Kristina Lasotta Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Basler Schriften zum Marketing Band 22
Herausgegeb...
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Kristina Lasotta Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Basler Schriften zum Marketing Band 22
Herausgegeben von
Prof. Dr. Manfred Bruhn
Kristina Lasotta
Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten Theoretische und empirische Analyse am Beispiel der Schweizer Mobilfunkbranche
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dr. Kristina Lasotta ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am WWZ der Universität Basel, Lehrstuhl für Marketing und Unternehmensführung (Prof. Dr. Manfred Bruhn).
1. Auflage März 2007 Alle Rechte vorbehalten © Betriebswirtschaftlicher Verlag Dr. Th. Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Barbara Roscher | Jutta Hinrichsen Der Gabler Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Ulrike Weigel, www.CorporateDesignGroup.de Druck und buchbinderische Verarbeitung: Wilhelm & Adam, Heusenstamm Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-0523-9
Geleitwort des Herausgebers Im Rahmen der Kommunikationspolitik von Unternehmen hat die Forderung nach einer Integrierten Kommunikation eine lange Tradition. In den letzten Jahren wurden sowohl in der Wissenschaft als auch in der Praxis zahlreiche Konzepte entwickelt, die dem Anspruch gerecht werden wollen, die Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens miteinander zu vernetzen und einheitlich auszurichten. Dabei wird meist von einstufigen Märkten ausgegangen, d.h. die Kommunikation erfolgt primär vom Anbieter zu den Zielgruppen. Viele Branchen haben es jedoch mit mehrstufigen Märkten zu tun, d.h. zwischengeschaltete Absatzmittler üben wichtige und einflussreiche Kommunikationsfunktionen aus, die Anbieter oftmals nur bedingt beeinflussen, steuern und kontrollieren können. Die Verfasserin der vorliegenden Arbeit hat es sich vor diesem Hintergrund zur Aufgabe gemacht, die Entstehung und den Abbau von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu untersuchen. Dies erfolgt sowohl theoretisch als auch empirisch am Beispiel der Schweizer Mobilfunkbranche. Da es sich um einen Forschungsgegenstand handelt, der bisher kaum untersucht wurde, hatte die Verfasserin Grundlagenarbeit zu leisten. Zunächst konkretisiert die Verfasserin das Spannungsfeld der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Da Absatzmittler direkt mit den Endkunden interagieren, kommt ihnen eine Doppelrolle in der Kommunikation zu, d.h. sie sind zugleich Zielgruppen der Kommunikation eines Unternehmens als auch deren Kommunikationsmedium, denen entscheidende Gatekeeper- und Filterfunktionen zukommen. Absatzmittler orientieren ihr Verhalten jedoch an eigenen strategischen Marketing- und Kommunikationskonzepten sowie individuellen Interessen und Machtpositionen. Die Beziehungen von Unternehmen und Absatzmittlern im Rahmen der Kommunikationsarbeit sind daher durch systemimmanente Konflikte gekennzeichnet. Die Steuerung von Absatzmittlern und der Einsatz geeigneter Koordinationsinstrumente erfordert die Kenntnis bestehender Probleme, um aus diesen den spezifischen Koordinationsbedarf abzuleiten und darauf aufbauend zielgerichtete Maßnahmen zu formulieren. Auf Basis grundlegender Erkenntnisse von Forschungsarbeiten des Channel Managements sowie der Konfliktforschung entwickelt die Verfasserin einen konzeptionellen Analyserahmen, der zwischen Konfliktursachen, -ausprägungen und -wirkungen unterscheidet. Während die Ebene der Konfliktursachen interorganisationale Beziehungen abbildet, d.h. vertikale Macht-, Ziel-, Rollen- und Informationsbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler, finden sich auf der Ebene der Konfliktausprägungen die Verhaltenswirkungen im Planungspro-
VI
Geleitwort des Herausgebers
zess der Integrierten Kommunikation, d.h. konkrete und potenzielle Streitpunkte in der Analyse-, Planungs-, Umsetzungs- und Kontrollphase. Aus diesen resultierende Ergebniswirkungen, d.h. die Ineffizienz oder Ineffektivität der Integrierten Kommunikation, bildet schließlich die Ebene der Konfliktwirkungen ab. Der konzeptionelle Analyserahmen dient im weiteren Verlauf der Arbeit als Basis bzw. systematisches Orientierungsraster für eine empirische Untersuchung. Mit dem Ziel der Untersuchung, erste und detaillierte Erkenntnisse über bestehende Defizite und Problembereiche der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu gewinnen, ist die Arbeit in ihrem empirischen Forschungsstil qualitativ-explorativ ausgerichtet und orientiert sich in den Phasen der Datenanalyse und Datenauswertung an dem induktiven Vorgehen der Grounded Theory. Vor diesem Hintergrund identifiziert, insbesondere jedoch strukturiert, die Verfasserin im Rahmen der Untersuchung zahlreiche Konflikte, deren Ausprägungen, Ursachen und Wirkungen sowie Konsequenzen, die mit der Zwischenschaltung von Absatzmittlern als Kommunikationskanal des Unternehmens entstehen. Die Ergebnisse verdeutlichen den Koordinationsbedarf, d.h. die im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten bestehenden Integrations-, Abstimmungs- und Steuerungsprobleme. Mit dem Wissen um diese Probleme ist es in einem nächsten Schritt möglich, Managementimplikationen für eine abgestimmte Kommunikationsarbeit zu formulieren. Zu diesem Zweck wird von der Verfasserin eine problemspezifische Systematik von Koordinationsinstrumenten entwickelt. Die identifizierten Defizite machen ein umfassendes situatives und präventives Konfliktmanagement notwendig, dessen Zweck es ist, die bestehenden Probleme zu lösen bzw. diese einzudämmen sowie ähnliche Probleme in Zukunft zu vermeiden. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich der Einsatz der beschriebenen, insbesondere auf Harmonie zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zielenden, Koordinationsmaßnahmen auf einem Kontinuum bewegt und Unternehmen diese vor dem Hintergrund der jeweiligen Absatzmittlertypen zu formulieren haben. Die Verfasserin hat durch ihre Arbeit grundlegende Impulse für die weitere wissenschaftliche Forschung und praktische Umsetzung des Konzeptes der Integrierten Kommunikation geleistet. In diesem Sinne verbindet der Herausgeber mit der Veröffentlichung die Hoffnung, dass die vorliegende Arbeit einen Ausgangspunkt für weitere, vertiefende Forschungen hinsichtlich möglicher Probleme und Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten bildet, um die in Wissenschaft und Praxis existierenden Konzepte um den Themenkomplex der Mehrstufigkeit zu ergänzen.
Basel, im Februar 2007
Prof. Dr. Manfred Bruhn
Vorwort
VII
Vorwort Die Bedeutung einer Integrierten Kommunikation ist in der Forschung und Praxis anerkannt und immer mehr Unternehmen bemühen sich aktiv um eine einheitliche Kommunikationspolitik gegenüber den vielfältigen Anspruchsgruppen. In mehrstufigen Märkten gefährdet jedoch die Zwischenschaltung von Absatzmittlern die integrierte Kommunikationsarbeit von Unternehmen. Absatzmittler nehmen bedeutende Kommunikationsfunktionen ein und repräsentieren insbesondere in der Kommunikation mit den Endkunden einen einflussreichen Kontaktpunkt. Unternehmen stehen daher zusätzlich vor dem Problem, die von ihnen angestrebte Integrierte Kommunikation in den Kommunikationsaktivitäten der Absatzmittler sicherzustellen. Dies erweist sich vor allem bei unternehmensfremden und nicht weisungsgebundenen Absatzmittlern durch die fehlende direkte Steuerbarkeit und Kontrolle als zentrale Herausforderung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Ziel der vorliegenden Arbeit war es, ein besseres Gesamtverständnis für die Zusammenarbeit von Unternehmen und deren Absatzmittlern im Rahmen der Kommunikationsarbeit zu entwickeln und damit die Realisierung einer effektiven und effizienten Kommunikationsarbeit in mehrstufigen Märkten zu unterstützen. Im Mittelpunkt steht die Gewinnung und Strukturierung inhaltlicher Erkenntnisse über Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie daraus resultierender Defizite im Bereich der Integrierten Kommunikation. Als Basis der empirischen Untersuchung dienen Expertengespräche in der Schweizer Mobilfunkbranche. Aus den gewonnenen Ergebnissen werden schließlich Handlungsempfehlungen für das Management zur Koordination, Integration und Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler abgeleitet. Die vorliegende Arbeit wurde im Juli 2006 von der Wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Basel als Dissertation angenommen. Im Zusammenhang mit der Erreichung dieses Ziels möchte ich vor allem meinem Doktorvater, Prof. Dr. Manfred Bruhn, sehr herzlich danken. Dieser Dank bezieht sich nicht nur auf seine Unterstützung in den verschiedenen Phasen des Promotionsvorhabens, sondern insbesondere auf das mir entgegengebrachte Vertrauen während der gesamten Zeit am Lehrstuhl und die vielfältigen, herausfordernden Möglichkeiten zur permanenten fachlichen sowie persönlichen Weiterentwicklung. Ebenso gilt mein Dank Prof. Dr. Claudia B. Wöhle für die zügige Zweitbegutachtung der vorliegenden Arbeit. Im Hinblick auf die empirische Untersuchung möchte ich mich bei allen Gesprächspartnern bedanken, die die Durchführung des Forschungsvorhabens er-
VIII
Vorwort
möglicht haben. Ein besonders herzlicher Dank geht an Caroline Bücheler, Group Communication der Swisscom AG für ihre jederzeit freundliche, hilfsbereite und unkomplizierte Unterstützung sowie Kooperationsbereitschaft. Für die finanzielle Unterstützung bei der Drucklegung dieser Arbeit bin ich dem Dissertationsfonds der Universität Basel dankbar. Ein weiterer Dank geht zudem an Claudio Grolimund, der die Dissertation mit großem Engagement in die vorliegende Form gebracht hat. Des Weiteren danke ich meiner Kollegin, Dr. Grit Mareike Ahlers, die mich als „Coach“ bei der Erstellung der Arbeit unterstützt hat. Anschließen möchte ich den Dank an meine Kollegin Anja Zimmermann, die jederzeit auch „aus der Ferne“ durch ihre unermüdliche Diskussionsbereitschaft und wertvollen Inputs eine wichtige Stütze bei der Fertigstellung dieser Arbeit war und die es hervorragend verstand, mich immer wieder zu motivieren. Die zu ihr entwickelte Freundschaft möchte ich nicht mehr missen, ebenso wie die zu Dr. Astrid Frommeyer, MarcOliver Blockus, Dr. Karsten Hadwich und Dr. Dominik Georgi, denen zudem Dank für das präzise Korrekturen-„Finish“ und die Geduld bei langwierigen „Modell“-Diskussionen gebührt („gaaaaanz groß“). Darüber hinaus danke ich allen übrigen aktuellen und ehemaligen Kolleginnen und Kollegen des Lehrstuhls für Marketing und Unternehmensführung für die schöne und angenehme Zeit am Lehrstuhl, in der wir bei so vielen Aktivitäten sehr viel Spaß hatten und die mir immer in sehr guter Erinnerung bleiben wird. Danken möchte ich darüber hinaus Isabelle Maulaz, Björn Hoffmann sowie Dr. Rudolf Buri, die mich in der Schreibphase der Arbeit so freundlich und warmherzig in ihre Bürogemeinschaft aufgenommen, mit mir gelacht (vor allem über die „Vogelwelt Basels“ und „Brandschutzübungen“) und mich immer wieder ermuntert sowie auf andere Gedanken gebracht haben. Mein ganz besonders herzlicher Dank geht an alle Personen aus meinem privaten Umfeld. Vor allem danke ich Patricia Burkhardt, Susanne Hartmannsgruber, Isabel Langer sowie Dr. Ulrike Sanwald, die sich seit vielen Jahren an schönen Tagen mit mir freuen, auf die ich auch in schwierigen Momenten immer zählen kann und deren Freundschaft mir so viel bedeutet. Abschließend gilt mein unendlicher Dank meinen Eltern, die mir sehr viel auf meinen Weg mitgegeben und mir stets uneingeschränkt den nötigen Rückhalt vermittelt haben!
Basel, im Februar 2007
Kristina Lasotta
Inhaltsverzeichnis Geleitwort des Herausgebers ..........................................................................
V
Vorwort........................................................................................................... VII Schaubildverzeichnis ...................................................................................... XIII Abkürzungsverzeichnis................................................................................... XVII 1. Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die Integrierte Kommunikation ............................................................. 1.1 1.2
1.3
Spannungsfeld der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ..................................................................... Grundlagen zur Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ..................................................................... 1.2.1 Grundlagen des Konzeptes der Integrierten Kommunikation .................................................................... 1.2.2 Indirekte Vertriebssysteme und deren Implikationen für die Integrierte Kommunikation ....................................... Besonderheiten und Problemfelder der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten...................................... 1.3.1 Zentrale Problemfelder und Aufgabenstellungen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ....... 1.3.2 Typen von Kommunikationsprozessen zwischen Unternehmen, Absatzmittlern und Endkunden ..................... 1.3.3 Planungsprozess der Integrierten Kommunikation ............... 1.3.4 Management und Koordination indirekter Vertriebskanäle als Kernproblem der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.......................................................
1 1 7 7 10 13 13 18 21
28
1.4
Ziele und Forschungsfragen der Arbeit...........................................
34
1.5
Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes................................
36
1.6
Gang der Untersuchung ..................................................................
39
X
Inhaltsverzeichnis
2 Theoretische und konzeptionelle Grundlagen der Entstehung sowie des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ....................................................................... 2.1 2.2
Abgrenzung verhaltenswissenschaftlicher und ökonomischer Ansätze............................................................................................ Theoretische und konzeptionelle Erklärungsbeiträge zur Entstehung von Konflikten in Absatzkanälen................................. 2.2.1 Forschungsarbeiten zum Absatzkanalmanagement ............. 2.2.2 Konzeptionelle Grundlagen zu Konflikten und Konfliktwirkungen................................................................ 2.2.3 Beziehungen im Vertriebssystem als Ursachen konfliktärer Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern ......................................... 2.2.3.1 Zielbeziehungen ..................................................... 2.2.3.2 Rollenbeziehungen ................................................. 2.2.3.3 Machtbeziehungen.................................................. 2.2.3.4 Kommunikations- und Informationsbeziehungen... 2.2.3.5 Interdependenzen der Beziehungen ........................ 2.2.4 Entwicklung eines Analyserahmens der Defizitentstehung ..
43 43 48 48 56
62 65 70 74 82 85 86
2.3
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen zum Abbau von Defiziten und der Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler................................................................................... 90 2.3.1 Die Transaktionskostentheorie als vertrieblicher Erklärungsansatz................................................................... 90 2.3.1.1 Eignung der Transaktionskostentheorie als zentraler Ansatz der Neuen Institutionenökonomik ...... 90 2.3.1.2 Transaktionskostentheoretische Grundlagen und Annahmen............................................................... 93 2.3.1.3 Erklärungsbeitrag der Transaktionskostentheorie zur effizienten Durchsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.............. 99 2.3.2 Anreiz-Beitrags-Theorie als verhaltenswissenschaftlicher Erklärungsansatz................................................................... 101 2.3.2.1 Grundlagen der Anreiz-Beitrags-Theorie ............... 101 2.3.2.2 Erklärungsbeitrag der Anreiz-Beitrags-Theorie zur effektiven Durchsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.............. 104
2.4
Zusammenfassung der Erkenntnisse und Erweiterung der Forschungsfragen ................................................................................ 107
Inhaltsverzeichnis
XI
3 Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs zur Durchsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ............................................................................ 111 3.1
Methodische Grundlagen der empirischen Untersuchung ............. 112 3.1.1 Wahl der geeigneten Forschungsrichtung............................. 112 3.1.2 Grounded Theory als geeignete Forschungsmethodik .......... 116
3.2
Design der empirischen Untersuchung ........................................... 3.2.1 Datenerhebung der empirischen Untersuchung .................... 3.2.1.1 Grundlagen der Datenerhebung .............................. 3.2.1.2 Vorgehensweise der Datenerhebung....................... 3.2.1.3 Methodik der Datenerhebung ................................. 3.2.2 Datenanalyse der empirischen Untersuchung ....................... 3.2.2.1 Grundlagen der Datenanalyse................................. 3.2.2.2 Vorgehensweise der Datenanalyse ......................... 3.2.2.3 Methodik der Datenanalyse .................................... 3.2.3 Kritische Würdigung hinsichtlich der Messgüte...................
3.3
Konkretisierung und Diskussion des Analyserahmens auf Basis der empirischen Ergebnisse ............................................................ 3.3.1 Ebene der Konfliktursachen.................................................. 3.3.1.1 Divergierende Zielbeziehungen als Konfliktursache ................................................. 3.3.1.2 Asymmetrische Machtbeziehungen als Konfliktursache ................................................. 3.3.1.3 Abweichendes Rollenverhalten als Konfliktursache ................................................. 3.3.1.4 Vertikales Informationsgefälle als Konfliktursache ................................................. 3.3.1.5 Interdependenzen der identifizierten Verhaltensbeziehungen........................................... 3.3.2 Ebene der Konfliktausprägungen.......................................... 3.3.2.1 Konflikte in der Analysephase................................ 3.3.2.2 Konflikte in der Planungsphase .............................. 3.3.2.3 Konflikte in der Umsetzungsphase ......................... 3.3.2.4 Konflikte in der Kontrollphase ............................... 3.3.3 Ebene der Konfliktwirkungen............................................... 3.3.3.1 Ineffektivität der Integrierten Kommunikation....... 3.3.3.2 Ineffizienz der Integrierten Kommunikation .......... 3.3.4 Darstellung des vollständigen Analyserahmens und der identifizierten Zusammenhänge............................................
121 121 121 125 135 139 139 144 150 153 158 160 162 169 173 179 182 185 187 187 195 209 210 211 215 218
XII
Inhaltsverzeichnis 3.4
Zusammenfassung und kritische Würdigung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung.............................................................. 222
4 Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ............................................................................ 227 4.1
Systematisierung geeigneter Koordinationsinstrumente zum Abbau und der Vermeidung von Defiziten der Integrierten Kommunikation .............................................................................. 228 4.1.1 Anforderungen an die Koordinationsinstrumente ................. 228 4.1.2 Entwicklung einer problembezogenen Systematik von Koordinationsinstrumenten............................................ 231
4.2
Einsatz geeigneter Koordinationsinstrumente................................. 4.2.1 Maßnahmen des präventiven Konfliktmanagements ............ 4.2.1.1 Organisationsbezogene Koordination..................... 4.2.1.2 Personenbezogene Koordination ............................ 4.2.1.3 Planungsbezogene Koordination ............................ 4.2.2 Maßnahmen des situativen Konfliktmanagements ............... 4.2.2.1 Koordination durch Information............................. 4.2.2.2 Koordination durch Aufgabenzuweisung ............... 4.2.2.3 Koordination durch Anreiz und Motivation ........... 4.2.3 Zusammenfassender Überblick der Koordinationsmaßnahmen des präventiven und situativen Konfliktmanagements ...........................................................
4.3
242 242 242 248 253 255 255 260 262
269
Ansatzpunkte für die Entwicklung spezifischer Koordinationsmodelle..................................................................... 270
5. Zukünftiger Forschungsbedarf.............................................................. 277 Literaturverzeichnis ........................................................................................ 285 Anhang............................................................................................................ 321
Schaubildverzeichnis 1.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die Integrierte Kommunikation
Schaubild 1-1: Beispielhafte Darstellung nachgelagerter Marktstufen in unterschiedlichen Branchen.............................................
5
Schaubild 1-2: Spannungsfeld der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten..........................................................
6
Schaubild 1-3: Absatzmittler als Filter der Marketing- und Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens und deren Bedeutung für die Integrierte Kommunikation ..............................
15
Schaubild 1-4: Typen von Kommunikationsprozessen................................
19
Schaubild 1-5: Bezugsrahmen zur Analyse der Entstehung und des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten......................................................
36
Schaubild 1-6: Unternehmensfremde Absatzmittlertypen der Schweizer Mobilfunkbranche ...............................................................
39
Schaubild 1-7: Gang der Untersuchung .......................................................
42
2.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen der Entstehung sowie des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Schaubild 2-1: Einordnung der Theorien und Konstrukte in den Bezugsrahmen der Arbeit ....................................................
47
Schaubild 2-2: Zentrale empirische und konzeptionelle Arbeiten der Channel-Management-Literatur ....................................
52
Schaubild 2-3: Zielkonstellationen in Vertriebssystemen............................
67
Schaubild 2-4: Ziele bzw. Interessen von Unternehmen und Absatzmittlern ....................................................................
69
Schaubild 2-5: Sanktionsmöglichkeiten und -ausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern .......................................
78
XIV
Schaubildverzeichnis
Schaubild 2-6: Konzeptioneller Analyserahmen der Entstehung von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten..........................................................
87
Schaubild 2-7: Gegenüberstellung der zentralen Ansätze der Neuen Institutionenökonomik .............................................
93
Schaubild 2-8: Erweiterte Forschungsfragen der Untersuchung.................. 108 3.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs zur Durchsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Schaubild 3-1: Ablaufschema der Untersuchung in Anlehnung an die hermeneutische Spirale ....................................................... 120 Schaubild 3-2: Systematischer Aufbau der Datenerhebung und Datenanalyse ....................................................................... 127 Schaubild 3-3: Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie Konsequenzen für die Auswahl der Probanden ...................................................... 131 Schaubild 3-4: Verteilung der Probanden in den jeweiligen Ebenen bzw. Organisationen ............................................................ 133 Schaubild 3-5: Aufbau des Interviewleitfadens ........................................... 135 Schaubild 3-6: Klassifizierung von Auswertungsmethoden ....................... 140 Schaubild 3-7: Visualisierung der kodierten Segmente der Untersuchung durch den CMB ............................................ 152 Schaubild 3-8: Konfliktursachen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten...................................................... 161 Schaubild 3-9: Vermeidbare Rollenkonflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern .............................................................. 176 Schaubild 3-10: Rollendissens zwischen Unternehmen und Absatzmittler ... 178 Schaubild 3-11: Beispielhafte identifizierte Interdependenzen in den Verhaltensbeziehungen........................................................ 182 Schaubild 3-12: Beispielhafte Zitate der Interdependenzen in den Verhaltensbeziehungen........................................................ 183
Schaubildverzeichnis
XV
Schaubild 3-13: Konfliktausprägungen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten...................................................... 186 Schaubild 3-14: Defizite im Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern ..................................................................... 189 Schaubild 3-15: Defizite bei der Abstimmung strategisch-konzeptioneller Entscheidungen.................................................................... 194 Schaubild 3-16: Formale Defizite in der Umsetzungsphase .......................... 197 Schaubild 3-17: Inhaltliche Defizite in der Umsetzungsphase ...................... 199 Schaubild 3-18: Zeitliche Defizite in der Umsetzungsphase ......................... 200 Schaubild 3-19: Personell-kulturelle Defizite in der Umsetzungsphase ........ 204 Schaubild 3-20: Organisatorisch-strukturelle Defizite in der Umsetzungsphase ................................................................ 207 Schaubild 3-21: Konfliktwirkungen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten...................................................... 211 Schaubild 3-22: Ursächliche Konfliktausprägungen und beispielhafte Aussagen der Kategorie „Uneinheitliches Erscheinungsbild und fehlende Wiedererkennung“ .................................. 212 Schaubild 3-23: Ursächliche Konfliktausprägungen und beispielhafte Aussagen der Kategorie „Erhöhte Kosten“.......................... 215 Schaubild 3-24: Ursächliche Konfliktausprägungen und beispielhafte Aussagen der Kategorie „Suboptimaler Ressourceneinsatz“ ..................................................................................... 216 Schaubild 3-25: Systematisierung der identifizierten Kosten nach Transaktionskostenarten ...................................................... 217 Schaubild 3-26: Konfliktmodell der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten...................................................... 219 Schaubild 3-27: Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse (Hypothesenkatalog)............................................................ 224
XVI 4.
Schaubildverzeichnis Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
Schaubild 4-1: Systematisierung der Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten und daraus resultierende Koordinationsziele .............................. 232 Schaubild 4-2: Ziele der Koordinationsmaßnahmen.................................... 240 Schaubild 4-3: Zusammenwirken der Koordinationsmaßnahmen ............... 241 Schaubild 4-4: Anwendungsmöglichkeiten verschiedener Weiterbildungsformen für Absatzmittler ............................ 253 Schaubild 4-5: Idealtypische Aufgabenverteilung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern im Rahmen des Planungsprozesses der Integrierten Kommunikation........... 262 Schaubild 4-6: Blueprinting des Dienstleistungserstellungsprozesses eines Absatzmittlers im Mobilfunkbereich und IKrelevante Einzelmerkmale der Kontaktpunkte..................... 266 Schaubild 4-7: Zusammenfassender Überblick geeigneter Koordinationsmaßnahmen zum Abbau und der Vermeidung von Defiziten der IK in mehrstufigen Märkten........................... 269 Schaubild 4-8: Typologie zur Differenzierung vertikaler Integrationstypen ................................................................. 273 5.
Zukünftiger Forschungsbedarf
Schaubild 5-1: Ansatzpunkte für zukünftige Forschungsarbeiten................ 277
Abkürzungsverzeichnis AM C CD CI CMB I IK KAM N P PoP PoS PZI QDA U UCP USP
Absatzmittler Absolute Häufigkeit der Kodings Corporate Design Corporate Identity Code Matrix Browser Interviewer Integrierte Kommunikation Key Account Manager Relative Häufigkeit der Kodings Proband Point of Purchase Point of Sale Problemzentriertes Interview Qualitative Data Analysis Unternehmen Unique Communication Proposition Unique Selling Proposition
1
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die Integrierte Kommunikation
1.1
Spannungsfeld der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Unternehmen stehen angesichts austauschbarer Produkte und Leistungen, zunehmend gesättigter Märkte und einem steigenden Wettbewerbsdruck vor der Herausforderung, sich aus einer Vielzahl gleichartiger Angebote hervorzuheben, über eine erfolgreiche Kommunikationsarbeit Vorteile zu realisieren und diese dauerhaft zu halten. Die Kommunikation mit den vielfältigen Anspruchsgruppen eines Unternehmens wird in dieser Situation zum strategischen Erfolgsfaktor1, da sie eine erfolgreiche Differenzierung vom Wettbewerb ermöglicht. Neben dem generellen Bedeutungszuwachs der Kommunikationspolitik2 haben sich die Rahmenbedingungen der unternehmerischen Kommunikation in den letzten Jahren grundlegend verändert.3 Die Effektivität (Durchsetzung positiver Verstärkungseffekte in der Kommunikation) und Effizienz (Realisierung von Kostensenkungspotenzialen) rücken vor dem Hintergrund einer wertorientierten Optimierung der Kommunikationsaktivitäten in den Mittelpunkt. Der Forderung nach 1 2
3
Vgl. Bruhn 2006a, S. 4. Vgl. zu den Entwicklungsphasen der Kommunikationspolitik und deren steigenden Stellenwert im Rahmen des Marketingmix z.B. Bruhn 2005a, S. 41ff., 2005b, S. 24ff. Unternehmensexterne Veränderungen sind auf Nachfragerseite insbesondere die Informationsüberlastung und begrenzte Informationsverarbeitungskapazitäten, Reaktanzzeffekte sowie die Forderung der Konsumenten nach dialogorientierten Kommunikationsangeboten. Die steigende Zahl ausgesendeter Kommunikationsimpulse, ein Anstieg der Kommunikationsinvestitionen sowie die Fragmentierung und Atomisierung der Medien sind die zentralen Beispiele für Veränderungen auf Seiten des Kommunikationsangebotes. Unternehmensintern zwingt die wirtschaftlich angespannte Situation viele Unternehmen dazu, nicht mehr allein die Kommunikationswirkung zu betrachten, die sich durch einzelne Kommunikationsaktivitäten erzielen lässt, sondern auch die dafür getätigten Investitionen, vgl. Bruhn 2005a, S. 81ff., 2005b, S. 28ff.
2
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
einer Wertsteigerung in der Kommunikationsarbeit von Unternehmen kann durch einen koordinierten Einsatz der Kommunikationsinstrumente4 im Rahmen der Integrierten Kommunikation nachgekommen werden. Dabei geht es nicht um den isolierten Einsatz einzelner Kommunikationsinstrumente, sondern um deren aufeinander abgestimmten, integrierten Einsatz, um alle Anspruchsgruppen eines Unternehmens mit einheitlichen Aussagen sowie Darstellungen anzusprechen und ein konsistentes Erscheinungsbild zu vermitteln.5 Mit Blick auf die Kommunikationsarbeit von Unternehmen lassen sich mit der Unternehmens-, Marketing- und Dialogkommunikation drei zentrale Aufgabenbereiche abgrenzen, die unterschiedliche charakteristische Merkmale aufweisen und deren Elemente im Sinne der Integrierten Kommunikation abzustimmen sind:6 (1) Im Mittelpunkt der Unternehmenskommunikation stehen in der Regel die Prägung des institutionellen Erscheinungsbildes eines Unternehmens bei allen Anspruchsgruppen und das Bewerben der Unternehmensmarke. Zur Durchsetzung der angestrebten Positionierung bzw. eines positiven Images und dem Aufbau von Vertrauen, Kompetenz und Glaubwürdigkeit nutzen Unternehmen primär massenmediale, unpersönliche Kommunikationsinstrumente, beispielsweise Corporate Public Relations oder die institutionelle Mediawerbung. (2) Die Marketingkommunikation unterstützt den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens und erstreckt sich über alle Marktstufen. Ziel ist die Bekanntmachung der Leistungspotenziale eines Unternehmens, der Abbau von Informationsasymmetrien auf Seiten der Nachfrager durch zuverlässige Produkt- und Problemlösungsinformationen und die Vermittlung des konkreten Nutzens, um damit ökonomische Ziele zu realisieren. Unternehmen setzen zur Erreichung dieser Ziele beispielsweise Mediawerbung, Verkaufsförderung oder Sponsoring als typische Kommunikationsinstrumente ein. 4 5
6
Für verschiedene Ansätze zur Systematisierung von Kommunikationsinstrumenten und -maßnahmen vgl. z.B. Bruhn 2005a, S. 210 und die dort angegebene Literatur. Zur detaillierten Betrachtung der Notwendigkeit einer Integrierten Kommunikation vgl. Duncan/Everett 1993, S. 30f.; Schultz 1996, S. 140ff.; Esch 1998a, S. 73f.; Hackley/Kitchen 1998, S. 229; Kirchner 2001, S. 33; Zerfaß 2004, S. 308ff.; Bruhn 2005a, S. 74ff.; 2006a, S. 1ff.; Esch 2006, S. 1ff. Vgl. Bruhn 2005a, S. 212f. Die Grenzen zwischen den beschriebenen Bereichen und den eingesetzten Instrumenten sind fließend und Überschneidungen möglich. Zu einer ähnlichen Einteilung bzw. Klassifizierung der Kommunikationsinstrumente von Unternehmen vgl. Hartley/Pickton 1999, S. 97ff.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
3
(3) Im Rahmen der Dialogkommunikation werden spezielle interaktionsorientierte Instrumente, wie beispielsweise die persönliche Kommunikation oder Messen und Ausstellungen eingesetzt, um den Aufbau und die Intensivierung des Dialoges mit den aktuellen und zukünftigen Kunden eines Unternehmens sowie eine Stabilisierung langfristiger Geschäftsbeziehungen mit allen Marktpartnern zu forcieren. Bereits diese Darstellung der drei Bereiche der Kommunikation dokumentiert, dass für Anspruchsgruppen eines Unternehmens zahlreiche Kontaktpunkte existieren, bei denen sie mit Unternehmensaussagen und -darstellungen in Berührung kommen. Der Aufbau eines prägnanten und einheitlichen Erscheinungsbildes und eine erfolgreiche Differenzierung erfordert daher, dass Unternehmen über alle Kanäle hinweg eine aufeinander abgestimmte Kommunikation betreiben. Dies führt jedoch zu Problemen, wenn Kommunikationskanäle nicht im direkten Einflussbereich eines Unternehmens liegen. Die Wahrnehmung der externen Anspruchsgruppen wird in diesem Fall nicht mehr nur durch die direkten Aktivitäten eines Unternehmens beeinflusst, sondern – insbesondere im Rahmen des Verkaufs von Produkten und Dienstleistungen sowie im Dialog – durch weitere, nicht direkt steuerbare Kommunikationskanäle, beispielsweise durch Mitarbeitende eines externen Call Centers oder Angestellte nachgelagerter Markt- bzw. Handelsstufen.7 Herausforderungen für die integrierte Kommunikationsarbeit von Unternehmen ergeben sich daher insbesondere durch die Mehrstufigkeit der Märkte. Sowohl in Konsumgütermärkten als auch in der Industriegüter- und Dienstleistungsbranche üben eine Vielzahl unterschiedlicher Teilnehmer Einfluss auf unterschiedliche Marktstufen und -transaktionen aus. Über die Beschaffung sind Unternehmen im so genannten Beschaffungsmarkt mit der vorgelagerten Stufe, über ihren Absatz mit einer nachgelagerten Wirtschaftsstufe verbunden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit sind insbesondere Akteure der nachgelagerten Stufen von Interesse, da diese als Kommunikationskanäle zwischen anbietende Unternehmen und die nachfolgenden Marktstufen geschaltet sind.8 Je nach Vertikalisierungsgrad eines Unternehmens bzw. des betrachteten Marktes lassen sich unterschiedliche nachgelagerte Marktstufen unterscheiden. Um das Angebot und die Nachfrage in den Absatzmärkten zusammenzubringen, bedienen sich Unterneh7
8
Vgl. Tomczak et al. 2005, S. 28., ähnlich Esch et al. (2005, S. 990), die insbesondere die fehlende interne Abstimmung unterschiedlicher Abteilungen als Gefahr für die Konsistenz der Markenbotschaften betonen. Vorgelagerte Stufen werden im Rahmen der Arbeit nicht betrachtet. Zu Strategien der Integration der Kommunikation von Zulieferern vgl. das Konzept des Ingredient Branding bzw. Baumgarth 1999, Kemper 2000, Havenstein 2004 und Erfolgsbeispiele wie Ceran®, Gore-Tex®, Intel® usw.
4
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
men so genannter Absatzmittler, die den Transaktionsprozess abwickeln.9 Innerhalb dieser Kategorie ist es möglich, zusätzlich nach unterschiedlichen Absatzmittlerstufen bzw. Handelsstufen zu unterscheiden. Insbesondere in Konsumgütermärkten wird durch die weitere Differenzierung der Absatzmittler in Einzelhändler, die an die Verwender der Produkte und Dienstleistungen sowie Großhändler, die an Wiederverkäufer (Einzelhändler) oder Großverbraucher verkaufen das Konzept der Mehrstufigkeit ausgeweitet. 10 Für Anbieter in Industriegütermärkten sind nicht zwangsläufig alle Marktstufen bis zum Endkonsumenten relevant. Eine nachfragerbezogene Abgrenzung des relevanten mehrstufigen Marktes kann sich auch auf mehrere Verwenderstufen bis hin zur Verbraucherstufe beziehen.11 Als Marktteilnehmer auf den zwischengelagerten Marktstufen kommen demnach nicht nur Händler und Distributoren in Frage, sondern ebenso weiterverarbeitende Betriebe und so genannte Erstausrüster (OEMs = Original Equipment Manufacturer) oder industrielle Dienstleister.12 In der Dienstleistungsbranche sind zwischen das leistungsanbietende Unternehmen und Endabnehmer z.B. Händler, Agenten, Makler oder Intermediäre geschaltet, die die Dienstleistung vermitteln und damit entscheidend zur Qualitätswahrnehmung der Kunden beitragen.13 Absatzmittler werden aus Kundensicht häufig der Anbieterseite zugerechnet, mit der Einnahme der Unternehmensperspektive handelt es sich bei diesen jedoch um Nachfrager. Als weitere Marktteilnehmer der Nachfragerseite sind insbesondere Endabnehmer als Käufer und Verwender der Produkte bzw. Leistungen, aber auch die Öffentlichkeit, Meinungsbeeinflusser u.a.m. zu berücksichtigen. Einen Gesamtüberblick der Mehrstufigkeit in unterschiedlichen Branchen zeigt Schaubild 1-1. 9
10
11
12 13
Absatzmittler sind als marktbeteiligte Unternehmen zu verstehen, die Güter verkaufen, ohne sie selbst hergestellt oder einer nennenswerten physischen Umwandlung bzw. Weiterveredelung unterzogen zu haben, vgl. Steffenhagen 2004, S. 31. Frühe Ansätze zur Berücksichtigung mehrstufiger Marktformen entstammen der Handelstheorie und richten sich insbesondere auf die Unterscheidung in Konsumgütermärkten. Weber (1966, S. 95) beschränkt sich auf die Unterscheidung von einund zweistufigen Märkten, wobei zweistufige Märkte durch die Zwischenschaltung des Handels entstehen. Die erste Stufe ist somit eine Produzenten-Händler-Beziehung, während die zweite Stufe eine Händler-Haushalte-Beziehung repräsentiert. Vgl. Busse von Colbe/Hammann/Lassmann 1992, S. 15f. Der Begriff der Marktstufe ist daher nicht mit einer Handels- bzw. Vertriebsstufe gleichzusetzen, sondern impliziert, dass auch eine wirtschaftlich selbständige Produktionsstufe eine solche repräsentieren kann, vgl. Rudolph 1989, S. 33f. Zu den Teilnehmern in Industriegütermärkten vgl. z.B. Backhaus 2003. Zu unterschiedlichen Vermittlertypen in der Dienstleistungs- insbesondere der Versicherungsbranche und der Sicherstellung der Dienstleistungsqualität vgl. die Arbeit von Murmann 1999.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
5
Lieferanten
Unternehmen
Absatzmittler System- und Komponentenlieferanten, Distributoren, OEMs usw.
Groß- und Einzelhändler, Kaufhäuser usw.
Agenten, Intermediäre usw.
Industriegütermarkt
Konsumgütermarkt
Dienstleistungsmarkt
… weitere Stufen
Öffentlichkeit
Meinungsbeeinflusser
Endabnehmer (Kunde)
...
Schaubild 1-1: Beispielhafte Darstellung nachgelagerter Marktstufen in unterschiedlichen Branchen Die Darstellung macht deutlich, dass durch die Mehrstufigkeit der Märkte zahlreiche Kommunikationskanäle miteinander in Einklang zu bringen sind, die sich an die unterschiedlichen Anspruchsgruppen richten. Vor dem Hintergrund des Verkaufs von Produkten und Leistungen stehen dabei als Zielgruppen der unternehmens- und absatzmittlergerichteten Kommunikation primär die Endkunden im Mittelpunkt der Betrachtung. Absatzmittler nehmen eine bedeutende Rolle in der Kommunikation mit dem Endkunden ein, da sie als zwischengeschaltete Vermittler der Produkte und Leistungen einen einflussreichen Kontaktpunkt repräsentieren. Dieser kann insbesondere durch die persönliche Kommunikation und Interaktion potenziell sowohl positiv als auch negativ auf die Kommunikationsaktivitäten und das einheitliche Erscheinungsbild eines Unternehmens einwirken.14 Meara betont die Bedeutung der unterschiedlichen 14
Vgl. Tomczak 1992a, S. 26. Nach Buchanan/Simmons/Bickart (1999, S. 345ff.) beeinflusst die Präsentation einer Marke durch Händler die Markenwahrnehmung von Konsumenten entscheidend. Auf Basis der Ergebnisse einer empirischen Untersuchung stellen diese fest, dass eine, von der Konsumentenerwartung abweichende Markenpräsentation am PoS sogar zur Vernichtung des vom Konsumgüterhersteller aufgebauten Markenwertes führt.
6
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
Kommunikationskanäle für die Markenwahrnehmung und hebt die Konsequenzen für die integrierte Kommunikationsarbeit von Unternehmen hervor: „Companies must not only actively manage and orchestrate communication that flows from them directly, but also provide the words, tools and mechanism that help ensure effective translation of these communications. This is particularly true for companies working through marketing channels”.15 Setzen Unternehmen Absatzmittler ein, um ihre Leistung an die Endkunden zu vertreiben und das Leistungsversprechen zu kommunizieren, ergibt sich für die Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten das folgende, in Schaubild 1-2 dargestellte, Spannungsfeld. „Direkte“ Integrierte Kommunikation Unternehmen
Zielgruppen
1
2
3
Absatzmittler
„Indirekte“ Integrierte Kommunikation
Schaubild 1-2: Spannungsfeld der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten Aufgrund der Zwischenschaltung von Absatzmittlern sind Endkunden als Zielgruppen der Kommunikation zum einen Adressaten der direkten Integrierten Kommunikation des anbietenden und kommunikationstreibenden Unternehmens (in Schaubild 1-2 als c bezeichnet), zum anderen auch Adressaten der indirekten Kommunikation durch die Absatzmittler. Diese umfasst die Aussagen und Darstellungen der Kommunikationsaktivitäten der Absatzmittler, insbesondere deren persönlichen Kontakt und -dialog mit den Zielgruppen sowie die eigen15
Meara 2003, S. 50.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
7
ständige massenmediale Kommunikation (in Schaubild 1-2 als e bezeichnet). Zudem richten sich Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens an die Absatzmittler selbst als Zielgruppe der Kommunikation (beispielsweise im Rahmen der Händlerkommunikation) (in Schaubild 1-2 als d bezeichnet). Absatzmittler nehmen in diesem Spannungsfeld eine schwierig zu steuernde Doppelrolle ein. Da Absatzmittler direkt mit den Endkunden interagieren, sind sie zugleich Zielgruppen der Kommunikation eines Unternehmens als auch deren Kommunikationsmedium. Bevor die aus diesem Spannungsfeld resultierenden Problembereiche und Aufgaben konkretisiert werden, erscheint es zunächst sinnvoll, notwendige Wissensgrundlagen hinsichtlich des Konzeptes der Integrierten Kommunikation und über Absatzmittler als Akteure in mehrstufigen Märkten aufzuzeigen.
1.2
Grundlagen zur Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
1.2.1
Grundlagen des Konzeptes der Integrierten Kommunikation
Dem Konzept von Bruhn16 folgend, wird für die vorliegende Arbeit ein Begriffsverständnis zugrunde gelegt, das auf einer managementorientierten Sicht der Kommunikation basiert.17 Unter der Integrierten Kommunikation soll im Folgenden verstanden werden:18 16
17
18
Zu einer ausführlichen Betrachtung unterschiedlicher Konzepte der Integrierten Kommunikation vgl. Bruhn 2005b, S. 85ff., 2006a, S. 58ff. Vor allem im angloamerikanischen Sprachraum werden für die Konzepte auch Begriffe wie „Integrated Marketing“, „Integrated Marketing Communications“ oder auch „Integrated Corporate Communications“ verwendet. Der managementorientierten Sicht liegt der entscheidungsorientierte Ansatz zugrunde. Bei den folgenden Ausführungen wird daher primär die Perspektive des kommunizierenden Unternehmens eingenommen. Bei Einnahme der Absatzmittlerperspektive wird an entsprechender Stelle darauf hingewiesen. Für eine weiterführende Darstellung der unterschiedlichen theoretischen Erklärungsansätze der Integrierten Kommunikation vgl. Bruhn 2006a, S. 33ff. Bruhn 2006a, S. 17. Unterschiedliche Definitionen der Integrierten Kommunikation betrachten z.B. Duncan 2002; Gould 2004, S. 66; Kitchen/Joanne/Toa 2004, S. 19ff.; Kliatchko 2005, S. 14ff.
8
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
Integrierte Kommunikation (IK) ist ein Prozess der Analyse, Planung, Organisation, Durchführung und Kontrolle, der darauf ausgerichtet ist, aus den differenzierten Quellen der internen und externen Kommunikation von Unternehmen eine Einheit herzustellen, um ein für die Zielgruppen der Kommunikation konsistentes Erscheinungsbild über das Unternehmen bzw. ein Bezugsobjekt des Unternehmens (Marken/Produkte/Leistungen) zu vermitteln. Mit der Integrierten Kommunikation streben Unternehmen die Erreichung von Zielen an, die sowohl effizienzsteigernd wirken, als auch die Effektivität der Kommunikationsmaßnahmen erhöhen. Die Ziele der Integrierten Kommunikation lassen sich in psychologische und ökonomische Kategorien unterteilen.19 Im Vordergrund stehen die psychologischen Zielsetzungen, bei denen wiederum das einheitliche Erscheinungsbild eines Unternehmens bzw. des Bezugsobjektes der Kommunikation und – mit diesem Ziel verbunden – eine höhere Akzeptanz des kommunikativen Auftritts dominieren.20 Damit gehen ein eindeutiges Unternehmens- bzw. Markenbild in der Wahrnehmung der Zielgruppen, die Förderung der kommunikativen Differenzierung im Wettbewerb sowie das Erreichen verbesserter Lerneffekte bei den Zielgruppen einher bzw. unterstützen dieses Ziel. 21 Darüber hinaus lässt sich durch die Vermeidung von Widersprüchen zwischen Kommunikationsbotschaften das Vertrauen der Zielgruppen in eine Marke steigern. Die psychologischen Ziele sind primär auf die Kommunikationseffektivität ausgerichtet und die zentrale Zielsetzung besteht darin, durch das Zu19
20
21
Ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen psychologischen und ökonomischen Zielen der Kommunikation ist nur schwer nachweisbar. Psychologische Zielgrößen lassen sich nur schwer erfassen und sind nicht direkt messbar, steuern jedoch das Verhalten. Sie dienen innerhalb der Kommunikation als notwendige Zwischenziele des gesamten Kommunikations- und Marketingzielsystems, da ökonomische Ziele langfristig nur über die Vorgabe psychologischer Ziele zu erreichen sind, vgl. Bruhn 2005b, S. 159. Die Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen kann durch widersprüchliche, inkonsistente Aussagen gestört werden. Dadurch kann es zu Entscheidungskonflikten und Ablehnungsverhalten bei den Zielgruppen kommen. Es ist notwendig, dass das vermittelte Erscheinungsbild in sich widerspruchsfrei ist, um Irritationen auf Seiten der Zielgruppen zu vermeiden und die Glaubwürdigkeit sowie Akzeptanz des Bezugsobjektes der Kommunikation zu steigern, vgl. Bruhn 2005b, S. 95. Vgl. Bruhn/Boenigk (1999, S. 17f.), die feststellen, dass diese Effektivitätsaspekte als Wirkung der Integrierten Kommunikation im Vordergrund stehen. Vgl. zum empirischen Nachweis des positiven Zusammenhanges der Integrierten Kommunikation und der Effektivität Kirchner 2001, S. 228f., 319.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
9
sammenwirken der einzelnen Kommunikationsinstrumente eine sich potenzierende Kommunikationswirkung zu erreichen. Wird die Mitarbeiterkommunikation zudem konsequent in den Kommunikationsmix integriert, kann es zu einer Erhöhung der Mitarbeitermotivation und -identifikation kommen. Verbunden mit der Realisierung von Synergieeffekten ist die Ausnutzung von Kostensenkungspotenzialen beim Einsatz verschiedener Kommunikationsinstrumente, die im Vordergrund ökonomischen Zielsetzungen einer Integrierten Kommunikation stehen. Zum einen kann der synergetische Einsatz höhere Kommunikationswirkungen bei gleichen Kosten, zum anderen gleich bleibende Wirkungsniveaus bei geringeren Kommunikationskosten ergeben. Auf diesem Wege werden sowohl kosten- als auch nutzenorientierte Ziele realisiert und damit Effizienzsteigerungen in der integrierten Kommunikationsarbeit angestrebt.22 Um einen effizienten sowie effektiven Einsatz aller Kommunikationsaktivitäten im Sinne der Integrierten Kommunikation zu gewährleisten, sind die einzelnen Kommunikationsinstrumente umfassend über eine inhaltliche, formale und zeitliche Integration abzustimmen.23 Die erste Integrationsform umfasst die thematische Abstimmung der Kommunikationsaktivitäten durch inhaltliche Verbindungslinien, z.B. einheitliche Slogans, Kernbotschaften oder Schlüsselbilder,24 und dient der Vermittlung eines eigenständigen, konsistenten und kongruenten Erscheinungsbildes. Die Einhaltung formaler Gestaltungsprinzipien durch einheitliche Unternehmens- sowie Markenzeichen und Logos nach vorgegebenen formalen Richtlinien (insbesondere Schrifttypen, Größen, Farben) ist Gegenstand der formalen Integration, deren Ziel die Sicherstellung eines klaren, prägnanten und leicht wiedererkennbaren Erscheinungsbildes ist. Schließlich bezieht sich die zeitliche Integration auf die Abstimmung der Aktivitäten innerhalb und zwischen den Planungsperioden und strebt an die Wahrnehmung des einheitlichen Erscheinungsbildes zu verstärken sowie über die zeitliche Kontinuität Lerneffekte bei den Rezipienten sicherzustellen. Es ist notwendig, dass die Integration auf verschiedenen Ebenen erfolgt: zum einen auf intrainstrumenteller Ebene, d.h. zwischen verschiedenen Kommunikationsinstrumenten, zum anderen auf interinstrumenteller Ebene, d.h. innerhalb eines einzelnen Kommunikationsinstrumentes. Darüber hinaus ist die inhaltliche, formale und zeitliche Abstimmung der Kommunikationsaktivitäten sowohl in horizontaler als auch in vertikaler Richtung vorzunehmen. Damit findet im Konzept der Integrierten Kommunikation die beschriebene Mehrstufigkeit der Märkte Berücksichtigung. Während es bei der ho22 23 24
Vgl. Bruhn 2005b, S. 96. Vgl. ausführlich zur inhaltlichen, formalen und zeitlichen Integration Bruhn 2006a, S.66ff. Vgl. zur Bildkommunikation Kroeber-Riel 1993.
10
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
rizontalen Integration um die Abstimmung sämtlicher Kommunikationsinstrumente geht, die sich auf einer Marktstufe an die jeweiligen Zielgruppen richten, ist es Ziel der vertikalen Integration, auf den verschiedenen Ebenen des Marktes bzw. den unterschiedlichen Marktstufen (z.B. Handel, Zulieferer, Konsumenten) gleiche Inhalte der Kommunikation zu vermitteln und damit Irritationen sowie Widersprüchlichkeiten zu vermeiden und eine Durchgängigkeit der kommunikativen Ansprache und des einheitlichen Auftritts zu realisieren.25 Mit der vertikalen Integration berücksichtigt das Konzept der Integrierten Kommunikation explizit die Rolle der Absatzmittler als Zielgruppe eines Unternehmens und betont die Notwendigkeit sowie Bedeutung eines einheitlichen Erscheinungsbildes über alle Marktstufen hinweg. Hinsichtlich der Rolle der Absatzmittler als Kommunikationsmedium eines Unternehmens, die im Rahmen der vorangegangen Betrachtung mehrstufiger Märkte herausgearbeitet wurde, finden sich jedoch keine konkreten Hinweise und Anhaltspunkte. Das Konzept der Integrierten Kommunikation bedarf daher der Erweiterung bzw. Vertiefung um diese Aspekte und Problembereiche, deren theoretische und empirische Durchdringung den Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit bilden.
1.2.2
Indirekte Vertriebssysteme und deren Implikationen für die Integrierte Kommunikation
Sämtliche Entscheidungen, die die direkte und/oder indirekte Versorgung der Kunden mit den materiellen oder immateriellen Unternehmensleistungen betreffen, werden von Unternehmen im Rahmen der Vertriebspolitik getroffen.26 Ziel von Unternehmen ist es dabei, die physische und kommunikative Präsenz der eigenen Marken und Leistungen bei den Endkunden in bestimmten quantitativen und qualitativen Ausprägungen zu sichern.27 Im Rahmen der Selektion der Vertriebssysteme muss ein Unternehmen die Entscheidung treffen, welche Vertriebskanäle genutzt werden.28 Während die horizontale Absatzkanalstruktur Entscheidungen hinsichtlich der Zahl und Art der Absatzmittler auf den einzel25 26
27 28
Vgl. Bruhn 2005b, S. 92, 2006a, S. 75f. Vgl. Bruhn 2007, S. 245. In der deutschsprachigen Literatur wird diese oftmals auch als Distributionspolitik bezeichnet, vgl. zur begrifflichen Abgrenzung und Einordnung der Vertriebspolitik in den Marketingmix Ahlert 1996a, S. 8ff.; Swoboda/ Giersch 2004, S. 1709. Vgl. Tomczak 1992a, S. 49. Vgl. ausführlich zu Basisentscheidungen der Vertriebspolitik z.B. Specht/Fritz 2005, S. 33ff.; Becker 2006, S. 527f.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
11
nen Absatzstufen festlegt, umfasst die vertikale Absatzkanalstruktur die Zahl der Absatzstufen, d.h. die Erfüllung der Aufgaben durch Eigenabsatz (direkter Vertrieb) und/oder Fremdabsatz (indirekter Vertrieb).29 Beim direkten Vertrieb übernehmen Unternehmen alle Aufgaben und Funktionen, die bei der Versorgung der Endkunden anfallen, vollständig oder mehrheitlich selbst. Da ein Unternehmen in diesem Fall direkt an den Endabnehmer verkauft, ist der direkte Kontakt, die persönliche Kommunikation zwischen beiden und damit die direkte Einflussnahme auf die Endabnehmer sowie die umfassende Steuerung der Aktivitäten ein charakteristisches Merkmal. Werden zwischen Unternehmen und Endabnehmer jedoch unternehmensfremde Absatzmittler eingeschaltet, um die marketing- und kommunikationspolitischen Aufgaben gegenüber den Endkunden zu übernehmen, liegt der indirekte Vertrieb vor.30 Für die vorliegende Problemstellung der Sicherstellung eines einheitlichen Erscheinungsbildes durch alle Kommunikationskanäle ist insbesondere diese Situation von hoher Relevanz, da sich unternehmensfremde Absatzmittler der direkten Steuerbarkeit und Kontrolle eines Unternehmens weitgehend entziehen. Bei der Nutzung unternehmensfremder Absatzmittler im Rahmen des indirekten Vertriebs sind verschiedene Erscheinungsformen zu unterscheiden, die insbesondere nach dem Grad der Abhängigkeit und der damit verbundenen Weisungsgebundenheit der Absatzmittler vom Anbieter zu differenzieren sind.31 Zu den unternehmensgebundenen, d.h. wirtschaftlich abhängigen (rechtlich jedoch selbstständigen und auf eigenen Namen und eigene Rechnung agierenden) Vertriebsorganen zählen insbesondere Vertragshändler, Vertriebsgesellschaften und Franchisepartner. Unternehmensunabhängige Vertriebsorgane – beispielsweise Handelsvertreter, Kommissionäre, Vertriebsagenturen, Logistikdienstleister sowie der Groß- und Einzelhandel – sind dadurch charakterisiert, dass sie gegenüber dem Anbieter sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich unabhängig und da29
30 31
Zu einer ausführlichen Kriterienliste der vertikalen und horizontalen Selektion von Vertriebsystemen vgl. z.B. Ahlert 1996a, S. 173f.; Bruhn 2007, S. 261, zu Gestaltungsformen des Vertriebs Specht/Fritz 2005, S. 162ff. Vgl. Bruhn 2007, S. 251ff. Die unternehmenseigenen Absatzmittler sind insbesondere durch ihre wirtschaftliche sowie rechtliche Abhängigkeit und somit Weisungsgebundenheit gegenüber dem Unternehmen charakterisiert. Daher wird dieser Absatzmittlertyp in die vorliegende Untersuchung nicht explizit mit einbezogen, hat aber dennoch im weiteren Verlauf der Arbeit Relevanz, da durch den eigenen Vertrieb die (Macht-)Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern beeinflusst werden. Zur Weisungsbefugnis des anbietenden Unternehmens gegenüber den Vertriebspartner als entscheidendem Gestaltungsparameter der Vertragsgestaltung vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 897. Zu unterschiedlichen Gestaltungsformen der vertraglichen Beziehungen mit Vertriebspartnern vgl. Ahlert/Schröder 1996, S. 387.
12
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
mit nicht weisungsgebunden sind. Aufgrund dieser Selbstständigkeit hat ein Unternehmen nur geringe Steuerungsmöglichkeiten hinsichtlich der kommunikativen Aktivitäten und des Kundenkontaktes der Absatzmittler. Die fehlende direkte Einflussnahme auf den Endabnehmer, geringe Kontrollmöglichkeiten, Abhängigkeiten von Absatzmittlern und keine vertragliche Durchsetzungsmacht hinsichtlich der eigenen Interessen kennzeichnen die Situation für Unternehmen bei der Zusammenarbeit mit diesen Vertriebsorganen. Übernehmen daher die nicht zum Unternehmen gehörenden indirekten Vertriebskanäle Kernfunktionen, verringert sich je nach deren Gewicht der direkte Einfluss eines Unternehmens auf die Markt- und Konsumreife der eigenen Leistungen.32 Dies betrifft auch den Bereich der Kommunikationsaktivitäten des anbietenden Unternehmens. Somit stellt der Einsatz unternehmensfremder, wirtschaftlich und rechtlich selbstständiger Absatzmittler für die kontinuierliche und einheitliche Kommunikation von Unternehmen eine zentrale Herausforderung dar. Dieser Vermittlertyp steht daher im Mittelpunkt der vorliegenden Arbeit und wird im Folgenden durch die Kurzform „Absatzmittler“ bezeichnet. Eine Vielzahl von Unternehmen ist heute nicht in der Lage, ihren Vertrieb auf nur einen Absatzkanal zu beschränken, sondern setzt das gesamte Vertriebssystem aus zahlreichen direkten und indirekten vertrieblichen Subsystemen zusammen.33 Mit diesen so genannten Mehrkanalsystemen streben Unternehmen die Realisation einer erfolgreichen Vertriebspolitik an. Diese beinhalten neben Chancen auch Gefahren, die für die vorliegende Problemstellung relevant sind. Beispielsweise wird zwar die Abhängigkeit eines Unternehmens von einzelnen Absatzmittlern reduziert, die Vielfalt der Absatzkanäle trägt jedoch zur Verwirrung der Konsumenten und damit der mangelnden Durchsetzung einer konsistenten Wahrnehmung bei. Darüber hinaus birgt die gleichzeitige Nutzung mehrerer
32 33
Befinden sich Leistungen im Beschaffungsbereich der Endkunden, so ist dies als Markt- und Konsumreife zu bezeichnen, vgl. Tomczak 1992a, S. 16. Nach Moriaty/Moran (1990, S. 156) zeigt sich seit Beginn der 1990er-Jahre ein Trend zur parallelen Nutzung mehrerer Vertriebskanäle. Ein Vertriebssystem bezeichnet die Gesamtheit aller absatzwirtschaftlichen Institutionen, d.h. sämtliche unternehmensinternen Einheiten und Personen, die mit der Vertriebsaufgabe betraut sind sowie unternehmensfremde Absatzmittler, die den gemeinsamen Zweck verfolgen, potenzielle Endkunden zum Kauf der angebotenen Produkte und Leistungen zu veranlassen, vgl. Tomczak 1992a, S. 12, 18.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
13
Vertriebswege ein hohes Konfliktpotenzial zwischen den beteiligten Unternehmen.34
1.3
Besonderheiten und Problemfelder der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
1.3.1
Zentrale Problemfelder und Aufgabenstellungen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Die Überlegungen zur Mehrstufigkeit der Märkte haben deutlich gemacht, dass Absatzmittler nicht nur als Zielgruppe von Unternehmen, sondern insbesondere als Kommunikationsmedium zu berücksichtigen sind. Dies erweist sich durch die fehlende direkte Steuerbarkeit und Kontrolle der Absatzmittler als zentrale Herausforderung für die Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Absatzmittlern kommt in dem dargestellten Spannungsfeld eine bedeutende Position durch ihre Rolle als so genannte Gatekeeper zu.35 Die Gatekeeper-Funktion der Absatzmittler begründet sich insbesondere durch ihre Stellung zwischen Unternehmen und Endkunden sowie die Existenz von Informationsströmen, die ent34
35
Mehrkanalsysteme werden vielfach auch als Mehrkanalvertrieb, mehrgleisiger Vertrieb oder Multi-Channel-Management bezeichnet. Chancen ergeben sich bei einer Kombination der Vertriebskanäle vor allem aus einer optimierten Marktabdeckung, dem Einsatz kundengerechter Absatzkanäle sowie einer Erhöhung der Wirtschaftlichkeit des Vertriebs. Neben den oben genannten Gefahren bestehen weitere darin, dass durch die unterschiedlichen Aufgaben in den Absatzkanälen suboptimale Gesamtlösungen für das Vertriebssystem des Unternehmens entstehen und die Mitglieder des Systems insgesamt einem verstärkten Wettbewerb ausgesetzt sind. Zu Mehrkanalsystemen im Vertrieb vgl. z.B. Specht/Fritz 2005, S. 165ff. sowie ausführlich die Arbeiten von Stern/El-Ansary/Coughlan 1996; Schögel 1997, 2001; Ahlert 2002; Schramm-Klein 2003; Sauer 2005, insbesondere vor dem Hintergrund von OnlineVertriebswegen vgl. z.B. Wirtz 2002. Der Begriff „Gatekeeper“ (Schleusenwärter) stammt aus der so genannten ChannelTheorie, die von Lewin (1963, S. 206ff.) im Rahmen der Feldtheorie entwickelt und am Beispiel der beherrschenden Rolle der Hausfrau, die über die im Familienkreis konsumierten Lebensmittel entscheidet, untersucht wurde. Insbesondere Obergfell (1977, S. 39) und Hansen (1990, S. 42ff.) übertragen die Channel-Theorie auf die Betrachtung indirekter Vertriebssysteme, wobei Absatzmittler die Rolle des Gatekeepers übernehmen.
14
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
weder in Richtung Unternehmen oder Endkunden verlaufen.36 In diesem Sinne fungieren Absatzmittler innerhalb des Vertriebssystems in zweifacher Hinsicht als Gatekeeper. Zum einen entscheiden sie darüber, ob die konsum- bzw. kommunikationsspezifischen Informationen bzw. Darstellungen und Leistungen inhaltlich, formal und zeitlich korrekt zu den Endkunden gelangen. Zum anderen regeln sie den Informationsfluss von den Endkunden hin zum jeweiligen Unternehmen und entscheiden über die (Nicht-)Weitergabe wichtiger Informationen.37 Der Gatekeeper-Position kommt im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten somit eine besondere Bedeutung zu, denn Absatzmittler erfüllen durch diese eine Filterfunktion. Sie bestimmen durch ihre Nähe zu den Endkunden, in welcher Qualität und Quantität die Marketing- bzw. integrierten Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens zu diesen gelangen bzw. ob und wie diese „gefiltert“ werden.38 Dabei wirken Absatzmittler jedoch nicht zwangsläufig als Filter, sondern können auch die Funktion eines „Katalysators“ für die Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens übernehmen.39 Die so genannten Vertriebs-, Platzierungs-, Image- und Beratungsfilter40 und deren Bedeutung bzw. Gefahren für die Integrierte Kommunikation zeigt Schaubild 1-3.
36 37
38 39 40
Vgl. zu den unterschiedlichen Typen von Kommunikationsprozessen zwischen Unternehmen, Absatzmittlern und Endkunden ausführlich Abschnitt 1.3.2. Vgl. hierzu die Ausführungen über die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern im Planungsprozess der Integrierten Kommunikation in Abschnitt 1.3.3. Vgl. Pabst 1993, S. 90f. Vgl. Irrgang 1989, S. 3. Eine weitere Filterfunktion ist der so genannte Servicefilter, der den Einfluss der Absatzmittler auf die Qualität der Serviceleistungen bzw. After-Sales-Services bezeichnet, vgl. Irrgang 1989, S. 6f. Dieser wird jedoch im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht betrachtet, da er – es sei denn, die Qualität des Services wird beispielsweise als Inhalt der Kommunikationsbotschaft verwendet – nicht direkt die integrierten Kommunikationsaktivitäten des Unternehmens beeinflusst.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
15
Filter der Unternehmensaktivitäten
Einfluss durch …
Vertriebs- und Platzierungsfilter
… die Art und Intensität der Präsentation der Leistungen und Produkte in der Verkaufsstelle. Als Vertriebsfilter bestimmen Absatzmittler, ob die Leistungen und Produkte überhaupt erhältlich sind und wie diese in der Verkaufsstelle präsentiert werden.
Gefahr der fehlenden inhaltlichen, formalen und zeitlichen Abstimmung bzw. Integration aller Elemente sowie Darstellungen in den Verkaufsstellen der Absatzmittler (PoS) und dessen (massen-)medialen Kommunikationsaktivitäten.
… die Unterstützung vs. Irradiation eines Unternehmens- bzw. Markenimages in der Verkaufsstelle eines Absatzmittlers. Durch die Präsentation in der Verkaufsstelle werden Absatzmittler zum Imagefilter, die das Image positiv oder negativ beeinflussen.
Gefahr einer imageschädlichen, uneinheitlichen Unternehmensdarstellung bzw. inadäquaten Präsentation durch alle Elemente und Darstellungen sowie die persönliche Kommunikation in den Verkaufsstellen der Absatzmittler (PoS) und dessen (massen-)medialen Kommunikationsaktivitäten.
… die Qualität der Verkaufsberatung. Absatzmittler können, insbesondere bei beratungsintensiven Produkten und Leistungen die Kaufentscheidung in erheblichem Maße beeinflussen, bis hin zur Markenuntreue.
Gefahr der fehlenden inhaltlichen und zeitlichen Abstimmung bzw. Integration aller Aussagen und Botschaften in die persönliche Kommunikation der Absatzmittler. Gefahr einer mangelnden Motivation der Absatzmittler zur Erbringung eines IK- und unternehmensadäquaten Verhaltens in der Beratung und Betreuung der Endkunden.
Imagefilter
Beratungsfilter
Bedeutung für die Integrierte Kommunikation
Schaubild 1-3: Absatzmittler als Filter der Marketing- und Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens und deren Bedeutung für die Integrierte Kommunikation (in Anlehnung an Irrgang 1989, S. 3ff.; Pabst 1993, S. 91; Geppert 1995, S. 53) Betrachtet man diese Filterfunktionen wird deutlich, dass eine vertikale Integration von zentraler Bedeutung ist. Mit der vertikalen Integration im Konzept der Integrierten Kommunikation wird die Durchgängigkeit eines einheitlichen Erscheinungsbildes gegenüber allen vertikalen Stufen angestrebt.41 Vor dem Hin41
Vgl. Esch/Redler 2004, S. 1478.
16
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
tergrund der bisherigen Überlegungen wird jedoch deutlich, dass der Gedanke der vertikalen Integration zu erweitern bzw. zu vertiefen ist, da Unternehmen vor dem Problem stehen, die von ihnen angestrebte indirekte Integrierte Kommunikation, d.h. die im Sinne der Integrierten Kommunikation eines Unternehmens abgestimmten Aussagen und Darstellungen in den Kommunikationsaktivitäten der Absatzmittler, sicherzustellen. Um dies zu ermöglichen, hat sich das Interesse primär darauf zu richten, wie auf der Stufe der Endverbraucher die Integrierte Kommunikation möglichst effizient und effektiv mit Hilfe der Absatzmittler umgesetzt werden kann. Daraus ergeben sich für die Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten drei zentrale Problemfelder: (1) Sicherstellung der Integration unterschiedlicher (massen-)medialer Kommunikationsaktivitäten von Unternehmen und Absatzmittlern (mediale Abstimmung), (2) Motivation der Absatzmittler zu einer einheitlichen, abgestimmten persönlichen Kommunikation bzw. einem IK-adäquaten Verhalten (verbale bzw. Verhaltensabstimmung), (3) Berücksichtigung der Absatzmittler als Zielgruppe und deren Multifunktionalität (konzeptionelle Abstimmung). Ad 1: Bei der Sicherstellung der medialen Abstimmung geht es vor allem darum, die an die Endverbraucher gerichteten (massen-)medialen Kommunikationsaktivitäten von Unternehmen und Absatzmittlern abzustimmen. Damit sich die von Absatzmittlern eingesetzten und gesteuerten Kommunikationsinstrumente und -mittel, beispielsweise Anzeigen, Werbespots, Mailings, Promotions, Präsentationen am PoS sowie Verkaufsförderungsmaßnahmen, gleichgerichtet zur Integrierten Kommunikation eines Unternehmens darstellen, ist es notwendig, diese formal, zeitlich und inhaltlich mit denen eines Unternehmens in Einklang zu bringen.42 Dadurch ist der einheitliche kommunikative Auftritt sicherzustellen, die Wiedererkennung und schließlich die Lerneffekte sind bei den Endverbrauchern zu optimieren sowie Irritationen bei den Zielgruppen zu vermeiden. Ad 2: Ein weiteres, zentrales Problemfeld in mehrstufigen Märkten besteht für kommunikationstreibende Unternehmen in der Motivation der Absatzmittler zu einer einheitlichen persönlichen Kommunikation gegenüber den Endkunden durch die Verwendung entsprechender zur Verfügung stehender Botschaften, Aussagen und Argumentationsmuster (verbale Abstimmung). Vertriebskanäle, die unterschiedliche Freiheitsgrade und Kontrollspannen aufweisen, sind derart 42
Vgl. Esch/Redler 2004, S. 1480. Die Autoren bezeichnen dies als die „Integration der Endverbraucherkommunikation mit nachgelagerten Stufen“, ähnlich zur notwendigen Integration vgl. Sandt 1991, S. 95ff.
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zu steuern und zu motivieren, dass diese zum „Sprachrohr“ eines Unternehmens werden.43 So wie Unternehmensmitarbeitende zu „Markenbotschaftern“ zu machen sind44 – da sie die Schnittstelle zwischen der internen und externen Umgebung einer Marke bilden45 – sind auch die Absatzmittler und deren Mitarbeitende für die Integrierte Kommunikation eines Unternehmens bzw. die Marke(n) des anbietenden Unternehmens zu begeistern und schließlich einzusetzen.46 Eine wichtige Aufgabe liegt demnach in der Sicherstellung des „rollengerechten“, imageadäquaten Verhaltens der Absatzmittler in den verschiedenen Interaktionen mit den Endkunden zur Sicherstellung einer einheitlichen Integrierten Kommunikation. Mit dieser Verhaltensabstimmung ist anzustreben, dass alle Beteiligten auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite mit einer „einheitlichen Stimme“ kommunizieren. Ad 3: Damit Absatzmittler die Integrierte Kommunikation im Sinne eines Unternehmens weitergeben, ist es notwendig, dass sie sich zuerst der an sie gerichteten Botschaften bewusst sind, diese verstehen und für sich übersetzen. Dies rückt das dritte Problemfeld einer Berücksichtigung der Absatzmittler als Zielgruppe und deren Multifunktionalität in den Mittelpunkt. Grundsätzlich bedürfen Anspruchsgruppen unterschiedlicher Marktstufen einer differenzierten Ansprache, da sie sich durch unterschiedliche Bedürfnisse auszeichnen.47 So haben Endkunden und Absatzmittler unterschiedliche Probleme bzw. weisen verschiedene Informations- und Kommunikationsbedürfnisse auf und erfordern daher eine unterschiedliche Positionierung bzw. differenzierte Ansprache und andere Informationsangebote.48 Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Mitarbeitende auf Absatzmittlerseite unterschiedliche intrapersonelle Rollen einnehmen können (Multifunktionalität). So sind diese in ihrer Doppelrolle als Kommunikationsmedium bzw. Zielgruppe „Absatzmittler“ sowohl Sender endkundengerichteter Aussagen und Argumente, als auch Adressaten absatzmittlergerichteter Botschaften. Verkäufer eines Absatzmittlerunternehmens sehen beispielsweise neben Informatio43
44 45 46
47 48
Vgl. Esch/Vallaster 2004, S. 8ff. Dies setzt darüber hinaus voraus, dass Absatzmittlern die zu kommunizierenden Inhalte mitgeteilt werden, da sonst weitere potenzielle Kommunikationsdefizite bestehen, vgl. Bruhn 2006a, S. 14. Vgl. Esch/Vallaster 2004, S. 8. Vgl. Schneider/Bowen 1985, S. 423; Balmer/Wilkinson 1991, S. 29. Dies macht es notwendig, dass sich Unternehmen nicht nur beim Endkunden, sondern auch bei den Absatzmittlern einen USP – bzw. im Rahmen der Kommunikation einen UCP – erarbeiten: Das eigene Leistungsangebot und die Kommunikation sind so zu gestalten, dass Absatzmittler diese besser beurteilen als die der Konkurrenz, vgl. Tomczak/Schögel/Feige 2005, S. 1094. Vgl. Meffert/Bierwirth 2005, S. 155. Vgl. Tomczak/Schögel/Feige 2005, S. 1089.
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nen im Rahmen der handelsgerichteten Verkaufsförderung auch Werbung, die sich an Konsumenten richtet. Darüber hinaus können sie auch selbst beispielsweise Kunde oder Aktionär eines Unternehmens sein, an die sich die zielgruppengerichteten Kommunikationsaktivitäten richten.49 Teilnehmende unterschiedlicher Marktstufen sind daher einer Vielzahl von Kommunikationsmitteln ausgesetzt, da die Kommunikationskanäle der Stakeholder nicht zu trennen und diese nicht isoliert ansprechbar sind. Die verschiedenen Rollen und die „Nicht-Ausschließbarkeit“50 des Empfanges kommunikativer Signale unterstreichen die Notwendigkeit der vertikalen Integration und die Durchgängigkeit der Kommunikation über alle Marktstufen und Zielgruppen hinweg. Damit sich kein zersplittertes Bild ergibt, ist es notwendig, die (Positionierungs-)Inhalte der Kommunikation über alle Marktstufen hinweg einheitlich zu kommunizieren.51 Bei der Planung des Konzeptes der Integrierten Kommunikation ist daher darauf zu achten, die einheitliche kommunikative Positionierung in zielgruppengerechte Botschaften und Inhalte herunter zu brechen und diese aufeinander abzustimmen (konzeptionelle Abstimmung). Die zielgruppenspezifische Umsetzung des einheitlichen Kommunikationsauftrittes strebt die Vermeidung von Dissonanzen an, die entstehen, wenn Zielgruppen kommunikative Botschaften aufnehmen, die an andere Empfänger gerichtet sind.52 Insbesondere vor dem Hintergrund der Doppelrolle der Absatzmittler bei der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten wird deutlich, dass Absatzmittler geeignete endkundengerichtete Argumente und Aussagen nur weitergeben können, wenn bei ihnen keine Widersprüchlichkeiten und Irritationen auftreten.
1.3.2
Typen von Kommunikationsprozessen zwischen Unternehmen, Absatzmittlern und Endkunden
Die sich aus dem Spannungsfeld bzw. der Gatekeeper-Position der Absatzmittler ergebende Komplexität der Kommunikationsarbeit lässt sich in einer Betrach49
50 51 52
Neben ihrer Rolle als Mitarbeitende eines Unternehmens sind diese auch Konsumenten und Kunden. Es ist daher davon auszugehen, dass Mitarbeitende eines Unternehmens die Marke und deren kommunikative Aktivitäten nicht nur als Teil ihres Arbeitsplatzes bzw. als „Arbeitgeber“ wahrnehmen, sondern sich ebenso in ihrer Rolle als Konsumenten und Kunden mit diesen auseinandersetzen oder sich bereits in der Vergangenheit bestimmte Einstellungen und Sympathien gegenüber der Marke herausgebildet haben, vgl. Bruhn 2005c, S. 1044. Esch 1997, S. 8. Vgl. Esch 2005, S. 262f.; 2006, S. 69. Vgl. Esch 1997, S. 8.
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tung der vielfältigen Kommunikationsprozesse zwischen den Beteiligten unterschiedlicher Ebenen konkretisieren.53 Die differenzierte Betrachtung von Absender und Adressaten der Informationen führt zu einer Unterscheidung unterschiedlicher Typen von Kommunikationsprozessen.54 Konzentriert sich die Betrachtung auf die Kommunikationsprozesse, an denen Absatzmittler beteiligt sind, ergeben sich folgende Typen, die in Schaubild 1-4 grau hinterlegt sind. Adressat Management
Mitarbeitende
Absatzmittler
Kunde
Management
Unternehmensinteraktion
Mitarbeiterkommunikation
Händlerkommunikation
Marktkommunikation
Mitarbeitende
Unternehmensgerichteter Mitarbeiterdialog
Mitarbeiterinteraktion
Saleskommunikation
Kundenkommunikation
Absatzmittler
Unternehmensgerichteter Händlerdialog
Key Accountkommunikation
Händlerinteraktion
Verkaufs- und Handelskommunikation
Kunde
Unternehmensgerichteter Kundendialog
Mitarbeitergerichteter Kundendialog
Händlergerichteter Kundendialog
Kundeninteraktion
Absender
Schaubild 1-4: Typen von Kommunikationsprozessen (in Anlehnung an Bruhn 2006a, S. 11) Im Rahmen der Händlerkommunikation tauscht das Management eines Unternehmens (z.B. der Vertriebsleiter) mit Absatzmittlern (in der Regel den jeweiligen Vertriebszentralen oder den Geschäftsführern) primär Informationen aus, um die Geschäftsbeziehung zu erhalten und zu etablieren. Als Instrument dient einem Unternehmen unter anderem die handelsgerichtete Verkaufsförderung, die sich ausschließlich auf die Gewinnung der Unterstützung von Handelsbetrieben 53 54
Vgl. zu Kommunikationsprozessen in Vertriebskanälen auch Specht/Fritz 2005, S. 325ff. Bruhn (2006a, S. 10) zieht diese Kriterien zur Darstellung der Vielfalt der Kommunikationsprozesse und der Analyse der Integrationserfordernisse heran. Als Beteiligte der Kommunikation kommen bei einer groben Einteilung Management, Mitarbeitende und Kunden als Kommunikationsgruppen in Frage. Für die ausführliche Beschreibung der weiteren, hier nicht erläuterten und in Schaubild 1-4 aufgeführten Typen von Kommunikationsprozessen vgl. Bruhn 2006a, S. 10ff.
20
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richtet,55 aber auch weitere Kommunikationsinstrumente wie die Mediawerbung, Events, Messen usw., die der Händlerinformation dienen, sind denkbar. Die Mitarbeitenden eines Unternehmens bzw. die Mitarbeitenden der Absatzmittler (meist der Key Accounter auf Unternehmens- bzw. die Sales-Abteilung auf Absatzmittlerseite) richten sich im Rahmen der Sales Kommunikation und der Key Account Kommunikation an die Mitarbeitenden der Absatzmittler und umgekehrt. Sie tragen dafür Sorge, dass die Vertriebs- und Kommunikationsstrategien umgesetzt werden. Im Vordergrund der Kommunikation stehen Inhalte über die konkrete Marketing- bzw. Angebotskommunikation, d.h. Aussagen, Botschaften und Informationen über die zu verkaufenden Produkte sowie Leistungen und deren Nutzen. Als Instrumente kommen meist die persönliche Kommunikation bzw. weitere unterstützende Instrumente zum Einsatz, die der gegenseitigen Information dienen, beispielsweise Schulungen, Informationsbroschüren oder Events. Schließlich sind Absatzmittler bei einem händlergerichteten Kundendialog Adressaten der Botschaften der Endkunden, z.B. wenn diese bei Unzufriedenheit mit der erbrachten Leistung oder durch die Suche nach spezifischen Angebotsinformationen direkt den Kontakt mit den Mitarbeitenden eines Absatzmittlers suchen. Die Händler erhalten hierbei wichtige Informationen von Kunden über die Leistungen, aber auch die Wirkung bzw. den Erfolg der Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens. Absatzmittler können jedoch auch untereinander kommunizieren, wie das beispielsweise im Falle von Händlertreffen möglich ist. Die Kommunikation über die Branche, positive und negative Erfahrungen über die Zusammenarbeit mit einem Unternehmen, sowie der Austausch über Produkte und Angebote stehen im Mittelpunkt der Händlerinteraktion. Der unternehmensgerichtete Händlerdialog tritt vor allem auf, wenn Absatzmittler von sich aus einen Bedarf verspüren, mit dem Management zu kommunizieren, um beispielsweise auf Schwachstellen oder Kritikpunkte in der Zusammenarbeit oder Verbesserungsvorschläge für die Kommunikationsaktivitäten hinzuweisen. Schließlich interagieren Absatzmittler im Rahmen der Verkaufskommunikation mit den Kunden, indem sie im persönlichen Gespräch über die Leistungen, konkrete Angebote sowie deren Nutzen informieren und die Kunden in ihrer Kaufentscheidung beratend unterstützen. Im Vordergrund stehen Inhalte der Marketingkommunikation, deren Ziel die Bekanntmachung und der Verkauf von Produkten und Dienstleistungen sowie der Abbau von Informationsasymmetrien ist. Darüber hinaus konzentriert sich die Handelskommunikation auf die Profilierung der eigenen Betriebsstätte und die Hervorhebung der Handelsleistung.56 Absatzmittlern stehen hierzu vielfältige insbesondere (massen-) mediale Kommunikationsmittel zur Verfügung, beispielsweise im Rahmen der Media55 56
Vgl. z.B. Oehme 2001, S. 455f.; Gedenk 2002, S. 13ff. Vgl. Tomczak/Schmid 2001, S. 588.
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werbung (z.B. Anzeigen, Beilagen, Prospekte in Tageszeitungen, Zeitschriften),57 des Direct Marketing (z.B. Werbebriefe, E-Mails) oder der Multimediakommunikation (z.B. Online-Werbung). Die dargestellten Kommunikationsprozesse machen deutlich, dass zwischen Unternehmen und Absatzmittlern ein hoher potenzieller Integrations- und Abstimmungsbedarf besteht. Die Umsetzung eines integrierten Kommunikationskonzeptes steht insbesondere vor dem Problem, die geeigneten Botschaften und Darstellungen in und aus dem Absatz- bzw. Kommunikationskanal an die entsprechenden Zielgruppen zu bringen. Dies präzisiert die zentralen Herausforderungen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten dahingehend, unternehmensfremde Absatzmittler derart in die Kommunikationsaktivitäten einzubinden, dass sich die angestrebte(n) Positionierung bzw. Imagemerkmale auf Stufe der Endkunden und der einheitliche kommunikative Auftritt realisieren lassen. Die Einbindung der Absatzmittler in die Kommunikationsaktivitäten hat sich jedoch nicht nur auf die Umsetzung zu konzentrieren, sondern betrifft den gesamten Planungsprozess der Integrierten Kommunikation. Die Konkretisierung des Steuerungs- und Koordinationsbedarfs erfordert daher die Schaffung eines Verständnisses für die einzelnen Teilentscheidungen der integrierten Kommunikationsarbeit von Unternehmen und die Betrachtung möglicher Aufgabenfelder in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in den einzelnen Phasen des Planungsprozesses. Auf diesen wird im folgenden Abschnitt eingegangen.
1.3.3
Planungsprozess der Integrierten Kommunikation
Im Rahmen der integrierten Kommunikationsarbeit von Unternehmen sind zahlreiche komplexe Aufgaben wahrzunehmen, deren Lösung eine systematische, strukturierte und abgestimmte Vorgehensweise erfordern. Ein derartiges Vorgehen manifestiert sich in einem Planungsprozess der Kommunikation, dessen idealtypische Abfolge durch die Phasen der Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle wiedergegeben ist.58 Innerhalb dieser vier Phasen ist es möglich, eine 57
58
Das Investitionsvolumen der Absatzmittler für Eigenwerbung hat in den letzten Jahren stetig zugenommen. Im Jahre 2003 gehörte bereits die Hälfte der zehn größten Werbetreibenden zu der Gruppe der Absatzmittler, vgl. Nielsen Media Research GmbH 2004. Vgl. ausführlich zum Aufbau und Ablauf des Planungsprozess der Kommunikation bzw. der Integrierten Kommunikation z.B. Bruhn 2005a, S. 115ff., 2005b, S. 61ff., 2006a, S. 147ff., 2007, S. 202f.
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Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
Strukturierung bzw. Abgrenzung der verschiedenen Arbeitsschritte vorzunehmen. Diese Elemente sowie Überlegungen, inwieweit Absatzmittler die unterschiedlichen Teilentscheidungen eines Unternehmens tangieren oder darin involviert sind, werden im Folgenden beschrieben.59 Ausgangspunkt des Planungsprozesses ist eine umfassende Analyse der Kommunikationssituation. Zielsetzung dieses Arbeitsschrittes ist die Reflektion der aktuellen internen und externen kommunikationspolitischen Situation, insbesondere die Erfassung der Wahrnehmung des kommunikativen Unternehmens- bzw. Markenauftritts sowie einzelner eingesetzter Kommunikationsinstrumente bzw. integrativer Kommunikationsmaßnahmen und die Abbildung möglicher zukünftiger Entwicklungsverläufe. Dabei ist sowohl die Perspektive der Kunden als auch der Absatzmittler als Zielgruppen eines Unternehmens von Interesse. Das Ergebnis der Analyse stellt die Erarbeitung und das Aufzeigen der kommunikativen Problemstellung eines Unternehmens dar. Absatzmittler helfen in dieser Phase, Faktoren zu identifizieren, die die Kommunikationssituation positiv oder negativ beeinflussen. Eine Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern liegt daher insbesondere in der Bereitstellung sowie Verarbeitung entsprechender Informationen.60 Im Zentrum der Planungsphase steht die konzeptionelle Arbeit, deren Zielsetzung es ist, den strategischen Handlungsrahmen für einen einheitlichen Unternehmensauftritt und die inhaltliche, formale und zeitliche Integration der Maßnahmen zu schaffen. Die integrierte Kommunikationsarbeit umfasst auf der Ebene der Gesamtkommunikation die Erarbeitung des strategischen Kommunikationskonzeptes durch die zuständigen Führungsebenen. Die jeweiligen Fachabteilungen sind für die Umsetzung und taktische Planung der einzelnen Kommunikationsinstrumente sowie deren Integration in das Konzept der Gesamtkommunikation zuständig.61 Es erscheint zunächst die Annahme realistisch, dass für die vor59
60
61
Dabei handelt es sich jedoch um eine idealtypische Beschreibung der wesentlichen Arbeitsschritte im Rahmen der Integrierten Kommunikation, die in Abhängigkeit der Branchenzugehörigkeit und Größe der Organisationen (Unternehmen und Absatzmittler) möglicherweise abweichen. Unter der Bereitstellung von Informationen ist die Erhebung der für die Integrierte Kommunikation relevanten Daten sowie die Weitergabe an das Unternehmen zu verstehen. Durch den direkten Kundenkontakt sind Absatzmittler in der Lage, wesentliche Informationen bereitzustellen, die insbesondere den Kunden, dessen Einstellung gegenüber den Marken und dessen Informationsverhalten betreffen. Die Verarbeitung der Informationen durch den Absatzmittler betrifft die Aufgabe der Datenaufbereitung für eigenständige Entscheidungen im Rahmen einer Integrierten Kommunikation, vgl. Boenigk 2001, S. 39f. Vgl. zu Trägern der Kommunikationsplanung z.B. Bruhn 2005b, S. 69, 74ff.
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liegende Problemstellung lediglich die Ebene der taktischen Kommunikation, d.h. die konkrete Umsetzung der festgelegten Strategie eines Unternehmens durch die Absatzmittler, relevant ist. Es ist jedoch zu berücksichtigen, dass Absatzmittler bei der Entwicklung des Strategischen Konzeptes beratende Funktionen übernehmen können bzw. als Zielgruppe zu berücksichtigen sind. Daher werden im Folgenden die relevanten Aufgabenbereiche bzw. Teilentscheidungen der Planungsphase beschrieben. Diese bauen in der Regel aufeinander auf und sind durch Wechselwirkungen gekennzeichnet.62 Mit Hilfe der Positionierung ist zunächst für das Bezugsobjekt der Kommunikation festzulegen,63 welche Wahrnehmung bei den relevanten Zielgruppen anzustreben ist.64 Aus den Positionierungsvorgaben und auf Basis der Informationen der Situationsanalyse leiten sich dann die Kommunikationsziele ab. In der Regel leiten sich die in eine Zielhierarchie eingebetteten strategischen und schließlich konkreter formulierten taktischen Kommunikationsziele aus den Unternehmens- und Marketingzielen ab. Vor dem Hintergrund der anvisierten Kommunikationsziele ist in einem nächsten Planungsschritt mit der Definition der Zielgruppen festzulegen, welche Gruppen von Kommunikationsempfängern durch den abgestimmten Kommunikationsauftritt anzusprechen sind und welche Anforderungen diese an die Kommunikation stellen.65 Insbesondere vor dem Hintergrund der verschiedenen Rollen der Absatzmittler und der Nicht-Ausschließ62 63
64
65
Vgl. Esch 1998a, S. 84. Einflussgrößen der Auswahlentscheidung einer Bezugsgröße der Integrierten Kommunikation als Grundlage der konzeptionellen Entscheidungen bilden die bestehenden Markenstrategien sowie die inhaltlichen Klammern zwischen den angebotenen Leistungen, vgl. Esch 1998b, S. 161; Bruhn 2006a, S. 20ff. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit bilden die Unternehmensmarken bzw. Submarken das Bezugsobjekt einer Integration der Kommunikation, vgl. zu den Marken bzw. Bezugsobjekten der vorliegenden Untersuchung Abschnitt 1.5. Eine differenzierungsfähige Positionierung (UCP), die eine kommunikative Alleinstellung des Unternehmens gegenüber der Konkurrenz bedeutet, ist als das Oberziel der Kommunikation anzusehen und gilt für alle Zielgruppen. Vgl. ausführlich zur Positionierung Unger/Fuchs 1999, S. 54ff.; Kroeber-Riel/Esch 2004, S. 51ff.; Bruhn 2006a, S. 183ff.; Kotler/Bliemel 2006, S. 495 Vgl. ausführlich zur Zielgruppenplanung in der Kommunikationspolitik Bruhn 2005b, S. 177ff. In der Literatur finden sich über die Aufeinanderfolge der Planungsschritte Ziel- und Zielgruppenplanung unterschiedliche Auffassungen. So folgt beispielsweise bei Unger/Fuchs (2005, S. 18) sowie Bruhn (2005b, S. 155ff.) die Zielgruppenplanung idealtypisch der Zielplanung, während sich Kühn/Vifian (2004, S. 54ff.) und Duncan (2005, S. 172) für die umgekehrte Abfolge aussprechen. In der Praxis wird jedoch weder von der einen noch anderen chronologischen Reihenfolge auszugehen sein, sondern vielmehr eine wechselseitige Beziehung herrschen.
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barkeit des Empfanges kommunikativer Signale ist in diesem Planungsschritt die Zielgruppendefinition so umfassend wie möglich zu gestalten, um widersprüchliche Kommunikationskontakte für die Rezipienten zu vermeiden. In einem nächsten Schritt sind geeignete Kommunikationsinstrumente auszuwählen, zu kategorisieren und Entscheidungen zu treffen, wie diese sowohl auf inter- als auch auf intrainstrumenteller Ebene inhaltlich, formal und zeitlich miteinander zu verbinden sind, um einen einheitlichen Kommunikationsauftritt sicherzustellen.66 Auf Ebene der Gesamtkommunikation verbinden sich als Kernelemente die Positionierung, aus dieser abgeleitet die Formulierung einer kommunikativen Leitidee67 sowie die Planung des Kommunikationsmix zu einer Strategie der Integrierten Kommunikation, die einen festen Bezugsrahmen für sämtliche Kommunikationsmaßnahmen darstellt. Aus den Kernelementen werden Regeln der Kommunikation abgeleitet, die die Aufgabe haben, die Zusammenhänge für die nachgelagerten Kommunikationsabteilungen und weitere an der Kommunikation beteiligten Organisationen, z.B. Absatzmittler, zu konkretisieren und Anleitungen für die operative Umsetzung zu geben. Darüber hinaus ist für jedes einzelne Kommunikationsinstrument eine Kommunikationsstrategie zu formulieren, die sich in das Strategische Konzept der IK einordnet und schließlich konkrete Maßnahmen definiert. Dabei sind im Rahmen von Kampagnen die differenzierten Zielgruppen, Botschaften, Maßnahmen sowie der zeitliche Einsatz und das Areal der Kommunikationsmaßnahmen zu definieren. Mit der Entwicklung einer Strategie und der Umsetzung der Inhalte sind notwendigerweise Fragestellungen der Festlegung und der Verteilung des Kommunikationsbudgets verbunden. Vereinfachend wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit davon ausgegangen, dass die Höhe des Budgets von der Unternehmensleitung nach bestimmten Kriterien bereits festgelegt ist und dabei Integrationsüberlegungen einbezogen wurden. Die im Folgenden relevante Verteilung des Budgets auf die verschiedenen Kommunikationsinstrumente zur Durchführung der einzelnen Kommunikationsmaßnahmen umfasst auch die Zahlung von Zuschüssen (z.B. Werbekostenzuschüsse, Zahlung von Zuschüssen für bestimmte Aktionen am PoS) an die Absatzmittler. 66
67
An dieser Stelle sind die Eignung jedes Kommunikationsinstrumentes zur Zielerreichung sowie das Beziehungsgefüge zwischen den einzelnen Instrumenten zu prüfen. Dies ermöglicht die Aufstellung einer Instrumentehierarchie, die zu so genannten Leit-, Kristallisations-, Integrations- und Folgeinstrumente führt, vgl. ausführlich Bruhn 2006a, S. 166ff., 200ff. Die kommunikative Leitidee ist als eine Grundaussage über das Bezugsobjekt zu verstehen, das die wesentlichen Merkmale der Positionierung widerspiegelt, vgl. Bruhn 2006a, S. 183, 192ff.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
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In der Planungsphase ist die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern insbesondere durch Beratungs- und Abstimmungsaufgaben geprägt. 68 Gegenstand der Beratungsaufgabe ist die Unterstützung von Unternehmen durch Absatzmittler bei der Konzeption eines einheitlichen Auftritts. Dies kann beispielsweise im Rahmen der Auswahl geeigneter Kommunikationsinstrumente bzw. der Planung von Maßnahmen und Aktionen durch die Vermittlung ihres spezifischen Wissens über die Nutzung von Informations- oder Dialogangeboten durch die Kunden erfolgen. Die Berücksichtigung der Richtlinien und Vorgaben eines Unternehmens in den eigenen strategisch-konzeptionellen Entscheidungen der Absatzmittler bezeichnet die Abstimmungsaufgabe. Vor dem Hintergrund der Betrachtung unternehmensunabhängiger, selbstständiger Absatzmittler kommt vor allem der Abstimmungsaufgabe eine hohe Bedeutung zu. In der Phase der Umsetzung erfolgt schließlich die Realisation der in der Planung definierten Teilelemente und Maßnahmen entsprechend den bestehenden Zielsetzungen. Im Rahmen der vorliegenden Problemstellung handelt es sich dabei vor allem um Aktivitäten der Marketingkommunikation, die das Ziel haben, den Verkauf von Produkten und Dienstleistungen zu unterstützen und diese im Sinne der Integrierten Kommunikation mit anderen Maßnahmen abzustimmen sind. Dabei lassen sich innerhalb der Umsetzungsphase zwei Aufgabenbereiche abgrenzen, die für die vorliegende Arbeit von Relevanz und insbesondere vor dem Hintergrund der identifizierten Problemfelder zu betrachten sind.69 Zum einen die inhaltliche, formale und zeitliche Umsetzung der entwickelten strategischen Konzeption, zum anderen die Gestaltung integrationsfördernder Rahmenbedingungen, die eine Umsetzung der Integrierten Kommunikation unterstützen. Die Aufgaben der Absatzmittler innerhalb der Umsetzungsphase betreffen insbesondere die autonome Entwicklung und den abgestimmten Einsatz der eingesetzten Kommunikationsmaßnahmen. Im Rahmen der inhaltlichen, formalen und zeitlichen Umsetzung sind die Botschaftsgestaltung und die Übertragung mit geeigneten Kommunikationsmitteln vor dem Hintergrund der operativen, instrumentespezifischen Einzelziele der Integrierten Kommunikation abzustimmen. Dabei ist anzustreben, dass sich die Absatzmittler bei der Festlegung und Verwendung der kommunikativen Botschaften an der kommunikativen Leitidee orientieren, die durch ein Unternehmen im Rahmen der strategischen Konzeption erarbeitet wurden. Um einen einheitlichen Kommunikationsauftritt sicherzustellen, ist es notwendig, dass durch Unternehmen entwickelte zielgruppenspezifische Kernaussagen in die Gestaltung der massenmedialen Kommunikationsmittel der Absatzmittler oder die Botschaftsgestaltung am PoS einfließen. Die Kern68 69
Vgl. Boenigk 2001, S. 49. Vgl. Abschnitt 1.3.1.
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aussagen illustrieren die grundsätzlichen Botschaften eines Unternehmens durch Bilder oder sprachliche Mittel. Einzelaussagen, die die Kernaussagen konkretisieren, sind als zentrale Argumentationsmuster zu verwenden und dienen als Belege bzw. Beweise für die Kernaussagen. Möglich ist beispielsweise die Verwendung von Beispielen, Geschichten, Zahlen usw., die die spezifische Leistungsfähigkeit eines Unternehmens bzw. der Marke im Sinne der kommunikativen Positionierung verdeutlichen.70 Darüber hinaus sind durch Absatzmittler insbesondere die formalen Gestaltungsregeln zu berücksichtigen. Ziel der Gestaltungsprinzipien ist es, eine optische Verbindung zwischen den Kommunikationsmaßnahmen von Unternehmen und Absatzmittlern herzustellen und damit Einheitlichkeit in der Darstellung der Kommunikationsmittel und im PoS-Auftritt zu schaffen. Von besonderer Bedeutung sind in diesem Zusammenhang Vorschriften zum Corporate Design eines Unternehmens, beispielsweise die Verwendung bestimmter Logos, Farben und Zeichen, Schriftgrößen und -typen, die für die Gestaltung sämtlicher Kommunikationsmittel verbindlich sind. 71 Aufgaben der zeitlichen Umsetzung betreffen zum einen die Abstimmung der Kommunikationsmittel und -botschaften von Absatzmittlern und Unternehmen in einer Planungsperiode, beispielsweise Anzeigenwerbung und bestimmte Verkaufsförderungsaktionen, um mit diesen eine gegenseitige Verstärkung der Kommunikationswirkung zu erreichen. Zum anderen bezieht sich die Abstimmung auf die Sicherung der zeitlichen Kontinuität bei der Verwendung der inhaltlichen und formalen Elemente in den Aussagen der Absatzmittler und der Maßnahmen am PoS. Eine wesentliche Aufgabe der Absatzmittler liegt in beiden Fällen in der Berücksichtigung der durch Unternehmen zur Verfügung gestellten Kommunikationsmittel, beispielsweise Plakate, Prospekte, Dekorationsmaterialien und multimediale Kommunikationsmittel, die am PoS zum Einsatz kommen. Die Gestaltung integrationsfördernder Bedingungen als zweiter Aufgabenbereich der Umsetzungsphase betrifft Entscheidungen im Rahmen der Anpassung der Unternehmenspotenziale an das Strategische Konzept der Integrierten Kommunikation. Um eine erfolgreiche Integration zu unterstützen, sind entsprechende Veränderungen im Unternehmen notwendig. Dies betrifft insbesondere die Anpassung von Unternehmensgrundsätzen und Organisationsstrukturen sowie mitarbeitergerichtete Maßnahmen zur Unterstützung des Integrationsprozesses.72 Zielsetzung der Verankerung von Leitlinien der Integrierten Kommunikation in den Unternehmensgrundsätzen ist es, einen langfristigen Orientierungsrahmen der integrierten Kommunikationsarbeit aufzubauen und so die Grundlagen für 70 71 72
Vgl. ausführlich zu Kern- und Einzelaussagen Bruhn 2006a, S. 186ff. Vgl. Bruhn 2005b, S. 111. Vgl. zum Corporate Design z.B Antonoff 1986; Demuth 1989; Birkigt/Stadler 2002, Birkigt et al. 2002; Stankowski 2002. Vgl. Boenigk 2001, S. 53.
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einen einheitlichen Kommunikationsauftritt zu schaffen.73 Organisatorische Integrationsaufgaben umfassen beispielsweise Veränderung in der Aufbau- und Ablauforganisation im Bereich der Kommunikation, die die Integration der Kommunikationsinstrumente fördert.74 Schließlich haben mitarbeitergerichtete Maßnahmen im Rahmen der Gestaltung integrationsfördernder Bedingungen eine besondere Bedeutung, da die effektive und effiziente Kommunikationsarbeit wesentlich durch die Verhaltensweisen der Mitarbeitenden determiniert wird.75 Im Sinne der Integrationsziele sind als Grundlage des Verhaltens zum einen die Bereitschaft an der Gestaltung eines einheitlichen Kommunikationsauftritts einen Beitrag zu leisten, zum anderen die fachliche Qualifikation der Mitarbeitenden, voneinander abgrenzen.76 Integrationsfördernde Maßnahmen betreffen daher insbesondere die Verankerung notwendiger Denkhaltungen in der Unternehmenskultur als Gesamtheit der Wertorientierungen sowie Verhaltensweisen der Mitarbeitenden, die Verbesserung des Arbeits- und Kommunikationsklimas im Unternehmen sowie die Förderung der Kooperations- und Koordinationsbereitschaft der Mitarbeitenden.77 Inwieweit auch auf Absatzmittlerseite die Gestaltung integrationsfördernder Rahmenbedingungen vorgenommen wird, auf die Unternehmen jedoch keinen oder nur begrenzten Einfluss haben, hat auch Konsequenzen für die Umsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten, da auch bei diesen die notwendigen internen Voraussetzungen zu schaffen sind. 78 Daher sind vor dem Hintergrund einer erfolgreichen Integration der Kommunikation auch entsprechende organisatorisch-strukturelle und personell-kulturelle Widerstände auf Seiten der Absatzmittler zu betrachten und durch geeignete – die Integration und die Zusammenarbeit fördernde – Maßnahmen eines Unternehmens abzubauen bzw. zu verhindern. Als abschließender und integrativer Bestandteil des Managementprozesses überprüft schließlich die Erfolgskontrolle, ob die gesetzten Kommunikationsziele 73 74 75 76 77 78
Vgl. Thommen 2002, S. 148f.; Meffert 2000, S. 68f. Vgl. Bruhn 2005b, S. 94f. Vgl. Hilker 2001, S. 839f. Vgl. Kolks 1990, S. 110ff. Vgl. zur organisatorischen und personellen Gestaltung der Integrierten Kommunikation ausführlich Bruhn 2006a, S. 209ff., 281ff. Es erscheint jedoch nicht realistisch, dass Unternehmen eine Veränderung der aufbau- und ablauforganisatorischen Organisationsstrukturen auf Absatzmittlerseite erreichen können. Darüber hinaus ist zu beachten, dass sich integrationsfördernde Rahmenbedingungen der Absatzmittler primär an deren eigenen strategischen Konzeptionen ausrichten und nicht an denen des Unternehmens.
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erreicht wurden, welche konkreten Maßnahmen dazu beigetragen haben und welchen Erfolg das aufgewendete Budget hatte. Zielsetzung dieser Phase ist damit die Überprüfung der Erfolgswirksamkeit der Entscheidungen im Rahmen der Planung und Umsetzung der Integrierten Kommunikation.79 Daher sind neben den Wirkungskontrollen, die die kognitiven, affektiven und konativen Reaktionen der Zielgruppen auf die eingesetzten Kommunikationsmaßnahmen und die dadurch erreichten kommunikativen Ziele überprüfen, so genannte Prozess- und Effizienzkontrollen durchzuführen. Prozesskontrollen betrachten die planmäßige Durchführung der Kommunikationsmaßnahmen. Dabei erscheint es sinnvoll, dass auch die Prozesse und Abläufe zwischen Unternehmen und Absatzmittler analysiert werden. Effizienzkontrollen werden schließlich, durch die Erstellung von Kosten-Nutzen-Vergleichen zur Beurteilung der integrierten kommunikativen Aktivitäten herangezogen.80 Die Resultate der Erfolgskontrolle fließen laufend in die Analyse der Kommunikationssituation ein und durch eine Kontrolle der Wirkungen, Prozesse sowie Effizienz zwischen Unternehmen und Absatzmittlern lassen sich Abweichungen erkennen und korrigierende Maßnahmen ergreifen. In dieser Phase haben Absatzmittler die Aufgabe, die für die Erfolgskontrolle notwendigen Informationen bereitzustellen. Zu unterscheiden ist dabei zwischen der Weitergabe der für die Wirkungs- und Effizienzkontrolle relevanten Informationen, z.B. die im Kundenkontakt ermittelten Informationen zu den Wirkungen eines aufeinander abgestimmten Instrumenteeinsatzes, sowie der Überstellung entsprechender Prozessdaten, beispielsweise zur Zusammenarbeit bei durchgeführten Aktionen, an das Unternehmen.81
1.3.4
Management und Koordination indirekter Vertriebskanäle als Kernproblem der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Es ist deutlich geworden, dass Absatzmittler im Rahmen der integrierten Kommunikationsarbeit von Unternehmen vielfältige Aufgaben übernehmen und die Durchsetzung eines einheitlichen Erscheinungsbildes in hohem Maße beeinflussen. Absatzmittler sind als die mit dem Endkunden direkt interagierenden und beratenden Instanzen in geeigneter Weise in die Kommunikationsaktivitäten eines Unternehmens einzubinden. Das Verständnis der Absatzmittler als „ausführendes Organ des Unternehmens“ hat sich jedoch in den letzten Jahrzehnten stark 79 80 81
Vgl. Boenigk 2001, S. 63. Vgl. Bruhn 2005b, S. 73f., 491. Vgl. Boenigk 2001, S. 64f.
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gewandelt.82 Absatzmittler agieren nur selten als „Anpasser“, sondern orientieren ihr Verhalten an eigenen strategischen Marketing- und Kommunikationskonzepten sowie individuellen Interessen und Zielen, die sich häufig nicht als deckungsgleich mit denen eines Unternehmens erweisen.83 Die Zusammenarbeit und die Beziehungen der Vertriebspartner sind daher aufgrund struktureller Aspekte durch systemimmanente und nicht vollständig ausschaltbare Konflikte gekennzeichnet,84 deren Bewältigung in der Unternehmenspraxis eine zentrale Herausforderung darstellt.85 Die Betrachtung des Konfliktpotenzials in Vertriebskanälen führt zu einer Unterscheidung zwischen horizontalen und vertikalen Konflikten.86 Horizontale Konflikte treten zwischen Vertriebsorganen der gleichen Stufe auf, beispielsweise wenn verschiedene Franchisenehmer untereinander in Konflikt geraten, weil sie sich an nicht vorgeschriebene Preisrichtlinien halten oder zur Verursachung imageschädigender Qualitätsprobleme beitragen.87 Die vorliegende Arbeit konzentriert sich jedoch auf die so genannten vertikalen Konflikte, die zwischen den vor- und nachgelagerten Vertriebsstufen auftreten. Diese bezeichnen eine Interaktionssituation zwischen Unternehmen und Absatzmittler, bei der mindes82
83 84 85
86 87
Bis in die 1970er-Jahre hinein konnte die Markenartikelindustrie im Konsumgüterbereich als Marketingführer die Steuerung des Marketingmix über alle Vertriebsstufen hinweg nutzen. Der Handel war zu dieser Zeit ein „passiver Vertriebskanal“, der keinen nennenswerten Einfluss hatte und dem eine reine Vertriebsfunktion zugesprochen wurde. In diesem Verständnis werden die Händler zu „Mittlern der konzeptionellen Vorstellungen des Herstellers degradiert“ (Ahlert/Borchert 2000, S. 14). Quantitative und qualitative Veränderungen auf der Handelsebene haben dazu geführt, dass sich der Handel aus der Rolle des reinen Absatzmittlers heraus zu einem immer stärker werdenden Marktteilnehmer und vielfach dominanten Marktpartner mit Marketingführerschaft emanzipiert hat, vgl. Zentes/Schramm-Klein 2004, S. 1681. Vgl. Schögel/Tomczak 2004, S. 40; Specht/Fritz 2005, S. 164. Vgl. Steffenhagen 1975; Meffert/Steffenhagen 1976, S. 9. Zu Konflikten zwischen den Vertriebspartnern vgl. Abschnitt 2.2. Durch einen zunehmenden Verdrängungswettbewerb, stagnierende Umsätze und steigende Kosten in Folge wachsender Serviceerwartungen sowie Preissensibilitäten der Konsumenten erhöht sich – vor allem in den klassischen Konsumgütermärkten, jedoch auch in der Industriegüter- und Dienstleistungsbranche – zunehmend das Konfliktpotenzial zwischen Unternehmen und deren Händlern. Nur die Hälfte der Handelsunternehmen und jedes dritte Industriegüterunternehmen beurteilen die Beziehungen zum jeweiligen Marktpartner als kooperativ, vgl. Zentes/Swoboda 2005, S. 1065f. Vgl. ausführlich Specht/Fritz 2005, S. 445. Vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 894.
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tens eine Partei wahrnimmt, dass die andere Partei sie in ihrem Verhalten davon abhält, ihren Interessen nachzugehen und ihre Ziele zu erreichen.88 Steffenhagen bezeichnet derartige Konflikte als „Spannungszustände“ oder Reizmuster innerhalb eines sozialen Systems, die inkompatible Verhaltensweisen der Systemmitglieder auslösen.89 Vertikale Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bilden daher den Ansatzpunkt für eine Untersuchung möglicher Defizite in der Kommunikation und dadurch konkretisierte Steuerungs-, Abstimmungs- und Integrationsprobleme im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zeigen sich Konflikte in Form bestimmter Streitpunkte in den unterschiedlichen Phasen des Planungsprozesses bzw. den beschriebenen Teilentscheidungen der Kommunikationsarbeit, die sich in potenziellen oder konkreten Konfliktausprägungen manifestieren. Dies können beispielsweise nicht durchgeführte Maßnahmen und Aktionen, der Einsatz unterschiedlicher formaler Gestaltungselemente am PoS oder die Verwendung uneinheitlicher Botschaften in der Umsetzungsphase sein. Streitpunkte und die sich darin äußernden Konfliktausprägungen sind jedoch stets Indikatoren und Symptome tiefer liegender Konfliktursachen. Diese lassen sich auf die Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zurückführen, beispielsweise gegenseitige Erwartungshaltungen und Rollenverständnisse, jeweilige Zielsetzungen und deren Verträglichkeit, Kommunikationsbeziehungen und Informationsmängel sowie die Machtbeziehungen zwischen den Systemelementen.90 Konflikte besitzen in hohem Maße destruktive Auswirkungen auf die Effizienz des Vertriebssystems. Eine geminderte Effizienz lässt sich in erster Linie auf die mangelhafte Koordination der Aktivitäten und damit einhergehend steigende Kosten zurückführen, denn „[…] je konfliktreicher die Zusammenarbeit ist und je weniger Vertrauen die Parteien ineinander besitzen, desto aufwändiger wird
88
89 90
Vgl. Coughlan et al. 2001, S. 214, 237f. Horizontale Konflikte, z.B. der Angebotswettbewerb zwischen Absatzmittlern derselben Stufe, sind oft die Ursachen vertikaler Konflikte in Absatzkanälen, vgl. Meffert/Steffenhagen 1977, S. 166. Dies hat auch vor dem Hintergrund der vorliegenden Problemstellung Relevanz, wenn z.B. Absatzmittler eine bestimmte kommunikative Profilierung im horizontalen Wettbewerb anstreben und sich daher nicht IK-konform verhalten. Die Konfliktrelevanz derartiger Sachverhalte wird im Rahmen dieser Arbeit jedoch nicht explizit einer näheren Analyse unterzogen, sondern vielmehr als mögliche beeinflussende Variable behandelt. Zu horizontalen Beziehungen vgl. z.B. Steffenhagen 2004, S. 40. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 24. Vgl. Meffert/Steffenhagen 1976, S. 9. Vgl. ausführlich zu den Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler Abschnitt 2.2.3.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
31
die Transaktion.“91 In der Beziehung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern wirken sich daher Konflikte auf die Zusammenarbeit, die Bereitschaft der Absatzmittler zur Erbringung einer IK-konsistenten Leistung und somit auf die Ergebnisse aus. Es ist daher zu vermuten, dass sich Konfliktwirkungen hinsichtlich der Zielsetzung einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit von Unternehmen beispielsweise in erhöhten Kosten zeigen, die aufgrund erneuter Abstimmungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern notwendig werden, der Verschwendung von Ressourcen, der Demotivation der Beteiligten auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite und insbesondere in der Vermittlung eines uneinheitlichen Erscheinungsbildes eines Unternehmens an den Endkunden. Mit den aufgezeigten Herausforderungen und Problembereichen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten wird deutlich, dass das Management und die Koordination der indirekten Vertriebskanäle zu einem kritischen und entscheidenden Faktor in der Kommunikationsarbeit von Unternehmen wird. 92 Nur wenn Unternehmen und Absatzmittler, als „zwischengeschaltete Instanzen“, einheitlich kommunizieren und sich abgestimmt verhalten, sind bei den Zielgruppen langfristig und dauerhaft positive Kommunikationswirkungen zu erzielen und mögliche Kostensenkungspotenziale zu realisieren. Das Bestreben von Unternehmen muss es daher sein, die (bewusst oder unbewusst) manipulativen Einwirkungen der unternehmensfremden Absatzmittler auf die Kommunikationsaktivitäten so weit wie möglich zu reduzieren und destruktiv wirkende Aktivitäten – d.h. Konflikte und aus diesen resultierende Defizite – zu vermeiden. Absatzmittler sind durch geeignete Koordinationsmechanismen derart zu steuern, dass das verfolgte Konzept der Integrierten Kommunikation realisiert werden kann. Eine erfolgreiche indirekte Integrierte Kommunikation werden Unternehmen nur durchsetzen, wenn es gelingt, die von ihnen selektierten Absatzmittler auf allen Stufen zu einer adäquaten Leistung zu motivieren und die zwischen ihnen bestehenden Konflikte abzubauen. Um eine Realisation ihrer Strategien sicherzustellen, haben Unternehmen daher durch geeignete Koordinations- und Steuerungs91 92
Schmitz 2003b, S. 4. Die Zusammenarbeit von Mutter- und Tochtergesellschaften international tätiger Unternehmen bzw. von Unternehmen mit ihren direkten Vertriebskanälen kann ebenso von Konflikten geprägt sein und das Management dieser Kanäle erforderlich machen, vgl. Bruhn 2006a, S. 276f. Zu den spezifischen Barrieren, die hier die Planung und Umsetzung behindern vgl. Laube 1994, S. 14ff. Die vorliegende Arbeit konzentriert sich jedoch auf den Typ des ungebundenen unternehmensfremden Absatzmittlers, da bei diesem die meisten konfliktären Beziehungen und daraus resultierende Mängel in der Umsetzung der Integrierten Kommunikation zu erwarten sind. Die Untersuchungsergebnisse sind tendenziell auf die „weniger konfliktären“ Beziehungen mit den weisungsgebundenen direkten Vertriebskanälen und Tochtergesellschaften übertragbar.
32
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
maßnahmen auf die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Absatzmittler zur Erbringung der notwendigen kommunikativen Leistungen einzuwirken. Das Management indirekter Vertriebssysteme im Rahmen der Integrierten Kommunikation stellt ein wichtiges, jedoch kaum erforschtes Problemfeld in der Marketing- und Kommunikationsforschung dar. Zwar betonen verschiedene Autoren die Bedeutung der vertikalen Integration im Rahmen der Integrierten Kommunikation,93 eine ausführliche Betrachtung der Problemsituation findet jedoch nicht statt und konkrete Managementempfehlungen werden nicht gegeben. Einige wenige Forschungsarbeiten beschäftigen sich mit der Steuerung und Koordination von Vertriebssystemen, kommunikationspolitische Aspekte werden jedoch nur am Rande betrachtet.94 Tomczak bezeichnet den Forschungsstand der Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler als unterentwickelt und die bisherige Betrachtung der Thematik als oberflächlich. Er stuft das Problemfeld der Motivation und Steuerung rechtlich und wirtschaftlich selbstständiger Absatzmittler daher als weitgehend unerforscht ein.95 Neuere Arbeiten im Bereich des Markenmanagements betonen die Bedeutung der einheitlichen und kontinuierlichen Darstellung der Marke an allen Kontaktpunkten. Der Fokus liegt bei diesen Arbeiten zwar nicht auf den Absatzmittlern als Kontaktpunkt, sondern konzentriert sich auf die unternehmenseigenen Mitarbeitenden und deren Verhalten. Sie geben dem vorliegenden Thema jedoch einen Impuls hinsichtlich der Bedeutung des Managements und der Steuerung aller Kommunikationskontaktpunkte. Da Mitarbeitende die Schnittstelle zwischen Unternehmen und Endkunden bilden, stellen diese einen wichtigen Kanal für den Transport der Markenbotschaft dar.96 Daher ist es von hoher Relevanz, die widersprüchliche Kommunikation durch Massenmedien und Mitarbeitende in Richtung Kunden zu vermeiden und durch die mediale Kommunikation geweckte 93 94 95 96
Vgl. z.B. Esch 2004, S. 524f.; Esch/Redler 2004 S. 1478ff.; Bruhn 2006a, S. 75f. Vgl. z.B. die Arbeiten von Tomczak 1992a; Otzen-Wehmeyer 1996; Meier 2005. Vgl. Tomczak 1992a, S. 97, 131. Das Thema wird aktuell unter der Bezeichnung Behavioral Branding in der Forschung zum Markenmanagement diskutiert. Unter dem Behavioral Branding werden alle Maßnahmen verstanden, „die dazu geeignet sind, den Aufbau und die Pflege von Marken durch zielgerichtetes Verhalten und die persönliche Kommunikation zu unterstützen.“, Tomczak et al. 2005, S. 29. Vgl. insbesondere die Beiträge von Esch et al. 2005 sowie Tomczak et al. 2005 sowie das auf mehrere Jahre ausgelegte Forschungsprojekt des Instituts für Marketing und Handel, des Zentrums für Business Metrics der Universität St. Gallen und des Instituts für Markenforschung der Universität Gießen zur Analyse des Einflusses des Mitarbeiterverhaltens auf die Markenstärke bzw. der Entwicklung von Lösungen zur Verbesserung des Behavioral Branding, vgl. IMH, Universität St. Gallen 2006.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
33
Kundenerwartungen nicht durch das Verhalten der Mitarbeitenden zu enttäuschen. Die empirische Relevanz des vorliegenden Themas zeigt sich auch in einer Studie zur Bestandsaufnahme der Integrierten Kommunikation in deutschen und Schweizer Unternehmen, bei der ein Drittel der befragten Unternehmen angaben, dass der Einsatz von Absatzmittlern zu Problemen für die Integrierte Kommunikation führt. Dabei treten nach Angabe der Befragten am häufigsten Informations-, Kooperations- und Koordinationsprobleme auf.97 Im Rahmen einer Untersuchung von Schwachstellen in Marketingprozessen analysiert Saatkamp unter anderem den Kernprozess „Leistung kommunizieren“.98 In diesem Kernprozess lassen sich verschiedene Problemfelder identifizieren, von denen insbesondere zwei für die vorliegende Problemstellung relevant sind. Erstens stellt er fest, dass es Probleme bei der operativen Umsetzung gibt, da bei dieser das Zusammenwirken zahlreicher interner (z.B. Marketing, Vertrieb) und externer (z.B. Händler, Merchandiser) Einheiten notwendig ist und konkretisiert in diesem Prozess die zeitliche Abstimmung als Hauptschwachpunkt. Zweitens sind im Zusammenhang mit Absatzmittlern Abstimmungsprobleme zu identifizieren, die auf unterschiedliche, zum Teil gegensätzliche, Interessen von Unternehmen und Handel bei der Umsetzung der kommunikationspolitischen Maßnahmen zurückzuführen sind. Durch Zielkonflikte kommt es im Rahmen der Kommunikationspolitik zu unterschiedlichen Prioritätensetzungen.99 Die Probleme und Konflikte werden jedoch nicht näher konkretisiert. Vor diesem Hintergrund ist darauf hinzuweisen, dass Untersuchungen zu vertikalen Konflikten zwischen Unternehmen und dem Handel bzw. Absatzmittlern existieren, die durch verschiedene Streitpunkte innerhalb des Marketingmix abgebildet werden. In diesem Zusammenhang werden auch Streitpunkte im Rahmen der Kommunikationspolitik identifiziert, diese bilden jedoch einen nur wenig konkretisierten Teilbereich.100 Die Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler und die Durchsetzung einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit in mehrstufigen Märkten erfordert die Kenntnis und Durchdringung der zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bestehenden Konflikte und daraus entstehender Defizite. Aus diesen er97
Vgl. Bruhn 2006b, S. 432f., 455f. Die Probleme werden in der Studie jedoch nicht näher konkretisiert. 98 Vgl. Saatkamp 2002. 99 Vgl. Saatkamp 2002, S. 92ff.; Diller/Saatkamp 2002, S. 245f. 100 Vgl. zu Untersuchungen in unterschiedlichen Branchen z.B. die Arbeiten von Pabst 1993 und Geppert 1995. Allgemein zu Konflikten zwischen Absatzkanälen vgl. insbesondere Steffenhagen 1975; Meffert/Steffenhagen 1976. Ausführlich zur Konfliktforschung in Absatzkanälen vgl. Abschnitt 2.2.
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Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
gibt sich der spezifische Koordinationsbedarf aufgrund der konkretisierten Steuerungs-, Abstimmungs- und Integrationsprobleme zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. Mit der Identifikation potenzieller sowie konkreter Konfliktausprägungen in den jeweiligen Phasen des Planungsprozesses der Integrierten Kommunikation wird es möglich, auf die jeweiligen Konfliktursachen zu stoßen und diese schließlich durch geeignete Koordinationsmaßnahmen abzubauen.
1.4
Ziele und Forschungsfragen der Arbeit
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten Problemstellung ist es das Ziel der vorliegenden Arbeit, ein besseres Verständnis für die Zusammenarbeit von Unternehmen und deren unternehmensfremden Absatzmittlern im Rahmen der Kommunikationsarbeit zu entwickeln. Damit wird ein Beitrag zur Verbesserung des Gesamtverständnisses der integrierten Kommunikationsarbeit in mehrstufigen Märkten geleistet. Da das Thema der Mehrstufigkeit im Rahmen der Integrierten Kommunikation bisher noch nicht in dieser Tiefe behandelt wurde, liegt die Herausforderung der Arbeit zunächst in der theoretischen und empirischen Analyse der Zusammenarbeit von Unternehmen und deren unternehmensfremden Absatzmittlern und der Durchdringung bestehender Probleme und Defizite im Bereich der Integrierten Kommunikation. Um unternehmensfremde Absatzmittler effizient und effektiv zu steuern bzw. zu koordinieren sowie damit eine erfolgreiche Kommunikationsarbeit in mehrstufigen Märkten zu realisieren, sind zunächst potenzielle und konkrete Konfliktausprägungen und deren vielfältige Ursachen sowie Wirkungen auf die Integrierte Kommunikation zu ermitteln (Entstehung von Defiziten). Mit dem dadurch deutlich werdenden Koordinationsbedarf ist es ein weiteres Ziel der Arbeit, Hinweise für den Abbau bzw. die Vermeidung der identifizierten Defizite zu erarbeiten. Hierzu sind geeignete Maßnahmen zum Konfliktabbau und der Koordination der Absatzmittler zu definieren. Dies erfordert die Entwicklung eines geeigneten „Set“ situativ einzusetzender Koordinationsinstrumente, die langfristig wirken und einen dauerhaften Erfolg zur Folge haben (Abbau bzw. Vermeidung von Defiziten). Die Festlegung des spezifischen Koordinationsbedarfs sowie die Erarbeitung geeigneter Maßnahmen sind als Managementimplikationen der Arbeit zu verstehen. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen die folgenden Forschungsfragen, die in Schaubild 1-5 miteinander in Beziehung gesetzt werden und den Bezugsrahmen der Arbeit bilden:
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
35
(1) Entstehung von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Welche Konfliktpotenziale und konkreten Konfliktausprägungen existieren zwischen Unternehmen und deren unternehmensfremden Absatzmittlern im Bereich der Integrierten Kommunikation?
Wo treten diese Probleme auf, d.h. in welchen Phasen (Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle) des Planungsprozesses der Integrierten Kommunikation bzw. an welchen Schnittstellen zwischen Unternehmen und deren Absatzmittlern?
Auf welche Konfliktursachen lassen sich die Streitpunkte und Konfliktausprägungen zurückführen?
Welche Wirkungen haben die Konflikte auf die Integrierte Kommunikation bzw. die angestrebte Effizienz und Effektivität?
Existieren Faktoren, die die auftretenden Konflikte oder Konfliktursachen beeinflussen, d.h., diese verstärken bzw. abschwächen?
Variieren die Konfliktausprägungen bei unterschiedlichen Typen von Vermittlern bzw. auf unterschiedlichen Ebenen?
Aus den in (1) formulierten Fragestellungen resultieren die zentralen Untersuchungsziele der Arbeit:
Darstellung eines konzeptionellen Modells, das auf Grundlage bisheriger Kenntnisse aus der Konfliktforschung die Konfliktentstehung erörtert und sich mit potenziellen Konfliktwirkungen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten auseinander setzt.
Systematisierung der empirischen Befunde auf Grundlage eines geeigneten Analyserahmens.
Deskription und Exploration der Konfliktausprägungen, -ursachen und -wirkungen und daraus entstehender Defizite (Koordinationsbedarf).
(2) Abbau bzw. Vermeidung von Konflikten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten (Managementempfehlungen)
Welcher Koordinationsbedarf ergibt sich auf Basis der Ergebnisse der empirischen Untersuchung?
Welche Koordinationsinstrumente sind geeignet, die identifizierten Defizite bzw. die identifizierten Konfliktursachen abzubauen oder diese zu vermeiden?
36
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
Wie sind die Koordinationsinstrumente vor dem Hintergrund der Problemstellung zu systematisieren?
1
Entstehung von Defiziten
Streitpunkte in den Phasen des Planungsprozesses
Rollen
Konfliktursachen
Ziele/Interessen Kommunikation/ Information
2
Konfliktwirkung
Konfliktausprägung
Macht
Analyse
Planung
Umsetzung
Konfliktabbau
Kontrolle
Koordinationsbedarf
Einsatz geeigneter Koordinationsmechanismen
Abbau und Vermeidung der identifizierten Defizite
Schaubild 1-5: Bezugsrahmen zur Analyse der Entstehung und des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
1.5
Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes
Der geringe theoretische Erkenntnisstand der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten erfordert eine explorative Forschungsstrategie. Die Einflussfaktoren und Variablen des aufgezeigten Spannungsfeldes erweisen sich als mehrdimensionales Untersuchungsobjekt, so dass die komplexen Zusammenhänge nicht empirisch zu überprüfen sind, sondern analysiert, verstanden und interpretiert werden müssen.101 Nur die intensive Erforschung des Spannungsfeldes 101 Vgl. Belz 1991, S. 9; Tomczak 1991, S. 30ff., 1992b, S. 83f.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
37
in einer geeigneten Branche ermöglicht es, die Problemschichten zu durchdringen, konkrete Streitpunkte bzw. Konflikte zu benennen, Wirkungen zu verbinden, Ursachen zu erklären und geeignete Handlungsempfehlungen abzuleiten. Die Auseinandersetzung mit den genannten Forschungsfragen und der Anwendbarkeit der Erkenntnisse hängt jedoch wesentlich von der Art der betrachteten Branchen, deren Strukturen und Leistungen ab.102 Die skizzierte Problemlage der Konflikte zwischen Unternehmen und deren Vertriebskanälen betrifft häufig Unternehmen der Konsumgüterbranche (klassische Hersteller-Handels-Problematik), aber auch in anderen Branchen bestehen Dysfunktionen und Konflikte mit indirekten Vertriebskanälen, die vor allem durch die wahrgenommene Filterfunktion der zwischengeschalteten Absatzmittler bedingt ist.103 Die Betrachtung der Besonderheiten und Herausforderungen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten hat deutlich gemacht, dass vor allem die persönliche Kommunikation und Interaktion der Absatzmittler mit den Endkunden entscheidende Faktoren zur Durchsetzung einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit darstellen. Der Einfluss der persönlichen Kommunikation variiert jedoch bei unterschiedlichen Leistungen und Involvement-Situationen. Insbesondere im Dienstleistungs- und Industriegüterbereich spielen die persönliche Kommunikation und das Verhalten der Kommunikationskanäle durch die Häufigkeit der Interaktionen und die hohe Intensität der Kontakte mit den Kunden eine besonders große Rolle.104 Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf die Dienstleistungsbranche, in der Beratungs- und Verkaufsleistungen häufig durch unternehmensfremde Absatzmittler (z.B. Versicherungsagenten, Reisebüros) erbracht werden. Durch die Immaterialität einer Dienstleistung wird das Auftreten und Verhalten der Mitarbeitenden zudem zu einem „Qualitätssuggorat“105 sowie die Bereitstellung der IK-adäquaten Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Absatzmittler zum Erfolgsfaktor einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit von Unternehmen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit erfolgt weiterhin eine Einschränkung des Untersuchungsbereichs auf die Schweizer Mobilfunkbranche. Diese erscheint geeignet, da sie durch beratungsintensive Leistungen der Absatzmittler über die Produkte und Leistungen der drei anbietenden Unternehmen Swisscom Mobile, Orange und Sunrise und damit eine hohe Intensität der persönlichen Kommuni102 Vgl. Dwyer/Schurr/Oh 1987. 103 Vgl. Tomczak 1992a, S. 91. 104 Vgl. Esch et al. 2005, S. 989. 105 Vgl. Bruhn/Grund 1999, S. 500, 506. Vgl. zu den konstitutiven Merkmalen von
Dienstleistungen z.B. Meffert/Bruhn 2006, S. 29ff.
38
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
kation und Interaktion zwischen Absatzmittlern und Endkunden gekennzeichnet ist. Mehrheitlich werden in der Branche von den teilnehmenden Unternehmen Dachmarkenstrategien verfolgt, d.h., alle Leistungen und Produkte sind unter einer Marke zusammengefasst.106 Die verfolgte Markenstrategie definiert damit im Folgenden die jeweilige Unternehmensmarke als das Bezugsobjekt der Integrierten Kommunikation. Eine Betrachtung unterschiedlicher Bezugsobjekte der Kommunikation, beispielsweise bei Einzel- oder Mehrmarkenstrategien, würde im Rahmen der vorliegenden Problemstellung zu weit führen. Zudem erweist sich die in diesem Markt bestehende Oligopolsituation als zweckmäßig, da eine überschaubare Zahl an Marktteilnehmern zu finden ist, deren Meinung über die geschilderte Problemstellung detailliert erfasst werden kann.107 Untersuchungsgegenstand der empirischen Analyse zur Entstehung von Defiziten der Integrierten Kommunikation sind die Beziehungen bzw. die Zusammenarbeit der drei Unternehmen mit ihren unternehmensfremden Absatzmittlern.108 Der indirekte Vertrieb der drei Unternehmen erfolgt über verschiedene Absatzmittler, die sich in einer groben Einteilung zu drei Typen unternehmensfremder Absatzmittler zusammenfassen lassen, deren wesentliche, abgrenzende Merkmale in Schaubild 1-6 dargestellt sind.
106 Vgl. ausführlich zu Markenstrategien z.B. Aaker 1996; Aaker/Joachimsthaler 2002;
Becker 2004, S. 641ff. 107 Im Schweizer Mobilfunkmarkt sind mit dem früheren Monopolisten Swisscom bzw.
der Submarke Swisscom Mobile für den Mobilfunkbereich sowie den in den 1990erJahren in den Markt eingetreten Unternehmen Orange (Markteintritt 1999) und Sunrise (Markteintritt 1996 unter dem Namen diAx) drei Anbieter vertreten. Die Oligopolsituation ändert sich seit dem Jahre 2005, da weitere Wettbewerber bzw. Geschäftsmodelle auf den sich öffnenden Markt „drängen“. Vor allem im Prepaid-Bereich finden sich neue (Billig-)Angebote wie CoopMobile oder M-Budget Mobile, die durch eine jeweilige Kooperation der Netzbetreiber Orange und Swisscom Mobile mit den beiden größten Detailhändlern der Schweiz (Coop und Migros) entstanden sind. Das Unternehmen TDC baut seit 2005 neben der Marke Sunrise eine Billigmarke namens Yallo auf. Seit Januar 2006 bietet Mobilezone, das bisher als Absatzmittler die Leistungen der drei Netzbetreiber Orange, Swisscom Mobile und Sunrise vertrieben hat, unter den Namen mobilezone net, powered by Orange Postund Prepaid-Angebote an, die auf dem Mobilfunknetz von Orange basieren. 108 Alle drei Unternehmen setzen neben dem indirekten auch den direkten Vertrieb ein und verfügen über jeweils eigene Verkaufsstellen oder Shop-in-Shop-Systeme.
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK Kriterien
Absatzmittlertyp A
Absatzmittlertyp B
39
Absatzmittlertyp C
Bezeichnung
Generalist
Spezialist
Fachhändler
Struktur des Sortiments
Elektroketten, Discounter, Supermärkte
Telekommunikations-spezialisten
Elektroinstallateure, weiße und braune Ware
Qualitäts- und Preisniveau
Aggressive Preisorientierung, Discount/Preis im Fokus
Hohe Qualitätsorientierung, teilweise Discount (Preise)
Hohe Qualitäts- und Serviceorientierung
Art und Anteil der Dienstleistung
Reduzierte Beratung, in der Regel keine Spezialisierung der Verkäufer (Sortiment)
Spezialisierte Beratung
Beratung, persönliche Beziehung zu den Kunden entscheidend
Intensität der Marktbearbeitung
Vollständige Markbearbeitung
Spezialisierte Marktbearbeitung
Regionale Marktbearbeitung
Ladenlayout
Massenware
Kleine Verkaufsfläche, Spezialisierung
Kleine Verkaufsfläche, Massenware
Organisations struktur
Zentral und dezentral geführte Filialen
Zentral geführte Filialen
Meist Familienbetriebe
Standort
Grüne Wiese/Innenstädte
Innenstädte
Innenstädte/Land
Eingesetzte Kommunikationsmittel
Primär Kataloge, Beilagen und Anzeigen in Zeitungen, PoS-Materialien, Mailings, TV-Spots
Primär Anzeigen und Mailings
Schaubild 1-6: Unternehmensfremde Absatzmittlertypen der Schweizer Mobilfunkbranche
1.6
Gang der Untersuchung
Der Aufbau der Arbeit leitet sich aus den beschriebenen Zielen und Forschungsfragen ab. Demnach kann die Struktur der Arbeit, wie in Schaubild 1-7 dargestellt, in drei Teile gegliedert werden. Der erste Teil (Kapitel 2) dient der theoretischen Durchdringung der Entstehung und des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Gegenstand des zweiten (empirischen) Teils (Kapitel 3) ist die Identifikation des Koordinationsbedarfs zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. Die dadurch gewonnenen Erkenntnisse werden im dritten (konzeptionellen) Teil genutzt, um Implikationen für das Ma-
40
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
nagement zur Steuerung und Koordination unternehmensfremder Absatzmittler abzuleiten (Kapitel 4). Nach den einleitenden Ausführungen des ersten Kapitels, in dem grundlegende Begriffe sowie die mit der Thematik verbundenen Problembereiche und Zielsetzungen dargestellt wurden, setzt sich das zweite Kapitel der Arbeit mit geeigneten theoretischen Ansätzen der Entstehung und des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten auseinander. Zwar erfordern die vorliegende Problemstellung, damit verbundene Forschungsfragen und eine explorative Forschungsstrategie ein relativ offenes, unvoreingenommenes Vorgehen, dennoch sind an dieser Stelle notwendige theoretische und konzeptionelle Grundlagen zu erläutern, die der vorliegenden Untersuchung einen Rahmen geben und so das weitere Vorgehen der Untersuchung systematisch leiten. Zunächst erfolgt die theoretische Einordnung der Entstehung und Erklärung von Konflikten in Absatzkanälen, indem Erkenntnisse aus dem Bereich der Verhaltenswissenschaften herangezogen werden. Die Betrachtung bisheriger Forschungsarbeiten in Absatzkanälen und die Analyse der einschlägigen Literatur zum Channel Management dient der Schaffung des zugrunde liegenden Verständnisses von Konflikten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern, die insbesondere aus deren Verhaltensbeziehungen resultieren und negative Auswirkungen auf die integrierte Kommunikationsarbeit von Unternehmen haben. Die gewonnenen theoretischen Erkenntnisse werden herangezogen, um einen Analyserahmen der Entstehung von konkreten und potenziellen Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu entwickeln. Der Analyserahmen bildet die Basis bzw. ein systematisches Orientierungsraster für die sich in Kapitel drei anschließende empirische Untersuchung. Darüber hinaus wird in diesem Kapitel die theoretische Basis des Abbaus von Defiziten und Konflikten durch die Darstellung geeigneter ökonomischer und verhaltenswissenschaftlicher Ansätze geschaffen. Die Ansätze dienen dazu, den Einsatz der Koordinationsmechanismen zum Abbau identifizierter Defizite zu untermauern bzw. zu begründen. Während die Transaktionskostentheorie dabei mit der kostenorientierten Betrachtung insbesondere einen Erklärungsbeitrag für die Durchsetzung einer effizienten Kommunikationsarbeit liefert, gibt die Anreiz-Beitrags-Theorie Ansatzpunkte für die effektive Kommunikationsarbeit von Unternehmen und rückt motivationale Aspekte bzw. die Schaffung einer hohen Leistungsbereitschaft und -fähigkeit in den Vordergrund. Auf Basis der gewonnenen theoretischen und konzeptionellen Erkenntnisse werden im dritten Kapitel der Arbeit zunächst methodische Grundlagen und das Erhebungs- sowie Analysedesign der vorliegenden Untersuchung erläutert. Vor dem Hintergrund des geringen Erkenntnisstandes hinsichtlich der Fragestellungen der vorliegenden Arbeit erweisen sich für die Erhebung und Auswertung
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
41
solche Verfahren als geeignet, die sich an das theoriengenerierende Verfahren der Grounded Theory anlehnen. Deren zentrale Forderung ist es, dass Theorien bzw. Konzepte gegenstandsnah und somit in empirisch erhobenen Daten fest verankert sind.109 Die Erweiterung und Diskussion des Analyserahmens auf Basis der Ergebnisse der empirischen Untersuchung bildet den Schwerpunkt des Kapitels. Ziel der empirischen Untersuchung ist es, den Analyserahmen zu konkretisieren und diesen mit konkreten empirischen Ergebnissen „zu füllen“, um dadurch den angestrebten explorativen Erkenntnisbeitrag zur Thematik der Konflikte bzw. Defizite in mehrstufigen Märkten zu leisten bzw. ihre Entstehung, Ausprägungen und Wirkungen auf die integrierte Kommunikationsarbeit zu zeigen. Mit diesem Kapitel wird die Präzisierung und Diskussion der bisherigen (theoretischen) Überlegungen angestrebt, die eine Ableitung des spezifischen Koordinationsbedarf ermöglicht, der sich durch die identifizieren konkreten und potenziellen Defizite erkennen lässt. Um Managementempfehlungen für die Praxis abzuleiten, wird in der Arbeit die Unternehmensperspektive eingenommen und diese im Rahmen der empirischen Untersuchung der Defizitentstehung um die Absatzmittlerperspektive ergänzt. Aus Komplexitätsgründen wird die Sicht der Endkunden, beispielsweise vor dem Hintergrund der Konfliktwirkungen, aus der Untersuchung ausgeschlossen. Der identifizierte Koordinationsbedarf dient im vierten Kapitel der Arbeit einer zielgerichteten Entwicklung geeigneter Koordinationsinstrumente zum Abbau bzw. der Vermeidung von Defiziten. Zu diesem Zweck wird ausgehend von den theoretischen und empirischen Erkenntnissen eine Systematik der Koordinationsund Steuerungsinstrumente entwickelt, die geeignet erscheint, an dem ermittelten Koordinationsbedarf anzusetzen und somit einen Beitrag zur Durchsetzung einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit zu leisten. Anschließend erfolgt die exemplarische Darstellung problemspezifischer Koordinationsmaßnahmen. Schließlich werden geeignete Ansatzpunkte identifiziert, die bei der Entwicklung spezifischer Koordinationsmodelle bzw. der Bestimmung von Schwerpunkten im Instrumentemix zur Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler herangezogen werden können. Die Anregungen dieses Kapitels sind als Implikationen für das Management der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu verstehen. Zum Abschluss der Arbeit werden im fünften Kapitel Implikationen für die Wissenschaft und die Praxis abgeleitet. Basierend auf den zentralen Ergebnissen und den gewonnenen Erkenntnissen werden der zukünftige Forschungsbedarf identifiziert sowie weiterführende Fragestellungen im theoretischen und empirischen Bereich aufgezeigt. 109 Vgl. Glaser/Strauss 1998; Strauss/Corbin 1990.
42
Die Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die IK
1. Mehrstufigkeit von Märkten als Herausforderung für die Integrierte Kommunikation
2. Theoretische und konzeptionelle Grundlagen der Entstehung sowie des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Theoretischer Teil
2.1 Abgrenzung verhaltenswissenschaftlicher und ökonomischer Ansätze 2.2 Theoretische und konzeptionelle Grundlagen zur Entstehung und Erklärung von Konflikten in Absatzkanälen
2.3 Theoretische und konzeptionelle Grundlagen zum Abbau von Defiziten und der Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler
Forschungsarbeiten in Absatzkanälen, Grundlagen zu Konfliktausprägungen, Konfliktursachen und Konfliktwirkungen
Erklärungsbeitrag der Transaktionskostentheorie zur effizienten Durchsetzung der Integrierten Kommunikation
Theoretische Entwicklung eines Analyserahmens der Defizitentstehung
Erklärungsbeitrag der Anreiz-BeitragsTheorie zur effektiven Durchsetzung der Integrierten Kommunikation
2.4 Zusammenfassung der Erkenntnisse und Erweiterung der Forschungsfragen
3. Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Empirischer Teil
3.1 Methodische Grundlagen der empirischen Untersuchung 3.2 Design der empirischen Untersuchung 3.3 Konkretisierung und Diskussion des Analyserahmens auf Basis der Untersuchungsergebnisse Ebene der Konfliktursachen
Ebene der Konfliktausprägungen
Ebene der Konfliktwirkungen
Konfliktmodell der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten 3.4 Zusammenfassung und kritische Würdigung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Konzeptioneller Teil
4. Einsatz von Koordinationsinstrumenten zur Steuerung indirekter Vertriebskanäle 4.1 Systematisierung geeigneter Koordinationsinstrumente 4.2 Einsatz der Koordinationsinstrumente zum Abbau und der Vermeidung von Defiziten Präventives Konfliktmanagement
Situatives Konfliktmanagement
4.3 Ansatzpunkte für die Entwicklung von Koordinationsmodellen und eines geeigneten Instrumentemix
5. Zukünftiger Forschungsbedarf für Wissenschaft und Praxis
Schaubild 1-7: Gang der Untersuchung
2
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen der Entstehung sowie des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
2.1
Abgrenzung verhaltenswissenschaftlicher und ökonomischer Ansätze
Um einen Erklärungsbeitrag zur Identifikation und Bewältigung potenzieller Defizite im Rahmen der Integrierten Kommunikation sowie der daraus resultierenden Koordinations- und Steuerungsproblematik zwischen Unternehmen und ihren indirekten Vertriebskanälen zu leisten, sind sowohl verhaltenswissenschaftliche als auch ökonomische Ansätze heranzuziehen.1 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden mit den Theorien und Konstrukten der Konfliktforschung sowie der Anreiz-Beitrags-Theorie und der daraus weiterentwickelten vertrieblichen Motivationstheorie2 verschiedene verhaltenswissenschaftliche Theorien und Ansätze diskutiert. Die Transaktionskostentheorie ist ein ökonomischer Ansatz, der der Neuen Institutionenökonomik zuzuordnen ist. Gemeinsam ist allen Theorien, dass sie sich mit der Analyse von Austauschbeziehungen befassen und eine interaktionsbezogene Perspektive einnehmen, d.h., das Verhalten der
1
2
Zahlreiche Publikationen beschäftigen sich seit Beginn der 1990er-Jahre mit dem Koordinationsproblem in mehrstufigen Marktsystemen und komplexen Wertschöpfungsketten, insbesondere in der Konsumgüterbranche. Um den besten Beitrag zur Erklärung und Gestaltung der Prozesse sowie Strukturen zu liefern, werden in verschiedenen Forschungsansätzen sowohl ökonomische Ansätze der Neuen Institutionenökonomik oder mehrstufige Gleichgewichtsmodelle herangezogen, als auch verhaltenswissenschaftliche Ansätze der Macht-, Rollen-, Konflikt- und Kooperationstheorie, vgl. Ahlert/Borchert 2000, S. 5. Tomczak (1992a, S. 11) bezeichnet die von ihm entwickelte Theorie als „distributive Motivationstheorie“. In diesem Fall wird das Adjektiv „distributiv“ für alle Sachverhalte verwendet, die die Distribution betreffen. Da im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgängig die Bezeichnung „Vertrieb“ verwendet wird, soll diese auch auf die herangezogene Theorie angewendet werden, ohne dass dies eine Auswirkung auf die darin genannten Inhalte besitzt.
44
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Akteure als Wechselspiel interpretieren.3 Dabei setzen verhaltenswissenschaftliche Theorien bei der Betrachtung einer Transaktion auf Ebene von Individuen an und analysieren die Austauschprozesse auf der „sozialen Ebene“. Dem gegenüber liegt der Schwerpunkt der Analyse ökonomischer Theorien auf der „transaktionalen“ Ebene und die Analyse setzt auf der Ebene des Vorganges einer Transaktion an.4 Die Austauschbeziehungen von Absatzkanälen sind zwar in erster Linie ökonomischer Art, es ist jedoch festzustellen, dass bei einer rein ökonomischen Betrachtung wichtige Phänomene ungeklärt bleiben.5 Strukturen und Verhaltensweisen zwischen einem Unternehmen und dessen am Verkauf der Leistungen beteiligten Absatzmittlern sind durch die Aktionen und Reaktionen von Menschen bestimmt und bedürfen daher auch einer verhaltenswissenschaftliche Betrachtung.6 Da es sich bei Absatzkanälen um komplexe ökonomische, politische und soziale Systeme handelt, ist es notwendig, soziale Sachverhalte in die Betrachtung einzubeziehen.7 Dabei ist davon auszugehen, dass Absatzkanäle bzw. Vertriebssysteme als „soziale Verhaltenssysteme“ interpretierbar sind, die eine Ganzheit bilden, deren Elemente und Verhaltensweisen sich wechselseitig beeinflussen.8 Die Ende der 1960er-Jahre konstituierte verhaltenswissenschaftliche Forschungsströmung richtete vor dem Hintergrund dieser Interpretation ihre Analyse auf die Erklärung sozialer Aspekte wie Macht, Abhängigkeit, Konflikt und Zufriedenheit.9 Für die vorliegende Arbeit liefern diese Theorien und Konstrukte wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Entstehung und Erklärung von (potenziellen) Konflikten bzw. Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. 3 4 5 6 7 8
9
Vgl. Blommen 1997, S. 15. Vgl. Tunder 2000, S. 44f. Vgl. Stern/Brown 1969, S. 13. Vgl. Ahlert 1996a, S. 87. Vgl. McCammon/Little 1965, S. 322. Vgl. Ahlert 1996a, S. 88. Als grundlegend für die verhaltenswissenschaftliche Betrachtung ist der Sammelband bzw. die Arbeit von Stern (1969) zu bezeichnen. Dieser überträgt die Perspektive der Sozialsysteme auf Absatzkanäle und betrachtet Rollen sowie Beziehungen zwischen beteiligten Unternehmen hinsichtlich der Aspekte Macht, Konflikte und Kommunikation. Theorien und Konzepte über Rollen, Macht, Konflikte und Kommunikation haben zwar ihren Ursprung in einem anderen Kontext, insbesondere in der Betrachtung interpersoneller, intraorganisationaler und gesellschaftlicher Beziehungen, sind jedoch auf den interorganisationalen Kontext übertragbar, vgl. zu Vertriebssytemen als Verhaltenssysteme bzw. soziale Syteme auch Stern/Brown 1969, S. 6ff. sowie Rosenbloom 2004, S. 110f. Vgl. ausführlich zur Forschung in Absatzkanälen Abschnitt 2.2.1.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
45
Parallel zur verhaltenswissenschaftlichen Forschung entwickelte sich mit der Transaktionskostentheorie ein mikroökonomischer Ansatz, der nicht konfliktoder macht-, sondern effizienzorientiert ist.10 Dieser versucht, ökonomische Austauschprozesse zu erklären, die mit Spannungen und Reibungsverlusten, d.h. Transaktionskosten, verbunden sind.11 Im Vordergrund der Neuen Institutionenökonomik steht daher die Erklärung ökonomischer Strukturen zwischen Organisationen, die Lösung der ökonomischen Probleme der Arbeits- und Wissensteilung sowie die Koordination und Kooperation der handelnden Akteure. Einen Erklärungsbeitrag liefert die Transaktionskostentheorie somit für den Abbau der zu identifizierenden Defizite und die Koordinations- und Steuerungsproblematik im Bereich der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten sowie hinsichtlich der Problematik, wie sich die geringsten Kosten bei gegebener Leistung der Akteure realisieren lassen. Ziel ist es, durch die Anwendung geeigneter Koordinationsmechanismen möglichst geringe Kosten zu verursachen, Konflikte abzubauen und damit eine effiziente Leistungsgestaltung des gesamten Vertriebssystems zu erreichen. Die Transaktionskostentheorie fokussiert jedoch lediglich den Kostenaspekt. Diese reduzierte Betrachtung erscheint für die vorliegende Problemstellung nicht ausreichend. Der Abbau der identifizierten Defizite und das Erreichen der angestrebten Effektivität der Integrierten Kommunikation, insbesondere das im Vordergrund stehende Ziel des einheitlichen Erscheinungsbildes, erfordert daher das Hinzuziehen weiterer Ansätze zur Erklärung der Steuerung und Kontrolle unternehmensfremder Absatzmittler. Hierzu bieten sich die Anreiz-Beitrags-Theorie sowie Elemente der aus dieser weiterentwickelten vertrieblichen Motivationstheorie an. Unter Vernachlässigung von Kostenaspekten liegt der Erklärungswert dieser Theorien insbesondere im Zustandekommen bestimmter effektiver Absatzmittlerleistungen.12 Zunächst wurden verhaltenswissenschaftliche und ökonomische Ansätze als alternative und konkurrierende Ansätze zur Analyse von Organisationen und inter-
10
11 12
Haase/Kleinaltenkamp (2004, S. 33) weisen darauf hin, dass sich sowohl die Neue Institutionenökonomik als auch die Verhaltenswissenschaften aus der Kritik an den Annahmen der Neoklassik – vor allem die beschränkte Anwendbarkeit der Modelle auf als relevant wahrgenommene Probleme – entwickelt haben. Im Rahmen der Neuen Institutionenökonomik wurden die restriktiven Annahmen der Neoklassik aufgegeben oder gelockert; die Verhaltenswissenschaften haben sich ganz von der Ökonomik gelöst. Vgl. Tunder 2000, S. 41. Vgl. Tomczak 1992a, S. 337.
46
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
organisationalen Beziehungen aufgefasst.13 In der jüngeren Marketingforschung ist jedoch festzustellen, dass bei der Analyse der Unternehmensbeziehungen ein so genannter „integrativer Ansatz“ verfolgt wird, der Aspekte beider Forschungsrichtungen miteinander verknüpft und damit ein besseres Verständnis interorganisationaler Strukturen und Prozesse erlaubt.14 Nach Haase und Kleinaltenkamp ist nicht zu erwarten, dass es zu einer Konvergenz der Verhaltenswissenschaft15 und der Institutionenökonomie kommt.16 Sie betonen jedoch nachdrücklich die Notwendigkeit der Zusammenarbeit der beiden Forschungsrichtungen.17 So ist individuelles und organisatorisches Handeln ein maßgeblicher Baustein des institutionellen Wandels. Um die damit verbundenen Probleme zu lösen, ist es notwendig, dass sich die Neue Institutionenökonomik für kognitive Aspekte und soziologische Dimensionen des Handels öffnet.18 Innerhalb der Betriebswirtschaftslehre gibt es immer mehr Bereiche, bei denen eine interdisziplinäre Zusammenarbeit „fruchtbar“ erscheint, beispielsweise bei der „Beurtei13
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18
Die unterschiedlichen Ausrichtungen der beiden Forschungsströmungen führten zu heftigen Kontroversen, die sich überwiegend auf die jeweils in den Mittelpunkt der Analyse gestellten Kriterien bezogen. Beide Seiten kritisierten die unzureichende Definition und Operationalisierung der Kriterien, was sich schließlich in der Meinung widerspiegelte, dass beide Forschungsströmungen zu koexistieren haben, vgl. Blommen 1997, S. 16 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Blommen 1997, S. 17. Tunder (2000, S. 45) weist jedoch darauf hin, dass Forschungsarbeiten, die sowohl auf die Teilgebiete der Neuen Institutionenökonomik als auch verhaltenswissenschaftliche Ansätze Bezug nehmen, lediglich Fragmente beider Forschungsrichtungen berücksichtigen. Er stellt daher fest: „Eine grundlegende, problemübergreifende und (somit) im Ergebnis selbst als Theorie anerkannte 'ganzheitliche Verschmelzung' zwischen der Neuen Institutionenökonomik […] und […] verhaltenswissenschaftlichen Ansätzen […] liegt bisher nicht vor […].“ Dabei ist zu beachten, dass es „die Verhaltenswissenschaft“ im Sinne eines geschlossenen theoretischen Systems überhaupt nicht gibt, da unter diesem Begriff zahlreiche Ansätze und Theorien unterschiedlicher Forschungsrichtungen und Disziplinen eingeordnet werden vgl. Haase/Kleinaltenkamp 2004, S. 38. Zu einer detaillierten Auseinandersetzung der methodologischen Unterschiede der theoriegeleiteten Ansätze der Institutionenokönomie sowie den problemgeleiteten Verhaltenswissenschaften vgl. insbesondere Haase/Kleinaltenkamp 2004, S. 35ff. Vgl. Haase/Kleinaltenkamp 2004, S. 38. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit mit der institutionenökonomisch ausgerichteten Forschung ist das Beibehalten bzw. die Herbeiführung der disziplinären Verankerung der Marketingtheorie in den Wirtschaftswissenschaften möglich. Der Institutionenökonomie eröffnet sich dadurch – zumindest für den Bereich Marketing – ein erweiterter Zugang zu konkreten Anwendungsfällen und damit verbesserte Möglichkeiten, die theoretischen Erkenntnisse an der Realität zu überprüfen, vgl. Haase/Kleinaltenkamp 2004, S. 40. Vgl. Haase 2003, S. 91ff.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
47
lung oder Gestaltung von Transaktionsarrangements sowie bei der Analyse von Informationsprozessen, […] und der Kommunikation“.19 Die dargestellte Ausrichtung und die im Folgenden parallele Einbeziehung der verhaltenswissenschaftlichen Theorien und der Transaktionskostentheorie erweist sich auch für die vorliegende Problemstellung als zweckmäßig. Schaubild 2-1 zeigt die Einordnung der herangezogenen theoretischen Ansätze in den bestehenden Bezugsrahmen der Entstehung und des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.
Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum der Universität Basel
Konfliktausprägung
Konfliktwirkung
Rollen Absatzkanal- und Konfliktforschung (Abschnitt 2.1) Macht Ziel-, Rollen-, Macht- und Kommunikationsbeziehungen (Abschnitt 2.2) Konfliktursachen Anreiz-Beitrags-Theorie und vertriebliche Motivationstheorie (Abschnitt 2.4)
Erklärungsbeitrag durch verhaltenswissenschaftliche Ansätze und Konstrukte
Entstehung von Defiziten
Ziele/Interessen
Kommunikation/ Information
Konfliktabbau
Koordinationsbedarf (situativ)
Abbau und Vermeidung der identifizierten Defizite
… durch ökonomische Theorien und Ansätze
Transaktionskostentheorie (Abschnitt 2.3)
Schaubild 2-1: Einordnung der Theorien und Konstrukte in den Bezugsrahmen der Arbeit Ziel der Auseinandersetzung mit den unterschiedlichen Forschungsrichtungen im Sinne eines wissenschaftlichen Pluralismus20 ist es, die jeweiligen Aussagen und 19 20
Haase/Kleinaltenkamp 2004, S. 39. Vgl. Tomczak 1992a, S. 117.
48
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Erkenntnisse in den bestehenden Bezugsrahmen zu integrieren und zu einem gemeinsamen Konzept weiter zu entwickeln. Der fallspezifische Koordinationsbedarf ergibt sich durch die Identifizierung potenzieller und konkreter Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durch die empirische Untersuchung am Beispiel der Mobilfunkbranche abgeleitet werden.21
2.2
Theoretische und konzeptionelle Erklärungsbeiträge zur Entstehung von Konflikten in Absatzkanälen
2.2.1
Forschungsarbeiten zum Absatzkanalmanagement
Die systematische Aufarbeitung der relevanten Literatur in diesem Abschnitt der Arbeit dient der Gewinnung wertvoller Ansatzpunkte und Hinweise zur Entstehung und der Erklärung von Konflikten in Absatzkanälen sowie deren Ursachen und Wirkungen. Ziel ist es, die konkreten Erkenntnisse auf die vorliegende Problemstellung zu übertragen und damit einen Beitrag zur Identifikation, Analyse und Erklärung von potenziellen und konkreten Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu erhalten. Im Folgenden wird ein kurzer strukturierender Überblick relevanter Studien und Arbeiten aufgezeigt, ohne vertiefend auf Begriffe oder Zusammenhänge einzugehen. In den sich anschließenden Abschnitten werden die Erkenntnisse und Hinweise der Zusammenstellung genutzt, um die für die vorliegende Arbeit sowie Untersuchung relevanten konzeptionellen Grundlagen zu Konfliktursachen, formen und -wirkungen in Absatzkanälen zu erläutern und auf die Problemstellung zu übertragen. Das Ergebnis der Betrachtung theoretischer und konzeptioneller Konfliktgrundlagen bildet die Basis der Formulierung eines konzeptionellen Analyserahmens der Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.
21
Vgl. Kapitel 3.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
49
Im Rahmen der Bestandsaufnahme werden insbesondere Arbeiten der Literatur zum Channel Management betrachtet.22 Trotz einer Vielzahl an Arbeiten bestätigt deren Durchsicht die bereits identifizierte Forschungslücke hinsichtlich der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.23 Bislang liegt keine Arbeit vor, die im Rahmen der Absatzkanalsteuerung und -kontrolle die Zusammenarbeit von Dienstleistungsunternehmen24 und unternehmensfremden Absatzmittlern im kommunikationspolitischen Bereich fokussiert.25 Die Analyse grundlegender Arbeiten der Absatzkanalforschung, insbesondere der Beiträge des Channel Management, liefert jedoch zuverlässige Informationen hinsichtlich der Beziehungen der Beteiligten in Absatzkanälen. Den Kern der Untersuchungen bzw. Studien der Absatzkanalforschung bilden verhaltensorientierte Aspekte und Konstrukte.26 Insbesondere die Ausübung von Macht, das Vorliegen von Abhängigkeiten, die Bewertung und Lösung von Konflikten sowie der Einfluss von Kontrolle und Kommunikation zwischen den Systemteilnehmern sind zentrale Aspekte der betrachteten Arbeiten.
22
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24
25
26
Es lassen sich grundsätzlich zwei Forschungsströmungen im Bereich der MarketingChannel-Literatur (bzw. Absatzkanalforschung) unterscheiden. Zum einen handelt es sich um Literatur zum Channel Design, bei der vor allem Einflussgrößen auf die Wahl des optimalen Vertriebsweges bzw. Entscheidungen hinsichtlich der Absatzkanalstruktur im Mittelpunkt der Betrachtung stehen. Zum anderen untersuchen Arbeiten zum Channel Management Aspekte der Steuerung des Vertriebssystems und die Beziehungen zwischen üblicherweise Herstellern und Händlern, vgl. Frazier/Sawhney/Shervani 1990, S. 264; Rangan/Menezes/Maier 1992, S. 69ff. Die Betrachtung ist jedoch auf zahlreiche andere Beziehungen in Absatzkanälen, z.B. Unternehmen und ihre Lieferanten, ausgeweitet worden, vgl. Schneider 2001, S. 8. Während in Kapitel 1 eine Betrachtung der relevanten Forschungsarbeiten zur Integrierten Kommunikation diese Forschungslücke hervorbrachte, nähert sich dieses Kapitel der Problematik der vorliegenden Arbeit aus der Perspektive der Absatzkanalforschung an. Die Studien und Arbeiten betrachten fast ausschließlich die Zusammenarbeit produzierender Hersteller und Handelsunternehmen der Konsum- und Industriegüterbranche. Der kommunikationspolitische Bereich wird jedoch bei verschiedenen Arbeiten als Bereich innerhalb des Marketingmix herangezogen, in dem sich Streitpunkte und Konflikte zwischen den Parteien entzünden, vgl. Abschnitt 2.2.2. Zu einer ausführlichen Betrachtung der verhaltensorientierten Konstrukte in Absatzkanälen sowie einem Überblick von 118 Arbeiten der Jahre 1957 bis 1983 und den jeweils darin behandelten Aspekten vgl. Hunt/Ray/Wood 1985.
50
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Eine überragende Stellung nimmt die Betrachtung des Konstruktes Macht ein, da es am häufigsten in der Literatur untersucht wird.27 Arbeiten, die sich mit dem Machtkonstrukt beschäftigen, diskutieren vor allem den Machtbesitz28 sowie die Nutzung von Macht und Abhängigkeiten bzw. daraus resultierende Möglichkeiten der Machtausübung.29 Schließlich bilden die Auswirkungen verschiedener Machtarten bzw. der Machtnutzung einen weiteren Schwerpunkt. Als abhängige Variablen dienen bei diesen Untersuchungen andere verhaltensorientierte Konstrukte, insbesondere Zufriedenheit und Konflikte.30 Nur wenige Arbeiten untersuchen den Einfluss von Macht auf ökonomische Ergebnisgrößen, z.B. die Effektivität der Geschäftsbeziehung. Zudem nehmen fast alle Arbeiten die Perspektive des Händlers, d.h. den Fall der Machtausübung durch den Hersteller, ein. Da jedoch zunehmend eine Verschiebung der Macht von Unternehmen zu Absatzmittlern zu beobachten ist, ergibt sich die Notwendigkeit, den Betrachtungshorizont der bisherigen Studien entsprechend zu erweitern.31
27
28
29
30
31
Vgl. Gaski 1984, S. 9, 1996, S. 64; Moore/Birtwistle 2004, S. 750. Die Literatur zu Macht, ihren Arten und Auswirkungen entstammt überwiegend den 1970er- und 1980er-Jahren. In den Folgejahren hat das Interesse der Forschung an diesem Konstrukt deutlich abgenommen. Vgl. ausführlich zum Konstrukt Macht und den Machtbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern Abschnitt 2.2.3.3. Vor allem konzeptionelle Arbeiten der 1950er- und 1960er-Jahre haben das grundlegende Verständnis des Machtkonzeptes geprägt, vgl. Schneider 2001, S. 25. Von besonderer Bedeutung ist der Beitrag von French/Raven (1959, S. 155ff., ähnlich Beier/Stern 1969, S. 94ff.), der sich mit der Aufspaltung der Gesamtmacht in verschiedene Machtarten beschäftigt. Zu einer knappen Darstellung vgl. Abschnitt 2.2.3.3. Zahlreiche Arbeiten beziehen sich hierbei auf die Systematisierung von French/Raven (1959). Die wesentliche Entwicklung ist die vereinfachende Zweiteilung der Machtarten in „Belohnungsmacht“ und „Bestrafungsmacht“, vgl. z.B. Hunt/Nevin 1974; S. 186ff.; Etgar 1976, S. 254ff., 1978, S. 49ff.; Lusch 1976a, S. 382ff., 1976b, S. 3ff.; Wilkinson 1981, S. 20ff.; Lusch/Brown 1982, S. 312ff., sowie die konzeptionelle Unterscheidung zwischen „ausgeübter Macht“ und „nicht ausgeübter Macht“, vgl. Brown/Frazier 1978, S. 266ff.; Gaski 1984, S. 9ff.; Gaski/Nevin 1985, S. 130ff. Vgl. zu Auswirkungen der Macht auf die Zufriedenheit grundlegend die Arbeiten von Hunt/Nevin 1974; Lusch 1976a, 1976b; Brown/Frazier 1978; Dwyer 1980; Wilkinson 1981. Zum Zusammenhang von Macht und Konflikten vgl. insbesondere Lusch 1976a, 1976b; Brown/Frazier 1978; Wilkinson 1981. Vgl. Schneider 2001, S. 27.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
51
Ebenso zentral in der Literatur ist die Auseinandersetzung mit dem Konstrukt Konflikt.32 Einige Beiträge in diesem Bereich widmen sich der Konzeptualisierung von Konflikten, insbesondere der Erklärung und Bestimmung der Ursachen sowie Determinanten, Entwicklungsstufen und der Stärke von Konflikten.33 Ein weiterer Bereich beschäftigt sich mit dem Management von Konflikten und gibt (einige wenige) Hinweise, wie Konflikten im Vorfeld zu begegnen ist und wie bestehende Konflikte zu lösen sind. Das Management von Konflikten wird in einigen Arbeiten vor dem Hintergrund diskutiert, wie Konflikte im Vertriebssystem auf einem optimalen Niveau zu halten sind. Hier liegt die Annahme zugrunde, dass Konflikte erst ab einer bestimmten Intensität schädlich sind.34 Beiträge zur Konfliktauswirkung untersuchen die Auswirkungen des Konfliktniveaus auf verschiedene Ergebnisgrößen.35 So wirkt sich beispielsweise Macht direkt bzw. indirekt über Konflikte auf die Zufriedenheit mit der Beziehung aus36 und Konflikte wirken auf die Leistung eines Absatzmittlers bzw. die Effizienz des Absatzsystems.37 Empirische Studien in diesem Bereich geben jedoch kaum Hin-
32
33
34
35 36 37
Vgl. Hunt/Ray/Wood 1985, S. 8ff. Parallel zur Macht wurde Ende der 1960er-Jahre das Konstrukt Konflikt in die Absatzkanalforschung eingeführt, vgl. Assael 1969; Stern/Gorman 1969. Starke Beachtung fand das Konstrukt bzw. die Konfliktforschung in den 1970er- und 1980er-Jahren. In den 1990er-Jahren nahm das Forschungsinteresse in diesem Bereich ab, insbesondere vor dem Hintergrund der Bedeutung und dem großen Interesse bezüglich des Relationship Marketing, das einen anderen Schwerpunkt hinsichtlich der Untersuchung von Beziehungen setzt, vgl. Webb 2002, S. 96. Zum Paradigmenwechsel des Transaktionsmarketing zum Beziehungsmarketing vgl. z.B. Bruhn 2001, S. 9. Wichtige Systematisierungen von Konflikten bilden die Einteilungen nach Ebenen, Typen sowie Stadien. Vgl. zu Ebenen z.B. Steffenhagen 1975, S. 27ff.; zu Typen insbesondere anhand von Konfliktursachen z.B. Lusch 1976b, S. 3ff.; Etgar 1979, S. 64ff. sowie zu Stadien des Konfliktverlaufs insbesondere Pondy 1967, S. 298ff.; ähnlich Rosenberg/Stern 1971, S. 437ff.; Stern/Sternthal/Craig 1973, S. 169ff.; Brown/Frazier 1978, S. 266ff. Vgl. insbesondere Rosenberg/Stern 1970, S. 45; Stern/Sternthal/Craig 1973, S. 170; Moriarty/Moran 1990, S. 151; 1991, S. 97ff. Zum Management von Konflikten vgl. z.B. Steffenhagen 1975, S. 169ff.; Dant/Schul 1992, S. 38ff.; zum Konfliktmanagement in Mehrkanalsystemen Schögel 1997, S. 108ff. Vgl. Rosenberg/Stern 1970, S. 42ff.; Rosenberg/Stern 1971, S. 437ff.; Webb/Didow 1997, S. 67ff. Vgl. grundlegend die Arbeiten von Hunt/Nevin 1974; Lusch 1976a; Brown/Frazier 1978; Dwyer 1980; Wilkinson 1981. Vgl. Etgar 1976; Lusch 1976b, S. 3ff.
52
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
weise darauf, welche Auswirkungen Konflikte auf das Verhalten von Mitarbeitenden und auf weitere betriebliche Erfolgsgrößen haben.38 Neben Macht und Konflikt ist ein weiteres zentrales Untersuchungsgebiet in der Literatur zum Channel Management zu identifizieren. Dabei handelt es sich vor allem um Aspekte der Kommunikation, unter der in diesem Zusammenhang jedoch nicht das kommunikationspolitische Instrumentarium oder IK-spezifische Aspekte zu verstehen sind. Vielmehr betrachten die Arbeiten beispielsweise den Informationsaustausch zwischen den Beteiligten, die Frequenz des Kommunikationsflusses usw. und deren maßgebliche Beeinflussung auf die Zufriedenheit der in den jeweiligen Studien befragten Absatzmittler.39 Schaubild 2-2 fasst die relevanten, zentralen Forschungsarbeiten als Synopse zusammen, deren Nutzen insbesondere in der theoretischen Durchdringung und empirischen Begründung relevanter Aspekte bzw. Zusammenhänge der Konfliktforschung zu sehen ist. Diese Erkenntnisse werden im Folgenden vor dem Hintergrund der vorliegenden Problemstellung vertieft. Quelle
Wesentliche Aspekte und Ergebnisse
Methodik und Empirie
Schwerpunkt
French/ Raven 1959
Unterscheidung von Machtbasen (reward, coercive, legitimate, referent and expert power).
Konzeptionell
Machtbesitz, Machtgrundlagen
Pondy 1967
Stadien des Konfliktverlaufs (latenter, wahrgenommener, gefühlter, manifester Konflikt sowie Konfliktnachwirkung).
Konzeptionell
Stadien des Konfliktverlaufs
Rosenberg/ Stern 1970
Konfliktursachen (Zielinkompatibilität, Rolleninkongruenz, unterschiedliche Wahrnehmung der Entscheidungsgrundlagen) und deren Wirkung auf finanzielle und verhaltensorientierte Leistungsaspekte.
Konzeptionell
Konfliktursachen und Konfliktauswirkungen
Rosenberg/ Stern 1971
Messung von Konflikten und Konfliktintensität (Wahrnehmung von Streitpunkten), Beziehung der Konfliktursachen und deren Messung, Aspekte der Konfliktauswirkungen (Verhaltensreaktionen und Auswirkungen auf die Leistung), Zufriedenheit.
Schriftliche Befragung von 12 Herstellern, 11 Zwischenhändlern, 87 Händler von Konsumgütern, Korrelationen
Konfliktursachen, Streitpunkte, Konfliktwirkungen (Zufriedenheit)
Stern/ Sternthal/ Craig 1973
Zwei Konfliktmanagementansätze (übergeordnete Ziele und Austauschprogramme von Personen).
Laborstudie mit 282 Studenten, Varianzanalyse
Stadien des Konfliktverlaufs, Konfliktmanagement
38 39
Vgl. Meinig/Heß 1992, S. 369ff., anders die Arbeit von Meffert/Wöllenstein/ Burrmann 1996, S. 279ff. Vgl. insbesondere die Arbeiten von Anderson/Narus 1990; Boyle et al. 1992; Mohr/Sohi 1995; Mohr/Fisher/Nevin 1996.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
53
Methodik und Empirie
Quelle
Wesentliche Aspekte und Ergebnisse
Schwerpunkt
Hunt/Nevin 1974
Bestrafungsmacht, Belohnungsmacht, Macht, Konflikt, Zufriedenheit. Positiver Zusammenhang zwischen Bestrafungs-/Belohnungsmacht und Macht, negativer Zusammenhang zwischen Bestrafungsmacht und Zufriedenheit, positiver Zusammenhang zwischen Belohnungsmacht und Zufriedenheit.
Schriftliche Befragung von 815 Franchisenehmern im Lebensmittelsektor (Fast Food Restaurants), multiple Regression
Auswirkungen von Macht auf andere Konstrukte, Konfliktauswirkungen (Zufriedenheit)
Steffenhagen 1975
Analyse und Ebenen von Konflikten, Relevanz der Konfliktursachen (Ziele, Rollen, Macht, Informationsasymmetrien), Konfliktmanagement, Kooperation.
Konzeptionell
Systematisierung von Konflikten, Konfliktursachen, Konfliktmanagement, Kooperation
Etgar 1976
Bestrafungsmacht, Belohnungsmacht, Macht, Abhängigkeit. Positiver Zusammenhang zwischen Bestrafungs-/Belohnungsmacht und Macht, positiver Zusammenhang zwischen Abhängigkeit und Macht.
Schriftliche Befragung von 113 unabhängigen Versicherungsagenten, Korrelation
Machtbesitz, Machtnutzung/ Machtausübung
Lusch 1976a
Bestrafungsmacht, Belohnungsmacht, Konflikt als abhängige Variable von sechs Machtgrundlagen, positiver Zusammenhang zwischen Bestrafungsmacht und Konflikt, negativer Zusammenhang zwischen Belohnungsmacht und Konflikt.
Schriftliche Befragung von 567 Händlern der Automobilbranche, Multiple Regression
Machtgrundlagen, Auswirkungen von Macht auf andere Konstrukte, insb. Konflikte
Lusch 1976b
Zusammenhang zwischen Konflikten und der Leistung und/oder der Effizienz des Vertriebssystems, Konflikte führen zu einer geringeren Leistung.
Siehe Datensatz Lusch 1976a, Regression
Konfliktauswirkungen auf die Leistung
Brown/ Frazier 1978
Machtgrundlagen (Bestrafungsmacht, Belohnungsmacht), Konflikt, Auswirkungen auf Zufriedenheit. Negativer Zusammenhang zwischen Bestrafungs-/ Belohnungsmacht, positiver Zusammenhang zwischen Macht und Konflikt, negativer Zusammenhang zwischen Macht und Zufriedenheit.
Persönliche Interviews mit 26 Autohändlern, Korrelationen
Auswirkungen von Macht auf andere Konstrukte, Konfliktauswirkung (Zufriedenheit), Stadien des Konfliktverlaufs
Etgar 1978
Ergebnisse der Machtnutzung in zwei Vertriebskanälen, Bestrafungsmacht, Belohnungsmacht. Positiver Zusammenhang zwischen Bestrafungs- und Belohnungsmacht und Macht.
Schriftliche Befragung von 99 Einzelhändlern, branchenübergreifend (lang-/kurzlebige Konsumgüter), Regression
Machtnutzung/ Machtausübung
Etgar 1979
Unterscheidung von Konflikttypen anhand ihrer Ursachen: strukturelle Konfliktursachen (Zieldivergenzen, Autonomiestreben und Ressourcenwettbewerb) und einstellungsbezogene Konfliktursachen (Differenzen hinsichtlich der Rollen, Erwartungen, Auffassungen und des Kommunikationsverhaltens).
Persönliche (strukturierte) Interviews mit (unabhängig operierenden) 138 Händlern, verschiedene Branchen (Geund Verbrauchsgüter), Korrelationen
Systematisierung von Konflikten, Konfliktursachen
Dwyer 1980
Machtquellen nach French/Raven (1959), Konflikt und Zufriedenheit, positiver Zusammenhang zwischen Belohnungsmacht und Zufriedenheit.
Laborsimulation einer Hersteller-Händler-Beziehung (bilaterales Duopol) bei 80 Studenten, Korrelationen
Auswirkungen von Macht auf andere Konstrukte, Konfliktauswirkungen
54
Quelle
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Wesentliche Aspekte und Ergebnisse
Methodik und Empirie
Schwerpunkt
Wilkinson 1981, ähnlich Wilkinson 1974
Bestrafungsmacht, Belohnungsmacht, Konflikt, Zufriedenheit, Messung der ausgeübten Macht. Positiver Zusammenhang zwischen Bestrafungsmacht und Macht sowie Konflikt, negativer Zusammenhang zwischen Belohnungsmacht und Konflikt, positiver Zusammenhang zwischen Belohnungsmacht und Zufriedenheit.
Persönliche Interviews mit 60 Hotels (insgesamt 75 Dyaden zwischen Brauereien/Hotels), Regression, Korrelation
Auswirkungen von Macht auf andere Konstrukte, Konfliktauswirkungen (Zufriedenheit)
Lusch/ Brown 1982
Bestrafungsmacht, Belohnungsmacht, Macht. Positiver Zusammenhang zwischen Bestrafungsmacht und Macht, negativer Zusammenhang zwischen Belohnungsmacht und Macht.
Siehe Datensatz Lusch 1976a, Regression, Korrelation
Machtnutzung/ Machtausübung
Brown/ Lusch/ Muehling 1983
Ökonomische und nicht-ökonomische Machtbasen, Abhängigkeit, Machtwahrnehmung und deren Einfluss auf Konflikt. Positiver Zusammenhang zwischen den Machtbasen der Hersteller und der Wahrnehmung der Abhängigkeit der Händler und der Macht. Positiver Zusammenhang zwischen Machtbasen, Macht, Konflikten.
Schriftliche Befragung von 139 Händlern, langund kurzlebige Konsumgüter, Kausalanalyse (LISREL)
Auswirkungen von Macht und Abhängigkeit auf Konflikte, Streitfragen bei Konflikten
Gaski 1984
Meta-Analyse von 25 empirischen Studien zu Macht und Konflikten. Einflüsse der Belohnungs-/ Bestrafungsmacht, Macht, Gegenmacht, Abhängigkeit, auf Konflikt bzw. Zufriedenheit bzw. Leistung.
Konzeptionell
Machtnutzung/ -ausübung, Auswirkungen von Macht/Abhängigkeit auf Konflikt
Frazier/ Summers 1986
Bestrafungsmacht, Zufriedenheit. Positiver Zusammenhang zwischen Bestrafungsmacht der Hersteller und Zufriedenheit der Händler sowie der Bestrafungsmacht der Hersteller und der Beendigung der Geschäftsbeziehung durch die Händler.
Schriftliche Befragung von 435 Händlern, Korrelationen
Machtnutzung/ Machtausübung, Auswirkung auf Zufriedenheit
Gaski/ Nevin 1985, ähnlich Gaski 1986
Machtbasen nach French/Raven (1959), Einfluss ausgeübter/nicht ausgeübter Belohnungs-/Bestrafungsmacht auf Konflikt, Zufriedenheit und Leistung im Absatzkanal. Kein stärkerer Zusammenhang zwischen ausgeübter im Vergleich zu nicht ausgeübter Belohnungs-/Bestrafungsmacht.
Schriftliche Befragung von 238 Vertragshändlern sowie 43 Gebietsleitern der Industriegüterbranche, Regression, Korrelation
Machtnutzung/ Machtausübung, Auswirkung auf Konflikt, Zufriedenheit und Leistung
Gaski 1989
Einfluss von Umwelt- und situativen Variablen (Anzahl Lieferanten, Beziehungsdauer, Höhe der Einkäufe beim Hersteller, Verkäufe und Gewinne des Händlers) auf unterschiedliche ausgeübte/nicht ausgeübte Belohnungs-/Bestrafungsmacht, Konflikt, Zufriedenheit, Leistung in Absatzkanälen.
Siehe Datensatz Gaski/Nevin 1985, multiple Regression
Einfluss von Umweltvariablen auf die Konstrukte
Anderson/ Narus 1990
Konstrukte Abhängigkeit, Kommunikation, Vertrauen, Kooperation, Einflussnahme der Partnerfirmen und deren Wirkung auf Konflikt und Zufriedenheit, positiver Zusammenhang zwischen Kooperation und Vertrauen.
Schriftliche Befragung von 249 Händlern, 231 Herstellern unterschiedlicher Branchen, Kausalanalyse jeweils aus der Händler- und HerstellerPerspektive
Auswirkung verschiedener Konstrukte auf Konflikt und Zufriedenheit
Moriaty/ Moran 1990
Konflikterkennung, Konfliktbewertung, Intensität von Konflikten, Konfliktlösung in hybriden Marketingsystemen.
Konzeptionell
Konflikt, Konfliktmanagement
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
55
Methodik und Empirie
Schwerpunkt
Konzeptualisierung verschiedener Aspekte der Machtnutzung, Machtausübung zur Steuerung der Vertriebskanäle, Wirkung der Kommunikation in Vertriebssystemen, ähnlich Etgar 1978.
Studie 1: 168 Vertragshändler, Studie 2: 686 Vertragshändler, jeweils Automobilbranche, Kausalanalyse (LISREL)
Machtnutzung/ -ausübung, Kommunikation und deren Auswirkung auf Zufriedenheit
Dant/ Schul 1992
Konfliktlösung (institutionalisierte und verhaltensbezogene Mechanismen) unter Berücksichtigung der Abhängigkeit, Verbundenheit (Solidarität), Rollenintegrität und Interessengemeinsamkeiten.
Persönliche Interviews mit 176 Franchisenehmern der Fast-FoodBranche, Kausalanalyse (LISREL), moderierte Regression
Konfliktmanagement
Skinner/ Gassenheimer/ Kelley 1992
Positiver Zusammenhang zwischen Abhängigkeit/ Belohnungsmacht und Kooperation sowie zwischen Kooperation und Zufriedenheit; negativer Zusammenhang zwischen Bestrafungsmacht/ Konflikt und Kooperation.
226 Händler für landwirtschaftliche Geräte, Kausalanalyse (LISREL)
Auswirkung von Macht/Abhängigkeit auf Konflikt, Zufriedenheit, Kooperation
Mohr/Sohi 1995
Informationsaustausch und Kommunikationsflüsse (Frequenz der Kommunikation, Bidirektionalität, Formalisierung), Einflüsse auf die Kommunikationsqualität und Zufriedenheit, Zusammenhang der Formalisierung auf Verzerrung und Zurückhalten von Informationen.
Schriftliche Befragung von 125 Computerhändlern, EQS
Kommunikation und deren Auswirkung auf Zufriedenheit, Weitergabe von Informationen
Mohr/ Fisher/ Nevin 1996
Kommunikation (Frequenz, Interaktivität, Formalisierung, Inhalt), Zufriedenheit, Commitment, Koordination. Ist die Integration bzw. die Kontrolle des Herstellers hoch, sind die Effekte der gemeinsamen Kommunikation auf die Leistung schwächer als bei einer geringen Integration bzw. Kontrolle.
Schriftliche Befragung von 125 Computerhändlern, Kausalanalyse (LISREL), moderierte Regression
Kommunikation und deren Auswirkung auf Zufriedenheit
Schögel 1997
Entwicklung von Koordinationsmechanismen Abstimmung, Führung, Adaption im Vertrieb von Mehrkanalsystemen, Konfliktmanagement und Koordination in Mehrkanalsystemen.
Konzeptionell, Fallbeispiele
Koordination und Konfliktmanagement (Mehrkanalsysteme)
Webb/ Didow 1997
Determinanten und Auswirkungen von Konflikten in einem hybriden Vertriebssystem (Mehrkanalsystem), Konzeptualisierung von Konflikten (Inkompatibilität von Zielen bzw. eine bestimmte Überlappung zwischen den Vertriebskanälen führt zu Konflikten), Maßnahmen zum Management der Konflikte haben an diesen Punkten anzusetzen.
Konzeptionell
Konfliktauswirkungen, Konfliktmanagement in Mehrkanalsystemen
Yavas 1998
Bestrafungsmacht, Belohnungsmacht, Konflikte, Zufriedenheit, Leistung in internationalen Absatzkanälen. Positiver Zusammenhang zwischen Bestrafungsmacht und Konflikten, negativer Zusammenhang zwischen Bestrafungsmacht und Zufriedenheit sowie Leistung. Positiver Zusammenhang zwischen Belohnungsmacht und Zufriedenheit, bessere Koordination/Effektivität.
Schriftliche Befragung von 60 Händlern der Automobilbranche, Regression
Machtnutzung/ Machtausübung, Wirkungen auf Zufriedenheit, Leistung, Effektivität
Quelle
Wesentliche Aspekte und Ergebnisse
Boyle et al. 1992
56
Quelle
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Wesentliche Aspekte und Ergebnisse
Methodik und Empirie
Schwerpunkt
Lee 2001
Bestrafungsmacht (aggressive power)/Belohnungsmacht (nonaggressive power), Konflikt, Zufriedenheit. Positiver Zusammenhang zwischen Bestrafungsmacht und Konflikten sowie Belohnungsmacht und Zufriedenheit, negativer Zusammenhang zwischen Belohnungsmacht und Konflikten, Bestrafungsmacht und Zufriedenheit sowie Konflikten und Zufriedenheit.
Schriftliche Befragung von 96 Bier-Distributoren in China, Kausalanalyse (LISREL)
Machtnutzung/ Machtausübung, Wirkungen auf Zufriedenheit, Leistung
Webb/ Hogan 2002
Konflikt, Konfliktursachen, Leistung, Zufriedenheit in Mehrkanalsystemen. Zielinkompatibilität und Überschneidung der Bereiche sind zentrale Einflüsse auf die Konfliktintensität, haben keinen Einfluss auf die Häufigkeit der Konflikte. Negativer Zusammenhang zwischen Häufigkeit der Konflikte und Leistung.
Schriftliche Befragung von 62 Managern in vier Unternehmen der Konsum- und Industriegüterbranche, Faktorenanalyse, Regression.
Wirkung der Konflikte auf die Leistung und Effektivität des Systems
Ping Jr. 2003
Zufriedenheitstreiber in Absatzkanälen: Wechselseitiger negativer Zusammenhang zwischen der Attraktivität alternativer Beziehungen und Zufriedenheit, jeweils wechselseitiger positiver Zusammenhang zwischen Mitspracherechten, Investitionen in die Beziehung, Wechselkosten und Zufriedenheit.
Schriftliche Befragung von 231 Händlern der Computerbranche, Kausalanalyse (LISREL)
Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit in Absatzkanälen
Sahadev 2005
Positiver Einfluss der Expertenmacht auf verschiedene Variablen der Beziehung: Kooperation, verhaltensbasierte Koordinationsstrategien, Konfliktlösungen, Kommunikation und Vertrauen.
Schriftliche Befragung von 216 Händlern der Computerbranche (Hardware), Korrelationen
Auswirkungen der Expertenmacht auf Variablen der Beziehungen im Absatzkanal
Schmitz 2005
Interne Zusammenarbeit in Vertriebsorganisationen, Bedeutung und Analyse der Komponenten, Wirkungen sowie Determinanten der Zufriedenheit der Vertriebspartner.
Methodenmix aus explorativen Einzel- und Gruppeninterviews, standardisierte schriftliche Befragung bei 247 Vertriebspartnern, Fallstudienarbeit, diverse Unternehmen der Industriegüterbranche
Einflussfaktoren auf die Zufriedenheit der Vertriebspartner
Schaubild 2-2: Zentrale empirische und konzeptionelle Arbeiten der ChannelManagement-Literatur
2.2.2
Konzeptionelle Grundlagen zu Konflikten und Konfliktwirkungen
Erklärende Aussagen, die im Rahmen der Konfliktforschung bzw. dem Management von Konflikten getroffen werden, sind meist auf einem abstrakten Betrachtungsniveau, das die Ableitung konkreter IK-spezifischer Hinweise erschwert.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
57
Dennoch geben die, in der vorangegangenen Darstellung der Literatur zum Channel Management betrachteten, empirischen und konzeptionellen Arbeiten einen wertvollen Impuls für die vorliegende Arbeit. Mit ihnen lassen sich Erkenntnisse und Ansatzpunkte hinsichtlich des Konstruktes Konflikt, den Wirkungen sowie der potenziellen Ursachen ableiten, die für das weitere Vorgehen und die vorliegende Untersuchung hilfreich sind. Zunächst ist eine begriffliche Abgrenzung bzw. Präzisierung des verhaltenswissenschaftlichen Konstruktes Konflikt vorzunehmen.40 Für die vorliegende Arbeit wird dabei der Definition von Stern, El-Ansary und Coughlan gefolgt, da diese geeignet ist, im Folgenden auf den IK-spezifischen Kontext übertragen zu werden. Demnach sind Konflikte in Absatzkanälen folgendermaßen zu definieren:41 Channel Conflict is a situation in which one channel member perceives another member(s) to be engaged in behaviour that prevents or impedes it from achieving its goals. Ein Konflikt zwischen Unternehmen und Absatzmittler ist als ein „Spannungszustand“ bzw. „Reizmuster“ zu verstehen, der bzw. das inkompatible Verhaltensweisen der beiden Interaktionspartner auslösen kann.42 Konflikt ist demnach mit dem Vorliegen einer (potenziell) konfliktären Situation gleichzusetzen, die
40
41 42
Vgl. zu Theorien der Erklärung von Konflikten sowie verschiedenen Konfliktdefinitionen Isenhart/Spangle 2000, S. 4ff. Glasl (2004, S. 13ff.) weist auf die unterschiedliche Bandbreite der Umschreibungen der Konfliktdefinitionen in der sozialwissenschaftlichen Fachliteratur hin, die sich durch die Vielfalt der Aspekte sowie durch ihre Weite und Schärfe unterscheiden. Vgl. ausführlich zu sozialwissenschaftlichen Konfliktbegriffen und Konflikttheorien z.B. die Arbeit von Bonacker 2005. Stern/El-Ansary/Coughlan 1996, S. 306; ähnlich Etgar 1979, S. 61f.; Stern/Gorman 1969, S. 156. In der durch Steffenhagen (1975, S. 23f.) vorgenommenen Präzisierung des Konfliktbegriffes bedeutet die „inkompatible Verhaltensweise“ die für Absatzkanäle typische Entscheidungsinterdependenz, die sich als eine unerlässliche Konfliktbedingung erweist. Die Möglichkeit, dass das Verhalten der einen Partei die Zielerreichung der anderen Partei beeinträchtigt, bedeutet nicht, dass die Verhaltensweisen nicht miteinander kombinierbar sind. Vielmehr sind bestimmte Verhaltensweisen aus Sicht der Zielerreichung der Beteiligten unerwünscht, vgl. zu ähnlichen Begriffsfassungen Fink 1986, S. 455; Aubert 1972, S. 178f.; Kroeber-Riel/Weinberg 1972, S. 529.
58
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
nicht zwingend von den Interpretationspartnern bewusst wahrgenommen wird.43 Die Interpretation folgt damit einer weiten, zustandsbezogenen Begriffsfassung,44 da mit dieser sowohl die Untersuchung konkreter Situationen als auch die Erfassung einer Vielfalt konfliktärer Erscheinungsformen im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten möglich erscheint. Darüber hinaus konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf eine zeitpunktbezogene Betrachtung der (potenziellen) Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern,45 da es das Ziel der vorliegenden Arbeit ist, erste Erkenntnisse und Hinweise zu IK-spezifischen Konflikten zu identifizieren. Eine zeitraumbezogene bzw. dynamische Betrachtung ginge jedoch mit einer unnötigen Komplexitätserhöhung des Untersuchungsgegenstandes einher. Konfliktäre Verhaltensweisen treten in vielfältigen Erscheinungsformen auf und in der Literatur existieren zahlreiche Kriterien, nach denen Konflikte klassifiziert
43
44
45
Vgl. Ahlert 1996a, S. 124f. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden als Konflikte alle denkbaren Zustände erfasst, die von offenem Konfliktverhalten bis hin zu dem unbewussten jedoch unterschwellig vorhandenen Konfliktpotenzial zwischen Unternehmen und Absatzmittlern reichen. Es sind zustands- und aktionsbezogene Begriffsfassungen zu unterscheiden. Die engere aktionsbezogene Begriffsfassung zielt auf das Vorliegen bestimmter konfliktärer Verhaltensweisen bzw. Vorgänge innerhalb des Systems ab. Demnach ist es erst möglich, von Konflikt zu sprechen, wenn die betroffenen Personen einander mit Formen des offenen Konfliktverhaltens begegnen, vgl. Ahlert 1996a, S. 124f. Im Gegensatz zu der zeitpunktbezogenen Betrachtung untersuchen zeitraumbezogene Konfliktanalysen den dynamischen Entwicklungsprozess von Konflikten, vgl. Ahlert 1996a, S. 125. Auf die Wahrnehmung konfliktärer Situationen durch Interaktionspartner im Zeitablauf geht z.B. Pondy (1967, S. 298ff.) mit seinem Stufenmodell der Konfliktepisode ein. Dies ist als die erste dynamische Analyse konfliktärer Zustände zu interpretieren. Konfliktäre Situationen sind nach fünf unterschiedlichen Phasen und Wahrnehmungsgraden der Interaktionspartner im Zeitablauf gegliedert. Konflikte stellen dabei dynamische Phänomene dar und bestehen aus mehreren Stadien, die zusammen eine Konfliktepisode bilden. Folgen vergangener Konfliktepisoden und neue Konfliktursachen führen zu einem latenten Konflikt, dem sich die Beteiligten noch nicht bewusst sind, obwohl dieser unterschwellig das Verhalten bestimmt. Die Phase der Wahrnehmung des Konfliktzustandes von wenigstens einer Partei bezeichnet den perzipierten Konflikt. Bei dem erlebten Konflikt wird der Spannungszustand auch gefühlsmäßig von den Betroffenen erlebt. Am offenen konfliktären Verhalten der Beteiligten wird der perzipierte und erlebte Spannungszustand als manifester Konflikt erkennbar. Die letzte Phase sind die Nachwirkungen des Konfliktes, d.h., auch mit Abschluss einer Konfliktepisode kann der Spannungszustand in modifizierter Form bestehen.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
59
werden.46 Insbesondere die Unterscheidung der Konflikte nach so genannten Streitpunktbereichen47 („Streitgegenstände“, „Reibungspunkte“, „Issues“) bietet sich im Rahmen der vorliegenden Arbeit an.48 Es ist denkbar, dass sämtliche absatzpolitischen Maßnahmen und Instrumente des Marketingmix innerhalb des Vertriebssystems zu Streitpunkten werden.49 Die vorliegende Arbeit konzentriert sich auf den kommunikationspolitischen Bereich und nimmt demzufolge eine systematische Gliederung der Streitpunkte nach den einzelnen Phasen des Planungsprozesses der Integrierten Kommunikation vor. Diese Phasen und die darin enthaltenden Entscheidungstatbestände bilden den Gegenstand vertikaler Auseinandersetzungen.50 Als Streitpunktbereiche manifestieren sich in ihnen die konfliktären Verhaltensweisen der beiden Parteien und lassen damit die jeweiligen Konfliktausprägungen deutlich werden. Einzelne Arbeiten operationalisieren das Konstrukt Konflikt empirisch durch die Häufigkeit und die Intensität der Meinungsverschiedenheiten zwischen den Parteien, gewichtet nach der Bedeutung der jeweiligen Streitpunkte.51 Da in dieser Arbeit nicht die Messung des 46 47 48
49
50 51
Vgl. zu einer Übersicht unterschiedlicher Systematisierungsversuche Glasl 2004, S. 53ff. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 25. Nach Ahlert (1996a, S. 128f.) erscheinen zudem neben der Differenzierung nach Streitpunktbereichen bzw. Streitgegenständen die folgenden Unterscheidungen erwähnenswert: das Kriterium der am Konflikt beteiligten Parteien (Mikro-, Mesooder Makro-soziale Konflikte), die Unterscheidung nach der Reichweite bzw. Intensität des konflikären Verhaltens (Reibungskonflikte, Positionskämpfe, strategische Konflikte) sowie die Differenzierung nach der dominierenden Äußerungsform des konfliktären Verhaltens (formgebundene, formfreie, heiße und kalte Konflikte). In der Literatur liegen verschiedene, auf empirischen Erhebungen basierende, Streitpunktsammlungen vor, die eine systematische Gliederung nach den Instrumentebereichen anwenden, vgl. z.B. Rosenberg/Stern 1971, S. 437ff.; Meffert/Steffenhagen 1976, S. 15ff.; Brown/Lusch/Muehling 1983, S. 64. Vgl. zu Konfliktfeldern im Industriegüterbereich Homburg/Krohmer 2006, S. 895. Innerhalb des Marketingmix zeigt sich die höchste Konfliktintensität bei der Rabatt- und Konditionenpolitik. Den einzelnen Konfliktfeldern werden durch Hersteller und Handel jedoch häufig unterschiedliche Bedeutungen zugemessen, vgl. Specht/Fritz 2005, S. 445f. Vgl. zum Planungsprozess der Integrierten Kommunikation und den darin enthaltenen Entscheidungstatbeständen Abschnitt 1.3.3. Die Konfliktfrequenz reicht dabei von gelegentlichen Auseinandersetzungen bis hin zu langwierigen, verfeindeten Beziehungen. Die zweite Dimension (Intensität) reicht von schnell vergessenen Konflikten bis hin zu grundlegenden Meinungsverschiedenheiten, die bis zur Beendigung der Beziehung führen. Als dritte Dimension fungiert die Bedeutung der jeweiligen Streitpunkte. Die Kombination der Frequenz, Intensität und Bedeutung liefert ein generelles Maß des Konfliktlevels (niedrig, medium und hoch), vgl. Webb 2002, S. 97.
60
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Konstruktes Konflikt im Vordergrund steht, sondern das Ziel verfolgt wird, erste konkrete inhaltliche Erkenntnisse hinsichtlich möglicher Konflikte und Defizite im Bereich der Integrierten Kommunikation zu gewinnen und diese zu analysieren, erscheint die folgende operationale Definition einer Konfliktausprägung zweckmäßig: Eine Konfliktausprägung bezeichnet die konkreten (potenziellen) Meinungsverschiedenheiten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in den Phasen der Analyse, Planung, Durchführung und Kontrolle der Integrierten Kommunikation (Streitpunktbereiche). Diese begriffliche Eingrenzung hilft im Folgenden, Hinweise auf das Vorliegen konfliktärer Situationen zwischen den Beteiligten zu identifizieren und diese einer genauen Betrachtung hinsichtlich ihrer Wirkungen und Ursachen zu unterziehen. Neben der Klärung zentraler Begriffe ist es daher an dieser Stelle notwendig, Überlegungen hinsichtlich der Wirkungen möglicher Meinungsverschiedenheiten zwischen den Interaktionspartnern anzustellen. Die vorangegangene Betrachtung der empirischen und konzeptionellen Arbeiten der Absatzkanalforschung macht deutlich, dass die vertikalen Konflikte in den Absatzkanälen zu Reaktionen der Systemteilnehmer führen, die sich im Allgemeinen negativ auf das System auswirken.52 Als dysfunktionale Konfliktwirkung ist vor allem die fehlende Basis zur Koordination der Integrierten Kommunikation in der vertikalen Zusammenarbeit anzusehen. Konflikte bringen negative Folgen mit sich, da die Konfliktparteien keine kooperative Problemlösung suchen.53 Steffenhagen 52
53
Verschiedene Autoren betonen die positive und konstruktive Wirkung von Konflikten, die eine „gesunde“ Spannung erzeugen. So weisen Moriaty/Moran (1990, S. 151) darauf hin, dass „[…] a certain amount of conflict in hybrid marketing systems is not only inevitable but also healthy.“ Konflikte werden als funktional angesehen, da Mitglieder eines Vertriebssystems häufig dazu tendieren, in der Zusammenarbeit passiv zu werden und Kreativität zu verlieren. Konstruktive Konflikte führen dazu, dass die Kanalmitglieder etablierte Lösungsmethoden kritisch hinterfragen und motiviert werden, neue Möglichkeiten, innovative Prozesse und Wettbewerbsenergien zu entwickeln, vgl. Dahrendorf 1972, S. 32; Anderson/Narus 1990, S. 45; Tomczak 1992a, S. 278; Webb 2002, S. 96f.; Specht/Fritz 2005, S. 450; Kotler/Keller 2006, S. 492. Einige Forscher diskutieren das optimale Konfliktniveau und vertreten die These, dass die Leistung bis zu einem gewissen Grenzwert durch das Vorliegen von Konflikten ansteigt und dann mit zunehmenden Konflikten abnimmt, vgl. Rosenberg/Stern 1970; Rosenbloom 1973. Zum Zusammenhang des Konfliktniveaus und der Effizienz in Vertriebssystemen vgl. z.B. Tomczak 1992a, S. 280. Vgl. Specht/Fritz 2005, S. 450.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
61
formuliert in Anlehnung an Stern und Heskett die folgenden Hypothesen, die den Zusammenhang zwischen Konflikt und Konfliktwirkungen beschreiben:54
„Je höher das Ausmaß wahrgenommener vertikaler Konflikte zwischen Elementen eines gegebenen Systems von Absatzkanälen, desto geringer die Wahrscheinlichkeit funktionaler Kooperation (Functional Cooperation) zwischen den Elementen.
Je geringer die Wahrscheinlichkeit funktionaler Kooperation, desto größer die Duplizierung von Anstrengungen durch die Systemelemente.
Je größer die Duplizierung von Anstrengungen, desto niedriger die Wirksamkeit (Performance) des Vertriebssystems.“
Im Fall vertikaler Konflikte unterminiert die Unzufriedenheit der Mitglieder des Absatzkanals die Effektivität und die Effizienz des Kanals, da diese in gestiegenen Kosten und einer Reduktion des Vertrauens und der Kooperationsbereitschaft zwischen den Interaktionspartnern resultiert.55 Negative Konfliktwirkungen drücken sich allgemein in der Instabilität des Systems, einer verringerten Leistung und Leistungsbereitschaft, Dysfunktionen innerhalb des Systems – beispielsweise Kommunikationsprobleme, der Fehleinsatz von Ressourcen, Duplizierung von Aktivitäten, Konflikthandhabungskosten usw. – sowie in rückläufigen Interaktionen zwischen den beteiligten Mitgliedern des Vertriebssystem aus.56 Vor dem Hintergrund dieser theoretischen Erkenntnisse wird für die vorliegende Problemstellung die Annahme getroffen, dass die destruktiven Wirkungen der Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu erheblichen Defiziten im Rahmen der Integrierten Kommunikation führen und damit die Umsetzung einer effizienten und effektiven integrierten Kommunikationsarbeit verhindern. Da die Durchsetzung der vertikalen Integrierten Kommunikation die Kenntnis der spezifischen Konfliktsituationen erfordert, sind im Rahmen der vorliegenden Untersuchung die konkreten Konfliktausprägungen der jeweiligen Streit54 55 56
Steffenhagen 1975, S. 65f. in Anlehnung an Stern/Heskett 1969, S. 292. Vgl. Moore/Birwistle 2004, S. 751. Vgl. Anderson/Narus 1990, S. 42ff.; Tomczak 1992a, S. 279; Yavas 1998, S. 140; Geyskens/Steenkamp/Kumar 1999, S. 223ff. Die Abnahme der Rationalität und der Aufbau von Emotionalität – da die Konflikte von den Beteiligten als Belastung und damit als Beitragserhöhung empfunden werden – sieht Tomczak (1992a, S. 279) als weitere destruktive Wirkung für das Vertriebssystem. Dem gegenüber vertritt Ahlert (1996a, S. 130) die Auffassung, dass in Vertriebssystemen weniger der auf (emotionalen) Wertgegensätzen, sondern vielmehr der „formgebundene, kalte“ auf Interessengegensätzen beruhende Konflikttypus dominiert.
62
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
punktbereiche und deren Wirkungen zwischen Unternehmen der Mobilfunkbranche und ihren unternehmensfremden Absatzmittlern zu eruieren und zu konkretisieren.57 Ohne die Kenntnis konkreter Konfliktsituationen lassen sich keine Aussagen über den Abbau der Konflikte bzw. den Einsatz geeigneter Koordinationsmechanismen treffen. Die Entwicklung optimaler Konflikthandhabungsformen und Koordinationsmodelle hat dabei an den Ursachen (potenzieller) Konflikte anzusetzen. Streitpunkte bzw. Konfliktausprägungen sind Symptome für die Existenz konfliktärer Beziehungen, weisen aber zugleich auch auf bestehende Konfliktursachen hin.58 Konflikte treten vor allem dann auf, wenn die Akteure unterschiedliche Interessen, Werte und Ziele verfolgen bzw. ihre Rollen nicht kompatibel sind.59 Die Konstellation bestimmter Verhaltensaspekte bzw. der Beziehungen zwischen den Mitgliedern des Vertriebssystems sind als Konfliktursache zu interpretieren60 und bestimmend für die Austauschprozesse innerhalb des Systems sowie dessen Effizienz und Effektivität. Ausgangsbasis zahlreicher Ansätze, die die Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern betrachten, sind daher Modellierungen der Ziel-, Rollen-, Macht- und Konflikttheorien.61 Die differenzierte Darstellung potenzieller Konfliktursachen ist Inhalt des nächsten Abschnittes.
2.2.3
Beziehungen im Vertriebssystem als Ursachen konfliktärer Auseinandersetzungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern
Die Ermittlung konkreter Konfliktausprägungen, deren Ursachen und Wirkungen bzw. der letztlich daraus resultierenden Defizite im Bereich der Integrierten Kommunikation sowie die Identifikation der Steuerungs- und Koordinationsprobleme der Absatzmittler bedarf genauer Kenntnisse über die sozialen Dimensionen innerhalb des Vertriebssystems. Dabei ist davon auszugehen, dass die vertikalen Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern wesentliche Variablen darstellen, von deren Ausprägungen die Konfliktpotenziale und die Kon57 58 59 60 61
Vgl. Kapitel 3. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 25. Vgl. Rosenberg/Stern 1970, S. 44f.; Steffenhagen 1975, S. 23, 1983, S. 93ff.; Kotler/Keller 2006, S. 491f. Vgl. Meffert/Steffenhagen 1977, S. 165. Vgl. hierzu für die deutschsprachige Forschung z.B. die Arbeiten von Steffenhagen 1975; Meffert/Steffenhagen 1976; Anderson/Narus 1986; Engelhard 1990; Webster 1992; Irrgang 1993; Ahlert 1996a; Laurent 1996; Kleinaltemkamp 1997.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
63
fliktgeladenheit innerhalb des Systems abhängen und die daher näher zu beleuchten sind.62 Da die vertikale Zusammenarbeit in Vertriebssystemen durch Menschen bestimmt ist, erscheint es zunächst plausibel, dass die persönlichen Motive, Einstellungen und Bedürfnisse der Beteiligten auf Unternehmens- sowie Absatzmittlerseite die Situation prägen und die Beziehungen zwischen den Parteien beeinflussen. Um diesem Aspekt Rechnung zu tragen, wäre es notwendig, Konflikte unter Einbeziehung aller Interaktionen der Individuen, der Beziehungen und Prozesse innerhalb und zwischen den beteiligten Organisationen zu analysieren.63 Die Aufdeckung von Konfliktursachen, die aus Beziehungen innerhalb der einzelnen Organisationen oder den zwischenmenschlichen Beziehungen der einzelnen, miteinander in Kontakt stehenden Individuen unterschiedlicher Organisationen stammen, ist jedoch schwierig, da die Komplexität der Einzelbeziehungen kaum zu konkreten Ergebnissen führt.64 Eine Betrachtung der vielfältigen Beziehungen zwischen den beteiligten Individuen führt im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu weit, denn sie rückt die sachliche, IK-spezifische Problemstellung in den Hintergrund und lässt das Problem nicht mehr handhabbar erscheinen. Forschungsansätze interorganisationaler Beziehungen nehmen daher an, dass die Organisation selbst die kleinste Verhaltenseinheit in Absatzkanälen darstellt.65 Es wird unterstellt, dass ein hypothetisches Individuum als Repräsentant die Organisation nach außen vertritt. Als Dimensionen organisationalen Verhaltens werden mehrheitlich jene typischen Verhaltensmuster betrachtet, die für die Organisation als Ganzheit charakteristisch sind und vom spezifischen Ver62 63
64 65
Vgl. Meffert/Steffenhagen 1977, S. 166. So orientiert sich das Verhalten des Geschäftsführers oder Mitarbeitenden auf Absatzmittlerseite beispielsweise nicht nur an den Zielen seiner Organisation oder deren Rollenverständnis, sondern hängt auch von den „persönlichen Beziehungskreisen“ (Belz 1989a, S. 93) zu den Vertretern eines Unternehmens (z.B. den Key Account Managern, Außendienstmitarbeitenden oder Mitgliedern des MerchandisingTeams) ab. Die Motivation, sich für ein Unternehmen und dessen Marken, Leistungen sowie Kommunikation bevorzugt einzusetzen, ist häufig von den individuellen Einflüssen des Verkäufers auf Absatzmittlerseite abhängig, z.B. dessen positive Erfahrungen bzw. die Begeisterung für eine Marke, der Teilnahme an Schulungen oder dem guten Kontakt zu bestimmten Mitarbeitenden, vgl. Engelhardt 1990, S. 41f.; Geppert 1995, S. 45. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 29. Ebenen der Konfliktanalyse als so genannte „kleinste“ Verhaltenseinheit können grundsätzlich die des Individuums, der Gruppe, der Organisation und die Ebene größerer Systeme (z.B. Koalitionen und Nationen) sein, vgl. zu einer ausführlichen Betrachtung Steffenhagen 1975, S. 27ff.
64
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
halten der Mitglieder wird abstrahiert. Organisationen sind folglich als „geschlossene Verhaltenseinheiten“ und damit als Individuen interpretierbar und die Erkenntnisse der interpersonellen Konfliktforschung lassen sich damit auch auf interorganisationale Konflikte übertragen.66 Die Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sind im Allgemeinen danach zu unterscheiden, ob es sich um beobachtbare oder nicht beobachtbare Beziehungen zwischen den Beteiligten handelt.67 Zu den beobachtbaren Beziehungen gehören Geld-, Leistungs- und Informations- bzw. Kommunikationsbeziehungen, die Unternehmen und Absatzmittler durch den Austausch von „Fließelementen“ wie Produkten sowie Leistungen, Geldzahlungen und Informationen verbinden. Bei den nicht beobachtbaren Beziehungen handelt es sich um Ziel-, Rollen- und Machtbeziehungen.68 Steffenhagen verweist darauf, dass im Rahmen einer vollständigen Konfliktanalyse auch Störungen in den Geld- und Leistungsbeziehungen als potenzielle Konfliktursachen zu betrachten sind.69 Diese Art gestörter Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern rückt jedoch vor dem Hintergrund einer vertikalen Koordination zur Sicherstellung der Umsetzung der Integrierten Kommunikation in den Hintergrund der Be-
66 67 68
69
Vgl. Steffenhagen 1975, S. 29. Vgl. z.B. Steffenhagen 1975, S. 38ff.; Tomczak 1992b, S. 281ff.; Schmitz 2003a, S. 6ff., 2003b, S. 5ff. Ahlert (1996a, S. 89) weist darauf hin, dass jeder der Betrachtungsansätze der Beziehungen einzeln aufschlussreiche Einsichten für wesentliche Bereiche des Systemverhaltens liefert, keiner jedoch als alleinig ausreichend für die Erklärung der Verhaltensbeziehungen angesehen wird. Daher ist in verhaltenswissenschaftlich orientierten Veröffentlichungen ein Methodenpluralismus festzustellen, der nacheinander mehrere oder sämtliche Verhaltensaspekte abhandelt. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 71. Tomczak (1992b, S. 284) betont die enge Verknüpfung der Beziehungen und deren gegenseitige Verflechtung. So argumentiert auch Schmitz (2003a, S. 9), dass eine isolierte Betrachtung zwar den Blick für die einzelnen Ebenen schärft, in der Praxis haben die Beziehungen jedoch eine Gesamtbetrachtung zu erfahren, um Interdependenzen zu berücksichtigen. Dem gegenüber vertritt Ahlert (1996a, S. 88f.) die Meinung, dass die Elemente des Vertriebssystems in Verfolgung des gemeinsamen Systemzwecks zwangsläufig durch die Leistungs-, Geld- und Informationsströme miteinander verbunden sind. Durch die Existenz der beobachtbaren Beziehungen ist auf das Vorhandensein der nicht unmittelbar beobachtbaren Ziel-, Rollen- und Machtbeziehungen sowie die daraus resultierenden Konfliktbeziehungen zu schließen.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
65
trachtung.70 Störungen in den Geld- und Leistungsbeziehungen sind daher als Streitpunkte bzw. Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu interpretieren, die sich auf weitere, nicht beobachtbare Beziehungen zurückführen lassen.71 Im Folgenden werden daher die vertikalen Ziel-, Rollen-, Macht- und Informations- bzw. Kommunikationsbeziehungen genauer betrachtet. Die Beziehungen besitzen vielfach einen antagonistischen Charakter und sind Ursache für die Existenz von Rivalitäten bzw. Konflikten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. An diesem Punkt der Arbeit erfolgt zunächst eine generelle Darstellung der verschiedenen Konfliktursachen. Das damit vermittelte Hintergrundwissen, begriffliche Eingrenzungen sowie die theoretische Untersuchung der Verhaltensbeziehungen dienen im Weiteren der problemspezifischen Entwicklung eines Analyserahmens der Defizitentstehung im sich anschließenden Abschnitt 2.3. Diesen vor dem problem- bzw. IK-spezifischen Hintergrund auf Basis empirischer Daten zu konkretisieren und zu füllen, ist eines der zentralen Forschungsziele der Arbeit.
2.2.3.1 Zielbeziehungen Bei der Auseinandersetzung mit dem aktiven Verhalten von Unternehmen und Absatzmittlern sind zunächst die das Organisationsverhalten steuernden Leitlinien von Bedeutung. Im Vordergrund stehen Ziele, d.h. erwünschte Ergebnisse des eigenen Handelns, von denen das Verhalten geleitet wird.72 In Organisationen liegen auf unterschiedlichen Ebenen ökonomische und psychologische Ziele vor, die aufgrund von Mittel-Zweck-Beziehungen miteinander verbunden sind.73 Die Erfüllung der untergeordneten Marketing- und Kommunikationsziele – die oftmals erst den notwendigen Operationalisierungsgrad aufweisen, um als Leitli-
70
71
72 73
So sind Einhaltungen der (meist vertraglich vereinbarten) Transaktionsbedingungen, beispielsweise die einwandfreie, unbeschädigte Warenlieferung oder die Einhaltung von Zahlungszielen, als „originäre“ Geld- und Leistungsbeziehungen, vielmehr als der eigentliche Systemzweck anzusehen, vgl. ähnlich Steffenhagen 1975, S. 72. Werden im Folgenden im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten konfliktäre Geld- oder Leistungsbeziehungen identifiziert, beispielsweise die finanzielle Unterstützung in Form von Werbekostenzuschüssen oder Zahlungen für besondere Aktionen, so sind diese Ausdruck der Ziel-, Rollen-, Macht- und Kommunikationsbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler. Vgl. Steffenhagen 2004, S. 71. Zu Zielen auf unterschiedlichen Hierarchieebenen vgl. z.B. Homburg/Krohmer 2006, S. 432ff.
66
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
nien für eine konkrete Maßnahmenplanung zu fungieren74 – stellen ein Mittel zur Realisierung der übergeordneten Unternehmensziele dar. Ziele, die mit der Kommunikationspolitik und der Integrierten Kommunikation verfolgt werden, sind in der Regel in der Zielhierarchie den Unternehmens- und Marketingzielen untergeordnet.75 Bei Betrachtung der interorganisationalen Zielbeziehungen zwischen Unternehmen und deren Absatzmittlern, ist festzustellen, dass diese durch komplementäre und divergierende Interessen geprägt sind. Es zeigt sich, dass beide Parteien in der Regel mit der Maximierung des Absatzes und daraus resultierenden Gewinn-, Umsatz- und Liquiditätsmöglichkeiten zwar einen gemeinsamen Zweck und kongruente Oberziele verfolgen, jedoch nur in seltenen Fällen die Einigung auf ein gemeinsames Zielsystem erfolgt.76 Bezüglich der einzusetzenden Mittel zur Zielerreichung, insbesondere hinsichtlich der den Oberzielen vorgelagerten kommunikationspolitischen Ziele, bestehen daher Divergenzen. Erhebliche Unterschiede treten zudem im Rahmen der jeweiligen Präferenzordnung in den Zieldimensionen auf.77 Innerhalb des Vertriebssystems ist es zweckmäßig, die Zielbeziehungen zum einen im Hinblick auf deren Zielentsprechung und Zieldivergenz im Rahmen der Zielsetzung zu unterscheiden. Zum anderen ist, anknüpfend an die Zielerreichung von Unternehmen und Absatzmittlern, eine Unterscheidung zwischen Zielverträglichkeit und Zielunverträglichkeit sinnvoll (vgl. Schaubild 2-3).78 Eine Zielentsprechung der Entscheidungsträger liegt vor, wenn die Ziele in sämtlichen Dimensionen (Zielinhalt, -ausmaß, -segment, -gebiet und -periode) übereinstimmen. Weichen diese jedoch in einigen oder allen Zieldimensionen voneinander ab, liegt Zieldivergenz vor. Das Vorliegen einer vollständigen Ziel74
75
76 77 78
Vgl. Steffenhagen 1975, S. 46. Zur Funktion von Zielen und Anforderungen an deren vollständige und präzise Ausformulierung vgl. z.B. Bruhn 2007, S. 26f.; ähnlich Steffenhagen 2004, S. 71f. So schlägt beispielsweise Bleicher (1991) zur Koordination und Durchsetzung der Unternehmensstrategie und damit auch der Erreichung der Unternehmensziele das Konzept des Integrierten Managements vor. In dieses ordnet sich das Integrierte Marketing ein, dessen Bestandteil die Integrierte Markenpolitik ist. Vgl. Ahlert 1996a, S. 89. Nach Tomczak (1992, S. 283) ist lediglich die allgemeine Zwecksetzung, nämlich Kaufentscheidungen der Kunden auszulösen, einheitlich. Vgl. Schögel/Tomczak 2004, S. 40. Während die Zielsetzung als eine überwiegend durch den Entscheidungsträger bedingte Zielbeziehung zu erachten ist, handelt es sich bei der Zielerreichung vor allem um durch das Entscheidungsfeld bedingte Zielbeziehungen, vgl. Steffenhagen 1975, S. 46.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
67
entsprechung in den Zielsystemen ist allein aufgrund der Definition nur selten möglich. Vielmehr ist die Zielbeziehung stets durch Divergenzen geprägt, da sich konkrete Ziele zumindest in einer Dimension voneinander unterscheiden.79 So streben beispielsweise Unternehmen eine langfristige Positionierung und ein entsprechendes Image an, um sich beim Endkunden positiv von der Konkurrenz zu differenzieren. Absatzmittler hingegen sind vielmehr am Image ihrer Einkaufsstätten interessiert und darauf bedacht, ihr Sortiment derart zu gestalten, dass sie sich kurzfristig gegenüber ihren direkten Wettbewerbern profilieren. Zielerreichung (Entscheidungsfeld)
Zielsetzung
Zielverträglichkeit Zielkomplementarität und Zielindifferenz
Zielunverträglichkeit Zielkonkurrenz
(Entscheidungsträger)
Zielentsprechung
Verteilungskonflikt „Reiner Konflikt“, Interessenkonflikt
Sämtliche Zieldimensionen stimmen überein (Zielinhalt, -ausmaß, -segment, -gebiet und -periode)
Verteilung knapper Mittel zwischen mindestens zwei Parteien
Keine konfliktären Beziehungen Zieldivergenz Eine oder mehrere Zieldimensionen weichen voneinander ab (Zielinhalt, -ausmaß, -segment, -gebiet und -periode)
Bewertungskonflikt „Echte Zielkonflikte“ Realisierung abweichender Zielinhalte
Schaubild 2-3: Zielkonstellationen in Vertriebssystemen (in Anlehnung an Steffenhagen 1975, S. 78; Ahlert 1996a, S. 90) In Bezug auf die Zielerreichung ist zu klären, ob sich die Elemente des Vertriebssystems in ihren jeweiligen Zielen beeinträchtigen (Zielkonkurrenz), fördern (Zielkomplementarität) oder nicht berühren (Zielindifferenz). Erfolgt eine Betrachtung der kompletten Zielsysteme, so erscheint eine Zielverträglichkeit in Vertriebssystemen nur partiell oder in bestimmten Grenzen denkbar.80 Weit häu79
80
Vgl. Ahlert 1996a, S. 90. Steffenhagen (1975, S. 73) weist darauf hin, dass die Zielentsprechung in Absatzkanälen eher die Ausnahme als die Regel ist. Vielmehr ist eine partielle Entsprechung einzelner Ziele möglich, d.h., Teilziele von Unternehmen und Absatzmittlern sind identisch, andere weichen in einzelnen Zieldimensionen voneinander ab. Beispiele der Zielverträglichkeit in Vertriebssystemen sind nach Ahlert (1996a, S. 90f.) in vertikalen Kooperationen zu finden. Die Zielverträglichkeit zeigt sich darin, dass die Interessen eines Unternehmens in Bezug auf die Markentreue und die eines Absatzmittler hinsichtlich der Einkaufsstättentreue dadurch gleichgerichtet werden, dass Absatzmittler eine gewisse Identifikation mit dem Unternehmen entwickeln, die sich durch gemeinschaftliche kommunikative Aktivitäten begründet.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
figer ist die Zielkonkurrenz gegeben, d.h., die Erreichung der Unternehmensziele beeinträchtigt die Erreichung der Absatzmittlerziele und/oder umgekehrt. Konkurrierende Ziele sind somit ursächlich für konfliktäre Zielbeziehungen. Liegt eine Zielentsprechung (beispielsweise Gewinnstreben) bei gleichzeitiger Zielkonkurrenz (Kostenübernahme für Kommunikationsmaßnahmen) vor, handelt es sich um einen Verteilungskonflikt.81 Dieser kennzeichnet die Situation, in der begrenzte Mittel zwischen mindestens zwei Parteien aufzuteilen sind. Werbekostenzuschüsse, Rabatte, Handelsspannen usw. sind typische Streitpunkte, die auf das Verteilungsproblem zurückgehen.82 Gerade im Fall der Zielentsprechung sind demnach konfliktäre Beziehungen immanent, „da der Vorteil der einen Partei zu Lasten der anderen geht“.83 Diese Konflikte „sind [...] prinzipiell nicht auflösbar, sondern bestenfalls in der einen oder anderen Form handhabbar.“84 Liegen unverträgliche, divergierende Zielbeziehungen zwischen den Teilnehmern des Vertriebssystems vor, so handelt es sich um einen Bewertungskonflikt.85 Die Beeinträchtigung der Ziele eines Unternehmens liegt beispielsweise vor, wenn Absatzmittler vor dem Hintergrund einer Erhöhung der Einkaufstättentreue der Konsumenten mit einer aggressiven Preispolitik, die inhaltlich auch in der Werbung aufgegriffen wird, die unternehmensseitige, auf ein hohes Qualitätsimage zielende Werbung unterminieren.86 Festzustellen ist, dass die Unverträglichkeiten der Ziele zwischen Unternehmen und Absatzmittler weitestgehend aus der meist gegebenen Zugehörigkeit von Absatzmittlern zu weiteren Vertriebssystemen resultieren, die ein uneinheitliches Erscheinungsbild und Auftreten der Absatzmittler noch verstärken.87 Schaubild 2-4 stellt für die Bereiche des Marketingmix eine Übersicht der wesentlichen konfligierenden Ziel- bzw. Interessenbeziehungen zwischen Unter81
82 83 84 85 86 87
Der Konflikt betont die Ähnlichkeit der Konkurrenten und ihre gleichartigen Bedürfnisse sowie Motive. In der Literatur wird dieser Konflikt auch als „reiner Konflikt“, „Interessenkonflikt“ oder „Konkurrenz“ bezeichnet, vgl. Steffenhagen 1975, S. 78. Vgl. Meffert/Steffenhagen 1977, S. 167. Steffenhagen 1983, S. 93. Ahlert 1996a, S. 89ff. Meffert/Steffenhagen (1977, S. 167) bezeichnen diesen auch als „echten Zielkonflikt“. Vgl. Steffenhagen 1983, S. 94. Auch bei den nicht direkt mit dem Unternehmen konkurrierenden Sortimentsteilen von Absatzmittlern entzünden sich Verteilungs- und Bewertungskonflikte, beispielsweise hinsichtlich des Sortimentsumfeldes, in das Unternehmen ihre Produkte und Leistungen bei Absatzmittlern eingebettet sehen, vgl. Ahlert 1996a, S. 91.
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nehmen und ihren indirekten Vertriebspartnern zusammen, die allerdings, je nach Absatzmittlertyp, von unterschiedlicher Bedeutung sind.88 Ziele
Unternehmen
Indirekte Absatzmittler
Produktpolitische Ziele
Individuelles Produkt- und Markenimage Hohe Innovationsrate Einheitliche Produktgestaltung Förderung der Herstellermarke
Sortimentsimage Gemäßigte Innovationsrate Produktgestaltung als „K.O.-Kriterium“ Etablierung und Förderung von Eigenmarken
Vertriebspolitische Ziele
Große Bestellmengen Hohe Vertriebsdichte Bestmögliche Platzierung der Marke Präsenz des Herstellersortiments Beratungsservice am Point of Sale bei erklärungsbedürftigen Produkten
Schnelle Lieferung auch kleinerer Mengen, gestaffelte Bestellmengen Selektiver oder exklusiver Vertrieb Gleichmäßige Platzierung der Produkte, Herausstellung nur bei Aktionen Präsenz ausgewählter Marken Angemessenes Beratungsniveau, flexibler Personaleinsatz
Kommunikationspolitische Ziele
Erhöhung oder Stabilisierung der Markentreue Überregionale Markenbekanntheit Schaffung von Präferenzmarken Bildung positiver Einstellungen Einheitlicher Auftritt in der Kommunikation Eigenständige Präsentation Häufige Dekorations-/Aktionswechsel Angemessene Präsentationsflächen Finanzielle Beteiligung an zentralen Werbemaßnahmen
Erhöhung und Stabilisierung der Absatzmittlertreue Regionale Markenförderung Profilierung der Einkaufsstätte Erhöhung der Kaufbereitschaft Marken als Zweck zur Outlet-Profilierung Herausstellung komplementärer Angebote Ökonomische Dekorationszyklen Deckungsbeitragsoptimale Präsentationsflächen Forderung nach Werbekostenzuschüssen
Preispolitische Ziele
Seriöse Preisaktivität, gleichmäßiges Preisniveau Einheitlicher Preis Angemessene Provisionen/Kommissionen
Punktuell aggressive Preispolitik Punktuelle Preisdifferenzierung Hohe Provisionen/ Kommissionen
Vertriebsunterstützende Ziele
Mitsprache bei der Auswahl der Führungskräfte Vollständige Marktinformation Präzise und langfristige Planung
Autonome Personalentscheidungen (durchsetzbar) Knappe Information als Machtgrundlage Flexible Aktionen, Handeln statt Planen
Schaubild 2-4: Ziele bzw. Interessen von Unternehmen und Absatzmittlern (zusammengestellt aus Steffenhagen 1975, S. 75; Pepels 1988, S. 494ff.; Pabst 1993, S. 81; Geppert 1995, S. 48; Schmitz 2003a, S. 11) Von besonderem Interesse im Rahmen der vorliegenden Arbeit sind Zieldivergenzen im Bereich der Kommunikationspolitik. Es ist jedoch zu beachten, dass diese – ebenso wie auch die vertriebs-, produkt- und preispolitischen Ziele – in das gesamte Marketing- und Managementzielsystem eines Unternehmens eingebettet sowie eng miteinander verbunden sind und sich dementsprechend gegenseitig beeinflussen. Insbesondere die vertriebspolitischen Ziele nehmen in der 88
Die aufgezeigten konfligierenden Zielbeziehungen gelten primär für den Konsumgüterbereich, da Konflikte in Absatzkanälen bisher vor allem in diesem Bereich untersucht wurden. Arbeiten aus dem Dienstleistungs- oder Industriegüterbereich lehnen sich an diese grundlegenden Darstellungen an, vgl. beispielsweise Geppert 1995 für die Reisebranche oder Schmitz 2003a, b, c, 2005 für den Industriegüterbereich.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern eine dominante Position ein und sind im Weiteren bei der empirischen Untersuchung der Defizitentstehung zu berücksichtigen. Daher erscheint der aufgezeigte Überblick an dieser Stelle zweckmäßig, um einen ersten Eindruck über mögliche konfliktäre Zielbeziehungen zu vermitteln, die im Folgenden für den Bereich der integrierten Kommunikationspolitik zu konkretisieren sind. Eine systematische Aufstellung möglicher, aus den Zielbeziehungen resultierender Konfliktursachen hilft im Rahmen der Konfliktanalyse, Ansatzpunkte für die Entwicklung von geeigneten Maßnahmen zum Konfliktabbau zu identifizieren.89 Ob ein Subsystem jedoch seine Ziele erreicht, ist zudem von dem Verhalten des anderen abhängig. Daher sind die Ziele insbesondere vor dem Hintergrund der weiteren Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu betrachten, auf die im Folgenden eingegangen wird.90
2.2.3.2 Rollenbeziehungen Einen weiteren Beitrag zur Erklärung potenzieller Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern liefert die Rollentheorie, die sich auf das Verhalten von Individuen in sozialen Systemen bezieht und auf die interorganisationalen Beziehungen in Absatzkanälen übertragbar ist.91 Ein Vertriebssystem ist demnach als Gefüge von sozialen Positionen zu interpretieren.92 An diese Positionen werden aus der sozialen Umwelt, insbesondere seitens der weiteren Elemente des Vertriebssystems, bestimmte gleichartige und im Zeitablauf konstante Verhaltenserwartungen gerichtet.93 89 90
91
92 93
Vgl. Schmitz 2003b, S. 7. Ob die konfligierenden Ziele handhabbar sind, hängt von der Zusammenarbeit und darin enthaltenen neuen Impulsen zwischen Unternehmen und Absatzmittler ab, vgl. Zentes 1989, S. 226. Vgl. grundlegend zu Rollen und der Rollentheorie in Absatzkanälen z.B. Gill/Stern 1969, S. 22ff. Eine einheitliche Rollentheorie existiert bis heute nicht. Für eine ausführliche Betrachtung heterogener Forschungsansätze aus den Bereichen Soziologie, Sozialpsychologie und Kulturanthropologie und einer Integration der verschiedenen Theoriekonzeptionen auf der Grundlage allgemeiner verhaltenstheoretischer Ansätze vgl. Wiswede 1977. Im Rahmen der verschiedenen Ansätze bestehen Subtheorien, beispielsweise die zu diesem Thema herangezogene Theorie des Rollenkonfliktes, die wirtschaftspsychologisch relevant sind, vgl. Wiswede 2000, S. 101. Vgl. Gill/Stern 1969, S. 22; Ahlert 1996a, S. 93. Es ist denkbar, dass Rolleninhaber im Zeitablauf wechseln, ohne dass sich jedoch die an diese Position gerichteten Verhaltenserwartungen ändern. Rollenvorschriften sind im Regelfall nicht explizit kodifiziert, wodurch sich die Rolle von der mehr oder weniger klar beschriebenen „Stelle“ in Organisationsplänen unterscheidet, vgl. Ahlert 1996a, S. 94.
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Als Rolle ist die Gesamtheit der an einen Systemteilnehmer gerichteten Verhaltenserwartungen zu verstehen.94 Durch Interaktionen entwickeln Unternehmen und Absatzmittler als Rolleninhaber Vorstellungen darüber, wie sie sich gegenüber dem anderen zu verhalten haben und welche Rolle bzw. Funktionen sie selbst in dem Vertriebssystem wahrnehmen wollen (Rollenverständnis).95 Kommt es zu Inkompatibilitäten und Abweichungen zwischen der Rollenerwartung und dem Rollenverständnis, führen diese zu Konflikten zwischen den verschiedenen Systemteilnehmern. Die Gründe des abweichenden Verhaltens sind unterschiedlicher Art. Eine nähere Betrachtung erlaubt die Differenzierung in unterschiedliche Typen von Rollenkonflikten, die im weiteren Verlauf der Arbeit bzw. der empirischen Untersuchung als geeignete Systematisierung aufgegriffen werden. Es sind drei Typen von Rollenkonflikten zu unterscheiden:96 (1) Der Rollendissens bezeichnet das unbewusste, aber prinzipiell vermeidbare Abweichen eines Systemteilnehmers von seiner Rolle in Folge von Unklarheiten und Fehlinterpretationen der eigenen Rolle. (2) Ein vermeidbarer Rollenkonflikt liegt vor, wenn sich ein Systemteilnehmer vorsätzlich entgegen den Erwartungen an seine Rolle verhält (offenes Konfliktverhalten durch den Versuch, die eigene Rollenkonzeption durchzusetzen). (3) Als unvermeidbarer Rollenkonflikt ist die Situation zu bezeichnen, in der an einen Positionsinhaber von unterschiedlichen Wirtschaftssubjekten oder Systemen Rollenerwartungen herangetragen werden, die nicht miteinander 94
95
96
Vgl. z.B. Steffenhagen 1975, S. 47; Etgar 1979, S. 64; Coughlan et al. 2001, S. 214. Gill/Stern (1969, S. 23) bezeichnen als Rolle „the set of prescriptions defining what the behaviour of a position member should be“. Nerdinger (1994, S. 100) konstatiert, dass der Rollenbegriff trotz seiner weiten Verbreitung mehrdeutig und umstritten geblieben ist. Unter der Vielzahl der begrifflichen Differenzierungen einigen sich die meisten (sozialwissenschaftlichen) Forscher darauf, dass die soziale Rolle „ein in sich konsistentes Bündel normativer Erwartungen, das sich an den Inhaber einer bestimmten sozialen Position richtet“ bezeichnet, vgl. z.B. Dreitzel 1972; Irle 1975; Wiswede 1977, 1998; Joas 1978; kritisch dazu Joas 1991. Die Vorstellungen über die Rollen im Vertriebssystem schaffen den Positionsinhabern eine Art Verhaltensmodell, das die an die Position geknüpften Rechte und Pflichten beinhaltet und an dem diese ihr Verhalten ausrichten, vgl. Steffenhagen 1975, S. 47, 89ff. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 93ff.; Meffert/Steffenhagen 1977, S. 167; Ahlert 1996a, S. 94f. In der soziologischen Literatur dominiert die Unterscheidung zwischen Intraund Inter-Rollenkonflikten, die in der Sozialpsychologie um das duale Schema des Person-Rolle-Konflikt erweitert wird, vgl. ausführlich Wiswede 1977, S. 115ff., 1998, S. 186.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen vereinbar sind. In diesem Fall sind sich die Partner zwar des Konfliktes bewusst und gewillt diesen zu vermeiden, dennoch ist dieser unumgänglich.
Sowohl Unternehmen als auch Absatzmittler haben wechselseitige Verhaltenserwartungen in Bezug auf die Ausübung der Funktionen im Rahmen der Kommunikationspolitik bzw. der Integrierten Kommunikation und gewisse Vorstellungen über die eigene Rolle im Absatzkanal. Auf vertikale Rollenbeziehungen zurückgehende Konflikte innerhalb des Vertriebssystems ergeben sich seit einigen Jahren insbesondere durch das Aufbrechen der traditionellen Arbeitsteilung und damit einer Veränderung des klassischen Rollenverständnisses. Während Unternehmen früher die Funktion des so genannten Marktgestalters zugewiesen wurde, der für die Produktgestaltung, die kommunikationspolitischen Maßnahmen und die Koordination im Absatzkanal verantwortlich war,97 beanspruchen Absatzmittler heute vermehrt marktgestalterische Funktionen.98 Die Marketingführerschaft von Unternehmen ist in zahlreichen Branchen nicht mehr gegeben.99 Dadurch kommt es vermehrt zu Redundanzen bei Ausführung der Marketing- und Kommunikationsaktivitäten und die vertikalen „Partner werden teilweise (gleichzeitig) zu Konkurrenten“.100 Die vermehrten und teilweise sehr aggressiven Werbe- und Kommunikationsaktivitäten des Handels sind nur ein Beispiel für diese Situation. Besonders konfliktgeladene Situationen in Vertriebssystemen entstehen daher vor allem durch die Ergreifung und Unterlassung von Aktivitä-
97
Nach diesem Rollenverständnis übernimmt der Absatzmittler die Rolle des „Warenverteilers“, der den Konsumenten lediglich die Produkte und Leistungen zur Verfügung zu stellen hat. Steffenhagen (1983, S. 92) stellt fest, dass Absatzsysteme eine Entscheidungsgemeinschaft und zugleich Parteien einer Schicksalsgemeinschaft sind. Unternehmen und Absatzmittler bilden eine Entscheidungsgemeinschaft, da sie beide dieselbe Leistung eines Unternehmens vermarkten. Betrifft die Vermarktung jedoch auch noch weitere unterschiedliche Produkte und Leistungen, so lässt sich dies als Schicksalsgemeinschaft bezeichnen. 98 Meffert/Steffenhagen (1977, S. 167) weisen auf die enge Verbindung des Streits der Übernahme von Marketingfunktionen als Rollendissens mit dem Verteilungskonflikt hin. In dem Verteilungskonflikt berufen sich die Parteien daher auf die Rollenerwartungen als Verteilungsgrundlage oder bei gleich bleibender Verteilung werden Rollenbestandteile abgeschoben. 99 Die Rolle von Unternehmens erinnert branchenspezifisch eher an die eines Lieferanten, da der Handel in zunehmenden Maße die Rolle des Marktgestalters übernimmt und sich von der Funktion des „reinen Verteilungsapparates“ distanziert, vgl. Schögel/Tomczak 2004, S. 40. 100 Belz 1990, S. 27.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
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ten.101 Diese so genannte Funktionsabsorption bezeichnet zum einen den Übergriff eines Systemelements in Tätigkeitsbereiche, die gemäß allgemeiner Rollenauffassung den anderen Mitgliedern des Absatzkanals vorbehalten ist.102 Zum anderen werden jedoch auch Funktionen bevorzugt von einer Organisation zur anderen „geschoben“, da jede Funktionsausübung mit Kosten verbunden ist.103 Sofern Rollenerwartungen nicht gleich interpretiert werden, mindert dies den Systemerfolg, da wiederholte, aufwändige Verhandlungen über die Transaktionsbeziehung, Arbeitsteilung und Spezialisierung notwendig sind und dies die Koordination erschwert.104 Ein nicht rollenkonformes Verhalten macht die Beziehungen untereinander unvorhersehbar und erschwert die wechselseitige Abstimmung. Somit wirken sich (nicht übereinstimmende) Rollenerwartungen negativ auf die Effizienz und die Effektivität im Vertriebssystem aus.105 Die Mehrzahl der Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sind auf einen Rollendissens und das mangelnde Verständnis für die Gegenseite zurückzuführen.106 Daher sind im Rahmen der empirischen Untersuchung die Rollenerwartungen und das jeweilige Rollenverständnis der Beteiligten sowie potenzielle Konfliktausprägungen und deren auf Rollenbeziehungen zurückgehende Ursachen für den Bereich der Integrierten Kommunikation zu identifizieren und zu analysieren. An diesen Diskrepanzen ist dann im Weiteren anzusetzen, um die Rollenerwartungen und das Rollenverständnis abzustimmen, und durch eine, der Situation angepassten, optimalen Aufgabenverteilung zwischen Unternehmen und Ab-
101 Ein divergierendes Kompetenzverständnis führt zu Reibungsverlusten und erhöht
102
103 104
105
106
die Konfliktintensität, denn gerade bei der Bearbeitung attraktiver Kunden stehen sich Absatzmittler und Unternehmen dann als Konkurrenten gegenüber. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 95. Z.B. wird die Umgehung des klassischen Kanals durch den Ausbau und die Einführung neuer, eigener Absatzkanäle von Unternehmen durch Absatzmittler als Angriff auf ihre eigene Marktstellung interpretiert. Aber auch die Schaffung von eigenen Marken durch Absatzmittler und das oben dargestellte Aufbrechen der bisherigen Arbeitsteilung führen zu einer hohen Konfliktintensität. Vgl. Steffenhagen 2004, S. 41f. Eine Erhöhung des Systemerfolges ist beispielsweise durch die Reduzierung von Reibungsverlusten infolge von Informationsschwierigkeiten und Missverständnissen, die Senkung der Koordinationskosten usw. möglich, vgl. Ahlert 1996a, S. 96. Jedoch ist darauf hinzuweisen, dass auch verfestigte Rollenerwartungen und -vorstellungen flexibilitätsmindernde und stabilitätsgefährdende Wirkungen erzielen, wenn diese ökonomisch nicht mehr optimal sind. Das Rollenverhalten steht in diesem Fall notwendigen Anpassungen entgegen, behindert innovative Lösungen und wirkt damit effizienzmindernd. Vgl. Etgar 1979, S. 73.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
satzmittlern die negativen Wirkungen auf die Effizienz und die Effektivität der Kommunikationsarbeit zu verhindern. 107 Im Fall von Rollenkonflikten werden Unternehmen und Absatzmittler versuchen, mittels positiver und negativer Sanktionen (Belohnungen bzw. Bestrafungen) auf die anderen Systemelemente einzuwirken, um rollenkonformes Verhalten der Gruppenmitglieder durchzusetzen.108 Gehört ein Absatzmittler beispielsweise mehreren Vertriebssystemen an, so wird er sich für ein rollenkonformes Verhalten gegenüber dem Unternehmen entscheiden, das ihm den größten (monetären) Nutzen bringt. Reicht die Abstimmung der Verhaltensweisen über die Rollenerwartungen jedoch nicht mehr aus, werden die Beteiligten versuchen, die Interaktionspartner anderweitig zu beeinflussen.109 Inwieweit eine Beeinflussung möglich ist, hängt von den Machtverhältnissen in den Systemen ab, die im nächsten Abschnitt näher betrachtet werden.
2.2.3.3 Machtbeziehungen Machttheorien beziehen sich, ähnlich wie die Rollentheorien, meist auf interpersonale Systeme und lassen sich damit auf die Betrachtungsebene von Organisationen in Vertriebssystemen übertragen.110 Auf die Vielzahl der Studien zum Konstrukt Macht und dessen Relevanz in der bisherigen Absatzkanalforschung wurde bereits in Abschnitt 2.2.1 hingewiesen. Ebenso verdeutlichen in Praxis und Wissenschaft intensiv geführte Diskussionen, die durch Schlagworte wie beispielsweise die „Machtkonzentration im Handel“ oder „Marketingführerschaft des Herstellers“ belegt werden, dass Machtbeziehungen in Vertriebssystemen eine zentrale Rolle spielen.111
107 Vgl. zur Formulierung der idealtypischen Aufgabenverteilung Abschnitt 4.2.2.2. 108 Die Wirtschaftspsychologie geht davon aus, dass Inhaber sozialer Positionen ihr
Verhalten an Rollenerwartungen ausrichten. Bestehen innerhalb der sozialen Position unterschiedliche Erwartungen, so folgen die Positionsinhaber derjenigen Erwartung, die mit der stärksten Sanktion (Belohnung/Bestrafung) verbunden ist und/oder die am ehesten geeignet erscheint, die eigenen Ziele zu erreichen. Bestehen unterschiedliche Rollenoptionen, entscheidet sich das Individuum für diejenige Rollenkombination, die die meisten Rollenerträge (abzüglich der Rollenkosten) einbringt, vgl. Wiswede 2000, S. 101. 109 Vgl. Steffenhagen 1975, S. 47. 110 Vgl. z.B. Beier/Stern 1969, S. 94; Weinberg/Zwicker 1972. 111 Vgl. Tomczak 1992a, S. 78 und die dort angegebene Literatur.
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Macht stellt ein Phänomen dar, mit dem sich unterschiedliche Forschungsdisziplinen intensiv beschäftigen.112 Dies hat eine verwirrende Anzahl von Machtdefinitionen mit begrifflich unterschiedlichem Inhalt hervorgebracht.113 An einer konsensfähigen Definition des Machtbegriffes und geeigneten Methoden der Machtmessung fehlt es.114 Im Rahmen der Marketingforschung hat sich überwiegend die Definition von El-Ansary und Stern durchgesetzt, die eine Übertragung des sozialen Machtbegriffes auf die Machtbeziehungen zwischen Organisationen darstellt und daher auch im Rahmen der vorliegenden Problemstellung zweckmäßig erscheint:115 […] the power of a channel member is his ability to control the decision variables in the marketing strategy of another member in a given channel at a different level of distribution.
112 Specht/Fritz (2005, S. 453) stellen fest, dass es in den Wirtschaftswissenschaften
und speziell in der Marketingwissenschaft lange Zeit eine machttheoretische Lücke gab, was sich jedoch in der Zwischenzeit geändert hat. Machtstrukturen in Vertriebskanälen werden heute insbesondere in Hersteller-Handels-Beziehungen untersucht. 113 Vgl. Blommen 1997, S. 5f. Für eine Darstellung unterschiedlicher Machtansätze aus den Bereichen der Philosophie, Politologie, Soziologie, Psychologie, Motivationspsychologie, Persönlichkeitspsychologie, Sozialpsychologie und der Betriebswirtschaftslehre vgl. Kiechl 1985. 114 Vgl. Ahlert 1996a, S. 98. Dieser stellt fest, dass die Erarbeitung einer konsensfähigen Definition nicht möglich ist, da die Dimensionen des Machtbegriffes (Inhaber, Grundlagen, Geltungsbereich, Fülle, Stärke, zeitliche Ausdehnung, Mittel, Kosten, Wirkungen der Macht) zu vielschichtig sind und der Begriff zu sehr vom Ansatz der Machtanalyse und dem Konzept der Machtmessung (absolute/relative Macht, objektiv vorhandene/subjektiv wahrgenommene Macht, potenzielle/aktuelle Macht, wirksame/unwirksame Macht) determiniert wird. Zu einem Vergleich unterschiedlicher Machtdefinitionen aus verschiedenen Forschungsdisziplinen sowie der ausführlichen Betrachtung von Determinanten, Wirkungen und Messungen interorganisationaler Macht und Abhängigkeit in Absatzkanälen vgl. die Arbeit von Blommen 1997 sowie die dort angegebene Literatur. 115 El-Ansary/Stern 1972, S. 47; ähnlich Wilemon 1972, S. 71; Wilkinson 1974, S. 14; Stern/El-Ansary 1977, S. 286f. Beiträge aus der Marketingforschung nehmen bei der Erörterung des Machtbegriffes Bezug auf Definitionen der sozialpsychologischen Forschung bzw. überwiegend die Definition von French/Raven (1959, S. 152), die diese im Rahmen der Sozialen Austauschtheorie entwickeln: „The strength of power of O/P in some system Į is defined as the maximum potential ability of O to influence P in Į. […] influence is kinetic power, just as power is potential influence. […] O is capable of various acts which […] are able to exert influence on P.“
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Für die vorliegende Problemstellung bedeutet dies, dass unter der Macht eines Unternehmens bzw. eines Absatzmittlers die Fähigkeit zu verstehen ist, die Entscheidungsvariablen und -spielräume in der Marketing- bzw. (integrierten) Kommunikationsstrategie – und damit das Verhalten116 – des jeweils anderen Systemmitgliedes zu beeinflussen und zu kontrollieren.117 Macht spiegelt demnach die Bereitschaft des Beeinflussten wider, fremde Verhaltenserwartungen zu akzeptieren und zur Grundlage des eigenen Verhaltens zu machen.118 Sowohl Unternehmen als auch Absatzmittler verfügen über Machtgrundlagen.119 Diese setzen sich aus den Ressourcen zusammen, die der jeweilige Systemteilnehmer potenziell nutzt, um das Verhalten des anderen Akteurs im Sinne der eigenen Ziele zu beeinflussen. Um Machtbeziehungen in Absatzkanälen zu klassifizieren, wird in der Literatur häufig auf den klassischen Ansatz von French und Raven zurückgegriffen. Diese differenzieren Machtgrundlagen, die auf der Wahrnehmung der jeweils anderen Partei beruhen, nach Belohnungen,
116 Macht in der hier verwendeten Definition wird als eine Fähigkeit bzw. ein Potenzial
definiert. Gaski (1996, S. 65) weist auf den Unterschied der Fähigkeit ein Verhalten zu ändern und der tatsächlichen Veränderung des Verhaltens hin. Dies ist in der Tatsache begründet, dass Macht nicht zwingend auszuüben ist. Er sieht dies als „[…] most dysfunctional tendency throughout the history of channel power research […]” und kritisiert, dass zahlreiche grundlegenden Studien (beispielsweise El-Ansary/ Stern 1972; Hunt/Nevin 1974; Etgar 1976, 1977, 1978; Wilkinson 1981; Philips 1981; Nevin/Rueckert 1982; Lusch/Brown 1982) das Konstrukt Macht ohne die Betrachtung der dargestellten Unterscheidung operationalisieren bzw. mit dieser unklaren Interpretation gemessen haben. Die vorliegende Arbeit folgt jedoch dem Potenzialkonzept, da diese Definition sehr viel weiter gefasst ist und daher zweckmäßig für die Identifikation möglicher Konflikte und deren Ursachen im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten erscheint. 117 Die Begriffe Einfluss und Kontrolle werden in der Marketingliteratur synonym verwendet. Sie beziehen sich auf die mit der Ausübung der Macht verbundene Veränderung des Verhaltens bzw. die Ergebnisse des anderen Akteurs. Es ist zu beachten, dass die Fähigkeit zur Kontrolle von der jeweiligen Situation abhängig ist. Zudem ist es für einen Akteur lediglich möglich, Entscheidungsvariablen zu beeinflussen, die auch in seinem Einflussbereich liegen, vgl. Blommen 1997, S. 8f. 118 Vgl. Steffenhagen 2004, S. 39. 119 In der deutschsprachigen Literatur findet sich für die originären Bezeichnungen „Bases of Power“ bzw. „Source of Power“ überwiegend die Übersetzung „Machtgrundlagen“, vereinzelt wird auch die Bezeichnung „Machtbasen“ oder „Machtressourcen“ verwendet, vgl. Blommen 1997, S. 10.
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Bestrafungen, Fachkenntnissen, Identifikation und Legitimität.120 An dieser Stelle ist sich jedoch auf die Kritik von Kümpers an dieser Klassifikation hinzuweisen, die verdeutlicht, dass die Machttypen unterschiedlichen Begriffsebenen angehören, da „jegliche Macht als positive oder negative Sanktionsmacht, d.h. als Belohungs- oder Bestrafungsmacht, verstanden werden kann, die auf speziellen Grundlagen aufbaut, nämlich Legitimation, Identifikation oder auf Expertenwissen“.121 Daher ist eine Trennung vorzunehmen, zwischen den Grundlagen, auf denen die Sanktionsmacht der jeweiligen Systemelemente beruht und den spezifischen Sanktionsmöglichkeiten, die die einzelnen Parteien ausüben.122 Schaubild 2-5 zeigt Sanktionsmöglichkeiten eines Machthabers gegenüber einem Machtunterworfenen sowie beispielhafte Sanktionen von Unternehmen und Absatzmittlern.
120 Vgl. French/Raven 1959, S. 150ff. Die Grundlage der Belohnung (Reward Power)
basiert auf der Annahme des Machtunterworfenen (B), dass der Machthaber (A) die Möglichkeit besitzt, ihn zu belohnen, was zur Erleichterung der eigenen Zielerreichung des B beiträgt. Dem gegenüber ist die Bestrafung (Coercive Power) ein Ausdruck negativer Sanktionsgewalt und basiert auf der Überzeugung des B, dass es A möglich ist, ihn zu bestrafen bzw. Belohnungen zu entziehen, wenn er sich nicht konform zu den Wünschen des A verhält. Fachkenntnisse (Expert Power) basieren auf der Wahrnehmung des B, dass A über spezielles Wissen und Informationsvorteile verfügt. Identifikationsmacht (Referent Power) hat ihren Ursprung in der Identifikation des B mit A, die ein Gefühl der und Bedürfnis nach Verbundenheit bezeichnet. Die Annahme des B, dass A ein legitimiertes Recht besitzt, ihn zu beeinflussen und er dazu verpflichtet ist, den Einfluss des A zu akzeptieren, beispielsweise aufgrund von Verträgen zwischen Unternehmen und Absatzmittler, ist Ausdruck der legitimierten Macht (Legitimate Power). 121 Kümpers 1976, S. 109. Auch Yavas (1998, S. 140ff.) identifiziert die Übereinstimmung in der Literatur, dass Macht in Absatzkanälen typischerweise in Form von Bestrafung und Belohnung ausgeübt wird. Vgl. auch Schaubild 2-2 und die dort angegebenen relevanten Studien der Absatzkanalforschung. Die entwickelte Klassifikation ist in der Literatur zudem kritisiert worden, da sie als theoretisch nicht fundiert und unvollständig gilt, vgl. Bacharach/Lawler 1981, S. 33ff. 122 Vgl. Ahlert 1996a, S. 102.
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Sanktionsmöglichkeiten eines Machthabers gegenüber einem Machunterworfenen
Versprechen bzw. Androhen, Gewähren bzw. Vermitteln
von
Belohnungen oder Bestrafungen (inklusive Entzug von Belohnungen)
durch
den Machthaber selbst oder Dritte
in Form von Information über den Machthaber selbst (z.B. Produktinformationen) aus dem System (z.B. Informationen über bestimmteTransaktionen) über die Systemumwelt (z.B. Marktinformationen) usw.
materiellen Werten Finanzielle Mittel Sachliche Zuwendungen usw.
immateriellen oder ideelen Werten Dienstleistungen Rechte Sympathie, Anerkennung, Lob, Verachtung, Boykott usw.
Beispiele für typische positive und negative Sanktionen von Unternehmen Gestaltung der Transaktionbedingungen (z.B. Rabatte, Boni) Gewährung von Werbekostenzuschüssen Zuweisung sachlicher Mittel zur Durchführung spezieller Kommunikationsaktivitäten Durchführung von Verkaufsförderungsaktionen Übernahme von Handelsfunktionen (z.B. Gestaltung des PoS) Vermittlung kommunikationsrelevanter Informationen usw.
von Absatzmittlern Präsentation in quantitativer und qualitativer Hinsicht IK-adäquate Beratung der Kunden Verkaufsanstrengungen, eigene Kommunikationsaktivitäten „Lockvogel“-Aktionen Boykotte Vermittlung spezifischer kommunikationsrelevanter Informationen über den Kunden am PoS usw.
Schaubild 2-5: Sanktionsmöglichkeiten und -ausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern (in Anlehnung an Ahlert 1996a, S. 101) Es wird deutlich, dass nicht nur die Sanktionen von Bedeutung sind, die aus einer objektiv gegebenen „stärkeren Position“ resultieren, sondern auch „schwächere“ Systemelemente über bedeutende Sanktionsmittel verfügen. Dies liegt daran, dass die Machtgrundlagen von der subjektiven Beurteilung durch das jeweils andere Systemelement bestimmt werden und dass zwischen Macht und Abhängigkeit eine Wechselbeziehung besteht.123 A verfügt nur deshalb über ein Machtpotenzial, weil B hinsichtlich seiner Bedürfnisbefriedigung von ihm ab-
123 Vor allem im Rahmen der Sozialen Austauschtheorie fand eine Auseinandersetzung
mit dem Konstrukt Abhängigkeit statt. Gemäß Emerson (1962, S. 32) – dessen Ausführungen sowohl im Marketing als auch in der Soziologie sowie der Sozialpsychologie weite Verbreitung fanden und zur Grundlage der meisten Studien dieser Forschungsdisziplinen wurden – liegt eine Abhängigkeitsbeziehung, in der B von A abhängig ist, vor: „[…] if B aspires to goal […] whose achievement is facilitated by appropriate actions on A`s part.“
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
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hängig ist.124 Beispielsweise steigt die Abhängigkeit eines Unternehmens mit dem Umsatzanteil, den ein Absatzmittler besitzt, umgekehrt ist jedoch auch die Abhängigkeit des Vertriebskanals zum Unternehmen gegeben, da dieser gemeinsam mit dem Unternehmen dessen geschäftlichen Ziele am Markt erreichen will.125 In der Beziehung zwischen Unternehmen und Absatzmittler verfügen demnach beide über eine bestimmte Machtfülle. Diese beruht auf den jeweiligen Machtgrundlagen und kennzeichnet die Möglichkeiten der Beeinflussung. Der Machtfülle des einen entspricht die spezifische Abhängigkeit des anderen Systemelements und umgekehrt.126 Die Macht eines Systemelements ist demnach nicht absolut zu betrachten. Vielmehr ist die Relation zu den Machtunterworfenen einzubeziehen sowie der situative Kontext, in dem die Ansatzpunkte zur Erfassung der Machtverteilung zu bewerten sind.127 Gegenläufige Macht- und Abhängigkeitsbeziehungen heben einander nicht auf, es ist aber möglich, dass diese sich vollständig kompensieren, so dass keiner der Beteiligten über ein Machtübergewicht („Nettomacht“) verfügt.128 Die in diesem Fall symmetrische Machtverteilung zwischen Unternehmen und Absatzmittler liegt nur in Ausnahmefällen vor.129 Im Regelfall verfügt ein Systemelement über ein Machtübergewicht 124 Vgl. Steffenhagen 1975, S. 101f. In der jüngeren Marketingforschung findet verein-
125 126
127 128 129
zelt der Begriff „relative Abhängigkeit“ Verwendung, der sich auf die Differenz zwischen der eigenen Abhängigkeit und der Abhängigkeit des anderen Systemteilnehmers bezieht. Damit findet die Situation Beachtung, dass in interorganisationalen Austauschbeziehungen beide Systemteilnehmer zu einem gewissen Grad darauf angewiesen sind, die Beziehung zum jeweils anderen Akteur zu erhalten, damit sie ihre Ziele erreichen, vgl. Anderson/Narus 1990, S. 43; Buchanan 1992, S. 69; Gundlach/Cadotte 1994, S. 524. Vgl. Nerdinger et al. 1990, S. 7. Die Machtfülle ist noch nicht ausreichend, um Macht auszuüben. Entscheidend ist die Anzahl alternativer Quellen, die zur Bedürfnisbefriedigung des Machtunterworfenen einen Beitrag leisten und damit dessen Abhängigkeit erhöhen oder mindern, vgl. Steffenhagen 1975, S. 102. Vgl. Specht/Fritz 2005, S. 456. Vgl. Ahlert 1996a, S. 103. Liegt Machtsymmetrie vor, bietet sich für keinen der Beteiligten die Möglichkeit, dem anderen Maßnahmen aufzuzwingen. Aus dieser Situation sind kaum Konflikte abzuleiten, da sich die Parteien in ihrem Verhalten aneinander orientieren. Sie stellen nur wenige Forderungen, weil eventuell mit nicht gewünschten Gegenforderungen zu rechnen ist, vgl. Meffert/Steffenhagen 1977, S. 168. Der seltene Fall der symmetrischen Machtverteilung fördert jedoch die Kooperationsbereitschaft, da sich die vertikalen Partner in diesem Fall auf langfristige Kooperationsstrategien einigen und nachteilige Machtkämpfe vermeiden, vgl. Schögel/Tomczak 2004, S. 41.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
(asymmetrische Machtverteilung) und ist damit prädestiniert, die Marketingführerschaft in dem System zu übernehmen.130 Aus einer solchen Machtasymmetrie, d.h. der ungleichen Verteilung von Macht und Abhängigkeit zwischen beiden Parteien sowie den angewendeten Machtmitteln (Sanktionen), resultieren konfliktäre Machtbeziehungen. Um die eigenen Ziele besser durchzusetzen, versuchen Unternehmen und Absatzmittler, eine möglichst große Machtfülle bzw. geringe Abhängigkeit zu erreichen oder zumindest kein erhebliches Machtungleichgewicht gegenüber den Vertriebspartnern zuzulassen. Je größer beispielsweise die Macht eines Unternehmens, desto geringer sind die erforderlichen Stimulierungen und notwendigen Motivationsmaßnahmen gegenüber den Absatzmittlern.131 Machthaber werden versuchen, durch einen geeigneten Mitteleinsatz auf die Machtgrundlagen einzuwirken, mit dem Zweck, Macht zu gewinnen, zu vergrößern oder zu stabilisieren. Die Machtverteilung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern ist daher nicht als ein statisches, sondern vielmehr als ein dynamisches Phänomen zu betrachten. Die Machtfülle erweist sich dabei als eine von zahlreichen Einflussgrößen abhängige Variable. Änderungen der subjektiven Bewertungskriterien des Machtunterworfenen, des Informationsstandes oder der vorhandenen Alternativen wirken sich erheblich auf die Machtrelation aus. Dazu kommen Einflüsse aus dem Bereich der weiteren Mitglieder des Vertriebssystems und der Systemumwelt (beispielsweise Wettbewerber usw.).132 Die Art der Machtverteilung und die Machtausübung, d.h. die erfolgreiche Machtanwendung durch den Einsatz von Machtmitteln, beeinflussen das Konfliktausmaß und die Koordinationsmöglichkeiten im System.133 Von den Machtverhältnissen im Vertriebssystem ist es schließlich abhängig, wie sich die Strukturen und Verhaltensweisen der Beteiligten ändern.134 Die Machtverteilung zwischen Unternehmen sowie Absatzmittlern und damit der Handlungsspielraum hängen von der Wettbewerbsposition auf beiden Seiten
130 Vgl. Steffenhagen 1975, S. 107f.; Ahlert 1996a, S. 103. 131 Vgl. Irrgang 2001, S. 932. 132 Vgl. Ahlert 1996a, S. 107. 133 Vgl. Steffenhagen 1975, S. 97. Der Einsatz von Machtmitteln ruft bei den Machtun-
terworfenen Auflehnung und Widerstand hervor. Die Machtausübung wirkt demnach nicht nur konfliktmanifestierend, sondern selbst auch konflikterzeugend. Dies ist vor allem eine Frage der angewendeten Machtmittel und der ihrer Anwendung zugrunde liegenden Zielsetzung, vgl. Steffenhagen 1975, S. 114; Meffert/ Steffenhagen 1977, S. 168. 134 Vgl. Heskett/Stern/Beier 1970, S. 75; Gaski 1984, S. 10f.
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ab.135 Einflussfaktoren sind insbesondere der Marktanteil, die Marktstruktur und die damit verbundenen Ausweichmöglichkeiten sowie die jeweilige Wettbewerbsstärke (z.B. Imagefaktoren, Markenstärke, Einkaufsstättentreue).136 Unternehmen erlangen gegenüber Absatzmittlern Macht, indem sie auf Seiten der Endkonsumenten starke Präferenzen für ihre Marken, Produkte und Leistungen aufbauen. Je stärker diese Präferenzen sind, desto eher sind Absatzmittler darauf angewiesen, die entsprechenden Unternehmensleistungen in ihrem Sortiment zu führen.137 Durch das hohe Nachfragepotenzial hingegen erwerben Absatzmittler Macht. Häufig sind Unternehmen auf Absatzmittler als Umsatzträger angewiesen. „Somit sind Hersteller häufig gezwungen, die mangelnde und nonkonforme Verwendung [ihres] Markenartikels […] zu tolerieren.“138 Zudem kommt den Absatzmittlern eine bedeutende Position und wichtige Machtgrundlage durch ihre bereits beschriebene Rolle als so genannte Gatekeeper zu und zeigt anschaulich die Engpasskonstellation in Vertriebssystemen auf.139 Gatekeeper besitzen in formellen und informellen Unternehmen Macht über bestimmte Kanäle, indem sie Leistungen und Informationen durch diese Kanäle weiterbefördern oder nicht.140 Die Machtposition des Gatekeepers hängt jedoch im Wesentlichen von den jeweiligen Substitutionsmöglichkeiten des von ihm beherrschten Leistungs135 Kennzeichnend für die Machtverteilung in vielen Branchen – insbesondere aber im
136 137
138
139
140
Konsumgüterbereich – ist, dass sich das Machtverhältnis zugunsten der Absatzmittler verschoben hat. So bestehen insbesondere Konzentrationstendenzen quantitativer Art (Umsatz- und Größenzuwächse), Professionalisierung und Know-how-Zuwachs auf Absatzmittlerebene, eine fehlende Profilierung der Unternehmensmarken sowohl auf Absatzmittler- als auch auf Endkundenebene sowie die starke Position der Absatzmittler durch ihre Endkundennähe und damit vorliegende Informationsmacht, vgl. Pabst 1993, S. 91. Zur Abhängigkeit der Hersteller vom Handel vgl. auch Belz 1989b, S. 175f. Vgl. Engelhardt 1990, S. 47f.; Pabst 1993, S. 89f.; Schögel/Tomczak 1999, S. 52. Vgl. Steffenhagen 2004, S. 40. Für den Händler bestehen jedoch umso mehr Ausweichmöglichkeiten, je homogener die Produkte sind, je geringer die subjektive Wertschätzung des Konsumenten gegenüber dem Produkt im Vergleich zu anderen und je größer die Reservekapazitäten der anderen anbietenden Unternehmen sind, vgl. Schröder 1990, S. 19. Schröder 1990, S. 19. Zu ausführlichen Hypothesen über die Beeinträchtigung des Markenartikelvertriebs durch unerwünschte Händler und mögliche Wirkungen auf die Verbraucherzielgruppe bzw. die Händlerzielgruppe vgl. Ahlert 1996a, S. 207ff. Ein verhaltenswissenschaftlicher Ansatz, der sowohl rollen- als auch machttheoretische Elemente aufweist, ist das Konzept der Gatekeeper-Rolle, vgl. hierzu die Ausführungen zur Bedeutung der Absatzmittler als Gatekeeper im Rahmen der Integrierten Kommunikation in Abschnitt 1.3.1. Vgl. Tomczak 1992a, S. 223.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
und Informationskanals durch andere Kanäle ab.141 Die jeweiligen Substitutionsmöglichkeiten determinieren das Aktionspotenzial und beeinflussen das Rollenverständnis der Beteiligten. Die vorangegangenen Betrachtungen hatten den Zweck, theoretisches Hintergrundwissen und eine begriffliche Eingrenzung des komplexen Konstruktes Macht zu vermitteln. Welche konkreten Machtgrundlagen bei Unternehmen und Absatzmittlern der Schweizer Mobilfunkbranche vorliegen, welche Entwicklungstendenzen diese beeinflussen und welche speziellen Machtmittel zum Einsatz kommen, ist im Rahmen der vorliegenden Arbeit durch die empirische Untersuchung der Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu eruieren und zu präzisieren.142
2.2.3.4 Kommunikations- und Informationsbeziehungen Besondere Bedeutung für die bereits dargestellten Verhaltensbeziehungen und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern haben die Informations- und Kommunikationsbeziehungen der beteiligten Akteure, da letztlich alle anderen Beziehungen durch die Kommunikation und die gegenseitige Information beeinflusst werden. Unternehmen und Absatzmittler verfügen über unterschiedliche Arten und Quellen von Informationen. In der Regel basieren Entscheidungen und Kenntnisse von Unternehmen auf Informationen aus der systematischen Marktforschung, beispielsweise über die Motive, Einstellungen und das Verhalten der Endkunden sowie die Wirkungen, die die Kommunikationsaktivitäten bei diesen erzielt haben. Absatzmittler besitzen dem gegenüber Informationen über den Abverkauf und das Verhalten der Endkunden am PoS und besitzen ihre eigenen Informationssysteme und Daten über Endkunden. Obwohl die jeweiligen Informationen für beide Seiten von hoher Bedeutung für die Zusammenarbeit sind, versuchen häufig sowohl Unternehmen als auch Absatzmittler das Expertenwissen exklusiv selbst zu nutzen und den Informationsvorsprung als Druckmittel zu verwenden. Dadurch werden die jeweiligen Interessen und Ziele oft falsch interpretiert und eine mangelnde Kommunikation führt dazu, dass wichtige Informationen ungenutzt bleiben.143 Ein fehlender Ausgleich von faktischem Wissen, Absichten und Handlungsalternativen durch die (rechtzeitige) Übermittlung von Informationen führt zu einem vertikalen Informationsgefälle zwischen den Beteiligten.144 Das aus den unzureichenden Kommunikationsbe141 Vgl. Ahlert 1996a, S. 97. 142 Vgl. Kapitel 3. 143 Vgl. Schögel/Tomczak 2004, S. 40f. 144 Dabei kommt es nicht nur auf die Quantität, sondern auch auf die Qualität der Infor-
mationen an, die ausgetauscht werden, vgl. Pabst 1993, S. 87.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
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ziehungen resultierende Informationsgefälle wirkt grundsätzlich konfliktär. Konflikte werden dadurch hervorgerufen, dass
eine Partei der anderen bewusst oder unbewusst Informationen vorenthält (völlig unterbleibende Informationsabgabe oder -weitergabe),
unterschiedliche Parteien gleiche Informationen unterschiedlich interpretieren (Fehlinterpretation) und/oder
eine der beiden Parteien der anderen Partei die Informationen in veränderter Form zur Verfügung stellt (Filterung).145
Bei der fehlenden Kommunikation bzw. der völlig unterbleibenden Ab- und Weitergabe von Informationen verfügen beide Parteien hinsichtlich des Sachverhaltes über unterschiedliche Informationen, die nicht aneinander angeglichen werden. Gründe hierfür liegen darin, dass die Kommunikation möglicherweise unbewusst unterbleibt und das Informationsgefälle nicht wahrgenommen wird.146 Die fehlende Weitergabe von Informationen liegt beispielsweise auch daran, dass sich derjenige, der über alle Informationen verfügt, in dem Glauben befindet, „deren Kenntnis sei eine Selbstverständlichkeit und erspart sich allein aus diesem Trugschluss heraus eine angemessene Weitergabe.“147 Dieses Informationsgefälle ist möglicherweise Ausdruck einer unbewussten Unterschätzung der entstehenden Konflikte und ihrer Bedeutung für die Wirksamkeit des Systems. Dem gegenüber kommt es beispielsweise aufgrund von Geheimhaltungsgründen oder durch das Ziel der Sicherung der eigenen Wettbewerbsvorteile zu einem bewussten Zurückhalten von Informationen.148 Informationsvorteile stel-
145 Vgl. Steffenhagen 1975, S. 122ff.; Meffert 1981, S. 113. Steffenhagen (1975,
S. 125f.) weist zudem auf die Ungewissheitsabsorption hin, bei der eine Partei über als ungewiss erkennbare Informationen verfügt und diese nur teilweise nach einer Verarbeitung und unter Veränderung des Sicherheitsgrades an die andere Partei übermittelt. Werden z.B. nach bestimmten Kriterien vorgenommene Auswertungen von Marktforschungsdaten übermittelt, ist es für den Informationsempfänger nicht mehr möglich, den Ungewissheitsgrad des Sachverhalts zu erkennen. Ungewissheitsabsorption wirkt teilweise konfliktsenkend, da sich Empfänger von Informationen mangels eines Interpretationsspielraums an den resultierenden Entscheidungen orientieren. 146 Vgl. Steffenhagen 1975, S. 122. 147 Nerdinger et al. 1990, S. 7. 148 Dies sind z.B. eigene „strategische“ Informationen oder die Geheimhaltung ist darauf zurückzuführen, dass Absatzmittler häufig Mitglied mehrerer Vertriebssysteme sind und daher aus Wettbewerbsgründen bevorstehende Kommunikationsaktivitäten nicht bekannt gemacht werden.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
len eine Machtgrundlage dar und werden deshalb nicht ohne Weiteres „aus der Hand“ gegeben.149 Im Fall der Fehlinterpretation übermittelt eine Partei der anderen die Informationen korrekt, doch die andere Partei interpretiert die korrekt empfangenen Informationen anders als der Absender. Ursachen der Fehlinterpretation liegen in den unterschiedlichen Zielen und Erwartungen der Parteien und äußern sich beispielsweise darin, dass denselben Nachrichten bzw. Informationen eine unterschiedliche Bedeutung oder Gewichtung beigemessen wird.150 Bei der Filterung werden Informationen unterdrückt und nicht vollständig weitergeleitet und führen dadurch zur Fehlinformation des Informationsempfängers. Umstände, die die Filterung von Informationen auslösen, sind die Überlastung, die aus der eingegangenen Nachrichtenmenge und der begrenzten Informationsverarbeitungskapazität des Empfängers resultiert. Infolge der großen Menge an Informationen sind beispielsweise zahlreiche Absatzmittler, insbesondere solche, die mehreren Vertriebssystemen angehören, zur Filterung der Informationen eines Unternehmens gezwungen und leiten nur die in ihren Augen wichtigsten Informationen sowohl an die eigenen Mitarbeitenden als auch die Endkunden weiter. Weiterhin kommt es zur Informationsfilterung, wenn die Kommunikationsinhalte den Zielsetzungen der einen Partei entgegenstehen und damit eine Unterdrückung sowie Verzerrung der Informationen notwendig erscheinen lassen.151 Der abweichende Informationsstand sowie unterschiedliche Erfahrungen und Informationsverarbeitungskapazitäten führen dazu, dass Sachverhalte und Konsequenzen bestimmter Maßnahmen unterschiedlich beurteilt werden.152 Derartige Beurteilungskonflikte leiten sich direkt aus den vertikalen Zielbeziehungen ab.153 Selbst wenn eine angenommene Verträglichkeit der Ziele vorliegt, führt das auf beiden Seiten wahrgenommene Informationsdefizit dazu, dass z.B. die Wirkungen bestimmter Marketing- und Kommunikationsaktivitäten unterschiedlich eingeschätzt werden.154
149 Die Forderung, alle relevanten Informationen über das Unternehmen, seine langfris-
150 151 152 153 154
tigen Perspektiven, das Produkt, den Markt usw. unter Beachtung von Wettbewerbsaspekten an die Absatzmittler weiterzuleiten, erscheint auf den ersten Blick „trivial“. Da aber Informationen ein Machtmittel sein können, wird „häufig genug im Geschäftsleben gegen diese Forderung verstoßen“, Nerdinger et al. 1990, S. 6. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 124. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 127. Vgl. Ahlert 1996a, S. 91. Vgl. Abschnitt 2.2.3.1. Vgl. Tomczak 1992b, S. 281.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
85
Die hier angesprochene Interdependenz der Ziel- und Kommunikationsbeziehungen ist lediglich ein Beispiel für die gemeinsam wirkenden Konfliktursachen. Konflikte in Absatzkanälen sind nicht nur einem Konflikttyp zuzuordnen – wie die Erklärung der vorherigen Abschnitte vielleicht vermuten lässt – sondern vielmehr überlagern sich die verschiedenen Konfliktursachen. Daher stellt der folgende Abschnitt die Interdependenzen zwischen den Beziehungen bzw. den Konfliktursachen dar.
2.2.3.5 Interdependenzen der Beziehungen Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass zwischen Unternehmen und Absatzmittlern gewisse Konfliktpotenziale bestehen, die auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen sind und vielfach einen gegensätzlichen Charakter aufweisen. Die einzelnen Beziehungen sind jedoch nicht isoliert voneinander zu betrachten, sondern als eine „ganzheitliche und vernetzte Struktur“ zu begreifen.155 So sind beispielsweise Rollenkonflikte oftmals auf gestörte Kommunikationsbeziehungen zurückführen und verstärken ihrerseits wiederum das Konfliktpotenzial in den Ziel- und Machtbeziehungen. Zentrale Stellung nehmen insbesondere die Machtbeziehungen ein, denn „im Kern resultieren Machtkonflikte aus Ziel- und Rollenkonflikten, sie sind nur in seltenen Fällen originärer Kultur.“156 Folglich ist Macht als das zentrale Mittel zur Koordination und Führung des Absatzkanals zu sehen, das dazu verwendet wird, rollenkonformes Verhalten der Akteure zu erzwingen und somit die eigenen Zielsetzungen zu erreichen.157 Die beobachtbaren Beziehungen (Geld-, Leistungs- und Informationsströme) sind als Indikatoren der Machtfülle bzw. Machtgrundlagen zu verstehen, da sie die Abhängigkeiten der Systemelemente widerspiegeln. In dynamischer Sicht sind sie als Machtmittel interpretierbar, die mit dem Zweck der Beeinflussung der Machtverteilung angewendet werden. Zielbeziehungen sind Voraussetzung für das Vorhandensein von Abhängigkeiten und Macht, da Sanktionsmöglichkeiten anhand von Zielkriterien bewertet werden. Die Berücksichtigung von Rollenerwartungen, die Durchsetzung eigener Rollenkonzepte und die Formulierung von Rollenvorschriften ist Ausdruck der Machtfülle, Mittel des Machterwerbs und Ausprägung der Machtanwendung.158 Die Hauptursache für die Konfliktentstehung beruht demnach auf dem gegenseitigen Abhängigkeitsverhältnis bzw. den Machtbeziehungen der Systemmitglieder. Daraus resultieren Konflikte, z.B. hinsichtlich der verfolgten Ziele, Aufgabengebie155 Vgl. Schmitz 2003a, S. 12. 156 Tomczak 1992a, S. 284. 157 Vgl. Blommen 1997, S. 42. 158 Vgl. Ahlert 1996a, S. 109.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
te usw., die die Effizienz einzelner Aktivitäten und Maßnahmen nachhaltig beeinflussen.159 Einfluss auf die vielfältigen Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler nimmt zudem die Transaktionsatmosphäre, die zwischen beiden besteht. Diese ist Ausdruck des Klimas zwischen den Vertriebspartnern, ihrer bisherigen Transaktionsgeschichte und -zukunft. Erlebnisse der Vertriebspartner hinsichtlich Situationen, in denen z.B. die Unterstützungsbereitschaft oder das Vertrauen des anderen gefordert waren, spielen hierbei eine entscheidende Rolle und prägen die Perspektiven und Erwartungen.160 Persönliche und langfristig gewachsene Beziehungen innerhalb des Vertriebssystems beeinflussen die Transaktionsatmosphäre und sind demnach auch bei der Konfliktentstehung und -austragung von hoher Relevanz. Konflikte kennzeichnen die Transaktionsatmosphäre zwischen Unternehmen und Absatzmittler. Eine positive Transaktionsatmosphäre wirkt für die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten konfliktregulierend und verbessert damit die Effizienz und Effektivität des Vertriebssystems. Je nach Ausprägung hat das Unternehmen die Interaktionen auszugestalten und geeignete Koordinationsmechanismen einzusetzen.161
2.2.4
Entwicklung eines Analyserahmens der Defizitentstehung
Die vorangegangenen Abschnitte haben deutlich gemacht, dass hinsichtlich bestehender und potenzieller Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten bzw. Konflikten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern keine genauen oder gesicherten Erkenntnisse vorliegen. Das auf Basis der vorangegangenen, mehrheitlich allgemeinen Betrachtungen gewonnene Wissen über Ausprägungen, Ursachen und Wirkungen von Konflikten bietet jedoch zahlreiche Ansatzpunkte und wertvolle Impulse für die vorliegende Problemstellung. Eine Zusammenfassung der dargestellten Erkenntnisse über Konflikte in Absatzkanälen führt an dieser Stelle zu einem konzeptionellen Analyserahmen der Entstehung von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Dieser dient dazu, das theoretische und konzeptionelle Wissen über Konflikte und Konfliktwirkungen sowie die Beziehungen in Absatzkanälen zu systematisieren und einen Rahmen für die IK-spezifische Durchdringung der Problematik zu geben (vgl. Schaubild 2-6). 159 Vgl. Specht/Fritz 2005, S. 440. 160 Vgl. Pabst 1993, S. 92. 161 Vgl. Tomczak 1992b, S. 289.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
87
Konfliktursachen
Konfliktausprägungen
Konfliktwirkungen
Interorganisationale Beziehungen
Verhaltenswirkungen im Planungsprozess der IK (Streitpunkte)
Ergebniswirkungen auf die Integrierte Kommunikation
Vertikale Machtkonflikte
Konflikte in der Analysephase
Ineffizienz der Kommunikation Vertikale Ziel-/Interessenkonflikte
Konflikte in der Planungsphase
Vertikale Rollenkonflikte
Konflikte in der Umsetzungsphase
Ineffektivität der Kommunikation
Vertikale Informations-/ Kommunikationskonflikte
Konflikte in der Kontrollphase
Schaubild 2-6: Konzeptioneller Analyserahmen der Entstehung von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten Der konzeptionelle Analyserahmen ist durch drei Ebenen zu beschreiben, auf denen wiederum unterschiedliche Dimensionen zur Strukturierung voneinander abzugrenzen sind: (1) Ebene der Konfliktursachen: Die Ursachenebene bildet die interorganisationalen Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern ab, die zu potenziellen und konkreten Konfliktausprägungen im Rahmen der Integrierten Kommunikation führen. Mit den beschriebenen Ziel-, Rollen-, Machtund Informationskonflikten lassen sich verschiedene Verhaltensbeziehungen systematisieren, die als Dimensionen auf dieser Ebene zu verstehen sind. Die vorangegangenen Begriffsabgrenzungen, Kennzeichen und Typen der Konfliktursachen dienen im Folgenden zur Identifikation konfligierender Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. (2) Ebene der Konfliktausprägungen: Auf der Ausprägungsebene manifestieren sich die (potenziellen) Meinungsverschiedenheiten bzw. Streitpunkte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in den einzelnen Phasen des
88
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen Planungsprozesses der Integrierten Kommunikation. Innerhalb der Phasen sind verschiedene Teilentscheidungen zu berücksichtigen, die die Aufgabenfelder in der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bezeichnen und an denen die Konflikte deutlich werden.162 Die konkreten und potenziellen Konfliktausprägungen sind als Verhaltenswirkungen zu verstehen, denn sie sind meist Symptome tiefer liegender Konfliktursachen. Dabei ist es möglich, dass die konkreten Konflikte auf vielfältige Ursachen zurückzuführen sind.
(3) Ebene der Konfliktwirkungen: Die Wirkungsebene verdeutlicht die Konsequenzen der Konflikte auf die Integrierte Kommunikation. Die Anforderung an die Kommunikationsarbeit von Unternehmen besteht darin, diese möglichst effektiv und effizient zu gestalten. Durch die Erkenntnisse der Konfliktforschung ist deutlich geworden, dass Konflikte eine negative Wirkung auf die Effizienz und die Effektivität der Kommunikationsarbeit von Unternehmen haben. Die Effizienz bedeutet im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Leistungswirksamkeit einer Kommunikationsmaßnahme im Hinblick auf die übergeordnete, inhaltliche Zielsetzung der Integrierten Kommunikation. Im Unterschied dazu bezieht sich die Effektivität auf die grundsätzliche Eignung einer Maßnahme, ein angestrebtes Ziel im Rahmen der Integrierten Kommunikation zu verwirklichen.163 Insofern erscheint es sinnvoll, die Dimensionen des Analyserahmens auf Wirkungsebene „negativ“ zu fomulieren, d.h., die Dimensionen werden durch die Ineffizienz und die Ineffektivität der Integrierten Kommunikation als negative Ergebniswirkungen der Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittler deutlich. Im Rahmen der vorliegenden Problemstellung sind im Weiteren die angestrebten Ziele der Integrierten Kommunikation vor dem Hintergrund der Ineffizienz und Ineffektivität zu beleuchten.164
162 Vgl. hierzu die Beschreibung der Phasen des Planungsprozesses und der Zusammen-
arbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in Abschnitt 1.3.3. 163 Während Effektivität demnach als Maßgröße der Zielerreichung definiert ist, ist die
Effizienz ein Messkriterium für die Wirtschaftlichkeit einer Maßnahme, in der das Verhältnis von Output und Input zum Ausdruck kommt, vgl. Scholz 1992, Sp. 533; Bohr 1993, Sp. 855f. Zur Auslegung des angewandten Effizienzbegriffes vgl. auch Welge/Fessmann 1980, Sp. 577, zur Effektivität Fessmann 1980, S. 30f.; Corsten 1985, S. 53f. Auf diese grundsätzliche Unterscheidung lassen sich zahlreiche Definitionen von Effizienz und Effektivität zurückführen, die insbesondere in den prägnanten Formulierungen „Doing the Right Things“ (Effektivität) und „Doing the Things Right“ (Effizienz) deutlich werden, vgl. Drucker 1963. 164 Vgl. zu den angestrebten Zielen der Integrierten Kommunikation Abschnitt 1.2.1.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
89
Zwischen den Ebenen und den einzelnen Dimensionen bestehen Zusammenhänge, die eine Art Wirkungskette repräsentieren und im Analyserahmen durch die Verbindungen bzw. Pfeile symbolisiert werden. Neben diesen bereits beschriebenen Zusammenhängen zwischen den jeweiligen Ebenen bzw. Dimensionen wird zudem auf Ebene der Konfliktausprägungen durch die Pfeile zwischen den einzelnen Phasen des Planungsprozesses die Annahme visualisiert, dass bestehende Konflikte in einer Phase die Konflikte und Defizite der sich anschließenden Planungsphasen negativ beeinflussen. Zudem wurde durch die theoretische Durchdringung der Ziel-, Rollen-, Macht- und Informationskonflikte deutlich, dass diese nicht unabhängig voneinander zu betrachten sind, sondern durch komplexe, interdependente Beziehungen miteinander verflochten sind. Der entwickelte konzeptionelle Analyserahmen wird im weiteren Verlauf der Arbeit einer empirischen Prüfung unterzogen bzw. die durch die Empirie gewonnenen Daten und Aussagen werden dazu verwendet, den zur Strukturierung dienenden Analyserahmen mit IK-spezifischen Inhalten zu präzisieren und somit einen theoretischen und empirischen Beitrag zu Problemen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu leisten.165 Die empirische Untersuchung konzentriert sich dabei auf die Entstehung von Defiziten und damit auf die Ermittlung des konkreten Koordinationsbedarfs, an dem schließlich geeignete Koordinationsmechanismen anzusetzen haben. Im Folgenden werden daher zunächst theoretische Ansätze diskutiert, die einen Erklärungsbeitrag zum Abbau der identifizierten Defizite leisten und als Begründungen für den kosten- und leistungsoptimalen Einsatz von Koordinationsinstrumenten heranzuziehen sind.
165 Es ist an dieser Stelle hervorzuheben, dass es in der vorliegenden Arbeit nicht um
die Überprüfung theoriegeleiteter Hypothesen an der bestehenden Realität oder die empirische Messung der Konfliktwirkungen und möglicher Kausalzusammenhänge geht. Im Mittelpunkt der explorativen empirischen Untersuchung steht vielmehr die Identifikation, Deskription und Interpretation der in der Praxis beobachteten Phänomene zur Konstruktion und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Aussagen auf Basis des vorab entwickelten Analyserahmens.
90
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
2.3
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen zum Abbau von Defiziten und der Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler
2.3.1
Die Transaktionskostentheorie als vertrieblicher Erklärungsansatz
2.3.1.1 Eignung der Transaktionskostentheorie als zentraler Ansatz der Neuen Institutionenökonomik Während die in den vorgegangenen Abschnitten dargestellten verhaltenswissenschaftlichen Ansätze Details des Verhaltens der Partner beleuchten, rücken Vertreter der Neuen Institutionenökonomik166 den Markt als Ort des Austauschs in das Zentrum des Interesses.167 Die Ansätze wenden mikroökonomisches Denken auf Organisations- und vertikale Integrationsprobleme an168 und untersuchen, welche institutionellen Lösungen in bestimmten Situationen vorhandene Koordinationsprobleme effektiv zu lösen vermögen.169 Durch die angenommenen Unvollkommenheiten des Marktes sind Austausch- und Kaufsituationen mit Informations- und Unsicherheitsproblemen verbunden, die Transaktionskosten verursachen. Als Lösung bilden sich so genannte Institutionen, die diese Unsicherheit reduzieren. Eine Institution „ist ein auf ein bestimmtes Zielbündel abgestimmtes System von Normen einschließlich deren Garantieinstrumente, mit dem
166 Die Neue Institutionenökonomik hat sich aus der Kritik an der Modellwelt der älte-
ren neoklassischen Theorien entwickelt und spannt damit einen wirklichkeitsnäheren Bezugsrahmen auf. Restriktive, realitätsfremde Annahmen und ceteris-paribus-Argumentationen über die Vollkommenheit des Marktes werden aufgegeben und um Annahmen (fehlende Information, begrenzte Informationsverarbeitungskapazität und damit eingeschränkte Rationalität, Opportunismus sowie Unsicherheit) erweitert, die den einzelwirtschaftlichen Leistungsaustausch überhaupt erst vor Probleme stellen, vgl. Tunder 2000, S. 34, 36. 167 Vgl. z.B. Bayón 1997; Kaas 1994; Göbel 2002. 168 Vgl. Tomczak 1992a, S. 141. 169 Bei dieser Interpretation handelt es sich um die so genannte instrumentelle Sichtweise der Neuen Institutionenökonomik. Dem gegenüber befasst sich die explikative Sicht der Neuen Institutionenökonomik „mit der Erklärung der in der Realität vorzufindenden institutionellen Infrastruktur und ihrer Entwicklung“, Helm 1997, S. 2.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
91
Zweck, das individuelle Verhalten in eine bestimmte Richtung zu steuern.“170 Sie beinhalten damit grundsätzlich informelle und formelle Regelungsmechanismen, die das Handeln der Tauschpartner bei ihren Transaktionen festlegen. Picot verweist darauf, dass der Institutionenbegriff sehr weit ausgelegt wird. Neben Organisationen und ihren organisatorischen Regelungen umfasst dieser beispielsweise auch den Markt, Geld, Sprache, soziale Normen, Gesetze und Handelsbräuche sowie Verträge und rechtliche Einrichtungen.171 Darüber hinaus sind zu Institutionen solche Konstrukte zu rechnen, die das Verhalten von Unternehmen und Absatzmittlern in gegenseitigen Transaktionsbeziehungen beeinflussen, beispielsweise Macht und Abhängigkeit, Zufriedenheit, Vertrauen usw.172 Es ist möglich, dass Institutionen bzw. Mechanismen bewusst kreiert werden bzw. über Zeit und Gewohnheit evolutorisch wachsen (z.B. Formen von Werbekostenzuschüssen), aber auch spontan aus dem Eigeninteresse der Austauschbeteiligten entstehen (z.B. Zugeständnisse als Ergebnis von Jahresgesprächen).173 Demzufolge erfüllen diese häufig Informations- und Überwachungsfunktionen, haben einen erwartungsbildenden und konfliktmindernden Charakter und wirken organisations- und koordinationskostensenkend.174 Im Rahmen der Neuen Institutionenökonomik haben Institutionen insbesondere die Funktion, Transaktionskosten zu minimieren und eine effiziente Ressourcenallokation zu ermöglichen. Ziel einer ökonomischen Analyse von Institutionen ist daher, herauszufinden, wie Organisationen effizient zu gestalten sind, um das soziale Verhalten der Individuen wirtschaftlich optimal auf ein Ziel hin zu steuern.175 Die Ansätze der Neuen Institutionenökonomik eignen sich daher auch für die Analyse von Problemstellungen im Marketing, insbesondere die Analyse der Marktbeziehungen und -prozesse176 und sind demnach auch als adäquat für die vorliegende Problemstellung anzusehen.177 Als geeigneter theoretischer Hinter170 Richter 1994, S. 2. 171 Vgl. Picot 1991, S. 144. 172 Vgl. Tunder 2000, S. 37 und die dort zitierte Literatur. Dieser verweist darauf, dass
173 174 175 176 177
die Konstrukte in der engeren Auslegung der Neuen Institutionenökonomik vernachlässigt werden, da sie nicht operationalisierbar erscheinen. Vgl. Helm 1997, S. 27; Tunder 2000, S. 37. Vgl. Picot 1991, S. 144. Vgl. Richter 1994, S. 2f.; Helm 1997, S. 27 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Hax 1991, S. 64, 66; Rindfleisch/Heide 1997, S. 30. Vgl. ähnlich John/Weitz 1989, S. 1 zur Gestaltung von Anreizsystemen im Außendienst; Tomczak 1992a, S. 138ff. für die Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler; Mandewirth 1997, S. 51 und Steiff 2004, S. 47 für Franchisesysteme; Jacobi 2001, S. 15f. und die dort angegebene Literatur zur Analyse von Problemen der Außendienststeuerung.
92
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
grund zur Steuerung und Kontrolle unternehmensfremder Absatzmittler sowie zum Abbau destruktiver Konfliktwirkungen wird die Transaktionskostentheorie, die eine der zentralen Ansätze der Neuen Institutionenökonomik darstellt, gewählt.178 Im Hinblick auf die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit liegt ihr entscheidender Vorteil in der ausdrücklichen Einbeziehung der Transaktionskosten als Effizienzkriterium. Aussagen über die Effizienz der institutionellen Arrangements werden aufgrund von Kosten-Nutzen-Kalkülen getroffen. 179 Da Konflikte Transaktionskosten erzeugen, sind diese durch geeignete Koordinationsmechanismen abzubauen. Im Gegensatz zu den anderen Ansätzen der Neuen Institutionenökonomik stellt die Transaktionskostentheorie den Leistungsaustausch (Transaktion) selbst, d.h. Prozesse bzw. Abläufe und Beziehungen, und nicht die daran beteiligten Wirtschaftssubjekte in den Mittelpunkt der Untersuchung. Entscheidend ist darüber hinaus die zeitliche Perspektive der verschiedenen Ansätze. So nimmt der Transaktionskostenansatz eine sehr viel realistischere Perspektive ein, indem insbesondere die nach Vertragsabschluss (Ex post) auftretenden Transaktionsprobleme (beispielsweise Streitfälle bzw. Konflikte, Anpassungsschwierigkeiten, Interpretationsspielräume) untersucht werden. Andere institutionenökonomische Ansätze beschränken sich auf die Ex-ante-Perspektive und gehen von der Erfassbarkeit aller Umstände sowie der Einhaltung aller Vertragspunkte aus.180 Schaubild 2-7 zeigt abschließend einen Vergleich der unterschiedlichen Ansätze der Neuen Institutionenökonomik, um in der notwendigen Kürze die dargestellten Vorteile der Transaktionskostentheorie als ökonomischen Ansatz zu untermauern.181 Im Folgenden werden die relevanten Grundlagen der Transaktionskostentheorie dargestellt und anschließend der Ansatz hinsichtlich seines Erklärungsgehalts für die vorliegende Problemstellung betrachtet.
178 Zu den Theorien der Neuen Institutionenökonomik gehören mit der Informations-
ökonomik, der Transaktionskosten-, der Prinzipal-Agenten- sowie die PropertyRights-Theorie vier einander ergänzende Ansätze, bei denen jeweils unterschiedliche Variablen und Problemstellungen im Vordergrund der Analyse stehen. Zu Grundlagen der Neuen Institutionenökonomik vgl. z.B. Helm 1997, S. 2ff.; Tunder 2000, S. 34ff. sowie für einen Überblick der verschiedenen Ansätze Picot 1991, S. 145ff.; Helm 1997; S. 5ff.; Ebers/Gotsch 2002, S. 200ff; Picot/Dietl/Franck 2005, S. 45ff.; Woratschek/Roth 2005, S. 145ff. 179 Vgl. Jacobi 2001, S. 15. 180 Vgl. Williamson 1990a, S. 67f.; Picot 1991, S. 155. 181 Zu einem Vergleich der institutionenökonomischen Theorien vgl. z.B. Picot 1991, S. 154f.; Helm 1997, S. 5ff.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen Transaktionskostentheorie
Prinzipal-AgentenTheorie
93 Property-RightsTheorie
Informationsökonomik
Untersuchungsgegenstand
Austauschbeziehungen (Transaktionsbeziehungen)
Prinzipal-AgentenBeziehungen
Institutionelle Rahmenbedingungen, Verfügungsrechte an Institutionen
Informationsasymmetrien, Informationsverhalten
Untersuchungseinheit
Transaktion
Individuum
Individuum
Individuum
Verhaltensannahmen
Opportunismus, beschränkte Rationalität, Risikoneutralität
Moral Hazard, Adverse Selection, beschränkte Rationalität
Individuelle (egoistische) Nutzenmaximierung
Opportunismus, Adverse Selection, Moral Hazard, beschränkte Rationalität
Untersuchungsvariablen
Spezifität, Unsicherheit/ Komplexität, Häufigkeit, Atmosphäre
Asymmetrische Informationsverteilung, Hidden Action, Hidden Information und Hidden Charakteristics, Risikoneigung
Unbekannt
Asymmetrische Informationsverteilung, Unsicherheit, Informationskosten
Untersuchungsperspektive
Ex post
Ex ante
Ex ante
Ex ante
Gestaltungsvariablen
Koordinationsmechanismus
Vertrag-, Kooperationsbeziehung
Handlungs- bzw. Verfügungsstrukturen
Informationsmechanismen, Signalling, Screening
Effizienzkriterium
Transaktionskosten
Agency Costs
Summe aus Transaktionskosten und Wohlfahrtsverlusten aufgrund externer Effekte
Informationskosten
Dynamische Aspekte
Z.B. fundamentale Transaktion, vertikale Integration
Unbekannt
Herausbildung und Zuordnung von Verfügungsrechten
Erklärung/Verhinderung von Marktversagen, Prozesse der Informationsbeschaffung
Schaubild 2-7: Gegenüberstellung der zentralen Ansätze der Neuen Institutionenökonomik (Picot 1991, S. 153; erweitert um die Aspekte der Informationsökonomik durch Helm 1997, S. 19)
2.3.1.2 Transaktionskostentheoretische Grundlagen und Annahmen Im Rahmen der Transaktionskostentheorie, die durch den Aufsatz von Coase über „The Nature of the Firm“ begründet und insbesondere von Williamson weiterentwickelt wurde,182 bildet die einzelne Transaktion die grundlegende Unter182 Coase (1937, S. 386ff.) diskutiert die Frage, warum in der Realität zur Abwicklung
wirtschaftlicher Aktivitäten neben Märkten auch Unternehmungen vorzufinden sind. Deren Existenz begründet sich schließlich dadurch, dass Kosten des Marktmechanismus eingespart werden können, vgl. auch Williamson 1990a, S. 4 sowie ergänzend Döring 1998, S. 28. Durch die Arbeiten von Williamson (1975, 1979, 1981a, 1981b, 1985, 1990a, 1990b, 1991a, 1991b, 1996) kam es im Laufe der Zeit zu inhaltlichen und methodischen Erweiterungen. Williamson, auf dessen Arbeiten sich die nachfolgenden Betrachtungen beziehen, wird heute als der eigentliche Begründer und wichtigste Vertreter der Transaktionskostentheorie angesehen. Picot (1982, S. 268) und Döring (1998, S. 28) weisen jedoch darauf hin, dass heutzutage von einer vollständig geschlossenen, einheitlichen Theorie immer noch nicht gesprochen werden kann.
94
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
suchungseinheit.183 Ausgangspunkt der Überlegungen sind die vielfältigen Austauschbeziehungen bzw. expliziten sowie impliziten (Vertrags-)Verhandlungen, die in einem arbeitsteilig organisierten und auf Spezialisierung beruhenden System zwischen den Beteiligten bestehen.184 Im Mittelpunkt der Transaktionskostentheorie stehen die Koordination, insbesondere die Beherrschung und Überwachung wirtschaftlicher Leistungsbeziehungen.185 Grundsätzlich gilt, dass jede Form ökonomischer Aktivität Kosten verursacht und bei einer ökonomischen Betrachtungsweise daher die Form zu wählen ist, die mit den niedrigsten Opportunitätskosten einhergeht.186 Ziel des Ansatzes ist es, zu erklären, warum Transaktionen in bestimmten institutionellen Arrangements mehr oder weniger effizient bzw. relativ am kostengünstigsten abgewickelt und organisiert werden.187 Das Beurteilungskriterium für Abwicklungsformen von Aufgaben sind daher die mit der Art der Organisation variierenden Kosten.188 Die Transaktionen der Akteure vollziehen sich nicht kostenlos, sondern bei der Anbahnung und Abwicklung von Verträgen entstehen vor und nach Vertragsabschluss Transaktionskosten, die zu berücksichtigen sind.189 Vor Vertragsabschluss anfallende oder dazu führende Ex-ante-Transaktionskosten umfassen Informations-, Verhandlungsund Vertragskosten. Ex-post-Transaktionskosten hingegen beinhalten alle Kosten, die nach Vertragsabschluss für die Durchsetzung, Absicherung und eventuelle Anpassung der vertraglichen Vereinbarung entstehen. Es handelt sich dabei um Überwachungs-, Konfliktlösungs- und Nachverhandlungskosten.190 Bei den Transaktionskosten ist zu beachten, dass über die monetären Kosten hin183 Nach Williamson (1981, S. 552) findet eine Transaktion statt, wenn der Transfer ei-
184 185 186 187 188 189
190
nes Gutes oder einer Dienstleistung über eine technisch separierbare Schnittstelle vorgenommen wird. Vgl. Tomczak 1992a, S. 141. Vgl. Picot 1991, S. 147. Vgl. Fischer 1993, S. 248. Vgl. Ebers/Gotsch 2002, S. 225. Vgl. Fischer 1993, S. 248. Williamson (1996, S. 12, 75) vergleicht Transaktionskosten mit Reibungsverlusten bei Maschinen und bezeichnet sie daher als ökonomisches Gegenstück zur physikalischen Reibung: Je besser die Zahnräder greifen, desto geringer ist der Reibungsverlust. Vgl. zum Transaktionskostenbegriff z.B. Picot 1982, S. 270; Michaelis 1985, S. 78ff.; Albach 1988, S. 1160f. Unterteilungen der Transaktionskosten in der Literatur finden sich häufig entsprechend den jeweiligen Phasen der Transaktion, vgl. z.B. Helm 1997, S. 10. Steiff (2004, S. 49f. und die dort angegebene Literatur) weist darauf hin, dass verschiedene Beiträge zusätzlich eine Differenzierung zwischen internen (kosten der hierarchischen Koordination) und externen (Kosten der marktlichen Koordination) Transaktionskosten vornehmen. Vgl. Ebers/Gotsch 2002, S. 225f.
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95
aus auch nicht-monetäre Kosten im Sinne ökonomischer Nachteile zu erfassen sind. Demnach sind „auch Zeit und Mühe und verpasste Gelegenheiten, also Opportunitätskosten“191 zu den Kosten zu rechnen. Eine hohe Relevanz der Expost-Transaktionskosten ergibt sich, da es nicht möglich ist, die im Verlauf der Austauschbeziehung auftretenden Probleme stets zu antizipieren. Dadurch ist eine Vielzahl der vertraglichen Vereinbarungen unvollständig formuliert und macht nachträgliche, Kosten verursachende Anpassungen notwendig.192 Für die effiziente Ressourcenallokation ist somit nicht nur die Gestaltung der Ex-anteAnreizstruktur entscheidend, sondern die institutionelle Gestaltung des gesamten Austauschprozesses. Dies betrifft insbesondere institutionelle Regelungen, die der Absicherung, Durchsetzung und Anpassung der Transaktion Ex post dienen, beispielsweise Sicherheitsleistungen, Steuerungs- und Kontrollmechanismen sowie Konfliktlösungs- und Anpassungsmechanismen.193 Der möglichst sparsame Einsatz knapper Ressourcen stellt für die Transaktionskostentheorie das wesentliche Effizienzkriterium dar. Dementsprechend wird im Rahmen des Ansatzes häufig zur Bewertung der Effizienz alternativer institutioneller Arrangements die Summe der jeweils anfallenden Kosten zugrunde gelegt, die den Vertragspartnern für die getauschten Güter und Dienstleistungen (Produktionskosten) sowie die Organisation des Leistungsaustausches (Transaktionskosten) entstehen.194 Ausgehend von kostenwirksamen Transaktionsmerkmalen wird durch eine vergleichende Analyse alternativer Transaktionsdesigns auf die geeignete bzw. effiziente, d.h. transaktionskostenminimierende, Koordinationsform geschlossen.195 Die Höhe der Kosten wird insbesondere durch folgende drei Merkmale beeinflusst:196 (1) Ausmaß der transaktionsspezifischen Investitionen Die Spezifität gibt an, inwieweit für die Transaktion spezifische Investitionen getätigt wurden, bei denen eine Übertragung auf eine neue Beziehung bzw. der 191 Kaas/Fischer 1993, S. 688. 192 Vgl. Williamson 1985, S. 26ff. 193 Vgl. Ebers/Gotsch 2002, S. 226. 194 Vgl. Williamson 1990a, S. 22.; Ebers/Gotsch 2002, S. 225. Ein grundlegendes Pro-
blem der Transaktionskostentheorie ist es, die jeweiligen Kosten exakt zu quantifizieren oder verursachungsgerecht zuzurechnen. Dieses Problem verschärft sich zusätzlich bei solchen Kosten, die durch Konflikte oder notwendige Nachverhandlungen und Kontrollen entstehen sowie durch die Einbeziehung nicht nur pagatorischer Kosten, sondern aller entstandener Nachteile, vgl. Ebers/Gotsch 2002, S. 227. 195 Vgl. Williamson 1989, S. 136. 196 Vgl. Williamson 1979, S. 239, 1981b, S. 1546, 1990a, S. 59, 1996, S. 13ff. sowie Ebers/Gotsch 2002, S. 228.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Einsatz für andere Zwecke nur schwer möglich oder mit hohen Werteverlusten verbunden ist.197 Dies sind z.B. Investitionen in das Know-how der Absatzmittler und spezialisierte Arbeitskräfte, gemeinsame PoS-Materialien, spezielle Informationssysteme usw., für die nicht ohne Weiteres Ersatz gefunden werden kann.198 Spezifische Investitionen führen zu einer restriktiven Bindung der Vertragspartner und schaffen ein Abhängigkeitsverhältnis, da hohe Opportunitätskosten bei einem Nutzungs- oder Partnerwechsel zu erwarten sind.199 Das Abhängigkeitsverhältnis ist umso geringer, je mehr Ausweichmöglichkeiten zur Verfügung stehen. Diese sinken jedoch mit zunehmender strategischer Bedeutung und Spezifität der Leistung des Vertriebspartners.200 (2) Unsicherheit der Transaktion Unsicherheit tritt als Umwelt- und Verhaltensunsicherheit auf. Erstere resultiert aus der Ungewissheit, die sich hinsichtlich der situativen Bedingungen einer Transaktion und deren zukünftigen Entwicklungen ergeben. Sie ist umso höher, je komplexer und dynamischer die Gegebenheiten des Transaktionsumfeldes sind. Die Verhaltensunsicherheit bezieht sich auf die Ungewissheit des Verhaltens der Vertragspartner, die entscheidend durch den Informationsstand über den Transaktionspartner und dessen opportunistisches Verhalten determiniert wird.201 Bei Standardtransaktionen entsteht aus der Unsicherheit kein Problem, da ein Wechsel der Vertragspartner leicht möglich ist. In Verbindung mit einer hohen, die Partner aneinander bindenden, Spezifität ist Unsicherheit jedoch ein wichtiger Faktor, der die Transaktionskosten erhöht.202 (3) Häufigkeit der Transaktion Wiederkehrende kommunikationsspezifische Transaktionen führen dazu, dass sich eine Routine einstellt, die es ermöglicht, Lernkurveneffekte sowie Skaleneffekte wahrzunehmen und Transaktionskosten einzusparen. Speziell zur Abwicklung und Organisation der Transaktion entwickelte Maßnahmen lassen sich dann immer kostengünstiger realisieren (z.B. im Falle der Vorgabe entsprechender Kommunikationsinhalte oder gestalterischer Richtlinien). Die Häufigkeit der 197 Vgl. Williamson 1981a, S. 555. 198 Vgl. Bea/Göbel 2006, S. 154. 199 Vgl. Jacobi 2001, S. 75. Es ist festzustellen, dass mit steigenden spezifischen Inves-
titionen die Abhängigkeit beider Akteure zunimmt. Nach Williamson (1991a, S. 282) besteht die Konsequenz darin, dass mit spezifischen Investitionen eine Situation bilateraler Abhängigkeit verbunden ist. 200 Vgl. Otzen-Wehmeyer 1996, S. 26. 201 Vgl. Schneider 2001, S. 49. 202 Vgl. Bea/Göbel 2006, S. 155.
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Transaktion ist vor allem in Verbindung mit der Spezifität entscheidungsrelevant. Oft vorkommende Standardtransaktionen weisen keine besonderen Probleme auf, bei Transaktionen mit spezifischen Faktoren ist dagegen die Häufigkeit wichtig, um zu entscheiden, ob sich beispielsweise ein spezialisiertes Überwachungssystem lohnt, dessen hohe Kosten sich bei einem hohen Auslastungsgrad leichter amortisieren.203 Die Erhöhung der Transaktionskosten bei Spezifität und Unsicherheit sowie die Bedeutung der Ex-Post-Absicherungen sind insbesondere in Verbindung mit den zentralen Verhaltensannahmen des Transaktionskostenansatzes plausibel.204 So unterstellt die begrenzte Rationalität, dass Vertragspartner zwar anstreben, rational zu handeln und alle Eventualitäten einer unsicheren Umwelt zu berücksichtigen, ihnen dies jedoch aufgrund kognitiver Grenzen der Informationsaufnahme und -verarbeitung sowie der komplexen Umwelt nur in begrenztem Maße gelingt. Die Verhaltensannahme des Opportunismus unterstellt den Akteuren, dass sie bei der Gestaltung der Austauschbeziehung versuchen, ihre Eigeninteressen durchzusetzen und dabei auch unter Missachtung der vertraglichen Vereinbarungen und sozialer Normen List, Täuschung, Betrug usw. einsetzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen.205 Die Verfolgung des Eigeninteresses bezieht sich „insbesondere auf die unvollständige oder verzerrte Weitergabe von Informationen durch die Wirtschaftssubjekte, was vorsätzliche Versuche zu verzerren, verbergen, verschleiern und irrezuführen einschließt.“206 Opportunismus zwischen Unternehmen und Absatzmittler zeigt sich demnach für die vorliegende Problemstellung insbesondere in den Kommunikationskonflikten und der vergrößerten Informationsasymmetrie zwischen den Beteiligten. In diesem Fall kommen die Vertriebspartner beispielsweise ihren formalen Informationspflichten bewusst nicht nach oder es werden wichtige Informationen nicht mitge-
203 Vgl. Bea/Göbel 2006, S. 155. 204 Vgl. Williamson 1985, S. 45ff., 1990a, S. 49f., 325f.; Ebers/Gotsch 2002, S. 226. 205 Vgl. Williamson 1990a, S. 54. Das opportunistische Verhalten äußert sich demnach
in der Bereitschaft zu bewussten Regelverstößen, vgl. Tomczak 1992a, S. 150. 206 Williamson 1996, S. 6. Dieser unterstellt nicht allen Individuen opportunistisches
Verhalten, jedoch ist es Ex ante kaum oder nur mit sehr hohen Kosten möglich, opportunistische und nicht-opportunistische Individuen zu unterscheiden, vgl. Williamson 1981a, S. 554. Zu einer kritischen Auseinandersetzung bezüglich der Verhaltensannahme des Opportunismus der Vertragspartner vgl. auch Steiff 2004, S. 60ff. und die dort angegebene Literatur. Dieser erweitert die Verhaltensannahme des Opportunismus im Rahmen der transaktionskostentheoretischen Betrachtung um die Möglichkeit kooperativen Verhaltens zwischen den Vertragspartnern.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
teilt.207 Der Verhaltensunsicherheit kommt in Verbindung mit dem Opportunismus eine große Bedeutung zu, da es um die Frage der Spielräume der Vertragspartner für versteckte Eigenschaften sowie verstecktes Verhalten und damit die nachträgliche Ausnutzung von Abhängigkeiten geht.208 Verstecktes Verhalten liegt z.B. vor, wenn von Absatzmittlern in gewissen Filialen trotz der in Vertragsgesprächen erfolgten Vereinbarungen über die Durchführung kommunikationspolitischer Maßnahmen und Aktionen die Abmachungen nicht eingehalten werden. Aus den dargestellten Verhaltensannahmen resultiert, dass sich die Transaktionspartner bei der Abwicklung der Transaktionen Informations- und Opportunismusproblemen gegenüber sehen, die den Nettonutzen der Transaktion verringern. Für die Handhabung dieser Probleme sind verschiedene institutionelle Regelungen zu treffen, die unterschiedlich effizient sind.209 Die zentrale Annahme der Transaktionskostentheorie lautet, dass „eine gegebene Transaktion unter den genannten Verhaltensannahmen umso effizienter organisiert und abgewickelt werden kann, je besser die Charakteristika des institutionellen Arrangements den Anforderungen entsprechen, die sich aus den Charakteristika der abzuwickelnden Transaktion ergeben.“210 D.h., bei gegebenen Einflussgrößen wählen die am Austausch beteiligten Individuen diejenige Koordinationsform, die die vergleichsweise geringsten Transaktionskosten verursacht. Es lassen sich mit Markt, Hierarchie und hybriden Strukturen drei alternative Arten institutioneller Arrangements unterscheiden. Grundsätzlich stellen das reine Marktmodell und das reine Hierarchiemodell Endpunkte auf einem Kontinuum möglicher Koordinationsformen dar. Hybridformen bezeichnen alle Koordinationsformen, die zwischen den beiden Extrempunkten liegen. Mit diesen wird die Koordination interorganisationaler Beziehungen möglich und der Einsatz entsprechender marktlicher, hierachischer und kooperativer Koordinationsmechanismen be-
207 Vgl. Steiff 2004, S. 60. Zu den Kommunikationsbeziehungen und potenziellen Kon-
flikten vgl. Abschnitt 2.2.3.4. 208 Vgl. Pötzl 2001, S. 44. 209 Vgl. Ebers/Gotsch 2002, S. 226. 210 Ebers/Gotsch 2002, S. 235.
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gründet.211 Diese allgemeine transaktionskostentheoretische Argumentation lässt sich generell auf viele Austauschbeziehungen bzw. alle Vertragsprobleme anwenden.212 Dementsprechend weit gefächert fällt auch die Anwendung der Theorie aus, die bisher auf zahlreiche Problemstellungen übertragen wurde.213 Ihr Erklärungsbeitrag für die vorliegende Untersuchung wird im folgenden Abschnitt aufgezeigt.
2.3.1.3 Erklärungsbeitrag der Transaktionskostentheorie zur effizienten Durchsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten Ein zentraler Bezugspunkt der Transaktionskostentheorie für die vorliegende Arbeit ergibt sich insbesondere für die ökonomische Gestaltung der Beziehungen, d.h. die effiziente Ausgestaltung der (Verhaltens-)Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern im Rahmen der Integrierten Kommunikation: „Selbst wenn man sich für den Fremdbezug, also für das ‚Buy’ entscheidet, ist […] das Organisationsproblem (auch) aus transaktionskostentheoretischer Sicht noch nicht erledigt. Dann geht es darum, die konkreten Beziehungen zu den Absatzmittlern transaktionskostenminimal zu gestalten.“214 Mit Hilfe der Transak211 Vgl. Williamson 1991a, S. 280. Die Kritik an der Transaktionskostentheorie bezieht
sich jedoch vor allem auf die idealtypische Behandlung der Koordinationsmechanismen. So weisen in der Praxis anzutreffende Koordinationsformen häufig sowohl marktliche als auch hierarchische Elemente auf. Zudem stellen verschiedene Autoren fest, dass auch in Hierarchien der Preis als (eigentlich marktlicher) Koordinationsmechanismus verwendet wird oder hierarchieähnliche Strukturen auf Märkten existieren, vgl. Schneider 2001, S. 50 und die dort angegebene Literatur. Zu einer ausführlichen kritischen Würdigung der Transaktionskostentheorie vgl. z.B. Ebers/Gotsch 2002, S. 241ff.; Tunder 2000. 212 Williamson (1985, S. 41) proklamiert, dass sich die Transaktionskostentheorie auf jedes Problem anwenden lässt, das explizit oder implizit als Vertragsproblem darzustellen ist. 213 Häufigster Anwendungsbereich ist die Fragestellung über die Eigen- oder Fremderstellung (Make-or-Buy-Entscheidungen) und damit verbunden die Frage nach dem vertikalen Integrationsgrad, d.h. der vertikalen Integration ganzer Unternehmensbereiche oder der institutionellen Gestaltung einzelner Funktionsbereiche. Darüber hinaus wurden mit Hilfe der Transaktionskostentheorie zahlreiche andere Fragestellungen mit einer ähnliche Problemstruktur untersucht, vgl. Picot 1991, S. 149f. Für einen Überblick verschiedener Anwendungsbereiche vgl. auch z.B. Picot/Dietl 1990, S. 182; Witte 1991, S. 453; Ebers/Gotsch 2002, S. 239ff. Zur empirischen Bewährung der Transaktionskostentheorie und einem Überblick 45 zentraler empirischer Studien vgl. insbesondere Rindfleisch/Heide 1997, S. 32ff. 214 Ortmann/Sydow 2005, S. 1013f.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
tionskostentheorie ist es im Rahmen der vorliegenden Arbeit möglich, den generellen Einsatz von Koordinationsmechanismen zu begründen. Mit dem Einsatz geeigneter Koordinationsmechanismen lassen sich Transaktionskosten reduzieren, die durch Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern entstehen. Zur Abwicklung der Transaktionen bzw. der Sicherstellung der IK-gerechten Aufgabenerfüllung sind demnach Institutionen und Regelungen zu definieren, die den Handlungs- sowie Entscheidungsspielraum der Beteiligten bestimmen. Die Formulierung geeigneter Koordinations-, Anreiz- und Kontrollmechanismen hat transaktionskostenminimierend zu erfolgen, um Ex post die Kosten der Anpassung, Überwachung usw. und der Konfliktbeseitigung zu senken und damit die Effizienz der integrierten Kommunikationsarbeit sicherzustellen. Gerade vor dem Hintergrund der Notwendigkeit des Abbaus bzw. der Vermeidung potenzieller und konkreter Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten erscheint der Ansatz daher geeignet und erweitert den Bezugsrahmen um theoriegestützte Impulse für die praktische Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler. Der transaktionskostentheoretische Erklärungsbeitrag zur vorliegenden Problemstellung zeigt sich auch in den Macht- und Abhängigkeitsbeziehungen, auf die letztlich alle anderen Verhaltensbeziehungen in einem Vertriebssystem zurückgehen und diese daher als eine zentrale Konfliktursache anzusehen sind.215 Das Konstrukt Macht stellt den wesentlichen Ansatzpunkt zur Definition einer Schnittstelle zwischen den Verhaltensannahmen der Transaktionskostentheorie und den aufgezeigten relevanten Konstrukten der verhaltenswissenschaftlichen Ansätze dar.216 Macht und Abhängigkeit (und damit auch Rollenbeziehungen und unterschiedliche Interessen) sind auch in das Konzept der Transaktionskostentheorie eingebettet. Insbesondere die Spezifität einer Transaktionsbeziehung bildet die Abhängigkeit ab, während das Zusammenspiel von Macht und Abhängigkeit vor allem in dem Transaktionsmerkmal der Unsicherheit sowie der Annahme des Opportunismus der Vertriebspartner Berücksichtigung findet. Beiden gehen jeweils Abhängigkeit bzw. Macht voraus, so dass Opportunismus und Unsicherheit als Machtpotenzial zu interpretieren sind.217 Der Einsatz von Koordinationsmechanismen lässt sich transaktionskostentheoretisch also auch dadurch erklären, dass diese einen Mechanismus zur Reduktion der verhaltensbezogenen Unsicherheit sowie Opportunismus darstellen und demnach den Abbau bzw. das Management der identifizierten Konflikte der Integrierten Kommunikation in 215 Vgl. Abschnitt 2.2.3.5. 216 Vgl. Tunder 2000, S. 46. Dieser weist darauf hin, dass die Bedeutung von (Markt-)
Macht zwar in der Modellwelt der Neuen Institutionenökonomik allgemein anerkannt ist, diese jedoch nicht explizit in das Hypothesengebäude aufgenommen ist. 217 Vgl. Tunder 2000, S. 56.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
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mehrstufigen Märkten ermöglichen. Koordinationsmechanismen engen die Freiräume des opportunistischen Verhaltens der Mitglieder eines Vertriebssystems ein, erleichtern die Informations- sowie Kommunikationsprozesse und „absorbieren auf diese Weise Unsicherheit“.218 Die zentrale Erklärungsleistung der Transaktionskostentheorie liegt damit im kostenwirtschaftlichen Entscheidungsfeld und begründet den Einsatz geeigneter Koordinationsmechanismen aus einer kostenorientierten Perspektive. Bei der Entwicklung geeigneter Koordinationsmodelle sind jedoch auch Aspekte zu berücksichtigen, die sich mit der motivationalen Wirkung bestimmter Koordinations- und Anreizmechanismen befassen und Einfluss auf die Leistung und Leistungsbereitschaft des jeweiligen Transaktionspartners nehmen. Neben Kostengesichtspunkten ist daher auch ein Denken in relevanten Nutzenkategorien der Transaktionspartner auf Absatzmittlerebene notwendig, um diese zu einer bestimmten Leistung zu motivieren und die Durchsetzung der angestrebten Integrierten Kommunikation bei den Endkunden zu realisieren. 219 Die im Folgenden dargestellte Anreiz-Beitrags-Theorie liefert hierzu einen Erklärungsbeitrag.
2.3.2
Anreiz-Beitrags-Theorie als verhaltenswissenschaftlicher Erklärungsansatz
2.3.2.1 Grundlagen der Anreiz-Beitrags-Theorie Die Anreiz-Beitrags-Theorie analysiert unterschiedliche Entscheidungen innerhalb einer Koalition zwischen Unternehmen und Absatzmittlern.220 Zum einen ist von Interesse, was ein Absatzkanalmitglied motiviert, in ein Vertriebssystem einzutreten und dort zu bleiben bzw. die Koalition nicht zu verlassen. Zum ande218 Picot/Dietl/Franck 2005, S. 62. 219 Vgl. Tomczak 1992a, S. 214, 218f. 220 Die Anreiz-Beitrags-Theorie geht insbesondere auf die Arbeiten von Simon/March
(1958, S. 83ff.) sowie Barnard (1970) zurück. Vertreter der Anreiz-Beitrags-Theorie interpretieren Organisationsformen bzw. soziale Systeme als eine Art Koalition, zu denen sich die Teilnehmer freiwillig zusammenschließen. Eine Übertragung allgemeiner Anreiz-Beitrags-Theorien auf einzelne Vertriebsorgane erscheint zulässig, wenn davon auszugehen ist, dass diese durch eine Führungsspitze geleitet werden (vgl. Specht/Fritz 2005, S. 461). Es ist anzunehmen, dass diese Forderung im vorliegenden Fall sowohl für Unternehmen als auch Absatzmittler erfüllt ist, zur Interpretation indirekter Vertriebssysteme als „soziale Verhaltenssysteme“ vgl. auch Abschnitt 2.1.
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Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
ren betrachtet das Konzept die Motivation des Absatzkanalmitglieds, einen produktiven Beitrag zur Erreichung der Unternehmens- und Koalitionsziele zu leisten. Die erste Fragestellung erscheint für die vorliegende Arbeit lediglich von geringer Relevanz, da die untersuchte Problemstellung nicht die grundsätzliche Teilnahmeentscheidung oder die Beendigung der Geschäftsbeziehung beleuchtet.221 Die Entscheidung darüber, einen Beitrag zur Zielerreichung zu leisten ist jedoch von hoher Bedeutung. Im vorliegenden Fall steht insbesondere die Motivation der Absatzmittler zur effizienten und effektiven Durchsetzung der Integrierten Kommunikation eines Unternehmens bzw. die Erreichung des angestrebten einheitlichen Erscheinungsbildes im Mittelpunkt. Jedes Element des Vertriebssystems hat aufgrund seiner Koalitionsteilnahme so genannte Anreize und Beiträge zu leisten. Alle materiellen und immateriellen Vorteile, die sich aus Sicht der Mitglieder durch die Koalitionsteilnahme ergeben, sind als Anreize zu bezeichnen, analog alle materiellen und immateriellen Nachteile als Beiträge222 Diese bringen somit den subjektiven Nutzen bzw. Nutzenverzicht zum Ausdruck. Unternehmen und Absatzmittler leisten daher so lange einen Beitrag zur Zielerreichung, wie die Anreize, die sie jeweils für ihre Beiträge erhalten, subjektiv höher oder zumindest gleich hoch eingeschätzt werden wie der Nutzenentgang durch die Beitragsleistung an die Koalition.223 Im Rahmen der Anreiz-Beitrags-Theorie ist es das Ziel, zwischen den Anreizen und Beiträgen der Koalitionsteilnehmer einen Gleichgewichtszustand herzustellen bzw. diesen aufrechtzuerhalten. Das Effizienzkriterium der Absatzmittler ist folglich deren subjektiver Nutzen, d.h. die Zufriedenheit in Abhängigkeit von dem jeweiligen Anspruchsniveau bzw. den Erwartungen.224 Anreize ergeben sich für Absatzmittler beispielsweise aus dem Prestige bestimmter Marken beim Endkonsumenten, der Profilierung der Einkaufsstätte durch das Image der Unternehmensleistungen und -produkte. Die Verbundenheit eines Absatzmittlers mit dem System (Teilnahmegrad) drückt 221 Es ist jedoch davon auszugehen, dass eine Geschäftsbeziehung, in der intensive und
über einen längeren Zeitraum unüberwindbare Konflikte auftreten, von Teilnehmern schließlich beendet wird. 222 Entscheidungen der Teilnehmer werden jedoch auf Grundlage ihrer begrenzten Rationalität getroffen, daher sind ihnen nicht alle Informationen bekannt und ihre Fähigkeit, Informationen zu verarbeiten, ist begrenzt, vgl. Steiff 2004, S. 64. 223 Vgl. Steffenhagen 1975, S. 50f. Dem liegt die Annahme zugrunde, dass jeder Teilnehmer eine Vorstellung darüber hat, welche Alternativen zu dieser Koalition existieren und welcher Nutzen ihm entgeht bzw. welche Opportunitätskosten möglicherweise entstehen, wenn es die Beiträge in einem anderen System leistet, vgl. Meffert 1981, S. 103f. 224 Vgl. Tomczak 1992a, S. 235.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
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sich in dem qualitativen und quantitativen Niveau seiner Beiträge aus.225 Diese bestehen in erster Linie in der IK-adäquaten Umsetzung der medialen und persönlichen Verkaufsbemühungen, die Durchführung von Aktionen zum richtigen Zeitpunkt usw.226 Die Systemelemente sind häufig bemüht, die Anreize direkt an die Leistung von Beiträgen zu koppeln, beispielsweise wenn Unternehmen ihre Werbekostenzuschüsse von den produkt- und leistungsbezogenen Werbeanstrengungen der Absatzmittler abhängig machen. Es wird deutlich, dass insbesondere durch die vertraglichen Verflechtungen zahlreiche Beiträge des einen Systemelements unmittelbar die Anreize des anderen darstellen und umgekehrt.227 Aus Sicht von Unternehmen bestehen die Anreize insbesondere in der überregionalen Bekanntheit, der Nutzung von Synergiepotenzialen und Skaleneffekten, der Erhöhung der personellen Ressourcen usw. Dafür leistet ein Unternehmen Beiträge, indem es Absatzmittler beispielsweise bei Aktionen und Kommunikationsmaßnahmen finanziell und personell unterstützt oder überregionale Kommunikation betreibt. Der wahrgenommene Gleichgewichtszustand kann sich im Laufe der Zeit verändern geraten. Kommt es zu einem negativ veränderten Gleichgewichtszustand des Anreiz-Beitrags-Saldos, so bestehen für Mitglieder verschiedene Verhaltensmöglichkeiten.228 Durch die grundsätzliche Akzeptanz des Ungleichgewichts und ein passives Verhalten oder die Verwendung nicht opportunistischer Maßnahmen scheinen sich keine Konsequenzen für eine konfliktäre Beziehung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu ergeben. Setzen die beiden Parteien jedoch opportunistische Maßnahmen ein, um das subjektiv empfundene Missverhältnis auszugleichen, verstärkt dies die Konflikte bzw. Defizite der Kommunikationsarbeit.229
225 Vgl. Steffenhagen 1975, S. 51. 226 Vor dem Hintergrund der „originären“ Vertriebsaufgabe ist festzustellen, dass es
sich aus Sicht der Absatzmittler bei Anreizen vor allem um ökonomische Größen handelt, z.B. die Handelspanne, den Deckungsbeitrag oder die direkte Produktrentabilität. Beiträge des Absatzmittlers sind insbesondere der zu entrichtende Einkaufspreis und die zur Verfügung gestellte Regalfläche, vgl. Tomczak 1992a, S. 228f.; Ahlert 1996a, S. 92. 227 Vgl. Ahlert 1996a, S. 92f. 228 Vgl. Steiff 2004, S. 65. 229 Der kritische Punkt, an dem Teilnehmende der Koalition nicht mehr dazu bereit sind, einen Beitrag zur Zielerreichung zu leisten, ist schließlich dann erreicht, wenn die Beiträge langfristig die Anreize übersteigen bzw. die Anreize unter die Beiträge sinken., vgl. Schulte-Althoff 1991, S. 151.
104
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
2.3.2.2 Erklärungsbeitrag der Anreiz-Beitrags-Theorie zur effektiven Durchsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten Die vorangegangenen Ausführungen haben gezeigt, dass die Wahrnehmung eines auf die Dauer positiven individuellen Anreiz-Beitrags-Saldo primäre Voraussetzung für die Effizienz und Dauerhaftigkeit einer Koalition sowie das IK-konforme Verhalten der Teilnehmenden ist.230 Empfinden Unternehmen und Absatzmittler ein Missverhältnis zwischen den Anreizen und Beiträgen, werden sie versuchen, dieses durch Formen der Leistungsreduktion „auszugleichen“, d.h., Absatzmittler sind in diesem Fall nicht mehr dazu motiviert, ihren Beitrag zur Durchsetzung der Integrierten Kommunikation zu leisten. Zudem führen Konflikte zu Reaktionen der Systemteilnehmer, die sich mittelbar oder unmittelbar auf die Gleichgewichtsfähigkeit des Vertriebssystems auswirken. Die Beteiligten empfinden die Existenz von Konflikten als Belastung und damit als Beitragserhöhung, ferner resultiert aus Konflikthandhabungskosten eine direkte materielle Beitragserhöhung.231 Konflikte vermindern die von Unternehmen und Absatzmittlern empfundenen Anreize und haben zur Folge, dass diese zur Beibehaltung ihres Anreiz-Beitrag-Gleichgewichtes ebenfalls die Beiträge senken. Dadurch werden Quantität und Qualität der zu erfüllenden Aufgaben vermindert und die Effizienz sowie Effektivität der Integrierten Kommunikation sinkt.232 Da identifizierte Konflikte eine Störung des angestrebten Gleichgewichts darstellen, sind diese abzubauen und die Entstehung potenzieller Konflikte ist zu vermeiden. Die Erklärungsleistung der Anreiz-Beitrags-Theorie für die vorliegende Problemstellung ist insbesondere darin zu sehen, dass diese die Frage des Teilnahmegrades, d.h. der Intensität der Leistungsbereitschaft erfasst. Er liefert insbesondere die Begründung für den Einsatz geeigneter leistungsorientierter Koordinations- und Anreizmechanismen, die die Motivation der Absatzmittler zur Erbringung einer IK-gerechten Leistung erhöhen. Da die Beitragshöhe eines Absatzmittlers von den im Vertriebssystem zu erzielenden materiellen und immateriellen Anreizen abhängt, wird dieser, solange das Anspruchsniveau erreicht ist, bestimmte Beiträge leisten, auch wenn eine attraktivere Alternative zur Verfügung steht.233 Absatzmittler leisten folglich Beiträge (z.B. die Verwendung der 230 Vgl. Steiff 2004, S. 64. 231 Vgl. Steffenhagen 1975, S. 65f. 232 Vgl. Specht/Fritz 2005, S. 450. 233 Vgl. Tomczak 1992a, S. 233. Die Beitragsleistung erfolgt in diesem Fall in Abhän-
gigkeit von den gebotenen Anreizen auf einem vergleichsweise niedrigeren Leistungsniveau, das jedoch unter Umständen durchaus den Zielsetzungen des Unternehmens entspricht.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
105
formalen Gestaltungselemente eines Unternehmens in den eigenen Kommunikationsmitteln, die imagegerechte Beratung der Kunden am PoS, die Unterstützung der kommunikationsspezifischen Aktionen und Maßnahmen eines Unternehmens), auf deren Basis Unternehmen ihnen dann Anreize (Werbekostenzuschüsse, Durchführung von Schulungen usw.) zur Verfügung stellen. Tomczak weist darauf hin, dass vor dem Hintergrund der Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler der Erklärungswert der Anreiz-Beitrags-Theorie nicht umfassend ist, da unterschiedliche Problemfelder, insbesondere die asymmetrische Verteilung von Anreizen und Beiträgen auf die Koalitionsteilnehmer, die Leistungsfähigkeit der Absatzmittler (z.B. Kompetenzüberforderung, Kapazitätsprobleme) sowie Prozesse zur Herausbildung einer bestimmten Anreiz-Beitrags-Struktur nicht berücksichtigt werden.234 Daher entwickelt er auf Basis des Gatekeeper-Ansatzes235 und der Anreiz-Beitrags-Theorie die so genannte vertriebliche Motivationstheorie, deren Erklärungsbeitrag im Zustandekommen bestimmter Absatzmittlerleistungen liegt.236 Diese strebt nicht nur die Erklärung der Anreiz-Beitrags-Struktur, sondern auch die Betrachtung der Prozesse, die zu den jeweiligen Anreiz-Beitrags-Strukturen geführt haben, an. Dies sind zum einen Interaktionsprozesse, die die Wertigkeit und die Erfolgswahrscheinlichkeit der absatzmittlerorientierten Anreizsysteme verdeutlichen, mit dem Ziel der Motivation der Absatzmittler zu einer bestimmten Leistungsbereitschaft. Zum anderen sind es solche Prozesse, deren Ziel es ist, durch Interpretation des Verhält234 Vgl. Tomczak 1992a, S. 233f. 235 Vgl. Abschnitt 1.3.1. 236 Unter Rückgriff auf die Transaktionskostentheorie und die Motivationstheorie ent-
wickelt Tomczak (1992a, S. 334ff.) ein so genanntes situatives Entscheidungsmodell, das verschiedene grundsatzstrategische Empfehlungen zur Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler gibt. Dabei werden unterschiedliche Situationen, in denen sich „Hersteller-Absatzmittler-Dyaden“ befinden, betrachtet. Zu einem Überblick über die Basisstrategien vgl. Otzen-Wehmeyer 1996, S. 34f. Trotz zahlreicher Parallelen des Problems der Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler erscheint eine Übertragung des dargestellten Entscheidungsmodells und der entwickelten Basisstrategien auf die vorliegende Arbeit nicht zweckmäßig. Im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen die Identifikation von (potenziellen) Konflikten und die Entstehung von Defiziten der Integrierten Kommunikation sowie deren Abbau bzw. Vermeidung durch Koordinations-, Steuerungs- und Anreizmechanismen. Es ist bereits deutlich geworden, dass geeignete Maßnahmen an der Ursache der identifizierten Konflikte anzusetzen haben. Konflikte treten im situativen Entscheidungsmodell jedoch nur implizit über das handelsorientierte Anreizsystem als Instrument des Machterwerbs bzw. das Rollenverständnis als eine Funktion der Machtrelation und den Rollenerwartungen auf. Der Fokus der vorliegenden Arbeit bedarf daher einer anderen Herangehensweise bzw. Ableitung effizienter und effektiver Maßnahmen.
106
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
nisses von Leistung und Gegenleistung im Sinne der eigenen Zielsetzungen auf das Zufriedenheitsniveau der Absatzmittler einzuwirken.237 Im Rahmen der vorliegenden Problemstellung bietet das Motivationsmodell Ansatzpunkte, indem deutlich wird, dass bei der Entwicklung geeigneter Koordinationsmechanismen solche Maßnahmen zu integrieren sind, die die Leistungskomponenten des an die Absatzmittler gerichteten Anreizsystems hervorheben. Dies sind zum einen Komponenten, die einen hohen Consumer Pull entfalten, d.h. Sogwirkungen, die von den Endkunden ausgehen und durch die sich indirekt ein hohes akquisitorisches Potenzial aufbaut.238 Die Durchsetzung einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit eines Unternehmens als Systemziel bietet letztlich auch für Absatzmittler starke Anreize, da sie selbst von dem einheitlichen Erscheinungsbild profitieren. Zum anderen sind Leistungskomponenten zu berücksichtigen, die direkt bei Absatzmittlern Präferenzen bilden, d.h. die Verankerung der Unique Communication Proposition (UCP) bei den Absatzmittlern als Zielgruppe erreichen. Sind Absatzmittler von den kommunikativen Maßnahmen eines Unternehmens überzeugt oder gar begeistert, so ist davon auszugehen, dass diese eher zu einer bestimmten Leistung im Rahmen der Integrierten Kommunikation bereit bzw. motiviert sind. Die Leistung der Absatzmittler im Rahmen der Integrierten Kommunikation ist als eine Funktion ihrer Leistungsbereitschaft und -fähigkeit zu verstehen. Selbst wenn eine hohe Leistungsbereitschaft gegeben ist, führt eine mangelnde Leistungsfähigkeit zu einer unbefriedigenden Lösung der Absatzmittler. Dies zeigt sich beispielsweise in der mangelnden Kompetenz im Beratungsbereich, dem unzureichenden Ausbildungsniveau des Verkaufspersonals, Kapazitätsproblemen usw.239 Daher sind bei der Entwicklung geeigneter Koordinationsmodelle jene Maßnahmen und Instrumente zu integrieren, die auf die Erhöhung der kommunikationsspezifischen Leistungsfähigkeit der Absatzmittler abzielen. Interaktionen und damit auch das Zufriedenheitsniveau der Absatzmittler werden entscheidend durch die im Laufe der Zeit gesammelten Erfahrungen, insbesondere die Austragung der Konflikte geprägt und beeinflussen die Transaktionsatmosphäre zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. Ziel bei der Formulierung geeigneter Lösungsansätze hat daher im Folgenden nicht „nur“ die Betrachtung der Aspekte des Abbaus identifizierter Konflikte zu sein. Vielmehr sind solche Elemente zu integrieren, die zur systematischen Vermeidung potenzieller Konflikte der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten beitragen. 237 Vgl. Tomczak 1992a, S. 312. 238 Vgl. Tomczak 1992a, S. 244. 239 Vgl. Tomczak 1992a, S. 308.
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
107
Während sich mit der Transaktionskostentheorie die Betrachtung auf ökonomische, kostenorientierte Aspekte konzentriert, liefert die Auseinandersetzung mit den verhaltenswissenschaftlichen Theorien Anregungen über das Zustandekommen der Leistung von Absatzmittlern. Unter Ausklammerung von Kostenaspekten stellt demnach die erweiterte Anreiz-Beitrags-Theorie die Effektivität des Systems, d.h. die Durchsetzung der angestrebten Integrierten Kommunikation in den Mittelpunkt der Betrachtung und bietet Ansatzpunkte für die Entwicklung geeigneter, leistungsorientierter Steuerungs- und Anreizmechanismen.
2.4
Zusammenfassung der Erkenntnisse und Erweiterung der Forschungsfragen
Ziel des zweiten Kapitels dieser Arbeit ist es, die theoretischen und konzeptionellen Grundlagen der Entstehung und des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu durchdringen sowie relevante Schlussfolgerungen für die vorliegende Untersuchung abzuleiten. Die Bedeutung verhaltenswissenschaftlicher und ökonomischer Erkenntnisse für die Problemstellung ist mit der Darstellung der unterschiedlichen Konstrukte und Theorieansätze grundsätzlich gezeigt worden. Die einzelnen Ansätze vermögen jeweils partiell, einen Erklärungsbeitrag für die Identifikation sowie Analyse potenzieller kommunikationsspezifischer Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie daraus entstehender Defizite zu leisten. Dies ist die Voraussetzung, mögliche Ansatzpunkte für die Bewältigung dieser Problemstellungen zur Sicherstellung einer vertikalen Integrierten Kommunikation zu leisten. Die Vermeidung sowie der Abbau der Konflikte sind als Ziele einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit in mehrstufigen Märkten anzustreben, da sonst die Leistungsfähigkeit des Vertriebssystems bzw. die Durchsetzung der Integrierten Kommunikation gefährdet ist. Als potenzielle Hauptursachen für die Konflikte wurden Rollen-, Ziel-, Informations- bzw. Kommunikations- und insbesondere Machtbeziehungen identifiziert. An diesen Ursachen haben Unternehmen mit geeigneten kosten- und leistungsorientierten Koordinations-, Steuerungs- sowie Anreizmechanismen anzusetzen, um die angestrebte Effizienz und Effektivität der Integrierten Kommunikation zu erreichen. Der Einsatz geeigneter Maßnahmen erfordert jedoch die Kenntnis der konkreten und potenziellen Defizite bzw. der genauen Konfliktursachen, die im Folgenden durch die empirische Untersuchung identifiziert werden. Vor dem Hintergrund des theoretischen Wissens hinsichtlich der Entstehung und des Abbaus von Defiziten der Integrierten
108
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
Kommunikation in mehrstufigen Märkten werden die in Kapitel 1 formulierten Forschungsfragen der Arbeit ergänzt (vgl. Schaubild 2-8). Erweiterte Forschungsfragen der Untersuchung
Welche divergierenden Ziele und Interessen verfolgen Unternehmen und Absatzmittler bzw. welche Verteilungskonflikte (Zielentsprechung/Zielkonkurrenz) und Bewertungskonflikte (Zieldivergenz/Zielkonkurrenz) bestehen im Rahmen der IK?
F1-2
Welche Machtkonflikte bestehen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern im Rahmen der IK und auf welche Machtgrundlagen bzw. Abhängigkeiten, Machtverteilung bzw. Machtnutzung lassen sich diese zurückführen?
F1-3
Welche Rollenkonflikte (Rollendissens, (un)vermeidbare Rollenkonflikte) bestehen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bzw. welches Rollenverständnis und welche Rollenerwartungen nehmen diese im Rahmen der IK ein?
F1-4
Welche Informations- und Kommunikationskonflikte (unterbleibende Informationsabgabe und -weitergabe/Filterung/Fehlinterpretation) bestehen zwischen Unternehmen und Absatzmittler im Rahmen der IK?
F1-5
Welche Interdependenzen bestehen zwischen den Konfliktursachen bzw. wie beeinflussen sich diese im Rahmen der IK gegenseitig?
F2-1
Welche Bedeutung kommt den jeweiligen Streitpunktbereichen (Phasen des Planungsprozesses der IK) für die Betrachtung der Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu?
F2-2
Welche konkreten (potenziellen) Meinungsverschiedenheiten bestehen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in den Phasen des Planungsprozesses der IK (Analyse, Planung, Umsetzung und Kontrolle) und wie lassen sich diese systematisieren?
Wirkung
F3-1
Wie wirken sich die Konflikte auf die Effektivität der IK aus bzw. worauf sind Ineffektivitäten zurückzuführen?
F3-2
Wie wirken sich die Konflikte auf die Effizienz der IK aus bzw. worauf sind Ineffizienzen zurückzuführen?
F4-1
Wie sind die Zusammenhänge der empirischen Befunde auf Grundlage des konzeptionellen Analyserahmens zu systematisieren? Lassen sich die identifizierten Zusammenhänge des Analyserahmens bestätigen?
F4-2
Wie sieht ein Konfliktmodell zur Identifikation von Konflikten bzw. Defiziten der IK in mehrstufigen Märkten aus?
Ausprägung
Ursache
F1-1
Zusammenhänge
Identifikation und Entstehung von Defiziten
Theoretische und konzeptionelle Grundlagen
109
Erweiterte Forschungsfragen der Untersuchung (Fortsetzung)
Koordinationsinstrumente
Koordinationsbedarf
Abbau von Defiziten F5-1
Welcher konkrete Koordinationsbedarf ergibt sich hinsichtlich der bestehenden Defizite der IK in mehrstufigen Märkten?
F5-2
Welche Koordinationsziele ergeben sich vor dem Hintergrund der geforderten Realitätsorientierung und dem situativen Fallbezug aus dem Koordinationsbedarf?
F6-1
Wie sind geeignete bzw. für die Problemstellung relevante Koordinationsinstrumente zu systematisieren?
F6-2
Welche (kosten- und leistungsorientierten) Koordinationsinstrumente sind geeignet, die bestehenden Konflikte und Konfliktursachen abzubauen bzw. zu vermeiden?
F6-3
Welche Kriterien sind bei der Entwicklung geeigneter Koordinationsmodelle für Absatzmittler zu berücksichtigen bzw. welche Unterschiede enthalten die Koordinationsmodelle?
Schaubild 2-8: Erweiterte Forschungsfragen der Untersuchung
3
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs zur Durchsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Ziel des vorliegenden Kapitels ist es, den spezifischen Koordinationsbedarf, der im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern besteht, zu identifizieren. Zu diesem Zweck sind die potenziellen Defizite, die durch die Mehrstufigkeit der Märkte bzw. die Einbindung von Absatzmittlern im Rahmen der Integrierten Kommunikation entstehen, zu analysieren. Die vorangegangenen Abschnitte haben deutlich gemacht, dass bestehende und potenzielle Konflikte zwischen den beiden Parteien zu reduzieren bzw. zu vermeiden sind, da diese die Leistungsfähigkeit der Integrierten Kommunikation durch das Fehlen der jeweiligen Beiträge gefährden sowie Reibungs- bzw. Transaktionskosten verursachen. Der Einsatz geeigneter Instrumente bedarf daher der Kenntnis dieser Probleme und Konflikte, um aus diesen den spezifischen Koordinationsbedarf abzuleiten und darauf aufbauend zielgerichtete Maßnahmen zu deren Abbau bzw. Vermeidung zu formulieren. Im Folgenden ist der auf Basis theoretischer Erkenntnisse hinsichtlich der Entstehung und Erklärung von Konflikten in Absatzkanälen entwickelte Analyserahmen1 durch eine empirische Untersuchung zu konkretisieren und gegebenenfalls zu modifizieren. Nach der Erörterung methodischer Grundlagen (Abschnitt 3.1) und der Darstellung des Designs der empirischen Untersuchung (Abschnitt 3.2) erfolgt eine Konkretisierung und Diskussion der empirischen Ergebnisse auf Basis des Analyserahmens (Abschnitt 3.3). Ziel der Untersuchung ist es, das Problem in seiner Tiefe am Beispiel der Schweizer Mobilfunkbranche zu durchdringen, d.h. tatsächliche Ausprägungen von Konflikten, potenzielle Ursachen und Wirkungen zwischen Mobilfunkanbietern und deren unternehmensfremden, selbstständigen Absatzmittlern zu identifizieren. Eine derartige intensive Erforschung spezifischer Märkte ermöglicht die Betrachtung konkreter Probleme und deren Wirkungen sowie die Ableitung verwertbarer Handlungsempfehlungen. Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung geben daher als konkretisierter Koordinationsbedarf zahlreiche Anhaltspunkte bzw. bilden die Basis für die Entwicklung und den Einsatz geeigneter Maßnahmen.
1
Vgl. Abschnitt 2.2.4.
112
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
3.1
Methodische Grundlagen der empirischen Untersuchung
3.1.1
Wahl der geeigneten Forschungsrichtung
Neben den inhaltlichen Überlegungen zu möglichen Defiziten der Integrierten Kommunikation sind im Folgenden Entscheidungen hinsichtlich der Wahl einer geeigneten Forschungsmethode zu treffen. Im Kern geht es um die Frage nach einer quantitativen oder qualitativen Ausrichtung der Forschungsmethodik.2 Die bisherigen Ausführungen haben gezeigt, dass bislang nur wenige Erkenntnisse hinsichtlich potenzieller Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie deren Ursachen und Ausprägungen im Rahmen der Integrierten Kommunikation vorliegen. Im Mittelpunkt der empirischen Untersuchung stehen daher die Identifikation, Deskription und Interpretation der in der Praxis beobachteten Phänomene zur Konstruktion und Weiterentwicklung wissenschaftlicher Aussagen auf Basis des vorab entwickelten Analyserahmens. Vor diesem Hintergrund und der Notwendigkeit eines explorativen Charakters der Untersuchung3 erscheint demnach grundsätzlich eine qualitative Forschungsmethodik sinnvoll.4 Während quantitative Methoden für Forschungsfragen herangezogenen werden, über deren Zusammenhänge bereits sachlogische Vorstellungen bestehen und die 2
3 4
Tomczak (1992b, S. 77) stellt fest, dass innerhalb der deutschsprachigen Marketingforschung zwei unterschiedliche Forschungsansätze als Endpunkte eines Kontinuums zu unterscheiden sind. Zum einen die so genannte „Mainstream-Marketingforschung“, die sich insbesondere an quantitativen Methoden orientiert und als das traditionelle und in der deutschsprachigen Forschung dominierende Forschungsparadigma zu verstehen ist. Zum anderen fühlt sich die so genannte „Outlaw-Marketingforschung“, die in der deutschsprachigen Marketingforschung nur wenige Anhänger hat, dem empirischen Induktivismus verpflichtet und ist eher qualitativ orientiert. Vgl. zum Verhältnis zwischen qualitativer Marktforschung und der Exploration insbesondere Kepper 1994, S. 124ff., 1996, S. 131ff. Vgl. zu einem Plädoyer für den qualitativen Forschungsansatz Tomczak 1992b. Stellvertretend für die Vertreter der qualitativen Forschung vgl. insbesondere Hopf/ Weingarten 1993; Dey 1993; Kepper 1994; Merten 1996; Strauss/Corbin 1996; Cohen 1999; Mayring 2002, 2003; Flick 2004; Flick/von Kardoff/Steinke 2005; Lamnek 2005. Vgl. zu Grundlagen der qualitativen Marktforschung z.B. Müller 2000, S. 127ff., zu Methoden der qualitativen Marktforschung z.B. Kepper 2000, S. 159ff., zur Qualität qualitativer Forschung z.B. Flick 2004, S. 43ff.; Grunenberg 2004, S. 65ff.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
113
es genauer zu untersuchen gilt,5 nimmt die qualitative Forschungsausrichtung eine Perspektive ein, die versucht, ein möglichst exaktes Bild realer Phänomene darzustellen. Sie orientiert sich an Einzelfällen und versucht, das Untersuchungsobjekt in seiner ganzen Komplexität zu erfassen. Im Mittelpunkt steht die Interpretation von Einzelbeobachtungen (Induktionsprinzip), um dadurch zum Nachweis von Gesetzmäßigkeiten zu kommen.6 Der grundlegende Unterschied der beiden Vorgehensweisen bzw. Erklärungsansätze (induktiv vs. deduktiv) liegt nicht ausschließlich im Generieren oder Testen von Hypothesen und Theorien oder der Anwendung quantitativer und qualitativer Methoden. Vielmehr ist die Art und Weise, wie in empirischen Untersuchungen Schlussfolgerungen über Kausalzusammenhänge gezogen werden, von hoher Bedeutung. Die Entscheidung für eine der beiden Varianten hat Konsequenzen für die Wahl der Methode. Ist es das Ziel, von statistischen Zusammenhängen auf Kausalzusammenhänge zu schließen, so setzt dies die Anwendung quantitativer Methoden voraus. Die empirische Identifizierung von Phänomenen und Kausalzusammenhängen und ihre anschließende Verallgemeinerung, wie dies im Rahmen der vorliegenden Arbeit angestrebt wird, legen die Anwendung qualitativer Methoden nahe.7
5
6 7
Zentrale Aufgabe innerhalb der quantitativen Forschungsausrichtung ist es, theoriegeleitet Hypothesen über die Realität aufzustellen, deren Zusammenhänge systematisch zu erfassen und einer empirischen Überprüfung zu unterziehen, vgl. Eckert 2004, S. 695; Mayer 2006, S. 15. Vgl. zur quantitativen Forschungsausrichtung und deren Methoden z.B. Balderjahn 1998, S. 185ff.; Albers 2000, S. 169 und insbesondere Herrmann/Homburg 2000. Vgl. Tomczak 1992b, S. 77. Es ist zu beachten, dass die zentralen Methoden zwar durch den grundsätzlichen Forschungsansatz und die Art, wie Erkenntnisse gewonnen sowie Schlüsse gezogen werden, vorgegeben sind. Die Grenzen verschwimmen jedoch, da die Methoden häufig ergänzend eingesetzt werden, vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 25. In der Forschungspraxis findet sich immer häufiger eine Kombination der „interpretativen qualitativen“ Verfahren mit den „standardisierten quantitativen“ Methoden zu gemeinsamen Untersuchungsdesigns. Auf die zunehmende gegenseitige Ergänzung qualitativer und quantitativer Forschung und dem damit einhergehenden Erkenntnisgewinn weist auch Mayer (2006, S. 25) hin, der feststellt: „[…] bei allen Unterschieden sind es keine sich ausschließenden Typen wissenschaftlicher Forschung, es gibt Gemeinsamkeiten und Überschneidungen ebenso wie vielfältige sinnvolle Kombinationsmöglichkeiten.“ Vgl. zur Kombination qualitativer und quantitativer Forschung(smethoden) z.B. Homburg 2000, S. 77ff.; Brüsemeister 2000, S. 40ff.; Fielding/Schreier 2001, Absatz [4]ff.; Kelle 2004, S. 27ff.; Kelle/Erzberger 1999, S. 509ff., 2005, S. 299ff.
114
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Die qualitative Forschung ist als verständnis- und erklärungsorientiert zu verstehen. Neben der Offenheit, Kommunikation und Typisierung als ihre konstituierenden Merkmale8 ist es ein weiteres typisches Merkmal, dass ein sehr hoher Detaillierungsgrad der Informationen innerhalb der empirischen Untersuchung bei einer eher eingeschränkten Zahl von Probanden vorliegt. Die Analyse der einzelnen Fälle dient jedoch fast immer auch der Exploration von Wirkungszusammenhängen, deren Geltungsbereich über den Einzelfall hinaus auszuweiten ist.9 Die qualitative Forschung ist demnach dadurch gekennzeichnet, dass mit einer kleinen, aber umfassenden Stichprobe auf einem niedrigen, aber gründlichen Abstraktionsniveau mit einem geeigneten Methodenmix (Desk-Research, Expertengespräche, Fallforschung, Analogien usw.) gearbeitet wird. Eine solche vertiefende und erkundende Ausrichtung macht es möglich, noch unbekannte Inhalte, Kategorien und Zusammenhänge in ihrem situativen Kontext problemorientiert zu erforschen und zu verstehen. Dieses Vorgehen erscheint im vorliegenden Fall zweckmäßig, um zu einem besseren Verständnis der Konfliktausprägungen, -ursachen und -wirkungen im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten beizutragen, wenngleich dies mit einem möglichen Problem der Mehrdeutigkeit von Informationen sowie einer eingeschränkten Generalisierbarkeit der Ergebnisse einhergeht. Dem gegenüber steht jedoch, dass nur die intensive Erforschung und kritische Diagnose von Einzelfällen der explorativen Ausrichtung der Arbeit gerecht wird.10 Grundsätzlich lassen sich im Rahmen der qualitativen Forschung verschiedene Hauptaufgaben unterscheiden,11 von denen insbesondere die Klassifizierung, die Ursachenforschung sowie die Hypothesenfindung im Zentrum der vorliegenden Arbeit stehen.
8
9 10
11
Vgl. ausführlich zu den konstituierenden Merkmalen Hoffmann-Riem 1980, S. 343ff.; Kepper 1994, S. 15ff., 1995, S. 58ff., 2000, S. 161f.; Lamnek 2005, S. 20ff. Vgl. Eckert 2004, S. 695. Belz (1989a, S. 8f.) weist darauf hin, dass eine gründliche und kritische Analyse von Einzelfällen oftmals ergiebiger ist, als mit großen Stichproben nur kleine und standardisierte Ausschnitte der Wirklichkeit zu erfassen. Vgl. Mayring 2003, S. 20ff.; Kepper 2000, S. 163ff. Weitere Aufgabenfelder qualitativer Forschungsmethoden sind zudem Einzelfallstudien, Prozessanalysen, qualitative Prognosen, Ideengenerierung, Screening, Pilotstudien, die so genannte Vertiefung als Weiterführung bereits aufgedeckter Zusammenhänge sowie die Hypothesenund Theorienprüfung mittels der Identifikation eines widersprechenden Falles, der die Allgemeingültigkeit der Hypothese falsifiziert und Basis für deren Einschränkung oder Umformulierung ist.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
115
Klassifizierungen bilden den Ausgangspunkt für Datenanalysen, da sie das Datenmaterial nach bestimmten, empirisch und theoretisch sinnvoll erscheinenden Merkmalen strukturieren. Die Strukturierung hat insbesondere bei unbekannten und komplexen Zusammenhängen eine große Bedeutung, da durch diese eine Identifizierung und Erfassung relevanter Einflussfaktoren und wichtiger Untersuchungsdimensionen erfolgt. Zudem ist es möglich, dass Klassifizierungen, vor allem in Form von Typologien, eigenständiges Ziel der Untersuchung sind, indem sie die aus dem Datenmaterial identifizierten Klassen nicht nur strukturieren, sondern auf einer höheren Abstraktionsebene einen Beitrag zur Erklärung bestimmter Phänomene leisten. Neben diesem Erklärungsbeitrag wird die Klassifizierung im Rahmen der vorliegenden Untersuchung insbesondere für die Identifikation sowie zur Strukturierung von (potenziellen) Konflikten, deren Ursachen und Wirkungen eingesetzt („Füllen“ des Analyserahmens und Strukturierung der identifizierten Inhalte12). Im Mittelpunkt der Ursachenforschung, als weiterem Schwerpunkt qualitativer Forschung, stehen das Begreifen von Zusammenhängen und die Erklärung von Phänomenen. Diese Aufgaben ergeben sich vor allem dann, wenn zu untersuchende Ursachen wie im vorliegenden Fall sehr komplex und noch wenig bekannt sind. Rein quantitative Untersuchungen streben an, die Ursachen meist nur indirekt, z.B. über nachträgliche Korrelationen oder durch multivariate Analysen, zu erfassen. Im Rahmen der qualitativen Forschung ist es jedoch möglich, Ursache-Wirkungs-Beziehungen direkt während der eigentlichen Erhebungsphase zu identifizieren. Dies ist möglich, da qualitative Methoden ihre Informationen vor allem aus den subjektiven Auskünften der betroffenen Personen beziehen und die Aussagen daher direkt auf mögliche Erklärungen zu beziehen sind.13 In Bezug auf die Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten ist die Ursachenforschung zur Analyse kausaler Zusammenhänge zwischen den Konfliktausprägungen, deren Ursachen und Wirkungen einzusetzen (Darstellung der Zusammenhänge des Analyserahmens14). Eine zentrale Aufgabe qualitativer Forschung ist schließlich die Hypothesenfindung.15 Diese Aufgabe beinhaltet die Entdeckung der für den jeweiligen Untersuchungsgegenstand relevanten Einzelfaktoren, um auf deren Basis erste Grundüberlegungen hinsichtlich der Konstruktion möglicher Zusammenhänge der Faktoren abzuleiten. Es ist möglich, einen Hypothesenkatalog, der das Ergebnis der 12 13 14 15
Vgl. Forschungsfragen F1-1 bis F3-2 in Abschnitt 2.4. Vgl. Scheffler 1992, S. 8. Vgl. Forschungsfrage F4-1 in Abschnitt 2.4. Mayring (2003, S. 20) bezeichnet die Hypothesenfindung und Theoriebildung als „klassischen Bereich qualitativer Forschung“.
116
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
qualitativen Analyse darstellt, für die vertiefende qualitative und quantitative Forschung und zur Theoriebildung heranzuziehen.16 Vor dem Hintergrund unklarer Informationen und Erkenntnisse zu den relevanten Faktoren der Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten steht die Aufgabe der Hypothesenfindung bzw. Theorienbildung im Zentrum der empirischen Untersuchung (Weiterentwicklung des Analyserahmens zu einem Konfliktmodell der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten17).
3.1.2
Grounded Theory als geeignete Forschungsmethodik
Im Rahmen der vorliegenden empirischen Untersuchung erweisen sich für die Erhebung und Auswertung der Daten Verfahren als geeignet, die methodisch auf die Grounded Theory von Glaser und Strauss zurückgreifen und sich an deren offenen und induktiven Forschungsstil anlehnen.18 Zentrale Forderung dieser qualitativen Methodik,19 der auch in den Wirtschaftswissenschaften und insbesondere im Bereich der Marketingforschung zunehmendes Interesse entgegenge-
16 17 18
19
Vgl. Glaser/Strauss 2005, S. 29ff. Vgl. Forschungsfrage F4-2 in Abschnitt 2.4. Mit der Grounded Theory ist eine umfassende Konzeption des sozialwissenschaftlichen Erkenntnis- und Forschungsprozesses gemeint, die von ersten Ideen zu einer Forschungsfrage bis zur Erstellung des Ergebnisberichtes reicht, vgl. Böhm 2005, S. 475. Bereits während der Datenerhebung fließen Gedanken über die Auswertung ein und lassen dadurch eine vorwiegend induktive Konzeptbildung zu, d.h., theoretische Konzepte, Konstrukte und Hypothesen werden entwickelt, verfeinert und verknüpft, vgl. Mayring 2002, S. 103. Im Folgenden orientiert sich die Darstellung und das Vorgehen weitgehend an der Weiterentwicklung des Ansatzes durch Strauss, vgl. Strauss 1991; Strauss/Corbin 1996. Zur Grounded Theory vgl. z.B. Strübing 2004 und Krotz 2005. Die Bezeichnung „Grounded Theory“ wird häufig sowohl für die Methode als auch für das mit dieser Methode zu erzielende Forschungsergebnis verwendet, vgl. Böhm 2005, S. 475. In der Literatur wird die Grounded Theory teilweise auch als Methodologie interpretiert, d.h. als theoretische Position bezüglich der im Rahmen wissenschaftlicher Forschung anzuwendenden Untersuchungsmethoden. Im Kern handelt es sich daher eher um eine Methodik, also eine „Forschungskonzeption“ im Sinne einer systematischen Anleitung zur Generierung von Theorien, vgl. Eckert 2004, S. 694. Für ein Beispiel zur Vermittlung der Methode vgl. z.B. Hildenbrand 2004, S. 38ff.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
117
bracht wird,20 ist es, „gegenstandsnahe“ und somit in empirischen Daten fest verankerte, theoretische Modelle und Konzepte zu entwickeln.21 Diese „ […] dienen nicht nur zur Klärung der Wirklichkeit, sondern bieten auch einen Rahmen für das Handeln.“22 Die Grounded Theory hat sich daher insbesondere für praxisorientierte Forschungsprojekte bewährt. 23 Strauss weist explizit darauf hin, dass die Grounded Theory auch dann sinnvoll ist, wenn es, wie in der vorliegenden Arbeit, nicht um die Entwicklung einer umfassenden Theorie, sondern um das konzeptuelle Ordnen und Interpretieren empirischer Beobachtungen geht.24 Dadurch soll der Gegenstandsbereich durchdrungen werden, so dass es möglich ist, Implikationen für die praktische Anwendung abzuleiten.25 Ziel der Grounded Theory ist es demnach, auf Basis der empirischen Ergebnisse zu einem bestimmten Untersuchungsgegenstand – im vorliegenden Fall die vertikalen IK-Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in der Schweizer Mobilfunkbranche – vernetzte Konzepte zu formulieren, die eine Beschreibung und Erklärung der untersuchten Phänomene liefern.26 Im Unterschied zu einer theoriegeleiteten Forschung unterstreicht das Vorgehen der Grounded Theory, dass Forschende möglichst unvoreingenommen an den
20
21
22 23
24 25 26
Vgl. Goulding 2001a, S. 21; Eckert 2004, S. 694. Im Bereich der Marketingforschung konzentriert sich das Interesse zum einen auf die Prinzipien der Theorie (vgl. z.B. die Arbeiten von Spiggle 1994; Goulding 1998, 1999a, 2000a sowie Pettigrew 2000), zum anderen, wie auch im Rahmen dieser Arbeit, auf die Anwendung der Methode, vgl. z.B. die Arbeiten von Houston/Venkatesh 1996; Hirschman/ Thompson 1997; Goulding 1999b, 2000b, 2001b; Michalski 2002; Pfeiffer 2003. Das Atrribut „grounded“ wird in der deutschsprachigen Literatur mit „gegenstandsverankert“ oder „gegenstandsbezogen“ übersetzt, vgl. Mayring 2002, S. 103; Kuckartz 2005, S. 76. Strauss/Corbin 1996, S. 7. Vgl. zur Kritik an der Grounded Theory z.B. Welzer 1993, S. 89; Kelle, 1994; S. 333ff.; Breuer 1996, S. 16ff.; Muckel 1996, S. 76ff.; Flick 1999, S. 205; Mayring 2003, S. 75; Lamnek 2005, S. 115f. Vgl. zu Problemen, die mit der Grounded Theory bzw. deren Einsatz verbunden sind Goulding 2001a, S. 29ff. Die beim Einsatz der Grounded Theory von einigen Vertretern bemängelten operationellen Schwächen werden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung reduziert, indem in der Datenerhebung (Abschnitt 3.2.1) problemzentrierte Interviews zum Einsatz kommen und in der Datenauswertung (Abschnitt 3.2.2) systematisch die Dimensionen des Analyserahmens zur Interpretation herangezogen werden. Vgl. Pfeiffer 2003, S. 28. Vgl. Strauss/Corbin 1996, S. IX, 8f., 16f. Vgl. Böhm 2005, S. 476.
118
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Untersuchungsgegenstand und die Fälle heranzutreten haben.27 Dabei ist es jedoch nicht realistisch, dass durch die Auseinandersetzung mit der Thematik und dem Forschungsgegenstand kein Vorwissen erzeugt wird.28 Ausgangspunkt sind zwar nicht theoretisch abgeleitete Hypothesen über einen Untersuchungsgegenstand, Forschende nutzen jedoch ihre Annahmen und Vorkenntnisse in Form „sensibilisierender Konzepte“,29 um die Wahrnehmung zu strukturieren. Entscheidend scheint hierbei, dass der Forschende eine klare Vorstellung entwickelt, dabei jedoch offen bleibt für neue und im besten Fall überraschende Erkenntnisse.30 Den Nutzen, der sich aus dem theoretischen Vorwissen ergibt, heben Strauss und Corbin explizit heraus, indem sie betonen, dass Forschende „[…] mit einigem Hintergrundwissen aus der Fachliteratur in die Forschungssituation eintreten [werden] und es ist wichtig, dies anzuerkennen und zu nutzen.“31 Es ist daher sinnvoll, auch bei qualitativen Forschungen theoretische Vorüberlegungen über den Untersuchungsgegenstand in den Forschungsprozess einfließen zu lassen, um sowohl bei der Erhebung als auch bei der Auswertung wesentliche Aspekte nicht zu übersehen.32 Daraus resultiert die Forderung, das eingebrachte theoretische Vorwissen in Form von Konzepten und Vorannahmen transparent zu machen. Dieses ist während des gesamten Forschungsprozesses mit der jederzeitigen Bereitschaft zur 27
28
29 30 31 32
Diese Unvoreingenommenheit ist jedoch nicht mit der Forderung nach einer Ausklammerung jeglichen theoretischen Vorwissens zu verwechseln, die der Grounded Theory teilweise unterstellt wird, vgl. Wiedemann 1995, S. 442. Verschiedene Vertreter des „qualitativen Paradigmas“ interpretieren in diesem Zusammenhang das Prinzip der Offenheit der qualitativen Forschung sehr eng. Demnach ist die Untersuchung nicht durch Vorüberlegungen, sondern alleinig durch den Untersuchungsgegenstand, d.h. die im empirischen Material enthaltenen Informationen zu strukturieren, vgl. z.B. Glaser/Strauss 2005, S. 37; Hoffmann-Riem 1980, S. 346. Zuspitzung erfährt das Prinzip durch die Forderung der „theoretischen Offenheit“, nach der ein Forschungsprozess frei von jeglichen theoretischen Annahmen abzulaufen hat, vgl. Eisenhardt 1989, S. 536. Heute ist unbestritten, dass es eine von theoretischem und allgemeinem Vorverständnis freie Untersuchung überhaupt nicht geben kann. Dies ist zum einen auf die Theorieabhängigkeit der Wahrnehmung, zum anderen auf die „deskriptive Unerschöpflichkeit“ (Kelle 1994, S. 304) empirischer Phänomene zurückzuführen. Zu Hypothesen und Vorwissen in der qualitativen Forschung vgl. Meinefeld 2005, S. 265ff., zur Bedeutung des theoretischen Vorwissens in der Grounded Theory vgl. insbesondere Kelle 1996, S. 23ff. Vgl. Flick 1999, S. 10. Vgl. Flick 1999, S. 63. Strauss/Corbin 1996, S. 32f. Vgl. Meinefeld 2005, S. 270.
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119
Modifikation kritisch zu reflektieren und bereits vorhandene theoretische Konstrukte sind zur Anreicherung der eigenen Befunde zu nutzen.33 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird der Forderung nach Offenlegung des Konzeptes bzw. der Vorannahmen durch den im vorherigen Kapitel entwickelten Analyserahmen der Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten nachgekommen.34 Dieser bildet als „Bündelung des theoretischen Vorwissens“ zusammen mit den Forschungsfragen den Startpunkt der Untersuchung und liefert gleichzeitig ein Raster, das die folgende Untersuchung leitet. Zusammen mit der kontinuierlichen Auseinandersetzung mit neu erhobenen Daten bildet das Wissen die Grundlage für die notwendige „theoretische Sensibilität der Forschenden“ und ermöglicht die systematische Interpretation der Daten.35 Im Folgenden ist es das Ziel, nach der Festlegung geeigneter Verfahren der empirischen Untersuchung, das Verständnis des Analyserahmens zu vertiefen und diesen mit empirischen Inhalten zu füllen sowie zu strukturieren. Dabei ist der „Analytic Style“36 der Grounded Theory Ausgangspunkt der Datenerhebung und Datenanalyse. Zentrale Prinzipien der Grounded Theory sind zum einen das Prinzip des permanenten Vergleichens (komparative Methode) der Daten und Fälle, zum anderen die Iterativität der Phasen des Forschungsprozesses. Beide Basisprinzipien finden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung insbesondere auf den Ebenen der Fallauswahl und der Kodierung Anwendung.37 Durch eine sukzessive gezielte Datenerhebung im Verlauf des Prozesses werden Kategorien und Indikatoren möglicher Konfliktausprägungen, -ursachen und -wirkungen schrittweise präzisiert. Dies macht ein Pendeln zwischen Datenerhebung und -interpretation in allen Stadien notwendig, bis sich schließlich ein in den Daten verankertes Konzept möglicher Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten herauskristallisiert. Der Erkenntnisgewinn ist sowohl im Erhebungs- als auch im Auswertungsprozess als induktiv-deduktives Wechselverhältnis zu organisieren.38 Daher ist das Vorgehen nicht von einer sequenziellen Ab33 34 35 36 37
38
Vgl. Eckert 2004, S. 697. Vgl. Abschnitt 2.2.4. Vgl. Strauss/Corbin 1996, S. 33. Strauss 1998, S. XIV. Vgl. Eckert 2004, S. 696f. Zur Anwendung der Prinzipien auf die Fallauswahl dieser Untersuchung vgl. die Ausführungen zur Datenerhebung (Abschnitt 3.2.2), im Rahmen der Kodierung vgl. die Ausführungen zur Datenanalyse (Abschnitt 3.2.1). Im Rahmen der Analyse des vorhandenen Datenmaterials entstehen (induktiv) Vermutungen, die unmittelbar anhand von weiterem geeigneten Datenmaterial (deduktiv) zu überprüfen sind, vgl. Eckert 2004, S. 696. Dies geschieht im Weiteren durch ein Wechselspiel zwischen theoretischer Reflexion und Beobachtungen in der Praxis bzw. Ergebnissen der empirischen Untersuchung.
120
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
folge der Forschungsstufen Datensammlung, Datenanalyse und Dateninterpretation geprägt, auch wenn die einzelnen Phasen aufgrund einer notwendigen Systematisierung und besseren Lesbarkeit der Arbeit im Folgenden in dieser Reihenfolge dargestellt werden. Gemäß dem zirkulären, iterativen Vorgehen der Grounded Theory sind die unterschiedlichen Teilschritte der empirischen Arbeit vielmehr eng miteinander verbunden (vgl. Schaubild 3-1).39 Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Konfliktursachen
Konfliktausprägungen
Konfliktwirkungen
Interorganisationale Beziehungen
Verhaltenswirkungen im Planungsprozess der Integrierten Kommunikation (Streitpunkte)
Ergebniswirkungen auf die Integrierte Kommunikation
Vertikale Machtkonflikte
Konflikte in der Analysephase
Vertikale Ziel-/Interessenkonflikte
Konflikte in der Planungsphase
Vertikale Rollenkonflikte
Konflikte in der Umsetzungsphase
Vertikale Informations-/ Kommunikationskonflikte
Konflikte in der Kontrollphase
Ineffizienz der Kommunikation
Erweitertes Theorieverständnis
Erweitertes Theorieverständnis
Ineffektivität der Kommunikation
Erweitertes Gegenstandsverständnis/ Datenerhebung
Erweitertes Gegenstandsverständnis/ vergleichende Datenanalyse
Vorverständnis/Forschungsfragen/ Analyserahmen/Methodenwahl
Theorie
Praxis
Schaubild 3-1: Ablaufschema der Untersuchung in Anlehnung an die hermeneutische Spirale (in Anlehnung an Danner 1979, S. 53, zu einer ähnlichen Darstellung vgl. Pfeiffer 2003, S. 31) Ziel des nachfolgenden Abschnitts ist es, die notwendige Transparenz des entlang des beschriebenen spiralförmigen Forschungsvorgehens verwendeten empi-
39
Vgl. Glaser/Strauss 1993, S. 96ff.; Pfeiffer 2003, S. 31. Vgl. zur Zirkularität des qualitativen Forschungsprozesses im Vergleich zum linearen Modell des Forschungsprozesses bei eher quantitativ-standardisierten Verfahren Flick 1999, S. 61.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
121
rischen Untersuchungsdesigns herzustellen.40 Dazu sind geeignete Verfahren der Datenerhebung und der Datenanalyse sowie die Vorgehensweise im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zu erläutern und zu diskutieren.
3.2
Design der empirischen Untersuchung
3.2.1
Datenerhebung der empirischen Untersuchung
3.2.1.1 Grundlagen der Datenerhebung Für die Datenerhebung sind im Rahmen der qualitativen Forschung verschiedene Verfahren denkbar, von denen insbesondere das qualitative Interview eine zunehmende Bedeutung und Aufmerksamkeit erfährt.41 Diese „[…] mündliche und persönliche Form der Befragung […] [bei] der es um eine unverzerrte, nicht prädeterminierte und möglichst vollständige Sammlung von Informationen zu dem interessierenden Untersuchungsgegenstand geht“42 erscheint zur Durchdringung der Problem- und Beziehungsstrukturen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern im Rahmen der Integrierten Kommunikation zweckmäßig. Eine Konsequenz aus dem gesteigerten Interesse der Forschung an qualitativen Interviews ist eine Vielzahl ähnlicher, aber nicht identischer Erhebungsverfahren, die vor allem durch eine große Unschärfe der in der Literatur verwendeten Bezeichnungen für
40
41
42
Als Untersuchungsdesign ist die grundsätzliche Festlegung der Methoden und Verfahrensregeln zu verstehen, die der Beschaffung von Informationen zur Strukturierung oder Lösung eines Forschungsproblems zugrunde liegen, vgl. Flick 2005a, S. 252. Zum Untersuchungsdesign in der qualitativen Forschung vgl. die Arbeiten von LeCompte/Preissle 1993; Marshall/Rossman 1995; Miles/Hubermann 1994; Coffey/Atkinson 1996. Vgl. Kepper 2000, S. 165. Müller (2000, S. 133) nennt als weitere qualitative Erhebungsverfahren die Gruppendiskussion, indirekte Befragung und qualitative Beobachtung sowie das qualitative Experiment und die biografische Methode. Kepper 2000, S. 165.
122
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
qualitative Interviewformen gekennzeichnet ist.43 Die „beeindruckend[e] und zugleich verwirrend[e]“44 Vielzahl an Interviewformen setzen jeweils ihre eigenen Akzente hinsichtlich der Umsetzung der konstituierenden Merkmale der qualitativen Forschung, insbesondere in Bezug auf die Prinzipien der Kommunikation und Offenheit.45 Es gibt daher nicht „das“ qualitative Interview, sondern verschiedene Interviewformen, mit denen unterschiedliche inhaltliche Forschungsinteressen und Schwerpunkte verbunden sind.46 Die vorliegende Problemstellung der Arbeit erfordert eine weitgehend offene Gesprächsführung, die es erlaubt, auch sehr komplexe Themenbereiche hinsichtlich der Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu erfassen.47 Vor dem Hintergrund des gewählten Forschungsansatzes 43
44 45
46
47
Die Vielzahl der Bezeichnungen resultiert zum einen aus unterschiedlichen Typisierungen, zum anderen auch aus dem Bedürfnis der Autoren, dem eigenen Vorschlag einen möglichst treffenden Namen zu geben, vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 38. Problematisch erscheint, dass die Bezeichnungen uneinheitlich verwendet werden und sich teilweise auch bei ein- und denselben Autoren auf unterschiedliche Kriterien stützen, vgl. Hellferich 2005, S. 24. Vgl. zu einem Überblick qualitativer Interviewformen und verschiedener Einzeldarstellungen Flick 1999, S. 94ff.; Kepper 2000, S. 65ff.; Mayring 2002, S. 66ff.; Bohnsack 2003, S. 105ff., 2005, S. 369ff.; Hopf 2005, S. 349ff.; Hellferich 2005, S. 24f.; Lamnek 2005, S. 356ff.; Lüders 2005, S. 384ff.; zu einem Vergleich qualitativer Interviewformen bezüglich ihrer methodologischen Prämissen vgl. Lamnek 2005, S. 382ff. Hellferich 2005, S. 24. Hintergrund des Prinzips der Kommunikation ist die Tatsache, dass jede Interviewsituation, unabhängig von ihrer Form, prinzipiell eine Kommunikationssituation darstellt. Erst in einer solchen Kommunikationsbeziehung finden Forschende den Zugang zu dem „Sinnsystem der Erzählperson“, Hellferich 2005, S. 67. Das Prinzip der Kommunikation zeigt sich daher in dem Bemühen, eine vertrauliche Atmosphäre zu schaffen, die einer Alltagssituation nahe kommt und die Erzählbereitschaft der Auskunftspersonen fördert, vgl. Kepper 1994, S. 33; Lamnek 2005, S. 353. Vgl. Hellferich 2005, S. 7, 24. Kepper 2000, S. 167 weist darauf hin, dass sich nicht alle Formen qualitativer Interviews für die Marktforschung eignen, da sie häufig eng mit Spezialproblemen ihrer Disziplin verhaftet sind. Die angenehme Gesprächsatmosphäre gewinnt in der vorliegenden Untersuchung insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Auskunftspersonen über sensible Themen wie Konflikte und Streitfälle zu berichten haben, große Relevanz. Vor allem im Untersuchungsdesign, das weitgehend auf einengende Vorgaben verzichtet, wird die Forderung nach Offenheit deutlich. Die inhaltliche Bandbreite der Auskunftspersonen ist möglichst wenig zu beschneiden und ihnen ist durch die Offenheit der Gesprächsführung die Möglichkeit zu geben, eigene Themenschwerpunkte zu wählen, Relevanzsysteme und Deutungsmuster zu entfalten sowie diese in eigener Wortwahl zu kommunizieren, vgl. Kepper 1994, S. 33f.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
123
der Arbeit bietet sich daher grundsätzlich eine Form des explorativen Interviews als Verfahren der Datenerhebung an.48 Explorative Interviews sind generell durch eine weitgehend nicht-standardisierte49 Befragungssituation gekennzeichnet und dienen der Ermittlung relevanter Informationen, Stellungnahmen, Wissen, Erfahrungen, Einstellungen, Meinungen oder Know-how der Auskunftspersonen. Innerhalb der Befragungssituation steht das erzählerische Moment im Vordergrund, wobei das Spektrum von zwanglosen Gesprächen bis hin zu problemorientierten Expertengesprächen reicht.50 Sie sind demnach aufgrund ihres offenen und informationssammelnden Gesprächscharakters geeignet, die Aufgaben der Ermittlung potenzieller Konfliktausprägungen, -ursachen und -wirkungen, der Klassifizierung bzw. Strukturierung der Inhalte des Analyserahmens sowie der Identifikation der Zusammenhänge innerhalb des Analyserahmens zu erfüllen.51 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erscheint es jedoch nicht zielführend und systematisch, eine maximale Freiheit der Erzählung des Befragten sowie eine Datenerhebung, bei der kein theoretisch ausgearbeitetes Konzept über die Themenbereiche des Interviews besteht, anzustreben.52 Vielmehr erfor48
49
50
51
52
Als drei grundsätzliche Interviewformen lassen sich das explorative Interview, das fokussierte Interview sowie das Tiefeninterview unterscheiden, vgl. zu der Unterscheidung sowie einer Beschreibung der verschiedenen Interviewformen Kepper 1994, S. 38ff., 2000, S. 167ff. Qualitative Interviews sind meist nicht oder nur teilweise standardisiert, d.h., weder die Antwortmöglichkeiten noch die Fragen und deren Reihenfolge sind vorgegeben. Bei qualitativen Interviews sind demnach zum einen Interviewer nur an wenige oder keine Regeln im Rahmen der Interviewdurchführung und die Fragegestaltung gebunden. Zum anderen sind die Antwortmöglichkeiten der Auskunftspersonen wenig oder gar nicht beschränkt, vgl. Kepper 2000, S. 165. Vgl. Kepper 2000, S. 167f. Die Auskunftspersonen interessieren nicht als Person, sondern als Experten für ein spezifisches Handlungsfeld. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung sind daher Personen zu befragen, die zum einen mit der anderen Organisation zusammenarbeiten und in der Lage sind, die Untersuchungssituation zu beurteilen. Zum anderen ist dem Untersuchungsgebiet der Integrierten Kommunikation gerecht zu werden und ein gewisses Maß an Marken- und Kommunikationsverständnis zu fordern, vgl. ausführlich zur Auswahl der Experten Abschnitt 3.2.1.2. Vgl. die formulierten Aufgaben der qualitativen Forschung im Rahmen der vorliegenden Arbeit in Abschnitt 3.1.1. Kepper (2000, S. 170) bezeichnet die Ursachenforschung als kein typisches Aufgabenfeld des explorativen Interviews. Der Einsatz einer explorativen Interviewform im Rahmen der Ursachenforschung ist jedoch denkbar, wenn Experten ihre Einschätzung über die Ursachen des Verhaltens oder die Beweggründe Dritter abgeben. Dies trifft im vorliegenden Fall für den Untersuchungsgegenstand der Defizit- und Konfliktentstehung im Rahmen der IK zu. Dies ist beispielsweise beim narrativen Interview als eine Form des exlorativen Interviews der Fall, vgl. zum narrativen Interview insbesondere Schütze 1978.
124
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
dert der Untersuchungsgegenstand ein Verfahren, das eine gewisse Fokussierung der Themenbereiche sowie eine stärkere Problemorientierung des Forschenden und der Auskunftspersonen ermöglicht.53 Zur zielgerichteten Erfassung der Informationen sowie zur systematischen, kontrollierten Erkenntnisgewinnung und damit Erfüllung der an die qualitative Methodik gestellten Aufgaben ist daher das problemzentrierte Interview (PZI) als geeignetes Verfahren der Datenerhebung zu identifizieren. Dessen methodische Vorgaben und gestalterischen Prinzipien sind im Folgenden auf die empirische Untersuchung anzuwenden.54 Das PZI ist Teil eines „problemzentrierten Forschungsansatzes“55 und lehnt sich weitgehend an das Verfahren der Grounded Theory an.56 Die Interviewtechnik greift das beschriebene und geforderte induktiv-deduktive Wechselspiel des verwendeten Forschungsansatzes auf. So steht die Konzeptgenerierung durch den Befragten zwar immer noch im Vordergrund, doch es wird ein bereits bestehendes theoretisches Konzept, im vorliegenden Fall der entwickelte Analyserahmen, durch die Äußerungen der Auskunftsperson modifiziert.57 Das Vorwissen dient in der Erhebungsphase als analytischer Rahmen für Frageideen und den Dialog zwischen Interviewer und Befragten.58 Im Rahmen des Interviews zielen geeignete Kommunikationsstrategien zum einen auf eine stärkere Thematisierung kritischer und sensibler Inhalte und die Darstellung der subjektiven Problemsicht.59 Zum anderen werden die Erzählungen durch Di53
54 55
56 57 58 59
In der vorliegenden Untersuchung ist zu beachten, dass bei völlig offen geführten Gesprächen die Gefahr besteht, dass diese zeitlich ausufern. Da für die befragten Personen Zeit jedoch eine kostbare Ressource darstellt, erscheint die Problemzentrierung und eine gedankliche Strukturierung des Interviews notwendig. Auf diesem Wege ist es möglich, ein Maximum an Informationen bei einem vor den Probanden noch vertretbarem zeitlichem Aufwand zu erheben, vgl. Nerdinger et al. 1990, S. 10. Vgl. zum problemzentrierten Interview insbesondere Witzel 1982, 1989, 2000. Bei dem von Witzel entwickelten Verfahren der problemzentrierten Forschungstechnik handelt es sich um eine Methodenkombination bzw. -integration aus qualitativem Interview, biografischer Methode, Fallanalyse, Gruppendiskussion und Inhaltsanalyse, vgl. Witzel 1982, S. 74ff.; 1985, S. 230ff. Im Weiteren wird jedoch lediglich das problemzentrierte Interview als Einzelmethode betrachtet und die multimethodische Konzeption von Witzel vernachlässigt, da sie für die vorliegende Arbeit nicht von Relevanz ist. Vgl. Witzel 2000, Abschnitt [3]. Vgl. Lamnek 2005, S. 364. Vgl. Witzel 2000, Abschnitt [3]. Indem Befragte ihre subjektive Problemsicht in Kooperation mit dem Interviewer entfalten, entwickeln sie im Laufe des Gesprächs immer wieder neue Aspekte zu dem gleichen Thema und korrigieren vorangegangene Aussagen, Redundanzen oder Widersprüchlichkeiten, vgl. Witzel 2000, Abschnitt [6].
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
125
aloge ergänzt, die das Resultat leitfadengestützter Nachfragen sind.60 Zur Gestaltung des Gesprächs stehen im Rahmen des PZI mit den erzählungs- und verständnisgenerierenden Kommunikationsstrategien61 verschiedene Gesprächstechniken zur Verfügung, die für die empirische Untersuchung der Konfliktentstehung und -erklärung anzuwenden sind. Zunächst ist die vorformulierte Einleitungsfrage zu Beginn ein Mittel der Zentrierung des Gesprächs auf das zu untersuchende Problem. In der Haupterzählphase62 dienen so genannte allgemeine Sondierungen der Offenlegung der subjektiven Problemsicht. Dabei sind thematische Aspekte der Erzählungen des Befragten aufzugreifen, um „mit entsprechenden Nachfragen den roten Faden weiterzuspinnen und zu detaillieren“63 und somit den narrativen Fluss zu stimulieren.64 Schließlich erfolgt in der Nachfragephase die spezifische Sondierung durch die Technik der Zurückspiegelung, d.h. die Zusammenfassung bestimmter Erzählabschnitte durch den Interviewer, die den Auskunftspersonen die Möglichkeit gibt, Deutungen der Interviewer nachträglich zu kontrollieren, zu modifizieren und zu korrigieren. Darüber hinaus ist es in dieser Phase möglich, Konfrontationen65 und klärende Verständnisfragen bei ausweichenden oder widersprüchlichen Antworten anzuwenden, um die Gültigkeit und Präzision der Interpretation zu erhöhen. Ad-hoc Fragen, die zudem die Vergleichbarkeit der Interviews sichern, sind einzusetzen, wenn auch nach dieser Phase noch problemrelevante Themenbereiche nicht angesprochen wurden.66
3.2.1.2 Vorgehensweise der Datenerhebung Die vorliegende Untersuchung strebt an, durch eine zirkuläre Verknüpfung der einzelnen empirischen Schritte der beschriebenen Forschungskonzeption der
60
61 62 63 64 65
66
Vgl. Witzel 1982, S. 69. Zur Unterstützung der Durchführung des PZI eignen sich neben dem Leitfaden noch drei weitere Instrumente: Der Kurzfragebogen, die Tonaufzeichnung des Gesprächs sowie das Postskriptum, vgl. Witzel 2000, Abschnitt [7]-[10]. Zu den erzählungsgenerierenden und verständnisgenerierenden Kommunikationsstrategien vgl. Witzel 2000, Abschnitt [11]. Zur Einteilung in eine Haupt- und Nacherzählphase vgl. Kepper 1994, S. 43f. Witzel 2000, Abschnitt [15]. Vgl. Witzel 1982, S. 99. Die Konfrontation der Befragten mit eventuell aufgetretenen Widersprüchen und „Ungereimtheiten“ ist jedoch sehr vorsichtig zu handhaben, da es möglich ist, dass der Verweis auf echte Widersprüche das Klima des Interviews sehr schnell verdirbt, vgl. Lamnek 2005, S. 366. Vgl. Kepper 1994, S. 44.
126
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Grounded Theory gerecht zu werden. 67 Dabei sind die Abhängigkeit der einzelnen Bestandteile des Forschungsprozesses sowie dessen permanente Reflexion und das Wechselspiel seiner jeweiligen Teilschritte zu berücksichtigen. Datenerhebung und -analyse folgen daher einem systematischen Aufbau, der in Schaubild 3-2 gemeinsam wiedergegeben ist. Den Ausgangspunkt in der vorliegenden Untersuchung bildet das Vorverständnis hinsichtlich möglicher Defizite und Konflikte im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten, das auf der Analyse der relevanten Literatur basiert.68 In einer ersten Stufe der Untersuchung wurde mit verschiedenen Unternehmensvertretern der Mobilfunkbranche sowie aus anderen Dienstleistungsbranchen (Versicherungen, Touristikunternehmen) parallel zur theoretischen Analyse in informellen Gesprächen über die generelle Problemstellung und die potenziellen Problembereiche diskutiert. Ziel der Gespräche war die Weiterentwicklung des theoretischen Vorwissens bzw. Verständnisses zum Untersuchungsgegenstand und ein generelles Verständnis für die Problembereiche und die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und deren unternehmensfremden Absatzmittlern. Diese praxisorientierten Informationen sowie die theoretischen Erkenntnisse der Literaturanalyse bilden die Grundlage des Analyserahmens, aus dem sich auch der Leitfaden des Interviews ableitet.69
67
68 69
Vgl. die Darstellung der Forschungsspirale in Abschnitt 3.1.3. Das zirkuläre Vorgehen im Rahmen der Datenerhebung und -analyse macht an dieser Stelle eine gemeinsame Darstellung des jeweiligen Aufbaus notwendig. Dennoch werden aufgrund der Übersichtlichkeit die Grundlagen, Vorgehensweisen und Methodiken der Datenerhebung und der Datenanalyse in aufeinander folgenden Abschnitten dargestellt. Vgl. die Ausführungen in Kapitel 1 und 2. Vgl. ausführlich zur Funktion und dem Aufbau des Interviewleitfadens im Rahmen der vorliegenden Datenerhebung den folgenden Abschnitt.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
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Literaturanalyse, Vorannahmen
Stufe 1
Gespräche mit Praktikern aus Dienstleistungsbranchen (Mobilfunk-, Versicherungs- und Touristikbranche) Konfliktursachen
Konfliktausprägungen
Konfliktwirkungen
Interorganisationale Beziehungen
Verhaltenswirkungen im Planungsprozess der Integrierten Kommunikation (Streitpunkte)
Ergebniswirkungen auf die Integrierte Kommunikation
Vertikale Machtkonflikte
Konflikte in der Analysephase
Vertikale Ziel-/Interessenkonflikte
Konflikte in der Planungsphase
Vertikale Rollenkonflikte
Konflikte in der Umsetzungsphase
Vertikale Informations-/ Kommunikationskonflikte
Konflikte in der Kontrollphase
Desk Research (Mobilfunkbranche)
1
Verständigung über den Themenbereich und Erfassung der Ausgangssituation
2
Konfliktanalyse
Konfliktursachen
Konfliktausprägungen
Konfliktwirkungen
Interorganisationale Beziehungen
Verhaltenswirkungen im Planungsprozess der Integrierten Kommunikation (Streitpunkte)
Ergebniswirkungen auf die Integrierte Kommunikation
Vertikale Machtkonflikte
Konflikte in der Analysephase
Vertikale Ziel-/Interessenkonflikte
Konflikte in der Planungsphase
Vertikale Rollenkonflikte
Konflikte in der Umsetzungsphase
Vertikale Informations-/ Kommunikationskonflikte
Konflikte in der Kontrollphase
Ineffizienz der Kommunikation
Ineffizienz der Kommunikation
Ineffektivität der Kommunikation
Ineffektivität der Kommunikation
Nachfrage nach Ursachen der genannten Konflikte
Nachfrage nach potenziellen Konfliktausprägungen und Problembereichen in den Phasen des Planungsprozesses
Nachfrage nach Wirkungen der genannten Konflikte
Kommunikative Validierung durch Zusammenfassung der Ergebnisse 3
Geschlossene Fragen zur Person und Organisation, potenziellen Interviewpartnern
Interviewleitfaden
Analyserahmen
Datenerhebung
Fall n
Datenanalyse
Vergleich
Stufe 2
Datenerhebung
Fall 1
Datenanalyse
Vergleich Zirkuläres Vorgehen der Datenerhebung und Datenanalyse
Datenerhebung Unternehmen aus Basel, Bern, Zürich und Umgebung Problemzentrierte Einzelinterviews mit n=9 Kommunikations- und Vertriebsverantwortlichen Absatzmittlerunternehmen aus der Umgebung Zürich und Bern Problemzentrierte Einzelinterviews mit n=5 Mitarbeitenden (Oktober bis Dezember 2005)
Datenerhebung
Fall 14
Datenanalyse
Datenanalyse Theoretische Kodierung der Fälle und Entwicklung eines Kategoriensystems: • Offenes und axiales Kodieren • Themenanalyse • Vergleichende Analyse der Fälle (Inter- und Intra-Gruppenvergleiche) • Häufigkeitsanalysen
Schaubild 3-2: Systematischer Aufbau der Datenerhebung und Datenanalyse
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Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Die Durchführung der empirischen Untersuchung auf Basis der PZI setzt bei Interviewern die Anforderung voraus, während des Gesprächs zu verdeutlichen, dass eine gewisse Vertrautheit mit der Thematik, Sachkenntnis bezüglich des Untersuchungsobjektes, d.h. der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten aber auch vertriebsspezifischer Themen, sowie ausreichende Branchenkenntnisse vorhanden sind.70 Neben weiteren Informationen zur Problemstellung, die in die Entwicklung des Interviewleitfadens einfließen, ist es notwendig, Kenntnisse über die Schweizer Mobilfunkbranche zu gewinnen. Das Heranziehen mehrerer Datenquellen hilft in der Regel, zu einer möglichst umfassenden Kenntnis des Untersuchungsgegenstandes zu gelangen (Desk Research). Als Datenquellen dienen in der vorliegenden Arbeit in diesem ersten Schritt Dokumente und Internetquellen, die einen generellen Einblick in die Struktur und Arbeitsweise sowie den Aufbau der Organisationen geben. Darüber hinaus rücken solche Informationen in den Fokus, die Aufschluss über die (integrierte) Kommunikationspolitik, unterschiedliche Positionierungen und Strategien, eingesetzte Kommunikationsinstrumente usw. sowie die Zusammenarbeit von Unternehmen und Absatzmittlern in der Mobilfunkbranche geben.71 Bei der Auswahl der Auskunftspersonen ist zu berücksichtigen, dass es in der vorliegenden Untersuchung um die Durchdringung einer äußerst spezifischen Thematik geht. Den Schwerpunkt bilden die Zusammenarbeit und die Prozesse im Bereich der Integrierten Kommunikation. Einer willkürlich ausgewählten Stichprobe von Personen ist es demnach nicht möglich, sich über den Untersuchungsgegenstand zu äußern und Erkenntnisse hinsichtlich der Thematik zu vermitteln, sondern nur Experten,72 die in die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittler involviert sind. Bei der Informationsgewinnung ist daher die Berücksichtigung unterschiedlicher Meinungen sowie Einstellungen notwen70
71
72
Vgl. Kepper 1994, S. 35. Es ist zu berücksichtigen, dass im Rahmen der qualitativen Vorgehensweise Interviewende neben einer umfassenden Kenntnis des Untersuchungsgegenstandes auch in der Lage sein müssen, das Thema in Fragen und Anreize umzusetzen, um die Befragten zum Erzählen zu bringen. Dies gelingt jedoch nur, wenn Interviewende sich bei wissenschaftlicher Sachkunde ausreichend verständlich machen, vgl. Lamnek 2005, S. 354. Hierbei handelt es sich überwiegend um unternehmensinterne Dokumente und Analysen, die aufgrund der Vertraulichkeit und entsprechender Geheimhaltungsvereinbarungen in der Arbeit nicht detailliert oder als Fallbeispiel darstellbar sind. Zum Expertengespräch vgl. z.B. Flick 1999, S. 109f. Als Experten gelten meist Personen, die auf einem bestimmten Gebiet über ein klares und abrufbares Wissen verfügen und deren Ansichten auf sicheren Behauptungen gründen. Der Befragte ist in diesem Fall weniger als Person, sondern in seiner Funktion als Experte für bestimmte Bereiche interessant und ist dabei nicht als Einzelfall, sondern als Repräsentant einer Gruppe in die Untersuchung einzubeziehen, vgl. Mayer 2006, S. 37, 40.
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dig, um möglichst komplexe und differenzierte Einsichten in den Untersuchungsgegenstand zu erhalten. Das iterativ-zyklische Prozessmodell der Grounded Theory mit dem engen zeitlichen Ineinandergreifen der Datenerhebung und der Datenanalyse bzw. dem angestrebten Erkenntnisgewinn wirkt sich auch auf die Auswahl der Probanden aus. Ein vorab festgelegter Auswahlplan, der auf Basis untersuchungsunspezifischer, beispielsweise methodologischer, Regeln bestimmt wird, erscheint hier wenig hilfreich.73 Vielmehr ist eine bewusste Auswahl aufgrund permanenter Überlegungen vorzunehmen.74 In der Grounded Theory ist für die Auswahl der zu erhebenden und analysierenden Daten und Fälle das Verfahren der theoriegeleiteten Erhebung (Theoretical Sampling) formuliert, das eine Kette aufeinander aufbauender Auswahlentscheidungen entlang des Forschungsprozesses darstellt.75 Während Forschende die Daten parallel erheben, auswerten und analysieren, entscheiden sie darüber, welche Daten als nächstes erhoben werden und wo diese zu finden sind.76 Das Prinzip der Iterativität findet sich daher auf der Ebene der Fallauswahl in der Form wieder, dass im Vorfeld der Untersuchung der Umfang und die Merkmale der Grundgesamtheit nicht bekannt sind. Vielmehr leiten sich im Verlauf des Forschungsprozesses, mit der sich weiter entwickelnden Theorie und dem zunehmenden Verständnis für den Untersuchungsgegenstand, Anhaltspunkte für die gezielte Erhebung der zu untersuchenden Fälle ab.77
73
74
75 76 77
Vgl. Strübing 2004, S. 29. Die Stichprobe hat in der qualitativen Forschung eine andere Funktion als in der quantitativen. Während bei der quantitativen Forschung die statistische Repräsentativität im Vordergrund steht, ist bei der qualitativen Forschung die inhaltliche Repräsentation, d.h. die Relevanz der Untersuchungsobjekte, entscheidend, vgl. Flick 1999, S. 57. Die Auswahl der Probanden orientiert sich daher nicht an den „üblichen“ Kriterien der Stichprobengewinnung oder den üblichen Sampling-Techniken, vgl. zu einer Übersicht möglicher Auswahlverfahren z.B. Bitsch 2001, S. 117ff.; Kromrey 2006, S. 279ff. Die Artikel von Merkens (1997, 2005) liefern verschiedene Hinweise zur Stichprobenkonstruktion bei unterschiedlichen theoretischen Zugängen. Vgl. zur bewussten Auswahl Kromrey 2006, S. 281ff. Vgl. zu einem Überblick über die Bedeutung der verschiedene Verfahren der bewussten Auswahl und der Zufallsauswahl in der Marktforschung z.B. Bausch 1990, S. 70f. Es handelt sich bei dem so genannten theoretischen Sampling um eine methodisch fundierte Variante der bewussten Auswahl, vgl. Kromrey 2006, S. 281. Vgl. Glaser/Strauss 2005, S. 53. Dabei werden die Selektionskriterien im Verlauf des Forschungsprozesses zunehmend spezifischer und eindeutiger, vgl. Eckert 2004, S. 696f.; Strübing 2004, S. 30.
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Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Verbindliche Angaben über die Mindestgröße einer Gesamtstichprobe der Konfliktanalyse im Rahmen der Integrierten Kommunikation gibt es nicht. Innerhalb des Grounded-Theory-Forschungsprozesses sind die Datenerhebung und -interpretation so lange fortzusetzen, bis keine neuen Daten und Erkenntnisse mehr zu gewinnen sind. Das Kriterium der „theoretischen Sättigung“ beurteilt, wann das Sampling endet und fungiert dabei als pragmatisches Abbruchkriterium für den Forschungsprozess, da die angestrebte Präzision von der Fragestellung und dem jeweils vertretbaren Forschungsaufwand abhängig gemacht wird.78 Mit Sättigung ist der Punkt gemeint, der erreicht ist, wenn die Auswertung eines weiteren Sachverhaltes oder die Analyse eines zusätzlichen Falls keine neuen Eigenschaften der Kategorien hervorbringt und auch zu keiner Verfeinerung des Wissens bzw. einem nachhaltigen Erkenntnisfortschritten mehr beiträgt. Sobald Forschende feststellen, dass sich die Beispiele wiederholen, ist demnach von einer Sättigung der Kategorie auszugehen. Wie aus Schaubild 3-2 hervorgeht, ist es daher im Rahmen der vorliegenden Untersuchung in einer zweiten Stufe der Datenerhebung und -analyse das Ziel, ausreichend Experten zu befragen, um das breite und komplexe Spektrum der Problemstellung abzudecken und genügend Aspekte und Vergleichsgruppen für das Aufzeigen von Ähnlichkeiten und Unterschieden zu erhalten. Experten sind in entsprechenden Gruppen ausfindig zu machen. Dazu ist spezifisches Wissen, beispielsweise die Kenntnis der Organisationsstrukturen, Kompetenzverteilungen, Prozesse usw., notwendig, das im Laufe des Forschungsprozesses zunimmt.79 Zunächst erscheint es sinnvoll, als Experten leitende Kommunikationsund Vertriebsverantwortliche in Unternehmen der Schweizer Mobilfunkbranche auszuwählen. Dabei ist anzustreben, die in der Hierarchie höher angesiedelten Entscheidungsträger auf Unternehmensseite zu befragen, da diese für die Kommunikations- und Vertriebsfunktionen verantwortlich sind und damit einen umfassenden Überblick haben.80 Bereits zu Beginn der Datenerhebung wird jedoch deutlich, dass eine alleinige Betrachtung der Unternehmensperspektive die angestrebte Durchdringung des komplexen Themas der Defizitentstehung nicht ermöglicht. Vielmehr ist insbesondere die Absatzmittlerperspektive der Konfliktwahrnehmung und der Einschätzung potenzieller Ursachen und Wirkungen durch die Befragung geeigneter Experten einzubeziehen.81 78 79 80 81
Vgl. Glaser/Strauss 2005, S. 61, 69. Vgl. Mayer 2006, S. 41. Vgl. zu einem ähnlichen Vorgehen z.B. Kirchner 2001, S. 227; Stumpf 2005, S. 97f. Dabei ist jedoch in Kauf zu nehmen, dass eine Einschätzung der Wirkungen der Konflikte für die Integrierte Kommunikation des Unternehmens durch den Absatzmittler nur indirekt vorzunehmen ist.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
131
Erste Gespräche mit Experten und eine im Forschungsprozess fortschreitende Vertrautheit mit der Branche und deren Organisationen machen zudem deutlich, dass eine alleinige Unterscheidung hinsichtlich der Unternehmens- und Absatzmittlerperspektive nicht ausreichend ist. Vielmehr ist zu bemerken, dass sich durch die Gestaltung der Aufbau- und Ablauforganisationen sowie die Art der Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite in der Schweizer Mobilfunkbranche Konsequenzen ergeben, die insbesondere bei Identifikation weiterer Gesprächspartner zu berücksichtigen sind (vgl. Schaubild 3-3).
Management mehrheitlich strategische Verhandlungen
Sales Management Unternehmen/ Key Accounter
Verhandlungen zwischen U und AM
Zentrale Absatzmittler
Außendienst/ Merchandiser Unternehmen
Unterstützende Abteilungen, z.B. Werbemittel
Informiert, Rückfragen
Kontrolliert und berät, keine Weisungs- oder Entscheidungskompetenzen n alie teri -Ma s o se ,P nis teln f ug mit sbe n rbe g e n e W u eis tenz ach e W mpe en rag kein gsko , t chf r n a po N idu Sup tsche n nd, at e der E r e o B
Gibt Anweisungen, hat Weisungsbefugnis
Berichtet an Zentrale
Gibt Anweisungen, hat Weisungsbefugnis
Berichtet an Zentrale
Gibt Anweisungen
KAM, Sales mehrheitlich operative Verhandlungen
Regional-/Filialleiter/ Verkäufer Absatzmittler
Nachfrage nach Werbemitteln, Anzeigengestaltung
(U = Unternehmen, AM = Absatzmittler, KAM = Key Account Management)
Schaubild 3-3: Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie Konsequenzen für die Auswahl der Probanden Es ist festzustellen, dass die überwiegenden Verhandlungen der Zusammenarbeit und damit auch die potenziellen Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern primär auf der Ebene des Managements stattfinden. Die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und ihren Absatzmittlern erfolgt insbesondere über
132
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
die jeweiligen Vertreter in den Zentralen, d.h. zwischen Management der Vertriebsabteilung (bzw. die Kommunikationsleiter sowie Key Account Manager) auf Unternehmensseite und Vertretern der Managementebene auf Absatzmittlerseite. Einzelne Mitarbeitende in den Filialen der Absatzmittler sind daher kaum in engere und konfliktäre Verhandlungen involviert. Vielmehr erhalten diese von ihren Zentralen die auf Basis der Verhandlungen festgelegten Vorgaben und Weisungen, die sie am PoS und im täglichen Kundenkontakt umzusetzen haben. Die Weisungen an die Mitarbeitenden erfolgen dabei in der Regel gebündelt über den Regional- oder Verkaufsleiter der jeweiligen Absatzmittlerorganisation. Auf die Umsetzung dieser Anweisungen innerhalb der Absatzmittlerorganisation haben Unternehmensvertreter keinen Einfluss. Einen wichtigen Ansprechpartner für die Mitarbeitenden der Absatzmittlerfilialen stellen der Außendienst oder so genannte Merchandising-Teams eines Unternehmens dar. Ebenso stehen unterstützende Unternehmensabteilungen, beispielsweise die Werbemittelproduktion, in Kontakt mit – je nach Größe und Organisationsaufbau – den Zentralen oder den einzelnen Filialen auf Absatzmittlerseite, um diese beispielsweise bei der Erstellung der Kommunikationsmaterialien beratend zu unterstützen. In diesen verschiedenen Fällen der Zusammenarbeit ist es möglich, dass sich potenzielle Konflikte zwischen den Parteien entzünden. Auf den jeweiligen Seiten bestehen jedoch keine (oder nur geringe) Weisungs- und Entscheidungsbefugnisse, so dass diese in den meisten Fällen und insbesondere im Konfliktfall an die jeweiligen Zentralen bzw. das Management zu berichten haben. Die Überlegungen verdeutlichen, dass eine Ausweitung der Befragung auf weitere Hierarchieebenen notwendig ist, um das komplexe Thema umfassend in seinen Facetten zu erfassen. Daher erscheint eine Unterteilung zwischen strategischer und operativer Ebene sowohl auf Unternehmens- als auch auf Absatzmittlerseite geeignet. Während der Datenerhebung wird angestrebt, möglichst viele relevante Aspekte und Erkenntnisse auf den unterschiedlichen Ebenen zu ermitteln.82 Da sich im Verlauf der Befragung bereits nach einigen Interviews breite Übereinstimmungen ergeben, erscheint die Anzahl der Gespräche bei insgesamt 14 Vertretern von Unternehmens- und Absatzmittlerseite ausreichend. Diese finden sich in unterschiedlichen Hierarchieebenen und Funktionsbereichen (Kommunikations- und Vertriebsleiter, Mitarbeitende der Kommunikationsabtei82
Die jeweilige Unternehmens- bzw. Absatzmittlerzugehörigkeit spielt in der vorliegenden Untersuchung bei der Auswahl der Probanden keine Rolle, da diese nicht als Vertreter eines bestimmten Unternehmens bzw. eines bestimmten Absatzmittlers betrachtet werden, sondern als Experten, die eine entsprechende Funktion in einer der betrachteten Organisationen inne haben. Dennoch wurde darauf geachtet, auf Unternehmensseite alle und auf Absatzmittlerseite die bedeutenden „Player“ der Schweizer Mobilfunkbranche bei der Datenerhebung zu berücksichtigen.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
133
lung, Key Account Management, Regional- und Verkaufsleiter der Absatzmittler sowie Außendienst- und Merchandisingmitarbeitende des Unternehmens). Schaubild 3-4 zeigt die Anzahl der Befragten der jeweiligen Organisationen bzw. Ebenen (strategische und operative Ebene). Unternehmen
Absatzmittler
Summe
Strategische Ebene
5
3
8
Operative Ebene
4
2
6
Summe
9
5
14
Schaubild 3-4: Verteilung der Probanden in den jeweiligen Ebenen bzw. Organisationen Die Auswahl der Fälle orientiert sich neben der beschriebenen inhaltlichen Relevanz an einer möglichst gleichmäßigen Besetzung der im Schaubild 3-4 dargestellten Zellen. Dabei sind mit der Ökonomie und der Vollständigkeit zwei sich widersprechende Kriterien zu berücksichtigen: Je größer die Anzahl der zu berücksichtigenden Kriterien, desto größer ist die Anzahl der Zellen. Daher ist auf eine weitere Ausdifferenzierung der Kriterien, beispielsweise durch die Formulierung einer „mittleren“ Ebene oder die Einteilung in verschiedene Absatzmittlertypen, zu verzichten. Anzustreben ist zudem eine mehrfache Belegung jeder Zelle, um eine gegenseitige Absicherung bzw. die Berücksichtigung unterschiedlicher Perspektiven zu gewährleisten.83 Die Datenerhebung selbst fand in einem Zeitraum von Oktober bis Dezember 2005 statt. Alle Kontakte zu den verschiedenen Experten wurden im Verlauf der Untersuchung aufgebaut. Aus den jeweiligen Erstkontakten auf Unternehmensseite rekrutierten sich schließlich weitere Gesprächspartner auf unterschiedlichen Ebenen der Absatzmittler- und Unternehmensseite.84 Die Gespräche fanden jeweils in den Unternehmensräumen der Befragten statt und dauerten in der Regel 90 Minuten. In Absprache mit den Auskunftspersonen wurden die vollständigen 83 84
Vgl. Mayer 2006, S. 39. Die Auswahl der Befragten und der Umfang der Stichprobe werden in der Praxis häufig durch die Zugänglichkeit gesteuert, vgl. Hellferich 2005, S. 155ff. Es existieren verschiedene Zugangswege, die beide im Rahmen der vorliegenden Untersuchung genutzt werden. Beim Türwächterprinzip übernehmen eine oder mehrere Schlüsselpersonen im Unternehmen die Ansprache potenzieller Interviewpartner. Beim so genannten Schneeballsystem werden Personen gefragt, ob sie Personen kennen, die bestimmte Kriterien für die Interviewteilnahme erfüllen.
134
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Gespräche mit einem Mini-Disc-Rekorder aufgezeichnet, um eine lückenlose Auswertung der Informationen zu gewährleisten.85 In der vorliegenden Untersuchung ist bei der Gesamtstichprobe von n = 14 Probanden eine maximale Informationsausbeute und damit die theoretische Sättigung erreicht, da sich bereits nach einigen Interviews die meisten Aussagen wiederholen und nur noch wenige neue Informationen zu gewinnen sind.86 Die Stichprobengröße ist darüber hinaus sehr stark von externen Rahmenbedingungen, beispielsweise der Kooperationsbereitschaft der potenziellen Gesprächspartner auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite abhängig. Zur Beurteilung der vorliegenden Stichprobengröße ist daher auf Rahmendaten vergleichbarer qualitativer Studien zu verweisen. In der Sozialwissenschaft wird beispielsweise von einer durchschnittlichen Stichprobengröße einer qualitativen Studie von 20 bis 60 Interviews ausgegangen.87 Vor diesem Hintergrund ist zwar auf den Anspruch der Repräsentativität der Stichprobe zu verzichten, jedoch liefern die Experteninterviews zahlreiche vertiefende Informationen für die untersuchte Branche und die konkrete Problemstellung.88 Es ist zudem zu betonen, dass die Repräsentativität zur Erkenntnisgewinnung bei dem vorliegenden Forschungsthema nicht gefordert und keine Zielsetzung für die Auswahl der Untersuchungseinheiten war.89 In Anbetracht des geringen Erkenntnisstandes der vorliegenden Problemstellung dient die empirische Untersuchung vielmehr der Ermittlung von Aspekten, die die Defizite und Konflikte, deren Wirkungen und Ursachen zwi85
86
87
88
89
Die Aufzeichnung weitgehend offener Interviews entspricht dem üblichen Vorgehen in den Sozialwissenschaften, vgl. Flick 1999, S. 58. Zwei der Auskunftspersonen gaben keine Einwilligung zur digitalen Aufzeichnung des Gesprächs, in diesen Fällen wurde direkt im Anschluss an das Gespräch ein Gedächtnisprotokoll erstellt. Zur Erstellung von Gedächtnisprotokollen vgl. z.B. Gläser/Laudel 2004, S. 187. Ähnlich stellt beispielsweise auch Stumpf (2005, S. 100, 148) bei einer empirischen Untersuchung zu Erfolgsfaktoren der Integrierten Kommunikation fest, dass bereits bei n = 16 befragten Kommunikationsverantwortlichen eine vollständige Auslastung des Kategoriensystems vorliegt. Vgl. Kuckartz 1999, S. 76. Flick (1999, S. 79) weist darauf hin, dass in vielen Fällen eine überschaubare Fallzahl, d.h. 20 bis 30, nicht zu überschreiten ist, da schnell ökonomische Beschränkungen eintreten und neben den Ressourcen auch immer das Ziel der Untersuchung zu berücksichtigen ist. Eine Betrachtung der im Rahmen der Untersuchung auf den unterschiedlichen Ebenen befragten Personen macht jedoch deutlich, dass es beispielsweise auf der obersten Hierarchieebene der Kommunikations- und Vertriebsleiter in Schweizer Mobilfunkunternehmen möglich ist, nahezu von einer „Vollerhebung“ zu sprechen. Auf dieser Ebene wurden fast alle Mitarbeitenden auf Unternehmensseite interviewt, die einen umfassenden Einblick in das engere Problemfeld haben. Vgl. zu den Gütekriterien der empirischen Untersuchung Abschnitt 3.2.3.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
135
schen Unternehmen und Absatzmittlern analysieren und dadurch Ansatzpunkte für die Konzeption und den Einsatz geeigneter Koordinationsmechanismen geben.
3.2.1.3 Methodik der Datenerhebung Die Datenerhebung basiert methodisch auf den darstellten Vorgaben des Forschungsansatzes und orientiert sich an den Gestaltungsprinzipien des PZI. Auf Grundlage der theoretischen Erkenntnisse wurde für die vorliegende Untersuchung ein Interviewleitfaden erarbeitet, der während der Gespräche als „Gedächtnisstütze und Orientierungsrahmen“90 zur Sicherung der Vergleichbarkeit der Interviews dient und darüber hinaus Frageideen zu den einzelnen Themenbereichen bzw. Konfliktebenen enthält.91 Der Leitfaden orientiert sich weitgehend an der Struktur und den Inhalten des Analyserahmens der Defizitentstehung. Insgesamt umfasst dieser drei Sequenzen, die in Schaubild 3-5 dargestellt sind. 1
Verständigung über den Themenbereich und Erfassung der Ausgangssituation
2
Konfliktanalyse
Konfliktursachen
Konfliktausprägungen
Konfliktwirkungen
Interorganisationale Beziehungen
Verhaltenswirkungen im Planungsprozess der IK (Streitpunkte)
Ergebniswirkungen auf die Integrierte Kommunikation
Vertikale Machtkonflikte
Konflikte in der Analysephase
Vertikale Ziel-/Interessenkonflikte
Konflikte in der Planungsphase
Vertikale Rollenkonflikte
Konflikte in der Umsetzungsphase
Ineffizienz der Kommunikation
Ineffektivität der Kommunikation
Vertikale Informations-/ Kommunikationskonflikte
Kausale Zusammenhänge
Nachfrage nach Ursachen der genannten Konflikte
Konflikte in der Kontrollphase
Nachfrage nach potenziellen Konfliktausprägungen und Problembereichen in den Phasen des Planungsprozesses
Nachfrage nach Wirkungen der genannten Konflikte
Kommunikative Validierung durch Zusammenfassung der Ergebnisse
3
Geschlossene Fragen zur Person und Organisation sowie potenziellen Interviewpartnern
Schaubild 3-5: Aufbau des Interviewleitfadens 90 91
Witzel 1982, S. 90, 2000, Abschnitt [9]. Vgl. zur Leitfadenentwicklung z.B. Mayer 2006, S. 42ff.
136
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Vor dem Hintergrund der aufgezeigten kompakten Struktur des Leitfadens92 ist zu betonen, dass dieser den Kommunikationsprozess lediglich als eine Art „Hintergrundfolie“ begleitet und die Kontrolle unterstützt, inwieweit die einzelnen Elemente des Analyserahmens bereits angesprochen wurden.93 Der Leitfaden dient als „Gerüst“, das sicherstellt, dass eventuelle Nachfragen eine Struktur erhalten und wesentliche Aspekte der Forschungsfrage nicht im Interview übersehen werden. Oberstes Ziel der Gesprächsführung ist es, die Befragten weitgehend frei erzählen zu lassen und die Expertenmeinung aufzunehmen.94 Interviewende haben in dieser Situation Zurückhaltung und Interesse zu demonstrieren, ohne dadurch die Befragten zu beeinflussen.95 Die Erzählungen sind lediglich an einzelnen Stellen des Interviews durch geeignete Kommunikationsstrategien zu unterbrechen, um den Erkenntnisfortschritt zu optimieren.96 Der Interviewleitfaden und die Gesprächsführung97 sind je nach Blickwinkel des jeweiligen Gesprächspartners und der Situation leicht modifiziert, folgen jedoch in allen Fällen dem folgenden Raster: In Teil 1 des Interviews steht die gegenseitige Verständigung der Gesprächspartner über den Themenbereich der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten im Vordergrund. Bei der Vorstellung des zu behandelnden Themenbereichs ist darauf zu achten, Begriffe wie „Konflikt“ oder „Streitpunkte“ zu vermeiden, um die Befragten nicht bereits im Vorfeld zu beeinflussen und das Thema negativ darzustellen. Vielmehr ist als zentrales Gesprächsthema die Zusammenarbeit zwischen kommunikationstreibenden Unternehmen und deren selbstständigen Absatzmittlern im Rahmen der Kommunikation und mögliche daraus
92 93 94
95 96
97
Vgl. zur ausführlichen Darstellung des Interviewleitfadens Anhang, S. 323ff.. Vgl. Witzel 2000, Abschnitt [9]. Die Experten strukturieren den Gesprächsverlauf und dessen Inhalte weitgehend selbst. Das Leitfadeninterview orientiert sich damit an der Forderung nach der Offenheit qualitativer Forschung. Daher sollten Interviewer sich nicht zu starr an den Leitfaden halten und im falschen Moment die Ausführungen unterbrechen. Jedoch sind allzu weite themenferne Ausschweifungen zu verhindern, da die Interviewzeit zu sehr ausgeweitet wird, vgl. Mayer 2006, S. 36f. Vgl. Lamnek 2005, S. 354. Vgl. allgemein zu den Kommunikationsstrategien im Rahmen der Gesprächsführung Abschnitt 3.2.1.1. Die Interviewendenrolle orientiert sich dabei nicht eng an Informationsblöcken, sondern entspricht vielmehr der Rolle eines empathisch zuhörenden Gesprächspartners, der durch richtig platzierte Anmerkungen das Gespräch auf die relevanten Themen lenkt, vgl. auch Michalski 2002, S. 94. Vgl. zu praktischen Hinweisen der Gesprächsdurchführung qualitativer Interviews z.B. Froschauer/Lueger 2003, S. 51ff.; Mayer 2006, S. 45ff.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
137
entstehende „Problembereiche und Herausforderungen“ vorzustellen.98 Zur Erfassung der Ausgangssituation sind die Auskunftspersonen zudem aufzufordern, über ihren Verantwortungs- bzw. Aufgabenbereich innerhalb der jeweiligen Organisation zu berichten. Dies dient zum einen dazu, dass die Experten „sich warm reden“, zum anderen ist es dadurch möglich, das kommunikationsund vertriebsspezifische Vokabular aufzunehmen und Vorstellungen über die Abläufe und Strukturen innerhalb der Organisation zu entwickeln.99 Darüber hinaus ermöglichen die Erzählungen eine Einschätzung, in welche Entscheidungen die jeweiligen Experten involviert sind, welche Kontakte bestehen und in welcher Intensität bzw. in welchen Bereichen eine Zusammenarbeit mit der jeweils anderen Organisation erfolgt. Dies liefert Rückschlüsse für mögliche Problembereiche und erleichtert das spätere gezielte Nachfragen zur Identifikation derselben. Sofern die Experten dazu bereit sind und auch die notwendige Kompetenz zur Beantwortung der Fragen aufweisen, findet die Verständigung darüber statt, mit welchen verschiedenen Vertriebspartnern bzw. Unternehmen die Zusammenarbeit erfolgt und welchen Anteil die jeweiligen Vertriebspartner am Vertrieb des Unternehmens bzw. am jeweiligen Umsatz haben. Diese Fragen machen es möglich, Schlussfolgerungen hinsichtlich der jeweiligen Machtpositionen der Organisationen zu ziehen und diese in das Hintergrundwissen bzw. die Nachfragen einfließen zu lassen. 98
99
Problematisch ist bei dieser Problemstellung und der durch das persönliche Interview nicht vollkommen anonymen Form der Befragung, dass die meisten der Befragten nur sehr ungerne über Konflikte oder Probleme in ihrer Arbeit sprechen, da dies eventuell ein negatives Licht auf ihre eigene Kompetenz, Arbeit und Qualifikation wirft. Zur Vermeidung derartiger Verzerrungen wurde versucht, innerhalb des Gesprächs sehr sensibel mit dem gesamten Thema und bezeichnenden Begriffen, wie beispielsweise „Konflikt“, umzugehen. Um im Falle eines derart verlaufenen Gesprächs dennoch möglichst viele Informationen zur Problemstellung zu erhalten, erschien die Lösung geeignet, die Erzählungen der Probanden über die Gestaltung einer sehr positiven Zusammenarbeit quasi im Umkehrschluss in die Ergebnisse einfließen zu lassen. Ziel war es, für eventuelle Nachfragen und zum besseren Verständnis das vertriebsund kommunikationsspezifische Vokabular zu identifizieren. Es wurde vermieden, kommunikationsspezifische Bereiche in einer zu wissenschaftlichen und theoretischen Sprache zu beschreiben. Vielmehr wurde während des Gesprächs eine Verwendung der Begriffe des jeweiligen Gesprächspartners angestrebt. Beispielsweise werden von vielen Befragten Kommunikationsmaßnahmen mit Werbemaßnahmen gleichgesetzt. Insbesondere bei den Experten aus dem Vertriebsbereich war diese Phase sehr wichtig, um das Verständnis der Experten für den Themenbereich der Integrierten Kommunikation zu identifizieren. Bei den Kommunikationsspezialisten erfolgte eine gegenseitige Verständigung hinsichtlich des Begriffes „Integrierte Kommunikation“.
138
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
In Teil 2 folgt mit der Konfliktanalyse die Hauptphase100 des Interviews, die mit der Bitte an die Experten eingeleitet wird, über die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern insbesondere im Bereich der Kommunikation sowie mögliche Problembereiche im Detail zu erzählen. Ziel in dieser Phase ist es, den Erzählfluss des Probanden durch geeignete erzählungs- und verständnisgenerierende Kommunikationsstrategien derart zu steuern, dass möglichst viele Problem-, Ursachen- und Wirkungsbereiche angesprochen werden.101 Durch gezieltes Nachfragen ist, sofern dies der Tätigkeitsbereich und damit die Kompetenz der Experten zulassen, der gesamte Planungsprozess der Kommunikation zu beleuchten. Dabei ist jedoch darauf zu achten, den Probanden keine Systematisierung gemäß der einzelnen beschriebenen Phasen des Planungsprozesses „aufzuzwängen“. Ebenso sind auch hier negative Ausdrücke wie z.B. „Konflikt“ im Rahmen des Gesprächs zu vermeiden und erst dann in das Gesprächsvokabular einzubauen, wenn Probanden derartige Ausdrücke selbst verwenden. Berichten die Experten über Probleme bzw. Konfliktausprägungen, so ist im Anschluss an die Erzählung nach den möglichen Gründen zu fragen, um Hinweise für potenzielle Konfliktursachen zu erhalten („Was denken Sie, ist der Grund für [Problem]?“ bzw. „Woran liegt das?“). Durch entsprechende Rückfragen und klärende Verständnisfragen ist es möglich, den Ursachenbereich derart zu vertiefen, bis keine weiteren Gründe durch den Experten angegeben werden. Nach der Nennung verschiedener Konfliktausprägungen und deren -ursachen erfolgt an verschiedenen Punkten des Interviews die Nachfrage nach den Konsequenzen bzw. den Wirkungen der aufgezählten Konflikte für die Integrierte Kommunikation des Unternehmens (Prüfung der kausalen Zusammenhänge). Als problematisch in diesem Fragebereich ist zu erachten, dass einige der Experten, vor allem auf Absatzmittlerseite, zu dieser Frage nur eingeschränkt Auskunft geben können. Die einzelnen Problembereiche und als zentral identifizierten Erkenntnisse (genannte Konfliktausprägungen, -ursachen und -wirkungen) sind an verschiedenen Stellen des Interviews, die quasi einen Absatz markieren und den „roten Faden“ bzw. den Redefluss des Experten nicht unterbrechen, im Sinne der Technik der Zurückspiegelung in Kurzform zu wiederholen. Diese Vorgehensweise dient der 100 Im Rahmen der vorliegenden Datenerhebung fallen Haupterzähl- und Nachfragepha-
se zusammen bzw. sind durch ein fortwährendes Wechselspiel gekennzeichnet. 101 Im Sinne des iterativen Vorgehens der Datenerhebung und -analyse der Grounded
Theory erweitert sich das Wissen von Interviewenden dabei fortlaufend. Dies fand in der vorliegenden Arbeit insbesondere in den erzählungs- und verständnisgenerierenden Kommunikationsstrategien Berücksichtigung.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
139
kommunikativen Validierung, da sie die Möglichkeit bietet, die genannten Punkte exakt zusammenzufassen und bei Widersprüchlichkeiten oder Unklarheiten der Erzählung nachzufragen bzw. für die Experten dazu dient, ihre Aussagen zu bestätigen oder zu korrigieren. Es ist festzustellen, dass die Weiterentwicklung der Thematik – ganz im Sinne der Grounded Theory – es ermöglicht, in nachfolgenden Gesprächen durch das erweiterte Wissen auch Aspekte aufzunehmen, die zu Beginn der Datenerhebung noch nicht enthalten sind.102 Die Beendigung der Konfliktanalyse erfolgt, wenn von den Experten keine neuen Aspekte hinsichtlich der Kausalkette Ursachen – Ausprägungen – Wirkungen genannt werden. Zudem sind mit der Frage nach der Einschätzung der Konfliktwahrnehmung durch die jeweils andere Partei Hinweise für ein offenes, manifestiertes Konfliktverhalten zu gewinnen. Abschließend werden die Experten in diesem Teil darüber befragt, welche Verbesserungen sie sich in der Zusammenarbeit wünschen. Ziel ist die Beschreibung eines Idealbildes und die Gewichtung zentraler Aspekte der Zusammenarbeit, anhand derer durch eine gegenteilige Interpretation weitere Informationen zur Konfliktanalyse gewonnen bzw. bereits genannte Punkte nochmals validiert werden. In Teil 3 des Interviews werden an den Experten geschlossene Fragen zur Branche, der jeweiligen Organisation sowie der Position und Dauer der Organisationszugehörigkeit gerichtet. Darüber hinaus bietet es sich am Ende des durchgeführten Interviews an, nach weiteren Kontakten zu potenziellen Interviewpartnern zu fragen.
3.2.2
Datenanalyse der empirischen Untersuchung
3.2.2.1 Grundlagen der Datenanalyse Durch die qualitative Datenerhebung, die in den vorangegangen Abschnitten dargestellt wurde, entstehen auszuwertende Rohdaten, die in Form von Gesprächen bzw. Texten vorliegen.103 Die Interpretation dieser Daten und die systematische Bearbeitung des Materials vor dem Hintergrund der formulierten Forschungsfra102 Beispielsweise ist es im Rahmen der vorliegenden Untersuchung möglich, dass Aus-
sagen der Vertreter auf Unternehmensseite bzw. der Absatzmittlerseite zu spezifischen Konflikten, deren Ursachen und Wirkungen in die folgenden Interviews mit Absatzmittlern bzw. Unternehmensvertretern einfließen und deren spezielle Sichtweise zu den genannten Punkten abgefragt werden. 103 Vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 41. Bei den Texten handelt es sich beispielsweise um gesammelte Dokumente, Interviewprotokolle oder vollständig transkribierte Texte.
140
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
gen ist die Aufgabe der Datenanalyse.104 Generell stehen im Rahmen der qualitativen Datenanalyse verschiedene Auswertungsmethoden zur Verfügung. Diese werden in der Literatur jedoch meist ohne Systematisierung und unabhängig voneinander dargestellt, da viele der häufig sehr speziellen Verfahren entwickelt wurden, ohne sie mit bereits bestehenden Methoden in Beziehung zu setzen.105 Gläser und Laudel ordnen verschiedene Methoden daher nach forschungspraktischen Aspekten und unterscheiden dabei die freie Interpretation, sequenzanalytische Methoden, qualitative Inhaltsanalyse und Kodieren (vgl. Schaubild 3-6).106
Erklärung
Interpretation
Interpretation
Interpretation
Interpretation
Sequenzanalyse
Analyse
Analyse
? Kodes
1 11 101 111 112
hdfoiuhpj viosjdpsp vpsvpio
iuhpjviosj dpspvpsv piolf
sdojid ihj ldllcllcsd
sdojid ihj ilaüawüs
sdofhoas sdojid ihj ldllcllcsd
Extraktionsergebnisse
113
? Text
Freie Interpretation
sdofhoas
Kodierter Text
Sequenzanalytische Methoden
Kodieren
?
?
Suchraster Text
Qualitative Inhaltsanalyse
Text
Erhebungsmethoden
Schaubild 3-6: Klassifizierung von Auswertungsmethoden (Gläser/Laudel 2004, S. 42) 104 Die Interpretation von Daten ist nach Strauss (1998, S. 26ff.) der Kern des em-
pirischen Vorgehens. Sie dient der Theorieentwicklung, ist aber auch Basis für die Entscheidung, welche Daten zusätzlich zu erheben sind, vgl. Flick 2002, S. 257. 105 Vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 41f. Für einen Überblick zu einer Reihe von Auswertungstechniken zur Analyse qualitativer Interviews und der Textinterpretation vgl. z.B. Witzel 1982, S. 53ff.; Flick 1999, S. 232ff., 2002, S. 308ff.; Mayring 2002, S. 103ff., 2003, S. 56ff.; Lamnek 2005, S. 199ff. 106 Vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 42.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
141
Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung liefern insbesondere das Kodieren sowie die qualitative Inhaltanalyse als geeignete Auswertungsmethoden wichtige Anhaltspunkte. Die vorliegende Arbeit orientiert sich zunächst auch im Rahmen der Datenanalyse an dem offenen, induktiven und eng am Datenmaterial operierenden Stil der Grounded Theory, die als eine der wichtigsten interpretativen Methoden gilt107 und in deren Zentrum das Kodieren der empirischen Daten als eigenständiger Prozess der Datenanalyse steht.108 Das Verfahren weist jedoch Schwächen auf, die eine entsprechende Modifikation notwendig machen. Im Rahmen des Kodierens werden so genannte Kodes, d.h. Begriffe oder benannte Konzepte zu bestimmten Phänomenen im Datenmaterial geordnet.109 Häufig werden die Begriffe des Kodes und der Kategorie synonym verwendet. Im vorliegenden Fall sind jedoch Kodes, die sich unmittelbar auf die Daten beziehen, das Ziel der ersten Datenauswertung. Diese sind zunächst nahe am Text zu formulieren, haben immer vorläufigen Charakter und werden im Verlauf der Auswertungen differenzierter, zahlreicher und abstrakter. Differenzierte Konzepte sind dann als Kategorien zu bezeichnen.110 Unter der Kodierung im Rahmen der Grounded Theory ist demnach die Einordnung der empirischen Daten durch die Bildung von Konzepten oder Kategorien und die Zuordnung der Daten (als Indikatoren) zu diesen mit dem Ziel der Kategorisierung zu verstehen.111 Dabei handelt es sich jedoch nicht um eine einfache Ein- oder Zuordnung der Daten unter vorhandene Kategorien, wie dies beispielsweise im Prozess der standardisier-
107 Vgl. Borzt/Döring 1995, S. 304ff.; Mayring 2002, S. 103ff.; Pfeiffer 2003, S. 38f. 108 Vgl. Kuckartz 2005, S. 76. In der Literatur finden sich nach Gläser/Laudel (2004,
S. 43) vermehrt Hinweise, dass das weit verbreitete Verfahren des Kodierens bzw. der Kodierung immer mehr zu einer eigenständigen Auswertungsmethode auch außerhalb der Grounded Theory wird. 109 Ein Kode ist ein technischer Begriff des Auswertungsverfahrens und ist daher als ein analytisches Instrument zur systematischen Auswertung der Daten zu verstehen. Mit der Definition eines Kodes wird quasi eine „Schublade“ aufgemacht, in der sich alle zugehörigen Textstellen befinden, vgl. VERBI 2004, S. 85. 110 Vgl. Böhm 2005, S. 477. Die Kategorisierung meint im Prozess des Kodierens die Zusammenfassung von Begriffen zu Oberbegriffen sowie die Herausarbeitung von Beziehungen zwischen Begriffen und Oberbegriffen bzw. Kategorien und Oberkategorien. Die Formulierung von Kategorien als „Begriffsnetze“ und deren Beziehungen beinhaltet die Entwicklung einer Theorie, vgl. Flick 2002, S. 259. 111 Vgl. Flick 2002, S. 258.
142
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
ten Forschung112 oder im Rahmen der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse der Fall ist.113 Letztere wertet Texte aus, indem diesen nach regelgeleiteten Verfahren Informationen entnommen werden. Mit Hilfe eines Suchrasters ist bei dieser Auswertungsmethode der Text auf relevante Informationen hin zu untersuchen und die entnommenen Informationen sind den Kategorien des Suchrasters zuzuordnen.114 Dies erscheint auf den ersten Blick zweckmäßig für die vorliegende empirische Untersuchung, in der bereits zu Beginn der Untersuchung ein „Analyseraster“ entwickelt wurde. Es ist jedoch an dieser Stelle zu beachten, dass ein wesentlicher und entscheidender Unterschied insbesondere zu der hier angewandten Datenanalyse darin besteht, dass bei der qualitativen Inhaltsanalyse das gesamte Kategoriensystem bereits Ex ante entwickelt wird. Die Auswertungsmethode geht demnach von einem bestehenden theoriegeleitet elaborierten Kategorienschema aus, d.h., das Ordnungsschema und die Merkmale für die im Text enthaltenen Informationen stehen bereits vor der Datenanalyse fest.115 Doch genau diese unterschiedlichen Kategorien, deren Ausprägungen und Eigenschaften sowie Zusammenhangsmodelle sind durch die vorliegende empirische Untersuchung zu identifizieren. Die Kategorien sowie die Ausprägungen des Kategoriensystems sind erst im Verlauf des Kodierprozesses zu bilden und während der Auswertung zu erweitern sowie zu verfeinern. Die wichtigste intellektuelle 112 Mit dem Kodieren im Rahmen der klassisch standardisierten Sozialforschung ist
vielmehr eine eindeutige hoch reliable Zuordnungsvorschrift assoziiert, beispielsweise bei der „Kodierung von Fragebögen“, vgl. Kuckartz 2003, S. 584f. Zum Kodieren, d.h. zur Bildung von Antwortkategorien und der Zuweisung von Symbolen (in der Regel Zahlen) zu den Antwortkategorien vgl. z.B. Böhler 2004, S. 160f. 113 In Deutschland ist insbesondere Mayring ein wichtiger Vertreter, der die qualitative Inhaltsanalyse im Rahmen eines größeren Forschungsprojektes an transkribierten Protokollen offener Interviews erarbeitete und in ihrem Ablauf durch eine detaillierte Beschreibung verfestigte, vgl. Mayring 1983, 1985, 2002. Das Verfahren der qualitativen Inhaltsanalyse enthält ein Ablaufmodell der Analyse von Texten und verschiedene dazugehörige Techniken. Zum allgemeinen Ablauf sowie zu konkreten Verfahrensweisen bzw. Techniken der qualitativen Inhaltsanalyse vgl. ausführlich Mayring 2003, S. 42ff., 53ff., 2004, S. 471ff. 114 Bei der Methode der qualitativen Inhaltsanalyse werden den Ursprungstexten die zu interpretierenden Daten entnommen. Nach Entnahme werden die Informationen unabhängig vom Ursprungstext weiterverarbeitet, beispielsweise umgewandelt und mit anderen Informationen synthetisiert. Dem gegenüber indiziert die Kodierung den Text, um ihn weiterzuverarbeiten, d.h., sie macht Text und Index demnach zum gemeinsamen Gegenstand der Auswertung. Dies bietet den Vorteil, dass es möglich ist, am Ursprungstext zu kontrollieren, ob inhaltliche Entscheidungen im Verlauf der Auswertung gerechtfertigt sind, vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 44, 193ff. 115 Vgl. Pfeiffer 2003, S. 38f.; Gläser/Laudel 2004, S. 44.
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Tätigkeit im gesamten Auswertungsprozess besteht im Vergleichen, d.h. der Suche nach Ähnlichkeiten und Unterschieden in den Daten.116 Neben der empirischen Begriffsbildung und der kategorialen Zuordnung ist auf Grundlage des Vergleichens die Entwicklung wesentlicher Merkmale der jeweiligen Kategorie sowie der Konstruktion von Beziehungen zwischen den Kategorien vorzunehmen.117 Mit zunehmender Differenzierung sind daher im Laufe des Forschungsprozesses Muster und Regelmäßigkeiten der Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie deren Ursachen und Wirkungen aufzudecken, um damit die Zusammenhänge der Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu identifizieren. Da Konzepte, Eigenschaften und Zusammenhänge im Forschungsprozess noch zu erarbeiten sind, ist es daher nicht zweckmäßig, das Kodieren als ein Subsumieren qualitativer Daten unter bereits existierende Konzepte zu verstehen, sondern vielmehr als den Prozess der Entwicklung von Konzepten und Kategorien in Auseinandersetzung mit dem empirischen Material.118 Kodieren ist damit eine Tätigkeit, die während des gesamten Forschungsprozesses stattfindet und nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt und in einer bestimmten Phase.119 Als geeignete Auswertungsmethode ist daher im Rahmen der vorliegenden Arbeit die induktive Vorgehensweise der Kategorienbildung im Sinne der Grounded Theory, bei der im Laufe des Forschungsprozesses der kategoriale Bezugsrahmen und die Merkmalsausprägungen aus den Daten selbst generiert werden, zu identifizieren.120 116 Vgl. Böhm 2005, S. 476. 117 Vgl. Eckart 2004, S. 696. 118 Vgl. Strübing 2004, S. 19. Auch Mayring (2004, S. 474) weist bei der kritischen Be-
trachtung der Grenzen der qualitativen Inhaltsanalyse darauf hin, dass offene Verfahren, wie z.B. die Grounded Theory, zweckmäßiger sind, „[…] wenn die Fragestellung sehr offen ist, die Studie stark explorativen Charakter trägt und auch eine induktive Kategorienbildung (durch den Zwang zu einer allgemeinen Kategoriendefinition) zu einschränkend oder theoretisch nicht schlüssig zu begründen wäre.“ Es ist zudem festzustellen, dass auch bei der induktiven Kategorienbildung (vgl. ausführlich Mayring 2003, S. 74ff.), die ein ähnliches Vorgehen wie die Grounded Theory anstrebt, eine Kategorienformulierung nach der Revision von etwa nur 10 bis 50 Prozent des Materials erfolgt. 119 Vgl. Kuckartz 2005, S. 81. 120 Es ist zu erwähnen, dass die Grounded Theory in der Regel zu einer immensen Vermehrung des Text- und Deutungsmaterials führt, so dass der Textkorpus kaum noch sinnvoll bzw. nur sehr schwer zu handhaben ist, vgl. Bortz/Döring 1995, S. 309. Daher wird im vorliegenden Fall die Variante gewählt, die Strauss und Corbin als „Kurzform“ der Grounded Theory beschreiben, vgl. Strauss/Corbin 1996, S. 17.; vgl. zu diesem Vorgehen die Arbeit von Pfeiffer 2003. Im Folgenden werden insbesondere die wesentlichen Schritte der „Kurzform“ beschrieben.
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Die Kritik an der Vorgehensweise der Datenauswertung im Rahmen der Grounded Theory richtet sich jedoch insbesondere auf die möglicherweise ausufernde Kodierung, da die Methode sehr viele Freiheiten lässt.121 Dies scheint vor dem Hintergrund eines systematischen Vorgehens der Identifikation (potenzieller) Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten und der Festlegung des konkreten Koordinationsbedarfs nicht zielführend. Daher erfährt das Verfahren eine Änderung,122 indem in der vorliegenden Untersuchung Vorteile der qualitativen Inhaltsanalyse eingebracht und zunächst deduktiv Strukturierungsdimensionen bzw. „Oberkategorien“ festlegt werden, die als erster Ansatzpunkt für die Kodierung der Daten und die Entwicklung der Kategorien gelten. Diese Dimensionen bauen auf den Elementen des Analyserahmens und dem theoretischen Wissen auf und stellen sicher, dass diese Vorüberlegungen die Kodierung leiten. Die vorangegangenen Definitionen und Überlegungen hinsichtlich der Konfliktursachen, -ausprägungen und -wirkungen dienen als Selektionskriterien bei der ersten Durchsicht des Datenmaterials. Im Sinne des Vorgehens der Grounded Theory sind die Dimensionen jedoch zugleich offen und im Rahmen der Datenauswertung bzw. der Kodierung zu überprüfen, gegebenenfalls zu modifizieren und insbesondere durch die induktive Entwicklung der Konzepte, Kategorien und Ausprägungen aus dem bestehenden Datenmaterial zu erweitern. Um eine systematische Datenanalyse sicherzustellen, orientiert sich die vorliegende Arbeit daher an dem beschriebenen „Mittelweg“ und verbindet somit die regelgeleitete induktive Kategorienbildung, als Technik der qualitativen Inhaltsanalyse, mit dem Kodieren nach der Grounded Theory. Dieses Vorgehen erscheint geeignet, die angestrebten Ziele der empirischen Untersuchung, insbesondere die Anreicherung des vorliegenden Analyserahmens mit den empirischen Daten, die Strukturierung der identifizierten Inhalte und die Darstellung der Zusammenhänge, zu erreichen.
3.2.2.2 Vorgehensweise der Datenanalyse Die nachfolgend beschriebene Vorgehensweise der Datenanalyse innerhalb der Untersuchung erfolgt zusammengefasst in mehreren Schritten. Dabei ist die dar121 Vgl. Kuckartz 2005, S. 84. 122 Strauss (1998 [1987], S. 32), der den Analysestil der Grounded Theory als einen un-
ter vielen möglichen Analysestilen betrachtet, betont, dass es wichtig sei, die Methode immer an die konkrete Fragestellung anzupassen. Entscheidend ist weniger ein bestimmtes Prozedere als vielmehr das Ziel, vgl. Kuckartz 2005, S. 80. Ebenso weist Mayring (2002, S. 474) darauf hin, dass Kombinationen denkbar sind, die in einzelnen Analysedurchgängen offene und inhaltsanalytische Verfahren miteinander verschränken. Entscheidendes Kriterium ist dabei nicht die methodische Machbarkeit, sondern die Angemessenheit der Methode für das Material und die Fragestellung.
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gestellte Abfolge ist nicht als chronologische Vorgabe zu verstehen, sondern versucht vielmehr, die Bestandteile in eine der Logik des Forschungsprozesses folgende Reihenfolge zu bringen. Im Sinne der beschriebenen iterativen, zirkulären Vorgehensweise kommen die nachfolgend dargestellten Arbeitsschritte daher in verschiedenen Abfolgen abwechselnd und wiederholt innerhalb des Forschungsprozesses vor.123 Maßgebliche Technik der Datenaufbereitung ist die Transkription der mit dem Mini Disc-Rekorder aufgenommenen Gespräche als Textdateien. Da es für die Transkription von Interviewprotokollen bisher keine allgemein akzeptierten Regeln gibt,124 erfolgt zu Beginn der Datenaufbereitung die Formulierung eigener Regeln, die auf sämtliche Transkriptionen angewendet werden. So wird auf die Protokollierung von Dialekten bewusst verzichtet und alle Gespräche werden in Schriftdeutsch übertragen. Sämtliche Texte sind in Standardorthografie zu verschriften, nichtverbale Äußerungen, z.B. Lachen, Räuspern usw. oder Besonderheiten bei der Antwort, beispielsweise Verzögerungen, sind nur dann zu transkribieren, wenn sie der Aussage eine andere oder verstärkte Bedeutung geben. Unterbrechungen oder sonstige Rahmenbedingungen des Gesprächs werden nicht vermerkt. Die Transkription der Texte erfolgt in der Regel direkt im Anschluss an die Datenerhebung. Im vorliegenden Fall beträgt der Übertragungsaufwand eines 90-minütigen Interviews im Durchschnitt 10 Stunden.125 Unmittelbar nach der vollständigen Transkription126 ist es darüber hinaus notwendig, die Interviews zu anonymisieren, d.h. alle Informationen derart zu verändern, dass weder am Dateinamen noch am Text erkennbar ist, mit wem das Interview geführt wurde und welche Organisationen, Personen, Marken usw. innerhalb des Gesprächs Erwähnung fanden. 123 Vgl. Kuckartz 2005, S. 81. 124 Dies liegt insbesondere daran, dass die Regeln entscheidend von dem Untersu-
chungsziel abhängen und eine allgemeine Formulierung daher erschweren, vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 188. Vgl. ausführlich zur Transkription von Texten und Transkriptionsregeln Kuckartz 1999, S. 58ff., 2005, S. 40ff., zur Transkription in der Methodenliteratur Flick 2002, S. 85ff.; Mayring 2002, S. 89ff.; Lamnek 2005, S. 403ff. sowie zur Bedeutung der Dokumentation der Transkriptionsregeln für die intersubjektive Nachvollziehbarkeit Steinke 2005, S. 324ff. 125 Für die Transkription der Texte wird in der Literatur ein Verhältnis Interviewzeit : Transkriptionszeit von 1:4 angegebenen, andere Autoren führen für das Verhältnis Erfahrungswerte von 1:6 an, vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 188. 126 Eine Alternative zur vollständigen Transkription der Texte besteht darin, dass Interviewende das Band abhören und die wesentlichen Aussagen zusammenfassen. Dies entspricht jedoch einer methodisch nicht kontrollierbaren Reduktion von Informationen, vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 188.
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Der Datenaufbereitung schließt sich die Kodierung der Daten bzw. die Entwicklung des Kategoriensystems an. Hierzu erfolgt zunächst in einem ersten Materialdurchgang die Zuordnung der einzelnen Strukturierungsdimensionen, die sich aus den Elementen des Analyserahmens ableiten. Die transkribierten Texte werden daher daraufhin gelesen, welche Textstellen den einzelnen Ebenen (Ursache, Ausprägung, Wirkung) bzw. Dimensionen (z.B. Phasen des Planungsprozesses) zuzuordnen sind, um ein systematisches Vorgehen bei der Kodierung sicherzustellen. Dieser Rahmen bleibt jedoch während des gesamten Forschungsprozesses für mögliche Veränderungen und Erweiterungen offen. In weiteren Durchgängen sind die Texte dahingehend zu untersuchen, welche Kodes bzw. Kategorien sich induktiv aus dem Material heraus ergeben. Dabei findet das theoretische Kodieren der Grounded Theory Anwendung. 127 Für den analytischen Forschungsprozess schlägt die Grounded Theory eine Reihe von Verfahren vor, die das Ziel verfolgen, diesen stärker zu systematisieren und die intersubjektive Geltung der Ergebnisse zu verbessern. Daher werden ein mehrstufiger Kodierprozess und ein systematisches Dimensionalisieren der Konzepte vorgeschlagen.128 Innerhalb des Interpretationsvorganges lassen sich im Rahmen des theoretischen Kodierens grundsätzlich mit dem offenen, axialen und selektiven Kodieren verschiedene Verfahren unterscheiden.129 Diese sind jedoch nicht als klar voneinander trennbare Vorgehensweisen oder im Forschungsprozess zeitlich trennbare Phasen zu verstehen. Vielmehr stellen die Verfahren einen unterschiedlichen Umgang mit dem Textmaterial dar, zwischen denen Forschende bei Bedarf hinund herspringen und diese miteinander kombinieren können.130 In einem ersten Auswertungsschritt zielt das offene Kodieren darauf ab, durch ein „Aufbrechen“ des Datenmaterials in kleinere Texteinheiten sukzessive vorläufige Konzepte zu generieren. Diese werden daraufhin hinsichtlich ihrer Beziehungen untersucht und zu übergeordneten Kategorien oder Kernkategorien zusammengefasst.131 Dazu sind identifizierte Phänomene zunächst in Kodes bzw.
127 Das Verfahren des theoretischen Kodierens wurde von Glaser/Strauss 1967 vorge-
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stellt und bei Glaser 1978, Strauss 1991 sowie Strauss/Corbin 1990 weiterentwickelt. Vgl. ausführlich zum theoretischen Kodieren im Rahmen der Textanalyse Flick 2002, S. 257ff.; Böhm 2005, S. 475ff.; Kuckartz 2005, S. 75ff. Vgl. Strübing 2004, S. 18. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wird insbesondere das Verfahren des offenen Kodierens verfolgt, das axiale Kodieren nur ansatzweise. Der Analyseschritt des selektiven Kodierens wird nicht weiter vertieft, da er insbesondere bei der Verdichtung der Daten zu einer umfassenden Theorie benötigt wird. Vgl. Flick 2002, S. 258f. Vgl. Goulding 2001a, S. 26.
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Begriffe zu fassen132 und es ist möglich, den Daten bzw. Textsegmenten teilweise verschiedene Kodes zuzuweisen,133 die sich auf einzelne Worte, Sätze, Abschnitte oder das ganze Dokument beziehen.134 Als Quellen für die Benennung von Kodes oder Oberbegriffen dienen konzeptuelle Kategorien („Conceptual Codes“), die auf theoretischen Konzepten basieren oder so genannte „In-vivo Codes“. Unter diesen sind umgangssprachliche Begrifflichkeiten zu verstehen, die den Aussagen der Akteure entnommen sind.135 Schließlich erfolgt die Gruppierung und Kategorisierung der Liste von Kodes und Konzepten, bei der darauf zu achten ist, dass die vergebenen Kodes den Inhalt der Kategorie treffend wiedergeben und eine Erinnerungsstütze für den Bezug der Kategorie bieten.136 Je nach ihren inhaltlichen Beziehungen sind die Kodes bei der Kategorisierung hierarchisch aufzubauen oder als ein Netz gleichrangiger Begriffe zu konzipieren. Wird im Rahmen der gleichzeitigen Datenerhebung und -auswertung eine neue Textstelle entdeckt, so ist zu prüfen, ob diese unter eine bereits induktiv gebildete Kategorie zu subsumieren oder eine neue Kategorie zu formulieren ist. Durch einen zusätzlichen, bei der hier angewendeten Kurzform des Verfahrens nur in Ansätzen ausgeführten Interpretationsschritt erfolgt die Weiterentwicklung der Kodegruppen bzw. Kategorien.137 Kategorien besitzen Eigenschaften und Merkmale, die theoretisch bedeutsame Aspekte darstellen.138 Neben dem Konzeptualisieren der Daten besteht der Arbeitsschritt des offenen Kodierens daher im Identifizieren und Dimensionalisieren der Eigenschaften der Kategorien.139 Mit dem Dimensionalisieren werden die Phänomene in den Daten als Summe von Merkmalsausprägungen beschrieben, die durch das systematische Vergleichen gewonnen werden.140 Darauf basierend ist es möglich, Typologien für Kategorien zu bilden, indem die Merkmale auf einem Kontinuum abgetragen
132 Vgl. Flick 2002, S. 258; Böhm 2005, S. 477. 133 Anders als beim Kodieren in der quantitativen Forschung ist es möglich, einer Text-
passage auch mehrere Kodes zuzuweisen, vgl. Kuckartz 2005, S. 82. 134 Vgl. Kuckartz 2005, S. 78. 135 Vgl. Böhm 2005, S. 478.; Kuckartz 2005, S. 77. 136 Vgl. Flick 2002, S. 263; 137 Vgl. Strauss/Corbin 1996, S. 17, 50ff. Kuckartz (2005, S. 77) bezeichnet das Di-
mensionalisieren als eine wichtige Tätigkeit bei der Entwicklung von Kategorien. 138 Die Begriffe Merkmal und Subkategorie werden von Strauss (1998, S. 554f.) weit-
gehend synonym verwendet und auch Subkategorien können Merkmale besitzen, vgl. auch Kuckartz 2005, S. 77. 139 Vgl. Kuckartz 2005, S. 78. 140 Vgl. Strübing 2004, S. 26.
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werden.141 Neben den so genannten W-Fragen, die regelmäßig und wiederholt an den Text zu richten sind, bietet beispielsweise auch die so genannte Flip-FlopTechnik, die Vergleiche zwischen den Extrempolen einer Dimension erstellt, hilfreiche Ansatzpunkte.142 Ergebnis des offenen Kodierens ist eine Liste der vergebenen Kodes und Kategorien. Diese enthält zudem Erläuterungen und inhaltliche Definitionen von Kodes und Kategorien, Memos, Auffälligkeiten im Datenmaterial und weitere relevante Gedanken.143 Durch das zirkuläre Vorgehen zwischen Empirie und Theorie sowie Datenerhebung und -interpretation variiert die Tiefe der Kodes und des Kategoriensystems je nach Erkenntnisstand. Zunächst sind im Sinne einer Themenanalyse die Einzelfälle auszuwerten und erst beim axialen Kodieren weitere Fälle hinzuzuziehen. Dieses Vorgehen dient der Verfeinerung und Differenzierung der Kategorien, die durch das offene Kodieren entstanden sind. Mit Hilfe des axialen Kodierens wird die Erarbeitung eines phänomenbezogenen Zusammenhanges angestrebt, d.h., es werden Beziehungen zwischen Konzepten am Datenmaterial erarbeitet und durch kontinuierliche Vergleiche geprüft.144 Während also das offene Kodieren eine Vielzahl unverbundener und ungeordneter Konzepte und Kategorien erarbeitet, zielt das axiale Kodieren auf eine bestimmte Kategorie und die Zusammenhänge.145 Bei der theoretischen Kodierarbeit handelt es sich um einen „ständigen Vergleich zwischen Phänomenen, Fällen und Begriffen“,146 der so genannten „constant comparative method“147 als Leitidee des Kodierprozesses.148 Im Rahmen der 141 Vgl. Kuckartz 2005, S. 78. 142 Vgl. Strauss/Corbin 1996, S. 64ff., 78ff.; Böhm 2005, S. 477. W-Fragen sind bei-
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spielsweise Fragen nach dem angesprochenen Phänomen (Was?), den beteiligten Akteuren und deren Interaktion (Wer?), nach Begründungen (Warum?), nach Taktiken und Strategien zum Erreichen des Zwecks (Womit?) oder nach Absicht und Zweck (Wozu?). Vgl. Flick 2002, S. 265. Im Rahmen der Analyse des Datenmaterials sind Vermutungen und Erkenntnisse in Form von Ergebnisberichten oder kurzen Reflexionsnotizen (so genannten „Memos“) festzuhalten und unmittelbar an weiterem geeigneten Datenmaterial zu überprüfen, vgl. Eckert 2004, S. 696. Für eine sinnvolle Handhabung ist es notwendig, das Deutungsmaterial möglichst übersichtlich zu halten. Auch Strauss/Corbin (1996, S. 17) empfehlen bei der Kurzform vergleichsweise wenige bzw. weniger ausführliche Memos. Vgl. Strübing 2004, S. 20. Vgl. Strübing 2004, S. 21. Flick 1999, S. 197. Strauss/Corbin 1994, S. 273. Vgl. Strübing 2004, S. 18.
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vergleichenden Analyse ist während des Kodiervorganges das kodierte „Vorkommnis“ mit den vorhergehenden Vorkommnissen in seiner Gruppe, d.h., innerhalb des Interviews aber auch mit den anderen Gruppen der gleichen Kategorie zu vergleichen (Intra- und Intergruppenvergleich). Es ist z.B. möglich, alle einzelnen Textstellen zu einem Kode vergleichend zu betrachten oder nach dem gemeinsamen Auftreten von bestimmten Themen und Kategorien im Text zu suchen, wie im vorliegenden Fall nach dem Auftreten von Konflikten, deren Ursachen und Wirkungen.149 Das ständige Vergleichen der zugeordneten Ereignisse und Sequenzen führt zur Generierung bzw. Erweiterung theoretischer Eigenschaften der Kategorie,150 da es erlaubt, Gemeinsamkeiten festzustellen, die zu Merkmalen der Kategorie führen, aber auch Unterschiede zu identifizieren, aus denen sich relevante Unterscheidungen, d.h. Subkategorien entwickeln lassen.151 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erscheint es zweckmäßig, die qualitative Datenanalyse computergestützt durchzuführen. Gängige Qualitative-Data-Analysis-(QDA-)Programme stellen alle Werkzeuge bereit, die für ein systematisches Arbeiten nach dem Stil der Grounded Theory benötigt werden. Vorteile sind insbesondere eine methodisch besser zu kontrollierende Vorgehensweise und eine bessere sowie gleichzeitige Verwaltung der umfangreichen Textmengen. Zudem lassen sich dadurch Analyse und Interpretation in jedem Schritt nachvollziehen und sind gut dokumentierbar.152 Eingesetzt wird die Software MAXqda2, bei der es sich um ein speziell auf die Bedürfnisse der Textanalyse konzipiertes Programm handelt. Die Tätigkeiten der Forschenden werden durch zahlreiche Hilfsfunktionen, beispielsweise die Suche nach Zusammenhängen, das Verlinken von Texten und das einfache und übersichtliche Erstellen elektronischer Memos, unterstützt. Damit ermöglicht der Einsatz der Software eine systematische sowie übersichtliche Kodierung und Interpretation der Daten.153
149 Vgl. Gläser/Laudel 2004, S. 43. 150 Glaser/Strauss 2005, S. 112. 151 Vgl. Strübing 2004, S. 20. 152 Vgl. Kuckartz/Grundenberg/Lauterbach 2004, S. 8. Die Leistungen und Anwen-
dungsfelder der heutigen QDA-Software beschreibt z.B. Kuckartz 2005, S. 13ff., 84f. Zu einer Diskussion der Vor- und Nachteile des Computereinsatzes innerhalb der qualitativen Datenanalyse vgl. z.B. Malhotra/Birks 2003, S. 217f. 153 Vgl. zur computergestützen Textanalyse insbesondere die Arbeiten von Kuckartz 1999, 2004, 2005 sowie Kelle 2005. Detailinformationen zur Software MXqda2 sind zusätzlich im Internet unter der Adresse www.maxqda.de zu finden. Zu einer umfassenden Übersicht 15 verschiedener Softwareprogramme der Textanalyse mit einer Kurzdarstellung des jeweiligen Programms sowie einer vergleichenden Diskussion vgl. die Arbeit von Alexa/Züll o.J., zu einem Überblick vgl. Flick 2002, S. 137ff.
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3.2.2.3 Methodik der Datenanalyse Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung erfolgte der Einsatz verschiedener qualitativer Verfahren der Text- und Themenanalyse mit dem Ziel, die formulierten Forschungsfragen der Identifikation und Entstehung von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu beantworten.154 Innerhalb der qualitativen, computergestützten Datenanalyse wurden mit dem einfachen, selektiven und komplexen Text-Retrieval drei Erscheinungsformen der Textanalyse angewendet. Ergänzend kamen mit der Frequenzanalyse (Häufigkeitsanalyse) und Korrelationen (Ähnlichkeitsmatrix) geeignete quantitative Methoden zum Einsatz.155 Mit dem Text-Retrieval ist es möglich, eine Übersicht aller, einer bestimmten Kategorie oder Subkategorie zugeordneten, Textpassagen zu erstellen, um diese zu analysieren und systematisch miteinander zu vergleichen.156 Resultat des im Rahmen der vorliegenden Datenanalyse eingesetzten einfachen Text-Retrieval ist eine Zusammenstellung aller in den Daten vorhandenen Textsegmente zu einem bestimmten Kodewort. Eine Kodestatistik dokumentiert, wie viele Nennungen dem jeweiligen Kode zugeordnet sind. Zu jedem aufgelisteten Textsegment findet sich die Herkunftsangabe, d.h. Informationen darüber, aus welchem Text die jeweilige Passage entnommen ist; eine Absatznummer dokumentiert die Position im betreffenden Text.157 Die Erweiterung des einfachen Text-Retrieval ist in verschiedene Richtungen möglich. Es lässt sich beispielsweise nicht nur für einen, sondern auch für mehrere Kodes durchführen und es ist möglich, verschiedene Textgruppen zu aktivieren, so dass nur in diesen Texten gesucht wird. Darüber hinaus unterstützen die Programme die Suche nach Überlappungen von Kodes und es ist möglich, 154 Vgl. zu den Forschungsfragen der Untersuchung die Ausführungen in Abschnitt 1.4
sowie die konkretisierten und erweiterten Forschungsfragen in Abschnitt 2.4. 155 Vgl. zur Frequenzanalyse Diekmann 2002, S. 496f.; Kuckartz 1999, S. 85; Mayring
2003, S. 13ff. 156 Nahezu alle auf dem Markt verfügbaren QDA-Softwarepakete unterstützen die Indi-
zierung und den Vergleich von Textpassagen, indem diese Kodierungs- und Retrieval-Funktionen enthalten. Diese ermöglichen eine Zuordnung der Textpassagen zu den Kodes und die Entwicklung von Kategorien sowie die Suche nach Textsegmenten, die demselben Kode oder derselben Kategorie zugeordnet werden (Retrieval). Kuckartz (2005, S. 111) vergleicht dies mit der „elektronischen Variante des Griffs in [einen] Karteikasten [, bei dem] alle zu einer Kategorie gehörenden Karteikarten […] gewissermaßen aus dem Karteikasten herausgezogen und in einer Liste zusammengestellt [werden]. 157 Vgl. Kuckartz 2005, S. 114.
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eine Teilmenge von Texten nach bestimmten Kriterien für das Retrieval auszuwählen.158 Im Rahmen der Datenanalyse der vorliegenden Untersuchung kommen neben dem einfachen auch das selektive und das komplexe Text-Retrieval zum Einsatz. Beim selektiven Retrieval wird anhand von Fallvariablen, die als Filterkriterium für die Auswahl von Textsegmenten für das Retrieval verwendet werden, das Auffinden von Textpassagen eingeschränkt. Aufgabe des komplexen Text-Retrievals ist die Suche nach Mustern in den Daten und die Analyse vermuteter Zusammenhänge. Für die vorliegende Datenanalyse bietet es sich an, nach Mustern im Hinblick auf die Verbindungen von Kodes zu forschen. Insbesondere hinsichtlich der Verbindungen der Konfliktausprägungen, deren Ursachen und Wirkungen und der Abfolge der Kodes können damit hilfreiche Erkenntnisse gewonnen werden. Dabei erweisen sich für die vorliegende Datenanalyse so genannte Überschneidungs- und Entfernungsoperatoren als zweckmäßig.159 Über den Code Matrix Browser (CMB) lassen sich die Häufigkeiten der kodierten Textpassagen bzw. Nennungen visualisieren.160 Diese Visualisierung erweist sich im Auswertungsprozess als hilfreich, da sich auf einen Blick entnehmen lässt, bei welchen Texten bzw. Personen zu welchen Themen und Kategorien viele und wenige Segmente zu finden sind.161 Schaubild 3-7 stellt die Visualisierung der kodierten Segmente im Rahmen der vorliegenden Datenanalyse dar.
158 Vgl. Kuckartz 2005, S. 111. 159 Diese gehen der Frage nach, ob sich bestimmte Kodes überschneiden (Muster hin-
sichtlich der Überschneidung von Kodes) und wie weit diese innerhalb des Gespräches voneinander entfernt sind (Muster hinsichtlich der Nähe von Kodes). Innerhalb des komplexen Text-Retrievals lassen sich darüber hinaus Sequenz-, Einbettungs- und Mengenoperatoren unterscheiden, vgl. Kuckartz 1999, S. 177ff., 2005, S. 167ff. 160 Innerhalb der einzelnen Zellen des CMB deuten Knoten durch ihre Größe und Farbe auf die relative Häufigkeit der entsprechenden Nennungen hin. Je größer der Knoten, desto mehr Segmente sind beim betreffenden Text vorhanden, die Farbe erleichtert die Unterscheidung bei nur kleinen Unterschieden in den Häufigkeiten, vgl. Kuckartz 2005, S. 198. 161 Vgl. VERBI 2004, S. 116.
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Schaubild 3-7: Visualisierung der kodierten Segmente der Untersuchung durch den CMB Durch den CMB ist es im Rahmen der vorliegenden Datenanalyse möglich, gezielt die Häufigkeiten der Kodierungen miteinander zu vergleichen. Die visuelle Darstellung unterstützt die vergleichende Datenanalyse insbesondere hinsichtlich der Frage, ob und wie oft Befragte auf den unterschiedlichen Ebenen bzw. in verschiedenen Organisationen Probleme, Ursachen und Wirkungen im Rahmen der Integrierten Kommunikation ansprechen und sie fördert die systematische Feststellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden bzw. die Entwicklung der Kategorien und Merkmale.162
162 Die zu einem Knoten gehörenden Textsegmente lassen sich sofort einsehen, wenn
man den Knoten doppelklickt und dadurch eine Aktivierung des betreffenden Textes erfolgt. Dadurch ist es möglich, die jeweiligen Inhalte systematisch zu analysieren und miteinander zu vergleichen, vgl. VERBI 2004, S. 117.
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Für weitergehende statistische Analysen lässt sich die so genannte Matrix der Kodehäufigkeiten, die die gleichen Informationen wie der CBM enthält, aus dem qualitativen Textanalyseprogramm exportieren und mit geeigneter Statistiksoftware bearbeiten. Im vorliegenden Fall beschränkt sich die quantitative Auswertung auf Häufigkeitsanalysen und die Ermittlung von Ähnlichkeitsmaßen. Um eine strukturelle Analyse durchzuführen ist es hilfreich, die Häufigkeiten kodierter Textsegmente zu untersuchen. Mit der Anzahl der vergebenen Kodes bzw. der Anzahl der entsprechenden Textsegmente, d.h., wie häufig diese durch die Befragten thematisiert wurden, lassen sich Anhaltspunkte über deren Bedeutung und Gewichtung identifizieren. In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass im Kodierungsprozess Kodes in der Regel innerhalb eines Textes mehrfach vergeben oder einer Textpassage verschiedene Kodes zugeordnet werden. Durch diese Mehrfachnennungen ist es neben der absoluten Häufigkeit der Textsegmente bzw. der Anzahl der Kodes in der jeweiligen Kategorie (im Folgenden in der Ergebnisdarstellung mit C bezeichnet) von Interesse, auf wie viele Befragte sich die kodierten Textsegmente jeweils verteilen bzw. in welchen Gruppen die Nennungen zu identifizieren sind. Diese relative Häufigkeit, d.h. die Anzahl der jeweiligen Fälle, wird im Folgenden mit N bezeichnet.163
3.2.3 Kritische Würdigung hinsichtlich der Messgüte Zur Feststellung der Qualität des wissenschaftlichen Erkenntnisgewinns und zur Beurteilung, inwieweit die empirische Untersuchung die Realität abzubilden vermag, sind generelle Kriterien nötig. Im Rahmen der Marktforschung dienen Gütekriterien als Zielvorgaben zur Überprüfung der angewandten Forschungsmethoden164 und beinhalten die Frage nach der Gültigkeit (Validität) sowie der Zuverlässigkeit (Reliabilität) der wissenschaftlichen Erkenntnisgewinnung.165 Über 163 Auf eine prozentuale Ergebnisdarstellung der Häufigkeiten wird im Folgenden auf-
grund der übersichtlichen Stichprobe und dem damit einhergehenden geringen zusätzlichen Erkenntnisgewinn durch die Angabe einer Prozentzahl verzichtet. 164 Vgl. Lamnek 2005, S. 142. 165 Die Validität betrifft die Frage, ob gemessen wird, was gemessen werden sollte, d.h., ob das zu untersuchende Phänomen durch das Untersuchungsdesign tatsächlich erfasst wurde. Auf die Präzision, Stabilität und Genauigkeit der Messwerte bezieht sich die Reliabilität. Sie gibt an, inwieweit bei einer wiederholten Messung unter Annahme der Konstanz der Messbedingungen – also unter gleichen Bedingungen durch ein identisches Untersuchungsdesign – das gleiche Ergebnis zu erzielen ist, vgl. zur Reliabilität qualitativer Forschung auch Bitsch 2001, S. 189f.; Lamnek 2005, S. 166ff., zur Kritik an der Reliabilität z.B. Mayring 2002, S. 141f.
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die Anwendung derartiger Kriterien findet sich innerhalb der qualitativen Forschung eine kontroverse Diskussion. So argumentieren Kritiker, dass die mit den Gütekriterien verbundene Standardisierbarkeit im Widerspruch zu der Offenheit und Flexibilität steht, die die qualitative Forschungsrichtung als Merkmale kennzeichnen.166 Dem steht jedoch die, auch im Rahmen dieser Arbeit vertretene, Ansicht gegenüber, dass jede empirische Untersuchung einen angemessenen Grad an Zuverlässigkeit und Gültigkeit aufzuweisen hat.167 Hinsichtlich der Festlegung geeigneter Gütekriterien, die in der qualitativen Forschung zur Anwendung kommen, werden alternative Wege diskutiert.168 So plädieren verschiedene Vertreter für die Übertragung klassischer Kriterien der quantitativen auf die qualitative Forschung bzw. deren angemessene Reformulierung.169 Eine andere Position empfiehlt die Ableitung eigener Gütekriterien, die die methodologischen und methodischen Besonderheiten der jeweiligen qualitativen Forschung berücksichtigen.170 Dieses Vorgehen erscheint auch im Rahmen der vorliegenden Untersuchung und vor dem Hintergrund der gewählten Forschungsmethodik171 geeignet. Es werden daher eigene Gütekriterien abgeleitet, die sich an den heute gängigen Kriterien qualitativer Forschung orientieren und die Sicherstellung einer hohen Güte der Untersuchung zum Ziel haben. Um die Gültigkeit der empirischen Untersuchung sicherzustellen, sind im Rahmen der vorliegenden Untersuchung Maßnahmen zur Durchsetzung einer hohen Inhalts-, Prozess- und Ergebnisvalidität einzusetzen.172 Zur Verbesserung der Inhaltsvalidität, als Maß der inhaltlich-semantischen Übereinstimmung zwischen dem vorliegenden Messinstrumentarium und den Konflikten bzw. Defiziten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern, wird in der Untersuchung der 166 Vgl. zu dieser kritischen Sicht Kepper 1994, S. 182ff. und die dort angegebene Lite-
ratur. 167 Vgl. Mayring 2003, S. 109ff. 168 Vgl. zu Gütekriterien der qualitativen Forschung z.B. Kepper 1994, S. 183ff.; Flick
169
170 171
172
1999, S. 239ff.; Brüsemeister 2000, S. 38ff.; Müller 2000, S. 143ff.; Mayring 2002, S. 140ff., 2003, S. 109ff.; Lamnek 2005, S. 142ff.; Steinke 2005, S. 319ff. Vgl. Mayring 2002, S. 140, der betont, dass auf die qualitative Forschung nicht einfach die Maßstäbe quantitativer Forschung zu übertragen sind, sondern die klassischen Kriterien der Validität und Reliabilität, wie sie im Kontext der quantitativen Sozialforschung entwickelt wurden, dem Zweck angemessen zu reformulieren sind. Vgl. zu methodenangemessenen Gütekriterien und der Ableitung eigener Gütekriterien Flick 1987, S. 247ff.; Mayring 2002, S. 142ff.; Steinke 2005, S. 319ff. Strauss/Corbin 1996 treffen eine andere Unterscheidung bzw. nehmen eine andere Position hinsichtlich der Gütekriterien ein, die sich aber in die gewählte Auswahl bzw. Darstellung integrieren lässt. Vgl. Krippendorff 1980, S. 158.
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155
Ansatz der kommunikativen Validierung herangezogen.173 Diese Rückkopplung über die Erfassung und Interpretation der Daten erfolgt in der vorliegenden Untersuchung im zweiten Teil der Datenerhebung, bei dem an verschiedenen Stellen der Erzählungen die bisherigen Ergebnisse der Konfliktanalyse zusammengefasst werden. Dies bietet den Befragten die Möglichkeit zur Bestätigung, Konkretisierung oder Korrektur der Interpretationsergebnisse. Diese Vorgehensweise ermöglicht es, eine hohe Übereinstimmung der durch die Probanden mitgeteilten Realität und der subjektiven Interpretation des Forschenden zu erzielen und folglich valide Untersuchungsergebnisse zu gewährleisten. Die Prozessvalidität einer Untersuchung ist ferner durch die ökologische Validierung sicherzustellen, bei der es vor allem um die Alltagsnähe und Natürlichkeit der Daten und ihrer Interpretation geht.174 Demnach sind gültige Informationen über den Untersuchungsgegenstand und die Untersuchungspersonen nur in deren natürlichem Lebensraum bzw. ihrer Alltagswelt zu gewinnen. Unter Laborbedingungen ist die Gegenstandsangemessenheit kaum gegeben, da künstliche Versuchsanordnungen, z.B. Laborexperimente und standardisierte Tests, den Lebensraum einengen und entfremden. Daher werden alle Experten direkt an ihrem Arbeitsplatz befragt und durch die angewandte Methodik die Forderung nach den Lebensraum- und Umweltbedingungen über die Datengewinnung hinaus auch bei der Interpretation und Analyse der Daten berücksichtigt. Im Rahmen der argumentativen Validierung, die sich vor allem auf den Auswertungsprozess konzentriert, ist das Zustandekommen der Daten dahingehend offen zu legen, was die Aussage des jeweiligen Subjektes ist und wo die Interpretation des Forschenden begonnen hat.175 Im Vergleich zu einem quantitativen Vorgehen lässt sich die Komplexität qualitativer Ergebnisse nur schwer abbilden. Als Interpretationsabsicherung werden Vorannahmen daher offen gelegt und bei der Ergebnisdarstellung Deutungen argumentativ untermauert sowie diese hinsichtlich möglicher alternativer Interpretationen und auf Schlüssigkeit überprüft. Schließlich ist die Ergebnisvalidität durch die Triangulation zu erhöhen. Deren Grundgedanke ist es, sich dem Forschungsgegenstand auf mehreren Wegen zu nähern und so ein vielseitiges Bild zu gewinnen. Da verschiedene Zugriffs173 Vgl. Kepper 1994, S. 206. Zum Ansatz der kommunikativen Validierung vgl. z.B.
Flick 1999, S. 245ff.; Mayring 2002, S. 147; Lamnek 2005, S. 155f. 174 Vgl. Mayer 2006, S. 56. Zur ökologischen Validierung vgl. Mayring 2002, S. 146;
Lamnek 2005, S. 155. Der Ansatz findet sich in der Literatur teilweise auch unter dem Begriff „Nähe zum Gegenstand“, der als ein methodologisches Grundprinzip die Überprüfung der Forschung hinsichtlich der Ausrichtung auf die Lebenswelt der Betroffenen und die Einbeziehung ihrer Relevanzsysteme beinhaltet. 175 Vgl. Lamnek 2005, S. 156.
156
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
weisen unterschiedliche Ergebnisse hervorbringen, die jeweils mit Stärken und Mängeln behaftet sind, versucht die Triangulation diese auszugleichen.176 Mit der Variation des Messvorganges bzw. der Bezugspunkte wird dabei versucht, das zu Messende präziser zu bestimmen und ein höheres Maß an Validität zu erreichen.177 Um im Sinne der Triangulation die Ergebnisse zu festigen und zu einem vielschichtigen Bild des Untersuchungsgegenstandes zu gelangen, baut die vorliegende Arbeit auf unterschiedliche theoretische Sichtweisen (Theorietriangulation), Datenquellen (Datentriangulation) und Methoden (Methodentriangulation) auf.178 Im Rahmen der vorliegenden Arbeit werden im Sinne der Theorientriangulation verschiedene Phänomene unter Einbeziehung der Theorien und Erkenntnisse der Konfliktentstehung und -analyse interpretiert und der Forschungsgegenstand wird vor dem Hintergrund verschiedener Perspektiven durchleuchtet. Die Datentriangulation bezeichnet die Kombination von Daten, die verschiedenen Quellen entstammen und zu verschiedenen Zeitpunkten, Orten oder Personen erhoben wurden. Diese erfolgt mit der Einbeziehung der verschiedenen Experteninterviews auf unterschiedlichen Ebenen bzw. auf Unternehmensund Absatzmittlerseite und unterschiedlicher Datenquellen im Rahmen des Desk Research. Schließlich strebt die Kombination bzw. Variation verschiedener Methoden bei der Datenerhebung und -analyse eine Erhöhung der Validität durch die Methodentriangulation an. In der qualitativen Forschung manifestiert sich die Reliabilität einer Untersuchung insbesondere durch die Kriterien Stabilität und Reproduzierbarkeit.179 Bei qualitativen Untersuchungen wird zur Bestimmung der Reliabilität das Kriterium der Intercoderreliabilität herangezogen.180 Dabei ist derart vorzugehen, dass die gesamte Analyse bzw. das Kodieren von mehreren Personen durchgeführt und deren Ergebnisse bzw. die entwickelten Kategorien verglichen werden. Bei hohen Übereinstimmungen der Ergebnisse ist von einer ausreichenden Stabilität des Systems und somit einem reliablen Untersuchungsdesign auszugehen. In der Literatur sind zu diesem Vorgehen jedoch auch kritische Meinungen zu finden. So ist eine hohe Übereinstimmung zwischen den Kodierenden nur bei sehr einfachen Analysen zu erreichen, da sich mit steigendem Komplexitätsgrad des Kategoriensystems die Schwierigkeit erhöht, eine hohe Zuverlässigkeit der Ergebnis176 Vgl. zur Triangulation z.B. Flick 1999, S. 249ff., 2005b, S. 309ff.; Kelle 1999,
S. 5ff.; Mayring 2002, S. 147f.; Lamnek 2005, S. 158ff. 177 Vgl. Lamnek 2005, S. 158. 178 Vgl. zur Unterscheidung möglicher Formen der Triangulation die Vorschläge von
Denzin 1978. 179 Vgl. Flick 1999, S. 240ff. 180 Vgl. Mayring 2003, S. 110.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
157
se bei gleichzeitiger Steigerung der inhaltlichen Aussagekraft zu erreichen.181 Andere Autoren stellen das Konzept der Intercoderreliabilität gänzlich in Frage, da bei sprachlichem Material Interpretationsunterschiede zwischen mehrenden Forschenden als die Regel anzusehen ist.182 Durch die Darlegung des theoretischen Vorwissens und die Zusammenfassung in den Analyserahmen der Arbeit ist zwar davon auszugehen, dass keine extrem divergenten Interpretationen der Äußerungen zu erwarten sind. Vor dem Hintergrund eines sehr komplexen Kategoriensystems sowie der angewandten Grounded-Theory-Forschungsmethodik, deren Entwicklungsprozess von Konzepten, Merkmalen und Kategorien während der Datenerhebung und -analyse eine ständige Auseinandersetzung mit dem empirischen Material erfordert, erfolgt unter Abwägung der Kosten-Nutzen-Aspekte und Praktikabilität der Verzicht auf das Gütemaß der Intercoderreliabilität. Um jedoch die eigenen Interpretationen abzusichern und damit die Reliabilität des Untersuchungsdesigns zu erhöhen, findet innerhalb des gesamten Forschungsprozesses und der Kategorienentwicklung dessen kritische Reflektion durch intensive Diskussionen der Ergebnisse mit weiteren Forschenden statt. Die Reliabilität ist schließlich zudem durch eine reflexive Dokumentation zu erhöhen.183 Der Forderung einer Reproduzierbarkeit der Untersuchungsergebnisse ist durch die Offenlegung des gesamten Vorgehens im Interview und Text nachzukommen, um die Vergleichbarkeit der Vorgehensweise zu ermöglichen und diese transparent und nachvollziehbar zu machen.184 Um dieser Anforderung der möglichst umfassende Verfahrensdokumentation zu genügen, werden in der vorliegenden Arbeit das Vorverständnis explizit herausgearbeitet,185 die gewählten Untersuchungs- und Analysemethoden detailliert dargestellt,186 der grobe Ablauf der Interviews in dem Leitfaden offen gelegt und die gesamte Datenauswertung in tabellarischen Übersichten dokumentiert.187 181 Vgl. Risert 1972, S. 70. 182 Vgl. Kriz/Lisch 1978, S. 90. 183 Vgl. Mayer 2006, S. 55. 184 Die Reproduzierbarkeit bezeichnet den Grad, indem die Analyse unter anderen Be-
dingungen und bei anderen Forschenden zu denselben Ergebnissen führt und hängt von der Exaktheit und Explizitheit der Vorgehensbeschreibung ab, vgl. Mayring 2003, S. 113. 185 Vgl. Kapitel 2 und die Entwicklung des Analyserahmens in Abschnitt 2.2.4. 186 Vgl. Abschnitt 3.2.1 und 3.2.2. 187 Aus Gründen des Datenschutzes werden die Interviewtranskripte sowie die Namen der Experten in der vorliegenden Arbeit nicht veröffentlicht. Im Folgenden erfolgt die Formulierung der Ergebnisse oder beispielhafte Aussagen der empirischen Untersuchung derart, dass weder sensible personen- noch firmenbezogene Informationen offen gelegt werden.
158
3.3
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Konkretisierung und Diskussion des Analyserahmens auf Basis der empirischen Ergebnisse
Mit Hilfe der beschriebenen Methode erfolgt im Hinblick auf die Forschungsfragen die Auswertung der Verbaldaten aus den Interviews. Die Aussagen der Befragten werden dabei nach den sich sukzessive konkretisierenden inhaltlichen Kategorien innerhalb der Ebenen und Dimensionen des Analyserahmens gruppiert und durch die Analyse der Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede entsprechende Merkmale und Eigenschaften identifiziert. Diese Kategorien vermitteln wichtige Erkenntnisse hinsichtlich der Defizitentstehung und bieten zahlreiche Ansatzpunkte für den zu ermittelnden Koordinationsbedarf im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Durch die zahlreichen Einzelfaktoren und deren vielfältige Beziehungen weist die Datenanalyse jedoch eine sehr hohe Komplexität auf. Zudem ergibt sich bei Forschungsprojekten, die auf Basis der Grounded-Theory-Methodologie durchgeführt werden, angesichts des zentralen Prinzips der Iterativität die Problematik der Darstellung der Erkenntnisse, da sich der Prozess der Erkenntnisgewinnung „nur widerspenstig in die Dramaturgie eines Forschungsberichts zwängen [lässt] und eine Argumentationsstruktur entfalten würde, die der Leserlichkeit enorm abträglich wäre.“188 Die Darstellungsform der zentralen Forschungsergebnisse hinsichtlich der Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten orientiert sich daher an dem entwickelten Analyserahmen, dessen Anreicherung und Veränderung mit empirischen Daten im Rahmen der Untersuchung angestrebt wurde. Als roter Faden der Ergebnisdarstellung dienen dabei die Ebenen bzw. Dimensionen des Analyserahmens. Demzufolge werden im weiteren Vorgehen 188 Eckert 2004, S. 697. Dieser weist darauf hin, dass eine alleinige Präsentation der Da-
ten sowie der aus diesen Daten gewonnenen Ergebnisse zwar eine „rezipientenfreundliche“ Darstellungsvariante ist, jedoch der Verzicht auf Offenlegung des Vorgehens auch durch spekulative Willkür, Forschungsopportunismus und den Hang des Forschenden, eigene Annahmen zu verifizieren, charakterisiert ist. In der methodischen Literatur finden sich für dieses „Darstellungsdilemma“ bislang nur wenige Anhaltspunkte, daher bleiben Form und Umfang der Darstellung letztlich dem subjektiven Ermessen des Forschenden überlassen. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit erscheint es daher zweckmäßig, neben der – an dieser Stelle der Arbeit – folgenden Darstellung der zentralen Forschungsergebnisse, wesentliche Schritte des Erkenntnisgewinns sorgfältig zu dokumentieren und dadurch das Vorgehen sowie das erweiterte Wissen aufgrund der Datenerhebung bzw. -analyse transparent zu machen. Die Dokumentation der Texte, identifizierter Textpassagen und deren Auswertung, die Darstellung der Memos und weiterer Überlegungen hinsichtlich der jeweiligen Kategorien werden jedoch aus Gründen des Datenschutzes nicht veröffentlicht.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
159
zunächst auf Ebene der Konfliktursachen die identifizierten Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern mit den jeweiligen Kategorien sowie einzelnen Merkmalen bzw. Eigenschaften dargestellt und die jeweiligen Forschungsfragen beantwortet. Dem schließt sich die Betrachtung der Forschungsergebnisse auf den Ebenen der Konfliktausprägungen und Konfliktwirkungen an. Dies entspricht zwar nicht der Abfolge der Erkenntnisgewinnung im Rahmen des problemzentrierten Interviews oder auch der Datenanalyse, bei der zunächst potenzielle Konfliktausprägungen eruiert wurden, um daraufhin die zentralen Ursachen und Wirkungen der Streitpunkte bzw. Meinungsverschiedenheiten zu identifizieren. Eine solche Strukturierung der Ergebnisse ist jedoch zweckmäßig, da die Kenntnis der möglichen Konfliktursachen die systematische Darstellung der Konfliktausprägungen und ihrer jeweiligen Ursachen vereinfacht. Ebenso ermöglicht die dargestellte Abfolge im Rahmen der Diskussion der Konfliktwirkungen den Rückgriff auf die bereits dargestellten Erkenntnisse hinsichtlich der bestehenden Probleme und deren Ursachen. Die Betrachtung des Gesamtmodells und eine Analyse der identifizierten Beziehungen bilden den Abschluss der Ergebnisdarstellung. Die intensive Analyse der identifizierten Kategorien auf den verschiedenen Ebenen führt zu umfassenden Merkmalen sowie deren Eigenschaftsdimensionen und arbeitet zahlreiche Facetten heraus. Eine detaillierte Wiedergabe sämtlicher, innerhalb der Datenanalyse ermittelter Merkmale und deren Vernetzungen erscheint in einigen Fällen jedoch zu komplex und nicht zielführend, da es die Ausführungen unnötig ausdehnt. Daher wird im Folgenden an einzelnen Stellen der Ergebnisdarstellung auf die tabellarische Abbildung identifizierter Kategorien, Merkmale, Häufigkeiten sowie beispielhafter Aussagen zurückgegriffen und es werden jeweils zentrale Aspekte und Ergebnisse hervorgehoben. Diese Darstellungsform findet insbesondere bei der Betrachtung der identifizierten Konfliktausprägungen und ihrer Ursachen Anwendung. Des Weiteren werden bei der Betrachtung der Kategorien Aspekte hinsichtlich der Häufigkeit der Nennungen nur dann explizit erwähnt, wenn diese sehr oft von den Probanden thematisiert wurden oder wenn auffällige Unterschiede zwischen den Befragten auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite sowie der strategischen bzw. operativen
160
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Ebene identifiziert werden konnten (absolute und relative Häufigkeit der kodierten Textsegmente).189
3.3.1
Ebene der Konfliktursachen
Durch die Datenanalyse ist es möglich, bei allen Befragten Ursachen der Konflikt- und Defizitentstehung zu isolieren und insgesamt 24 Kategorien zu bilden, die sich hinsichtlich der theoretisch erarbeiteten Dimensionen bzw. Subdimensionen systematisieren lassen. Das Ergebnis der Datenanalyse zu den Konfliktursachen zeigt Schaubild 3-8 im Überblick. Im Folgenden werden die identifizierten Kategorien und Merkmale innerhalb der Dimensionen Ziel-, Macht-, Rollen- und Informationskonflikte erläutert.190 Der separaten Betrachtung der unterschiedlichen Dimensionen schließt sich eine Beschreibung der interdependenten Beziehungen der identifizierten Kategorien an.
189 Ein Hinweis auf Unterschiede in den Nennungen der befragten Personen und deren
Häufigkeiten erfolgt nur, wenn bei der Datenanalyse große Diskrepanzen identifiziert werden, beispielsweise wenn sich eine Kategorie allein durch Nennungen der Befragten auf der operativen Unternehmensseite bildet. Erfolgt kein Hinweis auf Unterschiede, so sind die Nennungen als relativ gleich verteilt zwischen den Organisationen und den Ebenen zu verstehen. Vgl. zur abschließenden Betrachtung der Unterschiede im Gesamtmodell Abschnitt 3.3.4. 190 Entgegen dem Aufbau des zweiten Kapitels, nach dem zunächst die Betrachtung der Ziel- und Rollenbeziehungen und dann die Erläuterung der Machtbeziehungen erfolgte, ist es bei der Ergebnisdarstellung sinnvoll, zuerst Ziel- und Machtbeziehungen aufzuzeigen, denen sich die Darstellung der Rollen- und Informationsbeziehungen anschließt, da sich diese aus den identifizierten Ziel- und Machtbeziehungen ableiten.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
(Sub-)Dimension
Verteilungskonflikte
Vertikale Ziel-/Interessenkonflikte Bewertungskonflikte
Abhängigkeit
Vertikale Machtkonflikte Machtgrundlagen
Unvermeidbar
Vertikale Rollenkonflikte
Vermeidbar
Rollendissens
Fehlinterpretation
Vertikale Informationskonflikte
Unterbleibende Weitergabe Filterung
161
Kategorie
N
C
Provisionen und Incentives
11
31
Werbekostenzuschüsse
14
39
Zeit- und Umsatzdruck
7
13
Marken- vs. Einkaufsstättenprofilierung
9
11
Qualitätsimage vs. Preisaggressivität
8
16
Marken- vs. Sortimentsimage
8
15
Marken- vs. Angebotswerbung
4
7
Unternehmenszweck
10
17
Gerätebeschaffung und Netz
2
5
Absatzmittler-Anteil am Vertrieb
9
16
Gatekeeperposition (Filter)
9
19
Marke des Unternehmens
12
26
Mittel und Ressourcen
7
18
Zugehörigkeit Absatzsysteme
12
30
Unterschiedliche Unterstützung der AM
10
18
Aufbau und Förderung direkter Vertrieb
7
19
Eigeninitiative der Absatzmittler
7
9
Fehlende Unterstützung der AM
11
36
Aufgabenverteilung
11
16
Unterschiedliche Bedeutung
6
13
Geheimhaltungsgründe (bewusst)
8
10
Wettbewerbsvorteile (bewusst)
11
13
Unbewusst fehlende Weitergabe
8
10
Informationsüberlastung (Filtern)
8
16
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit, AM = Absatzmittler)
Schaubild 3-8: Konfliktursachen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
162
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
3.3.1.1 Divergierende Zielbeziehungen als Konfliktursache Insgesamt sind auf der Ebene der Dimension Zielkonflikte sieben Kategorien zu identifizieren. Auf Grundlage der Datenanalyse sind hinsichtlich der Subdimension Verteilungskonflikte, d.h. der Aufteilung knapper Mittel und Ressourcen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern, folgende Kategorien zu identifizieren: (1) Provisionen und Incentives Insgesamt elf Fälle betonen die generelle Zahlung bzw. die Höhe von Provisionen und Incentives sowie den Streit um Margen und Angebote als zentrale Ursache für Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. Die eingesetzten finanziellen oder sachlichen Mittel dienen dem Unternehmen dazu, das Verhalten der Absatzmittler zu beeinflussen und diese zu einer IK-gerechten Leistung zu motivieren. Exemplarisch steht dafür das folgende Zitat: „[…] Und da spielen dann Faktoren wie Incentives, finanzielle Mittel, die Beziehung zum Händler usw. eine wichtige Rolle. Das sind wichtige Elemente, die dazu führen, die Sicherstellung der richtigen Botschaften zu erzeugen!“
Unterschiede ergeben sich innerhalb dieser Kategorie hinsichtlich der unterschiedlichen Absatzmittlertypen, denn die Zieldivergenz wird stark durch die Form der Entlohnung des jeweiligen Absatzmittlers bzw. seiner Verkäufer beeinflusst. Demnach erhält die Zahlung von (zusätzlichen) Provisionen und Incentives eine umso größere Bedeutung – und verschärft demnach die Zieldivergenz –, je höher der Anteil der umsatz- und leistungsabhängigen Komponenten an der gesamten Vergütung des Absatzmittlers bzw. dessen Verkäufern ist:191 „Ja die Provisionierung ist sicher ein Teil. Je nachdem, was für ein System die [Absatzmittler]haben. Mit einem fixen Lohn spielt das absolut keine Rolle und bei einem Provisionierungssystem ist klar, die Leute verkaufen, damit sie viel Provision erhalten!“ 191 Es bestehen auf Absatzmittlerseite unterschiedliche Formen der Verteilung bzw.
Weitergabe der Provisionen und Incentives an die Mitarbeitenden. So gehen die Zahlungen bei manchen Absatzmittlern beispielsweise direkt „in die Tasche“ des Verkäufers, bei anderen erfolgen die Zahlungen an die Zentrale und diese entscheidet intern über die Verteilung. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung ist es jedoch nicht entscheidend, ob Provisionen oder Incentives einzeln an die jeweiligen Verkäufer oder als Gruppenziele ausgezahlt werden, sondern vielmehr, ob generell eine Entlohnung auf Provisionsbasis erfolgt oder es sich um eine fixe Entlohnung handelt. Diese Perspektive erscheint zweckmäßig, denn zum einen entzieht sich die Verteilung dem Einfluss des Unternehmens, d.h., dieses wird keine Änderung der internen Anreizstruktur des Absatzmittlers vornehmen können und rückt daher im Rahmen der managementorientierten Betrachtung in den Hintergrund. Zum anderen betrachtet die vorliegende Arbeit Organisationen als Ganzes und nicht die persönlichen Motive, Einstellungen und Bedürfnisse der Beteiligten, vgl. Abschnitt 2.2.3.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
163
Neben dem Kriterium der Entlohnungsform beeinflusst zudem die Breite und Tiefe des Sortiments des Absatzmittlers die Zieldivergenz.192 Bietet ein Absatzmittler neben dem Mobilfunk noch zahlreiche andere Produkte und Marken an, so führt dies eventuell zu der Konsequenz, dass finanzielle Unterstützungen anderer (Nicht-Mobilfunk-)Anbieter193 die Prioritäten des Absatzmittlers zu Ungunsten des Unternehmens verändern bzw. die Konflikte um die Höhe der Zahlungen zusätzlich verschärft werden: „Der Filialleiter hat seine Ziele. Wenn der weiß, der Mobilfunkbereich ist zu wenig lukrativ, was er finanziell dafür erhält … Das ist klar, das ist menschlich. Das setzt man dann nicht um. Man setzt dann Prioritäten ... Das sind die Ziele, die man erreichen muss, beim Fernseher erhalte ich so und so viel…“
(2) Werbekostenzuschüsse Ein bedeutender Verteilungskonflikt, der von allen Befragten (N = 14) sehr häufig (C = 39) als Konfliktursache genannt wird, ist die Kostenübernahme der Kommunikationsmaßnahmen des Absatzmittlers durch das Unternehmen bzw. der Streit um die Höhe der Zuschusszahlungen. Unternehmen streben mit den Zahlungen die Sicherung der Präsenz der eigenen Marke sowohl am PoS als auch in den massenmedialen Kommunikationsmitteln des Absatzmittlers an, während Absatzmittler die finanziellen Mittel zur Finanzierung der eigenen Kommunikationsmittel, insbesondere Printwerbung in Form von Katalogen, Zeitungsbeilagen usw. und damit zur Erreichung der eigenen kommunikativen Ziele nutzen: „Aber sie versuchen es natürlich immer wieder, über uns Marketinggelder oder zusätzliche Marketinggelder zu bekommen, was wir auch schon gemacht haben … damit sie als Absender wieder Werbung machen können, die ihnen dann klar zu 100 Prozent Kunden bringt.“
Wie auch bei den Provisionen intensiviert das Vorhandensein eines größeren Sortiments des Absatzmittlers den Zielkonflikt, insbesondere hinsichtlich der Höhe der Zahlungen, da sich noch mehr Anbieter und ihre Marken auf einer be192 Während die Sortimentsbreite in der Regel die Anzahl unterschiedlicher Produktan-
gebote bezeichnet, sagt die Sortimentstiefe etwas über die Anzahl der Einzelprodukte innerhalb eines Teilsortiments aus, vgl. Bruhn 2007, S. 157. Hüttel (1998, S. 369ff.) weist darauf hin, dass zwischen Unternehmen und Handel ein unterschiedliches Begriffsverständnis hinsichtlich der Tiefe und Breite des Sortiments besteht. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung bezeichnet das Vorhandensein eines tiefen und breiten Sortiments die Situation, dass die Absatzmittler nicht ausschließlich Mobilfunk-Produkte und -leistungen anbietet. 193 Vgl. zu den Aktivitäten der Mitbewerber und daraus resultierenden Rollenkonflikten die Darstellung der Ergebnisse in Abschnitt 3.3.1.4 sowie die Darstellung der Interdependenzen der Verhaltensbeziehungen in Abschnitt 3.3.1.5.
164
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
grenzten Fläche darstellen möchten, was durch die folgende Aussage deutlich wird: „Ich denke, es ist auch eine Frage des Marktes insgesamt. In der Telekommunikation haben sie die Korpusse, die schon mal sehr viel Platz wegnehmen und dann noch tausend andere Produkte! Wenn sich dort jeder darstellen möchte, bis ins Detail – das wäre nicht möglich. Telekommunikation ist ja auch nur ein einziges Produkt. Dort in voller Dominanz aufzutreten, würde Millionen kosten, darum beschränkt man sich auf gewisse Kernelemente.“
(3) Zeit- und Umsatzdruck Die Zeit eines Verkäufers, die er in die Umsetzung der Integrierten Kommunikation, beispielsweise durch ein intensives Beratungsgespräch oder die Umsetzung formaler Gestaltungselemente am PoS investiert, ist ebenso wie die bereits erwähnten finanziellen Mittel als eine „knappe“ Ressource zu verstehen. Dies steht in enger Verbindung mit der Tatsache, dass Verkäufer in der Mobilfunkbranche häufig über leistungsabhängige Komponenten entlohnt werden. Je höher der Anteil der leistungsabhängigen Provisionen am gesamten Lohn und demnach der Umsatz- und Abverkaufsdruck auf die einzelnen Verkäufer ist, desto bedeutender wird deren Zeit als Ressource.194 Die Hälfte der Befragten äußert dies als Ursache für Defizite im Rahmen der Integrierten Kommunikation. Das nachfolgende Zitat verdeutlicht die Situation der Verkäufer: „Es ist definitiv so – der Handel, die Verkäufer stehen unter Druck. Der Druck, das sind die Verkaufszahlen. Ein Beispiel: eine Filiale von [Absatzmittler] […], drei Mitarbeiter als Verkaufspersonal […] und dann stehen an einem Samstag Nachmittag 20 Leute da und die wollen alle etwas von diesen drei Leuten. Der Verkäufer schiebt die natürlich wie in einem Akkord-System so schnell wie möglich durch und versucht die Verträge abzuschließen oder den Kunden zu bedienen. Und was passiert dann? Dass der Verkäufer die Botschaften – sprich [Unternehmen Preisplan] – nicht erklären kann oder möchte, weil er den Zeitdruck hat. Es sind gewisse offene Fragen, die der Kunde hat und der Händler in einem Dilemma ist, dass viele weitere Kunden da stehen. […].“
Unterschiede ergeben sich hinsichtlich des Umsatz- bzw. Zeitdrucks durch die Anzahl weiterer provisionierter Produkte und Marken innerhalb des gesamten Sortiments des Absatzmittlers. So ist festzustellen, dass bei Absatzmittlern, die
194 Auch an dieser Stelle wird die Annahme getroffen, dass die Unterscheidung, ob die
Provision bzw. das Incentive direkt an den Verkäufer oder als Gruppenziel ausgezahlt wird, für die Betrachtung nicht entscheidend ist. Vielmehr ist davon auszugehen, dass die Anweisungen, welche Prioritäten zu setzen und welche Ziele zu erreichen sind, durch die jeweilige Zentrale vorgegeben werden und die Verkäufer dementsprechend handeln.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
165
nicht nur Mobilfunkprodukte anbieten,195 das durch das Unternehmen angestrebte Ziel der Motivation des Absatzmittlers zur Erbringung der IK-adäquaten Leistung durch weitere Provisionszahlende Hersteller beeinflusst wird, was in der folgenden Aussage deutlich wird: Proband: „Gerade [Absatzmittler], der vielleicht für einen Fernseher mehr Provision erhält als für ein Handy, aber für das Handy vielleicht noch länger braucht beim Verkauf. Aufschalten und, und, und – das dauert auch noch länger zum Erklären usw.“ Interviewer: „Also der Zeitdruck der da auch dahinter ist?“ Proband: „Ja. Und dann überlegt der sich […] … für den Fernseher erhalte ich CHF X+100 und fürs Handy CHF X beim Verkauf. Beim Handy habe ich 20-30 Minuten zum Verkauf und beim Fernseher 10 Minuten. Was verkaufe ich jetzt?“
Im Zusammenhang mit den Incentives und Provisionen fällt auf, dass die bestehenden Anreizsysteme auf Unternehmensseite keine kommunikationsbezogenen Kriterien enthalten, die die Höhe der Zahlungen beeinflussen und steuern. Hierzu werden Nennungen von vier Befragten identifiziert. Die folgende Aussage verdeutlicht dies vor dem Hintergrund des beschriebenen Umsatz- und Zeitdrucks der Verkäufer: „Diese Verkäufer oder das Verkaufspersonal sind unter einem enormen Druck. Die werden nicht am PoS-Material gemessen, sondern die werden an den verkauften Handys gemessen und das ist ihr Lohn […]. Natürlich können wir sagen, das benötigt keine Zeit, das Display wegzunehmen und ein Neues aufzuhängen. Man muss das Gesamte anschauen. Wenn man einen Laden „top“ halten will, benötigt es viel Zeit und diese Zeit haben die Verkäufer nicht.“
Neben den beschriebenen Verteilungskonflikten sind im Rahmen der Datenanalyse vier Kategorien als Konfliktursachen zu identifizieren, die sich der Subdimension Bewertungskonflikte zuordnen lassen. (4) Markenpräferenz vs. Einkaufsstättenprofilierung Neun der Befragten nennen als Zieldivergenz die Schaffung von Präferenzen für die Marken und Angebote eines Unternehmens, der eine Profilierung der Einkaufsstätte des Absatzmittlers gegenübersteht, was beispielhaft das folgende Zitat verdeutlicht: „Weil er [der Absatzmittler] hat ja zum Ziel, dass die Kunden oder die potenziellen Kunden in seinen Kanal kommen! Und nicht in den Kanal von einem anderen Absatzmittler […] Er muss ja die Kunden zu sich steuern.“ 195 Dabei ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass es auf Absatzmittlerseite zu
keiner Spezialisierung der Verkäufer hinsichtlich des Sortiments (z.B. Telekommunikation, Haushaltsgeräte, Computer usw.) kommt bzw. falls eine solche Spezialisierung erfolgt, unter Umständen aufgrund Personalmangel usw. davon abgewichen wird.
166
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Vor dem Hintergrund des Ziels der Einkaufsstättenprofilierung ist im Zusammenhang mit der Zahlung von Provisionen festzustellen, dass Unternehmen primär an einer möglichst langen Laufzeit des Vertrages interessiert sind, der Kunden lange vertraglich an das Unternehmen bindet. Absatzmittler hingegen streben primär den Abschluss kürzerer Mobilfunkverträge an, mit dem Ziel, zum einen in kürzeren Abständen Provisionen zu erlangen und Kunden vielmehr an die Einkaufsstätte zu binden. Aus der Zieldivergenz der Marken- und Einkaufsstättenprofilierung leiten sich weitere, nachfolgend dargestellte Interessenunterschiede ab, die letztlich dazu dienen, die jeweiligen „Oberziele“ zu erreichen. (5) Qualitätsimage vs. Preisaggressivität Eine Zieldivergenz, die acht der Befragten thematisieren, ist die angestrebte Darstellung des einheitlichen und konstanten Qualitätsimages der Unternehmensmarke, der eine in der Kommunikation umgesetzte aggressive Preispolitik des Absatzmittlers entgegensteht. Diese dient dem Absatzmittler primär zur Differenzierung im horizontalen Wettbewerb und zur Erhöhung der Einkaufsstättentreue. Folgende Aussage ist typisch für die identifizierten Interessenunterschiede: „Und dann gibt es natürlich die Varianten, die Möglichkeit, dass der Händler ein Lockvogel-Angebot machen möchte. Er möchte sich differenzieren von den anderen Anbietern usw. das ist im Detailhandel ja immer sehr wichtig. Obwohl sie grundsätzlich alle das gleiche anbieten, möchten sie sich natürlich differenzieren und das machen sie sehr oft auch über den Preis! Da suchen sie eben Frequenzbringer und versuchen Top-Angebote und Top-Geräte für einen extrem niedrigen Preis anzubieten! Also Differenzierung innerhalb von den ganzen Händlern.“
Festzustellen ist, dass die Preisaggressivität des Absatzmittlers und damit die Zieldivergenz der beiden Parteien stark davon beeinflusst wird, um welchen Absatzmittlertyp es sich handelt. Während vor allem Discounter den Preis als Profilierungsmöglichkeit im horizontalen Wettbewerb anwenden und hierbei eine Darstellung von „Schnäppchen“ und preiswerten Angeboten in der Kommunikation dominiert, scheinen Spezialisten und Fachhändler eine derartige Preisaggressivität in der Regel weniger zu verfolgen. Vielmehr sehen diese in einer hohen Beratungs- und Serviceorientierung eine Möglichkeit, sich gegenüber den Wettbewerbern zu profilieren, was insbesondere durch das folgende Zitat deutlich wird: „Ein [Absatzmittler] ist sicher sehr als Fachmarkt, der er ist, sicherlich auch mehr serviceorientiert. Da kann man auch mal das Angebot zum gleichen Preis setzen, wie woanders, aber die Leute wissen, [Absatzmittler] gibt mir die Beratung, den Service, den ein Discounter vielleicht weniger hat.“
(6) Markenimage vs. Sortimentsimage Während Absatzmittler primär die Darstellung eines umfangreichen Sortiments in den eigenen Kommunikationsmitteln und am PoS verfolgen, streben Unter-
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
167
nehmen ein individuelles Markenimage an, um sich erfolgreich von den Wettbewerbern zu differenzieren. Marken sind für Absatzmittler Zweck zur Profilierung der Einkaufsstätte und ein ausgewogenes Angebot erscheint – abhängig von der jeweiligen Positionierung der Absatzmittler – eng verbunden mit dem Anliegen, gegenüber den Kunden eine hohe Neutralität zu dokumentieren bzw. diesen durch ein umfassendes Sortiment „etwas zu bieten“. Eine Betonung der identifizierten Zieldivergenz erfolgt vor allem von Befragten auf Absatzmittlerseite (insgesamt N = 8, Absatzmittler N = 5): „[…] denn man will sich die Unabhängigkeit bewahren, man hat alle Marken im Sortiment. Es ist für [Absatzmittler] wichtig, dass man sich die Unabhängigkeit bewahrt, […] es soll dem Kunden signalisiert werden, dass man alle drei Wettbewerber im Angebot hat, aber trotzdem neutral und unabhängig ist, dies ist auch für das Vertrauen des Endkunden wichtig. […] Denn es gibt eine große Anzahl von Personen, die auch einen unabhängigen Anbieter möchten, derjenige, der vollkommen von einer Marke überzeugt ist, kann auch in deren Shop gehen.“
Die Interessenunterschiede verstärken sich mit der zunehmenden Sortimentsbreite eines Absatzmittlers, da in diesem Fall der Absatzmittler nicht nur hinsichtlich der verschiedenen Anbieter im Mobilfunkbereich seine meist provisionsabhängigen Prioritäten setzt. Vielmehr konkurriert die Durchsetzung eines individuellen Markenimage mit zahlreichen anderen Anbietern und Marken aus den unterschiedlichen Bereichen. (7) Langfristige Markenwerbung vs. kurzfristige Angebotswerbung Als eng verbunden mit der Einkaufsstättenprofilierung erweist sich auch die kurzfristige und abverkaufsorientierte Angebotswerbung durch den Absatzmittler, dem das Ziel eines langfristigen, einheitlichen Erscheinungsbildes der Marke entgegensteht. Vier Nennungen, überwiegend von Vertretern der Unternehmensseite geäußert, dokumentieren diese Zieldivergenz, die das folgende Zitat beispielhaft verdeutlicht: „Vor zwei bis drei Jahren war es immer die Streitfrage Markenwerbung versus kurzfristige Angebotsorientierung. Das ist sicher der Dauerbrenner. Den Vertriebspartner interessierte in der Vergangenheit die Marke herzlich wenig, er will ganz konkrete Angebote sehen, er will seine Hardware-Angebote bewerben, also z.B. das Handy, das er zusammen mit uns pusht und unterstützt …[…] und ein möglichst knackiges Angebot…“
Absatzmittler verfolgen demnach mit kurzfristig orientierten Kommunikationsmaßnahmen insbesondere die Schaffung von hohen Frequenzen in der Einkaufsstätte und nutzen diese zur Differenzierung im horizontalen Wettbewerb. Ein branchenspezifischer Faktor, der an dieser Stelle zu erwähnen ist, da er entscheidend auf die Ziele von Unternehmen und Absatzmittlern bzw. deren Zielbeziehungen einwirkt, ist die Dominanz des Gerätes (Mobiltelefon) bei der Kaufentscheidung und die dadurch in den Hintergrund rückende Bedeutung des Pro-
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Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
viders (Unternehmen).196 Dies artikulieren Befragte in acht Fällen. Es wird insbesondere dadurch deutlich, dass sowohl in der massenmedialen als auch der persönlichen Kommunikation am PoS meist das Gerät, dessen Funktionen usw. im Vordergrund stehen. Dies hat zur Folge, dass mit dem Gerätehersteller, dem Provider (Unternehmen) und dem Absatzmittler meist drei Absender in den Kommunikationsaktivitäten eines Absatzmittlers zu beachten sind und dadurch die Darstellung eines einheitlichen, klaren Unternehmensimages erschwert wird. Bestehende Zieldivergenzen, beispielsweise die Schaffung einer hohen Markenpräferenz versus eine Einkaufsstättenprofilierung, verstärken sich in dieser Situation, für die auch folgende Aussage steht: „Der Händler hat die Situation, dass er eigentlich drei Elemente beziehungsweise Identitäten verkaufen möchte. Einerseits sein eigenes Image, z.B. [Absatzmittler], zweitens dieses Handy X von [Gerätehersteller A] und drittens mit dem Operator [Unternehmen]. Das heißt, er muss diese drei Elemente so integrieren, dass der Kunde weiß, es ist nicht [Wettbewerber A] oder [Wettbewerber B], sondern es ist [Unternehmen]. Und dass er weiß, es ist ein Handy von [Gerätehersteller A] und nicht von [Gerätehersteller B]. Und gleichzeitig muss er auch noch wissen, ich gehe zu [Absatzmittler A] und nicht zu [Absatzmittler B].“
Nach der Betrachtung der einzelnen Kategorien innerhalb der Dimension Zielkonflikte ist abschließend auf Basis der Datenanalyse hinsichtlich der Beantwortung der erweiterten Forschungsfrage F1-1, die die Identifikation konkreter Zielund Interessenunterschiede zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zum Inhalt hatte, folgendes Ergebnis (nachfolgend immer mit E gekennzeichnet) festzuhalten:197
196 Die auf das Gerät konzentrierte Präsentation sowohl am PoS als auch in der Print-
werbung wird in der Regel durch Preispläne (Minutentarife, Grundgebühren usw.) als Kommunikationsbotschaft des Unternehmens ergänzt. 197 Vgl. zu den konkretisierten Forschungsfragen Abschnitt 2.4, Schaubild 2-8.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
169
E1-1A:
Provisionen/Incentives, Werbekostenzuschüsse sowie der Zeit- und Umsatzdruck der Verkäufer lassen sich als zentrale Verteilungskonflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittler identifizieren. Bestehende Anreiz- und Entlohnungssysteme enthalten keine kommunikationsbezogenen Kriterien, sondern sind primär umsatz- und abverkaufsbezogen.
E1-1B:
Insgesamt lassen sich vier Bewertungskonflikte identifizieren. Zentral sind dabei die Interessenunterschiede hinsichtlich der Schaffung einer hohen Markenpräferenz (Unternehmen), dem die Profilierung der Einkaufsstätte (Absatzmittler) entgegensteht. Aus diesem Oberziel ergeben sich weitere Zieldivergenzen, die sich insbesondere auf die Umsetzung der Kommunikation hinsichtlich der Merkmale Qualität versus Preis, Markenimage versus Sortimentsimage sowie langfristig versus kurzfristig beziehen.
E1-1C:
Die Zieldivergenzen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sind umso größer, - je höher die umsatz- und abverkaufsabhängige Entlohnung eines Absatzmittlers, - je breiter und tiefer das Sortiment eines Absatzmittlers, - je dominanter die Nutzung des Preises als Profilierungsinstrument im horizontalen Wettbewerb ist.
3.3.1.2 Asymmetrische Machtbeziehungen als Konfliktursache Im Rahmen der Datenanalyse lassen sich für die Dimension der Machtbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler sechs Kategorien identifizieren, die sich den beiden Subdimensionen Abhängigkeit und Machtgrundlagen zuordnen lassen (vgl. Schaubild 3-8). Diese Zuordnung ist jedoch nur als tendenzielle Systematisierung zu verstehen, da die Machtgrundlage der einen Partei meist auch als die Abhängigkeit der anderen zu verstehen ist. Die Stärke der Abhängigkeit ist vielmehr als eine Art Rahmenbedingung zu verstehen, innerhalb der die Machtgrundlagen eine entsprechende Relevanz erlangen. Der Einsatz identifizierter Machtmittel, beispielsweise Sanktionierung in Form finanzieller oder sachlicher Mittel, bei einer gleichzeitigen hohen Abhängigkeit ist durch die Datenanalyse als Ursache für Konflikte im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten festzustellen. Nachfolgend werden die Machtkomponenten einzeln dargestellt und durch einige exemplarische Aussagen dokumentiert. Es ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei den Kategorien nicht um
170
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
ausschließlich kommunikationsbedingte Aspekte der Macht handelt, sondern die Nennungen vielmehr die grundsätzlichen Machtpositionen und -facetten der Parteien aufzeigen. Eine Vernachlässigung oder Nicht-Beachtung dieser wäre jedoch nicht realistisch, da die grundsätzliche Machtposition des Unternehmens bzw. Absatzmittlers auch die weiteren Verhaltensbeziehungen und somit die Defizitentstehung im Rahmen der Integrierten Kommunikation stark beeinflusst.198 (1) Unternehmenszweck und (2) Gerätebeschaffung und Netz In zehn Fällen sind Nennungen zu identifizieren, die eine hohe Abhängigkeit der Absatzmittler von den Unternehmen dokumentieren. Diese ist dadurch gegeben, dass Absatzmittler gemeinsam mit Unternehmen deren geschäftliche Ziele am Markt anstreben (Unternehmenszweck) (vgl. Zitat 1). Dies lässt auch ein starkes Interesse der Absatzmittler an einer erfolgreichen Umsetzung der Integrierten Kommunikation zur Unterstützung der ökonomischen Ziele und damit ein höheres Engagement vermuten. Die Abhängigkeit wird jedoch stark davon beeinflusst, welchen Anteil der Mobilfunk am Gesamtumsatz eines Absatzmittlers einnimmt. So sind Absatzmittler, die ausschließlich Mobilfunkprodukte anbieten, vollständig auf die Branche angewiesen, während so genannte Generalisten zahlreiche andere Produkte im Sortiment führen und die Abhängigkeit vom Mobilfunk-Unternehmen damit erheblich reduzieren (vgl. Zitat 2). Eine hohe Abhängigkeit der Absatzmittler ist zusätzlich dadurch gegeben, dass das Unternehmen für die Gerätebeschaffung verantwortlich ist und über das Mobilfunknetz verfügt, das die originäre Leistung darstellt (N = 2) (vgl. Zitat 3). Zitat 1: „Wir hängen von denen allen dreien vollkommen ab, wenn beispielsweise [Unternehmen] bei uns heraus gehen würde, dann würde uns so ein bedeutender Umsatz fehlen oder auch die anderen - das würde unsere Existenz bedrohen.“ Zitat 2: „Bei der Zentrale von [Absatzmittler] macht die Telekommunikation vielleicht zwei bis drei Prozent aus am Verkauf. Die verkaufen jetzt mehr Fernseher, Playstations und so. Das ist ein kleiner Umsatz und das hat nicht so eine Wichtigkeit […].“ Zitat 3: „Es besteht natürlich eine gewisse Abhängigkeit von den Providern [Unternehmen], weil die Vermittler kein Netz haben. [Absatzmittler] ist nur der Vermittler zwischen Endkunden und Provider, zudem sind die Provider diejenigen, die die Geräte beschaffen.“
(3) Absatzmittler-Anteil am Vertrieb Aussagen von neun der Befragten deuten bei der Analyse der Konfliktursachen darauf hin, dass die Abhängigkeit des Unternehmens insbesondere durch dessen vertikale Absatzkanalstruktur begründet ist. Je höher der Anteil des indirekten Vertriebs innerhalb der gesamten Vertriebsstruktur eines Unternehmens, desto 198 Vgl. zur Darstellung der Ergebnisse der Interdependenzen der identifizierten Verhal-
tensbeziehungen Abschnitt 3.3.1.5.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
171
größer ist auch dessen Abhängigkeit von den unternehmensfremden, unabhängigen Absatzmittlern.199 Die Machtposition eines Absatzmittlers wird zudem verstärkt, wenn dieser innerhalb des indirekten Vertriebsanteils einen hohen Anteil am Gesamtumsatz erwirtschaftet. Dadurch erhalten Absatzmittler eine gewisse Verhandlungsstärke gegenüber dem Unternehmen (C = 3). Ein Fall dokumentiert beispielsweise den Verzicht auf negative Sanktionen bei einem Vertragsbruch des Absatzmittlers, da dies möglicherweise mit dem Verlust von Marktanteilen des Unternehmens einhergehen könnte. Exemplarisch für die Kategorie steht die nachfolgende Aussage eines Unternehmensvertreters: Proband: „[…] Und das können wir uns nicht leisten, denn der Vertriebskanal Handel macht ca. 50 Prozent von den [Unternehmen]-Verkäufen aus!“ Interviewer: „Das ist ja schon ein großer Anteil…“ Proband: Eben – die Hälfte ist viel. Und wenn von der Hälfte dann plötzlich 15 Prozent fehlen – das ist viel! Daher steht der Handel schon in einer gewissen Machtposition.
Mit Durchsetzung der eigenen kommunikativen und ökonomischen Ziele und Erzielung eines höheren Marktanteils steigt die Abhängigkeit eines Unternehmens, das wiederum versucht, dieser Situation mit der Stärkung bzw. Förderung des eigenen, direkten Vertriebs entgegen zu wirken und damit die Abhängigkeit zu reduzieren (C = 5, „damit wir eben auch nicht erpressbar werden“). (4) Gatekeeperposition (Filter) Zentrales Machtmittel eines Absatzmittlers, das im Rahmen der Datenanalyse neun Befragte nennen, ist dessen Position als Gatekeeper und damit verbunden der Präsentations-, Image-, Beratungs- sowie Servicefilter und die Informationsweitergabe an Kunden und Unternehmen. Dabei ist die Position des Gatekeepers umso bedeutender, je höher dessen Vertriebs- bzw. Umsatzanteil ist. Die Ausnutzung dieser Position lässt sich als zentrale Konfliktursache für Defizite in der massenmedialen und persönlichen Darstellung des Unternehmens durch den Absatzmittler identifizieren. In den überwiegenden Fällen deuten die identifizierten Textpassagen auf eine Ausnutzung der Gatekeeperposition zur Erlangung finanzieller Mittel oder anderer Formen der Unterstützung der Absatzmittler durch Unternehmen (C = 13) sowie den Austausch von Informationen (C = 3) hin: „Für [Absatzmittler] ist die Umsetzung unserer Kommunikation nur ein Erpressungsmittel! Wenn ich sage, dass wir einen Plakatsteller aufstellen möchten, wo wir dem Kunden aktuelle Sachen signalisieren können, dann sagt er „Super Idee – kostet X CHF“ pro Jahr. Wenn ich dann sage, dass wir nichts bezahlen, dann nimmt er auch keinen Pla-
199 In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass neben den unabhängigen
auch gebundene unternehmensfremde Absatzmittler zum indirekten Vertrieb zu rechnen sind. Diese sind für das Unternehmen besser kontrollierbar.
172
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs katsteller. Er sieht überhaupt nicht die Vorteile von der Kommunikation, sondern für ihn ist das nur ein Mittel, um uns wieder Geld abzunehmen.“
(5) Marke des Unternehmens Insgesamt zwölf der befragten Experten geben die Marke eines Unternehmens als entscheidende Grundlage an, die das Gleichgewicht der Machtpositionen und die Ausnutzung derselben beeinflusst. Die Kategorie lässt sich derart konkretisieren, dass in neun Textpassagen die „Stärke“ der Marke hervorgehoben wird. Mit dieser „Stärke“ sind ein angenommener hoher Bekanntheitsgrad, ein positives Image und eine hohe Wertschätzung der Kunden verbunden. Sechs Nennungen sehen zudem in dem ökonomischen Erfolg, der im Marktanteil bzw. der Stellung gegenüber den Wettbewerbern deutlich wird, die Machtgrundlage, während vier Nennungen auf die notwendige Ubiquität einer Marke hinweisen. Durch die Marke eines Unternehmens bietet sich für Absatzmittler eine Möglichkeit, die eigenen Ziele durchzusetzen, da Marken Frequenz schaffen und den Kommunikations- und Werbedruck erhöhen. Marken werden demnach als ein Mittel zur Einkaufsstättenprofilierung angesehen und verbessern die Machtposition des Unternehmens, was auch durch nachfolgendes Zitat deutlich wird: „Der Händler hat das Interesse, Handys zu verkaufen beziehungsweise Abonnements zu generieren. Dazu braucht er auch die starken Marken.“
(6) Mittel und Ressourcen Als wesentliche Machtgrundlage eines Unternehmens sind die Mittel und Ressourcen, die dieses den Absatzmittlern entzieht oder gewährt, zu verstehen (N = 7). Dabei handelt es sich insbesondere um finanzielle Mittel, die dem Unternehmen in der massenmedialen Darstellung der Kommunikationsmittel eines Absatzmittlers „Mitspracherechte“ verleihen: „[…] klar spielt man ein bisschen die Machtpositionen aus, versucht man ein wenig zu steuern, dass man sagt „Ich übernehme 100 Prozent dieses InseratsƎ, da verlange ich natürlich schon eine gewisse Möglichkeit, mich – das Unternehmen – in dieser Werbung zu präsentieren!“
Neben den finanziellen Mitteln werden insbesondere sachliche Zuwendungen (z.B. geeignetes PoS-Material), personelle Unterstützung (z.B. technische und inhaltliche Unterstützung durch das Call Center) und Informationen als Machtmittel eingesetzt. Zahlreiche Konflikte lassen sich auf den Einsatz der verschiedenen Mittel und Ressourcen zurückführen und wirken auf die anderen Verhaltensbeziehungen bzw. sind ursächlich für Divergenzen in den Ziel-, Rollen- und Informationsbeziehungen. Auf Basis der Ergebnisse zu den Machtbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern wird die erweiterte Forschungsfrage F1-2 wie folgt beantwortet:
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
173
E1-2A:
Abhängigkeiten zwischen Unternehmen und Absatzmittler bestehen vor allem durch den Unternehmenszweck bzw. die Gerätebeschaffung/das Netz sowie den Absatzmittler-Anteil am indirekten Vertrieb.
E1-2B:
Innerhalb dieser Abhängigkeitspositionen werden in unterschiedlichem Maße Machtmittel eingesetzt, die sich als ursächlich für Konflikte identifizieren lassen. Während für Absatzmittler insbesondere deren Gatekeeperposition ein Machtmittel darstellt, sind für Unternehmen finanzielle Mittel und Ressourcen sowie die Marke eines Unternehmens von Bedeutung. Je stärker die Abhängigkeiten, desto intensiver ist die Nutzung von Machtmitteln auf Seiten des Machtüberlegenen.
E1-2C:
Die Machtverhältnisse zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bzw. die Macht(aus)nutzung dokumentieren sich insbesondere in den Ziel-, Rollen- und Informationsbeziehungen.
3.3.1.3 Abweichendes Rollenverhalten als Konfliktursache Innerhalb der Dimension der Rollenbeziehungen lassen sich insgesamt sechs Kategorien isolieren, die den Subdimensionen „unvermeidbarer Rollenkonflikt“, „vermeidbarer Rollenkonflikt“ sowie „Rollendissens“ zuzuordnen sind (vgl. Schaubild 3-8). (1) Zugehörigkeit der Absatzmittler zu weiteren Absatzsystemen Die Zugehörigkeit der Absatzmittler zu weiteren Absatzsystemen als unvermeidbarer Rollenkonflikt lässt sich in zwölf Fällen als Ursache potenzieller Konflikte im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten identifizieren. Durch diese Situation beeinflussen vor allem die Aktivitäten der Wettbewerber eines Unternehmens die vertikale Zusammenarbeit. Betrachtet man die Kategorie näher, so zeigt sich deren Relevanz insbesondere in der Interdependenz mit den weiteren Verhaltens- und Informationsbeziehungen.200 Es bestätigt sich die theoretische Annahme, dass Unternehmen durch den Einsatz finanzieller und sachlicher Mittel versuchen, bei Absatzmittlern rollenkonformes, d.h. IK-adäquates Verhalten durchzusetzen. Aufgrund der Zugehörigkeit von Absatzmittlern zu anderen Absatzsystemen verschärfen sich die Zielkonflikte, da 200 Vgl. zur ausführlichen Darstellung der Interdependenzen der identifizierten Verhal-
tensbeziehungen und für Beispiele der oben beschriebenen Ausprägungen der Kategorie Abschnitt 3.3.1.5.
174
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Absatzmittler denjenigen unterstützen bzw. sich nach dessen Erwartungen verhalten, der ihnen den größten (monetären) Nutzen bringt. Eine Prioritätensetzung hinsichtlich der Unterstützung durch einen Absatzmittler, um beispielsweise bestimmte Ziele zu erreichen, auf deren Basis die Entlohnung berechnet wird, lassen sich in drei Nennungen erkennen. Dies hat jedoch zur Konsequenz, dass sich die Zahlungen und Zuschüsse eines Unternehmen bzw. ihrer Wettbewerber an die Absatzmittler gegenseitig hochschrauben und dadurch eine „Provisions- und Werbekostenspirale“ entsteht (C = 10). Die Wettbewerbssituation bietet für Absatzmittler zudem Möglichkeiten, die eigene Abhängigkeit zu reduzieren und Unternehmen hinsichtlich der Forderungen gegenseitig „auszuspielen“ bzw. unter Druck zu setzen (C = 5). Im Rahmen der Subdimension vermeidbare Rollenkonflikte, bei der sich eine der beiden Parteien mit dem Ziel der Durchsetzung der eigenen Rollenkonzeption vorsätzlich entgegen den Erwartungen an seine Rolle verhält, lassen sich drei Kategorien identifizieren, die als ursächlich für Konflikte im Rahmen der Integrierten Kommunikation zu verstehen und durch unterschiedliche Merkmale zu charakterisieren sind (vgl. Schaubild 3-9 zur tabellarischen Übersicht der identifizierten Merkmale (2) bis (4) und beispielhafter Aussagen zu den jeweiligen Kategorien)201 (2) Unterschiedliche Unterstützung der Absatzmittler In zehn Fällen weisen die Aussagen der Befragten auf die ungleiche Unterstützung der Absatzmittler zur Erbringung ihrer Leistung durch ein Unternehmen hin. Diese bewusste Abweichung im Rollenverhalten eines Unternehmens ist vor allem durch die unterschiedlich intensive Betreuung, finanzielle und personelle Unterstützung, Schulungen sowie den Einsatz unterschiedlichen PoS-Materials bzw. geeigneter Tools und Instrumente gekennzeichnet. Darüber hinaus verstärkt die Gewährung besserer Konditionen und exklusiver Angebote, die einzelnen Absatzmittlern eine entsprechend differenzierende Darstellung in der Kommunikation ermöglichen, die horizontalen Kanalkonflikte.202 Festzustellen ist, dass Entscheidungen über die unterschiedliche Unterstützung meist an umsatz- und abverkaufsbezogenen Kriterien festgemacht werden, sich mit der Größe und Anzahl der Absatzmittler-Filialen jedoch auch Ansatzpunkte kommunikationsbezogener Aspekte identifizieren lassen, wenn diese beispielsweise als potenzielle
201 Diese Form der Darstellung wird im Folgenden immer dann angewendet, wenn in-
nerhalb einer Kategorie zahlreiche Merkmale und Eigenschaften identifiziert wurden und dient der übersichtlichen bzw. zusammenfassenden Darstellung der Ergebnisse. 202 Vgl. die Abgrenzung zwischen horizontalen und vertikalen Kanalkonflikten in Abschnitt 1.3.4.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
175
Kontaktpunkte vor dem Hintergrund der Erzielung einer hohen Reichweite der Kommunikationsmaßnahmen interpretiert werden. (3) Aufbau und Förderung des direkten Vertriebs Eine weitere Kategorie, die auf vermeidbares Abweichen im Rollenverhalten von Unternehmen hinweist und die überwiegend Vertreter auf Absatzmittlerseite (N = 7) äußern, ist der Aufbau bzw. die kommunikative Förderung des direkten Vertriebs eines Unternehmens. Während sich die oben beschriebene ungleiche Unterstützung auf die verschiedenen Absatzmittler bezieht, stellt diese Kategorie die bewusste Bevorzugung des eigenen Kanals durch ein Unternehmen dar. In sieben Nennungen der befragten Absatzmittler ist zu erkennen, dass der unternehmenseigene Vertrieb als ein direkter Konkurrent empfunden wird und dessen Bevorzugung die Konkurrenz- bzw. Konfliktbeziehungen zusätzlich verschärft. Die unterschiedliche Förderung äußert sich beispielsweise in der Durchführung zusätzlicher Kommunikationsmaßnahmen am PoS, sei dies beispielsweise durch eine verstärkte personelle Unterstützung im Rahmen von konsumentengerichteten Verkaufsförderungsaktionen oder durch zusätzliche PoS-Materialien (z.B. Instrumente, die die Präsentation und Demonstration der Produkte unterstützen). Die häufigsten Nennungen betonen in dieser Kategorie die Entwicklung spezieller Angebote, die nur in den Unternehmens-Shops erhältlich sind. Als problematisch erachten die Befragten in diesem Zusammenhang, dass in den Printanzeigen oder TV-Spots eines Unternehmens, die auf dieses Angebot aufmerksam machen, die Exklusivität des Vertriebs nicht immer deutlich wird. Dies führt dazu, dass Kunden eines Absatzmittlers zwar von diesem Angebot gehört haben und sich dafür interessieren, es jedoch in dessen Filialen nicht verfügbar ist. Ein weiteres Merkmal ist die Ausstattung der unternehmenseigenen Kanäle mit umfangreichen Möglichkeiten in der Kundeninteraktion, beispielsweise durch die bevorzugte Behandlung bei der Inanspruchnahme der Hotlines und Call Center durch die Mitarbeitenden im Verkauf oder die Gewährung von Gutschriften auf Rechnungen usw. bei Beschwerden des Kunden. Eine frühzeitige Information der eigenen Kanäle als Merkmal dieses Rollenkonfliktes führt zu einer Verstärkung der Informationskonflikte. Der Aufbau und die Förderung des direkten Kanals eines Unternehmens haben einen bedeutenden Einfluss auf die jeweiligen Machtpositionen, da durch den eigenen Kanal und dessen Erfolg die Abhängigkeit eines Unternehmens reduziert wird. (4) Eigeninitiative der Absatzmittler Schließlich lässt sich als dritte Kategorie des vermeidbaren Rollenkonfliktes die Eigeninitiative der Absatzmittler bei kommunikativen Maßnahmen feststellen. Sieben Fälle betonen ein bewusstes Abweichen der Absatzmittler von ihrer ihnen zugedachten Rolle im Absatzsystem, das besonders in der Verwendung am PoS
176
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Vermeidbare Rollenkonflikte
erfasster Kundendaten für die eigenen Kommunikationsaktivitäten, beispielsweise in Form von Mailings, deutlich wird. Innerhalb der Mobilfunkbranche gehören jedoch die am Absatzmittler-PoS bei Vertragsabschluss aufgenommenen und erfassten Kundendaten, z.B. Anschrift, Geburtsdatum, der Zeitpunkt des Vertragsendes usw. rechtlich dem Unternehmen. Als ein weiteres Merkmal dieser Kategorie ist die aktive Bewerbung von Vertragsverlängerungen oder von Treueangeboten in der Mediawerbung zu identifizieren. Kategorie
Merkmale des Rollenkonfliktes
C
Ungleiche Unterstützung der Absatzmittler (N = 10)
Intensivere Betreuung/personelle Unterstützung
4
Bessere Konditionen und Angebote/Exklusivität
6
Unterschiedliche Schulungen
2
Unterschiedliche(s) PoS-Material/Tools/Instrumente zur Präsentation
5
Unterschiede in der finanziellen Unterstützung
4
Typische Aussage:
„Und dann haben wir natürlich das Problem, dass der gesamte Handel anruft und sich beschwert, „…was habt ihr denen für Subventionen gegeben, wie habt ihr die unterstützt“ usw.“
Aufbau und (kommunikative) Förderung des direkten Vertriebs (N = 7)
Entwicklung spezieller Angebote/Preise und umfangreiche Möglichkeiten in der Kundeninteraktion (Gutschriften auf Rechnungen usw.)
7
Bewusstes Bevorzugen bei Call Centern/Hotlines
2
Frühzeitige Informationen an die eigenen Kanäle
1
Umfassendere Kommunikationsmaßnahmen (PoS, Medien)
2
Typische Aussage:
„Das ist auch eine Konfliktsituation, die zwischen Händler beziehungsweise Handel und dem Operator […] besteht: das Dilemma […], wie stark wird der eigene Kanal – auch kommunikativ – gepusht, mit der Zielsetzung der Unabhängigkeit, Flexibilität usw. im Vergleich zu dem indirekten Kanal? Da entstehen natürlich Konflikte: einerseits, wenn man den eigenen Kanal zu stark kommunikativ unterstützt und die Präsenz aufzeigt und gleichzeitig den indirekten Kanal mindert, dann kommt es automatisch in eine Konfliktsituation, dass der indirekte Kanal die Bedeutung nicht mehr sieht, [Unternehmen] als solches weiterhin zu vertreten und zu verkaufen.“
Eigeninitiativen der Absatzmittler (N = 7)
Aggressive Werbe- und Kommunikationsaktivitäten
1
Aktives Bewerben von Treueangeboten/Vertragsverlängerungen
3
Typische Aussage:
Verwendung der Kundendaten für Kommunikationsaktivitäten
4
Umgehung des Unternehmens bei der Gerätebeschaffung
1
„Die Daten gehören den Providern. Der [Absatzmittler] hat die Daten zwar, kann diese selber sammeln und erfassen, rechtlich ist es jedoch so, dass die Daten nicht verwendet werden dürfen. Eine aktive Kundenbearbeitung oder Bewerbung ist daher nicht möglich – dies ist die offizielle Version. Inoffiziell ist es so, dass immer mal wieder Vertriebspartner die Daten auch für die eigenen Zwecke nutzen, beispielsweise im Rahmen von Mailings, wenn diese wissen, dass der Vertrag abläuft.“
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit)
Schaubild 3-9: Vermeidbare Rollenkonflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
177
Im Rahmen der Datenanalyse sind mit der fehlenden Unterstützung der Absatzmittler durch Unternehmen sowie der Aufgabenverteilung zwei weitere Kategorien zu identifizieren. Diese sind der Subdimension des Rollendissenses zuzuordnen und bezeichnen im Gegensatz zu dem bereits beschriebenen bewussten Abweichen das unbewusste, daher prinzipiell vermeidbare, Abweichen von der erwarteten Rolle in Folge von Unklarheiten und Fehlinterpretationen (zur Übersicht der Merkmale (5) und (6) und beispielhafter Zitate vgl. Schaubild 3-10). (5) Fehlende Unterstützung der Absatzmittler In elf Fällen lässt sich als Ursache für konkrete Konflikte die fehlende Unterstützung der Absatzmittler durch ein Unternehmen identifizieren. Es ist darauf hinzuweisen, dass die fehlende Unterstützung unbewusst erfolgt. Die häufigen Nennungen (C = 36) dieser Kategorie sind dahingehend zu konkretisieren, dass es sich mehrheitlich um nicht institutionalisierte Schulungen – die zudem kaum kommunikationsbezogene oder IK-spezifische Aspekte enthalten –, die mangelnde Erreichbarkeit der Hotlines und Call Center sowie nicht funktionierende Aktivierungssysteme handelt. Insbesondere vor dem Hintergrund des Umsatz- bzw. Zeitdrucks der Verkäufer intensiviert sich dieser Konflikt, da die mangelnde Unterstützung mittels geeigneter Unternehmenssysteme mit einem Zeitverlust einhergeht. Darüber hinaus nennen einige der Befragten die fehlende intensive Betreuung durch Außendienstmitarbeitende und/oder die mangelnde personelle Unterstützung am PoS, beispielsweise durch den Einsatz so genannter Merchandiser oder zusätzlichem Personal im Verkauf. Ein Abweichen vom erwarteten Verhalten wird zudem dadurch deutlich, dass Unternehmen ihrer Pflicht einer Sicherung der Geräteverfügbarkeit sowie der Zusendung aktueller PoS-Materialien nicht nachkommen. (6) Aufgabenverteilung Unklarheiten und Fehlinterpretationen, die zu dem unbewussten, aber prinzipiell vermeidbaren Abweichen der eigenen Rolle führen, lassen sich in weiteren elf Fällen durch die bestehende Aufgabenverteilung isolieren. Dabei handelt es sich insbesondere um Missverständnisse über die Verantwortung der Bewirtschaftung des PoS, da die Aufgabenverteilung nicht formalisiert ist. Zudem führen fehlende Regelungen im Rahmen der Planung und Umsetzung der Integrierten Kommunikation und Handbücher, die IK-spezifische Informationen und relevante Ansprechpartner auf beiden Seiten enthalten, zu Fehlinterpretationen und Unklarheiten.
Rollendissens zwischen Unternehmen und Absatzmittlern
178
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs Kategorie
Merkmale des Rollenkonfliktes
C
Fehlende Unterstützung der Absatzmittler durch das Unternehmen (N = 11)
Schulungen sind nicht institutionalisiert und enthalten keine kommunikationsbezogenen Aspekte
7
Mangelnde Unterstützung durch Hotlines/Call Center (Zeitverlust)
6
Nicht funktionierende Aktivierungssysteme (Zeitverlust)
5
Mangelnde personelle Unterstützung am PoS
5
Keine intensive Betreuung durch Außendienst/Zentrale
7
Keine Sicherung der Verfügbarkeit der Geräte
4
Keine Zusendung von PoS-Materialien
1
Fehlende Unterstützung bei „Problemen“
1
Typische Aussage:
„Oder dass Hotlines sofort abgenommen werden, dass die Leute auch entsprechend an der Hotline geschult sind. […] Es hat lange eine Phase gegeben, da hat man die Hotline angerufen und dann haben die das selber nicht gewusst. Dann mussten die das noch abklären. Dann mussten die geschult werden und dann haben die erst wieder zurück gerufen. Da hat es auch eine Zeit lang sehr schlechte Sachen gehabt.“
Aufgabenverteilung (N = 11)
Unklarheiten über die Verantwortung der Bewirtschaftung des PoS (nicht formalisiert)
11
Fehlende oder nicht formalisierte Regelungen/Handbücher (keine IK-spezifischen Aspekte, Ansprechpartner)
4
Typische Aussage:
Interviewer: „[…] Wenn da ein Mitarbeiter von Ihnen hinkommt, ist dann immer alles in Ordnung – sieht das entsprechend aus, ist immer alles aktuell usw.?“ Proband: „Nein – die machen gar nichts. Die erwarten, dass wir das machen.“ I: „Also die sagen, das ist nicht unsere Aufgabe, da haben wir uns nicht darum zu kümmern?“ P: „Ja.“ I: „Gibt es da Vereinbarungen? Ist das geregelt, wie die Aufgabenverteilung ist?“ P: „Ich weiß nicht. Ich kenne die Verträge nicht. Aber ich denke nicht, dass es da Vereinbarungen gibt.“
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit)
Schaubild 3-10: Rollendissens zwischen Unternehmen und Absatzmittler Auf Basis der Ergebnisse der Rollenbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern wird die erweiterte Forschungsfrage F1-3 wie folgt beantwortet:
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
179
E1-3A:
Als unvermeidbarer Rollenkonflikt lässt sich die Zugehörigkeit der Absatzmittler zu weiteren Absatzsystemen identifizieren, die vor dem Hintergrund der Interdependenzen der Konfliktursachen eine hohe Relevanz aufweist.
E1-3B:
Mit der ungleichen Unterstützung der verschiedenen Absatzmittler und dem Aufbau bzw. der kommunikativen Förderung des direkten Vertriebkanals durch ein Unternehmen sind vermeidbare Rollenkonflikte zu isolieren. Diese bewusste Abweichung des Verhaltens von den Rollenerwartungen ist auf Absatzmittlerseite durch dessen kommunikative Eigeninitiativen festzustellen. Die jeweiligen Aktivitäten wirken zum einen auf die Machtverhältnisse und Abhängigkeiten der beiden Parteien, zum anderen sind die Merkmale der Kategorien als Machtmittel bzw. Ausdruck der Machtnutzung zu verstehen.
E1-3C:
Die fehlende Unterstützung durch ein Unternehmen sowie bestehende Missverständnisse und Unklarheiten über die Aufgabenverteilung bilden die Kategorien des Rollendissens, die als ursächlich für Konflikte im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten identifiziert werden.
3.3.1.4 Vertikales Informationsgefälle als Konfliktursache Störungen in den Kommunikationsbeziehungen und ein dadurch entstehendes vertikales Informationsgefälle zwischen Unternehmen und Absatzmittler lassen sich auf Basis der Datenanalyse durch insgesamt fünf Kategorien abbilden, deren Systematisierung über die Subdimensionen Fehlinterpretation, unterbleibende Weitergabe sowie Filterung möglich ist (vgl. Schaubild 3-8). (1) Unterschiedliche Bedeutung Im Rahmen der Fehlinterpretation, die insgesamt sechs Befragte als Konfliktursache angeben, werden gleiche Informationen durch die beiden Parteien unterschiedlich interpretiert bzw. priorisiert. Dies zeigt sich insbesondere in Nennungen, die sich auf die dadurch entstehende fehlende Weitergabe oder Veränderung der Informationen jeweils auf Absatzmittler- und Unternehmensseite beziehen (C = 10), z.B. dadurch, dass Mitarbeitende in der Zentrale Informationen als nicht relevant für den Verkäufer einstufen. Dies hat zur Folge, dass eventuell wichtige Informationen über Botschaften, Aktionen usw. ausselektiert werden und die Verkäufer nicht erreichen. Exemplarisch dafür steht das folgende Zitat: „Zudem er [Verkäufer] […] selber ein Handy hat und diese Information bekommt, erhält er die Information auch noch durch das [Informationssystem]. Man sollte auch ein biss-
180
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs chen die Spreu vom Weizen trennen und mal schauen: das muss ein Verkäufer wissen, das ist wichtig und der Rest ist dann für den Endkonsumenten und ist für uns nicht wirklich ausschlaggebend. Und da mache ich [Gruppenleiter/Zentrale] dann zum Teil auch oben direkt den Filter.“
Die unterschiedliche Bedeutung, die Informationen beigemessen wird, findet in der fehlenden oder auch nur langsamen Informationsnutzung Ausdruck, z.B. wenn durch das Unternehmen mittels Info-Mails, Newslettern, elektronischen Informationssystemen usw. bereitgestellte Kampagneninformationen durch Verkäufer auf Absatzmittlerseite nicht genutzt werden (C = 4). Auf Unternehmensseite zeigt sich die unterschiedliche Interpretation der Information durch (Nicht-) Weitergabe entsprechender, durch die eigenen Ziele und Erwartungen geprägten, Informationen zwischen Vertriebs- und Kommunikationsabteilung. (2) Geheimhaltungsgründe, (3) Wettbewerbsvorteile und (4) Unbewusst fehlende Weitergabe In acht Fällen sind Nennungen zu identifizieren, die auf das bewusste Zurückhalten von Informationen aus Geheimhaltungsgründen hinweisen. In dieser Kategorie wird deutlich, dass insbesondere aufgrund der Zugehörigkeit zu weiteren Absatzsystemen keine bzw. eine nur späte oder verzerrte Weitergabe von Informationen erfolgt. Dieser Informationskonflikt ist auch vor dem Hintergrund der Sicherung der eigenen Wettbewerbsvorteile zu isolieren (N = 11). Das bewusste Zurückhalten der Informationen erfolgt insbesondere aufgrund der Förderung des eigenen Vertriebs und damit verbundener Zielkonflikte. In beiden Kategorien zeigt sich daher die enge Verbindung der Informationskonflikte zu Rollenkonflikten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. Die unbewusst unterbleibende Informationsweitergabe ist im Rahmen der Datenanalyse in acht Fällen als Konfliktursache festzustellen. Dabei handelt es sich vor allem um einen seltenen Informationsaustausch auf der strategischen, aber auch operativen Ebene oder (zu) späte bzw. lediglich nachträgliche Information der Absatzmittler über Aktionen usw. Dies belegt das folgende Zitat: „[…] die großen Änderungen von den Produkten bekommt man immer mit, auch wenn man keine Information vom Außendienst bekommt – aber so kleine Spezialangebote, z.B. Studentenpromotionen usw. Montags ist Start und der Außendienst hat uns am Freitag eigentlich zu informieren. Der erste Kunde kommt hinein – und dann sieht man unkompetent aus.“
(5) Informationsüberlastung Wie bereits im Rahmen der theoretischen Betrachtungen angenommen, spielt insbesondere eine, aus den zahlreichen eingegangenen Informationen und einer begrenzten Informationsverarbeitungskapazität resultierende, hohe Informationsüberlastung und die damit einhergehende Filterung der Informationen eine dominante Rolle bei der Analyse der Konfliktursachen. Diese Kategorie ist durch
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
181
Nennungen in acht Fällen zu identifizieren und dahingehend zu konkretisieren, dass auf Absatzmittlerseite Informationen eines Unternehmens nicht aufgenommen, verarbeitet und – insbesondere gegenüber Kunden – weiterverwendet werden. Als Gründe der Informationsüberlastung artikulieren die Befragten in acht Nennungen, dass zu viele Informationen von drei Anbietern vorliegen, Äußerungen in vier Nennungen weisen auf den dynamischen Markt und zahlreiche verschiedene Produkte bzw. Ratenpläne hin. Die folgende beispielhafte Aussage verdeutlicht die Situation: „Man muss es immer so sehen: ein [Unternehmen]-Shop hat ja nur [Unternehmen]-Produkte, d.h. der Verkäufer kann sich sicherlich besser auf die gewissen Sachen konzentrieren […]. Da ist man einfach Mensch, je mehr Informationen, desto weniger bleibt hängen, denn er kann sich nicht alles merken. Bei den Absatzmittlern, die ich betreue ist es so, dass sie drei Provider haben. Und von jedem von diesen Providern kommen ja eigentlich wöchentlich, monatlich so viele Informationen auf die Personen zu […].“
Unterschiede innerhalb der Kategorie Informationsüberlastung sind zudem vor dem Hintergrund einer genaueren Betrachtung der unterschiedlichen Absatzmittlertypen festzustellen. Demnach verstärken sich die Überlastung und damit das vertikale Informationsgefälle bei Generalisten durch die zusätzlichen Informationen über zahlreiche andere Produkte des Sortiments (C = 3). Zu der erweiterten Forschungsfrage F1-4 werden zusammenfassend folgende Ergebnisse festgehalten: E1-4A:
Insgesamt lassen sich fünf Kategorien abbilden, die das vertikale Informationsgefälle zwischen Unternehmen und Absatzmittler zum Ausdruck bringen. Neben der Fehlinterpretation und der unbewusst unterbleibenden Informationsweitergabe erweisen sich vor allem das bewusste Zurückhalten oder Verändern von Informationen aus Geheimhaltungs- und Wettbewerbsgründen sowie die Filterung von Informationen aufgrund der Informationsüberlastung als zentrale Ursachen der Konfliktentstehung im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.
E1-4B:
Die Informationsüberlastung auf Absatzmittlerseite ist umso höher, je breiter und tiefer das Sortiment eines Absatzmittlers ist.
182
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
3.3.1.5 Interdependenzen der identifizierten Verhaltensbeziehungen Die Darstellung der Ergebnisse der identifizierten Ziel-, Rollen-, Macht- und Informationskonflikte hat deutlich gemacht, dass zwischen diesen zahlreiche Interdependenzen bestehen und Konflikte sich in vielfältiger Weise beeinflussen bzw. verstärken. Dabei ist festzustellen, dass sich die Abweichungen im Rollenverhalten und die gestörten Informations- und Kommunikationsbeziehungen überwiegend aus den divergierenden Ziel- und asymmetrischen Machtbeziehungen ableiten. Wie bereits in den theoretischen Ausführungen bemerkt, lässt die Datenanalyse zudem deutlich werden, dass die Durchsetzung rollenkonformen Verhaltens insbesondere durch den Einsatz finanzieller und sachlicher Mittel sowie personeller Ressourcen angestrebt wird, die bestehenden Rollenkonflikte demnach Ziel- und Machtkonflikte verstärken. Darüber hinaus ist festzustellen, dass mehrheitlich finanzielle Mittel und Informationen als Machtmittel eingesetzt werden. Schaubild 3-11 vermittelt einen beispielhaften Überblick der komplexen Verflechtungen, die innerhalb der Datenanalyse zu identifizieren waren und beantwortet damit Forschungsfrage F1-5. Die Darstellung erhebt jedoch nicht den Anspruch auf Vollständigkeit, da zwischen die Beziehungen zu viele komplexe Verbindungen bestehen, deren umfangreiche Darstellung an dieser Stelle nicht möglich bzw. zielführend ist. Beispielhafte Zitate in Schaubild 3-12 verdeutlichen schließlich die identifizieren Interdependenzen in den Beziehungen. Zielbeziehungen Î
Rollenbeziehungen Î
Machtbeziehungen Î
Informationsbeziehungen Î
Zielbeziehungen Î
Werbekostenzuschüsse Î Einkaufsstättenprofilierung (1)
Einkaufsstättenprofilierung Î Eigeninitiative Absatzmittler (5)
Provisionen/ Incentives Î Mittel und Ressourcen (9)
Provisionen/ Incentives Î Filterung (13)
Rollenbeziehungen Î
Zugehörigkeit Î Provisionen/ Werbekostenzuschüsse (2)
Fehlende Unterstützung Î Förderung des direkten Vertrieb (6)
Förderung eigener Kanal Î Absatzmittler-Anteil am Vertrieb (10)
Förderung eigener Kanal Î Wettbewerbsvorteile (14)
Machtbeziehungen Î
Gatekeeperposition Î Provisionen/ Werbekostenzuschüsse (3)
Gerätebeschaffung Î fehlende Unterstützung (7)
Absatzmittler-Anteil am Vertrieb Î Mittel und Ressourcen (11)
Unternehmenszweck (AM) Î Infoüberlastung (Filterung) (15)
Informationsbeziehungen Î
Geheimhaltung Î Markenprofilierung (4)
Infoüberlastung (Filterung) Î Zugehörigkeit (8)
Geheimhaltung/ Wettbewerb Î Informationen als Machtmittel (12)
Infoüberlastung (Filterung) Î Fehlinterpretation (16)
Lesebeispiel: Zugehörigkeit Î Provisionen/Werbekostenzuschüsse (2): Die Zugehörigkeit zu mehreren Absatzsystemen als unvermeidbarer Rollenkonflikt beeinflusst (verstärkend bzw. vermindernd) die Werbekostenzuschüsse im Rahmen der Zieldivergenzen (Provisions-/Werbekostenspirale).
Schaubild 3-11: Beispielhafte identifizierte Interdependenzen in den Verhaltensbeziehungen
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
183
Nr.*
Typische Aussage
(1)
„Aber sie versuchen es natürlich immer wieder, über uns Marketinggelder oder zusätzliche Marketinggelder zu bekommen […] damit sie als Absender wieder Werbung machen können, die ihnen dann klar zu 100 Prozent Kunden bringt.“
(2)
„Der größte Knackpunkt ist, dass unsere Konkurrenz die Provisionen erhöht, höhere Subventionen gibt, […] also die finanziellen Mittel und da sieht man auch, dass es nicht nur ein Problem ist, das beim Händler liegt, eigentlich sogar am wenigsten! Die Problematik liegt eher darin, was der Mitbewerber macht.“
(3)
„Für [Absatzmittler] ist die Umsetzung unserer Kommunikation nur ein Erpressungsmittel! Wenn ich sage, dass wir einen Plakatsteller aufstellen möchten, wo wir dem Kunden aktuelle Sachen signalisieren können, dann sagt er „Super Idee - kostet X CHF“ pro Jahr. Wenn ich dann sage, dass wir nichts bezahlen, dann nimmt er auch keinen Plakatsteller.“
(4)
„Die [Information] erfolgt dann wieder punktuell, nehmen wir z.B. eine Weihnachtskampagne oder -promotion, dann wird mit dem nötigen Vorlauf – die wird aus Konkurrenzgründen lange unter Verschluss gehalten, da geht also überhaupt nichts raus, außer in den Managementpositionen.“
(5)
„Die Adressen werden nicht verwendet, diese gehören dem Provider, bei einer Kundenakquise werden die Daten aufgenommen und an den Provider weitergegeben. Dadurch ergibt sich für uns das Problem, dass das Geschäft mit der Vertragsverlängerung verloren geht. Dieses darf nicht aktiv in Werbemitteln beworben werden, im Laden kann das Verkaufspersonal die Kunden natürlich ansprechen. Für [Absatzmittler] wäre dies interessant, da man hier auch einen Austausch mit weiteren Produkten des gesamten Sortiments vornehmen könnte.“
(6)
„Das sind auch unterschiedliche Regeln, die die in den Call Centern haben, wenn z.B. ein eigener Shop anruft, dann wird der anders behandelt als die indirekten Kanäle. […]“
(7)
„Wenn er [Provider] es [Gerät] nicht besorgen kann – das ist bei kleinen Promotionen kein Problem, aber wenn z.B. [Unternehmen] erst sehr spät sagt, dass sie ein Gerät pushen, die können es aber nicht liefern, [Absatzmittler] hat keine auf Lager, die Werbung läuft aber schon – dann haben wir schon ein Problem.“
(8)
„Für die Verkäufer ist es jedoch sehr schwierig die ganzen Informationen zu verarbeiten! Und sie haben die Informationen von drei Anbietern.“
(9)
„Da kann natürlich ein Kräfteverhältnis spielen, je nachdem, wer welche [finanzielle] Kräfte in den Markt bringt, […] kann dann entsprechend die Fluktuation stärken! Es sind aber nicht nur rein finanzielle Mittel, sondern auch der weitere Incentive-Bereich. Aber schlussendlich ist es das, was in die Tasche des Händlers reinkommt – das ist auch maßgeblich!“
(10)
„Für uns ist wichtig, dass wir einen starken Eigenvertrieb haben und der wird ja auch sehr stark gefördert, damit wir eben auch nicht „erpressbar“ werden.“
(11)
„Dieser Marktanteil wird sehr stark durch die Beziehungen, das Icentive-Programm und die finanziellen Mittel, die wir haben – mit diesem Partner – beeinflusst. Wenn das nicht gegeben ist, schaffen wir den Marktanteil natürlich auch nicht. Das heißt, der Handel hat hier eine „Drehscheibe“, indem er relativ schnell sagt: „wenn Du 30 Prozent bei mir erreichen willst und das nicht mit entsprechenden Aktivitäten oder Maßnahmen unterstützt und dann bei 25 Prozent landest, hab ich problemlos [Wettbewerber A] oder [Wettbewerber B] an der Tür und die erhöhen entsprechend ihren Marktanteil.“
(12)
„Also die Kommunikation ist allgemein heikel, unser Job ist eigentlich der, so viele Informationen wie möglich zu holen und so wenig wie möglich preis zu geben. Wenn die uns Informationen geben, dann wollen die natürlich auch von uns Informationen haben – das ist natürlich schon immer ein wenig ein Geben und Nehmen.“
(13)
„Es fehlt an dem Anreizsystem, dann ist es aber auch der Faktor Mensch, man hat eine begrenzte Aufnahmefähigkeit, da würde ich auch filtern! Und der Provider, der mich im Moment am besten bezahlt, dessen Informationen interessieren mich am meisten!“
(14)
„[…] aber es kann schon bewusst sein. Für den Vorteil des eigenen Shops, die sind natürlich schon informiert. Dass man vielleicht sagt ‚Informiere mal zuerst den eigenen Shop und dann kannst Du zum freien Markt gehen’.“
* vgl. identifizierte Interdependenzen in Schaubild 3-11.
184
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Nr.*
Typische Aussage (Fortsetzung)
(15)
„Das sind Prioritäten, wenn man das Geld mit Mobilfunk verdient, dann wird das auch umgesetzt! [Absatzmittler] ist ein sehr gutes Beispiel als Fremdkanal. Der hat das Zeug immer, die haben die Informationen, die leben auch von dem, sind gut informiert, sehr gut geschult, sie setzen auch auf das.“
(16)
„Und da mache ich dann zum Teil auch oben direkt den Filter. Also wo ich dann wirklich sagen kann, ‚Nein das ist nicht wichtig.’ Weil schlussendlich erhält der [Verkäufer] pro Tag 20-30 verschiedene Nachrichten, die dann wirklich am nächsten Tag wieder weg sind und auch gar nicht wichtig ist.“
* vgl. identifizierte Interdependenzen in Schaubild 3-11.
Schaubild 3-12: Beispielhafte Zitate der Interdependenzen in den Verhaltensbeziehungen Im Rahmen der Datenanalyse zeigt sich zudem, dass die Transaktionsatmosphäre bei der Konflikt- und Defizitentstehung eine wichtige Rolle einnimmt. Alle Befragten (N = 14) betonten, dass persönliche und langfristig gewachsene Beziehungen, beispielsweise zwischen Verkäufern und dem Außendienst oder Führungskräften in den Unternehmens- und Absatzmittlerzentralen, positiv auf die Transaktionsatmosphäre wirken und die gegenseitige (emotionale) Verbundenheit stärken. Es zeigt sich, dass in diesen Fällen eine sehr viel höhere Motivation auf Absatzmittlerseite besteht, Einsatz für die jeweilige Unternehmensmarke am PoS zu zeigen. Zudem werden durch die persönliche Beziehung im Rahmen informeller Gespräche Informationskonflikte vermieden. Bisherige negative Erfahrungen der Verkäufer hinsichtlich Situationen, in denen die Unterstützungsbereitschaft des Unternehmens gefordert war, sind als negative Einflussfaktoren auf die Konflikt- und Defizitentstehung zu identifizieren. So sind auf Absatzmittlerseite sechs Nennungen zu isolieren, die ihre bisherige Erfahrung mit der fehlenden Unterstützung durch ein Unternehmen, beispielsweise durch nicht funktionierende Systeme und Call Center, als Grund angaben, Kunden eher eine andere Marke zu empfehlen. Das folgende Zitat zeigt die geringere Motivation des Verkäufers, Unternehmen in dieser Situation zu unterstützen: „Der Verkäufer wird also emotional stärker mit einem Provider zusammenarbeiten, die ein besseres Call Center haben, denn sein Interesse ist es ja, wie er als Verkäufer seinen Kunden schnell und unkompliziert zufrieden stellen kann. Wenn die Provider bessere Arbeit in den Call Centern machen würden, so würde automatisch der Anteil dieses Providers bei uns hoch gehen – wenn die Unterstützung da wäre!“
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
3.3.2
185
Ebene der Konfliktausprägungen
Auf Ebene der Konfliktausprägungen ist es möglich, durch die Datenanalyse potenzielle und konkrete Problembereiche zu isolieren, deren Abbildung durch insgesamt 26 Kategorien erfolgt. Diese Kategorien sind unterschiedlichen Streitpunktbereichen zuzuordnen, wobei sich die Systematisierung nach den jeweiligen Phasen des Planungsprozesses als Dimensionen und der darin enthaltenen Entscheidungstatbestände als Subdimensionen als sinnvoll erweist. Das Ergebnis der Datenanalyse zu den Konfliktausprägungen der Planungs- und Umsetzungsphase zeigt Schaubild 3-13 im Überblick.203 Die identifizierten Konfliktausprägungen lassen sich mehrheitlich auf die im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen komplexen und interdependenten Verhaltensbeziehungen zurückführen. Eine Wiedergabe sämtlicher, komplex miteinander verbundener Ursachen der jeweiligen Probleme und Streitpunkte ist an dieser Stelle jedoch zu umfangreich und nicht mehr übersichtlich darstellbar. Daher werden im Folgenden bei der Betrachtung der jeweiligen Kategorien und zugehörigen Merkmale die jeweils direkt artikulierten oder indirekt identifizierten Hauptursachen aufgezeigt.
203 Da in der Analyse- und Kontrollphase keine Konflikte festgestellt wurden, wird aus
Gründen der Übersichtlichkeit der Darstellung auf die Abbildung dieser Phasen in Schaubild 3-13 verzichtet, vgl. zu den Ergebnissen in den jeweiligen Phasen Abschnitt 3.3.2.1 sowie 3.3.2.4.
186
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
(Sub-)Dimension
Kategorie
N
C
Feedback der Absatzmittler
3
5
Häufigkeit des Austauschs
4
6
Inhalte der Jahrestreffen
9
13
Abstimmung/Transparenz Prozesse
6
8
Unterschiedliche Positionierung
7
5
Unterschiedliche Zielgruppen(planung)
5
8
Planung der Botschaften (U)
11
18
Kommunikationsinstrumente und -mittel
4
8
Eigene Identität/Auftritt Absatzmittler
11
24
Verwendung Elemente in Werbemitteln
7
16
Verwendung PoS-Materialien
9
16
Erscheinungsbild PoS
4
7
Verwendung der Botschaften
7
13
Beratung und Betreuung am PoS
8
12
Austausch
Konflikte in der Planungsphase
Konzept
Formal
Inhaltlich
Konflikte in der Umsetzungsphase
Zeitlich
Personellkulturell
Organisatorischstrukturell
Widersprüchliche Botschaftsgestaltung
7
11
Botschaften und Geräteverfügbarkeit
3
5
Aktualität PoS-Material
7
9
Botschaften und Aktionen/Kampagnen
3
5
Gegenseitige Wertschätzung/Akzeptanz
6
15
Qualifikation/Professionalität (AM)
12
18
Bedeutung/Verständnis für IK (AM)
8
15
Bedeutung der IK für den Vertrieb (U)
6
10
Konflikt Vertrieb – Marketing/Komm. (U)
8
13
Kleinere/dezentrale Strukturen (AM)
5
12
Fehlende Kompetenzen (U)
7
11
Fehlender Einbezug K-Abteilung (U)
5
13
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit, AM = Absatzmittler, U = Unternehmen)
Schaubild 3-13: Konfliktausprägungen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
187
3.3.2.1 Konflikte in der Analysephase Eine wesentliche Erkenntnis der Datenanalyse zu den Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ist, dass sich im Rahmen der Analysephase keine konkreten Konfliktausprägungen identifizieren lassen. Die hohe Bedeutung aktueller Markt- und Kundeninformationen wird zwar mehrheitlich von Unternehmensvertretern (N = 4) betont, doch weist keiner der Befragten direkt auf Probleme im Rahmen der Informationsgewinnung und -bereitstellung hin. Es ist zu vermuten, dass es in dieser Phase kaum zu Problemen kommt, da die entsprechenden Informationen bei Unternehmen durch die eigenen Vertriebskanäle bereitgestellt werden und so die Marktforschung eines Unternehmens unterstützen. Darüber hinaus werden Informationen durch die Mitarbeitenden des Key Account Managements oder des Außendienstes in informellen Gesprächen mit den Mitarbeitenden der Absatzmittler eingeholt. Problematisch erscheint jedoch in diesem Zusammenhang, dass die Informationen nicht systematisch und institutionalisiert erhoben werden und zudem nur wenig kommunikationsbezogene Aspekte oder Wahrnehmungen, Meinungen, Einstellungen usw. der Absatzmittler als Zielgruppe enthalten. Auf Basis der Ergebnisse werden Forschungsfragen F2-1 und F2-2 für die Analysephase wie folgt beantwortet: E2-1A:
Aufgrund der Existenz eigener (direkter) Vertriebskanäle kommt der Analysephase hinsichtlich konkreter Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern keine wesentliche Bedeutung zu.
E2-2A:
Informationen werden durch die mit den Absatzmittlern zusammenarbeitenden Vertreter auf Unternehmensseite im Rahmen der Analysephase nicht institutionalisiert eingeholt und enthalten kaum IKspezifische Aspekte.
3.3.2.2 Konflikte in der Planungsphase Innerhalb der Planungsphase sind insgesamt neun Kategorien als potenzielle Streitpunkte bzw. Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler zu identifizieren (vgl. Schaubild 3-13). Da diese Phase durch Beratungsund Abstimmungsaufgaben geprägt ist, eignen sich insbesondere der Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie die abzustimmenden und zu
188
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
berücksichtigenden Entscheidungen im Strategischen Konzept als Subdimensionen.204 Grundsätzlich ist festzustellen, dass sich im Rahmen des Austauschs der beiden Parteien vier Kategorien identifizieren lassen, die zwar nicht direkt als Probleme oder konkrete Konflikte von den Befragten geäußert wurden, deren intensive Betrachtung in der Datenanalyse und abgeleitete Merkmale sie jedoch als potenzielle Problembereiche bzw. potenzielle Konfliktausprägungen klassifizieren, die maßgeblich auf die Defizitentstehung im Rahmen der Integrierten Kommunikation einwirken. (1) Einbezug des Feedbacks, (2) Häufigkeit, (3) Inhalte und (4) Abstimmung So lässt sich in drei Fällen aufgrund der Nennungen der Befragten feststellen, dass ein institutionalisierter Einbezug des Feedbacks der Absatzmittler in die Planung des IK-Konzeptes von Unternehmen nicht erfolgt. Darüber hinaus finden auf oberen Hierarchieebenen nur sehr selten und teilweise unregelmäßig Treffen zwischen leitenden Mitarbeitenden auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite statt, die einen möglichen Austausch fördern („Häufigkeit“, N = 4). In diesem Zusammenhang zeigt sich auch, dass derartige „Strategiegespräche“ in der Regel kaum kommunikationsbezogene oder IK-spezifische Aspekte beinhalten, sondern die Angebotsgestaltung oder vertriebsstrategische Aspekte als Inhalte dominieren (N = 9). In sechs Fällen erweist sich, insbesondere vor dem Hintergrund einer hohen Branchendynamik sowie der Notwendigkeit kurzfristiger Reaktionen, die mangelnde Abstimmung und Transparenz der Planungsprozesse von Unternehmen und Absatzmittlern als Kategorie, die erhebliches Konfliktpotenzial beinhaltet. Die beschriebenen potenziellen Konflikte, Merkmale und beispielhafte belegende Zitate gibt Schaubild 3-14 wieder.
204 Die Nummerierung orientiert sich an den Kategorien, die im Rahmen der Planungs-
phase identifiziert wurden. Daher werden die einzelnen Kategorien fortlaufend über die verschiedenen Subdimensionen hinweg nummeriert. Das gleiche Vorgehen wird auch im Rahmen der Umsetzungsphase angewendet.
Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittler
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
189
Kategorie
Merkmale der (potenziellen) Konfliktausprägungen
C
Einbezug des Feedback (N = 3)
Kein institutionalisierter Einbezug des Feedbacks der Absatzmittler
5
Typische Aussage:
„[…] Leute wie [Unternehmen], die die Produkte entwickeln, die haben eigentlich die Weisheit gepachtet und ein Verkäufer, der tagtäglich so Mobilfunkkunden bedient und da vielleicht die ein oder andere, bestimmt noch wertvollere, Meinung zum Besten geben könnte, ist in der Hierarchie so weit unten, dass dem relativ wenig oder gar kein Gewicht gegeben wird! Da ist völliges Desinteresse – ich denke, was einen Verkäufer, der 3000 bis 4000 Verträge macht und jeweils noch 20 Minuten mit den Kunden spricht und schon noch irgendwie sieht „was da abgeht“ – da ist einfach das Interesse schlicht nicht da!“
Häufigkeit (N = 4)
Seltene Treffen auf höheren Ebenen (jährlich)
Typische Aussage:
„[…] wir haben jedes Jahr ein Jahresgespräch, […] und da sind dann die Strategien auch bekannt. Da nehmen wir dann einen Auszug und sagen dann grob, welche Richtung wir gehen usw.“
6
Inhalte (N = 9)
Keine kommunikationsbezogenen Inhalte in Gesprächen
Typische Aussage:
„Nein, da finden keine Gespräche statt, die machen ihre Kommunikation und wir müssen einfach das nehmen, was die uns liefern und geben.“
13
Abstimmung (N = 6)
Mangelnde Abstimmung und Transparenz der Prozesse
Typische Aussage:
„Es ist eher ein Aspekt der Planung, man muss die Planung sehr frühzeitig angehen, man muss wissen, wann deren Deadlines sind für deren Kommunikationsmittel. Die haben verschiedene Kataloge, die haben PoSKommunikation und da muss man einfach die Deadlines kennen und das muss sauber abgestimmt sein, sprich: wir müssen unsere Kommunikation auf deren Deadlines abstimmen.“
8
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit)
Schaubild 3-14: Defizite im Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern Ursachen der potenziellen Probleme im Austausch der Beteiligten in der Planungsphase sind vor allem in den im Rahmen der Umsetzungsphase zu erläuternden integrationsfördernden Bedingungen zu finden.205 Darüber hinaus lässt sich die fehlende Abstimmung zwischen den Interaktionspartnern auf nicht vorhandene oder unklare Aufgabenverteilungen zurückführen. Damit das Strategische Konzept der Integrierten Kommunikation in der täglichen Kommunikationsarbeit Verwendung findet, ist dieses in Form eines Kon205 Die konkreten Ursachen beziehen sich auf identifizierte Kategorien der Umsetzungs-
phase, bei der Mängel hinsichtlich integrationsfördernder Bedingungen festgestellt wurden und dokumentiert die hohe Interdependenz der Daten. Aufgrund der gewählten Abfolge der Ergebnisdarstellung können die einzelnen Kategorien bzw. Ursachen jedoch an dieser Stelle noch nicht detailliert erläutert werden. Zur ausführlichen Darstellung identifizierter Mängel in den integrationsfördernden Bedingungen auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite vgl. ausführlich Abschnitt 3.3.2.3.
190
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
zeptpapiers inhaltlich auszugestalten und zu konkretisieren.206 Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung lassen sich insbesondere für den Bereich der Kommunikationsregeln, die genauere Aussagen über die Positionierung und Kommunikationsziele (Positionierungspapier), die Formulierung zentraler Kommunikationsbotschaften (Kommunikationsplattform) sowie Vorgaben für den Einsatz verschiedener Kommunikationsinstrumente und -mittel (Regeln zum Instrumenteeinsatz) enthalten, Probleme in der Zusammenarbeit feststellen. So ist die Identifizierung von fünf Kategorien möglich, die sich auf die Abstimmung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in den strategisch-konzeptionellen Entscheidungen und die Berücksichtigung der Richtlinien und Vorgaben beziehen. (5) Unterschiedliche Positionierungen Ein Problem, das unvermeidbar erscheint, zeigt sich in der unterschiedlichen strategischen Positionierung von Unternehmen und Absatzmittlern (N = 7). Die strategische Positionierung, aus der sich im Rahmen der Kommunikation die kommunikative Leitidee als erste inhaltliche Konkretisierung ableitet, wird durch Unternehmen und Absatzmittler angestrebt, um sich im Vergleich zu ihren jeweiligen Wettbewerbern eine dominante Stellung am Markt zu sichern.207 Von den Befragten wird diese Tatsache weniger als Konflikt benannt, vielmehr ist bei genauer Betrachtung der Äußerungen festzustellen, dass Unterschiede in der Positionierung – beispielsweise die Unternehmenspositionierung als Qualitäts- und Innovationsführer, dem die preis- und rabattorientierte Positionierung eines Discounters entgegensteht – die identifizierten Konflikte bzw. Defizite in der Umsetzungsphase verstärken. Darüber hinaus führen diese zu unausweichlichen Divergenzen in den Zielbeziehungen, da sich die Kommunikationsziele aus den strategischen Positionierungsvorgaben ableiten. Es zeigt sich, dass es in diesem Zusammenhang sinnvoll ist, die Kategorie zu dimensionalisieren, da die Intensität des identifizierten Konfliktpotenzials entscheidend davon abhängt, wie unterschiedlich bzw. gegensätzlich die jeweilige Positionierung ist. Mittels geeigneter Attribute, beispielsweise die Gegensätzlichkeit der einzelnen Positionierungs206 Das Konzeptpapier der Integrierten Kommunikation besitzt Richtliniencharakter und
ist für alle an der Kommunikation Beteiligten verbindlich und maßgeblich für die Arbeit. Die darin enthaltenen Regeln sind als operative Vorgaben zu verstehen, an denen sich die Verantwortlichen bei der Ausgestaltung der Kommunikationsaktivitäten auszurichten haben. Das Konzeptpapier der Integrierten Kommunikation enthält mit dem Strategiepapier, den Kommunikations- und den Organisationsregeln insgesamt drei wesentliche Elemente, vgl. ausführlich Bruhn 2006a, S. 181ff. 207 Vgl. Bruhn 2006a, S. 183ff. Zielsetzung der Positionierung ist es, sich in der subjektiven Wahrnehmung der Zielgruppen so zu positionieren, dass eine deutliche Abgrenzung von der Konkurrenz erfolgt und damit Präferenzen für die eigene Marke bzw. die Produkte und Dienstleistungen geschaffen werden.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
191
merkmale, sind die Unterschiede über ein Kontinuum mit den dimensionalen Ausprägungen „stark – mittel – gering“ zu beschreiben. Es ist festzustellen, dass die entstehenden Divergenzen und Defizite umso intensiver sind, je stärker bzw. gegensätzlicher die Unterschiede sind. In der vorliegenden Untersuchung ist zu erkennen, dass vor allem bei so genannten Generalisten die unterschiedlichen Positionierungen im Vergleich zum Unternehmen weitaus gegensätzlicher sind, als dies beispielsweise bei den Spezialisten und Fachhändlern der Fall ist (vgl. Schaubild 3-15 zur Übersicht der Kategorien und beispielhafter Aussagen). (6) Unterschiedliche Zielgruppen(planung) Ähnliche Überlegungen sind für die jeweiligen Zielgruppen anzustellen, die vor dem Hintergrund der abgeleiteten Kommunikationsziele festgelegt werden (N = 5). An dieser Stelle interessierten im Rahmen der Datenanalyse insbesondere die Endkunden als anvisierte Kommunikationsempfänger. Auch in diesem Fall ist es zweckmäßig, die Unterschiede der jeweiligen Zielgruppen, die in der Stärke der Zielkonflikte zum Ausdruck kommen, über ein Kontinuum mit den Endpunkten „stark“ bis „gering“ zu beschreiben. Dabei bieten sich die Kriterien der Zielgruppenplanung als zu bewertende Attribute an. Im Rahmen der Datenanalyse ist beispielsweise festzustellen, dass insbesondere Generalisten oder Fachhändler neben Mobilfunkkunden weitere Kundengruppen ansprechen. Die Einteilung der Zielgruppen ist somit sehr viel breiter als dies bei Spezialisten, die sich ausschließlich auf den Verkauf von Mobilfunk konzentrieren, der Fall ist. Darüber hinaus sind Zielgruppen eines Discounters preisorientiert, wohingegen Kunden der Fachhändler und Spezialisten Interesse an einer umfassenden Beratung haben. Im Rahmen der Zielgruppenbetrachtung ist zudem festzustellen, dass eine gemeinsame Zielgruppenplanung oder die Abstimmung der Zielgruppen zwischen Unternehmen und Absatzmittler nicht erfolgt (vgl. Schaubild 3-15). (7) Planung der Botschaften In elf Fällen, die Vertreter sowohl auf Unternehmens- als auch Absatzmittlerseite äußern, lassen sich Konflikte identifizieren, die sich auf die Planung und Hierarchisierung der Botschaften im Strategischen Konzept eines Unternehmens beziehen. Die Schaffung eines geeigneten Aussagen- und Argumentationssystems, das die wesentlichen Kern- und Einzelaussagen für die Kommunikation enthält, hat ein zentraler Bestandteil der festgehaltenen Kommunikationsregeln zu sein, an
192
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
denen sich alle Beteiligten zu orientieren haben.208 Die wesentliche Erkenntnis der differenzierten Analyse dieser Kategorie ist es, dass zum einen hinsichtlich der Ansprache der Absatzmittler Probleme bestehen, zum anderen keine geeigneten, konsistenten Aussagensysteme für Absatzmittler als „Unternehmensbotschafter“ vorhanden sind, die diese in ihrer massenmedialen und persönlichen Kommunikation gegenüber den Endkunden unterstützen. So lassen sich Nennungen identifizieren, die insbesondere auf die fehlende Berücksichtigung der Absatzmittler als Zielgruppe (C = 3) oder eine mangelnde Abstimmung der endkunden- und absatzmittlergerichteter Aussagen (C = 1) hinweisen. Weitere Nennungen deuten zudem auf eine ungenügende Berücksichtigung absatzmittlerspezifischer Aspekte bei der Konkretisierung der Botschaften (C = 4) sowie vollständig fehlende Kern- bzw. Einzelaussagen und Argumentationsmuster für Absatzmittler (C = 3) hin. Die mangelnde Verständlichkeit der Aussagen oder ganzer Kampagnen sowie das Vorhandensein zu vieler komplexer Botschaften kommen in fünf bzw. zwei Nennungen zum Ausdruck. Besondere Relevanz erhält diese Kategorie, da die mangelhafte Planung der Aussagen und Argumentationsmuster in der Umsetzungsphase zu einer Nicht-Verwendung der Unternehmensbotschaften führt und dadurch Defizite der Integrierten Kommunikation entstehen (vgl. Schaubild 3-15). (8) Kommunikationsinstrumente und -mittel Mit den Regeln zum Instrumenteeinsatz sind im Konzeptpapier die Instrumente, Mittel und formalen Gestaltungsprinzipien der Kommunikation festzulegen.209 Probleme zeigen sich im Rahmen der Kommunikationsinstrumente und -mittel (N = 4)210 in der Form, dass unterschiedlich angestrebte Intensitäten des Einsatzes der Kommunikationsmittel bestehen, durch Absatzmittler geringere Qualitätsansprüche an das entsprechende Medium gestellt werden oder Differenzen
208 Als inhaltliche Konkretisierung der kommunikativen Leitidee beinhalten Kernaussa-
gen die zentralen Botschaften des Unternehmens und beziehen sich auf die wesentlichen Zielgruppen der Kommunikation. Dabei ist darauf zu achten, die jeweiligen Zielgruppen differenziert anzusprechen, aber gleichzeitig den inhaltlichen Bezug zur kommunikativen Leididee sicherzustellen, vgl. hierzu die Ausführungen in Abschnitt 1.3.1 und 1.3.3. Einzelaussagen dienen als Beweise für die formulierten Kernaussagen und beinhalten die zentralen Argumentationsmuster, vgl. Bruhn 2006a, S. 196ff. 209 Vgl. Bruhn 2006a, S. 204. 210 Vgl. hierzu in Abschnitt 1.5, Schaubild 1-6 die Darstellung der innerhalb der Branche eingesetzten Kommunikationsinstrumente und -mittel.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
193
bezüglich der anzustrebenden Tonalität der Werbemittel211 existieren (vgl. Schaubild 3-15). (9) Eigene Identität bzw. eigenständiger Auftritt der Absatzmittler Der Abstimmung der festgelegten formalen Gestaltungsprinzipien der Kommunikation, die beim Einsatz der unterschiedlichen Kommunikationsinstrumente und -mittel zu berücksichtigen sind, kommt eine hohe Bedeutung zu.212 Nahezu alle Befragten (N = 11) weisen sehr häufig (C = 24) auf die eigene Identität und damit auch das Vorhandensein formaler Vorgaben und Richtlinien auf Absatzmittlerseite hin, die in den eingesetzten Kommunikationsinstrumenten und -mitteln der Absatzmittler dominieren. Festzustellen ist jedoch, dass dies insbesondere von Befragten auf Unternehmensseite weniger als Problem oder Konflikt angeführt wird, sondern vielmehr als selbstverständliche Rahmenbedingung. Vor dem Hintergrund der Konfliktanalyse macht die genaue Betrachtung dieser Kategorie jedoch deutlich, dass sich auch hier eine enge Verbindung zu den Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern identifizieren lässt. Durch die Dimensionalisierung der Kategorie hinsichtlich möglicher Ausprägungen der Dominanz der Absatzmittleridentität ist festzustellen, dass die Divergenzen in den Ziel- und Machtbeziehungen umso intensiver sind, je stärker die Durchsetzung des eigenen Images durch den Absatzmittler angestrebt wird. Dies hat zur Folge, dass die – insbesondere formalen und inhaltlichen – Konflikte im Rahmen der Umsetzungsphase verstärkt werden.
211 Die Tonalität bezeichnet den Gestaltungsstil eines Werbe- bzw. Kommunikations-
mittels, mit dem ein so genannter „Grundton“ der Werbe- bzw. Kommunikationsmaßnahmen festgelegt wird, z.B. ruhig versus reißerisch, vgl. Bruhn 2005b, S.: 481f. 212 Die formalen Vorgaben finden sich meist im Corporate Design (CD) wieder und dienen der detaillierten Festlegung des Kommunikationsauftritts beispielsweise hinsichtlich Logos, Zeichen, Slogans, Größen, Farben sowie anderer Gestaltungsmerkmale, vgl. Bruhn 2006a, S. 205.
Abstimmung strategisch-konzeptioneller Entscheidungen
194
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs Kategorie
Merkmale der (potenziellen) Konfliktausprägungen
C
Positionierung (N = 7)
Unterschiedliche Positionierung des Unternehmens/Absatzmittlers
8
Starke Unterschiede
Mittlere Unterschiede
Geringe Unterschiede
Typische Aussage:
„[…] die Positionierung ist jedoch ganz klar die eines Discounters. Und so möchte man sich auch darstellen, das Hauptgeschäft ist das Geschäft mit den Rabatten.“
Zielgruppen (N = 5)
Unterschiede in den Zielgruppen des Unternehmens/Absatzmittlers Starke Unterschiede
Mittlere Unterschiede
5
Geringe Unterschiede
Typische Aussage:
„Der Discounter muss sämtliche Kunden ausnutzen – es geht nicht nur um die Mobilfunk-Kunden, daher werden in dem Werbemittel neben den Mobilfunkprodukten auch noch andere Produkte beworben.“
Hierarchisierung der Botschaften im Strategischen Konzept (N = 11)
Keine Berücksichtigung der Absatzmittler als Zielgruppe
3
Keine Abstimmung endkunden-absatzmittlergerichteter Aussagen
1
Keine Berücksichtung AM-spezifischer Aspekte in den Aussagen
4
Typische Aussage:
K-Instrumente/ K-Mittel (N = 4)
Fehlende Kern-/Einzelaussagen und Argumentationsmuster für AM
3
Zu viele oder komplexe Botschaften
2
Mangelnde Verständlichkeit der Aussagen/Kampagnen für AM
5
„Der Provider sollte wesentliche Kernsätze entwickeln und das müssen dann alle Leute sagen können. Dies gibt es bisher nicht, könnte aber zu einer konzentrierten und präzisen Beratung führen! Es muss einige zentrale Aussagen geben, diese müssen für den PoS heruntergebrochen werden. Wichtig wären auch Aussagen, die auch auf den Vertriebskanal [Absatzmittler] abgestimmt sind, Botschaften, die überall stehen. Je einfacher und präziser, desto besser ist der „Kick-Back“!“
Intensität des Instrumenteeinsatzes
2
Unterschiedliche (Qualitäts-)Ansprüche an Tonalität und Medium
6
Typische Aussage:
„Vielleicht [Probleme] in den Fragen der Tonalität – wie aggressiv soll das Ganze sein, wie kompetitiv.“
Eigene Identität/ Auftritt der AM (N = 11)
Dominanz der eigenen Identität, Vorgaben für den eigenen Auftritt (CD), angestrebte Durchsetzung des eigenen Images
Typische Aussage:
Starke Ausprägung
Mittlere Ausprägung
24
Geringe Ausprägung
Proband: „Nein, wir werben grundsätzlich nur nach unserem Design und nach unseren PoS-Vorgaben und unserem CI.“ Interviewer: „Wie findet [Unternehmen] das?“ Proband: „Ja… sie akzeptieren das. Sie müssen das auch akzeptieren, denn wenn sie es nicht machen, dann schalten wir auch keine Werbung. Die Werbung wird nur von uns gelayoutet.“
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit, AM = Absatzmittler)
Schaubild 3-15: Defizite bei der Abstimmung strategisch-konzeptioneller Entscheidungen
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
195
Auf Basis der Datenanalyse werden hinsichtlich der Beantwortung der Forschungsfragen F2-1 und F2-2 folgende Ergebnisse für die Planungsphase festgehalten: E2-1B:
Insgesamt lassen sich in der Planungsphase neun Kategorien identifizieren, die sich auf den Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in der Planungsphase und das Strategische Konzept bzw. die zu berücksichtigenden Vorgaben und Richtlinien beziehen.
E2-2B-1: In der Planungsphase lassen sich mit dem fehlenden institutionalisierten Einbezug des Absatzmittler-Feedbacks, der Häufigkeit und Inhalte von Strategie-Treffen sowie der Abstimmung und Transparenz der Planungsprozesse vier Problembereiche im Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern identifizieren, die auf die Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten einwirken. Ursachen hierfür liegen in Mängeln der zu schaffenden integrationsfördernden Bedingungen auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite sowie bestehenden Unklarheiten und Fehlinterpretationen über die Aufgabenverteilung. E2-2B-2: Hinsichtlich einer Abstimmung der strategisch-konzeptionellen Entscheidungen, bei der sich insgesamt fünf Kategorien identifizieren lassen, dominieren Mängel in der Hierarchisierung der Kommunikationsbotschaften durch das Unternehmen sowie die angestrebte Dominanz der eigenen Identität der Absatzmittler als potenzielle Konfliktausprägungen. Besondere Relevanz erhalten diese zwei Kategorien dadurch, dass sie zu Defiziten in der Umsetzungsphase führen bzw. diese verstärken. Für drei Kategorien (Positionierung, Zielgruppen, Dominanz der eigenen Identität) lassen sich kausale Zusammenhänge mit den Ziel- und Machtbeziehungen feststellen.
3.3.2.3 Konflikte in der Umsetzungsphase Im Rahmen der Umsetzungsphase sind mit der formalen, inhaltlichen und zeitlichen Umsetzung der entwickelten strategischen Konzeption und der Gestaltung integrationsfördernder Rahmenbedingungen der personell-kulturellen sowie organisatorisch-strukturellen Bereiche fünf Subdimensionen abzugrenzen. In diese lassen sich die insgesamt 17 identifizierten Kategorien integrieren (vgl. Schaubild 3-13), die nachfolgend beschrieben werden.
196
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Es sind drei Kategorien festzustellen, die auf Konflikte im Rahmen der formalen Umsetzung der Integrierten Kommunikation hinweisen (vgl. Schaubild 3-16). (1) Verwendung formaler Gestaltungselemente Insgesamt sieben der Befragten – hierbei handelt es sich mehrheitlich um Experten der Unternehmensseite – geben die mangelhafte Verwendung formaler Gestaltungselemente in den Kommunikationsmitteln der Absatzmittler als konkrete Konflikte an. Die Kategorie lässt sich derart konkretisieren, dass in sieben Textpassagen von Fällen berichtet wird, in denen das Unternehmenslogo an der falschen Position der Anzeige, verzerrt oder in einer falschen Größe dargestellt wurde. Weitere Nennungen beziehen sich auf die Verwendung alter Logos nach einem CD-Wechsel, eine unzureichende Qualität der Farben, die Nicht-Verwendung des Unternehmens-Slogans usw. Ursachen hierfür sind insbesondere in der fehlenden Beachtung der formalen Richtlinien, in bestehenden Zielkonflikten und in einer mangelhaften Abstimmung in der Planungsphase zu sehen. (2) Verwendung von PoS-Materialien Eine weitere Kategorie ist die mangelhafte Verwendung von PoS-Materialien (N = 9), bei der es sich beispielsweise um nicht aufgehängte Plakate, wenig sichtbare Elemente am PoS, falsch einsortierte Flyer, nicht vorhandene Prospekte usw. handelt und die mehrheitlich auf divergierende Zielbeziehungen (Werbekostenzuschüsse, Zeit- und Umsatzdruck) sowie Abweichungen im Rollenverhalten (fehlende Unterstützung durch ein Unternehmen, unklare Aufgabenverteilung, Prioritäten aufgrund der Zugehörigkeit zu weiteren Absatzsystemen) zurückzuführen ist. (3) Erscheinungsbild des PoS Die Bewirtschaftung und das Erscheinungsbild des PoS ist schließlich die dritte Kategorie, in der sich Konflikte im Rahmen der formalen Umsetzung identifizieren lassen. Es handelt sich dabei um vier Fälle, in denen Vertreter der Unternehmensseite von einer nicht unternehmensadäquaten Bewirtschaftung und Präsentation der Produkte sowie einem inakzeptablen Erscheinungsbild des PoS berichten. Die Datenanalyse zeigt, dass die Gründe vor allem in den konfliktären Rollenbeziehungen (fehlende Unterstützung, weitere Absatzsysteme), aber auch fehlenden Informationen oder der mangelnden Absatzmittler-Qualifikation zu sehen sind. Schaubild 3-16 zeigt die beschriebenen formalen Defizite im Überblick und vermittelt beispielhafte Aussagen, die die jeweilige Kategorie verdeutlichen.
Formale Defizite
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
197
Kategorie
Merkmale der (potenziellen) Konfliktausprägungen
C
Verwendung formaler Gestaltungselemente in den Kommunikationsmitteln der Absatzmittler (N = 7)
Logo ist an falscher Position, verzerrt, in falscher Größe
7
Verwendung des alten Logos nach Wechsel
1
Qualität der Farben
3
Verwendung falscher Farben (Logo in Absatzmittler-Farben)
1
Keine Verwendung des Slogans
1
„Eigenkreativität“ des Fachhändlers
1
Keine Verwendung von Bildwelten
1
Typische Aussage:
„Oder nicht in der Form, wie wir [Unternehmen] uns das Ganze vorgestellt haben! Verzerrt oder das Logo am falschen Ort, in einer falschen Größe […].“
Mangelhafte Verwendung der PoSMaterialien durch Absatzmittler (N = 9)
Plakate hängen nicht
5
Wenige sichtbare Elemente am PoS (Wettbewerbervergleich)
6
Flyer sind im Display des Wettbewerbers eingeordnet
2
Typische Aussage:
„Das sind einfach Probleme, die es geben kann. In der Regel wird viel umgesetzt. Wir investieren z.B. in Werbung und da soll ein Plakat hängen. Und dann hängt das vielleicht einfach nicht. Wir schauen, was ist passiert, wenn nicht, fragen wir, ob sie es erhalten haben oder nicht. Es kann dann sein, dass es nicht gekommen ist, dann kann es sein, dass es fort geschmissen worden ist oder nicht ausgestellt worden ist.“
Erscheinungsbild des PoS (N = 4)
Nicht aufgeladene und anwendbare Produkte (Geräte)
2
Bildschirme und anderes PoS-Material läuft nicht
1
Unadäquate Präsentation der Produkte
1
Sauberkeit des PoS
2
Herumstehende Schachteln/ansprechendes Bild des PoS
3
Typische Aussage:
Prospekte sind nicht vorhanden
1
PoS-Material (Terminals usw.) ist falsch ausgestellt
2
„Das Problem ist, dass wir ein akzeptables Erscheinungsbild in den kontrollierten Kanälen haben. Da muss man sich nicht schämen, die kommen gut daher, aber je weiter weg der Kanal von uns weg ist, desto weniger gut ist es! […] die Bewirtschaftung, dass alles sauber aufgeräumt ist, eingeräumt, Bildschirme bei denen Filme immer ablaufen usw. das macht nicht der Händler selbst, sondern da müssen Leute, z.B. Merchandising-Teams von [Unternehmen] oder FremdBeauftragte herausgeschickt werden, die in 14-Tages-Turnus vorbeigehen.“
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit, AM=Absatzmittler)
Schaubild 3-16: Formale Defizite in der Umsetzungsphase Innerhalb der Analyse der inhaltlichen Defizite der Umsetzungsphase lassen sich ebenfalls drei der insgesamt 17 Kategorien dieser Phase isolieren. (4) Verwendung der Botschaften In sieben Fällen sind Nennungen zu identifizieren, die darauf hindeuten, dass wiederkehrende Botschaften, Kampagnenaussagen und entsprechende Argumente eines Unternehmens in der massenmedialen und persönlichen Kommunikation
198
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
von Absatzmittlern nicht eingesetzt werden. Die Ursache für die mangelnde Verwendung von Botschaften liegt in der fehlenden Hierarchisierung der Botschaften durch Unternehmen in der Planungsphase, bestehenden Informationskonflikten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie in der Dominanz der Absatzmittlerziele bzw. daraus entstehender Zielkonflikte (vgl. Schaubild 3-17). (5) Beratung und Betreuung am PoS Hinsichtlich der Beratung und Betreuung durch Absatzmittler am PoS (N = 8) zeigen sich die Probleme insbesondere in einer mangelhaften Vermittlung klarer Produktinformationen und Argumente eines Unternehmens sowie der wenig intensiven Betreuung der Kunden, die schließlich nach einem Beratungsgespräch den PoS „mit offenen Fragen verlassen.“ Der Beratungsfilter der Absatzmittler wird insbesondere vor dem Hintergrund der Ziele der Marketingkommunikation eines Unternehmens deutlich, mit der die Weitergabe zuverlässiger und präziser Informationen über die Produkte und Dienstleistungen eines Unternehmens und der Abbau von Informationsasymmetrien angestrebt wird. Inhaltliche Unterschiede in der Beratung bzw. ob diese in einer angemessenen Ausführlichkeit überhaupt erfolgt, sind im Rahmen der Datenanalyse durch die Betrachtung der verschiedenen Absatzmittlertypen festzustellen. So ist durch verschiedene Nennungen zu konstatieren, dass insbesondere bei der Beratung durch Generalisten der Preis als Argument im Verkaufsgespräch im Vordergrund steht und weniger die Vermittlung ausführlicher Informationen. Ursachen der mangelnden Beratung und Betreuung am PoS sind insbesondere in dem Zeit- und Umsatzdruck als divergierende Zielbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu sehen, einzelne Nennungen deuten zudem auch auf die fehlende Unterstützung (Schulungen), Informationskonflikte und die mangelhafte Qualifikation der Absatzmittler hin (vgl. Schaubild 3-17). (6) Widersprüchliche Botschaftsgestaltung Ein weiterer Konflikt ist die widersprüchliche Botschaftsgestaltung, die sich durch voneinander abweichende Aussagen in den Kommunikationsmaßnahmen von Unternehmen und der massenmedialen sowie persönlichen Kommunikation der Absatzmittler ergibt (N = 7, ausschließlich Unternehmensvertreter). Die Kategorie ist dahingehend zu präzisieren, dass dies mehrheitlich nicht stimmige Angebote bzw. Verkaufspreise, die fehlerhafte Vermittlung von Produktinformationen, bewusste Änderungen in den Kampagnenaussagen usw. betrifft. Vor allem Zieldivergenzen (Marken- vs. Einkaufsstättenprofilierung) und die angestrebte Durchsetzung des eigenen Images der Absatzmittler sind die Ursache für diese Konflikte. Schaubild 3-17 vermittelt die beschriebenen inhaltlichen Defizite und typische Aussagen im Überblick.
Inhaltliche Defizite
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
199
Kategorie
Merkmale der (potenziellen) Konfliktausprägungen
C
Verwendung von Botschaften (N = 7)
Botschaften, Kernaussagen, Argumentationsmuster werden durch den Absatzmittler nicht verwendet
13
Typische Aussage
„Der eine Punkt ist, in welchem Verhältnis [Unternehmen] zu den Absatzmittlern stehen, das andere ist, wie einfach lässt sich die Botschaft zum Verkäufer, zum PoS auch deklinieren beziehungsweise herunterbrechen. Wenn die Botschaft schwierig ist, dann kann man mit dem schönsten und besten Incentives-Programm arbeiten, dann wird es auch schwierig sein, dass der Händler die richtigen Botschaften zum Kunden bringt!“
Beratung und Betreuung am PoS (N = 8)
Ausführlichkeit der Beratung und Betreuung (Kunde geht mit offenen Fragen)/Vermittlung unklarer Informationen
5
Keine Vermittlung geeigneter Argumente des Unternehmen
3
Reine Preisorientierung im Verkaufsgespräch
3
Typische Aussage
„[…] Es sind gewisse offene Fragen, die der Kunde hat und der Händler in einem Dilemma ist, dass viele weitere Kunden da stehen. Also lässt er den Kunden unterschreiben und was passiert: in vielen Fällen hatten und haben wir Situationen, dass der Kunde beim Händler unterschrieben hat und kommt dann zu einem [Unternehmen]-Shop und sagt „ich habe gerade bei [Absatzmittler] das gekauft – können sie mich kurz informieren, wie funktioniert das, können sie mein Handset konfigurieren usw.?!“ Das ist natürlich auch kein optimaler Verkaufsprozess, da es nicht sein darf, dass der Kunde erst in einem zweiten oder dritten Schritt weiß, was er eigentlich gekauft hat und auf was er da achten muss. Somit gibt es Situationen, wo unser direkter Kanal nicht als Konkurrent sondern als Supplement im Verkaufsprozess steht! Was nicht immer optimal ist, weil unser direkter Kanal natürlich auch Verkaufszahlen als Zielsetzung hat.“
Widersprüchliche Botschaftsgestaltung (N = 7)
Verkaufspreise/Angebote stimmen nicht (Werbemittel und PoS)
Typische Aussage:
6
Fehlerhafte Vermittlung von Produktinformationen (Nutzen, Tarife)
1
„Falsche und nicht erkennbare“ Botschaften
2
Inhaltliche Uminterpretation von Kampagnenaussagen
1
„[…] die Händler und ihre Mitarbeiter verstehen nicht mehr die Produkte in allen Belangen. Das erfordert einen unheimlichen Aufwand, das Produktwissen auch immer à Jour zu haben, das können wir selbst nicht immer! Dann die wichtigsten Tarife auswendig sagen … wir verlangen von denen natürlich sehr viel! Einen Konflikt den ich sehe, sind sehr oft widersprüchliche Aussagen.
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit)
Schaubild 3-17: Inhaltliche Defizite in der Umsetzungsphase Drei Kategorien lassen sich auch innerhalb der Analyse der zeitlichen Defizite der Umsetzungsphase isolieren. Die nachfolgend beschriebenen Konflikte im Rahmen dieser Subdimension (7) bis (9), deren Merkmale und beispielhafte Zitate der einzelnen Kategorien gibt abschließend Schaubild 3-18 wieder. (7) Botschaften und Geräteverfügbarkeit Bei der fehlenden Abstimmung der Angebotswerbung und Geräteverfügbarkeit (N = 3), die nahezu ausschließlich Experten auf Absatzmittlerseite nennen, handelt es sich um eine der Kategorien im Rahmen der zeitlichen Defizite, in der
200
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
sich die mangelnde zeitliche Abstimmung der Kommunikationsmaßnahmen manifestiert. In diesem Fall werden bestimmte Angebote kommuniziert, durch eine mangelnde Verfügbarkeit der Geräte ist es für den Absatzmittler jedoch nicht möglich „hinter den in der Kommunikation gemachten Aussagen“ zu stehen. Dieser Konflikt ist auf die bestehenden Macht- und Rollenkonflikte zurückzuführen. (8) Aktualität des PoS-Materials
zeitliche Defizite
In sieben Fällen ist die Aktualität des PoS-Materials als Kategorie zu identifizieren. Die zeitlichen Defizite zeigen sich mehrheitlich in dem Vorhandensein von PoS-Material und Plakaten, die keine Gültigkeit mehr haben, da die Aktionen bereits abgelaufen sind. Abweichungen im Rollenverhalten (unklare Aufgabenverteilung, fehlende Unterstützung), aber auch fehlende oder gefilterte Informationen und die Qualifikation des Verkaufpersonals sind in diesen Fällen als Ursache festzustellen. Kategorie
Merkmale der (potenziellen) Konfliktausprägungen
C
Botschaften und Geräteverfügbarkeit (N = 3)
Fehlende Abstimmung der Angebotswerbung und Geräteverfügbarkeit
5
Typische Aussage
„Die Liefersituation ist häufig ein Problem, denn jede Woche gibt es einen Prospekt, die Kunden kommen in den Laden und dann ist vielleicht die Ware nicht da oder ist nicht lieferbar.“
Aktualität PoSMaterial (N = 7)
Flyer von Aktionen zu spät ausgestellt
1
Plakate haben keine Gültigkeit mehr (z.B. Preise)
2
Aktion bereits abgelaufen/PoS-Material noch ausgestellt
5
Material von Aktionen nicht angebracht (z.B. Straßenkleber)
2
Typische Aussage
„Z.B., dass die Flyer von Aktionen eine Woche später draußen sind oder das Plakat noch immer draußen ist, das schon seit einer Woche keine Gültigkeit mehr hat. Bei uns ist es so, dass wir eigentlich monatlich die Preise wechseln, andere Konditionen oder anderer Gerätepreis … Und dann hängen die Plakate da, auf denen auch der Preis nicht mehr stimmt …“
Botschaften und Kampagnen/Aktionen (N = 3)
Unkenntnis von Spezialangeboten und Aktionen des Unternehmens durch Absatzmittler
Typische Aussage
„Ja – es ist z.B. auch, wenn wir als [Unternehmen A] sehr kurzfristig etwas einführen, also einen Launch machen, der sehr kurzfristig ist, das bringt auch wieder Probleme. Das sind auch wieder Kommunikationsprobleme – das Schlimmste ist ja das, dass ein Endkunde am PoS hineinkommt und sagt, „Ich habe von diesem gehört“ und der Verkäufer sagt: „Schön, dass Sie das wissen, ich weiß von nichts“! Ich meine, dass ist dann das Schlimmste, denn das hat dann mit Unprofessionalität zu tun, dass man einfach sagt, da muss irgendwo ein Fehler sein!“
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit)
Schaubild 3-18: Zeitliche Defizite in der Umsetzungsphase
5
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
201
(9) Botschaften und Aktionen/Kampagnen Schließlich zeigen sich die zeitlichen Defizite in der fehlenden Stimmigkeit der Botschaften und Kampagnen bzw. Aktionen des Unternehmens, insbesondere in Form der Unkenntnis von Spezialangeboten und Aktionen auf Seiten der Absatzmittler, die diese im Rahmen der persönlichen Kommunikation mit dem Endkunden nicht mit geeigneten Botschaften und Informationen aufgreifen. Gründe hierfür sind meist auf Informations- (Filterung, Geheimhaltung), aber auch Rollenkonflikte (eigene Kanalförderung, fehlende Unterstützung) zurückzuführen. Innerhalb der Subdimension der personell-kulturellen Defizite lassen sich fünf Kategorien isolieren, von denen eine beide Seiten betrifft und jeweils zwei mehrheitlich den integrationsfördernden Bedingungen auf Absatzmittler- bzw. Unternehmensseite zuzuordnen sind (vgl. Schaubild 3-19 zu den nachfolgend beschriebenen Konflikten, ihren Merkmalen und beispielhaften Aussagen). (10) Gegenseitige Wertschätzung und Akzeptanz Mit der gegenseitigen Wertschätzung ist eine Kategorie zu isolieren, die beide Seiten betrifft. Durch verschiedene Nennungen in sechs Fällen ist festzustellen, dass die Zusammenarbeit teilweise von Misstrauen geprägt ist und dieses durch als arrogant empfundenes Verhalten der Verhandlungspartner und Vorurteile verstärkt wird. Verschiedene Gesprächspartner artikulieren direkt den Wunsch der Bereitschaft der anderen Partei zu einer intensiveren Zusammenarbeit. Insbesondere auf Absatzmittlerseite ist festzustellen, dass diese sich eher als die „Macher an der Front“ verstehen, während Vertreter auf Unternehmensseite als „Schreibtischtäter“ angesehen werden. Die gegenseitige Wertschätzung der Verhandlungspartner führt nicht direkt zu Konflikten in der Umsetzung der Integrierten Kommunikation, beeinflusst jedoch die Zusammenarbeit sowie die Transaktionsatmosphäre und verstärkt damit die identifizierten Defizite. (11) Qualifikation der Verkäufer und (12) Bedeutung und Verständnis für die Integrierte Kommunikation Die Qualifikation der Verkäufer, die in insgesamt zwölf Fällen in den Äußerungen der Befragten zu identifizieren ist, zeigt sich insbesondere in der mangelnden Ausbildung und der fachlichen Qualifikation der Verkäufer auf Absatzmittlerseite, aber auch in dem fehlenden Engagement und der ausbleibenden Eigeninitiative zur Nutzung der Informations- und Schulungssysteme. Bei kleineren Fachhändlern sind vereinzelt wenig Professionalität und eine fehlende Gesamtsicht festzustellen. Im Zusammenhang mit der Qualifikation der Verkäufer ist darüber hinaus festzustellen, dass auf Seiten der Absatzmittler wenig Verständnis für die Integrierte Kommunikation vorhanden ist und dieser eine nur geringe Bedeutung beigemessen wird (N = 8). So reduzieren Absatzmittler die Kommunikationspo-
202
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
litik meist auf ein Instrument der reinen Abverkaufsförderung, was sich auch in den divergierenden Zielen oder fehlenden kommunikationsbezogenen Informationen widerspiegelt. Zudem ist ein fehlendes Verständnis für das einheitliche Erscheinungsbild als Zielgröße zu identifizieren, das durch mangelndes Wissen über die Notwendigkeit und Wichtigkeit der Integrierten Kommunikation verstärkt wird. Sowohl die Qualifikation der Verkäufer als auch das bestehende IKVerständnis auf Absatzmittlerseite lassen sich zwar nicht direkt als Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern identifizieren, jedoch wirken diese Faktoren integrationshemmend, beeinflussen die Ziel- und Informationskonflikte und verstärken formale, inhaltliche sowie zeitliche Defizite. (13) Bedeutung der IK für den Vertrieb Auf Seiten der Unternehmen sind bei der Betrachtung der integrationsfördernden Bedingungen im personell-kulturellen Bereich zwei Kategorien zu identifizieren. Im Rahmen der Datenanalyse ist festzustellen, dass die Integrierte Kommunikation auf Seiten der Mitarbeitenden des Vertriebs, die primär mit den Mitarbeitenden auf Absatzmittlerseite in Kontakt stehen, lediglich eine untergeordnete Rolle spielt und auch hier nur ein geringes Verständnis für die Notwendigkeit und Bedeutung der Integrierten Kommunikation zu konstatieren ist (N = 6). Neben der ungenauen Interpretation des Begriffs und der Inhalte der Integrierten Kommunikation, zeigt sich dies insbesondere in der fehlenden bzw. untergeordneten Anerkennung der Ziele der Integrierten Kommunikation, beispielsweise der Wiedererkennung oder einem einheitlichen Erscheinungsbild. Vielmehr dienen primär kurzfristige Umsatz- und Abverkaufsziele als anzustrebende Erfolgsgrößen. (14) Konflikte der Vertriebs- versus Marketing- bzw. Kommunikationsabteilung Vor diesem Hintergrund ist festzustellen, dass zwischen Marketing- bzw. Kommunikations- und Vertriebsabteilung Differenzen bestehen, die mit internen Konfliktpotenzialen und Kommunikationsbarrieren einhergehen (N = 8).213 Merkmale dieser Kategorie sind vor allem die divergierenden Ziele der Abteilun213 Diese Erkenntnis deckt sich mit der Untersuchung von Krafft/Haase 2004, S. 13ff.
Die Autoren stellen fest, dass das Verhältnis der Abteilungen Marketing und Vertrieb bzw. Verkauf ambivalent ist. Statt sich gemeinsam nach den Vorgaben der Unternehmensstrategie auszurichten und kundenbezogen am Markt auszurichten, verhindern oft gegensätzliche Meinungen und Vorurteile eine konstruktive Zusammenarbeit. Typische Problemfelder und Konfliktpotenziale sind beispielsweise Unterschiede in der Aufgabenstruktur, aber auch der zeitlichen Orientierung, die kommunikationsbeeinträchtigende räumliche Trennung von Marketing und Vertrieb, existierende Zielkonflikte sowie divergierende Verhaltensmuster, vgl. zu ähnlichen Untersuchungen Low/Mohr 1999, S. 70; Schultz 2003, S. 10.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
203
gen, beispielsweise das Vertriebsziel einer kurzfristigen Umsatzsteigerung, das als konträr zu den Positionierungsabsichten der Kommunikation einzuschätzen ist.214 Des Weiteren sind interne (Budget-)Kämpfe und ein ausgeprägtes Abteilungsdenken, das mit der fehlenden Gesamtsicht der Mitarbeitenden einhergeht, festzustellen. Dieses Rivalitätsverhältnis zwischen den Unternehmensbereichen hat zur Konsequenz, dass die abteilungsübergreifende Zusammenarbeit erschwert wird.215 Dies zeigt sich im fehlenden Informations- und Wissensaustausch zwischen Kommunikations- und Vertriebsabteilung, der in fünf Nennungen dokumentiert wird. Das Ergebnis derartiger Kommunikationsbarrieren äußert sich beispielsweise darin, dass Vertriebsmitarbeitende der operativen Ebenen – für Verkäufer auf Absatzmittlerseite häufig die einzigen Kontaktpersonen des Unternehmens – nicht oder nur wenig über die Kommunikationsaktivitäten und deren Inhalte informiert sind. Die folgende Aussage eines Mitarbeitenden im Vertrieb illustriert dies: Proband: „Aber wenn es eine neue Werbung gibt, dann wissen wir nicht, was die Werbung aussagen soll.“ Interviewer: „Das wissen Sie dann nicht?“ P: „Nein, also es gibt schon Sachen, z.B. ein Werbespot wird gedreht, das wissen die wenigsten, das sind die Top-Oberleute. Wir wissen z.B. nicht mit diesen Werbungen, klar die Strategie kenne ich alles.... Aber die Botschaften und die Ideen dahinter kenne ich nicht. Was die Marketingleute da machen, was das genau für ein Zielpublikum ist, kenne ich schon ungefähr, aber was dahinter ist, das wissen die Obersten, […].“
Die Datenanalyse macht jedoch deutlich, dass der fehlende Informationsaustausch in beide Richtungen besteht. Beispielsweise werden, aus Gründen der Sicherstellung der eigenen Ziele, der Kommunikationsabteilung nicht bzw. erst auf Nachfrage kommunikationsrelevante Informationen zur Verfügung gestellt. Dies verdeutlicht die exemplarische Aussage eines Mitarbeitenden der Kommunikationsabteilung: Interviewer: „Aber dort erhalten Sie dann immer alles [Informationen] aus der zweiten Hand?“ Proband: „Ja! Oder manchmal sogar über die dritte Hand. Denn [Vertriebsabteilung] – die sind eigentlich darum besorgt, dass die bedient werden oder ihre Dinge bekommen.“
214 In dieser Kategorie ist darauf hinzuweisen, dass hierbei interne Zieldivergenzen vor-
liegen, d.h. die Vertriebsabteilung andere Ziele verfolgt als beispielsweise die Kommunikationsabteilung. Die für interne Konflikte ursächlichen Zieldivergenzen sind dabei jedoch nicht mit den zuvor analysierten Zieldivergenzen zu verwechseln, die die Beziehung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern betreffen. 215 Matz/Kohli (1996, S. 52) weisen auf Basis einer empirischen Untersuchung auf die negativen Folgen der Rivalität zwischen Unternehmensbereichen für den abteilungsübergreifenden Wissensaustausch hin.
204
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Die genannten Kategorien und Faktoren auf Unternehmensseite wirken insgesamt integrationshemmend und beeinträchtigen die Zusammenarbeit der Abteilungen. Vor dem Hintergrund der vorliegenden Problemstellung ist festzustellen, dass dies zu fehlenden IK-spezifischen Aspekten in den gesamten internen Arbeitsabläufen, den Prozessen und der Zusammenarbeit bzw. Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern führt und damit die formalen, inhaltlichen und zeitlichen Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zusätzlich verstärkt werden.
Personell-kulturelle Defizite
Schaubild 3-19 zeigt abschließend die identifizierten Kategorien sowie beispielhafte Zitate im Bereich der personell-kulturellen Defizite. Kategorie
Merkmale der (potenziellen) Konfliktausprägungen
C
Gegenseitige Wertschätzung (U und AM) (N = 6)
Zusammenarbeit ist von Misstrauen geprägt/verhärtete Fronten
2
Bereitschaft zur Zusammenarbeit
3
„Schreibtischtäter“ – „Macher an der Front“
3
Empfundene Arroganz und Vorurteile
4
Typische Aussage:
„Die werden einfach erstellt von irgendwelchen Marketing-Menschen, vom jeweiligen Provider und die werden dann an uns weitergegeben. Und wir tun sie im Prinzip weiterverkaufen. Ob wir die dann hier gut finden oder nicht, ist dann eher nebensächlich.“
Qualifikation/ Professionalität der Verkäufer (AM) (N = 12)
Mangelnde Ausbildung/Know-how/fachliche Qualifikation
7
Fehlende(s) Engagement/Eigeninitiative/Nutzung von Schulungen und Systemen
5
Demotivation
1
Flüchtigkeitsfehler
1
Fehlende Gesamtsicht/Unternehmerdenken/Professionalität
3
Typische Aussage:
Proband: „[…] Aber es gibt immer gute und schlechte Verkäufer!“ Interviewer: „Was denken Sie, woran das liegt?“ Proband: „Das ist die Qualifikation – wenn ich Filialleiter wäre von so einem Laden, wenn es nicht aufgeräumt ist oder nicht sauber – sie präsentieren sich halt so mit ihrer Firma. Wenn ich schon so ein Tool hätte, das ja eigentlich gut ist und viel Geld kostet, dann sollte es eigentlich Instand gehalten werden und bewirtschaftet werden!“
Bedeutung und Verständnis für die IK (AM) (N = 8)
Reduzierung der Kommunikation auf ein Instrument der Abverkaufsförderung
9
Fehlendes Verständnis für einheitliche/angemessene Gestaltung
4
Verständnis/Wissen für/über die Integrierte Kommunikation
3
Typische Aussage:
„Vor allem ein unterschiedliches Verständnis über die Rolle der Werbung! Nehmen wir beispielsweise [Absatzmittler] – für [Absatzmittler] ist die Werbung reine Abverkaufsförderung, die Bekanntmachung eines konkreten Angebots und alles andere ist verschwendetes Geld! Das waren Originaltöne, die ich vor zwei bis drei Jahren gehört habe in Feedbacks. […] Ich glaube, da gibt es einfach eine unterschiedliche Auffassung wofür man in die Werbung investiert!“
Personell-kulturelle Defizite (Fortsetzung)
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
205
Kategorie
Merkmale der (potenziellen) Konfliktausprägungen
C
Bedeutung der IK für den Vertrieb (U) (N = 6)
Keine Anerkennung der Ziele der IK/Marke als Erfolgsgröße
7
Ungenaue Interpretation des IK-Begriffs
3
Typische Aussage:
„Dafür benötigt es auch Leute, die das kontrollieren und auch zwischendurch in einen Laden gehen und sagen, „super hast du das gemacht oder nein, das ist falsch oder das“. Dafür braucht es aber auch Leute, die das Gespür für das [die Gestaltung der Kommunikation] haben. Die nicht nur umsatzgesteuert sind, sondern auch ästhetisch, emotional gesteuert usw. Es ist natürlich immer auch ein persönliches Empfinden.“
Konflikte Vertrieb vs. Marketing/ Kommunikation (U) (N = 8)
Unterschiedliche Ziele der Abteilungen
Typische Aussagen
„[Vertriebsabteilung] hat andere Ziele gegenüber dem Absatzmittler und denen ist es schlussendlich egal, wie groß das Logo ist. Die denken sich, der Absatz stimmt ja, ich mache den Kanal nicht wütend, nur weil sie es da nicht ganz formal richtig gestellt haben. Ich denke [Vertriebsabteilung], ist nicht unbedingt der „Anwalt für Kommunikation“ – also der hat nicht das Interesse für die Kommunikation!“
4
Gärtchendenken/interne Budgetkämpfe
4
Fehlender Austausch zwischen den Abteilungen
5
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit, U = Unternehmen, AM = Absatzmittler)
Schaubild 3-19: Personell-kulturelle Defizite in der Umsetzungsphase Innerhalb der Analyse der organisatorisch-strukturellen Defizite sind ebenfalls drei Kategorien zu isolieren, die Schaubild 3-20 abschließend dokumentiert sowie beispielhafte Zitate im Bereich der organisatorisch-strukturellen Defizite aufzeigt. (15) Strukturen und Führung Fünf Fälle deuten darauf hin, dass es durch die kleineren Strukturen der Fachhändler – die teilweise aus ein bis zwei-Mann-Betrieben bestehen –, aber auch eine tendenziell dezentrale Führung auf Absatzmittlerseite, bei der alle Filialen selbstständig agieren, zu einer Verstärkung der Koordinations- und Abstimmungsprobleme kommt. Das uneinheitliche Vorgehen wirkt sich negativ auf die formalen, inhaltlichen und zeitlichen Defizite aus. Zudem erschweren das fehlende Durchsetzungsvermögen der Absatzmittlerzentrale bzw. deren dezentrale Führungsstrukturen und daraus resultierend viele unterschiedliche Ansprechpersonen auf Absatzmittlerseite eine effiziente Betreuung und Unterstützung der Absatzmittler, die sich schließlich in Rollenkonflikten dokumentiert. (16) Fehlende Kompetenzen Ein Problem, das mehrheitlich Vertreter auf Absatzmittlerseite artikulieren, stellen die fehlenden Kompetenzen der Unternehmensmitarbeitenden auf den operativen Ebenen dar (N = 7). Dabei handelt es sich zum einen um die Entschei-
206
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
dungsbefugnisse, beispielsweise der Außendienstmitarbeitenden hinsichtlich kurzfristiger Aktionen, Vereinbarungen und Maßnahmen am PoS. Äußerungen von Unternehmensvertretern machen deutlich, dass durch die fehlenden Weisungsbefugnisse der Außendienstmitarbeitenden gegenüber den Verkäufern inhaltliche, zeitliche und formale Defizite nicht unkompliziert und schnell beseitigt werden können, da Abklärungen und Weisungen durch jeweils höhere Hierarchieebenen notwendig sind. Dies führt insbesondere zu einer Verlangsamung der Prozesse, so dass kurzfristige Reaktionen auf Probleme und geeignete Maßnahmen zum Abbau der Defizite nicht möglich sind. (17) Fehlender Einbezug der Kommunikationsabteilung Ein weiteres, zentrales Defizit im Bereich der integrationsfördernden Bedingungen liegt in dem fehlenden Einbezug der Kommunikationsabteilung (N = 5). So ist im Rahmen der Datenanalyse festzustellen, dass Kommunikationsmitarbeiter im operativen Tagesgeschäft keinen bzw. kaum Kontakt zu Mitarbeitenden auf Absatzmittlerseite haben und auch auf der strategischen Ebene, beispielsweise bei den Jahresgesprächen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern, Mitarbeitende der Kommunikationsabteilung in der Regel nicht involviert sind. Diese erhalten demnach kommunikationsrelevante strategische und taktische Informationen lediglich aus „zweiter Hand“, wenn dem nicht noch zusätzlich die im Bereich der kulturell-personellen Defizite identifizierten Konflikte zwischen Marketing bzw. Kommunikation und Vertrieb entgegenstehen. Dies hat zur Folge, dass ein Mangel an Daten zur Beurteilung und Weiterentwicklung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu konstatieren ist. Der mangelnde institutionalisierte Einbezug der Kommunikationsabteilung und das Fehlen einer Schnittstelle, die als Vertreter der Kommunikationsabteilung in engem Kontakt mit den Absatzmittlern steht, führen zu bzw. verstärken die Informationskonflikte. Da wichtige Informationen nicht weitergegeben werden, beeinflusst dies die formalen, inhaltlichen und zeitlichen Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.
Organisatorisch-strukturelle Defizite
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
207
Kategorie
Merkmale der (potenziellen) Konfliktausprägungen
C
Kleinere/dezentrale Strukturen des AM (N = 5)
Uneinheitliches Vorgehen durch kleinere Strukturen der Fachhändler
7
Uneinheitliches Vorgehen durch dezentrale Führung auf Absatzmittlerseite
5
Typische Aussage
„Diese Punkte – ich muss die tausend Mal bei den Fachhändlern erzählen, damit sie irgendwie in demselben Boot sitzen wie ich und auch in dieselbe Richtung rudern. Sie müssen sich vorstellen, wir sind ein großer Dampfer, der fährt und fährt und überall gibt es kleine Motorboote, die in eine ganz andere Richtung ziehen. Die sagen „Ja, aber ich muss doch in die Zeitung gehen…“ Und das ist daher extrem viel Überzeugungsarbeit! Sie müssen sich vorstellen, ich sitze da irgendwo mitten drin und die Betreuer, die müssen immer wieder die „Schäfchen“ zusammentreiben.“
Fehlende Kompetenzen (U) (N = 7)
Fehlende Entscheidungsbefugnisse der Mitarbeiter (operative Ebene)
8
Fehlende Weisungsbefugnisse der Mitarbeiter (operative Ebene) gegenüber Absatzmittlerfilialen
4
Typische Aussage
Proband: „Zum Teil ja. Da muss man dann immer noch auf die Feedbacks warten. Man kann nicht sofort reagieren. Und bis man sich dann dazu findet, ist es vielleicht schon zu spät. Also da gibt es durchaus Probleme. Das macht das Ganze natürlich ein bisschen langsamer.“ Interviewer: „Was für Probleme sind das genau?“ P: „Bei uns ist es ja so, dass wir auch relativ kurzfristig reagieren. Durch unsere Struktur selber haben wir die Möglichkeit, auch bei Werbeangeboten sehr flexibel arbeiten zu können. Und da gibt es dann schon Probleme – wenn man jetzt gerade etwas entscheiden müsste, ist es manchmal schwierig, wenn die Ansprechperson nicht die Kompetenz dazu hat. Das sind die eigentlichen Probleme.“
Fehlender Einbezug der Kommunikationsabteilung (U) (N = 5)
Kein Kontakt zu Absatzmittlern im operativen Geschäft
4
Kein Einbezug von Kommunikationsmitarbeitern in Jahresgespräche
4
Feedback aus zweiter bzw. dritter Hand
4
Typische Aussage:
Proband: „Einen Konflikt den ich sehe, sind sehr oft widersprüchliche Aussagen – ich habe die Informationen aber auch immer nur aus zweiter Hand …ich bekomme die über den Mitarbeiter in [Abteilung Händlerkommunikation], der mit dem [Vertrieb] zusammenarbeitet und mit diesen in Kontakt steht! Ich bekomme die über den Key Account Manager oder dem [Leiter Vertrieb] oder einen Verantwortlichen für den indirekten Kanal.“ Interviewer: „Müsste demnach ein Kommunikationsmitarbeiter also mal direkt mit den Personen sprechen?“ P: „Das müsste der durchaus mal! Der müsste näher dran sein, damit da eine Rückkopplung ist – das wäre verbesserungswürdig!“
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit, U = Unternehmen, AM = Absatzmittler)
Schaubild 3-20: Organisatorisch-strukturelle Defizite in der Umsetzungsphase Nach der Betrachtung der einzelnen Kategorien sind abschließend auf Basis der Datenanalyse hinsichtlich der Beantwortung der erweiterten Forschungsfragen F2-1 und F2-2 folgende Ergebnisse für die Umsetzungsphase festzuhalten:
208
E2-1C:
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Innerhalb der Umsetzungsphase lassen sich mit insgesamt 17 Kategorien die meisten konkreten Konfliktausprägungen identifizieren, die den fünf Subdimensionen formale, inhaltliche, zeitliche, personell-kulturelle sowie organisatorisch-strukturelle Defizite zuzuordnen sind.
E2-2C-1: Im Bereich der formalen Defizite dominieren die mangelhafte Verwendung formaler Gestaltungselemente in der massenmedialen Kommunikation sowie am PoS als konkrete Konfliktausprägungen. Diese lassen sich insbesondere auf divergierende Zielbeziehungen, Abweichungen im Rollenverhalten sowie die mangelnde Abstimmung in der Planungsphase zurückführen. E2-2C-2: Inhaltliche Defizite zeigen sich in der nicht unternehmensadäquaten Beratung und Betreuung der Kunden am PoS sowie der fehlenden oder widersprüchlichen Botschaftsgestaltung durch die Absatzmittler. Als Ursachen dieser Konflikte lassen sich die divergierenden Zielbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler, aber auch Mängel in der Formulierung und Abstimmung des Strategischen Konzeptes der Integrierten Kommunikation von Unternehmen in der Planungsphase identifizieren. E2-2C-3: Die Aktualität des PoS-Materials sowie die Stimmigkeit der Botschaften und Aktionen dominieren im Bereich der zeitlichen Defizite. Gründe hierfür sind primär Informations- und Rollenkonflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. E2-2C-4: Als integrationshemmende Faktoren im kulturell-personellen Bereich sind die Qualifikation der Verkäufer sowie die untergeordnete Bedeutung der Integrierten Kommunikation und ihrer Erfolgsgrößen auf Absatzmittlerseite zu identifizieren. Aber auch bei den Vertriebsmitarbeitenden im Unternehmen ist ein nur geringes Verständnis für die Bedeutung und Notwendigkeit der Integrierten Kommunikation vorhanden. Zusätzlich zu dieser fehlenden „IK-Kultur“ führen Differenzen zwischen der Kommunikations- und Vertriebsabteilung auf Unternehmensseite dazu, dass insbesondere ein Mangel an IK-spezifischen Aspekten und Informationen die formalen, inhaltlichen und zeitlichen Defizite verstärkt.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
209
E2-2C-5: Der fehlende institutionalisierte Einbezug der Kommunikationsabteilung führt ebenfalls zu einem Mangel an relevanten Informationen, der sowohl bei der Kommunikationsabteilung als auch auf Seiten der Absatzmittler festzustellen ist. Dieser integrationshemmende Faktor des organisatorisch-strukturellen Bereichs beeinflusst die formalen, inhaltlichen und zeitlichen Defizite und verhindert die Durchsetzung sowie Optimierung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Darüber hinaus führen fehlende Entscheidungs- und Weisungskompetenzen dazu, dass bestehende Defizite nicht schnell und unkompliziert abgebaut werden können.
3.3.2.4 Konflikte in der Kontrollphase Im Rahmen der empirischen Untersuchung ist für die Phase der Erfolgskontrolle festzustellen, dass von den Befragten hinsichtlich der Informationsgewinnung und -bereitstellung entsprechender Daten keine konkreten Probleme und Konfliktausprägungen artikuliert werden. Auch in dieser Phase ist – ähnlich dem Ergebnis der Analysephase – anzunehmen, dass kundenspezifische Informationen durch die eigenen Vertriebskanäle oder den Außendienst erfasst und dadurch Mängel hinsichtlich nicht vorhandener Daten kompensiert werden. Bei den abgefragten Informationen dominieren jedoch vertriebsspezifische Aspekte und Zielgrößen und es sind kaum kommunikationsspezifische Informationen zu identifizieren, beispielsweise die direkten Reaktionen der Kunden auf den integrierten Einsatz von Kommunikationsinstrumenten, die vor dem Hintergrund institutionalisierter Wirkungs- und Effizienzkontrollen der Integrierten Kommunikation zu verwenden sind. Durch die Äußerungen der Befragten ist festzustellen, dass Unternehmen häufig so genannte Mystery Shoppings durchführen, um mit diesen die Dienstleistungsqualität der eigenen Filiale, aber auch das strategiekonforme Verhalten der Absatzmittler sicherzustellen bzw. ein Benchmarking der Konkurrenz durchzuführen.216 In diesem Zusammenhang zeigt sich jedoch, dass sich die Datenerhe216 Bei Mystery Shopping handelt es sich um eine spezielle Marktforschungsmethode,
die insbesondere im Dienstleistungsmarketing zur Anwendung kommt. Als verdeckt teilnehmende Beobachter treten Mystery Shopper dabei als (potenzielle) Testkunden auf, die den Dienstleistungsprozess durchlaufen, ohne dabei als Testkäufer erkennbar zu sein. Die Ergebnisse lassen sich für die Analyse unternehmensinterner und -externer Fragestellungen heranziehen und dienen in der Regel als umfassende Kontroll- und Steuerungsinformationen für das Marketing-Controlling, vgl. Haas/Diller 2001, S. 1160.
210
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
bung mehrheitlich auf „klassische“ dienstleistungsspezifische Aspekte, beispielsweise die Dauer der Beratung, Freundlichkeit und Auftreten des Verkäufers, den äußeren Gesamteindruck der Verkaufsräume usw. konzentriert. Insgesamt wird daher deutlich, dass die absatzmittlergerichteten Erfolgskontrollen auf Unternehmensseite nur wenige IK-spezifische Aspekte und Erfolgsgrößen beinhalten, beispielsweise die Stimmigkeit der Botschaften und des Erscheinungsbildes, die Aktualität des PoS-Materials usw. Darüber hinaus ist durch die Datenanalyse nicht zu erkennen, dass ein institutionalisierter Austausch entsprechender Informationen zur Kontrolle der Prozessabläufe zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bzw. weiterer Daten, die der Prozesskontrolle durch das Unternehmen dienen, erfolgt. Auf Basis der Ergebnisse werden Forschungsfragen F2-1 und F2-2 für die Kontrollphase wie folgt beantwortet: E2-1D:
Mit der Existenz eigener (direkter) Vertriebskanäle kommt der Kontrollphase hinsichtlich konkreter Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler keine wesentliche Bedeutung zu.
E2-2D:
Ein institutionalisierter Informations- und Datenaustausch über die Prozessabläufe besteht zwischen Unternehmen und Absatzmittlern nicht und die durch Unternehmen durchgeführten absatzmittlergerichteten Erfolgskontrollen beinhalten kaum IK-spezifische Aspekte und Erfolgsgrößen.
3.3.3
Ebene der Konfliktwirkungen
Als geeignete Dimensionen auf der Ebene der Konfliktwirkungen wurden bei der Entwicklung des Analyserahmens auf Basis theoretischer Annahmen die Ineffizienz sowie die Ineffektivität der Integrierten Kommunikation abgeleitet. Durch die Datenanalyse ist es möglich, bei den Befragten konkrete Konfliktwirkungen zu isolieren und insgesamt sieben Kategorien zu bilden, die sich hinsichtlich der theoretisch erarbeiteten Dimensionen systematisieren lassen. Demnach werden für die Ineffektivität vier bzw. für die Ineffizienz drei Kategorien abgeleitet, die im Folgenden näher beschrieben werden. Das Ergebnis der Datenanalyse zu den Konfliktwirkungen zeigt Schaubild 3-21 im Überblick.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Dimension
Kategorie
211
N
C
Uneinheitliches Erscheinungsbild
8
16
Fehlende Synergiewirkungen
8
10
Fehlende Differenzierung
5
5
Fehlende Motivation
7
13
Erhöhte Kosten
9
15
Suboptimaler Ressourceneinsatz
8
12
Suboptimale Prozesse/Abstimmung
5
10
Ineffektivität
Ineffizienz
(N = relative Häufigkeit, C = absolute Häufigkeit)
Schaubild 3-21: Konfliktwirkungen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
3.3.3.1 Ineffektivität der Integrierten Kommunikation Vor dem Hintergrund der effektivitätsorientierten Ziele der Integrierten Kommunikation ist es möglich, vier Kategorien zu bilden, die die negativen Wirkungen der identifizierten Konfliktausprägungen und damit bestehende Defizite der Umsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zum Ausdruck bringen: (1) Uneinheitliches Erscheinungsbild und fehlende Wiedererkennung In acht Fällen ist als negative Wirkung der identifizierten Konflikte ein uneinheitliches Erscheinungsbild bzw. die fehlende Wiedererkennung festzustellen. Das zentrale Ziel des einheitlichen Erscheinungsbildes und damit einhergehend eine höhere Akzeptanz des kommunikativen Auftritts bei den Kunden wird insbesondere durch die identifizierten formalen, inhaltlichen und zeitlichen Defizite gestört. Eine dominante Position nimmt dabei die mangelhafte Verwendung des PoS-Materials ein, die mit sieben Nennungen durch die Befragten artikuliert wurde. Weitere konkrete Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern, die sich im Rahmen der Datenanalyse als Ursache für die negative
212
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Wirkung identifizieren lassen sowie eine beispielhafte Aussage sind im Folgenden aufgeführt:217 Uneinheitliches Erscheinungsbild und fehlende Wiedererkennung durch … Verwendung PoS-Material (f)
C=7
Verwendung der Botschaften (i)
C=1
Elemente in Werbemitteln (f)
C=2
Botschaften und Aktionen/ Kampagnen (z)
C=3
Erscheinungsbild PoS (f)
C=1
Botschaften und Geräteverfügbarkeit (z)
C=1
Beratung und Betreuung am PoS (i)
C=2
Aktualität PoS-Material (z)
C=3
f = formale Defizite, i = inhaltliche Defizite, z = zeitliche Defizite „[…] und das Plakat nicht aufgehängt ist. Das fehlt dann dort einfach und das ist auch eine wichtige Struktur für den Verkäufer […], für den Endkunden […], damit er eigentlich sieht, „Ah, das habe ich in der Werbung gesehen, das ist ja hier“, […] Man muss sich hineinversetzten in den Endkunden. Ich fühle mich einfach wohler, wenn ich die Wiedergabe, die ich in der Werbung sehe, das Angebot, dass ich das dann auch am PoS wieder sehe! Oder auch dieser Preis oder was auch immer – das ist auch wichtig, dass ich das wieder sehe und ich sage „Ah, da ist es ja!“ oder „da ist das Angebot“, dass es auch hervorsticht. Da fühle ich mich dann auch wohler. […] Diese Wiedererkennung am PoS – sei es bei dem Preisschild oder sei es bei dem Plakat […].“
Schaubild 3-22: Ursächliche Konfliktausprägungen und beispielhafte Aussagen der Kategorie „Uneinheitliches Erscheinungsbild und fehlende Wiedererkennung“ (2) Fehlende Synergiewirkungen Unternehmen streben mit der Integrierten Kommunikation die Erzielung kommunikativer Synergiewirkungen durch das Zusammenwirken verschiedener, sich potenzierender Kommunikationsmaßnahmen an. Vor dem Hintergrund dieses Zieles lassen sich in weiteren acht Fällen negative Konfliktwirkungen feststellen, die daraus resultieren, dass die Kommunikationsmaßnahmen der Absatzmittler nicht zu einer Verstärkung der Synergiewirkungen führen. Wenn die Potenziale der persönlichen und massenmedialen Kommunikation der Absatzmittler nicht ausreichend genutzt werden und die Kommunikationswirkung dadurch „verschenkt“ wird, entstehen Opportunitätskosten. Die ausbleibenden Synergieeffekte lassen sich insbesondere auf Unstimmigkeiten der durch das Unternehmen durchgeführten Kommunikationsmaßnahmen und dem PoS-Auftritt der Absatzmittler (formale Defizite) (C = 5) sowie die mangelnde Verwendung der Botschaften und Aussagen (C = 5) zurückführen. Exemplarisch dafür steht das folgende Zitat:
217 Da sich in dieser Kategorie zahlreiche Ursachen identifizieren lassen, werden diese
bzw. in entsprechenden weiteren Kategorien auf Ebene der Konfliktwirkungen tabellarisch dargestellt.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
213
„Wenn wir eine neue Kampagne lancieren mit einem neuen Produkt oder einer neuen Serviceleistung und das auf den Markt bringen möchten und ein „Through-the-line“Konzept definieren und das auch so umgesetzt haben möchten, von „Above-the-Line“ bis hin zum letzten Händler und Handel, aber auch beim Kundendienst … Wenn das nicht funktioniert, dann spielt der Synergieeffekt nicht.“
(3) Fehlende Differenzierung In fünf Fällen sind Äußerungen zu identifizieren, die auf negative Konfliktwirkungen durch die fehlende kommunikative Differenzierung vom Wettbewerber hinweisen. Dies führt zu einer Störung des mit der Differenzierung verbundenen Zieles der eindeutigen Positionierung in den Köpfen der Konsumenten. Ursachen liegen insbesondere in der mangelhaften Verwendung der PoS-Materialien (C = 3) sowie dem Erscheinungsbild des PoS (C = 1) – was beispielsweise das folgende Zitat belegt –, aber auch in inhaltlichen Defiziten wie der fehlenden Verwendung der Botschaften (C = 3) und einer widersprüchlichen Botschaftsgestaltung (C = 1): „Andererseits ist es so: wenn der Händler die verschiedenen Provider [Unternehmen] nicht in der Form herüberbringt, wie der Kunde das aufnehmen soll, dann ist die Gefahr, dass der Kunde die Differenzierung vom Operator nicht mehr wahrnimmt und auch entsprechend das Angebot erst mit einer One-to-One-Beziehung zum Händler bzw. Verkäufer wird dann klar, das ist nun ein [Unternehmen]-Angebot oder ein [Wettbewerber]-Angebot!“
(4) Fehlende Motivation Schließlich artikulieren sieben der Befragten als negative Wirkung, die sich aus den Konflikten, aber auch direkt aus den identifizierten Ursachen ergibt, eine fehlende Motivation der Absatzmittler. Diese resultiert mehrheitlich aus den Verteilungskonflikten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern (C = 6). Darüber lässt sich der mangelnde Einsatz der Absatzmittler für ein Unternehmen auf negative Erfahrungen bezüglich der nicht erbrachten Unterstützung und Betreuung durch das Unternehmen zurückführen. Deutlich wird dies beispielsweise in Form nicht funktionierender Systeme (C = 3), einer mangelnden Verfügbarkeit von Angeboten (C = 3) sowie nicht übermittelter Informationen über Botschaften und Aktionen (C = 3), die den Verkäufer vor dem eigenen Kunden als inkompetent erscheinen lassen. Die folgenden Zitate belegen beispielhaft die identifizierten Zusammenhänge: Zitat 1: „Wenn die Betreuung nicht optimal läuft und nicht so vorgelebt wird, dann fehlt auch die Motivation vom Verkauf für den Provider [Unternehmen] alles zu geben. Und das ist nur ein kleines Beispiel.“ Zitat 2: „Unsere [Absatzmittler] Verkäufer stehen dann vor den Kunden und wissen nicht, um was es geht und wir haben das Angebot nicht verfügbar. Das ist dann auch für den Verkäufer peinlich.“
214
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Die Betrachtung der identifizierten Kategorien, die inhaltlich die Dimension der Ineffektivität der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten repräsentieren, macht zudem deutlich, dass es sinnvoll ist, eine Trennung in die interne und externe Ineffektivität vorzunehmen. Dabei bezeichnet die interne Effektivität die negativen Ergebniswirkungen der Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern auf die Wirksamkeit innerhalb des Vertriebssystems, während sich die externe Ineffektivität auf Mängel in der Wirksamkeit der Maßnahmen der Integrierten Kommunikation bei den externen Zielgruppen des Unternehmens bezieht. Nach dieser Unterteilung stellen die ersten drei identifizierten Kategorien primär negative Ergebniswirkungen bei den externen Zielgruppen dar. Dabei ist jedoch zu beachten, dass diesen auch eine interne Komponente innewohnt, da auch Absatzmittler eine Zielgruppe von Unternehmen bilden, bei denen die Ziele des einheitlichen Erscheinungsbildes, der Differenzierung und entsprechende Synergiewirkungen angestrebt werden. Die durch die Konflikte bzw. Defizite entstandene fehlende Motivation der Absatzmittler lässt sich primär der internen Ineffektivität einordnen, da sich in dieser negative Wirkungen der Konflikte auf die Wirksamkeit innerhalb des Vertriebssystems zeigen. Auf Basis der Ergebnisse der Datenanalyse wird Forschungsfrage F3-1, die zum Inhalt hatte, Wirkungen der Konflikte auf die Effektivität der Integrierten Kommunikation zu analysieren, wie folgt beantwortet: E3-1A:
Die identifizierten Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern haben negative Wirkungen auf die angestrebte Effektivität der Integrierten Kommunikation.
E3-1B:
Als Kategorien, die sich der Dimension Ineffektivität der Integrierten Kommunikation zuordnen lassen, sind das uneinheitliche Erscheinungsbild bzw. fehlende Wiedererkennung, nicht erreichte Synergiewirkungen, mangelnde Differenzierungswirkungen bei Endkunden (externe Ineffektivität) sowie die fehlende Motivation der Absatzmittler (interne Ineffektivität) zu identifizieren.
E3-1C:
Zurückführen lassen sich die identifizierten Ineffektivitäten mehrheitlich auf formale, inhaltliche und zeitliche Defizite, die fehlende Motivation der Absatzmittler wird zudem direkt durch bestehende Ziel- und Rollenkonflikte beeinflusst.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
215
3.3.3.2 Ineffizienz der Integrierten Kommunikation Vor dem Hintergrund der effizienzorientierten Ziele der Integrierten Kommunikation lassen sich im Rahmen der Datenanalyse mit den erhöhten Kosten, einem suboptimalen Ressourceneinsatz sowie den suboptimalen Prozessen drei Kategorien identifizieren, die auf negative Wirkungen der Konfliktausprägungen hinweisen. (1) Erhöhte Kosten Im Rahmen der Datenanalyse sind in insgesamt neun Fällen Nennungen zu identifizieren, die auf eine Erhöhung der Kosten hindeuten. Diese entstehen z.B. durch die Notwendigkeit eines intensiveren Einsatzes von PoS-Teams durch ein Unternehmen, die die Umsetzung der Integrierten Kommunikation bei den Absatzmittlern kontrollieren (C = 2) und unnötige Doppelarbeiten bzw. nachträgliche Information (C = 2) verursachen. Darüber hinaus entstehen Unternehmen Mehrkosten durch die Notwendigkeit der Nachbesserungen im kommunikativen Auftritt (C = 2) und die Selbsterstellung der Kommunikationsmittel (C = 4). In sechs Nennungen wurde der „Mehreinsatz finanzieller Mittel“ (C = 6) betont. Zurückzuführen sind die erhöhten Kosten auf die identifizierten inhaltlichen, zeitlichen sowie dominierend die formalen Defizite. In einigen Fällen ist es auch möglich, die Kosten auf Konflikte zurückzuführen, die im personell-kulturellen und organisatorisch-strukturellen Bereich bestehen. Die direkt artikulierten, konkreten Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern, die im Rahmen der Datenanalyse als Ursache für die negative Ergebniswirkung zu identifizieren waren sowie eine beispielhafte Aussage eines Unternehmensvertreters, die die notwendigen Doppelarbeiten bzw. entstehende Kontrollkosten thematisiert, sind im Folgenden aufgeführt: Erhöhte Kosten durch … Verwendung PoS-Material (f)
C=3
Verwendung der Botschaften (i)
C=1
Elemente in Werbemitteln (f)
C=4
Botschaften und Aktionen/Kampagnen (z)
C=1
Erscheinungsbild PoS (f)
C=1
Fehlende Entscheidungskompetenzen (os)
C=1
Beratung und Betreuung am PoS (i)
C=1
Qualifikation (pk)
C=3
f = formale Defizite, i = inhaltliche Defizite, z = zeitliche Defizite, os = organisatorisch-strukturelle Defizite, pk = personell-kulturelle Defizite „Nein – das wird alles von uns intern kontrolliert, ob es richtig geschrieben ist, wenn einer Kommentare oder Beschreibungen in den Katalog macht, ob die Inhalte stimmen – das muss alles von uns intern überprüft werden. Daher haben wir eine gute Kontrolle, dass das CI usw., die ganze Präsentation des Angebots in unserem „Look und Feel“ herüberkommt.“
Schaubild 3-23: Ursächliche Konfliktausprägungen und beispielhafte Aussagen der Kategorie „Erhöhte Kosten“
216
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
(2) Suboptimaler Ressourceneinsatz Eine weitere Kategorie, die die negativen Ergebniswirkungen der Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern kennzeichnet, ist der suboptimale Ressourceneinsatz, der von insgesamt acht der Befragten geäußert wird. Dieser zeigt sich beispielsweise in der Form, dass Unternehmen die vom Absatzmittler ungenügend erbrachte Leistung mit Hilfe des eigenen Kanals auszubessern haben, was wiederum dessen personelle Kapazitäten bindet. Zwei Nennungen thematisieren allgemein die „Verschwendung personeller und finanzieller Ressourcen“. Häufig finden sich zudem Äußerungen, die darauf hinweisen, dass die unternehmensseitigen Investitionen in die Kommunikation sowie die absatzmittlergerichteten Maßnahmen (z.B. Schulungen) quasi „verpuffen“, wenn letztlich durch Absatzmittler keine Umsetzung erfolgt (C = 7). Dies ist beispielsweise der Fall, wenn spezielle, auf Absatzmittler zugeschnittene oder endkundengerichtete Kommunikationsaktivitäten, z.B. spezielle Werbemittel, Plakate, Botschaften usw., durch das Unternehmen entwickelt werden und diese schließlich aufgrund formaler, inhaltlicher oder zeitlicher Defizite am PoS nicht sichtbar sind bzw. in der Beratung des Kunden nicht eingesetzt werden. Die Verschwendung von Ressourcen wird zudem darin deutlich, dass speziell entwickelte Präsentationsinstrumente am PoS nicht optimal eingesetzt werden (C = 1). Nachfolgend finden sich die konkreten Konfliktausprägungen, die im Rahmen der Datenanalyse als Ursachen des suboptimalen Ressourceneinsatzes identifiziert wurden: Suboptimaler Ressourceneinsatz durch … Verwendung PoS-Material (f)
C=1
Fehlende Entscheidungskompetenzen (os)
C=1
Beratung und Betreuung am PoS (i)
C=3
Qualifikation (pk)
C=2
Widersprüchliche Botschaften (i)
C=1
f = formale Defizite, i = inhaltliche Defizite, z = zeitliche Defizite, os = organisatorisch-strukturelle Defizite, pk = personell-kulturelle Defizite „Das sind einfach Probleme, die es geben kann. In der Regel wird viel umgesetzt. Wir investieren z.B. in Werbung und da soll ein Plakat hängen. Und dann hängt das vielleicht einfach nicht.“
Schaubild 3-24: Ursächliche Konfliktausprägungen und beispielhafte Aussagen der Kategorie „Suboptimaler Ressourceneinsatz“ (3) Suboptimale Prozesse Schließlich betonten fünf Fälle die Verlangsamung der Prozesse als negative Wirkung, die aus einem erhöhten Abstimmungs- und Koordinationsbedarf zwischen Unternehmen und Absatzmittlern resultiert. Vertreter auf Unternehmensseite sehen die negativen Wirkungen vor allem aufgrund des uneinheitlichen Vorgehens zahlreicher kleiner Fachhändler (C = 1), der Notwendigkeit erneuter
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
217
Abstimmungen der Kommunikationsmittel sowie fehlender Weisungsbefugnissen auf den operativen Ebenen (C = 2). Auf Absatzmittlerseite werden insbesondere die fehlenden Entscheidungskompetenzen der Ansprechpartner des Absatzmittlers bzw. der Verkäufer am PoS als Ursache für die suboptimalen Prozesse angegeben (C = 6). Die folgende Aussage illustriert dies: „Problematisch dabei sind vor allem die Strukturen bei den Unternehmen. Je mehr Entscheidungsebenen, desto schwieriger ist die Zusammenarbeit. Durch die fehlenden Entscheidungskompetenzen geht sehr viel verloren, fehlende Schnelligkeit, die Ressourcen werden vernichtet, die Arbeit ist schleppend, die Kosten werden erhöht und Synergieeffekte gehen verloren usw.“
Die Analyse der Kategorien macht deutlich, dass die Ineffizienz zum einen als das Nichterreichen von möglichen Kostensenkungspotenzialen im Rahmen der Integrierten Kommunikation zu verstehen ist, zum anderen als das verschlechterte Kosten-Nutzen-Verhältnis, das innerhalb des Vertriebssystems durch die Konflikte entsteht. Eine Trennung in die interne und externe Ineffizienz, wie sie bei der Betrachtung der effektivitätsorientierten Ergebniswirkungen erfolgte, erscheint im Rahmen der Effizienzbetrachtung nicht zweckmäßig, da die Analyse der Wirtschaftlichkeit bei der vorliegenden Problemstellung primär nach innen gerichtet ist. Es ist jedoch zweckmäßig, die entstandenen Kosten bzw. Nachteile, die auf Unternehmensseite bzw. innerhalb des Systems entstehen, zu systematisieren. Unter Einbeziehung der transaktionskostentheoretischen Überlegungen in die Betrachtung ist festzustellen, dass es sich bei den identifizierten effizienzorientierten Ausprägungen insbesondere um Abwicklungs- bzw. Koordinations-, Kontroll- und Anpassungskosten handelt (vgl. Schaubild 3-25). Transaktionskosten Abwicklungs- und Koordinationskosten
Kontrollkosten
Anpassungskosten
Kosten für die Abstimmung von Prozessen
Kosten für die Schulung und das Training der Absatzmittler
Kosten für spezielle Kommunikations- und Präsentationsmittel
Kosten der Leistungsbewertung und -überwachung
Kosten der Selbsterstellung der Kommunikationsmittel
Kosten des intensiveren Einsatzes von PoS-Teams
Kosten der Nachbesserung im kommunikativen Auftritt
Kosten der nachträglichen Information
Kosten der inhaltlichen Nachbesserung durch die eigenen Kanäle
Kosten des Ausgleichs der Imagedefizite bei den Konsumenten
Schaubild 3-25: Systematisierung der identifizierten Kosten nach Transaktionskostenarten
218
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Auf Basis der Datenanalyse wird hinsichtlich der Beantwortung der Forschungsfrage F3-2 das folgende Ergebnis festgehalten: E3-2A:
Die identifizierten Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern haben negative Wirkungen auf die angestrebte Effizienz der Integrierten Kommunikation.
E3-2B:
Als Kategorien, die sich der Dimension Ineffizienz der Integrierten Kommunikation zuordnen lassen, sind erhöhte Kosten, der suboptimale Ressourceneinsatz sowie suboptimale Prozesse zu identifizieren. Im Rahmen einer transaktionskostentheoretischen Betrachtung handelt es sich dabei insbesondere um Abwicklungs- bzw. Koordinationskosten, Kontroll- sowie Anpassungskosten.
E3-2C:
Mehrheitlich lässt sich die konfliktbedingte sinkende Wirtschaftlichkeit auf formale, inhaltliche und zeitliche Defizite zurückführen, aber auch fehlende Entscheidungs- und Weisungskompetenzen sowie die Qualifikation der Verkäufer beeinflussen die Verschlechterung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses.
3.3.4
Darstellung des vollständigen Analyserahmens und der identifizierten Zusammenhänge
Abschließend dient die Betrachtung des vollständigen Analyserahmens und seiner identifizierten Kategorien zur Beantwortung der Forschungsfrage F4, die vor dem Hintergrund der theoretischen Annahmen über die kausalen Zusammenhänge des Analyserahmens formuliert wurde. Eine grafische Veranschaulichung aller identifizierten Kategorien der Defizitentstehung und ihrer Beziehungen, deren Darstellung in den vorherigen Abschnitten erfolgte, wäre jedoch an dieser Stelle zu komplex und nicht mehr übersichtlich. Daher konzentriert sich die grafische Darstellung auf die Ebenen und Dimensionen des Analyserahmens und stellt die vermuteten Zusammenhänge in den Mittelpunkt (vgl. Schaubild 3-26). Zur Veranschaulichung sind die identifizierten Auswirkungen der einzelnen Dimensionen aufeinander mittels durchgezogener Pfeile und Verbindungen symbolisiert. Während gestrichelte Verbindungen auf einen durch die Äußerungen der Befragten lediglich vermuteten Zusammenhang hindeuten, symbolisieren die gepunkteten Verbindungen Zusammenhänge, die den theoretischen Plausibilitätsannahmen folgend hypothetisch angenommen wurden, aber nicht direkt in der Untersuchung zu finden waren.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
219
Konfliktursachen
Konfliktausprägungen
Konfliktwirkungen
Interorganisationale Beziehungen
Verhaltenswirkungen im Planungsprozess der IK (Streitpunkte)
Ergebniswirkungen auf die Integrierte Kommunikation
Vertikale Ziel-/InteressenKonflikte 7 Kategorien
Konflikte in der Analysephase Ineffizienz der Kommunikation 4 Kategorien
Vertikale Machtkonflikte 6 Kategorien
Konflikte in der Planungsphase 9 Kategorien
Vertikale Rollenkonflikte 6 Kategorien
Konflikte in der Umsetzungsphase 17 Kategorien Ineffektivität der Kommunikation 3 Kategorien
Vertikale Informations-/Kommunikationskonflikte 5 Kategorien
Identifizierte Zusammenhänge
Konflikte in der Kontrollphase -
Vermutete Zusammenhänge
Keine Zusammenhänge
Schaubild 3-26: Konfliktmodell der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten Die vorangegangenen Abschnitte der Ergebnisdarstellung haben gezeigt, dass die Vermutungen über die Zusammenhänge des Analyserahmens weitgehend bestätigt werden. So war es im Rahmen der Datenanalyse möglich, Zusammenhänge zwischen den potenziellen und konkreten Meinungsverschiedenheiten (Konfliktausprägungen) zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in der Planungs- und Umsetzungsphase der Integrierten Kommunikation sowie den verhaltensbedingten Konfliktursachen zu identifizieren. Es ist darauf hinzuweisen – obwohl dies vor dem Hintergrund der Problemstellung als kein überraschendes Ergebnis zu werten ist –, dass sich mit insgesamt 17 identifizierten Kategorien die meisten Probleme bzw. Defizite in der Umsetzungsphase zeigen. Theoretisch angenommene Konflikte in der Analyse- und Kontrollphase des Planungsprozesses waren nicht festzustellen, jedoch ist zu vermuten, dass Informationskonflikte auch die Entscheidungstatbestände in diesen Phasen betreffen und einen negativen Einfluss auf die effektive und effiziente Kommunikationsarbeit ausüben. Von einem Zusammenhang der Defizite in der Planungs- und denen der Umsetzungsphase ist auf Basis der Erkenntnisse der empirischen Untersuchung auszugehen. Die
220
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Datenanalyse zeigt zudem, dass Konflikte und ihre Ursachen negative Wirkungen auf die effiziente und effektive Kommunikationsarbeit von Unternehmen haben und die bestehenden Konflikte effektivitäts- und effizienzmindernde Wirkungen für das gesamte Vertriebssystem mit sich bringen. Vor dem Hintergrund der identifizierten Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern, deren Ursachen und Wirkungen sowie der gewonnenen Erkenntnisse bestehender Defizite ist der in Schaubild 3-26 abgebildete Analyserahmen als Konfliktmodell der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu verstehen.218 Im Rahmen des betrachteten Gesamtmodells interessierte zudem, ob hinsichtlich der Wahrnehmung der Konflikte, deren Ursachen und Wirkungen möglicherweise starke Unterschiede sowohl zwischen unterschiedlichen Gruppen als auch einzelnen Interviewten bestehen. Zur Beantwortung dieser Frage werden die absoluten Häufigkeiten (C) der kodierten Textsegmente und die relativen Häufigkeiten (N), d.h. das Vorhandensein der entsprechenden Kategorie bei den Befragten, herangezogen. Diese werden jeweils derart zusammengefasst, dass sie für alle Kategorien die absoluten bzw. relativen Häufigkeiten der Befragten auf der strategischen bzw. operativen Ebene sowie der Unternehmens- und Absatzmittlerseite als unterschiedliche Gruppen repräsentieren. Eine ausführliche Darstellung der jeweiligen Häufigkeiten in Tabellenform findet sich im Anhang.219 Bezüglich möglicher Gruppenunterschiede sind jedoch keine überraschenden Erkenntnisse festzustellen. Die Gegenüberstellung der Häufigkeiten zeigt, dass nur in seltenen Fällen Kategorien allein oder mehrheitlich durch Äußerungen der Befragten in einer Gruppe abgebildet werden.220 Derartige Einzelfälle sind zudem meist mit Plausibilitätsüberlegungen zu begründen: So lassen sich beispielsweise Nennungen in der Kategorie „Bedeutung der IK für den Vertrieb“ im Rahmen der personell-kulturellen Defizite nur bei Befragten auf Unternehmensseite feststellen. Ein solcher Unterschied ist nachvollziehbar und wenig überraschend, da es insbesondere dieser Gruppe möglich ist, sich konkret zu der entsprechenden Kategorie zu äußern. Vor dem Hintergrund der Analyse potenzieller Probandenunterschiede wird zudem mit Hilfe des Statistikprogramms SPSS eine so genannte Ähnlichkeitsmat-
218 Unter dem Begriff Modell ist in diesem Zusammenhang die vereinfachte Abbildung
der Realität zu verstehen, vgl. Adam 1996, S. 60. 219 Vgl. Anhang S. 331ff. 220 Bei der Ergebnisdarstellung der Kategorien wurde in einem solchen Fall an entspre-
chender Stelle darauf hingewiesen.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
221
rix erstellt.221 Üblicherweise ist die Ähnlichkeitsmatrix ein Hilfsmittel, um Strukturen in den Daten zu identifizieren und Muster sowie Typologien zu entwickeln. Im vorliegenden Fall erschien diese jedoch zur Überprüfung möglicher Wahrnehmungsunterschiede geeignet. Denn die Ähnlichkeitsmatrix erlaubt die Beantwortung der Frage, wie stark die thematisierten Kategorien bei den Befragten übereinstimmen bzw. ob diese bei den jeweiligen Befragten „auftreten“ oder „nicht auftreten“ und betrachtet dabei alle Kategorien des gesamten Modells. Eine maximale Ähnlichkeit der Befragten ist dann erreicht, wenn es zu einer Übereinstimmung aller 57 Kategorien kommt. Für jedes Paar von Probanden wird daher ein Ähnlichkeitskoeffizient ermittelt, so dass eine neue Matrix entsteht, die die entsprechenden Fälle gegenüberstellt („Ähnlichkeitsmatrix“).222 Die Matrix ist klappsymmetrisch und enthält in der Diagonale die Ähnlichkeit der Person mit sich selbst, d.h. den Wert 1.223 Die Ergebnisse zeigen, dass die Ähnlichkeit in den meisten Fällen einen Wert aufweist, der größer 0.5 bzw. 0.6 ist, d.h., bei den jeweiligen Probandenpaaren daher eine Übereinstimmung in ca. 29 bzw. ca. 35 der 57 Kategorien festzustellen ist. Die genaue Betrachtung der gesamten Ähnlichkeitsmatrix zeigt, dass die Werte über alle Probanden hinweg nicht stark voneinander abweichen. Dies lässt den Schluss zu, dass hinsichtlich der Wahrnehmung der Meinungsverschiedenheiten, deren Ursachen und Wirkungen über alle Befragten hinweg relativ übereinstimmende Aussagen getroffen wurden.
221 Mit SPSS ist zudem nicht nur die Berechnung von Ähnlichkeits- sondern auch von
Distanzmatrizen möglich. Je stärker sich zwei Objekte in ihren Merkmalen unterscheiden, desto größer ist ihre Distanz. Distanzmessungen sind insbesondere bei höherwertigen Skalen in Verbindung mit varianzanalytisch orientierten Verfahren der Clusteranalyse von Interesse, vgl. Kuckartz 2005, S. 221. 222 SPSS bietet verschiedene Ähnlichkeitskoeffizienten zur Berechnung der Ähnlichkeitsmatrix an, die sich vor allem im Hinblick auf die Einbeziehung und Gewichtung der Negativ-negativ-Übereinstimmungen unterscheiden, d.h., ob das Nicht-Vorhandensein eines Merkmals als Ähnlichkeit zu werten ist oder nicht. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde der „Simple-Matching“-Koeffizient gewählt, bei dem alle Übereinstimmungen gewertet werden, d.h. auch die negativen, und bei dem keine Gewichtung vorgenommen wird. Vgl. zu Ähnlichkeitsmatrix und Ähnlichkeitsmaßen z.B. Backhaus et al. 2006, S. 493f., 507. 223 Vgl. die Ähnlichkeitsmatrix der empirischen Untersuchung im Anhang, S. 337.
222
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Auf Basis der Datenanalyse wird hinsichtlich der Beantwortung der Forschungsfrage F4 das folgende Ergebnis festgehalten: E4-1:
Die Zusammenhänge des Analyserahmens lassen sich weitgehend bestätigen. Als Ursachen der konkreten und potenziellen Konfliktausprägungen der Planungs- und Umsetzungsphase lassen sich verhaltensbedingte, untereinander komplex miteinander verflochtene Ziel-, Rollen-, Macht- und Informationskonflikte feststellen. Die identifizierten Konflikte führen auf Ebene der Ergebniswirkungen zur Ineffizienz und Ineffektivität der Integrierten Kommunikation.
E4-2:
Der entwickelte Analyserahmen ist als ein Konfliktmodell der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu verstehen, das für weiterführende Betrachtungen herangezogenen werden kann.
3.4
Zusammenfassung und kritische Würdigung der Ergebnisse der empirischen Untersuchung
Die Ergebnisse der empirischen Untersuchung bieten Wissenschaft und Praxis wichtige Anhaltspunkte zur Weiterentwicklung des untersuchten Themas. Es war möglich, die zu Beginn der Arbeit formulierten Forschungsfragen und deren Erweiterungen bzw. Konkretisierungen am Ende des zweiten Kapitels mittels der erhobenen Daten zu beantworten. Dies wurde durch den systematischen Einsatz des Analyserahmens in allen Phasen der Untersuchung unterstützt. Insbesondere vertiefende Erkenntnisse wurden hinsichtlich der theoretischen und empirischen Durchdringung der Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten generiert. Ziel der empirischen Untersuchung war vor allem die Ermittlung von Konflikten, ihren Ausprägungen, Ursachen und Wirkungen, die durch die Mehrstufigkeit der Märkte bzw. die Einbindung von Absatzmittlern im Rahmen der Integrierten Kommunikation entstehen, da nur mit dem Wissen um die konkreten und potenziellen Defizite die Formulierung zielgerichteter Maßnahmen zum Abbau bzw. zur Vermeidung der Defizite möglich ist. Die Erkenntnisse und Ergebnisse der empirischen Untersuchung verdeutlichen damit den Koordinationsbedarf, d.h., die spezifischen und konkretisierten Integrations-, Abstimmungs- und Steuerungsprobleme die im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten bestehen. Diese Probleme sind in einem nächsten Schritt durch ge-
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
223
eignete Maßnahmen zu überwinden, um dauerhaft eine effiziente und effektive Kommunikationsarbeit sicherzustellen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Ergebnisse der empirischen Untersuchung vor dem Hintergrund der untersuchten Mobilfunkbranche zu interpretieren sind.224 Trotz der eingeschränkten Allgemeingültigkeit wird jedoch von einer Übertragbarkeit der Grundstrukturen des Analyserahmens bzw. des Konfliktmodells und dessen Kategorien auf andere Branchen ausgegangen. Dies macht es möglich, zahlreiche Teilaspekte in zukünftigen Untersuchungen zu vertiefen oder auf zahlreiche andere Branchen zu übertragen. Als abschließendes Ergebnis der empirischen Untersuchung ist daher der folgende Hypothesenkatalog anzusehen, der die Ergebnisse der Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zusammenfasst und sich für vertiefende Forschungen insbesondere hinsichtlich einer dynamischen Konfliktanalyse sowie der quantitativen Fundierung der Zusammenhänge eignet. 225
224 Ebenso sind die im nächsten Kapitel zu erläuternden Maßnahmen sehr eng an den
Ergebnissen der empirischen Untersuchung und den Spezifika der untersuchten Mobilfunkbranche ausgerichtet. Es wird im Folgenden jedoch versucht, die Maßnahmen derart zu formulieren, dass auch eine Übertragung auf andere Branchen und Dienstleistungstypen – gegebenenfalls mit Einschränkung und unter Modifikationen – möglich ist. 225 Vgl. zu den offenen Forschungsfragen Kapitel 5 dieser Arbeit.
224
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Zusammenfassung der Forschungsergebnisse (Hypothesenkatalog)
Ursachen
Identifikation und Entstehung von Defiziten E1-1A
Provisionen/Incentives, Werbekostenzuschüsse sowie der Zeit- und Umsatzdruck der Verkäufer lassen sich als zentrale Verteilungskonflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittler identifizieren. Bestehende Anreiz- und Entlohnungssysteme enthalten keine kommunikationsbezogenen Kriterien, sondern sind primär umsatz- und abverkaufsbezogen.
E1-1B
Insgesamt lassen sich vier Bewertungskonflikte identifizieren. Zentral sind dabei die Interessenunterschiede hinsichtlich der Schaffung einer hohen Markenpräferenz (Unternehmen), dem die Profilierung der Einkaufsstätte (Absatzmittler) entgegensteht. Aus diesem Oberziel ergeben sich weitere Zieldivergenzen, die sich insbesondere auf die Umsetzung der Kommunikation hinsichtlich der Merkmale Qualität versus Preis, Markenimage versus Sortimentsimage sowie langfristig versus kurzfristig beziehen.
E1-1C
Es lässt sich feststellen, dass die Zieldivergenzen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern umso größer sind, je höher die umsatz- und abverkaufsabhängige Entlohnung eines Absatzmittlers, je breiter und tiefer das Sortiment eines Absatzmittlers und je dominanter die Nutzung des Preises als Profilierungsinstrument im horizontalen Wettbewerb ist.
E1-2A
Abhängigkeiten zwischen Unternehmen und Absatzmittler bestehen vor allem durch den Unternehmenszweck bzw. die Gerätebeschaffung/das Netz sowie den Absatzmittler-Anteil am indirekten Vertrieb.
E1-2B
Innerhalb dieser Abhängigkeitspositionen werden in unterschiedlichem Maße Machtmittel eingesetzt, die sich als ursächlich für Konflikte identifizieren lassen. Während für Absatzmittler insbesondere deren Gatekeeperposition ein Machtmittel darstellt, sind für Unternehmen finanzielle Mittel und Ressourcen sowie die Marke eines Unternehmens von Bedeutung. Je stärker die Abhängigkeiten, desto intensiver ist die Nutzung von Machtmitteln auf Seiten des Machtüberlegenen.
E1-2C
Die Machtverhältnisse zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bzw. die Macht(aus)nutzung dokumentieren sich insbesondere in den Ziel-, Rollen- und Informationsbeziehungen.
E1-3A
Als unvermeidbarer Rollenkonflikt lässt sich die Zugehörigkeit der Absatzmittler zu weiteren Absatzsystemen identifizieren, die vor dem Hintergrund der Interdependenzen der Konfliktursachen eine hohe Relevanz aufweist.
E1-3B
Mit der ungleichen Unterstützung der verschiedenen Absatzmittler und dem Aufbau bzw. der kommunikativen Förderung des direkten Vertriebkanals durch ein Unternehmen sind vermeidbare Rollenkonflikte zu isolieren. Diese bewusste Abweichung des Verhaltens von den Rollenerwartungen ist auf Absatzmittlerseite durch dessen kommunikative Eigeninitiativen festzustellen. Die jeweiligen Aktivitäten wirken zum einen auf die Machtverhältnisse und Abhängigkeiten der beiden Parteien, zum anderen sind die Merkmale der Kategorien als Machtmittel bzw. Ausdruck der Machtnutzung zu verstehen.
E1-3C
Die fehlende Unterstützung durch ein Unternehmen sowie bestehende Missverständnisse und Unklarheiten über die Aufgabenverteilung bilden die Kategorien des Rollendissens, die als ursächlich für Konflikte im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten identifiziert werden.
E1-4A
Es lassen sich fünf Kategorien abbilden, die das vertikale Informationsgefälle zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zum Ausdruck bringen. Neben der Fehlinterpretation und der unbewusst unterbleibenden Informationsweitergabe erweisen sich vor allem das bewusste Zurückhalten oder Verändern von Informationen aus Geheimhaltung- und Wettbewerbsgründen sowie die Filterung von Informationen aufgrund der Informationsüberlastung als zentrale Ursachen der Konfliktentstehung im Rahmen der IK in mehrstufigen Märkten.
E1-4B
Die Informationsüberlastung auf Absatzmittlerseite ist umso höher, je breiter und tiefer das Sortiment eines Absatzmittlers ist.
E1-5
Zwischen Ziel-, Rollen-, Macht- und Informationskonflikte bestehen zahlreiche Interdependenzen. Die Konflikte beeinflussen bzw. verstärken sich in vielfältiger Weise. Dabei ist festzustellen, dass sich die Abweichungen im Rollenverhalten und die gestörten Informationsund Kommunikationsbeziehungen überwiegend aus den divergierenden Ziel- und asymmetrischen Machtbeziehungen ableiten.
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
225
Zusammenfassung der Forschungsergebnisse (Hypothesenkatalog)
Ausprägungen
Identifikation und Entstehung von Defiziten E2-1A
Aufgrund der Existenz eigener (direkter) Vertriebskanäle kommt der Analysephase hinsichtlich konkreter Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern keine wesentliche Bedeutung zu.
E2-1B
Insgesamt lassen sich in der Planungsphase neun Kategorien identifizieren, die sich auf den Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in der Planungsphase und das Strategische Konzept bzw. die zu berücksichtigenden Vorgaben und Richtlinien beziehen.
E2-1C
In der Umsetzungsphase lassen sich mit insgesamt 17 Kategorien die meisten konkreten Konfliktausprägungen identifizieren, die den fünf Subdimensionen formale, inhaltliche, zeitliche, personell-kulturelle sowie organisatorisch-strukturelle Defizite zuzuordnen sind.
E2-1D
Mit der Existenz eigener (direkter) Vertriebskanäle kommt der Kontrollphase hinsichtlich konkreter Konfliktausprägungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler keine wesentliche Bedeutung zu.
E2-2A
Informationen werden durch die mit den Absatzmittlern zusammenarbeitenden Vertreter auf Unternehmensseite im Rahmen der Analysephase nicht institutionalisiert eingeholt und enthalten kaum IK-spezifische Aspekte.
E2-2B-1
In der Planungsphase lassen sich mit dem fehlenden institutionalisierten Einbezug des Absatzmittler-Feedbacks, der Häufigkeit und Inhalte von Strategie-Treffen sowie der Abstimmung und Transparenz der Planungsprozesse vier Problembereiche im Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern identifizieren, die auf die Defizitentstehung der IK in mehrstufigen Märkten einwirken. Ursachen hierfür liegen in Mängeln der zu schaffenden integrationsfördernden Bedingungen auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite sowie bestehenden Unklarheiten und Fehlinterpretationen über die Aufgabenverteilung.
E2-2B-2
Hinsichtlich einer Abstimmung der strategisch-konzeptionellen Entscheidungen, bei der sich insgesamt fünf Kategorien identifizieren lassen, dominieren Mängel in der Hierarchisierung der Kommunikationsbotschaften durch das Unternehmen sowie die angestrebte Dominanz der eigenen Identität der Absatzmittler als potenzielle Konfliktausprägungen. Besondere Relevanz erhalten diese zwei Kategorien dadurch, dass sie zu Defiziten in der Umsetzungsphase führen bzw. diese verstärken. Für drei Kategorien (Positionierung, Zielgruppen, Dominanz der eigenen Identität) lassen sich kausale Zusammenhänge mit den Zielund Machtbeziehungen feststellen.
E2-2C-1
Im Bereich der formalen Defizite dominieren die mangelhafte Verwendung formaler Gestaltungselemente in der massenmedialen Kommunikation sowie am PoS als konkrete Konfliktausprägungen. Diese lassen sich insbesondere auf divergierende Zielbeziehungen, Abweichungen im Rollenverhalten sowie die mangelnde Abstimmung in der Planungsphase zurückführen.
E2-2C-2
Inhaltliche Defizite zeigen sich in der nicht unternehmensadäquaten Beratung und Betreuung der Kunden am PoS sowie der fehlenden oder widersprüchlichen Botschaftsgestaltung durch den Absatzmittler. Als Ursachen dieser Konflikte lassen sich die divergierenden Zielbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler, aber auch Mängel in der Formulierung und Abstimmung des Strategischen Konzeptes der IK eines Unternehmens in der Planungsphase identifizieren.
E2-2C-3
Die Aktualität des PoS-Materials sowie die Stimmigkeit der Botschaften und Aktionen dominieren im Bereich der zeitlichen Defizite. Gründe hierfür sind primär Informations- und Rollenkonflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern.
E2-2C-4
Als integrationshemmende Faktoren im kulturell-personellen Bereich sind die Qualifikation der Verkäufer sowie die untergeordnete Bedeutung der Integrierten Kommunikation und ihrer Erfolgsgrößen auf Absatzmittlerseite zu identifizieren. Aber auch bei den Vertriebsmitarbeitenden im Unternehmen ist ein nur geringes Verständnis für die Bedeutung und Notwendigkeit der Integrierten Kommunikation vorhanden. Zusätzlich zu dieser fehlenden „IK-Kultur“ führen Differenzen zwischen der Kommunikations- und Vertriebsabteilung auf Unternehmensseite dazu, dass insbesondere ein Mangel an IK-spezifischen Aspekten und Informationen die formalen, inhaltlichen und zeitlichen Defizite verstärkt.
226
Empirische Identifikation des spezifischen Koordinationsbedarfs
Zusammenfassung der Forschungsergebnisse (Hypothesenkatalog)
Zusammenhänge
Wirkungen
Ausprägungen (Forts.)
Identifikation und Entstehung von Defiziten E2-2C-5
Der fehlende institutionalisierte Einbezug der Kommunikationsabteilung führt ebenfalls zu einem Mangel an relevanten Informationen, der sowohl bei der Kommunikationsabteilung als auch auf Seiten der Absatzmittler festzustellen ist. Dieser integrationshemmende Faktor des organisatorisch-strukturellen Bereichs beeinflusst die formalen, inhaltlichen und zeitlichen Defizite und verhindert die Durchsetzung sowie Optimierung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Darüber hinaus führen fehlende Entscheidungs- und Weisungskompetenzen dazu, dass bestehende Defizite nicht schnell und unkompliziert abgebaut werden können.
E2-2D
Ein institutionalisierter Informations- und Datenaustausch über die Prozessabläufe besteht zwischen Unternehmen und Absatzmittlern nicht und die durch Unternehmen durchgeführten absatzmittlergerichteten Erfolgskontrollen beinhalten kaum IK-spezifische Aspekte und Erfolgsgrößen.
E3-1A
Die identifizierten Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern haben negative Wirkungen auf die angestrebte Effektivität der Integrierten Kommunikation.
E3-1B
Als Kategorien, die sich der Dimension Ineffektivität der Integrierten Kommunikation zuordnen lassen, sind das uneinheitliche Erscheinungsbild bzw. fehlende Wiedererkennung, nicht erreichte Synergiewirkungen, mangelnde Differenzierungswirkungen beim Endkunden (externe Ineffektivität) sowie die fehlende Motivation der Absatzmittler (interne Ineffektivität) zu identifizieren.
E3-1C
Zurückführen lassen sich die identifizierten Ineffektivitäten mehrheitlich auf formale, inhaltliche und zeitliche Defizite, die fehlende Motivation der Absatzmittler wird zudem direkt durch bestehende Ziel- und Rollenkonflikte beeinflusst.
E3-2A
Die identifizierten Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern haben negative Wirkungen auf die angestrebte Effizienz der Integrierten Kommunikation.
E3-2B
Als Kategorien, die sich der Dimension Ineffizienz der Integrierten Kommunikation zuordnen lassen, sind erhöhte Kosten, der suboptimale Ressourceneinsatz sowie suboptimale Prozesse zu identifizieren. Im Rahmen einer transaktionskostentheoretischen Betrachtung handelt es sich dabei insbesondere um Abwicklungs- bzw. Koordinationskosten, Kontrollsowie Anpassungskosten.
E3-2C
Mehrheitlich lässt sich die konfliktbedingte sinkende Wirtschaftlichkeit auf formale, inhaltliche und zeitliche Defizite zurückführen, aber auch fehlende Entscheidungs- und Weisungskompetenzen sowie die Qualifikation der Verkäufer beeinflussen die Verschlechterung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses.
E4-1
Die Zusammenhänge des Analyserahmens lassen sich weitgehend bestätigen. Als Ursachen der konkreten und potenziellen Konfliktausprägungen der Planungs- und Umsetzungs-phase lassen sich verhaltensbedingte, untereinander komplex miteinander verflochtene Ziel-, Rollen-, Macht- und Informationskonflikte feststellen. Die identifizierten Konflikte führen auf Ebene der Ergebniswirkungen zur Ineffizienz und Ineffektivität der Integrierten Kommunikation.
E4-2
Der entwickelte Analyserahmen ist als ein Konfliktmodell der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu verstehen, das für weiterführende Betrachtungen, insbesondere quantitative Studien herangezogenen werden kann.
Schaubild 3-27: Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse (Hypothesenkatalog)
4
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Eine erfolgreiche Integrierte Kommunikation bedarf sowohl einer zukunftsorientierten strategischen Ausrichtung als auch einer operativen Umsetzung der Ziele mit Hilfe konkreter Aktivitäten und Maßnahmen. In mehrstufigen Märkten ergeben sich jedoch eine Reihe von Defiziten unterschiedlichster Art, die auf die mangelnde Unterstützung durch integrationsfördernde Rahmenbedingungen sowie insbesondere die konfliktären Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zurückzuführen sind. Werden diese Konflikte nicht gelöst, besteht die Gefahr, dass die Arbeit der beiden Vertriebspartner kontraproduktiv sowie ineffizient ist und den Erfolg der Integrierten Kommunikation behindert bzw. verringert. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Defizite der Integrierten Kommunikation, die durch die Mehrstufigkeit der Märkte bzw. die Einbindung von Absatzmittlern entstehen, einer genauen Betrachtung unterzogen. Auf Basis einer empirischen Untersuchung in der Schweizer Mobilfunkbranche war es möglich, zahlreiche Konflikte, deren Ausprägungen, Ursachen und Wirkungen sowie daraus resultierende potenzielle und konkrete Defizite zu ermitteln, die den bestehenden Koordinations- bzw. Integrationsbedarf zwischen Unternehmen und Absatzmittlern verdeutlichen. Mit dem Wissen um diese vorhandenen Probleme besteht der nächste Schritt in der Entwicklung zielgerichteter Maßnahmen zum Abbau bzw. der Vermeidung der Defizite und damit zur Sicherstellung sowie Realisation einer effektiven und effizienten Kommunikationsarbeit von Unternehmen. Instrumente zur Lösung derartiger interorganisationaler Schnittstellenprobleme bestehen meist aus einer Kombination geeigneter Koordinationsmaßnahmen bzw. -mechanismen, die dazu dienen, den vielfältigen Ursachen und ihren Vernetzungen gerecht zu werden und die jeweiligen Einzelaktivitäten der Beteiligten auf ein gemeinsames Gesamtziel auszurichten. Der zwischen Unternehmen und Absatzmittlern existierende Koordinationsbedarf ist zwar eng an den Ergebnissen der empirischen Untersuchung ausgerichtet, im Folgenden wird jedoch angestrebt, eine geeignete Strukturierung bzw. Systematik zu entwickeln und detaillierte Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen, die ebenso in anderen Unternehmen
228
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
und Branchen hilfreiche Ansatzpunkte für die Koordination und Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler geben. Um geeignete Maßnahmen zu entwickeln, die entsprechende Rahmenbedingungen schaffen sowie die an der Integrierten Kommunikation beteiligten Absatzmittler koordinieren, steuern und motivieren, gilt es zunächst, die Anforderungen an Koordinationsinstrumente festzulegen (Abschnitt 4.1.1), auf deren Basis sich anschließend eine für die vorliegende Problemstellung geeignete Systematik von Koordinationsmaßnahmen ableiten lässt (Abschnitt 4.1.2). Beispiele zentraler Mechanismen bzw. konkreter Maßnahmen des Konfliktmanagements (Abschnitt 4.2) vervollständigen die Vorschläge für die konstruktive Zusammenarbeit von Unternehmen und ihren unternehmensfremden Absatzmittlern im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Unterschiedliche Machtund Abhängigkeitskonstellationen sowie differierende Absatzmittlertypen machen darüber hinaus eine situationsspezifische Anpassung der Maßnahmen und eine Berücksichtigung des angestrebten Umsetzungsgrades der vertikalen Integration von Absatzmittler notwendig. In einem weiteren Abschnitt (4.3) werden daher grundsätzliche Überlegungen zu unterschiedlichen Koordinationsmodellen aufgezeigt, die den geeigneten Instrumentemix konkretisieren.
4.1
Systematisierung geeigneter Koordinationsinstrumente zum Abbau und der Vermeidung von Defiziten der Integrierten Kommunikation
4.1.1
Anforderungen an die Koordinationsinstrumente
Grundsätzlich ergibt sich die Notwendigkeit der Koordination aus dem für jede Organisation sich konstitutierenden Prinzip der Arbeitsteilung, d.h. dem Grad der Spezialisierung. Eine starke Differenzierung und hohe Interdependenz zwischen den Stellen verlangen entsprechend eine Koordination der arbeitsteiligen Prozesse sowie deren Ausrichtung auf die Ziele und Zwecke der Organisation.1 Zwischen Unternehmen und deren Absatzmittlern entsteht die Arbeitszerlegung, die eine entsprechende Koordination erforderlich macht, prinzipiell durch die Übertragung der Vertriebsaufgabe von Unternehmen an deren unternehmensfremde Absatzmittler. Die hieraus entstehenden vielfältigen Schnittstellenprobleme wur1
Vgl. Staehle 1999, S. 555f.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
229
den durch die empirische Untersuchung aufgezeigt. In der vorliegenden Arbeit ist daher unter Koordination die arbeitsteilige, abgestimmte und harmonisierte Zusammenarbeit aller Beteiligten zur Erfüllung einer Aufgabe, insbesondere die angestrebte Durchsetzung einer effektiven und effizienten Kommunikationsarbeit, zu verstehen.2 Dabei wird der Begriff der Koordination bewusst weit gefasst und beinhaltet sowohl die organisatorische Differenzierung in Teileinheiten als auch deren Steuerung und Integration bzw. die Optimierung der bestehenden Zusammenarbeit von Unternehmen und Absatzmittlern.3 Regelungen, die zur Abstimmung der arbeitsteiligen Prozesse und zur Ausrichtung von Aktivitäten auf die Unternehmensziele dienen, werden als Koordinationsinstrumente bezeichnet.4 In der Literatur finden sich unterschiedliche Klassifizierungen von Koordinationsinstrumenten, die in der Regel vor dem Hintergrund der untersuchten Problemstellung bzw. der angewandten Forschungsrichtung entwickelt werden. Insbesondere innerhalb der Organisationsforschung werden Themen des so genannten Schnittstellenmanagements und die Koordination als notwendige Konsequenz der Arbeitsteilung untersucht. Die Arbeiten bringen zahlreiche Ansätze zur Systematisierung von Koordinationsinstrumenten hervor. Diese lassen sich nach einem zeitlichen (Voraus- und Feedbackkoordination), personalen (Fremd- und Selbstkoordination), medialen (personenorientierte bzw. strukturelle, technokratische Koordination und Organisationskultur) oder hierarchischen (vertikale und horizontale Koordination) Aspekt systematisieren bzw. sind als Konsequenz der Arbeitsteilung unter dem Aspekt der Entscheidungsinterdependenz und Potenzialtrennung heranzuziehen (Strukturierung, Segmentierung und Kommunikation).5 Maßnahmen, die im Rahmen der unterschiedlichen Ansätze vorgeschlagen werden, bieten für die vorliegende Arbeit zahlreiche Anhaltspunkte und wertvolle Hinweise für die Formulierung geeigne2 3
4
5
Vgl. Staehle 1999, S. 555; zu unterschiedlichen Definitionen der Koordination vgl. z.B. Hoffmann 1993, S. 301. Vgl. ähnlich Klumpp 2000, S. 17. Nach Frese (2005, S. 29) bezeichnet die Koordination das Ausrichten von Einzelaktivitäten auf ein übergeordnetes Gesamtziel; ähnlich Bea/Göbel 2006, S. 307. Vgl. Kieser/Kubicek 1992, S. 96. Die Begriffe Koordinationsinstrumente, -maßnahmen bzw. -mechanismen werden im Rahmen der vorliegenden Arbeit synonym verwendet. Vgl. zu der dargestellten Systematisierung unterschiedlicher Ansätze Ahlers 2006, S. 183f. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit den verschiedenen Ansätzen und den entsprechenden Koordinationsmaßnahmen in der organisationstheoretischen Literatur vgl. insbesondere Laßmann 1992, S. 184ff.; Jost 2000, S. 93ff.; Bea/Göbel 2006, S. 307ff.; Kieser/Walgenbach 2003, S. 100ff.; Schreyögg 2003, S. 157ff.; Frese 2005, S. 300ff.
230
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
ter Lösungsvorschläge. Die jeweiligen Systematisierungen der Ansätze erweisen sich jedoch bei einer genaueren Betrachtung für die identifizierten Problembereiche als zu abstrakt und daher nicht geeignet, um im Rahmen der vorliegenden Arbeit systematisch konkrete Handlungsempfehlungen abzuleiten. Ebenso ist beispielsweise eine an die Terminologie des in der vorliegenden Arbeit herangezogenen Transaktionskostenansatzes anlehnende Unterteilung in marktliche, kooperative und hierarchische Koordinationsmechanismen oder die Trennung in „Anreize“ und „Beiträge“, wie dies bei der Anreiz-Beitrags-Theorie erfolgt, zu unkonkret bzw. auf einer „übergeordneten“ Ebene formuliert und damit nicht geeignet für das weitere Vorgehen.6 Zur Optimierung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern und der Durchsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ist es vielmehr notwendig, dass die zu entwickelnden Abstimmungs- und Koordinationsmechanismen auf die Ergebnisse der vorangegangenen Problemanalyse Bezug nehmen. Die in diesem Kapitel angestrebte Entwicklung geeigneter Koordinationsmaßnahmen und deren Systematisierung erfolgt daher vor dem Hintergrund des durch die empirische Untersuchung identifizierten Koordinationsbedarfs. Das grundsätzliche Ziel der Koordination ist es, die bestehenden Defizite zwischen Unternehmen und Absatzmittlern abzubauen bzw. deren Entstehung zu verhindern, um die kontraproduktiven Wirkungen auf die Kommunikationsarbeit von Unternehmen zu beseitigen. Um in den sich anschließenden nächsten Abschnitten geeignete Maßnahmen zu entwickeln, sind daher zunächst die Anforderungen an die Steuerung bzw. die Koordination festzulegen. Vor dem Hintergrund der theoretischen7 und empirischen Erkenntnisse ist bei der Entwicklung geeigneter Maßnahmen zu berücksichtigen, dass
Koordinationsinstrumente dazu beitragen, die identifizierten Defizite abzubauen bzw. zu vermeiden und damit die Entstehung konfliktbedingter Kosten verhindern bzw. zu deren Minimierung beitragen,
Koordinationsinstrumente zu berücksichtigen sind, die eine motivierende Wirkung besitzen und sich positiv auf die Leistungsbereitschaft sowie die kommunikationsspezifische Leistungsfähigkeit von Absatzmittlern auswirken,
6
Vgl. zur Transaktionskostentheorie Abschnitt 2.3.1., zur Anreiz-Beitrags-Theorie Abschnitt 2.3.2. Vgl. hierzu insbesondere den Erklärungsbeitrag der Transaktionskostentheorie sowie der Anreiz-Beitrags-Theorie für die vorliegende Problemstellung in Abschnitt 2.3.1.3 sowie 2.3.2.2.
7
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
231
Koordinationsinstrumente sich an der Situation ausrichten, da verschiedene Konfliktintensitäten und Typen von Absatzmittlern zu unterschiedlichen Defiziten führen, die eine differenzierte Art und Stärke der Koordination erfordern.
Zur Erfüllung der genannten Anforderungen und dem erfolgreichen Management einer Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ist in einem nächsten Schritt eine problembezogene Systematik von Koordinationsinstrumenten zu entwickeln, die sich auf den bestehenden Koordinationsbedarf bezieht. Die Entwicklung einer geeigneten Systematik bildet den Schwerpunkt des sich anschließenden Abschnitts.
4.1.2
Entwicklung einer problembezogenen Systematik von Koordinationsinstrumenten
Die Untersuchungsergebnisse machen deutlich, dass die entstandenen Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen sind und sich in zahlreichen Ausprägungen dokumentieren. Dadurch ist eine Differenzierung der Konflikte bzw. Defizite sowie des inhärenten Koordinationsbedarfs möglich: Zum einen treten mit den jeweiligen identifizierten Kategorien konkrete Streitpunkte bzw. Konflikte zwischen den Parteien auf, die mehrheitlich auf die konfliktären Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittler zurückzuführen sind. Dies zeigt sich insbesondere bei den festgestellten formalen, inhaltlichen und zeitlichen Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Zum anderen handelt es sich um potenzielle Konflikte bzw. die Konflikte verstärkende Problembereiche, deren Ursachen durch die mangelhafte Zusammenarbeit zwischen beiden Parteien oder unternehmens- bzw. absatzmittlerinterne Rahmenbedingungen begründet sind. Defizite in der Planungsphase oder Mängel bei der Schaffung organisatorisch-struktureller oder personell-kultureller Rahmenbedingungen lassen sich mehrheitlich als solche Faktoren identifizieren. Darüber hinaus ist eine tendenzielle Einteilung möglich, welche Beteiligten von den Problembereichen betroffen bzw. wo diese in der Planungs- und Umsetzungsphase zu identifizieren sind (Absatzmittler- und/oder Unternehmensseite, strategische und/oder operative Ebene). Die vorgenommen Unterteilung erlaubt schließlich eine Fokussierung auf die primären Koordinationsziele des Konfliktabbaus bzw. der Konfliktvermeidung. Während Koordinationsmaßnahmen eines Unternehmens dazu geeignet sind, auf die konfliktäre Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittler sowie
232
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
auf unternehmensinterne Problemfelder einzuwirken, erscheint es jedoch nicht realistisch, dass absatzmittlerinterne Problembereiche, beispielsweise die Organisationsstruktur eines Absatzmittlers, durch gezielte Maßnahmen eines Unternehmens abgebaut werden. Unternehmen können lediglich versuchen, durch die auf die Absatzmittler gerichteten Koordinations- und Integrationsmaßnahmen auch bei diesen intern einen Prozess zu initiieren, der zur Verbesserung der Zusammenarbeit bzw. zur Beseitigung der Defizite beiträgt. Das Ziel des Konfliktabbaus betrifft folglich sowohl die Unternehmens- als auch die Absatzmittlerseite. Darüber hinaus sind im Rahmen der Konfliktvermeidung mehrheitlich unternehmensinterne Maßnahmen und Lösungsvorschläge, die die Zusammenarbeit bzw. Transaktionsatmosphäre zwischen Unternehmen und Absatzmittlern betreffen, zu formulieren (vgl. Schaubild 4-1). Defizite Konfliktkategorie
Art des Konfliktes
Konfliktbeteiligte
Konflikt- und Defizitursachen
Primäres Koordinationsziel
Potenzielle Konflikte
Unternehmen – Absatzmittler (strategische Ebene)
Defizite durch integrationshemmende Rahmenbedingungen, Rollenkonflikte
Konfliktvermeidung
Mehrheitlich potenzielle Konflikte bzw. konfliktverstärkende Faktoren
Unternehmensintern (strategische Ebene)
Defizite durch inhaltlichkonzeptionelle Mängel im Strategischen Konzept (Planung)
Konfliktvermeidung
Konkreter Streitpunkt/ Konflikt
Unternehmen – Absatzmittler (operative Ebene)
Konfliktäre Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern
Konfliktabbau
Konkreter Streitpunkt/ Konflikt
Unternehmen – Absatzmittler (operative Ebene)
Konfliktäre Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern
Konfliktabbau
Konkreter Streitpunkt/ Konflikt
Unternehmen – Absatzmittler (operative Ebene)
Konfliktäre Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern
Konfliktabbau
Mehrheitlich konfliktverstärkende Faktoren/potenzielle Konflikte
Unternehmens- und Absatzmittlerintern (strategische und operative Ebene)
Defizite durch integrationshemmende Rahmenbedingungen bei Personen und der Unternehmensbzw. Absatzmittlerkultur
Konfliktvermeidung
Mehrheitlich konfliktverstärkende Faktoren/potenzielle Konflikte
Unternehmens- und Absatzmittlerintern (strategische und operative Ebene)
Defizite durch integrationshemmende Rahmenbedingungen in den Organisationen (Strukturen und Systeme)
Konfliktvermeidung
Planungsphase
Defizite im Austausch x Einbezug Feedback x Häufigkeit Treffen x Inhalte x Abstimmung
Defizite im Strategiekonzept x Positionierung x Zielgruppe x Hierarchisierung Botschaften x Kommunikationsinstrumente und Kommunikationsmittel x Eigene Identität
Formale Defizite x Verwendung Elemente x Verwendung PoS-Material x Erscheinungsbild
Inhaltliche Defizite
Umsetzungsphase
x Verwendung Botschaften x Beratung und Betreuung x Widersprüchliche Botschaften
Zeitliche Defizite x Botschaften/Geräte x Aktualität PoS Material x Botschaften und Aktionen
Personell-kulturelle Defizite x Gegenseitige Wertschätzung x Qualifikation/Professionalität x Bedeutung/Verständnis der IK x Bedeutung der IK für den Vertrieb x Konflikt Vertrieb und Marketing
Organisatorisch-strukturelle Defizite x Kleinere/dezentrale Strukturen x Fehlende Kompetenzen x Fehlender Einbezug der Kommunikationsabteilung
Schaubild 4-1: Systematisierung der Defizite der IK in mehrstufigen Märkten und daraus resultierende Koordinationsziele In der empirischen Untersuchung wurde bereits deutlich, dass vielfältige Wechselbeziehungen zwischen Defiziten bzw. Konflikten und deren Ursachen beste-
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
233
hen. Die vorgenommene Einteilung ist daher als tendenzielle Stoßrichtung bzw. Kategorisierung zu verstehen, mit der es jedoch möglich ist, eine weitere Konkretisierung des Handlungsbedarfs vorzunehmen. Die dargestellte Unterscheidung fließt daher im Folgenden in die Entwicklung einer geeigneten Systematik ein. Bevor diese jedoch erarbeitet wird, ist bezüglich des im Rahmen dieser Arbeit verwendeten Begriffs der Koordinationsmaßnahme eine Präzisierung vorzunehmen. Aufgrund der bisherigen Überlegungen wird deutlich, dass Koordinationsmaßnahmen dazu dienen, unternehmensinterne Schnittstellenprobleme zu lösen bzw. entsprechende Rahmenbedingungen zu schaffen sowie interorganisationale Konflikte zwischen Unternehmen und den an der Kommunikationsarbeit beteiligten Absatzmittlern zu überwinden. Vor diesem Hintergrund sind Koordinationsmaßnahmen im Rahmen der vorliegenden Arbeit wie folgt zu definieren: Koordinationsmaßnahmen beziehen sich auf die Abstimmung, Steuerung und Motivation aller Beteiligten bzw. Abteilungen auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite. Sie sind auf den Abbau bzw. die Vermeidung von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten, als Folge konkreter und potenzieller Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie konfliktverstärkender unternehmensinterner Problembereiche, ausgerichtet. Die identifizierten Problembereiche und Defizite machen ein umfassendes Konfliktmanagement in Unternehmen notwendig, dessen Zweck es ist, durch abgestimmte Koordinationsmaßnahmen die bestehende Probleme zu lösen, Probleme einzudämmen, bevor diese entstehen und ähnliche Probleme in der Zukunft zu vermeiden.8 Diese drei zentralen Ziele eines aktiven Konfliktmanagements erweisen sich auch vor dem Hintergrund der angestrebten effizienten und effekti8
Vgl. Isenhart/Spangle 2000, S. 162; Specht/Fritz 2005, S. 440. Grundsätzlich lassen sich passive und aktive Methoden der Konflikthandhabung unterscheiden. Erstere beinhalten die Hinnahme des Konfliktes. Als Methoden des aktiven Managements der Konflikte kommen neben der im Rahmen der Arbeit fokussierten Konfliktbeseitigung solche Maßnahmen in Betracht, bei denen Kompensationszahlungen zur vorübergehenden Quasi-Lösung der Konflikte genutzt werden (Konfliktüberdeckung). Schließlich bezeichnet die so genannte Problemlösung eine Suche nach Kompromissen bzw. gemeinsamen Lösungsalternativen, wobei von der Maßnahme, die die Konfliktsituation offenbarte, abgerückt wird, vgl. zum Konfliktmanagement in Absatzkanälen und insbesondere zu grundlegenden Strategien der Konflikthandhabung und Formen der Konfliktaustragung ausführlich Steffenhagen 1975, S. 129ff.; Isenhart/Spangle 2000, S. 23ff. sowie ergänzend Stern/Sternthal/Craig 1972, S. 174ff.; Hunt/Ray/Wood 1985, S. 10; Anderson/Narus 1990, S. 43ff.; Ahlert 1996, S. 135; Specht/Fritz 2005, S. 452; Homburg/Krohmer 2006, S. 895ff. allgemein zu Interventionen der Konfliktbehandlung vgl. auch Glasl 2004, S. 313ff.
234
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
ven Kommunikationsarbeit von Unternehmen als geeignet. Es ist notwendig, dass bestehende Konflikte nicht überlagert, verschoben oder hingenommen werden, sondern durch das Einwirken auf ihre Ursachen ausgeräumt bzw. diese mit abgestimmten Maßnahmen im Vorfeld vermieden werden, damit dysfunktionale Konfliktwirkungen auf die Integrierte Kommunikation gar nicht erst entstehen.9 Dies führt im Rahmen der vorliegenden Arbeit zu der Unterscheidung von zwei Bereichen des Konfliktmanagements, in die sich wiederum verschiedene Koordinationsmechanismen bzw. -maßnahmen einordnen lassen und deren grundlegendes anzustrebendes Ziel die harmonische Zusammenarbeit der Parteien ist: Dies ist zum einen das präventive Konfliktmanagement, zum anderen handelt es sich um den Bereich des situativen Konfliktmanagements.10 (1) Präventives Konfliktmanagement Mit dem präventiven Konfliktmanagement ist eine Abschwächung der konfliktverstärkenden Faktoren anzustreben bzw. dient dieses dazu, bereits im Vorfeld den Ausbruch eines Konfliktes zu verhindern. Es ist daher notwendig, dass Konfliktfelder möglichst früh erkannt und dementsprechend konfliktreduzierende Maßnahmen eingeleitet werden. Ziel des präventiven Konfliktmanagement ist die Einwirkung auf integrationshemmende und/oder konfliktfördernde bzw. -verstärkende Faktoren, da eine Vermeidung der Konfliktentstehung bzw. die regelmäßige Untersuchung und Beseitigung des vorhandenen Konfliktpotenzials effi-
9
10
Steffenhagen (1975, S. 130) weist darauf hin, dass es – da es sich bei den Konflikten meist um immanente konfliktäre Beziehungen handelt – fragwürdig ist, ob Konflikte vollständig beseitigt werden können oder eine abschließende Beseitigung des Konfliktes erzielt wird. Daher sind insbesondere alle negativen Einflüsse auf die Wirksamkeit und Gleichgewichtsfähigkeit des Systems zu vermeiden. Schögel (1997, S. 95ff.) nimmt bei einer Untersuchung von Mehrkanalsystemen in der Distribution eine teilweise abweichende Unterscheidung des Konfliktmanagements in Unternehmen vor. Vor dem Hintergrund der Annahme, dass Konflikte auch positive Wirkungen hervorbringen, unterscheidet er mit dem präventiven und situativen Konfliktmanagement zwei Aktionsbereiche, wie in spezifischen Konfliktsituationen zu reagieren ist. Während das situative Konfliktmanagement die Überwindung einzelner Konfliktsituationen durch entsprechende Regeln und Routinen anstrebt, betrifft das präventive Konfliktmanagement die Entscheidung, wie grundsätzlich mit Konflikten umzugehen ist. Dies betrifft insbesondere die Frage, ob Konflikte gefördert oder vermieden werden und spannt als Handlungsrahmen ein Kontinuum zwischen Harmonie und Konkurrenz auf. Vor dem Hintergrund der Vermeidung potenzieller und konkreter Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten unterscheidet sich diese Definition nicht grundsätzlich von der im Rahmen der vorliegenden Arbeit vorgenommenen Eingrenzung, die sich jedoch auf die Harmonie als grundlegendes anzustrebendes Ziel eines Unternehmens konzentriert.
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zienter ist, als diese nachträglich zu lösen.11 Effizienzvorteile resultieren vor allem daraus, dass sich Transaktionskosten durch die sonst notwendige Beseitigung und eventuelle Nachverhandlungen nicht unnötig erhöhen. Da viele Ursachen nicht ausschließlich an der Schnittstelle zwischen Unternehmen und Absatzmittlern begründet sind, sondern insbesondere durch unternehmensinterne Missstände entstehen, ist es erforderlich, dass geeignete Koordinationsmaßnahmen in den Bereichen der Planung und Organisation sowie an den beteiligten Personen bzw. der Kultur ansetzen:
Planungsbezogene Koordinationsmaßnahmen Verschiedene Defizite in der Umsetzung der Integrierten Kommunikation und konfliktverstärkende Probleme beruhen auf inhaltlich-konzeptionellen Mängeln im Strategischen Konzept der IK von Unternehmen. Daher ist es das Ziel planungsbezogener Koordinationsmaßnahmen, die Kommunikationsaktivitäten von Unternehmen und Absatzmittlern stärker inhaltlich zusammenzuführen und Absatzmittler in ihrer Doppelrolle als Zielgruppe sowie Kommunikationsmedium eines Unternehmens intensiver zu berücksichtigen. Für eine erfolgreiche Realisation der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ist es daher erforderlich, entsprechende Elemente und geeignete Maßnahmen in die strategische und operative Planung von Unternehmen zu integrieren sowie den Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in der Planungsphase zu verstärken.
Organisationsbezogene Koordinationsmaßnahmen Die Notwendigkeit organisatorischer Maßnahmen ergibt sich insbesondere durch die aufgezeigten organisatorisch-strukturellen Defizite, die eine stark integrationshemmende Wirkung auf die Zusammenarbeit von Unternehmen und Absatzmittlern ausüben und die bestehenden Konflikte bzw. Defizite zusätzlich verstärken. Ziel organisationsbezogener Maßnahmen ist es, unternehmensintern dafür Sorge zu tragen, dass entsprechende Organisationsstrukturen bestehen, die eine effiziente sowie effektive Kommunikationsarbeit von Unternehmen und Absatzmittlern ermöglichen. Daher ist mit der Gestaltung geeigneter ablauf- und aufbauorganisatorischer Koordinationsmaßnahmen die Überwindung bestehender Defizite anzustreben sowie ein Beitrag zur internen und externen Förderung der Integration zu leisten. Darüber hinaus zielt die organisatorische Verankerung einer stärkeren Einbindung der vertikalen Partner auf die Erhöhung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit von Absatzmittlern sowie die Verbesserung der Zusammenarbeit und des Austauschs der Beteiligten in allen Prozessphasen.
11
Vgl. Webb 2002, S. 101.
236
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle Personenbezogene Koordinationsmaßnahmen Zahlreiche Defizite lassen sich auf Probleme im personell-kulturellen Bereich zurückführen. Diese wirken sich auch auf alle anderen Bereiche aus und nehmen eine hohe Bedeutung ein, da die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern von Menschen bestimmt wird und die Integrierte Kommunikation durch Menschen umzusetzen ist.12 Primäres Ziel personenbezogener Koordinationsmaßnahmen ist die Schaffung einer IK-Kultur in Unternehmen bzw. die Förderung eines Integrationsbewusstseins bei allen Beteiligten, das als die notwendige Voraussetzung für die Planung und Umsetzung der Integrierten Kommunikation anzusehen ist.13 Die Unternehmenskultur kann das Mitarbeiterverhalten intensiver beeinflussen als die Strukturen und Systeme in einem Unternehmen.14 Daher sind zum einen unternehmensintern geeignete Maßnahmen zu formulieren, die z.B. positive Einstellungen gegenüber der Integrierten Kommunikation etablieren und die Grundlage für eine abteilungs- sowie hierarchieübergreifende Zusammenarbeit aller Mitarbeitenden schaffen. Insbesondere zwischen Vertriebs- und Marketing- bzw. Kommunikationsabteilungen sind Vorurteile und Ressortegoismen abzubauen.15 Zum anderen sind dies externe personelle Maßnahmen, die die Zusammenarbeit und Transaktionsatmosphäre bzw. das Klima zwischen Unternehmen und Absatzmittlern verbessern. Darüber hinaus ist es das Ziel personenbezogener Koordinationsmaßnahmen, auf beiden Seiten Qualifikationsmängel abzubauen und alle Beteiligten zu einer IK-gerechten Leistung zu befähigen.
(2) Situatives Konfliktmanagement Das situative Konfliktmanagement16 bezieht sich auf die spezifischen bzw. konkreten Konfliktsituationen und strebt den Abbau der bestehenden Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie die aktive Verbesserung der Zusammenarbeit an. Auf diese Weise sind unnötige Kosten zu vermeiden sowie eine hohe Zufriedenheit und Leistungsbereitschaft und -fähigkeit von Absatzmittlern zu erreichen. Um die Konflikte zu beseitigen, ist es notwendig, auf die relevanten Ursachen, die für die jeweilige Konfliktsituation verantwortlich sind, ein12 13 14 15 16
Vgl. zur Bedeutung der Absatzmittler als Kommunikationskanal sowie zum direkten Zielgruppenkontakt insbesondere die Ausführungen in Abschnitt 1.1 bzw. 1.3.1. Vgl. Bruhn 2006a, S. 284. Vgl. Bruhn 2002, S. 231. Vgl. Bruhn 2006a, S. 76, 228ff. Zur Zusammenarbeit von Marketing und Verkauf vgl. den Beitrag von Krafft/Haase 2004 sowie die Arbeit von Klumpp 2000. Vgl. ähnlich auch Schögel 1999, S. 96 sowie Schmitz 2005, S. 138.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
237
zuwirken.17 Eine wirksame Koordination von Absatzmittlern ist dann möglich, wenn die als konfliktär erkannten vertikalen Verhaltensbeziehungen durch geeignete Maßnahmen beeinflusst und geändert werden.18 Dies erfordert eine Koordination über Information, Aufgabenverteilung und Anreize bzw. Motivation von Absatzmittlern sowie eine Berücksichtigung der entsprechenden Macht- und Abhängigkeitskonstellationen im Absatzkanal:
Koordination durch Information Zahlreiche Probleme zwischen Unternehmen und Absatzmittlern weisen auf einen Mangel an kommunikationsspezifischen Informationen hin. Da letztlich alle anderen Verhaltensbeziehungen durch die Kommunikation und die gegenseitige Information beeinflusst werden, kommt diesem Mangel eine hohe Bedeutung zu. Für eine effiziente sowie effektive Arbeitsteilung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sind die Ausgestaltung der Informations- sowie Kommunikationsbeziehungen und ein offener Austausch der relevanten Informationen eine wesentliche Grundvoraussetzung. Ein intensiver Informationsaustausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern hilft Konflikte und Ineffizienzen zu vermeiden.19 Daher ist der Informationsaustausch zum einen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu optimieren, zum anderen sind die Informationsdefizite zwischen den jeweiligen unterschiedlichen Ebenen und Abteilungen auszugleichen. Ziel einer Koordination durch Information ist es demnach, das bestehende Informationsgefälle abzubauen und durch eine verbesserte vertikale Kommunikation informationsbedingte Konflikte auszuräumen. Durch geeignete Koordinationsmaßnahmen ist der Aufbau einer IK-gerechten Kommunikationsinfrastruktur sowie -kultur auf beiden Seiten anzustreben.
Koordination durch Aufgabenverteilung Ursache vieler Probleme der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten sind Missverständnisse über die Rollenverteilung bzw. eine unklare Rollendefinition von Unternehmen und Absatzmittlern sowie das rollenadäquate Verhalten der Beteiligten.20 An den identifizierten Diskrepanzen
17
18 19 20
In diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, dass Unternehmen nur schwer auf Konfliktursachen, die durch die Aktivitäten der Wettbewerber ausgelöst oder verstärkt werden, einwirken können. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 144; Staehle 1999, S. 394. Vgl. Pabst 1993, S. 87. Ebenso stellt auch Etgar (1979, S. 73) fest, dass die Mehrzahl der Konflikte in Absatzkanälen auf einen Rollendissens und das mangelnde Verständnis für die Gegenseite zurückzuführen sind.
238
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle bzw. Konflikten, die sich auf die Rollenbeziehungen zurückführen lassen, ist im Weiteren bei der Aufgabenverteilung anzusetzen. Besteht Konsens über die gegenseitigen Rollenerwartungen und weisen die Beteiligten ein rollenkonformes Verhalten auf, macht dies die Beziehungen untereinander vorhersehbar und erleichtert die wechselseitige Abstimmung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. Dies steigert die Effizienz des Vertriebssystems, da das jeweilige Verhalten relativ sicher vorausgesagt werden kann und wiederholte, aufwändige Verhandlungen über die Transaktionsbeziehung sowie die Arbeitsteilung entfallen.21 Für eine effiziente und effektive Gestaltung der integrierten Kommunikationsarbeit sind daher die Aktivitäten von Unternehmen und Absatzmittlern zu synchronisieren und es ist eine der Situation entsprechend angepasste Aufgabenverteilung innerhalb des Systems vorzunehmen. Ziel der Koordination durch Aufgabenverteilung ist es, Klarheiten über die wechselseitigen Erwartungen von Unternehmen und Absatzmittlern zu schaffen, diese zu präzisieren und eine „optimale“ oder zumindest effiziente Funktionsaufteilung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu ermitteln. Mit der Neuabgrenzung von Aufgaben und Zuständigkeiten sowie der Formulierung eines idealtypischen Planungsprozesses der Integrierten Kommunikation sind die konfliktären Rollenbeziehungen aufzulösen.22
Koordination durch Anreize und Motivation Aus den divergierenden Zielbeziehungen von Unternehmen und Absatzmittlern resultierende Verteilungs- und Bewertungskonflikte sind zentrale Ursachen für zahlreiche Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Unternehmen können daher versuchen, auf die Zielinhalte und die Ordnung der Ziele der Absatzmittler einzuwirken oder komplementäre Ziele der beiden Parteien hervorzuheben.23 Ziel der Koordination durch Anreize und Motivation ist es, Zielkonflikte abzubauen und Absatzmittler gleichzeitig zu befähigen, bei der Durchsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten positive Beiträge zu leisten. Dazu sind geeignete Anreiz- und Motivationssysteme einzuführen, die der Integrierten Kommunikation Rechnung tragen. Mit der Einwirkung auf die Leistungsbereitschaft und die Leistungsfähigkeit der Absatzmittler wird eine Harmonisierung des Absatzmittlerverhaltens mit den Unternehmenszielen angestrebt, die dazu führt, dass keine zielbezogenen Defizite auftreten.
21 22 23
Vgl. Specht/Fritz 2005, S. 443. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 145. Vgl. Steffenhagen 1975, S. 145.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
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Eine zentrale Ursache der Konfliktentstehung beruht insbesondere auf dem gegenseitigen Macht- und Abhängigkeitsverhältnis, das zwischen Unternehmen und Absatzmittlern besteht. Daher sind die entsprechenden Macht- und Abhängigkeitskonstellationen im Absatzkanal und die spezifischen Konfliktsituationen auch bei der Formulierung und dem Einsatz geeigneter Koordinationsmaßnahmen zu berücksichtigen. In der vorliegenden Arbeit wird dieser Tatsache dadurch Rechnung getragen, dass nach der sich diesem Abschnitt anschließenden Darstellung geeigneter Maßnahmen des situativen und präventiven Konfliktmanagements verschiedene Koordinationsmodelle entwickelt werden, die eine unterschiedliche Intensität bzw. Gewichtung der eingesetzten Koordinationsmaßnahmen darstellen. Es lassen sich folglich im Rahmen des präventiven und situativen Konfliktmanagements insgesamt sechs Schwerpunkte von Koordinationsmaßnahmen identifizieren, mit denen der Abbau bzw. die Vermeidung der Konflikte, die Erreichung spezifischer Koordinationsziele sowie die Sicherstellung einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit als oberstes Koordinationsziel angestrebt werden. Die wichtigsten Ziele der Koordinationsmaßnahmen in den unterschiedlichen Bereichen sind in Schaubild 4-2 zusammenfassend dargestellt und dienen der Beantwortung der Forschungsfragen F5-1, F5-2 sowie F6-1.
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Koordinationsmaßnahmen
Ziele
Planungsbezogene Koordination
• Inhaltliche Zusammenführung der Kommunikationsaktivitäten • Intensivere Berücksichtigung der Absatzmittler in ihrer Doppelrolle als Kommunikationsmedium und Zielgruppe im Strategischen Konzept der IK • Stärkerer Austausch zwischen Unternehmen und Absatzmittlern
Organisationsbezogene Koordination
• Aufbau der entsprechenden Ablauf- und Aufbauorganisation zur internen und externen Förderung der Integration • Bessere Zusammenarbeit und stärkere Einbindung der vertikalen Partner • Schaffung geeigneter Kommunikationsstrukturen und -systeme
Personenbezogene Koordination
• Schaffung einer IK-Kultur bei allen Beteiligten • Förderung des Integrationsbewusstseins • Etablierung positiver Einstellungen gegenüber der IK • Schaffung von Grundlagen einer abteilungs- sowie hierarchieübergreifenden Zusammenarbeit, Abbau von Konflikten, Vorurteilen und Ressortegoismen • Verbesserung des „Integrationsklimas“ und der Zusammenarbeit bzw. Transaktionsatmosphäre zwischen Unternehmen und Absatzmittlern • Abbau von Qualifikationsmängeln
Koordination durch Information
• Abbau des bestehenden Informationsgefälles und Verbesserung der vertikalen Kommunikationsbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern • Aufbau einer IK-gerechten Kommunikationsinfrastruktur und -kultur
Koordination durch Aufgabenverteilung
• Abbau von Missverständnissen und Unklarheiten über die Rollenverteilung und -erwartungen bzw. Förderung eines Konsens über die Rollen und Aufgaben • Effiziente Neuabgrenzung von Aufgaben und Zuständigkeiten sowie Formulierung eines idealtypischen Planungsprozesses der IK in mehrstufigen Märkten
Koordination durch Anreiz und Motivation
• Abbau bestehender Verteilungs- und Bewertungskonflikten zwischen Unternehmen und Absatzmittlern durch Einwirkung auf divergierende Ziele • Einführung IK-gerechter Motivations- und Anreizsysteme • Harmonierung des Absatzmittlerverhaltens mit den Unternehmenszielen
Schaubild 4-2: Ziele der Koordinationsmaßnahmen
Präventives Konfliktmanagement: Vermeidung der Konfliktentstehung durch Einwirkung auf integrationshemmende und/oder konfliktfördernde und -verstärkende Faktoren. Schaffung der unternehmensinternen Voraussetzungen und Erhöhung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Absatzmittler zur Umsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.
Situatives Konfliktmanagement: Abbau der bestehenden Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bzw. Einwirkung auf die konfliktären Verhaltensbeziehungen. Vermeidung zusätzlicher Kosten und Erhöhung der Leistungsbereitschaft und -fähigkeit der Absatzmittler zur Umsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
241
Ein isolierter Einsatz der vielfältigen Koordinationsmaßnahmen, die sich aus der vorgenommenen problembezogenen Systematisierung ergeben und im Folgenden beispielhaft dargestellt werden, wird in der Regel jedoch nicht zur Umsetzung der angestrebten Ziele beitragen. Vielmehr ist es notwendig, dass die verschiedenen Maßnahmen der identifizierten Bereiche zusammenwirken, um schließlich eine gemeinsame effiziente und effektive Kommunikationsarbeit von Unternehmen und Absatzmittlern durchzusetzen. Beispielsweise greifen koordinierende Maßnahmen der Motivation und des Setzens von Anreizen nicht, wenn die organisatorischen Voraussetzungen oder fehlende Aufgabenverteilungen ein entsprechendes Handeln nicht zulassen oder die Beteiligten nicht über alle notwendigen Informationen verfügen. Ebenso ist denkbar, dass auch umfassende Informationen nicht zu einer erfolgreichen Koordination führen, wenn sowohl bei den Mitarbeitenden auf Absatzmittler- als auch Unternehmensseite nicht entsprechende Denkhaltungen und Kulturen vorhanden sind, die die angestrebte Lösung mittragen. Aufgrund dieser Interdependenzen lassen sich die Koordinationsmaßnahmen zwar einzelnen Schwerpunkten zuordnen, wirken sich jedoch erst gemeinsam positiv auf den Koordinationserfolg der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten aus (vgl. Schaubild 4-3).
Situatives Konfliktmanagement Koordination durch Information
Koordination durch
Koordination durch
Anreize und Motivation
Aufgabenverteilung
Koordinationserfolg der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Planungsbezogene
Organisationsbezogene
Koordination
Koordination
Personenbezogene Koordination
Präventives Konfliktmanagement
Schaubild 4-3: Zusammenwirken der Koordinationsmaßnahmen
242
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
Im Folgenden werden vor dem Hintergrund der erarbeiteten problembezogenen Systematisierung einige als zentral identifizierte, alternativ einsetzbare bzw. sich ergänzende, Koordinationsmaßnahmen dargestellt, die zur Erreichung der angestrebten Koordinationsziele beitragen.
4.2
Einsatz geeigneter Koordinationsinstrumente
4.2.1
Maßnahmen des präventiven Konfliktmanagements
4.2.1.1
Organisationsbezogene Koordination
Der Bereich der organisationsbezogenen Koordination betrifft insbesondere ablauf- und aufbauorganisatorische Maßnahmen im Unternehmen.24 Diese streben primär die unternehmensinterne, aber auch die externe Förderung einer Integration der Integrierten Kommunikation an. Mit diesen Zielen verbunden sind insbesondere die stärkere Einbindung der vertikalen Partner und die Schaffung geeigneter Kommunikationsstrukturen. Es bieten sich insbesondere die folgenden Maßnahmen an, die angestrebten, im vorangegangen Abschnitt beschriebenen Koordinationsziele zu erreichen:
Bildung von Gremien, Komitees, Arbeits- bzw. Projektgruppen sowie Kollegien,
Einsatz von Vertriebs-Kommunikations-Teams Teams) zur Betreuung der Absatzmittler,
Bildung interorganisationaler Teams und Absatzmittler-Beratungsgremien,
Förderung von Fachhändler-Ausschüssen,
Schaffung einer abteilungsübergreifenden Stelle eines Channel-Kommunikationsmanagers,
24
Während sich die Aufbauorganisation bzw. die formale Organisationsstruktur mit der Zerlegung und Verteilung von Aufgaben und Kompetenzen sowie der Koordination von Aufgaben und Aufgabenträgern befasst, ist die Aufgabe der Ablauforganisation die raum-zeitliche Strukturierung von Prozessen, vgl. Kieser/Walgenbach 2003, S. 16ff.; Bea/Göbel 2006, S. 297, 343. Zur ausführlichen Auseinandersetzung mit der organisatorischen Umsetzung der Integrierten Kommunikation in Unternehmen vgl. die Arbeit von Ahlers 2006.
(intraorganisationale
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
243
Stärkung der Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse der operativen Ebenen,
Institutionalisierung von Checklisten zur Identifikation von Konfliktpotenzialen und
Vorschlagswesen für Verbesserungen.
Die organisatorische Trennung der Kommunikations- und Vertriebsabteilung führt dazu, dass die Vertriebsmitarbeitenden nicht bzw. kaum über die Kommunikationsarbeit von Unternehmen informiert oder sogar darin involviert sind.25 Im Rahmen der Integrierten Kommunikation ist es jedoch notwendig, dass die zentralen Kommunikationsbotschaften unter Beteiligung aller am Kontakt mit den Absatzmittlern beteiligten Stellen „von innen heraus wachsen“ und aufeinander abgestimmt in die jeweiligen Marktstufen hinein kommuniziert werden.26 Darüber hinaus ist das Wissen und die Erfahrung der Vertriebsmitarbeitenden und Absatzmittler bei der Konzeption, Weiterentwicklung und Umsetzung des Strategischen Konzeptes der IK zu berücksichtigen. Unternehmensintern sind daher durch die Bildung von Gremien bzw. Komitees, Arbeits- und Projektgruppen, Kollegien usw., die die bestehenden unternehmensinternen Strukturen als Sekundärorganisation ergänzen, die organisatorischen Voraussetzungen einer abgestimmten Zusammenarbeit zu schaffen.27 Insbesondere Gremien dienen der Koordination über die Abteilungsgrenzen hinweg und sind im Gegensatz zu z.B. Stäben keine Dauereinrichtungen in der Stellengliederung.28 Mehrheitlich zielen sie auf den verbesserten Austausch von Informationen sowie die gemeinsame Nutzung von Wissen und Erfahrungen zwischen Vertriebs- und Kommunikationsabteilung. Beispielsweise fördern Informationsgremien den regelmäßigen kommunikativen Austausch zwischen Mitarbeitenden der Vertriebs- und Kom25
26 27 28
Die organisatorische Trennung der Abteilungen ist nach Ahlert/Borchert (2000, S. 13) oftmals dadurch begründet ist, dass es auch „heute noch weit verbreitete Praxis [ist], Marketing [bzw. Kommunikation] und Vertrieb […] als zwei unterschiedliche Tätigkeitsbereiche aufzufassen.“ Vgl. Ahlert/Borchert 2000, S. 13f. Zu Begriff und Funktion koordinierender Gruppen vgl. Hill/Fehlbaum/Ulrich 1994, S. 208. Unterschiede in der Ausgestaltung beruhen insbesondere in der Dauerhaftigkeit ihrer Aufgabenstellung (befristet oder unbefristet), der Intensität der Zusammenarbeit (gelegentlich oder permanent), der Anzahl und Herkunft der Mitglieder, der Konstanz der Zusammensetzung (gleich bleibend oder wechselnd) und dem Grad der Einbindung der Mitglieder (zeitweise vollamtlich oder nur nebenamtlich) in die Arbeit. Zur Ausgestaltung und Aufgaben der Gremienarbeit im Rahmen der interorganisationalen Zusammenarbeit vgl. z.B. Fuest 1998, S. 216ff.
244
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
munikationsabteilung. Daneben ermöglichen so genannte Beratungsgremien die Erarbeitung konkreter Lösungsvorschläge für bestimmte Bereiche der Integrierten Kommunikation, z.B. die Optimierung der absatzmittlergerichteten Kommunikation oder die Berücksichtigung wichtiger Informationen des Vertriebsmanagements im Planungsprozess der Integrierten Kommunikation. Schließlich führen Entscheidungsgremien zu einer Zusammenführung von Entscheidungsträgern und der Lösung akuter Probleme innerhalb eines vergleichsweise kurzen Zeitraumes.29 Zur verbesserten und abgestimmten Betreuung der Absatzmittler bietet sich der Einsatz so genannter intraorganisationaler Teams an.30 Unter Teams sind im Allgemeinen zeitlich begrenzt oder unbegrenzt zusammengehörige, zahlenmäßig überschaubare Gruppen von Personen zu verstehen, die sich durch eine gemeinsame Zielsetzung – im Rahmen der vorliegenden Problemstellung die Realisation der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten – und eine relativ hohe, aber begrenzte Autonomie auszeichnen.31 Multifunktionale bzw. intraorganisationale Teams bestehen aus Mitgliedern der verschiedenen involvierten Abteilungen, d.h., sie binden im vorliegenden Fall Mitarbeitende der Kommunikations- und Vertriebsabteilung gemeinsam in die Betreuung von Absatzmittlern ein und dienen dazu, dass kommunikationsspezifische Aspekte sowie entsprechende IK-Elemente stärker in die Zusammenarbeit mit Absatzmittlern einfließen (Betreuungsteams). Bei Bedarf können Betreuungsteams auch für einen begrenzten Zeitraum gebildet und zur Lösung spezifischer Integrations- bzw. Abstimmungsprobleme he29 30
31
Vgl. Krafft/Haase 2004, S. 16. Vgl. zur Teamorganisation z.B. Gall/Mühlmeyer 2000, S. 36; Kutschker/Schmid 2006, S. 620. Mit der Ergänzung der bestehenden primären Organisationsstrukturen um Mitarbeitende aus anderen Kundenbereichen, tragen beispielsweise so genannte Key-Account-Management-Teams zur verstärkten Kundenorientierung bei, vgl. Hilty 2004, S. 127. In den vergangenen Jahren sind Selling Teams, bei denen es sich um multifunktionale Teams handelt, deren Aufgabe die Betreuung von Schlüsselkunden ist, als wichtiges Schlagwort in der Vertriebspraxis und in verschiedenen Ansätzen des Vertriebsmanagements thematisiert worden, vgl. Stock 2003; Homburg/Krohmer 2006, S. 1171. Zu einem Literaturüberblick konzeptioneller und empirischer Arbeiten, die sich mit dem Phänomen Selling Teams sowie den Einflussgrößen des Erfolges von Marketing- und Vertriebsteams befasst haben, vgl. Stock-Homburg/Gaitanides 2006, S. 46ff. und die dort zitierte Literatur. Der Gedanke der multifunktionalen Teams mit Mitgliedern aus unterschiedlichen Bereichen lässt sich auch auf die vorliegende Problemstellung übertragen und ist geeignet, eine stärkere Integration der Absatzmittler zu ermöglichen. Vgl. Bea/Göbel 2006, S. 416. Zur Teamarbeit in der Kommunikation vgl. ausführlich den Beitrag von Bruhn/Ahlers 2006.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
245
rangezogen werden. Von Bedeutung erscheint in diesem Zusammenhang, dass sich Teams darüber hinaus aus Mitarbeitenden unterschiedlicher Hierarchieebenen zusammensetzen können. Geht es beispielsweise um planungs- oder umsetzungsbezogene Fragestellungen, ist es möglich, so genannte Kernteams einzurichten, in denen ausgewählte Entscheidungen in kleinerer Runde getroffen werden.32 Sinnvoll erscheint beispielsweise, dass Planungsteams – in Abstimmung mit den Beratungsgremien – die Weiterentwicklung und Optimierung des Strategischen Konzeptes der Integrierten Kommunikation vor dem Hintergrund der Zusammenarbeit mit unternehmensfremden Absatzmittlern fokussieren, während sich Kampagnen- bzw. Umsetzungsteams mehrheitlich operativen Fragestellungen der effektiven und effizienten Realisation der Integrierten Kommunikation am PoS widmen. Dies ist dann der Fall, wenn im Vorfeld einer neuen Kommunikationskampagne Mitarbeitende aus der Kommunikations- und Vertriebsabteilung entsandt werden, um Absatzmittlern die Inhalte sowie geplanten Aktivitäten zu vermitteln. Die Zusammensetzung der Teams kann derart gestaltet sein, dass neben Mitarbeitenden unterschiedlicher Abteilungen und Hierarchieebenen von Unternehmen auch Repräsentanten der Absatzmittlerseite beiwohnen. Während sich bei intraorganisationalen Teams die Mitglieder aus einem einzigen Unternehmen rekrutieren, setzen sich interorganisationale, d.h. unternehmensübergreifende, Teams aus Mitgliedern verschiedener Organisationen zusammen.33 Dies setzt zu einem hohen Grad die Kooperationsbereitschaft zwischen den Beteiligten voraus. Ist diese jedoch gegeben, sind im Rahmen einer vertikalen Kooperation zwischen Unternehmen und Absatzmittlern beispielsweise interorganisationale Kommunikationsteams denkbar. Diese sind mit dem Ziel einzusetzen, die Beziehung zu den unterschiedlichen Kommunikationszielgruppen, insbesondere den Endkunden, zu intensivieren und eine effiziente Koordination der einzelnen oder 32
33
Vgl. Kutschker/Schmid 2006, S. 624. Wittmer/Putze (2000, S. 30) schlagen eine Kernteamgröße (A-Mitglieder) von sechs bis zehn Mitgliedern vor. Diese treffen sich regelmäßig persönlich und sind für die Ergebnisse der Teamarbeit verantwortlich. So genannte B-Mitglieder nehmen in eingeschränktem Maße, C-Mitglieder überhaupt nicht an den Teamtreffen teil. Letztere sind jedoch sowohl als Empfänger als auch Lieferanten in den Informationskreislauf des Teams eingebunden. Zu einem Überblick empirischer und konzeptioneller Arbeiten zu interorganisationalen Teams sowie den Einflussgrößen des Teamerfolges vgl. Stock-Homburg/ Gaitanides 2006, S. 45ff. und die dort angegebene Literatur. Dabei sind Arbeiten zu unterscheiden, die sich zum einen mit Teams an der Schnittstelle zwischen Anbieterund Kunden-Unternehmen befasst haben (z.B. Marketing- und Vertriebsteams). Zum anderen liegt der Fokus auf Arbeiten die unternehmensübergreifende Teams im Absatzbereich von Unternehmen betrachten. Diese Teams setzen sich aus Mitgliedern eines Anbieter- und eines Kundenunternehmens zusammen.
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Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
gemeinsamen Kommunikationsaktivitäten zu erreichen bzw. die Schnittstellen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bei der Ausführung der Aufgaben effizient zu gestalten. Darüber hinaus ist es möglich, dass Mitglieder interorganisationaler Teams gemeinsam neue Kommunikationsstrategien für einzelne taktische Maßnahmen entwickeln und Absatzmittler beratend dazu beitragen, das Strategische Konzept der Integrierten Kommunikation eines Unternehmens zu optimieren. Die Ausübung beratender Funktionen durch die vertikalen Kommunikationskanäle ist zudem über so genannte Absatzmittler-Beratungsgremien möglich, die sich aus Vertretern des Top-Managements von Unternehmen und Absatzmittlern zusammensetzen. Diese ermöglichen den regelmäßigen Informationsaustausch und sichern damit den institutionalisierten Einbezug des Absatzmittler-Feedbacks in allen Phasen des Planungsprozesses. Ein weiterer Vorteil liegt in der kommunikativen Funktion, da Unternehmen und Absatzmittler gegenseitig Wünsche, Interessen sowie Bedürfnisse artikulieren und nach geeigneten Lösungen suchen können. Durch den Austausch werden Probleme schnell erkannt und formale Kommunikationslücken überbrückt.34 Unternehmen schaffen zudem Transparenz für ihre kommunikationspolitischen Entscheidungen und erlangen ein besseres Verständnis bei den Absatzmittlern.35 Darüber hinaus kann durch Unternehmen beispielsweise die Bildung von Fachhändler-Ausschüssen angeregt und gefördert werden. Da es sich insbesondere bei den Fachhändlern meist um kleinere Betriebe handelt, erscheint es sinnvoll, dass Unternehmen diese dazu motivieren, sich zusammenzuschließen und z.B. Vertretende der Fachhändler-Ausschüsse in die Beratungsgremien zu integrieren. Dadurch werden die Meinungen, Interessen und Bedürfnisse der zahlreichen kleinen Absatzmittler gebündelt und schließlich durch ein Organ an Unternehmen herangetragen. Neben den beschriebenen, die Primärorganisation unterstützenden, Koordinationsmaßnahmen bietet es sich an, innerhalb der Marketing- bzw. Kommunikations- und Vertriebsorganisation die spezielle Stelle eines Channel-Kommunikationsmanagers zu bilden. Dieser erhält die Aufgabe, die gesamte Koordination der Integrierten Kommunikation zu forcieren bzw. zu kontrollieren und das einheitliche Erscheinungsbild an den vertikalen Kommunikationskontaktpunkten zu 34 35
Vgl. Specht/Fritz 2005, S. 458. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Zugehörigkeit von Absatzmittlern zu weiteren Vertriebssystemen beim institutionalisierten Einbezug der Absatzmittler durch Teams, Gremien oder Ausschüsse die Zusicherung aller Beteiligten zur Einhaltung der Vertraulichkeit erfordert und Nichteinhaltungen daher zu Sanktionen führen müssen.
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247
managen.36 In seinem Aufgabenbereich liegt die Förderung der Interessenabstimmung zwischen den verschiedenen Beteiligten auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite sowie die Abstimmung der unterschiedlichen unternehmensinternen Ebenen und Stellen bzw. Abteilungen.37 Darüber hinaus nimmt er eine Beratungsfunktion ein und trägt zur aktiven Lösung von Konflikten bei. Der Channel-Kommunikationsmanager hat eine Schlüsselstellung zwischen allen Beteiligten auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite inne und hat dementsprechend eine hohe vertriebs- und zugleich kommunikationsspezifische Qualifikation aufzuweisen. Damit dieser die ihm zugewiesenen Aufgaben erwartungsgemäß erfüllen kann, ist es notwendig, dass der Schlüsselposition entsprechende Entscheidungskompetenzen und Weisungsbefugnisse übertragen werden.38 Um Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bereits im Vorfeld zu vermeiden, sind unternehmensintern ergänzende Koordinationsmaßnahmen und Veränderungen im Rahmen der Organisationsstruktur vorzunehmen. Vor dem Hintergrund der Problemstellung ist es zweckmäßig, dass insbesondere die Mitarbeitenden auf operativen Ebenen, beispielsweise Key Accounter, Außendienstmitarbeitende oder Merchandising-Teams, stärkere Entscheidungs- und Weisungsbefugnisse erhalten, um Prozesse zur Durchsetzung einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit nicht unnötig zu verzögern. Es bietet sich zudem an, dass Unternehmen unter Hinzuziehung der empirisch identifizierten Kategorien bzw. Merkmale individuelle Konflikt-Checklisten erarbeiten und deren Anwendung im Unternehmen institutionalisieren. Die Checklisten dienen dazu, Konfliktpotenziale frühzeitig zu identifizieren. Sie sind als ergänzendes Instrument der Konfliktvermeidung zu verstehen, die die Organisationsstrukturen, den Planungsprozess, die bestehende Unternehmenskultur sowie die Verhaltensbeziehungen von Unternehmen und Absatzmittlern systematisch beleuchten. Dies erlaubt Unternehmen eine bessere Einschätzung und Bewertung der Absatzmittler in Bezug auf potenzielle Konfliktursachen und die frühzeitige Einleitung geeigneter Gegenmaßnahmen.
36
37 38
Ausführlich zum Integrations- bzw. Kommunikationsmanager in der Integrierten Kommunikation sowie dessen Aufgaben, Funktionen und seine organisatorische Verankerung vgl. Schultz/Tannenbaum/Lauterborn 1995, S. 165ff.; Schultz/Kitchen 2000, S. 169f.; Bruhn 2006a, S. 214, 288ff. Zum Channel Manager im Vertriebsmanagement vgl. z.B. Schögel 2001, S. 44f.; Specht/Fritz 2005, S. 354ff. Vgl. Bruhn 2006a, S. 210. Vgl. ähnlich für den Integrationsmanager bzw. Channel-Manager Specht/Fritz 2005, S. 356 bzw. Bruhn 2006a, S. 214. Als Weisungsbefugnis wird das Recht einer Instanz bezeichnet, den nachgeordneten Stellen konkrete Handlungsanweisungen für die Durchsetzung der Maßnahmen zu geben, vgl. Kieser/Walgenbach 2003, S. 88.
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Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
Schließlich erhalten Unternehmen durch ein Vorschlagswesen für Verbesserungen direkt von eigenen Mitarbeitenden sowie denen der Absatzmittler am PoS entwickelte Ideen und Lösungsvorschläge zur Optimierung der integrierten Kommunikationsarbeit bzw. der Prozesse zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. Eingereichte Vorschläge liefern darüber hinaus zusätzliches Feedback, das zur Einschätzung der Kommunikationssituation sowie zur Planung und Umsetzung des Strategischen Konzeptes bzw. unterschiedlicher Kommunikationsmaßnahmen herangezogen werden kann. Um den Anreiz für Mitarbeitende zu erhöhen, ist das Vorschlagswesen mit finanziellen Prämien für umgesetzte Vorschläge auszustatten. Die Diskussion in Gremien und Ausschüssen fördert darüber hinaus die Sicherung einer breiten Zustimmung der entwickelten Ideen.39
4.2.1.2
Personenbezogene Koordination
Im Bereich der personenbezogenen Koordination steht insbesondere die Schaffung eines Integrationsbewusstseins bzw. einer IK-Kultur bei allen Beteiligten im Vordergrund.40 Unternehmensintern sind insbesondere Maßnahmen notwendig, die den Abbau der Konflikte zwischen der Vertriebs- und Kommunikationsabteilung anstreben. Auf Absatzmittlerseite zielen die Koordinationsmaßnahmen insbesondere auf die Verbesserung eines Integrationsklimas und der Zusammenarbeit bzw. Transaktionsatmosphäre zwischen Unternehmen und Absatzmittlern sowie den Abbau von Qualifikationsmängeln. Es bieten sich daher die folgenden Maßnahmen an, die angestrebten Koordinationsziele zu erreichen:
Unternehmensinterne Seminare, Schulungen, Workshops, Regeln und Programme, persönliche Weisungen usw.
Abgestimmte Rekrutierungspolitik zwischen Vertrieb und Kommunikation,
Job Rotations, Erfahrungs- und Wissensaustausch zwischen Vertriebs- und Kommunikationsabteilung,
Gemeinsam von Vertrieb und Kommunikation entwickelte Trainingsprogramme,
39
Vgl. z.B. zum Vorschlagswesen in Franchisesystemen Steiff 2004, S. 136f. Stumpf (2005, S. 152) stellt im Rahmen einer empirischen Untersuchung zur Erfolgskontrolle der Integrierten Kommunikation fest, dass insgesamt 71,4 Prozent der befragten Kommunikationsverantwortlichen in IK-fähigen Mitarbeitenden einen Erfolgsfaktor der Integrierten Kommunikation sehen. Dabei sind insbesondere die soziale und fachliche Qualifikation der Mitarbeitenden für die Gestaltung eines einheitlichen Unternehmensauftritts von Bedeutung. 41,3 Prozent der befragten Kommunikationsverantwortlichen betonten zudem das Wissen bzw. die Information der Mitarbeitenden über die Kommunikationspolitik im Unternehmen als Erfolgsfaktor.
40
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
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Abgestimmte strategische Visionen, Leitsätze und Wertesysteme eines Unternehmen,
Commitment des Top-Managements sowie der Vertriebs- und Kommunikationsleiter,
Informelle Netzwerke, informelle Kommunikationsinfrastruktur, persönliche Gespräche in Unternehmen,
Gemeinsame Events bzw. Veranstaltungen von Unternehmen und Absatzmittlern sowie
Einsatz unterschiedlicher absatzmittlergerichteter Weiterbildungsformen.
Die Förderung des Integrationsbewusstseins betrifft jeden Mitarbeitenden, der in direktem Kontakt mit den Zielgruppen eines Unternehmens steht. Die Schaffung eines Integrationsbewusstseins in Unternehmen und damit das Bewusstsein über die Bedeutung und Notwendigkeit der Integrierten Kommunikation bezieht sich daher nicht allein auf die Kommunikationsabteilung, sondern vor allem im Rahmen der vorliegenden Arbeit auf die Mitarbeitenden der Vertriebsabteilung. Darüber hinaus ist ein entsprechendes Bewusstsein auch bei den mit Absatzmittlern in Kontakt stehenden Mitarbeitenden der Hotlines und Call Center. Bei allen Mitarbeitenden sind beispielsweise positive Einstellungen sowie das Verständnis gegenüber der IK zu fördern, die Kenntnis und Verankerung IK-spezifischer Zielgrößen zu unterstützen und die Motivation zur Erbringung entsprechende integrativer Verhaltensweisen zu erhöhen.41 Unternehmen stehen zur Förderung des Integrationsbewusstseins informelle bzw. „weiche“ Maßnahmen zur Verfügung, beispielsweise die Durchführung von Seminaren, Schulungen, Workshops, Runden Tischen oder die Implementierung von Anreizsystemen, die integrative Verhaltensweisen belohnen. Darüber hinaus ist es möglich, informelle, harte“ Maßnahmen einzusetzen, beispielsweise die Verordnung bzw. der Zwang zu integrativen Verhaltensweisen, die Einhaltung von Regeln und Programmen oder persönliche Weisungen zur einheitlichen Aufgabenerfüllung.42
41
42
Das Integrationsbewusstsein bezieht sich auf die Dimensionen der Integrationseinstellung (affektive Komponente), des Integrationswissens (kognitive Komponente) sowie des Integrationsverhaltens (konative Komponente), vgl. ausführlich Bruhn 2006a, S. 283f. Vgl. Bruhn 2006a, S. 283.
250
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Von Bedeutung ist die Schaffung einer entsprechenden Unternehmenskultur, die die Durchsetzung der Integrierten Kommunikation fördert.43 Dabei spielt vor allem das Klima der Zusammenarbeit zwischen den Kommunikations- und Vertriebsabteilungen eine wichtige Rolle.44 Bei der personenbezogenen Koordination und Integration des Vertriebs- und Kommunikationsbereichs geht es daher insbesondere um die Harmonisierung divergierender soziokultureller Einstellungen der Mitarbeitenden in den unterschiedlichen Abteilungen.45 Koordinationsmaßnahmen, die den Abbau von Konflikten zwischen den Bereichen und die Dialog- sowie Interaktionsbereitschaft der Mitarbeitenden fördern, sind beispielsweise eine zwischen beiden Bereichen abgestimmte Rekrutierungspolitik, gemeinsam entwickelte Trainingsprogramme und Job Rotations, d.h. der kurzoder längerfristige Austausch von Personen zwischen Vertriebs- und Kommunikationsabteilung. Dabei steht der abteilungsübergreifende informelle Austausch von Wissen, Informationen und Erfahrungen im Vordergrund, der dazu beiträgt, ein besseres Verständnis für die Arbeit der „Gegenseite“ zu entwickeln und Ressortegoismen sowie Abteilungszäune abzubauen. Eine von beiden Seiten getragene strategische Vision, Leitsätze und übereinstimmende Wertesysteme dienen dazu, dass sich Vertriebs- und Kommunikationsmitarbeitende in der Entscheidungsfindung und der Handlungsausrichtung gleichgerichtet verhalten und dadurch die Abstimmung bzw. Zusammenarbeit mit Absatzmittlern erleichtern. Von großer Bedeutung für die Schaffung einer IK-Kultur in Unternehmen ist zudem das Commitment des Top-Managements sowie der Kommunikations- und Vertriebsleitung. Mit ihrem Verhalten haben Vorgesetzte eine Vorbildwirkung, die auf die Vermittlung einer integrierten Sichtweise auszurichten ist und weniger bereichsspezifische Interessen verfolgt, die in ihrer Konsequenz Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern noch zusätzlich verstärken. Vor allem informelle soziale Netzwerke, eine informelle Kommunikationsinfrastruktur und persönliche Gespräche zwischen Mitarbeitenden beider Bereiche wirken dabei integrationsfördernd.46
43
44 45 46
Vgl. zur Unternehmenskultur z.B. die Arbeiten von Schmelcher/Linxweiler/Witte 2001; Jost 2003; Schmidt 2004. Zur grundsätzlichen Einteilung verschiedener Instrumente der Kulturbeeinflussung (z.B. Leitsätze, Verhaltensregeln, Führungsinstrumente, Hauszeitschriften, Seminare, Workshops usw.) vgl. Homburg/Schneider/ Schäfer 2001, S. 153. Vgl. Bruhn 2006a, S. 303. Vgl. zu Problemfeldern und dem Schnittstellenmanagement zwischen den Funktionsbereichen Marketing und Vertrieb Krafft/Haase 2004. Vgl. Krafft/Haase 2004, S. 16.
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251
Um auch auf Absatzmittlerseite ein entsprechendes Integrationsbewusstsein zu verankern und insbesondere die Zusammenarbeit bzw. Transaktionsatmosphäre zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu verbessern, bieten sich vor allem gemeinsame Events und Veranstaltungen an. Unternehmen veranstalten in der Regel mit ihren Vertriebspartnern als zentrales Ereignis einmal im Jahr ein Jahrestreffen, bei dem über Entwicklungen und Planungen informiert wird und Anregungen seitens der Absatzmittler aufgenommen werden.47 Diese Treffen dienen jedoch vor allem dem Vertrauensaufbau zwischen den Beteiligten, der Stärkung persönlicher Kontakte sowie der Verbesserung des Verständnisses für die Gegenseite und der Schaffung eines „Wir-Gefühls“. Aktivitäten, die eine gemeinsame Kooperationskultur stärken, können konfliktreduzierende Wirkungen haben und die Integrationsbereitschaft auf Absatzmittlerseite erhöhen. Als problematisch dabei ist jedoch der große zeitliche Abstand der Treffen anzusehen. Finden die Veranstaltungen lediglich ein Mal im Jahr statt, ist davon auszugehen, dass die Wirkung zur Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern in dieser Form nur relativ gering ist. Damit diese einen Beitrag zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern und damit zur Sicherung einer effektiven und effizienten Kommunikationsarbeit leisten können, ist es notwendig, dass diese häufiger und institutionalisiert stattfinden. Darüber hinaus sind in die Informations- und Fachinhalte dieser Treffen IK- bzw. kommunikationsspezifische Aspekte zu integrieren, die bisher kaum oder nur wenig thematisiert werden. Die Teilnahme von Unternehmensvertretenden nicht nur der Vertriebs-, sondern auch der Kommunikationsabteilung trägt zum Aufbau persönlicher sowie informeller Kontakte und damit zur Verbesserung des Integrationsklimas bei. Die Aus- und Weiterbildung von Absatzmittlern bildet eine wichtige Maßnahme im personellen Bereich. Da Unternehmen nicht nur von der Leistungsbereitschaft, sondern ebenso von der Leistungsfähigkeit der Absatzmittler abhängig sind, ist es notwendig, möglichen Ausbildungsdefiziten und Qualifikationsmängeln des Verkaufspersonals besondere Aufmerksamkeit zu schenken.48 Der Bedienungs- und Beratungskompetenz der Absatzmittler kommt vor dem Hintergrund ihrer Rolle als Kommunikationskanal eines Unternehmens eine hohe Bedeutung zu. Maßnahmen der Weiterbildung sind daher ein zentraler Punkt, um die Qualität der Beratung zu steigern und die kommunikationsspezifische Kompetenz der Absatzmittler zu erhöhen. Dies erfordert, dass sich die Inhalte der Weiterbildungsmaßnahmen für Absatzmittler neben der sonst üblichen Vermittlung von Produktwissen und Verkaufsprozessen insbesondere auf die Verbesse47 48
Vgl. hierzu das Interview mit einem leitenden Mitarbeitenden der Vertriebsabteilung Anhang, S. 299, Interview UV 03, Abs. 105-108. Vgl. Tomczak 1992a, S. 76f.
252
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rung der IK- bzw. kommunikationsspezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten von Absatzmittlern sowie die Steigerung der Absatzmittlerkompetenz hinsichtlich Verkaufsberatung und der Präsentation am PoS beziehen. Ein bedeutender Nebeneffekt ist dabei ein enger persönlicher Kontakt und eine intensivere Kommunikation mit den Absatzmittlern sowie die Möglichkeit einer Steigerung der Motivation und des Engagements bzw. der Leistungsbereitschaft der Verkaufsmitarbeitenden. Die Maßnahmen tragen zudem erheblich zur Verbesserung der Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bei bzw. intensivieren den Informationsaustausch. So lassen sich Informationen gezielt an Absatzmittler weitergeben und Probleme können – auch in einem weniger formellen Rahmen – direkt im Anschluss umfassend analysiert sowie diskutiert werden. Zur Realisierung von Weiterbildungsmaßnahmen steht ein breites Spektrum an verschiedenen Weiterbildungsformen zur Verfügung, die sich unterschiedlich gut zur Vermittlung vielfältiger Inhalte bzw. Kenntnisse und Kompetenzen eignen. Die Inhalte der Weiterbildungsmaßnahmen lassen sich danach unterteilen, ob sie primär Fachwissen (z.B. Kenntnisse der Absatzmittler über die Kampagnen und Aktionen von Unternehmen, die Argumentationsmuster und Botschaften für die jeweiligen Zielgruppen, den Einsatz der PoS-Materialien sowie die Zuständigkeiten und Ansprechpartner auf Unternehmensseite), interaktionsbezogene Fähigkeiten (z.B. Flexibilität und Kompetenz der Absatzmittler im Verkaufsgespräch mit den Kunden) sowie analytische und konzeptionelle Fähigkeiten (z.B. Kenntnisse der Absatzmittler zur Bedeutung und Notwendigkeit der Integrierten Kommunikation, Verankerung entsprechender IK-spezifischer Zielgrößen sowie das Erkennen von Markttrends) vermitteln.49 Grundsätzlich zu unterscheiden sind zum einen persönliche Weiterbildungsformen, die eine Wissensvermittlung über den persönlichen Kontakt vornehmen, zum anderen autodidaktische Weiterbildungsformen, die das Selbststudium der Absatzmittler unterstützen. Während im Rahmen der persönlichen Weiterbildungsformen beispielsweise Seminare, Trainings, Lehrgänge, Tagungen oder Coaching angewendet werden, stehen als autodidaktische Weiterbildungsformen Schulungshandbücher, Videos und E-Learnings zur Verfügung.50 Eine Bewertung der unterschiedlichen Weiterbildungsformen zur Erhöhung der Leistungsfähigkeit von Absatzmittlern vor dem Hintergrund der vermittelten Inhaltskategorien stellt abschließend Schaubild 4-4 dar.
49 50
Vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 1259f.; ähnlich Schmitz 2005, S. 214ff. Vgl. Homburg/Krohmer 2006, S. 1260.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
253
Fachwissen
Analytische und konzeptionelle Fähigkeiten
Interaktionsbezogene Fähigkeiten
Primär vermittelte Inhalte
Seminare
Grundlagen zur Bedeutung und Notwendigkeit der Integrierten Kommunikation
Trainings/ Workshops
Ÿ
Training zur Anwendung von Argumentations- und Verkaufstechniken, Motivationsworkshops
Lehrgänge
Lehrgang zur Anwendung neuer PoS-Tools und neuer Softwarelösungen
Tagungen
Ÿ
Fachhändlertagung zum Austausch von Marktund Kommunikationstrends
Coaching
Ÿ
Coaching von Absatzmittlern (Fachhändler)
Schulungshandbücher
Ÿ
Schulungshandbücher, Richtlinien und Regeln zur Umsetzung der IK und PoS-Anwendungen
Videos
Ÿ
Videos zu Techniken der Verkaufsgesprächsführung oder Schaufenstergestaltung
E-Learning
Ÿ
Ÿ
CD-ROMs und Internetanwendungen zur kommunikations- bzw. kampagnenbezogenen Schulung
Autodidaktisch
Persönlich
Weiterbildungsform
Beispiele
= geeignet; = teilweise geeignet; Ÿ= nicht geeignet
Schaubild 4-4: Anwendungsmöglichkeiten verschiedener Weiterbildungsformen für Absatzmittler (in Anlehnung an Homburg/Krohmer 2006, S. 1260)
4.2.1.3
Planungsbezogene Koordination
Planungsbezogene Koordinationsmaßnahmen zielen unterstützend auf die verbesserte Berücksichtigung von Absatzmittlern in ihrer Doppelrolle als Kommunikationsmedium und Zielgruppe bei der Entwicklung des Strategischen Konzeptes durch Unternehmen ab. Darüber hinaus streben diese eine optimierte inhaltliche Zusammenführung der jeweiligen Kommunikationsaktivitäten von Unternehmen und Absatzmittlern an. Zur Durchsetzung der Ziele bieten sich folgende Maßnahmen an:
254
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
Kontinuierliche Überprüfung der Konsistenz und Verständlichkeit der absatzmittlergerichteten Kommunikationsaktivitäten,
Bereitstellung absatzmittlerspezifischer Aussagensysteme und Argumentationsmuster,
Entwicklung absatzmittlerspezifischer Aktionen sowie
Betonung gemeinsamer Positionierungsmerkmale.
Bei der Erstellung des Strategischen Konzeptes der Integrierten Kommunikation und der Entwicklung einzelner Strategien bzw. Maßnahmen für die jeweiligen Kommunikationsinstrumente ist durch die Verantwortlichen kontinuierlich die Konsistenz der absatzmittlergerichteten Kommunikationsaktivitäten zu überprüfen. Insbesondere vor dem Hintergrund der Doppelrolle der Absatzmittler sowie der Multifunktionalität der Zielgruppen ist es notwendig, dass auf Unternehmensseite eine enge Zusammenarbeit zwischen der Kommunikations- und Vertriebsabteilung, die im Kontakt mit Absatzmittlern stehen, erfolgt. Bei der Entwicklung absatzmittlergerichteter Kampagnen sind daher die Meinungen und Anregungen der Vertriebsmitarbeitenden hinsichtlich der Eignung und Verständlichkeit der Botschaften sowie Kampagnenideen institutionalisiert einzuholen und bei der weiteren Planung zu berücksichtigen. Damit Absatzmittler ihre Rolle als Kommunikationsmedium eines Unternehmens adäquat erfüllen können, benötigen diese geeignete Botschaften und Argumente, um Endkunden anzusprechen. Die Bedürfnisse und Probleme von Absatzmittlern unterscheiden sich jedoch von denen eines Unternehmens, da Absatzmittler in erster Linie mit einer eigenständigen Positionierung am Markt vertreten sind und sich als Absatzmittlerorganisation kommunikativ am Markt profilieren wollen.51 Eine zentrale Maßnahme, die zur Vermeidung möglicher Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten beiträgt, ist daher die Bereitstellung abgestimmter absatzmittlergerechter Aussagensysteme und Argumentationsmuster. Diese sind durch die Kommunikationsabteilung eines Unternehmens zu entwickeln und leiten sich aus den Vorgaben des Strategischen Konzeptes der Integrierten Kommunikation ab. Dabei berücksichtigen sie jedoch zusätzlich die Spezifika des jeweiligen Vertriebskanals, beispielsweise je nachdem, ob dieser mehrheitlich preis- oder beratungsorientierte Aussagen gegenüber den Endkunden verwendet. Je präziser die abgeleiteten Kern- und Einzelaussagen sind und je stärker sie auch einen Nutzen für den jeweiligen Vertriebskanal erfüllen, desto eher werden diese in der persönlichen Kommunikation der Verkäufer mit den Endkunden Verwendung finden. 51
Vgl. Rosenbloom 2004, S. 273ff.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
255
Darüber hinaus bietet es sich an, spezifische Kampagnen und Aktionen zu entwickeln, die speziell auf einen Absatzmittler zugeschnitten sind. Dies kann beispielsweise im Rahmen endkundengerichteter Verkaufsförderungsaktionen eine Jubiläums- oder Geburtstagskampagne sein, bei der das „Ereignis“ auf Absatzmittlerseite in die Kommunikation von Unternehmen integriert wird. Im Zusammenhang mit der Entwicklung und Bereitstellung absatzmittlergerechter Kampagnen und Aussagensysteme ist zudem eine grundsätzliche Entscheidung zu treffen, ob gemeinsame Positionierungsmerkmale von Unternehmen und Absatzmittlern hervorgehoben und inhaltlich integriert werden sollen. Die Leistungen von Unternehmen und Absatzmittlern – bei Unternehmen das Angebot der Dienstleistung bzw. bei Absatzmittlern die Vermittlung derselben – können auch als ein mehrdimensionales kommunikatives Positionierungsproblem angesehen werden, bei dem sowohl die Einzelleistungen als auch deren Kombination zum Bezugsobjekt der Positionierung bzw. der Kommunikation werden.52 Dies ist jedoch vor dem Hintergrund eines angestrebten einheitlichen Erscheinungsbildes und kontinuierlichen Images von Unternehmen nur im Fall von solchen Absatzmittlern sinnvoll, bei denen keine oder nur geringe marktbezogene Positionierungsunterschiede festzustellen sind. In den vorangegangenen Abschnitten erfolgte die beispielhafte Darstellung organisations-, personen- und planungsbezogener Koordinationsmaßnahmen, die geeignet erscheinen, einen Beitrag zur Vermeidung der Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bzw. der Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten, zu leisten. Diesen schließen sich in den folgenden Abschnitten die Maßnahmen des situativen Konfliktmanagements an, die dem Abbau der bestehenden Konflikte und Defizite dienen.
4.2.2 4.2.2.1
Maßnahmen des situativen Konfliktmanagements Koordination durch Information
Informationen stellen die Basis einer koordinierten Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten dar. Mit den bereits dargestellten organisations- und personenbezogenen Koordinationsmaßnahmen werden die Voraussetzungen für einen systematischen Informationsaustausch zwischen Unternehmen und Ab52
Vgl. zum mehrdimensionalen Positionierungsproblem und dem Gruppenpositionierungsmanagement bei komplexen Konsumgütern Ahlert 1996b, S. 96ff.
256
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
satzmittlern geschaffen sowie die Entwicklung einer offenen Kommunikationskultur zwischen den Beteiligten gefördert.53 Durch den formellen und informellen Informationsaustausch, persönliche Kontakte und institutionalisierte Treffen werden Informationskonflikte, die beispielsweise auf die fehlende Weitergabe oder Veränderung von Informationen oder die mangelnde Nutzung von Informationssystemen zurückzuführen sind, abgebaut oder zumindest gemindert. Ebenso reduziert sich damit die unbewusst fehlende Weitergabe wichtiger kommunikationsspezifischer Informationen. Es ist jedoch notwendig, zusätzliche Maßnahmen einzusetzen, die aktiv zum Abbau der identifizierten konfliktären Informationsbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern beitragen. Eine einheitliche Ausrichtung und ein abgestimmtes Handeln zwischen den Beteiligten im Sinne der angestrebten effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit erfordern daher den Einsatz folgender Koordinationsmaßnahmen:
Stärkere insitutionalisierte Integration IK-spezifischer Aspekte im persönlichen und medialen Informationsaustausch,
Aufbau IK-orientierter bzw. Optimierung der bestehenden Informationssysteme und bedürfnisgerechte Gestaltung der Informationen,
Schaffung eines hohen Commitments aller Beteiligten zur Nutzung und Pflege von Datenbanken bzw. bereitgestellter Internetanwendungen,
Sensibilisierung aller Beteiligten zur vollständigen und rechtzeitigen Weitergabe IK-bezogener Informationen,
Verpflichtung beider Seiten zur adäquaten Nutzung der geteilten Informationen sowie,
Festlegung IK-spezifischer Informationsstandards.
Informationen, die zwischen Unternehmen und Absatzmittlern ausgetauscht werden, beziehen sich bisher mehrheitlich auf Produkte eines Unternehmens und vertriebsspezifische Punkte. Es ist daher notwendig, unternehmensintern dafür 53
Der Abbau von Informationsasymmetrien erfordert zwischen Unternehmen und Absatzmittlern eine offene Kommunikation, gegenseitiges Verständnis und den Aufbau einer unterstützenden Atmosphäre der Zusammenarbeit. Insbesondere vor dem Hintergrund eines dynamischen Marktes und der damit verbundenen Notwendigkeit eines raschen Austausches quantitativer und qualitativer Informationen kommt der Gestaltung der Informations- und Kommunikationsbeziehungen eine sehr große Bedeutung zu, vgl. Pabst 1993, S. 88. Vgl. ausführlich zum kooperativen Informationsmanagement zwischen Hersteller und Handel im Rahmen strategischer Kooperationen Schmickler 2001, S. 180ff.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
257
Sorge zu tragen, verstärkt IK-spezifische Aspekte systematisch und institutionalisiert in alle absatzmittlergerichteten Informationen zu integrieren. Dies erfordert die enge unternehmensinterne Zusammenarbeit bzw. einen klar festgelegten, regelmäßigen Informationsaustausch zwischen der Vertriebs- und Kommunikationsabteilung. Beispielsweise hat die Kommunikationsabteilung frühzeitig entsprechende Informationen bereitzustellen, die direkt in Datenbanken und Systeme eingegeben oder persönlich von Vertriebsmitarbeitenden an Absatzmittler weitergegeben werden. Ebenso sind in schriftlichen Dokumentationen, beispielsweise in Handbüchern, Broschüren, sowie Berichten oder in Datenbanken entsprechende Informationen, beispielsweise absatzmittlerspezifische Kernaussagen und Botschaften, Hintergrundinformationen über aktuelle Kampagnen oder wichtige Ansprechpartner, zu verankern. Auf Basis der Ergebnisse einer europäischen Befragung, bei der internationale Vertriebspartner aufgefordert wurden, geeignete Lösungsansätze für die Verbesserung der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Vertriebspartnern zu formulieren, stellt Schmitz fest, dass die Verbesserung der genutzten Kommunikationskanäle bzw. hierbei vor allem die Verwendung und Institutionalisierung von Instrumenten, die die tägliche Arbeit und den Informationsfluss unterstützen, am häufigsten genannt werden.54 Damit Absatzmittler über die für sie relevanten Informationen verfügen, bietet es sich daher an, die bereits bestehenden Informationssysteme zu optimieren bzw. IK-orientierte Informationssysteme aufzubauen. Mit diesen sind Systeme zu bezeichnen, die der Aufnahme, Speicherung, Verarbeitung und Weitergabe von IK-relevanten Informationen dienen und mit denen das Ziel des Abbaus von Informationskonflikten umfassend und wirksam zu erreichen ist.55 Informationssysteme liefern für die Beteiligten die technologische Unterstützung, um die anfallenden Kommunikationsaufgaben schneller und besser zu bewältigen. Sie führen neben einer Entlastung häufig auch zu einer Steigerung der Qualität, da mit ihnen eine Priorisierung und Komprimierung der Informationen möglich ist.56 Diese Vorteile bieten für Unternehmen hilfreiche Ansatzpunkte, 54
55 56
Vgl. Schmitz 2005, S. 36, 160. Dabei handelt es sich um eine im Jahre 2004 durchgeführte standardisierte Befragung europäischer Vertriebspartner von Schweizer Industriegüterherstellern (n = 240). Als die fünf meist genannten Lösungsvorschläge werden neben der Verbesserung interner Kommunikationskanäle zudem die Entwicklung einer gemeinsamen strategischen Orientierung, das Key Account Management, gemeinsame Schulungen und Weiterbildung sowie eine Projektorganisation für verschiedene Entscheidungsbereiche der Vertriebsorganisation angeführt. Vgl. Bruhn 2002, S. 90. Vgl. zu Aufgaben von Informationssystemen z.B. Krcmar 1991. Vgl. Schmitz 2005, S. 239.
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Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
die Informationsbeziehungen zwischen den Beteiligten zu verbessern, da für den Abbau der identifizierten Konflikte eine bedürfnisgerechte Gestaltung der Informationen notwendig ist. Insbesondere vor dem Hintergrund der Informationsüberlastung und des Zeitdruckes der Mitarbeitenden auf Absatzmittlerseite ist es notwendig, die Informationen zielgruppengerecht zu gestalten bzw. zu präzisieren. Da in der Regel Absatzmittlerzentralen die Informationen eines Unternehmens an ihre Mitarbeitenden in den Filialen weitergeben, ist zu vermeiden, dass auf dem Weg von Zentrale zu den Verkäufern wichtige Informationen verloren gehen bzw. diese verfälscht werden. Unternehmen müssen daher unterschiedliche Informations“pakete“ bündeln, die nach entsprechendem Bedarf auf Absatzmittlerseite eingesetzt werden können. Während die Zentralen der Absatzmittler umfassend und detailliert zu informieren sind, ist es insbesondere für die Mitarbeitenden in den Filialen von Vorteil, wenn die Informationsflut reduziert wird. Dies erfordert eine kurze und knappe Darstellung der im Verkauf relevanten Informationen, z.B. in Form einiger zentraler Argumentationsmuster oder wesentlicher Kernsätze. Darüber hinaus muss die jeweilige Bedeutung und Priorität der Informationen herausgearbeitet werden, z.B. durch die deutliche Kennzeichnung einer kurzfristigen Änderung bei Angebotsaktionen usw. Bei der Nutzung von Informationssystemen bilden insbesondere Datenbanken ein zentrales Element. Diese eignen sich für den kontinuierlichen Austausch von Informationen, da sie zeit- und raumunabhängig sind und dezentral laufend aktualisiert werden können. Gemeinsame Datenbanken erfordern jedoch das Commitment beider Seiten, die Datenbank kontinuierlich zu nutzen und zu pflegen und damit deren Aktualität zu sichern. Es bietet sich insbesondere bei kleineren Fachhändlern an, partnerschaftlich beispielsweise eine Kundendatenbank aufzubauen. In dieser werden bestehende sowie neue Kunden systematisch durch Absatzmittler erfasst und die jeweiligen Informationen bzw. gewonnenen Daten können von beiden Seiten gepflegt bzw. erweitert werden. Die Nutzung der Informationen ist vor allem im Rahmen von Direct-Marketing-Aktivitäten möglich, z.B. bei E-Mail-Aktionen oder adressierten Werbesendungen. Darüber hinaus ist eine derart gestaltete Datenbank für beide Seiten nicht nur ein Informationsmedium. Bei adäquater Nutzung und Pflege wird diese für Absatzmittler auch zu einem, die Planung und Umsetzung der Kommunikationsaktivitäten unterstützenden, Instrument, z.B. durch die Vorgabe geeigneter Kommunikationsmittel und -medien sowie Gestaltungsvorschläge. Für Unternehmen kann die Datenbank zu einem Führungs- und Kontrollmedium werden, da sie so aufgebaut werden kann, dass sie die Aktivitäten der zahlreichen kleineren Fachhändler koordiniert bzw. vereinheitlicht und die Erfolge der Kommunikationsaktivitäten, beispielsweise durch einen in der Datenbank verknüpften „Response“ auf E-MailAktionen, dokumentiert.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
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Die Bereitstellung der Informationen kann ebenso über Internetseiten eines Unternehmens, das Extranet bzw. andere geeignete technische Plattformen erfolgen. Im Rahmen der in der vorliegenden Arbeit untersuchten Branche werden mehrheitlich Internetportale für die Bereitstellung aller formalen Gestaltungselemente bzw. definierten CD-Elemente eines Unternehmens genutzt. Auf Internetseiten können beispielsweise alle Designrichtlinien und Designelemente eines Unternehmens, d.h. Logos, Farben, Bild- und Sprachstil, Schreibregeln usw., den Absatzmittlern in einer effizienten und aktuellen Form zur Verfügung gestellt werden. Damit die bereitgestellten Informationen und Daten jedoch einen Beitrag zur integrierten Kommunikationsarbeit in mehrstufigen Märkten leisten, ist die Verpflichtung der Absatzmittler zur aktiven Auseinandersetzung mit den Richtlinien und Elementen des Corporate Designs eines Unternehmens sowie der gewissenhaften Anwendung bzw. dem Einsatz in den verwendeten Kommunikationsmitteln notwendig. Es ist zu berücksichtigen, dass durch technische Vorgaben lediglich die Nutzung solcher Informationen, die sich standardisieren lassen, effizient ist. Persönliche Gespräche sind zwar häufig mit höheren Kosten verbunden, sie ermöglichen jedoch auch die schnelle und wirksame Weitergabe von Informationen.57 Um Informationskonflikte abzubauen und die Integration der Kommunikationsmaßnahmen sicherzustellen, sind alle Beteiligten zur Verantwortung und Bereitschaft einer vollständigen und rechtzeitigen Weitergabe von Informationen zu sensibilisieren. Die Preisgabe detaillierter Kundeninformationen bzw. strategischer kommunikationsspezifischer Kenntnisse bedeutet, insbesondere vor dem Hintergrund der Wettbewerbssituation sowie der Zugehörigkeit der Absatzmittler zu weiteren Vertriebssystemen, für beide Seiten einen Machtverlust. Sowohl für Unternehmen als auch Absatzmittler besteht die Gefahr, dass die jeweils andere Seite Informationen und Daten für die eigenen Interessen ausnutzt bzw. ausspielt. Es ist daher notwendig, dass sich beide Seiten zur adäquaten Nutzung der Informationen verpflichten. Geteilte strategische Informationen und Kundendaten sind nicht ohne das Einverständnis des anderen für eigene Kommunikationsaktivitäten zu nutzen und Regelverstöße sind konsequent zu sanktionieren, um das gegenseitige Vertrauen sicherzustellen.58 Der persönliche Kontakt zwischen Endkunden und Absatzmittlern ermöglicht es, direkt wichtige Informationen über Zielgruppen zu gewinnen. Werden Verkäufer als „Marktforscher“ eingesetzt, können viele Informationen, beispielsweise über die Kommunikationsbedürfnisse der Kunden, über diese am effizientesten be-
57 58
Vgl. Klumpp 2000, S. 152. Vgl. Schmitz 2005, S. 240.
260
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
schafft werden.59 Mitarbeitende im Kundenkontakt bzw. deren Vertriebszentralen als erste Ansprechpartner sind daher für die Wichtigkeit der Informationen zu sensibilisieren und zur Aufnahmebereitschaft bzw. -weitergabe von Informationen zu motivieren. Damit Informationen systematisch in den Planungsprozess einfließen können, sind jedoch IK-spezifische Informationsstandards festzulegen, d.h., es ist zu bestimmen, welche Informationen über den Markt, die Kunden oder die Arbeitsprozesse zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zu sammeln und zu speichern sind.
4.2.2.2
Koordination durch Aufgabenzuweisung
Um rollenbedingte Konflikte abzubauen bzw. Missverständnisse über die jeweiligen Zuständigkeiten zu reduzieren, ist es notwendig, bei allen Beteiligten Klarheit und Transparenz über die Aufgaben der Mitarbeitenden auf Unternehmensund Absatzmittlerseite innerhalb des Planungsprozesses der Integrierten Kommunikation zu schaffen. Folgende Maßnahmen sind in diesem Zusammenhang im Rahmen der Koordination durch Aufgabenzuweisung zu ergreifen:
Verbindliche und effiziente Festlegung der Aufgaben sowie Zuständigkeiten von Unternehmen und Absatzmittlern im Rahmen des Planungsprozesses der IK,
Dokumentation der Aufgabenverteilung in Verfahrensrichtlinien, Regeln, Handbüchern, Plänen usw. sowie
Verpflichtung beider Seiten zur Einhaltung der ihnen zugeteilten Aufgaben.
Um Klarheit über die jeweiligen Rollen zu schaffen, ist es notwendig, dass die kommunikationsrelevanten Aufgaben sowie Zuständigkeiten von Unternehmen und Absatzmittlern verbindlich festgelegt werden. In Verhandlungen ist daher zu entscheiden, wer (Unternehmen und/oder Absatzmittler), welche Rolle (Funktionen bzw. Aufgaben), mit welcher Intensität (Integration, Aufteilung, Delegation der Aufgaben), mit welchem Zeithorizont und für welche Gegenleistung (Präsentation am PoS, Werbefläche in den Kommunikationsmitteln, finanzielle Mittel bzw. materielle Anreize, Unterstützung in Form von zusätzlichem Personal usw.) ausübt.60 Dabei ist eine Gleichbehandlung der einzelnen Absatzmittler anzustreben, sofern diese bereit sind, gleiche Leistungen zu erbringen.61 Darüber hinaus haben die Aufgabenverteilung bzw. die jeweiligen Anreize und zu erbringenden Beiträge für alle Beteiligten transparent und nachvollziehbar zu sein, um 59 60 61
Vgl. Grün/Wolfrum 1994, S. 188. Vgl. Pabst 1993, S. 86. Vgl. Specht/Fritz 2005, S. 462.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
261
die Wahrnehmung einer (vermuteten) ungleichen Unterstützung durch Unternehmen zu vermeiden. Die Transparenz hat sich auch auf die eigenen Vertriebskanäle zu beziehen, um das Konkurrenzempfinden der Absatzmittler abzubauen, Fairness zu dokumentieren und Vertrauen zu schaffen. Vor dem Hintergrund der Erzielung einer hohen Leistungsbereitschaft von Absatzmittlern ist ferner zu berücksichtigen, dass die Übertragung bestimmter Aufgaben, beispielsweise die Beteiligung von Beratungsgremien der Absatzmittler in der Kommunikationsplanung von Unternehmen oder die Übernahme von Verkäuferschulungen durch Unternehmen, auch motivationale Wirkung für die Beteiligten haben kann. Auf Basis der idealtypisch formulierten Teilentscheidungen des Planungsprozesses der Integrierten Kommunikation von Unternehmen sowie der möglichen Beteiligung von Absatzmittlern in diesen Phasen,62 ist eine effiziente Aufgabenverteilung vorzunehmen sowie die Aktivitäten der Beteiligten abzustimmen. Schaubild 4-5 zeigt beispielhaft die IK-relevanten Aufgaben63 von Unternehmen und Absatzmittlern in den Phasen des Planungsprozesses im Fall einer idealtypischen Zusammenarbeit. Klare Regelungen beeinflussen durch die Aufgaben- und Kompetenzzuordnung die wechselseitigen Abstimmungsprozesse. Es ist ergänzend notwendig, dass die verbindlich festgelegte Aufgabenverteilung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern durch die Dokumentation in Verfahrensrichtlinien, Regeln, Handbüchern usw. gestützt wird. Diese grenzen den Handlungsspielraum der Beteiligten ein und standardisieren damit das Verhalten bis zu einem gewissen Grad bzw. vermitteln eine Routine und Sicherheit, die das Entstehen von Rollenkonflikten verhindert.64 Eine hohe Bedeutung kommt darüber hinaus der Verpflichtung beider Seiten zur Einhaltung der ihnen zugeteilten Aufgaben zu. Dies hat insbesondere für die Rollenkonflikte Konsequenzen, die aus einem bewussten Abweichen von den erwarteten Verhaltensweisen der jeweils anderen Partei oder aus Unklarheiten resultieren. Die vorliegende Untersuchung ergab, dass es sich dabei vor allem um Eigeninitiativen der Absatzmittler oder die unterschiedliche bzw. fehlende Unterstützung von Absatzmittlern durch Unternehmen handelt. Aus diesem Grund ist auf Unternehmensseite die Einhaltung der vereinbarten Unterstützung sicherzustellen, beispielsweise durch adäquat geschulte Ansprechpartner in Call Centern oder bei Hotlines, die zuverlässige Abstimmung der Geräteverfügbarkeit 62 63 64
Vgl. zum idealtypischen Planungsprozess der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten Abschnitt 1.3.3. Diese Aufgaben sind zusätzlich in die „klassische“ vertriebliche Zusammenarbeit von Unternehmen und Absatzmittlern zu integrieren. Vgl. Fuest 1998, S. 216.
262
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
und Kampagnen, verbesserte Weiterbildungsmaßnahmen, die personelle Unterstützung am PoS usw.
Unternehmen (U)
Wirtschaftswissenschaftliches Zentrum der Universität Basel Umsetzung Planung Analyse
Systematische und kontinuierliche Marktforschung Weitergabe relevanter Ergebnisse an Absatzmittler Nutzung bereitgestellter Analysen und Informationen
Absatzmittler (AM)
Beratung/Abstimmung
Erfassung IK-relevanter Daten am PoS (Markttrends, Kommunikationsbedürfnisse und Probleme der Kunden usw.) Weitergabe relevanter Ergebnisse an Unternehmen Nutzung bereitgestellter Analysen und Informationen
Entwicklung des Strategischen Konzeptes der IK unter Berücksichtigung der Doppelrolle von AM Entwicklung und Bereitstellung geeigneter Argumente und Aussagensysteme für AM Entwicklung gemeinsamer Kommunikationsaktivitäten Unterstützung der AM bei der Planung ihrer Kommunikationsaktivitäten (z.B. Zielgruppen- und Mediaplanung) Beratung/Abstimmung
Entwicklung von Kommunikationsstrategien bzw. Planung der (massen-)medialen Kommunikationsaktivitäten unter Berücksichtigung der formalen, inhaltlichen und zeitlichen Vorgaben von Unternehmen
Entwicklung und Umsetzung konkreter endkunden- und absatzmittlergerichteter Kommunikationsmaßnahmen Finanzielle, materielle und personelle Unterstützung
Austausch und Weitergabe relevanter Ergebnisse mit Absatzmittlern Nutzung bereitgestellter Informationen der Erfolgskontrolle
Beratung/Abstimmung
Beratung/Abstimmung
IK-adäquate Bewirtschaftung des PoS Erstellung von Kommunikationsmitteln (Verwendung bereitgestellter formaler Gestaltungselemente) Beratung der Kunden (Verwendung bereitgestellter Botschaften und Aussagen)
Beratende Unterstützung von Unternehmen bei der Kommunikationsplanung
Zeitliche Abstimmung der Kommunikationsaktivitäten
Planung
Durchführung von Wirkungs-, Effizienz- und Prozesskontrollen
Rechtzeitige Weitergabe aller Kommunikationsmittel für die Gestaltung des PoS und Beratung der Kunden
Entwicklung gemeinsamer Kommunikationsaktivitäten
Analyse
Kontrolle
Umsetzung
Erfassung IK-relevanter Daten am PoS (Wirkungen der Kommunikationsaktivitäten bei den Kunden usw.) und in den Prozessabläufen zwischen U und AM Austausch und Weitergabe relevanter Ergebnisse an Unternehmen Nutzung bereitgestellter Informationen der Erfolgskontrolle
Kontrolle
Schaubild 4-5: Idealtypische Aufgabenverteilung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern im Rahmen des Planungsprozesses der Integrierten Kommunikation
4.2.2.3
Koordination durch Anreiz und Motivation
Unternehmen und Absatzmittler arbeiten im Rahmen der Integrierten Kommunikation nur dann effizient und effektiv zusammen, wenn die Mitarbeitenden die zur Verfügung stehenden Informationen, die in kommunikationsbezogenen Schulungen vermittelten Kenntnisse, Systeme usw. auch nutzen und festgelegte Standards erfüllen wollen.65 Um die Verbesserung der Zusammenarbeit, d.h. eine Beeinflussung des „Wollens“ und den Abbau bzw. zumindest die Handhabung zielbedingter Konflikte sowie Interessengegensätze zwischen Unternehmen
65
Vgl. Klumpp 2000, S. 164.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
263
und Absatzmittlern zu erreichen, sind folgende Koordinationsmaßnahmen einzusetzen:66
Implementierung IK-gerechter Anreiz- und Vergütungssysteme und Kopplung der materiellen sowie personellen Unterstützung von Absatzmittlern an IK-spezifische Erfolgsgrößen,
Überprüfung durch Erfolgskontrollen und Erfassung geeigneter Erfolgsgrößen in den Zielsystemen von Unternehmen,
Formulierung abgestimmter Zielvereinbarungen bzw. Transparenz der Zielgrößen und Anreize sowie
Schaffung von Anreizen durch Consumer-Pull bzw. Attraktivitätssteigerung der Unternehmensmarke.
Ein wesentliches Koordinationsinstrument stellen IK-gerechte Anreiz- und Vergütungssysteme67 dar, die Unternehmen eine Möglichkeit bieten, Leistungsanreize für kommunikationsbezogene Erfolge zu setzen und die Integrationsbemühungen und -leistungen der eigenen Mitarbeitenden bzw. – im Rahmen des Abbaus der identifizierten Zielkonflikte – insbesondere von Absatzmittlern zu honorieren.68 Anreiz- und Vergütungssysteme haben demnach zum Ziel, das 66
67
68
Da in der vorliegenden Arbeit die Verhaltensbeziehungen auf Organisationsebene analysiert werden, konzentrieren sich die nachfolgenden Ausführungen auf Anreize bzw. Motivationsmaßnahmen für die gesamte Absatzmittlerorganisation. Für eine ausführliche Auseinandersetzung mit Anreizsystemen zur Implementierung der integrierten Kommunikationsarbeit, die sich insbesondere auf die individuelle Ebene konzentriert, vgl. die Arbeit von Boenigk 2001. In der Literatur existieren unterschiedliche Begriffsauffassungen von Anreizsystemen. Nach Kossbiel (1994, S. 78) konstituieren sich Anreizsysteme aus zwei Teilmengen. Zum einen aus einer Menge von Anreizen (Belohnungen und Bestrafungen) und zum anderen aus einer Menge von Bezugsobjekten (Kriterien, Bemessungsgrundlagen), die durch eine Kriterium-Anreiz-Funktion miteinander verknüpft sind. Vergütungssysteme lassen sich als Anreizsubsystem betrieblicher Anreizsysteme interpretieren, vgl. zu dieser Sicht z.B. auch Becker 1990, S. 12. Vgl. zu Vergütungssystemen z.B. Tuzovic 2004 und die dort angegebene Literatur. Ebenso sind unternehmensintern Mitarbeiteranreize zu schaffen, die die Umsetzung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten unterstützen. Die Betrachtung konzentriert sich an dieser Stelle jedoch auf geeignete absatzmittlergerichtete Anreiz- und Vergütungssysteme, mit denen der Abbau der identifizierten Zielkonflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern angestrebt wird. Für unternehmensinterne Anreizsysteme zur Erhöhung der Motivation für die Integrierte Kommunikation vgl. z.B. Boenigk 2001, S. 129ff.; Bruhn 2006a, S. 310ff. bzw. für die Unterstützung der Markenidentität durch Mitarbeitende z.B. Esch et al. 2005, S. 1004f.
264
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
Verhalten von Absatzmittlern auf allen Stufen derart zu beeinflussen, dass diese ihre Anstrengungen auf die Realisierung einer effizienten und effektiven Integrierten Kommunikation im Sinne eines Unternehmens ausrichten.69 Sie setzten an der Motivation an, die eine wesentliche Voraussetzung für das zielorientierte Verhalten ist.70 Die Motivation wiederum bestimmt sich durch die Bedürfnisstrukturen von Absatzmittlern bzw. deren Erwartungen, inwieweit ihr Verhalten dazu beitragen kann, die eigenen Bedürfnisse zu befriedigen.71 Ein Abbau bestehender Zielkonflikte und eine Erhöhung der Leistungsbereitschaft bzw. Motivation von Absatzmittlern zur Umsetzung der Integrierten Kommunikation sind dementsprechend durch das in Aussicht Stellen bzw. Gewähren entsprechender Leistungsanreize zu erreichen. Dabei handelt es sich beispielsweise um zusätzliche finanzielle Bezüge, erhöhte Provisionen, (Gruppen-)Boni oder immaterielle Incentives. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung zeigt sich, dass Unternehmen bereits intensiv versuchen, mit vielfältigen finanziellen und materiellen Anreizen das Verhalten ihrer Absatzmittler zu beeinflussen. Darüber hinaus ist festzustellen, dass innerhalb der untersuchten Branche die Absatzmittlervergütung in der Regel auf Provisions- bzw. Prämienbasis erfolgt. Die jeweilige Entlohnung ist jedoch ausschließlich an bestimmte umsatz- und absatzbezogene Kriterien gekoppelt. Damit die Leistungsanreize eine motivierende Wirkung im Sinne der integrierten Kommunikationsarbeit von Unternehmen entfalten, ist es folglich notwendig, in die bestehenden Anreiz- und Vergütungssysteme IK-spezifische Komponenten bzw. Erfolgsgrößen zu integrieren, auf deren Basis die Anreize und Provisionen entsprechend festgelegt werden. In diesem Zusammenhang bietet es sich für Unternehmen zudem an, die zugesagte materielle und personelle Unterstützung – die als zusätzlicher Leistungsanreiz für Absatzmittler zu verstehen ist – an entsprechende kommunikationsbezogene Erfolgsgrößen zu koppeln. Zu den herkömmlichen Größen wie Umsatz- und Abverkaufszahlen, Kosten, Deckungsbeiträgen usw. müssen demnach weitere Kennzahlen hinzutreten, die die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit von Absatzmittlern in Bezug auf die effiziente und effektive Umsetzung der Integrierten Kommunikation widerspiegeln. Dies erfordert die Formulierung und Festlegung geeigneter Verhaltensziele durch Unternehmen bzw. eine Entscheidung darüber, welche spezifischen Verhaltensweisen, Einstellungen gefördert werden und wie die IK-gerechte Leistung von Mitarbeitenden in den Filialen, Teams und Organisationseinheiten der Absatz69 70 71
Vgl. Hilty 2004, S. 133. Vgl. Laßmann 1992, S. 165. Vgl. Laux/Liermann 2005, S. 497ff. Vgl. hierzu auch die Ausführungen der AnreizBeitrags-Theorie in Abschnitt 2.3.2.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
265
mittler gemessen werden kann.72 Inwieweit das Ziel der Erhöhung der Motivation und Leistungsbereitschaft von Absatzmittlern vor dem Hintergrund der Realisation der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten erreicht werden kann, ist folglich von der Festlegung und Kontrolle geeigneter messbarer bzw. überprüfbarer Kriterien abhängig. Während die Kontrolle und Bewertung der inhaltlichen, formalen und zeitlichen Umsetzung in den (massen-)medialen Kommunikationsmitteln, beispielsweise durch die einheitliche Verwendung von Slogans, Symbolen, Farben oder Logos, die Konsistenz von Bildern in Broschüren oder Anzeigen, durch Korrekturschleifen oder „Fehlerquoten“ vergleichsweise einfach gemessen werden kann, gestaltet sich die Messung der IK-adäquaten Umsetzung in der persönlichen Kommunikation und der Gestaltung bzw. Atmosphäre des PoS schwieriger. In diesem Zusammenhang ist es jedoch möglich, dass im Rahmen von – in der Branche mehrheitlich durchgeführten – Erfolgskontrollen in Form von Mystery Shoppings, z.B. Erinnerungswerte der verwendeten Botschaften und Aussagen oder Eindrücke sowie Kriterien der Ladengestaltung erfasst und so die umgesetzten inhaltlichen, formalen und zeitlichen Integrationselemente gemessen werden.73 Schaubild 4-6 visualisiert die Prozesskomponenten der Dienstleistung „Mobilfunk“ durch ein Service Blueprinting.74 Hierzu kann für den Teilprozess „Abschluss des Mobilfunkvertrages“ eine Aufgliederung des Dienstleistungsprozesses in einzelne Episoden (Vornutzungs-, Nutzungs- und Nachnutzungsphase) sowie im Weiteren in einzelne Kontaktpunkte erfolgen (Betreten der Einkaufsstät72 73
74
Vgl. Hilty 2004, S. 147. Vgl. zur Messung der Mitarbeiterleistung im Servicekontakt mittels Mystery Shopping z.B. Lingenfelder/Schmidt/Wieseke 2006, S. 181ff. Steiff (2004, S. 141), der seine Betrachtungen auf Franchisesysteme konzentriert, weist darauf hin, dass der Einsatz von Mystery Shoppings als Kontrollmaßnahme zwar grundsätzlich gut geeignet ist, Informationen bezüglich der Standard- und Regeleinhaltung zu erheben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass verdeckte und unangekündigte Testkäufe von den Franchisenehmern als „absolute Misstrauenskontrollmaßnahme“ gewertet werden. Vor dem Hintergrund der Integration entsprechender IK-relevanter Komponenten in Anreiz- und Vergütungssysteme ist die Maßnahme jedoch nicht als Misstrauenssondern vielmehr als adäquate Leistungskontrolle zu verstehen. Vor dem Hintergrund der prozessorientierten Analyse der Dienstleistungsqualität und der Erfassung der Qualitätswahrnehmung von Konsumenten wurde Mitte der 1980er-Jahre von Shostack (1984a, S. 133ff., 1984b, S. 54ff., 1987, S. 35ff.) das so genannte Service Blueprinting entwickelt, mit dessen Hilfe Interaktionen bzw. Kontaktverläufe zwischen Dienstleistungsanbietern und Konsumenten grafisch abgebildet werden, um damit die konkrete Dienstleistungssituation möglichst vollständig zu erfassen. Ausführlich zum Service Blueprint vgl. Fließ/Nonnenmacher/Schmidt 2004, S. 177ff.; Bruhn 2006c, S. 114ff.
266
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
te, Begrüßung, Wartezeit, Beratung, Vertragsabschluss, Verabschiedung, Verlassen der Einkaufsstätte). Die so genannte Line of Visibility stellt dabei den für den Endkunden sichtbaren Teil eines Dienstleistungsprozesses dar.75 Ihr kommt eine besondere Bedeutung zu, da sie den Bereich markiert, dem Endkunden ihr jeweiliges Urteil über das von ihnen wahrgenommene einheitliche Erscheinungsbild eines Unternehmens, die Konsistenz der Botschaften oder die wahrgenommene Differenzierung von Wettbewerbern usw. zugrunde legen. Unternehmen können daher vor dem Hintergrund der Zielsetzungen der Integrierten Kommunikation für die jeweiligen Kontaktpunkte zwischen Absatzmittlern und Endkunden geeignete IK-relevante Einzelmerkmale formulieren, die die formale, inhaltliche und zeitliche Integration der Kommunikationsaktivitäten von Absatzmittlern ausdrücken (vgl. für beispielhafte Merkmale Schaubild 4-6).
Mobilfunkleistungen
Abschluss eines Mobilfunkvertrages
Informationsbeschaffung
Vornutzungsphase
Nutzung von Mobilfunkleistungen
Nutzung von Garantien, Serviceleistungen usw.
Nutzungsphase
Kündigung eines Mobilfunkvertrages
Prozess der Dienstleistung
Nachnutzungsphase
Episoden
Verabschiedung, Verlassen der Einkaufsstätte
Kontaktpunkte
Line of Visibility
Betreten der Einkaufsstätte, Begrüßung
Wartezeit
Beratung
Vertragsabschluss, Beratung
Erscheinungsbild des PoS (gepflegter Gesamtzustand)
Kenntnis und Verweis auf aktuelle Aktionen sowie Kampagnen
Ladengestaltung Schaufenstergestaltung
Verwendung kongruenter Botschaften und Argumente
Aktualität der PoS-Materialien (z.B. Flyer, Plakate, Broschüren) usw.
Kenntnis und Anwendung unterstützender Präsentationstools usw.
Beispiele IK-relevanter Einzelmerkmale der Kontaktpunkte
Schaubild 4-6: Blueprinting und IK-relevante Einzelmerkmale der Kontaktpunkte (in Anlehnung an Matzler/Pechlaner/Kohl 2000, S. 163; Lingenfelder/Schmidt/Wieseke 2006, S. 192)
75
Vgl. Corsten 2001, S. 159.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
267
Die Realisation einer hohen Leistungsbereitschaft und Motivation von Absatzmittlern zur Erbringung einer der IK-Strategie entsprechenden Leistung erfordert die Verankerung entsprechender Kriterien in den Erfolgsmessungen bzw. Anreiz- und Vergütungssystemen eines Unternehmens. Darüber hinaus sind die festgelegten Erfolgsgrößen der Absatzmittlerleistung im Zielsystem der Unternehmen zu verankern. Die Konsistenz von Markenbotschaften und -aussagen wird von zahlreichen Autoren als eine zentrale Erfolgsgröße des Markenerfolges herausgestellt.76 Im Rahmen der Markenführung versuchen so genannte Markenwertmodelle die vielfältigen Wirkungen einer Marke abzubilden und dadurch deren Erfolg zu erklären. Sie diskutieren eine Vielzahl von Bewertungsgrößen bzw. -indikatoren, die die Zusammenhänge zwischen den psychologischen Wirkungen, den Verhaltenswirkungen beim Kunden und schließlich den dadurch entstandenen ökonomischen Erfolg betrachten.77 Bruhn weist darauf hin, dass bei einer stark integrierten Kommunikation von einem höheren Markenwert auszugehen ist, als bei einer nicht-integrierten Kommunikation.78 Dabei kann der Markenwert insbesondere durch den Einsatz eines inhaltlich und formal abgestimmten Kommunikationsauftrittes gesteigert werden, da aufgrund der Integration beispielsweise eine stärkere Markenassoziation – und aus dieser resultierend eine höhere Bekanntheit und Vertrautheit – bei den Endkunden erfolgt. Es bietet sich daher an, die durch den Endkunden wahrgenommene Integrationsleistung von Absatzmittlern als eine Erfolgsgröße bzw. Komponente in den von Unternehmen herangezogenen Markenwertmodellen fest zu verankern, um den Erfolg besser sicht- und messbar zu machen. Die explizite Formulierung abgestimmter Zielvereinbarungen IK-bezogener Erfolgsgrößen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern dient allen Beteiligten zur Orientierung. Absatzmittler können grundsätzlich nur im Sinne der IK-Strategie handeln, wenn sie diese auch verstanden haben und wissen, welche Zielgrößen relevant bzw. wie diese ausgeprägt sind. Die Zielvereinbarungen nutzen der Kontrolle und Bewertung der vereinbarten Leistung zwischen Unternehmen und Absatzmittlern und geben beiden Parteien eine größere Sicherheit bei der 76
77
78
Vgl. insbesondere Urde 1994, S. 18ff.; Aaker 1996; de Chernatony/Segal-Horn 2003, S. 1095ff. Zu Erfolgsgrößen der Integrierten Kommunikation im Rahmen der wertorientierten Unternehmensführung vgl. Bruhn 2006a, S. 342ff. Zur ausführlichen Auseinandersetzung mit den Beziehungen zwischen der Integrierten Kommunikation, der Markt- bzw. Wettbewerbsorientierung sowie der Markenführung vgl. Reid/Luxton/Mavondo 2005, S. 11ff. Zu einem Überblick der unterschiedlichen Ansätze der Markenbewertung vgl. z.B. Kranz 2002; Cheridito 2003; Tomczak/Reinecke/Kaetzke 2004; Trommsdorff 2004; Esch/Geus 2005. Vgl. Bruhn 2006a, S. 345.
268
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
jeweiligen Planung. Ein wesentliches Problem bei Zielvereinbarungen ist jedoch darin zu sehen, dass es für einen einzelnen Absatzmittler intransparent ist, ob alle Absatzmittler in Bezug auf die Zielvereinbarungen gleich behandelt werden. Daher ist es notwendig, dass die Kriterien und die zu erreichenden Ausprägungen in den Zielgrößen für alle Beteiligten offensichtlich und klar nachvollziehbar sind, damit keine Störungen in den jeweiligen Anreiz-Beitrags-Bilanzen auftreten.79 Von Unternehmen festgesetzte Zielvorgaben sollen allen Absatzmittlern einen transparenten Überblick geben, um Vermutungen bezüglich möglicher Ungleichbehandlungen bereits im Vorfeld zu vermeiden. Schließlich ist es möglich, Anreize für Absatzmittler zu schaffen, die indirekt über den Endverbraucher in Richtung Absatzmittler wirken. Die Leistungsbereitschaft und Motivation von Absatzmittlern, sich im Sinne der angestrebten Integrierten Kommunikation von Unternehmen zu verhalten, setzt voraus, dass die Unternehmensmarke – als das Bezugsobjekt der Integrierten Kommunikation – für Absatzmittler eine Bedeutung hat. Daher ist die Attraktivität der Marke für die Absatzmittler zu stärken.80 Die Förderung einer hohen Attraktivität ist beispielsweise durch die Schaffung von Consumer-Pull-Anreizen möglich, z.B. durch die Sicherung der Markenstärke oder entsprechende Kommunikationsmaßnahmen, die sich an Endkunden richten. Die Pull-Anreize besitzen potenziell eine „Sogwirkung“ auf Absatzmittler, da sie ihnen ein bestimmtes Nachfragepotenzial, eine gewisse Kundenfrequenz in den Filialen oder die Imageprofilierung gegenüber den eigenen Wettbewerbern versprechen.81 Ein aufgebauter hoher Consumer-Pull in Form der vorhandenen Markenstärke bzw. den bestehenden Profilierungsmöglichkeiten ist schließlich in Anreize für Absatzmittler zu übersetzen. Dabei ist deutlich zu machen, wie leistungsstark ein Unternehmen gegenüber den Endkunden ist. Vor diesem Hintergrund ist die Bedeutung und Wirkungsweise der Integrierten Kommunikation als gemeinsames Ziel von Unternehmen und Absatzmittlern herauszustellen.82
79 80 81 82
Vgl. zum Gleichgewicht des Anreiz-Beitrags-Verhältnisses Abschnitt 2.3.2.1 Vgl. Esch/Redler 2004, S. 1482. Vgl. Tomczak/Schögel/Feige 2005, S. 1096. Vgl. Esch/Redler 2004, S. 1482.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
4.2.3
269
Zusammenfassender Überblick der Koordinationsmaßnahmen des präventiven und situativen Konfliktmanagements
Bereits zu Beginn von Kapitel 4 wurde darauf hingewiesen, dass die verschiedenen Koordinationsmaßnahmen stark miteinander verflochten sind und nur in ihrem Zusammenspiel ein Koordinationserfolg der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten erreicht werden kann. Die in den vorangegangenen Abschnitten dargestellten Koordinationsmaßnahmen lassen sich jeweils unterschiedlichen Schwerpunkten zuordnen, die durch die beschriebene problembezogene Systematisierung abgebildet werden. Sie wirken damit primär auf den Abbau bzw. die Vermeidung der jeweiligen Defizitbereiche, ergänzen und verstärken sich darüber hinaus gegenseitig.
tio n i na d r o Gremien Ko
O
e en Fachhändlerzog e Ausschüsse sb n Vorschlagswesen atio s i n rga Absatzmittler-Beratungsgremien Intra- und interorganisationale Teams
Situatives Konfliktmanagement Ko ord ina Datention bankpflege du rch IK-orientierte Inf orm Informationssysteme atio Informationspriorisierung n und -komprimierung IK-spezifische Informationsstandards
Planungsbezogene Koordination
Channel-Kommunikationsmanager Nutzung von Internetanwendungen Regeln Vollständige/rechtzeitige … Festlegung AM-spezifische Informationsweitergabe Checklisten der Aufgaben Aussagensysteme … Verfahrensrichtlinien AM-spezifische Aktionen KoordinationsFestlegung der Gegenleistungen Konsistenz/Verständlichkeit der maßnahmen Verpflichtung zur Aufgabenerfüllung AM-gerichteten Aktivitäten der IK in mehr… Zeithorizont/Intensität AM-spezifische stufigen der Aufgaben Argumentationsmuster …
Märkten
Gemeinsame Positionierungsmerkmale
Events Regeln/Programme Strategische Visionen Videos Schulungshandbücher Job Rotations Trainings/Workshops Informelle Netzwerke Leitsätze Seminare/Schulungen P
ers
on en b
Rekrutierungspolitik Weisungen … ezo ge E-Learning
ne
Ko
ord i
Coaching
na tion
Dokumentation in Handbüchern und Plänen IK-gerechte Anreiz- und Vergütungssysteme Erfolgskontrollen
…
IK-gerechte personelle und materielle Unterstützung
Verankerung im Zielsystem
otiv dM Messung IK-spezifischer n zu Erfolgsgrößen rei An h c Consumer ur nd Pull atio n i ord Ko
Schaubild 4-7: Zusammenfassender Überblick geeigneter Koordinationsmaßnahmen
n atio
Koordination durch Aufgabenzuteilung
Präventives Konfliktmanagement
270
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
Schaubild 4-7 gibt einen zusammenfassenden Überblick der vorgeschlagenen problembezogenen Koordinationsmaßnahmen und dient damit der Beantwortung von Forschungsfrage F6-2, die sich auf die Identifikation geeigneter bzw. konkretisierter Vorschläge für Koordinationsmaßnahmen bezieht. Unternehmen, die Kenntnisse über die Defizite und Konfliktbereiche mit ihren Absatzmittlern besitzen, können diese Zusammenstellung nutzen, um individuelle Handlungsmaßnahmen zu entwickeln. Bei der Festlegung spezifischer „Lösungspakete“ ist es jedoch notwendig, weitere situative Faktoren in die Betrachtung einzubeziehen. Es ist zu berücksichtigen, dass sich die Defizite in ihrer Art, Anzahl und Intensität je nach Absatzmittler und weiteren Rahmenbedingungen, die sich insbesondere aufgrund der Machtund Abhängigkeitskonstellationen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern ergeben, verändern. Darüber hinaus ist es notwendig, dass Unternehmen Entscheidungen über den Einsatz der Koordinationsmaßnahmen vor dem Hintergrund von Kosten-Nutzen-Überlegungen fällen. Diese Faktoren erfordern die Entwicklung unterschiedlicher Koordinationsmodelle bzw. die Berücksichtigung entsprechender Kriterien, auf die in Folgenden eingegangen wird.
4.3
Ansatzpunkte für die Entwicklung spezifischer Koordinationsmodelle
In den vorangegangen Abschnitten erfolgte die Entwicklung zahlreicher Koordinationsmaßnahmen, die im Rahmen des situativen sowie des präventiven Konfliktmanagements eingesetzt werden können, um den Abbau und die Vermeidung identifizierter Defizite der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu ermöglichen. Aufgrund einer in der Praxis bestehenden Heterogenität von Absatzmittlern bzw. der daraus resultierenden Unterschiede in der Art, Anzahl und Intensität von Konflikten und Defiziten, kann die Realisation einer integrierten Kommunikationsarbeit jedoch nur durch einen differenzierten Einsatz der Koordinationsmaßnahmen bei den unterschiedlichen Absatzmittlern erreicht werden. Damit die eingesetzten Koordinationsmaßnahmen eine optimale Wirkung entfalten, sind Ansatzpunkte für die Entwicklung unterschiedlicher Koordinationsmodelle zu identifizieren. Dabei bietet sich die Berücksichtigung der folgenden Kriterien an:
Angestrebter Grad der vertikalen Integrierten Kommunikation
Kooperationsbereitschaft von Absatzmittlern sowie
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
271
Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse zwischen Unternehmen und Absatzmittlern.
Die Auswahl eines geeigneten „Set“ an Koordinationsmaßnahmen hat vor dem Hintergrund entsprechender Effizienzüberlegungen zu erfolgen, d.h. der potenzielle Nutzen der Koordinationsmaßnahmen ist den jeweils entstehenden Kosten gegenüberzustellen. Die Kosten-Nutzen-Überlegungen leiten sich insbesondere aus dem von Unternehmen anzustrebenden Grad der vertikalen Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten ab. Dieser bezeichnet die jeweils angestrebte Durchsetzung der inhaltlichen, formalen und zeitlichen Integrationselemente bei den unterschiedlichen Absatzmittlern. Beispielsweise erscheint ein vollständiger Abbau von Defiziten, die aus dem Vorhandensein eines dominanten CDs der Absatzmittler resultieren, nicht möglich. Bestehen darüber hinaus auf Ebene der Kommunikationsziele sowie der Positionierung bei Unternehmen und Absatzmittlern große marktbezogene Unterschiede, ist eine inhaltliche Integration der jeweiligen Kommunikationsaktivitäten sehr viel schwieriger durchzusetzen. Sind hinsichtlich der Positionierung jedoch ähnliche Ausprägungen vorhanden, ist eine inhaltliche Integration vergleichsweise einfacher. Die Koordinationsmaßnahmen sind folglich vor dem Hintergrund der jeweils durchsetzbaren Integrationselemente zu formulieren. Entscheidungen über die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern können beispielsweise von der klassischen Arbeitsteilung, bei der die „notwendigsten“ Integrationselemente durchgesetzt werden, bis hin zur partnerschaftlichen Einbindung von Absatzmittlern gehen. Diese werden durch den grundsätzlichen Wunsch einer Zusammenarbeit bzw. eine hohe Kooperationsbereitschaft der Beteiligten beeinflusst.83 Wie eine kausalanalytische Studie von Homburg, Schneider und Fassnacht empirisch zeigt, bestimmt insbesondere die Ähnlichkeit der jeweiligen Organisationen das Ausmaß einer Kooperation zwischen Unternehmen und ihren Absatzmittlern.84 Die kommunikative Positionierung, beispielsweise hinsichtlich der Preis- und Qualitätsorientierung, sowie die
83
84
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit ist die Kooperation als eine auf freiwilliger Basis beruhende, vertraglich geregelte Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern zur Absicherung und Verbesserung der Leistungsfähigkeit zu verstehen. Für unterschiedliche Definitionen von Kooperationen im Handel vgl. MüllerHagedorn 2005, S. 1305ff. Grundlegend zu Kooperationen vgl. z.B. Swoboda 2005, S. 37ff.; Zentes/Swoboda/Morschett 2005, S. 3ff. Vgl. Homburg/Scheider/Fassnacht 2003, S. 31ff. Die Ähnlichkeit wird darüber hinaus durch die Beteiligung von Vertriebspartnern an den Entscheidungen von Unternehmen bestimmt.
272
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
jeweilige Unternehmenskultur sind zentrale Aspekte, die die interorganisationale Ähnlichkeit bestimmen.85 Die Durchsetzbarkeit der vertikalen Integrationselemente und die Intensität der Konflikte bzw. Zusammenarbeit wird darüber hinaus von weiteren Faktoren beeinflusst. Macht und Abhängigkeit wurden im Rahmen der vorliegenden Untersuchung als zentrale Faktoren identifiziert, aus denen die konfliktären Ziel-, Rollen- und Kommunikationsbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern resultieren.86 Die Konfliktintensität und vorhandenen Defizite werden im Wesentlichen durch die bestehenden Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse von Unternehmen und Absatzmittlern bestimmt. Inwieweit Unternehmen mit geeigneten Koordinationsmaßnahmen auf Absatzmittler einwirken können bzw. in welcher Intensität sie diese einzusetzen haben, um die angestrebten Koordinationsziele zu erreichen, hängt im Wesentlichen von der Macht gegenüber den jeweiligen Absatzmittlern ab. Diese bestimmt sich durch die Abhängigkeit von Absatzmittlern und den jeweiligen Sanktionsgrundlagen von Unternehmen bzw. deren Möglichkeiten der Machtausübung. Die Kooperationsbereitschaft bzw. der Ähnlichkeit von Absatzmittlern und Unternehmen sowie die Unternehmensmacht gegenüber Absatzmittlern können als Dimensionen verstanden werden, die vereinfachend angenommen die Ausprägungen „hoch“ und „niedrig“ annehmen können. Eine Gegenüberstellung der Dimensionen ermöglicht die Bildung unterschiedlicher vertikaler Integrationstypen, die für die Entwicklung geeigneter Koordinationsmodelle heranzuziehen sind (vgl. Schaubild 4-8).
85 86
Vgl. Homburg/Scheider/Fassnacht 2003, S. 36. Vgl. insbesondere Abschnitt 3.3.1.5 zu den Interdependenzen der identifizierten Verhaltensbeziehungen.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
273
hoch
Kooperationsbereitschaft bzw. Ähnlichkeit eines Absatzmittlers
Unternehmensdominante kooperative Integration (Beteiligung)
Absatzmittlerdominante kooperative Integration (Überzeugung)
UnternehmensDominante intervenierende Integration (Zwang)
Absatzmittlerdominante intervenierende Integration (Ruhigstellung)
niedrig hoch
Unternehmensmacht gegenüber Absatzmittlern
niedrig
Schaubild 4-8: Typologie zur Differenzierung vertikaler Integrationstypen Für jeden dieser vier Integrationstypen sind unterschiedliche Formen der Zusammenarbeit bzw. ein unterschiedlich gewichteter Einsatz und eine spezifische Intensität der Koordinationsmaßnahmen sinnvoll, damit die integrierte Kommunikationsarbeit in mehrstufigen Märkten effizient und effektiv zu erreichen ist. Dabei ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich der Einsatz der beschriebenen, insbesondere auf Harmonie zielende, Koordinationsmaßnahmen auf einem Kontinuum bewegt und ein erfolgreiches situatives sowie präventives Konfliktmanagement das „Zusammenspiel“ aller Koordinationsmaßnahmen erfordert. Es lassen sich mit den gebildeten Integrationstypen jedoch tendenzielle Schwerpunkte innerhalb der eingesetzten absatzmittlergerichteten Koordinationsmaßnahmen festmachen, die als Ansatzpunkte unterschiedlicher Koordinationsmodelle der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu verstehen sind. Diese können Unternehmen für die unternehmens- bzw. situationsspezifische Zusammenstellung geeigneter Koordinationsmaßnahmen heranziehen. Es lassen sich demnach vier grundsätzliche Integrationstypen sowie Schwerpunkte der Koordination von Absatzmittlern unterscheiden: (1) Unternehmensdominant-kooperative Integration – Beteiligung Dieser Integrationstyp zeichnet sich dadurch aus, dass Unternehmen eine hohe Macht gegenüber Absatzmittlern besitzen. Die Kooperationsbereitschaft bzw.
274
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
der Wunsch der Absatzmittler einer intensiven Zusammenarbeit sowie die Ähnlichkeit in der Positionierung der beiden Parteien und der Unternehmenskultur sind ebenso hoch ausgeprägt. Vor dem Hintergrund einer hohen Leistungsbereitschaft und Motivation der Absatzmittler bietet es sich an, mehrheitlich Koordinationsmaßnahmen einzusetzen, die eine aktive Beteiligung der Absatzmittler ermöglichen. Dies ist beispielsweise im Rahmen organisationsbezogener Koordinationsmaßnahmen durch die Bildung von Beratungsgremien oder von Ausschüssen möglich. Ebenso bieten sich personenbezogene Maßnahmen zur Schaffung einer entsprechenden IK-Kultur oder der Förderung eines hohen Integrationsbewusstseins an. (2) Absatzmittlerdominant-kooperative Integration – Überzeugung Besitzen Unternehmen nur geringe Möglichkeiten der Machtausübung gegenüber ihren Absatzmittlern, ist bei Absatzmittlern jedoch eine hohe Kooperationsbereitschaft sowie Ähnlichkeit vorhanden, handelt es sich um den zweiten Integrationstyp. In diesem Fall bietet sich die aktive Überzeugung der Absatzmittler durch ein Unternehmen an. Schwerpunkte der Koordinationsmaßnahmen liegen bei diesen insbesondere bei der planungs- und anreizbezogenen Koordination. Werden beispielsweise gemeinsame Positionierungsmerkmale herausgearbeitet und im Rahmen marktgerichteter Kommunikationsaktivitäten betont, schafft dies eine enge Verbindung bzw. Partnerschaft zwischen Unternehmen und Absatzmittlern. Darüber hinaus kann bei diesem Integrationstyp ein starker Consumer Pull oder die Unterstützung in Form vielfältiger Weiterbildungsangebote hohe Anreize zur IK-gerechten Leistungserbringung und Motivation der Absatzmittler bieten. (3) Unternehmensdominant-intervenierende Integration – Zwang Kennzeichen dieses Integrationstyps ist die Dominanz von Unternehmen gegenüber ihren Absatzmittlern. Unternehmensseitig stehen daher zahlreiche Möglichkeiten der Machtausübung zur Verfügung. Die Zusammenarbeit ist jedoch durch das Vorhandensein von Passivität und keiner bzw. einer nur geringen Kooperationsbereitschaft auf Absatzmittlerseite gekennzeichnet. Zudem sind hinsichtlich der kommunikativen Positionierungen von Unternehmen und Absatzmittlern (starke) Abweichungen festzustellen. In diesem Fall bietet es sich an, Schwerpunkte auf solche Koordinationsmaßnahmen zu legen, die einen starken Zwang auf die Absatzmittler ausüben und diesen die Erfüllung von „Mindeststandards“ bzw. fest vereinbarten Integrationselemente vorschreiben. Dies können beispielsweise im Rahmen der Koordination durch Aufgabenverteilung sowie der personenbezogenen Koordination Anweisungen, klare Regelungen oder Verfahrensrichtlinien sein.
Managementimplikationen zur Koordination indirekter Vertriebskanäle
275
(4) Absatzmittlerdominant-intervenierende Integration – Ruhigstellung Schließlich zeichnet sich der vierte Integrationstyp dadurch aus, dass nur geringe Möglichkeiten der Machtausübung von Unternehmensseite vorhanden sind und Absatzmittler darüber hinaus keine oder eine nur geringe Kooperationsbereitschaft aufweisen. Zusätzlich liegen auch in diesem Fall (starke) Abweichungen in der kommunikativen Positionierung vor. Vor diesem Hintergrund bietet es sich an, Absatzmittler „ruhig zu stellen“ und Schwerpunkte der Koordinationsmaßnahmen insbesondere auf die Koordination durch finanzielle Anreize zu legen. Dies kann beispielsweise durch die Festlegung eines entsprechenden variablen Anteils der Absatzmittlervergütung, der an IK-spezifische Erfolgsgrößen gekoppelt ist, erfolgen. Die dargestellten Überlegungen hinsichtlich möglicher Schwerpunkte der einzusetzenden Koordinationsmaßnahmen dienen abschließend zur Beantwortung von Forschungsfrage F6-3, die sich auf geeignete Kriterien bei der Entwicklung unterschiedlicher Koordinationsmodelle zur Steuerung von Absatzmittlern bezieht. Als zentrale Kriterien kristallisieren sich der angestrebte Grad der vertikalen Integrierten Kommunikation, die Kooperationsbereitschaft auf Absatzmittlerseite, die Ähnlichkeit von Unternehmen und Absatzmittlern in der kommunikativen Positionierung sowie die bestehenden Macht- und Abhängigkeitsverhältnisse heraus. Sie können zur Bildung von vier unterschiedlichen Integrationstypen verwendet werden und Unternehmen bei der Entwicklung einer adäquaten Zusammenstellung individueller Lösungspakete zur Sicherstellung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten unterstützen.
5
Zukünftiger Forschungsbedarf
Anliegen dieser Arbeit war es, die Koordinations- bzw. Steuerungsproblematik unternehmensfremder Absatzmittler in der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten theoretisch und empirisch zu durchdringen sowie darauf aufbauend geeignete Maßnahmen zur Umsetzung einer effektiven und effizienten Kommunikationsarbeit von Unternehmen zu entwickeln. Aufgrund des bisher geringen Erkenntnisstandes des Themas lag der Schwerpunkt der vorliegenden Arbeit auf der Systematisierung und Entstehung bzw. der empirischen Identifikation von Defiziten und Problemen, die aus der Zwischenschaltung von Absatzmittlern als Kommunikationskanäle von Unternehmen resultieren. Zur Strukturierung des Forschungsproblems wurden Forschungsfragen aufgestellt und konkretisiert, die im Rahmen dieser Arbeit Beantwortung fanden.1 Die theorie-, empirie- sowie managementbezogenen Erkenntnisse, die im Verlauf der Arbeit gewonnen wurden, zeigen jedoch auch neue Fragestellungen und Problemfelder auf. Schaubild 5-1 stellt den zukünftigen Forschungsbedarf überblicksartig dar.
Empirie Management
Forschungsschwerpunkt
Theorie
Problemfelder
Zukünftiger Forschungsbedarf
Theoretische Fundierung
(1)
Theoretische Fundierung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten
Definitorische Grundlagen
(2)
Konzeptualisierung zentraler Konstrukte und Betrachtung positiver Konfliktwirkungen
(3)
Integration und theoretische Fundierung moderierender Variablen
Qualitative Forschung
(4)
Quantitative Forschungsarbeiten
Zeitpunktbezogene Betrachtung
(5)
Erweiterung des Untersuchungsdesigns um dynamische Aspekte
Unternehmens- und Absatzmittlerperspektive
(6)
Erweiterung des Untersuchungsdesigns um die Kundenperspektive
Einzelbranchenanalyse
(7)
Prüfung der Ergebnisse in anderen Branchen
Koordinationsmaßnahmen und -modelle
(8)
Implementierung der vorgeschlagenen Koordinationsmaßnahmen in der Praxis
Absatzmittlertypen
(9)
Übertragung der Ergebnisse auf andere Absatzmittlertypen
Identifikation
(10)
Entwicklung von Konflikt-Frühwarnsystemen
Schaubild 5-1: Ansatzpunkte für zukünftige Forschungsarbeiten 1
Vgl. zur Zusammenfassung der Ergebnisse der Entstehung von Defiziten Abschnitt 3.4 sowie die Übersicht problembezogener Koordinationsmaßnahmen zum Abbau bzw. der Vermeidung von Defiziten in Kapitel 4, Schaubild 4-7.
278
Zukünftiger Forschungsbedarf
(1) Theoretische Fundierung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten Bisher existieren weder ein in sich geschlossenes Modell oder eine problemübergreifende Theorie zur Steuerung und Koordination unternehmensfremder Absatzmittler im Rahmen der Integrierten Kommunikation.2 Es liegen isolierte Versuche zur theoretischen Erklärung der Entstehung und des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation vor, die das Problem jedoch nur in seinen Ansätzen bzw. Teilaspekten zu erklären vermögen. In dieser Arbeit dienten verhaltenswissenschaftliche Theorien der Konfliktforschung sowie die Anreiz-Beitrags-Theorie und die ökonomische Transaktionskostentheorie zur Erklärung der Entstehung und des Abbaus von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Dabei berücksichtigten die herangezogenen Ansätze unterschiedliche Teilaspekte der Problematik zur Steuerung und Koordination unternehmensfremder Absatzmittler. Weiterer Forschungsbedarf ergibt sich daher für die theoretische Fundierung des entwickelten Konflikt- bzw. eines vollständigen Defizitmodells der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. Aufgabe ist es, in angrenzenden Forschungsbereichen des Marketing, beispielsweise der Organisationsforschung und der Unternehmensführung oder auch in anderen Disziplinen, z.B. der Psychologie, nach weiteren Aspekten und gemeinsamen Erklärungsbeiträgen zu suchen. (2) Konzeptualisierung zentraler Konstrukte und Betrachtung positiver Konfliktwirkungen In dieser Arbeit wurden durch die Analyse konfliktärer Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern verschiedene Problembereiche identifiziert, die als potenzielle oder konkrete Defizite bezeichnet wurden. Die begriffliche Klarheit stellt eine wesentliche Anforderung bei der Untersuchung neuer Forschungsgegenstände dar. Zukünftige Forschungsarbeiten sollten sich daher intensiv mit definitorischen Grundsatzfragen sowie der Konzeptualisierung der zentralen Konstrukte auf den unterschiedlichen Ebenen eines Konflikt- bzw. Defizitmodells der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten beschäftigen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, dass im Rahmen der vorliegenden Arbeit ausschließlich von einer dysfunktionalen Wirkung der Konflikte ausgegangen wurde. Innerhalb des Vertriebssystems bringen Konflikte demnach negative 2
Das situative Entscheidungsmodell von Tomczak (1992a) stellt zwar ein in sich geschlossenes Modell zur Steuerung unternehmensfremder Absatzmittler dar, berücksichtigt jedoch nur implizit die konfliktären Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern und keine IK-spezifischen Aspekte bzw. Schwerpunkte.
Zukünftiger Forschungsbedarf
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Konsequenzen mit sich, die sich mehrheitlich in der mangelnden Durchsetzung der effizienz- und effektivitätsorientierten Ziele der Integrierten Kommunikation und der fehlenden Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern dokumentieren. Die Analyse bisheriger Arbeiten der Konfliktforschung brachte jedoch hervor, dass Konflikten bis zu einem gewissen Intensitätsgrad auch eine positive Wirkung zugeschrieben wird.3 Nachfolgende Arbeiten können daher, beispielsweise im Rahmen kausalanalytischer Betrachtungen, zum Ziel haben, die positiven und negativen Konfliktwirkungen auf die Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu untersuchen, um das Konfliktmodell dadurch zu erweitern und die vorgeschlagenen Handlungsoptionen bzw. Managementimplikationen zu präzisieren. (3) Integration und theoretische Fundierung moderierender Variablen In der vorliegenden Arbeit wurde mit der Transaktionsatmosphäre lediglich ein einzelner und zudem relativ allgemeiner Faktor herausgearbeitet, der die Verhaltensbeziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern beeinflusst. Ziel zukünftiger Forschungsarbeiten kann eine präzise Operationalisierung der Transaktionsatmosphäre sowie eine systematische Betrachtung möglicher interner sowie externer moderierender Faktoren sein, die Einfluss auf die Konflikte zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bzw. die Steuerung der unternehmensfremden Absatzmittler nehmen.4 Beispielsweise bieten die stärkere Integration der Wettbewerberaktivitäten bzw. des eigenen Vertriebs, markt- und kundenbedingte Rahmenbedingungen oder die bisherige Dauer der Zusammenarbeit von Unternehmen und Absatzmittlern erste Ansatzpunkte für eine mögliche Erweiterung des Modells. Dabei ist jedoch darauf zu achten, dass die Auswahl und Betrachtung moderierender Faktoren nicht willkürlich erfolgt. Eine Aufgabe zukünftiger Forschungsarbeiten besteht daher in der Erarbeitung eines möglichst vollständigen Gesamtbildes hinsichtlich moderierender Effekte auf die Wirkungszusammenhänge des Konfliktmodells sowie beeinflussender Faktoren des Absatzkanalmanagements vor dem Hintergrund einer effizienten und effektiven Kommunikationsarbeit. Mögliche Variablen sind theoretisch zu fundieren, so dass mit diesen eine detaillierte Überprüfung im Rahmen quantitativer Datenanalysen, beispielsweise mittels konfirmatorischer Analysen, vorgenommen werden kann. Unter Berücksichtigung der entsprechenden moderierenden Faktoren ermöglicht die Analyse der Konflikt- und Verhaltenswirkungen ein präzisiertes Management der Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern im Rahmen der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten. 3 4
Vgl. zu den positiven Wirkungen von Konflikten und entsprechenden Forschungsarbeiten die Abschnitte 2.2.1 und 2.2.2. Vgl. zu moderierenden Faktoren z.B. Bruhn 1998; Giering 1999; Homburg 2000.
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(4) Quantitative Forschungsarbeiten Mit dem Ziel, erste Erkenntnisse über die bestehenden Defizite und Problembereiche der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu identifizieren, ist die Arbeit in ihrem empirischen Forschungsstil explorativ ausgerichtet und orientiert sich in den Phasen der Datenanalyse und Datenauswertung an dem induktiven Vorgehen der Grounded Theory. Entgegen dem in der deutschsprachigen Marketingforschung dominierenden Forschungsparadigma, das sich an quantitativen Methoden orientiert, wurden innerhalb der Untersuchung keine Hypothesen getestet, sondern es stand die Hypothesenbildung im Vordergrund. Dabei waren lediglich tendenzielle Aussagen über die Ursachen- und Wirkungsstruktur möglich. Diese Überlegungen können jedoch dazu verwendet werden, eine solche Strukturierung, wie sie durch den Analyserahmen bzw. das Konfliktmodell vorgegeben wurde, zu konkretisieren. Zukünftiger Forschungsbedarf besteht daher insbesondere in der Konkretisierung und Überprüfung des abgeleiteten Hypothesenkataloges sowie des entwickelten Konfliktmodells auf Basis quantitativer Forschungsansätze. Im Rahmen des Konfliktmodells wurden innerhalb der unterschiedlichen Ebenen und Dimensionen eine Vielzahl von Kategorien sowie Merkmalen der Defizitentstehung der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten entwickelt. Die Dimensionen des Modells können als Konstrukte und ihre identifizierten Kategorien als Indikatoren angesehen werden. Aufgrund dessen ist es möglich, das Konzept des Konfliktmodells als ein strukturelles Gleichungsmodell auszudrücken, in dem die wahrgenommene Ineffizienz und Ineffektivität der Integrierten Kommunikation die unsichtbare abhängige Variable und die Konfliktkonstrukte (Ausprägungen und Ursachen) der Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern die unsichtbaren unabhängigen Variablen darstellen. Dieses Modell kann getestet werden, indem Daten über die Indikatoren dieser Konstrukte in einer branchenübergreifenden Untersuchung gewonnen und mit geeigneten (Schätz-)Methoden bzw. Instrumenten (PLS, LISREL, AMOS) analysiert werden. Neben einer Überprüfung der allgemeinen Stimmigkeit des Konfliktmodells erscheint es zudem sinnvoll, dass zukünftige Studien spezifische Fragestellungen untersuchen, beispielsweise hinsichtlich der Stärke der Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge und Beziehungen, möglicher Wahrnehmungsunterschiede auf Unternehmens- und Absatzmittlerseite oder bei verschiedenen Absatzmittlertypen. Interessant wäre es zudem, mit Hilfe einer Faktorenanalyse die Existenz und Einteilung der verschiedenen Faktoren zu überprüfen sowie die Interdependenz der einzelnen Faktoren auszutesten. Das Wissen um die Zusammenhänge der einzelnen Faktoren ist für die Forschung aber auch für die Praxis von Belang, da sich
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hieraus die Konfliktreduktions- bzw. Koordinationsmaßnahmen noch verbessern, konkretisieren, planen und implementieren lassen. (5) Erweiterung des Untersuchungsdesigns um dynamische Aspekte Durch die in dieser Arbeit eingenommene zeitpunktbezogene Betrachtung der zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bestehenden Konflikte war es möglich, erste detaillierte Erkenntnisse über Problembereiche bzw. den Koordinationsbedarf der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten zu identifizieren. Es erfolgte eine einmalige Erhebung der Daten zur Identifikation potenzieller und konkreter Konflikte, deren Ursachen und Wirkungen. Zeitraumbezogene Konfliktanalysen untersuchen jedoch dynamische Entwicklungsprozesse von Konflikten. Zukünftiger Forschungsbedarf besteht in der Erweiterung der Problembetrachtung im Sinne einer dynamischen Konfliktanalyse und sich daraus ergebender Fragestellungen. Beispielsweise ist es möglich, durch Prozessanalysen das Phänomen zu verschiedenen Zeitpunkten zu betrachten, mit dem Ziel, die Analyse von Konflikten, deren Ausprägungen, Ursachen und Wirkungen im Zeitablauf zu erfassen und verschiedene Konfliktstadien zu identifizieren. Dabei ist es auch denkbar, dass Maßnahmen des Konfliktmanagements in die dynamische Analyse mit eingehen, um beispielsweise den Einfluss einzelner Koordinationsinstrumente auf bestimmte Defizite zu ermitteln. Die Effekte einzelner Faktoren auf die Konfliktwirkungen zu kennen, ist insbesondere aus ökonomischer Sicht bedeutsam, da mit diesen Erkenntnissen die Formulierung eines geeigneten Mix an Koordinationsmaßnahmen vor dem Hintergrund der KostenNutzen-Überlegungen von Unternehmen präzisiert werden können. (6) Erweiterung des Untersuchungsdesigns um die Kundenperspektive Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurde die Unternehmensperspektive eingenommen und innerhalb der empirischen Untersuchung der Defizitentstehung um die Absatzmittlerperspektive ergänzt. Aus Komplexitätsgründen wurde die Sicht der Endkunden bisher ausgeschlossen. Für die Ebenen der Konfliktausprägungen und -wirkungen ist diese nicht relevant, da hier insbesondere die Zusammenarbeit bzw. die Beziehungen zwischen Unternehmen und Absatzmittlern im Vordergrund stehen. Auf Ebene der Konfliktwirkungen jedoch, die durch Unternehmen und Absatzmittler lediglich als Vermutungen bzw. anzustrebende Ziele der Integrierten Kommunikation formuliert werden konnten, wäre eine Integration der Endkundenperspektive von hohem Interesse, um mögliche Probleme und Defizite bzw. den Integrations-, Abstimmungs- und Koordinationsbedarf zu priorisieren und dadurch Ansatzpunkte für die Gewichtung der Maßnahmen abzuleiten. Zukünftige Forschungsarbeiten und empirische Untersuchungen können daher zum Ziel haben, das bestehende Konfliktmodell um die Perspektive der Endkunden bzw. weiterer Zielgruppen der Kommunikation zu erweitern.
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(7) Prüfung der Ergebnisse in anderen Branchen Die empirische Untersuchung der vorliegenden Arbeit beschränkte sich auf die Analyse der Schweizer Mobilfunkbranche. Vor dem Hintergrund des explorativen Forschungsansatzes war es das Ziel der Arbeit, für konkrete in der Praxis identifizierte Problembereiche Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Wenngleich bei der Entwicklung geeigneter Koordinationsmaßnahmen darauf geachtet wurde, diese auch vor dem Hintergrund anderer Branchen zu formulieren, so ist dennoch festzustellen, dass mit dem gewählten Vorgehen keine allgemein gültigen Handlungsempfehlungen und Regeln entwickelt werden konnten. Die Einschränkung des Untersuchungsdesigns auf eine Branche und die darin agierenden Unternehmen führt daher zu einer eingeschränkten Generalisierbarkeit der Ergebnisse für andere Branchen. Daher sollten zukünftige Forschungsarbeiten die Unterschiede und Gemeinsamkeiten des bestehenden Koordinationsbedarfs bei unternehmensfremden Absatzmittlern in verschiedenen Branchen untersuchen. Grundsätzlich ist im Branchenkontext von Interesse, inwieweit das abgeleitete Konfliktmodell und die entwickelte Systematik geeigneter Koordinationsmechanismen generalisierbar sind bzw. wo sich zentrale Unterschiede ergeben, die Modifikationen notwendig machen. (8) Implementierung der vorgeschlagenen Koordinationsmaßnahmen in der Unternehmenspraxis Vor dem Hintergrund der identifizierten Defizite und dem daraus abgeleiteten Koordinationsbedarf wurden innerhalb der Arbeit systematisch geeignete Koordinationsmaßnahmen zum Abbau bzw. der Vermeidung von Defiziten der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten entwickelt. Der Erfolg der vorgeschlagenen Koordinationsmaßnahmen des situativen und präventiven Konfliktmanagements wie auch die Einsetzbarkeit und Ausgestaltung der unterschiedlichen Koordinationsmodelle in der Unternehmenspraxis konnte in dieser Arbeit jedoch nicht überprüft werden. Aufgaben zukünftiger Forschungsarbeiten liegen daher im Rahmen der Implementierung der jeweiligen Maßnahmen und der entsprechenden Erfolgsbewertung. Analog zur Überprüfung bestehender Defizite bietet sich auch in diesem Zusammenhang eine branchenübergreifende Betrachtung an. Entsprechende Forschungsarbeiten können beispielsweise als methodischen Hintergrund den Marketing-Action-Research-Ansatz, bei dem der „Action Researcher“ sowohl die Rolle des akademisch Forschenden als auch die des Praktikers bzw. externen Beraters einnimmt,5 oder die Case-Study-Methode anwenden. Deren Ziel ist die Beschreibung und Illustrierung realer Ereignisse und/oder die Erforschung sowie Erklärung komplexer kausaler Zusammenhänge 5
Vgl. zu dem Action-Research-Ansatz im Marketing z.B. Kates/Robertson 2004, S. 418ff.; Perry/Gummesson 2004, S. 310ff.; Gummesson 2005, S. 309ff.
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von realen Ereignissen.6 Falldarstellungen, die möglichst alle Fakten und ergänzende Aussagen enthalten, können die Ausgangslage für zu treffende unternehmerische Entscheidungen optimieren.7 (9) Übertragung der Ergebnisse auf andere Absatzmittlertypen Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden die Beziehungen zwischen Unternehmen und ihren unternehmensfremden, unabhängigen Absatzmittler untersucht, da bei diesem indirekten Vertriebskanal die meisten konfliktären Verhaltensbeziehungen und Problembereiche zu erwarten waren. Inwiefern sich die Ergebnisse und Handlungsempfehlungen auf andere Mittlertypen, beispielsweise gebundene, unternehmensfremde Absatzmittler oder die eigenen Vertriebskanäle übertragen lassen, ist im Rahmen zukünftiger Forschungsarbeiten zu untersuchen. Dieser weitere, aus Managementsicht zu vertiefende, Aspekt betrifft insbesondere globale Unternehmen, die in verschiedenen Ländern mit zahlreichen unterschiedlichen direkten und indirekten Vertriebskanälen operieren, die die Komplexität zusätzlich erhöhen. (10) Entwicklung von Konflikt-Frühwarnsystemen Die Position unternehmensfremder Absatzmittler als Kommunikationskanal von Unternehmen und der daraus resultierenden Bedeutung für die effiziente sowie effektive Kommunikationsarbeit von Unternehmen wurde im Rahmen der vorliegenden Arbeit herausgearbeitet. Die zwischen Unternehmen und Absatzmittlern bestehenden systemimmanenten Konflikte machen ein systematisches Konfliktmanagement notwendig. Hierzu wurden verschiedene Lösungsvorschläge sowie Handlungsempfehlungen in den Bereichen des situativen und präventiven Konfliktmanagements von Unternehmen abgeleitet, deren Einsatz den Abbau und die Vermeidung identifizierter Defizite ermöglicht. Zukünftiger Forschungsbedarf besteht jedoch in einer weitergehenden systematischen und institutionalisierten Identifikation potenzieller Defizite und Gefahren im Sinne eines Konflikt-Frühwarnsystems von Unternehmen. Dies erfordert jedoch entsprechendes (Management-)Wissen in Unternehmen über die Anwendbarkeit geeigneter Systeme und Methoden, beispielsweise hinsichtlich eines Vergleichs derzeit einsatzfähiger Prognosemethoden bzw. Frühwarnsysteme oder der Entwicklung neuer sowie der Optimierung der Prognosegüte bestehender Frühwarnsysteme. 6
7
Vgl. Yin 1994, S. 15, ähnlich Bortz/Döring 1995, S. 107; Scholz/Tietje 2001, S. 2. Zum Case Study Research vgl. ausführlich die Arbeit von Yin 1994, zur Fallstudie in der betriebswirtschaftlichen Forschung und Lehre, unterschiedlichen Fallstudienarten, den Beitrag der Fallstudie zur Erkenntnisgewinnung sowie als Instrument wissenschaftlicher Forschung vgl. insbesondere die Arbeiten von Meyer/Kittel-Wenger 2002; Meyer 2003, S. 475ff.; Specht/dos Santos/Bingemer 2004. Vgl. Meyer 2003, S. 476.
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Abschließend ist festzuhalten, dass das Konfliktmodell und die Ableitung eines „Sets“ an geeigneten Koordinationsmaßnahmen einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung des Gesamtverständnisses der Integrierten Kommunikation in mehrstufigen Märkten liefern. In der vorliegenden Arbeit konnten Erkenntnisse über Problembereiche, die mit der Zwischenschaltung von Absatzmittlern als Kommunikationskanal des Unternehmens entstehen, identifiziert, insbesondere jedoch strukturiert und vor diesem Hintergrund die für eine abgestimmte Kommunikationsarbeit notwendigen Managementimplikationen formuliert werden. Mit der theoretischen und empirischen Durchdringung der Problemstellung wird deutlich, dass das bestehende Konzept der Integrierten Kommunikation aufgrund der Mehrstufigkeit von Märkten einer vertieften absatzmittlerspezifischen Betrachtung bedarf, die über die bisherige im Konzept behandelte vertikale Integration hinausgeht.
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Zerfaß, A. (2004): Unternehmensführung und Öffentlichkeitsarbeit. Grundlegung einer Theorie der Unternehmenskommunikation und Public Relations, 2. Aufl., Wiesbaden.
Anhang Anhang 1:
Datenerhebung – Interviewleitfaden ........................................ 323
Anhang 2:
Datenanalyse – Kategoriensystem (Übersicht und Abkürzungen) .................................................. 327
Anhang 3:
Datenanalyse – Relative Häufigkeiten der Kodings................. 331
Anhang 4:
Datenanalyse –Absolute Häufigkeiten der Kodings................. 334
Anhang 5:
Datenanalyse – Ähnlichkeitsmatrix der einfachen Übereinstimmungen ................................................................. 337
Anhang 1: Datenerhebung: Interviewleitfaden Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten – Interviewleitfaden – Teil 1:
Verständigung über des Themenbereich und Erfassung der Ausgangssituation
Teil 2:
Konfliktanalyse und Kommunikative Validierung
Teil 3:
Geschlossene Fragen
Teil 1: Vorstellung des Themenbereichs und Ausgangssituation
Begrüßung,
Vorstellung,
Mündliche Einwilligung zur Aufnahme des Gesprächs mit dem Tonband (Mini Disc), Zusicherung der Anonymität,
Zusicherung der Neutralität (insbesondere bei den Absatzmittlern),
Verdeutlichung der Problemstellung,
Ausgangssituation: „Bitte beschreiben Sie kurz Ihren Aufgaben- und Tätigkeitsbereich innerhalb [Organisation]“
Mit welchen Absatzmittlern/Unternehmen arbeiten Sie zusammen?
Auswahl: [Absatzmittler A], [Absatzmittler B], [Absatzmittler C] usw.
Auswahl: [Unternehmen A], [Unternehmen B], [Unternehmen C] usw.
Welchen Anteil machen diese innerhalb ihrer gesamten Vertriebsstruktur/ innerhalb Ihres indirekten Vertriebskanals aus?
Welchen Anteil am Umsatz machen jeweilige Absatzmittler/Unternehmen aus?
324
Anhang
Teil 2: Konfliktanalyse Experten frei erzählen lassen, nur bei Bedarf eine Systematisierung nach dem Planungsprozess aufzeigen! Auf Umgangssprache achten!
Wie gestaltet sich im Rahmen der Kommunikation die Zusammenarbeit zwischen Unternehmen und Absatzmittlern?
Gibt es – die (Durchsetzung der) Kommunikationspolitik des Unternehmens betreffend – Probleme und Herausforderungen (Vermeiden: Streitfragen, Konfliktpotenziale) zwischen Unternehmen und Absatzmittlern?
Wenn ja, welche Probleme sind das?
Mögliche Nachfragen zu den Teilentscheidungen im Planungsprozess: Analyse
Vorliegen aller relevanten Daten über die Kommunikationssituation, aktives Teilen der Informationen, Berücksichtigung der Daten bzw. die Situation der Vertragspartner, Vorliegen unterschiedlicher Informations- und Datenbasis, Austausch in der Phase?
Planung
Bedeutung der Marke in der Kommunikation, Bearbeitung der Zielgruppen (Information/Abstimmung/Priorisierung), kommunikative Positionierung (Bekanntheit/Abweichungen), Einsatz von Kommunikationsinstrumenten (Abstimmung), Kommunikationsziele (Abweichungen), Budgetierungsfragen Streit um finanzielle/personelle Unterstützung)?
Umsetzung
Inhaltliche Gestaltung Existenz/Verwendung von Aussagen und Botschaften, Image- bzw. „Philosophiegerechte“ Beratung/Betreuung der Kunden, Bereitstellen, Aufgreifen und Kenntnis Argumentationsmuster?
Formale Gestaltung Bereitstellung/Existenz/Beachtung/Verwendung formaler Gestaltungselemente bzw. Slogans, bereitgestellter Materialien (Fehler/Mängel?)?
Zeitliche Gestaltung Kenntnis/Beteiligung an Aktionen, Bereitstellung von Zeitplänen?
Kulturell-personelle Integration Bedeutung/Bewusstsein für die Kommunikation, Zielgrößen, Qualifikation, Kooperationsbereitschaft?
Organisatorisch-strukturelle Integration Entscheidungsbefugnisse/Entscheidungsregeln/Weisungen, Verantwortliche (IK-Manager/Ansprechpersonen), gemeinsame Gremien, Schulungen (institutionalisiert/Inhalte)?
Kontrolle
Vorliegen aller relevanten Informationen (Effizienz-, Prozess-, Wirkungskontrollen), Austausch über Ergebnisse, gemeinsame Optimierung?
Anhang
325
Worauf lassen sich Ihrer Meinung die genannten Probleme zurückführen? Welche?
Mögliche Nachfragen hinsichtlich der Ursachen: Informationen
Mitteilen aller wichtigen Informationen, rechtzeitige Mitteilung, Übermitteln vertraulicher Informationen, informeller Austausch, unverfälschte/verständliche Formulierung der Informationen, Nachvollziehbarkeit, Missverständnisse, Kommunikationsatmosphäre?
Rollen
Unklarheiten/Überschneidungen/Missverständnisse/ unterschiedliche Meinungen über die Aufgabenverteilung, Bekanntheit, schriftliche Fixierung der Aufgabenverteilung in Handbüchern, Erwartungserfüllung/werden Aufgaben erfüllt, Verantwortung für Übernahme von Aufgaben, Zugehörigkeit zu weiteren Vertriebssystemen?
Ziele
Finanzielle Zuschüsse, materielle/immaterielle Ressourcen, Ziele der Kommunikation (Inhalte/ Priorisierung), Berücksichtigung der Interessen, unterschiedliche Beurteilung von Sachverhalten?
Macht
Abhängigkeit Unternehmen und Absatzmittler (finanziell/Ressourcen), Machtmittel, Ausnutzen von Machtpositionen, Bereitschaft fremde Entscheidungen zu akzeptieren (Machtunterwerfung), opportunistisches Handeln, Beteiligung an Entscheidungsprozessen, Einschätzung Machtverteilung, Sanktionen (Informationen, finanzielle Mittel, sachliche Zuwendungen, Dienstleistungen, Rechte usw.), Regelung der Kompetenzen?
Haben diese Probleme Auswirkungen (auf die (Integrierte) Kommunikation)? Welche?
Mögliche Nachfragen hinsichtlich der Auswirkungen: Ineffizienzen
Ressourcen, Synergien, Kosten?
Ineffektivität
Uneinheitliches Erscheinungsbild, kommunikative Differenzierung, Lerneffekte, Motivation?
326
Anhang
Teil 3: Kommunikative Validierung
Einschätzung der Wahrnehmung der genannten Probleme bzw. Konflikte durch den jeweiligen Absatzmittler/ das jeweilige Unternehmen.
Mögliche Maßnahmen zur Verbesserung der Zusammenarbeit?
Wünsche, was sich in der Zusammenarbeit verbessern sollte?
Bringen allgemeine Streitfragen (um Provisionen, Lieferzeiten usw.) auch Probleme für die Zusammenarbeit im Bereich der Kommunikation?
Gibt es bei den unterschiedlichen Formen der Absatzmittler Unterschiede in der Problematik der Zusammenarbeit?
Teil 4: Geschlossene Fragen
Fragen zur Person Dauer der Organisationszugehörigkeit Wie lange bereits in dieser Position
Frage nach weiteren potenziellen Gesprächspartnern, Adressen
Vielen Dank für das Gespräch und Ihre Unterstützung!
Anhang
327
Anhang 2: Datenanalyse: Kategoriensystem (Übersicht und Abkürzungen) Kodesystem
Abkürzungen
KONFLIKTAUSPRÄGUNGEN Analysephase
KA-A
Planungsphase Austausch (Beratung) Feedback des Absatzmittlers
KA-P-A1
Häufigkeit des Austausch
KA-P-A2
Inhalte der Jahrestreffen
KA-P-A3
Abstimmung und Transparenz
KA-P-A4
Konzept (Abstimmung) Planung der Botschaften, Aussagen
KA-P-K1
K-Instrumente und K-Mittel
KA-P-K2
Zielgruppen
KA-P-K3
Positionierung
KA-P-K4
Eigene Identität/Auftritt des Absatzmittler
KA-P-K5
Umsetzungsphase Formale Defizite Verwendung Elemente in Werbemitteln
KA-U-F1
Verwendung PoS-Material
KA-U-F2
Erscheinungsbild des PoS
KA-U-F3
Inhaltliche Defizite Verwendung von Botschaften
KA-U-I1
Beratung und Betreuung am PoS
KA-U-I2
Widersprüchliche Botschaftsgestaltung
KA-U-I3
328
Anhang
Kodesystem
Abkürzungen
Zeitliche Defizite Botschaften und Geräteverfügbarkeit
KA-U-Z1
Aktualität POS-Material
KA-U-Z2
Botschaften und Aktionen/Kampagnen
KA-U-Z3
Personell-kulturelle Defizite Qualifikation/Professionalität der Verkäufer
KA-U-PK1
Gegenseitige Wertschätzung/Akzeptanz
KA-U-PK2
Bedeutung/Verständnis für IK (AM)
KA-U-PK3
Bedeutung der IK für den Vertrieb (UNT)
KA-U-PK4
Konflikt Vertrieb vs. Marketing(Komm) (UNT)
KA-U-PK5
Organisatorisch-strukturelle Defizite Kleinere Strukturen/dezentrale Führung (AM)
KA-U-OS1
Fehlender Einbezug der K-Abteilung (UNT)
KA-U-OS2
Fehlende Kompetenzen (UNT)
KA-U-OS3
Kontrollphase
KA-K
KONFLIKTURSACHEN Transaktionsatmosphäre
KU-T
Zielkonflikte Verteilungskonflikte Provisionen und Incentives
KU-Z-VT1
Gestaltung der Anreiz-, Incentive-Systeme
KU-Z-VT2
Werbekostenzuschüsse
KU-Z-VT3
Umsatz- und Zeitdruck
KU-Z-VT4
Bewertungskonflikte Markenpräferenz vs. Einkaufsstättenprofil.
KU-Z-B1
Qualitätsimage vs. Preisaggressivität
KU-Z-B2
Markenimage vs. Sortimentsimage
KU-Z-B3
Anhang
329 Markenwerbung vs. Angebotswerbung
KU-Z-B4
3 Absender in der Branche
KU-Z-B5
Machtkonflikte Abhängigkeit AM: Gerätebeschaffung und Netz
KU-M-A1
AM: Unternehmenszweck
KU-M-A2
UNT: AM-Anteil am Vertrieb
KU-M-A3
Machtgrundlagen AM: Gatekeeper
KU-M-MG1
UNT: Marke
KU-M-MG2
UNT: Mittel und Ressourcen
KU-M-MG3
Rollenkonflikte Unvermeidbarer Rollenkonflikt Zugehörigkeit zu weiteren Systemen
KU-R-UR1
Vermeidbarer Rollenkonflikt Eigeninitiativen des Absatzmittler
KU-R-VR1
Aufbau/Förderung direkter Vertrieb
KU-R-VR2
Ungleiche Unterstützung der Kanäle (UNT)
KU-R-VR3
Rollendissens (Unklarheiten, Fehlinterpretationen) Fehlende Unterstützung durch UNT
KU-R-RD1
Aufgabenverteilung
KU-R-RD2
Informationskonflikte Fehlinterpretationen
KU-I-FE1
Unterbleibende Weitergabe Geheimhaltungsgründe (Bewusst)
KU-I-UW1
Wettbewerbsvorteile (Bewusst)
KU-I-UW2
Späte Info, unbewusstes Zurückhalten
KU-I-UW3
Filterung (Informationsüberlastung)
KU-I-FI1
330
Anhang
Kodesystem
Abkürzungen
KONFLIKTWIRKUNGEN Ineffektivität Uneinheitliches Erscheinungsbild
KW-IEK-1
Fehlende Synergiewirkungen
KW-IEK-2
Fehlende Differenzierung gg Wettbewerber
KW-IEK-3
Fehlende Motivation
KW-IEK-4
Erhöhte Kosten
KW-IEF-1
Suboptimaler Ressourceneinsatz
KW-IEF-2
Verlangsamung der Prozesse
KW-IEF-3
Ineffizienz
Anhang
331
Anhang 3: Datenanalyse – Relative Häufigkeiten der Kodings Relative Häufigkeiten der Kodings
UNT
AM
SE
OE
Ges.
N=9
N=5
N=8
N=6
N=14
KA-A
4
0
3
1
4
Feedback des Absatzmittlers
KA-P-A1
1
2
2
1
3
Häufigkeit des Austausch
KA-P-A2
4
0
4
0
4
Inhalte der Jahrestreffen
KA-P-A3
6
3
6
3
9
Abstimmung und Transparenz
KA-P-A4
4
2
4
2
6
KATEGORIE
Abkürzung
KONFLIKTAUSPRÄGUNGEN Analysephase Planungsphase Austausch (Beratung)
Konzept (Abstimmung) Planung der Botschaften
KA-P-K1
7
4
6
5
11
K-Instrumente und K-Mittel
KA-P-K2
3
1
3
1
4
Zielgruppen
KA-P-K3
4
1
4
1
5
Positionierung
KA-P-K4
4
3
7
0
7
Eigene Identität/Auftritt des AM
KA-P-K5
7
4
5
6
11
Verwendung Elemente Werbemitt.
KA-U-F1
5
2
5
2
7
Verwendung PoS-Material
KA-U-F2
7
2
4
5
9
Erscheinungsbild des PoS
KA-U-F3
4
0
2
2
4
Verwendung von Botschaften
KA-U-I1
5
2
5
2
7
Beratung und Betreuung am PoS
KA-U-I2
6
2
5
3
8
Widersprüchliche Botschaften
KA-U-I3
7
0
4
3
7
Botschaften – Geräteverfügbarkeit
KA-U-Z1
1
2
2
1
3
Aktualität POS-Material
KA-U-Z2
4
3
3
4
7
Botschaften – Aktionen/Kampagne
KA-U-Z3
2
1
0
3
3
Qualifikation/Professionalität
KA-U-PK1
9
3
7
5
12
Gegenseitige Wertschätzung
KA-U-PK2
3
3
4
2
6
Umsetzungsphase Formale Defizite
Inhaltliche Defizite
Zeitliche Defizite
Personell-kulturelle Defizite
UNT = Unternehmen, AM = Absatzmittler, SE = Strategische Ebene, OE = Operative Ebene, Ges. = Gesamt
332
Anhang
Relative Häufigkeiten der Kodings KATEGORIE
Abkürzung
UNT
AM
SE
OE
Ges.
N=9
N=5
N=8
N=6
N=14
6
2
4
4
8
Personell-kulturelle Defizite (Fortsetzung) Bedeutung/Verständnis für IK (AM)
KA-U-PK3
Bedeutung der IK – Vertrieb (UNT)
KA-U-PK4
6
0
3
3
6
Konflikt Vertrieb –Marketing (U)
KA-U-PK5
7
1
4
4
8
Organisatorisch-strukturelle Defizite Strukturen/dezentrale Führung
KA-U-OS1
4
1
3
2
5
Fehlender Einbezug der KAtlg. (U)
KA-U-OS2
4
1
3
2
5
Fehlende Kompetenzen (UNT)
KA-U-OS3
3
4
3
4
7
Kontrollphase
KA-K
2
1
3
0
3
Provisionen und Incentives
KU-Z-VT1
7
4
7
4
11
Gestaltung Incentivesysteme
KU-Z-VT2
3
1
2
2
4
KONFLIKTURSACHEN Zielkonflikte Verteilungskonflikte
Werbekostenzuschüsse
KU-Z-VT3
9
5
8
6
14
Umsatz- und Zeitdruck
KU-Z-VT4
5
2
3
4
7
Markenpräferenz vs. Einkaufsstätte
KU-Z-B1
4
5
6
3
9
Qualität vs. Preisaggressivität
KU-Z-B2
6
2
5
3
8
Markenimage vs. Sortimentsimage
KU-Z-B3
3
5
3
5
8
Marken- vs. Angebotswerbung
KU-Z-B4
3
1
2
2
4
3 Absender in der Branche
KU-Z-B5
4
4
6
2
8
Bewertungskonflikte
Machtkonflikte Abhängigkeit Gerätebeschaffung und Netz
KU-M-A1
0
2
1
1
2
Unternehmenszweck
KU-M-A2
6
4
5
5
10
AM-Anteil am Vertrieb
KU-M-A3
6
3
6
3
9
Gatekeeper
KU-M-MG1
6
3
5
4
9
Marke
KU-M-MG2
7
5
7
5
12
Mittel und Ressourcen
KU-M-MG3
6
1
4
3
7
Machtgrundlagen
UNT = Unternehmen, AM = Absatzmittler, SE = Strategische Ebene, OE = Operative Ebene, Ges. = Gesamt
Anhang
333
Relative Häufigkeiten der Kodings
UNT
AM
SE
OE
Ges.
Abkürzung
N=9
N=5
N=8
N=6
N=14
KU-R-UR1
8
4
7
5
12
Eigeninitiativen des Absatzmittler
KU-R-VR1
4
3
4
3
7
Aufbau/Förderung direkter Vertrieb
KU-R-VR2
4
3
3
4
7
Ungleiche Unterstützung (UNT)
KU-R-VR3
8
2
6
4
10
KATEGORIE Rollenkonflikte Unvermeid. Rollenkonflikt Zugehörigkeit weitere Systemen Vermeidbarer Rollenkonflikt
Rollendissens Fehlende Unterstützung UNT
KU-R-RD1
6
5
6
5
11
Aufgabenverteilung
KU-R-RD2
7
4
6
5
11
KU-I-FE1
3
3
1
5
6
Geheimhaltungsgründe (Bewusst)
KU-I-UW1
5
3
5
3
8
Wettbewerbsvorteile (Bewusst)
KU-I-UW2
7
4
6
5
11
Unbewusstes Zurückhalten
KU-I-UW3
6
2
4
4
8
Filterung (Info-überlastung)
KU-I-FI1
4
4
4
4
8
Uneinheitliches Erscheinungsbild
KW-IEK-1
6
2
3
5
8
Fehlende Synergiewirkungen
KW-IEK-2
5
3
5
3
8
Fehlende Differenzierung
KW-IEK-3
3
2
3
2
5
Fehlende Motivation
KW-IEK-4
4
3
4
3
7
Erhöhte Kosten
KW-IEF-1
6
3
6
3
9
Suboptimaler Ressourceneinsatz
KW-IEF-2
7
1
6
2
8
Verlangsamung der Prozesse
KW-IEF-3
2
3
4
1
5
Informationskonflikte Fehlinterpretationen Unterbleibende Weitergabe
KONFLIKTWIRKUNGEN Ineffektivität
Ineffizienz
UNT = Unternehmen, AM = Absatzmittler, SE = Strategische Ebene, OE = Operative Ebene, Ges. = Gesamt
334
Anhang
Anhang 4: Datenanalyse – Absolute Häufigkeiten der Kodings Absolute Häufigkeiten der Kodings
UNT
AM
SE
OE
Ges.
N=9
N=5
N=8
N=6
N=14
KA-A
5
0
4
1
5
Feedback des Absatzmittlers
KA-P-A1
2
3
3
2
5
Häufigkeit des Austausch
KA-P-A2
6
0
6
0
6
Inhalte der Jahrestreffen
KA-P-A3
9
4
8
5
13
Abstimmung und Transparenz
KA-P-A4
5
3
6
2
8
Planung der Botschaften
KA-P-K1
13
5
13
5
18
K-Instrumente und K-Mittel
KA-P-K2
7
1
4
4
8
Zielgruppen
KA-P-K3
4
1
4
1
5
Positionierung
KA-P-K4
4
4
8
0
8
Eigene Identität/Auftritt des AM
KA-P-K5
14
10
7
17
24
Verwendung Elemente Werbemitt.
KA-U-F1
13
3
10
6
16
Verwendung PoS-Material
KA-U-F2
14
2
6
10
16
Erscheinungsbild des PoS
KA-U-F3
7
0
4
3
7
Verwendung von Botschaften
KA-U-I1
11
2
9
4
13
Beratung und Betreuung am PoS
KA-U-I2
10
2
8
4
12
Widersprüchliche Botschaften
KA-U-I3
11
0
7
4
11
Botschaften – Geräteverfügbarkeit
KA-U-Z1
1
4
3
2
5
Aktualität POS-Material
KA-U-Z2
6
3
4
5
9
Botschaften – Aktionen/Kampagne
KA-U-Z3
3
2
0
5
5
Qualifikation/Professionalität
KA-U-PK1
15
3
8
10
18
Gegenseitige Wertschätzung
KA-U-PK2
9
6
6
9
15
KATEGORIE
Abkürzung
KONFLIKTAUSPRÄGUNGEN Analysephase Planungsphase Austausch (Beratung)
Konzept (Abstimmung)
Umsetzungsphase Formale Defizite
Inhaltliche Defizite
Zeitliche Defizite
Personell-kulturelle Defizite
UNT = Unternehmen, AM = Absatzmittler, SE = Strategische Ebene, OE = Operative Ebene, Ges. = Gesamt
Anhang
335
Absolute Häufigkeiten der Kodings KATEGORIE
Abkürzung
UNT
AM
SE
OE
Ges.
N=9
N=5
N=8
N=6
N=14
11
4
9
6
15
Personell-kulturelle Defizite (Fortsetzung) Bedeutung/Verständnis für IK (AM)
KA-U-PK3
Bedeutung der IK – Vertrieb (UNT)
KA-U-PK4
10
0
6
4
10
Konflikt Vertrieb –Marketing (U)
KA-U-PK5
12
1
6
7
13
Organisatorisch-strukturelle Defizite Strukturen/dezentrale Führung
KA-U-OS1
11
1
9
3
12
Fehlender Einbezug der KAtlg. (U)
KA-U-OS2
10
1
7
4
11
Fehlende Kompetenzen (UNT)
KA-U-OS3
5
8
8
5
13
Kontrollphase
KA-K
4
1
5
0
5
Provisionen und Incentives
KU-Z-VT1
22
9
19
12
31
Gestaltung Incentivesysteme
KU-Z-VT2
6
1
3
4
7
Werbekostenzuschüsse
KU-Z-VT3
29
10
21
18
39
Umsatz- und Zeitdruck
KU-Z-VT4
9
4
6
7
13
Markenpräferenz vs. Einkaufsstätte
KU-Z-B1
5
6
8
3
11
Qualität vs. Preisaggressivität
KU-Z-B2
12
4
10
6
16
Markenimage vs. Sortimentsimage
KU-Z-B3
4
11
4
11
15
Marken- vs. Angebotswerbung
KU-Z-B4
6
1
5
2
7
3 Absender in der Branche
KU-Z-B5
7
7
10
4
14
KONFLIKTURSACHEN Zielkonflikte Verteilungskonflikte
Bewertungskonflikte
Machtkonflikte Abhängigkeit Gerätebeschaffung und Netz
KU-M-A1
0
5
3
2
5
Unternehmenszweck
KU-M-A2
9
8
9
8
17
AM-Anteil am Vertrieb
KU-M-A3
13
3
12
4
16
Gatekeeper
KU-M-MG1
13
6
9
10
19
Marke
KU-M-MG2
19
7
17
9
26
Mittel und Ressourcen
KU-M-MG3
17
1
12
6
18
Machtgrundlagen
UNT = Unternehmen, AM = Absatzmittler, SE = Strategische Ebene, OE = Operative Ebene, Ges. = Gesamt
336
Anhang
Absolute Häufigkeiten der Kodings
UNT
AM
SE
OE
Ges.
Abkürzung
N=9
N=5
N=8
N=6
N=14
KU-R-UR1
20
10
16
14
30
Eigeninitiativen des Absatzmittler
KU-R-VR1
5
4
4
5
9
Aufbau/Förderung direkter Vertrieb
KU-R-VR2
9
10
11
8
19
Ungleiche Unterstützung (UNT)
KU-R-VR3
15
3
10
8
18
KATEGORIE Rollenkonflikte Unvermeid. Rollenkonflikt Zugehörigkeit weitere Systemen Vermeidbarer Rollenkonflikt
Rollendissens Fehlende Unterstützung UNT
KU-R-RD1
13
23
15
21
36
Aufgabenverteilung
KU-R-RD2
11
5
9
7
16
KU-I-FE1
6
7
2
11
13
Geheimhaltungsgründe (Bewusst)
KU-I-UW1
7
3
7
3
10
Wettbewerbsvorteile (Bewusst)
KU-I-UW2
7
6
6
7
13
Unbewusstes Zurückhalten
KU-I-UW3
7
3
4
6
10
Filterung (Info-überlastung)
KU-I-FI1
9
7
7
9
16
Uneinheitliches Erscheinungsbild
KW-IEK-1
9
7
5
11
16
Fehlende Synergiewirkungen
KW-IEK-2
7
3
5
5
10
Fehlende Differenzierung
KW-IEK-3
3
2
3
2
5
Fehlende Motivation
KW-IEK-4
6
7
7
6
13
Erhöhte Kosten
KW-IEF-1
11
4
11
4
15
Suboptimaler Ressourceneinsatz
KW-IEF-2
11
1
8
4
12
Verlangsamung der Prozesse
KW-IEF-3
3
7
9
1
10
Informationskonflikte Fehlinterpretationen Unterbleibende Weitergabe
KONFLIKTWIRKUNGEN Ineffektivität
Ineffizienz
UNT = Unternehmen, AM = Absatzmittler, SE = Strategische Ebene, OE = Operative Ebene, Ges. = Gesamt
Anhang
337
Anhang 5: Datenanalyse – Ähnlichkeitsmatrix der einfachen Übereinstimmungen
Basler Schriften zum Marketing Herausgegeben von Professor Dr. Manfred Bruhn Band 17 Mark Richter Dynamik von Kundenerwartungen im Dienstleistungsprozess Konzeptionalisierung und empirische Befunde 2005, XXIII, 307 Seiten, Broschur EUR 55,90 ISBN 978-3-8349-0077-7 Band 18 Grit Mareike Ahlers Organisation der Integrierten Kommunikation Entwicklung eines prozessorientierten Organisationsansatzes 2006, XXIII, 381 Seiten, Broschur EUR 59,90 ISBN 978-3-8349-0292-4 Band 19 Dirk Steffen Die Potenzialqualität von Dienstleistungen Konzeptualisierung und empirische Prüfung 2006, XXIV, 337 Seiten, Broschur EUR 55,90 ISBN 978-3-8349-0314-3 Band 20 Sandrina Meldau Qualitätsmessung in Dienstleistungscentern Konzeptualisierung und empirische Überprüfung am Beispiel eines Verkehrsflughafens 2007, ca. 400 Seiten, Broschur ca. EUR 59,90 ISBN 978-3-8349-0316-7 Band 21 Manfred Bruhn Integrierte Kommunikation in den deutschsprachigen Ländern Bestandsaufnahme in Deutschland, Österreich und der Schweiz 2006, XLII, 494 Seiten, Broschur EUR 89,00 ISBN 978-3-8349-0345-7 Band 22 Kristina Lasotta Integrierte Kommunikation in mehrstufigen Märkten Theoretische und empirische Analyse am Beispiel der Schweizer Mobilfunkbranche 2007, XVIII, 337 Seiten, Broschur EUR 55,90 ISBN 978-3-8349-0523-9