Jochen Klement Kreditrisikohandel, Basel II und interne Märkte in Banken
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
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Jochen Klement Kreditrisikohandel, Basel II und interne Märkte in Banken
GABLER EDITION WISSENSCHAFT
Jochen Klement
Kreditrisikohandel, Basel II und interne Märkte in Banken Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Manfred Steiner
Deutscher Universitäts-Verlag
Bibliografische Information Der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität Augsburg, 2006
. . 1. Au 1. Auflage Januar 2007 Alle Rechte vorbehalten © Deutscher Universitäts-Verlag | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2007 Lektorat: Brigitte Siegel / Stefanie Brich Der Deutsche Universitäts-Verlag ist ein Unternehmen von Springer Science+Business Media. www.duv.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: Regine Zimmer, Dipl.-Designerin, Frankfurt/Main Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8350-0672-0
Geleitwort
V
Geleitwort Es ist derzeit am Finanzmarkt deutlich festzustellen, dass der Kreditrisikotransfer im Rahmen einer marktlichen Koordination innerhalb einer Bank oder eines Bankverbundes an Bedeutung gewinnt. Die bisher vorherrschende Strategie des Buy-and-Hold im Kreditbereich wird immer mehr durch eine aktive Steuerung des Kreditportfolios abgelöst. Dies ist am Finanzmarkt vor allem anhand der Zunahmen von Verbriefungstransaktionen ersichtlich. Als Beweggründe hierfür erweisen sich die abnehmenden Margen im Kreditgeschäft und im klassischen Investment-Banking sowie die gestiegenen Anforderungen der Eigenkapitalgeber und Aufsichtsbehörden. Daher stellen die Flexibilität und die Anpassungsbereitschaft der Institute zentrale Erfolgsgrößen dar. Die derzeitigen ökonomischen und aufsichtsrechtlichen Rahmenbedingungen bilden die Basis für die vorliegende Arbeit. Eine dezentrale marktliche Koordination kristallisiert sich als ein möglicher Mechanismus zur Optimierung des Risiko-/Nutzenprofils im Kreditbereich von Banken heraus, den der Autor hinsichtlich bankinterner und semi-interner Gestaltungsformen analysiert. Das System interner Märkte in Banken (SimBa) ist die konkrete Umsetzung eines Systems zur Abbildung dieser Koordinationsform, die sowohl in wissenschaftlicher als auch in praktischer Hinsicht aktuell ist und künftig innerhalb und zwischen den Instituten eine große Rolle beim Kreditrisikotransfer spielen kann. In einer Reihe von Experimenten konnte im Rahmen der vorliegenden Arbeit die Vorteilhaftigkeit von SimBa aufgezeigt werden. Ausgangspunkt der Untersuchung sind die ökonomischen und aufsichtsrechtlichen Vorgaben, die in ausführlicher und verständlicher Form dargeboten werden, so dass die derzeit in der Bankenlandschaft existierenden Problemstellungen im Bankcontrolling unter Berücksichtigung der neuesten aufsichtsrechtlichen Regelungen (MaRisk, Basel II, SolvV-E) veranschaulicht und analysiert werden. Kernpunkt ist das knappe haftende Eigenkapital, das für die ökonomische und aufsichtsrechtliche Unterlegung von Risiken erforderlich ist. Deshalb ist der Aufbau eines zweckmäßigen Risikomanagementsystems von entscheidender Bedeutung. Der dritte Teil der Untersuchung beschäftigt sich mit der Fragestellung, wie ein interner Markt als Steuerungsinstrument theoretisch ausgestaltet werden soll, um die Handelsabteilung und das Bankcontrolling angemessen bei der Allokation von Renditepotenzialen und Risiken zu unterstützen. Dazu werden verschiedene treffende Kriterien gewählt, anhand derer die Marktausgestaltung analysiert und diskutiert wird.
VI
Geleitwort
Im vierten Teil greift Herr Klement die zuvor theoretisch abgeleiteten Anforderungen an einen internen Marktmechanismus auf und beschreibt die praktische Implementierung anhand des von ihm selbst programmierten Systems SimBa. Dabei wird spezielles Augenmerk auf die Handelsfunktionalität und die Reportingmöglichkeiten gelegt. Im Rahmen der Handelsmöglichkeiten wird vor allem auf die Übertragung von Kreditrisiken eingegangen. Aufbauend auf dem System SimBa werden die Ergebnisse verschiedener, durchgeführter Experimente detailliert vorgestellt. Dabei findet eine Unterteilung nach reinen internen und nach semi-internen Bankmärkten statt. Den Ergebnissen der Experimente zufolge wird eine Konkurrenzsituation zwischen den teilnehmenden Akteuren geschaffen, die mit den dezentral verfügbaren Informationen die Maximierung ihres Nutzen-/Risikoprofils anstreben. Die an diesem Markt generierten Preise für Kredite bieten wertvolle Informationen für das Bankmanagement. Die Ergebnisse der Experimente zeigen, dass speziell beim Handel auf semi-internen Märkten zwischen Banken mit unterschiedlichem Kredit(risiko)profil bezüglich Einzeladressen, Branchen und Regionen vor allem in ökonomischer Hinsicht Steuerungsimpulse gegeben werden, die bei allen Beteiligten zu einer Steigerung des Nutzen-/Risikoprofils beitragen. Die vorliegende Dissertation richtet sich vor allem an Wissenschaftler und Praktiker im Bereich der Finanz- und Bankwirtschaft. Da die Untersuchung auf den aktuellen ökonomischen und aufsichtsrechtlichen Grundlagen aufbaut und anschließend die Überlegungen bezüglich der Etablierung eines internen Marktes anschaulich ableitet, werden zum Verständnis keine tief greifenden Vorkenntnisse im Bankenumfeld vorausgesetzt.
Prof. Dr. Manfred Steiner
Vorwort
VII
Vorwort Die vorliegende Arbeit wurde im März 2006 von den Gutachtern der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universität Augsburg als Dissertation angenommen, woraufhin im Juli 2006 die Disputation erfolgte. Spezieller Dank gilt der Deutschen Forschungsgesellschaft (DFG), bei der das Projekt SimBa im Jahr 2003 auf der Tagung in Dresden als Abschluss des Forschungsprojektes „Effiziente Elektronische Koordination in der Dienstleistungswirtschaft“ (EFFEKT) vorgestellt wurde. Diese Dissertation entstand als Nachfolgeprojekt zum Thema „Interne Märkte in Banken“, das von meinem Kollegen Dr. Thomas Dittmar bearbeitet wurde. Für seine Unterstützung und Vorarbeiten möchte ich ihm an dieser Stelle herzlich danken. Natürlich gehören zum „Projekt“ Dissertation eine Vielzahl von Personen, die dafür viel Zeit, Geduld und Arbeit investiert haben. In ganz besonderem Maße gilt mein Dank meinem Doktorvater, Herrn Prof. Dr. Manfred Steiner, der durch großes Vertrauen und seine Beharrlichkeit im richtigen Moment, diese Dissertation begleitet hat. Da ich als „Externer“ an diesem Projekt tätig war, war es für ihn nicht immer einfach, den Forschritt in der Arbeit nachzuvollziehen. Dank seines Vertrauens in mich wurde das Projekt SimBa und die Dissertation schließlich jedoch zu einem erfolgreichen Ende geführt. Ebenso geht an dieser Stelle ein besonderer Dank an Herrn Prof. Dr. Drs. A.-G. Coenenberg, der sich trotz eines engen Terminkalenders spontan bereit erklärt hat, das Zweigutachten zu übernehmen. Herrn Prof. Dr. H.-U. Buhl, der den Vorsitz der Prüfungskommission übernommen hat und mir wertvolle Hinweise für das Gelingen meiner Arbeit gegeben hat, möchte ich ebenfalls danken. In der Reihe meiner universitären Kollegen geht mein Dank an Dr. Matthias Wagatha, der bezüglich der Konzeption und Implementierung eines Systems interner Märkte in Banken immer für eine konstruktive Diskussion offen war. Mein ganz besonderer Dank geht an Dr. Andreas Rathgeber, der mich schon als studentische Hilfskraft stets unterstützt hat und zum Gelingen der Promotion ein allzeit bereiter Ansprechpartner war. Nicht zuletzt möchte ich mich bei Frau Christine Schuster herzlich bedanken, die durch ihr organisatorisches Geschick dazu beigetragen hat, dass der Kontakt zum Lehrstuhl immer aufrechterhalten wurde und dass die Einbindung des „Externen“ vorhanden war. Unter meinen ehemaligen Kollegen möchte ich ganz besonders Herrn Michael Nagele danken, der mich in besonderer Art und Weise bei der Implementierung des Systems interner
VIII
Vorwort
Märkte in Banken unterstützt hat und der mir technisch immer mit Rat und Tat zur Seite stand. Ebenso habe ich tatkräftige Unterstützung innerhalb der Firma 1 PLUS i erhalten. Ein besonderer Dank geht hier an Herrn Dr. Walter Gruber und an Herrn Ronny Parchert, die immer hilfsbereite Ansprechpartner waren. Beide haben mich immer ermutigt, diese Arbeit zu vollenden und mir beruflich den Rücken frei gehalten, damit ich mich diesem Thema vollständig widmen konnte. Ein ganz besonders besonderes Dankeschön möchte ich auch allen meinen Freunden und Bekannten aussprechen, die einerseits einen wichtigen inhaltlichen Beitrag zu dieser Arbeit geleistet haben und andererseits mich jederzeit tatkräftig unterstützt haben. Ich gebe zu, dass ich mich während der Entstehungsphase dieser Arbeit rar gemacht habe und kaum Zeit übrig blieb, diese für mich wertvollen Verbindungen angemessen zu pflegen. Dies wird sich in Zukunft hoffentlich wieder ändern! Mein größter Dank geht an meine Eltern, die es mir in jeglicher Hinsicht ermöglicht und mich immer ermutigt haben, mein Studium und meine Promotion durchzuführen. Mit ihrer moralischen und finanziellen Unterstützung war es auch trotz schwieriger Phasen möglich, das Endziel zu erreichen. Ihrem allzeit vorhandenen Verständnis für meine großen und kleinen Probleme gilt ein besonders herzliches Dankeschön. In diese Reihe möchte ich auch meine „kleine“ Schwester aufnehmen, die mir immer eine große Stütze war und ist. In meiner Familie gilt ein ganz besonderer Dank meinem kürzlich verstorbenen Großvater. Von ihm habe ich gelernt, ein Thema beharrlich zu verfolgen und an ein angestrebtes Ziel zu glauben. Last but not least geht ein aufrichtiges Dankeschön an meine Freundin Alexia. Durch ihre Geduld und Herzlichkeit hat sie mir, speziell in der Schlussphase des Projektes „Dissertation“, immer wieder geholfen. Ihre tatkräftige Unterstützung bei schwierigen Entscheidungen hat mir immer Halt und Mut zum Weitermachen gegeben.
Jochen Klement
Inhaltsverzeichnis
IX
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis ...................................................................................................... XVII Tabellenverzeichnis.............................................................................................................XXI Abkürzungsverzeichnis....................................................................................................XXIII Symbolverzeichnis.......................................................................................................... XXVII 1. Einleitung .............................................................................................................................. 1
1.1.
Problemstellung.............................................................................................................. 1
1.2.
Aufbau und Struktur der Arbeit ..................................................................................... 5
2. Ökonomischer Rahmen ....................................................................................................... 9 2.1. Grundlegende Geschäfte mit Kreditcharakter................................................................ 9 2.1.1. Klassische Kredite.................................................................................................. 9 2.1.2. Sonstige klassische Geschäfte mit Kreditcharakter ............................................. 10 2.1.3. Kreditalternativen................................................................................................. 11 2.1.3.1. Anleihen/Notes................................................................................................. 11 2.1.3.2. Schuldscheindarlehen....................................................................................... 13 2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb..................................................................................... 14 2.2.1. Kreditvergabeprozess ........................................................................................... 14 2.2.2. Grundzüge der Bonitätsbeurteilung ..................................................................... 18 2.2.2.1. Ziel ................................................................................................................... 18 2.2.2.2. Qualitative Faktoren......................................................................................... 20 2.2.2.3. Quantitative Verfahren der Jahresabschlussanalyse ........................................ 21 2.2.2.3.1. Logisch-deduktive Verfahren..................................................................... 23 2.2.2.3.2. Empirisch-induktive Verfahren.................................................................. 25 2.2.2.3.2.1. Regressionsanalyse.............................................................................. 26 2.2.2.3.2.2. Diskriminanzanalyse ........................................................................... 28 2.2.2.3.2.3. Mustererkennungsverfahren ................................................................ 34 2.2.2.3.2.4. Neuronale Netze .................................................................................. 37 2.2.2.3.2.5. Expertensysteme.................................................................................. 40 2.2.2.3.3. Kritische Würdigung .................................................................................. 43 2.3.
Kreditrisikotransfer ...................................................................................................... 45
X
Inhaltsverzeichnis
2.3.1. Grundsätzliche Überlegungen .............................................................................. 45 2.3.2. Anreizprobleme bei der Kreditvergabe / dem Kreditrisikohandel ....................... 45 2.3.2.1. Adverse Selektion ............................................................................................ 47 2.3.2.2. Moral Hazard.................................................................................................... 47 2.3.2.3. Hold-Up............................................................................................................ 49 2.3.3. Möglichkeiten zur Reduktion von Anreizproblemen........................................... 50 2.3.3.1. Organisatorische Maßnahmen.......................................................................... 51 2.3.3.2. Theoretische Erklärungsansätze....................................................................... 54 2.3.3.2.1. Modell von Gorton und Pennacchi............................................................. 55 2.3.3.2.2. Modell von Duffee/Zhou............................................................................ 56 2.3.3.2.3. Kritische Würdigung .................................................................................. 66 2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers .......................................................................... 68 2.4.1. Traditionelle Instrumente ..................................................................................... 69 2.4.1.1. Kreditversicherung ........................................................................................... 69 2.4.1.2. Syndizierung..................................................................................................... 69 2.4.1.3. Factoring........................................................................................................... 70 2.4.1.4. Motive für den Einsatz traditioneller Instrumente ........................................... 70 2.4.2. Kapitalmarktinstrumente...................................................................................... 71 2.4.2.1. Verbriefungen................................................................................................... 71 2.4.2.1.1. Asset-/Mortgage-Backed-Securities........................................................... 71 2.4.2.1.2. Collateralised Debt Obligations ................................................................. 75 2.4.2.1.3. Motive für den Einsatz von Verbriefungen................................................ 75 2.4.2.2. Kreditderivate................................................................................................... 76 2.4.2.2.1. Überblick .................................................................................................... 77 2.4.2.2.2. Credit Default-Produkte ............................................................................. 81 2.4.2.2.3. Credit Spread Option.................................................................................. 82 2.4.2.2.4. Total Return Swap...................................................................................... 85 2.4.2.2.5. Index-Kreditderivate .................................................................................. 86 2.4.2.2.6. Motive für den Einsatz von Kreditderivaten .............................................. 87 2.4.2.2.6.1. Hedging ............................................................................................... 87 2.4.2.2.6.2. Investitionsgründe ............................................................................... 89 2.4.2.2.6.3. Spekulationsgründe ............................................................................. 92 2.4.2.2.6.4. Eigenhandel ......................................................................................... 92 2.4.2.2.6.5. Passivmanagement und bilanzielle Zwecke ........................................ 93 2.4.2.3. Hybride Formen des Kreditrisikohandels ........................................................ 94 2.4.2.3.1. Credit Default Linked Note........................................................................ 94 2.4.2.3.2. Synthetische Credit Default Obligation ..................................................... 95
Inhaltsverzeichnis
XI
2.4.2.3.3. Motive für den Einsatz hybrider Instrumente............................................. 96 2.4.2.4. Sonstige Formen des Kreditrisikohandels........................................................ 96 2.4.2.4.1. Kredithandel ............................................................................................... 96 2.4.2.4.2. Anleihehandel............................................................................................. 99 2.4.2.4.3. Asset Swaps................................................................................................ 99 2.4.2.4.4. Kritische Würdigung des Kreditrisikohandels ......................................... 100 2.5. Rechtliche Möglichkeit der Übertragung von Kreditrisiken...................................... 101 2.5.1. Urteile der jüngeren Rechtsprechung................................................................. 101 2.5.2. Behandlung von Forderungen gegenüber Kaufleuten........................................ 101 2.5.3. Behandlung von Verbraucherkrediten ............................................................... 102 2.5.3.1. Non-Performing Loans................................................................................... 102 2.5.3.2. Performing Loans........................................................................................... 102 2.5.4. Fazit für den Kreditrisikohandel ........................................................................ 104 2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos ................................................................ 104 2.6.1. Generelle Überlegungen..................................................................................... 104 2.6.2. Parameter des Ausfallrisikos.............................................................................. 108 2.6.2.1. Bonitätseinstufung/Rating.............................................................................. 108 2.6.2.2. Ausfallwahrscheinlichkeit.............................................................................. 110 2.6.2.3. Übergangswahrscheinlichkeiten..................................................................... 112 2.6.2.4. Exposure at Default........................................................................................ 113 2.6.2.5. Ausfallquote ................................................................................................... 114 2.6.3. Grundzüge der Kreditrisikomodelle................................................................... 117 2.6.3.1. Unternehmenswertmodelle............................................................................. 117 2.6.3.2. Intensitätsmodelle........................................................................................... 120 2.6.3.3. Zeitdiskretes Modell von Jarrow, Lando und Turnbull.................................. 122 2.6.3.4. Kritische Würdigung ...................................................................................... 127 2.7. Portfoliomanagement von Krediten ........................................................................... 128 2.7.1. Notwendigkeit des Kreditportfoliomanagements............................................... 129 2.7.2. Begriffliche Abgrenzung und Grundlagen......................................................... 130 2.7.3. Portfoliosteuerung .............................................................................................. 133 2.7.4. Diversifikation im Kreditportfolio ..................................................................... 135 2.7.5. Erwartete und unerwartete Verluste aus Kreditgeschäften ................................ 137 2.7.6. Kreditrisikoportfoliomodelle.............................................................................. 138 2.7.6.1. Überblick........................................................................................................ 138 2.7.6.2. CreditRisk+ .................................................................................................... 141
XII
Inhaltsverzeichnis
2.7.6.3. CreditMetrics.................................................................................................. 143 2.7.6.4. Credit Portfolio View ..................................................................................... 146 2.7.6.5. CreditPortfolioManager ................................................................................. 148 2.7.7. Risikoadjustierte Performancemaße................................................................... 151 2.8.
Zwischenfazit ............................................................................................................. 154
3. Aufsichtsrechtlicher Rahmen.......................................................................................... 157 3.1.
Entwicklung und Entstehung der Bankenaufsicht in Deutschland ............................ 157
3.2. Übersicht zum KWG.................................................................................................. 160 3.2.1. Paradigma des Gläubigerschutzes im KWG ...................................................... 160 3.2.1.1. Informationspflichten ..................................................................................... 160 3.2.1.2. Eintrittsbefugnisse.......................................................................................... 161 3.2.1.3. Restriktionen .................................................................................................. 161 3.2.2. Bestimmung der Eigenmittel nach § 10 KWG................................................... 162 3.2.2.1. Haftendes Eigenkapital .................................................................................. 162 3.2.2.2. Drittrangmittel................................................................................................ 164 3.3. Grundsatz I ................................................................................................................. 165 3.3.1. Forderungen an Staaten und staatsnahe Organisationen .................................... 166 3.3.2. Forderungen an Banken ..................................................................................... 167 3.3.3. Forderungen im Retailsegment .......................................................................... 167 3.3.4. Forderungen an Wirtschaftsunternehmen und sonstige Kreditnehmer .............. 168 3.3.5. Kreditderivate..................................................................................................... 168 3.4. Qualitative Bankenaufsicht im Kreditbereich ............................................................ 172 3.4.1. Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften...................... 172 3.4.2. Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft.................................................... 173 3.4.3. Mindestanforderungen an das Risikomanagement ............................................ 174 3.4.3.1. Überblick........................................................................................................ 174 3.4.3.2. Governance-Struktur ...................................................................................... 175 3.4.3.3. Interne Kontrollverfahren............................................................................... 175 3.5. Basel II ....................................................................................................................... 177 3.5.1. Standardansatz.................................................................................................... 177 3.5.1.1. Bestimmung der kreditnehmerbezogenen Risikogewichte im Standardansatz................................................................................................ 178 3.5.1.1.1. Forderungen an Staaten und staatsnahe Organisationen .......................... 179
Inhaltsverzeichnis
XIII
3.5.1.1.2. Forderungen an andere öffentliche Stellen............................................... 179 3.5.1.1.3. Forderungen an multilaterale Entwicklungsbanken ................................. 180 3.5.1.1.4. Forderungen an Banken und Wertpapierhäuser ....................................... 180 3.5.1.1.5. Forderungen an Wirtschaftsunternehmen ................................................ 182 3.5.1.1.6. Forderungen des Retailportfolios ............................................................. 182 3.5.1.2. Positionen mit höherem Risikogewicht im Standardansatz ........................... 184 3.5.1.3. Wahl des Ratings............................................................................................ 185 3.5.1.3.1. Zulassung der Ratingagenturen ................................................................ 185 3.5.1.3.2. Wahl des zugrunde liegenden Ratings ..................................................... 186 3.5.1.4. Ermittlung des unterlegungspflichtigen Kapitalbetrags................................. 189 3.5.1.4.1. Bestimmung des Exposures...................................................................... 189 3.5.1.4.2. Ermittlung des Mindesteigenkapitals ....................................................... 191 3.5.2. IRB-Ansatz......................................................................................................... 192 3.5.2.1. Überblick........................................................................................................ 192 3.5.2.2. Referenzausfalldefinition und Wegfall des Referenzkriteriums .................... 193 3.5.2.3. Risikoaktivaklassen........................................................................................ 196 3.5.2.4. Ermittlung der Risikoparameter ..................................................................... 199 3.5.2.4.1. Ausfallwahrscheinlichkeit ......................................................................... 199 3.5.2.4.2. Loss Given Default .................................................................................... 203 3.5.2.4.3. Exposure at Default ................................................................................... 206 3.5.2.4.4. Restlaufzeit ................................................................................................ 208 3.5.2.5. Besonderheiten bei der Ermittlung der Risikogewichte................................. 209 3.5.2.5.1. Spezialfinanzierungen................................................................................ 209 3.5.2.5.2. Kredite im Retailsegment .......................................................................... 211 3.5.2.5.3. Angekaufte Forderungen ........................................................................... 213 3.5.2.5.4. Leasingforderungen ................................................................................... 216 3.5.2.6. Ermittlung des unterlegungspflichtigen Kapitalbetrags................................. 216 3.5.2.6.1. Forderungen an Staaten, Banken und Unternehmen ................................. 216 3.5.2.6.2. Forderungen im Retailsegment.................................................................. 218 3.5.2.6.3. Ausgefallene Forderungen nach Basel II................................................... 219 3.5.2.6.4. Berücksichtigung von erwarteten Verlusten und Wertberichtigungen...... 219 3.5.3. Sicherheiten und Credit Risk Mitigation Techniques ........................................ 221 3.5.3.1. Risk Mitigation Techniques ........................................................................... 222 3.5.3.1.1. Sicherheiten im engeren Sinne .................................................................. 222 3.5.3.1.2. Grundpfandrechte ...................................................................................... 223 3.5.3.1.3. Garantien und Kreditderivate..................................................................... 224 3.5.3.1.4. Nettingvereinbarungen .............................................................................. 225
XIV
Inhaltsverzeichnis
3.5.3.1.5. Verbriefung von Kreditforderungen .......................................................... 225 3.5.3.2. Bedingungen für die Zulassung von Risikominderungen .............................. 225 3.5.3.2.1. Allgemeine Vorschriften ........................................................................... 225 3.5.3.2.2. Rechtliche und ökonomische Mindestanforderungen................................ 226 3.5.3.2.3. Berücksichtigung der Laufzeit................................................................... 228 3.5.3.3. Sicherheiten im Standardansatz ..................................................................... 229 3.5.3.3.1. Einfacher Ansatz........................................................................................ 229 3.5.3.3.2. Umfassender Ansatz .................................................................................. 232 3.5.3.4. Sicherheiten im IRB-Ansatz........................................................................... 236 3.5.3.4.1. Überblick ................................................................................................... 236 3.5.3.4.2. Basisansatz................................................................................................. 237 3.5.3.4.3. Fortgeschrittener Ansatz ............................................................................ 241 3.5.3.4.4. Retailansatz................................................................................................ 241 3.5.4. Einsatz von Garantien und Kreditderivaten ........................................................... 242 3.5.4.1. Garantien und Kreditderivate im Anlagebuch ............................................... 242 3.5.4.1.1. Mindestanforderungen im Standardansatz und IRBB ............................... 243 3.5.4.1.2. Mindestanforderungen im FIRB................................................................ 245 3.5.4.1.3. Eigenkapitalunterlegung im Anlagebuch .................................................. 246 3.5.4.2. Kreditderivate im Handelsbuch...................................................................... 249 3.5.4.2.1. Mindestanforderungen für die Zuordnung zum Handelsbuch................... 249 3.5.4.2.2. Bankinterne Sicherungsgeschäfte .............................................................. 250 3.5.4.2.3. Besonderes Kursrisiko ............................................................................... 250 3.5.4.2.4. Kontrahentenrisiken................................................................................... 252 3.5.5. Securitisation und ABS-Transaktionen.................................................................. 252 3.5.5.1. Securitisation-Strukturen und -Elemente nach Basel II ................................. 253 3.5.5.2. Definition der Positionen ............................................................................... 256 3.5.5.3. Regelungen der ersten Säule .......................................................................... 257 3.5.5.3.1. Operationelle Anforderungen .................................................................... 257 3.5.5.3.2. Standardansatz ........................................................................................... 259 3.5.5.3.3. IRB-Ansatz ................................................................................................ 264 3.5.5.3.3.1. Überblick............................................................................................. 264 3.5.5.3.3.2. Rating Based Approach....................................................................... 265 3.5.5.3.3.3. Internal Assessment Approach............................................................ 267 3.5.5.3.3.4. Supervisory Formula ........................................................................... 267 3.5.5.3.3.5. Vereinfachtes Verfahren ..................................................................... 268 3.5.5.4. Regelungen der zweiten und dritten Säule..................................................... 269 3.6.
Zwischenfazit ............................................................................................................. 270
Inhaltsverzeichnis
XV
4. Interner Markt ................................................................................................................. 273 4.1. Interner Markt als Instrument des Bankcontrollings.................................................. 273 4.1.1. Dezentrale Steuerungsmechanismen.................................................................. 273 4.1.2. Idee des internen Marktes .................................................................................. 274 4.1.3. Einsatzmöglichkeiten interner Märkte in einem Kreditinstitut .......................... 276 4.1.4. Einsatzmöglichkeiten interner Märkte in und zwischen Kreditinstituten .......... 278 4.2. S-BayernBasket I-Transaktion ................................................................................... 279 4.2.1. Grundgedanke .................................................................................................... 279 4.2.2. Struktur............................................................................................................... 280 4.2.3. Zentrale Teilnehmer und deren Aufgaben ......................................................... 282 4.2.4. Schlussfolgerungen aus der S-BayernBasket I-Transaktion .............................. 284 4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken...................................................... 286 4.3.1. Grundsätzliche Idee............................................................................................ 286 4.3.2. Eigenschaften des internen Marktes für Kreditrisiken....................................... 292 4.3.2.1. Marktteilnehmer ............................................................................................. 292 4.3.2.2. Handelsmotive................................................................................................ 294 4.3.2.3. Handelsobjekte ............................................................................................... 295 4.3.3. Vorteile des Handels auf dem internen Markt ................................................... 297 4.3.4. Effizienz interner Märkte ................................................................................... 300 4.3.4.1. Informationseffizienz ..................................................................................... 300 4.3.4.2. Bewertungseffizienz....................................................................................... 301 4.3.4.3. Schlussfolgerungen für den internen Markt ................................................... 301 4.4.
Zwischenfazit ............................................................................................................. 305
5. System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken ................................................ 309 5.1.
Praktische Anforderungen an ein Handelssystem in Banken..................................... 309
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes.......................................................................... 311 5.2.1. Handelsprozess................................................................................................... 311 5.2.1.1. Beschreibung.................................................................................................. 311 5.2.1.2. Implikationen für den internen Markt ............................................................ 312 5.2.2. Automatisierungsgrad ........................................................................................ 313 5.2.2.1. Beschreibung.................................................................................................. 313 5.2.2.2. Implikationen für den internen Markt ............................................................ 315 5.2.3. Örtliche Konsolidierung des Orderflusses ......................................................... 322
XVI
Inhaltsverzeichnis
5.2.3.1. Beschreibung.................................................................................................. 322 5.2.3.2. Implikationen für den internen Markt ............................................................ 323 5.2.4. Zeitliche Konsolidierung des Orderflusses ........................................................ 324 5.2.4.1. Beschreibung.................................................................................................. 324 5.2.4.2. Implikationen für den internen Markt ............................................................ 326 5.2.5. Market Maker versus direkter Handel................................................................ 328 5.2.5.1. Beschreibung.................................................................................................. 328 5.2.5.2. Implikationen für den internen Markt ............................................................ 331 5.2.6. Transparenz des Orderbuchs .............................................................................. 333 5.2.6.1. Beschreibung.................................................................................................. 333 5.2.6.2. Implikationen für den internen Markt ............................................................ 334 5.3. Konzeption eines Systems interner Märkte in Banken .............................................. 336 5.3.1. SimBa – Technik und Informationsfluss............................................................ 339 5.3.2. SimBa – Informations- und Analysefunktion .................................................... 343 5.3.3. SimBa – Handelsfunktion .................................................................................. 348 5.4. Experimente ............................................................................................................... 350 5.4.1. Mikrostrukturanalyse eines experimentellen Marktes ....................................... 350 5.4.2. Aufbau der Experimente .................................................................................... 351 5.4.3. Ergebnisse der Experimente............................................................................... 356 5.4.3.1. Handel am rein internen Markt ohne Market Maker...................................... 356 5.4.3.2. Handel am rein internen Markt mit Market Maker ........................................ 358 5.4.3.3. Handel am semiinternen Markt ohne Market Maker ..................................... 361 5.4.3.4. Handel am semiinternen Markt mit Market Maker........................................ 364 5.4.3.5. Handel mit externen Banken .......................................................................... 366 5.5.
Zwischenfazit ............................................................................................................. 369
6. Zusammenfassung und Resümee.................................................................................... 375 Verzeichnis der Rechtsquellen und Verordnungen .......................................................... 381 Literaturverzeichnis............................................................................................................. 383
Abbildungsverzeichnis
XVII
Abbildungsverzeichnis Abb. 1: Abb. 2: Abb. 3: Abb. 4: Abb. 5: Abb. 6: Abb. 7: Abb. 8: Abb. 9: Abb. 10: Abb. 11: Abb. 12: Abb. 13: Abb. 14: Abb. 15: Abb. 16: Abb. 17: Abb. 18: Abb. 19: Abb. 20: Abb. 21: Abb. 22: Abb. 23: Abb. 24: Abb. 25: Abb. 26: Abb. 27: Abb. 28: Abb. 29: Abb. 30: Abb. 31: Abb. 32: Abb. 33: Abb. 34:
Anzahl der monatlichen Insolvenzen 2004 und 2005 in der Bundesrepublik Deutschland nach Wirtschaftsbereichen ................................................................. 1 Aufbau der Arbeit.................................................................................................... 6 Struktur eines klassischen Kredits........................................................................... 9 Struktur der Kreditleihe......................................................................................... 10 Struktur der Kreditbeziehung bei einer Anleihe.................................................... 13 Klassischer Ablauf der Kreditvergabe .................................................................. 16 Informationsbereiche und Komponenten der Jahresabschlussprüfung ................. 24 Empirisch-induktive Verfahren der Jahresabschlussanalyse ................................ 26 Gruppentrennung mit Hilfe der univariaten Diskriminanzanalyse ....................... 31 Mustererkennungsprozess ..................................................................................... 35 Beispiel zum Nearest-Neighbour-Verfahren......................................................... 36 Neuronales Netz .................................................................................................... 38 Neuronales Netz und Klassifikation in der Bonitätsprüfung................................. 39 Komponenten eines Expertensystems ................................................................... 41 Überblick über die Kooperationsprobleme ........................................................... 50 Zeitliche Struktur bei adverser Selektion .............................................................. 59 Zeitliche Struktur bei Moral Hazard ..................................................................... 64 Überblick über die Instrumente des Kredithandels ............................................... 68 Vierteljährliches ABS-Volumen in Europa seit 2000 ........................................... 72 Grundstruktur einer ABS-Transaktion .................................................................. 74 Weltweites Volumen in Kreditderivaten in Mrd. US-$ ........................................ 76 Gestaltungsrahmen bei Kreditderivaten ................................................................ 79 Prozentuale Aufteilung der Kreditderivatearten 2003........................................... 80 Grundstruktur eines Credit Default Produkts........................................................ 81 Auszahlungsprofil und Marktwert des Referenzaktivums beim Put-CSO............ 82 Grundstruktur einer europäischen Credit Spread Put Option................................ 83 Credit Spread-Marktquotierungen nach Underlying und Wirtschaftssektoren..... 84 Grundstruktur eines Total Return Swaps .............................................................. 85 Beispielhafte Double Basket CDS-Transaktion .................................................... 91 Grundstruktur einer Credit Default Linked Note mit SPV.................................... 94 Grundstruktur einer synthetischen CDO ............................................................... 95 Grundstruktur des Kredithandels........................................................................... 96 Entwicklung des Kredithandels............................................................................. 98 Grundstruktur eines Asset Swaps im Kreditbereich............................................ 100
XVIII
Abb. 35: Abb. 36: Abb. 37: Abb. 38: Abb. 39: Abb. 40: Abb. 41: Abb. 42: Abb. 43: Abb. 44: Abb. 45: Abb. 46: Abb. 47: Abb. 48: Abb. 49: Abb. 50: Abb. 51: Abb. 52: Abb. 53: Abb. 54: Abb. 55: Abb. 56: Abb. 57: Abb. 58: Abb. 59: Abb. 60: Abb. 61: Abb. 62: Abb. 63: Abb. 64: Abb. 65: Abb. 66: Abb. 67: Abb. 68: Abb. 69:
Abbildungsverzeichnis
Zusammenhang zwischen Wahrscheinlichkeitsdichte, ökonomischem Kapital und Kreditwert am Risikohorizont ......................................................... 106 Relevante Bereiche für die Erstellung eines Ratings .......................................... 110 Klassifizierung der Schätzverfahren für Ausfallwahrscheinlichkeiten ............... 111 Verteilung der preisbezogenen Recovery Rates von 1982-2002 ........................ 115 Auszahlungsprofil eines Put aus Sicht des Schuldners ....................................... 119 Interdependenzen im Risikomanagement ........................................................... 132 Stellung des Portfoliomanagements innerhalb des Kreditmanagements ............ 133 Effiziente Portfolien nach der Portfolio-Selection-Theorie ................................ 134 Wahrscheinlichkeitsverteilung von Markt- und Kreditportfolios ....................... 136 CreditRisk+-Grundschema................................................................................... 143 CreditMetrics-Grundschema ............................................................................... 144 Credit Portfolio View-Grundschema................................................................... 147 CreditPortfolioManager-Grundschema ............................................................... 150 Ablauf der Messung und Bepreisung des Kreditrisikos...................................... 153 Zusammensetzung der Eigenmittel ..................................................................... 162 Überblick über die Kernpunkte der MaRisk ....................................................... 175 Anforderungen an die internen Kontrollverfahren nach MaRisk........................ 176 Kreditrisikominderungstechniken im IRB-Ansatz.............................................. 236 Struktur eines internen Marktes für Eigenmittel innerhalb einer Bank............... 275 Einsatzmöglichkeiten für interne Märkte ............................................................ 276 Grundstruktur der S-BayernBasket I-Transaktion .............................................. 281 Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken zwischen Banken.................. 290 Bedingungen und Kriterien der operativen Effizienz.......................................... 302 Zusammenhang zwischen Informationsreichweite und -qualität am Präsenzhandel und an einer Computerbörse ....................................................... 318 Aufbau eines internen Marktes............................................................................ 337 SimBa – vereinfachtes Beziehungsmodell .......................................................... 338 SimBa – Einstiegsmaske ..................................................................................... 340 SimBa – Anmeldemaske ..................................................................................... 342 Aufgaben von Client und Server auf dem internen Markt .................................. 343 SimBa – Selektion des Portfolios........................................................................ 344 SimBa – Modellauswahl ..................................................................................... 344 SimBa – Portfolioanalyse I.................................................................................. 345 SimBa – Portfolioanalyse II ................................................................................ 346 SimBa – Resultscreen.......................................................................................... 346 SimBa – Eingabe individueller Spotrates............................................................ 347
Abbildungsverzeichnis
Abb. 70: Abb. 71: Abb. 72: Abb. 73: Abb. 74: Abb. 75: Abb. 76: Abb. 77: Abb. 78: Abb. 79: Abb. 80: Abb. 81:
XIX
SimBa – Orderbuch des internen Marktes .......................................................... 348 Aufbau des Experiments in einem Bankenverbund ............................................ 352 Versuchsaufbau am rein internen Markt ohne Market Maker ............................ 356 Entwicklung der durchschnittlichen Branchen-/Regionen-Kombinationen im Zeitablauf ....................................................................................................... 357 Entwicklung des Filial-CVaR im Zeitablauf am internen Markt ........................ 357 Versuchsaufbau am rein internen Markt mit monopolistischem Market Maker ...................................................................................................... 358 Dämpfungswirkung des Market Makers gemessen am Indexstand .................... 360 Versuchsaufbau am semiinternen Markt............................................................. 361 Entwicklung des Filial-CVaR im Zeitablauf am semiinternen Markt ................ 362 Durchschnittliche Eigenkapitalbelastung nach den Basel II-Ansätzen im Zeitablauf ....................................................................................................... 363 Versuchsaufbau am semiinternen Markt mit Market Maker............................... 364 Versuchsaufbau am semiinternen Markt mit Market Maker und externer Bank ...................................................................................................... 366
Tabellenverzeichnis
XXI
Tabellenverzeichnis Tab. 1: Tab. 2: Tab. 3: Tab. 4: Tab. 5: Tab. 6: Tab. 7: Tab. 8: Tab. 9: Tab. 10: Tab. 11: Tab. 12: Tab. 13: Tab. 14: Tab. 15: Tab. 16: Tab. 17: Tab. 18: Tab. 19: Tab. 20: Tab. 21: Tab. 22: Tab. 23: Tab. 24: Tab. 25: Tab. 26: Tab. 27: Tab. 28: Tab. 29: Tab. 30: Tab. 31: Tab. 32: Tab. 33:
Zahlungen aus dem Kreditrisikotransferkontrakt.................................................. 58 Überblick über die (langfristigen) Ratingurteile der großen Ratinggesellschaften ...................................................................................................... 109 Beispiel für eine Matrix der Übergangswahrscheinlichkeiten (in %) ................. 113 Preis Recovery und Ökonomische Recovery von 1989-2003............................. 115 Erklärende Faktoren in LossCalc ........................................................................ 116 Einordnung der bekanntesten Kreditrisikomodelle............................................. 139 Unterschiede bekannter Kreditrisikomodelle...................................................... 141 Risiken und deren aufsichtliche Regelungen ...................................................... 161 Risikoerfassung im Grundsatz I .......................................................................... 166 Bedingungen für die aufsichtliche Anerkennung von Kreditderivaten............... 169 Laufzeitabhängige Gewichtungsfaktoren nach § 10 Grundsatz I ....................... 171 Risikogewichte an Staaten und staatsnahen Organisationen im Standardansatz..................................................................................................... 179 Risikogewichte an andere öffentliche Stellen im Standardansatz....................... 179 Risikogewichte an multilaterale Entwicklungsbanken im Standardansatz ......... 180 Risikogewichte an Banken im Standardansatz.................................................... 181 Risikogewichte an Wirtschaftsunternehmen im Standardansatz......................... 182 Risikogewichte für Forderungen im Verzug ....................................................... 185 Beispiel für die Zuordnung von Qualitätsstufen zu Ratingklassen ..................... 187 Risikogewichte für kurzfristige Ratings.............................................................. 188 CCF für Kreditzusagen........................................................................................ 190 Risikogewichte für Spezialfinanzierungen.......................................................... 210 EL-Risikogewichte für Spezialfinanzierungen ................................................... 220 Aufsichtliche Standardhaircuts............................................................................ 233 Zonen und Multiplikatoren bei VaR-Modellen................................................... 235 Mindest-LGD für besicherte Forderungen .......................................................... 239 Bonitätsgewichte für langfristige und kurzfristige Ratingkategorien für Verbriefungen im Standardansatz ....................................................................... 259 CCF-Ermittlung bei kontrollierten EA-Klauseln ................................................ 263 CCF-Ermittlung bei unkontrollierten EA-Klauseln ............................................ 263 RBA-Risikogewichte für langfristige externe bzw. abgeleitete Ratings............. 266 RBA-Risikogewichte für kurzfristige externe bzw. abgeleitete Ratings ............ 267 CCF für Liquiditätsfazilitäten ............................................................................. 269 Limitsteuerung ohne Berücksichtigung von Diversifikationseffekten................ 287 Limitsteuerung mit Branchendiversifikationseffekten........................................ 288
XXII
Tab. 34: Tab. 35: Tab. 36: Tab. 37: Tab. 38: Tab. 39: Tab. 40: Tab. 41: Tab. 42: Tab. 43: Tab. 44: Tab. 45: Tab. 46: Tab. 47:
Tabellenverzeichnis
Limitsteuerung mit Branchen-/Regionendiversifikationseffekten ...................... 288 Kreditportfolio und Risikokapital der Filialen Ost und West ............................. 288 Kreditportfolien nach internem Handel der Filialen Ost und West..................... 289 Zusammenfassung der Vorteile bzgl. Automatisierungsgrad am internen Markt ................................................................................................................... 322 Zusammenfassung der Vorteile bzgl. Örtlicher Konsolidierung am internen Markt ..................................................................................................... 324 Kursfeststellung: Kauf- und Verkaufsaufträge.................................................... 325 Kursfeststellung: Umsätze................................................................................... 326 Zusammenfassung der Vorteile bzgl. Zeitlicher Konsolidierung am internen Markt…………………………………………………………………..328 Zusammenfassung der Vorteile der Möglichkeiten der Intermediation am internen Markt…….………………………………………………………...333 Zusammenfassung der Vorteile der Ausprägungen der Orderbuchtransparenz am internen Markt............................................................................ 336 Standardisierte Handelsverfahren in SimBa........................................................ 352 Zusammenfassung der Ausgestaltung der Versuchsgänge ................................. 354 Gebührensätze für den Handel von Kreditrisiken ............................................... 355 Ergebnisse der Experimente…………………………………………………….368
Abkürzungsverzeichnis
XXIII
Abkürzungsverzeichnis Abb. ABS Abs. AG AGB Art. BaFin BaKred Basel I Basel II BAV BAWe BGB BGL BIZ bzgl. bzw. ca. CAD CBO CCF CDO CDS CE CLN CME CRM CSA CSFP CVaR d.h. DD DM
Abbildung Asset-Backed-Securities Absatz Aktiengesellschaft Allgemeine Geschäftsbedingungen Artikel Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen vom Juli 1988 (Basel Committee (1988)) Internationale Konvergenz der Kapitalmessung und Eigenkapitalanforderungen vom Juni 2004 (Basel Committee (2004)) Bundesaufsichtsamt für das Versicherungswesen Bundesaufsichtsamt für den Wertpapierhandel Bürgerliches Gesetzbuch Bemessungsgrundlage Bank für internationalen Zahlungsausgleich bezüglich beziehungsweise circa Capital Adequacy Directive Collateralised Bond Obligation(s) Credit Conversion Factor Collateralised Debt Obligation(s) Credit Default Swap(s) Credit Enhancement(s) Credit Linked Note(s) Chicago Mercantile Exchange Credit Risk Mitigation Canadian Securities Administrators Credit Suisse Financial Products Credit-Value-at-Risk das heißt Distance to Default Deutsche Mark
XXIV
DSGV EA EAD EBIL EC ECAI ECN EDF EL EStG et al. etc. evtl. EU EUREX evtl. f. ff. FIRB FSA FWB GE ggf. GmbH GroMiKV GUI HGB Hrsg. HVCRE i.d.R. i.e.S. i.V.m. i.w.S. IAA IAS IBIS ICAAP
Abkürzungsverzeichnis
Deutscher Sparkassen- und Giroverband Early Amortisation Exposure at Default Einzelbilanzanalyse-Tool Economic Capital External Credit Assessment Institutions Electronic Communication Networks Expected Default Frequency Expected Loss Einkommensteuergesetz et altera et cetera eventuell Europäische Union Euro Exchange eventuell folgende fortfolgende Fortgeschrittener internal Rating based Approach Financial Service Authority Frankfurter Wertpapierbörse Geldeinheiten gegebenenfalls Gesellschaft mit beschränkter Haftung Großkredit- und Millionenkreditvorschriften Graphical User Interface Handelsgesetzbuch Herausgeber High-Volatility Commercial Real Estate in der Regel im engeren Sinne in Verbindung mit im weiteren Sinne Internal Assessment Approach International Accounting Standards Integriertes Börsenhandels- und Informationssystem Internal Capital Adequacy Assessment Process
Abkürzungsverzeichnis
ID IFRS IO IRBB ISDA IT Jg. KWG LG LGD LIFFE LSTA MaH MaIR MaK MaRisk MBS MDB Mio. MM Mrd. MVP n.v. NASDAQ NIF NPL Nr. OECD OLAP OLG OpRisk OTC PD PL PSE RAROC RARORAC
Identifikation International Financial Reporting Standards Interest Only Basis internal Rating based Approach International Swaps and Derivatives Association Informationstechnologie Jahrgang Kreditwesengesetz Landgericht Loss Given Default London International Financial Futures Exchange Loan Syndication and Trading Association Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der Internen Revision Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft Mindestanforderungen an das Risikomanagement Mortgage-Backed-Securities Multilateral Development Bank(s) Million(en) Market Maker Milliarde(n) Minimum-Varianz-Portfolio nicht vorhanden National Association of Securities Dealers Automatic Quotations Note Issuance Facilities Non Performing Loan(s) Nummer(n) Organisation for Economic Co-operation and Development Online-Analytical-Processing Oberlandesgericht Operationelles Risiko Over the Counter Probability of Default Performing Loan(s) Public Sector Entity/Entities Risk adjusted return on capital Risk adjusted return on risk adjusted capital
XXV
XXVI
RBA RGBl. RORAC RUF Rz. S. SF SimBa SME StGB SPV S&P Tab. TP TRS Tsd. Tz. u.a. UCITS UL usw. VaR vgl. Vol. XETRA z.B.
Abkürzungsverzeichnis
Rating Based Approach Reichsgesetzblatt Return on risk adjusted capital Revolving Issuance Facilities Randziffer(n) Seite Supervisory Formula System interner Märkte in Banken Kleine und mittlere Unternehmen Strafgesetzbuch Special Purpose Vehicle Standard & Poor’s Tabelle Teilportfolio Total Return Swap(s) Tausend(e) Textziffer(n) unter anderem Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities Unexpected Loss und so weiter Value-at-Risk vergleiche Volume Exchange Electronic Trading zum Beispiel
Symbolverzeichnis
XXVII
Symbolverzeichnis Įi
Gewichtungsfaktor
Į, ȕ Ƚ į Șt Ĭ ȁ Ȝt
ʌ U N, T
Logit-Koeffizienten Diskriminanzkriterium Recovery Rate homogene Markov-Kette Kreditnehmertypen h und l Intensitätsrate eines homogenen Poisson-Prozesses Marginale, risikoneutrale Ausfallwahrscheinlichkeit für die Periode t Diskontierter Gewinn des Finanzintermediärs Ereignis-Eintrittswahrscheinlichkeit Wert eines Unternehmenszerobonds mit Nominale N und Fälligkeit T
ʌ RF N, T
Wert eines risikolosen Zerobonds mit Nominale N und Fälligkeit T
ʌV
Wert einer europäischen Verkaufsoption auf den Unternehmenswert
ȡij
Korrelation zwischen Kredit i und j
ıLGD ıR ıV
Zj
Standardabweichung des LGD Standardabweichung der Gesamtverluste Standardabweichung des Unternehmenswertes Informationsmenge Verlustrate Gewichtung des j-ten Merkmals
A a B(t) b bi C C* C** Ca Ck CFt CSt D DRM
künftiger Zeitpunkt Überprüfungsintensität der veräußernden Bank revolvierende, kurzfristige, risikolose Anlage zum Zeitpunkt t Restlaufzeitanpassung i-ter Koeffizient Marktwert der Sicherheit(en) Minimaler Besicherungsgrad Besicherungsgrad für maximale LGD-Minderung angepasster Sicherheitenwert Cut-off-point Cashflow zum Zeitpunkt t Credit Spread der Periode t Deadweight-Kosten der Insolvenz Drittrangmittel
3 ʌi
: Y
XXVIII
E E* E1 E2 E(…) e(t) FE1 FE2 FK Ft f(…) f(t,T) G H HC HE HFX h I I, j J K KA KADD KA0 KK Ko KDilution KIRB Kh Kl K0(ș) k ki l L
Symbolverzeichnis
Forderungsbetrag Forderungsbetrag nach CRM Ergänzungskapital Tier 1 Ergänzungskapital Tier 2 Erwartungswert Indikatorfunktion für einen Ausfall im Zeitpunkt t freies Ergänzungskapital aus Tier 1 freies Ergänzungskapital aus Tier 2 freies Kernkapital zum Zeitpunkt t verfügbare Informationen Funktion ausfallrisikoloser Terminzinssatz schlechteste Bonitätsstufe diskrete Handelszeitpunkte Sicherheiten-Haircut Forderungs-Haircut Haircut für Währungsinkongruenz Kreditnehmertyp mit hoher Qualität Indikatorfunktion Zählvariablen Kreditrisikotransferkontrakt Kreditrisikokäufer Kapitalanforderung Kapitalanforderung mit Double Default-Effekt Kapitalanforderung ohne Double Default-Effekt Kernkapital Korrelation Kapitalanforderungen für Verwässerung Kapitalunterlegung eines Forderungspools nach dem IRB-Ansatz Kreditnehmer mit hoher Qualität Kreditnehmer mit niedriger Qualität Kapitalwert des Kredits an einen Kreditnehmer des Typs ș zum Zeitpunkt t=0 Kennzahl Kennzahlenausprägung der Kennzahl k Kreditnehmertyp mit niedriger Qualität Rückzahlungsbetrag eines Kredites (Zins + Tilgung)
Symbolverzeichnis
L0 M MVaR MR N N() O P P() p(t,T) Pș ~ P p pG pș Q ~ Q qi,j(t,t+v) ~ qi,j (t, t v)
q1Į R r RA RWA rK r(t) rV S s SV(…)
XXIX
Insolvenzschranke Restlaufzeit VaR-Multiplikator aus dem Backtesting Summe der Anrechnungsbeträge der Marktrisikopositionen Nominalwert einer Verbindlichkeit Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung Ratingstufe Preis einer Einheit des Kredittransferkontraktes S Wahrscheinlichkeitsfunktional Wert eines risikolosen Zerobonds mit Fälligkeit T in t Preis einer Einheit des Transferkontraktes für das Kreditrisiko vom Typ ș Martingalmaß Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredits bzw. Kreditnehmers Ausfallwahrscheinlichkeit des Garantiegebers Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kreditnehmers vom Typ ș Übergangsmatrix ~ einperiodige Übergangsmatrix unter dem Martingalmaß P Übergangswahrscheinlichkeit von i nach j in der Periode von t bis t+v Übergangswahrscheinlichkeit von i nach j in der Periode von t bis t+v unter ~ dem Martingalmaß P (1-Į)-Quantil einer Wahrscheinlichkeitsverteilung
s Șt (t, T)
Gesamtverlust einer Bank aus dem Kreditportfolio risikoloser Zinssatz Summe der Risikoaktiva Risk weighted Assets erwartete Rendite des Kreditrisikokäufers Ausfallrisikoloser Zinssatz im Zeitpunkt t Refinanzierungskosten des Kreditrisikoverkäufers Size / Unternehmensgröße Zeitabschnitt Funktion zur Aggregation des Scorewertes laufzeit- und bonitätsabhängiger Credit Spread in t
ȉ t Tj
Zufallsvariable zur Bestimmung des Defaultzeitpunktes bzw. Restlaufzeit Zeitpunkt i-ter Scorewert
XXX
U UL P
V v VU v’(t,T) W X x x* _ x Xi xi xij Y y Y* Z
Symbolverzeichnis
Anzahl der Kreditnehmer in einem Forderungspool Unerwarteter Verlust auf Portfolioebene Finanzintermediär/Kreditrisikoverkäufer Länge eines Zeitabschnitts Unternehmenswert Wert eines ausfallbedrohten Zerobonds mit Fälligkeit T zum Zeitpunkt t Monitoring-/Überwachungskosten Musterraum Anteil des transferierten Kreditrisikos optimaler Kreditrisikoanteil beim Kreditrisikotransfer Minimal zu transferierendes Kreditrisiko zur Vermeidung der Insolvenzkosten Klassen i-tes Element j-te Merkmalsausprägung des i-ten Elements Diskriminanzwert Funktionswert kritischer Diskriminanzwert Skalierungsfaktor
1.1. Problemstellung
1
1. Einleitung 1.1. Problemstellung Dem Monatsbericht der Deutschen Bundesbank vom September 2004 ist zu entnehmen, dass die Risikovorsorge der deutschen Kreditinstitute1 weiterhin auf hohem Niveau verbleibt.2 Diese betrug im Geschäftsjahr 2003 21,8 Mrd. Euro. Der Rückgang der Risikovorsorge im Vergleich zum Vorjahr verdeutlicht jedoch, dass ein verändertes Bewusstsein bei Banken hinsichtlich der Kreditrisiken und deren Management eingesetzt hat. Der hohe Risikovorsorgebedarf hat seine Ursache vor allem in der nach wie vor hohen Anzahl von Unternehmensinsolvenzen in Deutschland. Abbildung 1 gibt die monatliche Anzahl der Insolvenzen nach Wirtschaftsbereichen seit Beginn des Jahres 2004 wieder.3
10.000
Sonstige natürliche Personen, Nachlässe
8.000
Ehemals selbständig Tätige 6.000 Verbraucher
4.000
Unternehmen
2.000 0
Jan Feb Mär Apr Mai Jun Jul Aug Sep Okt Nov Dez Jan Feb Mär Apr
Anzahl der Insolvenzen
12.000
2004
2005
Abb. 1: Anzahl der monatlichen Insolvenzen 2004 und 2005 in der Bundesrepublik Deutschland nach Wirtschaftsbereichen
Wie der Abbildung zu entnehmen ist, bedeutet das für das Jahr 2004, dass mehr als 39.000 Unternehmen in Insolvenz gegangen sind. Nach Creditreform4, die einen Vergleich der Insolvenzen zwischen dem ersten Halbjahr 2004 und dem ersten Halbjahr 2005 erstellt haben, war zwar ein Rückgang der Insolvenzen im Unternehmensbereich um 6,2% im Vergleich zum Vorjahreszeitraum festzustellen, dennoch haben sich die Zahlen auf einem sehr hohen Niveau eingependelt. Im Vergleich dazu beliefen sich die Zahlen der Insolvenzen im Jahr 1991 auf 8.837. In den darauf folgenden Jahren stieg die Zahl der jährlich insolvent gegangenen Unternehmen weiter an. Beispielsweise meldete die Wirtschaftspresse 1997, dass mit 27.700 insol-
1
2 3 4
Die Begriffe Kreditinstitut, Institut und Bank werden in dieser Arbeit synonym verwandt. Gemeint ist dabei ein Kreditinstitut nach § 1 Abs. 1 KWG. Abweichungen davon werden explizit gekennzeichnet. Siehe Deutsche Bundesbank (2004b), S. 23. Quelle: Statistisches Bundesamt (2005) Siehe Creditreform (2005).
2
Einleitung
venten Unternehmen ein neuer Rekord seit Gründung der Bundesrepublik Deutschland erreicht wurde.5 Neben diesen hohen Insolvenzzahlen wird das Kreditgeschäft durch eine Reihe weiterer Risikofaktoren geprägt. Darunter fallen beispielsweise:
x
eine in Deutschland überwiegend mittelständisch geprägte Wirtschaft,
x
die rückläufigen Eigenkapitalquoten der Unternehmen6,
x
die vermehrte Umwandlung von Unternehmen in Rechtsformen mit beschränkter Haftung und
x
ein Anstieg der Besicherungsrisiken infolge der Nichtverwertbarkeit von Kreditsicherheiten.
In der näheren Vergangenheit hat sich ebenfalls gezeigt, dass der steigende Kapitalbedarf der Wirtschaft, so wie er bis vor ein paar Jahren noch existent war, nicht mehr vorhanden zu sein scheint. Dieser Rückgang kann angebots- oder nachfrageinduziert sein. Während bei nachfrageinduziertem Rückgang sehr häufig die wirtschaftliche Schwächephase herangezogen wird, sprechen manche Autoren in Zusammenhang mit einem angebotsinduzierten Rückgang der Kapitalnachfrage auch von einer „Kreditklemme“.7 Demnach hat sich seit Ende 1999 das Wachstum der an den nichtfinanziellen Sektor vergebenen Bankkredite stetig verlangsamt. Im Jahr 2003 stagnierte das Kreditvolumen und im Jahr darauf ging es sogar zurück. Die heutzutage in den Unternehmen üblichen Eigenkapitalquoten bewegen sich bei durchschnittlich 18%, während sie im Jahr 1967 noch bei durchschnittlich 30% lagen. Daneben ist festzustellen, dass die Eigenkapitalquote nicht nur von der Branche, sondern auch zu einem großen Teil von der Unternehmensgröße abhängig ist. Dabei ist die Eigenkapitaldecke der kleinen und mittelständischen Unternehmen weitaus geringer als die von großen Unternehmen. Kontroverse Diskussionen haben ebenfalls die Auswirkungen auf das Kreditgeschäft bei vermehrter Umwandlung von Personengesellschaften in Gesellschaftsformen mit beschränkter Haftung ausgelöst. In Deutschland sind derzeit ca. 660.000 GmbHs und ca. 4600 AGs amtlich registriert.8 Damit haben sich die Unternehmen mit diesen Rechtsformen in den letzten 20 Jahren mehr als verdoppelt. Den Kreditgebern fehlt somit im Konkursfall die Rückgriffsmöglichkeit auf das Privatvermögen der Unternehmer. Neben diesen Tatsachen kommt noch hinzu, dass eine verschärfte Wettbewerbssituation aufgrund von Akquisitionsbemühungen durch Non- und Nearbanks, durch ausländische Geschäftsbanken und aufgrund weit reichender Disintermediationsprozesse in der Kreditwirt-
5 6 7
8
Siehe Schiller/Tytko (2000), S. 1. Zum Rückgang der Eigenkapitalquoten in den einzelnen Wirtschaftszweigen siehe KfW (2001), S.25. Siehe z.B. Nehls/Schmidt (2003), S. 37; Sachverständigenrat (2003), Ziffer 153; Deutsche Bundesbank (2005), S. 16 Siehe GENESIS-ONLINE (2005).
1.1. Problemstellung
3
schaft zu beobachten ist. Dies hat nicht nur zu einem Margenverfall, sondern auch zu einem Umdenken bei der Kreditbewilligung und in einigen Instituten sogar zu einer Änderung der Kreditvergabepolitik geführt.9 Die genannten Strukturveränderungen zeigen auf, weshalb die deutschen Geschäftsbanken bestrebt waren und sind, ihr Risikomanagement im Kreditgeschäft, im Folgenden auch kurz Kreditrisikomanagement, zu verbessern. Ziel der kreditrisikostrategischen Überlegungen ist es, die Unternehmensexistenz eines Kreditinstitutes langfristig zu sichern und im Idealfall sogar einen positiven Beitrag zum Unternehmenswert beizusteuern. Daher werden heutzutage in diese Überlegungen auch Qualitätsaspekte und Kundenbindungsstrategien eingearbeitet, die sich beispielsweise in einer Relationship Banking-Strategie oder in Business-Reengineering-Konzepten widerspiegeln. Diese Kundenbindungsstrategien führen in regional agierenden Instituten nicht selten zu einer Konzentration der Risiken auf wenige Kreditnehmer und Branchen.10 In Deutschland betrifft dies vor allem den Bereich der Sparkassen und Genossenschaftsbanken. Da die Kreditrisiken für diese Bankengruppen bisher kaum und wenn dann nur mit hohen Kosten effizient abgesichert werden konnten, sind adäquate Mechanismen zu entwickeln, die diese Kreditrisiken transferierbar machen. Auf der anderen Seite lassen die Neuformulierungen und Erweiterungen der nationalen und internationalen bankaufsichtlichen Regelungen zur Begrenzung des Kreditrisikos auf Gesamtbankebene das ganzheitliche Bankcontrolling in den Vordergrund treten.11 Dabei treten insbesondere Fragestellungen auf, wie das Bankportfolio optimal gestaltet werden kann. Das dynamische Umfeld und die gestiegenen Anforderungen sind letztendlich dafür verantwortlich, dass die Banken ihre Steuerungssysteme auf Schwächen hin überprüfen und die Entwicklung neuer, effizienterer Koordinationsformen forcieren müssen. Eine erhöhte Flexibilität und kurze Entscheidungswege spielen dabei eine zentrale Rolle. Daher wird in der Literatur u.a. der Einsatz dezentraler Koordinationsverfahren vorgeschlagen, von denen der interne Markt ein verhandlungsbasierter Mechanismus zur (Re-)Allokation knapper Wirtschaftsgüter ist.12 Durch Marktmechanismen können verschiedene Nachteile der hierarchischen Planung und Steuerung behoben und Informationsasymmetrien zwischen Zentrale und den dezentralen Einheiten wertsteigernd ausgenutzt werden.13 Durch eine solche interne Gestaltung ist eine flexible und schnelle Anpassung an Veränderungen des marktlichen Umfeldes und der regulatorischen Rahmenbedingungen möglich.
9 10 11 12
13
Siehe Hölzer (2004), S. 234. Vgl. Heidorn (1999), S. 3. Siehe Artopoeus (1999), S. 142 ff. Siehe Sandbiller (1998), S. 211 ff.; Klein (1999), S. 83 ff.; Frost (2003); Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 732. Siehe Klein (1999), S. 311.
4
Einleitung
Verschiedene Untersuchungen haben bisher gezeigt, dass sich somit Transaktionskosten im Vergleich zum Agieren an externen Märkten senken lassen14 und durch den Einsatz von internen Marktmechanismen eine effiziente Allokation knapper Güter in die produktivste Verwendung möglich ist.15 Aus diesen Gründen ist zu klären, wie Kreditrisiken durch die Gestaltung eines Marktmechanismus generell transferierbar gemacht werden können. Für das Kreditrisikomanagement auf einem bankinternen oder verbundinternen Markt lassen sich damit folgende offene Kernfragestellungen ableiten: 1. Welche Produkte bieten sich für den Kreditrisikotransfer an? 2. Wie ist der interne Markt auszugestalten, auf dem Kreditrisiken gehandelt werden können? 3. Welche Eigenschaften muss ein System haben, das Kreditrisiken handelbar macht? Das Hauptanliegen dieser Arbeit besteht darin, für das klassische Commercial Banking, also im Speziellen das Kreditgeschäft, die Gestaltung interner Märkte aufzuzeigen, damit das Kreditrisikomanagement über ein Instrument zur effizienten Steuerung dieser Risiken verfügt. Dazu sind mit Hilfe eines modernen IT-Systems, das sowohl einen Markt abbildet und gleichzeitig als Analysetool dient, Experimente durchzuführen, die die Vorteilhaftigkeit interner Märkte unter Beweis stellen soll. Im Rahmen dieses Vorgehens sind folgende Fragen zu klären:
14 15
x
Welche Produkte eignen sich für den internen Kreditrisikomarkt?
x
Auf welcher Abgrenzung basiert der interne Markt?
x
Wie ist der Handel am internen Markt effizient zu gestalten?
x
Welche Funktionalitäten benötigt ein System, das den internen Kreditrisikomarkt abbildet?
x
Wie ist dieser Handel zu organisieren?
x
Ist der Handel am internen Kreditrisikomarkt vorteilhaft?
Siehe Deschner/Willinsky (1999), S. 58 f.; Dittmar/Horstmann (1999), S. 211 Siehe Sandbiller (1998), S. 249; Klein (1999), S. 151 ff.; Dittmar (2001), S. 147 ff.
1.2. Aufbau und Struktur der Arbeit
5
1.2. Aufbau und Struktur der Arbeit Zu Beginn der vorliegenden Arbeit werden zuerst die Grundlagen aufgearbeitet, bevor dann sukzessive die aufgeworfenen Fragestellungen abgearbeitet werden können. Dabei werden zunächst die ökonomischen (Kapitel 2) und regulatorischen (Kapitel 3) Grundlagen des Kreditgeschäfts aufgezeigt. Darauf folgend wird der interne Markt als genereller Steuerungsmechanismus für Kreditrisiken vorgestellt (Kapitel 4). Schließlich erfolgt die Konzeption eines effizienten internen Kreditrisikohandelssystems, mit dessen Hilfe die Ergebnisse der Experimente für den internen Handel abgeleitet werden können (Kapitel 5). Der Aufbau der Arbeit wird in Abbildung 2 noch einmal zusammengefasst und im Folgenden konkreter beschrieben. Kapitel 2 beschäftigt sich mit den grundlegenden ökonomischen Rahmenbedingungen des Kreditgeschäfts im Bankbetrieb. Es werden zunächst die klassischen Kreditprodukte vorgestellt. Der Kreditvergabeprozess als Reihe von Entscheidungsphasen steht dann im Fokus. Dabei werden die Ursachen für die Ausfallrisiken dargestellt, die dann im Rahmen der Krediturteilsfindung in die Jahresabschlussanalyse einfließen. Die Vorstellung der Instrumente des Kreditrisikotransfers schließt sich daran an, bevor dann die rechtlichen Möglichkeiten der Kreditrisikoübertragung beleuchtet werden. Das Kapitel endet mit den Modellen zur Quantifizierung von Ausfallrisiken und den darauf aufbauenden Portfoliomodellen. Damit werden die Grundlagen für den Kreditrisikohandel generell betrachtet. Kapitel 3 geht auf die aufsichtsrechtlichen Aspekte des Kreditrisikomanagements ein. In diesem Rahmen wird zunächst die Entwicklung des Aufsichtsrechts allgemein dargestellt, bevor die derzeit gültigen Regelungen zum Ausfallrisiko des KWG, des Grundsatz I und der qualitativen Bankenaufsicht in den Vordergrund der Betrachtung rücken. Anschließend werden die Eigenkapitalvorschriften nach dem neuen Baseler Akkord ausführlich beschrieben. Hier geht es einleitend um die prinzipielle Vorstellunglung des Standardansatzes und des IRB-Ansatzes. Darauf aufbauend werden die Techniken zur Kreditrisikominderung thematisiert, wobei speziell das Augenmerk auf der Anrechnung von evtl. vorliegenden Sicherheiten liegt. Die Behandlung von Garantien und Kreditderivate als besondere Instrumente des Kreditrisikotransfers spielen dabei eine große Rolle, weswegen sie auch ausgiebig behandelt werden. Das Kapitel schließt dann mit der Behandlung von Securitisation und von ABS-Transaktionen nach den neuen Eigenkapitalvorgaben. Die ersten beiden Kapitel bilden somit den ökonomischen und aufsichtsrechtlichen Rahmen für den Kreditrisikotransfer. Dieser ist bei weiterführenden Überlegungen zum Kreditrisikomanagement zwingend einzuhalten und bei der Konzeption eines Kreditrisikohandelssystems zu berücksichtigen.
6
Einleitung
Kapitel 1: Einleitung
Kapitel 2: Ökonomischer Rahmen des Kreditrisikos 2.1. Klassische Kreditprodukte 2.2. Grundlagen des Kreditgeschäfts
2.5. Rechtliche Übertragung von Kreditrisiken
2.3. Kreditrisikotransfer
2.6. Quantifizierung des Ausfallrisikos
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
2.7. Portfoliomanagement
2.8. Zwischenfazit
Kapitel 3: Aufsichtsrechtlicher Rahmen 3.1. Entwicklung
3.2. KWG
3.3. Grundsatz I
3.5. Basel II
3.4. Qualitative Aufsicht
3.6. Zwischenfazit
Kapitel 4: Interner Markt 4.1. Überblick 4.2. S-Bayern I-Transaktion
4.3. Struktur interner Märkte 4.4. Zwischenfazit
Kapitel 5: System interner Kreditrisikomärkte 5.1. Praktische Anforderungen
5.3. SimBa – Konzeption
5.2. Gestaltungsmerkmale
5.4. Experimente
5.5. Zwischenfazit
Kapitel 6: Zusammenfassung und Résumée Abb. 2: Aufbau der Arbeit
1.2. Aufbau und Struktur der Arbeit
7
Die Einführung interner Märkte in Banken wird schließlich in Kapitel 4 eingehender vorgestellt. Es wird zunächst die generelle Idee der Steuerung von dezentralen Einheiten thematisiert. Darauf aufbauend wird der interne Bankenmarkt als alternativer Steuerungsmechanismus des Bankcontrollings weiter betrachtet. Das Ziel der dezentralen Koordination liegt insbesondere in der Allokation knapper Wirtschaftsgüter. Es werden darüber hinaus die verschiedenen Einsatzmöglichkeiten für interne Märkte analysiert. Die Abgrenzung des Marktes auf einen rein internen oder einen semiinternen bzw. verbundinternen Markt führt letztendlich zur Abgrenzungsfrage. Diese befasst sich damit, ob lediglich ein Handel auf einem rein internen Markt möglich ist oder ob, unter gewissen Bedingungen, auch ein Handel des Kreditrisikos zwischen Banken durchführbar ist. Die Vorstellung der S-BayernBasket I-Transaktion als praktische Umsetzung eines semiinternen Marktes gibt ein Praxisbeispiel für die Risikozerfällung zwischen Banken. Nachdem der interne Markt generell vorgestellt wurde, schließt sich die theoretische Untersuchung der möglichen Marktteilnehmer, deren Handelsmotive und der zu handelnden Objekte an. Die potenziellen Marktteilnehmer sind dabei eng von der Abgrenzung des Marktes abhängig. Die im ökonomischen Rahmen vorgestellten generellen Handelsmotive und -objekte werden speziell im Fokus des internen Handelns betrachtet, so dass in Anlehnung an Kernfrage 1 die Produkte des Kreditrisikotransfers am internen Markt beleuchtet werden. Ausgehend von diesen Überlegungen werden die Effizienzkriterien für das Handeln an einem Markt abgeleitet und für das Konstrukt des internen Marktes diskutiert. Das Kapitel 5 befasst sich mit dem System interner Kreditrisikomärkte in Banken. Dazu werden zunächst die Gestaltungsmerkmale des internen Marktes unter besonderer Berücksichtigung der Handelsverfahren untersucht und diskutiert, so dass daraus Antworten auf die Kernfragen 2 und 3 formuliert werden können. Die Effizienzindikatoren bei dieser Untersuchung sind insbesondere der Grad der Automatisierung, die örtliche und zeitliche Konsolidierung des Orderflusses, die Gegenüberstellung des Market Maker-Systems und des direkten Handels und die Transparenz des Orderbuchs. Anschließend wird das Konzept des Handelssystems SimBa erläutert. Darauf aufbauend werden diese Handelsverfahren im praktischen Einsatz, im Rahmen von Experimenten mit SimBa vorgestellt. Das Ziel dieser Versuche ist die effiziente Gestaltung eines internen Handelssystems im Kreditrisikobereich von Banken. Daher werden spezielle Gestaltungsformen einer detaillierten Analyse unterzogen, so dass Gestaltungsempfehlungen für den Praxiseinsatz abgeleitet werden können. Das Kapitel 6 fasst die Ergebnisse der Untersuchung zusammen und zeigt die für den Praxiseinsatz eines internen Marktes erforderlichen Aspekte auf.
2.1 Grundlegende Geschäfte mit Kreditcharakter
9
2. Ökonomischer Rahmen Das Ziel der Arbeit ist es, ein Konzept für einen Markt von Kreditrisiken zu erstellen. Daher widmet sich das folgende Kapitel den ökonomischen Rahmenbedingungen des Kreditgeschäfts. Es sollen die zentralen Fragestellungen beleuchtet werden:
x
Welche Geschäfte im Bankbetrieb sind grundlegende Kreditkontrakte?
x
Wie werden Kreditkontrakte abgeschlossen?
x
Welche Schwierigkeiten sind mit dem Kreditrisikotransfer verbunden?
x
Welche Instrumente eignen sich ökonomisch und rechtlich für die Übertragung des Kreditrisikos?
x
Wie lassen sich Kreditrisiken quantifizieren und unter Rendite-/Risiko-Gesichtspunkten steuern?
2.1.
Grundlegende Geschäfte mit Kreditcharakter16
2.1.1. Klassische Kredite Unter einem Kredit oder Darlehen wird in dieser Arbeit ein rein bilateraler und zunächst wenig übertragbarer Vertrag mit einer fixen Laufzeit und festgelegten (periodischen) Zahlungen verstanden.17 Es handelt sich um zweiseitige Verträge, bei denen ein Gläubiger einem Schuldner Geld überlässt. Der Schuldner verpflichtet sich seinerseits, den Kreditbetrag und anfallende Zinsen während der Kreditlaufzeit an den Gläubiger zurückzuzahlen. Es handelt sich dabei um eine so genannte Geldleihe. Abbildung 3 zeigt die Struktur eines klassischen Kreditvertrags auf. Kreditbetrag Kreditgeber/Gläubiger
Kreditnehmer/Schuldner Zins und Tilgung
Abb. 3: Struktur eines klassischen Kredits
Die Dimensionen, in die Kredite von Kreditinstituten eingeordnet werden können, sind dabei sehr vielfältig. Es können folgende Kriterien zur Unterscheidung herangezogen werden:
x
Fristigkeit (kurz-, mittel- oder langfristig),
x
Besicherungsart (gedeckt, teilgedeckt , ungedeckt),
x
Verwendungszweck (z.B. Betriebsmittel-, Investitions-, Saisonkredit),
x
Abwicklung (z.B. standardisiertes Kreditgeschäft oder Individualkredit),
16
17
Das Kreditrisiko, das aus anderen Verträgen, wie z.B. aus OTC-Derivaten, erwächst, steht in dieser Untersuchung nicht im Mittelpunkt. Siehe auch § 241 i.V.m. § 488 Abs. 1 BGB.
10
Ökonomischer Rahmen
x
Kreditwährung (Euro oder Fremdwährung),
x
Art der gewährten Mittel (Geld- oder Kreditleihe),
x
Verzinsungsart (fix oder variabel),
x
Form (z.B. Kontokorrentkredit, Schuldscheindarlehen, Akzeptkredit),
x
Inanspruchnahmemöglichkeit (Linienkredit, Mischlinie, fester Betrag),
x
Sicherungsform (z.B. Grundpfandrechte, Sicherungsübereignung),
x
Gläubigerorganisationsform (einzelnes Kreditinstitut oder Konsortialkredit),
x
Kreditnehmergruppen (Firmen- oder Privatkunden, Körperschaften),
x
Risikogehalt (z.B. Bar-, Self-Liquidating-Charakter, Mitverpflichtete),
x
Risikogruppe (z.B. unproblematische oder Not leidende Kredite),
x
Tilgungsart (endfällig, kontinuierlich, flexibel) und
x
Handelbarkeit (nicht, teilweise oder vollständig handelbar).
Die einzelnen Kreditarten sollen an dieser Stelle nicht weiter besprochen werden. Stattdessen sei auf die Literatur verwiesen.18 Die klassischen Kreditgeschäfte zeichnen sich dadurch aus, dass es sich meist um Buchkredite handelt. Darunter wird verstanden, dass sie ausgereicht werden und nach der Buy-andHold-Strategie bis zur Fälligkeit in den Büchern des Gläubigers/der Bank verbleiben. 2.1.2. Sonstige klassische Geschäfte mit Kreditcharakter Bei den sonstigen klassischen Geschäften mit Kreditcharakter handelt es sich vor allem um die Kreditleihe. Der Kreditgeber verpflichtet sich dabei gegenüber den Gläubigern des Kreditnehmers nur für dessen Schuld einzustehen, falls dieser seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Die Kreditleihe wird meist in den Bereich der Personen-Kreditsicherheiten eingeordnet. Abbildung 4 zeigt die grundlegende Struktur einer Kreditleihe. Kreditbetrag Kreditgeber/Gläubiger
Kreditnehmer/Schuldner
Verpflichtung zur Zahlung, falls der Schuldner seinen Pflichten nicht nachkommt
Zins und Tilgung
Dritter
Abb. 4: Struktur der Kreditleihe
18
Siehe Rösler et al. (2002), S. 149 ff.; Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 177 ff.
2.1. Grundlegende Geschäfte mit Kreditcharakter
11
Eine Form der Kreditleihe ist die Bürgschaft nach § 765 BGB. Eine dritte Person (Bürge) verpflichtet sich dadurch gegenüber dem Gläubiger für die Erfüllung der Verbindlichkeiten des (Haupt-)Schuldners einzustehen. Die Höhe der Bürgschaft entspricht dem Betrag der jeweiligen Hauptschuld (Akzessorietät der Bürgschaft). Dies bedeutet, dass die Bürgschaftshöhe abhängig von der jeweils verbleibenden Hauptschuld ist. Dabei können gewöhnliche oder selbstschuldnerische Bürgschaften unterschieden werden. Bei der gewöhnlichen Bürgschaft hat der Bürge das Recht, vom Gläubiger die Vorausklage gegen den Hauptschuldner zu verlangen, die so genannte Einrede der Vorausklage. Dabei wird der Bürge erst dann zu einer Zahlung verpflichtet, wenn der Gläubiger eine erfolglose Zwangsvollstreckung gegen den Hauptschuldner betrieben hat. Da dies unter Umständen mit hohen Kosten und Zeitaufwand für den Gläubiger verbunden ist, wird von den Kreditinstituten meist eine selbstschuldnerische Bürgschaft verlangt. Der Bürge verzichtet damit auf die Einrede der Vorausklage und der Gläubiger kann direkt auf den Bürgen zugreifen. Eine weitere Form der Kreditleihe stellt die Garantie dar. Der Garant (Garantiegeber) verpflichtet sich in diesem Falle für einen bestimmten Erfolg des Schuldners einzustehen. Bezogen auf das Kreditgeschäft bedeutet Erfolg, dass die Rückzahlung des Kreditbetrags und die darauf fälligen Zinsen erbracht werden. Im Vergleich zur Bürgschaft existiert für die Garantie keine separate gesetzliche Regelung. Rechtlich ist sie von der zugrunde liegenden Schuld losgelöst (Abstraktheit der Garantie). Dies bedeutet auch, dass sie nicht mit der Rückzahlung des zugrunde liegenden Kredits erlischt. Sie hat daher auch Gültigkeit für weitere Verbindlichkeiten des Schuldners. Des Weiteren übernimmt im Rahmen einer Schuldmitübernahme nach § 421 BGB ein Dritter gegenüber dem Gläubiger die Verpflichtung, zusätzlich zum Schuldner für dieselbe Verbindlichkeit zu haften. Die Schuldmitübernahme ist rechtlich gesehen identisch mit der selbstschuldnerischen Bürgschaft, da keine Einrede der Vorausklage möglich ist. Schließlich verpflichtet sich im Rahmen einer Patronatserklärung die Muttergesellschaft eines Konzerns, ihre Tochtergesellschaft finanziell so auszustatten, dass sie den Verpflichtungen aus einem Kreditvertrag stets nachkommen kann. Ein wichtiges Merkmal der Kreditleihe ist, dass sie stets an eine gewisse Schuld bzw. an einen Schuldner geknüpft ist und daher als Sicherheit zu klassifizieren ist. Eine von der zugrunde liegenden Schuld getrennte Handelbarkeit ist daher nicht gegeben. 2.1.3. Kreditalternativen 2.1.3.1. Anleihen/Notes Bei Anleihen oder Notes handelt es sich um verbriefte Forderungen mit einer festen Laufzeit und festgelegten, meist periodischen Zahlungen, die der Schuldner an den Gläubiger leistet. Der Schuldner verpflichtet sich zur Zahlung des aufgenommenen Kreditbetrags und von im
12
Ökonomischer Rahmen
Allgemeinen regelmäßigen Zinsbeträgen. Anleihen werden meist in die Kategorie der langund mittelfristigen Kreditfinanzierung (über einem Jahr) eingeordnet, da sie als Kapitalmarktinstrumente klassifiziert werden. Dagegen werden Notes in den Bereich der kurzfristigen Kreditfinanzierung aufgenommen, da sie vor allem am Geldmarkt gehandelt werden. Da mittlerweile jedoch auch langfristige Notes begeben werden (bis zu sieben Jahren), ist diese Unterteilung nicht mehr trennscharf,19 weswegen auch von Anleihen im weiteren Sinne gesprochen wird. Bei verbrieften und öffentlich gehandelten Zinsinstrumenten werden in Deutschland und Österreich die Begriffe Anleihe oder Rente, in der Schweiz Obligation und im angelsächsischen Raum Bond verwendet. Der Zufluss von Fremdkapital ist nicht nur für die Finanzierung der Realinvestitionen des Staates (Staatsanleihen) wichtig, sondern ebenso für Unternehmen (Corporate Bonds). Eine Kategorisierung der Schuldner lässt sich wie folgt vornehmen:
x
Öffentlicher Sektor: Bei den vom Staat (Bund), den Ländern, Städten und Gemeinden (Kommunen) emittierten Bonds spricht man von öffentlichen Anleihen, Staats- oder Kommunalanleihen. Darüber hinaus gibt es Pfandbriefe, Kommunaldarlehen sowie kurzfristige Staatspapiere (Geldmarktbuchforderungen).
x
Banken: Diese begeben Anleiheobligationen, also klassische Bonds, die mit größeren Volumina zu klar festgelegten Zeitpunkten platziert werden. Daneben finanzieren sich Banken auf laufender Basis mit ausgegebenen Schuldverschreibungen, die als Kassaobligationen bezeichnet werden.
x
Pfandbrief-Institute: Diese emittieren hypothekarisch gesicherte Anleihen, so genannte Pfandbriefe. Vielfach treten als Emittent Hypothekenbanken auf, wie z.B. in Deutschland oder in Dänemark.
x
Sonstige Wirtschaftsunternehmen: Im Allgemeinen werden diese Instrumente als Corporate Bonds bzw. Unternehmens- oder Industrieanleihen bezeichnet.
Die Vielfalt der Ausstattungsmerkmale eines Kredits kann im Wesentlichen auch bei Anleihen auftreten. Anleihespezifische Besonderheiten können dann existieren, wenn beispielsweise Optionen in den Anleihen (Implicit Options) enthalten sind, wie z.B. bei Wandelschuldverschreibungen, Optionsschuldverschreibungen.20 Im Vergleich zum klassischen Kredit richten sich Anleihen nicht nur an einen speziellen Kreditgeber, sondern an den Kapitalmarkt im Ganzen. Da die meisten Anleihen als Inhaberpapiere gestaltet sind, bleibt der Gläubiger anonym.
19 20
Siehe Rösler et al. (2002), S. 333. Auf diese Besonderheiten wird an dieser Stelle nicht eingegangen. Für eine weitergehende Beschreibung siehe Perridon/Steiner (2004), S. 408 ff.; Steiner et al. (2004), S. 79 ff.
2.1. Grundlegende Geschäfte mit Kreditcharakter
13
Die meisten Anleihen zeichnen sich des Weiteren dadurch aus, dass sie börsenfähig sind. Dies führt zu einer hohen Fungibilität der Anleihe und damit der Schuld selbst. Ein Gläubiger einer derartigen Schuld kann diese jederzeit an einer Börse verwerten. Je nach Marktliquidität können jedoch unter Umständen sehr hohe Bid-/Ask-Spreads auftreten.21 Zudem ist es üblich, dass eine Anleihe an eine Vielzahl von Gläubigern begeben wird. Abbildung 5 zeigt die Struktur der Kreditbeziehungen bei einer Anleihe. Anleiheemittent/Schuldner (Teil-)Kreditbetrag
Anleihekäufer/Gläubiger 1
Zins und Tilgung
Zins und Tilgung
Zins und Tilgung
Anleihekäufer/Gläubiger 2
Möglichkeit der vorzeitigen Veräußerung
Anleihekäufer/Gläubiger n
Möglichkeit der vorzeitigen Veräußerung
Möglichkeit der vorzeitigen Veräußerung
Börse
Abb. 5: Struktur der Kreditbeziehung bei einer Anleihe
Die Emission von Anleihen gibt dem Emittent die direkte Möglichkeit Kapital am Kapitalmarkt aufzunehmen. Er verschuldet sich somit bei einer Vielzahl von Gläubigern. Diese können anders als bei der klassischen Kreditfinanzierung weniger Einfluss auf ihn ausüben, als eine Kredit gewährende Bank, da jeder von ihnen jeweils nur einen Bruchteil der Gesamtschuld hält. Zudem kann die Emission von Anleihen für einen Schuldner eine günstigere Variante darstellen als die direkte Kreditaufnahme. Dies wird vor allem dann der Fall sein, wenn seine Reputation besser ist als es sein Ratingurteil erwarten lässt. Anleihen werden normalerweise von externen Ratingagenturen beurteilt und das Rating daraufhin veröffentlicht. Bei der Emission von Anleihen ist es möglich, dass ein Gläubiger durch das Stellen einer Vielzahl von Sicherheiten ein besseres Rating für die Emission erhält als er selbst besitzt. Auf diese Weise kann die Emission von Anleihen eine günstigere Finanzierungsform darstellen als die klassische Kreditfinanzierung. 2.1.3.2. Schuldscheindarlehen Bei Schuldscheindarlehen handelt es sich ebenso wie bei Anleihen um langfristige Finanzierungsinstrumente. Im Unterschied zur Anleihe ist der Gläubiger jedoch nicht der anonyme Kapitalmarkt, sondern eine so genannte Kapitalsammelstelle, wie z.B. private oder öffentlich-
21
Zu den Bid-/Ask-Kursen siehe Abschnitt 5.2.5.1.
14
Ökonomischer Rahmen
rechtliche Versicherungsunternehmen, die Träger der Sozialversicherung oder die Bundesagentur für Arbeit.22 Das Ausreichen eines Schuldscheindarlehens erfolgt in erster Linie über einen Vermittler, der auch gleichzeitig die Kreditwürdigkeitsprüfung übernimmt. Typischerweise sind Schuldscheindarlehen so ausgestaltet, dass der Schuldner den Kredit ratenweise in Anspruch nehmen kann, weshalb dies für ihn zu einer höheren Finanzierungsflexibilität führt. Damit passt sich das Schuldscheindarlehen an die Finanzierungsbedürfnisse des Gläubigers an. Schuldscheindarlehen haben gegenüber der Anleihe den weiteren Vorteil, dass keine Börsenzulassung nötig ist. Dies bedeutet insbesondere, dass die sich daraus ergebenden Kosten gespart und die weitgehenden Publizitätspflichten vermieden werden können. Dem steht für den Investor der Nachteil gegenüber, dass er das Schuldscheindarlehen nicht jederzeit an einer Börse veräußern kann, sondern bei einem Veräußerungswunsch selbst einen entsprechenden Investor finden muss. Daher ist die Fungibilität für den Kreditgeber gering. Dieser Nachteil wird meist in Form einer höheren Verzinsung abgegolten. Nachdem die grundlegenden Kreditgeschäfte vorgestellt wurden, geht der folgende Abschnitt nun speziell auf das Kreditgeschäft im Bankbetrieb ein. 2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb Grundsätzlich versteht man unter einem Kredit das Vertrauen eines Wirtschaftssubjektes (des Kreditgebers) in die Fähigkeit und Bereitschaft eines anderen Wirtschaftssubjektes (des Kreditnehmers), eine ihm für einen bestimmten Zeitpunkt zur Verfügung gestellte Leistung mit einer Gegenleistung zu einem späteren Zeitpunkt zu erwidern.23 Der Kredit soll in diesen Ausführungen generell aus der Sicht der Bank betrachtet werden. Dabei wird im Folgenden zunächst auf den traditionellen Kreditvergabeprozess eingegangen, bevor dann die Bonitätsprüfung eines Kreditnachfragers näher erläutert wird.24 2.2.1. Kreditvergabeprozess Der klassische Kreditvergabeprozess kann nach der deskriptiven Entscheidungstheorie als eine Reihe von Entscheidungsprozessen definiert werden, die aus einer logischen Abfolge separierbarer Entscheidungsphasen bestehen.25 Als Abgrenzungskriterium der einzelnen Phasen dient die von den Entscheidungsträgern zur Entscheidungsfindung auszuübende Tätigkeit. Jeder einzelne Entscheidungsprozess wird durch das Erkennen einer bestimmten Problemsitu22 23 24
25
Siehe Perridon/Steiner (2004), S. 423 ff. Vgl. Beyer (1993), S. 9. Die Bonitätseinstufung des Schuldners im Rahmen einer Emission von Anleihen oder Schuldscheindarlehen sowie einer Kreditleihe basiert auf einer vergleichbaren Vorgehensweise. Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 23 ff.; Daldrup et al. (2004), S. 238; für eine allgemeine Darstellung der deskriptiven Entscheidungstheorie siehe z.B. Rehkugler/Schindler (1981); Beck (2004); Laux (2005) und zu verschiedenen Verfahren der Entscheidungsfindung bei multikriteriellen Zielen siehe Schuh (2001), S. 254 ff.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
15
ation ausgelöst. Diese Situationen werden als für den Entscheidungsträger erkennbare Abweichungen zwischen dem als erstrebenswert wahrgenommenen Soll-Zustand und dem tatsächlichen Ist-Zustand angesehen. Die Kenntnis einer Problemsituation löst eine Suchphase aus, in der verschiedene Handlungsalternativen zur Lösung des Problems eruiert werden. In der sich daran angrenzenden Bewertungsphase wird der Zielerreichungsgrad jeder einzelnen Handlungsalternative ermittelt. In der abschließenden Auswahlphase findet das Aussuchen der Handlungsalternative statt, von der der höchste Zielerreichungsgrad erwartet wird. Darüber hinaus müssen jedoch auch die Entscheidungsprozesse mit in die Betrachtung eingebunden werden, die direkt aus der Umsetzung der ausgewählten Entscheidungsalternative resultieren. Dies ist besonders dann relevant, falls in der Umsetzungsphase aufgrund sich verändernder Rahmenbedingungen eine Revision früher getroffener Entscheidungen vorgenommen werden muss. Daher beginnt nach der Willensbildungs- die Willensdurchsetzungsphase. Beide Phasen unterliegen einer regelmäßigen Kontrolle, weshalb Anpassungen prinzipiell zu jedem Zeitpunkt möglich sein sollten. Damit ist es nötig, dass zur vollständigen Bewältigung von Entscheidungsproblemen die Entscheidungsphasen bei Bedarf mehrmals durchlaufen werden können. Die verschiedenen idealtypischen Phasen der deskriptiven Entscheidungstheorie können auf die Entscheidungsprozesse im Kreditgeschäft übertragen werden, wobei Abbildung 6 einen Überblick über die unterschiedlichen Phasen gibt. Die Kreditnachfrage der Kunden einerseits sowie die bankeigenen Akquisitionsbemühungen um neue Kunden andererseits stellen die Anregungsphase dar. Das Ergebnis dieser Phase ist typischerweise ein Kreditantrag. In der darauf folgenden Suchphase, die auch als Phase der Lösungsfindung bezeichnet wird, werden die für die Beurteilung relevanten Daten gesammelt und aufbereitet, sofern dies den Informationsstand erhöht. Damit die Beschaffung der Informationen für die Urteilsfindung erleichtert wird, existieren in den Kreditinstituten standardisierte Kreditbearbeitungsrichtlinien. Diese enthalten Anweisungen, welche Informationen zu welchem Zeitpunkt im Kreditvergabeprozess heranzuziehen sind. Ziel dieser Phase ist es, dem Kreditsachbearbeiter alle entscheidungsrelevanten Informationen zeitnah zur Verfügung zu stellen.
16
Ökonomischer Rahmen
Kreditanträge Anregungsphase Erfassung und Aufbereitung der entscheidungsrelevanten Informationen
Suchphase
Bewertung der Informationen Kreditbewertungsfaktoren
Bewertungsphase
Kreditfähigkeitsprüfung Kreditwürdigkeitsprüfung
Kreditbeurteilung Festlegung der Kreditkonditionen bei Kreditzusage
Abb. 6: Klassischer Ablauf der Kreditvergabe
An die Suchphase schließt sich die Bewertungsphase an, in der die erhobenen Informationen mittels institutsspezifischer Kreditbewertungsfunktionen zu einer Kredit(fähigkeits-)prüfung26 führen. Die daraus resultierenden Kreditprüfungsergebnisse stellen die Grundlage für die Kreditentscheidung dar. Die Bewilligung oder die Ablehnung des Kreditantrags sind die grundlegenden und sich gegenseitig ausschließende Entscheidungsalternativen im Kreditgeschäft. Jedoch ist in dieser Phase zu beachten, dass eine erneute Prüfung des Kreditantrags möglich sein sollte, um weitere Entscheidungskonstellationen zu berücksichtigen. Damit in einem solchen Fall die Ableitung des Krediturteils möglich ist, wird die Suchphase erneut aktiviert. Liegt das Krediturteil endgültig vor, ist auch der Prozess der Willensbildung auf Bankseite abgeschlossen. Bei abgelehnten Kreditanträgen sind dem Antragsteller die dafür ausschlaggebenden Gründe mitzuteilen und der Prozess ist somit beendet. Liegt hingegen ein positives Krediturteil seitens des Kreditinstituts vor, muss die rechtliche Ausgestaltung der Kreditbeziehung vorgenommen werden. Die darin festzuhaltenden Kreditkonditionen enthalten beispielsweise Informationen über die Kredithöhe, die Laufzeit, die Finanzierungskosten, die Kreditsicherheiten und die Aus- und Rückzahlungsmodalitäten. Diese Konditionen werden dem Kreditnachfrager unterbreitet, der daraufhin eine Entscheidung über die Annahme oder Ablehnung des 26
Siehe Abschnitt 2.2.2.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
17
Kreditangebots treffen muss. Entscheidet er sich für die Annahme des Angebots, kommt es zu einer Kreditvertragsunterzeichnung. Anschließend wird der Kreditbetrag in den festgelegten Tranchen einmalig oder in mehreren Teilbeträgen zu genau fixierten Terminen an den Kreditnehmer ausgezahlt. Damit ist der eigentliche Prozess der Kreditvergabe abgeschlossen. Der Kreditvergabe folgt die so genannte Kontrollphase, in der das Kreditinstitut den ordnungsgemäßen Verlauf der Kreditgeschäfte überwacht. Die Kreditüberwachung kann einerseits routinemäßig oder aber anlassbezogen durchgeführt werden. Dabei sind vor allem das Kreditvolumen und die Bonität des Kreditnehmers ausschlaggebend für die Intensität der Kreditüberwachung. Beim Eintritt unerwarteter Ereignisse, die in der Regel Einfluss auf die Bonität und damit die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers haben, wird eine erneute Kreditprüfung durchgeführt. Es werden während der Kreditprüfung die zu berücksichtigenden Informationsquellen und Kreditprüfungsverfahren bankintern vorgegeben, weshalb hier eine Standardisierung bei der Kreditbearbeitung eingetreten ist.27 Diese Standardisierung ist von Bedeutung, da subjektive Momente der Entscheidungsfindung bei der Kreditbearbeitung nicht auszuschließen sind.28 Gemäß der deskriptiven Entscheidungstheorie erwachsen diese subjektiven Momente aus den individuellen Kenntnissen der am Entscheidungsprozess beteiligten Personen. Die Ursachen für derartige Wissensunterschiede, die unter Umständen zu divergierenden Krediturteilen führen können, beruhen insbesondere auf der begrenzten menschlichen Informationsverarbeitungskapazität und -geschwindigkeit. Zudem spielen ökonomische Überlegungen bei der Kreditbearbeitung eine immer größere Rolle. Gilt es auf der einen Seite die Ausfallrisiken aus dem Kreditgeschäft generell zu senken, haben auf der anderen Seite die Erhöhung der Deckungsbeiträge oder des Marktanteils sowie die Reduzierung der Analysekosten immer größere Bedeutung. Die Ausgestaltung der Informationsprozesse beginnt daher bei einer effektiven Strukturierung der Informationsquellen für die Kreditbearbeitung.29 Schließlich ist die Unterscheidung der Datenherkunft in bankinterne und bankexterne Informationsquellen möglich.
27 28 29
Siehe Ackermann (2004), S. 5. Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 27. Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 27.
18
Ökonomischer Rahmen
Die Bedeutung der bankinternen Informationsquellen rückt dabei immer mehr in den Vordergrund, da diese
x
eine weitgehende Unabhängigkeit von Auskünften Dritter garantieren,
x
vergleichsweise geringe Informationsbeschaffungskosten verursachen,
x
einen verbesserten und uneingeschränkten Zugriff auf die zur Entscheidungsfindung benötigten Daten erlauben und
x
aufgrund kürzerer Beschaffungszeiten und weniger Möglichkeiten der Datenmanipulation aktueller und unter Umständen genauer sind.
Im Folgenden soll die Bonitätsbeurteilung, die im Bereich der Kreditprüfung angesiedelt ist, überblicksartig erörtert werden und einige der verwendeten Verfahren aufgezeigt werden. Die Beurteilung der Bonität stellt die Grundlage für die Ableitung der Kreditvergabeentscheidung, die Gestaltung der Kreditkonditionen, das Kreditrisikomanagement und unter Umständen auch für die regulatorische Eigenkapitalunterlegung dar. 2.2.2. Grundzüge der Bonitätsbeurteilung 2.2.2.1. Ziel Unter der Bonität eines Unternehmens versteht man dessen künftige Fähigkeit, Zahlungen (Zins und Kapital) aus Kreditgeschäften termingerecht und vollständig nachzukommen.30 Das Bonitätsrisiko umfasst damit sowohl die Gefahr eines nicht termingerechten Zahlungseingangs (Termin- und Liquiditätsrisiko) als auch des kompletten Kreditausfalls (Verlustrisiko bzw. Ausfallrisiko im engeren Sinn).31 Liegt ein besicherter Kredit vor, besteht zudem die Gefahr, dass die Sicherheiten an Wert verlieren und somit keine ausreichende Sicherungswirkung mehr erbringen (Besicherungsrisiko). Die Ermittlung der Bonität eines künftigen oder auch bestehenden Kreditnehmers durch Einblick in dessen persönliche, wirtschaftliche und rechtliche Lage ist zum einen unabdingbar für die Berechnung des Kreditrisikos. Zum anderen besteht nach § 18 KWG für Kredite ab einem Kreditvolumen von 250.000 Euro für die Institute die Verpflichtung, sich die wirtschaftlichen Verhältnisse, beispielsweise durch Vorlage eines Jahresabschlusses, offen legen zu lassen. In den Regelungen der MaK ist unabhängig vom Kreditvolumen die Kapitaldienstfähigkeit zu analysieren.32 Neben dieser einmaligen Bonitätsprüfung müssen die Kreditinstitute die wirtschaftlichen Verhältnisse und deren Entwicklung kontinuierlich während der Dauer des Kreditverhältnisses überwachen.33
30 31 32 33
Vgl. Everding (1996), S. 8; Rösler et al. (2002), S. 655. Siehe Steiner(1994), S. 414; Schierenbeck (2003), S. 154 ff. Vgl. Tz. 45 MaK. Zu den MaK siehe Abschnitt 3.4.2. Siehe Tz. 50 f. MaK.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
19
Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung34 steht beim Kreditsachbearbeiter bzw. beim Kreditmanagement das Ziel im Vordergrund, die Wahrscheinlichkeitsverteilung künftiger Zahlungen des Schuldners zu schätzen. Dies wird im Allgemeinen dadurch erschwert, dass der Kreditnehmer insbesondere im internationalen Geschäft Spielräume bei der Offenlegung seiner Verhältnisse nutzen kann. Die zu beurteilenden Risiken eines Kreditgeschäfts sind abhängig von der Qualität des zu finanzierenden Projekts und zusätzlich von der Person des Kreditnehmers.35 Die Ursachen für das Bonitätsrisiko können also einerseits in der Unsicherheit der Umwelt (leistungswirtschaftliches Risiko) oder aber andererseits im Verhalten des Kreditnehmers (Verhaltensrisiko) liegen. Das leistungswirtschaftliche Risiko beschreibt das Eintreten ungünstiger Umweltzustände, die vom Kreditnehmer nicht zu beeinflussen sind und die ihn an einer ordnungsgemäßen Erfüllung des Vertrags hindern. Dagegen basiert das Verhaltensrisiko auf der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer. Dabei nimmt der Kreditnehmer Handlungen vor, die zwar für ihn vorteilhaft sind, jedoch die ordnungsgemäße Erfüllung des Kreditvertrages gefährden. Eine permanente Überwachung des Kreditnehmers durch den Kreditgeber ist praktisch nicht durchzuführen. Daher ist das Ziel des Kreditgebers bereits vor Vertragsabschluss ein mögliches opportunistisches Verhalten des Kreditnehmers abzuschätzen.36 Bei der Kreditwürdigkeitsprüfung können diese Umstände lediglich über qualitative Anhaltspunkte ermittelt werden. Durch eine entsprechende Gestaltung der Kreditkonditionen wird jedoch versucht, Anreize für ein kompatibles Verhalten des Kreditnehmers zu schaffen. Die Verfahren der Bonitätsprüfung unterscheiden prinzipiell nach der Art der Kreditnehmer in Privat- und Firmenkunden. Dabei weichen insbesondere die Formen der zu erhebenden Informationen bzw. die Risikofaktoren und die damit verbundene Informationsgenerierung voneinander ab. Hinsichtlich der Vorgehensweise können generell zwei Typen unterschieden werden. Bei der traditionellen Vorgehensweise beurteilt der Kreditsachbearbeiter ein mögliches Kreditengagement nach den ihm vorliegenden Informationen und seiner Erfahrungen und entscheidet dann subjektiv-intuitiv. Die moderne Form der Bonitätsprüfung unterscheidet sich dahingehend, dass eine Standardisierung stattfindet. Dabei werden beispielsweise die Risikofaktoren anhand vorgegebener Richtlinien erhoben, einzeln bewertet und dann über eine Gewichtung zu einem Gesamtwert aggregiert. Dieser so genannte Scorewert bildet die Grundlage für die Kreditvergabeentscheidung.
34 35 36
Im Folgenden werden die Begriffe Bonität und Kreditwürdigkeit synonym verwendet. Siehe Hartmann-Wendels et al. (2003), S. 520. Zum Problem der asymmetrischen Informationsverteilung siehe Abschnitt 2.3.2.
20
Ökonomischer Rahmen
Nach der zugrunde liegenden Idee der Scoringverfahren werden die Kreditnehmer mit einer Reihe von Kriterien bzw. Merkmalen beschrieben. Diesen Merkmalsausprägungen werden dann numerische Werte zugeordnet. Anschließend erfolgt eine vorher festgelegte Gewichtung der Merkmalswerte und letztlich wird die Summe über alle Merkmalswerte berechnet. Das Ergebnis ist ein Scorewert, der die Information über die Kreditwürdigkeit des (potenziellen) Kreditnehmers in einem Wert verdichtet. Jeweils eine bestimmte Bandbreite von Scorewerten kann schließlich einer einzelnen Ratingklasse zugeordnet werden. Im einfachsten Fall wird der Scorewert SV in einem additiven Modell, wie z.B. (1)
SV x i
p
¦ Ȧ j * Tj x ij) , j 1
ermittelt, wobei Ȧj die Gewichtungen für die Merkmalsausprägungen Tj des i-ten Elements sind. Die folgenden Darstellungen beziehen sich auf die Bonitätsbeurteilung im Firmenkundenbereich. Die Übertragung der Aussagen auf den Privatkundenbereich ist jedoch möglich, wenn die entsprechenden relevanten Risikofaktoren dieses Segments berücksichtigt werden. Im nächsten Abschnitt wird zunächst auf die verschiedenen qualitativen Risikofaktoren bei Firmenkunden eingegangen und anschließend die unterschiedlichen Verfahren der Jahresabschlussanalyse vorgestellt. 2.2.2.2. Qualitative Faktoren Das Ziel der Prüfung der persönlichen Kreditwürdigkeit durch den Kreditgeber ist es, herauszufinden, ob der Firmenkunde bereit ist, bewilligte Kredite sowie eventuelle Neukreditzusagen vereinbarungsgemäß zurückzuzahlen.37 Dies kann jedoch nur dann festgestellt werden, wenn die Persönlichkeitsstruktur des Unternehmers oder der leitenden Angestellten zutreffend beurteilt wird. Da die Daten, die für die qualitative Analyse benötigt werden, häufig nicht objektiv messbar oder teilweise nur schwer zu beschaffen sind, spricht man in diesem Fall von so genannten Soft-facts. Die Bedeutung der Soft-facts wird aus den Erkenntnissen der Krisenursachenforschung abgeleitet und bestätigen, dass die Qualität der Unternehmensführung wesentlich für die künftige Unternehmensentwicklung ist.38 Gerade bei kleineren oder mittelständischen Unternehmen sind die Erkenntnisse über die Unternehmerpersönlichkeit wegen der fehlenden institutionalisierten Geschäftsleitung von fundamentaler Bedeutung.39 Damit eine willkürliche und intuitive Auswertung der persönlichen Kreditwürdigkeit weitgehend vermieden wird, sind standardisierte Checklisten und Erhebungsbögen nötig, die die einzelnen Beurteilungskriterien beinhalten. Eine derart strukturierte Vorgehensweise und eine möglichst objektive Erhebung der qualitativen Risikofaktoren, z.B. mittels Gesprächsleitfä37 38 39
Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 71. Siehe Rösler et al. (2002), S. 672 ff. Sie Grunwald/Grunwald (2001), S. 49 ff.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
21
den, können damit zu einer Beurteilung der vorhandenen Management- und Führungsqualifikation führen und geben so einen Einblick in das im Unternehmen existente Humanvermögen. Um die Persönlichkeitsstruktur zu erfassen, sollten folgende drei Eigenschaften des Unternehmers bzw. der leitenden Angestellten erfasst werden:
x
fachliche,
x
charakterliche und
x
physische Unternehmerqualifikationen.
Bei der fachlichen Qualifikation ist insbesondere die Vorlage von Qualifikationszertifikaten, wie z.B. Zeugnisse, anzusprechen. Die Qualifikation sollte dabei sowohl hinsichtlich technischer als auch kaufmännischer Fähigkeiten begutachtet werden. Generell müssen jedoch die unternehmerische Flexibilität, das Planungsvermögen und die einschlägige Berufserfahrung begutachtet werden. Meist werden in diese Kategorie auch die Führungsqualitäten einbezogen, wobei unklar ist, ob diese nicht in den Bereich der charakterlichen Qualifikationen einzuordnen sind. Die Charaktereigenschaften umfassen im Wesentlichen das Verantwortungsbewusstsein, die Innovationsbereitschaft und den Führungsstil. Hinsichtlich der physischen Merkmale wird besonderes Augenmerk auf den Gesundheitszustand und die Belastbarkeit des Unternehmers gelegt. Die Schwachstelle an dieser Vorgehensweise ist insbesondere die methodische Erfassung und die Quantifizierung dieser Merkmale. Die Quantifizierung jedoch ist unumgänglich, da die Soft-facts einen wichtigen Einfluss auf das Krediturteil haben. Daher werden in der Praxis die oben angesprochenen Merkmale operationalisiert und die Merkmalsausprägungen über eine Scoringtabelle erfasst.40 Darauf aufbauend wird ein qualitativer Scorewert als Teil des gesamten Scorewerts gebildet. 2.2.2.3. Quantitative Verfahren der Jahresabschlussanalyse Der Jahresabschluss gilt für den unternehmensexternen Personenkreis als die wichtigste Informationsquelle. Er setzt sich nach § 242 Abs. 3 HGB aus der Bilanz und der Gewinn- und Verlustrechnung zusammen und ist bei Kapitalgesellschaften um einen Anhang und einen Lagebericht zu erweitern (siehe § 264 Abs. 1 HGB). Er ist regelmäßig zu erstellen und hat „unter Beachtung der Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage der Kapitalgesellschaft zu vermitteln“.41 Bei der Jahresabschlussanalyse werden zunächst in einer formellen Aufbereitung die bilanzpolitischen Maßnahmen des potenziellen Schuldners korrigiert und die wichtigen Informatio40 41
Siehe Schmoll (2004), S. 25. Siehe § 264 Abs. 2 HGB.
22
Ökonomischer Rahmen
nen möglichst stark verdichtet. Damit sind Rückschlüsse auf die finanzielle Stabilität, die Ertragskraft und letztlich auch auf die Kreditwürdigkeit möglich.42 Nach dieser formellen Aufbereitung werden einzelne, möglichst bedeutende Positionen ausgewählt, um deren Zusammensetzung und zeitliche Entwicklung zu untersuchen. Bei der Jahresabschlussumformungsanalyse wird die gesamte Bilanz und/oder Gewinn- und Verlustrechnung in eine andere Form gebracht.43 Auf dieser aufbauend wird beispielsweise eine Kapitalfluss-, Wertschöpfungsrechnung oder eine Strukturbilanz erstellt. Damit können Zeitreihen und ihre Entwicklung gegenübergestellt und Vergleiche mit anderen Unternehmen der gleichen Branche durchgeführt werden.44 Den Analyseschwerpunkt der traditionellen Jahresabschlussanalyse stellt die Kennzahlenanalyse dar. Dabei werden möglichst aussagekräftige Jahresabschlusspositionen verdichtet und so strukturiert, dass anhand möglichst weniger Kennzahlen eine aussagekräftige Beurteilung der Unternehmenslage erfolgen kann.45 Das Ziel der Kennzahlenanalyse ist die Aufbereitung und Auswertung der im Jahresabschluss enthaltenen Informationen. Bei den zu bildenden Kennzahlen unterscheidet man einerseits die absoluten Kennzahlen, die aus der Addition bzw. Subtraktion einzelner Positionen der Bilanz oder der Gewinn- und Verlustrechnung resultieren. Andererseits werden bei Verhältniszahlen zwei absolute Zahlen durcheinander dividiert. Es können dabei folgende Unterscheidungen getroffen werden:46
x
Gliederungszahlen Sie stellen das Verhältnis einer Teilgröße zu einer Gesamtgröße dar, z.B. Anlagevermögen zu Aktiva.
x
Beziehungszahlen Hierbei werden zwei Größen, die zwar in einem sachlogischen Zusammenhang stehen, aber kein Bezug zur übergeordneten Größe vorliegt, zueinander in Beziehung gesetzt, wie z.B. Anlagevermögen zu Umlaufvermögen.
x
Indexzahlen Bei ihnen wird die zeitliche Entwicklung einer Größe wiedergegeben und der Ausgangswert auf 100% normiert, z.B. Umsatz pro Mitarbeiter, wobei der Wert des Ausgangsjahres 100% entspricht.
Aufbauend auf diesen Kennzahlen lassen sich verschiedene Analysen durchführen, nämlich die Finanzanalyse, bei der die Vermögens- und Finanzlage analysiert wird, und die Erfolgsanalyse, bei der der Fokus auf der Ertragslage liegt. Bei der Analyse der Kennzahlen wird eine Unterscheidung in logisch-deduktive und empirisch-induktive Verfahren vorgenommen. 42 43 44 45 46
Vgl. Coenenberg (2005), S. 949 ff. Siehe Uthoff (1997), S. 192 ff.; Meyer (2000), S. 22 ff.; Coenenberg (2005), S. 957 ff. Vgl. Perridon/Steiner (2004), S. 553. Siehe Küting/Weber (1999), S. 3. Siehe Perridon/Steiner (2004), S. 552 f.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
23
2.2.2.3.1. Logisch-deduktive Verfahren Die logisch-deduktiven Ansätze leiten anhand einer fundamentalen Betrachtung des Jahresabschlusses Schlussfolgerungen auf die wirtschaftliche Lage und deren künftige Entwicklung der Kredit nachfragenden Unternehmung ab. Eine mögliche Struktur der verschiedenen Bereiche der Kennzahlenanalyse gibt Abbildung 7 wieder. Bei den logisch-deduktiven Verfahren kommen hauptsächlich die traditionelle Kennzahlenanalyse und einige daraus abgeleitete Variationen in Betracht. Hierbei werden verschiedene Kennzahlen gebildet. Der Kreditsachbearbeiter muss nun anhand seiner Erfahrungen die relevanten Kennzahlen herausfiltern und sie den entsprechenden Informationsbereichen zuordnen.47 Indem die gleichen Kennzahlen verschiedener Perioden verglichen werden, lassen sich Zeitvergleiche durchführen, mit denen sich Unregelmäßigkeiten in den verschiedenen Informationsbereichen aufdecken lassen. Durch die Auswertung mehrerer, hintereinander publizierter Jahresabschlüsse können auf diese Weise Trendentwicklungen festgestellt werden. Zudem ist es mit den berechneten Daten möglich, Vergleiche mit anderen Unternehmen der gleichen Branche durchzuführen oder sich am Branchendurchschnitt zu orientieren, um einen entsprechenden Handlungsbedarf ableiten zu können. Durch Betriebsvergleiche kann sichergestellt werden, dass branchenspezifische Besonderheiten und aktuelle Branchenentwicklungen zumindest indirekt in die Betrachtung einfließen. Schließlich ist es, speziell im Rahmen der internen Unternehmensanalyse, mit Hilfe der Kennzahlensystematik möglich, Soll-/Ist-Vergleiche durchzuführen.48 Dazu werden die tatsächlichen Kennzahlen mit Planwerten verglichen. Im Rahmen einer Kontrollphase können somit größere Abweichungen identifiziert und nicht gewünschte Entwicklungen offen gelegt werden.49
47 48
49
Siehe Grunwald/Grunwald (2001), S. 80 ff. Zu den bekanntesten Kennzahlensystemen gehören das DuPont- und das ZVEI-Kennzahlen-System. Siehe hierzu Horvàth (1979), S. 466 f. und S. 470 f. Siehe Perridon/Steiner (2004), S. 553.
24
Ökonomischer Rahmen
Jahresabschlussanalyse Vermögensintensität Vermögensstruktur Umschlagskoeffizienten Eigenkapitalquote Kapitalstruktur Verschuldungsgrad
Finanzanalyse
Horizontale Bilanzstruktur
Horizontale Deckungsrelationen Abschreibungskoeffizienten
Finanzfluss Cashflow-Analyse Ergebnisbetrag Erfolgsanalyse Ergebnisstruktur
Abb. 7: Informationsbereiche und Komponenten der Jahresabschlussprüfung
Die traditionelle Kennzahlenanalyse wird mittlerweile durch den Einsatz von IT-Systemen unterstützt. Auf diese Weise ist es möglich, vorher definierte Kennzahlen automatisch zu ermitteln.50 Die historischen Daten und Kennzahlen werden dabei meist gespeichert und stehen für künftige Auswertungen zur Verfügung. Die somit gewonnenen Informationen können im Zeitablauf grafisch dargestellt werden und erleichtern die Arbeit des Kreditsachbearbeiters. Darüber hinaus erlaubt eine automatisierte Vorgehensweise, beliebig komplexe Untersuchungen für jeden einzelnen potenziellen Kreditnehmer durchzuführen. Meist ist diese Art eines Kennzahlensystems ein Teil des Ratingsystems, wobei es hauptsächlich die bilanziellen Informationen für eine Ratingeinstufung liefert.51 Es besteht weiterhin die Möglichkeit, sich durch den Einsatz eines Expertensystems einen Analysebericht erstellen zu lassen. Wichtig an dieser Stelle ist, dass solche Expertensysteme dem Kreditsachbearbeiter nicht die Aufgabe der Auswahl und Interpretation der Kennzahlen abnehmen sollten. Zwar bieten derartige Softwarelösungen eine solche Option, doch basiert diese Einschätzung auf den subjektiven Meinungen der vorher befragten Experten.
50 51
Siehe Schieble (2000), S. 28 f. Für einen Überblick zu den aktuell verfügbaren kommerziellen Ratingsystemen gibt Everling/Leyder (2004), S. 62.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
25
Die traditionelle Kennzahlenanalyse ist mit einer Reihe von Nachteilen behaftet. Diese beziehen sich sowohl auf die Verwendung der Jahresabschlussdaten zur Bildung von Bonitätsurteilen als auch auf die Kennzahlensystematik selbst. Der eingeschränkte Informationsgehalt des handelsrechtlichen Abschlusses hat mehrere Gründe. Zum einen hat der Abschluss nach HGB die Aufgabe, das Unternehmensgeschehen des abgelaufenen Geschäftsjahres am Bilanzstichtag zu dokumentieren. Bis zur Veröffentlichung des erstellten Jahresabschlusses vergehen jedoch noch einmal bis zu 18 Monate.52 Alle Kreditanalysen, die auf Jahresabschlussdaten basieren, ermöglichen daher lediglich eine vergangenheitsorientierte Betrachtung der Unternehmenssituation.53 Für die Kreditbeurteilung sind jedoch Informationen über die zukünftige wirtschaftliche Situation des Firmenkunden nötig.54 Daher wären zukunftsbezogene Informationen, wie z.B. Planzahlen aussagekräftiger. Weiterhin sind die Daten des Jahresabschlusses geprägt vom Offenlegungsverhalten und von bilanzpolitischen Überlegungen des Unternehmens. Durch das gezielte Ausnutzen von Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten wird die Fehlerhaftigkeit der Trendanalysen noch verschärft.55 Die Probleme der Kennzahlenanalyse an sich liegen vor allem in der subjektiven Auswertung der errechneten Kennzahlenwerte. Persönliche Erfahrungen des Kreditsachbearbeiters sowie dessen Risikoeinstellung können das Ergebnis beeinflussen, selbst wenn verbindliche Branchenwerte als Beurteilungsmaßstäbe vorgegeben wurden.56 Meist ist diese Schwäche auf nicht standardisierte Beurteilungs- und Aggregationsregeln zurückzuführen. Sind beispielsweise die Kennzahlengewichtungen zur Ableitung der Bonität und schließlich der Kreditentscheidung nicht vorgegeben, können verschiedene Kreditsachbearbeiter zu unterschiedlichen Ergebnissen bei der Kreditbewilligung und den Kreditkonditionen gelangen. Durch subjektive (Fehl-) Einschätzungen wird damit der Kreditvergabeprozess verzerrt und ermöglicht so Manipulationen. 2.2.2.3.2. Empirisch-induktive Verfahren Da bei den logisch-deduktiven Verfahren lediglich untersucht wird, ob der Kreditnehmer seinen Zahlungsverpflichtungen nachkommen kann, konnten keine Aussagen getroffen werden, ob der Kreditnehmer kreditwürdig ist. Dazu bieten sich stattdessen die empirisch-induktiven Verfahren an, bei denen zunächst eine Stichprobe bereits insolventer Unternehmen gebildet wird. Gleichzeitig wird eine Stichprobe von Unternehmen erhoben, die die gleiche Branche
52 53 54
55
56
Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 87. Siehe Baetge et al. (2002), S. 102. Die Zeitstabilitätshypothese, die die in der Vergangenheit realisierten Kennzahlen als Schätzer für die Zukunft heranzieht, kann vor allem in wirtschaftlich turbulenten Zeiten nicht unterstellt werden. Zu den Bilanzierungs- und Bewertungswahlrechten im HGB und in der Steuerbilanz siehe Winnefeld (2000), S. 382 ff. Vgl. Schiller/Tytko (2001), S. 88.
26
Ökonomischer Rahmen
und Unternehmensgröße aufweisen, jedoch noch solvent sind.57 Um eine möglichst trennfähige Kennzahlenkombination zu ermitteln, werden statistische Verfahren verwendet. Sind die Ergebnisse zudem noch über die Zeit hinweg stabil, können bei künftigen Prüfungen zuverlässige Klassifizierungen erwartet werden. Die unterschiedlichen Ansätze der empirisch-induktiven Verfahren werden in folgender Abbildung dargestellt.58 Empirisch-induktive Verfahren der Jahresabschlussanalyse
Diskriminanzanalyse
Univariate Diskriminanzanalyse
Verteilungsabhängige Verfahren
Lineare Diskriminanzanalyse
Regressionsanalyse
Multivariate Diskriminanzanalyse
Verteilungsfreie Verfahren
Quadratische Diskriminanzanalyse
Mustererkennung
Sonstige Verfahren
Künstliche Intelligenz
Rekursiver Partitionsalgorithmus
Neuronale Netze
Nearest Neighbour
Multi-LayerPerception
Cluster-Analyse
CounterPropagation
Sonstige Learning Vector Quantization Expertensysteme Sonstige
Abb. 8: Empirisch-induktive Verfahren der Jahresabschlussanalyse
2.2.2.3.2.1. Regressionsanalyse Generell stellt die Regressionsanalyse den funktionalen Zusammenhang zwischen einer abhängigen und einer oder mehreren unabhängigen Variablen her.59 Meist wird dabei eine Stichprobenauswahl aus einer unbekannten Grundgesamtheit untersucht. Die Ergebnisse der Analyse dieser Stichprobendaten sollten dann möglichst allgemein auf die Grundgesamtheit übertragbar sein. Im Falle einer linearen Regression wird eine lineare Beziehung zwischen dem Regressand y (zeigt die Insolvenz an: Wertebereich: 0 oder 1) und dem/den Regressor(en) x 1, x 2 ,..., x n (die ausgewählten Kennzahlen) angenommen. Je nach Anzahl der vor57 58 59
Vgl. Beermann (1976), S. 50 f. Siehe Dittmar/Hilbert (1997), S. 7. Siehe Sachs (1999), S. 493 ff.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
27
liegenden Regressoren wird eine Unterteilung in eine einfache (ein Regressor) und eine multiple Regression vorgenommen. Dabei hat die Regressionsgleichung folgende Form:60 (2)
y
f x Į 0 Į1x1 Į 2 x 2 ... Į n x n .
Wird eine einfache Regression durchgeführt, beschreibt die Funktion eine Gerade, die derart in die Stichprobenauswahl gelegt werden soll, dass die Abweichungen von ihr minimiert werden. Damit die lineare Regression durchgeführt werden kann, müssen die Variablen in einem metrischen Maß vorliegen. Üblicherweise werden dazu Bilanzdaten oder Daten der Gewinn- und Verlustrechnung herangezogen. Die lineare Regression wird heutzutage selten in der Praxis eingesetzt, da sie als überholt gilt. Durch den verstärkten Einsatz von leistungsfähigen IT-Systemen wird mittlerweile die Diskriminanzanalyse bevorzugt.61 Neben der linearen Regression existiert die so genannte logistische Regression. Dabei wird die Annahme der linearen Beziehung verworfen und das Ziel „die Veränderungen der Gruppenzugehörigkeitswahrscheinlichkeiten zu ermitteln“62 verfolgt. Das heißt, dass es sich hierbei um eine Berechnung der Insolvenz- bzw. Solvenzwahrscheinlichkeit handelt. Für den Zwei-Variablen-Fall kann folgende Funktion abgeleitet werden: (3)
ʌi
1 1 e (Įȕ* x i ui )
.
Dabei bezeichnet ʌ i die Eintrittswahrscheinlichkeit des betrachteten Ereignisses in der Grundgesamtheit. Die Parameter Į und ȕ sind so genannte Logit-Koeffizienten, die aus den Stichprobendaten nach dem Maximum-Likelihood-Verfahren geschätzt werden können. Die beschriebene Regressionskurve ist s-förmig und äußerst stabil gegen extreme Ausreißer. Sie drückt eine Art Sättigungseffekt aus, der besagt, dass Änderungen der unabhängigen Variablen in den Extrembereichen zu keiner weiteren Verschiebung der Eintrittswahrscheinlichkeit führen. Einschränkend ist bei diesen nichtlinearen Regressionen zu erwähnen, dass sie einen Mindeststichprobenumfang von ca. 100 Beobachtungen verlangen. Daher ist festzuhalten, dass die Logit- (und auch die Probit-) Verfahren zwar bessere Ergebnisse als die lineare Regression liefern, jedoch insgesamt von geringerer praktischer Bedeutung sind.63
60 61 62 63
Mit Į 0 , Į1, Į 2 ,..., Į n werden die Koeffizienten bezeichnet. Siehe Grenz (1987), S. 25. Siehe Baetge (2002), S. 2284, Spalte 1. Zur ausführlichen Darstellung von Logit- und Probit-Modellen siehe Kaiser/Szczesny (2000), S. 7 ff.; für die Darstellung von Logit-Modellen siehe Diaz-Bone (2002).
28
Ökonomischer Rahmen
2.2.2.3.2.2. Diskriminanzanalyse „Die Diskriminanzanalyse ist eine Methode zur Analyse von Gruppenunterschieden, die es ermöglicht, zwei oder mehrere Gruppen simultan hinsichtlich einer Mehrzahl von Merkmalvariablen zu untersuchen.“64 Bei der Diskriminanzanalyse handelt es sich somit um eine statistische Untersuchungsmethode, die zur Analyse von Gruppenunterschieden benutzt wird. Anhand der Ausprägungen von Merkmalvariablen kann eine Klassifizierung der Analyseobjekte und damit die Zuordnung zu einer zuvor genau spezifizierten Gruppe vorgenommen werden. Im Vergleich zur Regressionsanalyse ist die Gruppenzugehörigkeit als abhängige Variable nicht mehr metrisch, sondern nominal skaliert. Auf Basis dieser statistischen Besonderheit kann mittels Diskriminanzanalysen ein insolvenzorientierter Unternehmensvergleich herbeigeführt werden. In Abhängigkeit vom Grad der Insolvenzgefährdung wird ein Unternehmen entweder der Gruppe der solventen oder insolventen Unternehmen zugeordnet. Bei den herangezogenen Merkmalvariablen handelt es sich um betriebswirtschaftliche Kennzahlen. Die Diskriminanzanalyse liefert eine Beurteilung des Kreditengagements, die als Entscheidungsgrundlage für die finale Kreditentscheidung herangezogen werden kann. Als Ergebnis wird das Krediturteil herbeigeführt und zudem eine Einteilung in verschiedene Bonitätsstufen vorgenommen. Dadurch können bei der Kreditvergabe schlechte Kunden abgewiesen bzw. diese für das erhöhte Risiko mit einer entsprechenden Prämie belegt werden. Im Zwei-Gruppen-Fall erfolgt die Klassifikation durch die Berechnung unternehmensspezifischer Diskriminanzwerte, die anschließend mit einem zuvor ermittelten empirischen Trennwert verglichen werden. Dieser Trennwert ist anhand empirischer Voruntersuchungen so zu ermitteln, dass er eine bestmögliche Separation zwischen solventen und insolventen Unternehmen liefert.65 Somit dient er als Cut-off-Point und als Entscheidungsgrundlage für die Gruppenzuordnung. Zu Beginn der empirischen Voruntersuchungen wird zunächst die empirische Grundgesamtheit festgelegt, die als Datenbasis für die spätere empirische Untersuchung dient. Damit eine aussagefähige Diskriminanzfunktion abgeleitet werden kann, sollte die strukturelle Zusammensetzung des Datensamples der Struktur des Firmenkundenportfolios entsprechen. Darüber hinaus muss entschieden werden, wie viele Unternehmen in die Untersuchung einbezogen werden. Es ist darauf zu achten, dass den insolventen Unternehmen per Zufallsauswahl eine ebenso große Anzahl solventer Unternehmen gegenübergestellt wird. Schließlich sind eine Analyse- und eine Kontrollstichprobe zu bilden. Die Analysestichprobe bildet dabei die Grundlage für die Ermittlung der Diskriminanzfunktion, während die Kontrollstichprobe zur Validierung der berechneten Diskriminanzfunktion herangezogen wird. Da die Diskriminanzfunktion auf der Basis von Jahresabschlüssen vergangener Perioden basiert, ist das Datenmaterial zunächst in ein einheitliches Bilanzgliederungsschema zu übertra-
64 65
Siehe Backhaus (1990), S. 162. Siehe Baetge et al. (2004), S. 537; Coenenberg (2005), S. 973 f.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
29
gen und der zu verwendende Kennzahlenkatalog festzulegen. Jede dieser Kennzahlen ist daraufhin auf die Trennfähigkeit hin zu untersuchen. Da die Kennzahlenkataloge unter Umständen sehr umfangreich sein können und somit möglicherweise zu einem hohen Rechenaufwand führen, werden heuristische Suchverfahren verwendet, um die Kennzahlen auszuwählen, die eine signifikante Gruppenunterscheidung liefern. Als trennfähig gelten Kennzahlen dann, wenn einerseits die berechneten Mittelwerte für die beiden Unternehmensgruppen unterschiedlich sind und andererseits die berechneten Kennzahlen innerhalb der Gruppenzugehörigkeit eine geringe Streuung besitzen. Unter diesen Umständen ist der Überschneidungsbereich der normalverteilten Dichtefunktion relativ gering, was zu einer geringen Fehlklassifikationsrate beiträgt.66 Für die Suche nach trennfähigen Kennzahlen werden meist grafische oder analytische Mittelwertvergleiche herangezogen.67 Die Kennzahlen selbst, die bei der Diskriminanzanalyse Verwendung finden, müssen eine Reihe von Anforderungen erfüllen. Da nicht alle Kennzahlen der traditionellen Jahresabschlussanalyse geeignet sind, ist im Vorhinein ein Kennzahlenkatalog aufzustellen, wobei die Kennzahlen folgende Eigenschaften zu erfüllen haben:68
x
Absolutzahlen sind nicht zu verwenden, da Unternehmen verschiedener Größen lediglich über Verhältniszahlen vergleichbar sind.
x
Im Zähler und im Nenner der Kennzahl sollten Positionen enthalten sein, die sich bei gesunden und kranken Unternehmen unterscheiden. Insbesondere eignen sich Kennzahlen, bei denen sich Zähler und Nenner in gegenläufige Richtungen verändern. Durch diesen Hebeleffekt kommen etwaige Unterschiede noch besser zur Geltung.
x
Für jede Kennzahl muss sich eine Arbeitshypothese „Kennzahl(solventes Unternehmen) < Kennzahl(insolventes Unternehmen)“ oder „Kennzahl(insolventes Unternehmen) < Kennzahl(solventes Unternehmen)“ bilden lassen.
x
Kennzahlen, bei denen sowohl der Zähler als auch der Nenner negativ werden können, sind ausgeschlossen, da sich unter Umständen das Vorzeichen heraushebt und so keine Unterschiede mehr zu erkennen sind. Beispielsweise ist es bei insolventen Unternehmen möglich, dass bei der Kennzahl Eigenkapitalrentabilität (=
Jahresüberschuss ) Eigenkapit al
so-
wohl der Zähler als auch der Nenner negative Werte annehmen können und damit keine Unterscheidung in der Kennzahlenausprägung zu einem solventen Unternehmen festgestellt werden kann.
x
66 67 68
Im Nenner dürfen keine Werte nahe oder gleich null vorkommen, da ansonsten sehr hohe oder nicht definierte Kennzahlenwerte entstehen können.
Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 93. Vgl. Sachs (1999), S. 488. Vgl. Feidicker (1992), S. 55 ff.
30
Ökonomischer Rahmen
Nach diesem Analyseschritt wird die Kennzahlenkombinationsfähigkeit der geeigneten Kennziffern untersucht. Dabei werden mit Hilfe von Korrelations- und Clusteranalysen stark korrelierte Kennzahlen separiert. Hoch korrelierte Kennziffern verzerren die Gruppentrennung, weshalb darauf zu achten ist, dass das Einbeziehen einer Kennzahl zu einer bereits im Datenpool enthaltenen hoch korrelierten Kennzahl nur geringen zusätzlichen Informationsgehalt besitzt. Wurden die Datenbasis und die Kennzahlenstruktur festgelegt, können die Bewertungsformel für die Diskriminanzfunktion und der kritische Trennwert berechnet werden. Dazu ist zunächst das Ziel der Analyse zu formulieren. Es kommen zwei mögliche Fehlerklassifikationen in Betracht. Zum einen beschreibt der Alpha-Fehler die Wahrscheinlichkeit, dass die Kreditvergabe an ein tatsächlich insolventes Unternehmen erfolgt. Die Folgen daraus reichen von Einbußen bei den Zins- und Tilgungszahlungen bis hin zum Totalverlust. Dagegen bezeichnet man als Beta-Fehler die Wahrscheinlichkeit, dass ein tatsächlich solventer Kunde als nicht kreditwürdig betrachtet wird. Diese Fehlentscheidung führt dazu, dass ein potenzieller Kunde möglicherweise verärgert wird und zur Konkurrenz abwandert, wobei der Schaden in Opportunitätsverlusten liegt.69 Damit eine optimale Klassifikationsgüte herbeigeführt werden kann, muss der Trennwert so bestimmt werden, dass eine bestmögliche Gruppentrennung erfolgen kann. Dazu ist ein Gütekriterium zu wählen, welches die Anzahl der Fehlerklassifikationen beinhalten kann. Als Bedingung wird deshalb gefordert, dass der Alpha-Fehler kleiner sein sollte als der Beta-Fehler, da die Kreditausfallkosten üblicherweise höher sind als die Opportunitätskosten in Folge entgangener Kreditgeschäfte.70 Um die Fehlerklassifikationsrate gering zu halten, sollte die Diskriminanzfunktion auf Basis statistischer Optimierungsverfahren bestimmt werden. Für diese Zwecke ist das schrittweise Vorwärtszählen (Stepwise Forward Selection) weit verbreitet. Dabei werden die trennstärksten, unkorrelierten Kennzahlen nacheinander in die Diskriminanzfunktion einbezogen. Der Selektionsprozess ist dann beendet, wenn durch das Hinzunehmen einer weiteren Kennzahl keine weitere Verbesserung der Gruppentrennung erreicht werden kann. In diesem Fall wurde die trennschärfste Diskriminanzfunktion bestimmt.71 Alternativ können alle Kennzahlen auf einen Schlag einbezogen werden (Complete Selection). Bei den Diskriminanzanalyseverfahren wird nach uni- und multivariaten Methoden unterschieden. Bei der univariaten bzw. dichotomen Diskriminanzanalyse wird lediglich eine Kennzahl verwendet, die eine Unterteilung in solvente bzw. „gesunde“ und insolvente bzw. „kranke“ Unternehmen liefert.
69 70 71
Siehe Gebhardt (1980), S. 204. Vgl. Schiller/Tytko (2001), S. 92 f. Siehe Gebhardt (1980), S. 242 ff.; Backhaus (1990), S. 90 ff.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
31
Zur Veranschaulichung stellt Abbildung 9 beispielhaft die Häufigkeitsverteilung einer Kennzahl k für die Unternehmensklassen „gesund“ und „krank“ und den dazugehörigen Cut-offPoint Ck dar. In diesem Fall sind die Kennzahlenwerte normalverteilt und für solvente Unternehmen größer als für insolvente (z.B. Eigenkapitalquote oder Umschlagshäufigkeit). Diejenigen Unternehmen i, deren Ausprägung ki der Kennzahl k kleiner als Ck ist, werden als krank eingestuft. Dementsprechend werden Unternehmen mit der Kennzahl ki > Ck als gesund eingestuft. Für Unternehmen, deren Ausprägung ki = Ck ist, kann keine Aussage getroffen werden. Bei dem in Abbildung 9 dargestellten Beispiel wurden die erwarteten Kosten aus dem Eintreffen des Alpha-Fehlers minimiert, da die Trennlinie soweit nach rechts verschoben wurde, dass die Eintrittswahrscheinlichkeit für den Beta-Fehler diejenige des Alpha-Fehlers übersteigt. Häufigkeit der Kennzahlenwerte Kranke Unternehmen
Beta-Fehler
schlecht
Gesunde Unternehmen
Alpha-Fehler
Ck
gut
Ausprägungen der Kennzahl k
Abb. 9: Gruppentrennung mit Hilfe der univariaten Diskriminanzanalyse
Im Vergleich zur univariaten werden bei der multivariaten Diskriminanzanalyse mehrere Kennzahlen zur Beurteilung der wirtschaftlichen Lage eines Unternehmens betrachtet, gewichtet und zu einer Funktion zusammengefasst. Dadurch können mehrere Einflussfaktoren und gleichzeitig Wechselwirkungen zwischen diesen berücksichtigt werden. Dies ist insbesondere dann von Bedeutung, wenn zwei Kennzahlen bei univariater Betrachtung widersprüchliche Klassifikationen erbringen. Bei den Methoden der multivariaten Diskriminanzanalyse unterscheidet man zwischen verteilungsabhängigen und verteilungsfreien Verfahren. Die verteilungsabhängigen Verfahren lassen sich schließlich in die quadratische und die lineare Diskriminanzanalyse unterteilen. Ge-
32
Ökonomischer Rahmen
meinsam ist diesen Ansätzen, dass sie die Normalverteilung der Kennzahlen voraussetzen. Diese Eigenschaft ist ggf. zuvor mittels eines geeigneten Testverfahrens zu analysieren.72 Die lineare Diskriminanzanalyse ist in der Praxis am weitesten verbreitet. Der Diskriminanzwert Y, der dabei gebildet wird, ergibt sich als Linearkombination aus (4)
Y
b 0 b1k 1 b 2k 2 ... b nk n
.
Die Werte der eingehenden Kennzahlen werden mit k 1,..., k n und die jeweiligen Koeffizienten mit b1,..., b n bezeichnet. Errechnet sich für Y ein Wert oberhalb des kritischen Trennwerts Y*, resultiert daraus ein gutes, ansonsten ein schlechtes Urteil. Die b1,..., b n sind so zu schätzen, dass eine bestmögliche Trennung in solvente und insolvente Unternehmen vorgenommen werden kann, sich also die Gruppen maximal voneinander unterscheiden. Die Schätzung der Diskriminanzfunktion erfolgt über das so genannte Diskriminanzkriterium. Dieses ist wie folgt definiert: (5)
ī
Streuung zwischen den Gruppen . Streuung in den Gruppen
Die Koeffizienten b1,..., b n sind nun so zu wählen, dass der Quotient ī maximiert wird. Daraus resultiert eine maximale Trennung der Gruppen.73 Anschließend ist der kritische Diskriminanzwert Y* zu bestimmen. Dazu gibt es zwei unterschiedliche Ansätze. Zum einen existiert das Distanzkonzept, das ihn als arithmetisches Mittel der beiden Gruppenmitten errechnet.74 Das Wahrscheinlichkeitskonzept auf der anderen Seite berücksichtigt die AprioriWahrscheinlichkeiten und ungleiche Kosten der Fehlerklassifikation. Dadurch wird ein Niveau für den Alpha-Fehler festgelegt, aufgrund dessen der kritische Diskriminanzwert bestimmt wird. Teure Fehlklassifikationen des Alpha-Fehlers werden so vermieden. Der berechnete Trennwert wird meist in das absolute Glied b 0 verschoben. Die „quadratische multivariante Diskriminanzanalyse zeichnet sich […] dadurch aus, dass auch Produkte von Kennzahlen und deren Quadrate gewichtet werden können“.75 Die grundlegende Form einer quadratischen multivariaten Diskriminanzanalyse im Zwei-KennzahlenFall wird wie folgt beschrieben: (6)
72
73 74
75
Y
b 0 b1k 1 b 2k 2 c 11k 12 c 12k 1k 2 c 22k 22 .
Siehe Baetge (2002), S. 2282, Spalte 1; zu den Testverfahren im Einzelnen siehe Sachs (1999), S. 420 ff. Siehe Backhaus (1990), S. 171 ff. Die Gruppenmitte wird auch als Centroid bezeichnet. Es ergibt sich aus dem Mittelwert der Diskriminanzanalyse einer Gruppe. Vgl. Hüls (1995), S. 35.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
33
Da sie sich durch eine hohe Komplexität, hohe Empfindlichkeit gegenüber Abweichungen von der Normalverteilung und schlechte ökonomische Interpretierbarkeit auszeichnet und zudem in empirischen Studien gegenüber den linearen Methoden schlecht abschneidet,76 soll auf eine genauere Vorstellung an dieser Stelle verzichtet werden. Bei den verteilungsfreien Ansätzen können mehrere Methoden unterschieden werden. Die Methode nach Kendall versucht mit der „Order-statistic-Method“ ein verteilungsunabhängiges Verfahren zur Gruppentrennung zu entwickeln.77 Dazu werden für jede Variable zwei Trennwerte festgelegt, so dass sich unterhalb oder oberhalb nur Objekte dieser Gruppe befinden. Begonnen wird mit der Variable mit dem geringsten Überschneidungsbereich. Mittels der jeweils nächst schlechteren Variable wird versucht, eine optimale Zuordnung zu erreichen, bis alle Variablen verwendet wurden. Die empirischen Ergebnisse zeigen jedoch bei diesem Verfahren ebenfalls keine ausreichende Trennschärfe.78 Beim Kern-Verfahren handelt es sich schließlich um eine nichtparametrische Dichteschätzung. Dabei wird für die Fläche unter der Dichtefunktion die Wahrscheinlichkeit bestimmt, dass eine Zufallsvariable einen Wert annimmt. Die Bestimmung der Dichte erfolgt, für jede Gruppe getrennt, über so genannte Kerne, die um jeden Stichprobenwert gelegt werden. Die Kerne haben jeweils die gleiche Masse, weshalb sich aus der Summe dann die Dichtefunktion für jede Gruppe ableiten lässt. Der Schnittpunkt der beiden Gruppendichten entspricht dem Trennwert der Gruppen. Die Ergebnisse, die mit dieser Methode erzielt wurden, sind befriedigend.79 Problematisch erscheint jedoch, dass für jedes neue Objekt eine komplette Neuberechnung nötig ist, was zu einem enormen Rechenaufwand führt. Unbestreitbar ist, dass das Verfahren der Diskriminanzanalyse zu einer Formalisierung und Objektivierung des Kreditprüfungsprozesses beiträgt. Dabei können beispielsweise die Fragestellungen beantwortet werden, welche Kennziffern heranzuziehen sind, wie die einzelnen Kennziffern zu einem Gesamturteil verdichtet werden können und ab welchem kritischen Wert mit einem Kreditausfall zu rechnen sein wird. Als Gütemaßstab dient die Fehlklassifikation, die möglichst niedrig gehalten werden soll. Als gute Klassifikationsleistung gilt die Fähigkeit, 80% derjenigen Unternehmen zu identifizieren, bei denen in den nächsten drei Jahren mit größter Wahrscheinlichkeit eine Leistungsstörung auftreten wird.80 Dadurch könnte mit den berechneten Diskriminanzfunktionen die Möglichkeit bestehen, eine Insolvenzprognose durchzuführen.
76 77
78 79 80
Siehe Hüls (1995), S. 36. Siehe zum Ansatz von Kendall ausführlich Keysberg (1989), S. 76 ff.; Pytlik (1994), S. 106 f.; Hüls (1995), S. 253 ff. Siehe Pytlik (1994), S. 107 f.; Hüls (1995), S. 263 f. Siehe Keysberg (1989), S. 102. Zu den verschiedenen empirischen Untersuchungen und deren Qualität siehe Beaver (1966); Altman (1968); Beermann (1976); Gebhardt (1980); Niehaus (1987); Hüls (1995).
34
Ökonomischer Rahmen
Zudem kann man mit Diskriminanzanalysen Rationalisierungseffekte bei der Kreditvergabe nutzen. Damit verringert sich zum einen die Zeitdauer für die Analyse der Jahresabschlüsse und zum anderen ist ein effizienter Einsatz der Kreditsachbearbeiter möglich. Im allgemeinen Ablauf könnten so die nach der Diskriminanzanalyse sich ergebenden unkritischen Fälle sofort weiterbearbeitet werden. Es kann so eine Konzentration auf die kritischen Fälle vorgenommen werden, bei denen eine detaillierte Bonitätsprüfung erforderlich ist. Trotz dieser aufgeführten Vorteile müssen weitere Untersuchungen für die Ableitung aussagefähiger Bonitätsurteile durchgeführt werden. Die Hauptproblemfelder sind dabei identisch zu denen der logisch-deduktiven Verfahren, wie z.B. Verwendung vergangenheitsorientierter Daten, bilanzpolitische Maßnahmen, etc. Als gravierender Nachteil der diskriminanzanalytischen Verfahren wird das Unvermögen, qualitative Beurteilungskriterien in die Verfahren zu implementieren, angesehen. Daher wird im Zusammenhang mit der Diskriminanzanalyse meist nur von einer Krisensymptombeschreibung gesprochen.81 Das Fehlen der statistischen Voraussetzungen, insbesondere die Annahme der Normalverteilung, wird darüber hinaus als Problempunkt betrachtet, der unter Umständen zu Fehlklassifikationen führen kann. Schließlich wird in der Praxis auch mit dem sehr hohen Aufwand argumentiert, der mit der Implementierung einer leistungsfähigen Diskriminanzanalyse einhergeht. Daher ist der Verbreitungsgrad in praxi noch relativ gering. 2.2.2.3.2.3. Mustererkennungsverfahren Bei den Verfahren der Mustererkennung handelt es sich um eine Vielzahl von Methoden, die teilweise den Verfahren der Diskriminanzanalyse und teilweise dem Systemgebäude der Künstlichen Intelligenz zuzurechnen sind.82 Der Grundgedanke der Mustererkennung liegt in der Analyse bestimmter Muster und deren Zuordnung zu bereits existierenden oder noch zu bildenden Klassen. Das Muster ergibt sich als eine Kombination von Merkmalen.83 Es kann festgehalten werden, dass es sich bei der Mustererkennung um eine Suche nach der Struktur in den Daten handelt.84 Die grundlegende Vorgehensweise kann anhand des nachfolgenden Schaubilds dargestellt werden:85
81 82 83 84 85
Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 98. Zu den Verfahren der Mustererkennung siehe im Speziellen Heno (1983). Vgl. Mertens (1977), S. 779. Vgl. Löbbe (2001), S. 57. in Anlehnung an Mertens (1977), S. 780
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
35
Mensch/Umwelt
Mensch/Umwelt Entscheidung/Maßnahme
Muster Klassenname Vorverarbeitung
Merkmalsextraktion Muster in geeigneter Form
Merkmale
Klassifizierung
Abb. 10: Mustererkennungsprozess
Für den eigentlichen Mustererkennungsprozess sind zunächst die wichtigen Merkmale herauszufinden. Deren Anzahl sollte in der Regel geringer sein, als die im Datenmaterial erhobenen Merkmale. Nicht relevante Muster, die also keinen Beitrag zur Lösung des Erkennungsproblems liefern, können das Muster stören und sind deshalb zu entfernen. Werden nicht relevante Merkmale mit in den Mustererkennungsprozess einbezogen, kann es zu einem Verrauschen kommen.86 Sind die relevanten Merkmale erhoben, erfolgt die Klassifizierung. Von einer Klassifizierung wird dann gesprochen, wenn ein Musterraum X (Eingaberaum) in die Klassen X1,..., X n zerfällt. Bei der Erstellung des Entscheidungsproblems wird angenommen, dass es Grenzen zwischen den X i gibt, die approximiert werden können. Durch diese näherungsweise Bestimmung der Grenzen kann das Problem gelöst werden, so dass jedes x X einem Intervall zugeordnet werden kann. Für den Klassenbildungsprozess ist die Identifikation geeigneter Eigenschaften für die einzelnen Klassen von großer Bedeutung. Bei Verwendung einer Vielzahl von Daten lernt das System die Erkennung des Musters. Ein einfaches Muster kann in folgenden Schritten klassifiziert werden:87
x
Durch die Vorverarbeitung werden geeignete Merkmale identifiziert und Störeinflüsse in den Mustern eliminiert.
x
Die Muster sind in eine weiter zu verarbeitende, geeignete Form zu bringen.
x
Die einzelnen Merkmalsausprägungen sind zu extrahieren und zu messen. Es ist eine Konzentration auf die trennfähigsten Merkmale notwendig.
x
Schließlich ist unter Verwendung der gespeicherten Klassencharakteristika das Muster einer geeigneten Klasse zuzuordnen, für die der Klassenname auszugeben ist.
Das Wesen der Mustererkennung ist es, diejenigen Merkmale von bereits klassifizierten oder von bisher noch nicht klassifizierten Objekten oder Sachverhalten zu identifizieren, die den 86 87
Vgl. Uthoff (1997), S. 135 f. Siehe Heno (1983), S. 169 ff.
36
Ökonomischer Rahmen
Mitgliedern einer Klasse gemeinsam sind und in denen sich die Mitglieder verschiedener Klassen wesentlich unterscheiden.88 Für die Bonitätsprüfung sind verschiedene Verfahren der Mustererkennung geeignet, die im Folgenden kurz dargestellt werden.89 Beim Nearest-Neighbour-Verfahren wird mit Hilfe eines Abstandsmaßes der nächste Nachbar für das zu untersuchende Objekt ermittelt und dessen Klasse zugeordnet. Für die Festlegung des Nachbarn können einzelne Punkte, typische Muster oder Mittelwerte einzelner Klassen herangezogen werden. Abbildung 11 gibt ein Beispiel wieder, bei dem die zwei Kennzahlen Eigenkapitalquote (Eigenkapital bezogen auf das Gesamtkapital) und Umsatzrentabilität (Jahresüberschuss90 bezogen auf den Umsatz) verwendet werden. Eigenkapitalquote 0,8
0,6
0,4
0,2
Umsatzrentabilität -0,15
-0,05
0,05
0,15
0,25
-0,2
Krankes Unternehmen Gesundes Unternehmen Neu zu beurteilendes Unternehmen Abb. 11: Beispiel zum Nearest-Neighbour-Verfahren
Das neu zu prüfende Unternehmen wird mit einem Punkt dargestellt. Da der nächste Nachbar ein gesundes Unternehmen ist, wird auch das neu zu untersuchende Unternehmen mit gesund bewertet. Der rekursive Partitions-Algorithmus verwendet bei der Mustererstellung einen binären Entscheidungsbaum. Die vorliegenden Daten sind solange in binäre Teilmengen zu zerlegen, bis
88 89 90
Siehe Löbbe (2001), S. 59. Für eine ausführliche Darstellung siehe Heno (1983). Der Jahresüberschuss muss dabei um die Ertragssteuern und den Zinsaufwand erhöht werden.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
37
ein gewisses Fehlerniveau unterschritten wurde.91 Die Zerlegung in Teilmengen basiert dabei auf einem dichotomen Klassifikationstest. Die Ansätze, die auf der Clusteranalyse basieren, versuchen die zu untersuchenden Objekte in weitgehend homogene Teilmengen aufzugliedern. Zu Beginn der Untersuchung sind die Anzahl und die Eigenschaften der Klassen noch unbekannt und werden erst im Rahmen eines unüberwachten Lernens festgelegt.92 Das Verfahren des Adaptions-Algorithmus der stochastischen Approximation93 ermittelt eine Wahrscheinlichkeitsverteilung für die jeweilige Gruppenzugehörigkeit der Muster. Mit Hilfe des überwachten Lernens kann die Gütefunktion optimiert werden. Schließlich sind die Ansätze der Irrtumskorrektur-Algorithmen94 zu nennen. Diese definieren durch überwachtes Lernen eine lineare Trennfunktion. Damit sollen alle Muster der Analysestichprobe richtig getrennt werden. Bei nicht fehlerloser Trennung ist keine Konvergenz der Verfahren möglich. 2.2.2.3.2.4. Neuronale Netze Die Neuronalen Netze gehören zu den Verfahren der Künstlichen Intelligenz. Der entsprechende Forschungsbereich, der sich mit deren Entwicklung beschäftigt, wird als Konnektionismus bezeichnet. Das primäre Forschungsziel ist die Erstellung IT-gestützter Programme, die die Fähigkeit zum Assoziieren, Interpolieren und Klassifizieren besitzen. Es soll durch Computersimulationen die Informationsgenerierung des menschlichen Gehirns nachgebaut werden. Durch künstliche Neuronen, die als Grundbausteine Neuronaler Netze dienen, wird die Aufgabe der menschlichen Nervenzellen übernommen. Jedes einzelne Neuron ist so programmiert, dass es aus den Eingangssignalen einen Nettoeingangssignalwert bestimmen kann. Dieser wird wiederum mit einem für die Signalweiterleitung notwendigen Aktivierungsgrad verglichen. Die Stärke der Verbindung zwischen zwei Neuronen wird durch das gezielte Training des Netzes, der so genannte Lernprozess, so lange iterativ angepasst, bis die vorgegebenen Ergebnisse möglichst fehlerfrei nachgebildet werden. Die Signalweiterleitung geschieht mit Hilfe einer Transferfunktion, die Ausgabesignale erstellt. Die Ausgabesignale enthalten Informationen, die dann an nachgeordnete künstliche Neuronen übergeben werden und diesen wiederum als Eingangssignale dienen. Die Festlegung des Informationsflusses zwischen den künstlichen Neuronen untereinander erfolgt durch die Netzwerk-Architektur. Über diese kann
91 92 93 94
Siehe Augath (1996), S. 22. Zum unüberwachten Lernen siehe auch Fischer (1981), S. 96 ff.; Löbbe (2001), S. 59. Siehe Heno (1983), S. 213 ff. Siehe Heno (1983), S. 186 ff.
38
Ökonomischer Rahmen
die Klassifizierung eines jeden Neuronalen Netzwerkes durchgeführt werden.95 Nachfolgende Abbildung skizziert ein Neuronales Netz. Axon
Zellkörper
Dendriten Abb. 12: Neuronales Netz
Aufgrund ihrer Lernfähigkeit, Fehlertoleranz und Mustererkennungsfähigkeit sind Neuronale Netze besonders geeignet, komplexe und nicht-lineare Zusammenhänge zu untersuchen. Im Rahmen betriebswirtschaftlicher Fragestellungen mit Klassifikationsaufgaben, beispielsweise bei der Bonitätsprüfung, eignen sich speziell Multilayer-Perceptrone bzw. Backpropagation-Netzwerke.96 Dieser Netzwerk-Typus wird den Schichtmodellen zugerechnet, da die Signalübertragung nur von Neuronen vorgelagerter zu nachgelagerter Neuronenschichten möglich ist. Diese Netze bestehen deshalb aus einer Eingabe-, einer Zwischen- und einer Ausgabeschicht. Die Eingabeschicht übernimmt die Aufgabe des Einlesens der Eingangsdaten, während die Zwischenschicht die eigentliche Informationsverarbeitung vornimmt. Die Ausgabeschicht liefert schließlich die vorgenommene Klassifikation. Im Rahmen der Kreditprüfung müssen die Neuronen der Eingabeschicht nach einer Selektion der wesentlichen Ausprägungsmerkmale der eingegebenen Kennzahlen diese an die Zwischenschicht weiterleiten. Die Neuronen der Zwischenschicht ermitteln wiederum aus den empfangenen Kennzahlenausprägungen Funktionswerte, die letztlich in der Ausgabeschicht zu einem Krediturteil verdichtet werden. Ähnlich den diskriminanzanalytischen Verfahren wird meist eine Unterscheidung in die zwei Gruppen gesunder und kranker Unternehmen getroffen. Dies bedeutet, dass die Ausgabeschicht entweder den Wert 0 für ein gesundes oder den Wert 1 für ein krankes Unternehmen liefert oder aber es findet bereits im Netz eine Einstufung in eine Bonitätsklasse statt, die dann ausgegeben wird. 95 96
Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 100. Siehe Siemens (2002), S. 140 ff.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
39
Typisch für Backpropagation-Netzwerke ist, dass eine Fehleroptimierung bei der Ausgabeschicht beginnt. Danach findet eine rückwärtsgerichtete Optimierung der Netzwerkgewichte und der Netzwerkschwellenwerte in der dafür vorgesehenen Trainingsphase statt.97 Bereits abgeschlossene Kreditfälle, bei denen das Ende der Kreditbeziehung bereits erreicht ist, dienen als Trainingsdaten. Die Verwendung besonders trennfähiger Kennzahlen ist immanent wichtig. Wurden die Kennzahlenwerte und die dazugehörigen (ex post richtigen) Krediturteile eingegeben, passt das Netz die verwendeten Gewichte in der Lernphase so lange an, bis die vorgegebene Klassifizierung näherungsweise erzielt wird. Wird die optimale Netzwerkstruktur durch das Netz selbst bestimmt, liegt die Eigenschaft der Lernfähigkeit Neuronaler Netze vor. Damit hat das Netz die Fähigkeit Muster in den Datensätzen selbst zu erkennen. Mit dieser Eigenschaft können Merkmalsklassifikationen für neue Datensätze anhand bekannter Musterstrukturen vorgenommen werden. In der Suche nach Parallelen zwischen den neu eingegebenen und den bereits enthaltenen Daten liegt die Fähigkeit der Generalisierung bei lernfähigen Neuronalen Netzen begründet. Abbildung 13 zeigt die Netzwerkarchitektur eines Backpropagation-Netzwerkes und das Ergebnis einer Klassifizierung.98 Im Unterschied zur Diskriminanzanalyse ist die sich daraus ergebende Trennlinie nunmehr keine Gerade, sondern eine s-förmige Kurve. Eingabewerte
Eingabeschicht
k2
Zwischenschicht
Ausgabeschicht k1 Ausgabewert
Abb. 13: Neuronales Netz und Klassifikation in der Bonitätsprüfung
Liegt die Fähigkeit der Generalisierung nicht mehr vor, handelt es sich um das Phänomen des so genannten Overlearnings. Dies äußert sich in der Berücksichtigung von Scheinzusammenhängen bei der Ermittlung der optimalen Klassifikation. Die Daten des Trainingsdatensatzes werden in diesem Falle perfekt klassifiziert, jedoch bei der Verwendung neuer Daten tritt in Folge dessen eine hohe Fehlerklassifikation auf. Um das Overlearning zu vermeiden, wird
97 98
Vgl. Schiller/Tytko (2001), S. 101. in Anlehnung an Steiner/Wittkemper (1993), S. 451; Siemens (2002), S. 247
40
Ökonomischer Rahmen
daher die Lernphase dann abgebrochen, wenn eine akzeptable Klassifikation der Testdaten erzielt wurde. Verschiedene empirische Untersuchungen haben gezeigt, dass Neuronale Netze sogar bessere Ergebnisse bei der Kreditbeurteilung erbringen als beispielsweise die Diskriminanzanalyse.99 Dies liegt zum einen daran, dass die Neuronalen Netze die Eigenschaft haben, nicht-lineare Zusammenhänge zu erkennen. Daraus wird ihnen im Allgemeinen eine bessere Mustererkennungsfähigkeit zugestanden. Aufgrund der Tatsache, dass die Ausgangsdaten die Klassifikationsleistung beeinflussen, haben Neuronale Netze weiterhin den Vorteil, dass sie in der Lage sind, unvollständiges und fehlerhaftes Wissen zu verarbeiten. Weiterhin besteht der Vorzug, dass Neuronale Netze ohne umfangreiche mathematisch-statistische Vorarbeiten hinsichtlich Anwendungsvoraussetzungen und Signifikanzanalysen eingesetzt werden können. Demgegenüber wird an Neuronalen Netzen häufig kritisiert, dass umfangreiche Trainingsdaten und über die Zeit hinweg stabile Merkmalskombinationen notwendig sind. Das Vorhandensein großer Datenmengen für die Lernphase engt den Kreis der Anwender daher meist auf die großen Kreditinstitute ein. Um den Kennzahlenselektionsprozess abzukürzen, wird häufig zuvor eine Diskriminanzanalyse durchgeführt und somit die diskriminanzanalytischen Schwächen in das Konstrukt der Neuronalen Netze übernommen. Darüber hinaus treten bei der Entwicklung eines Neuronalen Netzes und der dazugehörigen Lernphase hohe Entwicklungskosten auf, die gegen den potenziellen Nutzen abzuwägen sind. Schließlich wird bei Anwendern von Neuronalen Netzen oft kritisiert, dass der Ablauf der Entscheidungsfindung für den Anwender eine Art „Black box“ darstellt, da die Gewichtungen, die zum Krediturteil führen nicht offen gelegt werden.100 Dadurch sind die Neuronalen Netze bei den Anwendern wenig akzeptiert und in der Praxis auch aufgrund dieses Aspektes kaum verbreitet. Da der Output des Neuronalen Netzes keine Erklärungskomponente für die Entscheidung erbringt, müssen gegenüber dem Kredit nachfragenden Kunden wegen ihrer Tragweite trotzdem andere Bonitätsanalyseverfahren eingesetzt werden. 2.2.2.3.2.5. Expertensysteme Die Expertensysteme werden in den Bereich der symbolischen Ansätze der Künstlichen Intelligenz eingeordnet. Dabei handelt es sich um IT-gestützte „Informationsverarbeitungssysteme, deren Problemlösungsfähigkeit auf dem Erkennen und Interpretieren von Symbolen basiert“.101 Das in diesen Systemen gespeicherte Wissen teilt sich auf in quantitative und qualitative Faktoren. Die qualitativen Faktoren werden mit Hilfe von Merkmals- oder Indikatoren-
99 100
101
Siehe Bischoff et al. (1991); Krause (1993); Pytlik (1994); Fadlalla/Lin (2001), Siemens (2002). Baetge et al. (1994) beschreiben ein Neuronales Netz, bei dessen Anwendung die Kennzahlen zunächst mittels Clusteranalyse selektiert wurden. Durch dieses Ausdünnen wurden nicht mehr als 10 Kennzahlen verwendet, was die Übersichtlichkeit und die Akzeptanz stark erhöht. Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 104.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
41
kataloge beschrieben, die maschinenlesbar und weiterverarbeitbar sind. Die besondere Flexibilität der Expertensysteme ermöglicht es, auch vages oder heuristisches Wissen in den Problemlösungsprozess einzubeziehen. Vages Wissen wird dabei durch die unvollkommenen Informationsstände der Entscheidungsträger geprägt. Bei heuristischem Wissen handelt es sich um Experten- oder Erfahrungswissen, das zunächst in das Computerprogramm implementiert werden muss, bevor es zur Entscheidungsunterstützung zur Anwendung kommt. Das Hauptanwendungsgebiet der Expertensysteme ist im Bereich der komplexen Aufgabenstellungen zu sehen, die nicht mittels traditioneller Datenverarbeitung gelöst werden können. Es wird meist der Prozess der Wissenssystematisierung in den Vordergrund gestellt, der bei symbolischen Ansätzen der Künstlichen Intelligenz vorzufinden ist. Dieser verringert die Wahrscheinlichkeit, dass entscheidungsrelevante Parameter nicht in die Entscheidung mit einfließen. Die ersten Expertensysteme im Bereich der Kreditvergabe wurden in den 80er Jahren entwickelt. Ihre primäre Aufgabe war die Entscheidungsunterstützung bei vergleichsweise einfachen Klassifikationsaufgaben, wie z.B. die Auswertung von Unternehmensabschlüssen.102 Durch den immer größeren Fortschritt bei der Entwicklung leistungsfähiger IT-Systeme können Expertensysteme heute auch in den Bereichen Diagnose, Prognose und Beratung eingesetzt werden. Damit Expertensysteme generell anwendbar sind, müssen die notwendigen Systemkomponenten verfügbar sein. Abbildung 14 zeigt den generellen Aufbau.103 Fachexperten
Wissensbasis
Wissensingenieure
Wissenserwerbskomponente Erklärungskomponente Problemlösungskomponente
Anwender
Dialogkomponente
Abb. 14: Komponenten eines Expertensystems
Sämtliche für den Problemlösungsprozess relevante Daten, Sachverhalte und Zusammenhänge werden in der so genannten Wissensbasis abgelegt. Ohne das Vorhandensein einer Wissensbasis ist das Expertensystem nicht mehr in der Lage, sinnvolle Problemlösungen herbeizuführen. Der Aufbau dieses Fachwissens wird von einem oder mehreren Experten im Rah102 103
Presber/Stengert (2002), S. 33 f. in Anlehnung an Schaffron (1988), S. 20
42
Ökonomischer Rahmen
men einer schriftlichen oder mündlichen Befragung durchgeführt. Im nächsten Schritt muss die Wissensbasis in eine maschinenlesbare Form transformiert werden. Die Transformation des Wissens erfolgt mittels Produktionsregeln bzw. -systemen. Dies bedeutet, dass das Wissen in Wenn-dann-Regeln eingegeben und in der Regelbasis gespeichert wird. In einer Datenbasis werden alle entscheidungsrelevanten Informationen hinterlegt, die für die Beschreibung der Problemsituation benötigt werden. Ein bei der Eingabe installiertes Kontrollsystem sichert die Qualität und Konsistenz der eingegebenen Regeln. Vielfach wird die Wissensbasis durch Verwendung einer deklarativen Wissensrepräsentationsform aufgebaut. Dabei kann der Problemlösungsprozess durch eine möglichst präzise Zustandsbeschreibung der involvierten Objekte begonnen werden. Die Verknüpfung der Objekte erfolgt im Regelfall durch ein semantisches Netz, das die Verknüpfungen der Entscheidungsvariablen aufzeigt. Die Wissensbasis wird mit einer Wissenserwerbskomponente befüllt. Diese stellt quasi die Schnittstelle zu den (menschlichen) Experten dar. Neben der einmaligen Erstellung der Wissensbasis ist eine permanente Wissenspflege nötig, da das Expertensystem keine Lernkomponente besitzt. Die Problemlösungskomponente, die auch als Inferenzmaschine bezeichnet wird, ist der Teil des Systems, der das eigentliche Problem bearbeitet. Sie stellt Analogieschlüsse zwischen dem neu zu beurteilenden Fall und bereits bekannten Verlaufsmustern dar. Dabei wird ein spezieller Auswertungsprozess benutzt, der das in der Wissensbasis gespeicherte Wissen auf Analogie hin untersucht. Es erfolgt eine Unterscheidung in Vorwärts- und Rückwärtsverkettung. Bei der Vorwärtsverkettung wird der Lösungsbeitrag jeder einzelnen existierenden Regel berechnet und schließlich die Anwendungsregel mit dem größtmöglichen Lösungspotenzial gewählt. Bei der Rückwärtsverkettung wird vom Analyseziel ausgehend ein Schlussfolgerungsprozess aktiviert, der die relevanten Entscheidungsregeln aus der Gesamtmenge der Regeln extrahiert. Die Erklärungskomponente erläutert dem Anwender den Lösungsvorschlag und gibt somit Einblick in den Lösungsprozess. Die Kommunikation mit dem Anwender erfolgt hier über eine Dialogkomponente. Der wesentliche Vorteil von Expertensystemen liegt in der systematischen Nutzung von zuvor gespeichertem Wissen. Dieses wird permanent aktualisiert, weshalb eine zeitgemäße Entscheidung herbeigeführt werden kann. Die Kreditvergabeentscheidungen laufen standardisiert ab und führen so zu einer Zeit- und Kosteneinsparung bei der Kreditvergabe. Die Verwendung einer Erklärungskomponente legt darüber hinaus den Entscheidungsprozess offen. Im Vergleich zu herkömmlichen Neuronalen Netzen hat diese bei allen Beteiligten akzeptanzfördernde Wirkung.
2.2. Kreditgeschäft im Bankbetrieb
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Problematisch erweist sich hingegen, dass die Einführung eines Expertensystems mit sehr hohen Kosten verbunden ist. Nicht zuletzt sind diese Kosten-Nutzen-Überlegungen der Grund für die geringe Verbreitung. Weiterhin sind aber auch verfahrensinhärente Problembereiche anzusprechen. Der größte Kritikpunkt liegt in der Wissensakquisition. Dazu ist einerseits ein umfangreicher Verfahrensprozess für die Expertenbefragungen nötig. Zum anderen müssen die Kreditexperten aber auch bereit sein, ihr Wissen offen zu legen. Ebenfalls hohen Aufwand verursacht die immer wieder kehrende Pflege der Regeln, da die Kreditexperten diese permanent aktualisieren müssen, um zu adäquaten Urteilen zu kommen. Diese Neuerfassung bzw. Überarbeitung der existenten Regeln kann, insbesondere wenn ein umfassendes Expertensystem errichtet ist, sehr komplex und mitunter auch fehleranfällig sein. 2.2.2.3.3. Kritische Würdigung Angesichts der hohen Insolvenzzahlen spielt das Kreditrisikomanagement in Kreditinstituten inzwischen eine große Rolle. Damit einher geht auch die Notwendigkeit einer robusten und verlässlichen Bonitätsprüfung. Deshalb wurden in den vorangehenden Abschnitten einige Verfahren vorgestellt. Die Beschreibung der logisch-deduktiven Verfahren hat gezeigt, dass sie zu geeigneten Ergebnissen kommen können. Problematisch jedoch ist, dass vorwiegend subjektive Einschätzungen des Kreditsachbearbeiters in die Kreditentscheidung einfließen. Speziell bei keinem oder geringem IT-Einsatz sind diese Verfahren sehr kosten- und zeitaufwendig. Diese Nachteile der logisch-deduktiven Verfahren waren ausschlaggebend dafür, dass die empirisch-induktiven Ansätze in der Praxis weite Verbreitung gefunden haben. In erster Linie finden die Regressionsanalyse, die univariate sowie die multivariate Diskriminanzanalyse Anwendung. Die Verfahren der Mustererkennung, die Neuronalen Netze sowie die Expertensysteme sind zwar viel versprechende Ansätze, jedoch fehlt ihnen die Verbreitung in der Praxis. Insgesamt ist bei allen vorgestellten Verfahren zu beachten, dass sie auf vergangenheitsorientierten Daten beruhen und den Jahresabschluss meist als ausschließliche Quelle nutzen.104 Der Einsatz zusätzlicher, z.B. branchenspezifischer, makroökonomischer oder auch qualitativer Daten könnte trotz der teilweise schwierigen Erfassung und Objektivierung eine zweckdienliche Bereicherung sein. Durch die kombinierte Verwendung mehrerer Verfahren kann darüber hinaus ein robustes Frühwarnsystem etabliert werden. Dieses könnte z.B. aus einer Kombination von Diskriminanzanalyse bzw. Mustererkennungsverfahren und Neuronalem Netz bzw. Expertensystem
104
Für eine Zusammenfassung der Kritikpunkte bei der Verwendung von Jahresabschlussdaten siehe auch Leins (1993), S. 15.
44
Ökonomischer Rahmen
bestehen. Jedes dieser Verfahren liefert an sich brauchbare Ergebnisse und durch ein derartiges Hintereinanderschalten könnten die Resultate unter Umständen optimiert werden.105 Eine Kombination könnte z.B. derart ausgestaltet sein, dass ein Expertensystem die Ergebnisse eines Mustererkennungsverfahrens benutzt. Ebenfalls erscheint es sinnvoll, mehrere Mustererkennungsverfahren für verschiedene Teilbereiche zum Einsatz zu bringen und die daraus gewonnenen Resultate an ein Expertensystem weiterzugeben. So könnte je ein Mustererkennungsverfahren für den Bereich der Kennzahlen der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage sowie der makroökonomischen und qualitativen Faktoren implementiert werden. Im danach geschalteten Expertensystem werden die Resultate dieser Mustererkennungsverfahren zusammengefasst und ganzheitlich bewertet. Der Vorteil dieses Vorgehens liegt darin, dass Methoden der traditionellen Bilanzanalyse mit Ansätzen der Künstlichen Intelligenz verknüpft werden können. Dies würde bedeuten, dass eine Vorselektion der vorhandenen Daten bereits durch die Mustererkennungsverfahren übernommen werden würde. Dies verringert die Komplexität der Regeln im Expertensystem, hat aber dennoch den Vorteil, dass eine Begründung des Ergebnisses durch die Erklärungskomponente geliefert wird. Die Verfahren könnten aber auch genau in der umgekehrten Reihenfolge angewendet werden. So bestände die Möglichkeit, die Resultate verschiedener Expertensysteme, die jeweils auf verschiedene, genau abgegrenzte Bereich spezialisiert sind, als Inputparameter für die Mustererkennung einzusetzen. Damit kann ein leistungsfähiges System geschaffen werden, mit welchem sich drohende Krisen erkennen lassen können und evtl. dazu beitragen, diese zu vermeiden. Die Kombination verschiedener Ansätze stellt nach wie vor ein sehr viel versprechendes Vorgehen dar, das in der Praxis jedoch nur geringe Verbreitung hat. Die Gründe hierfür sind zum einen in den hohen Kosten der Implementierung zu sehen. Zum anderen sei auf das bereits angesprochene Problem der Jahresabschlussanalyse verwiesen. Nach wie vor finden vergangenheitsorientierte Daten, die zudem bilanzpolitisch manipuliert werden können, Eingang in ein Prognosesystem. Es bleibt schließlich festzustellen, dass die Probleme, die der traditionellen Bilanzanalyse inhärent sind, durch die Einschätzung des vor Ort ansässigen Kreditkundenbetreuers abgeschwächt werden können. Dieser kann die qualitativen Faktoren, wie beispielsweise die Leistung des Managements und der Mitarbeiter, die Auftragslage und die regionalen Besonderheiten besser beurteilen als dies ausschließlich mit einem zentral organisierten System der Fall ist. Nachdem die grundlegenden Elemente des Kreditgeschäfts vorgestellt wurden, befasst sich der folgende Abschnitt mit dem Transfer von Kreditrisiken.
105
Siehe Bächstädt/Geldermann (2005), S. 9.
2.3. Kreditrisikotransfer
45
2.3. Kreditrisikotransfer 2.3.1. Grundsätzliche Überlegungen Eine Kreditbeziehung stellt aufgrund der vorhandenen Informationsasymmetrien eine komplexe Vertragsbeziehung dar. Der Schuldner ist über seine künftigen Ertragsaussichten besser informiert als der Kreditgläubiger. Zudem ist es für den Gläubiger nicht immer direkt ersichtlich, wie das aufgenommene Kapital verwendet wird. Aus diesen Gründen ist es notwendig, dass sich der Gläubiger über die Bonität des Schuldners informiert und ihn nach erfolgter Kreditvergabe überwacht. Der Gläubiger bzw. die Kredit gebende Bank wird damit selbst zum Insider bezüglich der Bonität ihrer Schuldner.106 Daraus resultiert ein weiterer negativer Einfluss auf die Informationsverteilung zwischen der Bank und anderen potenziellen Kreditgebern. Will die Bank Kreditrisiken veräußern, treten ähnliche Probleme wie bei der Kreditnehmer-Kreditgeber-Beziehung auf. Im Grunde würde ein von der Bank initiierter Kreditverkauf damit signalisieren, dass es sich bei dem Kreditnehmer um ein schlechtes Risiko handelt. Hat die Bank einen Kredit aus ihrem Portfolio verkauft, hat sie keinen Anreiz mehr, den Kreditnehmer zu überwachen, da sie dessen Ausfallrisiko nicht mehr trägt. Der Käufer des Kredits oder des Kreditrisikos müsste daher eine erneute Bonitätsprüfung durchführen und schließlich auch die Überwachungsfunktion übernehmen. Daher tritt der Erwerber des Kreditrisikos in wesentlichen Funktionen an die Stelle der ursprünglich Kredit gebenden Bank. Der folgende Abschnitt befasst sich auf Grundlage dieser Überlegungen speziell mit den Schwierigkeiten, die bei der Kreditvergabe bzw. damit auch bei der Übertragung von Kreditrisiken entstehen können. 2.3.2. Anreizprobleme bei der Kreditvergabe / dem Kreditrisikohandel Verwendet man ein klassisches Arrow-Debreu-Modell,107 interagieren Haushalte und Unternehmen auf Märkten und können Investitionen und Konsum im Zeitablauf glätten. Auf einem so unterstellten vollkommenen Kapitalmarkt wäre das Zusammentreffen von Kapitalgebern und Kapitalnehmern und darüber hinaus eine effiziente Allokation von Kapital ohne Verursachung von Kosten möglich. Für Banken als Finanzintermediäre, die Kapital von den Anlegern sammeln und an Kreditnehmer weiterleiten, gäbe es keine Existenzberechtigung. Auf den realen Märkten können sich beispielsweise die Emittenten von Anleihen ohne Zwischenschaltung eines Finanzintermediärs über den Kapitalmarkt direkt an die Investoren wenden. Der Nutzung dieser Möglichkeit stehen die unter Umständen hohen administrativen Kosten einer Börsenzulassung und vor allem die mittelständisch geprägte Struktur der deutschen Wirtschaft entgegen.108 Die mit einer Anleiheemission verbundenen Kosten sind eine Ursache, weshalb sich vorwiegend kleinere und mittlere Unternehmen nicht über den Kapitalmarkt, 106 107 108
Siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 260. Zum Arrow-Debreu-Modell siehe Arrow/Debreu (1954). Siehe Deutsche Bundesbank (2004a), S. 18.
46
Ökonomischer Rahmen
sondern über Bankkredite finanzieren. Bedeutsamer ist jedoch, dass die Informations- und Offenlegungspraktiken dieser Unternehmen es nicht zulassen, dass potenzielle Kapitalgeber sich ein ausreichendes Bild von der Kreditwürdigkeit eines Unternehmens machen.109 Aufbauend auf diesen Überlegungen ist es das Ziel der Theorie der Finanzintermediation, die Existenz von Finanzintermediären aus einer asymmetrischen Informationsverteilung in der Prinzipal-Agent-Beziehung zwischen Kapitalgeber und -nehmer herzuleiten. Dabei kann der Informationsvorsprung des Kredit nachfragenden bzw. des Kreditrisiko veräußernden Agenten in verborgenen Informationen (Hidden Information) über das Investitionsprojekt und dessen Risiken oder aber in verborgenen Handlungen (Hidden Action) des potenziellen Kreditnehmers liegen. Folgen alle am Kapitalmarkt beteiligten Personen der Maximierung ihres eigenen Nutzens und bestehen Interessenkonflikte zwischen dem Prinzipal und dem Agent, hat der Agent einen Anreiz, seinen Informationsvorsprung zur Steigerung seines eigenen Nutzens opportunistisch auszunutzen. Wenn alle Beteiligten rational handeln, wird der Prinzipal seinerseits die Auswirkungen der Anreizprobleme auf seinen eigenen Wohlstand bei der Bildung seiner Erwartungen berücksichtigen.110 Handelt es sich beim Prinzipal um einen Investor an einem kompetitiven Kapitalmarkt, muss letztendlich der Agent die Kosten seines opportunistischen Verhaltens selbst tragen. Davon ausgehend, stellt sich für Kreditgeber und Kreditnehmer die Frage, wie sie ihre Beziehung organisieren sollen, damit eine effiziente Kapitalallokation erzielt werden kann. Eine First-Best-Solution kann jedoch nicht erreicht werden, da aufgrund der asymmetrischen Informationsverteilung grundsätzlich Informationskosten entstehen. Daher wird versucht, eine Second-Best-Solution herbeizuführen, wobei die Differenz zwischen der First- und Second-Best-Solution die Agency-Kosten des betrachteten Anreizproblems darstellen.111 Im Folgenden werden die wichtigsten Anreizprobleme, die bei der Kreditvergabe bzw. beim Kredithandel auftreten können, besprochen. Das Vorliegen dieser Anreizprobleme stellt damit letztendlich die Begründung für die Existenz von Finanzintermediären dar.
109 110 111
Siehe Deutsche Bundesbank (2000), S. 37. Vgl. Henke (2002), S. 31. Bezüglich der Definition der Agency-Kosten siehe Jensen/Meckling (1976), S. 308.
2.3. Kreditrisikotransfer
47
2.3.2.1. Adverse Selektion Bevor ein Vertragsabschluss zustande kommt, kennen die Unternehmer112 die Risiken ihrer zu finanzierenden Projekte. Der Kreditgeber ist jedoch aufgrund der nicht verfügbaren Informationen nicht in der Lage, die Qualität der verschiedenen mit dem Kredit durchführbaren Projekte zu differenzieren (Hidden Charcteristics). Der Unternehmer hat daher den Anreiz, seine Qualität möglichst gut darzustellen. Der Kreditgeber wird die Gefahr einer zu guten Darstellung ahnen und dies bei seiner Entscheidung berücksichtigen. Wegen dieser Qualitätsunsicherheit wird er den Kreditzins auf Basis einer Durchschnittskalkulation über alle Kredite hinweg festlegen. Die Reaktion der Unternehmer ist nun zweigeteilt. Diejenigen, die Projekte mit einer überdurchschnittlichen Qualität haben, werden den für sie zu teuren Zinssatz nicht akzeptieren und abwandern. Diejenigen, die Projekte mit unterdurchschnittlicher Qualität haben, werden den Kreditvertrag zu den angebotenen Konditionen akzeptieren. Ex post betrachtet hat der Kreditgeber den Kreditzins zu niedrig kalkuliert. Folglich führt dieser Prozess der adversen Selektion dazu, dass die durchschnittliche Qualität der finanzierten Projekte sinkt. Der Kapitalmarkt als solcher wird in dieser Situation immer kleiner und kann zu vollständigem Marktversagen führen, wenn nur noch Unternehmer mit Projekten geringster Qualität als Kreditnachfrager verbleiben. Bezogen auf den Kreditrisikotransfer erwirbt der Finanzintermediär bzw. der ursprüngliche Gläubiger aufgrund der delegierten Informationsproduktion im Rahmen der Kreditwürdigkeitsprüfung einen Informationsvorsprung über die Bonität seiner Kreditnehmer zum außenstehenden Dritten bzw. dem möglichen Kreditrisikokäufer. Besteht dieser Informationsvorsprung bereits zum Abschluss eines Kreditrisikotransfervertrages, entsteht das Problem der adversen Selektion. Der Kreditrisikoverkäufer wird in diesem Fall versuchen, die vorhandene Informationsasymmetrie opportunistisch zu nutzen und nur niedrige Bonitäten an den Kreditrisikotransfermarkt zu bringen.113 2.3.2.2. Moral Hazard Besitzt der Unternehmer nach erfolgter Kreditvergabe dagegen private Informationen, hat er einen Anreiz, diese opportunistisch auszunutzen (Hidden Information). Beispielsweise kennt der Unternehmer den fremdfinanzierten Projekterfolg und den daraus generierten Projektertrag. Wenn diese Information ausschließlich dem Unternehmer zugänglich ist, wird er gegenüber dem Kreditgeber einen Projektfehlschlag vortäuschen, um den entstandenen Ertrag teilweise oder gänzlich für sich in Anspruch zu nehmen. Wenn der Kreditgeber dieses Verhalten
112
113
Hierbei werden die Begriffe Kreditgeber und Unternehmer verwendet, wie sie bei der Vergabe von Firmenkrediten üblich sind. Es ist jedoch ohne weiteres möglich, den dargestellten Sachverhalt auch auf den Handel von Kreditrisiken zu übertragen. In diesen Fällen wird von Investor bzw. Kreditrisikokäufer und Finanzintermediär bzw. Kreditrisikoverkäufer gesprochen. Siehe Akerlof (1970), S. 489 f.
48
Ökonomischer Rahmen
korrekt antizipiert, würde er in diesem Fall von der Kreditvergabe absehen. Wird dieses Verhalten nicht antizipiert, muss der Kreditgeber Kosten aufwenden, um die nötigen Informationen zu erhalten. Dies wird als „Costly State Verification“ bezeichnet. Darüber hinaus besteht für den Unternehmer nach erfolgter Kreditvergabe die Möglichkeit, durch sein Verhalten den Projekterfolg zur Maximierung seines Nutzens und zu Lasten des Kreditgebernutzens zu beeinflussen (Hidden Action). Der Kreditgeber kann dann zwar das Ergebnis beobachten, nicht aber das Verhalten des Unternehmers, das zu diesem Ergebnis geführt hat. Der Unternehmer kann damit die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Projekterträge verändern, so dass es zu einer Reichtumsverschiebung zu seinen Gunsten kommt. Das Vorhandensein verborgener Informationen und Handlungen des Unternehmers nach Vertragsabschluss kann dann insofern zu einem Versagen des Kapitalmarktes führen, als ausschließlich Projekte durchgeführt werden, die der Unternehmer mit eigenen Mitteln finanziert.114 Im Rahmen des Kreditrisikotransfers liegt ein Hidden-Information-Problem dann vor, wenn der Kreditrisikoveräußerer die private Information nach Abschluss des Kreditrisikotransferkontrakts erwirbt. Beispielsweise kann die eintretende Insolvenz nicht auf den rechtlich definierten Insolvenztatbeständen basieren, sondern auf einer Verletzung der im Kreditvertrag vereinbarten Kreditklausel (Dokumentationsrisiko).115 Die Erklärung eines derartigen technisch bedingten Defaults wird durch die Signale über die Bonität des Schuldners ausgelöst.116 Für den Käufer des Kreditrisikos stellt sich somit das Problem, dass er zwar die Aktion des Finanzintermediärs beobachten kann, er jedoch aufgrund der Unkenntnis der Bonität des Schuldners die Richtigkeit der Handlung nicht beurteilen kann. Der Kreditrisikoverkäufer kann diesen Informationsvorsprung opportunistisch nutzen, indem er versucht, den Default zu seinen Gunsten zu interpretieren.117 Ein Hidden-Information-Problem kann dann ebenfalls auftreten, wenn es nach Vertragsabschluss zwischen Kreditrisikokäufer und -verkäufer im Rahmen einer stillen Zession118 zu einem Default des Schuldners kommt. Da die dann fließenden Recovery-Zahlungen an den Kreditrisikoverkäufer nur ihm bekannt sind (private Information), kann er gegenüber dem Kreditrisikokäufer einen geringeren Recovery-Erlös vortäuschen. Das Hidden-Information-Problem tritt beim Kreditrisikotransfer dann auf, wenn der Kreditrisikokäufer die Überwachungsintensität der Schuldner des Kreditrisikoverkäufers nicht beobachten kann. Der Kreditrisikoverkäufer übernimmt bei einer Abtretung in Form einer stillen Zession nach wie vor im Rahmen der delegierten Unternehmenskontrolle die Aufgabe, die
114 115 116 117 118
Siehe Burghof (1998), S. 74. Siehe hier und im Folgenden Henke (2002), S. 63. Vgl. Burghof (2000), S. 296 ff. Siehe Nelken (1999), S. 293; Tolk (2001), S. 2. Zur stillen Zession siehe § 398 BGB.
2.3. Kreditrisikotransfer
49
vertragsmäßige Kreditbedienung zu überwachen und zu verbessern.119 Durch die (teilweise) Veräußerung des Kreditrisikos hat der Kreditrisikoverkäufer nicht oder nicht mehr in vollem Umfang Interesse an einer Überwachung des Schuldners, da seinen unverminderten Überwachungskosten kein oder nur geringerer Nutzen gegenübersteht. Da der Kreditrisikokäufer diese Überwachungsintensität nicht prüfen kann, hat der Kreditrisikoverkäufer einen Anreiz, die Überwachung und die damit verbundenen Kosten zu reduzieren. Ein gleich gelagertes Problem ergibt sich bei Default des Schuldners, wenn der Kreditrisikoverkäufer keinen Anreiz hat, die Recovery-Zahlungen zu optimieren. 2.3.2.3. Hold-Up Ein zusätzliches Anreizproblem bei der Kreditvergabe basiert nicht auf der asymmetrischen Informationsverteilung zwischen Kreditgeber und Kreditnehmer, sondern auf der Unvollständigkeit der Kreditverträge. Es ist unmöglich, dass die Parteien einen so umfassenden Vertrag abschließen, der im Zeitpunkt des Vertragsschlusses alle Eventualitäten der Kapitalüberlassung beinhaltet.120 Der Grund für das Vorhandensein nicht vollständiger Verträge liegt hauptsächlich in den extrem hohen Kosten, die ein allumfassender Vertrag mit sich bringen würde. Der Kreditgeber hat mit der Kreditvergabe eine irreversible Entscheidung getroffen und die Ressourcen damit gebunden. Der Ertrag, den diese Ressourcen erbringen, ist vom Verhalten des Unternehmers abhängig. Ist dieses Verhalten nicht im Sinne des Kreditgebers, kann dieser wegen fehlender Fixierung im Vertrag ein wunschgemäßes Verhalten nicht erzwingen. Der Unternehmer wird dann durch ein entsprechend opportunistisches Verhalten seinen eigenen Nutzen maximieren. Beschließt der Kreditgeber aufgrund der Vertragsunvollkommenheit ein Gericht anzurufen, besteht wiederum das Problem, dass zwar dann der Kreditgeber die Aktionen des Unternehmers beobachtet hat, dieses aber aufgrund der Informationsasymmetrie zwischen den Vertragsparteien und dem Gericht nicht durchsetzbar ist. Der daraus resultierende Informationsvorsprung der Vertragsparteien gegenüber dem Gericht führt dazu, dass dieses seinerseits die vermittelten Tatbestände nicht als Grundlage für einen verifizierbaren und gerichtlich durchsetzbaren Vertrag heranziehen kann.121 Somit kann das Hold-Up-Problem wiederum zum Marktversagen führen, bei dem kein Kapital mehr von außenstehenden Investoren bereitgestellt wird. Bei der Formulierung von Kreditrisikotransferkontrakten können unvollständige Klauseln, speziell hinsichtlich der künftigen Zahlungen, vorliegen und damit zu einem Hold-UpProblem führen. Meist werden die Zahlungen darin nicht zustandsabhängig festgelegt, sondern sind abhängig von der Nutzung von Entscheidungsspielräumen. Insofern wird der Kreditrisikoverkäufer versuchen, von der Gestaltung der Freihaltsgrade der Vertragsklauseln zu 119 120 121
Siehe Hanke (2002), S. 64 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Hellwig (1991), S. 51. Siehe Henke (2002), S. 33.
50
Ökonomischer Rahmen
profitieren. Grundsätzlich ist das ein Problem, das bereits im ursprünglichen Kreditvertrag liegt und auf den Kreditrisikotransferkontrakt übertragen wird. Damit wird der Kreditrisikokäufer im Rahmen eines Kreditrisikotransfers in die Kontrollstruktur der ursprünglichen Kreditbeziehung einbezogen.122 Findet eine umfassende Gestaltung des Kreditrisikotransferkontrakts statt und ist der ursprüngliche Kreditvertrag unvollständig, verursachen die Aktionen des Kreditrisikoverkäufers bei der Nachverhandlung unter Umständen ein nachträgliches Hidden-Information-Problem.123 Der Kreditrisikokäufer hat dann zwar positive Kenntnis von den Handlungen des Kreditrisikoverkäufers, er kann jedoch nicht beurteilen, ob es auch die richtigen Handlungen sind. Abbildung 15 stellt die Formen der Anreizprobleme zusammenfassend grafisch dar.124 Kooperationen
Symmetrische Information
Asymmetrische Information
Ex ante Unsicherheit
Qualitätsunsicherheit: x Hidden Information x Hidden Characteristics
Ex interim Unsicherheit
Verhaltensunsicherheit: x Moral Hazard x Hidden Action
Ex post Unsicherheit
Keine Verifizierbarkeit: Costly State Verification
Abb. 15: Überblick über die Kooperationsprobleme
2.3.3. Möglichkeiten zur Reduktion von Anreizproblemen In diesem Abschnitt wird der Frage nachgegangen, wie es möglich ist, dass trotz bestehender Anreizprobleme bereits Kreditrisikotransfers an Sekundärmärkten stattgefunden haben. Es lassen sich in diesem Zusammenhang organisatorische Maßnahmen zur Reduktion von Anreizproblemen ableiten und theoretische Erklärungsansätze anführen.
122 123 124
Siehe Tavakoli (1998), S. 91. Vgl. auch Henke (2002), S. 65. Quelle: Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 97
2.3. Kreditrisikotransfer
51
2.3.3.1. Organisatorische Maßnahmen Bei den organisatorischen Maßnahmen zur Reduktion von Anreizproblemen ist zunächst das Ausmaß der Anreizprobleme beim Kreditrisikotransfer zu besprechen. Falls es sich bei dem Kreditrisikotransfer zugrunde liegenden Kreditvertrag um einen umfassenden Finanztitel handeln würde, wäre weder eine Informationsproduktion noch eine Überwachung oder Wiederverhandlung durch das Kredit gebende Institut erforderlich.125 Wird zusätzlich noch die Prämisse der Transparenz und Nicht-Beeinflussbarkeit der Kreditverträge gesetzt, würden Anreizprobleme nicht existent sein. Schließlich wäre es bei dieser Konstellation möglich, dass umfassende Verträge zwischen dem Kreditrisikoverkäufer und dem Kreditrisikokäufer zu einem objektiv fairen Preis geschlossen werden könnten. In diesem Fall jedoch erfüllt der ursprüngliche Gläubiger, also der Kreditrisikoverkäufer, keine spezielle Funktion mehr, da sich der Kreditrisikokäufer direkt an den Schuldner wenden könnte.126 Die Anreizprobleme beim Kreditrisikotransfer sind vor allem abhängig von der Art des gehandelten Kredits. Handelt es sich beispielsweise um einen Kredit, der an ein großes Unternehmen ausgegeben wurde, das regelmäßigen Offenlegungspflichten127 unterworfen ist, werden kaum Informationsasymmetrien, zumindest hinsichtlich der quantitativen Faktoren, bestehen. Hinzu kommt, dass große Unternehmen meist durch externe Ratingagenturen bonitätsmäßig bewertet werden. Weiterhin kann es bei dieser Kundengruppe sein, dass sie selbst direkt am Kapitalmarkt durch die Emission von Anleihen auftritt. Damit liegt dann sogar die Markteinschätzung bezüglich ihrer Kreditwürdigkeit vor. In diesen Fällen treten die angeführten Probleme des Moral Hazards und der adversen Selektion nicht bzw. nicht in dem Ausmaße auf. Zudem ist bei diesen Schuldnern nicht davon auszugehen, dass ihr Kreditrisiko durch die Überwachungstätigkeit des Kreditrisikoverkäufers beeinflusst werden könnte. Damit wäre auch das Hidden-Action-Problem nicht gegeben und ein Kreditrisikotransfer könnte prinzipiell stattfinden. Demgegenüber stehen die kleinen und mittelständischen Unternehmen, für die ein direkter Kapitalmarktzugang nicht möglich ist und die deshalb auf die Kreditfinanzierung angewiesen sind. Bei ihnen sind die Anreizprobleme beim Kreditrisikotransfer hinsichtlich Informationsasymmetrie und Beeinflussung durch den Kreditrisikoverkäufer in hohem Maße gegeben. Liegen Anreizprobleme vor, ist der Kreditrisikotransfer nur dann möglich, wenn die AgencyKosten aus der Strukturierung der Beziehung zwischen Kreditrisikokäufer und -verkäufer soweit gesenkt werden können, dass die Wohlfahrt beider Parteien gesteigert werden kann. Grundlage einer derartigen Strukturierung können das Umfeld des Kreditrisikotransfers und der Kreditrisikotransfervertrag sein. Darüber hinausgehende Anreizprobleme können weder 125 126 127
Siehe hier und im Folgenden Henke (2002), S. 66. Vgl. hierzu auch Gorton/Pennacchi (1989), S. 127 f. Z.B. zur Offenlegung von Kapitalgesellschaften in der Bundesrepublik Deutschland siehe § 325 Abs. 1, 2 i.V.m. §§ 264, 267 Abs. 3 HGB.
52
Ökonomischer Rahmen
durch den Rahmen noch durch den Kreditrisikotransferkontrakt selbst behoben werden. Sie fließen meist in Form einer Misstrauensprämie in die Bewertung des Kontraktes ein.128 Hinsichtlich der Gestaltung des Kontraktes könnte die Wahl des Referenzwertes ein erster Ansatzpunkt sein. So kann ein Referenzwert gewählt werden, der zwar eng mit dem mit Anreizproblemen behafteten Kredit korreliert, auf den jedoch der Kreditrisikoverkäufer keinen Einfluss hat (Cross Hedge-Strategie). Der Nachteil an dieser Vorgehensweise ist, dass derart perfekt korrelierte Referenzwerte nicht immer existieren und es so zu einem Basisrisiko kommen kann. Als alternative Referenzwerte einer solchen Strategie bieten sich zum einen Anleihen an. Ein Nachteil dieser Referenzwerte liegt u.a. darin begründet, dass die Emissionsbedingungen dieser Anleihen meist umfangreiche Klauseln beinhalten (beispielsweise implizite oder explizite Kündigungsrechte, Besonderheiten der Tilgung), so dass es wiederum zu einem Basisrisiko kommen kann. Darüber hinaus sind gerade in der Bundesrepublik Deutschland die Anleihemärkte geprägt von den Emissionen großer Unternehmen. Dies bedeutet, dass für viele kleinund mittelständische Unternehmen diese Vorgehensweise nicht gangbar wäre.129 Andererseits könnte ein Referenzwert innerhalb einer Cross Hedge-Strategie ein Kreditindex130 sein. Dieser Index bezieht sich jedoch auf ein Bündel von Unternehmen einer oder mehrerer Branchen. In diesem Fall kann nicht von einer perfekten Korrelation mit einem Einzelwert ausgegangen werden. Die vertragliche Ausgestaltung soll dazu beitragen, dass die Anreizprobleme gemindert oder evtl. gänzlich überwunden werden, um so die Wohlfahrt beider Parteien zu steigern. Nicht zuletzt deshalb wurden in der Vergangenheit eine Reihe von Finanzinnovationen entwickelt, die u.a. dazu beitragen, die Anreizprobleme zu verringern. Diese Produkte werden in Abschnitt 2.4.2.2. vorgestellt, wobei auch auf die jeweiligen Möglichkeiten der Reduktion von Anreizproblemen eingegangen wird. Hinsichtlich des Umfelds des Kreditrisikotransfers ist auf der einen Seite die interne Organisation des Kreditrisikoverkäufers und auf der anderen Seite die Organisation des Kreditrisikohandels selbst von Bedeutung. Für die Lösung von Hidden-Action-Problemen besteht eine Möglichkeit darin, die Kreditvergabe und -kontrolle organisatorisch von der Einheit Kreditrisikohandel durch Kommunikationsbarrieren (Chinese Walls) zu trennen.131 Hat der Kreditsachbearbeiter keine Kenntnis darüber, welche von ihm betreuten Kreditengagements an den Markt transferiert wurden, und ist darüber hinaus seine Entlohnung unabhängig von einem Kreditrisikotransfer, wird er seine Überwachungstätigkeit ungemindert fortsetzen. Problematisch ist der Einsatz von Chinese Walls hingegen dann, wenn ihnen die Glaubwürdigkeit beim 128 129 130 131
Siehe Barnea et al. (1985), S. ix. Siehe Müller (2004), S. 156. Beispielsweise der iTraxx CDS-Europe oder -Asia. Siehe hierzu Abschnitt 2.4.2.2.5. Siehe Henke et al. (1998), S. 17 f.
2.3. Kreditrisikotransfer
53
Kreditrisikokäufer fehlt. Die Glaubwürdigkeit ihrerseits ist jedoch vom Interesse des Kreditrisikoverkäufers abhängig. Sind seine Verluste aus der Schädigung der Bankreputation größer als die Gewinne aus der Verletzung der Glaubwürdigkeit, sind auch Chinese Walls für ihn von höherem Wert.132 Die Reputation des Kreditrisikoverkäufers ist insofern bei der Lösung von Anreizproblemen essentiell wichtig, da ein Transfer von Kreditrisiken vielfach nicht einmalig, sondern immer wiederkehrend stattfinden soll. Damit werden meist langfristige Beziehungen zu den Kreditrisikokäufern und eine Reputation am Kreditrisikotransfermarkt generell aufgebaut. Alternativ zum Reputationsansatz, wenn beispielsweise erstmalig ein Kredittransfer von einem Kreditrisikoverkäufer ausgeht, bietet sich auch die Einschaltung einer dritten unabhängigen Partei, wie z.B. einer Ratingagentur, an. Zu beachten ist hierbei allerdings, dass diese Variante zu erheblich höheren Kosten führt und die Entscheidung des Kreditrisikokäufers nun auch von der Reputation der dritten Partei abhängig ist. Allerdings zeigt sich anhand der nach wie vor enormen Kreditrisikokonzentration in den Buchkreditportfolios der Banken, dass die alleinige Reputation des Kreditrisikoverkäufers und unter Umständen die Zwischenschaltung einer dritten Partei kein alleiniger Ersatz für die Lösung von Anreizproblemen durch die effiziente Gestaltung von Kreditrisikotransferverträgen sein kann.133 Die Gestaltung des Kreditrisikohandels wird in der Marktmikrostrukturtheorie behandelt. Von besonderer Relevanz sind dabei hinsichtlich der Anreizprobleme in erster Linie jene Bereiche, die sich mit asymmetrisch verteilten Informationen und dem daraus resultierenden Marktgleichgewicht und der Preisbildung beschäftigen. Die Marktmikrostruktur befasst sich mit den Prozessen und dem Ergebnis des Handels von Finanztiteln bei explizit vorgegebenen Handelsregeln.134 Sie thematisiert entsprechend der vertragstheoretischen Definition auch die Abmilderung von Anreizproblemen zwischen den beteiligten Vertragspartnern. Liegen eine schwache Informationseffizienz sowie symmetrisch verteilte Informationen vor und existieren keine Marktfriktionen, funktionieren die Märkte unter vollkommenem Wettbewerb und freiem Marktzugang. Das Ergebnis des Marktes sind dann Marktpreise für Finanztitel, die die Erwartungen der Marktteilnehmer reflektieren. Bestehen hingegen Marktunvollkommenheiten wird eine weitergehende Analyse der Ergebnisse nötig. Die Festlegung einer Marktstruktur, besonders die Formulierung von Handelsregeln und die Gestaltung der Markttransparenz, kann das Verhalten der Marktteilnehmer und damit letztendlich auch die Verarbeitung der asymmetrischen Informationen bei der Preisbildung beeinflussen.135 Üblich ist dabei beispielsweise die Handelsregel, dass ein Intermediär in Form eines Market Makers dazwischen geschaltet wird, der auf Anfrage verbindliche An132 133 134 135
Siehe Henke (2002), S. 69. Vgl. Duffee/Zhou (2001), S. 26. Siehe O’Hara (1995), S. 1. Vgl. Henke (2002), S. 70.
54
Ökonomischer Rahmen
kaufs- und Verkaufspreise für einen oder mehrere Finanztitel stellt. Somit versorgen Marktet Maker den Markt mit Liquidität, indem sie die asynchrone zeitliche Verteilung der Kauf- und Verkaufsaufträge der einfachen Marktteilnehmer durch einen kontinuierlichen Handel ersetzen. Sie erfüllen bei der Preisbildung auch die Funktion der Informationsverarbeitung, da sich die Informationen in den Preisen widerspiegeln.136 Im ursprünglichen Modell der Marktmikrostruktur mit asymmetrischer Informationsverteilung und Existenz eines Market Makers wird von zwei verschiedenen Agenten-Klassen ausgegangen. Während die informierten Marktteilnehmer über private Informationen bezüglich der Preisbildung eines Finanztitels verfügen und diese durch das Handeln ausnutzen wollen, treten uninformierte Marktteilnehmer dann auf, wenn sie ihren Liquiditätsbedarf anpassen wollen. Der Market Maker setzt letztendlich den Preis auf Basis aller bei ihm eingehenden Kauf- und Verkaufsaufträge der anonymen Marktteilnehmer fest.137 Die Gestaltung des Marktes hat also wesentlichen Einfluss auf die Preisbildung unter Berücksichtigung asymmetrischer Informationen im Zeitablauf. Bei vorhandenen Informationsasymmetrien ist deshalb unter Umständen das Marktdesign dafür verantwortlich, ob ein Handel zwischen Kreditrisikokäufern und -verkäufern stattfindet. Ein Effizienzmaß für den Markt ist häufig die Liquidität, die in Form des Bid-/Ask-Spreads gemessen wird. Die Handelbarkeit vieler Finanztitel ist jedoch meist nicht in der Hinsicht eingeschränkt, dass ihr jederzeit möglicher Handel vor allem mit hohen Transaktionskosten verbunden ist, sondern vielmehr dahingehend, dass kein oder nur ein eingeschränkter Markt vorhanden ist. Damit ist jede Handelsaktion zusätzlich zu den Transaktionskosten des Vertragsabschlusses mit hohen Suchkosten verbunden.138 2.3.3.2. Theoretische Erklärungsansätze Neben den organisatorischen Möglichkeiten zur Reduktion von Anreizproblemen, gibt es in der Literatur auch theoretische Ansätze, die sich mit dem Kreditrisikotransfer bei Informationsasymmetrie beschäftigen. Das Modell von Gorton/Pennacchi und das Modell von Duffee/Zhou sollen daher im Folgenden vorgestellt werden.
136 137
138
Zu den Aufgaben eines Market Makers siehe Abschnitt 5.2.5.1. Die formale Ableitung der Preise bei Existenz eines Market Makers und bei asymmetrisch informierten Marktteilnehmern siehe Glosten/Milgrom (1985) und Kyle (1985). Siehe Bhasin/Carey (1999), S. 1; Longstaff (2001), S. 410; Henke (2002), S. 71. Zu den Gestaltungsmerkmalen eines Marktes siehe Abschnitt 5.2.
2.3. Kreditrisikotransfer
55
2.3.3.2.1. Modell von Gorton und Pennacchi Das Modell von Gorton und Pennacchi139 befasst sich mit dem Phänomen, dass der (teilweise) Kreditrisikotransfer trotz eines bestehenden Moral Hazard-Problems und selbst in Anbetracht des tatsächlich beobachtbaren Fehlverhaltens möglich ist. Dabei sind zunächst folgende Grundüberlegungen auf Seiten des Kreditrisikokäufers und -verkäufers anzustellen:
x
Es existiert die Chance, einen Kreditrisikokäufer zu finden, wenn für ihn die erwartete Rendite rK die Kapitalkosten, also die Prämie für das übernommene Kreditrisiko, und für den Informationsnachteil abdeckt.
x
Auf Seiten des Kreditrisikoverkäufers ist ein Verkauf dann rentabel, wenn die mit dem Kredit erzielbare Rendite rK kleiner ist als seine individuellen Refinanzierungskosten rV .
Die Durchführung des Kreditrisikohandels lässt den Schluss zu, dass rV gestiegen und/oder rK gesunken ist. Ein Anstieg von rV lässt sich empirisch insbesondere durch einen verstärk-
ten Wettbewerb um Einlagen, die Verschlechterung der Bonität des Kreditrisikoverkäufers, die Aufhebung von Zinsbegrenzungen oder die Erhöhung der regulatorischen Eigenkapitalanforderungen erklären.140 Eine Verringerung von rK ist besonders dann zu verzeichnen, wenn der Käufer nicht den regulatorischen Eigenkapitalanforderungen unterliegt oder wenn sich beispielsweise die neuen Eigenkapitalanforderungen (siehe Abschnitt 3.5.) entlastend auf sein Portfolio Kapital auswirken. Im Modell von Gorton und Pennacchi wird unterstellt, dass eine risikoneutrale Bank eine lineare Kostenfunktion hinsichtlich der Überprüfungsintensität a des Schuldners hat. Von dieser Überprüfungsintensität ist jedoch die Verteilungsfunktion der Kreditrückflüsse direkt abhängig. Erfolgt ein (teilweiser) Verkauf eines Kredits, übernimmt der Verkäufer eine implizite Garantie, die als Signal für die Kreditqualität gilt. Die Erfüllung der Garantie ist aber nur dann gegeben, wenn der Verkäufer selbst solvent bleibt. Dabei ist seine Insolvenzwahrscheinlichkeit nicht mit der des Schuldners korreliert und das veräußerte Kreditvolumen im Vergleich zum gesamten Portfolio gering. Die Annahme dieser impliziten Garantie führt dazu, dass das Kreditrisiko des veräußerten Kredits nicht völlig aus der Bilanz des Verkäufers verschwindet. Daher ist diese Annahme im Allgemeinen als kritisch anzusehen. Als Modellergebnis lässt sich feststellen, dass die Wahrscheinlichkeit eines Kredithandels dann einen positiven Nutzen für beide Parteien haben kann, wenn
139
140
Siehe Gorton/Pennacchi (1995); da die Beiträge von Pennacchi (1988) und Gorton/Pennacchi (1995) sich weitgehend entsprechen, beziehen sich die nachfolgenden Anmerkungen auf beide Beiträge. Siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 261.
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Ökonomischer Rahmen
x
die Risikoprämie und damit rK fällt und/oder
x
die Refinanzierungskosten rV des Verkäufers steigen und/oder
x die Insolenzwahrscheinlichkeit des Verkäufers fällt. Zudem ist implizit abzulesen und auch durch die Studie von Gorton und Pennacchi selbst bestätigt, dass die Überprüfungsintensität der veräußernden Bank ineffizient niedrig sein wird. 2.3.3.2.2. Modell von Duffee/Zhou Das Modell von Duffee und Zhou141 beschreibt u.a. die Gestaltung von Kreditrisikotransferkontrakten bei adverser Selektion und bei Moral Hazard ohne dabei Reputationseffekte zu berücksichtigen. An dieser Stelle soll lediglich auf die Möglichkeit einer anteiligen Veräußerung des Kreditrisikos eingegangen werden. Hinsichtlich weiterer Lösungsmöglichkeiten, wie dem zeitlich begrenzten Kreditrisikotransfer, dem Transfer des systematischen Kreditrisikos und dem Kredit-Pooling bzw. -Tranching sei auf die Literatur verwiesen.142 Der Kreditrisikoverkäufer V ist ein Finanzintermediär, dessen primäre Aufgabe die Vergabe von Krediten ist. Da Insolvenzkosten existieren, hat V einen Anreiz, die Kreditrisiken an eine dritte Partei abzugeben. Die möglichen Kreditrisikokäufer K befinden sich in einem kompetitiven Wettbewerb, weshalb sie mindestens die Marktrendite aus dem Vertragsabschluss fordern. Daher agiert der Finanzintermediär am Kreditrisikotransfermarkt als Preisnehmer. Alle beteiligten Akteure gelten als risikoneutral. Der Finanzintermediär V kann zu einem Zeitpunkt t=0 lediglich einen Kredit mit einperiodiger Laufzeit (Fälligkeit in t=1) ausreichen. Hieraus resultiert, unabhängig von der Qualität des Kreditnehmers, eine auf eine Geldeinheit normierte Anfangsauszahlung. Diese Bedingung zeigt die extreme Spezialisierung des Finanzintermediärs bei der Kreditvergabe auf. Das beim Finanzintermediär vorhandene Expertenwissen ist annahmegemäß regional und branchenspezifisch auf eine enge Marktnische begrenzt.143 Die Kreditnehmer sind aufgeteilt in solche mit hoher Qualität KNh und solchen mit niedriger Qualität KNl. Der Kreditnehmer wird dem Finanzintermediär V in t=0 zufällig zugeteilt. Aus Vereinfachungsgründen wird angenommen, dass eine Kreditvergabe an die Kreditnehmertypen ș (ș=h, l) gleich wahrscheinlich ist. Der Schuldner verpflichtet sich, zum Zeitpunkt t=1 eine Rückzahlung von L zu leisten, die sowohl Zinsen als auch die Tilgung umfasst. Dabei ist L immer gleich hoch und somit unabhängig von der Bonität des Schuldners und damit auch von den Kreditnehmertypen. Die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Schuldners in t=1 für KNh sei ph und pl für diejenige eines Schuldners für KNl, wobei pl> ph. Im Insolvenzfall wird das Kreditengagement durch den 141 142 143
Siehe Duffee/Zhou (2001). Siehe Duffee/Zhou (2001); Henke (2002), S. 128 ff. und 181 ff.; Burghof (2004), S. 89 ff. Vgl. Henke (2002), S. 109.
2.3. Kreditrisikotransfer
57
Finanzintermediär sofort liquidiert, weshalb die Aufteilung der Kontrollrechte bei Wiederverhandlung im Defaultfall zwischen Finanzintermediär und Kreditrisikokäufer entfällt und somit das Hold-up-Problem ausgeschlossen wird. Im Defaultfall wird angenommen, dass der Schuldner lediglich eine Rückzahlung in Höhe von 1 Y L leisten kann. Durch die zwei Zeitpunkt t=0 und t=1 und den möglichen Zuständen „Default“ und „kein Default“ erfolgt die Entwicklung des Kredits in einem einperiodigen binomialen Prozess. Es wird weiterhin unterstellt, dass die Kredite an alle Kreditnehmer einen positiven Kapitalwert haben. Bei gegebener Risikoneutralität der Marktteilnehmer und der Annahme eines risikolosen Zinssatzes von null, ergibt sich der Kapitalwert eines Kredits an einen Schuldner in der Abhängigkeit von seiner Qualität folgendermaßen: (7)
K 0 ( T)
1 p TL1 Y 1 p T L
L 1 pTY 1 t 0 .
! Die Einschränkung auf die Vergabe von Krediten mit positivem Kapitalwert kann wiederum mit der Spezialisierung des Finanzintermediärs auf ein Marktsegment begründet werden. Die Übernahme von Kreditrisiken birgt für den Finanzintermediär die Gefahr der eigenen Insolvenz. Damit ihm in einer risikoneutralen Modellwelt ein Anreiz zum Kreditrisikomanagement gegeben wird, werden diskrete Insolvenzkosten berücksichtigt.144 Demnach fallen beim Finanzintermediär zusätzliche Deadweight-Kosten der Insolvenz in Höhe von D an, falls seine Kreditverluste eine vorgegebene Kapitalschranke L0 überschreiten:145 (8)
YL ! L 0
D ! 0 .
L0 wird dabei so festgelegt, dass ein möglicher Verlust des gesamten Kredits die Insolvenz des Finanzintermediärs auslöst. Dadurch rückt der Anreiz zum Kreditrisikomanagement durch den Finanzintermediär in den Fokus der Betrachtung. Das Ziel des Finanzintermediärs ist es, die erwarteten diskontierten Gewinne 3 zu maximieren. Diese ergeben sich aus der Summe der Zahlungen zu den jeweiligen Zeitpunkten, da Risikoneutralität und ein risikoloser Zinssatz von null unterstellt werden. Weiterhin ist der erwartete Gewinn abhängig von der individuellen Betrachtung von p und den Insolvenzkosten. Es ergibt sich daher: (9)
E Ȇ | pș
L1 p Y 1 p D . ș
ș
Wie aus Gleichung (9) zu entnehmen ist, können durch den Transfer des Kreditrisikos die erwarteten Insolvenzkosten reduziert werden. Die Senkung der Insolvenzkosten D durch einen Kreditrisikotransfer ist daher für den Finanzintermediär wünschenswert. Dieses Vorhaben
144 145
Zur Quantifizierung von Insolvenzkosten siehe Allen/Santomero (1997), S. 1476. Siehe Duffee/Zhou (2001), S. 34.
58
Ökonomischer Rahmen
wird jedoch dadurch erschwert, dass V über bessere Informationen zu den ausgegebenen Krediten verfügt als ein möglicher Kreditrisikokäufer. Da die Wahrscheinlichkeiten ph und pl und die Verlustrate Y exogen gegeben und allen Marktteilnehmern bekannt sind, ist das Kreditrisiko nicht durch den Finanzintermediär beeinflussbar. Die Informationsasymmetrie resultiert daraus, dass der Finanzintermediär die Bonität des Schuldners kennt, d.h. ihm wird diese sofort nach der Kreditvergabe in t=0 offen gelegt. Einem außenstehenden Dritten ist dagegen lediglich die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Schuldner guter und schlechter Bonität bekannt. Dem potenziellen Kreditrisikokäufer ist demnach die Kreditqualität weder vom Finanzintermediär noch vom Schuldner glaubhaft zu kommunizieren. Die Bonität des Schuldners kann darüber hinaus nicht anhand der Höhe des Rückzahlungsbetrages L festgestellt werden, da jeder Schuldner unabhängig von seiner Bonität einen identischen Rückzahlungsbetrag leisten muss.146 Das heißt, dass der Finanzintermediär die unterschiedlich hohen Ausfallwahrscheinlichkeiten in den verschiedenen Bonitätsstufen nicht in die geforderte Verzinsung einkalkulieren kann. Aufgrund der sich daraus ergebenden Informationsasymmetrie kann der potenzielle Kreditrisikokäufer den Preis für das zu transferierende Kreditrisiko nicht genau bestimmen, weshalb hier ein Problem der adversen Selektion gegeben ist. Er kann lediglich die ihm zur Verfügung stehenden Informationen nutzen, um seine Erwartungen bezüglich des Preises festzulegen.147 Die Differenz aus dem tatsächlichen Preis und dem vom Kreditrisikokäufer antizipierten Preis kann als Misstrauensprämie des Kreditrisikokäufers aufgefasst werden. Damit muss der Finanzintermediär die guten Kreditrisiken zum gleichen Preis transferieren wie Kredite mit schlechter Qualität. Für ihn besteht somit der Zielkonflikt, dass er auf den Transfer guter Risiken verzichtet und stattdessen das Risiko der eigenen Insolvenz und die damit verbundenen höheren Insolvenzkosten übernimmt. Zum Transfer des Kreditrisikos aus dem zugrunde liegenden Kredit steht V ein Kontrakt J zur Verfügung, der keine Transaktionskosten verursacht. Aus diesem Kontrakt, der in t=0 abgeschlossen wird, erhält V im Falle des Schuldnerausfalls in t=1 eine Geldeinheit vom Kreditrisikokäufer, während im Fall ohne Default keine Auszahlung erfolgt. Tabelle 1 gibt die verschiedenen Möglichkeiten wieder. Ausfall in t=1
kein Ausfall in t=1
Wahrscheinlichkeit
pș
1-pș
Zahlung
1
0
Tab. 1: Zahlungen aus dem Kreditrisikotransferkontrakt
146
147
Siehe Duffee/Zhou (2001), S. 32 f. Die Unabhängigkeit der Bonität und des Zinssatzes wird ebenso im Modell von Gorton/Pennacchi (1995), S. 397 f. angenommen. Siehe Duffee/Zhou (2001), S. 35.
2.3. Kreditrisikotransfer
59
Um sich gegen das gesamte Kreditrisiko abzusichern, muss V genau YL Einheiten des Transfervertrages J kaufen.148 Die Variable x bezeichnet im Folgenden den Anteil des transferierten Kreditrisikos, wobei x >0;1@ .149 Im Falle von x=1 wird das komplette Kreditrisiko transferiert, während bei x=0 das Kreditrisiko in Gänze von V zurückbehalten wird. Somit ergibt sich bei V ein Rückbehaltanteil in Höhe von (1-x) und eine potenzielle Verlustübernahme von
1 x YL . Der Kreditrisikokäufer würde demgegenüber im Defaultfall des Schuldners einen Verlust in Höhe von xYL erleiden. Durch den Erwerb von J kann V dann ein zusätzlicher Verlust entstehen, wenn der Kreditrisikokäufer und der Schuldner in t=1 gleichzeitig ausfallen. Daher ist die Absicherungswirkung abhängig von der Ausfallkorrelation zwischen dem Kreditrisikokäufer und dem Schuldner. Diese Korrelation wird jedoch im vorliegenden Modell nicht betrachtet, sondern es wird angenommen, dass der Kreditrisikokäufer ausfallrisikofrei ist. Aus der Perspektive des informierten Finanzintermediärs V ergibt sich für den Preis des Kredits in Abhängigkeit von der Bonität des Schuldners: (10)
Pș
1p ș 0 1 p ș
pș .
Die Preiseinschätzung des möglichen Kreditrisikokäufers K ist aufgrund des Informationsdefizits abhängig von der Einschätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit p. Durch Beobachtung aller Kreditrisikotransferaktivitäten von V am Markt kann er seine Erwartungen hinsichtlich p auf Grundlage der Informationsmenge :
^e` bilden. Da der risikoneutrale Kreditrisikokäu-
fer einen Ertrag in Höhe von null erwartet, setzt er für den Kreditrisikotransferkontrakt folgenden Preis fest: (11)
PEp | ȍ Ep | ȍ 1 1 Ep | ȍ 0
Ep | ȍ .
Die zeitliche Abfolge mehrerer Ereignisse und Aktionen bildet die Grundlage für die Formulierung des adversen Selektionsproblems. Abbildung 16 verdeutlicht die Struktur der Ereignisse.150 t=0
t=1 t
Kredit wird V zufällig zugeteilt
V beobachtet T ^h, l`
V verkauft x des Kreditrisikos an K
Cashflows werden entsprechend des Transfervertrags aufgeteilt
Abb. 16: Zeitliche Struktur bei adverser Selektion 148
149 150
Für die Absicherung bietet sich hier beispielsweise ein Credit Default Swap oder ein Digital Credit Default Swap an. Zur genaueren Charakterisierung dieser Kreditderivate siehe Abschnitt 2.4.2.2. Siehe Duffee/Zhou (2001), S. 34. Siehe auch Henke (2002), S. 118.
60
Ökonomischer Rahmen
Der Finanzintermediär V wird nun versuchen, seinen Gewinn 3 aus dem Kredit und dem Kreditrisikotransfervertrag zu maximieren. Deshalb wird er, basierend auf seinen Kenntnissen über die Bonität des Schuldners, den Teil x* transferieren, der seinen Gewinn maximiert:151 (12)
x*
arg max E 3 | p T .
Dementsprechend hängt der Gewinn von V von dem im Falle des Schuldnerdefaults selbst zu tragenden Anteil (1-x) ab. Die Insolvenzkosten D fallen dann an, wenn 1 - x YL ! L 0 . Aus _ dieser Ungleichung kann der abzugebende Kreditrisikoanteil x berechnet werden, der die Insolvenzkosten gerade vermeidet: § _· ¨ 1 - x ¸YL ¨ ¸ © ¹
(13)
_
L0 x
1
L0 . YL
Die Einführung einer Indikatorfunktion I ermöglicht die Fallunterscheidung, ob der erforder_ liche Kreditanteil x zur Vermeidung von D abgegeben wurde oder nicht. Daher kann I die _ _ Werte null für x t x oder eins für x x annehmen. Die Gewinne des V lassen sich für die möglichen Zustände wie folgt berechnen: (14)
3
aus der Absicheru ng Insolvenzk osten aus dem Kredit Gewinn Verlust
°° L1 - Y 1 1 Ep | ȍ xYL DI , falls Default . ® L 1 Ep | ȍ xYL , falls kein Default °
°¯Gewinn aus dem Kredit
_ Der Finanzintermediär steht nun vor der Entscheidung, ob er einen Anteil x an den Kreditrisikokäufer abgibt und im Falle des Defaults die Insolvenzkosten vermeidet. Daraus ergibt sich der folgende bedingte erwartete Gewinn in Abhängigkeit von x und pș und den Erwartungen von K bezüglich p:
(15)
§ E¨ Ȇ | x ¨ ©
_ · x; p ș ¸ ¸ ¹
>L1 p Y 1@ ª««p ș
ș
¬
_ º Ep | ȍ x YL » . »¼
Andererseits kann er das Kreditrisiko selbst übernehmen und im Falle des Defaults die Insolvenzkosten tragen. Daraus ergibt sich folgender bedingter erwarteter Gewinn: (16)
EȆ| x
0; p ș
>L1 p Y 1@ Dp ș
ș
.
Aufbauend auf diesen Überlegungen lassen sich nun die Gleichgewichte auf dem Markt des Kreditrisikotransfers herleiten.152 Im Falle von p ș
p l wird sich V immer für die teilweise Veräußerung des Kreditrisikos ent-
scheiden, da (15) einen höheren bedingten erwarteten Gewinn erbringt als (16). Die Erwartungen Ep | : von K werden nach unten durch pl begrenzt, weshalb (15) nach unten eine
151 152
Siehe Duffee/Zhou (2001), S. 35. Die Beweisführung wird bei Duffee/Zhou (2001), S. 37 ff. durchgeführt.
2.3. Kreditrisikotransfer
61
>
@
Schranke bei L 1 p ș Y 1 aufweist. Diese ist jedoch um die erwarteten Insolvenzkosten höher als bei gänzlicher Zurückbehaltung des Kreditrisikos. Das Vorliegen eines Pooling-Gleichgewichts ist immer dann gegeben, wenn V unabhängig _ von der beobachteten Kreditqualität des Kreditnehmers einen Anteil x des Kreditrisikos abgibt.153 Den Kreditrisikokäufern ist es daher nicht möglich, auf die veräußerte Kreditqualität zu schließen. Daher werden sie die folgende Erwartung an p haben: (17)
pl ph 2
Ep | :
.
Daraus ergibt sich folgendes Gleichgewicht: _
(18)
D!
x YL p l p h 2p h
.
V wird daher immer dann ein Kreditrisiko p ș
p h anteilig verkaufen, wenn mit den Erwar-
tungen der Kreditrisikokäufer aus (17) die bedingten erwarteten Gewinne aus (15) höher sind als diejenigen aus (16). Gleichung (18) gibt genau diesen Sachverhalt wieder. Darüber hinaus kann ein so genanntes separierendes Signalling-Gleichgewicht festgestellt werden, falls V bei p ș
p l einen Kreditrisikotransfer vornimmt und bei p ș
p h darauf ver-
zichtet. Die Kreditrisikokäufer können somit die Aktivitäten des V am Markt für Kreditrisikotransferkontrakte als Signal für die Kreditqualität interpretieren. Falls Aktivitäten durchgeführt wurden, kann auf eine niedrige Kreditqualität geschlossen werden ( Ep | : p l ). Ein Gleichgewicht wird sich in diesem Falle einstellen, falls folgende Ungleichung erfüllt wird: _
(19)
D
x YL p l p h ph
.
Damit würde V bei Vorliegen von p ș
p h genau dann auf einen Kreditrisikotransfer ver-
zichten, wenn der erwartete Gewinn ohne Kreditrisikotransfer aus (16) höher ist als der mit Kreditrisikotransfer nach (15). Dies ist der Fall, wenn Ungleichung (19) erfüllt ist. Somit kann der Anteil des transferierten Kreditrisikos x als Signal aufgefasst werden, durch das V den möglichen Kreditrisikokäufern die Ausfallwahrscheinlichkeit des Schuldners glaubwürdig mitteilen kann.154 Ein niedriger Rückbehalt bei V würde dementsprechend auf einen Kredit mit geringer Qualität und ein hoher Rückbehalt bei V auf einen Kredit mit hoher Qualität schließen lassen. Aus den Formeln (18) und (19) ergibt sich:
153 154
Siehe hierzu Rothschild/Stiglitz (1976), S. 635. Vgl. auch Henke (2002), S. 121.
62
(20)
Ökonomischer Rahmen
p
l
ph Dp h pl ph _ 2 x YL
.
Daraus folgt, dass unter diesen Bedingungen sowohl ein Pooling- als auch ein SeparatingGleichgewicht vorliegen kann. Gehen die potenziellen Kreditrisikokäufer einerseits von einem Separating-Gleichgewicht aus, signalisiert ein Kreditrisikotransfer des V die niedrige _ Bonität des Kreditrisikoanteils x . Daher kann V selbst Kredite mit hoher Bonität nur zu einem Preis von pl abgeben und wird deshalb das gesamte Kreditrisiko zurückbehalten. Andererseits sind die potenziellen Kreditrisikokäufer bereit, einen höheren Preis zu zahlen, falls sie von einem Pooling-Gleichgewicht ausgehen. Für den Finanzintermediär ist es dann vorteilhaft, auch einen Anteil an Krediten hoher Bonität abzugeben. Der unbedingte erwartete Gewinn des Finanzintermediärs ergibt sich deshalb als Mittelwert der bedingten Erwartungswerte E§¨ Ȇ | p ș ·¸ für die beiden Kreditqualitäten ș=h, l im Pooling©
¹
Gleichgewicht (21) und im Separating-Gleichgewicht (22):155 (21)
E3
ª § pl ph · º «L¨1 Y ¸ 1» ¨ ¸ » 2 ¹ ¼ ¬« ©
(22)
E3
ª § p l p h · º Dp h «L¨1 Y ¸ 1» ¸ » 2 2 «¬ ¨© ¹ ¼
bzw.
.
Der Vergleich beider Gleichgewichtsfunktionen zeigt, dass sich V im Pooling-Gleichgewicht unabhängig vom Vorliegen von pș besser stellt als im Separating-Gleichgewicht. Im PoolingGleichgewicht entspricht der erwartete Gewinn exakt der erwarteten Rendite des Kredits, während er im Separating-Gleichgewicht immer um ½ Dph geringer ist. Da die Abgabe des Kreditrisikos bei Vorliegen eines Kredits mit hoher Qualität im PoolingGleichgewicht zu einem höheren zu zahlenden Preis führt, wird V folglich den Anteil des Kreditrisikos veräußern, der gerade noch die eigene Insolvenz verhindert. Daher wird der zu _ veräußernde Anteil nie über x liegen. Zudem wird V nie einen Kreditrisikoanteil kleiner als _ x veräußern, da damit nur Agency-Kosten beim Kreditrisikotransfer verursacht werden, ohne die erwarteten Insolvenzkosten zu reduzieren. Demgegenüber wird V bei Vorliegen eines Kredits niedriger Qualität das Verhalten bei Vorliegen eines Kredits mit hoher Qualität imitieren, da ansonsten sein Verhalten die niedrige Kreditqualität signalisieren würde. Herrscht ein Separating-Gleichgewicht, wird für Kredite niedriger Qualität der korrekte Preis pl und für Kredite hoher Qualität der korrekte Preis ph bezahlt. Deshalb ist V bei einem Kredit ª_ º niedriger Qualität gegenüber dem Kreditrisikotransfer eines Anteils x « x,1» indifferent, da «¬
»¼
dadurch seine eigene Insolvenz abgewendet wird. Hält er hingegen einen Kredit mit hoher 155
Siehe Duffee/Zhou (2001), S. 42 f.
2.3. Kreditrisikotransfer
63
Qualität, ist er indifferent zwischen dem kompletten Rückbehalt und einem teilweisen Verkauf des Kreditrisikos. Der anteilige Verkauf würde in diesem Fall ein Pooling-Gleichgewicht verhindern, da V das Kreditrisiko hoher Qualität lediglich zu einem hohen Preis weiterreichen kann. Daher wird die obere Schranke des zu veräußernden Kreditrisikoanteils immer kleiner _ als x sein, wobei damit die Gefahr der eigenen Insolvenz nicht beseitigt wird. Durch den Vergleich der unbedingten erwarteten Gewinne im Pooling- und im SeparatingGleichgewicht nach (21) und (22) mit einer Welt ohne die Möglichkeit eines Kreditrisikotransfers, kann festgestellt werden, ob sich der Finanzintermediär besser stellt. Für eine Welt ohne Kreditrisikotransfermöglichkeit ergibt sich demnach: (23)
EȆ
ª § pl ph «L¨1 ¨ 2 ¬« ©
l h · º ¸ 1» D p p ¸ » 2 ¹ ¼
.
Damit übersteigen die sich ergebenden Insolvenzkosten sowohl diejenigen in Gleichung (21) als auch diejenigen in Gleichung (22), womit der Finanzintermediär eindeutig von der Existenz einer Kreditrisikotransfermöglichkeit profitiert. Zieht man die First-Best-Solution heran, ergibt sich der unbedingte erwartete Gewinn folgendermaßen: (24)
EȆ
ª § pl ph «L¨1 2 «¬ ¨©
· º ¸ 1» . ¸ » ¹ ¼
Dieser kann dann erreicht werden, wenn die potenziellen Kreditrisikokäufer die Qualität der zu transferierenden Kreditrisiken beobachten können oder wenn der Kreditrisikoverkäufer ihnen diese kostenlos mitteilt. So ergibt sich im First-Best-Gleichgewicht auch ein fairer Marktpreis für die Kreditrisikoübernahme. Aufbauend auf dem Grundmodell zeigen Duffee und Zhou auch die Wirkung des Moral Hazards beim Kreditrisikotransfer. Annahmegemäß können sowohl der Finanzintermediär als auch der Kreditrisikokäufer nach der Kreditzuteilung in t=0 die Kreditqualität beobachten. Dabei wird berücksichtigt, dass der Finanzintermediär durch seine Überwachungstätigkeit bei schlechten Kreditnehmern die Ausfallwahrscheinlichkeit auf diejenigen guter Qualität reduzieren kann. Eine Überwachung der Kredite mit hoher Qualität kann jedoch nicht zu einer weiteren Reduktion der Ausfallwahrscheinlichkeit führen. Die Überwachungsleistung verursacht Kosten in Höhe von W, wobei außenstehende Dritte die Überwachungsanstrengungen von V nicht überprüfen können. Bei einem Kreditrisikotransfer in Höhe von x mittels J hat V einen Anreiz, das Kreditrisiko abzugeben, um so seine eigene Insolvenz abzuwenden. Daher wird V entweder den minimal _ nötigen Anteil x transferieren oder das komplette Risiko selbst tragen. Grundlegende An_ nahme ist, dass W keine Auswirkungen auf x hat. Für das Vorliegen eines Moral Hazard-
64
Ökonomischer Rahmen
_ Problems beim Kreditrisikotransfer des Anteils x muss für W folgende Bedingung erfüllt sein:
(25)
p
l
_· § p h Y L ! W ! ¨ 1 x ¸ p l p h YL . ¸ ¨ ¹ ©
Die Ungleichung (25) besagt, dass die Überwachung eines Schuldners mit niedriger Qualität nur dann wertsteigernd für V ist, solange er das Kreditrisiko selbst trägt, wobei er bei einem _ _ Verkauf von x nur noch mit einem Anteil (1 x ) von der Wertsteigerung profitiert. Annahmegemäß sei jedoch diese Wertsteigerung geringer als die Überwachungskosten W, womit V den Anreiz zur Überwachung des Schuldners niedriger Bonität verliert. Anhand der zeitlichen Struktur der Ereignisse können die Unterschiede des Moral Hazards zur adversen Selektion aufgezeigt werden. Abbildung 17 fasst dies grafisch zusammen.156 t=0
t=1 t
Kredit wird V zufällig zugeteilt
V und K beobachten T ^h, l`
V verkauft x des Kreditrisikos an K
V überwacht den Kredit und K kann Cashflows werden entdiese Leis- sprechend des Transfervertrags aufgeteilt tung nicht beobachten
Abb. 17: Zeitliche Struktur bei Moral Hazard
Da V und K die Qualität des Kredits in t=0 bekannt ist, bestehen die gleichen Erwartungen hinsichtlich des Preises für den Kreditrisikotransferkontrakt: (26)
Pș
pș .
Die Ableitung der optimalen Kreditrisikotransferstrategie wird im Moral Hazard-Fall im Vergleich zur adversen Selektion wesentlich vereinfacht.157 Liegt ein Kredit mit hoher Qualität _ vor, verkauft V immer den Anteil x . Die möglichen Kreditrisikokäufer kennen ebenfalls die hohe Qualität und wissen auch, dass diese durch die Überwachungsleistung des V nicht weiter verbessert werden kann. Daher wird der faire Preis, der sich aus Gleichung (26) ergibt, bezahlt. Folglich ist V keiner Insolvenzgefahr ausgesetzt und erzielt den bedingten erwarteten Gewinn, der genau der Rendite des vergebenen Kredits entspricht: (27)
156 157
E Ȇ | ph
>L1 p Y 1@. h
in Anlehnung an Henke (2002), S. 175 Siehe Duffee/Zhou (2001), S. 47 f.
2.3. Kreditrisikotransfer
65
_ Im Falle eines Kredits niedriger Qualität hat V zunächst die Möglichkeit, den Anteil x abzugeben und damit die Überwachungskosten W einzusparen. Dadurch ergibt sich folgender bedingte erwartete Gewinn:
(28)
§ E¨ Ȇ | x ¨ ©
_ · x; p l ¸ ¸ ¹
>L1 p Y 1@. l
Darüber hinaus hat V die Möglichkeit, das Kreditrisiko komplett zu übernehmen und zu überwachen. Daraus ergibt sich der bedingte erwartete Gewinn zu: (29)
EȆ| x
0; p l
>L1 p Y 1@ W Dp h
h
.
Findet ein anteiliger Kreditrisikotransfer statt, würde der Kreditrisikokäufer davon ausgehen, dass V keine Überwachungsleistung mehr erbringt, weshalb der Preis P l
p l gesetzt wird.
Etwaige Insolvenzkosten entfallen damit für V. Übernimmt V das komplette Kreditrisiko eines Kredits niedriger Qualität, hat er den Anreiz, dessen Ausfallwahrscheinlichkeit durch Überwachungsleistungen auf diejenige eines Kredits hoher Qualität zu reduzieren. Damit kann V zur Wertsteigerung beitragen, wobei er jedoch durchwegs der Gefahr der Insolvenz ausgesetzt bleibt. Der Finanzintermediär wird das Kreditrisiko des Schuldners niedriger Qualität gänzlich übernehmen, wenn die Überwachungsleistung die Kosten der eigenen Insolvenz nach Monitoring übersteigt. Daher gilt in diesem Fall folgende Ungleichung:
p p YL W . l
(30)
D
h
ph
_ Falls die Ungleichung (30) nicht erfüllt ist, wird V den Anteil x eines Kredits sowohl mit niedriger als auch mit hoher Qualität an Dritte übertragen. In diesem Falle findet keine Kreditüberwachung mehr statt. Die Kreditrisikokäufer werden dieses Verhalten des V antizipie-
ren und den höheren Preis P l
p l für die Übernahme des Kreditrisikos verlangen.
Im Falle von Moral Hazard können zwei Second-Best-Gleichgewichte ausgemacht werden, bei denen der Kreditrisikotransfer einerseits nur bei Krediten hoher (31) oder andererseits bei Krediten beider (32) Qualitätsstufen durchgeführt wird. Die unbedingten erwarteten Gewinne des Finanzintermediärs können dabei wie folgt berechnet werden: (31)
EȆ
>L1 p Y 1@ W2 Dp2
(32)
EȆ
ª § ph pl · º «L¨1 Y ¸ 1» . ¸ » 2 «¬ ¨© ¹ ¼
h
h
bzw.
Als Referenzmaßstab für den Handel mit Kreditrisiken kann der unbedingte erwartete Gewinn ohne die Möglichkeit eines Kreditrisikotransfers aufgezeigt werden. Es gilt: (33)
EȆ
>L1 p Y 1@ W2 Dp h
h
.
66
Ökonomischer Rahmen
Stellt man die Gleichungen (31) und (33) gegenüber, so wird deutlich, dass durch die Einführung von Kredittransfermöglichkeiten die Insolvenzkosten halbiert werden, für den Fall, dass _ der Finanzintermediär ausschließlich den Anteil x von Krediten mit hoher Qualität veräußert. Sollte sich der Finanzintermediär entschließen, unabhängig von der Qualität des Kredits, einen Kreditrisikotransfer durchzuführen, kann der Effizienzgewinn aus einer Umkehrung der Ungleichung (30) bestätigt werden. Damit profitiert der Finanzintermediär, unabhängig davon, welches Second-Best-Gleichgewicht sich am Kreditrisikotransfermarkt einstellt, von der Möglichkeit einen Kreditrisikotransfer bei Moral Hazard durchzuführen. Zieht man zusätzlich das First-Best-Gleichgewicht heran, bei dem sich der Finanzintermediär dazu verpflichtet, ohne weitere Kosten zu verursachen, die Kreditüberwaschung weiterhin zu übernehmen, können die Agency-Kosten der beiden Second-Best-Gleichgewichte ermittelt werden. Für den unbedingten erwarteten Gewinn im First-Best-Gleichgewicht ergibt sich: (34)
EȆ
>L1 p Y 1@ W2 . h
Dies bedeutet, dass sich V in beiden Second-Best-Gleichgewichten schlechter stellt als im First-Best-Gleichgewicht, obwohl er die kostenlose Überwachung der Kredite niedriger Qua_ lität übernimmt. Im First-Best-Gleichgewicht könnte er einen Anteil x der Kredite beider Qualitäten zum jeweils fairen Preis P ș
p ș veräußern und damit das Risiko der eigenen In-
solvenz gänzlich vermeiden. Im Gegensatz zum First-Best-Gleichgewicht verursacht der Kreditrisikotransfer der Kredite mit hoher Qualität in Second-Best-Gleichgewichten Agency-Kosten von ½ Dph. Darin sind die erwarteten Deadweight-Kosten der Insolvenz für die Fälle enthalten, bei denen Kredite mit niedriger Qualität trotz einer Überwachung und einer Reduktion der Ausfallwahrscheinlichkeit auf ph ausfallen. Mit der Second-Best-Strategie der Übertragung beider Kreditqualitä-
>
@
1 l p p h YL W 2 verbunden, die das Produkt der Wertsteigerung eines Kredits niedriger Qualität durch die Überwachungsleistung mit der Wahrscheinlichkeit der Ausreichung eines Kredits mit niedriger Qualität angeben. ten sind im Vergleich zum First-Best-Gleichgewicht Agency-Kosten von
2.3.3.2.3. Kritische Würdigung Obwohl das Modell von Gorton/Pennacchi als auch das von Duffee/Zhou von der Realität stark abstrahieren, können interessante Erkenntnisse hinsichtlich des Kreditrisikotransfers bei adverser Selektion und Moral Hazard gewonnen werden. Die zentrale Aussage ist, dass trotz der bestehenden Informationsasymmetrien zwischen Kreditrisikokäufer und -verkäufer ein Handel von Kreditrisiken möglich ist.
2.3. Kreditrisikotransfer
67
Duffee und Zhou zeigen in ihrem Modellansatz, dass sich je nach Wahl der Inputparameter bei der adversen Selektion entweder ein Separating- oder ein Pooling-Gleichgewicht einstellen kann. Dabei wird wiederum der Zusammenhang zwischen Insolvenzkosten auf Seiten des Kreditrisikoverkäufers als auch die Misstrauensprämie auf Seiten des Kreditrisikokäufers als erklärende Variablen herangezogen. Der Bereich, in dem sich ein Separating-Gleichgewicht einstellen kann, ist umso größer, je höher die Deadweight-Kosten D, je höher der Kreditverlust YL , je niedriger die Insolvenzschranke L0 und je höher die Differenz der Ausfallwahrscheinlichkeiten der Kredite mit niedriger und hoher Qualität ist.158 Als zentrale Aussage kann festgehalten werden, dass sich der Finanzintermediär mit der Möglichkeit des Kreditrisikotransfers immer besser stellt als ohne diese Möglichkeit. Das Modell von Duffee und Zhou trägt unter Berücksichtigung von Moral Hazard dazu bei, durch den Einsatz von Kreditrisikomanagementaktivitäten auf Seiten des Finanzintermediärs die Existenz eines Kreditrisikotransfermarktes zu erklären. Je nach Parametergestaltung der Deadweight-Kosten der Insolvenz D, des vertraglich vereinbarten Rückzahlungsbetrags L, der Verlustquote Y , der Überwachungskosten W und der Differenz der Ausfallwahrscheinlichkeiten der Kredite niedriger und hoher Qualität können zwei Strategien beim Kreditrisikotransfer optimal sein. Zum einen kann V einen Teil der Kredite beider Qualitäten an einen Kreditrisikokäufer übertragen und verzichtet auf das Monitoring des Kredits mit schlechter Qualität oder er verkauft zum anderen lediglich das Kreditrisiko des Kredits mit hoher Qualität, überwacht den Kredit mit niedriger Qualität und nimmt somit die Gefahr der eigenen Insolvenz in Kauf. Im Gegensatz zum Separations-Gleichgewicht bei adverser Selektion, bei dem das Kreditrisiko hoher Qualität zurückbehalten wird, ist es im Falle des Moral Hazards das Kreditrisiko niedriger Qualität, das unter Umständen zurückbehalten wird. Auch bei der Betrachtung des Moral Hazards kann gezeigt werden, dass der Finanzintermediär von der Möglichkeit eines Kreditrisikotransfers in jedem Falle profitiert. Grundsätzlich stehen die Modelle von Duffee/Zhou und Gorton/Pennacchi in Einklang. Im Modell von Gorton und Pennacchi wird jedoch nur eine ursprüngliche Kreditqualität untersucht. Der erwartete Rückfluss aus einem Kredit kann durch die Überwachungsanstrengung a des Finanzintermediärs umso stärker beeinflusst werden, je riskanter der Kredit ist. Findet ein anteiliger Kreditrisikotransfer statt, liegt die Überprüfungsintensität a unterhalb des Niveaus, das im First-Best-Gleichgewicht nötig wäre. Im Modell von Duffee/Zhou gibt es dagegen lediglich ein Überwachungsniveau, das mit Kosten von W verbunden ist und die effiziente _ Überwachung darstellt. Im Falle der Veräußerung des Anteils x bei einem Kredit niedriger Qualität verzichtet der Finanzintermediär völlig auf die Überwachung. Nach Gorton/Pennacchi liegt der Anteil des verkauften Kreditrisikos umso niedriger, je riskanter der verkaufte Kredit ist. Das ist im Modell von Duffee/Zhou damit zu vergleichen, dass bei einem 158
Siehe auch Henke (2002), S. 124.
68
Ökonomischer Rahmen
_ Kredit mit hoher Qualität immer der Anteil x verkauft wird, während für Kredite mit niedriger Qualität die Wahrscheinlichkeit des Rückbehalts mit steigendem pl zunimmt. Der grundlegende Unterschied zwischen den beiden Modellen besteht darin, dass Gorton und Pennacchi den Verkauf von Kreditrisiken nicht mit der Reduktion von Insolvenzkosten erklären, sondern mit höheren Refinanzierungskosten. Somit wird die Annahme getroffen, dass eine vollständige Trennung von Kreditrisiko und Basisposition nicht möglich ist. Im Modell von Duffee und Zhou findet gerade dieser isolierte Transfer statt, während Refinanzierungskosten keine Relevanz besitzen.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers Nachdem die grundlegenden Schwierigkeiten beim Transfer von Kreditrisiken erläutert wurden, werden nachfolgend die Instrumente beschrieben, die für den Kreditrisikohandel in Frage kommen. Abbildung 18 gibt einleitend einen Überblick über die verschiedenen Instrumente, die im Folgenden kurz beschrieben werden. Instrumente des Kreditrisikohandels
Traditionelle Instrumente
Kreditversicherung Syndizierung Factoring
Kapitalmarktinstrumente
Verbriefung
Kreditderivate
Sonstige
Asset-BackedSecurities
Credit Default Produkte
Forderungsverkauf
MortgageBacked-
Total Return Swaps
Anleihehandel
Collateralised Debt Obligations
Credit Spread Optionen
Asset-Swaps
Hybride Credit Linked Notes Synthetische CDO
Abb. 18: Überblick über die Instrumente des Kredithandels
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
69
2.4.1. Traditionelle Instrumente 2.4.1.1. Kreditversicherung Bei einer Kreditversicherung wird das Risiko des Ausfalls eines Schuldners abgesichert, wenn dieser seinen Verpflichtungen nicht nachkommt. Sie hat dabei die rechtliche und bankaufsichtliche Ausgestaltung einer Garantie. Die Warenkreditversicherung ist die gängigste Variante, bei der alle in- und ausländischen Außenstände revolvierend abgesichert werden. Der Kreditrisikoverkäufer hat dem Kreditrisikokäufer dabei regelmäßig alle Forderungen zu melden und ist im Rahmen der vereinbarten Limite (z.B. Höchstgrenzen) versichert. Üblicherweise wird ein bestimmter Selbstbehalt von den Versicherungszahlungen abgezogen. Durch diese Selbstbeteiligung wird der Versicherte zu einem bestimmten Prozentsatz am Ausfall einer Forderung beteiligt. Besondere Relevanz können Kreditversicherungen dabei z.B. bei ABSoder Verbriefungstransaktionen haben, wenn sie als Credit Enhancement dienen.159 In der Bundesrepublik Deutschland ist, neben den privaten Kreditversicherern, vor allem die staatliche HERMES Kreditversicherungs-AG in diesem Bereich tätig. Mit so genannten Hermesdeckungen werden die Ausfuhrkredite von Exporteuren und Banken gegen das Ausfallrisiko aus wirtschaftlichen und politischen Gründen geschützt. Der Schutz wird dabei vor allem für Kredite in solchen Entwicklungs- und Schwellenländern erbracht, für die die private Versicherungswirtschaft keine ausreichende Absicherung ermöglicht. Da die Kreditversicherung im Wesentlichen einer Garantie bzw. einem Credit Default Swap entspricht, wird sie in diesem Zusammenhang nicht weiter behandelt.160 2.4.1.2. Syndizierung Bei der Syndizierung von Krediten wird eine Forderung in Form eines Konsortialkredits begründet. Es treten mehrere Kreditgeber gemeinschaftlich bei der Kreditvergabe auf. Der Kredit kann die Form eines Bar-, Aval-, Diskont- oder Akzeptkredits haben. Der potenzielle Kreditnehmer bringt zunächst seinen Kreditwunsch i.d.R. bei seiner Hausbank vor. Diese ist verantwortlich für das weitere Prozedere, bei dem zunächst ein Informationsprospekt (Information Memorandum) verfasst wird, das alle Informationen zum zu finanzierenden Projekt beinhaltet. International ist es üblich, dass die initiierende Bank (Lead Manager) den Kredit zunächst mit einer Gruppe eng kooperierender Kreditinstitute komplett übernimmt und ihn dann, abzüglich des eigenen Anteils, bei weiteren Adressen, den Participants, platziert. Die beteiligten Banken fixieren im Innenverhältnis durch einen Konsortialvertrag z.B. welchen Anteil jede einzelne Bank hat, welche Bank die Geschäftsführung und wer die Vertretung nach außen übernimmt.161 Letztendlich schließt das Institut den Konsortialkreditvertrag mit
159 160 161
Siehe hierzu Abschnitt 3.5.5. Für eine weiterführende Literatur speziell bezüglich Hermesdeckung siehe EulerHermes (2004). Siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 600.
70
Ökonomischer Rahmen
dem Kreditnehmer ab, das die Außenvertretung übernommen hat. Meist entspricht dieses auch dem Konsortialführer. Die Wirkung von syndizierten Krediten auf den Ausfallrisikotransfer liegt darin begründet, dass dieses Risiko im Vergleich zur Durchführung durch einen einzelnen Kreditgeber, auf mehrere Banken verteilt wird (Risikozerfällung). Damit werden Klumpenrisiken reduziert und die Granularität des Kreditportfolios erhöht. 2.4.1.3. Factoring Beim Factoring steht der permanente Ankauf von Forderungen aus Lieferung und Leistung durch ein spezialisiertes Finanzinstitut im Vordergrund. Damit erhält der Forderungsverkäufer den Barwert der Forderung abzüglich einer Gebühr. Die Höhe der Gebühr ist abhängig von den zu erbringenden (Service-)Leistungen des Forderungskäufers (Factor). Der Factor übernimmt vertraglich fixierte Dienstleistungen, wie z.B. die Debitorenbuchhaltung, das Inkasso- und Mahnwesen. Beim echten Factoring wird zusätzlich das Ausfallrisiko der angekauften Forderungen vom Factor übernommen. Damit bietet das Factoring dem verkaufenden Unternehmen verschiedene Funktionen. Zum einen besteht eine Finanzierungsfunktion durch den Ankauf und die Kreditierung der Forderungen. Darüber hinaus kann eine Dienstleistungsfunktion vorliegen, wenn der Factor spezifische Dienstleistungen übernimmt. Trägt der Factor darüber hinaus das Bonitätsrisiko, beinhaltet das Factoring eine Kreditversicherungsfunktion. Neben dem Factoring ist die Forfaitierung von Exportforderungen durch ein spezialisiertes Finanzinstitut (Forfaiteur) zu nennen. Dabei übernimmt der Forfaiteur prinzipiell das Ausfallrisiko der Forderungen und leistet im Vergleich zum Factoring keine Dienstleistungsfunktion. Das Factoring und die Forfaitierung sind für den Risikotransfer aus Banksicht nur dann interessant, wenn die Bank die Forderungen ankauft.162 In diesem Fall kann sie ihr Kreditportfolio über eine Vielzahl von Kreditnehmern national und international diversifizieren. Ein weiterer Vorteil besteht darin, dass die Abschlusskosten für eine Vielzahl von Krediten durch den Abschluss eines Factoring- oder Forfaitierungsvertrages ersetzt werden. 2.4.1.4. Motive für den Einsatz traditioneller Instrumente Bei den traditionellen Instrumenten des Kreditrisikotransfers, insbesondere beim Factoring und der Forfaitierung, handelt es sich bei den ursprünglichen Forderungen vor allem um solche, die nicht von Banken gehalten werden. Vielmehr sind dies Industrie-, Handels- oder sonstige Dienstleistungsbetriebe, die versuchen ihre Forderungspositionen zu senken. Damit können sie einen Liquiditätseffekt verzeichnen und unter Umständen das Ausfallrisiko auf den Kreditrisikokäufer übertragen. Die Kreditversicherung dient in erster Linie Unternehmen 162
Der Verkauf von Bankkrediten im Rahmen des Factoring oder der Forfaitierung ist nicht vorgesehen.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
71
des Nicht-Bankensektors dazu, sich gegen drohende Ausfälle ihrer Kundenforderungen zu schützen. Aus Sicht der Bank haben diese drei Instrumente gemeinsam, dass das Kreditinstitut meist das Kreditrisiko übernimmt. Dazu erhält dieses Forderungen, die sich charakterlich von den sonstigen Forderungen im Bankportfolio unterscheiden, da es sich meist um Forderung aus Lieferung und Leistung handelt. Sie könnten daher im besonderen Maße dazu beitragen, das Risiko des Gesamtbankportfolios zu diversifizieren. Dies ist in erster Linie dann der Fall, wenn die angekauften bzw. versicherten Forderungen keine hohe Korrelation zu den restlichen Bankforderungen aufweisen. Die Syndizierung dient schwerpunktmäßig dazu, mögliche Klumpenrisiken zu vermeiden. Eine solche Situation tritt hauptsächlich dann auf, wenn eine Bank Hausbank eines Unternehmens ist und eine größere Kreditvergabe bevorsteht. Im Rahmen einer Syndizierung hat die Hausbank die Möglichkeit, das Risiko mit anderen Partnerbanken zu teilen. Ist sie nicht Hausbank des Kredit suchenden Unternehmens, sondern Partnerbank des initiierenden Kreditinstituts, kann sie unter Umständen Risiken in ihr Portfolio nehmen, die sonst nicht zu erzielen wären. Bei allen diesen Instrumenten ist festzuhalten, dass neben einer Risikoübernahme bzw. -zerfällung gute Margen erzielt werden können. Somit ist im Sinne einer risikoadjustierten Kreditportfoliosteuerung individuell zu entscheiden, welchen Ertrag diese Risiken mit sich bringen. 2.4.2. Kapitalmarktinstrumente Die hier vorgestellten Kapitalmarktinstrumente teilen sich auf in Verbriefungen, Kreditderivate und sonstige Kapitalmarktinstrumente. Zudem können auch hybride Formen am Kapitalmarkt vorkommen, die bestimmte Elemente von Verbriefungen und Kreditderivaten vereinigen. 2.4.2.1. Verbriefungen 2.4.2.1.1. Asset-/Mortgage-Backed-Securities Bei Asset-Backed-Securities (ABS) wird eine Vielzahl von Forderungen aus der Bankbilanz entnommen und im Rahmen eines Treuhandvermögens gepoolt.163 Besonders geeignet sind Forderungen, die sich bezüglich Laufzeit und Bonität in möglichst homogene Gruppen einteilen lassen. Die Ansprüche an diesem Pool werden in Wertpapieren verbrieft und diese dann bei Investoren platziert. Zumeist übernimmt die Platzierung eine Bank oder ein ganzes Bankenkonsortium. Diese Bank(en) geben im Rahmen einer Emission üblicherweise auch Liqui-
163
Siehe Perridon/Steiner (2004), S. 455 ff.
72
Ökonomischer Rahmen
ditätsgarantien ab. Die Entwicklung des durch ABS emittierten vierteljährlichen Forderungsvolumens in Europa gibt Abbildung 19 wieder.164 90 80
Volumen in Mrd. €
70 60 50 40 30 20 10 Q2/2004
Q1/2004
Q4/2003
Q3/2003
Q2/2003
Q1/2003
Q4/2002
Q3/2002
Q2/2002
Q1/2002
Q4/2001
Q3/2001
Q2/2001
Q1/2001
Q4/2000
Q3/2000
Q2/2000
Q1/2000
0
Abb. 19: Vierteljährliches ABS-Volumen in Europa seit 2000
Im Rahmen einer ABS-Struktur überträgt die Bank die zu übertragenden Forderungen zunächst an eine eigens zu diesem Zweck gegründete Zweckgesellschaft (Special Purpose Vehicle, SPV), damit es beim initiierenden Kreditinstitut zu einer bilanzbefreienden Wirkung kommt. Das SPV wird nun mittels stiller Zession Gläubiger der im Pool enthaltenen Forderungen und ihm fließen auch alle Zins- und Tilgungszahlungen zu. Das SPV refinanziert sich wiederum durch die Emission von Wertpapieren, die mit dem übertragenen Forderungspool gesichert sind. Mit den Zins- und Tilgungszahlungen (abzüglich einer Gebühr) werden die Ansprüche der Wertpapierkäufer bedient. Dabei kann es zwei Konstellationen geben. Beim Pass-through-Verfahren erfolgt eine direkte Weiterleitung der Zins- und Tilgungszahlungen vom SPV an die Investoren. Die Auswirkungen von Zahlungsverzug, Zahlungsausfall oder vorzeitiger Tilgung sind somit für die Investoren unmittelbar ersichtlich. Dagegen wird im Pay-through-Verfahren eine zeitliche Umstrukturierung der Zahlungsströme durch das SPV vorgenommen. Die eingehenden Zins- und Tilgungszahlungen aus den zugrunde liegenden Forderungen werden zunächst gesammelt und nach den vertraglich fixierten Konditionen an die Investoren ausbezahlt. Die emittierten Wertpapiere, die durch die Forderungen im Pool besichert sind, werden zumeist in mehrere Tranchen mit unterschiedlicher Ausfallwahrscheinlichkeit strukturiert. Häufig werden ABS-Transaktionen mit geringerem Risiko begeben, da das Ausfallrisiko der Equity-Tranche üblicherweise von der initiierenden Bank übernommen wird. Als zusätzliche 164
Datenquelle: European Securitisation Forum (2005)
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
73
Sicherheit für die Investoren können Garantien weiterer Garantiegeber dienen. Durch diese Maßnahmen lassen sich vor allem Moral Hazard-Probleme beim Kreditrisikotransfer reduzieren. Mit Hilfe der Tranchierung können die Kosten des Ausfalls entsprechend den Rendite-/ Risikoanforderungen der Investoren verteilt werden. Findet ein Ausfall im Forderungspool statt, ist es bei den meisten Verbriefungsstrukturen typisch, dass der Verlust nach dem Wasserfallprinzip (Subordinationsprinzip) verteilt wird. Das heißt, dass zunächst die unteren Tranchen (Equity Tranche oder First Loss Piece, Mezzanine B) belastet werden, bevor die höheren Tranchen (Senior- oder AAA-Tranche, Mezzanine A) am Verlust partizipieren. Strukturell ist es wichtig, dass die Verwaltung in Form von Inkassoleistungen oder die Kreditüberwachung der gepoolten Forderungen durch den Service-Agenten übernommen wird. Handelt es sich beim Originator um eine Bank, übernimmt diese meist diese Funktion, damit der Kontakt zum Schuldner beibehalten werden kann. Das Institut kennt den Kreditnehmer am besten und hat auch eingearbeitetes Personal für die Abwicklung von Kreditverträgen. Die Transaktion kann ebenfalls von Treuhändern überwacht werden, wobei einer als Zahlstelle eingesetzt werden kann. In den meisten Fällen wird die Transaktion von einer oder mehreren Ratingagenturen begleitet. Diese überwachen die Bonität der gepoolten Forderungen, des Service-Agenten, der Zweckgesellschaft und schließlich auch der möglichen Garantiegeber. Speziell die Überwachung der Bonität der im Pool vorhandenen Forderungen ist zum Abbau von Anreizproblemen nötig. Gerade dann, wenn Forderungen im Forderungspool durch andere ersetzt werden (Fälligkeit erreicht oder Ausfall) ist es nötig, dass eine unabhängige Stelle die Qualität der eingebrachten Forderungen gewährleistet. Nach der Art der zugrunde liegenden Forderungen können verschiedene Verbriefungsformen unterschieden werden. Typischerweise basieren ABS-Strukturen im engeren Sinne auf Konsumentenkrediten, Leasing- oder Kreditkartenforderungen, etc. Liegt dagegen ein Pool von Hypothekendarlehen vor, kann es sich bei der Referenzforderung um Residential-MortgageBacked-Securities (Verbriefung privater Hypothekendarlehen) oder um CommercialMortgage-Backed-Securities (Verbriefung gewerblicher Hypothekendarlehen) handeln. Eine Spezialform ist der Hypothekenpfandbrief, dem Hypotheken zugrunde liegen und der ebenfalls zu den verbrieften Verbindlichkeiten zählt. Eine weitere Unterscheidung erfolgt nach der Art der Forderungen in Term-Transaktionen und Asset-Backed-Commercial-Paper-Programme (ABCP-Programme). Die im Rahmen von Term-Transaktionen emittierten ABS haben üblicherweise eine Laufzeit von mindestens zwei Jahren. Damit geht einher, dass sie von den Ratingagenturen ein langfristiges Rating erhalten, d.h. es wird ein über die definierte Laufzeit der Verbriefung fixierter Pool an Forderungen bewertet und daraus das Rating der Verbriefungstranchen abgeleitet. Das Rating ist dabei vom Rating des Originators weitgehend unabhängig.
74
Ökonomischer Rahmen
Innerhalb von ABCP-Programmen werden häufig kurzfristige, unbesicherte Forderungen durch das SPV angekauft. Das ABCP-Conduit165 refinanziert sich durch Ausgabe von Commercial Papers (CP), die in der Regel eine Laufzeit von 30 bis maximal 360 Tagen aufweisen.166 Die Rückzahlungen aus dem Forderungspool werden zum Erwerb neuer Forderungen genutzt und fällige CP werden durch die Ausgabe neuer CP getilgt. Damit besitzt ein ABCPProgramm keine vorab definierte Laufzeit. ABCP-Programme erhalten deshalb von den Ratingagenturen ein kurzfristiges Programmrating, das weitgehend unabhängig von der Bonität des zugrunde liegenden Forderungspools die Möglichkeit zur vollständigen und pünktlichen Bedienung der CP durch das Programm bewertet. Die dafür notwendige Liquiditätsabsicherung wird durch eine Liquiditätsfazilität gewährleistet, die meist von einem Sponsor (dies ist üblicherweise der Originator oder der Treuhänder) bereitgestellt wird. Dieser übernimmt während des Aufbaus des Forderungspools in der so genannten Ramp-up- oder WarehousingPhase die anfallenden Kreditrisiken über ein Darlehen, das dem Conduit bis zur Ausgabe der ersten CP gewährt wird. Damit ist das Rating in hohem Maße abhängig vom Rating des Sponsors.167 Abbildung 20 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die Struktur einer ABSTransaktion. Servicer
Forderungsschuldner Forderung
Zins und Management Tilgungszahund Abwicklung lungen Forderungsverkauf
Originator
Verkaufserlöse
Zahlstellenvertrag
Weiterleitung von Zins und Tilgungszahlungen
Treuhänder (Zahlstelle)
Wertpapiere
Servicegebühr
Ratingerstellung
Ratinggebühr Versicherung Gebühr
SPV Emissionserlöse
Wertpapiere
Sicherungsgeber
Treuhandvertrag Gebühr
Bankenkonsortium
Weiterleitung von Zins und Tilgungszahlungen
Ratingagentur
Treuhänder
Emissionserlöse
Investor
Abb. 20: Grundstruktur einer ABS-Transaktion
165
166 167
Das SPV wird bei ABCP-Transaktionen auch als Conduit bezeichnet. Es stellt die Gesellschaft dar, die die Wertpapiere emittiert. Siehe ÖNB/FMA (2004b), S. 15. Zu weiteren Strukturelementen innerhalb einer Verbriefungstransaktion siehe Abschnitt 3.5.5.1.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
75
2.4.2.1.2. Collateralised Debt Obligations Bei Collateralised Debt Obligations (CDO) handelt es sich um eine spezielle Variante von Asset-Backed-Securities. Auch hier wird eine Zweckgesellschaft gegründet, die den Forderungsankauf übernimmt. Ziel ist es, ein möglichst breit diversifiziertes Portfolio zu erwerben. Das SPV finanziert sich über die Emission von CDO. Die Zins- und Tilgungszahlungen der zugrunde liegenden Forderungen werden dabei ebenfalls an diese Wertpapiere weitergeleitet. Je nach (Haupt-)Art der gepoolten Forderungen werden Collateralised Loan Obligations (CLO) und Collateralised Bond Obligations (CBO) unterschieden. Es liegen daher bei CLO Darlehen und bei CBO Anleihen/Bonds zugrunde. Bei der Ausgestaltung einer CDO wird zwischen einer True Sale- und einer synthetischen Verbriefung unterschieden. Bei der True Sale-CDO werden die Forderungen vom Originator tatsächlich an das SPV verkauft. Davon abzugrenzen ist die synthetische CDO, die im Abschnitt 2.4.2.3.2. unter den hybriden Instrumenten des Kreditrisikotransfers dargestellt wird. Die synthetische Verbriefung hat insbesondere den Vorteil, dass durch den fehlenden Transfer des Referenzportfolios Kosten eingespart werden können, weshalb sie eine kostengünstigere Variante gegenüber der traditionellen Verbriefung darstellt.168 2.4.2.1.3. Motive für den Einsatz von Verbriefungen Eine Bank kann, wenn sie einen Kreditrisikotransfer durchführen will, bei einer VerbriefungsTransaktion sowohl als Originator als auch als Investor auftreten. Wenn sie als Originator auftritt, ist bis heute eines der wesentlichsten Motive die Durchführung einer Regulierungsarbitrage. Diese kann auf Grundlage der noch geltenden Eigenkapitalvorschriften erzielt werden, indem risikoarme Kredite oder Tranchen übertragen werden. Daraus ergibt sich freies Eigenkapital, ohne dass sich das von der Bank zu tragende Risiko wesentlich reduziert.169 Zudem bestehen bei der Verbriefung positive steuerliche Effekte, wenn alle Risiken, die mit den zugrunde liegenden Forderungen verbunden sind, auf den Käufer transferiert werden und die Liquidierung der Aktiva steuerlich als Verkauf anerkannt wird.170 Als weiteren positiven Effekt kann sich die Bank durch eine Verbriefung der Aktiva des ihnen inhärenten Kreditrisikos entledigen und darüber hinaus den Barwert der Kundenzahlungen vereinnahmen (Liquiditätseffekt). Dies geht jedoch mit dem Verzicht auf einen Teil des Forderungsnominalbetrags einher, da dieser dem Investor für die Übernahme des Risikos, dem Sponsor für die Sicherheitenstellung und dem SPV für das Arrangement zusteht. Hauptsächliches Hemmnis für die Durchführung einer Verbriefungstransaktion sind vor allem die Kosten der Durchführung einer Verbriefung. Aufgrund der hohen Anzahl der beteiligten 168 169 170
Siehe BCG (2004), S. 13 f. Zur geltenden aufsichtrechtlichen Behandlung siehe Abschnitt 3.3. Zur steuerlichen Vorteilhaftigkeit siehe Perridon/Steiner (2004), S. 458.
76
Ökonomischer Rahmen
Parteien und dem daraus resultierenden hohen Fixkostenanteil ist eine solche Transaktion erst bei genügend hohem Kapitalbedarf wirtschaftlich.171 Die Bank kann jedoch auch als Investor bei einer Verbriefungstransaktion auftreten und so einen Beitrag zur Diversifikation des eigenen Portfolios leisten. Im Vergleich zum Factoring bietet eine Verbriefung den Käufern mehr Sicherheit, da ein Rating des Forderungspools vorliegt und meist verwertbare Sicherheiten in Form von Garantien zur Verfügung stehen. Ein weiterer Vorteil besteht in der höheren Fungibilität der ABS- bzw. CP-Wertpapiere im Vergleich zu den angekauften Forderungen im Rahmen des Factorings. 2.4.2.2. Kreditderivate Kreditderivate werden seit etwa 1991 auf den Finanzmärkten als Off-Balance-Sheet-Derivate gehandelt. Mit ihnen können die mit Darlehen, Anleihen oder anderen Risikoaktiva verbundenen Kreditrisiken auf eine dritte Partei übertragen werden. Dabei wird die ursprüngliche Beziehung zwischen Kreditgeber und -nehmer nicht verändert, wobei dem Schuldner auch die Weiterveräußerung des Kreditrisikos nicht angezeigt werden muss. Kreditderivate wurden von US-amerikanischen Investmentbanken entwickelt und später auf den europäischen und asiatischen Markt übertragen. Hauptziel der Einführung von Kreditderivaten war die dynamische Steuerung des bis dato illiquiden Kreditportfolios.172 Ursprünglich wurde der Handel von spezialisierten Derivatehändlern durchgeführt, die ihre Kreditportfolios absichern wollten. Mittlerweile hat sich der Markt für Kreditderivate drastisch ausgeweitet. Abbildung 21 zeigt die Entwicklung des weltweiten Volumens seit 1997 in diesen Finanzinstrumenten.173 9000 8000
Volumen in Mrd.US-$
7000 6000 5000 4000 3000 2000 1000 0 1997 1998 1999 2000 2001
2002 2003 2004 2005 2006
Abb. 21: Weltweites Volumen in Kreditderivaten in Mrd. US-$ 171 172 173
Siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 267. Siehe Hohl/Liebig (1999), S. 501. Datenquelle: British Bankers’ Association (2004), S. 1 (ohne Asset-Swaps)
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
77
2.4.2.2.1. Überblick Der Einsatz von Kreditderivaten ist sowohl auf Einzelgeschäfts- als auch auf Portfolioebene möglich. Unter Kreditderivaten versteht man Finanzinstrumente, die individuell vereinbart und nur außerbörslich (Over-the-Counter, OTC) gehandelt werden. Mit Kreditderivaten kann ein Investor ein bestimmtes Kreditrisiko erwerben oder veräußern. Dabei ist es unerheblich, ob er im Besitz des zugrunde liegenden Referenzaktivums (Anleihe, Forderung) ist. Der Verkäufer des Kreditrisikos wird in diesem Zusammenhang als Risikoverkäufer, Sicherungsnehmer oder Protection Buyer, der Käufer des Kreditrisikos als Risikokäufer, Sicherungsgeber oder Protection Seller bezeichnet. Das Kreditderivat erlaubt dem Risikoverkäufer das Kreditrisiko eines Basisinstrumentes zu separieren und isoliert auf den Risikokäufer zu transferieren. Demnach hält der Risikoverkäufer nach erfolgter Transaktion lediglich die kreditrisikolose Liquiditätskomponente des Basisinstruments.174 Auf diese Weise ist es mittels Kreditderivaten möglich, Verluste aus einem Kreditgeschäft bei Eintritt eines zuvor genau spezifizierten Ereignisses über Ausgleichszahlungen zu kompensieren. Eben erwähntes Ereignis kann aus einem Default (Credit Event) oder aus einer Veränderung des Credit Spreads bestehen. Als Maßstab für den Ausfall wird ein Referenzaktivum herangezogen. Hierbei kommen Anleihen, Kredite einzelner oder mehrerer Schuldner (Borrowed Money) oder synthetische Kreditrisikopositionen, wie z.B. ein Index, in Betracht. Prinzipiell wird der Wert des Kreditderivats durch die Bonität des Kreditnehmers bestimmt. Der Kreditnehmer dient dem Konstrukt als Basis und wird auch als Referenzschuldner bezeichnet. Zur besseren Messbarkeit eines Defaults oder einer Spreadveränderung wird jedoch meist ein bestimmtes Referenzaktivum des Kreditnehmers herangezogen. Es ist aber auch möglich, Referenzaktiva von verschiedenen Schuldnern in ein Kreditderivat einzubeziehen. In diesem Fall wird von einer Basket-Struktur gesprochen. Zur Definition eines Ausfalls des Referenzschuldners werden in der Praxis vor Vertragsabschluss bestimmte Kreditereignisse spezifiziert:175
174 175
x
Failure to pay Der Referenzschuldner ist einer Zahlungsverpflichtung, die aus dem Referenzaktivum resultiert, nicht nachgekommen.
x
Bankruptcy Der Referenzschuldner oder ein Dritter eröffnet das Konkursverfahren, leitet einen Vergleich mit seinen Kreditoren ein oder erklärt seine Zahlungsunfähigkeit.
x
Restructuring Es wird eine Umschuldung vorgenommen, bei der die Verpflichtungen des Referenzschuldners hinsichtlich Zins- und Tilgungszahlungen geändert werden.
Siehe Schierenbeck (2003), S. 221. Siehe Landry/Radeke (1999), S. 568 f.; ISDA (2000)
78
Ökonomischer Rahmen
x
Reputation Der Referenzschuldner hat Zahlungsverpflichtungen aus einem beliebigen Geschäft abgelehnt, nicht anerkannt oder zurückgewiesen.
x
Cross Acceleration Hierbei tritt bei einer anderen Zahlungsverpflichtung des Referenzschuldners ein Kreditereignis auf, so dass das Referenzaktivum vor seiner ursprünglichen Fälligkeit aufgelöst werden muss.
x
Cross Default Ein Kreditereignis tritt bei einer anderen Zahlungsverpflichtung des Referenzschuldners auf, weshalb es zu einer vorzeitigen Tilgung des zugrunde liegenden Referenzaktivums kommen kann.
x
Sovereign Event Es erfolgt eine staatliche Anweisung, beispielsweise durch Erlass oder Gesetz, so dass eine Verpflichtung des Referenzschuldners aufgehoben bzw. materiell verändert wird.
x
Credit Event upon Merger Durch eine Fusion, an der der Referenzschuldner beteiligt ist, wird ein Unternehmen gebildet, das eine deutlich schlechtere Bonität als diejenige des ursprünglichen Referenzschuldners aufweist.
x
Downgrade Das Rating des Referenzschuldners wird herabgesetzt oder gänzlich entzogen.
Das Vorliegen eines Credit Events wird dabei nicht durch eine der beiden am Derivat beteiligten Parteien festgestellt, sondern muss durch eine neutrale, öffentliche Nachrichtenquelle, einer Publicly Available Information Source, bestätigt werden. Durch diese Vorgehensweise soll gewährleistet werden, dass beide Vertragsparteien von dem Ereignis, das die Ausgleichzahlung auslöst, unabhängig sind.176 Handelt es sich beim Referenzaktivum um ein Kreditportfolio, muss zusätzlich vereinbart werden, ab dem wievielten Kredit oder ab welchem Volumen eine Ausgleichszahlung stattfinden soll. Weiterhin muss festgelegt werden, ob nach dem Eintritt eines Default Events bei einem Kredit die anderen Titel des Portfolios weiterhin durch das Derivat abgesichert bleiben oder ob dieser Schutz erlischt.177 Die nach dem Default erfolgende Zahlung wird nach dem Eintritt des jeweils vereinbarten Credit Event fällig. In diesem Fall spricht man von einer Abwicklung.178 Diese kann einerseits physisch durchgeführt werden (Physical Settlement), indem der Risikokäufer den Nominalwert zahlt und dafür das Referenzaktivum bekommt. Dies wird meist dann vereinbart,
176 177 178
Vgl. Iacona (1997), S. 26. Siehe Parsley (1996), S. 28. Vgl. Wald (2002), S. 12.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
79
wenn das Referenzaktivum eine börsengehandelte Anleihe ist, da die physische Lieferung eines Kredits problematisch sein kann.179 Es findet eine faktische Eigentumsübertragung statt, welche zur Folge hat, dass sich nunmehr der Sicherungsgeber um die Erfüllung der Ansprüche aus dem Underlying kümmern muss.180 Besteht das Referenzaktivum aus einem synthetischen oder abstrakten Wert, wie z.B. einem Index, ist die physische Lieferung von Vornherein ausgeschlossen.181 Zum anderen kann jedoch auch eine Barabwicklung (Cash Settlement) vereinbart werden. Dabei wird entweder ein vereinbarter Prozentsatz des Nominalbetrages oder die Differenz zwischen Nominalwert und dem Marktwert des Referenzaktivums nach Eintritt des Kreditereignisses vom Risikokäufer gezahlt.182 In diesem Fall wird der Marktwert des Referenzaktivums durch Händlerumfrage ermittelt.183 Der Risikoverkäufer bleibt bei der Barabwicklung Eigentümer des Underlyings. Als weitere Möglichkeit der Abwicklung kommt das so genannte „Binary Payment“ in Betracht. Hierbei wird ein vorher fixierter, vom tatsächlichen Verlust unabhängiger Ausgleichsbetrag gezahlt. Über das Binary Payment werden hauptsächlich digitale Strukturen abgewickelt. Abbildung 22 fasst den Gestaltungsrahmen bei Kreditderivaten noch einmal zusammen. Schuldner mögliche, jedoch nicht nötige Kreditbeziehung emittiert oder ist selbst oder steht in Beziehung Risikoverkäufer
0, falls kein Credit Event
Ausgleichszahlung, falls Credit Event
hat synthetische Risikoposition
Referenzaktivum
Risikokäufer
Prämie
Kreditderivat
Abb. 22: Gestaltungsrahmen bei Kreditderivaten
Aufgrund der Tatsache, dass Kreditderivate im OTC-Bereich gehandelt werden, ergeben sich eine Vielzahl von Ausprägungen. Fünf Arten haben sich in der Praxis weitgehend etabliert: Credit Default Produkte, Credit Spread Produkte, Total Return Produkte, Credit Default Lin-
179 180 181 182
183
Zur rechtlichen Übertragung von Krediten siehe Abschnitt 2.5. Vgl. Parsley (1996), S. 29. Siehe Burghof et al. (1998b), S. 278. Siehe Bank of England (1996); Parsley (1996), S.31; Burghof et al. (1998a), S. 9; Burghof et al. (2000), S. 153. Vgl. Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 222.
80
Ökonomischer Rahmen
ked Notes und Index-Kreditderivate. Diese Kategorien sollen im Folgenden vorgestellt werden.184 Abbildung 23 gibt eine Aufteilung der Produkte nach Marktvolumen wieder.185
Prozentuale Verteilung des Volumens
60 50 40 30 20 10
Li nk ed
C SO
Eq ui ty
TR Ba S sk et Pr od uk te
Sw ap s
C LN
As se t
In di ze s
C DO s
C DS
0
Abb. 23: Prozentuale Aufteilung der Kreditderivatearten 2003
184
185
Sehr weit verbreitet ist auch der Einsatz von Collateralised Loan Obligations (CLO). Wegen der Nähe zu Asset-Backed-Securities, die auch als Derivate im weiteren Sinne gelten (siehe Hartmann-Wendels et al. (2003), S. 313), werden sie im Bereich der Verbriefungen (Abschnitt 2.4.2.1.2.) abgehandelt. Datenquelle: British Bankers’ Association (2004), S. 2
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
81
2.4.2.2.2. Credit Default-Produkte Unter Credit Default-Produkten versteht man Kreditderivatgeschäfte, welche eine Zahlung bei Ausfall eines Underlyings generieren. Der Sicherungsnehmer bzw. Risikoverkäufer erwirbt einen Anspruch auf Zahlung eines im Vorhinein festgelegten Ausgleichsbetrages im Fall des zuvor genau definierten Kreditereignisses des Referenzaktivums. Wird die Prämie in einem Betrag gezahlt, spricht man von einer Credit Default Option, während es sich bei einer annualisierten Prämie um einen Credit Default Swap handelt.186 Über Credit Default Swaps wird das Kreditrisiko des Referenzschuldners vom Sicherungsnehmer (Risikoverkäufer) auf den Sicherungsgeber (Risikokäufer) transferiert (siehe Abbildung 24).
Risikokäufer
Prämie Keine Zahlung, falls kein Ausfall
Risikoverkäufer
Defaultzahlung, falls Ausfall
Referenzaktivum
Abb. 24: Grundstruktur eines Credit Default Produkts
Zu beachten ist jedoch, dass hieraus ein Wiedereindeckungsrisiko auf Seiten des Sicherungsnehmers gegenüber dem Sicherungsgeber erwächst. Daher ist die Bonität des Vertragspartners von Bedeutung.187 Darüber hinaus ist die Korrelation des Referenzschuldners und des Kontrahenten zu überprüfen. Eine erfolgreiche Absicherung kann nur eintreten, wenn die Korrelation zwischen diesen beiden relativ gering ist. So kann beispielsweise von einer hohen Korrelation und einer sich daraus ergebenden geringeren Absicherungswirkung ausgegangen werden, wenn das Kreditderivat mit einem verbundenen Unternehmen oder Tochterunternehmen des Referenzschuldners abgeschlossen wurde. Darüber hinaus ist es bei CDS weit verbreitet, eine Basket-Konstruktion zu bilden. Die Auszahlung eines Basket-CDS kann dann entweder proportional an das Kreditrisiko aller im Basket enthaltenen Referenzaktiva geknüpft sein (Green-Bottle-Struktur) oder vom ersten
186
187
Siehe Hohl/Liebig (1999), S. 506; Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 223. Die Definition, ob die Einstufung als Swap oder Option adäquat ist, wird in der Literatur oftmals kontrovers behandelt. BaKred (1999) spricht zwar von einem Swap, behandelt diesen jedoch wie eine Option. Die britische Aufsichtsbehörde Financial Services Authority spricht jedoch durchweg von Swaps, siehe FSA (2002a), S. 10. Im Rahmen dieser Arbeit wird durchgängig von einem Credit Default Swap gesprochen, unabhängig davon, wie die Prämie gezahlt wird. Siehe Deutsche Bundesbank (2004c), S. 48.
82
Ökonomischer Rahmen
oder n-ten Ausfall eines im Baskets vorhanden Referenzassets abhängig sein (First- oder n-toDefault-Struktur).188 2.4.2.2.3. Credit Spread Option Im Gegensatz zum CDS bezieht sich die Credit Spread Option (CSO) auf die Ausdehnung des Spreads. Eine Credit Spread Option gibt dem Optionskäufer das Recht, das zugrunde liegende Referenzaktivum vom Optionsverkäufer innerhalb einer bestimmten Frist zu kaufen (Call) oder zu verkaufen (Put). Bei einem CSO-Call profitiert der Optionskäufer von einer Verringerung des Spreads, während er bei einem CSO-Put von einer Spread-Ausweitung profitiert. Meist wird die CSO in Form eines Puts gehandelt, der den Sicherungsnehmer gegen ein Ausweiten des Credit Spreads des Referenzaktivums absichert. Die Ausweitung des Credit Spreads führt durch den Renditeanstieg, ceteris paribus, zu einer Senkung des Marktwerts des Referenzaktivums seinerseits. Abbildung 25 gibt das Auszahlungsprofil eines CSO-Puts in Abhängigkeit vom Marktwert des Referenzaktivums wieder. Zahlung
Strike -20
0
110
107
20
40
60
104,5 102,25 100
80
100
97
95
Credit Spread in Basispunkten Marktwert des Referenzaktivums in %
Abb. 25: Auszahlungsprofil und Marktwert des Referenzaktivums beim Put-CSO
Weitet sich der Credit Spread des Referenzaktivums über den vereinbarten Strike hinaus aus, erhält der Sicherungsnehmer vom Sicherungsgeber eine Ausgleichszahlung. Der Strike wird bei dieser Optionsform als Credit Spread vereinbart. Die Zahlungsverpflichtung des Sicherungsgebers ist damit nicht (unbedingt) direkt abhängig vom Konkurs des Referenzaktivums. Deshalb ist in diesem Zusammenhang der Credit Spread des Referenzaktivums das Underlying der Option.189 Abb. 26 stellt die Grundstruktur eines europäischen CSO-Puts dar.
188 189
Siehe FSA (2002a), S. 11. Vgl. Murphy (1996), S. 124.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
83
Prämie Optionsverkäufer (Risikokäufer)
max[0; Spread bei Fälligkeit - Strike Spread]
Optionskäufer (Risikoverkäufer)
Referenzaktivum
Abb. 26: Grundstruktur einer europäischen Credit Spread Put Option
Um beim Barsettlement die Ausgleichszahlung festzulegen, muss zum Fälligkeitszeitpunkt der Option zunächst der Credit Spread größer als der Strike sein. Ist dies der Fall, wird die positive Differenz mit einem Faktor für die Restlaufzeit und schließlich mit dem Nominalbetrag gewichtet.190 Ist eine physische Lieferung vereinbart, hat der Sicherungsnehmer das Recht, dem Sicherungsgeber das Referenzaktivum zu einem vorher definierten und in Abhängigkeit vom Strike festgelegten Preis zu verkaufen. Der Terminus technicus Credit Spread ist in diesem Zusammenhang definiert als Renditespread zwischen dem verwendeten Referenzaktivum und einem Benchmark-Aktivum. Das Benchmark-Aktivum kann dabei eine zweite Kreditrisikoposition sein. Üblicherweise wird jedoch ein nominal risikoloses Aktivum herangezogen, wobei die Renditedifferenz dann als Credit Spread bezeichnet wird.191 Als Gegenleistung für das Optionsrecht muss der Optionskäufer dem Optionsverkäufer eine Prämie zahlen. Diese, wie auch der Marktwert der Option, beinhaltet einen inneren Wert, d.h. die aktuelle Differenz zwischen Benchmark- und Strike-Spread, und einen Zeitwert, der von der Restlaufzeit der Option abhängig ist. Die wichtigsten Parameter für die Bepreisung einer solchen Option sind neben dem inneren Wert die Bonität des Schuldners, die Übergangswahrscheinlichkeiten in eine andere Bonitätskategorie, die Restlaufzeit des Referenzaktivums und der Option, das absolute Zinsniveau sowie die Liquidität des Referenzaktivums.192 Ähnlich der Problematik bei den CDS besteht für den Sicherungsnehmer ebenfalls ein Wiedereindeckungsrisiko. Dieses kann er dadurch umgehen, indem er beispielsweise eine Anleihe emittiert. In einem solchen Fall sprich man von einer Credit Spread Linked Note. Weitere Produkte, die eine ähnliche Struktur aufweisen, sind z.B. Credit Spread Swaps und Credit Spread Forwards. Da das Marktvolumen dieser Produkte zu vernachlässigen ist, soll an dieser Stelle auf eine genauere Darstellung verzichtet werden.193 190 191 192 193
Siehe Hohl/Liebig (1999), S. 509. Siehe Schierenbeck (2003), S. 224. Zur Bepreisung von CSO siehe z.B. Jarrow et al. (1997); Garcia et al. (2001). Für eine weitergehende Darstellung unterschiedlicher Credit Spread Derivate siehe Schönbucher (2000), S. 60 ff.
84
Ökonomischer Rahmen
Der Markt für Credit Spreads, die für die Bepreisung von Credit Spread- und Credit DefaultProdukten wichtig sind, ist derzeit geprägt von einer starken Konzentration auf relativ wenige liquide Titel. Weltweit werden von den Marktdatenlieferanten für ca. 2.500 Unternehmen Credit Spreads quotiert.194 Diese Preise resultieren meist aus einem Pool, in den die großen Banken die Quoten für gehandelte Spreads einstellen. Entsprechend der jeweiligen Liquidität des gehandelten Underlyings, werden ca. 30% wöchentlich und 40% monatlich aktualisiert. Die restlichen 30% werden selten gehandelt und in einem Zeitintervall von mehr als einem Monat aktualisiert. Es findet bei der Quotierung jeweils eine Unterscheidung nach Laufzeit und Seniorität statt, so dass insgesamt ca. 12.500 individuelle Datenpunkte zur Verfügung stehen. Folgende Abbildung 27 zeigt die Verteilung der Marktquoten auf die verschiedenen Underlyingarten und deren Zugehörigkeit zu Wirtschaftssektoren.195 140 120 100 80 60 40 20 0 Ba sis M C om ate ria m ls un ica C tio on ns s C on um er su ,c m y er , n cl. on cy cl D . ive rs ifi ed En er gy Fi na nc G ia ov l er nm en t In du st r i Te al ch no lo gy U tili tie s In di ce s
Anzahl der Underlyings
160
Abb. 27: Credit Spread-Marktquotierungen nach Underlying und Wirtschaftssektoren
Aus dieser Abbildung geht hervor, dass einige Branchen relativ viele Marktquotierungen im Credit Spread-Bereich besitzen. Insbesondere der Finanzsektor weist über 140 Unternehmen auf, für die Credit Spreads öffentlich verfügbar sind. Weiterhin ist jedoch aus der Anzahl der jeweiligen Unternehmen der einzelnen Kategorien abzulesen, dass sich das Handelsvolumen auf einige wenige Unternehmen beschränkt. Insbesondere existieren keine einheitlichen Credit Spread-Kurven für kleinere und mittelständische Unternehmen, so dass diese über die Zuordnung zur Ratingklasse bankindividuell bestimmt werden müssen. Deshalb ist der Handel mit CDS hinsichtlich dieses Schuldnerklientels relativ eingeschränkt und im Vergleich zu den liquiden Kreditnehmern noch nicht weit verbreitet.196
194
195 196
Quelle: eigene Erhebung; von den Marktdatenlieferanten bietet Bloomberg ca. 680 und Reuters ca. 2.500 quotierte Unternehmens-Spreads. Dabei ist zu berücksichtigen, dass Reuters die Quoten von der Firma Markit erhält, die die Preise für gehandelte CDS-Spreads der Banken sammelt und veräußert. Datenquelle: Bloomberg. Abfrage per 25.10.2005 Siehe auch Steinmeyer (2005), S. 294.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
85
2.4.2.2.4. Total Return Swap Bei einem Total Return Swap (TRS) wird der Zahlungsstrom eines oder mehrer Kredite mehr oder weniger vollständig weiterverkauft.197 Im Unterschied zu den oben dargestellten Produkten übernimmt der Sicherungsgeber alle wirtschaftlichen Risiken, d.h. Kredit- und Marktrisiko aus dem Referenzaktivum. Damit wird die Auszahlung direkt an die Wertänderung des Referenzassets geknüpft und ist somit unabhängig vom Eintreten möglicher Kreditereignisse, was de facto einer synthetischen Position im zugrunde liegenden Aktivum gleichkommt.198 Der TRS kann damit als Kombination aus Marktpreis- und Kreditderivat aufgefasst werden.199 Auf Seiten des Sicherungsnehmers stellt der Kontrakt letztlich eine Short-Position im Referenzasset dar. Das Referenzaktivum wird während der Laufzeit in regelmäßigen Abständen, meist vierteljährlich, neu bewertet. Fällt der Wert unter den zuletzt ermittelten, folgt daraus eine Ausgleichszahlung vom Risikokäufer an den Risikoverkäufer in Höhe der Differenz beider Werte. Ist der Marktwert jedoch seit der letzten Marktwertfeststellung gestiegen, ist der Risikoverkäufer dazu verpflichtet, diese Differenz an den Risikokäufer zu zahlen. Zudem erhält der Risikokäufer alle aus dem Referenzaktivum resultierenden Zahlungen, insbesondere die anfallenden Zinsen. Dem Risikoverkäufer kommt in der Regel ein variabler Zins zuzüglich/abzüglich eines Spreads zu.200 Bei Fälligkeit des TRS kann die Übertragung des Referenzaktivums vereinbart werden. Kommt es während der TRS-Laufzeit zum Default des Referenzschuldners, wird der Swap mit einer Ausgleichszahlung vorzeitig beendet oder aber das Referenzaktivum gegen Zahlung des Nominalbetrags an den Sicherungsgeber übertragen. Abbildung 28 gibt die grundlegende Struktur eines TRS wieder. Zinsen + Marktwertsteigerung Risikokäufer
Risikoverkäufer Variabler Zins + Prämie/Spread + Marktwertsenkungen
Referenzaktivum
Abb. 28: Grundstruktur eines Total Return Swaps
197
198 199 200
Für dieses Instrument werden u.a. auch die Begriffe Total Rate of Return Swap oder Exchange of Return Swap gebraucht. Siehe Murphy (1996), S. 124; Burghof et al. (2000), S. 154. Siehe Hohl/Liebig (1999), S. 508. Als variabler Basiszinssatz bietet sich gerade im Euro-Raum der EURIBOR (European Interbank Offered Rate und im Nicht-Euro-Raum der LIBOR (London Interbank Offered Rate) an. Siehe hierzu Steiner/Bruns (2002), S. 137; Perridon/Steiner (2004), S. 421 f..
86
Ökonomischer Rahmen
Bei einem TRS unterliegen sowohl der Sicherungsgeber als auch der Sicherungsnehmer dem Wiedereindeckungsrisiko. Dieses ist jedoch im Vergleich zu den oben dargestellten Derivaten gering, da die gegenseitigen Forderungen aufgerechnet werden können.201 Wichtig ist anzumerken, dass lediglich die ökonomischen Risiken aus dem Grundgeschäft an den Sicherungsgeber transferiert werden, der Sicherungsnehmer jedoch weiterhin im Besitz dessen bleibt. 2.4.2.2.5. Index-Kreditderivate Index-Kreditderivate basieren ebenfalls auf dem Kreditrisiko. Das Underlying bildet in diesem Fall ein Index für Unternehmensausfälle oder auf bestimmte Branchen. Dabei ist es wichtig, dass die verwendeten Indizes bestmöglich mit der zugrunde liegenden Kreditrisikoposition korrelieren. Als Beispiel lassen sich hier die Futures der Chicago Mercantile Exchange (CME) auf den Quarterly Bankruptcy Index (QBI) anführen. Der Handel in diesen Futures wurde im November 1998 aufgenommen.202 Der QBI wurde vierteljährlich neu berechnet und gab die Anzahl der Konkursanträge vor US-Gerichten wieder. Dabei haben Untersuchungen gezeigt, dass eine hohe Korrelation zwischen diesem Index und den Kreditkartenausfällen bei Kreditkartenunternehmen bestand.203 Damit wäre z.B. die Voraussetzung für die Absicherung von Ausfällen bei Kreditkartenunternehmen gegeben. Werden Futures gekauft, die dann bei steigendem Index und bei steigenden Kreditausfällen an Wert gewinnen, können diese Wertsteigerungen dazu verwendet werden, um z.B. Verluste aus dem Kreditkartengeschäft zu kompensieren. Der Handel mit QBI-Futures und Optionen wurde im September 2003 wieder eingestellt, da keine Transaktionen stattgefunden haben.204 Am 1. April 2003 haben JP Morgan und Morgan Stanley einen weiteren Index, den so genannten iTraxx kreiert, der auf CDSPreisen basiert. Dieser wird mittlerweile nach verschiedenen Regionen aufgeteilt und hat, zumindest im Bereich der Staatsschuldtitel, eine gute Liquidität.205 Weitere Börsen folgen diesem Beispiel und haben oder planen Kreditderivate in den regulären Handel aufzunehmen. So plante die EUREX zum Ende des Jahres 2005 ein Kreditderivat einzuführen, das auf dem iTraxx Europe CDS Index basiert, der die Veränderung von 125 CDS-Preisen auf europäische Investment-Grade-Referenzaktiva umfasst.206 Index-Kreditderivate sind ein geeignetes Instrument, die Anreizprobleme bei den anderen Kreditderivaten zu reduzieren. Anreizprobleme ergeben sich hauptsächlich, wenn sich das Derivat unmittelbar auf einen bestimmten Kredit bezieht. Ein möglicher Derivate-Kontrahent könnte aufgrund der existierenden Informationsasymmetrien hinsichtlich des Underlyings 201 202 203 204 205 206
Siehe Burghof et al. (1998b), S. 281; Hohl/Liebig (1999), S. 513. Siehe Hohl/Liebig (1999), S. 521. Siehe Frodin (1999), S. 2. Siehe CME (2003). Packer/Suthiphongchai (2003), S. 80 ff. Siehe EUREX (2005).
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
87
davon ausgehen, dass das Ausfallrisiko dieser Position höher ist, als vom Risikoverkäufer angegeben. Darüber hinaus hätte der Risikoverkäufer nach erfolgter Absicherung unter Umständen kein Interesse mehr an einer weiteren Kreditüberwachung. Indem IndexKreditderivate nicht direkt auf den zugrunde liegenden Kredit referenzieren, sondern auf eine Größe, die eng mit diesem Ausfallrisiko korreliert ist, können diese Anreizprobleme beseitigt werden. 2.4.2.2.6. Motive für den Einsatz von Kreditderivaten Die Gründe für den Einsatz von Kreditderivaten können im Wesentlichen in fünf Kategorien untergliedert werden: zur Absicherung bestehender Positionen, was allgemein unter dem Schlagwort Hedging zusammengefasst wird, zu Investitions- und Spekulationszwecken, zum Eigenhandel und schließlich zu bilanziellen Steuerungszwecken. Alle angesprochenen Formen sollen im Folgenden betrachtet und darüber hinausgehende Motive aufgeführt werden. 2.4.2.2.6.1. Hedging Da der Sicherungsnehmer Kreditrisiken im Portfolio hat und diese abzusichern versucht, steht beim Hedging vor allem die Position des Sicherungsnehmers im Vordergrund. In der bankbetrieblichen Risikosteuerung hat das Limitsystem eine herausragende Bedeutung.207 Dabei werden durch die Geschäftsleitung Maximalwerte für Engagements in unterschiedlichen Ländern, Branchen und gegenüber einzelnen Schuldnern vorgegeben. Ist ein Limit ausgeschöpft, kann kein weiteres Neugeschäft abgeschlossen werden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, dass Kreditrisiken weitergegeben werden können, falls eine Konzentration auf bestimmte Länder, Branchen oder Kunden bzw. Kundensegmente gegeben ist und so ein undiversifiziertes Kreditportfolio vorliegt. Vielfach kann gerade dann eine hohe Konzentrierung auf einen Schuldner auftreten, wenn eine Hausbankbeziehung etabliert ist.208 Dies führt häufig zu einem Klumpenrisiko gegenüber dem Schuldner. Aber auch aus anderen Geschäftsbereichen als der Kreditvergabe sind Banken einem Risiko gegenüber ihren Kunden ausgesetzt. So wird z.B. häufig das Inkasso von Forderungen für den Kunden übernommen oder Banken übernehmen vom Kunden emittierte Wertpapiere, die sie am Kapitalmarkt platzieren. Nicht zuletzt erwachsen auch aus dem Derivategeschäft mit dem Kunden Adressausfallrisiken, die die entsprechenden Limite belasten. Sind die vorhandenen Risikolimite ausgelastet, müssen zusätzliche Kundenanfragen zurückgewiesen werden. Dies, genauso wie die direkte (offene) Weiterveräußerung von Krediten, kann sich negativ auf das Verhältnis zum Kunden auswirken. 207
208
Siehe Hohl/Liebig (1999), S. 516; zur Praxisrelevanz adäquater Limitsysteme siehe beispielsweise Commerzbank (2005), S. 16 ff.; Norisbank (2005), S. 39 ff. Vgl. Bernet (1999), S. 399; Heidorn (1999), S. 10; Wald (2002), S. 59 Fußnote 134; Müller (2004), S. 160.
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Ökonomischer Rahmen
In diesem Fall bieten sich Kreditderivate, wie beispielsweise ein CDS, an, die Kreditrisiken weitergeben und somit ausgeschöpfte Limite freigeben. Es ist auf diese Weise auch möglich, direkt die Risiken aus einem Neugeschäft mittels eines Kreditderivats weiterzureichen, ohne dass das Ausfallrisiko gegenüber dem Land, der Branche oder dem Kunden(-segment) erhöht wird. So können bestimmte Positionen im Portfolio durch einen Micro-Hedge abgesichert und das Ausfallrisiko gänzlich oder teilweise auf andere Investoren übertragen werden. Damit wird sowohl das Ziel, die Kundenbeziehung zu pflegen als auch das Kreditportfolio abzusichern erreicht.209 Zudem ist es möglich, dass steuerliche Anreize, z.B. ein staatliches Investitionsprogramm, existieren und die Limite gegenüber den geförderten Ländern, Branchen oder Kontrahenten ausgeschöpft sind oder das Ausfallrisiko dieser Schuldner nicht übernommen werden soll. Durch Abschluss eines Kreditderivats werden die Risiken des Kontrahentenausfalls abgesichert und die eigenen Limite geschont. Eine negativere Einschätzung der Bonität des Kunden, höhere Anforderungen an die zu erzielende Rendite oder eine neue strategische Ausrichtung der Geschäftspolitik können den Einsatz von Kreditderivaten sinnvoll erscheinen lassen, ohne dies dem Kunden gegenüber zu signalisieren.210 Jedoch kann nicht nur die Entlastung einzelner Kundenlimite im Vordergrund stehen. Es ist ebenso möglich, dass die Limite bezogen auf ein Land oder eine Branche wegen einer sich abzeichnenden Risikoerhöhung oder wegen eines Neugeschäftsabschlusses ausgelastet bzw. überschritten sind. Zudem kann sich bei einer Änderung der Geschäftsstrategie die Fokussierung der Engagements in andere Branchen oder Regionen abzeichnen. In diesen Fällen eignet sich beispielsweise die Konstruktion von Basket-Kreditderivaten, um diese Länder- oder/und Branchenrisiken zu reduzieren. Dabei spricht man auch von einem so genannten MacroHedge. Dadurch ist es möglich, dass „Banks can manage their credit limits quickly and confidentially, without having to undergo complex assignment procedures”.211 Die Möglichkeiten des Einsatzes von Kreditderivaten können auch darin bestehen, dass ein Kreditrisiko gänzlich aufgelöst werden soll und dies auf direktem Wege derzeit nicht möglich ist. Dabei sei z.B. an eine illiquide Anleihe gedacht, die nicht veräußert werden kann. Darüber hinaus sind meist nicht zuletzt steuerliche Gründe für das Halten gewisser Positionen anzuführen. Durch Abschluss einer CSO oder eines TRS kann das Risiko aus einer solchen Position teilweise bzw. komplett ausgeschlossen werden, ohne eine direkte Liquidation des Titels vornehmen zu müssen.
209 210 211
Siehe Hohl/Liebig (1999), S. 516 f. Vgl. Banks (1997), S. 239. Vgl. Parsley (1996), S. 29.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
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Ähnlich wie Optionen im Equitybereich ein Kursniveau absichern,212 kann z.B. durch den Abschluss einer CSO das Downside-Risiko aus Bonitätsverschlechterungen ausgeschlossen werden, ohne auf eine Partizipation einer Upside-Bewegung aus Bonitätsverbesserungen verzichten zu müssen. Generell ist bei der Absicherung von Positionen festzuhalten, dass zwar das Kreditrisiko reduziert und damit auch das Limit des Kreditnehmers entlastet wird, jedoch ein Wiedereindeckungsrisiko gegenüber dem Derivate-Kontrahenten besteht. Daher sollte als Restriktion das Limit des Vertragspartners nicht überschritten werden. Die oben aufgezeigten Absicherungsmotive sind hauptsächlich im Bankenwesen oder bei institutionellen Anlegern vorzufinden. Des Weiteren kann der Einsatz von Kreditderivaten auch für Industrie- und Dienstleistungsunternehmen vorteilhaft sein. Dies ist besonders dann der Fall, wenn das Ausfallrisiko eines Großkunden aus Forderungen aus Lieferung und Leistung begrenzt werden soll213 oder wenn konjunkturell bedingte Auftragsrückgänge in bestimmten Branchen oder Ländern abgesichert werden sollen.214 Die aufgeführten Hedging-Motive beim Einsatz von Kreditderivaten gehen im Idealfall davon aus, dass sich die Wertveränderungen aus dem Derivat und dem zugrunde liegenden Geschäft exakt gegenläufig verhalten. In diesem Fall würde ein Perfect Hedge vorliegen. Es ist jedoch in der Praxis zu beobachten, dass meist ein Restrisiko verbleibt, so dass sich die Zahlungsströme nicht vollständig negativ zueinander verhalten. Die Gründe dafür können in einer unterschiedlichen Laufzeit von Grund- und Sicherungsgeschäft und dem Kontraktvolumen begründet sein. Liegen Grund- und Sicherungsgeschäft unterschiedliche Referenzassets zugrunde, z.B. unterschiedliche Anleihen eines Emittenten, kann dies ebenfalls der Grund für einen nicht perfekten Hedge sein, der als Basisrisiko bezeichnet wird.215 In diesem Fall versucht man Underlyings zu verwenden, die eine hohe Korrelation zum eigentlichen Referenzasset aufweisen, wie z.B. Kredite an Landwirte und Commodity-Futures. Man spricht dabei von einem so genannten Delta Cross Hedging. 2.4.2.2.6.2. Investitionsgründe Das investitionsbasierte Motiv zum Einsatz von Kreditderivaten in Banken resultiert aus der Tatsache, dass viele Banken ein relativ undiversifiziertes Kreditportfolio halten. Die Gründe dafür liegen in der vielfach regionalen (Sparkassen und Kreditgenossenschaften) und branchenbezogenen (Kreditgenossenschaften) Ausrichtung vieler Banken. Dabei kann das Haus212
213 214
215
Zur Absicherung des Kursniveaus bei Equity-Titeln siehe Steiner/Bruns (2002), S. 118 ff.; Perridon/Steiner (2004), S. 329 ff. Siehe Winter (1995), S. 232. Zur Absicherung von konjunkturbedingten Risiken werden meist Makroderivate verwendet, bei denen das Underlying keine Kredite, sondern makroökonomische Faktoren sind. Siehe hierzu Schweimayer/Wagatha (2000); Schweimayer (2003). Vgl. Oehler/Unser (2001), S. 33.
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Ökonomischer Rahmen
bankenprinzip die Konzentration auf Schuldner mit ähnlichen Risikomerkmalen noch verstärken. Das Ziel der Diversifikation ist es jedoch, die eingegangenen unsystematischen bzw. titelspezifischen Risiken zu verringern bzw. auszuschalten, da deren Übernahme nicht durch zusätzliche Prämien abgegolten wird. Durch den Abschluss von Kreditderivaten besteht für die Kontrahenten die Möglichkeit, Positionen aufzubauen, die ihrem spezifischen Anlagehorizont und Risikolimit entsprechen oder/ und die sie in dieser Form nicht erwerben könnten oder die am Kapitalmarkt nicht existieren.216 Beispielsweise lässt sich für den Kreditnehmer einer Branche anführen, dass viele Unternehmen häufig ihre eigenen Hausbanken haben. Für andere Banken ist es demnach schwierig, ein entsprechendes Risiko in das Portfolio zu übernehmen. Mittels einer Sicherungsgeberstellung innerhalb eines CDS oder einer CSO lässt sich jedoch dieses Hindernis überwinden.217 Hinsichtlich der regionalen Diversifikation kann angemerkt werden, dass die Kreditvergabe in manchen Ländern, z.B. im asiatischen Raum, in Russland oder Lateinamerika, eine örtliche Präsenz voraussetzt.218 Ohne entsprechende Investitionen in die Schaffung der nötigen Infrastruktur, das Marketing und den Vertrieb, könnte eine europäische Bank kaum diese Risiken eingehen. Der Einsatz von Kreditderivaten ermöglicht, noch nicht ausgeschöpfte Kreditlimite auszulasten, ohne dass es eines unmittelbaren Schuldners bedarf. Dies trifft auch dann zu, wenn kein direkter Marktzugang besteht, aber dennoch Risikopotenzial vorhanden ist. Zur Verdeutlichung dieses Sachverhalts kann beispielsweise die Konstruktion von Double Basket CDS-Transkationen aufgeführt werden, über die hohe Effekte bei der Portfoliodiversifizierung erreicht werden können. Bank X, die im Norden Deutschlands angesiedelt ist, hat sich auf die Kreditvergabe an Schiffswerften spezialisiert, während Bank B, die im Süden Deutschlands vor Ort ist, sich auf die Kreditvergabe an Brauereien konzentriert hat. Für beide Banken besteht gegenüber der jeweiligen Branche, Region und evtl. auch gegenüber einem oder mehreren Kreditnehmern ein Klumpenrisiko. Beide Banken sind grundsätzlich an einer Diversifikation ihres Portfolios ohne Kreditrisikoabbau interessiert. Daher werden beide sowohl als Sicherungsgeber als auch als Sicherungsnehmer in einem CDS auftreten. Bank X übernimmt einen Teil des Kreditrisikos von Bank Y und gibt gleichzeitig einen Teil ihres Kreditrisikos ab. Diese Konstruktion wird in Abbildung 29 aufgezeigt.
216 217 218
Siehe Heidorn (1999), S. 12; Landry/Radeke (1999), S. 562. Vgl. Murphy (1995), S. 123. Zu diesem Beispiel siehe auch Dittmar (2001), S. 214.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
91
Zahlung, falls ein Kreditereignis im Schiffsbau-Portfolio
Bank X
Bank Y
Zahlung, falls ein Kreditereignis im Brauerei-Portfolio Zinsen
Kredit 1 an Schiffsbau
Tilgung
Kredit 2 an Schiffsbau
Kredit n an Schiffsbau
Tilgung
Zinsen
Kredit 1 an Brauerei
Kredit 2 an Brauerei
Kredit n an Brauerei
Abb. 29: Beispielhafte Double Basket CDS-Transaktion
Besteht zwischen der Schiffsbau- und der Brauereibranche (analog bei Regionen und Kreditnehmern) eine geringe positive oder sogar eine negative Korrelation, können z.B. über eine Double Basket-Transaktion positive Portfoliodiversifikationseffekte realisiert werden. Die Diversifikation hinsichtlich Länder, Branchen und Kreditnehmern kann jedoch auch auf andere Parameter erweitert werden. Besteht bei einer Bank beispielsweise Bedarf im längerfristigen Bereich, kann sie mit Hilfe eines Derivates das Portfolio dementsprechend anpassen. Darüber hinaus besteht mit Kreditderivaten die Möglichkeit, Risikopositionen zu kreieren, die es sonst in dieser Form am Kredit- und Anleihemarkt nicht gibt.219 Beispielsweise lassen sich mit synthetischen Kreditrisikopositionen bestimmte Laufzeiten abbilden, für die bei vergleichbaren Kreditnehmern keine Anleihen oder sonstige Schuldpapiere zur Verfügung stehen würden.220 Da Kreditderivate, bei denen Banken als Sicherungsgeber auftreten, eine zusätzliche Art von Aktivposition darstellen, können Erträge analog einer realen Vergabe von Krediten erzielt werden. Dabei kristallisiert sich heraus, dass diese Art der Investition durchaus weitere Vorteile mit sich bringt. Zum einen wird der unter Umständen erhebliche administrative Aufwand, der mit einer Kreditvergabe verbunden ist, reduziert. Dieser besteht z.B. darin, Verträge zu formulieren, zu prüfen und juristisch abzusichern oder aber auch die Beratung für den Kredit suchenden Kunden zu leisten.221 Zum anderen besteht mit dem Einsatz von Kreditderivaten die Möglichkeit, sowohl steuerliche Vorteile im Vergleich zur direkten Kreditvergabe zu erzielen,222 als auch gesetzliche oder vertragliche Vorschriften zu umgehen. So dürfen beispielsweise Versicherungsunternehmen 219 220 221 222
Siehe Paul-Choudhury (1997), S. 23; Wald (2002), S. 61. Vgl. Burghof et al. (1998b), S. 282. Siehe Savelberg (1996), S. 331. Einen Überblick über die steuerlichen Vorteile von Kreditderivaten gibt Hohl/Liebig (1999), S. 520 f.
92
Ökonomischer Rahmen
lediglich Kredite an Schuldner mit einer bestimmten Bonität vergeben. Über den Abschluss eines CDS auf eine Anleihe mit schlechterem Rating mit einem Kontrahenten sehr guter Bonität ist es für das Versicherungsunternehmen jedoch möglich, dieses Risikoprofil zu erwerben.223 2.4.2.2.6.3. Spekulationsgründe Ebenso wie bei einem direkten Kreditengagement oder beim Erwerb einer Anleihe, kann der Sicherungsgeber mit dem Kreditderivat auf eine sich verbessernde Bonität des Schuldners spekulieren. Speziell bei Unternehmen, die ein sehr schlechtes Rating aufweisen, bietet sich der Erwerb einer CSO an, falls auf die Erhaltung der Bonität bzw. Solvenz des Referenzaktivums spekuliert wird, da bonitätsbedingte Reduzierungen des Spreads zu unmittelbaren Erträgen führen.224 Ebenso kann mit CDS auf diese Art von Referenzaktiva, ähnlich wie bei Hochzinspapieren, eine hohe Risikoprämie erzielt werden. Generell ist festzuhalten, dass im Vergleich zum direkten Kreditengagement CSO und CDS zudem den Vorteil bieten, dass ein deutlich geringerer Kapitalaufwand nötig ist. Interessant ist auch die Eigenschaft, dass Kreditderivate es einem Investor ermöglichen, auf eine Bonitätsverschlechterung oder sogar den Konkurs eines Schuldners zu spekulieren. Über eine CSO oder einen TRS wird auf Seiten des Sicherungsnehmers eine Short-Position in einem Kredit oder einer Anleihe aufgebaut, was für alle Marktteilnehmer über die vorhandenen Instrumente am Anleihen- oder Kreditmarkt nicht direkt möglich wäre.225 Insgesamt gesehen bieten Kreditderivate eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Spekulation. So kann durch eine Kombination aus dem Kauf und Verkauf verschiedener Kreditderivate auf das gleiche Underlying, auf dessen Volatilität226 oder bei Kreditderivaten mit fixiertem Auszahlungsbetrag auf den Restwert bei Kreditausfall spekuliert werden.227 2.4.2.2.6.4. Eigenhandel Auf dem noch jungen und meist relativ unvollkommenen Markt, treten Akteure auf, die durch gezielten Eigenhandel Überrenditen erzielen wollen. Da der Kreditderivatehandel momentan hauptsächlich OTC erfolgt, können diese Derivate, speziell auf Einzeltitel, nur über den telefonischen Handel durchgeführt werden. Die Liquidität auf dem Markt für Kreditderivate ist derzeit im Vergleich zu anderen Finanzderivaten gering. Dies ist einerseits an einer größeren Geld-Brief-Spanne und an der Anzahl der
223
224 225 226 227
Durch BAV (2000) und BAV (2002) wurden die Möglichkeiten von Versicherungsunternehmen zum Erwerb von schlechteren Risiken stark begrenzt. Siehe Paul-Choudhury (1997), S. 25. Vgl. Smithson/Holappa (1995), S. 38. Siehe Flesaker et al. (1994), S. 104. Vgl. Parsley (1996), S. 31.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
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Kursquotierungen abzulesen.228 Wenn ein Market Maker zeitgleich sowohl Kauf- als auch Verkaufsorders in einem Produkt stellt und auf beiden Seiten Umsatz generiert, kann er die halbe Differenz zwischen Geld- und Briefkurs als Handelsprovision erzielen. Auch wenn für diesen Market Maker bestimmte Risiken bestehen, übersteigt die halbe Spanne, die auf Marktunvollkommenheiten zurückzuführen ist, die Prämien für die zusätzlichen Risiken und es lässt sich ein Gewinn erzielen.229 Diese Anreize schaffen Raum für Arbitragegewinne, die den Markt in relativ liquiden Titeln im Gleichgewicht halten.230 Es ist im Bereich des Eigenhandels festzustellen, dass die Marktteilnehmer hier verstärkt Broker, Arbitrageure und auch freiwillige Market Maker sind. Bei Banken und institutionellen Anlegern hingegen steht der Eigenhandel weitgehend hinter den Motiven des Hedgings und dem Investitionsmotiv zurück. 2.4.2.2.6.5. Passivmanagement und bilanzielle Zwecke Das Absichern von Zahlungsströmen ist nicht nur auf der Ertragsseite eines Unternehmens von Bedeutung, sondern auch auf Seiten der Unternehmensfinanzierung. Dabei ist das Hauptziel des Passivmanagements, die Refinanzierungskosten zu minimieren. Ist eine Mittelaufnahme am Kapitalmarkt geplant, dann stellt eine Bonitätsverschlechterung des eigenen Unternehmens ein Hauptrisiko dar. Durch den Einsatz von Kreditderivaten können künftige Finanzierungskosten festgeschrieben und damit eine stabile Finanzierung gewährleistet werden.231 Ebenso ist der Rückkauf eigener ausstehender Anleihen oft damit verbunden, dass sich die Finanzierungsstruktur in einem nicht gewünschten Ausmaß verschiebt, so dass die Finanzierungskosten nicht mehr optimal sind.232 Dabei kann z.B. ein TRS zum Einsatz kommen, bei dem das Unternehmen Zahlungsempfänger aus den Schuldtiteln des eigenen Unternehmens wird. Die negativen Effekte auf die Finanzierungsstruktur werden somit vermieden. Rechnet ein Unternehmen mit einer sich verschlechternden eigenen Bonität, kann durch den Kauf eines CSO-Puts auf das eigene Unternehmen ein Gewinn erzielt werden und so die höhere Zinsbelastung (teilweise) kompensiert werden. Nicht zuletzt werden Kreditderivate auch eingesetzt, um eine Bilanzoptimierung herbeizuführen. Bilanzwirksame Positionen können somit in außerbilanzielle Positionen gewandelt werden, ohne dass sich die Risikoposition verändert. Das entsprechende Ziel könnte dabei in einer Bilanzverkürzung zu sehen sein. 228
229 230 231 232
Zur Liquidität auf dem CDS- im Verglich zum Bond-Markt siehe Zhu (2004). Danach wiesen lediglich 55 europäische Referenzaktiva mindestens 150 Kursnotierungen zwischen 01.01.1999 und 31.12.2002 auf. Im Vergleich dazu beziffert Schüler (2003) die Anzahl der Referenzschuldner in Deutschland, deren Kreditrisiken liquide sind, auf ca. 50. Siehe Freihube et al. (1999), S. 17. Siehe Handelsblatt (2004). Siehe Wald (2002), S. 60. Siehe Odgen (1997), S. 7.
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Ökonomischer Rahmen
2.4.2.3. Hybride Formen des Kreditrisikohandels 2.4.2.3.1. Credit Default Linked Note Bei einer Credit Default Linked Note oder auch kurz genannt Credit Linked Note (CLN) handelt es sich um eine Kombination aus einer Anleihe und einem Kreditderivat. Der Sicherungsnehmer emittiert eine Art Anleihe, deren Rückzahlung dann ausbleibt, wenn das vereinbarte Kreditereignis eintritt. Indem der Sicherungsnehmer die Zahlung des Nominalbetrags bereits zum Zeitpunkt der Emission erhält, ermöglicht eine CLN, dass das bei den vorangestellten Credit Default Produkten inhärente Wiedereindeckungsrisiko gegenüber dem Sicherungsgeber ausgeschaltet wird. Stattdessen übernimmt der Sicherungsgeber nun das Wiedereindeckungsrisiko gegenüber dem Sicherungsnehmer, weshalb eine höhere Prämie zu zahlen ist.233 Da die CLN eine Mischform zwischen einer Anleihe und einem Kreditderivat ist, nimmt sie eine Sonderstellung in der Bilanzierung ein. Das Charakteristikum der Anleihe führt zur vollen Bilanzwirksamkeit.234 Die Höhe der Tilgung der Anleihe ist abhängig davon, ob ein Kreditereignis während der Laufzeit der CLN stattgefunden hat. Liegt ein Default des Referenzaktivums vor, erhält der Sicherungsgeber nur noch den Marktwert des ausgefallenen Aktivums. Credit Linked Notes werden darüber hinaus meist von Zweckgesellschaften emittiert, da dies zu einer Verbesserung der Emittentenbonität führen kann. Diese bessere Bonität ist darin begründet, dass Banken oft zur Emission von Credit Linked Notes eine SPV gründen und diese mit hohen Sicherheiten ausstatten. Dadurch können die Papiere möglichst günstig veräußert werden.235 Nachteilig wirken sich dabei jedoch die zusätzlichen Kosten für die Bereitstellung der Kreditsicherheiten aus. Die Papiere werden dann von dem SPV an Investoren veräußert. Zusammenfassend soll die Grundstruktur einer CLN mit SPV in Abbildung 30 dargestellt werden. Nominalbetrag Zins + Prämie Nominalbetrag, falls kein Ausfall
SPV
Risikoverkäufer
Tilgung abzgl. Defaultbetrag, falls Ausfall
Zins Nomiund nalPrämie betrag
Nominalbetrag, falls kein Ausfall
Risikokäufer / Investor
Tilgung abzgl. Defaultbetrag, falls Ausfall
Kredit
Referenzaktivum
Abb. 30: Grundstruktur einer Credit Default Linked Note mit SPV 233 234 235
Zins und Tilgung
Burghof et al. (1998b), S. 280. Siehe Burghof et al. (2000), S. 157; Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 312. Siehe Murphy (1996), S. 124 f.; Heinrich (1999), S. 586 f.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
95
2.4.2.3.2. Synthetische Credit Default Obligation Eine synthetische CDO unterscheidet sich von einer True Sale-Verbriefung (siehe Abschnitt 2.4.2.1.2.) dadurch, dass Forderungen des Originators nicht an das SPV übertragen werden. Stattdessen werden zwischen dem Originator und dem SPV Credit Default Swaps auf diese Forderungen abgeschlossen, bei denen der Originator als Sicherungsnehmer und das SPV als Sicherungsgeber auftreten. Die über die Emission der Wertpapiere erzielte Liquidität investiert das SPV in risikolose Anleihen. Ein Treuhänder überprüft schließlich, dass sich die Zusammensetzung des Assetpools nicht zu Lasten der Investoren verändert. Durch diese Ausgestaltung können insbesondere negative Anreizeffekte ausgeschaltet werden. Falls der Assetpool bei Fälligkeit oder Default einzelner Forderungen wieder aufgefüllt wird, darf der Assetpool seine Bonität dadurch nicht verändern. Die grundlegende Struktur einer synthetischen CDO wird in Abbildung 31 dargestellt. Treuhänder
Ausfallrisikolose Wertpapiere
CDS
Originator Assetpool
Besicherung
Sicherungsgeber
NominalZinsen betrag
Nominalbetrag
Kreditrisikoübernahme Prämie
SPV
Nominalbetrag
Zinsen Verbleiben+ der NomiPrämie nalbetrag
Wertpapiere
Investor
Abb. 31: Grundstruktur einer synthetischen CDO
Identisch mit den True Sale-Transaktionen ist bei der synthetischen CDO, dass ein zusätzlicher Sicherheitengeber potenziell zur Verfügung steht. Dieser besichert mittels einer Garantie einen Teil des abgesicherten Assetpools. Die synthetische CDO zeichnet sich dadurch aus, dass die Liquidität, die durch die Emission von Wertpapieren vereinnahmt wurde, nicht zum Kauf des Assetpools herangezogen, sondern in ausfallrisikolose Wertpapiere investiert wird. Werden beim abgeschlossenen CDS zwischen Originator und SPV Zahlungen fällig, werden diese aus den investierten Anleihen vorgenommen. Entsprechend reduziert sich auf der anderen Seite der Nominalbetrag, der an die Investoren zurückgezahlt wird.
96
Ökonomischer Rahmen
2.4.2.3.3. Motive für den Einsatz hybrider Instrumente Die hybriden Instrumente synthetischer CDO und CLN sind von der Ausgestaltung sehr ähnlich. Wichtigstes Unterscheidungsmerkmal ist, dass bei einer CLN zu Beginn der Barwert des Nominalbetrags der Forderungen an den Originator fließt. Bei Fälligkeit wird dann lediglich der um die Ausfälle reduzierte Betrag an die Investoren zurückgezahlt. Bei der synthetischen CDO hingegen erfolgt zu Beginn der Transaktion kein Mittelzufluss in Höhe des Barwerts der Nominalbeträge des Forderungspools. Stattdessen erhält der Originator bei erfolgten Ausfällen im Assetpool eine Zahlung aus dem CDS. Dementsprechend beinhaltet die CLN einen Liquiditätseffekt zu Beginn der Transaktion. Der Einsatz einer CLN bietet sich daher dann an, wenn zusätzlich zur Absicherung auch die Refinanzierung des Kredits vorgenommen werden soll. Dies ist besonders vorteilhaft für Banken, die selbst ein schlechteres Rating besitzen und so höhere eigene Refinanzierungskosten haben. Im Vergleich zu den anderen Derivaten ist bei der CLN zu bemerken, dass das Wiedereindeckungsrisiko entfällt, da eben die Liquidität dem Originator bereits zu Beginn zugeflossen ist. Bei einer synthetischen CDO existieren diese refinanzierungsbedingten Besonderheiten nicht. Sie gilt im Gegensatz zur CLN jedoch als kostengünstigere Variante der Kreditsicherung. Sie ist besonders dann geeignet, wenn der Originator zwar das Ausfallrisiko beseitigen, aber keinen Liquiditätszufluss erzielen will. Ein zusätzliches Unterscheidungsmerkmal, das sich auch auf das Einsatzmotiv bezieht, ist, dass bei einer CDO meist ein ganzer Forderungspool bzw. Assetpool abgesichert wird, während bei einer CLN meist nur einer oder wenige Kredite zugrunde liegen. 2.4.2.4. Sonstige Formen des Kreditrisikohandels 2.4.2.4.1. Kredithandel Beim Kredithandel wird der zugrunde liegende Kredit an einen Investor übertragen. Die grundlegende Struktur zeigt Abbildung 32.
Kreditverkäufer
Nominalbetrag - Abschlag Kredit
Kreditvertrag
Kreditnehmer
Abb. 32: Grundstruktur des Kredithandels
Kreditkäufer
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
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Der Sekundärmarkt für Kredite ist unterteilt in einmalige Kreditverkäufe (Loan Sales) meist direkt nach der Kreditvergabe und dem tatsächlichen Kredithandel (Loan Trading). Auf der vertraglichen Ebene handelt es sich bei den einmaligen Kreditverkäufen meist um eine (Sub-)Participation im Rahmen einer Kreditsyndizierung. Dabei wird die Weiterleitung der Zahlungsströme eines Kreditanteils oder des gesamten Kredits vom Kreditgeber an eine dritte Partei, den Kreditkäufer, vereinbart. Die mit dem Kreditvertrag verbundenen Rechte und Pflichten des Kreditgebers werden durch den Kreditverkauf nicht tangiert. Der Kreditkäufer hat somit im Falle von Wiederverhandlungen des zugrunde liegenden Kredits keine oder lediglich eingeschränkte Rechte und Pflichten.236 Ein effektiver Kreditrisikotransfer ist dann durchgeführt, wenn im Falle des Schuldnerdefaults keine Rückgriffsmöglichkeiten (Non Recourse) des Kreditkäufers auf den Kreditverkäufer existieren. Beim tatsächlichen Kredithandel ist der Markt in die Sparten „Par Loans“ und „Distressed Loans“ zu trennen. Bei „Par Loans“ handelt es sich um Kredite, deren Preis über 80% des Nennwertes liegt, während der Preis bei „Distressed Loans“ unter 80% ihres Nennwerts liegt.237 Bei der rechtlichen Ausgestaltung handelt es sich dabei meist um Novationen (Vertragsübernahmen) oder Assignments (Abtretungen), die beide in den ursprünglichen Kreditvertrag zwischen Kreditgeber und -nehmer eingreifen. Die Rechte des Kreditgebers gehen nach Abschluss des Transfervertrags auf den Kreditkäufer über. Die Übertragung der Pflichten vom Kreditgeber auf den Kreditkäufer ist dagegen abhängig von der jeweiligen Ausgestaltung des Kreditrisikotransferkontraktes und vom jeweils geltenden rechtlichen Umfeld. In Großbritannien beispielsweise ist die häufigste Form des Kreditverkaufs die Novation,238 während in den USA beim Verkauf syndizierter Kredite zumeist ein Assignment239 vorliegt.240 In Abhängigkeit davon, ob der Kreditnehmer vom Verkauf seiner Verbindlichkeit weiß, unterscheidet man im deutschen Recht eine stille und eine offene Zession.241 Bei der stillen Zession weiß der Schuldner von der Übertragung seiner Verbindlichkeit nichts und er kann seine Zahlungen mit befreiender Wirkung an den ursprünglichen Gläubiger adressieren. Dieser führt auch die Kreditüberwachung durch. Bei der offenen Zession findet quasi ein Tausch der Gläubiger statt. Nachdem der ursprüngliche Gläubiger den Kredit verkauft hat, hat er weder weitere Zahlungen zu erwarten, noch hat er weitere Dienstleistungsfunktionen zu erfüllen. 236 237 238
239 240
241
Siehe Henke (2002), S. 72 f. Siehe Bhasin/Carey (1999), S. 6. Unter einem Novationsvertrag wird eine Schuldersetzung verstanden, bei der das bisherige Schuldverhältnis mit der Begründung eines neuen Schuldverhältnisses derart verbunden ist, dass das Neue an die Stelle des Alten tritt. Im deutschen Recht entspricht dies einer Abtretung nach § 398 BGB. Zu einer detaillierten Darstellung der Kreditrisikotransferverträge nach britischem und amerikanischem Recht siehe Rhodes (2000), S. 409-427. Zur Zession siehe § 398 BGB.
98
Ökonomischer Rahmen
Der Kreditverkäufer erhält generell beim Kredittransfer einen Betrag, auf den sich beide Seiten in Verhandlungen geeinigt haben. In der Regel orientiert sich dieser an der Bonität des Kreditnehmers und somit am aktuellen Marktwert des zugrunde liegenden Kredits. Einige große Banken übernehmen für ausgewählte Kredite und vor allem für spezielle Schuldner eine Händlerfunktion und erhöhen damit die Liquidität des Kredittransfermarktes.242 Ähnlich einem Market Maker werden dabei vor allem syndizierte Kreditanteile gekauft und verkauft, mit der Absicht, offene Positionen durch ein entsprechendes Gegengeschäft glatt zu stellen. Das Stellen verbindlicher Kauf- und Verkaufspreise erfolgt durch diese Kredithändler im Vergleich zum echten Market Maker jedoch nicht. Seit der Gründung der Loan Syndication and Trading Association 1995 findet in den USA ein permanenter Handel von Krediten statt. Dabei werden vor allem vertragsmäßig bediente und Not leidende Kredite gegenüber Wirtschaftsunternehmen gehandelt. Das Volumen der gehandelten Kredite seit 1995 gibt Abbildung 33 wieder. Problematisch erscheint am direkten Kredithandel, dass der Kreditkäufer in der Regel keine Möglichkeit hat, die Bonität des Schuldners festzustellen oder zu überwachen. Daher existieren hier erhöhte Anreizprobleme.
140,00 120,00 100,00 80,00 60,00 40,00
2004
1Q05
2003
2002
2001
2000
1999
1998
1997
1996
1995
1994
1993
0,00
1991
20,00 1992
Volumen in Mrd. US-$
160,00
Not leidende (distressed) Kredite Nicht Not leidende (par) Kredite
Abb. 33: Entwicklung des Kredithandels
Der potenzielle Kreditkäufer kann folglich davon ausgehen, dass der Kreditverkäufer einen ausfallbedrohten Kredit zu einem überhöhten Marktwert veräußern will. Diese Situation verschärft sich umso mehr, wenn die veräußernde Bank die Hausbank des Schuldners ist und davon ausgegangen wird, dass sie ein verlässliches Urteil über die Bonität des Schuldners abgeben kann. Wenn der potenzielle Kreditkäufer dieses Verhalten antizipiert, kommt kein Handel zustande. Dieses Problem kann dann einerseits dadurch umgangen werden, dass der
242
Siehe Bhasin/Carey (1999), S. 11.
2.4. Instrumente des Kreditrisikotransfers
99
potenzielle Kreditgeber eine vollständige Kreditwürdigkeitsprüfung durchführen würde.243 Alternativ könnte dieser Schritt vereinfacht werden, wenn beide Vertragspartner die gleiche und von beiden anerkannte Bonitätseinstufungssystematik verwenden würden. Genau mit diesem Punkt befasst sich dann Abschnitt 4.1.4. beim (semi-)internen Kreditrisikohandel. Schließlich wäre es möglich, dass ein von beiden Seiten akzeptierter und unabhängiger Dritter, z.B. eine Ratingagentur, diese Bonitätseinstufung tätigt. Da das Engagement einer Ratingagentur für den Transfer eines einzelnen Kredits meist nicht rentabel ist, hat der Kredithandel speziell im Mengengeschäft aufgrund der inhärenten Anreizproblematik bisher keine bedeutende Stellung. 2.4.2.4.2. Anleihehandel Beim Handel auf den Bond- bzw. Anleihemärkten wird neben Zinsrisiken traditionell das Kreditrisiko des Emittenten gehandelt. Die Stellung von Risikokäufern und -verkäufern bei einer Transaktion ist dabei identisch zu der beim Kredithandel. Der Unterschied dieser beiden Instrumente besteht hauptsächlich darin, dass am Anleihemarkt große, bekannte und meist geratete Unternehmen ihre Anleihen platzieren. Dadurch entstehen die Anreizprobleme, wie sie beim Kredithandel auftreten, nicht oder nicht in dem Umfang. Auf diese Weise konnten große Primär- und Sekundärmärkte für Anleihen entstehen.244 Problematisch am Anleihemarkt ist jedoch, dass die Emission einer Anleihe mit hohen Kosten, u.a. auch für die Durchführung von Ratings, verbunden ist.245 Dies schließt viele Unternehmen vom Anleihemarkt aus, da ihr zu geringer Kapitalbedarf eine Anleiheemission wirtschaftlich nicht rechtfertigen würde. 2.4.2.4.3. Asset Swaps Bei einem Asset Swap handelt es sich prinzipiell um ein Derivat.246 Im Zusammenhang mit dem Kreditrisiko wird die Performance eines Wertpapiers gegen die eines anderen Wertpapiers über einen gewissen Zeitraum hinweg getauscht. Beispielsweise kann die jährliche Performance einer Aktie gegen die eines Bonds getauscht werden. Mit Asset Swaps ergeben sich somit verschiedene Möglichkeiten. Wenn ein Kreditinstitut ein Kreditrisiko über eine gewisse Zeit oder bis zur Fälligkeit absichern möchte, bietet sich ein derartiges Geschäft an. Die Bank verkauft in diesem Fall die Performance aus dem Kredit und erhält dafür z.B. die Performance einer Aktie, einen variablen oder fixen Zinssatz. 243
244
245
246
Eine vollständige Kreditwürdigkeitsprüfung kann jedoch in den seltensten Fällen alle jene Informationen liefern, die eine Hausbank über ihren Kunden hat, z.B. Girokontenbewegungen, persönliche Kontakte, etc. Eine Übersicht zum Anleihemarkt gibt beispielsweise Zipf (1997), S. 19 ff.; Steiner/Bruns (2002), S. 135 ff. Die einmaligen Kosten einer Anleiheemission liegen ca. zwischen 4,5% und 5,5% des Anleihenominalbetrags. Vgl. Bestmann (2000), S. 277. Siehe Steiner/Bruns (2002), S. 577.
100
Ökonomischer Rahmen
Die Grundstruktur eines Asset Swaps mit Transfer des Kreditrisikos stellt Abbildung 34 dar. Performance einer Aktie Kreditinhaber
Performance eines Kredits
Aktieninhaber
Kreditvertrag Aktie Kreditnehmer
Abb. 34: Grundstruktur eines Asset Swaps im Kreditbereich
Problematisch an der Struktur eines Asset Swaps ist, ähnlich wie beim direkten Kredithandel, dass ein Kreditrisikokäufer diese Position nicht eingehen würde, wenn er die Kreditwürdigkeit des Underlyings, in diesem Falle des Kredits, nicht kennt. Daher bestehen hier die vergleichbaren Anreizschwierigkeiten. In der Praxis werden deshalb meist „börsengehandelte Kredite“ in Form von Anleihen verwendet, für die ein externes Rating vorhanden ist. Aufgrund dieser Schwierigkeit hat der Asset Swap für den Kreditrisikohandel lediglich eingeschränkte Bedeutung. 2.4.2.4.4. Kritische Würdigung des Kreditrisikohandels Die dargestellten Sachverhalte hinsichtlich der Anreizproblematik beim Transfer von Kreditrisiken haben die Schwierigkeiten und Hemmnisse für den uneingeschränkten Kreditrisikohandel aufgezeigt. Die verschiedenartige Ausgestaltung der Kreditrisikotransferkontrakte macht deutlich, dass asymmetrisch verteilte Informationen zwischen Kreditrisikokäufer und -verkäufer meist nur über die Einschaltung weiterer Sicherungsinstrumente überwunden werden können. Diese können einerseits in der teilweisen Übernahme der Kreditrisiken durch den Kreditrisikoverkäufer bestehen, z.B. durch Stellen von Sicherheiten und/oder andererseits in der Einschaltung einer dritten unabhängigen Partei, die die Transaktion meist während der kompletten Laufzeit überwacht. Das Ziel des Kreditrisikotransfers ist bei der Stellung von Sicherheiten durch den Kreditrisikoverkäufer lediglich teilweise erreicht, während die Überwachung des Kreditrisikotransfers durch eine dritte Person meist mit relativ hohen Kosten verbunden ist. Traditionell eignen sich daher diese Instrumente erst ab einem gewissen zu transferierenden Volumen. Gerade die Kreditrisiken kleinerer und mittelständischer Unternehmen können meist nicht effizient an den Markt übertragen werden. Aus diesem Grunde soll im Kapitel 4. der interne Markt für Kreditrisiken vorgestellt werden, der als innovatives Instrument zur Übertragung von Kreditrisiken angesehen werden kann. Mittels eines internen Marktes wird versucht, die Nachteile, die bei einem Kreditrisikotransfer vorhanden sind, zu minimieren.
2.5. Rechtliche Möglichkeit der Übertragung von Kreditrisiken
101
2.5. Rechtliche Möglichkeit der Übertragung von Kreditrisiken Nachdem die verschiedenen Instrumente vorgestellt wurden, mit deren Hilfe Kreditrisiken prinzipiell transferiert werden können, wird im Folgenden diskutiert, ob die Übertragung von Forderungen nach deutschem Recht grundsätzlich möglich ist. Zu dieser Fragestellung hat es in der jüngeren Vergangenheit mehrere Gerichtsurteile gegeben, die zunächst kurz chronologisch dargestellt werden sollen, bevor separat auf die Abtretung von Forderungen gegenüber Kaufleuten und von Verbraucherkrediten eingegangen wird. Abschließend werden die Auswirkungen und die Implikationen für den Kreditrisikohandel dargelegt. 2.5.1. Urteile der jüngeren Rechtsprechung Das OLG Frankfurt am Main hat in einem Urteil vom 25.05.2004 entschieden, dass einer Abtretung von Forderungen aus Darlehensverträgen das Bankgeheimnis entgegensteht.247 Es wurde argumentiert, dass in Nr. 2 der AGB-Banken bereits eine Verschwiegenheitspflicht implizit verankert ist und daraus ein generelles und stillschweigendes Abtretungsverbot nach § 399 BGB resultiert. Aus einem Urteil des LG Koblenz vom 25.11.2004 geht hervor, dass aus dem Bankgeheimnis grundsätzlich kein Abtretungsverbot für Kreditforderungen abzuleiten ist.248 Das Urteil des LG Koblenz wurde durch weitere Urteile des LG Frankfurt am Main vom 17.12.2004 und vom OLG Stuttgart vom 06.04.2005 mit der gleichen Begründung bestätigt.249 Die vom OLG Frankfurt am Main aufgeworfene Frage, die im Schrifttum250 auf heftige Ablehnung gestoßen ist, geht dahin, ob aus der Verschwiegenheitspflicht der Bank gegenüber dem Kunden ein Abtretungsverbot für die Darlehensforderungen resultiert. Dies tangiert die Reichweite des Bankgeheimnisses. Daher muss zunächst generell unterschieden werden, ob ein Darlehen gegenüber einem Unternehmen gemäß § 14 BGB oder gegenüber Verbrauchern gemäß §§ 491 ff. BGB vorliegt. 2.5.2. Behandlung von Forderungen gegenüber Kaufleuten Gemäß § 354a HGB steht einem vertraglichen Abtretungsausschluss die Wirksamkeit der Abtretung einer Geldforderung nicht entgegen, sofern das forderungsbegründende Rechtsgeschäft für beide Teile ein Handelsgeschäft ist. Damit ist aus dem Bankgeheimnis auch kein vertragliches Abtretungsverbot abzuleiten. Einer Abtretung von Darlehensforderungen steht demzufolge nichts entgegen.251 Zudem ist es für die Forderungsübertragung von Darlehen 247 248 249 250
251
Siehe OLG Frankfurt/Main (2004). Vgl. LG Koblenz (2004). Siehe LG Frankfurt/Main (2004) und OLG Stuttgart (2005). Siehe beispielsweise Böhm (2004); Jobe (2004); Langenbucher (2004); Stiller (2004); Bütter/Tonner (2005). Siehe auch Freitag (2004), S. 741.
102
Ökonomischer Rahmen
gegenüber Kaufleuten unerheblich, ob das Darlehen vom Darlehensnehmer ordnungsgemäß bedient wurde oder nicht (Non-Performing Loans bzw. Problemkredite). 2.5.3. Behandlung von Verbraucherkrediten Bei Verbraucherkrediten ist zunächst die Unterscheidung zu treffen, ob das zugrunde liegende Darlehen vertragsgemäß bedient wurde (Performing Loan, PL) oder ob der Kreditnehmer mit der Erbringung der Leistungen in Verzug oder ausgefallen ist (Non-Performing Loan, NPL). 2.5.3.1. Non-Performing Loans Im Rahmen von NPL erfüllt der Schuldner seine Pflichten aus dem Darlehensvertrag nicht vertragsgemäß, da er mit der Leistungserbringung rückständig ist. Es ist unerheblich, ob der Darlehensvertrag bereits von Seiten des Gläubigers gekündigt wurde oder ob das Darlehensverhältnis zwar noch nicht gekündigt ist, jedoch nach § 490 Abs. 1 BGB gekündigt werden könnte. Daher ist allgemein anerkannt, dass der Kreditnehmer sich nach den Grundsätzen von Treu und Glauben unter dem Gesichtspunkt des Rechtsmissbrauchs nicht auf ein Abtretungsverbot berufen kann, da er selbst die zugesicherte Leistung nicht erbringt.252 Aus dieser Argumentation wird abgeleitet, dass gekündigte und auch Not leidende Verbraucherkredite von der Kredit gebenden Bank abgetreten werden dürfen, ohne gegen das Bankgeheimnis zu verstoßen. 2.5.3.2. Performing Loans Bei PL handelt es sich um Darlehensforderungen, die vom Schuldner vertragsmäßig bedient werden. Daher könnte es hier möglich sein, dass das Bankgeheimnis ein Abtretungsverbot begründet. Das Bankgeheimnis wird in Nr. 2 Abs. 1 Satz 1 AGB-Banken definiert und verpflichtet die Banken alle kundenbezogenen Tatsachen und Wertungen, von denen Kenntnis erlangt wird, stillschweigend zu behandeln, es sei denn, dass gesetzliche Bestimmungen dem entgegenstehen, die Bank zur Erteilung einer Bankauskunft befugt ist oder der Kunde der Weitergabe seiner Informationen zugestimmt hat. Diese Bestimmung wurde im Jahre 1993 in die AGBBanken eingeführt, wobei ihr nach herrschender Meinung lediglich deklaratorischer Charakter zukommt, da sie den zuvor geltenden Rechtszustand nicht verändern sollte.253 Im Vergleich beispielsweise zu § 38 des Österreichischen Bankwesengesetzes oder Art. 398 des Schweizer Obligationenrechts ist das Bankgeheimnis in Deutschland gesetzlich nicht verankert. Damit hat die Bank gegenüber dem Kunden zwar bei Abschluss des Darlehensvertrags die Nebenpflicht, das Bankgeheimnis zu wahren, dieses gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Es ergeben
252 253
Vgl. Bütter/Tonner (2005), S. 168. Siehe auch Jobe (2004), S. 2415.
2.5. Rechtliche Möglichkeit der Übertragung von Kreditrisiken
103
sich somit deutliche Differenzen zwischen dem Bankgeheimnis und der Geheimhaltungspflicht von Ärzten oder Steuerberatern, welche in § 203 StGB i.V.m. § 134 BGB fixiert ist. Es ist schließlich der Sachverhalt zu klären, ob ein stillschweigendes Abtretungsverbot aus dem Bankgeheimnis hervorgeht. Falls beim Kredittransfer nicht nur anonymisierte Kundendaten an einen möglichen Kreditkäufer weitergegeben werden, könnte das Bankgeheimnis verletzt werden. Würde das Bankgeheimnis ein Abtretungsverbot nach § 399 BGB enthalten, wäre damit auch die in § 137 BGB definierte Freiheit der Bank eingeschränkt, über die Kreditforderung zu verfügen. Damit wäre die Übertragbarkeit von Kundenforderungen nicht gegeben und eine trotzdem vorgenommene Abtretung wäre daher unwirksam. Mit der Abtretung von Kundenforderungen ist, falls keine andere Vereinbarung getroffen wurde, eine Auskunftspflicht des Zedenten (Forderungsverkäufer) gegenüber dem Zessionar (Forderungskäufer) verbunden. Der Altgläubiger ist verpflichtet, dem Neugläubiger die mit der Forderung notwendigen Auskünfte zu erteilen und die Unterlagen zum Nachweis der Forderung zu übergeben (§ 402 BGB). Diese Informationspflicht könnte jedoch bei Übertragung von Kundenforderungen einer Bank dem Bankgeheimnis entgegenstehen. Die Verpflichtungen der Bank zur Geheimhaltung der Kundendaten sind jedoch nicht ohne Grenzen. Falls der Kunde in die Informationsweitergabe einwilligt oder gesetzliche Bestimmungen die Weitergabe von Kundeninformationen vorsehen, wird das Bankgeheimnis durchbrochen. Der Kunde kann beispielsweise das Kreditinstitut von der Wahrung des Bankgeheimnisses befreien. In der Praxis wird dies in den allgemeinen Geschäftsbedingungen für Darlehensverträge festgehalten. Darin ist eine Einwilligungserklärung des Kunden enthalten, die der Kredit gewährenden Bank erlaubt, einem refinanzierenden Kreditinstitut die erforderlichen Informationen (z.B. Darlehensbetrag, Fälligkeit, Name und Adresse des Darlehensnehmers) mitzuteilen, sofern die Bank die Darlehensforderung im Rahmen ihrer eigenen Refinanzierung an eine Zentralbank oder ein anderes Kreditinstitut (refinanzierendes Kreditinstitut) überträgt, verpfändet oder unter Verwendung eines anderen Rechtsinstruments zur Refinanzierung einsetzt.254 Nach herrschender Meinung ist die Weitergabe von unter das Bankgeheimnis fallenden kundenbezogenen Daten auch ohne Zustimmung des Schuldners möglich, falls das Kreditinstitut ein überwiegendes Interesse an der Weitergabe hat und der Datenempfänger einen vertraulichen Umgang mit den Kundendaten gewährleistet.255 Dieses besteht beispielsweise dann, wenn die Bank Maßnahmen zur Risiko- und Eigenkapitalsteuerung, zur Auslagerung von Geschäftsbereichen oder zur Lösung von Problemkreditengagements durchführt.256
254
255 256
Siehe hierzu die aktuell gültigen allgemeinen Darlehensbedingungen der Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken. Siehe auch Jobe (2004), S. 2420 und die dort angegebene Literatur. Siehe Bruchner (2000), § 39 Rz. 14a, 31 und 41 ff.
104
Ökonomischer Rahmen
Damit wird die Durchbrechung des Bankgeheimnisses aufgrund überwiegender Eigeninteressen der Bank für zulässig erachtet. 2.5.4. Fazit für den Kreditrisikohandel Aus der Verschwiegenheitspflicht der Bank folgt kein Abtretungsausschluss für Kreditforderungen. Grundsätzlich kann eine Verletzung des Bankgeheimnisses zu Schadensersatzansprüchen und unter Umständen zu einem außerordentlichen Kündigungsrecht des Kreditnehmers führen. Dazu muss der Schuldner ein berechtigtes Interesse an einer Geheimhaltung haben. Dies liegt jedoch dann grundsätzlich nicht vor, wenn das Kreditinstitut im Rahmen ordnungsmäßiger Bankgeschäfte Maßnahmen zur Risiko- und Eigenkapitalsteuerung, zur Refinanzierung oder Auslagerung kundenbezogener Daten ergreift. Schließlich fehlt dieses Interesse einer umfassenden Geheimhaltung auch, falls der Kreditgeber eine Darlehensforderung im Wege eines Forderungsverkaufs veräußert.257 In diesem Sinne dürfen daher von Kreditinstituten generell alle Kundenforderungen und die damit verbundenen Risiken handelbar gemacht werden. Dies umfasst auch, dass die Übertragung von Kundenforderungen aus den oben genannten Gesichtspunkten durchführbar ist. Damit wird von rechtlicher Seite die Grundlage für die Zulassung des Einsatzes der aufgeführten Instrumente zum Kreditrisikotransfer in der Bundesrepublik Deutschland geschaffen. 2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos Nachdem die Möglichkeiten des Kreditrisikotransfers generell beschrieben und die möglichen Kreditrisikotransferinstrumente vorgestellt wurden, werden in diesem Abschnitt die prinzipiellen Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos aufgezeigt. Dabei werden nach einigen generellen Überlegungen die Parameter des Ausfallrisikos näher erläutert, bevor dann schließlich die Grundzüge der Kreditrisikomodelle vorgestellt werden. 2.6.1. Generelle Überlegungen Im Allgemeinen wird unter dem Ausfallrisiko die Gefahr verstanden, dass der Vertragspartner seinen Verpflichtungen nicht, nicht zeitgerecht oder nicht in vollem Umfang nachkommt. Dabei ist es üblich, unter Risiko jede Abweichung vom erwarteten Wert zu verstehen.258 Das heißt, dass es unerheblich ist, ob dies eine Abweichung vom erwarteten Wert nach oben oder nach unten ist. Im Falle von Ausfallrisiken jedoch wird als Normalfall angesehen, dass der Vertragspartner seinen Verpflichtungen nachkommt. Eine Abweichung davon ist als Ausfallrisiko zu verstehen .
257 258
Siehe Jobe (2004), S. 2420. Zum Risikobegriff siehe Perridon/Steiner (2004), S. 99 ff.; Bamberg/Coenenberg (2002), S. 77.
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
105
Der erwartete Verlust, der sich aus einer Kreditbeziehung ergibt und auch als Expected Loss (EL) bezeichnet wird, basiert auf den drei folgenden Komponenten:
x
erwartete Höhe der Forderung zum Ausfallzeitpunkt (Exposure at Default, EAD),
x
Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default, PD) und
x
Verlustquote bei Ausfall (Loss Given Default, LGD).
Der EL kann wie folgt berechnet werden: (35)
EL
EAD * LGD * PD .
In dieser Formel wird angenommen, dass die PD die einzige Größe ist, die mit Unsicherheit behaftet ist, während LGD und EAD mit Sicherheit bekannt sind. Davon kann jedoch nicht ausgegangen werden, weshalb LGD und EAD auch als unsichere Größen und als Erwartungswerte interpretiert werden müssen. Zudem muss dann angenommen werden, dass alle in (35) einfließenden Größen stochastisch unabhängig sind, da nur so der Erwartungswert des Produkts von Zufallsvariablen dem Produkt der Erwartungswerte dieser Zufallsvariablen entspricht.259 Der EL kann sich sowohl auf einen einzelnen Kredit als auch auf ein Kreditportfolio beziehen. In letztgenanntem Fall setzt er sich aus der Summe der erwarteten Verluste der Einzelengagements zusammen. Da sich der EL lediglich auf den durchschnittlichen Verlust aus einem Kreditgeschäft bezieht, kann er nicht als Risikomaßstab interpretiert werden. Um das Risiko eines Kredits zu quantifizieren, ist vielmehr die Standardabweichung260 oder der Value-at-Risk (VaR) heranzuziehen. Der VaR berechnet sich aus der Differenz zwischen dem erwarteten Rückfluss am Ende eines festgelegten Zeithorizonts (Risikohorizont) und demjenigen Rückfluss, der mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit (Konfidenzniveau) innerhalb dieses Zeitraums nicht unterschritten wird.261 Das Konfidenzniveau wird meist so gewählt, dass es mit der Ausfallwahrscheinlichkeit eines angestrebten Ratings übereinstimmt.262 Wird z.B. ein Rating von A angestrebt und wird diesem eine durchschnittliche PD von 0,08% zugewiesen, sollte das Konfidenzniveau 99,92% betragen. Wird demnach Eigenkapital in Höhe des VaR vorgehalten, ist sichergestellt, dass nur noch mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,08% das ökonomische Kapital zur Deckung unerwarteter Kreditverluste nicht ausreicht und Insolvenz beantragt werden muss. Dieser Sachverhalt wird in Abbildung 35 dargestellt.
259 260 261
262
Vgl. Sachs (1999), S. 57 f. Zur allgemeinen Berechnung der Standardabweichung siehe Sachs (1999), S. 95. Zur Definition des Value-at-Risk siehe u.a. Hanker/Hüging (1998), S. 121; Hull (2000), S. 342 ff.; Huschens (2000). Siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 506.
106
Ökonomischer Rahmen
Wahrscheinlichkeit
erwarteter Wert 1-Į
aktueller Wert UL
q1-Į
Kredit(portfolio)wert ökonomisches Kapital
EL
Abb. 35: Zusammenhang zwischen Wahrscheinlichkeitsdichte, ökonomischem Kapital und Kreditwert am Risikohorizont
Mit q1Į wird das (1-Į)-Quantil der jeweiligen Wahrscheinlichkeitsverteilung des Kredit(portfolio)wertes bezeichnet. Zur Steuerung des Bankgeschäfts ist es für ein Institut zum einen wichtig, die Höhe des Kreditwertes bzw. des Portfoliowertes zu kennen. Zum anderen ist beim Kreditvergabeprozess darauf zu achten, wie sich das Gesamtrisiko verändert, wenn ein Neuengagement als Risikoposition hinzukommt. Da sich das Gesamtrisiko nicht aus der Summe der einzelnen Kredite zusammensetzt, muss der Risikobeitrag eines einzelnen Kredits berechnet werden. Unter der Annahme, dass das Volumen des hinzukommenden Kredits verschwindend gering ist, kann der VaR-Beitrag dieses Kredits als bedingter erwarteter Verlust wie folgt berechnet werden: (36)
ǻVaR
>
E LGD | R
R VaR
@.
Die Bedingung drückt aus, dass der Gesamtverlust ( R ) der Bank den VaR-Wert R VaR annimmt. Um den bedingten Erwartungswert zu bestimmen, müssen grundsätzlich alle Korrelationen bekannt sein.263 Zur Bestimmung des VaR-Wertes muss die gesamte Wahrscheinlichkeitsfunktion der Kreditverluste vorliegen. Bedeutend einfacher ist jedoch die Verwendung der Standardabweichung der Verluste als Risikomaß, die auch als unerwarteter Verlust (Unexpected Loss, UL) bezeichnet wird.
263
Die Möglichkeiten zur Bestimmung von Korrelationen werden in Abschnitt 2.7.6.3. angeführt.
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
107
Falls die Verlusthöhe LGD und das Verlustereignis stochastisch unabhängig sind, erhält man den unerwarteten Verlust aus folgender Gleichung:264 (37)
UL
2 ıR
2 EAD ı LGD PD LGD 1 PD PD .
Die Annahme einer normalverteilten oder symmetrisch verteilten Risikogröße bei der Standardabweichung im Zusammenhang mit Kreditausfällen ist im Allgemeinen nicht erfüllt, wie auch aus Abbildung 35 hervorgeht. Dennoch wird sie bei Kreditausfällen als Risikomaß verwendet, da zu ihrer Berechnung lediglich die PD und die Varianz von LGD benötigt werden. Wird LGD als konstant angenommen, würde sogar die PD ausreichen, um die unerwarteten Verluste zu bestimmen. Auf Basis des unerwarteten Verlusts ergibt sich das notwendige ökonomische Kapital (EC) wie folgt: (38)
EC
Z * UL , mit Z ! 1 .
Dabei ist Z ein Multiplikator, der die Formel so kalibriert, dass die Insolvenz mit hoher Wahrscheinlichkeit, z.B. 99,92%, ausgeschlossen werden kann. Dies lässt sich auch aus Abbildung 35 entnehmen, da UL geringer ist als das nötige ökonomische Kapital. Soll das ökonomische Kapital sicherstellen, dass lediglich mit einer Wahrscheinlichkeit von 0,08% ein Ausfall eintritt, gilt: (39)
Pr ^L EL d EC` Į .
Aus (38) und (39) lässt sich der Multiplikator Z wie folgt berechnen: (40)
L EL ½ Pr ® d Z¾ ¯ UL ¿
Į.
Da für die Lösung von Z die Verlustverteilung bekannt sein muss, werden die Werte meist nur geschätzt, wobei sie bei Banken häufig zwischen sechs und zehn liegen.265 Der unerwartete Verlust auf Portfolioebene UL P ergibt sich durch Aggregation der Standardabweichungen der einzelnen Kredite unter Berücksichtigung der Korrelationen ȡij : (41)
UL P
ª º «¦ ¦ UL i * UL j * ȡij » . «¬ i j »¼
Um den marginalen Risikobeitrag eines zusätzlichen Kredits zu bestimmen, sind wiederum die Ausfallkorrelationen zu berücksichtigen. Damit hier praktikabel vorgegangen werden kann, müssen weitere komplexitätsreduzierende Annahmen getroffen werden.266 Im Folgen-
264 265 266
Siehe Ong (1999), S. 116 ff.; Wald (2002), S. 80; Blum et al. (2003), S. 29. Siehe Saunders (1999), S. 159. Siehe Ong (1999), S. 255 ff.
108
Ökonomischer Rahmen
den sollen nun die Parameter vorgestellt werden, die das Ausfallrisiko bestimmen und/oder beeinflussen. 2.6.2. Parameter des Ausfallrisikos 2.6.2.1. Bonitätseinstufung/Rating Im Abschnitt 2.2.2. wurden bereits die wesentlichen Methoden der Bonitätsbeurteilung vorgestellt. Die Ergebnisse, die mit diesen Verfahren erzielt werden, sind meist nur dichotom, d.h. es wird die Fragestellung beantwortet, ob ein Kredit vergeben werden sollte oder nicht. Für die Bestimmung des Ausfallrisikos ist es jedoch unabdingbar, dass eine feinere Bonitätseinstufung gemacht werden kann. Das Ergebnis daraus ist eine Skala, die das Ausfallrisiko deutlicher untergliedert. Daher werden für diese Zwecke so genannte Ratingverfahren eingesetzt bzw. eine Bonitätseinstufung durchgeführt. Damit sollen folgende Ziele verfolgt werden:267
x
präzise, klare und umfangreiche Klassifizierung des Risikogehalts eines Kreditengagements,
x
zeitnahe Erkennung von Veränderungen der Risikostruktur und damit die Gewährleistung einer adäquaten Kreditüberwachung,
x
Verbindung der Risikoklassifizierung mit den tatsächlichen Ausfällen,
x
Ableiten einer Grundlage für die Kunden- und Preiskalkulation,
x
Steuerung des Kreditportfolios,
x
Standardisierung der Bonitätsaussagen und
x
Objektivierung und Sicherstellung der Nachvollziehbarkeit von Kreditentscheidungen und Kreditkonditionen.
Es sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Bonitätseinstufung bzw. das Rating nicht zu den klassischen Parametern des Ausfallrisikos zählt, sondern als Voraussetzung zur Ableitung der Parameter, insbesondere der Ausfallwahrscheinlichkeit, dient. Die Risikoklassifikation kann dabei entweder bankintern vorgenommen werden, oder aber es werden die Ratingurteile der großen internationalen Ratingagenturen übernommen, die für größere Unternehmen bzw. Emissionen vorliegen. Einen Überblick über die Ratingskalen dieser Agenturen gibt Tabelle 2.
267
Vgl. Grunwald/Grunwald (2001), S. 138.
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
109
Standard & Poor’s
Moody’s
Fitch IBCA
Bonitätseinstufung
AAA
Aaa
AAA
Höchste Bonität; geringstes Ausfallrisiko
AA+ AA AA-
Aa1 Aa2 Aa3
AA+ AA AA-
Hohe Qualität mit etwas größerem Ausfallrisiko als in der Spitzengruppe Gute Qualität mit vielen guten Investmentattributen aber auch Elemente, die sich bei veränderter
A+ A A-
A1 A2 A3
A+ A A-
BBB+ BBB BBB-
Baa1 Baa2 Baa3
BBB+ BBB BBB-
Mittlere Qualität, aber mangelnder Schutz gegenüber sich verändernder Wirtschaftsentwicklung; angemessene Deckung von Zins und Tilgung
BB+ BB BB-
Ba1 Ba2 Ba3
BB+ BB BB-
Spekulative Anlage mit nur mäßiger Deckung für Tilgungs- und Zinsleistungen auch in gutem wirtschaftlichem Umfeld
B+ B B-
B1 B2 B3
B+ B B-
Sehr spekulative Anlage mit geringer Sicherheit der langfristigen Schuldbedienung
CCC CC
Caa Ca
CCC CC C
Niedrigste Qualität mit geringstem Anlegerschutz mit akuter Gefahr des Zahlungsverzugs
D
C
DDD DD D
In Zahlungsverzug; bei Fitch IBCA differenziert nach erwarteten Rückzahlungsquoten
Klassifikation
Investment Grade
Wirtschaftsentwicklung negativ auswirken können; angemessene Deckung von Zins und Tilgung
Speculative Grade
Tab. 2: Überblick über die (langfristigen) Ratingurteile der großen Ratinggesellschaften
Die Ableitung der Ratingurteile ist jeweils zwischen den Ratingagenturen untereinander als auch zwischen den Banken unterschiedlich. Grundsätzlich kann eine Vielzahl von quantitativen und qualitativen Verfahren zum Einsatz kommen. Nicht zuletzt werden vor allem die Verfahren der Bonitätsprüfung, wie sie im Abschnitt 2.2.2. dargestellt wurden, verwendet. Zudem wird versucht, möglichst viele Soft-facts über die künftige Entwicklung der Zahlungsfähigkeit und -willigkeit bzw. über die generelle Unternehmensentwicklung zu erhalten. Dazu werden in erster Linie Scoringverfahren eingesetzt. Beispielsweise wird auf diese Weise mittels einer Managementbefragung versucht, die strategische Ausrichtung und die Managementqualitäten abzuleiten.
110
Ökonomischer Rahmen
Abbildung 36 stellt die verschiedenen Bereiche dar, die klassischerweise im Ratingprozess beobachtet werden. Relevante Bereiche für das Rating
Unternehmensumfeld
Research
Rechnungswesen Finanzen
Bankanalyse
Organisation
Marktanalyse
Produkte und Märkte
Wettbewerbsanalyseanalyse
Geschäfts modell
Standort und Ökologie
Management und Strategie Betriebliche Bereiche
Personal Controlling
Informationsverarbeitungstechnologie
Leistungserstellung
Abb. 36: Relevante Bereiche für die Erstellung eines Ratings
Wie der Abbildung zu entnehmen ist, setzt sich das Rating aus vielen unternehmensexternen und unternehmensinternen Parametern zusammen. Dabei bilden die beschriebenen Verfahren der Jahresabschlussanalyse einen relativ kleinen aber zentralen Bereich. Letztendlich werden alle in Abbildung 36 aufgeführten Bereiche individuell bewertet, gewichtet und schließlich zu einem Scorewert verdichtet, der in ein Ratingurteil überführt wird. Für eine tiefer gehende Behandlung der verschiedenen Ratingverfahren sei an dieser Stelle auf die Literatur verwiesen.268 2.6.2.2. Ausfallwahrscheinlichkeit Die Ausfallwahrscheinlichkeit stellt die Wahrscheinlichkeit des Ausfalls eines Kreditengagements innerhalb eines gewissen Zeitraums dar. Um die PD zu schätzen, stehen eine Reihe methodischer Ansätze zur Verfügung. Diese werden in Abbildung 37 schematisch dargestellt.
268
Siehe Presber/Stengert (2002).
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
111
Modelle zur Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit
Marktdatenansätze
Aktienkurse
Ratingansätze
Anleihekurse
Externe Ratings
Interne Ratings
Abb. 37: Klassifizierung der Schätzverfahren für Ausfallwahrscheinlichkeiten
Die gängigste Methode ist die Ableitung der Ausfallwahrscheinlichkeiten aus Ratings. Dabei wird der Schuldner bzw. der Schuldtitel einer Ratingklasse zugeordnet. Jeder Ratingklasse wird dann eine gemittelte historische Ausfallwahrscheinlichkeit zugewiesen.269 Eine andere Möglichkeit zur Ermittlung der PD behilft sich mit einem Rückgriff auf Marktdaten, falls der entsprechende Schuldner Emittent einer Aktie oder einer Anleihe ist und diese entsprechend liquide ist.270 Die Grundidee bei der Ermittlung der PD aus Anleihepreisen ist, dass diese Marktpreise nicht nur das Marktzinsniveau, sondern auch die Bonitätseinschätzung eines Schuldners wiedergeben. Dazu wird eine Anleihe des Schuldners mit der Zahlungsstruktur eines Zerobonds betrachtet.271 Der Wert dieses Zerobonds wird mit dem einer risikolosen Anleihe mit identischer Restlaufzeit, identischer Zahlungsstruktur und identischem Nominalwert verglichen.272 Die Differenz zwischen dem Wert des Unternehmens-Zerobonds ʌ U N, T und dem des risikolosen Zerobonds ʌ RF N, T entspricht dann den Kosten des Kreditrisikos. Diese Differenz kann zudem als der Wert einer Verkaufsoption auf den Unternehmenswert interpretiert werden. Nach der Black-Scholes-Formel besteht demnach folgende Beziehung zwischen dem Wert der Verkaufsoption ʌ V und dem Unternehmenswert VU : (42)
ʌV
Ne rT N d 2 VUN d 2 ı V T ,
wobei: N: Nominalwert der Verbindlichkeiten T: Restlaufzeit der Verbindlichkeiten r: risikoloser Zinssatz N(): Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung 269 270 271
272
Zur Ermittlung der PD aus historischen Rating-Daten siehe Carey/Hrycay (2001). Siehe Hui et al. (2005) und die dort angegebene Literatur. Bei Kuponanleihen wird ein so genanntes Anleihe-Stripping durchgeführt, um so einzelne Zerobonds zu erhalten. Siehe hierzu Sharpe/Alexander (1990), S. 331. Da derartige risikolose Anleihen meist nicht mit den gewünschten Parametern vorliegen, wird vielfach ein hypothetischer Wert aus der Zinsstrukturkurve berechnet.
112
Ökonomischer Rahmen
ıV: Standardabweichung des Unternehmenswertes ln
d2 :
VU r 0,5ı 2 T D ı T
Wenn ıV exogen vorgegeben wird, können aus dieser Gleichung der Unternehmenswert und die risikoneutrale Ausfallwahrscheinlichkeit N(d2) bestimmt werden. Liegt die Differenz zwischen Unternehmensanleihe und risikoloser Anleihe als Renditedifferenz (Credit Spread) vor, kann eine alternative Berechnung vorgenommen werden.273 Dazu wird die Annahme getroffen, dass die Yield-to-Maturities sowohl für den risikolosen Zerobond als auch für den Unternehmens-Zerobond bekannt sind. Daraus können dann TerminCredit Spreads künftiger Perioden CS t berechnet werden. Jeder CS t ergibt sich zudem aus dem Produkt des erwarteten LGD274 und den marginalen, risikoneutralen Ausfallwahrscheinlichkeiten Ȝ t für jede Periode t. Somit gilt: (43)
CS t
Ȝ t LGD
bzw. bei bekanntem LGD (44)
Ȝt
CS t . LGD
Schließlich ergibt sich die kumulative Wahrscheinlichkeit Pt für den Ausfall bis zum Zeitpunkt t aus der Summe der Wahrscheinlichkeiten, dass der Kredit bis (t-1) bereits ausgefallen ist oder genau in t ausfällt: (45)
Pt
Pt 1 1 Pt 1 Ȝ t .
Die Schätzung der PD kann darüber hinaus auch aus Aktienkursen abgeleitet werden. Dabei werden Aktien als Optionen auf den Unternehmenswert aufgefasst. Dieses Vorgehen ist auch als KMV-Modell bekannt und ist im CreditPortfolioManager von Moody’s implementiert. Dieses Portfoliomodell wird in Abschnitt 2.7.6.5. näher erläutert, weshalb an dieser Stelle auf eine Beschreibung verzichtet wird. 2.6.2.3. Übergangswahrscheinlichkeiten Neben der Ausfallwahrscheinlichkeit muss im Kreditrisikomanagement die Übergangswahrscheinlichkeit der kreditrisikobehafteten Positionen geschätzt werden. Diese gibt die Wahrscheinlichkeit einer Bonitätsverbesserung bzw. -verschlechterung innerhalb eines gewissen Zeithorizonts an, d.h. den Wechsel von einer Ratingklasse in eine andere. Der Zeithorizont wird meist auf ein Jahr festgelegt, da die bonitätsmäßige Neueinstufung in der Regel ebenfalls in diesem Intervall stattfindet. Die einjährigen Übergangswahrscheinlichkeiten werden von 273 274
Zu diesem Verfahren siehe Li (1999). Zum LGD siehe Abschnitt 2.6.2.5.
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
113
den Ratingagenturen in Form von Übergangs- bzw. Transitionsmatritzen veröffentlicht. Ein Beispiel für eine Transitionsmatrix zeigt Tabelle 3:275 Aktuelles Rating
Rating nach einem Jahr
AAA
92,0
AAA
AA 7,1
A 0,6
BBB
BB
B
C
Default
0,1
0,1
0,0
0,0
0,0
AA
0,6
90,8
7,8
0,6
0,1
0,1
0,0
0,00
A
0,1
2,1
91,4
5,8
0,4
0,2
0,0
0,1
BBB
0,0
0,2
4,1
89,3
4,8
0,9
0,2
0,4
BB
0,0
0,1
0,4
5,5
83,1
8,2
1,1
1,5
B
0,0
0,1
0,3
0,3
5,4
82,2
4,9
6,8
CCC
0,1
0,0
0,3
0,6
1,5
10,5
53,2
34,8
Tab. 3: Beispiel für eine Matrix der Übergangswahrscheinlichkeiten (in %)
2.6.2.4. Exposure at Default Das Exposure at Default stellt die Höhe der Forderung zum Ausfallzeitpunkt dar. Es besteht zum einen aus den aktuellen Außenständen und zum anderen aus den voraussichtlichen künftigen Inanspruchnahmen in Form von Kreditzusagen, offenen Kreditlinien, etc. Dabei wird unterstellt, dass der Schuldner vor einer Insolvenz versucht, alle Kreditlinien vollständig auszuschöpfen. Die Berechnung dieses Parameters stellt im Allgemeinen keine große Schwierigkeit dar. Im Besonderen jedoch, z.B. bei Termin- oder Optionsgeschäften, gestaltet sich die Schätzung aufwändiger. Es ist gerade das Wesen dieser Termingeschäfte, dass während der Laufzeit von beiden Seiten noch keine Erfüllung stattgefunden hat.276 Da auch das Kreditinstitut bisher noch keine Leistung erbracht hat, besteht im Gegensatz zum Kredit, bei dem bereits Zahlungen an den Schuldner stattgefunden haben, nicht die Problematik, dass das ausgeliehene Geld nicht zurückfließt. Ein Schaden kann jedoch für die Bank dann eintreten, wenn bei Ausfall des Kontrahenten ein gleichartiges Geschäft zu schlechteren Konditionen abgeschlossen werden muss. In diesem Fall hat die Bank ein Wiedereindeckungsrisiko. Für die Ableitung des EAD ist es deshalb nötig, eine Prognose hinsichtlich der möglichen Wertentwicklung des Underlyings dieser Geschäfte vorzunehmen.
275 276
Quelle: Standard & Poor’s (2005a) Von Upfront-Prämienzahlungen bei Optionsgeschäften wird bei dieser Betrachtung abgesehen.
114
Ökonomischer Rahmen
2.6.2.5. Ausfallquote Die Ausfallquote wird auch als Verlustquote, Komplement zur Recovery Rate, Severity oder als Loss Given Default bezeichnet. Es gilt: (46)
LGD
1 [Recovery Rate] .
Die Ausfallquote ist damit eine unsichere Größe. Für deren Schätzung werden generell zwei Methoden unterschieden: der Bottom-Up-Ansatz und der Top-Down-Ansatz. Während beim Bottom-Up-Ansatz versucht wird, aus historischen Ausfalldaten die Ausfallquote bzw. die Recovery Rates zu bestimmen, basiert der Top-Down-Ansatz auf den Marktdaten börsengehandelter Unternehmen. Die historischen Ausfalldaten resultieren aus bankinternen Aufzeichnungen und werden zusätzlich, untergliedert in verschiedene (Bond-) Kategorien, von den großen Ratingagenturen zur Verfügung gestellt.277 Zu diesen Veröffentlichungen ist zu bemerken, dass der Rang der Forderung und die gestellten Sicherheiten einen erheblichen Einfluss auf den LGD haben. Sowohl zeitliche als auch geografische bzw. rechtliche Faktoren spielen bei diesen Untersuchungen ebenfalls eine Rolle. So fallen in wirtschaftlich guten Phasen die Recovery Rates tendenziell höher aus als in wirtschaftlichen Depressionsphasen.278 Die geografischen bzw. rechtlichen Faktoren beziehen sich dagegen auf das unterschiedliche Insolvenzrecht in verschiedenen Ländern. So weichen beispielsweise die erzielbaren Recovery Rates der USA von denen in Europa erheblich ab. Schließlich sind Unterschiede bei Bonds und bei Krediten zu verzeichnen. Die Recovery Rates bei Krediten sind im Allgemeinen höher als bei Bonds. Dies wird vor allem auf die Möglichkeit der Banken zurückgeführt, Vertragsklauseln (Covenants) zu verwenden, die z.B. zusätzliche Sicherheiten vorsehen. Die Berechnung der Recovery Rates bei Anleihen bzw. Krediten über Marktwerte erfolgt über die Kursdifferenz zwischen einer risikolosen Anleihe und einer ausfallbedrohten Anleihe, die in Laufzeit und Betrag übereinstimmen. In der Praxis ist es üblich, dass bei Anleihen die Kursdifferenz gleich nach Default und bei Krediten 30 Tage nach Default bestimmt wird.279 Bei einer ausgefallenen Anleihe bzw. einem Kredit beträgt die Ausfallwahrscheinlichkeit eins, so dass die Preisdifferenz ausschließlich auf die Erwartungen hinsichtlich der Verluste zurückzuführen ist (Preis Recovery). Demgegenüber steht die ökonomische Recovery, die auf den tatsächlichen Zahlungen an die Gläubiger beruht und empirisch ermittelt werden kann.
277 278 279
Siehe Moody’s (2004), S. 13; Standard & Poor’s (2005b), S. 4. Siehe Hamerle et al. (2005), S. 3. Siehe Altman et al. (2003), S. 27.
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
115
Tabelle 4 zeigt die dabei auftretenden Unterschiede.280 Preis Recovery in %
Ökonomische Recovery in %
Besicherungsgrad
Durchschnitt
Standardabweichung
Durchschnitt
Standardabweichung
Senior Secured
52,84
23,05
65,1
32,4
34,89
26,62
46,4
36,3
30,17
24,97
31,6
32,6
29,03
22,53
29,4
34,1
Senior Unsecured Senior Subordinated Subordinated
Tab. 4: Preis Recovery und Ökonomische Recovery von 1989-2003
Man kann der Tabelle 4 entnehmen, dass die Preis Recovery geringer ist als die ökonomische Recovery, was aus der Unsicherheit künftiger Rückzahlungen bei ausgefallenen Anleihen bzw. Krediten resultiert.281 Hinzu kommt, dass die durchschnittlichen Recovery Rates sehr stark um den Mittelwert schwanken, weshalb ihnen nur eine eingeschränkte Aussagekraft zukommt. Die Struktur ist dabei nicht symmetrisch, sondern gleicht eher einer Betaverteilung. Daher trägt die Standardabweichung der Recovery Rate wenig zur Erklärung bei, sondern interessanter wären Aussagen über die Quantile der Verteilung. Abbildung 38 stellt die Verteilung der Recovery Rates für den US-Markt für den Zeitraum von 1982 bis 2002 dar.282 Anzahl der Defaults 400 350 300 250 200 150 100 50
90
10 0
80
70
60
50
39
31
14
4
0
Preis nach Default in US-$ Abb. 38: Verteilung der preisbezogenen Recovery Rates von 1982-2002
Relativ hohen Einfluss haben bei der Ermittlung der Recovery Rate die vorhandenen Sicherheiten. Handelt es sich um finanzielle Sicherheiten oder Sicherheiten, für die ein liquider 280 281 282
Siehe Altman et al. (2003), S. 27, 29. Siehe Hartmann-Wendels (2004), S. 515 f. Datenquelle: Moody’s (2003), S. 20
116
Ökonomischer Rahmen
Markt existiert, können die Erlöse daraus gut abgeschätzt werden. Die Verwendung von Sicherheiten erbringt vor allem dann einen großen Nutzen, wenn die Wertentwicklung der Sicherheit nicht hoch mit der Bonität des Kreditnehmers korreliert. Beispielsweise wird ein Immobilienhändler dann insolvent, wenn der entsprechende Markt für Immobilien schlecht ist. Dienen die Immobilien als Sicherheit für einen aufgenommenen Kredit, der nicht mehr bedient werden kann, dann wird in diesem Fall auch die Liquidation der Sicherheiten unter Umständen zu einem geringeren Erfolg führen. Gerade in Hinsicht auf das sich ändernde aufsichtsrechtliche Kreditregime (siehe hierzu Abschnitt 3.5.) werden in der Zwischenzeit viele bankindividuelle Bemühungen unternommen, den LGD zu bestimmen. Als einer der ersten kommerziellen Anbieter hat Moody’s Investor Service das Produkt LossCalc entwickelt, das den LGD bei sofort eintretendem Default oder mit einem Defaulthorizont von einem Jahr berechnet.283 Die Vorgehensweise in LossCalc bei der Ermittlung des LGD erfolgt mittels einer linearen Regression ähnlich wie bei der Jahresabschlussanalyse (siehe Abschnitt 2.2.2.3.). Zunächst werden neun verschiedene Faktoren in fünf Gruppen identifiziert, die Einfluss auf die Verlusthöhe haben (siehe Tabelle 5).284 Sicherheiten
Sicherheiten, wie z.B. Firmeneigentum, Unterstützung von Tochterunternehmen
Art des Forderungstitels und Rangstellung
Informationen über das untersuchte Unternehmen
Branche
Historischer Duch-schnittsLGD je Forderungsklasse
x Relative Rangstellung
x Branchenerfahrung
x Kapitalstruktur
x Distanceto-Default der Branche
x Distance-toDefault (DD)
Makroökonomische und geografische Faktoren
x Distance-toDefault der Region x Sensitivität auf die gesamte Wirtschaftslage
Tab. 5: Erklärende Faktoren in LossCalc
Aus diesen erklärenden Faktoren werden Kennzahlen gewonnen, die schließlich mittels einer linearen Regressionsgleichung gewichtet und zu einem Gesamtergebnis aggregiert werden.
283 284
Für eine ausführliche Beschreibung von LossCalc Gupton/Stein (2005). Siehe Gupton/Stein (2005), S. 10.
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
117
2.6.3. Grundzüge der Kreditrisikomodelle Im Folgenden wird ein Überblick über den Stand der Bewertung bonitätssensitiver Finanztitel gegeben und die grundlegende Unterscheidung zwischen Unternehmenswert- und Intensitätsmodellen getroffen. Auf die Darstellung von Mischformen, die so genannten hybriden Modelle, die Merkmale beider Modelle aufweisen, wird dabei verzichtet. Schließlich wird das zeitdiskrete Modell von Jarrow, Lando und Turnbull näher beschrieben, in das insbesondere die Bonitätseinstufungen Eingang finden. 2.6.3.1. Unternehmenswertmodelle Der Ursprung der Unternehmenswertmodelle oder auch structural models liegt in der Optionspreistheorie.285 Ausgangspunkt der Überlegungen ist, dass der Wert der Aktiva eines Unternehmens maßgeblich dafür ist, ob ein Unternehmen seine Verbindlichkeiten bei Fälligkeit begleichen kann oder nicht.286 Ist zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Wert der Aktiva geringer als der Rückzahlungsbetrag der Verbindlichkeiten, kommt es zu einem teilweisen Ausfall des Fremdkapitals in Höhe des Differenzbetrags der beiden Größen. Zunächst wird angenommen, dass ein ausfallbedrohter Emittent zu einem gewissen Ausfallzeitpunkt lediglich einen Zerobond als Fremdkapitaltitel hält und bis zur Fälligkeit des Zerobonds keine weiteren Forderungstitel emittiert. Die Zahlungsstruktur der ausfallbedrohten Zerobondanleihe bei Fälligkeit entspricht dann der Summe der Zahlungsstruktur eines nicht ausfallbedrohten Zerobonds mit identischem Nominalwert und identischer Fälligkeit und einem europäischen Put auf die Unternehmensaktiva des Emittenten. Der Nominalwert der Aktiva entspricht dabei dem Basispreis. Wird vorausgesetzt, dass
x
ein vollkommener Kapitalmarkt vorliegt,287
x
das Irrelevanztheorem Modigliani-Miller Gültigkeit hat,288
x
eine flache und konstante Zinsstruktur vorliegt,
x
ein kontinuierlicher Handel möglich ist und
x
der Unternehmenswert einer geometrischen Brownschen Bewegung folgt,
dann kann der Wert des europäischen Puts ʌ V und damit der Wert des ausfallbedrohten Zerobonds nach der Black-Scholes-Formel289 arbitragefrei bestimmt werden. Grundsätzlich existieren für den Käufer des Zerobonds drei unterschiedliche Ereignisse:
285 286 287
288 289
Siehe hierzu die grundlegenden Arbeiten von Black/Scholes (1973) und Merton (1974). Ein ähnliches Verfahren wurde in Abschnitt 2.6.2.2. zur Ableitung der PD vorgestellt. Siehe Merton (1974), S. 450; diese Annahme beinhaltet beispielsweise, dass es weder Steuern noch Transaktionskosten gibt, dass alle Finanztitel beliebig teilbar sind, eine atomistische Marktstruktur vorliegt, die Sollzinsen den Habenzinsen entsprechen und dass die Möglichkeit von Leerverkäufen besteht. Zur Definition des vollkommenen Kapitalmarktes siehe auch Fama (1978), S. 273. Zum Modigliani-Miller Theorem siehe Modigliani/Miller (1958). Siehe Black/Scholes (1973).
118
Ökonomischer Rahmen
1) Der Marktwert der Aktiva ist größer als die Rückzahlungsverpflichtungen aus dem Zerobond oder 2) der Marktwert der Aktiva ist identisch mit der Höhe der Rückzahlungsverpflichtung oder 3) der Marktwert der Aktiva ist geringer als die Rückzahlungsverpflichtung. Im ersten Fall kann der Schuldner die Zahlungen aus dem Zerobond vertragsgerecht erfüllen und die Gläubiger erhalten die vereinbarte Rückzahlungssumme. Im zweiten Fall deckt der Marktwert der Aktiva gerade noch die Verpflichtungen des Zerobonds ab, während im dritten Fall das Unternehmen weniger Wert ist als die Rückzahlungsverpflichtung. Falls keine weiteren Eigenmittel aufgenommen werden können, ist das Unternehmen insolvent und die Gläubiger erhalten das Unternehmen. Sie erleiden demnach einen Verlust in Höhe des Differenzbetrags aus vereinbartem Rückzahlungsbetrag des Zerobonds und den Aktiva des Unternehmens. Die Eigenkapitalgeber des Unternehmens haben am Fälligkeitstermin des Zerobonds die Möglichkeit, dem Gläubiger entweder den vereinbarten Nominalbetrag zurückzuzahlen oder ihm das Unternehmen zu übergeben. Die Eigenkapitalgeber haben die Option, das Unternehmen zum Rückzahlungsbetrag des Zerobonds (Basispreis) an den Gläubiger zu übertragen. Ihre Position entspricht der eines Käufers eines Put. Abbildung 39 veranschaulicht diesen Sachverhalt grafisch. Übersteigt der Marktwert der Aktiva den vereinbarten Rückzahlungspreis (Basispreis), verfällt die Option wertlos, während es im umgekehrten Fall zu einer Ausübung der Option kommt. Der Gläubiger befindet sich in der Gegenposition und ist dementsprechend Stillhalter der Put-Option. Er erhält zusätzlich zum risikolosen Zins eine Risikoprämie für die Übernahme des Ausfallrisikos. Diese Risikoprämie wird zunächst als absolute Größe berechnet, die sich als Prämie auf den kompletten Kreditbetrag bezieht. Setzt man den ermittelten Prämienbetrag ins Verhältnis zum Rückzahlungsbetrag des Kredites, erhält man die prozentuale Risikoprämie, den Credit Spread.
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
119
Zerobond-Rückzahlungsverpflichtung
Basispreis
Marktwert der Aktiva
Abb. 39: Auszahlungsprofil eines Put aus Sicht des Schuldners
Die restriktiven Annahmen des Black-Scholes-Modells waren Ausgangspunkt für eine Reihe von Verallgemeinerungen dieses Ansatzes. Die Annahme einer flachen und konstanten Zinsstruktur wurde zugunsten einer sich im Zeitablauf stochastisch verändernden Zinsstruktur aufgegeben.290 Zudem wurde der Ausschluss des Ausfalls des Unternehmens vor Fälligkeit des emittierten Zerobonds aufgehoben und um die Möglichkeit eines vorzeitigen Ausfalls erweitert.291 Damit fällt das Unternehmen aus, sobald der Wert der Aktiva zu einem beliebigen Zeitpunkt vor Fälligkeit des Zerobonds geringer ist als eine als deterministische Funktion der Zeit modellierte, exogen vorgegebene untere Schranke. Die Gläubiger des Zerobonds erhalten daher nur noch den Unternehmenswert, der aufgrund der Stetigkeit der Pfade des Unternehmenswertprozesses genau dem Schrankenwert zum Ausfallzeitpunkt entspricht. Findet der Ausfall zum Fälligkeitszeitpunkt des Zerobonds statt, ist die Identität zum Grundmodell gegeben und die Gläubiger erhalten das Minimum aus dem Marktwert der Aktiva und dem vereinbarten Rückzahlungsbetrag. Die ausschließliche Bewertung der Forderungstitel unter Zuhilfenahme der Zahlungsstruktur eines Zerobonds wurde durch die Bewertung einer ausfallbedrohten Kuponanleihe im Rahmen eines Compound Options-Ansatzes ersetzt.292 Auf die Modellierung des Unternehmenswertes als geometrische Brownsche Bewegung wurde ebenfalls in verschiedenen Arbeiten verzichtet. So wurden anstelle eines Diffusionsprozesses mit stetigen Pfaden beispielsweise Sprung-Prozesse für die Bewertung ausfallgefährdeter
290
291 292
Siehe hierzu die Arbeiten von Shimko et al. (1993); Longstaff/Schwartz (1995); Briys/de Varenne (1997) und Schöbel (1999). Vgl. Black/Cox (1976). Siehe Geske (1977).
120
Ökonomischer Rahmen
Finanztitel verwendet.293 Dabei wird die Unternehmenswertrendite als Summe eines Driftterms und eines homogenen Poisson-Prozesses mit binomial verteilter, vom Sprungzeitpunkt unabhängiger Sprunghöhe ermittelt. Der Default tritt dann ein, sobald der Marktwert der Aktiva eine zeitvariable, jedoch wiederum deterministische Schranke unterschreitet. In diesem Fall erhalten die Gläubiger den Unternehmenswert.294 Im Rahmen weiterer Arbeiten wurde eine für die Eigentümer des Unternehmens optimale Ausfallschranke modellendogen modelliert, Steuern, Insolvenzkosten und Agency-Kosten implementiert,295 so dass die sehr rigiden Annahmen des Grundmodells weitgehend aufgehoben wurden. Problematisch am Konstrukt der Unternehmenswertmodelle ist die Bestimmung der zentralen Eingangsparameter, d.h. des Unternehmenswertes und dessen Volatilität. Dadurch, dass an dieser Stelle der Marktwert der Aktiva benötigt wird, ist die Verwendung von Bilanzdaten nicht bzw. nur eingeschränkt möglich. Zudem ist der modellendogen ermittelte im Vergleich zu dem in der Realität auftretenden Credit Spread zwischen einer beliebigen risikobehafteten Anleihe und einer risikolosen Anleihe mit ansonsten identischen Merkmalen meist zu niedrig.296 Aufgrund dieser Schwächen der Unternehmenswertmodelle wurden zu Beginn der 90er Jahre die so genannten Intensitätsmodelle entwickelt. Ein Überblick über diese Ansätze wird im folgenden Abschnitt gegeben. 2.6.3.2. Intensitätsmodelle Im Gegensatz zu den Unternehmenswertmodellen, bei denen der Ausfallzeitpunkt endogen ermittelt wird, erfolgt bei Intensitätsmodellen oder auch reduced-form models dessen Bestimmung über einen exogen vorgegebenen Ausfallprozess. Der Ausfallzeitpunkt wird dabei mittels des ersten Sprungs eines Sprungprozesses ermittelt. Der Marktwert der Aktiva des Emittenten eines ausfallbedrohten Titels sowie dessen Kapitalstruktur fließen nicht in die Modellierung ein und haben deshalb auch keinen direkten Einfluss auf die Ausfallhöhe oder den Ausfallzeitpunkt.297 Intensitätsmodelle unterscheiden sich zum einen bei der Modellierung des Intensitätsratenprozesses, der konstant, zeitvariabel oder stochastisch sein kann, und zum anderen durch die Berücksichtigung der Recovery Rate. Weil der Unternehmenswert nicht endogen bestimmt wird, muss die Recovery Rate vorgegeben werden. Dafür wird meist die Annahme getroffen, 293 294
295 296 297
Siehe Bhattacharya/Mason (1981). Verallgemeinert wurde dieser Ansatz durch Zhou (2001), der für die Modellierung der Unternehmenswertrenditen einen Sprung-Diffusionsprozess mit jeweils unabhän-gigen, lognormalverteilten Sprunghöhen einführte. Zu einem ähnlichen Ansatz siehe Schönbucher (1996). Zu diesen Ansätzen siehe beispielsweise Leland/Toft (1996) und Uhrig-Homburg (2001). Siehe Kim et al. (1993), S. 117 f. Vgl. Grundke (2003), S. 17; Es besteht jedoch bei hybriden Modellen die Möglichkeit, dass der Intensitätsprozess, der die Wahrscheinlichkeitsverteilung für den Zeitpunkt des ersten Sprungs bestimmt, von stochastischen Zustandsvariablen, wie z.B. dem Marktwert der Unternehmensaktiva, abhängt.
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
121
dass im Falle eines Ausfalls die Gläubiger die Recovery Rate in eine ausfallrisikolose Anleihe mit ansonsten identischen Ausstattungsmerkmalen im Vergleich zur ausgefallenen Anleihe eintauschen. Weitere Varianten gehen davon aus, dass die Gläubiger zum Ausfallzeitpunkt einen Anteil des Nominalwertes oder einen Anteil des Marktwertes der Anleihe kurz vor Ausfall erhalten.298 Die Marktwerte ausfallbedrohter Anleihen sind im Gegensatz zu den structural models bei reduced-form models Inputparameter, die zur Schätzung der Modellvariablen herangezogen werden.299 Bei der Schätzung dieser Parameter, die auch als Kalibrierung bezeichnet wird, wird darauf geachtet, dass die Ergebnisse des Modells eine hohe Übereinstimmung mit den tatsächlich beobachtbaren Marktwerten haben. Die ersten Intensitätsmodelle wurden von Jarrow und Turnbull in zeitdiskreter und zeitstetiger Form entwickelt, wobei die Zinsstruktur stochastisch und vom Ausfallzeitpunkt unabhängig ist.300 Im stetigen Modell ist der Ausfallzeitpunkt unter dem realen Wahrscheinlichkeitsmaß exponential verteilt mit konstantem Parameter Ȝ R . Dies ist äquivalent zu der Bedingung, dass der Zeitpunkt des Ausfalls dem ersten Sprung eines homogenen Poisson-Prozesses mit Intensitätsrate Ȝ entspricht. Zusätzlich wird angenommen, dass die Gläubiger im Ausfallzeitpunkt den Anteil į >0,1@ einer ausfallrisikolosen Anleihe bekommen. Der Wert eines ausfallbehafteten Zerobonds ergibt sich dann aus dem Produkt des Preises eines ausfallrisikolosen Zerobonds und et . Der Multiplikator et kann dabei den Wert eins, falls kein Ausfall bis zum Zeitpunkt t erfolgt ist, und į, falls ein Ausfall bis zum Zeitpunkt t vorliegt, annehmen. Die beiden Konstanten į und Ȝ werden exogen vorgegeben. In weiteren Arbeiten wurde z.B. die Annahme der konstanten Intensitätsrate Ȝ durch eine Intensitätsrate, die eine Funktion des Eigenkapitalwertes des emittierenden Unternehmens ist, ersetzt.301 Weiterhin wurde angenommen, dass die Gläubiger im Falle des Ausfalls einen betaverteilten Anteil einer ausfallrisikolosen Anleihe mit ansonsten gleichen Ausstattungsmerkmalen erhalten. Einen Teilbereich der Intensitätsmodelle bilden die ratingbasierten Modelle. Typischerweise wird bei diesen Modellen nicht nur unterschieden, ob ein Ausfall stattgefunden hat oder nicht, sondern dass auch Zwischenformen, z.B. die Zugehörigkeit zu einer Ratingklasse, möglich sind.302 Im Folgenden sollen nun beispielhaft die Annahmen und die Grundstruktur des zeitdiskreten Modells von Jarrow, Lando und Turnbull (1997) zur Bewertung bonitätssensitiver Finanztitel vorgestellt werden. 298 299 300 301 302
Siehe Grundke (2003), S. 17. Siehe Schönbucher (2000), S. 5. Siehe Jarrow/Turnbull (1995). Siehe Madan/Unal (1998). Zur Darstellung von weiteren ratingbasierten Intensitätsmodellen siehe beispielsweise Das/Tufano (1996) oder Kijima/Komoribayashi (1998).
122
Ökonomischer Rahmen
2.6.3.3. Zeitdiskretes Modell von Jarrow, Lando und Turnbull Im hier vorgestellten zeitdiskreten Modell werden die Entwicklung der Zinsstruktur und die Bonitätszustände stochastisch beschrieben.303 Folgende Annahmen sollen gelten: a. Gegeben sei der Wahrscheinlichkeitsraum t >0, A @ . Mit FA
ȍ,F,P
und die Filtration Ft , wobei
F wird die bis zum Zeitpunkt t verfügbare Informationsmenge be-
schrieben. P bezeichnet das reale Wahrscheinlichkeitsmaß und A 0, f ist ein endlicher, in der Zukunft liegender Zeitpunkt. b. Es liegt ein vollkommener Kapitalmarkt vor, auf dem an endlich vielen Zeitpunkten im Intervall >0, A @ gehandelt werden kann. Dieses Intervall wird in s IN gleich lange Zeitabschnitte der Länge v ! 0 eingeteilt, wobei dann v : Handelszeitpunkte sind damit H :
A . Die sich daraus ergebenden s
^0, v, 2v, ..., (s - 1)v, A`.
c. Es existiert ein eindeutiges zum realen Wahrscheinlichkeitsmaß P äquivalentes Martin~ galmaß P , bezüglich dessen, die mit dem Geldmarktkonto304 Bt diskontierten Preise der risikolosen und ausfallbedrohten Zerobonds, Martingale sind. d. Der Wert für einen risikolosen Zerobond mit Nominalwert eins und Fälligkeit T >0, A @ im Zeitpunkt t >0, T @ sei pt, T . Weiterhin wird mit f t, T , wobei t, T H | ^A`, t d T , der im Zeitpunkt t bekannte ausfallrisikolose, konforme Terminzinssatz für den Zeitraum
>T, T v @ , der über die Gleichung f t, T
lnpt, T v /pt, T /v definiert ist, bezeich-
net. Die Größe r t , wobei t H | ^A` , sei der ausfallrisikolose, konforme Zinssatz im Zeitpunkt t für das Intervall >t, t v @ . Damit gilt r t f t, t t H | ^A`. Der ausfallrisikolose, kurzfristige Zinssatz r t wird damit selbst als zufällige Größe modelliert. Die Werte des ausfallrisikolosen Zerobonds und des Geldmarktkontos werden für t, T H, t d T wie folgt bestimmt:
303 304
§ T 1 · ¨ v ¸ exp¨ ¦ f t, jv v ¸ , ¨ ¸ t ¨ j ¸ v © ¹
(47)
pt, T
(48)
§ t 1 · ¨v ¸ Bt exp¨ ¦ r iv v ¸ ¨i 0 ¸ ¨ ¸ © ¹
§ t 1 · ¨v ¸ exp¨ ¦ f iv, iv v ¸ . ¨i 0 ¸ ¨ ¸ © ¹
Siehe im Folgenden Jarrow et al. (1997). Damit wird die revolvierende, kurzfristige Anlage zum jeweiligen aktuellen, einperiodigen, ausfallrisikolosen Zinssatz verstanden.
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
123
e. Es findet ein liquider Handel in ausfallrisikolosen und ausfallrisikobehafteten Zerobonds aller Bonitätsstufen/Ratings und Laufzeiten zu den jeweiligen Handelszeitpunkten und in risikolosen Geldmarktkonten statt. f. Der ausfallrisikolose Zinsprozess r t tH und somit auch der Wert des Geldmarktkontos
Bt tH
und die Zufallsvariable IJ , die den Defaultzeitpunkt beschreibt, sind stochastisch ~ unabhängig unter dem äquivalenten Martingalmaß P . g. Der jeweilige Bonitätszustand des Emittenten des ausfallrisikobehafteten Zerobonds zum Zeitpunkt t wird unter dem realen Wahrscheinlichkeitsmaß P durch eine homogene Markov-Kette Ș t tH modelliert.305 Bezüglich des Parameterraums wird H H* angenommen, d.h., die Bonitätszustände sind an den jeweiligen Handelszeitpunkten beobachtbar. Zudem beinhaltet der Bonitätszustand O
^1,2,..., G 1, G` alle potenziellen Bonitätszu-
stände, wobei 1 der beste und G (Insolvenz) der schlechteste Bonitätszustand sind. Die Übergangswahrscheinlichkeiten qi, j t, t v { qi, j : PȘ t v
(49)
j | Șt
i ,
mit i, j O; t H | ^A`
geben die Wahrscheinlichkeit an, mit der sich der Emittent im Zeitpunkt t+v im Bonitätszustand j befindet, während er im vorherigen Zeitpunkt t im Bonitätszustand i war. Die Übergangsmatix der einschrittigen Übergangswahrscheinlichkeiten ergibt sich deshalb zu (50)
Q
qi, j 1d i, j d G
... ... q1, G · § q1,1 ¨ ¸ ... ... ... ¸ ¨ ... , ¨q ... ... qG 1, G ¸ ¨ G 1,1 ¸ ¨ 0 ¸ 0 0 1 ¹ ©
wobei: (51)
qi, j t 0
(52)
¦ qi, j 1 i, j O .
i, j O ,
G
j 1
Die Gestalt der G-ten Zeile von Q wird dabei so gewählt, dass der Insolvenzzustand als absorbierender Zustand dargestellt wird. Praktisch bedeutet dies, dass bei Eintritt der Insolvenz in einem beliebigen Zeitpunkt der Emittent in den nachfolgenden Zeitpunkten mit einer Wahrscheinlichkeit von eins in der Kategorie G (Insolvenzzustand) verbleibt. Die Wahrscheinlichkeit q i, j n des Übergangs vom Bonitätszustand i in den Bonitätszustand j nach n Perioden stimmt mit den Einträgen der n-schrittigen Übergangsmatrix
Qn
305 306
qi,j n 1d j,jdG überein. Diese kann wie folgt errechnet werden306:
Siehe Altman/Kao (1991) zur empirischen Überprüfung dieser Annahme. Siehe Fahrmeir et al. (1981), S. 19.
124
Ökonomischer Rahmen
Qn Q n .
(53)
~ h. Die einschrittige Übergangsmatrix unter dem äquivalenten Martingalmaß P hat dabei folgenden Gestalt: ~
§~ · ¨¨ qi, j t, t v ¸¸ © ¹1di, jdG
Qt, t v
(54)
§ ~ ¨ q1,1 t, t v ¨ ... ¨~ ¨q t, t v ¨¨ G1,1 0 ©
~ · q1,G t, t v ¸ ¸ ... ¸, ~ ... ... q G1,G t, t v ¸ ¸¸ 0 ... 1 ¹
... ... ... ...
wobei: ~
(55)
q i, j t, t v t 0 i, j O, t H | ^A` ,
(56)
q i, j t, t v : 1 ¦ qi, j t, t v i O, t H | ^A` ,
~
G
~
j 1, jzi
(57)
~
q i, j t, t v ! 0 t H | ^A` q i, j ! 0 i, j O .
~ Wie an der Zeitpunktindizierung von Qt, t v zu sehen ist, wird die Annahme der Ho~ mogenität der Markov-Kette unter dem äquivalenten Martingalmaß P aufgegeben. Durch ~ (55) und (56) wird gewährleistet, dass Qt, t v eine stochastische Matrix ist. Bezüglich der Normierung der Zeilensumme werden die Elemente der Hauptdiagonale herangezogen. Diese werden so bestimmt, dass die Zeilensumme eins ergibt. Schließlich stellt (57) ~ die Äquivalenz der Wahrscheinlichkeitsmaße P und P sicher. Wird angenommen, dass zwischen den einschrittigen Übergangswahrscheinlichkeiten qi, j unter dem Wahrscheinlichkeitsmaß P und den einschrittigen Übergangswahrscheinlich~ ~ keiten qi,j unter dem Wahrscheinlichkeitsmaß P folgender Zusammenhang besteht: (58)
~
q i, j t, t v
ʌ i t q i, j i, j O; i z j; t H | ^A` ,
dann kann ʌ i t als ratingklassenspezifische, deterministische Funktion der Zeit aufgefasst werden. Dabei hat ʌ i t die folgenden Eigenschaften: (59) (60)
~
q i, j t, t v t 0 i, j O; i z j, t H | ^A` G
und
~
¦ qi, j t, t v ʌ i t 1 qi,i d 1 i O; t H | ^A` .
j 1, jzi
i. Es wird weiterhin definiert, dass v' t, T mit t, T H; t d T; i O dem Wert eines ausfallbedrohten Zerobonds im Zeitpunkt t entspricht, wobei sich dessen Emittent zu diesem Zeitpunkt im Bonitätszustand i befindet und dessen Nominalwert im Fälligkeitszeitpunkt T eins beträgt. Zudem sei į >0,1@ die exogen vorgegebene und von der Rangstellung
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
125
oder dem Wert der gestellten Sicherheiten abhängige Recovery Rate.307 Es besteht die Annahme, dass die Gläubiger zum Insolvenzzeitpunkt IJ einen Betrag in Höhe von įpt, T erhalten. Der Zahlungsanspruch aus dem ausfallbedrohten Zerobond v' IJ, T
wird in diesem Fall in einen prozentualen Zahlungsanspruch in Höhe von į aus einem risikolosen Zerobond pIJ, T mit identischer Restlaufzeit und identischem Nominalbetrag umgewandelt (Recovery-of-Treasury-Annahme). Unter der Annahme, dass IJ : min^r H : Șr
(61)
G`,
gilt für den Insolvenzzeitpunkt des Emittenten des Zerobonds wegen der Martingaleigenschaft ~ der mit dem Geldmarktkonto diskontierten Preisprozesse unter P : pt, T
(62)
~ ª Bt º EP « pT, T | Ft » ¬ BT ¼
~ ª Bt º EP « | Ft » ¬ BT ¼
~ ª Bt º EP « » ¬ BT ¼
und v' t, T
(63)
~ ª Bt º E Pt,i « v T, T » ¬ BT ¼
~ ª Bt º E Pt,i « 1 * 1^IJ !T` į * 1IJ dT » . ¬ BT ¼
~
Mit E Pt,i >...@ wird der bezüglich Ft bedingte Erwartungswert bezeichnet. Er beinhaltet u.a. die Information, dass sich der Emittent des Zerobonds im Zeitpunkt t im Bonitätszustand i befindet. Da die stochastische Unabhängigkeit der Entwicklung des ausfallrisikolosen Zerobonds ~ und des Bonitätszustandsprozesses unter P vorausgesetzt wurde (Annahme f.), kann (63) umgeformt werden zu: ª Bt º§ P P v' t, T EPt,i « »¨¨ E t,i 1^IJ ! T` įE t,i 1^IJ d T` ¬ BT ¼© ~
(64)
~
>
~
@
>
~
~
@·¸¸ pt, T §¨¨ EPt,i >1^IJ ! T` @ įEPt,i >1^IJ d T` @·¸¸ . ¹
©
¹
Über die Definition der bedingten Wahrscheinlichkeit über den bedingten Erwartungswert der zugehörigen Indikatorvariable (65)
~
~
PU | Ft : EPt >1U @ , mit U F ,
kann (64) wie folgt dargestellt werden: (66)
§~ v' t, T pt, T ¨¨ PIJ ! T | Ș t ©
~
i į PIJ d T | Ș t
· i ¸¸ ¹
~ § pt, T ¨¨ į 1 į PIJ ! T | Ș t ©
Da die Ergebnisse ^IJ ! T` und ^Ș T z G` äquivalent sind,308 gilt damit (67)
~
PIJ ! T | Ș t
i
G 1 ~
~
¦ qi, j t, T 1 qi,G t, T .
j 1
307 308
Siehe Jarrow et al. (1997), S. 485. Diese Aussage kann getroffen werden, da G der absorbierende Bonitätszustand G ist.
· i ¸¸ . ¹
126
Ökonomischer Rahmen
Der Wert eines ausfallbedrohten Zerobonds stellt sich dann wie folgt dar: § § ~ ·· v' t, T pt, T ¨ į 1 į ¨¨1 qi,G t, T ¸¸ ¸ . ¨ ¸ © ¹¹ ©
(68)
~ Dabei beschreibt qi,j t, T die mehrstufige Übergangswahrscheinlichkeit unter dem äquivalen-
~ ten Martingalmaß P , im Zeitintervall >t, T @ vom Bonitätszustand i in den Bonitätszustand j zu
wechseln. Die konforme Kassa-Rendite rȘt t, T eines ausfallbedrohten Zerobonds mit Restlaufzeit T-t und Nominalwert eins ergibt sich zu (69)
1* e
rȘ t (t, T)(T t)
v Șt (t, T) rȘt (t, T)(T t)
lnv Șt (t, T) rȘt (t, T)
lnv Șt (t, T) , Tt
wobei der Emittent sich im Zeitpunkt t H im Bonitätszustand Ș t O befindet. Die ausfallrisikolose Rendite r(t, T) gilt entsprechend: (70)
r(t, T)
lnp(t, T) . Tt
Aus (69) und (70) ergibt sich damit für den laufzeit- und bonitätszustandsabhängigen Spread s Șt (t, T) , wobei Ș t O :
(71)
s Șt (t, T) : rȘt (t, T) r(t, T)
v Șt (t, T) 1 . ln p(t, T) Tt
Berücksichtigt man dabei noch (68), resultiert daraus für den Spread: (72)
s Șt (t, T)
~ 1 309 ln(į (1 į)(1 qȘt ,G (t, T)) . Tt
In diesem Modell ist der Credit Spread also abhängig von der Restlaufzeit, der Recovery Rate des ausfallbedrohten Zerobonds und der risikoneutralisierten Ausfallwahrscheinlichkeit. Eine direkte Abhängigkeit von der Entwicklung des risikolosen Zinssatzes besteht nicht. Ebenso besteht auch keine indirekte Abhängigkeit, da weder die Recovery Rate noch die risikoneutralisierten Ausfallwahrscheinlichkeiten mit dem risikolosen Zinssatz korrelieren. Die Einflussfaktoren auf den Spread in t
0 sind bekannte Größen, weshalb auch der Spread s Șt (t, T) für
jeden Bonitätszustand Ș t O in t
0 mit Sicherheit bekannt ist. Eine stochastische Sprea-
dentwicklung sieht dieses Modell somit nicht vor. Dafür wären entweder eine stochastische
309
Hat bis zum Zeitpunkt t bereits eine Insolvenz stattgefunden, ist also ^IJ d t` , dann ist der Emittent des Zerobonds in t wegen der Absorptionseigenschaft des Insolvenzzustandes im Bonitätszustand Ș t G . ~
Daraus ergibt sich q Șt
G,G (t, T)
1 und somit s Șt
G (t, T)
(T t) 1lnį .
2.6. Verfahren zur Messung des Ausfallrisikos
127
Recovery Rate,310 stochastische Übergangswahrscheinlichkeiten311 oder eine Korrelation zwi~ schen dem risikolosen Zinssatz und dem Bonitätszustandsprozess unter P nötig.312 Wie dargestellt, erfordert dieses Modell einen relativ geringen mathematischen Aufwand und zur Implementierung des Modells sind verhältnismäßig wenige Inputgrößen nötig. Dennoch weist dieses Modell einige Schwächen auf. Dabei ist vor allem die fehlende zeitkontinuierliche Betrachtung, das Fehlen stochastischer Recovery Rates, die fehlenden stochastischen Übergangswahrscheinlichkeiten, die fehlende Korrelation stochastischer Größen, die fehlende Volatilität des durchschnittlichen Spreads je Bonitätszustandsklasse, das Fehlen nichtmarkov’scher Merkmale des Bonitätszustandsprozesses und die fehlende Eindeutigkeit der risikoneutralisierenden Übergangsmatrix zu nennen.313 Trotz der angesprochenen Kritikpunkte liefert das Modell von Jarrow, Lando und Turnbull wertvolle Einblicke in die Modellierung von Ausfallrisiken unter expliziter Beachtung des Bonitätszustands. 2.6.3.4. Kritische Würdigung Sowohl die Unternehmenswert- als auch die Intensitätsmodelle und darunter insbesondere das Modell von Jarrow, Lando und Turnbull leisten trotz ihrer Schwächen einen wesentlichen Beitrag zu der Bewertung von Kreditrisiken und daher zur Ableitung eines risikoadjustierten Credit Spreads. So müssen die Marktteilnehmer die Ausfallrisiken nicht nur auf Basis approximativer Vorteilhaftigkeitsüberlegungen abschätzen, sondern können sie anhand fundierter, zukunftsgerichteter, theoretischer Modelle herleiten. Im Bereich der Inputparameter weisen beide Modellkategorien noch bedeutende Schwächen auf. So ist bei den Strukturmodellen der Unternehmenswert des Emittenten eines ausfallbehafteten Zerobonds bzw. dessen Volatilität in der Praxis nicht ohne weiteres abzuleiten. Da deren Ableitung nicht standardisiert erfolgt, werden in der Praxis meist verschiedene Modelle verwendet. Bei den Reduktionsmodellen stellt sich die Ermittlung der Matrizen für die Übergangswahrscheinlichkeit zwischen den Ratingklassen als schwierig heraus. Insbesondere für nicht geratete Unternehmen ist dies problematisch, da keine Informationen darüber vorliegen, wann diese Unternehmen insolvent werden.
310 311 312 313
Siehe hierzu das zeitdiskrete Modell von Das/Tufano (1996). Siehe hierzu das zeitkontinuierliche Modell von Lando (1994) und Lando (1998). Siehe hierzu die Modellerweiterung von Thomas et al. (1998). Für eine ausführliche Kritik am Modell von Jarrow, Lando und Turnbull siehe Grundke (2003), S. 180 ff.
128
Ökonomischer Rahmen
Im Modell von Jarrow, Lando und Turnbull wird die Übergangsmatrix dadurch bereinigt, dass diese Unternehmen anteilig auf die anderen Ratingklassen verteilt werden. Die beispielhaft herausgestellten Schwierigkeiten bei den einzelnen Verfahren verdeutlichen, dass trotz der theoretischen Fundiertheit der Modelle gerade die Eingangsparameter teilweise stark von subjektiven Einflüssen abhängig sind. Zudem ist beiden Modellvarianten inhärent, dass lediglich das Ausfallrisiko berücksichtigt wird. Andere mit der Kreditvergabe verbundene Risiken, wie z.B. Termin- und Liquiditätsrisiken, werden nicht berücksichtigt. Schließlich ist zu bemerken, dass der Risikoverbund zu anderen Kreditengagements nicht in die Modelle einbezogen wird. Dies erscheint insofern als wichtig, da die Kreditinstitute an vollkommenen und effizienten Kapitalmärkten nicht für die volle Schwankungsbreite des Kreditengagements entlohnt werden. Speziell die Berücksichtigung systematischer Risiken, die nicht durch Diversifikation reduziert werden können, finden in den angesprochenen Ansätzen keine Beachtung. Im folgenden Abschnitt werden die Grundlagen des Kreditportfoliomanagements dargestellt, bevor dann die derzeit in der Praxis gängigen Kreditportfoliomodelle kurz vorgestellt werden, die nicht nur einen Einzelkredit, sondern eine Vielzahl von Krediten berücksichtigen. 2.7. Portfoliomanagement von Krediten Für die zielgerichtete Steuerung von Kreditrisiken ist zunächst ihre Messung und Bewertung unabdingbar. Das Ziel besteht darin, das Risiko-/Ertrags-Profil des Kreditportfolios optimal zu gestalten, damit eine effektive Risikobegrenzung und eine langfristige Ertragssicherung umgesetzt werden können. Ausgangspunkt für die Kreditrisikosteuerung ist deshalb das Ausfallrisiko des einzelnen Schuldners. Zur optimalen Gestaltung dienen u.a. Maßnahmen wie die Kreditrationierung,314 die Kreditbesicherung, Kündigungsrechte, besondere Vertragsklauseln (Covenants) und letztlich auch die Kreditwürdigkeitsprüfung, die die Wahrscheinlichkeit und die Ausfallhöhe einzelner Engagements begrenzen und messen sollen. Bei der Kreditportfoliosteuerung werden alle Kredite als Ganzes betrachtet, da die Ausfallkorrelationen einen großen Einfluss auf das Gesamtrisiko des Kreditportfolios haben.315 Die Kreditportfoliomodelle werden vor allem eingesetzt, um den Grad der Diversifikation und eine übermäßige Konzentration auf bestimmte Branchen, Länder oder Kreditnehmer offen zu legen. Dabei ist die Granularität eine wichtige Steuergröße. Besteht eine hohe Granularität innerhalb eines Portfolios, setzt sich das gesamte Kreditvolumen aus vielen kleinen Krediten zusammen. Der Ausfall eines einzelnen Schuldners würde damit die Ertragslage einer Bank nicht nachhaltig beeinflussen. Dagegen können so genannte Klumpenrisiken für eine Bank existenzgefährdend sein.
314 315
Zur Kreditrationierung siehe Sachverständigenrat (2005), Ziffer 377. Siehe Hartmann-Wendels (2004), S. 588.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
129
Bezugsgröße für die Kreditrisiken ist das Eigenkapital, das die unerwarteten Verluste auffangen soll. Dies betrifft sowohl die interne Risikosteuerung als auch Vorschriften zur bankaufsichtlichen Regulierung.316 Unter der Annahme, dass das vorhandene Eigenkapital knapp und kurzfristig nicht zu verändern ist, sind die Kreditengagements einzugehen, die einen positiven Wert für die Kredit gebende Bank haben und zugleich die höchste Rendite, bezogen auf die knappe Ressource Eigenkapital, erzielen. Zur Verdeutlichung dieses Sachverhalts sei angenommen, dass eine Bank in Zeiten unvollständiger Eigenkapitalauslastung einen Kredit an einen Schuldner mit erstklassiger Bonität ausreicht. Dieser Kredit bringt zwar nur eine geringe Zinsspanne, bindet aber auch nur einen geringen Betrag an ökonomischem Eigenkapital. Falls die regulatorische Eigenkapitalbelastung die ökonomische übersteigt, könnte es in Zeiten einer Eigenkapitalknappheit sinnvoll sein, sich des Kreditengagements z.B. auf einem Sekundärmarkt zu entledigen und das frei werdende Eigenkapital dort zu verwenden, wo höhere Renditen zu erwirtschaften sind. 2.7.1. Notwendigkeit des Kreditportfoliomanagements Die Basis für das Kreditportfoliomanagement ist die Erkenntnis, dass Kreditausfälle trotz einer Kreditprüfung nicht vermeidbar sind. Trotzdem stellt sich die Frage, warum nicht bereits nach der Kreditvergabe ein optimales Kreditportfolio existiert. Dies resultiert in der Praxis daraus, dass die Höhe und die Qualität der Kredite zumeist durch den Kundenkreis der Bank und deren Kreditbedarf determiniert sind. Ein Kreditinstitut hat dabei meist die Ressourcen, sich auf die Kreditvergabe an bestimmte Kundengruppen, Länder oder Branchen zu spezialisieren. Diese Konzentration kann auch aus wettbewerbsmäßigen Überlegungen sinnvoll sein, da somit Kernkompetenzen aufgebaut werden. Durch einen zunehmenden Grad an Spezialisierung wird jedoch der Bedarf nach einem aktiven Kreditportfoliomanagement umso größer, je größer die daraus resultierenden Einzelengagements und die Konzentration unter Berücksichtigung aller Korrelationen sind.317 Das Ziel der Bank ist es, einerseits die Spezialisierungsvorteile zu bewahren und andererseits dennoch ein hinsichtlich Rendite und Risiko optimales Kreditportfolio zu halten. Dazu bietet sich beispielsweise die Anpassung der Zielkreditnehmerschaft an, die meist mit einer Vergrößerung des Kundenkreises einhergeht. Dies ist jedoch eine langfristig wirkende Maßnahme, die meist die Gefahr des Verlustes von Spezialisierungs- und von Differenzierungsvorteilen gegenüber den Wettbewerbern mit sich bringt. Daher ist es für die Bank von Vorteil, die Kredite unter Ausnützung der Spezialisierungsvorteile zu vergeben und danach eine Optimierung des Kreditportfolios unter Rendite-/RisikoGesichtspunkten durch ein effizientes Kreditportfoliomanagement durchzuführen. Das Kre-
316 317
Zur bankaufsichtlichen Regulierung siehe Kapitel 2. Vgl. Franzetti (2001), S. 186.
130
Ökonomischer Rahmen
ditportfoliomanagement ist dahingehend für alle Banken von großer Wichtigkeit, wobei die Bedeutung mit zunehmendem Spezialisierungsgrad steigt. 2.7.2. Begriffliche Abgrenzung und Grundlagen Der Begriff des Kreditportfoliomanagements wird in der jüngeren Vergangenheit meist in verschiedenen Zusammenhängen verwendet.318 Daher soll, bevor auf die Grundlagen und anschließend auf die Methoden des Kreditportfoliomanagements eingegangen wird, zunächst eine Definition dieses Begriffs im Vordergrund stehen. Dabei werden die Begriffe „Kreditrisiko“, der Handlungsbereich einer Bank, und der darauf aufbauende Maßnahmenkatalog, das „Management“, separat dargestellt. Generell kann ein Kreditportfolio rein risikobezogen oder im Spannungsfeld zwischen Risiko und Rendite betrachtet werden.319 Unter der Risikoperspektive werden alle mit Ausfallrisiken behafteten Bankgeschäfte subsumiert. Dazu gehören die verbrieften und unverbrieften Kreditgeschäfte ebenso wie die Termingeschäfte, die ihren Niederschlag im Wiedereindeckungsrisiko finden. Der zweite Ansatz beinhaltet die riskanten Positionen, deren Renditeerwartungen vor allem auf der Risikoeinschätzung des Vertragspartners basieren. Da der Abschluss von Termingeschäften meist nur durch Marktdaten, wie etwa das Zinsniveau, getrieben wird und nicht direkt von der Bonität des Vertragspartners abhängig ist, bleiben diese Geschäfte unberücksichtigt. Da in der bankbetrieblichen Praxis der Kredit- und der Terminbereich hinsichtlich Risiko und Ertrag meist unterschiedlich gesteuert werden und ein Augenmerk sowohl auf das Risiko als auch auf den Ertrag gelegt werden soll, wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit der Rendite-/Risiko-Ansatz verwendet. Die Maßnahmen, die sich im Management verbergen, können nach dem klassischen Managementbegriff nach institutioneller und funktionaler Dimension unterschieden werden.320 Die institutionelle Perspektive legt dabei den Fokus auf die mit der Erledigung der Aufgaben befassten organisatorischen Einheiten. Dies bedeutet für den Bereich des Kreditrisikomanagements, dass alle organisatorischen Einheiten beschrieben werden, die Aufgaben in diesem Bereich erledigen. Die funktionale Sichtweise beschäftigt sich dagegen mit der Gesamtheit aller Überlegungen, Entscheidungen und Aktivitäten, die die Planung, Realisation und Kontrolle des ausfallrisikobehafteten Kreditgeschäftes unter Berücksichtigung von Chancen und Risiken mit sich bringt.321 Die Planung ist auf die Zukunft bezogen, wägt alle möglichen Handlungsalternativen ab und sucht die für den jeweils gültigen Kontext günstigste aus. Sie ist im Kreditrisikomanagementbereich an die Zielsetzungen des Portfoliomanagements gekoppelt und orientiert 318 319 320 321
Siehe Offermann (2001), S. 53. Siehe auch Wald (2002), S. 69. Siehe Büschgen (1999), S. 1. Siehe Heuser-Greipl (1999), S. 29.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
131
sich an der Optimierung der Rendite-/Risiko-Relation. Die Realisation setzt sich aus den chronologisch ablaufenden Teilfunktionen Identifikation, Bewertung und Steuerung zusammen.322 Zunächst findet die Identifikation von Risiken und Chancen statt, die in die Bewertung existenter und potenzieller Positionen mündet. Zu diesem Zweck ist es nötig, dass geeignete quantitative Verfahren existieren, die als Basis für eine Entscheidungsfindung dienen. Im Bereich der Kredite hat die Bewertung die Aufgabe, die monetären Gefahren aus den einzelnen Risikopositionen und schließlich aus dem Portfolio zu bestimmen. Die Steuerung befasst sich mit der tatsächlichen Umsetzung der gewählten Handlungsalternative. Im Falle des Kreditrisikomanagements wird dabei der Fokus auf die Optimierung der Rendite-/Risiko-Relation des Portfolios gelegt. Es können verschiedene Strategien zu deren Steuerung eingesetzt werden. 1) Die Risikovermeidungsstrategie, verstanden als die völlige Einstellung des Kreditgeschäfts, ist vielfach für Banken nicht geeignet, während die Ablehnung einzelner Kreditengagements ein zentrales Instrument darstellt. Diese basiert beispielsweise auf einem negativen Urteil aus der Jahresabschlussanalyse. 2) Die Risikobegrenzungs- bzw. Risikozerfällungsstrategie baut auf einem vorhandenen Limitsystem auf. Sie besagt, dass lediglich eine festgelegte Kreditsumme pro Kreditnehmer, Land oder Branche ausgereicht werden darf. 3) Bei der so genannten Risikoteilungsstrategie teilen sich verschiedene Banken, Portfolien oder Händler das Risiko aus einer Position. Sie ist typisch bei der Vergabe eines Konsortialkredits, der auf mehrere Gläubiger (Konsorten) aufgeteilt wird (Syndizierung). 4) Idee der Risikoüberwälzungsstrategie ist es, ein vorhandenes Kreditrisiko auf einen oder mehrere Dritte abzuwälzen. Instrumente der Risikoüberwälzung können beispielsweise die Kreditversicherung,323 die Verbriefung von Forderungen oder generell das Stellen von Sicherheiten durch Dritte sein. 5) Bei der Risikokompensationsstrategie wird dagegen eine zweite Position aufgebaut, die sich genau entgegen dem ursprünglichen Kreditrisiko verhält. In der Kontrollphase erfolgt schließlich eine Soll-Ist-Analyse. Dabei wird der tatsächliche Zielerreichungsgrad mit dem geplanten verglichen und mögliche Abweichungen analysiert. Da das Kreditrisikomanagement eine Teilkomponente des finanzwirtschaftlichen Risikomanagements darstellt, ist auch eine Unterteilung in Risikoanalyse und Risikopolitik möglich. Im Rahmen der Risikoanalyse werden die Risiken identifiziert und ihr Ausmaß quantifiziert. Die Risikopolitik hingegen beschäftigt sich mit der Bewertung und Steuerung der identifizierten und gemessenen Risiken. Zudem wird die Risikopolitik einer ständigen Überwachung
322 323
Vgl. Offermann (2001), S. 55; Rösler et al. (2002), S. 637. Als Beispiel können die Hermes-Bürgschaften des deutschen Staates bei Auslandskrediten angeführt werden. Siehe hierzu Abschnitt 2.4.1.1.
132
Ökonomischer Rahmen
durch die Risikoanalyse unterzogen. Abbildung 40 verdeutlicht noch einmal die Interdependenzen zwischen Risikoanalyse und -politik.324 Risikomanagementprozess Risikoanalyse Risikoidentifikation
Risikopolitik Risikobewertung
Risikomessung
Risikokontrolle
Risikosteuerung
Abb. 40: Interdependenzen im Risikomanagement
Innerhalb der Organisation Kreditinstitut nimmt das Kreditportfoliomanagement eine zentrale Stellung ein. Ihre Aufgabe ist die Steuerung des Kreditportfolios aus Ertrags- und Risikogesichtspunkten, indem adäquate Maßnahmen zur Zielerreichung ergriffen werden. Die aktive Kreditportfoliosteuerung beschäftigt sich mit Maßnahmen zur Umstrukturierung des bestehenden Kreditportfolios in ein gewünschtes Sollportfolio, damit so langfristig ein Beitrag zur Gewinnstabilisierung erbracht wird. Im Vergleich zu den passiven Managementstrategien, die ausschließlich aus dem Reagieren auf sich verändernde Umweltbedingungen bestehen, kann mit den aktiven Strategien eine vorausschauende Bankplanung erzielt werden.325 Der vom Optimierungsprozess ausgehende Steuerungsimpuls betrifft eine Vielzahl von Bereichen. Für die Steuerung des Kreditportfolios müssen zunächst Entscheidungen für die Portfoliozusammensetzung getroffen werden. Diese können jedoch wiederum Auswirkungen auf alle anderen Geschäftseinheiten, wie z.B. den Vertrieb, haben. Abbildung 41 verdeutlicht die Stellung des Kreditportfoliomanagements innerhalb des Kreditmanagements einer Bank.326
324 325 326
angelehnt an Oehler/Unser (2001), S. 20 Vgl. Schiller/Tytko (2001), S. 239. in Anlehnung an Kuritzkes (1999), S. 63
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
133
Kreditnehmer
Kreditsachbearbeitung
Kundenbetreuung
Kreditportfoliomanagement
Kredithandel
Syndizierung
Produktstrukturierung
Sekundärmarkt Abb. 41: Stellung des Portfoliomanagements innerhalb des Kreditmanagements
Die Steuerung des operativen Kreditgeschäfts basiert hauptsächlich auf der Vorgabe von Kreditlimiten, die aus der Portfolioanalyse resultieren. Dabei werden die Portfoliostrukturen bezüglich des Kreditrisikoprofils, der einzelnen Kreditvolumina, der Kreditarten und der Länder- und Branchenzusammensetzung untersucht. Die Konzentrationsanalyse dient dazu, vorhandene Klumpenrisiken hinsichtlich einzelner Kreditnehmer, Länder und Branchen zu erkennen. Die Korrelationsanalyse hingegen befasst sich mit der Analyse der Sensitivität des Kreditportfolios bei sich verändernden mikro- und makroökonomischen Größen.327 Dadurch sollen mögliche Diversifikationseffekte hinsichtlich der Kreditnehmer, Branchen und Länder identifiziert und genutzt werden. Generell wird davon ausgegangen, dass durch „eine permanente Analyse der Konzentrations- und Korrelationsstrukturen die für die Unterlegung von Kreditrisiken erforderliche Eigenkapitalbasis um nennenswerte Kapitalbeträge reduziert“ werden kann.328 Nach der Darstellung der Grundlagen des Kreditportfoliomanagements wird im folgenden Abschnitt auf die Kreditportfoliosteuerung eingegangen. 2.7.3. Portfoliosteuerung Die Kreditportfoliosteuerung baut im Wesentlichen auf den Grundlagen der PortfolioSelection-Theorie nach Markowitz auf, die ursprünglich auf die optimale Zusammensetzung eines Wertpapierportfolios abstellt.329 Dabei liegt der Fokus auf grundlegenden Überlegungen hinsichtlich der Korrelationen verschiedener Wertpapiere. Die hier möglicherweise auftreten327 328 329
Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 240. Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 242. Zur Portfoliotheorie siehe Markowitz (1952).
134
Ökonomischer Rahmen
den Diversifikationseffekte werden auch als Portfolio-Effekt bezeichnet330 und können beispielsweise auf folgenden Ebenen auftreten:
x
Gezielte Branchensteuerung
x
Regionensteuerung
x
Kreditnehmer-Steuerung
Nach der Portfolio-Selection-Theorie wird der Anleger, in diesem Falle die Bank, bei gleichem Risiko die Alternative mit der höheren Rendite und bei gleichem Erwartungswert der Rendite die Alternative mit dem geringsten Risiko wählen. Auf Grundlage dieses unterstellten Entscheidungsverhaltens wird die Bank im Rahmen der realisierbaren Portfolien ein effizientes Portfolio auswählen. Die Menge der realisierbaren Portfolios stellt die Auswahl der zur Verfügung stehenden Investitionsmöglichkeiten dar. Als effizient wird ein Portfolio dementsprechend dann bezeichnet, falls bei gleichem Risiko kein Portfolio mit einer höheren Rendite und bei gleicher Rendite kein Portfolio mit einem geringeren Risiko existiert. Diese Aussage kann anhand der folgenden Abbildung 42 nachvollzogen werden. Rendite Effizienter Rand
MVP
Risiko Abb. 42: Effiziente Portfolien nach der Portfolio-Selection-Theorie
Das Minimum-Varianz-Portfolio (MVP) stellt das Portfolio mit dem geringsten Risiko dar. Rationale Anleger würden nun die Portfolien wählen, die auf dem effizienten Rand liegen (einschließlich MVP). Dieser effiziente Rand beschreibt die Portfolien, die zu gegebenem Risiko die höchste Rendite ergeben. Entsprechend seiner Nutzenfunktion kann nun der Anleger ein für ihn optimales Portfolio bestimmen.
330
Siehe Schulz (1999), S. 488.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
135
2.7.4. Diversifikation im Kreditportfolio In der Kreditpraxis wurden schon seit Beginn der 80er Jahre Kreditvergabepraktiken empfohlen, die das gesamte Kreditvolumen einer Bank auf viele Kreditnehmer, Regionen und Branchen verteilt.331 Im Vergleich zum Wertpapiergeschäft war jedoch keine gezielte Diversifikation möglich, da die Kreditnachfrage als treibende Kraft eine eher willkürliche Diversifikation zustande kommen ließ. Ebenso waren die Kreditlimite zur Vermeidung von Konzentrationsrisiken nur gering verbreitet. Bei Vorliegen einer Limitierung war diese meist nicht das Ergebnis einer gezielten Portfolioanalyse. Die seither bestehende Notwendigkeit, Diversifikationsstrategien unter der Beachtung portfoliotheoretischer Gesichtspunkte zu betreiben, wird durch ein aktives Kreditportfoliomanagement unterstützt. Im Vergleich zum Wertpapiergeschäft treten jedoch einige Unterschiede auf, die aus der Art und dem Wesen des Kreditgeschäfts resultieren. Diese Unterschiede sind in den typischen Handelsusancen und in den statistischen Besonderheiten zu sehen. Die größte Differenz zwischen dem Kredit- und dem Wertpapiergeschäft besteht darin, dass (noch) kein organisierter Börsenhandel für Kreditrisiken existiert. So können liquide Wertpapiere jederzeit an einer Börse veräußert werden, um einen Kapitalverlust zu vermeiden. Im Kreditgeschäft dagegen werden die Ressourcen z.B. bei verbindlichen Kreditzusagen stark gebunden, weshalb hier eine erforderliche Neuausrichtung des Kreditportfolios kurz- und meist auch mittelfristig nicht möglich erscheint. Im Allgemeinen wird die Strategie des Buyand-Hold betrieben. Diese besagt, dass nach einer Kreditvergabe eine Mittelbindung bis zur Fälligkeit des Kredits erfolgt, die unter Umständen viele Jahre umfassen kann. Eine vorzeitige Kündigung durch das Kreditinstitut ist meist nicht vorgesehen und rechtlich nur aus wichtigen, eng definierten Gründen möglich.332 Zudem ist eine vorzeitige Kündigung in der Regel aus strategischen bzw. Reputationsgründen nicht durchführbar. Unter anderem wird somit einer langfristigen Festlegung der Kundenbeziehung Rechnung getragen. Banken übernehmen bei Not leidenden Kreditengagements oft eine soziale Verantwortung gegenüber dem Schuldner. Beispielsweise sei in diesem Kontext angeführt, dass Banken Sanierungskredite an von Arbeitnehmern gegründete Auffanggesellschaften begeben, die aus reinen rendite- und risikoorientierten Überlegungen nicht begeben werden dürften. Des Weiteren können so genannte Kreditkürzungen, bei denen das Volumen des Kreditengagements reduziert wird, oft nicht durchgesetzt werden, obwohl dies aus portfoliotheoretischen Gründen und nicht aus Bonitätsüberlegungen wünschenswert wäre. Eine Optimierung des Kreditportfolios ist daher lediglich langfristig möglich, indem bestehende, nicht gewünschte Kreditengagements abgebaut und erwünschte Neukredite ausgereicht werden. Die Kundenakquisition selbst ist jedoch von Banken nicht immer direkt zu steuern, sondern ist beispielswei331 332
Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 247; Rösler et al. (2002), S. 642. Siehe beispielsweise zur Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung des Kreditvertrags §§ 490 Abs. 1, 498 BGB.
136
Ökonomischer Rahmen
se abhängig von makroökonomischen Faktoren, wie der Konjunkturlage oder dem aktuellen Zinsniveau. Schließlich ist im Vergleich zur Steuerung von Marktrisiken das Ausfallrisiko nicht nur ein exogener Parameter. So kann das Kreditinstitut durch seine Kreditüberwachung das Verhalten des Kreditnehmers und somit dessen Ausfallwahrscheinlichkeit und -höhe beeinflussen. Statistisch gesehen ist die Dichtefunktion von Kreditportfolios asymmetrisch. Da die Normalverteilungshypothese damit nicht zutrifft, ist die Anwendung der Varianz in der Portfoliobetrachtung problematisch. Abbildung 43 zeigt den Unterschied der typischen Verteilungen in einem Markt- und Kreditportfolio. Kreditportfolio
Marktportfolio
Wahrscheinlichkeit
99%-Konfidenzniveau
Wahrscheinlichkeit
99%-Konfidenzniveau
2,33V
Marktwertänderung
2,33V
Marktwertänderung
Abb. 43: Wahrscheinlichkeitsverteilung von Markt- und Kreditportfolios
Die Asymmetrie der Rendite-/Risiko-Struktur im Kreditgeschäft resultiert aus zwei Gründen. Zum einen besteht eine Asymmetrie hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit des Kreditausfalls und der vertragsgerechten Erfüllung. Zum anderen ist im Falle des Defaults der Ausfallbetrag unter Umständen sehr hoch, während die Gewinnmöglichkeiten begrenzt sind. Diese Gewinnmöglichkeit wird im Vorhinein durch die Kreditkonditionen festgelegt und setzt sich im Wesentlichen aus dem Kreditzinssatz, der Kredithöhe, den Bearbeitungsprovisionen und den direkt zurechenbaren Einzelkosten zusammen. Darüber hinausgehende Ertragsmöglichkeiten existieren vor allem aus dem Abschluss neuer Geschäfte mit dem Kreditnehmer, wobei ein direkter Zusammenhang zwischen diesen Geschäften häufig nicht nachweisbar ist. Die Quantifizierung des Kreditportfoliorisikos stellt aus verschiedenen Gründen ein Problem dar. Es werden in der Portfolioberechnung Erwartungswerte verwendet, die auf Grundlage komplexer Analysevorgänge gewonnen werden. Dabei ist vor allem die Ermittlung der Ausfall- und Kreditnehmerkorrelationen zu nennen, da hierbei die Analysegrenzen im Massengeschäft sehr schnell erreicht werden. Zudem ist zu bemerken, dass die Ausfallkorrelationen im Zeitablauf instabil sind und deshalb einer permanenten Neuberechnung unterzogen
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
137
werden müssen.333 Als zusätzliches Problem tritt die Beschaffung der relevanten Daten für die Kreditportfolioanalyse in den Vordergrund. Da die Kreditmarktdaten nur in sehr geringem Umfang am Markt zur Verfügung stehen, sind die Banken auf eigene hausinterne Schätzungen angewiesen. Durch eine Zeitreihenanalyse, die auf historischen Ausfall- und Konkurszeitreihen basiert, werden Korrelationen zwischen den einzelnen Kreditnehmern gewonnen. Da jedoch die Insolvenz-Historie vielfach zu gering ist,334 müssen in diesem Fall externe Datenpools mit in die Berechnungen einbezogen werden. Trotz dieser Schwierigkeiten bei der Übertragung der traditionellen Portfoliotheorie ist sie ein wichtiger Anhaltspunkt für die Gestaltung von Kreditportfolien. Sowohl der Aktionär als auch der Gläubiger haben eine Entscheidung hinsichtlich der Gestaltung ihres Portfolios vorzunehmen. Damit liegt eine vergleichbare Situation vor. Für die konkrete Ausgestaltung im Rahmen des Kreditportfoliomanagements ist es wichtig, die Besonderheiten des Kreditgeschäfts, wie beispielsweise kreditadäquate Parameter, zu beachten. 2.7.5. Erwartete und unerwartete Verluste aus Kreditgeschäften Bei der Messung von Kreditrisiken auf Kreditportfolioebene ist die Differenzierung in erwartete und unerwartete Verluste aus dem Kreditgeschäft eingeführt worden. Die erwarteten Verluste bezeichnen die Gesamtheit der innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu erwartenden Kreditausfälle, während sich die unerwarteten Verluste auf jede Abweichung davon beziehen. Aufgrund der Tatsache, dass die erwarteten Verlustrisiken als vorhersehbar interpretiert werden, wird davon ausgegangen, dass die Banken eine Risikoabgeltung im Rahmen der Risikoprämienberechnung vornehmen. Damit können diese Verluste nicht mehr als Risiko im eigentlichen Sinne betrachtet werden. Vielmehr gelten sie als vorhersehbare Aufwandsposten. Dagegen beinhaltet der unerwartete Verlust das eigentliche Kreditrisiko, das mit Eigenkapital zu unterlegen ist. Daher ist es für Banken im Allgemeinen wichtig zu wissen, wie hoch das maximale Ausmaß der unerwarteten Verluste aus dem Kreditgeschäft bei vorgegebenem Eigenkapital sein kann. Die Messung der unerwarteten Verluste erfolgt über so genannte Down-side-Risikomaße. Ihre Besonderheit liegt darin, dass sie sich lediglich auf das Ausmaß der negativen Abweichungen einer Werteverteilung konzentrieren. Eines der am weitesten verbreiteten DownsideRisikomaße stellt der Value-at-Risk dar. Darunter wird die monetäre, negative Wertveränderung einer riskanten Vermögensposition verstanden, die mit einer bestimmten Wahrscheinlichkeit innerhalb eines gewissen Zeitraums nicht überschritten wird.335 333
334 335
Durch die Verwendung von Indexmodellen, bei denen ein Mapping der Unternehmen beispielsweise auf Branchenindizes möglich ist, lässt sich der Rechenaufwand in Grenzen halten. Vgl. Hamerle/Rösch (2003), S. 2. Siehe Schiller/Tytko (2001), S. 259.
138
Ökonomischer Rahmen
Bei Übertragung des Konstrukts des Value-at-Risks auf den Kreditbereich versteht man dann unter dem Credit-Value-at-Risk (CVaR) eine statistische Kennzahl, die die maximale Höhe eines potenziellen Verlustes aus unerwarteten Kreditausfällen innerhalb eines bestimmten Zeitraums unter Vorgabe eines Konfidenzintervalls angibt. Um eine möglichst vollständige Deckung unerwarteter Verluste aus Kreditgeschäften zu gewährleisten, wird die Irrtumswahrscheinlichkeit entsprechend gesenkt bzw. das Konfidenzintervall erhöht. Die Grundlage für die Berechnung des Value-at-Risks ist die Generierung einer Funktion der Wahrscheinlichkeitsverteilung der Portfolioverluste. Da die Bestimmung der Verlustverteilungsfunktion sehr aufwändig ist, werden dazu Kreditportfoliomodelle eingesetzt, die im Folgenden kurz skizziert werden sollen. Ergebnis dieser Kreditportfoliomodelle ist dabei jeweils die Quantifizierung des CVaR. 2.7.6. Kreditrisikoportfoliomodelle 2.7.6.1. Überblick In der jüngeren Vergangenheit wurden mehrere Modelle konzipiert, um das Kreditrisiko unter Berücksichtigung von Portfolioeffekten zu quantifizieren. Dabei hat sich in der Praxis bisher noch kein Ansatz als Standard durchsetzen können. Die bedeutendsten Modelle sind dabei CreditMetrics von JP Morgan,336 CreditRisk+ von Credit Suisse Financial Products,337 Credit Portfolio View von McKinsey338 und der CreditPortfolioManager von KMV/Moody’s339. Gemeinsam ist allen Modellen, dass sie die unerwarteten Kreditverluste messen und dabei das gesamte Kreditportfolio in die Betrachtung mit einbeziehen, d.h. auch Diversifikationseffekte berücksichtigen. Diese Modelle können jeweils nach drei unterschiedlichen Aspekten unterschieden werden: Risikodefinition, technische Konzeption und verwendete empirische Datenbasis.340 Die Risikodefinition bestimmt, welche Risikoarten im Modell erfasst werden. Jeder der vier genannten Ansätze berücksichtigt die Verluste aus Kreditausfällen, während jedoch Bonitätsänderungsrisiken nicht von allen erfasst werden. Die technische Konzeption bezieht sich auf den formalen Rahmen des Modells. Darin werden Verteilungsannahmen und die verwendeten Berechnungs- und Approximationsverfahren festgelegt. Die zugrunde liegende empirische Datenbasis bezieht sich schließlich auf den gewählten Datenpool, der für die Schätzung der im Modell verwendeten Parameter herangezogen wird.
336 337 338 339 340
Siehe Gupton et al. (1997). Siehe CSFP (1997). Siehe McKinsey (1998). Siehe Kaelhofer (1995a) und Kaelhofer (1995b). Vgl. Wahrenburg/Niethen (2000), S.235.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
139
Generell ist es möglich, die vorangestellten Modelle in zwei Gruppen einzuteilen. Dabei sind zum einen die Gruppe der Ausfallraten- bzw. Reduktionsmodelle zu nennen, die direkt mit den Kreditausfallwahrscheinlichkeiten arbeiten und zum anderen die Asset-Wert- bzw. Strukturmodelle, die auf der Veränderung von Marktwerten aufbauen.341 Der Kern der Strukturmodelle basiert auf einem Vergleich des Unternehmenswertes mit den Schulden des Unternehmens.342 Die Entwicklung der Aktiva des Unternehmens wird mittels einer geometrischen Brownschen Bewegung modelliert.343 Das Unternehmen bedient die Schulden nicht mehr bzw. geht in Konkurs, falls am Ende der vertraglich fixierten Kreditlaufzeit die Verbindlichkeiten größer als der Unternehmenswert sind. Tritt dieses Ereignis ein, entspricht dies einer Ausübung einer bei Abschluss des Kreditvertrags erworbenen Put-Option durch den Kreditnehmer, der dann schließlich sein Unternehmen an die Kapitalgeber übergibt. Durch Modellvariation kann auch ein Konkurs vor Ende der Vertragslaufzeit berücksichtigt werden. Zentraler Aspekt ist bei allen Modellvarianten die stochastische Entwicklung der Aktiva.344 Bei Reduktionsmodellen wird eine direkte Modellierung des Ausfallereignisses vorgenommen, wobei historische Daten analysiert werden.345 Dabei können in jedem diskreten Zeitintervall Ausfälle bzw. Bonitätsveränderungen eintreten. Die Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kredits oder Kreditnehmers als solche wird auf Basis der historischen Ausfallhäufigkeiten vorgenommen. Die Einteilung der betrachteten Modelle gibt Tabelle 6 wieder: Asset-Wert-basierte Modelle
Ausfallraten-basierte Modelle
CreditMetrics CreditPortfolioManager
CreditRisk+ Credit Portfolio View
Tab. 6: Einordnung der bekanntesten Kreditrisikomodelle
Hinsichtlich der Risikodefinition kann man eine Unterscheidung in Default Models und Mark-to-Market-Models vornehmen. Bei erstgenannten wird der Verlust aus dem Kreditereignis (Default) analysiert. Dagegen werden bei Mark-to-Market-Models bereits Verschlech-
341 342 343
344 345
Vgl. Huschens/Locarek-Junge (2000), S.29. Siehe auch Abschnitt 2.6.3.1. Ein stochastischer Prozess ^Yt , t T` ist definiert als Menge von Zufallsvariablen Y mit dem Parameterbereich T. Ein stochastischer Prozess beschreibt dann meist die zeitliche Entwicklung der Verteilung der Zufallsvariablen Y. Eine Brownsche Bewegung ist ein stochastischer Prozess, der auch als Diffusionsprozess bezeichnet wird. Es handelt sich um einen stetigen Prozess, d.h. die Veränderungen der Zufallsvariablen treten kontinuierlich auf. Darüber hinaus sind künftige Veränderungen von der vergangenen Realisierung von Y unabhängig. Diese Eigenschaft wird als Markov-Eigenschaft bezeichnet, weshalb die Brownsche Bewegung auch als kontinuierlicher Markov-Prozess benannt wird. Siehe auch Wald (2002), S. 91; Hartmann-Wendels (2004), S. 307; zu weiteren Annahmen siehe Grundke (2003), S. 8 ff. und die dort angegebene Literatur. Siehe Wahrenburg/Niethen (2000), S. 237. Zu den Reduktionsmodellen siehe auch Abschnitt 2.6.3.2.
140
Ökonomischer Rahmen
terungen der Kreditqualität während der Kreditlaufzeit (insbesondere Downgradings) als Kreditereignis betrachtet und somit der Credit Spread von gehandelten Kreditinstrumenten wie bei Anleihen modelliert.346 Ein zusätzlicher Unterschied hinsichtlich der einzelnen Modelle ist die Veröffentlichung der technischen Konzeption. Während für CreditMetrics und CreditRisk+ alle relevanten Informationen im Internet zur Verfügung stehen, existiert für Credit Portfolio View lediglich eine Benutzerdokumentation und für den CreditPortfolioManager werden die wichtigsten Informationen streng vertraulich behandelt und sind für eine externe Analyse nicht zugänglich. Nicht zuletzt kann eine Unterscheidung auch anhand der den einzelnen Modellen zugrunde liegenden Datenquellen vorgenommen werden. Während die Ausfallraten-Modelle eine Abhängigkeit der einzelnen Kredite zu Branchen und Sektoren oder auch zu makroökonomischen bzw. konjunkturellen Faktoren unterstellen, wird bei Asset-Wert-basierten Modellen die multivariate Normalverteilung von Aktienrenditen und ihre Korrelation mit Aktienindizes unterstellt. Zudem sind die Verluste aus dem Ausfall eines einzelnen Kredits a priori nicht bekannt. Hierbei kann einerseits eine Korrelation mit anderen Einflussgrößen unterstellt werden oder aber es wird der relative Verlust herangezogen, der mit der Recovery Rate negativ korrespondiert. Dieser wird dann als konstant pro Kredit, Branche oder Sektor angenommen.
346
Siehe Overbeck/Stahl (1998), S. 82 ff.; Huschens/Locarek-Junge (2000), S. 30.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
141
Eine Übersicht über die angesprochenen Unterschiede ist Tabelle 7 zu entnehmen.347 CreditRisk+
CreditMetrics
Credit Portfolio View
Credit Suisse Financial Products
JP Morgan
McKinsey
KMV / Moody’s
Internet
Internet
teilweise im Internet
Vertraulich
Methodische Basis
Ausfallraten-basiert
Asset-Wert-basiert
Ausfallratenbasiert
Asset-Wertbasiert
Risikodefinition
Verlust bei Kreditausfall
Marktwertänderung
Marktwertänderung
n.v.
Risikotreiber
keiner (Default Rates)
Asset-Wert
Makroökonomie
n.v.
Kreditausfälle
ja
ja
ja
ja
Bonitätsveränderungen
nein (integrierbar)
ja (Credit Spread)
ja (Credit Spread bei Anleihen)
n.v.
Zuordnung der Ausfallraten
internes Scoring/Rating
Rating
Rating/Scoring bezüglich Branche, Region
n.v.
Ausfallkorrelation
stochastische Abhängigkeit der Ausfallraten
multivariate Normalverteilung der AssetRenditen
stochastische Abhängigkeit der Ausfallraten
n.v.
Korrelation der Kreditereignisse
volatile Ausfallraten und Sektorzuordnung
Korrelation der Aktienindizes (Branche, Region)
konjunkturelle Entwicklungen (Branche, Region)
n.v.
Recovery Rates
Zufallsvariable
konstant
konstant
n.v.
Urheber Veröffentlichung
CreditPortfolioManager
Tab. 7: Unterschiede bekannter Kreditrisikomodelle
Die grundlegende Struktur der Modelle soll im Folgenden beschrieben werden.348 2.7.6.2. CreditRisk+ Der Ansatz von CreditRisk+ basiert auf versicherungsmathematischen Grundsätzen, bei denen lediglich das Ausfallrisiko im engeren Sinne betrachtet wird, d.h. Bonitätsverschlechterungen werden nicht erfasst. Diese Einschränkung resultiert aus der Betrachtung der illiquiden Buchkredite.349 Bei diesen wird der Verbleib der Kredite bis zur Fälligkeit im Bankportfolio unterstellt, so dass die Wertentwicklung während der Laufzeit vernachlässigbar ist.350
347 348
349 350
in Anlehnung an Huschens/Locarek-Junge (2000), S. 30 f. Zur genauen Herleitung der Modelle siehe die jeweiligen Schriften der Urheber und Grundke (2003), S. 269 ff. Siehe Nelken (1999), S. 226. Siehe CSFP (1997), S. 8. Diese Annahme erscheint insofern problematisch, als Bonitätsverschlechterungen bei Buchkrediten zu Wertberichtigungen und Rückstellungen in der Bankbilanz führen können.
142
Ökonomischer Rahmen
Damit die Verteilung der Kreditausfälle wie im Optionspreisansatz351 als stetige Variable der Ausfallraten ermittelt werden kann, trifft man verschiedene versicherungsmathematische Annahmen, wie z.B. einjähriger Betrachtungshorizont und Hold-to-Maturity.352 Aussagen über die Ursachen des Ausfalls werden nicht getroffen, sondern der Ausfall wird als exogener Poisson-Prozess modelliert.353 Von dieser Annahme kann deshalb ausgegangen werden, da konstante Ausfallraten in den einzelnen Perioden und die Unabhängigkeit zwischen den Kreditnehmern unterstellt werden. Zudem wird eine relativ geringe Ausfallwahrscheinlichkeit angenommen.354 Damit auf die Verlustverteilung auf Portfolioebene geschlossen werden kann, ist die Verlusthöhe, die durch die einzelnen Ausfälle verursacht wird, zu bestimmen. Dazu werden in CreditRisk+ verschiedene, voneinander unabhängige Teilportfolien modelliert, in denen jeder Kredit im Konkursfall eine identische Recovery Rate aufweist. Der Kreditbetrag wird mit Hilfe dieser Recovery Rate adjustiert, damit das Exposure berechnet werden kann. Die Recovery Rate und damit das Exposure ergeben sich quasi exogen.355 Jedem Teilportfolio ist dann eine Wahrscheinlichkeitsfunktion zuzuweisen.356 Daraus lässt sich die Wahrscheinlichkeitsfunktion für das gesamte Portfolio ableiten, so dass sich die Verlustverteilung des Portfolios bestimmen lässt. Schließlich finden im Modell zusätzliche Einflussfaktoren Berücksichtigung. Diese werden unterschieden in spezifische und systematische Einflussfaktoren.357 Die spezifischen Einflussfaktoren haben dabei einen direkten Bezug zum Kreditnehmer. Im Einzelnen kann es sich beispielsweise um die Marktstellung des Kreditnehmers, das Produktsortiment, die Managementqualität oder die Abhängigkeit von Zulieferern oder Abnehmern handeln. Die systematischen Faktoren, die auch als Hintergrundfaktoren bezeichnet werden, beziehen sich dagegen auf makroökonomische Größen, wie z.B. prognostizierte Auftragseingänge für einen Sektor, Geldmenge, Volkseinkommen. Durch sie wird im Wesentlichen das Ausmaß der Schwankungen der Ausfallraten und der Risikointerdependenzen zwischen den Kreditnehmern bestimmt.358 Die im Grundmodell getroffene Annahme konstanter Ausfallraten kann auf Kosten einer erhöhten Komplexität durch eine stochastische Verteilung ersetzt werden.
351
352 353 354 355 356 357 358
Zum Optionspreisansatz allgemein siehe Steiner/Bruns (2002), S. 317 ff.; Perridon/Steiner (2004), S. 338 ff. Siehe CSFP (1997), S. 10 ff. Siehe Gordy (2000), S. 122. Siehe Gordy (2000), S. 122. Siehe CSFP (1997), S. 19. Siehe CSFP (1997), S. 12; Wahrenburg/Niethen (2000), S. 240. Siehe CSFP (1997), S. 20. Vgl. Hartmann-Wendels (2004), S. 171; Hamerle/Rösch (2005), S. 180.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
143
Eine Aufteilung des Portfolios nach Branchen und Regionen kann ebenfalls erfolgen, um den Korrelationsaspekt angemessen zu berücksichtigen. Dabei werden innerhalb der Sektoren hohe Ausfallkorrelationen unterstellt, während die Sektoren voneinander unabhängig sind.359 Zusammenfassend wird die Systematik in Abbildung 44 dargestellt. Ratings der Kredite
Volatilität der Ausfallrate
Rückzahlungsquote bei Ausfall
Erwartete Ausfallrate
Kreditexposure
Zuordnung der Einflussfaktoren
Kreditexposure nach Verwendung der Sicherheiten
Erwarteter Verlust des Kreditportfolios
Erwarteter Verlust des Kreditportfolios
CVaR des Kreditportfolios
Abb. 44: CreditRisk+-Grundschema
Durch Erweiterung des CreditRisk+-Ansatzes um eine CVaR-Berechnung ist es möglich, die unerwarteten und die erwarteten Verluste zu separieren. Dies geschieht, indem auf Portfolioebene der maximal zu erwartende Verlust bei einem gegebenen Konfidenzniveau berechnet wird. Anschließend erfolgt die Aufteilung von unerwartetem und erwartetem Verlust nach folgender Gleichung: (73)
Unerwarteter Verlust
CVaR - erwarteter Verlust .
Problematisch an der Modellierung des CreditRisk+-Ansatzes erscheint vor allem der Verzicht auf eine explizite Modellierung der Ausfallkorrelationen sowie die unterstellte Unabhängigkeit der Sektoren. Letztere ist speziell in wirtschaftlichen Rezessionsphasen nicht zwangsläufig gegeben. Zudem ist die angenommene zeitliche Konstanz der Risikoparameter ein Hauptkritikpunkt an diesem Ansatz, da dies die Realität keinesfalls korrekt abbildet. 2.7.6.3. CreditMetrics Ziel von CreditMetrics ist es, die durch kreditbezogene Ereignisse ausgelösten Portfoliorisiken zu bestimmen. Dies bedeutet, dass die Unsicherheit des künftigen Portfoliowertes am Zeit- bzw. Risikohorizont, bedingt durch Veränderungen der Kreditnehmerbonität, zu messen ist.360 359 360
Siehe CSFP (1997), S. 14 f. Siehe Gupton et al. (1997), S. 5.
144
Ökonomischer Rahmen
Die Ermittlung des Kreditrisikos erfolgt bei CreditMetrics in drei Schritten. Zunächst wird das Kreditexposure jedes Finanzinstruments innerhalb eines Portfolios bestimmt. Dabei erfolgt eine Unterscheidung in Instrumente mit einem stabilen Exposure (Instrumente, die nahe an pari liegen) und solche mit marktabhängigem, variablem Exposure, wie beispielsweise festverzinsliche Bonds. In einem weiteren Schritt werden die Wertänderungen für ein jedes Instrument festgelegt, die aus sich ändernden Ratings bzw. im Extremfall aus einem Kreditausfall resultieren. Die Wahrscheinlichkeiten für den Übergang von einer Ratingklasse in eine andere, die Wanderungsbewegungen, werden in einer Migrationsmatrix361 festgehalten. Die Migration eines Kreditnehmers von einer Ratingklasse in eine andere bewirkt, dass die Zahlungsströme aus dem zugrunde liegenden Kreditgeschäft mit einer neuen Zinsstruktur bewertet werden müssen. Diese neue Zinsstruktur weist im Vergleich zur ursprünglichen Zinsstruktur veränderte Credit Spreads auf, die eine Veränderung des Marktwerts des Kredits bewirken. Der abschließende Schritt besteht darin, die Korrelationen der kreditbezogenen Ereignisse mit in die Volatilitäten der einzelnen Instrumente einzubeziehen und somit die aggregierte Portfoliovolatilität zu bestimmen. Mit Hilfe der oben beschriebenen Zweiteilung von erwartetem und unerwartetem Verlust wird der CVaR bestimmt. Dabei werden die Schwankungen der Marktwertbewegungen um den erwarteten Mittelwert innerhalb eines vorbestimmten Zeithorizonts erfasst. Abbildung 45 fasst die Vorgehensweise bei der Ermittlung des CVaR mit CreditMetrics zusammen. Ratings der Einzelkredite
Exposure der Einzelkredite
Migrationsmatrizen
Ratingspezifische Zinsstrukturen
Korrelationen zwischen den Einzelkrediten
Verteilung der Marktwerte
CVaR einzelner Kredite
CVaR des Kreditportfolios
Abb. 45: CreditMetrics-Grundschema
Die Ermittlung der Korrelationen stellt bei einem derartigen Migrationsansatz eines der Hauptprobleme dar. Obwohl die Berücksichtigung der Abhängigkeiten verschiedener Kredite,
361
Eine Migrationsmatrix ist die Basis für die Ermittlung des Erwartungswertes des Kreditgeschäfts zum Zeitpunkt t = 1. Dabei werden historische Migrationsbewegungen in den einzelnen Ratingklassen über relative Häufigkeiten erfasst und als Wahrscheinlichkeiten interpretiert. Siehe Abschnitt 2.6.2.3.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
145
Schuldner bzw. einzelner Kreditereignisse relativ schwer zu bestimmen ist, ist sie doch ein wesentliches Kernelement von CreditMetrics. Die Schwierigkeiten bei der Ermittlung der Korrelationen resultieren einerseits daraus, dass sich die Korrelationsdaten nicht direkt ablesen lassen und meist nur in schlechter Qualität vorliegen.362 Zum anderen basieren die Modelle zur Schätzung der Korrelationen auf restriktiven Annahmen. Folgende Vorgehensweisen werden angewendet, um die Korrelationen zu bestimmen:363
x
Vorgegebene, konstante Korrelationen Bei diesem sehr einfachen Ansatz können zwar individuelle Einschätzungen gerade hinsichtlich der Risikokonzentration bei Großkrediten explizit berücksichtigt werden, jedoch besteht der Nachteil der Subjektivität und der (menschlichen) Fehleranfälligkeit, Korrelationen falsch zu schätzen.
x
Berechnung über Aktienkurskorrelationen Bei dieser Vorgehensweise ist positiv herauszustellen, dass zukünftige Informationen verarbeitet werden. Negativ ist jedoch anzumerken, dass der rechnerische Aufwand relativ hoch ist und insbesondere, dass nicht alle Unternehmen börsennotiert sind. Zudem stellt sich das Problem, dass der Zusammenhang zwischen Unternehmenswert und Bonität nicht eindeutig ist.364
x
Effektive Rating- bzw. Ausfallkorrelationen Als Basis dienen hierbei die historisch ermittelten Rating- bzw. Ausfallkorrelationen der Ratingagenturen. Diese Messungen sind im Allgemeinen objektiv. Nachteilig ist herauszustellen, dass kreditnehmerspezifische Einflüsse bzw. Eigenschaften (Märkte, Branchen, etc.) nicht berücksichtigt werden.
x
Berechnung über Zinsspreads Dieser Ansatz ist sehr objektiv, da die Messung der Korrelationen über die Änderungen der Markt- oder Kurswerte in Abhängigkeit von Änderungen der Bonität vorgenommen wird. Nachteilig wirkt sich hier jedoch aus, dass die Spreads verschiedener Anleihen eines Emittenten aufgrund der Marktliquidität der Papiere zum Teil unterschiedlich sind und viele Schuldner keine börsengehandelten Anleihen emittiert haben.
Schließlich stellt sich bei CreditMetrics das zusätzliche Problem der Ermittlung der Werteverteilungen des Portfolios. CreditMetrics schlägt vereinfachend vor, die Berechnungen auf wenige potenzielle Werte des Portfolios zu beschränken. Damit statistische Verzerrungen ex ante reduziert werden können, ist die Auswahl der Daten mittels einer simulierten Zufallsstichpro-
362 363 364
Siehe Hamerle/Rösch (2005), S. 180. Siehe auch Hartmann-Wendels (2003), S. 180. Siehe Offermann (2001), S. 127 f.
146
Ökonomischer Rahmen
be (Monte Carlo-Simulation) vorzunehmen.365 Die Approximation einer stetigen Verteilung gelingt hierbei umso besser, je umfangreicher die Stichprobe gewählt wird. 2.7.6.4. Credit Portfolio View Bei Credit Portfolio View handelt es sich um einen Ansatz, der in einem diskreten mehrperiodigen Zeithorizont das Kreditrisiko mit makroökonomischen Variablen zu bestimmen versucht. Bei diesen Variablen kann es sich z.B. um verschiedene (Branchen-)Indizes, das Bruttoinlandsprodukt, die Arbeitslosenquote, die Wachstumsrate einer Volkswirtschaft oder das Zinsniveau handeln, von denen sich die Ausfallwahrscheinlichkeit sowie auch potenzielle Bonitätsveränderungen ableiten lassen. In Ergänzung zur Systematik von CreditMetrics kann dieses Modell öffentlich verfügbare und bankinterne Daten über den Kreditnehmer bei der Schätzung der Korrelationen berücksichtigen.366 Zudem ist es möglich, auch nicht geratete Kreditnehmer zu berücksichtigen und risikoadäquat in die Bewertungssystematik zu überführen. Der Hintergrund für die Verwendung makroökonomischer Faktoren liegt insbesondere darin, dass empirische Untersuchungen gezeigt haben, dass eine alleinige Konzentration auf die ziemlich groben Ratingklassen bzw. auf die Migrationswahrscheinlichkeiten nicht zwangsläufig zu einer bestmöglichen Bestimmung des Kreditrisikos führt.367 Daher werden in Credit Portfolio View, das einen erweiterten und verfeinerten RatingMigrationsansatz darstellt, das Ausfallrisiko und das Bonitätsrisiko mit Hilfe von makroökonomischen Parametern quantifiziert und diese als wesentliche Quelle für die Volatilität der Ausfallraten und der Rating-Migrationen der Kreditnehmer angesehen.368 Der Ablauf der Kreditrisikomodellierung in Credit Portfolio View wird in Abbildung 46 dargestellt. Das Modell wird in zwei Hauptkomponenten zerlegt. Im systematischen Risikomodell erfolgt die Ermittlung der gemeinsamen Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Kreditexposures und der Rückzahlungsquote. Es wird die Annahme getroffen, dass sowohl das Kreditexposure als auch die Rückzahlungsquote volatil sind und dies in der Modellierung berücksichtigt werden muss.
365 366 367 368
Siehe Gupton et al. (1997), S. 113 ff. Vgl. Crouhy et al. (2000), S. 113. Siehe Wilson (1997a) und Wilson (1997b). Crouhy et al. (2000), S. 116 stellen fest, dass sich in einer wirtschaftlichen Rezession sowohl die Anzahl der Konkurse als auch die Anzahl der Downgrades erhöhen. Daher wird als wichtiger Einflussparameter die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts gesehen, welches zyklischen Schwankungen unterliegt.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
Exposure der Einzelkredite
147
Rückzahlungsquote bei Ausfall
Migrationswahrscheinlichkeiten
Erwartete Ausfallrate
Makroökonomische Parameter
Volatilitäten
Korrelationen
Monte Carlo-Simulationen
Wahrscheinlichkeitsverteilung des Exposures nach Berücksichtigung der Sicherheiten
Bedingte Ausfallraten bzw. RatingMigrationswahrscheinlichkeiten
Wahrscheinlichkeitsverteilung der Kreditportfolioverluste
CVaR auf Kreditportfolioebene
Abb. 46: Credit Portfolio View-Grundschema
In der Portfolioverlustrechnung, die als zentrale Komponente von Credit Portfolio View betrachtet werden kann, werden die sektorspezifischen, bedingten Ausfallraten bzw. die RatingMigrationswahrscheinlichkeiten berechnet. Dies erfolgt durch die explizite Berücksichtigung makroökonomischer Faktoren. Die Wahrscheinlichkeitsverteilung für die Portfoliowertveränderungen des bankindividuellen Kreditportfolios ergibt sich schließlich durch die Zusammenführung beider Ansätze. Beim systematischen Risiko369 handelt es sich um das Risiko, welches auch durch eine optimale Diversifikation nicht zu eliminieren ist, da ein allgemeiner wirtschaftlicher Abschwung das allgemeine Ausfallrisiko erhöht.370 Diese Information findet bei Credit Portfolio View als makroökonomische Größe Eingang in die Berechnung des Ausfallrisikos. Dies bedeutet, dass die (historischen) Migrationsmatrizen durch die empirische Beobachtung der volkswirtschaftlichen Lage angepasst werden. Darüber hinaus wird die Sensitivität einzelner Branchen auf die gesamtwirtschaftliche Lage über sektorspezifische Sensitivitäten berücksichtigt. Da Credit Portfolio View eine zeitliche Autokorrelation in der historischen Entwicklung der Faktoren unterstellt, ist mit Hilfe von Regressionsanalysen eine funktionale Beziehung zwischen dem Wert des makroökonomischen Faktors in der Vergangenheit und dessen zuvor realisiertem Wert herzustellen. Zudem werden die unterschiedlichen und wechselnden Korrelationen der einzelnen Branchen zueinander berücksichtigt. Auf Basis der in der Vergangenheit empirisch ermittelten Zusam369 370
Zum systematischen Risiko allgemein siehe Perridon/Steiner (2004), S. 281. Siehe Crouhy et al. (2000), S. 103 f.; Hamerle/Rösch (2005), S. 182.
148
Ökonomischer Rahmen
menhänge zwischen makroökonomischen Faktoren und Migrationsdaten werden mittels Monte Carlo-Simulation potenzielle künftige wirtschaftliche Szenarien simuliert. Als Ergebnis erhält man daraus für den betrachteten Zeithorizont die Migrationswahrscheinlichkeiten für jedes Risikosegment in verschiedenen makroökonomischen Zusammenhängen. Die gewonnenen Erkenntnisse sind auf das bankspezifische Portfolio zu übertragen, um damit die institutsspezifischen erwarteten Ausfälle und schließlich den CVaR des Gesamtportfolios zu ermitteln. 2.7.6.5. CreditPortfolioManager Dem CreditPortfolioManager, der auch als KMV-Modell bezeichnet wird, liegt ein Optionspreisansatz zugrunde, welcher auf das ursprüngliche Optionspreis-Grundmodell von Merton371 zurückzuführen ist. Dabei wird der Ausfallprozess endogen ermittelt und ist in erster Linie abhängig von der Kapitalstruktur des (Schuldner-)Unternehmens.372 Bei diesem Ansatz liegt der Fokus nicht auf den Ratingklassen und damit auf Schuldnergruppen, sondern auf dem einzelnen Kreditnehmer. Daraus resultierend steht die individuelle Finanz- und Vermögenslage des Schuldners im Vordergrund. Dadurch wird der Nachteil der durchschnittlichen Bonitätsbetrachtung überwunden, bei der Ratingherabstufungen als diskrete Änderungen zu verstehen sind, während die Kreditqualität tatsächlich eine stetige Größe ist.373 Im CreditPortfolioManager wird die Kreditqualität als Funktion der Kapitalstruktur des Unternehmens modelliert. Daher stehen bei diesem Ansatz als wichtige Parameter der Gegenwartswert der Aktiva und dessen Volatilität im Mittelpunkt. Daraus wird die erwartete Ausfallrate, die als Expected Default Frequency (EDF) bezeichnet wird, geschätzt. Im Vordergrund stehen daher mikroökonomische Faktoren, die als erklärende Variablen für Ausfälle des Einzelkredits betrachtet werden. In einem weiteren Schritt erfolgt die Berücksichtigung von Diversifikationseffekten innerhalb des Kreditportfolios.374 Die grundlegende Idee dieses Modells ist, dass ein Unternehmen genau dann in Konkurs geht, sobald ein Preis-, Wert- oder Signalprozess eine endogen definierte Ausfallschranke (Default Point) innerhalb eines Beobachtungszeitraumes unterschreitet.375 Die Ausfallwahrscheinlichkeit wird auf Grundlage des Firmenwertes (Aktiva) und der Höhe der Verbindlichkeiten (Passiva) des Unternehmens bestimmt. Das Ausfallrisiko nimmt dabei zu, falls sich die Differenz aus Firmenwert und Verbindlichkeiten verkleinert und verringert sich im umgekehrten Fall.
371
372 373 374 375
Zum grundlegenden Optionspreisansatz nach Merton siehe Merton (1974); Vasicek (1984); Kaelhofer (1995a); Kaelhofer/Bohn (2001). Siehe Kiesel/Schmid (2000), S. 60. Siehe Crouhy et al. (2000), S. 84 f. Siehe Crouhy et al. (2000), S. 102 f. Vgl. Kiesel/Schmid (2000), S. 60.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
149
Diese Information wird dazu verwendet, eine Klassifizierung der Kreditqualität von Unternehmen vorzunehmen. Darüber hinaus wird diese Differenz durch die Volatilität des Firmenwertes standardisiert und eine so genannte „Distance to Default“ (DD) berechnet.376 Das folgende Beispiel soll diesen Sachverhalt verdeutlichen: Marktwert der Aktiva: Standardabweichung des Marktwerts der Aktiva: Geschätzte Wachstumsrate der Aktiva: Planungshorizont: Höhe der Verbindlichkeiten:
100 Mio. Euro 20 Mio. Euro 5% 1 Jahr 70 Mio. Euro
Daraus errechnet sich die Distance to Default zu: DD
Erwarteter Firmenmark twert - Verbindlichkeiten Volatilität des Firmenmark twerts
1 0,05 * 100 70 20
1,75 .
In einem weiteren Schritt wird aus historischen Daten berechnet, wie viele Unternehmen mit einem vergleichbaren DD durchschnittlich in Konkurs gegangen sind. Sind in der Vergangenheit beispielsweise 30 von 1000 beobachtete Unternehmen mit dieser DD insolvent geworden, würde sich daraus die erwartete Ausfallrate für den Planungshorizont wie folgt ergeben: EDF
30 1000
3% .
Durch die Verwendung der Volatilität des Firmenwertes ist dieser Ansatz insbesondere für börsennotierte Aktiengesellschaften geeignet, da die Preisschwankungen hierbei direkt zu beobachten sind.377 Bei nicht börsengehandelten Unternehmensanteilen sind die entsprechenden Werte anhand eines Mappings auf börsengehandelte Anteile zu gewinnen. Dieses Mapping umfasst im Wesentlichen den Vergleich von Bilanzpositionen und Daten der Gewinnund Verlustrechnung zwischen börsengehandelten und nicht börsengehandelten Unternehmensanteilen.378 Das Faktorenmodell beim CreditPortfolioManager ist generell in drei Abschnitte untergliedert. Dabei wird in einem ersten Schritt der unternehmensspezifische Wert ermittelt. Im zweiten bzw. dritten Schritt fließen zudem Länder- und Branchenrisiken bzw. globale und regionale Unternehmensrisiken mit ein. Abbildung 47 verdeutlicht das Grundschema des CreditPortfolioManagers.379
376
377 378 379
Da die Volatilität des Firmenwertes nicht direkt beobachtbar ist, wird ein optionspreistheoretischer Ansatz benutzt, um diese Größe aus dem Aktienpreisprozess des Unternehmens zu bestimmen. Dabei wird die stochastische Differentialgleichung gemäß dem Ansatz von Merton (1974) gewählt. Siehe Crouhy et al. (2000), S. 86. Siehe Wald (2002), S. 101. angelehnt an Crouhy et al. (2000), S. 106
150
Ökonomischer Rahmen
Firmenrisiko
Systematisches Risiko
Marktrisiko
Globales Risiko
Spezifisches Risiko
Länderrisiko
Regionales Risiko
Branchenrisiko
börsennotierte Unternehmen
Nichtbörsennotierte Unternehmen
Mapping der Parameter
Berechnung der DD und der EDF
Berechnung des Kreditrisikos pro Kreditnehmer
Berechnung der Kreditportfolioverluste mit Joint Default Frequencies
CVaR auf Kreditportfolioebene
Abb. 47: CreditPortfolioManager-Grundschema
Damit Portfolioeffekte berücksichtigt werden können, werden so genannte Joint Default Frequencies ermittelt, die die Wahrscheinlichkeit angeben, mit der zwei Unternehmen innerhalb des Planungshorizonts ausfallen. Die für deren Berechnung nötigen Korrelationen werden wiederum den Aktienkursen entnommen. Der CreditPortfolioManager hat den Vorteil einer kreditnehmerspezifischen Bewertung des Ausfallrisikos. Damit wird die den anderen Modellen anhaftende Problematik der Bildung von Ratingklassen umgangen. Die Verwendung von Aktienkursen stellt zudem sicher, dass aktuelle und zukunftsorientierte Daten im Modell auf täglicher Basis berücksichtigt werden. Dadurch erfolgt eine kontinuierliche Einordnung der Kreditnehmer in eine Ratingklasse anstelle einer diskreten Einordnung. Problematisch hingegen scheint die Konzentration auf börsengehandelte Unternehmensanteile. Beim Mapping von nicht börsennotierten Unternehmen auf börsennotierte Anteile ist dabei ein sehr großes Fehlerpotenzial festzustellen.380 Die Quantifizierung des Kreditrisikos mit Hilfe des CVaR ist eine sehr häufig verwendete Methode. Dennoch weist dieser Ansatz einige prinzipielle Schwächen auf. So wird bei der Berechnung dieses Wertes lediglich ein Punkt der Verlustverteilung berücksichtigt. Eine Sen380
Siehe auch Wald (2002), S. 103.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
151
sitivität hinsichtlich vieler Veränderung der Ergebnisverteilung ist damit nicht oder nicht in ausreichendem Maße gewährleistet. Zudem ist als problematisch anzumerken, dass die Anordnung von Verteilungen nach dem Risiko vom gewählten Konfidenzniveau abhängig ist.381 Des Weiteren wird kritisch angemerkt, dass der Value-at-Risk generell nicht die Eigenschaft der Subadditivität aufweist, d.h., dass eine Mischung von Portfolien nicht zwangsläufig zu einer Risikominderung führt. Nicht zuletzt wird häufig kritisiert, dass keine Aussagen über die Verteilung außerhalb des Konfidenzniveaus gemacht werden können.382 Dennoch ist der Value-at-Risk für bestimmte, nämlich elliptische Verteilungen, wie z.B. die Normalverteilung, subadditiv.383 Trotz dieser Schwächen ist diese Kennzahl vor allem in der Praxis ein sehr beliebtes Maß zur Quantifizierung des Kreditrisikos. Die Kreditrisikoportfoliomodelle liefern alle eine Quantifizierung des unerwarteten Verlusts in Form des CVaR. Es handelt sich dabei jedoch ausschließlich um die Messung des Risikos. Damit jedoch Aussagen über einen Zusammenhang zwischen Rendite und Risiko gemacht werden können, muss die Renditekomponente berücksichtigt werden. Um diese Verknüpfung herzustellen, werden so genannte risikoadjustierte Performancemaße eingesetzt, die im Folgenden beschrieben werden. 2.7.7. Risikoadjustierte Performancemaße Bei den risikoadjustierten Performancemaßen handelt es sich um Kennzahlen, die sowohl eine Optimierung des Einzelgeschäfts und des Portfolios hinsichtlich der Risikokapitalallokation als auch der risikoadjustierten Steuerung des Ergebnisses ermöglichen. Mit Hilfe dieser Kennzahlen ist es möglich, den „Kapitaleinsatz im Sinne des Risiko-Chancen-Kalküls zu optimieren“.384 Eine zentrale Steuerungsgröße stellt der RORAC (Return On Risk Adjusted Capital) dar, der häufig für die Planungsrechnung zur optimalen Allokation von Risikokapital eingesetzt wird. Er kann deshalb sowohl als Ist- als auch als Sollgröße berechnet werden.385 Konkret bedeutet dies, dass das Nettoergebnis aus Kreditgeschäften386 ins Verhältnis zum Risikokapital zu setzen ist. Das Risikokapital bzw. das ökonomische Kapital wird dabei dem CVaR oder alterna-
381 382
383 384 385
386
Siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 338. Dieser Kritikpunkt führte zur Bildung des so genannten Conditional-Value-at-Risks, der aus dem Durchschnitt der Werte besteht, die außerhalb des Konfidenzniveaus liegen. Siehe hierzu Theiler (2001), S. 184 ff. Siehe Jorion (2001), S. 147 ff. Vgl. Schierenbeck (2003), S. 544. Meist werden die Begriffe Ist-RORAC und Ziel-RORAC verwendet. Siehe Schierenbeck (2003), S. 43; Ittner/Lietz (2004), S. 409. Das Nettoergebnis entspricht der Differenz aus Zinserlösen und Refinanzierungs-kosten.
152
Ökonomischer Rahmen
tiv auch dem regulatorisch geforderten Kapital gleichgesetzt.387 Die Hauptaufgabe dieser Kennziffer besteht darin, Geschäftspositionen oder ganze Bereiche mit unterschiedlicher Risikostruktur durch eine einheitliche Bezugsgröße, das Risikokapital, hinsichtlich der Performance vergleichbar zu machen. Je nach dem, ob es sich bei der Bezugsgröße um das faktisch genutzte oder budgetierte Risikokapital handelt, kann der RORAC wie folgt definiert werden: (74)
Ist RORACauf Basis des genutzten Risikokapitals
(75)
Ist RORAC auf Basis des Kapitallimits
Nettoergebnis , Risikokapital
Nettoergebnis . Risikolimit
Zudem ist es möglich, das maximale Risikokapital bzw. die Risikotragfähigkeit zu ermitteln. Daraus lässt sich ein so genannter Ziel-RORAC ableiten, der für jede eingesetzte Einheit des Risikokapitals erwirtschaftet werden soll. Er ist dabei wie folgt definiert: (76)
Ziel RORAC
Ergebnisanspruch aus Risikokapital . geplantes Risikolimit
Als Grundlage für die Ermittlung des Ziel-RORAC dient die geplante Eigenkapitalrentabilität. Durch den Vergleich von Ist- und Ziel-RORAC können somit Fehlallokationen aufgedeckt und im Rahmen der Steuerung korrigiert werden. Der RAROC (Risk Adjusted Return On Capital) ist eine alternative Kennzahl, bei der das risikoadjustierte Ergebnis ins Verhältnis zum eingesetzten Kapital gesetzt wird: (77)
RAROC
risikoadjustiertes Nettoergebnis . eingesetztes Kapital
Das risikoadjustierte Nettoergebnis ist dabei das um die risikoadjustierten Eigenkapitalkosten und die erwarteten Verluste bereinigte Nettoergebnis. Bezieht man das risikoadjustierte Nettoergebnis auf das risikoadjustierte Kapital, spricht man auch vom so genannten RARORAC (Risk Adjusted Return On Risk Adjusted Capital), der dem RAROC entspricht, wenn das eingesetzte Kapital dem Risikokapital gleich gesetzt wird: (78)
RARORAC
risikoadjustiertes Nettoergebnis . Risikokapital
Mit Hilfe des RAROC (bzw. RARORAC) kann ebenfalls eine Aussage darüber getroffen werden, ob ein Geschäft, ein Geschäftsbereich oder die Gesamtbank ein positives, risikoadjustiertes Ergebnis erwirtschaftet hat. Ist die Ziel-Eigenkapitalrendite bekannt, ist es möglich, einen Ziel-RAROC abzuleiten, der zur Steuerung des Kreditgeschäfts herangezogen werden kann. Die Einordnung der risikoadjustierten Performancemaße in den Gesamtablauf des Kreditmanagements gibt Abbildung 48 wieder. 387
Siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 349.
2.7. Portfoliomanagement von Krediten
153
Die risikoadjustierten Performancemaße dienen insbesondere zur Systematisierung und zum Controlling des Rendite-/Risikoverhältnisses. Prinzipiell weisen sie einerseits die Schwächen der CVaR-Bestimmung auf, andererseits ist die Bestimmung des Returns nicht einheitlich. Vielfach sind hier dahingehend bankindividuelle Entscheidungen zu treffen, welche Bestandteile des Ertrags in die Berechnung einfließen sollen. Portfoliomodelle
Konzentration und Korrelation
Analyse des Verzugsportfolios
Rating
Ausfallrate
Exposure
Recovery Rate
Verlust im Verzugsfall
Parameter des Risikokapitals (unerwarteter Verlust)
Parameter des erwarteten Verlusts
+ Marge - erwarteter Verlust + Kapitalvergütung - Kosten = Ertrag vor Steuern
Ermittlung der risikoadjustierten Performancemaße
Risikokapital
Abb. 48: Ablauf der Messung und Bepreisung des Kreditrisikos
Der Einsatz von risikoadjustierten Performancemaßen, gerade im Bereich der Kreditrisiken, ist noch nicht weit verbreitet. Vor allem zu Zwecken der Steuerung des Kreditportfolios können diese jedoch zu einer bedeutenden Größe werden.388
388
Siehe Ittner/Lietz (2004), S. 410.
154
Ökonomischer Rahmen
2.8. Zwischenfazit In den vorangegangenen Abschnitten wurde gezeigt, dass neben dem traditionellen Kredit verschiedene Formen von Geschäften mit Kreditcharakter denkbar sind. Diese reichen von der Kreditleihe bis hin zu Anleiheemissionen und der Begebung von Schuldscheindarlehen. Im klassischen institutsindividuellen Kreditvergabeprozess muss eine Bank eine Entscheidung hinsichtlich der Ausreichung eines Kredits fällen. Zur Entscheidungsfindung dienen insbesondere die qualitativen und quantitativen Faktoren der Bonitätsprüfung. Während die Softfacts sich größtenteils nicht objektiv beobachten lassen, tragen die Verfahren der Jahresabschlussanalyse zu einer Standardisierung und Objektivierung im Kreditvergabeprozess bei. Die in diesem Zusammenhang einzusetzenden Methoden reichen von einfachen Kennzahlenanalysen bis hin zu den Systemen der Künstlichen Intelligenz. Die Kreditvergabe stellt im Folgenden die Grundlage für weiterführende Überlegungen im Rahmen der Abgrenzung interner Märkte dar. Um das Kreditrisiko aus diesen Geschäften handelbar zu machen, sind verschiedene Hindernisse zu überwinden. Insbesondere die beim Kreditrisikotransfer inhärenten Anreizprobleme der adversen Selektion und des Moral Hazards sind dabei zu nennen. Es wurde gezeigt, dass organisatorische Maßnahmen innerhalb der Bank dazu beitragen können, den Risikotransfer zu ermöglichen. Dazu stellen vor allem die Errichtung von Chinese Walls zwischen den Kreditsachbearbeitern und der Steuerungsabteilung sowie deren Entlohnung wichtige Maßnahmen zur Überwindung der Anreizprobleme dar. Schließlich konnte anhand von theoretischen Modellen gezeigt werden, dass selbst beim Vorhandensein von Anreizproblemen ein Kreditrisikotransfer sinnvoll und vorteilhaft ist. Durch den Handel am externen Markt können insbesondere die eigenen Insolvenzkosten der Bank reduziert werden. Betrachtet man den Handel zwischen Portfolien innerhalb einer Bank oder zwischen Banken eines Verbunds, können die Kosten aus den Anreizproblemen weiter reduziert werden, so dass speziell das Problem der adversen Selektion nahezu eliminiert werden kann. Zur Durchführung des Kreditrisikotransfers wurden die unterschiedlichen Transferinstrumente vorgestellt und die einzelnen Elemente unter dem Aspekt der Anreizkompatibilität untersucht. Dabei sind sowohl die traditionellen als auch die Kapitalmarktinstrumente beschrieben worden. Es zeigt sich, dass speziell die Verbriefungen im Bereich der Kapitalmarktinstrumente ein großes Potenzial am externen Markt haben können, um das klassische Kreditrisiko einer Bank zu reduzieren. Der Einsatz dieser Instrumente ist jedoch mit relativ hohen Kosten verbunden, weshalb aus der Kosten-Nutzen-Perspektive nicht alle Banken von einem derartigen Instrument Gebrauch machen können. Zudem wurde dargestellt, dass der standardisierte Handel mit Krediten und der Transfer des Kreditrisikos vor allem bei großen Schuldnern bereits auf institutionalisierten Märkten erfolgt.
2.8. Zwischenfazit
155
Neben den Möglichkeiten des Kreditrisikotransfers wurde die rechtliche Übertragung der Kredite und Kreditrisiken beleuchtet. Dabei wurde resümiert, dass das Bankgeheimnis in Deutschland keinen gesetzlich verbindenden Charakter wie in anderen Ländern aufweist und, dass nach herrschender Meinung einem Handel von Kreditrisiken und sogar von Kreditpositionen keine rechtlichen Hemmnisse im Wege stehen. Um ein Kreditportfolio effektiv zu managen, wurden sowohl Verfahren zur Quantifizierung von Kreditrisiken auf Einzelgeschäftsebene als auch auf Portfolioebene vorgestellt. Die Modelle auf Einzelgeschäftsebene dienen vorrangig zur Ableitung von risikogerechten Kreditkonditionen. Die Portfolioansätze leisten darüber hinaus den Beitrag, alle Einzelgeschäfte im Zusammenhang zu begutachten und darauf aufbauend das Kreditrisiko zu quantifizieren. Als Ergebnis dieser Modelle kann der CVaR abgeleitet werden, der das erforderliche vorzuhaltende ökonomische Kapital zur Absicherung gegen Kreditrisiken beinhaltet. Es wurden die alternativen Vorgehensweisen bei den einzelnen Portfolioansätzen vorgestellt. Aufgrund der unterschiedlichen, verwendeten Datengrundlagen und Methoden zur Schätzung der Abhängigkeitsparameter führen die Ansätze zu stark voneinander abweichenden Ergebnissen bezüglich der prognostizierten Verlustverteilung und damit des CVaR.389 Nachdem die Risikomaßgröße des CVaR abgeleitet wurde, sind die darauf aufbauenden risikoadjustierten Performancemaße vorgestellt worden. Diese erlauben dem Kreditrisikobereich auf Einzelgeschäfts- wie auf Portfolioebene die Rendite-/Risiko-Relation zu berechnen. Nicht zuletzt können damit die unterschiedlichen Kreditrisiken vereinheitlicht und vergleichbar gemacht werden, um zu einer Optimierung der Kreditportfolios zu gelangen. Der ökonomische Rahmen zeigt auf, dass Bedarf an einer aktiven Steuerung der Kreditrisiken im Bankportfolio besteht. Daher wurden Methoden zu ihrer Messung vorgestellt und gleichzeitig Instrumente zu ihrer Beeinflussung erörtert. Nachdem die ökonomischen Rahmenbedingungen des Kreditrisikotransfers und -handels erläutert wurden, schließt sich nun der aufsichtsrechtliche Teil an, in dem der Schwerpunkt auf die Neue Baseler Eigenkapitalvereinbarung gelegt wird.
389
Vgl. z.B. die Studien von Koyluoglu/Hickman (1998) und Wahrenburg/Niethen (2000). Es wurde jedoch in mehreren Arbeiten gezeigt, dass sich die Momente der berechneten Verteilungen der Ausfallraten bei gegebenen Inputparametern ineinander überführen lassen, so dass letztlich der CVaR nahezu identisch berechnet wird. Siehe hierzu Koyluoglu/Hickman (1998); Gordy (2000); Wahrenburg/Niethen (2000). Hamerle/Rösch (2005) zeigen die Überführbarkeit der Modellergebnisse durch Auftei-lung des Risikos in eine systematische und unsystematische Komponente. In die unsystematische Größe fließen dabei vor allem Werte aus der Bonitätsprüfung ein.
3.1. Entwicklung und Entstehung der Bankenaufsicht in Deutschland
157
3. Aufsichtsrechtlicher Rahmen In den nachfolgenden Abschnitten werden die für deutsche Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute relevanten aufsichtsrechtlichen Regelungen bei der Behandlung von Kreditrisiken beschrieben. Dabei wird zunächst die Entwicklung der Bankenaufsicht erläutert, bevor dann näher auf die einzelnen spezifischen Regelungen eingegangen wird. Neben den bereits gültigen Vorschriften wird auch die künftige Berücksichtigung von Kreditrisiken im Rahmen von Basel II vorgestellt. Somit werden in diesem Kapitel die aufsichtsrechtlichen Grundlagen erläutert, denen die Kreditrisikopositionen generell und der Transfer von Kreditrisiken im Speziellen unterworfen sind. Die zentralen Fragestellungen lauten: x
Wie entstand die Bankenaufsicht in Deutschland und auf welchen Regelwerken basiert sie?
x
Wie sind die Eigenmittel zur Risikounterlegung definiert?
x
Wie hoch ist die Eigenmittelunterlegung der Kreditrisiken nach den derzeit gültigen Vorschriften?
x
Welche qualitativen Anforderungen sind zu erfüllen?
x
Wie werden Kreditrisiken nach Basel II behandelt?
3.1. Entwicklung und Entstehung der Bankenaufsicht in Deutschland Die Geschichte der Bankenregulierung in Deutschland war die Konsequenz vieler Bankpleiten. Im Zuge des Börsencrashs von 1929 und der damit einhergehenden Weltwirtschaftskrise kam es zu einem panikartigen Einlagenabzug und infolgedessen zur Bankenkrise von 1931. In dieser Zeit kam es zum Zusammenbruch zahlloser Banken, wobei eine der damals bedeutendsten Banken, die Danatbank, ebenfalls ihren Geschäftsbetrieb einstellen musste.390 Die Folge daraus war eine erste allgemeine Bankregulierung, die per Notverordnung 1931 erlassen wurde.391 Die Notverordnung wurde 1934 in das Reichsgesetz über das Kreditwesen392 überführt, welche die Grundlage für das 1962 in Kraft getretene Kreditwesengesetz (KWG)393 darstellt. Als zentrale Aufsichtsbehörde wurde das Bundesaufsichtsamt für das Kreditwesen (BaKred) errichtet.394 Zur Konkretisierung der eher generellen Forderungen des KWG zur 390
391
392 393 394
Die Darmstädter und Nationalbank war zu diesem Zeitpunkt die zweitgrößte Bank in Deutschland. Sie musste am 13. Juli 1931 ihre Schalter aufgrund der hohen Verluste in Folge des Konkurses des Textilkonzerns Nordwolle schließen. Siehe Bonn (1998), S. 426, S. 41; Hartmann-Wendels et al. (2004), S.377. Verordnung des Reichspräsidenten über Aktienrecht, Bankenaufsicht und über eine Steueramnestie, RGBl. I, S. 493 ff. Siehe RGBl. I, S. 1203, in Kraft getreten am 1.1.1935. Siehe Deutsche Bundesbank (1999a). Durch Verschmelzung des BaKred mit den Bundesaufsichtsämtern für den Wertpapierhandel (BAWe) und das Versicherungswesen (BAV) entstand am 1. Mai 2002 die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).
158
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Eigenmittel- und Liquiditätssausstattung wurden die Grundsätze I, II und III formuliert, die den relevanten Rahmen für die Eigenkapitalbelastungs- und Finanzierungsregeln definieren.395 Nachdem eine Phase der Deregulierung folgte, war der Zusammenbruch des Bankhauses I.D. Herstatt 1974 in Folge von Verlusten aus Devisenspekulationen der Anlass, zusätzliche Vorschriften zu erlassen. Durch die erste KWG-Novelle wurde der Grundsatz Ia eingeführt,396 der zunächst die offenen Devisen- und Edelmetallpositionen limitierte und schließlich auch auf Zinsänderungs- und sonstige Preisrisiken im Derivategeschäft ausgedehnt wurde.397 Um die Funktionsfähigkeit des Bankensektors zu gewährleisten und das Vertrauen der Öffentlichkeit in diesen zu stärken, wurde 1976 die zweite KWG-Novellierung durchgeführt.398 Darin wurde die Einlagensicherung ausgebaut, das Vieraugenprinzip in der Geschäftsleitung etabliert399 und die Großkreditvorschriften verschärft.400 Darüber hinaus kam es zu einer wesentlichen Erweiterung der Prüfungs- und Eintrittsbefugnisse des Bundesaufsichtsamtes für das Kreditwesen.401 Der Gesetzgeber war sich der Lücken im KWG bewusst, weshalb die Studienkommission „Grundsatzfragen der Kreditwirtschaft“ ins Leben berufen wurde, die zur Aufgabe hat, Reformvorschläge für das KWG zu erarbeiten.402 Diese 1979 vorgelegten Reformvorschläge wurden jedoch erst nach dem Zusammenbruch des Bankhauses Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. im November 1983403 mit der dritten KWG-Novellierung umgesetzt. Darin wurde insbesondere die Bemessung des haftenden Eigenkapitals404 und die Herabsetzung der Höchstgrenze für Großkredite405 berücksichtigt. Darüber hinaus wurde die Richtlinie des Rats der Europäischen Gemeinschaften über die bankaufsichtliche Konsolidierung zur Verhinderung so genannter Kreditpyramiden mit eingearbeitet.406 Über die folgenden Novellen setzte der Gesetzgeber hauptsächlich die Richtlinien der Europäischen Union in deutsches Recht um. Damit werden die Bedingungen für einen freien Verkehr mit Finanzdienstleistungen im europäischen Binnenmarkt geschaffen.407
395
396 397 398 399 400 401 402 403
404 405 406 407
Die Grundsätze II und III wurden am 25. November 1998 durch den neuen Grundsatz II (gemäß § 11 KWG) ersetzt. Zum Grundsatz I siehe Deutsche Bundesbank (2001) und zum Grundsatz II siehe Deutsche Bundesbank (1999b). Vgl. Deutsche Bundesbank (1974). Für die wesentlichen Regelungen des Grundsatz I siehe auch Arnold/Schulte-Mattler (1992). Siehe Samm (1976). Siehe § 33 Abs. 1 KWG von 1976. Siehe § 13 KWG von 1976. Vgl. §§ 2a, 35 Abs. 2 Nr. 5, 44 KWG von 1976. Siehe Alsheimer (1997), S.30. Zum Zusammenbruch des Bankhauses Schröder, Münchmeyer, Hengst & Co. siehe beispielsweise Schroeder-Hohenwarth (1984), S. 207 ff.; Knappe (1989). Siehe § 10 Abs. 5 KWG von 1984. Siehe § 13 Abs. 4 KWG von 1984. Siehe §§ 10a, 13a KWG von 1984. Siehe Deutschen Bundesbank (1999a), S. 8.
3.1. Entwicklung und Entstehung der Bankenaufsicht
159
Dieser baut auf dem Prinzip der Herkunftsstaatkontrolle auf und setzt die gegenseitige Anerkennung der Aufsicht bei gleichzeitiger Einhaltung vereinbarter aufsichtlicher Mindeststandards voraus (Europäischer Pass). Ende 1992 wurden mit der vierten Novelle die Zweite Bankrechtskoordinierungs-Richtlinie und die Eigenmittelrichtlinie für Einlagenkreditinstitute in nationales Recht überführt. Die Solvabilitätsrichtlinie floss durch eine Anpassung der Grundsätze über das Eigenkapital in das Gesetz ein. Dabei wurden auch eine erhebliche Erweiterung des Eigenkapitalbegriffs408 sowie die Beschränkung des NichtbankenBeteiligungsbesitzes409 in das KWG eingeführt. Mit der fünften KWG-Novellierung im Jahr 1995 wurden die Konsolidierungs- und Großkreditvorschriften modifiziert. Im Jahr 1998 erfolgte schließlich die sechste KWG-Novelle, bei der die Wertpapierdienstleistungs- und die Kapitaladäquanzrichtlinie in deutsches Recht überführt wurden. Neben dem haftenden Eigenkapital ist zum einen der Begriff der Eigenmittel in das KWG aufgenommen worden. Zum anderen wurde die Messung der Marktpreisrisiken mit aufgenommen, weshalb der Grundsatz Ia entfallen konnte. Daneben wurde der Grundsatz II novelliert, der sich im Vergleich zu den „alten“ Grundsätzen II und III, ausschließlich auf die Fähigkeit der Banken, ihre kurzfristigen Verbindlichkeiten zu decken, konzentriert.410 Die damit einhergehende Harmonisierung des Bankenaufsichtsrechts im Europäischen Wirtschaftsraum hatte vor allem die Vermeidung von Regulierungsarbitragepotenzialen, d.h. das Ausnutzen unterschiedlich strenger Kontrollvorschriften in unterschiedlichen Staaten zum Ziel. Eine herausragende Rolle spielt vor allem der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht, der bei der Bank für internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) angesiedelt ist.411 Der Ausschuss, der nach seinem ersten Vorsitzenden auch „Cooke-Committee“ bezeichnet wird, gibt seit 1988 regelmäßig Empfehlungen zur Fortentwicklung des Bankenaufsichtsrechts ab. Diese haben keinen rechtsverbindlichen Charakter, jedoch sind sie quasi als Vereinbarungen zwischen den beteiligten nationalen Aufsichtsinstanzen aufzufassen.412 Mittlerweile orientieren sich mehr als 100 Länder an den Eigenkapitalempfehlungen des Baseler Ausschusses,413 weshalb das Gremium immer mehr in die Rolle eines supranationalen Gesetzgebers in allen Fragen der Bankenregulierung gerät.414 Trotz dieser hohen Regulierung im Bankensektor sind in der Bundesrepublik Deutschland seit 1960 fast 100 private Banken insolvent geworden und 408 409 410 411
412
413 414
Siehe § 10 Abs. 2, 2a, 2b, 2c KWG. Siehe § 2b KWG. Siehe Franke (2000), S. 23. Der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht ist ein Ausschuss von hochrangigen Vertretern der Bankenaufsichtsinstanzen und Zentralbanken von Belgien, Deutschland, Frankreich, Italien, Japan, Kanada, Luxemburg, den Niederlanden, Schweden, der Schweiz, Spanien, der USA und dem Vereinigten Königreich. Das ständige Sekretariat befindet sich seit der Gründung 1974 bei der Bank for International Settlement in Basel. Siehe Hirschbeck (1998), S. 15 f.; Süchting/Paul (1998), S. 471; Schulte-Mattler (1999), S. 530; Basel Committee (2005b). Financial Stability Institute (2004), S. 3. Vgl. Burghof et al. (2000), S. 173.
160
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
damit vom Markt verschwunden.415 An diesen Fällen und an den zahlreichen Sanierungen und Rettungsaktionen, die von den Sicherungseinrichtungen der öffentlich-rechtlichen Institute und Genossenschaftsbanken vorgenommen werden mussten, ist abzulesen, dass die Bankenregulierung und ein adäquates Risikomanagementsystem unabdingbare Voraussetzungen für den Fortbestand einer Bank, der gesamten Finanzbranche und der Volkswirtschaft sind. Im Zuge eines weiteren Regulierungsschrittes wurde 2004 die neue Eigenkapitalempfehlung des Baseler Ausschusses veröffentlicht, die bis Ende 2006 verbindlichen Charakter haben wird. 3.2. Übersicht zum KWG Das KWG stellt die wichtigste gesetzliche Grundlage im Rahmen der Regulierung von Banken und Wertpapierfirmen dar. Das Hauptziel des KWG und der Regulierung der Banken im Allgemeinen besteht darin, die Anleger vor Ausfallrisiken zu schützen. Damit dient die Mehrzahl der Bestimmungen des KWG mittelbar oder unmittelbar dem Einlegerschutz. Nach § 1 Abs. 1 und Abs. 1a KWG findet es Anwendung auf diejenigen Unternehmen, die Bankgeschäfte und Finanzdienstleistungen betreiben. Damit diese Geschäfte ausgeübt werden können, bedarf es einer Erlaubnis der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin).416 Diese Genehmigung wird generell dann nicht erteilt, falls einer der in § 33 KWG aufgeführten Versagensgründe vorliegt. Demzufolge wird die Genehmigung nicht erteilt, falls beispielsweise bestimmte Anforderungen an das Anfangskapital nicht erfüllt werden oder die persönliche und fachliche Eignung der Geschäftsleitung nicht nachgewiesen werden kann. Die Geschäftsleitung hat darüber hinaus nach dem Vier-Augen-Prinzip aus mindestens zwei Personen zu bestehen. Die Anforderungen des KWG hinsichtlich des Gläubigerschutzes lassen sich in die drei Kategorien Informationspflichten, Eintrittsbefugnisse und Restriktionen unterteilen.417 3.2.1. Paradigma des Gläubigerschutzes im KWG 3.2.1.1. Informationspflichten Die Informationspflichten des KWG bezieht sich auf die Auskünfte, die Banken und Wertpapierfirmen dem BaFin zu erteilen haben. So sind beispielsweise Änderungen in der Rechtsform oder der Geschäftsleitung sowie die Übernahme oder Aufgabe bestimmter Beteiligungen zu melden.418Darüber hinaus sind Meldungen bezüglich der Groß- und Millionenkredite,419 der Anfertigung monatlicher Berichte über den Geschäftsverlauf,420 der Teilnahme an Zah415 416 417 418 419 420
Siehe Artopoeus (1998). Siehe § 32 KWG. Siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 386. Vgl. § 24 KWG. Siehe § 13, 13a, 14 KWG und in diesem Zusammenhang die GroMiKV (2003). Vgl. § 25 KWG.
3.2. Übersicht zum KWG
161
lungs- sowie Wertpapierabrechnungs- und –lieferungssystemen,421 der Errichtung von Zweigniederlassungen,422 der automatisierte Abruf von Kontoinformationen sowie die Vorlage von Rechnungslegungsunterlagen und die Einhaltung der Prüfungspflicht durch Wirtschaftsprüfer, Prüfungsverbände und in Ausnahmefällen des BaFin423 tangiert. 3.2.1.2. Eintrittsbefugnisse Über die Eintrittbefugnisse steuert das KWG, in welcher Weise Verstöße gegen die Pflichten und Restriktionen geahndet werden. Die Strafen reichen dabei von Straf- und Bußgeldern bzw. Freiheitsstrafen bis hin zum unmittelbaren Eingriff in die Geschäftstätigkeit. Als härtestes Strafmaß kann der Entzug der Genehmigung zum Betreiben von Bankgeschäften oder Finanzdienstleistungen verhängt werden.424 3.2.1.3. Restriktionen Die Restriktionen bestimmen das Ausmaß der maximal einzugehenden Risiken und welche Eigenmittel zur Unterlegung dieser Risiken benötigt werden. Die jeweiligen Risiken und deren aktuelle Regelungsnormen werden in Tabelle 8 skizziert.425 Risikoart
Regelungsnormen
Ausfallrisiken
§§ 10, 12, 13 KWG; GS I
Marktpreisrisiken
§ 10 KWG; GS I
Liquiditätsrisiken
§ 11 KWG; GS II
Operationelle Risiken
§§ 13 Abs. 2, 15, 17, 18, 32 Abs. 1 KWG; MaK, MaH
Informationsrisiken
§§ 23, 23a, 39, 40 KWG
Tab. 8: Risiken und deren aufsichtliche Regelungen
Der Abschnitt 3.2.2. befasst sich im Folgenden mit den Vorschriften zur Ermittlung des zu unterlegenden Eigenkapitals. Da die Kreditrisiken in dieser Arbeit im Vordergrund stehen, geht Abschnitt 3.3. auf die Regelungen des Grundsatz I hinsichtlich der Kreditrisiken im Überblick ein und Abschnitt 3.4. befasst sich mit den Regelungen zur qualitativen Bankenaufsicht.
421 422 423 424 425
Vgl. § 24b KWG. Vgl. §§ 24, 24a KWG. Vgl. §§ 26-29 KWG. Vgl. §§ 33, 35-38, 45-47, 54-60a KWG. Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 387
162
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
3.2.2. Bestimmung der Eigenmittel nach § 10 KWG Nach § 10 Abs. 1 Satz 1 KWG sind die Kredit- und Finanzdienstleistungsinstitute im Rahmen des Funktions- und Gläubigerschutzes verpflichtet, über angemessene Eigenmittel zu verfügen. Die Präzisierung dieser allgemein gehaltenen Formulierung erfolgt im Grundsatz I. Darin ist geregelt, wie eine Gesamtrisikoposition als Summe aller Risikoanrechnungsbeträge ermittelt wird, die schließlich mit haftendem Eigenkapital bzw. mit Eigenmitteln zu unterlegen ist. Die Ableitung der Eigenmittel ist dagegen in § 10 KWG geregelt. Der Begriff der Eigenmittel wurde im Rahmen der sechsten KWG-Novelle neu eingeführt. Demnach können zur Unterlegung von Risiken neben dem haftenden Eigenkapital auch so genannte Drittrangmittel herangezogen werden. Einen Überblick über die Zusammensetzung der Eigenmittel gibt die nachfolgende Abbildung 49.426 Eigenmittel nach § 10 KWG
Haftendes Eigenkapital
Kernkapital
Ergänzungskapital Tier 1 Tier 2
Drittrangmittel
Nettogewinn
kurzfr. nachrangige Verbindlichkeiten
Abzugsposten Abb. 49: Zusammensetzung der Eigenmittel
3.2.2.1. Haftendes Eigenkapital Nach der Konzeption des KWG dient das haftende Eigenkapital als „Puffer“ zur Abfederung unvorhergesehener Verluste.427 Es besteht aus dem Kernkapital und dem Ergänzungskapital, wobei die Abzugsposten mindernd zu berücksichtigen sind. Das haftende Eigenkapital wird auch als „hartes“ Haftungskapital bezeichnet, da es dem Institut uneingeschränkt zur Deckung von Risiken und Verlusten zur Verfügung steht. Im Einzelnen gehören zum haftenden Eigenkapital folgende Positionen:428
426 427 428
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 401 Siehe BaKred (1997b), S. 20; Übelöhr/Warns (2004), S. 17 f. Siehe § 10 Abs. 2a Satz 1 KWG und zu den einzelnen Positionen Baetge et al. (2002).
3.2. Übersicht zum KWG
163
x
das anerkannte freie Vermögen des Inhabers oder persönlich haftenden Gesellschafters,
x
das eingezahlte Kapital,
x
die ausgewiesenen Rücklagen,
x
die Sonderposten für allgemeine Bankrisiken nach § 340g HGB sowie
x
die Vermögenseinlagen stiller Gesellschafter.
Als Abzugsposten werden folgende Positionen definiert:429 x
der Bilanzverlust und noch nicht ausgewiesene Verluste,
x
die immateriellen Vermögensgegenstände,
x
die Korrekturposten des Bundesaufsichtsamts nach § 10 Abs. 3b KWG und
x
Kredite an beschränkt haftende Gesellschafter und stille Gesellschafter.
Das Ergänzungskapital hat gegenüber dem Kernkapital eine geringere Haftungsqualität, da die einzelnen Bestandteile entweder nicht in der Bilanz aufgeführt werden oder diese nur nachrangig haften oder zurückzuzahlen sind. Es setzt sich wie folgt zusammen:430 x
die Vorsorgereserven nach § 340f HGB,
x
die Vorzugsaktien,
x
die Rücklagen nach § 6b EStG,
x
das Genussrechtskapital,
x
die nicht realisierten Reserven bei Immobilien und bei Anlagebuchpositionen jeweils in bestimmtem Umfang,
x
die längerfristigen, nachrangigen Verbindlichkeiten und
x
der Haftsummenzuschlag bei Kreditgenossenschaften.
Da das Ergänzungskapital von geringerer Haftungsqualität ist, darf es die Höhe des Kernkapitals nicht überschreiten.431 Zudem darf die Summe aus längerfristigen, nachrangigen Verbindlichkeiten und dem Haftsummenzuschlag (Tier 2) maximal 50% des Kernkapitals betragen.432 Das haftende Eigenkapital hat schließlich an jedem Geschäftstag mindestens 8% der so genannten Risikoaktiva zu betragen.433 Daraus lässt sich folgende Formel ableiten: (79)
E1 E2 KK t 0,08 * RA
mit den Nebenbedingungen: (80) 429 430 431 432 433
E1 E2 d KK
und
Vgl. § 10 Abs. 2a Satz 2 KWG und zu den einzelnen Positionen Baetge et al. (2002). Vgl. § 10 Abs. 2b Satz 1 KWG und zu den einzelnen Positionen Baetge et al. (2002). Vgl. § 10 Abs. 2b Satz 2 KWG. Vgl. § 10 Abs. 2b Satz 3 KWG. Siehe § 2 Abs. 1 Grundsatz I; zur Ableitung der 8%-Grenze aus internationalen Erfahrungswerten siehe Waschbusch (2000), S. 230.
164
(81)
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
E2 d 0,5 * KK ,
wobei: E1: Ergänzungskapital aus Tier 1 E2: Ergänzungskapital aus Tier 2 KK: Kernkapital RA: Summe der Risikoaktiva Als Risikoaktiva gelten alle Bilanzaktiva, außerbilanziellen Geschäfte, Swapgeschäfte sowie Termin- und Optionsgeschäfte.434 Die Ableitung der Anrechnungsbeträge und Gewichtungsfaktoren ist in den §§ 6-13 Grundsatz I geregelt. Aus (79) und (80) ergibt sich: (82)
KK t 0,04 * RA .
Das bedeutet, dass das Kernkapital auf täglicher Basis mindestens 4% der Risikoaktiva betragen muss. Wegen (80) und (81) ergibt sich für das Ergänzungskapital aus Tier 2 bei der Berechnung der Eigenmittel folgende Restriktion: (83)
E2 t max >0,08 * RA KK E1 ;0@ E2 d min>0,5 * KK; KK E1@ .
Das ermittelte Kern- und Ergänzungskapital ist bei der Unterlegung der Risikoaktiva um die Abzugsposten gemäß § 10 Abs. 6 KWG zu reduzieren. 3.2.2.2. Drittrangmittel Die Drittrangmittel wurden im Rahmen der sechsten KWG-Novelle in die Definition der Eigenmittel mit aufgenommen. Die Drittrangmittel sind von geringerer Haftungsqualität als das Ergänzungskapital und bestehen aus den Nettogewinnen des Handelsbuchs und den kurzfristigen nachrangigen Verbindlichkeiten. Vom täglich zu ermittelnden Nettogewinn des Handelsbuchs sind bei der Bestimmung des anzurechnenden Betrags die vorhersehbaren Aufwendungen und Ausschüttungen sowie die Verluste des Anlagebuchs abzuziehen, die bei sofortiger Liquidation entstehen würden. Da eine solche objektive tägliche Verlustermittlung für Anlagebuchpositionen praktisch nicht durchführbar ist, setzen deutsche Institute auch den Nettogewinn des Handelsbuches nicht an.435 Die Drittrangmittel dienen zusammen mit dem freien Kern- und Ergänzungskapital zur Unterlegung der Marktrisikoposition.436 Die Marktrisikoposition setzt sich aus der Summe der
434 435 436
Vgl. § 4 Grundsatz I. Siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 411. Unter freiem Kern- bzw. Ergänzungskapital wird das Kapital verstanden, das bei der Unterlegung der Risikoaktiva nicht benötigt wird.
3.3. Grundsatz I
165
Markt- und Ausfallrisiken des Handelsbuchs437 zuzüglich der Währungs- und Rohwarenrisikopositionen und der Anrechnungsbeträge aus Optionsgeschäften zusammen. Schließlich gilt bei den Drittrangmitteln:
FK FE1 FE2 DRM t MR , wobei: FK: Freies Kernkapital FE1: Freies Ergänzungskapital Tier 1 FE2: Freies Ergänzungskapital Tier 2 DRM: Drittrangmittel MR: Summe der Anrechnungsbeträge der Marktrisikopositionen Dieses stufenweise Vorgehen bei der Unterlegung der Risikopositionen mit Eigenmitteln beruht auf dem Prinzip, dass haftendes Eigenkapital und Drittrangmittel nur einmalig zur Unterlegung von Risiken herangezogen werden können. Bei der Unterlegung der Marktrisikoposition ist zudem die Restriktion zu berücksichtigen, dass die Summe aus freiem Ergänzungskapital und Drittrangmittel nicht mehr als 250% des freien Kernkapitals betragen darf:438
(84)
(85)
FE1 FE2 DRM d 2,5 * FK .
Dies ist wiederum äquivalent zu der Aussage, dass die Marktrisikopositionen mit mindestens 2/7 oder 28,57% freiem Kernkapital zu unterlegen sind, wobei das freie Ergänzungskapital maximal bis zur Höhe des freien Kernkapitals anzurechnen ist. Stehen nicht genügend Drittrangmittel zur Verfügung, darf diese Lücke mit freiem (gekapptem) Ergänzungskapital aufgefüllt werden.439 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Kernkapital mindestens 4% der gewichteten Risikoaktiva und 28,57% der Anrechnungsbeträge für Marktrisikopositionen abdecken muss. 3.3. Grundsatz I Der neue Grundsatz I wurde am 29.10.1997 vom BaKred veröffentlicht und ist seit dem 1.10.1998 in Kraft. Entsprechend des Grundsatz I werden sowohl die Risiken des Handels- als auch die des Anlagebuchs erfasst. In § 13 Grundsatz I werden die Gewichtungssätze für die Risikoaktiva festgelegt, wobei sich bei deren Anwendung die Risikoaktiva-Anrechnungsbeträge ergeben.440 Diese Gewichtungssätze gelten auch bei der Anrechnung für Ausfallrisiken für die dem Handelsbuch zugeordneten außerbörslich gehandelten Finanzinstrumente.441
437 438 439 440 441
Zur Abgrenzung des Handelsbuchs siehe Deutsche Bundesbank (2001), S. 10 ff. Vgl. § 10 Abs. 2c Satz 2 KWG. Vgl. § 10 Abs. 2c Satz 3 KWG. Zur Definition der Risikoaktiva siehe § 4 Grundsatz I. Siehe § 27 Grundsatz I.
166
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Einen Überblick über die Regelungen zur Risikoerfassung im Grundsatz I gibt Tabelle 9 wieder.442 Für die Messung der Kreditrisiken sieht der Grundsatz I ein einfaches Konzept, die so genannte Standardmessmethode, vor. Damit soll der administrative Aufwand begrenzt und nicht zu sehr in die individuelle Risikosteuerung der Institute eingegriffen werden.443 Die Behandlung von Kreditrisiken im Grundsatz I soll an dieser Stelle lediglich im Überblick skizziert werden, da in Abschnitt 3.5. auf die künftigen Regelungen nach Basel II genauer eingegangen wird, die die Regelungen des Grundsatz I im Bereich der Kreditrisiken weitgehend ablösen.
NichtHandelsbuch -Institute
Handelsbuchinstitute
Risiken
Erfasste Positionen
Anrechnungsverfahren
Adressausfallrisiken
alle Risikoaktiva
Standardverfahren
Marktpreisrisiken
alle Fremdwährungs- und Rohwarenpositionen
Standardverfahren oder institutseigene Risikomodelle
Adressausfallrisiken i.e.S.
Risikoaktiva des Anlagebuches
Marktpreisrisiken
Handelsbuchpositionen
Adressausfallrisikopositionen des Handelsbuchs (Kontrahentenrisiko) Zinsnettoposition
Standardverfahren
allgemeines Kursrisiko besonderes Kursrisiko allgemeines Kursrisiko
Standardverfahren oder institutseigene Risikomodelle
besonderes Kursrisiko Fremdwährungs- und Rohwarenpositionen des Anlage- und Handelsbuches Tab. 9: Risikoerfassung im Grundsatz I
3.3.1. Forderungen an Staaten und staatsnahe Organisationen Forderungen gegenüber oder Garantien von EU-Staaten, den Zentralregierungen bzw. Zentralnotenbanken der Zone A erhalten ein Risikogewicht von 0%.444 Unter den staatsnahen Organisationen werden u.a. die Bundesländer, die unselbständigen Sondervermögen des Bundes oder eines Landes, die Gemeinden, die Gemeindeverbände und sonstige nicht wettbewerbs442 443 444
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Burghof et al. (2000), S. 163 Siehe Deutsche Bundesbank (2001), S. 7. Für eine Liste der Staaten, die der Zone A angehören siehe BaKred (1997b), S. 113.
3.3. Grundsatz I
167
wirtschaftliche Förderinstitute, für die eine Gebietskörperschaft eine Garantie übernommen hat, subsumiert. Forderungen gegenüber einem Staat der Zone B können nur dann mit 0% gewichtet werden, falls die Währung der Risikoaktiva mit der Währung des entsprechenden Staates übereinstimmt und mit dieser refinanziert wurde (Lokalfinanzierungen).445 Handelt es sich um eine Forderung gegenüber einer nachgeordneten staatlichen Verwaltungseinrichtung oder einer nicht erwerbswirtschaftlichen Unternehmung des Privatrechts im Besitz ausländischer Gebietskörperschaften, ist ein Risikogewicht von 20% anzusetzen. Darüber hinaus erfahren solche Risikoaktiva keine Anrechnung, die durch Wertpapiere einer Zentralregierung oder Zentralnotenbank der Zone A oder der Europäischen Gemeinschaften, eines Landes, einer Gemeinde oder eines Gemeindeverbandes gesichert sind.446 Alle Forderungen gegenüber anderen Staaten erhalten ein Risikogewicht von 20%. 3.3.2. Forderungen an Banken Grundsätzlich erhalten Forderungen gegenüber in- und ausländischen Kreditinstituten der Zone A ein Risikogewicht von 20%, sofern sie einer dem Grundsatz I vergleichbaren Regelung unterworfen sind.447 Ausgenommen hiervon sind Einlagenzertifikate, die vom Kredit gewährenden Institut ausgegeben wurden und von diesem hinterlegt sind sowie als Sicherheit dienende Bareinlagen beim Kredit gewährenden Institut. Wurden die Einlagenzertifikate von einem anderen als dem Kredit gewährenden Institut emittiert oder befinden sich die Barsicherheiten nicht bei der Kredit gewährenden Bank, erhält die zugrunde liegende Forderung ein Risikogewicht von 20%. Kreditinstitute der Zone B werden grundsätzlich mit 100% gewichtet. Ausnahmsweise ist es hier zulässig, ein ermäßigtes Risikogewicht von 20% anzuwenden, sofern die Ursprungslaufzeit der Forderung maximal ein Jahr beträgt.448 3.3.3. Forderungen im Retailsegment Die Forderungen im Retailbereich erhalten ein obligatorisches Risikogewicht von 100%. Eine Ausnahme bilden Finanzierungen für Wohnimmobilien, die durch Grundpfandrechte abgesichert sind. Falls diese vom Kreditnehmer gegenwärtig oder künftig selbst genutzt und 60% des Beleihungswertes bei der Finanzierung nicht überschritten werden, erhalten diese ein Risikogewicht von 50%.
445 446 447 448
Siehe § 13 Absatz 1 Nr. 1 (d) Grundsatz I. Siehe § 13 Absatz 1 Nr. 2 (a-c) Grundsatz I. Siehe § 13 Absatz 1 Nr. 2 (f), (g) Grundsatz I. Siehe § 13 Absatz 1 Nr. 3 (h) Grundsatz I.
168
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
3.3.4. Forderungen an Wirtschaftsunternehmen und sonstige Kreditnehmer Generell erhalten Forderungen an Wirtschaftsunternehmen und sonstige Kreditnehmer ein Risikogewicht von 100%. Eine Ausnahme bilden hier grundpfandrechtlich gesicherte Gewerbeimmobilien, sofern449
a) der Kreditbetrag weder 50% des Verkehrswertes der Immobilie noch 60% des Beleihungswertes überschreitet und b) der Beleihungswert und die zugrunde liegenden Annahmen über die Marktentwicklung mindestens alle drei Jahre oder bei Sinken des Verkehrswertes um mehr als 10% überprüft wird und c) die Immobilie entweder vom Eigentümer gegenwärtig oder künftig selbst genutzt oder vermietet wird. Liegen diese Bedingungen vor, erhalten die entsprechenden Forderungen ein Risikogewicht von 50%. 3.3.5. Kreditderivate Da Kreditderivate450 ein relativ neues Finanzinstrument darstellen, wurden sie nicht in den Grundsatz I aufgenommen, sondern ihre bankaufsichtliche Handhabung im Rundschreiben 10/99 des BaKred formuliert. Danach werden die grundlegenden Formen von Kreditderivaten, nämlich Credit Default Swaps, Total Return Swaps und Credit Linked Notes, gemäß Grundsatz I bei der Ermittlung der Eigenmittelunterlegung berücksichtigt.451 Grundsätzlich werden darin folgende Fragestellungen geregelt:
a)
Unter welchen Voraussetzungen sind Kreditderivate dem Handels- oder Anlagebuch zuzuordnen? b) Unter welchen Voraussetzungen können Absicherungen auf die Eigenkapitalanforderungen angerechnet werden? c) Wie sind das Markt- und Kreditrisiko des Underlyings und das Kontrahentenrisiko mit Eigenkapital zu unterlegen? Die Zuordnung zum Handels- oder Anlagebuch basiert grundsätzlich auf den Kriterien des § 12 KWG, wobei diese durch einige Zusatzbedingungen eingeschränkt werden. Hinsichtlich CDS und TRS ist die Zuordnung zum Handelsbuch abhängig vom zugrunde liegenden Referenzaktivum. Sie kommt nur dann in Frage, wenn es sich dabei um an Kapitalmärkten gehandelte Titel nach § 1 Abs. 11 Satz 2 und 3 KWG oder um eine Forderung (Borrowed Money) handelt, welche zum Zwecke des Eigenhandels gehalten wird und einer Marktbewertung unterliegt. Bei einer CLN ist für den Sicherungsgeber, wie bei den restlichen Finanzinstrumen449 450 451
Siehe § 13 Absatz 4 Nr. 3 Grundsatz I. Die folgenden Ausführungen basieren auf BaKred (1999). Zur grundlegenden Darstellung dieser Kreditderivate siehe Abschnitt 2.4.2.2.
3.3. Grundsatz I
169
ten auch, der Verwendungszweck maßgeblich. Für den Sicherungsnehmer ist für die Zuordnung zum Handelsbuch entscheidend, ob er die CLN zu Absicherungszwecken von Kreditrisikopositionen des Handelsbuches verwendet oder nicht. Damit die aufsichtliche Anerkennung der Besicherungswirkung des Kreditderivates auf eine Kreditrisikoposition des Sicherungsnehmers gegeben ist, müssen neben der Zuordnung zum Handels- oder Anlagebuch folgende Bedingungen erfüllt sein (siehe Tab. 10):452 Anlagebuch
Handelsbuch
wirksame Übertragung des betroffenen Kreditrisikos
x die beabsichtigte Risikoübertragung wird durch die vertragliche Ausgestaltung auch erreicht x der ordnungsgemäßen Vertragserfüllung stehen weder gesetzliche Regelungen noch vertragliche Abreden entgegen x lauten Kreditderivate und zu besicherndes Aktivum auf unterschiedliche Währungen, ist der Umfang der Besicherung durch regelmäßige Marktbewertung zu prüfen Gleichartigkeit von Referenzaktivum und zu besicherndem Aktivum Bedingungen des § 19 Abs. 3 Grundsatz I sind x Übereinstimmung des Schuldners erfüllt, d.h. x Ranggleichheit bei Insolvenz
x Bindung der Zahlung aus dem Kreditderivat an das Ausfallereignis des zu besichernden Aktivums (Cross Default Klausel)
x Übereinstimmung des Schuldners
Laufzeitkriterium
Marktwertänderungskriterium vollständig negative Korrelation potenzieller Marktwertänderungen zwischen abzusichernder Position und Kreditderivat
x Übereinstimmung des Marktes x Übereinstimmung des Rückzahlungsprofils bei Einbeziehung in die Zinsnettoposition x Ranggleichheit bei Insolvenz
x Laufzeitkongruenz zwischen abzusichernder Position und Kreditderivat x falls Laufzeitunterdeckung: Restlaufzeit des Kreditderivats von mindestens einem Jahr und Berücksichtigung des Terminrisikos
Tab. 10: Bedingungen für die aufsichtliche Anerkennung von Kreditderivaten
In diesem Zusammenhang werden CDS und TRS des Anlagebuchs wie Garantien und CLN wie Barsicherheiten auf das Referenzaktivum behandelt. Dementsprechend resultieren hieraus bei CDS und TRS Eigenkapitalanforderungen beim Sicherungsnehmer mit Bonitätsgewichtung des Sicherungsgebers. Der Sicherungsgeber seinerseits hat das Bonitätsgewicht des Schuldners des jeweiligen Underlyings anzusetzen. Bei einer CLN erhält das Risikoaktivum beim Sicherungsnehmer eine Nullgewichtung, da dieser nach Erhalt des Nominalbetrags der Anleihe keinem Adressausfallrisiko ausgesetzt ist. Beim Sicherungsgeber ist dagegen das höhere Risikogewicht aus Referenzschuldner oder Sicherungsnehmer zu verwenden. Liegt eine Laufzeitunterdeckung vor, wobei das Kreditderivat eine Restlaufzeit von mindestens 452
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Burghof et al. (2000), S. 167
170
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
einem Jahr hat, sind zudem 50% des ursprünglichen Eigenkapitalbedarfs hinzuzurechnen. Bei einer Laufzeitunterdeckung und einer Restlaufzeit des Kreditderivates von unter einem Jahr wird keine Besicherungswirkung angenommen. Die Handhabung im Handelsbuch ist hingegen komplizierter. Bei einem TRS ist das allgemeine und spezifische Kursrisiko des Referenzaktivums zu berücksichtigen. Er ist beim spezifischen Kursrisiko sowohl beim Sicherungsnehmer als auch beim Sicherungsgeber mit der entsprechenden Position des besicherten Aktivums aufzurechnen. Beim allgemeinen Kursrisiko (Zinsänderungsrisiko) ist die Gegenleistung, je nach Ausgestaltung, als fiktive Floating Rate Note oder als festverzinsliches Papier zu interpretieren. Resultiert aus dem TRS ein positiver Marktwert und damit ein potenzieller Wiedereindeckungsaufwand bei Ausfall des Kontrahenten, ist das Kontrahentenausfallrisiko entsprechend § 27 Abs. 1 Nr. 4 Grundsatz I zu berechnen. Beim CDS und bei der CLN wird im Vergleich zum TRS lediglich das Ausfallrisiko und nicht mehr das Bonitätsänderungsrisiko des Referenzaktivums transferiert. Eine Aufrechnung mit der abzusichernden Position für das spezifische Kursrisiko ist daher nicht möglich.453 Damit ist das Risiko aus dem Derivat zusätzlich zu bestimmen, so dass sich trotz Absicherung für das spezifische Kursrisiko eine insgesamt höhere Eigenkapitalunterlegung für Kreditderivat und abzusichernde Position ergibt. Daher ist in diesem Fall eine synthetische Verkaufsposition in Höhe der maximalen Ausgleichszahlung bei Kreditereignis, bezogen auf den Referenzschuldner und mit Laufzeit des CDS bzw. der CLN, zu bilden. Eine Anrechnung findet nur in der Höhe statt, soweit die Ausgleichszahlung über das Volumen der besicherten Position hinausgeht. Die zusätzliche Eigenkapitalbelastung für CDS und CLN ist demzufolge der Risikostruktur dieser Produkte angepasst. Beim CDS hat der Sicherungsgeber im besonderen Kursrisiko eine synthetische Kaufposition im Referenzaktivum in Höhe der vereinbarten Ausgleichszahlung und mit Laufzeit des CDS zu bilden. Werden die Prämienleistungen über die Laufzeit des CDS verteilt, ist auf beiden Seiten ein Zinsänderungsrisiko als allgemeines Kursrisiko und beim Sicherungsgeber zusätzlich ein Kontrahentenrisiko wegen der noch nicht erhaltenen Prämienzahlungen anzurechnen. Wird die Prämie einmalig (zu Beginn) gezahlt, wird die Anrechnung des allgemeinen Kursrisikos vermieden und dementsprechend entfällt auch das Kontrahentenrisiko auf Sicherungsgeberseite. Dabei trägt in jedem Fall der Sicherungsnehmer das Kontrahentenrisiko in Höhe der Wiedereindeckungskosten. Bei der CLN ist beim Sicherungsgeber immer ein allgemeines und spezifisches Kursrisiko aus der Anleihe zusätzlich anzurechnen, wobei die Bonität des Anleiheschuldners maßgeblich für
453
Eine Ausnahme hiervon stellen Institute dar, die Credit Default-Produkte lediglich durchhandeln, so dass sich synthetische Kauf- und Verkaufspositionen gegenseitig aufheben.
3.3. Grundsatz I
171
das Risikogewicht ist. Somit wird auf Sicherungsgeberseite das Kontrahentenrisiko durch das spezifische Kursrisiko der Anleihe abgedeckt. Der Sicherungsnehmer besitzt eine Verkaufsposition in der Anleihe, die bei der Ermittlung des allgemeinen Kursrisikos berücksichtigt werden muss. Dadurch ergibt sich bei einer CLN, dass der Sicherungsnehmer kein Kontrahentenrisiko trägt. Hinsichtlich des Kontrahentenrisikos im Handelsbuch ist der Wiedereindeckungsaufwand nach § 27 Abs. 1 Nr. 4 Grundsatz I zu berechnen. Daraus ergibt sich ein von der Art des zugrunde liegenden Geschäftes abhängiger prozentualer Zuschlag von der Bemessungsgrundlage, der das so genannte „potential Exposure“ abdeckt.454 Als Eigenkapitalbedarf ergeben sich acht Prozent aus der bonitätsgewichteten Summe beider Größen. Jedoch ist anzumerken, dass die Zuschläge für TRS und CDS sehr unterschiedlich ausfallen. Beim TRS werden die zinsabhängigen Gewichtungssätze angewandt, während bei CDS die höheren aktienbezogenen Zuschläge verwendet werden. Ausschließlich bei sehr hohen Anlagequalitäten können die niedrigeren, zinsbezogenen Zuschläge zur Anwendung kommen. Tabelle 11 gibt einen Überblick über die verschiedenen Zuschlagssätze nach § 10 Grundsatz I.455 Restlaufzeit
zinsbezogene Geschäfte
währungskurs- und goldbezogene Geschäfte
aktienkursbezogene Geschäfte
edelmetallbezogene Geschäfte
rohwarenbezogene und sonstige Geschäfte
bis 1 Jahr
0,0%
1,0%
6,0%
7,0%
10,0%
über 1 Jahr bis 5 Jahre
0,5%
5,0%
8,0%
7,0%
12,0%
über 5 Jahre
1,5%
7,5%
10,0%
8,0%
15,0%
Tab. 11: Laufzeitabhängige Gewichtungsfaktoren nach § 10 Grundsatz I
Die Anerkennung einer Besicherungswirkung ist an eine Reihe von qualitativen Anforderungen an das Kreditrisikomanagement geknüpft. Dabei ist vor allem herauszustellen, dass das BaFin die Risikominderung durch ein Kreditderivat lediglich dann anerkennt, wenn ein perfekter Micro-Hedge vorliegt.456 Diese Vorgehensweise ist insofern konsistent mit den sonstigen Regelungen des Grundsatz I, da an keiner Stelle unterschiedliche Korrelationen verschiedener Kreditrisikopositionen berücksichtigt werden.457 Gerade aber die Herstellung von Diversifikationseffekten zur Reduktion des Gesamtrisikos ist eine der besonderen Leistungen von Banken. Daher wird in der Bankenaufsicht die Entwicklung interner Risikomodelle im 454 455
456
457
Siehe § 10 Grundsatz I. Der Vollständigkeit halber sind darin auch die Gewichtungssätze für währungs-, edelmetall-, und rohwarenbezogene Geschäfte enthalten. Ausgenommen von dieser strengen Auslegung ist die gemilderte Bedingung der Fristenkongruenz im Anlagebuch. Siehe Burghof et al. (2000), S. 170.
172
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Marktrisikobereich gefördert. Während komplexe Regelungen im Standardverfahren zur Erfassung des allgemeinen Kursrisikos bei Aktien- und Zinspositionen und der Rohwarenposition zur Anwendung kommen, werden genau diese Diversifikationseffekte bei dem für die meisten Banken traditionell wichtigsten Risiko, nämlich dem Kreditrisiko, nicht berücksichtigt. 3.4. Qualitative Bankenaufsicht im Kreditbereich Neben den quantitativen Regelungen zur Bankenaufsicht haben die Banken auch eine Reihe von qualitativen Anforderungen zu erfüllen. Im Folgenden soll kurz skizziert werden, welche Regeln sich daraus für den Kreditrisikobereich ergeben. Deshalb sollen die „Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften der Kreditinstitute“ (MaH), die „Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute“ (MaK) und die „Mindestanforderungen an das Risikomanagement der Kreditinstitute“ (MaRisk) kurz erläutert werden.458 3.4.1. Mindestanforderungen an das Betreiben von Handelsgeschäften Die MaH459 wurden im Oktober 1995 mit dem Ziel veröffentlicht, die ordnungsgemäße Organisation des Geschäftsbetriebs in den einzelnen Bereichen der Kreditinstitute sicherzustellen, um somit einen weiteren Beitrag zum Funktionsschutz im Finanzsektor zu leisten. Hintergrund der Regelung war die intensiv geführte Diskussion über die Zuverlässigkeit des Risikomanagements und Risikocontrollings im Finanzsektor, nachdem vor allem im Bereich des Handels in Finanzderivaten ein starker Anstieg des Volumens zu verzeichnen war.460 Unter Handelsgeschäften werden dabei alle Geldmarkt-, Wertpapier-, Edelmetall- und Derivategeschäfte subsumiert, die von einem Kreditinstitut im eigenen Namen und auf eigene oder fremde Rechnung durchgeführt werden. Hauptmotiv ist die Gesamtverantwortung der Geschäftsleitung, die durch die drei tragenden Säulen,461
x
Risikocontrolling- und Risikomanagementsystem,
x
funktionale Trennung beteiligter Bereiche sowie
x wirkungsvolle Revision, gestützt wird. Entgegen der Bezeichnung der Verlautbarung sind die Regelungen neben dem Handelsbuch auch im Anlagebestand und für die Liquiditätsreserve anzuwenden. Damit ergeben sich vor allem erhebliche Auswirkungen auf die Gestaltungsfreiheit der internen Organisation. Kernpunkt der Vorschrift ist die Implementierung eines Risikocontrolling- und Risikomana458
459 460 461
Zu den „Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der Internen Revision“ (MaIR) siehe BaKred (2000). Siehe Deutsche Bundesbank (1996). Vgl. Waschbusch (2000), S. 482 ff. Zu den tragenden Säulen im Einzelnen siehe Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 438 ff.
3.4. Qualitative Bankenaufsicht im Kreditbereich
173
gementsystems, um so die Adressausfall- und Marktrisiken zu limitieren. Zudem soll durch eine schriftliche Fixierung der Rahmenbedingungen für alle Handelsaktivitäten die geschäftspolitische Ausrichtung bezüglich neuer Produkte und Märkte geschaffen werden. So wird beispielsweise besonderes Augenmerk auf den so genannten „New Product/Market Process“ gelegt, im Rahmen dessen die Risiken aus neuen Produkten und Märkten erst in einer überschaubaren Testphase begutachtet werden, bei der alle Bereiche aktiv eingebunden sind. Nach erfolgreichem Abschluss dieser Testphase kann sich dann, die Zustimmung der Geschäftsleitung vorausgesetzt, die Produktivphase anschließen. Darüber hinaus wird in den MaH auch ein besonderes Augenmerk auf die entsprechende Mitarbeiterqualifikation und -entlohnung gelegt. Dabei sollte das Gehalt nicht zu stark vom Handelsergebnis abhängen, da ansonsten ein Anreiz gegeben wird, höhere Risiken einzugehen.462 3.4.2. Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft Die MaK463 stellen einen Schritt in Richtung einer qualitativen Aufsicht dar, da nunmehr das Kreditrisikomanagement neben der Eigenmittelberechnung, der Einhaltung der Regelungen zur Offenlegung der wirtschaftlichen Verhältnisse der Kreditnehmer, der Organkreditregelungen und der Großkreditbegrenzungen stärker in den Fokus der Aufsicht rückt.464 Die MaK können deshalb als Ergänzung zu den MaH und den im Januar 2000 vorgestellten „Mindestanforderungen an die Ausgestaltung der Internen Revision der Kreditinstitute“ (MaIR) gesehen werden. Die MaK stützen sich bereits sehr auf die zweite Säule der neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung und legen insbesondere die Organisation des Risikomanagement- und Risikoüberwachungsprozesses im Kreditgeschäft der Institute fest. Als zentrale Vorgaben können dabei folgende Punkte festgehalten werden:
462 463 464 465 466 467 468 469
x
klare Formulierung der Rahmenbedingungen für das Kreditgeschäft in Form einer Kreditrisikostrategie,465
x
Formulierung und Dokumentation klarer Organisationsrichtlinien,466
x
Trennung von definierten Funktions- und Aufgabenbereichen in Markt und Marktfolge, 467
x
Trennung von Markt und Marktfolge bis auf Ebene der Geschäftsleitung468 und
x
klare Vorgaben für den Ablauf des Kreditprozesses.469 Siehe hierzu auch Hirschbeck (1998), S. 31 f.; Süchting/Paul (1998), S. 563 Siehe BaFin (2002). Siehe Deutsche Bundesbank (2003), S. 46. Siehe Tz. 9 ff. MaK. Siehe Tz. 14 ff. MaK. Siehe Tz. 25 f. MaK. Siehe Tz. 27 ff. MaK. Siehe Tz. 36 ff. MaK.
174
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Trotz dieser Vorgaben sind die MaK in vielen Punkten sehr offen formuliert, so dass eine Vielzahl von Ausgestaltungsmöglichkeiten für die Institute bestehen. Die MaK haben daher eher eine Katalysatorwirkung für die Restrukturierung und Reorganisation des Kreditrisikomanagements.470 3.4.3. Mindestanforderungen an das Risikomanagement 3.4.3.1. Überblick Anfang Februar 2005 hat das BaFin einen ersten Entwurf der MaRisk veröffentlicht,471 der durch ein Fachgremium zunächst praxisnah ausgestaltet werden soll. Die Endfassung der MaRisk soll im letzten Quartal 2005 vorliegen und zum 1. Januar 2007 in Kraft treten. Hauptmotiv der MaRisk ist die Konkretisierung der Anforderungen des § 25a Abs. 1 KWG (ordnungsgemäße Geschäftsorganisation) in einem umfassenden Regelwerk. Dazu sollen die bereits vorhandenen Mindestanforderungen der MaH, MaIR und MaK weitgehend übernommen werden und bei potenziellen Wertungswidersprüchen soll den neueren Regelungen der Vorrang gelassen werden. Die MaRisk beinhalten darüber hinaus auch teilweise die Regelungen der zweiten Säule des neuen Baseler Eigenkapitalakkords und können so auch als dessen (teilweise) nationale Umsetzung angesehen werden. Daher dienen die MaRisk als Leitfaden für das Stufenmodell des „Super-visory Review Process“.472 Von großer Bedeutung ist die erste Stufe des Supervisory Review Process, der so genannte „Internal Capital Adequacy Assessment Process“ (ICAAP). Daraus ergibt sich für die Institute die Aufgabe, entsprechend des individuellen Risikoprofils genügend „internes Kapital“ zur Abdeckung aller wesentlichen Risiken vorzuhalten.473 Hinter dieser Anforderung verbirgt sich ein im Rahmen der Strategie zu berücksichtigendes und eng mit den Risikosteuerungs- und Risikocontrollingprozessen verknüpftes Risikotragfähigkeitskonzept. Die Risikotragfähigkeit ist hierbei die zentrale Steuerungsgröße und gilt als erfüllt, wenn die Risiken durch das Risikodeckungspotenzial, das interne Kapital, abgedeckt sind. Ebenso wie die Zielrichtung des § 25a Abs. 1 KWG, wird die Existenz einer angemessenen Strategie, die die Risiken und Eigenmittel des Instituts berücksichtigt als auch ein angemessenes Kontrollverfahren, das aus internen Kontrollsystemen und der internen Revision besteht, in den Vordergrund gestellt. Das interne Kontrollsystem hat dabei die Aufgabe, geeignete Regelungen zur Steuerung und Überwachung der Risiken bereitzustellen. Der in den MaRisk weit gefasste Begriff des „Risikomanagements“ ist als wesentlicher Teil einer ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation zu interpretieren.
470 471 472 473
Vgl. Groß/Lohfing (2004), S. 169. Siehe BaFin (2005). Zum „Supervisory Review Process“ siehe Tz. 719 ff. Basel II. Siehe AT 1, Tz. 2 MaRisk.
3.4. Qualitative Bankenaufsicht im Kreditbereich
175
Abbildung 50 gibt einen zusammenfassenden Überblick über die wichtigsten Vorgaben der MaRisk.474 Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse (Governance)
Risikomanagement als Teil der ordnungsgemäßen Geschäftsorganisation nach §25a Abs. 1 KWG
Risikostrategie (§25a Abs. 1 Nr. 1 KWG)
Risikotragfähigkeit (ICAAP)
Internes Kontrollsystem (prozessabhängige Überwachung)
Interne Kontrollverfahren (§25a Abs. 1 Nr. 2 KWG)
Interne Revision (prozessunabhängige Überwachung)
Schriftliche Fixierung, z.B. in Organisationsrichtlinie, Risikohandbuch, etc.
Abb. 50: Überblick über die Kernpunkte der MaRisk
3.4.3.2. Governance-Struktur Die Qualität der beschriebenen Prozesse ist von der Aufsicht im Rahmen der zweiten Stufe des Supervisory Review Process, dem so genannten „Supervisory Review and Evaluation Process“ zu beurteilen. Die MaRisk stellen hinsichtlich der Prozessqualität auf die Bedeutung angemessener institutseigener Leitungs-, Steuerungs- und Kontrollprozesse sowie einer sachgerechten Einbindung des Aufsichtsorgans ab.475 Neben den erforderlichen vollständigen Dokumentationen zu den ausgeführten Geschäften nach § 25a Abs. 1 Nr. 5 KWG müssen alle wesentlichen Handlungen und Festlegungen, die zur Erfüllung der MaRisk erforderlich sind, in systematischer und nachvollziehbarer Weise festgehalten werden. Somit bilden die Governance-Struktur und die Dokumentationsanforderungen die Grundlage für ein angemessen ausgestaltetes Risikomanagement. 3.4.3.3. Interne Kontrollverfahren Im besonderen Teil der MaRisk wird auf die zentrale Rolle angemessener interner Kontrollverfahren hingewiesen. Die Ausgestaltung der Aufbau- und Ablauforganisation soll dafür 474 475
in Anlehnung an BaFin (2005) Siehe AT 4, Tz. 1 MaRisk.
176
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Sorge tragen, dass Interessenkonflikte vermieden werden können.476 Beispielsweise ist hierzu die Risikoüberwachung und die Risikoberichterstattung von steuernden Funktionen zu trennen. Darüber hinaus muss auf die Abstimmung und die Schnittstellen der Prozesse in Bezug auf die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten besonders geachtet werden. Die besonderen Festlegungen für die Risikosteuerungs- und Risikocontrollingprozesse wurden geschäftsartenübergreifend formuliert. Das Hauptaugenmerk liegt neben den Adressausfall-477 und Marktpreisrisiken478 nun auch auf Zinsänderungs-479, Liquiditäts-480 und operationellen481 Risiken. Die interne Revision ist insbesondere für die Prüfung und Beurteilung der Angemessenheit der internen Kontrollsysteme verantwortlich. Einen Überblick über die internen Kontrollverfahren nach MaRisk gibt Abbildung 51.482 Internes Kontrollsystem
Aufbau- und Ablauforganisation x Ausschluss von Interessenkonflikten, z.B. durch Funktionstrennung x Prozessabhängige Kontrollen, z.B. durch VierAugen-Prinzip x Kongruenzprinzip von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
Interne Revision
Risikosteuerungs- und Risikocontrollingprozesse x Identifikation, Beurteilung, Steuerung, Überwachung und Kommunikation der wesentlichen Risiken x Fokus: Adressausfall-, Marktpreis-, Zinsänderungs-, Liquiditäts- und operationelle Risiken x Abgleich mit Risikotragfähigkeit und Strategie
x prozessunabhängige Prüfung und Beurteilung der Wirksamkeit und Angemessenheit des internen Kontrollsystems, etc. x Rederecht gegenüber dem Aufsichtsorgan
Abb. 51: Anforderungen an die internen Kontrollverfahren nach MaRisk
476 477 478 479 480 481 482
Siehe BT 2.1, Tz. 2 MaRisk. Siehe BTR 1.1 MaRisk. Siehe BTR 1.2 MaRisk. Siehe BTR 1.3 MaRisk. Siehe BTR 1.4 MaRisk. Siehe BTR 1.5 MaRisk. in Anlehnung an Verband öffentlicher Banken (2005), S. 98
3.5. Basel II
177
3.5. Basel II Im Jahr 1999 legte der Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht ein Konsultationspapier vor, das die Eigenkapitalunterlegung von Kreditrisiken von Grund auf reformiert. Das auch als Basel II bekannt gewordene Papier hat bisher zu drei Überarbeitungen geführt und liegt seit Juni 2004 in der vorläufigen Endversion vor. Während des Konsultationsprozesses gab es bisher vier Auswirkungsstudien (Quantitative Impact Studies), die von den Banken durchgeführt wurden, um die Folgen der neuen Regelungen aufzuzeigen und um den Banken in einem frühen Stadium die neuen Vorgaben nahe zu bringen. Im Folgenden wird nun näher auf die Vorschriften des neuen Baseler Eigenkapitalakkords eingegangen. Diese stellen quasi den künftigen Rahmen für den Handel mit Kreditrisiken dar, weshalb diese Ausführungen dezidierter vorgenommen werden. Dabei wird zunächst allgemein auf den Standardansatz und den IRB-Ansatz eingegangen. Darauf aufbauend werden die Regelungen zur Credit Risk Mitigation, die Behandlung von Garantien und Kreditderivate sowie die Regelungen für Verbriefungen genauer untersucht.483 3.5.1. Standardansatz Der erste Entwurf des Baseler Komitees für Bankenaufsicht sah zunächst vor, die Risikoeinschätzung anerkannter Ratingagenturen als künftigen Maßstab für die Ermittlung des aufsichtsrechtlich notwendigen Eigenkapitals einzusetzen.484 Gerade aber die dann nötige flächendeckende Existenz von Ratings in vielen Ländern, darunter auch Deutschland, war und ist nicht gegeben. Daher beinhalteten alle folgenden Konsultationspapiere seit Anfang 2001 Kriterien, unter welchen Bedingungen es Kreditinstituten möglich sein soll, statt der durch Dritte vergebenen Ratings auch interne, eigene Ratings zu verwenden. Diese Methodik findet sich im IRB-Ansatz (Ansatz, der auf internen Ratings basiert) wieder.485 Darüber hinaus ist jedoch die ursprünglich vorgesehene Vorgehensweise im so genannten Standardansatz beibehalten worden. Die Bezeichnung deutet darauf hin, dass dieser Ansatz, der auf externen Ratings basiert, zunächst als Regelfall vorgesehen war.486 Im Zuge der starken Bemühungen der Bankenverbände, den fortgeschrittenen IRB-Ansatz bei vielen Instituten einzusetzen, kamen zwischenzeitlich Gerüchte auf, wonach die Anwendung des Standardansatzes in Deutschland von den Aufsichtsbehörden nicht gestattet werden würde. Aufgrund der Tatsache, dass der Standardansatz sowohl im Akkord, in der neuen europäischen Kapitaladäquanzrichtlinie wie auch im Entwurf zur neuen Solvabilitätsrichtlinie enthalten ist, wird die Verwendung dieses 483
484 485 486
Die nachfolgenden Angaben beziehen sich auf den neuen Baseler Eigenkapitalakkord. Bei konkretem Bezug auf die Capital Adequacy Directive (CAD) der Europäischen Union oder dem Vorschlag zur neuen deutschen Solvabilitätsverordnung (SolvVneu) wird von dieser Regelung abgewichen. Siehe Basel Committee (1999). Siehe hierzu Abschnitt 3.5.2. Es wird auch der Begriff „Modifizierter Standardansatz“ verwendet, da die bisherige Methodik nach Basel I bzw. Grundsatz I als Standardansatz bezeichnet wird.
178
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Ansatzes zulässig sein. Darüber hinaus muss an dieser Stelle konstatiert werden, dass die Anwendung des fortschrittlicheren IRB-Ansatzes genehmigungspflichtig ist. Jedes Institut, das diesen Ansatz nicht anwendet oder anwenden darf, muss daher die Kreditrisikounterlegung mit dem Standardansatz vornehmen. Ebenso bleibt der Standardansatz für diejenigen Institute relevant, die den so genannten „Partial Use“ für Teile ihres Kreditportfolios anwenden. 3.5.1.1. Bestimmung der kreditnehmerbezogenen Risikogewichte im Standardansatz Damit die Angemessenheit der Kapitalausstattung der Kreditinstitute gewährleistet wird, hat das Baseler Komitee 1988 entschieden, dass in der Regel 8% des Volumens eines jeden Kredites mit Eigenmitteln zu unterlegen sind. Ausschlaggebend für die Ermittlung des Risikogewichts ist im Grundsatz I die reine Zuordnung des Kontrahenten487 zu einer Kreditnehmerklasse bzw. unter strengen Bedingungen auch die Art der Besicherung.488 Genau an dieser Stelle, nämlich den Risikogewichten, setzt die neue Baseler Eigenkapitalempfehlung an. Künftig wird eine Aufgliederung der Kreditnehmer nach Risikoklassen erfolgen. Dies bedeutet, dass neben einer weiterhin bestehenden Segmentierung in Kreditnehmerklassen auch die Ratingnote entscheidend für die Zuordnung eines Risikogewichts sein wird.489 Die Beurteilung der Bonität eines einzelnen Schuldners und die Ableitung des daraus resultierenden Risikogewichts ist gemäß des Standardansatzes ausschließlich durch eigens hierfür zugelassene Ratingagenturen, den so genannten „External Credit Assessment Institutions“ (ECAI), möglich. Bei der Festlegung der Bonitätsurteile, d.h. der Ratingnoten, verwendet der Baseler Ausschuss beispielhaft die Notation von Standard & Poor’s (S&P). Die Bonitätseinstufungen anderer Agenturen sind entsprechend von der nationalen Aufsicht zu mappen.490 Dagegen verwendet die Eigenmittelrichtlinie der Europäischen Union lediglich eine sechs-stufige bzw. bei Exportversicherungen eine sieben-stufige Skala. Für jede Agentur muss ein entsprechendes Mapping der Ratingnoten in eine der Skalenklassen vorgenommen werden.491 Insofern sollten beide Methoden zu einer identischen Risikoeinstufung führen. Im Folgenden wird aufgrund
487
488 489
490 491
In Analogie zu Basel II werden unter Kontrahenten in dieser Arbeit die Parteien verstanden, „to whom a bank has a on- or off-balance sheet credit exposure or a potential credit exposure. That exposure may, for example take the form of a loan of cash or securities (where the counterparty would traditionally be called borrower), of securities posted as collateral, of a commitment or of exposure under an OTC derivatives contract.“ Siehe Tz. 119 Fußnote 35 Basel II. Siehe Abschnitt 3.3. Entscheidend nach Tz. 52 Basel II ist allerdings, dass sich die Bestimmung der Risikogewichte ausschließlich bei den Kreditarten ändert, die im neuen Akkord erwähnt sind. Für die restlichen Kreditarten bleibt damit der Akkord von 1988 maßgebend. Siehe Tz. 92 Basel II. Siehe CAD 3, Annex VI, Part 1, Punkt 1, Nr. 2 und 8.
3.5. Basel II
179
einer besseren Veranschaulichung und einer Vereinheitlichung vor allem die Methodik von S&P weiter verwendet. 3.5.1.1.1. Forderungen an Staaten und staatsnahe Organisationen Zur Forderungsklasse der Staaten und staatsnahen Organisationen zählen alle Forderungen gegenüber Staaten und deren Zentralbanken.492 Diesen Kontrahenten wird auch künftig ein Risikogewicht von 0% zugeordnet, sofern sie über ein erstklassiges Rating verfügen. Neben den von der nationalen Aufsichtsinstanz zugelassenen Ratingagenturen dürfen für die Gewichtung dieser Kreditnehmer auch die Bonitätsnoten von bestimmten Exportversicherungen herangezogen werden, sofern diese die siebenstufige OECD-Skala benutzen. Danach ergeben sich folgende Risikogewichte in Abhängigkeit von der Bonitätsnote: Risikogewicht
0%
20%
50%
100%
150%
100%
Ratingklasse
AAA bis AA-
A+ bis A-
BBB+ bis BBB-
BB+ bis B-
Unter B-
Ohne Rating
Tab. 12: Risikogewichte an Staaten und staatsnahen Organisationen im Standardansatz
Forderungen, die Banken gegenüber ihrem nicht null gewichteten Sitzstaat oder ihrer Zentralbank haben, können niedriger gewichtet werden, sofern die Forderung in Heimatwährung denominiert ist. Diese Ausnahmeregelung kann mit Zustimmung der jeweiligen nationalen Aufsicht auch für ausländische Banken genutzt werden.493 3.5.1.1.2. Forderungen an andere öffentliche Stellen Forderungen gegenüber anderen öffentlichen Stellen (Public Sector Entities, PSE) werden ebenfalls bevorzugt behandelt.494 Allerdings sind in diesem Fall die Risikogewichte höher als die des jeweiligen Staates und identisch mit denen einer Bank mit gleichem Rating, sofern es sich um eine nicht-kurzfristige Forderung handelt. Dabei können zwei Optionen genutzt werden: Risikogewicht
0%
20%
50%
100%
150%
100%
–
AAA bis AA-
A+ bis A-
BBB+ bis B-
Unter B-
Ohne Rating
–
AAA bis AA-
A+ bis BBB-
BB+ bis B-
Unter B-
Ohne Rating
Option 1 Ratingstufe Option 2 Ratingstufe
Tab. 13: Risikogewichte an andere öffentliche Stellen im Standardansatz
492 493 494
Siehe Tz. 53 ff. Basel II. Siehe hierzu Tz. 54 Basel II. Siehe Tz. 57 ff. Basel II.
180
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Die erste Option ist abhängig vom Rating des Sitzstaates, während die Option 2 sich auf das eigene Rating des PSE bezieht. Die Wahlmöglichkeit obliegt der nationalen Aufsicht. In Deutschland ist es absehbar, dass aufgrund der geringen Verbreitung von externen Ratings die Option 1 zum Tragen kommt.495 Darüber hinaus besteht nach nationalem Ermessen die Möglichkeit, die Forderungen an bestimmte PSE wie Forderungen gegenüber dem Staat selbst anzusehen.496 Es ist jedoch unabdingbar, dass das Risiko vergleichbar bleibt. Ein Kriterium könnte beispielsweise das Recht zur Erhebung von Steuern oder eine besondere institutionelle Vorkehrung zur Reduzierung des Ausfallrisikos sein.497 3.5.1.1.3. Forderungen an multilaterale Entwicklungsbanken Da die multilateralen Entwicklungsbanken (Multilateral Development Banks, MDB) im Allgemeinen von mehreren Staaten oder staatlichen Organisationen getragen werden, ist das Sitzland kein eindeutiges Kriterium für die Zuordnung zu einer Kreditnehmerklasse.498 Stattdessen erfolgt eine Gewichtung ähnlich der von Banken, wobei die Behandlung kurzfristiger Forderungen entfällt. Das Rating der MDB ist das entscheidende Kriterium für die Ableitung des Risikogewichts: Risikogewicht
0%
20%
50%
100%
150%
50%
Ratingstufe
‚Liste’
AAA bis AA-
A+ bis BBB-
BB+ bis B-
Unter B-
Ohne Rating
Tab. 14: Risikogewichte an multilaterale Entwicklungsbanken im Standardansatz
Eine 0%-Gewichtung erfahren ausschließlich MDB, die die in Tz. 59 Basel II aufgeführten Kriterien erfüllen. Die MDB, die diese Kriterien derzeit erfüllen, werden in der Fußnote 20 von Tz. 59 Basel II aufgelistet. 3.5.1.1.4. Forderungen an Banken und Wertpapierhäuser Wie auch schon unter Basel I erfahren Banken bei der Ermittlung des Risikogewichts eine Sonderbehandlung.499 Diese resultiert aus der spezifischen Bankenregulierung, weswegen von einem reduzierten Ausfallrisiko dieser Unternehmensklasse ausgegangen wird. Im Vergleich zur bisherigen Regelung ist es nach Basel II jedoch möglich, dass sich das Risikogewicht von 20% aufgrund eines schlechteren Ratings erhöht. Bei kurzfristigen Forderungen gegenüber Kreditinstituten ergibt sich zudem die Möglichkeit, ein geringeres Risikogewicht anzuwen495 496 497
498 499
Siehe auch § 31 SolvVneu (2005). Siehe Ausnahmetatbestand in Tz. 58 Basel II. In Deutschland dürfte dies auf die Länder und Kommunen zutreffen. Siehe hierzu auch Cluse (2005), S. 147. Siehe Tz. 59 Basel II. Siehe Tz. 60 ff. Basel II.
3.5. Basel II
181
den.500 Diese bevorzugte Behandlung von kurzfristigen Forderungen wird jedoch in Deutschland nicht zur Anwendung kommen, da sie lediglich in der Option 2 angewendet werden darf. Wählt ein Staat diese Option, dann ist das Rating der Bank maßgeblich für die Risikoeinstufung, während bei Option 1 das Risiko in Abhängigkeit vom Rating des Sitzlandes vergeben wird. Insofern besteht ein nationales Wahlrecht zwischen diesen Optionen. Da, wie weiter oben schon erwähnt, die Verbreitung von Ratings, speziell im Sparkassen- und Genossenschaftssektor, in Deutschland (noch) gering ist, kann davon ausgegangen werden, dass die Option 1 gewählt wird. Die Risikogewichte bei Forderungen gegenüber Banken innerhalb der unterschiedlichen Optionen sind der folgenden Tabelle 15 zu entnehmen. Risikogewicht
20%
50%
100%
150%
100%
BBB+ bis B-
Unter B-
Ohne Rating
Option 1 (Rating des Sitzstaates ist maßgeblich) Ratingklasse Basel II
AAA bis AA-
A+ bis A-
Option 2 (Rating der Bank ist maßgeblich) Ratingklasse Basel II
AAA bis AA-
A+ bis BBB-
BB+ bis B-
Unter B-
Ohne Rating
Risikogewicht für kurzfristige Forderungen
20%
20%
50%
150%
20%
Tab. 15: Risikogewichte an Banken im Standardansatz
Dazu ist anzumerken, dass unter Basel II Wertpapierhäuser und andere Finanzinstitute wie Banken behandelt werden, sofern sie einer mit einer Bank vergleichbaren Aufsicht unterliegen.501 In der CAD 3 werden dagegen Forderungen an Investmenthäuser und Forderungen an Kreditinstitute identisch behandelt. Falls Forderungen an Banken in nationaler Währung begeben und refinanziert werden, sieht die CAD 3 ebenso wie der Vorschlag zur neuen Solvabilitätsverordnung vor, ein um eine Stufe höheres Risikogewicht anzusetzen als gegenüber einer Forderung an den Staat selbst. Als Mindestrisikogewicht sind hierbei 20% anzusetzen. Diese Erleichterung liegt im Ermessen der nationalen Aufsichtsbehörden und ist nur dann anzuwenden, wenn Forderungen in Heimatwährung an den Sitzstaat auch diese Erleichterung erfahren.502
500
501 502
Unter kurzfristigen Forderungen werden in diesem Zusammenhang alle Forderungen mit einer Ursprungslaufzeit von maximal drei Monaten zusammengefasst. Forderungen oder revolvierende Forderungen, bei denen lediglich die Restlaufzeit kleiner oder gleich drei Monaten ist, kommen für diese besondere Behandlung nicht in Betracht. Siehe Tz. 65 Basel II. Siehe CAD 3 Annex VI, Part 1, Punkt 6.6 und § 34 Nr. 5 SolVneu (2005).
182
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
3.5.1.1.5. Forderungen an Wirtschaftsunternehmen In der bisherigen Regelung des Grundsatz I erhalten alle Kreditnehmer, die nicht der Gruppe Staaten, Zentralbanken oder Banken und Wertpapierhäuser zugerechnet werden konnten und die nicht grundpfandrechtlich besichert sind, ein Risikogewicht von 100%.503 Im Rahmen von Basel II kommt es an dieser Stelle zu größeren Veränderungen, da fortan niedrigere Risikogewichte in Abhängigkeit vom Rating denkbar sind. Bei Unternehmen mit erstklassigem Rating beträgt die Reduzierung des Risikogewichts bis zu 80%. Zudem findet in Basel II eine Neudefinition des Begriffs „Wirtschaftsunternehmen“ statt, nach der viele Unternehmen dem Retailportfolio zuzurechnen sind (siehe hierzu Abschnitt 3.5.1.1.6.). Die Risikogewichte für Unternehmen sind der folgenden Tabelle zu entnehmen: Risikogewicht
20%
50%
100%
150%
100%
Ratingklasse Basel II
AAA bis AA-
A+ bis A-
BBB+ bis BB-
Unter BB-
Ohne Rating
Tab. 16: Risikogewichte an Wirtschaftsunternehmen im Standardansatz
Aus der Tabelle wird ersichtlich, dass es für schlechte Kreditnehmer ohne externes Rating von Vorteil sein kann, sich nicht raten zu lassen, da so das Risikogewicht niedriger ausfällt als bei vorhandenem (schlechten) Rating. Um dies zu vermeiden, hat das Baseler Komitee den nationalen Aufsichtsbehörden die Option eingeräumt, ein höheres Risikogewicht für nicht geratete Kreditnehmer anzusetzen, wenn sie dies für angemessen halten. Ein höheres Risikogewicht kann auch dann für einzelne Banken zum Tragen kommen, wenn im Rahmen des aufsichtlichen Überprüfungsprozesses festgestellt wurde, dass dies angemessen erscheint.504 Die CAD 3 ist in diesem Punkt weniger spezifisch und überlässt es den nationalen Aufsichtsbehörden, entsprechend ihrer Erfahrungen in ihrem Zuständigkeitsbereich ein höheres Risikogewicht festzusetzen. Die Baseler Regelungen sehen des Weiteren die Möglichkeit vor, grundsätzlich alle Unternehmensforderungen mit 100% zu gewichten. Dies ist in der europäischen Regelung nicht vorgesehen und stellt vor allem für Länder mit weniger ausgeprägtem Finanz- und Bankwesen eine Alternative dar. 3.5.1.1.6. Forderungen des Retailportfolios Grundsätzlich erhalten alle Forderungen, die dem Retailportfolio zugeordnet werden können, ein Risikogewicht von 75%.505 Im Vergleich zum aktuellen Grundsatz I sinkt damit die Eigenmittelbelastung für das Retailportfolio, für das bislang ein Risikogewicht von 100% gilt.
503 504 505
Siehe Tz. 66 ff. Basel II. und Abschnitt 3.3.4. Siehe Tz. 67 Basel II. Siehe Tz. 69 ff. Basel II.
3.5. Basel II
183
Dieses ermäßigte Risikogewicht ist jedoch nur maßgeblich für Forderungen, welche nicht im Verzug sind. Folgende Kriterien müssen erfüllt sein, damit es zu einer ermäßigten Anrechnung kommt:506 x
Beim Kreditnehmer muss es sich um eine oder mehrere natürliche Personen oder um ein Kleinunternehmen handeln. Eine konkrete Vorgabe für die Definition eines Kleinunternehmens ist weder im Baseler Papier noch in den Ausführungen der Europäischen Kommission enthalten. In Analogie zum IRB-Ansatz ist bei einem jährlichen Umsatzvolumen von bis zu 50 Mio. Euro von einem SME507 auszugehen.508
x
Der Kredit selbst muss aus einer der vorgegebenen Produktgruppen stammen: -
x
Kreditlinien und revolvierende Kredite, z.B. Überziehungskredite auf Girokonten und Kreditkartenforderungen, Privatkredite und Leasingforderungen, z.B. Anschaffungskredite, Ausbildungsfinanzierungen, persönliche Kredite und Kredite und Kreditlinien für Kleinunternehmen.
Das gesamte Forderungsvolumen an einen einzelnen Kreditnehmer darf nicht größer als eine Mio. Euro sein.
x
Die Höhe der Forderung muss im Verhältnis zum gesamten Volumen des Retailportfolios von nachgeordneter Bedeutung sein. Die nachgeordnete Bedeutung wird durch das Granularitätskriterium gemessen. Danach weist das Retailportfolio aufgrund der angenommenen weitgehenden Diversifizierung ein deutlich reduziertes Risiko auf. Es obliegt den nationalen Aufsichtsbehörden festzustellen, ob dieses Kriterium vorliegt oder nicht. In letzterem Fall dürfte das Risikogewicht von 75% nicht verwendet werden. Dies bedeutet, dass Forderungen, die die Granularität des Portfolios beeinträchtigen, unabhängig davon, ob es sich um Forderungen an Kleinunternehmen oder Privatpersonen handelt, dem Unternehmensportfolio zugerechnet werden müssen. Sowohl der Baseler Ausschuss als auch der Vorschlag zur neuen Solvabilitätsverordnung haben keine abschließende Definition hinsichtlich einer ausreichenden Diversifizierung vorgelegt. Es wird jedoch eine konkrete Möglichkeit eines Betragslimits vorgestellt. Danach darf das gesamte Volumen der Retailforderungen eines Kreditnehmers 0,2% des aufsichtsrechtlichen Retailportfolios, maximal jedoch eine Mio. Euro nicht übersteigen. Davon auszunehmen sind durch Immobilien besicherte Forderungen. 506 507 508
Siehe Tz. 70 Basel II. SME = Small- and Medium-sized Entity Siehe hierzu auch die Empfehlung der EU-Kommission vom 6. Mai 2003. Dabei wird von mittelgroßen Unternehmen bis zu einem jährlichen Umsatz von 50 Mio. Euro gesprochen, während bei „großen“ Unternehmen eine Umsatzgrenze von über 50 Mio. Euro vorgeschlagen wird. Zur Größenbestimmung im IRB-Ansatz siehe Tz. 273 Basel II.
184
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Die EU-Richtlinie hingegen sieht keine relative Begrenzung vor. Die Betragsobergrenze liegt nach Artikel 79, Abs. 2 CAD 3, wie im Baseler Papier, bei einer Mio. Euro. Jedoch gilt diese nicht für das Einzelinstitut und den Einzelkreditnehmer, sondern muss auf Ebene der Kreditnehmergruppe und auf Institutsgruppenebene eingehalten werden. Eine zentrale Zusammenführung aller relevanten Daten auf höchster Aggregationsebene zur Ermittlung der Betragsgrenze ist daher unumgänglich. Neben den vorgestellten Grundformen von Forderungen an diverse Kreditnehmer sind noch andere Konstellationen denkbar, unter denen sich das Risikogewicht im Standardansatz von der vorgestellten Methodik unterscheidet. Diese sich ergebenden höheren Risikogewichte sollen im Folgenden untersucht werden. 3.5.1.2. Positionen mit höherem Risikogewicht im Standardansatz Generell werden gegenüber den geltenden Eigenkapitalanforderungen durch Basel II an diversen Stellen Erleichterungen für gute Kreditnehmer geschaffen, während unterdurchschnittliche Kreditqualitäten künftig höhere Bonitätsgewichte erhalten. Dies gilt sowohl für Kreditnehmer, denen ein schlechtes Rating zuzuordnen ist, als auch für Forderungen, denen ein besonderes Risiko inhärent ist. Betroffen sind vor allem Forderungen, bei denen die vertraglich festgesetzten Kontrahentenleistungen nicht oder nicht rechtzeitig erfolgen. Unter diesen Forderungen im Verzug werden nach Basel II die Kreditnehmerleistungen verstanden, die seit mehr als 90 Tagen fällig sind. In Abhängigkeit von den bisher gebildeten Einzelwertberichtigungen, also dem erwarteten Verlust, werden verschiedene Risikogewichte angesetzt. So muss beispielsweise ein Gewicht von 150% für den nach Abzug von Einzelwertberichtigungen verbleibenden Forderungsbetrag verwendet werden, falls die Einzelwertberichtigungen 20% des ausstehenden unbesicherten Forderungsvolumens nicht übersteigt.
3.5. Basel II
185
Tabelle 17 fasst die Risikogewichte für den unbesicherten Teil einer Forderung im Verzug zusammen:509 Risikogewicht
Art der Forderung
150%
falls die Einzelwertberichtigungen weniger als 20% der ausstehenden Forderung betragen
100%
- falls die Einzelwertberichtigungen 20% und mehr, aber weniger als 50% der ausstehenden Forderungen betragen oder - falls die Einzelwertberichtigungen 15% und mehr betragen und die Forderungen vollständig durch Sicherheiten gedeckt sind, die ansonsten nicht anerkannt werden510 - Finanzierung von Gewerbeimmobilien in Verzug - Wohnungsbausfinanzierungen in Verzug
50%
falls die Einzelwertberichtigungen 50% und mehr der ausstehenden Forderung betragen. Tab. 17: Risikogewichte für Forderungen im Verzug
Darüber hinaus können die nationalen Aufsichtsinstanzen bestimmten Aktivaklassen, die ein erhöhtes Risiko beinhalten, ein Risikogewicht von 150% zuweisen. Beispielsweise können an dieser Stelle Wagniskapitalfinanzierungen (Venture Capital) und Private Equity genannt werden.511 3.5.1.3. Wahl des Ratings 3.5.1.3.1. Zulassung der Ratingagenturen Nach der neuen Baseler Eigenkapitalrichtlinie dürfen nur die Bonitätseinstufungen anerkannter Ratingagenturen herangezogen werden, damit die Vergleichbarkeit zwischen den Instituten in hohem Maße gesichert wird. Die nationalen Aufsichtsbehörden haben jeweils die Anerkennung der Ratingagenturen vorzunehmen, wobei sie diese auf bestimmte Forderungsarten oder Rechtsgebiete beschränken können.512 Um die Anerkennung einer nationalen Aufsichtsinstanz zu bekommen, müssen mindestens die nachstehenden Kriterien erfüllt sein:513
x
509 510 511 512 513
Objektivität Die Methode der Vergabe der Ratings hat streng, systematisch und auf kontinuierliche Weise zu erfolgen. Ein permanentes Validierungsverfahren muss implementiert sein, welches auf historischen Erfahrungswerten beruht. Daraus abgeleitet sind strenge Backtestings einzuführen. Siehe Tz. 75 Basel II. Zu den anerkennungsfähigen Sicherheiten siehe Tz. 145, 146 Basel II und Abschnitt 3.5.3.2. Siehe hierzu Tz. 80 Basel II und CAD 3, Annex VI, Part 1, Punkt 11, Nr. 63. Siehe Tz. 90 Basel II. Siehe Tz. 91 Basel II.
186
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
x
Unabhängigkeit Die Ratingagentur sollte frei von jeglicher Befangenheit sein.
x
Internationaler Zugang/Transparenz Es ist sicherzustellen, dass sowohl das Ratingergebnis als auch die grundlegende Methodik der Vorgehensweise Institutionen mit berechtigtem Interesse zugänglich gemacht wird.
x
Veröffentlichung Die Ratingagentur muss ihre Beurteilungsmethoden, die Ausfalldefinition, den Zeithorizont und die Art des Ratings, die in jeder Stufe beobachteten Ausfallraten und die Migrationen offen legen.
x
Ressourcen Die der Ratingagentur zur Verfügung stehenden personellen, zeitlichen und finanziellen Ressourcen müssen eine qualitativ hochwertige Bonitätsbeurteilung gewährleisten.
x
Glaubwürdigkeit Die Glaubwürdigkeit ist beispielsweise durch die Verwendung des Ratings durch viele unabhängige Parteien (Investoren, Versicherer, Handelspartner) nachzuweisen. Zudem sind interne Maßnahmen zur Vermeidung von missbräuchlichen Anwendungen oder Beeinflussungen bei den Ratingagenturen zu implementieren.
Diese Kriterien sollen insbesondere sicherstellen, dass die Eigenkapitalunterlegung der Banken auf einer objektiven und zuverlässigen Basis beruht. Daher werden die ECAI regelmäßigen Überprüfungen sowohl von Kreditnehmerseite als auch durch die Aufsichtsbehörden selbst unterzogen. Falls die aufgeführten Merkmale nicht mehr zutreffend sind, können die nationalen Aufsichtsbehören den Ratingagenturen den Status als ECAI zu entziehen. 3.5.1.3.2. Wahl des zugrunde liegenden Ratings Wie vorangestellt erläutert, erfolgt die Zuordnung des Risikogewichts auf Basis des Ratings des Kreditnehmers. Annahmegemäß beruht diese Aussage darauf, dass pro Kreditnehmer nur ein Rating existiert. In der Praxis werden jedoch häufig Kreditnehmer von mehreren Agenturen mit unterschiedlichem Ergebnis eingestuft oder es werden unterschiedliche Ratings für verschiedene Forderungskategorien vergeben. In diesen Fällen muss das Rating ausgewählt werden, welches für die betreffende Forderung adäquat ist.514 Dies ist jedoch keine Eigenschaft des Ratings, sondern es muss vielmehr auf das mit dem Rating verbundene Risikogewicht Bezug genommen werden. Die Zuordnung von Risikogewichten zu Ratingklassen ist Bestandteil des Genehmigungsprozesses der nationalen Aufsichtsbehörden. Selbst bei der Verwendung gleich lautender Skalen durch verschiedene Ratingagenturen ist es nicht immer gewährleistet, dass die Risikogewichte identisch aus514
Siehe Tz. 96 ff. Basel II.
3.5. Basel II
187
fallen. In diesem Fall zeigt sich ein methodischer Vorteil der CAD-Methodik, da die Risikogewichte nicht an Ratingurteile, sondern an Risikoklassen geknüpft sind. Durch die nationalen Aufsichtsinstanzen ist im Rahmen des Zulassungsprozesses der Ratingagenturen eine Zuordnungstabelle bzw. Mappingtabelle zu erstellen, aus welcher die für die jeweilige Ratingklasse geltende Qualitätsstufe hervorgeht. Die Zuordnung von Risikogewichten zu den einzelnen Qualitätsstufen ergibt sich schließlich aus dem relevanten Kreditnehmersegment. Die folgende Tabelle zeigt beispielhaft die Zuordnungstabelle der CAD Qualitätsstufen und der Ratingagenturen Standard & Poor’s, Moody’s und FITCH IBCA: Qualitätsstufe
1
2
3
4
5
6
S&P-Rating
AAA bis AA-
A+ bis A-
BBB+ bis BBB-
BB+ bis BB-
B+ bis B-
unter B-
Moody’s-Rating
Aaa bis Aa3
A1 bis A3
Baa1 bis Baa3
Ba1 bis Ba3
B1 bis B3
unter B3
FITCH IBCARating
AAA bis AA-
A+ bis A-
BBB+ bis BBB-
BB+ bis BB-
B+ bis B-
unter B-
Tab. 18: Beispiel für die Zuordnung von Qualitätsstufen zu Ratingklassen
Wurde ein Kreditnehmer von mehreren zugelassenen Ratingagenturen eingestuft, ergibt sich ein Problem für den Fall, dass diese Ratings unterschiedlichen Qualitätsstufen zugeordnet sind. Daher wurde entschieden, dass bei zwei unterschiedlichen Ratings jenes zu verwenden ist, welches zu einem höheren Risikogewicht führt. Existieren mehr als zwei Ratings, ist das zweitbeste für die Einstufung in eine Qualitätsstufe heranzuziehen. Des Weiteren ist es grundsätzlich möglich, dass sich ein Rating auf ein bestimmtes Wertpapier (Emissionsrating) oder auf einen Schuldner im Allgemeinen (Emittentenrating) bezieht. Existiert ein Emissionsrating, ist dieses für diese Emission auch heranzuziehen.515 Entspricht die Forderung der Bank nicht der Emission, dann kann ein die Unterlegung verringerndes Rating nur herangezogen werden, wenn diese Forderung in jeglicher Hinsicht gleich- (pari passu) oder höherwertig ist. Dies impliziert, dass der Erwerber der Forderung in keiner Hinsicht schlechter gestellt werden darf als der Erwerber der gerateten Emission. Resultiert das bessere Rating der Emission aus einer besseren Besicherung, dürfen diese Sicherheiten nicht separat für die Risk Mitigation nochmals herangezogen werden.516 Verfügt ein Kreditnehmer über ein Emittentenrating, wird dieses typischerweise für die vorrangigen, unbesicherten Forderungen gegenüber diesem Schuldner herangezogen. Damit können auch nur diese Forderungen von einem guten Rating profitieren. Nicht vorrangige Forderungen des Emittenten sind deshalb wie nicht geratete Forderungen zu klassifizieren, falls kein Rating für nachrangige Forderungen existiert. Führt das Rating des Emittenten oder das 515 516
Siehe Tz. 99 Basel II. Zur Risk Mitigation siehe Abschnitt 3.5.3.1.
188
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
seiner Emission zu einem höheren Risikogewicht als das Risikogewicht für nicht geratete Forderungen, dann ist dieses schlechtere Risikogewicht auch für die nicht gerateten Forderungen heranzuziehen. Unabhängig von der Entscheidung, ob das Emissions- oder das Emittentenrating herangezogen wird, ist eine sachgerechte Abdeckung des gesamten Kundenobligos sicherzustellen.517 Bezieht sich ein Rating auf ein Unternehmen innerhalb einer Unternehmensgruppe, darf dieses Rating nicht auf andere Unternehmen dieser Gruppe angewendet werden. Das Rating gilt ausschließlich für das geratete Unternehmen. An den Finanzmärkten wird häufig zwischen kurz- und langfristigen Ratings unterschieden, wie diese üblicherweise für Banken und sonstige Unternehmen, jedoch nicht für Staaten, vergeben werden. Kurzfristige Ratings werden bei Forderungen vergeben, die eine Ursprungslaufzeit von weniger als einem Jahr haben. Nach den Bestimmungen des Baseler Komitees werden diese kurzfristigen Ratings als emissionsspezifisch angesehen.518 Eine Übertragung auf andere kurzfristige Kredite und auf nicht geratete langfristige Forderungen ist daher ausgeschlossen. Eine Zuordnung der Ratingskalen von S&P, Moody’s und den CAD 3 Qualitätsstufen zu den Risikogewichten gibt folgende Tabelle wieder: Risikogewicht
20%
50%
100%
150%
S&P-Rating
A-1
A-2
A-3
andere
Moody’s-Rating
P-1
P-2
P-3
andere
CAD 3 Qualitätsstufe
1
2
3
4, 5, 6
Tab. 19: Risikogewichte für kurzfristige Ratings
Wird einer gerateten kurzfristigen Forderung ein Risikogewicht von 50% zugeordnet, beträgt das Risikogewicht für eine nicht geratete kurzfristige Forderung des gleichen Kreditnehmers 100%. Ergibt sich für eine kurzfristige Forderung ein Risikogewicht von 150%, ist dieses erhöhte Risikogewicht, unabhängig von der Laufzeit, auf alle nicht gerateten Forderungen des Kreditnehmers anzuwenden. Dieses höhere Risikogewicht kann damit letztlich nur noch durch eine Besicherung reduziert werden. Wie im Abschnitt 3.5.1.1.4. aufgezeigt wurde, nennt der Baseler Akkord weitere Vereinfachungen für kurzfristige Forderungen gegenüber Banken. Hat sich die nationale Aufsichtsinstanz für die Option 2, d.h. die Relevanz des Ratings der Bank, entschieden, wird die bevorzugte Behandlung auf alle Forderungen an Banken mit einer Ursprungslaufzeit von drei Monaten ausgeweitet. Existiert ein kurzfristiges Rating, das zu einem niedrigeren Risikogewicht führt, kann dies auf diese spezifische Forderung angewendet werden. Die restlichen Forderungen sind entsprechend Option 2 zu behandeln. Existiert hingegen ein Kurzfristrating, das 517 518
Siehe Tz. 100 Basel II. Siehe Tz. 103 Basel II.
3.5. Basel II
189
zu einem höheren Risikogewicht führt, dann ist dieses auf alle nicht gerateten kurzfristigen Forderungen anzuwenden. Eine bevorzugte Behandlung scheidet damit aus.519 In der CAD 3 ist diese Regelung nicht vorgesehen, weshalb davon ausgegangen werden kann, dass diese Bestimmung nicht in nationales Recht übernommen wird. Bezieht sich ein Ratingurteil ausschließlich auf die Heimatwährung des Schuldners, kann dies nicht zur Risikogewichtung von Fremdwährungsforderungen des Schuldners herangezogen werden.520 Stattdessen sind, falls solche vorhanden sind, separate Fremdwährungsratings zu verwenden. Eine Unterscheidung zwischen Heimat- und Fremdwährungsrating kann jedoch entfallen, sofern die Forderung ursprünglich von einer anerkannten multilateralen Entwicklungsbank eingegangen und dadurch das Konvertierungs- bzw. Transferrisiko vollständig beseitigt wurde. Darüber hinaus ist festzuhalten, dass grundsätzlich Ratings nur dann verwendet werden sollten, wenn die Agentur vom Kreditnehmer dazu beauftragt wurde. In diesem Fall spricht man von so genannten solicited Ratings. Dabei erhält die Agentur Einblick in interne Geschäftsunterlagen und Geschäftsabläufe, weswegen davon ausgegangen werden kann, dass die Qualität eines solchen Ratings auf einem höheren Informationsstand beruht. Jedoch können die nationalen Aufsichtsinstanzen den Banken gestatten, unbeauftragte, also unsolicited Ratings, von zugelassenen Ratingagenturen ebenso wie beauftragte zu benutzen.521 Wird dieses unbeauftragte Rating jedoch von der Ratingagentur dazu verwendet, um Druck auf Unternehmen auszuüben, darf dieses Rating nicht herangezogen werden und die Bankenaufsicht ist in diesem Falle aufgefordert, die grundsätzliche Eignung des ECAI für die Zwecke der Eigenmittelunterlegung zu überprüfen. Hintergrund dieser Regelung ist es, den Ratingagenturen den Anreiz zu nehmen, durch ggf. absichtlich schlecht gehaltene Ratings, eine Beauftragung durch das Unternehmen herbeizuführen.522 3.5.1.4. Ermittlung des unterlegungspflichtigen Kapitalbetrags 3.5.1.4.1. Bestimmung des Exposures Die Überarbeitung der Eigenmittelanforderungen bezieht sich in erster Linie auf die Festlegung der relevanten Risikogewichte. Hinsichtlich der Berechnung des unterlegungspflichtigen Kreditbetrags sind nur einige wenige Neuerungen bei den bilanziellen Forderungen vorgesehen. Die CAD 3 verweist explizit auf die bisherigen Regelungen, die diesbezüglich weiterhin Bestand haben.523 Deshalb ist der Buchwert der Forderungen als Bemessungsgrundlage anzu-
519 520 521 522 523
Siehe Tz. 105 Basel II. Siehe Tz. 102 Basel II und CAD 3, Annex VI, Part 3, Punkt 4. Siehe Tz. 108 Basel II. Vgl. Cluse (2005), S. 161. Siehe § 6 Grundsatz I und Cluse (2005), S.162.
190
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
sehen. Bereits gebildete Einzelwertberichtigungen dürfen von dieser Bemessungsgrundlage abgezogen werden.524 Der unterlegungspflichtige Betrag muss hingegen bei außerbilanziellen Forderungen errechnet werden. Wie auch in der bisherigen Regelung kommen dabei Kreditumrechnungsfaktoren (Credit Conversion Factors, CCF) zur Anwendung. Der maßgebliche Betrag ist somit entsprechend der Risikogewichte des Kontrahenten zu gewichten. Die Kappung des Risikogewichts für OTC-Derivate (bisherige Obergrenze: 50%) entfällt damit.525 Nicht in Anspruch genommene Kreditzusagen erhalten einen CCF in Abhängigkeit von Ursprungslaufzeit und Kündigungsklauseln (siehe Tab. 20). Kreditumrechnungsfaktor Ursprungslaufzeit
mit Kündigungsrecht
ohne Kündigungsrecht
Zusicherung zur Bereitstellung
1 Jahr
0%
20%
20%
> 1 Jahr
0%
50%
20%
Tab. 20: CCF für Kreditzusagen
Eine Nullgewichtung ist dabei nur dann zulässig, falls die Kündigung der Kreditzusage jederzeit, d.h. ohne eine vorherige Ankündigung, und unbedingt ausgesprochen werden kann. Eine Nullgewichtung erhalten auch die Kreditzusagen, die im Falle einer Bonitätsverschlechterung automatisch erlöschen. An dieser Stelle ergibt sich eine größere Änderung zur geltenden Eigenmittelunterlegung, da Kreditzusagen mit einer Laufzeit bis zu einem Jahr bisher nicht unterlegungspflichtig waren.526 Auf eine feste Kreditzusage ist ein CCF von 20% anzuwenden. Die Kreditinstitute müssen somit sicherstellen, dass die zugesicherten Kreditzusagen ordnungsgemäß in Nebenbüchern erfasst werden und in die Berechnung der Kapitalunterlegung einfließen.527 Nicht fest zugesicherte Kreditzusagen fließen mit 0% in die Kapitalunterlegung ein, da eine nicht fest zugesagte Bereitschaft die Kriterien der Kündbarkeit erfüllt.528 Für verliehene oder als Sicherheiten hinterlegte Wertpapiere der Bank gilt ein CCF von 100%. Dies betrifft auch Wertpapierpensions- und -leihegeschäfte, wobei die bei diesen Geschäften vereinbarten Sicherheiten bzw. Nachschusspflichten den unterlegungspflichtigen Betrag reduzieren. Für kurzfristige, selbst liquidierende Handelsakkreditive aus dem Warenverkehr (letter of credit) ist ein ermäßigter CCF von 20% vorgesehen. Der CCF ist sowohl für die ausstellende wie auch für die bestätigende Bank vorgesehen.
524 525 526 527 528
Siehe Tz. 52 Basel II. Siehe Tz. 82 Basel II. Siehe § 8 Grundsatz I. Siehe Tz. 86 Basel II. Vgl. Cluse (2005), S. 163.
3.5. Basel II
191
3.5.1.4.2. Ermittlung des Mindesteigenkapitals Durch die Multiplikation des zugrunde liegenden Exposures mit den Risikogewichten wird der erforderliche Kapitalbetrag für Kreditrisiken ermittelt. Die Kapitalbeträge für jede einzelne bilanzielle und außerbilanzielle Forderung sowie sonstige unterlegungspflichtige Risikoaktiva, wie z.B. Beteiligungen, müssen individuell berechnet werden und fließen dann als Summe der gewichteten Risikoaktiva in die Gesamtkapitalanforderung ein. Die generelle Aussage sowohl von Basel I als auch von Basel II ist, dass die Risiken eines Instituts die vorhandenen Eigenmittel höchstens um den Faktor 12,5 übersteigen dürfen.529 Daraus leitet sich die Eigenmittelquote von 8% ab. Im Vergleich zum IRB-Ansatz, bei dem sich die Höhe der Eigenmittel durch Einrechnen von Wertberichtigungen verändern kann, bleibt die Definition im Standardansatz unverändert. Durch Einbeziehung der operationalen Risiken in die Berechnung ändert sich die Systematik jedoch geringfügig. Zudem kommt die unter dem IRB-Ansatz erforderliche Verrechnung von Wertberichtigungen nur dann zum Tragen, wenn das Kreditinstitut die Zulassung des so genannten Partial Use erhalten hat. Dabei werden einige Kreditsegmente nach dem IRB-Ansatz und die restlichen nach dem Standardansatz berücksichtigt. Es erfolgt in diesem Fall eine Aufteilung der Wertberichtigungen in Portfolien, die nach dem IRB- und solche, die nach dem Standardansatz einbezogen werden. Es bleibt festzuhalten, dass die gewichteten Risikoaktiva für Kredit-, Marktpreis- und operationale Risiken addiert werden. Schließlich wird diese Summe durch die vorhandenen anerkannten Eigenmittel dividiert. Das Ergebnis daraus muss in jedem Falle größer als 8% sein:
(86)
Kernkapita l Ergänzungs kapital
¦ Risikoaktiva Kredit ¦ BGL Marktpreis ¦ BGL OpRisk
t 8%
bzw. als Kehrbruch ausgedrückt (87)
¦ Risikoaktiva Kredit ¦ BGL Marktpreis ¦ BGL OpRisk d 12,5 . Kernkapita l Ergänzungskapital
Die Mindesteigenmittelquote von 8% ist als strenger Floor zu interpretieren, der in jedem Fall einzuhalten ist. Die Bankenaufsicht erwartet, dass die tatsächlichen Eigenmittel über dieser Quote liegen. Dies wird auch in der zweiten Säule des neuen Baseler Akkords betont: „In the Framework, bank management continues to bear responsibility for ensuring that the bank has adequate capital to support its risk beyond the core minimum requirements.“530 In Deutschland ist es bisher gängig, dass die Eigenkapitalquote i.d.R. über 8,4% liegen soll. Damit einher geht eine monatliche Berechnung und Meldung der Kapitalausstattung, während
529 530
Siehe Tz. 41 Basel II. Siehe Tz. 721 Basel II.
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Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Banken, die diese Quote unterschreiten, eine tägliche Meldung zu erstellen und abzugeben haben.531 3.5.2. IRB-Ansatz 3.5.2.1. Überblick Wie bereits bei der Vorstellung des Standardansatzes ausgeführt wurde, ist der IRB-Ansatz als Alternative zu diesem konzipiert worden. Dabei basiert die Kapitalunterlegung u.a. auf der intern geschätzten Ausfallwahrscheinlichkeit. Die Parameter, die in die bankaufsichtlichen Formeln einfließen, sind:
x
Ausfallwahrscheinlichkeit (Probability of Default),
x
Schadensschwere (Loss Given Default),
x
Forderungsvolumen bei Ausfall (Exposure at Default),
x
Restlaufzeit (Maturity, M) sowie
x
Kreditnehmergröße (Size, S).
In Abhängigkeit vom Kreditnehmersegment werden unterschiedliche Formeln verwandt, die sich im Wesentlichen durch die festen Multiplikatoren unterscheiden. Die Kalibrierung dieser war u.a. Ergebnis der vorgenommenen Auswirkungsstudien. Im Unterschied zum Standardansatz, der eine einheitliche Vorgehensweise zur Ermittlung der Risikogewichte vorgibt, besteht der IRB-Ansatz aus drei verschiedenen Varianten.532 Grundsätzlich muss zwischen dem IRB-Basisansatz (IRBB), dem fortgeschrittenen IRBAnsatz (FIRB) und dem Retailansatz unterschieden werden. Im IRBB ist von den Banken lediglich die Ausfallwahrscheinlichkeit selbst zu schätzen. Für die Parameter LGD und EAD werden Standards vorgegeben, die bei der Existenz bestimmter Sicherheiten modifiziert werden dürfen533. Eine grundlegende Berechnung oder Schätzung dieser Parameter, wie sie im FIRB vorgenommen werden muss, findet nicht statt. Daher bietet sich der FIRB speziell bei Instituten mit unterdurchschnittlichem Kreditrisiko an, da sie so mit einem niedrigeren Kapitalbedarf rechnen können. Der IRBB ist zudem im Vergleich zum FIRB an niedrigere Mindestanforderungen geknüpft und sollte somit von den Banken leichter zu erreichen sein.534 Die Voraussetzungen für die Anwendung des FIRB sind bei der geforderten Datenhistorie wesentlich strikter als beim IRBB. Die Anwendung des FIRB ist zudem erst im Jahre 2008
531 532
533 534
Vgl. § 2, Abs. 2 BaKred (1997b). Dies ist auch der Grund, weshalb sehr häufig der Plural, also „die IRB-Ansätze“, Verwendung findet. Im Allgemeinen wird in dieser Arbeit der Singular verwendet, da es sich lediglich um Varianten handelt, wie auch der Baseler Ausschuss in der Eigenkapitalregelung deutlich macht. Vgl. Tz. 10 Basel II. Zur Berücksichtigung von Sicherheiten im IRB-Ansatz siehe Abschnitt 3.5.3.4. Siehe Cluse/Stellmacher (2005), S. 170.
3.5. Basel II
193
erlaubt, weshalb die so genannten „FIRB-Banken“ im Jahr 2007 entweder den Basisansatz oder die bisherige Regelung anwenden dürfen.535 Die dritte Variante ist der Retailansatz, der eine Mischform zwischen IRBB und FIRB darstellt und lediglich für das Retailsegment verwendet werden darf. Ähnlich wie im FIRB können hier die Parameter LGD und EAD intern geschätzt werden, jedoch gelten im Vergleich zum FIRB deutlich geringere Mindestanforderungen. Da der Retailansatz nach dem Baseler Komitee kein fortgeschrittener Ansatz ist, darf er bereits im Jahr 2007 angewendet werden. 3.5.2.2. Referenzausfalldefinition und Wegfall des Referenzkriteriums Zunächst ist einheitlich zu bestimmen, wann ein Ausfall vorliegt, damit die Kapitalanforderungen an die Institute vergleichbar bleiben. Dies ist der Grund für eine einheitliche Ausfalldefinition, die in diesem Fall als Mindeststandard zu verstehen ist, d.h. eine strengere Auslegung, die auch zu höheren Kapitalanforderungen führt, ist zulässig. Im Akkord wird eine verbindliche Mindestdefinition vorgegeben. Ein Kredit gilt demnach als ausgefallen, wenn die Bank davon ausgehen kann, dass der Schuldner seinen Verpflichtungen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit nicht in vollem Umfang nachkommen kann, ohne dass die Bank die Verwertung der Sicherheiten betreiben muss oder wenn eine wesentliche Verbindlichkeit des Schuldners gegenüber der Bankengruppe mehr als 90 Tage überfällig ist.536 Die Frage der Wesentlichkeit wurde von der deutschen Finanzaufsicht so festgelegt, dass die Summe der auf die Verbindlichkeiten entfallenden Inanspruchnahmen abzüglich des für diese Verbindlichkeit bestehenden Gesamtrahmens größer als 100€ und mehr als 2,5% des für diese Verbindlichkeit bestehenden Gesamtrahmens beträgt.537 Ein Überziehungskredit gilt dann als überfällig, wenn der Kreditnehmer ein ihm zugesagtes Limit überschritten hat oder ihm ein geringeres Limit als die aktuelle Inanspruchnahme mitgeteilt wurde. Die nationalen Aufsichtsinstanzen können von der 90-Tage-Regelung bei Privatkundenkrediten und Forderungen an öffentliche Stellen für bestimmte Produkte abweichen, falls dies den nationalen Gepflogenheiten entspricht. In diesen Fällen ist eine 180-Tage-Regelung anzuwenden.538 Während die Fälligkeit von Forderungen relativ objektiv zu bestimmen ist, ist die „hohe Wahrscheinlichkeit“ eines Ausfalls nur subjektiv zu messen. Deshalb hat der Baseler Ausschuss mehrere Kriterien genannt, die als Hinweis gelten, wann eine Bank davon ausgehen kann, dass ein Kredit nicht oder nicht in voller Höhe zurückbezahlt werden kann:539
535 536 537 538 539
Siehe CAD 3, Artikel 152, Nr. 7. Siehe Tz. 452 Basel II. Siehe Fachgremium IRBA (2005). S. 2. Siehe Tz. 452 Fußnote 83 Basel II. Siehe auch Tz. 453 Basel II.
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Aufsichtsrechtlicher Rahmen
x
Aus Bonitätsgründen verzichtet die Bank auf die Belastung mit fälligen Zinsen.
x
Die Forderung oder Teile davon wurden wertberichtigt oder abgeschrieben, weil sich die Kreditnehmerqualität seit dem Zeitpunkt der Kreditvergabe deutlich verschlechtert hat. In diesem Fall macht die Bank deutlich, dass sie nicht mehr von einer Rückzahlung in voller Höhe ausgeht.
x
Die Bank verkauft die Forderung mit einem bedeutenden, bonitätsbedingten Abschlag. Relativ geringe Preisabschläge, die sich auf eine „normale“ Verschlechterung der Bonität zurückführen lassen, sind damit genauso wie Verluste, die auf die Änderung des Zinsniveaus zurückzuführen sind, nicht als Default zu werten.
x
Die Bank hat einen Antrag auf Insolvenz des Schuldners gestellt oder eine vergleichbare Maßnahme in Bezug auf die Kreditverpflichtungen des Schuldners gegenüber der jeweiligen Bankengruppe ergriffen.
x
Die Bank stimmt einer unumgänglichen Restrukturierung des Kredits zu. Dies führt voraussichtlich zu einer Reduzierung der Schuld durch einen bedeutenden Forderungsverzicht oder eine Stundung bezogen auf den Nominalbetrag, die Zinsen oder ggf. die Gebühren. Eine freiwillige Restrukturierung auf partnerschaftlicher Basis kommt nicht für den Defaultfall in Betracht, solange eventuelle Erfolgsnachteile durch angemessene Ausgleichszahlungen egalisiert werden.
x
Der Schuldner hat selbst Insolvenz beantragt oder er wurde unter Gläubiger- oder vergleichbaren Schutz gestellt. Deshalb ist davon auszugehen, dass Rückzahlungen aus den Kreditverpflichtungen gegenüber der Bankengruppe ausgesetzt werden oder verzögert erfolgen.
Diese Aufzählung ist nicht abschließend, sondern dient als Anhaltspunkt und als Operationalisierung des Begriffs „Ausfall“. Diese Kriterien sind auch auf Forderungen anzuwenden, die zu 100% besichert sind. Die davon betroffenen Kredite sind beim Auftreten des Referenzereignisses ebenfalls als ausgefallen zu deklarieren. Die Kernaussage der aufgeführten Kriterien ist, dass immer eine Verschlechterung der Bonität des Kreditnehmers als Maßstab betrachtet wird. Andere Gründe, wie z.B. Wertberichtigungen oder Abschreibungen, die nicht aufgrund einer veränderten Bonität des Kreditnehmers vorgenommen worden sind, führen nicht zu einem Ausfallereignis. Ebenso wird bei der Bildung von pauschalen Wertberichtigungen im Allgemeinen nicht von einem Default ausgegangen, so lange keines der oben genannten Kriterien zusätzlich auftritt.540 Als Beispiel ist das Ratenkreditgeschäft anzuführen. Hier werden standardisierte pauschale Wertberichtigungen für alle Verträge eines Forderungspools durchgeführt, die mit mehr als einer Rate im Rückstand sind,
540
Siehe Cluse/Stellmacher (2005), S. 174.
3.5. Basel II
195
weil erfahrungsgemäß ein gewisser Prozentsatz dieser Schuldner ausfällt. Aus der Sicht von Basel II ist jedoch noch nicht klar, ob ein spezifischer Schuldner mit einer hohen Wahrscheinlichkeit ausfällt, da die Erfahrung sich auf die Gesamtheit der Verträge mit dieser Eigenschaft erstreckt. Dies bedeutet, dass ein Hinweis anhand der oben genannten Kriterien vorliegen muss, der auf den Ausfall eines konkreten Schuldners hindeutet. Bei Vorliegen eines solchen Kriteriums muss für die Forderung in den weiteren Berechnungen eine Ausfallwahrscheinlichkeit von 100% angesetzt werden. Gleichzeitig muss die entsprechende Forderung aus dem regulären Forderungsbestand in eine separate Ratingklasse „Default“ überführt werden. Dies gilt dabei nicht nur für die eine konkrete Forderung, sondern für alle Forderungen des betroffenen Schuldners. Eine Ausnahme ergibt sich im Mengengeschäft. Hierbei müssen nicht alle Forderungen eines Schuldners in die Ratingklasse „Default“ überführt werden, selbst wenn bei einer davon das Ausfallereignis eingetreten ist.541 Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass für den Kreditnehmer bestimmte Finanzierungen wichtiger sind als andere und er somit durchaus andere Verträge noch ordnungsgemäß bedienen kann, während einer seiner Verträge Rückstände aufweist. Die nach der Referenzdefinition ausgefallenen Verträge müssen separat gekennzeichnet werden. Damit wird eine Analyse dieser Fälle ermöglicht. Dies dient zum einen dazu, einen Abgleich zwischen den tatsächlichen und den ursprünglich erwarteten Ausfällen für eine spezielle Ratingklasse bzw. einen Retailpool herbeizuführen. Zum anderen müssen daraus, falls die Bank den FIRB nutzt, interne Schätzungen von LGD und EAD für die Eigenkapitalberechnung durchgeführt werden. Dies erstreckt sich sowohl auf die Schätzung künftiger Ausfälle als auch auf den Abgleich zwischen ex ante geschätzten und ex post eingetretenen Realisierungen dieser Werte. Nutzt eine Bank zur Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit gepoolte Daten, muss gewährleistet sein, dass die darin enthaltenen Kreditausfälle weitgehend mit der Referenzausfalldefinition übereinstimmen. Eine exakte Übereinstimmung ist dabei nicht erforderlich, sofern es der Aufsichtsinstanz dargelegt werden kann, dass die Daten entsprechend angepasst wurden.542 Entfallen bei einem als ausgefallen deklarierten Vertrag die Kriterien für die Einstufung als Default, muss die Bank ihn wieder als nicht ausgefallen einstufen. Dies bedeutet für die Bestimmung des LGD, dass dieser Vertrag genauso eingestuft wird, als ob er noch nie ausgefallen wäre, da der LGD die künftige Verwertungsquote messen soll und nicht von einem vorhergehenden Ausfall abhängen soll.543 Der Wegfall der Referenzdefinition ist bei einigen Kriterien, wie z.B. Einzelwertberichtigung oder Insolvenzverfahren, leicht nachzuvollziehen. Bei anderen, wie z.B. bei Überziehungen, 541 542 543
Siehe Tz. 455 Basel II. Siehe Tz. 456 Basel II. Siehe Tz. 457 Basel II.
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kann es jedoch zu Schwierigkeiten kommen. Überziehungen müssen sich generell in einem von der Bank gesetzten und dem Kunden mitgeteilten Limit bewegen. Bei Überschreiten des Limits gilt das Konto als überzogen. Dauert diese Überziehung länger als 90 bzw. 180 Tage an, dann ist der Kredit als ausgefallen einzustufen. Das Ausfallereignis kann beispielsweise verzögert werden, indem das Limit angepasst, also erhöht wird. Um diese Fälle zu begrenzen und um damit die Ausfalldefinition nicht zu umgehen, verlangt der Baseler Akkord von den Instituten klare Vorschriften zur Berechnung der Verzugstage, des Zurücksetzens der Kredite, zu Prolongationen, Stundungen, Novationen und der Umschreibung von Krediten. Deshalb müssen in den internen Regelungen folgende Punkte unbedingt dokumentiert sein:544 x
Bezeichnung der zum Zurücksetzen berechtigten Personen,
x
Berichtspflichten,
x
Mindestalter des Kredits, um ihn zurücksetzen zu können,
x
Verzugsstatus von Krediten, die für das Zurücksetzen in Betracht kommen,
x
Höchstzahl von Zurücksetzungen pro Geschäft und die
x
erneute Kreditwürdigkeitsprüfung des Kreditnehmers.
Diese Regeln müssen über einen längeren Zeitraum hinweg konstant bleiben, so dass sie in der Praxis auch tatsächlich angewandt werden können (Use Test). Die nationalen Aufsichtsinstanzen sollen dabei konkrete Ausführungsbestimmungen erlassen, die in Deutschland bereits mit den Regelungen der MaK hinsichtlich der Behandlung von Überziehungen in nationales Recht umgesetzt wurden.545 3.5.2.3. Risikoaktivaklassen Wie im Standardansatz sind auch im IRB-Ansatz die Klassifizierung des Kreditnehmers und die Art der Forderung wesentliche Merkmale zur Bestimmung des erforderlichen Kapitalbedarfs. Daher wird im IRB-Ansatz zwischen den folgenden Risikoaktivaklassen unterschieden:
544 545
x
Staaten,
x
Banken,
x
Unternehmen,
x
Retail,
x
Beteiligungen,
x
verbriefte Forderungen und
x
sonstige Risikoaktiva
Siehe Tz. 458 Basel II. Siehe Rn. 81 ff. MaK.
3.5. Basel II
197
Diese Aufteilung entspricht nach dem Baseler Ausschuss der gängigen Einteilung der Forderungen in der Bankpraxis.546 Die so segmentierten Forderungen unterscheiden sich jeweils sehr stark, weshalb ein eigener Ansatz für jedes Segment sachgerecht erscheint. Die Forderungsklassen Staaten und Banken entsprechen dabei der Definition im Standardansatz. Eine Forderung gegenüber einem Unternehmen ist grundsätzlich definiert als eine Schuld einer Kapital- oder Personengesellschaft oder aber auch eines Einzelunternehmers. Die Forderungsklasse „Forderungen an Unternehmen“ ist dabei, identisch der Definition im Standardansatz, deklariert als Sammelbecken für alle Risikoaktiva, die nicht einer bestimmten anderen Kategorie zugerechnet werden können. Innerhalb dieser Forderungsklasse wird wiederum unterschieden zwischen Forderungen gegenüber kleinen und mittleren (SME) und gegenüber großen Unternehmen. Das Forderungssegment Unternehmen umfasst fünf Unterklassen für Spezialfinanzierungen (Specialised Lending). Diese sind im Einzelnen: x
Projektfinanzierung (Project Finance),
x
Objektfinanzierung (Object Finance),
x
Rohstoffhandelsfinanzierung (Commodities Finance),
x
Einkommen generierende gewerbliche Immobilien (Income-Producing Real Estate) und
x
Hoch-volatile gewerbliche Immobilien (High-Volatility Commercial Real Estate, HVCRE).
Der Baseler Ausschuss hat verschiedene Kriterien aufgestellt, nach welchen eine Forderung als Spezialfinanzierung zu betrachten ist und einen umfangreichen und detaillierten Kriterienkatalog zu deren Untergliederung erarbeitet.547 Bei der Projektfinanzierung rückt speziell die wirtschaftliche Tragfähigkeit eines Einzelvorhabens in den Vordergrund. Im Unterschied zur traditionellen Kreditvergabe, bei der die Bonität des Kreditnehmers und die Qualität der gestellten Sicherheiten im Vordergrund stehen, liegt hierbei der Fokus auf den erzielbaren Einkünften aus dem Projekt. Als Sicherheit dienen den Kapitalgebern meist die Projektaktiva. Unter Objektfinanzierung wird die häufig langfristige und durch Sicherheitenbestellung an einem bestimmten werthaltigen Gegenstand gesicherte Finanzierung verstanden. Diese Art der Finanzierung ist nur bei Mobilien möglich, aus denen die Cashflows für die Bedienung des Kapitaldienstes generiert werden.
546 547
Siehe Tz. 216 Basel II. Zu den Einteilungskriterien siehe Anhang 4 Basel II.
198
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Unter Rohstoffhandelsfinanzierungen werden strukturierte kurzfristige Kredite zur Finanzierung von Rohstoffen, die aus dem Verkaufserlös der finanzierten Waren zurückbezahlt werden, subsumiert. In die Unterklasse „Einkommen generierende gewerbliche Immobilien“ fallen Kredite für die Finanzierung von Immobilienobjekten, deren Rückflüsse aus laufenden Miet- und Leasingeinnahmen den Kapitaldienst decken sollen. Demgegenüber werden gewerbliche Immobilienfinanzierungen, die mit einer höheren Volatilität der Verlustrate behaftet sind, in der Unterklasse „Hoch-volatile gewerbliche Immobilien“ zusammengefasst. Speziell die HVCRE-Finanzierungen erfahren an vielen Stellen eine Sonderbehandlung bei der Ermittlung der Risikogewichte. Auf die grundlegenden Unterschiede wird im Rahmen der Ableitung der Risikogewichte in Abschnitt 3.5.2.6. eingegangen. Für das Portfolio Retailgeschäft kommen alle Retailkredite in Frage, die an natürliche Personen oder an kleine Unternehmen vergeben wurden und ein Volumen von einer Mio. Euro nicht überschreiten. Wichtig ist, dass die Forderungen gleiche Risikocharakteristika aufweisen und so auch gleich behandelt werden können. Das Retailportfolio wird dabei in drei vorgegebene Unterklassen aufgeteilt: x
wohnwirtschaftliche Realkredite für private Baufinanzierungen,
x
qualifizierte revolvierende Retailforderungen, z.B. Kreditkartenforderungen und Dispositionskredite, und
x
übrige Retailgeschäfte, inklusive Forderungen gegenüber kleinen Unternehmen
Die Kriterien für die Aufteilung der Retailforderungen orientieren sich stark an denen des Standardansatzes, unterscheiden sich jedoch im Detail. In das Segment der wohnwirtschaftlichen Immobilienfinanzierungen fallen private Wohnungsbaukredite gegenüber natürlichen Personen. Das Volumen ist dabei unbeschränkt. Als Bedingung wird jedoch angeführt, dass die Kreditnehmer als Eigentümer der finanzierten Immobilie diese selbst bewohnen.548 Damit ein Kredit dem Segment der „qualifizierten revolvierenden Retailkredite“ zugeordnet werden kann, müssen mehrere Bedingungen erfüllt sein. Zum einen muss er revolvierend, unbesichert und durch die Ausgestaltung des Vertrages jederzeit widerrufbar sein. Hinzu kommt, dass die Kreditinanspruchnahme innerhalb der vereinbarten Kreditlinie nach freiem Ermessen des Kreditnehmers schwanken kann. Schließlich ist es nötig, dass der Kreditnehmer eine natürliche Person ist und das Kreditvolumen von 100.000 Euro pro Schuldner nicht überschritten wird.
548
Vgl. Tz. 231 Basel II.
3.5. Basel II
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Die anderen Retailgeschäfte bilden letztlich die Finanzierungen, die keiner anderen Subklasse im Retailsegment zugeordnet werden können. Im Bereich der Beteiligungen wird im Baseler Akkord eine terminologische Abgrenzung vorgenommen, die die bestehenden Finanzinstrumente möglichst eindeutig den Positionen Eigenkapital- und Fremdkapitalfinanzierung zuordnet. Aus diesem Grund wurden Kriterien für die Klassifikation von Beteiligungen aufgestellt. Dazu zählt, dass der Beteiligungsbesitz keine Forderung der Bank darstellt und dieser nicht rückzahlbar ist. Weiterhin besteht lediglich ein Restanspruch auf das Vermögen bzw. die Einkünfte des Emittenten. Für den Beteiligungsbesitz gilt eine zehnjährige so genannte Grandfathering-Regelung, nach der der Beteiligungsbesitz nach den Regeln des Standardansatzes behandelt werden darf, sofern die Beteiligung zum Zeitpunkt der Publikation des Akkords bereits bestand und nicht erhöht wurde.549 Die Berücksichtigung von Beteiligungen soll im Folgenden nicht weiter vertieft werden. Deshalb sei an dieser Stelle im Speziellen auf Tz. 235 ff. Basel II verwiesen. Die Regelungen von verbrieften Forderungen sowohl auf Seiten des Käufers als auch auf Verkäuferseite wurden durch Basel II grundlegend neu gestaltet. Da dieses Instrument eine der häufigsten Formen des Kreditrisikotransfers darstellt, wird darauf im Abschnitt 3.5.5. separat eingegangen. Unter das Segment der sonstigen Risikoaktiva fallen schließlich Positionen wie Kredite in Verzug oder Kredite anderer Kategorien sowie sonstige nicht explizit im neuen Baseler Regelwerk behandelte Kredite. Diese bilden kein separates Subsegment, da sie keine Klassifizierung im eigentlichen Sinne nach sich ziehen, sondern es wurden Regeln aufgestellt, die speziell dieses erhöhte Risiko berücksichtigen. Unter den sonstigen Risikoaktiva werden auch die angekauften Forderungen verstanden. Diese bilden keine eigene Klasse, da sie im Grundsatz so zu behandeln sind, als wären sie von der aufkaufenden Bank selbst initiiert worden. Daher sind diese entsprechend den Krediten im Banken-, Unternehmens- oder Retailsegment zu behandeln. 3.5.2.4. Ermittlung der Risikoparameter 3.5.2.4.1. Ausfallwahrscheinlichkeit Um das Risikogewicht zu berechnen, ist die Ausfallwahrscheinlichkeit im IRB-Ansatz eine wichtige Einflussgröße, die für jede Forderung separat zu bestimmen ist. Das Problem besteht darin, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Schuldners im Vorhinein nicht exakt bestimmt werden kann und im Nachhinein nicht mehr festzustellen ist. Daher wird der Weg über Ra549
Siehe Tz. 267 ff. Basel II.
200
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tingklassen bzw. Portfolien beschritten. Es wird also nicht mehr die PD für einen individuellen Kreditnehmer bestimmt, sondern die typische PD einer vergleichbaren Forderung und eines vergleichbaren Kreditnehmers herangezogen. Daher ist eine zentrale Aufgabe innerhalb der Varianten des IRB-Ansatzes die institutsinterne Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit. Diese ist als durchschnittliche Wahrscheinlichkeit zu interpretieren, dass ein Kreditnehmer, der einer gewissen Ratingstufe zugeordnet wurde, in einem Zeitraum von 12 Monaten ein Ausfallkriterium erfüllt.550 Diese Definition beinhaltet zudem die Pflicht zur Schätzung der standardisierten Ausfallwahrscheinlichkeiten für Verträge mit einer Restlaufzeit von unter einem Jahr. Der standardisierte Zeithorizont von 12 Monaten dient zur Sicherstellung der Vergleichbarkeit der Kapitalanforderungen. Grundsätzlich stellt sich aus betriebswirtschaftlicher Sicht die Frage, mit welcher Wahrscheinlichkeit der Kreditnehmer innerhalb der kompletten Vertragslaufzeit seinen Verpflichtungen nicht nachkommen wird. In der Theorie wird die Ausfallwahrscheinlichkeit aus der langfristigen Beobachtung der Häufigkeit der Ausfälle gewonnen.551 Die Wahl eines hinreichend langen Betrachtungszeitraums ist von besonderer Wichtigkeit, da die konjunkturellen Bewegungen zu Schwankungen in der beobachteten Ausfallhäufigkeit führen. Daher wird im Baseler Akkord eine Zeitreihe von mindestens fünf Jahren gefordert, die der Ableitung der Ausfallwahrscheinlichkeiten zugrunde liegen soll.552 Die Schätzung der PD muss in angemessener Weise auf den langfristigen Erfahrungen basieren. Eine vollumfängliche Datenhistorie aller Kreditnehmer ist dabei nicht gefordert, sondern vielmehr ein repräsentativer Querschnitt über alle Ratingklassen hinweg. Aus mathematisch-statistischer Perspektive bedeutet dies, dass die Grundgesamtheit je Ratingklasse ausreichend groß sein muss, um die PD mit annehmbarer Signifikanz zu schätzen. In der Übergangszeit ist für den IRBB vorgesehen, dass eine zweijährige Zeitreihe ausreichend ist. Die Mindestlänge der Zeitreihe steigt dann jeweils um ein Jahr, so dass schließlich am Ende der dreijährigen Übergangsphase eine fünfjährige Zeitreihe vorliegen muss.553 In praxi bedeutet dies, dass bei Inkrafttreten des Akkords am 31.12.2006 und bei Zugrundelegung des einjährigen Zeithorizonts die Ratings im Jahr 2004 vorliegen und ab 2005 PDSchätzungen vorgenommen werden müssen. Diese Erleichterung ist im FIRB nicht vorgesehen, so dass für Forderungen an Staaten, Banken und Unternehmen bereits bei erstmaliger Anwendung eine Zeitreihe von fünf Jahren existieren muss. Da der FIRB erst ab 31.12.2007 angewendet werden darf, müssen die PD-Schätzungen ab dem Jahr 2003 durchgeführt werden.
550 551 552 553
Siehe Tz. 447 Basel II. Zu den Verfahren der Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit siehe Abschnitt 2.6.2.2. Siehe Tz. 463, 466 Basel II. Siehe Tz. 264 Basel II.
3.5. Basel II
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Da viele Institute mit den Datenhistorien über diesen längeren Zeitraum Schwierigkeiten haben werden,554 erlaubt der Baseler Akkord ausdrücklich auch nicht hausintern gesammelte bzw. gepoolte Daten zu verwenden, um so die Datenbasis für die Entwicklung der Ratingverfahren zu verbreitern.555 Unabhängig vom Einsatz interner oder externer Daten muss die Bank belegen, dass die Schätzungen mit ihren langfristigen Erfahrungen korrespondieren. Die PD muss grundsätzlich über ein Ratingsystem geschätzt werden. Unter einem Ratingsystem versteht man in diesem Zusammenhang „ (…) all methods, processes, controls, and data collection and IT systems that support the assessment of credit risk, the assignment of internal ratings, and the quantification of default and loss estimates“.556 Das IT-gestützt generierte Rating kann dabei eine Möglichkeit der Schätzung darstellen. Dagegen ist auch eine manuelle Einstufung zulässig, sofern sie den an die Ratingverfahren gestellten Mindestanforderungen genügt.557 Die mit statistischen Modellen oder anderen automatischen Verfahren generierten Ratings dürfen sich nicht nur auf rein mechanische Auswertungen beschränken.558 Zwar wird durch automatische Ratingverfahren die menschliche Fehleinschätzung ausgeschlossen, aber es sind damit doch auch erhebliche Gefahren verbunden. Deshalb sind Kreditscoring-Modelle und andere automatische Verfahren lediglich als anfängliche oder teilweise Grundlage für die Zuordnung von Ratings anerkennungsfähig. Darüber hinausgehend ist sicherzustellen, dass ausreichend menschliches Urteilsvermögen und eine Überwachung im Ratingprozess integriert werden, damit alle wesentlichen Informationen in der Bonitätseinstufung enthalten sind und angemessen berücksichtigt werden. Dies betrifft vor allem Informationen, die nicht in den Verfahren abgebildet werden können.559 Des Weiteren wird im Baseler Akkord verlangt, dass alle relevanten und verfügbaren Informationen im Ratingprozess verwendet werden.560 Diese Informationen müssen aktuell vorliegen und entsprechend des Vorsichtsprinzips behandelt werden. Dieses besagt, dass je weniger Informationen zur Verfügung stehen, desto vorsichtiger muss die Einstufung eines Kreditnehmers in eine Ratingklasse erfolgen. Liegen gewisse Informationen nicht vor, ist vom schlechtesten Fall auszugehen. Ist ein externes Rating vorhanden, ist dies nur als Anhaltspunkt für die Zuordnung des Kreditnehmers zu verstehen, d.h. die Bank wird nicht davon ent554 555 556
557 558 559
560
Siehe Groß/Lohfing (2004), S. 169 f. Siehe Tz. 448 Basel II. Siehe Tz. 394 Basel II; zum Aufbau eines automatisierten Ratingsystems siehe Daldrup et al. (2004), S. 239 ff. Zu den Anforderungen an die manuelle Erfassung von Ratings siehe Tz. 428 Basel II. Siehe hierzu auch die Verfahren der Jahresabschlussanalyse in Abschnitt 2.2.2.3. Zu nennen sind an dieser Stelle vor allem die qualitativen Faktoren, die in das Rating mit eingehen, wie z.B. die Qualität des Managements und die Nachfolgeregelung. Vgl. hierzu auch Tz. 417, Punkt 4 Basel II und Abschnitt 2.2.2.2. Siehe Tz. 411 Basel II.
202
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
bunden, ein eigenes Rating im Rahmen des IRB-Ansatzes zu erstellen.561 Jedem Schuldner und allen anerkannten Garanten ist generell ein Rating zuzuordnen. Darüber hinaus muss jedem Kredit ein geschäftsspezifisches Rating zugewiesen werden.562 Grundsätzlich ist somit jeder einzelnen Rechtsperson ein Rating zuzuordnen. Eine Ausnahmeregelung existiert hier für Kreditnehmer, die eine Kreditnehmereinheit bilden. Hier hat die nationale Aufsichtsinstanz festzulegen, wann dasselbe Rating auf einige oder alle Kreditnehmer der Kreditnehmereinheit übertragen werden kann. In Deutschland wird dies im Vorschlag zur neuen Solvabilitätsverordnung in § 117 Abs. 4 SolvVneu(2005) i.V.m. § 19 Abs. 2 KWG geregelt. Danach werden mehrere Kreditnehmer zu einer Einheit zusammengefasst, falls die untergeordnete Entität unter mittelbarem oder unmittelbarem Einfluss der übergeordneten Entität steht. Eine Ratingklasse ist nach dem Baseler Akkord definiert als eine Einstufung des Schuldnerrisikos auf der Grundlage mehrerer unterschiedlicher Ratingkriterien, aus denen sich die Schätzung der PD ableiten lässt. In diesem Sinne ist eine Ratingkategorie also nicht nur über ihre PD, sondern auch über die Kriterien, die zur Ableitung der Einstufung herangezogen werden, definiert.563 Darüber hinaus stellt der Baseler Ausschuss konkrete Anforderungen hinsichtlich der Strukturierung der Ratings. Diese muss eine sinnvolle Verteilung der Kredite über die Risikoklassen ergeben und darf keine übermäßige Konzentration in einzelnen Klassen zulassen.564 Damit soll gewährleistet werden, dass eine risikogerechte Einteilung und Unterteilung der Risikoklassen vorgenommen wird. Die Einstufung eines Großteils der Kreditnehmer in eine Ratingklasse und damit auch die Ableitung des gleichen Risikogewichts ist nur ausnahmsweise gestattet, falls der empirische Nachweis erbracht werden kann, dass die Klassen ein ausreichend enges PD-Band haben und das Ausfallrisiko aller Kreditnehmer innerhalb dieser Bandbreite liegt. Dazu muss jede Bank das Schuldnerrisiko in mindestens sieben kreditnehmerbezogene Risikoklassen für nicht ausgefallene und eine Risikoklasse für ausgefallene Schuldner abbilden. Diese Mindestanzahl kann von den nationalen Aufsichtsbehörden erhöht werden. Dies ist jedoch in Deutschland bislang nicht der Fall, da in § 114 Abs. 2 SolvVneu(2005) genau dem Vorschlag des Baseler Ausschusses gefolgt wird. Die für die Kapitalunterlegung relevante PD ist wie beschrieben die erwartete Ein-JahresAusfallwahrscheinlichkeit der Ratingklasse. Aus diesem Grund beträgt auch der Ratinghorizont ein Jahr. Nach Ablauf dieses Jahres ist eine Neueinstufung des Kredits vorzunehmen. Eine Ausnahme hiervon besteht für Kredite an Schuldner mit höherem Risiko oder für problembehaftete Forderungen. In diesen Fällen muss in kürzeren Abständen eine Neueinstufung 561 562 563 564
Siehe Tz. 411 Basel II. Siehe Tz. 422 Basel II. Siehe Tz. 405 Basel II. Siehe Tz. 403 Basel II.
3.5. Basel II
203
durchgeführt werden. Generell ist spätestens dann eine Neubewertung durchzuführen, wenn neue ratingrelevante Informationen vorliegen.565 Die Institute sollen bei der Schätzung der PD grundsätzlich nicht nur das folgende Jahr betrachten, sondern einen längeren Betrachtungshorizont zugrunde legen. Damit soll ein besseres Urteil über die Fähigkeit und Bereitschaft eines Schuldners entstehen, auch unter widrigen Bedingungen oder beim Auftreten unerwarteter Ereignisse seinen Verpflichtungen nachzukommen. Ein derartiges Verfahren, das möglichst einen kompletten Konjunkturzyklus umfassen soll, wird auch als „Through-the-Cycle-Rating“ bezeichnet.566 Unabhängig von der beobachteten bzw. geschätzten PD einer Ratingklasse wird eine MindestPD von 0,03% veranschlagt. Dies ist eine verbindliche Untergrenze, die lediglich bei Staaten unterschritten werden darf. Auf der anderen Seite wird ausgefallenen Krediten eine PD von 100% zugeordnet. Die Einstufung der Kredite in die Ratingklassen hat generell anhand von genau zu bezeichnenden Ratingdefinitionen, Prozessen und Kriterien zu erfolgen. Diese müssen sowohl plausibel als auch unmittelbar einleuchtend (intuitiv) sein und zu einer aussagekräftigen Differenzierung führen.567 Durch diese Vorgabe soll sichergestellt werden, dass ausschließlich relevante Kriterien aufgenommen werden und beispielsweise Merkmale, die zwar statistisch signifikant sind aber betriebswirtschaftlich keinen Sinn ergeben, nicht zur Ermittlung des Risikogewichts herangezogen werden. Die dargestellten Regelungen sind für alle Produkte, Abteilungen und Regionen konsistent zu halten. Sollten sich Kriterien oder Verfahren für verschiedene Kreditnehmer oder Geschäfte unterscheiden, muss die Bank diese Inkonsistenz überwachen und unter Umständen das Ratingsystem anpassen, um ein hohes Maß an Konsistenz zu erreichen. Schließlich ist wichtig, dass die Kriterien sich mit den internen Kreditvergaberichtlinien und den internen Verfahren zur Behandlung von Problemkrediten decken, damit keine Trennung von aufsichtlichen und ökonomischen Kriterien erfolgt. Die Kapitalunterlegung muss sich letztlich am ökonomisch notwendigen Kapital orientieren.568 3.5.2.4.2. Loss Given Default Der LGD gibt den voraussichtlich uneinbringlichen Teil einer Forderung im Falle des Ausfalls an. Damit hat der LGD den gleichen Informationsgehalt, wie die Recovery Rate oder Verwertungs- oder Insolvenzquote.569 Diese bezeichnen den prozentualen Anteil des geschul-
565 566 567 568 569
Siehe Tz. 425 Basel II. Vgl. Tz. 415 Basel II. Siehe Tz. 410 Basel II. Siehe Tz. 438 ff. Basel II. Siehe Abschnitt 2.6.2.5.
204
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
deten Betrages, der bei Ausfall des Kreditnehmers durch Rückflüsse aus der Schuld und der Verwertung von Sicherheiten an den Kreditgeber fließt.570 Der IRBB unterscheidet sich vom FIRB dadurch, dass im IRBB der LGD aufsichtsrechtlich vorgegeben ist, während er beim FIRB auf der Basis eigener Erfahrungen geschätzt werden muss. Falls keine anerkennungsfähigen Sicherheiten vorliegen, erhalten im IRBB alle vorrangigen Forderungen an Staaten, Banken und Unternehmen ohne Besicherung einen einheitlichen LGD von 45%.571 Forderungen an Staaten, Banken und Unternehmen, die ausdrücklich als nachrangig deklariert sind, erhalten einen LGD von 75%, damit die Schlechterstellung gegenüber anderen Gläubigern Berücksichtigung findet.572 Die Generalklausel des Standardansatzes, wonach eine besicherte Forderung kein höheres Risikogewicht erhalten kann als eine unbesicherte Forderung,573 ist im IRB-Ansatz nicht enthalten. Aufgrund der Rechenmethodik in diesem Ansatz sollte eine besicherte Forderung i.d.R. ein niedrigeres Risikogewicht bekommen. Durch einen Verzicht auf die Anrechnung von Sicherheiten würde sich in diesem Fall das wirtschaftliche Risiko erhöhen, während zugleich die Kapitalanforderung sinkt. Dies ist nicht gewollt und deshalb kann die Generalklausel des Tz. 113 Basel II auch für den IRB-Ansatz angewendet werden, falls sich ein höheres Risikogewicht ergeben sollte.574 Im Gegensatz zum IRBB wird den Instituten im FIRB vorgeschrieben, den LGD aufgrund eigener Berechnungen individuell zu schätzen.575 Damit ist der Kreis der anerkennungsfähigen Sicherheiten prinzipiell unbegrenzt. Generell ergibt sich für den FIRB, dass auch für unbesicherte Forderungen ein LGD errechnet werden muss, der auf der eigenen Ausfallhistorie ermittelter LGD beruht, welche meist höher als der im IRBB vorgeschriebene Durchschnittswert von 45% sind. Durch die eigenen Schätzungen können somit die individuellen Vertragsgestaltungen deutlicher hervorgehoben werden. Letztendlich führt dies zu einer risikosensitiveren Berücksichtigung der Kreditrisiken. Der selbst zu schätzende LGD ist das prozentuale Verhältnis der Höhe des Verlustes in Relation zum gesamten Forderungsvolumen zum Ausfallzeitpunkt.576 Der LGD muss für jede Forderung individuell geschätzt werden, wobei auf Effekte einer sich negativ veränderten Konjunkturlage Rücksicht genommen werden muss. Das sich daraus ergebende höhere wirtschaftliche Risiko ist anhand eines Downturn-LGD zu messen.577 Der LGD muss in diesem Fall mindestens der langfristigen, ausfallgewichteten Verlustrate entsprechen. Die Jahre, in 570 571 572 573 574 575 576 577
Zur Berücksichtigung von Sicherheiten siehe Abschnitt 3.5.3. Siehe Tz. 287 Basel II. Siehe Tz. 288 Basel II und § 97 Abs. 1 SolvVneu (2005). Siehe Tz. 113 Basel II. Siehe Cluse/Stellmacher (2005), S. 180. Siehe Tz. 297 Basel II. Siehe Tz. 297 Basel II. Zum so genannten Downturn-LGD, der die (negativen) zyklischen Veränderungen der Wirtschaft widerspiegeln soll, siehe Tz. 468 Basel II.
3.5. Basel II
205
denen die tatsächlichen Ausfälle über dem Durchschnitt lagen, sind dementsprechend höher zu gewichten. Der Zeitraum der zu beobachtenden und auszuwertenden Daten soll mindestens sieben Jahre betragen und deckt somit im Durchschnitt einen Wirtschaftszyklus ab.578 Für die Datenhistorie gelten in der Übergangsphase keine Erleichterungen, weswegen bei erstmaliger Anwendung des FIRB ein siebenjähriger Zeithorizont abgedeckt werden muss. In praxi bedeutet dies, dass bei erstmaliger Anwendung des FIRB am 31.12.2007 die Datenhistorie bis Anfang 2001 zurückreichen muss. Ist keine entsprechende Datenzeitreihe vorhanden, sind in diesem Zeitraum bestehende Kreditakten oder gepoolte Daten auszuwerten. Ohne eine entsprechende Datengrundlage darf der FIRB nicht angewandt werden. Die konkrete Messung der Verlusthöhe wird im Baseler Akkord nicht vorgeschrieben. Jedoch ist davon auszugehen, dass sich keine Unterscheidung zwischen regulatorischem und ökonomischem Verlust ergeben sollte.579 Daher sind alle relevanten Faktoren zu berücksichtigen. Dies schließt sowohl signifikante direkte und indirekte Kosten des Inkassos bzw. der Abwicklung als auch wesentliche Diskontierungseffekte mit ein. Die Inkassokosten umfassen dabei z.B. Maklerkosten bei der Veräußerung eines als Sicherheit überlassenen Grundstücks, Zinsen, die sich aus dem Auseinanderfallen von planmäßigen Kreditzahlungen und Zahlungen nach der Sicherheitenverwertung ergeben, sowie auch Rechtsanwaltskosten, die sich aus der Abwicklung eines Insolvenzfalles ergeben. Darüber hinaus dürfen sich die Banken nicht nur auf gebuchte Verluste beschränken, sondern müssen in der Lage sein, die Buchwerte mit den ökonomischen Verlusten vergleichen zu können. Hinsichtlich des Zeitraums, für den der Verlust bzw. die verbleibenden Rückflüsse gemessen werden müssen, gibt es keine gesonderten Vorgaben. Es ist jedoch davon auszugehen, dass das Paradigma der Relevanz an dieser Stelle oberste Priorität hat. Forderungen werden bilanziell dann endgültig ausgebucht, wenn keine weiteren Rückflüsse erwartet werden können oder die Inkassokosten den noch zu erwartenden Betrag übersteigen.580 Wird zu diesem Zeitpunkt auch die Berechnung des tatsächlichen Verlusts abgeschlossen, kann angenommen werden, dass dies gemäß der Anforderungen des Aufsichtsrechts unbedenklich ist, falls keine weiteren Kosten mehr zu erwarten sind. Mögliche weitere Rückflüsse würden den LGD zu Gunsten der Bank reduzieren, weswegen sich die Bank in diesem Falle schlechter stellen würde. Diese konservative Annahme ist möglich, da daraus eine erhöhte Kapitalanforderung resultiert.
578 579 580
Siehe Tz. 471 Basel II. Siehe Tz. 460 Basel II. Zur bilanziellen Behandlung von Abschreibungen auf Forderungen siehe Winnefeld (2000), S.1237 f.; Baetge et al. (2002), S.213; Rösler et al. (2002), S. 116; Coenenberg (2005), S. 238. Hierbei wird vor allem auf das strenge Niederstwertprinzip nach § 253 Abs. 3 HGB und das Stichtagsprinzip nach § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB abgestellt.
206
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Generell muss die Schätzung des LGD auf den tatsächlich realisierten Erlösquoten und nicht ausschließlich auf dem geschätzten Marktwert einer Sicherheit beruhen.581 Basiert die LGDSchätzung auf der Existenz von Sicherheiten, werden an das Sicherheitenmanagement und an die Bewertung der Sicherheiten besondere Anforderungen gestellt, die in den Organisationsrichtlinien des Instituts ihren Niederschlag finden müssen.582 Der Schätzung des LGD bei bereits ausgefallenen Kreditnehmern kommt besondere Bedeutung zu, da sich das wirtschaftliche Risiko der Bank bereits auf die erhaltenen Sicherheiten verlagert hat. Ein Problem besteht dann, wenn der erwartete Erlös nicht aus der Verwertung zu erzielen ist. Daher muss das Institut für diese Exposures unter aktuellen Bedingungen, wie wirtschaftlichem Umfeld, Verwertbarkeit, etc. eine bestmögliche Schätzung des erwarteten Verlustes abgeben.583 Die positive Differenz aus erwartetem Verlust und geschätztem LGD ist wiederum mit Kapital zu unterlegen. Im umgekehrten Falle, wenn also die erwarteten Verluste niedriger als die vorgenommenen Wertberichtigungen sind, ist dies zu begründen und von der Bankenaufsicht zu beobachten. 3.5.2.4.3. Exposure at Default Für die Berechnung der Kapitalanforderungen ist neben der PD und dem LGD das EAD zum Ausfallzeitpunkt der dritte entscheidende Parameter. Ausgangspunkt für dessen Berechnung ist die aktuelle Forderungshöhe vor Abzug eventueller Wertberichtigungen oder Teilabschreibungen.584 Die Mindesthöhe des EAD ist dabei vorgegeben als der mögliche wirtschaftliche Verlust. Als Referenzgröße wird daher die Kapitalreduktion, die sich bei vollständiger Abschreibung der Forderung ergeben würde, zuzüglich bereits vorgenommener Einzelwertberichtigungen und Teilabschreibungen, herangezogen. Das EAD hat dabei mindestens dieser Referenzgröße zu entsprechen. Ergibt sich aus der Differenz zwischen EAD und Referenzgröße ein positiver Wert, dann liegt ein so genannter Nachlass vor, der unter Umständen mit dem erwarteten Verlust verrechnet werden kann.585 Neben den in Abschnitt 3.5.3. beschriebenen Möglichkeiten zur Sicherheitenanrechnung, besteht auch die Möglichkeit der Verrechnung gegenseitiger Forderungen und damit auch der EAD im Zuge des Nettings. Die Anforderungen sind hierzu identisch mit denen des Standardansatzes. Bei klassischem außerbilanziellen, nicht-derivativem Geschäft muss das erwartete Exposure berechnet werden. Da das Nominalvolumen hier nicht aussagefähig ist, wird es, wie im geltenden Aufsichtsrecht, mit Kreditumrechnungsfaktoren gewichtet. Beim IRBB werden
581 582 583 584 585
Siehe Tz. 470 Basel II. Siehe Tz. 470 Basel II. Siehe Tz. 471 Basel II; in der Praxis wird in diesem Zusammenhang von „Best Estimates“ gesprochen. Vgl. Tz. 308 ff. Basel II und Abschnitt 2.6.2.4. Siehe Tz. 380 Basel II.
3.5. Basel II
207
Standard-CCF vorgegeben, die grundsätzlich denen des Standardansatzes entsprechen. Die Ausnahme bilden hier Kreditzusagen, „Note Issuance Facilities“ (NIF) und „Revolving Underwriting Facilities“ (RUF), für die ein CCF von 75% gilt.586 Eine 0%-Gewichtung ist daher nur noch dann zulässig, falls die Zusagen jederzeit und unbedingt kündbar sind oder automatisch erlöschen, sobald sich die Bonität des Kreditnehmers verschlechtert. Eine aktive Überwachung des Kreditnehmers und die Existenz adäquater Kontrollsysteme werden daher in den Banken vorausgesetzt. Der CCF ist auf den noch nicht in Anspruch genommenen Betrag anzuwenden, da der bereits in Anspruch genommene Teil bereits mit 100% in den EAD einfließt. Für den FIRB gilt, dass für bestimmte Forderungen die CCF selbst geschätzt werden können, falls nicht ein CCF von 100% im Basisansatz vorgesehen ist.587 Um eine eigene Schätzung durchzuführen, müssen folgende Mindestanforderungen erfüllt sein:588 x
Generell gilt, falls kein Netting durchgeführt wird, für die Schätzung des EAD bei bilanziellen Forderungen, dass das EAD nicht niedriger sein darf als die Forderungshöhe selbst. Die Schätzung des EAD hat dabei auf Basis bewährter Prozesse zu erfolgen. Es werden jedoch unterschiedliche Prozesse für die verschiedenen Kreditarten zugelassen, so lange die Differenzierung und Beschreibung der Kreditarten ausreichend dokumentiert ist.
x
Für gleichartige Schuldner und Kredite muss das EAD für jede Kreditart als langjähriger, ausfallgewichteter Durchschnitt geschätzt werden. Es wird ausdrücklich eine konservative Schätzung für eventuelle Schätzfehler gefordert, wobei eine mögliche Korrelation zwischen PD und der Höhe des EAD mit zu berücksichtigen ist. Sollten sich beim EAD auch konjunkturelle Schwankungen abzeichnen, sind die Auswirkungen in Rezessionsphasen mit in die Schätzung aufzunehmen.589
Für den Zeitraum, der sich aus den Anforderungen zur EAD-Schätzung ergibt, muss wiederum ein kompletter Konjunkturzyklus, aber mindestens sieben Jahre zugrunde gelegt werden.590 Ebenso wie bei der Schätzung des LGD gibt es auch für die Ermittlung des EAD keine Erleichterung in der Übergangsphase. Die der Schätzung zugrunde liegenden Verfahren und Kriterien müssen plausibel, einleuchtend und nachweislich von den internen Erfahrungen gestützt werden. Daraus abgeleitet müssen die Institute Systeme im Einsatz haben, die die tägliche Überwachung der Kreditinanspruchnahme und der Limitauslastung gewährleisten. 586
587 588 589 590
Unter NIF werden Emissionen von kurzfristigen Geldmarktpapieren verstanden, während RUF eine revolvierende Variante darstellen. Siehe Tz. 316 Basel II. Siehe Tz. 474 ff. Basel II. Siehe Tz. 476 Basel II. Siehe Tz. 478 Basel II.
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3.5.2.4.4. Restlaufzeit Die Restlaufzeit ist im Kreditgeschäft ein wesentlicher Risikotreiber. Die Schätzungen unmittelbar bevorstehender Sachverhalte sind meist wesentlich leichter durchzuführen als für diejenigen, die weit in der Zukunft liegen. Dieses Problem hat der Baseler Ausschuss aufgenommen und daher den Ausfallhorizont auf ein Jahr begrenzt.591 Damit ist es nicht nötig, die Ausfallwahrscheinlichkeit eines Kreditnehmers über die komplette Kreditlaufzeit abzuschätzen. Um die Restlaufzeit dennoch entsprechend zu berücksichtigen, wurde sie in den Formeln zur Ermittlung des Risikogewichts aufgenommen. Die Restlaufzeit entspricht im IRBB i.d.R. 2,5 Jahre,592 wobei bei Wertpapierpensions- und ähnlichen Geschäften 0,5 Jahre unterstellt werden. Im FIRB ist die Restlaufzeit generell individuell zu bestimmen. Kommt es im Rahmen des Partial Use nur zu einer teilweisen Anwendung des FIRB, dann muss die Restlaufzeit für jedes Geschäft individuell berechnet werden. Ausnahmsweise darf auch Krediten an kleinere inländische bzw. innereuropäische Unternehmen (Umsatz ist kleiner als 500 Mio. Euro) ein Standardwert von 2,5 Jahren zugewiesen werden.593 Die Messung der individuellen Restlaufzeit erfolgt mit Hilfe der effektiven Restlaufzeit oder Duration. Handelt es sich um Verträge mit einem vertraglich fixierten Cashflow, ergibt sich
(88)
M
¦ t
t * CFt CFt
.
Mit CFt wird der Cashflow bezeichnet, den der Kreditnehmer zum Zeitpunkt t zu leisten hat. Zudem wird für M eine Untergrenze von einem und eine Obergrenze von fünf Jahren gesetzt.594 Kann die Restlaufzeit nicht bestimmt werden, ist von der maximalen Zeitspanne zur Rückführung der Forderung auszugehen. In der Regel entspricht diese der nominalen Restlaufzeit. Die Untergrenze kann von der nationalen Aufsichtsinstanz für bestimmte kurzfristige Kredite oder Produkte mit kurzer Laufzeit aufgehoben werden, wenn die Ursprungslaufzeit dieser Geschäfte unter einem Jahr liegt.595 In diesen Fällen ist das Maximum aus einem Tag und der 591
592 593 594 595
Noch im zweiten Konsultationspapier (siehe Tz. 226 f. Basel Committee (2001)) war vorgesehen, die individuelle Restlaufzeit im IRBB einfließen zu lassen, wobei eine Untergrenze von einem Jahr und eine Obergrenze von sieben Jahren vorgesehen war. Nicht zuletzt scheiterte die individuelle Berücksichtigung der Restlaufzeit am Veto der deutschen Verbände. Diese haben sich eingeschaltet und für einen Ein-Jahres-Betrachtungshorizont plädiert. Der Grund dafür ist in der langfristigen Finanzierungskultur in Deutschland zu sehen, wobei die Finanzierungskultur ausländischer Banken meist viel kurzfristiger ist. Damit hätten die deutschen Banken zum Teil erheblich mehr Risiken mit Kapital zu unterlegen. Siehe hierzu auch Bankenfachverband (2001). Siehe Tz. 318, 324 Basel II. Siehe Tz. 319 Basel II. Siehe Tz. 320 Basel II. Vgl. Tz. 321 Basel II und § 100 Abs. 3 Nr. 5 SolvVneu (2005).
3.5. Basel II
209
tatsächlichen effektiven Restlaufzeit des Geschäftes zugrunde zu legen. Verträge, die Gegenstand einer laufenden revolvierenden Finanzierungstransaktion sind, werden explizit von dieser Regelung ausgeschlossen. Die Konkretisierung der kurzfristigen Kredite und Produkte, wie sie durch die nationale Aufsicht zu definieren sind, umfasst beispielsweise: x
kurzfristige Darlehen oder Einlagen,
x
Wertpapierpensions- und ähnliche Geschäfte,
x
Forderungen aus Wertpapierleihegeschäften,
x
kurzfristige Handelsfinanzierungen, bei denen die Rückzahlung aus Verkaufserlösen erfolgt,
x
Forderungen aus der Abwicklung von Wertpapiertransaktionen und der Zahlungsverkehrsabwicklung, sofern sie eine festgelegte Höchstlaufzeit nicht überschreiten sowie
x
Forderungen aus Fremdwährungsverrechnungen gegenüber Banken.
3.5.2.5. Besonderheiten bei der Ermittlung der Risikogewichte 3.5.2.5.1. Spezialfinanzierungen Wie weiter oben beschrieben, gibt es in der Forderungsklasse Unternehmen nach Basel II fünf Unterkategorien für Spezialfinanzierungen. In dieser Klasse werden Unternehmen subsumiert, die speziell für den Betrieb oder die Finanzierung eines Objektes gegründet worden sind. Als Quelle zur Bedienung des Kredites dienen hauptsächlich Einkünfte aus dem zu finanzierenden Objekt. Da die Verlustquote bei gescheiterten Objekten meist sehr hoch ist, werden diese Finanzierungen riskanter eingestuft als gewöhnliche Kredite und werden auch bei der Ermittlung des zu unterlegenden Betrags separat behandelt.596 Grundsätzlich sollten Banken, die den IRB-Ansatz gewählt haben, auch für Spezialfinanzierungen die Ausfallwahrscheinlichkeit selbst schätzen. Da Spezialfinanzierungen für viele Institute eine weniger häufige Finanzierungsart darstellen, kann es vielfach problematisch sein, eine ausreichend große Datenbasis für interne Schätzungen der PD aufzubauen. Der neue Baseler Akkord gibt daher Standardwerte für Spezialfinanzierungen vor. Dieses Verfahren wird als Elementaransatz597 oder „auf aufsichtlichen Zuordnungskriterien basierender Ansatz“ (Supervisory Slotting Criteria Approach) bezeichnet. Daher wird es allen Banken, die Spezialfinanzierungen betreiben, ermöglicht, eine differenzierte Kapitalunterlegung im IRB-Ansatz herbeizuführen. Diese Vereinfachungsregeln machen ein Ratingmodell für Spezialfinanzierungen überflüssig, weshalb dieses Forderungssegment vom Partial Use ausgenommen wird. De facto bedeutet dies, dass bei Spezialfinanzierungen mindestens der Elementaransatz ange596
597
Zur Vorgehensweise bei der Ratingerstellung im Bereich der gewerblichen Immobilienkreditnehmer siehe Hamerle et al. (2004), S. 198 ff. Siehe Cluse/Stellmacher (2005), S. 191.
210
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wendet werden muss, sobald für einen Teil der Unternehmensforderungen ein IRB-Ansatz verwendet wird.598 Im Elementaransatz werden die Risikogewichte in fünf Ratingklassen unterteilt: x
Sehr gut
x
Gut
x
Mittel
x
Schwach
x
Ausgefallen
Der vierte Anhang des Baseler Akkords listet Kriterien auf, die eine Einstufung in eine dieser Ratingstufen ermöglichen sollen. Dabei werden, teilweise unterteilt in die einzelnen Unterklassen der Spezialfinanzierungen, Einschätzungskriterien zum politischen und regulatorischen Umfeld, der finanziellen Stärke, den Transaktionsmerkmalen und den Sicherheiten aufgeführt. Schließlich werden den aufsichtlichen Ratingklassen die folgenden Risikogewichte zugeordnet, wobei zwischen HVCRE- und Nicht-HVCRE-Finanzierungen unterschieden werden muss:599 Ratingklasse
Sehr gut
Gut
Mittel
Schwach
Ausgefallen
Vergleichsrating
AAA bis BBB-
BB- bis BB
BB- bis B+
B bis C-
D
Risikogewicht (nicht HVCRE)
70%
90%
115%
250%
0%
Risikogewicht (HVCRE)
95%
120%
140%
250%
0%
Tab. 21: Risikogewichte für Spezialfinanzierungen
Da die Unterlegung der unerwarteten Verluste im Baseler Akkord im Fokus steht, erhalten ausgefallene Spezialfinanzierungen eine 0%-Gewichtung. In diesem Fall ist mit einer Berücksichtigung der Ausfallwahrscheinlichkeit in Höhe von 100% zu rechnen, so dass angenommen wird, dass eine entsprechend große Wertberichtigung durchgeführt wurde. Die Vergleichsratings dienen im Speziellen der besseren Einordnung der aufsichtlichen Ratingklassen. Für die letztendliche Einstufung bleiben jedoch die Kriterien des vierten Anhangs des Baseler Akkords maßgebend. Die nationalen Aufsichtsinstanzen können den Instituten ermäßigte Risikogewichte entsprechend der Restlaufzeit gestatten.600 Danach wird für die Bonität „sehr gut“ ein Risikogewicht 598 599 600
Siehe Tz. 260 Basel II. Siehe Tz. 295 Basel II und § 98 Abs. 7 und 8 SolvVneu (2005). In Deutschland wird von diesem Wahlrecht Gebrauch gemacht. Siehe hierzu § 101 Abs. 1 SolvVneu (2005).
3.5. Basel II
211
von 70% (HVCRE) bzw. 50% (Nicht-HVCRE) und für die Bonität „gut“ ein Risikogewicht von 95% (HVCRE) bzw. 70% (Nicht-HVCRE) vergeben. Die günstigeren Risikogewichte dürfen dann für Geschäfte mit einer Restlaufzeit von weniger als 2,5 Jahren verwendet werden. Sollten die Institute die Voraussetzungen erfüllen, um eigene interne Schätzungen für PD und im FIRB auch für LGD und EAD durchzuführen, können sie diese auch in der Risikogewichtsfunktion verwenden. In einem solchen Fall werden die (Nicht-HVCRE-)Spezialfinanzierungen wie gewöhnliche Unternehmenskredite behandelt,601 wobei als Parameter für LGD und EAD die aufsichtlichen Vorgaben zu verwenden sind.602 Bei den HVCRE-Finanzierungen kommt es zu geringfügigen Abweichungen, da die Ausfallkorrelation mit veränderten Parametern bestimmt wird. Diese Parameter sind jedoch aufsichtlich vorgegeben und müssen so nicht separat berechnet werden.603 3.5.2.5.2. Kredite im Retailsegment Das Retailsegment ist, wie schon weiter oben beschrieben, charakterisiert durch eine Vielzahl kleinerer Forderungen. Der Ausfall eines Kreditnehmers wiegt daher weniger schwer als vergleichsweise bei einem großen Unternehmenskredit. Zudem zeichnet sich dieses Segment durch eine größere Diversifikation aus. Hinsichtlich der weiteren Merkmale und der Einteilung in Unterklassen sei an dieser Stelle auf den Standardansatz (siehe Abschnitt 3.5.1.1.6.) verwiesen. Die Institute sollen ein einheitliches Analysesystem für Retailkredite entwickeln und Faktoren bestimmen, die die Einteilung in Pools erlauben. Die Separierung in die einzelnen Pools hat dann mittels bankinternen Scoringmodellen zu erfolgen, wie sie bereits jetzt in einer Vielzahl von Banken im Einsatz sind. Dabei wird ein Kreditnehmer in Bezug auf alle relevanten Kriterien untersucht. Letztlich wird aus diesen Einzelergebnissen ein Gesamturteil gebildet, mit Hilfe dessen die Zuordnung zu einem speziellen Pool möglich ist. Die Anzahl der Kredite innerhalb eines Pools sollte dabei ausreichend groß sein, um auf Poolebene eine aussagekräftige Bestimmung der Verlustmerkmale zu ermöglichen. Darüber hinaus muss eine ausgewogene Verteilung der Kreditnehmer und Kreditarten über die Pools hinweg gewährleistet werden. Es muss vermieden werden, dass ein unangemessen hoher Anteil der Forderungen einem einzigen Pool zugeordnet wird, da ansonsten die Gleichbehandlung der Forderungen in einem Pool das Ergebnis verzerren, wenn nicht gar unbrauchbar machen würde.604
601 602 603 604
Siehe Tz. 278 f. und 283 f. Basel II. Siehe Abschnitte 3.5.2.4.2. und 3.5.2.4.3. Siehe hierzu Tz. 283 Basel II. Siehe Tz. 409 Basel II.
212
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Die Ermittlung der Risikokomponenten Ausfallwahrscheinlichkeit, Verlustquote bei Ausfall und Forderungsbetrag zum Ausfallzeitpunkt erfolgt beim Retailansatz auf Poolebene. Dabei ist zu beachten, dass alle drei Parameter von der Bank geschätzt werden müssen. Aufsichtsrechtliche Vorgaben, wie es sie im IRBB gibt, sind im Retailansatz nicht vorgesehen.605 Obwohl die Parameter EAD und LGD vom Institut selbst geschätzt werden müssen, kann der Retailansatz bereits zum 31.12.2006 angewendet werden. Die Ermittlung der Ausfallwahrscheinlichkeit soll auf Basis interner Daten erfolgen. Um die PD zu schätzen ist es jedoch auch möglich, auf externe Informationen und statistische Modelle zurückzugreifen, sofern diese die folgenden Voraussetzungen erfüllen:606 x
Das bankinterne Risikoprofil und die Zusammensetzung der externen Daten sind hinreichend vergleichbar.
x
Es existieren „große Gemeinsamkeiten“ zwischen den internen Verfahren zur Poolbildung und der Vorgehensweise bei externen Datenlieferanten.
Es sind alle relevanten und wesentlichen Datenquellen heranzuziehen, um eine möglichst breite Vergleichsbasis für die internen Daten zu erhalten. Generell wird auch beim Retailansatz die PD aus der Ratingklasse bzw. dem Pool abgeleitet. Weiterhin besteht die Möglichkeit, die PD aus dem erwarteten Verlust zu berechnen. Legt man folgende Formel für den erwarteten Verlust zugrunde, (89)
EL
PD * LGD ,
kann man daraus die PD oder die LGD berechnen, falls die beiden anderen Größen bekannt sind. Im Mengengeschäft stehen den Banken meist die durchschnittlichen Verlustraten zur Verfügung. Kann die Verlustrate auf Poolebene ermittelt werden und sind die durchschnittlichen Verwertungsquoten oder die Ausfallhäufigkeiten bekannt, kann daraus eine Schätzung für die PD bzw. die LGD abgeleitet werden. Bezüglich der Datenhistorie zur Schätzung der Ausfallwahrscheinlichkeit bzw. des erwarteten Verlustes ist eine Zeitreihe von mindestens fünf Jahren zugrunde zu legen, wobei in der Übergangsphase eine zweijährige Historie ausreichend ist, die dann jährlich vergrößert wird.607 Liegt eine zu lange Datenhistorie vor, kann es zu Verzerrungen kommen. Dies liegt insbesondere daran, dass sich die Zusammensetzung des Pools und dessen Struktur im Zeitablauf meist sehr stark verändern. Eine Lösung des Problems könnte darin bestehen, aktuelleren Daten ein höheres Gewicht zu vergeben. Damit wird der Gegenwart mehr Relevanz beigemessen und es kommt insgesamt zu einer Glättung der Schätzungen. Für die Schätzung des LGD im Retailansatz gelten de facto die gleichen Anforderungen wie für Forderungen an Unternehmenskunden. Falls die LGD aus dem erwarteten Verlust abgelei605 606 607
Siehe Tz. 252 Basel II. Siehe Tz. 464 Basel II. Siehe Tz. 264 Basel II.
3.5. Basel II
213
tet wird, darf sich jedoch kein niedrigerer Wert ergeben, als der Wert der langfristigen ausfallgewichteten Verlustrate. Im Zweifel ist dies zu überprüfen und zu korrigieren. Bezüglich der Datenanforderungen gelten die gleichen Bestimmungen wie bei der PD.608 Als dritter Parameter ist im Retailansatz das erwartete Forderungsvolumen zum Ausfallzeitpunkt zu schätzen. Diese Schätzung folgt im Wesentlichen den Regeln zur Bestimmung des EAD bei Unternehmensforderungen. Eine Ausnahme ergibt sich wiederum in der Datenhistorie, da auch hier zu Beginn der Übergangsphase eine zweijährige Datenhistorie ausreichend ist. Es dürfen die aktuelleren Daten ebenfalls höher gewichtet werden, falls dadurch die Aussagekraft gesteigert wird.609 3.5.2.5.3. Angekaufte Forderungen Ist die Kreditvergabe nicht durch das Institut selbst erfolgt, stellen diese angekauften Forderungen im IRB-Ansatz einen Spezialfall dar. Beispielsweise ist es so möglich, dass Schwierigkeiten bei der Ermittlung der PD existieren. Aus diesem Grund enthalten die neuen Eigenkapitalanforderungen für angekaufte Forderungen spezielle Regelungen.610 Zu Beginn der Analyse ist zu untersuchen, welchem Segment die angekauften Forderungen zugeordnet werden müssen. Ist die Zurechnung aller Forderungen dieser Art zu einem Segment möglich, kommt die entsprechende Risikogewichtungsfunktion zur Anwendung, vorausgesetzt das Institut erfüllt die Zulassungskriterien für dieses Segment oder Subsegment. Handelt es sich dagegen um gemischte Forderungspools, muss die Risikogewichtungsfunktion herangezogen werden, die zu der höchsten Kapitalunterlegung führt. Können die einzelnen Forderungen des angekauften Forderungspools dagegen identifiziert und eindeutig einem Portfolio zugeordnet werden, so ist diese Vorgehensweise zu bevorzugen. Beim Retailansatz existieren keine besonderen Anforderungen hinsichtlich der Schätzung von PD und LGD. Zu berücksichtigen ist jedoch, dass die Schätzung dieser Werte lediglich die reine Forderung einbezieht und keine Regressansprüche oder Garantien des Verkäufers oder Dritter berücksichtigt.611 Handelt es sich um angekaufte Unternehmensforderungen, sollen die Institute möglichst einen Bottom-Up-Ansatz verwenden. Eine Definition dieses Begriffs fehlt im Baseler Akkord, jedoch wird darunter die individuelle Risikogewichtung jeder einzelnen Forderung verstanden.612 Der Top-Down-Ansatz stellt auf die ganzheitliche Betrachtung des Forderungspools ab.
608 609 610 611 612
Siehe Tz. 473 und 264 f. Basel II. Siehe Tz. 478 Basel II. Siehe Tz. 362 ff. Basel II. Siehe Tz. 364 Basel II. Vgl. Federal Register (2003), S. 45903, Fußnote 6.
214
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Lediglich mit ausdrücklicher Genehmigung der nationalen Bankenaufsicht darf der TopDown-Ansatz angewendet werden.613 Danach ist der Expected Loss ohne eventuelle Regressansprüche oder Garantien Dritter zu bestimmen. Der Expected Loss ist dann in die Größen PD und LGD aufzuspalten. Dabei ist eine Unterscheidung zu treffen, ob das Institut den IRBB oder den FIRB anwendet. Falls die Bank den IRBB anwendet und in der Lage ist, die Ausfallwahrscheinlichkeit verlässlich zu bestimmen, kann dieser Wert in die Risikogewichtsfunktion übernommen werden. Kann die PD nicht zuverlässig geschätzt werden, ist sie zu bestimmen, indem der Expected Loss durch die anzusetzende Verlustrate dividiert wird. Für den LGD kann nur dann ein Wert von 45% angesetzt werden, wenn die Bank nachweisen kann, dass es sich ausschließlich um vorrangige, angekaufte Forderungen handelt. Andernfalls ist für den LGD ein Wert von 100% anzusetzen, so dass die PD gleich dem Expected Loss ist. Die Kapitalanforderung ergibt sich somit nach der Risikogewichtsfunktion für Unternehmen. Wurden SME-Forderungen angekauft, ist eine entsprechende gewichtete Größenklassenanpassung möglich.614 Wendet das Institut den FIRB an, darf es auch den LGD für angekaufte Forderungen selbst bestimmen. Wenn die Schätzung der Verlustrate möglich ist, gelten die Regelungen der internen Schätzung des LGD, wie in Abschnitt 3.5.2.4.2. aufgezeigt. Sollte lediglich die Ausfallwahrscheinlichkeit bekannt sein, ist es möglich, die Verlustrate auch aus dem erwarteten Verlust abzuleiten. Das Verfahren entspricht dann der Methodik bei der LGD-Schätzung für Forderungen im Retailsegment. Dies bedeutet, dass die LGD-Schätzung dem langjährigen ausfallgewichteten Durchschnitt entspricht. Für den EAD ist das Forderungsvolumen abzüglich der Kapitalanforderungen für Verwässerung ( K Dilution ) anzusetzen. Werden revolvierende Fazilitäten angekauft, sind dem aktuellen Forderungsbetrag 75% der offenen Zusagen (abzüglich K Dilution ) zuzurechnen. Wird der FIRB angewandt und ist deshalb der Parameter EAD selbst zu schätzen, ist für die angekauften Forderungen der Faktor 75% für die nicht in Anspruch genommenen Ankaufszusagen anzuwenden. Eine eigene Schätzung ist in diesem Fall nicht erlaubt.615 Für die Restlaufzeit ist die gewichtete Durchschnittsrestlaufzeit des Forderungspools anzusetzen. Diese ist auch für die nicht genutzten Teile einer Ankaufszusage zu verwenden, falls die Ankaufsfazilität wirksam gegen Qualitätsverschlechterungen geschützt ist, wie z.B. durch vertragliche Kündigungsrechte oder vorzeitige Tilgungsmöglichkeiten.616 Liegen solche Klauseln nicht vor, ist die Restlaufzeit aus der Summe der langfristigsten Forderung, die noch unter die Ankaufsfazilität fällt, und der Restlaufzeit der Ankaufsvereinbarung zu errechnen. 613 614
615 616
Siehe Tz. 365 Basel II. Siehe Tz. 365 Basel II; nach Fußnote 76 dürfen nur dann Größenanpassungen vorgenommen werden, falls entsprechende Informationen vorliegen. Siehe Tz. 367 Basel II. Vgl. Tz. 368 Basel II.
3.5. Basel II
215
Bei der Schätzung des EAD ist bei angekauften Forderungen zudem das so genannte Verwässerungsrisiko zu berücksichtigen. Dieses Risiko beinhaltet die Möglichkeit, dass sich die Forderung aus dem Grundgeschäft, z.B. durch Aufrechnung oder Skonti, reduziert. Kann das Institut nicht nachweisen, dass das daraus resultierende Risiko nicht unerheblich ist, hat es eine separate Kapitalanforderung ( K Dilution ) für das Verwässerungsrisiko zu berücksichtigen. Dazu ist der erwartete Verlust aus diesem Risiko für einen Zeitraum von einem Jahr wahlweise aus internen oder externen Daten zu schätzen. Potenzielle Unterstützungsleistungen des Forderungsverkäufers oder Regressansprüche gegenüber sonstigen Parteien sind bei der Schätzung des Expected Loss unberücksichtigt zu lassen. Unabhängig davon, ob das Institut den Bottom-Up- oder den Top-Down-Ansatz verwendet und unabhängig davon, welchem Segment die angekauften Forderungen zuzurechnen sind, wird das Verwässerungsrisiko entsprechend der Risikogewichtsfunktion für Unternehmenskredite berechnet. Die PD entspricht dem geschätzten Expected Loss und für die LGD sind 100% zu verwenden, während für die Restlaufzeit ein „appropriate“ (angemessener) Wert anzusetzen ist.617 Der Baseler Akkord sieht eine Untergrenze von einem Jahr vor, falls die Bank das Verwässerungsrisiko angemessen quantifizieren und überwachen kann. Angekaufte Forderungen werden i.d.R mit einem Abschlag erworben, der einen Ausgleich für Ausfall- und/oder Verwässerungsrisiken darstellt. Falls der erstattbare Betrag dem Verkäufer zurückzuerstatten ist, kann dieser als First-Loss-Absicherung bei verbrieften Transaktionen aufgefasst werden. Nicht erstattbare Abschläge haben hingegen keine Auswirkungen auf die Kapitalanforderungen.618 Liegt eine First-Loss-Absicherung durch Garantien oder sonstige Sicherheiten vor, die das Ausfall- und/oder Verwässerungsrisiko abdecken, kann diese im Rahmen der Verbriefungen berücksichtigt werden. Andere Sicherheiten werden nach den Regelungen der Kreditrisikominderung anerkannt. Falls Garantien des Forderungsverkäufers oder eines Dritten abgegeben werden, werden diese in den entsprechenden Regelungen berücksichtigt.619 Deckt diese Garantie das Verwässerungs- und Ausfallrisiko ab, ist das Risikogewicht des gesamten Pools für beide Risikoarten durch das Risikogewicht des Garanten zu ersetzen. Deckt diese dagegen nur eine der Risikoarten ab, wird das Risikogewicht der entsprechenden Risikokomponente ersetzt. Ebenso wird bei einer anteilsmäßigen Absicherung lediglich eine anteilsmäßige Aufteilung entsprechend den Regelungen für Garantien und Kreditderivate vorgenommen.620
617 618 619 620
Siehe Tz. 369 Basel II. Siehe Tz. 371 Basel II. Zu den verschiedenen regulatorischen Kreditrisikominderungstechniken siehe Abschnitt 3.5.3.1. Siehe Tz. 373 Basel II und Abschnitt 3.5.4.
216
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
3.5.2.5.4. Leasingforderungen Für die Kapitalunterlegung von Leasingforderungen gilt es, zwei unterschiedliche Fälle zu untersuchen.
a) Besteht für die Bank kein Restwertrisiko, d.h. es bestehen keine Rücknahmeverpflichtungen für das finanzierte Objekt zu einem vorab festgelegten Preis, dann wird die Leasingforderung wie eine gewöhnliche Forderung behandelt, die mit einer vergleichbaren Besicherung begeben wurde. Die Regelungen der Sicherheiten sind entsprechend anzuwenden.621 Zudem müssen drei zusätzliche Anforderungen erfüllt sein: x
Beim Leasinggeber ist ein Risikomanagementsystem installiert, mit dem sich der Standort des Leasingobjektes, dessen Alter und Nutzung sowie die geplante Nutzungsdauer überwachen lassen.
x
Die rechtlichen Rahmenbedingungen müssen so ausgestaltet sein, dass das Eigentum am Leasingobjekt und die Möglichkeit, die Eigentumsrechte in angemessener Zeit auszuüben, für den Leasinggeber gewährleistet sind.
x
Der Risikominderungseffekt darf die Differenz aus Abschreibungsrate und Amortisation der Leasingzahlungen nicht überschreiten.
b) Liegt für die Bank ein Restwertrisiko vor, so dass die Möglichkeit besteht, dass zum Rücknahmezeitpunkt der Marktwert des Leasinggegenstandes unter dem vereinbarten Restwert liegt, dann werden Forderungen und Restwert separat unterlegt. Um den EAD zu berechnen, sind die einzelnen Leasingzahlungen zu diskontieren. Darauf ist das jeweilige Risikogewicht des Kredit- bzw. Leasingnehmers anzuwenden. Der LGD wird, je nach gewähltem Ansatz, entweder selbst geschätzt oder es wird der aufsichtlich vorgegebene Standard-LGD verwendet. Der Restwert ist in jedem Falle mit einem Risikogewicht von 100% zu unterlegen. 3.5.2.6. Ermittlung des unterlegungspflichtigen Kapitalbetrags 3.5.2.6.1. Forderungen an Staaten, Banken und Unternehmen Generell soll über die Wahl der Parameter PD, LGD, EAD und M sowie ggf. S eine risikoadäquate Einschätzung des mit der Forderung verbundenen Risikos getroffen werden. Das Ziel der Risikogewichtsregelungen besteht darin, eine angemessene, am Risiko orientierte Eigenmittelunterlegung herbeizuführen. Über vorgegebene Formeln werden die einzelnen Parameter in ein Risikogewicht bzw. letztendlich in eine Eigenmittelanforderung überführt. Um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten, wurde die Risikogewichtsfunktion in mehrere Faktoren unterteilt, die sich aus den vorher beschriebenen Parametern ableiten lassen.
621
Siehe Tz. 523 f. Basel II.
3.5. Basel II
217
Diese Faktoren sind im Einzelnen: x
Korrelation ( Ko ),
x
Restlaufzeitanpassung ( b ) und
x
Eigenkapitalanforderung ( KA ).
Für die Korrelation im Bereich der Forderungen an Staaten, Banken und Unternehmen ergibt sich demnach:622 (90)
Ko
§ 1 e 50 * PD 0,12 * ¨ ¨ 1 e 50 ©
50 * PD § · ¸ 0,24 * ¨1 1 e ¨ ¸ 1 e 50 © ¹
· ¸. ¸ ¹
Abweichende Formeln für die Korrelation ergeben sich für Forderungen an kleine und mittlere Unternehmen (SME) sowie für HVCRE-Forderungen. Zu Ermittlung der Korrelationen für SME-Forderungen wird der jährliche Umsatz des Kreditnehmers berücksichtigt.623 Als Untergrenze ist ein Umsatz von 5 Mio. Euro pro Jahr anzusetzen. Die Obergrenze beträgt 50 Mio. Euro, wobei sich der umsatzabhängige Faktor dann heraushebt und sich die gleiche Korrelation wie bei gewöhnlichen Unternehmensforderungen ergibt. Der Umsatz, ausgedrückt durch den Parameter S, ist dabei in Mio. Euro zu verwenden:624 (91)
Ko KMU
§ 1 e 50 * PD 0,12 * ¨ ¨ 1 e 50 ©
50 * PD · § ¸ 0,24 * ¨1 1 e ¸ ¨ 1 e 50 ¹ ©
· ¸ 0,04 * §¨1 S 5 ·¸ . ¸ 45 ¹ © ¹
Sollte die Bilanzsumme ein besserer Indikator für die Unternehmensgröße sein als der jährliche Umsatz, kann die nationale Aufsicht den Instituten erlauben, diese anzusetzen.625 Bei der Korrelationsbestimmung von HVCRE-Forderungen ändert sich im Vergleich zu gewöhnlichen Forderungen an Unternehmen lediglich die zweite Konstante:626 (92)
Ko HVCRE
§ 1 e 50 * PD 0,12 * ¨ ¨ 1 e 50 ©
50 * PD § · ¸ 0,30 * ¨1 1 e ¨ ¸ 1 e 50 © ¹
· ¸. ¸ ¹
Im Vergleich zu den unterschiedlichen Berechnungsmethoden der Korrelation wird die Restlaufzeitanpassung für Forderungen an Staaten, Banken und Unternehmen identisch berechnet:
622
623 624
625 626
Den IRB-Formeln liegt ein Ein-Faktor Asset Value Modell zugrunde. Dabei wird der Unternehmenswert einer Ausfallschranke gegenübergestellt. Wenn der Unternehmenswert unter diese Schranke fällt, liegt ein Default vor. Zur Herleitung der IRB-Formeln siehe Cech (2004), S. 5 ff. Zur generellen Beschreibung von Asset Value Modellen siehe Abschnitte 2.6.3. und 2.7.6. Gehört das Unternehmen einer Gruppe an, ist der konsolidierte Umsatz maßgebend. Siehe Tz. 273 Basel II; da sich aus der angegebenen reduzierten Korrelation ein geringeres Risikogewicht und damit auch eine geringere Kapitalbelastung ergibt, besteht hier ein Wahlrecht zur Anwendung. Siehe Tz. 274 Basel II. Da sich eine höhere Korrelation und damit eine höhere Kapitalbelastung ergibt, ist diese Formel für HVCRE zwingend anzuwenden. Siehe auch Tz. 283 Basel II.
218
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
(93)
b
0,11852 0,05478 * ln(PD) 2 .
Die Eigenmittelanforderungen ergeben sich nun über folgende Formel, wobei N() die Normalverteilungsfunktion und G() deren Inverse bezeichnet: (94) KA
§ § ¨ LGD * N¨ ¨ ¨ © ©
1
1 Ko
· · 1 M 2,5 * b Ko . * G(0,999) PD * LGD ¸ ¸ * ¸¸ 1 1,5 * b 1 Ko ¹¹
* G(PD)
KA bezeichnet dabei die erforderlichen Eigenmittel, die zur Unterlegung von einer Forderung in Höhe von einer Geldeinheit benötigt werden. Ergibt sich bei Anwendung dieser Formel ein negativer Wert, so ist für die weiteren Berechnungen ein Wert von null anzusetzen.627 Die risikogewichteten Aktiva (Risk weighted Assets, RWA) ergeben sich dann zu:628 (95)
RWA
KA * 12,5 * EAD .
Die Summe über alle RWA ergibt dann die Bemessungsgrundlage für die Kreditrisikounterlegung. Es ist jedoch möglich, dass auf diesen Wert noch ein Skalierungsfaktor angewendet wird, der zur Feinjustierung der Gesamtkapitalanforderungen des Bankgewerbes dient. In Bezug auf die Daten der Auswirkungsstudien wird derzeit ein Skalierungsfaktor von 1,06 angewendet, mit dem die RWA multipliziert werden müssen.629 Dieser Wert soll jedoch laufend überprüft und ggf. angepasst werden. Hierzu dienen nicht nur die durchgeführten und durchzuführenden Auswirkungsstudien, sondern auch die Parallelrechnungsphase, die im Jahr 2006 beginnt. 3.5.2.6.2. Forderungen im Retailsegment Im Retailbereich unterscheidet sich die Risikogewichtsfunktion nach den drei Unterklassen private Wohnbaufinanzierungen, qualifizierte revolvierende Retailforderungen und sonstige Retailforderungen. Die Ermittlung der Kapitalanforderungen ist prinzipiell identisch mit der bei Forderungen an Staaten, Banken und Unternehmen mit der Ausnahme, dass die Restlaufzeit irrelevant ist. Demnach ergeben sich je nach Unterklasse folgende Korrelationen:630
(96)
Ko wohnwirtschaftliche Realkredite
0,15 ,
(97)
Ko revolviere nde Retailforderungen
0,04
(98)
Ko sonstige Retailforderungen
627
Siehe Tz. 272, Fußnote 68 Basel II. Siehe Tz. 44 Basel II. Siehe Wilkens et al. (2004), S. 736. Siehe Tz. 328 ff. Basel II.
628 629 630
und
§ 1 e 35 * PD 0,03 * ¨ ¨ 1 e 35 ©
35 * PD § · ¸ 0,16 * ¨1 1 e ¨ ¸ 1 e 35 © ¹
· ¸. ¸ ¹
3.5. Basel II
219
Daraus errechnet sich die Kapitalanforderung im Retailsegment einheitlich über folgende Formel: (99)
KA Retail
§ § ¨ LGD * N¨ ¨ ¨ © ©
1
1 Ko
* GPD
·· Ko * G(0,999) PD * LGD ¸ ¸ . ¸¸ 1 Ko ¹¹
Diese bis jetzt eingeführten aufsichtlichen Formeln kommen jedoch nur zur Anwendung, wenn der Kreditnehmer noch nicht ausgefallen ist. Die Forderungen in Default sollen im nächsten Abschnitt erörtert werden. 3.5.2.6.3. Ausgefallene Forderungen nach Basel II Bei Forderungen in Default sind ebenfalls die risikogewichteten Aktiva zu bestimmen, wobei eine Unterscheidung zwischen erwartetem Verlust (EL) und unerwartetem Verlust (UL) herbeizuführen ist. Für diese Forderungen gilt:
(100)
KA Default
max(0; LGD EL) bzw. RWA
KA Default * 12,5 * EAD .
Die Kapitalanforderung bei ausgefallenen Krediten entspricht somit dem Maximum aus null und der Differenz zwischen dem LGD und der bestmöglichen Schätzung des erwarteten Verlusts. Für den LGD ist, je nach gewähltem Ansatz, die eigene Schätzung oder der aufsichtlich vorgegebene LGD anzusetzen. Der erwartete Verlust ist im Allgemeinen der Betrag, in dessen Höhe bereits Einzelwertberichtigungen vorgenommen wurden. Es ist bei der Schätzung des LGD zu berücksichtigen, dass der tatsächliche Verlust höher als der erwartete Verlust sein kann, da z.B. die Verwertungserlöse aus den Sicherheiten geringer sind. In diesem Fall ist der LGD „vorsichtig“ zu schätzen.631 Die Differenz aus erwartetem Verlust und dem geschätzten LGD ist aus diesem Grunde die Kapitalanforderung für ausgefallene Forderungen. Ist die für die Forderung gebildete Summe der Einzelwertberichtigungen und Teilwertabschreibungen höher als der erwartete Verlust, ist diese Vorgehensweise gesondert zu begründen.632 3.5.2.6.4. Berücksichtigung von erwarteten Verlusten und Wertberichtigungen Im Oktober 2003 hat das Baseler Komitee ausdrücklich klargestellt, dass die Eigenmittelanforderungen im IRB-Ansatz ausschließlich der Deckung des unerwarteten Verlusts dienen sollen.633 Der erwartete Verlust ist bereits im Rahmen einer entsprechenden Risikovorsorge zu berücksichtigen. Bei Forderungen in Default bzw. Forderungen, bei denen eine hohe Wahrscheinlichkeit besteht, dass diese nicht oder nicht vollständig zurückbezahlt werden, soll
631 632 633
Siehe Abschnitt 3.5.2.4.2. Siehe Tz. 471 Basel II. Siehe Basel Committee (2003).
220
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
die Risikovorsorge in Form von Einzelwertberichtigungen634 ihren Niederschlag finden. Für das allgemeine Risiko bzw. das Risiko, das noch nicht bestimmten Forderungen zugeordnet werden kann, sollten als zusätzliche Risikovorsorge pauschalierte Einzelwertberichtigungen bzw. Pauschalwertberichtigungen durchgeführt werden. Beim IRB-Ansatz wird deshalb davon ausgegangen, dass der erwartete Verlust in entsprechenden Risikovorsorgen berücksichtigt wurde und deshalb nicht mit Eigenkapital zu unterlegen ist. Deshalb müssen lediglich die Schwankungen um den Durchschnitt, also die unerwarteten Verluste, mit Eigenkapital unterlegt werden. Gemäß des neuen Baseler Akkords können die gebildeten Wertberichtigungen dazu benutzt werden, die Eigenkapitalunterlegung zu reduzieren. Dazu muss zunächst der erwartete Verlust berechnet werden, der sich aus dem Produkt aus Ausfallwahrscheinlichkeit und Schadensschwere ergibt:635 (101)
EL
PD * LGD .
Wie bereits weiter oben ausgeführt, muss der erwartete Verlust bei bereits ausgefallenen Forderungen (PD=100%) individuell geschätzt werden. Falls bei Spezialfinanzierungen der Elementaransatz verwendet wird, muss ein Risikogewicht für den erwarteten Verlust vorgegeben werden. Dieses wird aus der nachfolgenden Tabelle ermittelt:636 Kategorie
Sehr gut
Gut
Mittel
Schwach
EL
5% (0%)
10% (5%)
35%
100%
Ausgefallen 625%
ELHVCRE
5%
5%
35%
100%
625%
Tab. 22: EL-Risikogewichte für Spezialfinanzierungen
Wie in den Ausführungen zu den Spezialfinanzierungen ausgeführt,637 besteht ein nationales Wahlrecht bei den Spezialfinanzierungen, niedrigere Kapitalanforderungen in den Bereichen „sehr gut“ und „gut“ festzulegen. Für diese sind die reduzierten EL-Risikogewichte 0% und 5% vorgesehen. Im IRB-Ansatz ist es vorgeschrieben, dass die Institute auf regelmäßiger Basis einen Abgleich zwischen der gebildeten Risikovorsorge und dem erwarteten Verlust durchführen. Daher sind in einer separaten Rechnung die zu berücksichtigenden Wertberichtigungen zu ermitteln. 634
635 636 637
Wertberichtigungen werden in diesem Zusammenhang als Umstände, die eine Wertberichtigung nach § 253 i.V.m. § 279 HGB rechtfertigen, verstanden. Siehe Tz. 376 ff. Basel II. Siehe Tz. 378 f. Basel II. Siehe Abschnitt 3.5.2.5.1.
3.5. Basel II
221
Die anerkennungsfähigen Wertberichtigungen setzen sich wie folgt zusammen:638 x
Einzelwertberichtigungen,
x
Teilwertabschreibungen und
x
portfoliospezifische Wertberichtigungen, z.B. Risikovorsorge für Länderrisiken, pauschalierte Einzelwertberichtigungen sowie Pauschalwertberichtigungen.
Einzelwertberichtigungen auf Beteiligungen und verbriefte Forderungen sind der Summe der Wertberichtigungen ausdrücklich nicht zuzurechnen. Übersteigt der erwartete Verlust die Summe der anerkennungsfähigen Risikovorsorge, ist der Differenzbetrag vom vorhandenen Eigenkapital abzuziehen. Es erfolgt in diesem Fall der Abzug zu gleichen Teilen vom Kern- und Ergänzungskapital. Ein Überschuss bei der Risikovorsorge kann auf der anderen Seite unter gewissen Bedingungen dem Eigenkapital hinzugerechnet werden.639 Die Differenz ist dabei bis zu einer maximalen Höhe von 0,6% der risikogewichteten Aktiva dem Ergänzungskapital hinzuzurechnen. Da Pauschalwertberichtigungen zur Unterlegung des Expected Loss herangezogen werden können, ist die Zurechnung zum Ergänzungskapital im IRB-Ansatz nicht mehr möglich.640 Im Zusammenhang mit der Bildung von Wertberichtigungen als Risikovorsorge wird an dieser Stelle noch auf ein weiteres Problem hingewiesen. Nach den IAS/IFRS, die ab dem Jahr 2005 für börsennotierte Unternehmen innerhalb der Europäischen Union verbindlich anzuwenden sind, dürfen Wertberichtigungen nicht für erwartete, sondern lediglich für angefallene Verluste (Incurred Losses) gebildet werden.641 Die Anwendung eines statistischen Modells, das auf Vergangenheitsdaten beruht, darf nicht zur Bildung von Wertberichtigungen im Regelwerk der IAS/IFRS herangezogen werden. Es dürfen ausschließlich konkrete Wertberichtigungen auf individuelle Forderungen gebildet werden, bei denen bereits ein Referenzereignis (Trigger) stattgefunden hat. 3.5.3. Sicherheiten und Credit Risk Mitigation Techniques Im Rahmen von Basel II soll die Eigenkapitalunterlegung risikosensitiver ausgestaltet werden. Einen bedeutenden Einfluss auf die Risikosituation eines Institutes können Sicherheiten und sonstige Absicherungstechniken (Credit Risk Mitigation Techniques, CRM) haben. Im Laufe der letzten 15 Jahren sind verschiedene Absicherungstechniken und -instrumente neu entwickelt oder wesentlich weiterentwickelt worden und haben dabei umfassenden Einfluss auf die Risikosteuerung der Banken gewonnen. Beispielsweise sei an dieser Stelle der verstärkte Einsatz von Kreditderivaten, der heute übliche Abschluss von Nettingvereinbarungen
638 639 640 641
Siehe Tz. 380 Basel II. Siehe Tz. 385 Basel II. Vgl. Tz. 43 Basel II. Siehe IAS 39.59.
222
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
unter Banken oder sonstigen institutionellen Kapitalmarktteilnehmern oder die wachsende Anzahl von Verbriefungstransaktionen für Kreditforderungen zu nennen. Diese Entwicklungen haben in den nationalen Regulierungen des Bankenmarktes bereits ihren Niederschlag gefunden. Jedoch fehlt es bislang an einer systematischen Berücksichtigung der neuen Instrumente in einem einheitlichen Ansatz.642 Im Rahmen des neuen Baseler Akkords werden diese Absicherungstechniken und Sicherheiten in die Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen eingebunden und sowohl im Standard- wie auch im IRB-Ansatz berücksichtigt. Daraus resultiert eine wesentlich stärkere Differenzierung bei der Berücksichtigung der Sicherheiten bzw. Absicherungsinstrumente für die Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen für das Kreditrisiko. Diese Instrumente und Techniken können daher künftig auf vielfältige Weise eingesetzt werden. Gleichzeitig werden jedoch einheitliche Mindestanforderungen an die Ausgestaltung dieser Instrumente sowie die Schaffung der organisatorischen Voraussetzungen gefordert. 3.5.3.1. Risk Mitigation Techniques Zur Minderung des Kreditrisikos werden von Banken eine Vielzahl von Absicherungstechniken eingesetzt. Basel II teilt diese in fünf Kategorien ein, für die jeweils auch gesonderte Regelungen zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen existieren:
x
Sicherheiten im engeren Sinne,
x
Grundpfandrechte,
x
Garantien und Kreditderivate,
x
Nettingvereinbarungen und
x
Verbriefung von Kreditforderungen.
Die einzelnen Kategorien sollen im Folgenden hinsichtlich der neuen Vorschriften zur Kapitalunterlegung genauer untersucht werden. 3.5.3.1.1. Sicherheiten im engeren Sinne Bei einem Kreditausfall dienen der Bank vorhandene Kreditsicherheiten zur Befriedigung der eigenen Ansprüche. Diese Sicherheiten können durch den Kreditnehmer selbst oder durch einen Dritten in Form von Bareinlagen, Immobilien, Wertpapieren oder sonstigen anerkennungsfähigen Sicherheiten gestellt werden. Die anerkennungsfähigen Sicherheiten und die jeweiligen Verfahren zu deren Berücksichtigung bei der Berechnung der Eigenkapitalanforderungen hängen dabei vom gewählten Ansatz ab. Im Standardansatz können finanzielle Sicherheiten in Form von Barunterlegungen, Wertpapieren und Gold angerechnet werden. Für den IRB-Ansatz sind weitere finanzielle Sicherhei642
Siehe Braun (2005), S. 244.
3.5. Basel II
223
ten, Gewerbe- und Wohnimmobilien, Forderungsabtretungen und sonstige physische Sicherheiten anerkennungsfähig. Darüber hinaus sind auch die Verfahren zu deren Anrechnung sowohl im Standard- wie auch im IRB-Ansatz erheblich erweitert und verfeinert worden. Im FIRB und im Retailansatz können grundsätzlich alle Sicherheiten angerechnet werden, sofern das Institut nachweisen kann, dass deren Verwertung in der Vergangenheit zu einer Verminderung des Verlustes geführt hat. Im Standardansatz erfolgt die Berücksichtigung der Sicherheiten nach zwei Verfahren. Im einfachen Ansatz werden die Risikogewichte des Kreditnehmers angepasst, während im umfassenden Ansatz der unterlegungspflichtige Kreditbetrag (Exposure) reduziert wird. Im IRBAnsatz findet schließlich in der Regel die Berücksichtigung der Sicherheiten bei der Ermittlung der Schadensschwere bei Ausfall (LGD) statt. 3.5.3.1.2. Grundpfandrechte Diejenigen Forderungen, die durch Immobilien besichert werden, erhalten unabhängig von der Bonität des Kreditnehmers ein festes Risikogewicht. Besteht die Sicherheit aus einer Wohnimmobilie, die der Kreditnehmer zur eigenen Nutzung oder zur Vermietung erworben hat, wird ein pauschales Risikogewicht von 35% angesetzt. Die nationale Aufsicht wird jedoch nach der Baseler Richtlinie ermächtigt, ein höheres Gewicht anzusetzen, falls die Absicherung nicht ausreichend ist.643 Dies folgt der geltenden Regelung, dass ein Realkredit nur bis zu 60% des Beleihungswertes vorliegt.644 Die EURichtlinie stellt ebenfalls Anforderungen an die Qualität der Besicherung.645 So ist beispielsweise sicherzustellen, dass der Wert der Sicherheit nicht an die Bonität des Kreditnehmers geknüpft ist. De facto bedeutet dies, dass die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers nicht von der Entwicklung des finanzierten Objektes abhängig sein darf. Also soll hier die Kapitaldienstfähigkeit sichergestellt werden und nicht die Höhe etwaiger Mieteinnahmen.646 Gewerbeimmobilien sind grundsätzlich mit einem Risikogewicht von 100% zu unterlegen. Bei dieser konservativen Regelung verweist das Baseler Regelwerk explizit auf die Krisen hin, die aus Immobilienfinanzierungen in zahlreichen Ländern entstanden sind.647 Eine Ausnahme regelt die Fußnote 25 zu Tz. 74 Basel II. Darin wird ein bevorzugtes Risikogewicht von 50% für den Anteil der Forderung, der 50% des Marktwertes und 60% des Beleihungswertes der Immobilie nicht übersteigt, vorgesehen. Die Voraussetzung für die Anwendung dieser Ausnahmeregelung ist jedoch ein „hoch entwickelter und seit langem etablierter
643 644 645 646 647
Siehe Tz. 72 Basel II. Siehe § 13, Abs. 4, Nr. 3 Grundsatz I. Vgl. CAD 3, Annex VI, Part 1, Punkt 9. Siehe Cluse (2005), S. 152. Siehe Tz. 74 Basel II.
224
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Markt“ für Immobilien. Damit wird die Ausnahmeregelung auf europäischer Ebene zum nationalen Wahlrecht und mit Gewerbeimmobilien besicherte Forderungen dürfen in der Regel mit 50% angesetzt werden. Dieser Ausnahmetatbestand ist jedoch an die Bedingung geknüpft, dass der Wert der Immobilie nicht von der Bonität des Kreditnehmers abhängt. Das Vorliegen eines hoch entwickelten und seit langem etablierten Marktes für gewerbliche Immobilien ist an zwei Bedingungen geknüpft. Zum einen dürfen Verluste aus gewerblichen Realkrediten bis zum niedrigeren Wert von 50% des Marktwertes oder 60% des Beleihungswertes im Verhältnis zum Beleihungswert 0,3% der ausstehenden Kredite nicht überschreiten. Zum anderen dürfen die gesamten Verluste aus gewerblichen Immobilienkrediten in keinem Jahr größer sein als 0,5% des ausstehenden Kreditvolumens. Diese Bedingungen müssen gleichzeitig erfüllt sein und sind jährlich neu zu überprüfen. Sind die Bedingungen nicht erfüllt, hat die Aufsicht die Anwendung dieses verminderten Risikogewichts zu untersagen. Maßgeblich für eine ermäßigte Gewichtung ist der Markt- bzw. Beleihungswert. Diese sind nach klaren Regeln zu ermitteln, wobei die nationalen Bewertungsvorschriften beachtet werden müssen. Grundsätzlich darf eine Bank zwischen zwei Verfahren wählen. Die Marktwertschätzung wird auf Grundlage der Meinung von zwei unabhängigen Experten eingeholt. Danach ist der niedrigere der beiden Werte anzusetzen. Eine Neueinschätzung hat jährlich zu erfolgen. Beläuft sich das Finanzierungsvolumen auf unter einer Mio. Euro und 5% der Eigenmittel des Instituts, kann die Bewertungsfrequenz auf drei Jahre erhöht werden. Die zweite Alternative ist die Feststellung des Markt- und Beleihungswertes. Für die Ermittlung des Beleihungswertes dürfen neben der aktuellen Nutzungsform auch Alternativen berücksichtigt werden, sofern es sich nicht um Spekulationsgründe handelt. Im Unterschied zur reinen Berücksichtigung des Marktwertes fließt beim Beleihungswert nicht nur die derzeit lokale Marktsituation ein, sondern auch die „normale“ Marktsituation.648 Der Beleihungswert ist alle drei Jahre oder bei einem Immobilienpreisrückgang von mehr als 10% neu festzulegen. Wird der Beleihungswert herangezogen, ist der verbleibende Restbetrag (zu 50% des Marktwertes und 60% des Beleihungswertes) mit 100% zu unterlegen. 3.5.3.1.3. Garantien und Kreditderivate Um das Kreditrisiko zu reduzieren, kann ein Kredit auch durch einen Dritten garantiert werden. Als Alternative hierzu bietet sich an, ein Kreditderivat zu erwerben, um bestimmte Arten des Kreditrisikos auszuschließen. Garantien und gekaufte Kreditderivate können dann bei der Ermittlung der Eigenkapitalanforderung risikoreduzierend berücksichtigt werden, wenn sie unmittelbar, unwiderruflich und unbedingt sind und wenn bestimmte operationelle Mindest-
648
Siehe Cluse (2005), S. 153.
3.5. Basel II
225
bedingungen an den Risikomanagementprozess erfüllt sind.649 Allerdings werden nur bestimmte Garantien und Sicherungsgeber anerkannt. Es ist jedoch festzuhalten, dass der Kreis der anerkennungsfähigen Sicherungsgeber gegenüber den bisherigen Regelungen des Grundsatz I erweitert wurde. Mit der Berücksichtigung dieser Absicherungstechniken im Rahmen von Basel II befasst sich im Speziellen Abschnitt 3.5.4. 3.5.3.1.4. Nettingvereinbarungen Wie auch in der bereits bestehenden Regelung für OTC-, Wertpapierpensions- und ähnliche Geschäfte kommen Nettingvereinbarungen in vielen Instituten als Risikominderungstechnik zum Einsatz. Dabei werden Forderungen und Verbindlichkeiten eines Kontrahenten saldiert.650 Verwenden Banken rechtlich durchsetzbare Nettingvereinbarungen für Kredite und Einlagen, dürfen sie die Eigenkapitalanforderungen unter bestimmten Voraussetzungen auf Basis des Nettobetrags ermitteln.651 Während sich im Standardansatz die Nettingvereinbarung auf den unterlegungspflichtigen Forderungsbetrag auswirken, ist beim IRB-Ansatz die Ermittlung des erwarteten Forderungsvolumens zum Ausfallzeitpunkt (EAD) anzupassen. 3.5.3.1.5. Verbriefung von Kreditforderungen Eine besondere Form der Kreditabsicherung ist die Verbriefung von Forderungen. Für die Anerkennung einer risikoreduzierenden Wirkung bei der Ermittlung des Mindesteigenkapitals wurden im neuen Baseler Akkord umfassende Regelungen hinsichtlich der Behandlung der Transaktionen beim initiierenden Institut (Originator) als auch beim Erwerber von Verbriefungspositionen (Investor) geschaffen. Die Behandlung von Verbriefungen wird im Abschnitt 3.5.5. ausführlich erläutert. 3.5.3.2. Bedingungen für die Zulassung von Risikominderungen 3.5.3.2.1. Allgemeine Vorschriften Alle Kreditrisikominderungstechniken haben das gemeinsame Merkmal, dass ihr Einsatz nicht zu einer höheren Kapitalanforderung führen darf, als ein sonst identisches Geschäft ohne Kreditminderung.652 Zudem dürfen die Auswirkungen der Kreditminderung nicht mehrmals erfasst werden. Daher erfolgt beispielsweise keine weitere aufsichtliche Berücksichti-
649
650 651 652
Zur grundlegenden Beschreibung von Kreditderivaten bzw. Garantien siehe die Abschnitte 2.1.2. und 2.4.2.2. Siehe Tz. 109 Basel II. Siehe Tz. 139 ff. Basel II. Siehe Tz. 113 Basel II.
226
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
gung von Kreditminderungstechniken bei der Bestimmung der Kapitalanforderungen, falls das Emissionsrating einer Forderung bereits Kreditrisikominderungseffekte berücksichtigt. Beim Einsatz von CRM-Techniken können zudem andere Risiken, z.B. rechtliche, operationelle, Liquiditäts- und Marktpreisrisiken, entstehen. Diese Risiken sind durch Anwendung entsprechend „robuster“ Verfahren und Prozesse zu überwachen.653 Dies schließt die Risikostrategie, die Betrachtung des zugrunde liegenden Kredits, die Bewertung der Forderungen, Regeln und Verfahren, Systeme, die Überwachung der Roll-Off-Risiken und die Steuerung von Konzentrationsrisiken, die dem Institut beim Gebrauch von CRM-Techniken im Zusammenhang mit dem gesamten bankeigenen Kreditrisikoprofil entstehen, mit ein.654 Sollten die Risiken, die aus der Nutzung der CRM-Techniken entstehen, nicht überwacht werden, dürfen die nationalen Aufsichtsbehörden zusätzliche Kapitalanforderungen verlangen oder andere aufsichtliche Maßnahmen vornehmen. Die Maßnahmen, die die Aufsichtsinstanzen ergreifen können, werden in der zweiten Säule des neuen Akkords definiert. Darin wird explizit gefordert, dass die betreffenden CRM-Techniken und die Einhaltung der Mindestbedingungen durch die Aufsichtsbehörden zu überprüfen sind. Die Aufsichtsbehörden müssen die Verwendung der verschiedenen Instrumente, welche die Kapitalanforderungen verringern, daraufhin überprüfen, ob ein dokumentiertes Risikomanagementverfahren zur Anwendung kommt. In Deutschland sind die grundsätzlichen Anforderungen an die Verfahren und Prozesse im Kreditgeschäft allgemein in den Mindestanforderungen an das Kreditgeschäft der Kreditinstitute (MaK) definiert.655 Es ist zudem zu überprüfen, ob über die allgemeinen Mindestanforderungen hinaus zusätzliche Anforderungen an die Anerkennung der Risikominderungsverfahren, z.B. bei Garantien und Kreditderivaten oder bei Verbriefungen, und auch hinsichtlich der gewählten Ansätze gestellt werden.656 Damit die Kapitalerleichterungen durch die Kreditrisikominderungstechniken angewendet werden dürfen, sind über die Mindestanforderungen der ersten Säule hinaus auch die Mindestanforderungen der dritten Säule im Rahmen der Offenlegungsvorschriften zu erfüllen. 3.5.3.2.2. Rechtliche und ökonomische Mindestanforderungen Den Banken ist die Anerkennung von Risikominderungstechniken nur dann erlaubt, wenn sie bestimmte Mindestanforderungen zur rechtlichen Dokumentation erfüllen. Alle Vereinbarungen, die beim Einsatz von Sicherheitenanrechnung, Garantien und Kreditderivaten, dem bilanziellen Netting oder auch bei Verbriefungen genutzt werden, müssen in allen beteiligten Rechtsordnungen für alle Beteiligte bindend und rechtlich durchsetzbar sein.657 Die Institute 653 654 655 656 657
Siehe Tz. 115 Basel II. Siehe Tz. 115 Basel II. Zu den MaK siehe Abschnitt 3.4.2. Vgl. Braun (2005), S. 250. Um die rechtliche Durchsetzbarkeit zu gewährleisten, werden z.B. beim Einsatz von Netting im OTCBereich so genannte Master Agreements eingesetzt. Es handelt sich dabei um standardisierte Rahmen-
3.5. Basel II
227
haben hierzu ausreichend rechtliche Überprüfungen durchzuführen, um die notwendige Rechtssicherheit zu gewährleisten. Damit die jederzeitige Durchsetzbarkeit sichergestellt werden kann, sind die entsprechenden Überprüfungen regelmäßig oder sogar ad hoc, z.B. bei Änderung der rechtlichen Grundlage, zu wiederholen. Darüber hinaus haben die rechtlichen Rahmenbedingungen unter denen einen Sicherheit übertragen oder verpfändet wurde, die Regeln zu definieren, nach denen die Bank das Recht hat, die Sicherheit auf eigene Rechnung zu liquidieren oder sich den Besitz über sie zu verschaffen. Außerdem muss die Rechtssicherheit auch bei Insolvenz eines potenziell eingeschalteten Verwahrers der Sicherheit gewährleistet werden. Dabei hat die Bank sicherzustellen, dass der Verwahrer die Sicherheit von seinem eigenen Vermögen separiert.658 Zusätzlich schreibt Basel II verbindlich vor, dass die Institute alle nötigen Schritte unternehmen müssen, um die Anforderungen des jeweils geltenden Rechtssystems zu erfüllen, unter dessen Anwendung die Bank die Sicherheit verwerten will, damit659 x
ein durchsetzbares Sicherungsrecht erlangt wird,
x
dieses Recht ausübbar ist und
x
der Übertragungsanspruch von Sicherheiten aufgerechnet werden kann.
Basel II schlägt an dieser Stelle beispielsweise die Erfassung der Sicherheit in einem Register vor.660 Ferner haben die Institute klare und robuste Verfahren zur zeitnahen Veräußerung der Sicherheiten zu implementieren. Alle rechtlichen Anforderungen sind zu beachten, um den Default des Kreditnehmers festzustellen und die Sicherheit somit innerhalb der rechtlichen Voraussetzungen zu verwerten. Auf eine zügige Verwertung der Sicherheiten ist dabei zu achten.661 Schließlich können Sicherheiten nur dann risikomindernd berücksichtigt werden, wenn der Kontrahent und der Wert der Sicherheit keine wesentliche positive Korrelation aufweisen. So scheiden z.B. Wertpapiere als Sicherheit aus, die durch den Kreditnehmer selbst oder ein verbundenes Unternehmen emittiert wurden.662 Als Ausnahme sind in diesem Zusammenhang öffentliche Pfandbriefe, die von einer Hypothekenbank emittiert wurden und zusätzlich als Sicherheit hinterlegt werden, zu nennen. In diesem Falle ist das Kreditrisiko des Pfandbriefes aufgrund der speziellen Sicherheitenkonstruktion grundsätzlich unabhängig von der Bonität und Zahlungsfähigkeit der emittierenden Hypothekenbank. Bei den Sicherheitenverfahren ist zu beachten, dass Kapitalanforderungen gegenüber allen an der Transaktion beteiligten Banken gestellt werden. Auf der einen Seite muss die Bank, die
658 659 660 661 662
verträge, die auf die rechtlichen Regelungen der Vertragsparteien verweisen und diese zum bindenden Vertragsbestandteil machen. Siehe Tz. 126 Basel II. Vgl. Tz. 484, 512 ff. Basel II. Siehe Tz. 123 Basel II. Siehe Tz. 123 Basel II. Siehe Tz. 124 Basel II.
228
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
die Sicherheit erhält, für den besicherten Kredit die Kapitalanforderungen im Rahmen der Besicherungsregelungen erfüllen. Zum anderen führt aber unter Umständen auch die Stellung der Sicherheit bei der besichernden Bank zu einer Kapitalunterlegung. Dies ist beispielsweise bei Wertpapierleihe- und Repogeschäften wie auch bei der Stellung von Sicherheiten (OTCCollaterals) in Verbindung mit Forderungen aus Derivaten der Fall. 3.5.3.2.3. Berücksichtigung der Laufzeit Prinzipiell wird bei der Anerkennung der Risikominderung davon ausgegangen, dass die Restlaufzeit der Sicherheit mindestens die Restlaufzeit der zugrunde liegenden Forderung abdeckt (Laufzeitkongruenz). Von einer Laufzeitinkongruenz (Maturity Mismatch) wird dann gesprochen, wenn die Restlaufzeit der Absicherung geringer ist als die Restlaufzeit des zugrunde liegenden Kredits. Bei der Bestimmung der Restlaufzeit der zugrunde liegenden Forderung genauso wie bei der Ermittlung der Restlaufzeit der Sicherheit ist konservativ vorzugehen. Die effektive Restlaufzeit ist dabei der Zeitraum, nach der der Kreditnehmer spätestens seine Verpflichtungen zu erfüllen hat, wobei eine angemessene Nachfrist zu berücksichtigen ist.663 Die Restlaufzeit der Absicherung kann zudem durch implizite Optionsrechte, wie etwa vorzeitige Kündigungsrechte der Absicherung, verringert werden. Hat der Sicherungsgeber ein Kündigungsrecht, ist die Absicherungswirkung lediglich bis zum ersten Kündigungstermin anzunehmen. Hat dagegen der Sicherungsnehmer das Kündigungsrecht und ist davon auszugehen, dass dieses aus wirtschaftlichen Gründen vor Ende der Vertragslaufzeit ausgeübt wird, ist in diesem Fall auch nur die Zeit bis zur ersten Kündigungsmöglichkeit relevant. Bei der Absicherung ist in jedem Fall von der kürzest möglichen Restlaufzeit auszugehen. Wird der einfache Ansatz des Standardansatzes664 angewandt, dann sind Laufzeitinkongruenzen grundsätzlich nicht erlaubt, d.h. sie führen automatisch zu einer Nicht-Anerkennung der Absicherungswirkung und das niedrigere Bonitätsgewicht des Sicherungsgebers kann nicht genutzt werden. Daher müssen im einfachen Ansatz die Sicherheiten mindestens die Restlaufzeit der zugrunde liegenden Forderung aufweisen, damit sie aufsichtlich in voller Höhe anerkannt werden. Ist diese Bedingung erfüllt, wird der Forderungsanteil, der durch den Marktwert der Sicherheit abgedeckt ist, mit dem Risikogewicht des Sicherheiteninstruments versehen. Ein evtl. verbleibender Forderungsüberhang wird mit dem Risikogewicht des entsprechenden Kontrahenten angesetzt.665
663 664 665
Siehe Tz. 203 Basel II. Zur Behandlung von Sicherheiten im Standardansatz siehe Abschnitt 3.5.3.3. Siehe Tz. 182 Basel II.
3.5. Basel II
229
Kommt der umfassende Ansatz zur Anwendung, kann es auch bei einer Laufzeitinkongruenz zu einer Anerkennung der Besicherungswirkung kommen.666 Die Kreditabsicherung wird in diesem entsprechend dem Verhältnis zwischen Restlaufzeit der Sicherheit (in Jahren) und Restlaufzeit der ursprünglichen Forderung (in Jahren, jedoch maximal fünf Jahre) anerkannt. Damit lautet die Formel für die Ermittlung des Anpassungsbetrages: (102)
Ca
C
t 0,25 , T 0,25
wobei: C a : Wert der wegen Laufzeitinkongruenz adjustierten Kreditabsicherung C : Wert der durch andere Haircuts adjustierten Kreditabsicherung667
T: t:
min(5; Restlaufzeit der Forderung in Jahren) min(T, Restlaufzeit der Kreditabsicherung in Jahren)
Beim IRB-Ansatz ist bei Laufzeitinkongruenzen die Absicherungswirkung entsprechend den Regeln des umfassenden Ansatzes zu adjustieren. 3.5.3.3. Sicherheiten im Standardansatz Um eine besicherte Transaktion nach Basel II handelt es sich, falls eine Bank eine Kreditforderung oder eine potenzielle Kundenforderung hat und diese ganz oder teilweise durch gestellte Sicherheiten eines Kontrahenten oder eines Dritten zu Gunsten des Kontrahenten gedeckt ist.668 Im Standardansatz können die Institute bei der Anrechnung der Sicherheiten zwischen einem einfachen und einem umfassenden Ansatz wählen. Im Anlagebuch besteht Wahlfreiheit zwischen den Ansätzen, solange nicht beide Ansätze gleichzeitig verwendet werden. Im Handelsbuch ist es dagegen ausschließlich zulässig, den umfassenden Ansatz anzuwenden. Dieser ist dann auch für die Kapitalunterlegung des Kontrahentenrisikos bei OTC-Geschäften und bei Wertpapierpensions- oder ähnlichen Geschäften des Handelsbuchs relevant. 3.5.3.3.1. Einfacher Ansatz Für den besicherten Teil der Forderung wird im einfachen Ansatz das Risikogewicht des Kontrahenten durch das Risikogewicht der Sicherheit ersetzt, falls die Sicherheit mindestens für die Forderungslaufzeit verpfändet wird und der Marktwert der Sicherheit mindestens alle sechs Monate ermittelt wird. Das Risikogewicht des besicherten Forderungsanteils darf dabei nicht unter ein Mindestrisikogewicht von 20% absinken. Dadurch sollen mögliche rechtliche
666
667 668
Nach Tz. 204 Basel II entfällt die Besicherungswirkung jedoch gänzlich, falls die Ursprungslaufzeit der Absicherung geringer als ein Jahr und die Restlaufzeit geringer als drei Monate ist. Zur Ermittlung der Haicuts im umfassenden Ansatz siehe Abschnitt 3.5.3.3.2. Siehe Tz. 119 Basel II.
230
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
und operationelle Risiken der Absicherung abgedeckt werden. Der verbleibende Teil der Forderung ist weiterhin mit dem Risikogewicht des Kreditnehmers zu unterlegen. Im Rahmen des einfachen Ansatzes wird es den Banken erlaubt, folgende finanziellen Sicherheiten anzurechnen:669 x
Bareinlagen bei der Kredit gebenden Bank (einschließlich Einlagenzertifikate und ähnliche Instrumente, die von der Kredit gebenden Bank emittiert wurden);
x
Gold;
x
Schuldverschreibungen, die von einer ECAI beurteilt wurden, mit einem Rating von - mindestens BB-, wenn sie von Staaten, PSE oder von anderen Emittenten begeben wurden, die von der Aufsicht wie Staaten behandelt werden; oder - mindestens BBB-, wenn sie von anderen Stellen (einschließlich Banken und Unternehmen) emittiert wurden; oder - mindestens A-3/P-3 bei Schuldverschreibungen mit einem Kurzfristrating;
x
Schuldverschreibungen ohne Rating eines ECAI, falls diese - von einer Bank begeben wurden, an einer anerkannten Börse gehandelt und vorrangig bedient werden und zudem - alle anderen gerateten Emissionen der Bank desselben Ranges mindestens mit BBB- oder A-3/P-3 durch ein ECAI geratet wurden; und - die Bank, die die Schuldverschreibungen als Sicherheit hält, keine Informationen hat, dass für die Emission ein geringeres Rating als BBB- bzw. A-3/P-3 zu rechtfertigen ist; und - die Aufsicht hinreichend von der Marktliquidität des Wertpapiers überzeugt ist;
x
Aktien (einschließlich Wandelschuldverschreibungen), die einem Hauptindex angehören;
x
Investmentfonds und UCITS670, wenn - der Anteilspreis täglich veröffentlicht wird und - die UCITS/Investmentfonds beschränkt sind auf Anlagen in Instrumente, die in dieser Aufzählung genannt sind.
Es ist erlaubt, ein privilegiertes Mindestrisikogewicht von 10% für Wertpapierpensions- und ähnliche Geschäfte anzusetzen, falls folgende Bedingungen erfüllt sind:671 x
669 670
671
Sowohl der Kredit als auch die Sicherheit sind entweder Bargeld oder ein Wertpapier eines Staates oder einer PSE, die im Standardansatz ein Risikogewicht von 0% erhält. Siehe Tz. 145 Basel II bzw. § 159 SovVneu (2005). UCITS bezeichnet Unternehmen für die gemeinsame Investition in übertragbare Wertpapiere (Undertakings for Collective Investments in Transferable Securities). Siehe Tz. 183 ff. i.V.m. Tz. 170 f. Basel II.
3.5. Basel II
231
x
Sowohl der Kredit als auch die Sicherheit lauten auf die gleiche Währung.
x
Die Transaktion hat entweder eine Laufzeit von nur einem Tag oder sowohl der Kredit wie auch die Sicherheit werden täglich zu Marktpreisen bewertet, wobei eine tägliche Nachschusspflicht bestehen muss.
x
Wenn ein Kontrahent versäumt hat Sicherheiten nachzuliefern, sollten nicht mehr als vier Handelstage zwischen der letzten Neubewertung vor Nichterfüllung der Nachschusspflicht und der Veräußerung der Sicherheit vergehen.
x
Das Geschäft wird über ein Settlementsystem abgewickelt, das für diese Art von Geschäften anerkannt ist.
x
Die für die Vereinbarung maßgebliche Dokumentation ist die im Markt für die Art von Wertpapierpensions- oder ähnlichen Geschäften in den betroffenen Wertpapieren übliche Standarddokumentation.
x
Die für die Vereinbarung maßgebliche Dokumentation bestimmt, dass das Geschäft fristlos kündbar ist, wenn der Kontrahent seiner Verpflichtung zur Lieferung von Baroder Wertpapiersicherheiten oder Nachschussverpflichtungen nicht nachkommt oder in anderer Weise ausfällt.
x
Für den Fall des Ausfalls muss die Bank das uneingeschränkte, durchsetzbare Recht zur sofortigen Inbesitznahme und Verwertung der Sicherheiten zu ihren Gunsten haben.
Sofern der Kontrahent unter den oben genannten Bedingungen ein wesentlicher Marktteilnehmer ist, darf ein Bonitätsgewicht von 0% verwendet werden. Die Wesentlichkeit eines Marktteilnehmers wird nach Ermessen der nationalen Aufsicht festgelegt. Bei folgenden juristischen Personen wird im Allgemeinen von wesentlichen Marktteilnehmern ausgegangen: x
Staaten oder Zentralbanken oder sonstige staatliche Institutionen,
x
Banken und Wertpapierunternehmen,
x
andere Finanzunternehmen (einschließlich Versicherungsunternehmen), die im Standardansatz ein Risikogewicht von 20% erhalten können,
x
beaufsichtigte Investmentfonds, die Eigenkapitalanforderungen oder Verschuldungsbegrenzungen unterliegen,
x
beaufsichtigte Pensionskassen und
x
anerkannte Abwicklungsorganisationen.
OTC-Derivate, die einer täglichen Marktbewertung unterliegen, durch Barmittel abgesichert sind und keine Währungsinkongruenzen aufweisen, erhalten ebenfalls ein Risikogewicht von 0%, falls es sich beim Kontrahenten um einen wesentlichen Marktteilnehmer nach oben genannter Definition handelt. Ist der Marktteilnehmer nicht wesentlich, ist eine 10% Bonitätsgewichtung zu verwenden.
232
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Das Risikogewicht von 0% wird zudem auf besicherte Geschäfte angewandt, falls x
das Geschäft und die Sicherheit auf die gleiche Währung lauten und
x
die Sicherheit aus einer Bareinlage oder
x
die Sicherheit aus Staats-/PSE-Wertpapieren mit einer 0%-Gewichtung im Standardansatz besteht, und bei der Sicherheitenwertermittlung ein Abschlag auf deren Marktwert von 20% vorgenommen wurde.
3.5.3.3.2. Umfassender Ansatz Im umfassenden Ansatz ist eine weiter gehende Berücksichtigung von Sicherheiten möglich. Dabei wird der Forderungsbetrag um den der Sicherheit beizumessenden Wert korrigiert. Für die Risikominderung kommen prinzipiell alle Sicherheiten in Betracht, die im einfachen Ansatz anerkannt sind. Zusätzlich werden auch Aktien (inkl. Wandelschuldverschreibungen), die in einem Hauptindex enthalten sind, hinzugezogen, sofern diese an einer Börse notiert sind. Investmentfonds und UCITS, die in solche Aktien investieren, sind ebenfalls zugelassen. Beim umfassenden Ansatz müssen sowohl der Betrag der Forderung gegenüber dem Kontrahenten als auch der Wert der vom Kontrahenten erhaltenen Sicherheiten durch die Verwendung von Sicherheitenab- oder -zuschlägen (Haircuts) angepasst werden. Damit soll den künftig möglichen, durch Marktwertentwicklung bedingten Wertveränderungen Rechnung getragen werden. Die Haircuts dienen einerseits der Absicherung gegen mögliche Wertsteigerungen der abzusichernden Forderungen als auch gegen Wertverluste der vorhandenen Sicherheiten. Es wird den Banken freigestellt, ob sie aufsichtlich vorgegebene Standardhaircuts oder aber selbst geschätzte Haircuts verwenden. Zur Ermittlung der Eigenkapitalanforderung wird der Forderungsbetrag nach Kreditrisikominderung mit dem Risikogewicht des Kontrahenten multipliziert, um die gewichteten Risikoaktiva für die besicherte Transaktion zu erhalten. Der Forderungsbetrag für eine besicherte Transaktion ergibt sich dabei wie folgt:672 E*
(103)
max ^0; >E * 1 HE C * 1 HC HFX @` ,
wobei:
E * : Forderungsbetrag nach Kreditrisikominderung E : gegenwärtiger Forderungsbetrag HC : Haircut für die Sicherheit HE : Haircut für die Forderung HFX : Haircut für Währungsinkongruenz
672
Siehe Tz. 176 Basel II.
3.5. Basel II
233
C : gegenwärtiger Wert der erhaltenen Sicherheit
Falls anerkennungsfähige Sicherheiten vorliegen, ist E * der unterlegungspflichtige Forderungsbetrag. Das Baseler Komitee gibt folgende Standardhaircuts vor:673 Emissionsrating
Restlaufzeit
Staat
Andere Emittenten
0,5%
1%
AAA bis AA- bzw. A-1
1 Jahr > 1 Jahr und 5 Jahre > 5 Jahre
2% 4%
4% 8%
A+ bis BBB- bzw. A-2 und nicht geratete Bankschuldverschreibungen
1 Jahr > 1 Jahr und 5 Jahre > 5 Jahre
1%
2%
3% 6%
6% 12%
BB+ bis BB-
Alle
15%
Hauptindexaktien und Gold
15%
Andere börsennotierte Aktien
25%
UCITS/Investmentfonds
Höchster Haircut, der auf ein Wertpapier anzuwenden ist, in das der Fonds investieren darf
Bargeld-Sicherheiten in der gleichen Währung
0% Tab. 23: Aufsichtliche Standardhaircuts
Die aufsichtlichen Haircuts sind somit von der Art der Forderung bzw. der Sicherheit, dem Emittenten und der jeweiligen Restlaufzeit abhängig. Sie beruhen annahmegemäß auf einer täglichen Marktbewertung und Nachschusspflicht sowie auf einer Haltedauer von 10 Tagen. Kommt es bei Forderung und Sicherheit zu einer Währungsinkongruenz, dann ist zusätzlich ein Standardhaircut von 8% anzuwenden. Es wird, wie bereits weiter oben angesprochen, den Instituten erlaubt, eigene Haircuts zur Marktpreisvolatilität und Währungsvolatilität zu schätzen, sofern sie bestimmte qualitative und quantitative Mindeststandards berücksichtigen.674 Dabei ist festgelegt, dass für Anleihen, die ein Rating schlechter als BBB- bzw. A3 haben und für als Sicherheiten geeignete Aktien die Haircuts für jedes einzelne Wertpapier separat geschätzt werden müssen. Sind die als Sicherheit erhaltenen Anleihen dagegen besser geratet, ist
673 674
Vgl. Tz. 151 Basel II bzw. § 197 SolvVneu (2005). Vgl. hierzu Tz. 134 ff. Basel II.
234
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
es ausreichend für jede Sicherheitenkategorie eine Volatilitätsschätzung abzugeben.675 Des Weiteren wird vorgeschrieben, dass die Volatilität der Sicherheit und die potenzielle Währungsinkongruenz separat zu schätzen sind, d.h., dass die ermittelten Volatilitäten keine Korrelationen zwischen Sicherheiten, Wechselkursen und unbesicherter Forderung berücksichtigen dürfen. Werden interne Haircuts verwendet, sind folgende quantitative Kriterien zu berücksichtigen: x
Ein einseitiges 99%-iges Konfidenzniveau muss verwendet werden.
x
Die Mindesthaltedauer muss von der Art der Transaktion und der Häufigkeit der Nachschüsse abhängen.
x
Die Illiquidität von Aktiva niedriger Qualität muss berücksichtigt werden.
x
Der historische Beobachtungszeitraum muss mindestens ein Jahr betragen.
x
Die geschätzten Haircuts sind mindestens alle drei Monate zu aktualisieren. Treten wesentliche Marktpreisänderungen auf, so hat die Anpassung häufiger zu erfolgen.
Darüber hinaus werden unter Basel II auch eine Reihe von qualitativen Kriterien vorgegeben. Diese richten sich im Wesentlichen an die Ausgestaltung des Risikomanagementprozesses.676 Erhält der Kontrahent die Einstufung als wesentlicher Marktteilnehmer, kann die Aufsicht unter gewissen Voraussetzungen für Wertpapierpensions- und ähnliche Geschäfte einen Haircut von 0% zulassen.677 Diese Ausnahmeregelung darf jedoch von Banken, die einen VaRModellansatz wählen, nicht angewendet werden. Die Messung von Preisvolatilitäten der Forderungen sowie der Sicherheiten bei Wertpapierpensions- und ähnlichen Geschäften darf von den Banken alternativ auch über einen Value-atRisk-Ansatz (VaR-Ansatz) vorgenommen werden. Dazu bedarf es einer besonderen aufsichtlichen Genehmigung, falls das Institut kein internes Marktpreismodell im Einsatz hat.678 Wenn ein Institut die Qualität seines Modells durch Backtesting der Ergebnisse mit den historischen Jahresdaten nachweisen kann, ist die Anwendung eines internen Modells prinzipiell erlaubt. Dadurch werden Korrelationseffekte zwischen den verschiedenen Wertpapieren einbezogen. Hinsichtlich der qualitativen und quantitativen Bestimmungen zur Anerkennung interner VaR-Modelle für Wertpapierpensions- und ähnliche Geschäfte wird grundsätzlich auf die Modell-Mindestanforderungen des Baseler Marktrisikopapiers verwiesen.679 Im Unterschied zu den Marktpreisrisikomodellen wird bei den VaR-Modellen für Wertpapierpensionsund ähnliche Geschäfte von einer nur fünftägigen Haltedauer ausgegangen.
675 676 677 678 679
Vgl. Tz. 154 Basel II und § 203 Abs. 2 SolvVneu (2005). Siehe zu den qualitativen Kriterien im Detail Tz. 162-165 Basel II. Zu den Bedingungen siehe Tz. 170 Basel II bzw. § 190 Abs. 3 SolvVneu (2005). Siehe Tz. 178 Basel II. Siehe Basel Committee (1996).
3.5. Basel II
235
Die Ergebnisse aus dem Backtesting sind ausschlaggebend für die Höhe eines Faktors, der das errechnete Risiko skaliert. Als Basis für das Backtesting sind die zehn größten Kontrahenten und zehn weitere, zufällig ausgewählte Kontrahenten zu wählen. Für jeden einzelnen dieser 20 Kontrahenten ist anschließend täglich die tatsächliche Wertveränderung mit den erwarteten Werten abzugleichen. Schließlich ist für einen Zeitraum von 250 Handelstagen die Anzahl der Ausreißer zu ermitteln. Überschreitet bei einer Beobachtung der tatsächliche den geschätzten VaR, so handelt es sich um einen Ausreißer. Das Baseler Komitee gibt in Abhängigkeit von der Anzahl der Ausreißer eine grüne, gelbe und rote Zone vor. Führt das Backtesting zu weniger als 100 Ausreißern, befindet sich das Institut in der grünen Zone, bei der ein Multiplikator von 1,00 anzuwenden ist. Für die weiteren Zonen und Multiplikatoren siehe Tabelle 24.680 Zone
Anzahl der Ausreißer
Multiplikator
Grün
0 – 99
1,00
Gelb
100 – 119 120 – 139 140 – 159 160 – 179 180 – 199
1,13 1,17 1,22 1,25 1,28
Rot
200 oder mehr
1,33
Tab. 24: Zonen und Multiplikatoren bei VaR-Modellen
Falls die Ergebnisse des Backtestings insgesamt oder bei einem bedeutenden Kontrahenten zu einer großen Anzahl von Ausreißern führen, sind die Modellannahmen zu überprüfen und angemessen zu verändern. Der Kapitalbetrag, der sich für die Unterlegung ergibt, errechnet sich wie folgt: (104)
KA
ª§ 20 n º ½° 20 m · ° max ®0; «¨ ¦ ¦ E ij ¦ ¦ Cij ¸ VaR * M VaR » ¾ , ¨ ¸ »¼ ° i 1j 1 °¯ «¬© i ! j 1 ¹ ¿
wobei: KA :
unterlegungspflichtiger Kapitalbetrag
E ij :
j-te Forderung gegenüber Kontrahent i
C ij :
j-ter Wert der vom Kontrahent i gestellten Sicherheiten
VaR : durch das VaR-Modell errechneter potenzieller Verlust
M VaR : Multiplikator, der sich aus dem Backtesting ergibt
680
Siehe Tz. 180 Basel II bzw. § 206 Abs. 2 SolvVneu (2005).
236
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
3.5.3.4. Sicherheiten im IRB-Ansatz 3.5.3.4.1. Überblick Innerhalb des IRB-Ansatzes erfolgt die Berücksichtigung der Sicherheiten, je nach gewähltem Verfahren, alternativ bei den Parametern PD, LGD oder EAD. Dabei wirkt ein Instrument der Risikominderung immer nur auf einen Parameter. Einen Überblick über die Risikoabsicherungsinstrumente im IRB-Ansatz gibt Abbildung 52.681 Nettingvereinbarungen
Basis-/ Fortgeschrittener Ansatz: Exposure reduziert sich auf den Saldo der gegenseitigen Forderungen
EAD
Finanzielle Sicherheiten i.w.S. sonstige Sicherheiten
Garantien und Kreditderivate
Fortgeschrittener Ansatz:
Basisansatz:
Fortgeschrittener Ansatz:
Basisansatz:
Eigene Schätzung des LGD
LGD reduziert sich nach vorgegebenen Rechenregeln
Reduzierung des LGD oder alternativ der PD
PD des Sicherungsgebers ersetzt die PD des Schuldners
*
LGD
*
PD
Abb. 52: Kreditrisikominderungstechniken im IRB-Ansatz
Bei der Verwendung des IRB-Ansatzes sind, wie bereits ausgeführt, die Parameter EAD, LGD und EAD zu ermitteln, da diese direkt in die Formeln zur Berechnung der Kapitalanforderungen eingehen. Dabei kann praktisch jeder dieser Parameter beim Vorliegen anerkannter Sicherheiten beeinflusst werden. Als Sicherheiten werden prinzipiell alle Sicherheiten anerkannt, die beim umfassenden Ansatz des Standardansatzes in Betracht kommen. Zusätzlich können Forderungsabtretungen und gewisse physische Sicherheiten berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Einbeziehung von Gewerbe- und Wohnimmobilien kommen im Vergleich zum Standardansatz jedoch andere Anerkennungskriterien zum Tragen.682 Wie aus Abbildung 52 hervorgeht, kommen als Kreditminderungstechniken Nettingvereinbarungen, Sicherheiten i.w.S. und Kreditderivate bzw. sonstige Sicherheiten zum Einsatz. Die Anwendung von Netting ist sowohl im IRBB als auch im FIRB zu berücksichtigen. Dabei reduziert sich das Exposure auf den Saldo der gegenseitigen Forderungen.
681 682
in Anlehnung an Hartmann-Wendels et al. (2004), S. 635 Vgl. Tz. 289 Basel II.
3.5. Basel II
237
Bei Kreditderivaten und Garantien wird im IRBB die Ausfallwahrscheinlichkeit des Kreditnehmers durch diejenige der Sicherheit ersetzt. Im FIRB kann optional die LGD angepasst werden. Das Kreditgeschäft selbst ist, wie generell im Rahmen von Basel II, in verschiedene Klassen bzw. Portfolien zu unterteilen. Bei der Behandlung von Sicherheiten werden die Segmente Staaten, Banken und Unternehmen gleichgestellt. Die Institute haben hierbei die Wahlmöglichkeit zwischen einem Basisansatz und einem fortgeschrittenen Ansatz. Beide Ansätze bedürfen jedoch der vorherigen aufsichtlichen Genehmigung. Die Berücksichtigung von Sicherheiten im Retailportfolio erfolgt nach einem separaten Ansatz. 3.5.3.4.2. Basisansatz Die Methodik der Berücksichtigung von finanziellen Sicherheiten baut auf den Verfahren des umfassenden Ansatzes für Sicherheiten im Standardansatz auf.683 Neben den im Standardansatz anerkannten finanziellen Sicherheiten, sind im Basisansatz weitere Formen der Besicherung, so genannte IRB-Sicherheiten, zugelassen. Diese erstrecken sich über Forderungsabtretungen, gewerbliche und Wohnimmobilien (Commercial Real Estate bzw. Residential Real Estate) sowie auf sonstige physische Sicherheiten, sofern sie die Mindestanforderungen erfüllen. Gewerbe- und Wohnimmobilien dürfen im Basisansatz als Sicherheit anerkannt werden, wenn folgende Bedingungen erfüllt sind:684
x
Das Kreditnehmerrisiko ist nicht wesentlich von der Leistungsfähigkeit der zugrunde liegenden Immobilie oder des Projektes abhängig, sondern vielmehr von der Fähigkeit des Kreditnehmers, den Kapitaldienst aus anderen Quellen zu bestreiten.
x
Der Wert der verpfändeten Sicherheit sollte nicht wesentlich von der Leistungsfähigkeit des Kreditnehmers abhängig sein. Makroökonomische Faktoren, die sich sowohl auf den Wert der Sicherheit als auch auf die Leistungsfähigkeit des Schuldners auswirken, können unberücksichtigt bleiben.
Zusätzlich zu diesen Bedingungen müssen auch eine Reihe operationeller Anforderungen erfüllt werden.685 Diese umfassen die rechtliche Durchsetzbarkeit der Ansprüche, die objektive Bewertung der Sicherheit zum Marktwert sowie die mindestens jährlich durchzuführende Sicherheitenneubewertung.
683
684 685
Banken, die den IRB-Ansatz einführen, dürfen den einfachen Ansatz zur Sicherheitenanrechnung nicht anwenden. Vgl. Tz. 290 Basel II. Siehe Tz. 507 Basel II. Vgl. Tz. 510 Basel II.
238
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Liegen nachrangige Grundpfandrechte vor, können diese nur einbezogen werden, wenn sie rechtlich durchsetzbar sind und eine Kreditrisikominderung effektiv gegeben ist.686 Verpfändete finanzielle Forderungen dürfen ebenfalls in die Sicherheitenanrechnung einbezogen werden, falls deren Ursprungslaufzeit maximal ein Jahr beträgt und die Rückzahlung aus dem Umsatz oder aus anderen finanziellen Zahlungen, die auf dem Vermögen des Kreditnehmers basieren, erfolgt.687 Für die Anerkennung als Sicherheit müssen die rechtlichen Vereinbarungen zur Bereitstellung von Sicherheiten juristisch durchsetzbar und die Dokumentation bei der Abwicklung eines Sicherungsgeschäfts für alle Geschäftspartner verpflichtend und in allen betroffenen Rechtsordnungen durchsetzbar sein. Physische Sicherheiten dürfen dann berücksichtigt werden, falls liquide Märkte die schnelle und ökonomisch effiziente Verwertung der Sicherheiten gewährleisten und die Marktpreise für Sicherheiten von bewährten, allgemein anerkannten und öffentlich zugänglichen Quellen vorliegen.688 Die Aufsicht hat dabei zu überprüfen, dass der realisierte Erlös aus den Sicherheiten nicht wesentlich von den Marktpreisen abweicht. Die Berücksichtigung von anerkennungsfähigen Sicherheiten erfolgt im Basisansatz dadurch, dass der ggf. um Haircuts reduzierte Wert der Sicherheiten ins Verhältnis zum Forderungsvolumen gestellt wird. In Abhängigkeit von der Besicherungsquote und der Sicherheitenart kann der LGD nach vorgegebenen Regeln reduziert werden. Werden vom Institut sowohl finanzielle als auch sonstige anerkennungsfähige IRBSicherheiten entgegengenommen, orientiert sich die Bestimmung des effektiven LGD zunächst an der Methodik des umfassenden Ansatzes im Standardansatz. Anschließend sind die Forderungen in verschiedene Tranchen aufzuteilen, die jeweils nur durch eine Sicherheitenart belegt sind. In einem ersten Schritt sind die Sicherheiten zu berücksichtigen, die zu einer Reduzierung des unterlegungspflichtigen Kreditvolumens führen, also finanzielle Sicherheiten und Forderungsabtretungen. Bei den restlichen Sicherheiten ist dann zu prüfen, ob der Mindestbesicherungsgrad C * erreicht ist. Dieser gibt an, welchen Marktwert C die Sicherheit in Relation zum Forderungsbetrag E haben muss, um die Eigenkapitalbelastung zu reduzieren. Nur wenn C ! C * ist, trägt die Sicherheit zur Minderung des LGD bei. Ist C sogar größer als C ** , kann für die komplette Forderung der Mindest-LGD angesetzt werden. Gilt C * C C ** , dann darf für den Anteil C/C ** der Mindest-LGD angesetzt werden, während
686
687 688
Neben diesen Mindestanforderungen an die Sicherheit, werden weitere Anforderungen an das Management von Sicherheiten gestellt, z.B. dass die Sicherheit angemessen gegen Schäden versichert ist. Siehe auch Tz. 510 Basel II. Siehe Tz. 511 Basel II. Siehe Tz. 521 f. Basel II; beispielsweise erfüllt der Markt für Kraftfahrzeuge nach herrschender Meinung diese Kriterien.
3.5. Basel II
239
für die restliche Forderung der Standardwert angesetzt werden muss. Die Tabelle 25 fasst diesen Sachverhalt zusammen: Sicherheitenart
MindestLGD
Minimaler Besicherungsgrad C*
Besicherungsgrad für maximale LGDMinderung C**
Finanzielle Sicherheiten
0%
0%
–
Forderungsabtretungen
35%
0%
125%
Grundpfandrechte
35%
30%
140%
Sonstige physische Sicherheiten
40%
30%
140%
Tab. 25: Mindest-LGD für besicherte Forderungen689
Für finanzielle Sicherheiten und Forderungsabtretungen beträgt der Mindestbesicherungsgrad C*
0% . Daran ist abzulesen, dass jede dieser Sicherheiten eine Reduzierung der Kapitalun-
terlegung nach sich zieht. Dagegen tritt diese Wirkung bei Grundpfandrechten und sonstigen physischen Sicherheiten erst dann ein, falls der Wert der Sicherheit mindestens 30% des Forderungsvolumens beträgt. Beispielhaft sei angenommen, dass x der Forderungsbetrag ( E ): und x
500.000 Euro
der Marktwert der Sicherheit ( C ): 200.000 Euro
beträgt. Daraus errechnet sich ein Besicherungsgrad ( C/E ) in Höhe von 40%. Dies bedeutet, dass der Mindestbesicherungsgrad C * für alle Sicherheitenarten überschritten ist, damit der bei der Kapitalunterlegung zu berücksichtigende Wert LGD * angepasst werden kann. Die Anpassung ist jedoch je nach Sicherheitenart unterschiedlich. a. Finanzielle Sicherheiten Bei dieser Sicherheitenart wird zunächst der Forderungsbetrag angepasst. Analog zum Standardansatz sind dabei mögliche Wertschwankungen der Sicherheit über Haircuts zu berücksichtigen. Handelt es sich beispielsweise bei der Sicherheit um eine Aktie eines Hauptindexes beträgt der Standardhaircut 15%, falls kein Fremdwährungshaircut zu berücksichtigen ist und die Aktie einer täglichen Neubewertung unterliegt. Daraus errechnet sich ein angepasstes Forderungsvolumen E * von E*
max >0; E - C * 1 - Haircut @ 500.000 200.000 * 0,85
330.000 Euro .
*
Der zu berücksichtigende Wert LGD ergibt sich dann, wie folgt: LGD *
LGD * (E * /E) 45% * (330.000/5 00.000)
29,70% .
Für den Wert von LGD wurden in diesem Beispiel 45% verwendet. 689
Siehe Tz. 295 Basel II und § 98 Abs. 7 und 8 SolvVneu (2005).
240
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Das angepasste Forderungsvolumen E * dient lediglich der Bestimmung des anzusetzenden LGD-Wertes. Das EAD wird, außer bei Wertpapierleihegeschäften, die einer Nettingvereinbarung unterliegen, nicht angepasst. Ausschließlich in diesem speziellen Fall wird EAD durch E * ersetzt, wobei die Besicherung keinen Einfluss auf den LGD hat. b. Forderungsabtretungen Im Rahmen von Forderungsabtretungen wurde der Mindest-LGD auf 35% festgelegt, weshalb der anzusetzende Wert LGD * auch bei vollständiger Besicherung nicht unter 35% fallen kann. Dadurch, dass C ** auf 125% gesetzt wurde, wird diese Untergrenze erst erreicht, falls der Marktwert der Sicherheiten 25% über dem Forderungsbetrag liegt. Zunächst ist in diesem Fall der Teil der Forderung zu bestimmen, der als vollständig abgesichert gilt: C/C * *
200.000/12 5% 160.000 Euro .
Diesen 160.000 Euro wird der Mindest-LGD von 35% zugewiesen, während dem verbleibenden Forderungsbetrag in Höhe von 340.000 Euro der Standard-LGD von 45% zugeordnet wird. Im Mittel errechnet sich so ein LGD * von LGD *
160.000 * 35% 340.000 * 45% 500.000
41,80% .
c. Grundpfandrechte Grundpfandrechte werden hinsichtlich der Vorgehensweise identisch zu Forderungsabtretungen behandelt, allerdings beträgt der Mindestbesicherungsgrad C **
140% . Dadurch
ergibt sich ein rechnerisch voll besicherter Forderungsanteil von 142.857 Euro, der den Mindest-LGD von 35% erhält. Dagegen werden dem verbleibenden Forderungsbetrag in Höhe von 357.143 Euro der Standard-LGD von 45% zugewiesen, woraus sich der LGD * berechnet zu LGD *
142.857 * 35% 357.143 * 45% 500.000
42,43% .
d. Sonstige physische Sicherheiten Falls die sonstigen physischen Sicherheiten entsprechend den oben genannten Kriterien anerkannt werden, entspricht der Rechenweg dem der Grundpfandrechte, wobei der Mindest-LGD 40% beträgt. Die mögliche Kapitaleinsparung wird in diesem Fall also eingeschränkt. Für den voll besicherten Anteil in Höhe von 142.857 Euro ist der Mindest-LGD anzusetzen und für den Restbetrag der Forderung der Standard-LGD. Damit ergibt sich für LGD * LGD *
142.857 * 40% 357.143 * 45% 500.000
43,57% .
3.5. Basel II
241
Aus diesem Beispiel wird deutlich, dass trotz einer Besicherungsquote von 40% der anzusetzende durchschnittliche LGD * , bis auf die Ausnahme der finanziellen Sicherheiten, nur wenig sinkt. Die Begründung dafür ist darin zu sehen, dass unbesicherte, vorrangige Forderungen den Standard-LGD zugewiesen bekommen. Eine Verbesserung der kalkulatorischen erwarteten LGD ist daher nur bei überdurchschnittlicher Besicherung der Forderung möglich. In der Praxis kann es vorkommen, dass die Berücksichtigung von Sicherheitenpools ein Optimierungsproblem darstellt, da sich durch eine ungünstige Wahl der Tranchengrößen auch eine erhöhte Kapitalanforderung ergeben kann.690 Durch den Baseler Akkord werden keine weiterführenden Vorgaben zur Verteilung der Sicherheiten gemacht, so dass jedes Institut selbständig dieses Optimierungsproblem lösen darf. In diesem Fall ist die gewählte Methodik angemessen zu dokumentieren, da andernfalls eine Überprüfung der Ergebnisse erschwert bzw. unmöglich gemacht wird. 3.5.3.4.3. Fortgeschrittener Ansatz Im fortgeschrittenen Sicherheitenanrechnungsverfahren des IRB-Ansatzes sind die Institute verpflichtet, interne LGD-Schätzungen durchzuführen, die auf historischen Erfahrungen beruhen. Da im FIRB der LGD selbst zu schätzen ist, können grundsätzlich alle Sicherheitenarten risikomindernd angerechnet werden.691 Es ist jedoch zu beachten, dass im IRBB der Standard-LGD von 45% durch Sicherheiten reduziert wird. Dieser Standard-Wert darf im FIRB nicht angewendet werden, so dass es möglich ist, dass sich für den Parameter LGD Werte ergeben, die deutlich größer sind als 45%. 3.5.3.4.4. Retailansatz Für das Mengengeschäft besteht nach Basel II kein Wahlrecht zwischen Basis- und fortgeschrittenem Ansatz. Stattdessen wurde ein eigenständiger Ansatz geschaffen, der sich methodisch sehr stark an den fortgeschrittenen Ansatz anlehnt, aber weniger Mindestanforderungen unterworfen ist.692 Wie im FIRB ist der LGD daher im Retailsegment individuell zu schätzen. Um übermäßigen Kosten durch die hohe Forderungsanzahl und der standardisierten Abwicklung entgegenzuwirken, muss keine Schätzung auf Einzelkundenebene durchgeführt werden. Daher sind die Forderungen diversen Pools zuzuordnen. Für jeden dieser Pools ist dann auf Basis historischer Datenreihen der erwartete LGD zu schätzen.
690
691 692
Zur Optimierung der Sicherheitenverteilung nach Basel II mit Hilfe des Simplex-Algorithmus siehe Hailer et al. (2002); Beckmann/Papazoglou (2004). Siehe Tz. 297 ff. Basel II. Siehe Tz. 473 Basel II.
242
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
3.5.4. Einsatz von Garantien und Kreditderivaten Die Kapitalunterlegung für Adressausfallrisiken bzw. das besondere Kursrisiko gesicherter Risikoaktiva kann durch den Einsatz von Garantien und Kreditderivaten nach den Regelungen von Basel II verringert werden. Der bereits im Akkord von 1988 implementierte Substitutionsansatz wird ausgeweitet und ausgestaltet. Dieser besagt, dass der besicherte Teil des zugrunde liegenden Instruments lediglich mit dem Risikogewicht des Garanten bzw. des Sicherungsgebers zu berücksichtigen ist.693 Aufgrund der stark zunehmenden Bedeutung von Kreditminderungsinstrumenten ist deren regulatorische Anerkennung durch den neuen Baseler Akkord im Vergleich zum bisherigen Grundsatz I deutlich ausgeweitet worden. Dabei ergeben sich insbesondere Neuregelungen im Bereich der „First- und Second-to-Default“-Strukturen sowie im Bereich der verschiedenen aufsichtlich anerkannten Kreditrisikominderungsinstrumente, wie z.B. Garantien und Kreditderivate. Kreditderivate können auch Gegenstand von Verbriefungen sein, da sie bei synthetischen Verbriefungen als Risikotransferinstrument zum Einsatz kommen.694 Die Zuordnung von Garantien und Kreditderivaten zum Handels- oder Anlagebestand ist maßgeblich für deren Berücksichtigung. Daher beschäftigt sich der folgende Abschnitt mit einer Beschreibung der Behandlung im Anlagebuch. Die Anerkennung und Anrechnung sind davon abhängig, ob der Standard- oder die unterschiedlichen Varianten des IRB-Ansatzes angewendet werden. Der darauf folgende Abschnitt erörtert die Behandlung von Garantien und Kreditderivaten im Handelsbuch. 3.5.4.1. Garantien und Kreditderivate im Anlagebuch In diesem Abschnitt wird vorrangig die Behandlung von Garantien und Kreditderivaten im Anlagebuch für den Sicherungsnehmer dargestellt. Im FIRB ist es auf Seiten des Sicherungsgebers gestattet, außerbilanzielle Geschäfte auf Grundlage eigener Schätzungen der Kreditumrechnungsfaktoren zu unterlegen, sofern nicht im IRBB ein Faktor von 100% vorgeschrieben ist. Ist dies der Fall, bestehen für den Sicherungsgeber in allen Ansätzen keine Unterschiede hinsichtlich der Behandlung von Forderungen im Vergleich zum Akkord von 1988. Darüber hinaus gibt es bei aus Spekulationsgründen vom Optionskäufer gehaltenen Kreditderivaten keinen Unterschied zu sonstigen Derivaten des Anlagebuchs.695 Nicht anerkannte Kreditrisikominderungstechniken dürfen zu keiner höheren Unterlegung führen und müssen daher nicht berücksichtigt werden.696
693 694 695 696
Zur Behandlung von Garantien bzw. Kreditderivaten nach Grundsatz I siehe Abschnitt 3.3.5. Siehe z.B. die Struktur einer CDO in Abschnitt 2.4.2.3.2. Siehe Tz. 87, 311, 316 Basel II i.V.m. Tz. 42(a) Basel I. Siehe Tz. 113, 301, 333 Basel II.
3.5. Basel II
243
3.5.4.1.1. Mindestanforderungen im Standardansatz und IRBB Die nachfolgend beschriebenen Mindestanforderungen für die Anerkennung der Besicherungswirkung von Garantien und Kreditderivaten gelten sowohl für den Standardansatz wie auch für den IRB-Basisansatz. Demnach sind neben der Garantie697 wie bisher lediglich zwei Arten von Kreditderivatetypen, der Credit Default Swap (CDS) und der Total Rate of Return Swap (TRS), anerkennungsfähig. Sind die Mindestanforderungen sinngemäß erfüllt, ist darüber hinaus auch die Credit Linked Note (CLN) als refinanzierendes Äquivalent zum CDS anerkennungsfähig.698 Die Anerkennung der aufsichtlichen Sicherungswirkung von Garantien und Kreditderivaten ist von Anforderungen an die Rechtssicherheit, von operationellen Anforderungen sowie der Anerkennung des Sicherungsgebers abhängig. Diese Bedingungen betreffen sowohl die Ausgestaltung der Transaktion als auch die Mindestanforderungen an die Ausgestaltung des Risikomanagementprozesses, die teilweise spezifisch für Garantien und Kreditderivate formuliert wurden.699 Eine vertraglich sorgfältige Ausgestaltung von Garantien und Kreditderivaten ist dabei unumgänglich. Für die Anerkennung der Sicherungswirkung sind darüber hinaus die Anforderungen aus der dritten Säule (Marktdisziplin durch Veröffentlichung) zu beachten.700 Die Konsequenzen aus Garantien und Kreditderivaten müssen für alle Beteiligten in allen relevanten Rechtsordnungen bindend und rechtlich durchsetzbar sein. Damit die Rechtssicherheit gewährleistet wird, müssen die Institute vor Abschluss des Sicherungsgeschäfts und, falls nötig auch während dessen Laufzeit, eine hinreichende rechtliche Überprüfung durchführen, um die jederzeitige Durchsetzbarkeit zu verifizieren.701 Es ist bei den Sicherungsinstrumenten darauf zu achten, dass diese unmittelbare, unwiderrufliche und unbedingte Forderungen an den Sicherungsgeber darstellen. Zudem muss eine ausdrückliche Bindung an eine oder mehrere gesicherte Forderungen mit klar definiertem Sicherungsumfang bestehen (Micro-Hedge). Erfüllt der Sicherungsnehmer seine Verpflichtungen, darf die Leistung des Sicherungsgebers nicht von mehr als den gesicherten Risiken abhängen. Die Absicherungskosten dürfen nicht mit der sich verschlechternden Qualität des Basisinstruments steigen.702 697
698
699 700 701 702
Im deutschsprachigen Raum wird häufig zwischen einer abstrakten Garantie (siehe hierzu beispielsweise Rösler et al. (2002), S. 846 ff.; Perridon/Steiner (2004), S. 394) und einer akzessorischen Bürgschaft (siehe hierzu Rösler (2002), S. 840 ff.; Perridon/Steiner (2004), S. 393) differenziert. Diese Unterscheidung wird im angelsächsischen Geschäftsverkehr nicht in dieser Form getroffen, was sich auch in der Neuregelung nach Basel II niederschlägt. Daher sind in diesem Zusammenhang beide Arten als „Garantien“ zu klassifizieren. Siehe Tz. 193, 490 Abs. 2 i.V.m. Tz. 302 Basel II. Dabei gelten CLN als Barunterlegung, vgl. Tz. 145 Fußnote 37 und Tz. 194 Fußnote 52 Basel II. Vgl. Tz. 140, 189 ff. Basel II. Siehe Tz. 808 ff. Basel II. Vgl. Tz. 118 Basel II. Siehe Tz. 140, 189 Basel II. Damit werden beispielsweise so genannte Rating-triggered Step-up Bonds und perfekt sichernde Asset Swap ausgeschlossen.
244
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Bei Garantien ist zusätzlich zu gewährleisten, dass der Garantiegeber gegenüber dem Sicherungsnehmer bei Ausfall des Kreditnehmers zeitnah für die ausgefallenen Leistungen aus dem ausgefallenen zugrunde liegenden Kredit haftet. An die Anerkennung von Kreditderivaten werden zusätzliche operationelle Anforderungen hinsichtlich der Festlegung der Kreditereignisse, einer eventuell vorliegenden Aktivainkongruenz und der Erfüllung bei Eintritt des Kreditereignisses gestellt.703 Kreditderivate habe folgende Kreditereignisse zu berücksichtigen: x
Zahlungsverzug des Schuldners mit einer für das Referenzinstrument vergleichbaren Nachfrist,
x
durch den Schuldner oder durch Dritte festgestellte Insolvenz sowie
x
Restrukturierung.
Wird das Kreditereignis der Restrukturierung nicht abgedeckt und alle übrigen operationellen Anforderungen erfüllt, wird die Absicherung in Höhe von 60% des kleineren Betrags aus Absicherungssumme des Kreditderivats und der Summe der zugrunde liegenden Verpflichtungen anerkannt.704 Die Entscheidung, ob ein Kreditereignis stattgefunden hat, ist eindeutig zu regeln. Der Sicherungsgeber hat dies nicht allein zu bestimmen und der Sicherungsgeber muss die Kreditereignisse zumindest ankündigen können. Eine Aktivainkongruenz liegt dann vor, wenn die Beträge aus dem Referenzinstrument und dem gesicherten Geschäft abweichen. Diese ist dann zulässig, wenn das Sicherungsinstrument dem Grundgeschäft nicht im Rang vorsteht, der zugrunde liegende Kredit den gleichen Verpflichteten ausweist wie die Sicherung und diese die gleichen Ausfall- oder Vorfälligkeitsklauseln beinhalten. Kreditderivate sind so ausgestaltet, dass entweder ein Barausgleich des Differenzbetrags aus Forderung und Derivat oder eine physische Lieferung des zugrunde liegenden Aktivums bei Eintreten des Kreditereignisses erfolgt. Über stabile Bewertungsverfahren ist eine zuverlässige Verlustschätzung vorzunehmen und der Barausgleich muss dann innerhalb eines festgelegten Zeitraums nach dem Default durchgeführt werden. Wird dagegen die Referenzforderung auf den Sicherungsnehmer übertragen, ist darauf zu achten, dass dem keine rechtlichen Hindernisse entgegenstehen. Speziell bei TRS wird die Sicherungswirkung nur dann anerkannt, falls die Sicherungsbeziehung auch bilanziell abgebildet wird. Dies bedeutet, dass Wertverluste des gesicherten Instruments nicht zu Nettoerträgen aus dem TRS führen dürfen. Als Garant bzw. Sicherungsgeber werden, unabhängig von deren Rating, Staaten, staatliche Stellen, Kreditinstitute und Wertpapierfirmen anerkannt. Darüber hinaus erfolgt die Anerken-
703 704
Vgl. Tz. 191 Basel II. Siehe Tz. 192 Basel II.
3.5. Basel II
245
nung anderer juristischer Personen, sofern sie ein Mindestrating von A- besitzen.705 Um eine Sicherungswirkung zu erzielen, muss dabei das Risikogewicht des Garanten bzw. Sicherungsgebers besser sein, als das des Kontrahenten. Grundsätzlich sind für die Anerkennung der Sicherheiten im IRBB die Mindestanforderungen des Standardansatzes zu übernehmen.706 Darüber hinaus gelten für den IRBB im Retailportfolio die nachfolgend beschriebenen Anforderungen des FIRB.707 Dabei ist anzumerken, dass die Berücksichtigung von Garantien nicht über eine Anpassung der LGD erfolgt und lediglich solche Garanten zulässig sind, die mindestens ein externes Rating von A- besitzen oder ein internes Rating erhalten, das äquivalent zum Rating A- oder besser ist.708 3.5.4.1.2. Mindestanforderungen im FIRB Werden im FIRB die LGD-Vorgaben des IRBB benutzt, gelten die Mindestanforderungen des IRBB, weil dann eine Anpassung der geschätzten LGD bei Vorliegen einer Garantie oder eines Kreditderivats nicht vorgenommen werden kann.709 Garantiegeber und Schuldner sind beim FIRB in den regulären Ratingprozess mit einzubeziehen. Garantien befreien demnach nicht von den Mindestanforderungen zur Erstellung eines Ratings für den Schuldner, von der Zuordnung von Retailforderungen zu einem Pool und von der Schätzung einer PD.710 Die Entscheidung, welche Arten von Garantien zu berücksichtigen sind, haben die Institute selbst zu treffen. Es müssen jedoch klar definierte Kriterien bestehen, welche Art von Garantien sie bei der Ermittlung der aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen berücksichtigen wollen. Garantien müssen schriftlich vorliegen, bis zur Höhe und Laufzeit der Garantie unwiderruflich sein und in der Rechtsordnung durchsetzbar sein, in der der Garantiegeber gegebenenfalls verpfändbares Vermögen besitzt. Im Unterschied zum IRBB dürfen auch bedingte Garantien herangezogen werden, falls die Zuordnungskriterien mögliche Verschlechterungen der Absicherung nachweislich angemessen berücksichtigen.711 Um die Auswirkungen von Garantien darstellen zu können, müssen die Anpassungen der Schuldnerratings bzw. der LGD-Schätzungen und die Poolzuordnung der Retailkredite klaren Kriterien folgen. Die Detailtiefe der Kriterien muss dabei der Klassifizierung von Krediten entsprechen.712 Die Mindestanforderungen für Ratings sind ebenso einzuhalten. Die Kriterien sind so zu wählen, dass sie plausibel und unmittelbar einleuchtend sind sowie die Leistungsbereitschaft und -fähigkeit des Garantiegebers berücksichtigen. Dabei sind der erwartete Zeit705 706 707 708 709 710 711 712
Siehe Tz. 195 Basel II. Siehe Tz. 302 i.V.m. Tz. 189 ff. Basel II. Siehe Tz. 332 i.V.m. Tz. 480 ff. Basel II. Siehe Tz. 302 Basel II. Siehe Tz. 490 i.V.m. Tz. 307, 302 Basel II. Vgl. Tz. 481 Basel II. Siehe Tz. 483 f. Basel II. Siehe Tz. 410 f. Basel II.
246
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
punkt der Regressnahme und die Berücksichtigung der Korrelation zwischen Schuldner und Garantiegeber angemessen einzubeziehen. Beim Schuldner verbleibende Restrisiken sind zusätzlich zu erfassen. Alle verfügbaren, wesentlichen und relevanten Informationen sind dabei zugrunde zu legen.713 Auf Kreditderivate sind die entsprechenden Regelungen für Garantien anzuwenden. Unterscheiden sich besichertes Aktivum und Referenzaktivum bei Kreditderivaten, sind für die Anerkennung die Voraussetzungen des Basisansatzes zu erfüllen. Schließlich sind im Rahmen der Wahl der Kriterien bei den Kreditderivaten die Besonderheiten der Zahlungsstruktur und der verbleibenden Restrisiken zu berücksichtigen.714 3.5.4.1.3. Eigenkapitalunterlegung im Anlagebuch Im folgenden Abschnitt wird die Anwendung des Substitutionsansatzes auf die Eigenkapitalunterlegung von Garantien, CDS und TRS beschrieben. CLN werden als refinanzierende Instrumente wie eine Barunterlegung behandelt. Bei der Eigenkapitalunterlegung ist entscheidend, ob die Bank durch ein Sicherungsgeschäft einen proportionalen, d.h. gleichrangigen Anteil des Risikos eines Kredits, oder einen voroder nachrangigen Anteil des Risikos an den Sicherungsgeber transferiert. Erfolgt der Abschluss eines proportionalen Sicherungsgeschäftes, erhält der besicherte Anteil das Risikogewicht des Sicherungsgebers, während der unbesicherte Teil das Risikogewicht des Schuldners behält. Hat die Absicherung lediglich bei Verlusten Gültigkeit, die eine vorab festgelegte Wertgrenze überschreiten, ist eine Anrechnung nur dann möglich, wenn der vorrangige, zurückbehaltene Anteil (First-Loss-Position) vom Eigenkapital direkt abgezogen wird. Hinsichtlich der weiterführenden Behandlung von vor- und nachrangigen Absicherungstransaktionen wird auf Abschnitt 3.5.3. verwiesen.
Im Gegensatz zur Behandlung von Währungsinkongruenzen für Garantien und Kreditderivate, bei denen explizite Regelungen vorliegen, ist die Behandlung von Laufzeitinkongruenzen allgemein für alle Kreditrisikominderungsinstrumente einheitlich beschrieben. Haben das gesicherte Geschäft und das Sicherungsgeschäft unterschiedliche Währungen, ist das Sicherungsgeschäft um einen Haircut zu kürzen.715 Wird dieser nicht nach den Methoden für die Berechnung von Haircuts ermittelt, ist der Standardabschlag von 8% anzusetzen.716 Endet das Sicherungsgeschäft vor der gesicherten Transaktion, liegt eine Laufzeitinkongruenz vor und der dazwischen liegende Zeitraum bildet eine ungesicherten Periode.717 Die Bestim-
713 714 715 716 717
Siehe Tz. 486 f. Basel II. Siehe Tz. 488 ff. Basel II. Siehe Tz. 200 Basel II. Siehe Tz. 168 Basel II. Siehe Tz. 202 Basel II.
3.5. Basel II
247
mung der effektiven Restlaufzeit von Grund- und Sicherungsgeschäft ist konservativ zu definieren. Die Restlaufzeit des abzusichernden Geschäfts entspricht dem Zeitraum, bis zu dem alle Verpflichtungen des Kontrahenten erfüllt sein müssen. Hinsichtlich des Sicherungsgeschäftes müssen alle Kündigungsoptionen des Sicherungsgebers restlaufzeitverkürzend berücksichtigt werden. Die Kündigungsrechte des Sicherungsnehmers verkürzen die Restlaufzeit dann, wenn die sonstigen Ausgestaltungen des Sicherungsgeschäfts einen Anreiz zur Ausübung der Kündigungsoption beinhalten.718 Im Rahmen von Kreditderivaten ist dann von einer Laufzeitinkongruenz auszugehen, wenn die Sicherungswirkung auch den Toleranzzeitraum bis zur Feststellung des Ausfalls umfasst.719 Absicherungskontrakte mit einer Ursprungslaufzeit von weniger als einem Jahr sind lediglich bei Laufzeitkongruenz anerkennungsfähig. Absicherungen mit einer Restlaufzeit von weniger als drei Monaten werden beim Vorliegen einer Inkongruenz ebenfalls nicht anerkannt. Liegen anerkennungsfähige Laufzeitinkongruenzen vor, ist der abgesicherte Betrag nach der Anwendung anderer Haircuts proportional um das Verhältnis der Restlaufzeiten der Sicherung und der gesicherten Transaktion zu kürzen. Beim Sicherungsgeschäft ist maximal die Laufzeit des abzusichernden Geschäftes oder fünf Jahre anzusetzen.720 Wenn der Kredit, die Garantie und die Refinanzierung in Landeswährung denominiert sind, kann für Staatsgarantien des Sitzlandes der Bank ein Risikogewicht von 0% vergeben werden.721 Darüber hinaus können Garantien mit Rückbürgschaften staatlicher Stellen wie Staatsgarantien aufgefasst werden. Die Rückbürgschaft muss sich in diesem Falle auf sämtliche Kreditrisiken der Forderung erstrecken und so werthaltig wie eine unmittelbare Staatsgarantie sein. Die Bedingungen der „Unmittelbarkeit“ und der „Ausdrücklichkeit“, die an Garantien gestellt werden, müssen in diesem Fall nicht vorliegen. First- und Second-to-Default-Kreditderivate basieren auf einem Korb von Referenzaktiva. Die Auszahlung eines First-to-Default-Kreditderivats ist an den ersten Ausfall einer der im Korb enthaltenen Kreditposition geknüpft, während eine Zahlung aus einem Second-to-DefaultKreditderivat genau dann erfolgt, wenn der zweite Ausfall im Korb eintritt. Nach Vorliegen des relevanten Ausfallereignisses erlischt in der Regel die Absicherungsbeziehung. Bei Firstto-Default-Kreditderivaten darf der Sicherungsnehmer nur für das Referenzaktivum mit dem geringsten risikogewichteten Betrag innerhalb des Korbes eine anteilige bzw. vollständige Absicherungswirkung geltend machen. Bei Second-to-Default-Kreditderivaten ist es dem Sicherungsnehmer nur dann erlaubt, das Sicherungsgeschäft anzurechnen, falls durch ein ent-
718 719 720 721
Siehe Tz. 203 Basel II. Siehe Tz. 191 (c) Basel II. Siehe Tz. 204 f. i.V.m. Tz. 143 Basel II. Siehe Tz. 54 und Fußnote 16 Basel II und § 29 Nr. 1 SolvVneu (2005).
248
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
sprechendes First-to-Default-Kreditderivat der erste Ausfall im Korb abgesichert ist oder der erste Ausfall im Korb bereits stattgefunden hat.722 Die Berücksichtigung von First- oder Second-to-Default-Kreditderivaten beim Sicherungsgeber ist abhängig davon, ob der zugrunde liegende Kreditkontrakt über ein extern anerkanntes Rating eines ECAI verfügt. Liegt ein solches vor, ist für den Sicherungsgeber das entsprechende Risikogewicht für Verbriefungstranchen relevant.723 Liegt ein solches Rating nicht vor, ergibt sich das für ein First-Loss-Kreditderivat maßgebliche Gesamtrisikogewicht aus der Summe der einzelnen Risikogewichte. Dieses ist jedoch begrenzt auf den Kapitalabzug, d.h. ein Risikogewicht von 1250%. Bei nicht gerateten Second-to-Default-Kreditderivaten ist gleichermaßen vorzugehen, bis auf den Unterschied, dass das Risikoaktivum mit dem niedrigsten risikogewichteten Betrag bei der Aggregation der Risikogewichte unberücksichtigt bleibt.724 Wendet der Sicherungsnehmer für ein abzusicherndes Geschäft mehrere unterschiedliche Kreditrisikominderungsinstrumente (Garantien, Kreditderivate, Sicherheiten und bilanzielles Netting) an oder kombiniert er Absicherungen mit unterschiedlicher Restlaufzeit, hat er das zugrunde liegende Geschäft in entsprechende einzelne Anteile aufzuspalten. Die Risikogewichte sind schließlich für jeden Anteil einzeln entsprechend der zugeordneten Technik zu bestimmen.725 Im IRB-Ansatz unterscheidet sich die Berücksichtigung von Garantien im Basis- und fortgeschrittenen Ansatz.726 Der Basisansatz bei der Berücksichtigung von Garantien folgt im Wesentlichen dem Standardansatz. Dies gilt auch für anteilige Besicherung, zeitliche Teilabsicherung und Währungsinkongruenz.727 Das Risikogewicht des besicherten Teils wird aus der Risikogewichtsfunktion für den Garantiegeber und der PD seiner Ratingklasse ermittelt. Liegt keine vollständige Substitution vor, ist eine angemessene PD für ein Rating heranzuziehen, das zwischen dem des Garantiegebers und dem des Kreditnehmers liegt. Optional wird den Instituten auch gestattet, den auf die Garantie anwendbaren LGD zu verwenden, wobei Rang und Besicherung der Forderung zu berücksichtigen sind.728 Beim fortgeschrittenen Ansatz ist die Anpassung des Risikogewichts entweder auf Basis der PD oder des LGD vorzunehmen. Diese Vorgehensweise ist einheitlich für jede Art von Garantie und Kreditderivat und konsistent im Zeitablauf auszuüben.729 Sofern die oben darge-
722 723 724 725 726 727 728 729
Siehe Tz. 207, 209 Basel II. Zur Berücksichtigung von Verbriefungen unter Basel II siehe Abschnitt 3.5.5. Siehe Tz. 208, 210, 567 Basel II. Siehe Tz. 206 Basel II. Vgl. Tz. 300 Basel II. Vgl. Tz. 302 ff. Basel II. Siehe Tz. 303 Basel II. Vgl. Tz. 306, 480 Basel II.
3.5. Basel II
249
stellten Mindestanforderungen erfüllt sind, ist diese Methodik auch für Retailkredite und Retailportfolien anzuwenden. Bei der LGD-Schätzung dürfen entweder die Regeln des Basisansatzes gewählt werden oder der LGD des Obligos ist gemäß dem Vorliegen einer Garantie oder eines Kreditderivats anzupassen. Im zweiten genannten Fall ist der Kreis der Garanten unbeschränkt. Allerdings sind die Mindestanforderungen der Tz. 483 f. Basel II für Garantien bzw. Tz. 488 f. Basel II für Kreditderivate zu erfüllen.730 Falls eine Garantie vorliegt, ist die gleichzeitige Anpassung von PD und LGD nicht erlaubt. Beide Ansätze sehen darüber hinaus die Berücksichtigung von einem gemeinsamen Ausfall von Sicherungsgeber und Schuldner vor. Die Kapitalanforderungen ergeben sich in diesem Fall wie folgt:731 (105)
KA DD
KA 0 0,15 160p G ,
wobei: KADD: Kapitalanforderungen unter Berücksichtigung des Double Defaults KA0: Kapitalanforderungen ohne Berücksichtigung des Double Defaults PD des Garantiegebers pG: Die Kapitalanforderungen ohne die Berücksichtigung von Double Default-Effekten ergeben sich demnach aus Formel (94). Darin sind die Parameter aus Konsistenzgründen so zu wählen, als ob der Kredit direkt gegenüber dem Sicherungsgeber ausgereicht worden wäre. Es ist darauf zu achten, dass das Risikogewicht der besicherten Forderung nicht geringer sein darf, als für eine Forderung an den Sicherungsgeber selbst.732 Deshalb wird es den Instituten erlaubt, Garantien unberücksichtigt zu lassen, falls diese die Eigenkapitalanforderung bei ihrer Berücksichtigung erhöhen würden. 3.5.4.2. Kreditderivate im Handelsbuch Für die Behandlung von Garantien im Handelsbuch gibt es zum derzeitigen Grundsatz I keine Änderungen,733 weshalb im Folgenden lediglich auf die Behandlung von Kreditderivaten eingegangen wird. 3.5.4.2.1. Mindestanforderungen für die Zuordnung zum Handelsbuch Für die Zuordnung von Finanzinstrumenten zum Handelsbuch gelten allgemeingültige Kriterien, die auch für Kreditderivate gelten. So dürfen Positionen des Handelsbuchs nur zu Handelszwecken oder zum Hedging anderer Handelsbuchpositionen gehalten werden. Zusätzlich 730 731 732 733
Siehe Tz. 307 Basel II. Siehe Tz. 225 Basel Committee (2005a). Siehe Tz. 301 i.V.m. Tz. 482 Basel II. Siehe § 18 Abs. 2 Grundsatz I
250
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
müssen sie einem bestimmten Anforderungskatalog entsprechen, damit sie dem Handelsbuch zugeordnet werden können.734 So müssen die Positionen beispielsweise täglich zu Marktpreisen bewertet und an einem Handelstisch gesteuert werden. Da Kreditderivate in den Baseler Marktrisikoregelungen nicht explizit thematisiert wurden, orientieren sich die Eigenkapitalanforderungen für das allgemeine und das besondere Kursrisiko von Kreditderivaten des Handelsbuchs dennoch an den dort festgelegten Regelungen.735 Darüber hinaus wird für Kreditderivate spezifiziert x
unter welchen Voraussetzungen und in welcher Höhe eine Besicherungswirkung dieser Instrumente im Handelsbuch anerkannt wird736 und
x
wie die Kontrahentenrisiken von Kreditderivaten mit Eigenkapital zu unterlegen sind.737
3.5.4.2.2. Bankinterne Sicherungsgeschäfte Damit bankinterne Verschiebungen von Risiken zwischen Handels- und Anlagebuch verhindert werden, um eine günstigere Risikoanrechnung zu erhalten, wird eine Absicherungswirkung auf Positionen des Anlagebuchs nur bei einem Transfer der Risiken an einen außen stehenden Dritten anerkannt. Eine Absicherungswirkung bei bankintern abgeschlossenen Kreditderivaten, so dass dem Anlagebuch die Position des Sicherungsnehmers und dem Handelsbuch die Position des Sicherungsgebers zugewiesen wird, kommt erst dann zum Tragen, wenn das Risiko des Handelsbuchs an einen außen stehenden Dritten weitergereicht wird.738 Die Eigenkapitalanforderung für die abgesicherte Position des Anlagebuchs wird dann nach den oben dargestellten Regelungen behandelt. 3.5.4.2.3. Besonderes Kursrisiko Für das besondere Kursrisiko ist von Relevanz, in welcher Höhe eine Besicherungswirkung von Kreditderivaten im Handelsbuch anerkannt wird. Abhängig von der Qualität des Absicherungszusammenhangs ist eine vollständige, eine Aufrechnung in Höhe von 80%, eine teilweise Aufrechnung oder keine Aufrechnung des besonderen Kursrisikos aus der Absicherungsposition und der zu besichernden Position möglich. Eine vollständige Aufrechnung ist nur beim Vorliegen eines Micro-Hedges möglich, d.h. zwischen Grund- und Sicherungsgeschäft existiert eine vollständig negative Korrelation potenzieller Marktwertveränderungen. Dies ist z.B. bei einer Long- und Short-Position bei einem
734 735 736 737 738
Zur Neudefinition des Handelsbuchs siehe Tz. 684 ff. Basel II. Siehe Tz. 706 Basel II. Siehe Tz. 713 ff. Basel II. Siehe Tz. 707 ff. Basel II. Vgl. Tz. 706 Basel II.
3.5. Basel II
251
sonst identischen CDS oder bei der Kombination eines Kassainstruments mit einem gegenläufigen TRS, dessen Referenzposition mit dem Kassainstrument identisch ist, gegeben.739 Wird statt eines TRS ein CDS oder eine CLN als Absicherungsinstrument für eine Kassaposition eingesetzt, liegt keine vollständig negative Korrelation potenzieller Marktwertänderungen bei diesen Positionen vor, da im Gegensatz zu einem TRS lediglich das Ausfall- und nicht das Bonitätsrisiko abgesichert wird. Daher ist bei sonst identischer Ausgestaltung von CDS oder CLN und Kassaposition hinsichtlich Währung, Referenzposition, Laufzeit der Referenzposition und Laufzeit des Kreditderivats nur eine Aufrechnung von 80% möglich. Die Seite, die der höheren Kapitalanforderung unterliegt, hat demnach 20% zu unterlegen, während die Gegenseite keiner Kapitalanforderung unterliegt.740 Es ist für die Anerkennung der Absicherungswirkung darüber hinaus zu gewährleisten, dass die erforderliche weitgehende negative Korrelation der Marktpreisänderungen der beiden Seiten des Hedges nicht durch die vertragliche Gestaltung der Kreditderivats beeinträchtigt wird. Im Falle von Aktiva-, Laufzeit- oder Währungsinkongruenzen ist eine teilweise Aufrechnung des besonderen Kursrisikos von Grund- und Sicherungsgeschäft erlaubt.741 Dabei werden drei mögliche Absicherungszusammenhänge unterschieden: x
Falls TRS und Kassaposition eine Aktivainkongruenz aufweisen, ist eine teilweise Absicherung dann erlaubt, wenn das Referenzinstrument der Kassaposition nicht im Rang vorsteht, beide Geschäfte den gleichen Verpflichteten ausweisen und gleiche Ausfall- oder Vorfälligkeitsklauseln beinhalten.
x
Eine teilweise Aufrechnung ist bei Laufzeit- oder Währungsinkongruenz möglich, falls ansonsten identische gegenläufige Instrumente miteinander kombiniert werden.
x
Es ist zudem eine teilweise Aufrechnung erlaubt, falls zwischen Kassaposition und CDS bzw. CLN eine Aktivainkongruenz dahingehend besteht, dass neben der abzusichernden Position noch andere lieferbare Wertpapiere in der Kreditderivatedokumentation vorgesehen sind.
Methodisch besteht die teilweise Aufrechnung darin, dass für die Seite mit den höheren Kapitalanforderungen für das besondere Kursrisiko eine Anrechnung erfolgt, während die Gegenseite ohne Anrechnung bleibt.742 Sind die Voraussetzungen weder für die vollständige, für die 80%-ige noch für die teilweise Anrechnung gegeben, ist keine Aufrechnung von Grund- und Kreditderivategeschäft möglich.
739 740 741 742
Vgl. Tz. 713 Basel II und Henke/Siwik (2005), S. 288. Siehe Tz. 714 Basel II. Vgl. Tz. 715 Basel II. Vgl. Tz. 716 f. Basel II.
252
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Die Behandlung von First- und Second-to-Default-Instrumenten im Handelsbuch erfolgt analog der Vorgehensweise im Anlagebuch.743 Kauft eine Bank beispielsweise eine First-toDefault-CLN, so hat sie die Sicherungsgeberposition. Beim Vorliegen eines externen Ratings für die CLN wird die Kapitalanforderung für das besondere Kursrisiko aus diesem abgeleitet. Ohne ein solches Rating ergibt sich die Kapitalanforderung aus der Summe der Kapitalanforderungen für das besondere Kursrisiko der einzelnen Referenzaktiva. Verkauft dagegen eine Bank eine First-to-Default-CLN, wird sie wie ein Sicherungsnehmer behandelt. Demnach darf sie das besondere Kursrisiko für dasjenige Referenzaktivum innerhalb des Korbes mit der geringsten Kapitalanforderung für das besondere Kursrisiko aufrechnen. 3.5.4.2.4. Kontrahentenrisiken Bei Positionen, die dem Handelsbuch zugeordnet werden, sind neben dem allgemeinen Marktrisiko, dem besonderen Kursrisiko auch Kontrahentenrisiken mit Eigenkapital zu unterlegen. Ähnlich wie im Grundsatz I werden zur Berechnung der Kapitalanforderungen für Kontrahentenrisiken aus Kreditderivaten spezifische Add-On-Faktoren als Puffer gegen die potenzielle Erhöhung des Eindeckungsaufwands vorgegeben.744 Sicherungsnehmer wie auch Sicherungsgeber eines TRS bzw. eines CDS müssen zu der Ermittlung der Kapitalanforderungen für Kontrahentenrisiken einen Add-On-Faktor von 5% anwenden, falls dem Kontrakt ein „qualifiziertes“ Referenzaktivum zu Grunde liegt.745 Andernfalls ist ein Add-On-Faktor von 10% maßgebend. Die Restlaufzeit ist in diesen Fällen nicht zu berücksichtigen. Der Sicherungsgeber eines CDS darf auf die Anrechnung des Zuschlagsfaktors verzichten, falls der CDS im Falle des Defaults des Sicherungsnehmers kein Close-out-Netting vorsieht.746 Bei First-to-Default-Produkten ist die Position aus dem Korb zu wählen, die den höchsten Add-On-Faktor verursacht. Enthält der Korb ein nicht qualifiziertes Referenzaktivum, ist der Add-On-Faktor entsprechend für dieses anzuwenden. Bei Second-to-Default-Kreditderivaten ist genauso vorzugehen, wobei allerdings das Referenzaktivum mit der schlechtesten Kreditqualität unberücksichtigt bleiben darf.747 3.5.5. Securitisation und ABS-Transaktionen Asset-Backed-Securities (ABS) sind erst in den letzten Jahren zu einem etablierten Finanzinstrument auf den globalen Finanzmärkten geworden.748
743 744 745 746 747 748
Siehe Tz. 715 Basel II. Vgl. Tz. 707 Basel II. Zur Definition von „qualifizierten“ Wertpapieren siehe § 23 Abs. 3 Satz 2 Grundsatz I. Zum Close-out-Netting siehe § 12 Abs. 1 Grundsatz I. Siehe Tz. 708 Basel II. Zur grundlegenden Beschreibung von Verbriefungen siehe Abschnitt 2.4.2.1.
3.5. Basel II
253
Im ersten Baseler Akkord wurden daher keine spezifischen Regelungen für die Behandlung von verbrieften Transaktionen formuliert. Es werden die Aktiva, die aus SecuritisationTransaktionen resultieren, wie Forderungen an Unternehmen behandelt und pauschal mit 8% Eigenkapital unterlegt. Dies hat in Deutschland mitunter zur regulatorischen Eigenkapitalarbitrage geführt, die für die Institute in Deutschland bislang das primäre Motiv zur Durchführung von ABS-Transaktionen darstellt.749 Im Gegensatz dazu sieht der neue Akkord in allen drei Säulen ein umfangreiches Regularium zur Behandlung verbriefter Transaktionen vor. Damit wird dem auf den internationalen Märkten anhaltenden Securitisation-Trend Rechnung getragen, indem spezifisch auf die unterschiedlichen Gestaltungsformen und strukturellen Elemente von Verbriefungstransaktionen eingegangen wird. Dieser hohe Detaillierungsgrad hat jedoch eine zunehmende Komplexität der Regelungen und ihrer Umsetzung zur Folge. Dies zeigt sich insbesondere bei der Einschätzung spezieller Sachverhalte und deren regelmäßiger Überwachung. Im Folgenden wird ein Überblick über den Ansatz des Baseler Ausschusses zur Behandlung von Verbriefungstransaktionen gegeben. Es werden zunächst die zentrale Struktur und Strukturelemente von Securitisation-Transaktionen vorgestellt, auf die sich der neue Baseler Akkord bezieht. Daran anschließend werden die quantitativen Regelungen des Standard- und des IRB-Ansatzes der ersten Säule vorgestellt. Abschließend erfolgt die Vorstellung der qualitativen Vorschriften und Anforderungen der Säulen II und III. 3.5.5.1. Securitisation-Strukturen und -Elemente nach Basel II Folgende Strukturen werden in Basel II behandelt:
x
Traditionelle (Term Sheet) Verbriefungen,
x
Asset-Backed Commercial Paper Programme sowie
x
Synthetische Verbriefungen.
Der Baseler Akkord sieht sowohl die Behandlung der traditionellen wie der synthetischen Verbriefungen vor. Wird das Risiko über Sicherheiten, Garantien oder Kreditderivate abgesichert, sind die allgemeinen Regelungen der Kreditrisikominderungstechniken heranzuziehen.750 Neben den allgemeinen Verbriefungs-Strukturelementen werden im neuen Baseler Akkord folgende weitere Elemente, die bei Verbriefungstransaktionen zur Anwendung kommen können, thematisiert:
749 750
Siehe Kottmann et al. (2005), S.293. Siehe Abschnitt 3.5.3.1.
254
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
x
Credit Enhancements: Reservekonten / Liquidity Enhancements,
x
Clean-up-Calls,
x
Interest Only- (IO-) Strips und
x
Vorzeitige Rückzahlung- (Early-Amortisation-) Klauseln.
In der Praxis haben zusätzliche Sicherungsmaßnahmen besondere Bedeutung, da dadurch die speziellen Risiken von ABS-Transaktionen abgedeckt werden. Es handelt sich um Liquidity und Credit Enhancements, die das Liquiditäts- und Ausfallrisiko begrenzen. Im neuen Baseler Akkord sind beide Formen berücksichtigt. Credit Enhancements werden als vertragliche Vereinbarungen definiert, bei der die Bank eine Position in einer Subordinationsstruktur zurückbehält oder übernimmt, um somit anderen an der Transaktion Beteiligten zusätzlichen Schutz zu bieten.751 Eine weitere Ausprägung des Credit Enhancements stellt das so genannte Reservekonto dar, das entweder zu Beginn der Transaktion angelegt oder aus dem Spread (Excess Spread) zwischen dem Cash-In-Flow aus dem Referenzportfolio und dem Cash-Out-Flow für die emittierten Wertpapiere während der Transaktionslaufzeit regelmäßig gespeist wird. Im Baseler Akkord wird der Excess Spread definiert als Differenz zwischen der Brutto-Zinsspanne und anderen Einnahmen des SPV bzw. des Treuhänders und den zu zahlenden Zinsen, Gebühren für Dienstleistungen, Abschreibungen und anderer vorrangig zu bedienender Kosten der Zweckgesellschaft bzw. des Treuhänders.752 Bei Liquidity Enhancements bzw. Liquiditätsfazilitäten handelt es sich um Instrumente, die Liquiditätsengpässe im Rahmen von ABS-Transaktionen überbrücken. Es kann z.B. bei ABCP-Programmen zu vorübergehenden Nachfragestörungen auf dem CP-Markt kommen, die die weitere Refinanzierung des Conduits blockieren. Zur Überbrückung derartiger Finanzierungsengpässe werden Liquiditätsfazilitäten herangezogen. Diese sind nach Basel II ebenfalls unterlegungspflichtig, wobei je nach gewähltem Ansatz differenzierte Regelungen vorgesehen sind. Clean-up-Calls erlauben dem Originator, die Transaktion zu beenden, bevor alle zugrunde liegenden Aktiva zurückgezahlt sind. Wirtschaftlicher Hintergrund dieser Option ist, dass eine Transaktion für einen Originator bei abnehmendem Volumen vergleichsweise teurer wird. Daher kann der Originator bei traditionellen Verbriefungen die ausstehenden Wertpapiere zurückkaufen, während er bei synthetischen Verbriefungen normalerweise die Option hält, die bei Ausübung die Besicherungswirkung beendet. Ein Interest Only-Strip beinhaltet für den Investor das Recht, Zinszahlungen aus dem zugrunde liegenden Referenzportfolio zu erhalten. Dabei werden die Zinszahlungen nur generiert, solange das Underlying noch nicht zurückbezahlt ist. Wird das Underlying beispielsweise eine Periode früher zurückbezahlt (Prepayment), verliert der IO-Investor den Zinsertrag, den 751 752
Vgl. Tz. 546 Basel II. Siehe Tz. 550 Basel II.
3.5. Basel II
255
das Underlying in der letzten Periode gezahlt hätte. Daher sind IO-Strips sehr reagibel hinsichtlich der unerwarteten Veränderung des Tilgungsverhaltens der Kreditnehmer. Die Möglichkeit einer vorzeitigen Rückzahlung wird häufig bei ABCP-Programmen vorgesehen, in denen laufend neue Forderungen an den Forderungskäufer veräußert werden. Das Motiv für den Einsatz dieses Strukturelements ist die Beendigung bei Eintritt bestimmter Ereignisse. Über so genannte Early-Amortisation-Klauseln (EA-Klauseln) wird ein Trigger definiert, der dazu dient, die Cashflows aus den zugrunde liegenden Aktiva nicht mehr für den Ankauf neuer Forderungen, sondern für die Rückzahlung der emittierten Wertpapiere zu verwenden. Ein üblicher Trigger ist z.B. der Excess Spread Trigger, bei dem die vorzeitige Rückzahlung dann einsetzt, wenn der Dreimonatsdurchschnitt des Excess Spreads einer bestimmten Serie negativ ist.753 Weitere Trigger können beispielsweise folgende Zustände sein: x
Die Rückzahlung der Schuldner unterschreitet ein festgelegtes Niveau.
x
Der Excess Spread unterschreitet ein gewisses Niveau.
x
Die Ausfälle der Schuldner überschreiten ein gewisses Niveau.
x
Die verfügbaren Credit Enhancements fallen unter ein gewisses Niveau.
x
Der Sponsor oder Servicer geht in Default.
x
Rechtliche oder regulatorische Rahmenbedingungen haben sich geändert.
Nach Basel II folgt nur dann eine Kapitalunterlegung bei EA-Klauseln, falls revolvierende Forderungen verbrieft werden und das Ausfallrisiko nach dem EA-Event auf den Originator übergeht. Die Höhe der Eigenkapitalanforderung ist dabei an die Höhe des Excess Spreads der Transaktion gekoppelt. Wird hingegen kein Excess Spread Trigger verwendet, dann wird eine pauschale Regelung für alle anderen Formen der EA-Klauseln angewendet.754 Im neuen Baseler Akkord werden auch außervertragliche Unterstützungsleistungen (Implicit Support) durch Banken geregelt. Bei diesem Element gewährt eine Bank einer Verbriefung eine über die vertraglich vereinbarte Unterstützung hinausgehende Leistung, um z.B. ihre Reputation am Kapitalmarkt zu wahren und so künftige Emissionen platzieren zu können. Die Leistungen können beispielsweise im Erwerb von Kreditrisiko erhöhenden Engagements aus dem zugrunde liegenden Portfolio, im Verkauf von diskontierten Aktiva in das verbriefte Portfolio, im Erwerb der zugrunde liegenden Forderungen über deren Marktpreis und in der Erhöhung der First-Loss-Position entsprechend der Verschlechterung der zugrunde liegenden Position bestehen.755 Bei derartigen Risikoübernahmen sind diese Risikoaktiva mit Eigenkapital zu unterlegen, als wären sie nie verbrieft worden. Bei mehrmaligen Verstößen kann die nationale Aufsicht die Eigenkapitalentlastung der Bank durch die Verbriefungstransaktion für einen gewissen Zeitraum aufheben. 753 754 755
Siehe Kottmann et al. (2005), S. 298. Vgl. Tz. 598 Basel II; in diesen Fällen wird ein Referenzniveau von 4,5% festgelegt. Siehe Tz. 790 Basel II.
256
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Prinzipiell eignen sich alle künftigen Zahlungsströme als Underlying für Verbriefungstransaktionen. Es haben sich jedoch aufgrund rechtlicher und ökonomischer Gründe insbesondere Hypotheken-, Unternehmens- und Konsumentenkredite als Underlyings durchgesetzt. Durch die Verbriefung dieser Kredite werden die Chancen und Risiken aus diesen vorher illiquiden Vermögensgegenständen handelbar gemacht. Damit die Innovationskraft der Marktteilnehmer nicht geschwächt wird, schränkt der neue Akkord die Anwendung der Regeln für Verbriefungen nicht auf bestimmte Assetklassen ein. Die Grundregeln für Verbriefungen zur Bestimmung der aufsichtlichen Eigenkapitalanforderungen sind daher auf alle Positionen anzuwenden, die auf traditionellen oder synthetischen Verbriefungen basieren. Es wird damit berücksichtigt, dass die ABS-Transaktionen unterschiedlich ausgestaltet sein können, so dass es letztlich auf die ökonomische Substanz und weniger auf die rechtliche Konstruktion der Transaktion ankommt (Substance over Form). 3.5.5.2. Definition der Positionen Die Position, die eine Bank innerhalb einer Verbriefungstransaktion einnimmt und auf die die Regeln zur Behandlung von Verbriefungen Anwendungen finden, wird als Verbriefungsposition bezeichnet. Diese Verbriefungsposition ist Grundlage für die Ermittlung der Eigenkapitalanforderungen. Im neuen Akkord wird eine nicht abschließende Liste von Beispielen für Verbriefungspositionen genannt.756 Darunter fallen Asset-Backed-Securities, MortgageBacked-Securities, Credit Enhancements, Liquiditätslinien, Zins- und Währungsswaps, Kreditderivate, teilweise Abdeckung und Reservekonten. Für die Position einer Bank bei Verbriefungstransaktionen kommen im Akkord
x
der Originator,
x
der Sponsor,
x
der Investor,
x
der Bereitsteller von Credit Enhancements und
x
der Bereitsteller von Liquiditätsfazilitäten (Liquidity Banks)
in Frage. Unter dem Originator wird der ursprüngliche Inhaber der zugrunde liegenden Forderungen, die verbrieft werden, bezeichnet. Als Originator gilt auch eine Bank, die als Sponsor in einem ABCP-Programm auftritt und dabei das Programm tatsächlich oder wirtschaftlich gesehen leitet oder administriert, Wertpapiere im Markt platziert oder Liquidität und/oder Credit Enhancements bereitstellt.757 Als Investor wird der Erwerber von Verbriefungspositionen verstanden, während die Bereitsteller von Credit Enhancements und Liquiditätsfazilitäten nicht in den speziellen Regelungen definiert werden. 756 757
Vgl. Tz. 541 Basel II. Vgl. Tz. 543 Basel II.
3.5. Basel II
257
Damit es für den Originator zu einer Kapitalerleichterung kommt, muss der signifikante Teil des Risikos übertragen worden sein. Der Begriff der Signifikanz ist dabei nicht weiter erläutert, sondern es obliegt den nationalen Aufsichtsinstanzen diese festzulegen.758 3.5.5.3. Regelungen der ersten Säule 3.5.5.3.1. Operationelle Anforderungen Von der Eigenkapitalunterlegung kann ein Originator traditionell verbriefte Positionen ausschließen, sofern die im Folgenden genannten Kriterien kumulativ vorliegen.759 Einbehaltene Tranchen sind jedoch weiterhin mit Eigenkapital zu unterlegen.
x
Es hat eine Übertragung der signifikanten Risiken an eine dritte Partei stattgefunden.
x
Es besteht seitens des Originators keine direkte oder indirekte Kontrolle über die transferierten Assets. Im Falle einer auftretenden Insolvenz kann nicht auf die übertragenen Forderungen zurückgegriffen werden. Hingegen verbleibt die Kontrolle beim Originator, falls dieser die Forderungen vom Käufer zurückerwerben kann oder der Verkäufer die Risiken aus den transferierten Assets zurückbehält. Darunter wird jedoch nicht die Zurückbehaltung der Servicing-Rechte verstanden.
x
Die emittierten Wertpapiere begründen keine Verbindlichkeit der übertragenden Bank. Die Investoren haben lediglich Anspruch auf den zugrunde liegenden Forderungspool.
x
Der Käufer der Forderung muss ein SPV/Conduit sein. Die mit den Forderungen verbundenen Rechte müssen vom Erwerber ohne Einschränkung veräußerbar oder verwertbar sein.
x
Die Verbriefungstransaktion darf keine Klauseln enthalten, die den Originator verpflichten, die durchschnittliche Kreditqualität des Underlyings durch Austausch von Assets auf einem bestimmten Niveau zu halten. Ausgenommen davon sind Forderungen, die zu Marktpreisen an unabhängige und unverbundene Drittparteien veräußert werden. Zudem dürfen keine Klauseln bestehen, die eine Erhöhung der First-LossTranche oder des Credit Enhancements nach Beginn der Transaktion vorsehen. Regelungen, die eine Erhöhung der zu zahlenden Zinsen an die Investoren oder an Bereitsteller von Credit Enhancements beinhalten, sind ebenfalls nicht gestattet. Ein Ausgleich für eine sich verschlechternde Kreditqualität des Underlyings darf somit nicht vorgesehen sein.
Bei synthetischen Strukturen erfolgt eine Anerkennung von Kreditrisikominderungstechniken, wie Kreditderivaten, Garantien und Sicherheiten, die als Hedging für eine Risikoposition dienen, falls folgende Bedingungen erfüllt sind:760 758 759 760
Für die Festlegung in Deutschland siehe § 229 Abs. 2 SolvVneu (2005). Siehe Tz. 554 Basel II. Vgl. Tz. 555 f. Basel II.
258
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
x
Die Sicherungsinstrumente müssen den Vorgaben für Kreditrisikominderungstechniken entsprechen.761
x
Als Sicherheiten werden Bareinlagen, Gold, bestimmte Schuldverschreibungen,762 Aktien, sofern sie einem Hauptindex angehören, und Investmentfonds, die solche Aktien beinhalten, anerkannt. Zudem dürfen unter bestimmten Voraussetzungen verpfändete Sicherheiten der Zweckgesellschaft berücksichtigt werden.763
x
Es handelt sich um einen anerkannten Garantiegeber nach Tz. 195 Basel II, wobei keine Zweckgesellschaften als qualifizierte Garantiegeber eingestuft werden dürfen.
x
Die signifikanten Kreditrisiken aus dem Underlying müssen an Dritte übertragen worden sein.
x
Es darf keine Bedingung existieren, welche die Höhe des übertragenen Risikos einschränkt.
x
Die Durchsetzbarkeit der übertragenen Risiken muss in allen relevanten Rechtsordnungen gewährleistet werden. Dazu ist ein Rechtsgutachten eines entsprechend qualifizierten Rechtsberaters einzuholen.
Neben diesen aufgezählten Bedingungen, die jeweils für traditionelle bzw. synthetische Verbriefungen gelten, sind bei beiden zusätzliche Anforderungen an einen möglichen Clean-upCall zu stellen. Die Ausübung des Calls darf danach formell und materiell nicht verbindlich für den Originator sein.764 Der Call darf zudem nicht so strukturiert sein, dass eine Zuweisung von Verlusten auf von Investoren gehaltene Positionen vermieden werden soll, um somit Credit Enhancements bereit zu stellen. Schließlich darf die Ausübung des Calls nicht mehr möglich sein, falls nur noch 10% oder weniger des ursprünglich zugrunde liegenden Forderungspools bzw. bei synthetischen Transaktionen 10% des ursprünglichen Referenzportfolios oder der begebenen Wertpapiere verblieben sind. Wird auch nur eine Bedingung an den Clean-up-Call nicht eingehalten, erfolgt die Kapitalunterlegung so, als hätte nie eine Verbriefung des zugrunde liegenden Portfolios stattgefunden. Darüber hinaus sind operationelle Anforderungen bei der Nutzung externer Ratings einzuhalten. Diese gelten gleichermaßen für traditionelle als auch für synthetische Verbriefungen. Neben den allgemeinen Voraussetzungen für die Anerkennung von externen Ratings765 müssen die Ratingagenturen über eine ausgewiesene Expertise zur Beurteilung von Verbriefungstransaktionen verfügen. Dies würde z.B. bei einer Akzeptanz der Ratingagentur im Markt vorliegen.766 761 762 763 764 765 766
Siehe Abschnitt 3.5.3.1. Die hier gemeinten bestimmten Sicherheiten werden in den Tz. 145, 146 Basel II festgelegt. Zu den Bedingungen siehe Tz. 145, 146 Basel II. Siehe Tz. 557 f. Basel II. Siehe Abschnitt 3.5.1.3. Siehe Tz. 565 Basel II.
3.5. Basel II
259
3.5.5.3.2. Standardansatz Banken, die das Kreditrisiko der zugrunde liegenden Forderungen nach dem Standardansatz messen, müssen auch bei den Verbriefungspositionen den Standardansatz wählen.767 Die Summe der risikogewichteten Aktiva einer Verbriefungsposition errechnet sich durch Multiplikation der Position mit dem jeweiligen vorgeschriebenen Risikogewicht. Für langfristige und kurzfristige Ratingkategorien ergibt sich: Risikogewicht
20%
50%
100%
350%768
Kapitalabzug
Langfristrating
AAA bis AA-
A+ bis A-
BBB+ bis BBB-
BB+ bis BB-
BB- und schlechter oder nicht geratet
Kurzfristrating
A-1/P-1
A-2/P-2
A-3/P-3
–
Sonstige
Tab. 26: Bonitätsgewichte für langfristige und kurzfristige Ratingkategorien für Verbriefungen im Standardansatz
Bei außerbilanziellen Geschäften müssen Banken einen Kreditumrechnungsfaktor anwenden und den sich ergebenden Kreditäquivalenzbetrag risikogewichten. Geratete Positionen erhalten einen CCF von 100%. Bei Positionen mit einem schlechteren Langfristrating als B+ oder einem Kurzfristrating das nicht A-1/P-1, A-2/P-2, A-3/P-3 entspricht, findet ein Kapitalabzug je zur Hälfte vom Kern- und Ergänzungskapital statt. Entsprechend ist im Allgemeinen mit Positionen zu verfahren, die nicht geratet sind. Explizit werden von dieser Regelung folgende Positionen ausgenommen:769 x
die höchstrangige Position innerhalb einer Verbriefung,
x
Second-Loss- oder besser gestellte Positionen in ABCP-Programmen und
x
anrechenbare Liquiditätsfazilitäten.
Bei traditionellen oder synthetischen Verbriefungen wird es einem Institut, das eine nicht geratete höchstrangige Verbriefungsposition hält oder für diese garantiert, erlaubt, die Transparenzmethode (Look-Through-Treatment) anzuwenden und so die Risikogewichte für diese Tranche zu bestimmen. Vorausgesetzt wird hier allerdings, dass die Zusammensetzung des Forderungspools jederzeit bekannt ist. Die nicht geratete höchstrangige Position erhält dann das durchschnittliche Risikogewicht der im zugrunde liegenden Pool enthaltenen Forderungen.
767 768
769
Siehe Tz. 566 Basel II. Dieses Bonitätsgewicht gilt lediglich für Investoren. Originatoren müssen Positionen dieser Kategorie vom Kapital abziehen. Siehe Tz. 571 Basel II.
260
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Für nicht geratete, von Sponsoren den ABCP-Programmen zur Verfügung gestellten Verbriefungspositionen kann bei Vorliegen der folgenden Bedingungen ein Kapitalabzug unterlassen werden:770 x
Die Position ist wirtschaftlich in einer Second-Loss oder besseren Position. Die FirstLoss-Position muss eine bedeutende Kreditbesicherung für die Second-Loss-Position darstellen.
x
Das Kreditrisiko der Tranche hat mindestens ein Rating von BBB-.
x
Die Bank, die die nicht geratete Position im Bestand hält, darf die First-Loss-Position nicht zurückbehalten oder übernehmen.
Beim kumulativen Vorliegen dieser Bedingungen ist das Risikogewicht das höhere von (a) 100% oder (b) dem höchsten Risikogewicht der einzelnen zugrunde liegenden Forderung, auf welcher die Fazilität beruht. Liegen bei einer Liquiditätsfazilität die Bedingungen zur Nutzung des externen Ratings nicht vor, dann ist das Risikogewicht des Kreditäquivalenzbetrages gleich dem höchsten Risikogewicht der zugrunde liegenden einzelnen Forderungen, welche durch die anerkannte Liquiditätsfazilität gedeckt werden. Die Banken haben bei der Berechung der Kapitalanforderungen zu entscheiden, ob ein außerbilanzielles Geschäft als „anerkannte Liquiditätsfazilität“ oder als „anerkannter Barvorschuss des Forderungsverwalters“ (Servicer) zu berücksichtigen ist. Bei den übrigen außerbilanziellen Verbriefungen ist ein CCF-Wert von 100% anzusetzen.771 Die folgenden Mindestbedingungen müssen zur Behandlung von außerbilanziellen Verbriefungspositionen als anerkannte Liquiditätsfazilitäten kumulativ erfüllt sein:
770 771
x
Es muss aus der Dokumentation der Fazilität eindeutig hervorgehen, unter welchen Bedingungen sie in Anspruch genommen werden kann. Der in Anspruch genommene Betrag aus der Fazilität muss auf den Betrag beschränkt sein, der wahrscheinlich aus der Liquidation der Forderungen oder aus Credit Enhancements des Forderungsverkäufers zurückgezahlt werden kann. Deshalb dürfen auch keine Verluste abgedeckt werden, die im Forderungspool bereits vor Inanspruchnahme eingetreten sind. Die Ziehung der Fazilität darf nicht gewiss sein, worauf eine regelmäßige oder fortlaufende Ziehung hindeuten würde.
x
Der Fazilität hat ein Qualitätscheck der Aktiva vorauszugehen. Dadurch soll verhindert werden, dass eine Inanspruchnahme der Fazilität bei bereits ausgefallenen Krediten erfolgt. Ist die Liquiditätsfazilität für die Finanzierung einer extern gerateten Anleihe vorgesehen, muss diese ein Rating von mindestens BBB- oder besser haben.
x
Wurden alle Credit Enhancements aufgezehrt, von denen die Liquiditätsfazilität profitiert hätte, kann die Fazilität nicht mehr in Anspruch genommen werden. Siehe Tz. 574 Basel II. Vgl. Tz. 577 ff. Basel II.
3.5. Basel II
x
261
Rückzahlungen von Inanspruchnahmen dürfen nicht nachrangig gegenüber Ansprüchen der Anleihegläubiger der Verbriefung sein und zudem nicht Gegenstand einer Stundungsvereinbarung oder eines Verzichts sein.
Sind diese Kriterien erfüllt und beträgt die Ursprungslaufzeit der Fazilität maximal ein Jahr, darf ein CCF von 20% auf den Betrag der anerkannten Fazilität angesetzt werden. Beträgt die Laufzeit mehr als ein Jahr, ist ein CCF von 50% anzusetzen. Wird schließlich ein externes Rating für die Risikogewichtung der Fazilität berücksichtigt, ist ein CCF von 100% maßgebend. Ausgenommen von dieser Regelung sind anerkannte Fazilitäten, die ausschließlich im Falle allgemeiner Marktstörungen gezogen werden. Hierauf ist ein CCF von 0% anzusetzen. Darüber hinaus müssen die Mittel aus der Fazilität durch die zugrunde liegende Forderungen abgesichert und die Ansprüche gleichrangig mit denen der Inhaber der Kapitalmarktpapiere sein. Falls sich die Fazilitäten, die eine Bank zur Verfügung gestellt hat, überschneiden, weil die Inanspruchnahme unter der einen Fazilität die Inanspruchnahme der anderen Fazilität ausschließen kann, braucht die Bank kein zusätzliches Kapital für den sich überschneidenden Anteil vorhalten. Gelten für den sich überschneidenden Teil verschiedenen Konversionsfaktoren, ist der Teil mit dem höchsten CCF anzurechnen. Werden die sich überdeckenden Fazilitäten von unterschiedlichen Banken zur Verfügung gestellt, hat jede Bank für den Höchstbetrag der Fazilität Eigenkapital vorzuhalten. Hat ein Institut eine Kreditrisikominderung für eine Verbriefung erworben, kann diese unter gewissen Voraussetzungen bei der Kapitalberechnung für die Verbriefungstransaktion verwendet werden.772 Falls eine andere Bank als der Originator Kreditabsicherungen bereitstellt, hat sie lediglich Kapital für die besicherte Position zu unterlegen. Übernimmt ein Institut die Absicherung für ein nicht geratetes Credit Enhancement, ist die gewährte Kreditabsicherung so zu behandeln, als ob das Credit Enhancement direkt übernommen worden wäre. Die Anerkennung der Sicherheiten ist dabei auf die im Standardansatz zugelassenen beschränkt. Sicherheiten, die von Zweckgesellschaften verpfändet werden, können angerechnet werden. Handelt es sich bei der Sicherheit um eine Garantie oder ein Kreditderivat, können nur anerkennungsfähige Garantiegeber oder Sicherungsgeber berücksichtigt werden, wobei Zweckgesellschaften nicht zugelassen sind.773 Erwachsen dem Originator Kreditrisiken aus Investorenansprüchen aus einer Verbriefungsstruktur, die eine EA-Klausel enthält, beziehen sich diese auf gezogene und nicht gezogene Beträge. Der Originator muss Eigenkapital für diese Kreditrisiken vorhalten, wenn er Forde-
772 773
Siehe Tz. 583 ff. Basel II. Zu den weiteren Mindestanforderungen bei der Anerkennung von Garantien und Kreditderivaten siehe Abschnitt 3.5.4.
262
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
rungen in eine Struktur mit EA-Klausel verkauft und es sich um revolvierende Forderungen handelt.774 Die Eigenkapitalunterlegung für die Option der vorzeitigen Beendigung kann entfallen, wenn folgende Umstände vorliegen: x
Bei den zugrunde liegenden Positionen handelt es sich nicht um revolvierende Forderungen und es bestehen Auffüllungsstrukturen,775 bei denen die vorzeitige Beendigung der Struktur der Bank nicht mehr erlaubt, neue Forderungen nachzufüllen.
x
Eine Transaktion mit revolvierenden Forderungen enthält EA-Klauseln, um die Struktur einer befristeten Transaktion abbilden zu können. Folglich darf das Risiko der zugrunde liegenden Fazilität nicht auf den Originator zurückfallen.
x
Es liegen Strukturen vor, bei denen ein Institut eine oder mehrere Kreditlinien verbrieft und bei denen die Investoren künftigen Inanspruchnahmen der Kreditnehmer auch nach Eintritt eines vorzeitigen Kreditereignisses voll ausgesetzt sind.
x
Es liegen Bedingungen einer EA-Klausel zugrunde, die nur durch Ereignisse ausgelöst werden, die nicht mit der Entwicklung der verbrieften Vermögensgegenstände oder der sie veräußernden Bank zusammenhängen.
Die Gesamtkapitalanforderung für eine Bank, die die EA-Behandlung anwenden muss, ist nach oben hin begrenzt. Diese Obergrenze entspricht dem Maximum aus der Kapitalanforderung für zurückbehaltene Verbriefungspositionen, exklusive der Eigenkapitalunterlegung für die EA-Klausel und der Kapitalanforderung, die sich bei Nicht-Verbriefung ergeben würde. Die Unterlegung des Originators für die Investorenansprüche ergibt sich multiplikativ aus der Höhe der Investorenansprüche, dem relevanten CCF und dem Risikogewicht der zugrunde liegenden Forderungsart. Bei der Ermittlung des Risikogewichts wird die Annahme der NichtVerbriefung getroffen.776 Die Wahl des CCF ist dabei abhängig davon, ob eine vorzeitige Rückzahlung an einen Investor kontrolliert oder unkontrolliert abläuft. Eine EA-Klausel ist dann kontrolliert,777 falls ein Kapital- oder Liquiditätsplan existiert, der eine vorzeitige Rückzahlung ausreichend berücksichtigt. Darüber hinaus bleibt während der gesamten Transaktion, einschließlich des Tilgungszeitraums, die Aufteilung von Zinsen, Tilgungen, Kosten, Verlusten und Verwertungserlösen auf die Bank und die Investoren konstant. Darüber hinaus muss der zugrunde liegende Rückzahlungszeitraum entsprechend lang sein, so dass mindestens 90% des zu Beginn des EA-Zeitraums ausstehenden Forderungsbetrags zurückgezahlt werden können. Liegen jederzeit kündbare Kredite vor, ist die Berechnung der 774 775
776 777
Siehe Tz. 590 ff. Basel II. Im neuen Baseler Akkord wird die revolvierende Struktur auch als Wiederauffüllungsstruktur oder Replenishment Struktur bezeichnet. Dagegen wird der Begriff „revolvierend“ für Forderungen verwandt, die dem Kreditnehmer gestatten, den in Anspruch genommenen Betrag und die Rückzahlung zu variieren. Diese Begriffsdefinition wird auch im Rahmen dieser Arbeit verwendet. Vgl. Tz. 595 Basel II. Siehe Tz. 548 Basel II.
3.5. Basel II
263
Eigenkapitalanforderung in Transaktionen mit kontrollierten EA-Klauseln nach dem Excess Spread Trigger durchzuführen. Schließlich hat die Bank den Dreimonatsdurchschnitt des Zinsüberschusses mit dem im Vorfeld der Transaktion festgelegten Mindestzinsüberschuss zu vergleichen, ab dem das Institut den Excess Spread in der Transaktion belassen muss (Rückbehaltungspunkt). Die Kreditumrechnungsfaktoren für kontrollierte EA-Klauseln ergeben sich aus folgender Tabelle, wobei der Quotient aus Zinsüberschuss und Rückbehaltungspunkt maßgeblich für die Zuordnung ist.778 nicht jederzeit kündbar
jederzeit kündbar
Retailkreditlinien
3-Monats-Durchschnitt des Zinsüberschusses
CCF
133% des Rückbehaltungspunktes oder mehr
0%
< 133% bis 100% des Rückbehaltungspunktes
1%
< 100% bis 75% des Rückbehaltungspunktes
2%
< 75% bis 50% des Rückbehaltungspunktes
10%
< 50% bis 25% des Rückbehaltungspunktes
20%
< 25% des Rückbehaltungspunktes
40%
keine Retailkreditlinien
90%
CCF
90%
90%
Tab. 27: CCF-Ermittlung bei kontrollierten EA-Klauseln
Beim Vorliegen unkontrollierter EA-Klauseln ergeben sich folgende CCF: nicht jederzeit kündbar
jederzeit kündbar
Retailkreditlinien
3-Monats-Durchschnitt des Zinsüberschusses
CCF
133% des Rückbehaltungspunktes oder mehr
0%
< 133% bis 100% des Rückbehaltungspunktes
5%
< 100% bis 75% des Rückbehaltungspunktes
15%
< 75% bis 50% des Rückbehaltungspunktes
50%
< 50% des Rückbehaltungspunktes
100%
keine Retailkreditlinien
100%
CCF
100%
100%
Tab. 28: CCF-Ermittlung bei unkontrollierten EA-Klauseln
Bei dieser Vorgehensweise wird unterstellt, dass die Auslösung einer EA-Klausel von der Höhe des verfügbaren Excess Spreads abhängt. Je kleiner dieser wird, umso höher fällt die Kapitalunterlegung aus.
778
Siehe Tz. 597 ff. Basel II.
264
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
3.5.5.3.3. IRB-Ansatz 3.5.5.3.3.1. Überblick Institute, die die Kapitalanforderungen der zugrunde liegenden Forderungen nach dem IRBAnsatz messen, müssen diesen auch bei den Verbriefungen anwenden.779 Dabei stehen innerhalb des IRB-Ansatzes vier Varianten zur Verfügung, deren Relevanz sich nach der Art der Verbriefungsposition und nach dem Vorliegen von externen bzw. internen Ratings bestimmt. Der Rating Based Approach (RBA) muss dann angewendet werden, falls ein externes bzw. ein daraus abgeleitetes Rating vorliegt. Liegt weder ein externes noch ein abgeleitetes Rating vor, kann für Verbriefungspositionen, die im Rahmen von ABCP-Programmen eingegangen werden, der Internal Assessment Approach (IAA) angewendet werden. Beispielsweise können die sich ergebenden Positionen Liquiditätsfazilitäten oder Credit Enhancements sein. Der IAA basiert auf internen Ratings für die Verbriefungspositionen, die auf die Ratingkategorien einer ECAI gemappt werden. Die Risikogewichtung wird dann anhand der RBA-Risikogewichte durchgeführt. Für alle übrigen Verbriefungspositionen oder für diejenigen, bei denen der IAA nicht angewendet wird oder angewendet werden darf, ist die Super-visory Formula (SF) anzuwenden. Für deren Anwendung ist die Ermittlung der IRB-Eigenkapitalunterlegung des zugrunde lie-
genden Pools ( K IRB ) erforderlich. Kann die Bank K IRB nicht bestimmen, kann sie vorübergehend, nach Genehmigung durch die nationale Aufsichtsbehörde, auch ein vereinfachtes Verfahren zur Bestimmung der Kapitalanforderung für Liquiditätsfazilitäten anwenden. Wie bereits im Standardansatz festgelegt, kann die maximale Eigenkapitalbelastung für Verbriefungspositionen beim IRB-Ansatz maximal der Summe der Kapitalanforderungen der zugrunde liegenden unverbrieften Referenzpositionen entsprechen. In zwei weiteren Fällen ist zusätzliches Eigenkapital vorzuhalten. Dies ist zum einen der Fall, wenn der Originator einen Ertrag aus dem Forderungsverkauf erzielt, der zu einem Eigenkapitalzuwachs führt. Dieser ist dann vom Kernkapital abzuziehen, wenn er die Verbriefungsposition zurück erwirbt. Zum anderen ist zusätzliches Eigenkapital vorzuhalten, falls kreditverbessernde IO-Strips vorliegen, obwohl es sich um ein künftiges Margeneinkommen handelt. Diese sind je zur Hälfte vom Kern- und Ergänzungskapital abzuziehen. Zukünftiges Zinseinkommen ist bei der Ermittlung der Kapitalanforderungen für die zugrunde liegenden unverbrieften Referenzpositionen nicht zu berücksichtigen, da dies nicht der Definition von Risikoaktiva entspricht. In dieser Regelung kommt erneut das Prinzip Substance-over-Form zur Geltung.
779
Vgl. Tz. 606 Basel II.
3.5. Basel II
265
3.5.5.3.3.2. Rating Based Approach Der RBA780 basiert auf einem externen bzw. auf einem abgeleiteten Rating für die Verbriefungsposition. Liegen bestimmte Mindestanforderungen vor, kann für nicht geratete Verbriefungspositionen ein Rating abgeleitet werden. Für die Einhaltung der Mindestanforderungen muss zunächst gewährleistet werden, dass die Referenz-Verbriefungsposition, aus der das Rating abgeleitet werden soll, nachrangig zur nicht gerateten Tranche ist und mindestens die gleiche Laufzeit aufweist. Darüber hinaus muss das abgeleitete Rating kontinuierlich aktualisiert werden und das externe Rating muss den allgemeinen Anforderungen an ein externes Rating genügen.781 Durch diese Anforderungen wird sichergestellt, dass die nicht geratete Position in allen Aspekten vorrangig zur extern gerateten Referenz-Verbriefungsposition ist. Die Ermittlung der Kapitalunterlegung erfolgt dann analog zur Vorgehensweise bei externen Ratings. Die Risikogewichte im RBA hängen von folgenden Kriterien ab:
780 781
x
Vorrangigkeit der betreffenden Position Eine vorrangige Position ist faktisch durch einen erstrangigen Anspruch auf den Gesamtbetrag der Vermögenswerte im zugrunde liegenden Pool gedeckt bzw. besichert. Technisch vorrangige Positionen im Wasserfall einer Transaktion, wie beispielsweise Ansprüche aus einem Zins- und/oder Währungsswap, können bei der Berücksichtigung des Ranges der Position vernachlässigt werden.
x
Externes oder abgeleitetes Rating Die Risikogewichte im RBA sind grundsätzlich risikosensitiver auf die (kurz- oder langfristige) Ratingklasse als im Standardansatz. Der Akkord sieht im RBA feinere Abstufungen der Ratingkategorien vor.
x
Granularität des zugrunde liegenden Pools Als Maß für die Granularität wird auf die effektive Anzahl der sich im Pool befindlichen Forderungen (U) abgestellt. Für die Ermittlung von U werden zunächst alle auf einen Schuldner lautenden Forderungen konsolidiert, da davon ausgegangen wird, dass zwischen diesen eine hohe Ausfallkorrelation besteht und es deshalb nicht zu Diversifikationswirkungen kommt. Darüber hinaus werden Klumpenrisiken im Pool berücksichtigt. Um die Konzentration der Höhe der Forderungen im Pool zu bestimmen,
Siehe Tz. 611 ff. Basel II. Vgl. Abschnitt 3.5.1.3.
266
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
wird der so genannte Herfindahl-Index bestimmt.782 Je heterogener das Portfolio in Bezug auf die Höhe der Forderungen ist, desto größer ist, aufgrund der vermuteten Konzentrationsrisiken, der Abschlag auf die tatsächliche Forderungsanzahl. Schließlich ergeben sich für den RBA folgende Risikogewichte für langfristige externe oder abgeleitete Ratingurteile:783
Rating
Risikogewicht für erstrangige Tranchen und anerkannte erstklassige IAAPositionen
Basisrisikogewichte
Risikogewichte für Tranchen, gedeckt durch nichtgranulare Pools
AAA
7%
12%
20%
AA
8%
15%
25%
A+
10%
18%
A
12%
20%
A-
20%
35%
BBB+
35%
50%
BBB
60%
75%
BBB-
100%
BB+
250%
BB
425%
BB-
650%
unter BB- oder nicht geratet
1250%
35%
Tab. 29: RBA-Risikogewichte für langfristige externe bzw. abgeleitete Ratings
Falls es sich um eine erstrangige Verbriefungsposition handelt, die auf einem granularen Pool ( U t 6 ) basiert, sind die Risikogewichte der zweiten Spalte anzuwenden. Im Falle von nachrangigen Positionen, denen ein granularer Pool ( U t 6 ) zugrunde liegt, müssen die Gewichte der dritten Spalte verwendet werden. Für nichtgranulare Portfolien ( U 6 ) kommt dagegen die vierte Spalte zur Anwendung. Ähnliches ergibt sich auch für die Ermittlung der RBA-Risikogewichte bei kurzfristigen externen bzw. abgeleiteten Ratings, die aus Tabelle 30 zu entnehmen sind.784 2
782
Die effektive Anzahl U berechnet sich nach folgender Formel: U
§ · ¨ ¸ ¨ ¦ EAD i ¸ © i ¹ , wobei i die i-te aus2 ¦ EAD i i
783 784
stehende Forderung im Pool darstellt. Die Berechnung erfolgt auf konsolidierter Basis. Siehe Tz. 633 Basel II. Vgl. Tz. 615 Basel II. Quelle: Tz. 616 Basel II
3.5. Basel II
267
Für alle Verbriefungspositionen ohne externes oder abgeleitetes Rating sind die Eigenkapitalanforderungen prinzipiell nach der SF zu bestimmen. Eine Ausnahme hiervon bilden jedoch Verbriefungspositionen, die im Rahmen von ABCP-Programmen eingegangen wurden und für die bankinterne Methoden zur Messung der Eigenkapitalanforderungen im Rahmen des IAA herangezogen werden können.785 Liquiditätsfazilitäten mit externen oder internen Ratings erfahren im RBA die gleiche Behandlung wie andere Verbriefungspositionen und erhalten einen CCF von 100%.
Rating
Risikogewicht für erstrangige Tranchen und anerkannte erstklassige IAA-Positionen
Basisrisikogewichte
Risikogewichte für Tranchen, gedeckt durch nichtgranulare Pools
A-1/P-1
7%
12%
20%
A-2/P-2
12%
20%
35%
A-3/P-3
60%
75%
Andere bzw. nicht geratete
1250%
Tab. 30: RBA-Risikogewichte für kurzfristige externe bzw. abgeleitete Ratings
3.5.5.3.3.3. Internal Assessment Approach Beim IAA786 hat der Baseler Ausschuss intern ermittelte Ratings für Verbriefungspositionen, die im Rahmen von ABCP-Programmen eingegangen wurden, zugelassen. Die internen Ratings müssen dabei auf das Schema eines ECAI gemappt werden, damit die Risikogewichte mit Hilfe der RBA-Risikosystematik ermittelt werden können. Um den IAA anwenden zu dürfen, werden umfangreiche operationelle Anforderungen gestellt.787 Ziel dieser Anforderungen ist es, eine Vergleichbarkeit von internen Bonitätseinschätzungsmodellen mit den extern verfügbaren Ratingurteilen sicherzustellen. Wird der IAA nicht anerkannt, dann hat das Institut die SF oder, falls deren Anwendung nicht möglich ist, ein vereinfachtes Verfahren anzuwenden. 3.5.5.3.3.4. Supervisory Formula Kann der RBA nicht auf die Verbriefungsposition angewendet werden, weil kein externes oder abgeleitetes Rating zur Verfügung steht, kommt die SF zur Anwendung.788 Die Inputparameter, die bei der SF zur Anwendung kommen, sind:
785 786 787 788
Siehe Tz. 609 Basel II. Siehe Tz. 619 ff. Basel II. Zu den operativen Anforderungen im IAA siehe Tz. 620 Basel II. Siehe Tz. 623 ff. Basel II. Zur Anwendung der SF bei angekauften Forderungen siehe Tz. 371 Basel II.
268
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
x
die IRB-Eigenkapitalunterlegung des zugrunde liegenden Portfolios ( K IRB ),
x
der Credit Enhancement Level der Tranche,
x
das Volumen der Tranche,
x
die effektive Anzahl der Forderungen im Pool sowie
x
der forderungsgewichtete durchschnittliche Verlust bei Ausfall (LGD) des Pools.
Das zentrale Element der SF ist K IRB , dessen Ermittlung nach dem Bottom-Up-Ansatz erfolgen sollte.789 Danach ermittelt das Institut die Eigenkapitalunterlegung für einen Forderungspool aus der Summe der Kapitalanforderungen an die Einzelkredite. Ist dies nicht möglich, darf es nach Genehmigung der Aufsicht den Top-Down-Ansatz790 verwenden. Dieser Ansatz wurde speziell für Forderungen entwickelt, die im Rahmen von ABS-Strukturen verbrieft wurden. Liegt das Credit Enhancement Level einer Tranche unterhalb von K IRB , ist sie vom Eigenkapital abzuziehen. Tranchen, die ein Credit Enhancement Level besitzen, das genau auf oder oberhalb von K IRB liegt, sind entsprechend aufzuteilen und die Kapitalunterlegung ist separat für den Anteil der oberhalb und den der unterhalb von K IRB liegt, nach der SF zu bestimmen.791 Die SF muss mindestens zu einem Risikogewicht von 7% führen. Liegt für eine Liquiditätsfazilität kein (abgeleitetes) Rating vor, so kann auch die SF angewendet und ein CCF von 100% angesetzt werden. Lediglich im Rahmen von Fazilitäten für allgemeine Marktstörungen kann ein verminderter CCF von 20% verwendet werden. 3.5.5.3.3.5. Vereinfachtes Verfahren In ABCP-Programmen haben Liquidity Banks möglicherweise überhaupt keine Informationen über das zugrunde liegende Forderungsportfolio. Daher können sie weder den Bottom-Upnoch den Top-Down-Ansatz verwenden. In diesen Fällen kann das Institut die Eigenkapitalanforderung nach einem vereinfachten Verfahren bestimmen.792 Hierbei wird bei Liquiditätsfazilitäten das höchste Risikogewicht angewendet, das sich nach Maßgabe des Standardansatzes aufgrund einer einzelnen Forderung des zugrunde liegenden Forderungsportfolios ergibt.793 Alle übrigen Fazilitäten sind in Höhe des Nominalwertes vom Eigenkapital abzuziehen.
789 790 791
792 793
Zu den Anforderungen an den Bottom-Up-Ansatz vgl. Tz. 270 ff. Basel II. Zum Top-Down-Ansatz siehe Tz. 365 Basel II. Zu Definition der „aufsichtlichen Formel“ siehe Tz. 624 Basel II. Steiner et al. (2005) zeigen die Modellgrundlagen und die Herleitung dieses Formelansatzes. Siehe Tz. 639 Basel II. Siehe Tz. 639 Basel II.
3.5. Basel II
269
Der anzuwendende CCF ergibt sich aus der nachfolgenden Tabelle: anerkannte Liquiditätsfazilität nach Tz. 578 Basel II anerkannte Liquiditätsfazilität für Marktstörungen
Ursprungslaufzeit
CCF
1Jahr
50%
> 1 Jahr
100%
–
andere Liquiditätsfazilitäten
20% 100%
Tab. 31: CCF für Liquiditätsfazilitäten
Die Kreditrisikominderungen auf Verbriefungspositionen richten sich nach den allgemeinen Anforderungen des IRB-Ansatzes. Zudem sind EA-Klauseln entsprechend den Anforderungen im Standardansatz für Verbriefungen zu berücksichtigen. Investorenansprüche bei revolvierenden Forderungen sind dagegen unterschiedlich zum Standardansatz zu handhaben. Dabei werden die in Anspruch genommenen Beträge der der Verbriefungsposition zugrunde liegenden Kreditlinien zuzüglich des EAD der nicht in Anspruch genommenen Kreditzusagen entsprechend ihrem verbrieften Anteil berücksichtigt. Die Investorenansprüche sind dann jeweils mit Eigenkapital zu unterlegen. 3.5.5.4. Regelungen der zweiten und dritten Säule Die zweite Säule des neuen Baseler Akkords, das aufsichtsrechtliche Überprüfungsverfahren, hat sicherzustellen, dass die Eigenkapitalunterlegung sich an der ökonomischen Substanz bzw. dem wirtschaftlichen Gehalt einer Transaktion orientiert. Die Aufsichtsinstanzen werden deshalb die Berücksichtigung interner Risikoabschätzungen bei der Eigenkapitalunterlegung überprüfen. Erachtet die Aufsicht die Berechnung der Kapitalanforderungen als nicht angemessen, kann sie entsprechende Maßnahmen ergreifen und beispielsweise die kapitalentlastende Wirkung der Verbriefung von Aktiva verbieten.794 Dabei bezieht sich das aufsichtliche Überprüfungsverfahren auf folgende Elemente:795
794 795
x
Signifikanz des Risikotransfers,
x
Marktinnovation,
x
Bereitstellung von Credit Enhancements,
x
Restrisiken,
x
Optionsrisiken und
x
EA-Klauseln.
Zu den Anforderungen und Maßnahmen siehe Tz. 784 f. Basel II. Für eine weitergehende Erläuterung der Handhabung dieser Elemente in Säule II siehe Kottmann et al. (2005), S. 315 ff. Die Erläuterung dieser Elemente würde den Umfang dieser Arbeit übersteigen.
270
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
Im Rahmen des Überprüfungsverfahrens können diese einzelnen Elemente analysiert werden. Falls Teile davon nicht entsprechend den neuen Baseler Regelungen bzw. nicht gemäß den Anforderungen der nationalen Aufsicht gehandhabt werden, kann die Aufsichtsinstanz Sanktionen einleiten, die von Nachbesserungen bis hin zur Versagung der Risikominderung reichen. In Säule III des neuen Baseler Akkords werden umfangreiche Offenlegungsanforderungen formuliert, damit die Angemessenheit der Eigenkapitalausstattung der Bank so dargestellt wird, dass (mögliche) Kapitalgeber durch ihre Investitionsentscheidung disziplinierend auf das Institut einwirken können.796 Die Offenlegungsanforderungen im Rahmen von Verbriefungen werden dabei in quantitative und qualitative Informationen untergliedert, wobei die qualitativen jährlich und die quantitativen Informationen mindestens halbjährlich zu veröffentlichen sind.797 3.6. Zwischenfazit Der Bankensektor unterliegt in Deutschland einer hohen Regulierung. Die Gründe sind in den Ereignissen im Bankensektor in den letzten 70 Jahren zu sehen. Die Folge dieser Entwicklung sind einerseits aufsichtliche Regelungen, die die Risiken der Banken bezogen auf die knappe Ressource Eigenkapital beschränken. Demnach dürfen Institute nur Risiken eingehen, die sie aufgrund ihrer individuellen Risikotragfähigkeit übernehmen können. Die Bankenaufsicht stellt daher verbindliche Vorgaben an die Quantifizierung der Eigenmittel und an die Messung der eingegangenen Risiken. Darüber hinaus werden qualitative Regelungen erlassen, die insbesondere die Prozesse und implementierten Systeme betreffen. Das Ziel der qualitativen Aufsicht ist es, den ordnungsgemäßen Ablauf innerhalb der Banken sicherzustellen. Speziell im Kreditbereich wird dabei das Augenmerk auf eine angemessene Dokumentation und den Einsatz adäquater Systeme gelegt. Vor diesem Hintergrund sind die Regelungen der MaH, MaK und MaRisk zu sehen. Die Vorschriften zur Messung der eingegangenen Risiken finden sich in Deutschland im Grundsatz I wieder, die auf den Vorgaben des ersten Baseler Eigenkapitalakkords aufbauen. Dieser schreibt vor, wie die Markt- und Kreditrisiken mit Eigenkapital zu unterlegen sind. Die Regelungen speziell im Bereich der Kreditrisiken und der darauf aufbauenden Kreditderivate sind dabei pauschal gehalten und ermöglichen keine risikoadäquate Steuerung. Diese Umstände nutzen die Institute dahingehend aus, dass sie durch den gezielten Einsatz von Finanzinstrumenten eine Eigenkapitalarbitrage durchführen.
796 797
Siehe Tz. 808 ff. Basel II. Für eine weitergehende Erläuterung der Offenlegungspflichten aus Säule II siehe Kottmann et al. (2005), S. 315 ff. Die Erläuterung dieser würde den Umfang dieser Arbeit übersteigen.
3.6. Zwischenfazit
271
Gemäß den neuen Basler Eigenkapitalregeln, die Ende 2006 für die Institute verbindlich werden, lassen sich die vorhandenen Risiken detaillierter und sachgerechter abbilden, als dies im bisher gültigen Regelwerk der Fall ist. Damit ist aus institutsspezifischer Perspektive zu konstatieren, dass die Vorschriften nach Basel II den Bedürfnissen eines modernen Kreditrisikomanagements besser Rechnung tragen. Während die Eigenkapitalermittlung im Standardansatz auf externen Ratings aufbaut, gehen die Regelungen im IRB-Ansatz deutlich weiter. Die zu generierenden internen Ratings stellen das zentrale Element dar. Es wird darüber hinaus möglich, die vorhandenen Risiken entsprechend ihres Risikogehaltes eindeutig einer Risikokategorie zuzuordnen. Während sich im Bereich der Sicherheiten im Standardansatz die Änderungen hauptsächlich auf den Bereich der finanziellen Sicherheiten auswirken, erfordert der IRB-Ansatz eine grundlegend neue Vorgehensweise bei der risikoreduzierenden Anrechnung vorhandener Sicherheiten. Lediglich die Methodik des einfachen Ansatzes entspricht in etwa der der bestehenden Regelungen. Gerade im fortgeschrittenen IRB-Ansatz und im Retailansatz ist die Menge der anrechenbaren Sicherheiten theoretisch unbegrenzt. Dadurch soll und wird ein Anreiz geschaffen, ausfallgefährdete Transaktionen angemessen abzusichern. Durch dieses Vorgehen profitiert nicht nur das Kredit vergebende Institut, sondern auch der Kreditnehmer von dieser erweiterten Einbeziehung von Sicherheiten. Je mehr Sicherheiten gestellt werden, desto günstiger können, ceteris paribus, die Kreditkonditionen sein.798 Die Anerkennung der Risikominderung durch den Einsatz von Garantien und Kreditderivaten im Anlage- und Handelsbuch ist im Vergleich zum bestehenden Grundsatz I nur geringfügig erweitert worden. Die bankaufsichtliche Anerkennung von Absicherungstransaktionen beschränkt sich weitgehend auf fast perfekte Micro-Hedges. Grundsätzlich ist jedoch neu, dass auch First- und Second-to-Default-Produkte sowie Double Default-Effekte zur Risikominderung herangezogen werden können. Ihre Anrechnung erfolgt jedoch auch unter der schon bisher verfolgten Beschränkung der Sicherungszusammenhänge auf die Micro-Hedge-Ebene. Diversifikationseffekte auf Portfolioebene werden grundsätzlich nicht berücksichtigt. Insgesamt ist davon auszugehen, „dass die restriktive bankaufsichtliche Anerkennung von Risikominderungstechniken mittels Garantien und Kreditderivaten den Markt für Kreditrisikotransfer behindert und somit die Diversifikation und die Risikotragfähigkeit des gesamten Bankensektors eher schwächt“.799 Daher erscheint eine Weiterentwicklung der Bankenaufsicht hin zur Anerkennung interner Kreditrisikomodelle wünschenswert. Die neuen Regelungen im Bereich der verbrieften Transaktionen und die Überarbeitung der Vorgaben zur Berücksichtigung von Nettingvereinbarungen und Garantien bzw. Kreditderiva798
799
Zu einer empirischen Umfrage bzgl. der Koppelung von internen Ratings an die Berechnung von Standardrisikokosten und an die Konditionengestaltung siehe Rathgeber/Willinsky (2002), S. 11 ff. und Rathgeber et al. (2005), S. 157 ff. Siehe auch Henke/Siwik (2005), S.291.
272
Aufsichtsrechtlicher Rahmen
ten führen zu einem internationalen Standard für diese Instrumente. Im Bereich der Verbriefungen ist anzumerken, dass im Vergleich zur derzeit gültigen Regelung deutlich sensitivere Methoden zur Messung der Risiken verwendet werden. Entsprechend der Kenntnis der zugrunde liegenden Positionen kann ein adäquates Verfahren implementiert werden, um auf diese Weise die vorhandenen Informationen in eine angemessene Eigenkapitalunterlegung zu überführen. Aufgrund der Marktdynamik stellt das neue Regelwerk eine Zeitpunktbetrachtung dar. Die Methoden des Financial Engineerings und sich daraus ergebende Weiterentwicklungen am Markt können auch künftig eine Anpassung des Akkords nötig werden lassen. Damit es zu einer detaillierten und umfassenden Abbildung aller aufsichtlich nötigen Informationen kommt, sind umfassende Investitionen in die IT-Systeme der Banken nötig. Das betrifft auf der einen Seite die Verfahren zur Erstellung der Meldungen als auch auf der anderen Seite die Programme zur Verwaltung und Bewertung von Krediten und Sicherheiten.800 Ergebnis dieser Investitionen ist zum einen die Anerkennung von Sicherheiten und Sicherungszusammenhängen, die bisher keine Berücksichtigung fanden. Zum anderen können die vorhandenen Daten dazu genutzt werden, um die Kreditrisiken angemessen zu steuern. Dies wird im Speziellen dadurch möglich, dass die im Rahmen von Basel II generierten Informationen und ermittelten Parameter, wie LGD, EAD und PD, als Grundlage für die Quantifizierung des Ausfallrisikos zur Anwendung kommen könnten. Des Weiteren ermöglicht die Berechnung dieser Parameter auch die Ermittlung von risikoadjustierten Preisen für Kredite und Kreditrisiken. Auf diese Weise trägt der neue aufsichtliche Standard dazu bei, dass der Begriff der Kreditrisiken zwischen den Banken und darüber hinaus einheitlich definiert wird. Ergänzt man die dann vorhandenen Daten um zusätzliche Informationen, wie beispielsweise die Korrelationen zwischen Schuldnern oder Branchen, kann daraus ein Kreditportfoliomodell eingeführt werden, das eine effektive Steuerung des Kreditportfolios zulässt. Eine weitere Bedingung für die effektive Steuerung des Kreditportfolios ist ein entsprechender Markt für den Handel und den Transfer dieser Risiken. Ein Ansatzpunkt bildet in diesem Zusammenhang das Konstrukt eines internen Marktes, auf das im folgenden Kapitel näher eingegangen wird.
800
Siehe Braun (2005), S. 264.
4.1. Interner Markt als Instrument des Bankcontrollings
273
4. Interner Markt In diesem Kapitel werden die Einsatz- und Gestaltungsmöglichkeiten eines internen Marktes für Kreditrisiken in Kreditinstituten als einem Instrument der dezentralen Steuerungsmechanismen aufgezeigt, um eine optimale Ressourcen- und Limitallokation abzuleiten. Es wird zunächst grundlegend auf den internen Markt als Instrument des Bankcontrollings eingegangen, bevor dann die Verwendung im Bereich der Kreditrisiken aufgezeigt und diskutiert wird. Die zentralen Fragestellungen dieses Kapitels lauten daher: x
Was versteht man unter einem internen Markt und wie ist er abzugrenzen?
x
Inwiefern erfüllt die S-BayernBasket I-Transaktion die Erfordernisse eines internen Marktes?
x
Welche Struktur hat ein interner Markt?
x
Wie kann man die Effizienz von Märkten beurteilen?
4.1. Interner Markt als Instrument des Bankcontrollings 4.1.1. Dezentrale Steuerungsmechanismen Die Dezentralität beschreibt die Tatsache, dass dezentrale Einheiten eines Unternehmens aufgrund arbeitsteiliger Aufgabenerfüllung ein erhöhter Grad an (Handlungs-) Autonomie bzw. Leitungsfreiheit, z.B. bezüglich der Kreditvergabeentscheidung, der (Kredit-) Portfoliozusammensetzung, zugestanden wird. In der Literatur dezentraler Unternehmensorganisation finden sich meist die Begriffe Business Reengineering,801 fraktale bzw. modulare Fabriken802 oder virtuelle Unternehmen803. Diesen Konzepten ist gemeinsam, dass ursprünglich zentrale Entscheidungskompetenzen auf andere Entscheidungsträger übertragen werden. Beim Begriff der Dezentralisation wird meist zwischen einer vertikalen und einer horizontalen Dimension unterschieden. Die vertikale Dezentralisation hat zum Ziel, die Entscheidungskompetenzen an eine der zentralen Stelle nachgeordnete Einheit zu übertragen. Dagegen beschreibt der Begriff der horizontalen Dezentralisation die Verteilung der Handlungsautonomie auf mehrere Einheiten der gleichen Hierarchiestufe. Für die Implementierung einer horizontalen Dezentralisation werden meist Profit-Center-Strukturen geschaffen, die nach unterschiedlichen Kriterien, wie z.B. Kunden, Produkte, Branchen, Regionen, gebildet werden.804 Der Fokus der horizontalen Dezentralisation beruht auf der Verteilung von Handlungskompetenzen auf mehrere 801
802
803
804
Unter Business Reengineering wird die Umorganisation von Unternehmen hinsichtlich der Neubesinnung auf Kunden- und Prozessorientierung verstanden. Siehe Maurer (1996); Lautenschlager et al. (1998), S. 3; Hammer/Champy (2004), S. 34 ff. Fraktale oder modulare Fabriken sind Konzepte zur Zerlegung komplexer Aufgaben in Industrieunternehmen in kleinere, einfachere, leichter zu überblickende und autonome Einheiten. Siehe Rödler/Rödler (1997), S. 18 f.; Härdler (2003), 491 f. Unter einem virtuellen Unternehmen wird in diesem Zusammenhang die Entwicklung zeitlich begrenzter Kooperationen in und zwischen Unternehmen verstanden. Siehe Härdler (2003), S. 491. Siehe Sandbiller (1998), S. 17.
274
Interner Markt
eigenständige Subjekte. Damit kann letztendlich die Komplexität reduziert und die Marktnähe erhöht werden.805 4.1.2. Idee des internen Marktes Bei internen Märkten handelt es sich um eine spezielle Form der horizontalen Dezentralisation. Dazu sind Konzepte erarbeitet worden, die Marktmechanismen innerhalb von Unternehmen vorstellen. Der Schwerpunkt wurde insbesondere auf die Internal Capital Markets gelegt, die sich mit der Allokation von Finanzmitteln innerhalb eines Unternehmens befassen und die Auswirkungen auf die Cashflows eines Unternehmens messen.806 Die Gemeinsamkeiten dieser Studien beziehen sich darauf, dass kein Marktmechanismus im eigentlichen Sinne verwendet wird, sondern die interne Umverteilung einer knappen Ressource mittels einer zentralen Instanz erfolgt. In den Arbeiten von Albers807 wurde ein tatsächlicher Marktmechanismus für einen internen Beteiligungsmarkt vorgestellt. Dabei erwerben Führungskräfte für einen gewissen Abschnitt im Produktlebenszyklus strategische Geschäftsfelder eines Unternehmens. Am Ende ihrer Amtszeit müssen sie diese möglichst gewinnbringend an das Unternehmen oder an andere Führungskräfte veräußern. In den Arbeiten von Buhl et al.808 wird ein interner Marktmechanismus zur Allokation von Eigenmitteln innerhalb einer Bank vorgestellt. Die knappe Ressource regulatorisches Eigenkapital wird dabei im Rahmen eines elektronischen Handels von Eigenkapitalnutzungsrechten verauktioniert und effizient allokiert. Die Arbeit von Dittmar809 zeigt neben der Allokation von Eigenmitteln auch die grundlegende Allokation von Ausfallrisiken auf dem internen Markt auf. Auf diese Weise können einerseits die Eigenmittel und andererseits die Ausfallrisiken effizient allokiert werden. Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wird unter einem internen Markt der Einsatz von Marktmechanismen mit dem Ziel der Allokation optimaler Rendite-/Risiko-Profile auf Ebene dezentraler Einheiten verstanden. Abbildung 53 verdeutlicht das Konzept des internen Handels von Eigenmitteln grafisch. Die dezentralen Einheiten besitzen einen festen Bestand an Kundengeschäften und ihr jeweiliges Portfolio weist eine bestimmte Rendite-/Risiko-Struktur auf. Die dezentralen Einheiten sind, unter den von der zentralen Organisation vorgegebenen Rahmenbedingungen, zuständig für die Kreditvergabe. Da sie über die nötigen relevanten Informationen verfügen, können sie
805 806 807 808
809
Vgl. Picot et al. (2003), S. 230 ff. Vgl. Klein (1999), S. 17 ff.; Dittmar (2001), S. 141 und die dort angegebene Literatur. Vgl. Albers (1996a); Albers (1996b). Siehe Klein (1996); Hinrichs/Klein (1996); Sandbiller (1996); Buhl/Sandbiller (1997); Hinrichs/Klein ( 1997); Klein (1998); Sandbiller (1998); Klein (1999). Siehe Dittmar (2001), S. 147 ff.
4.1. Interner Markt als Instrument des Bankcontrollings
275
autonom beispielsweise über die Kreditvergabe entscheiden, wobei es schließlich bei einem positiven Krediturteil im Rahmen des Kreditvergabeprozesses zu einem Kreditvertrag zwischen der jeweiligen dezentralen Einheit bzw. der Bank und dem Kreditnehmer kommt. Findet am internen Markt eine Allokation von Eigenkapital statt, kann die dezentrale Einheit nun das notwendige Eigenkapital zur Durchführung des Geschäfts von der Zentrale erwerben und die aus dem Geschäft resultierenden Risiken unterlegen. Die Zentrale ihrerseits verkauft die knappe Ressource Eigenkapital an die dezentralen Einheiten und nimmt diese gegebenenfalls am externen Markt auf. Kontrahent
Kontrahent
Geschäfte
Geschäfte Informationen
Dezentrale Einheit 1
Globale Steuerung, Entlohnungssystem
Handel
Dezentrale Einheit 2
Interner Markt für Eigenmittel
Globale Steuerung, Entlohnungssystem
Handel
Zentrale / Zentrale Organisation
Handel
Kapitalkosten
Handel
Externer Markt
Abb. 53: Struktur eines internen Marktes für Eigenmittel innerhalb einer Bank
Über den internen Markt für Risikopositionen ist es den dezentralen Einheiten möglich, eingegangene Risiken am internen Markt wieder abzugeben oder andere Positionen, die ihr auf Kundenseite nur schwer zugänglich sind, zu erwerben. Damit können über den internen Risikotransfermarkt ungewollte Risiken verkauft und gewollte Risiken erworben werden. Beide Varianten sollten dazu dienen, das jeweilige Portfolio unter Diversifikationsgesichtspunkten zu optimieren und die jeweiligen Limite effizient zu nutzen. Schließlich sollen durch den Zugang zum externen Markt entsprechende Arbitrageprozesse stattfinden, die die Fairness der Preise am internen Markt gewährleisten. Die zentrale Organisation übernimmt neben der Organisation des internen Marktes eine Überwachungsfunktion. Sie hat mittels eines entsprechenden Entlohnungssystems dafür zu
276
Interner Markt
sorgen, dass durch die dezentralen Entscheidungsprozesse die Zielvorgaben der Eigenkapitalgeber des externen Marktes erreicht werden. 4.1.3. Einsatzmöglichkeiten interner Märkte in einem Kreditinstitut Bei dieser Betrachtungsweise wird angenommen, dass die dezentralen Einheiten zu einer rechtlich selbständigen Bank gehören. Das Konstrukt der internen Märkte kann dabei zur Allokation knapper Ressourcen herangezogen werden, wobei deren Einsatz in vielen Bereichen möglich ist. Die Abbildung 54 enthält beispielhaft einige Anwendungsbereiche für gehandelte Ressourcen sowie die daraus resultierenden denkbaren Handelsobjekte.810 Anwendungsbereich: Allokation von
Ressourcen
Handelsobjekte, z.B.
Eigenmittel
Risikodeckungsmasse
Eigenmittelanteile
Risiko
Risikolimite für x Marktrisiken x Adressausfallrisiken x Operationale Risiken
Aktien, Anleihen, Derivate, ABS, Sicherheiten
Transaktionskosten der Abwicklung „Produktionsfaktoren“
Gebühren
Aktien, Anleihen
x x x x x x
Nutzungsrechte
Geschäftspotenzial
x Lizenzen/Rechte x Schulungen x Kundenbeziehungen …
…
Budget Raumkapazität Rechnerkapazität Humankapazität Liquidität Information
Nutzungsrechte
…
Abb. 54: Einsatzmöglichkeiten für interne Märkte
Ein Anwendungsbereich interner Märkte ist die Allokation von Eigenmitteln, die für die Unterlegung von Risiken herangezogen werden können und betrifft daher die Ressource Risikodeckungsmasse. Für jedes durchzuführende Geschäft ist deshalb aus Funktionsschutz- und Gläubigerschutzgründen ökonomisch und regulatorisch Eigenkapital vorzuhalten.811 Da die Eigenmittel meist kurzfristig durch Aufnahme neuen Kapitals nicht erhöht werden können, werden sie als knappes Gut betrachtet, „das auf die unterschiedlichen Ressourcen wertmaximierend verteilt werden muss“.812 In der Praxis werden die Eigenmittel meist hierarchisch 810 811
812
in Anlehnung an Dittmar (2001), S. 144 Zur Definition und Quantifizierung des ökonomischen bzw. aufsichtlichen Kapitals siehe Kapitel 1.6 bzw. 2.7 Siehe Dittmar (2001), S. 144.
4.1. Interner Markt als Instrument des Bankcontrollings
277
verteilt. Durch den Einsatz eines internen Handels von Eigenmittelanteilen kann der Marktmechanismus zu einer effizienteren Verteilung des Eigenkapitals führen. Die dezentralen Einheiten können zu diesem Zweck zusätzliches Risikokapital am internen Markt erwerben, falls sie eine wertgenerierende Anlage ausgemacht haben, die sie ohne weiteres Risikokapital nicht durchführen könnten. Andere dezentrale Einheiten, die nicht benötigte Risikodeckungsmasse besitzen und dafür keine Geschäftsmöglichkeit zur Steigerung des Shareholder-Values haben, werden ihr Risikokapital am internen Markt anbieten. Dadurch wird ein Handel am internen Markt zustande kommen, so dass letztendlich das Risikokapital seiner effizientesten Verwendung zugeführt wird. Der Preis, der für eine Einheit Risikokapital bezahlt werden muss, dient somit als Maß für die Knappheit der Ressource „verfügbares Risikokapital“. Aus dem Preis für abgeschlossene Transaktionen kann zudem ein Indikator für die Allokationseffizienz des Risikokapitals gewonnen werden. Letztendlich dienen die bezahlten Preise am internen Markt aber auch als Steuerungssignal, ob und in welcher Höhe Risikokapital am externen Markt erworben oder an die Eigenkapitalgeber zurückbezahlt werden muss.813 Eine zusätzliche Anwendungsmöglichkeit von internen Märkten ist der Handel von Risiko bzw. der Handel mit Risikolimiten, die auf der knappen Ressource ökonomisches bzw. regulatorisches Risikokapital basieren. Dabei können die Limite für Marktpreis-, Kreditausfalloder operationale Risiken intern handelbar gemacht werden. Grundsätzlich ist diese Vorgehensweise identisch mit der Allokation von Eigenmitteln, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Risikolimite aus den verfügbaren Eigenmitteln resultieren. Wird das Risikokapital hingegen hierarchisch für bestimmte Branchen und Regionen (erstmalig) vorgegeben, kann der interne Markt die Allokation der Risikolimite effizienter gestalten. Im Bereich der Ausfallrisiken, die vielfach aus Buchkrediten resultieren, die durch Illiquidität und Intransparenz gekennzeichnet sind, können zudem Such- und Informationskosten reduziert werden. Durch das Konstrukt eines internen Handels werden diese Transaktionskosten, die auf einer Vielzahl unterschiedlicher Vertragsausgestaltungen basieren, abgebaut oder gänzlich vermieden. Schließlich kann der interne Markt unter gewissen Umständen dazu beitragen, die Informationsasymmetrien zwischen Kreditrisikokäufer und -verkäufer zu reduzieren. Eine mögliche Ausgestaltungsform für den Handel von Kreditrisiken am internen Markt wird in Abschnitt 4.3.1. eingehender erläutert. Der Nutzen des internen Marktes liegt in diesem Falle darin begründet, dass über eine effiziente Allokation von Risikolimiten bzw. Risikokapital den teilnehmenden dezentralen Einheiten die Möglichkeit gegeben wird, ihr Kreditrisikoportfolio zu optimieren und damit ein effizientes Rendite/Risikoverhältnis der Händlerportfolien zu erzielen.
813
Zu einer detaillierten Beschreibung und Erläuterung des internen Marktes zur Allokation von Risikokapital siehe Sandbiller (1998), S. 211 ff. und Dittmar (2001), S. 147 ff.
278
Interner Markt
Darüber hinaus lassen sich über den internen Markt die Transaktionskosten im Abwicklungsprozess bei börsengehandelten Produkten dann reduzieren, wenn simultan gegenläufige Aufträge für das gleiche Wertpapier innerhalb einer Bank auftreten. Dadurch ist es möglich, Kundenaufträge und/oder Eigenhandelsaufträge bezüglich des gleichen Wertpapiers intern abzuwickeln, so dass auf diese Weise die Transaktionskosten in Form von Gebühren eingespart werden können.814 Die Implementierung kann dabei analog der vorgestellten Systematik bei den Kreditrisiken in Abschnitt 4.3.1. erfolgen.815 Ein weiteres Anwendungsgebiet interner Märkte besteht in der Allokation knapper „Produktionsfaktoren“ im bankbetrieblichen Leistungserstellungsprozess. Hier lassen sich beispielsweise Projektbudgets verauktionieren, so dass die dezentralen Einheiten die Projekte durchführen werden, die den höchsten Nutzen für die Bank erwirtschaften. Ein ähnliches Vorgehen ist z.B. bei Budgets für IT-Systeme denkbar. Weitere wichtige Elemente gerade zur Durchführung von Projekten stellen die Raum-, Human- und Rechnerkapazitäten dar. Der interne Markt stellt hierbei sicher, dass die adäquaten Personalqualifikationen, räumliche Ausstattungen sowie die dazu nötigen CPURechnerkapazitäten effizient vorliegen und ersteigert werden können. Damit fließen diese Produktionsfaktoren in Projekte, die wertmaximierenden Nutzen für die Bank erbringen. Die daraus abzuleitenden Handelsobjekte sind vor allem Nutzungsrechte knapper, dynamisch einsetzbarer Personal-, Raum- und Rechnerkapazitäten. Des Weiteren kann die Liquidität, die für die Geschäfte des Kreditinstituts bereitgehalten werden muss, durch einen internen Markt, z.B. mittels Liquiditätsderivaten optimal allokiert werden.816 Nicht zuletzt eignet sich auch die Ressource Information über den Einsatz von Nutzungsrechten als Handelsobjekt. Abschließend sei an dieser Stelle der Anwendungsbereich des Geschäftspotenzials genannt. Darunter lassen sich die Ressourcen subsumieren, die die Durchführung künftigen Geschäfts erlauben. Über den Handel von Nutzungsrechten lassen sich so beispielsweise Lizenzen, sonstige Rechte, Schulungen der Mitarbeiter oder aber auch Kundenbeziehungen verauktionieren. 4.1.4. Einsatzmöglichkeiten interner Märkte in und zwischen Kreditinstituten Im vorangegangenen Abschnitt wurden die Anwendungsbereiche vorgestellt, bei denen interne Märkte innerhalb eines rechtlich selbständigen Kreditinstituts zum Einsatz kommen können.
814 815 816
Zur Analyse der Transaktionskosten im XETRA-System siehe Kampovsky (2000), S. 96 ff. Siehe hierzu auch Dittmar/Horstmann(1998), S. 4 ff. Siehe auch Dittmar (2001), S. 146 f.
4.2. S-BayernBasket I-Transaktion
279
Falls es sich bei den dezentralen Einheiten selbst um rechtlich selbständige Gebilde, wie Tochterunternehmen oder sogar einzelne Banken eines Bankenverbunds, handelt, ist darauf hinzuweisen, dass einige Anwendungsbereiche ausgeschlossen sind. Dies gilt im Besonderen für institutsspezifische Ressourcen, wie z.B. Budget, Schulungen und Fortbildungsmaßnahmen, institutsgebundene Lizenzen und sonstige spezifische Rechte, Risikolimite oder Risikodeckungsmasse. Handelt es sich um Bereiche, auf die alle Beteiligten Zugriff haben könnten, kann ein so genannter semiinterner Handel etabliert werden. Das heißt, stehen Räumlichkeiten (zentraler Sitzungsraum, Festhalle, etc.) oder CPU-Kapazitäten (Rechnerfarm, gemeinsames Rechenzentrum, etc.) für mehrere selbständige Gebilde zur Verfügung, ist ein interner Handel zwischen diesen zulässig und möglich. Darüber hinaus gibt es weitere Bereiche, bei denen ein Handel zwischen rechtlich selbständigen Einheiten unter gewissen Bedingungen möglich und sinnvoll erscheint. Hier sei zunächst die Reduktion der Transaktionskosten bei der Abwicklung von Börsengeschäften angesprochen. Falls sich verschiedene rechtlich selbständige Banken bei der Abwicklung von Kundenaufträgen und Eigenhandelsgeschäften zusammenschließen, können Transaktionskosten eingespart werden. Dies ist dann der Fall, wenn gegenläufige Kauf- und Verkaufsaufträge am semiinternen Markt aufeinander treffen und nicht über einen externen Marktplatz abgewickelt werden. Ebenso ist der Handel von Liquidität zwischen Banken möglich und üblich. Bereits heute wird am Interbankengeldmarkt die kurzfristige Finanzierung der Banken vorgenommen. Dies stellt bereits eine etablierte Form des quasi semiinternen Marktes dar. Darüber hinaus ist es möglich, dass sich verschiedene Banken durch einen semiinternen Markt für Kreditrisiken zusammenschließen, um so ihre Portfolien hinsichtlich Diversifikation und Klumpenrisiken zu optimieren. Die Darstellung eines internen Marktes für Kreditrisiken soll im Weiteren eingehender behandelt und erläutert werden. Dazu wird im nächsten Abschnitt zunächst das Praxisbeispiel der S-BayernBasket I-Transaktion vorgestellt. 4.2. S-BayernBasket I-Transaktion 4.2.1. Grundgedanke Der Sparkassensektor ist, wie viele andere Banken, durch die steigende Zahl von Insolvenzen und Not leidenden Krediten gezwungen, erhöhte Wertberichtigungen zu bilden. Daher werden diese Banken gezwungen, neue Möglichkeiten zu finden, wie sie die Kreditrisiken verringern können, um so ihr Portfolio flexibler zu gestalten. Aufgrund des geltenden Regionalitätsprinzips im Sparkassensektor817 ist die Möglichkeit einer Diversifizierung über eine Geschäftsausweitung im Kreditbereich weitgehend ausge817
Zum Regionalprinzip der Sparkassen siehe das jeweilige bundeslandspezifische Sparkassenrecht. Vgl. beispielsweise § 2 Sparkassengesetz Bayern; § 6 Abs. 1 i.V.m. §§ 2 Abs. 2, 4 Abs. 4 Sparkassengesetz Baden-Württemberg.
280
Interner Markt
schlossen. Die Kreditvergabe der Sparkassen ist zudem sehr häufig auf den regionalen Mittelstand konzentriert, weshalb der Handel der Kreditrisiken am Kreditmarkt aufgrund des fehlenden Ratings und der sich daraus ergebenden Informationsasymmetrien mit hohen Abschlägen verbunden ist. Die regionalen Schuldner sind dadurch gekennzeichnet, dass sie meist nur eine lokale Bekanntheit aufweisen, potenziell vorhandene Aktien oder Anleihen dieser Unternehmen häufig nicht öffentlich gehandelt werden und öffentliche Bonitätseinstufungen nur selten verfügbar sind. Somit ist die Anzahl der möglichen Sicherungsgeber sehr eingeschränkt.818 Es stellt sich damit vorwiegend die Problematik, dass Sicherungsgeber gefunden werden müssen, die hinsichtlich der Einschätzung der Kreditnehmer ein einheitliches Verständnis haben. Da die Möglichkeit, jedes einzelne Portfolio separat zu optimieren aufgrund der dargestellten Probleme nicht durchführbar ist, wurde versucht, institutsübergreifend eine Lösung zu erzielen. Dabei ist der Grundgedanke der, dass sich die Konzentration, die auf Einzelinstitutsebene vorliegt, bei einer Mischung der einzelnen Portfolien reduziert und so ein wertvoller Beitrag zur Diversifikation jedes einzelnen Kreditportfolios geleistet werden kann. Das Ziel der S-BayernBasket I-Transaktion ist es deshalb, die Klumpenrisiken der einzelnen teilnehmenden Sparkassen zu reduzieren, die Qualität und die Flexibilität der einzelnen Portfolien zu verbessern, ohne jedoch die Beziehung zwischen den Schuldnern und den ursprünglich Kredit gebenden Sparkassen zu tangieren.819 4.2.2. Struktur Als Grundlage für die Transaktion dient das einheitliche DSGV-Rating für Firmenkunden.820 Durch die Verwendung einer einheitlichen Bonitätseinstufungssystematik wird gewährleistet, dass den teilnehmenden Banken diese Methodik bekannt ist und sie daher auf das daraus resultierende Urteil vertrauen können.821 Die notwendige Transparenz und Vergleichbarkeit der einzelnen Kreditengagements werden damit hergestellt und die Grundlage für eine fundierte Einschätzung des Kreditrisikos geschaffen. Darüber hinaus dient eine risikoadjustierte Bepreisung auf Basis des DSGV-Ratings dazu, die Rendite-/Risikorelation eines jeden Engagements messbar zu machen. Um das Kreditrisiko auf (Sparkassen-) Portfolioebene quantifizieren zu können, wird das Kreditportfoliomodell Credit Portfolio View eingesetzt. Die grundlegende Struktur der S-BayernBasket I-Transaktion wird in Abbildung 55 aufgezeigt.822 818 819
820
821 822
Siehe Deglmann (2005), S. 269. Die Einsparung regulatorischen Eigenkapitals oder der Liquiditätseffekt wurden bei der Ausgestaltung dieser Transaktion nicht verfolgt. Zum einheitlichen DSGV-Rating siehe Pointl (2003); Steinmeyer (2005), S. 289 f. und zum Ratingverfahren innerhalb von Sparkassen siehe Rehnert (1999). Siehe hier und im Folgenden Degelmann (2005), S. 271 ff. angelehnt an Deglmann (2005), S. 271
4.2. S-BayernBasket I-Transaktion
281
Administrator/Arrangeur Schiedsstelle
Sparkasse 1
CDS
Sparkasse 2
CDS
CLN
Sparkasse 2
Sparkasse 3
CDS
CLN
Sparkasse 3
CDS
SPV
Sparkasse 4
CLN
CLN
Sparkasse 1
Sparkasse 4
Kreditausschuss Sparkasse n
CDS
CLN
Sparkasse n
Abb. 55: Grundstruktur der S-BayernBasket I-Transaktion
Die dargestellte Struktur der S-BayernBasket I-Transaktion ist eine Poolinglösung, bei der die teilnehmenden Sparkassen sowohl als Sicherungsnehmer als auch als Sicherungsgeber auftreten. Dadurch sind der Abbau von Klumpenrisiken, die wirtschaftliche Absicherung und die Diversifikation des Kreditportfolios einer Sparkasse möglich. Der Ablauf der Transaktion beginnt zunächst mit dem Abschluss einzelner Credit Default Swaps auf einzelne Adressen zwischen einer Sparkasse und dem SPV, wobei das SPV als Sicherungsgeber auftritt.823 Als Defaultereignisse wurden in diesem Falle die Insolvenz und die Ablehnung der Insolvenz mangels Masse festgelegt. Die CDS haben stets eine digitale Ausprägung, d.h. sie zahlen im Defaultfall einen bestimmten vordefinierten Betrag.824 Das SPV hat die Kreditrisiken nun bei sich gebündelt und erhält dafür von den Sicherungsnehmern eine vierteljährliche Prämienzahlung. Als Grundlage für die Berechnung der Prämie dient das einheitliche DSGV-Rating des jeweiligen Kreditengagements. Das SPV emittiert seinerseits eine Credit Linked Note an die Sparkassen, die nun das gemischte Ausfallrisiko des Kreditpools beinhaltet.825 Damit wird das gemischte Kreditrisiko an die Sparkassen zurücktransferiert. Als Defaultereignisse gelten bei den CLN, ebenso wie bei den CDS, die Insolvenz bzw. deren Einstellung mangels Masse. Die Zinszahlungen, die mit 823 824
825
Zum Credit Default Swap allgemein siehe Abschnitt 2.4.2.2.2. Recovery-Zahlungen werden in diesem Konstrukt nicht berücksichtigt. Dies liegt vor allem daran, dass die Schuldner keine Anleihen emittiert haben, aus der die Erlösquote zeitnah abzulesen wäre und die Recovery Rate so unter Umständen erst nach Abschluss des Insolvenzverfahrens feststehen würde. Dies ist ein zeitaufwendiger Vorgang, der sich oft über Jahre hinzieht. Zur Credit Default Linked Note allgemein siehe Abschnitt 2.4.2.3.1.
282
Interner Markt
der CLN verbunden sind, belaufen sich auf einen 3-monatigen variablen Zinssatz, so dass das mit der CLN verbundene Zinsänderungsrisiko weitgehend ausgeschlossen wird. Durch die Ausgestaltung der CLN-Anteilsscheine als Inhaberschuldverschreibungen826 wird den Sparkassen die Möglichkeit gegeben, diese bei Bedarf zu handeln. Über den Originator können täglich indikative Preise bezogen werden. Die Erlöse aus der Emission der CLN, die dem SPV zufließen, werden an die teilnehmenden Sparkassen verpfändet und dienen diesen zur Unterlegung der CDS und damit schließlich zur Absicherung des Kreditrisikos.827 Die verpfändeten Mittel werden wiederum variabel verzinst und dienen dem SPV als Basisverzinsung für die Zinszahlungen der CLN. Im Falle eines eintretenden Defaults hat die betroffene Sparkasse das Ereignis nachzuweisen und unverzüglich dem Administrator zu melden. Dieser prüft die Richtigkeit der Angaben. Die betroffene Sparkasse erhält dann die Zahlung aus dem betroffenen CDS vom SPV. Diese Ausgleichszahlung reduziert den Nominalbetrag der CLN um den Entschädigungsbetrag. Letztendlich läuft die CLN bis zu einer vorher definierten Fälligkeit mit dem reduzierten Nominalbetrag weiter und der verbleibende Nominalbetrag wird dann an die Inhaber der Inhaberschuldverschreibungen zurückbezahlt. 4.2.3. Zentrale Teilnehmer und deren Aufgaben Zunächst sind die von den Sparkassen zu transferierenden Kreditrisiken zu definieren. Die damit zusammenhängenden relevanten Informationen, z.B. DSGV-Rating, Kreditvorlage, Jahresabschluss und EBIL-Auswertungen,828 sind an einen so genannten Kreditausschuss weiterzuleiten, wobei die Identität des Kreditnehmers gewahrt bleibt. Der Kreditausschuss soll dadurch umfassende Informationen über das jeweilige Kreditengagement erhalten. Das Ziel dieser Vorgehensweise ist vor allem die Reduktion der Anreizprobleme aus der adversen Selektion. Die risikoverkaufende Bank bestätigt gegenüber dem Kreditausschuss die Richtigkeit der übermittelten Daten und, dass sie keine zusätzlichen Informationen zurückbehalten hat, die zu einer Bonitätsverschlechterung führen könnten. Darüber hinaus wird die Höhe des abzusichernden Betrages festgelegt. Dies geschieht durch Reduktion der Kredithöhe um etwaige Sicherheiten. Der verbleibende Betrag kann maximal zur Hälfte abgesichert werden. Diese Maßnahme dient dazu, dass die kreditrisikoveräußernde Sparkasse selbst die Hälfte des Blankoanteils im Defaultfall als Eigenbeteiligung übernimmt. Durch diesen Selbstbehalt soll verhindert werden, dass Anreizprobleme aus Moral Hazard schlagend werden und der Kreditrisikoverkäufer seine Anstrengungen bei der Kreditüberwachung verringert. Die einzelnen Spar-
826
827 828
Die handelbare, variabel verzinsliche Inhaberschuldverschreibung hat die Wertpapierkennnummer A0BBNO. Der erhaltene Cashbetrag ist identisch mit dem Betrag, der durch die CDS abgesichert wurde. Unter EBIL wird in der Sparkassenorganisation die Einzelbilanzanalyse verstanden. Sie ist im Wesentlichen ein Tool zur quantitativen Jahresabschlussanalyse.
4.2. S-BayernBasket I-Transaktion
283
kassen haben darüber hinaus Ad hoc- und regelmäßige Berichtspflichten wahrzunehmen. Zu den regelmäßigen Berichtspflichten gehört die Abgabe einer jährlichen Meldung über die Entwicklung der eingebrachten Adressen. Dagegen beinhaltet eine Ad hoc-Meldung, dass verschiedene, bewertungsrelevante Informationen, z.B. die Änderung der Bonität einer Adresse, unverzüglich an den Administrator zu melden sind. Werden die Informationspflichten verletzt, kann dies zu Strafzahlungen bis hin zum Verlust der kompletten Sicherungswirkung führen. Nicht zuletzt werden die Sparkassen in diesem Konstrukt verpflichtet, die CLN in der Höhe zu übernehmen, in der sie CDS abgeschlossen haben. Der Kreditausschuss, der sich mit der Aufnahme von Kreditengagements befasst, setzt sich aus Vertretern der einzelnen teilnehmenden Sparkassen, dem Arrangeur, dem Administrator und den Vertretern der Prüfungsstelle des Sparkassenverbandes zusammen. Die Mitglieder der Sparkassen entscheiden per Mehrheitsbeschluss über den Abschluss eines neuen CDS. Die Sparkasse, deren Kreditengagements zur Entscheidung über die Aufnahme in den Pool anstehen, ist nicht stimmberechtigt. Der Administrator ist die zentrale Stelle zur Verwaltung der Transaktion. Er erhält Informationen über sich verändernde Bonitätseinstufungen einzelner, in den Pool eingeschlossener Kontrahenten und leitet diese an die anderen teilnehmenden Sparkassen weiter. Außerdem ist er für die Zusammenstellung des Kreditpools verantwortlich. Dies betrifft insbesondere die Einhaltung eines gewissen, vorher bestimmten Diversifikationsgrades. Stellt der Administrator fest, dass ein Klumpenrisiko besteht, kann er im Kreditausschuss sein Veto geltend machen und die jeweilige Adresse streichen oder das eingebrachte Volumen reduzieren. Der Arrangeur ist der Initiator der kompletten Transaktion. Er übernimmt die Auswahl der beteiligten Sparkassen und legt weitere Rahmenbedingungen, wie z.B. das Volumen der Gesamttransaktion und deren Fälligkeit fest. In der vorgestellten Transaktion sind der Arrangeur und der Administrator identisch (Bayerische Landesbank). Die Schiedsstelle setzt sich aus Vertretern des Kreditausschusses zusammen und tagt nach dem Vorliegen eines Kreditereignisses. Ihr kommt die Überwachung der von einem Kreditereignis betroffenen Sparkasse zu. Deshalb hat sie zu untersuchen, ob diese sich regelkonform verhalten hat und ihren Pflichten aus dem Poolingvertrag nachgekommen ist. Die betroffene Sparkasse ist dabei wiederum stimmrechtslos. Wurde von den Ausschussmitgliedern ein Fehlverhalten der betroffenen Sparkasse festgestellt, können diese bestimmen, dass der Auszahlungsbetrag aus dem CDS verringert wird und die betroffene Sparkasse einen Teil der Sicherungsleistung an das SPV zurückbezahlen muss. Im Extremfall entfällt die komplette Höhe der Sicherungswirkung. Das SPV hat in dieser Konstruktion hauptsächlich die Aufgabe, die jeweiligen Kontrakte mit den Sparkassen abzuschließen und die Zahlungen daraus weiterzuleiten.
284
Interner Markt
4.2.4. Schlussfolgerungen aus der S-BayernBasket I-Transaktion Die S-BayernBasket I-Transaktion hat hinsichtlich der wirtschaftlichen Funktionsweise aufgezeigt, dass ein interner Kreditrisikomarkt in Banken bzw. in einem Bankenverbund möglich ist. Insbesondere die Reduktion von Klumpenrisiken und die positiven Diversifikationseffekte weisen darauf hin, dass dieser Weg gangbar ist. Die Konsequenzen sind hauptsächlich in einer Reduzierung des ökonomischen Risikos zu sehen, so dass die Konzentrationen bezüglich bestimmter Schuldner, Branchen und Regionen deutlich reduziert werden können und damit das Rendite-/Risikoverhältnis positiv tangiert ist. Des Weiteren ist ökonomisches Eigenkapital freigesetzt worden, das zugunsten anderer Bereiche, wie z.B. Marktpreisrisiken, umverteilt oder für Neugeschäft im Kreditbereich und anderen Bereichen eingesetzt werden kann. Die Anzahl der teilnehmenden Sparkassen war bei diesem Kontrakt relativ gering. Ein zusätzlicher Erfolg hinsichtlich einer Diversifikation des Portfolios wäre dahingehend wünschenswert, dass sich weitere Sparkassen anschließen und dass die teilnehmenden Institute auch über die Landesgrenzen hinweg, also bundesweit, agieren. Bezüglich des bislang geltenden Grundsatz I war diese Transaktion für die teilnehmenden Banken neutral, wenn man davon ausgeht, dass lediglich Kredite an Unternehmen in den Pool übernommen wurden. Die Wirkungsweise des Konstrukts bei unterstellter Gültigkeit der Regelungen aus dem neuen Eigenkapitalakkord wurde nicht untersucht. Jedoch ist davon auszugehen, dass die positiven Auswirkungen auf die Granularität und die Durchführung von internen Ratings im fortgeschrittenen Ansatz zu einer Entlastung des regulatorischen Eigenkapitals führen könnten. Aus Sicht des internen Marktes ist das Kreditrisiko bei dieser Transaktion nur teilweise handelbar gemacht worden. Es besteht zwar einerseits ein gewisser Verteilungs- und Sozialisationseffekt hinsichtlich der zu tragenden Risiken, andererseits entspricht dies nicht gänzlich den Kriterien eines internen Marktes. Insbesondere das Kriterium der Wiederveräußerbarkeit einer eingegangenen Position liegt nur eingeschränkt vor. Dies würde einen Spezialfall darstellen, der in den Kontraktbedingungen zur Ausgestaltung der CLN als Inhaberschuldverschreibungen zwar vorgesehen ist, jedoch in der Praxis (noch) nicht zum Tragen gekommen ist. Dies liegt zum einen daran, dass diese Transaktion als Pilotprojekt durchgeführt wurde, um Erfahrungen im Umgang mit der Veräußerung von Kreditrisiken zu sammeln.829 Zum anderen existiert noch kein Markt für diese Form von Kreditrisiken, weswegen ein standardisierter Handel ausgeschlossen ist. Durch den Handel über ein Handelssystem, das jederzeit zur Verfügung steht und möglicherweise über eine ausreichende Liquidität verfügt, könnten die Portfolien jederzeit aktiv bewirtschaftet und den sich ändernden Bedingungen angepasst werden. Hinzu kommt, dass die Transaktion einmalig durchgeführt wurde. Dies bedeutet, dass Klumpenrisiken, die erst nach dem Zustandekommen der Transaktion entstehen, nicht flexibel gesteuert 829
Siehe Deglmann (2005), S. 277.
4.2. S-BayernBasket I-Transaktion
285
werden können. In diesem Falle wird ein einzelnes Institut darauf angewiesen sein, dass andere Sparkassen ebenfalls durch solche Sachverhalte angehalten sind, eine erneute Transaktion durchzuführen. Eine aktive und zeitnahe Kreditportfoliosteuerung ist damit nur eingeschränkt möglich. Aus wirtschaftlicher Sicht ist zudem problematisch, dass die gesamte Transaktion eine einheitliche Fälligkeit besitzt. Kreditverträge, die eine längere Laufzeit aufweisen, können daher nur teilweise abgesichert werden. Aufgrund dieses Aspektes wäre es sinnvoll, anstatt einer einmaligen Transaktion, einen fortwährenden Handel einzusetzen, der die Kreditrisiken entsprechend ihrer Vertragsdetails adäquat und vollständig reduziert bzw. besichert. Hinsichtlich der möglichen auftretenden Anreizprobleme wurden einige wichtige Mechanismen zu deren Reduktion eingeführt. Beispielsweise sei hier die Errichtung eines Kontrollausschusses angesprochen, bei dem alle beteiligten Sparkassen über die Aufnahme eines zusätzlichen Engagements in den Pool beraten können. Darüber hinaus trägt die Einschaltung einer Schiedsstelle im Defaultfall dazu bei, die Transparenz und die Akzeptanz dieses Konstrukts zu fördern. Problematisch erscheint dagegen das Abstimmungsverfahren, falls eine größere Anzahl von teilnehmenden Instituten vorliegt. In diesem Fall wäre der Aufwand für die einzelnen Institute erheblich, denn jedes potenziell in den Pool zu übernehmende Kreditengagement ist zu begutachten. Eine denkbare Lösung wäre es hier, die Prüfung der neu aufzunehmenden Kredite an eine unabhängige, von allen anerkannte Stelle auszulagern. Diese könnte sich speziell auf diese Aufgabe konzentrieren und würde somit den Prozess bei den beteiligten Sparkassen vereinfachen und beschleunigen. Die Beschränkung der Besicherungswirkung auf die Hälfte des Blankoanteils jedes Kreditengagements ist für den Abbau von Anreizproblemen grundsätzlich geeignet. Problematisch erscheint dagegen, dass der vollständige Absicherungswunsch eines Instituts nicht berücksichtigt werden kann. Sollte diese Fragestellung auftreten, sind geeignete Prozesse innerhalb der Institute zu implementieren, die eine vollständige Abtretung ermöglichen. Beispielsweise könnte über die glaubhafte Errichtung von Chinese Walls830 zwischen Kreditbetreuer und Kreditsteuerung in den beteiligten Banken und deren Überprüfung durch eine unabhängige Instanz ein Mechanismus geschaffen werden, der eine vollständige Veräußerung des Kreditrisikos ermöglichen würde. Insgesamt gesehen stellt die S-BayernBasket I-Transaktion einen ersten Schritt hin zu einem semiinternen Handel innerhalb eines Bankenverbunds dar, der je nach Bedürfnis der teilnehmenden Banken ausgeweitet werden kann. Damit die Kreditrisiken vollends handelbar gemacht werden können, bedarf es jedoch einer Marktstruktur, die im Folgenden erläutert wird.
830
Zur Reduktion von Anreizproblemen mittels Chinese Walls siehe Abschnitt 2.3.3.1.
286
Interner Markt
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken 4.3.1. Grundsätzliche Idee Wie in Abschnitt 2.3.2. erörtert, zeichnet sich der Kreditrisikohandel durch Informationsasymmetrien zwischen Kreditrisikokäufern und -verkäufern aus. Darüber hinaus ist im Rahmen des rechtlichen Gebildes Bank eine weitere Informationsasymmetrie zwischen der Zentrale und den dezentralen, Kredit gewährenden Einheiten vorhanden. Diese Asymmetrie zeichnet sich dadurch aus, dass die dezentral angesiedelten Kreditbetreuer die Qualität und die Kreditwürdigkeit ihrer Kunden zum Zeitpunkt der Kreditvergabe und während der Kreditlaufzeit vor Ort besser beurteilen können als die zentrale Einheit. Im Rahmen der Kreditvergabe wird dies besonders offensichtlich. Die Verfahren der Jahresabschlussanalyse831 sind meist von der zentralen Einheit vorgegeben, wobei die dezentralen Einheiten diese durchführen. Dadurch sind die quantitativen Faktoren objektiv nachvollziehbar. Die qualitativen Faktoren,832 wie z.B. die Beurteilung des Managements und der Nachfolgeregelung, die Qualität der Mitarbeiter, die regionalen Besonderheiten, die Auftragslage und unter Umständen auch die Branchenspezifika, kann die dezentrale Einheit besser beurteilen als die zentrale Instanz. Während die auf Vergangenheitsdaten beruhende Jahresabschlussanalyse eingeschränkte Aussagen über die Entwicklung des Kreditnehmers im Zeitablauf machen kann, können qualitative Faktoren die künftige Geschäftsentwicklung besser prognostizieren. Diese Einschätzungen sind generell für die Ableitung des Krediturteils immanent wichtig. Während große Unternehmen meist direkten Kontakt zur zentralen Einheit haben, werden speziell die kleinen und mittleren Unternehmen, die das Massengeschäft im Firmenkundenbereich darstellen, von den dezentralen Einheiten betreut. Das Wissen der dezentralen Kundenbetreuer bei der Kreditvergabe wird darüber hinaus dahingehend verstärkt, dass sie das weitere Geschäftspotenzial der Kunden besser abschätzen und somit Potenzial für Cross Selling-Effekte besser beurteilen können.833 Beispielsweise kann eine aktuell anstehende Kreditvergabe für Betriebsmittel für sich betrachtet wenig rentabel erscheinen. Besteht jedoch anschließend die Chance auf weitere Aufträge, wie z.B. dieVergabe eines hochprofitablen Investitionskredits, kann dies unter Renditegesichtspunkte durchaus lohnend sein. Nicht zuletzt verfügen die dezentralen Einheiten aufgrund der großen Marktnähe über eine höhere Entscheidungsflexibilität, wodurch das Krediturteil schneller abgeleitet werden kann. Die genannten Vorteile der Entscheidungsfindung im Kreditvergabebereich bei den dezentralen Einheiten einer Bank lassen jedoch außer Acht, dass ein völlig eigenständiges Handeln der dezentralen Einheiten unter Umständen zu negativen Konsequenzen führen kann. Gerade durch die regionale Ausrichtung und dadurch meist auch durch die Konzentration auf wenige 831 832 833
Zu den Verfahren der Jahresabschlussanalyse siehe Abschnitt 2.2.2.3. Zu den „Soft-facts“ siehe Abschnitt 2.2.2.2. Siehe auch Henke (2002), S. 61; Behr et al. (2004), S. 138.
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken
287
Branchen, können die dezentralen Einheiten negative Diversifikationseffekte erzielen. Des Weiteren finden sich unter diesen Umständen auch Klumpenrisiken in ihren Kreditportfolien. Speziell der deutsche Sparkassen-834 und Genossenschaftssektor835, die US-amerikanischen Commercial Banks,836 die österreichischen Genossenschaftsbanken837 oder die Schweizer Kantonal- und Regionalbanken838 zeichnen sich durch eine homogene Kundenstruktur und den sich daraus ergebenden Risiken aus. Das daraus resultierende Kreditportfolio weist meist einen geringen Diversifikationsgrad auf. Dies zeigt sich daran, dass sich die Ausfallquoten erhöhen, ohne dass die Portfoliorendite im selben Maße steigt. Durch eine Diversifikation des Kreditportfolios könnten sich jedoch entscheidende Auswirkungen auf das Portfolio der dezentralen Einheit ergeben. Bei gleich bleibendem Risikokapital können bei den dezentralen Einheiten zusätzliche freie Limite geschaffen werden, was sich letztendlich auch auf Gesamtbankebene bemerkbar macht. Selbst bei auf Gesamtbanksicht bereits heterogenem und diversifiziertem Kreditportfolio können letztlich neue Geschäfte durchgeführt werden, die einen zusätzlichen Ertrag erwirtschaften. Das folgende vereinfachte Beispiel soll die Zusammenhänge des internen Marktes zunächst innerhalb einer Bank anhand der Steuerung durch eine Branchen-/Regionen-Risikolimitsteuerung verdeutlichen.839 Eine Bank X besitzt die zwei Filialen Ost und West und hat ausschließlich Exposures gegenüber Kreditnehmern aus den Branchen A und B. Für die Unterlegung der Kreditrisiken sind gemäß interner Vorgaben für je 1000€ vergebenen Kreditvolumens in Branche A und Region West bzw. Ost 13 bzw. 14 Einheiten Risikokapital vorzuhalten. Für Kredite an Kreditnehmer der Branche B müssen je 1000€ Kreditvolumen der Region West bzw. Ost 16 bzw. 15 Einheiten Risikokapital vorgehalten werden. Tabelle 32 fasst die Limitvorgaben ohne Berücksichtigung von Diversifikationseffekten zusammen. Region/Filiale Branche
West
Ost
je 1000€ in A
13
14
je 1000€ in B
16
15
Tab. 32: Limitsteuerung ohne Berücksichtigung von Diversifikationseffekten
834 835 836 837 838 839
Siehe Heidorn (1999), S. 3; Broll/Welzel (2002), S. 3; DSGV (2005), S. 16. Siehe Bonus et al. (1999), S. 18 ff.; Broll/Welzel (2002), S. 3; Pham-Phuong (2003). Siehe Calem/LaCour-Little (2004), S. 660 f.; Kamp et al. (2005). Österreichische Raiffeisenbank (2003), S. 23. Vgl. Varnholt (1997), S. 253 f. Zu einem Beispiel mit ausschließlicher Branchensteuerung siehe Dittmar (2001), S. 185 ff.
288
Interner Markt
Zudem sollen Diversifikationseffekte zwischen den Branchen erfasst werden.840 Daher müssen für ein Bündel zu 2000€, das je zur Hälfte aus Krediten der Branche A und B einer Region besteht, lediglich 23 Einheiten Risikokapital im Westen bzw. 25 im Osten unterlegt werden. Tabelle 33 zeigt die Effekte der Branchendiversifizierung auf die Risikolimite. Region/Filiale Branche Bündel zu 2000€ mit je 1000€ in A und 1000€ in B
West
Ost
23
25
Tab. 33: Limitsteuerung mit Branchendiversifikationseffekten
Weiterhin sollen Diversifikationseffekte zwischen den Regionen erfasst werden. Dazu wird berücksichtigt, dass die Branchen in den Regionen unterschiedliche Korrelationen aufweisen. Daher ist z.B. ein Bündel mit 1000€ der Region West und der Branche A und mit 1000€ der Region Ost und der Branche A mit 26 Einheiten Risikokapital zu unterlegen. Tabelle 34 zeigt die verschiedenen Konstellationen von Bündeln zwischen den einzelnen Regionen. Ost-Branche West-Branche
A
B
A
26
22
B
24
32
Tab. 34: Limitsteuerung mit Branchen-/Regionendiversifikationseffekten
Insgesamt verfügt die X-Bank über 50.000 Einheiten Risikokapital, die je zur Hälfte den Filialen Ost und West zugeordnet werden. Tabelle 35 gibt schließlich die Gestalt der Kreditportfolien der einzelnen Filialen wieder: Branche A Filiale West Filiale Ost Gesamtbank
Branche B
Risikokapital
1.400.000€
680.000€
550.000€
1.300.000€
25.000 Einheiten 25.000 Einheiten
1.950.000€
1.980.000€
44.580 Einheiten
Tab. 35: Kreditportfolio und Risikokapital der Filialen Ost und West
Aus der Tabelle 35 wird ersichtlich, dass auf Gesamtbankebene ein relativ gut diversifiziertes Portfolio vorliegt. Demgegenüber halten die beiden Filialen jeweils ein relativ schlecht diversifiziertes Portfolio. Das Risikolimit schöpfen beide Filialen vollends aus und haben deshalb keinen verbleibenden Freiraum für die Vergabe von Neugeschäften. Das auf Gesamtbankebe840
Hierbei wird die Annahme getroffen, dass die Filialen jeweils Kredite an die Branchen in ihrer jeweiligen Region vergeben und nicht an die gleiche Branche der anderen Region. Die entsprechenden Limitvorgaben sind das Ergebnis von Korrelationsanalysen und werden in diesem Beispiel vorgegeben.
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken
289
ne vorhandene freie Risikokapital in Höhe von 5.420 Einheiten bleibt daher ungenutzt und erzielt dementsprechend auch keinen Mehrwert. Wird zwischen den Filialen nun ein interner Markt etabliert, können sie die bestehenden Branchen- und Regionenkonzentrationen aufgeben. Dazu können sie die einseitige Konzentration ihres eigenen Portfolios bezüglich Branchen-/Regionenrisiko verringern und die Kreditrisiken erwerben, die aus Risikolimit- und Renditegesichtspunkten am meisten zur Diversifikation beitragen. Tabelle 36 zeigt die Portfolien unter Einschaltung eines internen Kreditrisikomarktes: Branche A
Branche B
Region
Region
Risikokapital
West
Ost
West
Ost
Filiale West
750.000€
275.000€
405.000€
650.000€
23.680 Einheiten
Filiale Ost
650.000€
275.000€
275.000€
650.000€
20.900 Einheiten
Gesamtbank
1.950.000€
1.980.000€
44.580 Einheiten
Tab. 36: Kreditportfolien nach internem Handel der Filialen Ost und West
Hier zeigt sich, dass durch die Diversifikationseffekte die Schwankungen der Ausfallraten in den einzelnen Risikoklassen geringer werden. Dies führt bei den Filialportfolien zu einer geringeren Eigenkapitalunterlegung und kann, falls das vorgegebene Risikokapital konstant bleibt, für die Vergabe neuer Kredite genutzt werden. Bei der Filiale West stehen dafür 1.320 Einheiten und bei der Filiale Ost sogar 4.100 Einheiten zusätzliches Risikokapital zur Verfügung. Von diesen Neugeschäften sind dann sowohl auf Filial- als auch auf Gesamtbankebene Effekte hinsichtlich einer Steigerung des Volumens und des Ertrags zu erwarten, was letztlich zu einer Steigerung des Shareholder-Values führt. Weitere Möglichkeiten ergeben sich, wie in Abschnitt 4.1.4. dargestellt, wenn ein Kreditmarkt nicht nur ein Kreditinstitut, sondern mehrere Banken umfasst (semiinterner Markt). In diesem Fall können sich weitere Diversifikationseffekte ergeben. Die folgende Grafik 56 veranschaulicht diesen Zusammenhang.
290
Interner Markt
Kreditnehmer
Kreditnehmer
Kreditvergabeprozess
Kreditvergabeprozess
Informationen
Kreditsachbearbeiter
Kreditsachbearbeiter
Steuerung
Steuerung
Dezentrale Einheit 1
Dezentrale Einheit 2
Bank A
Kapitalkosten
Rahmen für globale Steuerung und Entlohnung
E x t e r n e r
Handel Handel Überwachung
Handel
Interne Märkte Kreditrisiken (und Risikokapital 1)
Handel
Kreditrisiken
Market Maker
Kreditrisiken (und Risikokapital 2)
Handel
Handel
Steuerung
Steuerung
Kreditsachbearbeiter
Kreditsachbearbeiter
Kreditvergabeprozess Kreditnehmer
M a r k t
Handel
Dezentrale Einheit 2
Dezentrale Einheit 1
Informationen
Kreditvergabeprozess
Bank B Rahmen für globale Steuerung und Entlohnung
Kapitalkosten
Kreditnehmer
Abb. 56: Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken zwischen Banken
Wie der Abbildung 56 zu entnehmen ist, existieren in diesem Beispielfall zwei Banken A und B. Beide stellen rechtlich unabhängige Gebilde dar. Die Banken bzw. die Zentralen geben jeweils für ihre dezentralen Einheiten den Rahmen für die globale Steuerung vor und gestalten deren Entlohnungssystem. Die globale Steuerung erfolgt durch die Überwachung des (globalen) Bankkreditportfolios und berücksichtigt darin die Renditeforderungen des Marktes, z.B. die Kapitalkosten der Eigenkapitalgeber. Als Ergebnis dieser Überwachung werden Risikolimite für einzelne Kreditnehmer, Branchen und Regionen vorgegeben, die jeweils als Obergrenze für die Gesamtbank (der Handel mit Risikokapital ist intern gegeben) oder als feste Zuweisungen (der Handel von Risikokapital ist nicht möglich) zu interpretieren sind. Die Ausgestaltung des Entlohnungssystems für die dezentralen Einheiten ist jeweils vom Beitrag der einzelnen Einheiten zum Rendite-/Risikowert auf Teil- bzw. Gesamtbankebene abhängig; je höher die Rendite und je niedriger das Risiko des Gesamtportfolios, desto höher sind, ceteris paribus, die Tantiemezahlungen an die dezentralen Einheiten. Für die Quantifizierung des Erfolgs auf dezentraler und zentraler Ebene kommt ein Kreditportfoliomodell zum Einsatz, das den jeweiligen Credit-Value-at-Risk berechnet.841 Darauf aufbauend kann
841
Zu einer Darstellung der Kreditportfoliomodelle siehe Abschnitt 2.7.6.
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken
291
beispielsweise das risikoadjustierte Performancemaß RORAC herangezogen werden, um das Rendite-/Risikoverhältnis zu messen.842 Die beiden Banken aus dem Beispielfall haben jeweils zwei dezentrale Einheiten 1 und 2. Innerhalb dieser Einheiten herrscht eine strikte Trennung von Kreditsachbearbeitern und Portfoliosteuerung. Jede der Einheiten hat ein ihr zugeordnetes Kreditportfolio, das sie selbständig steuert. Die Einheiten können darüber hinaus eigenständig und autonom Neukredite nach einem individuellen Kreditvergabeprozess843 ausreichen. Dazu verdichten sie die quantitativen Ergebnisse der Jahresabschlussanalyse und die Ergebnisse der qualitativen Erhebungen (Softfacts) zu einem Krediturteil. Die Einheiten sind so in der Lage, eine Bonitätseinstufung des Kunden bzw. des Kreditengagements vorzunehmen und damit ein kunden- bzw. kreditindividuelles Rating festzulegen. Die aus dem Rating abgeleitete Ausfallwahrscheinlichkeit, die Verlustquote, das zum Defaultzeitpunkt erwartete Exposure, die Laufzeit, die Unternehmensgröße, die Risikolimitvorgaben der Zentrale und zusätzliche Informationen, wie beispielsweise Refinanzierungskosten, werden dazu verwendet, ein spezifisches Angebot für das jeweilige Kreditengagement zu berechnen. Die dezentralen Einheiten müssen ihr jeweiliges Kreditportfolio eigenständig unter Rendite/Risikogesichtspunkten steuern. Deshalb haben sie die Möglichkeit, ihr Portfolio aktiv zu verwalten.844 Dazu dient ihnen zunächst ein interner Markt, der jeweils auf das rechtliche Gebilde Bank A oder B bezogen ist. Auf dem internen Markt haben sie, falls der Handel mit Risikokapital möglich ist, die Gelegenheit, Risikokapital zur Durchführung neuer Geschäfte zu erwerben oder nicht benötigtes Risikokapital am internen Markt anderen dezentralen Einheiten der gleichen Bank anzubieten. Neben der Möglichkeit des Handels zur Erlangung der nötigen Einheiten Eigenmittel bietet sich der interne Markt ebenfalls zum Handel von Kreditrisiken an. Folgt die Steuerung dieser Einheiten nach einem Portfolioansatz, können die Einheiten versuchen, Klumpenrisiken oder andere Risiken, die einen geringen oder sogar negativen Beitrag zu ihrer individuellen Rendite-/Risikostruktur erbringen, am jeweiligen internen Kreditrisikomarkt zum Verkauf anzubieten. Auf der anderen Seite haben die anderen bankinternen Einheiten die Möglichkeit, die zum Verkauf angebotenen Positionen zu erwerben. Dies bietet sich an, wenn die angebotene Position einen positiven Beitrag zur Diversifikation und zum Rendite-/Risikoverhältnis der aufkaufenden Einheit erbringt. Findet ein Handel statt, werden die Kreditrisikopositionen von der verkaufenden Einheit abgegeben und in das Portfolio der aufkaufenden Einheit übernommen. Über den bankinternen Markt erfolgt damit zu842
843 844
Zu den risikoadjustierten Performancemaßen im Allgemeinen und zum RORAC im Speziellen siehe Abschnitt 2.7.7. Zum Kreditvergabeprozess siehe Abschnitt 2.2.1. Die Untersuchungen von Cebenoyan und Starhan haben empirisch für US-Banken bestätigt, dass Kreditinstitute, die ihr Kreditrisiko aktiv über den US-Loan Sales Markt steuern, weniger riskante Kreditportfolien halten und daher auch weniger ökonomisches und regulatorisches Kapital benötigen. Siehe Cebenoyan/Starhan (2004), S. 41 f.
292
Interner Markt
nächst ein Ausgleich der Rendite-/Risikoprofile der einzelnen (Sub-)Portfolien. Das Verfahren ist dabei identisch mit dem in Abschnitt 4.1.3. vorgestellten internen Markt. Werden am jeweils bankinternen Kreditrisikotransfermarkt keine Gegenpositionen gefunden, erfolgt die Weitergabe des Kauf- bzw. Verkaufsauftrags an den semiinternen Markt.845 Dieser wird von den Banken A und B gemeinschaftlich betrieben und eröffnet somit ein höheres Potenzial zur Kreditrisikodiversifizierung. Zu diesem Markt haben nur die dezentralen Einheiten der beiden Banken und alternativ ein Market Maker Zugang. Das Verfahren für den Handel von Kreditrisiken ist identisch mit dem an den jeweiligen bankinternen Märkten. Wird ein Market Maker an diesen semiinternen Kreditrisikohandel angeschlossen, übernimmt er die Aufgabe der Liquiditätsbereitstellung.846 Damit die Fairness auf dem semiinternen Markt gewährleistet wird, findet eine Überwachung durch eine objektive und neutrale Stelle statt. Die wesentliche Aufgabe dieser Überwachung ist es, zu verhindern, dass bonitätsmäßig falsch eingestufte Kreditrisiken in den Markt gelangen. Nicht zuletzt haben die dezentralen Einheiten, neben dem Zugang zu den internen Märkten, die Möglichkeit, am externen Markt zu handeln. Dadurch soll zum einen die Qualität der Preise auf den internen Märkten durch entsprechende Arbitrageeffekte zwischen internem und externem Markt sichergestellt werden. Zum anderen wird den autonomen Einheiten damit die Möglichkeit gegeben, weitere Rendite-/Risikobündel zu erwerben, die auf den internen Märkten nicht angeboten werden. 4.3.2. Eigenschaften des internen Marktes für Kreditrisiken Nachdem im vorangegangenen Abschnitt die Grundidee eines internen Marktes für Kreditrisiken vorgestellt wurde, wird im Folgenden auf die Besonderheiten dieses Handels eingegangen. Diese werden durch die Handelsobjekte, die Marktteilnehmer und deren Handelsmotive charakterisiert.847 4.3.2.1. Marktteilnehmer Die Akteure, die am internen Markt teilnehmen, sind zunächst die dezentralen Einheiten der gleichen Bank, insbesondere die Filialen. Diese werden repräsentiert durch das jeweilige Kreditrisikomanagement und stellen insofern eine gleichartige Gruppe dar, als sie den Zielsetzungen, Rahmenvorgaben, wie z.B. Risikolimitvorgaben und Entlohnungssysteme, der gleichen Zentrale unterworfen sind. 845
846 847
Unter einem semiinternen Markt wird in dieser Arbeit ein Handelsplatz oder -system verstanden, das nicht nur von einer rechtlich selbständigen Bank genutzt wird. Wenn nicht explizit auf diesen Unterschied hingewiesen wird, gilt der Begriff „interner Markt“ sowohl für semiinterne als auch interne Märkte. Zur Stellung des Market Makers siehe auch Abschnitt 5.2.5. Siehe Dittmar/Horstmann (1999), S. 212 ff.
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken
293
Neben diesen Akteuren ist es, wie im internen Markt in Abschnitt 4.1.4. bereits dargestellt, möglich, dass auch Teilnehmer außerhalb einer Bank zu einem semiinternen Markt zwischen Banken gehören. Dies kann insofern problematisch sein, da auf diesem Wege möglicherweise Bankinterna oder auch Kundenbeziehungen nach außen gelangen können. Eine Anforderung an den semiinternen Markt ist daher, dass die Bankspezifika und auch die Kundendaten geschützt oder möglicherweise anonymisiert werden. Zudem ist es möglich, dass bei einem Handel unter Banken verschiedene Auffassungen hinsichtlich der Charakteristika eines Kreditrisikos bestehen. Dies tritt dann zutage, wenn jeweils von einer internen Bonitätseinstufung eines Kreditengagements gesprochen wird. Da in den Banken unterschiedlich viele Bonitätsklassen verwendet werden, wird die Vergleichbarkeit zwischen den Instituten erschwert. Eine Abhilfe bietet ein so genanntes Mapping an, mit dessen Hilfe, die einzelnen individuellen Bonitätsskalen in eine einheitliche Systematik, z.B. der von S&P oder Moody’s, überführt werden. Sind die jeweiligen Skalen darüber hinaus noch individuell kalibriert, d.h. es bestehen zwar ähnliche Bonitätsklassen, die ihnen zugeordneten Ausfallwahrscheinlichkeiten unterscheiden sich jedoch, kann dies unter Umständen zu einem unüberwindbaren Hindernis für den Handel auf einem semiinternen Markt führen. Diese heterogenen Informationen und auch die verschiedenen Kalibrierungen können dann erheblich gesenkt werden, wenn die teilnehmenden Banken zu einem Verband gehören, der eine gewisse Standardisierung dieser Parameter gewährleistet. Beispielsweise werden im deutschen öffentlich-rechtlichen Bankensektor die Ratingverfahren des Deutschen Giro- und Sparkassenverbandes von einer Vielzahl von Sparkassen angewendet. Vergleichbar ist diese Situation ebenfalls mit den standardisierten Vorgaben des genossenschaftlichen Zentralverbands für die Ableitung von Bonitätseinstufungen. Darüber hinaus übernehmen viele Verbände auf der Grundlage der Daten aller zugehörigen Banken die Berechnung und Kalibrierung der kreditrisikorelevanten Parameter. Bei einem semiinternen Handel bietet sich daher die Teilnahme von Banken mit vergleichbarer Datengrundlage als Marktteilnehmer an. Der Handel mit Partnern des gleichen Verbandes hat darüber hinaus den Vorteil, dass bei den eingesetzten Kreditrisikotransferinstrumenten mit Kontrahentenausfallrisiken die Überprüfung der Bonität des Kontrahenten relativ einfach über den Zentralverband möglich ist.848 Bei rein internen Märkten entfällt das sich daraus ergebende Kontrahentenrisiko vollends, da die Vertragspartner dem gleichen Institut angehören. Die Notwendigkeit der Errichtung eines Clearing-Hauses bzw. eines Clearing-Systems ist in diesen Fällen obsolet. Trotz der Tatsache, dass potenziell viele dezentrale Einheiten bzw. Banken an einem internen bzw. semiinternen Handel teilnehmen können, wird die Teilnehmerzahl deutlich geringer sein als die an externen Märkten, z.B. einer Wertpapierbörse. Die Folgen, die sich daraus für den internen Markt ergeben, können vor allem in einem geringeren Handelsvolumen und unter 848
Siehe ÖNB/FMA (2004a).
294
Interner Markt
Umständen auch in einer geringeren Liquidität liegen.849 Die tatsächlichen Konsequenzen sind jedoch von der Gestaltung und dem Aufbau des internen Marktes selbst abhängig und können dementsprechend beeinflusst werden. 4.3.2.2. Handelsmotive Die Anleger an externen Märkten werden häufig anhand ihrer Handelsmotive unterschieden. Dabei findet sich meist die Differenzierung nach informierten und uninformierten Teilnehmern. Während letztere liquiditätsgetrieben agieren und vermeintlich wertvolle, aber bereits in den Kursen berücksichtigte Informationen besitzen, verfügen erstgenannte über preisrelevante Informationen, die dem Markt bisher noch nicht bekannt sind.850 Zudem werden häufig auch die Gruppen wert-, index-, chart- und arbitrageorientierte Anleger unterschieden. Die wertmotivierten Anleger entscheiden sich auf Grundlage von fundamentalen Daten, während die indexmotivierten Anleger versuchen, einen vorher definierten Index, der als Benchmark dient, zu schlagen. Die chartmotivierten Anleger handeln gemäß den Erkenntnissen, die sie aus der technischen Analyse gewinnen. Die arbitrageorientierten Anleger schließlich versuchen durch Ausnutzen von Preisdifferenzen an verschiedenen Märkten einen Gewinn zu erzielen. Die Teilnehmer an internen Kreditmärkten können dabei prinzipiell alle diese Motive verfolgen. Dennoch können einige Beweggründe ein höheres Gewicht haben, wie z.B. das Hedging von Kreditrisikopositionen sowohl beim internen Handel als auch beim semiinternen Markt. Dadurch können Kreditrisiken effektiv an andere Bereiche oder sogar Banken weitergegeben werden. Gerade die Absicht der Absicherung kann durch ein entsprechendes Limitsystem noch verstärkt werden. Dies ist dann der Fall, wenn Bündel aus Kreditprofilen ein geringeres Risiko aufweisen und damit konsequenterweise einer geringeren Limitbelastung ausgesetzt sind, als dies bei Bündeln mit geringer Risikostreuung der Fall ist. Mit dem Motiv des Hedgings ist unter Umständen der Investitionszweck des Handels an (semi-)internen Märkten eng verbunden. Durch gezielte Investitionen ist es möglich, das jeweilige Portfolio nach Rendite-/Risiko-gesichtspunkten aktiv zu steuern. Dies ist vor allem dann nötig, wenn das eigene Portfolio negative Diversifikationseffekte und erhebliche Klumpenrisiken aufweist. Durch den Handel können die Risiken im Portfolio gestreut und hohe Konzentrationen aufgelöst werden.Des Weiteren können einige Teilnehmer mit dem Ziel auftreten, Arbitragegeschäfte durchzuführen. Dabei werden Preisunterschiede für das gleiche Produkt am internen, evtl. dem semiinternen und am externen Markt genutzt, um einen Gewinn zu erzielen. Ebenso besteht die Möglichkeit, nach stark korrelierten Schuldnertiteln zu suchen und durch die Bildung eines nahezu risikolosen Arbitrageportfolios Fehlbewertungen 849
850
Zum Volumen und der Liquidität am internen Markt siehe Abschnitt 5.4.3., in dem die Ergebnisse von Experimenten vorgestellt werden. Vgl. Hirth (2000), S. 6.
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken
295
aufzudecken und auszunutzen. Liegt ein rein interner Markt vor, führt die Arbitrage innerhalb des Marktes zu einer höheren Liquidität und zu einer besseren Qualität der Preise. Dennoch hat in diesem Fall lediglich eine interne Umverteilung der vorhandenen Ressourcen stattgefunden, ohne dass ein Mehrwert für die Gesamtbank erzielt wurde. Findet dagegen eine Arbitrage zwischen semiinternem oder externem und internem Markt und damit zwischen eigenen Geschäften und denen anderer Banken statt, sind die Arbitragegewinne oder -verluste aus Gesamtbanksicht nicht mehr lediglich kalkulatorisch, sondern erfolgswirksam. Daher kann hier Arbitrage ein mögliches Motiv darstellen. Schließlich ist es theoretisch möglich, dass manche Teilnehmer spekulative Absichten haben, um daraus mögliche Gewinne zu erzielen. Die Steuerungseinheiten der dezentralen Einheiten als Teilnehmer am internen bzw. semiinternen Markt sollten jedoch hauptsächlich einen Anreiz haben, ihr Portfolio nach Rendite-/Risikogesichtspunkten zu optimieren. Die Gewährleistung dieser Zielverfolgung kommt in erster Linie dem zentral vorgegebenen Entlohnungssystem zu. Deshalb werden die Teilnehmer hauptsächlich aus Investitionsmotiven heraus versuchen, die Diversifikation ihres Portfolios zu erhöhen und Klumpenrisiken abzubauen. Außerdem werden sie die Absicherung ihrer Geschäfte durch den Handel am (semi-)internen Markt forcieren. 4.3.2.3. Handelsobjekte In Abschnitt 2.1. wurden bereits einige Geschäfte mit Kreditcharakter und in Abschnitt 2.4.2. die Instrumente des Kreditrisikotransfers am Kapitalmarkt vorgestellt. Bei den klassischen Geschäften mit Kreditcharakter eignen sich insbesondere Anleihen und standardisierte Kredite für den Handel am internen Markt. Es ist darauf zu achten, dass neben den Kreditrisiken vor allem auch das Zinsänderungsrisiko bei diesen Produkten mit übertragen wird. Andererseits bieten sich diese Handelsobjekte an, um einen Liquiditätseffekt zu erzielen. Bei Anleihen, die über ein externes Rating verfügen, treten darüber hinaus keine Anreizprobleme aufgrund Moral Hazard auf. Die Übertragung von Krediten kann sich aufgrund der bestehenden Anreizproblematik ebenfalls als schwierig erweisen.851 Eben jene Hindernisse können jedoch abgeschwächt werden, indem die handelnden Teilnehmer einen standardisierten Kreditvergabeprozess mit weitgehend einheitlicher Bonitätsprüfung anwenden (siehe Abschnitt 4.3.2.1.). Wichtig ist es darauf zu achten, dass die Kreditsachbearbeiter von der Kreditsteuerung organisatorisch getrennt sind (Chinese Walls). Dadurch erhalten sie keine Kenntnis darüber, ob möglicherweise genau eines ihrer Kreditengagements an andere Einheiten/Banken veräußert wurde. Unter diesen Bedingungen wäre gewährleistet, dass sie ihre Schuldnerüberwachungstätigkeit ungemindert fortsetzen. Die Probleme des Moral Hazards können somit durch die Gestaltung der Prozesse abgemildert werden.
851
Zur Problematik des Moral Hazards beim Transfer von Kreditrisiken siehe Abschnitt 2.3.2.2.
296
Interner Markt
Da sich die Portfolien der meisten Banken aus Krediten zusammensetzen, die bislang nicht im Fokus des Handels lagen, nämlich vor allem aus Krediten gegenüber kleineren und mittelständischen Unternehmen sowie gegenüber Privatpersonen, sollte der Fokus speziell auf diesen liegen. Insbesondere bieten sich solche Kredite an, die bis zu einem gewissen Grad standardisiert sind. Diese Standardisierung beinhaltet, dass die Anzahl und Art der impliziten Optionen eingeschränkt und die Zahlungsstruktur ohne zusätzliche Sondervereinbarungen fixiert ist. Anleihen dagegen sind lediglich für wenige Unternehmen verfügbar. Daher werden diese zwar am internen Markt handelbar gemacht, um auch die mit ihnen verbundenen Risiken zu berücksichtigen, jedoch dienen sie lediglich als Ergänzung der Rendite-/Risikoprofile. Da bei der Übertragung von Krediten, speziell am semiinternen Markt zwischen Banken, das rechtliche Problem im Zusammenhang mit der Forderungsabtretung entfallen ist, bietet sich auch hier der Handel von standardisierten Krediten an.852 Außerdem können auch Kreditderivate als Handelsobjekte eingesetzt werden. Der Total Return Swap beinhaltet neben dem Adressausfallrisiko auch das Marktpreisrisiko des Kreditengagements. Daher könnte er, falls eine Veräußerung und ein Erwerb von Ausfallund Marktpreisrisiken am internen Markt gewünscht ist, eingesetzt werden. Eine Credit Spread Option sichert den Käufer vorrangig gegen ungewünschte Bonitätsänderungen des Kreditnehmers ab. Da die meisten Teilnehmer am (semi-)internen Markt jedoch vorrangig die Absicherung gegen tatsächliche Ausfälle und die Erzielung eines besseren Rendite-/Risikoverhältnisses ihres Portfolios verfolgen, kann die CSO für den internen Markt lediglich eingeschränkte Bedeutung erlangen. Darüber hinaus lässt sich eine Credit Spread Option schwerpunktmäßig dann einsetzen, wenn ein liquides gehandeltes Referenzaktivum zugrunde liegt. Dafür werden meist Anleihen benötigt, die an einer Börse notiert sind. Da dies jedoch bei den meisten Forderungstiteln im Bankportfolio nicht gegeben ist, haben Credit Spread Optionen als Handelsobjekt am internen Markt faktisch keine Bedeutung. Der Credit Default Swap hat die Eigenschaft, das Ausfallrisiko vom Marktpreisrisiko zu separieren. Damit eignet er sich speziell zur Allokation von Ausfallrisiken. Die Credit Linked Note bietet gegenüber dem CDS zunächst den Vorteil, dass kein Wiedereindeckungsrisiko gegenüber dem Kontrahenten vorliegt. Dieses ist jedoch zumindest am rein internen Markt sowieso nicht vorhanden, da hier lediglich interne Geschäfte getätigt werden. Zudem hat die CLN die Eigenschaft, dem Sicherungsnehmer die Liquidität des Kredits zufließen zu lassen. Am rein internen Markt kann die Liquidität jedoch auch über die Zentraldisposition bereitgestellt werden, ohne dass die aufwändige Durchführung einer CLN vonnöten wäre. Dieses Produkt bietet sich nur dann an, wenn ein Handel am semiinternen Markt
852
Zur Behandlung der Forderungsabtretung in der Rechtsprechung siehe Abschnitt 2.5. Zur Standardisierung von Kreditverträgen und Kredittransferverträgen siehe LSTA (1998).
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken
297
stattfindet und der Liquiditätsaspekt für den Sicherungsnehmer aufgrund einer schlechteren Refinanzierungslage ausschlaggebend ist. Die Einführung komplexerer Produkte, wie z.B. Verbriefungsstrukturen oder CDO, bei denen aus Gründen der rechtlichen Übertragung der Kreditrisiken ein SPV gegründet werden muss, scheidet beim Handel auf dem internen Markt generell aus. Dies liegt in den hohen Aufwänden begründet, die mit derartigen Transaktionen verbunden sind. Gerade aber diese sollen durch den Handel auf dem internen Markt reduziert werden. Damit bleibt festzuhalten, dass vor allem einzelne Kredite und CDS für den Handel am internen Markt geeignet sind. Je nach dem, ob lediglich das Ausfallrisiko (CDS) oder alle mit der Forderung verbundenen Risiken (Kredit) vom Kreditrisikoverkäufer auf den Kreditrisikokäufer übertragen werden sollen, kann jeweils ein Instrument oder beide gleichzeitig zum Einsatz kommen. 4.3.3. Vorteile des Handels auf dem internen Markt Im Folgenden wird dargestellt, warum die Implementierung eines internen Marktes zu Vorteilen im Vergleich zum Handel auf dem externen Markt führen kann. Würde lediglich ein Handel auf einem externen Markt betrieben werden, könnten die Kosten für die Organisation des internen Marktes eingespart werden. Zudem wäre sichergestellt, dass durch die rechtswirksame Übertragung der Kreditrisiken in jedem Falle regulatorisches Kapital eingespart werden könnte. Demgegenüber stehen jedoch eine Reihe von Gründen, die für den Handel an einem internen Markt sprechen:
1) 2) 3) 4) 5) 6)
Informationsasymmetrien, Transaktionskosten, Marktliquidität, Kontrahentenausfallrisiko, aufsichtsrechtliche Eigenkapitalanforderungen sowie ökonomische Faktoren.
Wie bereits in den obigen Ausführungen deutlich gemacht wurde, können durch den Einsatz eines internen Marktes für Kreditrisiken Informationsasymmetrien zwischen Kreditrisikokäufer und -verkäufer abgebaut werden. Der externe Markt weist hier vor allem aufgrund der vorhandenen Intransparenz zwischen den beteiligten Parteien Moral Hazard-Probleme auf, die insbesondere für den Kreditrisikokäufer zu negativen Konsequenzen führen können. Der externe Markt bietet nur wenige Mechanismen zur Beseitigung dieser Asymmetrien. Lediglich eine unter Umständen langjährig aufgebaute Geschäftsbeziehung zwischen den Kontraktpartnern oder die Einschaltung einer dritten, unabhängigen Partei (Ratingagentur) kann dazu beitragen, die Anreizprobleme zu reduzieren. Am (semi-)internen Markt kann dies durch ver-
298
Interner Markt
schiedenste Maßnahmen relativ einfach und effizient verhindert werden. Hier erfolgt größtenteils die Offenlegung aller vorhandenen Informationen, die für die Bewertung der Geschäftslage des Schuldners von Bedeutung sind. Werden dennoch Informationen zurückbehalten, kann einerseits eine Regulierung über eine interne Überwachungsstelle stattfinden, die ihrerseits als quasi „Ratingagentur“ agiert. Andererseits können am (semi-)internen Markt entsprechende Marktsanktionen ergriffen werden. Beispielsweise kann durch ein bewusstes Zurückhalten von relevanten Informationen, ähnlich wie am externen Markt, eine Rufschädigung eintreten, so dass der Marktteilnehmer isoliert wird. Die Mechanismen am internen Markt können weiterhin derart gestaltet werden, dass der Kreditrisikoverkäufer einen Teil des Ausfallrisikos ohne Sicherung zurückbehalten muss.853 Daher besteht für ihn ein berechtigtes Interesse, die „wahren“ Risiken am Markt anzubieten. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass sich der Kreditrisikokäufer Informationen über bereits getätigte Geschäfte des Kreditrisikoverkäufers beschafft. Diese Offenlegung kann an einem (semi-)internen Markt beliebig ausgeweitet werden, so dass eine gewisse Sicherheit hinsichtlich des Geschäftsgebarens des Kontrahenten möglich ist. Als Option wäre beispielsweise denkbar, ein Scoring für den Kreditrisikokäufer und -verkäufer einzuführen. Darüber hinaus führt an einem (semi-)internen Markt, wie bereits ausgeführt, ein standardisiertes Ratingverfahren zu einer einheitlichen Interpretation der Bonitätseinstufungen. Durch den Einsatz eines Ratingverfahrens lassen sich nicht nur die Informationsasymmetrien, sondern auch die Transaktionskosten erheblich reduzieren. Liegt am externen Markt auf Seiten des Kreditrisikokäufers kein externes Rating der erworbenen Positionen vor, muss eine separate Bonitätseinstufung durchgeführt werden. Dies kann durch ein einheitliches Ratingverfahren vermieden werden, da hier bereits ein aussagefähiges Votum vorliegt. Des Weiteren können Suchkosten eingespart werden, die am externen Markt dadurch entstehen, dass ein entsprechender Kontrahent gefunden werden muss. Dies ist insbesondere bei Kreditrisiken von herausragender Bedeutung, da externe Interessenten oftmals nur über den Telefonhandel agieren, z.B. beim OTC-Handel von CDS. Daneben lässt sich durch eine Standardisierung der Produkte am internen Markt eine weitere Reduktion der Suchkosten und ebenso der Anreizprobleme erzielen. Liegt ein standardisiertes Handelssystem vor, kennen die beteiligten Akteure die Eigenschaften der gehandelten Produkte. Dabei ermöglicht dieser Umstand die Förderung der Akzeptanz des internen Handels. Mit einem integrierten und umfassenden Handelssystem können die Kauf- und Verkaufswünsche der teilnehmenden Akteure transparent gemacht werden. Dies gewährleistet einen schnellen und aktuellen Marktüberblick, der Auskunft über die Art des Kreditrisikos, das Volumen und die offenen Aufträge gibt. Am externen Markt ist ein solcher Überblick über die Marktlage nur in sehr eingeschränkter Form vorhanden. Wie in Abschnitt 2.4.2.2.3. bereits beschrieben wurde, existiert 853
Dieses Vorgehen entspricht dem bei der S-BayernBasket I-Transaktion. Siehe hierzu Abschnitt 4.2.
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken
299
lediglich ein sehr enger Markt, aus dem Credit Spreads abgeleitet werden können. Daher muss dem Schuldner häufig über die Branchen eine Quote zugeordnet werden, was mit einem hohen Basisrisiko verbunden sein kann. Letztlich werden am externen Markt keine Informationen hinsichtlich der offenen Kauf- und Verkaufsorders zentral bereitgestellt. Wird am externen Markt dennoch ein Kreditrisikotransfervertrag geschlossen, kann sich dessen Ausgestaltung unter Umständen als schwierig erweisen. Die Ursachen sind insbesondere darin zu sehen, dass hohe Transaktionskosten durch manuellen und juristischen Dokumentationsaufwand entstehen. Dies ergibt sich aus den vielfältigen Möglichkeiten der Ausgestaltung des Kreditrisikotransfervertrags hinsichtlich des zugrunde liegenden Schuldners, der Seniorität des Kreditengagements, des ursprünglichen Kreditvertrags, der Strukturierung von Verbriefungstransaktionen, der Servicer-Funktion oder, im Falle von Derivaten, hinsichtlich des Referenzaktivums, des Defaultereignisses, der Zahlung der Ausgleichsleistung, etc. Daher entsteht bei den Vertragspartnern ein nicht zu vernachlässigender Aufwand. Da der interne Markt eine hohe Transparenz aufweist und eine Standardisierung der darin enthaltenen Produkte möglich ist, sollte dies auch zu einem Sinken der Geld-Brief-Spanne führen. Im Gegensatz dazu steht der externe Markt, der sich durch relativ viele illiquide Produkte und Adressen auszeichnet. Daher ist hier die Geld-Brief-Spanne meist eine entscheidende Aufwandskomponente. Durch eine Standardisierung der Verträge und der Produkte kann am internen Markt eine im Vergleich zum externen Markt relativ hohe Liquidität erzielt werden. Wie ebenfalls bereits in Abschnitt 2.4.2.2.3. angesprochen, existieren am externen Markt derzeit lediglich ca. 800 Schuldner deren Credit Spreads liquide sind, was an der wöchentlichen Aktualisierung abgelesen werden kann. Durch Einschränkung des Orderflusses am internen Markt kann die Liquidität auf wenige Produkte und Schuldner bzw. Branchen konzentriert werden. Des Weiteren zeichnet sich der rein interne Handel dadurch aus, dass das Kontrahentenrisiko entfällt. Dies betrifft vor allem Derivate, die am internen Markt abgeschlossen werden. Dadurch wird z.B. eine Bonitätsprüfung des Kontrahenten hinfällig und es entfallen kalkulatorische Kosten für die Unterlegung des Ausfallrisikos. Schließlich bleibt anzumerken, dass über den Handel an einem semiinternen Markt aufsichtsrechtliches Eigenkapital eingespart und das ökonomische Rendite-/Risikoverhältnis optimiert werden kann. Die aufsichtliche Seite betrifft in erster Linie die neuen Regelungen nach Basel II. Durch den semiinternen Handel können Klumpenrisiken reduziert und die Granularität des Portfolios erhöht werden. Auf diese Weise wird die Diversifikation des Portfolios gesteigert, aufsichtsrechtliches Eigenkapital eingespart und eine Optimierung der Portfolien der dezentralen Einheiten vorgenommen. Damit kann ein wertvoller Beitrag zur Diversifikation des Portfolios auf Einzelbankebene und damit zu deren Shareholder-Value geleistet werden.
300
Interner Markt
4.3.4. Effizienz interner Märkte Um die Effizienz interner Märkte zu beurteilen, muss der Begriff der Effizienz zunächst definiert werden. Unter Effizienz versteht man allgemein die Erreichung eines optimalen Wirkungsgrades. Dies bedeutet, dass das Input-Output-Verhältnis optimiert wird.854 Der Wirkungsgrad kennzeichnet das Zusammenführen der Transaktionswünsche von Anbietern und Nachfragern. Es wird in diesem Zusammenhang auch von einer Marktbildungsfunktion oder operativen Effizienz des Marktes gesprochen.855 Für die Messung der Effizienz eines Marktes sind Informations- und Bewertungseffizienz zu betrachten. Diese Effizienzbegriffe werden im Folgenden vorgestellt und ein Bezug zu ihrer Bedeutung für den internen Markt hergestellt. 4.3.4.1. Informationseffizienz Ein Markt ist im Allgemeinen dann als informationseffizient zu bezeichnen, wenn jederzeit alle verfügbaren Informationen in den Preisen vollständig und richtig widergespiegelt werden.856 Beim Vorliegen eines informationsineffizienten Marktes weichen hingegen die Preise vom tatsächlichen Wert ab und die Marktteilnehmer haben bei jedem Abschluss die Differenz der Abweichung als implizite Transaktionskosten zu bezahlen. Es können drei Ausprägungen der Informationseffizienz unterschieden werden:
x
schwache Informationseffizienz (weak form),
x
halb-strenge Informationseffizienz (semistrong form) und
x strenge Informationseffizienz (strong form). Die weak form liegt vor, wenn die historischen Preise in den aktuellen Kursen verarbeitet sind. Durch eine Analyse historischer Kursdaten ist bei dieser Variante keine Erzielung einer systematischen Überrendite möglich. Herrscht an einem Markt die semistrong form, werden neben den historischen Preisen bereits alle öffentlich verfügbaren Informationen in den aktuellen Kursen berücksichtigt. Die Analyse der historischen Kursreihen und der öffentlichen Informationen führt deshalb zu keinen Überrenditen. Schließlich besteht eine strong form, wenn neben den Bedingungen der semistrong form zusätzlich alle nicht öffentlichen Informationen in den Preisen enthalten sind. Daher ist die Kenntnis privater Informationen (Insider Informationen) nicht dafür geeignet, um Überrenditen zu erzielen.
854 855 856
Siehe Bienert (1996), S. 13. Siehe Bienert (1996), S. 14. Siehe hierzu und im Folgenden Fama (1970), S. 383.
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken
301
4.3.4.2. Bewertungseffizienz Die Bewertungseffizienz ist eng mit der Informationseffizienz verknüpft. Sie beschreibt die Fähigkeit des Marktes, neu eintreffende, bewertungsrelevante Informationen in den Preisen zu berücksichtigen.857 Liegt eine Bewertungseffizienz vor, entspricht der Kurs des Wertpapiers jederzeit seinem inneren Wert, d.h. dem Barwert der künftigen Zahlungen aus dem Wertpapier. Somit ist bei deren Existenz die Bedingung der Arbitragefreiheit gegeben.858 Für die Überprüfung der Bewertungseffizienz muss berücksichtigt werden, dass der innere Wert abhängig ist von der subjektiven Einschätzung der bewertungsrelevanten Parameter der Teilnehmer. Insbesondere kommen im Kreditbereich die erwarteten Zahlungsströme und die Bestimmung der Credit Spreads für die Ermittlung der Diskontfaktoren in Betracht. 4.3.4.3. Schlussfolgerungen für den internen Markt Für den internen Markt und dessen operative Effizienz ergeben sich daraus Konsequenzen für eine effiziente Gestaltung von Rahmenbedingungen für den Austausch von Handelsobjekten. Zur Operationalisierung der operativen Effizienz des Handels kommen nachfolgende Untersuchungsmerkmale zum Einsatz:
857 858
x
Nachvollziehbarkeit des Orderrouting-Prozesses (Transparenz),
x
Geschwindigkeit und Sicherheit der Auftragsabwicklung,
x
Schnelligkeit der Auftragsbestätigung,
x
Abwicklung des Auftragsclearings,
x
Zugangszeiten zum Handelssystem,
x
Handelssystemzugriff,
x
Qualität der zur Verfügung gestellten Kurs- und Orderbuchinformationen,
x
Quantität der bereitgestellten sonstigen Informationen und
x
effektive Kontrollmöglichkeiten der Handelsaufsicht.
Siehe Bienert (1996), S. 19. Zur Arbitragefreiheit siehe Perridon/Steiner (2004), S. 290.
302
Interner Markt
Zusammenfassend stellt Grafik 57 die einzelnen daraus abgeleiteten Kriterien zusammen.
Sicherheit Transparenz Zuverlässigkeit Kontrolloperative Effimöglichkeiten zienz eines (internen) Handels- Abwicklung Marktzutritt systems Fairness
Liquidität Transaktionskosten
Abb. 57: Bedingungen und Kriterien der operativen Effizienz
Die Systemsicherheit befasst sich mit der Beziehung der Transaktionspartner. Durch die konkrete Ausgestaltung muss in hohem Maße gewährleistet werden, dass die Kontraktpartner ihren Verpflichtungen aus dem Handelsgeschäft nachkommen. Deshalb muss ein Handelssystem bzw. ein angeschlossenes Clearing- oder Settlementsystem einen reibungslosen Handel sicherstellen und damit eine Garantie hinsichtlich der Lieferung und Leistung in der Erfüllungssituation übernehmen. Darüber hinaus sorgt die Systemsicherheit dafür, dass der Handel im Rahmen der Handelszeiten jederzeit möglich ist und somit eine hohe Stabilität aufweist.859 Damit eng verbunden ist auch, dass in Zeiten von Handelsspitzen, z.B. zum Verfallstermin von Derivaten, das System zuverlässig zur Verfügung steht. Gerade in Zeiten außergewöhnlicher Umsatzanstiege, wie beispielsweise bei Kurszusammenbrüchen, ist ein reibungsloser Ablauf der Transaktionsverarbeitung von außerordentlicher Bedeutung. Die Sicherheit und die Zuverlässigkeit des Handelssystems ist somit im Interesse aller Marktteilnehmer und führt dadurch, ceteris paribus, zu einem Anstieg der Liquidität im Markt. Die sich an den Handel anschließende Abwicklung muss sicherstellen, dass die Wertpapierbzw. Cashpositionen zeitnah und zuverlässig den jeweiligen Depots/Portfolien gutgeschrieben bzw. belastet werden. Die Erstellung so genannter Tickets oder Confirmations beinhaltet die Einzelheiten des zwischen den beteiligten Parteien geschlossenen Vertrages. Somit gewährleistet eine zeitnahe Abwicklung die Vertragsklarheit. Eine zeitverzögerte Abwicklung führt hingegen bei den Marktteilnehmern zu Risikokosten und daher zu impliziten Transaktionskosten, Unsicherheit der Auftragsabwicklung und zu einer erhöhten Zahlungsmittelbindung. 859
Siehe Schenk (1997), S. 141.
4.3. Struktur eines internen Marktes für Kreditrisiken
303
Letztlich steigert das Vorhandensein einer adäquaten Abwicklung die Akzeptanz und damit wiederum die Liquidität im Markt. Die Liquidität selbst ist einer der wichtigsten Parameter für die operative Effizienz eines Handelssystems. Ein Markt wird dann als liquide bezeichnet, wenn die Marktteilnehmer eine gewünschte Anzahl von Wertpapieren ohne zeitliche Verzögerung (zeitliche Dimension) handeln können. Dabei darf der Kurs des Wertpapiers nicht nennenswert beeinflusst werden (preisliche Dimension).860 Liegt eine geringe Liquidität vor, wird die Ausführung der Orders erschwert und steigert die impliziten Transaktionskosten.861 Die zeitliche Dimension der Liquidität umfasst hauptsächlich die Marktschnelligkeit. Sie stellt sicher, dass auch Aufträge höheren Volumens schnell, ohne merkliche Preisschwankungen und zu gegebenen Kosten durchgeführt werden können. Die preisliche Dimension der Liquidität teilt sich hingegen in die Marktbreite und die Markttiefe auf. Eine Marktbreite liegt vor, wenn in der Nähe des Gleichgewichtspreises eine signifikante Anzahl weiterer Orders vorliegt.862 Dagegen weist ein Markt eine hohe Tiefe auf, wenn die hochvolumigen Orders zu einem marktgängigen Kurs ausgeführt werden können, ohne dass heftige Kursreaktionen ausgelöst werden. Schließlich umfassen die Aspekte der Breite und Tiefe des Marktes seine Erhohlungsfähigkeit. Darunter wird die Eignung des Marktes verstanden, kurzfristige Ungleichgewichte im Orderverlauf, die eine kurzfristige Preisreaktion hervorrufen, durch das stetige Nachfließen weiterer Aufträge auszugleichen. Ein weiteres wichtiges Kriterium der operativen Effizienz sind die Kosten, die bei der Durchführung eines Auftrags entstehen. Darunter werden alle Kosten subsumiert, die neben dem Wertpapierpreis bei der Abwicklung eines Geschäftes anfallen, d.h. im Wesentlichen Such-, Einigungs-, Vertragsabschluss-, Abwicklungs- und Kontrollkosten. Die Transaktionskosten müssen durch die Gestaltung des Handelssystems möglichst gering gehalten werden, da sie renditereduzierend wirken. Das Vorliegen signifikanter Transaktionskosten erschwert in erster Linie die Bildung eines optimalen Portfolios im Zeitablauf, da hierfür meist häufige Umschichtungen nötig sind. Hohe Transaktionskosten wirken sich daher ebenfalls auf die Liquidität aus, da diese Faktoren sich wechselseitig beeinflussen. Unter der Fairness eines Marktes wird die Chancengleichheit aller Marktteilnehmer verstanden. Dies beinhaltet für Wertpapierbörsen, dass Kleinanleger gegenüber großen institutionellen Anlegern nicht benachteiligt werden dürfen.863 Insbesondere soll dadurch verhindert werden, dass die eigenen Interessen und die der Kunden in Konflikt stehen. Das so genannte Front Running besteht dann, wenn eine Institution zunächst die eigene Order ausführt und
860 861 862 863
Vgl. Rudolph/Röhrl (1997), S. 177. Siehe Bortenlänger (1996), S. 49. Siehe Dittmar (2001), S. 256. Siehe Gerke/Rapp (1994), S. 13.
304
Interner Markt
danach erst die Kundenorder, um so einen für den Kunden ungünstigen Kurs zu erzielen.864 Des Weiteren soll durch die Gestaltung des Marktes verhindert werden, dass Marktteilnehmer ihr Insider-Wissen zur Ausnutzung von günstigen Kursen benutzen. Dieses Problem wird virulent, wenn einigen Akteuren kursrelevante Informationen zur Verfügung stehen, bevor diese öffentlich gemacht werden. Eng mit der Fairness ist auch der Marktzutritt verbunden. Allen am Handel interessierten Personen soll der Zugang zum Markt offen stehen. Als Folge daraus wird die Anzahl der Marktteilnehmer gesteigert und die Wettbewerbsintensität erhöht. Dies führt letztlich zu einer effizienteren Informationsverteilung, zur Senkung der Transaktionskosten und zu einer Erhöhung der Marktliquidität. Um das Ausnutzen von exklusiven Informationen am Markt zu verhindern, ist es zudem wichtig, dass Kontrollmöglichkeiten innerhalb des Handels bestehen. Diese Überwachung soll im Besonderen dazu dienen, die Marktteilnehmer zu einem fairen Handel anzuhalten. Im Kreditbereich ist speziell das Verfügbarmachen aller bewertungsrelevanten Informationen von herausragender Bedeutung. Durch die Offenlegung dieser Daten sollen die Informationsasymmetrien der Kontraktpartner beseitigt werden. Die Überprüfung der Richtigkeit dieser Informationen ist gerade zu Beginn der Etablierung eines Marktes von Wichtigkeit, da zu diesem Zeitpunkt die Grundlagen für die Reputation der einzelnen Marktteilnehmer geschaffen werden. Des Weiteren dienen die Kontrollmöglichkeiten dazu, die Transparenz des Marktes zu erhöhen. Unter Transparenz wird der Grad verstanden, in welchem Ausmaß die Marktteilnehmer über das Handelsgeschehen informiert sind.865 Es kann zwischen einer ex post und einer ex ante Transparenz unterschieden werden.866 Die ex post Transparenz beschreibt die Informationsfülle der bereits abgeschlossenen Transaktionen. Im Vordergrund stehen die Daten zu Zeitpunkten, Volumina, Preisen und Handelspartnern der ausgeführten Aufträge. Demgegenüber liegt der Schwerpunkt der ex ante Transparenz auf den Informationen der noch nicht ausgeführten Orders. In diesem Zusammenhang handelt es sich beispielsweise um die Anzahl der noch offenen Aufträge, die dazugehörigen Ordervolumina und die Bid- bzw. Ask-Kurse. Darüber hinaus sind auch Angaben zum Handelspartner (Market Maker oder direkter Handel), der Zeitpunkt der Ordereingabe und deren Gültigkeit hervorzuheben. Im Kreditbereich sind zudem noch Informationen hinsichtlich des Ratings des Schuldners, der einzelnen Vertragselemente des zugrunde liegenden Kreditvertrags, wie Fälligkeit, Zinszahlungsfrequenz, Zinsberechnungsmethode, Sonderklauseln (implizite Optionen), etc., relevant. Eine vollstän-
864
865 866
Zum Front Running siehe Gerke/Rapp (1994), S. 13; Rudolph/Röhrl (1997), S. 188; Kampovsky (2000), S. 110. Siehe O’Hara (1995), S. 252. Siehe Dittmar (2001), S. 259 und die dort angegebene Literatur.
4.4. Zwischenfazit
305
dige Transparenz liegt vor, wenn den Marktteilnehmern verlässliche und bewertungsrelevante Daten über die Aufträge ohne zeitliche Verzögerung zur Verfügung stehen.867 Dabei ist der Einblick in das zentrale Orderbuch und die Kenntnis von Echtzeitkursen von entscheidender Bedeutung, so dass es zu keiner Diskriminierung der einzelnen Marktteilnehmer kommt. Durch ein hohes Maß an Transparenz werden die Sicherheit der Marktteilnehmer erhöht und die Informationsasymmetrien reduziert. Letztlich wirkt sich dies auf die Risikoprämien, in Form der Geld-Brief-Spanne, die Transaktionsbereitschaft der teilnehmenden Marktparteien und damit auf die Marktliquidität aus. Die verschiedenen vorgestellten Kriterien sind insbesondere bei der technischen Ausgestaltung eines Handelssystems interner Märkte zu beachten, damit ein reibungsloser Handel zustande kommen kann. Letztendlich soll dazu beigetragen werden, die Akzeptanz dieser Institution zu erhöhen und folglich eine ausreichende Marktliquidität sicherzustellen. Wie die einzelnen Punkte konkret ausgestaltet und in einem System umgesetzt werden können, wird im folgenden Kapitel 3. im Rahmen der Konzeption und Implementierung eines Systems interner Märkte in Banken beschrieben. 4.4. Zwischenfazit In diesem Kapitel wurde der interne Markt als Allokationsmechanismus knapper Ressourcen innerhalb und zwischen Banken vorgestellt. Mit Hilfe von bankinternen oder verbundinternen Märkten wird die Entscheidungskompetenz auf die dezentralen Einheiten verlagert, um so die gegebene Markt- und Kundennähe dieser Einheiten zu nutzen. Dabei werden zum einen die bestehenden Informationsasymmetrien reduziert und zum anderen die Flexibilität der Abteilungen erhöht. Durch die Einführung eines (semi-)internen Marktes konkurrieren die teilnehmenden Einheiten um Bündel von Rendite-/Risikoprofilen. Der Marktmechanismus bietet jeder Einheit damit die Möglichkeit, das eigene Kreditportfolio nach Rendite-/RisikoGesichtspunkten aktiv zu steuern. Neben den verschiedenen Möglichkeiten des Einsatzes eines internen Marktes innerhalb von Banken oder Bankverbänden hat sich der Handel von Eigenmitteln und Risiko als viel versprechender Mechanismus zu deren Allokation herausgestellt. Daneben sind jedoch eine Reihe weiterer Anwendungsbereiche, wie beispielsweise die Verauktionierung von Produktionsfaktoren, Geschäftspotenzial und Transaktionskosten, denkbar. Des Weiteren wurde anhand eines praktischen Einsatzes eines internen Marktes gezeigt, dass die beschriebenen Vorteile des internen Handels tatsächlich realisiert werden können. Dies trifft bei der S-BayernBasket I-Transaktion insbesondere auf die Rendite-/Risikosteuerung und die Zerfällung von Klumpenrisiken zu. Zwar wurde die Handelbarkeit der Kreditrisiken 867
Vgl. Gerke et al. (1999), S. 3.
306
Interner Markt
noch nicht vollends durchgeführt, aber es hat sich anhand dieses Praxisfalls gezeigt, dass durch die zentrale Zusammenführung und anschließende Streuung der Risiken ein wertvoller Beitrag für das Kreditrisikomanagement geleistet werden konnte. Die fehlende Handelbarkeit könnte besonders darin begründet sein, dass keine geeignete Handelsplattform zur Verfügung steht. Die Ausführungen haben weiterhin die Struktur eines internen Kreditrisikomarktes aufgezeigt. Die Marktteilnehmer eines solchen Konstrukts sind dabei speziell durch die Abgrenzung des Marktes determiniert. Insbesondere sind jedoch alle beteiligten Kreditportfoliosteuerungseinheiten als Handelsteilnehmer vorstellbar. Daraus abgeleitet konzentrieren sich deren Handelsmotive in erster Linie auf Investitionsüberlegungen und auf die Absicherung von bereits eingegangenen Positionen. Das Hedging von bestehenden Kreditrisikopositionen ist dabei nicht unabhängig von eigenen Investitionsüberlegungen zu sehen, wenn eine Steuerung nach Rendite-/Risiko-Erwägungen durchgeführt wird. Durch die Investition in Rendite-/ Risiko-Kombinationen, die teilweise nicht selbst eingegangen werden können und durch die ein positiver Beitrag zur Diversifikation erreicht wird, können die einzelnen Portfolien einen positiven Effekt auf den Share-holder-Value ausüben. Dies zeigt sich vor allem darin, dass die Risikolimite entlastet und als Folge Geschäftslimite frei werden. Das daraus erzielbare Neugeschäft kann wiederum renditesteigernd eingesetzt werden. Auf der anderen Seite kann durch den (teilweisen) Verkauf von Klumpenrisiken das Portfolio homogener gestaltet werden. Als Handelsobjekte wurden in erster Linie „plain-vanilla“-Kredite und CDS herausgestellt. Während bei einer Übertragung von ganzen Krediten alle damit verbundenen Risiken, insbesondere das Ausfall- und Zinsänderungsrisiko, vom Verkäufer auf den Käufer übergehen, wird beim Einsatz von CDS lediglich das Adressausfallrisiko an den Sicherungsgeber übertragen. Darüber hinaus wird beim Einsatz von Krediten die Liquidität zwischen den Handelspartnern transferiert. Es wurde gezeigt, dass der (semi-)interne Handel von Kreditrisiken eine Vielzahl von Vorteilen im Vergleich zum Handel am externen Markt mit sich bringen kann. Als Hauptkriterien sind insbesondere Transaktionskosten und Informationsvorteile herauszustellen. Während bei einem externen Markt die Kosten für die Suche eines Kontrahenten bzw. eines Produktes, die Abwicklung und die Informationsbeschaffung mit unter Umständen hohen Kosten verbunden sind, können diese am internen Markt eingespart werden, da die Informationen bezüglich der einzelnen Parameter bereits vorliegen. Damit eng verbunden ist die Verfügbarkeit der am internen Markt vorhandenen Informationen. Da alle Daten zu Produkten und Kontrahenten bank- bzw. verbundintern vorliegen, werden einerseits die Such- und Informationskosten gesenkt und andererseits die vorhandenen Informationsasymmetrien zwischen den teilnehmenden Einheiten reduziert.
4.4. Zwischenfazit
307
Ausgehend vom klassischen Effizienzbegriff wurden darüber hinaus die Kriterien für die optimale Gestaltung eines internen Marktes abgeleitet, die sowohl Auswirkungen auf die Informations- als auch auf die Bewertungseffizienz eines Marktes haben. Die Ausprägungen dieser Effizienzkategorien wurden als nötige Voraussetzungen für die Erzielung der operativen Effizienz, d.h. für die Sicherstellung eines optimalen Verhältnisses zwischen der Qualität der erbrachten Dienstleistungen und den dafür notwendigen Aufwendungen, identifiziert. Es haben sich schließlich die Effizienzindikatoren Abwicklungsgeschwindigkeit, -sicherheit, Liquidität, Transparenz, Fairness, Marktzutritt, Kontrollmöglichkeiten und Transaktionskosten herauskristallisiert. Nachdem die grundlegenden Elemente eines internen Kreditrisikomarktes theoretisch vorgestellt wurden, befasst sich das nächste Kapitel mit der Konzeption und Implementierung eines Systems für den (semi-)internen Kreditrisikohandel bzw. -transfer.
5.1. Praktische Anforderungen an ein Handelssystem in Banken
309
5. System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken In diesem Kapitel wird zunächst ein Überblick über die praktischen Anforderungen an ein modernes Handelssystem im Bankbetrieb gegeben. Im Anschluss werden die unterschiedlichen Gestaltungsformen eines Marktes näher erläutert, die verschiedenen Alternativen aufgezeigt und die Implikationen für den internen Markt abgeleitet. Darauf folgend wird eine mögliche Ausgestaltung eines Handelssystems für interne Kreditrisikomärkte in Banken vorgestellt, das für den Praxiseinsatz bestimmt sein könnte. Abschließend werden die Ergebnisse aus diversen Experimenten mit diesem Handelssystem, bezogen auf spezielle Handelsverfahren, vorgestellt und Folgerungen für den Praxiseinsatz aufgezeigt. Die zentralen, behandelten Fragestellungen in diesem Kapitel lauten: x
Wie ist ein System interner Märkte auszugestalten?
x
Wie sieht die konkrete Umsetzung im Handelssystem SimBa aus?
x
Welche Ergebnisse bringen Experimente mittels SimBa am internen Kredit(risiko)markt und welche Konsequenzen ergeben sich für den Aufbau interner Kreditmärkte?
5.1. Praktische Anforderungen an ein Handelssystem in Banken Die regulatorischen Anforderungen und die Umsetzung funktionaler Vorgaben aus dem Handelsbereich waren in den letzten Jahren der Hauptantrieb für die Einführung neuer Systeme im Handelsbereich und in den benachbarten Abteilungen von Banken.868 In Anbetracht des steigenden Wettbewerbsdrucks, der damit verbundenen sinkenden Margen und des erhöhten Kostendrucks im traditionellen Handelsgeschäft besteht das Ziel in einer Optimierung der technologischen Infrastruktur. Aus Sicht der Handelsabteilung sind neue Ertragschancen daher in einem technologisch kostenoptimierten Umfeld zur Verfügung zu stellen, so dass die Kosten pro Transaktion reduziert werden können. Für den Handel sind deshalb im Rahmen eines optimierten „Straight Through Processing“869 flexible und leistungsfähige Softwaregrogramme zu entwickeln, die die Preisfindung, Positionsführung in Echtzeit, Marktdatenpflege und Kontrolle im Middle-Office gewährleisten. Mit Hilfe vernetzter Systeme kann sich der Handel auf die Beratungskompetenz, Akquisition und Steuerung des Portfolios konzentrieren. Der Back-Office-Bereich kann sich somit auf prozessorientierte Systeme stützen, die eine effiziente Abwicklung der Transaktionen ermöglichen. Dementsprechend lassen sich für ein System im Handelsbereich folgende generelle Kriterien ableiten:870
868 869
870
Siehe Schuppe/Cassens (2004), S. 399. Zum Begriff des „Straight Through Processing“ im Wertpapiergeschäft siehe König et al. (2003), S. 409; CSA (2004), S. 3984. Siehe Schuppe/Cassens (2004), S. 399 f.
310
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
x
Effizienz des Arbeitsplatzes Dieses Kriterium beinhaltet die Bereitstellung von Preisen, Nachrichten, Marktdaten und das Vorhandensein weiterer Analysewerkzeuge und Grafiken.
x
Zusammenführung der Transaktionen Darunter ist die Zusammenführung aller Transaktionen einer Bank bzw. eines Bankenverbunds und die Aggregation der positionsrelevanten Transaktionen zu einer Handels- und Risikoposition zu verstehen.
x
Zeitnahe Abwicklung Die zeitgerechte Abwicklung aller Produkte und insbesondere die leistungsfähige Unterstützung proprietärer Preismodelle stellt eine wesentliche Anforderung dar.
x
Marktzugriff Dies beinhaltet den Online-Zugriff auf elektronische Transaktionssysteme zur Preisstellung und zur Auftragseingabe.
x
Automatisierung Unter Automatisierung werden der möglichst hohe Automatisierungsgrad und die damit einhergehende geringe Anzahl an manuellen Eingriffen verstanden.
x
Informationsverfügbarkeit Die Realtime-Verfügbarkeit von Kontrahenten- und Schuldner-Stammdaten ist bei Kreditrisiken bereits während der Initiierungsphase immanent wichtig, da diese Informationen zu den Eigenschaften des Vertrages gehören. Zudem muss während der Auftragseingabe ein Abgleich mit dem internen Limitsystem und den aufsichtsrechtlichen Limiten stattfinden, damit das zulässige vorgegebene Risiko nicht überschritten wird. Darüber hinaus ist nach der Auftragseingabe eine Überprüfung auf Unstimmigkeiten hinsichtlich des Risikotransfervertrages durchzuführen.
x
Dokumentation Das System muss eine lückenlose Dokumentation und damit die Revisionssicherheit der Prozesskette für jedes einzelne Geschäft gewährleisten.
Die Organisation eines Marktes versucht darüber hinaus den Wertpapierhandel zu rationalisieren, um so eine maximale Anzahl an Transaktionen in einer bestimmten Zeitspanne abwickeln zu können.871 Grundsätzlich kann aus diesen Anforderungen an ein modernes Handelssystem abgeleitet werden, dass diese im Wesentlichen den Kriterien der operativen Effizienz entsprechen. Daher ist bei der Konzeption eines Handelssystems im Kreditbereich besonderes Augenmerk auf diese Kriterien zu legen. Die Gestaltungsmerkmale werden im Folgenden näher erläutert und
871
Siehe Book (2001), S. 100.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
311
die daraus abgeleiteten Erkenntnisse auf die Ausgestaltung eines internen Kredithandelssystems projiziert. 5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes Um ein Konzept für die Implementierung eines internen Kreditmarktes zu erstellen, müssen einige generelle Fragen hinsichtlich der zu verwendenden Handelsverfahren geklärt werden, bevor die konkrete Implementierung eines Handelssystems vorgenommen werden kann. Die Ausgestaltung eines Marktes bzw. dessen Design kann unter Umständen das Handelsergebnis deutlich beeinflussen. Insbesondere betrifft dies die Kriterien Handelsprozess, Automatisierungsgrad, örtliche und zeitliche Konsolidierung des Handelsflusses, Einschaltung eines Market Makers und Orderbuchtransparenz. Diese einzelnen Ausgestaltungsmerkmale sollen im Folgenden theoretisch aufgearbeitet werden, wobei die Alternativen der Kriterien jeweils im Hinblick auf die Verwendung am internen Kreditrisikomarkt untersucht werden.872 Da bisher keine Untersuchungen zum Handel von Krediten vorliegen, werden einige Aussagen des Wertpapiermarktes auf den Kreditbereich übertragen. 5.2.1. Handelsprozess 5.2.1.1. Beschreibung Der Handelsprozess kann generell in die vier Handelsabschnitte Initiierungs-, Orderrouting-, Abschluss- und Ausführungsphase eingeteilt werden.873 In der Initiierungsphase verschaffen sich die Kreditrisikohändler einen Überblick über die entscheidungsrelevanten Informationen. Dazu werden zum einen die marktexternen Informationen analysiert. Zum anderen werden aber auch die marktendogenen Informationen, wie beispielsweise die Anzahl der ausgeführten Aufträge, die Ordervolumina, die offenen Aufträge und deren Risiken, untersucht. Das Ziel der Initiierungsphase ist, dass der jeweilige Marktteilnehmer zu einer Vorstellung über eine mögliche Order kommt. Daraus kann dann eine Kauf- oder Verkaufsorder abgeleitet werden. In der Orderroutingphase werden die transaktionsbezogenen Daten an den Markt weitergeleitet. Im Rahmen der Abschlussphase, die das „Herzstück der Transaktionskette“874 bildet, werden die offenen Kauf- und Verkaufsaufträge zusammengeführt. Darüber hinaus findet eine Preisfestsetzung statt. Das Ziel ist dabei meist das Umsatzvolumen zu maximieren, wobei sich die Preisbildung in den einzelnen verwendeten Auktionsverfahren unterscheidet.875 872
873
874 875
Zur Diskussion der Gestaltungsmerkmale bzw. Handelsverfahren siehe auch Bortenlänger (1996), S. 42 ff.; Schenk (1997), S. 32 ff.; Dittmar (2001), S. 280 ff. Zu den einzelnen Phasen des Börsenhandels vgl. auch Bortenlänger (1996), S. 22 ff.; Schenk (1997), S. 16 ff. Siehe Picot et al. (1996), S. 54. Zu den Auktionsverfahren im Einzelnen siehe Abschnitt 5.2.4.
312
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Die Abwicklungsphase schließlich dient dazu, die Teilnehmer über zustande gekommene Kontrakte zu informieren und das Settlement bzw. Clearing durchzuführen. Dies umfasst die Lieferung der Position(en) und die Zahlung des monetären Gegenwertes. Wichtig ist es, dass die Transaktionen fehlerfrei abgewickelt werden, da dadurch die Erfüllungsfrist und das damit verbundene Erfüllungsrisiko reduziert werden können. Letztendlich wird durch eine schnelle und reibungslose Abwicklung gewährleistet, dass die Handelspartner ihre gewünschten Ziele, z.B. das Hedging von Positionen, zeitnah erreichen können. Damit werden nicht zuletzt die Akzeptanz und die Liquidität des Marktes gefördert. 5.2.1.2. Implikationen für den internen Markt Ebenso wie am externen Markt sind auch am internen Markt alle vier Handelsphasen von Bedeutung. Die Initiierungsphase, aus der eine Order abgeleitet werden kann, muss am internen Kreditrisikomarkt durch vielfältige Steuerungsmöglichkeiten begleitet werden. Zum einen muss ein Händler durch verschiedene Analysewerkzeuge (siehe Abschnitt 5.3.2.) unterstützt werden, um seine Rendite-/Risikoposition festzustellen und um darauf aufbauend die Steuerung seines Portfolios durchzuführen. Dadurch kann unter Umständen ein Handlungsbedarf zu einer Umstrukturierung und damit zum Handel am Markt bestehen. Kommt ein Händler beispielsweise zu dem Schluss, dass die Granularität und damit die ökonomische und regulatorische Eigenkapitalbelastung seines Portfolios zu hoch ist, kann er entsprechend große Einzelkreditrisiken veräußern und/oder kleinere Einzelkreditrisiken am Markt erwerben und seinem Portfolio hinzufügen. Er würde zu vergleichbaren Handlungen greifen, wenn er feststellen würde, dass sein Portfolio zu schlecht diversifiziert ist. In diesem Fall kann er am Markt verschiedene Risiken aus unterschiedlichen Branchen und Regionen seinem Portfolio hinzufügen und zu hoch gewichtete Positionen seines Portfolios zum Kauf am Markt anbieten. Neben den Portfolioanalysemitteln muss ein Händler am internen Markt die Möglichkeit haben, Informationen über einen eingebauten (bank-, verbundinternen, externen) Nachrichtenticker oder über eine bilaterale Kommunikation mit anderen Händlern über ein Messaging-System zu erhalten.876 Außerdem erhält ein Händler, der am internen Markt teilnimmt, unter Umständen Einblick in das (semi-) interne Orderbuch und kann sich so einen Überblick über die Marktlage verschaffen. In der Orderroutingphase werden die Daten, die beim Kreditrisikohandel von Bedeutung sind, nämlich Stamm- und Kreditdaten, an das Orderbuch weitergeleitet, dort auf Vollständigkeit und Plausibilität überprüft und schließlich als offene Order aufgenommen. Die Stammdaten beinhalten in diesem Zusammenhang allgemeine Informationen über den Schuldner, wie z.B.
876
Hofmann et al. (1999), S. 90 f. schlagen beispielsweise ein Chat-System für Händler auf einem internen Markt vor.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
313
dessen Rating, Branche, Land, Umsatz. Bei den Kreditdaten hingegen handelt es sich um spezifische Informationen über die Transaktion, wie beispielsweise das Volumen, die Währung des Volumens, ein evtl. vorhandenes Emissionsrating, die Besicherung, das Limit, die Ordergültigkeit, den Identifikationsschlüssel des Auftraggebers, usw. In der Abschlussphase werden die Orders, die sich im Orderbuch befinden, gematcht, falls die Matchingkriterien dies zulassen. Dies bedeutet im Einzelnen, dass sich die Kauf- und Verkaufsorders auf das gleiche Risiko beziehen, in der Währung identisch sind und der Bid-Kurs des Käufers höher ist als der Ask-Kurs des Verkäufers. In der Abwicklungsphase wird die erworbene Position dann in das Portfolio des Käufers übernommen und der Kaufbetrag seinem Konto belastet. Im Anschluss erhalten die beteiligten Parteien bei Abschluss eines gematchten und abgewickelten Kontraktes eine Abwicklungsbestätigung in Form einer Confirmation. 5.2.2. Automatisierungsgrad 5.2.2.1. Beschreibung Gerade in der jüngeren Vergangenheit ist festzustellen, dass an den Finanzplätzen der elektronische Handel immer mehr den ursprünglich überwiegenden Parketthandel dominiert.877 Generell kann man entsprechend des Automatisierungsgrads zwischen einem Präsenzbörsensystem, einem computergestützten Parketthandel und einer Computerbörse unterscheiden.878 Der reine Präsenzhandel ist die klassische Gestaltung der Börsenorganisation. Die Marktteilnehmer finden sich während der fest stehenden Geschäftszeiten auf dem Börsenparkett ein. In der Initiierungsphase können sich die Marktteilnehmer durch direkte Kommunikation mit anderen Händlern einen Überblick über das Marktgeschehen verschaffen, so dass alle die gleichen Chancen der Informationsgewinnung haben.879 Im darauf folgenden Orderrouting werden die Orders durch Zuruf, Handzeichen oder durch Weitergabe von Schriftstücken übertragen. In der Abschlussphase ist die Preisfestsetzung abhängig vom verwendeten Preisbildungsprinzip. Beim Einheitskursverfahren sammelt ein Kursmakler alle Aufträge und übernimmt sie in sein Orderbuch. In vorher genau festgelegten Zeitabständen wird aus den eingegangenen Kaufund Verkaufsorders unter Berücksichtigung der Limite ein Kurs ermittelt, der zum höchsten Umsatz führt. Dieser Preis hat für alle Transaktionen Gültigkeit. Bleiben nach dem Matching von Kauf- und Verkaufsorders Aufträge nicht ausgeführt, kann der Auktionator die Gegenseite mit eigenen Positionen decken.880 877
878 879 880
Vgl. Domowitz (1993); Weinhardt/Gomber (1998), S. 2; Theissen (2002), S. 19 f.; in der Untersuchung von Bessler und Book wird sogar davon ausgegangen, dass der elektronische Markt den Präsenzhandel künftig verdrängen wird. Siehe Bessler/Book (2002), S. 20. Vgl. Schenk (1997), S. 2; Gomber (2000), S. 25 ff.; Dittmar (2001), S. 271 ff. Siehe Bortenlänger (1996), S. 66. Siehe Gomber (2000), S. 29 f.
314
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Im variablen Handel werden dagegen die Transaktionen fortlaufend ausgeführt. Der Abschluss einer Transaktion erfolgt dabei, genauso wie die Abgabe der Orders in der Initiierungsphase, durch Handzeichen oder Zuruf. Nachdem die Orders ausgeführt wurden, werden die durchgeführten Transaktionen in der Abwicklungsphase manuell in Schriftform weitergereicht und gebucht. Als computergestützter Parketthandel wird der Handel auf dem Börsenparkett bezeichnet, der durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologie in allen Teilphasen unterstützt werden kann. In diesem Zusammenhang kann die Initiierungsphase dadurch gekennzeichnet sein, dass Informationen von Nachrichtentickern, aus dem Internet oder aus elektronischen Orderbüchern gewonnen werden. Ebenso kann die Abgabe der Orders automatisiert werden, indem die Aufträge in ein Terminal eingegeben und an ein Orderbuch weitergeleitet werden. Das Mapping der Orders und die Preisfeststellung können ebenso automatisiert ablaufen, wie der sich daran anschließende Abwicklungsprozess. Daher ist ein grundlegendes Merkmal eines computergestützten Handels, dass eine räumliche Konzentration der Marktteilnehmer an einer Börse vorliegt, die einzelnen Handelsphasen jedoch mehr oder weniger durch den Einsatz von Informations- und Kommunikationstechnologien unterstützt bzw. gänzlich übernommen werden. Schließlich stellt die reine Computerbörse eine Vollautomatisierung in allen Handelsphasen dar. Die Orderannahme, das Orderrouting, die Orderzusammenführung, die Preisfeststellung bis hin zur Auftragsabwicklung werden in einem integrierten und vernetzten System durchgeführt. Im Vergleich zum computergestützen Handel ist beim vollautomatisierten Handel auch die Zusammenführung der Transaktionen und die Preisbestimmung grundsätzlich schnittstellenfrei und vollautomatisiert.881 Eine reine Computerbörse macht somit die Präsenz der Marktteilnehmer zu festen Geschäftszeiten vor Ort überflüssig. Stattdessen unterliegt der Handelsablauf weder örtlichen noch zeitlichen Beschränkungen. Die Händler generieren in der Initiierungsphase die Informationen mittels elektronischer Orderbücher, Nachrichtenticker, dem Internet oder mittels spezieller Informationsprovider, wie z.B. Reuters und Bloomberg. Das integrierte Handelssystem kann über ein vernetztes System erreicht werden und die Orderabgabe kann damit unabhängig vom Ort in einen vernetzten Terminal erfolgen. Die Orders werden anschließend direkt in das elektronische Orderbuch übertragen, in dem dann die Kauf- und Verkaufsaufträge zusammengeführt werden. Damit erfolgt die Ermittlung des Preises automatisiert, wobei dieser dann direkt und in Echtzeit den Marktteilnehmern bekannt gegeben wird. Die Bestätigung der Orderausführung zum relevanten Preis und dem entsprechenden Volumen wird wiederum direkt und vollautomatisiert an das Händlerterminal übermittelt.
881
Siehe Gerke/Rapp (1994), S. 14; Bortenlänger (1996), S. 104 f.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
315
Neben diesen Grundformen der Börsenorganisation gibt es weitere Formen teilautomatisierten Handels. Zu diesen zählt hauptsächlich der außerbörsliche Telefonhandel, bei dem sich die Kontraktpartner via Telefon, Fax oder E-Mail über den Abschluss eines Vertrages einigen. 5.2.2.2. Implikationen für den internen Markt Hinsichtlich der Implikationen des Automatisierungsgrades auf den Kreditrisikohandel am internen Markt sind die unterschiedlichen Aspekte auf Handelseffizienz zu überprüfen. Dazu werden die einzelnen Kriterien der operativen Effizienz untersucht.
Generell erscheint der reine Präsenzhandel nicht mehr zeitgemäß. Der Handel von Kreditrisiken ist durch die Komplexität der Transaktionen nicht ohne Automatisierung möglich. In diesem Zusammenhang sei speziell auf die Berechnungen bei der Bepreisung einer Position oder die Berechnung der Portfoliowerte hingewiesen. Ohne die elektronische Unterstützung können diese Kalkulationen nicht durchgeführt werden und der Handel wäre somit nicht möglich. Daher wird der reine Präsenzhandel nicht weiter untersucht.882 Der reine Computerhandel könnte dem computergestützten bei der Transaktionssicherheit bzw. der Zuverlässigkeit überlegen sein, da dabei viele Schnittstellen vermieden werden. Die Transaktion wird bei der Integration der Handelsprozesse einmalig in ein Ordersystem eingegeben und dann ausschließlich elektronisch weiterverarbeitet. Alle anfallenden Schritte sind durch eine lückenlose Dokumentation nachvollziehbar. Sobald jedoch eine fehlerhafte Order in das System eingegeben wird, kann diese nicht bzw. nur noch mit relativ hohem Aufwand bereinigt und korrigiert werden. Unter Umständen kann sie nicht mehr aus dem System entnommen werden und sie durchläuft den Orderroutingprozess und evtl. auch die Abschlussphase. Beim computergestützten Verfahren können sich jedoch ähnliche Probleme zeigen. Auch hier können durch fehlerhafte mündliche Übermittlung oder bei Eingabe der Orderdaten in das handelsunterstützende System Fehler auftreten, die möglicherweise ebenso schwer zu korrigieren sind. Zudem können am Parketthandel fehlerhafte mündliche oder per Handzeichen vereinbarte Orders nicht mehr nachvollzogen werden. Problematisch erscheint die Sicherheit des Computerhandels auch unter dem Aspekt der Abhängigkeit von der hohen Automatisierung. Während beim Ausfall eines Handelssystems beim computergestützten Verfahren unter Umständen noch ein traditioneller Parketthandel ersatzweise durchgeführt werden könnte, wird dies bei der Computerbörse ausgeschlossen. Es könnte jedoch bei Ausfall der Computerbörse ersatzweise ein Telefonhandel eingeführt werden, wenn die angeschlossenen weiterverarbeitenden Banksysteme dies zulassen.
882
Der reine Präsenzhandel im Wertpapierbereich ohne jegliche IT-Unterstützung existiert lediglich noch in einigen Ländern Osteuropas und in Entwicklungsländern. Siehe Schenk (1997), S. 36.
316
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Schließlich sei bei den computergestützen Handelsverfahren und dem reinen Computerhandel noch auf die Gefahr durch betrügerisches Verhalten hingewiesen. Durch den Angriff von Hackern oder durch Computerviren kann es auf der einen Seite dazu kommen, dass der Handel nicht fortgeführt werden kann. Auf der anderen Seite ist jedoch auch denkbar, dass eine bewusste Datenmanipulation durchgeführt werden könnte, die einen erheblichen Schaden für den Handelsplatz generell mit sich bringen würde. Insgesamt betrachtet bleibt festzuhalten, dass beide Automatisierungsformen den einen oder anderen Vorteil haben, so dass keine eindeutige Entscheidung unter Betrachtung des Sicherheitskriteriums getroffen werden kann. Durch den Aufbau eines Schutzes vor Systemausfällen, beispielsweise durch Backup-Server, und vor Computerviren, z.B. mittels Antivirensoftware, kann die technische Sicherheit in einem hohen Maße gewährleistet werden. Im Hinblick auf mögliche bewusste Datenverfälschungen müssen entsprechende Organisations- und Berechtigungsstrukturen in den Banken geschaffen werden, um einen möglichst hohen Schutz vor unerlaubten Aktionen aufzubauen. Diese Abhilfemaßnahmen können dann eine gewisse Sicherheit gewährleisten, die jedoch mit höheren Aufwendungen verbunden sind. Andererseits entstehen auch in einem nicht-computergestützten Handelsverfahren Kosten, die ebenfalls hauptsächlich den Sicherheitsaspekt betreffen. Daher kann in diesem Punkt keine eindeutige Aussage hinsichtlich des optimalen Automatisierungsgrads gemacht werden. Bezüglich einer zeitnahen Abwicklung könnte angenommen werden, dass die Computerbörse dem Präsenzhandel überlegen ist. Diese Überlegenheit resultiert aus der Reduktion der Schnittstellen und dem damit verbundenen ununterbrochenen Datenfluss zwischen den einzelnen involvierten Systemen. Die reine Computerbörse zeichnet sich durch eine Integration aller beteiligten Subsysteme aus, so dass eine maximale Geschwindigkeit bei der Abwicklung der Aufträge erreicht werden kann. Diese Annahme kann durch die Empirie der jüngeren Vergangenheit gestützt werden. Während beispielsweise Bühler et al. in ihrer Untersuchung zur Geschwindigkeit des Preisfindungsprozesses an Aktienmärkten keine Überlegenheit der Computerbörse ausmachen konnten,883 gehen andere Analysen von deutlichen Geschwindigkeitsunterschieden bei der Abwicklung aus. So zeigt McVey, dass beispielsweise die Broker bzw. Market Maker an der NASDAQ etwa drei Minuten Zeit haben, um auf eine eingegangene Order zu reagieren.884 Dagegen wird bei modernen Plattformen, wie z.B. den ECN davon ausgegangen, dass eine Order in bis zu zwei Sekunden ausgeführt wird.885 Aufgrund dieser
883
884 885
Siehe Bühler et al. (1995); zu einer Untersuchung, die zu einem gegensätzlichen Urteil kommt, siehe Grünbichler et al. (1994). Siehe McVey (1999), S. 55. Siehe Hegarty (2000), S. 3 f. Bei ECN (Electronic Communication Networks) handelt es sich um alternative Handelssysteme. Diese finden lediglich über das Internet und ohne Einschaltung eines Kursmaklers statt. Die Preisbildung und die Abwicklung werden vollautomatisiert durchgeführt. Zu den alternativen Handelssystemen generell siehe FSA (2002b); Ludwig (2003), S. 516 f.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
317
eklatanten Unterschiede kann resümiert werden, dass ein Geschwindigkeitsvorteil bei der Abwicklung von Orders an einer automatisierten Computerbörse existiert.886 Wird das Kriterium der Transparenz herangezogen, lässt sich feststellen, dass keine eindeutige Aussage bezüglich der Vorteilhaftigkeit der reinen Computerbörse und dem computergestützten Parketthandel möglich ist. Die Verbreitung von Informationen wird über ein elektronisches Handelssystem erleichtert, so dass der Handel orts- und zeitunabhängig stattfinden kann. Dabei wird beispielsweise auf die verschiedenen Nachrichtendienste, wie Reuters oder Bloomberg verwiesen, die über ein vernetztes System zugänglich sind. Darüber hinaus befinden sich die Händler auf einer Computerbörse meist in Handelsräumen ihres Arbeitgebers, so dass ihnen hier ein breites Spektrum an Informationssystemen zur Verfügung steht und sie damit über eine große Menge an zeitnahen Informationen verfügen.887 Andererseits haben die Händler auf dem Börsenparkett lediglich einen selektierten Zugang zu Informationen. Ihnen werden die aktuellen Marktdaten vor allem über die Kursanzeigetafel bekannt gegeben.888 Zudem haben die Händler die Möglichkeit, durch direkten oder telefonischen Kontakt mit anderen Marktteilnehmern Informationen zu bekommen. Analysiert man den Präsenzhandel aus informationsökonomischer Sicht, ist eine grundlegende Abhängigkeit zwischen der Reichweite und der Qualität der Informationen festzustellen. Die Qualität der Informationen wird meist über die Aktualität und den Umfang gemessen, während die Reichweite der Informationen die Anzahl der Marktakteure beschreibt, denen eine bestimmte Informationsqualität zugänglich ist. An einer Präsenzbörse wird ein Mittelweg zwischen Qualität und Reichweite der Informationen beschritten.889 Ein Maximum an Informationsqualität steht den Marktteilnehmern zur Verfügung, die unmittelbar auf dem Parkett agieren. Sie erhalten manche Informationen, z.B. Orderdaten, ohne Zeitverzug und können somit das Handelsgeschehen und die Stimmungslage direkt beobachten. Jedoch ist durch die Bedingung der physischen Anwesenheit die Reichweite der Information beschränkt. Diese wird beim Präsenzhandel vor allem durch die räumlichen Gegebenheiten begrenzt. Die Marktteilnehmer, die nicht unmittelbar am Parketthandel teilnehmen, erhalten dann Informationen geringerer Qualität, da sie über das Handelsgeschehen lediglich mit einem Zeitverzug informiert werden und die eigenen Orders aufgrund der räumlichen Distanz erst verzögert abgeben können. Damit treten am Präsenzhandel Informationsasymmetrien auf, so dass diese Marktgestaltung einen Kompromiss aus Informationsqualität und -reichweite darstellt. 886
887 888
889
Siehe in diesem Sinne auch Bessler/Book (2002), die den Handel in DM-Bund-Futures an der elektronischen Börse DTB/EUREX mit dem Präsenzhandel an der LIFFE verglichen haben. Siehe Bienert (1996), S. 108 f.; Bessler/Book (2002), S. 5. An der Frankfurter Wertpapierbörse ist es beispielsweise üblich, dass im variablen Handel die Geldund Briefkurse der DAX-Werte (so genannte pre-trades) an einer Anzeigentafel im Börsensaal veröffentlicht werden. Siehe Freihube et al. (1999), S. 5. Siehe Bessler/Book (2002), S. 5.
318
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Informationsqualität
Die Händler an einer reinen Computerbörse haben dagegen üblicherweise Einblick in die Geld- und Briefkurse im Orderbuch, das die Orders aller Marktteilnehmer zusammenfasst. Daher erhalten sie auf diese Weise Einblick in die aktuelle Orderlage und die aktuelle Marktsituation. Somit kann eine nahezu unbeschränkte Anzahl an Marktteilnehmern mit einer identischen Informationsqualität versorgt werden. Die Verbreitung der Informationen ist in diesem Fall weniger von der räumlichen Kapazität als von der technischen Ausgestaltung des Handelssystems abhängig.890 Da die Informationsreichweite einer Computerbörse theoretisch unbeschränkt ist, kann auch ein weit größeres Absatzgebiet bedient werden.891 Den Zusammenhang zwischen Informationsreichweite und -qualität am Präsenzhandel und an der Computerbörse stellt Abbildung 58 grafisch dar.892
Marktteilnehmer auf dem Parkett
Marktteilnehmer am Marktteilnehmer am Börsenterminal Börsenterminal Marktteilnehmer außerhalb des Parketts
Informationsreichweite Abb. 58: Zusammenhang zwischen Informationsreichweite und -qualität am Präsenzhandel und an einer Computerbörse
Dennoch bleibt bei der Computerbörse kritisch anzumerken, dass eine Beobachtung der Marktteilnehmer und der am Börsenparkett herrschenden Stimmungen nicht oder nur noch in beschränkter Weise, z.B. via Telefon, möglich ist. Neben den nicht vorhandenen qualitativen Eindrücken wird häufig als weiteres Argument gegen Computerbörsen die Anonymität der Marktteilnehmer aufgeführt. Am Computerhandel sind die im Orderbuch eingegebenen Orders generell anonym. Erst bei Erstellung einer Schlussnotiz, also nach dem Handelsabschluss, wird der Vertragspartner offen gelegt. Daraus kann ein Problem der adversen Selektion abgeleitet werden.893 Dies resultiert genau dann, wenn Marktteilnehmer identifiziert werden, die mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgrund über890 891 892 893
Vgl. Domowitz (1992), S. 316. Siehe Steiner (1993), S. 420. in Anlehnung an Evans/Wurster (1997), S. 75 Siehe Theissen (2002), S. 3.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
319
legener Informationen handeln. Wenn die Marktteilnehmer ein solches Verhalten trotz Anonymität erwarten, werden sie ihre Informationsrisikokomponente in Form der Geld-BriefSpanne generell erweitern. Da dies für alle teilnehmenden Händler gilt, werden sich speziell die Transaktionskosten der uninformierten Marktteilnehmer erhöhen. Dagegen können die Händler, die sich kennen und am Parketthandel zusammen agieren, auf derartige Informationsrückstände gezielt reagieren. Die Geschäftsbeziehungen sind somit am Parketthandel durch die räumliche Nähe unter Umständen enger, so dass der Reputation innerhalb einer langfristigen Geschäftsbeziehung ein hoher Stellenwert beigemessen werden muss. Dadurch kann letztendlich auch das Problem der adversen Selektion reduziert werden.894 Für den Kreditrisikohandel am internen Markt kann abgeleitet werden, dass beide Verfahren hinsichtlich der Transparenz überwiegend geeignet sind. Die Computerbörse hat jedoch den Vorzug der größeren Reichweite der Informationen. Falls eine größere Anzahl Händler vorhanden ist, wäre demnach der Einsatz einer Computerbörse zu bevorzugen. Dies gilt speziell dann, wenn die Informationsversorgung über ein zentrales System erfolgt, bei dem die teilnehmenden Händler die Informationen auf der einen Seite über Drittanbieter (Reuters, Bloomberg oder Internet) und auf der anderen Seite über die eigene Plattform erhalten. Es kann in diesem Fall davon ausgegangen werden, dass die Marktteilnehmer am internen Markt auf diese Weise die generierten Informationen zeitgleich erhalten. Hinsichtlich des Problems der adversen Selektion kann bei der Implementierung eines internen Handelssystems die Anonymität der Kontrahenten aufgehoben werden. Dies bedeutet, dass die Marktteilnehmer die Orders eindeutig einem Händler oder einer Bank zuordnen können. Mitunter kann so, neben dem alleinigen Einsatz eines integrierten Systems, der direkte Kontakt zu einem möglichen Kontraktpartner, z.B. via Telefon oder E-Mail, hergestellt werden. Diese Maßnahmen haben den Effekt, dass die Geschäftsbeziehungen über den Reputationsaufbau langfristig angelegt werden. Kommt es dennoch zu einer bewussten Übervorteilung mancher Marktteilnehmer, kann dies zu einer negativen Reputation im Markt und damit zu einer Isolation einzelner Händler führen. Neben der Transparenz ergeben sich bei der Computerbörse auch Vorteile hinsichtlich des dezentralen Marktzugangs. Es wird sichergestellt, dass die Marktteilnehmer standortunabhängig sein können und der Wertpapierhandel über ein Terminal von einem beliebigen Arbeitsplatz abgewickelt werden kann. Somit kann diese Tätigkeit auf einem automatisierten Handelssystem unter effizientem Einsatz personeller Ressourcen erfolgen.895 Dagegen ist der Parketthandel durch die Anwesenheit aller Teilnehmer gekennzeichnet. Der Markt verliert damit seine Standortunabhängigkeit und die personellen Ressourcen müssen an der Börse präsent sein. Für den internen Markt für Kreditrisiken folgt aus dem Kriterium des örtlichen Marktzu-
894 895
Siehe Theissen (2002), S. 4. Siehe Gerke (1993), S. 734.
320
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
tritts eine eindeutige Präferenz für die Computerbörse. Der interne Handel wird unter Umständen von mehreren Filialen oder Banken eines Verbands betrieben. Eine räumliche Abhängigkeit würde die Flexibilität, die durch den Einsatz moderner Informations- und Kommunikationsmedien gewährleistet wird, reduzieren. Zudem wäre durch einen räumlich fixierten Handel dort mehr Personal notwendig. So werden beispielsweise die Händler und Teile der Abwicklung an einem bestimmten Handelsplatz gebunden. Darüber hinaus gewährleistet eine Computerbörse die Unabhängigkeit des Handels von Börsengeschäftszeiten. Dies bedeutet, dass im Allgemeinen jederzeit eine Order eingegeben und bei Existenz einer entsprechenden Gegenseite auch ausgeführt werden kann. Da innerhalb einer Zeitzone die Arbeitszeiten der beteiligten Banken gleich sein müssten, spielt dieses Argument insbesondere für Banken oder Bankverbände eine Rolle, die zeitzonenübergreifend agieren. Dabei können die Händler unabhängig von den Geschäftszeiten verschiedener Banken Handel betreiben, so dass die Zeitzone den Marktzugang im Prinzip nicht negativ beeinflusst.896 Durch die Integration aller mit der Orderweiterleitung verbundenen Prozesse in einem ganzheitlichen System wird zudem gewährleistet, dass alle Orders im Sinne der Marktfairness die gleichen Chancen haben, ausgeführt zu werden. Dagegen könnten Marktteilnehmer an einer Präsenzbörse Gefahr laufen, dass ihre akustisch ausgedrückten oder per Handzeichen übermittelten Orders nicht oder nicht in der gewünschten Weise beim Empfänger ankommen. Daher bietet sich speziell für den internen Markt unter dem Gesichtspunkt der Fairness der Computerhandel an. Jeder teilnehmende Händler hat damit die gleichen Chancen, eine Order abzugeben. Darüber hinaus werden in der Abschlussphase keine Aufträge benachteiligt oder bevorzugt behandelt. Computerbörsen haben gegenüber dem Präsenzhandel den weiteren Vorteil, dass alle mit dem Handel verbundenen Eingaben im System zeitgenau protokolliert werden. Damit kann der komplette Handelsprozess lückenlos überwacht und kontrolliert werden. Es wird auf diese Weise gewährleistet, dass außergewöhnliche Preisbewegungen oder sogar Regelverstöße identifiziert und entsprechend geahndet werden können. Dies trägt auch am internen Markt zu einer erhöhten Sicherheit, Fairness und Chancengleichheit aller Marktteilnehmer bei. Durch umfangreiche Reports und automatische interne Kontrollmechanismen können Kursmanipulationen bemerkbar gemacht und entsprechende Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die Transaktionskosten als Effizienzkriterium lassen sich in eine explizite und eine implizite Komponente zerlegen. Bei den expliziten Kosten sind an Präsenzbörsen hauptsächlich die Personal-, Raum- und Kommunikationskosten von Bedeutung. Diese sind meist abhängig vom Ausmaß der manuellen Bearbeitung, die ihrerseits in Zusammenhang mit der Auslastung
896
Schwerwiegender können beim Handel über Zeitzonen hinweg vor allem die Liquiditätsschwankungen sein.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
321
steht. Daher können diese Kosten überwiegend als variabel klassifiziert werden.897 Dagegen entstehen die Hauptkosten bei der Implementierung einer Computerbörse durch die Entwicklung und das Betreiben des Handelssystems. Diese Kosten sind jedoch größtenteils als fix anzusehen. Für den internen Markt kann daher abgeleitet werden, dass die expliziten Transaktionskosten zunächst beim Parketthandel günstiger sind. Steigt jedoch die Anzahl der Transaktionen über ein gewisses Niveau (Break Even), stellt sich der Computerhandel als kostengünstiger dar. Die impliziten Kosten messen die Transparenz auf einem Markt und können mit der Geld-Brief-Spanne quantifiziert werden. Nach einer Studie von Theissen ergeben sich in einem Vergleich zwischen der Computerbörse IBIS bzw. XETRA und dem Parketthandel an der Frankfurter Börse speziell dann hohe implizite Transaktionskosten, wenn die Titel wenig liquide sind.898 Andererseits ist die Geld-Brief-Spanne bei hochliquiden Titeln relativ niedrig, wobei sie am Parketthandel immer unter der des Computerhandels liegt. Für den Handel am internen Markt ergibt sich somit für die Transaktionskosten, dass einerseits ab einer gewissen kritischen Auftragsmenge die Computerbörse vorzuziehen ist. Andererseits sind Maßnahmen, wie z.B. nicht-anonymisierte Orders, zu ergreifen, die die impliziten Transaktionskosten an einer automatisierten Börse reduzieren können. Durch die Preisgabe der Händleridentität kann so eine Reputation für das Segment Kreditrisikohandel aufgebaut werden. Dadurch sollten, ceteris paribus, die impliziten Transaktionskosten sinken. Eine direkte umgekehrte Abhängigkeit von den Transaktionskosten ist beim Kriterium Liquidität zu bemerken. Während hohe Transaktionskosten eine hohe Geld-Brief-Spanne und damit, ceteris paribus, eine geringe Liquidität nach sich ziehen, sind geringe Transaktionskosten mit einer geringeren Geld-Brief-Spanne und damit einer höheren Liquidität verbunden. Für den internen Markt sind die Aussagen, die bei den Transaktionskosten gemacht wurden, auch für die Liquidität maßgebend. Am internen Markt kann die Liquidität durch die Konzentration auf wenige, gängige Titel sichergestellt werden. Orders für Spezialwerte dagegen haben demnach eine geringere Wahrscheinlichkeit ausgeführt zu werden als solche, die sich auf „handelsübliche“ Werte beziehen.
897 898
Siehe Dittmar (2001), S. 287. Siehe Theissen (2002), S. 7.
322
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Die Konsequenzen aus den Effizienzkriterien für den internen Markt werden für den Automatisierungsgrad in Tabelle 37 zusammengefasst.899 Kriterium
computergestützter Parketthandel
reine Computerbörse
Transaktionssicherheit und Zuverlässigkeit
-
schnittstellenlose Prozesse
Abwicklung
-
zeitnahe Verarbeitung
Transparenz
Stimmungslage erfassbar; keine Anonymität; Reputation wichtig
Informationsreichweite
Marktzugang
-
Ortsunabhängigkeit; Zeitunabhängigkeit
Fairness
-
Chancengleichheit
Kontrollmöglichkeiten
-
lückenlose Nachvollziehbarkeit
Transaktionskosten
geringere explizite fixe Transaktionskosten; geringe implizite Transaktionskosten
geringere explizite variable Transaktionskosten; geringere Geld-Brief-Spanne bei hochliquiden Werten
Liquidität
-
geringere Geld-Brief-Spanne bei liquiden Werten
Tab. 37: Zusammenfassung der Vorteile bzgl. Automatisierungsgrad am internen Markt
5.2.3. Örtliche Konsolidierung des Orderflusses 5.2.3.1. Beschreibung Unter der örtlichen Konsolidierung des Handelsflusses wird an dieser Stelle die räumliche Verteilung des Marktes verstanden. Dabei kann man generell zwischen einem zentralen und einem dezentralen Ansatz unterscheiden, wobei auch Hybridlösungen möglich sind. Beim zentralen Ansatz befinden sich sämtliche Marktteilnehmer an einer zentralen Stelle. Dort erfolgt die Abgabe der Orders, die Orderweiterleitung, der Handelsabschluss und die Auftragsabwicklung. Durch die Konzentration der Aufträge in einem Orderbuch wird eine maximale Liquidität und gleichzeitig ein Absinken der Kursvolatilität erzielt.900 Des Weiteren entstehen den Marktteilnehmern geringere Informationskosten, da sie lediglich die Kurse und Orders eines Marktes überwachen müssen. Darüber hinaus hat diese Konzentration auch positive Auswirkungen auf die Preisqualität, da der festgestellte Kurs auf einer breiten Basis an ausgeführten Orders beruht.
899 900
in Anlehnung an Dittmar (2001), S. 289 Siehe Bittner (1998), S. 76.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
323
Im Extremfall des dezentralen Ansatzes führt jeder Marktteilnehmer sein eigenes Orderbuch. So kann der Telefonhandel als Beispiel eines völlig dezentralen Marktes herangezogen werden.901 Ein Händler teilt dabei seine gewünschten Aufträge verschiedenen potenziellen Interessenten nacheinander mit. Ein Vorteil der dezentralen Variante ist insbesondere die Anonymität der Marktteilnehmer. Bei der Platzierung großer Orders kann eine Überreaktion uninformierter Teilnehmer und damit Transaktionskosten in Form höherer Geld-Brief-Spannen vermieden werden. Darüber hinaus wird bei einem dezentralen Verfahren die räumliche Konzentration nicht vorausgesetzt, weswegen unter Umständen Kosten für die Räumlichkeiten und für Personal entfallen. Dagegen werden jedoch die Such- und Kommunikationskosten bei dieser Variante steigen. Zwischen diesen Extremen existieren eine Reihe von Hybridformen. So stellt das deutsche Regionalbörsensystem eine regionale Konsolidierung dar, bei der die gleichen Wertpapiere an für sich gesehen zentralen Handelsplätzen gehandelt werden.902 Da die Marktteilnehmer ihre Orders zwischen den verschiedenen Börsenplätzen aufteilen können, wird an jedem Handelsplatz weniger Liquidität zur Verfügung stehen als im völlig zentralen Ansatz. Die Händler müssen zudem die aktuelle Kurs- und Orderlage an verschiedenen Handelsplätzen überwachen, was zu steigenden Transaktionskosten führt. Nicht zuletzt bietet diese Gestaltung Arbitrageuren die Möglichkeit, unterschiedliche Preise für gleiche Wertpapiere zu nutzen und daraus einen risikolosen Gewinn zu erzielen. Eine andere Variante von zentraler und dezentraler Konsolidierung ist die Bündelung aller Orders aus dezentralen Marktzugängen. Dadurch können die Liquidität gebündelt und die Kostenvorteile eines dezentralen Marktzugangs genutzt werden. Dies ist schließlich auch die Gestaltungsform, die einer Computerbörse zugrunde liegt. 5.2.3.2. Implikationen für den internen Markt Auch bei der Bewertung der örtlichen Konsolidierung können die Kriterien zur operativen Effizienz herangezogen werden. Die Kriterien Sicherheit, Zuverlässigkeit, Abwicklung und Marktzutritt werden durch die Organisation der örtlichen Konsolidierung kaum beeinflusst.
Die Transparenz eines Marktes mit einem zentralen Orderbuch ist aus informationsökonomischen Gesichtspunkten effizienter als die Berücksichtigung vieler Orderbücher. Damit ist pro Wertpapier lediglich ein Kurs und ein Orderbuch relevant. Beim völlig dezentralen Ansatz entstehen sehr hohe Such-, Kommunikations- und unter Umständen auch Überwachungskosten (Fairness), da die Aufträge lediglich auf bilateralem Wege erfasst werden. Daraus resul-
901 902
Vgl. Picot et al. (1996), S. 41 ff. Siehe auch Schenk (1997), S. 48 f.; Dittmar (2001), S. 293.
324
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
tiert ein zersplitterter Markt, der die Transparenz insgesamt reduziert. Aus diesen Gründen bietet sich insbesondere für die Organisation des internen Marktes der zentrale Ansatz an. Die Analyse der Transaktionskosten führt zu einem ähnlichen Sachverhalt. Durch Umsetzung des zentralen Ansatzes können zum einen explizite fixe Transaktionskosten eingespart werden. Zum anderen kann über eine Konzentration des Orderflusses die Liquidität gebündelt werden, was wiederum die Geld-Brief-Spanne reduziert. Dagegen hat der völlig zentrale Ansatz den Nachteil, dass sich alle Marktteilnehmer an einem räumlichen Ort einfinden müssen. Dadurch können wiederum höhere Kosten für Räumlichkeiten und Personal entstehen. Für die Gestaltung des internen Marktes ist daher eine Hybridform maßgebend, die ein zentrales Orderbuch bei dezentralem Marktzugang ermöglicht. Tabelle 38 fasst die verschiedenen Aspekte der räumlichen Konsolidierung für den internen Markt zusammen.903 Kriterium
zentraler Ansatz
dezentraler Ansatz
Transaktionssicherheit und Zuverlässigkeit
-
-
Abwicklung
-
-
Transparenz
geringere Informationsund Suchkosten
-
Marktzugang
-
räumliche Unabhängigkeit
Fairness
geringere Kontrollkosten
-
Kontrollmöglichkeiten
-
-
Transaktionskosten
geringere Fixkosten; geringere Geld-Brief-Spanne
-
Liquidität
Konzentration des Orderflusses
-
Tab. 38: Zusammenfassung der Vorteile bzgl. Örtlicher Konsolidierung am internen Markt
5.2.4. Zeitliche Konsolidierung des Orderflusses 5.2.4.1. Beschreibung Unter der zeitlichen Konsolidierung des Orderflusses wird in diesem Zusammenhang die zeitliche Preisfeststellung auf Grundlage der vorliegenden Orders verstanden. Die Kursermittlung nach dem Auktionsverfahren findet in einer Verhandlung unter Einbeziehung aller abgegebenen Orders statt. Die Verhandlungen können in fest vorgegebenen Zeitabständen oder im Extremfall fortlaufend durchgeführt werden. Entsprechend unterscheidet man das Einheitskursprinzip und den fortlaufenden Handel. 903
in Anlehnung an Dittmar (2001), S. 296
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
325
Beim Einheitskursprinzip bzw. -verfahren werden in der so genannten Aufrufphase alle vorhandenen Kauf- und Verkaufsorders für ein Wertpapier gesammelt und in einem Orderbuch geführt.904 Ist diese Phase beendet, werden keine weiteren Orders mehr entgegengenommen und es wird ein Kurs ermittelt, zu dem alle Transaktionen abgewickelt werden. Dieser Kurs wird als Einheits-, Kassa- oder Gesamtkurs bezeichnet. Dieser wird nach dem Meistausführungsprinzip bzw. Überhangminimierungsprinzip bestimmt und ist als Kurs des maximalen Umsatzes905 (Aktien oder Bonds) bzw. der meisten ausgeführten Kontrakte906 (Optionsscheine und Futures) definiert. Als Folge daraus ergibt sich die Minimierung der Anzahl an nicht ausgeführten, noch im Limitbereich befindlichen Orders. Es lassen sich folgende fünf Konsequenzen im Rahmen der Anwendung des Einheitskursverfahrens ableiten: x
Der Einheitspreis muss den größten Umsatz ergeben.
x
Sämtliche Bestens- und Billigst-Aufträge müssen ausgeführt werden.
x
Alle über dem Einheitskurs liegenden Kaufaufträge müssen ausgeführt werden.
x
Alle unter dem Einheitskurs liegenden Verkaufsaufträge müssen ebenfalls ausgeführt werden.
x
Die Aufträge, bei denen das Limit dem Einheitskurs entspricht, müssen wenigstens teilweise ausgeführt werden.
Technisch bedeutet dies, dass alle Kauforders nach absteigenden und die Verkaufsorders nach aufsteigenden Limiten sortiert werden. Durch schrittweise Kumulation der Ordermengen kann nun für jeden potenziellen Kurs die Angebots- bzw. Nachfragemenge bestimmt werden. Dieses Vorgehen soll an einem Beispiel verdeutlicht werden. Kauforders
Verkaufsorders
Stück
Limit
Stück
300
Billigst
200
Limit Bestens
200
23
300
20
300
22
200
21
150
21
250
22
300
20
300
23
Tab. 39: Kursfeststellung: Kauf- und Verkaufsaufträge
904
905 906
Die Regelungen zum Einheitskursprinzip sind jeweils börsenspezifisch geregelt. Für die FWB siehe § 28 Börsenordnung FWB (2005). Siehe beispielsweise § 32 Abs. 2 Satz 5 der Börsenordnung FWB (2005). Siehe beispielsweise Abschnitt 4.5.2. und 4.5.3. der Börsenordnung EUREX (2004).
326
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Daraus ergeben sich folgende Umsätze: Kurs
Kauf (Stück)
Verkauf(Stück)
20
1.250
500
Möglicher Umsatz 10.000
21
950
700
14.700
22
800
950
17.600
23
500
1.250
11.500
Tab. 40: Kursfeststellung: Umsätze
In diesem Beispiel würde der Kurs nach dem Einheitsverfahren bei 22 liegen, da ein Umsatzmaximum von 17.600 Geldeinheiten erzielt wird. Letztlich ist noch eine weitere Regel nötig, die die Zusammenführung der Kontraktpartner bestimmt. Dazu wird an den Börsen meist das Preis-Zeit-Verfahren angewendet.907 Dies besagt, dass bei Gleichheit zweier Limite nach dem „First-in-First-out-Prinzip“ verfahren wird. Demnach werden die Orders als erstes berücksichtigt, die auch zuerst abgegeben wurden. An der Frankfurter Wertpapierbörse findet die Ermittlung des Einheitskurses zur Eröffnung, mittags und zum Schluss des Handelstages statt, wobei die drei Preisfeststellungen auch als gerechnete Kurse bezeichnet werden.908 Beim Einheitskursverfahren sind Situationen möglich, bei denen das Meistausführungsprinzip keinen eindeutigen Preis, sondern lediglich eine Preisspanne vorgeben kann. In diesen Fällen ist aufgrund der Preiskontinuität der Kurs zu wählen, der möglichst nahe am zuletzt festgestellten Börsenpreis liegt.909 Durch den variablen Handel erfolgt die Kursbestimmung nicht mehr in größeren zeitlichen Abständen, sondern kontinuierlich.910 Die eingehenden Orders werden beim Vorliegen einer entsprechenden Gegenposition entweder sofort ausgeführt oder sie verbleiben im Orderbuch, bis eine passende Gegenseite gefunden werden konnte. An der Frankfurter Wertpapierbörse wird eine Hybridform verwendet, bei der zwischen den Preisfeststellungen nach dem Einheitskursprinzip ein variabler Handel erfolgt. Dabei bemüht sich der zuständige Kursmakler um eine kontinuierliche Ausführung der in seinem Orderbuch enthaltenen Orders.911 5.2.4.2. Implikationen für den internen Markt Die Anwendung des Einheitskursverfahrens eignet sich insbesondere für Wertpapiere mit geringerer Liquidität, da aufgrund der zeitlichen Konsolidierung eine höhere Markttiefe erreicht wird.912 Jedoch lässt sich das Einheitskursprinzip auch für liquidere Wertpapiere anwenden, da dadurch eine höhere Preiskontinuität erreicht werden kann und sich auf diese 907 908 909 910 911 912
Siehe Rudolph/Röhrl (1997), S. 193. Siehe Freihube et al. (1999), S. 4. Vgl. beispielsweise § 32 Abs. 2 Satz 2 und § 34 Abs. 4 Börsenordnung FWB (2005). Siehe Bortenlänger (1996), S. 85 ff.; § 34 Börsenordnung FWB (2005). Zum Orderbuch siehe Abschnitt 5.2.6. Siehe Rasch (1996), S. 120.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
327
Weise die Kursausschläge, z.B. aufgrund der Abgabe großer Kauf- oder Verkaufsaufträge, ausgleichen lassen.913 Darüber hinaus könnte eine geringe Liquidität am internen Markt den fortlaufenden Handel erschweren. Dem ist entgegenzuhalten, dass durch den Einsatz eines Market Makers914 der variable Handel durchführbar wäre, zumal dann zeitnah eine Gegenposition gefunden werden könnte. Daher spricht dies auch unter dem Aspekt der Abwicklung bzw. der Transaktionsgeschwindigkeit für den variablen Handel. Einzuwenden wäre bei dieser Gestaltung lediglich, dass die Kosten des sofortigen Abschlusses sich beim Einschalten eines Market Makers erhöhen und sich deshalb auch die Geld-Brief-Spanne am variablen Handel erhöhen würde.915 Darüber hinaus ist gegen das Einheitskursprinzip einzuwenden, dass erst am Ende der Aufrufphase ein Kurs zustande kommt, weshalb hier eine geringere Transparenz vorliegen könnte. Diese Problematik kann jedoch bei Verwendung des Einheitskursprinzips durch die Veröffentlichung indikativer Kurse behoben werden.916 Der indikative Kurs stellt den Kurs dar, der sich bei unterstelltem sofortigen Ende der Aufrufphase ergeben würde. Schließlich lässt sich zum Kriterium Fairness festhalten, dass Insider beim Einheitskursverfahren ihren Informationsvorsprung weniger schnell nutzen können, da die Kursfeststellung zeitlich verschoben ist. Bezüglich der Kriterien Transaktionssicherheit, Marktzugang und Kontrollmöglichkeiten sind keine Aussagen möglich. Es bleibt daher für den internen Markt festzuhalten, dass eine eindeutige Aussage hinsichtlich der zeitlichen Konsolidierung des Orderflusses nicht theoretisch abgeleitet werden kann. Demzufolge wäre es beispielsweise möglich, eine Kombination aus beiden Verfahren zu implementieren, so dass die Vorteile beider Gestaltungsformen übernommen werden könnten.
913 914 915 916
Siehe Bortenlänger (1996), S. 85. Siehe Abschnitt 5.2.5. Siehe auch die Untersuchung von Schmidt et al. (1996). Siehe Lüdecke (1996), S. 160 ff.
328
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Tabelle 41 fasst die Vorteile der beiden Gestaltungsformen zusammen.917 Kriterium
Einheitskursprinzip
variabler Handel
Transaktionssicherheit und Zuverlässigkeit
-
-
Abwicklung
-
sofortiger Abschluss möglich
Transparenz
Veröffentlichung eines indikativen Kurses möglich
regelmäßige Veröffentlichung von Kursen
Marktzugang
-
-
Fairness
Insiderkenntnisse schwerer auszunutzen
-
Kontrollmöglichkeiten
-
-
Transaktionskosten
geringere Geld-Brief-Spanne
-
Liquidität
Sammlung der Orders
-
Tab. 41: Zusammenfassung der Vorteile bzgl. Zeitlicher Konsolidierung am internen Markt
5.2.5. Market Maker versus direkter Handel 5.2.5.1. Beschreibung Ein zusätzliches Gestaltungsmerkmal an Märkten ist die Form der Intermediation. Dabei sind die beiden Extremformen denkbar, dass der Handel nur direkt zwischen den Marktteilnehmern oder über einen Intermediär zustande kommt. Im Folgenden wird zunächst der direkte Handel und anschließend der Market Maker-Handel beschrieben. Beim direkten Handel erfolgt die Orderzusammenführung ohne die Zwischenschaltung eines Intermediärs. Durch das direkte Zusammenführen der Orders kann somit die Geld-BriefSpanne eingespart werden. Die Kurse werden direkt aus den Orders der Marktteilnehmer abgeleitet, weshalb auch die Bezeichnung „Order-driven-Market“ Verwendung findet.918 Da sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer isoliert eine Auktion stattfindet, bezeichnet man diese Art der Preisfindung auch als „Double Auction“.919 Nachteilig erweist sich ein direkter Handel jedoch dann, wenn die Liquidität gering ist und so keine Gewähr für die Ausführung einer Order existiert. Beim Market Maker-Handel wird ein zusätzlicher Intermediär als Transaktionspartner zwischengeschaltet. Dieser Market Maker darf ein bestimmtes Mindestvolumen auf eigene Rechnung handeln und ist verpflichtet, auf Anfrage für ihn verbindliche Kauf- (Geld/Bid) und Verkaufskurse (Brief/Ask) zu stellen.920 Dabei hat er keine Kenntnis darüber, ob der Anfrager
917 918 919 920
in Anlehnung an Dittmar (2001), S. 305 Siehe Rasch (1996), S. 116 f. Vgl. Gomber (2000), S. 21. Siehe Freihube et al. (1998), S. 3.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
329
eine Kauf- oder Verkaufsorder abwickeln möchte.921 Somit ermöglicht der Market Maker einen kontinuierlichen Handel und gibt die gültigen Kurse vor. Generell ist der Kaufkurs des Market Makers unterhalb seines Verkaufskurses, wobei die sich ergebende Differenz bzw. Spread oder Quote als Geld-Brief-Spanne bezeichnet wird.922 Diese Spanne kann als Preis interpretiert werden, den der Market Maker für seine Dienstleistungen verlangt.923 Zu den Aufgaben des Market Makers gehören insbesondere: x
Informationsverbreitung,
x
Sofortigkeit,
x
Liquiditätserhöhung und
x
Kursstabilisierung.
Der Market Maker erfüllt die Funktion der Informationsverbreitung. Sein Hauptgeschäft ist die Realisierung einer Handelsspanne. Diese wird er erzielen, wenn er Umsätze tätigt und damit den Aufbau von Beständen verhindert. Um dieses Ziel zu erreichen, muss er möglichst marktnahe Kurse stellen. Dies ist ihm dadurch möglich, dass er unmittelbar am Handelsgeschehen beteiligt ist. Somit können seine Preise auch als qualifizierte Effektenpreise bezeichnet werden.924 Da der Market Maker zudem dazu verpflichtet ist, auf Anfrage Kurse zu stellen und die Gegenseite einer Transaktion zu übernehmen, bietet er die Dienstleistung der Sofortigkeit an.925 Damit gewährleistet ein Market Maker, dass die Aufträge der an ihn herantretenden Marktteilnehmer zu jedem Zeitpunkt zu einem vorgegebenen Kurs sofort und mit Sicherheit ausgeführt werden.926 Dadurch entfallen auf der Seite der Marktteilnehmer Such- und Informationskosten, um am Markt nach günstigeren Preisen und einem abschlusswilligen Kontrahenten zu suchen. Indem der Market Maker zu jedem Zeitpunkt bereit ist, eine Order auszuführen, trägt er zur Steigerung der Liquidität des Marktes bei. Schließlich wirkt die Implementierung eines Market Makers bei kurzfristigen Kursschwankungen stabilisierend. Dies resultiert aus der Vorgehensweise des Market Makers, der bei steigenden Kursen verkauft und bei fallenden Kursen kauft. Im Besonderen auf Märkten geringer Liquidität können relativ große Kauf- oder Verkaufsorders (Market Impact) zu großen Kursausschlägen führen, die den aktuellen Gleichgewichtskurs nicht widerspiegeln.
921 922 923 924 925
926
Siehe Hirth (2000), S. 10. Siehe Freihube et al. (1998), S. 16. Siehe Oelschläger (2002), S. 55. Siehe Schmidt et al. (1997), S. 373. Die Hälfte der Geld-Brief-Spanne wird auch als Kosten des sofortigen Abschlusses bezeichnet. Vereinfachend wird dabei angenommen, dass sich der aktuelle Gleichgewichtskurs genau in der Mitte von Bid- und Ask-Kurs befindet. Siehe Lüdecke (1996), S. 45; Dittmar (2001), S. 311.
330
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Schließlich stellt die Geld-Brief-Spanne auch einen wichtigen Kostenbestandteil bei der Ausführung einer Order dar. Die Höhe dieser Spanne wird letztendlich von verschiedenen Einflussfaktoren tangiert.927 Zum einen werden darüber die Kosten der Geschäftsabwicklung gedeckt. Diese können beim Market Maker in einen fixen (z.B. Raum-, Hard- und Software- sowie Personalkosten) und einen variablen (z.B. Kommunikationskosten, Clearinggebühren) Kostenblock aufgeschlüsselt werden. Darüber hinaus sind im Spread auch die Kosten, die explizit auf den sofortigen Abschluss zurückzuführen sind, nämlich die Bestandhaltungskosten, inkludiert. Diese Kosten sind dadurch charakterisiert, dass der Market Maker, bedingt durch seine Tätigkeit, ein nicht optimales Portfolio halten muss. Dabei werden manche Positionen übergewichtet und andere unterrepräsentiert im Portfolio vorliegen. Der Market Maker kann jedoch aufgrund seiner Preisgestaltung die eingehenden Kauf- und Verkaufsaufträge so steuern, dass der Bestand nahe an dem eines optimalen Portfolios geführt wird.928 Eine weitere wichtige Bedeutung als Kostenbestandteil der Geld-Brief-Spanne haben die Informationsrisikokosten, die zu einer adversen Selektion führen können. Diese resultiert aus der Unsicherheit des Market Makers gegenüber den Marktteilnehmern, ob diese liquiditätsoder informationsmotiviert handeln. Falls es sich um informationsmotivierte Kontrahenten handelt, hat der Market Maker einen Informationsnachteil und er wird das Geschäft zu einem Kurs abschließen, der die neuen Informationen, z.B. Insiderwissen, noch nicht enthält und deshalb einen Verlust erleiden. Um dies zu kompensieren, wird er seine Geld-Brief-Spanne erhöhen. Da der Market Maker ex ante nicht die Kenntnis hat, ob sein Kontrahent über bessere Informationen verfügt, wird er die Informationsrisikokosten bei jeder Anfrage mit berücksichtigen.929 Der Handel mit informationsgetriebenen Anlegern wird daher für den Market Maker, unabhängig von der Gestaltung der Geld-Brief-Spanne, immer zu Verlusten führen. Dagegen wird der Handel des Market Makers mit liquiditätsgetriebenen Anlegern immer zu einem Gewinn führen. Im Optimalfall sollten sich daher die Informationsrisikokosten durch die Gestaltung der Geld-Brief-Spanne und über Maßnahmen, die den Market Maker bevorzugen, über einen längeren Zeitraum ausgleichen.930 Speziell bei einem hohen Grad der Informationsveränderung werden die Informationsrisikokosten hoch sein, da der Anteil der informationsinduzierten Investoren steigt.
927 928 929 930
Zu den Einflussfaktoren auf die Geld-Brief-Spanne siehe auch Rudolph/Röhrl (1997), S. 268 ff. Siehe Freihube et al. (1999), S. 3. Siehe Theissen (1998), S. 173. Die Bevorzugung der Market Maker an manchen Börsen ist aus diesem Sachverhalt zu erklären. Die Maßnahmen, die hier im Einsatz sind, beziehen sich z.B. auf den bevorrechtigten Blick in das Orderbuch, Veröffentlichung von Transaktionen mit Verzögerung oder die Platzierung verdeckter Orders. Siehe hierzu auch Freihube et al. (1998), S. 2; Gerke et al. (1999), S. 2.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
331
Schließlich deckt die Geld-Brief-Spanne die Gewinnmarge des Market Makers ab. Falls er ein Handelsmonopol in einem Wertpapier besitzt, wird er versuchen, die daraus mögliche Überrendite abzuschöpfen. Erhöht sich jedoch die Wettbewerbsintensität durch die Anzahl der für ein Wertpapier zuständigen Market Maker, wird es zu einem Anstieg der Handelsintensität kommen und damit zu einer Reduzierung der Geld-Brief-Spanne und somit letztlich auch der Gewinne des Market Makers. Neben diesen extremen Formen der Intermediation, direktem Handel und (monopolistischem) Market Maker-System, ist auch die Ausprägung eines multiplen Market Maker-Handels möglich. Darunter versteht man, dass mehrere Market Maker in ihrem Aufgabenbereich in einer Wettbewerbssituation stehen. Auf diese Weise kann vermieden werden, dass die Überrendite in einem monopolistischen Market Maker-Handel durch übermäßig hohe Geld-Brief-Spannen abgeschöpft wird. 5.2.5.2. Implikationen für den internen Markt Wie den vorstehenden Anmerkungen zu entnehmen ist, sind Market Maker-Systeme bei der Informationsverbreitung dem direkten Handel überlegen. Zudem erhöhen Market Maker die Liquidität an Märkten und wirken kursstabilisierend. Weiterhin wird durch ein konkurrierendes Market Maker-System die Geld-Brief-Spanne verringert. Für den internen Markt zeigen sich die Vorteile des Market Maker-Systems vor allem in der Bereitstellung einer größeren Liquidität. Falls diese Liquidität im Markt nicht vorhanden ist und somit die Markttiefe und -breite nicht ausreichend sind, kann dies zu hohen Preisabschlägen führen. Diese Problematik kann durch den Einsatz von Market Makern reduziert bzw. gänzlich vermieden werden. Die Durchführung bzw. Abwicklung einer Transaktion kann in einem Market Maker-System sofort erfolgen. Speziell wenn Geschäfte veräußert werden sollen, die viel ökonomisches und regulatorisches Eigenkapital benötigen, kann dies am Kreditmarkt von Bedeutung sein. Daher sei besonders darauf hingewiesen, dass die Bank bei der Kreditvergabe hinsichtlich der hereinzunehmenden Risiken eine relativ passive Rolle einnimmt. Akzeptiert der Kreditnehmer einen höheren Schuldzinssatz, kann sich die Bank aus Konzentrationsgründen meist nicht gegen die Kreditvergabe entscheiden. Daher ist es wichtig, dass diese überhöhten Risiken zeitnah aus dem Portfolio eliminiert werden, ohne dass ein ökonomischer Nachteil oder eine nicht zu tragende regulatorische Belastung auf das Institut zukommt. Beim Einsatz eines Market Makers ist darüber hinaus zu prüfen, ob die sofortige Handelsmöglichkeit im Sinne eines fortlaufenden Handels nötig ist oder ob die Kursfeststellung nach dem Einheitskursprinzip in größeren zeitlichen Abständen genügt. Neben der Abwicklungsgeschwindigkeit spricht auch für ein Market Maker-System, dass es dazu beiträgt, die Transparenz des Marktes zu erhöhen, indem die Informationen zeitnah
332
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
durch Stellen der Kurse verbreitet werden. Dies ist besonders dann von Bedeutung, wenn es sich um wenig liquide Titel handelt, so dass die Bekanntgabe der verbindlichen Kauf- und Verkaufskurse speziell zu einer Erhöhung der pre-trade Transparenz beiträgt. Als Nachteil des Market Maker-Systems im Vergleich zum direkten Handel können sich die Kosten der Implementierung eines Market Makers erweisen. Während bei einem internen Markt innerhalb eines Bankenverbunds die Kosten für den Market Maker aufgeteilt werden, stellen sie bei einem rein internen Markt Fixkosten für eine Bank dar.931 Diese lassen sich in beiden Fällen entsprechend der Geschäftsabwicklungskosten auf die Akteure umlegen, wobei eine bedarfsgerechte Allokation der Kosten zwischen den Teilnehmern erreicht werden kann. Darüber hinaus treten Transaktionskosten in Form der Geld-Brief-Spanne im Market MakerSystem auf. Im Gegensatz zu einem semiinternen Markt verbleiben diese bei einem rein internen Markt innerhalb der Bank und sind somit rein kalkulatorische Kosten. Solange die Kosten eines derartigen Systems geringer als der Nutzen aus dem sofortigen Handel sind, könnten diese am internen Markt akzeptiert werden. Es hat in den letzten Jahren eine Reihe von Untersuchungen gegeben, die die Höhe der Beteiligung von Market Makern an Börsen untersuchten.932 Dabei wurde eine so genannte Partizipationsrate gemessen, die den Anteil der Transaktionen der Market Maker zur Gesamtzahl der Transaktionen wiedergibt. Die empirischen Ergebnisse zeigen, dass die Partizipationsraten je nach untersuchtem Wertpapier zwischen 50 und 97 Prozent lagen. Daher gilt es auch beim internen Markt zu untersuchen, wie hoch der Anteil der Market Maker-Transaktionen an der Anzahl der Gesamttransaktionen ist (siehe Abschnitt 5.4.3.). Bezüglich der Kriterien Transaktionssicherheit, Marktzugang, Fairness und Kontrollmöglichkeiten sind für den internen Markt keine Aussagen möglich. In der Theorie lässt sich letztlich keine eindeutige Vorteilhaftigkeit des Einsatzes eines Market Makers gegenüber dem direkten Handel ableiten.
931 932
Siehe Dittmar (2001), S. 322. Siehe z.B. Kehr et al. (1998); Madhavan/Sofianos (1998); Freihube et al. (1999).
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
333
Tabelle 42 zeigt die Vorteile der einzelnen alternativen Gestaltungsmöglichkeiten im Rahmen der Intermediation auf. Kriterium
Direkter Handel
Market Maker-System
Transaktionssicherheit und Zuverlässigkeit
-
-
Abwicklung
-
sofortiger Abschluss möglich
Transparenz
-
durch jederzeitiges Stellen von Bid- und Ask-Kursen gegeben
Marktzugang
-
-
Fairness
-
-
Kontrollmöglichkeiten
-
-
Transaktionskosten
geringere bzw. keine Geld-Brief-Spanne
-
Liquidität
-
Steigerung der Liquidität
Tab. 42: Zusammenfassung der Vorteile der Möglichkeiten der Intermediation am internen Markt933
5.2.6. Transparenz des Orderbuchs 5.2.6.1. Beschreibung Unter der Transparenz des Orderbuchs wird das Ausmaß der Informationen verstanden, das die Marktteilnehmer von der Zusammenführung der Orders erhalten. Die Offenlegung der Transaktionswünsche der Marktteilnehmer spielt eine entscheidende Rolle bei der Beurteilung der Markttransparenz. Es kann zwischen einem offenen, einem halboffenen und einem geschlossenen Orderbuch unterschieden werden. Ein offenes Orderbuch liegt dann vor, wenn alle vorliegenden Orders ohne eine zeitliche Verzögerung bekannt gegeben werden. Damit wird die maximale pre-order Transparenz erreicht.934 Die Informationen, die dann sowohl im variablen als auch im Einheitskurssystem verfügbar sind, beziehen sich auf die Art des Gebots, das Limit, die Menge, den Eingabezeitpunkt und den Eingebenden.935 Ein geschlossenes Orderbuch liegt dementsprechend dann vor, wenn keinerlei Informationen über den Orderfluss veröffentlicht werden. Daher sind die Marktteilnehmer in diesem Fall darauf angewiesen, dass sie die veröffentlichten fundamentalen Daten der Unternehmen und die Preise veröffentlichter Transaktionen ex post analysieren. Gerade bei liquiden Wertpapieren ist eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben, dass der aktuelle Kurs in der Nähe des zuletzt festgestellten Preises liegt. Dennoch kann der letzte Preis nicht
933 934 935
in Anlehnung an Dittmar (2001), S. 324 Siehe Rudolph/Röhrl (1997), S. 208. Vgl. Schmidt/Simiü (1999a), S. 221.
334
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
zwangsläufig maßgeblich für den aktuellen Kurs sein,936 so dass die Marktteilnehmer einer Unsicherheit bezüglich des Transaktionspreises ausgesetzt sind. Beim halboffenen Orderbuch werden ausgewählte Informationen über die Kauf- und Verkaufsorders, z.B. aktueller Geldund Briefkurs, Mengenangaben, aktuelles nachgefragtes Volumen, veröffentlicht. Die Qualität der Orderbuchtransparenz kann beispielsweise erhöht werden, indem neben den Zahlenangaben, wie Volumen und Limiten, auch Aussagen über den Eingebenden veröffentlicht werden. Dabei könnte, um die Anonymität nicht gänzlich aufzuheben, auch eine Klassifizierung des Ordereingebenden vorgenommen werden, wie z.B. Kreditinstitut, Market Maker, Broker.937 Darüber hinaus ist vorstellbar, dass das Volumen der unlimitierten Orders veröffentlicht wird. Schließlich wäre es bei der Verwendung des Einheitskursprinzips möglich, dass ein indikativer Kurs zustande kommt, der dann auch veröffentlicht wird. Bei der vollkommenen Orderbuchtransparenz werden alle vorhandenen Orderinformationen ohne zeitliche Verzögerung direkt bekannt gegeben. 5.2.6.2. Implikationen für den internen Markt Aus Sicht des einzelnen Marktteilnehmers ist es erstrebenswert, einen vollständigen Einblick in das Orderbuch zu erhalten. Auf der anderen Seite kann es für ihn von Vorteil sein, wenn seine eigenen Orders nicht veröffentlicht werden.938 Daher ist prinzipiell wieder zwischen liquiditäts- und informationsgetriebenen Investoren zu unterscheiden. Liquiditätsmotivierte Handelsteilnehmer ziehen einen hohen Grad an ex ante Transparenz vor, da aufgrund der Offenlegung die Unsicherheit hinsichtlich der Transaktionsmöglichkeiten und -kurse sinkt. Die Gefahr sich plötzlich ändernder Kurse kann für diesen Anlegerkreis dadurch reduziert werden. Werden neben den quantitativen Angaben auch Angaben zur Identität des Ordereingebenden gemacht, kann darüber hinaus eine Reputation aufgebaut werden, die den Handel positiv beeinflusst.939 Zudem besteht eine Signalwirkung für künftige Investoren, wenn die Marktteilnehmer bei teilweiser oder völliger Transparenz des Orderbuches limitierte Orders eingeben. Freiwillige Market Maker werden dadurch angezogen, was wiederum die Liquidität erhöht und die Geld-Brief-Spanne reduziert.940 Dagegen präferieren informationsgetriebene Marktteilnehmer verdeckte Aufträge, damit sie so vorzeitig eintretende Kursbewegungen vermeiden können. Des Weiteren ist denkbar, dass eine diskriminierende Orderbuchtransparenz eingeführt wird, die lediglich einem beschränkten Personenkreis Einblick in diese Informationen gewährt. So könnten beispielsweise die Teilnehmer, die beabsichtigen ein größeres Volumen zu handeln,
936 937 938 939 940
Siehe Lüdecke (1996), S. 32. Siehe Dittmar (2001), S. 326. Vgl. Schmidt/Simiü (1999a), S. 223. Siehe Schmidt et al. (1993), S. 215; Franke/Hess (1995), S. 13. Siehe Gerke et al. (1995), S. 237.
5.2. Gestaltungsmerkmale eines Marktes
335
statt einer Order nur eine Vormerkung abgeben. Daraufhin werden ihnen limitierte Aufträge zugeordnet, die nicht gematcht werden können.941 Dies würde die Unsicherheit mancher Teilnehmer verringert, ohne das Orderbuch offen zu legen. Für den internen Kreditrisikomarkt ergibt sich aus der Offenlegung des Orderbuchs eine höhere pre-trade Transparenz, weshalb die Marktteilnehmer die Marktlage besser einschätzen können und ihre Abschlussunsicherheit reduziert wird. Wird darüber hinaus für den Kreditbereich die Identität des Ordereingebenden offen gelegt, kann dies zu einem Aufbau von Reputation führen. Die Reputationseinschätzung kann folglich auch zu einer Erhöhung der Fairness am internen Markt beitragen. Die Information, ob ein Marktteilnehmer insbesondere das gleiche Ratingverfahren bei der Schuldnereinschätzung anwendet, kann die Sicherheit weiter erhöhen. Durch diese Maßnahmen des Unsicherheitenabbaus kann schließlich auch ein positiver Einfluss auf die Liquidität erwartet werden. Damit einher geht die Steigerung der Transaktionsgeschwindigkeit bzw. der Abwicklung der Orders, da die Marktteilnehmer Einblick haben, zu welchem Limit sie die Positionen erwerben bzw. veräußern können. Falls die Liquidität am internen Markt durch die Offenlegung von Orderdetails erhöht wird, ist auf internen Märkten für Kreditrisiken auch mit einer Reduktion der Transaktionskosten im Vergleich zum externen Markt zu rechnen. Dies ergibt sich zum einen aus den Suchkosten, die bei der Abwicklung am externen Markt resultieren würden und zum anderen aus der Reduktion der Informationsasymmetrien durch Offenlegung der Identität des Kontrahenten auf dem internen Markt. Durch die Offenlegung des Kontrahenten können Rückschlüsse auf das verwendete Ratingverfahren gezogen werden. Als alternatives Konstrukt zum Handel auf dem internen Markt könnte unter diesem Gesichtspunkt dann beispielsweise auch eine Verbriefungstransaktion durchgeführt werden, die jedoch im Allgemeinen höhere Initiierungskosten mit sich bringt. Zu den Kriterien Transaktionssicherheit, Marktzugang, Kontrollmöglichkeiten und Transaktionskosten sind beim Effizienzkriterium Orderbuchtransparenz keine Aussagen möglich.
941
Vgl. Schmidt/Simiü (1999b), S. 532.
336
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Tabelle 43 fasst die Vorteile der Ausprägungen der Orderbuchtransparenz zusammen. Kriterium
Geschlossenes Orderbuch
Offenes Orderbuch
Transaktionssicherheit und Zuverlässigkeit
-
-
Abwicklung
-
Reduktion der Abschlussunsicherheit
Transparenz
-
Maximale pre-trade Transparenz
Marktzugang
-
-
Fairness
-
Limite und Identität bekannt
Kontrollmöglichkeiten
-
-
Transaktionskosten
-
-
Liquidität
-
Reduktion der Abschlussunsicherheit
Tab. 43: Zusammenfassung der Vorteile der Ausprägungen der Orderbuchtransparenz am internen Markt942
Damit lässt sich zusammenfassend sagen, dass für den internen Markt für Kreditrisiken ein offenes Orderbuch zu befürworten ist. 5.3. Konzeption eines Systems interner Märkte in Banken Nachdem die theoretischen Vorgaben für ein Handelssystem abgeleitet worden sind, wird in diesem Abschnitt eine mögliche Ausgestaltung eines Kreditrisikohandelssystems auf einem internen Markt (SimBa = System interner Märkte in Banken) vorgestellt, das als modernes Handelssystem in der Praxis implementiert werden kann. Die SimBa zugrunde liegende Organisation wird anhand von Abbildung 59 für den Fall von zwei Banken erläutert.943
942 943
in Anlehnung an Dittmar (2001), S. 331 Im hier vorgestellten Fall handelt es sich korrekterweise um einen semiinternen Markt. Die Beschreibungen können jedoch analog auf einen rein internen Markt bezogen werden, wenn die beiden Banken als Filialen einer Bank angesehen werden.
5.3. Konzeption eines Systems interner Märkte in Banken
SimBa
Kunde
SimBa
TPA1
Bank A
TPA2
337
SimBa PMM Informationen, Orders
Überwachung
semiinterner Markt
Orders
externer Markt
Informationen
Informationen, Orders Bank B
TPB1 SimBa
TPB2
Kunde
SimBa
Abb. 59: Aufbau eines internen Marktes
Die zwei Banken A und B bilden gemeinsam einen internen Markt innerhalb eines Bankenverbunds, auf dem Kredite handelbar gemacht werden.944 Zu diesem Markt haben die Händler A1 und A2 bzw. B1 und B2 Zugang. Diese Händler steuern dabei jeweils ein eigenes Portfolio, das als Teilportfolio der jeweiligen Bank angesehen werden kann (TPA1, TPA2, TPB1, TPB2). Die entsprechenden Kreditportfolien beinhalten beliebig viele, einzelne Kreditengagements. Die Händler haben nun jeweils die Möglichkeit, ihr Portfolio nach verschiedenen Dimensionen zu optimieren. Um eine aktive Steuerung durchzuführen, analysieren sie zunächst ihre Portfolien mit den implementierten Analysewerkzeugen. Ist es nötig, Verkäufe zu tätigen, können sie entsprechende Verkaufsaufträge an den internen Markt geben. Dieser Verkaufsauftrag enthält neben den Kreditdaten die gegebenenfalls anonymisierten Schuldnerdaten, das Risikolimit und die Gültigkeit der Order. Der Verkaufsauftrag wird daraufhin an das Orderbuch des internen Marktes weitergeleitet. Findet sich eine entsprechend liquide Gegenseite am internen Markt, wird der Kredit vom Portfolio des Verkäufers in das Portfolio des Käufers überführt und gleichzeitig das Cash-Settlement vorgenommen. Vom jeweiligen Cashbetrag der Kontrahenten wird ein gewisser Betrag abgezogen, der als Transaktionskostenbeitrag angesehen werden kann und letztlich die Handelsinfrastruktur finanzieren soll. Die Kosten sind dabei flexibel einstellbar und abhängig von der Art des Marktes (extern/intern) oder/und vom Volumen der Transaktion. Ein Käufer oder Verkäufer kann sich über das Angebot an handelbaren Krediten jederzeit im offenen elektronischen Orderbuch einen Überblick verschaffen. 944
Alternativ könnten, wie beschrieben, auch CDS gehandelt werden. Da bei einem CDS sowohl die Vertragsdaten des Derivats als auch die des Underlyings analysiert werden müssten, werden in diesem Fall lediglich Kredite als Handelsobjekte betrachtet.
338
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Ein Käufer, der entsprechend Liquidität binden will, um damit ein Risiko zu erwerben, das sein Portfolio diversifiziert, kann eine mögliche Position simuliert in sein Portfolio übernehmen. Damit hat er die Möglichkeit, die Veränderung seiner Risiko- und Ertragssituation bei Hinzunahme dieser einen (oder ggf. mehrerer) Position zu betrachten. Letztendlich kann er dann, sofern die Position nach wie vor verfügbar ist, diese kaufen und in sein Portfolio übernehmen. Alternativ kann ein Käufer auch einen Anlagewunsch als Kaufauftrag in das Orderbuch stellen, der dann ausgeführt wird, sobald eine Gegenposition gefunden wird. Befindet sich im Orderbuch eine entsprechende Gegenposition, können beide Aufträge durchgeführt werden und die Position wird in das Portfolio des Käufers übernommen. Findet sich hingegen innerhalb eines fest definierten Zeitraums keine Gegenseite für den Kontrakt, kann zusätzlich ein Käufer oder Verkäufer auf dem externen Markt gesucht werden. Dies geschieht, indem die Position mit einer reduzierten Menge an Informationen in das Orderbuch des externen Marktes gespiegelt wird.Auf dem externen Markt wiederum können alle Banken teilnehmen, die keinen Zutritt zum (semi-)internen Markt haben.Am externen wie auch am internen Markt kann ein Market Maker eingesetzt werden, der die Liquidität des Marktes positiv beeinflussen soll, indem er Kauf- und Verkaufskurse für gewisse Schuldner stellt. Das folgende vereinfachte Entity-Relationship-Model mit Beziehungskardinalitäten fasst die Beziehungen der einzelnen Objekte in SimBa zusammen (siehe Abbildung 60).945 0,n
1 1, 1
Händler 1 1 1
erwartete Spotrate erwarteter Kurs erwarteter FX-Kurs
1,n
0,n
Bank
0,n
0,n
Spotrate
1 0,n 0,n 0,n 0,n
Order externer Kreditmarkt
1
0,n
1 11
Orderbuch extern
1,n
1
0,n 1
1
1,n
Asset
Orderbuch intern
1 1 1, 0
AssetKorrelationen
0,n 1
Portfolio
Market Maker
Order interner Kreditmarkt
0,n
0,n
Kurs
0,n
Kreditnehmer
FX-Kurs
Abb. 60: SimBa – vereinfachtes Beziehungsmodell
945
Das Entity-Relationship-Model oder auch kurz ER-Model dient im Rahmen der Datenmodellierung dazu, einen Ausschnitt aus der Realwelt zu beschreiben. Es wird vor allem in der konzeptionellen Phase der Anwendungsentwicklung eingesetzt und dient der Verständigung zwischen Anwendern und Entwicklern. Zum Grundmodell des ER-Models siehe Chen (1976).
5.3. Konzeption eines Systems interner Märkte in Banken
339
Beispielsweise wird anhand dieses Schemas deutlich, dass ein Händler genau zu einer Bank gehört, während eine Bank einen bis viele Händler haben kann. Einem Händler ist genau ein Portfolio zugeordnet, während ein Händler beliebig viele Orders in das externe oder interne Orderbuch einstellen kann. Auf eine eingehende Beschreibung des SimBa-Beziehungsmodells soll an dieser Stelle verzichtet werden, da die Erläuterungen zu den einzelnen Beziehungen bereits in den Beschreibungen zum (semi-) internen Markt gegeben wurden. Im folgenden Abschnitt wird speziell auf das System SimBa eingegangen, das sowohl als Analysetool als auch als System für die Bereitstellung eines internen Marktes eingesetzt werden kann. 5.3.1. SimBa – Technik und Informationsfluss946 Bei SimBa handelt es sich um ein Programm, das in VisualBasic947 programmiert wurde. Als Datenbank zum Zweck der Informationshaltung können sowohl die Produkte Microsoft Access als auch Oracle eingesetzt werden. Die Datenbank ist dabei zentral ausgestaltet, d.h. die Daten aller Banken und Marktteilnehmer befinden sich in einer Datenbank. Die Gestaltungsform entspricht der des Data-Warehousing-Konzepts.948 Der Zugang zu den einzelnen Daten wird durch eine Userverwaltung gesteuert. Diese gewährleistet, dass nur autorisierte Personen Zugriff auf das System haben. Zudem übernimmt die Userverwaltung das Ansteuern der Daten, die durch die angemeldete Person verwaltet und gesteuert werden dürfen.
Der komplette Programmcode von SimBa findet sich in den verschiedenen Funktionen,949 Modulen950 und Klassenmodulen951 wieder, die die Steuerung der Benutzeraktionen, die Analyse des Portfolios und die Steuerung der Handelsaktivitäten übernehmen. Als GUI952 dienen 64 Frames, die dem Benutzer die Navigation durch das System erlauben. Als Beispiel für ein derartiges Frame stellt Abbildung 61 die Einstiegsmaske von SimBa vor.
946
947 948
949
950
951
952
Die technischen Aspekte von SimBa werden in diesem Zusammenhang lediglich skizziert. Ein vollständiger Überblick über die technische Konzeption würde den Rahmen der vorliegenden Arbeit sprengen. VisualBasic Version 6.0 der Firma Microsoft Unter Data-Warehousing versteht man die Integration umfangreicher Datenbestände aus unterschiedlichen (ökonomischen und regulatorischen) Quellen sowie deren flexible, interaktive Analyse durch OLAP (Online-Analytical-Processing). Siehe auch Chamoni/Sinz (2004), S. 1. Eine Funktion oder auch Methode in der Programmierung von Computersystemen ist ein Stück zusammengehörenden Codes, der es erlaubt, eine bestimmte Aufgabe in wieder verwendbarer Art umzusetzen. Im Gegensatz zu Prozeduren liefern Funktionen immer einen Rückgabewert. Unter einem Modul wird in der Programmierung eine Ansammlung von allgemeinen Funktionen verstanden, die den Gesamtcode in einzelne, logisch zusammengehörige Teilblöcke zerlegt. Unter einem Klassenmodul wird in der Programmierung eine Ansammlung von Funktionen verstanden, die einem Objekt zugeordnet werden. Ein Objekt ist allgemein ein einzelner Baustein während der Programmabarbeitung, der spezielle Eigenschaften hat. GUI = Graphical User Interface bzw. Grafische Benutzerschnittstelle
340
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Abb. 61: SimBa – Einstiegsmaske
Bevor ein Kreditportfolio von SimBa analysiert werden kann bzw. der Handel ermöglicht wird, ist die Datenbank mit den entsprechenden Daten zu füllen. Der Ablauf der Initialbefüllung gestaltet sich dabei so, dass die Datenbank zunächst mit händler- bzw. bankspezifischen Daten versorgt wird. Dies geschieht technisch über so genannte Loader, die eine Quelldatei, meist eine Text-Datei, mit bestimmter Struktur auslesen und in vorher definierte Zieltabellen in der Datenbank schreiben. Zuerst werden die entsprechenden Kreditinformationen über die Quelldatei an SimBa übergeben. Dieses Textfile beinhaltet alle vordefinierten Merkmale eines Kredits, z.B. Kreditart, Kreditvolumen, Kreditrating, eindeutige Schuldner-ID, Recovery Rate, Zinssatz, Zinsberechnungsmethode, Fälligkeit. In einem zusätzlichen Textfile werden die kreditnehmerspezifischen Daten zu SimBa transferiert. Diese Datei beinhaltet beispielsweise den Schuldnernamen (unter Umständen anonymisiert), die eindeutige Schuldner-ID, ggf. die Konzernnummer, das Schuldnerrating, das Land und die Branche des Schuldners. Die kreditnehmerspezifischen Daten sind im Gegensatz zu den Kreditdaten Stammdaten.953 Dies bedeutet, dass eine Schuldner-ID, die in den Kreditdaten vorhanden ist, auch zwangsläufig in den Kreditnehmerdaten vorhanden sein muss (1:n-Relation) und in der Sicherheitendatentabelle vorliegen kann. Die Existenz eines Datensatzes in der Kreditnehmertabelle ist Voraussetzung für den Handel eines Kredites eines bestimmten Schuldners.
953
Der Ausdruck Stammdaten beinhaltet, dass diese Informationen nicht permanent, sondern bei Bedarf z.B. Ratingänderung) oder in regelmäßigen zeitlichen Abständen geändert werden und für eine Vielzahl von Krediten gelten können.
5.3. Konzeption eines Systems interner Märkte in Banken
341
Zudem werden Tabellen für die Credit Spread-Kurven jedes Händlers angelegt. Diese beinhalten eine Credit Spread-Stützstelle für jede Bonität und Laufzeit. Darüber hinaus sind Tabellen implementiert, die das Handelsgeschehen am internen und externen Markt abbilden. Diese sollen dann während der Handelsphase alle Datensätze aufnehmen, die zum Verkauf stehen bzw. die gesucht werden. Sie dienen damit als Orderbücher für den jeweiligen Markt. Diese zwei Tabellenarten unterscheiden sich dahingehend, dass zum einen am externen Markt lediglich eine geringere Anzahl an Informationen zur Verfügung steht. Namensfelder, die den Kunden direkt betreffen, auch wenn sie anonymisiert wurden, werden nicht an das Orderbuch des externen Marktes weitergeleitet.954 Zum anderen werden manche Daten verändert. Beispielsweise wird die interne Ratingnote auf die Ratingsystematik von S&P gemappt, damit der externe Betrachter die Information verarbeiten und interpretieren kann. Die Datenbank übernimmt zudem die Aufgabe der Datenbankintegritätsprüfung. Dies bedeutet einerseits, dass eine Prüfung der eingegebenen Daten auf Fehler vollzogen wird (semantische Integrität), z.B. ob das richtige Format für ein bestimmtes Feld verwendet wurde oder ob Mussfelder gefüllt sind. Andererseits umfasst die Datenbankintegrität auch die Kontrolle über mögliche Fehler, wenn mehrere Programme gleichzeitig auf den gleichen Datenbestand zugreifen (operationale Integrität). Des Weiteren übernimmt die Datenbank die Konsistenzprüfung. Dies bedeutet, dass bei sich ändernden Daten alle betroffenen Datenbestände gleichzeitig geändert werden. Beispielsweise trifft dies bei Änderungen von Krediten zu, die am internen oder externen Markt zum Verkauf angeboten werden. Wird zunächst ein bestimmter Datensatz im Ursprungsportfolio durch den Benutzer geändert, muss gleichzeitig, um die Konsistenz und die Richtigkeit der Daten zu gewährleisten, auch die Verkaufsorder am internen und/oder externen Markt angepasst werden. Nicht zuletzt wird auf der Datenbankseite die Datensicherheit gewährleistet. Zu diesem Zweck werden in regelmäßigen zeitlichen Abständen Sicherungskopien vom gesamten Datenpool erstellt. Im Falle eines Systemabsturzes können so die Informationen vor dem Absturz wieder hergestellt werden. Zudem obliegt der Datenbank die Aufgabe, einen Teil der Benutzerverwaltung zu übernehmen. Dies beinhaltet, dass ein Händler lediglich die Berechtigung hat, sein Portfolio anzusehen, Positionen aus seinem Portfolio anzubieten, gekaufte Positionen lediglich durch seinen Cashbetrag gedeckt werden, bei Käufen bzw. Verkäufen sich seine spezielle Limitposition verändert, usw. Darüber hinaus wird durch die Benutzerverwaltung sichergestellt, dass die Daten vor unbefugtem Zugriff geschützt werden.
954
Siehe Klement/Wagatha (2003), S. 19.
342
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Die Benutzerverwaltung basiert dabei auf x
einer Banken-ID (eindeutiger Bankenschlüssel),
x
einer Händler-ID (eindeutiger Händlerschlüssel),
x
einer Händlerkennung und
x
einem Passwort.
Die Anmeldemaske von SimBa wird in der folgenden Abbildung dargestellt.
Abb. 62: SimBa – Anmeldemaske
Das eingesetzte Tool SimBa baut schließlich auf der gefüllten Datenbank auf und übernimmt dabei zwei Hauptaufgaben. Zum einen dient es als Handels- und Informationssystem für den einzelnen Händler und zum anderen organisiert es den Kreditrisikomarkt. In einem verteilten System955 kann daher eine Einteilung der Aufgaben vorgenommen werden, die auf Clientund auf Serverseite ablaufen. Abbildung 63 ordnet die verschiedenen Aufgaben den einzelnen Aufgabenträgern zu. Die verschiedenen Clients sind über das Inter- bzw. ein Intranet mit dem Server verbunden. Auf Clientseite stellt SimBa zunächst die Analysewerkzeuge für das jeweilige Portfolio des Händlers zur Verfügung, gibt Einblick in das individuelle Orderbuch, gibt die Möglichkeit Orders einzugeben und überwacht dabei gleichzeitig die Limitauslastung. Auf Serverseite wird der interne und externe Markt logisch abgebildet. Es wird an dieser Stelle neben der Verwaltung der Datenbank das globale Orderbuch geführt, der Zeittakt vorgegeben, die Gesamtlimite und die Stammdaten verwaltet, eine Indexberechnung durchgeführt und es findet die Verteilung der eingehenden Informationen (Nachrichtenticker) statt.
955
Zum State of the Art bei verteilten Systemen siehe Diekmann et al. (2003).
5.3. Konzeption eines Systems interner Märkte in Banken
Server
Client Informationen bzgl. x Risikosituation x Ertragssituation x Performancemaß x Kontoübersicht x indiv. Orderbuch Order x x
343
Aufgabe Stornierung
Zeittakt vorgeben Informationen bzgl. x Stammdaten x Gesamtlimiten x Marktinformationen x globalem Orderbuch Messagesystem Indexberechnung
Limitüberwachung Datenbankverwaltung Abb. 63: Aufgaben von Client und Server auf dem internen Markt
Im Weiteren soll auf die verschiedenen Funktionalitäten eingegangen werden, wobei zwischen der Informations- und Analysefunktion sowie der Handelsfunktion von SimBa unterschieden wird. 5.3.2. SimBa – Informations- und Analysefunktion Als Informationssystem kann SimBa bezeichnet werden, da es einerseits standardisierte Schnittstellen nach außen besitzt, so dass Informationen von anderen Anbietern, wie z.B. Reuters, Bloomberg oder dem Internet, eingespielt und den Marktteilnehmern zentral zur Verfügung gestellt werden können. Darüber hinaus ist es möglich, dass über ein MessagingSystem die Marktteilnehmer auf bilateralem Weg Informationen austauschen. Die Funktionsweise entspricht dabei der eines Standard-E-Mail-Systems. SimBa dient ebenfalls als Informationsgenerierungstool für den Handel, das auf Grundlage des jeweiligen Portfolios Informationen liefert. Im einfachsten Fall werden dem Händler die jeweiligen Kreditverträge oder die Anzahl der Kredite oder Kreditnehmer in seinem Portfolio angezeigt. Dabei kann der Händler gewisse Einschränkungen hinsichtlich der einbezogenen Kredite vornehmen. Abbildung 64 zeigt einen Screenshot, der die Auswahlkriterien für die Einschränkung des Portfolios wiedergibt.
344
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Abb. 64: SimBa – Selektion des Portfolios
Aus obiger Abbildung ist zu entnehmen, dass der Händler die in sein Portfolio einbezogenen Kredite nach den Dimensionen Branche, Land des Schuldners, Kreditvolumen und Laufzeit selektieren kann. Aufbauend auf dieser Teil- oder Komplettselektion kann er weitere Analyseschritte vornehmen. Dazu steht ihm ein komplexes Analysetool zur Verfügung, das entsprechend seinen Vorgaben das ökonomische Risiko, gemessen als CVaR,956 den RORAC als risikoadjustiertes Performancemaß957 und die regulatorische Belastung des aktuellen Portfolios nach Grundsatz I und nach den Basel II-Ansätzen958 berechnet. Einen Überblick über die zu berechnenden Ansätze in SimBa gibt Abbildung 65.
Abb. 65: SimBa – Modellauswahl 956
957 958
Der CVaR wird in SimBa nach dem Modell von CreditRisk+ berechnet. Siehe hierzu Abschnitt 2.7.6.2. Alternativ wäre auch der Einsatz anderer oder mehrerer Portfoliomodelle denkbar. Zu den risikoadjustierten Performancemaßen siehe Abschnitt 2.7.7. Zur Berechnung des regulatorisch notwendigen Kapitals siehe Kapitel 3.
5.3. Konzeption eines Systems interner Märkte in Banken
345
Der RORAC wird dabei einerseits bezogen auf den ökonomischen CVaR und andererseits alternativ auf das benötigte regulatorische Kapital kalkuliert. Einen Überblick über das Ergebnis der angesprochenen Ansätze liefert Abbildung 66, bei der ein Berechnungslauf mit Testdaten durchgeführt wurde.
Abb. 66: SimBa – Portfolioanalyse I
Darüber hinaus ist es dem Händler über den so genannten Szenario-Analyser möglich, Auswirkungen sich ändernder makro- und mikroökonomischer Sachverhalte pauschal zu berücksichtigen. Dazu kann er beispielsweise auf mikroökonomischer Ebene seine Erwartungen hinsichtlich der Änderungen von Ratings, Konkursquoten (Recovery Rates), Erträgen oder der Standardabweichung der Ausfallraten der in seinem Portfolio befindlichen Kredite in Abhängigkeit vom Land und der Branche des Kreditnehmers variieren. Hinsichtlich der makroökonomischen Faktoren ist es dem Händler möglich, den Marktzins und/oder bestimmte Wechselkurse zu verändern und damit die Auswirkungen auf sein Portfolio zu messen.
346
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Abbildung 67 zeigt einen Screenshot der möglichen zu simulierenden Parameter.
Abb. 67: SimBa – Portfolioanalyse II
Das Ergebnis eines Simulationslaufs wird schließlich in einem Resultscreen angezeigt. Dabei werden den auf individuellen Händlererwartungen basierenden Werten jeweils die aktuellen, zentral vorgegebenen Werte gegenübergestellt. Abbildung 68 zeigt beispielhaft das Ergebnis eines Simulationslaufs.
Abb. 68: SimBa – Resultscreen
5.3. Konzeption eines Systems interner Märkte in Banken
347
Weiterhin bietet SimBa dem Händler die Möglichkeit, die Credit Spreads, die Bond-Preise und die Wechselkurse seinen eigenen Erwartungen entsprechend anzupassen und damit Simulationen über das (Teil-)Portfolio auszuführen. In Bezug auf die Credit Spreads muss er die Spotrate pro Laufzeitstützstelle entsprechend der Ratingklasse eingeben, wobei standardmäßig die zentralen Credit Spread-Kurven der Bank voreingestellt sind. Folgende Abbildung zeigt die Maske der zu verändernden Spotrates für die Ratingklasse AA+.
Abb. 69: SimBa – Eingabe individueller Spotrates
An dieser Stelle ist zu berücksichtigen, dass annahmegemäß eine bankweite Einschätzung der bonitäts- und laufzeitabhängigen Credit Spreads, z.B. über die Marktdatenanbieter, vorliegt. Pflegt der Händler die Spot-rates nicht entsprechend seinen individuellen Erwartungen ein, wird auf die bankweite Credit Spread-Kurve zugegriffen. Die eingegebenen Credit Spread-Kurven dienen dabei nicht nur zur Bepreisung des Portfolios, sondern können auch beim Handel von Krediten verwendet werden. Auf diesen Aspekt wird im folgenden Abschnitt 5.3.3. eingegangen. Neben den Werkzeugen, die dem Händler an seinem Arbeitsplatz zur Verfügung stehen, erhält er vom Server einen Indexstand. Dieser Indexstand bestimmt sich aus dem Verhältnis des Marktwerts aller Positionen der aktuellen Periode zum Gesamtmarktwert der ersten Periode. Der Wert der ersten Periode wird dabei auf 100% normiert. Eine Indexanpassung findet immer dann statt, wenn eine Position neu in den internen Markt gelangt. Dadurch soll die Vergleichbarkeit zwischen den Perioden hergestellt werden. Mit Hilfe des jeweiligen Indexstands können sich die Händler und das Management einen Überblick über die aktuelle Marktlage verschaffen.
348
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Die Generierung von Informationen für den Händler wird durch selbst zu definierende Reports komplettiert. Dabei können die Informationen nach individuellen Wünschen aufbereitet werden. Beispielhaft bietet sich eine Gruppierung nach der Performance der Kredite einzelner Branchen an. Diese Informationen können dann beispielsweise mit einer Benchmark, wie dem iTraxx-Kreditindex oder einem iTraxx-Branchenkreditindex, verglichen werden. Darüber hinaus können die generierten Daten historisiert und bei Bedarf den aktuellen Daten gegenübergestellt werden (Zeitvergleich). Nicht zuletzt stellt das System auch auf Bankebene ein Informationsgenerierungstool dar. Ähnlich wie auf Händlerebene kann auf Bankebene das komplette Portfolio einer Bank analysiert werden. Aussagen über die Performance und Handelsaktivitäten einzelner Händler sind möglich, so dass ein Entlohnungssystem auf Grundlage dieses Systems aufgebaut werden kann. Letztendlich ist es möglich, dass die Gesamtbank ihr Kreditrisikoportfoliomanagement auf Basis eines derart integrierten Systems durchführt. Dies kann ein Vorteil im Vergleich zur derzeitigen, verteilten Kreditrisikosteuerung sein. 5.3.3. SimBa – Handelsfunktion Neben der Informations- und Analysefunktionalität stellt SimBa auch die Organisation des Kreditrisikohandels zur Verfügung. Die einzelnen Händler können sich über das Orderbuch am internen oder externen Markt einen Überblick über die Auftragslage verschaffen. Abbildung 70 zeigt einen Ausschnitt des internen Orderbuchs, das auf Beispieldaten beruht.
Abb. 70: SimBa – Orderbuch des internen Marktes
Die jeweiligen Händler können die verschiedenen Positionen des Orderbuchs zunächst zu Simulationszwecken in ihr Portfolio aufnehmen. Durch die Auswahl der durchzuführenden
5.3. Konzeption eines Systems interner Märkte in Banken
349
Rechenansätze können sie den Einfluss dieser Position auf ihr Gesamtportfolio untersuchen. Dabei sind die Ziele, die ein Händler bzw. eine Bank verfolgt, möglicherweise unterschiedlich. Zum einen wird versucht, die Diversifikation des (Teil-) Portfolios zu erhöhen. Dementsprechend würde ein Konzentrationsmaß, wie z.B. der Herfindahl-Index, berechnet werden. Zum anderen kann die Steuerung der Rendite-/Risiko-Relation im Vordergrund stehen. Dazu können unterbewertete Titel gekauft und überbewertete Titel verkauft werden. Durch die Berücksichtigung eigener Erwartungen über die Entwicklung von Credit Spreads werden so unterschiedliche Händler zu verschiedenen Einschätzungen hinsichtlich der Angemessenheit eines Preises für eine Kreditposition kommen.959 Entscheidet sich ein Händler für die aktive Teilnahme am Handel, werden seine Kauf- und Verkaufsaufträge nach einer Plausibilitätsprüfung via Terminal an den internen oder/und den externen Markt weitergeleitet. Wird eine Kauforder eingegeben, erfolgt zudem ein Check hinsichtlich gewisser Beschränkungen. So darf beispielsweise das ökonomische und regulatorische Risikolimit durch den Kauf der Position nicht überschritten werden. Des Weiteren muss der Käufer über genügend Liquidität verfügen, um eine entsprechende Kauforder abzugeben. Die Order wird zunächst an den internen Markt weitergegeben. Dort verbleibt die Order entweder so lange, bis sie eine Gegenposition gefunden hat oder bis sie nach einer gewissen Zeit, nach automatisierter Rückfrage an den Händler, auf dem externen Markt platziert wird. In diesem zweiten Fall hat es am internen Markt keine Gegenposition innerhalb eines vorher zu bestimmenden Zeitraums gegeben, so dass ein reduziertes Duplikat dieses Orderdatensatzes an das Orderbuch des externen Marktes weitergegeben wurde. Dabei wird davon ausgegangen, dass die Liquidität für diesen speziellen Titel am internen Markt nicht ausgereicht hat. Durch Weitergabe des Auftrags an den externen Markt erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, dass eine Gegenseite gefunden werden kann. Alternativ hat der Händler die Möglichkeit, die Order ausschließlich am externen Markt zu platzieren. Auf diese Weise wäre die Ausnutzung einer Arbitrage zwischen den Märkten prinzipiell durchführbar. Falls im Orderbuch für den internen oder den externen Markt gültige Positionen und Gegenpositionen auftreten, werden die Limite dieser Orders miteinander verglichen. Im Zusammenhang mit SimBa stellt der Ask-Kurs oder auch Offer- oder Brief-Kurs hiernach den Preis dar, zu dem der Händler bereit ist, eine Position zu verkaufen. Demgegenüber repräsentiert der Bid- oder auch Geld-Kurs den Preis, zu dem der Händler bereit ist, eine bestimmte Position zu kaufen. Ein Handel kommt immer dann zustande, wenn der Bid-Kurs des kaufenden Händlers höher oder gleich dem Ask-Kurs des verkaufenden Händlers ist. Dabei werden die Positionen gematcht, die den höchsten Umsatz erzielen. Das Matching der Orders wird also im Sin-
959
Zur Quantifizierung des Kreditrisikos auf Einzelgeschäftsebene siehe Abschnitt 2.6.
350
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
ne der Preisbildung am variablen Handel durchgeführt. Mit Abschluss eines Vertrags wird die zu transferierende Position in das Portfolio des Käufers übernommen und der Geldbetrag dem Verkäufer gutgeschrieben bzw. dem Käufer belastet. Pro abgeschlossenem Kontrakt werden Transaktionskosten in Abhängigkeit von der Art des Marktes, über den der Vertrag abgeschlossen wurde, und unter Umständen vom Volumen des Kontrakts, von den Kontrahenten eingezogen. Nachdem die grundlegende Funktionsweise von SimBa vorgestellt wurde, werden im nachfolgenden Abschnitt die Ergebnisse von diversen Experimenten im Rahmen des Kreditrisikohandels aufgezeigt, die mit Unterstützung dieses Systems durchgeführt wurden. 5.4. Experimente 5.4.1. Mikrostrukturanalyse eines experimentellen Marktes Die unterschiedliche Gestaltung von Handelsregeln und -institutionen an Aktienmärkten wurde in der Literatur sehr lebhaft diskutiert. Beispielsweise wurde der Einfluss der Marktgestaltungsoptionen, die aus einer zunehmenden Automatisierung und aus dem globalen Wettbewerb an Börsenmärkten resultieren, auf die Marktmikrostruktur in diversen Studien analysiert.960 In der vorliegenden Untersuchung wurde das Handelsverhalten auf einem internen Markt für Kreditrisiken untersucht. Dabei kamen die Grundformen des direkten Handels, des monopolistischen und des konkurrierenden Market Maker-Handels zum Einsatz.961
In der Wissenschaft werden drei Vorgehensweisen zur Untersuchung von Marktorganisationen unterschieden. Zunächst ist die rein formaltheoretische Abbildung verschiedener Handelsorganisationen, die die Ergebnisse aufgrund von theoretischen Überlegungen herleitet, zu nennen. Des Weiteren werden im Börsenumfeld meistens empirische Untersuchungen durchgeführt, bei denen die Börsendaten analysiert werden. Schließlich findet als dritte Möglichkeit die experimentelle Simulation des Handels Anwendung. Die theoretischen Modelle tragen zwar zu wertvollen Erkenntnissen über die Funktionsweise verschiedener Marktgestaltungen bei. Sie treffen jedoch notwendige vereinfachende Annahmen, so dass sie lediglich begrenzt dazu in der Lage sind, das tatsächliche Geschehen an
960
961
Siehe beispielsweise Untersuchungen zur Börsenintermediation: Pagano/Röell (1990); Theißen (1990); Gerke/Bienert (1991); Gerke (1993); Glosten (1994); O’Hara (1995); Bienert (1996); Picot et al. (1996); Schwert (1997); Picot et al. (1997); Bühler/Behr (1997); Freihube et al. (1998); Freihube et al. (1999); Hirth (2000); Book (2001); Budimir (2003). Zu den Untersuchungen bezüglich Transaktionskosten an Börsenmärkten siehe beispielsweise Marsh/Rock (1986); Huang/Stoll (1996); Bessenbinder (1997); Barclay (1997). An Aktienmärkten findet sich beispielsweise ein direkter Auktionshandel am Pariser Aktienmarkt, ein monopolistischer Market Maker-Handel an der New York Stock Exchange und ein konkurrierender Market Maker-Handel an der EUREX.
5.4. Experimente
351
Märkten abzubilden.962 Die Vielzahl empirischer Studien zur Marktmikrostruktur hat eine Reihe wichtiger Erkenntnisse erbracht. Dennoch weisen diese Untersuchungen zwei Schwächen auf. Auf der einen Seite betrifft dies die Datenverfügbarkeit und auf der anderen Seite die Verletzung von „Ceteris-paribus-Bedingungen“.963 Diese Kritikpunkte beinhalten die Tatsache, dass sich die realen Märkte in vielen verschiedenen Aspekten unterscheiden, so dass sich empirische Studien lediglich zur Analyse einzelner Aspekte der Marktorganisation eignen. Dagegen können mittels experimenteller Märkte empirische Probleme analysiert werden, indem unter Laborbedingungen der Marktablauf simuliert wird. Im Vergleich zu empirischen Untersuchungen an realen Märkten kann dabei das Marktumfeld kontrolliert werden.964 Ein weiterer Grund für die Verwendung von Experimentalbörsen speziell an internen Kreditrisikomärkten ist, dass bisher zwar eine Reihe theoretischer Arbeiten965 existieren, jedoch keine empirischen Daten verfügbar sind. Zudem besteht durch Experimentalmärkte der Vorteil, dass im Vergleich zu realen Märkten ein vollständiger Einblick in das Marktgeschehen möglich ist.966 Beispielsweise lässt die Anonymisierung der Börsendaten keinen Rückschluss auf das individuelle Händlerverhalten zu. Um jedoch das Verhalten von Market Makern zu untersuchen, sind diese Daten von großer Wichtigkeit. Durch die vollständige Datenlage an Experimentalmärkten und der kontrollierten Variation der Marktstrukturen kann hier eine weitergehende Analyse erfolgen. Trotz dieser Vorteile muss berücksichtigt werden, dass die Projektion der Ergebnisse von Experimentalmärkten auf die reale Welt problematisch sein kann, da diese nur unvollständig nachzubilden ist. Die wichtigsten Differenzen sind dabei die Anzahl der Handelsteilnehmer und das damit verbundene geringere Handelsvolumen. 5.4.2. Aufbau der Experimente Prinzipiell wurde bei den Experimenten für den internen Kreditrisikomarkt die Struktur von Abbildung 59 verwendet. Dies bedeutet, dass z.B. zwei Banken (Zentrale A und B) eines Verbundes mit je zwei Filialen (1 und 2) installiert wurden. Jede Filiale besteht aus einem Händler, der eigenständig versucht, seine Ziele zu erfüllen. Zwischen den Banken A und B werden kein, ein oder zwei Market Maker eingeführt, die, falls nötig, liquiditätssteigernd einschreiten sollen. Jedem der beteiligten Akteure, also sowohl jedem Händler, jeder Gesamtbank und jedem Market Maker, steht dabei ein eigenes SimBa-Tool zur Verfügung. Abbildung 71 fasst den Aufbau der Experimente im Zwei-Banken-Fall mit zwei Market Makern noch einmal grafisch zusammen.
962 963 964 965 966
Vgl. Wahrenburg (1998), S. 208. Vgl. Wahrenburg (1998), S. 208. Siehe Gerke/Bienert (1991), S. 499. Siehe beispielsweise Sandbiller (1998); Klein (1999); Dittmar (2001). Vgl. Wahrenburg (1998), S. 209.
352
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
SimBa Bank A
SimBa
interner Markt A SimBa SimBa semiinterner Markt
SimBa
Überwachung
Informationen
SimBa Bank B
SimBa
interner Markt B SimBa
Abb. 71: Aufbau des Experiments in einem Bankenverbund
Darüber hinaus wurden auch Experimente durchgeführt, bei denen eine verbundfremde Bank am semiinternen Markt beteiligt war. Als Handelsobjekte werden Kredite gehandelt, wobei der Kontrakt vom Käufer komplettübernommen wird (Liquiditäts- und Risikowirkung) und das Servicing für den Kredit annahmegemäß beim ursprünglich Kredit gebenden Institut verbleibt. SimBa ist als reine Computerbörse konzipiert, wobei die örtliche Konsolidierung zentral ausgestaltet ist, d.h. es liegt ein zentrales Orderbuch vor. In dieses haben alle teilnehmenden Akteure Einblick. Die zeitliche Konsolidierung ist durch einen variablen Handel geprägt, bei dem es dann zu einer sofortigen Orderausführung kommt, wenn für einen Auftrag eine entsprechende Gegenseite vorliegt. Die Handelsverfahren, die bei SimBa standardmäßig implementiert sind, werden in Tabelle 44 zusammengefasst. Merkmal
Ausprägung in SimBa
Automatisierung
reiner Computerhandel
regionale Konsolidierung
zentrales Orderbuch
zeitliche Konsolidierung
variabler Handel
Orderbuchtransparenz
offenes Orderbuch
Tab. 44: Standardisierte Handelsverfahren in SimBa
Das Merkmal der Intermediation ist variabel gehalten, so dass die Experimente mit und ohne Market Maker bzw. auf einem monopolistischen oder konkurrierenden Market Maker-Markt durchgeführt werden konnten. Mit dieser Ausgestaltung eines internen Kreditrisikohandelssystems konnte folgenden Fragestellungen nachgegangen werden:
5.4. Experimente
353
x
Kommt generell ein Handel auf dem internen/semiinternen Kreditrisikomarkt zustande?
x
Welche Auswirkungen hat dabei ein Market Maker?
x
Welche Konsequenzen hat ein Handel zwischen Banken des gleichen Verbunds?
Jede Bank bzw. jeder Händler erhält in der Ausgangslage des Experiments ein Portfolio, das aus 100 Einzelkrediten besteht und jeweils stark undiversifiziert ist. Darüber hinaus ist den einzelnen Portfolien ein hohes Klumpenrisiko inhärent. Als Gesamtkreditvolumen wurden 100 Mio. Geldeinheiten (GE) pro Händlerportfolio festgesetzt. Als Messgröße für die Diversifizierung werden die Ausprägungen für die Kriterien Region und Branche herangezogen. Typischerweise soll die Ausgangslage die Situation eines Instituts darstellen, das über die einzelnen Filialen regional sehr stark engagiert ist. Es wird davon ausgegangen, dass innerhalb einer Region jeweils bestimmte Branchen eine führende Rolle spielen, so dass innerhalb einer Region eine hohe Branchenkonzentration unterstellt wird. Die ökonomischen und regulatorischen Limitrestriktionen wurden allen Händlern zu Beginn mitgeteilt und im Handelssystem eingestellt. Es handelt sich de facto um eine Branchen/Regionen-Matrix, die Limite je Branche und Region vorgibt. Das ökonomische Risiko wird über SimBa als CVaR gemessen, während das regulatorische Risiko über die Eigenkapitalbelastung nach Grundsatz I und den Basel II-Ansätzen berechnet wird. Die Konzentration des jeweiligen Portfolios wird über den Herfindahl-Index kalkuliert. Der Herfindahl-Index lag in der Ausgangslage jeweils zwischen drei und vier, was nach Basel II einem nicht granularen Portfolio entspricht.967 Zur Bestimmung des Rendite-/RisikoVerhältnisses kommt der RORAC zum Einsatz. Die Ziele der Händler können dabei vielschichtig sein. Es können beliebige Ziele von der Zentrale vorgegeben werden oder aber die einzelnen Filialen/Händler können ihre eigenen Ziele innerhalb der zentralen Vorgaben setzen und versuchen diese zu maximieren. Als Informationsgenerierungstool wurde eine so genannte Hazard-Machine verwendet. Diese ist so gestaltet, dass zunächst eine Vielzahl von kreditnehmer-, branchen- und regionenspezifischen hypothetischen Nachrichten vorgegeben wird. Nach einem Zufallsalgorithmus werden in regelmäßigen zeitlichen Abständen daraus Nachrichten an die Händler über das SimBaMessagingsystem versendet. Auf diese Art und Weise erhalten alle Beteiligten innerhalb einer Bank bzw. eines Bankenverbunds die Nachrichten zeitgleich. Diese Art der Informationsverteilung entspricht in der realen Welt beispielsweise einem Nachrichtenticker oder den Informationen der jeweiligen Kreditsachbearbeiter. Annahmegemäß sollen diese Informationen über ein zentrales System allen Beteiligten am Handel innerhalb einer Bank bzw. eines Bankenverbunds zur Verfügung stehen. Instituten, die nicht dem gleichen Bankenverbund angehören, sollen jedoch nicht alle intern generierten Informationen zugänglich gemacht werden. 967
Siehe Tz. 633 Basel II und Abschnitt 3.5.5.3.3.2.
354
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
An den Untersuchungen, die zwischen Juli 2003 und Juli 2004 durchgeführt wurden, waren jeweils zwischen fünf und zehn Teilnehmer beteiligt. Die freiwilligen Teilnehmer setzten sich aus zwei inhomogenen Gruppen zusammen. Die eine verfügte über ein großes, professionelles Verständnis hinsichtlich des Kreditgeschäfts und zum Teil auch über den Kreditrisikohandel. Die andere hingegen hatte lediglich grundlegende Kenntnisse bezüglich des Kreditgeschäfts. Diese Inhomogenität führte dazu, dass vor dem ersten Experiment eine fachliche Schulung der zweiten Gruppe erforderlich war, die sich auf theoretische Aspekte des Kreditrisikos bezog. In einem zweiten Teil wurde allen Beteiligten das System SimBa vorgestellt. Als nächster Schritt konnten dann die Experimente, die jeweils zwischen zwei und fünf Stunden in Anspruch nahmen, durchgeführt werden. Der erste Versuch diente dabei lediglich zum Kennen lernen des Systems, da vermieden werden sollte, dass unbeabsichtigte Handlungen, z.B. das Einstellen ungewollter Orders, durchgeführt werden. Der folgende Versuch war ebenfalls ein Testlauf, wobei in diesem die technischen Funktionalitäten des Systems getestet werden sollten. Etwaige Fehler oder Fehlfunktionalitäten konnten daraufhin bereinigt werden, so dass letztendlich eine saubere Handelssoftware für die tatsächlichen Experimente bereitgestellt werden konnte. Nicht zuletzt haben diese ersten Tests die Vertrautheit der Teilnehmer mit dem System und die Sensibilität für das Thema gesteigert. Versuch
Ziel
Market Maker (MM)
Anzahl der zu handelnden Adressen
Verbindung über
1
Schulung
-
5
Intranet
2
Technischer Test
-
5
Internet
3
Interner Handel innerhalb einer Bank
nein
100
Intranet
4
Interner Handel innerhalb einer Bank
monopolistischer MM
100
Intranet
5
Handel im Bankenverbund
nein
100
Internet
6
Handel im Bankenverbund
monopolistischer MM
100
Internet
7
Handel im Bankenverbund
monopolistischer MM
200
Internet
8
Handel im Bankenverbund
konkurrierende MM
100
Internet
9
Handel im Bankenverbund
konkurrierende MM
200
Internet
10
Handel im Bankenverbund und einem verbundexternen Institut
Nein
100
Internet
Tab. 45: Zusammenfassung der Ausgestaltung der Versuchsgänge
Im Anschluss konnte der erste Versuchsgang durchgeführt werden, bei dem verwertbare Ergebnisse generiert wurden. Dieser beschränkte sich zunächst auf den internen Handel inner-
5.4. Experimente
355
halb der Banken A und B. Eine Verbindung beider Märkte wurde nicht geschaffen. Darüber hinaus wurde die Ausgestaltung eines rein direkten Handels ohne Beteiligung eines Market Makers gewählt. Einen zusammenfassenden Überblick über die durchgeführten Experimente liefert Tabelle 45. Darüber hinaus wurden beim Handel Transaktionskosten berücksichtigt. Für jede abgeschlossene Transaktion waren volumen- und marktabhängige Gebührensätze von den Händlern zu zahlen. Die Gestaltung dieser ist in Tabelle 46 aufgeführt. Handelsort Volumen
interner Markt
semiinterner Markt
externer Markt
kleiner als 500.000 GE
0,2%
0,4%
0,6%
500.000 GE bis 5.000.000 GE
0,2%
0,5%
0,8%
größer als 5.000.000 GE
0,2%
0,6%
1%
Tab. 46: Gebührensätze für den Handel von Kreditrisiken
Die einheitlichen Gebühren am internen Markt in Höhe von 0,2% des Kreditvolumens berücksichtigen die Kosten für die Implementierung und den Betrieb des Handelssystems. Die volumenabhängig ansteigenden und im Vergleich zum rein internen Markt höheren Gebühren am verbundinternen Markt sollen darüber hinaus die erhöhten Kosten für den Transfer des Kreditrisikos von einer Bank zur anderen innerhalb eines Verbunds widerspiegeln. Darin enthalten sind beispielsweise die Überwachungskosten für die ordnungsgemäß fortgeführte Kreditbeziehung. Die höheren Kosten am externen Markt sollen ebenfalls die höheren Kosten für den Kredittransfer und die Überwachung reflektieren. Da die handelnden Kontraktpartner am externen Markt nicht zu einem Verbund gehören, kann davon ausgegangen werden, dass die Gebühren im Vergleich zum semiinternen Markt höher sein müssen. Dies resultiert insbesondere aus der mangelnden Vergleichbarkeit der Ratings. Daher muss eine verbundfremde Bank größere Anstrengungen zur Verifikation der Bonitätseinstufung unternehmen, als dies bei einer verbundinternen Bank der Fall ist. Im Folgenden werden die Ergebnisse der verschiedenen Experimente im Einzelnen dargestellt. Dabei wird nach den spezifischen Ausgestaltungen des jeweiligen Marktes vorgegangen.
356
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
5.4.3. Ergebnisse der Experimente 5.4.3.1. Handel am rein internen Markt ohne Market Maker Der rein interne Handel für Kreditrisiken ohne Market Maker ist schematisch in Abbildung 72 dargestellt. SimBa SimBa
Bank A
SimBa
SimBa
SimBa
interner Markt A Abb. 72: Versuchsaufbau am rein internen Markt ohne Market Maker
Es ist zunächst festzustellen, dass bei dieser Konstellation eine Steuerung aus regulatorischen Gesichtspunkten weitgehend ausscheidet.968 Dies ergibt sich aus der Tatsache, dass durch eine reine Umverteilung des Gesamtbankportfolios das regulatorisch vorzuhaltende Eigenkapital auf Zentralebene nicht reduziert wird. Stattdessen steht die effiziente Verteilung der Kreditlimite im Vordergrund der Analyse. Die Fragestellung ist deshalb in diesem Fall, ob durch einen internen Handel von Kreditrisiken diese so verteilt werden, dass das ökonomische Risiko in jeder dezentralen Einheit (Filiale) so reduziert wird, dass freie Limite entstehen, die für den Abschluss von Neugeschäften verwendet werden können. Aus diesem Grund wurde angenommen, dass in Bank A vier Filialen 1, 2, 3 und 4 mit jeweils eigenem Kreditportfolio existieren. Diese sind in der Ausgangslage undiversifiziert auf die Branchen der jeweiligen Region verteilt. Die Zentrale A stellt zudem Kreditlimite, die speziell für die Branchen der Region gelten, in denen 1, 2, 3 und 4 agieren. Des Weiteren wird von Seiten der Zentrale bei der Vergabe der Kreditlimite berücksichtigt, dass ein Bündel unterschiedlicher Branchen-/Regionen-Kombinationen mit verschiedenen Limiten belegt werden muss. Bei der Vergabe der Limite ist insbesondere darauf zu achten, dass die Korrelationen zwischen Regionen und deren Branchen angemessen berücksichtigt werden. Eine Verringerung des Kreditrisikos durch Streuung des Portfolios tritt deshalb vor allem dann auf, wenn Kombinationen mit negativen oder lediglich schwach positiven Korrelationen existieren. Eine Korrelation von eins bewirkt hingegen, dass die Risiken beider Profile sich addieren und keine positive Diversifikationswirkung eintritt. Die vorgegebenen Kreditlimitbelastungen trugen diesem Umstand Rechnung. Dies bedeutet, dass die Streuung des Portfolios belohnt wurde, während Konzentrationen zu höheren Limiten führten. 968
Hier wird die Annahme getroffen, dass lediglich die Zentrale nach § 10 Abs. 1 Satz 4 KWG meldepflichtig gegenüber der Bankenaufsicht ist.
5.4. Experimente
357
Zunächst konnten am rein internen Handel ohne zwischengeschalteten Intermediär bei 100 handelbaren Einzeladressen 147 Transaktionen festgestellt werden. Darüber hinaus hat sich die Granularität der einzelnen Portfolien zum Teil wesentlich erhöht. Die Teilportfolien, die zu Beginn jeweils aus durchschnittlich 6 Branchen-/RegionenKombinationen bestanden, enthielten am Ende des Experiments bedeutend mehr Branchen/Regionen-Kombinationen. Folgende Abbildung veranschaulicht die durchschnittliche Entwicklung der Verteilung der Kombinationen pro Portfolio im Zeitablauf. Anzahl der Branchen-/RegionenKombinationen
20 18
18 16
16
15
14 12
11
10 8
8
8
13:30
14:00
6
6 4 2 0
13:00
14:30
15:00
15:30
16:00
Uhrzeit
Abb. 73: Entwicklung der durchschnittlichen Branchen-/Regionen-Kombinationen im Zeitablauf
Auf Grundlage der gehandelten Volumina und der in SimBa hinterlegten Korrelationen lässt sich der jeweilige CVaR zum 99%-Konfidenzniveau der vier Filialen im Zeitablauf wie folgt veranschaulichen, wobei der CVaR des Ausgangsportfolios mit 100% angesetzt wird: Filiale 1
Filiale 2
1,05
1,05
1
1
0,95
0,95
0,9
0,9
0,85
0,85
0,8
0,8
0,75
0,75
0,7
0,7 13:00
13:30
14:00
14:30
15:00
15:30
16:00
13:00
13:30
14:00
Filiale 3
14:30
15:00
15:30
16:00
15:00
15:30
16:00
Filiale 4
1,05
1,05
1
1
0,95
0,95
0,9
0,9
0,85
0,85
0,8
0,8
0,75
0,75
0,7
0,7 13:00
13:30
14:00
14:30
15:00
15:30
16:00
13:00
13:30
14:00
14:30
Abb. 74: Entwicklung des Filial-CVaR im Zeitablauf am internen Markt
358
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Der CVaR sank bei allen beteiligten Händlern zwischen 15 und 35 Prozent, bezogen auf das Ausgangsniveau. Der gemessene RORAC, der das Rendite-Risiko-Verhältnis widerspiegelt, konnte entgegen der Reduktion des CVaR steigen. Gleichzeitig wurde festgestellt, dass der Herfindahl-Index Werte zwischen 5 und 8 annahm, was einer deutlichen Reduzierung der Konzentration innerhalb der einzelnen Portfolien entspricht. Problematisch an dieser Versuchsanordnung erscheint, dass die im variablen Handel festgestellten Preise relativ volatil sind. Dadurch, dass die Händler ihre eigenen Preise über die Eingabe eigener Spotrates und damit auch Credit Spreads berücksichtigen können, haben neue, preisbeeinflussende Nachrichten einen großen Einfluss auf die individuellen Einschätzungen der Händler. Daher stieg die Standardabweichung der Marktpreise vom Beginn des Experiments bis zum Ende um ca. 11% an. Die Transaktionskosten lagen aufgrund der Versuchsanordnung bei 0,2%. 5.4.3.2. Handel am rein internen Markt mit Market Maker Als nächstes wurde der Handel auf dem rein internen Kreditrisikomarkt mit einem monopolistischen Market Maker untersucht. Die Versuchsaufstellung gibt Abbildung 75 wieder. SimBa SimBa
Bank A
SimBa
SimBa
SimBa
interner Markt A
Market Maker
SimBa
Abb. 75: Versuchsaufbau am rein internen Markt mit monopolistischem Market Maker
Der Market Maker hat in der Versuchsaufstellung die Aufgabe, die Liquidität im Markt zu erhöhen und jederzeit auf Anfrage Bid- und Ask-Kurse zu stellen. Zudem wird ihm bankintern die Vorgabe gestellt, sein Portfolio aus Rendite-/Risiko-Gesichtspunkten ebenfalls möglichst profitabel zu gestalten. Wie aus der Versuchsanordnung zu entnehmen ist, kann der Market Maker als „Händler mit Spezialaufgaben“ innerhalb einer Bank interpretiert werden. Im Unterschied zu den Händlern der Bank erhält er als Entschädigung für seine übernomme-
5.4. Experimente
359
nen Aufgaben als erster Einblick in die aktuelle Orderlage, die dann mit einer Verzögerung von 20 Sekunden den Händlern zur Verfügung steht. Es standen 100 handelbare Adressen zur Verfügung, wobei 174 Transaktionen registriert wurden. Das Experiment hat in diesem Fall gezeigt, dass zu Beginn keine Veränderung der Händlervorgehensweise im Vergleich zum internen Markt ohne Market Maker-Beteiligung festzustellen war. Dies bedeutet, dass die vom Market Maker angebotenen Positionen eher direkt abgewickelt wurden, da dadurch die Transaktionskosten in Höhe der Geld-BriefSpanne umgangen werden konnten. Bemerkenswerterweise wurde der Market Maker dann involviert, als es zu einem Anstieg der Volatilität im Markt kam. In diesem Fall konnte er relativ sinkende Preise zum Kauf und relativ stark ansteigende Preise zum Verkauf nutzen. Es konnte ebenfalls festgestellt werden, dass die Standardabweichung der Marktpreise während der Auktion geringer wurde. Im Verlauf des Handels wurden immer mehr Geschäfte über den Market Maker ausgeführt. Dies zeigt, dass vor allem in Zeiten hoher Informationsintensität und der daraus abgeleiteten Schwankungsbreite der Marktwerte der Market Maker einen ausgleichenden Einfluss auf das Marktgeschehen ausübt. Die Händler tendieren in diesem Fall dazu, ihre Einschätzung hinsichtlich der erwarteten Credit Spreads zu überzeichnen. Trotz einer sich erhöhenden Geld-Brief-Spanne und einem erhöhten Transaktionskostensatz wurde bei relativ stark schwankenden Marktpreisen der Handel über den Market Maker präferiert. Um diese Feststellungen mit Daten zu hinterlegen, wird im ersten Schritt die Partizipationsrate berechnet, die Auskunft darüber gibt, an wie viel Prozent der getätigten Transaktionen der Market Maker beteiligt war.969 Da dies bei den Versuchsgängen stark vom Eintreffen neuer, bewertungsrelevanter Informationen abhängig war, muss an dieser Stelle eine Zweiteilung getroffen werden. Im ersten Fall (erster Handelsabschnitt), werden keine neuen Informationen publiziert. Dabei ist die Partizipationsrate des Market Makers mit ca. 8% sehr gering. Sobald jedoch neue Informationen eintreffen, wird der Handel über den Market Maker bevorzugt. In diesem Fall beträgt die Partizipationsrate bis zu 63%. An dieser Stelle konnte zusätzlich untersucht werden, wie hoch die durch den Market Maker durchgeführte Kursdämpfung war. Unter einer volatilitätsdämpfenden Maßnahme werden Käufe und Verkäufe verstanden, die eine gegen die letzte Kursveränderung gerichtete Kurswirkung implizieren. Diese Maßgröße drückt ebenfalls aus, dass informationslose Preisveränderungen nicht im Interesse von risikoaversen Anlegern sind.970 Zu dieser Untersuchung wird die so genannte Stabilisierungsrate herangezogen. Sie besagt, dass bei einem „up-tick“ (die letzte zurückliegende Preisveränderung war eine Preiserhöhung) ein Verkauf des Market Makers in einem handelbaren Handelsobjekt stabilisierend wirkt. Entsprechend gilt bei einem „down tick“ (letzte zurückliegende Preisveränderung war eine Preissenkung), dass ein Kauf des Market Makers stabilisierende
969 970
Siehe Freihube et al. (1999), S. 10. Siehe Freihube et al. (1999), S. 10.
360
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Wirkung hat. Die Stabilisierungsrate setzt die Anzahl der stabilisierenden Fälle zur Anzahl aller getätigten Market Maker-Geschäfte ins Verhältnis. Am rein internen Markt lag die Stabilsierungsquote bei ca. 72%, weshalb der Schluss gezogen werden kann, dass der Market Maker einen kursdämpfenden Einfluss auf die Kursentwicklung hat. Abbildung 76 zeigt den Verlauf des Indexes auf dem internen Kreditrisikomarkt, der die marktpreisbezogene Veränderung der Portfolien wiedergibt.
120%
Indexstand
110% 100% 90% 80%
Indexstand ohne MM
70%
Indexstand mit MM
60% 50% 13:00 13:30 14:00 14:30 15:00
Uhrzeit
15:30
16:00
Abb. 76: Dämpfungswirkung des Market Makers gemessen am Indexstand
Die Entwicklung der Granularität und des CVaR verlief ähnlich zu der ohne Market MakerBeteiligung. Beim Ausweiten der handelbaren Adressen von 100 auf 200 (207 getätigte Transaktionen) konnte zudem festgestellt werden, dass sich die vom Market Maker gesetzte Geld-BriefSpanne zum Teil deutlich erhöhte. Dies ist daraus zu erklären, dass neben stark gehandelten Einzeladressen auch viele illiquide Titel über den Market Maker gehandelt wurden, die ohne dessen Beteiligung keine Gegenseite gefunden hätten. Darüber hinaus konnte der Market Maker das größere Angebot handelbarer Kredite nutzen, um seinen eigenen Gewinn um ca. 31% zu steigern. Die Transaktionskosten lagen versuchsbedingt wiederum bei 0,2%.
5.4. Experimente
361
5.4.3.3. Handel am semiinternen Markt ohne Market Maker Der semiinterne Handel für Kreditrisiken ohne Market Maker ist schematisch in Abbildung 77 dargestellt. SimBa
Bank A
SimBa
SimBa
semiinterner Markt
Überwachung
SimBa Bank B
SimBa
SimBa
Abb. 77: Versuchsaufbau am semiinternen Markt
Bei diesem Experiment waren 100 handelbare Adressen vorhanden. Insgesamt kam es innerhalb von fünf Handelsstunden zu 196 Geschäftsabschlüssen. Neben der Steuerung des ökonomischen Risikos kann bei dieser Versuchsaufstellung auch die Belastung des regulatorischen Eigenkapitals verändert werden, da annahmegemäß Bank A und Bank B nach § 10 Abs. 1 Satz 4 KWG separat meldepflichtig sind. Die Überwachungsstelle hat, wie bereits weiter oben beschrieben, die Aufgabe, die Transaktionen am semiinternen Markt zu kontrollieren. Diese Kontrolle erstreckt sich zum einen auf das ordnungsgemäße Zusammenkommen der Aufträge und zum anderen auf die post-trade Überprüfung. Dies umfasst auch die Überwachung, dass eventuell vorhandene Sicherheiten von einem zu transferierenden Kreditengagement mit übergeben werden. Generelle Aufgabe der Überwachungsstelle ist weiterhin, Anreizprobleme bei veräußerten Krediten weitgehend zu verringern. Sie könnte in diesem Falle beispielsweise als Schiedsstelle zwischen den Vertragsparteien bei unterschiedlichen Bonitätseinstufungen eines Kreditnehmers agieren. In der Versuchsaufstellung wird erneut angenommen, dass die einzelnen Portfolien der Banken bzw. Händler/Filialen durch eine Konzentration auf gewisse Branchen/Regionen gekennzeichnet sind. Die Kreditlimite waren zu Beginn der Untersuchung zu 98% ausgeschöpft und
362
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
waren so angelegt, dass wiederum eine Bündelung unterschiedlicher Branchen-/RegionenProfile größtenteils eine Limiterleichterung zur Folge hatte. Es hat sich während der Experimente gezeigt, dass einige Händler ihr Portfolio nach wie vor ausschließlich nach ökonomischen Gesichtspunkten steuern. Dies hat, wie bereits im rein internen Markt gezeigt, hauptsächlich zur Folge, dass der CVaR reduziert werden konnte. Da ein offenes Orderbuch bestand, das auch die Identität des Kreditrisikokäufers bzw. -verkäufers offen legte, wurden zu Handelsbeginn hauptsächlich Kontrakte zwischen den Händlern einer Bank, also quasi identisch mit dem Vorgehen am rein internen Markt, abgeschlossen. Dies ist vor allem darauf zurückzuführen, dass vor diesem Experiment der Handel am rein internen Markt durchgeführt wurde. Dadurch konnten sich die Händler bereits eine Reputation aufbauen, die handelsfördernd wirkte. Diese durch den guten Ruf des Kontrahenten aufgebaute Sicherheit hat zum Teil die größere Limitentlastung durch Geschäfte am semiinternen Markt überschattet. Nachdem ein Ausgleich zwischen den internen Portfolien stattgefunden hatte, wurde der Fokus auf Geschäfte zwischen den Banken gelegt. Dabei wurden erhebliche Kreditlimiteinsparungspotenziale genutzt, so dass der CVaR deutlich reduziert werden konnte. Bezogen auf das Ausgangsniveau bewegte sich das Reduktionspotenzial in einer Spanne von 17 bis 29 Prozent. Dieses Ergebnis macht deutlich, dass die Händler durch den Handel am semiinternen Markt ihr bestehendes Rendite-/Risikoprofil weiter diversifizieren konnten. In der Ausgangslage lag jeweils eine starke Konzentration auf einzelne Regionen und Branchen vor. Das Ergebnis des Handels war hier eine weitgehende Diversifikation, so dass der CVaR aller beteiligten Portfolien zum Teil stark reduziert werden konnte. Die Steigerung des Rendite-/Risiko-Verhältnisses, gemessen durch den RORAC, war in ebenso großem Umfang zu bemerken. Abbildung 78 zeigt die Veränderungen des CVaR nach Filiale/Teilportfolio im Zeitablauf, wobei das Ausgangsniveau mit 100% festgelegt wurde. Bank A Filiale 2
Bank A Filiale 1 1,05
1,05 1
1
0,95
0,95
0,9
0,9
0,85
0,85
0,8
0,8
0,75
0,75 0,7
0,7 13:00
13:30
14:00
14:30
15:00
15:30
13:00
16:00
13:30
14:00
14:30
15:00
15:30
16:00
15:00
15:30
16:00
Bank B Filiale 2
Bank B Filiale 1 1,2
1,2 1
1
0,8
0,8
0,6
0,6
0,4
0,4 0,2
0,2
0
0 13:00
13:30
14:00
14:30
15:00
15:30
16:00
13:00
13:30
14:00
14:30
Abb. 78: Entwicklung des Filial-CVaR im Zeitablauf am semiinternen Markt
5.4. Experimente
363
Eigenkapitalbelastung in % des Ausgangsniveaus
Die Ergebnisse der Tests zeigen darüber hinaus eine deutliche Wirkung auf die Granularität des Retailportfolios. Der Herfindahl-Index nahm am Ende des Experiments Werte zwischen 7 und 9 an. Wie in Abschnitt 3.5.1.1.6. erläutert, dürfen Unternehmenskredite unter gewissen Voraussetzungen in das Retailportfolio nach der neuen Baseler Eigenkapitalvereinbarung übernommen werden. Dazu darf jedoch das Kreditvolumen an einen einzelnen Kreditnehmer nicht mehr als 0,2% am gesamten Portfoliovolumen betragen.971 Die Teilportfolien hielten diese Grenze zwar größtenteils ein, doch durch die Aggregation auf Bankebene wurden diese Effekte zum Teil verwischt, im Vergleich zur Ausgangslage aber immer noch deutlich verbessert. Insgesamt waren die regulatorischen Auswirkungen je nach verwendetem Ansatz unterschiedlich. Im Standardansatz waren durch die mögliche Reduktion der Risikogewichte im Retailportfolio von 100% auf 75% sehr hohe Effekte zu verzeichnen, obwohl die internen Ratings keinen Einfluss auf die Berechnung des erforderlichen Eigenkapitals hatten. Beim IRBB und FIRB waren letztendlich durch den internen Handel weit weniger Veränderungen im Vergleich zur Ausgangslage festzustellen. Aufgrund der Parameterkonstellation durch interne Schätzungen von PD, LGD und EAD konnte jedoch durch die Verwendung des IRB-Ansatzes eine Verringerung der zu unterlegenden Eigenmittel erreicht werden. Abbildung 79 zeigt den typischen Verlauf der regulatorischen Eigenkapitalunterlegung im Verlauf des Versuchs, wobei die vorzuhaltenden Eigenmittel zu Beginn des Experiments auf 100% normiert wurden.
Uhrzeit
Abb. 79: Durchschnittliche Eigenkapitalbelastung nach den Basel II-Ansätzen im Zeitablauf
Im Ergebnis hinsichtlich der regulatorischen Steuerung lässt sich damit festhalten, dass hauptsächlich Auswirkungen auf den Standardansatz zu verzeichnen waren, die auf die gesteigerte Granularität der Portfolien im Retailsegment zurückzuführen waren.
971
Die Begrenzung von 0,2% wurde bei den Experimenten ohne Einschränkung der Aussagekraft auf 5% erhöht, um die Übersichtlichkeit zu gewährleisten.
364
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Die Transaktionskosten lagen im Durchschnitt bei ca. 0,37%. Dies belegt, dass zwar Geschäfte am internen Markt zustande kamen, jedoch in hohem Maße auch Kontrakte am verbundinternen Markt getätigt wurden. Die Wirkung der Transaktionen auf das Portfolio der Akteure führte dazu, dass diese die erhöhten Kosten einer Transaktion in Kauf nahmen. 5.4.3.4. Handel am semiinternen Markt mit Market Maker Durch die Einführung eines zunächst monopolistischen Market Makers ändert sich die Versuchsaufstellung, wie in Abbildung 80 dargestellt. Dabei wurden zunächst insgesamt 100 handelbare Adressen vorgegeben, wobei 211 Transaktionen zustande kamen. SimBa
Bank A
SimBa
SimBa
Market Maker
semiinterner Markt
SimBa
Überwachung
SimBa Bank B
SimBa
SimBa
Abb. 80: Versuchsaufbau am semiinternen Markt mit Market Maker
Der Market Maker hat in diesem Experiment eine relativ unabhängige Stellung. Er gehört weder der Bank A noch der Bank B an. Dennoch ist er dazu verpflichtet, die Aufgaben des Market Makers für den semiinternen Kredithandel wahrzunehmen. Die Überwachungsstelle hat insbesondere zu überprüfen, dass er nicht ausschließlich seine eigenen Ziele verfolgt und dabei seine originären Market Maker-Aufgaben vernachlässigt bzw. gänzlich aufgibt. Analog zum rein internen Handel mit Market Maker war festzustellen, dass vor allem die Kursstabilität durch seine Beteiligung erhöht wurde. Daneben konnte im Bankenverbund gezeigt werden, dass einige Titel, die ohne Market Maker-Beteiligung nicht gehandelt wurden und bis zum Ende der Auktion unausgeführt im Orderbuch blieben, nun doch gehandelt wurden. Dabei hatte die Aufgabe des Market Makers, auf Anfrage einen Bid- und Ask-Kurs zu stellen, entscheidenden Einfluss auf die anschließende Handelsintensität der Titel am semiin-
5.4. Experimente
365
ternen Markt. Gerade aus diesem Grund betrug die Partizipationsrate des Market Makers in dieser Versuchsaufstellung im Schnitt 71%. Das Volumen der gehandelten Kredite konnte daher um ca. 34% gesteigert werden. Es ließ sich zudem feststellen, dass die Beteiligung des Market Makers bei vorher wenig gehandelten Titeln und beim Eintreffen neuer bewertungsrelevanter Informationen wichtigen Einfluss auf die Liquidität und die Kursstabilisierung hatte. Die Stabilisierungsrate lag, vergleichbar mit derjenigen am rein internen Markt, bei 69%. Speziell bei der Stellung von Kursen für wenig gehandelte Kreditadressen konnte beobachtet werden, dass sich die Bid-/Ask-Spanne des Market Makers ausweitete. Dies wurde in der Mehrzahl der Fälle (ca. 85%) von den Teilnehmern akzeptiert. Dabei gab es jedoch deutliche Unterschiede zwischen den Experimenten. Während sich in der Mehrzahl der Fälle die gestiegenen Gewinne des Market Makers durch die anschließend getätigten Stabilisierungsaktivitäten und durch das Stellen einer Bid-/AskSpanne für relativ wenig gehandelte Titel wieder reduzierten, waren auch Fälle zu beobachten, bei denen das Portfolio des Market Makers nach Beendigung der Auktion zum Teil hohe Klumpenrisiken aufwies, was sich auch in einem hohen CVaR dieses Portfolios widerspiegelte. Die Handelsgewinne entstanden vorwiegend aus der ersten Hälfte des Handels, da der Market Maker in der Folge kaum mehr dazwischen geschaltet wurde. Die Handelsgewinne des Market Makers waren auf den Umstand zurückzuführen, dass der Market Maker seine eigenen Ziele verfolgt hat und als Gewinnmaximierer am Markt aufgetreten ist. Das angesprochene Problem wurde durch die Erhöhung der handelbaren Einzeladressen von 100 auf 200 noch verschärft. Daher ist auch zu erklären, weshalb bei der Verdopplung der handelbaren Adressen lediglich 16% mehr Transaktionen getätigt wurden. Der Market Maker wurde dann umgangen, wenn am internen Markt ohne seine Vermittlungsleistung ein Kontrahent gefunden werden konnte. Lediglich bei am semiinternen Markt illiquiden Titeln wurde die erhöhte Geld-Brief-Spanne des Market Makers in Kauf genommen. Durch die Einführung eines weiteren Market Makers ließen sich bei 100 handelbaren Adressen schließlich auch die Fälle sehr hoher Geld-Brief-Spannen reduzieren. Es wurden 247 Transaktionen getätigt. In diesem dann konkurrierenden Market Maker-System traten die Market Maker, die für alle handelbaren Adressen zuständig waren, in Wettbewerb zueinander. Zur Vermeidung unlauterer Absprachen unter den involvierten Market Makern wurde die Überwachungsstelle eingeschaltet, die das Verhalten der Market Maker kontrollierte. Es war zu bemerken, dass speziell bei geringer Anzahl von handelbaren Adressen ein heftiger Wettbewerb zwischen den Market Makern stattfand. Dies hatte Auswirkungen auf die entsprechenden Geld-Brief-Spannen, die sehr stark reduziert wurden. Im Gegenzug dazu stieg die Partizipationsrate auf ca. 79% an. Insbesondere war festzustellen, dass sich bei einer Ausweitung der handelbaren Adressen (von 100 auf 200) die Liquidität im Markt deutlich erhöhte. Die Anzahl der Transaktionen
366
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
stieg auf 309 an. Während sich bei relativ begrenzter Anzahl von handelbaren Adressen die Market Maker einem heftigen Wettbewerb ausgesetzt sahen, konnten sie bei Ausweitung der handelbaren Objekte die Bestandskosten ihres eigenen Portfolios um ca. 52% reduzieren. Die Bestandskosten wurden über die Verzinsung des gebundenen Kapitals pro Zeiteinheit gemessen. Die Auswirkungen auf die Eigenkapitalbelastung nach Basel II waren weitgehend vergleichbar mit denen des semiinternen Marktes ohne Market Maker-Beteiligung. Die Transaktionskosten lagen bei ca. 0,42% und damit höher als im Fall ohne Market MakerBeteiligung. Dies lässt sich damit erklären, dass der/die Market Maker zu einer gesteigerten Liquidität zwischen den Banken beigetragen hat/haben. Durch die gestiegene Anzahl an Transaktionen zwischen den Banken erhöhten sich letztlich auch die Kosten der Transaktionen insgesamt. 5.4.3.5. Handel mit externen Banken Neben den Experimenten zum internen bzw. semiinternen Markt wurden zusätzliche Experimente durchgeführt, bei denen jede Bank auch die Möglichkeit hatte, mit einer verbundexternen Bank zu handeln. Die grundlegende Versuchsaufstellung wird in Abbildung 81 gezeigt. SimBa
Bank A
SimBa
SimBa
Bank C
Market Maker semiinterner Markt
SimBa
SimBa SimBa Bank B
SimBa
SimBa
Abb. 81: Versuchsaufbau am semiinternen Markt mit Market Maker und externer Bank
Jeder Händler hat die Möglichkeit, neben den Transaktionen am internen bzw. semiinternen Markt auch Geschäfte mit einer verbundexternen Bank C durchzuführen. Die Bank C zeichnet sich dadurch aus, dass sie im Vergleich zu den verbundinternen Banken A und B nicht die gleiche Ratingsystematik anwendet. Dabei wird davon ausgegangen, dass sich insbesondere die Methodik zur Erstellung eines Bonitätsurteils grundlegend unterscheidet, so dass die Ra-
5.4. Experimente
367
tingurteile untereinander nicht direkt vergleichbar sind. Als Lösung wurde daher das Mapping der Ratingurteile auf eine einheitliche Skala eingeführt. Dies hat sich jedoch als problematisch erwiesen, da sich nicht nur die Methodik zur Ratinggenerierung, sondern auch die Anzahl der Skalen unterschieden. Darüber hinaus werden speziell die Ratingverfahren und deren Grundlagen in den Instituten mit großer Verschwiegenheit behandelt. Dies führte zu großem kommunikativem Aufwand bei angestrebten Transaktionen zwischen verbundinterner und verbundexterner Bank, der jedoch aufgrund der angeführten Schwierigkeiten zu keinem messbaren Erfolg führte. Eine Einigung war dahingehend zu vernehmen, dass die Einschaltung einer unabhängigen dritten Stelle, die eine erneute Bonitätseinstufung der handelbaren Adresse durchführt, Abhilfe schaffen könnte. Beim durchgeführten Experiment konnte aufgrund dieser Problematik kein Handel zwischen den Banken A oder B und C verzeichnet werden. Der Handel auf dem semiinternen Markt zwischen Bank A und B verlief weitgehend analog zum Handel auf dem semiinternen Markt mit monopolistischem Market Maker. Tabelle 47 fasst die Ergebnisse der Experimente portfolioübergreifend zusammen. Die dabei eingetragenen Zeichen stehen für die jeweilige Tendenz („-“ bzw. „+“ steht für eine Verringerung bzw. Erhöhung und „--“ bzw. „++“ für eine starke Verringerung bzw. Erhöhung der Merkmalsausprägung; bei „o“ war keine Tendenz zu verzeichnen). Aus dieser Tabelle geht hervor, dass besonders am semiinternen Markt mit konkurrierenden Market Makern und geringer Anzahl an handelbaren Adressen die Geld-Brief-Spanne, die Volatilität und der CVaR sehr stark zurückgingen, während sich die Granularität der Portfolien sehr stark erhöhte. Die regulatorische Eigenkapitalbelastung ist geringfügig zurückgegangen, während die Entwicklung der Transaktionskosten keine eindeutige Tendenz aufwies. Aufgrund der vorliegenden Ergebnisse hat sich der semiinterne Markt mit konkurrierenden Market Makern als überlegen erwiesen. Da das Streuungspotenzial am rein internen Markt eingeschränkt ist, konnten der CVaR und die Granularität zwar verbessert werden, jedoch waren die Ergebnisse beim semiinternen Markt signifikanter. Darüber hinaus wurden am internen Markt keine positiven Auswirkungen auf die regulatorische Eigenkapitalbelastung festgestellt, während die Resultate am semiinternen Markt kleinere Entlastungen aufwiesen.
Interner Handel
gering
147
-
--
+
+
-
o
Interner Handel
Market Maker
gering
174
-
-
+
-
-
o
Interner Handel
Market Maker
hoch
207
-
+
+
-
-
o
gering
196
o
-
++
++
--
-
semiinterner Handel semiinterner Handel
monopol. Market Maker
gering
211
o
+
+
-
--
-
semiinterner Handel
monopol. Market Maker
hoch
245
o
++
+
-
--
-
semiinterner Handel
konkurrierende Market Maker
gering
247
o
--
++
--
--
-
semiinterner Handel
konkurrierende Market Maker
hoch
309
+
-
++
--
--
-
500
o
+
++
externer Handel
lastung
regulat. Be-
CVaR
Volatilität
Granularität
Spanne
Geld-Brief-
Transaktion
Kosten pro
nen
Transaktio-
Anzahl
Adressen
handelbaren
Anzahl der
on
Intermediati-
grenzung
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
Marktab-
368
Tab. 47: Ergebnisse der Experimente
Des Weiteren ist festzuhalten, dass das Market Maker-System einen zusätzlichen Beitrag zur Liquidität im Markt bewirkte. Durch das Einführen konkurrierender Market Maker, genauso wie die Reduktion der handelbaren Adressen, konnten die negativen Effekte des monopolistischen Verhaltens eines einzelnen Finanzintermediärs und damit ein Ausweiten der GeldBrief-Spanne begrenzt werden.
5.5. Zwischenfazit
369
5.5. Zwischenfazit Im vergangenen Kapitel wurden zunächst die wesentlichen Anforderungen an ein modernes System im Handelsbereich von Banken aufgezeigt. Dabei standen vor allem die Kriterien der Effizienz, der Transaktionszusammenführung, der zeitnahen Abwicklung, des Marktzugriffs, des Grades der Automatisierung, die Verfügbarkeit der vorhandenen Informationen sowie die Dokumentation im Vordergrund. Diese entsprechen weitgehend den Kriterien, die an die operative Effizienz gestellt werden. Im Anschluss wurden die Gestaltungsmöglichkeiten eines Handelssystems vorgestellt und anhand der Effizienzkriterien untersucht. Die Analyse der verschiedenen Organisationsformen wurde zunächst allgemein gehalten und dann auf den internen Kreditrisikomarkt projiziert. Für diese Untersuchung wurde der Handelsprozess in die generellen, aufeinander folgenden Abschnitte der Initiierungs-, Orderrouting-, Abschluss- und Abwicklungsphase unterteilt. Für die Gestaltung eines Handelssystems sind die Handelsverfahren so festzulegen, dass die Marktteilnehmer in jeder einzelnen Phase optimal unterstützt werden. Ausgehend vom Grad der Automatisierung des Handelsprozesses, der Auswirkungen auf die anderen Handelsverfahren hat, wurden die Gestaltungsformen des reinen Präsenzhandels, des computergestützten Parketthandels sowie der reinen Computerbörse vorgestellt. Es zeigte sich, dass der reine Präsenzhandel die Anforderungen eines modernen Handelsablaufs nicht erfüllen kann. Der computergestütze Parketthandel hingegen zeichnet sich dadurch aus, dass die Stimmungslage der Marktteilnehmer besser beobachtet werden kann, was sich letztendlich auf die Markttransparenz auswirkt. Für diese Gestaltungsform spricht zudem, dass der Aufbau von Reputation möglich ist und somit der Grad an Fairness erhöht wird. Demgegenüber ist für eine reine Computerbörse die schnittstellenfreie Abbildung des kompletten Handelsprozesses charakteristisch. Eine der Konsequenzen hieraus ist die sich ergebende größere Transaktionsgeschwindigkeit bei dieser Organisationsform. Darüber hinaus wird gewährleistet, dass alle einzelnen Schritte automatisch dokumentiert werden, so dass sich zahlreiche Überwachungsmöglichkeiten ergeben, die die Transaktionssicherheit und die Fairness am Markt steigern. Darüber hinaus stellen die dezentralen Zugangsmöglichkeiten sicher, dass der Marktzutritt ortsunabhängig erfolgen kann, wodurch die Informationsreichweite entschieden vergrößert wird. Damit gehen sinkende Transaktionskosten, z.B. im Bereich der Such- und Informationskosten, einher, was wiederum einen positiven Effekt auf die Marktliquidität hat. Aufgrund dieser Vorteile der Computerbörse wird diese Gestaltungsform auch für den internen Kreditrisikohandel präferiert. Die dezentralen Steuerungseinheiten sind somit ortsunabhängig und der Orderfluss kann in einem zentralen und offenen elektronischen Orderbuch gesammelt werden. Diese Ausgestaltung steigert nicht zuletzt die Liquidität des internen Marktes. Als weiteres Gestaltungselement wurde die örtliche Konsolidierung des Orderflusses untersucht. Dabei wurden die beiden Extremformen der Zentralbörse und der vollständigen Frag-
370
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
mentierung auf bilaterale Transaktionen betrachtet. Es stellte sich jedoch heraus, dass für den internen Handel eine Hybridform nötig ist, die im Rahmen einer Computerbörse ein zentrales Orderbuch bei dezentralem Marktzugang ermöglicht. Diese Schlussfolgerungen leiten sich im Wesentlichen aus einer erhöhten Markttransparenz und Fairness, aus geringeren Transaktionskosten und einer damit einhergehenden höheren Liquidität ab. Im Rahmen der zeitlichen Konsolidierung des Orderflusses wurden das Einheitskursverfahren und der variable Handel vorgestellt. Das Einheitskursverfahren berechnet in periodischen, fest vorgegebenen Zeitabständen einen Preis für alle bis dahin eingegangenen Aufträge, während der variable Handel kontinuierlich die Transaktionen zusammenführt. Der variable Handel erlaubt damit bei gegebener Liquidität die sofortige Ausführung der Orders, so dass die Transaktionsgeschwindigkeit und die (Preis-) Transparenz erhöht werden. Demgegenüber steht das Einheitskursverfahren, das in punkto Transaktionskosten, Fairness und Liquidität überlegen erscheint. Des Weiteren ist es bei geringer Liquidität dem variablen Handel überlegen. Falls jedoch eine genügend hohe Liquidität am internen Markt, ausgehend von Absicherungs- und Investitionsmotiven, vorliegt, scheint der variable Handel besser geeignet zu sein, die Ziele der Marktteilnehmer zu verfolgen. Werden darüber hinaus beim variablen Handel hauptsächlich limitierte Aufträge abgegeben, sind die Auswirkungen auf die Schwankungsbreite vergleichbar mit denen des Einheitskursverfahrens. Um die Zielerreichung der Marktteilnehmer zu gewährleisten, wird deshalb der variable Handel präferiert. Als weiteres Gestaltungselement wurde der Einfluss von Market Makern im Vergleich zum direkten Handel untersucht. Beim Market Maker-Handel wird eine Instanz zwischen Käufer und Verkäufer geschaltet, die auf Anfrage verbindliche Kauf- und Verkaufskurse stellt. Somit werden die Dienstleistungen der Sofortigkeit, der Liquiditätserhöhung, der Informationsverbreitung und der Kursstabilität erbracht. Als Gegenleistung wird eine Differenz zwischen Kauf- und Verkaufskurs, die Geld-Brief-Spanne, erhoben. Beim Einsatz von Market Makern am internen Markt ist deren Zielsetzung genau zu analysieren. Handelt es sich um einen monopolistischen Market Maker-Handel, besteht die Gefahr der Erhöhung der Geld-BriefSpanne durch den Intermediär, so dass für die restlichen Marktteilnehmer gestiegene Transaktionskosten anfallen. Liegt dagegen ein konkurrierender Market Maker-Handel vor, kann dies zu einer Reduktion der Geld-Brief-Spanne führen, sofern keine Absprachen zwischen den Finanzintermediären getroffen werden. Für den Einsatz von Market Makern sprechen generell die höhere Transaktionsgeschwindigkeit, die erhöhte Markttransparenz und vor allem die erhöhte Liquidität. Außerdem entstehen durch die Zwischenschaltung eines Finanzintermediärs erhöhte Kosten. Diese sind beim rein internen Markt jedoch im Vergleich zum semiinternen oder externen Markt lediglich kalkulatorischer Art. Daher kann aus rein theoretischen Überlegungen keine Präferenz für den Market Maker- oder den direkten Handel festgestellt werden.
5.5. Zwischenfazit
371
Des Weiteren wurde das Merkmal der Orderbuchtransparenz untersucht, wobei die Ausprägungen von der Veröffentlichung aller bis hin zu keiner Offenlegung der Auftragsdaten reichen. Für den internen Markt ergeben sich als Vorteile eines offenen Orderbuchs hauptsächlich die Reduktion der Abschlussunsicherheit, die erhöhte Fairness und die erhöhte Transparenz. Speziell für den Kreditrisikohandel ist dabei die höhere Fairness durch Offenlegung der Identität des Verkäufers und aller weiteren Daten wichtig, damit es zu einem Aufbau von Reputation bei den Marktteilnehmern kommt. Daher wird das offene elektronische Orderbuch für den internen Kreditrisikohandel präferiert. Aufbauend auf diesen theoretischen Untersuchungen der Effizienzkriterien wurde das Kredithandelssystem SimBa vorgestellt. Dieses dient zum einen als Informations- und Analysetool, um die einzelnen Portfolien nach ökonomischen und regulatorischen Maßstäben zu untersuchen. Zum anderen stellt es auch die Plattform zum Handel von Kreditrisiken auf bank- und verbundinternen Märkten zur Verfügung. SimBa ist als reine Computerbörse mit einem offenen elektronischen Orderbuch aufgestellt. Die örtliche Konsolidierung ist so ausgestaltet, dass ein zentraler Handel bei gleichzeitigem dezentralen Marktzugang möglich ist. Der dezentrale Marktzugang wird durch den Handel über das Inter- oder Intranet gewährleistet. Die zeitliche Konsolidierung des Orderflusses basiert schließlich auf dem variablen Handel, der die Kaufund Verkaufsaufträge sofort zusammenführt. Damit sollen insbesondere die Wünsche der Marktteilnehmer nach zeitnaher Orderausführung beim Vorliegen von gegenläufigen Aufträgen berücksichtigt werden. Hinsichtlich der Einschaltung eines Finanzintermediärs besitzt SimBa die Funktion, dass ein weiterer „spezieller Händler“, ein Market Maker, eingeschaltet werden kann. Mit Hilfe der implementierten Userverwaltung ist es möglich, sowohl den rein internen, den semiinternen als auch den externen Kreditrisikohandel abzubilden. Der Umfang des Analysetools umfasst in SimBa einfache ökonomische Kennzahlen, wie z.B. die Anzahl der Verträge im Portfolio, die Anzahl der Verträge pro Ratingklasse. Es werden jedoch auch komplexere Berechnungen, wie die Berechnung des CVaR auf Portfolioebene oder die Kalkulation des RORAC, unterstützt. Neben diesen Kennziffern werden zusätzlich die regulatorischen Anforderungen abgebildet. Dazu wird sowohl die Eigenkapitalbelastung nach dem derzeit gültigen Grundsatz I, wie auch nach dem Standardansatz und dem IRBAnsatz nach Basel II berechnet. Die Limitvorgaben werden zentral auf dem Server abgelegt und so jeder einzelnen dezentralen Steuerungseinheit über den Client zugänglich gemacht. Zusätzlich bietet SimBa einige interne Simulationsmöglichkeiten. Es besteht die Möglichkeit, auf Portfolio- und Einzelgeschäftsebene die Erwartungen der einzelnen Händler hinsichtlich einer Reihe von Parametern zu berücksichtigen. Auf Portfolioebene können auf diese Weise die Veränderungen der Portfoliowerte bei sich ändernden Ratings, Recovery Rates, Standardabweichungen der Ausfallraten, Erträgen, Marktzinsen sowie Währungen ermittelt werden. Auf Einzelgeschäftsebene lassen sich die Marktwerte der Kontrakte mit Hilfe eigener Spotra-
372
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
tes und Wechselkurse berechnen. Für die Analyse eines möglichen Geschäftsabschlusses ist speziell die Simulation von Käufen oder Verkäufen vorgesehen, so dass die marginalen Auswirkungen eines sich verändernden Portfolios aufgezeigt werden können. Die von SimBa unterstützten Informationsdienste, wie z.B. das eingebaute Messaging-System oder der direkte Zugang zum Inter- und Intranet, erlauben es den Händlern, zeitnahe Informationen zu erhalten, um so eine Handlungsentscheidung herbeizuführen. Standardisierte Schnittstellen ermöglichen die Abfrage von Informationen von Nachrichtentickern. Des Weiteren berechnet SimBa einen marktpreisabhängigen Index, der den teilnehmenden Akteuren Informationen über die aktuellen Handelsaktivitäten liefert. Mit Hilfe von SimBa wurden Experimente im Rahmen des internen Kreditrisikohandels auf dem internen und semiinternen Markt durchgeführt. Als Handelsobjekte dienten dabei Kredite, so dass einerseits die Liquidität und andererseits das Ausfallrisiko bei einem Handel transferiert wurden. Durch die Konzentration auf Kredite werden insbesondere die mit Verbriefungen verbundenen Kosten vermieden. Alternativ hätten an dieser Stelle CDS Verwendung finden können, so dass sich die Transaktionen lediglich auf den Transfer des Kreditrisikos bezogen hätten. Da die sich aus dem Liquiditätseffekt ergebenden Risiken nicht weiter untersucht wurden, ergibt sich für den Kreditrisikohandel damit keine wesentliche Unterscheidung. Die Auswirkungen vom Einsatz von Kreditderivaten auf die regulatorische Eigenkapitalbelastung wurden dabei nicht untersucht. Im Vordergrund der Versuche stand die optimale Unterstützung des Handels von Krediten durch ein effizientes System. Die Experimente wurden jeweils über das Inter- oder Intranet durchgeführt, so dass einerseits der dezentrale Marktzugang gegeben war, aber andererseits die Umfeldbedingungen weitgehend kontrolliert werden konnten. In den einzelnen Versuchen wurden Transaktionskosten veranschlagt. Diese fielen am rein internen Markt am geringsten und am externen Markt am höchsten aus. Hintergrund dieser berechneten Kosten war vor allem die Verrechnung der Aufwendungen für die Handelsplattform und für die Aufwendungen der jeweiligen Vertragsabwicklung. Die Ergebnisse aus den Experimenten am rein internen Markt haben grundlegend gezeigt, dass ein Handel der Kredite trotz vorhandener Transaktionskosten möglich ist. Dabei wurde vorausgesetzt, dass die Kerninformationen, wie das Rating und die Recovery Rate, sowohl vom Käufer als auch vom Verkäufer anerkannt werden. Da sich beim rein internen Handel die regulatorische Eigenkapitalbelastung auf Gesamtbankebene nicht verändert, wurde die Steuerung der Portfolien anhand der ökonomischen Kennzahlen vorgenommen. Als Ergebnis war festzustellen, dass bei den einzelnen Portfolien eine positive Diversifikationswirkung durch die Möglichkeit eines Kredithandels erzielt werden konnte. Als Maßgrößen wurden der CVaR und die darauf basierenden Risikolimite verwendet, die im Rahmen des Experiments in jedem Portfolio signifikant zurückgingen.
5.5. Zwischenfazit
373
Es hat sich gezeigt, dass für manche Positionen keine Gegenpositionen gefunden werden konnten. Daher wurde der Versuchsaufbau um die Existenz eines Market Makers erweitert. In diesem Fall war festzustellen, dass dann auch nicht liquide Titel handelbar wurden. Zudem war zu bemerken, dass die Existenz eines Market Makers zu einer Dämpfung der Preisausschläge am internen Markt mit variablem Handel beigetragen hat. Als entscheidende Maßgrößen wurden die Stabilisierungsrate und die Entwicklung des marktpreisabhängigen Indexes herangezogen. Im Anschluss wurden Experimente an einem semiinternen Markt durchgeführt. Es wurde davon ausgegangen, dass die Marktteilnehmer das gleiche Verständnis für die vorhandenen Parameter haben. Im Speziellen gilt dies für das verwendete Rating. Es wird beim semiinternen Markt angenommen, dass jeder Akteur die gleiche Ratingskala besitzt und die Kredite nach dem gleichen Ratingverfahren einstuft. Sollten divergierende Ansichten hinsichtlich der bewertungsrelevanten Parameter existieren, sorgt eine Überwachungsstelle für einen Ausgleich. Bei den Versuchen konnte gezeigt werden, dass bei entsprechender Limitvergabe ein positiver Diversifikationseffekt erzielt werden konnte. Die ökonomischen Auswirkungen dieses Versuchsaufbaus waren noch signifikanter als beim rein internen Markt. Da es sich auch um Kontrakte zwischen Banken handeln konnte, wurde auch die Eigenkapitalbelastung nach den regulatorischen Ansätzen untersucht. In diesem Zusammenhang war auffallend, dass diese Wirkungen geringer waren, als bei den ökonomischen Kennzahlen festzustellen war. Die größten Auswirkungen wurden im Retailbereich des Standardansatzes nach Basel II beobachtet, während die Eigenkapitalbelastung nach den Verfahren des IRB-Ansatzes keinen größeren Veränderungen unterworfen war. Dies lässt sich vor allem damit erklären, dass die Portfolioeffekte nach Basel II lediglich in begrenztem Umfang berücksichtigt werden. Die Einführung eines Market Makers hat auch am semiinternen Markt generell gezeigt, dass die Transaktionsgeschwindigkeit und die Liquidität trotz gestiegener Transaktionskosten erhöht werden konnten. Bei dieser Versuchsaufstellung gab es eine Unterscheidung nach der Einführung eines monopolistischen Finanzintermediärs und von konkurrierenden Market Makern. Dabei wurde deutlich, dass der monopolistische Market Maker dazu neigt, die GeldBrief-Spanne zu erhöhen, um auf diese Weise seinen Gewinn auf Kosten der anderen Teilnehmer zu maximieren. Die Versuchsaufstellung wurde letztlich um die Möglichkeit eines (verbund-) externen Handels erweitert. Die Bedingung an ein einheitliches Verständnis bezüglich der Risikoparameter wurde in diesem Fall aufgegeben. Es zeigte sich, dass der Abstimmungsbedarf aufgrund der unterschiedlichen Einschätzungen und der sich daraus ergebenden Anreizprobleme zu groß war, um einen externen Handel durchzuführen. Grundsätzlich bleibt als Ergebnis der durchgeführten Experimente festzuhalten, dass ein interner Kreditrisikohandel speziell aus ökonomischer Perspektive sinnvoll ist. Dies leitet sich
374
System eines internen Kreditrisikomarktes in Banken
insbesondere aus der Reduktion des CVaR jedes Portfolios ab. Zudem konnte, quasi spiegelbildlich, die Erhöhung des RORAC beobachtet werden. Die Effekte des internen Handels konnten noch gesteigert werden, indem der Handel auf dem internen Markt um Banken des gleichen Verbunds erweitert wurde, wobei annahmegemäß eine identische Ratingvorgehensweise und ein einheitliches Verständnis hinsichtlich der Risikoparameter vorlagen. Daraus ergaben sich größere positive Diversifikationseffekte und ein höherer Rückgang der Klumpenrisiken, welche dann auch auf der jeweiligen Gesamtbankebene gemessen werden konnten. Hingegen sind der Abstimmungsbedarf und die Anreizprobleme zu hoch, um einen Handel zwischen Banken zustande kommen zu lassen, die eine unterschiedliche Ratingsystematik verwenden. Der Einsatz von Market Makern zeigte, dass Finanzintermediäre einen weiteren Beitrag zur Effizienz eines internen Kreditrisikomarktes leisten können. Dabei bietet sich speziell der Einsatz konkurrierender Market Maker an. Während ein monopolistischer Market Maker vor allem die eigenen Zielsetzungen verwirklichen möchte, wird bei einem konkurrierenden Market Maker-System gewährleistet, dass die Finanzintermediäre ihre originären Aufgaben erfüllen. Dies äußert sich in einer Reduktion der Geld-Brief-Spanne, was letztendlich zu einer Steigerung der Marktliquidität führt.
6. Zusammenfassung und Resümee
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6. Zusammenfassung und Resümee Die vorliegende Arbeit hat das Ziel verfolgt, den Kreditrisikotransfer und die marktliche Koordination im Rahmen des Kreditrisikotransfers umfassend zu untersuchen. Ausgangspunkt für die Untersuchung sind die nach wie vor hohe Anzahl an Kreditvergaben und die derzeitigen hohen Insolvenzzahlen. Unter diesen Bedingungen besteht für die Kreditinstitute die Notwendigkeit, alternative und flexible Gestaltungsformen für die Steuerung ihres Kreditportfolios einzusetzen. In der Literatur werden dazu dezentrale Steuerungsmechanismen diskutiert. Daher lag der Forschungsschwerpunkt dieser Arbeit in der Gestaltung und Entwicklung eines marktlichen Systems interner Märkte. Die Untersuchung startete mit der Analyse der ökonomischen Rahmenbedingungen für den Kreditrisikotransfer. Dabei wurden zunächst die grundlegenden Geschäfte mit Kreditcharakter beschrieben. Darauf aufbauend wurde die Kreditvergabe aus entscheidungstheoretischer Sicht erörtert. Die Methoden zur Kreditwürdigkeitsprüfung sollen dabei eine Grundlage für das Krediturteil liefern. Es konnte mittels theoretischer Modelle gezeigt werden, dass der Transfer des Kreditrisikos, das aus den vorgestellten Geschäften resultiert, sowohl für den Käufer als auch für den Verkäufer beim Vorhandensein von Anreizproblemen vorteilhaft sein kann. Damit ein Kreditrisikotransfer möglich ist, sind verschiedene Instrumente am Markt etabliert, die sich in traditionelle und Kapitalmarktinstrumente untergliedern lassen. Damit diese Instrumente eingesetzt werden können, wurden anschließend die juristischen Möglichkeiten zur Übertragung von Krediten und Kreditrisiken erörtert. Um die Handelbarkeit der Kreditrisiken zu gewährleisten, wurden Modelle vorgestellt, die eine Quantifizierung dieser Risiken erlauben. In diesem Zusammenhang wurden auch die Parameter erläutert, die Eingang in die verschiedenen Modelle finden. Um das Kreditrisiko ganzheitlich zu betrachten und zu messen, wurden schließlich die in der Praxis eingesetzten Portfoliomodelle kurz beschrieben. Das Ergebnis dieser Modelle ist jeweils ein CVaR. Darauf aufbauend wurden die risikoadjustierten Performancemaße dargestellt, die im Zusammenhang mit Portfoliomodellen berechnet werden können und zu einer Steuerung unter Rendite-/Risiko-Gesichtspunkten beitragen. An die Vorstellung der ökonomischen Rahmenbedingungen hat sich die Darstellung der aufsichtsrechtlichen Vorgaben angeschlossen. Gerade dieser Bereich ist durch gravierende Veränderungen im Zuge von Basel II betroffen. Es zeigt sich, dass die deutschen Bank- und Finanzdienstleistungsinstitute einer hohen Regulierung unterliegen. In diesem Zusammenhang wurden zunächst die aktuell geltenden Normen für die Behandlung des Ausfallrisikos und der zum Kreditrisikotransfer einzusetzenden Instrumente vorgestellt. Diese haben ihre Wurzeln vor allem im KWG und in den darauf aufbauenden Regelungen des Grundsatz I. Diese Vorschriften geben einerseits die Definition des Eigenkapitalbegriffs vor, andererseits legen sie fest, wie die verschiedenen Risiken zu messen sind. Speziell im Hinblick auf die Behandlung
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von Kreditrisiken sind diese Methoden relativ allgemein und undetailliert gehalten. Ergänzt wird die quantitative Aufsicht durch qualitative Vorgaben, die insbesondere auf ein adäquates Risikomanagement- und -controllingsystem in den Banken abstellen. Der neue Baseler Eigenkapitalakkord versucht die Schwächen der groben Kreditrisikomessung aufzuheben und stellt dafür verschiedene Ansätze zur Verfügung. Der Standardansatz nach Basel II ist den bisher geltenden Regelungen noch am ähnlichsten. Darin erfolgen die Risikoeinstufung und die Berechnung der Eigenkapitalanforderungen in Abhängigkeit von den durch Ratingagenturen vorgegebenen Bonitätseinstufungen. Es werden darüber hinaus viele Vorgaben gemacht, aus denen sich schließlich die Eigenkapitalbelastung ableiten lässt. Der IRB-Ansatz nach Basel II ist unterteilt in drei verschiedene Verfahren: den Basisansatz, den fortgeschrittenen Ansatz und den Retailansatz. Allen Vorgehensweisen zur Bestimmung der Eigenkapitalunterlegung ist gemein, dass sie eine detailliertere Messung des Kreditrisikos vorschreiben. Beim IRBB müssen die Institute, ausgehend von intern generierten Ratings, die kontraktindividuellen Ausfallwahrscheinlichkeiten bestimmen. Der FIRB gibt darüber hinaus vor, auch den Verlust und das Exposure im Defaultfall sowie die Restlaufzeit zu bestimmen. Damit die Kapitalunterlegung berechnet werden kann, ist das komplette Kreditportfolio einer Bank zunächst in verschiedene Risikoaktivaklassen zu unterteilen. In Abhängigkeit von den Parametern und der Einstufung errechnet sich dann aufgrund vorgegebener Formeln die jeweilige Kapitalbelastung. Zudem wurde gezeigt, dass es nach Basel II im Rahmen der Credit Risk Mitigation Techniques viele Möglichkeiten gibt, eventuell vorhandene Sicherheiten kreditrisikomindernd anzusetzen. Dies ist jedoch nur möglich, wenn verschiedene, ansatzabhängige Mindestanforderungen erfüllt werden. Als Spezialfall der CRM-Techniken wurde die Behandlung von Garantien und Kreditderivaten vorgestellt und näher erläutert. Anschließend wurde die aufsichtsrechtliche Kreditrisikominderung durch Securitisation und ABS-Transaktionen beleuchtet. Werden bei der Konstruktion dieser Kreditrisikotransferinstrumente diverse Mindestanforderungen eingehalten, kann durch ihren Einsatz die Kapitalunterlegung zum Teil erheblich reduziert werden. Die Vorstellung der Regelungen nach Basel II führt insbesondere zu dem Ergebnis, dass bei der Einführung der neuen Normen eine Vielzahl von Parametern gewonnen wird, die für die effiziente Steuerung eines Kreditportfolios eingesetzt werden können. Damit könnte der Baseler Akkord der Ausgangspunkt für die Weiterentwicklung der Kreditquantifizierung in den Instituten sein. Nachdem sowohl die ökonomischen als auch die regulatorischen Grundlagen geschaffen wurden, lag der Schwerpunkt der Betrachtung auf dem internen Markt. Dieser stellt ein innovatives Verfahren der dezentralen Koordination dar. Mit ihm wird dezentralen Einheiten die
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Möglichkeit gegeben, knappe Ressourcen der Bank mit Hilfe eines marktlichen Mechanismus der produktivsten Verwendung zuzuführen. Dabei wurde die Idee des internen Marktes zunächst grundlegend beschrieben und die verschiedenen potenziellen Einsatzbereiche vorgestellt. Die Anwendungsfelder reichen von der Allokation von Risikokapital bis hin zur Verauktionierung von Geschäftspotenzial. Ein Einsatzgebiet, die Umverteilung von Risikolimiten, die zum Eingehen von Risikopositionen benötigt werden, wurde besprochen. Es wird davon ausgegangen, dass den dezentralen Einheiten die Risikolimite zentral vorgegeben werden, weshalb sie ihr Rendite-/Risiko-Profil nur durch die Abgabe und Aufnahme von geeigneten Risikopositionen ändern können. Zur Festlegung der Limite wird ökonomisch eine CVaRObergrenze bzw. regulatorisch eine bestimmte Höhe an Eigenmitteln vorgegeben. Durch den Handel von Kreditrisiken können die dezentralen Einheiten ihr Portfolio so ausrichten, dass sie weniger Eigenmittel verbrauchen, was wiederum für Neugeschäfte genutzt werden kann. Es wird davon ausgegangen, dass viele am Handel teilnehmende Einheiten, beispielsweise aufgrund ihrer regional vorliegenden Kundenstruktur, negative Diversifikationseffekte und Klumpenrisiken in ihren Portfolien aufweisen. Durch Streuung der Risiken auf verschiedene Ausfallrisiken wird daher abgeleitet, dass freie Limite entstehen. Als Praxiseinsatz eines internen Marktes wurde die S-BayernBasket I-Transaktion vorgestellt, bei der verschiedene Sparkassen ihre Kreditrisiken poolen und anschließend zerfällt, in Form eines prinzipiell handelbaren Inhaberpapiers, wieder übernehmen. Diese Konstruktion kann als grundlegend für den Einsatz eines internen Kredithandels und die Zerfällung des Kreditrisikos angesehen werden. Da jedoch die zurückübertragenen Inhaberpapiere nicht weiter gehandelt wurden, da evtl. keine geeignete Plattform zur Verfügung stand, ist die Handelbarkeit eingeschränkt. Darauf aufbauend wurden die Eigenschaften eines internen Marktes näher analysiert. Dazu wurden zunächst die möglichen Handelsteilnehmer, deren Handelsmotive und die Handelsobjekten vorgestellt und auf Eignung am internen Markt untersucht. Es konnte festgestellt werden, dass die Handelsteilnehmer von der Abgrenzung des Marktes abhängig sind. Bei einem rein internen Markt sind dies vor allem rechtlich unselbständige Bereiche, die jeweils die Verantwortung für ein Portfolio innehaben. Beim semiinternen Markt, der aus rechtlich selbständigen Banken des gleichen Bankenverbundes, wie beispielsweise den Sparkassen oder Genossenschaftsbanken, besteht, können weitere Akteure am Handel teilnehmen. Als Hauptmotive der Marktteilnehmer lassen sich insbesondere Hedgingziele und Investitionsabsichten nennen. Durch Einführung eines internen Kreditrisikomarktes wird es den Einheiten ermöglicht, ihr Portfolio aktiv nach Rendite-/Risikogesichtspunkten zu steuern. Die Handelsobjekte, die daraus abgeleitet werden können, sind einerseits CDS zur Absicherung des Ausfallrisikos und einzelne Kredite, mit denen alle Risiken vom Verkäufer auf den Käufer übergehen.
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Um einen Markt zu etablieren, ist zunächst allgemein der Effizienzbegriff zu untersuchen. Dabei wurde herausgearbeitet, dass die Informations- und Bewertungseffizienz grundlegende Voraussetzungen für die operative Effizienz darstellen. Ziel der Effizienzanalyse ist es, die im Markt eingesetzten Handelsverfahren so zu gestalten, dass das Verhältnis zwischen der Qualität der Transaktionsdienstleistungen und den dafür eingesetzten Kosten maximiert wird. Aus den Untersuchungen zum Effizienzbegriff ließen sich mehrere Kriterien ableiten, anhand derer verschiedene Handelsverfahren zum Aufbau eines Marktes analysiert werden konnten. Die verschiedenen Ausprägungen der Handelsverfahren wurden daraufhin vorgestellt und hinsichtlich ihrer Eignung für den internen Kreditrisikohandel erörtert. Im Ergebnis bleibt festzuhalten, dass der interne Kreditrisikohandel auf einem als Computerbörse ausgestalteten Markt durchzuführen ist. Dabei kann den Teilnehmern ein dezentraler Zugang zum Orderbuch ermöglicht werden. Die Konzentration der Aufträge in einem zentralen Orderbuch führt zur Maximierung der Liquidität. Durch die Zielsetzung der Marktteilnehmer, sich vor allem zeitnah gegen Ausfallrisiken abzusichern, wurde der variable Handel favorisiert. Hinsichtlich der Teilnahme eines Finanzintermediärs am Markt oder dem direkten Handel unter den Marktteilnehmern konnte anhand der theoretischen Untersuchung keine eindeutige Aussage getroffen werden. Des Weiteren konnte festgestellt werden, dass gerade im Kreditbereich ein offenes Orderbuch am internen Markt liquiditätssteigernd wirkt, da die Abschlussunsicherheit reduziert und die Bildung fairer Preise gefördert werden kann. Den theoretischen Untersuchungen zur Marktgestaltung folgte die Konzeption und die Implementierung des Kredithandelssystems SimBa. Es wurde gezeigt, dass SimBa einerseits eine Handelsplattform darstellt und andererseits als Informations- und Analysetool eingesetzt werden kann. Es wird den jeweiligen Nutzern so ermöglicht, ihr Portfolio nach ökonomischen und regulatorischen Aspekten zu steuern. Schließlich wurden mit SimBa verschiedene Experimente zum internen, semiinternen und externen Kreditrisikohandel durchgeführt. In der Ausgangslage erhielt jeder Händler ein stark undiversifiziertes und durch Klumpenrisiken geprägtes Portfolio. Es hat sich gezeigt, dass die Risiken, gemessen als CVaR, durch einen internen Handel deutlich reduziert und die Granularität der Portfolien gesteigert werden konnte. Durch die Etablierung eines semiinternen Marktes wurden diese Ergebnisse noch deutlicher hervorgehoben. Die Aufnahme eines Market Makers in den internen Markt zeigte, dass trotz steigender Transaktionskosten auch wenig liquide Titel handelbar wurden. Die Effekte auf die regulatorische Eigenkapitalunterlegung waren dabei insgesamt gering, da die Korrelationswirkungen innerhalb der Portfolien von den Basel II-Regelungen größtenteils vernachlässigt werden. Mögliche Ursachen sind darin zu sehen, dass in den Baseler Neuregelungen die Berücksichtigung von Portfolioeffekten lediglich pauschal vorgenommen wird. Die angemessene Beachtung von Korrelationsstrukturen durch die Bankenaufsicht wäre daher wünschenswert.
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Der Handel mit verbundexternen Banken hat zu keinem Vertragsabschluss geführt, da die Informationsasymmetrien zwischen den Akteuren zu groß waren. Der interne Handel bietet sich daher speziell für Banken eines Verbunds an, da hinsichtlich der Risikoparameter, die in den Kreditbereichen generiert werden, ein einheitliches Verständnis und unter Umständen ein identisches Ableitungsverfahren angewendet wird. Durch die neuen regulatorischen Vorschriften sind diese Tendenzen vor allem im Sparkassen- und Genossenschaftssektor zu beobachten. Es lässt sich festhalten, dass das Konstrukt des internen Kreditrisikomarktes insbesondere für Banken mit regional und damit meist einhergehend auch branchenbezogen beschränkten Kundenstrukturen eine Möglichkeit darstellt, ihr Kreditrisiko zu reduzieren. Abschließend lässt sich der Bereich interner Kreditrisikomärkte als viel versprechendes Konstrukt für die Steuerung des Kreditportfolios bezeichnen. Ein möglicher Praxiseinsatz kann empirische Daten liefern, um weitere Untersuchungen vorzunehmen.
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