicht durch, d. h. nicht nach innen in die Apparatur. Kito-Flammenschutzsicherungen (Abb. IV97) konnen nur als Endsicherungen venvendet werden, d. h. sie werden am Ende einer Rohrleitung unmittelbar am zu schutzenden Objekt eingebaut. Sie dienen als Schutzeinrichtungen fur drucklose Lagertanks, Entluftungen fur Apparaturen und Destillationen.
L Abb. IV-97. Kito-Flamrnenruckschlagsicherung. 1 Plexiglashaube,2 Haubentragbolzen, 3 Fremdkorperschmutzsieb, 4 zweifache Flarnrnenschutzsiche-
rung Aus Griinden des Umweltschutzes ist das Entluften von Apparaturen ins Freie nicht ohne weiteres gestattet. So werden z. B. Zwischentanklager und Lagertanks haufig ,,gependelt". Pendeln heiBt: Die Behalter werden uber Druckausgleichsleitungen fur Gase und Flussigkeiten miteinander verbunden. Damit konnen Entluftungen entfallen. Destillationskolonnen durfen nur uber Adoder Absorptionsanlagen, die luftverunreinigen-
580
IV Grundlagen der Maschinenkundc in dcr chcrniachen Technik
de Stoffe zuriickhalten, entliiftet werden. Brennbare Case oder Dampfe werden ruckstandslos abgefackelt .
8.2 Forderung von Fliissigkeiten Flussigkeiten, die ein chemischer Betrieb benotigt, werden bei kleinen Mengen bis zu einigen Kubikrnetern in Transportbehaltern wie Fluschen, Kannen, Fiissern oder Kesselwagen transportiert. Fur grofiere Mengen und kontinuierliches Fordern werden Rohrleitungen verwendet. AuBer bei naturlichem Gefalle ist es erforderlich, den Flussigkeiten Energie zuzufuhren, um Hohenunterschiede und Stromungswiderstande beim Fordern LU uberwinden. Diese Energie wird im allgemeinen durch Pumpen zugefuhrt und als Druck oder Forderhohe, das ist die Hohe der Flussigkeitssaule, ausgewiesen. Pumpen fordern Fliissigkeiten aus einem Gebiet niedrigen Drukkes, dem Saugraum, in ein Gebiet hoheren Drukkes, den Druckraum. Bei Rohrleitungen entsteht ein Druckabfall durch Reibungsverluste lings der Rohrleitungen. Ebenso fallt der Druck ab, wenn die Leitungen in die Hohe gefiihrt werden. Bei Wasser mul3 man bei 10 rn Hohenunterschied mit einem Druckabfall von 10 N/cm*, also rund 1 bar, rechnen. Bei anderen Fliissigkeiten andert sich der Druckabfall je nach der Dichte der Fliissigkeit. 82.1 Pumpen
entstehen, die die angesaugte Flussigkeitsaule unterbrechen. Hierdurch wird die mogliche Ansaughohe kleiner. So kann eine Pumpe bei etwa 70 "C kein Wasser mehr ansaugen. Man mu8 der Pumpe dann einen Vordruck durch eine gewisse Zulaufhohe geben. Nach ihrer Wirkungsweise unterscheidet man: Kolbenpumpen, - Kreiselpurnpen und sonstige Pumpen.
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~
Kolhenpumpen sind Verdrangerpumpen, d. h. durch einen geradlinig hin- und hergehenden Kolben wird die Forderflussigkeit verdrangt. Ahnlich wirken Fliigel- und Umlaufkolbenpumpen, bei denen die hin- und hergehende durch eine umlaufende Bewegung ersetzt ist. Bei der Kolbenpumpe bewegt sich in einem Zylinder ein Kolben hin und her. Durch die Ruckwartsbewegung wird der Raum vergrooert, es entsteht ein Unterdruck. Hierdurch wird das Saugventil geoffnet, und die zu fordernde Flussigkeit wird durch den aufieren Luftdruck in den Pumpenraum gedriickt. Bei der Vorwlrtsbewegung des Kolbens wird das Saugventil automatisch gesehlossen. Der Raum wird verkleinert und sornit die im Purnpenraurn befindliche Fliissigkeit uber das Druckventil in die Druckleitung befordert. Da Kolbenpumpen stoBweise arbeiten, ist auf ihrer Druckseite ein Windkessel angebracht (Abb. IV-98). Das irn Windkessel befindliche Gas bildet ein Luftpolster, das sich komprimieren lafit und den Pumpenstof3 abfAngt. Hort der Pumpen-
Die Arbeitsvorglnge in einer Pumpe laufen wie folgt ab: 1 . Die zu fijrdernde Fliissigkeit wird in den Pumpenkorper eingesaugt. 2. Die Flussigkeit wird aus dern Pumpenkorper in die Druckleitung gedruckt.
Das Ansaugen gcschieht durch einen innerhalb des Pumpenkorpers erzeugten Unterdruck. Der atmosphlrische Druck oder der Vordruck auf der Saugseite der Pumpe wirkt dann auf den Fliissigkeitsspiegel und driickt die Flussigkeit durch ein Saugrohr in den Purnpenkorper. Die Saughohe einer Pumpe betragt bei kaltern Wasser theoretisch etwa 10m. In der Praxis erreicht man diese Saughlihe jedoch nicht. Die Ansaughohe wird besonders stark von der Ternperatur der Pumpflussigkeit beeinflufit. Da bei hoheren Temperaturen der Dampfdruck einer Flussigkeit steigt, konnen durch Verdarnpfung Dampfblasen
Abb. IV-98. Kolbenpumpen.
8 Lagerung und FGrderung von Fliissigkeiten
58 1
hub auf, dehnt sich das Gas irn Luftpolster wieder aus und fordert weiter Flussigkeit in die Druckleitung. Es gibt einfach- und doppeltwirkende Kolbenpumpen. - Bei einer einfachwirkenden Pumpe saugt der Kolben beim Riickwartshub die Flussigkeit an und driickt sie beim Vorwiirtshub weiter. - Bei einer doppelwirkenden Purnpe wird bei jedem Hub hinter dem Kolben angesaugt und vor dern Kolben weitergedriickt. Da Kolbenpumpen gegen jeden Druck firdern, miissen sie auf der Druckseite ein Sicherheitsventil besitzen. Membranpumpen
Sie sind eine Untergruppe der Kolbenpumpen (Abb. IV-99). Man benutzt sie fur Forderstoffe, die z.B. Sand, Schrnutz, Chernikalien enthalten und die Werkstoffe der Pumpen angreifen wurden. Der Zylinder mit dem Kolben wird durch eine Membrane aus Gummi oder Kunststoff von den ubrigen Teilen der Purnpe getrennt. Diese Membrane ubertragt die Saug- und Druckwirkung des Kolbens auf die zu fordernde Flussigkeit. Sie biegt sich durch und folgt so der verdrangenden und saugenden Wirkung des Kolbens. Der Treibzylinder ist z.B. mit Wasser oder 0 1 gefiillt. Dieses ubertragt den Kolbendruck auf die Mernbran. Mernbranpurnpen sind verhaltnisrnaBig unempfindlich und haben, da die bewegten Teile nicht rnit der zu fordernden Fliissigkeit in Beriihrung kornrnen, eine groBe Lebensdauer. Sie sind teurer als einfache Kolbenpurnpen.
Abb. IV-99. Mernbranpumpe.
Kreiselpumpen
Sie sind Zentrifugalpumpen, bei denen durch ein umlaufendes Schaufelrad die Forderfliissigkeit, das ist die zu fordernde Flussigkeit, infolge der Zentrifugalkraft gefordert wird (Abb. IV- 100). Ein Laufrad als Schleuderrad lauft in einern Pumpengehause rnit hoher Umdrehungszahl und beschleunigt hierdurch die zu fordernde Fliissigkeit. Dabei wird die von der Antriebsrnaschine auf das Laufrad der Pumpe ubertragene Energie durch die Zentrifugalbeschleunigung der Forderflussigkeit, bis auf auftretende Verluste, in Bewegungs- und Druckenergie umgewandelt. Dies
Abb. IV-100. Kreiselpurnpe. a) Langsschnitt, 1 Gehause, a
2 Laufrad, 3 Stopfbuchse, 4 Welle, b) Querschnitt.
582
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chcmischen Technik
entspricht bei einer konstanten Drehzahl einer gleichbleibenden ,,Forderhohe" der Pumpe. Die von einem einzelnen Laufrad einsrufger Pumpen erzielbare Forderhohe hangt von der Drehzahl, dem Durchmesser und der Form, d . h . der Kriimmung der Schaufeln des Laufrades, ab. Da die Fiirderhijhe eines Laufrades begrenzt ist, kann man durch Hintereinanderschaltung mehrerer Laufrader auf einer Welle groljere Forderhohen erzielen. Das ist bei mehrstufigen Pumpen der Fall. Durch den direkt gekoppelten Motor wird uber die Welle 4 das Laufrad 2 angetrieben. Hierdurch wird die Flussigkeit gegen das Pumpengehause I geschleudert und in den Druckstutzen gefordert. Kreiselpumpen saugen nicht selbst an, dies liegt in ihrer Konstruktion begriindet. Sie haben keine Ventile. das Pumpengehause ist nicht gegen das Laufrad abgedichtet. Bei Stillstand Iauft daher die Flussigkeit in den Ansaugbehllter zuriick. Wird die Pumpe im entleerten Zustand in Betrieb gesetzt, reicht das erzielbare Vakuum meist nicht aus, um das zu fordernde Medium bis in die Pumpe anzusaugen. Kreiselpumpen mussen daher zur Inbetriebnahme ,mit Fliissigkeit gefiillt werden. Dies kann durch Offnen des Druckventils erfolgen, dann Iauft aus der Druckleitung Flussigkeit zuriick. AuDerste Vorsicht ist hierbei angebracht, wenn auf der Druckseite uber der Fliissigkeit ein Gaspolster unter Druck steht, welches durch die Pumpe riickwarts in den Niederdruckteil stromen konnte. Kreiselpumpen werden gegen das geschlossene Druckseitenventil angefahren. Hat die Pumpe ihre volle Drehzahl erreicht, wird dieses Ventil langsam geiiffnet. Starke Manometerschwankungen deuten darauf hin, dal3 sich Gaspolster in der Pumpe befinden, die Pumpe fordert dann unregelmal3ig. Diese Storung kann wahrend des Betriebes mit heillen Hussigkeiten durch teilweise Verdampfung auftreten. Die Beseitigung des Gaspolsters kann erfolgen durch: -
-
Entluften der Pumpe, Abstellen der Pumpe, damit die Fliissigkeit zuriicklauft. und Kuhlen der Flussigkeit.
Das Auaerbetriebsetzen sollte in folgender Reihenfolge erfolgen: 1. Druckventil schlieljen, 2 . Motor abstellen, 3. Saugseite schliefien.
Vergleich zwischen Kolhen-und Kreiselpumpen Kreiselpumpen haben gegenuber Kolbenpumpen eine Reihe von Vorteilen, aber auch einige Nachteile.
bbrteik von Kreiselpumpen sind: gleichmiiBige Forderung, geringer Anschaffungspreis, - geringer Raumbedarf, - keine zusatzlichen Fundamente erforderlich, - Forderung verunreinigter Fliissigkeiten moglich, - grol3e Fordermengen m o g k h , leichte Regulierbarkeit der Fordermenge durch Einstellung des Druckseitenventils, - grol3ere Betriebssicherheit. da keine Ventile, - meist direkte Kupplung ohne Getriebe zwischen Motor und Pumpe, - geringe Betriebskosten, da wenig Repardturen , - Unempfindlichkeit gegen Absperrung der Druckseite. -
-
~
Nachteile von Kreiselpumpen sind: -
-
~
-
normale Kreiselpumpen saugen nicht selbst an. Selbstansaugende Kreiselpumpen sind als Spezialanfertigung erhaltlich. Fordermenge und Forderhohe sind voneinander abhangig, geringer Wirkungsgrad, der sich bei Teillast noch verschlechtert. sie erzeugen im Vergleich zu Kolbenpumpen einen geringen Enddruck.
Snnstige Pumpen
Bei der handbetriebenen Fliigelpumpe (Abb. JV-101) ist der Kolben durch einen drehbaren Flugel ersetzt, auf dem zwei Klappen (Ventile) angebracht sind. Die Saugleitung ist am Gehause ebenfalls durch zwei Klappen (Ventile) verschlieRbar. Zum Fordern wird der Fliigel innerhalb des Gehauses geschwenkt. Dadurch wird der Pumpraum zwischen den Klappen abwechselnd vergroRert und verkleinert und so die Flussigkeit gefordert. Bei der Zahnradpumpe (Abb. IV-102) erfolgt das Fordern der Fliissigkeit durch zwei gegeneinander laufende Zahnrader, die ineinandergreifen. Die Zahnrader passen genau in das Gehause. In
8 Lagerung und Forderung von Fliissigkeiten
583
Strahlpurnpen konnen auch zur Vakuumerzeugung verwendet werden. Das erreichbare Vakuum liegt bei Wasserstrahlpumpen bei etwa 25 rnbar, bei Dampfstrahlern (Injektoren) (Abb. 1V-103) bei etwa 1 mbar und bei Luftstrahlern bei etwa 5 bis 10 mbar. Strahlpumpen konnen, da keine bewegten Teile vorhanden sind, verschlammte oder verschmutzte Flussigkeiten fordern. Die maximale Forderleistung liegt bei etwa 15 m3/h bei einem Betriebsdruck von 4 bar. Abb. IV-101. Fliigelpumpe.
den einzelnen Zahnlucken der Zahnrader wird die Forderflussigkeit an der Wand entlang gefuhrt und zum Druckstutzen hinausgedriickt. Zahnradpumpen sind sehr klein, konnen aber hohe Driicke erzielen (bis 175 bar). Sie miissen,deshalb eine Sicherung gegen unzulassigen Uberdruck in der Druckleitung, wie z.B. ein Sicherheitsventil oder Uberstromventil, haben. Auch zahflussige Stoffe konnen gefordert werden. Das Fordergut mu8 sauber sein. Zahnradpumpen sind sehr schrnutzempfindlich, deshalb mussen Filter vorgeschaltet werden.
I
I
Abb. IV-102. Zahnradpumpe
Weiter sind Pumpen zu nennen, bei welchen das Treibmittel wie Wasser, Dampf, Luft unmittelbar auf die Forderfliissigkeit wirkt, z.B. Strahlpumpen . Die Wirkungsweise der Strahlpumpen beruht darauf, daB schnell stromende Flussigkeiten oder Gase an der Ausstromoffnung einer Duse einen Unterdruck erzeugen. Schickt man ein Treibrnittel, z.B. Wasser, Dampf oder Luft, durch eine Diise (Abb. IV-103), so wird an deren Austritt das Fordergut angesaugt, mit dern Treibmittel vermischt und weiter gefordert.
Abb. IV-103. Dampfstrahlsauger. - I Kopf, 2 Treibduse, 3 Mischduse, 4 Diffusor.
8.2.2 Druckfasser (pneumatische Fliissigkeitsforderer) Flussigkeiten konnen auch aus Druckfassern mittels Gasdruck gefordert werden. Diese Art der Forderung ist technisch sehr einfach und oft von Vorteil. Sie benotigt keine bewegten Teile, keine Stopfbuchsen und keine Schmierung. Die zu fordernde Flussigkeit wird schonend behandelt. Nachteilig ist dagegen die geringe Forderhohe, da Druckluft und Druckstickstoffnetze in chernischen Betrieben meist nur einen Druck von 3 bar bis 6 bar haben. Auch ist die Belastung der Abluft mit Gasen oder Darnpfen ein Nachteil. Hier kann eine Gaspendelleitung (s. Abschn. IV-8.1), die beide Behalter miteinander verbindet, Abhilfe schaffen. Das DruckfaB oder der Druckbehalter wird zunachst bei geoffnetem Entluftungsventil rnit Forderflussigkeit gefullt. Dann werden ZufluB und Entluftungsventil gesperrt, es wird Druckluft eingeleitet. Die Druckluft treibt das Fordergut durch ein Steigrohr, das bis zum Boden des DruckgefaBes reicht, und fordert es in ein hoher stehendes G e f a . Dabei ist die Forderhohe abhangig von der Dichte der zu fordernden Fliissigkeit (Abb. IV-104). Als grobe Uberschlagsrechnung kann man den erforderlichen Forderdruck p nach folgender Gleichung berechnen:
584
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chernischen Technik p = p’g .h p Druck in bar = lo5N/m’ h Forderhohe in m p Dichte in k g h ’ der Forderflussigkeit g Erdbeschleunigung = 10 N/kg = 10 m/sL ( I bar = 10,20 m Wassersaule: hier mit 10 m WS berechnet .)
3
. -2 _
Rechenbeispiel -1
Eine Flussigkeit mit der Dichte p = 1350 kg/m3 sol1 in ein Gefal3 in 20 m Hohe gedruckt werden. Welcher Druck ist hierzu (uberschlaglich) erforderlich?
Abb. IV-104. Pneumatische Flussigkeitsforderung. I Druckbehalter, 2 Steigleitung. 3 Auffangbehalter. 4 Druckluft, 5 Flussigkeit. ~
,
=
10 N . 1350 kg . 20 r n , m’. bar
kg
m’
10-N
= 2.7 bar
9 Lagerung und Forderung gasformiger Stoffe
Um das Volumen gasformiger Stoffe moglichst gering zu halten, lagert man Gase in Druckbehultern unter Druck (s.Abschn. 11-3.1 und VI-13.3). Kleine Gasmengen werden in Druckgasflaschen gelagert und transportiert (s. Abschn. IV-4.2.5 und VI-13.3). G r o k Gasmengen werden in Rohrleitungen gefordert. Um Gase auf hohere Driicke zu bringen, setzt man Verdichter ein.
9.1 Verdichtung von Gasen Die Verdichtung von Gasen ist durch die auftretende KompressionswWe mit einer Temperaturerhohung verbunden. Wird zum Beispiel Luft von 1 bar auf 3 bar verdichtet, so erhoht sich die Temperatur von 20°C auf 100°C. Aus Sicherheitsgriinden sol1 die Temperatur in einem einstufigen Verdichter 200 “C nicht iibersteigen. Dadurch ist das Druckverhaltnis, das ist das Verhaltnis Enddruck : Anfangsdmck, auf etwa 5 begrenzt. Sind hohe Enddriicke erforderlich, so wird in mehreren Stufen verdichtet. Das Gas wird dann jeweils zwischen den Druckstufen auf die Anfangstemperatur zuriickgekiihlt.
9.1.1 Kolbenverdichter Bei einem Kolbenverdichter wird durch Hin- und Herbewegen des Kolbens in einem Zylinder das Zylindervolumen vergrollert oder verkleinert . Hierdurch entsteht Unterdruck oder Uberdruck, wodurch die Ventile wechselweise geoffnet oder
geschlossen werden (Abb. IV-105), Gas angesaugt, komprimiert und das komprimierte Gas in die Druckleitung gefordert wird. Die Betatigung der Saug- und Druckventile erfolgt durch den Gasdruck.
9.1.2 Rotationsverdichter Im Gegensatz zu den Kolbenverdichtern fiihrt der Verdranger-Kolben von Rotationsverdichtern eine rotierende Bewegung aus. Zu diesem Typ gehiirt der Drehschieberverdichter mit Schieberplatten (Vielzellenverdichter). Durch die exzentrische Anordnung der Antriebswelle mit dem Drehkolben wird iiber dem Drehkolben ein sichelformiger Raum gebildet. In den Schlitzen des Drehkolbens sind Schieber gelagert, die bei der Drehbewegung durch die Zentrifugalkraft an die Wand gedriickt werden. Durch die exzentrische Lagerung wird das Volumen zwischen den Schieberplatten vom Ansaugstutzen bis zum Druckstutzen laufend verkleinert und das eingeschlossene Gas standig verdichtet. Verdichter dieser Bauart arbeiten bei einem Druckverhaltnis von 2 bar bis 5 bar. Sie werden auch zur Vakuumerzeugung eingesetzt (Abb. IV-106). Werden Gase von 1 bar auf 1,l bar bis 4 bar verdichtet, spricht man von Geblasen. Der Walzkolbenverdichter hat zwei gegeneinander laufende Verdrangerkolben, die der Form einer 8 ahneln. Die Walzkolben sind so genau bearbeitet, dal3 sie ganz dicht aneinander an der Gehausewand vorbeilaufen. Durch die Drehbewegung wird das Volumen auf der Saugseite vergrollert,
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Abb IV-105. Einstufiger,doppelt w irkender Kolbenverdichter. - 1 Ein- und Ausgangszkopf, 3 Wasserkiihlung,
586
IV Grundlagen der Maschinenkunde in dcr chcmischen Technik
,/, Abb. IV-106. Drehschiebcrverdichter.
das Gas wird angesaugt. Bei weiterer Drehung wird das angesaugte Gas eingeschlossen und sein Volumen verkleinert. Dann wird das Gas auf der Druckseite des Geblases herausgedriickt (Abb. IV-107). Walzkolbenverdichter zur Vakuumerzeugung sind unter dem Namen ,,Roots-GeblC se" bekannt.
Abb. IV-107. Walzkolbenverdichter(Roots-Geblase).
Wasserringpumpen bestehen aus einem zylindrischen Gehause und einer exzentrisch gelagerten Welle mit einem Flugelrad. Die Welle ist so exzentrisch gelagert, da13 sich die Flugel (Abb. 1V-108) bis auf wenige Millimeter der oberen Gehausewand nlhem. Zur Inbetriebnahme mu13 die Pumpe mit Wasser gefullt sein. Beim schnellen Drehen des Fliigelrades wird das Wasser von den Schaufeln mitgenommen und so ein Wasserring gebildet, der sich der Gehauseform anpaat. Dabei entstehen zwischen Fliigelrad und Wasserring verschieden groBe Hohlraume. Dort, wo der Hohlraum am groBten ist, herrscht der geringste Druck. Hier wird angesaugt (Saugseite). Beim Weiterbewegen wird der Raum durch Eintreten der Flussigkeit in die Zwischenriiume wieder
Abb. IV-108. Wasscrringpumpe. - 1 Ansaugstutzen. 2 Druckstutzen, 3 luReres Gehiiuse, 4 Zylinder, 5 Wasserring. 6 Rotor mit Schaufeln, 7 Saugoffnung, 8 Druck6ffnung. 9 Antriebswelle.
verkleinert, es entsteht Druck (Druckseite). Wasserringpumpen dienen meist als Vakuumpumpen. Die hohe Drehzahl, his zu 3000U/min, gestattet direkten Antrieb durch einen Elektromotor. Das erreichbare Vakuum betragt etwa 25 mbar bis 40 mbar. Ein besonders gutes Vakuum erzeugen Drehschieberpumpen mit Oljiillung. In einem Gehluse rotiert ein exLentrisch gelagerter, geschlitzter Kolben. In den Schlitzen gleiten Schieber, die durch Federdruck nach auBen gegen die Gehausewand gedruckt werden. Diese Schieber trennen den Pumpenraum in Saug- und Druckkammer. Das Gas wird durch den Saugstutzen angesaugt, durch die rotierenden Schieber komprimiert und uber ein Ventil durch eine Olschicht in den Ausgang gefordert (Abb. IV-109). Es wird ein Vakuum von weniger als 1 mbar erreicht.
3 L
5
6 7
8
Abb. 1V-109. Drehschieberpumpe. - I Ansaugstutzen, 2 Druckstutzen, 3 oliiberlagertes Druckventil, 4 Pumpengehause, 5 Gasballastventil, 6 Schieber, 7 exzentrisch gelagerter Rotor, 8 Druckfeder.
9 Lagerung und Forderung gasforrniger Stoffe
9.1 3 Kreiselverdichter Kreisel- oder Turboverdichter stimmen in ihrer Arbeitsweise grundsatzlich mit den Kreiselpumpen iiberein. Ihnen allen gemeinsam ist, daB die umlaufenden Schaufeln Energie auf das gasformige Medium iibertragen. Dabei entsteht durch Anderung der Absolutgeschwindigkeit eine dynamische Druckerhohung. Nach den durchstromten Schaufelradern unterscheidet man Radial- und Axialverdichter. Werden die Schaufelrader des Verdichters radial durchstromt, so spricht man von einem Radialverdichter (Abb. IV-110). Sind mehrere Schaufelrader auf einer Welle angeordnet, so handelt es sich um einen mehrstufigen Verdichter. Der wichtigste Unterschied gegeniiber den Axial-
587
verdichtern ist, daB die in Stromungsrichtung wirkende Zentrifugalkraft die statische Druckerhohung verstarkt. Beim Axialverdichter werden die umlaufenden Laufschaufelkranze und die nachgeschalteten, feststehenden Leitschaufelkranze axial durchstromt. Die eingefuhrte Leistung wird dadurch in Geschwindigkeit umgesetzt und bewirkt so die Drucksteigerung des Mediums (Abb. IV-Ill). Bei Turboverdichtern konnen mehrere Schaufelrader in verschiedenen Gehausen angeordnet sein (Abb. IV-112). Mit dieser Art von Verdichtern lassen sich g r o k Gasmengen verdichten. Die Ansaugmenge betragt bei ihnen bis zu 12000m’/h, die Drehzahl liegt zwischen 3000 U/min und 12000 U/min. Eine Zwischenkiihlung zwischen den einzelnen Verdichterstufen last sich bei dieser Verdichterart vorteilhaft durchfuhren.
A
Abb. IV-110. Radialverdichter(DEMAG).
Abb. IV-112. Turboverdichter mit mehreren Schau-
felradern.
9.1.4 Strahlpumpen Abb. IV-Ill. Axialverdichter(DEMAG).
Zur Erzeugung von Vakuum konnen auch Strahlpumpen (s. Abschn. IV-8.2.1) eingesetzt werden.
10 Dosieren
10.1 Definition Stoff- und Energiestrome mussen am Anfang, wahrend und am Ende eines chemisch-technischen Prozesses gemessen und standig kontrolliert werden. Eine genaue Dosierung* der Reaktionskomponenten und Energiemengen ist eine der wichtigsten Forderungen an ein Produktionsverfahren. Dosieren ist das exakte Zumessen von Stoff- und Energiemengen. Feststoffe werden nach Masse oder Stuckzahl, flussige Stoffe nach ihrem Volumen und gasformige Stoffe nach ihrer Stromungsgeschwindigkeit dosiert. Dosieren ist immer rnit Messen, Steuern und Regeln verbunden.
10.2 Dosieren von Feststoffen Das Dosieren nach Masse erfolgt durch Wiegen. Dazu dienen Waagen, wie z.B. gleicharmige Balkenwaagen, Federwaagen, Pendelwaagen, Dezimalwaagen, Schnellwaagen. Kontinuierliche Dosierungen werden mit Dosierbandwaagen erreicht (Abb. IV-114). Die chargenweise Dosierung erfolgt uber eine GefaOwaage, die nach dem Prinzip ,,auf-zu" gesteuert wird. Komplizierter wird die Dosiertechnik, wenn mehrere Feststoffkomponenten nach einem vorgegebenen Verhaltnis miteinander vermischt werden sollen. Die Wagung wird dann haufig mit einem System gekoppelter Dosierwaagen vorgenommen. Die Methoden zur Dosierung fester Stoffe werden von deren physikalischer Beschaffenheit, wie Korngrolle, Klebrigkeit, Rieselfahigkeit, wesentlich beeinflullt. Auch die Fordertechnik bestimmt die Dosiermethode. Forderbander, Forderschnecken, Schwingforderer, Tellerspeiser oder Zellenradschleusen sind ubliche Transportsysteme.
*
Dosis (groh.) G a k ~
10.2.1 Dosieren durch Feststofforderer Forderschnecken sind Schuttgutforderer fur waagerechte oder bis 30" geneigte Forderungen. Die Geometrie der Schnecke mu8 dem Stoff angepallt sein, da z.B. ein Gut nicht gepreBt oder weiter zerkleinert werden darf. Forderschnecken finden auch als Mischschnecken Anwendung (s. Abb. IV-93). Mit Bandforderern lassen sich alle vorkommenden Schuttguter fordern. Sie sind vor allem fur Massenguter geeignet. Die Bander werden bis zu einer Breite von 3 m hergestellt. Besonders giinstig ist die Muldenform. Wegen der Gefahr der elektrostatischen Aufladung mussen die Bander aus leitfahigem Material bestehen (s. Abb. IV-95). Die Fordergeschwindigkeit betragt bis zu 5 m/s. Bei den Forderrinnen wird das Gut ruckweise gefordert. Die Rinne ist frei an Federn aufgehangt. Durch unterschiedlich schnelle Vorwartsund Ruckwartsbewegungen wird das Gut transportiert. Als Antriebe lassen sich Maschinen mit Unwuchtmassen oder mit elektromagnetischem Vibrationsantrieb einsetzen. Auch der WendeQiirderer gehort zu der Gruppe der Vibrationsforderer. Hier wird das Gut beim Transport oft getrocknet oder beheizt. Das Becherwerk (Elevator) dient zum Fordern bis zu 25m Hohe. Die an der Kette befestigten Becher schopfen aus einem Trog das Fordergut und geben es im Oberteil durch Umkippen wieder ab (s. Abb. IV-96). Beim Tellerzuteiler dreht sich ein Teller mit konstanter Drehzahl. Dieser wird von oben mit dem Produkt beschickt. Ein stehendes, nach der Achse hin verschiebbares Abstreifblech schalt den Feststoff vom Drehteller ab. Durch Verschiebung des Abstreifbleches wird die Menge dosiert (Abb. IV-113). Bei der Zellenradschleuse bzw. dem Zellenradzuteiler handelt es sich um ein vertikales Rad, das in einzelne Zellen unterteilt ist. Bei Drehung des Rades wird in den Zellen (Zahnlucken) das Festprodukt gefordert. Die Menge laBt sich durch Drehzahlanderung variieren. Zellenradschleusen befinden sich meist am unteren Ende
10 Dosieren
589
gen direkt unter den Auslauf eines Silos zu setZen. Man unterteilt Dosierbandwaagen in zwei Gruppen, in geschwindigkeitsgeregelte und gewichtsgeregelte Bandwaagen. Bei der geschwindigkeitsgeregelten Dosierbandwaage wird das Gewicht auf einem bestirnmten Bandabschnitt erfal3t. Entsprechend der gewahlten Durchsatzleistung wird die Bandgeschwindigkeit ausgeregelt (Abb. IV-114). Bandlast x Bandgeschwindigkeit = Forderleistung ijber die Drehzahl des Motors wird der gewunschte Massenstrom eingestellt. Das besorgt der Regler. Die gewichtsgeregelte Dosierbandwaage arbeitet mit konstanter Bandgeschwindigkeit, und die Produktfuhrung wird rnit Hilfe eines Einlaufschiebers oder eines volurnetrischen Vordosiergerates (z.B. Zellrad) ausgeregelt (Abb. IV-115).
4 Abb. IV-113. Tellerzuteiler.
von Bunkem oder Silos. Durch sie wird der Bunker schleusenartig abgeschlossen. Hierdurch ist es z.B. rnoglich, bestirnmte Stoffe in solchen Lagerbehaltern rnit Stickstoff zu uberlagem (Abb. IV- 114).
10.3 Dosieren von Fliissigkeiten Bei Flussigkeiten und Gasen steht das Messen eines Mengenstromes im Vordergrund. Ein Mengenstrom ist die in einer Zeiteinheit stromende Menge eines gasformigen, fliissigen oder festen Stoffes.
1 0 3 3 Dosierbandwaagen Mit Hilfe der Dosierbandwaage wird das Produkt gefordert und laufend gewogen. Fur den Arbeitsablauf ist es besonders vorteilhaft, die Bandwaa-
Forderband \
I I
I
I I I
L
(3
yrn Waage
n
m
i=m.n ~
/
MeOwertaufnehmer und
/
I
_ _ _ _ _ _ _ _ _ _ -1I
Abb. IV-114. Dosierbandwaage. - n Drehzahl der Antriebswelle in s-' ,m Masse des Fordergutes auf der Waage in kg, m = m . n Massenstrom in kg s-' .
590
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik -
Hohenmessung eines von der Fliissigkeit angestromten Korpers im senkrechten, konischen Rohr; Schwebekorperprinzip.
103.1 Dosierpumpen
Abb. IV-115. Zellrad und Fiirderband
Mengenstrom =
Masse ~
Zeit
bzw.
Volumen
Die Eigenschaft der Kolbenpumpen, auch bei wechselndem Gegendruck konstante Flussigkeitsmengen zu fordern, macht sie fur Dosierzwecke geeignet (s. Abschn. IV-8.2.1). Bei ihnen kann die Hubhiihe von ,,null" bis ,,maximal" eingestellt werden. Dabei bleibt die Anzahl der Hube in der Zeiteinheit, d.h. die Pumpendrehzahl, konstant. Mit diesen Pumpen lassen sich noch Mengen bis zu einigen Millilitern pro Stunde genau dosieren. Stabilisatorund Katalysatorlosungen kiinncn auf diese Weise gut dosiert werden. Dosierpumpen sind gleichzeitig Forder- und MeBorgan. Sie haben meist einfach wirkende Tauchkolben, die grofie Dosiergenauigkeit ergeben und gegen Driicke bis zu 3000 bar oder in ein Vakuum fordern. Das Einstellen des Forderstromes kann durch stufenloses Verstellen der Hublange des Kolbens oder der Drehzahl des Antriebes erfolgen.
~
Zeit
Es handelt sich in diesem Fall um die Mengenmessung von in Bewegung befindlichen Massen. Bei Flussigkeiten ist zwischen der Volumenmessung und der DurchfluBmessung zu unterscheiden. Das einfachste Verfahren zur Volumenmessung besteht in der Fullung von HohlmaBen bis zum Uberlauf oder bis zu einer Strichmarke und der anschliefienden Entleerung. In modernen Anlagen wird mit Hilfe einstellbarer Volumen- oder DurchfluBmesser dosiert. Dabei wird z.B. eine VolumengroBe vorgewahlt und der ZufluR unterbrochen, wenn die Flussigkeit eingestromt ist. Unmittelhare Volumenmesser fullen und entleeren MeBkammern. Dazu gehoren z.B. Ovalradziihler und Ringkolbenzahlerm (s. Abb. IV-56). Mittelbare Volumenzahler nutzen die Stromung des Mediums, um ein Flugelrad oder eine Turbine zu bewegen. Aus der Drehzahl wird der Volumenstrom ermittelt und angezeigt. DurchfluJmesser ermitteln den Mengendurchflua aus MeBgrofien des Mediums wie: Differenzdruck an MeBblende oder Venturirohr*,
103.2 Membranpumpen In Membranpumpen tritt eine aus Gummi oder Kunststoff bestehende biegsame Membran an die Stelle des Kolbens (s.Abschn. IV-8.2.1 und Abb. IV-99j. Dosierung durch Stellorgane
Voraussetzung fur die Dosierung mit Stellorganen ist, daR in der Rohrleitung eine Druckdifferenz erzeugt wird. Die unterschiedlich eingestellten Druckdifferenzen haben verschiedene Strome zufolge. Der dazu notwendige Vordruck wird meistens von Rotationspumpen aufgebaut. Das Stcllorgan zur Dosierung befindet sich dabei auf der Druckseite dieser Pumpen. 1st der Vordruck gegeben, so kann eine konstante Dosierung bereits mit einer Duse erfolgen. Will man die Menge andern, so mu8 der Querschnitt der Durchflufioffnung verandert werden konnen.
*
G . B . Venturi (1746-1822). In dem nach Venturi benannten Rohr wird der eintretende Gasstrom zundchst durch eine Verengung des Rohres beachleunigt und anhchlieRend in einem aich erweiternden Teil verzogert. Durch die auftretenden Turbulenzen im engsten Querschnitt des Rohres werden Mischeffekte erzielt.
10 Dosieren
Hierzu sind Ventile mit Einbauten, wie Nadeln und Kegeln, besonders gut geeignet. Die Einstellung kann von Hand uber Bewegungsgewinde und Ventilstangen erfolgen. In modernen, kontinuierlichen Anlagen werden hierzu Membranregelventile eingesetzt, die mit Steuerluft betatigt werden konnen. Dies kann ,,von Hand" erfolgen. Meist wird jedoch der ,,Stellwert" von einem Regler automatisch auf das Membranregelventil iibertragen.
10.4 Dosieren von Gasen Eine Dosierung von Gasen nach ihrem Gasvolumen wird dadurch erschwert, daB Volumen vie1 stkker als bei den Flussigkeiten sowohl vom Druck als auch von der Temperatur abhangt. Diskontinuierlich konnen Gase volumetrisch in Glocken oder Gasometern, die in eine Flussig-
591
keit eintauchen, gemessen werden. Je nach dem vorhandenen Gasvolumen steigt die Glocke oder sinkt. Auf einer geeichten Skala kann das Volumen abgelesen werden. Kontinuierliche Messungen von Gasmengen erfolgen durch Gasuhren. Als MeBgroBe dient der Volumenstrom, das ist das in der Zeiteinheit stromende Gasvolumen. Fur die Dosierung von Gasen werden Regelungsorgane verwendet, die nach dem gleichen Prinzip arbeiten, wie sie bei der Flussigkeitsdosierung eingesetzt werden. Haufig benutzt werden automatisch betriebene Membranregelventile oder von Hand eingestellte Nadelventile. Eine Sonderform der Dosierung von Gasen ist das bei Gasstahlflaschen verwendete Druckminderventil, auch Reduzierstation genannt (s. Abschn . IV-4.2.4).
11 Heizung und Kuhlung
11.1 Heizung
-
Bei vielen Verfahren in der chemischen Industrie ist die Einhaltung einer bestimmten Temperatur erforderlich. In vielen Fallen ist deshalb Zufuhr von Warme notwendig. Dieser W m e b e d a r f wird vorlaufig noch zu mehr als 80% aus der Verbrennung fester, flussiger oder gasformiger Brennstoffe gedeckt, die in Form von Kohle, Erdol und Erdgas zur Verfiigung stehen. Heizung kann unmittelbar durch Brennstoff(Rauchgas) oder Elektroheizung erfolgen oder durch mittelbure HeiLung, bei welcher W m e durch Fliissigkeiten oder Dampfe ubertragen wird. Die Erhitzung des Heizgutes durch Feuergase ist weit verbreitet, so z. B. in Drehrohrofen fur Schwefel, Kies und Zement, in Ringofen fur Ziegelsteine, in Hochofen, Schmiedeofen, Wannenofen. Daneben unterscheidet man direktes und indirektes Heizen. Zur direkten Heizung wird i. allg. Wasserdampf verwendet. Das Einblasen von Wasserdampf in eine Flussigkeit laBt sich rnit wenig Aufwand durchfuhren. Urn den Dampf in gleichmlliiger Verteilung auf eine Flussigkeit einwirken zu lassen, blast man den Dampf in den unteren Teil der Fliissigkeit mit Hilfe von Einblasrohrcn ein. Solche Einblasrohre miissen mit Sicherungen gegen das Zurucksteigen von Flussigkeit in die Einblasleitung ausgestattet sein, z. B. mit einem Riickschlagventil. In der chemischen Industrie wird haufig das Verfahren der indirekten Heizung angewendet (Abb. IV-116), z.B. durch
a)
b)
C)
d)
Abb. IV-116. Heizwandkonstruktion. - a) Frederkingheizung, b) Samka-Berohrung, c) aufgeschweil3te Halbrohre, d) Mantelheizung.
~
-
Mantelheizung, Rohrschlangen, eingegossene Heizschlangen (Frederking) oder aufgeschweiBte Heizrohre (Samka).
Als Heizmirtd dienen vorwiegend Wasserdampf, Warmwasser und Mineralole. Beim indirekten Heizen rnit Wasserdampf gibt dieser seine Kondensationswarme ab und wird flussig. Durch die dabei auftretende Volumenverringerung auf etwa 1/1000 des Dampfvolumens stromt immer neuer Dampf nach. Das Kondensut wird uber Kondensatsableiter (s. Abschn. IV-4.4) aus dem Heizraum entfernt.
11.2 Kuhlung 11.2.1 Kuhlungsarten Bei vielen technischen Prozessen muB Wiirme abgefuhrt, es muB gekiihlt werden. Hierbei unterscheidet man zwischen nutiirlicher und kiinstlicher Kiihlung. Beide Arten der Kiihlung konnen sowohl direkt als auch indirekt erfolgen. Bei der direkten Kiihlung wird das Kuhlmittel direkt in den zu kuhlenden Stoff gegeben, z.B. durch Einwerfen von Eis. Bei der indirekten Kiihlung wird die W k m e uber Wande an das Kuhlmittel abgegeben, z.B. durch Mantelkuhlung. Nutiirliche Kiihlung
Die Anwendung naturlicher Kuhlmittel wie Wasser und Luft ist von den meteorologischen Verhaltnissen abhangig. Bevorzugtes Kiihlmittel ist Wasser, das besonders bei der indirekten Kiihlung infolge hoher Warmeiibergangszahlen kleinere Warmeaustauschflachen erfordert als Luft. Durch seine hohe spezifische Warme ist die zur Kiihlung benotigte Wassermenge verhaltnisma13ig gering. Schwierigkeiten bei der naturlichen Kuhlung konnen im Hochsommer oder in heilien Zonen auftreten. Die in gemaBigten Zonen im Sommer ausnutzbaren Grenztemperaturen sind:
11 Heizung und Kiihlung
Grundwasser 20 "C, Fluawasser 35 "C und Luft 50 "C. Wasserkreislauf iiber Kiihltiirme Das Kuhlwasser wird in der Regel im Kreislauf gefiihrt und in Kiihlturmen wieder abgekuhlt, um es dann wieder als Kuhlmittel zu verwenden. Ventilatorkuhlturme werden bevorzugt (Abb. IV- 117). Die Kuhlleistung ist von der relativen Luftfeuchtigkeit abhangig.
Abb. IV-117. Ventilatorkiihlturm.
Kiinstliche Kiihlung Werden Temperaturen benotigt, die unter den durch natiirliche Kuhlmittel erzielbaren liegen, wendet man die kunstliche Kuhlung an. Bei der indirekten Kiihlung rnit Wasser und anderen Kaltetragern, den Kiihlsolen, werden die gleichen Konstruktionen wie zu Heizzwecken verwendet. Zur kunstlichen Kuhlung mussen die Kiihlmittel (Kiihlsolen usw.) in Kaltemaschinen gekuhlt werden. Die in Kompressions-Kaltemaschinenerzeugte Kalte entsteht dadurch, daR verfliissigte, unter Druck stehende Kaltemittel unter Wairmeaufnahme verdampfen. Zur Expansion der Gase ist weitere Wairme notig (Joule-Thomson-Effekt*).Die fur beide Vorgange erforderliche Wkme wird dem Kuhlgut im Innenraum eines Kuhlschranks entzogen. *
Der Joule-Thomson-Effekt besagt, daB sich komprimierte reale Gase bei der Entspannung abkiihlen, wenn ihnen yon a u k n keine Witme zugeflihrt wird.
593
Zum Transport der in einer Kaltemaschine erzeugten Kalte an eine beliebige Stelle im Betrieb werden Kiihlsolen (waBrige Losungen von SalZen) als Kaltetrager benutzt. Der Gefrierpunkt der Kiihlsole muB tiefer liegen als die Verdampfungstemperatur des Kaltemittels. Es mu0 deshalb im Betrieb besonders darauf geachtet werden, dal3 kein Wasser in die Kiihlsole gelangt, z.B. dann, wenn zuerst mit Wasser, dann mit Sole gekuhlt wird. ZweckmaBig ist es hierbei, Wasser- und Soleleitung durch austauschbare PaBstucke zu trennen. Auf diese Weise kann kein Wasser in die Kuhlsole, aber auch keine Kiihlsole ins Wasser gelangen (Abb. IV- 1 18).
r Abb. IV-118. Getrennte Leitungsfiihrung von Heizund Kiihlmittel. - I Kiihlwasser-Ausgang, 2 KiihlsoleAusgang, 3 Dampf-Eingang, 4 Kuhlwasser-Eingang, S Kiihlsohle-Eingang, 6 Kondensat-Ausgang, 7 austauschbare PaBstiicke.
Kuhlung sollte immer stufenweise, z, B. nach folgendem Schema erfolgen: mit Wasser vorkiihlen, Kuhlmantel entleeren, mit Kiihlsole weiterkuhlen. - Kiihlung mit Wasser ist billiger als Kuhlung mit Sole. Als Kuhlsolen verwendet man die in Tab. IV13 aufgefuhrten wahigen Losungen von Salzen. Tab. IV-13. Daten von Kiihlsolen.
Salzlosung
NaCl MgCL CaCI2
tiefster Dichte Gefrierpunkt "C kg/L -21.1
-33,6
-ss,o
1,17 1,18
1,28
spez. Wiirme kJ/(kg "C) 3,31 2,93 2/54
594
IV Grundlagen dcr Maschinenkunde in der chemischen Technik
Kuhlsole soll zur Verminderung von Korrosionsschaden an Rohrleitungen und Kuhlkorpern moglichst neutral reagieren (pH 7). Wegen der bei Venvendung von Salzsolen dennoch auftretenden starken Korrosion wird heute anstelle der herkommlichen Kuhlsole oftmals eine Mischung von Frostschutzmitteln, das sind Glykole, und Wasser venvendet.
11.2.2 Das Funktionsprinzip von Kaltemaschinen und Warmepumpen Verdampfen und Kondensieren Mit den Kaltemaschinen und Warmepumpen soll Warmeenergie vom niedrigen Temperaturniveau auf ein hoheres Temperaturniveau der Umgebung transportiert werden. Nach dem 2. Hauptsatz der Thermodynamik kann ein freiwillig verlaufender WhnefluB nur von hiiherer zu niedrigerer Temperatur erfolgen (s. Abschn. 1-1 1.4.3).Einen WarmefluR in umgekehrter Richtung zu erzwingen, erfordert Energieaufwand. Bei den Kaltemaschinen und Warmepumpen wird diese in Form von elektrischer und Kompressionsenergie erbracht. Das Funktionsprinzip dieser Warmeumwandlungsmaschinen beruht auf zwei physikalischen Eigenschaften von Flussigkeiten bzw. Gasen. Flussigkeiten nehmen beim Verdampfen Warme auf, die sie ihrer Umgebung entziehen. Wiirmeentzug bedeutet Abkuhlung und Temperatursenkung. Gase setzen bei der Kondensation zu Flussigkeiten Warme frei, Warmefreisetzung bedeutet Erwlrmung der Umgebung und Temperaturerhohung. Gase haben auBerdem die Eigenschaft, sich wihrend der Kompression zu enviirmen, d.h. Kompressionswiinne freizusetzen. Umgekehrt kuhlen sich Gase wahrend der Entspannung ab, da fur den Entspannungsvorgang Warmeenergie notwendig ist. Diese WBrmeenergie wird vom Gassystem selbst geliefert, wenn es von der Umgebung abgeschlossen ist, es kuhlt sich ab. Dabei kann die Abkuhlung bis unterhalb der Kondensationstemperatur erfolgen, so daB sich das Gas verflussigt. Die Vorgange der Kompression*, Kondensation**, Entspannung und Verdampfung werden im Kreislauf mit einem ,,Whnetransportmittel" durchgefuhrt. *
**
comprirnere, coinpressurn (lat.) - zusammendriicken, zusarnrnengedrixkl. condensare (lat.) - verdiehten.
Eine Kaltemaschine ist so konstruiert, dal3 der warmeaufnehmende Verdampfungsvorgang in den zu kuhlenden Raum verlegt wird. Alle anderen Vorgange, die der Veffliissigung und damit wieder der Abkuhlung des Kaltemittels dienen, finden auRerhalb des Kuhlraumes statt. Eine W3rmepumpe ist dagegen so gebaut, daR die warmefreisetzenden Vorgange, wie Kompression (Verdichtung) und Kondensation (Verfliissigung), in den zu warmenden Raum verlegt werden. Die Kompressions- und Kondensationswarme dienen damit der Envarmung. Haufig als Kaltemittel verwendete Stoffe sind Ammoniak und Fluor-Kohlenwasserstoffe.
Das Bauprinzip von
Kompressions-Kaltemaschinen Die Grundkonzeption einer Kompressions-Kaltemaschine besteht aus -
-
dem Kompressor und Motor, dem Verflussiger (Kondensor) mit Kaltemittelsammler, dem Regel- bzw. Drosselventil und dem Verdampfer.
Der Kompressor ist ein Verdichter. Er saugt das gasformige Kaltemittel aus dem Verdampfer, d. h. aus dem zu kuhlenden Raum, an und verdichtet es auf einen ganz bestimmten Druck. Die durch den Motor uber den Kompressor zugefuhrte mechanische Energie wird als Warmeenergie freigesetzt. Diese Kompressionswarme wird im Verflussiger durch ein Warmetauschsystem abgefuhrt. Als Kuhlrnittel dienen je nach Bauprinzip Kuhlwasser oder Luft. Im Verflussiger wird dem komprimierten Kaltemittel soviel W h n e energie entzogen, daB der Kondensationspunkt unterschritten wird. Das Kaltemittel kondensiert, es vefflussigt sich. Die freigesetzte Kondensationswurme wird ebenfalls durch das Kuhlmittel abgefuhrt. Das vefflussigte Kaltemittel wird im Kaltemittelsammler aufgefangen. Es dient gleichzeitig als VorratsgefaR fur den Verdampfer. Dem Fliissigkeitssammler kommt eine Pufferfunktion zu. Er gleicht den Kaltemittelbedarf der Kuhlstellen je nach Kuhltemperatur aus. Ein Teil des unter Druck stehenden flussigen Kaltemittels wird uber das Regelventil in den Verdampfer geleitet. Das flussige komprimierte Kaltemittel verdampft und entspannt sich. Fur beide Vorgange ist Warmeenergie notwendig. Diese W-eenergie wird dem zu kuhlenden Raum entzogen. Er kuhlt sich ab.
11 Heizung und Kuhlung
Durch Veranderung der Regelventiloffnung kann die einstromende, verdampfende und sich entspannende Kaltemittelmenge und damit auch der Kuhleffekt reguliert werden. Die Saugwirkung des Kompressors unterstiitzt und beeinflul3t die Expansion* im Verdampfer. Der Kreislauf ist geschlossen (Abb. IV-119 a).
Bauprinzip einer Warmepumpe Die Wtirmepumpe ist eine Maschine, die unter Aufwendung von elektrischer und mechanischer Energie WLmeenergie von einem niedrigen auf ein hoheres Temperaturniveau ,,pumpt", d. h. mit Hilfe eines Stoffes transportiert. Sie funktioniert nach dem gleichen Grundkonzept wie die Kdtemaschine. Wgirmequellen des niedrigeren Temperaturniveaus konnen Flufiwasser, Grundwasser, Seen, Erdreich und auch atmosphiirische Luft sein. Die Hauptbestandteile einer Wgirmepumpe sind, wie bei der Kaltemaschine, der Kompressor mit Motor, Verflussiger rnit Flussigkeitssammler, das Drosselventil und der Verdampfer. Die zur Verdampfung des leicht verdampfenden Transportmittels, auch Arbeitsmittel genannt, notige Wgirme wird den Warmequellen mit niedrigerem Temperaturniveau entzogen. Im Kompressor und Vefflussiger wird die aufgenommene WLmeenergie als Kompressionswgirme und Kondensationswihne an die zu wLmende Umgebung wieder abgegeben. Die WLmeenergie, die zur Uberwindung des Temperaturgefalles - von niedrig auf hoch - notwendig ist, wird durch den Motor uber den Kompressor bereitgestellt (Abb. IV-119 b). Ein Ventilator (1) saugt die Zuluft an, um die in ihr gespeicherte Wgirmeenergie zum Verdampfen des Arbeitsmittels zu nutzen. Das erfolgt im Verdampfer (2). Das Arbeitsmittel wird vom flussigen in den gasformigen Zustand umgewandelt. Im Kompressor (3) wird dieses Gas komprimiert und dadurch erhitzt. Der Kompressor ist nichts anderes als ein Elektromotor, der eine Kolbenpurnpe antreibt. Er funktioniert relativ leise, da er von Kuhlmittel und von 01 umgeben ist. Das erhitzte Gas gibt im Wgirmetauscher des Kondensators (4) die W b n e an das Kuhlmittel ,,Wasser" ab, welches sich dabei erw-t. Mittels eines Expansionsventils (5) entspannt sich das flussige Arbeitsmittel. Dabei erniedrigt sich der Druck so stark, dal3 das noch flussige Ar-
*
expandere Oat.) - ausspannen.
595
beitsmittel auch bei relativ niedriger Temperatur im Verdampfer (2) gasformig wird. Die erforderliche Wgirmeenergie entnimmt es wieder den Wiixmequellen mit niedrigem Temperaturniveau. Aufgaben der Kaltetechnik sind unter anderem das Kuhlen von Gasen, wie Luft fur Klimaanlagen in Raumen, fur Kiihl- und Gefrierlagerung; das Kuhlen von Flussigkeiten, wie z.B. Milch, Bier, 01; das Kuhlen von Schmelzen zur Erstarmng und Abscheidung, z. B. von Margarine, Stearin u. a. Zur Herstellung von Eis werden die Eiszellen mit Blockgewichten von 25 kg und 12,5kg in solegefullten Behaltern eingefroren. Haufiger sind im betrieblichen Bereich automatische Eiserzeugungsanlagen, die Splitter-, Rohren-. Platten- und Scherbeneis liefern.
11.3 Warme- und Kalteisolierung Leitungen und Behalter fur D2rnpfe und heiBe Flussigkeiten sowie Leitungen fur Kaltesole mussen zur Vermeidung von Wgirme- bzw- Kalteverlusten isoliert werden.
11.3.1 Isolierstoffe Bis zu einer Temperatur von etwa 100°C kommen zunachst die organischen Dammstofle wie Kork, Kunst-, Schaumstoffe und Holzfaserstoffe in Betracht. Fur hohere Temperaturen sind es anorganische Stoffe wie die verschiedenen Arten der Glasfasererzeugnisse, Schlackenwolle bzw. Mineralwolle, Kieselgur als Pulver oder Teig, Magnesia u. a. Zum Schutz der Isolierstoffe gegen aul3ere Einflusse werden sie rnit einem Oberflachenschutz versehen, z.B. rnit Blech, Gips, Dachpappe, Kunststoffen usw. Feuchte Isolierungen verlieren ihre Wirksamkeit, denn Feuchtigkeit leitet Wgirme besser : die Wtirmeleitfiigkeit von Wasser ist etwa 25mal grol3er als die von ruhender Luft. Mit entscheidend fur die Wirksamkeit einer Isolierung ist ihre Dicke, denn je dicker die Isolierschicht ist, urn so geringer sind die W m e verluste.
11.3.2 Ausfuhrungsarten von Isolierungen Man unterscheidet vier Arten der Wgirmeisolierung: - lsolierung mit plastischen Massen,
596
IV Grundlagen der Maschinenkunde in der chemischen Technik Funklionsschema eincr Kulfeanlage mil
verdampftes Kaltemittel (Niederdruckseite]
KompreJsor
dampflormiges Kallemittel (Hochdruckseite) flussiges Kallemillel
~~
zum Heizsystem
vom Heizsystem
.-.-.-.
I Kompressor Warmepumpo
I I
Verd%mpfer
Worme aus Luft Wosser und Erdreich
Abb. IV-119. Bauprinzip einer Wbneumwandlungsmaschine. b) Warmepumpe.
- a)
Kompressions-Kaltemaschine,
11 Heizung und Kiihlung
597
- Isolierung mit Hilfe von vorbereiteten Form-
stucken, - Stopfisolierung, - biegsame Isolierung.
Zu den Isolierungen mit plastischen Massen zahlt man in erster Linie die Isolierungen rnit Kieselgur. Die Isolierung mul3 bei Betriebstemperatur erfolgen. Hierzu wird der Isolierstoff Kieselgur mortelartig angeteigt, um die Rohrleitung geschmiert, mit Binden umwickelt und so Schicht fur Schicht der Isolation aufgebaut. Beim Trocknen erhbtet die Isolation. Sie hat den Vorteil, billig zu sein. Man verwendet sie vorwiegend zur Isolierung von Wasserleitungen. Zu den Isolierungen rnit vorbereitet.cn Formstucken ziihlen diejenigen rnit den Isolierstoffen Kork, Magnesia und Glaswolle. Vorbereitete schalenformige Formstucke werden um die Rohrleitungen gelegt und mit einer Schutzumhiillung, z.B. Blech, Teerpappe u. a., umgeben (Abb. IV-120 a). Vorteilhaft bei dieser Isolierungsart ist die schnelle und saubere Verarbeitung. Nachteilig ist die voluminose Lagerhaltung und der hohe Preis. Fur Stopjisolierungen verwendet man die Isolierstoffe Schlacken- und Glaswolle. Das zu isolierende Rohr wird rnit einem Blechrohr ummantelt, welches dann rnit dem Isoliermittel vollgestopft wird (Abb. IV-120 b). Biegsame Isolierungen sind Matten, Zopfe, Seile, Glasfaden. Sie sind aus gleichen oder a n lichen Materialien wie alle vorgenannten Isoliermittel hergestellt. Ihr Vorteil liegt darin, dab sie leicht zu verarbeiten sind.
Abb. IV-120. Isolierungsformen. - a) Schalenisolierung rnit Glasfaserformstucken; b) Stopfisolierung mit Schlackenwolle.
Fur Kalteisolierungen bevorzugt man heute Kunststoffe. Besonders geschaumte Kunststoffe haben wegen der eingeschlossenen Gasblasen eine sehr gute Isolierwirkung, sie sind wegen ihrer schlechten Wmebestandigkeit vorwiegend fur Kdteisolierungen venvendbar. Die bevorzugten Stoffe fur Warmeisolierungen sind Glaswolle, Schlackenwolle und Magnesia. Glaswolle wird gem zur Herstellung von Formstucken verwendet. Die Verarbeitung ungeformter Glaswolle ist sehr unangenehm. Um Unfalle durch Verbrennungen zu verhuten, mussen alle Leitungen, die eine Temperatur von mehr als 50°C erreichen, zumindest an den Stellen, wo sich Menschen bewegen, schutzisoliert werden. Sie gewiihren den Beriihrungsschutz.
12 Reaktionsapparate
12.1 Einteilung Reaktionsapparate sind die Bauteile einer chemisch-technischen Anlage, in welchen die chemischen Stoff- und Enegieumwandlungen erfolgen. Alle iibrigen vor- oder nachgeschalteten Teile der A d a g e dienen der Vorbereitung der Einsatzstoffe oder der Aufbereitung, Trennung und Reinigung der Reaktionsprodukte durch physikalische Methoden. Die eigentlichen Reaktoren sind oft der kleinere Teil einer chemisch-technischen Anlage (Abb. 111-1). Die Reaktoren werden nach ihrem apparatetechnischen Aufbau oder nach den in ihnen durchgefuhrten ProzeBarten eingeteilt, z. B. in: -
-
Reaktoren fur thermische Umsetzungen. Reaktoren fur elektrochemische Umsetzungen, Reaktoren fur photochemische Umsetzungen, Reaktoren fur Fermentationen, Reaktoren fur Kernreaktionen.
Daneben unterscheidet man Reaktionsbehllter danach, ob sie fur diskontinuierliche oder kontinuierliche Verfahren vorgesehen sind (Abschn. 111-1.8).
12.2 Druckbehalter Als Druckhehalter gelten ulle Behiilter und Apparate, in deren ltinenraum ein hiiherer Druck als der atmmospharische herrscht. In ihnen konnen z. B. Reaktionen bei Temperaturen durchgefuhrt werden, die iiber dem Siedepunkt des flussigen Reaktionsgemisches bei Normdruck liegen. Besonders vorteilhaft sind Druckbehalter bei fliissig-gasformig-Reaktionen.Sind Gase an einer Reaktion beteiligt, so wird durch erhohten Druck eine hiihere KonLentration und eine bessere Loslichkeit des Gases in der Flussigkeit erzielt. DruckgefaRe haben einen kreisrunden Querschnitt. Boden und Deckel des Behalters sind ge-
wolbt. Dadurch wird eine gleichmiilJige Druckbelastung aller Wandteile erzielt (Abh. IV- 12 I ) . Die Beheizung oder Kuhlung von Druckbehaltern kann durch Heiz- oder Kuhlmantel und durch Heiz- oder Kuhlschlangen erfolgen. Jeder Behalter muB mit folgenden Armaturen und Anschlussen versehen sein: -
-
-
-
Manometer mit einer roten Marke, die den hochstzulassigen Betriebsdruck angibt, Sicherheitsventile auf jedem Druckraum (in manchen Fallen: Berstscheiben), Entluftung bzw. Beluftungsmoglichkeit, Steigrohr oder BodenauslaBstutzen, Druckluftstutzen, Fulloffnung, Mannloch (ab einer bestimmten BehlltergriiMe erforderlich, bei kleinen Behiiltern cin Schauloch oder eine Inspektionsoffnung), Thermometer.
Viele Druckbehalter sind mit einem Riihrwerk ausgestattet. Je nach Verwendungszweck haben die Riihrer mannigfaltige Formen. Fur den langsamen bis mittelschnellen Ruhrbetrieb kennt man: Balken-, Anker-, Gitter-, Finger-, Kreuzbalken-, groBe Blatt- und Propelleniihrer, fur den mittelschnellen bis schnellen Ruhrbetrieb sog. Intensivriihrer in Form von kleinen Blatt-, Propeller- und Turbinenriihrern (Abb. V-65). Die Riihrerart richtet sich auch nach der Zahigkeit (Viskositat) des Gutes. Dichtungen (Stopfbuchsen) an Ruhrwerkswellen sind bei DruckgefaRen zuweilen kritische Punkte (vgl. Kap. 1V-6). Zur Herstellung von Druckbehaltern mussen zahe Werkstoffe verwendet werden. Druckbehalter mussen ofter auf Korrosionsschiiden im Innern untersucht werden. Ebenso mussen nach der Druckbehaltervorschrift in bestimmten, vorgeschriebenen Zeitabstanden Druckproben durchgefuhrt werden. Jedes DruckgefaR mu13 mit einem Typenschild versehen sein, auf dem folgende Daten verzeichnet sind: - Hersteller, - Herstellungsjahr, -
Fassungsvermogen,
12 Reaktionsapparate
599
Abb. IV-121. Druckbehalter mit Mantelheizung und Ruhrwerk. - a) Schernaskizze, b) Schnittmodellphoto.
-
hochstzulassiger Betriebsdruck, Betriebstemperatur, Priifstempel.
Siehe zu Druckbehalter auch Kapitel VI-13.
123 Reaktionsapparate fur kontinuierliche Verfahren
oder Chlorwasserstoffgas in Wasser absorbiert und gelost, es entsteht Salzsaure. Kontaktofen
Katalytische Reaktionen werden in SyntheseOfen durchgefiihrt, die auch Kontaktofen genannt werden (s. Abschn. 111-1.7). Da die Reaktionskomponenten gasformig sind und die Katalysatoren fest, werden diese Verfahren unter dem
Stromungsrohr
Die einfachste Form eines kontinuierlichen Reaktionsapparates ist das Stromungsrohr. Die Reaktion erfolgt beim einmaligen Durchlauf durch das Rohr (Beispiel Brenner).
pssigkeit
Rieseltiirme
Fur Reaktionen zwischen Gasen und Fliissigkeiten werden mit Fiillkorpern gefiillte Rieseltiirme verwendet (Abb. IV-I 2 2 ) . Das unten einstromende Gas wird von oben mit Fliissigkeit berieselt. Dabei erfolgt eine innige Durchmischung, die die Reaktion begiinstigt. Auf diese Weise wird z. B. Kohlenstoffdioxid der Luft von Kalkmilch, Ca(OH),, gebunden,
-
Fcststoff
Gas
schutturg
ussigkeit 4
Abb. IV-122. Rieselturm mit Fullkorpern.
600
IV Grundlapen der Maschinenkundc in der chemischen Technik
Begriff der heterogenen Katalyse zusarnrnengefaat. Dazu zahlen z.B. die Ammoniaksynthese, Methanolsynthese, Salpetersaureherstellung rnittels Ammoniakverbrennung oder die Schwefeldioxidoxidation zum Schwefeltrioxid fur die Schwefelsaureproduktion (s. Kap. 111). Vollruumofen
Irn Vollraumofen ist der Katalysator uber den gesamten Innenraurn des Reaktors verteilt. Die bei der Reaktion frei werdende Warme wird, zusammen rnit den Reaktionsprodukten, abgefuhrt und dann uber W-etauscher entzogen. Die W m e dient dann haufig zur Vorwarmung der Einsatzkomponenten. Diese Reaktoren sind bis zu 20 m lang. Wichtig ist, dab die Katalysatoren sehr lange irn Reaktor verbleiben konnen, ohne dd3 ihre Wirkung durch Kontaktgifte aus Begleitstoffen der Reaktionskornponenten herabgesetzt wird. Die Verweilzeit zwischen zwei Kontaktwechseln betragt nicht selten bis zu 18 Monaten. Kontaktwechsel sind bei den Vollraumofen sehr aufwendige Arbeiten. Rohrenkontaktofen
Abb. IV-123. Rijhrenkontaktofen.
Im Rohrenkontaktofen ist der Katalysator in Rohre eingebaut, die beheizt oder gekuhlt werden konnen. Die durch die Rohre vergroBerte Oberflache begunstigt den WLmetausch im Reaktor. Die Ofen sind bis zu 15 m lang. Sie werden z.B. bei der Methanolsynthese und auch bei der Ammoniaksynthese eingesetzt (Abb. 1V- 123). Flachbett-Kontuktofen
Bei den Flachbett-Kontaktofen ist der Katalysator in Schichten auf Boden ausgebreitet oder auch netzartig angeordnet. Die Netze bestehen aus katalytisch wirksamen Metallen, wie z.B. Platin, Nickel, Eisen. Bei der Ammoniakverbrennung zu Stickstoffoxiden werden beispielsweise Platinnetze eingesetzt. Flachbett-Kontaktofen werden angewendet, wenn die Reaktionszeit nur Bruchteile von Sekunden betragen darf. Bei Iangerer Verweildauer wurden die Reaktionsprodukte wieder zerfallen. Um dies zu verhindem, sind der Kontaktschicht unrnittelbar Rohrenkuhler nachgeschaltet, die die Reaktionsprodukte sofort auf niedrigere Temperaturen abkuhlen. Als Kuhlrnittel dient sog. Druckwasser, das bei Entspannung Dampf abgibt, der wieder als Wiirmeenergie genutzt werden kann (Abb. IV-124).
)+(
,Kobaltkatalysator
Abb. IV-124. Arnmoniak-Vcrbrennungsofen.
12 Reaktionsapparate
Wirbelschichtofen Wirbelschichtofen sind fur Reaktionen zwischen Feststoffen und Gasen vorgesehen.
Beispiel: Abrostung sulfidischer Erze, Kohlenstaubverbrennung . Seltener werden katalytische Reaktionen in ihnen durchgefuhrt. Im Wirbelschichtofen werden zerkleinerte Feststoffe durch von unten einstromende Luft in der Schwebe gehalten. In diesem Zustand erfolgt die Reaktion mit der Luft. Die gebildeten Reaktionsgase entweichen am oberen Ende des Ofens. Der Abbrand wird unten am Ofen entnommen. Da die Reaktionsgase relativ vie1 Staub mitfiihren, ist eine aufwendige Gasreinigung erforderlich (Abb. IV-125).
Abbrand Abb. IV-125. Wirbelschichtofen
12.4 Bioreaktoren
und Vermehrung von Mikroorganismen optimalen Wachstumsbedingungen technisch geschaffen werden. Bakterien, Pilze und Algen bilden die Gruppe von Mikroorganismen, die fur biotechnische Prozesse von zentraler Bedeutung sind. Ihre Vermehrung ermoglicht die Gewinnung von Biomasse oder Stoffwechselprodukten. Die fur die Mikroorganismen gunstigen Wachstumsbedingungen bestimmen die Bauweise der Bioreaktoren. Zu diesen Anforderungen zahlen insbesondere: 1 . Die sterile Anzucht der Mikroorganismen; da-
zu gehoren die problemlose Beschickung des Fermenters mit Losungen unter Ausschlul3 von Fremdkeimen sowie die sterile Beimpfung mit der Mikroorganismenkultur. 2. Das Einhalten der erforderlichen Bedingungen wahrend des Wachstums, wie der Temperatur, des pH-Wertes und der Durchmischung der Kulturlosung. 3. Ausreichende Zufuhr der einzelnen Nahrlosungskomponenten, das sind die Kohlenstoff-, Stickstoff- und Phosphorverbindungen sowie die Nahrsalze und weitere Beigaben, die fur die Versorgung der Mikroorganismen notig sind. Fur die Herstellung spezieller Wirkstoffe werden oft deren Vorstufen (Precursor)* in Form von Precursor-Losungen in den Fermenter gegeben. Aus diesen Vorstufen werden auf fermentativem Wege die gewunschten Endprodukte aufgebaut. 4 Das Beliiften der Kulturlosung, d.h. ausreichende Zufuhr von Luftsauerstoff, wenn es sich um aerobe Fermentationen handelt. 5 Das Abstoppen des Wachstums und Abernten; dazu gehoren das Entleeren des Bioreaktors und die weitere Aufarbeitung zum gewunschten Endprodukt. Das kann die Biomasse, d.h. Protein, sein oder ein Stoffwechselprodukt der Mikroorganismen, z.B. Ethylalkohol, Milchsaure, Zitronensaure oder ein Antibiotikum.
12.4.1 Reaktor und Mikroorganismen Das Ziel der Biotechnologie ist es, Bedingungen zu schaffen, bei denen das Wachstum ausgewiihlter Mikroorganismen, deren Stoffumsatz und die apparativen Voraussetzungen, besonders die Bioreaktoren, optimal miteinander im Einklang stehen (s. auch Kap. 111-11). Bioreaktoren sind im Sinne der Apparatetechnik chemische Reaktionsapparate. Sie werden haufig auch Fermenter genannt. Es sind Reaktionsgefak, in denen die zur Anzuchtung
60 1
Fur die Konstruktion von Bioreaktoren ist die
Art der Kultivierung von g r o k m Einflul3 auf den Reaktorbau, d.h. ob die Kulturen standig Luftsauerstoff (aerob)** benotigen oder nur unter LuftausschluB (anaerob)*** gedeihen.
* ** ***
precursor (engl.) - Vorlaufer. aero (grch.) Luft. anaerob ( grch.) - ohne Luft. ~
602
IV Grundlagen der Maschinenkundc in dcr chernischen Technik
Dampf
';i 3 .
J.
Wasser
(anal
Nahrlosung
-0Q Probeentnahme [
3 I
K
al
Abb. IV-126. Riihrkcssclferrnenter, technische Zeichnung. TI = Temperaturmel3instrurncnt, PI = DruckrneRinstrument, QI = Mengenmessung. M = Riihrmotor
12 Reaktionsapparate
i
Sowohl fur die Satzfermentation als auch fur die kontinuierliche Fermentation werden unterschiedliche Typen von Bioreaktoren eingesetzt . Vielseitig einsetzbare Bioreaktoren sind: - Riihrkesselferrnenter, -
Schlaufenfermenter,
- Schaufelradfermenter.
12.4.2 Ruhrkesselfermenter Das Charakteristische eines Ruhrkesselfementers ist der Ruhrer, mit dern die innige und gleichmahige Verteilung aller Komponenten der Nihlosung einschliehlich der Mikroorganismen erfolgt. Die Ruhrer konnen unterschiedliche geometrische Formen und Abrnessungen haben. Sie sind abhangig u.a. von der GroBe des Ruhrreaktors und der Viskositat der Kulturlosung (Abb. V-66). Riihrkesselfermenter sind in der Regel universell einsetzbar. Auch bei hohen Viskositaten der Kulturlosungen ermoglichen sie eine gute Durchmischung (Abb. IV- 126). Die GroBe eines Ferrnenters hangt von seinern Venvendungszweck ab. Fur Forschungsvorhaben im Laboratorium werden Kleinfermenter mit einem Volurnen von 2 bis 12 Liter benutzt. Fermenter fur eine Produktion im groatechnischen MaBstab haben ein Fassungsvermogen bis zu 300 000 Liter.
603
i
N A = Op3ektrodc B=pH-Elektrods C=Thermoelement D- Methonolzugobe E = Amrnoniokzugobe
F= Impfmoteriolzugabe G=Heizstob H = Probeentnohme I =Abluft K=LufIzuIuhr L =Kuhlschlongc
12-43 Laborfermenter Im Prinzip entspricht der Laborfermenter in seiner Bauweise dern Riihrkesselferrnenter (Abb. IV- 126). Laborfermentern liegt folgendes Bauprinzip zugrunde: Das FermentationsgefaB ist ein Glaszylinder, der sich zur StoBsicherheit in einem Stahlgestell befindet. Irn GefaB sind Schikanen angebracht, die eine gute Durchmischung gewahrleisten und eine ubermal3ige Schaumbildung verhindern sollen. In einern Stahldeckel sind eine Anzahl von Offnungen mit unterschiedlichen Durchrnessern eingelassen. Die Offnungen dienen zurn Einbringen der Nahrlosungen des Kulturgutes, zum Anbringen von Begasungsvomchtungen und zurn Einfuhren des Ruhrwerkes und von MeBfiihlern. Ein W-etauscher dient zum Erw-en, Abkuhlen oder zur Temperaturkonstanthaltung des Kulturgutes. Aukrdem sind elektrische Anschlusse sowie me& und regeltechnische Vorrichtungen am Laborfermenter angebracht (Abb. IV- 127).
Abb. IV-127. Laborfermenter. - a) Langsschnitt, b) Querschnitt.
604
IV Grundlagcn der Maschinenkunde in der chemischen Technik
Abb. 1V-128. Aufbauprinzip eines
Schlaufenfermenters.
Die Durchmischung der Kulturlosung erfolgt dadurch, daf3 vom unteren Ende des Schlaufenreaktors ein Luft- oder Gasstrom eingeblasen wird. Das Flussigkeits-Luft-Gemisch im Einsteckrohr hat eine geringere Dichte als die Flussigkeit aurjerhalb des Einsteckrohres, dadurch beginnt das Gemisch, von unten nach oben zu stromen, tritt iiber das obere Ende des Einsteckrohrs und stromt, da durch Entgasung die Dichte steigt, auoerhalb des Einsteckrohrs wieder zum unteren Ende des Schlaufenreaktors. Es entsteht ein kontinuierlicher Flussigkeitsstrom, der eine gute Durchmischung bewirkt. Fur Kulturlosungen mit groBen Viskositaten sind Schlaufenreaktoren ungeeignet. Der Vorteil des Schlaufenreaktors besteht darin, daB kein Ruhrwerk angetrieben werden muB. Ruhrantriebe erfordem groaen Energieaufwand. Diese Energie wird in Warme umgesetzt, die wieder aus der Kulturlosung durch W b n e t a u s c h abgefiihrt werden muB. Die bei den Stoffwechselprozessen der Mikroorganismen auftretende Warme muf3 auch hier abgefuhrt werden. Schlaufenreaktoren sind deshalb auch mit Kuhlmanteln versehen.
12.45 Schaufelradfermenter 12.4.4 Schlaufenfermenter Bei Schlaufenfermentem handelt es sich um Rohrreaktoren. die mit einem Einsteckrohr versehen sind (Abb. IV-128). Das Verhaltnis von Hohe zu Durchmesser sollte nicht kleiner als 30 sein, da sich sonst schwer ein stabiler Fliissigkeitsstrom einstellt.
Im Schaufelradfermenter ist auf einer horizontal gelagerten Achse ein Schaufelrad angebracht (Abb. IV-129). Dieser Fermenter wird haufig dann eingesetzt, wenn zahfliissige Kulturlosungen zu durchmischen sind. Unter Aufwendung hoher mechanischer Energie wird mit dem Schaufelrad noch eine intensive Durchmischung erreicht.
0 -c
Abb. IV-129. Schaufelradfermenter. a) Querschnitt, b) Langsschnitt. 1 Eingang, 2 Ausgang.
Literaturhinweise zu Teil IV
605
Literaturhinweise zu Teil IV A-D-Merkblatter (Hrsg.) Arbeitsgemeinschaft Druckbehalter, Beuth-Verlag GmbH, 1000 Berlin 30 Beitz, W.; Grote, K. H. (1997), Taschenbuchfir den Maschinenbau, 19. Aufl., Dubbel (Hrsg.), Springer Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo Dietz, F.; Neumann, U. (2000), Verfahrenstechnische Maschinen - Chancen der gleichzeitigen ProzeB- und Maschinenentwicklung , Chem. Ing. Tech. 72, 112. Dubbel(200 I), Taschenbuchfir den Maschinenbau, 20. Aufl., Hrsg. Beitz, W. u. Grote, K.H., Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo. Heitz, E.; Henkhaus, R.; Rahme1,A. (1992), Corrosion Science an experimental approach, Ellis Horwood Ltd., Chichester, West Sussex, England. Hemming, W. (1999), Verfahrenstechnik, in Kampruth-Reihe - kurz und biindig - Technik, Vogel-Verlag, Wurzburg . Henglein, F. A. (1968), GrundriJ der Chemischen Technik, 12. Aufl., Verlag Chemie, Weinheirn. Hopp, V. (1997), Stoff- und Energieumsatz, praktisches Chemiewissenfiir Ingenieure, WileyVCH Verlag GmbH, Weinheirn.
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V Grundoperationen
1 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 1.6
2 2.1 2.1.1 2.1.2 2.2 2.3 2.3.1 2.4 2.4.1 2.4.2 2.4.3 2.4.4 2.5
Grundlagen der chemischen Verfahrenstechnik 6 10 Definition 610 Der Verfahrensablauf 610 Grundoperationen unit operations 610 Stoff und Energie 610 Stoffausbeute 61 I Energiebilanz 612 lkennung auf thermischem Wege 613 Verdampfen 6 13 Theoretische Grundlagen 6 13 Verdampfen in der Technik 614 Destillieren 6 16 Rektifizieren 617 Theoretische Grundlagen 617 Extrahieren 623 Theoretische Grundlagen 623 Flussig-Flussig-Extraktion 624 Fest-Flussig-Extraktion 627 Destraktion 627 Kristallisieren 63 1
Mechanische lkennung von Feststoffen und Fliissigkeiten 634 3.1 Definition von Begriffen 634 3.2 Filtration von Feststoffen aus Fliissigkeiten 635 3.2.1 Allgemeine Grundlagen 635 3.2.2 Diskontinuierlich arbeitende Filterapparate 636 3.2.3 Kontinuierlich arbeitende Filterapparate 638 Zentrifugieren (Schleudern) 638 3.3
3
4 4.1
Trocknen 640 Definition 640
4.2 Thermische Trocknung 640 4.2.1 Verschiedene Trockenapparaturen 640 4.2.2 Chemische Trocknung 642
5.1 5.1.1 5.1.2 5.2 5.3 5.4
Zerkleinern 644 Allgemeine Grundlagen 644 Definition und Einteilung 644 Beanspruchung des Korns 644 Zerkleinerungsarten 645 Maschinen zur Grobzerkleinerung 647 Maschinen fur die Mittel- und Feinzerkleinerung 647
6 6.1 6.1.1 6.1.2 6.2
Klassieren von Feststoffen 649 Sieben 649 Allgemeine Grundlagen 649 Siebmaschinen 649 Windsichten 652
7 7.1 7.2 7.3
7.3.1 7.3.2 7.3.3 7.3.4 7.3.5 7.3.6 7.4 7.5
Mischen 654 Mischen als Verteilung 654 Mischvorgang 654 Mischoperationen mit Flussigkeiten 654 Mechanisches Ruhren 654 Pneumatisches Ruhren 656 Losen 656 Verspriihen 656 Homogenisieren 656 Kneten 656 Mischoperationen mit Feststoffen 658 Mischoperationen mit Gasen 66 1
8 8.1 8.2
Fermentation 662 Theoretische Grundlagen 662 Fermentationsverfahren 662
5
Literaturhinweise zu Teil V 663
1 Grundlagen der chemischen Verfahrenstechnik
1.3 Grundoperationen unit operations
1.l Definition Die chemische Verfahrenstechnik ist die Lehre vom Zusammenwirken zwischen Transport und Umsatz von Stoffen, Energien und den dazu erforderlichen apparativen und instrumentellen Einnchtungen wahrend eines chemischen Produktionsablaufs.
Grundoperationen stellen elementare, nicht mehr teilbare technische Vorgange im Produktionsablauf eines Chemiebetriebes dar, bei denen keine Stoffumwandlungen vorkommen ( s . Tabelle auf S. 611).
1.2 Der Verfahrensablauf I . Vorstufe
11. Hauptstufe
III. Nachstufe biw. Endstufe
Vorbereitung zur Umsetzung in der Hauptstufe. Bereitstellung von Ausgangsprodu kten
Energieiibertragung und Austausch, Stofftransport und chemische Reaktion
Aufiebung der Reaktionsbedingungen, Kiihlen, Trennen
Am Beispiel der Alkulichlorid-Elektrolyse (Abschn. 111-2.2): Transport von Steinsalz, Herstellen der Sole, Reinigen
Elektrolyse
1.4 Stoff und Energie
Grundverfahren Grundverfahren
Im Ablauf auftretende Vorgange
1 . Stofftransport
Tramportvorgange Formgebung Herstellen von Gemischen (Liisungen) Trennen, Destillieren, Absorbieren, Filtrieren u. a. Vorgange der EnergieUberwachung Energietransport
2. Stofformung 3. Stoffvereinigung 4. Stofftrennung 5 . Energieuber-
tragung und -austausch
Chlortrocknung , Abfiillen
Jedes chemische Verfahren gliedert sich in Vorstufe, Hauptstufe, Nachstufe, Energie und Apparaturen. Zum Einsatz gelangen meist Stoffgemische bekannter Zusammensetzung - seltener Reinstoffe. Energie wird bei den einzelnen Verfahrensschritten in der jeweils erforderlichen Form zugefiihrt, z. B , Warmeenergie, elektrische Energie, Strahlungsenergie .
I Grundlagen dcr chemischen Verfahrenstechnik
61 1
Einteilung der Grundoperationen mechanische
thermi sche
elektromagnetische
Stofftransport
Forderung von Gasen, Flussigkeiten, Feststoffen, Gemischen und Transportvorgange im molekularen Bereich
Stofformung
Brechen Mahlen Zerstauben Granulieren Tablettieren Brikettieren
Verdampfen Verfliissigen Sublimieren Schmelzen Erstarren
Stoffvereinigung
Mischen Riihren Emulgieren Suspendieren Kneten Verschaumen
Losen Diffundieren
Stofftrennung
Klaren Dekantieren Filtrieren Zentrifugieren Pressen Sieben Sichten Klassieren Sortieren Flotieren
Trocknen Kristallisieren Extrahieren Destillieren Rektifizieren Absorbieren Desorbieren
Stuffilunz: m,
Elektrophorese Elektroosmose Elektrische Gasreinigung Magnetscheidung
1.5 Stoffausbeute
= mh -k m, = const
Die Surnme aller zugefuhrten Massen ist gleich der Summe der Ausgangsmassen und der Massenverluste. m, zugefuhrte Masse m A abgefiihrte Masse m, Massenverlust
Diese Formel gilt fur den gesamten Vorgang genauso wie fur jeden Teilvorgang.
mA
- = Stoffausbeute mz
Diese Formel bezeichnet das Verhaltnis der Menge des Endproduktes, mA,zur Menge der Ausgangsprodukte, m,, und ist somit gleichbedeutend mit dem Wirkungsgrad des verfahrenstechnischen Vorgangs. Die Ausbeute kann niemals uber 100% betragen.
612
V Grundoperationen
Durchscrr::
1.6 Energiebilanz
Der Durchsatz ist die Raum-Zeit-Ausbeute und gibt Hinweise auf die Leistungsfiihigkeit der Appardturen.
Hauptsatz der Thermodynamik, Gesetz iiber die Erhaltung der Energie
Masse (in kg) = Durchsatx Zcit (in h) x Behaltervolumen (in m')
14
= M' + 4
u UJ
Hohe Durchsatzleistungen bedingen hohe Stoffaustausch- und Warmetauschgeschwindigkeiten.
Gesamtenergien Energien, die alle vollstandig ineinander urnwindelbar sind WLmeenergie
Die Summe aller zugefiihrten Energien, W,, ist gleich der Summe aller abgefiihrten Energien, W.), plus der Summe der Energieverluste, W,. Dieser Satz wird in Abb. V-1 veranschaulicht.
w,= w., + w, 33 % Kuhlwassererw&rmng
I 2UJ2
$
>
18 % nutzleistung
Abb. V-1. Energiebilanz eines Ottomotors, Sankey-Diagramm.
82% Ww
2 Trennung auf thermischem Wege
2.1 Verdampfen 2.1.1 Theoretische Grundlagen Eine fur Fliissigkeiten typische Eigenschaft ist ihre Verdampfungsfahigkeit. Bei jeder Temperatur geht ein Teil der Molekiile, bedingt durch ihre Wirmebewegung, in den Gaszustand iiber. Die Neigung zur Verdampfung ist um so groBer, je hoher die Temperatur ist. Sie hangt aber auch stark vom Charakter der Fliissigkeit ab. Ether verdampft z.B. leichter als Wasser und dieses wiederum leichter als Quecksilber. Vollzieht sich die Verdampfung in einem abgeschlossenen Raum, der nur teilweise mit Fliissigkeit gefiillt ist, so wird in der Gasphase bald ein Sattigungszustand erreicht. Es stellt sich zwischen Fliissigkeit und Dampf ein dynamisches Gleichgewicht ein. das durch einen bestimmten Dampfdruck charakterisiert ist. Dieser Dampfdruck ist weder von der Menge der Fliissigkeit noch von der Menge des Dampfes, sondern nur von der Temperatur abhiingig. Zum besseren Verstandnis der Vorgange sei folgende vereinfachte Modellvorstellung betrachtet (Abb. V-2).
/@
Abb. V-2. Verdampfung, gezeigt an einer Modell-
skizze.
In einem geschlossenen Raum befindet sich zu einem bestimmten Zeitpunkt eine den Raum nur teilweise fiillende Flussigkeit mit der Temperatur 29. Die Molekiile im Inneren der Fliissigkeit ziehen ihre Nachbarmolekiile an und werden von diesen angezogen. Auf ein einzelnes Molekiil bezogen, heben sich die Krafte auf. Anders ist dies bei Molekiilen, die sich an der Fliissigkeitsobefflache befinden. Dadurch, daR ein ,,Oberflachenmolekiil" zwar von den Fliissigkeitsmolekiilen ,,unter" ihm angezogen wird, diese Anziehung durch Molekiile im Gasraum ,,iiber" ihm aber praktisch nicht kompensiert wird (da dort sehr vie1 weniger Molekiile vorhanden sind), wirkt eine resultierende Kraft in das Innere der Fliissigkeit. Diese Kraft halt das Molekiil in der Fliissigkeit fest. AuBerdem fiihren die Molekiile eine Wiirmebewegung, die Brownsche Molekularbewegung,* aus. Durch elastische StoBe zwischen den Molekiilen kommt es zu Energieiibertragungen, so daB die dem System innewohnende kinetische Energie nicht gleichmaig auf die einzelnen Molekiile verteilt ist. Es gibt Molekiile rnit hoherer und.solche rnit niedriger kinetischer Energie. Ahnlich wie sich eine Rakete rnit hoher Geschwindigkeit, d. h. mit hoher Energie, aus dem Kraftfeld der Erde losen kann, so konnen auch Molekiile mit entsprechend hoher Geschwindigkeitskomponente senkrecht zur Fliissigkeitsoberflache, die nach innen gerichteten Anziehungskrafte iiberwinden und in den Gasraum gelangen. Durch diesen ProzeS wird der Gasraum mit Dampfmolekiilen angereichert. Es baut sich ein Dampfdruck p auf. Durch ZusammenstoBe der Molekule im Gasraum rnit der Wandung oder rnit anderen Molekiilen andern diese standig ihre Richtung. Dadurch kommt es, daB Dampfmolekiile wieder in die Fliissigkeit eintauchen. Der Dampfraum verarmt dadurch an Dampfmolekiilen. Zu Beginn dieses Vorganges, wenn der Dampfraum noch leer ist, werden mehr Molekiile in den Dampfraum ubertreten, als in die Fliissigkeit zuriickkehren. Der Druck erhoht sich. Mit *
Brown, Robert ( I 773-1 858), engl. Botaniker
6 14
V Grundoperationen
dem ansteigenden Druck wird die Anzahl der in die Fliissigkeit zuriickkehrenden Molekule zunehmen. Da die Austrittsgeschwindigkeit aus der Oberflache konstant ist, wird bald der Zustand erreicht sein, in dem die Austrittsgeschwindigkeit gleich der Eintrittsgeschwindigkeit in die Fliissigkeitsphase ist. Das dynamische Gleichgewicht ist erreicht. Die in diesem Zustand im Dampfraum befindliche Anzahl Molekule ist nun konstant. Sie bestimmt den Dampfdruck. Wird die Temperatur der Flussigkeit erhoht, vermehrt sich auch die Anzahl der Molekule mit erhohter kinetischer Energie, die die Anziehungskrafte an der Flussigkeitsoberflache uberwinden konnen. Die Austrittsgeschwindigkeit steigt und damit der Dampfdruck. Die Molekule uberwinden die Anziehungskraft der Fliissigkeit und treten in den Dampfraum uber. Es wirkt dabei eine Kraft langs eines Weges auf die Molekiile. Beim Austritt aus der Fliissigkeitsoberflache wird also eine Arbeit vemichtet. Dafur ist ein bestimmter Energiebetrag erforderlich. Die Energie, die ein Mol einer Fliissigkeit benotigt, um vom fliissigen in den gasformigen Zustand uberzugehen, wird Verdampfungswarme oder Verdampfungsenthalpie AH genannt. 2.1.2 Verdampfen in der Technik Verdampfen ist der Ubergang einer Substanz von der flussigen in die gasformige Phase. Beim Verdampfen wird eine Fliissigkeit oder das Losemittel der Losung eines nichtfluchtigen Feststoffes in den Dampfzustand iiberfuhrt durch Andem der Temperatur, des Druckes oder beider Zustandsgrohen. Das Losemittel - meist Wasser wird teilweise durch Erhitzen der Losung auf Siedetemperatur unter Uberdruck, Normdruck oder Vakuum abgetrennt, wodurch die Losung konzentriert wird und der Feststoff nach Erreichen der Sattigungskonzentration auskristallisiert. Fur zahe, dickflussige Losungen oder Kristallbreie geht das Verdampfen schliehlich iiber in Abdampfen - als vollstandiges Abtrennen des Losemittels - und in das Trocknen des Feststoffes. Die konzentrierte Losung oder der kristallisierte Feststoff bilden das Erzeugnis. Der entweichende Briidendampf, kurz Briiden* genannt,
*
Der Briiden (niederdeutsch) - Broden, Abdampf
besteht im Gegensatz zur Destillation nur aus Sattdampf des Losemittels; sein Warmeinhalt laRt sich zum mehrstufigen Verdampfen und Laugenvorwarmen, sowie zum Betreiben von Trocknern, Kristallisierapparaturenoder anderen Anlagen des Betriebes nutzen. Beheizen voii Verdcrmpfern Die Verdampferkonstruktion wird von der Beheizungsart beeinfluBt. Von groBter Bedeutung ist die indirekte Wasserdampfbeheizung. Dabei verwendet man Hoch- und Niederdruckdampf, insbesondere aber auch den Briiden eines vorgeschalteten Verdampfers. Da das abzudampfende Losemittel in den meisten Fallen Wasser ist, und Verdampfer vorwiegend bei Normdruck bis Vakuum betrieben werden, kommen ausreichende Temperaturdifferenzen von 5 "C bis 30 "C zustande. Die Vorteile der Wasserdampfbeheizung sind: groBe Heizflachenbelastung, niedrige Anlagekosten und schonendes Eindampfen temperaturcmpfindlicher Losungen. Verdampfer mit Heizmanteln haben ein ungunstiges Verhaltnis von Heizflache zu Behalterinhalt. GrolJe Heizflachen erreicht man durch Venvendung von Rohrenverdampfern mit senkrecht, schrilg oder liegend angeordneten Heizrohrbiindeln. Neben der Beheizungsart spielen bei der Wahl geeigneter Verdampferkonstruktionen eine Reihe weiterer zu beriicksichtigender Faktoren eine Rolle. Dazu gehoren: Zahigkeit, Temperaturempfindlichkeit der Losung, Siedetemperatur, Druck, Schaumbildung und Kristallisation, sowie evtl. Verkrusten der Heizflache. Die den Verdampferanlagen primar rnit dem Heizdampf zugefiihrte Warme kann einmal im Einkorperverdampfer oder mehrmals zum Verdampfen ausgenutzt werden. Theoretisch, d. h. ohne Warmeverluste, ist die gesamte Warmemenge des Heizdampfes im, aus der Losung aufsteigenden, Briiden enthalten. In Mehrfach-Verdampferanlagen beheizt der aus einem Verdampfer austretende Briidendampf jeweils den nachgeschalteten Verdampfer nach Eintritt in dessen Heizkammer. Mehrkorperverdampfer arbeiten unter - von Stufe zu Stufe sinkendem - Druck. Dabei sinken die Briidentemperaturen. Stets aber geniigt die Sattdampftemperatur des Briidendampfes einer Stufe, um die Losung der nachfolgenden - unter geringerem Druck stehenden Stufe - zum Sieden zu bringen.
2 Trennung auf thermischem Wege
Am haufigsten werden Mehrstufenanlagen im Parallelstrom betrieben. Die verdunnte Losung tritt - nach Vorwknen in Rohrenwarmetauschern - in die Anlage ein und durchlauft alle Korper parallel zur Briidendampffuhrung. Die auf Siedetempeatur erhitzte Losung geht jeweils in einen nachfolgenden Verdampfer niedrigeren Drucks uber. Dabei kommt es zur Entspannungsverdampfung, und die Temperatur sinkt auf die neue Siedetemperatur. Fur das Fordern von Stufe zu Stufe sind keine Pumpen notig. Die konzentrierteste Losung wird im letzten Verdarnpfer bei der niedrigsten Siedetemperatur der Anlage eingedampft. Ein Nachteil fur die Verdampfungsleistung kann dabei die hohe Zahigkeit konzentrierter Losungen sein (Abb. V-4). Erfolgt die Losungsfuhrung im Gegenstrorn, so tritt die kalte verdunnte Losung in den letzten Verdampfer mit niedrigster Siedetemperatur ein. Pumpen fordem die in ihrer Konzentration zunehmde Losung entgegen dem Briidenstrom. Die in die Stufe hoheren Druckes ubertretende Losung mu13 zuerst auf die neue, hohere Siedetemperatur erhitzt werden. Das End-Eindicken geschieht in der ersten Stufe bei hochster Siedetemperatur. Das ist vorteilhaft fur zahe Losungen. Da die Flussigkeitspumpen zu Betriebsstorungen neigen, wird die reine Gegenstromfuhrung seltener angewendet.
SpezLfischer Heizdampjhdarf Mit der Stufenzahl der Mehrkorperverdampfer sinkt der spezifische Dampfbedarf an Heizdampf. Der spezifische Heizdampfbedarf, @, ist gleich dem Quotienten aus der Primardampfmenge, m,, der ersten Verdampferstufe und der gesamten verdampften Wassermenge m, der Verdampferanlage.
Theoretisch mii5te fur n Stufen der spezifische Dampfbedarf auf den n-ten Teil des Bedarfes eines Einkorperverdampfers gleicher Leistung sinken. Die Zunahme der Heizdampferspamis wird jedoch mit jedem AnschluB einer weiteren Stufe kleiner und schlieBlich so gering, da13 die Dampfersparnis die mit weiteren Stufen zunehmenden Kosten nicht aufwiegt. AuBerdem kornmen noch W W e - und Druckverluste hinzu (Abb. V-3). Das wirtschaftliche Optimum liegt etwa bei Drei- bis Vierstufenverdampferanlagen.Der Primiirdampf mehrstufiger Vakuumanlagen unterschreitet selten Temperaturen von 120"C, das entspricht einem Druck von 2 bar. Extradampf ist der von den Briiden abgezweigte Teil, den man zum E r w W e n der kalten Losung vor Eintritt in die erste Stufe oder zu sonstigen - nur konstanten - Heizzwecken verwenden kann.
Thermokompression Auch Einkorperverdampfer gestatten ein mehrfaches Ausnutzen der Wiirrne durch Anwenden der Thermokompression (Abb. V-5). Diese Verdampfer mit Briidenverdichtung arbeiten nach dem Prinzip der Wiirmepumpe (Abschn. IV-11.2.2).
Liisungsfiihrung in Mehrkorperverdampfern In Mehrkorperverdampfem besteht die Moglichkeit verschiedener Flussigkeitsfuhrung in bezug auf die Dampffuhrung.
I
-
0
2 0
4
6
n
Anrehlder SMan
615
.
4
0,6...0.7 0,4 ...0,s 0.3 ...0,4
5
0.25...0,3
2 3
Abb. V-3. Spezitischer Heiz-dampfbedarf in Abhangigkeit von der Stufenzahl n in Verdampferanlagen. - n Anzahl der Stufen.
616
V Grundoperationen
-1
J.
Abb. V-4. Dreistufen-Verdampferanlage-Parallel- rohrheizkammer, dariiberliegendem Briidenraum und strom, FlieRbild. - 1 Losungseintritt, 2 Vonvarmer, Prallwanden, 7 barometrischer Mischkondensator, 3 Heizdampfeintritt, 4, 5, 6 Verdampfer mit Vertikal8 Austritt der eingedampften Losung. kondensiert unter Warmeabgabe an die Losung. Auf diesern Wege gelingt es, einmal aufgeheizte Losungen allein durch Zufiihren mechanischer Energie einzudampfen, sofern die Thermokornpression auch die WImeverluste zu decken vermag (Abb. V-6).
2.2 Destillieren"
Abb. V-5. Verdampfer mit mechanischer Thermokompression. - 1 Losungseintritt, 2 Frischdampf, 3 Kreiselverdichter, 4 konzentrierte Liisung. Der aus dem Verdampfer nach dem Aufheizen entweichende Briiden wird in einem Kreiselverdichter adiabatisch* verdichtet, wodurch die gesamte Kompressionsarbeit in Warmeenergie umgewandelt wird, d. h. nach auRen wird keine Warme abgegeben. Die Dampftemperatur steigt an. Dieser thermokornprimierte Dampf tritt in die Heizkammer des gleichen Verdarnpfers ein und
*
a (grch.) - nicht. diabainein (grch.) hindurch-, hiniibergehen. adiabatisch - nicht hindurchgehen. die Wande des Behalters \ind wlrmeundurchllssig.
Zu den Pltesten Trennmethoden fliissiger Stoffgemische zahlt die Destillation. Sie dient der Trennung fliissiger Gemenge oder der Abtrennung eines Losemittels von einem gelosten, hohersiedenden Stoff. Destillieren ist das Verdampfen von Flussigkeitsgemischen mit anschlieRender Kondensation des Dampfes zur neuen Flussigkeit, dem Destillat. Dabei miissen sich die einzelnen Fliissigkeitskomponenten durch unterschiedliche Siedeternperaturen voneinander unterscheiden. Aufgrund der verschiedenen Siedepunkte der Fliissigkeitskomponenten ist das Destillat, gegeniiber dem Ausgangsgemisch, mit den niedrig siedenden Anteilen angereichert. Auf diese Weise wird ein Trenneffekt zwischen den einzelnen Komponenten erreicht. Die einfache Destillation kann nur angewendet werden, wenn die Komponenten eines Gernisches sehr verschiedene Siedepunkte haben, z. B.
~
*
destillare (lat.) herahtropfen ~
2 Trennung auf thermischem Wege
t
4
I
617
3.1
4 J
Abb. V-6. Whestrombild, Sankey-Diagramm* a) eines Einkorperverdampfers ohne Wheverluste, 1 eintr. Losung, 2 Heizdampf, 3 Briidendampf, 4 konzentrierte Losung, 5 Heizdampfkondensat; b) eines
Verdampfers mit Thermokompression, 1 eintr. Losung, 2 zugefiihrte Kompressionsenergie, 3 Kondensat, 4 konzentrierte Losung.
bei der Abtrennung leichtsiedender Anteile von sehr hochsiedenden Anteilen. Man nimmt dabei meist kleine Unreinheiten im Destillat in Kauf. Der apparative Aufbau zur Durchfihrung einer einfachen Destillation besteht im wesentlichen aus Verdampfer, Kondensator (Kuhler) und Vorlage, das ist das AuffanggefaR fur das Destillat (Abb. V-7). Besteht eine homogene Flussigkeit aus einem schwerfluchtigen Stoff und einem leichtfluchtigen Losemittel, so genugt i. allg. eine einmalige Destillation. Im Destillierkolben, der Blase, bleibt dann der schwerfluchtige Stoff zuriick, w2hrend sich in der Vorlage fast das reine Losemittel als Destillat ansammelt.
Enthalt das flussige Gemenge mehr als zwei Komponenten und liegen deren Siedepunkte weit genug auseinander, so wendet man das Verfahren derfruktionierten Destillation an. Hierbei ist jede Komponente an der ihr eigenen Siedetemperatur erkennbar. Bei Siedebeginn erhalt man einen sog. Vorluuf. Wiihrend des Vorlaufs steigt die Temperatur des Gemisches so lange an, bis die Siedetemperatur der ersten Komponente erreicht ist. Jetzt wechselt man die Vorlage und nimmt den ersten ,,Hauptlauf', die 1. Fruktion, ab. 1st die erste Komponente vollstandig abdestilliert, dann steigt die Temperatur wieder an. Man wechselt abermals die Vorlage. Es folgt der Zwischenluuf. 1st die Siedetemperatur des zweiten Stoffes erreicht, f h g t man ihn in einer frischen Vorlage auf, der 2. Fruktion. Es folgen erneut Zwischenlauf und Hauptlauf. Nach Beendigung aller Hauptlaufe folgt noch der NuchZauf.
2.3 Rektifizieren" 2.3.1 Theoretische Grundlagen Das Gleichgewicht zwischen Flussigkeit und Dampf Dampfdruck
*
* Sankey, E. (1853-1921). irischer Ingenieur.
regere (lat.) - lenken, leiten; rectus (lat.) - gerade; facere (lat.) machen; rectificieren - gerade aufsteigen. ~
61 8
V Grundoperationen
Browmehen* Molekularbewegung standig in Bewegung. Teilchen, die geniigend Energie besitzen, konnen den Fliissigkeitsverband verlassen und in den Gasraum iibertreten. Diese Teilchen prallen gegen die Wandung des GefaBes und iiben einen Druck aus, den Dampfdruck (Abschn. V-2.1.1). Es stellt sich ein Gleichgewicht ein. Es ist ein dynamisches Gleichgewicht vorhanden, wenn die Anzahl der pro Zeiteinheit aus der Fliissigkeit austretenden Teilchen gleich der Anzahl der eintretenden Teilchen ist. Im Gleichgewichtszustand bezeichnet man den Dampfdmck d s Sattigungsdruck. Unter dem Siedepunkt einer Flussigkeit versteht man die Temperatur, bei der der Dampfdruck der Flussigkeit gleich dem auBeren Druck ist. Der Dampfdruck ist von der Temperatur abhangig. Diese Abhangigkeit wird durch die Gleichung von Clausius-Clapeyron** beschrieben: dp-dT;
1
1
dp--. AV'
dp--
***
Da das Fliissigkeitsvolumen VI- sehr klein gegeniiber dem Gasvolumen V, ist und deshalb vernachlassigt werden kann, gilt: dP - AH dT (V,.T)
Nach der Zustandsgleichung der idealen Gase laBt sich V , wie folgt ausdriicken:
vg
p2
dp
-
AH
-AH.dT -
P
T2
dT
-
TZ
RT2
I n -P=2 - -
AH
PI
R
P2
AH Verdampfungsenthalpie (Proportionalitatskonstante Dampfdruck (Gleichgewichtsdruck) Gasvolumen, Dampfvolumen Flussigkeitsvolumen
TI
(
1
T2
=PI . e
~
:I)
I
x (7.
I ~
I)
Die Abhangigkeit des Dampfdruckes von der Temperatur wird durch eine Exponentialfunktion beschrieben (Abb. V-8). Den Dampfdruck eines idealen binaren Gemisches zeigt das Dampfdruckdiagramm konstanter Temperaturen in Abb. V-9. Bei konstanter Temperatur gilt nach dem Raoultschen Gesetz:
1
0' 0
***
(gultig fur 1 mol eines Gases)
M
wobei:
* **
P
Es ergibt sich:
2-
800
RT -
Durch Losen der Differentialgleichung erhalt man folgende Beziehung:
T
AH dP -dT T.AV AH AH -d T (V,-VL).T T'AV
V, V,
=
"I
d p - - - -dT -. T.AV'
p
Temperatur in Kelvin
T
AV (Vg- V J
20
40
60
80
100
Brown, Robert (1883-1848), engl. Botaniker. Clausius, Rudolf (1822-1888). dtsch. Physiker; Clapeyron, Benoit Pierre Emile (17%-1864), frz. Ingenieur. Bei hohen Temperaturen sind die Dtuckbdemngen geringer als bei niederen.
SWI
Abb. V-8. DamDfdruck als Funktion der Temperatur,p = f ( 0).
2 Trennung auf thermischem Wege
Molenbruch x
0
Unter einern idealen biniiren Gemisch versteht man ein Gemisch aus zwei Fliissigkeiten, bei dem die Van-der-Waalsschen** Krafte zwischen den Molekiilen der verschiedenen Flussigkeiten ungefhr gleich den Kraften zwischen den Molekiilen einer Flussigkeit sind. Das Gemisch besteht aus anniihernd gleichgroDen Molekulen mit etwa gleicher Gestalt und iihnlichern chernischen Verhalten. Diese Gemische gehorchen dern Raoultschen* Gesetz, und die Darnpfe verhalten sich wie ideale Gase.
-
1
Siedediagramm bei konstantem Druck
Abb. V-9. Dampfdruck eines biniren Gemisches. PI
=PI
(1)
‘X
pI Dampfdruck der leichter siedenden Komponente p z Dampfdruck der schwerer siedenden
Komponente p ; Dampfdruck des reinen Stoffes (d. h. der leichter
siedenden Komponente) x Stoffmengenanteil der leichter siedenden Komponente in der Flussigkeit Die Funktion p , = f ( x ) ist eine Gerade. Der Dampfdruck p , ist gleich Null fur x = 0 und pl’ fur x = 1 (s. Abb. V-9). Fur den Dampfdruck der schwer siedenden Komponente gilt analog: P2
‘Pi (1 - X I ) .
Anstatt des Darnpfdmckdiagrarnms bei konstanter Temperatur venvendet man in der Praxis die Abhangigkeit der Siedeternperatur von der Zusammensetzung des Fliissigkeitsgernisches bei konstantern Druck. Tragt man in das Dampfdruckdiagrarnm mehrere Isothermen ein, liest bei einem bestimrnten Druck die Werte fur den Stoffmengenanteil der leichter siedenden Komponente ab und tragt sie gegen die Temperatur t? in ein Diagramm ein, so erhalt man die Siedelinie (untere Kurve in Abb. v-10).
(2)
Denn die Sumrne der Stoffmengenanteile der beiden Kornponenten betragt stets 1. Fur den Dampfdruck der Mischung gilt jederzeit: Pl=PI
PI P;’x P; ‘ X y=-==PI PI P: . x + p ; . ( l - x )
(4)
oder nach entsprechender Umformung der Gleichung
1-Y
- P;
P;
C
(3)
+P2
Die Abhangigkeit des Darnpfdruckes der Mischung vom Stoffmengenanteil der leichter siedenden Kornponente wird ebenfalls durch eine Gerade beschrieben. Der Stoffmengenanteil y der leichter siedenden Komponente im Dampf wird durch folgende Beziehung wiedergegeben:
Y
619
X
1 -x
(5)
Diese Gleichung gilt nur fur ein ideales biniires Gernisch.
0
x
X‘
Zusarnrnensetzung x Molenbruch
X”
1
+
Abb. V-10.Siedediagramm bei konstantem Druck.
Die Stoffzusammensetzung im Dampf unterscheidet sich von der in der Fliissigkeit dadurch, da13 der Dampf rnehr leichter siedenden Stoff enthalt. Tragt man den Stoffmengenanteil des leichter siedenden Stoffs im Darnpf gegen die Siedetemperatur auf, so erhalt man die Kondensationskurve (obere Kurve in Abb. V-10). *
**
Francois-Marie Raoult (1830-1901) franz. Chemiker in Grenoble Waals, Johannes Dirk van der (1837-1923), hollhd. Physiker.
620
V Grundoperationen
Der Punkt C im Diagramm stellt die Siedetemperatur der leichter siedenden Komponente und der Punkt A die Siedetemperatur der schwerer siedenden Komponente bei dem herrschenden Druck dar. Betrachtet man eine Mischung der beiden Flussigkeiten rnit der Zusammensetzung x und der Siedetemperatur OB,so ist der Stoffmengenanteil der leichter siedenden Komponente im Dampf v.y ist groaer als x. Der Punkt D stellt die Zusammensetzung des Dampfes dar, bei der gleichen Temperatur wie die der Flussigkeit. Verdampft man eine Flussigkeitsmischung mit der Zusammensetzung x, so bekommt man einen Dampf rnit der Zusammensetzung y, gekennzeichnet durch den Punkt D im Diagramm der Abb. V-10. Wird dieser Dampf vollstandig kondensiert, ergibt sich eine Flussigkeit rnit der Zusammensetzung x ‘ gleich y und der Siedetemperatur Or.Wird diese Flussigkeit verdampft, erhalt man einen Dampf rnit der Zusammensetzung yr und durch vollstlndige Kondensation eine Flussigkeit mit der Zusammensetzung x ” und der Siedetemperatur OG usw. Die Flussigkeit verarmt also standig an leichter siedender Komponente.
Bestimmung der theoretischen Boden einer Kolonne mit Hilfe des Gleichgewichtsdiagramms* Tragt man den Stoffmengenanteil v der leichter siedenden Komponente im Dampf als Funktion des Stoffmengenanteils x in der Flussigkeit in einem Diagramm auf, so erhllt man die Gleichgewichtskurve y =f(x) (Abb. V- 1 I). Y k 1
+ x
0 xox1
x2
x3
x4
m Kondenstor
Glockenboden
HD
-
Abb. V-12. Glockenbodenkolonne.
Als Modell wird eine Kolonne rnit drei theoretischen Boden betrachtet. Ein theoretischer Roden ist der Ort der Kolonne, wo der aufsteigende Dampf rnit der abflieBenden Flussigkeit in einern thermodynamischen Gleichgewicht steht (Abb. v-12). Das Dampfgemisch steigt von der Blase auf, passiert die drei Boden und wird am Kuhler vollstandig kondensiert. Das gesamte Kondensat, vorausgesetzt es wird nichts entnommen, Iauft im Gegenstrom zum Dampf uber die Boden in die Blase zuriick. Auf jedem Boden suchen sich der ankommende Dampf und die ankommende Flussigkeit ins Gleichgewicht zu setzen. Die Gleichgewichtseinstellung wird durch Stoff- und Wkmeubergang zwischen den Phasen erreicht. Da die Konzentration der leichter siedenden Komponente in der fliissigen Phase (Kondensat) grol3er bzw. in der Dampfphase kleiner ist, als es der Gleichgewichtskonzentration entspricht, wird das leichter Siedende verdampfen und das schwerer Sjedende kondensieren. Im Idealfall erfolgen die Uberglnge so weitgehend, dal3 auf jedem Boden der aufsteigende Dampf rnit der abflieRenden Fliissigkeit im Gleichgewicht steht. Fur diesen Grenzfall laBt sich nach McCabe und Thiele* die Konzentration der leichter siedenden
Abb. V-11. Gleichgewichtsdiagramm.
* *
Siehe auch: Hopp. V. (1994). Das chemisch-technische Praktikum, S , 177 ff.. VCH Verlagageaellachaft mbH, Weinheim.
Die McCahe-Thiele-Mcthnde ermiiglicht es fur Zweistoffgemische, graphisch die theoretische Anzahl von Boden zu ermitteln. Lit.: Winnacker-Kuchler ( 1984). Chemische Technologie, 4. Aufl., Bd. 1, Carl Hanser Verlag, Munchen, Wien.
2 Trennung auf thermischem Wege
Kornponente irn abtropfenden Kuhlerkondensat berechnen, wenn die Gleichgewichtskurve des zu trennenden Gernisches, der Anteil der leichter siedenden Kornponente in der Blase und die Zahl der Boden bekannt sind. Die Kurve (Abb. V-11) zeigt die Gleichgewichtskurve eines Gernisches. Betragt die Konzentration des leichter siedenden Anteils irn Sumpf x,, so steigt von hier ein Darnpfgernisch der Zusamrnensetzung yo (Stoffrnengenanteil der leichter siedenden Kornponente irn Darnpf) zurn ersten Boden der Kolonne auf. Die Flussigkeitszusammensetzung auf dern ersten Boden der Kolonne ist yo = x,. Steht der von diesern Boden aufsteigende Darnpf irn Gleichgewicht rnit der Flussigkeit x,, so ist seine Zusamrnensetzung y , . Dieser Darnpf erreicht den zweiten Boden, setzt sich rnit der dortigen Flussigkeit ins Gleichgewicht und verl a t ihn rnit der Zusarnrnensetzung y,. Der vorn letzten Boden aufsteigende Dampf besitzt die gleiche Zusarnrnensetzung wie das vorn Kuhler abtropfende Kondensat y 3 = x4. Eine ideal arbeitende, drei Boden oder Trennstufen enthaltene Kolonne vermag also bei einer Blasenkonzentration x, ein Destillat x, zu erzeugen. Urngekehrt besitzt eine gegebene Kolonne drei theoretische Boden, wenn sie in einer derartigen Anreicherung der leichter siedenden Kornponente irn Destillat zu erzeugen vermag. Der ideale Trennfaktor a 1aBt sich aus G1. ( 5 ) wie folgt definieren: p,'
a=-
pi
=
Dampfdruck des reinen Stoffes 1 Dampfdruck des reinen Stoffes 2
PI P2
I-y
Rektifikationskolonne Eine Rektifikationsanlage arbeitet im Gegenstrorn. Sie ist aus folgenden Teilen aufgebaut (Abb. V-13): - Destillierblase, die in der Regel mit Dampf
beheizt wird. Rektifikationskolonne rnit einer groBen Anzahl theoretischer Trennstufen. - RuckfluBkuhler rnit einer Regelung des Rucklaufverhaltnisses (Rucklaufkondensator). - Destillatkuhler. - Auffangbehalter fur das Destillat. -
1
I
Y
1-Y
und aus G1. ( 5 ) und G1. (6) folgt G1. (7)
- =Y a -
Urn die Anzahl der theoretischen Trennstufen einer Kolonne bei totalern Rucklauf zu erhalten, tragt man in der Gleichgewichtskurve y = f i x ) die Konzentration des Surnpfes x, auf die Abszisse und bestirnrnt die Konzentration yo des aufsteigenden Dampfes. Nun tragt man auf der Abszisse xI= y o und bestimmt y I .Man fhrt auf diese Weise fort, bis die Konzentration x, am Kopf der Kolonne erreicht ist. Die Summen der Stufen im Diagrarnrn entsprechen der Anzahl der theoretischen Trennstufen, wobei der Surnpf als eine Trennstufe betrachtet wird.
(6)
Bei einigen Gemischen ist der Dampfdruck bei einern bestirnrnten Mischungsverhaltnis der beiden Kornponenten gleich. Man bezeichnet sie als azeotrope Gernische. Sie sind nicht durch Destillation zu trennen. Bei einern realen binken Gernisch treten bei der Mischung der beiden Kornponenten Volurnenkontraktion und eine Abgabe oder Aufnahrne von W-e auf. Bei idealern biniiren Gernisch gilt:
62 1
X
I-x
(7)
Abb. V-13. Schema einer diskontinuierlichen Rektifikationskolonne. - 1 Destillierblase / Umlaufverdampfer, 2 Zulauf, 3 Rektifikationskolonne, 4 Rucklautkondensator, 5 Regler fur das Rucklaufverhaltnis, 6 Destillatkiihler, 7 Auffangbehalter fur Destillat, 8 Ablauf.
622
V Grundoperationen
Funktionsweise einer diskontinuierlich arbeitenden Gegenstromrektifizierkolonne Das Gemisch, das sich in der Destillierblase befindet, wird durch eine indirekte Heizung bis zum Siedepunkt erhitzt. Die Dampfe steigen in der Kolonne auf. Auf den Boden der Kolonne findet ein Stoff- und Energieaustausch statt zwischen dem aufsteigenden Dampf und der zuruckflieBenden Flussigkeit. Der Dampf reichert sich an leichter siedendem Anteil an. Im Kopf der Kolonne wird durch den RuckfluBkuhler kondensiert. Je nach eingestelltem Rucklaufverhaltnis fliel3t ein Teil der kondensierten Flussigkeit in die Kolonne zuriick und ein anderer Teil passiert den Destillatkiihler und wird als Destillat in einem Behalter aufgefangen. Das Rucklaufverhaltnis ist wie folgt definiert:
mit n,, AnLahl der Mole im Destillat
diskontinuierlichen Rektifikation mit einem konstant eingestellten Rucklaufverhaltnis wechseln der Sumpf, der Riicklauf und das Destillat standig ihre Zusammensetzung. Der Sumpf verarmt an leichter siedendem Anteil. Die Siedetemperatur der Flussigkeit im Sumpf und auf den Destillierboden steigt. Um den Anteil an Leichtersiedendem im Kopfprodukt konstant zu halten, muB standig das Rucklaufverhaltnis erhoht werden. Wahrend einer kontinuierlichen Rektifikation wird standig frisches Produkt in die Kolonne eingespeist, zum Beispiel durch eine Dosierpumpe.
Versuchsautbau einer Rektifizieranlage Die Rektifizierkolonne ist eine Glockenbodenkolonne. Die Destillierblase bzw. der Sumpf wird indirekt beheizt. Hierzu benutzt man einen Rohrbundelwiirmetauscher. Die Heizfliissigkeit ist in diesem Beispiel 01. Dieses 01 lluft in den Rohrbundelwarmeaustauscher und wird elektrisch aufgeheizt. Eine Pumpe halt das 01 in Bewegung. Das Rucklaufverhaltnis kann uber ein Venti1 manuell eingestellt werden (Abb. V-14).
nu Anzahl der Mole im RiickfluR
Kolonnentypen
Je groBer das Verhaltnis v ist, umso besser ist die Trennwirkung der Kolonne. Im Verlauf einer
Je nach Fullung bzw. Einbauten der Kolonnen unterscheidet man:
KOhl-
wasser-
zulauf
Abb. V-14. Aufbauschema einer Rektifizieranlage. 1 Dampfausgang fur die Wasserdampfdestillation, 2 Regelung des Riicklaufverhaltnisses, 3 Destillat-
entnahme, 4 Entleerungsventil, Verdampfer, 5 Ablaufventil, Vorratsbehalter, TI Temperaturmessung.
2 Trennung auf thermischem Wege
Fiillkorperkolonnen, Siebbodenkolonnen, Glockenbodenkolonnen, Ventilbodenkolonnen, u. a. Fiillkornerkolonnen sind mit Fiillkomern aus Metall, keiamischem oder anderem Material unregelmaiBig gefiillt. Die Fiillkorper bewirken einen intensiven Austausch zwischen dampfformiger und fliissiger Phase. In Siebbodenkolonnen sind siebartig durchlocherte Blecbe iibereinander angeordnet (Abb. V- 15), die als Siebboden bezeichnet werden. Auf ihnen sammelt sich kondensierter Dampf. Durch die Locher in den Boden tritt der Dampf, durchmischt sich mit der Fliissigkeit und verhindert gleichzeitig ihr DurchflieSen. Die Fliissigkeit gelangt iiber den Uberlauf auf den darunterliegenden Boden. Bei Glockenbodenkolonnen (Abb. V- 16) tragen die Zwischenboden glockenformige Aufsatze. Der Dampf gelangt von unten her durch diese ,,Glocken" auf den nachsthoheren Boden. Hierbei muB er die Fliissigkeit passieren, wobei Durchmischung erfolgt. Die Fliissigkeit flieRt durch einen Uberlauf zum darunterliegenden Boden ab. Mit der Anzahl der Boden in einer Kolonne steigt bei einer Rektifikation die Reinheit des Destillats. Ventilbodenkolonnen arbeiten 3hnlich wie Glockenbodenkolonnen. Die Glocken sind durch bewegliche Klappen, die Ventile, ersetzt (Abb. V17).
623
t
Abb. V-15.Siebbodenkolonne.
Abb. V-16. Glockenbodenkolonne.
2.4 Extrahieren" 2.4.1 Theoretische Grundlagen
Definition Extrahieren ist das Herauslosen eines oder mehrerer Komponenten aus einem fliissigen oder festen Gemisch mit Hilfe eines nichtmischbaren Losemittels, das fur die abzutrennenden Komponenten selektiv** ist. Zu unterscheiden ist zwischen der Fliissig-Fliissig-Extraktion und der Fest-Fliissig-Extraktion. Extrahieren ist also das Transportieren des herauszulosenden Stoffes von einer Phase in die andere.
* **
extrahere (lat.) - herausziehen. selektiv - trennscharf, seligere (lat.) - auswiihlen.
Abb. V. 17. Venilbodenkolonne.
Gleichgewicht zwischen zwei Phasen Beriihrt eine Losung ein Losemittel, mit dem sie nicht mischbar ist, so verteilt sich der geloste Stoff zwischen den beiden fliissigen Phasen. Befindet sich der geloste Stoff in beiden Fliissigkeiten im gleichen Aggregatzustand, so ist das Verhaltnis der Konzentrationen des gelosten Stoffes in beiden Phasen konstant und von der Summe
624
V Grundoperationen
Tab. V-1.Dichte, Siedetemperatur und Verdarnpfungswarme einiger Losemittel. Losemittel
n-Hexan
Benzol
Tetrachlorkohlenstoff
Chloroform
Dichlormethan
p i n kg . m ' Oin "C Ah in kJ . kg '
663.8 68.8 424
879 80 390
1594 77 193
1481 61 278,X
1336 42 33 1
der Konzentrationen in beiden Phasen (cA + cB) unabhangig.
gilt das Gleichgewicht als eingestellt, wenn die beiden Phasen sich nach einer innigen Durchmischung wieder getrennt habcn.
CA
-= k CH
k Verteilungskoeffizient c,, Konzentration des Extraktstoffes E in der Phase A cB Konzentration des Extraktstoffes E in der Phase B
Das Gleichgewicht ist erreicht, wenn die Aktivitaten* des gelosten Stoffes E in beiden Phasen gleich sind. Hat man ein System von zwei flussigen Phasen und sind die Losungen nur schwach konzentriert, so sind die Aktivitatskoeffizienten eines Stoffes E in den Phasen A und B unabhangig von den Konzentrationen. In diesem Fall andert sich die Aktivitat des Stoffes E mit der Konzentration. wc,,Massenanteil des Stoffes E in der Phase A und wm Massenanteil des Stoffes E in der Phase B.
E s gilt: k ' . niC.,, = k " . u,c.tc
k' und k" sind Proportionalitatsfaktoren. Es ist also: ~
wC.,, k " = - = k Verteilungskoeffizient u*C.Hk '
Dieses Verhaltnis wird Verteilungskoeffizient genannt. In der Praxis kann er nur als konstant angesehen werden, wenn mit verdunnten Losungen gearbeitet wird. Die Geschwindigkeit, mit der das Gleichgewicht erreicht wird, ist fur jedes System eine andere. Wird ein guter Kontakt zwischen beiden Phasen erreicht, z. B. durch Ruhren, stellt sich sehr schnell das Gleichgewicht ein. In der Praxis
*
Die Wahl des Losemittels, Solvens" Will man eine Extraktion mit Erfolg durchfuhren, ist die Wahl des geeigneten Losemittels au13erordentlich wichtig. Das Solvens mu13 moglichst im Ruflnut, das ist das Losemittel, in dem der LU extrahierende Stoff gelost ist, unloslich sein, weil sonst eine vollstandige Trennung dieser beiden Komponenten nicht moglich ist. Solvens und Raffinat** mussen gut gemischt werden, damit die Grenzflachen zwischen den beiden Phasen groB werden. Das Solvens mul3 ein selektives Losevermogen haben. Das bedeutet, es muR das Extraktionsgut gut losen, und storende Bestandteile mussen im Raffinat zuriickbleiben. In der Praxis oft verwendete Losemittel sind Ether, Hexan, Benzol, Tetrachlorkohlenstoff und Chloroform. Diese Losemittel wendet man immer dann an, wenn sich der zu extrahierende Stoff in einer waBrigen Phase befindet. Diese Losemittel haben gute Eigenschaften als Solvens fur die Extraktion von organischen Stoffen und konnen aul3erdem leicht durch Verdampfen vom gelosten Stoff getrennt werden. In Tab. V-1 sind die Dichte (p), die Siedetemperatur t9 und die Verdampfungswarme Ah einiger Losemittel aufgefuhrt.
2.4.2 Fliissig-Fliissig-Extraktion
Begriffsfestlegung
Anstelle der Konzentrationen werden fur Losungen haufig
Die Flussig-Flussig-Extraktion beruht auf dem Verteilungsgleichgewicht der zu extrahierenden Stoffe zwischen zwei nicht miteinander mischbaren Flussigkeiten. Die zu extrahierende Komponente wird auch als Extraktstoff bezeichnet. Zu Beginn einer
die Aktivitaten angegeben. Das sind die wirksamen Konzentrationen von Atomen, lonen oder Molekiilen, d.h. ihre gegenseitige Behinderung setzt die wirksame Konzentration d. h. Aktivitar herab.
**
*
solvere (lat.) losen. raffiner (frz.) - Iautern, verfeinern. ~
2 Trennung auf thermischem Wege
Extraktion liegt sie in einer Tragerflussigkeit als Mischung vor. Das Extraktionsmittel ist ein Losemittel fur die zu extrahierende Komponente und sol1 fur diese hoch selektiv sein. Andererseits darf es mit der Tragerflussigkeit nicht mischbar sein. Tragerflussigkeit und Extraktionsmittel werden haufig Abgeber bzw. Aufnehmer genannt. Die entsprechenden Produktstrome am Ende einer Extraktion heiBen Raffinat und Extrakt. Raffinat ist also die Tragerflussigkeit rnit den zurikkgebliebenen Verunreinigungen ohne Extraktstoff. In der Regel reicht ein einzelner Gleichgewichtsschritt zwischen Abgeber und Aufnehmer fur eine optimale Anreicherung nicht aus. Deshalb werden mehrere Trennstufen hintereinander geschaltet.
Anwendung der Flussig-Fliissig-Extraktion Wenn zur Trennung von Flussigkeitsgemischen das Rektifizieren nicht moglich ist, wird haufig extrahiert. Das ist dann der Fall, wenn azeorrope* Gemische vorliegen oder der Extraktstoff temperuturempfindlich ist oder wenn der Warmeenergiebed& fur eine Rektifikation infolge geringer Siedepunktsdifferenz zwischen den Komponenten des zu trennenden Gemisches zu hoch ist. Eine Extraktion wird einer Rektifikation auch dann vorgezogen, wenn der Extraktstoff im Gemisch so niedrig konzentriert ist, daB der Warmeenergieaufwand fur eine Rektifikation groBer ist als fur die Extraktion. Mit der Flussig-Flussig-Extraktion werden Antibiotika wie z. B. Penicillin, Streptomycin aus den Fermentationslosungen abgetrennt. GlykolWasser-Gemische oder N-Methylpyrrolidon sind Extraktionsmittel zur Abtrennung von aromatischen Kohlenwasserstoffen aus Erdolfraktionen. Bei der Konzentrierung von Metallen wird in zunehmendem MaBe die Flussig-Flussig-Extraktion eingesetzt, z. B. die Extraktion von Kupfer-, Nickel- und Kobaltsalzen aus wassrigen Losungen rnit Hilfe von in Kerosin gelosten Hydroxylaminen oder die Gewinnung von Uran-, Plutonium- und Thoriumsalzen rnit Tributylphosphat. Ebenso kann auch die Rohphosphorsaure durch Extraktion rnit n-Butanol oder Amylalkohol gereinigt werden.
*
a (grch.) - nicht; tropos (grch.) - Richtung; zeo (grch.) - ich
siede.
625
Apparaturen fur die Fliissig-Fliissig-Extraktion Die Gute einer Extraktion hiingt prinzipiell von der GroBe der Beriihrungsflache zwischen den beiden Phasen ab. Es ist zwischen diskontinuierlich und kontinuierlich arbeitenden Extraktionsapparaturen zu unterscheiden. Der einfachste diskontinuierlich arbeitende Extraktionsapparat ist der Ruhrwerkskessel. Das Extraktionsgut wird nacheinander mehrmals mit frischem Extraktionsmittel, Solvens, vermischt und getrennt. Das Mischen der beiden Phasen kann entweder durch intensives Ruhren erreicht werden oder durch Umpumpen der schwereren Phase. In diesem Fall wird die schwerere Phase am Boden des Behalters abgezogen und durch eine Pumpe wieder in die leichtere Phase zuriickgefuhrt. Bei kontinuierlich arbeitenden Extraktionsapparaten werden Raffinat und Solvens in speziellen Extraktionskolonnen im Gegenstrom gefuhrt. Im oberen Teil der Kolonne wird die schwerere Phase und im unteren Teil die leichtere Phase eingespeist (Abb. V-18). Extraktionsmittel (Solvens) und das zu extrahierende Gemisch verteilen sich in der Kolonne als kleine Tropfen. Um die Beriihrungsflache der beiden Phasen zu vergroBern und die Beriihrungszeit zu verlangern, sind die Extraktionskolonnen rnit Siebboden oder Fullkorpern, z. B. Raschigringen oder Metallwendeln, versehen (Abb. V-19).
Abb. V-18. Kontinuierliche Extraktion mit Extraktionsriicklauf. - 1 Gegenstromkaskade, 2 Losemittelriickgewinnung (2. B . durch Verdampfen).
626
V Grundoperationen
leichte Phase
2
schwere Phase
1
Abb. V-19. Ausschnitt von einer Extraktionskolonne mit Siebboden. - I Siebbden, 2 Ablaufwehr.
Eine vierstufige Extraktionsanlage zeigt Abb. v-20. Eine erhebliche Verbesserung der Extraktionsleistung von Fullkorper- und Siebbodenkolonnen gelingt durch Pulsationskolonnen (Abb. V-21); in ihnen sind Siebboden eingebaut. Die Perforation der Siebboden ist so gewahlt, daR auf jedem Sieb ein Teil der schwereren Phase eine Zeit lang verweilt und nicht sofort den Boden durchquert. Die Pulsationen in der Kolonne erreicht man durch eine wechselnde Druckund Sogwirkung auf die Fliissigkeit am unteren Ende der Kolonne. Diese Bewegungen in der Kolonne bewirkt eine Kolbenpumpe. Bei jeder Druckbewegung der Pumpe gelangt ein Teil der leichteren Phase, die sich unter den Siebboden befindet, durch die Locher in den Boden als kleine Flussigkeitstropfen nach oben und beriihrt dabei die schwerere Phase. Bei jeder Sogbewegung der Pumpe dagegen gelangt ein Teil der schwereren Phase, die sich uber den Siebboden befindet, durch die Locher in den Boden ebenfalls als kleine Flussigkeitstropfchen nach unten und beriihrt somit die leichtere Phase. Die Pulsationskolonnen sind auRerst wirksam. Man kann mit den Ko-
F
schwere Phase
7 I
M2
t
x2.1
I I
leichte Phase
1 x1.m x2.a
Abb. V-20. Vierstufige Extraktionsanlage. MI bis M4 Mischgefie, TI bis T4 Trennbehalter. LI und L2 Massenstrome der beiden Losemittel, bezogen auf die reinen Liisemittel. XI bzw. X2 sind die Beladungen von Liisemitteln 1 bzw. 2 mit der Komponenten A in kg A pro kg reines Losemittel, der zweite Index kennzeichnet den Ort innerhalb der Extraktion
Abb. V-21. Pulsationskolonne.
leichte Phase
I
I
Tebhden i
2 Trennung auf thermischem Wege
lonnen bis zu 10 theoretische Extraktionsstufen pro Meter erreichen.
2.4.3 Fest-Fliissig-Extraktion Bei einer Fest-Flussig-Extraktion ist das Extraktgut fest. Mit einem flussigen Extraktionsmittel sollen aus ihm bestimmte Bestandteile herausgelost, d. h. ausgelaugt werden, z. B. die Extraktion von Olen und Fetten aus Olsaaten und Friichten sowie von Aromen, Gewiirzstoffen, Duftstoffen, Drogen aus Pflanzen. Als Extraktionsmittel dienen leicht siedende organische Losemittel, die nach der Extraktion vom Raffinat* abdestilliert werden konnen. Das Herauslosen von Zucker aus Riibenschnitzeln ist ebenfalls eine Fest-Flussig-Extraktion. Auch das Auslaugen von Erzen gehort dazu. Man erhalt durch sie Metallsalzkonzentrate, wie z. B. in der Cyanidlaugerei durch Behandlung goldhaltiger Gesteine mit wassriger Natriumcyanidlosung oder das Auslaugen von kupferhaltigen Erzen bzw. von Abbranden mit verdiinnter Schwefelsaure (s. Abschn. 111-9.4.9). Bei Feststoffextraktionen ist es besonders wichtig, daR die Feststoffe stark zerkleinert sind, um eine moglichst grol3e Oberflache fur das Extraktionsmittel zu erhalten. Eine Verbesserung des Stofftransportes gelingt dadurch, daR wiihrend des Extraktionsvorganges der Feststoff bewegt wird, dazu sind Riihrkessel und Drehrohre geeignet.
*
raffiner (frz.)- verfeinern, Iautern. Raffinat ist das Produkt, das raffiniert wurde, d. h. es ist das Gereinigte am Ende der Extraktion. Die Begriffe Extrakt und Raffinat bezeichnen in diesem Falle dasselbe.
627
Bei kontinuierlich arbeitenden Fest-FliissigExtraktionen werden zur Bewegung des Extraktstoffes auch Forderschnecken eingebaut (Abb. v-22). Eine Fest-Flussig-Extraktion vollzieht sich in fiinf Schritten: - Zerkleinerung des Extraktgutes, - Einwirkung des Extraktionsmittels auf das
zerkleinerte Extraktionsgut, - Abtrennung der Extraktionsphase (Extrak-
tionsmittel und Extraktstoff) vom Extraktionsgut, z. B. Filtrieren, Abschleudern, Abpressen, - Trennung der Extraktionsphase in Extraktionsmittel und Extraktstoff, z. B. Destillieren, - Riickgewinnen der Extraktionsphase bzw. des Extraktionsmittels aus dem Extraktionsriickstand. Eine mehrstufige Fest-Fliissig-Extraktion erreicht man dadurch, da0 mehrere Extraktionseinheiten hintereinander geschaltet werden. Hier trifft das frische Extraktionsmittel mit dem am sttirksten ausgelaugten Extraktionsgut zusammen (Abb. V-23).
2.4.4 Destraktion Destraktion* ist ein Trennverfahren, das auf Fliissigextraktion (Fluidextraktion) mit Hilfe von Gasen im uberkritischen Zustand beruht. Als kritischer Zustand eines Flussigkeits-GasSystems ist die Phase definiert, in der die Dichte
*
Desrrakrion ist eine Bezeichnung, die sich aus den Begriffen M l l a t i o n und Extraktion herleitet.
628
V Grundoperationen Ektraktgehall im Feststoff A
Lbemittel - Eintritt
FeStStOWq
Extraktionsphase
Abb. V-23.Mehrstufiges Extraktionsmodell nach Ex-Technik/Babcock (aus Hemming*, 1999).
D , der Fliissigkeit gleich der Dichte des Gases ist. Die dazugehorigen physikalischen Daten wie Temperatur, Druck und Volumen heiBen kritische Temperatur T K , kritischer Druck pK und kritisches Volumen VK. Die kritischen Daten fur einige Stoffe sind in Tabelle V-2 aufgefiihrt. In Abbildung V-24 ist das Druck-TemperaturDiagramm des Kohlenstoffdioxids dargestellt. Es zeigt drei Bereiche an, die den Aggregatzustanden der festen, fliissigen oder gasformigen Phase zuzuordnen sind. Das Diagramm beschreibt die Ubergangsbedingungen von einer Phase in die andere. Ubt man Druck auf gasfomiges Kohlenstoffdioxid aus, so erhalt man je nach herrschender Systemtemperatur entweder fliissiges oder festes Kohlenstoffdioxid. Ab einer bestimmten Temperatur,
der kritischen Temperatur TK, 1aBt sich ein Gas, in diesem Falle Kohlenstoffdioxid, unabhangig von der Hohe des angewandten Drucks nicht mehr verfliissigen. Diesen Bereich oberhalb der kritischen Temperatur und des kritischen Druckes nennt man uberkritisch und fluid*. Gase, die unter uberkritischen Bedingungen zur Destraktion eingesetzt werden, heiBen uberkrirische oder fluide Liisernirtel. Fur bestimmte Stoffilassen haben sie interessante Loseeigenschaften. Bei Drucken in Bereichen von ca. 100 bar bis 300 bar lassen sich die Molekiile des fluiden Mediums auf ahnlich geringe Abstande zusammendriicken wie die der iiblichen fliissigen Losemittel. Beide Losemitteltypen haben hierbei vergleichbare Dichten, unterscheiden sich jedoch in anderen physikalisch-chemischen Eigenschaf-
Tab. V-2.Kritische Daten einiger Gase bezogen auf 1 Mol Substanz
Stoffe Wasserstoff, H, Sauerstoff,0, Stickstoff,N, Kohlenstoffdioxid, COz Ammoniak, NH, Wasserdampf, H,O *
239,9 118,38 - 147,l + 31,3 + 132,4 + 374,O -
Lit. Hemming, W. (1999). Verfahrenstechnik, aus der Kampratt-Reihe, kurz und biindig, Vogel-Verlag Wiirzburg.
[F]
PK
DK
12,96 30,XO 3333 733 1 113,97 22 1,29
0,03 0,43 0,31 I 0,468 0,235 0,3 15
*
fluid (engl.) flussig ~
0,061 0,074 0,087 0,096 0,072 0,057
2 Trennung auf thermischem Wege
bar
Bei Naturstoffen hangt die Destraktionsgeschwindigkeit zusatzlich von der temperaturabhangigen Diffusion der zu extrahierenden Stoffkomponenten im Inneren des Naturstoffgefiiges, d. h. des pflanzlichen oder tierischen Zellmaterials, ab. Kohlenstoffdioxid zeigt unter iiberkritischen Bedingungen nicht hydrophile Loseeigenschaften, sondern hydrophobe (Tab. V-3).
1
6 -
1-
100
-
I6-
" s JL
629
I -
Kohlenstoffdioxid als Destraktionsmittel
1L
Gase oder Dampfe im iiberkritischen Zustand vermogen oft groBe Mengen anderer Stoffe zu 06losen. Als Destraktionsmittel eigenen sich EthyI len, H2C=CH2, Propan, H3C-CH2-CH3, Hexan, H3C-(CH2)4-CH3, Ammoniak, NH3, Distickstoffdioxid, N202, Kohlenstoffdioxid, COz, IV I I 1 I I I I und auch niedrigsiedende Fliissigkeiten, die sich -80 -60 -40 -20 0 20 LO 60 C' 80 in einen iiberkritischen Zustand iiberfiihren Temperotur lassen. Abb. V-24. Druck-Temperatur-Zustanddiagramm Zur Extraktion von Duft- und Geschmacksdes Kohlenstoffdioxids. Der Druck wurde logarith- stoffen, Aromen und anderen pflanzlichen Inmisch aufgetragen. haltsstoffen ist besonders iiberkritisches Kohlenstoffdioxid geeignet. Kohlenstoffdioxid ist nicht toxisch, nicht entten, wie z.B. im Diffusionskoefizienten und in ziindbar, nicht entflammbar und extrem fliichtig, der Viskositat. so daB es sich leicht und vollstandig von dem ExBei den klassischen Losemitteln kann die trakt abtrennen l a t und keinerlei Riickstand im Loslichkeit von Stoffen nur durch die Tempera- extrahierten Gut verbleibt. AuBerdem ist reines tur beeinfluBt werden. In der Regel nimmt sie mit CO, leicht verfiigbar und relativ preiswert. steigender Temperatur zu. Dagegen ist die Loseh r k r i t i s c h e s CO, dient groBtechnisch zur fa;higkeit von iiberkritischen Gasen sowohl von Entcoffeinierung von Kaffeebohnen und zum der Temperatur als auch vom Druck abhangig. Destraktieren von Hopfen und anderen thermisch Die Loslichkeit von Stoffen, die im iiberkriti- labilen Naturstoffen, wie z. B. zur Gewinnung schen Bereich von fluiden Gasen loslich sind, von Geschmacksstoffen fur die Gewiirzstoffinsteigt mit zunehmendem Druck, d. h. auch mit dustrie, Duftstoffen fur die Parfiirnerie, Drogen fur Arzneimittel u.a. zunehmender Dichte des Mediums an. 10
-
T/ '
Tab. V-3. Lijslichkeit einiger StofFklassen in fluidem Kohlenstoffdioxid.
Loslichkeit
Stoffklassen
Inhaltsstoffe von Naturprodukten
gut
hydrophobe unpolare Komponenten, maig polare Stoffe von niederem und mittlerem Molekulargewicht
Aromen, Duftstoffe, Terpene, Fette, Ole, Gewurze
mittelmaBig
polare Stoffe mit niederem Molekulargewicht
Coffein, Theobromin, Nicotin, Cholesterin, niedrige Fettsauren, Wachse, Akohole, Wasser
keine
stark polare Stoffe, unpolare rnit hoherem Molekulargewicht
Proteine, Aminosauren, Kohlenhydrate
630
V Grundopcrationen
und abgezogen (6). Das extraktfreie Gas wird uber den Wiirmetauscher (4), Filter (7) und Kornpressor (3) wieder verflussigt und in den Kreislauf zuriickgefuhrt (Abb. V-26). Diese Methode hat sich sehr gut bewahrt be' der Extraktion von Hopfen, Gewurzen und 01saaten.
Ve@ahrensbeschreibung
Eine Destraktion verliuft in 2 Stufen (Abb. V-
25).
I. Stufe Extraktion irn kritischen Bereich irn Extraktionsgefal3 (1); das Extraktionsrnittel lost den Extraktstoff in uberkritischer Losung.
E xtroktions stute
2. Stufe Trennung des Kohlenstoffdioxids und Extrakts im Abscheidebehalter (2) unter Druckabsenkung bei konstanter Temperatur oder unter gleichzeitiger Ternperaturabsenkung. Aus dern Extraktionsbehalter werden die gelosten Kornponenten vorn Fluidrnittel einer Pumpe in den Abscheidebehalter transportiert. Auf dern Wege dorthin wird die hornogene Phase, d. h. das Extraktionsgernisch uber ein Drosselventil (5) auf unterkritische Bedingungen entspannt. Dabei sinkt die Dichte des Systems und die Loslichkeit. Der geloste Stoff fallt aus und wird im Abscheidebehalter ( 2 ) vorn Gas getrennt
Oruckpumpe Abb. V-26. Destraktion durch Druckanderung.
I
I
5
3.
Entmischungsstute
+-
Destraktion. Hochdruckextraktions-Verfahren (Schema) 1 = Extraktionsbehalter, 2 = Abscheidebehalter, 3 = Purnpe oder Kompressor, 4 = Warrnetauscher, 5 = Drosselstelle, 6 = Ventile, 7 = Filter, 8 = Extraktionsmittel, M = Motor
Abb. V-25. FlieRbild einer Destraktionsanlage.
2 Trennung auf thermischem Wege
E xtroktlans stute
Adsorption
63 1
Naturstoffe. Als Extraktionsmittel im uberkritischen Bereich dienen Kohlenstoffdioxid und Propan. Extrakte sind Hopfen, Coffein, Theobromin und andere Aromen und Duftstoffe aus Gewurzen etc.
2.5 Kristallisieren"
Umwalzpumpe Abb. V-27. Abscheidungscyclus durch Absorption.
Eine Abscheidung des gelosten Extrakts kann auch durch Adsorption erfolgen (Abb. V-27). Der im fluiden Gas geloste Extrakt wird isobar und isotherm uber einen geeigneten Adsorber geleitet und abgeschieden. Als Adsorbentien eignen sich Aktivkohle und Ionenaustauscher. Dieses Verfahren wird eingesetzt zur Gewinnung von Coffein, Theobromin oder Nicotin aus Kaffee, Tee oder Tabak. Eine weitere Moglichkeit der Phasentrennung zwischen dem fluiden Gas und gelosten Stoff kann auch durch eine Temperatwaderung erreicht werden, wenn man das Fluidsystem uber geeignete Whnetauscher fuhrt (Abb. V-28). Die SKW-Trostberg 1st eines der fuhrenden Unternehmen auf dem Destraktionssektor fur
E x tr okt ionsstute
Entmischungsstufe
UmwNzpumpe Abb. V-28. Abtrennung des Extraktes durch Temperaturanderung, WT = Whetauscher.
Kristallisieren ist das Trennen eines Feststoffes oder Feststoffgemisches aus einer Losung. Der Trenneffekt des Kristallisierens beruht auf zwei Eigenschaften von Feststoffen und deren Gemischen. Das sind ihre unterschiedlichen Loslichkeiten im jeweiligen Losemittel und ihre in der Regel vollstandige Nichtmischbarkeit im festen Zustand. Legierungen und Mischkristalle bilden eine Ausnahme. Bei der Kristallisation werden Feststoffe aus einer Losung durch Abkuhlen oder Einengen abgeschieden. Dabei wird meist W k me frei; bei negativer Losungswiirme bzw. positiver Kristallisationswiirme der Feststoffe ist der Kristallisationsvorgang jedoch endotherm. Aus dem Loseverhalten des Feststoffes kann man erkennen, ob durch Abkuhlung eine Kristallisation erzwungen werden kann, oder ob eingeengt werden muR (NaC1-Losung). Die Kristallisation verlauft langsam und man benotigt deshalb groBe Apparaturen. Durch Bewegen der Losung kann die Kristallisation beschleunigt werden; doch fuhrt zu starke Turbulenz zu unregelmafiiger Bildung von oft zu kleinen Kristallen. Das kristalline Haufwerk neigt bei Lagerung zum Verbacken, besonders bei hoher relativer Luftfeuchte. Kristalle binden dann Feuchtigkeit der Luft, wenn der Dampfdruck groBer ist als derjenige der gesattigten Losung des kristallinen Feststoffes. Mikrokristalline Stoffe, die eine groRe spez. Oberflache haben, verbacken dabei sttirker als grobkristalline. Durch Zusatze oder nachtragliches Pudem (z.B. Kieselgur fur Kalkammonsalpeter) wird angestrebt, daR sich Schutzschichten um die Kristalle bilden, die ein gegenseitiges Beriihren und eine Feuchtigkeitsaufnahme verhindern. Das Loseverhalten des Feststoffes ist maBgebend fur die Wahl des Kristallisators. In jedem Fall mu8 die Kristallisation durch Vbersiirrigung d. h. durch Abkuhlen oder Einengen herbeigefiihrt werden. Die Kristallisation verlauft in zwei Stufen: der Keimbildung und dem Wachsen der Kristalle.
*
krystallos (grch.) - Eis
632
V Grundoperationen
Dampfstrahkpparat ftir Vakuum
Abb. V-29. Liegender Vakuumkristallisator Oslo Kristallisator.
Stoffe mit groRer positiver Losungswme werden durch Abkiihlen (z. B. Na-anthranilat), solche rnit kleiner positiver Losungswme durch Einengen und solche rnit negativer Losungswhne, die zur Krustenbildung neigen (2.B. Na2S04, CaSO,, FeSO,), durch Verdampfung kristallisiert. Die Kristullisation in Ruhe (Pfannen u. a,) dient zur Ziichtung groRer Kristalle. In der kristallisierenden Losung herrscht lediglich freie larninare Strornung, die auf Dichtedifferenzen, Freiwerden von Losungswme und Verdunsten der Losung, beruht. Durch larninare Strornung werden keine Kristallkeirne von grol3eren Kristallen abgetragen - die vorhandenen Kristalle konnen ungestort wachsen. Da die Kristallisation in Ruhe bei schwach iibersattigten Losungen mehrere Tage bis Wochen benotigt, eignet sie sich nicht zurn Gewinnen von Massengutern. Die Kristallisation in Bewegung durch langsarnes Ruhren dient zur Abscheidung von Massengutern aus Losungen. Durch die standige Bewegung wird imrner wieder gesattigte Losung an das Korn herangefuhrt, dessen Umgebung an gelostem Stoffe durch die Auskristallisation verarmt. Allerdings ist die KristallgroRe und -form nicht so ideal, wie bei einer Kristallisation in Ruhe. Aber in der Regel entstehen doch gut filtrierbare Massenguter. In der Technik ist der Faktor Zeit oft stiirker zu beachten als allerhijchste Reinheit. Durch Einstellen einer bestimrnten Strornungsfonn, Ubersattigungskonzentration und Warmefiihrung 1aBt sich eine Kristallisation weitgehend lenken, so daB eine gewiinschte Kristallform entsteht. Sind in einer Losung mehrere Stoffe mit unterschiedlicher Loslichkeit enthalten, so kann
durch eine fraktionierte Kristullisution eine Trennung der gelosten Stoffe herbeigefiihrt werden (z. B. NaCl-KNO,, NaCl-KCl-MgCI, aus Meerwasser). In letzter Zeit hat die adduktive Kristullisation an Bedeutung gewonnen. Der Losung des auszukristallisierden Stoffes wird Harnstoff oder Thiohamstoff zugesetzt, an den sich der Stoff kristallisierend anlagert. Man kann auf diese Weise lineare von verzweigten Kohlenwasserstoffen trennen. Durch lokale Ubersattigung und Orientierung von Ionen oder Molekiilen des gelosten Stoffes kornmt es zur Kristullkeimbildung. Die Prim&kristalle sind etwa 10-9rnirn Durchrnesser und je nach Art und Konzentration rnehr oder weniger stabil. Kleine Prim%rkristalle losen sich haufig wieder auf. Oft laRt sich eine Losung weit unter Sattigungsternperatur abkiihlen, bis eine Kristallkeirnbildung einsetzt. Auch durch Eintragen von Irnpfkristallen oder Frerndkorpern oder durch rauhe Wande kann die Kristallisation eingeleitet werden. Wenn sie einsetzt, steigt die Ternperatur sprunghaft bis zur Sattigungstemperatur und die Kristallisation lauft dann unter Whneabgabe bei gleichbleibender Ternperatur weiter. Dabei wachsen die Kristulle durch Anlagerung von weiteren Ionen oder Molekulen an Flachen und Kanten oder unter Flachenneubildung. Die Wachstumsgeschwindigkeit hangt davon ab, wie schnell weitere Ionen durch die Prandtlsche* Grenzschicht diffundieren und sich in der Vol-
*
Der Begriff Grenzschicht wurde 1904 von dem Physiker Ludwig Prandtl (1875-1953) eingefuhrt. Damit ist eine Schicht in unmittelbarer N2he eines umstromten Korpers gemeint. In ihr hemchen andere Striimungsund damit auch andere Diffusionsbedingungen.
2 Trennung auf thermischem Wege
merschen* Schicht am Kristall durch Grenzflachenreaktion einordnen konnen. Durch Viskositiitsverringerung lN3t sich z. B. die Stoffiibergangszahl erhohen, durch Besetzung der Kristallobefflache mit Fremd-Ionen wird die Grenzflachenreaktion, d. h. die Einordnung von Molekiilen oder Ionen, gebrernst. Bei zu schneller Kristallisation konnen Losernittel und darin geloste Frerndstoffe eingeschlossen werden, die durch Waschen nicht entfernt werden konnen. Beirn Auflosen werden diese Fremdstoffe wieder freigelegt. So kann ein oberflachlich weis gewaschenes Kristallisat beim Losen eine gelb bis braun gef&bte Losung ergeben. GroBe Kristalle mit relativ Meiner Oberflache sind leichter waschbar. Es bleibt noch zu erwtihnen, dal.3 die Kristallisationsgeschwindigkeit mit der Temperatur und dem Ubersattigungsgrad steigt. Wenn dieser jedoch zu hoch wird, bilden sich zu viele neue
*
Die von Max Volmer (1885-1965), dtsch. Physikochemiker, enveiterte Ostwaldsche Stufenregel besagt, daB sich bei Stoffumwandlungen zunachst irnmer die weniger dichte (und meist auch weniger stabile) Modifikation bildet; Ostwald, Wilhelm (1853-1937). dtsch. Physikochemiker.
633
Kristallisationskeirne und die Kristallisation verlauft in ungewunschten Bahnen. Es gibt verschiedene Kristallisatortypen fur unterschiedliche Anwendungen (Abb. V-29). Diese Kristallisatortypen sind in einzelne Sektoren - bis zu 30 - unterteilt. Sie arbeiten diskontinuierlich bei stufenweise abnehmenden Driicken und Temperaturen. Der Stofftransport der Losung und der Kristallsuspension erfolgt durch das Druckgefalle von Stufe zu Stufe. In solchen Kristallisatoren konnen 500 m3 bis lo00 rn3 Lijsung pro Stunde durchgesetzt werden. Dabei werden bis zu 100 t Kristallisat pro Stunde erhalten. Die KristallgroBen betragen 0,6 mm bis 3 rnm. Zusamrnenfassend darf gesagt werden, daI3 die Kristallisation sowohl ein Trenn- als auch Reinigungsverfahren ist, einhergehend rnit einer Formgebung .
3 Mechanische 'hennung von Feststoffen und Flussigkeiten
3.1 Definition von Begriffen Bei chemisch-technologischen Prozessen treten haufig Mischungen von Fiissigkeiten und darin schwebenden (suspendierten)* Feststoffen (disperse Systeme)** auf (s. Abschn. 11-6). Diese Mischungen nennt man Suspensionen. Die GroBe der in ihnen enthaltenen Feststoffteilchen ist sehr verschieden. Je kleiner die Feststoffteilchen sind, um so schwerer lassen sie sich von der Fliissigkeit trennen. Deshalb sind die angewandten Trennmethoden sehr unterschiedlich. Zur Trennung von Suspensionen werden je nach Eignung das Kliiren (Sedimentieren), Filtrieren und Zentrifugieren angewendet. Unter Kliiren bzw. Sedimentieren versteht man die Trennung eines Feststoffes von der Fliissigkeit im Schwerkraftfeld. Diese Trennmethode wendet man bei grofieren Suspensionsmengen an. Bei diesem Verfahren setzt sich der Feststoff, der die groBere Dichte hat, unter der Wirkung der Schwerkraft am Boden eines Behalters ab (Abb. V-30).
und aus Gasen (Aerosole) mittels einer fur Flussigkeit oder Gas durchlassigen Schicht, die Filter heifit (Abb. V-31). Die Filtration wendet man z. B. zur Trennung feiner Suspensionen an, bei denen die Absetzgeschwindigkeit zu gering ist, oder wenn es notwendig ist, den Feststoff mit geringem Feuchtigkeitsgehalt zu gewinnen. Beim Zentrifugieren (Schleudern) erfolgt die Trennung von festen und fliissigen Bestandteilen einer Suspension mit Hilfe der Zentrifugalkraft (Abb. V-32). Bei schlecht filtrierbaren Triiben wird zentrifugiert. Da die Zentrifugalkraft ein Vielfaches der Schwerkraft betragen kann, erreicht man eine schnellere Trennung von Feststoffen und Flussigkeit nach dem Prinzip des Absetzens (Sedimentierens) oder der Filtration. Aus diesem Grunde werden oft Zentrifugen anstelle von Filtern eingesetzt.
Abb. V-30. Sedimentation.
Filtrieren ist das mechanische Trennen von Feststoffteilchen aus Flussigkeiten oder Gasen (Staub) oder von nicht loslichen Flussigkeitsteilchen aus einer anderen Fliissigkeit (Emulsion)
*
**
suspendere (la[.)- schweben machen, aufhangen. dispergere (lat.) - zerstrcuen.
Abb. V-31. Filtration. - a) Vakuumfiltration, b) Druckfiltration.
635
3 Mechanische Trennung von Feststoffen und Flussigkeiten
Abb. V-32. Zentrifugation. -
a) Siebzentrifuge, b) Vollrnantelzentrifuge.
3.2 Filtration* von Feststoffen aus Flussigkeiten 3.2.1 Allgemeine Grundlagen
Das Gewinnen wertvoller Filtrate wird Kl2rfiltration genannt, das Gewinnen von Ruckstanden Trennfiltration. Den auf dem Filtermittel verbleibenden Ruckstand bezeichnet man als Filterkuchen. Weiterhin wird zwischen Obefflachen- und Tiefenflachenfiltration unterschieden. Bei der Oberflachenfiltration ist die PorengroDe des Filtermittels kleiner als das kleinste zuriickzuhaltende Feststoffteilchen. Bei der Tiefenfiltration sind die Poren groBer als die kleinsten Feststoffteilchen. Diese treten am Anfang der Filtration durch das Filtermittel hindurch und verursachen einen triiben Vorlauf. Erst der sich aufbauende Filterkuchen halt durch Adhasion auch die kleinsten Feststoffteilchen zuriick, soda6 das Filtrat klar wird. Der Vorlauf muB dann nochmals filtriert werden. Eine notwendige Voraussetzung fur die Filtration ist die Druckdifferenz zwischen der Zu- und Ablaufseite des Filters. Sie treibt die Flussigkeit durch das Filtermittel (s. Abb. V-31). Um Druckdifferenzen zu erzeugen, gibt es folgende Moglichkeiten: a) durch den hydrostatischen Druck der Flussigkeitssaule uber dem Filter, b) durch zusatzlichen Uberdruck auf der Zulaufseite des Filters, c) durch zusatzlichen Unterdruck auf der Ablaufseite des Filters.
Urn eine Filtration durchzufuhren, benotigt man: - Filtermittel, - Filterapparate, -
Filterhilfsmittel und
- als treibende Kraft entsprechende Druckdiffe-
renzen. Die Filtration wird von einer Reihe von Faktoren beeinfluDt. Hierbei spielen Teilchenform und TeilchengroRe eine besondere Rolle. Feinkomige oder gar kolloide* Teilchen bilden einen dichten Filterkuchen, der die Filterleistung vermindert. Grobe, kristalline Teilchen dagegen bauen einen lockeren, gut durchlassigen Filterkuchen auf, sie lassen sich gut filtrieren. Neben der Teilchengroae spielt auch die Teilchenform eine Rolle. Kristalline Teilchen mit runden bis eckigen Strukturen lassen sich gut filtrieren. Blattchenformige Teilchen dagegen legen sich flach aufeinander und hemmen den Filtratdurchlauf. Schleimige und klebrige Teilchen setzen die Poren des Filtermaterials zu, der Filterkuchen kann absolut undurchlassig werden. Die Filtriergeschwindigkeit V, wird angegeben in Filtratvolumen (m3) pro Filterflache (m2) und Filtrierzeit (h): Filtriergeschwindigkeit =
Die durch:
Volumen Flache . &it
Filtriergeschwindigkeit
Die Menge des anfallenden Filtrats ist fur eine vorgegebene Suspension von der Filterflache, der Druckdifferenz, der Temperatur und der Dauer der Filtration abhangig.
- Temperaturerhohung, - Anderung des pH-Wertes, - Druckerhohung,
*
*
filtrum (lat.) - Durchseihgerat.
wird
erhoht
Kolloid - das Feinzerteilte, kolla (grch.) - der Leim
636
V Grundoperationen
Einsatz von Filterhilfsmitteln (nur Kl2irfWation), - Verrninderung der FilterkuchenstPke. -
Durch Temperaturerhohung wird die Viskositiit der zu filternden Fliissigkeit verringert und dadurch in vielen Fallen eine bessere Filtriergeschwindigkeit erzielt. Durch Erhohung des Druckes kann die Geschwindigkeit gesteigert werden, rnit der das Filtrat durch den Filterkuchen dringt. Durch An wendung von FilterhilJvmitteln, die nicht mit der Triibe reagieren, laBt sich eine Undurchlassigkeit des Filterkuchens verhindern. Sie konnen aber auch die Filtriergeschwindigkeit fordern, indem sie einen lockeren Filterkuchen aufbauen. Man venvendet u. a. als Filterhi&ymittel: Kieselgur - Quarz - Aktivkohle - Cellulose -
Zu den Filtermitteln zahlen solche Stoffe, deren PorengroRe kleiner oder genau so groB ist wie der abzufiltrierende Stoff. Die wichtigsten Filtermittel sind: 1. Sand in verschiedenen KorngroBen zum Filtern groBer Fliissigkeitsmengen (Kiesfilter). 2. Steinfilter aus Ton, Quarz, Glas, Kieselgur, Kohle von bestimmter KomgroRe u. a. m. Diese Stoffe sind durch Bindemittel oder Sinterung so miteinander verbunden, dab Platten oder Rohren rnit bestimmter PorengroBe entstehen. 3. Gewebe aus Metall; aus Baumwolle fur neutrale und alkalische Fliissigkeiten; aus Wolle fur saure Fliissigkeiten; aus synthetischen Fasern.
7
A
*oo-
3
Abb. V-33. Sandfilter. - 1 Schmutzwasser, 2 Spiilwasser, 3 gereinigtes Wasser.
werden. Solche Sandfilter werden z.B. in der Trinkwasser- und FluRwasseraufbereitung verwendet. Im Gegensatz zu Sandfiltern, bei welchen die anfallenden Feststoffe gewohnlich das Nebenprodukt der Filtration darstellen, dienen z. B. Nurschen (Sauger) der Gewinnung der Feststoffe. Nutschen konnen offen oder geschlossen, rnit oder ohne Ruhrwerk ausgestattet. sein. Die Filtration erfolgt mittels Unter- oder Uberdruck. Offene Nutschen sind runde oder eckige Behalter aus Metall, Holz oder Steinzeug rnit einem Boden aus porosen Filterplatten oder einem siebartig durchlochten Boden, welcher rnit Filtertuch belegt ist. Unter dem Filterboden wird bei Saugnutschen ein Unterdruck erzeugt (Abb. V-34). Uber dem Filterkuchen befindet sich oft eine Streichvorrichtung. Sie hat den Zweck, die Oberflache standig glatt zu streichen, damit die Luft nicht wirkungslos durch entstehende Risse des Filterkuchens stromen kann. Bei offenen Nutschen ohne Zustreichvorrichtung muB das Zustreichen unter Umstanden von Hand rnit groBen Spateln vorgenommen werden. Bei Saugnutschen muR eine Vakuum-
3.2.2 Diskontinuierlich arbeitende Filterapparate Zu den einfachsten Filterapparaten ziihlen Filter rnit losen Filterschichten, sog. SchiittguGlter. Zur Reinigung und Kliirung groRerer Fliissigkeitsmengen, die wenig Feststoff enthalten, dienen in der Hauptsache Sandfilter (Abb. V-33). In den meisten Fallen sind Sandschichten verschiedener KorngroBe iibereinander gelagert. Die Schmutzteile werden beim Durchlauf vom Sand zuruckgehalten. 1st der Sandfilter verschmutzt, kann er rnit Spiilwasser im Gegenstrom gereinigt
Abb. V-34. Saugnutsche. - I Suspension (Triibe), 2 Waschwasser, 3 Entliiftung, 4 Vakuumpumpe.
3 Mechanische Trennung von Feststoffenund Flussigkeiten
637
vorlage zur Abscheidung des Filtrats vorgeschaltet werden. Prinzipiell gleich gebaut wie Saugnutschen sind die Drucknutschen (Abb. V-33, bei welchen die Filtration nicht durch die Erzeugung des Unterdruckes unter dem Filterboden erreicht wird, sondern durch Uberdruck uber dem Filterboden. Bei Kerzenfiltern (Abb. V-36) durchstromt die zu kliirende Flussigkeit den runden Kerzenein-
Filterpressen
Abb. V-35. Drucknutsche. - 1 Eingang der Suspension, 2 Eingang des Waschwassers, 3 Ausgang der Mutterlauge, 4 Ausgang des Waschfiltrats, 5 Zustreichblatter. 6 Druckluft.
satz, der meist aus porosem keramischen Material ist, von auBen nach innen. Wtihrend der Feststoff vom Filter zuriickgehalten wird, dringt die Flussigkeit hindurch und flieRt innen ab. Der Filter kann zur Reinigung in umgekehrter Richtung zuriickgespult werden.
RahmenjZterpressen bestehen aus mehreren rechteckigen Rahmen und Platten (Abb. V-37). Die einzelnen Rahmen und Platten hangen wechselweise und verschiebbar auf Gleitstangen hintereinander. Jede Platte ist auf beiden Seiten mit Filtertuch oder -papier bespannt. Die zu filtrierende Suspension wird rnittels Pumpen oder PreRluft in die Rahmen gedriickt. Dort wird der Feststoff zuriickgehalten, wtihrend das Filtrat das Filtermittel durchdringt und uber die gerillten Platten ablauft. Wtihrend des Filtervorgangs werden die Platten und Rahmen hydraulisch oder mechanisch zusammengeprelit. Zur Entleerung werden Platten und Rahmen auseinander geschoben und der Filterkuchen in Muldenwagen oder auf Forderbiinder entleert. Filterpressen sind zum Waschen des Filterkuchens besonders gut geeignet. Sie konnen auDerdem durch Anderung der Platten- und Rahmenanzahl der anfallenden Menge Feststoff angepal3t werden. Filterpressen sind fur fast alle Filtrationsaufgaben anwendbar: fur leicht und schwer filtrierbare Suspensionen, fur geringen und groDen Feststoffgehalt.
-
2-
Abb. V-37. Rahrnenfilterpresse. a) Filtrieren; 1 Suspension, 3 Mutterlauge, 5 Filterplatte, 7 Filtertuch.
a)
b)
b) Waschen. 2 Waschwasser, 4 Waschfiltrat, 6 Waschplatte, 8 Filterrahmen.
638
V Grundoperationen
3.2.3 Kontinuierlich arbeitende Filterapparate Gegenuber den bisher beschriebenen diskontinuierlichen Filterapparaten haben die kontinuierlichen Filterapparate den Vorteil, daB der Filtrierprozel3 zur Abnahrne des Filterkuchens nicht unterbrochen werden muR. Ein weiterer wichtiger Vorteil ist die bessere Ausnutzung der Filterflache, die infolge der laufenden Abnahme des Filterkuchens immer wieder frisch zur Verfugung steht. Die drehbare Filtertrommel beim Vakuumtromrnelzellenfilter, auch Saugzellenfilter genannt (Abb. V-38), ist in einzelne Zellen unterteilt. Der AnschluB der Zellen der sich drehenden Trommel an Druck oder Vakuum erfolgt uber den stillstehenden Steuerkopf. Die einzelnen Zellen sind an der Obefflache durchlochert und mit einern Filtermittel bespannt. Jede Zelle hat an der Stirnwand, die am Steuerkopf vorbeilauft, ein Loch. Je nach ihrer Stellung zurn Steuerkopf werden sie dann unter Vakuum oder Druck gesetzt.
filtrat abgesaugt. Zur Lockerung des Filterkuchens konnen die Zellen uber dem Steuerkopf unter Druck gesetzt werden. Die Abnahrne des Gutes erfolgt durch Ketten oder Schniire, bei kornigern Gut durch Schaber. Der Schaber darf jedoch nicht das Tuch beriihren, um es nicht zu beschadigen.
3.3 Zentrifugieren (Schleudern)" Zentrifugieren dient zum Trennen von Fest-Flussig- bzw. Flussig-Flussig-Gernischen. Das aufgegebene Gut wird durch die schnellumlaufende Trornmel der Wirkung der Zentrifugalkraft ausgesetzt. Diese Massenkraft laat sich mit der bei der Sedimentation wirksarnen Fallbeschleunigung (Erdanziehungskraft) vergleichen. Sie ist aber um ein rnehrhundert- bis rnehrtausendfaches groBer als diese. Durch sie werden Feststoffteilchen an der Trommelwand zum Absetzen gezwungen oder, wie bei der Filtration, von einem flussigkeitsdurchlassigen Filtermaterial zuriickgehalten. Nach ihrer Wirkungsweise unterscheidet man: -
Abb. V-38. Vakuumtrommelzellenfilter.- 1 Suspension, 2 Filterkuchen, 3 Wdschbad, 4 Schniire, 5 Steuerkopf.
Die Zellen, die in den Trog mit der Triibe eingetaucht sind, stehen unter Vakuum. Dadurch wird das Filtrat durch das Filtermittel hindurchgesaugt, wahrend der Feststoff gleichzeitig einen Filterkuchen aufbaut. Bei weiterer Drehung der Tromrnel aus dem Trog mit der Triibe wird der Filterkuchen an der Luft durch Vakuum trockengesaugt. Am oberen Teil der Trornrnel kann der Filterkuchen gewaschen werden. Dies kann durch Bespuhen mit Waschmittel unter zusatzlicher Anordnung von Waschbandern erfolgen. Waschbander dienen der besseren Verteilung des Waschmittels. Durch Vakuum wird das Wasch-
Siebzentrifugen, Vollmantelzentrifugen (Abb. V-32).
Beide Zentrifugentypen konnen sowohl diskontinuierlich als auch kontinuierlich** arbeiten. In der modernen Technik bevorzugt man kontinuierlich arbeitende Zentrifugen. Bei der Siebzentrijiige (Abb. V-39) wird der siebartig durchbrochene Trornrnelrnantel rnit Filterrnitteln wie Sieben, Tiichern usw. belegt, an denen sich bei Betrieb der Feststoff abscheidet. Bei senkrechter Welle ist die Trommel rneist in Federn oder pendelnd gelagert (Pendelzentri-
Abb. V-39. Siebzentrifuge. * **
centmm (lat.) - Mittelpunkt, fugare (lat). - flichen. continuare (lat.) - fortsetzen.
3 Mechanische Trennung von Feststoffen und Fliissigkeiten
Trockenzone
639
Trennzone
I
t
auf
Geklarte Flussigkeit, Feststoff
''
I
Abb. V-40.Dekanter (Schneckenaustragszentrifuge)
fuge). Mit der Siebzentrifuge wird periodisch gearbeitet: Fullen, Trockenschleudern, Waschen, Trockenschleudern, Entleeren. Der Feststoffaustrag kann je nach Zentrifugenart oben oder unten erfolgen. Siebzentrifugen werden z. B. zum Abschleudern von Kristallen aus der Mutterlauge (Zucker, Salze) oder zum Trockenschleudern von Fasern (Wolle, Wasche) verwendet . Der Dekanter, die Schneckenaustragszentr&ge (Abb. V-40), besteht aus einer liegenden, rotierenden Vollwandtrommel, welche zurn Feststoff-Austragsende hin konisch gefonnt ist. In der rotierenden Trommel lauft in geringem Abstand, mit etwas kleinerer Drehzahl, eine Forderschnecke. Das Produktgemisch wird in Achsennahe aufgegeben, der abgeschleuderte Feststoff wird durch die Schnecke zum konusartigen Ende der Trommel gefordert und dort ausgetragen. Die Flussigkeit sammelt sich am Trommelmantel und wird an dessen weitem Ende durch Austrittsoffnungen an der Stirnseite zum Uberlauf gebracht, also dekantiert. Daher heiRt diese Zentrifugenart Dekantierzentrifuge oder ,,Dekanter".* Dekanter arbeiten kontinuierlich, sie sind deswegen fur groRe Stoffmengen geeignet. Bei nicht zu feinen Substanzen haben sie eine gute Trennwirkung. Fur Zentrifugen sind folgende Sicherheitsvorschriften zu beachten:
*
decanter (frz.) - abgieBen.
1. Zentrifugen mussen mindestens jedes Jahr
einmal vom einem Sachkundigen gepriift werden. Fur jede Zentrifuge ist ein Befundheft zu fuhren.
2. Zentrifugen mussen mit einem verriegelten Schutzdeckel versehen sein. Die einwandfreie Funktion der Vemegelung muR fortlaufend uberpriift werden.
3. Die auf dem Typenschild angegebenen Werte fur Fullgewicht und Drehzahl durfen nicht uberschritten werden. 4. Zentrifugen, besonders Siebzentrifugen, mussen gleichmaRig beschickt werden. Tritt durch falsches Beschicken eine Unwucht auf, versucht man zuerst nachzufullen. Hat sich danach die Unwucht nicht ausgeglichen, schalt man teilweise aus. Lauft die Zentrifuge dann immer noch nicht ruhig, muR sie sofort abgestellt werden. 5. In explosionsgefihrdeten Raumen mu8 die Zentrifuge den Ex-Schutzbestimmungen genugen. Werden brennbare Stoffe zentrifugiert, miissen diese mit inerten Gasen uberlagert werden. 6. Es ist strengstens verboten, Zentrifugen wahrend des Betriebs mit Spateln 0. a. zu entleeren oder zu reinigen.
4 Trocknen
4.1 Definition Trocknen ist das Entfemen von nicht chemisch gebundenen Fliissigkeiten aus Stoffgemischen. Bei Trocknungsvorgangen ist zwischen der Trocknung von festen Stoffen, von Flussigkeiten und von Gasen zu unterscheiden. Das Trocknen fester Stoffe wird gewohnlich auf thermischem Wege mit Hilfe verschiedener Apparaturen vorgenommen und umfaBt nicht nur die vollstandige Befreiung von Wasserresten, sondern auch zuweilen die vollstandige Abtrennung von Losemittelresten. Auch Fliissigkeiten werden getrocknet. Dies geschieht gewohnlich auf chemischem Wege, z. B. mit Hilfe von Natrium (Zersetzung des Wassers) oder von Calciumoxid, Phosphorpentoxid und anderen wasseranziehenden Mitteln. Die Trucknung von Gasen spielt in der chemischen Technik eine wichtige Rolle. Das zu trocknende Gas wird entweder durch eine Flussigkeit geleitet, die die im Gas befindliche Feuchtigkeit bindet, oder iiber feste Trockenmittel gefiihrt, die die Feuchtigekeit adsorbieren. Dazu venvendet man z. B. Silicagel. Eine spezielle Art der Trocknung ist die Gefriertrorknung. Das vorgetrocknete Gut wird bis zu Temperaturen von -40 "C gekiihlt. Das noch im Gut vorhandene Wasser erstarrt zu Eis. Danach wird ein Hochvakuum erzeugt, wodurch das Eis aus dem zu trocknenden Produkt sublimiert.* Gefriertrocknen ist ein schonender Vorgang. Empfindliche Produkte wie Wirkstoffe fur Arzneimittel, Geruchs- und Geschmacksstoffe, GenuR- und Nahrungsmittel (Kaffee) werden hiiufig einer Gefriertrocknung unterworfen.
4.2 Thermische Trocknung Je nachdem, wie stark eine Flussigkeit vom zu trocknenden Gut festgehalten wird, kann ein *
sublinus (lat.) - hoch in der Luft befindlich; sublimieren ist das direkte Uhergehen der Stoffe vom festen in den gasformigen Zustand.
TrockenprozeB einfach bis sehr schwierig verlaufen. Bevor ein fester Stoff auf thermischem Wege getrocknet werden kann, muB er zuvor geniigend mechanisch entwiissert werden. Dies geschieht durch Pressen, Filtrieren oder Zentrifugieren. Gute Entwasserung erleichtert die vollstandige Trocknung . Da jeder Stoff ganz bestimmte spezifische Eigenschaften hat, sind auch die Trocknungsverhaltnisse sehr verschieden. Form und Struktur des Stoffes, evtl. Stromungsgeschwindigkeit der Trockenluft, sowie deren Temperatur, sind Faktoren, die die Trocknungsgeschwindigkeit beeinflussen.
42.1 Verschiedene Trockenapparaturen Der Umluft-Truckenschrank (Abb. V-41) wird fur grol3ere Mengen Trockengut verwendet . In den Trockenraum konnen Hordenwagen einge3
Abb. V-41.Umluft-Trockenschrank - I Frischlutteingang, 2 Heirkorper. 3 Feuchtluttausgang
fahren werden, auf denen sich Bleche mit dem zu trocknenden Gut befinden. Durch einen Ventilator wird Frischluft angesaugt, die den Heizkorper durchstromt und dadurch erwarmt wird. Danach stromt sie zwischen den Horden uber das feuchte Gut, wobei sie Feuchtigkeit aufnimmt, und verlaBt schlieBlich die Kammer iiber einen Kamin. Bei Umluftschranken wird die Luft teilweise wieder dem Ventilator zugefiihrt und
4 Trocknen
641
Abb. V-42.Siebbandtrockner. Abb. V-44.Vakuum-Trockenschrank
umgewalzt, ein anderer Teil wird uber den Kamin abgelassen, wahrend gleichzeitig ein entsprechender Anteil Frischluft zugefuhrt wird. Zu den Bandtrocknern gehoren die Siebbandtrockner (Abb. V-42). Sie dienen zur Trocknung brei- und pastenformiger Stoffe. Endlos umlaufende Siebbander nehmen in ihren Maschen das zu trocknende Gut auf. Durch die hierbei erzielbaren diinnen Schichten wird eine schnelle Trocknung erreicht. Der Tellertrockner (Abb. V-43) besteht aus einer g r o k n Anzahl etagenformig angeordneter, hohler Platten, die mit Dampf beheizt werden. Frischgut r - - - - - m m
Beim Vakuum-Trockenschrank (Abb. V-44) mussen die Turen luftdicht abschliekn. Eingebaute, mit Dampf beheizbare Heizplatten oder Heizschlangen, auf welche die Bleche mit Trockengut gestellt werden, dienen der W-ezufuhr. Die bei der Trocknung entstehenden Briiden werden mit Hilfe einer Vakuumpumpe abgesaugt, abgekuhlt und in einem Rohrenkuhler kondensiert. Vakuum-Trockenschranke eignen sich fur schwer zu trocknende Stoffe. Der Trommel- oder Drehrohrtrockner (Abb. V-45) ist fur g r o k Mengen feinkornigen Gutes geeignet. In der sich langsam drehenden Trommel, einem hohlen, zylinderformigen, leicht geneigten Korper, wird das Gut bewegt. Einbauten in der Trommel vergroBem die Oberflache und
Abb. V-45.Drehrohrtrockner. - 1 Feuchtgut, 2 HeiRluft, 3 Trockengut, 4 Abluft (Zyklonabscheider). Tmckengut
Abb. V-43.Tellertrockner.
Uber den einzelnen Etagen befinden sich Schaufeln, die von einer Welle bewegt werden. Hierdurch wird das Gut weiterbewegt und fallt durch Schlitze von Boden zu Boden abwiirts. Tellertrockner finden z. B. in der Nahrungsmittelindustrie Verwendung.
bewirken eine moglichst innige Beriihrung von Trockenluft und feuchtem Gut. Durch Drehung der Trommel wird das Gut standig umgewalzt und durch die schwache Neigung der Trommel zum Auslauf transportiert. Haufig muB eine Entstaubung nachgeschaltet werden, in der durch Staubsacke oder Zyklonabscheider der Staub von der Luft getrennt wird. Wahrend die bisher beschriebenen Apparaturen zum Trocknen bereits entwasserter Stoffe
642
V Grundoperationen
*-t_\
-11
Abb. V-47.Walzentrockner. - 1 Spriihgut, 2 Struhmittel, 3 Suspensionsaufgabc,4 Trockengut. 6
w
k
Abb. V-46. Spriihtrockner. - I Feuchtgut. 2 HeiOluft, 3 Trockengut, 4 Abluft zur Reinigung, 5 Zerstauber, 6 Zyklon mit Zellradschleuse.
dienen, arbeiten die folgenden Trockner nach einern anderen Prinzip. Sie bewirken das Verdarnpfen der Flussigkeit bei Temperaturen, die weit uber deren Siedepunkt liegen. Hierdurch wird der getrocknete Stoff in pulverfeiner Form erhalten. Irn Spriihtrockner mit Zerstauberscheiben (Abb. V-46) wird die Flussigkeit rnit Hilfe sehr schnell rotierender Scheiben (bis 30000 U/rnin), an deren Urnfang sich eine Reihe von Dusen befindet, fein zerstaubt. Bei anderen Konstruktionen erfolgt die Zerstaubung rnit heil3er Prealuft und Dusen. Gleichzeitig von oben in den Trockner einstrornende HeiBluft, die sich rnit dern Gut irn Gleichstrorn bewegt, sorgt fur die Trocknung. Im nachgeschalteteten Zyklon wird das getrocknete, staubformige Gut durch Zentrifugalabscheidung von der Abluft getrennt. Die gereinigte Abluft entweicht oben, das Gut wird unten am Zyklon durch Schnecken 0.a. ausgetragen. Walzentrockner sind Kontakttrockner. Das Gut wird beim Eintauchen der von innen beheizten Walze in die einzudarnpfende Losung oder Suspension filrnartig aufgetragen oder von oben auf die Walze gespriiht. Das Gut wird auf dern Urnlauf bis zur Abnahrne getrocknet und rneist in Form von Schuppen abgenommen (Abb. V-47).
Ein Beispiel fur die chernische Trocknung ist die Befreiung des Ethers von letzten Wasserspuren durch Zusatz von rnetallischern Natriurn, das unter Zersetzung des Wassers reagiert. Andere Entwasserungsmittel absorbieren das Wasser entweder durch Anlagerung von Kristallwasser, wie z.B. Kupfer- und Calciumsulfat, oder in direkter chernischer Reaktion, wie z.B. das Phosphorpentoxid unter Bildung von Phosphorsaure. Luft und andere Case enthalten gewohnlich geringe Mengen Wasserdarnpf, dessen Anwesenheit bei rnanchen chernischen Reaktionen stort. Auch Case kann man auf chemischen Wege trocknen. Das geschieht, indern man sie im Gegenstrorn durch rnit wasserbindenden Flussigkeiten beschickte Wuschtiirme (Abb. V-48) leitet. So verwendet man z.B. zum Trocknen von Chlorgas
IAbgos
4.2.2 Chemische 'kocknung Das Trocknen auf chernischern Wege wird gewohnlich bei Flussigkeiten und Gasen angewendet.
hd
Abb. V-48. Absorptionskolonne rnit Zyklon.
4 Trocknen
konzentrierte Schwefelsaure, welche das Wasser aus dem Chlorgas absorbiert*. Das zum Trocknen von Gasen beschriebene Verfahren, namlich das Durchleiten eines Gases durch einen Waschturm im Gegenstrom mit einer Absorptionsflussigkeit zur Abtrennung einer Beimengung, wird in der chemischen Industrie vielfach angewendet, Ein sehr aktuelles Beispiel ist die Abtrennung yon Schadstoffen aus Abgasen. Abgas und Ab-
* absorbere (lat.) - verschlucken.
643
sorptionsmittel werden in einer Fullkorperkolonne im Gegenstrom gefuhrt und so der Schadstoff absorbiert. Das Absorptionsmittel wird standig umgepumpt und dabei meist in einer Regenerieranlage vom absorbierten Stoff befreit. Das Abgas wird in einen Zyklon geleitet, wo Spuren der Absorptionsflussigkeit durch die Zentrifugalkrafte an der Wandung niedergeschlagen werden.
5 Zerkleinern
5.1 Allgemeine Grundlagen 5.1 .I Definition und Einteilung Zerkleinern ist das Zerteilen von Feststoffgefugen mit Hilfe mechanischer Krafte, die durch Druck, Schlag, Reibung, Scheren, Spalten und Schleifen hervorgerufen werden. Ziel des Zerkleinerns ist die Vorbereitung des Feststoffes fur Trennvorgange und chemische Prozesse bzw. das Herstellen handelsublicher Kornklassen. Die Beschaffenheit des Ausgangsstoffes bedingt das Zerkleinerungsverfahren, das je nach StuckgroBe, Harte, Sprodigkeit, Oberflache oder Aufbau des Produktes ausgewahlt wird. AuRerdem ist der spatere Verwendungszweck zu beriicksichtigen. Deshalb sind den Zerkleinerungsanlagen haiufig noch Einrichtungen zum Sortieren oder Klassieren angeschlossen, um den erwunschten Zerkleinerungsgrad beurteilen zu konnen. Aufgrund der groBen Zahl von Feststoffen und technischen Zerkleinerungsvorgangen gibt es eine Vielzahl von Zerkleinerungsapparaten. Nach dem Zerkleinerungsgrad und der Endfeinheit eines Stoffes erfolgt die Unterteilung der Apparate in Brecher und Muhlen. Unter dem Zerkleinerungsgrad n versteht man das Verhaltnis des GroBtkorndurchmessers D im Aufgabegut zum GroBtkorndurchmesser* d im Endprodukt. D n=d
Wahrend in Brechern stets trocken zerkleinert wird, kann das Mahlen sowohl mit trocknen als auch mit nassem Gut erfolgen. Die Haupttypen der Brecher sind: Backen-, Rund-, Walzen-, Prall- und Hammerbrecher. Sie dienen zum Grob- und Feinbrechen. Dabei beeinflubt die Art des Aufgabegutes weniger den stundlichen Durchsatz als vielmehr den Leistungsbedarf des Brechers. *
Der GroUtkorndurchmesser ist die Maschenweite. bei der 80 % des Aufgabegutes passieren.
Die zum Schroten, Fein-, Feinst- und Kolloidmahlen eingesetzten Miihlen werden eingeteilt in: Walz-, Kugel-, Schlag-, Schleuder- und Strahlmuhlen. Im Gegensatz zu Brechern ist der stundliche Durchsatz der Muhlen stark abhangig von der Mahlbarkeit des Aufgabegutes, die vor allem durch die ZBhigkeit des Stoffes bestimmt wird. Die Mahlbarkeit M gibt das Verhaltnis des Mahlgutdurchsatzes m zum Durchsatz m N einer ,,Normalkohle" auf gleicher Muhle an.
Der Leistungsbedarf der Muhlen bleibt fast gleich. Jedoch ist NaBmahlen aufgrund des geringeren Energieverbrauches im allgemeinen kostengunstiger. Die beim MahlprozeB eingebrachte Arbeit dient hauptsachlich zur plastischen Verformung des Korns und weniger zur Schaffung neuer Oberflachen. Wahrend des Zerkleinerns wird auRerdem Energie fur die elektrische Aufladung und fur physikalische Vorgange benotigt.
5 . 1 2 Beanspruchung des Korns Das Mahlgut wird in Muhlen durch Druck und Reibung zwischen zwei Flachen beansprucht. Nicht nur die Schwachstellen im Aufgabegut bestimmen dabei die Ausbildung des Bruchgefuges. Durch die Mahlwerkzeuge werden die Bewegungsmoglichkeiten des Korns eingeschrankt und Spannungsfelder im Gut erzeugt. Bei der Prallbeanspruchung sind es vor allem StoRvorgange zwischen Mahlwerkzeug und Mahlgut oder zwischen den Mahlkornern, die einen Bruch auslosen. Das Bruchgefuge wird wesentlich durch die Verspannungen und Verschiebungen im Kristallaufbau des Mahlgutes bestimmt. Bei der NaBzerkleinerung lassen sich oft groBere Feinheiten als bei der Trockenmahlung erreichen, da die Agglomerationsneigung* gerin-
*
agglomerare (lat.)
~
knaulartig test anschliefien
5 Zerkleinem
ger ist und ortliche Uberhitzung weitgehend vermieden wird. Durch Zusatz oberflachenaktiver Stoffe verbessert sich haufig die Zerkleinerungswirkung. Ziel des Zerkleinerns ist die Auslosung von schnell sich ausbreitenden Rissen, die zur Kornteilung fuhren. Bei gleicher mechanischer Beanspruchung zeigen die Mahlguter unterschiedliches Verhalten. Sie werden in die Gruppen der sproden und der zahen Stoffe eingeordnet.
Sprode Stoffe Voraussetzung fur die Bruchauslosung sind Risse oder Fehlordnungen, wie z.B. Hohlraume, Fremdstoffeinschlusse, unebene Oberflachen im Mahlgut. Bei mechanischer Beanspruchung entstehen Spannungsanhaufungen in der RiBspitze, die bei hinreichender GroBe zu einer geringen plastischen Verformung fuhren. Durch die Ausweitung des Risses wird elastische Energie im Material gespeichert, die wieder zur Erzeugung von Bruchflachen dient. Wird ein Gut in einer Miihle mechanisch beansprucht, so werden die Korner zerstort, deren Inhomogenitatsstellen hinreichend groBe elastische Spannungsfelder aufbauen. Weitere Korner konnen nur noch durch sttirkere mechanische Beanspruchung zerkleinert werden. Mit abnehmender KorngroBe sinkt die im Teilchen gespeicherte Energie, und man kommt hochstens noch zu einem AnriB. Der Anteil an plastisch verformter Masse steigt, und das Korn vermag sich, sobald die FlieBgrenze erreicht wird, bruchfrei zu verformen. Als Folge dieser Erscheinung steigt die Brecharbeit mit fortschreitendem Zerkleinerungsgrad.
Zahe Stoffe Auch bei zahen Stoffen bildet sich bei hinreichender Beanspruchung an der RiBspitze ein plastischer Bereich aus. Mit zunehmender Belastung wachst dieser Bereich, und der RiBwiderstand verstiirkt sich. Der Bruchwiderstand ist abhangig von der Temperatur, der Belastungsgeschwindigkeit und dem Verformungsvermogen des Mahlgutes. Da mit zunehmender RiBlange der RiBwiderstand wachst, kann die Riaausbreitungsgeschwindigkeitim Mahlgut abnehmen und sogar auf Null sinken. Die mechanische Beanspruchung fiihrt dann selbst bei groBen Kornern nur zum A n d . Andert sich jedoch im Verlauf des Zerkleinerungsvorganges die Richtung der Krafteinwirkung, so kann der AnriB Ausgang fur einen Trennbruch werden.
645
5.2 Zerkleinerungsarten Die gewohnlich bergmannisch gewonnenen Rohstoffe, z.B. Pyrit, Kalkstein, Kohle usw., aber auch Fertigprodukte, z.B. Farbmittel, fallen meist grobstuckig an. Sie mussen zur weiteren Verarbeitung zerkleinert werden. Durch die Zerkleineivng der Stoffe wird deren Oberflache vergroaert. Je nach den physikalischen Eigenschaften eines Stoffes, seiner HMe, seiner Sprodigkeit, wird nach verschiedenen Methoden zerkleinert (Abb. V-49): Zerkleinerungsart
Stoffart _______
~
Harte Stoffe Sprode Stoffe Zahe Stoffe
Druck, Schlag Druck, Schlag, Prall Spalten, Schneiden
p: a
b
c u d
Abb. V-49. Zerkleinerungsmethoden. a) Druck, b) Schlag, c) Reibung, d) Spalten.
In Zerkleinerungsmaschinen werden meist mehrere dieser Methoden gleichzeitig wirksam. Viele Stoffe mussen vor der Zerkleinerung getrocknet werden, da sie sonst in den Zerkleinerungsmaschinen schmieren wurden. Manchma1 erfolgt auch NaJmhlung, besonders wenn die Stoffe im nassen Zustand weiterverarbeitet werden sollen. Dies kann bei brennbaren oder zur statischen Aufladung neigenden Stoffen erforderlich sein. Ein groBer Vorteil der NaBmahlung ist, daB dabei kein Staub entwickelt wird und so umfangreiche Entstaubungsanlagen eingespart werden konnen. Eine Ubersicht iiber verschiedene Zerkleinerungsvomchtungen gibt Abb. V-50. Zur Befreiung von Eisenteilen muB das Mahlgut, bevor es in eine Zerkleinerungsmaschine ge-
646
V Grundoperationcn
Jchwungrad -Lager - Hebedaumen
Pochsc h uh
f e i t e Backe
Druckplaften
2
m
Ldufer /'
Hammer
\
A
8 Abb. V-50. Zerkleinerungsmaschincn. 1 Pochwcrk, 2 Backenbrecher. 3 Kegelbrecher,
4 Hammerbrecher, 5 Walzenbrecher, 6 Kollergang, 7 Mahlgang, 8 Schlagstiftmuhle, 9 Kugelmuhle.
fiillt wird, iiber einem Magnetabscheider (Abb. V-5 1) gegeben werden. Solche Magnetabscheider sollen verhindem, dab Eisenteile in die Miihle oder andere empfindliche Zerkleinerungsmaschinen gelangen. Durch Magnete halten Magnetabscheider Eisen- und Stahlteile, z.B. Schrauben und Nagel, zuriick. Andere Metalle wie Kupfer, Aluminium u. a. werden vom Magnetabscheider natiirlich nicht zuruckgehalten. Folgende Punkte sind bei der Bedienung von Zerkleinerungsmaschinen zu beachten:
2. Der Magnetabscheider, der sich vor den Zerkleinerungsmaschinen befindet und mit dem alle Eisenteile entfernt werden, ist auf seine Funktionstiichtigkeit zu iiberpriifen.
1. Vor Inbetriebnahme mu8 iiberpriift werden,
o b sich keine Fremdkorper in der Maschine befinden.
3. Die Schmierung der Maschinen im Betrieb ist sorgfiiltig zu uberwachen.
4.Verstopfte Maschinen miissen sofort stillgesetzt werden.
5 . Bevor mit der Reinigung einer Maschine begonnen wird, mul3 der Antrieb stillgesetzt werden, entweder durch Abklemmen des Motors oder AbschlieBen des Schalters.
5 Zerkleinern
647
5.4 Maschinen fur die Mittel- und Feinzerkleinerung Fur eine Mittelzerkleinerung werden Schroter und fur eine Feinzerkleinerung Muhlen venvendet, z.B.: -
Abb. V-51. Magnetabscheider. - 1 Feststehender Magnet, 2 rotierende Messingtromrnel.
Kollergange, Hammermuhle, Schlag- und Schleudermiihlen oder Walzenmuhlen (s. Abschn. V-5.2).
Hammerbrecher und Hammermuhlen sind auch fur hiirteste Materialien wie Steine, Basalt usw. geeignet. Die beweglich gelagerten Hammer treffen auf der geriffelten Mahlbahn auf das Material und zerschlagen es. Durch die unteren, siebartigen Offnungen wird das Gut von der gewunschter Feinheit ausgetragen.
6 . Es ist verboten, in laufende Maschinen hineinzugreifen oder wahrend des Betriebs an ihnen Reparaturen vorzunehmen!
5 3 Maschinen zur Grobzerkleinerung Grobstuckiges Material wird einer Grobzerkleinerung in Maschinen unterworfen, die man Brecher nennt. Es gibt u.a. Backen-, Kegel- und Walzenbrecher. Diese Maschinen brechen das grobe Material etwa bis zu einer Korngrose von 50 mm. Von dieser GroBe ab kann es dann mit anderen Maschinen zerkleinert werden. Im Hammerbrecher (Abb. V-52) wird das Material durch Schlagwirkung zerkleinert.
Abb. V-52. Hamrnerbrecher.
Abb. V-53. Zahnscheibenmuhle.
In der Zuhnscheibenmiihle (Abb. V-53) befinden sich eine feststehende und eine rotierende Zahnscheibe, die so genau geschliffen sind, daB die Zahnflanken der konzentrischen Zahnringe glatt aneinander anliegen. Das zu zerkleinernde Gut wird in Achsennahe aufgegeben, gelangt zwischen die Z&ne und wird dort durch Scherund Reibwirkung zerkleinert. Durch verschieden groBe Zahnung konnen bei diesen Miihlen unterschiedliche Korngrokn erzielt werden. Feine Zahnung bedeutet also Feinzerkleinerung , grobe Zahnung Mittelzerkleinerung .Wegen der auftretenden Reibungswarme werden beide Scheiben mit Wasser gekuhlt. Schnellaufende Schlagstifmiihlen (Abb. V-54) bestehen meistens aus einer rotierenden und einer stillstehenden Stiftscheibe, bei der die
648
V Grundoperationen
Stifte konzentrisch angeordnet sind. Das Mahlgut wird uber einen Fulltrichter in Achsennahe aufgegeben. Der Vorteil dieser Muhlenart ist, daR das Mahlgut irn Hug zerkleinert wird. Hierbei zerkleinern sich die Stoffe durch Zusamrnenprallen der groBen Teilchen selbst. Vorteilhaft ist die groBe Menge Luft, die durch die Muhle gefuhrt wird. Fur klebende Stoffe ist die Muhle nicht geeignet.
Abb. V-54. Schlagstiftmuhle.
6 Klassieren von Feststoffen
Nach der Zerkleinerung ist haufig ein Klassieren der zerkleinerten Stoffe nach KorngroRen notig . Dazu werden die zerkleinerten Materialien gesiebt oder der Windsichtung unterworfen.
6.1 Sieben 6.1.1 Allgemeine Grundlagen Sieben ist eine mechanische Trennungsmethode. Es dient zum Trennen von Feststoffgemischen nach ihrer KorngroRe mit Hilfe von Flachen, die mit einheitlichen Offnungen, d.h. Maschen durchsetzt sind. Dabei bleiben die Teilchen, deren Durchmesser groRer ist als die Maschen, auf dem Siebnetz zuriick. Diesen Anteil nennt man Siebriickstand oder Grobkorn. Die Teilchen mit kleinerem Korndurchmesser als die Maschen werden Siebdurchgang oder Feinkorn genannt. Die Siebe selbst sind durchlochte Holz-, Kunststoff- oder Metallplatten. Sie konnen aber auch aus textilem Gewebe bestehen, das wiederum aus Synthese-, Naturfasern oder Metallfaden sein kann. Die verschiedenen Maschenweiten sind mit Siebnummern bezeichnet. Nach DIN gilt als Siebnummer die lichte Maschenweite in Millimetern. Ein Sieb mit einer lichten Maschenweite von 2mm hat die Siebnummer 2. Die Trennung in Grobkorn und Feinkorn wird durch die GroRe der Durchmesser der Sieboffnung festgelegt. Die geschlossene Flache unter einer Siebflache zum Auffangen des Feinkorns he& Siebboden. Siebmaschinen sind mechanisch betriebene Siebvorrichtungen. Die einfachste Art ist das Schuttelsieb. Siebmaschinen werden u. a. nach Art der Siebflachen und der Gutbewegung unterschieden: - feste und bewegliche Siebe, - Siebe mit Gutbewegung durch Stromungs-
krafte . Die Schwingungsbewegung kann vertikal oder horizontal sein. AuBerdem ist in der Hori-
zontalen zwischen Linearschwingungen, kreisformigen oder elliptischen Schwingungen zu unterscheiden. Die Schwingungsfrequenz gibt die Anzahl der Schwingungsbewegungen pro Zeiteinheit an, in der Regel pro Minute. Ein Siebsatz besteht aus mehreren hintereinandergeschalteten Einzelsieben. Sie trennen das Feststoffgemisch in mehr als zwei Kornklassen bzw. Komungsstufen. Die Kornklassenbreite wird durch die GroRe der Sieboffnungen zweier aufeinanderfolgender Siebe eines Siebsatzes bestimmt. Der Trennerfolg eines Siebvorganges wird durch den Siebgiitegrad beschrieben. Er ist eine KenngroRe fur die Trennschtkfe: Siebgiitegrad =
Feinkomanteile im Siebdurchgang Feinkomanteile im Aufgabegut
Er liegt im allgemeinen zwischen 0,7 und O g 5 , d. h. 5 % bis 30 % des im Aufgabegut enthaltenen Feinguts befinden sich im Siebriickstand. Die Trennscharfe wird beeinfluRt durch den Sieboffnungsfehler, die Kornverteilung , die Art der Gutbewegung, den Gutdurchsatz und durch den Feuchtigkeitsgehalt der Oberflache des Feststoffgemisches. Die Kiirnungskennlinie ist das experimentelle Ergebnis der Siebanalyse, die im ,,Normblatt DIN 4193 Priifsiebung" standardisiert ist. Sie ist die graphische Darstellung der Mengenanteile der verschiedenen KorngroRen des Feststoffgemisches in Abhangigkeit der Klassenbreiten der Korngrokn (Abb. V-55). 6.12 Siebmaschinen Allen Siebmaschinen ist gemeinsam, daB sie Siebe in standiger Bewegung halten. Man unterscheidet Schiittelsiebe, Schwingsiebe, Vibrationssiebe und Siebtrommeln (Tab. V-4). Die SiebstraJen-Anordnung ist von besonderer Bedeutung: In vielen Fallen ist eine Siebaufgabe nicht durch die Aufstellung eines einzigen
650
V Grundoperationen
t
Maximum
Kern@
in mm
Abb. V-55.Kornungskennlinie.
Klassenbreite A d
i
Tab. V-4.Ubersicht der Siebmaschinen Wirkungsweise
Anwendung fur
Waagerecht oder schrag gelagert
GroBstuckiges Material
I . Siebroste wie a) I
Schwingende Roste, Rollenroste mit Walzen, Stabketten ohne Ende
Grobes Gut
2. Schuttelsieb
Langsam hin- und herschwingende, waagerecht oder schrag gelagerte Siebmaschine mit g r o k m , unregelmabig verlaufendem Bewegungshub und ebener Siebflache. Antrieb durch Schlagnasen oder Schlagdaumenwelle
Feines Gut
3. Schwingsieb
Mit senkrechten Kreis-, Pendel- und dergleichen Schwingungen arbeitende Siebmaschine rnit ebener Siebflache
Feines Gut
Einteilung der Siebe
Bezeichnung
a) feststehende
I . Siebroste (Stangen-
roste, gelochte Platten) 2. Siebe rnit Drahtgitter
b) bewcgliche (zugleich Aufgabevorrichtung fur die Weiterverarbei tung)
4.Zittersieb (Vibra- Mit srnkrechten ellipsen- oder kreisfomigen, hubtor)
5 . Klopfsiebe
6. Siebtrommel
7. Siebritter (Plansichter)
Feinstes Gut
oder kraftbegrenzten Schwingungen arbeitende Siebmaschine mit ebenen oder schwach gewolbten Siebflachen geringer Hubhohe und hohen Drehzahlen Sieb an sich feststehend; das Gut wird durch Klopfen mittels mechanischer Hammer bewegt
Feinstes Gut
Umlaufende, waagerecht oder schrag gelagerte Siebeinrichtung rnit trommel- oder kegelformiger Siebflache
Grobes Gut
Mit waagerechten Kreisschwingungen arbeitende Siebmaschine mit ebenen Siebflachen, g r o k r Schwingungsweite und kleinen Schwingungszahlen
Feines Gut
6 Klassieren von Feststoffen
65 1
Siebes zu losen. Ergibt sich die Notwendigkeit, mehrere Siebe aufzustellen, dann ist eine Reihe von Gesichtspunkten zu beachten. Grundsatzlich hat man dabei zu unterscheiden:
I . Die Absiebung mit steigender Masche, bei der die Siebe so nacheinander aufgestellt werden, da13 am Anfang die feinste und am Ende die grobste Kornung abgesiebt wird. 2. Die Absiebung mit fallender Masche, bei der die Absiebung des groberen Kornes am Anfang, die des feineren Korns am Ende erfolgt. Rollroste dienen zur Grobsiebung. Ihre Maschenweite betragt 40mm bis ca. 200mm. Sie konnen aus Staben oder Rollenrosten hergestellt sein. Rollenroste werden u. a. fur den MaterialzufluR zu einem Brecher eingesetzt. Siebroste sind haufig auch Schwingroste (Abb. V-56 und V-57).
Abb. V-58. Schwingsieb mit kreisformiger Schwin-
gung. sind sehr leistungsfahig. Die Siebflache ist horizontal oder geneigt und fuhrt lineare, kreisfonnige oder elliptische Schwingungen aus. Durch die Schwingungen werden die Teilchen von der Siebflache aus hochgeschleudert. Beim Wiederauftreffen auf die Siebflache haben die Teilchen rnit einem geringeren Durchmesser als die Maschenweite, die Chance durch das Sieb hindurchzufallen. Durch das Hoch- und Niederfallen erhalt jedes Korn die Chance, die Siebflache zu beriihren. Schwingsiebe konnen durch Unwucht direkt angetrieben werden (Abb. V-59). Das Sieb selbst ist federnd gelagert.
Abb. V-56. Rollenrost.
Abb. V-57. Schwingrost.
Oft werden Siebroste als Auslaufroste in Muhlen und Brechern eingesetzt, so daB genugend zerkleinertes Gut aus der Zerkleinerungsmaschine austreten kann. Schwingsiebe werden haufig im Bereich der Mittelsiebung mit Maschenweiten zwischen 2 mm und 40 mm eingesetzt (Abb. V-58). Sie
Abb. V-59. Schwingsieb rnit Unwuchtantrieb.
Luftstruhlsiebe werden fiir kleine Korntrenngrenzen insbesondere fur jene zum Kleben und Schmieren neigende Giiter verwendet. Eine Spaltdiise blast von auBen mit einem scharfen Luftstrahl das Siebgewebe standig frei. Die Luft wird im Trommelinneren so gefuhrt, daJ3 sie uber den ganzen Trommelumfang verteilt zusammen
652
V Grundoperationen
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Abb. V-62. Schwingsiebrnaschine.
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Abb. V-60. Luftstrahlsieb. - A Gutaufgabe, L Lufteintritt, F+L Feinkorn und Luft, G Grobkornaustrag.
mit dem Unterkorn durch das Siebgewebe nach auBen hindurchtritt (Abb. V-60). Wie die Luftstrahlsiebe eignen sich auch die Taumehiebe fur eine Feinsiebung. Die Siebboden sind in Federn gelagert und fuhren den klassischen Handsieben gleichende Taumelbewegungen aus. In der Regel sind mehrere Siebboden ubereinander angeordnet (Abb. V-61).
angeordnet. Sie werden rneist durch Exzenter hin- und herbewegt, auf diese Weise wird das Siebgut nach Korngrollen sortiert (Abb. V-62). Siebtrommeln haben Zylinder- oder Kegelform. Die langsam drehende Trommel ist schwach geneigt angeordnet. Durch die Drehbewegung wird das Gut an die tiefste Stelle der Trommel befordert. Auf dern Wege dorthin wird das feinere Gut durch den gelochten Trommelmantel abgesiebt, wahrend das Grobgut die Trommel an der tiefsten Stelle verla0t.
6.2 Windsichten 1
1
Abb. V-61. Taumelsieb. - Links: Darstellung des Prinzips: rechts: Doppelsiebmaschine fur die zweimalige Absiebung von schwierigem Siebgut. 1 Aufgabegut, 2 Grob- u. Mittelkom, 3 Feinkorn, 4 Grobkorn, 5 Mittelkom.
Bei einer Schwingsiebmaschine sind gewohnlich mehrere Flachsiebe, das sind ebene Siebflachen, mit verschiedenen Maschenweiten waagerecht oder auch schwach geneigt ubereinander
Sichten ist das Trennen eines kornigen Gutes mittels eines Gasstrorns in Klassen gleicher Endfallgeschwindigkeit . Die Endfallgeschwindigkeit hangt ab von der Dichte, der KorngroBe und der Stoffart des Gutes. Feinkornige Stoffe unter 0.1 mm GroBe bereiten bei der Trennung durch Sieben Schwierigkeiten. Hierfur wendet man oft das Windsichten an. Der alteste SichtprozeB ist die Trennung von Spreu und Weizen. Die Windsichtung ist vor allem fur trockene Stoffe geeignet und kann zur Trennung von Staub-Feinkorngemischen mit Vorteil angewendet werden, denn es bereitet groae Schwierigkeiten, solche Gemische durch andere Verfahren zu trennen. Im allgemeinen wird beim Windsichten Luft als Trennmittel eingesetzt.
Arbeitsweise eines Windsichters Zu einer Luftstromsichtung gehoren der Ventilator, der eigentliche Sichter und der Abscheider.
6 Klassieren von Feststoffen
653
Das Aufgabegut rieselt von oben auf einen rotierenden Teller und wird von dort gleichmtil3ig in den vom Sichtwind durchstromten Sichtraum geschleudert. W2hrend das grobe Gut sofort nach unten fallt, wird das Feinkorn vom kraftigen Sichtwind mitgenommen und auf diese Weise abgetrennt. Grobkorn und Feinkorn konnen getrennt am unteren Ende des Sichters entnommen werden (Abb. V-63).
Abb. V-63. Windsichter. - I Feinkorn, 2 Grobkorn, 3 Eintragsgut,4 Sichtluft.
7 Mischen
7.1 Mischen als Verteilung Mischen ist eine Grundoperation, um Stoffe mit unterschiedlichen physikalischen und chemischen Eigenschaften unter Einwirkung von mechanischen Kraften gleichmiiRig zu verteilen. Eine gleichmaBige innige Verteilung der Mischkornponenten ist erreicht, wenn es in dem Mischsystem weder ein Konzentrations-, Korngroaennoch ein Temperaturgefalle gibt. Die Art des Mischens richtet sich nach den Aggregatzustanden, in denen die einzelnen Mischkomponenten vor1iegen. Eine gute Durchmischung ist eine der wesentlichen Voraussetzungen fur eine optimale chemische Reaktion. Der Homogenisierungsgrad von chemischen Endprodukten bestimmt auch die physikalischen, mechanischen oder medizinischen Eigenschaften von Kunststoffen, Farbmitteln, Pflanzenschutzmitteln, Arzneimitteln bzw. Pasten oder Salben.
7.2 Mischvorgang Die zu mischenden Stoffkomponenten sind vor Beginn des Mischvorganges innerhalb ihres Stoffsystems ungleichmaBig verteilt. Wahrend des Mischens verteilen sie sich immer gleichmafliger, bis ein Gleichgewichtszustand erreicht ist (Abb. V-64).
Abb. V-64. Von den Stoffkomponenten zur Mischung.
Gemische mit annahernder idealer Gleichverteilung werden als homogen* bezeichnet. Die Mischverfahren richten sich nach den Aggregatzustanden der Mischkomponenten. Bei Feststoffen haben KorngriiRe, Oberflachenbeschaffenheit, Konsistenz und Feuchtigkeitsgehalt entscheidenden EinfluB auf den MischvorPrig.
Bei den Fliissigkeiten ist die Viskositat eine Eigenschaft, die die Wahl des Mischverfahrens bestimmt. Je nach den Aggregatzustanden und sonstiger Stoffbeschaffenheit ist zwischen den verschiedenen Mischoperationen zu unterscheiden.
7.3 Mischoperationen mit Fliissigkeiten 73.1 Mechanisches Ruhren Wahrend zum Mischen mindestens zwei Komponenten gehoren, kann das Riihren auch mit einer einzigen fliissigen Komponente erfolgen . Mit dem Riihren sollen oft mehrere Ziele, die rnit einer Stoffverteilung einhergehen, erreicht werden. Diese sind beispielsweise: -
*
Homogenisieren zurn Konzentrations- und Temperaturausgleich,
homo- (Vorsilbe aus d . grch.) - gleichartig. ahnllch
7 Mischen
655
Abb. V-65.Verschiedene Riihrerformen. a) Blattriihrer, b) Turbinenriihrer, c) Propelleniihrer.d) Ankerriihrer, e) Fingerriihrer.
- Intensivieren des Wiirmetauschs an Wiirme-
tauschflachen zum Heizen oder Kuhlen, - Aufwirbeln fester Stoffe, die in einer Fliissig-
keit suspendiert oder sedimentiert sind, zur gleichmaRigen Verteilung, - Emulgieren zweier, miteinander nicht misch-
barer Fliissigkeiten, - Dispergieren von Gasen in einer Flussigkeit.
Mechanisches Riihren dient zum Herstellen von Losungen, Emulsionen, Suspensionen, Auswaschen und Extrahieren von Feststoffen, sowie zur Unterstutzung des Wiirme- und Stofftransports in Reaktionsapparaten. Flussigkeiten werden meist in Behaltern gemischt, die mit Ruhrwerken versehen sind. Je nach Zahigkeit der fliissigen Bestandteile werden die verschiedenen Riihrerformen angewendet. Sie haben die Aufgabe, die Fliissigkeiten so zu bewegen, daR eine gleichmaige Verteilung der Stoffe erfolgt. Durch die Bewegung der Ruhrer in der Flussigkeit bilden sich hinter den Ruhrern Wirbel aus, die das Mischen hervonufen. Anordnungen und Form der rotierenden Ruhrorgane richten sich nach GroBe und Form der Riihrwerkblatter, dem zu erzielenden Effekt, sowie nach den Eigenschaften der Fliissigkeiten.
Man unterscheidet die langsam laufenden Ruhrer, wie z. B. Blattriihrer, Ankerriihrer und Gitterriihrer, von den schnellaufenden Ruhrern, wie z. B, Propeller-, Turbinen- und Scheibenriihrer (Abb. V-65). Blatt-, Anker- und Gitterriihrer verursachen eine tangentiale Stromung . Sie arbeiten mit einer niedrigen Drehzahl. Die schnellaufenden Propeller- Turbinen- und Scheibenriihrer sind Intensivmischer. Sie sind bei der Praparation von Anstrichfarben anzutreffen. Der Propellerriihrer erzeugt eine axiale, Turbinen- und Scheibenriihrer eine radiale Stromung (Abb. V-66). Propellerriihrer benutzt man bei Fliissigkeiten bis lOPas, Turbinenriihrer bis 50 Pas*. Planetenriihrer und Schraubenspindelriihrer werden fur ziihfliissige Medien verwendet. Riihrstromung
Riihrerform
tangential axial radial
Blatt, Anker, Gitter Propeller Turbine, Scheibe
In der Regel wird durch Riihren eine turbulente Stromung angestrebt . In niedrigviskosen
*
Dynamische Zhigkeit in Pascal . Sekunden, Pa s
656
V Grundopcrationcn
Abb. V-66. Flussigkeitsstromungen in einem Ruhrbehalter bei einern axialfordernden Propellemiihrer und einem radialfordernden Schaufelruhrer.
Medien wird die turbulente Stromung leicht, in hoherviskosen Stoffen schwerer erreicht. Ruhrvorgange sind Grundoperationen, die fur vorwiegend diskontinuierliche Prozesse eingesetzt werden. Eine Kaskadenanordnung erlaubt ein Riihren bei kontinuierlich ablaufenden Verfahren (s. Abb. 111-15). Die Wahl der Kessel, z.B. gummierte Kessel, Stahlkessel, Holzbottiche, und der Riihrorgane richten sich nach dem Verwendungszweck und den physikalischen Eigenschaften der zu mischenden Stoffkomponenten. Der Mischeffekt kann durch Einbauen von Strombrechern in den Kesseln verbessert werden. Dadurch wird das Mitrotieren der Flussigkeit an der Behalterwand verhindert. Mit Umwalzpumpen, die die Fliissigkeiten im Kreislauf fuhren, werden hohe Durchmischungseffekte erreicht. Bei kontinuierlichen Prozessen mit groflem Mengendurchsatz werden sie haufig eingesetzt .
7 3 2 Pneumatisches Ruhren Durch Einblasen von Luft ,Dampf oder zu losender Gase durch siebartig gelochte Bodenplatten oder Rohre in Fliissigkeiten werden ebenfalls Durchmischungsstromungen hervorgerufen. Dieses Verfahren heiRt pneumatisches Ruhren und wird beim Mischen aggressiver Medien bevorzugt angewendet. Es ist aber mit einem relativ hohen Aufwand an Kompressionsenergie verbunden.
7 3 3 Losen Mit dem Riihren geht oft das Losen von Festsubstanzen einher. Losen ist das Zerteilen und Verteilen eines Stoffes in einer Flussigkeit bis auf Molekulargrofie. Das Auflosen kommt zum Still-
stand, sobald die Losung die Sattigungskonzentration erreicht hat. Die Riihrerintensitat beeinflu& die spezifische Feststoffoberflache sowie das Temperatur- und Konzentrationsgefalle zwischen der Grenzflache der Feststoffpartikelchen und des Losemittels. Wird die Oberflache des zu losenden Stoffes pro Gewichtseinheit vergrofiert, so erhoht sich die Losegeschwindigkeit. Mit der Temperaturerhohung wird der Losevorgang begunstigt. Die Viskositat wird niedriger, die Turbulenz nimmt zu, es ist eine geringere Ruhrzeit erforderlich.
73.4 Verspriihen Verspriihen ist die Feinstverteilung von Fliissigkeitstropfchen in einem Gas. Das Verspriihen tropfbarer Fliissigkeiten, Losungen und Suspensionen wird bei Spriihtrocknern, in Gaswaschanlagen, Kiihlanlagen, Kiihltiirmen, Absorptionsturmen sowie in Klimaanlagen angewendet. Durch Verspriihen geschaffene grofle spezifische Fliissigkeitsoberflachen ermoglichen einen schnellen Warme- und Stoffaustausch (s. auch Abschn. V-7.51.
7 3 5 Homogenisieren Disperse Systeme - wie Emulsionen und Suspensionen - mit hoher Stabilitat und Feinverteilung entstehen in Homogenisierungsapparaten (Kap. 11-6).
73.6 Kneten Kneter vereinigen flussige, plastische und feste Stoffe zu zahen, plastischen oder teigigen Massen. Die Feststoffe verteilen und benetzen sich gleichmaflig. Die Stoffverteilung wird durch Stauch- und Scherkrafte bewirkt. Wahrend des Knetens erfolgt neben der Vermengung auch eine Zerkleinerung der Feststoffe. Da die Ziihigkeit von Substanzen in der Regel mit steigender Temperatur abnimmt, wird durch Wiirmezufuhr der Mischeffekt begiinstigt.
Beispiel: Herstellung von Teigen fur Brot und Kuchen. Nach der Konstruktion der beweglichen Teile im Kneter wird zwischen Schnecken- und Schaufelkneter unterschieden. Schneckenkneter sind kontinuierlich arbeitende Kneter (Abb. V-67). Das zugefuhrte Knetgut wird zum Teil von der Schnecke erfal3t und zwischen den Schneckengiingen schnell zur Austragsseite transportiert. Der nicht von der Schnek-
7 Mischen
657
Abb. V-67.Schneckenkneter.
ke erfal3te Teil des Knetgutes gelangt in den Spalt zwischen Schnecke und Gehause und wandert langsam zur Austragsseite.
Knettrog
Knetvhoufeln
\
Extruder* Extruder sind Schneckenkneter. Sie arbeiten kontinuierlich. Das Durchmischen erfolgt durch eine Schraube-Mutter-Bewegung einer oder mehrerer Schnecken. Das Mischgut wird gleichzeitig in Langsrichtung des Mischers gefordert. Dieses Arbeitsprinzip entspricht dem eines Fleischwolfes. Extruder werden in den verschiedensten Ausfiihrungen auf dem Kautschuk- und Kunststoffsektor eingesetzt.
Schaufelkneter als Trogkneter In einem nach oben offenen Trog sind meist zwei stimseitig angetriebene Paddel- oder Bandwendelwellen eingebaut. Die Wellen bewegen sich gegenlaufig, ihre Drehzahl kann gleich oder unterschiedlich sein. Zwischen den drehenden Wellen und der Mischerwand erfolgt die Mischung und Zerkleinerung des pastosen Gutes. Je nach Konsistenz des Mischgutes konnen verschiedengeformte Wellenpaare eingebaut werden. Der Trog der Maschine ist kippbar und so konstruiert, daB er zum Entleeren und Reinigen weit geoffnet werden kann. Automatische Abschaltvorrichtungen garantieren eine sichere Handhabung und Bedienung der Trogkneter (Abb. V-68).
Planeten-Mischkneter Planeten-Mischkneter dienen in erster Linie zum Anpasten, Mischen und Kneten mittel- bis hoch-
*
extrudere (lat.) - hinausstokn.
Abb. V-68. Schaufelkneter als Trogkneter.
viskoser Substanzen. Die beiden vertikal angeordneten Mischwerkzeuge sind herausfahrbar. Sie bewegen sich nach dem Prinzip von Planetenumkreisungen entlang der Kesselwand. Sie rotieren dabei gleichzeitig mit hoherer Drehzahl um die eigene Achse als die Rotation um die Hauptachse. Dieses Mischsystem beschleunigt das Einarbeiten feinpulveriger Bestandteile und intensiviert den Mischgutwechsel an der Kesselwand. Die Scherfliigel ziehen das Mischgut an der Kesselwand ein und iiberschneiden sich im Zentrum bis hin zu den Mischfliigelwellen. Auf diese Weise entsteht ein groBes Scherkraftfeld (Abb. V-69 a - c).
Kollergange In ringformigen Pfannen sind umlaufende WalZen, die Koller genannt werden, angeordnet. Durch die quetschende und scherende Wirkung der schweren Walzen wird das Mischgut gemischt und zugleich zerkleinert. Schaber fiihren das Gut dabei immer wieder auf die Mischbahn zuriick (s. Abb. V-50).
658
V Grundoperationen
7.4 Mischoperationen mit Feststoffen
Abb. V-69a. Darstellung eines Drais-PlanetenMischkneters .*
Abb.V-69 b. Ansicht eines Scherflugel-Mischwerks im Drais-Planeten-Mischkneter.
Abb.V-69c. Vergleich der Bahnenschemen zwischen einem iiblichen Planetenmischer (links) und einern Scherflugel-Planeten-Mischkneter.
*
Drak
~
von den Draiswerken, Mannheim-Waldhof
Das Mischen komiger und pulvriger Feststoffe erfolgt in GefaBen durch rotierende Schaufeln oder in Mischtrommeln mit Einbauten, die als ganze Einheit rotieren, wie z. B. Betonmischer. Das Vermengen pulvriger Feststoffe fuhrt selten zur idealen Gleichverteilung, da die Feststoffkomponenten ein von Dichte, KomgroBe, Komform und Feuchtigkeitsgehalt abhangiges Bestreben haben, sich zu entmischen. Der jeweilige Verwendungszweck entscheidet iiber den Mischungsgrad und legt die Verweilzeit im Mischer fest. Mit dem Mischen von Feststoffen werden Operationen wie Trocknen, Kuhlen, Aufheizen und Dosieren gekoppelt. Feststoffmischungen sind sowohl fur die Aufbereitung von Rohstoffen als auch fur die Fertigung von Endprodukten erforderlich. Stoffe aus den einzelnen Chargenproduktionen miissen nachtraglich durch Mischen auf einheitliches Typenverhalten gebracht werden, da jede Charge in ihren physikalischen und mechanischen Eigenschaften von der gewunschten Form abweicht. Typengerechte Eigenschaften spielen bei der Farbmittel-, Pflanzenschutzmittelformulierung, bei der Fertigung von Arzneimitteln und bei Diingemitteln eine erstrangige Rolle. Mischtrommeln, Schneckenmischer, Schaufelmischer und Fallmischer sind gangige Mischer fur Feststoffe. Beim Siloschneckenmischer hat der Mischbehalter die Form eines auf der Spitze stehenden Hohlkegels (Abb. V-70). An der inneren Silowand befindet sich eine schrag gestellte Schnekke . Sie rotiert langsam und hebt dadurch Mischgut vom Boden und von der Kegelwand des Silos nach oben und verteilt es an der Kegelwand. Im Mittelbereich des Kegels rutscht das Mischgut nach unten und wird von der Schnecke erfal3t. Dadurch erfolgt eine fortlaufende Umwalzung und Durchmischung der Schuttung. Zum Verbacken neigende Schuttungen werden dadurch rieselfahig gehalten. Durch Offnen eines Schiebers kann das Schuttgut abgelassen werden. Schneckenbandmischer sind durch horizontal, seltener schrag geneigt liegenden Mischbehalter gekennzeichnet. In ihm rotiert ein zentrisch oder exzentrisch angeordnetes Mischwerk (Abb. V-7 1). Die durchgehende Welle tragt schneckenformige, paddelartige oder andere sinnvoll geformte Mischflugel. In begrenztem MaBe ist die-
7 Mischen
659
he Schlag- und Pralleffekte erwunscht. Die Mischwerkzeuge sind rnesserartig ausgebildet, die das Mischgut bewegenden Flachen sind verhiiltnismaig klein. Infolge der hohen Aufprallenergie wird mit den Mischwerkzeugen eine sehr hohe Turbulenz erzeugt. Die Behalter konnen sowohl horizontal als auch vertikal angeordnet sein (Abb. V-72). Der abgebildete Schnellmischer hat einen mit hoher Drehzahl umlaufenden Messerstem und einen Wandabstreifer mit getrenntern Antrieb.
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Abb. V-70. Siloschnecken-
11 mischer (Apollo).
sen erzwungenen Bewegungen der freie Fall des Mischgutes iiberlagert. Die Drehzahlen liegen allgemein niedrig, die Mischgiiter werden schonend behandelt. Zusatzliche Zerkleinerungseffekte und hohe Scherkrafte sind bei diesen Maschinen, ihrer ganzen Bauart nach, ausgeschlossen. Mit wenigen Ausnahmen ist der Mischbehalter feststehend; Beschickungs- und Entleerungseinrichtungen konnen also fest installiert werden. Intensivmischer werden i. allg. mit geringen Behaltervolumina gebaut, zur Zeit liegt die Grenze bei etwa 1000 Litern. Hohe Drehzahlen, verbunden mit einer hohen Krafteinwirkung, bringen die Intensivmischer schon nahe an den Bereich der Muhlen heran. Die Form der Mischwerkzeuge ist grundlegend anders als bei Schubund Wurfmischern. Steht dort noch die Schonung des Mischgutes im Vordergrund, so sind hier ho-
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Abb. V-71. Schneckenbandmischer fur kontinuierlichen Betneb.
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Abb. V-72. Bauform eines lntensivmischers
Gut bew2hrt haben sich die Intensivmischer fur die Einarbeitung von dickfliissigen Stoffen in pulvrige Guter, z.B. Melasse oder Fett in Getreideschrote oder Mineralstoffe, speziell also in der Futtermittelindustrie.
Pneumatische Mischer Pneumatische Mischer gehoren in die Gruppe der FlieRbettmischer. Sie dienen zum Durchmischen von feinkomigem Material bis hin zu Pulvern und Pudern. Uber einen Beliiftungsboden (Frittenboden) wird das Mischgut iiber den gesamten Querschnitt beliiftet. Die Mischluft durchstromt das Gut, halt es dabei in der Schwebe und mischt es intensiv. Bei leicht brennbarem Gut wird mit reinem Stickstoff verwirbelt. Vorteilhaft ist, dal3 FlieRbettmischer keine beweglichen Teile besitzen. Sie sind besonders fur gro8ere Durchsatzmengen geeignet (Abb. V-73). Das System der pneumatischen Mischung wendet man auch bei der Lagerung von Kunststoffen an. Dadurch wird nicht nur eine intensive
660
V Grundoperationen
Einfullstutzen
Durchmischung dcr eimelnen Chargen erreicht, sondern auch ein Zusammenbacken des Kunststoffpulvers verhindert. Bei dcn pneumatischen Mischern d a d die Stromungsgeschwindigkeit des Gases nicht groBer sein als die Sinkgcschwindigkeit der Korner des Mischgutes, damit der Feststoff nicht aus dem Misch- und Lagerbehalter ausgetrieben wird. Andererseits muB sie groB genug sein, um das Misch- und Lagergut in der Schwebe zu halten.
Mehr:weckmischer*
Abb. V-73. Prinzip eines FlieSbettmischers mit verschiedenen Beliiftungsboden.
Abb. V-74. AuBenansicht eines Drais-TurbulentSchnellmischers.
Haufig wird nach Mischern gefragt, die fur die unterschiedlichsten Mischkomponenenten geeignet sind. Die Einsatzgebiete sollen vom Mischen trockenrieselfahiger Feststoffe uber Benetzungsprozesse fur Aufbaugranulierungen und FestFlussig-Dispersionen bis zum Herstellen von Pasten und hochviskosen Stoffen reichen. Ein Mehrzweckmischer ist der von den Draiswerken entwickelte Turbulent-Schnellmischer (Abb. V-74). Dieser ist ein zylinderformiger Ho-
*
Bei den Abbildungen handclt es sich um Mischertypen der Draiswerke, Mannheim-Waldhof.
7 Mischen
661
rizontalrnischer rnit einern randgaingigen Mischwerk. Die einzelnen Mischelernente tauchen in unterschiedlichen Winkelstellungen in das Haufwerk ein. Dabei reiRen sie groRe Mischgutanteile heraus und zwingen sie auf sich uberschneidende Wurfbahnen. Diese Anteile werden dann in breiter Streuung uber fast die gesarnte Mischerlange verteilt, urn schlieRlich wieder in das Haufwerk einzudringen. Universe11 einsetzbar sind insbesondere die T-Mischwerkzeuge (Abb. v-75).
7.5 Mischoperationen rnit Gasen Case und Dampfe rnischen sich von selbst infolge der Eigenbewegung ihrer Teilchen und damit durch Diffusion. Die von Geblasen, Mischdusen, rnit Injektoren oder an Rohrleitungseinbauten erzwungenen turbulenten Stromungen unterstutzen diese von selbst ablaufenden Mischvorgange (Abb. V-76). Man erreicht so eine intensive Durchrnischung in Bruchteilen von Sekunden. Diese Verfahren werden z. B. zurn Mischen von Brenngasen und Luft bei Heizbrennern angewendet. Zerstauber und Diisen Fur die Feinverteilung von Fliissigkeiten in Gasen sind Zerstauber und Dusen geeignet. Je nach Anzahl und Art der Mischungskornponenten wird dies durch Einstoff-Dusen, Zweistoff-Dusen oder Rotations-Zerstauber erreicht. Auch hochviskose Fliissigkeiten lassen sich rnit ihnen gut zerstauben. Abb. V-76 zeigt eine Zweistoff-Duse. Bei den Dusen ist das Mischverhaltnis vanabel. Rotations-Zerstauber erzeugen aus dick-
Abb. V-75.Ansicht der Mischwerke rnit typischen T-
Werkzeugen eines Drais-Turbulent-Schnellmischers. fliissigen Stoffen durch eine mit hoher Geschwindigkeit drehende Scheibe einen dunnen Film. Dusen und Zerstiiuber entsprechender Bauart sind bei Heizolbrennern und bei der Spriihtrocknung von Lebensrnitteln, Dungernitteln, Waschmitteln, Farbmitteln und Pflanzenschutzrnitteln anzutreffen. Das Prinzip der Fliissigkeitsverteilung in Gasen liegt auch der Zerstaubung von Aerosolen rnittels Spraydosen und Spritzpistolen zum Auftragen von Anstrichfarben und Lacken zugrunde. Zur Verteilung von Gasen in Flussigkeiten hat sich die Radialstrornduse besonders in BioHochreaktoren bewahrt (s. Abb. 111-95).
Flussigkeit
'x.
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Abb. V-76.Prinzip der Zweistoff-Diise. - Links: innere Vermischung; rechts: auRere Vermischung.
8 Fermentation*
8.1 Theoretische Grundlagen Die Biotechnik bedient sich bei der Produktion von Enzymen, Vitaminen, Arzneistoffen, Nahrungsmitteln und anderen Substanzen der katalytischen Unterstutzung durch biologische Systeme, die entweder Mikroorganismen wie Bakterien, Hefen u. a. Pilze, Algen sein konnen oder aus isolierten Enzymen oder Enzymgemischen bestehen. Da die Produkte in der Regel relativ komplizierte Verbindungen sind, deren rein chemische Synthesen entweder teuer oder gar unmoglich sind, ist mit der Biotechnik, deren Ursprung die jahrhundertealte gezielte alkoholische Garung ist, eine vergleichsweise einfach LU handhabende Produktionsweise entstanden, die auf hohe Drukke und hohe Temperaturen verzichten kann. Fur solche biotechnischen Produktionsverfahren hat sich der Begriff Fermentation eingeburgert. Das Ferment* oder Enzym** ist der Biokatalysator***. Dementsprechend werden die ReaktionsgefaBe, in denen solche Fermentationen stattfinden, Fermenter oder Bioreaktoren genannt (Abschn. 111-1 1.4 u. IV-12.4). Aufgrund der unterschiedlichen Anforderungen, die die Mikroorganismen an ihre Umwelt stellen, sind eine Vielzahl von Fermentationsformen und Fermentern entwickelt worden (Siehe auch: Hopp V. (1994), Das chemisch-technische Praktikum, S. 337 ff., VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheim).
8.2 Fermentationsverfahren Es gibt zwei grundsatzlich verschiedene Fermentationsverfahren. Ober-iichenvet-fahren Hierbei wachsen die Mikroorganismen auf der Oberfliiche von Nahrmedien, die fest oder auch
* **
***
fermentum (lat.) - Sauerteig. zyme (grch.) - Sauerteig. katalyais (grch.) Aufliisung. ~
flussig sein konnen. Verwendung finden z. B. Roux-Flaschen* und Gartassenreaktoren. Obergiriges Bier, z. B. WeiBbier, wird nach dem Oberflachenverfahren fermentiert. Submersvelfahren * *
Dabei wachsen die Mikroorganismen in ihren Nahrlosungen, die meistens zur besseren Sauerstoffversorgung begast sein mussen. Eine zusatzliche Ruhreinrichtung sorgt fur feinste Stoffverteilung in dem System. Submersverfahren werden in Fermentern durchgefiihrt. Es wird zwischen diskontinuierlicher und kontinuierlicher Submersfermentation unterschieden. Die biologische Abwasserreinigung (Abschn. 111-12.3.3) ist ein Beispiel fur eine kontinuierliche Submersfermentation.
a) Diskontinuierliche Submersfermentation (Batch-Fermentation) Der Fermenter wird mit geeigneter Nahrlosung beschickt und im sterilisierten Zustand beimpft. Es wird solange fermentiert, bis die optimale Ausbeute an Biomasse oder Stoffwechselprodukt erreicht ist. Danach gelangt der Fermenterinhalt zur Aufbereitung. b) Kontinuierliche Submersfermentation Eine kontinuierliche Fermentation zeichnet sich durch eine gleichbleibende Substrat-, Produktund Mikroorganismenkonzentration aus. Weiterhin werden die Fermentationsbedingungen wie Temperatur und pH-Wert konstant gehalten. Ein Teil des Fermenterinhaltes wird permanent abgezogen und durch frische sterilisierte Niihrlosung ersetzt. Die abgezogene Fermentersuspension wird j e nach Verwendungszweck aufgearbeitet. Der Vorteil liegt im verminderten Sterilisationsaufwand, besserer zeitlicher Nutzung der Fermenter und daraus resultierender hoherer Wirtschaftlichkeit, was bei Fermentervolumina von mehr als 100m.' ein ganz entscheidender Optimierungsfaktor ist (s. Abschn. 111-1 1.3).
* **
Roux, Einile ( I 853-1933). frz. Bakteriologe. sub (lat.) - unter; submeraus (lat.) untcrgctauchl. ~
8 Fermentation
Literaturhinweise zu Teil V Baerns, M.; Hofrnann, H.; Renken, A. Chemische Reaktiunstechnik, Georg Thierne Verlag, Stuttgart, New York. Hemming, W. (1999), Ve$uhrenstechnik, Kamprath-Reihe, kurz u. bundig, Vogel-Verlag, Wurzburg. Henglein, F. A. (1968), GrundriJ der Chemischen Technik, 12. Aufl., Verlag Chernie, Weinheirn. Henglein, E. (1988), Lexikun Chemische Technik, VCH-Verlagsgesellschaft rnbH, Weinheirn. Hopp, V.; Heinz, H. (1994), Das chemisch-fechnische Praktikum fur BeriCfsbildung und Studium, VCH Verlagsgesellschaft mbH, Weinheirn. (1999)7
663
Kirchner, K.; Patat, F. (1986), Pruktikum der Technischen Chemie, 4. Aufl., Walter de Gruyter, Berlin, New York; 5. Aufl. in Vorbereitung, erscheint Ende 2001. Philim. H. (1980). Grundziiae der Verfahrenst&%nik, 1. Aufl., Otto salle Verlag, Verlag Sauerlander AG, Aarau. Schneider, G. M. (1978), Physiochernical principles of extraction with supercritical gases, Angew. Chem. Int. Ed. Engl. 17, p. 716-727. Vitzhurn, 0. G. (1991), Extraktion mit iiberkritischen Gusen, in Taschenbuch fur Lebensmittelchemiker und -technologen, Bd. 2, Osteroth, D. (Hrsg.), Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York. Winnacker, K.; Kuchler, L. (1984), Harnisch, H.; Steiner, R.; Winnacker, K. (Hrsg.), Chemische Technufugie, 4.Aufl., Carl Hanser Verlag, Miinchen, Wien.
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VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
1
Sicherheit - die Verantwortung eines jeden Mitarbeiters 669
10.2
2
Verhalten in Laboratorium und Betrieb 670 Auszug aus ,,Richtlinien fur Laboratorien" der BG Chernie (Abschnitt 5,ZH1/119, Ausg. 4/82) 670 Verhalten im Betrieb 672 Feststellung von Unfallgefahren irn Betrieb 672 SchutzrnaRnahmengegen Fall und Stun von Personen 672
10.3
2.1
2.2 2.2.1 2.2.2
3 3.1 3.2 3.2.1 3.2.2
Personliche Schutzausriistung (PS) 674 Einfiihrung 674 Auszug aus einer firmeninternen Sicherheitsrichtlinie ,,F'ersonliche Schutzausriistung" 674 Allgerneines 674 Einsatz von PS 674
4 4.1 4.2
Leitern und Geriiste 678 Allgerneines 678 Auszug aus einer Werksrichtlinie ,,Laufende F'riifung von Leitern und Tritten" 678
5
Wansport 680
6
Lagern und Stapeln 68 1
7
Arbeiten an laufenden Maschinen 682 Allgerneines 682 Schutzvomchtungen an Arbeitsrnaschinen 682
7.1 7.2
8
Arbeiten mit atzenden Stoffen 684
9
GesundheitsschadlicherStaub 685
10
Giftige und gesundheitsschadigende Feststoffe und Fliissigkeiten 686 Einteilung und Einwirkung 686
10.1
11 11.1 11.2 11.3 11.4 11.4.1 1 1.4.2 11.4.3 1 1.4.4
11.5 11.6 11.7
12 12.1 12.2 12.2.1 12.2.2 12.3 12.4 12.5 12.5.1 12.5.2 12.5.3 12.6
VorsichtsmaBnahmen beirn Urngang rnit Stoffen, die vorwiegend durch den Mund in den Korper gelangen 686 Urngang rnit Stoffen, die vorwiegend durch die Haut in den Korper gelangen 686
Gase und Dampfe 688 Gefahrenarten 688 Erstickungsgefahr 688 Einsteigen in Behalter oder Gruben 688 Giftige Gase und Dampfe (Atemgifte) 689 Allgemeines 689 Maximale Arbeitsplatzkonzentration (MAK) 690 Technische Richtkonzentration (TRK) 691 Schutz gegen Vergiftungen durch Gase und Darnpfe 693 Einige Regeln fur den Urngang mit Aternschutzmasken (AM) 693 MaBnahrnen bei Vergiftungen 695 Langlebige hartnackig bestandige organische Schadstoffe 695
Brand- und Explosionsgefahr 696 Allgerneines 696 Brennbare Gase 696 Explosionsgrenzen 696 Zundternperatur 696 Brennbare Fliissigkeiten 696 Brennbare Stiiube 698 Brand, Verpuffung, Explosion 699 Brand 699 Verpuffung 699 Explosion 699 SchutzrnaBnahrnengegen Brbde und Explosionen 699 12.7 Gefhrlichkeitsrnerkrnale von Stoffen und Zubereitungen nach dern Chernikaliengesetz 700 12.7.1 Auszug aus ,,Gefhrlichkeitsrnerkmale Verordnung (ChernGefMerk V) 11.90' 700 12.7.2 Auszug aus ,,Gefahrstoff-Verordnung (Gefahrstoff V)", Anhang I, Nr. 1.1.2-2.87 701
668
V1 Grundlagen der Arbeitssicherheit
13 13.1 13.2 13.3 13.4
Gefahren durch Druck 705 Definitionen 705 Offnen von Druckbehaltern 706 Druckbehalter 706 Arbeiten mit Druckgastlaschen 707
14
Gefahren des elektrischen Stroms 708
14.1
Der elektrische Strom und seine Wirkungen 708 Die gefahrliche Stromstarke 708 Gefahrliche Funken 7 1 1 Statische Elektrizitat 71 1 Statische Elektrizitat bei Treibriemen 711 Statische Elektrizitat durch Fliissigkeiten 71 1 Statische Elektrizitat durch strornende Gase 711 Statische Elektrizitat durch feste Stoffe 712
14.2 14.3 14.4 14.4.1 14.4.2 14.4.3 14.4.4
1s
Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz und nach der Gefahrstoffverordnung, VBG12S 713 15.1 Allgemeines 7 1 3 15.2 Kennzeichnungen 7 13 15.3 Verbotszeichen 7 13 15.4 Gebotszeichen 713 15.5 Warnzeichen 7 13 15.6 Rettungszeichen 7 13 15.7 Brandschutzzeichen 7 13 15.8 Explosionsgefahr 7 13 15.9 Zusatzzeichen 7 14 15.10 Weitere Zeichen 714 15.1 1 Erkennbarkeit ist wichtig 714
16
SchluBbemerkung 720
Literaturhinweise zu Teil VI 720
1 Sicherheit - die Verantwortung eines jeden Mitarbeiters
In keinem Bereich der Arbeitswelt lassen sich Unfalle mit absoluter Sicherheit ausschlieRen. Zum Schutze der Arbeitnehmer wurden deshalb eine Reihe von Vorschriften und Gesetzen erlassen, die ein HochstmaR an Sicherheit gewahrleisten sollen. Die wichtigsten Vorschriften, die unbedingt eingehalten werden mussen, sind die Unfullverhutungsvorschrifren der Berufsgenossenschajien, in unserem Falle die der chemischen Industrie. Die Unfallverhiitungsvorchriften miissen in jedem Betrieb ausliegen und dort von jedem eingesehen werden konnen. Daneben sind in den Laboratorien die Richtlinien fur Laboratorien zu beachten. Diese Vorschriften und Richtlinien miissen von jedem Mitarbeiter eingehalten werden. VerstoRe gegen diese Vorschriften sind strafbar und konnen mit Strafen, wie z.B. BuRgeld, belegt werden. Im eigenen Interesse sollte jedoch jeder auf die Einhaltung der Vorschriften bedacht sein, denn sie dienen letztlich seiner eigenen Sicherheit. Unfalle sind keine unabanderlichen Ereignisse, die man hinnehmen muR. Unfalle geschehen nicht, sie werden verursacht. Unfalle konnen vermieden werden. Es ist statistisch nachgewiesen worden, daR der Umgang mit chemischen Substanzen und Apparaturen ungefahrlicher ist als der mit vielen anderen Stoffen und Geraten. So ist die Unfallhaufigkeit z. B. in der Bauindustrie um ein Vielfaches hoher als in der chemischen Industrie. Voraussetzung ,fur gefuhrloses Arbeiten ist aber ein gutes fachliches Wissen.Wer gefahrlos arbeiten will, muR uber technische, organisatorische und verhaltensbezogene Kenntnisse und Fertigkeiten verfiigen, denn Gefuhr herrscht imrner dort, wo Unkenntnis vorliegt. In der chemischen Industrie sind aus der Erfahrung von mehr als 150 Jahren die Unfallverhiitungsvorschriften entstanden. Die Kenntnis dieser Vorschriften und ihre Einhaltung ist von groRter Wichtigkeit.
Unfalle bringen nicht nur dem Betroffenen groRe Nachteile (Verletzungen, Schmerzen, Verdienstausfall, wenn nicht Schlimmeres), sie kosten auch vie1 Geld (Zerstorung von Anlagen, Produktionsausfall usw.). Sicheres Arbeiten ist eine fachliche Leistung. Die Vermeidung von Unfallen muR fur jeden eine Selbstverstandlichkeit sein. Die Durchfuhrung von Arbeiten, die den Unfallverhutungsvorschriften zuwider laufen, ist verboten. Auch wenn eine Arbeit noch so dringend ist, die Sicherheit darf nie vernuchlassigt werden. Leichtsinn ist kein Mut! Ubereifer darf nicht dazu verleiten, sich und andere zu gefahrden. Fehlen die erforderlichen Kenntnisse uber eine auszufuhrende Arbeit, dann darf diese Arbeit erst gar nicht ausgefuhrt werden. Erst informieren, dann handeln! Gutes fachliches Wissen ist, richtig angewendet, der beste Unfallschutz. Gedankenloses, unachtsames und leichtsinniges Arbeiten fuhrt unweigerlich zu Storungen. Wer so arbeitet, ist seiner Aufgabe nicht gewachsen. Erstes Gebot der Sicherheit ist: Man durfnur solche Arbeiten ausfuhren, f i r dieman einen Arbeitsaufrrug hat. Im Zweifelsfall muR man beim nachsten Vorgesetzten (Vorarbeiter, Meister) riickfragen. Der Aufenthalt ist nur in solchen Betrieben erlaubt, in denen man selbst arbeitet. Andere Betriebe diirfen nur dann betreten werden, wenn ein Auftrag dazu vorliegt. In diesem Falle muR man sich beim zustandigen Meister anmelden. Beim Verlassen seines Betriebes uuj’erhalb der normalen Pausen muj’ sich jeder bei seinern Vorgesetzten abmelden, damit im Schadensfall sofort festgestellt werden kann, wo sich die einzelnen Betriebsangehorigen befinden.
2 Verhalten in Laboratorium und Betrieb
2.1 Auszug aus ,,Richtlinien fur Laboratorien" der BG Chernie (Abschnitt 5,ZH1/119, Ausg. 4/82) Verhalten der Beschaftigten (5) Information (5.1) Beschaftigte in Laboratorien haben sich rnit dem Inhalt dieser Richtlinien und gegebenenfalls mit den Anweisungen des Unternehmens nach Abschnitt 4.1 vertraut zu machen. Siehe 6 7Ahs. 2 U W * ,,Allgemeine Vorschriften" (VBG I ) . **
Arbeiten von Betriebsfremden in Laboratorien, z.B. von Handwerkern, sind nur zulassig, wenn vorher auf Anweisung des Unternehmers vom Laboratorium heniihrende Gefahren beseitigt oder geeignete SchutzmaBnahmen abgesprochen und durchgefuhrt sind. Bei der Durchfuhrung gefahrlicher Arbeiten, die besondere Vorsichtsmahahmen erfordern, sind die in unmittelbarer Nahe Beschaftigten vorher zu untemchten, damit auch von ihnen die notwendigen Schutzmahahmen getroffen und eingehalten werden konnen. Dies gilt insbesondere, wenn mehrere Beschiiftigte gleichzeitig an einem Abzug beschaftigt sind. Bei Arbeiten, die rnit Gefahr fur Leben und Gesundheit von Beschaftigten verbunden sind, mussen die Betroffenen zuvor auf die Gefahren aufmerksam gemacht werden. Beschaftigte haben darauf zu achten, dab benotigte Chemikalien nicht verwechselt werden konnen. Venvechselungsgefahr besteht insbesondere hei falsch oder ungeniigend beschrifteten Behaltern.
*
**
UVV - Unfallverhiitungsvorschrift. VBG Vorschriften der Berufsgenossenschaft ~
Ordnung, Sauberkeit und Anwesenheit (5.2) Alle Beschaftigten in Laboratorien haben fur Ordnung und Sauberkeit zu sorgen. Bei BetriebsschluB sind Arbeitsplatze zu sichern, z. B. durch SchlieBen der Gas-, Wasser-, Dampfhahne, durch Ziehen der Netzstecker. Soweit moglich, sind auch die Haupthiihne abzusperren und Hauptschalter auszuschalten. Die dafiir erforderlichen organisatorischen M a h a h men hat der Laborleiter zu veranlassen. Beschaftigte, die mit der Durchfuhrung von Versuchen betraut sind, durfen ihren Arbeitsplatz nur dann verlassen, wenn eine dauernde Ubenvachung der Versuche nicht erforderlich ist oder wenn ein anderer Beschaftigter, der iiber.den Ablauf der Versuche untenviesen ist, die Uberwachung fortsetzt. Die Beschaftigten haben Arbeiten, die nicht zu ihrer Arbeitsaufgabe gehoren, zu unterlassen. Siehe 9 17 U W ,,Allgemeke Vorschriften '' (VBG 1).
Abfiillen und Transport gefahrlicher Stoffe (5.3) Beim Offnen von Flaschen rnit gefahrlichem Inhalt ist auBer der Schutzbrille auch Gesichts- und Handschutz zu tragen. Siehe Abschnitte 9.1 und 9.2 ,,AugenschutzMerkblatt" ( Z H 1/i92) sowie ,,Schutzhandschuh-Merkblatt (ZH 1/570). I'
Um ein Verspritzen oder Verschutten gefahrlicher Arbeitsstoffe beim Umfullen aus Fassern, Ballons, Kanistern und anderen Behaltern zu vermeiden, sind geeignete Vomchtungen, z. B. Pumpen, Ballonkipper, Sicherheitsheber zu benutzen. Sieheauch Abschnitte 7.6.1, 7.7.3,7.11.6. Fasser und .Kannen f i r Fliissigkeiten kiinnen mit einem Uberdruck von nicht mehr als 0,s bar entleert werden, wenn
2 Verhalten in Laboratonurn und Betrieb
1. das FaJ oder die Kanne f i r die vorgesehene Druckbeanspruchung geeignet ist, 2. das Fafi oder die Kame sich in einwandfreiem Zustand bejindet, 3. die Druckzuleitung bei Anwendung eines Uberdruckes von nicht mehr als 0,2 bar mit einem DruckmeJgerat und einem Sicherheitsverttil ausgerustet ist,und 4. bei Anwendung eines Uberdruckes von mehr als 0,2 bar bis hochstens 0,s bar zusatzlich die Boden eingespannt oder Schutzwande angebracht sind. Zum Abfiillen brennbarer Fliissigkeiten der Gefahrklasse A I und A I1 sowie der Gefahrklasse B durfen nur nicht brennbare und die Verbrennung nicht unterhaltende Gase verwendet werden.
Fur das Abfullen hochentzundlicher; leicht entziindlicher und entzundlicher Fliissigkeiten siehe Abschnitt 7.3.3. FaB- und Ballonkipper rniissen so gesichert werden, daB die Behalter beim Kippen nicht herausgleiten konnen. Beirn Abfullen in enghalsige GefaBe sind Trichter zu benutzen, wobei darauf zu achten ist, dal3 die Luft beirn EingieBen seitlich entweichen kann. Beirn Abfullen atzender und reizender Fliissigkeiten sind Korbbrillen zu tragen. Als Spritzschutz wird zusatzlich das Tragen eines Schutzschirmes ernpfohlen.
Siehe Abschnitt 9.I und ,,Augenschutz-Merkblatt (ZH I/I 92). Zweckmuyig ist femer das Tragen von geeigneten Schutzhandschuhen und Schutzkleidung. Siehe ,,Schutzhandschuh-Merkblatt" (ZH I / 570) und ,,Schutikleidungs-Merkblatt (ZH I/I 05). In Einzelfiillen kann Atemschutz erforderlich wnerden. Siehe ,,Atemschutz-Merkblatt (ZH 1/134).
67 1
Behalter; die aus Kuhlgeraten oder kalten Raumen entnommen werden, konnen infolge Beschlagens sehr glatt oder rutschig werden.
Reinigen (5.4) Mit Spiilarbeiten betraute Personen durfen keinen Gefahren durch Ruckstande im GefaB ausgesetzt sein. G e f a e miissen deshalb vorn Benutzer entleert und vorgespult am Spiilplatz (z.B. Spiilwagen, Spultisch) abgestellt werden. Beim Entleeren brennbarer Flussigkeiten sind die Absatze 7.12.7 und 7.12.8 zu beachten. Stark reagierende Reinigungsmittel (z. B. konzentrierte Salpetersaure, konzentrierte Schwefelsaure, Bichrornat-Schwefelsaure) diirfen nur dann venvendet werden, wenn andere Reinigungsmittel sich als ungeeignet erwiesen haben. Vor ihrer Venvendung ist festzustellen, ob der Restinhalt der Gefille rnit dern Reinigungsmittel zu gef3hrlichen Reaktionen fuhren kann.
Fur den Oxidations-Abbau hat sich alkalische Permanganat-Liisung bewahrt. Hierzu wird gesattigte Kaliumpermanganat-Lsung in dem zu reinigenden Gefaj' mit dem gleichen VolumenNatronlauge, w = 20 %, versetzt. In vielen Fallen sind die genannten stark reagierenden Reinigungsmittel ersetzbar; z. B. durch handelsiibliche Spezialdetergentien.
Sicherheitseinrichtungen(5.5) Einrichtungen, die der Sicherheit dienen, durfen nicht unwirksam gemacht oder zweckentfrerndet werden.
"
Siehe $3 14 bis 17 UVV ,,Allgemeine Vorschrifen (VBG 1). "
Umgang rnit Stopfen (5.6)
"
"
Nicht bruchsichere GefaBe durfen nicht am Hals getragen, sondern rnussen am Boden unterstutzt werden. Sie durfen iiber weitere Strecken, uber Treppen, Flure usw. nur rnit Geraten befordert werden, die ein sicheres Halten und Tragen ermoglichen, z. B. in Eimern oder Tragkasten.
Gurnmistopfen fur Gerate und Apparaturen sind so zu wiihlen, dal3 bei Vakuurn ein Einsaugen unrnoglich ist. Bei stark alkalischen oder schrnierenden Substanzen, die zurn Abgleiten der Stopfen fuhren konnen, mussen diese festgebunden werden (z. B. Apothekerknoten). Zurn VerschlieBen von GlasgefaBen diirfen Stopfen nicht hineingeschlagen werden. Sie sind rnit rnaBigern Druck und leicht drehend einzufuhren.
672
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
Zuni VerschIieJkw \!on Glasjlaschen mit stark alkulischem Inhalt sind Glasstopfen ungepignet. Geeignet sind z.B. Stopfen aus cilkalihestiindigeni Kunststqffi Festsitzende Glasstopfen durfen nur rnit groBter Vorsicht gelost werden. DNSLiisen geschieht 2. B. durch Klopfen rnit eineni Hol,-stiel an den Glasstopfen, durch vorsichtiges. aher rasches Anwiirmen des Flaschenhalses mit einer elektrischen Heifiluftdusche oder mit M'armem Wasser:Dabei ist die Flasche niit einem Tuch cib;udecken urid bei grbperen Flaschen uber einer Auffangwanne zu mrheiten.
Speisen und Getranke (5.7) Speisen und Getranke durfen nicht in Chemikalien- oder Laboratoriumsgefafien (z. B. Becherglasern) zubereitet, aufbewahrt oder an den Arbeitsplatzen abgestellt werden. Fur Chemikalien durfen keine GefaBe benutzt werden. die ublicherweise zur Aufnahme von Speisen oder Getranken bestimmt sind.
Siehe .o' 48 UVV ,,Allgenieine K)r~chr$en (VBG I ) . "
Essen und Trinken an Labortischen und Abzugen ist zu unterlassen. In Laboratorien mit besonderer Gesundheitsgefahrdung, z. B. medizinischen, radiochemischen und Pflanzenschutz-Laboratorien, durfen Lebens- und GenuRmittel einschliel3lich Getranke nicht hineingebracht werden. Speisen und Getranke durfen nicht zusammen mit Chemikalien aufbewahrt werden. Das Anwiirmen von Speisen und Getranken in Laboratoriumswarmegeraten (z. B. Wanneschriinken) ist nicht erlaubt. Zum Kiihlen von Lebensmitteln und Getranken diirfen nur dafur bestimmte und gekennzeichnete Kuhlschranke benutzt werden.
Rauchen (5.8) In Laboratoriumsraumen darf nicht geraucht werden.
2.2 Verhalten im Betrieb 2.2.1 Feststellung von Unfallgefahren im Betrieb Wer an irgendeiner Stelle im Betrieb eine Gefahr fur die Sicherheit von Menschen und Apparaturen feststellt, ist verpflichtet, diese sofort seinem nachsten Vorgesetzten zu melden. Ebenso mu8 es selbsh~erstiindlichsein, dal3 jcdcr Betriehsangehorige, besonders an seinem Arheitsplat:, f u r Ordnung und Sauberkeit sorgt. Das schlieRt naturlich nicht aus, daB man auch an anderen Stellen des Betriebes fur Ordnung sorgen muR. So sollen z. B. herumliegende Gegenstande sofort beseitigt werden, damit niemand zu Schaden kommt. - 0 1 oder ahnliche Flussigkeiten auf deni FuJboden mussen sofort heseitigt werden (Rutschgefahr!). - Fluchnvege im Betrieb miissen freigehalten werden. Die Notausgiinge sind ebenfalls freizuhalten. Schachte mussen abgedeckt werden. Offene Schachte mussen durch Absperrungen gesichert werden. Im Betrieb anfallender Abfall mu13 sofort beseitigt werden. Hierfur sind besondere Abfallbehalter vorgesehen. Auch Abfiille konnrn gcfahrlich sein (Brand-, Explosions-, Vergiftungsgefahr, Umweltbelastigung usw.). Mechanische Unfallursachen, z. B. Verletzungen an Maschinen sowie Absturze von Gerusten und Buhnen sind nicht typisch fur die chemische Industrie. Sie stellen dennoch den Hauptteil der Unfalle dar und sind wesentlich haufiger als solche Unfalle, die auf die Einwirkung chemischer Substanzen zuruckzufuhren sind. Der Grund dafur liegt vor allem in der groaen Zahl der mechanischen Arbeitsvorgange (z. B. Reparaturen, Materialtransporte), sowie in besonderen Gefahrenmomenten bei Bau- und Montagearbeiten (gegenseitige Ge€ahrdung von Arbeitsgruppen, ungenugende Verstandigung, Zeitdruck). Die erforderlichen Tatigkeiten mussen sorgfaltig aufeinander abgestimmt werden. Dafur sollte immer ein Koordinator benannt werden.
2.2.2 SchutzmaBnahmen gegen Fall und Sturz von Personen Die Gehwege im Betriebsgelande, besonders aber innerhalb der Betriebsgebaude, sind von Stolperstellen freizuhalten und ausreichend zu beleuchten. Rutschfeste Bodenbelage sind schon bei der Planung der Gebaude vorzusehen. Es mu6 klargestellt werden, wer fur die Reinigung, insbesondere bei ungewohnlichen Witterungs-
2 Verhalten in Laboratorium und Betrieb
verhaltnissen, zustandig ist (Streuen bei Glatteis). Innerhalb der Gebaude sind Profilverengungen der Gehwege, sowie Einengungen der Durchgangshohe durch Schwellen oder Unterzuge durch Warnanstriche (z. B. schwarzgelbe Streifen) auffallend zu kennzeichnen. Bodenvertiefungen, die bei Bau- oder Wartungsarbeiten voriibergehend entstehen (z. B. Baugruben, aufgedeckte Kanalschachte), miissen sofort abgesperrt und, falls sie sich innerhalb von Verkehrswegen befinden, nachts beleuchtet werden. Treppen mussen gleiche Stufenhohe haben und im ganzen Verlauf blendungsfrei beleuchtet sein. Falls die Hohendifferenz mehr als 1 m betragt, mussen Treppen Gelander mit Knieleiste und Fusleiste besitzen, so dab ein Durchfallen unmoglich ist. Stark ausgetretene Stufen mussen erneuert werden. Als trittsichere Stufen und Bodenabdeckung haben sich Gitterroste bewahrt. Sie begunstigen zugleich die naturliche Durchluftung. Die Gitterroste mussen zur Vermeidung von Absturzunfallen an den Trageelementen
673
durch Verschrauben oder auf eine andere Weise sicher befestigt sein. Luken, Offnungen, Gruben, Schachte, die Offnungen von Behaltern, nicht tragfahige Dacher und Oberlichter, die sich im Arbeits- bzw. Verkehrsbereich befinden, mussen standig gegen Hineinsturzen gesichert werden. Arbeitsbiihnen mussen durch Gelander mit FuRleiste und Knieleiste gegen Absturzgefahr, bewegliche Arbeitsbuhnen mussen gegen Fortrollen gesichert sein. Sie diirfen nur bei festgestellter Bremsvomchtung bestiegen werden. Ein Mitfahren auf dem Geriist ist gefahrlich und daher nicht zulassig. Bei Arbeiten in gef&rlicher Hohe sind Sicherungsgerate gegen Absturz zu verwenden. Dachabdeckungen aus Faserzement oder ahnlichen leichten Baustoffen durfen nicht betreten werden, da sie dem Korpergewicht nicht standhalten. Auch Fensterputzer miissen sich bei Arbeiten an der AuRenfront von Gebauden anseilen. Die Haken dafur sollten bereits bei Errichtung der Gebaude angebracht werden.
3 Personliche Schutzausrustung (PS)
3.1 Einfiihrung Uberall da, wo durch technische Mittel oder durch die Anwendung sicherer Arbeitsmethoden Gesundheitsgefahren nicht vollig ausgeschlossen werden konnen, miissen personliche Schutzausriistungen, PS, verwendet werden (Abb. VI-1). Dies gilt sowohl bei lokal auftretenden Gefahren wie Veratzungsgefahr, Gefahr der Einatmung giftiger Stoffe, als auch bei Gefahren, die auf Dauer eintreten konnen und an einen bestimrnten Ort gebunden sind. Letzteres trifft besonders auf die Verwendung des Schutzhelms, der Schutzschuhe und der Schutzbrille in einem Technikum oder einern Produktionsbetrieb zu. Die beste Sicherheitskleidung nutzt nichts, wenn sie nicht benutzt wird. Jeder Betriebsangehorige ist verpjlirhtet, die personliche Schut:kleidung :u tragen.
Benutzung von PS Nach den Unfallverhutungsvorschriften und der Arbeitsordnung mussen alle Mitarbeiter die fur einen Arbeitsplatz oder eine Tatigkeit vorgeschriebene PS tragen. Gebotsschilder, durch die fur bestirnmte Bereiche das Tragen von PS vorgeschrieben ist, sind zu beachten. Das gilt auch fur die Angehorigen von Frerndfirrnen. In Bereichen, in denen der Schutzhelrn oder Augenschutz vorgeschrieben ist, miissen auch Besucher diese Schutzausriistungen tragen. Die PS bleibt Eigenturn der Firma. Sie ist pfleglich zu behandeln und in einsatzfahigern Zustand zu halten. Schadhafte PS darf nicht weiter benutzt werden und ist zu ersetzen.
Belehrung und Information
3.2 Auszug aus einer firmeninternen Sicherheitsrichtlinie ,,Personliche Schutzausrustung"
Alle Betriebsangehorigen sind vom Betriebsfuhrer oder dessen Beauftragten uber die ordnungsgemaBe Anwendung und Benutzung der PS sowie uber die Notwendigkeit des Trdgens regelmaRig zu belehren. Die betrieblichen Vorgesetzten haben auf die ordnungsgemaBe Benutzung der PS zu achten.
3.2.1 Allgemeines
Ausnahmen und Sonderregelungen
Ziel der Richtlinie
Falls aufgrund besonderer Umstande betriebliche Ausnahmen von dieser Sicherheitsrichtlinie oder Sonderregelungen erforderlich sind, konnen diese von dem Betriebsfuhrer nach Rucksprache rnit der Sicherheitsabteilung in Verbindung mit dem Betriebsrat und - falls erforderlich - vom Werksarzt oder der Werkfeuerwehr als Betriebsanweisung schriftlich festgelegt werden.
Diese Sicherheitsrichtlinie regelt Auswahl, Tragepflicht und Einsatz von PS. Sie wurde in Ubereinstimmung mit den Unfallverhutungsvorschriften und Richtlinien der Berufsgenossenschhaft erstellt.
Auswahl und Bereitstellung von PS Fur die Auswahl von PS steht den Betrieben ein Arbeitsschutzkatalog zur Verfugung, in dem neben der Lagernummer die einzelnen Artikel abgebildet sowie ihre Einsatz- und Verwendungsrnoglichkeiten naher beschrieben sind. Bestehen Zweifel daruber, welche PS am besten geeignet sind oder werden nicht lagerhaltige Artikel benotigt, so ist die Sicherheitsabteilung zu Rate zu ziehen.
3.2.2 Einsatz von PS Kopfschutz Ein Schutzhelm ist zu benutzen, wenn eine Gefahrdung durch herabfallende Gegenstande oder durch AnstoBen besteht. Dies ist insbesondere der Fall
3 Personliche Schutzausriistung (PS)
675
Abb. VI-1. Personliche Schutzausriistung (Foto: Infra Serv GmbH u. Co. Hkhst KG, Industriepark Hochst). -
Arbeitskleidung, Schutzschuhe, Augenschutz, Schutzhandschuhe, Schutzhelm, Gehorschutz.
- in Betrieben, Technika und deren Freigelande, - auf Bau- und Montagestellen, - bei Arbeiten, bei denen Lasten in Hohen iiber
1,s m bewegt werden (Stapleraxbeiten, Arbeiten rnit Hebezeugen, Kranarbeiten, Schiffsbeladung).
Wo die Gefahr besteht, dal3 lange Haare von sich drehenden Teilen (z.B. an einer Drehmaschine) erfaBt werden, ist ein Haarnetz zu tragen.
Augen- und Gesichtsschutz Augen- oder Gesichtsschutz ist zu benutzen, wenn rnit Augen- oder Gesichtsverletzungen durch wegfliegende Teile, Verspritzen von Flussigkeiten oder durch g e f h l i c h e Strahlung zu rechnen ist. Schutzbrillen mit Seitenschutz miissen im Bereich von allen die Augen gefaihrdenden Tatigkeiten getragen werden, insbesondere - beim Umgang mit atzenden, sowie mit feuer-
oder explosionsgefaihrlichen Stoffen, - beim Bohren, Drehen, Frasen, Schleifen,
Stemmen, mechanischen Entrosten, Bearbeiten sproder Werkstoffe.
In Laboratorien, in denen chemische Arbeiten ausgefiihrt werden, und in Technika mussen standig Schutzbrillen getragen werden. Mitarbeiter mit Sehfehlern mussen Schutzbrillen mit optisch korrigierten Sichtscheiben aus Hartglas oder Kunststoff tragen, oder es mu8 uber die eigene Korrekturbrille eine Korbbrille getragen werden. Beim SchweiBen und Brennschneiden miissen SchweiBerschutzbrillen rnit dunklem Seitenschutz getragen oder SchweiBerschutzschilder benutzt werden. Bei Tatigkeiten in Bereichen rnit erhohter Gefaihrdung der Augen oder des Gesichts ist eine Korbbrille undoder ein geeigneter Schutzschirm zu tragen. Eine erhohte Gefahrdung ist in der Regel anzunehmen. beim Offnen von Systemen, in denen noch Reste von atzenden, explosions- oder feuergef h l i c h e n Stoffen enthalten sein konnen, beim Offnen oder Lijsen von Flanschen, Absperreinrichtungen und Verschliissen, in denen sich unbemerkt iiberdruck aufgebaut haben kann, bei handwerklichen Arbeiten an unter Druck stehenden Anlagen,
676
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
- beim Abstich an elektrothermischen Ofen, - beim Umgang mit Bolzensetzwerkzeugen und
Flussigkeitsstrahlern.
FuBschutz Schutzschuhe sind zu benutzen, wenn mit der Gefahr von FuRverletzungen durch StoBen, Einklemrnen, fallende Gegenstande oder Fahrzeuge, durch Hineintreten in spitze oder scharfe Gegenstande, durch heiBe oder atzende Stoffe zu rechnen ist. Bei Arbeiten in Produktionsbetrieben, Technika, Werkstatten, Lagern, Verladebetrieben sowie bei Bau- und Montagearbeiten sind Schutzschuhe zu tragen. In Laboratorien, Kuchen und ahnlichen Betrieben ist zumindest festes und geschlossenes Schuhwerk zu tragen.
Handschutz Bei Arbeiten, welche die Hande gefarden konnen, ist ein geeigneter Handschutz zu tragen. Eine Gefahrdung der Hande besteht insbesondere bei Einwirkung chemischer Stoffe auf die Haut, bei Hitze- oder Kalteeinwirkung sowie bei mechanischer Beanspruchung. Wo die Gefahr von Allergien oder Hauterkrankungen besteht, sind gegebenenfalls zusatzlich Hautschutzsalben anzuwenden. Zur pfleglichen Reinigung der Hande sind geeignete Reinigungsmittel zur Verfugung zu stellen. Bei der Auswahl von Hautschutzsalben und besonderen Reinigungsmitteln ist die werksarztliche Abteilung zu Rate zu ziehen. Bei Arbeiten an sich drehenden Wellen durfen Handschuhe nicht getragen werden, wenn durch diese die Gefahr des ErfaBtwerdens vergroBert wird. An solchen Maschinen miissen zum Schutz vor Hand- oder Fingerverletzungen geeignete Hilfseinrichtungen venvendet werden.
Personlicher Schallschutz, PSS An Arbeitsplatzen und bei Tatigkeiten mit einem Beurteilungspegel ab 90 dB(A*) muB ein PSS getragen werden. Die in solchen Larmbereichen tatigen Personen mussen werkskztlich ubenvacht werden (Eignungs- und Vorsorgeuntersuchung).
*
Die Art des zu verwendenden PSS (Gehorschutzwatte, Gehorschutzstopsel oder Gehorschutzkapseln) richtet sich nach der Intensitat und Frequenz des L h s . Die Dammwertkurven des lagerhaltigen PSS sowie weitere Hinweise uber Schallschutz konnen dem Arbeitsschutzmittelkatalog entnommen werden. PSS ist bereits ab einem Beurteilungsgrad von 85dB(A) zur Verfugung zu stellen. Die Benutzung wird empfohlen (s. a. UVV Abschnitt 13).
Atemschutz Der Einsatz von Atemschutzgeraten ist an Arbeitsstellen erforderlich, an denen die Umgebungsatmosph2re als Atemluft nicht geeignet ist, weil Schadstoffe (toxische Case, Dampfe, Schwebstoffe) in gesundheitsgefahrdender Konzentration in der Luft enthalten sind undoder der Sauerstoffgehalt fur die Atmung nicht ausreicht. Der zustandige Betriebsfuhrer entscheidet, gegebenenfalls nach Rucksprache rnit der Sicherheitsabteilung und Werkfeuenvehr, welche Art von Atemschutzgeraten einzusetzen sind. Einzelheiten uber Arten und Einsatz von Atemschutzgeraten sind dem ,,Atemschutzmerkblatt" (ZH I / 134) zu entnehmen. Auf besondere Anordnung mussen in bestimmten Betrieben oder Bereichen Fluchtfiltergerate standig mitgefuhrt werden. Die Eignung von Mitarbeitern fur die Benutzung von Atemschutzgeraten, die von der Umgebungsatmosphke unabhangig sind, muB durch iirztliche Untersuchung festgestellt werden. Sie mussen uber Einsatz und Funktion dieser Gerate belehrt und an ihnen ausgebildet werden. Mitarbeiter, bei deren Tatigkeit das Tragen einer Vollmaske erforderlich ist, durfen keine Vollbarte oder starke Bartkoteletten tragen.
Schutzkleidung Falls keine anderen Vorschriften bestehen, wird die normale Arbeitskleidung getragen. In Bereichen und bei Arbeiten rnit erhohter Brandgefahr rnuB schwer entflammbare Arbeitsschutzkleidung (z. B. Proban, Nomex, Wolle, Danex-CS) getragen werden. Eine erhohte Brandgefahr ist im allgemeinen anzunehmen, -
dB
Dezibel. Schalldruckpegel gemill der logarithmischen Schalldruckskala. beLogen auf den Schalldruck po = 2 . lo-' pha.
wenn offen im technischen MaBstab rnit brennbaren Flussigkeiten umgegangen wird,
- beim Abstich elektrothermischer Ofen.
3 Personliche Schutzausriistung (PS)
Bei Feuerarbeiten in Behaltern und engen Raumen muB schwer entflammbare Arbeitsschutzkleidung getragen werden. Bei SchweiBarbeiten ist SchweiBerschutzkleidung zu tragen. Fur Arbeiten mit besonders brandgefihrlichen Stoffen kann das Tragen von Spezialkleidung vorgeschrieben werden.
677
Beim Umgang mit Sauren, Laugen oder anderen hautschadigenden Stoffen ist eine gegen diese Stoffe bestandige Schutzkleidung zu benutZen, z. B. Saureloden, PVC-beschichtete Schutzkleidung, Gummischurzen. Bei Kalteeinwirkung ist Saureloden oder andere geeignete Kalteschutzkleidung zu tragen.
4 Leitern und Geruste
4.1 Allgemeines Unvorschriftsmafiige Leitern und Geriiste gehoren zu den haufigsten Unfallursachen. VorschriftsmiBige Leitern sind am unteren Ende der Holme mit Dornen und Gummiplatten versehen. Die Dome sind fur weichen, die Gummiplatten fur harten Untergrund. Die Leiter ist gegen Umkippen und Abrutschen zu sichern. Das kann durch eine zweite Person oder durch geeignete Befestigungsmittel wie z. B. Ketten, Seile, Zwingen u. a. erfolgen. Eine solche Leiter, richtig angewendet, kann nicht abrutschen. Sie sol1 auch nicht zu flach oder zu steil stehen. Defekte Leitern sind sehr gefahrlich. Sind Sprossen oder Holme der Leiter beschadigt, mu8 die Leiter fuchgerecht repanert werden. 1st eine einwandfreie Reparatur nicht mehr moglich, ist die Leiter durch Zerstorung unbrauchbar zu machen. Leitern sollen stundig kontrolliert und gepfegt werden. Trockenes Lagern, Schutz gegen Witterungseinflusse und Chemikalien erhohen ihre Lebensdauer und Sicherheit. Geriiste mussen Sicherungen gegen Absturz haben (Ruckenschutz, FuBleisten). Defekte Bohlen durfen nicht verwendet werden. Bohlen miissen gegen Vermtschen gesichert werden. Geriiste mussen standig auf ihren einwandfreien, unfallsicheren Zustand kontrolliert werden. Arbeitsgeriiste sind Geriiste, von denen Arbeiten ausgefuhrt werden. Sie haben Personen, Werkzeuge und Baustoffe zu tragen. Schutzgeriiste sichern Personen gegen Absturz bzw. schutzen als Schutzdacher vor herabfallenden Gegenstanden. Alle Mitarbeiter miissen im Bereich eines Geriistes einen Schutzhelm tragen. Falls keine personenunabhangige Absturzsicherung oder Auffangvomchtung vorhanden ist, muR die gefahrdete Person mittels Sicherheitsgurt angeseilt werden. Die Sicherheitsvorkehrungen bei der Benutzung von Leitern und Tritten sind in UVV ,,Leitern und Geriiste" (VBG 74) niedergelegt. Leitern mussen gegen iibermaaiges Durchbiegen, starkes Schwanken und Venvinden gesichert
sein. Anlegeleitern mussen gegen Abrutschen gesichert sein. Stufenanlegeleitern mussen uber eine Aufsetz- oder Einhangevorrichtung verfugen, die die Leiter festhalt und zugleich gewlhrleistet, daB die Stufen waagerecht stehen. Steigleitern, insbesondere Notabstiege, mussen fest angebracht sein. Sie diirfen nicht als Verkehrswege benutzt werden. Steigleitern von mehr als 5 m Llnge miissen Sicherungen gegen das Absturzen von Personen haben. Steigleitern mussen in Abstanden von hochstens IOm Ruhebiihnen aufweisen. Einstiege in Steigleitern sind durch Ketten oder Fallbugel zu sichern. Bewegliche Leitern miissen regelmaBig auf ihren ordnungsgemaBen Zustand gepriift werden. Schadhafte Leitern sind instand zu setzen oder aus dem Betrieb zu entfernen.
4.2 Auszug aus einer Werksrichtlinie ,,Laufende Priifung yon Leitern und Tritten" 1. Nach der Unfallverhutungsvorschrift ,,Leitern
und Tritte" (VBG 74) mussen Leitern und Tritte stets in ordnungsgemaRem und betriebssicherem Zustand sein. Sie sind zu diesem Zweck laufenden Priifungen zu unterziehen. 2. Verantwortlich fur den Zustand der betriebseigenen Leitern und Tritte ist der Betriebsfuhrer. Er kann fur die laufende Uberwachung einen Verantwortlichen und dessen Stellvertreter bestimmen. Es wird empfohlen, die Betriebszugehorigkeit der Leitern kenntlich zu machen 3 . Der nach Punkt 2 zustandige Verantwortliche mu6 die Leitern und Tritte regelmaBig auf ihren Zustand uberpriifen. Je nach der Haufigkeit des Gebrauchs ist die Priifung beispielsweise wochentlich oder in groReren Zeitabstanden vorzunehmen. 4. Schadhafte Leitern sind sofort aus dem Gebrauch zu ziehen und entsprechend instandsetzen zu lassen oder sofort zu vernichten.
4 Leitern und Geriiste
5 . Die Instandsetzung von Holzleitern und Trit-
ten bzw. von Metalleitern und Tritten erfolgt nur durch die entsprechenden Fachabteilungen.
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6. Den Verantwortlichen wird empfohlen, uber die regelmaaige Priifung der Leitern und Tritte Buch zu fuhren.
5 Transport
Ein Bereich, in dem haufig Unfalle auftreten, ist der Transport. Besonders gefahrdet sind bei Transportarbeiten Kopf, Hande und FuBe. Deshalb ist es notwendig, bei Transportarbeiten Schutzhelme, Schutzhandschuhe und Schutzschuhe zu tragen! Von Hand sollten nur leichte Lasten gehoben oder getragen werden. Das Heben schwerer Lasten von Hand kann zu Verletzungen z.B. von Wirbelsaule und Muskeln fuhren. Urn Quetschungen an den Handen zu vermeiden, sollen Fasser beim Rollen nicht an den Kanten angegriffen werden. Mussen Fasser bergauf gerollt werden, 1st besondere Vorsicht geboten. 1st das FaR zu schwer, besteht die Gefahr, von diesem uberrollt zu werden. Besonders gefahrlich ist der Transport mit Transportmaschinen, wie Gabelstaplern u. a. - Gabelstapler und Transportmaschinen diirfen nur von dazu ausgebildeten Leuten bedient werden. Diese miissen dafur eine Fahrerlaubnis fur Flurforderzeuge besitzen.
Das Mitfahren von Personen ist nur gestattet, wenn ein VorschriftsmaBiger Beifahrersitz vorhanden ist [siehe auch ,,Sicherheitslehrbrief fur Transportarbeiten" (ZH 1/1SS)], Wichtig ist, Lasten auf Fahrzeugen gegen Verrutschen zu sichern. Das geschieht durch Unterlegen von Keilen, Verzurren, Annageln usw. Beim Transport muB die Last gleichmlBig verteilt sein, sonst besteht eventuell Kippgefahr. Mit schweren Lasten mu13 langsam gefahren werden. Eine weitere groBe Unfallgefahr sind schwebende Lasten. Der Aufenthalt unter schwebenden Lusten ist streng verboten. Schwebende Lasten mussen sicher angeschlagen werden. Das Gebiet, iiber das schwebende Lasten transportiert werden, sol1 abgesperrt werden [siehe auch Sicherheitslehrbrief fur Ausmbildende (ZH 1/1 SS)]. GroRe Sorgfalt ist dem Tragen und Transportieren von Chemikalien im Laboratorium beizurnessen (Abb. VI-2).
Abb. VI-2. Richtiger Transport von Chemikalien (Foto: Infra Sew GmbH u. Co. Hochst KG, lndustriepark Hochst). - Rechts: Feuerloschdecken; oben: Griff fur Loschbrause uber der Tiir; links: Feuerloscher und Augenspulflaschen.
6 Lagern und Stapeln
Beim Lagern fester, flussiger und gasformiger Stoffe sind eine Reihe von Sicherheitsvorschriften einzuhalten. Bei festen Stoffen ist z.B. die Deckenbelastung von Gebauden, bei flussigen Stoffen z.B. die Verordnung iiber brennbare Flussigkeiten, bei gasformigen Stoffen z. B. die Druckbehalterverordnung zu beachten. Das Stapeln von Fassern, Kisten, Sacken oder Paletten muB sorgfaltig durchgefuhrt werden. Dabei ist folgendes zu beachten: Es soll, wegen der Rutschgefahr, nur auf festem Untergrund gestapelt werden. Stapel sollen mit moglichst
groBer Grundflache aufgebaut werden. Wegen der Kippgefahr darf nicht zu hoch gestapelt werden. Fasserstapel sollen rnit Keilen an den Seiten gesichert werden (Rutschgefahr). Sacke, Kisten und Kartons sollen im Verbund (kreuzweise) gestapelt werden. Beirn Stapeln von Paletten diirfen wegen der Kippgefahr nur einwandfreie Paletten gestapelt werden. Der Abbau der Stapel soll immer von oben nach unten und gleichmaBig durchgefuhrt werden, da sonst Einsturzgefahr des Stapels besteht (s. a. Abschn. IV-7.1 und IV-8.1).
7 Arbeiten an laufenden Maschinen
7.1 Allgemeines Bewegliche Teile an laufenden Maschinen konnen gefahrlich sein. Dazu zahlen: Ruhrerwellen, Pumpenwellen, Bohrmaschinen, Muhlen, Zentrifugen, Treibriemen usw. Zum Schutz gegen Beriihrung der beweglichen Teile mussen sie durch Verkleidungen, Abdeckungen, Umzaunungen 0.a. gesichert werden. Sol1 hei Reparaturen die Verkleidung abgenommen werden, muJ vorher die Maschine stillgesetzt werden. Es ist verboten, an luufenden bewegten Maschinen ohne Schutz zu arbeiten. Die Stillsetzung der Maschine hat so zu erfolgen, daR der Motor gegen unbeabsichtigtes Einschalten gesichert ist. Das kann durch Abklemmen des Motors, Abwerfen von Keilriemen oder, wenn vorhanden, durch AbschlieRen des Hauptschalters mit einem VorhangeschloR erfolgen. Den Schlussel behalt derjenige, der die Arbeit ausfiihrt, in der Tasche. Zerkleinerungs- oder Mischmaschinen miissen so konstruiert sein, dab ein Hineingreifen unmoglich ist. Dies erreicht man z. B. durch Abdeckgitter oder Roste. Viele laufende Maschinen, wie Muhlen und Zentrifugen, sind mit Deckelveniegelungen versehen. Offnet man den Deckel, wird die Maschine automatisch stillgesetzt. Defekte Deckelverriegelungen mussen sofort repariert werden. Ein weiterer Schutz sind Lichtschranken. Greift man in die Maschine, wird ein Lichtstrahl unterbrochen und dadurch die Maschine ausgeschaltet. Wer an laufenden Maschinen arbeitet, muR eng anliegende Arbeitskleidung tragen, damit er nicht durch flattemde Kleidung von laufenden Wellen erfal3t werden kann. Auch Schmuck, Ringe, Ketten 0.a. konnen zu Verletzungen fiihren und miissen vor der Arbeit abgelegt werden. Eine besondere Gefahr sind lange Haare. Sie konnen von laufenden Wellen e r f J t und mit der Kopjhaut abgerissen werden. Wer lange Huare hat, m u j ein Haarnetz tragen.
7.2 Schutzvorrichtungen an Arbeitsmaschinen Alle Arbeitsmaschinen miissen so gebaut oder nachtraglich gesichert werden, daB bei normalem Betrieb Verletzungen durch Hineinfassen, Quetschen, Scheren, ErfaRtwerden durch drehende Wellen und dgl. ausgeschlossen sind. Dies gilt insbesondere auch fur Kraftubertragungen wie Keilriemen, Kupplungen und dgl. Moderne Maschinen werden bereits so gebaut, dab die Antriebe nach innen verlegt und auch andere Gefahren durch konstruktive Maanahmen ausgeschlossen sind. Bei alteren Maschinen und solchen Aggregaten, die erst an Ort und Stelle montiert werden, ist eine nachtragliche Sicherung zumindest an der Auflaufstelle der Bewegung, bei Keilriemen auch an der Riickseite, vorzunehmen. Auch Transportschnecken, Antnebe von Pochwerken, Knet- und Walzwerken mussen gegen das Hineinfassen gesichert werden. Wo andere SicherungsmaRnahmen nicht moglich sind, z. B. an den Einzugsstellen grober Kalander oder an Folienziehaggregaten, mussen an den kritischen Stellen Notausschalter angebracht werden, die dem in Gefahr geratenen Mitarbeiter ein rasches Abstellen der Maschine erlauben. In manchen Fallen konnen auch mechanische Schaltelemente oder Lichtschranken eingesetzt werden, die bei Beriihrung oder Annaherung die Maschine automatisch abschalten. Als ein Beispiel fur die Sicherung komplexer Arbeitsablaufe seien die Mallnahmen an SpritzgieRmaschinen genannt. Bei Arbeiten an Kontroll- und Reinigungsklappen in der Umkleidung von Maschinen durfen Gefahrenstellen nicht erreichbar sein, anderenfalls sind diese so mit dem Antrieb zu vemegeln, daR die Maschinen beim Offnen der Klappen ohne Nachlauf stehen, oder daR ein Zeitrelais die Klappe erst dann freigibt, wenn der Nachlauf beendet ist. Werden die Bewegungen einer Maschine uber eine Kurvenscheibe gesteuert, so mu0 beachtet werden, daR diese sich beim Abstellen in einer instabilen Lage befinden kann, aus der sie auch nachtraglich noch unvorhergesehen durch Federkraft oder Schwerkraft in eine
7 Arbeiten an laufenden Maschinen
stabile Lage weitergleiten kann. In solchen Fallen rnuR die Maschine entweder durch ein Klinkenspemverk gesichert werden, oder es rnuB sichergestellt sein, daR die Steuerkurve beirn Abschalten in eine stabile Lage geht. Maschinen sollten nur von einer Stelle aus eingeschaltet werden konnen, von der aus alle Arbeitsplatze iiberblickt werden konnen. 1st dies bei uniibersichtlichen Maschinenaggregaten nicht rnoglich, so muR ein automatisch vorgeschaltetes Warnzeichen das Ingangsetzen vor Anlaufen der Maschine ankiindigen. Schwierig ist vielfach die Sicherung von Werkzeugmaschinen, da der Arbeitsablauf so wenig wie moglich beeintrachtigt werden soll. Bei Holzbearbeitungsrnaschinen und dgl. kann man durch Teilabdeckung der gefiihrlichen Stellen (Sageblatter) sowie durch mechanische Hilfen beirn Einfiihren der Werkstiicke, besser noch durch pneumatische Einspannung, die Gefahr von Handverletzungen vermindern. GroRe Gefahren ergeben sich, wenn in Apparaturen mit mechanisch bewegten Teilen, z. B. Riihrbehaltern, im Rahrnen von Wartungs- und Instandsetzungsarbeiten eingestiegen werden muR, oder wenn an geoffneten Maschinen (Miihlen) oder an Antriebs- bzw. Forderaggregaten nach Abnahme der Schutzvomchtungen Arbeiten durchgefiihrt werden. Hierbei rnuR unter allen Umstanden vermieden werden, daR aufgrund mangelhafter Verstandigung die Apparaturen vor AbschluR der Arbeiten in Bewegung gesetzt werden. Dies wird am besten erreicht durch den Einbau von Sicherheitsschaltern, die gleichzeitig den Steuer- und den Antriebsstromkreis unterbrechen, und die durch ein oder rnehrere Schlosser gegen intiirnliches und unbefugtes Wiedereinschalten gesperrt werden konnen. Sie miissen so angebracht sein, daB die Zusarnrnengehorigkeit von Schalter und zu sichernder Apparatur eindeutig erkennbar ist. Vielfach wird ge-
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fordert, daB jede der irn Gefahrenbereich arbeitenden Personen ihr eigenes SchloR an dem Schalter anbringt und den Schliissel bis zurn AbschluB der Arbeiten bei sich tragt. Das Herausschrauben der Sicherungen fur den Antriebsstromkreis hat sich in vielen Fallen als nicht pusreichende MaRnahme enviesen, da diese Sicherungen irrtiimlich vor dern Ende der Arbeit wieder eingeschraubt wurden. Wo der nachtragliche Einbau von Sicherheitsschaltem nicht moglich ist oder einen nicht vertretbaren Aufwand erfordert, sind MaRnahrnen zu treffen, die eine gleiche Sicherheit gewiihrleisten, z. B. Abklemmen der Motorzuleitungen oder Abwerfen der Keilriernen. Besondere Aufrnerksamkeit erfordert auch die Pflege der Werkzeuge. Schadhafte Teile sind auszuwechseln (Bohrer, Fraskopfe, Drehstahle), schadhafte Gerate sind zu reparieren oder aus dem Verkehr zu ziehen. Schleif- und Trennscheiben konnen durch Unwucht oder zu hohe Urnfangsgeschwindigkeit zerbersten. Sie miissen daher mit besonderer Sorgfalt eingespannt werden. Die vorgeschriebenen Drehzahlen miissen eingehalten werden. An Flaschenziigen und Seilziigen sind, insbesondere wenn sie mit Motorkraft betrieben werden, die zulassigen Hochstbelastungen deutlich sichtbar anzuschreiben. Sie miissen in regelmaRigen Abstanden von einer dazu autorisierten Stelle inspiziert und durch Belastungsproben gepriift werden. Besondere Gefahr besteht beim Einsatz von Hochdruckreinigungsgeraten, da der unter hohem Druck austretende Wasser- oder Dampfstrahl schwerste, selbst todliche Verletzungen verursachen kann. Solche Gerate nebst Zubehor bediirfen einer regelmafiigen technischen Uberwachung. Eine Arretierung des Einschalthebels darf nicht rnoglich sein. Die Bedienungsmannschaft muB Schutzkleidung tragen. Sie muR umfassend eingewiesen werden.
8 Arbeiten mit atzenden Stoffen
Konzentrierte Sauren und Laugen (z. B. Salpetersaure, Salzsaure, Schwefelsaure, Natronlauge, Kalilauge) verursachen Veratzungen der Haut und der Schleimhaute, die j e nach Konzentration der Stoffe und der Dauer der Einwirkung von einer oberflachlichen Reizung bis zu einer tiefgreifenden Zerstorung der Haut und der darunter liegenden Gewebe fuhren konnen. Die Schadigungen durch Laugen sind vielfach schwerer als die durch Sauren. Besondere Gefahr besteht fur die Augen. Bei Veratzung der Augen kann die Hornhaut zerstort werden, was zur Erblindung fiihren kann. Beim Arbeiten rnit Suuren, Laugen und underen utzenden Stuffen mu@ irnmer cine Schutzbrille getrugen werden. Bei besonders gefahrlichen Arbeiten mit iitzenden Stoffen geniigt cine Schutzbrille nicht. Es miissen cine Korbbrille und ein Gesichtsschirm getrugen werden. Zum Schutz der Hande gegen Veriitzungen mussen Schutzhandschuhe aus Gummi oder Kunststoff verwendet werden. Besteht die Gefahr, dab andere Korperteile veratzt werden konnen, mussen diese ebenfalls durch Schutzkleidung geschutzt werden. Hierfiir stehen z. B. Gummischurzen, Gummistiefel u. a. zur Verfiigung. Bei besonderer Gefahr miissen ganze Schutzanziige verwendet werden.
Hat man sich trotz aller SchutzmaBnahmen doch einmul veratzt, miissen die veratzten Kiirperteile sofort mit vie1 Wasser abgespiilt werden. Fur Augenveratzungen stehen in Betrieben Augenduschen oder Augenspiiljlaschen bereit (Abb. VI-3). Die Augenspiilflasche muB auf das Auge gedriickt und dieses ausgiebig gespiilt und neutralisiert werden (Abb. VI-4). Das Spiilen muB mindestens 15 Minuten lang durchgefuhrt werden. Steht nicht geniigend Augenspulflussigkeit zur Verfiigung, muR mit vie1 Wasser weitergespult werden. Augenveratzte konnen meist, infolge der Schmerzen, nichts sehen. Es ist wichtig, ihnen sujurt zu helfen. Dies muB notfalls mit sanfter Gewalt geschehen, da sich die Veratzten meist gegen Hilfe wehren." Es sollte Pflicht jedes Mitarbeiters sein, darauf zu achten, daB alle Einrichtungen fur die Erste Hilfe (Augenspulflaschen, Augenduschen, Badewannen, Notduschen) jederzeit in einwandfreiem, gebrauchsfahigen Zustand sind. (Augenspiilflaschen fullen ! Badewannen fullen! Verschmutztes Wasser erneuern! Notbrausen kontrollieren !) Jeder Verletzte mu@ im AnschluJ an die e w e Hiwe sofort den Werksarzt aufsuchen.
* Fur schwere Veratzungen stehen Badewannen
und Notbrausen zur Verfiigung. Der VerPlLte kann hier mil sehr vie1 Wasser abgespiilt werden..
9 Gesundheitsschadlicher Staub
Hierzu zilhlen eine ganze Reihe von Stoffen, vornehmlich Silikate, Steinstaub, Holzstaub, Steinwolle, Asbest, Glaswolle usw. Aber auch andere Stoffe in Staubform wie Dungemittel, Farbmittel usw. konnen gesundheitsgef&rdend wirken. Der beste Schutz gegen diese Gesundheitsgefahr ist die Verhinderung der Staubbildung. Soweit wie moglich sollten staubende Stoffe in geschlossenen Behaltern gehalten und transportiert werden. 1st es aber nicht zu vermeiden, daB an einem Arbeitsplatz Staub auftritt, mulj fur eine sehr
gute Absaugung des Staubes gesorgt werden. Als personlicher Schutz dient hier die Staubmaske. Fur den Bedarfsfall mul3 ein geeignetes Atemschutzgerut bereit gehalten werden. Atemschutzgerate sind oft Iastig: man bedenke aber, daB die dauernde Einwirkung von Staub die Atmungsorgane stark schadigt. Als Beispiel sei hier die Steinstaublunge (Silikose) bei Bergleuten genannt, die durch dauernde Einwirkung von Steinstaub und die cancerogene* Wirkung von Asbeststaub entsteht.
*
Abb. VI-3. Augenspulflaschen.
cancer (lat.) - Gitter, Krebs; cancerogen - krebserregend.
Abb. VI-4. Anwendung der Augenspiilflasche.
10 Giftige und gesundheitsschadigende Feststoffe und Flussigkeiten
10.1 Einleitung und Einwirkung Bei giftigen Stoffen unterscheidet man:
I . giftige Feststoffe und Staube, 2. giftige Fliissigkeiten, 3. giftige Case und Dampfe (s. Abschn. VI-I 1.4). Die Einwirkung der Giftstoffe auf den Korper kann erfolgen durch: -
Aufnehmen durch den Mund, Eindringen durch die Haut (Resorption)*, Einatmen.
Es ist von grolier Wichtigkeit, daB jeder Mitarbeiter eines Betriebes iiber die Art der Stoffe, mit denen er in Beriihrung kommen konnte, iiber deren eventuelle Wirkungen auf seinen Korper und die notwendigen Sicherheitsmafinahmen im Umgang mit ihnen informiert wird. Wiihrend Gifte in fester Form wie z. B. weiBer Phosphor, Arsen, Kaliumcyanid u. a. vorwiegend durch den Mund aufgenommen und iiber die Schleimhaute und Verdauungsorgane auf den Korper wirken kiinnen, gibt es eine Reihe von Stoffen, die als Fliissigkeiten und Dampfe auch durch die Haut in den Korper eindringen konnen (Resorption). Hierzu zahlen Nitro- und Aminoverbindungen, chlorierte Kohlenwasserstoffe, Dimethylsulfat u. a.
10.2 Vorsichtsmafinahmen beim Umgang rnit Stoffen, die vorwiegend durch den Mund in den Korper gelangen Alle GefaJe, in denen sich Gifte bejnden, miissen mit einem Totenkopf gekennzeichnet werden! Der beste Schutz gegen die unbeabsichtigte Aufnahme eines Giftes ist peinliche Sauberkeit. So *
resorbere (lat.) - cinsaugen.
sol1 es selbstverstandlich sein, sich var jeder Mahlzeit griindlich die Hande zu waschen. Wegen der Vergiftungsgefahr ist es auch in allen Betrieben verboten, dort zu essen oder zu trinken. Hierfiir sind Aufenthaltsraume oder Kantinen vorhanden (s. Abschn. VI- 15). Ebenso diirfen LabnrgefaJe wie Becherglaser nicht als TrinkgefaJle benutzt werden. Femer ist es verboten, in Getrankeflaschen wie Mineralwasser-, Milch-, Bierflaschen Chernikalien nbcufullen. Verwechselungen werden so ausgeschlossen. Es ist deshalb sogar grunds2tzlich verboten, Getrankeflaschen mit in die Betriebe zu nehmen, um jede Verwechselungsmoglichkeit zu vermeiden. Getrankeflaschen miissen im Aufenthaltsraum bleiben. Auch kiirperliche Sauberkeit vermindert die Vergiftungsgefahr. Das Duschen mu13 fur Angehiirige von Betrieben, in welchen mit Chemikalien gearbeitet wird, eine Selbstverstandlichkeit sein!
10.3 Umgang rnit Stoffen, die vorwiegend durch die Haut in den Korper gelangen Solche Stoffe werden durch die Haut resorbiert und gelangen in den Blutkreislauf. Leberschaden sind die haufigste Folge dieser Art von Vergiftungen. Es konnen jedoch auch Schadigungen des Blutes und anderer Organe auftreten. Diese Gefahr ist besonders bei organischen Liisemitteln, wie halogenierten Kohlenwasserstoffen, Alkoholen, Estem usw., gegeben. Solche Stoffe diifen deshalb nicht rnit der Haut in Beriihrung gebracht werden; das 1aBt sich durch Tragen von Gummischutzhandschuhen erreichen. Mit Losemitteln verschmutzte Kleidung sol1 sofort gewechselt werden. Losemittel diirfen nicht zur Korperreinigung verwendet werden. Durch die Unsitte, sich die Hande mit Losemittel zu waschen, wird nicht nur der Haut Fett entzogen, wovon rissige Hande und sogar Entziindungen die Folge sind, sondern das Losemittel dringt
10 Giftige und gesundheitsschadigendeFeststoffe und Fliissigkeiten
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Abb. VI-5. Arbeiten mit Gefahrstoffen im Schutzkasten mit Abluft (Foto: Infra Sew GmbH u. Co. Hochst KG, Industriepark Hoechst).
auch vielfach durch die Haut ins Blut. Um die naturliche Schutzwirkung der Haut (besonders an den Handen) zu erhohen, ist die Verwendung von Hautschutzsalbe zu empfehlen.
Viele Losemittel haben auBerdem betaubende Wirkung. Es muB daher stiindig fur frische Luft gesorgt werden. Absaugungen miissen benutzt werden (Abb. VI-5).
11 Gase und Dampfe
11.1 Gefahrenarten Beim Umgang mit Gasen und Dampfen konnen verschiedene Gefahren auftreten. Je nach Eigenart der Gase unterscheidet man zwischen:
I . Erstickungsgefahr, 2. Vergiftungsgefahr, 3. Brand- und Explosionsgefahr. Besonders gefahrlich sind Gase, die man nicht wahrnehmen (sehen, riechen) kann!
11.2 Erstickungsgefahr Die Luft, die uns umgibt, ist ein Gasgemisch, das neben Edelgasen und Kohlenstoffdioxid aus ca. 4 Teilen Stickstoff, N, (Volumenanteil 78 %), und ca. 1 Teil Sauerstoff, 0, (Volumenanteil 21 %), besteht. Der in der Luft enthaltene Sauerstoff ist zurn Atmen lebensnotwendig. Ein Absinken des Sauerstoffgehaltes der Luft kann lebensgefuhrlich werden. Da wir zum Atmen einen Volumenanteil von mindestens I7 % Sauerstoff benotigen, miissen wir beim Unterschreiten dieser Konzentration ersticken (s. Tab. 111-5, s.403). Wie kann es zur Verminderung des Sauerstoffgehalts der Luft kommen? Gase und Dampfe sind meist schwerer als Luft. Sie flieRen, wie Wasser, immer zur tiefsten Stelle. Sind Gruben oder Schachte vorhanden, dann sammelt sich an ihrem Boden das schwerere Gas und verdrangt die Luft, also auch den Sauerstoff. Steigt man nun in die Grube oder den Schacht ein, fehlt der zum Leben notwendige Sauerstoff. Als Beispiel sei hier der Giirkeller erwahnt. Hier sammelt sich Kohlenstoffdioxid am Boden. In geschlossenen Behaltern wird oft der Behalterinhalt rnit Stickstoff iiberlagert, um den Sauerstoff fernzuhalten. Im Innern dieser Behalter herrscht also aufgrund des nicht vorhandenen Gasaustausches ebenfalls Erstickungsgefahr. In den beiden genannten Fallen handelt es sich aber nicht um giftige Gase. Der Umgang rnit erstickenden Gasen und Dampfen ist deshalb besonders gefahrlich, weil
man nicht bemerkt, daB zu wenig Sauerstoff zum Atmen vorhanden ist. Deshalb ist es verboten, in Gruben, Schachte oder geschlossene Behalter ohne besondere SicherheitsrnaJnahmen einzusteigen (Lebensgefahr!). Trotz aller Verbote kornmt es immer wieder vor, daR Behalter und Gruben ohne Erlaubnis betreten werden. 1st einmal ein Mann ohne Erlaubnis eingestiegen und man beobachtet, dab er leb10s am Boden liegt, darfauf keinen Fall sofort eingestiegen werden, um den Verungliickten zu bergen! Schon oft ist es vorgekommen, daB auf diese Weise dann zwei Menschen ums Leben gekommen sind. Erst mussen die erforderlichen SicherheitsmaRnahmen ergriffen werden, dann erst darf man den Verungliickten bergen. Auch wenn jemand nur fur einen kurzen Augenblick in eine geschlossene Anlage einsteigen will, das Einsteigeverbot gilt immer! Bereits dieser kurze Augenblick kann geniigen, urn einen todlichen Unfall herbeizufuhren. Bei fehlendern Sauerstoff tritt der Tod bereits nach kiirzester Zeit ein. Auch Filtermasken bieten hier keinen Schutz. Sie wirken nur gegen geringe Mengen giftiger Gase und Dampfe, die vorn Filter aufgenomrnen werden. Fehlt aber der Sauerstofi niitzt auch kein Atemschutz rnit Filter! Hier kann nur rnit Atemschutzgeraten gearbeitet werden, die von der UmgebungsatmosphLe unabhangig sind, z. B. rnit Prealuftgeraten (iihnlich wie bei Tauchern) oder Schlauchgeraten, bei denen einwandfreie Atemluft iiber einen Schlauch zugefuhrt wird. 1st es unbedingt notwendig, in Behalter und Gruben einzusteigen, dann miissen zuvor eine ganze Reihe von SicherheitsmaBnahmen durchgefuhrt werden.
11.3 Einsteigen in Behalter und Gruben Einsteigen in Behalter oder Gruben ist nur mit der schriftlichen Genehmigung des Betriebsfuhrers erlaubt.
11 Gase und Dampfe
Ehe diese schriftliche Genehmigung erteilt werden darf, mussen folgende SicherheitsmaBnahmen durchgefuhrt werden: 1. Behalter reinigen, spulen, auskochen, ausdampfen.
2. Alle AnschluBrohrleitungen demontieren und raumlich vorn Behalter trennen (Stiicke ausbauen), Rohrleitung blindflanschen.
3. Antriebsmaschinen fur Ruhrwerke 0.a. stillsetzen. Der Motor muO abgeklemmt werden. Zuvor werden die Sicherungen entfernt und durch Blindstopsel ersetzt. Sind Sicherheitsschalter vorhanden, mussen diese abgeschlossen werden. Den Schlussel behalt der einsteigende Mann in der Tasche.
4. Geruchsprobe der Behalterluft, Analyse der Behalterluft. 5. Fur standige Beluftung ist durch ein Geblase 0.a. zu sorgen. Erst wenn alle diese SicherheitsmaBnahmen durchgefuhrt sind und der vom Betriebsfiihrer unterzeichnete Arbeitserlaubnisschein vorliegt, darf eingestiegen werden. Dabei sind alle auf dem Erlaubnisschein vorgeschriebenen SicherheitsmaBnahmen genauestens zu beachten. Ebenso wichtig wie die Vorbereitung ist die Sicherung des einsteigenden Mannes. Er muO rnit einem Rettungsgurt angeseilt sein, um ein Hineingleiten in den Behalter zu verhindern. Selbstverstiindlich darf der einsteigende Mann den Curt im Behalter nicht ausziehen. Der Einsteigende mu8 die entsprechende Arbeitsschutzkleidung tragen. Umluftunabhangige Atemschutzgerate mussen bereitgehalten werden. Ohne Atemschutzgerat darf nur eingestiegen werden, wenn die Versorgung mit einwandfreier Atemluft irnmer gewiihrleistet ist. 1st dies nicht der Fall, darf nur rnit einem von der Umgebungsluft unabhhgigen Atemschutzgerat eingestiegen werden. Das Einblasen von Netzluf (aus der Rohrleitung) ist verboten. Bei Brandgefahr sind Feuerloschgerate betriebsfertig bereitzustellen. Ein zuverlassiger Mann rnuJ als Betriebsposten den eingestiegenen Mann standig beobachten. Er darf seinen Posten auf keinen Fall verlassen und wiihrend der Beobachtungszeit mit keiner anderen Arbeit betraut werden. Er rnu6, ohne seinen Posten zu verlassen, andere zur Hilfeleistung herbeirufen konnen. Sollte der eingestiegene Mann Hilfe benotigen, weil ihm ubel wurde oder weil er bewuBtlos geworden ist, rnuB der
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Posten sofort seine Vorgesetzten alarmieren. MuJ eingestiegen werden, urn den BewuJtlosen zu bergen, rnuJ ein von der Urngebung unabhan-
giges Aternschutzgerat benutzt werden. Sind alle Arbeiten beendet und alles Hilfsmaterial entfernt, bestatigt der Aufsichtsfuhrende dies durch sein Unterschrift. Die Einsteigegenehmigung wird dann ungultig. Alle Einstiegsofiungen mussen sofort verschlossen werden. Die Inbetriebnahme des Apparates darf erst erfolgen, nachdern der Betrieb die ausgefuhrten Arbeiten kontrolliert hat. Hierbei mussen alle Anschlusse und Rohrleitungen kontrolliert werden.
11.4 Giftige Gase und Dampfe (Atemgifte) 11.4.1 Allgemeines Unter Gifen versteht man korperfremde Stoffe, die bereits in kleinen Mengen im lebenden Organismus Schadigungen hervormfen. Im Gegensatz zu erstickenden Gasen genugt bei gifigen Gasen und Darnpfen (Atemgifte) oft schon das Einatrnen geringer Mengen, um Vergiftungen hervorzurufen, die zu Krankheit oder gar zurn Tod fithren konnen. Dies kann bereits durch einmalige Einwirkung giftiger Gase und Dampfe geschehen, aber auch die stetige Einwirkung geringer Mengen giftiger Stoffe kann zu Vergiftungen fiihren. Man unterscheidet zwischen akuter und chronischer GifhYirkung. Die Giftwirkung der einzelnen Stoffe ist von sehr unterschiedlicher Natur. Es wurde hier zu weit fuhren, die Gifte im einzelnen zu besprechen. Wichtig fur jeden Mitarbeiter ist es, daJ er iiber die giftigen Stoffe in seinern Betrieb und ihre Wirkung informiert wird. Hier einige Beispiele fur bekannte, giftige Stoffe: Kohlenstomonoxid wird durch die Lunge aufgenommen und lagert sich anstelle von Sauerstoff an die roten Blutkorperchen an. Es ,,vergiftet" damit das Blut. Schwefelwasserstoff (Geruch nach faulen Eiern) ist ein Nervengift, das zuerst die Geruchsnerven, dann das gesarnte Nervensystem Iiihmt. - Methanol (Methylalkohol, CH,OH) greift die Sehnerven an und kann zur Erblindung und zum Tod fuhren. Besonders gefahrlich ist der Urngang rnit g$tigen Gasen, wenn man diese, wie Kohlenstoffrnonoxid, nicht wahnwhrnen (sehen, riechen) kann.
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VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
Fur den Umgang mit solchen Stoffen hat man daher Gren~wertefestgelegt; das sind die Konzentrationen giftiger oder gesundheitsschadlicher Stoffe, die aus Sicherheitsgriinden nicht iiberschritten werden durfen. Diese Grenzwerte sind in Stofflisten zusammengefaBt, die jahrlich uberpruft und von der Senatskommission der Deutschen Forschungsgemeinschaft herausgegeben werden. MAK-Werte (MAK - maximale Arbeitsplatzkonzentration) werden bei Gasen in ppm (parts per million) angegeben, d.h. cm-' Schadstoff in 1 rn3 Luft. Bei festen Stoffen (Stauh) lautet die Angabe rng schadlicher Stoff in I m-' Luft. Werden die festgelegten MAK-Werte im Arbeitsbereich dauerhaft sicher eingehalten, kann man davon ausgehen, daS fur die Beschaftigten bei taglich achtstundiger Arbeitszeit keine Gesundheitsschldigung eintritt. 11.4.2 Maximale Arbeitsplatzkonzentration
(MAW Definition Der MAK-Wert (maximale Arbeitsplatz-Konzentration) ist die hochstzulassige Konzentration eines Arbeitsstoffes als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft an einem Arbeitsplatz, die nach dem gegenwiirtigen Stand der Kenntnis auch bei wiederholter und langfristiger, in der Regel taglich achtstiindiger Exposition*, jedoch bei Einhaltung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (in Vierschichtbetneben 42 Stunden je Woche im Durchschnitt von vier aufeinanderfolgenden Wochen) im allgemeinen die Gesundheit der Beschaftigten nicht beeintrachtigt und diese nicht unangemessen belastigt. In der Regel wird der MAK-Wert als Durchschnittswert uber Zeitraume bis zu einem Arbeitstag oder in einer Arbeitsschicht integriert. Bei der Aufstellung von MAK-Werten sind in erster Linie die Wirkungscharakteristika der Stoffe beriicksichtigt, daneben aber auch - soweit moglich praktische Gegebenheiten der Arbeitsprozesse bzw. der durch diese bestimmten Expositionsmuster. Maagebend sind dabei wissenschaftlich fundierte Kriterien des Gesundheitsschutzes, nicht die technischen und wirtschaftlichen Moglichkeiten der Realisation in der Praxis. *
expositio (lat.) - Emwirkung: in der Medizin wird unter Exposition die Sumrne der Einfliisse verstanden, die auf den rnenschlichen Organismus beeintrachtigend aber auch fordernd wirken konnen
Voraussetzungen Voraussetzungen fur die Aufstellung eines MAK-Wertes sind ausreichende toxikologische undoder arbeitsmedizinische bzw. industriehygienische Erfahrungen beim Umgang mit dem Stoff. Erfahrungen am Menschen haben bei der Beurteilung grundsatzlich Vorrang vor Tierversuchen. Nicht bei allen Stoffen sind ausreichende Unterlagen verfugbar. Bei manchen Arbeitsstoffen konnte die Kommission auf eigene Untersuchungen ihrer Mitglieder zuriickgreifen. Fur die jahrliche Neubearbeitung sind Anregungen zur Aufnahme neuer und Erfahrungen mit bekannten Arbeitsstoffen envunscht.
Einteilung gefahrlicher Stoffe
1. Stoffe mit MAK- Werten (s. Tab. V1- 1) 2. Stoffe, fur die (noch)keine MAK- Werte aufgestellt werden kBnnen Die Kommission hat uber die in 1 . genannten hinaus eine Anzahl Stoffe uberpriift, fur die weder aus Erfahrungen am Menschen noch aus Tierversuchen hinreichende Informationen fur die Aufstellung von MAK-Werten vorliegen. Die toxikologischen Daten und Bewertungen finden sich in der von der Kommission herausgegeben Monographiensammlung ,,Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begriindung von MAK-Werten" (1972-1997), Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim). 3. Krebserzeugende A rbeitsstoffe (eindeutig erwiesen und begriindet verdachtigt) Der Umgang mit erwiesenen oder potentiellen krebserzeugenden Arbeitsstoffen erfordert besondere Vorsicht und Maanahmen der Gesundheitsvorsorge. Diese Stoffe werden daher besonders aufgefuhrt und folgendermaaen unterteilt:
A) Eindeutig als krebserregend ausgewiesene A rbeitsstoffe A.l) Stoffe, die beim Menschen erfahrungsgemid3 bosartige Geschwulste zu verursachen vermogen. A.2) Stoffe, die bislang nur im Tierversuch sich nach Meinung der Kommission eindeutig als krebserregend erwiesen haben, und zwar unter Bedingungen, die der moglichen Exponiemng des Menschen am Arbeitsplatz vergleichbar sind, bzw. aus denen Vergleichbarkeit abgeleitet werden kann.
I1 Case und Dampfe
691
Tab. VI-1. MAK-Werte wichtiger Stoffe. Stoff
Aceton Ameisensaure Ammoniak Anilin Arsenwasserstoff Benzol* Blei Brom Chinon Chlor Chlorwasserstoff Cyanwasserstoff Diethylether o-Dichlorbenzol Dimethylsulfat* * Ethylenoxid** Fluorwasserstoff Formaldehyd Iod Kohlenstoffmonoxid Nicotin*** Phosgen Phosphorwasserstoff Quecksilber Schwefelwasserstoff Tetrachlorkohlenstoff Toluol Wasserstoffperoxid
* ** ***
Formel
CH,COCH, HCOOH NH3 C6H5NH2 ASH, C6H6 Pb Br2 C6H402 CL HCI HCN CZHSOCZHS C&Ch (CHASO4 CzH4O HF HCHO I2
co (C,HdV)-C,H,N-CH, COCI, PH, Hg HS CCI, C~HSCH~ H202
MAK PPm (cm3/m3)
mg/m3
1000 5 50 2 0,05 -
2400 9 35 8 02
-
0,1 0,I
OS 5 10
400
I5
0,1 0,7
0,4 1-5 7 11 1200 450
-
-
-
-
3 0s
0,6
0,1
30 0,07
0,1 0,l 0,Ol 10 10 100
I
2 1
33 0s 0,4 0,15
0,l 15 65 380 1,4
Betriebswacht, (2001),Datenjahrbuchder Gewerblichen Berufsgenossenschaften, Universum Verlag, Wiesbaden. Fur diese Stoffe, deren Einwirkung nach dem gegenwMigen Stand der Kenntnis eine eindeutige Krebsgef&rdung fur den Menschen bedeutet, enthalt die Liste keine Konzentrationswerte,da keine noch als unbedenklich anzusehende Kon-zentration angegeben werden kann. Alkaloid des Tabaks.
B ) Stoffe mit begriindetem Verdacht auf krebserzeugendes Potential
11.4.3 Technische Richtkonzentration (TRW
Daneben erfordern neuere Befunde der Krebsforschung die Beriicksichtigung weiterer Stoffe, bei denen nennenswertes krebserzeugendes Potential zu vermuten ist, und die dringend der weiteren K l b n g bedurfen. Sofern fur die im folgenden aufgefuhrten Stoffe bisher MAK-Werte vorlagen, werden diese zunachst beibehalten.
Fur eine Reihe krebserzeugender und erbgutandernder Arbeitsstoffe konnen MAK-Werte nicht ermittelt werden. Die Griinde dafur sind folgende: Krebs und Mutationen manifestieren sich erst nach Jahren und Jahrzehnten, u.U. erst in kunftigen Generationen. Bei langfristiger Einwirkung geringer Dosen dieser Stoffe summieren sich die gesetzten Veranderungen in hohem MaDe - ob und in welchem Umfang Reparatur eintritt, kann z. Z. nicht entschieden werden. In Tierversuchen lassen sich absolute Wirkungsgrenzdosen bzw. -konzentrationen grundsatzlich
692
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
nicht ermitteln; der AusschluB auf der Basis geringer, mathematisch definierter Eintrittswahrscheinlichkeiten erfordert sehr grolje Tierzahlen; er ist bisher bei keinem Stoff erbracht worden. Auch sind Ergebnisse von Tierversuchen nicht ohne weiteres auf die Verhaltnisse beim Menschen ubertragbar. Aus epidemiologischen* Erhebungen an Exponierten am Arbeitsplatz sind z. Z. ebensowenig unbedenkliche Grenzwerte ableitbar, da weder hinreichende analytische Bestimmungen der Stoffaufnahme uber ausreichende Zeitraume vorliegen, noch genugend groRe Zahlen Exponierter und geeigneter Vergleichskollektive zur Verfugung stehen. Da bestimmte krebserzeugende Stoffe technisch unvermeidlich sind, z. T. auch naturlich vorkommen, und Expositionen gegenuber diesen Stoffen nicht vollig ausgeschlossen werden konnen, benotigt die Praxis des Arbeitsschutzes Richtwerte fur die zu treffenden SchutzmaBnahmen und die meljtechnische Uberwachung. Die Arbeitsstoffkommission hat im besonderen Falle des Asbestes, der nicht nur krebserzeugend wirkt, sondern auch Asbestose (Lungenfibrose) auslosen kann, Technische Richtkonzentrationen aufgestellt, die auf die Verhutung der Asbestose abzielen und das Krebsrisiko mindern, aber nicht ausschlieBen. Auf die Definition der Technischen Richtkonzentration sollten - unter Nennung des bei Einhalten diese Wertes noch vorhandenen Risikos - alle diejenigen hingewiesen werden, die die Technische Richtkonzentration handhaben und die unter diesen Bedingungen arbeiten.
StoffV), und die als Anhalt fur die zu treffenden Schutzmaanahmen und die meljtechnische Uberwachung am Arbeitsplatz heranzuziehen ist. Technische Richtkonzentrationen werden nur fur solche gefahrlichen Stoffe benannt, fur die z. Z. keine toxikologisch-arbeitsmedizinischbegriindeten maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-Werte) aufgestellt werden konnen. Die Einhaltung der Technischen Richtkonzentration am Arbeitsplatz sol1 das Risiko einer Beeintrachtigung der Gesundheit vermindern, vermag dieses jedoch nicht vollstandig auszuschlieflen. Die Technische Richtkonzentration orientiert sich an den technischen Gegebenheiten und den Moglichkeiten der technischen Prophylaxe* unter Heranziehung arbeitsmedizinischer Erfahrungen im Umgang mit dem gefahrlichen Stoff und toxikologischer Erkenntnisse. Der Arbeitgeber hat dafur zu sorgen, dalj die Technische Richtkonzentration unterschritten wird (Anhang 11, Nr. 1.2.3.1 GefStoffV). Da bei Einhaltung der Technischen Richtkonzentration das Risiko einer Beeintrachtigung der Gesundheit nicht vollstandig auszuschliefien ist, sind durch fortgesetzte Verbesserungen der technischen Gegebenheiten und der technischen Schutzmaanahmen Konzentrationen auustreben, die moglichst weit unterhalb der Technischen Richtkonzentration liegen. Technische Richtkonzentrationen bediirfen der steten Anpassung an den Stand der technischen Entwicklung und, der analytischen Moglichkeiten sowie der Uberprufung nach dem Stand der arbeitsmedizinischen und toxikologischen Kenntnisse.
TRK des Ausschusses fur Gefahrstoffe Der ,,AusschuB fur Gefahrstoffe" (AGS) beim Bundesminister fur Arbeit und Sozialordnung befaat sich mit der Aufstellung Technischer Richtkonzentrationen (TRK) fur krebserzeugende Stoffe. TRK-Werte sind keine MAK-Werte, auch bei Einhaltung der Technischen Richtkonzentration ist eine Gefahrdung nicht vollstandig auszuschliel3en.
Allgemeine Begriffsbestimmung Unter der Technischen Richtkonzentration (TRK) eines gefahrlichen Stoffes versteht man diejenige KonLentration als Gas, Dampf oder Schwebstoff in der Luft, die nach dem Stand der Technik erreicht werden kann (9 15 Abs. 6 Gef-
*
epidemios (grch.) im Volk verhreitet. Epidcmic ist das gehaufte Auftreten eincr lnfektionskrankheit.
TRK-Werte TRK-Werte werden aufgestellt fur krebserzeugende Stoffe (Anhang 11 Nr. 1 GefStoffV) und fur krebsverdachtige Stoffe, fur die kein MAKWert bcsteht (Abschnitt 111 B der MAK-Wert-Liste, TRGS 900). Fur die Festlegung der Hohe der Werte sind maljgebend: - die Moglichkeit. die Stoffkonzentrationen im Bereich des TRK-Wertes analytisch zu bestimmen, - der derzeitige Stand der verfahrens- und luftungstechnischen Mafinahmen unter Beriicksichtigung des in naher Zukunft Erreichbaren, - daB vorliegende arbeitsmedizinische Erfahrungen oder toxikologische Erkenntnisse ihnen nicht entgegenstehen.
~
*
prophylassein (grch. 1
~
vcrhutcn, vorbeugen.
1 1 Gase und Dampfe
TRK-Werte sind Schichtmittelwerte bei in der Regel taglich achtstundiger Exposition und bei Einhaltung einer durchschnittlichen Wochenarbeitszeit von 40 Stunden (in Vierschichtenbetrieb 42 Stunden je Woche im Durchschnitt von vier aufeinanderfolgenden Wochen). Bei der Anwendung ist die TRGS 402 ,,Ermittlung und Beurteilung der Konzentration gefahrlicher Stoffe in der Luft in Arbeitsbereichen" heranzuziehen.
11.4.4 Schutz gegen Vergiftungen durch Gase und Dampfe Giftige oder gesundheitsschadliche Gase miissen in geschlossenen Gefaljen oder Appardturen gehalten werden. Dichte Gefa$e sind der beste Schutz gegen Vergiftungen. Treten Undichtigkeiten auf, miissen sie sofort dem nachsten Vorgesetzten gemeldet werden, der schnellstens ihre Beseitigung zu veranlassen hat. Raume, in denen mit giftigen Dampfen oder Gasen gearbeitet wird, mussen gut durchluftet und rnit Absaugungen versehen sein. Wenn nicht sicher ist, ob schldliche Gase in die Raumluft gelangen, miissen Messungen durchgefuhrt werden. Fur den Fall groRerer Gasausbriiche mussen alle Betriebsangehorigen rnit einer Alarmanlage gewarnt werden konnen. Jeder Betriebsangehorige muR dariiber belehrt werden, wie er sich im Alarmfall zu verhalten hat. Atemschutz Mitarbeiter, die giftigen Gasen und Dampfen ausgesetzt sein konnen, mussen eine eigene Atemschutzmaske besitzen. Diese schutzt jedoch nur bei geringen Mengen giftiger Gase oder Dampfen (Volurnenanteil rnax. 0,5 %) oder kann nur als Fluchtmaske dienen. Fur Fluchtzwecke stehen oft sog. Fluchtmasken (,,Schnuddel") zur Verfiigung, das sind Mundstiickgarnituren rnit Gasfiltern und Nasenklemmen. Fur den Fall groljerer Gasausbriiche werden vom Betrieb oft auch von der AuRenluft unabhangige Atemschutzgerate wie Preljluft-, Sauerstoff- oder Schlauchgeriite bereitgehalten. Im Interesse der eigenen Sicherheit ist der Atemschutzmaske besondere Sorgfalt zu widmen. Filtergerate bestehen aus einem Filter, das direkt durch Schraub- oder SteckanschluR oder indirekt durch einen Schlauch rnit dem AtemanschluR verbunden wird. Als AtemanschluR wird der Teil eines Atemschutzgerates bezeichnet, der
693
die Verbindung zum Gerattrager herstellt, z. B. Vollmasken, Halbmasken, Mundstiickgarnituren. Gasfilter miissen nach Art der Gase und Dampfe, die austreten konnen, ausgewahlt werden. Nach ihrem Hauptanwendungsbereich sind die Gasfilter rnit Kennbuchstaben und Kennfarben gekennzeichnet. AuBerdem werden sie nach ihrem Aufnahmevermogen in Gasfilterklassen unterteilt. Auf den Filtern ist jeweils nur das Hauptanwendungsgebiet angegeben. Einige Filter sind jedoch auch fur andere Stoffe geeignet, so schutzt z. B. das B-Filter, allerdings mit geringerer Gebrauchsdauer, auch gegen Stoffe der Kennbuchstaben A und K, in geringerem Umfang auch gegen Schwefeldioxid, Kennbuchstabe E. Das B-Filter kann damit als universeller Filtertyp meist verwendet werden, wenn Zweifel bei der Wahl des Filtereinsatzes bestehen. Es ist daher besonders als Fluchtfilter geeignet. Aus den Tabellen VI-2 a und b kann man die Kennbuchstaben und Kennfarben fur Atemfilter entnehmen.
11.5 Einige Regeln fur den Umgang rnit Atemschutzmasken (AM) I . Die AM muJ3 immer gri'ereit am Arbeitsplutz aujbewahrt werden. Sie mu8 stets in einwandfreiem Zustand gehalten werden und ist insbesondere vor schadlichen Einwirkungen geschutzt aufzubewahren. 2. Die AM muJ3gut sitzen, damit kein Gas durch die Nebenoffnungen eindringen kann. Barte verhindern den dichten Sitz der Maske. Die Dichtheit der Maske sollte ofter iiberpriift werden. 3. Die AM soll regelmagig gepfzegt werden. 4. Der Gasfilter muJ3 immer der Gasart entsprechen, gegen die er schiitzen soll. Deshalb ist die Aufschrift, fur welches Gas der Filter ist, zu beachten. Zur Pflege der AM gehort, daR sie in bestimmten, festgelegten Zeitabstanden (z. B. monatlich) aus der Buchse genommen und nachgesehen wird, oder da13 Wartungstermine mit den Herstellerfirmen vereinbart werden. 5. Gasfilter sind nicht unbegrenzt haltbar. Die Filter haben auch in ungeoffnetem Zustand ei-
694
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
Tab VI-2 a. Kennzeichnung von Atemfiltern und Atemschutzgeraten nach DIN 3 181 Filtertyp
Al BI
I Hauptanwendungsbereich
---
I I I-
Anorgani.cbeGaseundD~pb. 2. B. Chlor, Schwefelwasserstoff,Cyanwasserstofi(Blauslure)
El
HI NO
I I I
W i t r o s e Garrs
einschIieBlichStickstohonoxid
RadhaktmsIod Reaktor I einscM&tich radioaldivemIodmethan
I
P
I
Partikeln
I
I
Tab VI-2 b. Filterleistung von Atemfiltern und Atemschutzgerate. Filterart
Filterklasse
Schutz gegen
Filterleistung
Gasfilter
I
Case und Dampfe
Aufnahmevermogen klein
2
Case und Dampfe
Aufnahmevermogen mittel
3
Case und Dampfe
Aufnahmevermogen groB
PI*
feste Partikeln inerter Stoffe
* bei Auer in P 2- und P 3-Filtern enthalten
P2
feste und tlussige Partikeln mindergiftiger (gesundheitsschadl.) Stoffe
Ruckhaltevermiigen mittel
P3
feste und tlussige Partikeln giftiger und sehr giftiger Stoffe
Ruckhaltevermiigen groR
1-P2
Gase und Dampfe sowie feste und flussige Partikeln mindergiftiger (gesundheitsschadlicher) Stoffe
Aufnahmevermiigen fur Gase und Dampfe klein. Ruckhaltevermogen fur Partikeln mittel
2-P2
Case und Dampfe sowie feste und fliissige Partikeln mindergiftiger (gesundheitsschadlicher) Stoffe
Aufnahmevermiigen fur Case und Dampfe mittel. Ruckhaltevermogen fur Partikeln mittel
2-P3
Gase und Dampfe sowie feste und flussige Partikeln giftiger und sehr giftiger Stoffe
Aufnahmevermogen fur Gase und Dampfe mittel. Riickhaltevermogen fur Partikeln grof.3
Partikelfilter
Kombinationsfilter
1 1 Gase und Dampfe
ne begrenzte Gebrauchsdauer. Hierzu beachte man das Verfallsdatum, das auf den Filtern angegeben ist. Dieses Datum gilt aber nur, solange der VeischluR des Filters nicht aufgerissen ist. Ist der Filter einmal gebraucht, ist seine Gehrauchsfahigkeit nur noch sehr begrenzt. Er sollte alsbald ausgetauscht werden. Auch ungebrauchte Filter, deren VerschluB aufgerissen ist, sollen nach einem halben Jahr ersetzt werden. 6. Vor der Benutzung Filterschutzkappen entfernen. Andere Atemschutzgerate wie PreJluf-, Sauerstoff- und Frischlufgerdte diirfen nur von speziell ausgebildeten Leuten benutzt, gewartet und gepflegt werden. Aukrdem miissen die Benutzer solcher Atemschutzgerate iirztlich untersucht werden. Die Wartung und Pflege dieser Gerate iibernimmt meist die Feuerwehr.
11.6 MaBnahmen bei Vergiftungen Einige allgemeine Erscheinungen deuten auf eine - trotz VorsichtsmaBnahmen - eingetretene Vergiftung hin: Ubelkeit, Benommenheit, Atemnot, Blaufiirbung der Lippen. Bei stiirkeren Vergiftungserscheinungensol1 man den Vergifteten an die frische Luft bringen, ihn dort hinlegen und zudecken und dann einen Krankenwagen IUfen sowie einen Arzt alarmieren. Bemerkt man an sich selbst die obengenannten Anzeichen einer Vergiftung, mu8 man unverziiglich einen Arzt aufsuchen, um Schlimmeres zu verhiiten. Auch bei bereits eingetretenen Vergiftungen konnen Kenntnisse iiber die giftigen Stoffe vor groBerer Gefahr schiitzen. Unwissende und leichtsinnige Mitarbeiter werden stets besonders gefhrdet sein. Jeder Mitarbeiter eines Betriebes mu8 iiber die in seinem Arbeitsbereich vorkommenden giftigen Stoffe informiert werden und auch iiber mogliche Gegenmdnahmen bei Vergiftungen Bescheid wissen.
695
11.7 Langlebige, hartnackig bestiindige organische Schadstoffe* - persistent -organic pollutants, POP Im Rahmen des Umweltprogramms der Vereinten Nationen, UNEP, wird im Jahre 2001 zwischen 50 Nationen eine Vereinbmng (Konvention) getroffen, nach der 12 chemische Wirkstoffe nicht mehr produziert werden diirfen. Es handelt sich um Stoffe, die Krebs hervorrufen oder das Hormonsystem beeinflussen. Davon betroffen sind acht Pestizide: Aldrin, Chlordan, Dieldrin, Endrin, Heptachlor, Mirex, Toxaphen und Hexachlorbenzol. Nach der Ratifizierung dieser Konvention durch die einzelnen Staaten diirfen diese Stoffe weder hergestellt noch angewendet werden. Ausnahmen: Australien und China bestehen darauf, weiterhin Mirex einzusetzen, um Termiten zu bekampfen. DDT darfnicht mehr in der Landwirtschaft verwendet werden, wohl aber um Moskitos, die Malariaerreger ubertragen, zu bekiimpfen (s. s. 383). H
cl-@-.@ -c14!4I 61
Dichlor-diphenyltrichlorethan, DDT
Polyghlorierte Biphenyle, PCB, diirfen nicht me& eingesetzt werden. PCB-haltige Gerate wie Transformatoren miissen bis 2025 entsorgt werden (s. S. 63 und 383).
xMx
X = Chlor, CI
Biphenyl-Grundverbindung: die Arornatenringe konnen unterschiedlich stark chloriert sein.
Emissionen von Dioxinen und Furanen sollten auf ein MindestmaB gesenkt werden (s. S. 65 und 498). Kriterien zur Eingruppierung in die POPSsind: 1. sie miissen langlebig sein, 2. sich im Fettbewebe tierischer Organismen anreichern, 3. sich weltweit verbreiten konnen, 4. Mensch und Umwelt gefhrden. *
Ahrens, R. (2000), Rote Karte fur Umweltgifte. VDI-Nachrichten, Nr. 50.
12 Brand- und Explosionsgefahr
12.1 Allgemeines Bei allen brennbaren Gasen und Fliissigkeiten ist Brand- und Explosionsgefahr nicht auszuschlieBen. Die dabei auftretenden Gefahren sind je nach den Eigenschaften der brennbaren Stoffe sehr verschieden. Ebenso besteht bei organischen Stauben oder brennbaren Granulaten Brandgefahr. Bei einer Kornverteilung von kleiner bzw. gleich ca. 400pm kann bei brennbaren Stauben im aufgewirbelten Zustand Explosions- bzw. Brandgefahr ebenfalls nicht ausgeschlossen werden. Bei brennbaren Fliissigkeiten z. B. Losemitteln brennen nur die Dampfe, die aus der Fliissigkeit entweichen. Befinden sich brennbare Gase oder Dampfe in der Luft, besteht die Gefahr, daB es durch Ziindung zum Brand oder gar zur Explosion kommt. Gase und Dampfe zeigen ahnliches Verhalten. Fur brennbare Staube gilt sinngema das fur brennbare Gase und Dampfe Gesagte. Bei Stauben ist allerdings eine Verwirbelung Voraussetzung fur eine Explosion.
12.2 Brennbare Gase
reich haben, das Arbeiten mit ihnen erfordert besondere Einrichtungen (Abb. VI-6).
12.2.2 Zundtemperatur Bei entsprechend hohen Temperaturen konnen sich brennbare Dampfe bereits an einer heiljen Oberflache von selbst entzunden. Die niedrigste Temperatur, bei der sich ein zundwilliges DampfLuft-Gemisch an einer heiBen Oberflache entzunden kann, nennt man Ziindtemperatur (s. Tab. VI-3). Fur die Entzundung mancher Stoffe sind weder offene Flammen noch Zundfunken erforderlich; die Beriihrung rnit einer heil3en Dampfleitung oder Heizplatte kann geniigen. Unter Tropfziindpunkt versteht man diejenige Ziindtemperatur, bei der sich ein auf eine heiBe Oberflache fallender Tropfen einer brennbaren Flussigkeit bereits entzundet. Einige Beispiele fur besonders leicht ziindende Stoffe sind: Schwefelkohlenstoff mit 95 "C Zundtemperatur Diethy lether mit 180 "C Zundtemperatur Acetaldehyd rnit 140 "C Ziindtemperatur
12.2.1 Explosionsgrenzen Gefhrlicher als brennbare Flussigkeiten sind brennbare Gase wie Wasserstoff. Dieser vermischt sich sehr schnell mit der Luft und bildet ein sehr gefiihrliches, explosibles Gemisch, das sog. Knallgas (s. Abschn. 111-14.7). Knallgas bildet sich aber nicht bei allen Mischungsverhaltnissen. 1st nicht geniigend brennbares Gas in der Luft, kann es nicht zur Ziindung kommen. So tritt bei Wasserstoff-Luft-Gemischen erst ab 4,O % Volumenanteil Wasserstoff eine Explosion auf. Man nennt dies die untere Explosionsgrenze. Bei 75,6 % Volumenanteil Wasserstoff in der Luft ist die obere Explosionsgrenze erreicht. Zwischen 4,O % und 75,6 % Volumenanteil Wasserstoff in der Luft liegt der Explosionsbereich. Besonders gefahrlich sind Gase, die eine niedrige untere Explosionsgrenze und einen groljen Explosionsbe-
12.3 Brennbare Flussigkeiten Eine wichtige sicherheitstechnische Kennzahl ist der Flammpunkt. Er stellt die niedrigste Temperatur in "C dar, bei der sich aus der zu priifenden Flussigkeit bei 1013 mbar unter festgelegten Bedingungen Dampf in solcher Menge entwickelt, dal3 er rnit der uber der Fliissigkeit befindlichen Luft ein entflammbares Gemisch ergibt. Brennbare Flussigkeiten, die rnit Temperaturen unterhalb des Flammpunktes gehandhabt werden, konnen weder in Brand geraten noch eine explosionsfiihige Atmosphke erzeugen, es sei denn, daB die brennbare Flussigkeit fein verspriiht als Aerosol bzw. Nebel vorliegt (Prinzip des Heizbrenners).
12 Brand- und Explosionsgefahr
697
Abb. VI-6. Laboratorium mit Schutzkasten und Absaugung fur das Arbeiten rnit gefahrlichen Stoffen (Foto: Infra Serv GmbH u. Co. Hochst AG, Industriepark Hochst).
Ether (Diethylether) hat einen Flammpunkt unter -20 "C, Ethanol (Ethylalkohol) hat einen Flammpunkt von +12 "C,d. h. Ether gibt bereits unter -20 "C, Ethanol bei + 12 "C soviel Dampf ab, daB das entstandene Dampf-Luftgemisch durch eine Flamme oder durch einen Funken gezundet werden kann. Das bedeutet: Je niedriger der Flarnmpunkt eines Losemittels ist, desto gefahrlicher ist es. Aus Tab. VI-4 kann man die Flammpunkte einiger Losemittel entnehmen. Fur die Festlegung von abgestuften Schutzmafinahmen hat man die brennbaren Liisemittel in Gefahrklassen eingeteilt. Man unterteilt in solche Losemittel, die sich nicht mit Wasser mischen, also auch nicht rnit Wasser geloscht werden konnen, und in solche, die sich beliebig rnit Wasser mischen lassen, also mit Wasser geloscht werden kijnnen. Nach der Verordnung f i r brennbare Fliissigkeiten (VbF) urnfat die Gefahrklasse A alle Stof fe mit einem Flammpunkt unter IOO"C, wenn diese Stoffe selbst oder nur ihre brennbaren,JZiissigen Anteile, nicht oder nur teilweise mit Wasser mischbar sind.
Nach dem Gef&lichkeitsgrad unterteilt man die Gefahrklasse A weiter in: Gefahrklasse A I: Sie enthalt Stoffe rnit einem Flammpunkt unter 21 "C. (Benzin, Benzol, Toluol, Ether, Schwefelkohlenstoff u. a.) Gefahrklasse A 11: Sie enthalt Stoffe rnit einem Flammpunkt von 21 "C bis 55 "C. (Testbenzin, Amylalkohol u. a.) Gefahrklasse A 111: Sie enthalt Stoffe mit einem Flammpunkt von grol3er 55 "C bis 100°C. (Anilin, Heizol, Kresol, Nitrobenzol, Phenol u. a.) Die Gefahrklasse B umfal3t alle Stoffe rnit einem Flammpunkt unter 21 "C,wenn diese Stoffe selbst oder nur ihre brennbaren, fliissigen Anteile in jedem Verhaltnis rnit Wasser mischbar sind (Methanol, Ethanol, Propanol, Isopropanol, Aceion u. a.). Flussigkeiten der Gefahrklasse A sind also gefhrlicher als die der Gefahrklasse B, weil sie
698
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
Tab. VI-3. Explosionsgrenzen und Zundtemperaturen einiger Gase und Dampfe.
Brennbare Stoffe
Zundtemperatur "C
Explosionsgrenzen 7~Volumenanteil Gas in Luft ( 1013 mbar, 20 "C) untere
obere ~
Anorganische Wasserstoff Schwefelwasserstoff Schwefelkohlenstoff Ammoniak Orgnnische Methan Ethan Propan n-Butan n-Pentan Ethen (Ethylen) Ethin (Acetylen) Benxol Toluol 0-Xylol Ethanol Methanol n-Propanol Isopropanol Diethy lether Acetaldehyd Essigsaure Essigsaureethylester
75,6
4,o 4,3 1 ,0 45
45,s
60,O 30,2
5 3 -3.2 2,1 I ,5 - 2.0 1,4 2,7 2,4
1 2 1,2 1 ,0 3s 5,s 2.1 2 1,7 4 4,0 - 5,4 2, I - 2,5
560 270 95 630
15 123 - 15,s
595 (650)
9s 8,5 8 28,s - 34 83/100 8 7 6,O - 7,6 15 31,O-40 13,s 12 36 57 17
470 365 309 425 305 555 535 465 425 455 405 425
11,s
515
180
140 485 460
nicht mit Wasser geloscht werden konnen. Wiirde man mit Wasser loschen, wiirde sich, da diese Flussigkeiten (meist) auf dem Wasser schwimmen, der Brand nur flachenmal3ig vergrofiern.
Hier miissen Schaumloscher oder Pulvvrloscher venvendet werden. Flussigkeiten der Gefahrklasse B dagegen konnen mit Wasser geloscht werden und sind deshalb ungefiihrlicher als die Flussigkeiten der Gefahrklasse A.
Tab. VI-4. Flarnmpunkte von Losemitteln.
12.4 Brennbare Staube
Losemittel Ethanol (Ethylalkohol) Ether (Diethylether) Benzin Benzol n-Butanol (Butylalkohol) Essigester (Ethylacetat) Methanol Propanol(2) (Isopropylalkohol) Schwefelkohlenstoff Toluol 0-Xylol
Flarnmpunkt i n "C +I2 <-20 <-20 -1 I +35 4 +I I +I2 1-20 +6 +30
Brennbare Staube verhalten sich ahnlich wie die brennbaren Case und Dampfe. Allerdings mussen sie sich in einem aufgewirbelten Zustand befinden. um explosionsfahige Gemische bilden zu konnen. Im Raum abgelagerte Staube konnen z. B. durch heiRe Oberflachen in Brand geraten. Die dafur erforderliche Temperatur wird als Glimmtemperatur bezeichnet. In der Regel besitzen Staube eine um mehrere GroBenordnungen hohere Mindestzundenergie als brennbare Gase und Dampfe. Sie sind deshalb uberwiegend schwerer ziindbar. Allerdings, j e
12 Brand- und Explosionsgefahr
feiner ein brennbarer Staub ist, um so leichter ist er zundfihig und urn so heftiger lauft die Explosion ab.
12.5 Brand, Verpuffung, Explosion Man unterscheidet zwischen Brand, Verpuffung und Explosion. Der Ubergang von einern Brand in eine Verpuffung bzw. Explosion ist flieRend. Was sich schlieRlich ereignet, h b g t u.a. vom Grad der Dispergierung des brennbaren Anteils in der Luft (Turbulenz) ab. Je hoher der Grad der Dispergierung in der Luft ist, desto groRer sind die Druckwirkungen. Noch st*ker wird die Druckzunahme von der Konzentration des LuftDampf-Gemisches beeinfluat. Bei einem stiichiometrischen Gernisch ist die Drucksteigerung am groaten.
12.5.1 Brand Entwickelt sich aus einer brennbaren Flussigkeit genugend Dampf, so konnen sich bei Anniiherung einer Zundquelle die an der Beriihrungsquelle rnit der Luft (an der Grenzflache) vorhandenen Teilchen entzunden. Es kornmt zurn Brand. Dabei rnuB der Flarnmpunkt der Flussigkeit erreicht oder uberschritten werden.
12.5.2 Verpuffung Erfolgt die Darnpfentwicklung beispielsweise uber einer brennbaren Flussigkeit so, daR sich der Darnpf uber der Flussigkeit rnit Luft rnischen kann, kornrnt es bei Annaherung einer Ziindquelle zu einer schnellen Verbrennung mit geringen Druckunterschieden. Dies nennt man eine Verpufing. Hierbei liegt der Flammpunkt unter der Temperatur der Flussigkeit und der Urngebung. Der Druckanstieg durch die Verpuffung ist geringer als bei der Explosion. Der angerichtete Schaden bleibt relativ gering.
12.5.3 Explosion Besonders gefurchtet ist die Explosion. Die Dampfentwicklung aus einer brennbaren Flussigkeit in den daruber befindlichen Raum fuhrt zur Bildung eines explosionsfaigen DampfLuft-Gemisches. Bei Anniiherung einer Zundquelle kornrnt es zu einer sehr schnellen Verbrennung rnit hohen Druckwirkungen. Dies nennt man eine Explosion. Voraussetzung ist, daB die Konzentration der Darnpfe in diesem Luft-
699
Dampf-Gernisch innerhalb bestimrnter Grenzen, den Explosionsgrenzen liegt und durch Turbulenz intensiv gemischt ist. Hierbei liegt der Flammpunkt meist erheblich unter der Ternperatur der Flussigkeit und der Umgebung. Explosionen sind rnit erheblichen mornentanen Drucksteigerungen bis etwa zum 12fachen des Anfangsdruckes verbunden. Dies kann zu schwersten Zerstorungen fuhren. Da auaerdern im Explosionsbereich kurzzeitig sehr hohe Ternperaturen durch Flarnmenbildung auftreten, konnen hier anwesende Personen schwerste Verbrennungen erleiden, besonders an nicht bedeckten Korperteilen. Es ist daher verboten, rnit freiern Oberkorper zu arbeiren.
12.6 SchutzmaBnahmen gegen Brande und Explosionen Wie kann man verhindern, daR Brande und Explosionen ausgelost werden? Als oberster Grundsatz gilt: Es muR verhindert werden, daB brennbare Case oder Darnpfe aus Apparaturen austreten konnen. Dichte Apparaturen sind der heste Schutz. Behalter und Anlagen fur brennbare Liisernittel konnen z. B. rnit Inerrgas (Stickstoff, Kohlenstoffdioxid) iiberlagert werden. Betriebe, in denen rnit solchen Stoffen gearbeitet wird, mussen als ,,Ex"-Betriebe (explosionsgeschutzt) ausgeriistet und gekennzeichnet sein. Urn bei einem Gasaustritt alle Ziindquellen zu vermeiden, sind folgende organisatorische und technische MaRnahrnen unbedingt zu beachten.
1. Rauchen und offene Flammen sind in Ex-Betrieben verboten. 2. Zundwaren (Feuerzeuge usw.) durfen nicht mitgefuhrt werden. Sie mussen im Aufenthaltsraum verbleiben. 3. Es sollen funkenarme Werkzeuge (BerylliumBronze) verwendet werden. Vorsicht - es konnen trotzdem Schlagfunken entstehen! 4. Mitarbeiter in diesen Betrieben mussen leitfiihiges Schuhwerk tragen. Es besteht sonst Gefahr der Funkenbildung durch elektrostatische Aufladungen. 5. Alle G e f d e und Leitungen, besonders bei Abfullungen, sollen geerdet sein. Auch hier besteht die Gefahr der elektrostatischen Aufladung.
700
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
Arbeiten, bei denen Funken entstehen kiinnen, diirfen nur mit srhriftlicher Geriehmigurig des Betriebsfiihrers nusgefiihrt werden. Hierzu gehoren Arbeiten wie SchweilJen, Schneiden, MeiBeln, Schleifen usw. Entsprechende Sicherheitsmallnahmen werden in diesem Fall vom Betriebsfuhrer angeordnet und im Freigabe- oder Erlaubnisschein eingetragen.
Alle elektrischen Gerate in Ex-Betrieben mussen Ex-geschutzt sein (z. B. druckgekapselte Gehiiuse). Arbeiten an den elektrischen Geraten sind nur mit schriftlicher Genehmigung des Betriebsfuhrers erlaubt. Fahrzeuge rnit Verbrennungsmotoren (ohne Ex-Schutz) durfen im Normalfall nicht in den Bereich dieser Betriebe einfahren (z. B. Gabelstapler). Es besteht jedoch die Miiglichkeit, mit einer speziellen Einfahrerlaubnis durch die Betriebsfuhrung in den Betrieb einzufahren.
12.7 Gefahrlichkeitsmerkmale von Stoffen und Zubereitungen nach dem Chemikaliengesetz 12.7.1 Auszug aus ,,Gefahrlichkeitsmerkmale Verordnung" (ChemGefMerkV) - 11.90
5 1 Bestimmung der Gefahrlichkeitsmerkmale Stoffe und Zubereitungen sind: I , es~~lnsionsgefahrlich irn Sinne des 0 3a Abs. 1 Nr. I des Gesetzes, wenn sie durch Flammenzundung zur Explosion gebracht werden konnen oder gegen StoB oder Reibung empfindlicher sind als Dinitrobenzol;
2. brundfurdernd irn Sinne des 3 3a Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes, wenn sie in der Regel selbst nicht brennbar sind, aber bei Beriihrung rnit brennbaren Stoffen oder Zubereitungen, uberwiegend durch Sauerstoffabgabe, die Brandgefahr und die Heftigkeit eines Brandes betrachtlich erhohen;
3. hochentziindlich im Sinne des 3 3aAbs. 1 Nr. 3 des Gesetzes, wenn sie als flussige Stoffe oder Zubereitungen einen Flammpunkt unter 0 Celsius und einen Siedepunkt oder - bei einem Siedebereich - einen Siedebeginn von hochstens 35 Celsius haben; O
4. leicht entziindlich im Sinne des 3 3a Abs. 1 Nr. 4 des Gesetzes, wenn sie a) sich bei gewohnlicher Temperatur an der Luft ohne Energiezufuhr erhitzen und schlielJlich entzunden konnen, b) in festem Zustand durch kurzzeitige Einwirkung einer Ziindquelle leicht entziindet werden konnen und nach deren Entfernen in gefahrlicher Weise weiterbrennen oder weiterglimmen, c) in flussigem Zustand einen Flammpunkt unter 2 I O Celsius haben, d)als Gase bei Normaldruck mit Luft einen Explosionsbereich haben oder e) bei Beriihrung rnit Wasser oder rnit feuchter Luft leicht entzundliche Gase in gefahrlicher Menge entwickeln; 5. ent:iindlich irn Sinne des Q 3a Abs. 1 Nr. 5 des Gesetzes, wenn sie in flussigem Zustand einen Flamrnpunkt irn Bereich von 21 O Celsius bis einschlielJlich 55 O Celsius haben; 6. sehr gifig im Sinne des S: 3a Abs. 1 Nr. 6 des Gesetzes, wenn sie in geringer Menge bei Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme uber die Haut zum Tode fiihren oder akute oder chronische Gesundheitsschaden verursachen konnen;
7. g#ig im Sinne des 0 3a Abs. 1 Nr. 7 des Gesetzes, wenn sie in geringer Menge bei Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme uber die Haut zum Tode fuhren oder akute oder chronische Gesundheitsschaden verursachen konnen;
8. mindergifrig im Sinne des 5 3a Abs. 1 Nr. 8 des Gesetzes, wenn sie bei Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme uber die Haut zum Tode fuhren oder akute oder chronische Gesundheitsschaden verursachen konnen; 9. &:end im Sinne des 3 3aAbs. 1 Nr. 9 des Gesetzes, wenn sie lebende Gewebe bei Kontakt zerstoren konnen; 10. reizend im Sinne des 5 3a Abs. 1 Nr. 10 des Gesetzes, wenn sie bei kurzzeitigem, Ianger andauerndem oder wiederholtem Kontakt rnit Haut oder Schleimhaut eine Entziindung hervorrufen konnen; 11. sensibilisierend im Sinne des 5 3a Abs. 1 Nr. 11 des Gesetzes, wenn sie bei Einatmen oder Hautkontakt Uberempfindlichkeitsreak-
12 Brand- und Explosionsgefahr
tionen auslosen konnen, die durch das Immunsystem vermittelt sind; 12. krebserzeugend im Sinne des $ 3a Abs. 1 Nr. 12 des Gesetzes, wenn sie bei Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme uber die Haut Krebs erregen oder die Krebshaufigkeit erhohen konnen; 13.fruchtschiidigend im Sinne des $ 3a Abs. I Nr. 13, wenn sie bei Einatmen, Verschluk-ken oder Aufnahme iiber die Haut nichtvererbbare Schaden der direkten Nachkommenschaft hervorrufen oder deren Haufigkeit erhohen konnen;
14. erbgunteriindernd im Sinne des $ 3a Abs. 1 Nr. 14, wenn sie bei Einatmen, Verschlucken oder Aufnahme uber die Haut vererbbare Schaden zur Folge haben oder deren Haufigkeit erhohen konnen; 15. auf sonstige Weise chronisch schiidigend im Sinne des 3 3a Abs. 1 Nr. 15 des Gesetzes, wenn sie bei wiederholter oder langer andauernder Exposition einen schweren Gesundheitsschaden, der nicht in den Nummern 12 bis 14 genannt ist, verursachen kiinnen.
12.7.2 Auszug aus ,,Gefahrstoff-Verordnung"(GefahrstoffV), Anhang I, Nr. 1.1.2 - 2.87 Einstufung als gefahrlich
...
Zuordnung von Gefahrensymbolen und Gefahrenbezeichnungen 1.1.2.1 Allgemeines Ziel der Einstufung ist die Zuordnung aller toxischen und physikalisch-chemischen Eigenschaften der Stoffe und Zubereitungen, die bei ihrer gebrauchlichen Handhabung und Verwendung eine Gefahr darstellen konnen, zu den Gefihrlichkeitsmerkmalen des $ 3 Nr. 3 des Chemikaliengesetzes.
1.1.2.1.1 ( 1 ) Bei Stoffen, die der Anmeldepflicht nach $ 4 Abs. 1 und 2 ChemG bzw. der Mitteilungspflicht nach $ 16 Abs. 3 ChemG unterliegen, ist die Einstufung nach dem Ergebnis der Priifungen nach $ 7 ChemG oder nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis durchzufiihren. Diese Einstufung wird uberpriift und gegebenenfalls
701
geandert, wenn dies auf der Grundlage der Priifnachweise nach $ 9 ChemG oder gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse erforderlich wird.
( 2 ) Unter Priifungen nach den $0 7 und 9 ChemG (im weiteren: Priifungen) sind Priifungen zu verstehen, die den MaBgaben der ChemG Anmelde- und Priifnachweis V entsprechen. Nach diesen Bestimmungen sind die notwendigen Priifungen nach international anerkannten wissenschaftlichen Methoden durchzufuhren, soweit diese vorliegen. 1.1.2.1.2 ( I ) Die gefahrlichen Stoffe, die der Anmeldepflicht nach 3 4 Abs. 1 und 2 ChemG bzw. der Mitteilungspflicht nach $ 16 Abs. 3 ChemG nicht unterliegen, werden nach gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnis eingestuft. (2) Die Einstufung ist 1. fur die im Anhang VI aufgefuhrten gefahrlichen Stoffe abschlieBend und 2. im Anhang I1 hinsichtlich der Eigenschaft ,,krebserzeugend" festgelegt. (3) Zur Einstufung der gefihrlichen Stoffe nach Absatz 1 konnen herangezogen werden z. B. die Ergebnisse vorliegender Untersuchungen oder der Priifung fur die Zulassung von Pflanzenschutzmitteln, Informationen, die im Rahmen der internationalen Regelungen der Beforderung gefahrlicher Cuter erforderlich sind, Informationen aus der Literatur oder Informationen aufgrund praktischer Erfahrung. Die Kriterien dieses Leitfadens sind unmittelbar anwendbar, wenn die Daten anhand von Priifungen gewonnen wurden, die den Mal3gaben des Q 4 Abs. 2 ChemG Anmelde- und Priifnachweis V entsprechen. In den anderen Fallen sind die verfiigbaren Daten durch einen Vergleich der angewandten Versuchsmethoden mit diesen Methoden und mit den Kriterien dieses Leitfadens zu bewerten, um die geeignete Einstufung vornehmen zu konnen. 1.1.2.1.3 Durch die Wahl der R*-Satze sol1 sichergestellt werden, dab die charakteristischen moglichen Gefahren, die bei der Einstufung festgestellt wurden, auf dem Kennzeichnungsschild zum Ausdruck gebracht werden. Dazu mussen alle Kriterien beriicksichtigt werden, die unter den Num-
*
R Abkiirzung fur Richtwerte
702
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
1.1.2.4.6 Sehr giftig
mern 1.1.2.4.1 bis 1.1.2.4.1 I und Nummer 1.1.3 fur die Auswahl des oder der Symbole und R-Satze genannt sind. Es brauchen nicht mehr als 4 R-SLtze verwcndet zu werden. Dabei werden die vorgesehenen Kombinationen der R-Sltze als ein Satz angesehen.
( 1 ) Stoffe und Zubereitungen werden als sehr giftig eingestuft und mit dem Gefahrensymbol und der Gefahrenbezeichnung d e h r g i f t i p nach den nachstehenden Kriterien gekennzeichnet.
1.1.2.3 Toxische* Eigenschaften
(2) Die R - S a t x werden ebenfalls nach diesen Kriterien ausgewahlt:
I. 1.2.3.1 Die Einstufung umfaBt akute und Langzeitwirkungen der Stoffe und Zubereitungen, unabhangig davon, ob diese Wirkungen auf eine einzige oder auf wiederholte oder langere Expositionen zuruckzufuhren ist.
I . akute Toxizitat: LD,,, oral, Ratte"
I 2 5 mgkg
R 28 Sehr giftig beim Verschlucken 2. akute Toxizitat: LD,,, dermal, Ratte oder Kaninchen I50 m g k g
1.1.2.3.2
R 27 Sehr giftig bei Beriihrung mit der Haut
( 1 ) In der Regel werden Stoffe und Zubereitungen entsprechend der akuten Toxizitat des in Verkehr gebrachten Produktes, ausgedruckt als LD,,,- oder LC,,,-Wert, so, wie sie durch Tests an Versuchstieren ermittelt wurden. eingestuft.
3. akute Toxizitat: LC,,, inhalativ, Ratte** I 0 , 5 m g L l 4 h
(2) Wird durch Tatsachen das Bestehen anderer als im Tierversuch festgestellter akuter Wirkungen, z. B . krebserzeugender, erbgutverandernder, sensibilisierender, subakuter oder chronischer Wirkungen, erwiesen, sind die Stoffe und Zubereitungen j e nach Starke ihrer Wirkung einzustufen. Falls zusatzlich akute Wirkungen festgestellt werden, gilt die jeweils strengere Einstufung.
4. erhebliche Anhaltspunkte, dalj irreversible Gesundheitsschaden anderer Art als die in Nummer I . 1.3 genannten durch eine einmalige Verabreichung uber einen geeigneten Aufnahmeweg im allgemeinen im Bereich der 0. g. Dosen verursacht werden kann (s. auch Nummer 1.1.2.3.2und 1.1.2.3.3)
(3) Liegen eindeutige Erfahrungen aus der Praxis vor, daM sich die toxischen Wirkungen fur den Menschen von dcnen unterscheiden oder wahrscheinlich unterscheiden, die durch die Ergebnisse der Tierversuche nachgewiesen wurden, werden diese Stoffe und Zubereitungen entsprechend ihrer Toxizitat fur den Menschen eingestuft.
1.1.2.3.3 Wird die Einstufung aufgrund der Ergebnisse aus Tierversuchen vorgenommen, so sollten in erster Linie solche Versuchsergebnisse venvendet werden, die die Gefahrdung des Menschen in entsprechender Weise wiederspiegeln.
1.1.2.4 Einstufungskriterien und Zuordnung der Gefahrensymbole, Gefahrenbezeichnungen sowie der Hinweise auf die besonderen Gefahren.
R 26 Sehr giftig beim Einatmen
R 39 Ernste Gefahr irreversiblen Schadens R 26, R 27 oder R 28 sind zusatzlich anzugeben, um den kritischen Aufnahmeweg zu bezeichenen.
1.1.2.4.7 Giftig ( 1 ) Stoffe und Zubereitungen werden als giftig eingestuft und mit dem Gefahrensymbol und der Gefahrenbezeichnung ,,Giftig" nach den nachstehenden Kriterien gekennzeichnet.
(2) Die R-Satze werden ebenfalls nach diesen Kriterien ausgewahlt: 1. akute Toxizitat
a -
* LD (Letaldosis). LD,,, ist die Dosis. bei dcr S O 8 der Ver-
** *
loxikon (grch.) iuin Pfeil gehhrendea Gift ~
25 < LD5, I 2 0 0 m g k g LD,,, oral, Ratte R 25 Giftig beim Verschlucken
suchsticre getotet werden. os (lar.) - Mund, oral durch den Mund. LC,, (letalc Konzentration). das ist diejenige KonLentraLion, bei der 5 0 8 der Versuchstiere getntet werden. lctalis (lat.) - todlich; inhalare (lat.) - einatmen.
12 Brand- und Explosionsgefahr
2. Akute Toxizitat: LD,,, dermal,* Ratte oder Kaninchen 50 < LDSoI 4 0 0 mgkg
0 R 24 Giftig bei Beruhrung mit der Haut 3. akute Toxizitat: LC,,, inhalativ, Ratte
0,5 < LCsDI 2 mg/L/4 h
0 R 23 Giftig beim Einatmen 4. erhebliche Anhaltspunkte, dal3 irreversible Gesundheitsschaden anderer Art als die in Nummer 1.1.3 genannten durch eine einmalige Verabreichung uber einen geeigneten Aufnahmeweg im allgemeinen im Bereich der 0.g. Dosen verursacht werden kann (s. auch Nummer 1.1.2.3.2 und 1.1.2.3.3)
0 R 39 Ernste Gefahr irreversiblen Schadens 0 R 23, R 24 oder R 25 sind zusatzlich anzugeben, um den kritischen Aufnahmeweg zu bezeichnen
5. schwerer Gesundheitsschaden (eindeutige hnktionelle Storungen oder morphologische** Veranderungen von toxikologischer Bedeutung) kann durch deutlich niedrigere Dosen als die in Nummer 1.1.2.4.8 genannten (s. a. Nummer 1.1.2.3.2 und 1.1.2.3.3) bei wiederholter oder Iangerer Exposition uber einen geeigneten Aufnahmeweg verursacht werden
0 R 48 Gefahr ernster Gesundheitsschaden bei langerer Exposition 0 R 23, R 24 oder R 25 sind zusatzlich anzugeben, um den kritischen Aufnahmeweg zu bezeichnen
1.1.2.4.8 Mindergiftig (1) Stoffe und Zubereitungen werden als mindergiftig eingestuft und mit dem Gefahrensymbol und der Gefahrenbezeichnung >>Mindergiftige nach den nachstehenden Kriterien gekennzeichnet. (2) Die R-Satze werden ebenfalls nach diesen Kriterien ausgewahlt:
703
1. akute Toxizitat: LD50,oral, 200 < LD,, I2000 m a g Ratte
0 R 22 Gesundheitsschadlichbeim Verschlucken 2. akute Toxizitiit: LD,, dermal, Ratte oder Kaninchen 400 c LD,, I2000 mgkg
0 R 21 Gesundheitsschadlichbei Beruhrung mit der Haut 3. akute Toxizitat: LCsOinhalativ, Ratte
2 < LC5, I 20 mg/L/4 h
0 R 20 Gesundheitsschadlichbeim Einatmen 4. erhebliche Anhaltspunkte, daB irreversibler Gesundheitsschaden anderer Art als die in Nummer 1.1.3 genannten durch eine einmalige Verabreichung uber einen geeigneten Aufnahmeweg im allgemeinen im Bereich der 0. g. Dosen verursacht werden kann (s. auch Nummer 1.1.2.3.2und 1.1.2.3.3)
0 R 40 Irreversibler Schaden moglich 0 R 20, R 21 oder R 22 sind zusatzlich anzugeben, um den kritischen Aufnahmeweg zu bezeichnen 5. schwerer
Gesundheitsschaden (eindeutige funktionelle Storungen oder morphologische Verhderungen von toxikologischer Bedeutung) kann bei wiederholter oder langerer Exposition uber einen geeigneten Aufnahmeweg verursacht werden durch Dosen in der GroBenordnung von (s. auch Nummer 1.1.2.3.2 und 1.1.2.3.3): oral, Ratte
I 5 0 mgkg
(Korpergewicht)/Tag dermal, Ratte oder Kaninchen
I100 mgkg
(Korpergewicht)/Tag inhalativ, Ratte
I 0 5 mg/L, 6 m a g
0 R 48 Gefahr ernster Gesundheitsschaden bei langerer Exposition *
**
derma (grch.) - Haut, dermal - durch die Haut. morphe (grch.) - Gestalt, Form, morphologisch - formverPndemd
0 R 20, R 21 oder R 22 sind zusatzlich anzugeben, um den kritischen Aufnahmeweg zu bezeichnen.
704
VI Grundlagen dcr Arbcitssichcrhcit
Diese Richtwerte sollen die Wahl der Dosierung bci der Durchfiihrung von Prufungen nicht beeinflussen. Sie gelten unmittelbar, wenn schwere Schaden bei einer subchronischen* (90 Tage) Toxizitatsstudie beobachtet wurden, dienen aber auch als Anhaltspunkte, wenn die Ergebnisse von subakuten (28 Tage) oder chronischen (2 Jahre) Toxizitatsversuchen bewertet werden. 6. Falls praktische Erfahrungen Leigen, daB die Stoffe und Zubereitungen beim Menschen durch Einatmen eine Sensibilsierungsreaktion in groBerer Haufigkeit induzieren konnen, als bei der Durchschnittsbevolkerung zu erwarten ist.
R 42 Sensibilisierung durch Einatmen moglich
1.1.2.4.9 Atzend ( I ) Stoffe und Zubereitungen werden als atzend eingestuft und mit dem Gefahrensymbol und der
*
chronos (grch.) - Zeit.
Gefahrenbezeichnung ,,Atzend" nach den nachstehenden Kriterien gekennLeichnet. (2) Die R-SPtze werden ebenfalla nach diesen Kriterien ausgewlhlt:
I . wenn bei Aufbringen auf die gesunde intakte Haut von Versuchstieren nach einer Einwirkungszeit von hochstens 3 Minuten Zerstorung des Hautgewebes in seiner gesamten Dicke hervorgerufen wird oder wenn dieses Ereignis vorausgesagt werden kann R 35 Verursacht schwere Veratzungen
2 . wenn bei Aufbringen auf die gesunde intakte Haut von Versuchstieren nach einer Einwirkungszeit bis zu 4 Stunden Zerstorung des Hautgewebes in seiner gesamten Dicke hervorgerufen wird oder wenn dieses Ereignis vorausgesagt werden kann R 34 Verursacht Veratzungen
13 Gefahren durch Druck
13.1 Definitionen Druck ist die auf die Flacheneinheit wirkende Kraft, d. h.
A.h
2 = 0,55.0,55.3,14.- m2 + 0,55.3,14. l,Omz 4 = 0,474925 mz + 1,727 m2
Kraft Dmck = Flache
= 2,2029m2
N I bar = 1 . 10’= 10’Pa m2
F
p
2 A = d2.A.-+d. 4
=-
A
Die gesetzlichen Einheiten fur den Druck sind Pa (Pascal) und bar. In der Physik wird vonviegend Pascal* benutzt, wahrend in der Technik meist bar verwendet wird.
p
F A’
= -
also ist
N 1 bar = 10’ = - = lo5 Pa mz
Herrscht ein Druck von 10 bar, dann bedeutet dies, daO eine Kraft von 10 . 105N = 106N auf eine Flache von 1 rn2 wirkt.
= 220 192.5 N
Rechenbeispiele
1. Welche Kraft lastet auf der Oberflache des Fasses (Abb. VI-7) bei einem Druck von 1 bar? Die Gesarntoberflache des Fasses ist:
- 55cm
2. Auf einem Mannlochdeckel (Abb. VI-8) rnit 50 cm lichter Weite lastet ein Druck von 0.5 bar. Welche Kraft lastet auf dem Deckel?
N m2
1 bar = 10’ -
5
0
0
p
I--
/
/
\
also ist
F =-
A ’
706
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
leicht anheben, damit etwa noch vorhandener Druck entweichen kann (die Dichtung konnte kleben!). Erst dann sollen alle Schrauben entfernt und der Deckel geoffnet werden.
u
Abb. VI-(I. Behalterdeckel.
Daraus 1aBt sich folgern: Auch bei geringem Uberdruck sind grope Krufte wirksam. Betrachten wir nun den Druck, der durch eingeschlossene Fliissigkeiten oder Case verursacht wird. Da sich Fliissigkeiten und Case bei Einwirkung von Druck verschieden verhalten, ist auch die damit verbundene Gefahr verschieden. Fliissigkeiten sind im allgemeinen als rzicht komprimierbar; d. h. uls nicht zusammendriickbar; anzusehen. Entlastet man Fliissigkeiten vom Druck, so behalten sie ihr urspriingliches Volumen. Platzt ein unter Druck stehender, rnit Fliissigkeit vollstandig gefiillter Behalter, Iauft nur die Fliissigkeit aus. Es entsteht kein weiterer Schaden. Im Gegenqatz dazu ist der Umgang rnit Gasen, die unter Druck stehen, wesentlich gefahrlicher, denn Gase lassen sich komprimieren. Plntzt ein unter Druck stehender Gasbehalter; dehnt sich das unter Druck stehende Gas schlagcirtig aus. Der Behalter explodiert! Stiicke des berstenden Behalters werden weggeschleudert. Diese Stiicke und die entstehende Druckwelle konnen schwerste Unfalle und Zerstorungen zur Folge haben. Aus vorgenannten Griinden darf die Druckpriifung vnn Behaltern nur mit Fliissigkeiten (Wasser) vorgenommen werden. Bei der Druckpriifung ist darauf zu achten, daB alle Hohlraume, wie Stutzen usw., auch mit Wasser gefiillt sind.
13.2 Offnen von Druckbehaltern Besnndere Gefahr besteht beim O&en von Druckbehiiltern. Wie offnet man einen Druckbehalter vorschriftsmaRig? Zuerst mu13 man den Behalter drucklos machen (Manometer beachten!). Auch danach ist Vorsicht geboten, denn ein Manometer, das keinen Druck anzeigt, ist noch keine Garantie dafiir, daR der Behalter wirklich drucklos ist! Danach werden am Deckel die der Arbeitsstelle gegeniiberliegenden Schrauben gelost, aber nicht entfernt! Dann sind alle iibrigen Schrauben zu losen. Nun sol1 man den Deckel
13.3 Druckbehalter Alle Druckbehalter miissen rnit Sicherheitseinrichtungen gegen Uberdruck versehen sein. Dazu zahlen Sicherheitsventile und Reibscheiben. Auf dem Manometer mull durch eine rote Marke der hochstzulassige Betriebsdruck kenntlich gemacht sein. Welche Behalter diirfen unter Druck gesetzt werden? Es diirfen nur solche Behiilter unter Druck gesetzt werden, die als Druckbehiilter i u gelnssen sind. Dies ist am Typenschild des Behalters erkennbar. Der auf dem Typenschild angegebene Hijchstdruck darf auf keinen Fall iiberschritten werden. Jeder Druckhehalter muJ ein nicht absperrbares Sicherheitsventil besitzen (Abschn. IV-4.3.1). Dieses darf nicht unbrauchbar gemacht und nicht verstellt werden. Sicherheitsventile sind deshalb verplombt. 1st die Plombe beschadigt, miissen diese Gerate sofort ausgetauscht werden. Alle Offnungen (Mannloch) und Anschliisse miissen mit der vorgesehenen Anzahl Schrauben verschlossen werden, die auch die entsprechende Starke besitzen miissen. Besonders vorsichtig zu behandeln sind ortsbewegliche Druckbehalter fur verdichtete und verfliissigte Case, z. B. Druckgasflaschen. Wegen ihrer Form nennt man sie auch ,.Bomben". Druckgasflaschen besitzen kein Sicherheitsventil. Um Verwechselungen auszuschliel3en, sind die Druckgasflaschen gekennzeichnet. Sie haben folgende Kennfarben: Inhalt
Kennfarbe*
Acetylen
gelb
Sauerstoff Stickstoff Wasserstoff alle anderen nicht brennbaren Case
blau
griin rot grau
* Siehe auch Tab VI-7.
Als weitere Sicherheitsvorkehrung ist bei allen Druckgasflaschen, die brennbare Gase enthalten, das AnschluRgewinde ein Linksgewinde.
13 Gefahren durch Druck
Flaschen mit nicht brennbaren Gasen haben Rechtsgewinde. Acetylenflaschen haben einen besonderen AnschluB (BugelanschluB), urn Verwechselungen zu vermeiden. Die Abfiillung verdichteter Gase erfolgt nach Druck. Die Abfullung verflussigter Gase erfolgt nach Gewicht. Druckgasflaschen mussen in regelmaBigen Zeitabstanden gepriift werden. Bei nicht korrodierend wirkenden Gasen muB die amtliche Priifung alle 5 Jahre, bei korrodierend wirkenden Gasen alle 2 Jahre erfolgen.
13.4 Arbeiten mit Druckgasflaschen
3. Der Transport darf nur mit aufgeschraubter Kappe erfolgen (Abb. VI-9).
4. Zum Transport sollen Flaschenwagen verwendet werden. 5. Die Gasentnahme darf nur uber Druckminderventile (Reduzierstationen) bzw. Nadelventile erfolgen (s. Abschn. IV-4.2.5). 6, Lagerung von Druckgasflaschen nicht unter der Erdoberflache z. B. Keller etc. - entstehendes Leckage-Gas muB gefahrlos abstromen kiinnen. 7. Druckgasflaschen mussen folgende Beschriftung (eingeschlagene Buchstaben) tragen: -
Folgende Gesichtspunkte sind fur das sichere Arbeiten mit Druckgasflaschen unbedingt zu beachten:
I . Gefullte Druckgasflaschen sind vor starken Temperaturschwankungen (Sonnenstrahlung, scharfer Frost) zu schiitzen. 2. Druckgasflaschen miissen gegen Umfallen gesichert werden (Anketten).
707
-
-
-
Name des Eigentumers Behalternumrner Gasart (in Worten) Leergewicht in kg Priifdruck in bar Tag der letzten Priifung
Zusatzlich bei verfliissigten Gasen: Fullgewicht in kg, bei verdichteten Gasen: Rauminhalt und zulassiger Fulldruck.
Abb. VI-9. Transport einer Druckgasflasche.
14 Gefahren des elektrischen Stroms
14.1 Der elektrische Strom und seine Wirkungen Der Umgang mit der elektrischen Energie bietet einerseits viele Annehmlichkeiten, birgt jedoch bei unsachgemafler Anwendung auch Gefahren. Da wir keine Sinnesorgane haben, mit denen wir den elektrischen Strom wahrnehmen konnen, ist dieser fur uns besonders gefahrlich. Aus den Schadensstatistiken lassen sich vier Gefahrenquellen entnehmen, die ca. 80 9% aller Schaden in sich vereinen. Es sind dies: -
die Warrnewirkung,
- die Lichtbogenwirkung, -
die physiologische Wirkung,
- die chemische Wirkung
Lichtbogenwirkung: Bei KurzschluRstromen, aber auch beim SchweiBen und bei Benutzung von Lichtbogenlampen konnen Verletzungen der Augen (Verblitzen) eintreten. Physiologische Wirkung: Der Strom wirkt auf das Nervensystem und verursacht ab einer bestimmten Starke Muskelverkrampfungen und besonders bei Wechselspannung Erhohung des Herzschlages bis hin zum Herzkammerflimmern und schliel3lich zum Herzstillstand. Chemische Wirkung: Diese ist bei Gleichstrom von besonderer Bedeutung. Die im Korper enthaltene Flussigkeit wird elektrolytisch bei langerer Einwirkdauer zersetzt. Der elektrische Strom ist durch seine Wirkungen geftihrlich (Tab. VI-5). ~~
des elektrischen Stroms. Alle vier Gefahrenpunkte gehoren im Normalfall in den Anwendungsbereich des elektrischen Stroms und lassen sich durch geeignete Mabnahmen beherrschen.
Warmewirkung: Jeder von Strom durchflossene Stoff wird erwarmt - so auch der menschliche Korper. Dies kann besonders an den Ein- und Austrittsstellen zu Verbrennungen fiihren.
14.2 Die gefahrliche Stromstarke Der elektrische Strom wird ab einer bestimmten Starke fur den Menschen gefahrlich. Ein den Korper durchfliebender Strom kann Wirkungen von geringer Wahrnehmbarkeit (bis ca. 25 mA), uber HerzunregelmaBigkeiten und
Tab. VI-5. Gefahren des elektrischen Stroms.
Stromwirkung
Von der Stromwirkung ausgehende Gefahren
Warmewirkung
Brandgefahr durch uberlastete Leitungen, uberhitzte Gerate, Wackelkontakte, Kurzschlusse ... Verletzungen der Augen (Verblitzen) durch den Lichtbogen (KurzschluB, SchweiBen)oder durch die hohe Leuchtdichte moderner Lampen
Lichtbogenwirkung Physiologische Wirkungen
(Wirkung auf Lebewesen) Chemische Wirkung Magnetische Wirkung
Muskelbewegungen, Storungen der Nerven. Muskelverkrampfungen, Atemlahmungen, Blutdrucksteigerungen, Verbrennungen, innere Verkochungen, Herzstillstand, Herzkammerflimmern, Spatschaden Zersetzung von Flussigkeiten, Bildung von explosionsfahigen oder giftigen Gasen beim Strom in Fliissigkeiten, Korrosion ... Kraftwirkungen bei hohen KurzschluBstromen,defekte elektrische Maschinen ...
14 Gefahren des elektrischen Stroms
Muskelverkrampfungen (bis ca. 80mA), meist todlichem Herzkammerflimmern (ca. 3 A) bis zu schweren Korperschaden durch innere Verbrennungen (uber 3 A) hervorrufen. Die Empfindlichkeit des Menschen gegeniiber der Elektrizitat ist sehr verschieden. MaBgebend sind: Korperkonstitution, Erdubergang, Lage der Beriihrungspunkte. Alle zusammen ergeben einen elektrischen Widerstandswert, der bei der angelegten Spannung zu einem StromfluB fuhrt. Hinsichtlich ihrer Wirkungen auf den Menschen unterscheiden wir vier StromstLkebereiche (Tab. VI-6). (Untersuchungen von Dr. med. S. Koeppen am Unfallkrankenhaus in Wolfsburg.)
0 ... 25 ... 80 ... 5000 ... (Werte in mA) t O + to+ +@+
+a+
Die Stromstiirke, die durch einen Leiter flieBt, ist bekanntlich abhangig von der GroBe des Widerstandes (s. Abschn. 11-5). - . . . . . .>
I
-
\-
Widerstand
......
.CLL.
U -_ R
709
Gluhlampe von 20 W hat einen Widerstand von 1210R, es flieat bei 220V Spannung ein Strom von 0,18 A (1 80 mA). Beide Stromstarken durch den Korper wLen also unbedingt todlich! Da die Spannung des zur Verfiigung stehenden Netzanschlusses bekannt ist, muBte man also nur den Widerstand des menschlichen Korpers kennen, um die Stromstake zu berechnen. Nun schwankt aber der Widerstand des menschlichen Korpers. Er ist abhangig von der Feuchtigkeit der Haut, von der GroBe der Beriihrungsflache und von der Weglange des elektrischen Stromes durch den Korper. Die oberste Hautschicht setzt dem elektrischen Strom einen gewissen Widerstand entgegen. Aber schon ab 5OV Spannung kann sie durchschlagen werden. Dann liegt die Blutflussigkeit, die den elektrischen Strom gut leitet, offen. Der Strom wird durch den Korper geleitet. Bei 50 V Spannung rechnet man noch mit einem Widerstand des menschlichen Korpers von 3000Q. Bei 500 bis 700V Spannung sinkt der Widerstand jedoch auf etwa 100052. In diesem Fall wurden nach dem Ohmschen Gesetz ( I = U/R) -500v - 0 , 5 A 1000 R
Eine 60 W-Gluhlampe hat einen Widerstand von etwa 807 R und nimmt bei 220V Spannung einen Strom von 0,27A (270mA) auf. Eine
durch den Korper flieBen. Diese wLen absolut todlich! Nimmt man einen mittleren Widerstand des
Tab. VI-6. Stromstake, ihre Wirkungen und Folgen.
Bereich
Wechselstromstake
Wirkungen
Folgen
0
2 mA 10 mA ... 25 mA
leichtes Kribbeln ,,Loslal3grenze" Muskelverkrampfungen
0
25 ... 80 mA
Herzkammerflimmem nach langerer Einwirkungszeit
0
80 ... 5000 mA
@
iiber 5 A
Herzkammerflimmem bereits nach 0,74 s Einwirkungszeit starke Verbrennungen vielfach Herzstillstand i. a. kein Herzkammerflimmem
unkontrollierte Bewegungen durch Erschrecken, Atemliihmungen, u. U. Bewuatlosigkeit, Blutkreislauf versagt, Gehim ohne Sauerstoff, nach etwa 4 Minuten Absterben der Gehimzellen, Herzstillstand und Tod Tod aufgrund von Verbrennungen, oft nach Tagen oder Wochen
7 10
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
SchulzkonlaMe
Abb. VI-10. Schutzkontaktstecker.
menschlichen Korpers von 1250 0, so flieBt nach dem Ohmschen Gesetz schon bei SO V ein Strom von 5 0 v =0,04A. 1250 R
Bereits diese 40mA wirken, wenn sic durch den Kijrper flieBen, todlich. Ab 5 0 V Spannung mussen deshalb Schutzmaljnahmen getroffen werden. Da der menschliche Korper unter Umstanden noch geringeren Widerstand bietet, mu6 fur ungunstigste Verhaltnisse (feuchte Raume, Arbeiten an Kesseln usw.) die hochste zulassige Spannung noch niedriger angesetzt werden. Fur Kesselbeleuchtung, Handlampen und Handmaschinen ist deshalb Normkleinspannung von 42 V und 24 V vorgeschrieben. Zu dem Widerstand des menschlichen Korpers kommt noch der Widerstand der Umgebung, den der elektrische Strom von einem Pol zum anderen bzw. zur Erde uberwinden mulj. FlieBt der Strom von einer Hand zum FuB, so ist der Wider-
stand kleiner, wenn man auf Eisen oder einem gut leitenden feuchten Boden steht; er ist groBer, wenn man auf einem trockenen Holzboden oder einem isolierenden Kunststoff steht. Dcr Widerstand ist kleiner, wenn man feuchte Socken am FuB hat, groRer, wenn man trockene FuRe hat. Da man nie alle Bedingungen kennt, sol1 man sich auf alle Falle huten, mit den stromfuhrenden Teilen einer elektrischen Anlage in Beriihrung zu kommen. Alle Gerate mit Metallgehause in Betrieb und Haushalt mussen geerdet sein (Schutzkontaktstecker!), damit bei einem KorperschluB des Gerates der Strom direkt zur Erde und nicht erst durch den menschlichen Korper geleitet wird (Abb. VI-10). Ausgenommen sind Gerate mit Kunststoffgehause, die als ,,schutzisolierte" Gerate gelten. Schutzkontakt bedeutet, daR das Gehause eines Elektrogerates uber den Schutzkontaktstecker mit der Erde verbunden ist. Wird bei einem nicht geerdeten Gerat ein Kabel defekt (Abb. VI1 I ) , kommt es zum KorperschluB. Bei Beriihrung des Gehauses flieRt der Strom uber den Menschen zur Erde ab. Ein schwerer Unfall oder gar der Tod konnen die Folge sein! Verbindet man aber das Gehause des Elektrogerates durch eine Schutzleitung mit der Erde, dann flieSt der Strom bei KorperschluB uber die Schutzleitung zur Erde ab. Dabei wird die Stromstarke sehr groR und die Sicherung lost aus. Das defekte Gerat wird vom Netz getrennt. An elektrischen Geraten und Anlagen durfen nur Elektro-Fachkrafte arbeiten. In jedem Falle sind Anlage und Betriebsmittel vor Beginn einer Wartungsarbeit spannungsfrei zu schalten.
14 Gefahren des elektrischen Strorns
14.3 Gefahrliche Funken Wir haben schon oft gesehen, daB beim Ausoder Einschalten von elektrischen Geraten ein Funke auftritt. Man darf also in Raumen rnit gefihrlichen Dampfen wie explosiblen Gemischen keine solchen offenen Schalter benutzen. In explosionsgefahrdeten Betrieben mussen elektrische Gerate aller Art explosionsgeschiitzt sein. Dies ist an dem Zeichen Ex zu erkennen, das an den Geraten angebracht ist. Ex-Schutz heiBt: Die Gerate sind so gasdicht verschlossen (gekapselt), daB der (Schalt-)Funke, der in ihnen entsteht, kein ziindfahiges GasLuft-Gemisch entziinden kann. Deshalb diirfen unter Strom stehende Gerate nicht geoffnet werden, bevor die Spannung abgeschaltet ist. Arbeiten an elektrischen Anlagen miissen vom Betriebsfiihrer schriftlich genehmigt werden.
14.4 Statische Elektrizitiit Eine weitere Gefahr durch Elektrizitat stellt die statische Elektrizitat oder Reibungselektrizitat dar. Sie ist zwar nicht imstande, einen todlichen Schlag zu verursachen, bringt aber cine andere Gefahr mit sich, namlich Ziindung explosionsfuhiger durch Entladungsfunken (Reihungselektrizitiit). Wir wissen, daB durch Reiben eines Gummioder Glasstabes mit einem Lappen statische Elektrizitat entsteht.
14.4.1 Statische Elektrizitiit bei Treibriemen Statische elektrische Aufladungen entstehen z. B. an Treibriemen. In gefahrdeten Raumen benutzt man deshalb am besten geschlossene Getriebe oder direkt gekoppelte Motoren. Andernfalls muR man Vorsorge treffen, daR die auftretende statische Elektrizitat sofort zur Erde abgeleitet werden kann. - Heute gibt es bereits elektrisch leitende Werkstoffejiir Treibriemen.
14.4.2 Statische Elektrizitiit durch Flussigkeiten Auch stromende Flussigkeiten konnen statische elektrische Aufladungen hervorrufen. Solche elektrischen Aufladungen treten besonders bei den organischen Flussigkeiten auf, die selbst schlechte Leiter der Elektrizitat sind, also z. B. Benzin, Benzol, Toluol, Xylol, Schwefelkohlen-
71 1
stoff etc. Flussigkeiten wie Essigsaure, Alkohol u.a., die sich mit Wasser mischen, sind weniger gefiihrlich. Bereits beim Hundewaschen mit einem in eine der genannten gefahrlichen Fliissigkeiten (z. B. Benzin) getauchten Lappen kann Entzundung durch elektrische Aufladung eintreten. Ebenso kann beim Tragen von Ether u.a. Fliissigkeiten, die den elektrischen Strom nicht leiten, vor allem dann elektrostatische Aufladung eintreten, wenn sie in Behaltern aus isolierendem Material (Glas, Kunststoff usw.) transportiert werden. Durch die beim Transport entstehende Reibung der Molekiile aneinander und an der Behalterwand entsteht eine elektrostatische Aufladung, die nicht zur Erde abgeleitet wird. Kommt dann zufallig eine Verbindung mit der Erde zustande, so kann bei genugend groBer Spannung ein Funke entstehen, der das vorhandene LuftGas-Fliissigkeits-Gemisch entziindet. Gefahrliche Fliissigkeiten in groJleren Mengen diirfen deshalb nur in MetullgefaJlen, nicht in GlasgefaBen (auRerdem Bruchgefahr), transportiert und aufbewahrt werden. Die GefaBe sind i u erden. Beim Umfiillen sind metallene Trichter zu verwenden, die ebenfalls zu erden sind. FlieSen solche brennbaren Fliissigkeiten durch Rohrleitungen, so miissen die Rohrleitungen ebenfalls aus Metall sein und geerdet sein. Besonders ist dabei zu beachten, daB die Unterbrechungen durch die oft nichtleitenden Dichtungen zwischen den Rohrleitungsflanschen leitend iiberbriickt werden, was durch die Schrauben allein nicht immer gewahrleistet ist (im Zweifelsfall elektrischen Widerstand der Rohrleitung messen!).
14.4.3 Statische Elektrizitat durch stromende Gase Stromende Gase konnen ebenfalls elektrostatische Aufladungen hervonufen, besonders wenn in ihnen, was fast immer der Fall ist, geringe Mengen fester oder flussiger Verunreinigungen enthalten sind. Deshalb sol1 man moglichst reine Gase verwenden und eine niedrige Ausstromungsgeschwindigkeit bei moglichst groBer Ausstromungsoffnung wahlen. Leitungen und Behalter sind zu erden. Auch ausstriimender gespannter Dampf kann zu elektrostatischer Aujladung fiihren. Man wende deshalb die gleichen VorsichtsmaBnahmen (kleine Stromungsgeschwindigkeit, groBe Ausstromungsoffnung, erden) an wie bei Gasen.
7 12
VI Grundlagen der Arheitssicherheit
14.4.4 Statische Elektrizitat durch feste Stoffe Auch bei festen Stoffen (Pulver, Staub) gibt es elektrostatische Aufladungen, die bei Stoffen in feiner Verteilung zu Staub-Luft-Explosionen fuhren konnen. Es sei an Kohlenstaubexplosionen erinnert. - Besonders Kunststoffe neigen zur statischen Aufladung.
Beim Sieben von feinen Pulvern und Kristallen konnen elektrostatische Aunadungen auftreten, wenn die Pulver sehr trocken sind. Man verwendet dann Metallsiebe, die geerdet werden, und sorgt fur eine relative Luftfeuchtigkeit von inehr als 60 5%. Zur Verineidung von Explosionen kann man den SiebprozeB in einer Stickstoffoder Kohlenstoffdioxid-Atmosphare durchfuhren.
15 Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz und nach der Gefahrstoffverordnung, VBG 125
15.1 Allgemeines
15.5 Warnzeichen
Sicherheitszeichen dienen der Kennzeichnung von Gefahrstellen an Arbeitsplatzen. Durch Form, Farbe und Symbole sprechen sie entweder Gebote oder Verbote aus, oder sie geben Hinweise auf Gefahren oder Rettungsmoglichkeiten. Alle Mitarbeiter mussen die Sicherheitskennzeichen kennen und beachten. Die Form der Sicherheitszeichen ist in DIN 4844 und der Unfallverhutungsvorschrift VBG 125 festgelegt. Sie sind den Schildern ahnlich, die im StraBenverkehr venvendet werden. Die wichtigsten Sicherheitszeichen sind die Gebots- und Verbotsschilder. Diese kommen fur den Bereich, in dem sie angebracht sind, einer betrieblichen Anweisung gleich und sind unbedingt zu beachten. Daneben gibt es Warnzeichen, Rettungszeichen und eine Reihe von Hinweisund SGderzeichen.
Warnzeichen bestehen aus oangefarbenen Quadraten mit schwarzem Aufdruck , die darin erscheinenden Symbole warnen vor Gefahren, die nicht unmittelbar erkannt werden konnen (Beispiele s. Abb. VI- 15).
15.2 Kennzeichnungen
Rettungszeichen Rettungszeichen sind quadratisch oder rechteckig. Auf gfinem Feld erscheint ein weiBes Symbol. Sie dienen zur Kennzeichnung von Rettungswegen, Notausgangen und Einrichtungen zur Ersten Hilfe (Beispiele s. Abb. VI-16).
15.7 Brandschutzzeichen Sie bestehen aus meist roten Symbolen auf weiBem Grund und weisen auf Feuerloscheinrichtungen hin (Beispiele s. Abb. VI-17).
Rohrleitungen mussen nach dem DurchfluBstoff gekennzeichnet werden (Tab. VI-7, Abb. VI- 12).
15.8 Explosionsgefahr 15.3 Verbotszeichen Verbotszeichen sind immer rund und bestehen aus einem weiBen Feld mit roter Umrandung. Fur die Darstellung des Verbotes werden schwarze Symbole verwendet (Beispiele s. Abb. VI-13).
15.4 Gebotszeichen Gebotszeichen sind ebenfalls rund, sie enthalten auf blauem Grund ein weiBes Symbol (Beispiele S. Abb. VI-14).
Das Zeichen fur Explosionsgefahr befindet sich an explosionsgefahrdeten Gebauden oder Bereichen. In diesen ist das Rauchen und der Umgang mit offenen Flammen verboten, Feuerzeuge und Streichholzer diirfen nicht mitgefuhrt werden. Schweibarbeiten durfen nur mit der schriftlichen Genehmigung des Betriebsfuhrers unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen durchgefuhrt werden (Zeichen fur Explosionsgefahr s. Abb. VI-18).
714
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
Tab. VI-7. Kennzeichnung von Rohrlcitungen nach dein DurchfluUstotT. Farbe der Schilder nach DIN 2403.
DurchfluRstoff
Gruppe
Farbe des Schildes
Wasser
1 2 3 4 5 6 7 8 9 0
griin rot blau gelb
KAL 60 1O* RAL 3003 RAL 5009 RAL 1012
gelb
RAL 1012
orange violett braun braun grau
RAL 2000 RAL 4001 RAL 8001 RAL 8001 RAL 1002
Dampf
Luft Brennbare Gase Nichthrennhare Gase Sauren Laugen
Brennbare Fliissigkeiten Nichtbrennbare Flussigkeiten Vakuum
Farbe dcr Schrift weiU weiU weiB schwarz schwarz schwarz weiB weiU weiB schw arz
15.9 Zusatzzeichen
15.11 Erkennbarkeit ist wichtig
Die schwarz-gelbe Schraffierung kennzeichnet AnstoB- und Stolperstellen (Abb. VI- 19). Die rot-wei8e Schraffierung kennzeichnet Hindernisse im Verkehrsbereich und dient zur Absperrung von Baustellen (Abb. VI-20).
Sicherheitszeichen sollen vor Gefahren schiitzen. Sie miissen daher gut sichtbar angebracht werden, ihr Inhalt muR leicht erkennbar sein. Die GroRe der Schilder muR den ortlichen Verhaltnissen angepaRt werden. Verschmutzte Schilder sind zu reinigen. Sie diirfen nicht mit Geraten, Fassern oder dergleichen zugestellt werden. Wer feststellt, daR Sicherheitszeichen nicht mehr erkennbar oder beschadigt sind oder an einer Gefahrenstelle fehlen, sollte dies umgehend seinem Vorgesetzten mitteilen. Er hilft dadurch mit, seine Kollegen und sich selbst vor Gefahren zu bewahren.
15.10 Weitere Zeichen Zusatzlich konnen auch weitere Schilder mit Text verwendet werden (Beispiele s. Abb. VI-
21).
*
RAL. 1927 ggr. Reichs-Ausschul3 fur Lieferbedingungen, Nachfolger ist das Deutsche Institut fur Cutesicherung und Kennzeichnung, Bonn. Zu deasen Aufgaben zalt u.a. die Vereinbarung von Bezeichnungsvorschriften.
15 Sicherheitskennzeichnung am Arbeitsplatz und nach der Gefahrstoffverordnung, VBG 125
Kennfarben
0
Gase
UENNZEICHNUNGSB~NDER fur AuJkleidungen
-j
0
-
fur brennbore DurchfluOsfoffe
j _
Kennzeichnung fur aiftige Durchflunstoffe
-
Befestiaunasbeiapiele fur Kundstoff und Emgilschilder
rbi
Abb. VI-12. Kennzeichnung von Rohrleitungen nach dem Durchfluastoff.
I i
7 15
7 16
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
Rauchen verboten
Feuer, offenes Licht und Rauchen vcrboten
Fur FuOganger verboten
Zutritt verboten
Kein Trinkwasser
Verbot mit Wasser zu loschen
Abb. VI-13. Verbotszeichen.
Schuizhelm tragen
Atemschutz tragen
Augenschutz tragen
Gehdrschutz tragen
Abb. VI-14. Gebotszeichen.
Gesichtsschutz tragen
I5 Sicherheitskennzeichnungam Arbeitsplatz und nach der Gefahrstoffverordnung, VBG 125
Explosionsgefahrlich
Hochentzundlich
Leichtentzundlich
Brandfordemd
Sehr giftig
Giftig
Mindergiftig, Xn
Atzend Abb. VI-15. Warnzeichen.
Laserstrahl
Reizend, xi
7 17
7 18
VI Grundlagen der Arbeitssicherheit
Hinweis auf erste Hilfe
Rettungsweg Abb. VI-16. Rettungszeichen.
Hinweis auf Feuerldschgerate/ -einrichtungen Abb. VI-17. Brandschutzzeichen.
Ldscheinrichtung
FeuerlOschgerlt
15 Sicherheitskennzeichnungam Arbeitsplatz und nach der Gefahrstoffverordnung, VBG 125
Abb. VI-18. Warnung vor explosionsfiihigerAtmosphare.
Abb. VI-19. Zusatzzeichen - Anstol3- und Stolperstellen.
Abb. VI-20. Hindernis.
Abb. VI-21. Weitere Zeichen.
7 19
16 SchluRbemerkung
Diese Zusammenstellung iiber die Unfallgefahren im Chcmiebetrieb, uher vorbeugende MaRnahrnen und Unfallverhiitungsvorschriften (UVVn) muR im vorgegebenen Rahmen dieses Buches eine beispielhafte Aufzahlung bleiben. Zu beachten sind auch die in anderen Kapiteln des Buches erwlhnten Unfallgefahren und ihre Vermeidung. Jeder Mitarbeiter eines Chemiebetriebes rnuO sich selbstverstandlich daruber hinaus noch uber die besonderen Gefahren seines Betricbes informieren! Besonders dann, wenn von der gewohnten tiighchen Arbeit abweichende Umstande auftreten, kann das bereits eine Unfallgefahr bedeuten. Jeder Mitarbeiter eines Chemiebetriebes mache sich Vorsicht und Aufinerkscinikeit zur goldenen Kegel ! ! Unaufmerksamkeit, Leichtsinn oder Nachlassigkeit waren schon oft die Ursachen schwerster Unfalle.
Eine sorgfaltige Anlyse der Storfialle in der Industrie und im besonderen in der chemischen Produktion ergibt, daO die Unfalle in der Mehrzahl auf menschliches Versagen vor Ort zuriickzufiihren sind und weniger auf technische Mangel. HBufig hat es an der notwendigen Aufmerksamkeit und Sorgfalt gefehlt. Storungs- und unfallfreies Arbeiten ist eine Frage nach dem personlichen Verhalten eines jeden Mitarheiters in der Unternehmensleitung und Betriebsfiihrung, der Ingenieure, Industrieineister und Facharbeiter. Gesetzliche Vorschriften konnen nur den Rahmen und die Leitlinien fur storungsfreies Arbeiten und Produzieren bilden. Verantwortungsvolles und aufmerksames Verhalten der Mitarbeiter konnen durch sic nicht ersctzt werden. Unternehmensleitung und Betriehsfiihrung haben fur geeignete Trainingseinrichtungen, Oragnisationsformen und fur ein entsprechendes Betriebsklima zu sorgen.
Literaturhinweise zu Teil VI
26.08.1986 (BGBI I S. 1470),zuletzt geandert am 25.09.1991 (Heft 5.5 vom 2. Oktober I991 ), 1. Aufl., Carl Heymanns Verlag KG. Koln, Berlin, Bonn, Miinchen. Hauptverband der Gewerhlichen Berufsgenossenschaften, Zentralstelle fur Unfallverhiitung und Arbeitsmedizin, Fachausschuss Chemie, Bonn (Hrsg.) ( 1 998), Richtlinien fur Labomtorien, Carl Heymanns Verlag KG, Koln. Kremer, G. (1980). Aktuelle Aspekte der Sicherheit in der chemischen Technik, Chern. Ind. 12,32 (12), 830-833. Lippert, A.: Pilz, V. (1981 ), Grundlagen einer sicheren Chemieproduktion, Cheni. Ing. Techri. 53 (8), 587-59 I . MAK- und BAT-Werteliste 1999, Mitteilung 3.5, Deutsche Forschungsgemeinschaft (Hrsg.), Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim. Schiifer, H. K. ( 198I ), Sicherheir in der Cheniie, Carl Hanser Verlag, Miinchen, Wien. Monographien-Sammlung ( I 972-1 997), Toxikologisch-arbeitsmedizinische Begriindungen von MAK-Werten, Wiley-VCH Verlag GmbH, Weinheim.
Ahrens, R. (2000). Rote Knrte fiir Urnitdtgiflc, VDI Nachrichten, Nr. SO. Bender, H. F. (2000), Sicherer Uingwig mit Gefrhrstoflen. Wiley-VCH Verlag GmbH. Weinheim. Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie (Hrsg.), Uilfcrll~~erliiiturzgs~~orschriflen der SG Chenzie, Jedermannverlag, Dr. Otto Pfeffer, Heidelberg. Berufsgenossenschaft der Chemischen Industrie (Hrsg.), Stofl-Merkhliitter und EdinischcJ Merkhliittcv, Sickerlieitsregcln der Berufsgenos.senschnft der Chemischen Industrir, Jedermannverlag, Dr. Otto Pfeffer, Heidelberg. Betriebswacht (2001). Drttenjtihrhuck der Get$,erhlichen Rer~~fsgeriossensch~~tcii, Universum Verlag, Wiesbaden. Bundesminister fur Arbeit und Sozialordnung (Hrsg.), Verordnung iiber gqfiihrliche Stoft (Gefahrstoffverordnung - GefStoffV) vom
This Page Intentionally Left Blank
VII Verhalten von Stoffen im Nanobereich
1
Definition 724
2
Beispiele fur physikalisches Verhalten 725
3
Oberflachen- und Grenzflacheneffekte 726
4
Biologische Systeme im Nanobereich 728
5
Kohlenstoff-Nanorohrchen 729
Literaturhinweise zu Teil VII 729
1 Definition
Nanotechnologie* ist die Lehre von den Stoffen im Bereich der Nanometer-Grofienordnungen. Ein Nanometer, nm, entspricht lo-' m. Im Blickfeld stehen Objekte, deren GroBen im unteren Nanometer-Bereich liegen, sowie deren physikalische und chemische Phanomene. Ohjekte dieser Dimensionen sind grol3er als typi-
*
nanus (lat.) - Zwerg, Zeichen vor MaBeinheiten ( 5 . S . 735).
sche Molekule. Typische Bindungslangen liegen im Bereich von 0,15 nm bis 0,25 nm. Sie verhalten sich aber nicht wie typische Festkorper. Sie Leichnen sich durch Ubergange zwischen Molekiileigenschaften und Eigenschaften makroskopischer Materie aus.
2 Beispiele fur physikalisches Verhalten
Ein kleines Stuck Metall z . B . von wenigen Millimetern Durchmesser leitet elektrischen Strom. Vemngert man den Durchmesser dieses Metallpartikels, so andert sich die relative elektrische Leitfahigkeit zunachst nicht. Es ist aber e.insichtig, daR ab einer bestimmten GroRe eine Anderung eintreten muss, denn einzelne Metallatome oder Cluster von wenigen Metallatomen sind nicht elektrisch leitend. Der so genannte Metall-Isolator*-Ubergang, also das Verschwinden der elektrischen Leitfahigkeit beim Verkleinern der Metallpartikel, tritt bei etwa 10 nm auf. Der physikalische Grund dafiir ist, daB Atome und kleine Cluster** diskrete Energieniveaus besitzen, daB aber fur die elektrische Leitfahigkeit das Vorhandensein von Energiebiindern, also eine quasi-kontinuierliche Abfolge elektronischer Zustande, notwendig ist. Diese konnen sich nur
ausbilden, wenn eine geniigend groBe Zahl an Metallatomen vorliegen. Eine praktische Folge dieser Eigenschaft ist, daR sich der Querschnitt von Leiterbahnen in der Mikroelektronik nicht beliebig verkleinern laat, da diese im unteren Nanometerbereich die elektrische Leitfahigkeit verlieren. Der Miniaturisierung elektronischer Bauteile sind also natiirliche Grenzen gesetzt. Fur eine Informationstechnologie in noch kleineren Dimensionen mussen also andere Konzepte entwickelt werden. Ahnliche groBenabhangige Effekte treten auch bei optischen, magnetischen und manchma1 auch chemischen Eigenschaften auf. Seit Michael Faraday* ist beispielsweise bekannt, dal3 Gold-Kolloide, das sind Partikel im Nanometerbereich, rot und nicht golden sind.
~~
* **
isolare (tat.) abtrennen. Isolatoren im elektrischen Sinne sind Stoffe. die den elektrischen Strom nicht leiten. Cluster (engl.) Haufen, Gruppe, Schwarm. ~
~
*
Faraday, Michael (3791-1867). engl. Chemikcr und Physiker.
3 Oberflachen- und Grenzflacheneffekte
Bei nanometergroaen Ob-jekten kommen noch spezielle Oberflachen- und Grenzflacheneffekte hinzu. In einem kugelformigen Partikel von 3 nm Durchrnesser sind 50 Prozent der Atome an der Partikeloberflache lokalisiert. Wahrend die makroskopische Materie hauptsachlich durch Volumeneigenschaften bestimmt wird, dominieren bei Nano-Objekten die Oberflacheneigenschaften. Nanomaterialien zeichnen sich durch eine charakteristische Dimension im Nanometerbereich aus, was ihre physikalischen oder chemischen Eigenschaften beinflufit. Diese Dimension kann der Durchmcsser eines Nanopartikels, eines Nanodrahtes, einer Nanoriihre oder einer Pore sein, oder die Dicke einer Schicht. Am besten untersucht sind Halbleiter-Partikel von wenigen Nanometern Durchmesser, die so genannten Quantenpunkte oder Quantum dots*, keramische Nanopulver und nanoporose Materialien. Daneben lassen auch Kohlenstoff-Nanorohren oder Nanometer-dicke Schichten interessante Eigenschaften erwarten. Nanopulver, deren kristalline Korner Durchmesser von wenigen Nanometern haben, konnen manchmal bei Temperaturen verdichtet und gesintert werden, die deutlich unter denen herkiimmlicher keramischer Materialien liegen. Die Harte und Festigkeit gesinterter Keramiken aus Nanopulvem ist hiiher als die konventioneller Materialien. Es wird fur miiglich gehalten, nanokristalline Metalle hart und fest wie Keramik zu machen und nanokristalline Keramiken duktil** wie Metalle. Man spricht von ,,superplastischen" Keramiken. Abb. VII- 1 zeigt das zweidirnensionale Modell eines nanokristallinen Materials. Man sieht, daR es im Prinzip aus zwei strukturellen Komponenten besteht: den kleinen nanometergroaen Kristalliten und einem sehr hohen Anteil an Atomen an den Grenzflachen. Bei ferromagnetischen Nanopartikeln werden besondere magnetische Phanomene gefunden.
Abb. VII-1. Zweidimensionales Modell einex nanokristallinen Materials. Die dunklen Kugeln reprlsentieren die kristallinen Bereiche. die grauen Kugeln Atome an oder zwischen Grenzfliichcn.
Wenn die KorngriiRe die Dimension einer magnetischen Domane annimmt, also jeder Kristallit einer einzelnen magnetischen Domane entspricht, dann kann man ab einer bestimmten Temperatur superparamagnetisches* Verhalten beobachten. Besondere optische und elektronische Effekte werden bei Halbleiter-Nanopartikeln gefunden, die in eine inerte, dielektrische Matrix, wie etwa Glas, eingebettet sind. Man spricht von ,,Quantenpunkten", da die Durchmesser der Nanopartikel in der GroOenordnung der Wellenlange des Lichts liegen und dadurch Resonanzphiinomene auftreten. Derartige Materialien zeigen nichtlineare optische Eigenschaften, das heilJt die optischen Eigenschaften, zum Beispiel der Brechungsindex, hangen von der Wellenliinge des eingestrahlten Lichts ah. Die Eigenschaften nanoporoser Materialien werden hauptsachlich durch ihre hohe innere -I
I
**
dot (engl., Punht. Tiipfelchrn. Flech. ductus (lat.) - Zug. Duktilit5t i\t die Dehnbarkeit und ~
Streckhnrhcit von Mclallrn iinil iindercn Werh\toElen.
para (grch.) nrhen: wper- (lat.) uhcr. iiuBcr\t. Par~iniaFi~cti\mus i\t die Ersaheinung. dalJ Stoffe in rinem 5uLkren Magnetfeld r i n r Mngneli\ierung in Richtung diest.\ Feldm erlahren. ~
~
3 Oberflachen- und Grenzflacheneffekte
727
Abb. VII-2. Die Porenstruktur von M21S-Materialien mit hexagonaler (links) und kubischer Symmetrie
(rechts)
Oberflache bestimmt, wobei Form und Anordnung der Poren ebenfalls eine wichtige Rolle spielen. Am besten untersucht sind Zeolithe mit dreidimensional geordneten Poren von weniger als 1 nm Durchmesser. Zeolithe haben eine Vielzahl von Anwendungen, beispielsweise als Adsorbentien oder Katalysatoren. Eine derzeit BuBerst intensiv bearbeitete Klasse mesoporoser* Materialien sind die sogenannten M41S. Sie unterscheiden sich von den iibrigen Zeolithen durch wesentlich groBere Porendurchmesser bis zu 30 nm - und durch amorphe Porenwandungen. Die Poren selbst sind geordnet, entweder als parallel zueinander liegende Rohrenbiin-
*
meso (grch.) - mittel, zwischen.
del oder in dreidimensionaler kubischer Anordnung (Abb. VII-2). Mit der Verkleinerung von elektronischen Bauteilen in den Mikrometerbereich werden Materialien mit niedrigen Dielektrizitatskonstanten benotigt, welche die einzelnen Strukturen effizient gegeneinander isolieren. Die Dielektrizitatskonstante des derzeit haufig venvendeten SiO, ist mit E = 3,6 zu hoch. Die einzige praktikable Methode dielektrische Materialien mit E < 2,O herzustellen ist der kontrollierte Einbau von Nanoporen, wie sie etwa in den M41S vorliegen (Abb. 111-58).
4 Biologische Systeme im Nanobereich
Nanometer-dicke Schichten sind eine Dornane biologischer Systerne. Biologische Membranen bestehen etwa aus Doppelschichten von Phospholipiden (Abb. 111- 150). Durch Ausnutzung selbstorganisierender Prozesse gelingt es zunehmend, derartig diinne Schichten auch kiinstlich herzustellen und auf unterschiedlichste Oberflachen aufzubringen. Gasphasenprozesse erlauhen die Erzeugung Nanometer-dicker anorganischer Schichten. Muhilayer*, die aus abwechselnden epitaktischen** Nano-Schichten verschiedener Verbindungen aufgebaut sind, nennt man Supergitter. Sie haben bemerkenswerte rne-
*
multus (lat.) - viel. vielfach; layer (engl.) Schicht. Lage. Multilayer = Vielschichtigkeit, Vielschichten. epi (grch.) iiher, auf, an; taxis (grch.) - Form der Raumorientierung; epitaktisch iibereinander folgende Orientierung. ~
**
~
~
chanische Eigenschaften. Halbleiter-Supergitter zeigen neuartige elektronische und photonische Effekte und versprechen daher interessante Anwenungsmoglichkeiten. Bestimmte metallische Multilayer, die aus abwechselnden ferromagnetischen und nichtmagnetischen Schichten aufgebaut sind, zum Beispiel Fe/Cr oder CoKu zeigen das Phanomen der ,,colossal magnetoresistance" (CMR), das man zur Entwicklung von Materialien fur eine neue Generation von Lese- und Schreibkopfen fur Magnetspeicher mit hoher Aufzeichnungsdichte nutzen kann.
5 Kohlenstoff-Nanorohrchen
Das bisher spektakularste Beispiel fur fast eindimensionale Strukturen im Nanometerbereich sind Nanorohren. Kohlenstoff-Nanorohren sind bisher am besten untersucht. Man hat gelernt, Nanorohren chemisch und mechanisch zu manipulieren; so konnen die Kappen am Rohrenende gezielr abgeatzt und das Rohreninnere damit zuganglich gemacht werden. Ziel ist beispielsweise, die Kohlenstoffrohren mit Metallen zu fullen und so ,,Nanodr2hte" herzustellen (Abb. VII-3).
Andere denkbare Anwendungen von Kohlenstoff-Nanorohren sind die Speicherung von Wasserstoff oder als Elektronenemitter*. Hier denkt man dariiber nach, sie fur eine neue Generation von Flachbildschirmen einzusetzen. Nanorohren weisen auch eine hohe Zugfestigkeit auf, die weit hoher ist als bei herkommlichen Kohlenstofffasern.
Abb. VII-3. Kohlenstoff-Nanorohre. Der Durchrnesser der Rohre ist < 5 nrn.
Literaturhinweis zu Teil VII Schubert, U. (2000), Ein sehr kleines Universum, Chemie, osterr. Magazin fur Wirtschaft und Wissenschaft, Dezember-Heft ,
*
emittere (lat.) - aussenden. Elektronenmitter sind Stoffe oder Instrurnente, die Elektronen auszusenden vermogen.
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VIII Anhang
1.3 1.4
SI-Einheiten (Syst6me International d’Unitis) 732 Basiseinheiten 732 Abgeleitete Einheiten mit besonderem Namen 732 Physikalische Begriffe Naturkonstanten 733
2
Das griechische Alphabet 734
3
Vorsatzzeichen fur Zehnerexponenten 735
1
1.1 1.2
Literaturhinweise zu Teil VIII 735 4
Zusammenschlusse europaischer Chemiefirmen 736
1 SI-Einheiten (Systkme International d'Unit6s)
1.1 Basiseinheiten
1.3 Pyhsikalische Begriffe"
Lange
Meter
m
Kraft
Masse
kg
- mechanische Spannung,
Elektrische Stromstarke
Kilogramm Sekunde Ampere
A
Temperatur
Kelvin
K
Lichtstarke
Candela
cd
Zeit
Stoffmenge
Mol
s
mol
1.2 Abgeleitete Einheiten mit besonderem Namen
-
E-Modul Gleitmodul, HZrte Schlagzahigkeit, Kemschlagzahigkeit
Druck
N (Newton) N/mm2 N/mZ Pa mJ/mm2 kJ/m2 J/cm2 bar (Bar)
- (s.a. DIN 1314,
neueste Ausgabe) Arbeit Wikmemenge Leistung
Pa (Pascal) J (Joule) J (Joule) W (Watt)
Warmeleitfahigkeit
W/(m. K) W/(cm. K) W/(mZ.K) W/(cm2.K)
Warmedurchgangskoeffizient Kraft Druck
Newton Pascal Bar
1 N = 1 kg.m/s2 1 Pa = 1 N/mZ 1 bar = 10' Pa = 0.1 N/mm2
Dynamische Viskositat
N . s/m2 kg/(m . s) Pa. s
Energie , Arbeit, Warmemenge
Joule
1J
Kinematische Viskositat
m2/s
Temperatur
Leistung
Watt
K (Kelvin) "C (Grad Celsius)
Energiedosi s
Jk
Dioptrie, Brechkraft optischer Systeme
1 dpt = l/f [m-'1 Kehnvert der in Metem gemessenen Brennweite
= 1N.m =1w.s = 1 kg . m2/s2
1 W = 1 J/s =lN.m/s = 1 kg . m2/s'
*
Quelle: Schwenk, E. (1992),Mein Name ist Becquerel, Wer den MaReinheiten den Namen gab, Hrsg. Hoechst aG. Frankfurt am Main.
1 SI-Einheiten (Systtrne International d'Unit6s)
1.4 Naturkonstanten Avogadrokonstante
NA = 6,022169 * loz3mol-'
Universelle Gaskonstante
R =k.NA = 8,31434 J . mol-' . K-'
Bolzmannsche Entropiekonstante
k
Plancksches Wirkungsquantum
h = 6,626196 . J .s 1 u = 1/12 m ("C) m, = 0,000548593 u m,, = 1,0072766 u m, = 1,0086652 u F = e . NA = 96486,70 Cb m e = 1,6021917 lo-'" Cb
1 atomare Masseneinheit (unified mass unit) Ruhemasse des Elektrons Ruhemasse des Protons Ruhemasse des Neutrons Faradayaquivalent Elektrische Elementarladung
J . K-'
= 1,380622.
-
Gravitationsfeldst2rke (abhkgig von der geographischen Breite)
g
= 9,83 N * kg-'
Lichtgeschwindigkeit im materiefreien Raum
c
= 2,997925 * lo8 m * s-'
733
2 Das griechische Alphabet
Name
Alpha Beta Gamma Delta Epsilon Zeta Eta Theta Iota Kappa Lambda MY NY Xi Omikron Pi Rho Sigma Tau Ypsilon Phi Chi Psi Omega
Zeichen Majuskel
Minuskel
A
U
B
r
A E Z H
0 I K A M N
-
I I
0
n P
I: T Y 0 X Y
52
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h CL V
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7
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3 Vorsatzzeichen fur Zehnerexponenten
lo'*
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(Tera)
lo9
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(Gigs)
10'
= M = k = h = da
(Mega) (Kilo) (Hekto) (Deka) (Dezi) (Zenti) (Milli) (Mikro) (Nano) (Piko) (Femto) (Atto)
lo3 lo2 10 lo-' 10-2 lo-' 10-6
lo-'
= = = = =
d c m p
n
10-12 = p 10-1" = f = a
Literaturhinweise zu Teil VIII Dubbel (2001), Taschenbuch fur den Maschinenbau, 20. korrigierte und erganzte Auflage, 1450ff, Beitz, W.; Kiittner, K.-H. (Hrsg.), Springer-Verlag, Berlin, Heidelberg, New York, Tokyo. Riemann,A. (2000), CIT plus, Heft 6. Schwenk, E. (1992), Mein Name ist Becquerel (Wer den Majeinheiten die Namen gab), Buderath, B. (Hrsg.), Hoechst AG, Frankfurt
(M).
4 Zusammenschlun europaischer Chemiefirmen Ubersicht
Register
A Abbau der Polyglucose 423 Abbauprodukte 28 Abbauvorgange in Deponien 397 Abbruchsreaktion 233,234 ABC, Acrylnitril-Butadien-ChloroprenCopolymer 243 Abfallbeseitigung durch Verbrennen 400 Abfullen und Transport gefahrlicher Stoffe 670 Abgase, Reinigung 404 Abhangigkeitsverhaltnis zwischen Volumen, Temperatur und Gasdruck 174 Abhitzekessel und Kuhler 32 1 Abklingfunktion 154,371 Abklingvorgang 146,154 Ablagerungskartierung 398 Ablauf heterogen-katalytischer Reaktionen 25 1 Ablauforganisation 269 Ablaufschema einer chemischen Produktion 26 1 ABS ,Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer 243 Abscheidungscyclus durch Absorption 63 1 Absolute Temperatur 177 Absorption der Spektralfarben 97 Absorptionskolonne 642 Absperrvorrichtungen 545 - nichtregelbare 545 - regelbare 545 Abstreifzone 434 Abtransport der Produkte 25 1 Abwasser, Reinigung 38 1,384 Abwasserbeseitigung 380 Abwasserreinigungsanlagen entlang des Rheins 382 Accelerationsphase 156,370 Acetaldehyd 229,35 1,359 o-Acetanisidid 76 Acetessig-0-anisidid 76 Acetessigsaure 76 Aceton 230 Acetylen 58,61,329 Acetylenanlagen 486 Acetylenchemie 6 N-Acetylglucosamin-Bausteine 484 Acetylieren 80
Acetylsalicylsaure (Aspirin) 80,356 ACF 384 Acridin 65 Acridin- und Chinacridonfarbmittel 104 Acrylate 329 Acrylglas 349 Acrylharze 532 Acrylnitril 230,233,323,349,359,360 Acrylsaure 329 Actinium 18 Addition an ungesattigte Kohlenwasserstoffe 68 Adenin XI,444 Adenosinphosphate 439,463 Adipinsauredinitril 70 Adsorption 406 Adsorption und Chemisorption 25 1 Aerobe und anaerobe Prozesse 449 Aerobe Vorgange 397 Aerosil 317 Aerosole 199,207,208,316 Agfa 4 Aggregatzustande 183 AgrEvo 272 AgroScience 272 Aktivierte Essigsaure 444 Aktiviemngsenergie 25, 120,249 Mute Toxizitat 703 AKZOChem 384 AKZO N. V. 383-384 AKZO Zout 384 Alanin 144 Alaun 303 Alcanivorax borkumensis 410,41 I Aldehyd(Formy1-)gruppe 339 Aldehyde 66 Aldrin 695 Algen als Halogen-KohlenwasserstoffProduzenten 49 1 Alginate 211 Algonkium 421 Aliphatenchemie 2 Alkalichlorid-Elektrolyse 39,267,274,279, 286,488,496,610 - Verfahrensflieabild 275 Alkalimetalle, Gewinnung 32 Alkane, hohere 58
738
Register
Alken 339 Alkene, homologe Reihe 60 Alkine, homologe Reihe 61 Alkohole 66 Alkylierung 7 1 Alkylphosphane 302 Allen 62 Allgemeine Vorschriften 67 1,672 Allied Signal 4 Aluminium 18,29,48,526 - Eigenschaften 303 - Gewinnung 224,303 - technische Verwendung 305 Aluminium- und Siliciumgewinnung 2 I8 Aluminiumbronze 527 Aluminiumherstellung, Verfahrensflieabild 304 Aluminiumhydroxid 4 2 , 4 3 Aluminiumoxid 5 13 Aluniiniunisilikat 9 2 Amalgam-Verfahren 274 Amalgame 206 Amalgamzersetzung 276 Ameisenslure 345,346 Americium 18 Amidgruppe 443 Amidstickstoffverbindungen 328 Amine 67 Aminogruppen 69 Aminolyse 74 4-Aminopyrimidin 72 Aminosauren 65,232,443.457 2-Aminothiazol 72 Ammoniak 21,29,38,218,229,318,322, 323,349,457,459,486 Ammoniak als Schlusselverbindung 459,460 Ammoniak fur Dungemittel 324 - Eigenschaften 319 - Verwendung 323 - Weiterverarbeitung 322 Ammoniak-Kreislauf 282 Ammoniak-Soda- Verfahrens, Blockschema 283 Ammoniak-Verbrennungsofen 600 AmmoniakerLeugung 266 1. Ammoniakfabrik (BASF) 5 Ammoniakrcaktor 321 Ammoniaksynthese 23 I , 266,3 19,327,484 - Verfahrensflieljbild 32 1 Ammoniakverbrennung 325 Ammoniumhydrogencarbonat ,Gewinnung 28 1 Ammoniumhydroxid 4 2 , 4 3 Ammoniumpolyphosphat 302 Ammonolysen 486
Ammonsulfat 327 Amontons, Guillaume 174, 175,187 Amplitudenminima 37 1 Anabaena azolla 484 Anaerobe Prozesse 397 Anaerober Abbau 382,45 1 Analoges Signal 57 1,572 Anilidsaurekomponente 107 Anilin 6 7 , 7 4 Animalische Fasem, Farbstoffe 108 Anionen 39 o-Anisidin 76 Ankerruhrer 655 Anlagenplanung und Anlagenbau 269 Anorganika 264,486 Anorganische Fullstoffe 91 Anorganische Oxoverbindungen 48 Anorganische Pigmente, synthetische 82.83 Anorganische Stoffe 513 Anorganische Werkstoffe 5 I I Anorganischen Pigmente nach DIN 55 944 8 1 AnschluRgewinde 706 AnschweilJbund 541 Antarktis 374 Anthracen 64,416,436 Anthrachinonfarbmittel 103 Anthrachinonverfahren 5 1 Anthrazit 415 Antibiotika 256 Antiklopfmittel 339 Antimon 18 Antimontrioxid 83 Anwendungstechnik 269 Apatit und Phosphorit 30 I Aquivalentstoffmenge 40 Aramid 347 Arbeit 169,732 Arbeiten an laufenden Maschinen 682 Arbeiten mit atzenden Stoffen 684 Arbeitsenergien 136 Arbeitslosigkeit 27 1 Archaikum 42 I Argon 18 Arktis 374 Aromaten 63 Aromatenchemie 63,436 Aromatische Amine 375,376 Aromatische Zwischenprodukte 79 - Stammbaum 79 Aropigrnent, Herstellung 101 Arrhenius, Svante August 120, 150 Arrhenius-Gleichung 150 Arsen 18 Arsenide 30 Arzneimittel 208,227,322
Register Arzneimittel als disperse Systeme 208 ASA, Acrylnitril-Styrol-AcrylsaureesterCopolymer 243 Asbest 529,542 Aspirin 80 Assuan 482 Astatin 18 AstraZeneca 6 Atemgifte 689 Atemschutz 676,693 Atemschutz-Merkblatt 67 1,676 Atemschutzmaske 693 Atmosphare 34,439 - sauerstoffhaltige 470 - Temperaturprofil 468 - Zusammensetzung 402 Atmung 370,448,474 Atmungssauerstoff-Bedarf 476 Atom 13,17,20 - Aufbau 14 Atomare Masseneinheit 16,733 Atomkern 16,17 Atommasse, absolute 16 - relative 16 Atzend 700,704 Auf- und AbbauprozeB von Biopolymeren 449 Aufbauorganisation 268 Aufbaustoffe 28 Aufbereitung des natiirlichen Wassers 377 Aufbereitung des Rohphosphates 297 Aufhellvermogen 85 AufschluB des Rohphosphates 298 Aufspritzen 536 Augenschutz 675 Augenschutz-Merkblatt 67 1 Augenspiilflaschen 684,685 Ausdehnung durch Warme 179 Ausdehnung von Fliissigkeiten 180 Ausdehnungsbogen 539 Ausdehnungsthermometer 560 Ausflockung 201 Ausgleichsvorgange 145 - als Zeitfunktionen 146 - mit linearem Verlauf 147 Ausnutzung des Photosyntheseapparates 487 Austauschreaktionen 68,73,77 AuswaschprozeB von kontinuierlichen Biokulturen 155 Autoabgase 405 Autoakkumulator 189 Automatenstahl 522 Automobil 2 Auxochrom 98 Aventis 6,272 Avogadrokonstante 733
739
Axerophthol 444 Axialverdichter (DEMAG) 587 Azeotrope Gemische 188,625 Azofarbmittel 103 Azofarbstoffe 95,99 Azokomponente 100
B Backenbrecher 646 Backpulver - Hirschhornsalz 322 Bakterien 453 Balgfedemanorneter 553 Bandforderer 577,588 Bandtrockner 641 Bar 705,732 Barbitursaure 333,334 Barium 18,22 - Gewinnung 33 Bariumhydroxid 43 Barometrische Hohenformel 154 Basen 42 BASF AG 4-6,272,383,460,485,498 Basisabdichtung 395 Basische Farbstoffe 106 Basisches Bleisulfat 83 Basisches Zinkcarbonat 83 Basiseinheiten 732 Batch-Fermentation 662 Bauchspeicheldriisen 224 Bauelemente XI Baumheier, R., Chemische Fabrik 383 Baumpilz 492 Baumwolle 2 Baustahle 523 - Auszug aus DIN 17100 524 Bauxit 29,267,304 - Aufbereitung 303 - Vorkommen 303 Bayer AG 4,6,272,383 Bayer AGErdolchemie 383 Bayer, Adolf von 95 Becherwerke 578 Bedarfsort 266 Behalter 688 Behalterdeckel 706 Beheizen von Verdampfern 6 14 Beiersdorf AG 5 Beinheim 384 Beizen 536 Belebungsbecken 385 Belehrung 674 Benckiser, Joh. A. 383 Benennung der GuSwerkstoffe nach DIN 17006 52 1 Benutzung von PS 674
740
Register
Benzalchlorid 77 Benzidin 75 Benzin 59 p-Benzochinon 75 Benzoesaure 69,78 Benzol 63,64,70,79,144,416 Benzolsulfonsaure 70 Benzotrichlorid 77 Benzotrifluorid 78 Benzthiazol 65 Benzylchlorid 77 Benzylcyanid 69 Bergius, Friedrich 436,437 Berkelium 18 Berthelot, M . 357 Berthold, Pierre E ughe 357 Berufsbildung , naturwissenschaftliche IX Beryllium 18 Berzelius, Jons Jakob 307 Beschlftigte - Verhalten 670 Beschriftung 707 Beseitigungsverfahren 394 Betrieb - Verhalten 670 Betriebsdruck 539 Betriebsformen von chemischen Reaktoren 256 Betriebsinterne Verwertung 392 Bevolkerungsdichte 373 Bevolkerungswachstum 2, 150 Bewegungsenergie 26 Bezugselektrode 560 Bezugsgroben, Festlegung 498 BF/Uhde-Verfahren zur Rauchgasreinigung 407 Bilanzierung zwischen Eingangs- und Ausgangsmengen 146 Bildliche Darstellung von Verfahren und Anlagen 260 Bildungsenthalpie 305 - fur Methylengruppen 143 - Berechnung 140 Bildungswarme 23,305 Bimetall-Kondensatableiter 550 Bimetallregler mit Sprungschalter 568 Bimetallstreifen als Temperaturfuhler 567 Bimetallthermometer 18 1 Binlrcode 133 Binlre Signale 57 1 Binarsystem X , XI Bindemittel 85 Bindungsenergie 13,493 Bindungsfestigkeit von Chlor-Kohlenstoffbindungen 493
Biochemische Oxidationsvorgange 473 Biochemischer Sauerstoffbedarf 387 Bioelemente 440 Biohoch-Reaktor 256,386388,661 Biokatalysatoren 230,254,255 Biokatalytischer Reaktionsablauf 255 Bioleaching 479 Biologisch-chemische lnformationssysteme XI Biologische Abwasserreinigung 383,385 - Abwasserreinigungsanlage in Hochbauweise 386 - Kllranlagen 386 - Oxidationen 28 - Stickstoffixierung 484 - Systeme 130,131 - Verbrennung 28 Biologisches Gleichgewicht 124 Biomasse 265,382 Biomembrane 465 Biomolekule 440 Biomonomere 369,440 Biophotolyse des Wassers 487 Biopolymere 129,239,369,413,440 Biopolymerisation von Glucose 45 1 Bioprotein 363 - Herstellung 219 - auf mikrobiologischem Wege 364 - Produktion, technische 365 Bioreaktoren 364,365,601 Biosphare 373,474 Biotechnologie 2 Biphenyl 63 Biphenyl-Grundverbindung 695 Bismut 18 Bitumen 453 Biuret 334 Blanc fixe 92 Blattgriin 129 Blattriihrer 655 Blaualge 470,484 Blausaure 58,322,323,348,457 Blei 18,528 Bleiakkumulator 197 Bleibronze 527 BleiweiB 83 Blend 247 Blitz 189 Blockpolymerisation 235 Blut 29 Blutfarbstoff 129 BMA - Blausiure, Mcthan, Ammoniak 348 Bodenpilz 492 Boehinger Mannheim GmbH 4 Boltzmann, Ludwig 121
Register
Bolzen fur Becherwerk 525 Bolzmannsche Entropiekonstante 733 Bor 18 Borsaure 40 Bosch, Carl 231,460 Boudouard-Gleichgewicht 437 Boyle ,Robert 172 Boyle-Mariotte 175 Boyle-Mariottesches Gesetz 172 BP Chemicals Belgium 384 BR, Butadien-Rubber 242 Brand 699 Brandfordernd 700 Brandgefahr 696 Brandschutzzeichen 7 13,718 Braunkohle 224,265,415 Braunkohlelager 418 Brechungsgesetz nach Snellius 84 Brechzahl 85 Brechzahlen von Bindemitteln, Fullstoffen und WeiBpigmenten 85 Brennbare Flussigkeiten 696 Brennbare Gase 696 Brennbare Staube 698 Briggs, G. E. 126 Brinellhwe 5 14 Brom 18,22 Bromwasserstoff 22 Bronze 82,206,527 Brown, Robert 613,618 Bruchdehnung 515,516,524,532 Bruchwiderstand 533 Briickenglieder zwischen aromatischen Struktureinheiten 80 Briiden 614 Bruskit 466 BSE-Erkrankungen (bovine spongiforme Enzephalopathie) 368 Buccal 212 Builder 349 Butadien 62,244 Butan 57,244 Butanal 232,340 Butanderivate 244 1PButandiol 244 Butanol 340 1-Buten 244 I-Butylen 244 1,4-ButylenglycoI 236 n-Butyraldehyd, Herstellung 342
C C. H. Boehringer Sohn 5,383 Cadmium 18 Cadmiumgelb 87,9 1
741
Cadmiumrot 83 Cadmiumselenide 9 1 Cadmiumsulfid 87 Caesium 18 Calciferol 44.4 Calcinierung des Natriumhydrogencarbonats 28 1 Calcium 18,22 Calcium-Magnesium-Phosphat 466 Calciumcarbid 61,329 Calciumcyanamid 328,329,457 Calciumhydroxid 42,43 Calciumoxid 42,640 Calciumsilikat 92 Californium 18 Caprolactam 322 Capronsaure 144 Carbarnid (Hamstoff) 333 Carbazol 65 Carbazolindoanilin 106 Carbidchemie 2 Carbidherstellung 328 Carbonat-Ion 39 Carbonate 129 Carbonathme 379 Carbonisation von Kohlenwasserstoffen 423 Carbonsauren 39,66,68 Carbonylgruppe 68 Carbonylierung, Durchfiihrung 352 Carbonylierungsverfahren, MengenfluB 353 Carbothermische Reduktion 3 1 Carboxygruppe 69 Carboxypyrazolon 79 Caro, Nikodem 328 Casein 240 CassellaAG 4 Cassiopeium 18 Cavendish, Henry 481 CCA 384 Celanese AG 5 Cellulose 144,223,232,239,439,442,454 Celluloseacetat 223,239,356 Celluloseacetatfilme 239 Cellulosebaustein 45 1 Cellulosefasern, Farbstoffe 108 Cellulosespaltung zu Glucose 45 1 Celsius, Anders 177 Celsius-Grade 177 Cer 18 Chalkogene 466 Chargenbetrieb 256 Chargenreaktoren 257 Chemie 2 - auf Ammoniakbasis (SKW-Stammbaum) 323
742
Register
auf Blausaurebasis (Degussa Stammbaum) 349 - auf Kalkstickstoffbasis (SKW-Stammbaum) 329 - der C ,-Bausteine 344 - der Kohle 220,436 - des Erdols 220 -, die Wissenschaft vom Stoff- und Energieumsatz 222 - und Umwelt 219,369 Chemiebetriebe 3,264,432 Chemieregion Deutschland 6 Chemiestandorte 2 , 3 Chemieuntemehmen, Organisation 268 Chemikaliengesetz 700 Chemisch-technische Systeme 130 Chemische Bindung 20 - Energie 26 - Reaktion 22,251 - Technik 131 - Verfahrenstechnik 610 - Vorgange 12 - Wirkung 708 - Wirkung des elektrischen Stromes 196 Chemischer Sauerstoffbedarf 387 Chemisches Gleichgewicht 113 Chemosynthetischer Aufbau 449 ChinaClay 92 Chinin 80 Chinolin 65 Chitinkette 484 Chlor 18,22,48,222,265,273,288,488 - als hochreaktiver Aktivator 494 - Eigenschaften 489 - Einsatzgebiete 489 - Kreislauf 494 - physiologisches Verhalten 490 - technische Verwendung 279 - Verbindungen 487 - Verbrauch 498 - Weiterverarbeitung 488 Chlor-Radikale mit Ozon 495 4-Chlor-toluidin 72 Chlorate 49 Chlorbenzol 70,73 o-Chlorbenzonitril 77 Chlorcyan 323 Chlordan 695 Chloreinsatzgebiete 489 Chloressigsaure 352,355 Chlorierte Methane 58,68 Chlorierung 3 1,39,70,80,273 Chlorierungsprodukte des Methans, Weiterverarbeitung 288 - Technische Verwendung 288 -
Chlorkalk 48 Chlorknallgas 39 Chlorknallgasreaktion 490 Chlorkohlenwasserstoffe 493 Chlorophyll I29,4 I 3,446 Chloropren 244 ChlororganischeVerbindungen, Entsorgung 496 Chlorotris(tripheny1phosphin)rhodium 343 Chloroxidradikal 274,408 Chlorradikal 408 Chlorreinigung 276 Chlorverbindungen uber die Nahrungskette 495 Chlorwasserstoff 22,309,314 Chlorwasserstoffgas 39 Chlorwasserstoffsbre 490 Christ, U . 393 Chrom 18.48 Chromate SO Chromatpigmente 9 1 Chromgelb 83,86 Chromogen 98 Chromophore 98 Chromoxid 83,91 Chronisch schadigend 701 Ciba AG 4,272,383,384 Ciba-Geigy AG 5 , 6 CibdRoche 384 Cindu 384 Citral 445 Clapeyron, Benoit Pierre Emile 150,618 Clariant AG 4,6,272,383 Claus, Carl Ernst 480 Claus-ProzeU 480 Clausius, Rudolf 136, 137,150,618 Clausius-Clapeyron 61 8 Clausius-Clapeyron-Gleichung 150 Cobalt 18 Cobaltblau 83 Cobaltschwarz 83 COC, Cycloolefincopolymere 242 Coelestin 33 CoenzymA 444 Coffein 631 Colour-Index 96 Columbium 18 Copolymere 235 Copolymerisation 234 Coronen 64,416 Cottrell, Frederik Gardener 200 Coulomb, Charles Augustin 193 CPE, Chloriertes Polyethylen 241 Crackprozesse 250 Cremes 210 Creuzfeld, Hans, G. C. 368
Register CSB - Chernischer Sauerstoffbedarf 376 CSL Chernische Werke 383 Cumol 71 Curium 18 Cuzco 482 Cyanarnid 329,330,384 Cyanide 67,348 Cyanidlaugerei 348,349,627 Cyanocobalamin 129 Cyanogruppe 69 Cyanurchlorid 323 Cyanursaure 333,334 Cyanwasserstoff 345,347 Cyanwasserstoff nach dem Degussa-BMAVerfahren 348 Cyanwasserstoff-Synthese 460 Cyclohexan 62,433 Cycloolefinpolymerisate 254 Cyclopentadien 252 Cyclopentan 62,433 Cyclopenten 254 Cylobuten 254 Cytosin XI, 444
D Dalton, John X, 1 Darnpf 13,35 Dampfdruck 150,617,618 - eines biniiren Gernisches 619 Darnpfe 688,689 Darnpfrnaschine 2 Darnpfrohr 525 Darnpfstrahlsauger 583 DDT - Dichlor-diphenyl-trichlorethan 695 De Lavoisier, Antoine Laurent 466 Decarboxylierung I19 - der Essigsaure 451 - organischer Sauren 423 Deckvermogen 85 Deformationsarbeit 171 Degussa AG 4,6,316,383,531 Degussa Huls AG 6,54,272 Dehnung 517 Dehydrierprozesse 486 Dehydrierung der Cellulose 45 1,452 Dekanter 639 Dekantierzentrifuge 639 Denitrifikation 458 Deponie, Aufbau 394,395 Deponieemissionen 396 Deponierung 394 Deponiesickenvasser 396 Depotkohlenhydrat 442 Depotstoffe 28 Desorption 407
743
Destillation 205,226,378,434 Destillation des Rohols 433 Destillationsanlagen 308 Destillationsapparatur 617 Destillationskolonne fur Erdol 433 Destillationsvorgang 434 Destillieren 6 I6 Destilliertes Wasser 379 Destraktion 627 Destraktion durch Druckanderung 630 Destraktionssektor 63 1 Deutsche Gelatine Fabriken Gebriider Koepff 5 Deutsche Gelatine-Fabriken Stoess & Co. 383 Devon 421 Dezibel 676 DGFStoess 5 Diagenese 4 17 Dialyse 203 Diamant 129 Diaphgragmazelle 277,278 Diatomeenerde 92 Diazokomponente 100 Diazoniurngruppe 76 Diazotierung 99, 100 Dichlorsilan 308 Dichte 624 Dichtungen an Wellen 573 - fur Flanschverbindungen 542 Dickschlarnrnabzug 386 Dicyandiarnid 330 Dicyclopentadienylgrundstruktur 252 Dieldrin 695 Differenzdruckmessung 558 Diffusion 204 Digitales Signal 57 1 m-Dihydroxybenzol 74 Diketen 76,352,354 Dirnethylethylen 244 Dirnethyltherephthalat,DMT 339,360 2,4-Dinitrotoluol 75 Dinitrotoluol 323 Dioptrie, Brechkraft optischer Systeme 732 Dioxin 65,498,695 Diphosphorpentoxid 27,37 Direktfarbstoffe 102 Disaccharid 223 Diskontinuierliche Reaktionsfiihrung 256 Disperse Phase 198,199 Disperse Systerne 198,199,206,634 Dispersion 12,203 Dispersionsfarbstoffe 106 Dispersionsrnittel 198, 199 Dissoziationsgrad 40 DMT - Dirnethyltherephthalat 339
744
Register
Dolan 359 Doppelbindungen 60 - isolierte 62 - konjugierte 62 - kumulierte 62 Dosierbandwaage 588,589 Dosieren 588 - durch Feststofforderer 588 - vonFeststoffen 588 - von Fliissigkeiten 589 - von Gasen 591 Dosierpumpen 590 Dosierung durch Stellorgane 590 Dow Chemical 5 , 6 Dragees 212 Dragieren 227 Drais 658 Drais-Planeten-Mischkneter 658 Dralle GmbH 6 Drehrohrtrockner 641 Drehschieberpumpe 586 Drehschieberverdichter 586 Dreipunkt-Bimetall-Temperaturregler 569 Dreistufen-Verdampferanlage 616 Dreiweghahn 546 Druck 130,131,185,705,732 Druck-Temperatur-Zustanddiagramm des Kohlenstoffdioxids 629 Druckbehalter 579,598,706 - fur nichtaggressive Medien 525 - mit Mantelheizung und Riihrwerk 599 - offnen 706 Druckdifferenzen 635 Druckfasser 583 Druckfestigkeit 514 Druckfiltration 634 Druckgasflasche 173,707 - Tnbetriebnahme 547 - Kennzeichnung 547 Druckmessung 552 - mit KraftmeBdose 553,554 - rnit Manometer 552 Druckminderventil 547,548 Drucknutschen 637 Drusenheim 384 DSM Chemicals 384 Diingemittel 28,218,318,322 Diingemittelbedarf 324 Diingemittelsalze 324 Dunkelreaktionen 483 Duphar 384 DuPont 4,384 DurchfluBmesser 590 DurchfluRmessung 557 - mit dem Schwebekorpermesser 557
mit der Normblende 558 Durchgangshahn 546 Durchgangsventil 546 Duromere 239 Diisen 661 Dynamische Viskositat 732 - Zahigkeit 655 Dynamit Nobel AG 383 Dysposium 18 Dystar GmbH 6,272 -
E E. Merck AG 383 Edelgase 402,403 Edison SPA 5 Edukte 146 Effektpigmente 84 Einfache Molekiile 439 EinfluBgroBen 146 Einheitsregler 567 Einkristalle 3 11 Einsatzstahl 522 EinstabmeSkette 560 Einsteinium 18 Einzelelektronen 2 1 Eis 35 Eisen 18,29,48 Eisen-Ionen 29 Eisen-Manganschwarz 83 Eisenbahn 2 Eisenerz 29 Eisenhaltige Blaupigmente 9 1 Eisenoxid 303 Eisenoxidpigmente, Herstellung 90 Eisenoxidschwarz 83 Eisenreduktion 376 Eisenwerkstoffe 5 12,s 18,525 EiweiB 28,232,473 EiweiBknappheit 363 Elastizitat 514,542 Elastomere 239 Elektrische Arbeit 193, 195 - Elementarladung 733 - Ladung 193 - Leistung 193, 194 - Leiter 191 - Spannung 189 - Spannungsquellen 190 - Stromstkke 732 - Wbeaquivalent 195 Elektrischer Stellantrieb als Regelkreis mit I-Verhalten 566 Elektrischer Strom 189 - Gefahren 708 - Wirkungen 708
Register Elektrischer Widerstand 193 Elektrisches Einheitssignal 552 Elektrizitatslehre 189 Elektrizitatsmenge 193 Elektrode 196 Elektrolyse 196,224,275,378,486 - in Diaphragmazellen 276 - in Membranzellen 277 Elektrolysezellen 275 Elektrolyte 192 Elektrometallurgie 30 Elektromotor 197 Elektronenanregungsenergie 120 Elektronenpaar 21 Elektroosmose 611 Elektrophorese 61 1 Elektrotechnik 2 Elektrothermischer Reduktionsofen 307 Elektrothermisches Verfahren zur Herstellung von Phosphor 299 Element XI, 13 Elementarer Schwefel, geochemische Bildung 478 Elevator 578,588 Elf Aquitaine 6 Eli Lily a. Co. 4 Eloxal 28 Eloxiertes Aluminium 28 Email 529 Emaillieren 536 Emanation 18 Emissionen 400,403 Emissionsquellen von Chlorverbindungen 49 1 Emulsion 12,207,210 Emulsionspolymerisation 235 Emulsionssuppositorien 213 Endotherme Reaktionen 228 Endrin 695 Energie XI, 146, 170,610 Energie-Nutzung 28 Energie-Quelle 28 Energie-Speicher 28 Energie-Umwandlung 28 Energieaquivalente von I Einstein bei verschiedenen Wellenlangen 493 Energiebedarf 227,427,430 Energiebilanz 23,612 Energiebilanzierung 135 Energiedosis 732 Energieerzeugung 392 Energieformen 171 Energiemengen 171 Energiequelle 1 Energiestrome 223 Energietrager in der Welt 497
745
Energieubertragung 6 10 Energieaustausch 610 Energieumsatz X, 22,222 Energieumwandlungen, biochemische 28 Energieverbrauch (pro Kopf) 363 - in Deutschland 431 Entcarbonisierung 378 Enthalpieanderung 136 Enthalpien, Berechnung 139 Enthiirtung 379 - mittels Fallungsreaktionen und Ionenaustausch 378 Entropie XI, 137 Entropien, Berechnung 139 Entsalzung durch Ionenaustausch 378 Entschwefelung von Erdol und Erdgas 480 Entsorgung 390 Entsorgungsanlage 374 Entsorgungsstrategien und ihre Mdnahmen 390 Entzundlich 700 Enzym-Substrat-Komplex (ES) 127 Enzyme 230,240,256 Enzymkonzentration 128 Enzymreaktionen (FlieRgleichgewichte) I57 Eobianten 424 E.on 5 EPDM, Ethylen-Propylen-Dien-Kautschuk 24 1 EPM, Ethylen-Propylen-Kautschuk 241 Epoxidharze 239,245 Erbgutverandernd 701 Erbium 18 Erdalkalimetalle 22 - Gewinnung 33 Erdatmosphare als Bestandteil der Biosphtire 474 - reduzierende 469 Erdatmospharenschicht 403 Erdbevolkerung 450 Erde 17 Erdgas 129,327,432 - Dungemittel 327 - Entstehung 422 - Fernleitungen 267 - Reserven 424,427 - Vorkommen, Verteilung 426 Erdkruste 306 Erdoberflache 34 Erdol 129,230,413,432 - als Lieferant von Primarchemikalien 435 - Entstehung 413,453 - mikrobiologischer Abbau 410 - Rohstoffe 431 Erdol- und Erdgasquellen in der Nordsee 429
746
Register
Erdolbildung 452 Erdolfuhrendes Sedimentbecken 4 14 Erdolpipelines 425 Erdolprodukte, S iedebereiche 453 Erdolreserven 426 Erdolvorkornmen, Verteilung 426 Erdrinde, Zusammensetzung 439 Erdzeitalter 420 Erhaltung der Masse, Gesetz 22 Erosion 462 Erstarrungswkme 35,183,184 Erster Hauptsatz der Thermodynamik 135 Erstickungsgefahr 688 Essigslure 40,69,76,223,230,355,444 - nach dem Carbonylierungsverfahren 35 1 - Eigenschaften 351 - Venvendung 355
Essigsaure/EssigsaureanhydridCarbonylierungsverfahren 354 Essigslureanhydrid 352,354,356 - Verwendung 356 Essigsauresynthese 335 ESSO 384 Ester 69 Ethan 57,65 Ethanol 65, 144 Ethen 60,68 Ethin 61,68 2-Ethyl-anthrachinon 50 Ethylalkohol 223 Ethylbenzol 7 I Ethylen 60,223,232,314,357-360 - als Primarchemikalie 358 - und Propylen als Schliisselprodukte 219 - Produktstammbaum 357.359 Ethylenglykol 236 Ethylenoxid 229,359,360 Ethylenpolymerisation nach Ziegler, VerfahrensflieBbild 362 Euler, Leonhard 156 Europaischer Erdgasverbund 428 Europium 18 Eutrophierung von Gewassern 38 1 EVA, Ethylen-Vinylacetat-Copolymer 242 EVO Oberfranken in Arzberg 406 Evolutionlre Vorginge 37 I Evohtionskurve 369 Evolutionsschwingungen 369 - exponentiell fortschreitende 370 Evolutionszyklen 369 Ex-Schutz 700 Ex-Schutzbestimmungen 639 Exergonisch 397 Exotherme Reaktionenen 228 Explosion 699
Bereich 699 Gefahr 696,698,700,713 Explosionsgrenzen 696,698 Exponentielle Wachstumsphase 156,370 Extrahieren 226 Extrakt 625 Extraktion mit Extraktionsriicklauf 625 Extraktionskolonne mit Siebboden 626 Extraktionsmodell, mehrstufiges 628 Extruder 657 Exxon 384 -
-
F Fahrenheit 177 Fahrgeschwindigkeit 115 Fallmischer 658 Fallungspolymerisation 235 Faradayaquivalent 733 Firben mit Remazol-Farbstoffen, computergestiitztes 108 - von Kunststoffen I11 Fkbeverrnogen 85 Farbigkeit 84 Farbigkeit organischer Verbindungen 97 Farbmittel 8 1,227 - Einstellen 102 - Qualitatsmerkrnale 98 Farbstoffe 8 1, 108 - fur nichttextile Bereiche 1I I Fasern, 208 239 Fast-Food-Produkte 27 I Faul n isvorgange 382 Faulschlamm 413,453 Faulschlammbildung 4.52 FCKW 409 - auf die Ozonschicht, EinfluB 408 Federbelastetes Sicherheitsventil 549 Federring 537 Federstahl 522 Feinzerkleinerung 647 Feldspat 303 Fermentation 662 Fermente 256 Fermenter 256 Fermium 18 Fernheizsysteme 267 Fernleitungen 189 Ferrocen 252 Ferti-beria in Huelva 293 Fest-feste Gemenge, Trennung 200 Fest-Flussig-Extraktion 627 Fest-gasformige Gemenge, Trennung 200 Fester Flansch, VorschweiBflansch 541 Fester Schaum 12 Festigkeit 514,516
Register Fette 28,69,232,454,473 Fettsauren 129 - aus C2-Baustein 454 Feuerloschdecken 680 Feuerloscher und Augenspulflaschen 680 Feuerwerkskorper 49 Filter 403 Filterapparate 635,636,638 Filtergerate 693 Filterhilfsmittel 635,636 Filterkuchen 635,636 Filterleistung von Atemfiltern 694 - von Atemschutzgeraten 694 Filterpressen 637 Filterschutzkappen 695 Filtertyp 694 Filtration 200,226,634 - von Feststoffen aus Fliissigkeiten 635 Filtriergeschwindigkeit 635 Finaneste 384 Fingeniihrer 655 Finish 101 Fischer, F. 438 Fischer-Tropsch-Synthese 143,336,438 Fixiersalze 322 Flachbett-Kontaktofen 600 Flachpalette 576 Flammenhydrolyse 94 Flammpunkt 697 - von Losemitteln 698 Flansch 541 - mit Bordelrohr 541 Flanschverbindung 540 - Montage 542 - Trennen 542 Flaschenzuge 576,683 Flechten 492 FlieRbetrieb 257 FlieRbettmischer 659,660 FlieBbild eines Oxoprozesses zur Herstellung von n-Butyraldehyd 344 FlieRen und Verandern 267 Fliebgleichgewicht 124, 157,370 FlieRreaktoren,Bauformen 257 Flotation 200 Fluchtige organische Verbindungen 404 Fluchtmaske 693 Flugelpumpe 582,583 Fluide Losemittel 628 Fluides Recyclingsystem 133 Fluor 18,22 Fluoranthren 436 Fluorchlorkohlenwasserstoffe 273,408 Fluoreszenz 86 Fluorsilicone 534
747
Fluorwasserstoff (HF) 22,288 Flushprozea 110 Fliissig-Fliissig-Extraktion 624,625 - Apparaturen 625 Flussig-fliissigeGemenge, Trennung 200 Fliissig-gasformigeGemenge, Trennung 200 Fliissigkeitsdruckthermometer 1 80 Fliissigkeitsfederthermotneter 561 Fliissigkeitsstromungen 656 Fliissigkeitsthermometer 180,560 Fliissigkeitsverteilung 661 Fluawasseraufbereitung mit Ozon 380 Folien 239 Formaldehyd 230,337,345,346
Formaldehyd-Harnstoff-Kondensationsprodukte 23 1 Formaldehyd-Melamin-Harze 23 1 Formaldehyd-Phenol-Harze 23 1 Formanderung durch Druck 553 Formdichtungen 543 Formen 223,224 Formierung 100,101 Formmassen auf Basis von Polyphenylensulfid 248 Formulieren 224,226 Forschung und Entwicklung 269 Fossile Kohlenstoffquellen 4 13 Fossile Rohstoffe 129,264 Fossilisation 417 Fotoindustrie 322 Fotosynthese 28 Fotosynthetischer Aufbau 449 Forderbander 577 Forderer, diskontinuierlich arbeitende 576 - kontinuierlich arbeitende 577 Fordermittel 576 Forderrinnen 588 Forderschnecke 577 Forderschnecken-Extraktor 627 Forderung fester Soffe 575 - gasformiger Stoffe 585 - von Fliissigkeiten 580 Fraktionieren 434 Francium 18 Francolit 466 Frank, Adoph 328 Frasch, H. 480 Frasch-Verfahren 480 Freie Bildungsenthalpie, Berechnung 142 Freie Reaktionsenergie 138 Freie Reaktionsenthalpie 138 Freier Fall 152 Frischluftgerate 695 Frittenboden 659 Frontansicht eines Leitgerates 570
748
Register
Friichte 34 Fruchtessenzen 69 Fruchtschadigend 70 1 Fructose 223 Fuchsin 95 Fiihrungswert beim Regler 563 Fiillkorper 623 Fiillkorperkolonnen 623,626 Fiillstoffe 85 - Herstellungsverfahren 93 Fiinfringe von Heterocyclen 64 Fullerene 129 Fungizide 349 Funken 700 - gefahrliche 71 1 Funktionelle Gruppen 65 - halogenhaltige 67 - sauerstoffhaltige 66,68 - schwefelhaltige 67 - stickstoffhaltige 67,69 Funktionsprinzip einer chemischen Produktion 270 Funktionsproteine 457 Furan 64,695 Fusionen von Firmen 27 I Fusionen und Umstrukturierung europaischer Chemieunternehmen 736 FuBschutz 676 Futtermittelzusatz 349
G G. Conrad & Sohn 383 Gabelstapler 576,680 Gadolinium 18 Gallium 18 Galvanik-Riickstande 400 Galvanische Elemente 190 Galvanisieren 536 Gammexan 62 Gartassenreaktoren 662 Garung 474 Gas- und Fliissigkeitsfederthermometer 560 Gasbehalter 706 Gase 688 Gasfilter 693, 694 Gasol 59 Gasstahlflaschen 591 Gay-Lussac, Joseph Louis 174, 175 Gebirge 17 Gebirgsgletscher 374 Gebotszeichen 713,714,716,719 Gebrauchsgiiter 372 Gefahren durch Druck 705 Gefahrenarten 688 Gefahrklasse A I 697
Gefahrklasse A I1 697 Gefahrklasse A I11 697 Gefahrklasse B 697 Gefahrliche Stoffe 670 - Einteilung 690 Gefahrlichkeitsmerkmale Verordnung 700 - vonstoffen 700 Gefahrstoff-Verordnung(VBG 125) 70 1,7 13 Gefahrstoffe im Schutzkasten mit Abluft 687 Gefalltes Calciumcarbonat 92 Gefrierpunkt 187 - Erniedrigung 187,204 Gefriertrocknung 640 Gegenmutter 537 Gegenstromrektifizierkolonne 622 Geigy 4 Gelatine 2 1 1 ,240 Gele 210,211 Gemisch aus Polyamiden (Blends) 247 Gemiise 34 Generator 197 Gentechnologie 2 Geosynklinalen 41 8 Geraniol 445 Germanium I8 Geriiste 678 Gesamthlrte 379 Gesamtproduktion nachwachsender Rohstoffe 265 Gesamtverbrauch fosssiler Rohstoffe 265 Gesamtwasservolumen der Erde 34 Geschlossener Regelkreis 570 Gesellschaft fur Biotechnologische Forschung Braunschweig 410 Gesetz uber die Erhaltung der Energie 612 Gesetz von Gay-Lussac 174 Gesetz von Amontons 174 Gesichtsschutz 675 Gesundheitsschaden bei langerer Exposition 703 Gesundheitsschadlich bei Beriihrung mit der Haut 703 - beimEinatmen 703 - beim Verschlucken 703 Gesundheitsschldlicher Staub 685 Getrlnke 672 Gewichtsbelastetes Sicherheitsventil 549 Gewindearten 537 Gewurze 630 GFK, Glasfaser verstarkter Kunststoff 248 GFPPS, Glasfaser verstarktes Polyphenylensulfid 248 Ghomfjord, Norwegen 482 Gibbs, Josiak W. 1.138
Register
Gibbs-Helmholtzsche Gleichungen 138 GieBbare Werkstoffe 5 14 Giftig 700,702 - bei Beriihrung mit der Haut 703 - beimEinatmen 703 - beim Verschlucken 702 Giftige Feststoffe und Staube 686 - Flussigkeiten 686 - Gase 689 - Gase und Dampfe 686 Gitterboxpalette 576 Glanzeffekt 83 Glas und Glasfasern 528,529 Glaselektrode 560 Glasfaser verstiirkter Kunststoff 248,532 Glaspunkt 254 Glasubergangstemperatur 254 Glasumwandlungsinterall 254 Gleichgewicht zwischen Flussigkeit und Dampf 617 Gleichgewichtsdiagramm 620 - Konstanten 113 - Konzentration 620 - Typ 131,132 - Zustand 122,654 Gleichstrom 190, 196 Gleitringdichtung 574 Glimmer 303 Globalisierung 2,27 1 Glockenbodenkolonne 620,623 Glucinium 18 Glucose 144,223,424,470 a-D-Glucose 66 Glycerin 144 Glycin 443 Glycogen 28,129,232,439,442 Glycolsynthese 336 Gold 18 Golyshin, P. 410 Grace 383 Granulate 212 Granulatgewinnung 362 Graphische Farben 110 Graphit 415,513,535 GrauguB 522 Gravitationsfeldstiirke 733 Grenzflacheneffekte 726 Grenzschicht 632 Griechisches Alphabet 734 Griesheim Elektron 4,494 Griess, Peter 95 Grob-disperse Systeme 198, 199 - Eigenschaften 199 - Trennmethoden 199 Grobzerkleinerung 647
749
GroBenordnungen in cm-Einheiten 17 GroBtkorndurchmesser 644 Gruben, Einsteigen 688 Grundchemikalien 265 GrundflieBbild 260 Grundkonzept einer chemischen Produktion 223 Grundoperationen 610 - Einteilung 611 Griindungen chemischer Firmen 4 Griindungszeit von Chemieunternehmen I Grundverfahren in der chem. Verfahrenstechnik 610 Grundwasser 396 Gruppennummer im Periodensystem 14 Guanamin 329 Guanamin-Formaldehydharz 329 Guanidin-Verbindungen 329 Guanidinsalze 329 Guanin XI, 83,444 Guano-Werke AG 485 Guldberg, Carl Maximilian 123, 128 Gummi 532 Gummiarten 532 GUS 414 Gukisen 5 12,5 13
H Haare 682 Haber, Fritz 23 1 ,460 Haber-Bosch-Verfahren 460 Haecker & Sohn 383 Hafnium 18 Hiihne 545 Hahnium 18 Halbleiterbauelemente 274 Halbmetalle 33 Halbsynthetische Stoffe 511 Halbwertzeit 258 Haldone, J. B. S. 126 Halogen-Kohlenwasserstoffe 67 Halogene 22,273 Halogenid-Metallurgie 488 Halogenide 30 Halogenorganische Verbindungen in der Natur 492 Halogenwasserstoffe 493 Haltermann Fa., Speyer 383 Hamatit 83 Hamin 129,446 Haminderivate 41 3 Hammerbrecher 646,647 Hammermuhle 647 Handschutz 676
750
Register
Hamstoff 28,323,330,333,345,347,457 Eigenschaften 331 - Folgeprodukte 334 - Herstellung 331 - Technische Reaktionen 333 Hamstoff-Formaldehyd fur Kunststoffe 322 Hamstoff-Formaldehydharze 239 Hamstoff-Harze 333,334 Harnstoffsynthese 218,331,460 Harnstoffperoxohydrat 53 - VerfahrensflieRbild 332 Harte 514 Hartegrad, deutscher 379 Harteskala 303,s 14 Harze 239 Hastelloy 528 Haufigkeitsfaktor I20 Hauptgase 402,403 1 . Hauptsatz der Thermodynamik 136 3. Hauptsatz 141 3. Hauptsatz - Berechnung der Reaktionsentropie 141 Hausmiill 144 Hausmiilldeponien 395 HDPE, High Density Polyethylene 239,241, 375 Hebebocke 576 HeiBdampf 187 HeiRdampfkiihler 525 Heisenberg, Werner XI1 Heizdampfbedarf 6 15 Heizmittel 592 Heizrohre 592 Heizung 592 Heizwandkonstruktion 592 Heizwert 143,188,481,497 Helium 18 Helixstruktur eines Amylosemolekiils 442 Helmholtz, Hermann v. 1, 135 Henkel KGaA 4 , 6 Henkel u. Cie 339 Heptachlor 695 Heraeus, W. C. 4 Herbizide 349 Herstellung von Bioprotein, ApparateflieBbild 366 Herstellung von Natriumperoxoborat 55 Herzschlag 370 HeR,H.G. 135 Heterocyclen 64 Heterocyclische Basen 457 Heterogene Katalyse 250 Heteroringsysteme, kondensierte 65 Hexachlorbenzol 695 Hexachlorcyclohexan 62 -
Hexagonales Kristallsystem 167 Hexamethylendiisocyanat 236,350 Hexan 24,57,144 High-Density Polyethylen 375 Hill, Robert L. 482 Hill-Reaktion 482 Hinreaktion 122 Hippokrates von Kos 80 HIV, Human Immunodeficiency Virus 154 HIV-Inzidenz (Aids-Erkrankung) 154 Hiichstdruckdampf 293 Hochdruckdampf 293 Hochdruckextraktions-Verfahren 630 Hochentzundlich 700 Hochgebirgsluft 405 HochofenprozeR 228 Hochtemperaturpyrolyse 6 1 Hock, Heinrich 74 Hoechst AG 4,6,272,365,485,494 Hoechst Marion Russel 272 Hoechst-Inlandsgruppe 393 Hoff, van’t, Jacobus Hendricus 119, 134, 150 Hoffmann, Felix 80 Hoffmann-La Roche AG 5,383 Holmium 18 Holz 2,512,529 Homogene Katalyse 250 Homogene Gemische, Trennung 205 Homogenisierungsapparate 656 Homologe Reihe der Alkane 56 Hornologisierung 336 Hopfen 630,63 1 Hostalit 494 HTN, High Temperature Nylon 247 Huano 318 Hiils Aktiengesellschaft 5 Huminsauren 415 Humiten 415 Hiittenaluminium 305 Hydrazin-Hydrat 333,334 Hydrazobenzol 75 Hydrierungen 250,280 Hydrierungsprozesse 23 1 Hydrierungsreaktionen 29 Hydrienverke 436 Hydro- und elektro-metallurgische Methoden 32 Hydrocarbono-clastische Bakterien 4 11 Hydrochinon 75 Hydroformylierung 341,342 Hydrogele 21 1 Hydrometallurgie 30 Hydrosphiire 374,439 Hydroxide 43 - Verhalten 42
Register Hydroxidgruppe 42 Hydroxygruppe 68 Hydroxylapatit 466 Hypochlorite 49
I I-Regler 567 ICI Imperial Chemical Industries 5,384 Idealkessel 259 Idealrohr 259 IG-Farbindustrie AG 339 Ilmenit 87 Imidazol 64 Immission 403 Impfen 365 Implantationstabletten 21 2 Indanthren 95 Indigo 95 Indigoide Farbmittel 103 Indium 18 Indol 65 Industrieabfalldeponien 395 Industriepark Hiichst 383,385,408 Industriepark Kalle-Albert 4,383 Information 146,674 Informationsstrome 223 Informationstechnik 2 Tnhaltsstoffe in natiirlichem Wasser 377 InkohlungKarbonisation 45 1 Inkohlungsgrad 45 1 Inkubationsphase 156,370 Innovation 2, 147 Insulin 240 Insulinextraktion, VerfahrensflieBbild 26 1 Integrierend wirkender Regler fur Druck 566 Intensivmischer 659 Iod 22 Iodethan 68 Iodwasserstoff 22 Ionen 192 Ionenprodukt des Wassers 44 Indium 18 Irreversible Reaktionen 122 Irreversibler Schaden 703 Iso-PP, isotaktisches Polypropylen 241 Tsobutanol 340 Isobuten 244 Isobutylen 244 Isocyansaure 345,347,350,457 Isoelektronisch 346 Isolierstoffe 595 Isoliemngen, Ausfiihrungsarten 595 Isolierungsformen 597 Isomere Verbindungen 59 Isomerie 71
751
Isometrie 260,263 Isometrische Darstellung 263 Tsopren 62,244,439,444 Isopropylbenzol 7 1 Isotaktische, syndiotaktische und ataktische Polymerisation 232 Isotaktisches Polypropylen 241,252 Isotope 16,467 Isotropie 30 IUPAC-Nomenklatur 60
J Jahresemissionen in Deutschland 404 Jahresrhythmus 370 Jakob, Alfons J. 368 Jakob-Creuzfeldt-Krankheit 368 Jod 18 John Daltons Philosophie XI Jonisierungsenergie 13 Joule 170,732 Joule, James Prescott 135,170,732 Joule-Thomson-Effekt 593 Jura 420
K Kali- und Salz AG 374 Kalium 18,22 Kaliumcyanat 333,334 Kaliumhydroxid 42,43 Kaliumoxid 42 Kalk 329 Kalkammonsalpeter 326,327 Kalkbrennen 28 1 Kalksalpeter 326,327 Kalkstickstoff 328 KalleundCo. 4 Kalteisolierung 595,597 Ktiltemaschinen 594 Kambrium 421 Kaolin 92 Kaoliflorzellanerde 5 13 Kapital 146 Kapitaleinsatz 27 1 Kapitalstrorne 223 Kapitalvermehrung durch Verzinsung 150 Kapitalzu- u. -abfluB 157 Karbin 129 Karbon 418,421 Kaskade 259 Katalysator 121,226 Katalysatoreigenschaften 252 Katalysatoren, technische 249,255 Katalyse 131, 132,249 Katalyse-Reduktion von Nitroaromaten 376 Katalytische Reaktionen 249
752
Register
Kathode 196 Kationen 39 Kaudragees 2 13 Kautschuk 129,439,512 Kautschukbausteine 244 Kegelbrecher 646 Keil-Oval-Schieber 547 Kelvin 177 Kennfarbe 694,706,715 Kennzeichnung 7 13 - fur giftige DurchfluBstoffe 7 15 - nach Zusammensetzung von Stahlen 519 - von Atemfiltern 694 - von Atemschutzgeraten 694 - von Rohrleitungen 543,7 l 4 , 7 15 Kennzeichnungsbander 7 15 Keramische Werkstoffe 512,513,528 Kerbschlagarbeit 524 Kernsubstitution 77 Kerosin 625 Kerzenfilter 637 Kesselblech 522 Kesselkaskade 157,259 Keten 352,354 Ketone 66 Khibury-Lager auf Halbinsel Kola 462 Kieselgur 92 Kieselsaure 92,93,3 12,315 Kieselsluren und Silikate, GrundflieBbild der Herstellung 94 - gefallte 317 - hydrophobe 317 Kinematische Viskositat 732 Kinetik 159 Kinetik von Systemen 134 Kinetische Energie 1 17, 171 Kippgefahr 68 1 Kirche 17 Kirsche 17 Kito-Flamrnenriickschlagsicherung 579 Kliirbecken 256 Kliiren 634 Kliirschlamm 385 Kliirschlammverbrennungsanlage 400 Klassieren 649 Klatte, Fritz 357,494 Kleber 240 Klebstoffe 239,349 Klimarisiko 409 Klimazonen 422 Klopfsiebe 650 Knallgasbakterien 483 Kneten 656 Kniehebel fur SpritzguBmaschine 525 Knochenfasern 240
Knoll und Co. 5 Knollchenbakterien 458,484 Koagulation 20 1 Kochsalz 222 Kochsalz-Kristall 46 Kohle I , 329,413 - Entstehung 414 - Rohstoffe 431 Kohlechemie 2,270 Kohlehydrierung 484 Kohlenhydrate 424,473 Kohlensaure 38,40 Kohlenstoff 18.48, 144
Kohlenstoff-Kohlenstoff-Doppelbindungen 62 Kohlenstoff-Nanorohrchen 729 Kohlenstoffasern 534 Kohlenstoffaserverstarkte Epoxidharze 535 - Kunstharze 535 Kohlenstoffdioxid 38,345,404,447,470,473 - als Destraktionsmittel 629 Kohlenstoffdioxid-Kreislauf 282 Kohlenstoffdioxidemissionen 450 Kohlenstoffmonoxid 144,335,345,689 Kohlenstoffzyklus 440,447,448,450 - inder Natur 455 - Massen- und Energiebilanz 454 Kohlenwasserstoffe 56 - cycloaliphatische 62 - einkernige aromatische 63 - gesattigte aliphatische 56 - kondensierte aromatische 416 - mehrkernige aromatische 63 - ungesattigte aliphatische 60 Kohlenwasserstoffgele 2 1 1 Kohleresemen 427 Kohleveredlung 486 Kohleverfliissigung 437 Kolbe, Hermann 80 Kolbenpumpen 580,582 Kolbenventil 546 Kolbenverdichter 585 Kollagen 232,240 Kollergange 646,647,657 Kolloid-disperse Systeme 198,201 - Herstellung und Trennung 202 Kolonnentypen 622 Kombinationsfilter 694 Kombinierte Reaktoren 259 Kommunikationssysteme 27 1 Komplementarfarben 97 Komplexe Molekulstrukturen 128, 129,439 Komplexe Systeme XI Komplexe Zellstrukturen 369,440 Komplexverbindungen 48 Kompressibilitatskoeffizient 174
Register
Kompressions-Kdtemaschine 594,596 Komprimate 21 1 Kondensatableiter 550,551 - Schwimmergesteuerter 550 Kondensation 202,205 Kondensationswiirme 35,184 Kondensatoraufladung 152 Kondensatoren 400 Kondensatorentladung 154 Kondensieren 594 Kondensierte Ringsysteme, Nomenklatur 72 Kondratiew-Zyklen 1 , 2 Konsekutivreaktionen einer chemischen Umsetzung 157 Konservierungsmittel 222 Konstruktionszeichnung 260,264 - eines Maschinenteils 264 Kontaktkatalysatoren 250 Kontaktofen 599 Kontinentalsperre 80 Kontinente w&rend des Karbon 4 19 Kontinuierliche Reaktionsfiihrung 256 Kontrolleinrichtungen 552 Konvertibilitat der W h n g e n 270 Konzentration der Reaktionspartner, EinfluR auf die Reaktionsgeschwindigkeit 116 Konzentration-Zeit-Kurve 114 Konzentrationen 130,131 Konzentrationsabnahme einer Substanz 154 Kopfhaut 682 Kopfschutz 674 Korn, Beanspruchung 644 KorngroRen 649 Kornklassenbreite 649 Korrosion 535 Korrosionsbestandigkeit 5 16 Korrosionsschicht 535 Korrosionsschutz 535,536 Kosmetik 84 Kornungskennlinie 649,650 Kraft 732 Kraftverlangerungsdiagramme 5 17 Krebserzeugende Arbeitsstoffe 690,70 1 Kreide 92,420 Kreiselpumpen 580-582 Kreiselverdichter 587 Kreislauf des Stickstoffs in der Natur 3 19 Kreislauf des Wassers in der Natur 377 Kreislaufverdichter 32 1 Kreislaufwasser 389 Kristallisation in Bewegung 632 - inRuhe 632 - adduktive 632 - fraktionierte 632 Kristallisationsw&me 63 1
753
Kristallisatortypen 633 Kristallisieren 226, 63 1 Kristallkeimbildung 632 Kristallsysteme 167, 168 Kristallwasser 34 Kritische Daten einiger Gase 628 Kronenmutter 537 Kryolith 304,305 Krypton 18 Kubisches Kristallsystem 167 Kugelblasenhaufwerk 209 Kugellager 525 Kugelmiihle 646 Kiihlmittel 5 12 Kiihlschmierstoffe 5 13 Kiihlsolen 593 Kiihlung 592 - kiinstliche 593 Kiihlungsarten 592 Kunststoffe 512,513,530,543 - in Deutschland 240 - Hersteller 531 - thermische Entsorgung 496 Kiipenfarbstoffe 102 Kupfer 18,32,48,527 Kupferlegierungen 527 Kupferphthalocyanin 447 Kupplung 100 Kurbelwelle 525 - einer Dampfmaschine 525 - fiirKompressor 525 Kurtschwatovium 18 Kwe Kwe, Simbabwe 482 L Laboratorium mit Schutzkasten und Absaugung 697 Laboratorium, Verhalten in 670 Laborfermenter 603 Lack- und Anstrichsysteme 110 Lackmuspapier 39 Lackrohstoffe 359 Lagermetalle 528 Lagern 681 Lagerstatten 427 Lagemng fester Stoffe 575 - im Freien 575 - in Gebaudelagern 575 - in geschiitzten Lagern 575 - insilos 575 - von Fliissigkeiten 579 Landvegetation 474 Landwirtschaftlich-chemische und Leimfabrik, Biebrich am Rhein 4 Lange 732
754
Register
Langenausdehnung bei Feststoffen 179 Lanthan 18 Latex 207 Laugen 42 Lauterbourg 384 Lavoisier, Antoine L. 1 Lawrencium 18 LCP, Liquidcrystallinpolymere 245 LDPE, Low Density Polyethylene 241 Lebenszyklus von Produkten 157 Leghamoglobin 458 Legierter Stahl 520 Legierungen 206,511 Legierungsbestandteil 520 Leguminosen 484 Lehm 513 Leibniz, Gottfried Wilhelm X Leicht entzundlich, Gefahrensmerkmal 700 Leichtbenzin 59 Leichtmetalle 512,513 Leichtsieder-Kolonne 308 Leistung 169,732 Leiter 1. Ordnung 191 Leiter 2. Ordnung 191, 192 Leitern 678 Leitgerat 569 Les Baux, Bauxit 303 Letale Phase 156,370 Leuchtfarbmittel 86 Leuchtpigmente 82 Leuchtol 59 Leukokupenesterfarbstoffe 104 Lewis, G . N. 77 Licht und Farbe 97 Lichtabsorption 154 Lichtbogenwirkung 708 Lichtbrechung 85 Lichtgeschwindigkeit im materiefreien Raum 733 Lichtpigmente 86 Lichtreaktion 483 Lichtstarke 732 Life Sciences 130,271 Life-Science-Strategie 27 1 Lignine 415 Limitiertes Wachstum 15 1 Limitiertes Zellwachstum 152, 153 Linalool 445 Linde AG 4 Lindstead, Sir Reginald Patrick 95 Lineare Ratenzunahme 148 Linearer Ausgleichsvorgang 149 Linksgewinde 706 Lipide 465 Lipogele 211
Lithium 18 Lithopone 83,86 Lithosphare 439,467,491 LochfraB 535.536 Loser Flansch mit Anschweiabund 541 - mit Bordelrohr 541 Losemittel 205,624 Losemittelpolymerisation 235 Losen 656 Losetabletten 212 Losevorgang 203 Loslichkeit einiger Stoffklassen in fluidem Kohlenstoffdioxid 629 Losung 203 Losungswarme I86 Luft 85,402 Luftstickstoff 218, 318 Luftstrahlsieb 65 1, 652 Luftverunreinigung 403 Luftzerlegungsanlagen 476 Lumineszenz 86 Lumineszenzpigmente 86 Lurgi-Metallurgi GmbH 293 Lutetium 18 Lutschdragees 2 13 Lyophile Kolloide 20 1 Lyophobe Kolloide 202 Lyosole 199 Lyra-Bogen 540
M Magnesium 18,22 Magnesiumhae 379 Magnesiumhydroxid 42 Magnesiumoxid 42 Magnetabscheider 646,647 Magnetische Wirkung 708 Mahlbarkeit 644 Mahlgang 646 Mahlgut 644 MAK-Wert 490 MAK-Werte wichtiger Stoffe 691 Makro-Brownsche Molekularbewegung 254 Makromolekul 357 - Strukturen 237 Makroskopische Systeme 198 Mangan I8,48 Mannlochdeckel 705 Mantelheizung 592 Marinobacter hydrocarbonoclasticus 41 1 Masse 732 Massenwirkungsgesetz 113,123,135 Materialermiidung 549 Mathematische Funktionen zur Beschreibung von Prozessen in Natur und Technik 145
Register Matthews, F. E. 357 Mauvein 95,436 Maximale Arbeitsplatzkonzenttion (MAK) 690 Maxwell, James Clerk 121 Maxwell-BoltzmannscheEnergieverteilung 121 Mayer, J. R. 135 Mayer, Robert J. 1 MC-Gasstrome 393 McCabe-Thiele-Methode 620 Mechanik der Gase 172 Mechanik fester Korper 169 Mechanische Eigenschaften 5 14 Mechanische Trennung von Feststoffen und Fliissigkeiten 634 Mechanisches Gleichgewicht 124 Meeresschwamm 492 Meersalz 496 Meerwasser 374,377 mg technologies 5 Mehrfachsubstitution 7 1 Mehrkorperverdampfer 6 15 Mehrzweckmischer 660 Melamin 323,329,333,334 Melamin-Formaldehydharze 239 Melaminharz 323,329 Mellithsaure 415 Membranpumpen 58 I ,590 Membranregelventil 562 Membranzelle 277,279 Mendelejew, Dimitrij I. 1 Mendelevium 18 Mengenmessung mit dem Ovalradztihler 559 Mennige 83 Mensch 17,369 Menschliche Biomasse 440 Menschlicher Korper 34 Menstruationszyklus 370 Menten, M. L. 126 Mercaptan 67 MerckAG 4 MeBgerate 552 Mesopause 468 Mesosphare 468 Messing 206,527 MeBumformer 552 Metakieselsaure 315 Metall-Legierungen 5 13 Metallbindung 30 Metalle 5 11,625 - Eigenschaften 30 - Gewinnung 30 Metalleffektpigmente 82 Metalleigenschaften 5 12
755
Metallgesellschaft, mg technologies 5 Metallgewinnung 30 Metallische Werkstoffe 5 12 Metallocen-Katalysatoren 252 Metallothermische Reduktion 32 Metallperoxide 52 Metallspritzen 536 Metallurgie 349 Methan 21,29,57,58,144,288,345,346, 349,424 Methanbakterien 469 Methanbildung 455 Methanchloriemng 66,217,273,286,489,494 - VerfahrensflieBbild 287 Methandiphenyldiisocyanat 350 Methanisierung 335 Methanol 144,314,337,346,352,486 - Eigenschaften 336 Methanolsynthese 23 1,335,336 - VerfahrensflieBbild 338 Methanspaltung 61 Methionin 460 D-L-Methionin 349 Methylalkohol 345 2-Methylbutadien 244 Methylcellulose 339 Methylenchlorid (MC) 393 Methylenchlorid-Ruckgewinnung in der Wachsproduktion 394 Methylengmppen 438 Methylhalogenide 493 Methylolharnstoff 334 Methylomonas Clara 365 2-Methylpropanal 232 Methylpropanal 340 3-Methylpyrrol 72 N-Methylpyrrolidon 625 Meyer, Julius Lothar 1 MFPPS, Metallfaser verstkktes Polyphenylensulfid 248 Michaelis, Leonor 126 Michaelis-Menten-Gleichung 1 2 6 128 - -Konstante 126128 Mikrobiologische Produktion 364 Mikroorganismen 28,318,369,381,458,601 - autotrophe 469 - photosynthetisierende 470 Mikroskopische Systeme 198 Milch 207 MilcheiweiB 240 Mindergiftig, Gefahrensmerkmal 700,703 Mineralien 34 Mineralolverarbeitung 486 Mineralwasser 377 Mirex 695
756
Register
Mischen 654 Mischer, pneumatische 659 Mischoperationen mit Feststoffen 658 - mit Fliissigkeiten 654 - mit Gasen 661 Mischtrommeln 658 Mischvorgang 654 Mischwerke mit typischen T-Werkzeugen 661 Mist 3 18 Mitteldruckdampf 293 Mittelzerkleinerung 647 Molare Masse 20 Molekiil 19,20 Molekular- oder ionen-disperse Systeme 198 Molekular-disperse Systeme 203 Molekulbildung 20 Molekiilmasse 19 Molvolumen 176 Molybdan 1 8 , 31 Molybdatrot 9 I Monoklines Kristallsystem 167 C,-Monomere 244 Monosilan 3 17 Monsanto 5,384 Montanwachse 239 Montecatini SpA 5 Montedison SpA 5 MTBE (Methyl-tert-butylether) 339 Muffenverbindung 540 Muttern 537 MWG 123
N Na-Aluminat 304 Nachwachsende Rohstoffe 264 Nahrstoffe 373 Nahrsubstanz fur Pflanzen 464 Nahrungsmittel 363 Nahrungsmittelkette 460 Nahrungsmittelproteine 363 Nahrungsmittelzusatz 349 Nangal, Indien 482 Nano-Objekte 726 Nanobereich, biologische Systeme 728 Nanobereich, Stoffe 723 Nanokristallines Material 726 Nanometer 724 Nanotechnologie XI, 724 Naphthale 4 11 Naphthalin 64,416,436 /3-Naphthalinsulfonsaure 74 Naphthene 453 &Naphthol 74 Naphtholkomponente 107 /3-Naphtholorange 105
Naphtol ASm-Farbstoffe 107 Napoleon 80 NaBaufschluBverfahren fur Rohphosphate NaBmahlung 645 NaBphosphorsaure 266 NaRzerkleinerung 644 Nation@-Membran 278 Natrium 18,22 Natriumhydrogencarbonat 223 - Gewinnung 281 Natriumhydroxid 42.43 Natriumhypochlorit 48,489 Natriumoxid 42 Natriumpercarbonat 54 - Eigenschaften 54 - Herstellung 54,55 - Verwendung 55 Natriumperoxid 52 Natriumperoxoborat , GroBtechnische Herstellung 54 Natriumperoxoborat-Trihydrat 53 Natronlauge 40,273,280,488 - technische Verwendung 279 - Weiterverarbeitung 280 Natta, Giulio 357 Naturkautschuk 444 Naturkonstanten 733 Natiirliche Kiihlung 592 Naturstoffe 629 NBR, Nitril-Butadien-Rubber 242 Nebel 207 Nebel, Aerosol 1 2 Nenndruck 539 Nennweite 539 Neodym 18 Neon 18 Neptunium 18 Nernst,W. 141 Nernstsches Warmetheorem 141 Netzspannung I89 Neugierde 147 Neutralisation 46 Neutralisationsreaktionen 46 Newton, Isaac 169,732 Newtonmeter 169 Nichtcarbonathiirte 379 Nichteisenmetalle (NE-Metalle) 526 - Ubersicht 527 Nichtleiter 191 Nichtmetalle 5 1 1,5 I 2 Nichtmetallische Werkstoffe 512,513 Nichtrostende Stahle 523 Nickel 18 Nickelbronze 527 Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid 463
295
Register
Nicotinamid-Adenin-Dinucleotid(-Phosphat) 464 Niederdruckdampf 293 Niederdruck-Rhodium-Oxoverfahren 342 Niederrheinische Steinsalz- und Kalisalzlagerstatten 273 Niederschlag 47 1 Niob 18 Niton 18 Nitraniline 74 Nitrat-Ion 39 Nitrate 457,459 Nitrierung 71,80,460 Nitrifikation 458 Nitrile 67 Nitrilgruppe 69 Nitrilotriessigsaure 465 o-Nitroanisol 74 Nitroaromaten 375 Nitrobenzol 7 1,73 Nitrogenase 458,459 Nitrogenase-System 485 p-Nitrophenetol 75 Nitrophenol 98 p-Nitrophenol 73.75 m-Nitrophenyl-hydrazin-hydrochlorid 76 Nitroverbindungen 67,74 Nobelium 18 Norbonen 254 Normalbildungsenthalpien 140, 142 Normalentropien 141 Norsk Hydro, Norwegen 5 Novartis AG 5,6,272.384 Nukleinsauren 129,439,443,457,463 Nukleinsaurestruktur 443 Nukleotidbaustein 440,443 Nut- und Federflansch 541,542 Nutz- und Endprodukte 269 Nutzguter 372 Nutzsystem 372 Nylon 357 Nylonsynthese 69
0 Oberer Heizwert 188 Oberflacheneffekte 726 Oberflachenkorrosion 535 Oberflachenpassivierung 28 Oberflachenverfahren 662 Obergkiges Bier 662 Obernai, ElsaB 384 Oberschlesische Steinkohlebecken 418 OECD-Staaten 426 Oehler, K., Offenbach 4 Off-shore-Bereich 414
757
Offene Steuerkette 570 Offnungsventil 563 Ohm, Georg Simon 1,193 Ohmsches Gesetz 192,193,709 Okologisches Gleichgewicht 124 Olefinanlagen 486 01- u. Fetthwung 486 Olefinchemie 60 Olsaaten 630 On-shore-Bereich 414 Optimieren chemischer Verfahren 268 Optische Aufheller 349 Optische Eigenschaften pigmentierter Anstriche 84 Optisches Pyrometer 182 Ordnungszahl im Periodensystem 14 Ordovicium 421 Organisationsverbund einer chemischen Produktion 268 Organisatorischer Betrieb der Deponie 396 Organische Farbmittel 95 - Einteilung 102 Organische Naturstoffe 51 1 Organische Pigmente 96 - Anwendungsgebiete 109 - fir Spinnf~bungen 111 - fur verschiedene Anwendungsgebiete 111 Organische Stoffe 513 Organische vollsynthetische Stoffe 51 1 Organische Zwischenprodukte 486 Organopolysiloxane 3 17 Organosilan 3 17 Orthokieselsaure 3 15 Orthophosphorsaure 38 Orthorhombisches Kristallsystem 167 Osmium 18 Osmotischer Druck 204 Ostseehafen Rostock 6 Oszillierende chemische Reaktionen 370 Ottomotor 612 Ovalrader im Z&ler 559 Oxazol 64 Oxichlorierung 393,494 Oxidation 250 - durch Luftsauerstoff 473 - in der chemischen Technik 228 - langsame 27 - schnelle 25 - von Kohlenstoff 423 Oxidationsprozesse im Meer und auf dem Festland 471 Oxidationsreaktionen mit Sauerstoff 24 Oxidative Verwitterung 398 Oxidativer Abbau 449 Oxide 30
758
Register
Oxidschicht als Schutzschicht 27 0x0-Produkte 486 Oxoalkohole 359 Oxosynthese 231,339 - Apparateflieabild 341 Oxoverbindungen 48 Ozeane 374 Ozon 467,475 Ozonbildung in der Stratosphare 495 Ozonmolekule 402 Ozonosphare 467,468 Ozonradikal 408 Ozonschicht 403,467
P PA 4,6, Polyamid 4,6 246 PA 6, Polyamid 6 246 PA 6,6, Polyamid 6,6 246 PAEK, Polyacryletherketon 245 PAI, Polyamidimide 248 Palabora-Lager in Sudafrika 462 Palaozoikum 41 9 Palladium 18 Palmitinsaure I 4 4 PAN, Polyacrylnitril 242 Papier 542 Pappe 542 PAR, Polyacrylnitril-Rubber 242 Paraffin 56,59 Paraffinole 211 Partikelfilter 694 PAS, Polyalkylsulfone 248 Pascal, Blaise 705,732 Passivierung 27,535 - von reinem Aluminium 27 Pasten 210 PBT, Polybutylenterephthalat 246 PC, Polycarbonat 245 PCT, Pol ycyclohexenyl-dimethylol-terephthalat 246 PEEK, pol yether-etherketon 245 PEI, Polyetherimide 247 Pektine 21 1 Penetrationssalben 2 I 1 Pentadien 62 Pentan 57 Pentanatriumtriphosphat 465 PEO, Polyethylenoxid 244 Peptisation 20 1 Perborataktivator 356 Perborate 48 Percarbonat 54 Perchlorate 49 Periodensystem der Elemente 14 Peristaltik 370
Perkin, William Henry 95,436 Perlglanzpigmente 82 Perlpolymerisation 236 Perm 421 Permanganate 50 Peroxoborate 53 Peroxoverbindungen 50 Persistent organic pollutants, POP 695 PES, Polyarylethersulfone 248 Pestizide 349 PET, Polyethylenterephthalat 246 Petrochemie 2,6,270,432 PF, Phenol-Formaldehyd-Harze 246 Pfefferminzol 69 Pfizer,USA 4 Pflanzen 448,492 Pflanzenschutzmittel 227 Pfropfen 234 pH-Wert 44 pH-Wert-Messung 559 pH-Wert-Skala 45,559 Pharmakologie I57 Phase 12 Phasenneubildung aufgrund von Temperaturanderungen 205 - nach dem Nernstschen Verteilungssatz 205 Phenanthren 436 Phenole 63,66,73,98 Phenol-Formaldehydharze 239 Phenothiazin 107 l-Phenyl-3-methyl-5-pyrazolon 78 Phenylessigsaure 69 Phenylharnstoff 334 Phenylhydrazin 76,79 Phenylrest 63 Phosgen 345,350,489 Phosphat-Ion 39 Phosphate 28 - Venvendung 294 Phosphatforderband in Marokko 295 Phosphathaltige Dungemittel 326 Phosphatierung 38,536 Phosphatlager 461 Phosphatmineralien 461 Phosphatzyklus 461,462 Phosphinsaureanhydride 302 Phospholane 302 Phosphole 302 Phospholipide 463,464 Phosphonsaureanhydride 302 Phosphor 18,29,48,300,301 - als Bioelernent 463 - und seine Eigenschaften 294 Phosphorherstellung nach dem elektrochemischen Verfahren 300
Register Phosphoroxid 27 Phosphorpentoxid 640 Phosphorsaure 37,39,218,294,300 - Weiterverarbeitung 301 Phosphorsaureherstellungdurch NdaufschluB, Stoff- und EnergiefluB 298 - VerfahrensflieBbild 297 Phosphorsaurestruktur 443 Phosphorverbrennung 27,229 Phosphorwasserstoff 302 Photodissoziation 467 Photolyse 483 Photoproduktion von Wasserstoff 487 Photosynthese 29, 38 1,448,450,473 Phthalimid 333,334 Phthalocyanine 95, 129 Phthalocyaninfarbmittel 104 Phyllochinon 444 Physikalische BezugsgroBen 36 Physikalische Vorglinge 12 Physiologische Energietrager 441 Physiologische Wirkungen 708 Phytol 446 Phytoplankton 413,475 PI, Polyimide 247 PIB, Polyisobutylen 242 Pier, Matthias 436 Pigmente 81 - Herstellungsverfahren 90 - wirtschaftliche Bedeutung 90 Pikrinsaure 98 Pillen 213 Pilze 492 Pipelines 267 Plancksches Wirkungsquantum 733 Planeten-Mischkneter 657 Plankton 452,453 Plastizitat 542 Plastomere 239 Platin 18 Plattenfedermanometer 553 Plattentektonik 419 Plattieren 536 Plexiglas 532 Plutonium 18 PMMA, Polymethylmetharcylat 242 Pneumatische Flussigkeitsforderer 583,584 Pneumatischer Stellantrieb 563 Pneumatisches Einheitssignal 552 Pochwerk 646 Polonium 18 Poly-(dimethylsiloxan) 317 Polyacrylnitril 230,233,242, 323 Polyacrylnitril-Fasem 534 Polyaddition 236
759
Polyamide 239 Polyederblasenhaufwerk 209 Polyester 239 Polyesterfaser Trevira@ 236 Polyesterfilme 239 Polyethylen 60,144,232,359, 360,530 Polyethylenfolie 239 Polyethylenglykole 213 Polyethylenglykolgele 21 1 Polyethylenglykolterephthalat 236 Polyethylenterephthalat, Synthese 392 Polyhydroxyaldehyd 66 Polykondensation 236 Polykristallines Reinstsilicium 309 Polykristallines Silicium, Darstellung 3 10 Polymere, anorganische 240 - technische Einteilung 239 Polymere, die mit Metallocenkatalysatoren hergestellt werden 253 Polymerisate 359 Polymerisation 250,357,361,375 - derGlucose 423 Polymerisationsgrad 239 Polymerisationsreaktionen 232 Polymerisationstechnik,Verfahren 235, 239 Polymerisationsverlauf 233 Polymerisatpulver 362 Polymethylenhamstoff 333,334 Polymethylensynthese 336 Polyorganometallosiloxane 534 Polypropylen 60,233,242,359, 360, 375,530 Polysaccharid 239 Polystyrol 71,233,243 Polysulfon 248 Polytetrafluorethylen (PTFE) 233,241,532 Polyurethan 236,323 Polyvinylacetat 223, 360 Polyvinylchlorid (PVC) 144,233, 241, 273, 358,494,530 POM, Polyoxymethylen 244 Porenstruktur von M2IS-Materialien 727 Porphyrinringstruktur 129,447 Porzellan 529 Potentielle Energie 171 PP, Polypropylen 242 PPA, Gemisch aus Polyamiden 247 PPE, Polyphenylenether 244 PPO, Polyphenylenoxid 244 Prandtl, Ludwig 632 Prandtlsche Grenzschicht 632 Praseodym 18 PreBluftgerate 695 Priestley, John 466 Prim& Bausteine 440 Prim&-Rohstoffe 372
760
Register
Primarchemikalien 265 Primarenergiebedarf in Deutschland 43 1 Primarenergieverbrauch 228 Primarquellen fur die Wasserstofferzeugung 487 Primate 369 Prinzip des gestorten Gleichgewichts 123 Prionen-Protein 368 Produkt-Lebens-Zyklus 159 Produktions- und produktbezogener Umweltschutz 391 Produktionsbedingungen in der chemischen Industrie 223 Produktionsintegrierter Umweltschutz 39 1 Profitabilitat 27 1 Prokaryonten 458 Promethium 18 Propadien 62 Propan 57 Propelleniihrer 655 Propen 60 Prophylen, Produktstammbaum 359 Proportional-Regler 564 Propylen 60,230,233,357-359 - als Primiirchemikalie 360 - Produktstammbaum 357 Propylenoxid 489 Protactinium 18 Proteine 129, 232, 454, 457 Protonen 14 Prufsiebung 649 PS, Polystyrol 243 PSF, Formmassen auf Basis von Polyphenylensulfid 248 PSU, Polysulfon 248 FTFE, Polytetrafluorethylen 24 1, 5 13 Puder 209 Pulsationskolonne 626 Pulver 209 Purnpen 580 PUR, Polyurethan-Rubber 247 Purin 65 Purinstruktur 444 Purpurbakterien 470 PVC, Polyvinylchlorid 144,233, 241, 273, 358,494,530 PVC-Filme 239 PVC-Meta-Konzept 497 Pyrazin 64 Pyrazol 64 Pyrazolone 78 Pyrazolsaure-4- 1-(4-sulfophenyl)-3-methyl-5pyrazolon 78 Pyren 64,4 16,436 Pyridazin 64
Pyridin 64 Pyrimidin 64 Pyrogene Kieselsaure 93,94 - Einsatzgebiete 3 12 Pyrometallurgie 30,3 1 Pyropter 181 Pyrrol 64
Q
Quadratische Ratenzunahme 148 Quartar 420 Quarz 29,306-308 Quarzkies 307 Quarzmehl 92 Quecksilber 18 Quecksilber-Natrium-Legierung 196 Quecksilberdruckthermometer 18 I Quecksilberthermometer 180 Quecksilberzellen 278 Quell- und FIuBwasser 377
R R-Satze 701 Radialstromduse 387, 661 Radialverdichter (DEMAG) 587 Radioaktiver Zerfall 154, 157 Radium 18 Radon 18 Raffinat 624-625 Raffination 30 Raffinerie 432,425 Raffineriestandorte 425 Rafthierung von Erdol und Erdgas 267 Rahmenfilterpresse 637 Raketentreibmittel 49 Raoult, Franqois-Marie 6 19 Raoultsches Gesetz 618,619 Rauch, Aerosol 12 Rauchen 672,699 Rauchgase, Reinigung 40 I Rauchgasreinigungsanlage 406 Rayon 534 Reaktion 224 - 1. Ordnung 116, I I8 - 2. Ordnung 118, 122 - 3. Ordnung 126 Reaktionen an funktionellen Gruppen 68 - mit vorgelagertem Gleichgewicht 125 - endergonische 139 - endotherme 139 Reaktionsablauf 225,226 Reaktionsapparate 598 Reaktionsapparate fur kontinuierliche Verfahren 599 Reaktionsarten I3 1 , I32
Register Reaktionsenthalpie 23 142 - Bestimmung 140 - endergonische 139 - endotherme 139 - exergonische 139 - exothermene 139 - fur die Hydrierung von Kohlenstoff zu Kohlenwasserstoffen 143 Reaktionsentropie 137 Reaktionsflexibilitat 131, 133 Reaktionsfuhrung 224 Reaktionsgeschwindigkeit 113, 115 Reaktionsgeschwindigkeit fur den Peroxidzerfall 115 Reaktionsgeschwindigkeitskonstante 116, 150 - Isobare 135 - Isochore 135 - lsotherme 135 - Kinetik 113 - Medium 390 - Ordnung 1 18, 1 19 - Bestimmung 121, 119 - Partner 226 - Produkte 131 - W W e 23 - Z i t 113, 130, 131 Reaktivfarbstoff 96, 104, 323,349 Reaktivkomponenten 105 Reaktor 131, 132 Reaktoren fur elektrochemische Umsetzungen 598 - fur Fermentationen 598 - fur Kernreaktionen 598 - fur photochemische Umsetzungen 598 - fur thermische Umsetzungen 598 - Grundtypen 258 RLaumur 177 Recycling 37 1,496 Redoxreaktionen 29,474 Redoxvorgange rnit NAD 464 Reduktion 3 1, 80, 250 - in der chemischen Technik 228 - von Stickstoff 485 Reduktionsprozesse 229 Reduktionsreaktionen 29 Reduzierstation 547,548, 591 Reflektierte Komplementiirfarbe 97 RegelgroBe 563 Regelkreis, Blockdarstellung 564 Regelkreislauf mit Zweipunktregler 568 Regeln fur den Umgang rnit Atemschutzmasken 693 Regelstrecken 563 Regeneratfasem, Farbstoffe 108 - Berechnung
761
Regeneration 2 Regenerationssystem 372 Regenwasser 377 Regler rnit I-Verhalten 566 Reibungselektrizitat 189 Reichstatt, ElsaB 384 Reinigen 226,67 1 Reinigungsmittel 207 Reinmetalle 5 12 Reinstsilicium 274 - Veredlungsstufen 3 15 ReiBscheiben 549,550 Reizend 700 Rektifikation 434 Rektifikationskolonne 62 1 Rektifizieranlage 622 Rektifizieren 617 Rektifizierteil 434 Resorcin 74 Resorption 25 1 Reststoffe 390 Reststoffverwertung 392 Retard-Formen 2 I2 Rettungszeichen 713, 718 Reversible Reaktionen 122 Rhenium 18,31 Rhodium 18 Rhodium-Katalysator 343 Rh8ne-Poulenc S. A. 5 , 6 Rhone-Poulenc Rover 272 Ribose 439 Ribosestruktur 443 Richtlinien fur Laboratorien der BG Chemie 670 Riedel de Haen 4 Rieselturm mit Fullkorpem 599 Rieselturme 599 Rinderkadaver 368 Roche, Basel 384 Roche Diagnostics GmbH 4 Rohphosphat 29,218,224,294,301 - Forderung 294 Rohphosphatvorkommen 294 Rohphosphorsaure 218,625 Rohol, Zusammensetzung 432 Roholnetz in Deutschland 6 Rohre 539 Rohrfedermanometer 553 Rohrhalterungen 539 Rohrleitung 263, 539 - Kennzeichnung 543 Rohrleitungs- und InstrumentenflieBbild 260, 262 Rohrleitungsnetz fur den Sauerstofftransport 477
762
Register
Rohrleitungsteile 539 Rohrschlangen 592 Rohrschusse 539 Rohrstucke 539 Rohrverbindungen 540 Rohrverschraubung 540 Rohrzucker 223 Rohsilicium, Herstellung und Verfahrensschritte 308,309 Rohstoffe 264,269 Rohstoffklassen 264 Rohstoffverbund 432 Rollenforderer 576 Rollenrost 65 1 Rosten von Eisen 27 Rotationsanregungsenergie 120 Rotationsverdichter 585 Roter Phosphor 302 RotguB 527 Roussel-Uclaf S. A. 5 Roux-Flaschen 662 ROW Rheinische Olefinwerke 383 RohmGmbH 5 Rohrenkontaktofen 600 Rosten 31 Rubenschnitzel 627 Rubidium 18 Ruckgewinnung von Methylenchlorid 393 Rucklaufverhaltnis 622 Ruckreaktion 122 Ruckschlagventile 550 Ruhemasse des Elektrons 733 - des Neutrons 733 - desProtons 733 Ruhrchemie AG 5,339 Ruhren 654 - mechanisches 654 - pneumatisches 656 Ruhrerformen 655 Ruhrkessel 258 - kontinuierlich 259 Ruhrkesselfermenter 602, 603 Ruhrstromung 655 Runge, Friedrich Ferdinand 96,436 RuBe 92,93 Rutgerswerke AG 4 Ruthenium 18 Rutschgefahr 68 1 Ryukan 482
S Salben 210 Salicylsaure 80 Salpetersaure 38,39,265, 323,324,326 - Verwendung 326
Salpetersaure-Synthese 460 Salpetersaureherstellung, Verfahrensflieabild 325 Salzbildner 22 Salzbildung 46 Salze, Eigenschaften 46 Salzsaure 39,489-490 Salzsole 275 Salzvorkommen 273 Samarium 19 SAN, Styrol-Acrylnitril-Copolymere 243 Sandfilter 636 Sandkorn 17 Sandmeyer, Traugott 76 Sandmeyer-Reaktion 76 Sandoz AG 5 6 , 2 7 2 Sankey-Diagramm 612,617 Sasol (Suid Afrikaanse Steenkool-, Olieen Gaskorporasie) 267,482 SatinweiB 92 Satz XI Satzbetrieb 256 Sauerstoff 18,48, 228,475 - einatomiger 409 - molekularer 466 - zweiatomiger 408 Sauerstoffatom 21 Sauerstoffbindung in der Welt 475 Sauerstofffreisetzung durch Photosynthese 476 Sauerstoffgehalt in der Atmosphare 472 Sauerstoffgerate 695 Sauerstofftransport 476 Sauerstoffverbrauch durch technische Verbrennungsprozesse 475 Sauerstoffzyklus 466, 475 Saugnutsche 636 Saurefarbstoffe 105 Sauren 37 - Eigenschaften 39 - mittelstarke 41 - Dissoziationsgrad 41 - schwache 41 - sehrschwache 41 - sehrstarke 41 - starke 41 - Stiirken 40 Saurerest-Ion 39 SBR, Styrol-Butadien-Rubber 243 Scandium 18 Schadstoffe, langlebige 695 - organische 695 Schalenisolierung 597 Schallschutz 676 Schaltplan eines Leitgerates 570 Schaltwarte 227
Register Schamottsteine 529 Schaufelkneter 657 Schaufelmischer 658 Schaufelradfermenter 603,604 Schaume 12,207,209 Scheele, Karl Withelm 273,466 Scheidemande, Wiesbaden 383 Schematisches FlieBbild der Ammoniakherstellung 260 Scherflugel-Mischwerk 658 Schering AG 4 , 6 Schieber 546 Schlack, Paul 357 Schlag- und Schleudermuhlen 647 Schlagstiftmuhle 646, 648 Schlamm 12 Schlammeindicker 386 Schlaufenfermenter 603,604 SchlieBventil 563 SchmelzfluBelektrolyse 303, 304 - von Aluminiumoxid 306 Schmelzpunkt 187 Schmelzsicherung 195, 196 Schmelzwiirme 13,35, 183, 184 Schmiermittel 5 12 Schmierol 59 Schmierstoffe 5 13 Schnecke fur Kunststoffpresse 525 Schneckenaustragszentrifuge 639 Schneckenbandmischer 658,659 Schneckenkneter 657 Schneckenmischer 65 8 Schnittbearbeitbare Werkstoffe 5 14 Schonberg, M. 144 Schragsitzventil 546 Schrauben 537 Schraubenarten 537 Schraubendreher 538 Schraubenschlussel 538 Schraubensicherungen 537, 538 Schraubenverbindungen 537 Schriftsprache XI Schiittelsieb 650 Schutz gegen Vergiftungen durch Gase und Dampfe 693 Schutzausriistung, personliche 674, 675 Schutzbrille 684 Schutzhandschuh-Merkblatt 67 1 Schutzhandschuhe 680 Schutzhelm 674,680 Schutzkleidung 676 Schutzkleidungs-Merkblatt 671 Schutzkontaktstecker 7 10 SchutzmaBnahmen gegen Brande und Explosionen 699
763
Schutzmahahmen gegen Fall 672 Schutzschichten 536 Schutzschuhe 680 Schutzvorrichtungen an Arbeitsmaschinen Schwebekorper 558 Schwebekorperprinzip 590 Schwedt an der Oder, Petrochemie 6 Schwefel 18, 22,48,229,470,480, 487 - technische Gewinnung 480 Schwefelbakterien 470 Schwefeldioxid 26, 229,404 - katalytische Oxidation 29 1 Schwefeldioxidemission 405 Schwefeldioxidgewinnung 290 Schwefelfarbmittel 104 Schwefelfarbstoffe 106 Schwefelige Saure 229 Schwefelkohlenstoff (Kohlenstoffdisulfid) 345,351 Schwefelkreislauf in Natur und Technik 480 Schwefeloxide 229 Schwefelsaure 37,39,40,229, 265,266,292, 470,480 - Verwendung 293 Schwefelsaureanlagen 405 Schwefelsaureherstellung nach dem Doppelkontaktverfahren 2 18,289 - VerfahrensflieBbild 290 Schwefeltrioxid 26, 229 - Absorption 291 Schwefelverbrennung 26 Schwefelvorkommen 289 Schwefelwasserstoff 21,470, 480, 689 Schwefelwasserstoffsaure 40 Schwefelzyklus 478 Schweflige Saure 37,39 SchweiBbare Werkstoffe 514 Schwerbenzin 59 Schwermetalle 512, 513 Schwermetallverbindungen 406 Schwersieder-Kolonne 308 Schwerspat 33,92 Schwingrost 65 1 Schwingsieb 650,651 - mit Unwuchtantrieb 651 Schwingsiebmaschine 652 Schwingungsanregungsenergie 1 20 Schwingungsbewegung 649 Schwingungsfrequenz 649 Sechsring, Heterocyclen 64 Sedimentation 634 Sedimentgesteine 461 Sedimentieren 634 Seetang 492
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Register
Sehr giftig, nach der Gefahrstoff-Verordnung 700,702 - bei Beriihrung mit der Haut 702 - beimEinatmen 702 - beim Verschlucken 702 Seifenschaum 207 Seilziige 683 Seitenkettenchlorierung 77 Seitenkettensubstitution 77 Selbstentziindung 398 Selbstsichernde Sechskantmutter 537 Selen 18 Stlestat, ElsaS 384 Sensibilisierend 700 Sensibilisierung durch Einatmen moglich 704 Servo, Niederlande 384 Shell, Niederlande 384 Shell Company 410 SI-Einheiten 732 Sicherheit 669 Sicherheitseinrichtungen 548, 67 I Sicherheitskennzeichnungam Arbeitsplatz 713 Sicherheitsventile 548 Sicherungen 195 Sicherungsautomat I96 Sichtwind 653 Sickerwasser 396 Siebanalyse 649 Siebbandtrockner 64I Siebbodenkolonnen 623,626 Siebe mit Drahtgitter 650 Sieben 649 Siebgiitegrad 649 Siebmaschinen 649 - Ubersicht 650 Siebnummer 649 Siebratter 650 Siebroste 650, 65 I Siebsatz 649 Siebtrommel 650, 652 Siebzentrifuge 635, 638 Siedediagramm bei konstantem Druck 6 19 Sieden 185 Siedepunkt 185 - von Losungen 188 Siedepunktsdifferenz 625 Siedepunktserhohung 188 Siedetemperatur 620, 624 Siemens, Werner v. 1 Signal analog 57 1 - digital 571 - digital seriell 571 Signale in Steuerungen 570 Silben XI
Silber 18 Silberbronzen 82 Silberhydrnxid 43 Silicium 18, 29, 307, 308, 31 1. 314 - Vorkommen 306 Silicium-Einkristalle, Herstellung 3 10 - Tiegelziehverfahren 3 10 - Zonenziehverfahren 3 10 Siliciurndioxid 303 Siliciumherstellung 267, 306 Siliciumtetrachlorid 3 12 Siliciumverbindungen. Produktpalctte 3 13 - Stammbaum 316 Siliciumwafer, Wachstumsrate 3 15 Silicon 3 17, 534 Silicon-Bauschutzmittel 3 13 Silicon-Produktion 3 I3 Siliconfette 3 13 Silicongele 21 1 Siliconharze 239, 3 I3 Siliconkautschuk 249 Siliconole 3 13, 534 Silikate 93 Silikose 685 Siloschneckenmischer 658.659 Silur 421 Simon,E. 357 SKE 228 SKW-Piesteritz a.d. Elbe 485 SKW-Trostberg 6. 272, 63 I SMA, Styrol-Maleinsaurealkylester-Copolymer 244 Snellius, Snell von Rojen 84 Soda 2 17,223,273,282 - technische Verwendung 284 Soda- und Alkalichlorid-Elektrolyse-Chemie - Verbund 284 Sodagewinnung nach Solvay 281 Sohio-Acrylnitril-Verfahren 349 Sojamehl als EiweiRquelle 367 Sol 12 Solarenergie 487 Solvens 624,625 Sondermiilldeponien 395 Sonne 17 Sonnenenergie 28. 373,47 1 Spaltprozesse 486 Spannung 192,709 Spannungs-Dehnungs-Diagramm 5 16.5 17 Spannungskorrosion 535 , 5 36 Soderberg-Elektrode 300, 305 Speicherung von Informationen 131, 133 Speisen 672 Spezifische Warme 178 Sprode Stoffe 645
Register Spriihmittel 207 Spriihtrockner 642 SPS, S = Suspensionspolymer, PS = Polystyrol 243 Spurengase 402,403,409 Stabthermorneter 560,561 Stahl 2, 512,513,518 Stahle fur bestimmte Verwendungszwecke 523 Stahlsorte 524 Standardbildungsenthalpien 140 Standmessung 554 - rnit einern Schwimmer 554 - mit Hilfe eines Schauglases 554 - nach dern Bodendruckprinzip 554 - nach der Einperlrnethode 555 - nach der Verdrangungsrnethode 556,557 Standorte von biologischen Abwasserreinigungsanlagen 382 - von rnechanisch-biologischen Abwasserreinigungsanlagen 383 Stapeln 681 Stake 129,21 I , 232,239,439,442 StLkemolekul 442 Startreaktion 233,234 Stationae Phase 156, 370 Statische Elektrizitat 71 1 - durch feste Stoffe 712 - durch Flussigkeiten 7 1 1 - durch stromende Gase 7 1 1 Staub 404 Staubabscheidungssysteme 405 Staudinger, Hermann 357 Steady state 124 Steifigkeit 533 Steingut 529 Steinkohle 265,415 Steinkohlebildung 41 9 Steinkohlefloze 418 Steinkohleneinheit, 1 SKE 228,428 Steinkohlenteer 265,436 Steinkohlevorkornmen, Verteilung 426 Steinsalz 217, 222, 273, 274, 282, 314,496 Steinzeug 529 Sterilisation 365 Stetige Regler 564 Steuerungen 570 Stickstoff 18,29,48, 229,457 - als Bauelement von EiweiB 3 18 - Eigenschaften und Vorkommen 3 18,457 - zumArnmoniak 459 Stickstoff-Fixierung 458 Stickstoffaufnahme und Assimilateinlagerung 153 Stickstoffdioxid 38, 125
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Stickstofffixierung in der Atmosphiire 3 18 Stickstoffgewinnung 320 Stickstoffhydrierungsreaktion 484 Stickstoffkreislauf 3 18,461 - biologischer 458, 459 Stickstoffmonoxid 125 Stickstoffoxide NO, als NO2 404,405 Stickstoffoxidemittenten 405 Stickstoffpentoxid 22 Stickstoffverbindungen, Abbau 458 - Hierarchie 457 Stickstoffzyklus 457 Stiftschrauben 525 Stoff 610 Stoff- und Energieurnsatz in der chemischen Industrie 217 Stoff- und Energieverbund 265,610-612 Stoff- und Energiezyklen 403 Stoff- und Energiezyklus der Erdol-, Erdgasbildung und Inkohlung 422 Stoffausbeute 61 1 Stoffbilanz 61 1 Stoffe mit MAK-Werten 690 - die vorwiegend durch den Mund in den Korper gelangen 686 - die vorwiegend durch die Haut in den Korper gelangen 686 - fur die keine MAK-Werte aufgestellt werden konnen 690 Stoffkreislaufe 220,439 Stoffmenge 20,732 Stofformung 610.61 1 Stoffstrorne 223 Stofftransport 610,611 Stofftrennung 610,611 Stoffumsatz X, 22, 157,222 Stoffumwandlungen, biochemische 28 Stoffvereinigung 610, 61 1 Stoffwechelprodukte 28 Stoffwertblatter fur thermodynamische Daten 144 Stoffzyklen 370,403,442 Stopfbuchsen 573 Stopfbuchslose Abdichtung 574 Stopfisolierung 597 StoBzahl und Teilchenkonzentration 1 17 Strahlpurnpen 583,587 Strahlungspalette aus dern All 494 Strasbourg 384 Strategien des produktionsintegrierten und additiven Umweltschutzes 390 Stratopause 468 Stratosphtire 274,408,468 Streckgrenze 517,524 Stromkreis 710
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Register
Stromleitung in Fliissigkeiten 191 Stromleitung in Metallen 191 Stromlinien am Hindernis im durchflossenen Rohr 558 Stromrichtung 189 Stromstarke 192,709 - gefahrliche 708 - ihre Wirkungen und Folgen 708,709 Strontianit 33 Strontium 19 - Gewinnung 33 Strontiumhydroxid 43 Stromungsquerschnitte im konischen Rohr 557 Stromungsrohr 258,259,599 Strukturproteine 457 Sturz von Personen 672 Styrol 233,357 Styrol-Acrylnitril-Copolymere 243 Styrol-Butadien-Rubber 243 Styrol-Maleinsaurealkylester-Copolymer 244 Sublimieren 186 Sublingual 212 Submersfermentation 662 Submersverfahren 662 Substitutionsreaktionen 70 Sulfaminsaure 333,334 Sulfanilsaure 78 Sulfat-Ion 39 Sulfate 478 Sulfatreduktion 479 Sulfatverfahren 87 Sulfide 30,478 Sulfidvorkommen 289 Sulfit-Ion 39 Sulfonierung 70 Sulfonsauregruppe 70 Sulfonsauren 39,67 Sulfoxidation 66 Suppositorien 213 Suspension 13,361,634 Suspensions- oder Perlpolymerisation 235,236 Suspensionssuppositorien 213 SiiBwasser 374 Symbionten 458 Synd. PP, Syndiotaktisches Polypropylen 242,
252 Synd. PS, Syndiotaktisches Polystyrol 243 SyngentaAG 6 Synthesegas 58,336 - Herstellung 335 - katalytische Reaktionen 336 Synthesegas-Verarbeitung 486 Synthesegaschemie 218,335 synthetische Fasern, Farbstoffe 108 Systemtyp, thermodynamischer 131, 132,134
T Tabletten 21 1, 212 Tabletten-Stempel 525 Tagesrhythmus fur den Menschen 370 Tantal 19 Tauch-Schmelzverfahren 536 Tauchsieder 194 Taumelsiebe 652 TCDD: 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo-p-dioxin 498 Technetium 19 Technisch-katalytischer Reaktionsablauf 255 Technische Energietrager 44 1 Technische Richtkonzentration (TRK) 691,692 Technologie-Entwicklung der AlkalichloridElektrolyse 279 Teerfarbenchemie 436 TeilflieBbetrieb 257 Teilreaktionsgeschwindigkeitskonstanten 125 Tellertrockner 641 Tellerzuteiler 588, 589 Tellur 19 Temperatur 130,131,175,177,373,732 Temperaturabhangigkeit der Reaktionsgeschwindigkeit 119 - des Gasdruckes 173 - des Gasvolumens 174 Temperaturbestandigkeit 515 Temperaturmessung 180,560 - mit dem Thermoelement 561 - mit dem Widerstandsthermometer 562 Temperaturskalen 177 Tenside 359 Terbium 19 Terephthalsaure 75,236 Tertiiir 420 Tetraacetylethylendiamin (TAED) 356 Tetraalkylsilikate 317 2,3,7,8-Tetrachlor-Dibenzo-p-dioxin (TCDD) 65 Tetrachlorsilan 308 Tetrafluorethylen 233 Tetragonales Kristallsystem 167 Text im BinLsystem XI Textile Fasern, Farben 108 Thallium 19 Theobromin 631 Theoretische Boden 620 Thermodynamik 1 13,134 - Systeme 134 - Zustande 134 - Gleichgewicht 124,125 Thermoelement 181, 561 Thermoelement-MeBanordnung 562 Thermokompression 615
Register Thermosphiire 468 Thianthren 107 Thiazinringe 106 Thiazol 64 Thiazolringe 106 Thioharnstoff 329 Thiophane 453 Thiophen 64 Thiophosphorsaureester 302 Thixotropie 92 Thomson, William 137, 177 Thorium 19 Three Georges Yangtse River, China 482 Thymin XI,444 Ticona GmbH 5,383,531 Ticona Polymerwerke GmbH 383 Tiegelziehanlage fur einkristalline Siliciumstabe 312 Tiegelziehen 3 1 1 Tilgungen I55 Titan 19, 528 Titandioxid 303 - Herstellung 87 - Chloridverfahren 89 - Sulfatverfahren 88 Titanoxid 83 TNT 326 Tocopherol 444 Toluol 63,77,79 Toluoldiamine 323 rn-Toluylendiamin 75 Toluylendiisocyanat 323, 350 Tone 92 Tonerdehydrat 92 Torf 415 Torfbildung 4 18 Totalherbizidzwischenprodukt 349 Toxaphen 695 Toxische Eigenschaften, nach der Gefahrstoffverordnung 702 Tragerflussigkeit 625 Trail 482 Transformatoren 400 Transport 670,680 - der Reaktanden 251 - der Reaktionsprodukte 25 1 - vonAbfall 394 - von Chemikalien 680 Transportmaschinen 680 Transportverbund 267 Transportwege 265 Traubenzuckennolekul 17 Treibende Kraft 635 Treibgase 273 Treibgase in Spraydosen 408
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Treibgaspackung 209 Treibhauseffekt 409,450 Treibstoffe 25 Trennen 224,226 Trennfaktor 62 1 Trennsch8e 649 Trennstufen 621 Trennung auf thermischem Wege 613 Trevira 359,360 Triarylmethanfarbmittel 103 1,2,4-TrichlorbenzoI 72 Trichlorsilan 307-309 Trigonales Kristallsystem 167 Triklines Kristallsystem 167 Trinkwasser 378 Triphenylmethan 64 Triplettcode 133 TRK des Ausschusses fur Gefahrstoffe 692 Trockenapparaturen 640 Trocknen 226,640 Trocknung, chemische 642 - thermische 640 Trocknungsgeschwindigkeit 640 Trogkneter 657 Trommeltrockner 641 Trona-Verfahren 284 TroponGmbH 5 Tropopause 468 Troposphiire 468 Tropsch, H. 438 Turbinenriihrer 655 Turboverdichter mit mehreren Schaufelradern 587 Turbulent-Schnellmischer 660 vpenschild fur Druckbehalter 706
U U-Rohr-Bogen 540 Uberdruck 706 Uberdungung 38 1 Ubergangsmetall-Komplex 252 Uberhitzter Dampf 187 Uberkritische Losemittel 628 Uberlagerungsfunktionen 37 1 Uberlagerungsprozesse 155 Uberlagerungsvorgang 146 Ubersattigung 63 1 Ubertagedeponierung 395 UF, Urea (Hamstoff)-Formaldehyd-Copolymer 247 UhdeGmbH 406 Ultrafiltration 378 Ultramarin 83.91 Ultraviolette Strahlen 467 Umformbare Werkstoffe 5 14
768
Register
Umgang mit Stopfen 67 I Umkehrosmose 378 Umkehrung des Glucoseabbaus 423 Umlaufrhythmus der Planeten 370 Umluft-Trockenschrank 640 Umstrukturierung der chemischen Industrie 270 Umwandlungsvorgange des Wassers 35 UmweltangepaBte Produktionstechnik 374 Umweltprogramm der Vereinten Nationen, UNEP 695 UmweltschutzmaBnahmen in der chemischen Industrie 39 1 Unfallgefahren im Betrieb 672 Unfallverhutungsvorschriften 669 Unichema, Niederlande 384 Union Kraftstoff 383 Unit operations 610 Universelle Gaskonstante 175, 176, 733 Unlimitiertes Wachstum 147, 149 Unstetige Regler 567 Unterer Heizwert 188 Unterkorn 652 Unternehmenslcitung 269 Untertage-Deponie 398 Untertage-Deponie Herfa-Neurode 399 Uracil XI, 444 Uran 19 Uratmosphare 469 Urbausteine 369 Urethane 349 Urzeit 369 UV-Strahlung 408
V Vakuum-Trockenschrank 641 Vakuumfiltration 634 Vakuumkristallisator 632 Vakuumtrommelzellenfilter 638 Van-der-Waalssche Krafte 619 Vanadium 19 Vaselin 21 1 VEB-Chemiekombinate 6 VebaOelAG 5 Ventilarmatur 562 Ventilatorkuhlturm 593 Ventilbodenkolonnen 623 Ventile 545 Venturi, G.B. 590 Veratzungen 704 Verbleiung 528 Verbotszeichen 7 13, 7 14, 7 16, 7 19 Verbrauchte Katalysatoren 400 Verbrennen auf dem Meer 402 Verbrennung halogenhaltiger Reststoffe
393
Verbrennungsenthalpien 48 1 von Kohlenstoff 143 - von Kohlenstoffverbindungen 143 von Wasserstoff 143 Verbrennungsprozesse 476 Verbrennungsreaktion 26 Verbrennungswarme 188 Verbringen in die hohe See, Entsorgung 402 Verbund zwischen der Soda- und AlkalichloridElektrolyse-Chemie 285 Verbundproduktion zwischen Methanol, Chlonvasserstoff, Silicium, Ethylen und Steinsalz 3 I4 Verbundsysteme in der Chemiewirtschaft 264 Verbundwerkstoffe 5 12, 5 I4 Verbundwirtschaft in der chemischen Industrie 266 Verdampfen 185,594,613,614 Verdampfer mit mechanischer Thermokompression 616 Verdampfungswlrme 13,35, 184,624 Verdichtung von Gasen 585 Verdreh- oder Torsionsfestigkeit 5 15 Verdunsten 185, 226,47 1 Verdunstungskalte 185 VerfahrensflieBbild 260, 261 Verfahrenstyp 131, 133 Vergarung 230 - von Biomasse 487 Vergasen 437 Vergiftungen, MaRnahmen 695 Vergleich zwischen exponentiellen hyperbolischen Wachstumsfunktionen 148 - zwischen Ratensatzen 148 Verguten 525 Vergutungsstahl 522 Verhalten eines Arzneimittels 157 Verkniipfung der Thermodynamik mit der Reaktionskinetik 134 Verladen 227 Vernetzungsgrad 239 Vernetzungsmittel 322 Verpacken 227 Verpackung einer Stopfbuchse 573 Verpuffung 699 Verseifen 77 Verseifung 80 - von Estern 1 19 - zuPhenolen 73 Verspruhen 656 Verstarkerteil 434 Verteilungsgrad der polymeren Kettenlangen 239 Verteilungskoeffizient 624 Verweilzeitfunktion eines Arzneimittels 158 -
~
Register Venveilzeitverhalten einer Substanz 157 Verwertung von Reststoffen 392 Verwitterung 397,471 Vierstufige Extraktionsanlage 626 Vinylacetat 223,352, 359 Vinylchlorid 61,233, 359,494 - Herstellung 393 Virus 17 Vitamin A 445 Vitamin B,2 129,446 Vitamin D, 445 VitaminE 445 Vitamin K 445 VLLDPE, Very Low Low Density Polyethylene 24 1 Volldiinger 327 Vollmantelzentrifuge 635 Vollraumofen 600 Volmer, Max 633 Volmersche Schicht 632 Volumenabhangigkeit des Gasdruckes 172 Volumenarbeit 136 Volumenausdehnung von Flussigkeiten 179 - von Gasen 180 Volumenausdehnungskoeffizient 174 Volumenmesser 590 Volumenziihler 590 Vorbehandlung der Abfalle 400 Vorbereitung einer Deponie 396 Vorgange in Gewassern 381 Vorsatzzeichen fur Zehnerexponenten 735 VorschweiBflansch 541
w Waage, Peter 128 Waals, Johannes Dirk van der 619 Wachse 69,239 Wachstum der Bevolkerung 157 Wachstumsfunktionen 37 1 Wachstumskurve 256 - der Erdbevolkerung 156 - von Mikroorganismen 156, 157 Wachstumsphase von Mikroorganismen 370 Wachstumsreaktion 233, 234 Wachstumsvorgang 146, 152 Wacker Chemie GmbH 5, 168,314,383 Wacker Siltronic AG 307 Walzblei 528 Walzenbrecher 646 Walzenmuhlen 647 Walzentrockner 642 Walzkolbenverdichter 586 Walzwerkerzeugnisse 525 Wandler von Stoff u. Energie 28 Wiirme 177
769
Wiimeausdehnungsstucke 539 Warmedurchgangskoeffizient 732 Warmeenergie 26, 136, 142, 171, 195 Wtirmeisolierung 595 Wtirmekraftwerke 380 Warmelehre 177 Wiirmeleitfihigkeit 732 Wiirmeleitung 182 W h e m e n g e 177, 178,732 - Einheit 178 Wirmepumpe 594,596 - Bauprinzip 595 Warmestrahlung 182 Wirmestrombild 617 Wiirmestromung 182 Warmetausch 401 Wiirmetauscher 321 Warmeubertragung 182 Warmeumwandlungsmaschine 596 Warmewirkung 708 - des elektrischen Stromes 194 Warmfeste Stiihle 523 Warnzeichen 713, 717 Wartung und Pflege von Stopfbuchsen 573 Waschturme 642 Wasser 1,29, 34, 35, 374,377,441,475 - als Rohstoff 388 - als Wasserstofflieferant 472 - chemische und physikalische Eigenschaften 36 - fur technische Zwecke 379 - in einem Chemiewerk 388 - physikalische BezugsgroBen 36 - Vorkommen 34 Wasserarten 377 Wasserbedarf in Privathaushalten 378 Wasserbilanz der Erde 34 Wasserdampf 374,403 Wasserelektrolysen 482 Wassergas 437 Wasserglas 316, 317 Wasserhaushalt in einem Chemieunternehmen 389 Wasserkreislauf uber Kiihltiirme 593 Wassernutzung 38 1 - im Industriepark Hochst 389 Wasserringpumpe 586 Wasserstoff 18, 29, 32, 144,280, 335, 481 - als energiereiches Element 48 1 - als Hydriermittel 486 - als Reaktionspartner 482 - Marktstruktur 486 - Technische Venvendung 279 - Weiterverarbeitung 280 Wasserstoffgewinnung 3 19,487
770
Register
Wasserstoffgewinnungsreaktion aus Methan und Wasserdampf 484 Wasserstoffionen-Konzentration 44 Wasserstoffperoxid, Eigenschaften 52 - Einsatz 53 - groBtechnische Herstellung 50,5 1 - Verwendung 52 Wasserstoffperoxide 48 Wasserverschmutzung 383 Wasserversorgung 380 Watt 170, 194,732 Watt, James 1, 194,374,403 Wattsekunde 195 Wechselstrom I90 Wegener, Alfred 4 19 Weichmacher 359 WeiBer Phosphor 27 WeiBpigmente 85 WeiBtoner 112 WeizeneiweiR 240 Wella AG 6 Wellrohrkompensator 540 Weltbevolkerung 2,427 Weltbevolkerungszunahme 430 Weltenergierat 428 Weltenergieverbrauch 430 Welterzeugung von mineralischen Bodenschatzen 441 Wendelforderer 588 Werksarzt 684 Werksrichtlinie ,,Laufende Priifung von Leitem und Tritten" 678 Werkstoff-Hauptgruppe 522 Werkstoffbezeichnung 519,520 Werkstoffe 264, 5 11, 512,5 14 - Auswahl 511 - Einteilung und Eigenschaften 5 12, 52 1 Werkstoffe und Chemieprodukte 441 Werkstoffkunde 5 12 Werkstoffnormen von Stahl und Eisen 5 18 Werkzeuge 699 Werkzeugmaschinen 683 Wertigkeit 21 Wertschopfungskette 272 Widerstand, elektrischer 192, 709 - des menschlichen KGrpers 7 10 Widerstandsthermometer 181,562 Windsichten 226,652,653 Wirbelschichtofen 601 Wirbelschichtofen zur Schlammverbrennung 40 1 Wirbelschichtreaktor 307 Wirkstoffe 264 Wirkungsschwelle 158 Wissen aus Wirtschaft und Technologie XI
Witco, Bergkamen 383 Witherit 33 Wolfram 19, 31 Wollproteine 240 Worte im Binarsystem XI Wohler, Friedrich 303
X Xenon 19 Xerosole 199 Xylol 63 m-Xylol 72 o-XYIOI 72 P-XYIOI 72, 75 Y Yakimov, M. M. 410 Ytterbium 19 Yttrium 19 2
Zacharias, Emil 357,494 Zahe Stoffe 645 Zahnrader im Getriebebau 525 Zahnradpumpe 582,583 Zahnscheiben 537 Zahnscheibenmiihle 647 Zeit 158,732 Zeitabhangige Prozesse 159 Zellen 369 Zellenradschleuse 588 Zellmenbrane 465 Zellrad und Forderband 590 Zellstrukturen 440 Zellteilung 150 - als unlimitiertes Wachstum 15 1 Zellulose 129 Zementation 32 Zeneca Pharmaunternehmen 5 Zentrifugalkrafte 643 Zentrifugation 635 Zentrifugen 639 Zentrifugieren (Schleudem) 638 ZeolithA 316 Zeolithe 317 Zerfall radioaktiver Substanzen 1 19 Zerfall von Distickstoffpentoxid 1 I9 Zerfallsgeschwindigkeit 127 Zerkleinern 644 Zerkleinerungsarten 645 Zerkleinerungsgrad 644 Zerkleinerungsmaschinen 645 Zerkleinerungsmethoden 645 ZerreiBfestigkeit 532 Zerstauber 661
Register Ziegler, Karl 357 Zink 19 Zinkoxid 83 Zinksulfid 83 Zinn 19,528 Zinnbronze 527 Zinndioxid 83 Zinses-Zins-Gleichung in exponentieller Schreibweise 150 Zirconium 19 Zirconiumdioxid 83 Zittersieb (Vibrator) 650 Zonenziehanlage 31 1 Zonenziehen 3 1 1 Zooplankton 381,413 Zschimmer & Schwarz, Lahnstein 383 Zucker 223 Zugfestigkeit 515, 524,533
771
Zugspannung 5 15 Zugversuch 516 Zundtemperatur 696,698 Ziindwaren (Feuerzeuge) 699 Zusammenwirken der Stoffkreislaufe 439 Zusatzstoffe und Legiemngsmetalle 526 Zusatzzeichen 714 Zustandsfunktionen 145 Zustandsgleichung der idealen Gase 175 Zweipunkt-Bimetall-Temperaturregler 568 Zweipunktregler 567,569 Zweistoff-Duse 661 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik 136 Zwischen-Produkte 269, 372, 359,432 Zyklischer Stoffumwandlungsprozess 372 Zyklon 642,643 Zyklus der Phosphorsaure in der Biosphiire 465,466
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Geschwindigkeit 1st marktentscheidend Denn das Tempo des Strukturwandels in der Chemiebranche nimmt welter zu Wer die Chancen und Herausforderungen von morgen bereits heute erkennt, liegt vorn Und kann agieren statt reagieren Nach diesem Anspruch arbeiten wir Bei der schnellen Umsetzung von Ideen. Bei der zugigen Ausrichtung unserer Geschaftsprozesse duf e commerce Um nur zwei Beispiele
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Celanese AG. Ein weltweit fuhrendes Chemieunternehmen. WILI: . cl.,ii<
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