Susan Saunders
Mit Bildern von Stefan Horstmeyer
Ravensburger Buchverlag
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufn...
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Susan Saunders
Mit Bildern von Stefan Horstmeyer
Ravensburger Buchverlag
Die Deutsche Bibliothek - CIP-Einheitsaufnahme Grusel im Tower von London Susan Saunders. Mit Bildern von Stefan Horstmeyer. [Aus dem Amerikan. von Simone Wiemken]. – avensburg : Ravensburger Buchverl., 1999 (1000 Gefahren) ISBN 3-473-34809-0
Die Schreibweise entspricht den Regeln der neuen Rechtschreibung. 4 3 2 1
02 01 00 99
© 1999 der deutschen Ausgabe: Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH Die Originalausgabe erschien 1984 bei Bantam Books, a division of Bantam Doubleday Dell Publishing Group, Inc., New York, unter dem Titel „The Tower of London" CHOOSE YOUR OWN ADVENTURE » Band 19: THE TOWER OF LONDON by Susan Saunders © 1984 Susan Saunders All rights reserved. Published by arrangement with Bantam Doubleday Dell Books for Young Readers, division of Bantam Doubleday Dell Publishing Group, Inc., New York, New York, U.S.A. Aus dem Amerikanischen von Simone Wiemken © für die deutschsprachige Ausgabe 1999 Ravensburger Buchverlag Otto Maier GmbH Redaktion: Burkhard Heiland Printed in Germany ISBN 3-473-34809-0
LIES DIES ZUERST! Die meisten Bücher handeln von anderen Leuten, aber in diesem Buch bist du die Hauptperson. Was du im Tower von London erlebst, hängt von deinen Entscheidungen ab. Lies dieses Buch nicht von der ersten bis zur letzten Seite, sondern fang auf der ersten Seite an und lies weiter, bis du zum ersten Mal wählen kannst. Entscheide, was du tun willst, lies dann auf der angegebenen Seite weiter und sieh zu, was passiert. Wenn eine Geschichte zu Ende ist, geh zurück zum Anfang und lies die nächste Geschichte. Jede Entscheidung führt dich in ein neues Abenteuer. Bist du bereit, den Tower zu erforschen? Dann schlag die nächste Seite auf ... und viel Glück.
Du machst mit deinen Eltern Urlaub in England. Bei dieser Gelegenheit besuchst du deinen englischen Brieffreund Rodney, der in London wohnt. Rodney und seine Familie leben in einer ganz besonderen Wohnung, die in die Außenmauer des Londoner Tower eingebaut wurde. Das liegt daran, dass Rodneys Vater als einer der Wächter im Tower arbeitet. Er erklärt euch, dass es im Tower zweiundzwanzig Türme, dicke Mauern, Verliese und einen Burggraben gibt, ganz zu schweigen von den Kronjuwelen, den Raben und den Geistern. Geister? „Ja, zum Beispiel die beiden kleinen Prinzen", erklärt Rodney. „Ihr grausamer Onkel König Richard ließ sie vor vielen hundert Jahren ermorden. Und jetzt spuken sie alle drei im Tower herum." „Und Anne Boleyn, die zweite Frau von König Heinrich dem Achten", fügt Rodneys Schwester Sheila hinzu. „Auch ihr Geist spukt durch den Tower, und er trägt den Kopf unter dem Arm." „Ich glaube nicht an Geister", sagst du. Aber insgeheim tust du es doch.
„Die Geister gehen zur Mitternacht um", sagt Rodney mit unheimlicher Stimme. Flüsternd fügt er hinzu: „Und heute Nacht, wenn alle schlafen, schleichen wir hinaus und suchen sie." Die Turmuhr schlägt zwölfmal, als ihr euch aus der Wohnung schleicht. Du bist dir nicht sicher, ob dieser Ausflug eine gute Idee ist, doch du folgst Rodney durch eine Öffnung in der inneren Mauer. Plötzlich hörst du Schritte. „Einer der Wächter!", flüstert Rodney. „Versteck dich!" Du drehst dich um, weil du ein Versteck suchst. Als du wieder zu Rodney siehst, ist er verschwunden. Von rechts ertönt ein Rascheln. Hat Rodney sich hinter den Bäumen versteckt? Oder ist das sein Schatten, der über die Mauer huscht?
Du entreißt den Eisfingern deine Hand. „Schnell, nach oben", sagst du zu Rodney. „König Richard kommt gleich wieder." Rodney sagt, dass er unbedingt den Geist sehen will, doch du packst seinen Arm und zerrst ihn die Stufen hinauf. Oben auf dem Dach stolpert Rodney. Beim Sturz schlägt er mit dem Kopf auf und wird ohnmächtig. Außerdem seid ihr jetzt nicht mehr allein auf dem Dach. Richard ist bei euch. Er hält eine riesige Axt in den Händen. „Soll ich die Axt nehmen", knurrt er, „oder springt ihr freiwillig in den Tod?" „Sie werden mich erst kriegen müssen", antwortest du mutig. „Denn ich werde nicht stillhalten und ganz bestimmt nicht vom Dach springen!" „Warum soll ich meine Axt abstumpfen?", sagt Richard. „Ich werde euch einfach hier oben eurem Schicksal überlassen. Ihr könnt hier verhungern. Auf Nimmerwiedersehen, Neffen. Mögen den Raben eure Überreste schmecken."
„Ich finde, wir sollten im Weißen Turm nachsehen", sagst du. „Meinetwegen", antwortet Rodney. „Wir werden nachsehen und auf mindestens fünfzehn Wächter stoßen, und dann bekomme ich großen Ärger mit meinem Vater." Als ihr die Mauer erreicht, an der du die drei Männer zuletzt gesehen hast, sagt eine heisere Stimme: „Hände hoch!" Ist es ein Wächter? Oder ein Räuber? Ihr wagt nicht, euch zu bewegen. Dann ertönt ein Krächzen, und Rodney lacht erleichtert. „Einer von den Raben kann ein paar Worte sprechen", erklärt er. „Wir haben ihn geweckt." Tatsächlich, ein großer schwarzer Vogel schüttelt sein Gefieder und stolziert davon. Am Weißen Turm angekommen, entdeckt ihr ein Seil, das aus einem Fenster im zweiten Stock hängt. „Du hattest Recht", sagt Rodney. „Wollen wir nachsehen? Oder willst du hier bleiben, während ich die Wächter hole?"
„W-w-wer sind Sie?", stotterst du. „Du weißt sehr gut, wer ich bin", knurrt die Stimme. „Dein dich liebender Onkel Richard." Richard? Das war doch der Name des Königs, der vor langer Zeit seine Neffen, die jungen Prinzen, ermorden ließ. Oh nein! Es muss der Geist des grausamen Königs Richard sein – und er glaubt, du wärst einer seiner Neffen! Wenn du um Hilfe schreist, wird Rodney oder einer der Wächter dich vielleicht hören und dich retten. Aber was ist, wenn deine Hilferufe Richard wütend machen und er beschließt, dich sofort umzubringen?
Deine Finger gleiten über Zeichen, die in die Wand geritzt sind: ein Hirsch, ein Kreuz und – weiter unten – ein Herz mit einem Pfeil. Als du den Pfeil berührst, ertönt ein knirschendes Geräusch.
Ein großer Steinblock tief unten in der Mauer dreht sich langsam. Du siehst durch die Öffnung und entdeckst, dass dahinter eine Treppe liegt. Das könnte die Rettung sein! Wenn du jetzt fliehst, kannst du Rodney vielleicht vor König Richard warnen. Aber du weißt nicht, was dich am Fuße der Treppe erwartet. Und was ist, wenn Richard auch Rodney erwischt hat? Vielleicht solltest du warten und Rodney helfen, ebenfalls zu fliehen.
Bei den Bäumen angekommen, siehst du Rodney versteckt im Schatten stehen. Der Wächter leuchtet mit seiner Taschenlampe in jede Maueröffnung und auch in eure Richtung. Er entdeckt euch jedoch nicht und geht wieder weg. „Lass uns zuerst auf den Hinrichtungsplatz gehen", sagt Rodney. „Dort sind unzählige Leute enthauptet worden, und der eine oder andere spukt dort sicher noch herum." Plötzlich siehst du aus den Augenwinkeln eine Bewegung. „Rodney, sieh doch!" „Was? Wo?", sagt Rodney. „Da drüben", sagst du und zeigst mit dem Finger. „Drei Männer schleichen auf eines der alten Gebäude zu. Vielleicht sind es Diebe, die die Kronjuwelen stehlen wollen."
„Lass uns den Räubern folgen", sagst du. Im Seil sind viele Knoten, die das Klettern erleichtern. Du erreichst das Fenster und streckst die Hand aus, um Rodney zu helfen, doch plötzlich legen sich große Hände auf deine Augen und deinen Mund, und du wirst nach hinten gerissen. Ist es ein Geist? Du stößt mit dem Ellenbogen zu, so hart du kannst. „AUA!" Nein, es ist ein Mensch aus Fleisch und Blut.
Es kostet dich deine ganze Willenskraft, doch du sagst keinen Ton, während Richard dich zwingt, eine Wendeltreppe hinaufzusteigen. Die dicken Mauern des Turms sind feucht, und es ist noch kälter geworden. „Ich habe deinen Bruder hinter dem Baum gesehen", knurrt Richard. „Ich werde ihn packen und auch hierher bringen." Er stößt dich in einen kleinen Raum und schlägt die Eisentür hinter dir zu. Durch einen Mauerspalt fällt Mondlicht ein. Die Wände deiner Zelle sind mit Namen übersät. „Michael Moody", liest du. „Jim Draper." Das müssen Gefangene gewesen sein, die vor hunderten von Jahren ihre Namen in die Wände geritzt haben. Du hast kein Messer dabei, mit dem auch du deinen Namen einkratzen könntest. Außerdem bliebe dir dazu ohnehin keine Zeit. König Richard wird bald wiederkommen – mit Rodney.
Ein Taschentuch wird in deinen Mund gestopft, und einer der Räuber sagt: „Ganz ruhig, Männer. Steckt einen hier hinein und den anderen dort." Du wirst hochgehoben und in eine Ritterrüstung gesteckt. Sie ist so groß, dass deine Füße gerade bis zu den Knien reichen. Du versuchst, hinauszuklettern, doch ein zweiter Räuber droht: „Halt still, sonst geht es dir schlecht." „Steck den Helm in einen Sack und lass uns verschwinden", flüstert der erste Räuber. „Ja, Boss", sagt der dritte Räuber. Dann ertönt ein Scheppern und ein entsetzlicher Schrei. „IIIIIIH! Geh weg von mir!" Was ist da los?
Du schiebst den Stein wieder an seinen Platz. Kurze Zeit später wirft der grausame König den bewusstlosen Rodney zu dir in die Zelle. Der arme Rodney! Er muss ohnmächtig geworden sein, als Richard ihn gefangen hat. „Immer noch hier, mein lieber Neffe?", sagt der König. Dann lacht er böse. „Und jetzt hole ich die Axt, denn diesmal mache ich es selbst." Kaum hat er die Zelle verlassen, ziehst du Rodney zu der Wand, in der das Herz ist. Du drückst auf den Pfeil, doch es passiert nichts. Du versuchst es wieder und wieder. Du trittst sogar mit dem Fuß dagegen. Nichts! Jetzt sitzt ihr wirklich in der Falle! „Oh nein!", stöhnst du. Rodney schlägt die Augen auf. „Was ist passiert? Wie bin ich hierher gekommen?" Du erzählst es ihm, so schnell du kannst. Dann zeigst du ihm, wie du auf den eingeritzten Pfeil gedrückt hast. Doch auch diesmal tut sich nichts. Du springst auf und beginnst, auf die geschlossene Tür einzuhämmern. Vielleicht hört dich ein Wächter. Das ist deine einzige Hoffnung.
Schatten an der Wand winkt dich zu sich heran. Das muss Rodney sein, denkst du und folgst dem Schatten durch einen Torbogen in einen Raum. Es ist kalt darin und so dunkel, dass du nicht einmal die Hand vor Augen siehst. „Wo bist du?", flüsterst du. „Hier, mein Junge", krächzt eine raue Stimme in dein Ohr. „Und diesmal entkommst du mir nicht." Eine Hand in einem Handschuh packt deinen Hals.
„Ich sehe niemanden", sagt Rodney. „Außerdem ist es unmöglich, die Kronjuwelen zu stehlen, und sie sind nicht einmal in diesem Teil des Towers. Das ist der Weiße Turm, der ist voller Ritterrüstungen. Wahrscheinlich hast du nur ein paar von den anderen Wächtern gesehen." „Warum sollten die Wächter im Dunkeln herumschleichen?", fragst du. „Vielleicht suchen sie nach uns", sagt Rodney. „Wenn du unbedingt willst, können wir im Weißen Turm nachsehen. Ich würde lieber zur Hinrichtungsstätte gehen, aber wir machen, was du willst."
Ihr beide sprecht so laut, dass ihr gar nicht merkt, wie die Eisentür geöffnet wird. Doch plötzlich fühlst du, wie kleine, eiskalte Finger nach deiner Hand greifen. Sie ziehen dich mit aus der Zelle, in den Flur und die Treppe hinunter. Mit Rodney geschieht dasselbe. Du glaubst, König Richard hinter dir in der Dunkelheit zu hören. Sind diese Geisterfinger eure Rettung ? Oder führen sie euch in eine noch größere Gefahr?
Rodney sagt, dass du mit dem Gehämmere aufhören sollst. „Du wirst Richard noch vertreiben", sagt er streng. „Ich will ihn sehen. Er ist mein erster Geist." „Er wird auch dein letzter sein!", schreist du. „Er will uns umbringen!" „Ich wette, er will uns nur Angst einjagen", sagt Rodney. „So sind Geister nun einmal." „Woher willst du das wissen, wenn du noch nie einen gesehen hast?", brüllst du. „Das hier ist kein Spiel!"
„Lass uns zum Hinrichtungsplatz gehen", sagst du. Rodney führt dich zu einer Rasenfläche, in deren Mitte ein Gedenkstein steht. „Hier stand der Hauklotz des Henkers", erklärt er mit leiser Stimme. „Seit damals wächst hier kein Gras mehr. Wahrscheinlich wegen all dem Blut." Du gruselst dich. „Können wir gehen?", fragst du.
Doch bevor Rodney antworten kann, siehst du jemanden auf dem Rasen näher kommen. „Sieh doch!", stößt du hervor und zeigst mit dem Finger auf die Gestalt. Rodney ist sprachlos. Es ist eine Frau in einem langen Kleid. Doch etwas ist merkwürdig an ihr. Als sie näher kommt, siehst du, was es ist. Ihr Kopf ist nicht am richtigen Platz. Sie trägt ihn ... unter dem Arm! Ist sie ein Geist? Für Rodney ist alles klar. „Ich verschwinde!", japst er.
Du holst tief Luft und schreist „HILFE!“, so laut du kannst. Etwas Weiches umhüllt deinen Kopf. Richards Umhang? Dann wird alles schwarz, und du fällst auf den Steinboden. Das nächste, was du spürst, ist, dass jemand deine Schulter rüttelt. Es ist Rodney. „Erst löst du mit deinem Geschrei den Alarm aus", sagt er, „und dann machst du auch noch ein Nickerchen! Wir müssen von hier verschwinden, bevor die Wächter kommen." „Ich habe einen Geist gesehen ..." „In diesem Teil des Towers gibt es keine Geister", unterbricht Rodney. „Du musst geträumt haben." Er hat Recht. Wahrscheinlich bist du eingeschlafen und hast die ganze Geschichte geträumt. Aber wie bist du in diesen Raum gekommen? Du bist doch kein Schlafwandler! Du würdest gern darüber nachdenken, doch Rodney lässt dir keine Zeit dazu. „Im Blutigen Turm finden wir sicher ein paar Geister", sagt er. „Oder auf dem Hinrichtungsplatz. Wohin willst du?"
Nur mit Mühe kannst du dich durch die Öffnung zwängen. Du hältst dich an der Wand fest und betrittst die erste Stufe. Die Treppe ist schmal und steil, und es ist stockdunkel. Was war das? Hat dich etwas gestreift? Du bleibst stehen, doch du kannst nicht das Geringste hören. Das alles gefällt dir gar nicht! Du willst zurück in deine Zelle, doch der Steinblock hat sich wieder an seinen Platz geschoben.
Also gehst du wieder die Treppe hinunter. Du läufst so schnell, wie es im Dunklen geht. Plötzlich ist die Treppe zu Ende – du trittst ins Nichts – und fällst auf einen Haufen Knochen. Eine schwere Tür rumpelt zu. Du sitzt in der Falle, und es wird dich niemals jemand finden. Und du hast nicht einmal deinen Namen hinterlassen, damit die Menschen ihn in ein paar hundert Jahren lesen können. ENDE
Es stellt sich heraus, dass der Blutige Turm keine gute Wahl war. Noch bevor ihr ihn überhaupt betreten könnt, trefft ihr ausgerechnet den Boss der Wachmannschaft. „Guten Abend", sagt Rodney kühn. „Finden Sie nicht auch, dass einem der Tower erst nach Mitternacht ein Gefühl der guten alten Zeit vermittelt?" „Ihr wollt erfahren, wie es hier in der guten alten Zeit zugegangen ist?", fragt der Wächter nachdenklich. „Folgt mir." Wohin wird er euch führen? In den Kerker? Die Folterkammer? Zur Hinrichtungsstätte?
Falsch. In die Rüstkammer. Er drückt jedem von euch eine Dose Poliermittel und ein paar Lappen in die Hand und zeigt auf Tonnen von Ritterrüstungen. „Das wird euch lehren, keinen Unsinn zu machen, und außerdem lernt ihr dadurch, wie die Menschen in der guten alten Zeit im Tower gelebt haben", sagt er. „Bis morgen." ENDE
„Du bist mutiger als ich", flüstert Rodney. Er will wegrennen, doch du hältst ihn am Ärmel fest. Die Erscheinung kommt näher und näher. Du starrst sie an. „Ich glaube nicht, dass das ein Kopf ist", sagst du. Der Mond kommt hinter den Wolken hervor. „Ich glaube, es ist ein Fußball." „Eingehüllt in einen Schal", stimmt Rodney dir zu. „Und das ist Mamas Mantel. Es ist Sheila! Ich werde sie umbringen!" Der „Geist" fängt an zu kichern. „Das geschieht euch Recht, weil ihr mich nicht mitgenommen habt." Sheila lässt den Ball fallen und streift den Mantel von ihrem Kopf. „Gar nicht schlecht", sagst du. „Und wer ist das da drüben? Deine Mutter, nehme ich an?"
Dein Kopf ist irgendwo im Innern der Rüstung, deshalb kannst du nichts sehen. Doch du hörst eine merkwürdige, machtvolle Stimme brüllen: „Gib mir meinen Helm zurück!" Dann ertönt ein ungeheures Geschepper und du hörst jemanden wegrennen. Danach herrscht Stille. Nach einer oder zwei Minuten fragt Rodney leise: „War das ein Geist?" Du schaffst es, deinen Kopf aus der Ritterrüstung zu schieben - und drei Taschenlampen leuchten dir direkt ins Gesicht. „Hier ist einer der Räuber", sagt ein Wächter. Überall liegen Teile beinahe gestohlener Rüstungen herum. Jetzt wirst du einiges zu erklären haben. Aber was mag die echten Räuber vertrieben haben? War es ein Geist? Du wirst es nie erfahren. ENDE
„Ich passe hier auf, während du die Wächter holst", sagst du zu Rodney. Doch er ist gerade eine Minute fort, als du ein Bein über den Fensterrahmen kommen siehst. Dann klettern drei Männer, die mit schweren Säcken beladen sind, am Seil hinunter. Wie kannst du sie aufhalten? Wenn sie dich nicht sehen, kannst du sie vielleicht täuschen. Du rennst zu den Bäumen, so schnell du kannst. „Die Säcke fallen lassen!", brüllst du mit tiefer Stimme. „Ihr seid umstellt!" Ganz in deiner Nähe ruft eine andere Stimme: „Hände hoch!" Es ist wieder der Rabe. Hoffentlich verdirbt er dir nicht alles. Doch er tut es. „Hallo-hall-ooo. Krächz." „Es ist nur ein blöder Vogel", sagt einer der Räuber. Er schaut zu den Bäumen, hinter denen du dich versteckt hast, und läuft auf dich zu. „Und ein neugieriges Kind." Er ist bei dir, packt dich am Kragen und schüttelt dich durch.
Plötzlich ertönt eine Männerstimme: „Lasst das Kind los - und die Säcke!" Rodney hat die Wächter geholt. Die Säcke sind mit Teilen von Ritterrüstungen gefüllt - Helmen, Brustpanzern und Handschuhen. „Es ist die Rüstung von Heinrich dem Achten", erklärt dir einer der Wächter. „Sie ist fast fünfhundert Jahre alt und ein Vermögen wert. Diese Bande hätte sie an einen privaten Sammler verkauft, und wir hätten sie nie wieder gesehen." „Ihr habt einen Schatz des Königreichs gerettet", sagt ein zweiter Wächter. „Dafür werdet ihr eine Belohnung erhalten." Du stellst dir eine Goldmedaille vor und ein Foto mit Prinz Charles, wie er deine Hand schüttelt. Doch was schlägt Rodney vor? „Eine Nacht im Kerker wäre schön", sagt er. „Oder ein paar Stunden in der Folterkammer. Irgendjemand spukt doch sicher in der Folterkammer herum." Rodney und seine Geister! ENDE
„Warte auf mich!", brüllt Rodney, doch du rennst bereits über den Rasen. Du entdeckst einen Baum und kletterst so schnell hinauf, wie du noch nie auf einen Baum geklettert bist. Rodney ist dicht hinter dir, und ihr klettert bis in den höchsten Wipfel. Du wirfst einen Blick nach unten. Die Frau ohne Kopf ist verschwunden. „Geister gibt es nicht", sagst du. „Und warum sitzen wir dann hier?", flüstert Rodney von unten.
Ihr lauft die Stufen hinunter. Du bist jetzt sicher, dass der böse König von unten die Treppe hinaufkommt, denn du kannst seine Stimme durchs Treppenhaus hallen hören: „Die Bengel werden mir nicht wieder entwischen." Was ist, wenn er Recht hat? Was ist, wenn die Eisfinger dich und Rodney direkt in Richards Arme führen? Plötzlich hebt neben euch ein Wandteppich ab – als würde er von unsichtbaren Händen gezogen. Hinter dem Teppich ist eine Vertiefung in der Wand, gerade groß genug für Rodney und dich. Ihr schlüpft hinein, der Teppich fällt wieder herab und verbirgt euch. Du hörst Richard auf der Treppe an euch vorbeilaufen.
Eine zweite Frau ohne Kopf schwebt über den Rasen. Sie ist schon ziemlich nah bei dir, als dir zwei Dinge auffallen: Zum einen kannst du durch sie hindurchsehen und zum anderen bist du ganz allein. Du glaubst zwar nicht an Geister, aber deine Füße tun es anscheinend. „Rodney! Sheila! Wartet!" ENDE
Sekunden später sind Rodney und du draußen in Sicherheit. Du weißt, was Rodney sagen wird, deshalb kommst du ihm zuvor. „Nein, wir gehen nicht wieder hinein, um den Geist zu sehen. Wir gehen nach Hause." Wer hat euch geholfen? Du drehst dich um und betrachtest den dunklen Turm. Etwas schimmert in der Nähe des Eingangs. Du glaubst zwei Jungen in merkwürdigen Kleidern zu erkennen. Die beiden kleinen Prinzen? Vielleicht. Dann ist der Schimmer verschwunden, und du und Rodney - ihr seid allein. ENDE
König Richard kommt aus der Vergangenheit. Zu eurem Glück weiß er nicht, dass am nächsten Morgen hunderte von Besuchern in den Tower strömen werden und dass ihr in jedem Fall gerettet werdet. Doch bis dahin habt ihr eine lange Nacht vor euch. Es ist kalt und dunkel, und zu allem Überfluss hast du auch noch einen Regentropfen abbekommen. „Rodney", sagst du, „bist du in Ordnung?" Rodney öffnet die Augen und betastet die Beule an seinem Kopf. „Du hast den Geist wieder gesehen, nicht wahr?", fragt er. „Du hast ein Glück!" Glück? Zuerst wirst du fast von einem verrückten Geist ermordet, und jetzt sitzt du draußen in einer kalten, nassen Nacht fest! Daran ist nur Rodney schuld! Schließlich war er derjenige, der unbedingt auf Geisterjagd gehen wollte. Er könnte sich wenigstens entschuldigen. „Es tut mir wirklich Leid ...", beginnt Rodney. Gut, denkst du, er will sich entschuldigen. „... dass ich den Geist nicht gesehen habe", fährt er fort. „Aber wir können es ja morgen Nacht noch einmal versuchen ..." ENDE
Der Ast, auf dem du sitzt, knarrt bedenklich. Plötzlich wird dir bewusst, wie dünn er ist. „Klettere lieber nicht höher", warnst du Rodney. „Keine Sorge", sagt Rodney. „Ich werde nirgendwohin klettern." „Wie meinst du das?", fragst du. „Ich sitze fest. Ich kann nicht vor und nicht zurück." „Oh nein", sagst du. „Da ich über dir sitze, bedeutet das, dass auch ich nicht hinunterkomme. Bist du sicher, dass es nicht geht?" „Ganz sicher", sagt Rodney. „Aber ein Gutes hat das Ganze ... wir haben von hier aus einen tollen Blick auf den Hinrichtungsplatz." ENDE
ÜBER DIE AUTORIN Susan Saunders ist auf einer Ranch in Texas aufgewachsen, wo sie das Rodeoreiten lernte. Sie studierte am Barnard College und hat als Keramikerin und Produzentin von Kinderfilmen gearbeitet. Außerdem hat sie mehrere Kinderbücher geschrieben. Die Autorin lebt gegenwärtig in New York.