Bernhard Liekenbrock Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken
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Bernhard Liekenbrock Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken
GABLER RESEARCH Forschungsreihe Rechnungslegung und Steuern Herausgegeben von Professor Dr. Norbert Herzig, Universität zu Köln Professor Dr. Christoph Watrin, Universität Münster
Bernhard Liekenbrock
Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken Qualitative Rechts- und quantitative Steuerwirkungsanalyse Mit einem Geleitwort von Prof. Dr. Norbert Herzig
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation Universität zu Köln, 2011
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Brich | Anita Wilke Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Korrektorat: Lydia M. Behnke, Köln Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-2919-8
Geleitwort Die Zinsschranke (§ 4h EStG) wird seit ihrer Einführung im Jahr 2007 von intensiven fachlichen Auseinandersetzungen im steuerrechtlichen und betriebswirtschaftlichen Schrifttum begleitet. Der bis heute anhaltende Diskussionsbedarf ist insbesondere auf die hohe praktische Relevanz dieser Regelung, ihre Komplexität und ihre Auslegungsbedürftigkeit zurückzuführen. Darüber hinaus stellt die Zinsschranke die Steuerplanung und das Tax Accounting vor neue Herausforderungen. Die Ergebnisprognose vieler großer Unternehmen wird durch die Zinsschranke erkennbar erschwert, weil die Beschränkung des steuerlichen Zinsabzugs an eine volatile Ergebnisgröße – das sog. verrechenbare EBITDA – gekoppelt wird. Zudem kann das Eingreifen der Zinsschranke vielfach deshalb nicht verlässlich prognostiziert werden, weil zahlreiche Zweifelsfragen über die Auslegung der Tatbestände bestehen. Insgesamt wird die Steuerposition von Unternehmen unter dem Regime der Zinsschranke zunehmend unsicher. Die mit der Zinsschranke in Zusammenhang stehenden rechtlichen und ökonomischen Unsicherheiten werden von Herrn Liekenbrock in der vorliegenden Arbeit, die von der Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Fakultät als Dissertation angenommen wurde, umfassend analysiert und bewertet. Durch die Verknüpfung von unternehmensplanerischen Aufgaben mit steuer- und bilanzrechtlichen Auslegungsfragen verdeutlicht der Verfasser am Beispiel der Zinsschranke die zunehmende Notwendigkeit einer koordinierten Identifikation, Bewertung und Steuerung von steuerlichen Risiken durch unternehmensinterne Berichtssysteme und deren zutreffende Darstellung in der externen Berichterstattung. Der Begriff des Zinsschrankenrisikos wird präzise aus dem betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Risikoverständnis abgeleitet, und bestehende Forschungslücken werden geschlossen, die zur vollständigen Erklärung der elementaren Steuerwirkungen und Bilanzeffekte im Zustand des akuten Eingreifens der Zinsschranke benötigt werden, um darauf aufbauend den Zustand des drohenden Eingreifens der Zinsschranke analysieren zu können. Für diese Zwecke entwickelt Herr Liekenbrock ein analytisches Quantifizierungsmodell sowie ein stochastisches Simulationsmodell, um die Eintrittswahrscheinlichkeit und die drohende Steuermehrbelastung der Zinsschranke für ein Unternehmen konkret messen zu können. Über das analytische Verfahren werden die formalen Zusammenhänge der elementaren Einflussfaktoren, die das potenzielle Eingreifen der Zinsschranke determinieren, überzeugend erklärt, der Wahrscheinlichkeitsbereich, innerhalb dessen die Zinsschranke eine Zahlungswirkung verursacht, berechnet und mit dem relativen Liquiditätsnachteil ein robustes und kommunikationsfähiges Risikomaß vorgestellt, mit dem die drohende Mehrbelastung der Zinsschranke für die jeweiligen Planungsperioden gemessen werden kann. Das Simulationsmodell zeichnet sich durch eine überzeugende empirische Fundierung und technische Umsetzung aus. Auf der
VI
Geleitwort
Basis von Wachstumsraten ausgewählter Wirtschaftszweige wird mittels eines innovativen Quantifizierungsansatzes das drohende Eingreifen der Zinsschranke prognostiziert. Innerhalb der Analyse von Rechtsunsicherheiten der Zinsschranke wird das Schrifttum umfassend und mit hoher Detailgenauigkeit ausgewertet. Die relevanten Zweifelsfragen werden identifiziert, bestehende Lösungsansätze systematisiert und kritisch gewürdigt sowie dort, wo es notwendig erscheint, eigene Lösungen vorgeschlagen. Die Schwierigkeiten einer Bewertung von steuerlichen Auslegungsfragen, die als qualitative Unsicherheitsphänomene keiner mathematischen Berechnung zugänglich sind, überwindet Herr Liekenbrock über eine Expertenbefragung. Anhand eines methodenbasierten Befragungs- und Auswertungskonzepts sowie eines ausgefeilten Fragebogens werden die gefühlte Rechtsunsicherheit, das Konfliktpotenzial und die Beratungsrelevanz von allgemeinen Tatbeständen und speziellen Zweifelsfragen der Zinsschranke erhoben. Die Ergebnisse ermöglichen einen tiefen Einblick in die Praxisrelevanz von bestimmten Auslegungsproblemen und leisten einen wertvollen Beitrag zur Einschätzung und Verminderung von Planungsunsicherheiten. Diese qualitative Analyse und Bewertung der Rechtslage nutzt der Verfasser darüber hinaus, um weitgehend konfliktfreie Gestaltungsmaßnahmen zu identifizieren, die zur kurzfristigen und/oder vorausschauenden Vermeidung der Zinsschranke bzw. zur Verringerung ihrer Belastungswirkung eingesetzt werden können. Abgerundet wird die Arbeit durch eine umfangreiche Analyse der bilanziellen Effekte von Zinsschrankenrisiken. Innerhalb einer kontroversen Auseinandersetzung mit nationalen und internationalen Bilanzierungsprinzipien sowie Einzelnormen kommt der Verfasser zu dem Ergebnis, dass Zinsschrankenrisiken in vielen Konstellationen einen bilanzierungsrelevanten Sachverhalt begründen. Die bilanzrechtliche Analyse leistet aufgrund ihrer stets kritischen und systematischen Gedankenführung sowie ihrer überzeugenden Argumentation ebenfalls einen wertvollen Beitrag für den generellen Umgang mit Steuerrisiken im Einzelabschluss. Die Arbeit von Herrn Liekenbrock weist insgesamt einen außerordentlich hohen Innovationsgrad auf. Die in Angriff genommenen Forschungsfragen werden auf einem sehr hohen wissenschaftlichen Niveau und mittels innovativer Lösungskonzepte bewältigt. Die Forschungsleistung des Verfassers stellt einen bemerkenswerten Beitrag zur Verringerung von rechtlichen und ökonomischen Planungsunsicherheiten im Zusammenhang mit der Anwendung und Vermeidung der Zinsschranke dar. Das vorliegende Werk verdient eine große und nachhaltige Beachtung in Wissenschaft und Unternehmenspraxis. Es kann sowohl dem Wissenschaftler als auch dem Rechtsanwender gleichermaßen uneingeschränkt empfohlen werden. Köln, im Januar 2011
Prof. Dr. Norbert Herzig
Vorwort Die vorliegende Arbeit ist während meiner Zeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Seminar für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre der Universität zu Köln entstanden. Mein Dissertationsprojekt hätte ich nicht ohne die Unterstützung von vielen liebenswerten Personen mit der nachhaltigen Freude an der Thematik, Sorgenfreiheit im privaten Bereich und der notwendigen Ausdauer in der Endphase bestreiten können. Deshalb möchte ich die vorderen Seiten meines Buches dazu nutzen, Danke zu sagen. In seinen Vorlesungen hat mich Prof. Dr. Norbert Herzig für die Betriebswirtschaftliche Steuerlehre begeistert und ich bin ihm sehr dankbar, dass er mir nach dem Studium die Möglichkeit gegeben hat, an seinem Lehrstuhl als Mitarbeiter in der Lehre und als Promovend in der Forschung tätig sein zu können. Sein großes Interesse für aktuelle und praxisnahe Forschungsfragen hat wichtige Impulse für die Konzeption und inhaltliche Ausgestaltung meiner Arbeit gegeben. Er hat mir sowohl in zeitlicher als auch in sachlicher Hinsicht den notwendigen Freiraum für interessante Forschungsfragen gelassen. Ganz besonders möchte ich mich für seinen großen Einsatz im Zusammenhang mit der Expertenbefragung bedanken, die ohne seine Unterstützung in dieser Form nicht hätte durchgeführt werden können. Auch Prof. Dr. Christoph Kuhner gebührt Dank für die Übernahme des Zweitgutachtens und die zügige Korrektur meiner Arbeit. Prof. Dr. Thomas Hartmann-Wendels danke ich für die Leitung der Prüfungskommission am Tag meiner Disputation. Wenn es für Lehrstühle einen Sympathieindex gäbe, würde das Steuerseminar einen steten Haussetrend aufweisen. Ich bin sehr froh, dass ich gemeinsam mit meinen Lehrstuhlkollegen, den Hilfskräften und den „Inventar-Studenten“ viele schöne Ereignisse erleben durfte. Ob auf Sommerfesten, den Economy-Cups, DVD-Abenden, Wandertagen oder Weihnachtsfeiern haben wir abseits von Forschung und Lehre sehr viele schöne Stunden verbracht, die ich nicht vergessen werde. Darüber hinaus durfte ich ein hervorragendes Forschungsklima genießen. Den Hilfskräften war niemals ein Weg zu weit und keine Datenbankrecherche zu lang, um mich bei umfangreichen Recherchearbeiten zu unterstützen. Meine Kollegen konnte ich jederzeit für inspirierende Diskussionen bzw. Ausflüge in andere Gedankenwelten in Anspruch nehmen. In zumeist lustigen, aber dennoch stets kontroversen Debatten mit meinem Zimmerkollegen Michael Heimig und meinem „gefühlten“ Zimmerkollegen Stephan Vossel wurden „Brandherde“ und „Nebelkerzen“ identifiziert und diskutiert, die meine Auseinandersetzung mit betriebswirtschaftlichen und steuerrechtlichen Forschungs- und Auslegungsfragen bereichert haben. Auch meinem Kollegen Cornelius Stock möchte ich für seine wertvolle Unterstützung bei der technischen Umsetzung der Monte-Carlo-Simulation danken. Ein ganz herz-
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Vorwort
licher Dank gilt ebenfalls meinen Kolleginnen Aurelia Froitzheim und Claudia Ossowski, mit denen ich auch jederzeit wieder ein gemeinsames Büro teilen würde. Außerhalb der Uni erfüllt es mich mit sehr großer Freude, dass ich Menschen an meiner Seite habe, mit denen ich mein Leben teilen darf und die verantwortlich dafür sind, dass ich ein glückliches und erfülltes Leben führe. So war meine Lebensgefährtin Heike Herrmann meine alltägliche Retterin, wenn ich mich zu später Stunde im Mikrokosmos meiner Dissertation zu verirren schien, und mit der ich trotz des beiderseitigen beruflichen Stresses viele erholsame und glückliche Momente erlebt habe. Auch ihre Eltern Günter und Helga Herrmann haben uns jederzeit geholfen, wo sie konnten, und uns immer ausgiebig verwöhnt, wenn wir Heikes Heimat in Kurzurlauben aufgesucht haben. Wie ein Kurzurlaub haben sich auch die Besuche bei meiner Schwester Elke Trümper-Liekenbrock und ihrem Mann Bruno Trümper angefühlt. In anregenden Gesprächen über Gott und die Welt haben wir es genossen, mit ihnen aus dem Arbeitsalltag auszubrechen. Auch für das Korrekturlesen eines Teils des Manuskripts bin ich ihnen sehr dankbar. Ebenfalls eine Garantie für Unterhaltung und Abwechslung sind die Events mit unseren Freunden. Es ist einfach unglaublich, auf wie viele schöne und lustige Ereignisse und Erfahrungen wir mit unserer Truppe zurückblicken können. Die intensiven Freundschaften geben uns sehr viel Kraft und machen uns sehr glücklich. Margret Schaub-Stammer und ihrem Mann Karl Heinz Stammer möchte ich für die ersten „Gehversuche“ im Steuerrecht, ihre einfühlsame Anteilnahme an meinem privaten sowie beruflichen Leben und für die vielen unterhaltsamen Abende bei „Tee“ danken. Ihre Tür steht jederzeit für mich offen und auf ihren guten Rat ist immer Verlass. Ohne die Unterstützung meiner Eltern Marita und Dr. Helmut Liekenbrock hätte ich die sehr ereignisreiche und ausfüllende akademische Laufbahn nicht einschlagen können. Obwohl sie mich ursprünglich gerne auf anderen beruflichen Pfaden gesehen hätten, waren sie mir im Studium und in jeder anderen Lebenslage stets ein großer Rückhalt. In tiefer Dankbarkeit für ihre Hingabe für meine Schwestern und mich möchte ich ihnen diese Arbeit widmen. Köln, im Januar 2011
Bernhard Liekenbrock
Inhaltsübersicht Teil I
Grundlagen der Untersuchung
1
Kapitel 1 Einführung ............................................................................................................... 1 A. Einleitung und Problemstellung........................................................................................ 1 B. Untersuchungsziel ............................................................................................................. 2 C. Untersuchungsaufbau........................................................................................................ 2 Kapitel 2 Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen ................... 5 A. Funktionsweise der Zinsschranke ..................................................................................... 5 I.
Grundtatbestand ........................................................................................................ 5
II. Ausnahmetatbestände ................................................................................................ 6 B. Risikoverständnis und Untersuchungsgegenstand ............................................................ 9 I.
Betriebswirtschaftliches Risiko ................................................................................. 9
II. Steuerliches Risiko .................................................................................................. 14 III. Zinsschrankenrisiken............................................................................................... 27 Kapitel 3 Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke ..... 31 A. Liquiditätseffekte ............................................................................................................ 31 I.
Basisannahmen zur Berechnung der Steuerbelastung ............................................. 31
II. Zeitpunktbetrachtung .............................................................................................. 32 III. Zeitraumbetrachtung ............................................................................................... 43 B. Zinseffekte ...................................................................................................................... 51 I.
Zinsnachteil ............................................................................................................. 51
II. Zinsvorteil ............................................................................................................... 55 C. Bilanz- und Erfolgseffekt der Zinsschranke ................................................................... 56 I.
Aufwandswirkung und Bilanzierung von zinsschrankeninduzierten Steuermehraufwendungen ....................................................................................... 56
II. Ertragswirkung des Zinsvortrags und Bilanzierung latenter Steuern...................... 62 III. Theoretische Ertragswirkungen eines EBITDA-Vortrags ...................................... 67 IV. Gesamtbetrachtung der Erfolgswirkungen unter Sicherheit und Auswirkungen auf die Effective Tax Rate (ETR) ........................................................................... 71 Kapitel 4 Empirische Relevanz ............................................................................................. 78 A. Anzahl von betroffenen und belasteten Unternehmen .................................................... 78 B. Verrechenbarkeit des Zinsvortrags ................................................................................. 82 C. Größenspezifische Aspekte............................................................................................. 83 D. Branchenspezifische Aspekte ......................................................................................... 84 E. Reaktionen der Unternehmen ......................................................................................... 85
X
Inhaltsübersicht
Teil II
Analyse von Zinsschrankenrisiken
89
Kapitel 1 Identifikation von Zinsschrankenrisiken ............................................................... 89 A. Abgrenzungsmerkmale zur Identifikation von Sachverhaltsrisiken der Zinsschranke .. 89 I. Finanzierungsspezifische Einflussfaktoren ............................................................. 90 II. Investitionsspezifische Einflussfaktoren ................................................................. 93 III. Unternehmensstrukturspezifische Einflussfaktoren ................................................ 97 B. Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke ................................................................ 102 I.
Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung des Grundtatbestands ........................... 102
II. Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung der Ausnahmetatbestände .................... 157 III. Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung der Rückausnahmetatbestände ............. 188 C. Risiken und Chancen aufgrund von Rechtsänderungen ............................................... 211 I. Realisierte Anpassungen des Normengefüges ...................................................... 211 II. Potenzielle Anpassungen des Normengefüges ...................................................... 212 III. Potentielle Unvereinbarkeiten der Zinsschranke mit höherrangigem Recht ......... 215 Kapitel 2 Bewertung von Zinsschrankenrisiken ................................................................. 221 A. Qualitative Bewertung elementarer Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke ....... 221 I. Konzeption der Expertenbefragung ...................................................................... 222 II. Allgemeine Bewertung von Tatbeständen der Zinsschranke ................................ 224 III. Rechtsform- bzw. organisationsformspezifische Bewertung der Tatbestände der Zinsschranke ................................................................................................... 226 IV. Bewertung von ausgewählten Zweifelsfragen der Zinsschranke .......................... 230 V. Motive der Beratungsempfehlungen ..................................................................... 238 VI. Erfahrungen mit den Finanzbehörden und Prognose gerichtlicher Verfahren ...... 240 VII. Implikationen der Expertenbefragung für die Behandlung von Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke ......................................................... 241 B. Quantitative Bewertung von Zinsschrankenrisiken ...................................................... 243 I.
Analytische Bestimmung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung ................................. 243
II. Multivariate Simulation des Zinsschrankenrisikos auf Basis der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank..................................... 257
Teil III
Steuerung von Zinsschrankenrisiken
281
Kapitel 1 Typologie und Einsatz der Steuerungsinstrumente ............................................. 281 Kapitel 2 Ursachenbezogene Steuerungsansätze ................................................................ 285 A. Finanzierungsspezifische Anpassungshandlungen ....................................................... 285 I. Betriebsbezogene Finanzierungsmaßnahmen ....................................................... 285
Inhaltsübersicht
XI
II. Konzerninterne Restrukturierung der Fremdfinanzierung von Kapitalgesellschaften ................................................................................................................ 294 B. Unternehmensstrukturspezifische Anpassungshandlungen .......................................... 301 I.
Konzentrationsvorgänge........................................................................................ 301
II. Dekonzentrationsvorgänge .................................................................................... 305 III. Restrukturierung der Beteiligungsverhältnisse ..................................................... 306 IV. Rechtsformwahl / Formwechsel ............................................................................ 308 V. Ergebnisverlagerung.............................................................................................. 310 Kapitel 3 Wirkungsbezogene Steuerungsansätze................................................................ 312 A. Bilanzpolitische Maßnahmen ....................................................................................... 312 I.
Aufdeckung von stillen Reserven ......................................................................... 312
II. Bilanzierung von Zinsen als Herstellungskosten .................................................. 313 III. Optimierung der Eigenkapitalquote ...................................................................... 314 B. Steuerklauseln ............................................................................................................... 316 C. Steuerzahllastmanagement............................................................................................ 318
Teil IV Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
321
Kapitel 1 Rechnungslegungsübergreifende Anlässe für bilanzielle Auswirkungen von Zinsschrankenrisiken .................................................................................... 321 Kapitel 2 Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen............................................................................................................. 323 A. HGB-Abschluss ............................................................................................................ 323 I.
Prüfung der Ansatzkriterien für eine risikoadjustierte Steuerrückstellung ........... 323
II. Bewertung der risikoadjustierten Steuerrückstellung ........................................... 329 III. Kompensatorische Wirkung einer aktiven Steuerlatenz für einen hypothetischen Zinsvortrag ................................................................................... 331 IV. Anhangangaben ..................................................................................................... 333 B. IFRS-Abschluss ............................................................................................................ 335 I.
Prüfung der Ansatzkriterien für eine risikoadjustierte Steuerschuld .................... 335
II. Bewertung der risikoadjustierten Steuerschuld ..................................................... 338 III. Kompensatorische Wirkung einer aktiven Steuerlatenz für einen hypothetischen Zinsvortrag ................................................................................... 339 IV. Anhangangaben ..................................................................................................... 340 Kapitel 3 Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen....................................................................................................... 343 A. Rechnungslegungsübergreifende Strukturierung des Prognoseproblems..................... 343
XII
Inhaltsübersicht
I.
Eruierung der Prognosegrundlagen ....................................................................... 343
II. Zerlegung des Prognosesachverhalts und Prognoseverfahren .............................. 344 B. Anforderungen des HGB zur Konkretisierung von Prognosewerten für den Nachweis werthaltiger Zinsvorträge ............................................................................. 351 I.
Begrenzungsfunktion handelsrechtlicher Bilanzierungsprinzipien ....................... 351
II. Wahrscheinlichkeitsverständnis ............................................................................ 352 III. Unsicherheitsabsorption ........................................................................................ 353 IV. Methodengestützte und vorsichtige Wertermittlung ............................................. 358 V. Anhangangaben ..................................................................................................... 361 C. Anforderungen von IAS 12 zur Konkretisierung von Prognosewerten für den Nachweis werthaltiger Zinsvorträge ............................................................................. 363 I.
Übergeordnete Rahmengrundsätze ....................................................................... 363
II. Wahrscheinlichkeitsverständnis ............................................................................ 364 III. Unsicherheitsabsorption ........................................................................................ 364 IV. Methodengestützte Wertfindung ........................................................................... 370 V. Anhangangaben ..................................................................................................... 372
Teil V
Fazit
375
Inhaltsverzeichnis Geleitwort .................................................................................................................................. V Vorwort ................................................................................................................................... VII Inhaltsübersicht ........................................................................................................................ IX Inhaltsverzeichnis .................................................................................................................. XIII Abkürzungsverzeichnis ........................................................................................................ XXV Abbildungsverzeichnis ..................................................................................................... XXXIII Tabellenverzeichnis ........................................................................................................... XXXV Variablen- und Symbolverzeichnis ................................................................................ XXXVII
Teil I
Grundlagen der Untersuchung
1
Kapitel 1 Einführung ............................................................................................................... 1 A. Einleitung und Problemstellung........................................................................................ 1 B. Untersuchungsziel ............................................................................................................. 2 C. Untersuchungsaufbau........................................................................................................ 2 Kapitel 2 Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen ................... 5 A. Funktionsweise der Zinsschranke ..................................................................................... 5 I.
Grundtatbestand ........................................................................................................ 5
II. Ausnahmetatbestände ................................................................................................ 6 1. Freigrenze ............................................................................................................ 6 2. Stand-alone-Escape ............................................................................................. 7 3. Equity-Escape ...................................................................................................... 7 B. Risikoverständnis und Untersuchungsgegenstand ............................................................ 9 I.
Betriebswirtschaftliches Risiko ................................................................................. 9 1. Informationsniveau ............................................................................................ 10 2. Zielwirkung ....................................................................................................... 12 3. Zeitbezug ........................................................................................................... 14
II. Steuerliches Risiko .................................................................................................. 14 1. Charakterisierung und Ursachen von steuerlichen Informationsdefiziten ........ 15 2. Systematisierung der Erscheinungsformen von steuerlichen Risiken ............... 17 a. Rechtsänderungsrisiken ............................................................................... 18 b. Außersteuerliche Rechtsänderungsrisiken ................................................... 20 c. Rechtsbeurteilungsrisiken ............................................................................ 20 d. Sachverhaltsrisiken ...................................................................................... 22 3. Steuerökonomische Zielwirkung ....................................................................... 23
XIV
Inhaltsverzeichnis
a. Dispositionsbezogene (elementare) Steuerwirkungen ................................. 23 b. Quantifizierung von Steuerrisiken und Zielerreichungsgrad ....................... 25 c. Entscheidungswirkungen von Steuern und Steuerrisiken ............................ 26 III. Zinsschrankenrisiken............................................................................................... 27 1. Definition ........................................................................................................... 27 2. Ordnungsrahmen ............................................................................................... 28 3. Einflussfaktoren ................................................................................................. 30 Kapitel 3 Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke ..... 31 A. Liquiditätseffekte ............................................................................................................ 31 I.
Basisannahmen zur Berechnung der Steuerbelastung ............................................. 31
II. Zeitpunktbetrachtung .............................................................................................. 32 1. Steuerliches EBIT 0 (Fallgruppe I) ................................................................ 32 2. Steuerliches EBIT > 0 (Fallgruppe II) ............................................................... 33 3. Statische Messung des Liquiditätsnachteils ...................................................... 35 a. Messung des absoluten Liquiditätsnachteils und seine formale Herleitung 35 b. Relative Kennzahl zur Messung des Liquiditätsnachteils: Relativer Liquiditätsnachteil........................................................................................ 37 i. Notwendigkeit und formale Darstellung ................................................ 37 ii. Exemplarischer Vergleich des relativen Liquiditätsnachteils mit der Steuerquote ............................................................................................. 39 iii. Würdigung und Anwendungsbereich des relativen Liquiditätsnachteils.................................................................................................. 41 4. Zusammenfassende Übersicht zum Liquiditätsnachteil der Zinsschranke ........ 42 III. Zeitraumbetrachtung ............................................................................................... 43 1. Temporärer Liquiditätsnachteil ......................................................................... 43 a. Nutzung des Zinsvortrags und seine formale Herleitung ............................ 43 b. Transformation des Zinsvortrags in negative Einkünfte .............................. 45 2. Definitiver Liquiditätsnachteil und Substanzbesteuerung ................................. 46 3. Temporärer Liquiditätsvorteil............................................................................ 47 4. Scheinbarer Liquiditätsvorteil ........................................................................... 49 5. Zusammenfassende Übersicht zu den intertemporalen Liquiditätseffekten der Zinsschranke ...................................................................................................... 50 B. Zinseffekte ...................................................................................................................... 51 I.
Zinsnachteil ............................................................................................................. 51 1. Risikoloser Zinsvortrag ..................................................................................... 52
2. Riskanter Zinsvortrag ........................................................................................ 53 II. Zinsvorteil ............................................................................................................... 55 C. Bilanz- und Erfolgseffekt der Zinsschranke ................................................................... 56
Inhaltsverzeichnis
I.
XV
Aufwandswirkung und Bilanzierung von zinsschrankeninduzierten Steuermehraufwendungen ......................................................................................................... 56 1. Passivierungsgrundsätze nach HGB .................................................................. 57 a. Ansatz und Ausweis von Steuerschulden .................................................... 57 b. Bewertung von Steuerschulden.................................................................... 59 2. Passivierungsgrundsätze nach IAS/IFRS .......................................................... 59 a. Ansatz und Ausweis von Steuerschulden .................................................... 59 b. Bewertung von Steuerschulden.................................................................... 61
II. Ertragswirkung des Zinsvortrags und Bilanzierung latenter Steuern...................... 62 1. Aktivierungsgrundsätze nach HGB ................................................................... 63 a. Ansatz und Ausweis..................................................................................... 63 b. Bewertung .................................................................................................... 65 2. Aktivierungsgrundsätze nach IAS 12 ................................................................ 66 a. Ansatz und Ausweis..................................................................................... 66 b. Bewertung .................................................................................................... 66 III. Theoretische Ertragswirkungen eines EBITDA-Vortrags ...................................... 67 1. Separierung der ökonomischen Vorteile des EBITDA-Vortrags ...................... 68 2. Bilanzierung nach HGB..................................................................................... 68 3. Bilanzierung nach IAS/IFRS ............................................................................. 70 IV. Gesamtbetrachtung der Erfolgswirkungen unter Sicherheit und Auswirkungen auf die Effective Tax Rate (ETR) ........................................................................... 71 1. Gegenläufige Erfolgswirkungen von Liquiditätsnachteil und aktiven Steuerlatenzen .............................................................................................................. 71 a. Liquiditätsnachteil und werthaltiger Zinsvortrag......................................... 72 b. Liquiditätsnachteil und nicht (mehr) werthaltiger Zinsvortrag .................... 72 c. Kein Liquiditätsnachteil und werthaltiger Zinsvortrag ................................ 73 d. Kein Liquiditätsnachteil und nicht werthaltiger Zinsvortrag ....................... 73 2. Transformation eines Zinsvortrags in einen Verlustvortrag .............................. 73 3. Auswirkungen auf die Effective Tax Rate ........................................................ 74 Kapitel 4 Empirische Relevanz ............................................................................................. 78 A. Anzahl von betroffenen und belasteten Unternehmen .................................................... 78 B. Verrechenbarkeit des Zinsvortrags ................................................................................. 82 C. Größenspezifische Aspekte............................................................................................. 83 D. Branchenspezifische Aspekte ......................................................................................... 84 E. Reaktionen der Unternehmen ......................................................................................... 85
XVI
Inhaltsverzeichnis
Teil II
Analyse von Zinsschrankenrisiken
89
Kapitel 1 Identifikation von Zinsschrankenrisiken ............................................................... 89 A. Abgrenzungsmerkmale zur Identifikation von Sachverhaltsrisiken der Zinsschranke .. 89 I.
Finanzierungsspezifische Einflussfaktoren ............................................................. 90 1. Fremdfinanzierungsvolumen und -konditionen................................................. 90 2. Fremd- bzw. Eigenkapitalquote ......................................................................... 92
II. Investitionsspezifische Einflussfaktoren ................................................................. 93 1. Investitionsart .................................................................................................... 93 2. Investitionsstandort ............................................................................................ 95 3. Reife- und Innovationsgrad ............................................................................... 96 4. Ergebnisvolatilität .............................................................................................. 96 III. Unternehmensstrukturspezifische Einflussfaktoren ................................................ 97 1. Organisationsform und Unternehmensgröße ..................................................... 97 2. Stärke des Inlandsbezugs ................................................................................... 99 3. Veränderungsdynamik von Beteiligungsverhältnissen ................................... 100 B. Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke ................................................................ 102 I.
Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung des Grundtatbestands ........................... 102 1. Betriebsbegriff und Betriebsabgrenzung ......................................................... 102 a. Funktionales und tätigkeitsbezogenes vs. einkunftsartabhängiges Betriebsverständnis .................................................................................... 102 b. Organisationsform- und rechtsformspezifische Auslegungs- und Abgrenzungsfragen .................................................................................... 104 i. Mitunternehmerschaften, Kapitalgesellschaften und fiktive Betriebe . 104 ii. Kommanditgesellschaft auf Aktien ...................................................... 105 iii. Beschränkt steuerpflichtige (Objekt-)Kapitalgesellschaften ................ 106 iv. Betriebsstätten als Betriebsteil oder eigenständiger Betrieb? .............. 108 2. Verrechenbares EBITDA ................................................................................ 109 a. Mitunternehmerschaften ............................................................................ 109 b. Kapitalgesellschaften (ohne KGaA) .......................................................... 111 c. Kommanditgesellschaften auf Aktien ........................................................ 112 d. Betriebsstätten ............................................................................................ 114 i. Inbound-Fall ......................................................................................... 115 ii. Outbound-Fall ...................................................................................... 116 e. Organschaften ............................................................................................ 117 3. Zinssaldo.......................................................................................................... 118 a. Definition von Zinsaufwendungen ............................................................ 119 b. Definition von Zinserträgen ....................................................................... 122 c. Sicherungsgeschäfte................................................................................... 124
Inhaltsverzeichnis
XVII
d. Auf- und Abzinsung................................................................................... 125 e. Auswirkungen von steuerlichen Korrekturvorschriften............................. 126 i. Unangemessen hohe Fremdkapitalvergütungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ..................................................................... 126 ii. Unangemessen niedrige Fremdkapitalvergütungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft ........................................................... 127 iii. Unangemessene Fremdkapitalvergütungen zwischen Schwestergesellschaften ....................................................................... 128 f. Sondervergütungen für Fremdkapitalüberlassungen ausländischer Mitunternehmer.......................................................................................... 129 g. Saldierung vs. Eliminierung von organkreisinternen Fremdfinanzierungen............................................................................................ 131 4. Zinsvortrag....................................................................................................... 132 a. Auf- und Abbau ......................................................................................... 132 i. Gesellschafts- vs. gesellschafterbezogene Rechtsfolgen der Zinsschranke bei Mitunternehmerschaften ................................................. 132 (I) Zinsaufwendungen im Sonderbetriebsvermögen ......................... 133 (II) Zinsaufwendungen im Gesamthandsvermögen ............................ 134 (III) Feststellung des Zinsvortrags ....................................................... 135 ii. Verhältnis des Zinsvortrags zu den Ausnahmetatbeständen ................ 136 iii. Auslegungsfragen bei Organschaft ...................................................... 137 b. Untergang................................................................................................... 138 i. Veränderungen im Gesellschafterbestand von Mitunternehmerschaften................................................................................................. 140 (I) Umstrittene Rechtsgründe ............................................................ 140 (1) Verringerung und Verschiebung eines Mitunternehmeranteils .......................................................... 140 (2) Anwachsung .......................................................................... 140 (3) Umwandlung des Mitunternehmer(anteil)s........................... 141 (4) Mittelbar beteiligte Gesellschafter ........................................ 142 (II) Umstrittene Rechtsfolgen ............................................................. 144 (1) Maßgebliche Beteiligungsquote und maßgeblicher Zeitpunkt zur Ermittlung der Höhe des untergehenden Teils...... 144 (2) Aufnahme neuer Mitunternehmer ......................................... 146 ii. Veränderungen der Betriebsidentität von Körperschaften, Mitunternehmerschaften und Organschaften ....................................... 147 (I) Aufgabe und Übertragung eines (Teil-)Betriebs .......................... 147 (II) Umstrittene Umwandlungsvorgänge auf Betriebsebene .............. 149
XVIII
Inhaltsverzeichnis
(III) Begründung und Aufhebung von Organschaftsverhältnissen ............................................................ 150 5. EBITDA-Vortrag ............................................................................................. 152 a. Auf- und Abbau ......................................................................................... 152 b. Untergang................................................................................................... 153 6. Gewerbesteuerliche Folgefragen ..................................................................... 154 a. Zinsvortragsnutzung und gewerbesteuerliche Hinzurechnung .................. 154 b. Nachträgliche Korrektur des Gewerbeertrags einer Organgesellschaft ..... 155 II. Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung der Ausnahmetatbestände .................... 157 1. Stand-alone-Escape und Konzernabgrenzung ................................................. 157 a. Weites Konzernverständnis der Zinsschranke ........................................... 157 b. Konzernfreie und konzernzugehörige Rechtsträger................................... 158 i. Originärer Konzerntatbestand .............................................................. 158 ii. Steuerlicher Konzerntatbestand............................................................ 160 c. Konzernzugehörigkeit in zeitlicher Hinsicht ............................................. 163 2. Equity-Escape und Eigenkapitalquotenermittlung .......................................... 164 a. Maßgeblicher Rechnungslegungsstandard................................................. 164 i. Originärer Konzerntatbestand .............................................................. 165 ii. Steuerlicher Konzerntatbestand............................................................ 167 iii. Exemplarische Veranschaulichung der Unterschiede zwischen einem subsidiären und exklusiven steuerlichen Konzernverständnis .. 168 b. Modifikationen der Eigenkapitalquote des Konzerns ................................ 170 i. Umfang des Konsolidierungskreises und Behandlung von bestimmten Anteilen im Konzernabschluss ......................................... 170 ii. Anpassungen bei gesellschaftsrechtlichen Kündigungsrechten ........... 172 c. Modifikationen der Eigenkapitalquote des Betriebs .................................. 173 i. Bewertung des Betriebsvermögens und Firmenwerthinzurechnung .... 175 ii. Korrekturen des Eigenkapitals ............................................................. 177 (I) Kürzung um eigenkapitalähnliche Mezzanine.............................. 177 (II) Beteiligungsbuchwertkürzung ...................................................... 178 (III) Beteiligungsbuchwertkürzung bei Personengesellschaften und ihr Verhältnis zur Zuordnungsvorschrift für Sonderbetriebsvermögen ...................................................................................... 180 iii. Korrekturen der Bilanzsumme ............................................................. 182 (I) Zweckkonforme Korrespondenz von Korrekturen des Eigenkapitals und der Bilanzsumme ...................................................... 182 (II) Konzerninterne Kapitalforderungen ............................................. 182 d. Maßgeblicher Vergleichszeitpunkt ............................................................ 184
Inhaltsverzeichnis
XIX
e. Bestandteile und Testat des Konzernabschlusses sowie Prüfung des Einzelabschlusses bzw. der Überleitungsrechnung ............................. 186 III. Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung der Rückausnahmetatbestände ............. 188 1. Abgrenzung des relevanten Personenkreises von § 8a KStG .......................... 188 a. Wesentlich beteiligter Gesellschafter ........................................................ 188 b. Nahestehende Personen ............................................................................. 190 c. Rückgriffsberechtigter Dritter .................................................................... 191 2. Ermittlung der Vergleichsgrößen für den 10%-Test und schädliche Fremdkapitalvergütungen .......................................................................................... 192 a. Abweichende Zinsbegriffe für Zwecke des § 4h EStG und § 8a KStG? ... 193 b. Einzel- vs. Gesamtbetrachtung .................................................................. 194 c. Umfang schädlicher Zinsen bei Rückgriff auf einen Darlehensteilbetrag . 195 d. Konzernbetrachtung des § 8a Abs. 3 KStG ............................................... 195 i. Regelungsziel vs. Gesetzeswortlaut ..................................................... 195 ii. Rechtsträgerbezogene Durchführung des 10%-Tests und Verhältnismäßigkeitsproblem ............................................................................... 197 iii. Konzerninterne Fremdfinanzierungen (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG) .......... 198 3. Infektion des Zinsvortrags mit schädlichen Fremdkapitalzinsen? .................. 200 4. Nachweispflichten ........................................................................................... 200 5. Mitunternehmerschaften und KGaA ............................................................... 201 a. Prüfungsebene zur Bestimmung der wesentlichen Gesellschafterstellung i. S. des § 8a Abs. 2 KStG und Mindestbeteiligungsquote ........................ 202 b. Prüfungsebene zur Bestimmung der wesentlichen Gesellschafterstellung i. S. des § 8a Abs. 3 KStG.......................................................................... 204 c. Rückgriff auf die vorgeordnete Körperschaft ............................................ 204 d. Ermittlung der Vergleichsgrößen für den 10%-Test .................................. 205 i. Quotale vs. vollständige Erfassung von schädlichen Zinsen ............... 205 ii. Behandlung von Sonderbetriebszinsen ................................................ 206 6. Organschaften .................................................................................................. 207 a. Reichweite der Betriebsfiktion im Rahmen von § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG .......................................................................................................... 207 b. Ermittlung der Vergleichsgrößen für den 10%-Test .................................. 209 C. Risiken und Chancen aufgrund von Rechtsänderungen ............................................... 211 I.
Realisierte Anpassungen des Normengefüges ...................................................... 211
II. Potenzielle Anpassungen des Normengefüges ...................................................... 212 III. Potenzielle Unvereinbarkeiten der Zinsschranke mit höherrangigem Recht ........ 215 1. Verfassungs- und abkommensrechtliche Bedenken ........................................ 215 2. Europarechtliche Bedenken ............................................................................. 216
XX
Inhaltsverzeichnis
a. Primäres Gemeinschaftsrecht..................................................................... 216 b. Sekundäres Gemeinschaftsrecht ................................................................ 219 Kapitel 2 Bewertung von Zinsschrankenrisiken ................................................................. 221 A. Qualitative Bewertung elementarer Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke ....... 221 I. Konzeption der Expertenbefragung ...................................................................... 222 1. Untersuchungsziel ........................................................................................... 222 2. Aufbau des Fragebogens ................................................................................. 222 3. Befragungs- und Auswertungsmethodik ......................................................... 223 II. Allgemeine Bewertung von Tatbeständen der Zinsschranke ................................ 224 1. Gefühlte Rechtsunsicherheit und Konfliktpotenzial........................................ 224 2. Beratungsrelevanz ........................................................................................... 225 III. Rechtsform- bzw. organisationsformspezifische Bewertung der Tatbestände der Zinsschranke ................................................................................................... 226 1. Gefühlte Rechtsunsicherheit ............................................................................ 226 2. Konfliktpotenzial ............................................................................................. 228 3. Beratungsrelevanz ........................................................................................... 229 IV. Bewertung von ausgewählten Zweifelsfragen der Zinsschranke .......................... 230 1. Betriebsdefinition ............................................................................................ 230 2. EBITDA-Ermittlung ........................................................................................ 230 a. EBITDA-Kaskade bei Mitunternehmerschaften........................................ 230 b. Gewinnanteil eines KGaA-Komplementärs .............................................. 231 3. Zinssaldoermittlung ......................................................................................... 232 a. Zinssurrogate.............................................................................................. 232 b. Ab- und Aufzinsung................................................................................... 232 c. Gesellschafterfremdfinanzierung durch ausländische Mitunternehmer .... 233 4. Zinsvortrag....................................................................................................... 233 a. Verteilung nicht abziehbarerer Zinsen bei Mitunternehmerschaften......... 233 b. Auswirkungen einer Teilbetriebsveräußerung und der Aufhebung eines Organschaftsverhältnisses auf den Zinsvortrag ......................................... 234 5. EBITDA-Vortrag und Zinsertragsüberschuss ................................................. 234 6. Equity-Escape .................................................................................................. 235 a. Konsolidierungskreis bei Beherrschung mehrerer Konzerne durch nicht konsolidierungspflichtigen Rechtsträger ................................................... 235 b. Teilkonzernkonsolidierung von Organgesellschaften im ersten Organschaftsjahr .................................................................................................. 235 7. Gesellschafterfremdfinanzierung..................................................................... 236 a. Einzel- vs. Gesamtbetrachtung .................................................................. 236 b. Behandlung des Zinsvortrags im Rahmen von § 8a KStG ........................ 236
Inhaltsverzeichnis
XXI
8. Zwischenergebnis ............................................................................................ 237 V. Motive der Beratungsempfehlungen ..................................................................... 238 1. Verwaltungskonforme Beratungsempfehlung ................................................. 238 2. Verwaltungsinkonforme Beratungsempfehlung .............................................. 239 VI. Erfahrungen mit den Finanzbehörden und Prognose gerichtlicher Verfahren ...... 240 VII. Implikationen der Expertenbefragung für die Behandlung von Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke ............................................................................... 241 B. Quantitative Bewertung von Zinsschrankenrisiken ...................................................... 243 I.
Analytische Bestimmung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung ................................. 243 1. Grundmodell zur Erklärung der formalen Zusammenhänge von Einflussfaktoren und Zinsschranke und zur Ermittlung von Elastizitäten der Zinsabzugsquote .............................................................................................. 243 a. Modellannahmen und Operationalisierung des liquiditätswirksamen Eingreifens der Zinsschranke..................................................................... 243 b. Elastizitäten der Zinsabzugsquote.............................................................. 246 2. Berechnung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung im Einperiodenkontext ........... 248 a. Exemplarische Neuinvestition mit stochastischer Gesamtkapitalrendite .. 248 b. Variation der stochastischen Parameterelemente der Gesamtkapitalrendite ........................................................................................................ 251 c. Variation der deterministischen Einflussfaktoren ...................................... 253 3. Kritische Ergebniswürdigung .......................................................................... 256
II. Multivariate Simulation des Zinsschrankenrisikos auf Basis der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank..................................... 257 1. Methodische Herangehensweise...................................................................... 257 2. Empirische Datenstruktur und Ableitung der Einflussfaktoren ...................... 259 a. Allgemeine Charakteristika der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank und Eingrenzung des relevanten Datenbestands . 259 b. Konzeptionelle Ableitung des EBITDA, der Abschreibungen und Zinsaufwendungen aus dem relevanten Datenbestand .............................. 260 c. Durchschnittliche Relevanz der Zinsschranke in ausgewählten Wirtschaftszweigen .................................................................................... 262 d. Entwicklungspfade der Einflussfaktoren ausgewählter Wirtschaftszweige ........................................................................................................ 265 3. Durchführung der Monte-Carlo-Simulation .................................................... 268 a. Simulation des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung im Einperiodenkontext ....... 268 b. Simulation des Zinsschrankenrisikos 1. und 2. Ordnung im Mehrperiodenkontext ................................................................................. 272 i. Gefahr des wiederholten Eingreifens der Zinsschranke ....................... 272
XXII
Inhaltsverzeichnis
ii. Gefahr der Nichtnutzung eines potenziellen Zinsvortrags ................... 275 4. Kritische Ergebniswürdigung .......................................................................... 278
Teil III
Steuerung von Zinsschrankenrisiken
281
Kapitel 1 Typologie und Einsatz der Steuerungsinstrumente ............................................. 281 Kapitel 2 Ursachenbezogene Steuerungsansätze ................................................................ 285 A. Finanzierungsspezifische Anpassungshandlungen ....................................................... 285 I. Betriebsbezogene Finanzierungsmaßnahmen ....................................................... 285 1. Leasing als alternative Finanzierungsform ...................................................... 285 2. Variable Zinszahlungen ................................................................................... 287 3. Niedrig verzinstes Fremdwährungsdarlehen ................................................... 290 4. Liquiditätsmanagement ................................................................................... 291 II. Konzerninterne Restrukturierung der Fremdfinanzierung von Kapitalgesellschaften.................................................................................................................. 294 1. Zinsaufwandsvermeidung durch Rückkauf oder Tilgung von Darlehen......... 294 2. Zinsaufwandsvermeidung durch Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital .. 296 3. Zinsaufwandsverteilung durch Fremdkapitaldiversifizierung ......................... 297 4. Zinsertragssteigerung durch konzerninterne Darlehen und Anleihen ............. 299 5. Interest-Pooling-Modell................................................................................... 300 B. Unternehmensstrukturspezifische Anpassungshandlungen .......................................... 301 I.
Konzentrationsvorgänge........................................................................................ 301
II. Dekonzentrationsvorgänge .................................................................................... 305 III. Restrukturierung der Beteiligungsverhältnisse ..................................................... 306 IV. Rechtsformwahl / Formwechsel ............................................................................ 308 V. Ergebnisverlagerung.............................................................................................. 310 Kapitel 3 Wirkungsbezogene Steuerungsansätze................................................................ 312 A. Bilanzpolitische Maßnahmen ....................................................................................... 312 I. Aufdeckung von stillen Reserven ......................................................................... 312 II. Bilanzierung von Zinsen als Herstellungskosten .................................................. 313 III. Optimierung der Eigenkapitalquote ...................................................................... 314 B. Steuerklauseln ............................................................................................................... 316 C. Steuerzahllastmanagement............................................................................................ 318
Inhaltsverzeichnis
Teil IV Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
XXIII
321
Kapitel 1 Rechnungslegungsübergreifende Anlässe für bilanzielle Auswirkungen von Zinsschrankenrisiken ........................................................................................... 321 Kapitel 2 Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen............................................................................................................. 323 A. HGB-Abschluss ............................................................................................................ 323 I.
Prüfung der Ansatzkriterien für eine risikoadjustierte Steuerrückstellung ........... 323 1. Schuldcharakter ............................................................................................... 323 2. Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme ................................. 325
II. Bewertung der risikoadjustierten Steuerrückstellung ........................................... 329 III. Kompensatorische Wirkung einer aktiven Steuerlatenz für einen hypothetischen Zinsvortrag ................................................................................... 331 IV. Anhangangaben ..................................................................................................... 333 B. IFRS-Abschluss ............................................................................................................ 335 I.
Prüfung der Ansatzkriterien für eine risikoadjustierte Steuerschuld .................... 335 1. Gegenwärtige Verpflichtung ........................................................................... 335 2. Wahrscheinlicher Ressourcenabfluss .............................................................. 336 3. Verlässliche Schätzung des Verpflichtungsbetrags ......................................... 338
II. Bewertung der risikoadjustierten Steuerschuld ..................................................... 338 III. Kompensatorische Wirkung einer aktiven Steuerlatenz für einen hypothetischen Zinsvortrag ................................................................................... 339 IV. Anhangangaben ..................................................................................................... 340 Kapitel 3 Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen....................................................................................................... 343 A. Rechnungslegungsübergreifende Strukturierung des Prognoseproblems..................... 343 I. Eruierung der Prognosegrundlagen ....................................................................... 343 II. Zerlegung des Prognosesachverhalts und Prognoseverfahren .............................. 344 1. Anforderungen an die prognostizierten Zielgrößen......................................... 345 2. Investitionsspezifische Einflussfaktoren ......................................................... 346 3. Finanzierungs- und unternehmensstrukturspezifische Einflussfaktoren ......... 349 4. Steuerliche Rechtsbeurteilung ......................................................................... 350 B. Anforderungen des HGB zur Konkretisierung von Prognosewerten für den Nachweis werthaltiger Zinsvorträge .............................................................................................. 351 I. Begrenzungsfunktion handelsrechtlicher Bilanzierungsprinzipien ....................... 351 II. Wahrscheinlichkeitsverständnis ............................................................................ 352 III. Unsicherheitsabsorption ........................................................................................ 353 1. Ausschöpfung von historischen und prognosebasierten Informationen .......... 353
XXIV
Inhaltsverzeichnis
2. Länge des Prognosezeitraums ......................................................................... 355 3. Eliminierung steuerlicher Beurteilungsrisiken ................................................ 356 IV. Methodengestützte und vorsichtige Wertermittlung ............................................. 358 V. Anhangangaben ..................................................................................................... 361 C. Anforderungen von IAS 12 zur Konkretisierung von Prognosewerten für den Nachweis werthaltiger Zinsvorträge ............................................................................. 363 I. Übergeordnete Rahmengrundsätze ....................................................................... 363 II. Wahrscheinlichkeitsverständnis ............................................................................ 364 III. Unsicherheitsabsorption ........................................................................................ 364 1. Objektivierungskriterien .................................................................................. 365 2. Länge des Prognosezeitraums ......................................................................... 368 3. Toleranzniveau bei der steuerlichen Rechtsbeurteilung .................................. 369 IV. Methodengestützte Wertfindung ........................................................................... 370 V. Anhangangaben ..................................................................................................... 372
Teil V
Fazit
375
Anhang ................................................................................................................................... 381 Literaturverzeichnis ................................................................................................................ 409 Rechtsquellenverzeichnis ....................................................................................................... 465 Rechtsprechungsverzeichnis .................................................................................................. 469 Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen ............................................................................ 471 Stichwortverzeichnis .............................................................................................................. 473
Abkürzungsverzeichnis a. A.
andere Ansicht
a. F.
alte Fassung
Abb.
Abbildung
ABl. EG
Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften
ABl. EU
Amtsblatt der Europäischen Union
Abs.
Absatz
Abschn.
Abschnitt
abz.
abziehbar
AfA
Absetzung für Abnutzung
AG
Aktiengesellschaft (Rechtsform) / Die Aktiengesellschaft (Zeitschrift)
ÄndVO
Änderungsverordnung
AO
Abgabenordnung
Art.
Artikel (Singular)
Artt.
Artikel (Plural)
AStG
Außensteuergesetz
Az.
Aktenzeichen
BB
Betriebs-Berater (Zeitschrift)
BBK
Buchführung, Bilanzierung, Kostenrechnung (Zeitschrift)
BC
Basis for Conclusion
BDI
Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.
BFH
Bundesfinanzhof
BFH/NV
Sammlung nicht veröffentlichter Entscheidungen des BFH (Zeitschrift)
BGB
Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl.
Bundesgesetzblatt
BGHZ
Entscheidungen des Bundesgerichtshofs in Zivilsachen (Zeitschrift)
BilMoG
Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz
BMF
Bundesministerium der Finanzen
XXVI
Abkürzungsverzeichnis
BMG
Bemessungsgrundlage
BPO
Betriebsprüfungsordnung
BRZ
Zeitschrift für Bilanzierung und Rechnungswesen
BR-Drs.
Bundesratsdrucksache
Bsp.
Beispiel
bspw.
beispielsweise
BStBl.
Bundessteuerblatt
BuW
Betrieb und Wirtschaft (Zeitschrift)
bzw.
beziehungsweise
CAPM
Capital Asset Pricing Model
CF
Corporate Finance (Zeitschrift; ehemals FB)
COSO
Committee of Sponsoring Organizations of Treatway Commission
d. h.
das heißt
DAX
Deutscher Aktienindex
DB
Der Betrieb (Zeitschrift)
DBA
Doppelbesteuerungsabkommen
DBW
Die Betriebswirtschaft (Zeitschrift)
diesbzgl.
diesbezüglich
DIHK
Deutscher Industrie- und Handelskammertag
DIW
Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung
DIW-RN
DIW Research Notes (Zeitschrift)
DIW-VJH
DIW Vierteljahreshefte zur Wirtschaftsforschung
DK
Der Konzern (Zeitschrift)
DStR
Deutsches Steuerrecht (Zeitschrift)
DStRE
Deutsches Steuerrecht – Entscheidungsdienst (Zeitschrift)
DStZ
Deutsche Steuerzeitung
EBIT
Earnings before Interest and Taxes
EBITDA
Earnings before Interest, Taxes, Depreciation and Amortization
Abkürzungsverzeichnis
EBT
Earnings before Taxes
EFG
Entscheidungen der Finanzgerichte
EPS
Entwurf Prüfungsstandard (IDW)
ErbStB
Erbschaft-Steuer-Berater (Zeitschrift)
EStÄR
Änderung der Einkommensteuerrichtlinien
EStB
Ertrag-Steuer-Berater (Zeitschrift)
EStG
Einkommensteuergesetz
EStH
Einkommensteuerhinweise
EStR
Einkommensteuerrichtlinien
ET
European Taxation (Zeitschrift)
ETR
Effective Tax Rate
EU
Europäische Union
EuGH
Europäischer Gerichtshof
EURIBOR
European Interbank Offered Rate
EV
EBITDA-Vortrag
EWS
Europäisches Wirtschafts- und Steuerrecht (Zeitschrift)
f.
folgende
ff.
fortfolgende
F.
Framework
FB
Finanz Betrieb (Zeitschrift)
FG
Finanzgericht
FGO
Finanzgerichtsordnung
Fn.
Fußnote
FNA
Fundstellennachweis A
FR
Finanz-Rundschau (Zeitschrift)
FS
Festschrift
GAAP
Generally Accepted Accounting Principles
gem.
gemäß
GewStG
Gewerbesteuergesetz
XXVII
XXVIII
Abkürzungsverzeichnis
GewStR
Gewerbesteuerrichtlinien
gl. A.
gleicher Ansicht
GmbH
Gesellschaft mit beschränkter Haftung
GmbH & Co.
GmbH & Compagnie
GmbHR
GmbH-Rundschau (Zeitschrift)
GmbH-StB
Der GmbH-Steuer-Berater (Zeitschrift)
GoB
Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung
grds.
grundsätzlich
GStB
Gestaltende Steuerberatung (Zeitschrift)
GuV
Gewinn- und Verlustrechnung
GWR
Zeitschrift für Gesellschafts- und Wirtschaftsrecht
h. M.
herrschende(r/n) Meinung
HDE
Hauptverband des Deutschen Einzelhandels
HGB
Handelsgesetzbuch
Hrsg.
Herausgeber
Hs.
Halbsatz
http
Hypertext Transfer Protocol
i. a. R.
in aller Regel
i. d. F.
in der Fassung
i. d. R.
in der Regel
i. d. S.
in diesem Sinne
i. H.
in Höhe
i. S.
im Sinne
i. V.
in Verbindung
IAS
International Accounting Standards
IDW
Institut der Wirtschaftsprüfer
IDW-FN
IDW-Fachnachrichten (Zeitschrift)
IFRS
International Financial Reporting Standards
INF
Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
insbes.
insbesondere
Intertax
International Tax Review (Zeitschrift)
IPM
Interest-Pooling-Modell
IRZ
Zeitschrift für internationale Rechnungslegung
IStR
Internationales Steuerrecht (Zeitschrift)
IWB
Internationale Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)
Kap.
Kapitel
KG
Kommanditgesellschaft
KGaA
Kommanditgesellschaft auf Aktien
KoR
Kapitalmarktorientierte Rechnungslegung (Zeitschrift)
KÖSDI
Kölner Steuerdialog (Zeitschrift)
KPMG
Klynveld Peat Marwick Goerdeler
krit.
kritisch
KStG
Körperschaftsteuergesetz
KStR
Körperschaftsteuerrichtlinien
KStH
Körperschaftsteuerhinweise
KSzW
Kölner Schrift zum Wirtschaftsrecht (Zeitschrift)
lit.
littera
LN
Liquiditätsnachteil
m. w. N
mit weiteren Nachweisen
MDAX
Mid-Cap-DAX
Mio.
Millionen
MW
Mittelwert
n. a.
nicht abziehbar
n. F.
neue Fassung
Nr.
Nummer
NWB
Neue Wirtschaftsbriefe (Zeitschrift)
NZA
Nettozinsaufwand
XXIX
XXX
Abkürzungsverzeichnis
NZG
Neue Zeitschrift für Gesellschaftsrecht
OCF
Operating Cashflow
OECD
Organisation for Economic Co-operation and Development
OECD-MA
Musterabkommen der OECD
OFD
Oberfinanzdirektion
PE
Private Equity
PiR
Praxis der internationalen Rechnungslegung (Zeitschrift)
PPP
Public Private Partnership
PS
Prüfungsstandard
PSP
Peters, Schönberger & Partner
PW
Punktwert(e)
PwC
PricewaterhouseCoopers
QC
Qualitative Characteristics
QJOE
Quarterly Journal of Economics
Rev.
Revision
RGBl.
Reichsgesetzblatt
RIW
Recht der Internationalen Wirtschaft (Zeitschrift)
rkr.
rechtskräftig
Rz.
Randziffer
s.
siehe
s. o.
siehe oben
s. u.
siehe unten
S.
Satz / Seite(n)
SBV
Sonderbetriebsvermögen
SFAS
Statement of Financial Accounting Standards
SIC
Standing Interpretation Committee
sj
steuer-journal.de (Zeitschrift)
Abkürzungsverzeichnis
sog.
so genannte(n/r/s)
SolZG
Solidaritätszuschlaggesetz
Sp.
Spalte
S:R
Status:Recht (Zeitschrift)
ST
Der Schweizer Treuhänder (Zeitschrift)
StB
Der Steuerberater (Zeitschrift)
Stbg
Die Steuerberatung (Zeitschrift)
StbJb
Steuerberater-Jahrbuch
StC
SteuerConsultant (Zeitschrift; ehemals INF)
SteuerStud
Steuer und Studium (Zeitschrift)
StQ
Steuerquote
StuB
Steuern und Bilanzen (Zeitschrift)
StuW
Steuer und Wirtschaft (Zeitschrift)
SWI
Steuer & Wirtschaft International (Zeitschrift)
SWOT
Strengths-Weaknesses-Opportunities-Threats
Tab.
Tabelle
teilw.
teilweise
TNI
Tax Notes International (Zeitschrift)
u. a.
unter anderem
Ubg
Die Unternehmensbesteuerung (Zeitschrift)
UmwStG
Umwandlungssteuergesetz
URL
Uniform Resource Locator
US-GAAP
United States Generally Accepted Accounting Principles
v.
von / vom
VaR
Value at Risk
vbw
Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V.
vGA
verdeckte Gewinnausschüttung
vgl.
vergleiche
XXXI
XXXII
Abkürzungsverzeichnis
VO
Verordnung
vs.
versus
VV
Verlustvortrag
WiSt
Wissenschaftliches Studium (Zeitschrift)
WM
Zeitschrift für Wirtschafts- und Bankrecht
WPg
Die Wirtschaftsprüfung (Zeitschrift)
www
World Wide Web
WZ
Wirtschaftszweig
z. B.
zum Beispiel
ZCG
Zeitschrift für Corporate Governance
ZfB
Zeitschrift für Betriebswirtschaft
zfbf
Zeitschrift für betriebswirtschaftliche Forschung
ZfgK
Zeitschrift für das gesamte Kreditwesen
ZHR
Zeitschrift für das gesamte Handels- und Gesellschaftsrecht
ZLRL
Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie
ZV
Zinsvortrag
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Definition und Ordnungsrahmen des Zinsschrankenrisikos .......................... 29 Abbildung 2: Vergleich des relativen Liquiditätsnachteils mit der Steuerquote .................. 39 Abbildung 3: Liquiditätsnachteil der Zinsschranke ............................................................. 42 Abbildung 4: Intertemporale Liquiditätseffekte der Zinsschranke ...................................... 50 Abbildung 5: Auswirkungen des Zinsvortrags auf die ETR im Vergleich zur Steuerquote 75 Abbildung 6: Empirische Studien über die Anzahl betroffener und belasteter Unternehmen aufgrund der Zinsschranke bei einer Freigrenze i. H. von 1 Mio. € . 79 Abbildung 7: Bedeutung der Zinsschranke innerhalb ausgewählter Wirtschaftszweige ..... 84 Abbildung 8: Konzernverständnisse................................................................................... 169 Abbildung 9: Wahrscheinlichkeit des liquiditätswirksamen Eingreifens der Zinsschranke................................................................................................. 250 Abbildung 10: Wahrscheinlichkeiten für ein liquiditätswirksames Zinsschrankenszenario bei Variation der stochastischen Parameter ................................................. 252 Abbildung 11: Wahrscheinlichkeiten für das liquiditätswirksame Eingreifen der Zinsschranke bei Variation der Abschreibungsrate und des Fremdkapitalzinses ....................................................................................... 255 Abbildung 12: Verhältnis von Zinsaufwand zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen (Unternehmensbilanzstatistik) ..................................... 263 Abbildung 13: Wachstumsraten des EBITDA, der Abschreibungen und des Zinsaufwands im verarbeitenden Gewerbe .............................................................. 265 Abbildung 14: Wachstumsraten des EBITDA, der Abschreibungen und des Zinsaufwands im Handel .......................................................................................... 266 Abbildung 15: Histogramm des relativen Liquiditätsnachteils für ein Referenzunternehmen des verarbeitenden Gewerbes ......................................................... 270 Abbildung 16: Häufigkeit des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (verarbeitendes Gewerbe) ............................................................................ 274 Abbildung 17: Prozentuale Nutzung des Zinsvortrags in den einzelnen Prognoseperioden (verarbeitendes Gewerbe) ............................................................................ 275 Abbildung 18: Wahrscheinlichkeit für einen permanenten bzw. (teilweise) temporären Liquiditätsnachteil der Zinsschranke im fünfjährigen Prognosezeitraum (verarbeitendes Gewerbe) ............................................................................ 276 Abbildung 19: Wahrscheinlichkeit und Dauer der Verrechnung des in B + 1 potenziell entstehenden Zinsvortrags (verarbeitendes Gewerbe) ................................. 277 Abbildung 20: Maßnahmen zur Bewältigung von Zinsschrankenrisiken ............................ 284
XXXIV
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 21: Entwicklung des relativen Liquiditätsnachteils bei steigender Fremdkapitalquote ........................................................................................ 382 Abbildung 22: Verhältnis von Zinssaldo zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen (Unternehmensbilanzstatistik) ....................................................... 399 Abbildung 23: Histogramm der Steuerquoten für ein Referenzunternehmen des verarbeitenden Gewerbes ............................................................................. 400 Abbildung 24: Histogramm des relativen Liquiditätsnachteils für ein Referenzunternehmen des Handels ..................................................................................... 401 Abbildung 25: Histogramm der Steuerquoten für ein Referenzunternehmen des Handels . 402 Abbildung 26: Häufigkeit des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (Handel) ........................................................................................................ 403 Abbildung 27: Prozentuale Nutzung des Zinsvortrags in den einzelnen Prognoseperioden (Handel) ........................................................................................................ 404 Abbildung 28: Wahrscheinlichkeit für einen permanenten bzw. (teilweise) temporären Liquiditätsnachteil der Zinsschranke im fünfjährigen Prognosezeitraum (Handel) ........................................................................................................ 404 Abbildung 29: Wahrscheinlichkeit und Dauer der Verrechnung des in B + 1 potenziell entstehenden Zinsvortrags (Handel)............................................................. 405 Abbildung 30: Prozentuale Nutzung des Zinsvortrags in den einzelnen Prognoseperioden bei pauschaler Verminderung des Zinsaufwands (verarbeitendes Gewerbe) ............................................................................ 407 Abbildung 31: Wahrscheinlichkeit für einen permanenten bzw. (teilweise) temporären Liquiditätsnachteil der Zinsschranke im fünfjährigen Prognosezeitraum bei pauschaler Verringerung des Zinsaufwands (verarbeitendes Gewerbe) 407 Abbildung 32: Wahrscheinlichkeit und Dauer der Verrechnung des in B + 1 potenziell entstehenden Zinsvortrags bei pauschaler Verringerung des Zinsaufwands (verarbeitendes Gewerbe) ............................................................................ 408
Tabellenverzeichnis Tabelle 1:
Informationsniveau .............................................................................................. 11
Tabelle 2:
Zahlungswirkung der Zinsschranke (Beispielrechnung in Mio. €) ..................... 34
Tabelle 3: Tabelle 4:
Erfolgswirkungen der Zinsschranke nach HGB u. IAS/IFRS unter Sicherheit .. 71 Interpretation von aggregierten Punktwerten im Rahmen der Expertenbefragung ........................................................................................................... 223 Durchschnittliche Bewertung der Rechtsunsicherheit, des Konfliktpotenzials und der Beratungsrelevanz von Tatbeständen der Zinsschranke ...................... 224 Standardabweichungen der Punktwerte im Rahmen der Bewertung von Tatbeständen der Zinsschranke ......................................................................... 225 Motive für eine verwaltungskonforme Beratungsempfehlung .......................... 238 Motive für eine verwaltungsinkonforme Beratungsempfehlung....................... 239 Elastizitäten der Zinsabzugsquote ..................................................................... 247 Lage- und Streuungsmaße der zinsschrankenrelevanten Wachstumsraten im Handel und verarbeitenden Gewerbe ................................................................ 266 Zinsschrankenparameter eines Durchschnittsunternehmens der Wirtschaftszweige Handel und verarbeitendes Gewerbe .................................. 268 Statistische Lage- und Streuungsmaße der einperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote (verarbeitendes Gewerbe) .. 271 Eintrittswahrscheinlichkeiten des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (verarbeitendes Gewerbe) .................................................... 272 Statistische Lage- und Streuungsmaße der mehrperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote (verarbeitendes Gewerbe) .. 273 Statistische Zusammenhänge von Rechtsunsicherheit, Konfliktpotenzial und Beratungsrelevanz ............................................................................................. 389 Rechtsformspezifische Bewertung der Rechtsunsicherheit von Tatbeständen der Zinsschranke................................................................................................ 389 Rechtsformspezifische Bewertung des Konfliktpotenzials von Tatbeständen der Zinsschranke................................................................................................ 390 Rechtsformspezifische Bewertung der Beratungsrelevanz von Tatbeständen der Zinsschranke................................................................................................ 391 Rechtsunsicherheit, Konfliktpotenzial und Beratungsrelevanz von ausgewählten Auslegungsfragen der Zinsschranke ........................................... 392 Beratungsempfehlung zu ausgewählten Auslegungsfragen der Zinsschranke.. 393 Prognose von zukünftigen Gerichtsverfahren ................................................... 394
Tabelle 5: Tabelle 6: Tabelle 7: Tabelle 8: Tabelle 9: Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12: Tabelle 13: Tabelle 14: Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21:
XXXVI
Tabellenverzeichnis
Tabelle 22: Auswirkungen von Variationen des Erwartungswerts und der Standardabweichung der Gesamtkapitalrendite ................................................ 396 Tabelle 23: Auswirkungen von Variationen des Fremdkapitalzinssatzes und der Abschreibungsrate ............................................................................................. 397 Tabelle 24: Wertetabelle für die Verhältniszahlen von Zinsaufwand zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen (Unternehmensbilanzstatistik) ................... 398 Tabelle 25: Wertetabelle für die Verhältniszahlen von Zinssaldo zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen (Unternehmensbilanzstatistik) ................... 399 Tabelle 26: Statistische Lage- und Streuungsmaße der einperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote eines Referenzunternehmens des Handels ........................................................................................ 402 Tabelle 27: Eintrittswahrscheinlichkeiten des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (Handel) ............................................................................... 402 Tabelle 28: Statistische Lage- und Streuungsmaße der mehrperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote (Handel).............................. 403 Tabelle 29: Eintrittswahrscheinlichkeiten des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (Handel) ............................................................................... 406 Tabelle 30: Statistische Lage- und Streuungsmaße der mehrperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote bei pauschaler Verringerung des Zinsaufwands (verarbeitendes Gewerbe) ............................. 406
Variablen- und Symbolverzeichnis a
Zinsabzugsquote
A
modifizierte Kovarianz-Matrix der Wachstumsraten (į) (Cholesky-Zerlegung)
T
A
Transponierte Kovarianz-Matrix der Wachstumsraten (į)
B
Beobachtungszeitpunkt
C
Kontingenzkoeffizient nach Pearson
į
Wachstumsrate der Einflussfaktoren (EBITDA / ZA / Fremdkapitalquote (l))
¨
Differenz-Symbol
¨StAuf
Aufwandswirkung der Zinsschranke in der GuV
¨StErtr
Ertragswirkung der Zinsschranke in der GuV
d
Abschreibungsrate
İfa
Elastizitäten der Zinsabzugsquote (Rendite-, Zins- und Verschuldungselastizität)
e
Eulersche Zahl
€
Euro
E[.]
Erwartungswert einer Variablen
EBITDA
Earninigs before Interest, Taxes and Amortization
EV
EBITDA-Vortrag
fa
Funktion der Zinsabzugsquote (a)
fa ’
Erste Ableitung der Funktion der Zinsabzugsquote (a)
FB
Fehlbetrag bzw. gewerbesteuerlicher Verlustvortrag
FK
Fremdkapital
krit
FK
GdE *
kritischer Fremdkapitalbestand (Zinsschranke greift ein) Gesamtbetrag der Einkünfte (geltendes Recht)
GdE
Gesamtbetrag der Einkünfte (Referenzsteuersystem)
GewE
Gewerbeertrag
GK
Gesamtkapital
i
Zinssatz / bestimmte Zeile eines Vektors bzw. einer Matrix
k
zeitlicher Laufindex
l
Fremdkapitalquote
XXXVIII
Symbol- und Variablenverzeichnis
LN
Liquiditätsnachteil
LNrel
relativer Liquiditätsnachteil
෪ rel LN
zentraler relativer Liquiditätsnachteil
ȝ
Erwartungswert einer normalverteilten Zufallsvariable
M M
Erwartungswertvektor der Wachstumsraten (į) T
Transponierter Erwartungswertvektor der Wachstumsrate (į)
max
Maximum-Funktion
min
Minimum-Funktion
MB
Minderbelastung durch Verrechnung des Zinsvortrags
n
Anzahl an Werten/Perioden
N
erweiterter Planungshorizont
N
Normalverteilungsfunktion
OCF
Operating Cashflow
Produkt-Zeichen
Ȍi
Funktion zur Berechnung der gemeinsam normalverteilten Wachstumsraten der Einflussfaktoren (į)
ĭ
Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung
ʌ
Zahl Pi
P
Wahrscheinlichkeit
rǁ GK* p
zentrale (modifizierte) Gesamtkapitalrendite
r
GK
Gesamtkapitalrendite (Lehrbuchformel)
r
GK*
modifizierte Gesamtkapitalrendite (Zähler erhöht um Abschreibungen)
ı ı
Standardabweichung 2
Varianz
Summen-Zeichen / Varianz-Kovarianz-Matrix der Wachstumsraten (į)
Integralzeichen
sKSt
kombinierter Steuersatz aus Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag
sGewSt
Effektivsteuersatz Gewerbesteuer (Messzahl und Hebesatz)
t
Periode (Wirtschaftsjahr / Veranlagungszeitraum)
t
Alt
Effektivsteuersatz der Alternativanlage
Symbol- und Variablenverzeichnis
tEK
Effektivsteuersatz bei Eigenfinanzierung
tFK
Effektivsteuersatz bei Fremdfinanzierung
T
Planungs- bzw. Beurteilungszeitraum
VV *
Verlustvortrag (geltendes Recht)
VV
Verlustvortrag (Referenzsteuersystem)
Xi
Zufallszahlenvektor
xp
p-Quantil einer Zufallsvariable
XTi
Transponierter Zufallszahlenvektor
z
angepasste Integralgrenze (sog. z-Transformation)
ZA
Zinsaufwand
ZE
Zinsertrag
ZN
Zinsnachteil
ZV
Zinsvortrag
XXXIX
Teil I
Grun ndlagen der d Unterssuchung
Kapitell 1
Einfü ührung
A.
Eiinleitung un nd Problem mstellung
Die Zinnsschranke wird w in der Literatur al s Schönwetttervorschrift bezeichneet.1 Diese Metapher M hat ihreen Ursprungg darin, dasss die Zinssschranke deen steuerwirrksamen Ziinsabzug in n Abhängigkeit von der wirtschaftlich w hen Entwiccklung einees entsprech hend fremddfinanzierten n Unternehmenns begrenzt. So können n bei abflaueender wirtscchaftlicher Entwicklunng tendenzieell weniger Zinnsen von der d steuerlicchen Bemeessungsgrun ndlage abgeezogen wer erden, wodu urch die Steuerbelastung im m Verhältniis zum erw wirtschafteteen Ergebniss ansteigen kann. Vorr diesem Hintergrund kann die Wirkun ngsweise deer Zinsschrranke als krrisensensitivv und mitunter krisenverscchärfend eiingestuft werden.2 Hinngegen ist die d Belastung nur vonn temporäreer Natur, wenn diie im sogennannten Zin nsvortrag geespeicherten n nicht abziehbaren Zinnsen in zuk künftigen Perioden steuerwirrksam verreechnet werdden können. Ceteris paaribus ist diies nach ein ner Verbesserunng der wirtsschaftlichen n Lage des U Unternehmeens möglich h. Der emppirische Beefund belegtt eindeutig, dass viele (große) Untternehmen bbzw. Konzeerne von der Zinssschranke betroffen b sin nd. Jene Unnternehmen n erfahren häufig eine nnicht nur teemporäre Steuerm mehrbelastunng, weshallb eine Auuseinandersetzung mitt den liquiiditätsmäßig gen und bilanzieellen Auswiirkungen deer Zinsschraanke erfordeerlich ist.3 Gleichwohl G l ist die Zin nsschranke aufggrund ihrer ergebnisabhängigen A Ausgestaltun ng auch fürr Unternehm men von Relevanz, R die (nocch) nicht akkut von ihr betroffen b siind. In diesen Fällen stteht die Einnschätzung und Abwendunng der droheenden Steueermehrbelasstung im Vo ordergrund. Ferner iist die Zinssschranke du urch ein sehhr hohes Maß an Rechtsunsicherhheit gekennzzeichnet. Aufgrunnd der Kom mplexität und u Kompliiziertheit ih hres Normeengefüges bbestehen zaahlreiche Ausleguungsfragen, die eine veerlässliche A Antizipation n der (Nichtt-)Anwenduung der Zin nsschranke erschhweren. Follglich könneen mangels eindeutigerr Rechtsbeu urteilung auuch nicht diee Steuerund Erffolgswirkunngen der Zin nsschranke eexakt bestim mmt werden n. Hinsichhtlich der ellementaren Steuer- undd Erfolgswiirkungen im m Zustand ddes akuten Eingreifens derr Zinsschraanke besteh hen noch veereinzelte Forschungsl F ücken. Übeer den Zusttand des drohendden Eingreifens der Zin nsschranke liegen bislaang noch keeine Forschuungsergebn nisse vor. In Zeiteen, in denenn das (risiko oorientiertee) Tax Acco ounting sow wie das Taxx Risk Man nagement immer sstärker in den d Fokus der d steuerliichen Berattung und deer risikoorieentierten UnternehU
1 2 3
Vgl. E Eilers/Bühringg, Schönwetteer, DStR 2009 , S. 137; Neum mann, Zinssch hranke, Ubg 22009, S. 461. Vgl. E Eickhorst, Krrisenunternehmen, BB 20007, S. 1707 f.; f Blaufus/Lorenz, Krise, SStuW 2009, S. 323 ff.; BDI/K KPMG, Vergleeich, 2009, S. 17 f. Zur ssteuerlichen Gestaltungsauf G fgabe des Veerlust- und Ziinsmanagements Prinz, BiilMoG, GmbH HR 2009, S. 10334.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_1, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
2
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
mensführung rücken,4 ist dieser Befund angesichts der empirischen und materiellen Relevanz der Zinsschranke nicht nur als ein theoretisches Defizit zu qualifizieren. B.
Untersuchungsziel
Die vorgenannten Forschungslücken sollen mit dieser Arbeit geschlossen werden. Auf der Grundlage der elementaren Steuerwirkungen der Zinsschranke (Liquiditäts- und Zinseffekte) werden das Risiko des Eingreifens der Zinsschranke und das Risiko der Nichtnutzbarkeit bzw. des Untergangs eines Zinsvortrags differenziert bewertet. Hierzu werden die konzeptionellen Ansätze und konkreten Instrumentarien der Lehre zum Risikomanagement genutzt, mittels derer der quantitative Untersuchungsbereich der Arbeit bewältigt werden soll. Jedoch reichen Techniken alleine nicht aus, die wesensimmanenten Rechtsunsicherheiten der Zinsschranke zu erfassen. Dementsprechend sollen die relevanten Zweifelsfragen und Lösungsansätze des qualitativen Untersuchungsbereichs einer intensiven Rechtsanalyse unterzogen werden, um hierdurch den Grad der steuerlichen Planungssicherheit im Rahmen von unternehmerischen Dispositionen zu erhöhen. Maßgeblicher Rechtsstand ist das Jahr 2010. In bilanzieller Hinsicht strahlt die Zinsschranke sowohl auf die Aktiv- als auch auf die Passivseite der Bilanz aus. Während drohende Steuermehrbelastungen aufgrund der Zinsschranke einen Rückstellungsansatz begründen können, beeinträchtigt die Gefahr einer Nichtnutzbarkeit des Zinsvortrags mitunter den Umfang an aktivierungsfähigen Steuerlatenzen. Diese bilanziellen Ausstrahlungen werden rechtsanalytisch sowohl für den HGB- als auch für den IFRS-Einzelabschluss auf der Grundlage abstrakter Bilanzierungsprinzipien und konkreter Ansatz- und Bewertungsvorschriften untersucht. Der maßgebliche Rechtsstand ist auch hierbei das Jahr 2010. Die einzelnen Untersuchungsetappen werden in ein übergeordnetes Risikomanagementkonzept eingebettet, um eine praktische Umsetzung der vorgeschlagenen Analyseinstrumente und Steuerungsmaßnahmen in bestehende (steuerliche) Risikomanagementsysteme zu erleichtern. Ferner wird hiermit bezweckt, die Notwendigkeit einer mehr oder minder detaillierten Analyse der Zinsschrankenwirkungen von einer strategischen Ebene aus beurteilen zu können. C.
Untersuchungsaufbau
Die Arbeit ist als Anwendungsfall des Tax Risk Management und des Tax Risk Accounting konzipiert. In Anlehnung an den Prozess des (steuerlichen) Risikomanagements werden die Untersuchungsabschnitte in die Phasen Identifikation, Bewertung und Steuerung von Zinsschrankenrisiken eingeteilt. Die im Risikomanagementprozess üblicherweise enthaltene Kon-
4
Vgl. Taetzner, Steuerbelastung, S. 477; Erle, Tax Risk Management, S. 205 ff.; Steiner/Belz, Risikomanagement, ST 2009, S. 95 ff.
Kapitel 1 – Einführung
3
trollphase wird durch die Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken ersetzt.5 Das Management der Zinsschranke bzw. die Antizipation und Vermeidung von zinsschrankeninduzierten Steuerzahlungen wird dementsprechend als integraler Bestandteil eines steuerlichen Risikomanagements verstanden.6 Nach einer kurzen Einführung in die Funktionsweise der Zinsschranke wird im ersten Untersuchungsteil der Untersuchungsgegenstand – das Zinsschrankenrisiko – deduktiv aus dem betriebswirtschaftlichen und steuerlichen Risikoverständnis abgeleitet, dessen abstrakte Einflussfaktoren definiert und ein Ordnungsrahmen aufgespannt. Im Anschluss daran werden die elementaren Steuer- und Erfolgswirkungen der Zinsschranke identifiziert, die die quantitative und bilanzielle Dimension des Zinsschrankenrisikos determinieren. Für diese Zwecke wird eine robuste Kennzahl – der relative Liquiditätsnachteil – zur Messung von zinsschrankeninduzierten Steuerwirkungen entwickelt, die gegenüber der Steuerquote und der Effective Tax Rate insbesondere in Krisenszenarien aussagekräftig bleibt.7 Abschließend wird die empirische Relevanz der Zinsschranke anhand einer Metaanalyse von Studien belegt und der Untersuchungsbereich auf große Unternehmen bzw. Konzerne eingegrenzt.8 Teil II bildet den Untersuchungsschwerpunkt. Hier werden die Ursachen bzw. unterschiedlichen Erscheinungsformen von Zinsschrankenrisiken und deren Einflussfaktoren konkretisiert. Neben der Ergründung von sachlichen Abgrenzungs- bzw. Identifikationsmerkmalen erfordert dies eine umfassende Rechtsanalyse des Normengefüges der Zinsschranke, innerhalb derer die für den Untersuchungsbereich relevanten Rechtsunsicherheiten identifiziert und kritisch erörtert werden.9 Hierbei wird das in der Literatur vorzufindende Meinungsspektrum 5
6
7 8
9
Zur Konzeption des Risikomanagementprozesses vgl. Buderath/Amling, Überwachungssystem, S. 140; Rosenkranz/Missler-Behr, Unternehmensrisiken, 2005, S. 40 ff.; Schradin, Risikomanagement, Sp. 1588. In konzeptioneller Hinsicht ist das Tax Risk Management an den (allgemeinen) Risikomanagementprozess angelehnt; vgl. Schlager, Steuerrechtsprognose, S. 337 ff.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 209 ff.; Elgood/Fulton/Schutzman, Tax, 2008, § 17.03; Taetzner/Büssow, Tax Risk Management, S. 17 f.; Loose, Tax Management, 2009, S. 204 ff. Das Tax Risk Management fügt sich wiederum in die unternehmensweiten Planungs- und Risikomanagementsysteme ein; vgl. Röthlisberger/Zitter, Tax Risk Management, ST 2005, S. 296; Endres et al., Konsequenzen, DStR 2009, S. 2500. Zur schwachen Aussagekraft der ETR in Krisenzeiten vgl. Montag, Steuerquote, S. 555 ff. Zum Konzernbegriff und zur Unternehmenseigenschaft vgl. Busse von Colbe et al., Konzernabschlüsse, 2010, S. 57 ff. Auf Besonderheiten der Zinsschranke bei Einzelunternehmen von natürlichen Personen, Genossenschaften, Stiftungen, Public Private Partnerships, öffentlich-rechtliche Körperschaften sowie der Banken-, Immobilien- und Versicherungsbranche werden nicht eingegangen. Auslegungsfragen im Zusammenhang mit atypisch stillen Gesellschaften werden nicht vertieft, sondern nur innerhalb der Ausführungen zu Gestaltungsoptionen in Teil III gestreift; vgl. hierzu Kraft/Mayer-Theobald, Atypisch stille Gesellschaft, DB 2008, S. 2325 ff.; Häuselmann, Kapitalüberlassungsverhältnisse, FR 2009, S. 511 f.; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 27d u. 126. Auch das sog. Treuhandmodell ist nicht Gegenstand dieser Arbeit; vgl. hierzu Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 456 f.; Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1877 (Fn. 36); van Lishaut/Schumacher/ Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2342. Ebenfalls wird nicht auf die Hinzurechnungsbesteuerung eingegangen; vgl. hierzu Köhler/Haun, Änderungen, Ubg 2008, S. 75 f. Zu Fragestellungen im Zusammenhang mit sog. PPP-Gesellschaften vgl. Komander, Folgen, S. 167 ff. Ferner werden verfahrensrechtliche Zweifelsfragen hinsichtlich der Feststellung von Zinsvorträgen und im Falle unrichtiger Abschlüsse im Rahmen des Equity-Escape (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 14 ff.) nicht diskutiert; zu ersterem vgl. Schaden/Käshammer,
4
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
systematisch analysiert, um Mehrheits- und Mindermeinungen voneinander separieren zu können.10 Darauf aufbauend werden in einem nächsten Untersuchungsschritt ausgewählte Rechtsbeurteilungsrisiken und Sachverhaltsrisiken der Zinsschranke bewertet. Hinsichtlich der qualitativen Rechtsbeurteilungsrisiken werden die Ergebnisse einer Expertenbefragung vorgestellt, die nach der Delphi-Methode durchgeführt wurde. Die quantitativen bzw. quantifizierbaren Sachverhaltsrisiken werden zum einen analytisch und zum anderen mittels einer multivariaten Monte-Carlo-Simulation, deren Ausgangsdaten auf einer empirischen Datengrundlage beruhen, gemessen. In Teil III werden Instrumente zur Steuerung von Zinsschrankenrisiken diskutiert, mittels derer die Steuerwirkungen der Zinsschranke abgemildert oder vermieden werden können. Die Steuerungsphase übernimmt die Funktion einer (proaktiven) Reduktion von Risiken, weshalb nur solche Instrumente bzw. Gestaltungsmöglichkeiten in Betracht gezogen werden, die sich im Rahmen der Rechtsanalyse als rechtssicher bzw. in hohem Maße als durchsetzungswahrscheinlich erwiesen haben. Mit anderen Worten die gewählten Anpassungshandlungen dürfen nicht selbst mit einem Gestaltungsrisiko behaftet sein, weshalb Steuergestaltungen gesetzesund bestenfalls auch verwaltungskonform sein sollten, damit eine planungssichere Steuerungsfunktion gewährleistet ist. In Teil IV wird die bilanzielle Ausstrahlung der qualitativen und quantitativen Untersuchungsergebnisse auf den HGB- und IFRS-Abschluss beleuchtet. Es wird auf Basis des geltenden Rechtsstands eingehend geprüft, unter welchen Voraussetzungen das drohende Eingreifen der Zinsschranke zum Ansatz einer Rückstellung und die drohende Nichtnutzung eines Zinsvortrags zum verminderten Ansatz einer aktiven Steuerlatenz führen. Des Weiteren werden die rechnungslegungsspezifischen Bewertungsgrundsätze und konkreten Bewertungsvorschriften diskutiert, die in Abhängigkeit vom Informationsniveau über zukünftige Entwicklungen unterschiedliche Wertansätze bei der bilanziellen Darstellung von Zinsschrankenrisiken nach sich ziehen. Im Schlussteil V werden zentrale Ergebnisse der Arbeit zusammengefasst und ihre möglichen Implikationen auf das Verhalten von Entscheidungsträgern benannt.
10
Zinsvortrag, BB 2007, S. 2318 und zu letzterem Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 157 u. S. 167 f. Es existiert keine allgemeingültige Definition für eine Mehrheitsmeinung bzw. die „herrschende Meinung“. Vielfach wird zu ihrer Interpretation eine qualitative und quantitative Dimension aufgezeichnet, nach denen es zur Begründung einer herrschenden Meinung nicht nur einer zahlenmäßigen Überlegenheit einer Meinung bedarf, sondern darüber hinaus auch die Expertise und die fachliche Reputation der jeweiligen Meinungsvertreter zu berücksichtigen sei; zu den unterschiedlichen Definitionsversuchen vgl. Tuschak, Rechtskultur, 2009, S. 5 ff. m. w. N. Im Rahmen dieser Arbeit wird für das Begriffsverständnis von herrschender Meinung allein die quantitative Dimension beachtet und hiervon gesprochen, wenn eine Meinung von mehr als zwei Autoren vertreten wird und diese Auffassung etwaigen Gegenmeinungen zahlenmäßig überlegen ist.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
Kapitel 2
5
Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
A.
Funktionsweise der Zinsschranke
I.
Grundtatbestand
Innerhalb der Grenzen des Grundtatbestands der Zinsschranke können Zinsaufwendungen eines Betriebs11 bis zur Höhe der Zinserträge (erster Zinsabzugsfreibetrag) unbeschränkt und darüber hinaus bis zur Höhe des sog. verrechenbaren EBITDA (zweiter Zinsabzugsfreibetrag) beschränkt abgezogen werden (§ 4h Abs. 1 S. 1 EStG).12 Mithin wird der Grundtatbestand der Zinsschranke nur dann eröffnet, wenn die Zinsaufwendungen die Zinserträge übersteigen bzw. der Betrieb über einen negativen Zinssaldo verfügt. Das „verrechenbare EBITDA“ wird gesetzlich definiert als 30% des maßgeblichen Gewinns13 vor Zinssaldo und Abschreibungen14 (§ 4h Abs. 1 S. 2 EStG). Umgangssprachlich wird der maßgebliche Gewinn vor Zinsen und Abschreibungen als „steuerliches EBITDA“ bezeichnet.15 Soweit der negative Zinssaldo diesen zweiten Zinsabzugsfreibetrag unterschreitet, greift die Zinsschranke nicht ein und es entsteht ein EBITDA-Vortrag, der in die folgenden fünf Wirtschaftsjahre vorgetragen werden kann.16 Dieser EBITDA-Vortrag fungiert als dritter Zinsabzugsfreibetrag, wenn der negative Zinssaldo in Folgejahren das verrechenbare EBITDA übersteigen sollte. Der EBITDA-Vortrag wird entsprechend seiner zeitlichen Entstehung nach dem First-in-First-out-Prinzip abgebaut (§ 4h Abs. 1 S. 4 EStG). Soweit die Zinsabzugsfreibeträge überschritten werden, sind die Zinsaufwendungen nicht abziehbar. Jene fließen in einen – zeitlich unbefristeten – Zinsvortrag ein. Ein vorhandener Zinsvortrag wird allein für Zwecke des Grundtatbestands der Zinsschranke als Zinsaufwand zukünftiger Wirtschaftsjahre fingiert und aufgrund dieser Fiktion innerhalb der Zinsabzugsgrenzen nutzbar; er beeinflusst aber nicht den maßgeblichen Gewinn (§ 4h Abs. 1 S. 6 EStG).17 Die Nutzbarkeit von EBITDA- und Zinsvortrag wird jedoch ausgeschlossen, wenn Ereignisse realisiert werden, die die Tatbestandsvoraussetzungen von § 4h
11
12
13 14 15 16
17
Der Betriebsbegriff ist nicht definiert und erschließt sich nur im Auslegungswege. Aus diesem Grund wird er im Schrifttum unterschiedlich interpretiert; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.1, S. 102 ff. Organgesellschaften und Organträger werden als ein Betrieb behandelt (sog. Betriebsfiktion i. S. des § 15 Nr. 3 S. 2 KStG). Zinsaufwendungen werden definiert als Vergütungen für Fremdkapital und Zinserträge als Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art, die den maßgeblichen Gewinn gemindert bzw. erhöht haben (§ 4h Abs. 3 S. 2 f. EStG); vgl. Teil II – Abschn. B.I.3, S. 118 ff. Der maßgebliche Gewinn wird definiert als der steuerliche Gewinn, der sich vor Anwendung der Zinsschranke ergibt (§ 4h Abs. 3 S. 1 EStG). Zu berücksichtigen sind Abschreibungen i. S. der §§ 6 Abs. 2 S. 1, 6 Abs. 2a S. 2, 7 EStG. Vgl. z. B. Rödder, Unternehmensteuerreformgesetz, DStR-Beihefter 2007 zu Heft 40, S. 8; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 70 (Abb. 36). Mit dem sog. Wachstumsbeschleunigungsgesetz (BGBl. I 2009, S. 3950) hat der Gesetzgeber den EBITDAVortrag geschaffen und mit § 52 Abs. 12d S. 5 EStG die Möglichkeit eingeräumt, für zurückliegende Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2006 beginnen und vor dem 01.01.2010 enden, rückwirkend einen EBITDA-Vortrag zu beantragen (sog. fiktiver EBITDA-Vortrag); vgl. Herzig/Liekenbrock, EBITDA-Vortrag, DB 2010, S. 691 f.; Kessler/Lindemer, EBITDA-Puffer, DB 2010, S. 473. Zur Prüfungssystematik des § 4h Abs. 1 EStG vgl. z. B. Lenz/Dörfler/Adrian, Änderungen, Ubg 2010, S. 2 f.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_2, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
6
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Abs. 5 EStG oder bestimmter umwandlungssteuerrechtlicher Vorschriften erfüllen;18 § 8c KStG ist hingegen nur für den Zinsvortrag anwendbar.19 Die vorgenannten einkommensteuerlichen Regelungen finden zwar über § 8 Abs. 1 KStG Eingang in die Ermittlung des körperschaftsteuerlichen Einkommens, jedoch wird für die Anwendung des § 4h Abs. 1 EStG der maßgebliche Gewinn durch das maßgebliche Einkommen ersetzt, um so Einkommenserhöhungen – u. a. aufgrund verdeckter Gewinnausschüttungen – in die Ermittlung des verrechenbaren EBITDA einbeziehen zu können (§ 8a Abs. 1 S. 1, 2 KStG).20 II.
Ausnahmetatbestände
Der Gesetzgeber hat innerhalb des § 4h Abs. 2 EStG Ausnahmetatbestände von der Zinsschranke kodifiziert, um bestimmte Unternehmen in Abhängigkeit von ihrem Finanzierungsvolumen, ihrer Organisationsstruktur oder typischen Kapitalstruktur von den verschärfenden Belastungsfolgen der Zinsschranke auszunehmen. Diese Unternehmen werden vom Generalverdacht der finanzierungsgesteuerten Einkommensverlagerung jedoch nur unter Vorbehalt freigesprochen, da die Ausnahmetatbestände – mit Ausnahme der Freigrenze – stets im Schatten der an sie anknüpfenden Rückausnahmetatbestände stehen.21 1.
Freigrenze
Kleine und mittlere Unternehmen sollen nicht durch die Zinsschranke belastet werden. Aus diesem Grund hat der Gesetzgeber mit § 4h Abs. 2 S. 1 lit. a EStG eine Freigrenze implementiert, die Betriebe von der Zinsschranke ausnimmt, deren negativer Zinssaldo 3 Mio. € unterschreitet.22 Aufgrund der Bezugnahme des Grundtatbestands auf das Wirtschaftsjahr ist die Freigrenze auch im Falle von Rumpfwirtschaftsjahren betragsmäßig unverändert zu berücksichtigen.23 Ausgehend von der Systematik des Grundtatbestands müsste ein etwaig vorhan-
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Zu den schädlichen Ereignissen zählen insbesondere Gesellschafterwechsel und Umstrukturierungen; vgl. bspw. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2318 ff.; Herzig/Liekenbrock, Zinsvortrag, DB 2009, S. 1951 ff. Zu Zweifelsfragen vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.b, S. 138. Zu den paradoxen Vorschriften zum Untergang des EBITDA-Vortrags vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.5.b, S. 153. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 74. Deshalb wird vor der Prüfung der einzelnen Ausnahmetatbestände empfohlen, zunächst deren spezifische Rückausnahmetatbestände zu überprüfen, vgl. Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 600. Zu einem instruktiven Prüfungsschema der Ausnahme- und Rückausnahmetatbestände vgl. Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15869. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 48. Aufgrund der Betriebsfiktion (§ 15 Nr. 3 S. 2 KStG) gilt die Freigrenze für den Organkreis nur einmal; ebenda, S. 77. Sofern ein Konzern über mehrere Organkreise verfügt, kommt für jeden (geschlossenen) Organkreis die Freigrenze zur Anwendung; vgl. Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 83 ff. Vgl. statt aller Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 41.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
7
dener Zinsvortrag bei der Überprüfung, ob die Freigrenze überschritten wird, berücksichtigt werden.24 2.
Stand-alone-Escape
Die Rechtsfolgen der Zinsschranke sollen auch dann nicht greifen, wenn der betrachtete Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört (sog. Stand-alone-Escape gem. § 4h Abs. 2 S. 1 lit. b EStG). Der Gesetzgeber geht davon aus, dass unerwünschte Einkommensverlagerungen mittels Fremdfinanzierungen vorwiegend innerhalb von Konzernstrukturen praktiziert werden.25 Die steuerliche Konzernzugehörigkeit eines Betriebs für Zwecke der Zinsschranke ergibt sich aus § 4h Abs. 3 S. 5 f. EStG. Hiernach werden all jene Betriebe als konzernzugehörig gewertet, die in einen Konzernabschluss einbezogen werden (könnten) oder deren Finanz- und Geschäftspolitik mit einem oder mehreren Betrieben gemeinsam bestimmt werden kann. Damit erfüllen gemeinschaftlich geführte Unternehmen, die nur anteilmäßig in den (steuerlichen) Konzernabschluss einbezogen werden, und Einzelbetriebe, die von natürlichen Personen beherrscht werden, grundsätzlich nicht den Konzerntatbestand der Zinsschranke.26 Der Stand-alone-Escape wird jedoch über die Rückausnahmevorschrift des § 8a Abs. 2 KStG verwehrt, wenn ein wesentlich beteiligter Gesellschafter27, eine diesem nahestehende Person oder ein Dritter, der auf den wesentlich Beteiligten oder den Nahestehenden zurückgreifen kann, der körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft bzw. einer nicht körperschaftsteuerpflichtigen Gesellschaft, die einer Körperschaft nachgeordnet ist (§ 4h Abs. 2 S. 2 EStG), in schädlichem Umfang fremdfinanziert. Eine schädliche Fremdfinanzierung liegt vor, wenn die an den wesentlich Beteiligten, Nahestehenden oder Rückgriffsberechtigten gezahlte Fremdkapitalvergütung 10% oder mehr des (negativen) Zinssaldos der Gesellschaft ausmacht. 3.
Equity-Escape
Konzernzugehörige Betriebe können sich von der Zinsschranke befreien, wenn der Nachweis erbracht wird, dass die nach steuerlichen Vorschriften modifizierte Eigenkapitalquote des Betriebs diejenige des (steuerlichen) Konzerns nicht um mehr als zwei Prozentpunkte unter-
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26 27
Die Berücksichtigung des Zinsvortrags im Rahmen der Freigrenze ist allerdings umstritten vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.a.ii, S. 136. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31. Durch die Substitution von Eigen- in Fremdkapital können grundsätzlich im Inland steuerpflichtige Gewinne in (nicht steuerpflichtige) Fremdkapitalzinsen umqualifiziert und ins niedriger besteuernde Ausland verlagert werden. Zum Anreiz von Konzernen, das internationale Steuersatzgefälle auszunutzen vgl. Lühn, Zielsystem, DK 2008, S. 102 f.; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 14 ff.; Zielke, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, StuW 2009, S. 67 f. Zu sachlichen und zeitlichen Abgrenzungsproblemen des steuerlichen Konzernverständnisses vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.II.1, S. 157 ff. Die Eigenschaft eines wesentlich Beteiligten ist erfüllt, wenn dieser unmittelbar oder mittelbar zu mehr als 25% am Grund- oder Stammkapital der Gesellschaft beteiligt ist.
8
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
schreitet (Equity-Escape gem. § 4h Abs. 2 lit. c EStG).28 In dem erfolgreichen Bestehen des Vergleichs der Eigenkapitalquoten von Betrieb und Konzern sieht der Gesetzgeber eine Rechtfertigungsgrundlage, dass der inländische Betrieb nicht in einem für den Konzern atypischen Umfang fremdfinanziert wird.29 Aber auch die Anwendung dieses Befreiungstatbestands wird von dem Nachweis abhängig gemacht, dass keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung gem. § 8a Abs. 3 KStG vorliegt. Die Definition des wesentlich beteiligten Gesellschafters ist vom Wortlaut zwar nicht vollkommen deckungsgleich mit dem des § 8a Abs. 2 KStG, jedoch stellt § 8a Abs. 3 KStG hinsichtlich derjenigen Personen, die schädliches Fremdkapital vergeben können, grundsätzlich auf einen vergleichbaren Personenkreis ab.30 Dieser Personenkreis wird jedoch aus konzeptionell zwingenden Gründen auf konzernexterne Gesellschafter, Nahestehende und Rückgriffsberechtigte reduziert (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG), weil konzerninterne Darlehen aufgrund der Schuldenkonsolidierung nicht die Eigenkapitalquote des Konzerns, wohl aber diejenige des Betriebs beeinflussen.31 Ferner wird der sachliche Anwendungsbereich der Norm grundsätzlich auf sämtliche Konzerneinheiten ausgedehnt. Auch wenn dies aus dem Wortlaut der Norm nicht hervorgeht, ist es nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht entscheidend, dass der Empfänger des schädlichen Darlehens mit dem Betrieb übereinstimmt, der den Equity-Escape tatsächlich begehrt.32 Vielmehr sind auch Darlehen an irgendeinen konzernzugehörigen Rechtsträger schädlich, die von einem konzernexternen, wesentlich beteiligten Gesellschafter, Nahestehenden oder Rückgriffsberechtigten irgendeiner konzernzugehörigen Gesellschaft stammen. Hiermit möchte der Gesetzgeber Finanzierungsgestaltungen unterbinden, durch die Darlehen von einem konzernexternen Gesellschafter an eine andere – gegebenenfalls ausländische – Konzerngesellschaft ausgegeben werden, die ihrerseits das Fremdkapital wiederum an den betreffenden Inlandsbetrieb weiterreicht (sog. Onlending).33 In diesem Fall wäre der Equity-Escape nämlich nicht mehr als Indikator für eine konzerntypi28
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Die steuerlichen Modifikationen werden in § 4h Abs. 2 lit. c S. 4–7 EStG nur unzureichend geregelt, weshalb die Finanzverwaltung aus Sachgerechtigkeitsgründen die Korrekturvorschriften ergänzt hat, vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 75 f. Dennoch besteht über die exakte Eigenkapitalermittlung von Betrieb und Konzern für Zwecke des Equity-Escape ein sehr breites Meinungsspektrum; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.II.2, S. 164 ff. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31. Es wird eine zu mehr als 25%ige Beteiligung am „Kapital“ und nicht wie in § 8a Abs. 2 KStG eine Beteiligung am „Grund- oder Stammkapital“ gefordert. Zu den sich hieraus ergebenden Zweifelsfragen vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. III.1.a, S. 188. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 75. Andernfalls würde der betreffende Betrieb zweimal sanktioniert, da das konzerninterne Fremdkapital bereits einseitig die Eigenkapitalquote des Betriebs reduziert hat. Mithin werden nur Zinsaufwendungen aus Verbindlichkeiten, die im konsolidierten Konzernabschluss nach § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG ausgewiesen sind, von § 8a Abs. 3 KStG erfasst. Zu den erheblichen Gesetzesmängeln von § 8a Abs. 3 KStG und den hieraus resultierenden Zweifelsfragen vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.III.2.d, S. 195 ff. Die Fremdkapitalaufnahme bei Dritten, die nicht rückgriffsberechtigt sind oder nur auf Konzerngesellschaften zurückgreifen können, und anschließende konzerninterne Durchleitung des Darlehens an den Inlandsbetrieb ist jedoch unschädlich, vgl. Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 600; Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.III.1.c, S. 191.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
9
sche Fremdfinanzierung des Betriebs geeignet, weil sich das Onlending sowohl auf die Eigenkapitalquote des Konzerns als auch auf diejenige des Betriebs auswirkt, obwohl allein die Fremdfinanzierung des Betriebs beabsichtigt ist. B.
Risikoverständnis und Untersuchungsgegenstand
I.
Betriebswirtschaftliches Risiko
In den Wirtschaftswissenschaften hat sich bislang kein einheitlicher Risikobegriff etabliert.34 Dennoch weisen die vielfältigen Risikoverständnisse eine breite gemeinsame Basis mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen bzw. Beurteilungsperspektiven auf.35 Sie lassen sich grob in ursachen- und wirkungsbezogene Risikoverständnisse einteilen. Während erstere eine unsichere Informationsstruktur oder die Gefahr einer Fehlentscheidung innerhalb von Entscheidungssituationen als Risiko begreifen, interpretieren letztere Risiko als die Gefahr einer (negativen) Planabweichung, die sich in betriebswirtschaftlichen Kennziffern niederschlägt.36 In Bezug auf diejenigen Interpretationen, die die Ursachen von Risiko fokussieren, wird zwischen informationsorientierten und entscheidungsbezogenen Risikoverständnissen unterschieden. Im Rahmen der informationsorientierten Auffassungen stehen verschiedene Informationsgrundlagen im Beurteilungsmittelpunkt, anhand derer mit unterschiedlicher Güte Aussagen über zukünftige Entwicklungen getätigt und hieraus Rückschlüsse für die Entscheidungssituation gezogen werden können. Das Risiko wird demnach auf ein latentes Informationsdefizit über die Entscheidungsparameter Umweltzustände, Handlungsalternativen und Ergebnisse zurückgeführt.37 Hingegen wird Risiko innerhalb der entscheidungsbezogenen Interpretationen als Gefahr einer Fehlentscheidung verstanden, die mit der Auswahl und Realisierung einer Entscheidungs- bzw. Handlungsalternative einhergeht. Mit Blick auf eine optimale Zielerreichung wird das Risiko darin gesehen, dass sich die im Entscheidungszeitpunkt ausgewählte Alternative gegenüber verworfenen Alternativen aufgrund tatsächlich verwirklichter Umweltzustände im Nachhinein als die schlechtere Wahlhandlung herausstellt.38 Die Gefahr einer Fehlentscheidung ist jedoch auch nach diesem Verständnis auf eine
34 35
36
37 38
Kromschröder, Unternehmungsbewertung, 1979, S. 18 m. w. N.; Burger/Buchhart, Risiko-Controlling, 2002, S. 1; Schröder, Risikoaggregation, 2005, S. 35. Kupsch, Entscheidungsprozess, 1973, S. 26; Rücker, Umweltrisiken, 1999, S. 29. Zu einem Überblick über die Risikoauffassungen vgl. Streitferdt, Risikotheorie, 1973, S. 5 ff.; Mag, Risikoverständnisse, S. 478 ff.; Imboden, Risikohandhabung, 1983, S. 40 ff. Zu diesem Systematisierungsansatz vgl. Braun, Risikomanagement, 1984, S. 22 ff.; Fasse, RiskManagement, 1995, S. 44 ff.; Schulte, Kreditinstitute, 1998; S. 11; Rücker, Umweltrisiken, 1999, S. 29 ff.; Dobler, Risikoberichterstattung, 2004, S. 9 ff.; Fiege, Risikomanagement, 2006, S. 37 ff.; Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 11 ff. Andere Gliederungen finden sich bspw. bei Streitferdt, Risikotheorie, 1973, S. 5 ff.; Imboden, Risikohandhabung, 1983, S. 40 ff. Vgl. Fasse, Risk-Management, 1995, S. 46; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 13 ff.; Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 10 f.; Schradin, Risikomanagement, Sp. 1587. Vgl. Mag, Risikoverständnisse, S. 479 f.; Imboden, Risikohandhabung, 1983, S. 45 f.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 15 ff.; Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 13.
10
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
unzureichende Informationsgrundlage zurückzuführen, weshalb sie als Spezialfall der informationsbezogenen Auffassung gewertet werden kann.39 In jüngeren Literaturbeiträgen wird zur Definition von Risiko nicht strikt zwischen Ursachen und Wirkungen getrennt. Vielmehr wird eine Synthese beider Beurteilungsperspektiven auf der Grundlage eines (teilweise) bestimmbaren Ursache-Wirkungszusammenhangs40 befürwortet. Hiernach entsteht Risiko aufgrund von unvollständigen Informationen über zukünftige Entwicklungen einer Disposition, das sich materiell in einer (negativen) Zielverfehlung auswirken kann.41 Zudem können sich das Informationsniveau und die Zielwirkung im Zeitablauf verändern, weshalb dem Risikoverständnis auch eine zeitliche Komponente innewohnt.42 Mithin kann Risiko durch die drei Komponenten Informationsniveau, Zielwirkung und Zeitbezug beschrieben werden.43 1.
Informationsniveau
Im Zeitpunkt der Beschreibung von Risiken bzw. der Entscheidungshandlung bestehen qualitativ unterscheidbare Informationsniveaus bezüglich der zukünftig möglichen Ergebnisse einer Disposition. Bei der Prognose von Eintrittswahrscheinlichkeiten und quantitativen Auswirkungen eines Risikos bzw. der Entwicklung von zukünftigen Umweltzuständen kann zwischen folgenden Formen der Unsicherheit bzw. des Informationsniveaus unterschieden werden:44
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41
42 43
44
Ebenso Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 12 f. Zur Strukturierung des Ursache-Wirkungszusammenhangs im Rahmen der Risikoanalyse vgl. Schuy, RisikoManagement, 1989, S. 67 ff.; Helten/Hartung, Instrumente, S. 257 f.; Rosenkranz/Missler-Behr, Unternehmensrisiken, 2005, S. 189; Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 18 ff. Vgl. Imboden, Risikohandhabung, 1983, S. 51; Helten, Risikokonstrukt, S. 21; Fasse, Risk-Management, 1995, S. 54; Schulte, Kreditinstitute, 1998, S. 12; Rücker, Umweltrisiken, 1999, S. 32; Liekweg, Risikomanagement, 2003, S. 62; Dobler, Risikoberichterstattung, 2004, S. 10; Schröder, Risikoabhängigkeiten, DB 2008, S. 1981; IDW, EPS 340, IDW-FN 1998, S. 486, Rz. 3; Gleißner, Risikomanagement, 2008, S. 9; Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 25. Vgl. Albach, Unsicherheit, Sp. 4037 f.; Braun, Risikomanagement, 1984, S. 40; Luhmann, Soziologie, 1991, S. 59. Vgl. Kupsch, Entscheidungsprozess, 1973, S. 32; Braun, Risikomanagement, 1984, S. 31 f.; Helten, Risikokonstrukt, S. 21; Rücker, Umweltrisiken, 1999, S. 32 f.; Schröder, Risikoaggregation, 2005, S. 39 ff.; Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 25 ff. Diese Systematisierungsform entspricht einem entscheidungstheoretischen Ansatz, vgl. Albach, Unsicherheit, Sp. 4037 f.; Williams/Smith/Young, Risk management, 1998, S. 10 ff.; Weber/Weißenberger/Liekweg, Risk Tracking, S. 13; Liekweg, Risikomanagement, 2003, S. 66; Rosenkranz/Missler-Behr, Unternehmensrisiken, 2005, S. 58; Fiege, Risikomanagement, 2006, S. 41. Zur Abgrenzung des entscheidungstheoretischen vom informationstheoretischen und verhaltenswissenschaftlichem Ansatz vgl. bspw. Braun, Risikomanagement, 1984, S. 32 ff.; Fasse, Risk-Management, 1995, S. 46.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
11
Informationsniveau
Charakteristika
1. Sicherheitssituation
Konsequenzen aus einer Entscheidung sind bekannt (Bsp. Zinszahlung für ein festverzinsliches Darlehen).
2. Risikosituation
Es liegen objektive Eintrittswahrscheinlichkeiten für alle zukünftigen Umweltzustände vor.
3. Ungewissheitssituation
Es können subjektive Eintrittswahrscheinlichkeiten für alle Umweltzustände ermittelt werden.
4. Unsicherheit 1. Ordnung
Sämtliche Umweltzustände sind bekannt, jedoch können keine Aussagen über die Eintrittswahrscheinlichkeiten gemacht werden.
5. Unsicherheit 2. Ordnung
Die möglichen Umweltzustände und ihre Eintrittswahrscheinlichkeiten sind nicht allesamt bekannt.
Tabelle 1: Informationsniveau
Der Entscheidungssituation bei vollkommener Sicherheit über die zukünftigen Entwicklungen (Sicherheitssituation) soll an dieser Stelle keine nähere Beachtung geschenkt werden, da die meisten unternehmerischen Entscheidungen in der Realität mit dem Wissen getroffen werden, dass die zukünftigen Ergebnisse bzw. Konsequenzen aus der Entscheidung nicht mit Sicherheit vorausgesehen werden können.45 Vielmehr wird im Rahmen dieser Arbeit der Risiko- und Ungewissheitssituation elementare Bedeutung beigemessen. In beiden Fällen ist zwar die Menge an zukünftigen Umweltzuständen bekannt, jedoch ist die Qualität des Wissens über die Eintrittswahrscheinlichkeiten verschieden. Während für die Risikosituation objektive Wahrscheinlichkeiten charakteristisch sind, kennzeichnen (inter-)subjektive Wahrscheinlichkeiten die Ungewissheitssituation.46 Allerdings existiert keine einheitliche Auffassung über die inhaltliche Konzeption von Wahrscheinlichkeiten,47 weshalb die Abgrenzung von objektiven und subjektiven Wahrscheinlichkeiten entscheidend von der Interpretation des Wahrscheinlichkeitsbegriffs abhängt.48 Die Untersuchung folgt einer frequentistischen Wahrscheinlichkeitsauffassung und interpretiert objektive Wahrscheinlichkeiten als relative Häufigkeiten von Ergebnissen, die sich in der
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47
48
Fasse, Risk-Management, 1995, S. 46; Rosenkranz/Missler-Behr, Unternehmensrisiken, 2005, S. 53; Wöhe/Döring, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 101 f. Vgl. Gutenberg, Unternehmensführung, 1962, S. 78; Graf v. d. Schulenberg, Wahrscheinlichkeit, S. 40 ff.; Knight, Uncertainty, 1957, S. 19 f. u. 197 ff. In Teilen der Literatur wird die formale Unterscheidung von Ungewissheits- und Risikosituation abgelehnt, da in der Realität nur selten objektive oder intersubjektiv nachvollziehbare Wahrscheinlichkeiten existieren und meist mit subjektiven Wertung vermengt sind, vgl. Kupsch, Entscheidungsprozess, 1973, S. 27 f.; Braun, Risikomanagement, 1984, S. 24 f. Vgl. Helten, Entscheidungsverfahren, 1973, S. 3; Eisenführ/Weber/Eisenführ-Weber, Entscheidungstheorie, 2003, S. 151 f. Einigkeit herrscht allerdings über die mathematischen Eigenschaften von Wahrscheinlichkeiten, denn für sie gelten die drei Axiome von Kolmogoroff, vgl. hierzu Eisenführ/Weber/Eisenführ-Weber, Entscheidungstheorie, 2003, S. 21; Bücker, Statistik, 2003, S. 122 f. Zu den verschiedenen Wahrscheinlichkeitsinterpretationen bzw. -typen vgl. Knight, Uncertainty, 1957, S. 224 f.; Helten, Entscheidungsverfahren, 1973, S. 3 ff.; Streitferdt, Risikotheorie, 1973, S. 57 ff.; Eisenführ/Weber/Eisenführ-Weber, Entscheidungstheorie, 2003, S. 152 ff.; Bücker, Statistik, 2003, S. 122 ff.
12
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Vergangenheit ereignet haben (z. B. historische Wachstumsraten des EBITDA) – obgleich Objektivität in einem strengen Sinne nicht erreichbar ist.49 Mit der Unsicherheitssituation1. Ordnung wird eine Entscheidungs- bzw. Beurteilungssituation beschrieben, in der zwar die zukünftigen Umweltzustände bekannt sind, jedoch für ihr Eintreten keine Wahrscheinlichkeitsverteilung ermittelbar ist. In Abgrenzung hierzu sind in der Unsicherheitssituation2. Ordnung noch nicht einmal die potenziell möglichen Umweltzustände bekannt.50 Die Abgrenzung von verschiedenen Informationsniveaus ist in methodischer Hinsicht bedeutsam, da die Anwendung statistischer Verfahren zur Berechnung von Risikomaßen entscheidend von der Bestimmbarkeit der Umweltzustände und ihren Eintrittswahrscheinlichkeiten abhängig ist.51 Schlussendlich gilt es darauf hinzuweisen, dass stets von einer richtigen Informationsgrundlage ausgegangen wird. Der Informationsmangel besteht lediglich aufgrund einer unvollständigen, nicht aber aufgrund einer falschen Informationsgrundlage. Sobald man sich von dieser Prämisse löst, sind Fehlinformationen als Folge menschlicher, technischer und organisatorischer Schwächen eine zu berücksichtigende Risikoquelle.52 2.
Zielwirkung
In Abhängigkeit vom Informationsniveau sind der Eintritt und die Wirkung eines Risikos ungewiss. Die ökonomische Wirkung eines Risikos drückt sich materiell in einer betriebswirtschaftlichen Größe aus, wenn die Möglichkeit besteht, dass jene von ihrem vorgegebenen Soll- bzw. Zielwert abweichen könnte – mithin sind finanzielle Ziele von Relevanz.53 Ob nur die negative oder auch die positive Planabweichung tatsächlich als Risiko verstanden wird, hängt von der jeweiligen Interpretation ab. Diesbezüglich hat sich in der Literatur eine an finanziellen Zielgrößen orientierte Risikoauffassung etabliert, die zwischen einem reinen und einem spekulativen Risiko differenziert. Während unter reinem Risiko eine Schadengefahr, die mit einem unmittelbaren Vermögensverlust einhergeht,54 verstanden wird, umfasst das 49
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52 53 54
Vgl. Sinn, Entscheidungen, 1980, S. 21; Eisenführ/Weber/Eisenführ-Weber, Entscheidungstheorie, 2003, S. 155; Bücker, Statistik, 2003, S. 124; Mosler/Schmid, Wahrscheinlichkeitsrechnung, 2006, S. 38 ff. Es gibt Ansätze, die unter Einsatz der Spieltheorie und bei unterstelltem Rationalverhalten des Entscheidungsträgers subjektive Wahrscheinlichkeiten in sog. äquivalent objektive Wahrscheinlichkeiten überführen; vgl. Sinn, Entscheidungen, 1980, S. 21 ff. Vgl. nur Albach, Unsicherheit, Sp. 4037 f. Vgl. Makridakis/Wheelwright, Forecasting, S. 171; Braun, Risikomanagement, 1984, S. 31 m. w. N.; Helten/Hartung, Instrumente, S. 261 ff.; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 140; Dobler, Risikoberichterstattung, 2004, S. 17; Schradin, Risikomanagement, Sp. 1589. Vgl. Bussmann, Risiko, 1955, S. 7; Wittmann, Unternehmung, 1959, S. 37; Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 12. Vgl. Helten, Risikokonstrukt, S. 23 ff.; Kupsch, Risikomanagement, S. 530. Ein Risiko kann aber auch nicht monetäre Zielstellungen des Unternehmens gefährden, vgl. Haller, Eckpunkte, S. 18 f. Es handelt sich hierbei um Risiken, bei denen ein Schaden eintritt oder nicht eintritt (Blitzeinschlag, Erdbeben etc.). Solche Risiken können häufig auf Versicherungsunternehmen übertragen werden, vgl. Braun, Risi-
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
13
spekulative Risiko sowohl potenzielle Chancen als auch Verlustgefahren aus unternehmerischen Entscheidungen. Hierbei stehen Chancen für positive und Verlustgefahren für negative Planabweichungen, die aus unsicheren Ergebnissen des unternehmerischen Handelns resultieren.55 In Bezug auf Risiken, die aus dem unternehmerischen Handeln erwachsen, wird auch von Risiken im engeren und im weiteren Sinne gesprochen. Eine weite Definition erfasst neben der Verlustgefahr auch den Chancenaspekt (spekulatives Risiko), während eine enge Definition lediglich Verlustgefahren – also negative Planabweichungen – fokussiert.56 In den weiteren Ausführungen wird Risiko nach einer engen Begriffsdefinition (Risiko i. e. S.) verstanden und klar vom Chancenbegriff abgegrenzt. Damit die Auswirkung eines Risikos auf die unternehmerische Zielstellung quantitativ beschrieben werden kann, müssen Art, Höhe und Eintrittswahrscheinlichkeit bestimmt werden. Die Art des Risikos leitet sich aus der festgelegten Zielgröße ab.57 Sie ist somit abhängig vom angestrebten oder subjektiv unterstellten Ziel.58 Das Risikoausmaß bzw. die Risikohöhe bemisst sich nach der negativen Differenz zwischen dem zukünftig realisierten Wert und dem vorgegebenem Zielwert59 – es handelt sich hierbei um ein mehrwertiges Ergebnis.60 Ein Risiko wird schlagend, wenn eine positive Zielgröße (Erlöse) unterschritten bzw. eine negative Zielgröße (Kosten) überschritten wird.61 Konkrete Angaben über die Wahrscheinlichkeitsverteilung möglicher Zielrealisationen sind vom Informationsniveau abhängig. Die Risikointensität gibt die Wahrscheinlichkeit an, mit der eine Zielgröße möglicherweise unterschritten wird.62
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62
komanagement, 1984, S. 29; Rosenkranz/Missler-Behr, Unternehmensrisiken, 2005, S. 20. Zur funktionsbereichsspezifischen Abgrenzung von reinen und spekulativen Risiken vgl. Hoffmann, Risk Management, 1985, S. 35 ff. Vgl. Mahr, Versicherungswirtschaft, 1951, S. 22; Hoffmann, Risk Management, 1985, S. 10 f. m. w. N.; Fasse, Risk-Management, 1995, S. 67 f.; Guserl, Risiko-Management, ZfB 1996, S. 525; Rosenkranz/ Missler-Behr, Unternehmensrisiken, 2005, S. 20 ff.; Schradin, Risikomanagement, Sp. 1585. Vgl. Moxter, KonTraG, BB 1997, S. 722 f.; Kless, Unternehmensrisiken, DStR 1998, S. 93; Kromschröder/ Lück, Unternehmensüberwachung, DB 1998, S. 1573; Bitz, Risikomanagement, 2000, S. 13 ff. Kupsch, Risikomanagement, S. 530. Allgemein zur Zielbestimmtheit von Entscheidungssituationen vgl. Heinen, Entscheidungen, 1976, S. 49 ff. Vgl. Haan, Risikopolitik, 1984, S. 13 m. w. N.; Luhmann, Soziologie, 1991, S. 11; Schulte, Kreditinstitute, 1998, S. 11; Rücker, Umweltrisiken, 1999, S. 34; Helten/Hartung, Instrumente, S. 257; Schröder, Risikoaggregation, 2005, S. 50. Sofern ex post die Optimalität der Entscheidungshandlung gemessen werden soll, müssen neben dem vorgegebenen Soll-Wert zusätzlich die Ist-Werte der verworfenen Alternativen als Vergleichsgrößen herangezogen werden. Der beste Ist-Wert der verworfenen Alternativen markiert die Untergrenze bei der Überprüfung der Zielerreichung. Sofern dieser unterschritten wird, ist im Nachhinein eine Fehlentscheidung zu konstatieren; hierzu Kupsch, Risiken, WiSt 1975, S. 154. Da a priori mehrere Wertausprägungen denkbar sind, wird auch von Zielabweichungshöhen- oder Schadenhöhenverteilung gesprochen, vgl. Helten/Hartung, Instrumente, S. 260; Schradin, Risikomanagement, Sp. 1589. Vgl. Braun, Risikomanagement, 1984, S. 39 f.; Schuy, Risiko-Management, 1989, S. 19 f.; Fasse, RiskManagement, 1995, S. 57 ff.; Rücker, Umweltrisiken, 1999, S. 34; Schröder, Risikoaggregation, 2005, S. 48 ff.; Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 25 f. Vgl. Kupsch, Entscheidungsprozess, 1973, S. 31; Fasse, Risk-Management, 1995, S. 59; Brebeck/Herrmann, Frühwarnsystem, WPg 1997, S. 383; Schröder, Risikoaggregation, 2005, S. 43 u. 45 ff. Die Wahrscheinlich-
14
3.
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Zeitbezug
Die Beurteilung von Risiken erfolgt ebenso wie die Festlegung von Zielgrößen zu bestimmten Zeitpunkten und für einen bestimmten Zeitraum. Innerhalb dieses Zeitraumes oder zu festgelegten Zeitpunkten kann überprüft werden, ob das Risiko schlagend geworden ist oder nicht. Die Zielvorgaben gelten zwar grundsätzlich für den gesamten Zeitraum, jedoch sind auch innerperiodische Zielanpassungen denkbar. Zudem kann das Informationsniveau im Zeitablauf variieren und eine Änderung der Annahmen über die Eintrittswahrscheinlichkeiten und die potenzielle Zielverfehlung bewirken.63 II.
Steuerliches Risiko
Auch im steuerlichen Schrifttum hat sich bislang keine allgemeingültige Definition für steuerliche Risiken etabliert.64 Anstatt sich auf eine abstrakte Definition zu verständigen, werden in der Literatur häufig praxisrelevante, steuerliche Gefahrenherde beleuchtet, die im Zusammenhang mit unternehmerischen Aktivitäten typischerweise vorzufinden sind (z. B. vGARisiken).65 Die im Schrifttum vorzufindenden Definitionen des Steuerrisikos können mit folgender Formulierung auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden: Steuerrisiken erwachsen aus einem Informationsdefizit über zukünftige Besteuerungsfolgen, die die unternehmerischen Zielgrößen bzw. das im Dispositionszeitpunkt aufgestellte Planungskalkül negativ beeinflussen können.66 Somit wird auch das steuerliche Risikoverständnis von einer kombinierten Betrachtung der Ursachen und ihrer ökonomischen Wirkungen geprägt und kann durch die im vorangegangenen Abschnitt dargestellten Risikokomponenten Informationsniveau, Zielwirkung und Zeitbezug beschrieben werden. Bezüglich seiner Zielwirkung stellt das Steuerrisiko ein Risiko i. e. S. dar.
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66
keitsverteilung über das potenzielle Risikoausmaß wird auch als Zielabweichungszahl- oder Schadenzahlverteilung bezeichnet; vgl. Helten/Hartung, Instrumente, S. 260; Schradin, Risikomanagement, Sp. 1589. Vgl. Braun, Risikomanagement, 1984, S. 40 f.; Ahlbrecht, Zeitbezug, 1996, S. 13 ff.; Rücker, Umweltrisiken, 1999, S. 35; Schröder, Risikoaggregation, 2005, S. 40 ff.; Siepermann, Risikokostenrechnung, 2008, S. 26 f. Vgl. Kaiser, Steuerberatung, 1995, S. 2 ff.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 4 f.; Mach, Anteilsübertragungen, 2008, S. 22 f. Vgl. Schmidt et al., Steuerrisiken, S. 315 ff.; Krüger, Fallstricke, S. 404 u. 418 ff.; Rose, Versteckte Steuerrisiken, S. 534; Marx/Löffler, Tax Due Diligence, StuB 2000, S. 335 ff.; Brans/Feyerabend, Risk Management, BB 2004, S. 1995; v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 124 f. Vgl. Findeisen, Steuerbetriebslehre, 1923, S. 163 ff.; Backhaus, Steuerrisiko, 1955, S. 10 ff.; Schlager, Steuerrechtsprognose, S. 336; Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 482; Marx/Löffler, Tax Due Diligence, StuB 2000, S. 334; Röthlisberger/Zitter, Tax Risk Management, ST 2005, S. 296 f.; Wacker/Seibold/Oblau, Lexikon, 2005, S. 293 f.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 27 ff.; Müller/Wobbe, Bonitätsmanagement, BB 2007, S. 1493; Elgood/Fulton/Schutzman, Tax, 2008, § 11.02; Freidank/Mammen, Reporting, ZCG 2008, S. 286; Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote, 2008, S. 129 f.; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 26, Rz. 31.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
1.
15
Charakterisierung und Ursachen von steuerlichen Informationsdefiziten
Im steuerlichen Schrifttum ist anerkannt, dass die Aussagequalität über zukünftige steuerrechtliche Entwicklungen vom Informationsniveau im Beurteilungszeitpunkt abhängig ist.67 Zur Beschreibung des steuerlichen Informationsniveaus wird in weiten Teilen der Literatur zwischen eingrenzbarer und nicht eingrenzbarer (bzw. uneingrenzbarer) Ungewissheit unterschieden.68 Ein Fall von eingrenzbarer Ungewissheit liegt demnach vor, wenn subjektive oder objektive Kenntnisse über die Extrempositionen bestehen und sich hieraus eine Bandbreite von zukünftigen steuerlichen Rechtsfolgen ableiten lässt. Im Umkehrschluss liegt ein Fall von nicht eingrenzbarer Ungewissheit vor, wenn eben keine Bandbreite über die Besteuerungskonsequenzen angegeben werden kann.69 Diese pauschale Charakterisierung der Ungewissheit weist zwar eine gewisse Nähe zu der Differenzierung in der betriebswirtschaftlichen Risikolehre auf (vgl. Tabelle 1, S. 11),70 sie berücksichtigt aber nicht explizit die Kenntnis über die Menge an zukünftig realisierbaren Umweltzuständen, sondern lediglich die Extrempositionen – also zwei diametrale Umweltzustände.71 Im Grundsatz ist diese pauschale Differenzierung zur Beurteilung steuerrechtsbezogener Unsicherheiten auch sinnvoll, denn in vielen Fällen wird es bereits schwierig genug sein, die Extrempositionen auf Basis subjektiver Werturteile abzuschätzen.72 Aufgrund der Charakteristik der noch zu definierenden Zinsschrankenrisiken soll zur Beschreibung des Informationsniveaus aber an der Terminologie der Risikolehre festgehalten werden. Die steuerrechtsspezifische Unsicherheit bzw. Ungewissheit kann auf mehrere wesensbestimmende Ursachen zurückgeführt werden. So können in praxi steuerliche Informationsdefizite aufgrund der Komplexität und Kompliziertheit des Steuerrechts und der Vielfalt besteuerungsrelevanter Sachverhalte entstehen.73 Des Weiteren lassen sich als zentrale Unsicherheits67
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73
Vgl. Schramm, Ungewissheitsanalyse, 1989, S. 8; Rose, Steuerlehre, 1992, S. 281 f.; Voß, Ungewissheit, 1992, S. 26 f.; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 140; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 64 f.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 27. Diese Differenzierung geht nach eigener Aussage zurück auf Rose, Eigenschaften, S. 104 (Fn. 97). Vgl. Rose, Eigenschaften, S. 104 ff.; Sommer, Außenprüfungen, 1983, S. 31; Woltermann, Tatbestände, 1988, S. 18 f.; Schramm, Ungewissheitsanalyse, 1989, S. 8; Voß, Ungewissheit, 1992, S. 52 ff.; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 65. Vgl. Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 65 (Fn. 10). Hingegen stellt Wacker nicht auf eine Bandbreite ab, sondern bezieht in seine Umschreibung der Eingrenzbarkeit von Steuerrisiken das Vorhandensein objektiver, intersubjektiver oder subjektiver Wahrscheinlichkeiten mit ein; vgl. Wacker, Steuerrisiken, S. 260. Schneider unterteilt die Unsicherheitssituation in Ungewissheit und Informationsrisiko. Im Falle der Ungewissheit ist die Zustandsmenge bekannt, die jeweiligen Eintrittswahrscheinlichkeiten aber nicht zwingend. Informationsrisiken liegen nach seiner Definition vor, wenn die Menge zukünftiger Umweltzustände unbekannt ist; vgl. Schneider, Unternehmensrisiko, S. 64 f.; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 140. Da es sich bei Steuerrisiken meist um Einzelereignisse handelt, wird die Angabe zustandsbezogener Eintrittswahrscheinlichkeiten auf Basis von empirischen Erfahrungswerten nur in Ausnahmefällen möglich sein. Allgemein wird für das Steuerrecht die Existenz von objektiven Wahrscheinlichkeiten über ungewisse Besteuerungskonsequenzen verneint; vgl. Eisenach, Steuerplanung, 1974, S. 200; Paulus, Ziele, 1978, S. 179; Schlager, Steuerrechtsprognose, S. 345; Rollig, Steuerpolitik, 1980, S. 163 f.; Voß, Ungewissheit, 1992, S. 27. Vgl. Rose, Eigenschaften, S. 101; Schramm, Ungewissheitsanalyse, 1989, S. 12 ff.
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Teil I – Grundlagen der Untersuchung
quellen des Steuerrechts die Unbestimmtheit und Unbeständigkeit der Rechtsnormen und Norminterpretationen anführen. Denn für die Steuergesetze sind unbestimmte und deshalb auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe charakteristisch, die eine sichere Antizipation der Besteuerungsfolgen verwehren.74 Zudem unterliegen viele Steuerrechtsnormen einem raschen Wandel, womit die Dauerhaftigkeit einer getroffenen Sachverhaltswürdigung gefährdet ist.75 Daneben sind auch langwierige Rechtsprechungsprozesse und Änderungen von Rechtsauffassungen der Finanzgerichtsbarkeit zu berücksichtigen, was die steuerliche Informationsgrundlage zusätzlich erschüttert.76 Ferner kann sich der Zeitraum der Ungewissheit aufgrund des Besteuerungsverfahrens (Deklaration, Veranlagung und Betriebsprüfung) verlängern und den Steuerpflichtigen in einen Schwebezustand77 versetzen.78 Denn grundsätzlich besteht die Möglichkeit, dass Steuerverwaltungsakte bzw. Steuerbescheide nachträglich geändert werden (§ 129, §§ 130 f., §§ 172 ff. AO), unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ergehen (§ 164 AO) und/oder die Steuerfestsetzung vorläufig erfolgt (§ 165 AO).79 Erst mit Ablauf der Festsetzungsfrist (§ 169 AO) oder nach Abschluss der Betriebsprüfung besteht Sicherheit über die Besteuerungskonsequenzen einer Disposition, sofern nicht danach der Weg durch die gerichtlichen Instanzen beschritten wird.80 Aus den Ausführungen geht hervor, dass die steuerliche Informationsgrundlage nicht nur im Beurteilungszeitpunkt unvollständig ist, sondern zusätzlich im Zeitablauf variieren kann. Deshalb ist der zeitlichen Komponente bei der Beurteilung von Steuerrisiken eine hohe Bedeutung beizumessen.81 Des Weiteren ist zu konstatieren, dass Komplexität und Kompliziertheit des Steuerrechts bzw. des besteuerungsrelevanten Lebenssachverhalts in Abhängigkeit von den individuellen Fähigkeiten und Möglichkeiten des Steuerpflichtigen bzw. seiner Berater bewältigt werden kön-
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Vgl. Rose, Eigenschaften, S. 101 f.; Schneider, Unternehmensrisiko, S. 75 ff.; Schramm, Ungewissheitsanalyse, 1989, S. 22 ff. Obgleich ihrer fehlenden Rechtsverbindlichkeit für den Steuerpflichtigen sind insbes. Norminterpretationen der Finanzverwaltung als Unsicherheitsfaktoren zu nennen. Z. T. werden die Verwaltungserlasse erst einige Zeit nach Einführung der Steuernorm veröffentlicht, sodass die Rechtsbeurteilungssicherheit eingeschränkt ist; vgl. zu diesem Problem Rose, Eigenschaften, S. 103; Voß, Ungewissheit, 1992, S. 39 ff.; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 76 ff. Vgl. Rose, Steuerwirkungslehre, S. 232 f.; Schmidt et al., Steuerrisiken, S. 315 ff.; Schramm, Ungewissheitsanalyse, 1989, S. 28 ff.; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 67 ff. Vgl. Rose, Eigenschaften, S. 103 f.; Schramm, Ungewissheitsanalyse, 1989, S. 41 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 89 f. Zu dieser Charakterisierung vgl. Schramm, Ungewissheitsanalyse, 1989, S. 38. Zu den Phasen des Besteuerungsprozesses vgl. Rose, Steuerrechtssprünge; Rödder, Steuerplanungslehre, BB 1988, Beilage 19 zu Heft 34, Beilage 19 zu Heft 34, S. 4 ff.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 42 ff. Vgl. Schramm, Ungewissheitsanalyse, 1989, S. 37 ff.; Henselmann/Rose, Steuer-Risikomanagement, S. 191 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 82 f. Vgl. Herzig/Heimig/Vossel, Tax Accounting, DB 2009, S. 2613; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRSKommentar, § 26, Rz. 31. Zur Differenzierung von zeitpunkt- und zeitraumbezogenen steuerlichen Ungewissheiten unterscheidet Voß zwischen statischer und dynamischer Ungewissheit. Komplexität, Kompliziertheit und Unbestimmtheit können als Erscheinungsformen der statischen Ungewissheit und Unbeständigkeit sowie Schwebezustand als Erscheinungsformen der dynamischen Ungewissheit bezeichnet werden; vgl. Voß, Ungewissheit, 1992, S. 27 ff.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
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nen.82 Da die Verarbeitungskapazität und die Informationsgewinnungsqualität in der Realität beschränkt sind, kann eine unvollständige Informationsgrundlage auch durch individuelle Fehler sowie Mängel im steuerökonomischen Entscheidungsprozess begründet werden.83 2.
Systematisierung der Erscheinungsformen von steuerlichen Risiken
Wie dargelegt lassen sich steuerliche Informationsdefizite auf objektiv beobachtbare Missstände des Steuerrechts (Unbestimmtheit und Unbeständigkeit) sowie auf individuelle bzw. subjektive Fehler (u. a. aufgrund von Komplexität und Kompliziertheit des Steuerrechts) der mit der Steuerrechtsanwendung betrauten Personen zurückführen.84 Damit ein möglichst hoher Grad an Allgemeingültigkeit der Aussagen über Steuerrisiken erreicht werden kann, soll jedoch fehlerhaftes Verhalten bei der Rechtsanwendung nicht zur Systematisierung herangezogen und nachfolgend vernachlässigt werden. Ferner wird unterstellt, dass im Beurteilungszeitpunkt sämtliche zur Verfügung stehenden oder ermittelbaren Informationen verwertet werden.85 Aufgrund der Unbestimmtheit steuerlicher Normen können objektive Beurteilungsschwierigkeiten bestehen, wenn die Sachverhaltswürdigung und Entscheidungshandlung durch einen hohen Grad an Rechtsauslegung gekennzeichnet sind (Rechtsbeurteilungsrisiken).86 Zudem erwachsen aus der Unbeständigkeit von Steuergesetzgebung und Rechtsprechung Rechtsänderungsrisiken.87 Von diesen originär steuerrechtsbezogenen Risiken sind Risiken zu unterscheiden, bei denen die Besteuerungsfolgen trotz beständiger und bestimmter Steuerrechtslage nicht sicher antizipiert werden können. Sie resultieren primär aus Veränderungen der außersteuerrechtlichen und wirtschaftlichen Umwelt, die den besteuerungsrelevanten Sachverhalt und dessen genaue Tatbestandsverwirklichung beeinflussen. Das Steuerrecht tritt hier nur als sekundäre Unsicherheitsquelle in Erscheinung, da es nicht entscheidungsneutral ausgestaltet ist.88 Mit Bezug zu Veränderungen der wirtschaftlichen Rahmendaten soll von (objektiven) Sachverhaltsrisiken89 und mit Bezug zu Rechtsänderungen außerhalb des Steuer82 83 84 85
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Vgl. Schlager, Steuerrechtsprognose, S. 349; Voß, Ungewissheit, 1992, S. 32; Henselmann/Rose, SteuerRisikomanagement, S. 189; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 64. Vgl. Schlager, Steuerrechtsprognose, S. 338 f.; Rose, Steuerwirkungslehre, S. 232; Voß, Ungewissheit, 1992, S. 27; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 166 f. Zu letzterem Aspekt vgl. Rose, Eigenschaften, S. 97; Henselmann/Rose, Steuer-Risikomanagement, S. 189. Zu diesen Annahmen vgl. Rose, Steuerpraxis, S. 47; Voß, Ungewissheit, 1992, S. 27. Auf der Grundlage des Systematisierungsansatzes von Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 483 ff., berücksichtigt Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 169 ff., explizit Informationsdefizite aufgrund fehlerhafter Rechtsanwendung. Vgl. Kormann, Steuerpolitik, 1970, S. 48; Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 488 f.; Henselmann/Rose, SteuerRisikomanagement, S. 190. Ludenia ordnet die Beurteilungsrisiken zwar den (subjektiven) Rechtsanwendungsrisiken zu, erkennt aber an, dass diese nicht allein auf Fehlverhalten zurückführbar, sondern ebenfalls Begleiterscheinung der unsicheren Steuerrechtsmaterie sind; vgl. Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 234. Vgl. Kormann, Steuerpolitik, 1970, S. 48 f.; Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 490 ff.; Kraft, Gefahren, S. 87 ff.; Henselmann/Rose, Steuer-Risikomanagement, S. 190; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 174 ff.; Marx, Steuerrechtsrisiken, SteuerStud 2009, S. 2. Vgl. Schneider, Unternehmensbesteuerung, 1994, S. 57 f.; Abschn. B.II.3.c, S. 26. Vgl. Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 484 ff.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 215 ff.; Marx, Steuer-
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Teil I – Grundlagen der Untersuchung
rechts soll von außersteuerlichen Rechtsänderungsrisiken gesprochen werden.90 Risiken im Zusammenhang mit illegalem Verhalten, das steuerstrafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann, sind nicht Gegenstand dieser Untersuchung.91 a.
Rechtsänderungsrisiken
Die Steuergesetzgebung hat sich in den vergangenen Jahrzehnten als sehr volatil erwiesen, weshalb sie eine eigene Unsicherheitsquelle darstellt und eine exakte Steuerplanung über einen längeren Zeitraum erschwert;92 hierfür sind die im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 ergangenen Gesetzesänderungen ein eindrucksvoller Beleg.93 Als Gründe für den stetigen Gesetzeswandel können Diskontinuitäten der Legislaturperioden94, veränderte wirtschaftliche Rahmenbedingungen, mangelhafte Gesetzesqualität95 und systemimmanente Mängel des Steuerrechtssystems96 angeführt werden. Durch Steuerrechtsänderungen kann die im Beurteilungszeitpunkt eingenommene Steuerposition nachträglich entwertet werden und in Abhängigkeit ihres Ausmaßes sogar so weit führen, dass dem Steuerpflichtigen die Dispositionsgrundlage entzogen wird.97 Gesetzesänderungen können auf den Dispositionszeitpunkt zurückwirken oder den sich anschließenden Realisierungszeitraum betreffen.98 Aufgrund der Gefahr von Steuerrechtsänderungen wird das im Beurteilungszeitpunkt bestehende Informationsdefizit potenziert.99 Sie sind als steuerliches Rechtsänderungsrisiko wahrzunehmen, wenn sich die steuerliche Rechtsunsicherheit in einem Planungssachverhalt konkretisiert und hierdurch die ökonomischen Zielstellungen negativ beeinträchtigt werden können.100
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rechtsrisiken, SteuerStud 2009, S. 2. Außersteuerliche Rechtsänderungsrisiken werden in Teilen der Literatur auch unter sog. Rechtsbestandsrisiken subsumiert; vgl. Kraft, Gefahren, S. 90; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 187 ff. Das Informationsdefizit drückt sich hier in der Unsicherheit darüber aus, ob das illegale Verhalten tatsächlich entdeckt und geahndet wird; vgl. hierzu Hundsdoerfer, Steuerhinterziehung, 1996, S. 13 ff.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 260 ff. Vgl. Herzig, Steuerrecht, BB 2000, S. 1863 f.; Schaumburg, Planungssicherheit DB 2000, S. 1884; Henselmann/Rose, Steuer-Risikomanagement, S.190; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 69 f. Zur Änderungshäufigkeit von Steuergesetzen vgl. die empirische Untersuchung von Brähler, Steuerbelastungsvergleiche, DBW 2008, S. 660 ff. Zu einer Einführung in die Reformthemen vgl. Rödder, Unternehmensteuerreformgesetz, DStR-Beihefter 2007 zu Heft 40. Vgl. Kirchhof, Verfassung, 1995, S. 111; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 69 f. Vgl. Rose, Steuerpraxis, S. 70 f.; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 67 f.; Schön, Steuervereinfachung, StuW 2002, S. 28. Vgl. Rose, Steuerpraxis, S. 70; Jachmann, Steuervereinfachung, S. 1078 ff.; Schön, Steuervereinfachung, StuW 2002, S. 30 ff.; Rose, Steuerpraxis, S. 70. Vgl. Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 490; Herzig, Steuerrecht, BB 2000, S. 1865; Schaumburg, Planungssicherheit, DB 2000, S. 1884 f. Zum Verbot der Rückbewirkung von Rechtsfolgen bzw. der echten Rückwirkung vgl. Kirchhof, Rückwirkung, StuW 2000, S. 221 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rz. 170 ff. Vgl. Schneider, Unternehmensbesteuerung, 1994, S. 55 f.; Brähler, Steuerbelastungsvergleiche, DBW 2008, S. 659. Vgl. Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 175 f.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
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Jedoch werden Rechtsänderungsrisiken nicht allein vom Gesetzgeber verursacht, sondern können ebenso durch die Judikative in Form von sog. Steuerrechtssprüngen herbeigeführt werden. Diese liegen vor, wenn eine tradierte Rechtsauffassung bezüglich einer auslegungsbedürftigen Norm im Zeitablauf revidiert wird.101 Daneben können für den verwaltungstreuen Rechtsanwender auch Neuerscheinungen oder Änderungen von Erlassen und Richtlinien der Finanzverwaltung zu Rechtsunsicherheit führen und deshalb ein steuerliches Rechtsänderungsrisiko begründen.102 Aufgrund ihrer Funktion als norminterpretierende Instanz und der fehlenden Rechtsverbindlichkeit der Regularien für den Steuerpflichtigen sind die von der Finanzverwaltung ausgelösten Unsicherheiten jedoch streng genommen den steuerlichen Beurteilungsrisiken zuzuweisen (vgl. Abschn. B.II.c, S. 20). Aufgrund der skizzierten Gesetzgebungsquantität ist die Antizipation von zukünftigen Besteuerungsfolgen auf Basis des im Beurteilungszeitpunkt vorherrschenden Steuerrechtsgefüges nur sehr eingeschränkt möglich.103 Die gesonderte Prüfung der jeweiligen Einzelnormen ergibt, ob eher ein mittel- bis langfristiger oder eher ein kürzerer Planungshorizont für die Bestimmung der zukünftigen Besteuerungskonsequenzen sinnvoll erscheint.104 Zwar werden umfassendere Reformbestrebungen mit zeitlichem Vorlauf angekündigt,105 jedoch sind die sich hieraus ergebenden, konkreten Besteuerungsfolgen häufig nur grob abschätzbar, da bei vielen Gesetzesinitiativen erst im Endstadium des parlamentarischen Gesetzgebungsprozesses der finale Gesetzeswortlaut bekannt wird.106 Zudem sind insbesondere neue Rechtssetzungen aufgrund handwerklicher Schwächen in der Gesetzeskonzeption und -formulierung gestaltungsanfällig und deshalb korrekturbedürftig.107 Dementsprechend ist für Gestaltungsmaßnahmen, die auf Gesetzeslücken basieren, im Zweifel eine besonders kurze Wirksamkeit anzunehmen, da zu erwarten ist, dass die von der Gesetzgebung nicht gewollten Gesetzeslücken alsbald durch Steueränderungs- oder Jahressteuergesetze geschlossen werden.108 101
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Zur Wortschöpfung des Steuerrechtssprungs und seiner inhaltlichen Ausfüllung vgl. Rose, Steuerrechtssprünge, S. 292 ff.; derselbe, Steuerrechtsrisiken, 1995, S. 491 ff. Eine Übersicht über beobachtete Steuerrechtssprünge findet sich bei Voß, Ungewissheit, 1992, S. 92 ff. Jüngst Lohse/Zanzinger, Rechtsprechungsänderungen 2009, DStR 2010, S. 1298 ff. Vgl. Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 490 f.; Henselmann/Rose, Steuer-Risikomanagement, S. 191; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 174. Zum „Gesetzgebungsaktionismus“ vgl. Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 71 ff. Anhaltspunkte zur Erhöhung des Informationsniveaus bei dynamischer Steuerrechtsentwicklung geben Wehmeyer, Steuerliche Planung, 1967, S. 34 ff.; Heigl/Melcher, Steuerpolitik, 1974, S. 54 ff.; Brähler, Steuerbelastungsvergleiche, DBW 2008, S. 665 f. Rose, Eigenschaften, S. 102. Dies gilt auch für die Einführung der Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform 2008. Erste Reformvorschläge zur Erneuerung des steuerlichen Zinsabzugs wurden bereits in 2006 angekündigt; vgl. Kröner/Esterer, Verhaltensmuster, DB 2006, S. 2084 ff. Vgl. Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 76. So wurde erst auf Empfehlung des Finanzausschusses der maximale Zinsabzug um Abschreibungen erhöht und auf 30% des steuerlichen EBITDA festgelegt. Im Gesetzesentwurf war der Zinsabzug noch auf 30% des steuerlichen EBIT beschränkt; vgl. BT-Drs. 16/5491, S. 17. Rose, Eigenschaften, S. 101 f. sowie die Liternaturnachweise in Fn. 95. Hierzu bereits Kormann, Steuerpolitik, 1970, S. 48 f. Auch im Normengefüge der Zinsschranke wurden
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Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Steuerrechtsprünge können definitionsgemäß nicht in ein Planungskalkül einbezogen werden, da die Änderung einer tradierten Rechtsauffassung für den Steuerpflichtigen überraschend eintritt.109 Dementsprechend können auch gegen diese Form der Rechtsänderung keine proaktiven Maßnahmen eingeleitet werden, sondern der Steuerpflichtige kann hierauf allenfalls mit Berufung auf den Vertrauensschutz seinen Dispositionsschutz einfordern.110 b.
Außersteuerliche Rechtsänderungsrisiken
Die steuerliche Tatbestandsverwirklichung des wirtschaftlichen Sachverhalts ist entscheidend von der rechtlichen Einkleidung desselben abhängig, welche wiederum in hohem Maß durch zivil-, sozial- und handelsrechtliche Vorgaben bestimmt wird.111 Somit können Rechtsänderungen außerhalb des Steuerrechts die steuerliche Tatbestandsverwirklichung unabhängig von der ökonomischen Sachverhaltsentwicklung beeinflussen und unerwartete Besteuerungsfolgen herbeiführen.112 Beispielhaft seien die steuerlichen Auswirkungen des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetzes (BilMoG) erwähnt,113 von denen auch die Zinsschranke erfasst wird. So haben sich durch das BilMoG Veränderungen bei der handelsrechtlichen Konzerndefinition ergeben, die in bestimmten Fällen auch die steuerliche Konzernabgrenzung für Zwecke des Stand-alone- und Equity-Escape tangieren.114 Durch den unmittelbaren Bezug auf das nationale und internationale Handelsrecht im Rahmen der Konzernabgrenzung und der Eigenkapitalquotenermittlung werden handelsrechtliche Problemstellungen in das Steuerrecht hineingetragen, die ein weiteres Konfliktfeld mit der Finanzverwaltung begründen können.115 Risiken im außersteuerlichen Rechtsbestand sind jedoch nicht Gegenstand der weiteren Untersuchungen. c.
Rechtsbeurteilungsrisiken
Eng verknüpft mit Steueränderungen sind die steuerlichen Rechtsbeurteilungsrisiken. Denn häufig fehlt es neu geschaffenen oder modifizierten Normen an einer abgesicherten Rechtsauslegung. Sofern weder der Gesetzeswortlaut noch dessen amtliche Begründung eine hinreichend objektive Würdigung der Tatbestandsverwirklichung und Rechtsfolgen zulassen und
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112 113 114
115
Gestaltungslücken kurze Zeit nach ihrer Inkraftsetzung geschlossen vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. C.I, S. 211. Vgl. Rose, Bundesfinanzhof, S. 282 ff.; derselbe, Steuerrechtsprechung, Stbg 1999, S. 401 ff. Vgl. Rose, Steuerrechtssprünge, S. 298; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 106 ff. Zum Verhältnis von Steuerrecht und Zivilrecht vgl. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 1, Rz. 16 ff. Zum Verhältnis von ökonomischer Zielrealisation und rechtlicher Tatbestandsmäßigkeit vgl. Wagner, Normkritik, StuW 1992, S. 8 ff. Vgl. Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 188 f. Vgl. Strahl, Auswirkungen, KÖSDI 2008, S. 16290 ff.; Herzig/Briesemeister, Abweichungen, DB 2009, S. 1 ff.; Scheffler, BilMoG, StuB 2009, S. 45 ff. Zu den Zinsschrankenwirkungen des BilMoG vgl. Dettmeier, Auswirkungen, NWB 2008, S. 3166; Herzig/Briesemeister, Bilanzrechtsmodernisierung, DB 2009, S. 982; Krain, Konzernbegriff, StuB 2009, S. 486; Ortmann-Babel/Bolik/Gageur, BilMoG, DStR 2009, S. 936. Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 473 f.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
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sich im Beurteilungszeitpunkt häufig noch keine Literatur- oder Verwaltungsmeinung herausgebildet hat, besteht eine objektive Ungewissheit über die richtige Rechtsauslegung.116 Dieser Befund kann in idealtypischer Ausprägung am Beispiel der Zinsschranke nachvollzogen werden. Denn wie in Kapitel 1 von 0 veranschaulicht wird, steht der Rechtsanwender vor einer Fülle von offenen Fragen, wie er das Normengefüge der Zinsschranke sachgerecht bzw. rechtssicher anzuwenden hat. Ferner steht der Steuerpflichtige nach seiner Dispositionsentscheidung und andauerndem Auslegungsvakuum vor dem Problem, dass er sich spätestens bei Abgabe der Steuererklärung hinsichtlich der ungewissen Rechtslage positionieren muss. Mit seiner (subjektiven) Positionierung läuft er sodann Gefahr, dass sich seine Auffassung aufgrund von später erscheinenden, überzeugenden Literaturmeinungen, Verwaltungserlassen oder Urteilen als falsch erweist.117 Mithin müssen im Zeitpunkt der Dispositionsentscheidung nicht nur die Ungewissheit der Rechtslage an sich, sondern darüber hinaus auch die wirtschaftlichen Folgen einer potenziellen Falschbeurteilung (z. B. Nachzahlungszinsen) berücksichtigt und als Wirkungen von steuerlichen Rechtsbeurteilungsrisiken wahrgenommen werden.118 Gerade die jüngere Vergangenheit hat gezeigt, dass die Finanzverwaltung zur Auslegung neuer Gesetze teilweise eine überraschende Rechtsauffassung vertritt. In diesen Fällen kann sich der Steuerpflichtige entweder der restriktiven Verwaltungsauffassung unterwerfen oder den Weg über die Finanzgerichtsbarkeit wählen, um seine eingenommene Rechtsposition zu verteidigen.119 Jedoch sind Beurteilungsrisiken insgesamt für das Steuerrecht charakteristisch, weil viele Normen aufgrund ihrer teilweisen Unbestimmtheit und fehlenden Präzision in hohem Maße auslegungsbedürftig sind.120 Deshalb können im Steuerrecht neben den objektiv ersichtlichen Rechtsungewissheiten auch Änderungen von als sicher geglaubten Rechtsbeurteilungen nachgewiesen werden.121 Von Schrifttum und Verwaltung ursprünglich als richtig beschienene
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120
121
Vgl. Kormann, Steuerpolitik, 1970, S. 48 Vgl. Paulus, Ziele, 1978, S. 176 f.; Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 488 f.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 245 f. Auch über das Einholen einer verbindlichen Auskunft (§ 89 Abs. 2 AO) lässt sich nur bedingt Rechtssicherheit erzielen, da insbes. bezüglich objektiver Rechtsunsicherheiten (bspw. aufgrund von Rechtsänderungen) und im Falle der Steuervermeidungsplanung keine verbindlichen Auskünfte erteilt werden; vgl. hierzu ausführlich Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 700 ff. Vgl. Henselmann/Rose, Steuer-Risikomanagement, S. 191. Sofern der Steuerpflichtige den Klageweg beschreitet, wird vereinzelt von einem Prozessrisiko gesprochen, vgl. Kormann, Steuerpolitik, 1970, S. 49. Zum Problem der Streitanfälligkeit des Steuerrechts vgl. auch BT-Drs. 17/2296. Vgl. Rose, Steuerpraxis, S. 70; derselbe, Steuerlehre, 1992, S. 13; Schneider, Unternehmensbesteuerung, 1994, S. 56; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 67. Grundsätzlich weist jedoch jedes abstrakt formulierte Gesetz eine Ungewissheit bezüglicher seiner richtigen Auslegung auf; vgl. Voß, Ungewissheit, 1992, S. 33 f. Zu Beispielen vgl. Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 489 f.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 254 ff.
22
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Rechtsauffassungen können durch erstmals das Problem beleuchtende Urteile oder überzeugende Aufsätze erschüttert werden.122 Objektive Rechtsauslegungsunsicherheiten, die bereits in Fachbeiträgen identifiziert und kommentiert wurden, können in gewissem Maße in das Planungskalkül einbezogen werden. Hingegen entziehen sich überraschende Veränderungen in der Rechtsbeurteilung regelmäßig sowohl objektiven als auch subjektiven Anhaltspunkten, weshalb dieses Phänomen ein nahezu nicht kalkulierbares Rechtsbeurteilungsrisiko entfaltet.123 d.
Sachverhaltsrisiken
Da die Besteuerungsfolgen an die Verwirklichung von bestimmten Tatbestandsvoraussetzungen anknüpfen, muss auch der zugrunde liegende Sachverhalt verwirklicht sein.124 Sofern die genaue Sachverhaltsentwicklung bzw. die zukünftige Entwicklung einer Disposition im Beurteilungszeitpunkt nicht bekannt ist, sind folglich auch die Besteuerungsfolgen unsicher.125 Die ökonomische Unsicherheit überträgt sich somit auf die steuerliche Informationsgrundlage.126 Bei Annahme eines beständigen und hinreichend bestimmten Steuerrechts determinieren die ökonomischen Umweltzustände die Besteuerungskonsequenzen. Die Unsicherheit bezüglich zukünftiger Tatbestandsverwirklichungen ist ausschließlich auf die ökonomische Unsicherheit über die tatsächliche Sachverhaltsentwicklung zurückzuführen, weshalb bei solchen (derivativen) Sachverhaltsrisiken kein steuerrechtsbezogenes Risiko eigener Art gegeben ist.127 Hingegen liegt ein originär steuerliches Sachverhaltsrisiko vor, wenn die Gefahr einer Sachverhaltsumdeutung im Zusammenhang mit steuerlichen Gestaltungsmaßnahmen besteht. Bei dem Versuch, bestimmte Tatbestandsverwirklichungen mittels gezielter Sachverhaltsgestaltung zu vermeiden oder herbeizuführen, kann ein originäres Sachverhaltsrisiko dadurch entstehen, dass die Finanzverwaltung die Gestaltung als Missbrauch wertet und der Sachverhalt zulasten des Steuerpflichtigen umgedeutet wird (§ 42 AO).128 Sodann würde die angestrebte (Nicht-)Verwirklichung von Steuertatbeständen verfehlt und die Steuerfolgen würden höher ausfallen.
122 123 124 125 126 127
128
Vgl. Voß, Ungewissheit, 1992, S. 53; Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 489 f.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 253. Vgl. Rose, Eigenschaften, S. 104 ff. Zur Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (§ 38 AO) vgl. Kruse, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 38 AO, Rz. 6 ff.; Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rz. 150. Kormann, Steuerpolitik, 1970, S. 49 f.; Henselmann/Rose, Steuer-Risikomanagement, S. 188 f. Vgl. Rollig, Steuerpolitik, 1980, S. 159 ff.; Schneider, Unternehmensbesteuerung, 1994, S. 57; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 216. Vgl. Voß, Ungewissheit, 1992, S. 32; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 194. Zur expliziten Trennung von ökonomischer und steuerrechtsbezogener Unsicherheit im Rahmen der Steuerbilanzpolitik vgl. Börner/Krawitz, Steuerbilanzpolitik, 1977, S. 102. Vgl. Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 485 f.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 222 ff. Zu § 42 AO i. d. F. des JStG 2008 vgl. bspw. Drüen, § 42 AO, Ubg 2008, S. 31 ff.; Fischer, § 42 AO, FR 2008, S. 306 ff. Hierzu und zu dem Verwaltungsschreiben zu § 42 AO vgl. Hey, Gestaltungsmissbrauch, BB 2009, S. 1044 ff.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
23
Im Falle von derivativen Sachverhaltsrisiken ist die Prognose von pozentiellen Steuerfolgen allein abhängig vom Informationsniveau über die ökonomische Sachverhaltsentwicklung. Demgegenüber wird die Gefahr einer Sachverhaltsumdeutung durch die Finanzverwaltung insbesondere von der individuellen Sachverhaltsgestaltung und der Entdeckungswahrscheinlichkeit der Steuerumgehung geprägt sein. Hierüber werden sich bestenfalls subjektive Einschätzungen anhand bereits gefällter Urteile abgeben lassen.129 Im Rahmen dieser Arbeit werden originär steuerliche Sachverhaltsrisiken und das Verhältnis der Zinsschrankennormen zu § 42 AO nicht weiter beleuchtet. 3.
Steuerökonomische Zielwirkung
Zur Beurteilung des ökonomischen Ausmaßes eines schlagend werdenden Steuerrisikos bedarf es zunächst einer Eingrenzung der potenziellen Auswirkungen von Steuern auf die ökonomische Zielstellung des Unternehmens (Steuerwirkungen).130 Steuern können sich auf die Liquidität, das Vermögen und die Organisation (sog. elementare Steuerwirkungen)131 sowie auf Rentabilität und Risiko eines Unternehmens auswirken,132 weshalb zur Beurteilung der Zielerreichung von geplanten und realisierten Dispositionen Nachsteuergrößen heranzuziehen sind.133 Darüber hinaus können veränderte steuerliche Rahmenbedingungen das Verhalten der Marktakteure verändern, wodurch die ökonomischen Zielstellungen des Unternehmens ebenfalls beeinträchtigt werden können.134 Sofern aufgrund der vorgenannten Auswirkungen von Steuern Entscheidungsänderungen herbeigeführt werden, kann dies als Steuerwirkung eigener Art bezeichnet werden.135 a.
Dispositionsbezogene (elementare) Steuerwirkungen
Die sog. elementaren Steuerwirkungen entfalten in kombinierter oder isolierter Form ihre betriebswirtschaftliche Relevanz nur in Verbindung mit geplanten oder realisierten Dispositionsentscheidungen. Mithin sind sie Folge einer betriebswirtschaftlichen Dispositionsentschei-
129
130 131 132 133 134 135
Die zu § 42 AO a. F. getroffenen Judikate fielen größtenteils zugunsten der Steuerpflichtigen aus, sodass in der Vergangenheit eher ein geringes Bedrohungspotenzial von dieser Norm ausging. Zudem haben die Finanzgerichte mit ihrer Auslegung von § 42 AO a. F. die Planungssicherheit gefördert; vgl. Rose/GloriusRose, § 42 AO, DB 2004, S. 2174 ff. Zur Zielbestimmtheit und materiellen Zielwirkung von Steuern im Allgemeinen vgl. Wagner/Dirrigl, Steuerplanung, 1980, S. 9 ff.; Hundsdoerfer/Kiesewetter/Sureth, Bestandsaufnahme, ZfB 2008, S. 64 u. 67. Vgl. Rose, Steuerwirkungslehre, S. 225 f.; derselbe, Steuerlehre, 1992, S. 15 f. Vgl. Cansier, Investitionsrisiko, S. 255; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 24 f. Vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 20. Zu den marktbestimmten Steuerlasten und ihren Auswirkungen vgl. Schneider, Unternehmensbesteuerung, 1994, S. 57 ff.; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 30 f.; Lammersen, Steuerberatung, 2005, S. 32 ff. In der Literatur wird teilweise die Auffassung vertreten, dass eine Steuerwirkung nur vorliegt, wenn Steuern eine Entscheidungsänderung herbeiführen; vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 19 f.; Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 528; krit. Rose, Steuerwirkungslehre, S. 224 f.
24
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
dung und werden in ihrer Gesamtheit auch als dispositionsbezogene Steuerwirkungen bezeichnet.136 Steuerzahlungen sind Geldleistungen ohne besondere Gegenleistung (§ 3 AO), die für den Steuerschuldner einen Liquiditätsentzug darstellen.137 Sie können aufgrund eigener Steuerverbindlichkeiten des Unternehmens oder aber durch Dritte (z. B. Arbeitnehmer) veranlasst sein.138 Da das Unternehmen bzw. der Unternehmer aufgrund des fehlenden Leistungsaustausches für persönliche Steuerschulden keinen korrespondierenden Vermögensvorteil in der Bilanz ansetzen kann, ist mit dem Liquiditätsentzug zwangsläufig auch eine Reinvermögensminderung verbunden. Ferner muss das Unternehmen eine Informations- und Abwicklungsorganisation installieren oder beauftragen, damit die gesetzlichen Dokumentations- und Erklärungspflichten eingehalten sowie die steuerspezifischen Informationsbedürfnisse der Entscheidungsträger bedient werden können.139 Die Kosten für die Implementierung und Unterhaltung der erforderlichen Organisationsstrukturen führen regelmäßig zu einem Liquiditätsund Vermögensentzug beim Unternehmen (Steuerverwaltungskosten bzw. Tax Compliance Costs).140 Aufgrund umfassender Informationsgewinnungsaktivitäten fallen bereits im Zeitpunkt der Beurteilung von Steuerrisiken Steuerverwaltungskosten an.141 Diese entstandenen Kosten sind einer risikobewussten Unternehmensplanung bzw. dem Bestreben nach verbesserter Dispositionssicherheit geschuldet und stellen demnach realisierte und nicht etwa pozentielle Steuerwirkungen dar.142 Deshalb sind sie nicht in die Ermittlung der potenziellen Zielverfehlung einzubeziehen. Anderes gilt hingegen für etwaige Kosten zur Abwehr von negativen Besteuerungskonsequenzen (z. B. Verhandlungen mit der Betriebsprüfung und/oder Rechtsberatungsund Prozesskosten).143 Jene werden erst durch ein schlagend werdendes Steuerrisiko ausgelöst und stellen eine unmittelbare Steuerwirkung dar, die in die Ermittlung der potenziellen Zielverfehlung einzubeziehen ist.
136 137 138 139 140
141 142 143
Vgl. Rose, Steuerwirkungslehre, S. 226 f. m. w. N.; derselbe, Steuerlehre, 1992, S. 16 f. Im umgekehrten Fall – der Steuererstattung – erfährt der Steuerpflichtige einen Liquiditätszuwachs. Vgl. Rose, Steuerwirkungslehre, S. 225 f.; derselbe, Steuerlehre, 1992, S. 15 f.; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 24. Ausführlich vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 78. Zum Begriff und zur Berücksichtigung von Steuerverwaltungskosten vgl. Wacker, Steuerplanung, 1979, S. 163; Wagner, Steuervereinfachung, StuW 2005, S. 94 ff. Die Zinsschranke führt insbesondere bei Inanspruchnahme ihrer Ausnahmetatbestände zu einer Erhöhung der Steuerverwaltungskosten; vgl. Kußmaul/Zabel, Substanzbesteuerung, BB 2007, S. 973; Ortmann-Babel/Bolik/Fuest, Beurteilung, DStR 2010, S. 1869 f. Vgl. Hundsdoerfer, Einkommenserzielung, 2002, S. 14 f. Zu diesem Problem vgl. Rose, Steuerrechtssprünge, S. 297 f. Zu den Kosten des Steuerstreits vgl. Balmes/Felten, Steuerstreit, DStZ 2010, S. 454 ff.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
b.
25
Quantifizierung von Steuerrisiken und Zielerreichungsgrad
Die Quantifizierung von Steuerrisiken ermöglicht die Einbeziehung der Gefahr einer nicht zielkonformen Entwicklung von Steuerwirkungen in das Planungskalkül des Entscheidungsträgers. Steuerrisiken begründen gleichfalls ein betriebswirtschaftliches Risiko, wenn das potenzielle Ausmaß der steuerlichen Zielverfehlung so hoch ist, dass die ökonomische Zielstellung (z. B. Sollertrag) bedroht wird. Von einem quantifizierbaren Steuerrisiko kann gesprochen werden, wenn auf Basis des steuerlichen Informationsniveaus Aussagen über die Ausmaße und die Verteilung der zukünftigen Steuerwirkungen getroffen werden können. Das zustandsbezogene Ausmaß des Steuerrisikos bemisst sich in Höhe der potenziellen Unterschreitung einer angestrebten von der zukünftig realisierten Steuerwirkung.144 Insbesondere zur Beurteilung von einkommensabhängigen Steuerwirkungen wird das Ausmaß der Zielverfehlung regelmäßig über eine Relation von Ertragsteuerwirkung zu ökonomischer Zielgröße (vor Steuern) dargestellt (z. B. Steuerquote).145 Anhand der Verteilung der potenziellen Steuerwirkungen kann die Volatilität des Steuerrisikos abgeschätzt werden. Eine aussagekräftige Verteilung erfordert jedoch mehr als zwei steuerliche Extrempositionen, da aus der abgesteckten Bandbreite lediglich eine Gleichverteilung hervorgeht, die keine gehaltvolle Aussage über die Streuung der Zustandsrealisationen zulässt. Deshalb sollte aus methodischen Gründen im Rahmen der Quantifizierung von Steuer- bzw. Zinsschrankenrisiken eine Zustandsmenge mit mehr als zwei Zuständen betrachtet und für diese spezifische Eintrittswahrscheinlichkeiten ermittelt werden.146 Die optimale Zielerreichung ist gefährdet, wenn Dispositionsentscheidungen aufgrund steuerrechtlicher Veränderungen nachträglich entwertet werden. Dies wäre zum einen der Fall, wenn positive Veränderungen der steuerlichen Rahmenbedingungen aus zeitlichen Gründen nicht (mehr) für die Disposition geltend gemacht werden können, und zum anderen, wenn die Disposition aus sachlichen Gründen nicht die Tatbestände der neuen Rechtslage verwirklicht und sich hierdurch eine im Entscheidungszeitpunkt verworfene als die nachträglich bessere Alternative herausstellt.147
144 145 146
147
Vgl. Schlager, Steuerrechtsprognose, S. 342; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 34 f. Zur Aussagekraft zieladäquat definierter Steuerquoten vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 10 f.; Lammersen, Steuerberatung, 2005, S. 74 ff. Da Steuerrisiken regelmäßig ein geringes Informationsniveau aufweisen, wird für Zwecke ihrer Quantifizierung auch das sog. Drei-Werte-Verfahren empfohlen, welches die potenziellen Steuerwirkungen in Form einer Dreiecksverteilung wiedergibt. Vgl. Rose, Steuerberatung, S. 49 f.; derselbe, Steuerrechtssprünge, 1989, S. 298; Wacker, Steuerrisiken, S. 260; Voß, Ungewissheit, 1992, S. 53. Zur Berechnungsmethodik vgl. Teil IV – Kapitel 3 – Abschn. A.II.2, S. 348. Zu den Ergebniswirkungen von Veränderungen steuerlicher Rahmenbedingungen vgl. Rose, Steuerrechtssprünge, S. 295 ff.; Schneider, Unternehmensbesteuerung, 1994, S. 55 ff.; Rose, Steuerrechtsrisiken, S. 482.
26
c.
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Entscheidungswirkungen von Steuern und Steuerrisiken
Potenziell realisierbare Steuerwirkungen sollten a priori im Rahmen von Dispositionsentscheidung berücksichtigt werden.148 Denn bereits im Zustand vollkommener Sicherheit über die ökonomische und steuerrechtsbezogene Informationsgrundlage kann die Berücksichtigung von Steuern eine Veränderung der Rangfolge von verschiedenen Dispositionsalternativen und mithin eine Entscheidungsbeeinflussung bewirken.149 Diese denkbare Entscheidungswirkung von Steuern ist auf die Tatsache zurückzuführen, dass wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte nicht zwingend gleich besteuert werden. Denn in Abhängigkeit von der rechtlichen und finanziellen Einkleidung sowie von der örtlichen und zeitlichen Realisierung des wirtschaftlichen Sachverhalts bestimmt das Steuerrecht unterschiedliche Besteuerungskonsequenzen – es ist nicht entscheidungsneutral.150 Sofern man nun in sein (rationales) Entscheidungskalkül den ökonomischen Unsicherheitsaspekt bezüglich der Realisierung von angestrebten Zielwerten einbeziehen möchte und zunächst von steuerrechtsbezogenen Unsicherheiten abstrahiert, können die Steuerwirkungen in Abhängigkeit von den potenziell realisierbaren Umweltzuständen der jeweiligen Dispositionsalternativen aufgrund der Entscheidungsaneutralität des Steuerrechts unterschiedlich hoch ausfallen. Hieraus kann ein Einfluss der Besteuerung auf die mit der Dispositionsalternative eingenommene ökonomische Risikoposition erwachsen, die in Abhängigkeit von den individuellen Risikopräferenzen des Entscheiders ebenfalls eine Rangfolgeveränderung im Vergleich zur Entscheidungssituation vor Steuern bewirken kann. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Beschränkungen bei der steuerlichen Verlust- und (Zins-)Aufwandsverrechnung zu nennen, die die Bereitschaft des Entscheidungsträgers hemmen können, vergleichsweise risikoreiche Dispositionen zu tätigen.151 Das Entscheidungsproblem verschärft sich, wenn man neben der ökonomischen auch die steuerrechtsbezogene Unsicherheit berücksichtigen möchte.152 Mit der Berücksichtigung von allen denkbaren Steuerwirkungen erweitert sich das Spektrum an zukünftig realisierbaren
148 149 150
151
152
Vgl. Klimmek, Risikoneigung, 1986, S. 109 f.; Rose, Steuerrechtssprünge, S. 297. Vgl. Wagner/Dirrigl, Steuerplanung, 1980, S. 33 f.; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 25; Lammersen, Steuerberatung, 2005, S. 15 ff. Zur (fehlenden) Entscheidungsneutralität des Steuerrechts vgl. Wagner, Normkritik, StuW 1992, S. 2; Herzig/Watrin, Anforderungen, StuW 2000, S. 379 ff.; Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 13 ff.; König/Wosnitza, Steuerwirkungslehre, 2004, S. 139 ff; Schneider, Finanzierungsneutralität, zfbf 2009, S. 126 ff. Zu den Wirkungen von Steuern auf Investitions- und Finanzierungsentscheidungen sowie auf die Wettbewerbssituation und Verteilungsfolgen vgl. Lammersen, Steuerberatung, 2005, S. 15 ff. Vgl. Domar/Musgrave, Risk-Taking, QJOE 1944, S. 388 ff.; Schneider, Risikobereitschaft, zfbf 1977, S. 649 f.; Cansier, Investitionsrisiko, S. 259 f. u. 276; Buchholz/Konrad, Risiko und Steuern, S. 82 ff.; Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 137 ff. Zu den Auswirkungen sich verändernder steuerlicher Rahmenbedingungen auf Investitions- und Finanzierungsentscheidungen rational handelnder Entscheidungsträger vgl. Schneider, Steuerwirkung, 2002, S. 137 ff.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
27
Ergebnissen, was wiederum zu einer veränderten Rangfolge der Dispositionsalternativen gegenüber der Entscheidungssituation bei rein ökonomischer Unsicherheit führen könnte.153 III. Zinsschrankenrisiken Die vorherigen Ausführen zu ökonomischen und steuerlichen Risiken waren notwendig, um den Untersuchungsgegenstand dieser Arbeit „Zinsschrankenrisiken“ inhaltlich ausfüllen zu können. Denn hierbei handelt es sich nicht um einen wesenseigenen und autonom zu definierenden Risikobegriff, sondern vielmehr um eine Wortschöpfung, die inhaltlich anhand der beschriebenen Charakteristika und Erscheinungsformen von ökonomischen und steuerlichen Risiken erklärt und belebt werden muss. Nachfolgend sollen die mit der Zinsschranke verbundenen Unsicherheiten voneinander abgegrenzt und der Begriff des Zinsschrankenrisikos definiert werden. Ferner sollen ein Ordnungsrahmen, der die unterschiedlichen Dimensionen von Zinsschrankenrisiken aufzeigt, geschaffen und die Einflussfaktoren von Zinsschrankenrisiken systematisiert werden. 1.
Definition
Das Normengefüge der Zinsschranke kann als Paradebeispiel für die Unbestimmtheit, Komplexität und Kompliziertheit des deutschen Steuerrechts angeführt werden. Aus diesem Grund sind die bereits dargestellten originären Steuerrisiken für die Zinsschranke von großer Relevanz. Ferner sind die Entwicklung des steuerlichen EBITDA, des Zinssaldos und die Organisationsstruktur eines Unternehmens vornehmlich von ökonomischen Einflüssen geprägt, weshalb die Gefahr des Eingreifens der Zinsschranke mit den bestehenden ökonomischen Unsicherheiten über zukünftige Umweltentwicklungen steht und fällt. Mithin kommt es auf die konkrete ökonomische Sachverhaltsentwicklung in der Zukunft an, ob die Zinsschranke zum Tragen kommt oder nicht. Dementsprechend erfüllen die in diesem Zusammenhang bestehenden Unsicherheiten die Voraussetzungen eines Sachverhaltsrisikos. Die mit der Zinsschranke in Zusammenhang stehende Gefahr einer Zielverfehlung erfüllt die Definition des Steuerrisikos. Ferner weist die Zinsschranke sämtliche Charakteristika von Steuerrisiken auf. Zur Beschreibung des Zinsschrankenrisikos soll die Definition des Steuerrisikos jedoch präzisiert werden, um dem innovativen Charakter der Zinsschranke gerecht zu werden, da ihr Eingreifen insbesondere von der Entwicklung ökonomischer Parameter abhängig ist. Unter dem Begriff des Zinsschrankenrisikos wird die Gefahr verstanden, einer durch die Zinsschranke veranlassten Steuerwirkung aufgrund von Informationsdefiziten über die öko-
153
Zur Komplexitätsreduktion von steuerlichen Ungewissheiten und zur Erstellung eines in die Planung integrierbaren steuerlichen Umweltvektors vgl. Klimmek, Risikoneigung, 1986, S. 113 ff.
28
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
nomische Entwicklung des Unternehmens und die Rechtsauslegung des Normengefüges der Zinsschranke zu unterliegen. Aus dieser Definition leiten sich die beiden zentralen Untersuchungsbereiche der Arbeit ab. Die zum Ausdruck gebrachte Fokussierung auf ökonomische Sachverhaltsentwicklungen des Unternehmens veranlasst zu einer quantitativen Untersuchung, innerhalb derer die Steuerwirkungen der Zinsschranke mittels eines analytischen und eines stochastischen Modells gemessen werden. Die mit der Zinsschranke verbundenen zahlreichen Rechtsunsicherheiten begründen den qualitativen Untersuchungsbereich, in dem die Auslegungsfragen identifiziert, diskutiert und methodengestützt bewertet werden. Diese Arbeit beschäftigt sich mit (potenziellen) Liquiditäts- und Vermögenswirkungen der Zinsschranke, woraus Entscheidungswirkungen erwachsen könnten. Eine zinsschrankeninduzierte Verhaltensänderung im Rahmen von Dispositionsentscheidungen soll aber nicht nachgewiesen werden. Ferner werden Steuerverwaltungs- bzw. Steuerplanungskosten, die im Zusammenhang mit dem potenziellen Eingreifen der Zinsschranke stehen, ausgeklammert. 2.
Ordnungsrahmen
Bei der Beurteilung von Zinsschrankenrisiken ist zunächst die Frage entscheidend, ob die Zinsschranke für das betreffende Unternehmen in vorangegangenen Veranlagungszeiträumen schon einmal zur Anwendung gekommen ist. Mit dieser Ausgangsfrage werden die zwei Dimensionen von Zinsschrankenrisiken aufgespannt. Sofern die Frage zu verneinen ist, können Gefahren, die den Erhalt und die Nutzung des Zinsvortrags bedrohen, zunächst außer Acht bleiben, da bislang noch kein Zinsvortrag aufgebaut worden ist. Es ist „lediglich“ die Drohkulisse eines erstmaligen Eingreifens der Zinsschranke in den Blick zu nehmen. Wenn man die Frage hingegen bejaht, sind neben der Gefahr des wiederholten Eingreifens der Zinsschranke ebenfalls potenzielle Ereignisse zu beachten, die den Erhalt bzw. die Nutzung des Zinsvortrags gefährden.
Kapitel 2 – Eingrenzung des Untersuchungsbereichs und Begriffsbestimmungen
29
Zinsschrankenrisiko istdieGefahreinerdurchdieZinsschrankeveranlasstenSteuerwirkung aufgrundvonInformationsdefizitenüberdieökonomischeEntwicklungdes UnternehmensunddieRechtsauslegungdesNormengefügesderZinsschranke (allgemeineDefinition)
Zinsschrankenrisiko
Zinsschrankenrisiko
1.Ordnung
2.Ordnung
erstmaligesund wiederholtes, steuerzahllastwirksames Eingreifender Zinsschranke Nichtnutzung desZinsvortrags
(partieller) Untergangund steuerzahllastͲ neutraleNutzung desZinsvortrags
Abbildung 1: Definition und Ordnungsrahmen des Zinsschrankenrisikos
Die Möglichkeit des erstmaligen oder wiederholten steuerzahllastwirksamen Eingreifens der Zinsschranke soll als Zinsschrankenrisiko1. Ordnung und die Gefahr der dauerhaften Nichtnutzung, des (partiellen) Untergangs und der steuerzahllastneutralen Nutzung des Zinsvortrages soll als Zinsschrankenrisiko2. Ordnung bezeichnet werden. Während ein schlagend werdendes Zinsschrankenrisiko1. Ordnung zunächst einmal nur zu temporären Ertragsteuerbelastungen und somit zu Zinsnachteilen führt, droht bei einem Zinsschrankenrisiko2. Ordnung eine definitive Ertragsteuerbelastung. Die Zinsschrankenrisiken 1. und 2. Ordnung können in zeitlicher Hinsicht zusammenfallen, wenn im Beurteilungszeitpunkt bereits klar ist, dass im Falle des Eingreifens der Zinsschranke nicht mit einer (vollständigen) Verrechnung des hypothetisch entstehenden Zinsvortrags zu rechnen ist. Ferner weisen die beiden Kategorien von Zinsschrankenrisiken eine gemeinsame Schnittmenge auf, weil sich aufgrund der Gefahr eines wiederholten Eingreifens der Zinsschranke automatisch auch das Risiko erhöht, dass ein vorhandener Zinsvortrag nicht genutzt werden kann. Daneben ist noch der Ausnahmefall erwähnenswert, in dem das verrechenbare EBITDA exakt der Höhe des Nettozinsaufwands entspricht. In diesem Fall greift die Zinsschranke zwar nicht ein, aber ein etwaig vorhandener Zinsvortrag kann auch nicht genutzt werden. Sollte dieser Ausnahmezustand dauerhaft verwirklicht werden, liegt ein Zinsschrankenrisiko2. Ordnung vor.
30
3.
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Einflussfaktoren
Die Auseinandersetzung mit Zinsschrankenrisiken erfordert zunächst die Möglichkeit, dass ihr Anwendungsbereich eröffnet wird. Hierzu muss ein in Deutschland steuerpflichtiger Betrieb vorliegen – aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist somit das Investitionsobjekt angesprochen. Für Zwecke des Grundtatbestands der Zinsschranke sind die vom Betrieb erwirtschafteten Einkünfte von Bedeutung, weil sie die Höhe des steuerlichen EBITDA bestimmen. Um das Auslösen der Zinsschranke partialanalytisch untersuchen zu können, sollen nachfolgend all jene Parameter, die die Höhe des steuerlichen EBITDA beeinträchtigen, unter dem Begriff der investitionsspezifischen Einflussfaktoren zusammengefasst werden. Des Weiteren kann allgemein festgehalten werden, dass die Höhe des betrieblichen Zinssaldos unmittelbar von der Anlage- und Finanzierungsintensität sowie mittelbar von der Kapitalstruktur des Unternehmens abhängig ist. Während die Höhe der Zinserträge von investitionsspezifischen Einflüssen getrieben wird, wirken sich die hier als finanzierungsspezifische Einflussfaktoren bezeichneten Effekte auf die Höhe der Zinsaufwendungen aus. Die Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände der Zinsschranke ist von der Höhe des betrieblichen Zinssaldos (Freigrenze), von der statutarischen Organisationsstruktur (Standalone-Escape),154 in die der Betrieb eingegliedert ist, sowie von der Kapitalstruktur des Betriebs und Konzerns (Equity-Escape), dem der Betrieb angehörig ist, abhängig.155 Von ökonomischer Warte aus betrachtet sind für den Stand-alone- und Equity-Escape somit unternehmensstrukturelle Parameter – sog. unternehmensstrukturspezifische Einflussfaktoren – von Bedeutung. Hierunter sind auch Vorgänge zu fassen, die die rechtliche und wirtschaftliche Struktur eines Betriebs und seine Eingliederung in ein Beteiligungs- bzw. Konzerngeflecht verändern. Denn insbesondere Umstrukturierungen sowie die Begründung und Aufhebung von Organschaftsverhältnissen bedrohen den Erhalt und die Nutzung von Zinsvorträgen. Anzumerken bleibt, dass Veränderungen in der Organisationsstruktur ebenfalls die Höhe des steuerlichen EBITDA und/oder des Zinssaldos beeinflussen können, wenn durch die Reorganisation die Ergebnisse von Investitionen oder die Aufwendungen aus Finanzierungsmaßnahmen anderen Konzerneinheiten zugeordnet werden.
154 155
Die statutarische Organisationsstruktur wird durch die Rechts-, Beteiligungs- und Kapitalstruktur des Unternehmens determiniert; vgl. Kutschker/Schmid, Management, 2008, S. 642. Den Einfluss der Organisationsstruktur auf die Zinsschranke thematisierend Prinz, Organisationsstruktur, DB 2008, S. 368 ff.; Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 470.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
Kapitel 3
31
Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
In diesem Kapitel sollen die Facetten von Be- und Entlastungseffekten der Zinsschranke und ihre bilanzielle Darstellung aufgezeigt werden. Zur Erklärung der Belastungseffekte wird stets angenommen, dass der Nettozinsaufwand das verrechenbare EBITDA einer Periode übersteigt und auch etwaige EBITDA-Vorträge dies nicht verhindern können. Zunächst werden die Liquiditäts- und Zinseffekte der Zinsschranke dargelegt, die im Rahmen eines investitionstheoretischen Entscheidungskalküls zu beachten sind. Für diese Zwecke werden zeitpunktbezogene Fallgruppen entwickelt, in denen die Zinsschranke keine oder eine erhöhte Steuerzahllast verursacht. Im Rahmen einer Zeitraumbetrachtung ist von Interesse, inwieweit ein etwaiger Liquiditätsentzug in zukünftigen Perioden durch Verrechnung des Zinsvortrags wieder ausgeglichen werden kann. Daran anschließend werden die Ausstrahlwirkungen der ökonomischen Be- und Entlastungseffekte auf die externe Erfolgsrechnung untersucht. A.
Liquiditätseffekte
I.
Basisannahmen zur Berechnung der Steuerbelastung
Im Rahmen der Berechnungen von relativen und absoluten Steuerbelastungen wird stets unterstellt, dass der Gewinn laut Handels- und Steuerbilanz deckungsgleich ist. Ferner wird davon ausgegangen, dass sämtliche planmäßigen handels- und steuerrechtlichen Abschreibungen im Grundtatbestand der Zinsschranke berücksichtigungsfähig sind. Es wird lediglich die Belastung durch die Körperschaft- und Gewerbesteuer sowie den Solidaritätszuschlag berechnet;156 etwaige Wirkungen bei der Einkommensteuer werden vernachlässigt. Außerbilanzielle Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften werden nur im Falle ihrer expliziten Erwähnung (z. B. § 8b KStG) bei der Berechnung der steuerlichen Bemessungsgrundlagen berücksichtigt; standardmäßig werden die außerbilanziellen Korrekturen aufgrund der Zinsschranke (Hinzurechnung von nicht abziehbaren Zinsen und Kürzung um einen verrechenbaren Zinsvortrag) berücksichtigt. Bei der Berechnung des Gewerbeertrags wird mit Ausnahme der Hinzurechnung von Schuldentgelten gem. § 8 Nr. 1 lit. a GewStG von Bemessungsgrundlagendifferenzen im Vergleich zum steuerlichen Gewinn abstrahiert. Hierbei wird des Weiteren unterstellt, dass die Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke deckungsgleich mit den für die gewerbesteuerliche Hinzurechnung relevanten Schuldentgelten sind.157 Ferner werden Effektivwirkungen der gewerbesteuerlichen Freibeträge gem. §§ 8 Nr. 1, 11 Abs. 1 Nr. 1
156
157
Gem. § 23 Abs. 1 KStG beträgt der Körperschaftsteuersatz 15%. Der Solidaritätszuschlag wird als Ergänzungsabgabe auf die festgesetzte Körperschaftsteuer erhoben und beträgt 5,5% (§ 4 SolZG). Die Gewerbesteuermesszahl beträgt gegenwärtig 3,5% (§ 11 Abs. 2 GewStG). Zu Abweichungen zwischen zinsschrankenrelevanten Zinsaufwendungen und gewerbesteuerlichen Schuldentgelten vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.6.a, S. 154.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_3, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Teil I – Grundlagen der Untersuchung
GewStG ebenfalls vernachlässigt. Als gewerbesteuerlicher Hebesatz wird 400% angenommen.158 II.
Zeitpunktbetrachtung
Das Eingreifen der Zinsschranke geht nicht zwangsläufig mit einer Steuermehrbelastung einher. Deshalb sollen nachfolgend diejenigen Fallkonstellationen herausgearbeitet werden, in denen die Zinsschranke auch tatsächlich eine Steuermehrbelastung erzeugt. Sofern in einem Veranlagungszeitraum eine erhöhte Steuerzahllast aufgrund der Zinsschranke entsteht, erleidet das Unternehmen im Zeitpunkt der Begleichung seiner Steuerschulden verglichen mit der Besteuerungssituation ohne Zinsschranke einen Liquiditätsnachteil.159 Eine zinsschrankeninduzierte Mehrbelastung ist entscheidend von der Höhe des maßgeblichen Gewinns i. S. des § 4h Abs. 3 S. 1 EStG160 vor Nettozinsaufwand – nachfolgend als steuerliches EBIT bezeichnet – abhängig. Es werden die Bedingungen herausgearbeitet, die erfüllt sein müssen, damit die Zinsschranke eine Steuermehrbelastung erzeugt; elementare Voraussetzung hierfür ist, dass das steuerliche EBIT größer als null sein muss. Gleichwohl sind mit Blick auf zukünftige Steuerentlastungen durch Verwertung eines Zins- und Verlustvortrags auch diejenigen Fallkonstellationen beachtlich, in denen die Zinsschranke keine Steuermehrbelastung produziert. 1.
Steuerliches EBIT 0 (Fallgruppe I)
Sofern das steuerliche EBIT nicht größer ist als null, erzeugt die Zinsschranke grundsätzlich keine Steuermehrbelastung. Denn in diesem Fall setzt sich das steuerliche Ergebnis vor Zinsschranke aus einem operativen und einem finanziellen Defizit zusammen. Auch bei vollständiger Nichtabziehbarkeit der Zinsaufwendungen kann im körperschaftsteuerlichen Bereich niemals eine positive Bemessungsgrundlage verbleiben, da bereits das steuerliche EBIT nicht positiv ist. Allenfalls im gewerbesteuerlichen Bereich ist eine zinsschrankeninduzierte Mehrbelastung denkbar.161 Obgleich die Zinsschranke keine Mehrbelastung bewirkt, ist mit Blick auf zukünftige Entlastungseffekte die Aufteilung in abziehbare und nicht abziehbare Zinsaufwendungen bedeut158
159
160 161
Gem. § 16 Abs. 4 GewStG beträgt der Hebesatz mindestens 200%. Der durchschnittliche Hebesatz der Gewerbesteuer aller Gemeinden betrug im Jahr 2009 387%; vgl. Statistisches Bundesamt, Pressemitteilung Nr. 298, 2010 (Internetquelle). Die Zeitpunkte der Steuerentstehung und Steuerzahlung fallen mit Ausnahme von Vorauszahlungen in verschiedene Perioden. Die veranlagte und nicht bereits vorausgezahlte Körperschaft- und Gewerbesteuer entsteht mit Ablauf des Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraums (§ 30 Nr. 3 KStG, § 18 GewStG). Die Jahresabschlusszahlungen werden jeweils innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der jeweiligen Steuerbescheide fällig (§ 36 Abs. 1 KStG, § 20 Abs. 2 GewStG); vgl. hierzu Seer, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 21, Rz. 311. Der maßgebliche Gewinn kann auch negativ sein, weshalb er als steuerliches Ergebnis vor Anwendung der Zinsschranke zu verstehen ist. Vgl. hierzu Abschn. A.II.3.a, S. 35.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
33
sam. Während das negative steuerliche EBIT und die abziehbaren Nettozinsaufwendungen einen Verlustvortrag erhöhen, gehen die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen in den Zinsvortrag ein.162 Abziehbare Zinsaufwendungen können in dieser Fallgruppe jedoch nur dann entstehen, wenn das steuerliche EBITDA positiv ist bzw. aufgrund von zinsschrankenrelevanten Abschreibungen ein Zinsabzugsvolumen vorliegt.163 Sodann ist der Nettozinsaufwand in Höhe von 30% des steuerlichen EBITDA abzugsfähig und insoweit im Rahmen der Regelungen zum steuerlichen Verlustabzug (§ 10d EStG) nutzbar (Fallkonstellation I.a).164 Ist hingegen auch das steuerliche EBITDA nicht positiv, sind sämtliche Nettozinsaufwendungen als nicht abzugsfähig zu qualifizieren, die in zukünftigen Veranlagungszeiträumen innerhalb der Grenzen des Grundtatbestands (teilweise) oder im Falle der Inanspruchnahme eines Ausnahmetatbestands vollständig verwertet werden können (Fallkonstellation I.b). 2.
Steuerliches EBIT > 0 (Fallgruppe II)
Bei einem positiven steuerlichen EBIT tritt eine steuerliche Mehrbelastung in Abhängigkeit von der Höhe der abziehbaren Zinsen und der Verwertung eines etwaig vorhandenen Verlustvortrags ein. Sofern die über die Zinserträge hinausgehenden, abziehbaren Zinsaufwendungen das steuerliche EBIT übersteigen bzw. das Verhältnis von steuerlichem EBIT zu steuerlichem EBITDA kleiner oder gleich 30% beträgt, produziert die Zinsschranke grundsätzlich keine Mehrsteuern (Fallkonstellation II.a). Denn entsprechend der Fallkonstellation I.a generieren die zinsschrankenrelevanten Abschreibungen ein Zinsabzugsvolumen, sodass auch nach Anwendung der Zinsschranke eine negative oder zumindest nicht eine positive Bemessungsgrundlage bei der Körperschaftsteuer und regelmäßig auch nicht bei der Gewerbesteuer verbleibt. Dabei erhöhen abziehbare Zinsaufwendungen ganz oder teilweise das Verlustausgleichs- bzw. Verlustabzugsvolumen und nicht abziehbare Zinsaufwendungen den Zinsvortrag. Übersteigt das steuerliche EBIT jedoch den abziehbaren Zinsaufwand, verbleibt eine positive Bemessungsgrundlage, die Steuerzahlungen verursacht (Fallkonstellation II.b). Formal ausgedrückt muss also gelten: 162
163 164
Folglich werden Verlust- und Zinsvortrag nebeneinander aufgebaut. Da die Zinsvortragsnutzung konzeptionell in die Gewinnermittlung integriert ist (§ 4h Abs. 1 S. 6 EStG), wird der Zinsvortrag vorrangig vor einem Verlustvortrag abgebaut, weil § 10d EStG erst auf den Gesamtbetrag der Einkünfte bzw. § 10a GewStG auf den Gewerbeertrag zugreift; vgl. Herzig/Bohn, Unternehmensfinanzierung, DB 2007, S. 5 ff.; Rödder, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 10, Rz. 35. In diesem Fall ist das steuerliche EBIT nur aufgrund von zinsschrankenrelevanten Abschreibungen null oder negativ. Somit ist für abziehbare Zinsaufwendungen im Rahmen der Einkommen- und Körperschaftsteuer auch ein Rücktrag in die vorangegangene Periode möglich; ein Verlustrücktrag ist bis max. 511.500 € möglich (§ 10d Abs. 1 EStG). Mit Blick auf zukünftige Perioden wirkt hingegen die Mindestbesteuerung nachteilig. Ein Verlustvortrag kann bis zur Höhe von 1 Mio. € unbeschränkt und darüber hinaus bis zur Höhe von 60% des 1 Mio. € übersteigenden Betrags vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden (§ 10d Abs. 2 EStG, § 10a S. 2 GewStG).
34
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
EBIT ! 30% EBITDA
(F.I.1)
Eine Steuermehrbelastung entsteht in dieser Situation aber nur, soweit eine positive Bemessungsgrundlage nicht durch verrechenbare Verluste vermindert wird.165 Soweit ein Verlustvortrag oder Verlustrücktrag vor einer zinsschrankeninduzierten Erhöhung der Bemessungsgrundlage abschirmt, kommt es zu einer Substitution von Verlust- in Zinsvortrag. Denn in Höhe der nicht abziehbaren Zinsen wird ein Verlustvortrag verwertet, während in korrespondierender Höhe ein Zinsvortrag anwächst.166 Die unterschiedlichen Fallkonstellationen und die daraus resultierenden periodenbezogenen körperschaftsteuerlichen Konsequenzen der Zinsschranke sollen anhand des nachfolgenden Beispiels verdeutlicht werden. EBIT 0 Fallkonstellation EBITDA EBIT Zinserträge Zinsaufwendungen EBT BMG vor Verlustabzug (= EBIT – 0,3 * EBITDA+) Max. Verlustvortragsverwertung (§ 10d II EStG) Körperschaftsteuer Erhöhung Zinsvortrag Erhöhung Verlustvortrag
EBIT > 0 EBIT
EBITDA > 0
EBITDA 0
30% EBITDA
I.a
I.b
II.a
EBIT EBITDA
> 30%
II.b
100 –1.000 0 –500 –1.500
–100 –1.100 0 –500 –1.600
1.000 100 0 –500 –400
1.000 500 0 –500 0
–1.030
–1.100
–200
200
0
0
0
0 470 1.030
0 500 1.100
0 200 200
–120,40 (=1+(200–1)*0,6)
11,94 200 0
Tabelle 2: Zahlungswirkung der Zinsschranke (Beispielrechnung in Mio. €)
Offenkundig ist, dass die Zinsschranke nur dann zu einer körperschaftsteuerlichen Mehrbelastung führt, wenn das steuerliche EBIT positiv ist und gleichfalls den abziehbaren Nettozinsaufwand sowie eine etwaige Verlustverwertung übersteigt. Darüber hinaus wäre es in Ausnahmefällen denkbar, dass Steueranrechnungsbeträge vor einer zusätzlichen Steuerzahllast der Zinsschranke schützen. Soweit nämlich durch die Zinsschranke Anrechnungsüberhänge vermieden werden können, entsteht auch in Fallkonstellation II.b keine Steuermehrbelastung.167
165 166
167
Entweder weil der Verlustvortrag betragsmäßig nicht ausreicht oder die Verlustnutzung aufgrund der Mindestbesteuerung limitiert ist; vgl. Fn. 164. Eine vollständige Kompensation der zinsschrankeninduzierten Bemessungsgrundlagenerhöhung durch Verrechnung des Verlustvortrags kann aber nur außerhalb der Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG erreicht werden; vgl. Herzig/Bohn, Unternehmensfinanzierung, DB 2007, S. 6. Zur Problematik von Anrechnungsüberhängen vgl. bspw. Lühn, Zielsystem, DK 2008, S. 103 ff. Zu beachten
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
3.
35
Statische Messung des Liquiditätsnachteils
Die Messung des Liquiditätsnachteils kann über absolute Beträge oder über relative Kennzahlen veranschaulicht werden. Häufig wird zur Darstellung der Steuerbelastung auf die Steuerquote zurückgegriffen. Es wird jedoch gezeigt, dass die Steuerquote nicht in jedem Fall dazu geeignet ist, die zinsschrankeninduzierte Mehrbelastung zu messen. Nachfolgend werden die Operanden zur Ermittlung der absoluten und relativen Zahlen hergeleitet. a.
Messung des absoluten Liquiditätsnachteils und seine formale Herleitung
Zur Berechnung des mit der Zinsschranke verbundenen Liquiditätsnachteils muss jeweils die Steuerbelastung des Unternehmens bestimmt werden, die sich mit und ohne Eingreifen der Zinsschranke ergeben hätte. Dafür wird die oben herausgearbeitete Grundvoraussetzung angenommen, dass das steuerliche EBIT größer ist als 30% des steuerlichen EBITDA (F.I.1, S. 33). Des Weiteren wird zunächst unterstellt, dass der Nettozinsaufwand kleiner ist als das steuerliche EBIT, womit sichergestellt ist, dass sämtliche Zinsaufwendungen, die hinzugerechnet werden, auch eine Steuermehrbelastung auslösen. Darüber hinaus wird von Verlustvorträgen (VV) und Steueranrechnungsbeträgen (AR), die vor einer zinsschrankeninduzierten Steuermehrbelastung abschirmen, abstrahiert. Auf Basis dieser Annahmen kann der zeitpunktbezogene, absolute Liquiditätsnachteil (LN) aufgrund der Zinsschranke in einfacher Form wie folgt dargestellt werden:168 d EBIT ZE LN tZA n
(1 at ) ZAt ( s KSt 0, 75 sGewSt )
(F.I.2)
mit ZAt (EBITt + ZEt) und VVt–1 = ARt = 0 und
at
ZEt EVt 1 min{0,3* EBITDA; ZAt } ZAt
(F.I.3)
mit 0 at 1 Der Term (1 – at) * ZAt stellt den nicht abziehbaren Zinsaufwand dar, denn mit at wird der Anteil der abziehbaren Zinsaufwendungen an den gesamten Zinsaufwendungen der Periode definiert (Zinsabzugsquote). ZAt bezeichnet den Betrag der Zinsaufwendungen und ZEt die Zinserträge. Während sKSt den kombinierten nominalen Steuersatz von Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschlag (= 0,15 * 1,055 = 15,825%) verkörpert, wird mit sGewSt die multiplikative Verknüpfung von Gewerbesteuermesszahl (3,5%) und gemeindeabhängigem Hebesatz (400%) bezeichnet (insgesamt: 0,035 * 4,0 = 14%). Da i. H. der nicht abziehbaren Zinsaufwendungen auch die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Schuldentgelten nicht zum Tragen kommt, beträgt der gewerbesteuerliche Liquiditätsnachteil grundsätzlich nur 75%. Der EBITDA-Vortrag ist integraler Bestandteil der Zinsabzugsquote und wird hier mit EVt-1 be-
168
ist allerdings, dass auf die Gewerbesteuer keine Steueranrechnung möglich ist. Zu einer alternativen formalen Zerlegung der zinsschrankeninduzierten Mehrbelastung vgl. auch Blaufus/Lorenz, Krise, StuW 2009, S. 325 f.
36
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
nannt. Aufgrund des Definitionsbereichs von a ist sichergestellt, dass sich Zinserträge und ein EBITDA-Vortrag nur dann erhöhend auf die Zinsabzugsquote auswirken können, wenn der Zinsabzug tatsächlich limitiert wird. Der Zeitindex t bezeichnet die Periode, in der die Zinsschranke eingreift, und n die Anzahl der Perioden vom Eingreifen der Zinsschranke bis zur tatsächlichen Zahlung der durch sie verursachten Mehrsteuern. Wie bereits angedeutet, reichen die aufgestellten Bedingungen bzw. Annahmen noch nicht aus, um die Steuermehrbelastung für jede denkbare Sachverhaltskonstellation formal exakt zu beschreiben. Die Mehrbelastung ist nämlich genau genommen auf den Teil der nicht abziehbaren Zinsen beschränkt, der zu einer positiven Bemessungsgrundlage führt. Dementsprechend sind aus der Berechnung des Liquiditätsnachteils diejenigen nicht abziehbaren Zinsaufwendungen herauszunehmen, die – wenn sie ceteris paribus abzugsfähig wären – lediglich einen Verlustvortrag aufgebaut hätten (EBIT + ZE – ZA 0). Denn im Bereich negativer Bemessungsgrundlagen erzeugt die Nichtabziehbarkeit aufgrund der Zinsschranke auch keine Steuermehrbelastung. Es kann in diesem Bereich allenfalls eine mittelbare Liquiditätswirkung durch die Zinsschranke entstehen, wenn nur aufgrund der nicht abziehbaren Zinsen gem. § 4h EStG der Gewerbeertrag nach Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 lit. a GewStG ein positives Vorzeichen aufweist und deshalb Gewerbesteuer anfällt. Dies ist der Fall, wenn vor Anwendung der Zinsschranke die im Rahmen der Gewerbeertragsermittlung hinzugerechneten Zinsen nicht zu einem positiven Gewerbeertrag geführt hätten, jedoch nach Anwendung der Zinsschranke ein positiver Gewerbeertrag aufgrund des Zusammenspiels von (partieller) Nichtabziehbarkeit nach § 4h EStG und Hinzurechnungspflicht nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG verbleibt.169 Dieses Phänomen wird als mittelbarer gewerbesteuerlicher Liquiditätsnachteil der Zinsschranke bezeichnet, welches beobachtet werden kann, wenn die folgende Bedingung erfüllt ist:170 EBIT + ZE < 1,25 * a * ZA (F.I.4) Unter Berücksichtigung dieser Effekte stellt sich die Formel zur Berechnung des Liquiditätsnachteils wie folgt dar:
LNt n
max{0;[(1 at )ZAt min{0; EBITt ZEt ZAt }]}* sKSt
max{0;[(1 at )*0,75* ZAt min{0; EBITt ZEt 0,75* ZAt }]}* sGewSt mit ZAt ൌ(EBITt + ZEt); VVt-1 = ARt = 0; 0 at 1. ൏
(F.I.5)
Die Terme zwischen den eckigen Klammern verdeutlichen jeweils, dass nicht abziehbare Zinsen nur insoweit eine körperschaft- bzw. gewerbesteuerliche Mehrbelastung hervorrufen, als sie eine positive Bemessungsgrundlage begründen bzw. vergrößern. Über die MaximumRestriktionen werden die Terme zwischen den geschweiften Klammern auf den Wert null 169 170
Ein solches Szenario ist nur in der Fallgruppe I und der Fallkonstellationen II.a möglich. Zu den Bedingungen und der Herleitung des mittelbaren gewerbesteuerlichen Liquiditätsnachteils der Zinsschranke vgl. Anhang 1, S. 381.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
37
nach unten hin begrenzt, womit sichergestellt wird, dass keine negativen Terme mit den kombinierten Ertragsteuersätzen multipliziert werden können. Ferner ist in Bezug auf Mitunternehmerschaften noch anzufügen, dass die auf die nicht abziehbaren Zinsen entfallende Körperschaftsteuerbelastung von den individuellen Besteuerungsverhältnissen des Mitunternehmers abhängig ist. Dementsprechend unterbleibt eine körperschaftsteuerliche Mehrbelastung der Zinsschranke, soweit der Mitunternehmer über abziehbare Verluste verfügt. b.
Relative Kennzahl zur Messung des Liquiditätsnachteils: Relativer Liquiditätsnachteil
i.
Notwendigkeit und formale Darstellung
Vielfach wird in der Literatur die zinsschrankeninduzierte Mehrbelastung durch eine exemplarische Darstellung der Steuerquote171 veranschaulicht, die deutlich vom kombinierten Ertragsteuersatz abweicht.172 Jedoch eignet sich die Steuerquote nicht in jedem Fall als Bewertungsmaßstab für den Liquiditätsnachteil der Zinsschranke, was im Wesentlichen auf die nachfolgend angeführten Gründe zurückzuführen ist. Erstens werden die Effektivbelastungen aus der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung und der Zinsschranke in der Steuerquote vermengt. Zweitens können Abschreibungen die Auswirkungen der Zinsschranke auf die Steuerquote verzerren. Und drittens verliert die Steuerquote bei sehr geringen und negativen Vorsteuerergebnissen an Aussagekraft. Das Eingreifen der Zinsschranke ist unabhängig von der Höhe der Abschreibung. Aus diesem Grund sollte auch die Bezugsgröße (Nenner), die zur relativen Messung des Liquiditätsnachteils zugrunde gelegt wird, unabhängig von der Abschreibungshöhe sein. Dies kann die effektive Steuerquote jedoch nicht leisten, da hier die laufende Steuerbelastung der Periode regelmäßig auf das handelsrechtliche Ergebnis vor Steuern bezogen wird, in dem Abschreibungen aber gerade enthalten sind. Abschreibungsintensive Investitionsprogramme weisen bei Eingreifen der Zinsschranke somit eine vergleichsweise höhere Steuerquote auf als weniger abschreibungsintensive Investitionen, weil im Falle positiver Vorsteuerergebnisse die Steuermehrbelastung im Zähler unverändert bleibt, während sich die Bezugsgröße im Nenner verkleinert.
171
172
Üblicherweise wird die Steuerquote aus dem Quotienten von tatsächlichem Steueraufwand (zzgl. etwaigem Steuerertrag) im Zähler und Vorsteuerergebnis im Nenner gebildet. Eine steuerartenbezogene Belastungsziffer wird über die auf Rose zurückgehende Teilsteuerrechnung generiert, vgl. Rose, Steuerlehre, 1992, S. 38 ff.; Marx/Hetebrügge, Teilsteuerrechnung, DB 2007, S. 2381 ff. Zur Konstruktion effektiver Steuerbelastungskennziffern vgl. Lammersen, Steuerberatung, 2005, S. 74 ff. Die Steuerquote ist inhaltlich von der sog. Effective Tax Rate (ETR) abzugrenzen, bei der auch latente Steuern im Zähler Berücksichtigung finden; vgl. Abschn. C.IV.3, S. 74. Vgl. bspw. Baumgärtel, Unternehmensteuerreform, S. 590; Schreiber/Overesch, Ökonomische Analyse, DB 2007, S. 816.
38
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Ferner ist die Aussagekraft der Steuerquote eingeschränkt, wenn in einer Periode Steuern zu zahlen sind, obwohl ein negatives handelsrechtliches Vorsteuerergebnis erzielt wurde. Denn in diesem Fall trägt die Steuerquote ein negatives Vorzeichen, was genauso gut eine effektive Steuererstattung implizieren könnte. Da die Zinsschranke aber auch jenseits von positiven Vorsteuerergebnissen einen Liquiditätsnachteil bewirken kann, ist einer Bezugsgröße der Vorrang zu geben, die den Zahlungsfluss der Periode fokussiert und dementsprechend nicht durch handelsrechtliche Periodisierungs- und Realisierungsvorschriften verzerrt wird. Gerade in Stress-Szenarien bzw. Krisenzeiten werden geringe oder negative Vorsteuerergebnisse mit unverändert hohen Abschreibungen zusammentreffen, weshalb die Steuerquote nicht als Beurteilungsmaß von Zinsschrankenrisiken taugt. Denn die Bedeutung und Schätzung der (potenziellen) Belastung durch die Zinsschranke wird gerade bei schlechter Ergebnissituation für das (steuerliche) Risikomanagement ansteigen. Um den Wirkungsgrad der Zinsschranke in einer Kennzahl auszudrücken, wird hier das Verhältnis von Liquiditätsnachteil zum Cashflow aus der laufenden Geschäftstätigkeit (sog. Operating Cashflow, kurz: OCF)173 vorgeschlagen, welches als relativer Liquiditätsnachteil bezeichnet wird. Sofern diese Kennzahl ein negatives Vorzeichen trägt, kann die zusätzliche Liquiditätsbelastung nicht durch die in der abgelaufenen Periode erzielten Einzahlungsüberschüsse der Geschäftstätigkeit gedeckt werden, sodass gegebenenfalls liquide Mittel aus Vorperioden angegriffen werden müssen oder zusätzlicher Außenfinanzierungsbedarf entsteht. Ist sie mit einem positiven Vorzeichen ausgestattet, wird hierdurch der Anteil des zinsschrankeninduzierten Liquiditätsnachteils an den erwirtschafteten Zahlungsmitteln gemessen.174 Naturgemäß wird bei Liquiditätskennzahlen sowohl im Zähler als auch im Nenner auf die Periode der Realisierung des Liquiditätsnachteils abgestellt und nicht etwa auf den Veranlagungszeitraum des Eingreifens der Zinsschranke. Um jedoch den investitionsprogrammbezogenen Zusammenhang zwischen Eingreifen der Zinsschranke und Generierung der Zahlungsmittel zu wahren, wäre es für die Frage der Investitionsentscheidung auch vertretbar, den Liquiditätsnachteil auf den OCF derjenigen Periode zu beziehen, in der die Zinsschranke zur Anwendung gelangt. Auch bei der Prognose von Zinsschrankenrisiken erscheint es vertretbar, den potenziellen Liquiditätsnachteil auf den OCF derjenigen Periode zu beziehen, in dem die Zinsschranke möglicherweise eingreift und nicht auf die Periode, in der die Mehrsteuern tatsächlich an das Finanzamt gezahlt werden. Diese Periodenverschiebung der Zahlungswirkungen soll nachfolgend vernachlässigt werden; vielmehr wird so getan, als ob der Liquiditätsnachteil und das Eingreifen der Zinsschranke in dieselbe Periode fallen (n = 0). Des Weiteren wird vereinfachend angenommen, dass der OCF dem Wert des um den Nettozins- und Steueraufwand 173 174
Zur Zusammensetzung des Finanzmittelfonds und detaillierten Berechnung des OCF vgl. Baetge/Kirsch/ Thiele, Bilanzanalyse, 2004, S. 281 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2009, S. 1071 ff. Hiermit wird ebenfalls die prozentuale Verringerung des periodischen Innenfinanzierungsvolumens zum Ausdruck gebracht.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
39
verminderten EBITDA der jeweiligen Periode entspricht.175 Formal stellt sich der relative
LNtrel
Liquiditätsnachteil (LNrel) wie folgt dar:
LNt n OCFt
(F.I.6)
Jedoch kann die Kennzahl in konzeptioneller Hinsicht kritisiert werden, weil die Größe im Zähler – vereinfacht gesprochen – auf sich selber bezogen wird. Im Gegensatz zur Steuerquote wird der Zähler nicht auf eine „Vor-Zinsschrankengröße“ im Nenner bezogen, sondern auf eine „Nach-Zinsschrankengröße“. Zwar wäre es ohne weitere Schwierigkeiten möglich, die Bezugsgröße im Nenner wieder um Zinsschrankenbelastungen zu bereinigen, darunter würde aber wiederum die funktionsbereichsübergreifende Kommunikationsfähigkeit der Kennzahl leiden. Denn so wie in der obigen Formel dargestellt, kann durch Multiplikation der relativen Kennzahl mit dem absoluten OCF der Periode einfach und transparent das (potenzielle) Schadensausmaß der Zinsschranke ermittelt und kommuniziert werden. ii.
Exemplarischer Vergleich des relativen Liquiditätsnachteils mit der Steuerquote
Anhand einer statischen Betrachtung eines fiktiven Investitionsprogramms soll die Ausdrucksstärke des relativen Liquiditätsnachteils im Vergleich zu der Steuerquote veranschaulicht werden.
ProzentualeBelastung/Zinsabzugsquote
150% 120% 90% pos.EBT(d=2,5%) neg.EBT(d=2,5%) 60% 30%
pos.EBT(d=5%)
neg.EBT(d=5%)
0% Ͳ30% Ͳ60% Ͳ90% Ͳ120% Ͳ150%
l=40,4%
l=50%
lу66,7%
lу91,7%
Fremdkapitalquote(l) Zinsabzugsquote rel
LN(d=5%)
rel
LN(d=2,5%)
StQ(d=2,5%)
StQ(d=5%)
Abbildung 2: Vergleich des relativen Liquiditätsnachteils mit der Steuerquote
175
Diese Annahme abstrahiert von zahlungsunwirksamen Erträgen und Aufwendungen sowie von erfolgsunwirksamen Zahlungen. Während erstere das EBITDA, aber nicht den OCF tangieren, beeinflussen letztere die Höhe des OCF, nicht hingegen das EBITDA.
40
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
In dem hier unterstellten Investitionsprogramm, welches Abbildung 2 zugrunde liegt, beträgt die Gesamtkapitalrendite vor Berücksichtigung von Abschreibungen 8% und der Fremdfinanzierungszins 6%. Die Abschreibungsrate (d) beträgt in dem einen Fall 2,5% (graue Linien) und in dem anderen Fall 5% (schwarze Linien) des investierten Gesamtkapitals. Es wird die Ausprägung des relativen Liquiditätsnachteils (LNrel) und der Steuerquote (StQ) bei ansteigenden Fremdkapitalquoten (l) gemessen.176 Die grau gepunktete Linie veranschaulicht den abnehmenden Verlauf der Zinsabzugsquote, der sich bei Ausdehnung der Fremdkapitalquote einstellt. Sie hat in beiden Fällen einen gleichbleibenden Verlauf, weil das Eingreifen der Zinsschranke unabhängig von der Höhe der Abschreibungen ist. Die durchgezogenen Kurven zeigen jeweils den Verlauf des relativen Liquiditätsnachteils und die gestrichelten Kurven den Verlauf der Steuerquote bei unterschiedlichen Abschreibungsraten. Betrachtet man zunächst die Ausprägungen der schwarzen Kurven (d = 5%), wird erkennbar, dass die Steuerquote bereits bei vergleichsweise geringen Fremdkapitalquoten einen sehr steilen Verlauf annimmt. Obwohl die Zinsschranke in diesem Szenario erst bei einer Fremdkapitalquote von 40,4% den Zinsabzug limitiert, nimmt die Kurve der Steuerquote bereits bei einer Fremdkapitalquote bei nahe 50% einen asymptotischen Verlauf an, weil das Vorsteuerergebnis (EBT) bei einer Fremdkapitalquote von 50% in diesem Szenario null beträgt. Aus diesem Grund ist die Steuerquote bei Fremdkapitalquoten größer als 50% auch stets negativ. In diesem Szenario verliert die Steuerquote also schon sehr früh ihre Aussagekraft, obwohl die Zinsabzugsquote gerade einmal bei etwa 80% liegt – also 20% der Zinsen nicht abgezogen werden können. Demgegenüber steigt der Graph des relativen Liquiditätsnachteils nur sehr langsam an. Bis zu einer Fremdkapitalquote von kleiner als 50% steigt sein Kurvenverlauf monoton an, flacht aber innerhalb des Intervalls von l = 50% bis l = 66,7% wieder etwas ab.177 Dies hat seine Ursache darin, dass ab einer Fremdkapitalquote von 50% zusätzliche Zinsaufwendungen, die durch eine weitere Ausdehnung der Verschuldung anfallen, nicht mehr zu 100% einen Liquiditätsnachteil herbeiführen. Denn bei einer Fremdkapitalquote von größer als 50% wird das Ergebnis vor Steuern der hier angenommenen Investition mit einer Abschreibungsrate von 5% negativ, sodass zusätzliche Zinsaufwendungen auch im Referenzfall – also in einer Besteuerungssituation ohne Zinsschranke – im körperschaftsteuerlichen Bereich nur noch einen Verlustvortrag erhöhen würden. Ein mittelbarer Liquiditätseffekt entsteht jedoch bei der Gewerbesteuer, weil ein positiver Gewerbeertrag vorliegt, der aufgrund der Zinsschranke größer ist als dies ohne Anwendung der Zinsschranke der Fall gewesen wäre (mittelbarer gewerbesteuerlicher Liquiditätsnachteil). Der maximale, absolute Li176 177
Zur Erklärung der formalen Zusammenhänge und Annahmen, die dem Beispiel und der Grafik zugrunde liegen, vgl. Teil II – Kapitel 2 – Abschn. B.I.1.a, S. 243. Dies wird aus Abbildung 2 kaum erkennbar, weshalb zur besseren Veranschaulichung auf Abbildung 21 von Anhang 2 (S. 382) verwiesen wird.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
41
quiditätsnachteil ist bei l = 66,7% erreicht. Ab dieser Verschuldungshöhe führen zusätzliche Zinsaufwendungen auch im Bereich der Gewerbesteuer zu keinem Liquiditätsnachteil mehr, da sie verglichen mit dem Referenzfall lediglich einen gewerbesteuerlichen Verlustvortrag erhöhen würden. Wendet man sich nun für Vergleichszwecke den grauen Kurven zu, wird erkennbar, dass bei einer Abschreibungsrate von 2,5% die Steuerquote verglichen mit dem anderen Szenario deutlich langsamer ansteigt. Sie verläuft erst ab einer Fremdkapitalquote von nahe 91,7% asymptotisch (grau gestrichelte Linie). Demgegenüber nimmt die Kurve des relativen Liquiditätsnachteils einen vergleichsweise steileren Verlauf (grau durchgezogene Linie). Mithin sind diametrale Kurvenentwicklungen zu beobachten. Während die Steuerquote bei Reduktion der Abschreibungsrate abflacht, entwickelt sich die Kurve des relativen Liquiditätsnachteils vergleichsweise steiler. Dieser Effekt ist darauf zurückzuführen, dass der Einfluss der Abschreibungsrate auf den Nenner der Steuerquote (Vorsteuerergebnis) durch die Reduktion der Abschreibungsrate auf 2,5% deutlich abgemildert wird und deswegen das Vorsteuerergebnis bei sukzessiver Anhebung der Fremdkapitalquote langsamer abfällt. Der steilere Verlauf des relativen Liquiditätsnachteils erklärt sich dadurch, dass bei reduzierten Abschreibungsraten eine höhere Fremdfinanzierungsintensität erforderlich ist, um ceteris paribus negative Vorsteuerergebnisse zu generieren, die – wie oben geschildert – vor einer Liquiditätswirkung der Zinsschranke abschirmen. Deshalb ist der Zähler des relativen Liquiditätsnachteils im Falle der niedrigeren Abschreibungsrate ab einer Fremdkapitalquote von größer als 50% stets höher,178 da im Szenario der höheren Abschreibungsrate bereits ab dieser Verschuldungshöhe ein negatives Vorsteuerergebnis vorliegt. Bei einer Abschreibungsrate i. H. von 2,5% entsteht ein negatives Vorsteuerergebnis erst ab einer Fremdkapitalquote von etwa 91,7%. iii.
Würdigung und Anwendungsbereich des relativen Liquiditätsnachteils
Anhand der obigen Ausführungen kann also festgehalten werden, dass zur Beurteilung der Zinsschrankenbelastung die Aussagekraft der Steuerquote bei abschreibungsintensiven Investitionsprojekten oder in Krisenszenarien schnell an Grenzen stößt, und in solchen Fallkonstellationen eine andere Beurteilungsgröße benötigt wird. Für Zwecke einer fundierten Beurteilung der Steuerposition eines Unternehmens oder einer Investition ist eine robustere Kennzahl zu empfehlen, die insbesondere im Bereich negativer Ergebnisentwicklungen aussagekräftig bleibt, auch wenn hierunter die intuitive Interpretierbarkeit der Kennzahl leiden sollte. Zur Bewertung und zum Management von Liquiditätswirkungen der Zinsschranke kann die Kennzahl des relativen Liquiditätsnachteils als interpretierbare und robuste Beurteilungskennziffer eingesetzt werden. Einschränkend ist aber darauf hinzuweisen, dass sich das Gewicht von betragsmäßigen Ausprägungen des relativen Liquiditätsnachteils auf die Ertragssituation 178
Auch der Nenner (OCF) verringert sich vergleichsweise schneller, da ansteigende Steuerzahlungen den OCF schneller mindern.
42
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
des Unternehmens nicht so eingängig interpretieren lässt, wie dies aus aussagekräftigen Ausprägungen von Steuerquoten hervorgeht. Dieses Problem könnte über Intervallgrenzen entschärft werden, in denen sich der relative Liquiditätsnachteil bewegen darf bzw. sollte. So könnten (individuell) festgelegte Intervallgrenzen einen geringen, mittleren oder hohen Wirkungsgrad der Zinsschranke kenntlich machen. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit soll der relative Liquiditätsnachteil als vorrangiges Beurteilungsmaß für Zinsschrankenrisiken eingesetzt werden. 4.
Zusammenfassende Übersicht zum Liquiditätsnachteil der Zinsschranke
Nettozinsaufwand(NZA)>30%EBITDA EBITч0(FallgruppeI)*
EBIT>0(FallgruppeII)
Fallkonstellation I.a
Fallkonstellation I.b
Fallkonstellation II.a*
Fallkonstellation II.b
EBITDA>0
EBITDAч0
EBITч30%EBITDA
EBIT>30%EBITDA
bzw.EBIT/EBITDA ч30%
bzw.EBIT/EBITDA >30%
abz.NZAї VV n.a.NZAї ZV (neg.EBITї VV)
n.a.NZAї ZV (neg.EBITї VV)
abz.NZAї VV n.a.NZAї ZV
BMG<VV oder St<AR**
BMG>VV und St>AR**
n.a.NZAї ZV
Kein Liquiditätsnachteil (LN) der Zinsschranke *
Soweit die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen im Zusammenspiel mit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung eine positive gewerbesteuerliche BMG erzeugen, verursacht die Zinsschranke einen mittelbaren gewerbesteuerlichen Liquiditätsnachteil. ** Keine Anrechnung (AR) von Steuern auf GewSt möglich.
LN
Abbildung 3: Liquiditätsnachteil der Zinsschranke
Das obige Schaubild fasst noch einmal in übersichtlicher Form die Voraussetzungen für den zinsschrankeninduzierten Liquiditätsnachteil zusammen.179 Die Grafik verdeutlicht, unter welchen Bedingungen sich die Nettozinsaufwendungen auf Verlust- und Zinsvorträge verteilen. Während die Nettozinsaufwendungen in den Fallkonstellationen I.b und II.b nur einen Zinsvortrag aufbauen können, erhöhen sie in den Fallkonstellationen I.a und II.a sowohl einen Verlust- als auch einen Zinsvortrag. Da Fallgruppe I auch die Konstellation einer negativen Bemessungsgrundlage vor Abzug von Zinsaufwendungen erfasst (EBIT < 0), erhöht dieser (negative) Teil der Bemessungsgrundlage den Verlustvortrag.
179
Voraussetzung ist selbstverständlich, dass der Grundtatbestand der Zinsschranke erfüllt ist und kein Ausnahmetatbestand beansprucht werden kann.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
43
Einschränkend ist darauf hinzuweisen, dass aus der Grafik nicht die besonderen Effekte bei der Gewerbesteuer hervorgehen. Denn in Fallgruppe I und Fallkonstellation II.a kann ein mittelbarer gewerbesteuerlicher Liquiditätsnachteil entstehen, dessen Herleitung Anhang 1 (S. 381) entnommen werden kann.180 Des Weiteren ist eine Steueranrechnung auf die Gewerbesteuer nicht möglich, sodass Anrechnungsbeträge im gewerbesteuerlichen Bereich nicht vor einem liquiditätswirksamen Eingreifen der Zinsschranke abschirmen können. Ferner ist anzumerken, dass abziehbare Zinsaufwendungen aufgrund von § 8 Nr. 1 lit. a GewStG den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag nur zu 75% erhöhen. III. Zeitraumbetrachtung Um die Frage beantworten zu können, ob der zinsschrankeninduzierte Liquiditätsnachteil nur temporärer oder gar definitiver Natur ist, muss die Nutzbarkeit des Zinsvortrags in zukünftigen Perioden und dessen effektives Steuerentlastungspotenzial beurteilt werden. 1.
Temporärer Liquiditätsnachteil
Eine temporäre Belastung liegt vor, wenn sich die Steuerbelastung der Vorperioden in der Folgezeit durch Verrechnung des Zinsvortrags betragsgleich in eine Steuerminderbelastung umkehrt. Die Steuerminderbelastung kann entweder in einem einzigen Veranlagungszeitraum durch vollständige Verwertung oder über mehrere Veranlagungszeiträume hinweg durch sukzessive Verwertung des Zinsvortrags realisiert werden. Ferner sind Besonderheiten zu berücksichtigen, wenn der Zinsvortrag in negative Einkünfte transformiert wird. a.
Nutzung des Zinsvortrags und seine formale Herleitung
Der Zinsvortrag (ZVt–1) wird im Rahmen des Grundtatbestands als laufender Zinsaufwand der Periode behandelt, der jedoch nicht den maßgeblichen Gewinn mindert (§ 4h Abs. 1 S. 6 EStG). Für die vollständige oder partielle Nutzung des Zinsvortrags ist es erforderlich, dass die Zinsaufwendungen (ZAt), die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben, allein nicht mehr den Grundtatbestand der Zinsschranke auslösen würden oder einer der Ausnahmetatbestände beansprucht wird. In formaler Hinsicht muss gelten:
30%* EBITDAt ZEt ! ZAt
(F.I.7)
Ferner kann der Zinsvortrag nur dann steuermindernd verwertet werden, wenn hiermit eine positive Bemessungsgrundlage geschmälert wird. Soweit die Verwertung lediglich zu einer negativen Bemessungsgrundlage führt oder diese hierdurch vergrößert wird, ist eine vollständige Steuerminderbelastung ausgeschlossen.181 Dies ist der Fall, wenn bereits vor der Ver180
181
In Fallgruppe I kann ein mittelbarer gewerbesteuerlicher Liquiditätsnachteil nur dann entstehen, wenn die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage nach Anwendung der Zinsschranke aufgrund von Zinserträgen positiv wird. Vielmehr sind in diesem Fall die Möglichkeiten einer Verwertung der negativen Einkünfte in den Blick zu
44
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
rechnung des Zinsaufwands keine positive Bemessungsgrundlage vorhanden ist (EBITt + ZEt 0). Eine vollständige Steuerminderbelastung wird erzielt, wenn folgende Bedingung erfüllt (F.I.8) ist: EBITt + ZEt at * (ZAt + ZVt–1), mit ZVt-1 = (1 – at–1) * ZAt-1
at
ZEt min{0,3* EBITDA; ZAt ZVt 1} ZAt ZVt 1
(F.I.9)
mit 0 at 1 Im Unterschied zu Formel F.I.3 (S. 35) ist der Zinsvortrag nun integraler Bestandteil der Zinsabzugsquote (at). Das ist auch sachgerecht, weil der Zinsvortrag – wie oben erwähnt – als laufender Zinsaufwand der Periode zu qualifizieren ist. Als weiterer Unterschied gegenüber der Ursprungsformel kann ausfindig gemacht werden, dass der EBITDA-Vortrag nun nicht mehr in der Zinsabzugsquote enthalten ist. Ursächlich hierfür ist, dass ein Zusammenfallen von Zinsvortrag und EBITDA-Vortrag grundsätzlich ausgeschlossen ist.182 Sofern die Zinsabzugsquote kleiner als eins ist, kann der Zinsvortrag nur partiell genutzt werden, weshalb eine betragsgleiche Umkehr des Liquiditätsnachteils in eine Steuerminderbelastung zumindest in dieser Periode nicht in Betracht kommt. Wenn der abziehbare Zinsaufwand (inkl. Zinsvortrag) jedoch das um die Zinserträge erhöhte steuerliche EBIT übersteigt (EBITt + ZEt at * (ZAt + ZVt-1)), verbleibt eine negative Bemessungsgrundlage, weshalb durch die (partielle) Verrechnung des Zinsvortrags zumindest im betrachteten Betriebsvermögen keine vollumfängliche Steuerminderbelastung erzielt werden kann. Vielmehr ist in diesem Fall die Steuerminderbelastung durch Verrechnung des Zinsvortrags nur insoweit möglich, wie dessen abzugsfähiger Anteil (at) das um die Zinserträge erhöhte und um die abzugsfähigen Zinsaufwendungen (exkl. Zinsvortrag) verminderte steuerliche EBIT nicht übersteigt:
MBt n
min{EBITt ZEt at * ZAt ; at * ZVt 1}*(sKSt 0,75sGewSt )
(F.I.10)
mit EBITt + ZEt – at * ZAt 0 Mit MBt+n wird die steuerliche Minderbelastung gekennzeichnet, welche den in Vorperioden erlittenen Liquiditätsnachteil kompensiert. Im Veranlagungszeitraum t kann der Zinsvortrag genutzt werden und in Periode t + n tritt die steuermindernde Zahlungswirkung ein. Der Liquiditätsnachteil ist temporärer Natur, wenn über den Betrachtungszeitraum T + N die Summe der zinsschrankeninduzierten Steuermehrbelastungen (LN) gleich der Summe der steuerliT T N LNt MBt (F.I.11) chen Minderbelastungen (MB) ist: t t
¦
182
¦
nehmen. Bei Mitunternehmerschaften ist eine steuermindernde Zinsaufwandsverwertung denkbar, vgl. Abschn. A.III.1.b, S. 45. Grundsätzlich sind ein Nebeneinander von Zins- und EBITDA-Vortrag ausgeschlossen. Nur im Veranlagungszeitraum 2010 kann es dennoch zu diesem Nebeneinander kommen, weil der EBITDA-Vortrag bereits für die Veranlagungszeiträume 2007 bis 2009 ermittelt werden kann, jedoch frühestens im Wirtschaftsjahr 2010 verrechnet werden darf; vgl. Bien/Wagner, Wachstumsbeschleunigungs-gesetz, BB 2009, S. 2633; Herzig/Bohn/Götsch, Zusammenspiel, DStR 2009, S. 2619.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
45
mit LNT+k = 0, 1 k N b.
Transformation des Zinsvortrags in negative Einkünfte
Soweit zur Verrechnung des Zinsvortrags kein ausreichend hohes Ergebnis zur Verfügung steht, wird der Zinsvortrag in negative gewerbliche Einkünfte transformiert, die von nun an außerhalb der Regelungen des § 4h EStG zu verwerten sind. Dementsprechend ist zu prüfen, ob jene negativen Einkünfte außerhalb des verursachenden Betriebsvermögens steuermindernd verwendet werden können, und in welchem Umfang körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge anwachsen. Ein Entlastungseffekt außerhalb des verursachenden Betriebsvermögens ist denkbar, wenn es sich um ein transparent zu besteuerndes Personenunternehmen handelt. Denn für einkommenund körperschaftsteuerliche Zwecke könnte die negative Bemessungsgrundlage dieses Betriebs auf Ebene des Mitunternehmers innerhalb des horizontalen und vertikalen Verlustausgleichs eine mittelbare Entlastung herbeiführen. In diesem Fall läge ein Qualifikationswechsel von betriebsgebundenen bzw. abgeschirmten Zinsaufwendungen in transparent zu verwertende, negative Einkünfte vor. Eine auf diese Weise herbeigeführte betriebsfremde Kompensation müsste im Rahmen eines investitionstheoretischen Entscheidungskalküls als Steuerminderbelastung berücksichtigt werden.183 Ob hierbei eine betragsgleiche Umkehrung der Steuerbelastung eintritt, wird jedoch maßgeblich von dem anzuwendenden inländischen oder ausländischen Besteuerungsregime abhängen; regelmäßig wird eine vollständige Umkehr aber nicht möglich sein, weil gewerbesteuerliche Verluste außerhalb des verursachenden Betriebs nicht verrechnet werden können.184 Ist eine betriebsfremde Verlustverwertung hingegen nicht möglich, ist bezüglich der zukünftigen Steuerminderbelastung zu prüfen, inwieweit der auf den Zinsabzug entfallende Verlustvortrag (ehemals Zinsvortrag) genutzt werden kann. Sofern eine betriebsfremde Nutzung der einkommen- und körperschaftsteuerlichen Verluste ausscheidet, wird der Zinsvortrag in einen einkommen- bzw. körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag und in einen gewerbesteuerlichen Verlustvortrag aufgespalten.185 Während im körperschaftsteuerlichen Bereich gegebenenfalls ein Verlustrücktrag (§ 10d Abs. 1 EStG) in Frage kommt, ist dies im gewerbesteuerlichen Bereich ausgeschlossen. Außerhalb des Verlustrücktrags sind die Regelungen zur zukünftigen Verrechnung des Verlustvortrags aber deckungsgleich. Es gilt hier die sog. Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG bzw. § 10a
183 184
185
Zur steuerplanerischen Behandlung von Verlusten vgl. Wagner/Dirrigl, Steuerplanung, 1980, S. 54 ff.; Becker/Loitz/Stein, Verlustnutzung, 2009, § 2, Rz. 105 ff. Gewerbesteuerliche Verluste sind objektbezogen zu ermitteln und zu verwerten und dementsprechend nur von dem verursachenden Gewerbebetrieb nutzbar; vgl. Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewStKommentar, § 10a, Rz. 17 ff. In der Literatur wird auch allgemein davon gesprochen, dass der Zinsvortrag in einen Verlustvortrag umgewandelt wird, vgl. bspw. Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 603; Mai, Bewertung, DBW 2008, S. 42; Rödder, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 10, Rz. 35.
46
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
S. 1 f. GewStG.186 Darüber hinaus greifen für den gewerbe- und körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag von Personengesellschaften unterschiedliche Beschränkungen ein, die den Erhalt des Verlustvortrags gefährden.187 2.
Definitiver Liquiditätsnachteil und Substanzbesteuerung
Soweit jedoch ein Zinsvortrag in der Zukunft aufgrund von gesetzlichen Verrechnungsbeschränkungen (z. B. § 8c KStG, § 4h Abs. 5 EStG),188 wirtschaftlichen Rahmendaten oder wegen Steueränderungen nicht vollständig genutzt werden kann, ist die Belastung durch die Zinsschranke (teilweise) definitiv.189 Eine Definitivbelastung liegt ebenfalls vor, wenn in den Folgeperioden mit der Verwertung des Zinsvortrags keine betragsgleiche Steuerminderung erzielt wird (sog. Steuersatzeffekt).190 Besonders belastend wiegt ein definitiver Liquiditätsnachteil, wenn hierdurch ebenfalls die wirtschaftliche Substanz des Unternehmens angegriffen wird (sog. Substanzbesteuerung).191 Dieses Szenario tritt ein, wenn in der Periode des Eingreifens der Zinsschranke ein (handelsrechtlicher) Verlust oder ein zu geringer Gewinn erzielt und somit nicht ausreichende (neue) finanzielle Mittel erwirtschaftet werden, um die Steuerzahlungen zu begleichen.192 Wenn das Unternehmen darüber hinaus nur über eine geringe Liquiditätsausstattung verfügt, kann die mit der Zinsschranke verbundene Zahlungsverpflichtung einen zusätzlichen Finanzierungsbedarf hervorrufen.193 In Extremsituationen könnte hieraus sogar die Gefahr einer Insolvenz erwachsen bzw. verstärkt werden.194
186 187 188 189
190
191
192 193
194
Zu betriebswirtschaftlichen Wirkungen der Mindestbesteuerung vgl. Herzig/Wagner, Mindestbesteuerung, WPg 2004, S. 53 ff.; Watrin/Wittkowski/Ullmann, Mindestbesteuerung, StuW 2008, S. 238 ff. Vgl. hierzu Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewSt-Kommentar, § 10a, Rz. 18 ff.; Becker/Loitz/Stein, Verlustnutzung, 2009, § 2, Rz. 16 ff. Zur Diskussion von streitbefangenen Vorschriften, die den (teilweisen) Untergang des Zinsvortrags bewirken, vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.4, S. 132 ff. Herzig/Bohn, Unternehmensfinanzierung, DB 2007, S. 7; Baumgärtel, Unternehmensteuerreform, S. 586. Zum vergleichbaren Phänomen bei Verlustvorträgen vgl. Sigloch, Wirkungen, StuW 1990, S. 234; Herzig/Wagner, Verlustberücksichtigung, DStR 2003, S. 225 ff. Beispielhaft für Betriebe natürlicher Personen Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1011. Allgemein zum Steuersatzeffekt vgl. Scheffler, Steuerbilanzpolitik, BB 2003, S. 1719; Watrin/Wittkowski/Ullmann, Mindestbesteuerung, StuW 2008, S. 239. Zur exemplarischen Darstellung der substanziellen Steuerbelastungseffekte der Zinsschranke bei Vernachlässigung der Zinsvortragsverwertung vgl. Hoffmann/Rüsch, Steuersätze, DStR 2007, S. 2082 f. Auch Kußmaul/Zabel, Substanzbesteuerung, BB 2007, S. 973 identifizieren den substanzbesteuernden Charakter der Zinsschranke. Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 50; Eilers/Bühring, Schönwetter, DStR 2009, S. 137; Mückl, Bürgerentlastungsgesetz, GWR 2009, S. 164. Die Zinsschranke reduziert somit das Reinvermögen. Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1146, die von erfolgsunwirksamen Zahlungen und zahlungsunwirksamen Erfolgswirkungen abstrahieren. Blaufus/Lorenz identifizieren bei 13% der von der Zinsschranke belasteten Unternehmen einen Außenfinanzierungsbedarf; vgl. dieselben, Krise, StuW 2009, S. 326 u. 330. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2261; Knopf/Bron, Zinsschrankenbesteuerung, BB 2009, S. 1224.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
3.
47
Temporärer Liquiditätsvorteil
Die Zinsschranke kann einen temporären Liquiditätsvorteil bewirken, der aus dem Zusammenspiel von Zins- und Verlustvortragsverrechnung resultiert. Unter der Bedingung, dass die Zinsschranke in Vorperioden keinen Liquiditätsnachteil bewirkt hat (Fallgruppe I und Fallkonstellation II.a), ist ein Liquiditätsvorteil angezeigt, wenn die Verlustverrechnung nach §§ 10d Abs. 2 EStG, 10a GewStG in einer Welt ohne Zinsschranke langsamer voranschreiten würde als die kombinierte Verrechnung des Zins- und Verlustvortrags in einer Welt mit Zinsschranke. Denn in diesem Fall wird die Mindestbesteuerung des § 10d Abs. 2 S. 1 EStG bzw. § 10a S. 2 GewStG (partiell) ausgeschaltet und durch die Zinsvortragsnutzung ersetzt.195 Sind ausgehend von Fallgruppe I bzw. Fallkonstellation II.a in den Vorperioden gleichzeitig Zins- und Verlustvorträge aufgelaufen, ist deren steuerwirksame Verwendung in den Folgeperioden zu beurteilen und mit der effektiven Verlustnutzung in einer Welt ohne Zinsschranke (Referenzsteuersystem) zu vergleichen. In diesem Referenzsteuersystem existieren lediglich körperschaft- und gewerbesteuerliche Verlustvorträge, aber keine Zinsvorträge.196 Vielmehr stimmt der körperschaftsteuerliche Verlustvortrag betragsmäßig mit der Summe von Zinsund Verlustvortrag des realen Steuersystems überein. Sofern man mit Ausnahme von § 8 Nr. 1 lit. a GewStG von weiteren gewerbesteuerlichen Korrekturen abstrahiert, ergibt sich der gewerbesteuerliche Fehlbetrag im Referenzfall aus der Differenz von körperschaftsteuerlichem Verlustvortrag und 25% der Zinsaufwendungen. Besteht in einer Folgeperiode nun die Möglichkeit, den Verlust- und Zinsvortrag gemeinsam zu nutzen und übersteigt dieser Gesamtbetrag der Nutzung denjenigen, der im Referenzsteuersystem hätte genutzt werden können, ermöglicht die Zinsschranke eine schnellere Verwirklichung der Steuerminderbelastung und somit einen temporären Liquiditätsvorteil. Dieser Effekt kann jedoch nur erzielt werden, wenn im Referenzsteuersystem die Mindestbesteuerung zur Anwendung gelangen würde und der Zinsvortrag im realen Steuersystem genutzt werden kann. Durch die Aufteilung des negativen Vorsteuerergebnisses bzw. des maßgeblichen Einkommens in Zins- und Verlustvortrag kann es auch zu der Situation kommen, dass der Verlustvortrag unterhalb des Sockelbetrags von 1 Mio. € bleibt und der übersteigende Betrag in den Zinsvortrag einfließt. Unter diesen Bedingungen wäre die Mindestbesteuerung nur im Referenzsteuersystem anwendbar, nicht aber im realen Steuersystem. Damit im Referenzsteuersystem (*) die Mindestbesteuerung nach § 10d Abs. 2 EStG greift, müssen sowohl der Gesamtbetrag der Einkünfte (GdE*) als auch der Verlustvortrag (VV*) größer als 1 Mio. € (Sockelbetrag) sein. Des Weiteren muss der Gesamtbetrag der Einkünfte 195
196
Zum Phänomen des beschleunigten Zins- und Verlustabzugs vgl. Herzig/Bohn, Unternehmensfinanzierung, DB 2007, S. 7. In der Literatur wird dieses Phänomen auch als Zinsschrankenparadoxon bezeichnet; vgl. Pasedag, Wirkungen, CF 2010, S. 304; Rauch/Brähler/Göttsche, Wirkung, WPg 2010, S. 1066 ff. Mithin ist das Referenzsteuersystem in dem hier gezogenen Vergleich mit Ausnahme von § 4h EStG identisch mit dem realen Steuersystem. Sofern ein Ausnahmetatbestand einschlägig ist, lässt sich das Referenzsteuersystem in das reale Steuersystem überführen.
48
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
kleiner sein als die Summe aus dem Sockelbetrag und dem Produkt von 5/3 (= 1/0,6) und dem um den Sockelbetrag verminderten Verlustvortrag. Diese Bedingungen können wie folgt VV * 1 Mio. (F.I.12) formuliert werden:197 GdEt* 1 Mio. t 1 0, 6 Wenn der Gesamtbetrag der Einkünfte größer ist als die rechte Seite der Ungleichung, kann der Verlustvortrag – mangels Einschlägigkeit der Mindestbesteuerung – vollständig verrechnet werden, weshalb durch die Zinsschranke kein temporärer Liquiditätsvorteil mehr erreicht wird. Die obige Ungleichung, die für das Referenzsteuersystem aufgestellt wurde, kann einfach in das reale Steuersystem überführt werden: *
VVt 1
GdEt*
VVt 1 ZVt 1 1 Mio. GdEt min{ZVt 1 ;0,3* EBITDAt ZEt ZAt } 1 Mio. 0, 6
Ù GdEt 1 Mio.
VVt 1 ZVt 1 1 Mio. min{ZVt 1 ;0,3* EBITDAt ZEt ZAt } (F.I.13) 0, 6
Dem linken Term der oberen Ungleichung kann entnommen werden, dass sich die jeweiligen Gesamtbeträge der Einkünfte des realen Steuersystems und des Referenzsteuersystems lediglich in Höhe der Zinsvortragsnutzung unterscheiden. Ferner verdeutlicht der rechte Term der oberen Ungleichung, dass der Verlustvortrag des Referenzsteuersystems in einer Welt mit Zinsschranke in einen Verlust- und Zinsvortrag aufgespalten wird. In Höhe der Substitution von Verlust- in Zinsvortrag wird die Wirkung der Mindestbesteuerung im realen Steuersystem abgemildert bzw. vollständig ausgeschaltet. Beim Vergleich des realen und fiktiven Steuersystems wird deutlich, dass im Falle der simultanen Nutzung von Verlust- und Zinsvortrag der Gesamtbetrag der Einkünfte im realen System immer niedriger ist, weshalb auch der Wirkungsgrad der Mindestbesteuerung immer geringer ist oder gar vollständig ausgeschaltet werden kann. Im gewerbesteuerlichen Bereich lässt sich ebenfalls ein Liquiditätsvorteil erzielen, jedoch ist die Obergrenze des maßgeblichen Gewerbeertrags (GewE), bis zu dem ein Liquiditätsvorteil möglich ist, deutlich niedriger als diejenige des Gesamtbetrags der Einkünfte. Dies liegt daran, dass der gewerbesteuerliche Fehlbetrag (FB) im Falle von Zinsaufwendungen immer geringer ist als sein körperschaftsteuerliches Pendant, da Zinsaufwendungen der Hinzurechnung gem. § 8 Nr. 1 lit. a GewStG unterliegen. Wendet man nun die obigen Überlegungen analog auf die gewerbesteuerlichen Verhältnisse an, führt dies zu der folgenden Formel: GewEt 1 Mio.
197
FBt 1 3 ZVt 1 1 Mio. 4 3 min{ZVt 1 ; 0,3* EBITDAt ZEt ZAt } (F.I.14) 4 0, 6
Zu dem körperschaftsteuerlichen Entlastungseffekt vgl. auch die formale Herleitung und die Bedingungen von Rauch/Brähler/Göttsche, Wirkung, WPg 2010, S. 1068 f.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
49
Die rechte Seite der Ungleichung gibt die Obergrenze an, bis zu der mit der Zinsschranke im gewerbesteuerlichen Bereich ein temporärer Liquiditätsvorteil angezeigt ist. Übersteigt der maßgebliche Gewerbeertrag diese Obergrenze, entsprechen sich wieder die Gewerbesteuerbelastungen im realen und fiktiven Steuersystem. Abschließend ist aber zu betonen, dass die Realisierung des temporären Liquiditätsvorteils grundsätzlich davon abhängt, ob innerhalb des Zeitraums von der Entstehung bis zur Nutzung der Verlust- und Zinsvorträge keine wesentlichen (temporären) Liquiditätsnachteile anfallen. Dies setzt voraus, dass der Aufbau des Zinsvortrags mit keiner oder nur einer geringfügigen Mehrbelastung einhergegangen ist. 4.
Scheinbarer Liquiditätsvorteil
Sofern das Eingreifen der Zinsschranke in Vorperioden zu keiner Steuermehrbelastung geführt hat und der Zinsvortrag in der Folgezeit steuermindernd verwertet werden kann, erzielt der Steuerpflichtige einen Liquiditätsvorteil. Dieses Szenario ist vergleichbar mit der Verwertung des steuerlichen Verlustvortrags.198 Aus ökonomischer Sicht realisiert der Steuerpflichtige aber nur einen scheinbaren Liquiditätsvorteil und nicht etwa einen definitiven Vermögensvorteil, da die Aufwandsverrechnung mit ihrer steuermindernden Wirkung idealtypisch bereits im Zeitpunkt der Verlust- bzw. Aufwandsentstehung hätte erfolgen müssen. Dieses Phänomen liegt in der asymmetrischen Teilhabe des Fiskus an unternehmerischen Gewinnen und Verlusten begründet. Während positive Ergebnisse erst nach Abzug von Steuern zu einer Vermögensmehrung führen (z. B. 70% des Vorsteuergewinns), sind negative Ergebnisse zu 100% vom Steuerpflichtigen zu tragen. Bei symmetrischer Teilhabe müsste der Fiskus bereits im Zeitpunkt der Verlust- bzw. Aufwandsentstehung eine Steuererstattung gewähren, damit den Steuerpflichtigen das negative Ergebnis – spiegelbildlich zum Gewinnfall – auch nur zu 70% belastet (sog. sofortiger/vollständiger Verlustausgleich). Verglichen mit einem Referenzsteuersystem, das die Zinsschranke nicht kennt und eine symmetrische Besteuerung von Gewinnen und Verlusten vorsieht, erleidet der Steuerpflichtige im Zeitpunkt der zinsaufwandsinduzierten Verlustund/oder Zinsvortragsentstehung somit in Höhe der nicht gewährten Steuererstattung einen (temporären) Liquiditätsnachteil, der erst periodenverschoben durch steuermindernde Verwertung wieder ausgeglichen wird.199
198
199
Der Vergleich mit dem steuerlichen Verlustabzug kann gezogen werden, da – wie oben gezeigt – ein steuerzahllastneutrales Eingreifen der Zinsschranke nur denkbar ist, wenn das steuerliche Ergebnis ohne Beachtung der Zinsschranke negativ ist oder ein Verlustvortrag zugunsten eines Zinsvortrags abgebaut wird. Im ersteren Fall wird also nach den steuerlichen Gewinnermittlungsregelungen (ohne Zinsschranke) ein Verlust erzielt und im letzteren Fall wandelt sich der Verlustvortrag lediglich in einen Zinsvortrag. Außerhalb des horizontalen und vertikalen Verlustausgleichs sowie Verlustrücktrags besteht nicht die Möglichkeit eines sofortigen bzw. vollständigen Verlustausgleichs (auch teilweise als Verlustsubvention bezeich-
50
5.
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Zusammenfassende Übersicht zu den intertemporalen Liquiditätseffekten der Zinsschranke
T =1
ZS(–)
T =2
scheinbarer Liquiditätsvorteil
ZV Ĺ
ZVͲNutzung
aust =1
VV Ĺ aust =1
VVͲNutzung
ZS(+)
T =3
temporärer Liquiditätsnachteil
ZV =0
VV =0
ZVͲAufbau
ZS(–)
T =4
definitiver Liquiditätsnachteil
ZV Ĺ
VV (–)
teilw.ZVͲUntergang
ZV (–)
VV Ĺ
temporärer Liquiditätsvorteil
Abbildung 4: Intertemporale Liquiditätseffekte der Zinsschranke
Das obige Schaubild verdeutlicht noch einmal exemplarisch die intertemporalen Liquiditätswirkungen der Zinsschranke. In Periode t = 1 werden Zins- und Verlustvortrag (ZV/VV) aufgebaut. Dies impliziert, dass mit dem Eingreifen der Zinsschranke kein Liquiditätsnachteil einhergegangen ist bzw. der zum Periodenende T = 1 bestehende Zinsvortrag steuerzahllastneutral aufgebaut worden ist.200 In Periode t = 2 greift die Zinsschranke hingegen nicht erneut ein und es wird auch ein ausreichendes zu versteuerndes Einkommen erzielt, sodass Zins- und Verlustvortrag steuerwirksam verrechnet werden können. Da der Zinsvortrag steuerzahllastneutral gebildet wurde, aber zum Periodenende T = 2 steuerzahllastwirksam verrechnet wird, ist ein scheinbarer Liquiditätsvorteil angezeigt. Ferner wird unterstellt, dass durch die parallele Bildung von Zins- und Verlustvortrag in t = 1 die Mindestbesteuerung (§§ 10d Abs. 2 S. 1 EStG, 10a S. 2 GewStG) in t = 2 vermieden werden kann, wodurch der Verlustvortrag zum Periodenende T = 2 unbeschränkt verrechnet werden kann. Aufgrund der konzertierten Bildung von Zins- und Verlustvortrag wird ein temporärer Liquiditätsvorteil erzielt. In Periode
200
net). Vonseiten der Wissenschaft wird indes gefordert, dass im Zeitpunkt der Verlustentstehung eine Steuererstattung in Höhe des Produktes aus Verlust und äquivalentem Gewinnsteuersatz erfolgen sollte; vgl. Sigloch, Wirkungen, StuW 1990, S. 238; Djanani/Pummerer, Verrechnungsbeschränkungen, StuW 2004, S. 163 ff.; Schneider, Bemessungsgrundlagen, 2004, S. 295, der auch für die Einführung von handelbaren Verlustverrechnungsgutscheinen eintritt. Von einem mittelbaren gewerbesteuerlichen Liquiditätsnachteil der Zinsschranke wird abstrahiert.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
51
t = 3 greift die Zinsschranke erneut ein. Aufgrund von operativen Gewinnen erhöht sie die Steuerbelastung und begründet zum Periodenende T = 3 einen in der Zukunft grundsätzlich verrechenbaren Zinsvortrag. Mithin liegt der klassische Fall des temporären Liquiditätsnachteils vor. In Periode t = 4 kann der Zinsvortrag aufgrund von hohen Abschreibungen zwar teilweise verrechnet werden, allerdings begründet die Zinsvortragsnutzung einen Verlustvortrag, weshalb hierdurch keine Steuerminderbelastung erzielt wird. Ferner wird angenommen, dass ein Teil des Zinsvortrags nicht genutzt bzw. transformiert werden kann, weil ein Ereignis eintritt, welches den partiellen Untergang des Zinsvortrags bewirkt. Durch den teilweisen Untergang des Zinsvortrags wird die in t = 3 erlittene Steuerbelastung definitiv. Insoweit der Zinsvortrag in einen Verlustvortrag transformiert wird, ist die Liquiditätswirkung der Zinsschranke nunmehr von der Möglichkeit abhängig, den Verlustvortrag bzw. den ehemaligen Zinsvortrag in zukünftigen Perioden zu verwerten. B.
Zinseffekte
Auch wenn die Zinsschranke nur eine temporäre Belastung hervorruft, entbehrt das Unternehmen vom Zeitpunkt der Entstehung des Liquiditätsnachteils bis zum Zeitpunkt der Steuerentlastung finanzielle Mittel, die in zinsbringende Anlagen hätten investiert werden können. Mit umgekehrten Vorzeichen gilt Entsprechendes für den Fall des temporären Liquiditätsvorteils; hier werden aufgrund der (partiellen) Umgehung der Mindestbesteuerung liquide Mittel verfügbar, die für einen bestimmten Zeitraum verzinslich angelegt werden können. Der Verlust bzw. Gewinn an theoretischen Zinsen wird hier als Zinsnachteil bzw. Zinsvorteil bezeichnet, der innerhalb von mehrperiodigen Planungsrechnungen zu berücksichtigen ist und in den Kapitalwert von Investitions- und Finanzierungsrechnungen einfließt. Sofern zur Überprüfung der Vorteilhaftigkeit von Investitionsprojekten das Kapitalwertkriterium herangezogen wird, müssen die mit dem Investitionsprojekt in Zusammenhang stehenden, zukünftigen Zahlungsströme auf den Beurteilungszeitpunkt abgezinst werden. Dabei verringern Fremdfinanzierungszinsen den zu diskontierenden (positiven) Zahlungsstrom.201 I.
Zinsnachteil
Die Fremdfinanzierung von Investitionsprojekten weist gegenüber der Eigenfinanzierung regelmäßig einen Unternehmenssteuervorteil auf, da Zinsen im Gegensatz zu Gewinnausschüttungen bzw. Gewinnentnahmen auch die steuerliche Bemessungsgrundlage – vor Berücksichtigung der Zinsschranke – mindern (sog. Tax Shield). Deshalb wird das Tax Shield im Rahmen des Adjusted-Present-Value-Verfahrens auch als expliziter Wertbeitrag bei der 201
Das Kapitalwertkalkül stellt das bevorzugte Konzept zur Beurteilung der Vorteilhaftigkeit von Investitionsprojekten dar; vgl. König/Wosnitza, Steuerwirkungslehre, 2004, S. 9 ff.; Wöhe/Döring, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 537 ff. Auf dem Kapitalwertkalkül basieren auch die in praxi und Wissenschaft dominierenden Gesamtunternehmensbewertungsverfahren, vgl. Kuhner/Maltry, Unternehmensbewertung, 2006, S. 68; Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2007, S. 8 f.
52
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Ermittlung des Gegenwartswerts des Investitionsprojekts bzw. des Unternehmens dargestellt.202 Bei Vernachlässigung von persönlichen Steuern der Kapitalgeber berechnet sich das periodische Tax Shield des Unternehmens aus dem Produkt von Fremdfinanzierungszinsen, multipliziert mit einem um Zinsabzugsbeschränkungen modifizierten Effektivsteuersatz203 des Unternehmens.204 Wenn die Zinsschranke allerdings den steuerwirksamen Zinsaufwand temporär limitiert, kann das Tax Shield insoweit erst in späteren Perioden, d. h. zum Zeitpunkt der Zinsvortragsnutzung, seinen wertgenerierenden Beitrag leisten.205 Folglich reduziert sich auch der Kapitalwert des Investitionsprojekts bzw. der Barwert des Tax Shield, da das Tax Shield über einen längeren Zeitraum diskontiert werden muss.206 In Höhe der Differenz zwischen zinsschrankeninduzierter, nominaler Steuermehrbelastung und dem Barwert der Steuerminderzahlung(en) aufgrund der Zinsvortragsnutzung erleidet der Steuerpflichtige somit einen Zinsnachteil. Nachfolgend soll skizziert werden, unter welchen Annahmen dieser Zinsnachteil berechnet werden kann. 1.
Risikoloser Zinsvortrag
Die Höhe des Zinsnachteils ist entscheidend von dem im Beurteilungszeitpunkt vorherrschenden Informationsniveau über die zukünftige Nutzung des Zinsvortrags und der Finanzierungspolitik des Unternehmens abhängig. Sofern eine autonome Finanzierungspolitik verfolgt wird,207 die Nutzung des Zinsvortrags nicht ausfallbedroht ist und der Zeitpunkt der Steuer202
203
204
205
206 207
Das Adjusted-Present-Value-Verfahren ist der Klasse der Discounted-Cashflow-Verfahren zuzuweisen, welches auf die Ermittlung des Gesamtunternehmenswerts abzielt. Dabei wird der Unternehmensgesamtwert in Eigen- und Fremdkapital sowie das Tax Shield zerlegt und isoliert bewertet. Durch den getrennten Ausweis der bewertungsrelevanten Zahlungsströme wird ein hoher Grad an Genauigkeit und Transparenz erreicht; vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2007, S. 118; Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 2009, S. 148 ff. Soweit der Zinsabzug bspw. aufgrund der Zinsschranke oder der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschrift (§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG) beschränkt wird, kann mittels Fremdfinanzierung keine steuerliche Entlastung mehr bewirkt werden, sodass der Effektivsteuersatz auf Unternehmensebene entsprechend zu reduzieren ist; vgl. Bachmann/Schultze, Steuervorteil, DBW 2008, S. 22 f.; Blum, APV-Ansatz, WPg 2008, S. 459; Eberl, Steuervorteil, zfbf 2009, S. 265 ff. Hier wird von Steuereffekten der Fremdfinanzierung auf Kapitalgeberseite abstrahiert. Im Rahmen einer theoretisch vollständigen Unternehmensgesamtbewertung sind bei der Ermittlung des Tax Shield neben den Steuereffekten auf Unternehmensebene noch die Einkommensteuereffekte auf Ebene der Eigen- und Fremdkapitalgeber zu berücksichtigen; vgl. hierzu grundlegend Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2007, S. 125 ff.; Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 2009, S. 155 ff. Zur Veranschaulichung des Zinsnachteils bei unterschiedlich langen Zeiträumen der Zinsvortragsnutzung und variierenden Kalkulationssätzen vgl. Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1010. Das Tax Shield erleidet bei Eingreifen der Zinsschranke einen zinsbedingten Wertverlust, vgl. Förster/Stöckl/ Brenken, Tax Shields, ZfB 2009, S. 990. Nach der autonomen Finanzierungspolitik sind die Fremdkapitalbestände deterministisch, d.h., sie werden unabhängig von der Kapitalstruktur bzw. dem Unternehmenswert festgelegt. Hingegen wird bei der atmenden Finanzierungspolitik der Verschuldungsgrad an den Unternehmenswert oder an andere Bilanzkennziffern geknüpft. In diesem Fall sind die Fremdkapitalbestände nicht mehr deterministisch, sondern abhängig von der
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
53
minderbelastung mit Sicherheit bekannt ist, werden zur Diskontierung des im Zinsvortrag gespeicherten Tax Shield ein äquivalenter Zinssatz208 der risikolosen Kapitalmarktanlage209 oder auch die äquivalenten Renditeforderungen der Fremdkapitalgeber210 herangezogen.211 Während der Zinssatz der risikolosen Anlage aus der Zinsstrukturkurve abgeleitet werden kann und somit objektivierbar ist,212 fließen in den Zinssatz für die Fremdkapitalaufnahme bzw. -vergabe individuelle Unternehmensverhältnisse ein.213 Bei Vernachlässigung von persönlichen Steuern der Anteilseigner kann der gesamte Zinsnachteil (ZN) formal wie folgt dargestellt werden: ZNT
T t 1
(1 t Alt ) * it
(F.I.15)
Dabei spannen die Indizes t bis T den Zeitraum von der Entstehung bis hin zur vollständigen Nutzung des Zinsvortrags auf, und mit it wird der periodenspezifische Zinssatz, der zur Diskontierung des Tax Shield heranzuziehen ist, bezeichnet; tAlt steht für die Effektivsteuerbelastungsquote der Erträge aus der risikolosen Kapitalmarktanlage bzw. der Fremdmittelaufnahme.214 2.
Riskanter Zinsvortrag
Die Bewertung des im Zinsvortrag gespeicherten Tax Shield ist jedoch mit Schwierigkeiten verbunden, wenn Unsicherheit darüber herrscht, ob aus der Zinsschranke ein temporärer oder definitiver Liquiditätsnachteil erwächst. Bei Unsicherheit über die tatsächliche und/oder betragsmäßige Realisierung des im Zinsvortrag gespeicherten Entlastungspotenzials ist das Tax Shield insoweit ebenfalls unsicher. Eine Diskontierung des Tax Shield mit dem Zinssatz einer risikolosen Kapitalmarktanlage bzw. einer quasi sicheren Fremdkapitalposition kann somit unter dem Regime der Zinsschranke – auch bei autonomer Finanzierungspolitik – nicht
208 209 210 211
212 213
214
ökonomischen Entwicklung des Unternehmens; eine Diskontierung des Tax Shield mit dem sicheren Zinssatz kommt dann nicht in Betracht; vgl. hierzu bspw. Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 2009, S. 186 f. Zu den Äquivalenzprinzipien bei der Bestimmung des Diskontierungszinssatzes vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2007, S. 82 ff. Vgl. Braun, Discounted Cashflow-Verfahren, 2005, S. 96; Kuhner/Maltry, Unternehmensbewertung, 2006, S. 201; Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 2009, S. 156. Vgl. Laitenberger, Finanzierungsprämissen, ZfB 2003, S. 1226 u. 1228; Schultze, Steuervorteile, DBW 2005, S. 240; Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2007, S. 119; Streitferdt, DCF-Verfahren, FB 2008, S. 272. Sofern bei der Ermittlung des Tax Shield persönliche Steuern berücksichtigt werden (Fn. 204), ist der jeweils verwendete Diskontierungszins noch um den persönlichen Grenzsteuersatz der Kapitalgeber zu adjustieren, vgl. Ballwieser, Unternehmensbewertung, 2007, S. 125; Hommel/Pauly/Schuster, Unternehmensbewertung, FB 2008, S. 416. Zur Bestimmung des risikolosen Zinssatzes vgl. Reese, Eigenkapitalkosten, 2007, S. 5 ff. Aufgrund von Ausfallrisiken des Fremdkapitals liegen die individuellen Fremdkapitalkonditionen regelmäßig oberhalb des risikofreien Zinssatzes; vgl. die Ergebnisse der Studie von Dörschell/Franken/Schulte, Kapitalkosten, 2010, S. 68 ff. Zu Ermittlungsmethoden für unternehmensindividuelle Fremdkapitalzinsen vgl. Munkert, Kapitalisierungszinssatz, 2005, S. 253 ff. Es wird unterstellt, dass bei der Grenzsteuerbelastung der Alternativanlage die Zinsschranke nicht zu berücksichtigen ist. Diese Annahme ist sachgerecht, da Zinserträge zu 100% mit Zinsaufwendungen verrechenbar sind.
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Teil I – Grundlagen der Untersuchung
mehr zutreffend sein.215 Um in diesem Fall den Zinseffekt bestimmen zu können, muss folglich ein Kapitalisierungszinssatz gefunden werden, der das Risiko der Zinsvortragsnutzung adäquat abbildet. Einschränkend ist vorwegzunehmen, dass die analytische Quantifizierung des Zinseffekts bei einem riskanten Zinsvortrag schnell an Grenzen stößt.216 Da der Zinsvortrag in der Folgeperiode für Zwecke der Zinsschranke automatisch zu laufendem Zinsaufwand wird (§ 4h Abs. 1 S. 6 EStG), unterliegt er bezüglich seiner steuerentlastenden Wirkung ebenfalls investitions- und finanzierungsspezifischen Risiken wie das gesamte Tax Shield des betrachteten Betriebs.217 Aufgrund dieses Zusammenhangs könnte der Zinseffekt über den Diskontierungszinssatz des Tax Shield erklärt werden (hierzu s. u.). Darüber hinaus bedrohen unternehmensstrukturelle Einflüsse den Erhalt des Zinsvortrags, wenn hiermit Beschränkungsnormen wie z. B. § 4h Abs. 5 EStG oder § 8c KStG ausgelöst werden. Diese Einflüsse entziehen sich einer analytischen Erklärung und können lediglich mittels subjektiver Einschätzungen bei der Quantifizierung des Tax Shield berücksichtigt werden.218 Aufgrund der Anknüpfung der Zinsschranke an das steuerliche EBITDA weist das Risiko des Tax Shield in Bezug auf investitionsspezifische Einflussfaktoren eine gewisse Nähe zum operativen Risiko des Unternehmens auf. Sofern ein linearer Zusammenhang zwischen dem operativen Zahlungsstrom und dem steuerlichen EBITDA bestünde, läge die Überlegung nahe, das Tax Shield mit den Eigenkapitalkosten des Unternehmens zu diskontieren.219 Dennoch wird in der Literatur216 eine Diskontierung des Tax Shield mit den Eigenkapitalkosten des Unternehmens berechtigterweise abgelehnt,220 da der Steuervorteil der Fremdfinanzierung nach oben begrenzt ist und die Zinsschranke im Wahrscheinlichkeitsbereich hoher EBITDAAusprägungen regelmäßig keine beschränkende Wirkung entfaltet.221 Vielmehr wird sich der theoretisch richtige Diskontierungszinssatz zwischen dem risikolosen Zinssatz und den Eigenkapitalkosten des Unternehmens befinden, was eine individuelle und keine analytische Festlegung des Diskontierungszinses notwendig macht.222 Wenn man das Tax Shield in einen 215 216 217
218 219
220 221 222
Vgl. Bachmann/Schultze, Steuervorteil, DBW 2008, S. 28; Mai, Bewertung, DBW 2008, S. 36; Eberl, Steuervorteil, zfbf 2009, S. 271. Vgl. hierzu die Untersuchungen und Ergebnisse von Bachmann/Schultze, Steuervorteil, DBW 2008, S. 19 ff.; Mai, Bewertung, DBW 2008, S. 40 ff.; Eberl, Steuervorteil, zfbf 2009, S. 265 ff. Zur Ermittlung des periodischen Tax Shield unter Berücksichtigung der Zinsschranke vgl. Bachmann/ Schultze, Steuervorteil, DBW 2008, S. 9 ff.; Mai, Bewertung, DBW 2008, S. 35 ff.; Eberl, Steuervorteil, zfbf 2009, S. 251 ff. Aus diesem Grund wird in der Literatur auf eine Berücksichtigung derartiger Risikoquellen verzichtet. Die Eigenkapitalkosten können individuell in Abhängigkeit von der Risikoneigung des Investors (sog. individualistischer Bewertungsansatz) oder marktorientiert bspw. mit Hilfe des CAPM (sog. marktorientierter Bewertungsansatz) ermittelt werden; vgl. Mandl/Rabel, Unternehmensbewertung, 1997, S. 226 ff. u. 292 ff.; Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 2009, S. 39 ff. u. 55 ff. Dies wäre allenfalls bei einem linearen Zusammenhang der periodischen Tax Shields und Zahlungsströme gegeben; vgl. Mai, Bewertung, DBW 2008, S. 44. Mithin ist die Streuung des Tax Shield grundsätzlich geringer als die des EBITDA; vgl. Eberl, Steuervorteil, zfbf 2009, S. 275. Eberl, Steuervorteil, zfbf 2009, S. 275, der darauf hinweist, dass eine analytische Herleitung des exakten Diskontierungszinssatzes bislang nicht vorliegt. Aufgrund dessen sprechen sich Förster/Stöckl/Brenken für eine Approximation des Diskontierungszinses aus, vgl. dieselben, ZfB 2009, S. 993.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
55
Teil entfallend auf den laufenden Zinsaufwand und einen Teil entfallend auf den Zinsvortrag aufspaltet, kann gezeigt werden, dass die Zinsvortragsnutzung mit einer höheren Unsicherheit behaftet ist als der Abzug der laufenden Zinsen. Dieser Umstand erfordert mitunter einen höheren Diskontierungszins, der auch deutlich die kalkulatorischen Eigenkapitalkosten übersteigen kann.223 II.
Zinsvorteil
Sofern der Steuerpflichtige einen temporären Liquiditätsvorteil durch die kombinierte Zinsvortrags- und Verlustnutzung erfährt,224 unterliegt eine kleinere Bemessungsgrundlage der Besteuerung, sodass temporär auch weniger Steuerzahlungen zu leisten sind. Dieses Mehr an Liquidität kann der Steuerpflichtige für den Zeitraum, bis zu dem sich der Liquiditätsvorteil wieder umkehrt, theoretisch in risikolose oder riskante Anlagen investieren.225 Der hiermit verbundene Zins- oder Beteiligungsertrag spiegelt die Bereicherung des Steuerpflichtigen wider. Ein Zinsvorteil ist jedoch genauso wie ein Liquiditätsvorteil nur dann erreichbar, wenn im Zeitpunkt der Bildung des Zinsvortrags keine oder nur geringe Steuerzahlungen zu leisten waren. Sofern ein temporärer Liquiditätsvorteil in der Folgezeit auf einen Liquiditätsnachteil trifft, sind die divergierenden Zinseffekte einander gegenüberzustellen. Sollte der rechnerische Zinsvorteil den Zinsnachteil übersteigen, verbleibt effektiv ein Zinsvorteil – andernfalls jedoch ein Zinsnachteil.
223 224 225
Vgl. hierzu ausführlich Förster/Stöckl/Brenken, Tax Shields, ZfB 2009, S. 993 ff. Vgl. Abschn. A.III.3, S. 47. Pasedag spricht allgemein von einem Barwertvorteil, vgl. derselbe, Wirkungen, CF 2010, S. 304.
56
C.
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Bilanz- und Erfolgseffekt der Zinsschranke
Die zinsschrankeninduzierten Liquiditäts- und Zinsnachteile fließen als maßgebliche Beurteilungsparameter in das investitionstheoretische Entscheidungskalkül ein. Die effektive Zinsschrankenbelastung der Periode wird hierbei anhand des tatsächlichen Mittelabflusses bzw. des verminderten Mittelzuflusses gemessen. Eine Entlastung durch Verrechnung des Zinsvortrags ist erst dann zu berücksichtigen, wenn hierdurch Steuerzahlungen gemindert worden sind. Hingegen kommt es von bilanzieller Warte aus betrachtet nicht auf einen tatsächlichen Zahlungsfluss an. Vielmehr sind zukünftige Steuerzahlungen bereits in der Periode als Steueraufwand zu erfassen, in der sie wirtschaftlich verursacht bzw. rechtlich entstanden sind.226 Darüber hinaus ist im Grundsatz auch eine zukünftige Steuerentlastung bereits in der Berichtsperiode als Steuerertrag zu zeigen, in der die Ursache für die Steuerentlastung begründet liegt. Dementsprechend sind sowohl eine zinsschrankeninduzierte Steuermehrbelastung als auch eine zukünftige Steuerentlastung durch Verrechnung des Zinsvortrags bzw. eines transformierten Verlustvortrags regelmäßig vor dem Eintritt des tatsächlichen Liquiditätseffekts in der Bilanz bzw. GuV zu erfassen. Des Weiteren werden in der HGB- und IFRS-Bilanz im Unterschied zum Entscheidungskalkül nur betrieblich veranlasste Ertragsteuern abgebildet, für die der zinsschrankenbefangene Betrieb als Steuerschuldner gegenüber den Finanzbehörden auftritt; Steuerverbindlichkeiten der Gesellschafter, die ebenfalls durch die Zinsschranke erhöht werden können, werden mit Ausnahme der Einkommensteuer in den Bilanzen der Gesellschafter ausgewiesen.227 Für die weitere Analyse sind die Rechnungslegungsvorschriften nach dem deutschen Handelsgesetzbuch (HGB) in der Fassung des Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz (BilMoG) sowie die geltenden International Accounting Standards (IAS) bzw. die International Financial Reporting Standards (IFRS) relevant. I.
Aufwandswirkung und Bilanzierung von zinsschrankeninduzierten Steuermehraufwendungen
Sofern mit der Zinsschranke ein temporärer oder permanenter Liquiditätsnachteil einhergeht, werden die im Veranlagungszeitraum geleisteten Steuervorauszahlungen regelmäßig nicht ausreichen, um die entstandene Steuerschuld zu begleichen.228 Dementsprechend ist nach 226 227
228
Vgl. Marx, Steuern, 1998, S. 100; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 26, Rz. 36. Die Einkommensteuer wird von den Gesellschaftern geschuldet und ist deshalb nicht zu erfassen; vgl. bspw. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 19 f.; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2009, S. 428; Grefe, Ertragsteuern, StuB 2009, S. 163. Sofern die Zinsschranke in Vorperioden zu einer Erhöhung der Steuervorauszahlungen geführt hat, und in der jeweiligen Berichtsperiode aufgrund des erneuten Eingreifens der Zinsschranke kein Antrag auf Herabsetzung der Steuervorauszahlung in Betracht kommt, fallen Zahlungs- und Aufwandswirkung der Zinsschranke zumindest partiell in dieselbe Berichtsperiode; vgl. hierzu auch Teil III – Kapitel 3 – Abschn. C, S. 318.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
57
HGB und IAS/IFRS für die steuerlichen Verpflichtungen, die über die Vorauszahlungen hinausgehen, eine (ungewisse) Schuld bzw. Verbindlichkeit aufwandswirksam zu passivieren.229 Da die zinsschrankeninduzierte Steuermehrbelastung einem abgeschlossen Berichtszeitraum zuzuordnen ist, wird nach bilanzieller Terminologie von einem tatsächlichen Ertragsteueraufwand gesprochen.230 Des Weiteren ist der exakte Ertragsteueraufwand zum Bilanzstichtag regelmäßig noch nicht bekannt, weshalb es sich bei der Bewertung der Steuerschuld in Abhängigkeit des Einzelfalles um eine mehr oder weniger genaue Schätzgröße handelt.231 Die vorstehenden Ausführungen gehen implizit davon aus, dass das Eingreifen der Zinsschranke im Rahmen der Steuerveranlagung erklärt wurde. Die bilanzielle Abbildung ist in diesem Fall relativ unproblematisch und soll nachfolgend kurz dargestellt werden. Anspruchsvoller ist dagegen die bilanzielle Erfassung von potenziellen Steuermehraufwendungen, die das Belastungspotenzial verkörpern, dass z. B. die erklärte Inanspruchnahme eines Ausnahmetatbestands von den Finanzbehörden nicht akzeptiert wird und deshalb eine höhere als die erklärte Steuerlast droht. In diesen Fällen geht es um die Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken1. Ordnung, die in Kapitel 2 von Teil IV intensiv erörtert und diskutiert wird. Für diese Zwecke sollen nachfolgend ebenfalls die gesetzlichen Grundlagen zur Bilanzierung von potenziellen Steuermehraufwendungen bzw. Steuerrisiken dargestellt werden. 1.
Passivierungsgrundsätze nach HGB
a.
Ansatz und Ausweis von Steuerschulden
Nach HGB sind die über die Steuervorauszahlungen hinausgehenden Ertragsteuerschulden in Abhängigkeit von der rechtskräftigen Veranlagung entweder als sonstige Verbindlichkeiten oder als Steuerrückstellungen aufwandswirksam zu passivieren.232 Nach Auffassung von weiten Teilen des Schrifttums kommt ein Ausweis als sonstige Verbindlichkeit erst in Betracht, wenn ein Steuerbescheid die tatsächlichen Steuerschulden gegenüber der Finanzbehörde dokumentiert.233 Solange eine noch so geringe Ungewissheit über den exakten Zahlungsbe229
230 231 232
233
Grundlegend zur Aufwandswirkung und bilanziellen Abbildung von tatsächlichen Steuern Marx, Steuern, 1998, S. 92 ff.; v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 120 ff. Während Ertragsteuern nach HGB stets aufwandswirksam zu erfassen sind (Marx, Steuern, 1998, S. 100), kommt nach IAS/IFRS in Abhängigkeit des zugrunde liegenden Sachverhalts auch eine erfolgsneutrale Passivierung in Betracht; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 14; Thiele/Eckert, in: Thiele/v. Keitz/Brücks, IFRSKommentar, IAS 12, Rz. 325 ff. Zur Abgrenzung von tatsächlichen (bzw. laufenden) und latenten Steuern vgl. Herzig/Heimig/Vossel, Tax Accounting, DB 2009, S. 2615; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 255. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 204. Genau genommen handelt es sich bei Steuerschulden um öffentlich-rechtliche Abgabeverpflichtungen, die sich bilanzierungstechnisch jedoch nicht von privatrechtlichen Verpflichtungen unterscheiden, da sie ebenfalls gegenüber einem bestimmten Berechtigen (Bund, Land, Gemeinde) bestehen; vgl. Herzig, Rückstellungen, DB 1990, S. 1342 f. Vgl. Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 266, Rz. 201; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. F, Rz. 840 ff.; Dusemond/Heusinger/Knop, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 266 HGB, Rz. 131.
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Teil I – Grundlagen der Untersuchung
trag besteht, kommt anstatt einer Verbindlichkeit vielmehr der Ausweis als Steuerrückstellung in Betracht.234 Denn gem. § 249 Abs. 1 HGB müssen dem Grunde und/oder der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeiten als Rückstellungen in der Bilanz angesetzt werden.235 Der durch die Zinsschranke erhöhte Steueraufwand der Periode erhöht somit die Steuerrückstellungen. Sofern Ungewissheit darüber herrscht, ob die deklarierten Sachverhalte einer Überprüfung durch die Finanzbehörden standhalten werden, ist es unter bestimmten Voraussetzungen erforderlich, einen über den Steuerbescheid hinausgehenden Betrag als Steuerrückstellung in der Bilanz „stehen“ zu lassen. Da der Steuerbescheid vorbehaltlich einer Nachprüfung ergeht (§ 164 AO), hat die Feststellung der Besteuerungsgrundlagen vorläufigen Charakter.236 Aus diesem Grund sollte eine im Vergleich zum vorläufig ergangenen Steuerbescheid überdotierte Steuerrückstellung nicht schematisch aufgelöst werden, sondern zunächst die Wahrscheinlichkeit von nachträglich anfallenden Mehrsteuern überprüft werden.237 Hinsichtlich des Bilanzausweises ist zwar streitig, ob Steuerrisiken der Bilanzkategorie „Steuerrückstellungen“ oder „sonstige Rückstellungen“ zuzuweisen sind,238 einig ist man sich im Schrifttum aber dahingehend, dass handelsbilanziell eine aufwandswirksame Erfassung des Steuerrisikos bei Erfüllung der Ansatzkriterien von Rückstellungen geboten ist.239 Ein Ausweis von nicht bilanzierten, potenziellen Steuernachzahlungen als Eventualschuld (§ 251 HGB) unterhalb der Bilanz kommt nicht in Betracht, wenn es sich um eine eigene (potenzielle) Außenverpflichtung des Unternehmens handelt;240 von § 251 HGB werden allenfalls Steuern aus der Haftung für Dritte erfasst.241 Des Weiteren sind ausstehende Steueransprüche bzw. Steuernachforderungen zu verzinsen. Die Verzinsung beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer rechtlich entstanden ist (§ 233a Abs. 2 AO). Bei den drohenden Nachzahlungszinsen handelt es 234
235
236 237 238
239 240 241
Wobei umstritten ist, ob der als sicher geltende Teilbetrag ein und derselben Steuerart als Verbindlichkeit und der als unsicher zu qualifizierende Teilbetrag als Rückstellung auszuweisen ist; zu den unterschiedlichen Auffassungen vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 266 HGB, Rz. 206 f.; Dusemond/Heusinger/ Knop, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 266 HGB, Rz. 132; Marx, Steuern, 1998, S. 93 f. Nach h. M. und ständiger Rechtsprechung unterscheiden sich Rückstellungen von Verbindlichkeiten nur hinsichtlich der Unsicherheit über das Be- bzw. Entstehen und/oder der Höhe der zugrunde liegenden Verpflichtung; vgl. etwa BFH v. 25.03.2004, IV R 35/02, BStBl. II 2006, S. 644 m. w. N. (S. 645); Moxter, Wahrscheinlichkeitsschwellen, BB 1998, S. 2464; Binger, Rückstellungen, 2009, S. 88 m. w. N. (Fn. 473 f.). Bis zur endgültigen Klärung bestimmter Sachverhalte besteht ein Steuerrisiko; vgl. Herzig/Heimig/Vossel, Tax Accounting, DB 2009, S. 2613; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 26, Rz. 31. Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. F, Rz. 849; Dusemond/Heusinger/Knop, in: Küting/Pfitzer/ Weber, HdR, § 266 HGB, Rz. 136. Für einen Ausweis der potenziellen Steuernachzahlungen innerhalb der Position Steuerrückstellungen Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. F, Rz. 843; Marx, Steuern, 1998, S. 95; v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 121; Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 266, Rz. 201; Scheffler, in: Castan et al., Rechnungslegung, Bd. I, B 233, Rz. 470. Für einen Ausweis innerhalb der sonstigen Rückstellungen IDW, WPH I, 2006, Abschn. F, Rz. 338. Zur Prüfung der Ansatzkriterien von ungewissen Steuerverbindlichkeiten bzw. Zinsschrankenrisiken1. Ordnung vgl. Teil IV – Kapitel 2 – Abschn. A.I, S. 323 ff. § 251 HGB erfasst im Grundsatz nur Haftungsverhältnisse für fremde Verbindlichkeiten; vgl. Ellrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 251, Rz. 4 (zu Ausnahmen: ebenda, Rz. 50). Vgl. Marx, Steuern, 1998, S. 235 f.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
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sich ebenfalls um rückstellungspflichtige steuerliche Nebenleistungen, die nach einhelliger Auffassung unter dem Posten „sonstige Rückstellungen“ verbucht werden.242 b.
Bewertung von Steuerschulden
Steuerrückstellungen sind nach den allgemeinen handelsrechtlichen Grundsätzen für Rückstellungen zu bewerten. Gem. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB sind Rückstellungen mit dem Erfüllungsbetrag anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung zur Begleichung der ungewissen Verbindlichkeit notwendig erscheint.243 In Bezug auf Ertragsteuern stellt sich der Erfüllungsbetrag als Nominalbetrag der erwarteten Steuerschuld dar, welcher gem. § 253 Abs. 2 S. 1 HGB mit einem laufzeitkongruenten, durchschnittlichen Marktzinssatz der vergangenen sieben Geschäftsjahre abzuzinsen ist, wenn die Steuerschuld erst nach Ablauf eines Jahres zu erfüllen ist.244 Die Nachzahlungszinsen betragen nach Beginn des Zinslaufs für jeden vollen Monat 0,5% (§ 238 Abs. 1 AO). Ein Zinseszins fällt nicht an.245 Innerhalb der sonstigen Rückstellung sind nur die im abgelaufenen Wirtschaftsjahr (potenziell) entstandenen Zinsen und nicht etwa auch die noch in zukünftigen Perioden erwarteten Nachzahlungszinsen zu erfassen (sog. Anwachsungsrückstellung).246 Mithin baut sich der Rückstellungsbetrag für (drohende) Nachzahlungszinsen sukzessive bis zum Erfüllungszeitpunkt auf. Da keine Zinseszinsen fällig werden, unterliegen die zurückgestellten Nachzahlungszinsen auch dem Diskontierungsgebot, wenn mit einer Inanspruchnahme der bis zum Bilanzstichtag (potenziell) angefallenen Nachzahlungszinsen erst nach einem Jahr zu rechnen ist (s. o.). 2.
Passivierungsgrundsätze nach IAS/IFRS
a.
Ansatz und Ausweis von Steuerschulden
Nach IAS 12.12 sind tatsächliche Ertragsteuern für die gegenwärtige(n) und frühere(n) Periode(n) als Schuld auszuweisen, soweit sie noch nicht bezahlt sind. Im Gegensatz zum HGB wird nach IAS 12 terminologisch und hinsichtlich des Bilanzausweises nicht zwischen Steu-
242
243 244
245 246
Vgl. Marx, Nebenleistungen, DB 1996, S. 1151 f.; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 253 HGB, Rz. 216; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. F, Rz. 844; Dusemond/Heusinger/Knop, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 266 HGB, Rz. 133; Scheffler, in: Castan et al., Rechnungslegung, Bd. I, B 233, Rz. 472. Zum Wertmaßstab des Erfüllungsbetrags vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 52; Drinhausen/Ramsauer, Rückstellungen, DB-Beilage 2009 zu Heft 23, S. 50; Küting/Cassel/Metz, Rückstellungen, S. 326 f. Zur Diskontierung von Rückstellungen vgl. ausführlich Drinhausen/Ramsauer, Rückstellungen, DB-Beilage 2009 zu Heft 23, S. 50 ff.; Küting/Cassel/Metz, Rückstellungen, S. 328 ff. Zur Ermittlung des Marktzinssatzes vgl. Stapf/Elgg, Zinssätze, BB 2009, S. 2134 ff. Gem. § 233 S. 2 AO werden steuerliche Nebenleistungen (u. a. Nachzahlungszinsen) nicht verzinst. Zu steuerlichen Nebenleistungen vgl. Marx, Nebenleistungen, DB 1996, S. 1149 ff. Zur Abgrenzung von Ansammlungs-, Verteilungs- und Anwachsungsrückstellung vgl. Koths, Rückstellungsrecht, S. 257 ff.; Herzig/Joisten, Gewinnrealisierung, S. 96.
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Teil I – Grundlagen der Untersuchung
erverbindlichkeit und Steuerrückstellung unterschieden.247 Die tatsächlichen Ertragsteuerschulden sind getrennt von den Steuerlatenzen auszuweisen (IAS 1.60 ff.). Sofern in der Bilanz generell zwischen kurz- und langfristigen Vermögenswerten und Schulden unterschieden wird, sind Steuerschulden entsprechend ihrer Fristigkeit auszuweisen (IAS 1.69).248 In Bezug auf unsichere Steuerschulden enthält IAS 12 keine expliziten Regelungen. Zur Auflösung der gegenwärtigen Regelungslücke ist man sich im Schrifttum uneins, ob für den Ansatz von ungewissen Ertragsteuerschulden (insbes. Mehrsteuern im Zusammenhang mit Betriebsprüfungen) unmittelbar auf die Rückstellungskonzeption von IAS 37 (i. V. mit IAS 8.11) oder vorrangig auf die allgemeinen Regelungen des Framework zur Bilanzierung von Schulden (F. 49 lit. b, F. 60 ff., F. 91) zurückgegriffen werden muss.249 Materiell sollten hieraus jedoch regelmäßig keine unterschiedlichen Konsequenzen für den Bilanzansatz erwachsen, da sich die Voraussetzungen für Rückstellungen mit denjenigen der abstrakten und konkreten Passivierbarkeit aus dem Framework decken.250 Demzufolge wäre eine der Höhe und/oder Fälligkeit nach ungewisse Ertragsteuerschuld aufwandswirksam zu passivieren, wenn die allgemeinen Ansatzkriterien für Schulden bzw. Rückstellungen einschlägig sind.251 Eine Passivierung unterbleibt aber, wenn es sich bei der potenziellen Steuermehrbelastung um eine sog. Eventualschuld (IAS 37.10) handelt, die im IFRS-Abschluss nicht bilanziert werden darf, aber im Anhang erläuterungspflichtig ist (IAS 12.88 i. V. mit IAS 37.27 ff.).252 In der Literatur dominiert die Auffassung, dass sichere und unsichere Steuerschulden einheitlich, d. h. in einer Position, und entsprechend ihrer Fristigkeit auszuweisen sind.253 Dagegen wird 247 248
249
250
251 252
253
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 34; v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 122. Gleichwohl werden in IAS 37.5 Ertragsteuerschulden auch als „Rückstellungsart“ bezeichnet. Während sichere Steuerschulden regelmäßig unter den kurzfristigen Schulden ausgewiesen werden, finden sich unsichere Steuerschulden tendenziell bei den längerfristigen Schuldpositionen wieder; vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 123; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 259. Vgl. Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote, 2008, S. 134; Lüdenbach, Steuerrisiken, PiR 2008, S. 243; Hoffmann, Steuerrisiken, PiR 2010, S. 239; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 208; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 207. Jedoch wird ein unmittelbarer Rückgriff auf IAS 37 teilweise abgelehnt, da gem. IAS 37.5 für Steuerrückstellung ausschließlich IAS 12 anzuwenden sei, vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 125; Senger/Brune/Hoehne, Steuerunsicherheiten, WPg 2010, S. 674; KPMG, Insights, 2009, S. 827, Rz. 3.13.580.40; Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRSHandbuch, § 25, Rz. 12. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 30; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRSKommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 29. Zu etwaigen konzeptionellen Inkonsistenzen zwischen dem Framework und IAS 37 vgl. Kühne/Schween, Rückstellungsbilanzierung, KoR 2006, S. 173. Im Unterschied zu IAS 37 wird im Framework nicht das Begriffsverständnis von „wahrscheinlich“ erläutert, weshalb in diesem Punkt durchaus Wertungsunterschiede beim Ansatz von ungewissen Steuerverbindlichkeiten auftreten könnten; zur Auslegung des Wahrscheinlichkeitsbegriffs im Framework vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 1, Rz. 168 u. 150 m. w. N. Zur Prüfung der Ansatzkriterien für ungewisse Steuerschulden bzw. Zinsschrankenrisiken1. Ordnung vgl. Teil IV – Kapitel 2 – Abschn. B.I, S. 335 ff. Vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 129 f. Zur Abgrenzung von Eventualschulden und Rückstellungen im Allgemeinen vgl. bspw. Hebestreit/Dörges, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 13, Rz. 16 ff. Vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 122; Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRSHandbuch, § 25, Rz. 26; i. d. S. wohl auch Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 34, die eine Klassifizierung als Steuerrückstellung generell ablehnen.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
61
im deutschsprachigen Schrifttum nur vereinzelt der Standpunkt vertreten, dass drohende Steuernachzahlungen aufgrund von anstehenden oder laufenden Betriebsprüfungen nach Maßgabe ihres Konkretisierungsgrads in differenzierter Form als Rückstellung (Provision) oder abgegrenzte Schuld (Accrual) auszuweisen sind.254 Da drohende Nachzahlungszinsen entsprechend ihrer Natur als Zinsaufwand zu behandeln sind,255 unterliegen sie dem originären Anwendungsbereich von IAS 37, weshalb die dort formulierten Ansatzkriterien ebenfalls zu berücksichtigen sind.256 Aufgrund ihres eigenständigen Charakters sollten sie in der Bilanz getrennt von den Steuerschulden ausgewiesen werden.257 b.
Bewertung von Steuerschulden
Tatsächliche Steuerschulden sind nach Maßgabe von IAS 12.46 mit dem Betrag anzusetzen, in dessen Höhe eine Zahlung an die Finanzbehörden erwartet wird. Wie allerdings der konkrete Bilanzansatz zu ermitteln ist, wenn Unsicherheit über die exakte Höhe der Bemessungsgrundlage besteht, beantwortet IAS 12 nicht. Deshalb wird in der Literatur und Praxis auf die Bewertungsmethodik für Rückstellungen (IAS 37.36 ff.) zurückgegriffen.258 Nach IAS 37.36 stellt der als (erwartete) Ertragsteuerschuld anzusetzende Betrag die bestmögliche Schätzung der Ausgabe dar, die zur Erfüllung der gegenwärtigen Verpflichtung am Bilanzstichtag erforderlich ist. Als zentraler Wertmaßstab wird hier der bestmögliche Schätzwert zugrunde gelegt, der in IAS 37.37 weiter konkretisiert wird. Dieser kann sich als „Erfüllungsbetrag“ oder bei theoretischer Übertragungsmöglichkeit der Verpflichtung auf einen Dritten als „Ablösebetrag“ konkretisieren.259 Bei der Schätzung des jeweiligen Betrages sind auch zukünftige Risiken und Chancen zu berücksichtigen, wobei ungünstige Zustandsrealisationen stärker gewichtet werden können als günstige und gegebenenfalls individuelle Zuschläge notwendig machen (IAS 37.42 f.).260 Da Ertragsteuerschulden regelmäßig nicht übertragbar sind, ist in Übereinstimmung mit dem HGB der Erfüllungsbetrag zu bestimmen.261 Ferner handelt es sich bei Ertragsteuerschulden um eine Einzelverpflichtung, für die als bestmöglicher Schätzwert 254 255 256 257 258 259 260
261
Vgl. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, S. 175 (Tab. 21); einer Bilanzierung als Steuerrückstellung zustimmend Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 2680. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 16. Vgl. Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote, 2008, S. 141 f.; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 215 u. 219. Vgl. Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote, 2008, S. 212; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 262. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 16; v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 125 f.; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 216 f. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 65; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRSKommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 98; Pawelzik/Theile, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 2350. Hiermit wird dem Gedanken der Risikoaversion – verstanden i. S. einer vorsichtigen Wertfindung, die nicht zu einer Überbewertung führen darf – Rechnung getragen; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 69 ff.; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 21, Rz. 118 ff. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 66; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRSKommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 105 ff.
62
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
grundsätzlich derjenige Erfüllungsbetrag anzusetzen ist, der die höchste Eintrittswahrscheinlichkeit aufweist (IAS 37.40 S. 1).262 Sofern jedoch mit einer höheren kumulierten Wahrscheinlichkeit Erfüllungsbeträge realisiert werden, die ober- bzw. unterhalb des Erfüllungsbetrags mit der höchsten Einzelwahrscheinlichkeit liegen, ist die Steuerschuld entsprechend mit einem höheren bzw. niedrigeren Wert anzusetzen (IAS 37.40 S. 2).263 Des Weiteren gilt bei Wesentlichkeit des Zinseffekts grundsätzlich ein Abzinsungsgebot mit einem laufzeitadäquaten und gegebenenfalls risikoadjustierten Marktzins vor Steuern (IAS 37.45 ff.).264 Allerdings sind nach teilweiser Auffassung in der Literatur marktgerecht verzinste Schulden von der Abzinsungspflicht ausgenommen.265 Soweit die gesetzliche Verzinsung von deutschen Ertragsteuern (6% p. a.)266 nach Berücksichtigung der Wirkungen durch die unterschiedlich langen Zinslaufzeiten nicht erheblich von der IFRS-konformen Marktverzinsung abweicht, sollte regelmäßig das Kriterium der Wesentlichkeit des Zinseffekts nicht erfüllt sein, weshalb eine Abzinsung von längerfristigen Ertragsteuerschulden unterbleiben kann.267 Dies gilt jedoch nicht für die im zurückliegenden Berichtsjahr (potenziell) entstandenen Nachzahlungszinsen. Jene unterliegen ebenfalls IAS 37 und müssen – mangels Zinseszins – bei Wesentlichkeit des Zinseffekts in der Bilanz mit dem Barwert angesetzt werden.268 II.
Ertragswirkung des Zinsvortrags und Bilanzierung latenter Steuern
Nachdem die Aufwandswirkungen und Grundlagen der Passivierung in Bezug auf einen erklärten und potenziellen Liquiditätsnachteil der Zinsschranke dargestellt wurden, sollen nun die korrespondierenden Wirkungen auf der Aktivseite in den Blick genommen werden. Sowohl nach HGB als auch nach IAS 12 kann das im Zinsvortrag gespeicherte Entlastungspotenzial zum ertragswirksamen Ansatz von latenten Steuern führen. Denn beide Rechenwerke ermöglichen im Ergebnis eine Aktivierung von Steuerlatenzen für einen Zinsvortrag, obwohl dieser in den jeweiligen Normen nicht explizit erwähnt wird. Nach herrschender Meinung im 262
263
264
265 266 267
268
Rückstellungen, die eine Vielzahl ähnlicher Verpflichtungen umfassen, sind gem. IAS 37.39 mit dem Erwartungswert zu bewerten; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 74 ff.; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 21, Rz. 115. Vgl. Schruff/Haaker, Wahrscheinlichkeiten, S. 546 ff. Eine Methodik zur Ermittlung des Rückstellungswerts hält der Standard in diesem Fall nicht bereit. Als Orientierungshilfe könnte ein Konfidenzniveau festgelegt werden, in dem sich der Erfüllungsbetrag befinden sollte; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 79; Haaker, Wahrscheinlichkeitsproblem, KoR 2005, S. 13. Zur Ermittlung des Zinssatzes vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 82 ff.; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 108 ff.; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 21, Rz. 122 ff. Vgl. v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 111. Vgl. Abschn. C.I.1.b, S. 59. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 31 f.; zweifelnd Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 219, die auch eine analoge Anwendung des Diskontierungsverbots für latente Steuern in Erwägung ziehen. Zur kontroversen Diskussion des Kriteriums der Wesentlichkeit des Zinseffekts vgl. v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 109 m. w. N. Vgl. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 215 u. 219.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
63
Schrifttum gelten die Regelungen für den steuerlichen Verlustvortrag analog auch für den Zinsvortrag, da die Entlastungswirkung von Verlust- und Zinsvortrag annähernd vergleichbar seien.269 Als Bewertungsmethode wird jeweils die sog. Liability Method herangezogen,270 nach der zur Ermittlung des steuerlichen Be- bzw. Entlastungspotenzials auf die in der Zukunft gültigen Steuersätze abzustellen ist (§ 274 Abs. 2 S. 1 HGB; IAS 12.48); diese müssen aber regelmäßig wegen der Ungewissheit über die Höhe des zukünftigen Steuersatzes durch die am Bilanzstichtag geltenden Steuersätze approximiert werden.271 Die Berechtigung zum Ansatz von Steuerlatenzen für Zinsvorträge ist entscheidend von dessen Werthaltigkeit bzw. Verrechenbarkeit abhängig, die aufgrund des Zukunftsbezugs mit Ungewissheit behaftet ist. Mithin sind die nachfolgend vorgestellten Ansatz- und Bewertungskriterien in besonderem Maße von Zinsschrankenrisiken2. Ordnung überschattet, deren Auswirkung auf die Bilanzierung intensiv in Kapitel 3 von Teil IV erörtert werden. 1.
Aktivierungsgrundsätze nach HGB
a.
Ansatz und Ausweis
Bei der Überprüfung des Ansatzes von latenten Steuern nach HGB ist der Saldo aus Steuerbeund Steuerentlastungen aufgrund von temporären Bewertungsunterschieden zwischen handelsbilanziellen und steuerlichen Wertansätzen in den Blick zu nehmen (Gesamtdifferenzenbetrachtung).272 Sofern per saldo eine Steuerbelastung verbleibt, ist eine passive Steuerlatenz anzusetzen (Passivierungspflicht gem. § 274 Abs. 1 S. 1 HGB);273 verbleibt hingegen insge269
270 271
272
273
Vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67; Brähler/Brune/Heerdt, Zinsschranke, KoR 2008, S. 292; Engels, Latente Steuern, BB 2008, S. 1557; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2009, S. 538; Herzig/Vossel, Paradigmenwechsel, BB 2009, S. 1176; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 26, Rz. 55; Thiele/Eckert, in: Thiele/v. Keitz/Brücks, IFRS-Kommentar, IAS 12, Rz. 210 f.; Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 2621; Prinz/Ruberg, BilMoG, DK 2009, S. 345 f.; Scholz-Görlach, Steueransprüche, PiR 2009, S. 196; Zwirner/Künkele, Bedeutung, IRZ 2009, S. 183. Nach den vorstehenden genannten Fundstellen handelt es sich bei Verlust- und Zinsvorträgen nicht um temporäre Differenzen, weil hierfür weder in der HGB- noch in der IFRS-Bilanz ein Vermögensgegenstand bzw. Vermögenswert angesetzt werden kann. Dementsprechend liegt deren bilanzielle Erfassung außerhalb des Temporary Concept; a. A. Kirsch, Zinsvortrag, PiR 2007, S. 239; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 198 f.; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 79. Zu den unterschiedlichen Bewertungsmethoden von latenten Steuern vgl. bspw. Karrenbrock, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. IIIa/1, Rz. 15 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2009, S. 470 ff. Angekündigte Steuersatzänderungen dürfen erst nach Verabschiedung durch den Bundesrat herangezogen werden; zum HGB vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 68; zu IAS/IFRS vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRSKommentar, Abschn. 20, Rz. 25. Der gesetzliche Grundfall sieht zwar für die Ermittlung latenter Steuern eine Gesamtdifferenzbetrachtung vor; vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2009, S. 480; van Hall/Kessler, in: Kessler/Leinen/ Strickmann, Handbuch-BilMoG, S. 477 f., jedoch ist bei Ausübung des Aktivierungswahlrechts und aufgrund der detaillierten Anhangangaben regelmäßig eine Einzeldifferenzbetrachtung geboten; vgl. Herzig/Vossel, Paradigmenwechsel, BB 2009, S. 1177; Küting/Seel, Ungereimtheiten, DB 2009, S. 924 f.; Loitz, BilMoG, Ubg 2009, S. 713; Karrenbrock, Saldierungsproblematik, S. 639. Zu den Unterschieden der jeweiligen Betrachtungsweisen vgl. Rabeneck/Reichert, Einzelabschluss, DStR 2002, S. 1367 f. Für kleine Kapitalgesellschaften und Kommanditgesellschaften, die von der Bilanzierung latenter Steuern ausgenommen sind (§ 274a Nr. 5 HGB), ist im Hinblick auf zukünftige Steuerbelastungen entsprechend eine Passivierung als Rückstellung zu prüfen; vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 68; van Hall/Kessler, in: Kessler/Leinen/ Strickmann, Handbuch-BilMoG, S. 479 ff.
64
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
samt eine Steuerentlastung, kann eine aktive Steuerlatenz bilanziert werden (Aktivierungswahlrecht gem. § 274 Abs. 1 S. 2 HGB; notwendige Folge: Einzeldifferenzbetrachtung272).274 Darüber hinaus werden über § 274 Abs. 1 S. 4 HGB auch steuerliche Entlastungspotenziale eingefangen, die kein handelsbilanzielles Gegenstück aufweisen. Denn bei der Ermittlung des Saldos von aktiven und passiven latenten Steuern sind steuerliche Verlustvorträge zwingend „in Höhe der innerhalb der nächsten fünf Jahre zu erwartenden Verlustverrechnung zu berücksichtigen“. In konzeptioneller Hinsicht ist erwähnenswert, dass Ansatz und Bewertung von aktiven Steuerlatenzen auf Verlustvorträge vermengt werden. Ferner sind Zinsvorträge, ohne dass sie explizit im Gesetzestext erwähnt werden, gleichermaßen wie Verlustvorträge von § 274 Abs. 1 S. 4 HGB erfasst.275 Der Ansatz und die Bewertung von aktiven Steuerlatenzen für Verlust- und Zinsvorträge unterliegen dem allgemeinen Vorsichtsprinzip, weshalb die Wahrscheinlichkeit der zukünftigen Realisierung des im Verlust- bzw. Zinsvortrag gespeicherten Entlastungspotenzials hinreichend hoch sein muss. Da gesetzlich nicht bestimmt ist, wie der Nachweis für eine hinreichend hohe Wahrscheinlichkeit zu erbringen ist und welchen Anforderungen er zu genügen hat, wird im Schrifttum eine steuerliche Planungsrechnung für notwendig erachtet, mittels derer die Verrechnung gegenüber Dritten glaubhaft gemacht werden kann.276 Ob letztendlich latente Steuern für einen Zinsvortrag aktiviert werden, kann vom Bilanzierenden in zweierlei Hinsicht beeinflusst werden. Zum einen verfügt der Bilanzersteller hinsichtlich der Planungsrechnung über einen subjektiven Beurteilungsspielraum, und zum anderen kann er im Falle eines Überhangs an aktiven latenten Steuern aufgrund des Aktivierungswahlrechts gänzlich auf den Ansatz von Steuerlatenzen verzichten.277 In diesem Fall kann der Zinsvortrag nur dann eine Ertragswirkung durch Aktivierung einer latenten Steuer entfalten, wenn das Wahlrecht zugunsten der Bilanzierung von Steuerlatenzen im Allgemeinen ausgeübt wird.278 Sofern allerdings ein Überhang an passiven latenten Steuern allein aufgrund des Zinsvortrags und nicht bereits aufgrund anderer abziehbarer temporärer Differenzen vermie274
275 276
277 278
Sofern das Ansatzwahlrecht ausgeübt wird, ist der Bilanzierende frei, die aktiven und passiven Steuerlatenzen saldiert (Regelfall, § 274 Abs. 1 S. 1 HGB) oder unsaldiert (Saldierungswahlrecht, § 274 Abs. 1 S. 3 HGB) auszuweisen; vgl. Küting/Seel, Ungereimtheiten, DB 2009, S. 924; van Hall/Kessler, in: Kessler/Leinen/Strickmann, Handbuch-BilMoG, S. 474. Vgl. die Nachweise in Fn. 269. Vgl. ausführlich Teil IV – Kapitel 3 – Abschn. B, S. 351 ff. Der Detaillierungsgrad ist für die Zinsvortragsverglichen mit der Verlustvortragsnutzung höher, da mehr Planungsparameter zu prognostizieren sind; vgl. Kirsch, Zinsvortrag, PiR 2007, S. 240 ff.; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 200 ff.; Herzig/Bohn/Götsch, Zusammenspiel, DStR 2009, S. 2618 f. Engels stuft die Nutzungswahrscheinlichkeit von Zinsvorträgen so gering ein, dass die Aktivierung von Steuerlatenzen insoweit praktisch keine Bedeutung hätte, derselbe, Latente Steuern, BB 2008, S. 1557. Zu dem bilanzpolitischen Spielraum im Falle des Aktivüberhangs vgl. Karrenbrock, Saldierungsproblematik, S. 640 f. Bei Ausübung des Aktivierungswahlrechts muss der gesamte Überhang an aktiven Steuerlatenzen angesetzt werden. Der Ansatz eines Teilbetrags des Aktivüberhangs – bspw. bezogen auf den Zinsvortrag – ist nicht möglich; vgl. Hoffmann/Lüdenbach, Wirrungen, NWB 2009, S. 1478; Küting/Seel, Ungereimtheiten, DB 2009, S. 924; Loitz, BilMoG, Ubg 2009, S. 710; Kozikowski/Fischer, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 274, Rz. 14 m. w. N.; zweifelnd Herzig/Vossel, Paradigmenwechsel, BB 2009, S. 1177.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
65
den oder reduziert wird, schirmt der Zinsvortrag mittelbar vor einer Aufwandswirkung eines ansonsten ansatzpflichtigen bzw. höheren Passivüberhangs an Steuerlatenzen ab. Dies kann als verdeckte Ertragswirkung des Zinsvortrags angesehen werden. Sollten die aktiven und passiven latenten Steuern jedoch unsaldiert ausgewiesen werden (§ 274 Abs. 1 S. 3 HGB), treten die Ertragswirkungen des Zinsvortrags unmittelbar in Erscheinung. Die aktiven und passiven Steuerlatenzen werden nicht steuerartspezifisch in der Bilanz ausgewiesen. Die kumulierten zukünftigen Steuerbe- bzw. Steuerentlastungen werden in der Bilanz in jeweils einem Posten zusammengefasst (§ 266 Abs. 2 D. bzw. Abs. 3 E. HGB).279 b.
Bewertung
Aufgrund der verpflichtenden Anhangangaben (§ 285 Nr. 29 HGB) sind latente Steuern auf Zinsvorträge unabhängig von der Ausübung des Ansatzwahlrechtes zu berechnen.280 Das auf Basis einer Planungsrechnung ermittelte steuermindernd verwertbare Zinsabzugsvolumen ist mit den unternehmensindividuellen Steuer- bzw. Hebesätzen zu belegen, die im Zeitpunkt des Eintritts der Steuerentlastung gelten werden;281 das aus dem Verrechnungsvolumen und Steuersatz ermittelte Produkt darf nicht abgezinst werden (§ 274 Abs. 2 S. 1 HGB). Es gilt, darauf hinzuweisen, dass sich für die Körperschaft- und Gewerbesteuer verschieden hohe Zinsabzugsvolumina ergeben, da Schuldentgelte nur zu 75% von der gewerbesteuerlichen Bemessungsgrundlage abzugsfähig sind (§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG), und in der Planung mitunter Verlustvorträge zu berücksichtigen sind, die für körperschaft- und gewerbesteuerliche Zwecke regelmäßig auseinanderfallen. Ferner ist zu beachten, dass nur das innerhalb der nächsten fünf Jahre steuermindernd verwertbare Zinsabzugsvolumen herangezogen werden kann.282 Sofern der Zinsvortrag in zukünftigen Perioden genutzt wird, sind die aktiven Steuerlatenzen in Höhe der Nutzung aufwandswirksam aufzulösen (§ 274 Abs. 2 S. 2 HGB). Dies gilt auch, wenn im Beurteilungszeitpunkt auf Grundlage der Planungsrechnungen nicht mehr davon auszugehen ist, dass der Zinsvortrag steuermindernd verwertet werden kann.283 Es ist an jedem Bilanzstichtag anhand einer aktualisierten Prognose zu überprüfen, ob die Voraussetzungen einer steuerwirksamen Verrechnung des Zinsvortrags noch oder in erhöhtem Umfang erfüllt sind.284
279 280 281
282
283 284
Vgl. Kessler/Leinen/Paulus, BilMoG I, KoR 2009, S. 723 f. Zu den Angabepflichten im Anhang vgl. Teil IV – Kapitel 3 – Abschn. B.V, S. 361. Sofern zur exakten Berechnung der Gewerbesteuerentlastung unterschiedliche Hebesätze (Betriebsstätten und Organschaften) anzuwenden sind, sind die Steuerlatenzen mit den Durchschnittssätzen zu bewerten, vgl. DRS 18.44; Ellrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 285, Rz. 473. Vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67; BT-Drs. 16/12407, S. 87; Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Kommentar, § 274, Rz. 36 ff. Zur Diskussion über eine Berücksichtigung von Verlustvorträgen auch nach Ablauf von fünf Jahren, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, vgl. Teil IV – Kapitel 3 – Abschn. B.III.2, S. 355. Vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 68; Kessler/Leinen/Paulus, BilMoG I, KoR 2009, S. 718. Vgl. Kozikowski/Fischer, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 274, Rz. 65. Zur steuerlichen Prognoserechnung ausführlich Teil IV – Kapitel 3 – Abschn. B, S. 351 ff.
66
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
2.
Aktivierungsgrundsätze nach IAS 12
a.
Ansatz und Ausweis
IAS 12 sieht beim Ansatz von Steuerlatenzen im Gegensatz zum HGB weder eine Gesamtbetrachtung noch ein Aktivierungswahlrecht vor. Aktive und passive Steuerlatenzen sind stets für jede einzelne temporäre Differenz, für Verlustvorträge und Steuergutschriften zu ermitteln und bei Erfüllung der Ansatzkriterien verpflichtend anzusetzen.285 Nach IAS 12.34 ff. sind steuerliche Verlust- bzw. Zinsvorträge anzusetzen, wenn die allgemeinen Kriterien für Steueransprüche aus abzugsfähigen temporären Differenzen erfüllt werden (IAS 12.35 i. V. mit IAS 12.24). Entsprechend dieser allgemeinen Kriterien sind aktive Steuerlatenzen anzusetzen, wenn es wahrscheinlich ist, dass zukünftige steuerpflichtige Ergebnisse verfügbar sind. Da zur Verrechnung eines Zinsvortrags eine positive steuerpflichtige Bemessungsgrundlage allein nicht ausreicht, ist das Wörtchen „Ergebnisse“ in diesem Fall als Verrechnungsvolumen zu verstehen, gegen das der Zinsvortrag steuermindernd verrechnet werden kann.286 Für Zwecke einer intersubjektiven Nachvollziehbarkeit der zukünftigen Verrechnung werden im Schrifttum analog zum HGB steuerliche Planungsrechnungen für notwendig erachtet. Im Zusammenhang mit der Aufstellung der Prognoserechnungen und der Beurteilung von Eintrittswahrscheinlichkeiten wird in der Literatur vielfach der Einwand vorgebracht, dass es sich bei IAS 12.34 aufgrund des subjektiven Beurteilungsspielraums faktisch nicht um eine Aktivierungspflicht, sondern um ein Aktivierungswahlrecht handele.287 Latente Steueransprüche für abziehbare temporäre Differenzen, Verlust- und Zinsvorträge sind als aggregierter Posten unabhängig vom tatsächlichen Umkehrzeitpunkt als langfristige Vermögenswerte und getrennt von den übrigen Vermögenswerten sowie passiven Steuerlatenzen auszuweisen.288 b.
Bewertung
Eine aktive Steuerlatenz darf nur in dem Umfang für den Zinsvortrag angesetzt werden, wie dessen zukünftige steuerwirksame Nutzung wahrscheinlich erscheint (IAS 12.35).289 Damit wird das Zinsabzugsvolumen auf den werthaltigen Teil beschränkt, der auf der Grundlage von Planungsrechnungen ermittelt wird. Zwar ist die Länge des Prognosezeitraums anders als 285
286 287 288 289
Zur Einzeldifferenzbetrachtung nach IAS 12 vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 53; zur Aktivierungspflicht vgl. Marten/Weiser, Verlustvorträge, BB 2003, S. 2341; Loitz, Verluste, WPg 2007, S. 778; Thiele/Eckert, in: Thiele/v. Keitz/Brücks, IFRS-Kommentar, IAS 12, Rz. 207. Zur ausführlichen Diskussion der Objektivierungskriterien von IAS 12, die sich für den Nachweis einer zukünftigen Verrechnung (nicht) eignen, vgl. Teil IV – Kapitel 3 – Abschn. C.III.1, S. 365. I. d. S. Schildbach, Kuriositäten, WPg 1998, S. 945; Engel-Ciric, Aussagekraft, DStR 2002, S. 781 f.; Küting/Reuter, Bilanzanalyse, BB 2005, S. 711; krit. Loitz, Verluste, WPg 2007, S. 778 f. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 214 f.; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 26, Rz. 123; Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 2680. Vgl. Coenenberg/Blaum/Burkhardt, in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 12, Rz. 85; Thiele/Eckert, in: Thiele/v. Keitz/Brücks, IFRS-Kommentar, IAS 12, Rz. 214.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
67
nach HGB nicht beschränkt, jedoch wird in der Praxis vielfach für die Planung der Verlustverrechnung ein Horizont von drei bis fünf Jahren angenommen.290 Entsprechend der Ausführungen zum HGB sind aufgrund von unterschiedlichen Bemessungsgrundlagen jeweils für die Körperschaft- und Gewerbesteuer gesonderte effektive Steuersätze heranzuziehen.291 Darüber hinaus ist das Abzinsungsverbot für aktive latente Steuern zu beachten (IAS 12.53).292 An jedem Bilanzstichtag ist zu überprüfen, ob die Voraussetzungen für den Wertansatz der Steuerlatenz noch erfüllt sind (IAS 12.56). Gleichermaßen sind die Aussichten für eine Verrechnung von noch nicht mit aktiven Steuerlatenzen belegten Steueransprüchen an jedem Bilanzstichtag erneut zu überprüfen (IAS 12.37). Sofern sich die Prognoseaussichten für eine steuerwirksame Verrechnung des Zinsvortrags im Zeitablauf verbessert haben, muss eine aktive Steuerlatenz im Wert erhöht bzw. erstmalig angesetzt werden.293 III. Theoretische Ertragswirkungen eines EBITDA-Vortrags Sowohl nach HGB als auch nach IAS/IFRS erfüllt der EBITDA-Vortrag genauso wenig wie der Verlust- und Zinsvortrag die Voraussetzungen einer temporären Differenz, weil er lediglich ein außerbilanzielles Verrechnungspotenzial verkörpert. In der Literatur wird darüber diskutiert, ob der EBITDA-Vortrag ähnlich wie ein Verlust- und Zinsvortrag zum Ansatz einer aktiven Steuerlatenz berechtigt. Anhand der dem EBITDA-Vorteil innewohnenden ökonomischen Vorteile soll nachfolgend gezeigt werden, dass jener nur in Ausnahmefällen zum Ansatz einer aktiven Steuerlatenz berechtigt.294 Gleichwohl können mit dessen Entstehung und Nutzung Auswirkungen auf die Bilanzierung von aktiven Steuerlatenzen für Verlust- und Zinsvorträge einhergehen.295
290 291 292
293 294
295
Ausführlich zum Planungshorizont nach IAS 12 vgl. Teil IV – Kapitel 3 – Abschn. C.III.2, S. 368. Vgl. Kirsch, Auswirkungen, DStR 2007, S. 1272; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 199. Zur Kritik am Abzinsungsverbot vgl. Schmundt, Prognose, 2008, S. 130 ff. m. w. N. Zu den Möglichkeiten und Grenzen der Diskontierung von latenten Steuern im Allgemeinen vgl. Loitz/Rössel, Diskontierung, DB 2002, S. 645 ff.; Freiberg, Abzinsung, PiR 2009, S. 375 ff. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 99; Thiele/Eckert, in: Thiele/v. Keitz/ Brücks, IFRS-Kommentar, IAS 12, Rz. 221 ff. u. 318 ff. Dieser Abschnitt basiert auf den grundlegenden Überlegungen von Herzig/Liekenbrock, EBITDA-Vortrag, DB 2010, S. 693. Lenz/Dörfler/Adrian, Änderungen, Ubg 2010, S. 5 f. lehnen eine Aktivierung von Steuerlatenzen für den EBITDA-Vortrag ab, weil dieser keine Aufwendungen vergangener Perioden verkörpert; gl. A. Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 110. Bolik/Linzbach lehnen eine Aktivierung von Steuerlatenzen mit der Begründung ab, dass der EBITDA-Vortrag den Charakter eines Freibetrags hätte, vgl. dieselben, Bilanzierung, DStR 2010, S. 1590. Teilweise wird im Schrifttum auch ohne weitere Begründung eine Bilanzierung von aktiven latenten Steuern für einen EBITDA-Vortrag in Betracht gezogen; so Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 155; Spanheimer/Simlacher, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 274 HGB, Rz. 45. Zur simultanen Entstehung und Nutzung des EBITDA-, Zins- und Verlustvortrags sowie etwaige Auswirkungen auf die Aktivierung von Steuerlatenzen vgl. Herzig/Liekenbrock, EBITDA-Vortrag, DB 2010, S. 692 ff.
68
1.
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Separierung der ökonomischen Vorteile des EBITDA-Vortrags
Mit dem Verbrauch des EBITDA-Vortrags ist keine direkte Steuerentlastung verbunden, sondern es wird vielmehr eine temporäre oder definitive Steuermehrbelastung verhindert. Sofern er vor einer temporären Steuermehrbelastung schützt, bedeutet dies, dass ein andernfalls hypothetisch angefallener Zinsvortrag und eine zeitliche Streckung des steuerwirksamen Zinsabzugs vermieden werden. Der ökonomische Vorteil des EBITDA-Vortrags besteht bei diesen Ausgangsdaten also in der Einsparung eines hypothetischen Zinsnachteils bzw. in der Generierung eines Zinsvorteils. Sollte der EBITDA-Vortrag das Unternehmen hingegen vor einer definitiven Steuermehrbelastung bewahren, wiegt dessen ökonomischer Vorteil ungleich schwerer als in dem erstgenannten Fall. Wenn a priori klar ist, dass die Lebensdauer des Zinsvortrags nur von sehr kurzer Dauer wäre und damit das hypothetische Eingreifen der Zinsschranke unweigerlich permanente Steuermehraufwendungen nach sich ziehen würde, ist der Abschirmwirkung des EBITDA-Vortrags ein Wert beizumessen, der dem Barwert der andernfalls hypothetisch zu zahlenden Steuermehrbelastung entspricht. Aufgrund der Tatsache, dass ein EBITDA-Vortrag grundsätzlich veräußerungsfähig ist,296 ist davon auszugehen, dass ein potenzieller Erwerber eines Betriebs, der über einen EBITDAVortrag verfügt, einen höheren Kaufpreis zu zahlen bereit wäre. So gesehen lässt sich der ökonomische Vorteil auch in einen monetären Vorteil transformieren. 2.
Bilanzierung nach HGB
Mangels temporärer Differenz ist für den HGB-Abschluss zu hinterfragen, ob der EBITDAVortrag vom Anwendungsbereich des § 274 Abs. 1 S. 4 HGB erfasst sein könnte. Hierzu muss der Tatbestand einer (zukünftigen) Steuerentlastung erfüllt sein. Wie im Vorabschnitt erläutert wurde, bewirkt der EBITDA-Vortrag aber keine Steuerentlastung, sondern er verhindert eine temporäre oder definitive Steuermehrbelastung. Streng genommen ist somit der Wortlaut von § 274 HGB nicht erfüllt. Allerdings liegen direkte Steuerentlastung und verhinderte Steuermehrbelastung eng beieinander, wenn der EBITDA-Vortrag vor definitiv nicht abziehbaren Zinsaufwendungen schützt. Nur in diesem Fall ist der ökonomische Wert mit demjenigen eines Verlust- oder Zinsvortrags vergleichbar. Sofern durch den EBITDA-Vortrag lediglich temporär nicht abziehbare Zinsaufwendungen vermieden werden, erzielt das bilanzierende Unternehmen lediglich einen Zinsvorteil, der von seiner ökonomischen Bedeutung nicht mit einer effektiven Steuerentlastung vergleichbar ist.
296
Für den EBITDA-Vortrag gilt nicht § 8c KStG, wohl aber § 4h Abs. 5 S. 1 f. EStG; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.5.b, S. 153.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
69
Somit könnte auf Basis einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise der Ansatz einer aktiven Steuerlatenz für den EBITDA-Vortrag theoretisch gerechtfertigt werden. Mit Blick auf den fünfjährigen Prognosezeitraum erscheint es jedoch höchst zweifelhaft, inwieweit eine Verhinderung von definitiv nicht abziehbaren Zinsaufwendungen verlässlich prognostiziert werden kann. Hierbei wären mehrdimensionale Zukunftsereignisse zu antizipieren, die bei Weitem die Komplexität der für den Zinsvortrag notwendigen Prognoserechnung übertreffen würden. Es müsste nämlich glaubhaft gemacht werden, dass ohne Bestehen des EBITDA-Vortrags die Zinsschranke innerhalb von fünf Jahren liquiditätswirksam eingegriffen hätte und ein daraufhin hypothetisch angefallener Zinsvortrag in einem neuen Fünfjahreszeitraum nicht hätte liquiditätswirksam verrechnet werden können. Aufgrund der Notwendigkeit, die Werthaltigkeit eines hypothetischen Zinsvortrags zu beurteilen, verlängert sich der für den EBITDAVortrag heranzuziehende Prognosezeitraum. Aus diesen Gründen ist die Vertrauenswürdigkeit in eine solche Prognoserechnung bereits im Ansatz erschüttert, weshalb im Regelfall von einer Aktivierung von Steuerlatenzen abgesehen werden sollte. Allenfalls in Ausnahmefällen erscheint eine Aktivierung gerechtfertigt. Ein solcher Ausnahmefall wäre im Zusammenhang mit dem sog. fiktiven EBITDA-Vortrag denkbar, der rückwirkend für die Wirtschaftsjahre 2007–2009 gewährt wird.297 Dies soll nachfolgendes Beispiel verdeutlichen: Beispiel: Ein Betrieb hat im Rückwirkungszeitraum 2007 – 2009 üppige EBITDAÜberschüsse erwirtschaftet. Seit dem Wirtschaftsjahr 2010 reicht das in einer Periode erwirtschaftete EBITDA jedoch nicht mehr aus, um den Zinsaufwand mit steuerlicher Wirkung zum Abzug zu bringen. Um den steuerwirksamen Zinsabzug nachhaltig zu sichern, plant das Unternehmen im Wirtschaftsjahr 2011 unternehmensstrukturelle Anpassungen, die § 8c KStG auslösen. Eine Aktivierung von latenten Steuern kommt für den Abschlussstichtag des Wirtschaftsjahres 2010 in Betracht, wenn der für den Rückwirkungszeitraum gewährte fiktive EBITDAVortrag ausreichend groß genug ist, um ein liquiditätswirksames Eingreifen der Zinsschranke in den Wirtschaftsjahren 2010 und 2011 zu verhindern. Zudem verhindert der EBITDAVortrag definitiv nicht abziehbare Zinsaufwendungen, da ein für den Veranlagungszeitraum 2010 hypothetisch festzustellender Zinsvortrag aufgrund von unternehmensstrukturellen Anpassungen in 2011 untergehen würde. In diesem Ausnahmefall ist als Bemessungsgrundlage für die aktive Steuerlatenz mindestens der in 2011 hypothetisch untergehende Zinsvortrag anzusetzen, soweit dieser den in 2011 zur Verrechnung verfügbaren EBITDA-Vortrag betragsmäßig nicht übersteigen würde. Sofern der 297
Zu Anwendungsfragen im Zusammenhang mit dem fiktiven EBITDA-Vortrag vgl. Rödding, Änderungen, DStR 2009, S. 2651; Gemmel/Loose, Erleichterungen, NWB 2010, S. 267; Herzig/Liekenbrock, EBITDAVortrag, DB 2010, S. 691 ff.; Kessler/Lindemer, EBITDA-Puffer, DB 2010, S. 473.
70
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
in 2011 verbleibende EBITDA-Vortrag größer ist als der hypothetische Zinsvortrag, ist nach denselben Kriterien zu prüfen, ob auch in Höhe der positiven Differenz der beiden Vorträge eine Bilanzierung von Steuerlatenzen gerechtfertigt erscheint. 3.
Bilanzierung nach IAS/IFRS
Der EBITDA-Vortrag lässt sich nicht unter den Wortlaut von IAS 12 subsumieren. Denn auch bei einem weiten Verständnis fehlt ihm – im Unterschied zum Zinsvortrag – die charakterliche Nähe zu einem Verlustvortrag oder zu einer Steuergutschrift (IAS 12.34). Da die IAS/IFRS jedoch weitaus stärker als das HGB von einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise (Substance over Form) getragen werden,298 sollte im Falle der Verhinderung einer definitiven Steuermehrbelastung eine Aktivierung von Steuerlatenzen im Grundsatz ebenfalls nicht ausgeschlossen werden.299 Da sich die Anforderungen an die Prognoserechnung zur zukünftigen Verwertbarkeit nach § 274 HGB und nach IAS 12 ähneln,300 gelten die Ausführungen zum HGB-Abschluss aus dem Vorabschnitt entsprechend.
298
299 300
Zur wirtschaftlichen Betrachtungsweise der IFRS vgl. Pellens et al., Rechnungslegung, 2008, S. 114 ff.; KPMG, Insights, 2009, S. 15. Seit der Überarbeitung des Framework im Jahr 2010 ist die wirtschaftliche Betrachtungsweise integraler Bestandteil des Primärgrundsatzes der glaubwürdigen Berichterstattung; vgl. F. BC 3.26; Wawrzinek, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 2, Rz. 119. So auch Eppinger/Seebacher, EBITDA-Vortrag, KoR 2010, S. 481 f., die im Falle einer hinreichend sicheren Vermeidung einer Steuermehrbelastung eine Aktivierungspflicht von Steuerlatenzen befürworten. Vgl. Teil IV – Kapitel 3, S. 366 ff.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
71
IV. Gesamtbetrachtung der Erfolgswirkungen unter Sicherheit und Auswirkungen auf die Effective Tax Rate (ETR) 1.
Gegenläufige Erfolgswirkungen von Liquiditätsnachteil und aktiven Steuerlatenzen
Wenn man die Prämissen aufstellt, dass die im Veranlagungszeitraum des Eingreifens der Zinsschranke in der Steuererklärung deklarierten Werte einer Betriebsprüfung standhalten werden und der Zinsvortrag innerhalb eines Fünfjahreszeitraums mit Sicherheit steuermindernd genutzt werden kann, sind die in einer HGB- und IFRS-Bilanz ausgewiesenen latenten Steuererträge identisch. Abstrahiert man ferner von der Pflicht, dass längerfristige Steuerschulden bzw. Steuerrückstellungen abgezinst werden müssen, sind auch die tatsächlichen Steueraufwendungen im HGB- und IFRS-Abschluss identisch. Vor dem Hintergrund dieser Annahmen gelten die folgenden Ausführungen für beide Rechnungslegungssysteme. Die nachstehende Matrix fasst die Erfolgswirkungen zusammen: Steuerentlastung Steuerbelastung Liquiditätsnachteil (Fallkonstellation II.b)
Zinsvortrag steuermindernd nutzbar (werthaltig) Keine Erfolgswirkung bzw. Ertragswirkung (abhängig von LNt+n)
Kein Liquiditätsnachteil (Fallgruppe I, Fallkonstellation II.a)
Volle Ertragswirkung
Zinsvortrag nicht steuermindernd nutzbar (nicht werthaltig) Volle Aufwandswirkung (u. U. abhängig von zukünftiger Verlustnutzung)
Keine Erfolgswirkung (u. U. abhängig von zukünftiger Verlustnutzung)
Tabelle 3: Erfolgswirkungen der Zinsschranke nach HGB u. IAS/IFRS unter Sicherheit
Vor der formalen und inhaltlichen Erläuterung der Erfolgswirkungen soll klargestellt werden, dass der zinsschrankeninduzierte Steuermehraufwand (¨StAufwt) betragsgleich mit dem erlittenen Liquiditätsnachteil (LNt+n) ist.301 Der einzige Unterschied besteht in der zeitlichen Erfassung der Belastung, denn der Steuermehraufwand wird in der Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung bereits im Veranlagungszeitraum des „erklärten“ Eingreifens der Zinsschranke erfasst. Es gilt also ¨StAufwt = LNt+n. Weiterhin repräsentiert der bilanziell erfasste Steuerertrag aufgrund der Aktivierung der Steuerlatenz für den Zinsvortrag (¨StErtrt) die Summe von zukünftigen Steuerminderbelastungen (MBt).302 Sofern davon auszugehen ist, dass der Zinsvortrag in der Zukunft mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu 100% genutzt werden kann, gilt ¨StErtrt = MBt = ZVt *(sKSt + 0,75 * sGewSt). Ferner bleibt anzumerken, dass die im Einzelfall denkbaren Ertragswirkungen des EBITDA-Vortrags hier nicht erneut aufgegriffen werden, weil sich eine Gesamtbetrachtung mangels gegenläufiger Aufwandswirkung erübrigt. 301 302
Zur formalen Darstellung und Herleitung von LNt+n vgl. Abschn. A.II.3.a, S. 35. Zur formalen Darstellung und Herleitung von MBt vgl. Abschn. A.III.1.a, S. 44.
72
a.
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Liquiditätsnachteil und werthaltiger Zinsvortrag
Wenn der Zinsvortrag am Bilanzstichtag zu 100% werthaltig ist, führt die Zinsschranke in Abhängigkeit von der Höhe des tatsächlichen Steuermehraufwands (¨StAufwt) per saldo zu keiner Erfolgswirkung oder zu einer Ertragswirkung. Formal stellt sich die Sachlage wie folgt (F.I.16) dar: Erfolgswirkung = (¨StErtrt – ¨StAufwt) 0 Wenn sämtliche nicht abziehbaren Zinsaufwendungen eine Steuermehrbelastung hervorrufen (vgl. F.I.2, S. 35), tritt keine Erfolgswirkung ein, da der tatsächliche Steuermehraufwand durch eine korrespondierende Erfassung des latenten Steuerertrags neutralisiert wird.303 Denn der Zinsvortrag ist mit denselben (adjustierten) Steuersätzen zu multiplizieren wie der nicht abziehbare Zinsaufwand (vgl. F.I.10, S. 44). Gibt man jedoch die Prämisse auf, dass alle nicht abziehbaren Zinsen einen tatsächlichen Steuermehraufwand hervorrufen, ist eine Ertragswirkung zu verzeichnen, weil nun der latente Steuerertrag den Steuermehraufwand übersteigt. Bilanziell wird der Entlastungseffekt aus der Zinsvortragsnutzung somit vorgezogen, ohne dass dabei aber etwaige Zinsnachteile berücksichtigt werden, da eine Diskontierung der für den Zinsvortrag aktivierten Steuerlatenz nicht gestattet wird. Sofern der Zinsvortrag in den folgenden Wirtschaftsjahren steuermindernd verwertet wird, ist die hierfür aktivierte Steuerlatenz aufwandswirksam abzubauen. Der durch Verrechnung des Zinsvortrags realisierte, tatsächliche Steuerminderaufwand wird also spiegelbildlich durch den im Zusammenhang mit dem Abbau der aktiven Steuerlatenz erzeugten latenten Steuermehraufwand neutralisiert. b.
Liquiditätsnachteil und nicht (mehr) werthaltiger Zinsvortrag
Ist indes bekannt, dass der Zinsvortrag nicht steuermindernd verwertet werden kann, schlägt der Steuermehraufwand in der jeweiligen Periode voll zu Buche, da ihm kein entsprechendes Pendant in Form eines latenten Steuerertrags gegenübersteht.304 In diesem Fall entspricht der bilanzielle Steueraufwand dem Liquiditätsnachteil: Aufwandswirkung = ¨StAufwt = LNt+n
(F.I.17)
Liegt die fehlende steuerliche Entlastung darin begründet, dass der Zinsvortrag in einen Verlustvortrag transformiert wurde, ist zu prüfen, ob der Verlustvortrag im Fünfjahreszeitraum steuermindernd verwertet werden kann. Ferner kommt es zu einer periodenverschobenen Aufwandswirkung, wenn der Zinsvortrag nach Maßgabe des jeweils anzuwendenden Rechnungslegungssystems als nicht mehr werthaltig zu qualifizieren ist oder zukünftig kein betragsgleicher Umkehreffekt – z. B. aufgrund von Steuersatzsenkungen – erzielt werden kann. In diesem Fall ist die einst für den Zinsvortrag
303 304
Vgl. Baumgärtel, Unternehmensteuerreform, S. 589; Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 598 f. Brähler/Brune/Heerdt, Zinsschranke, KoR 2008, S. 294; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 202.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
73
ertragswirksam bilanzierte Steuerlatenz abzuwerten. Die Abwertung der Steuerlatenz führt wiederum zu latentem Steueraufwand. c.
Kein Liquiditätsnachteil und werthaltiger Zinsvortrag
Sofern mit der Zinsschranke kein Liquiditätsnachteil verbunden ist (Fallgruppe I u. Fallkonstellation II.a), wohl aber eine zukünftige, steuerwirksame Verrechnung des Zinsvortrags gewiss ist, führt die Aktivierung der Steuerlatenz für den Zinsvortrag zu einer Ertragswirkung, der eben keine Aufwandswirkung gegenübersteht. Auch in zukünftigen Perioden wird per saldo kein steuerlicher Mehraufwand ausgewiesen, da durch den (sukzessiven) Abbau der Steuerlatenz lediglich der Steuerminderaufwand aufgrund der Nutzung des Zinsvortrags neutralisiert wird:305 Ertragswirkung = ¨StErtrt (F.I.18) Das bilanzierende Unternehmen wird die Ertragswirkung jedoch in vielen Fällen nicht für eine höhere Ausschüttung verwenden können, womit der scheinbare Liquiditätsvorteil306 theoretisch auf Ebene des Anteilseigners in bares Geld umgemünzt werden könnte. Denn für einen Überhang an aktiven Steuerlatenzen besteht eine Ausschüttungssperre (§ 268 Abs. 8 S. 2 HGB), soweit dieser die Summe aus freien Rücklagen, einem Gewinnvortrag und einem Verlustvortrag übersteigt.307 d.
Kein Liquiditätsnachteil und nicht werthaltiger Zinsvortrag
Sofern kein Liquiditätsnachteil zu konstatieren ist und eine unmittelbar steuermindernde Verrechnung des Zinsvortrags in der Zukunft ausscheidet, schlägt sich die Zinsschranke bilanziell grundsätzlich nicht nieder, es gilt: Erfolgswirkung = ¨StAufwt = ¨StErtrt = 0
(F.I.19)
Kann der Zinsvortrag aber nur deshalb nicht steuermindernd verwendet werden, weil er in zukünftigen Perioden lediglich in einen Verlustvortrag transformiert wird, ist entsprechend der obigen Anmerkungen zu prüfen, in welchem Umfang der Verlustvortrag zukünftig genutzt werden kann. Ist dies aber ausgeschlossen, bleibt es dabei, dass die Zinsschranke weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Erfolgswirkung entfaltet. 2.
Transformation eines Zinsvortrags in einen Verlustvortrag
Sofern ein werthaltiger Zinsvortrag in einen werthaltigen Verlustvortrag transformiert wird, springt – vereinfacht ausgedrückt – die aktive Steuerlatenz vom Zins- auf den Verlustvortrag über. Die aktivierten, körperschaft- und gewerbesteuerlichen Steueransprüche aus der steuer305
306 307
In diesen Konstellationen ist darüber hinaus zu berücksichtigen, dass neben dem Zinsvortrag auch ein Verlustvortrag bestehen kann, der bei zukünftiger Nutzungsmöglichkeit ebenfalls zu einer Bilanzierung von aktiven Steuerlatenzen berechtigt. Zu diesem Phänomen vgl. Abschn. A.III.4, S. 49. Zur Ausschüttungssperre vgl. Teil IV – Kapitel 2 – Abschn. A.III, S. 332.
74
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
mindernden Verrechnung des Zinsvortrags sind in Höhe der Transformation aufzulösen und korrespondierend hierzu die jeweiligen Steuerlatenzen für den körperschaft- und gewerbesteuerlichen Verlustvortrag zu aktivieren. Per saldo resultieren aus diesem Vorgang somit keine Erfolgswirkungen. Da die Werthaltigkeit des transformierten Zinsvortrags nun aber vor dem Hintergrund der Mindestbesteuerung zu würdigen ist, können mit der Transformation auch Aufwandswirkungen einhergehen. Sofern nämlich auf Basis der steuerlichen Ergebnisprognose die Erkenntnis gewonnen wird, dass die jeweiligen Verlustvorträge nicht innerhalb des Prognose- bzw. Fünfjahreszeitraums genutzt werden können, steht der aufwandswirksamen Auflösung der Steuerlatenz für den Zinsvortrag keine betragsgleiche Aktivierung einer Steuerlatenz für die Verlustvorträge gegenüber. Im Falle einer Mitunternehmerschaft führt die Transformation des Zinsvortrags in negative Einkünfte zwar auf Ebene des Mitunternehmers zu einer körperschaftsteuerlichen Entlastung, soweit dieser die ihm zugerechneten Einkünfte mit positiven Einkünften verrechnen kann,308 jedoch resultieren hieraus keine bilanziellen Steuereffekte auf Ebene der Mitunternehmerschaft. Denn die Mitunternehmerschaft bilanziert latente Steuern im Grundsatz nur für die von ihr geschuldete Gewerbesteuer.309 Somit ist für die Mitunternehmerschaft in Bezug auf den Zinsvortrag allein die Gewerbesteuer abgrenzungsrelevant. Da der Mitunternehmer die negativen Einkünfte im gewerbesteuerlichen Bereich nicht verrechnen kann (§ 8 Nr. 8 GewStG), sind sie lediglich im Rahmen des Verlustvortrags durch die Mitunternehmerschaft in zukünftigen Perioden nutzbar. Die Umwidmung eines werthaltigen Zinsvortrags in einen werthaltigen, gewerbesteuerlichen Verlustvortrag ist somit per saldo erfolgsneutral. Sofern aber auf Ebene des Mitunternehmers i. H. des im Zinsvortrag gespeicherten körperschaftsteuerlichen Entlastungspotenzials Steuerlatenzen aktiviert wurden, welche fortan – aufgrund der Transformation – für einen körperschaftsteuerlichen Verlustvortrag gebildet werden sollen, ist dessen Werthaltigkeit nun nach den Verhältnissen beim Mitunternehmer selbst und nicht mehr nach denen bei der Mitunternehmerschaft zu prüfen. Während bei der Werthaltigkeitsprüfung des Zinsvortrags noch das verrechenbare EBITDA, der Zinssaldo etc. der Mitunternehmerschaft relevant waren, ist nunmehr das zukünftige steuerliche Ergebnis des Mitunternehmers zu prognostizieren, um die Werthaltigkeit des in einen Verlustvortrag transformierten Zinsvortrags bestimmen zu können. 3.
Auswirkungen auf die Effective Tax Rate
Die oben erläuterten Erfolgswirkungen der Zinsschranke nehmen Einfluss auf die Höhe der sog. Effective Tax Rate (ETR).310 Die Kurvenverläufe der ETR sollen mit denen der Steuer308 309 310
Vgl. Abschn. A.III.1.b, S. 45. Vgl. Kirsch, Ertragsteueraufwand, DStR 2009, S. 1974 ff.; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 19 f. Die ETR ist nach IAS 12.86 definiert als das Verhältnis von der Summe aus tatsächlichem und latentem
Kapitel 3 – Ökonomiscche und bilanzzielle Be- bzw w. Entlastungsseffekte der Ziinsschranke
75
quote, dderen Definition und Verlauf V bereiits in Absch hn. A.II.3.b.ii (S. 39) bbeschrieben wurden, der Erfolgsswirkunin einem m Zinsschraanken-Szenaario verglicchen werden n und die Bandbreiten B gen dargestellt undd erläutert werden. w Dam mit soll insb besondere die d Wirkungg von aktiv ven Steuerlatenzzen auf die ETR und das d Aufwanndspotenziall im Falle nicht n (mehr)) werthaltig ger Zinsvorträgee herauskrristallisiert werden. Z Zwar wird d zur Beschreibung der Effek kte eine Beispiellinvestition herangezogen, jedochh können hiieraus eben nso allgemeeingültige Aussagen A gewonnnen werden. rGK**=9% 0,8 0,6
A3
0,4 negativesEBT
positivesEBT T
0,2
A1
0 Ͳ0,2 Ͳ0,4
A2
Ͳ0,6 Ͳ0,8 Gesamtkapitalren ditevorAbscchreibungen(rGK*) ETR(ZVu.VV)
ETR(VV))
StQ S
LN
rel
Abbildun ng 5: Auswirrkungen des Zinsvortragss auf die ETR R im Vergleich zur Steuerqquote
Das Beiispiel, welches der vorstehenden G Grafik zugru unde liegt, unterstellt eeine Gesam mtkapitalrendite vor Abschhreibungen, die zwischhen 6% un nd 13,3% streut. s Die Fremdkapiitalquote beträgt konstant 80%, der Frremdfinanziierungszins 5% und die d Abschreeibungsrate auf das investieerte Gesamtkapital 5%..311 Daraus folgt, dass ein positivees Ergebniss (EBT) vorr Steuern erst ab einer Gesam mtkapitalreendite von m mehr als 4% % erzielt werden kannn. Die Zinssschranke greift innnerhalb dess gesamten für die Gessamtkapitalrrendite unteersuchten Inntervalls. Eiin Liquiditätsnaachteil ist mit m der Zin nsschranke jjedoch erstt ab einer Gesamtkapiitalrendite vor Abschreibuungen (rGK*) von etwa 6,5% verbuunden (vgl. den Verlauff des gepunnkteten Grap phen).
311
Steuerraufwand sow wie Steuerertrrag zum handdelsrechtlichen n Periodenerg gebnis vor Errtragsteuern. Die D Erfassung vvon latenten Steuern S im Zäähler stellt denn elementaren n Unterschied zur Steuerquoote dar. Hierzu u ausführlich D Dempfle, Konzzernsteuerquotte, 2006, S. 455 ff.; Kröner/B Beckenhaub, Konzernsteuer K rquote, 2008, S. 22 f. Weiteerhin gelten füür die Berech hnungen die B Basisannahmeen aus Abschn n. A.I, S. 31 uund die Annahmen und formaalen Zusammeenhänge aus Teil T II – Kapiteel 2 – Abschn. B.I.1.a, S. 24 43.
76
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Eine positive ETR kann trotz negativem Vorsteuerergebnis bis zu einer Gesamtkapitalrendite vor Abschreibungen von ca. 8,5% erzielt werden, weil der latente Steuerertrag aus der Aktivierung des Zinsvortrags größer ist als die tatsächliche Steuerbelastung und deshalb per saldo ein negativer Steueraufwand ins Verhältnis zu einer negativen Bezugsgröße gesetzt wird. Dass die ETR trotz Aktivierung latenter Steuern ab einer Gesamtkapitalrendite vor Abschreibungen im Intervall von 8,5% bis 9% negativ wird, hängt genauso wie ihr degressiver Kurvenverlauf mit der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung zusammen. Denn in Höhe der zu 25% hinzurechnungspflichtigen, abziehbaren Zinsen können keine Steuerlatenzen aktiviert werden. Die Fläche zwischen der ETR (schwarze Linie) und der Steuerquote (graue Linie) bzw. der schwarz gestrichelten Linie (s. Erläuterung unten) veranschaulicht die Ertragswirkung des Zinsvortrags bzw. die Aufwandswirkung des bilanziellen Zinsschrankenrisikos2. Ordnung (Fläche A1). Je geringer die Werthaltigkeit einer steuermindernden Nutzung des Zinsvortrags eingeschätzt wird, desto weniger Steuerlatenzen können aktiviert werden und desto stärker nähert sich die ETR im Bereich negativer Vorsteuerergebnisse der Steuerquote an. In diesem Zusammenhang muss noch auf zwei kleine Details hingewiesen werden. Denn genau betrachtet wird in dem Intervall von 6% bis ca. 7% neben dem Zinsvortrag auch ein Verlustvortrag aufgebaut. Unterstellt man, dass auch der Verlustvortrag in voller Höhe zu einer aktiven Steuerlatenz berechtigt, verkörpert die Fläche zwischen der schwarz gestrichelten Linie (Verlauf der ETR bei latenten Steuern nur auf den Verlustvortrag) und der grauen Linie (Steuerquote) das Ertragspotenzial eines werthaltigen Verlustvortrags (Fläche A2) und nicht etwa das eines werthaltigen Zinsvortrags. Weiterhin wird aus der Grafik erkennbar, dass die ETR bei einer Gesamtkapitalrendite vor Abschreibungen von 5% bis 9% nicht so stark fällt wie die Steuerquote. Dies ist darauf zurückzuführen, dass in diesem Bereich dem latenten Steuerertrag aus der Aktivierung des Zinsvortrags kein betragsgleicher, tatsächlicher Steueraufwand aus dem Eingreifen der Zinsschranke gegenübersteht. Ein werthaltiger Zinsvortrag steigert somit im Bereich negativer Vorsteuerergebnisse bis zu dem Punkt, wo sich latenter Steuerertrag und tatsächlicher Steueraufwand wieder decken, die ETR.312 Die jeweiligen Steuerbelastungen – gemessen in ETR und Steuerquote – fallen immer schneller, je mehr sie sich bei zunehmender Gesamtkapitalrendite dem Grenzwert von 9% nähern. Beide Kurven verlaufen nämlich asymptotisch entlang der vertikalen Gerade rGK* = 9%. Auch bei abnehmenden Gesamtkapitalrenditen nähern sich sowohl ETR als auch Steuerquote asymptotisch der Geraden rGK* = 9% an. Anders als auf der linken Seite der Geraden steigt die Steuerbelastung auf der rechten Seite jedoch exponentiell an, je mehr sich die Gesamtkapitalrendite vor Abschreibungen dem Grenzwert von 9% annähert. Die Fläche A3 zwischen ETR und Steuerquote auf der rechten Seite der Geraden rGK* skizziert die Aufwandswirkung des Zinsvortrags, sofern seine Werthaltigkeit zweifelhaft erscheint. Je weniger Steuerlatenzen für 312
Zur Erklärung dieses Effekts vgl. Abschn. A.II.3.a, S. 35.
Kapitel 3 – Ökonomische und bilanzielle Be- bzw. Entlastungseffekte der Zinsschranke
77
den Zinsvortrag aktiviert werden können, desto stärker nähert sich die ETR im Bereich positiver Vorsteuerergebnisse der Steuerquote an. Die differenzierten Auswirkungen der Zinsschranke auf die ETR zeigen, dass auch die ETR keine geeignete Kennzahl darstellt, um die zinsschrankeninduzierte Mehrbelastung in Krisenszenarien zu messen. Denn selbst bei werthaltigen Zinsvorträgen nimmt sie im Bereich niedriger Vorsteuerergebnisse schnell einen asymptotischen Verlauf in Richtung exorbitant hoher Prozentwerte an, die keiner sinnvollen Interpretation mehr zugänglich sind. Ferner wird der Zinsvortrag in Krisenszenarien tendenziell nur in reduziertem Umfang zu einer aktiven Steuerlatenz berechtigen, weshalb sich die Aussagekraft der ETR in vielen Fällen kaum von der Aussagekraft der Steuerquote unterscheiden wird.313
313
Zur begrenzten Aussagekraft der ETR und Steuerquote in Krisenszenarien vgl. Montag, Steuerquote, S. 568 ff., der zwischen Steuerquote (= ETR) und Cash-Steuerquote (= StQ) differenziert.
78
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
Kapitel 4
Empirische Relevanz
Seit Inkrafttreten des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 wurden bereits zahlreiche Studien durchgeführt, die überwiegend zu dem Ergebnis kommen, dass die Zinsschranke für eine beachtliche Anzahl von Unternehmen von Relevanz ist und für eine Vielzahl von betroffenen Unternehmen auch mit einer materiellen Belastung einhergeht. Soweit ersichtlich wurden bislang vier Befragungen,314 sechs Datenauswertungen – basierend auf handelsrechtlichen Jahresabschlüssen –315 drei Simulationen auf der Grundlage der Bilanzstatistik der Deutschen Bundesbank316 und eine Untersuchung, die im Wesentlichen auf der Gewerbesteuerstatistik 2001 basiert,317 durchgeführt. Nachfolgend soll das potenzielle Spektrum an betroffenen Unternehmen, d. h. die Anzahl von Unternehmen, für die die Zinsschranke grundsätzlich einschlägig ist, sowie die Bandbreite von vermeintlich materiell belasteten Unternehmen, also denjenigen, die einen Liquiditätsnachteil erfahren, aufgezeigt werden. Weiterhin werden der unternehmensspezifische Wirkungsgrad der Zinsschranke ins Visier genommen und beobachtete Reaktionen bzw. Anpassungsmaßnahmen der Unternehmen dargestellt. Steueraufkommenswirkungen der Zinsschranke werden nicht behandelt.318 A.
Anzahl von betroffenen und belasteten Unternehmen
In Abbildung 6 werden drei empirische Studien aufgegriffen, die sich differenziert mit der Anzahl an potenziellen Zinsschrankenfällen und dem Belastungsgrad der Zinsschranke in der inländischen Unternehmenslandschaft befassen. Während die Studien von Blaufus/Lorenz319 und Bach/Buslei320 auf handelsrechtlichen Jahresabschlüssen bis zum Wirtschaftsjahr 2006 der DAFNE-Bilanzdatenbank321 basieren, fußt die Analyse von Broer322 im Wesentlichen auf 314
315
316 317 318
319 320 321 322
Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 593; DIHK, Evaluation, (Internetquelle); HDE/PwC, Handelsunternehmen, 2009 (Internetquelle); Ernst & Young/Fuest, Evaluation, 2010 (Internetquelle bzw. Ortmann-Babel/Bolik/Fuest, Beurteilung, DStR 2010, S. 1865). PSP/vbw, Überlast, 2008 (Internetquelle); Bach/Buslei, Empirische Analysen, DIW-RN 2009; Blaufus/ Lorenz, Untersuchung, ZfB 2009, S. 503; dieselben, Krise, StuW 2009, S. 323; Oestreicher/Klett/Koch, Mikrodaten, StuW 2009, S. 15; Watrin/Pott/Richter, Auswirkungen, StuW 2009, S. 256. Brähler et al., Auswirkungen, 2009 (Internetquelle); Brähler/Kühner, Zinsschrankenwirkung, 2010 (Internetquelle); Pasedag, Wirkungen, CF 2010, S. 301. Broer, Zinsschranke, Schmollers Jahrbuch 2009, S. 391. Die prognostizierten Steuermehreinnahmen liegen in einer Bandbreite von 750 Mio. € bis 2,7 Mrd. €; vgl. Bach/Buslei, Empirische Analysen, DIW-RN 2009, S. 21 (Tabelle 2) und Broer, Zinsschranke, Schmollers Jahrbuch 2009, S. 404 (Tabelle 4). Die ehemalige Bundesregierung schätzte die Mehreinnahmen bei Einführung der Zinsschranke auf etwa 1,5 Mrd. €; vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 42, wobei im Regierungsentwurf noch mit einer Ergebnisgrenze von 30% des EBIT gerechnet wurde. Zu den Aufkommenseffekten der einzelnen Maßnahmen der Unternehmensteuerreform 2008 vgl. Oestreicher/Klett/Koch, Mikrodaten, StuW 2009, S. 22 ff. Einschränkend gilt darauf hinzuweisen, dass aktualisierte Berechnungen, die die Korrekturen bei der Zinsschranke durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz berücksichtigen, noch ausstehen. Vgl. Blaufus/Lorenz, Untersuchung, ZfB 2009, S. 503 ff.; dieselben, Krise, StuW 2009, S. 323 ff. Vgl. Bach/Buslei, Empirische Analysen, DIW-RN 2009. Zur Datenstruktur der DAFNE-Bilanzdatenbank vgl. http://www.bvdep.com/de/dafne.html. Vgl. Broer, Zinsschranke, Schmollers Jahrbuch 2009, S. 391 ff.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_4, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Kapitel 4 – Empirische Relevanz
79
der Gewerbesteuerstatistik 2001 des Statistischen Bundesamtes323. Da sämtliche Erhebungen vor Verabschiedung des Wachstumsbeschleunigungsgesetz durchgeführt wurden, wird eine Freigrenze i. H. von 1 Mio. € unterstellt und es bleiben die Effekte des EBITDA-Vortrags unberücksichtigt. Blaufus/Lorenz geben an, dass sich die Zahl der Anwendungsfälle bei einer Freigrenze i. H. von 3 Mio. € in etwa halbiert habe und der Belastungsgrad in diesem Fall bei ca. 60% liege.324 2.000 1.824
1.500
1.058 1.000
835 625
561 500
45,78%
249
59,07%
44,39% 0 Blaufus/Lorenz
Bach/Buslei
BetroffeneUnternehmen
Broer
BelasteteUnternehmen
Abbildung 6: Empirische Studien über die Anzahl betroffener und belasteter Unternehmen aufgrund der Zinsschranke bei einer Freigrenze i. H. von 1 Mio. €
Um die Fallzahlen und den Belastungsgrad der Zinsschranke aufzuzeigen, eignet sich die Gegenüberstellung dieser Studien, da diese auf einem Datenbestand beruhen, der im Vergleich zu anderen Erhebungen am ehesten dazu in der Lage ist, die Grundgesamtheit aller inländischen Unternehmen widerzuspiegeln.325 Ferner ist den Erhebungen gemein, dass sie 323
324
325
Vgl. Zifonun, Gewerbesteuerstatistik, Wirtschaft und Statistik 2006, S. 303 ff. Die Statistiken stehen im Internet (https://www-ec.destatis.de) kostenfrei zum Download bereit. Die Daten von Broer werden hinsichtlich der Abschreibungen um Werte der Körperschaftsteuerbilanzstatistik 2001 (vgl. Gräb, Körperschaftsteuerstatistik, Wirtschaft und Statistik 2006, S. 66 ff.) und hinsichtlich des Verhältnisses von Zinsertrag und Zinsaufwand um die Daten der Deutschen Bundesbank angereichert; zur Struktur der Bundesbankdaten vgl. Teil II – Kapitel 2 – Abschn. B.II.2, S. 259 ff. Es wird die für den Veranlagungszeitraum 2009 gewährte Erhöhung der Freigrenze durch das Bürgerentlastungsgesetz betrachtet, vgl. Blaufus/Lorenz, Krise, StuW 2009, S. 330; Bach/Buslei, Großunternehmen, Wochenbericht des DIW 2009, S. 286. In Bezug auf die Anzahl an potenziell betroffenen Unternehmen gelangen Watrin/Pott/Richter, Auswirkungen, StuW 2009, S. 260 (Tabelle 1), zu einem ähnlichen Ergebnis. Um die Repräsentativität von steuerlichen Erhebungen zu beurteilen, wird die gewählte Stichprobe vielfach mit der Anzahl an umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen verglichen, die jährlich vom Statistischen Bundesamt ermittelt wird. Gemessen an der Umsatzsteuerstatistik 2006 des Statistischen Bundesamts (vgl. https://www-ec.destatis.de) können aus der DAFNE-Bilanzdatenbank für etwa 2,3% der inländischen Unter-
80
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
zwischen betroffenen und belasteten Unternehmen differenzieren. Bei den abgebildeten Fallzahlen handelt es sich um Werte nach Berücksichtigung der Ausnahmetatbestände und etwaiger Organschaftsverhältnisse.326 Während Blaufus/Lorenz und Broer nur Kapitalgesellschaften in ihre Stichprobe aufnehmen, beziehen Bach/Buslei ebenfalls Personenunternehmen in ihre Auswertungen mit ein. Entsprechend der treppenförmigen Anordnung der Studien in Abbildung 6 kann die Studie von Blaufus/Lorenz als Untergrenze und diejenige von Broer als Obergrenze für die Anzahl von Zinsschrankenfällen angesehen werden.327 Die Untersuchung von Bach/Buslei bekommt im Vergleich zu den anderen beiden Studien den Charakter einer mittleren Prognose, die vermutlich den geringsten Streubereich aufweist und die in Bezug auf die Anzahl an betroffenen Unternehmen – vor Berücksichtigung von Organschaften – durch die Erhebung von PSP/vbw annähernd Bestätigung findet.328 Im Unterschied zu der absoluten Anzahl an Zinsschrankenfällen liegen die Studien, was den Belastungsgrad angeht, aber nah beieinander. So berechnen Blaufus/Lorenz und Broer, dass etwa 45% der von der Zinsschranke erfassten Unternehmen auch liquiditätsmäßig belastet werden; Bach/Buslei ermitteln einen Belastungsgrad von etwa 59%. Insgesamt ist aber zu konstatieren, dass präzise Aussagen über den Grad der Betroffenheit und Belastung auf Basis von Jahresabschlussdaten nicht möglich sind. Dies liegt insbesondere daran, dass handels- und steuerrechtliche Gewinnermittlung divergieren, Organschaftssachverhalte bei der Schätzung von steuerlichem EBITDA, Zinssaldo und Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände nur unzureichend berücksichtigt werden können und sich darüber hinaus die Drohkulisse von § 8a KStG einer hinreichend verlässlichen Analyse entzieht. Zur Behebung dieses Informationsdefizits eignen sich gezielte Unternehmensbefragungen, um das
326
327
328
nehmen relevante Informationen zur Schätzung der Zinsschrankenbefangenheit entnommen werden. Gemessen an aggregierten Umsätzen aller Unternehmen repräsentiert die DAFNE-Bilanzdatenbank jedoch 48,8% der in der Umsatzsteuerstatistik erfassten Unternehmen; vgl. Bach/Buslei, Empirische Analysen, DIW-RN 2009, S. 36 (Tabelle A1). Diese Diskrepanz zwischen erfasster Anzahl und erfassten Umsätzen der inländischen Unternehmen ist darauf zurückzuführen, dass große Unternehmen aufgrund ihrer umfassenden Publizitätspflichten (nahezu) vollständig in der DAFNE-Datenbank erfasst sind. Die Gewerbesteuerstatistik 2001 deckt etwa 79,8% der in 2006 umsatzsteuerpflichtigen Unternehmen ab. Zu beachten ist jedoch, dass auch die Umsatzsteuerstatistik nicht sämtliche Unternehmen enthält, da Innentransaktionen bei umsatzsteuerlichen Organschaften nicht in die Datenerhebung einfließen. Die Verfasser geben jeweils deutlich zu erkennen, dass es sich aufgrund der verfügbaren Datengrundlage insbesondere hinsichtlich der potenziellen Anwendbarkeit des Stand-alone- bzw. Equity-Escape und bei der Berücksichtigung von Organschaftssachverhalten nur um grobe Schätzungen handelt; vgl. Blaufus/Lorenz, Krise, StuW 2009, S. 508 f.; Bach/Buslei, Empirische Analysen, DIW-RN 2009, S. 13 ff.; Broer, Zinsschranke, Schmollers Jahrbuch 2009, S. 401 ff. Beide Studien geben jeweils Bandbreiten an. Für die Erstellung von Abbildung 6 wurde deshalb bewusst die Untergrenze der Erhebung von Blaufus/Lorenz, Untersuchung, ZfB 2009, S. 509, und die Obergrenze von Broer, Zinsschranke, Schmollers Jahrbuch 2009, S. 404, gewählt. Nach Anwendung der Ausnahmetatbestände, aber vor Berücksichtigung von Organschaftsbeziehungen beziffern Bach/Buslei die Anzahl betroffener Unternehmen auf 1.427; vgl. dieselben, Empirische Analysen, DIW-RN 2009, S. 21 (Tabelle 2). Im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw) hat die Beratungsgesellschaft Peters, Schönberger & Partner GbR (PSP) 1.454 betroffene Kapitalgesellschaften ermittelt; vgl. PSP/vbw, Überlast, 2008, S. 4 (Internetquelle).
Kapitel 4 – Empirische Relevanz
81
Insiderwissen über die Anwendbarkeit der jeweiligen Zinsschrankennormen ans Tageslicht zu bringen. Hier zeigt die Befragung von Herzig/Lochmann/Liekenbrock aus dem Jahr 2007, dass eine Vielzahl von börsennotierten Unternehmen mit einer Anwendung der Zinsschranke und einer liquiditätsmäßigen Belastung für das Jahr 2008 rechnen.329 Wie die Ergebnisse der Befragung von Ernst & Young/Fuest zeigen, scheint dies unverändert auch für das Jahr 2009 zu gelten.330 Ferner offenbaren die Ergebnisse von Herzig/Lochmann/Liekenbrock, dass die Befreiungskraft der Ausnahmetatbestände als verhältnismäßig schwach zu bewerten ist, da lediglich 23,2% der antwortenden Unternehmen angeben, einen erfolgreichen Zinsschrankenescape zu erreichen.331 Als große Hindernisse für einen wirksamen Escape erweisen sich die steuerlichen Modifikationen bei der Ermittlung der betrieblichen Eigenkapitalquote (insbes. die Beteiligungsbuchwertkürzung) und die Prüfung von schädlichen Fremdfinanzierungen i. S. des § 8a KStG.332 Eine passable Ergänzung findet die vorgenannte Umfrage in der Mitgliederbefragung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags (DIHK) aus dem Jahr 2009, die nämlich überwiegend kleine und mittlere Unternehmen in den Evaluationsfokus rückt. Nach den Auswertungen des DIHK sind im Jahr 2008 und 2009 jeweils 5,7% der antwortenden Unternehmen von der Zinsschranke betroffen, wovon 29,8% in 2008 bzw. 33,3% in 2009 einer steuerlichen Mehrbelastung ausgesetzt sind.333 Angesichts der geringen Bedeutung des Stand-alone- und Equity-Escape ist die Untergrenze von Blaufus/Lorenz als sehr optimistischer Wert anzusehen, da die Verfasser bei der Bemessung dieses Wertes kalkuliert „großzügig“ mit der Inanspruchnahme von Stand-alone- und Equity-Escape umgehen und zudem Personenunternehmen von ihrer Berechnung ausnehmen. Von daher kann auch bezweifelt werden, dass sich mit Anhebung der Freigrenze auf 3 Mio. € tatsächlich eine Halbierung der Fallzahlen einstellen wird. Ferner bleibt abzuwarten, wie sich die Finanz- und Wirtschaftskrise auf die Fallzahlen und den Belastungsgrad der Zinsschranke auswirken wird bzw. ausgewirkt hat. Denn vor dem Hintergrund von zumeist branchenübergreifenden Ergebniseinbrüchen können die aus dem Jahr 2001 bzw. 2006 stammenden Daten regelmäßig nicht als verlässlicher Schätzer für ge329
330
331 332 333
Nach der Umfrage sind 42,9% der antwortenden Unternehmen von der Zinsschranke erfasst, wovon wenigstens 90% auch eine liquiditätsmäßige Belastung erfahren; vgl. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 593 ff. (Tabelle 7 und Abbildung 1). Hiernach empfinden 44,7% der antwortenden (überwiegend großen) Unternehmen, dass die Zinsschranke ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit belaste; vgl. Ernst & Young/Fuest, Evaluation, 2010, S. 20 (Internetquelle). Zur Effektivität der Ausnahmetatbestände vgl. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Impact Study, Intertax 2008, S. 581 f. Insgesamt gaben 25,7% der antwortenden Unternehmen an, dass sie von § 8a KStG erfasst seien; vgl. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 596 (Tabelle 8). Vgl. DIHK, Evaluation, S. 9 f. (Internetquelle). An der Konzeption des Fragebogens (vgl. Anhang zum vorgenannten Internetdokument) ist jedoch zu kritisieren, dass nur vollkonsolidierte Gesellschaften als zinsschrankenbefangene Unternehmen angesehen und etwaige Wirkungen von § 8a KStG nicht gezielt abgefragt werden.
82
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
genwärtige und zukünftige Zinsschrankeneffekte herangezogen werden. Auf Basis der produktionsbereichsspezifischen Simulation eines Krisenszenarios von Bach/Buslei steigt die Anzahl an betroffenen Unternehmen um 15,2% und die Anzahl an belasteten Unternehmen sinkt um 4,2%. Der Rückgang bei den belasteten Unternehmen ist schlichtweg darauf zurückzuführen, dass aufgrund der simulierten Rezession nun mehr Unternehmen operative Verluste verzeichnen und deshalb selbst nach Anwendung der Zinsschranke keine Steuern zu zahlen haben.334 In diesem Trend liegen auch die Ergebnisse von Blaufus/Lorenz: Bei einem Umsatzrückgang von einem Prozentpunkt (ohne Kostenanpassung) berechnen sie einen Anstieg an betroffenen Kapitalgesellschaften i. H. von durchschnittlich 6,7% und eine Abnahme an belasteten Kapitalgesellschaften i. H. von durchschnittlich 2,1%.335 B.
Verrechenbarkeit des Zinsvortrags
Gegenwärtig bestehen nur wenige Analysen, die sich mit der Nutzbarkeit des Zinsvortrags befassen. Dieser Frage widmen sich Watrin/Pott/Richter intensiv, die anhand eines Referenzunternehmens die Verrechnung des Zinsvortrags innerhalb eines fünfjährigen Zeitraums (2002–2006) prognostizieren. Die notwendigen Werte zur Berechnung des steuerlichen EBITDA, Zinssaldos etc. werden wiederum aus der DAFNE-Bilanzdatenbank gewonnen. In ihr Sample werden nur Kapitalgesellschaften aufgenommen, die in 2002 theoretisch der Zinsschranke unterlegen hätten. Die benötigten Werte des Referenzunternehmens werden auf Basis von Durchschnittswerten der Untersuchungsgesamtheit gebildet.336 Als Ergebnis dieser Studie kann festgehalten werden, dass das Referenzunternehmen in jedem Jahr des Betrachtungszeitraums der Zinsschranke unterliegt, weshalb es nicht zu einer Nutzung des Zinsvortrags kommen kann.337 Schlechte Aussichten auf Verrechnung des Zinsvortrags bescheinigen ebenfalls Blaufus/Lorenz. Sie untersuchen die Verwertbarkeit innerhalb eines Dreijahreszeitraums über das Verfahren der exponentiellen Glättung. Dabei kommen sie zu dem Ergebnis, dass lediglich 14,41% den Zinsvortrag vollständig und 2,62% teilweise nutzen können.338, 339 Auch die inländischen Steuerabteilungsleiter von börsennotierten bzw. sehr großen Konzernen schätzen die vollständige Nutzung des Zinsvortrags eher gering ein. Die Befragung von Herzig/Lochmann/Liekenbrock ergab, dass der überwiegende Teil derjenigen Unternehmen (63,3%), die voraussichtlich im Zinsabzug beschränkt sind, auch mit einer zinsschrankenin-
334 335 336 337 338 339
Vgl. Bach/Buslei, Empirische Analysen, DIW-RN 2009, S. 26 ff. Vgl. Blaufus/Lorenz, Krise, StuW 2009, S. 331. Zu ihrem Untersuchungsdesign vgl. Watrin/Pott/Richter, Auswirkungen, StuW 2009, S. 259 ff. Vgl. Watrin/Pott/Richter, Auswirkungen, StuW 2009, S. 261 f. (Tabelle 2). Vgl. Blaufus/Lorenz, Untersuchung, ZfB 2009, S. 513 f. Beide Studien berechnen die Nutzung des Zinsvortrags einzig auf Basis der EBITDA- und Zinssaldoentwicklung – von einer etwaigen Anwendbarkeit der Ausnahmevorschriften wird abstrahiert; vgl. Watrin/Pott/Richter, Auswirkungen, StuW 2009, S. 259; Blaufus/Lorenz, Untersuchung, ZfB 2009, S. 513. Des Weiteren bleiben schädliche Ereignisse, die zum (partiellen) Untergang des Zinsvortrags führen (bspw. § 8c KStG), außer Acht.
Kapitel 4 – Empirische Relevanz
83
duzierten Beeinflussung der Konzernsteuerquote rechnen.340 Aus der Perspektive der anzuwendenden Rechnungslegungsvorschriften wird also nicht von einem (vollständig) werthaltigen Zinsvortrag ausgegangen, der zu einer ausreichend hohen aktiven Steuerlatenz berechtigen und somit den Steuermehraufwand aufgrund der Zinsschranke ausgleichen würde.341 C.
Größenspezifische Aspekte
Zur Beschreibung der Unternehmensgröße soll nachfolgend allein auf die Bilanzsumme abgestellt werden. Neben anderen Kriterien (wie Umsatz und Arbeitnehmeranzahl) werden sowohl in § 267 HGB als auch in den Empfehlungen der EU-Kommission entsprechende Obergrenzen für die Bilanzsumme festgelegt. Nach Handelsrecht ist die Bilanzsumme einer kleinen Kapitalgesellschaft begrenzt auf max. 4,84 Mio. € (abzüglich eines aktivischen Fehlbetrags) und diejenige einer mittelgroßen Kapitalgesellschaft auf 19,25 Mio. €. Darüberliegende Bilanzsummen kennzeichnen große Kapitalgesellschaften. Die EU-Kommission empfiehlt, zur Identifizierung von kleinen Unternehmen eine Bilanzsumme i. H. von max. 10 Mio. € (Art. 2 Abs. 2 2003/361/EG) und bei mittleren Unternehmen entsprechend eine Bilanzsumme von 43 Mio. € festzulegen (Art. 2 Abs. 1 2003/361/EG).342 Nach Maßgabe dieser Klassierung dürfte die Zinsschranke selbst bei einer Freigrenze i. H. von 1 Mio. € regelmäßig nicht für kleine Unternehmen von Relevanz sein, wenn man eine Nominalverzinsung des Fremdkapitals von 5% unterstellt.343 Allerdings identifizieren Bach/Buslei und Watrin/Pott/Richter bei einer 1-Mio.-€-Freigrenze ebenfalls kleine Unternehmen als von der Zinsschranke Betroffene und Belastete.344 Es ist jedoch sehr stark davon auszugehen, dass kleine und mittlere Unternehmen – zumindest gemessen am Kriterium der Bilanzsumme – nach Anhebung der Freigrenze auf 3 Mio. € nicht mehr von der Zinsschranke erfasst sein werden.345 Damit verbleiben regelmäßig allein große Unternehmen bzw. Konzerne im Anwendungsbereich der Zinsschranke.
340 341 342 343
344
345
Vgl. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 598 f. (Tabelle 12); Herzig, Konzernsteuerquote, Finanzplatz 2008, S. 18 f (Grafik 1). Zu den Erfolgswirkungen der Zinsschranke vgl. Kapitel 3 – Abschn. C.IV, S. 71 ff. Vgl. Europäische Kommission, 2003/361/EG, ABl. EU 2003, L 124, S. 39. Rechnet man von dem maximalen Zinsabzug auf den Darlehensbetrag zurück, liegt die Nominalschuld über den Obergrenzen für eine Bilanzsumme eines kleinen bzw. mittleren Unternehmens. Bei einem unterstellten Zinssatz von 5% und einer Freigrenze i. H. von 1 Mio. € beträgt das Darlehensvolumen 20 Mio. € und bei einer Freigrenze i. H. von 3 Mio. € entsprechend 60 Mio. €; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. A.I.1, S. 90. Vgl. Bach/Buslei, Empirische Analysen, DIW-RN 2009, S. 23 f. (Tabelle 3 u. 4); Watrin/Pott/Richter, Auswirkungen, StuW 2009, S. 264 (Tabelle 7a). Dieses Resultat ist offenkundig nicht mit der Intention des Gesetzgebers verträglich, der mittelständische Unternehmen von der Zinsschranke ausnehmen möchte, vgl. BTDrs. 16/4841, S. 31. Ebenso Bach/Buslei, Großunternehmen, Wochenbericht des DIW 2009, S. 286; vgl. auch die mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz explizit formulierte Zielsetzung, BT-Drs. 17/15, S. 10. Pasedag identifiziert im Rahmen seiner Simulation sehr geringfügige Zinsschrankenwirkungen für kleine Unternehmen, vgl. derselbe, Wirkungen, CF 2010, S. 309; zur Klassierung der Unternehmensgröße orientiert er sich an den Bilanzsummen der CDAX-Unternehmen, vgl. ebenda, S. 306.
84
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
D.
Branchenspezifische Aspekte
Im Rahmen der vorgenannten Untersuchungen wurde auch der Verteilung von zinsschrankenbefangenen Unternehmen innerhalb von verschiedenen Wirtschaftszweigen bzw. Branchen nachgegangen. Da die Studien hinsichtlich ihres einbezogenen Datenbestands differieren und keine vollkommen homogenen Branchenspezifikationen verwenden, fließen in die nachfolgende Abbildung nur diejenigen Ergebnisse ein, die studienübergreifend miteinander vergleichbar sind.346 Aus diesem Grund wird die Bedeutung der Zinsschranke innerhalb der Branchen auch nur in der Tendenz aufgezeigt. Das relative Gewicht an betroffenen Unternehmen (Erfassungsgrad) wird auf den jeweils verwendeten Datenbestand bezogen und in die Klassen null, gering, mittel und hoch eingeteilt. Sofern die Studien für bestimmte Branchen keine Daten bereitstellen, wird dies gesondert angegeben.
ErfassungsgradbezogenaufdasSample
hoch
mittel
gering
null keine Daten
Baugewerbe
Bach/Buslei
DienstͲ leistungen
Energie GrundstücksͲ Handel verarbeitendes u.Wohnungswesen Gewerbe
Blaufus/Lorenz
Herzig/Lochmann/Liekenbrock
Abbildung 7: Bedeutung der Zinsschranke innerhalb ausgewählter Wirtschaftszweige
Der Vergleich der einbezogenen Studien vermittelt ein relativ einheitliches Bild über den Grad an erfassten Unternehmen innerhalb der Branchen.347 Denn es scheint Einigkeit darüber zu herrschen, dass der Dienstleistungssektor, das Grundstücks- und Wohnungswesen, der 346
347
Während Herzig/Lochmann/Liekenbrock und Blaufus/Lorenz sich an der Klassifikation der Wirtschaftszweige des Statistischen Bundesamts orientieren (vgl. Statistisches Bundesamt, Wirtschaftszweige [Internetquelle]), verwenden Bach/Buslei die Brancheneinteilung der DAFNE-Bilanzdatenbank. Auch Watrin/Pott/Richter, Auswirkungen, StuW 2009, S. 265 ff. widmen sich dem Branchenaspekt der Zinsschranke. Aufgrund ihres Untersuchungsschwerpunkts (Verrechnung des Zinsvortrags) beziehen sie in ihr Sample ausschließlich Unternehmen ein, die nach ihren Berechnungen von der Zinsschranke erfasst sind. Von daher ist ihre Studie für den hier gezogenen Vergleich ungeeignet, weil an dieser Stelle gerade das Verhältnis von Zinsschrankenfällen zu Nicht-Zinsschrankenfällen innerhalb der Branchen interessiert.
Kapitel 4 – Empirische Relevanz
85
Handel und das verarbeitende Gewerbe vergleichsweise intensiver von der Zinsschranke betroffen sind als das Bau- und Energiegewerbe. Da Bach/Buslei und Blaufus/Lorenz auf den Bestand der DAFNE-Bilanzdatenbank zurückgreifen, verwundert es wenig, dass ihre Ergebnisse in der obigen Darstellung übereinstimmen. Dementsprechend gilt es, die Abweichung der beiden vorgenannten Studien mit der Befragung von Herzig/Lochmann/Liekenbrock in den Blick zu nehmen. Erkennbar ist, dass Abweichungen im Energiebereich und Handel bestehen. Während Herzig/Lochmann/Liekenbrock in ihren beantworteten Fragebögen keine identifizierbaren Fälle von zinsschrankenbefangenen Energieunternehmen verzeichnen konnten, ergaben die Berechnungen der anderen beiden Studien zumindest einen geringfügigen Erfassungsgrad. Eine weitere Abweichung besteht beim Handel. Hier bescheinigt die Unternehmensbefragung einen hohen Erfassungsgrad, während die beiden anderen Untersuchungen lediglich einen mittleren Erfassungsgrad feststellen. Dass die umsatzstärksten inländischen Handelsunternehmen intensiv von der Zinsschranke erfasst werden, belegt auch die Umfrage von PricewaterhouseCoopers (PwC), die vom Hauptverband des Deutschen Einzelhandels (HDE) in Auftrag gegeben wurde. Dort wird illustrativ dargestellt, dass die Zinsschranke in etwa ein Viertel der körperschaft- und gewerbesteuerlichen Tarifsenkung aufzehrt.348 Hinsichtlich des Branchenaspekts der Zinsschranke ist bemerkenswert, dass die Berechnungen basierend auf Jahresabschlussdaten und die Befragung von Herzig/Lochmann/Liekenbrock in der Tendenz so nah beieinander liegen, obwohl die Ergebnisse der Befragung im Vergleich zu denjenigen der Berechnungen auf einer wesentlich kleineren Datengrundlage basieren.349 Der Vergleich der drei Studien befördert einen klareren Eindruck über den branchenspezifischen Erfassungsgrad der Zinsschranke. Gleichwohl ist zu beachten, dass der branchenspezifische Wirkungsgrad der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Ergebnissen nicht berücksichtigt wird. E.
Reaktionen der Unternehmen
Sofern die Zinsschranke droht und die Unternehmen auf eine gute Steuerberatung zurückgreifen können, werden sie versuchen, die negativen Folgen der Zinsschranke weitestgehend abzuwenden.350 Die Befragung von Herzig/Lochmann/Liekenbrock ergab, dass der überwiegende Teil der von der Zinsschranke erfassten Unternehmen Anpassungs- und Gestaltungsmaßnahmen ergreifen wird. Auch eine beträchtliche Anzahl von Unternehmen, deren Zinsabzug im Befragungszeitpunkt als unbeschränkt bewertet wurde, gab an, dass sie proaktive Maßnahmen prüfen würde,
348 349 350
Vgl. HDE/PwC, Handelsunternehmen, 2009, S. 10 (Internetquelle). Während Herzig/Lochmann/Liekenbrock 70 von 239 versendeten Fragebögen auswerten, beziehen Bach/Buslei und Blaufus/Lorenz über 70.000 Jahresabschlüsse in ihre Berechnungen mit ein. Davon gehen auch Blaufus/Lorenz, Krise, StuW 2009, S. 329 aus.
86
Teil I – Grundlagen der Untersuchung
um das Zinsschrankenrisiko zu reduzieren.351 Ferner geht aus der Befragung hervor, dass bei der Auswahl geeigneter Gestaltungsmittel die Begründung bzw. Aufhebung von Organschaftsverhältnissen im Vordergrund steht,352 dicht gefolgt von Maßnahmen, die den Zinssaldo absenken. Hinsichtlich des letzteren Punktes ist beachtlich, dass sehr viele Unternehmen dazu übergehen, ihren Zinsaufwand zu reduzieren und/oder vermehrt Zinserträge im Inland anfallen zu lassen. Dieses Resultat bestärkt den Gesetzgeber in seiner Zielsetzung, mit der Zinsschranke dem Abfluss von Steuersubstrat ins Ausland entgegenzuwirken.353 Demgegenüber sind Anpassungen der Unternehmensstruktur, die auf die Anwendung des Stand-aloneoder Equity-Escape abzielen, nicht so stark gefragt wie die Optimierung des Verhältnisses von Zinssaldo zu steuerlichem EBITDA.354 Aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise wird für viele Unternehmen allerdings nicht die Vermeidung der Zinsschranke, sondern die Bewältigung von etwaigen Umsatzeinbrüchen durch entsprechende Anpassungen der Kosten, Restrukturierungen etc. im Vordergrund stehen bzw. gestanden haben.355 Im Einzelfall kann es dazu kommen, dass Umsatzeinbrüche, denen mit kurzfristigen Kostenanpassungen zu begegnen versucht wird, einen negativen steuerlichen Effekt befördern. Es wäre nämlich denkbar, dass bei einem Umsatzeinbruch ohne kurzfristige Kostenanpassung ein negatives EBIT entsteht und somit die Zinsschranke keine belastende Wirkung entfalten würde, im Falle mit Kostenanpassung hingegen ein – gegebenenfalls kleines – EBIT verbleibt, weshalb die Zinsschranke in diesem Fall Mehrsteuern verursachen würde. Einen solchen Effekt simulieren Blaufus/Lorenz: Nach ihren Berechnungen würde sich bei einem Einbruch des steuerlichen EBITDA um 1 Prozentpunkt und gleichzeitiger proportionaler Kostenanpassung die Anzahl an belasteten Unternehmen um durchschnittlich 2,4% erhöhen.356 Die Autoren untersuchen weiterhin, inwieweit die Substitution von Fremd- zu Eigenkapital die Anzahl an belasteten Unternehmen verändert. Sie ermitteln
351 352
353
354 355 356
Zu Gestaltungsmaßnahmen zur Vermeidung bzw. Abmilderung des Wirkungsgrads der Zinsschranke vgl. Teil III, S. 307 ff. Durch Begründung einer Organschaft können Einkommensteile mehrerer (Konzern-)Gesellschaften gepoolt werden. Bei hoher Fremdfinanzierung sollte dies im Regelfall zu einer Abmilderung der Zinsabzugsbeschränkung bzw. des Zinsschrankenrisikos beitragen, weil damit Zinsabzugspotenziale von Organkreisgesellschaften, die isoliert betrachtet nicht der Zinsschranke unterlägen, auf Ebene des Organträgers gebündelt und mit Einkommensteilen anderer Organkreismitglieder, die isoliert betrachtet der Zinsschranke unterlägen, saldiert werden können. Jedoch kann auch die Aufhebung der Organschaft sinnvoll sein, wenn hierdurch mehrere Gesellschaften von der Freigrenze profitieren können; vgl. Herzig/Liekenbrock, Zinsvortrag, DB 2009, S. 1950; Prinz, Mittelstandsfinanzierung, FR 2008, S. 444. Vgl. Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 598. In dieselbe Richtung weisen auch die empirischen Untersuchungen von Büttner et al., Thin-Capitalization, 2006 (Internetquelle), die zu der Erkenntnis gelangen, dass multinationale Unternehmen ihren Zinsaufwand in Ländern mit steuerlichen Zinsabzugsbeschränkungen reduzieren. Zu den mitunter negativen Anreizeffekten der Zinsschranke für innerstaatliche Gewinnverlagerungen vgl. Broer, Gewinnverlagerungen, StuW 2010, S. 118 f. Hierzu ausführlich Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 597 f. Zu den steuerlichen Konsequenzen von krisenbewältigenden Maßnahmen vgl. bspw. Töben/Lohbeck/ Specker, Rettungsmaßnahmen, NWB 2009, S. 1484 ff. Vgl. Blaufus/Lorenz, Krise, StuW 2009, S. 328.
Kapitel 4 – Empirische Relevanz
87
u. a., dass eine Reduktion des Zinsaufwands um 30% die Anzahl an liquiditätswirksamen Zinsschrankenfällen um 48% reduzieren würde.357 Bislang existieren noch keine Studien, die die Anpassungsmaßnahmen in Jahresabschlussdaten nachweisen. Es wäre ein ambitioniertes Projekt, auf Basis eines mehrjährigen Vergleichs von Jahresabschlüssen zinsschrankeninduzierte Veränderungen bei dem Zinssaldo, den Beteiligungsverhältnissen, den Organschaftsbeziehungen, der Höhe des betrieblichen Eigenkapitals und der Verbindlichkeiten gegenüber verbundenen Unternehmen nachzuweisen. Hierfür müssten einige Jahre vor und nach Verabschiedung des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 verglichen werden. Ein solcher Nachweis wird jedoch aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise deutlich erschwert, weil der Konjunktureinbruch und die Maßnahmen zur Bewältigung der Krise mitunter die zinsschrankeninduzierten Anpassungen überlagern.358 Vielmehr bedarf es noch einer nachhaltigen Beruhigung der wirtschaftlichen Gesamtsituation, um die zinsschrankeninduzierten Anpassungen in den Gewinn- und Verlustrechnungen und Bilanzen isolieren und entsprechend auswerten zu können.
357
358
Vgl. Blaufus/Lorenz, Krise, StuW 2009, S. 329 f. Hierzu ebenfalls Broer, Zinsschranke, Schmollers Jahrbuch 2009, S. 405 ff. Die Unternehmensbefragung von Herzig/Lochmann/Liekenbrock ergab, dass 18,6% der antwortenden Steuerabteilungsleiter aufgrund der Zinsschranke mit einer Erhöhung der Eigenkapitalausstattung rechnen; vgl. dieselben, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 602. Zu den Auswirkungen der Krise auf die Erfolgsgrößen inländischer Konzerne vgl. Küting, Ergebnisgrößen, BB 2009, S. 1742 ff. Über alle nichtfinanziellen Unternehmen betrachtet konnte für das Jahr 2009 ein Rückgang des Außenfinanzierungsbedarfs im Vergleich zum Jahr 2008 beobachtet werden, der insbesondere auf den starken Konjunktureinbruch zurückzuführen ist; vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 05/2010, S. 42.
Teil III
Anallyse von Zinsschra Z nkenrisik ken
Kapitell 1
Identiifikation vo on Zinsschrrankenrisik ken
Die Ideentifikation von Risikeen im Allgeemeinen un nd Steuer- bzw. b Zinss chrankenrissiken im Spezielllen stellt deen Startpunk kt des (steueerlichen) Risikomanag R gementprozeesses dar. In nnerhalb dieser P Prozessphasse werden sämtliche s (ssteuerlichen n) Einzelrisiken des U Unternehmen ns systematischh identifizierrt.1 Hierfür bietet sich die Vorgab be eines Anaalyseschem mas durch diie Unternehmennsführung an, a mit dem m die Risikkobereiche aus a strategiischer Sichtt grob voneinander abgegreenzt und geeeignete Id dentifikationnsinstrumen nte vorgegeben werdenn (sog. Top-downAnsatz)). Die konkrrete Identiffikation der Einzelrisik ken sollte möglichst m auuf operativeer Ebene durchgeeführt werdeen, damit eiine bestmöggliche Sach hkenntnis zu ur Einschätzzung über bestehenb de und ppotenzielle Risiken gew währleistet iist (Bottom m-up-Ansatz).2 Entsprechend dieseer allgemein nen Vorgabben werden in Abschn. A zunächstt sachliche Abgrenzungsm merkmale ideentifiziert bzw. b die zinnsschranken nrelevanten Einflussfakktoren konk kretisiert, anhand derer die Relevanz R der d Zinsschrranke von strategischeer Ebene auus beurteiltt werden kann. A Auf dieser abstrakten Grundlagee können so odann betriiebsspezifissche Rechtssbeurteilungsrissiken der Zinsschrank Z ke auf operrativer Eben ne im Detaail analysieert werden. Diesem Anliegeen widmet sich s Abschn n. B, worin rrechtliche Auslegungs A fragen zum m Normengeefüge der Zinsschhranke umfaassend gegeenübergesteellt und erö örtert werdeen. Abschliießend wird d in Abschn. C auf potenziielle Rechtssentwicklunngen eingeg gangen, die die Bedeutuung der Zin nsschranke für ddas Unternehhmen perspektivisch beeeinflussen könnten. A.
Ab bgrenzungssmerkmalee zur Identiifikation vo on Sachverhaltsrisikenn der Ziinsschrankee
Nachfollgend sollenn beobachttbare Merkm male bzw. Muster herrausgearbeiitet werden, mittels derer zinsschrankennrelevante Betriebe B voon einer straategischen Beurteilung B gsebene aus identifiziert weerden könneen. Denn ein ne eingehennde Analysee und Quanttifizierung vvon Zinssch hrankenrisiken auf operativver Ebene erscheint e nuur dann sinn nvoll, wenn n überhauptt die praktissche Gee Betrieb bzw. eine K Konzernein nheit der Zin nsschranke unterliegen n könnte. fahr bessteht, dass ein Darüberr hinaus kaann anhand typischer M Merkmale auch a das Sp pektrum an geeigneten n Gestaltungsmaaßnahmen eingegrenzt e t werden. Inn Abhängig gkeit von deen Merkmaalsausprägun ngen der 1 2
Vgl. K Kromschröderr/Lück, Untern nehmensüberw wachung, DB 1998, S. 1574 4; Füser/Meieer, KonTraG, DB 1999, S. 7544; Burger/Bucchhart, Risiko-Controlling, 2002, S. 32. Zur ggrundsätzlichen Vorgehensw weise bei der Risikoidentifiikation sowie zur Umsetzun ung von Top-d down- und Bottom m-up-Ansatz vgl. Vogler/G Grundert, Risiikomanagemeentsysteme, DB D 1998, S. 23380 f.; Horvá áth/Gleich, Contrrolling, S. 1100 f.; Burger/Bu uchhart, Risikko-Controlling g, 2002, S. 33 ff. In der Litteratur wird empfohlen, das sttrategische Annalyseschemaa möglichst m mehrdimension nal zu konzip pieren, um einne breite Info ormationsgrunddlage zu erhallten; vgl. Füseer/Meier, KonnTraG, DB 19 999, S. 754; Buderath/Amli B ling, Überwacchungssystem, S S. 142 f.; Fiegge, Risikoman nagement, 20006, S. 106 f. Dieses D mehr- bzw. dreidime mensionale Anaalyseschema w wird vom Tax Risk Manageement gegebeenenfalls mod difiziert übern nommen; Büsssow/Taetzner, Kontrollsystem m, BB 2005, S. S 2440 ff.; Elg good/Fulton/SSchutzman, Taax, 2008, § 17 7.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
90
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
investitions-, finanzierungs- und unternehmensstrukturspezifischen Einflussfaktoren könnten die jeweiligen inländischen Konzerneinheiten in kleine, mittlere oder große Zinsschrankenrisikoherde kategorisiert werden.3 Diese Kategorien können als Entscheidungsgrundlage für den Einsatz und den Detaillierungsgrad von weiteren Analyse-, Prognose- und Steuerungsprozessen dienen. I.
Finanzierungsspezifische Einflussfaktoren
1.
Fremdfinanzierungsvolumen und -konditionen
Das erste Abgrenzungsmerkmal stellt die Höhe des betrieblichen Zinssaldos dar. Da die Zinsschranke erst ab einem negativen Zinssaldo von 3 Mio. € eingreift, können Betriebe, die diese Marke deutlich unterschreiten, aus der weiteren Überprüfung ausgespart werden. Der kritische Zinssaldo lässt sich relativ verlässlich aus dem Zinsergebnis der Erfolgsrechnung ableiten, weil die Qualifikationsunterschiede zwischen dem handelsbilanziellen Zinsverständnis und demjenigen der Zinsschranke im Bereich der klassischen Fremdfinanzierung gering sind.4 Als gröberes Schätzmaß eignet sich auch der Fremdkapitalbestand, der insbesondere bei budgetierten fremdfinanzierten Investitionsmaßnahmen als Indikator herangezogen werden sollte, wenn sich die Zinsaufwendungen noch nicht in der Erfolgsrechnung niedergeschlagen haben. Sofern nach handels- und steuerbilanziellen Grundsätzen die Qualifikation als Fremdkapital erfüllt ist, lässt sich das kritische Fremdfinanzierungsvolumen der Zinsschranke anhand der 3-Mio. €-Freigrenze formal bestimmen: FK krit
3 Mio. € it 1,t
(F.II.1).
Unterstellt man einen durchschnittlichen Fremdfinanzierungssatz von beispielsweise 5% und einen Zinsvortrag von null, beträgt das kritische Verschuldungsvolumen des Betriebs 60 Mio. € (FKkrit). Damit die Freigrenze unterschritten wird, darf sich der Betrieb maximal bis zur Höhe von 59,99 Mio. € fremdfinanzieren. Das Verschuldungsvolumen verringert sich entsprechend, wenn ein Zinsvortrag vorhanden ist, weil dieser für Zwecke des Grundtatbestands der Zinsschranke und der Freigrenze als Zinsaufwand zu behandeln ist.5 Es erhöht sich, wenn der Betrieb über Zinserträge und/oder einen EBITDA-Vortrag verfügt. Während der Zinsvortrag mit einem negativen Vorzeichen in den Zähler der obigen Formel aufgenommen 3 4
5
Diese Grobeinteilung wird üblicherweise in der sog. Tax Risk Map gewählt; vgl. Elgood/Fulton/Schutzman, Tax, 2008, § 17.04[F]. Der Zinsbegriff der Zinsschranke ist vom handelsrechtlichen Zinsverständnis grundsätzlich losgelöst; maßgeblich ist die steuerliche Qualifikation (§ 4h Abs. 3 S. 2 EStG); vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.3, S. 118 ff. Qualifikationsunterschiede können sich insbesondere bei hybriden Finanzinstrumenten ergeben, wenn handelsbilanziell ein Eigenkapitalinstrument, steuerlich aber ein Fremdkapitalfinanzinstrument angezeigt ist; hierzu ausführlich Briesemeister, Finanzinstrumente, 2006, S. 93 ff. Zu den widerstreitenden Auffassungen hinsichtlich des Verhältnisses von Zinsvortrag und Freigrenze vgl. Abschn. B.I.4.a.ii, S. 136 f.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
91
werden müsste, sind die Zinserträge und der EBITDA-Vortrag mit einem positiven Vorzeichen zu berücksichtigen. Regelmäßig sollte es sich auch bei der Höhe des Fremdkapitalbestands um ein relativ verlässliches Abgrenzungsmerkmal handeln, wobei die Auswirkungen der verfolgten Finanzierungspolitik auf die kurz- und mittelfristige Entwicklung des Fremdkapitalbestands zu beachten sind. Während eine autonome Finanzierungspolitik eine relativ zeitstabile Identifikation eines zinsschrankenrelevanten Betriebs ermöglicht, begünstigt eine atmende Finanzierungspolitik volatile Fremdkapitalbestände.6 Sofern auf operativer Ebene die Fremdkapitalbestände an die Ertragsaussichten oder an andere Leistungsindikatoren gekoppelt werden, könnte der für Zwecke des Zinsschrankenrisikomanagements festgelegte kritische Fremdkapitalbestand eine Begrenzungsfunktion für die performanceabhängige Aufnahme von Fremdkapital entfalten. Ein weiterer wesentlicher Einflussfaktor für die Bestimmung des kritischen Fremdkapitalvolumens sind die Zinskonditionen.7 Im Beurteilungszeitraum wirken sich steigende Zinssätze negativ und fallende Zinssätze positiv auf das kritische Fremdfinanzierungsvolumen aus. Sofern man von Zinserträgen, Zins- und EBITDA-Vorträgen abstrahiert, führt ausgehend von einem durchschnittlichen Fremdkapitalzinssatz von 5% eine marginale Erhöhung (Reduzierung) der Fremdfinanzierungskonditionen zu einer Reduzierung (Erhöhung) des kritischen Fremdkapitalbestands um 7.500 €.8 Eine Steigerung der Fremdfinanzierungskonditionen von 5% auf 6% reduziert das kritische Fremdfinanzierungsvolumen von 60 Mio. € auf 50 Mio. €.9 Da verhältnismäßig geringe Zinsänderungen das kritische Fremdkapitalvolumen stark beeinflussen können, sollte der kritische Fremdkapitalbestand zur Abgrenzung von zinsschrankenrelevanten Betrieben nicht zu hoch angesetzt werden. Dies gilt insbesondere bei rating- bzw. kennzahlenbasierten Zinskonditionen, die in Abhängigkeit von der wirtschaftlichen Situation und dem Umfang an vorzuweisenden Sicherheiten des Unternehmens höhere bzw. niedrigere Risikoaufschläge auf eine vereinbarte Basisverzinsung (z. B. EURIBOR) vorsehen.10 Je nach Schwankungsbreite der beobachteten und budgetierten Fremdkapitalbestände sowie der durchschnittlichen Zinskonditionen und Zinsbindungen sollten Betriebe ab einem Fremdfinanzierungsvolumen von ca. 40 Mio. € in den Fokus des Zinsschrankenrisikomanagements
6 7
8 9 10
Zur Abgrenzung und Funktion der autonomen und atmenden Finanzierungspolitik vgl. Kuhner/Maltry, Unternehmensbewertung, 2006, S. 253 f.; Drukarczyk/Schüler, Unternehmensbewertung, 2009, S. 138 ff. Im Juni 2010 betrugen die Effektivzinssätze für Neukredite an nicht finanzielle Unternehmen mit einem Volumen über 1 Mio. € und einer Zinsbindung zwischen einem und fünf Jahren 3,29%; vgl. Deutsche Bundesbank, Monatsbericht 08/2010, S. 47*. Die erste Ableitung des kritischen Fremdkapitalbestands lautet: –3.000.000/i2. Für i = 0,05 ist FKkrit = –7.500. Eine Reduzierung des Zinssatzes von 5% auf 4% erhöht das kritische Volumen auf 75 Mio. €. Zu den Einflussfaktoren auf die Verzinsung von Bankkrediten vgl. Jetter, in: Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. C, Rz. 2 ff.
92
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
einbezogen werden. Dieser Wert zeigt an, dass – gemessen am Kriterium der Bilanzsumme – vornehmlich nur große Unternehmen den kritischen Fremdkapitalbestand erreichen.11 2.
Fremd- bzw. Eigenkapitalquote
Sofern der betrachtete Betrieb das kritische Fremdfinanzierungsvolumen erreicht bzw. nicht deutlich unterschreitet, kann die betriebliche Fremdkapitalquote unter bestimmten Voraussetzungen mitunter als ein weiterer Anhaltspunkt für die Relevanz der Zinsschranke herangezogen werden. Das verrechenbare EBITDA kann nämlich unter idealtypischen Bedingungen in eine typisierte maximale Fremdkapitalquote bzw. Mindesteigenkapitalquote (Safe-Haven) überführt werden. Sofern man von Abschreibungen, Zinserträgen, EBITDA- und Zinsvorträgen sowie handels- und steuerrechtlichen Bilanzierungs- und Gewinnermittlungsdifferenzen abstrahiert und die Annahme trifft, dass die Gesamtkapitalrendite (EBIT/GK) mit dem Fremdkapitalzinssatz (i) übereinstimmt, determiniert die Zinsabzugsgrenze des Grundtatbestands der Zinsschranke von 30 Prozent gleichfalls die kritische Marke der Fremdkapitalquote (FK/GK). Denn bei diesen Annahmen kann der steuerlich zulässige Zinsabzug unter Berücksichtigung des Gesamtkapitals (GK) mit der folgenden formalen Bedingung beschrieben werden: 0, 3* EBIT
GK
t i * FK FK
GK
GK
mit EBIT
d 0,3
GK
i folgt
(F.II.2)
Unter diesen restriktiven Annahmen beträgt der Safe-Haven der Zinsschranke 70 Prozent (1 – FK
/GK).12 Im Falle von operativ tätigen Unternehmen, die regelmäßig über hohe Abschreibungen und nur in geringem Umfang über steuerfreie Einkünfte verfügen, sollte die kritische Fremdkapitalquote bzw. der Safe-Haven allerdings deutlich höher bzw. niedriger ausfallen. Zudem wird die Gesamtkapitalrendite regelmäßig über dem Fremdkapitalzinssatz liegen, weshalb die berechnete Quote grundsätzlich nicht zur Indikation eines Zinsschrankenrisikos1. Ordnung geeignet ist. Sie könnte aber gegebenenfalls zur Kategorisierung von potenziell zinsschrankenbefangenen Betrieben eingesetzt werden, um hierüber Schwellenwerte für mehr oder weniger stark im Zinsschrankenrisiko stehende Betriebe festzulegen. Die Verwendung von Fremd- bzw. Eigenkapitalquoten zur Festlegung von Schwellenwerten für Zwecke einer Kategorisierung oder zur Steuerung der Fremdmittelaufnahme sollte von einer detaillierten Analyse der steuerlichen Verhältnisse der beobachteten Betriebe abhängig gemacht werden. Sofern über betriebsindividuelle Eigen- bzw. Fremdkapitalquoten das Risiko des Eingreifens der Zinsschranke approximiert werden kann, könnten sich hieraus Implikationen für die Finanzierung ergeben.13 Bei Erreichen oder drohender Überschreitung von 11 12 13
Vgl. Teil I – Kapitel 4 – Abschn. C, S. 83. Vgl. Kessler/Köhler/Knörzer, Rechtsvergleich, IStR 2007, S. 419; Rödder/Stangl, Zinsschranke, DB 2007, S. 483; Baumgärtel, Unternehmensteuerreform, S. 586. Zur formalen Herleitung einer betriebsindividuellen Mindesteigenkapitalquote, die zur genaueren Approxi-
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
93
kritischen Schwellenwerten könnten Anreize für die Eigenfinanzierung (Selbst- und Beteiligungsfinanzierung) freigesetzt werden.14 In diesem Zusammenhang könnte auch geprüft werden, ob sich die mit Kreditinstituten für Zwecke der Kreditrisikosteuerung eventuell vereinbarten Finanzkennzahlen (sog. Financial Covenants) zur Identifikation von Zinsschrankenrisiken1. Ordnung eignen.15 II.
Investitionsspezifische Einflussfaktoren
Für das deutsche Steuerrecht ist allgemein bekannt, dass es nicht investitionsneutral ausgestaltet ist.16 Der Grundtatbestand der Zinsschranke ist es ebenfalls nicht. Nachfolgend werden die investitionsspezifischen Merkmale identifiziert, die als Indikatoren für die Intensität von Zinsschrankenrisiken verwendet werden können. 1.
Investitionsart
Die unmittelbaren Erträge aus Finanzinvestitionen (verzinsliche Wertpapiere und Unternehmensbeteiligungen) und Realinvestitionen (Sach- und Immaterialgüter) erfahren eine unterschiedliche Behandlung im Rahmen des Grundtatbestands der Zinsschranke.17 Während Erträge aus Unternehmensbeteiligungen nicht oder nur in sehr geringem Umfang das verrechenbare EBITDA erhöhen, können Erträge aus verzinslichen Wertpapieren regelmäßig zu 100% mit Zinsaufwendungen verrechnet werden. Da innerhalb von Managementund Finanzholdingstrukturen die realwirtschaftlichen Investitionen und Tätigkeiten am Markt durch separate operative Konzerneinheiten ausgeführt werden,18 setzt sich das Ergebnis der Holding (Ober- oder Zwischengesellschaft) ganz überwiegend aus (partiell) steuerfreien Gewinnausschüttungen, nicht berücksichtigungsfähigen Gewinnanteilen aus Mitunternehmerschaften und gegebenenfalls auch aus Managementgebühren zusammen, die im Verhältnis zur finanziellen Ertragskraft der Holding regelmäßig nur eine geringe Steuerbemessungsgrundlage und ein geringes verrechenbares EBITDA begründen.19 Hingegen nehmen Finanzinvestiti-
14 15
16 17 18
19
mation eines kritischen Schwellenwerts verwendet werden könnte, vgl. Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 215 f. (Formel 6). Zur Systematisierung sowie Vor- und Nachteilen der Eigenfinanzierungsformen vgl. Perridon/Steiner, Finanzwirtschaft, 2007, S. 347 ff. Zu gängigen Finanzkennzahlen im Rahmen von Financial Covenants und deren Funktion vgl. Drukarczyk, Finanzierung, 2008, S. 239 ff.; Jetter, in: Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. C, Rz. 49 ff. Vgl. Schneider, Besteuerung, 1992, S. 203 ff.; König/Wosnitza, Steuerwirkungslehre, 2004, S. 139. Zur Entscheidungsaneutralität des Steuerrechts vgl. auch Teil I – Kapitel 2 – Abschn. B.II.3.c, S. 26. Zur allgemeinen Abgrenzung verschiedener Investitionsarten vgl. Wöhe/Döring, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 518. Im Unterschied zur Management- und Finanzholding führt die operative Holding (Stammhaus) in wesentlichem Umfang auch eigene Tätigkeiten und Investitionen aus; vgl. Kutschker/Schmid, Management, 2008, S. 599 ff. Zu Vor- und Nachteilen der verschiedenen Holdingarten vgl. Scheffler, in: Lutter, Holding, S. 30 ff. Vgl. Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1146. Zur Holding-Besteuerung vgl. Kessler, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 8, Rz. 145 ff. Da das verrechenbare EBITDA ausgehend von dem maßgeblichen Gewinn bzw. Einkommen vor Anwendung der Zinsschranke berechnet wird, reduzieren
94
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
onen in Wertpapiere, die zu Zinserträgen i. S. der Zinsschranke führen, eine privilegierte Stellung bei der Verrechnung von Zinsaufwendungen ein, weil sie in vollem Umfang und nicht bloß zu 30 Prozent mit Zinsaufwendungen verrechnet werden können.20 In Abhängigkeit von ihrer Anlageintensität in Unternehmensbeteiligungen und/oder zinstragende Wertpapiere sind Betriebe, die die Funktion einer Finanz- oder Management-Holding übernehmen und das kritische Fremdkapitalvolumen erreichen, einer Kategorie mit tendenziell hoher Analyse- und Steuerungspriorität zuzuordnen.21 Sofern die Holding jedoch aufgrund eines hohen Anteils an steuerfreien Beteiligungserträgen vor Anwendung der Zinsschranke lediglich steuerliche Verluste erzielt, tritt durch die Zinsschranke keine Liquiditätsbelastung ein,22 weshalb in diesem Fall das Management von Zinsschrankenrisiken2. Ordnung in den Vordergrund rückt. Die von operativen Einheiten erwirtschafteten Erträge und Aufwendungen aus Investitionen in Sach- und Immaterialgüter unterliegen – von staatlichen Fördermaßnahmen abgesehen –23 regelmäßig der vollen Besteuerungspflicht. Dennoch sind bei der EBITDA-Ermittlung investitionsspezifische Besonderheiten festzustellen, die im Zusammenhang mit der Hinzurechnung von Abschreibungen stehen. So können die Ausgaben im Zusammenhang mit sachkapitalintensiven Investitionsprojekten zu einem hohen Anteil nicht sofort als Betriebsausgaben abgezogen werden, sondern nur verteilt über die Nutzungsdauer des Investitionsobjekts in Form von Abschreibungen geltend gemacht werden. Diese zeitlich gestreckte Aufwandsverrechnung mindert das verrechenbare EBITDA nicht, da Abschreibungen i. S. der §§ 6 Abs. 2 S. 1, 6 Abs. 2a S. 2, 7 EStG dem maßgeblichen Gewinn bzw. Einkommen wieder hinzuzurechnen sind (§ 4h Abs. 1 S. 2 EStG). Demgegenüber mindern Aufwendungen im Zusammenhang mit Investitionen in das Humankapital von Dienstleistungsunternehmen oder Investitionen in die Erforschung von Immaterialgütern die steuerliche Bemessungsgrundlage umgehend, weil die Aufwendungen nicht aktiviert und somit auch nicht entsprechend ihrer zeitlichen Nutzungsdauer periodisiert werden können.24 Mithin mindern die vorgenannten Aufwendungen das
20 21
22 23 24
Steuerfreistellungen (z. B. § 8b KStG oder Art. 23 A OECD-MA) das verrechenbare EBITDA. Darüber hinaus verweigert die Finanzverwaltung Gewinnanteilen aus Mitunternehmerschaften die Erfassung bei der EBITDA-Ermittlung; vgl. hierzu Abschn. B.I.2.a, S. 109. Vgl. Schreiber/Overesch, Ökonomische Analyse, DB 2007, S. 818; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 212; Herzig/Liekenbrock, EBITDA-Vortrag, DB 2010, S. 690. Zu beachten ist jedoch, dass Gewinnabführungen von Organgesellschaften im Gegensatz zu Gewinnausschüttungen anderer Beteiligungsunternehmen das verrechenbare EBITDA der Holding erhöhen; vgl. Abschn. B.I.2.e, S. 117 f. Die Zinsaufwendungen erhöhen in diesem Fall nicht den Verlust-, sondern den Zinsvortrag, vgl. Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1039. Zu steuerfreien Investitionszulagen und steuerpflichtigen Investitionszuschüssen vgl. Kaligin, Investitionszuschüsse, BB 2009, S. 529 f.; Ellrott/Brendt, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 255, Rz. 113 ff. Bei Ausübung des Aktivierungswahlrechts für selbst erstellte immaterielle Vermögensgegenstände des Anlagevermögens gem. § 248 Abs. 2 HGB sind Entwicklungskosten als Herstellungskosten des Vermögensgegenstands zu aktivieren, wenn sie sich verlässlich von den nicht aktivierungsfähigen Forschungskosten abgrenzen lassen (§ 255 Abs. 2a HGB); vgl. Seidel/Grieger/Muske, Entwicklungskosten, BB 2009, S. 1286 ff.; Ellrott/Brendt, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 255, Rz. 480 ff.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
95
verrechenbare EBITDA.25 Der Vergleich zeigt, dass ein Teil der Aufwendungen von sachkapitalintensiven Investitionen im Gegensatz zu Aufwendungen von Investitionen in immaterielle Werte das verrechenbare EBITDA nicht beeinflussen. Insoweit wird das Risiko, dass die zukünftigen Erträge der Sachinvestitionen die getätigten Aufwendungen nicht amortisieren, nicht in das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung hineingetragen. Vor diesem Hintergrund sollten forschungslastige Betriebe gegenüber sachkapitalintensiven Betrieben bei vergleichbarer Fremdfinanzierung tendenziell eine vorrangige Bedeutung im Zinsschrankenmanagement erfahren.26 Für Zwecke der Kategorisierung der inländischen Konzerneinheiten bieten sich Kennzahlen über die Vermögensstruktur (z. B. Sach- und Finanzanlagenintensität) an, die aus den Controllingsystemen regelmäßig gewonnen werden können.27 2.
Investitionsstandort
Die vorgenannten Ausführungen gehen implizit davon aus, dass die Erträge und Aufwendungen im Inland steuerverhaftet sind.28 Es gilt jedoch darauf hinzuweisen, dass die Erträge und Aufwendungen aus Investitionen in Sach- und Immaterialgüter grundsätzlich nur dann im Inland Besteuerungskonsequenzen nach sich ziehen, wenn sie im Inland durch eine unbeschränkt steuerpflichtige Person ausgeführt werden oder einer inländischen Betriebsstätte eines beschränkt Steuerpflichtigen zugeordnet werden können. Im Falle von Auslandsinvestitionen setzt die steuerliche Erfassung im Inland regelmäßig voraus, dass sie in einer ausländischen Betriebsstätte durch einen im Inland unbeschränkt Steuerpflichtigen (sog. Stammhaus) ausgeführt wird, und hinsichtlich des erwirtschafteten Ergebnisses der inländische Besteuerungsanspruch nach dem Welteinkommensprinzip erhalten bleibt und nicht etwa aufgrund eines DBA an den Betriebsstättenstaat abgetreten wird (Freistellungsmethode).29 Während Erträge von ausländischen Betriebsstätten abkommensrechtlich vielfach dem Betriebsstätten25
26 27 28
29
Auf die Benachteiligung von forschungs- und entwicklungslastigen Betrieben hinweisend Rödder, Perspektiven, ZHR 171 (2007), S. 399; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 458; Rodermond, Paneldiskussion, WPg-Sonderheft 2008, S. 79. Zur Privilegierung anlagenintensiver Unternehmen bereits Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1042. Zu den verschiedenen Kennzahlen der Vermögensstruktur vgl. z. B. Schierenbeck/Wöhle, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 781 f. Zu denkbaren Auswirkungen der Zinsschranke auf die Entscheidung, fremdfinanzierte Finanz- oder Sachinvestitionen im In- oder Ausland durchzuführen, vgl. Schreiber/Overesch, Ökonomische Analyse, DB 2007, S. 818 f. Zur Betriebsstätten-Gewinnermittlung im Outbound-Fall vgl. Wassermeyer, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 7, Rz. 295 ff. Aufgrund der rechtlichen Selbstständigkeit von Kapitalgesellschaften (Trennungsprinzip) gehen die unmittelbar erwirtschafteten Erträge von Investitionen, die durch ausländische Tochterkapitalgesellschaften ausgeführt werden, außerhalb der Hinzurechnungsbesteuerung nicht in die Steuerbemessungsgrundlage der inländischen Muttergesellschaft ein; zur Besteuerung von ausländischen Kapitalgesellschaftsbeteiligungen vgl. Kröner, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 7, Rz. 65 ff. Zu einem Vergleich der Einflussfaktoren auf die Wahl der rechtlichen Einkleidung der Outbound-Investition als Betriebsstätte oder Tochterkapitalgesellschaft vgl. Jacobs, Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 889 ff.
96
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
staat zustehen, werden Erträge aus Finanzinvestitionen abkommensrechtlich regelmäßig im Ansässigkeitsstaat des Investors besteuert,30 sodass die (partielle) Berücksichtigung erhaltener Zinserträge und Dividenden bei der Ermittlung des verrechenbaren EBITDA gewährleistet ist. Sofern zur Kategorisierung von (nicht) zinsschrankenbefangenen Betrieben auf handelsrechtliche Ergebnisgrößen abgestellt wird, ist bei hoher realwirtschaftlicher Investitionstätigkeit des Betriebs ein Augenmerk auf den Umfang an (steuerfreien) ausländischen Betriebsstättenergebnissen zu legen, um Fehleinschätzungen zu vermeiden.31 3.
Reife- und Innovationsgrad
Ferner könnten der Reifegrad eines Betriebs und dessen Investitionen in Produktinnovationen als Kategorisierungsmerkmale herangezogen werden. Bei jungen Unternehmen können tendenziell hohe (operative) Anlaufverluste beobachtet werden, die u. a. darauf zurückzuführen sind, dass das junge Unternehmen noch nicht am Markt etabliert ist oder die Produkte noch keine Marktreife erlangt haben.32 Solange operative Verluste erzielt oder erwartet werden, sind Zinsaufwendungen regelmäßig allesamt nicht abziehbar. Die Nichtabziehbarkeit der Zinsen belastet jedoch nicht die Liquidität des Unternehmens, wenn bereits vor Anwendung der Zinsschranke die Steuerbemessungsgrundlage negativ ist.33 Aufgrund aufgelaufener Zinsvorträge sind solche Betriebe – ähnlich wie Holdinggesellschaften – in erster Linie für die Bewältigung von Zinsschrankenrisiken2. Ordnung von Relevanz. Im Falle von etablierten bzw. reifen Betrieben sind neben dem Status quo der Investitionstätigkeit auch die im Umsetzungsprozess befindlichen Investitionsvorhaben von Relevanz. Hier ist entscheidend, ob das Unternehmen entsprechend seines bisherigen Investitionsrisikos lediglich Ergänzungsinvestitionen plant oder Neuinvestitionen mit verändertem ChancenRisiko-Profil anstrebt. In Abhängigkeit vom Volumen solcher Neuinvestitionen könnte sich eine veränderte Einschätzung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung ergeben, wenn die Volatilität des verrechenbaren EBITDA hierdurch beeinflusst wird. 4.
Ergebnisvolatilität
In engem Zusammenhang mit dem Reife- und Innovationsgrad des Betriebs steht auch die Möglichkeit, eine stabile Ergebnisprognose abgegeben zu können, anhand derer die Wahrscheinlichkeit des Eingreifens der Zinsschranke verlässlich beurteilt werden kann. Sofern sich der betrachtete Betrieb in einem innovativen Marktumfeld bewegt und/oder sich noch in
30 31 32 33
Zur abkommensrechtlichen Aufteilung der Besteuerungshoheiten nach dem OECD-MA vgl. Jacobs, Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 432. Zu Zweifelsfragen bei der steuerlichen EBITDA-Ermittlung von ausländischen Betriebsstätten vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.2.d.ii, S. 116. Vgl. Pahlen, Venture-Capital, ZfgK 1998, S. 225; Heßler/Mosebach, Verlustabzug, DStR 2001, S. 813. Vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. A.II.4, S. 42.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
97
einem frühen Entwicklungsstadium befindet, sollten valide Aussagen über das Bedrohungspotenzial der Zinsschranke regelmäßig schwerfallen, weshalb im Zweifel von einem hohen Zinsschrankenrisiko ausgegangen werden sollte.34 Demgegenüber sollte sich das skizzierte Prognosedefizit regelmäßig nicht bei Betrieben einstellen, die über eine etablierte Marktstellung verfügen und deren angebotene Produkte bzw. Dienstleistungen eine stabile Nachfrage erfahren.35 Die Ergebnisstabilität bzw. Prognosegenauigkeit wird in diesem Fall vornehmlich von der wirtschaftlichen Gesamtsituation und den Unsicherheiten innerhalb der jeweiligen Branche beeinträchtigt.36 III. Unternehmensstrukturspezifische Einflussfaktoren Während der Grundtatbestand der Zinsschranke die Verhältnisse des einzelnen (fiktiven) Betriebs in Augenschein nimmt, stehen für die Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape und den Erhalt von Zinsvorträgen die Verhältnisse des Gesamtunternehmens, in welches der Betrieb eingegliedert ist, im Vordergrund. Die statutarische Organisationsstruktur und Domizilierung des Unternehmens können als Indikatoren für die Relevanz der Zinsschranke bzw. die Möglichkeit, vom Stand-alone- oder Equity-Escape zu profitieren, herangezogen werden.37 Ferner ist die Beständigkeit bzw. Dynamik von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungsstrukturen innerhalb und außerhalb des Konzerns entscheidend für die Beurteilung von Zinsschrankenrisiken2. Ordnung, weil Veränderungen unmittelbarer und mittelbarer Eigentumsverhältnisse etwaige Zinsvorträge in ihrer Vortragsfähigkeit bedrohen. 1.
Organisationsform und Unternehmensgröße
Das Eingreifen der Zinsschranke erfordert eine (vollwertige) Zugehörigkeit des Betriebs zu einem (steuerlichen) Konzern. Denn andernfalls ist die Anwendung des Stand-alone-Escape eröffnet, der vorbehaltlich etwaiger schädlicher Gesellschafterfremdfinanzierungen i. S. des § 8a Abs. 2 KStG vor dem Eingreifen der Zinsschranke schützt. Vornehmlich Einzel- und Einheitsunternehmen sowie paritätische Joint-Venture-Unternehmen können den Stand-aloneEscape in Anspruch nehmen.38 Dasselbe Privileg gilt auch für reine Inlandskonzerne, deren Konzerngesellschaften allesamt organschaftlich verbunden sind. Ferner gewährt die Finanz34 35
36 37
38
Zu Prognoseproblemen bei jungen Unternehmen vgl. Siebel/Gebauer, Prognosen, WM 2001, S. 175; Wolz, Prognosepublizität, BuW 2004, S. 109 ff. Vgl. Stanzel, Finanzanalysten, 2007, S. 364. Zu den Einflussfaktoren der Güte von Managementprognosen der DAX- und MDAX-Konzernen vgl. die empirische Untersuchung von Nölte, Managementprognosen, ZfB 2009, S. 1229 ff. Vgl. Pellens/Nölte/Berger, Managementprognosen, FB 2007, S. 26; Knauer/Wömpener, Prognoseberichterstattung, CF 2010, S. 88. Zum Vergleich der Besteuerungskonsequenzen verschiedener Konzernstrukturen vgl. Köhler, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 4. Zu Organisationsformen grenzüberschreitender Unternehmenstätigkeit vgl. Wotschofsky, Organisationsformen, RIW 2005, S. 30 ff. Vgl. Grotherr, Funktionsweise, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, S. 1500; Schwedhelm, Beraterhinweise, GmbH-StB 2007, S. 283 f.
98
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
verwaltung für typische GmbH & Co. Gesellschaften eine Billigkeitsregelung, nach der unter bestimmten Voraussetzungen die Komplementär-GmbH und die andere Gesellschaft (z. B. KG) nicht als ein Konzern i. S. der Zinsschranke angesehen werden.39 Anhand der vorgenannten, privilegierten Organisationsformen wird im Umkehrschluss die gesetzgeberische Motivation erkennbar, den faktischen Anwendungsbereich der Zinsschranke auf Konzernstrukturen mit Auslandsbezug zu konzentrieren.40 Die Vollkonsolidierung im Konzernabschluss bietet somit einen relativ verlässlichen Anhaltspunkt, um potenziell zinsschrankenbefangene Betriebe zu identifizieren.41 Indes sind Organgesellschaften hiervon auszunehmen, da sie nicht der Zinsschranke unterliegen (§ 15 Nr. 3 S. 1 KStG). Obgleich nur inländische Betriebe von der Zinsschranke erfasst werden, beschränkt sich die Abgrenzung von zinsschrankenrelevanten Konzerngesellschaften nicht zwangsläufig auf das Inland. So setzt die Anwendung des Equity-Escape voraus, dass sämtliche inländischen und ausländischen Rechtsträger des Konzerns nicht in schädlichem Umfang mit Fremdkapital von konzernexternen Gesellschaftern, diesen Nahestehenden oder rückgriffsberechtigten Dritten ausgestattet sein dürfen (§ 8a Abs. 3 KStG). Ferner sind für den Erhalt von Zinsvorträgen stabile Beteiligungsverhältnisse auf den Ebenen oberhalb der Inlandsbetriebe von Relevanz, was die umfassende Beobachtung von Umstrukturierungen im Gesamtkonzern erforderlich macht. Mithin steigen die Anforderungen an ein wirksames Management von Zinsschrankenrisiken mit zunehmendem Komplexitätsgrad der Konzernstrukturen bzw. der Größe des Konzerns.42 Die wirksame Vermeidung der Zinsschranke auf der Grundlage des Equity-Escape und die Erhaltung von Zinsvorträgen erfordert in organisatorischer Hinsicht, dass im Planungsstadium befindliche, potenziell schädliche Handlungen auf operativer und strategischer Konzernebene über konzerninterne Berichtssysteme zeitnah erfasst und an die für das Zinsschrankenmanagement zuständigen Personen (Zinsschrankenrisiko-Träger) kommuniziert werden, um die Auswirkungen der geplanten Handlungen auf die Steuerposition der Inlandsbetriebe antizipieren zu können.43 Die steuerlichen Konsequenzen sind dann wiederum zeitnah in den Kommunikationsprozess einzuspeisen. Damit die steuerlichen Konsequenzen im weiteren Planungs- und Entscheidungsverlauf adäquat berücksichtigt und Alternativen überdacht werden können, sollten die mit dem Zinsschrankenmanagement betrauten Personen 39 40 41
42
43
Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.1.b.i, S. 105. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 31; Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 593. Zum allgemeinen Konzernbegriff und Konzernformen vgl. z. B. Kußmaul, Konzern, StB 1994, S. 143 ff. Dennoch erweist sich eine pauschale Abgrenzung anhand der handelsrechtlichen Vollkonsolidierung nicht in jedem Fall als treffsicher, weil sowohl in sachlicher als auch in zeitlicher Hinsicht offene Fragen über die Reichweite des steuerlichen Konzernverständnisses bestehen; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.II.1, S. 157 ff. Zudem weisen empirische Studien nach, dass die Unternehmensgröße der wichtigste nicht steuerliche Einflussfaktor für die Unternehmensfinanzierung ist. So ist die relative Ausstattung mit Eigenkapital von großen Unternehmen signifikant höher als von kleinen und mittleren Unternehmen; vgl. Ismer et al., Unternehmensfinanzierung, 2008, S. 65 f. m. w. N. Zur Bedeutung der personenbezogenen Festlegung von Verantwortlichkeiten im Tax Risk Management vgl. Elgood/Fulton/Schutzman, Tax, 2008, § 17.04[B]; Kloosterhof, Introduction, ET 2009, S. 400.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
99
zudem in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.44 Die skizzierten Anforderungen lassen erkennen, dass in multinationalen Konzernen eine nachhaltige Inanspruchnahme des Equity-Escape und die Erhaltung von Zinsvorträgen nur unter Einsatz von komplexen und effizienten Informationsprozessen und -systemen möglich sind.45 In Abhängigkeit von der Größe des Konzerns determiniert die Leistungsfähigkeit des steuerlichen Informations- und Kontrollsystems das Spektrum an Steuerungsmaßnahmen, die zur Vermeidung der Zinsschranke bzw. zur Abmilderung ihrer steuerlichen Belastungswirkung eingesetzt werden können. 2.
Stärke des Inlandsbezugs
Aufgrund der Tatsache, dass die Zinsschranke nur für inländische Betriebe zur Anwendung gelangt, ist die Relevanz der Zinsschranke naturgemäß für Unternehmen größer, deren vorrangige wirtschaftliche Interessen im Inland liegen, als für Unternehmen, deren Inlandsinteressen nur von untergeordneter Bedeutung sind. Auch die Anzahl an potenziell zinsschrankenbefangenen Betrieben sollte bei Unternehmen mit primärem Inlandsbezug tendenziell größer sein. Die Domizilierung (Sitz und/oder Geschäftsleitung) der Obergesellschaft in Deutschland bringt regelmäßig einen starken Inlandsbezug zum Ausdruck. Gewachsene Inlandsstrukturen begrenzen auch das Spektrum an Anpassungsmaßnahmen, um der Zinsschranke auszuweichen. So ist es der im Inland angesiedelten Konzernobergesellschaft (Holding) für Zwecke des Equity-Escape im Vergleich zu ausländischen Konzernobergesellschaften nicht möglich, die Beteiligungsbuchwertkürzung (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG) für ihre ausländischen Konzerntochtergesellschaften zu vermeiden, da hierfür die Holding ihren Sitz und ihre Geschäftsleitung ins Ausland umsiedeln müsste, wo keine Zinsschranke existiert.46 Dieser Nachteil der inlandsbasierten Holding wird zum Teil dadurch kompensiert, dass zumindest inländische Konzerntochterkapitalgesellschaften durch die Begründung einer Organschaft aus dem Anwendungsbereich der Beteiligungsbuchwertkürzung herausgeführt werden können.47 Auf der anderen Seite ist zu beachten, dass multinationale Konzerne mit nachrangigem Inlandsbezug aus Kosten-Nutzen-Abwägungen tendenziell nicht dazu bereit sein werden, die hohen administrativen Anstrengungen des Equity-Escape auf sich zu nehmen. Denn neben 44
45
46
47
Dies setzt eine am Leitbild der sog. integrierten Steuerfunktion konzipierte Organisation der Entscheidungsprozesse voraus; vgl. hierzu Kröner/Beckenhaub, Tax Management, Ubg 2008, S. 640; dieselben, Konzernsteuerquote, 2008, S. 231 ff. Zu den Anforderungen eines konzernweiten steuerlichen Informations- und Kontrollsystems, welches sich an das sog. COSO-Rahmenwerk anlehnt, vgl. Büssow/Taetzner, Kontrollsystem, BB 2005, S. 2440 ff.; Elgood/Fulton/Schutzman, Tax, 2008, § 17; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 7. Multinationale Konzerne, die im Inland domiziliert sind, erfahren somit im Vergleich zu multinationalen Konzernen, die im Ausland beheimatet sind, eine Benachteiligung; vgl. Eilers, Fremdfinanzierung, FR 2007, S. 735; Köhler, Steuerstrategien, S. 181. Zu den Anreizen zur Begründung einer Auslandsholding vgl. Körner, Holdingstrukturen, IStR 2009, S. 2 ff. Zu den wesentlichen steuerlichen Standortfaktoren für Holdinggesellschaften vgl. ebenda, S. 3; Cinnamon, Holding, TNI 2010, S. 471 ff. Vgl. Eilers, Fremdfinanzierung, FR 2007, S. 735; Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 757. Dieser Vorteil relativiert sich jedoch mit zunehmender Bedeutung des Auslandsengagements.
100
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
der aufwendigen Ermittlung der steueradjustierten Eigenkapitalquoten stellt insbesondere die ständige Kontrolle von potenziell schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierungen i. S. des § 8a Abs. 3 KStG hohe Anforderungen an das interne Berichtssystem und schränkt die Finanzierungsfreiheiten ausländischer Gesellschaften ein. Im Gegensatz zu inlandsbasierten Konzernen können auslandsbasierte Konzerne mit nachrangigen Wirtschaftsinteressen im Inland die Zinsschranke durch die Begründung von (paritätischen) Joint-Venture-Gesellschaften vermeiden.48 Sofern aufgrund ausgeglichener Anteilseignerrechte die Beherrschung des Inlandsbetriebs durch einen Gesellschafter ausgeschlossen werden kann, steht dem Betrieb – vorbehaltlich § 8a Abs. 2 KStG – die Anwendung des Stand-alone-Escape offen. Dieser Ausnahmetatbestand eröffnet sich inlandsbasierten Konzernen nur dann, wenn die Obergesellschaft mit sämtlichen Konzerngesellschaften einen Organkreis begründet, was den Besitz von ausländischen Mehrheitsbeteiligungen ausschließt.49 Der Inlandsbezug erlangt bei der Abgrenzung von geeigneten Maßnahmen zur Vermeidung der Zinsschranke somit eine grundlegende Bedeutung. 3.
Veränderungsdynamik von Beteiligungsverhältnissen
Das nachhaltige finanzielle Engagement von wesentlich beteiligten Eigentümern des Gesamtunternehmens oder des inländischen (Teil-)Konzerns sowie die Beständigkeit von Beteiligungsverhältnissen innerhalb des Konzerngeflechts sind entscheidend dafür, dass etwaige Zinsvorträge von inländischen Betrieben erhalten bleiben.50 Folglich muss zur Beurteilung von Zinsschrankenrisiken2. Ordnung die Änderungshäufigkeit von rechtlichen Eigentumsverhältnissen an den zinsschrankenbefangenen Betrieben und deren übergeordneten Konzerngesellschaften geprüft werden. So sind wesentliche Anteilseignerwechsel bei Konzernen, die in den Top-Börsenindizes (z. B. DAX, MDAX) notiert sind, weniger wahrscheinlich als bei kleinen und mittleren Konzernen, die im Zielfokus von institutionellen Anlegern (z. B. Private-Equity-Fonds) stehen können. Allerdings wird die strategische Neuausrichtung großer Konzerne häufig von Reorganisationen der konzerninternen Beteiligungsverhältnisse begleitet,51 die ebenfalls den Untergang von Zinsvorträgen bewirken können. Sofern sich der (kleine bzw. mittlere) Konzern jedoch im Besitz von institutionellen Anlegern befindet, die lediglich ein mittelfristiges Anlageinteresse haben (z. B. Private-Equity- und Hedge-Fonds),52 sollte das Zinsschrankenrisiko2. Ordnung 48 49 50 51
52
Zu verschiedenen Ausgestaltungsformen von Joint-Ventures vgl. Jacobs, Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 1270 ff. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2388 f. Zur investorenspezifischen Nachhaltigkeit des Beteiligungsengagements vgl. Zantow, Finanzwirtschaft, 2010, S. 119 ff. Zu strategiebedingten Veränderungen der Konzernstruktur vgl. Käfer, Dezentralisierung, 2007, S. 174 ff. Zu den Motiven, Voraussetzungen und verschiedenen Maßnahmen von Konzernrestrukturierungen und deren empirische Evidenz vgl. Achleitner/Bassen/Wahl, Restructuring, FB 2003, S. 432 ff. Die Haltedauer von Private-Equity-Fonds ist eher mittelfristiger Natur (3–5 Jahre); vgl. Knauer/Marx,
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
101
regelmäßig als hoch einzustufen sein. Hinzu kommt, dass die vorgenannten Anleger den Konzernerwerb in hohem Maße fremdfinanzieren,53 weshalb auch das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung regelmäßig sehr hoch sein sollte. Demgegenüber sollten die Beteiligungsstrukturen von eigentümergeführten Unternehmen (z. B. Familienunternehmen) im Zeitablauf regelmäßig stabil sein, da für sie ein nachhaltiges finanzielles Engagement der Anteilseigner charakteristisch ist.54
53 54
Fundraising, FB 2009, S. 95. Dies gilt tendenziell auch für Hedge-Fonds; vgl. Prokop, Finanzinvestoren, FB 2008, S. 171; Schäfer/Fisher, Buy-Outs, 2008, S. 10. Vgl. Schäfer/Fisher, Buy-Outs, 2008, S. 29 ff. (Internetquelle); Schöning, Rahmenbedingungen, FB 2008, S. 480. Vgl. Fueglistaller/Müller/Volery, Entrepreneurship, 2008, S. 168; PwC, Familienunternehmen, 2007, S. 10 (Internetquelle).
102
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
B.
Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke
I.
Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung des Grundtatbestands
1.
Betriebsbegriff und Betriebsabgrenzung
a.
Funktionales und tätigkeitsbezogenes vs. einkunftsartabhängiges Betriebsverständnis
Aufgrund der Verortung der Zinsschranke innerhalb der Gewinnermittlungsvorschriften (§§ 4–7k EStG), ist sie – nach nunmehr einhelliger Rechtsauffassung – grundsätzlich im Rahmen sämtlicher Gewinneinkunftsarten (Land- und Forstwirtschaft, selbstständige Arbeit, Gewerbebetrieb) anwendbar.55 Damit unterliegen sämtliche Vermögensmassen, die im steuerrechtlichen Sinne bereits keine Gewinneinkünfte generieren (z. B. vermögensverwaltende Personengesellschaften), nicht dem Grundtatbestand der Zinsschranke.56 Weiterhin heißt es im Gesetz, dass die Zinsschranke auf den Betrieb Anwendung findet. Allerdings ist dieser Tatbestand weder im Gesetz weiter definiert noch von der Rechtsprechung bislang abschließend geklärt,57 weshalb über das präzise Betriebsverständnis in der Literatur unterschiedliche Auffassungen bestehen.58 Klar ist aber, dass es sich bei dem Betrieb um einen unmittelbar sachlichen und nicht um einen in erster Linie auf das Steuersubjekt bezogenen Anknüpfungspunkt handelt.59 Da der Betriebsbegriff in mehreren Gesetzen bzw. Paragrafen verwendet wird (z. B. §§ 4, 4h, 16 EStG, 20 UmwStG), kommt ihm mitunter auch eine verschiedenartige Bedeutung zu, die eine normspezifische Begriffsinterpretation erfordert.60 Jedenfalls möchte die (ehemalige) Bundesregierung den allgemeinen Betriebsbegriff des Einkommensteuerrechts angewendet wissen, womit sie jedoch nur einen geringen Beitrag
55
56
57 58
59 60
Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 2; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 22. Hingegen wird ihre Anwendung im Rahmen der speziellen Gewinnermittlungsvorschriften gem. §§ 5a, 13a EStG verneint; vgl. hierzu Kaminski, Erlassentwurf, Stbg 2008, S. 198; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 45. Die vereinzelte Auffassung, dass allein Gewerbebetriebe i. S. des § 15 Abs. 2 EStG (vgl. Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1017 ff.) der Zinsschranke unterliegen, wird im Schrifttum abgelehnt, weil sie gesetzessystematisch nicht tragfähig ist; vgl. Dörr/Geibel/Fehling, Gestaltungsspielraum, NWB 2007, Fach 4, S. 5201. Aufgrund ihrer in der Tendenz einkunftsartabhängigen Betriebsauffassung qualifiziert die Finanzverwaltung vermögensverwaltende Personengesellschaften nicht als Betrieb; vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 5. Vgl. bspw. Crezelius, in: Kirchhof, EStG, § 4, Rz. 91; Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 4, Rz. 25. Vgl. die Diskussion des weiten, engen und mittleren Betriebsbegriffs bei Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Vor §§ 4, Rz. 89. Diese Diskussion bezieht sich aber vornehmlich auf die Abgrenzung von (ggf.) mehreren Betrieben eines Einkommensteuerpflichtigen innerhalb einer Einkunftsart. Vgl. statt aller Köhler, in: Ernst & Young/BDI, Unternehmensteuerreform, S. 112, Rz. 49. So Köster-Böckenförde/Clauss, Betriebsbegriff, DB 2008, S. 2213; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4, Rz. 22; Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 4, Rz. 25; Nitzschke, in: Blümich, Kommentar, § 20 UmwStG, Rz. 39. Ferner ist es ständige BFH-Rechtsprechung und h. M. in der Literatur, dass das Tatbestandsmerkmal der wesentlichen Betriebsgrundlagen (insbes. §§ 16 EStG, 20 UmwStG), die den Betrieb in funktionaler Hinsicht prägen, normspezifisch auszulegen sei; vgl. BFH v. 02.10.1997, IV R 84/96, BStBl. II 1998, S. 104 (105); BFH v. 04.07.2007, X R 49/06, BStBl. II 2007, S. 772 (773). Innerhalb der Gewinnermittlungsvorschriften (§§ 4–7k EStG) sollte ihm aber ein einheitliches Verständnis zugrunde gelegt werden; vgl. Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Vor §§ 4–7 EStG, Rz. 84; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4h, Rz. 9.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
103
zur Klärung des hier betrachteten Auslegungsproblems leistet.61 Zur inhaltlichen Belebung des Betriebsbegriffs können im Schrifttum zwei Interpretationslinien ausgemacht werden: zum einen ein funktionales und tätigkeitsbezogenes und zum anderen ein rein einkunftsartabhängiges Betriebsverständnis. Nach dem funktionalen und tätigkeitsbezogenen Betriebsverständnis sind über die reine Qualifikation der Einkunftsart hinaus noch die sachlichen und persönlichen Merkmale des Betriebs auslegungsrelevante Charakteristika.62 So wird die funktionale Dimension des Betriebs vom BFH als die organisatorische Zusammenfassung personeller, sachlicher und anderer Arbeitsmittel beschrieben.63 Der Betrieb wird hier als eine organisatorische Wirtschaftseinheit mit abgrenzbarer Vermögensmasse verstanden.64 Darüber hinaus ist der Betriebsbegriff auch in Bezug auf die Tätigkeit mit Leben auszufüllen, was insbesondere in der Definition des Gewerbebetriebs (§ 15 Abs. 2 EStG) und der BFH-Rechtsprechung zu § 16 EStG zum Ausdruck kommt.65 Sofern funktionale und tätigkeitsbezogene Maßstäbe an den Betriebsbegriff der Zinsschranke angelegt werden, wäre es nicht ausreichend, die Zinsschranke bereits deshalb Anwendung finden zu lassen, weil nach dem Einkommensteuergesetz Gewinneinkünfte vorliegen.66 Demgegenüber zeichnet sich im Schrifttum jedoch eine Mehrheit in Richtung eines einkunftsartabhängigen Betriebsverständnisses ab.67 Nach dieser Auffassung würde das bloße
61 62 63 64 65
66
67
BT-Drs. 16/4835, S. 1 f. Daraus kann lediglich gefolgert werden, dass das Begriffsverständnis von § 20 UmwStG zur Auslegung des Betriebsbegriffs in § 4h EStG nicht heranzuziehen sei. Vgl. Mössner, Aspekte, S. 10 f.; Wied, in: Blümich, Kommentar, § 4 EStG, Rz. 62. Vgl. BFH v. 13.10.1988, IV R 136/85, BStBl. II 1989, S. 7 (8); BFH v. 19.02.2004, III R 1/03, BFH/NV 2004, S. 1231 (1233). Dem Betrieb wird eine Abgrenzungsfunktion von anderen Einkünften und vom Privatvermögen beigemessen; vgl. Heinicke, in: Schmidt, EStG, § 4, Rz. 25; Wied, in: Blümich, Kommentar, § 4 EStG, Rz. 61. Vgl. Kanzler, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, Vor §§ 4–7 EStG, Rz. 86; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 28; BFH v. 03.10.1984, I R 119/81, BStBl. II 1985, S. 245. In diesem Urteil geht es um die Frage, unter welchen Voraussetzungen eine steuerbegünstigte Teilbetriebsveräußerung i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG gegeben ist. Nach Auffassung des BFH richte sich dies in erster Linie danach, dass eine abgrenzbare gewerbliche Tätigkeit aufgeben werden müsse. Erst wenn eine bestimmte Tätigkeit aufgegeben würde, ist sich der Frage zuzuwenden, ob ein (Teil-)Betrieb in Gestalt seiner Wirtschaftsgüter veräußert wird. Vgl. Bron, Betriebsbegriff, IStR 2008, S. 16; Beinert/Benecke, Änderungen, Ubg 2009, S. 175; Lindauer/Westphal, Vermietungseinkünfte, BB 2009, S. 422; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 40; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 45. Die genannten Autoren sind der Auffassung, dass es für die Erfüllung des Betriebsbegriffs mehr erfordert als bloß Einkünfte aus Gewerbebetrieb zu erzielen. Gl. A. IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 6, das von einer „organisatorische[n] Einheit“ spricht. Auch die Finanzverwaltung scheint dieser Auffassung zu sein; vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 2 u. 5; obwohl sie mit Blick auf ihre Behandlung von Teilbetrieben ebenfalls funktionale und tätigkeitsbezogene Anforderungen an den Erhalt des Zinsvortrags stellt; vgl. hierzu Abschn. B.I.4.b.ii.(I), S. 147. Hingegen ist Möhlenbrock der Auffasssung, dass die Finanzverwaltung mehr als nur Gewinneinkünfte für die Qualifikation als Betrieb i. S. der Zinsschranke fordert („zweistufiger Betriebsbegriff“), vgl. derselbe, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 18.4.
104
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Vorliegen von originären oder fiktiven Gewinneinkünften zu einer grundsätzlichen Anwendung der Zinsschranke qualifizieren.68 b.
Organisationsform- und rechtsformspezifische Auslegungs- und Abgrenzungsfragen
In Abhängigkeit von dem zugrunde gelegten Betriebsverständnis werden in bestimmten Einzelsachverhalten unterschiedliche Ergebnisse bei der Anwendung der Zinsschranke erzielt, die nachfolgend beleuchtet werden sollen. Daneben gilt es, den Umfang des jeweiligen Betriebs bzw. die für die Anwendung der Zinsschranke einzubeziehenden Einkünfte abzugrenzen. i.
Mitunternehmerschaften, Kapitalgesellschaften und fiktive Betriebe
Im Schrifttum ist man sich mit einer Ausnahme einig, dass unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften (ohne KGaA) und Mitunternehmerschaften zahlenmäßig über genau einen Betrieb verfügen.69 Dies gilt unabhängig davon, ob die betreffende Gesellschaft mehrere, in sachlicher Hinsicht voneinander unabhängige Tätigkeiten ausübt. Somit ist die Zinsschranke pro Rechtsform jeweils einmal anzuwenden. Trotz dieser eindeutigen Abgrenzung der maßgeblichen Betriebssphäre wird im Schrifttum vereinzelt angezweifelt, dass eine gewerblich geprägte Personengesellschaft das Betriebskriterium von § 4h Abs. 1 EStG erfüllt. Nach Maßgabe einer einkunftsartabhängigen Definition erfüllt die gewerblich geprägte Personengesellschaft den Betriebsbegriff, weil sie den Mitunternehmern Gewinneinkünfte vermittelt (§ 15 Abs. 3 Nr. 2 EStG).70 Entsprechend einer funktionalen und tätigkeitsbezogenen Betrachtungsweise wäre die Prägung hingegen nicht ausreichend, um das Betriebskriterium zu erfüllen, weil dafür noch sachliche und/oder persönliche Elemente erforderlich wären. Aufgrund der Gewerbebetriebsfiktion71 wird es aber selbst von Befürwortern eines funktionalen Betriebsbegriffs für sachgerecht erachtet, die Zinsschranke auf gewerblich geprägte Personengesellschaften Anwendung finden zu lassen.72 68
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Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 114; Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2319; Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 347 f.; Kröner/Bolik, Personengesellschaften, DStR 2008, S. 1311; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2342; Orth, Kapitalgesellschaften, WPg-Sonderheft 2008, S. 61; Schultes-Schnitzlein/Miske, Anwendungsschreiben, NWB 2008, Fach 4, S. 5359; Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 52; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 25 ff.; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 28. Vgl. statt vieler Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4, Rz. 25; BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 6 f. Hingegen sind Köster-Böckenförde/Clauss der Auffassung, dass neben natürlichen Personen auch Kapitalgesellschaften mehrere Betriebe unterhalten können; vgl. dieselben, Betriebsbegriff, DB 2008, S. 2216. Da gewerblich infizierte Personengesellschaften (§ 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG) bereits originär einen (Gewerbe)Betrieb unterhalten, sind sie nach ganz überwiegender Auffassung im Schrifttum grundsätzlich von § 4h EStG erfasst; vgl. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2341 m. w. N.; a. A. allein Winkler/Käshammer, Konsolidierungskreis, Ubg 2008, S. 479. § 15 Abs. 3 EStG leitet mit den Worten ein: „Als Gewerbebetrieb gilt…“. Vgl. Möhlenbrock/Pung, Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 60; a. A. allein Töben/Fischer, Immobilieninves-
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
105
Darüber hinaus bestehen noch Fiktionen, die mehrere originäre Einzelbetriebe und Rechtssubjekte für Zwecke der Zinsschranke zusammenfassen. Hierzu gehören die Betriebsfiktion für Organschaften (§ 15 Nr. 3 S. 2 KStG), die in der Gesetzesbegründung erwähnte klassische Betriebsaufspaltung73 und die aus Billigkeitsgründen von der Finanzverwaltung gewährte Betriebsfiktion für die GmbH & Co. KG sowie hiermit vergleichbare Rechtsformen.74 Die genannten Organisationsformen erfahren einen rechtsformübergreifenden Sonderstatus, der eine Zusammenfassung von Einkünften von unterschiedlichen Steuersubjekten für Zwecke der Zinsschranke notwendig macht. ii.
Kommanditgesellschaft auf Aktien
Eine Kommanditgesellschaft auf Aktien (KGaA) erfüllt – wie jede andere Kapitalgesellschaft – nach einkunftsartabhängiger Definition den Betriebsbegriff der Zinsschranke; dies sollte auch nach funktionalen Kriterien regelmäßig der Fall sein. Umstritten ist allerdings, ob der kapitalistische und personalistische Teil einer KGaA jeweils einen eigenständigen Betrieb begründet. Die verschiedenen Ansichten sind darauf zurückzuführen, dass bereits die Gewinnermittlung einer KGaA und ihres Komplementärs in der Literatur umstritten ist.75 Soweit ersichtlich konnte sich hinsichtlich der Betriebsabgrenzung einer KGaA noch keine eindeutige Meinungsführerschaft herauskristallisieren. Die Finanzverwaltung geht jedenfalls von einem einheitlichen Betrieb der KGaA aus und zählt hierzu auch den Ergebnisanteil des Komplementärs.76 Diese in funktionaler Hinsicht vertretbare Zuordnung des Ergebnisanteils steht einer an den Gewinnermittlungsvorschriften orientierten bzw. einkunftsartabhängigen Auslegung des Betriebs entgegen, weil mit dieser Zuordnung der Betrieb des Komplementärs um einen ihm steuerlich zuzurechnenden und wesentlichen Gewinnbestandteil erleichtert wird. Denn die originäre Betriebseigenschaft des Komplementärs bleibt von dieser Diskussion unberührt. Sofern jener einen eigenen Betrieb unterhält, unterliegt dieser auch der Zinsschranke.77
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titionen, Ubg 2008, S. 151. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 48; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1022. Die Billigkeitsregelung ist allerdings noch an weitere Voraussetzungen geknüpft, vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 66. Zu den unterschiedlichen Sichtweisen (Trennungsprinzip vs. Mitunternehmerkonzept) der Einkommensbzw. Gewinnermittlung der KGaA und ihrem Komplementär vgl. Rödder, in: Müller/Rödder, Handbuch, § 11, Rz. 279; Kessler, KGaA, S. 315 ff.; Rohrer/Orth, KGaA, BB 2007, S. 1596, nach Aussage letzterer favorisiere die Finanzverwaltung das Trennungsprinzip, vgl. ebenda, S. 1602. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 8; gl. A. Kollruss/Weißert/Ilin, KGaA, DStR 2009, S. 92; Dörfler, in; Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, § 8a, Rz. 5; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 40; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 61. Die Berücksichtigung der Zinsschranke beim KGaA-Komplementär kommt grundsätzlich in Betracht, da nach Auffassung des BFH der Gewinnanteil des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA einschließlich seiner Sondervergütungen, Sonderbetriebseinnahmen und Sonderbetriebsausgaben durch Betriebsvermögensvergleich zu ermitteln ist; vgl. BFH v. 21.06.1989, X R 14/88, BStBl. II 1989, S. 881 (885); Hageböke/Koetz, KGaA, DStR 2006, S. 295.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Demgegenüber wird nach anderer Auffassung vertreten, dass bereits auf Ebene der KGaA der kapitalistische und der personalistische Teil der KGaA zwei separate Betriebe begründen.78 Um dem hybriden Charakter der KGaA gerecht zu werden, sind die Ergebnisbestandteile der KGaA von denen des Komplementärs an der „Wurzel“ der Einkommensquelle abzuspalten. Sofern der Komplementär selbst keinen originären Betrieb unterhält, erlangt er durch seinen Ergebnisanteil, der ihm originäre Gewinneinkünfte vermittelt, die Betriebseigenschaft.79 iii.
Beschränkt steuerpflichtige (Objekt-)Kapitalgesellschaften
Aufgrund der unterschiedlich strengen Betriebsdefinitionen ist in der Literatur umstritten, ob im Falle fiktiv gewerblicher Einkünfte von beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG) das Betriebskriterium von § 4h Abs. 1 EStG erfüllt ist. Bei rein einkunftsartabhängiger Begriffsdeutung sind die vorgenannten Einkünftebezieher grundsätzlich von der Zinsschranke erfasst. Nach einer funktionalen und tätigkeitsbezogenen Betrachtungsweise wären hingegen nur originäre Betriebe von § 4h EStG erfasst und nicht etwa auch Einkunftsquellen, die aufgrund einer gesetzlichen Fiktion zu Gewinneinkünften bzw. Einkünften aus Gewerbebetrieb führen.80 Im Unterschied zu der im Vorabschnitt besprochenen gewerblichen Prägung wird durch § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG aber kein (Gewerbe) Betrieb fingiert, sondern es werden genau genommen nur Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung bzw. aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern, die vorgenannte Einkünfte vermitteln, in gewerbliche Einkünfte umqualifiziert.81 Da im Rahmen von § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG also gerade kein Betrieb fingiert wird, sondern lediglich Einkünfte umqualifiziert werden, sei die Zinsschranke nach teilweiser Auffassung nicht anwendbar.82 Seit Überarbeitung von § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG durch das Jahressteuergesetz 2009 wird zudem der Anwendungsbereich von § 8a Abs. 1 S. 4 KStG infrage gestellt. Kam der besagten körperschaftsteuerlichen Norm vor Verabschiedung des Jahressteuergesetzes noch eine umfassende Auffangfunktion zu, mittels derer beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften 78
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Vgl. Rödder/Hageböke/Stangl, KGaA, DB 2009, S. 1563; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 25; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 29; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 25. Vgl. hierzu ausführlich Abschn. B.I.2.c, S. 112 ff. Vgl. Köster-Böckenförde/Clauss, Betriebsbegriff, DB 2008, S. 2214; Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2319; Töben/Lohbeck/Fischer, Inbound-Investitionen, FR 2009, S. 157. Vgl. Wassermeyer, Vermietung, IStR 2009, S. 240. Gewerbliche Einkünfte werden zwangsläufig nur bei beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften fingiert, die mit einer Kapitalgesellschaft i. S. von § 1 Abs. 1 Nr. 1 – 3 KStG vergleichbar sind (§ 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f S. 2 EStG); vgl. Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 49, Rz. 38. Vgl. Möhlenbrock/Pung, Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 45; Lindauer/Westphal, Vermietungseinkünfte, BB 2009, S. 422; a. A. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2342; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 25c, der sich in Rz. 26e aber widersprüchlich äußert; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 26; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 40; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 35; zweifelnd Huschke/Hartwig, Vermietungseinkünfte, IStR 2008, S. 749; Bron, Immobilieneinkünfte, DB 2009, S. 594; Töben/Lohbeck/Fischer, Inbound-Investitionen, FR 2009, S. 157.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
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mit unbeweglichem Vermögen im Inland in den Anwendungsbereich der Zinsschranke überführt werden sollten, so wird ihr nach herrschender Meinung kein bedeutsamer Anwendungsbereich mehr beigemessen.83 Der Bedeutungsverlust liegt darin begründet, dass § 8a Abs. 1 S. 4 KStG Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) voraussetzt, die aufgrund der Neuerung in § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG aber gerade nicht mehr vorliegen.84 Seit dem Veranlagungszeitraum 2009 erzielen ausländische Körperschaften mit ihren inländischen Vermietungseinkünften nämlich Einkünfte aus Gewerbebetrieb, für die ein Gewinn und kein Überschuss zu ermitteln ist. Vor dem Hintergrund der Auslegungen des Betriebsbegriffs erscheint die „Entkräftung“ von § 8a Abs. 1 S. 4 KStG in bemerkenswertem Licht. Sofern fiktive Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG nicht für die Annahme eines Betriebs i. S. des § 4h Abs. 1 EStG ausreichen sollten, würden beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften mit ihren inländischen Vermietungseinnahmen nämlich nicht mehr der Zinsschranke unterliegen, weil ebenfalls die sinngemäße Anwendung der Zinsschranke gem. § 8a Abs. 1 S. 4 KStG mangels Überschusseinkünfte ausscheidet.85 Ferner ist die Abgrenzung des Betriebsumfanges von beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaften, die aufgrund der isolierenden Betrachtungsweise (§ 49 Abs. 2 EStG) mehrere Einkunftsarten verwirklichen können,86 ungeklärt. Fraglich ist, ob für jede ursächliche Einkunftsquelle oder für jeden (fingierten) Betrieb innerhalb einer Einkunftsart eine eigene Zinsschranke anzuwenden ist. In der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass die Zinsschranke nach sachlichen Kriterien auf jeden einzelnen Betrieb einer beschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft anzuwenden sei.87 Sofern ein Betrieb durch eine Einkunftsart (erfolgreich)
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Vgl. Bron, Immobilieneinkünfte, DB 2009, S. 594; Beinert/Benecke, Änderungen, Ubg 2009, S. 175; Lindauer/Westphal, Vermietungseinkünfte, BB 2009, S. 422 (Fn. 27); Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 26; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 62; a. A. Geißelmeier/Bargenda, Personengesellschaften, NWB 2008, Fach 4, S. 5338. Als verbleibender Anwendungsbereich von § 8a Abs. 1 S. 4 KStG werden im Schrifttum Einkünfte aus Kapitalvermögen mit entsprechenden Refinanzierungsaufwendungen identifiziert, vgl. Mensching, JStG 2009, DStR 2009, S. 99 und die mittelbare Einkünfteerzielung über eine vermögensverwaltende Personengesellschaft, vgl. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 13; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 62. Bereits Bron, Immobilieneinkünfte, DB 2009, S. 594; Beinert/Benecke, Änderungen, Ubg 2009, S. 175. Hingegen wird in Teilen der Literatur § 8a Abs. 1 S. 4 KStG als weitere Betriebsfiktion verstanden, die den betreffenden Steuerpflichtigen die notwendige Betriebsqualität unabhängig vom Tatbestand der Überschusseinkünfte und funktionaler Betriebskriterien verleiht. Danach sollen im Ergebnis beschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaften in den Anwendungsbereich der Zinsschranke einbezogen werden, die nicht bereits aufgrund von § 49 Abs. 2 Nr. 2 lit. f EStG der Zinsschranke unterliegen (vgl. Fn. 82); vgl. Huschke/Hartwig, Vermietungseinkünfte, IStR 2008, S. 749; Töben/Fischer, Immobilieninvestitionen, Ubg 2008, S. 152; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 62 f. M. E. handelt es sich bei § 8a Abs. 1 S. 4 KStG nicht um eine Betriebsfiktion, sondern schlicht um einen Rechtsfolgenverweis (ebenso KösterBöckenförde/Clauss, Betriebsbegriff, DB 2008, S. 2215), der es zur Berechnung des EBITDA, Zinssaldos etc. erforderlich macht, einen betriebsäquivalenten, inländischen Vermögensbereich abzugrenzen. Zur isolierenden Betrachtungsweise vgl. z. B. Mössner, in: Mössner et al., Steuerrecht, Rz. B 215 ff. Kapitalgesellschaften, die nicht unter § 8 Abs. 2 KStG fallen, können mehrere Betriebe haben; vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 1.2 (m. w. N. zur BFH-Rechtsprechung.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
fingiert wird, sei die Zinsschranke auch für jede einzelne Einkunftsquelle gesondert zu prüfen, wodurch eine Zuordnung der Zinsaufwendungen notwendig wird.88 iv.
Betriebsstätten als Betriebsteil oder eigenständiger Betrieb?
Unstreitig sind Betriebsstätten rechtlich unselbstständige Wirtschaftseinheiten des Stammhauses.89 Im Schrifttum ist man ebenfalls ganz überwiegend der Meinung, dass Betriebsstätten für sich genommen keinen Betrieb begründen.90 Gemessen an funktionalen Kriterien erfüllen sie nicht die Betriebseigenschaft, weil sie regelmäßig nur einen wirtschaftlich abhängigen Betriebsteil oder allenfalls einen organisch geschlossenen Teil des Stammhauses (Teilbetrieb) bilden.91 Vielmehr bringt die Gesamtbetrachtung des wirtschaftlichen Verbunds von Stammhaus und dessen inländischen und ausländischen Betriebsstätten die vollumfängliche Betriebsqualität zum Vorschein.92 Eine Besonderheit gilt aber, wenn die inländische Betriebsstätte als Organträger fungiert (§ 18 KStG). Sodann gelten Betriebsstätte und die Organgesellschaften als ein Betrieb i. S. der Zinsschranke (Betriebsfiktion gem. § 15 Nr. 3 S. 2 KStG).93 Aus der unzureichenden Betriebsqualität einer isoliert betrachteten Betriebsstätte wird aber nach ganz überwiegender Auffassung nicht der Schluss gezogen, dass die Zinsschranke bei der Ermittlung des beschränkt steuerpflichtigen Inlandsergebnisses unberücksichtigt zu bleiben habe. Vielmehr sei sie bezogen auf den im Inland gewinnermittlungspflichtigen Teil des Betriebs bzw. Stammhauses grundsätzlich anwendbar.94 Die unterschiedlichen Auffassungen 88
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Vgl. Köster-Böckenförde/Clauss, Betriebsbegriff, DB 2008, S. 2216, die auch bei unbeschränkter Steuerpflicht davon ausgehen, dass eine Kapitalgesellschaft mehrere Betriebe haben kann; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 16; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 11; a. A. Möhlenbrock, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 18.15, der aus Gleichbehandlungsgründen von unbeschränkt und beschränkt Steuerpflichtigen sämtliche Überschuss- und Gewinneinkünfte einer beschränkt steuerpflichtigen Körperschaft für Zwecke der Überprüfung des Grundtatbestands der Zinsschranke zusammenfassen möchte. Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, S. 1076, Rz. 2.2; BMF v. 25.08.2009, BStBl. I 2009, S. 888, Rz. 2.2; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 115. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, Rz. 9; Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 1.7; Grotherr, Funktionsweise, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, S. 1496; Middendorf/Stegemann, Funktionsweise, INF 2007, S. 307; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1021; Bron, Betriebsbegriff, IStR 2008, S. 15; Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 694; Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 113; Orth, Kapitalgesellschaften, WPg-Sonderheft 2008, S. 61; Stein, Gesellschafterfremdfinanzierung, S. 142; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1506; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 29; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4h, Rz. 9; a. A. in Bezug auf inländische Betriebsstätten ausländischer Stammhäuser Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 115; Mössner, Aspekte, S. 14; Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 471; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 26; zweifelnd Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 455. Bron, Betriebsbegriff, IStR 2008, S. 15; Mössner, Aspekte, S. 11 ff. Vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 1.3; Möhlenbrock, Detailfragen, Ubg 2008, S. 3; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4h, Rz. 9. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 77; Dörr/Geibel/Fehling, Gestaltungsspielraum, NWB 2007, Fach 4, S. 5202; Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2388 (Fn. 19); Mössner, Aspekte, S. 12. Vgl. Abschn. B.I.2.d, S. 114 ff.
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über die Betriebseigenschaft von Betriebsstätten führen jedoch dann zu verschiedenen Ergebnissen, wenn das ausländische Stammhaus im Inland mehrere Betriebsstätten unterhält. Sofern man die Betriebseigenschaft der Betriebsstätte verneint, wäre die Zinsschranke auf den im Inland steuerpflichtigen und aggregierten Gewinn sämtlicher Betriebsstätten anzuwenden. Wenn man hingegen die Betriebseigenschaft der Betriebsstätte anerkennt, wäre die Zinsschranke für jede inländische Betriebsstätte des Stammhauses isoliert zu überprüfen.95 2.
Verrechenbares EBITDA
Anders als beim Betriebsbegriff werden die Tatbestandselemente, aus denen sich das verrechenbare EBITDA i. S. des § 4h Abs. 1 EStG zusammensetzt, abstrakt definiert. Dennoch verbleiben Auslegungsfragen darüber, ob bestimmte Sachverhalte unter die abstrakt definierten Tatbestände zu subsumieren sind und wie das verrechenbare EBITDA bei verschiedenen Organisations- und Rechtsformen zu ermitteln ist. Jenen Fragen widmet sich dieser Abschnitt, wobei anzumerken ist, dass über die Qualifikation und Ermittlung der zinsschrankenrelevanten Abschreibungen – soweit ersichtlich – keine Rechtsunsicherheiten bestehen.96 Spezielle Probleme im Zusammenhang mit der Qualifikation von Zinsaufwendungen und Zinserträgen können sich zwar ebenfalls auf die Höhe des verrechenbaren EBITDA auswirken, jedoch sollen diese Fragen gesondert in Abschn. B.I.3 (S. 118 ff.) behandelt werden. a.
Mitunternehmerschaften
In der Literatur wird nahezu ausnahmslos die Auffassung vertreten, dass bei Mitunternehmerschaften die Tatbestandsvoraussetzungen der Zinsschranke aufgrund ihrer Betriebsbezogenheit gesellschaftsbezogen zu überprüfen sind.97 Da der Mitunternehmerschaft eine steuerliche Teilrechtssubjektivität98 zugesprochen wird und diese einen Betrieb i. S. der Zinsschranke begründet, ist auf ihrer Ebene ein verrechenbares EBITDA für den Gesamthandsbereich (einschließlich Ergänzungsbilanzen) und den Sonderbetriebsbereich der Mitunternehmer zu ermitteln.99 Hierbei sind nach übereinstimmender Auffassung auch die persönlichen Besteue95 96
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Vgl. hierzu bereits Abschn. B.I.b.iii, S. 107 f. Hierzu vgl. bspw. Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 28; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 40 ff., der zutreffend ausführt, dass Sonderabschreibungen und erhöhte Absetzungen die reguläre Abschreibung nach § 7 EStG verdrängen und auch nicht z. T. als zinsschrankenrelevante Abschreibung infrage kommen; vgl. ebenda, Rz. 47; gl. A. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 458; krit. zur Nichtberücksichtigung von sofort abziehbaren geringwertigen Wirtschaftsgütern gem. § 6 Abs. 2a S. 4 EStG vgl. Korn/Strahl, Steuergesetzesänderungen, 2010, S. 48. So auch die Regierungsbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008, in der festgehalten ist, dass der Zinsvortrag betriebsbezogen zu ermitteln und festzustellen ist; vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 50; Abschn. B.I.4.a.i.(I), S. 133, Fn. 235. Dagegen plädieren Blumenberg/Lechner für eine gesonderte bzw. zweistufige Prüfung der Zinsschranke für das Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen; vgl. dieselben, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 127. Zur Steuersubjekteigenschaft der Personengesellschaft in Bezug auf die Qualifikation und Ermittlung der Einkünfte vgl. bspw. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18, Rz. 54 ff.; Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 25 f. m. w. N. Nach einhelliger Meinung bildet das Sonderbetriebsvermögen keinen eigenständigen Betrieb i. S. der Zins-
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
rungsmerkmale der Mitunternehmer zu berücksichtigen, von denen die (partielle) Steuerfreiheit von Gewinnausschüttungen sowie Gewinnen aus der Veräußerung von Kapitalgesellschaftsanteilen (§§ 3 Nr. 40 EStG, 8b KStG) abhängig ist. Im Umfang ihrer Steuerfreiheit erhöhen die vorgenannten Bezüge bzw. Gewinne somit nicht das steuerliche EBITDA der Mitunternehmerschaft.100 Ferner mindern etwaige Zinsaufwendungen des Mitunternehmers zur Finanzierung seines Mitunternehmeranteils oder Sonderbetriebsvermögens das verrechenbare EBITDA nicht; hierzu zählen auch die Sonderbetriebszinsen von mittelbar beteiligten sog. „Sonder-Mitunternehmern“.101 Aufgrund der transparenten Besteuerung von Mitunternehmerschaften ist der Ergebnisanteil der Mitunternehmerschaft im steuerlichen Ergebnis des Mitunternehmers bzw. der nachgeordneten Mitunternehmerschaft enthalten.102 Deshalb ist im Schrifttum streitig, ob das steuerliche Ergebnis der Mitunternehmerschaft anteilig bei dem jeweiligen Mitunternehmer nochmals dessen verrechenbares EBITDA erhöhen bzw. verringern kann. Während die Finanzverwaltung und eine vergleichsweise überschaubare Anzahl an Autoren – analog der Kürzung gem. § 9 Nr. 2 GewStG – davon ausgehen, dass eine mehrfache Berücksichtigung des steuerlichen Ergebnisses einer Mitunternehmerschaft bei nachgeschalteten Mitunternehmern nicht in Betracht komme,103 ist im Schrifttum eindeutig die gegenteilige Auffassung vorherrschend.104 Die (mehrfache) Berücksichtigung im Rahmen der EBITDA-Ermittlung der nachgeordneten Mitunternehmer(schaften) wird auch als EBITDA-Kaskade bezeichnet, die
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schranke; vgl. statt aller Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 25; BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 6. Vgl. Hahne, Personengesellschaften, DStR 2007, S. 1949; Hartmann, Mittelstand, Ubg 2008, S. 285. Diese Auffassung entspricht der h. M. zur Behandlung von §§ 3 Nr. 40 EStG, 8b KStG im Rahmen der Gewerbeertragsermittlung; vgl. Dötsch/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8b KStG, Rz. 236 m. w. N. Vgl. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2342; Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 53. Verschiedentlich wird auch eine (wirtschaftliche) Zuordnung des negativen SBV II eines Mitunternehmers auf verschiedene (Sonder-)Mitunternehmerschaften in mehrgliedrigen Personengesellschaftsstrukturen in Betracht gezogen; vgl. Hartmann, Mittelstand, Ubg 2008, S. 284; Möhlenbrock, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 18.30. Vgl. Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 402; Rätke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG, Rz. 97; Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15, Rz. 619. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 42; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15880; Hottmann, in: Zimmermann et al., Personengesellschaft, Abschn. B, Rz. 287; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 19; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 56. Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 128; Hahne, Personengesellschaften, DStR 2007, S. 1948; Rödder, Unternehmensteuerreformgesetz, DStR-Beihefter 2007 zu Heft 40, S. 7; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 459; Dorenkamp, Publikums KG, FR 2008, S. 1134; Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 698; Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 349; Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1875; Geimer, Beratersicht, EStB 2008, S. 410; Goebel/Eilinghoff/Kim, Zinsschrankenerlass, DStZ 2008, S. 635; Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 117; Hölzer/Nießner, BMF-Schreiben, FR 2008, S. 846; Köhler/Hahne, BMFSchreiben, DStR 2008, S. 1511; Kußmaul/Ruiner/Schappe, Personengesellschaften, DStR 2008, S. 909; Prinz, Mittelstandsfinanzierung, FR 2008, S. 446; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2343; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 53; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h, Rz. 42; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 29; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4h, Rz. 11; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 45; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 46.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
111
sich im Falle einer negativen Ergebniszuweisung auch nachteilig auf das EBITDA des Mitunternehmers auswirken kann.105 Eine gewissermaßen unstreitige Zweifelsfrage besteht weiterhin bei der EBITDA-Ermittlung von Gesellschaftern, die der Zinsschranke unterliegen und ebenfalls an einer sog. Zebragesellschaft beteiligt sind. Da die Zebragesellschaft unabhängig von dem Betriebsverständnis mangels eigener Gewinneinkünfte nicht der Zinsschranke unterliegt, wird die Frage aufgeworfen, ob das aus der vermögensverwaltenden Tätigkeit erzielte Ergebnis beim Gesellschafter in seine Ergebnisbestandteile, maßgeblicher Gewinn, Abschreibungen, Zinsaufwendungen bzw. Zinserträge, zerlegt werden kann, oder ob nur ein anteiliges (Netto-)Ergebnis das verrechenbare EBITDA des Gesellschafters erhöht bzw. verringert. Da die Gesamthand der Zebragesellschaft für steuerliche Zwecke negiert wird und das Vermögen den jeweiligen Gesellschaftern nach der Bruchteilsbetrachtung (§ 39 Abs. 2 Nr. 2 AO) zugewiesen wird,106 folgert die Literatur und die Finanzverwaltung konsequenterweise, dass eine sachgerechte Zerlegung des Ergebnisbeitrages der Zebragesellschaft beim betrieblich beteiligten Gesellschafter zu erfolgen habe.107 b.
Kapitalgesellschaften (ohne KGaA)
Aufgrund der Anknüpfung an das maßgebliche Einkommen (§ 8a Abs. 1 S. 1 f. KStG) anstatt an den maßgeblichen Gewinn (§ 4h Abs. 1 S. 1 EStG) stellt sich bei Kapitalgesellschaften die Frage, wie das verrechenbare EBITDA zu ermitteln ist, wenn in einem Veranlagungszeitraum zwei Wirtschaftsjahre enden.108 Denn in diesem Fall setzt sich das maßgebliche Einkommen aus den Gewinnen beider Wirtschaftsjahre zusammen.109 Da der Terminus Einkommen kalenderjahr- und steuersubjektbezogen zu verstehen ist, die Zinsschranke aber wirtschaftsjahrund betriebsbezogen ausgestaltet ist, wird im Schrifttum die Frage aufgeworfen, ob und nach welchen Maßstäben das maßgebliche Einkommen zur Berechnung des jeweiligen EBITDA der beiden Wirtschaftsjahre aufzuteilen ist. In diesem Punkt scheint die Auffassung zu dominieren, eine verursachungsgerechte Aufteilung des maßgeblichen Einkommens, Zinssaldo etc. am Maßstab der wirtschaftsjahrbezogenen Gewinnentstehung vorzunehmen.110
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Zum Gestaltungsinstrument der EBITDA-Kaskade vgl. Hahne, Personengesellschaften, DStR 2007, S. 1949 f.; Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 511 f.; Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 349 f. Zur Zebragesellschaft vgl. Hey, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 18, Rz. 26 m. w. N. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 43; Geißelmeyer/Bargenda, Personengesellschaften, NWB 2008, Fach 4, S. 5336 f.; Kröner/Bolik, Personengesellschaften, DStR 2008, S. 1311; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2341. Dies wäre bspw. bei Umstellung auf ein kalenderjahrgleiches Wirtschaftsjahr denkbar. Bis zum vom Kalenderjahr abweichenden Stichtag bildet das erste Wirtschaftsjahr und das bis zum Jahresende umstellungsbedingte Rumpfwirtschaftsjahr bildet das zweite Wirtschaftsjahr. Vgl. Rengers, in: Blümich, Kommentar, § 7 KStG, Rz. 45 mit Verweis auf die einschlägige BFHRechtsprechung. Vgl. Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 16; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 51;
112
c.
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Kommanditgesellschaften auf Aktien
Geht man mit der Finanzverwaltung davon aus, dass der kapitalistische und der personalistische Teil der KGaA als ein Betrieb anzusehen ist, so erscheint es nachvollziehbar, den Gewinnanteil des Komplementärs bei der Einkommensermittlung der KGaA nicht kürzen zu wollen, obwohl von dem Gesetzeswortlaut und von der Gesetzessystematik her § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG im Rahmen der Ermittlung des maßgeblichen Einkommens zu berücksichtigen ist und dort eigentlich eine Kürzung des Einkommens in Höhe des Gewinnanteils des Komplementärs vorgesehen ist.111 Damit würde der Gewinnanteil des Komplementärs das verrechenbare EBITDA der KGaA nicht mindern. Korrespondierend hierzu folgert die Verwaltung für den Komplementär, dass jener den Gewinnanteil nicht (nochmals) im Rahmen seiner EBITDA-Ermittlung berücksichtigen dürfe,112 obwohl § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG grundsätzlich im Rahmen der Ermittlung des maßgeblichen Gewinns des Komplementärs zu berücksichtigen ist, der korrespondierend zu § 9 Nr. 1 KStG eine Besteuerung des Gewinnanteils im personalistischen Bereich der KGaA sicherstellt. Die korrespondierende Hinzurechnung und Kürzung bei der EBITDA-Ermittlung scheint an die Gewerbeertragsermittlung der KGaA bzw. des Komplementärs angelehnt zu sein und ermöglicht insoweit eine koordinierte Anwendung der Zinsschranke im körperschaft- und gewerbesteuerlichen Bereich.113 Aus dieser „Ein-Betriebs-Anschauung“ scheint ferner die Schlussfolgerung nahezuliegen, dass sämtliche Komponenten des Grundtatbestands der Zinsschranke (Abschreibungen, Zinssaldo) in vollem Umfang bei der KGaA und nicht beim Komplementär berücksichtigungsfähig sind.114 Dennoch lässt sich meines Erachtens aus dem Zinsschrankenerlass nicht eindeutig entnehmen, wie mit Sondervergütungen für die Hingabe von Wirtschaftsgütern (SBV I) und mit Refinanzierungsaufwendungen des Komplementärs (SBV II) zu verfahren ist. Sind sie dem einen Betrieb der KGaA zuzuordnen oder vielmehr demjenigen des Komplementärs?115 Der Erlass enthält sich einer klarstellenden Äußerung. Ein Indiz gegen die Zuordnung zum Betrieb der KGaA könnte darin gesehen werden, dass die Finanzverwaltung für Sondervergütungen (z. B. 111
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zweifelnd Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 491. Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG bei der EBITDA–Ermittlung der KGaA nicht anzuwenden; vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 44 S. 1, was einer vollständigen teleologischen Reduktion der Vorschrift entspricht; zustimmend Kollruss/Weißert/Ilin, KGaA, DStR 2009, S. 91 f.; a. A. Rödder/Hageböke/Stangl, KGaA, DB 2009, S. 1563; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 182; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 43a. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 44 S. 3. Auch dies entspräche wiederum einer teleologischen Reduktion von § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG, zur Gegenmeinung vgl. Fn. 111. Gem. § 8 Nr. 4 GewStG ist der Gewinnanteil des Komplementärs bei der Gewerbeertragsermittlung der KGaA wieder hinzuzurechnen. Damit beim Komplementär der Gewinnanteil nicht nochmals der Gewerbesteuer unterliegt, ist dieser gem. § 9 Nr. 2b GewStG wieder zu kürzen; vgl. hierzu Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 9 KStG, Rz. 18; Roser, in: Lenski/Steinberg, GewSt-Kommentar, § 8 Nr. 4 u. § 9 Nr. 2b. So Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 182a; wohl gl. A. Rohrer/Orth, Atypische KGaA, BB 2007, S. 2268 f. Demgegenüber sind Rödder/Hageböke/Stangl der Ansicht, dass die Finanzverwaltung die Refinanzierungsaufwendungen des Komplementärs allein im Betrieb des Komplementärs berücksichtigen möchte; vgl. dieselben, KGaA, DB 2009, S. 1561 ff. (Beispiel 1, S. 1562).
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
für die Hingabe von Darlehen, SBV I) § 8a Abs. 1 u. 2 KStG prüfen möchte.116,
113 117
Eine
andere Auslegung des Zinsschrankenerlasses könnte aber auch darin bestehen, dass die Finanzverwaltung allgemein und in Einklang mit dem Schrifttum davon ausgeht, dass das Sonderbetriebsvermögen dem Betrieb der Mitunternehmerschaft zuzuordnen ist.118 Dem ist jedoch entgegenzuhalten, dass nach ständiger BFH-Rechtsprechung der Komplementär einer KGaA nur wie ein Mitunternehmer zu behandeln, nicht aber einem Mitunternehmer gleichgestellt ist.119 Demzufolge liegt auch die Schlussfolgerung fern, dass in die KGaA eine (echte) Mitunternehmerschaft eingebettet ist,120 die für Zwecke der Zinsschranke eine Zuordnung des Sonderbetriebsvermögens (I und II) des Komplementärs zum Betrieb der KGaA rechtfertigen würde.121 Demgegenüber sind die Verfechter des Gesetzeswortlauts und der Gesetzessystematik der Auffassung, dass § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG bei der KGaA und § 15 Abs. 1 Nr. 3 EStG beim Komplementär uneingeschränkt für die jeweilige EBITDA-Ermittlung zu berücksichtigen sind.122 Darüber hinaus vertreten Rödder/Hageböke/Stangl, dass nach Maßgabe der sog. Wurzeltheorie des BFH123 sämtliche Vermögens- und Ergebnisbestandteile der Bilanz bzw. Gewinn- und Verlustrechnung entsprechend dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel der kapitalistischen bzw. personalistischen Sphäre zugerechnet werden. Die dualistische und geschäftsvorfallbezogene Gewinn- bzw. Einkommensermittlung geht demzufolge mit der Konsequenz einher, dass die EBITDA-bildenden Komponenten anteilig dem Betrieb der kapitalistischen und dem der personalistischen Sphäre zugerechnet werden.124 Ferner ergibt sich nach dieser Auffassung kein Zuordnungsproblem hinsichtlich der Sondervergütungen für 116
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Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 44 S. 2. Hingegen lehnt die h. M. eine Anwendung von § 8a KStG im Verhältnis KGaA und Komplementär mangels Beteiligung des Komplementärs am Grund- oder Stammkapital der KGaA ab; vgl. Abschn. B.III.1.a, S. 189 (Fn. 535). Wirtschaftsgüter, die bei einer echten Mitunternehmerschaft als Sonderbetriebsvermögen zu qualifizieren wären, werden bei der Gewinnermittlung einer KGaA dem Komplementär entsprechend seiner zivilrechtlichen oder wirtschaftlichen Eigentümerstellung zugerechnet. Hierdurch erlangen Sondervergütungen einer KGaA an den Komplementär, die nicht als Gewinnvorab für die Komplementäreinlage gezahlt werden (Anm.: Diese werden als Gewinnverwendung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 KStG erfasst), auf Ebene der KGaA die Qualität originär abzugsfähiger Betriebsausgaben und beim Komplementär die Qualität von steuerpflichtigen Betriebseinahmen; Vgl. Jörgens, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG, Rz. 912 ff.; Schaumburg/Schulte, KGaA, 2000, Rz. 108 f. Vgl. Abschn. B.I.2.a, S. 109. Vgl. BFH v. 23.10.1985, I R 235/81, BStBl. II 1986, S. 72 (73); BFH v. 21.06.1989, X R 14/88, BStBl. II 1989, S. 881 (883). Nach höchstrichterlicher Auffassung besteht gerade keine Mitunternehmerschaft zwischen der KGaA und dem Komplementär; vgl. bspw. BFH v. 23.10.1985, I R 235/81, BStBl. II 1986, S. 72 (73); BFH v. 28.11.2007, X R 6/05, BStBl. II 2008, S. 363 (365). I. d. S. aber Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 61, mit m. E. unzutreffendem Verweis auf die Meinung von Kollruss/Weißert/Ilin, KGaA, DStR 2009, die sich nicht dazu äußern, dass Sondervergütungen bei der EBITDA-Ermittlung der KGaA zu berücksichtigen seien. Vgl. Rohrer/Orth, Atypische KGaA, BB 2007, S. 2267 f.; Rödder/Hageböke/Stangl, KGaA, DB 2009, S. 1562 ff.; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 182b. Vgl. BFH v. 21.06.1989, X R 14/88, BStBl. II 1989, S. 881 (884). Vgl. Rödder/Hageböke/Stangl, KGaA, DB 2009, S. 1565; a. A. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 182a.
114
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
die Hingabe von Wirtschaftsgütern und Sonderbetriebsausgaben zur Finanzierung der Komplementäreinlage. Während Sondervergütungen das verrechenbare EBITDA der KGaA mindern und spiegelbildlich dasjenige des Komplementärs erhöhen, sind die Refinanzierungsaufwendungen des Komplementärs ausschließlich bei dessen eigener EBITDA- und Zinssaldo-Ermittlung zu berücksichtigen. d.
Betriebsstätten
Losgelöst von den unterschiedlichen Auffassungen über die Betriebsqualität einer Betriebsstätte bestehen unterschiedliche Meinungen darüber, ob und wie die Zinsschranke bei der Gewinnermittlung bzw. -abgrenzung einer im Inland belegenen Betriebsstätte eines beschränkt steuerpflichtigen Stammhauses (Inbound-Fall) und bei einer im Ausland belegenen Betriebsstätte eines inländischen Stammhauses (Outbound-Fall) zu praktizieren ist.125 Das Betriebsstättenergebnis ist grundsätzlich – isoliert oder als integraler Bestandteil des Stammhausergebnisses – unabhängig von der in einem DBA vereinbarten Methode zur Vermeidung der Doppelbesteuerung nach nationalen Gewinnermittlungsvorschriften zu bestimmen. Für diese Zwecke ist sowohl im Inbound- als auch im Outbound-Fall vorrangig die direkte Methode zu verwenden.126 Ferner sind der Betriebsstätte die positiven und negativen Wirtschaftsgüter nach dem Prinzip der wirtschaftlichen Zugehörigkeit zuzuordnen.127 Für Zwecke des Grundtatbestands der Zinsschranke wären die mit den zugeordneten Wirtschaftsgütern in Zusammenhang stehenden Erträge, Abschreibungen und Nettozinsaufwendungen zu ermitteln. Hinsichtlich der Verteilung von Verbindlichkeiten auf das Stammhaus und die Betriebsstätte sind sowohl im Inbound- als auch im Outbound-Fall die Dotationskapitalgrundsätze zu beachten.128
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Die unzureichenden Ausführungen im Zinsschrankenerlass beklagend Kaminski, Erlassentwurf, Stbg 2008, S. 196 f., der sich auf den insoweit unveränderten Erlassentwurf bezieht. Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, S. 1076, Rz. 2.3; Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 1.11 f. Grundsätzlich kann das Betriebsstättenergebnis auch indirekt ermittelt werden. Allerdings passen die indirekte Methode (vgl. ebenda) und der Grundtatbestand der Zinsschranke nicht zusammen, da nach der indirekten Methode nur der Gesamtgewinn und nicht etwa die EBITDA-bildenden Komponenten nach einem sachgerechten Schlüssel auf Stammhaus und Betriebsstätte(n) verteilt werden; i. d. S. wohl auch Mössner, Aspekte, S. 14. Vgl. BMF v. 25.08.2009, BStBl. I 2009, S. 888, Rz. 2.2. Nach Wassermeyer, der das Veranlassungsprinzip als generellen Zuordnungsmaßstab apostrophiert, ist auch eine anteilige Zuordnung der Wirtschaftsgüter entsprechend gemischter Veranlassungsgesichtspunkte möglich; vgl. derselbe, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 1.25. Die Finanzverwaltung lehnt hingegen eine anteilige Zuordnung von Wirtschaftsgütern auf Betriebsstätte und Stammhaus ab und beruft sich auf die BFH-Rechtsprechung, nach der die Zuordnung von Wirtschaftsgütern, die nach funktionalen Kriterien sowohl dem Stammhaus als auch der Betriebsstätte zuordnungsbar sind, vom „erkennbaren Willen der Geschäftsleitung“ abhängig ist; vgl. BMF v. 25.08.2009, BStBl. I 2009, S. 888, Rz. 2.4. Zu den Dotationskapitalgrundsätzen vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, S. 1076, Rz. 2.5.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
i.
115
Inbound-Fall
Nach gegenwärtigem Literaturstand scheint die Auffassung zu überwiegen, dass sich eine im Inland belegene Betriebsstätte eines beschränkt steuerpflichtigen Stammhauses grundsätzlich im sachlichen Anwendungsbereich der Zinsschranke befindet.129 Dennoch werden Zweifel bekundet, ob eine zweifache Zinsabzugsbeschränkung einmal in Form der Dotationskapitalgrundsätze und ein weiteres Mal in Gestalt der Zinsschranke für die inländische Betriebsstätte in Betracht kommt, oder ob vielmehr die Dotationskapitalgrundsätze die Anwendung der Zinsschranke verdrängen.130 Bei einem „Hintereinander“ von Dotationskapitalgrundsätzen und Zinsschranke wäre es demzufolge denkbar, dass die der Betriebsstätte zugeordneten Zinsaufwendungen bereits vor Anwendung der Zinsschranke (partiell) nicht abziehbar wären, weil sie nach Maßgabe eines (äußeren oder internen) Fremdvergleichs auf Fremdkapital entfallen, welches nach Berücksichtigung der Dotationskapitalgrundsätze als Eigenkapital der Betriebsstätte anzusehen ist.131 Vereinzelt wird in der Literatur die Frage aufgeworfen, ob die Zinsschranke im Verhältnis zwischen ausländischem Stammhaus und inländischer Betriebsstätte zu berücksichtigen sei.132 Diese Frage sollte jedoch nicht als Rechtsunsicherheit qualifiziert werden, weil Rechtsgeschäfte zwischen Stammhaus und Betriebsstätte aufgrund der rechtlichen Unselbstständigkeit der Betriebsstätte nicht möglich sind.133 Dies gilt meines Erachtens auch dann, wenn die inländische Betriebsstätte als Organträger i. S. des § 18 KStG fungiert und dementsprechend als Betrieb i. S. der Zinsschranke fingiert wird.134
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Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 115; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 58; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1021; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 85 u. 87; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15867; Mössner, Aspekte, S. 11 ff.; Töben/Fischer, Immobilieninvestitionen, Ubg 2008, S. 151; Kessler/Knörzer, Steuerwettbewerb, S. 172; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 49; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 26c; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 26; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 77; a. A. Grotherr, Funktionsweise, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, S. 1496; Middendorf/Stegemann, Funktionsweise, INF 2007, S. 307; SchultzAssberg, in: Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 58; Bron, Betriebsbegriff, IStR 2008, S. 15; Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 694; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 25; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 33; Köster-Böckenförde/Clauss machen die Anwendung der Zinsschranke auf die inländische Betriebsstätte davon abhängig, ob diese in funktionaler Hinsicht wenigstens die Voraussetzungen eines Teilbetriebs erfüllt; vgl. dieselben, Betriebsbegriff, DB 2008, S. 2215. Vgl. Kessler/Knörzer, Steuerwettbewerb, S. 172 f. Für eine ausschließliche Anwendung der Dotationskapitalgrundsätze plädieren Schultz-Assberg, in: Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 58; Bron, Betriebsbegriff, IStR 2008, S. 15; Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 694. Vgl. BMF v. 24.12.1999, BStBl. I 1999, S. 1076, Rz. 2.5; krit. zur Einschränkung des Grundsatzes der Finanzierungsfreiheit bei der Bestimmung des Dotationskapitals und die Finanzverwaltungsmeinung in diesem Punkt ablehnend Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 2.116 ff. Vgl. Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 545 f.; Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 115; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 455; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 26. A. A. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 49.
116
ii.
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Outbound-Fall
Es besteht im Grundsatz weite Übereinstimmung dahingehend, dass das ausländische Betriebsstättenergebnis nur bei Anwendung der Anrechnungsmethode im EBITDA des inländischen Stammhauses enthalten ist, nicht aber, wenn nach einem DBA die Freistellungsmethode zur Anwendung gelangt.135 Dennoch bestehen im Detail Unsicherheiten, ob und wie die EBITDA-bildenden Komponenten der Betriebsstätte im Rahmen des Grundtatbestands der Zinsschranke beim Stammhaus zu extrahieren sind.136 Sofern für das ausländische Betriebsstättenergebnis die Anrechnungsmethode (entweder nach DBA oder nationalem Steuerrecht) einschlägig ist, sind die auf die Betriebsstätte entfallenden EBITDA-bildenden Komponenten im Welteinkommen des Stammhauses enthalten und von daher auch im Rahmen des Grundtatbestands der Zinsschranke zu berücksichtigen. Wenngleich unklar, wäre es nur folgerichtig, die Zinsschranke auch bei der Ermittlung der ausländischen Einkünfte im Rahmen des Anrechnungshöchstbetrages137 zu berücksichtigen. Soweit die der ausländischen Betriebsstätte zuzurechnenden Zinsaufwendungen (nach Berücksichtigung der Dotationskapitalgrundsätze, s. o.) für die Anwendung der Zinsschranke beim Stammhaus mitverantwortlich sind, erhöht dies die ausländischen Einkünfte und folglich auch den Anrechnungshöchstbetrag.138 Sofern das ausländische Betriebsstättenergebnis abkommensrechtlich nach der Freistellungsmethode verteilt wird, sind nach Maßgabe der direkten Methode die auf die Betriebsstätte entfallenden Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben auf der zweiten Stufe der steuerlichen Gewinnermittlung des Stammhauses herauszurechnen.139 Folglich beeinflussen weder Betriebseinnahmen noch Betriebsausgaben der Betriebsstätte den maßgeblichen Gewinn (bzw. das maßgebliche Einkommen) oder den Zinssaldo des Stammhauses. Die EBITDA-bildenden Komponenten der Betriebsstätte werden aus dem verrechenbaren EBITDA des Stammhauses
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Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 116; Dörr/Geibel/Fehling, Gestaltungsspielraum, NWB 2007, Fach 4, S. 5204; Schultz-Assberg, in: Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 58 f.; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1040; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 210 u. 224; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 86; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15867; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1511; Mössner, Aspekte, S. 15 f.; Kessler/Knörzer, Steuerwettbewerb, S. 172; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 26d; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h, Rz. 26; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 77; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 49. Grotherr, Funktionsweise, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, S. 1496; Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 599 (Fn. 8); Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 694; Jonas, Zinsschranke, S. 49 f. Der sich nach Anwendung von § 26 Abs. 1 u. 6 KStG i. V. mit § 34c EStG oder den speziellen DBAVorschriften über die Steueranrechnung ergibt. Dies erfordert eine isolierte Überprüfung des Grundtatbestands der Zinsschranke für die ausländische Betriebsstätte; vgl. Mössner, Aspekte, S. 16; zweifelnd Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1511; ablehnend Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 471. Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 2.11 u. 2.15. Da es sich bei der Freistellung nach h. M. um eine objektive Steuerbefreiung handelt, sind die Einkünfte der Betriebsstätte vor Ermittlung des Ergebnisses der Einkunftsart herauszurechnen; vgl. Tillmanns/Mössner, in: Mössner et al., Steuerrecht, Rz. B 445 m. w. N.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
117
extrahiert.140 Bei Anwendung der Freistellungsmethode ist die sachgerechte Anwendung der Zinsschranke mitunter problematisch, wenn keine eigenständige bzw. direkte Betriebsstättengewinnermittlung vorgenommen wird, sondern der (Netto-)Gewinn der Betriebsstätte lediglich indirekt aus dem Gewinn des Stammhauses abgeleitet wird.141 In diesem Fall liegen im Zweifel nämlich keine detaillierten Informationen über die Aufteilung von Abschreibungen, Zinserträgen und Zinsaufwendungen auf inländisches Stammhaus und ausländische Betriebsstätte vor, sodass allein wegen der Zinsschranke eine nachträgliche Zuordnung der positiven und negativen Wirtschaftsgüter bzw. Aufteilung von Aufwendungen und Erträgen zu den ausländischen Betriebsstätten notwendig wird. Eine gänzlich andere Bedeutung erlangt die ausländische Freistellungs-Betriebsstätte, wenn man im Gegensatz zum Vorabsatz und in Abweichung zur herrschenden Meinung unterstellt, dass die Einkünfteabgrenzung bzw. die Freistellung ausländischer Betriebsstättengewinne der Gewinnermittlung (1. und 2. Stufe) nachgeordnet ist. Dies würde nämlich bedeuten, dass sämtliche der Betriebsstätte zuzuordnenden EBITDA-bildenden Komponenten bei der Prüfung des Grundtatbestands der Zinsschranke auf Ebene des inländischen Stammhauses zu berücksichtigen wären. Denn nach dieser Auffassung wäre das ausländische Betriebsstättenergebnis Teil der inländischen Gewinnermittlungsvorschriften und somit auch im Rahmen des § 4h Abs. 1 EStG zu berücksichtigen. Die Steuerfreistellung würde sich erst auf den Betrag der (gewerblichen) Einkünfte auswirken.142 e.
Organschaften
Begründet eine Obergesellschaft mit einer oder mehreren Untergesellschaft(en) eine Organschaft, so gilt dieser Organschaftsverbund über die Betriebsfiktion als ein Betrieb i. S. der Zinsschranke (§ 15 Nr. 3 S. 2 KStG).143 Diese Betriebsfiktion ermöglicht auch eine sachgerechte Anwendung des Grundtatbestands der Zinsschranke auf Ebene des Organträgers. Nach dem Gesetzeswortlaut ordnet die sog. Zinsschranken-Bruttomethode (§ 15 Nr. 3 S. 1, 3 KStG) lediglich die Berücksichtigung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen der Organgesellschaft beim Organträger an; ein ausdrücklicher Verweis zur Berücksichtigung von Abschreibungen der Organgesellschaften fehlt. Gleichwohl kann diese Regelungslücke, die von der
140
141 142 143
Ebenso Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1040; Köhler/Hahne, BMFSchreiben, DStR 2008, S. 1511; Möhlenbrock, Detailfragen, Ubg 2008, S. 5; i. d. S. auch Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 23; Grotherr, Funktionsweise, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, S. 1496; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 461, die allerdings nur explizit auf Zinsen eingehen. Zur indirekten Gewinnermittlung vgl. Fn. 126. Zu den unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Vor- bzw. Nachrangigkeit der Gewinnermittlung vor der Einkünfteabgrenzung vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 2.7. Erle/Heurung weisen zutreffend darauf hin, dass im Falle mehrstufiger Beteiligungsverhältnisse nur diejenigen Gesellschaften über die Betriebsfiktion zusammengefasst werden, zwischen denen ein ununterbrochenes (Ketten-)Organschaftsverhältnis besteht; vgl. dieselben, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 85 ff.
118
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Finanzverwaltung erkannt wurde,144 mithilfe der Betriebsfiktion im Auslegungswege geschlossen werden.145 Diese Fiktion erfüllt nämlich den Zweck, dass neben den Ausnahmetatbeständen auch der Grundtatbestand der Zinsschranke einheitlich auf den Organkreis bzw. den Organträger und die Organgesellschaft(en) angewendet wird, worin einheitstheoretische Tendenzen in der körperschaftsteuerlichen Organschaft gesehen werden können. Auch wenn die Anwendung von § 4h Abs. 1 EStG im Zusammenspiel mit § 15 Nr. 3 KStG grundsätzlich mehrere Auslegungsvarianten zulässt,146 ist sich die herrschende Meinung im Ergebnis einig, dass das an den Organträger abgeführte Einkommen der Organgesellschaft in seine EBITDAbildenden Komponenten aufzuspalten ist.147 Soweit ersichtlich wird nur von zwei Literaturstimmen eine konsequente Verwirklichung des Zurechnungskonzepts bevorzugt, die eine Aufspaltung des abgeführten Einkommens in seine EBITDA-bildenden Komponenten abgelehnen.148 Weiterhin ist fraglich, wie Ausgleichszahlungen an Minderheitsgesellschafter der Organgesellschaft im Rahmen der EBITDA-Ermittlung des Organträgers zu behandeln sind. Denn in ermittlungstechnischer Hinsicht stehen sich in diesem Punkt die gesetzliche Hinzurechnungsvorschrift gem. § 4 Abs. 5 Nr. 9 EStG und die von der Verwaltung vorgesehene Kürzungsvorschrift nach R 65 Abs. 2 KStR 2004 gegenüber. Während die gesetzliche Hinzurechnungsvorschrift auf der 2. Stufe der steuerlichen Gewinnermittlung vorgenommen wird, handelt es sich bei der Verwaltungsvorschrift um eine der Gewinnermittlung nachgeschaltete Korrektur, die eine Verminderung des Einkommens bewirkt. Nach einhelliger Auffassung ist die genannte Richtlinienvorschrift bei der Anwendung des Grundtatbestands der Zinsschranke nicht zu berücksichtigen, da andernfalls die geleisteten Ausgleichszahlungen das verrechenbare EBITDA des Organträgers systemwidrig vermindern würden.149 3.
Zinssaldo
Die wirtschaftliche und rechtliche Ausgestaltung von Finanzierungsbeziehungen ist insbesondere bei innovativen Finanzprodukten sehr komplex und ihre steuerliche Behandlung vielfach 144 145
146 147
148 149
Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 45. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2387 f.; Dötsch, in: Dötsch et al., KSt, § 15 KStG, Rz. 55; Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 62; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 15 KStG, Rz. 49; Walter, in: Ernst & Young, KStG, § 15 KStG, Rz. 64. Zu verschiedenen Auslegungsvarianten vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2391 f. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2391; Kußmaul/Ruiner/Schappe, Einführung, S. 54; Scheffler, Organschaft, StuB 2008, S. 62; Dötsch, in: Dötsch et al., KSt, § 15 KStG, Rz. 55 f.; Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 65; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 15 KStG, Rz. 49; Herlinghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 KStG, Rz. 66; Walter, in: Ernst & Young, KStG, § 15, Rz. 64. Vgl. Müller, in: Mössner/Seeger, KStG, § 15, Rz. 35; i. d. S. wohl auch Kußmaul et al., Anwendungsprobleme, BB 2008, S. 138. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2392; Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 473; Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 66; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 15 KStG, Rz. 49; Herlinghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 KStG, Rz. 74; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 55.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
119
ungeklärt. Aufgrund ihrer Mannigfaltigkeit können nachfolgend nicht sämtliche Formen, sondern nur ausgewählte Finanzierungsbeziehungen auf ihre Erfassung durch die Zinsschranke hin überprüft werden;150 vielfach ist eine Würdigung des Einzelfalls notwendig.151 Im Vordergrund steht die Analyse von unterschiedlichen Ansichten bei der Formulierung von abstrakten Kriterien für zinsschrankenrelevante Zinsaufwendungen und Zinserträge und das systematische Verständnis der Gesetzesdefinitionen. a.
Definition von Zinsaufwendungen
Der Begriff Zinsaufwendungen wird in § 4h Abs. 3 S. 2 EStG als „Vergütungen für Fremdkapital“ definiert, die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben. Nach ganz überwiegender Auffassung ist diese Legaldefinition normspezifisch zu verstehen und kann somit von anderen ertragsteuerlichen Zinsverständnissen abweichen.152 Unstreitig wird das Tatbestandsmerkmal Fremdkapital unter Bezugnahme auf die Ausführungen in der Regierungsbegründung als vorübergehende Überlassung von Geldkapital verstanden.153 Der Terminus Fremdkapital ist somit auf Geldkapitalverbindlichkeiten einzuengen und erfasst keine Erfolgswirkungen im Zusammenhang mit Rückstellungen, soweit diese nicht für drohende Zinszahlungsverpflichtungen gebildet werden.154 Ferner ist die Einstufung des Geldkapitals als Fremd- oder Eigenkapital nach steuerbilanziellen Grundsätzen vorzunehmen.155 Nach Auffassung der Finanzverwaltung solle die Beschränkung auf Geldkapital jedoch nur „grundsätzlich“ gelten.156 Namentlich werden Ausnahmen vom Grundsatz der Geldkapitalüberlassung im Falle von Leasingverhältnissen vorgenommen, wenn das wirtschaftliche Eigentum dem Leasingnehmer zuzuordnen ist (sog. Financial Leasing).157 Aufgrund dieser Einschränkung qualifiziert die Finanzverwaltung den Zinsanteil in Ratenzahlungen als zinsgleiche Aufwendungen.158 150
151 152
153 154
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158
Zur Qualifikation zahlreicher (innovativer) Kapitalmarktinstrumente als zinsschrankenrelevante Vergütungen vgl. Häuselmann, Zinsschrankenmanagement, Ubg 2009, S. 225; derselbe, Kapitalüberlassungsverhältnisse, FR 2009, S. 507 ff. Zu einer umfassenden und ganz überwiegend mit der h. M. übereinstimmenden Einordnung von zinsschrankenrelevanten Vergütungen vgl. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 198 ff. So bereits Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1508. Vgl. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 115; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 218. Häuselmann möchte § 4h Abs. 3 S. 2 EStG normerhaltend unter Anlehnung an § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG auslegen, vgl. derselbe, Zinsbegriff, FR 2009, S. 402 u. 406. Hingegen möchte Schmidt-Fehrenbacher auf einen zivilrechtlichen Zinsbegriff abstellen, vgl. derselbe, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 471. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 49; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 201 m. w. N. (Fn. 848). Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 22; statt vieler Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 76. Frotscher weist darauf hin, dass sich die Einschränkung auf Geldkapital nicht aus dem Wortlaut der Vorschrift ergibt; vgl. derselbe, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 128. Handelsrechtliche Kategorisierungen sind nach einhelliger Auffassung irrelevant; vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 11; Häuselmann, Zinsbegriff, FR 2009, S. 404; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 116; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 214 f. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 11; gl. A. Möhlenbrock, Detailfragen, Ubg 2008, S. 3. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, Rz. 25 f. Daneben wurde eine Billigkeitsregelung für das Immobilienleasing geschaffen, die eine Berücksichtigung der Zinsanteile als Zinsaufwendungen und Zinserträge auch im Falle des Operating Leasing ermöglicht. Zum Gestaltungsinstrument Leasing vgl. Teil III – Kapitel 2 – Abschn. A.I.1, S. 285. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 27; gl. A. Häuselmann, Kapitalüberlassungsverhältnisse,
120
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Hinsichtlich der Auslegung des Tatbestands der Vergütung ist man sich noch einig darin, dass nur Zahlungen an den Kapitalgeber als Fremdkapitalvergütungen anzusehen sind, während Zahlungen an Dritte, die zwar im Zusammenhang mit der Darlehensaufnahme stehen, nicht darunter subsumiert werden können.159 Ferner wird eine bestimmte Entgeltart (z. B. Geldoder Sachwerte) oder Bemessungsgrundlage (Gewinn oder Kapital) zur Bestimmung der Vergütungshöhe nicht vorausgesetzt;160 wesentlich ist vielmehr, dass die Vergütung in wirtschaftlicher Hinsicht den Charakter von Zinsen erfüllt.161 Demgegenüber ist man sich uneins, ob sämtliche Zahlungen, die in kausalem Zusammenhang mit der Fremdkapitalaufnahme und -nutzung stehen (weites Verständnis), den Vergütungsbegriff erfüllen oder nur solche, die für die Überlassung des Fremdkapitals selbst geleistet werden (enges Verständnis). In praxi führen die Auffassungen insbesondere bei Kosten, die bis zum erstmaligen Ansatz des Fremdkapitals in der Bilanz des Gläubigers anfallen oder als Nebenleistungen zum Kreditgeschäft gezahlt werden, zu Wertungsunterschieden. Während nach einem weiten Verständnis auch Zahlungen für die Beschaffung und Bereitstellung des Kapitals (z. B. Bereitstellungszinsen, Avalprovisionen, Vermittlungs- und Beratungskosten) sowie Verwaltungskosten (z. B. Bearbeitungs- und Mahngebühren) unter den Begriff der Fremdkapitalvergütungen fallen können,162 werden nach einer engen Begriffsauslegung nur Zinszahlungen für den originären Finanzierungsdienst des Fremdkapitals, d. h. ab der bilanziellen Erfassung beim Schuldner und nur für die Kapitalüberlassung bzw. Kapitalnutzung, erfasst.163 Aufgrund der beiden Tatbestandsmerkmale „Vergütung“ und „Fremdkapital“ trennt § 4h Abs. 3 S. 2 EStG zwischen einer Ertrags- und Vermögensebene. Übereinstimmend ist man daher im Schrifttum der Auffassung, dass Wertveränderungen am Fremdkapital bzw. im
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160 161 162
163
FR 2009, S. 511; a. A. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 123. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 15; Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1148; Häuselmann, Zinsbegriff, FR 2009, S. 402 f.; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 178; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 120; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 218. Die entspricht auch der Auffassung von Rechtsprechung und Verwaltung im Kontext von § 8 Nr. 1 lit. a GewStG; vgl. FG Bremen v. 30.09.2002, 3 K 160/02, DStRE 2003, S. 546 (Rev. eingelegt, Az. BFH: I R 71/02); BFH v. 04.06.2003, I R 89/02, BStBl. II 2004, S. 517 (518 f.); Ländererlass v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 730, Rz. 14 f.; diese Auffassung ablehnend Kreft/Schmitt-Homann, Zins-Swaps, BB 2009, S. 2406 f. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 49; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 129; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 218. Vgl. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 177. Die Finanzverwaltung spricht von Aufwendungen mit „Vergütungscharakter“; vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 15; gl. A. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 218; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 125. Voraussetzung ist jedoch, dass die Zahlung an den Fremdkapitalgeber geleistet wird; vgl. Fn. 159. I. d. S. Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1033; Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 345 f.; Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1873; SchmidtFehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 471; Schultes-Schnitzlein/Miske, Anwendungsschreiben, NWB 2008, Fach 4, S. 5361; Häuselmann, Zinsbegriff, FR 2009, S. 408; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 177; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 132; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 34 f.; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 75 f.; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 56; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 127; Loschelder, in: Schmidt, EStG, Rz. 24; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 143; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 34.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
121
Stammrecht (Vermögensebene) selbst nicht zu Vergütungen i. S. der Vorschrift führen.164 Somit qualifizieren beim Gläubiger vorgenommene Teilwertabschreibungen der Darlehensforderung (Vermögensebene) oder rechtlich entstandener und aktivierter Zinsansprüche (Ertragsebene) nicht als Zinsaufwand i. S. der Zinsschranke, weil zum einen die Wertminderung der irrelevanten Vermögensebene zuzuschreiben ist und zum anderen nicht der Gläubiger, sondern der Schuldner den Fremdkapitaltitel hält.165 Ferner wird aufgrund der Trennung zwischen Ertrags- und Vermögensebene vielfach die Ansicht vertreten, dass Vorfälligkeitsentschädigungen nicht als Fremdkapitalvergütungen zu werten seien, weil sie nicht die Kapitalüberlassung abgelten und damit nicht die Ertragsebene berühren. Aus wirtschaftlicher Sicht handele es sich vielmehr um eine Ablösung des ertragreichen Stammrechts des Gläubigers (Darlehensforderung), die der zinsschrankenirrelevanten Vermögensebene zuzuschreiben sei.166 Die Gegenmeinung wendet jedoch ein, dass die Vorfälligkeitsentschädigung als Fremdkapitalvergütung zu qualifizieren sei, weil sie den Gläubiger für entgangene Zinsen entschädigt und somit ein Zinssubstitut darstelle.167 Das dritte Tatbestandsmerkmal, das Erfordernis der Gewinnminderung, ist insbesondere im Zusammenhang mit Betriebsausgaben relevant, die bereits nach anderen – vorrangig zur Anwendung kommenden Normen – einer Abzugsbeschränkung unterliegen bzw. als steuerfrei zu behandeln sind (z. B. § 4 Abs. 4a EStG, § 8 Abs. 3 S. 2 KStG, Betriebsstätteneinkünfte).168 Während nach einhelliger Auffassung permanent wirkende Abzugsbeschränkungen den Tatbestand von zinsschrankenrelevanten Zinsen verhindern, besteht Uneinigkeit in Bezug auf temporär wirkende Verlustausgleichsbeschränkungen (§§ 2a, 15 Abs. 4, 15a, 15b EStG). Von der Mindermeinung wird vertreten, dass Zinsaufwendungen, die einen nach den vorstehenden Vorschriften ausgleichsbeschränkten Verlust vergrößern, nicht den maßgeblichen Gewinn verringern würden und somit nicht als zinsschrankenrelevante Zinsaufwendungen zu gelten
164
165 166
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Vgl. Häuselmann, Zinsbegriff, FR 2009, S. 402; gl. A. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 119; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 222. Hierzu zählen bspw. Währungsverluste und Tilgungen. Vgl. Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 472; Häuselmann, Kapitalüberlassungsverhältnisse, FR 2009, S. 509; im Ergebnis wohl ebenso BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 28. Vgl. Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1508; Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 471; Häuselmann, Kapitalüberlassungsverhältnisse, FR 2009, S. 508 f.; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 132; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 127; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 143. Vgl. die Nachweise in Fn. 162; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 237; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 34; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 75; Loschelder, in: Schmidt, EStG, Rz. 24; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 34. Dieser Auffassung scheint auch die Rechtsprechung zugeneigt zu sein, die Vorfälligkeitsentschädigungen als Schuldentgelte i. S. der § 8 Nr. 1 GewStG a. F. versteht; vgl. BFH v. 25.02.1999, IV R 55/97, BStBl. II 1999, S. 473 (474). Zu beachten ist aber, dass das gewerbesteuerliche Verständnis für Entgelte weiter gefasst ist als das der Fremdkapitalvergütung; vgl. Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1506 f.; Häuselmann, Zinsbegriff, FR 2009, S. 402. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 18. In Bezug auf Zinsen, die einer Betriebsstätte zuzuordnen sind, wird auf die Diskussion in Abschn. B.I.2.d, S. 114 ff. verwiesen.
122
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
hätten.169 Des Weiteren könnten die in einer Saldogröße (Verlust) gespeicherten Zinsaufwendungen im Jahr der steuerlichen Verlustverrechnung nicht wieder als Fremdkapitalvergütungen qualifiziert werden.170 Von der herrschenden Meinung wird jedoch eingewendet, dass die zitierten Verlustausgleichsbeschränkungen gegenüber § 4h EStG nachrangig anzuwenden seien, weshalb diese Vorschriften keinen Einfluss auf den Zinsbegriff der Zinsschranke nehmen könnten.171 Aufgrund der Tatbestandsvoraussetzung der Gewinnminderung wird es im Schrifttum zum Teil für sachgerecht empfunden, die im Zusammenhang mit der Finanzierung von Anteilen an Kapitalgesellschaften entstehenden Zinsaufwendungen um die 5%-Pauschalierung des § 8b Abs. 5 S. 2 KStG zu kürzen. Denn in Höhe von 5% der steuerfreien Gewinnausschüttungen würden bereits nicht abziehbare Betriebsausgaben fingiert.172 Von der Gegenmeinung wird die Kürzung der anschaffungsbedingten Zinsaufwendungen jedoch abgelehnt, weil mit der Pauschalierungsregelung nicht nur Zinsaufwendungen, sondern sämtliche Aufwendungen im Zusammenhang mit der Beteiligung abgegolten würden.173 b.
Definition von Zinserträgen
In § 4h Abs. 3 S. 3 EStG werden Zinserträge als Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art definiert, die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben. Analog zu der Qualifikation von Zinsaufwendungen wird bei der Abgrenzung von Zinserträgen i. S. der Zinsschranke davon ausgegangen, dass die Kapitalforderung aus einer vorübergehenden Überlassung von Geldkapital resultieren müsse.174 Selbst wenn der Wortlaut von § 4h Abs. 3 S. 2 f. EStG nicht zwingend auf eine Symmetrie zwischen Fremdkapitalvergütungen und Erträgen aus Kapitalforderungen hindeutet, wird im Schrifttum vielfach von einer Korrespondenz zwischen Zinsaufwendungen aufseiten des Schuldners und Zinserträgen aufseiten des Gläubigers ausgegangen.175 Hiernach stehen Fremdkapitalschuld und Kapitalforderung in einem untrennbaren 169
170 171
172 173 174 175
I. d. S. Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1027, die aber Verluste i. S. des § 2a EStG ausnehmen; Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1147 (Fn. 25); Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 452 f.; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 137. So Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 137; a. A. Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1027. Vgl. Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 598; Dorenkamp, Publikums KG, FR 2008, S. 1129 f.; Schwedhelm, Beraterhinweise, GmbH-StB 2007, S. 282; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h EStG, Rz. 18; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 31; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 28; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 12; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 35. Vgl. Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 136; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 130. Vgl. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 27; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 11 (Fn. 17). Vgl. statt vieler Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 80. Vgl. Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 598; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 10; Häuselmann, Zinsbegriff, FR 2009, S. 403; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 36; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 129; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 225; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 39.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
123
Konnex zueinander, weshalb der Gläubiger nur dann Erträge aus einer Kapitalforderung erzielen könne, wenn der Schuldner korrespondierend eine Vergütung für die Überlassung des Kapitals entrichten müsse.176 Dieser Korrespondenzgedanke erstrecke sich allerdings nicht auf die betragsmäßige und zeitliche Erfassung des Kapitalertrags bzw. der Fremdkapitalvergütung, weil hier die allgemeinen Bilanzierungs- und Bewertungsvorschriften bei den jeweiligen Vertragsparteien individuell anzuwenden sind.177 Nach anderer Auffassung wird eine korrespondierende Auslegung des Zinsaufwands- und Zinsertragsbegriff abgelehnt. Zwar führen Fremdkapitalvergütungen des Schuldners aufseiten des Gläubigers stets zu Zinserträgen i. S. von § 4h Abs. 3 S. 3 EStG, aber umgekehrt sei die Entstehung von Zinserträgen auf Ebene des Gläubigers nicht zwingend von Fremdkapitalvergütungen auf Ebene des Schuldners abhängig. Demnach sei die Zinsertragsdefinition weiter gefasst als die Zinsaufwandsdefinition, wodurch grundsätzlich eine umfassendere Berücksichtigung von Ertragskomponenten im Zinssaldo i. S. der Zinsschranke möglich würde.178 Vor diesem Hintergrund wird vereinzelt die Ansicht vertreten, dass Währungsgewinne aus Fremdwährungsforderungen als Zinserträge i. S. der Zinsschranke zu qualifizieren seien, obwohl diese Erträge aus Wertsteigerungen des Stammrechts gespeist werden.179 Selbst Steuererstattungszinsen (§§ 233 ff. AO) sollen nach vereinzelter Auffassung zu berücksichtigen sein, da jene im Gegensatz zu Zinsen aus Ertragsteuernachzahlungen den maßgeblichen Gewinn beeinflussen würden.180 Eine extensive und vom Korrespondenzgedanken losgelöste Auslegung des Tatbestands der Kapitalforderung kommt zu dem Schluss, dass auch Gewinnausschüttungen bzw. Dividenden – soweit sie nicht nach §§ 3 Nr. 40 EStG, 8b KStG steuerfrei sind – die Zinsertragsdefinition erfüllen sollten, weil Eigenkapitalinstrumente grundsätzlich den Tatbestand einer Kapitalforderung erfüllen würden und im Gesetz keine Anhaltspunkte für die Notwendigkeit einer nur vorübergehenden Kapitalüberlassung zu finden seien.181 Diese Einzelmeinung wendet sich ganz offenkundig gegen den klaren Willen des Gesetzgebers, der nur vorübergehende Geldkapitalüberlassungen mit Rückzahlungsanspruch vom 176 177 178
179
180
181
Vgl. Häuselmann, Zinsbegriff, FR 2009, S. 402 f.; a. A. Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 142 u. 146. Vgl. Häuselmann, Zinsbegriff, FR 2009, S. 404. I. d. S. Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 471 f.; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 141, der aber nur dann von Zinserträgen ausgeht, wenn jene von dem Schuldner an den Gläubiger der Kapitalforderung gezahlt werden; ebenda, Rz. 143b; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 146, der anders als Frotscher auch Zahlung von Dritten (z. B. Zinszuschüsse) erfassen möchte. So Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 472; i. d. S. wohl auch Köhler/Hahne, BMFSchreiben, DStR 2008, S. 1509; a. A. Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 346; Häuselmann, Kapitalüberlassungsverhältnisse, FR 2009, S. 514. So allein Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 472; a. A. statt vieler Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 145. Zwar hat der BFH seine Auffassung zur steuerlichen Behandlung von Steuererstattungszinsen geändert und weist sie nunmehr dem nicht steuerbaren Bereich zu (vgl. BFH v. 15.06.2010, VIII R 33/07, BFH/NV 2010, S. 1917), darauf hat der Gesetzgeber jedoch mit dem JStG 2010 reagiert und die Steuererstattungszinsen explizit als Einkünfte aus Kapitalvermögen gem. § 20 Abs. 1 Nr. 7 S. 3 EStG deklariert; vgl. BR-Drs. 679/10, S. 4 f.; BR-Drs. 679/10 (B). So allein Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 36.
124
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Zinsbegriff der Zinsschranke erfasst wissen wollte.182 Ferner impliziert der Ausdruck der Kapitalforderung einen Rückzahlungsanspruch, der bei klassischen Eigenkapitalinstrumenten aber gerade nicht besteht.183 Ein beim Darlehensschuldner anfallender Ertrag aus dem Verzicht des Gläubigers auf einen (Teil-)Betrag des Darlehens begründet eine Wertveränderung des Stammrechts und ist deshalb der Vermögensebene zuzuordnen, weshalb hieraus kein Zinsertrag resultieren kann. Umstritten ist allerdings, ob der Verzicht des Gläubigers auf rechtlich bereits entstandene, aber noch nicht gezahlte, Zinsaufwendungen beim Schuldner zu Zinserträgen führen kann bzw. ob die im Zinssaldo erfassten Zinsaufwendungen rückgängig gemacht werden können.184 Weiterhin ist umstritten, ob der Erlös aus der Abtretung von noch nicht fällig gewordenen Zinsansprüchen zu Zinserträgen führen kann. Aufgrund der abtretungsbedingten Realisierung des Zinsanspruchs wird eine Erfassung als Zinsertrag für rechtmäßig erachtet.185 c.
Sicherungsgeschäfte
Im Schrifttum besteht eine lebhafte Diskussion über die exakte Behandlung von SwapGeschäften (insbesondere Zins- und Währungsswaps). Hierbei wird der Vergütungsstrom eines (verzinslichen) Grundgeschäfts durch ein kompensatorisches Sicherungsgeschäft abgesichert. Da aber regelmäßig nur Vergütungsströme und nicht die zugrunde liegenden Schuldtitel ausgetauscht werden,186 erfüllen die Swap-Zahlungen (bestehend aus Abschlussprämie und Differenzausgleich) mangels Kapitalüberlassung grundsätzlich nicht den Tatbestand von Zinsaufwendungen bzw. Zinserträgen. Diese Tatsache ist für den überwiegenden Teil im Schrifttum Grund genug, jene Kosten nur dann als Zinsen i. S. der Zinsschranke zu klassifizieren, wenn das Grund- und Sicherheitsgeschäft wirtschaftlich und/oder rechtlich so eng miteinander verbunden sind, dass das eine Geschäft nicht ohne das andere abgeschlossen würde.187 Dies ist jedenfalls im Falle von strukturierten Finanzinstrumenten gegeben, die eine rechtliche Einheit bilden, finanzökonomisch aber aus einem Grund- und Sicherungsgeschäft 182 183 184 185 186 187
Vgl. die Nachweise in Abschn. B.I.3.a, S. 119 (Fn. 153); BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 16. Zur handels- und steuerrechtlichen Abgrenzung von Eigen- und Fremdkapitalinstrumenten vgl. Briesemeister, Finanzinstrumente, 2006, S. 95 ff. Bejahend Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 472; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 136; a. A. Häuselmann, Kapitalüberlassungsverhältnisse, FR 2009, S. 508. Vgl. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 225; a. A. Häuselmann, Zinsschrankenmanagement, Ubg 2009, S. 227. Vgl. Kreft/Schmitt-Homann, Zins-Swaps, BB 2009, S. 2404; Breckheimer, Sicherheitsbeziehungen, 2010, S. 13 f. m. w. N. I. d. S. Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1148; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1034; Eilers, Zinsschrankenerfahrungen, Ubg 2008, S. 199; IDW, Erlassentwurf, IDW-FN 2008, S. 136; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1510; Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 471; Haisch, Finanzinstrumente, FR 2009, S. 72; Häuselmann, Kapitalüberlassungsverhältnisse, FR 2009, S. 513 f.; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 230 u. 269, der eine Bewertungseinheit i. S. von § 5 Abs. 1a EStG nicht als hinreichendes Qualifikationskriterium ansieht; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 193; zweifelnd Goebel/Eilinghoff/Kim, Zinsschrankenerlass, DStZ 2008, S. 634.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
125
zusammengesetzt sind.188 Entsprechend einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise wird von der anderen Seite im Schrifttum argumentiert, dass in den Fällen, in denen das Grund- und Sicherungsgeschäft die Voraussetzungen einer bilanziellen Bewertungseinheit erfüllen,189 die Swap-Zahlungen als Zinsaufwendungen bzw. Zinserträge i. S. der Zinsschranke zu werten seien.190 Teilweise ist aber nicht ersichtlich, ob die Vertreter der letzteren Auffassung auch Swap-Kontrakte mit Dritten, die außerhalb des bilateralen Kapitalüberlassungsverhältnisses stehen, in ihre wirtschaftliche Betrachtungsweise einbeziehen möchten.191 d.
Auf- und Abzinsung
Nach § 4h Abs. 3 S. 4 EStG führen die Auf- und Abzinsung unverzinslicher oder niedrig verzinslicher Verbindlichkeiten oder Kapitalforderungen ebenfalls zu Zinserträgen oder Zinsaufwendungen. Im Einklang mit der Auslegung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen ist es herrschende Meinung, dass nur Auf- und Abzinsungen von der Vorschrift erfasst werden, die sich auf eine vorübergehende Geldkapitalüberlassung beziehen. Auf- und Abzinsungen von Rückstellungen für Sachkapitalverpflichtungen werden demnach nicht von der Vorschrift erfasst, weil sie nicht auf die Erfüllung einer Geldkapitalschuld gerichtet sind.192 Diese Vorgaben lässt die Finanzverwaltung jedoch nicht in Bezug auf die erstmalige Bewertung einer Verbindlichkeit zu ihrem Barwert gelten. Der hiermit verbundene Abzinsungsertrag sei ihrer Meinung nach vom Zinsertrag der Zinsschranke auszunehmen. Spiegelbildlich zählt sie ebenfalls den Abzinsungsaufwand einer beim Gläubiger mit dem Barwert zu aktivierenden Kapitalforderung nicht zu den Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke.193 Gleichwohl betrachtet sie den in den Folgeperioden anfallenden ratierlichen Aufzinsungsaufwand 188
189 190
191 192
193
In der Literatur wird diese Auffassung auch dann aufrechterhalten, wenn das strukturierte Finanzinstrument in der Handelsbilanz in seine wirtschaftlichen Bestandteile aufgespalten werden sollte (vgl. hierzu IDW, RS HFA 22, IDW-FN 2008, S. 455 ff.), da diese Bilanzierungspraxis mangels GoB-Konformität nicht für die Steuerbilanz gelte; vgl. Haisch, Finanzinstrumente, FR 2009, S. 71 ff. Zur Definition und Bedeutung von strukturierten Finanzinstrumenten vgl. Schaber/Rehm/Märkl, Handbuch, 2008, S. 10 ff. Zur bilanziellen Behandlung von Sicherungsbeziehungen vgl. Breckheimer, Sicherheitsbeziehungen, 2010, S. 104 ff. Vgl. Reiche/Kroschewski, Akquisitionsfinanzierung, DStR 2007, S. 1333 f.; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 460 f.; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 132; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 82; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 219. Darüber hinaus möchten Kreft/Schmitt-Homann – unabhängig von einer Bewertungseinheit – bei engem wirtschaftlichem Zusammenhang von Grund- und Sicherungsgeschäft den kompensierenden Differenzausgleich aus dem Swap-Geschäft als „positiven Zinsaufwand“ bei der Zinssaldoermittlung berücksichtigen; vgl. dieselben, Zins-Swaps, BB 2009, S. 2408. Sicherungsbeziehungen mit Dritten fallen mangels Kapitalüberlassung nach den obigen Kriterien aus dem maßgeblichen Zinsverständnis heraus; vgl. Abschn. B.I.1.3.a, S. 120 (Fn. 159). Vgl. Rödder/Stangl, Zinsschranke, DB 2007, S. 480; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1507; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 157; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 81. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 27. Im Schrifttum wird das Vorgehen der Finanzverwaltung damit gerechtfertigt, dass von der Zinsschranke nur jene Zinswirkungen erfasst werden sollen, die im engen Zusammenhang mit der Kapitalüberlassung stehen; vgl. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 227.
126
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
(Schuldner) bzw. Aufzinsungsertrag (Gläubiger) als Zinsaufwand bzw. Zinsertrag i. S. der Zinsschranke.194 Die asymmetrische Behandlung des Abzinsungsertrags im Zeitpunkt der Erstbewertung und des Aufzinsungsaufwands im Zeitraum der Folgebewertung führt insgesamt zu einer Erfassung von fiktiven Zinsaufwendungen beim Schuldner, die nach überwiegender Auffassung im Schrifttum keine Stütze im Gesetzwortlaut findet.195 Die asymmetrische Behandlung des Abzinsungsaufwands und Aufzinsungsertrags beim Gläubiger scheint zwar ebenfalls nicht wortlautkonform zu sein, gleichwohl wäre sie aufgrund ihrer positiven Wirkung für den Steuerpflichtigen als Billigkeitsregelung anzuerkennen. e.
Auswirkungen von steuerlichen Korrekturvorschriften
i.
Unangemessen hohe Fremdkapitalvergütungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft
Die Finanzverwaltung hat im Zinsschrankenerlass klargestellt, dass unangemessen hohe Zinszahlungen der Tochtergesellschaft für die Überlassung von Fremdkapital eines Gesellschafters nicht als Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke zu werten sind, weil sie als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) in Höhe des unangemessenen Teils das Einkommen der Tochter nicht mindern (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG). Auf Ebene der Muttergesellschaft werden die Zinserträge in Höhe des unangemessenen Teils in steuerfreie Beteiligungserträge umqualifiziert, wenn die vGA auf Ebene der Tochter auch tatsächlich korrigiert wurde.196 Dementsprechend erfüllen die erhaltenen Zinserträge in Höhe der Umqualifizierung mangels effektiver Einkommenserhöhung nicht die Definition von Zinserträgen i. S. der Zinsschranke.197 Fraglich ist aber der umkehrte Fall, in dem die Gesellschaft ihrem Gesellschafter ein Darlehen überlässt, welches zu überhöhten Konditionen verzinst wird. In Höhe der nicht angemessenen Entgeltvereinbarung wendet der Gesellschafter der Gesellschaft einen einlage- bzw. bilanzierungsfähigen Vermögensvorteil zu, wodurch der Tatbestand einer verdeckten Einlage begründet wird (R 40 Abs. 1 KStR 2004). Die in der Steuerbilanz ausgewiesenen (überhöhten) Zinserträge sind außerbilanziell wieder zu korrigieren, weshalb die überhöhte Verzinsung keinen 194 195
196
197
Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 27 B1 u. B2. Vgl. Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 696; Geimer, Beratersicht, EStB 2008, S. 409; Goebel/Eilinghoff/Kim, Zinsschrankenerlass, DStZ 2008, S. 634; IDW, Erlassentwurf, IDW-FN 2008, S. 136 f.; Kaminski, Erlassentwurf, Stbg 2008, S. 200; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1507 (Fn. 18); Schultes-Schnitzlein/Miske, Anwendungsschreiben, NWB 2008, Fach 4, S. 5361; Ortmann-Babel/Bolik/Gageur, Gesellschafterdarlehen, BB 2009, S. 2416; Stadler/Bindl, Darlehn, DB 2010, S. 864; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 153; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 81; a. A. Möhlenbrock, Detailfragen, Ubg 2008, S. 4; Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1874. Die (partielle) Steuerfreistellung der vGA auf Ebene des Gesellschafters gilt nur dann, wenn die vGA das Einkommen der leistenden Gesellschaft nicht gemindert hat (§ 8b Abs. 1 S. 2, 4 KStG); vgl. auch Schnitger/Rometzki, Korrespondenzprinzip, BB 2008, S. 1648 ff. Bestätigt durch BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 18, worin zwar nicht explizit auf die Übervorteilung des Gesellschafters eingegangen wird, aber dennoch klar zum Ausdruck kommt, dass Zinserträge i. S. der Zinsschranke nur dann vorliegen, wenn das Einkommen erhöht wurde. Diese Auffassung ist im Schrifttum unstrittig; vgl. statt vieler Wehrheim/Haussmann, Darlehnsvergabe, StuW 2009, S. 272 f.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
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Einfluss auf den steuerpflichtigen Gewinn der Gesellschaft nimmt (§ 8 Abs. 3 S. 3 KStG, R 40 Abs. 2 KStR 2004). In der Steuerbilanz des Gesellschafters erhöht sich spiegelbildlich der Beteiligungsbuchwert an der darlehensempfangenen Gesellschaft im Umfang der unangemessenen Zinsaufwendungen. Die unangemessene Entgeltvereinbarung wirkt sich im Ergebnis somit nicht auf die steuerlichen Gewinne von Gesellschaft und Gesellschafter aus, weshalb im Schrifttum die Auffassung geteilt wird, dass ein unangemessen hoch verzinstes Upstream-Darlehen weder bei der Gesellschaft noch bei dem Gesellschafter zu Zinserträgen bzw. Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke führt.198 ii.
Unangemessen niedrige Fremdkapitalvergütungen zwischen Gesellschafter und Gesellschaft
Gewährt der Gesellschafter seiner ausländischen Gesellschaft ein im Verhältnis zu fremden Dritten unangemessen niedrig verzinstes Darlehen, vermeidet er einen im Inland steuerpflichtigen Einkommenszuwachs.199 Diese Minderung des inländischen Besteuerungssubstrats wird nach § 1 Abs. 1 AStG für die steuerliche Einkünfteermittlung wieder korrigiert, wenn die darlehensempfangende Gesellschaft als nahestehende Person des Gesellschafters zu qualifizieren ist. § 1 Abs. 1 AStG führt zu einer außerbilanziellen Erhöhung der gewerblichen Einkünfte des Gesellschafters, die sich jedoch nicht auf die Höhe der (steuerbilanziellen) Zinserträge auswirkt. Im Schrifttum ist nun streitig, ob die Korrektur nach § 1 AStG auch die Zinserträge i. S. der Zinsschranke erhöht. Da die Einkünfteerhöhung in unmittelbarem Zusammenhang mit der Kapitalforderung steht, sollte dies auch für den Umfang an Zinserträgen i. S. der Zinsschranke gelten.200 Auch in der umgekehrten Konstellation, also bei der Darlehensgewährung von der Tochter an den Gesellschafter (Upstream-Darlehen), bestehen Zweifelsfragen. In Höhe des Differenzbetrags zwischen marktüblicher und tatsächlich gezahlter Fremdkapitalvergütung erleidet die Gesellschaft einen wirtschaftlichen Nachteil, der als verhinderte Vermögensmehrung den Tatbestand einer vGA erfüllt. Die hiermit in Zusammenhang stehende Einkommenskorrektur wird außerbilanziell durchgeführt und hat sich dementsprechend nicht auf die steuerbilanziellen Zinserträge der Gesellschaft ausgewirkt.201 Dennoch wird im Schrifttum übereinstimmend die Auffassung vertreten, dass die vGA-Korrektur auch die Ermittlung der Zinserträge i. S. 198 199
200
201
Vgl. Wehrheim/Haussmann, Darlehnsvergabe, StuW 2009, S. 276 f.; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h Exkurs, Rz. 136; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 25a. Sofern der Gesellschafter einer inländischen Tochtergesellschaft ein Darlehen zu unangemessen niedrigen Konditionen überlässt, wird kein Korrekturtatbestand ausgelöst, weil die Niedrigverzinslichkeit keinen einlagefähigen Vermögensvorteil begründet; vgl. BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, S. 348. Vgl. Wendland, Cash Pooling, 2009, S. 131; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 260; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h Exkurs, Rz. 148; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 80; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 40; zweifelnd Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1507; a. A. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 147. Sofern es sich um eine ausländische Tochtergesellschaft handelt, ist die Korrektur von den jeweils im Ausland einschlägigen Korrekturvorschriften abhängig.
128
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
der Zinsschranke tangiert, da jene als Erträge aus Kapitalforderungen jeder Art definiert werden, die keinen Zahlungsfluss voraussetzen.202 Bezüglich der korrespondierenden Korrekturen beim Gesellschafter sind jedoch divergierende Meinungen zu verzeichnen. Entsprechend der Einkommenserhöhung bei der Gesellschaft werden beim Gesellschafter in Höhe der nicht gezahlten Zinsen nämlich fiktive Zinsaufwendungen angenommen, die dessen Einkommen mindern (sog. Vorteilsverbrauch).203 Umstritten ist, ob die fiktiven Zinsaufwendungen gleichfalls den Tatbestand von Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke erfüllen. So wird mehrheitlich der Standpunkt vertreten, dass die Korrektur aufgrund ihres unmittelbaren Zusammenhangs mit dem Kapitalüberlassungsverhältnis zu Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke führt, da auch die Zinsaufwandsdefinition keinen Zahlungsfluss voraussetze.204 Von anderer Seite wird jedoch eingewendet, dass durch die Figur des Vorteilsverbrauchs keine „Vergütungen“ fingiert würden, die zur Erfüllung der Zinsaufwandsdefinition der Zinsschranke aber gerade benötigt werden.205 iii.
Unangemessene Fremdkapitalvergütungen zwischen Schwestergesellschaften
Im Falle eines unangemessen niedrig verzinsten Darlehensverhältnisses zwischen zwei Konzerngesellschaften mit identischer Muttergesellschaft (sog. Dreiecksverhältnis) bestehen unterschiedliche Auffassungen darüber, ob der Vorteilsverbrauch auf Ebene der Muttergesellschaft als zinsschrankenrelevanter Zinsaufwand zu qualifizieren ist. Entsprechend der im Vorabschnitt dargestellten Überlegungen erhöht die vGA-Korrektur nach überwiegender Auffassung den Zinsertrag der darlehensgewährenden (benachteiligten) Tochtergesellschaft.206 Allerdings wird im Schrifttum mehrheitlich keine korrespondierende Erhöhung der Zinsaufwendungen der Muttergesellschaft i. H. des Vorteilsverbrauchs gefordert. Da die Einkommenskorrektur bei der Muttergesellschaft nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit einer Fremdkapitalüberlassung steht, begründe der Vorteilsverbrauch – der BFH-Rechtsprechung folgend –203 vielmehr einen beteiligungsähnlichen Aufwand und nicht etwa einen fiktiven Zinsaufwand. Nach herrschender Meinung liegt ein zinsschrankenrelevanter Zinsaufwand in diesem Fall nicht vor.207 Diese asymmetrische Anwendung der Korrekturvor202
203
204
205 206 207
Vgl. Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 202 f.; Kellersmann/Pannewig, Darlehn, Ubg 2009, S. 859 f.; Wehrheim/Haussmann, Darlehnsvergabe, StuW 2009, S. 273; Wendland, Cash Pooling, 2009, S. 131; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 147; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 130; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 40. Vgl. BFH v. 26.10.1987, GrS 2/86, BStBl. II 1988, S. 348 (357). Darüber hinaus wird dem Gesellschafter in Höhe der nicht gezahlten Zinsen ein Beteiligungsertrag i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG zugewiesen, der aber (partiell) steuerfrei ist, wenn auf Ebene der Gesellschaft tatsächlich eine Einkommenskorrektur vorgenommen wurde (§ 8b Abs. 1 S. 1 ff. KStG). Vgl. Pung, Zweifelsfragen, Ubg 2008, S. 256; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 202 f.; Wehrheim/Haussmann, Darlehnsvergabe, StuW 2009, S. 274; Wendland, Cash Pooling, 2009, S. 132; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 25. Vgl. Dörfler/Adrian, Korrespondenzprinzip, Ubg 2008, S. 379; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 235; im Ergebnis ebenso Becker/Kempf/Schwarz, Korrespondenzprinzip, DB 2008, S. 374. Vgl. Fn. 202; a. A. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 195j. Vgl. Pung, Zweifelsfragen, Ubg 2008, S. 257; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 204; Wendland, Cash Pooling,
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
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schriften wird von der Mindermeinung abgelehnt, weil sie unsachgemäße Gestaltungshandlungen stimuliere.208 Wenn Darlehensbeziehungen zwischen Schwestergesellschaften zu unangemessen hohen Konditionen verzinst werden, liegt bei der Muttergesellschaft kein Vorteilsverbrauch vor, weshalb sich die Diskussion über einen fiktiven zinsschrankenrelevanten Zinsaufwand erübrigt. Dieser Fall ist unterschiedslos zu Darlehensbeziehungen in unmittelbaren Beteiligungsstrukturen zu behandeln. Während der gesellschaftsrechtlich veranlasste Vermögensvorteil der darlehensgewährenden Schwestergesellschaft als verdeckte Einlage zu qualifizieren und außerbilanziell zu neutralisieren ist, begründet der Vermögensnachteil der darlehensempfangenden Schwestergesellschaft eine außerbilanzielle Einkommenserhöhung nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG, sodass insoweit weder Zinserträge noch Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke angenommen werden können.209 f.
Sondervergütungen für Fremdkapitalüberlassungen ausländischer Mitunternehmer
Anlässlich der BFH-Rechtsprechung210 zur Behandlung von Sondervergütungen an beschränkt steuerpflichtige Mitunternehmer, die in einem DBA-Staat ansässig sind (InboundFall), sehen mehrere Autoren – trotz § 50d Abs. 10 EStG – ein steuerplanerisches Potenzial zur Vermeidung der Zinsschranke.211 Denn anders als bei Mitunternehmern, die im Inland oder in einem Staat ansässig sind, mit dem Deutschland kein DBA abgeschlossen hat, sind nach Auffassung des BFH Sondervergütungen von Mitunternehmern (z. B. für ein Gesellschafterdarlehen), die in einem DBA-Staat ansässig sind, von der inländischen Besteuerungshoheit grundsätzlich ausgenommen.212 Sofern sich das Gesellschafterdarlehen nicht in tatsächlich-funktionaler Hinsicht dem Betriebsvermögen der inländischen Personengesellschaft zurechnen lässt, sind die hierfür aufgewendeten Sondervergütungen bzw. Zinsen nicht der Besteuerungshoheit des Belegenheitsstaats der Personengesellschaft, sondern vielmehr derje-
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2009, S. 132 f.; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 195i; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 75. Vgl. Wehrheim/Haussmann, Darlehnsvergabe, StuW 2009, S. 275. Nach Auffassung von Pung ist die Berücksichtigung eines Vorteilsverbrauchs bei der Mutter nicht gerechtfertigt, wenn sich mangels ausländischer Korrekturvorschriften tatsächlich keine Mehrfachbelastung (im Konzern) einstellt; vgl. dieselbe, Zweifelsfragen, Ubg 2008, S. 257. Vgl. Abschn. B.I.3.e.i, S. 126. Vgl. BFH v. 17.10.2007, I R 5/06, BStBl. II 2009, S. 356. Die BFH-Rechtsprechung hinsichtlich Sondervergütungen im In- und Outbound-Fall gegenüberstellend Boller/Sliwka/Schmidt, Sondervergütungen, DB 2008, S. 1003 ff. Die in Fn. 210 zitierte BFH-Rechtsprechung und die potenzielle Vermeidung der Zinsschranke über ausländische Mitunternehmerdarlehen war ursächlich für die Einführung von § 50d Abs. 10 EStG im Rahmen des JStG 2009; vgl. BR-Drs. 545/08 (B), S. 3; BT-Drs. 16/10494, S. 1 u. 38. Zwar zählen die Gesellschafterzinsen gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb, jedoch hat hierfür aufgrund der regelmäßigen abkommensrechtlichen Qualifikation als Zinseinkünfte (Art. 11 OECD-MA) der Ansässigkeitsstaat des Mitunternehmers das Besteuerungsrecht, weshalb sie von der beschränkten Steuerpflicht im Inland auszunehmen sind; vgl. bspw. Piltz, in: Mössner et al., Steuerrecht, Rz. F 64.
130
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
nigen des Ansässigkeitsstaat des Mitunternehmers zuzuordnen.213 Nach Auffassung des BFH und nach herrschender Literaturmeinung kann das inländische Besteuerungsrecht an den Sondervergütungen auch nicht über § 50d Abs. 10 EStG gesichert werden, da der Wortlaut dieser Vorschrift aufgrund von gesetzestechnischen Schwächen nicht dazu in der Lage sei, eine Zuordnung des Gesellschafterdarlehenes zum Betriebsvermögen der Personengesellschaft herbeizuführen.214 Ferner wird vertreten, dass die Sondervergütungen unabhängig von ihrer abkommensrechtlichen Qualifikation nicht den maßgeblichen Gewinn i. S. des § 4h Abs. 3 EStG mindern, da dieser allein nach nationalen Gewinnermittlungsvorschriften zu ermitteln sei, und hiernach die Sondervergütungen gem. § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG dem Gewinn der Mitunternehmerschaft auf der zweiten Stufe der steuerlichen Gewinnermittlung wieder hinzuzurechnen sind. Die abkommensrechtlichen Vorgaben werden nach dieser Auffassung somit nicht bereits im Rahmen der inländischen Gewinnermittlung berücksichtigt. Vielmehr seien die Sondervergütungen erst in einem der Einkünfteermittlung nachgelagerten Schritt aus den im Inland beschränkt steuerpflichtigen, gewerblichen Einkünften herauszurechnen.215 Diese Rechtsbeurteilung würde zu dem Ergebnis führen, dass die Sondervergütungen bzw. Gesellschafterzinsen ungehindert den Grundtatbestand der Zinsschranke passieren, obwohl sie die beschränkt steuerpflichtigen Inlandseinkünfte des ausländischen Mitunternehmers gemindert haben. Wenn man demgegenüber die Auffassung vertritt, dass die abkommensrechtlichen Vorgaben bereits auf der zweiten Stufe der steuerlichen Gewinnermittlung zu berücksichtigen sind,216 hätten die Sondervergütungen den maßgeblichen Gewinn i. S. des § 4h Abs. 3 EStG gemindert, weil die Hinzurechnung der Sondervergütungen nach dem nationalen Mitunternehmerkonzept (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) durch die bilateral vereinbarte Einkünftefreistellung im Ergebnis wieder rückgängig gemacht würde. Nach dieser Auffassung wären die Zinszahlun213
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Andernfalls könnte über den sog. Betriebsstättenvorbehalt gem. Art. 11 Abs. 4 OECD-MA das Besteuerungsrecht wieder an Deutschland zurückfallen; vgl. BFH v. 17.10.2007, I R 5/06, BStBl. I 2009, S. 356 (358); Piltz, in: Mössner et al., Steuerrecht, Rz. F 28; Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 7.15 m. w. N. Vgl. BFH v. 08.09.2010, I R 74/09, DStR 2010, S. 2450 (zu Lizenzgebühren); Beinert/Benecke, Änderungen, Ubg 2009, S. 174; Boller/Eilinghoff/Schmidt, Tiger, IStR 2009, S. 113 f.; Günkel/Lieber, Auslegungsfragen, Ubg 2009, S. 304 f.; Hils, Sondervergütungen, DStR 2009, S. 891; Lange, Sondervergütungen, GmbH-StB 2009, S. 133 f.; Lohbeck/Wagner, Sondervergütungen, DB 2009, S. 425; Meretzki, Probleme, IStR 2009, S. 220; Salzmann, Blindgänger, IWB 2009, Fach 3, Gruppe 3, S. 1551; Kramer, Darlehn, IStR 2010, S. 241; a. A. BMF v. 16.04.2010, BStBl. I 2010, S. 354, Rz. 5.1; Frotscher, Override, IStR 2009, S. 594 f; Mitschke, Streitpunkt, DB 2010, S. 303 f.; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 73. Auch das FG München hatte in der Vorinstanz zu dem zitierten BFH-Urteil § 50d Abs. 10 EStG noch für materiell wirksam erklärt; vgl. FG München v. 30.07.2009, 1 K 1816/09, EFG 2009, S. 1954. I. d. S. Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1508; Salzmann, Inbound-Finanzierung, IStR 2008, S. 400; Schmidt, Anmerkung, IStR 2008, S. 291; Schnitger/Bildstein, Betriebsstättenbesteuerung, Ubg 2008, S. 450; Schaden/Franz, Steuerplanung, Ubg 2008, S. 458; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2343; Lohbeck/Wagner, Sondervergütungen, DB 2009, S. 426; Goebel/Eilinghoff/ Busenius, Prüfungsmarathon, DStZ 2010, S. 748 f. Dies würde eine Freistellung allein im Feststellungswege bedeuten. Vgl. Andresen, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, Rz. 2.11.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
131
gen aufgrund der Gewinnwirkung vom Anwendungsbereich der Zinsschranke erfasst, sodass in der dargestellten Sachverhaltsstrukturierung kein steuergestalterisches Potenzial mehr bestünde.217 Dieser Ansicht scheint auch die Finanzverwaltung zu folgen. Sie nimmt nämlich ausdrücklich nur Mitunternehmerzinsen vom Zinsbegriff der Zinsschranke aus, die im Inland steuerpflichtig sind.218 Aufgrund dieser Wortwahl liegt der Umkehrschluss nahe, dass sie Zinszahlungen an beschränkt steuerpflichtige (ausländische) Mitunternehmer unter den Zinsbegriff der Zinsschranke subsumieren möchte. Sollte die Finanzverwaltung allerdings an ihrer Auffassung festhalten, dass § 50d Abs. 10 EStG – ungeachtet der Auslegung des DBA –219 einen inländischen Besteuerungsanspruch von Zinszahlungen an ausländische Mitunternehmer begründet,220 würde der Gewinn der Mitunternehmerschaft nicht gemindert, weshalb die Zinsschranke – unterschiedslos zu vergleichbaren Inlandssachverhalten – nicht ausgelöst werden könnte. g.
Saldierung vs. Eliminierung von organkreisinternen Fremdfinanzierungen
Sofern sich Gesellschaften des Organkreises untereinander fremdfinanzieren, besteht im Schrifttum ein Dissens darüber, ob die nach § 15 Nr. 3 KStG gegenüberzustellenden Zinsaufwendungen und Zinserträge zu saldieren oder zu eliminieren sind.221 Zwar sollten beide Auffassungen im Regelfall zum selben Ergebnis kommen, wenn die Zinsaufwendungen beim Schuldner mit den Zinserträgen beim Gläubiger korrespondieren. Allerdings sind auch Fallkonstellationen denkbar, in denen die jeweiligen Erfolgspositionen in zeitlicher und/oder betragsmäßiger Hinsicht auseinanderfallen.222 Das Ergebnis der Saldierung erhält man über die Anwendung der Zinsschranken-Bruttomethode gem. § 15 Nr. 3 S. 3 KStG, wo es heißt, dass Zinserträge und Zinsaufwendungen der Organgesellschaften beim Organträger (für Zwecke des § 4h Abs. 1 EStG) zu berücksichtigen sind.223 Das andere Ergebnis der Eliminierung erhält man über die Auslegung der Betriebsfiktion gem. § 15 Nr. 3 S. 2 KStG, wonach 217
218 219
220 221 222 223
I. d. S. Becker/Hölscher, Kommentar, RIW 2008, S. 330; Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1874; Strunk/Kaminski, Sondervergütungen, Stbg 2008, S. 293; Möhlenbrock, in: Wassermeyer/Richter/ Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 18.45; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 138; Möhlenbrock/ Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a, Rz. 57. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 19. § 50d Abs. 10 EStG wird in der Literatur vielfach als sog. Treaty Override eingestuft, vgl. Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, JStG 2009, BB 2009, S. 584; Frotscher, Override, IStR 2009, S. 597; Günkel/Lieber, Auslegungsfragen, Ubg 2009, S. 306; Hils, Sondervergütungen, DStR 2009, S. 892; a. A. Bericht des Finanzausschusses, BT-Drs. 16/11108, S. 29; Boller/Eilinghoff/Schmidt, Tiger, IStR 2009, S. 111 f.; Korn, Grenzen, IStR 2009, S. 642 f.; Mitschke, Streitpunkt, DB 2010, S. 305. Vgl. BMF v. 16.04.2010, BStBl. I 2010, S. 354, Rz. 5.1. Die Regierungsbegründung fordert ausdrücklich eine Saldierung; vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 77. Zu Anwendungsfällen, in denen die Saldierung gegenüber der Eliminierung materiell belastend wirkt, vgl. Schaden/Käshammer, in: Ernst & Young/BDI, Unternehmensteuerreform, S. 151, Rz. 190. Dieser Auslegung folgen Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2391; Schaden/Käshammer, in: Ernst & Young/BDI, Unternehmensteuerreform, S. 150, Rz. 189; Kußmaul et al., Anwendungsprobleme, BB 2008, S. 138; Dötsch/Witt, in: Dötsch et al., KSt, § 15 KStG, Rz. 50; Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 63; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 54; Walter, in: Ernst & Young, KStG, § 15, Rz. 64.
132
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Organträger und Organgesellschaften als ein Betrieb anzusehen sind.224 Da schuldrechtliche Beziehungen innerhalb eines fiktiven Betriebs nicht bestehen können, sind hierfür real aufgewendete Entgelte unabhängig von ihrer Höhe auch nicht im Rahmen des Grundtatbestands der Zinsschranke zu erfassen. Die aufgeworfene Zweifelsfrage offenbart eine Konkurrenz zwischen Betriebsfiktion und Zinsschranken-Bruttomethode, die nach Auffassung des Gesetzgebers221 zugunsten der Zinsschranken-Bruttomethode bzw. der Saldierung gelöst werden muss. Diese Auffassung ist sachgerecht, weil es im Rahmen der organkreisweiten Zinssaldoermittlung – anders als im Falle der Abschreibungen –225 an einer planwidrigen Gesetzeslücke fehlt. Der ZinsschrankenBruttomethode kommt offenkundig die Aufgabe zu, den Grundtatbestand der Zinsschranke bei Organschaft zu praktizieren, das in Bezug auf die Zinsaufwendungen und Zinserträge auch gelingt. Damit ist es nicht erforderlich, die Betriebsfiktion als Auslegungshilfe zu beanspruchen, deren Hauptzweck vielmehr in der einheitlichen Anwendung der Ausnahmetatbestände auf den Organkreis besteht.226 4.
Zinsvortrag
a.
Auf- und Abbau
i.
Gesellschafts- vs. gesellschafterbezogene Rechtsfolgen der Zinsschranke bei Mitunternehmerschaften
Während man sich im Schrifttum über die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 4h Abs. 1 EStG bei Mitunternehmerschaften noch einig ist,227 bestehen unterschiedliche Ansichten über die Rechtsfolgen bzw. die Verteilung von nicht abziehbaren Zinsen auf die Mitunternehmer. Es wird intensiv darüber diskutiert, ob die nicht abziehbaren Zinsen dem Transparenzprinzip folgend und ihrer Verursachung entsprechend eine gesellschafterbezogene oder der Betriebsbezogenheit der Zinsschranke folgend eine gesellschaftsbezogene Behandlung erfahren sollen.228 Ferner besteht Rechtsunsicherheit hinsichtlich des Verteilungsschlüssels von nicht abziehbaren Zinsen, die aus dem Gesamthandsvermögen der Mitunternehmerschaft stammen. Sofern man von Veränderungen im Gesellschafterbestand und der Ergebnisteilhabe 224
225 226 227 228
Dieser Auslegung folgen Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 15 KStG, Rz. 8; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 121; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 15 KStG, Rz. 49; Herlinghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 KStG, Rz. 72; Neumann, in: Gosch, KStG, § 15, Rz. 36. Vgl. die Diskussion in Abschn. A.I.2.e., S. 117. Zum Verhältnis von Zinsschranken-Bruttomethode und Betriebsfiktion vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2387 f. Vgl. Abschn. B.2.a, S. 109 (Fn. 97). Zu einer Gegenüberstellung der unterschiedlichen Denkansätze vgl. Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 98; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2343. Teilweise wird auch vertreten, dass die Verteilung der nicht abziehbaren Zinsen und des Zinsvortrags vorrangig nach dem Gesellschaftsvertrag vorzunehmen sei; vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 54; IDW, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 53.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
133
abstrahiert,229 gelten die Ausführungen mit umgekehrtem Vorzeichen auch für den Abbau des Zinsvortrags. (I)
Zinsaufwendungen im Sonderbetriebsvermögen
Die eingangs gestellte Frage erlangt besondere Relevanz für Sonderbetriebszinsen eines Mitunternehmers, die den Gewinn der Mitunternehmerschaft gemindert haben.230 Sofern die vom Mitunternehmer verursachten Zinsaufwendungen die Zinsschranke auslösen, würden nach einer gesellschaftsbezogenen Sichtweise die übrigen Mitunternehmer an den nicht abziehbaren Zinsaufwendungen und an der etwaigen Steuermehrbelastung beteiligt. Hingegen würden nach Maßgabe einer gesellschafterbezogenen Betrachtungsweise die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen dem jeweiligen Verursacher zugewiesen. Diese Vorgehensweise trägt dem Umstand Rechnung, dass es sich bei der Finanzierung des Sonderbetriebsvermögens um eine individuelle Entscheidung des Mitunternehmers handelt. Um fremdbestimmte Steuerwirkungen für die übrigen Mitunternehmer bereits im Wege der steuerlichen Gewinnermittlung auszuschließen,231 wurden verschiedene gesellschafterbezogene Ermittlungsmethoden vorgestellt, die eine verursachungsgerechte Verteilung der nicht abziehbaren Zinsen bzw. des Zinsvortrags ermöglichen würden.232 Die Finanzverwaltung hat sich jedoch keiner dieser Vorschläge angeschlossen.233 Auch eine beträchtliche Anzahl von Literaturstimmen lehnt – entgegen der herrschenden Meinung – eine verursachungsgerechte Verteilung der nicht abziehbaren Zinsen ab. Insbesondere aus der betriebsbezogenen Ausgestaltung der Zinsschranke wird abgeleitet,234 dass die nicht abziehbaren Zinsen unabhängig von ihrer Verursachung auf die Mitunternehmer nach Maßgabe des Gewinnverteilungsschlüssels zu verteilen seien.235 229 230
231 232
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235
Zum Untergang des Zinsvortrags einer Mitunternehmerschaft vgl. Abschn. B.I.4.b.i, S. 140 ff. Darunter fallen Zinsen für die Finanzierung von Sonderbetriebsvermögen (negatives SBV I) und die Refinanzierung des Mitunternehmeranteils (SBV II). Da jene den Gewinn der Mitunternehmerschaft mindern, sind sie – im Unterschied zu Sondervergütungen für Gesellschafterdarlehen – als Zinsen i. S. der Zinsschranke zu begreifen; vgl. bspw. Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1508 m. w. N. Zu einer blumigen Darstellung der fremdbestimmten Steuerwirkung vgl. nur Hoffmann, Zinsschrankenerlass, GmbHR 2008, S. 928. Vgl. die im Detail variierenden Vorschläge von Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 123 ff.; Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 115 f.; Kußmaul/Ruiner/ Schappe, Personengesellschaften, DStR 2008, S. 906 ff.; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 40 f. In einem ersten Erlassentwurf zur Zinsschranke wurde hingegen eine verursachungsgerechte Verteilung der nicht abziehbaren Zinsen angekündigt; vgl. hierzu Hallerbach, Anwendungsschreiben – Teil I, StuB 2008, S. 598 f. Zu weiteren Rechtfertigungsgründen, die für eine gesellschaftsbezogene Rechtsfolge der Zinsschranke angeführt werden, vgl. Kußmaul/Ruiner/Schappe, Personengesellschaften, DStR 2008, S. 905; van Lishaut/ Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2343; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 316 f. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 51. Gl. A. Middendorf/Stegemann, Funktionsweise, INF 2007, S. 307; Köhler, in: Ernst & Young/BDI, Unternehmensteuerreform, S. 113, Rz. 51; Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2318 f.; Schnitter, Einführung, sj 2007, S. 35; Suchanek, Verlustvernichtung, Ubg 2009, S. 181; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 167; Hick, in: Herrmann/
134
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Die Auffassung der Finanzverwaltung und der Mindermeinung kann jedoch insbesondere vor dem Hintergrund der BFH-Rechtsprechung zu § 4 Abs. 4a EStG in starke Zweifel gezogen werden.236 Denn in Bezug auf die Nichtabziehbarkeit von Zinsen im Zusammenhang mit sog. Überentnahmen hat der BFH ebenfalls eine gesellschafterbezogene Betrachtungsweise für sachgerecht erachtet.237 Diese Entscheidung des BFH steht der ehemals von der Finanzverwaltung vertretenen gesellschaftsbezogenen Auslegung von § 4 Abs. 4a EStG diametral gegenüber.238 Der BFH stellt bei der Berechnung des Schuldzinsenüberhangs nach § 4 Abs. 4a EStG ausdrücklich auf die individuellen Merkmale des Mitunternehmers ab, sodass Sonderbetriebsausgaben in Zusammenhang mit negativem Sonderbetriebsvermögen allein den Hinzurechnungsbetrag (nach § 4 Abs. 4a EStG) desjenigen Mitunternehmers belasten, der die Sonderbetriebsausgaben verursacht hat. In diesen Entscheidungsgrundsätzen sind deutliche Anzeichen zu sehen, dass der BFH auch bei der Verteilung von nicht abziehbaren Zinsen i. S. der Zinsschranke nicht einer gesellschaftsbezogenen Auffassung folgen wird. Vielmehr ist mit Heuermann und als Lehre aus der BFH-Rechtsprechung zu § 4 Abs. 4a EStG davon auszugehen, dass zwar der Umfang an nicht abziehbaren Zinsen gesellschaftsbezogen zu ermitteln ist, jene aber entsprechend ihrer Verursachung gesellschafterbezogen zu verteilen sind.239 (II) Zinsaufwendungen im Gesamthandsvermögen Sofern eine gesellschafterbezogene Betrachtungsweise favorisiert wird, ist die Folgefrage zu klären, ob vorrangig Zinsen aus dem Gesamthandsvermögen oder vorrangig aus dem Sonder-
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Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 29; Hottmann, in: Zimmermann et al., Personengesellschaft, Abschn. B, Rz. 286; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 58; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 63; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 42 f. Die gesellschaftsbezogenen Rechtsfolgen ablehnend und für eine verursachungsgerechte Verteilung der nicht abziehbaren Zinsaufwendungen plädierend: Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 127; Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1812; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1050; Geimer, Beratersicht, EStB 2008, S. 411; Goebel/Eilinghoff/Kim, Zinsschrankenerlass, DStZ 2008, S. 636 f.; Hallerbach, Anwendungsschreiben – Teil I, StuB 2008, S. 599; Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 115; Hölzer/Nießner, BMF-Schreiben, FR 2008, S. 848; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15879 f.; Kußmaul/Ruiner/Schappe, Personengesellschaften, DStR 2008, S. 906; Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 123 ff.; Schultes-Schnitzlein/Miske, Anwendungsschreiben, NWB 2008, Fach 4, S. 5363; Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1000 f.; Schwedhelm/Finke, Beratungspraxis, GmbHR 2009, S. 283; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 248 f.; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 52; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 40; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4h, Rz. 10. Zu weiteren Rechtfertigungsgründen, die für eine gesellschafterbezogene Verteilung sprechen, vgl. Hölzer/Nießner, BMF-Schreiben, FR 2008, S. 848. Die Schuldzinsenhinzurechnung nach § 4 Abs. 4a EStG ist gesellschafterbezogen zu bestimmen, jedoch wird der Mindestabzug nur einmal (gesellschaftsbezogen) gewährt und ist entsprechend der Schuldzinsenanteile der einzelnen Mitunternehmer aufzuteilen; vgl. BFH v. 29.03.2007, IV R 72/02, BStBl. I 2008, S. 420 (423 f.). Die Finanzverwaltung hat ihre im BMF-Schreiben v. 17.11.2005 (BStBl. I 2005, S. 1019) vertretene gesellschaftsbezogene Auslegung in Bezug auf die Ermittlung des Überentnahmebetrags aufgrund des zitierten BFH-Urteils (Fn. 237) aufgegeben; vgl. nunmehr BMF v. 07.05.2008, BStBl. I 2008, S. 588; BMF v. 04.11.2008, BStBl. I 2008, S. 957. Vgl. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 40 f.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
135
betriebsvermögen abziehbar sind. In puncto Verrechnungsreihenfolge dominiert die Auffassung, dass vorrangig Zinsen aus dem Gesamthandsvermögen abzuziehen sind.240 Eine weitere Rechtsunsicherheit besteht bei der Wahl des richtigen Verteilungsschlüssels von nicht abziehbaren Zinsaufwendungen, die auf Fremdkapitalverbindlichkeiten des Gesamthandsvermögens zurückzuführen sind. Die Finanzverwaltung stellt auf den allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel – also auf einen zivilrechtlichen Aufteilungsmaßstab – ab.241 Da der steuerliche Gewinn der Mitunternehmerschaft jedoch unter Berücksichtigung von Ergänzungs- sowie Sonderbilanzen zu ermitteln ist und ferner Leistungsbeziehungen zwischen Gesellschaft und Gesellschafter steuerlich irrelevant sind, weicht der dem Mitunternehmer zugewiesene steuerpflichtige Gewinnanteil regelmäßig von demjenigen ab, der ihm auf gesellschaftsvertraglicher Ebene zugewiesen wird.242 Aufgrund des Auseinanderfallens von steuerlichem und zivilrechtlichem Gewinnanteil ist der allgemeine Gewinnverteilungsschlüssel regelmäßig kein adäquater Verteilungsmaßstab für die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen. Denn die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen beziehen sich auf den steuerlichen Gewinn der Mitunternehmerschaft, weshalb auch ein Verteilungsschlüssel verwendet werden sollte, der den Anteil des Mitunternehmers am steuerlichen Gewinn widerspiegelt und nicht etwa denjenigen am handelsrechtlichen Gewinn der Personengesellschaft.243 In Anlehnung an die BFH-Rechtsprechung zu § 4 Abs. 4a EStG sollten für Zwecke einer sachgerechten Verteilung der nicht abziehbaren Zinsen des Gesamthandsvermögens sämtliche den steuerlichen Gewinnanteil des Mitunternehmers determinierenden Elemente (Anteil am Gesellschaftsgewinn einschließlich des Ergebnisses aus der Ergänzungs- und Sonderbilanz sowie Korrekturen wegen Einlagen und Entnahmen in das Gesamthands- und Sonderbetriebsvermögen) einbezogen werden.244 (III) Feststellung des Zinsvortrags Auch die Feststellungsmodalitäten gem. § 4h Abs. 4 EStG variieren in Abhängigkeit von den dargestellten Betrachtungsweisen. Es gilt der Grundsatz, dass für die Mitunternehmerschaft zahlenmäßig nur ein Zinsvortrag der Höhe nach festzustellen ist.245 Gleichwohl erscheint es bei einer gesellschafterbezogenen Sichtweise nur konsequent, in den Feststellungsbescheid 240
241 242 243 244 245
Hierdurch wird sichergestellt, dass Mitunternehmer, die keine Sonderbetriebszinsen aufweisen, nur dann an nicht abziehbaren Zinsen partizipieren, wenn bereits die Zinsaufwendungen aus dem Gesamthandsvermögen der Zinsschranke unterlegen haben; vgl. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 41; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 127. Hierzu krit. Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 250 f. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 51. Zu den Grundlagen der zivilrechtlichen Gewinn- und Verlustbeteiligung von Gesellschaftern einer Personengesellschaft vgl. Zimmermann, in: Zimmermann et al., Personengesellschaft, Abschn. A, Rz. 38 ff. Zur Notwendigkeit einer Modifizierung des Gewinnverteilungsschlüssels und Beispielrechnungen vgl. Kußmaul/Ruiner/Schappe, Personengesellschaften, DStR 2008, S. 905 ff. Vgl. BFH v. 29.03.2007, IV R 72/02, BStBl. II 2008, S. 420 (424). Hierfür spricht auch die Regierungsbegründung vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 50.
136
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
nicht nur die Höhe des Zinsvortrags, sondern auch die Verteilung der nicht abziehbaren Zinsen auf die jeweiligen Mitunternehmer aufzunehmen, damit ebenfalls der Abbau des Zinsvortrags verursachungsgerecht vorgenommen werden kann. Andernfalls würde diese Rechtsauslegung ihre Wirkung in intertemporaler Hinsicht verfehlen.246 Wird hingegen eine gesellschaftsbezogene Anwendung der Zinsschranke bevorzugt, besteht keine Notwendigkeit, in den Feststellungsbescheid Auskünfte über die Verursachung der nicht abziehbaren Zinsen aufzunehmen. Die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen gehen nach dieser Betrachtungsweise ununterscheidbar im Zinsvortrag der Mitunternehmerschaft auf.247 ii.
Verhältnis des Zinsvortrags zu den Ausnahmetatbeständen
Es wird in der Literatur darüber diskutiert, ob der Zinsvortrag auch im Rahmen der Ausnahmetatbestände (insbesondere bei der Freigrenze) zu berücksichtigen ist, oder ob hierbei nicht doch vielmehr nur auf die (tatsächlichen) Zinsaufwendungen, die den maßgeblichen Gewinn gemindert haben, abzustellen ist.248 So wäre es für den Steuerpflichtigen regelmäßig von Vorteil, den Zinsvortrag bei der Freigrenze außer Acht zu lassen, im Rahmen des Standalone- oder Equity-Escape jedoch vollständig als abzugsfähige Zinsaufwendungen zu berücksichtigen. Aber auch der letztgenannte Fall könnte negativ für den Steuerpflichtigen ausfallen, wenn hierdurch ein Verlustvortrag aufgebaut wird, der aufgrund der Mindestbesteuerung einer vergleichsweise langsameren Nutzung zugänglich ist. Eine abweichende Behandlung des Zinsvortrags für Zwecke der Freigrenze und der übrigen Ausnahmen erscheint aus gesetzeskonzeptioneller Sicht jedoch nicht möglich zu sein.249 Denn der Zinsvortrag wird gem. § 4h Abs. 1 S. 6 EStG – allein im Rahmen der Zinsschranke – als laufender Zinsaufwand der Folgeperiode qualifiziert. Dergestalt liegen im Gesetzeswortlaut überzeugende Argumente begründet, dass der Zinsvortrag bei Anwendung eines Ausnahmetatbestands zu berücksichtigen ist, weil § 4h Abs. 2 S. 1 EStG explizit und ausschließlich die Anwendung von § 4h Abs. 1 S. 1 EStG suspendiert und nicht etwa auch die Mobilisierung des Zinsvortrags gem. § 4h Abs. 1 S. 6 EStG.250 Dieser Gesetzesauslegung scheint auch die Finanzverwaltung zu 246
247 248
249 250
Vgl. Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1050; Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 125; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 98; Hoffmann, in: Littmann/ Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 236; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 169. Zu weiteren verfahrensrechtlichen Besonderheiten beim Zinsvortrag vgl. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 172 ff. Zu Beginn der Diskussionen über die Zinsschranke wurde es auch für möglich erachtet, dass der Zinsvortrag bei Inanspruchnahme eines Ausnahmetatbestands nur maximal bis zur Höhe des verrechenbaren EBITDA genutzt werden könne; vgl. die Nachweise bei Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 463 (Fn. 110); Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 134. Zweifelnd Kaminski, Erlassentwurf, Stbg 2008, S. 201; Prinz, Mittelstandsfinanzierung, FR 2008, S. 442. Vgl. Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 598; Grotherr, Funktionsweise, IWB 2007, Gruppe 3, Fach 3, S. 1504; Rödder/Stangl, Zinsschranke, DB 2007, S. 482; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1047; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 214; Möhlenbrock, Detailfragen, Ubg 2008, S. 5; Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 50; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 227; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 61; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 60; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 52; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 152; Korn, in: Korn, EStG, § 4h,
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
137
folgen, da sie den Zinsvortrag in die Überprüfung der Freigrenze explizit einbezieht, ohne dies für die übrigen Ausnahmetatbestände auszuschließen.251 Teilweise wird jedoch die Ansicht vertreten, dass der Zinsvortrag nur im Rahmen des Grundtatbestands als Zinsaufwand fingiert wird, nicht aber innerhalb der Ausnahmetatbestände als Zinsaufwand i. S. des § 4h Abs. 3 EStG zu qualifizieren sei.252 In Bezug auf die Freigrenze findet diese Auffassung im Ergebnis viele Anhänger, die die oben beschriebene Gesetzesfolge mit dem wirtschaftlichen Argument ablehnen, dass ein einmal angefallener Zinsaufwand die Inanspruchnahme der Freigrenze dauerhaft ausschließen könnte, obwohl das Unternehmen seinen (tatsächlichen) Zinsaufwand erheblich reduziert hat.253 Nach dieser Ansicht stellt sich jedoch noch die Folgefrage, in welchem Umfang der Zinsvortrag bei Unterschreiten der Freigrenze bzw. der übrigen Ausnahmen genutzt werden dürfte.254 Die von der Mindermeinung vertretene Ansicht, dass der Zinsvortrag die Anwendung der Freigrenze nicht torpedieren dürfe, scheint zwar vor dem Hintergrund des Sinn und Zwecks der Freigrenze gerechtfertigt zu sein, ist jedoch aus gesetzessystematischer Sicht abzulehnen. iii.
Auslegungsfragen bei Organschaft
Es ist unbestritten, dass in organschaftlicher Zeit ein Zinsvortrag nur auf Ebene des Organträgers entstehen kann, und zwar auch, insoweit die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen auf Organgesellschaften entfallen.255 Es bestehen ebenfalls keine Zweifel daran, dass der Organträger seinen Zinsvortrag, der aus vororganschaftlicher Zeit stammt, mit EBITDA und Zinserträgen, die ihm die Organgesellschaften vermitteln, verrechnen kann.256 Allerdings bestehen unterschiedliche Auffassungen über die Verrechenbarkeit von vororganschaftlichen Zinsvorträgen einer Organgesellschaft. Während die herrschende Meinung die Nutzung aufgrund des Ausschlusses der Organgesellschaft vom Anwendungsbereich des § 4h EStG (§ 15 Nr. 3 S. 1 KStG) verneint,257 wird von der Mindermeinung das Argument vorge-
251 252 253 254 255 256 257
Rz. 52; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4h, Rz. 13; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 73; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 22; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 62; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 60. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 46. Vgl. Förster, in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 70; Neumann, Zinsschranke, EStB 2007, S. 293; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 35. Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 133 f.; Hartmann, Mittelstand, Ubg 2008, S. 278; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15867. Vgl. hierzu Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 134; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1512. Vgl. statt aller Herlinghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 KStG, Rz. 66 m. w. N. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Zinsvortrag, DB 2009, S. 1950. Vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 15 KStG, Rz. 8; Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2390 f.; Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2322; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 511; Geimer, Beratersicht, EStB 2008, S. 411; Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1875; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15882; Möhlenbrock, Detailfragen, Ubg 2008, S. 6; Prinz, Mittelstandsfinanzierung, FR 2008, S. 444; Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 54; Feldgen, Zinsvortrag, NWB 2009, S. 3581; Danelsing, in: Blümich, Kommentar, § 15 KStG, Rz. 24;
138
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
bracht, dass es aufgrund der Fiktion des Zinsvortrags als laufender Zinsaufwand der Folgeperiode zur automatischen Nutzung des Zinsvortrags der Organgesellschaft komme.258 Die Finanzverwaltung erzielt dasselbe Ergebnis wie die herrschende Meinung, allerdings fälschlicherweise über einen Analogieschluss zu § 15 Nr. 1 KStG, der die Verrechnung eines vororganschaftlichen Verlustvortrags verhindert.259 Der Organträger kann nach einhelliger Auffassung im Schrifttum den in vertraglicher Zeit angesammelten Zinsvortrag auch nach Beendigung sämtlicher Organschaftsverhältnisse weiter nutzen.260 Auch die eingefrorenen Zinsvorträge einer Organgesellschaft leben nach der Beendigung des Organschaft wieder auf, sofern hierdurch kein schädlicher Tatbestand i. S. des § 8c i. V. mit § 8a Abs. 1 S. 3 KStG ausgelöst wird.261 b.
Untergang
Die gesetzlichen Regelungen, die einen Untergang des Zinsvortrags herbeiführen, greifen rechtsformspezifisch ein und werden durch unternehmensstrukturelle Anpassungen im Gesellschafts- und Gesellschafterbestand ausgelöst. Über die Anwendungsreichweite der Vorschriften besteht teilweise große Rechtsunsicherheit und die Auslegungsvorschläge gehen zum Teil erheblich auseinander. Für Körperschaften und Mitunternehmerschaften, die einer Körperschaft nachgeordnet sind, bedroht insbesondere § 8c KStG den Erhalt des Zinsvortrags. Spezielle Auslegungsfragen in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen und Rechtsfolgen von § 8c KStG werden hier nicht erörtert.262 Vielmehr stehen Zweifelsfragen im Zusammenhang mit der Auslegung von § 4h Abs. 5 EStG und dessen potenzieller Anwendungsreichweite (insbesondere für Körperschaften und Organschaften) im Vordergrund. Auch im Bereich umwandlungssteuerrechtlicher Verrechnungsbeschränkungen bestehen im Detail
258
259 260 261
262
Dötsch/Witt, in: Dötsch et al., KSt, § 15 KStG, Rz. 47a; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 15 KStG, Rz. 52; Herlinghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 KStG, Rz. 69; Neumann, in: Gosch, KStG, § 15, Rz. 39; Walter, in: Ernst & Young, KStG, § 15, Rz. 65; zweifelnd Hölzl, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 327. Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 122; Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 699; IDW, Erlassentwurf, IDW-FN 2008, S. 137; Hölzer/Nießner, BMF-Schreiben, FR 2008, S. 848; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1512; Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 83; Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 69; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 32; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 153. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 48. Vgl. statt vieler Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 79; zur a. A. der Finanzverwaltung vgl. Abschn. B.I.4.b.ii.(III), S. 150. § 8c KStG i. V. mit § 8a Abs. 1 S. 3 KStG gilt nach h. M. auch für den Zinsvortrag von Organgesellschaft, da § 15 Nr. 3 S. 1 KStG nur die Anwendung von § 4h EStG, nicht aber die Anwendung von § 8a Abs. 1 KStG für Organgesellschaften suspendiert; vgl. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2323; Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2391; Dötsch, in: Dötsch et al., KSt, § 15 KStG, Rz. 62; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 15 KStG, Rz. 54. Vgl. Dötsch, in: Dötsch et al., KSt, § 8c KStG. Zu den Ausnahmevorschriften durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vgl. z. B. Bien/Wagner, Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BB 2009, S. 2627 ff.; Eisgruber/Schaden, Zweck, Ubg 2010, S. 73 ff.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
139
Zweifelsfragen, die sich insbesondere auf den Zinsvortrag der übertragenden Einheit konzentrieren.263 Ausweislich der Regierungsbegründung zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 soll beim Ausscheiden von Mitunternehmern aus einer Mitunternehmerschaft der Zinsvortrag nach den Grundsätzen zu § 10a GewStG anteilig untergehen.264 Dieser in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck gebrachte Wunsch des Gesetzgebers, die Rechtsfolgen beim gewerbesteuerlichen Verlustvortrag auf den Zinsvortrag von Mitunternehmerschaften zu duplizieren, wird im Schrifttum teilweise auch zur Auslegung von Tatbestandsvoraussetzungen und von Rechtsfolgen des § 4h EStG für andere Rechtsformen herangezogen.265 So werden u. a. aus der Formulierung in der Regierungsbegründung auch auf das Betriebsverständnis des gesamten § 4h EStG geschlossen und Konsequenzen für Körperschaften abgeleitet. Meines Erachtens sollten die gewerbesteuerlichen Grundsätze jedoch nicht zwanglos zur umfassenden Klärung von Auslegungsfragen im Zusammenhang mit dem Betriebsbegriff von § 4h EStG herangezogen und auf Sachverhalte außerhalb von Mitunternehmerschaften übertragen werden. Vielmehr sollte zur Beantwortung von Auslegungsfragen, die den Erhalt des Zinsvortrags bedrohen, auf ein einheitliches Betriebsverständnis abgestellt werden,266 welches nach Maßgabe einkommensteuerlicher Kriterien zu entwickeln ist. Wie dargestellt, gehen die Meinungen in diesem Punkt auseinander.267 Zwar weisen ein Gewerbebetrieb und ein Betrieb i. S. der Zinsschranke teilweise deutliche Überschneidungen auf, gleichwohl sollten zur Beurteilung des Untergangs von Zinsvorträgen meines Erachtens nicht die gewerbesteuerlichen Kriterien der Unternehmens- und Unternehmeridentität in das Einkommensteuerrecht importiert werden, weil jene Ausfluss des Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer sind.268 Da sich einige Autoren dennoch extensiv dieser gewerbesteuerlichen Grundsätze bedienen, um Auslegungsfragen im Zusammenhang mit der Verrechenbarkeit des Zinsvortrags zu beantworten, werden sie in den nachfolgenden Ausführungen auch außerhalb der Rechtsfolgen von Mitunternehmerschaften berücksichtigt.
263
264 265 266 267 268
Die Vorschriften im UmwStG (§§ 4 Abs. 2 S. 2, 12 Abs. 3, 15 Abs. 1, 20 Abs. 9, 24 Abs. 6 UmwStG) regeln eindeutig, dass ein Zinsvortrag nicht auf den übernehmenden Rechtsträger übertragen werden kann. Anderslautenden Literaturstimmen fehlt die Rechtsgrundlage, vgl. Abschn. B.I.4.b.i.(I).(3), S. 141. Zu einem zutreffenden Überblick über die Rechtsfolgen von Umwandlungen für den Zinsvortrag vgl. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2321 f. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 50. Vgl. insbes. Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 699; Kleinheisterkamp, Teilbetriebe, FR 2009, S. 523; Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 80 f.; Jacobsen, Gestaltungssuche, 2009, S. 162. So auch Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 464. Zu den unterschiedlichen Betriebsverständnissen vgl. Abschn. B.I.1.a, S. 102 ff. Vgl. bspw. BFH v. 19.12.1984, I R 165/80, BStBl. II 1985, S. 403 (404); Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a, Rz. 8 ff.; Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewSt-Kommentar, § 10a, Rz. 18 ff.; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a, Rz. 8 ff.; Twickel, in: Blümich, Kommentar, § 10a GewStG, Rz. 64 ff.
140
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
i.
Veränderungen im Gesellschafterbestand von Mitunternehmerschaften
(I)
Umstrittene Rechtsgründe
(1) Verringerung und Verschiebung eines Mitunternehmeranteils Nach § 4h Abs. 5 S. 2 EStG geht der Zinsvortrag bei Ausscheiden eines Mitunternehmers anteilig unter. Diese Regelung nennt als auslösenden Tatbestand ausdrücklich allein das (vollständige) Ausscheiden des Mitunternehmers und nicht etwa auch eine Verringerung des Mitunternehmeranteils oder Verschiebungen von Beteiligungsquoten im Gesellschafterbestand.269 Aus diesem Grund ist es herrschende Auffassung in der Literatur, dass der Verkauf eines Teils eines Mitunternehmeranteils nicht zum partiellen Untergang des Zinsvortrags führt.270 Obwohl sich die Finanzverwaltung noch nicht offiziell zu diesem Problem geäußert hat, wird aufgrund ihrer vereinzelt extensiven Gesetzesauslegung im Zinsschrankenerlass gemutmaßt, dass sie die entgeltliche oder unentgeltliche Übertragung eines Teils eines Mitunternehmeranteils als Rechtsgrund für den partiellen Untergang des Zinsvortrags einer Mitunternehmerschaft ansehen könnte.271 Mit Verweis auf die BFH-Rechtsprechung wird der Wechsel bzw. das Ausscheiden des persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA nach übereinstimmender Auffassung im Schrifttum nicht von § 4h Abs. 5 S. 2 EStG erfasst, weil der Komplementär nicht einem Mitunternehmer gleichgestellt ist, sondern nur wie ein Mitunternehmer besteuert wird.272 (2) Anwachsung Im Fall der Anwachsung (§ 738 Abs. 1 BGB) des Vermögens einer Mitunternehmerschaft auf den letzten „Mit“-Unternehmer erlischt die Mitunternehmerschaft mangels Personenmehrheit.273 Das Ausscheiden des „vorletzten“ Mitunternehmers wird unstreitig von § 4h Abs. 5 S. 2 EStG erfasst, sodass der Zinsvortrag, zumindest soweit er auf diesen Mitunternehmer entfällt, untergeht. Fraglich ist aber, ob der Zinsvortrag in dem Umfang erhalten bleibt, wie er 269 270
271 272 273
Zu einer Parallele bei der gewerbesteuerlichen Verlustnutzung vgl. BFH v. 17.01.2006, VIII R 96/04, BFH/NV 2006, S. 885 (887). Vgl. Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 220; Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 118; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1512; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2344; Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 53; Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1002; Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 81; Ley, Personengesellschaften, S. 438; Schwedhelm/Finke, Beratungspraxis, GmbHR 2009, S. 284; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 334; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 198; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 179; a. A. Goksch/Gröger/ Schuck, Finanzmarktstabilisierungsgesetz, DB 2008, S. 2670; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 115; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 245. Bspw. Hölzer/Nießner, BMF-Schreiben, FR 2008, S. 849; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2344. Vgl. Kollruss/Weißert/Ilin, KGaA, DStR 2009, S. 92; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 229; Abschn. B.I.2.c, S. 113. Zu den rechtlichen Grundlagen und Arten der Anwachsung sowie ihrer steuerlichen Beurteilung vgl. bspw. Kowallik/Merklein/Scheipers, Anwachsung, DStR 2008, S. 173 ff.; vgl. Schaeberle, in: Zimmermann et al., Personengesellschaft, Abschn. L, Rz. 14 ff.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
141
auf denjenigen Unternehmer entfällt, dem das Gesellschaftsvermögen anwächst. So wird in der Anwachsung teilweise auch eine Betriebsaufgabe bzw. eine Betriebsübertragung auf den betriebsfortführenden Unternehmer i. S. des § 4h Abs. 5 S. 1 EStG gesehen, mit der Folge, dass der Zinsvortrag vollständig untergeht.274 Vor dem Hintergrund des Rechtsfolgenverweis auf die Grundsätze von § 10a GewStG in der Regierungsbegründung wird jedoch für den hier betrachten Anwachsungsfall verstärkt die Auffassung vertreten, dass der Zinsvortrag – analog der gewerbesteuerlichen Verlustnutzung –275 von dem betriebsfortführenden Unternehmer in dessen Betrieb weiter genutzt werden könne, soweit er auf diesen entfällt.276 Meines Erachtens handelt es sich auch bei dem letzten „Mit“-Unternehmer um einen Anwendungsfall von § 4h Abs. 5 S. 2 EStG. Das Ausscheiden des vorletzten Mitunternehmers bedingt die Auflösung der Mitunternehmerschaft und erzwingt folglich das Ausscheiden auch des letzten Mitunternehmers aus der Mitunternehmerschaft. Das Kriterium der gewerbesteuerlichen Unternehmeridentität ist für die Belebung des Betriebsbegriffs von § 4h EStG ohne Belang. Mithin geht der Zinsvortrag in diesem Fall vollständig unter. (3) Umwandlung des Mitunternehmer(anteil)s Vereinzelt wird vertreten, dass die Verschmelzung oder Spaltung des Mitunternehmers auf einen anderen Rechtsträger nicht den Zinsvortrag der Mitunternehmerschaft berührt. Dies wird zum einen durch Analogieschluss zu den gewerbesteuerlichen Grundsätzen und zum anderen mit den umwandlungssteuerrechtlichen Rechtsnachfolgevorschriften (§§ 4 Abs. 2 S. 1, 12 Abs. 3, 23 Abs. 1, Abs. 3, Abs. 4 u. 24 Abs. 4 UmwStG) begründet.277 Meines Erachtens ist jedoch der Gegenmeinung zuzustimmen, dass die Verschmelzung des Mitunternehmers den Tatbestand des Ausscheidens eines Mitunternehmers gem. § 4h Abs. 5 S. 2 EStG erfüllt und nicht durch die Vorschriften des UmwStG über die Rechtsnachfolge verdrängt wird.278 Gleiches sollte bei der Einbringung eines (vollständigen) Mitunternehmeranteils gelten, weil auch hier ein Mitunternehmerwechsel stattfindet.279 Dieser Auffassung wird im 274
275 276
277
278 279
Vgl. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 197; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 246. Eine simultane Anwendung von § 4h Abs. 5 S. 1 u. 2 EStG ablehnend und eine exklusive Anwendung von Satz 2 favorisierend: Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 546; Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 53; Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 80. Zu den Folgen der Anwachsung für die gewerbesteuerliche Verlustnutzung vgl. R 10a.3 Abs. 3 S. 9 Nr. 4 GewStR 2009; Güroff, in: Glanegger/Güroff, GewStG, § 10a, Rz. 95. Vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 173; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 466; Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2320 f.; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345; Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 53; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 337; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 116; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 178; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 203. Vgl. Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 82 f. Auf die Verschmelzung von Personengesellschaften, die steuerlich als Einbringung i. S. des § 24 UmwStG behandelt wird, geht der Verfasser jedoch nicht explizit ein. Vgl. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345. Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 513; Hick, in: Herrmann/Heu-
142
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Schrifttum jedoch entgegengehalten, dass die umwandlungssteuerlichen Rechtsnachfolgevorschriften (§ 23 UmwStG) einen Anwendungsvorrang gegenüber § 4h Abs. 5 S. 2 EStG genießen würden.280 (4) Mittelbar beteiligte Gesellschafter Im Zusammenhang mit doppelstöckigen Personengesellschaftsstrukturen ist fraglich, ob der Zinsvortrag der Untergesellschaft auch dann aufgrund von § 4h Abs. 5 S. 2 f. EStG untergeht, wenn sich die Besitzverhältnisse an der mitunternehmerisch beteiligten Obergesellschaft verändern. In diesem Punkt gilt es in erster Linie, die Frage zu klären, ob der Mitunternehmer der Obergesellschaft ebenfalls als Mitunternehmer der Untergesellschaft qualifiziert werden kann.281 Nach dem ausdrücklichen Wortlaut von § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG ist auch der mittelbar beteiligte Gesellschafter als Mitunternehmer der Untergesellschaft anzusehen. Jedoch dominiert in der Literatur die Auffassung, dass die Mitunternehmerstellung des Gesellschafters der Obergesellschaft nur in Bezug auf das Sonderbetriebsvermögen und die Sondervergütungen eingreife und jener nur als sog. „Sonder-Mitunternehmer“ der Untergesellschaft zu qualifizieren sei; die gesetzliche Mitunternehmerfiktion laufe leer.282 Somit wird nach herrschender Auffassung im Schrifttum dem mittelbar Beteiligten nicht die Qualität eines vollwertigen Mitunternehmers zugesprochen. Folgt man dieser Auffassung auch im Rahmen von § 4h Abs. 5 S. 2 f. EStG, hätte dies zur Konsequenz, dass Anteilsverschiebungen auf mittelbarer Gesellschafterebene keine Auswirkungen auf den Zinsvortrag der Untergesellschaft hätten, da der mittelbar Beteiligte nicht als Mitunternehmer an der Untergesellschaft zu qualifizieren wäre. Der Wechsel des Mitunternehmers auf Ebene der Obergesellschaft wäre weder als Ausscheiden aus einer Gesellschaft i. S. des § 4h Abs. 5 S. 2 EStG noch als Anwendungsfall des § 4h Abs. 5 S. 3 EStG zu werten. Gegen die Anwendung von Satz 2 auf mittelbar beteiligte Mitunternehmer wird vorgebracht, dass in diesem Satz (auch) von dem „Gesellschafter“ gesprochen wird und nur ein unmittelbar beteiligter Mitunternehmer zugleich Gesellschafter sein könne.283 Ferner würde der Sinn und Zweck des mit dem Jahressteuergesetz 2009 eingeführten Satzes 3 verfehlt, wonach § 8c KStG auch für unmittelbar und mittelbar einer Körperschaft nachgeordnete Mitunternehmerschaften greifen sollte, weil die
280
281 282 283
er/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 120; Patt, in: Dötsch et al., KSt, § 20 UmwStG, Rz. 340. Vgl. Menner, in: Haritz/Menner, UmwStG, § 20, Rz. 753; Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 83, der sich darüber hinaus auf gewerbesteuerliche Grundsätze beruft. Im Ergebnis ebenso Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 20 UmwStG, Rz. 4. Die Sätze 2 und 3 von § 4h Abs. 5 EStG stellen jeweils auf den „Mitunternehmer“ ab. Vgl. bspw. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15, Rz. 612 m. w. N.; Rädtke, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 EStG, Rz. 628 ff. m. w. N.; a. A. Bodden, Einkünftequalifikation, FR 2002, S. 564 m. w. N. I. d. S. Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 53; Suchanek, Verlustvernichtung, Ubg 2009, S. 181; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 116; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 180; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 245.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
143
mittelbar über eine Personengesellschaft beteiligte Körperschaft nicht als Mitunternehmer der Untergesellschaft anzusehen wäre.284 Meines Erachtens sind die beiden letzten Auffassungen jedoch abzulehnen. Der Gesetzeswortlaut von § 15 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG, der den mittelbar beteiligten Gesellschafter unter weiteren Voraussetzungen als Mitunternehmer der Untergesellschaft fingiert,285 erlangt für die Anwendung von § 4h Abs. 5 S. 2 f. EStG rechtsbegründende Qualität. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Wortlaut von Satz 2 neben dem Mitunternehmer auch den Gesellschafter aufführt.286 Des Weiteren ist die in der Literatur mit Blick auf die gewerbesteuerlichen Grundsätze vertretene Rechtsauffassung abzulehnen, die den Anwendungsbereich von § 4h Abs. 5 S. 2 EStG im Falle von mittelbaren Gesellschafterwechseln auf Ebene der OberPersonengesellschaft für unbeachtlich hält, weil hierdurch die Unternehmeridentität der Untergesellschaft nicht verändert würde.287 Mit Blick auf die Rechtsfolgen von § 8c KStG für eine Personengesellschaft, an der eine Körperschaft mitunternehmerisch beteiligt ist, stellt sich weiter die Frage, auf welcher Ebene die Tatbestandsvoraussetzungen von § 8c KStG zu prüfen sind. Es wird übereinstimmend die Meinung vertreten, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für einen schädlichen Anteilseignerwechsel auf Ebene der Körperschaft selbst erfüllt sein müssen und nicht auf Ebene der Mitunternehmerschaft.288 Dieses Verständnis stimmt mit der überwiegend vertretenen Auffassung zur sinngemäßen Anwendung von § 8a KStG auf Personengesellschaften überein.289 Obwohl der Wortlaut von § 4h Abs. 5 S. 3 EStG nach meiner Ansicht auch eine entsprechende Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 8c KStG auf Ebene der Mitunternehmerschaft zuließe, sollte aus Gründen einer einheitlichen Anwendung der körperschaftsteuerlichen Vorschriften auf Personengesellschaften der im Schrifttum vertretenen Meinung gefolgt werden.
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Vgl. Suchanek, Verlustvernichtung, Ubg 2009, S. 181. Zu den Voraussetzungen vgl. bspw. Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 396 ff.; Wacker, in: Schmidt, EStG, § 15, Rz. 613 Gesellschafter ist hier gleichzusetzen mit einer mitunternehmerischen Beteiligung; ebenso Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 119; Suchanek, Verlustvernichtung, Ubg 2009, S. 179. In der Literatur wird diesbezüglich auf A 68 Abs. 3 Nr. 8 GewStR 1998 (nunmehr R 10a.3 Abs. 3 Nr. 8 GewStR 2009) verwiesen; vgl. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345 (Fn. 48); Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 53; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 336. Vgl. Feldgen, Zinsvortrag, NWB 2009, S. 3576; Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 81; Suchanek, Verlustvernichtung, Ubg 2009, S. 180; Möhlenbrock, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 18.51, der einen vollständigen Zinsvortragsuntergang auf Ebene der vorgeordneten Mitunternehmerschaft bei mittelbaren Gesellschafterwechseln ablehnt; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 206; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 117. Vgl. hierzu Abschn. B.III.5, S. 201 ff.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
(II) Umstrittene Rechtsfolgen (1) Maßgebliche Beteiligungsquote und maßgeblicher Zeitpunkt zur Ermittlung der Höhe des untergehenden Teils Der Gesetzeswortlaut von § 4h Abs. 5 S. 2 EStG lässt offen, wie die Quote, mit der der ausscheidende Mitunternehmer an der Gesellschaft beteiligt war, zu ermitteln ist. Klar ist nur, dass die Verursachung des Zinsvortrags für den Untergang ohne Belang ist.290 Allein die Regierungsbegründung verweist in dieser konkreten Frage auf § 10a GewStG.291 Deshalb liegt die Schlussfolgerung nahe, dass sich die maßgebliche Beteiligungsquote nach dem im Gesellschaftsvertrag vereinbarten allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel richtet, so wie dies in § 10a S. 4 f. GewStG292 und im Zinsschrankenerlass vorgegeben und von der herrschenden Meinung befürwortet wird.293 Sollte dem Rechtsfolgenverweis in der Regierungsbegründung jedoch keine rechtsverbindliche Qualität zukommen, wäre es mit Blick auf die BFHRechtsprechung vor Einfügung der Sätze 4 und 5 des § 10a GewStG durchaus denkbar,294 nicht auf den gesellschaftsvertraglichen Gewinnverteilungsschlüssel abzustellen, sondern auf den Anteil des Mitunternehmers am steuerlichen Gewinn der Mitunternehmerschaft unter Berücksichtigung etwaiger Ergänzungs- und Sonderbilanzergebnisse.295 Sofern der Zinsvortrag aufgrund mittelbarer Anteilsverschiebungen untergeht, ist nach übereinstimmender Auffassung im Schrifttum auf die durchgerechnete Beteiligungsquote abzustellen.296 In einer mehrgliedrigen Personengesellschaftsstruktur bedingt das Ausscheiden des Mitunternehmers der Obergesellschaft nach der obigen Auffassung einen (partiellen) Untergang auf Ebene der Untergesellschaft i. S. des § 4h Abs. 5 S. 2 EStG. Die Quote, mit der der Zinsvortrag untergeht, ermittelt sich sodann aus dem Produkt der Beteiligungsquote des aus290 291 292 293
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Hierzu krit. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2320; Hallerbach, Anwendungsschreiben – Teil I, StuB 2008, S. 599; Rodewald/Pohl, Gesellschaftsverträge, DStR 2008, S. 727. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 50. Mit dem Jahressteuergesetz 2007 wurde A 68 Abs. 3 Nr. 1 GewStR 1998 (nunmehr in verkürzter Form R 10a.3 Abs. 3 Nr. 1 GewStR 2009) inhaltlich in § 10a GewStG aufgenommen; vgl. BT-Drs. 16/3325, S. 36. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. II 2008, S. 718, Rz. 52; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 120; Förster, G. in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 171; Grotherr, Funktionsweise, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, S. 1505; Middendorf/Stegemann, Funktionsweise, INF 2007, S. 707; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh.1, Rz. 331; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 105; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 115; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 178; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 59. Der BFH ist in seinem Urteil v. 17.01.2006, VIII R 96/04, BFH/NV 2006, S. 885 (886), zum alten Rechtsstand nicht der Verwaltungsauffassung (A 68 Abs. 3 Nr. 1 GewStR 1998) gefolgt und hat für die Ermittlung der Quote eine mitunternehmerbezogene Berechnung angestellt, in die neben dem allgemeinen Gewinnverteilungsschlüssel auch Sonderbetriebseinnahmen und -ausgaben einbezogen wurden; vgl. hierzu Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewSt-Kommentar, § 10a, Rz. 360 ff. Vgl. hierzu Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 465 f.; van Lishaut/ Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2344; sowie die Diskussion zu § 4 Abs. 4a EStG in Abschn. B.I.4.(II), S. 134. Vgl. Beinert/Benecke, Änderungen, Ubg 2009, S. 172; Feldgen, Zinsvortrag, NWB 2009, S. 3576 f.; Hoffmann, Verlustvernichtung, DStR 2009, S. 259; Suchanek, Verlustvernichtung, Ubg 2009, S. 180; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 342 u. 345; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 117; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 243c.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
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scheidenden Mitunternehmers der Obergesellschaft und der Beteiligungsquote, mit der die Obergesellschaft an der Untergesellschaft beteiligt ist. Ist an der Mitunternehmerschaft hingegen eine Körperschaft unmittelbar oder mittelbar beteiligt, auf deren Ebene ein schädlicher Anteilserwerb i. S. des § 8c KStG stattgefunden hat, ist zur Bestimmung der Rechtsfolgen von § 4h Abs. 5 S. 3 EStG zunächst festzustellen, ob die Voraussetzungen für einen quotalen Untergang (§ 8c Abs. 1 S. 1 KStG) oder vollständigen Untergang (§ 8c Abs. 1 S. 2 KStG) des Zins- und Verlustvortrags vorliegen. Bei einem quotalen Untergang ist die Quote des schädlichen Anteilserwerbs i. S. des § 8c KStG mit der (durchgerechneten) Beteiligungsquote, mit der die nämliche Körperschaft an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist, zu multiplizieren. Das daraus hervorgehende Produkt stellt die Quote dar, mit der der Zinsvortrag der (nachgeordneten) Mitunternehmerschaft untergeht. Werden auf Ebene der Körperschaft hingegen die Rechtsfolgen eines vollständigen Zins- und Verlustuntergangs herbeigeführt, so geht der Zinsvortrag mit der (durchgerechneten) Beteiligungsquote, mit der die Körperschaft (mittelbar) an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist, unter.297 Des Weiteren ist diskussionsbedürftig, welche Beteiligungsquote maßgeblich ist, wenn ein Mitunternehmeranteil in mehreren Tranchen bzw. sukzessive übertragen wird. Hierbei handelt es sich jedoch um eine Folgefrage, die nur dann von Bedeutung ist, wenn man die Auffassung vertritt, dass die Veräußerung eines Teils eines Mitunternehmeranteils nicht unter den Anwendungsbereich von § 4h Abs. 5 S. 2 EStG fällt, sondern hiervon nur die Übertragung des gesamten Mitunternehmeranteils erfasst wird.298 Nach dieser Auffassung würde lediglich die letzte Tranche die Rechtsfolgen von § 4h Abs. 5 S. 2 EStG auslösen, und es stellt sich die Folgefrage, ob sich die Höhe des Untergangs nach der Beteiligungsquote im Zeitpunkt der Entstehung des Zinsvortrags oder im Zeitpunkt der Veräußerung des (letzten) Mitunternehmerteilanteils richtet. Im Schrifttum wird mehrheitlich auf den Veräußerungszeitpunkt abgestellt.299 In der Literatur wird weiterhin die Frage aufgeworfen, zu welchem Zeitpunkt der Zinsvortrag untergeht, wenn ein Mitunternehmer ausscheidet. Nahe liegt hier der Zeitpunkt des Ausscheidens, weshalb nach mehrfacher Auffassung im Schrifttum der Zinsvortrag noch bis zu diesem
297 298
299
Vgl. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 207. Zu diesem Meinungsstreit vgl. Abschn. B.I.4.b.i.(I).(1), S. 140. Sofern man aber die sukzessive Übertragung eines Mitunternehmeranteils unter § 4h Abs. 5 S. 2 EStG subsumieren möchte, ist allein die Beteiligungsquote im Veräußerungszeitpunkt maßgeblich, da sie jederzeit mit der Quote im Entstehungszeitpunkt des Zinsvortrags übereinstimmt; nach dieser Auffassung wird ja gerade jede minimale Veränderung der Besitzverhältnisse von § 4h Abs. 5 S. 2 EStG erfasst. Auch eine Betrachtung des Wirtschaftsjahres würde keinen Sinn ergeben, da in einem Wirtschaftsjahr mehrere Veräußerungstatbestände erfüllt werden könnten. Vgl. Goebel/Eilinghoff/Kim, Zinsschrankenerlass, DStZ 2008, S. 636; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1512 f.; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 115; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 245; Hölzer/Nießner, BMF-Schreiben, FR 2008, S. 849, die auf die „Gefahr“ hinweisen, dass die Finanzverwaltung, den Grundsätzen von § 10a GewStG entsprechend, auf den Entstehungzeitpunkt abstellen könnte. Diese Auffassung vertritt Förster, in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 171.
146
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Zeitpunkt vollständig verrechenbar sein sollte.300 Denkbar wäre aber auch eine streng wirtschaftsjahrbezogene Gesetzesauslegung, nach der für die Nutzung des Zinsvortrags das gesamte Wirtschaftsjahr über kein schädliches Ereignis i. S. des § 4h Abs. 5 S. 2 f. EStG stattfinden dürfte. (2) Aufnahme neuer Mitunternehmer Die Aufnahme eines neuen Mitunternehmers erfüllt zwar unter der Voraussetzung, dass jener zuvor keine Anteile eines Altgesellschafter erworben hat, nach herrschender Meinung nicht den Tatbestand von § 4h Abs. 5 S. 2 EStG.301 Dennoch wird darüber diskutiert, ob die Aufnahme eines Neugesellschafters die Verrechnung des Zinsvortrags in zeitlicher Hinsicht verlängert. In Analogie zur Verrechnung von gewerbesteuerlichen Verlusten wird vielfach die Meinung vertreten, dass der Zinsvortrag nur in dem Umfang einer Nutzung zugänglich ist, wie er auf die Altgesellschafter entfällt.302 Aufgrund der Verringerung der Beteiligungsquoten der Altgesellschafter zugunsten des Neugesellschafters können nach dieser Auffassung in einem Veranlagungszeitraum nicht mehr 100% des verrechnungsfähigen Zinsvortrags mobilisiert werden, da die (verursachenden) Altgesellschafter in Summe auch nicht mehr zu 100% an der Gesellschaft beteiligt sind. Diese Auffassung ist meines Erachtens nicht sachgerecht,303 da sie aus dem gewerbesteuerlichen Leitbild der Unternehmeridentität abgeleitet wird, welches nicht mit dem Betriebsbegriff der Zinsschranke kompatibel ist. Vielmehr müssen die verfolgten Ermittlungsprinzipien für den Auf- und Abbau des Zinsvortrags konsequent zu Ende gedacht werden. Sofern man eine gesellschafts- bzw. betriebsbezogene Anwendung der Zinsschranke für die richtige Gesetzesauslegung ansieht, ist der Gesellschafterbestand außerhalb von § 4h Abs. 5 S. 2 f. EStG ohne Belang, da es um den Zinsvortrag des Betriebs und nicht um denjenigen der Mitunternehmer geht. Befürwortet man demgegenüber eine gesellschafter- bzw. verursachungsgerechte Verteilung der nicht abziehbaren Zinsaufwendungen, steht dem Neugesellschafter ohnehin kein Anteil am Zinsvortrag zu, da dieser bereits im Feststellungswege oder in einer verbindlichen Nebenrechnung für die (verursachenden) Altgesellschafter reserviert ist. 300
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Vgl. Goebel/Eilinghoff/Kim, Zinsschrankenerlass, DStZ 2008, S. 636; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2344; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 332; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 192. Vgl. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 335; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 198b; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 116 m. w. N.; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 245 m. w. N.; zweifelnd Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 24. Vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 173; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 466; Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1002; Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 81; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 116. Nach § 10a GewStG beeinflusst die Aufnahme eines Neugesellschafters nicht die Höhe des gewerbesteuerlichen Verlustes. Jedoch kann dieser aufgrund des Prinzips der Unternehmeridentität nur von den Altgesellschaftern genutzt werden; vgl. Kleinheisterkamp, in: Lenski/Steinberg, GewSt-Kommentar, § 10a, Rz. 71. Ebenso Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 53.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
ii.
147
Veränderungen der Betriebsidentität von Körperschaften, Mitunternehmerschaften und Organschaften
(I)
Aufgabe und Übertragung eines (Teil-)Betriebs
§ 4h Abs. 5 S. 1 EStG (i. V. mit § 8 Abs. 1 KStG) benennt die Aufgabe oder Übertragung eines Betriebs als schädliche Ereignisse, die den vollständigen Verfall des Zinsvortrags einer Mitunternehmerschaft bzw. Körperschaft zur Folge haben.304 Unstreitig handelt es sich um eine Betriebsaufgabe, wenn der den Betrieb führende Rechtsträger untergeht bzw. liquidiert wird.305 Ob aber auch das bloße Einstellen der betrieblichen Tätigkeit als Betriebsaufgabe gewertet werden kann, wenn der Rechtsträger fortbesteht, ist umstritten. Ferner werden die Sachverhalte, in denen eine schädliche Betriebsübertragung – die sich auch im Wege einer Einbringung gem. §§ 20 bzw. 24 UmwStG vollziehen könnte –306 anzunehmen ist, unterschiedlich abgegrenzt. So ist auch hier die Frage aufzuwerfen, ob eine Betriebsübertragung gegeben ist, wenn zwar sämtliche Sachgesamtheiten, die den Betrieb als solches determinieren, entgeltlich oder unentgeltlich übertragen werden, der Rechtsträger aber als funktions- und tätigkeitsloser Rechtsmantel erhalten bleibt. Darüber hinaus stellt sich die Finanzverwaltung auf den Standpunkt, dass auch die Übertragung eines Teilbetriebs von der besagten Norm erfasst wird (s. u.). Zur Auslegung der Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift sollte nicht das gewerbesteuerliche Gebot der Unternehmeridentität herangezogen werden; dies geben weder der Gesetzeswortlaut noch die Ausführungen in der Regierungsbegründung her.307 Die aufgeworfenen Zweifelsfragen lassen sich vielmehr über eine konsequente Fortführung des jeweils vertretenen Betriebsverständnisses beantworten. Befürwortet man ein einkunftartabhängiges Betriebsverständnis, liegt erst dann eine Betriebsaufgabe oder Betriebsübertragung vor, wenn die Gesellschaft keine Gewinneinkünfte mehr erzielt. So wäre es beispielsweise denkbar, dass eine Personengesellschaft nach der Betriebsübertragung nur noch Einkünfte aus Vermögensverwaltung erzielt, wenn nicht die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung gegeben sind. In diesem Fall läge eine Betriebsaufgabe i. S. des § 4h Abs. 5 S. 1 EStG vor und der Zinsvortrag ginge verloren. Erzielt der Rechtsträger hingegen auch nach der Betriebsübertragung 304
305
306
307
§ 4h Abs. 5 S. 1 EStG gilt nach h. M. rechtsformunabhängig; vgl. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2319 f.; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a KStG, Anh. 1, Rz. 324; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 111; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 244; a. A. Frotscher, der den Anwendungsbereich von § 4h Abs. 5 EStG für Körperschaften nicht eröffnet sieht; vgl. dazu die Ausführungen im letzten Absatz dieses Abschnitts. Vgl. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2320; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 111. Auch die Betriebsaufgabe von Personenunternehmen i. S. des § 16 Abs. 3 EStG ist als Betriebsaufgabe gem. § 4h Abs. 5 S. 1 EStG zu qualifizieren; vgl. ebenda. Vgl. Patt, in: Dötsch et al., KSt, § 20 UmwStG, Rz. 340; Rasche, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 24, Rz. 137; Schmitt, in: Schmitt/Hörtnagl/Stratz, UmwG/UmwStG, § 20 UmwStG, Rz. 417; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 23 UmwStG, Rz. 588.1. Die Gesetzesbegründung enthält nur einen Hinweis über die erwünschten Rechtsfolgen; vgl. Abschn. B.I.4.b, S. 139.
148
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
noch originäre oder fiktive Gewinneinkünfte (insbesondere Einkünfte aus Gewerbebetrieb), könnte er den Zinsvortrag weiterführen. Eine Übertragung von sämtlichen betrieblichen Funktionen oder von organisch geschlossenen Betriebsteilen (= Teilbetrieb) würde nach diesem Verständnis nicht von § 4h Abs. 5 S. 1 EStG erfasst, sodass selbst der Zinsvortrag eines betätigungslosen Rechtsmantels erhalten bliebe.308 Ein anderes Ergebnis stellt sich ein, wenn man einem funktionalen und tätigkeitsbezogenen Betriebsverständnis folgt. Die Übertragung sämtlicher betrieblicher Funktionen, die dem Betrieb insgesamt das Wesen geben, wäre als Betriebsübertragung und gleichzeitig auch als Betriebsaufgabe aufzufassen.309 Das Einstellen der betrieblichen Tätigkeit ohne vorangegangene Übertragung von Wirtschaftsgütern wäre als Betriebsaufgabe zu qualifizieren. In beiden Fällen geht der Zinsvortrag vollständig und unabhängig davon unter, dass der Rechtsträger weiterhin steuerliche Erklärungspflichten zu erfüllen hat.310 Einer extensiven Gesetzesauslegung, die sich nur aus einem funktional oder gewerbesteuerlich geprägten Betriebsverständnis ableiten ließe, entspräche es, auch die Übertragung eines Teilbetriebs als Betriebsübertragung i. S. der Vorschrift zu interpretieren.311 Auch wenn diese von der Finanzverwaltung vertretene Auffassung nach funktionalen Gesichtspunkten eine gewisse Rechtfertigung verdient, wird sie nach einhelliger Auffassung im Schrifttum aufgrund ihrer Inkonformität mit dem Gesetzeswortlaut abgelehnt.312 Sofern man ungerechtfertigterweise dennoch die Tatbestandsvoraussetzungen für den gewerbesteuerlichen Verlustvortrag zur Auslegung von § 4h Abs. 5 EStG heranziehen sollte, wäre die Teilbetriebsübertragung nach Auffassung des BFH wohl als schädliches Ereignis zu werten.313 Demgegenüber würde die Realteilung nach gewerbesteuerlichen Grundsätzen nicht von § 4h Abs. 5 EStG erfasst.314 Da aber die gewerbesteuerlichen Grundsätze nicht zur Aus308
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311 312 313
314
Vgl. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2319 f.; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 111; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 190; im Ergebnis ebenso Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 52; Feldgen, Zinsvortrag, NWB 2009, S. 3575. So Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 80; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 244; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 202. Geht man mit der Einzelmeinung von Köster-Böckenförde/Clauss davon aus, dass eine Personen- oder Kapitalgesellschaft auch mehrere Betriebe haben kann, wäre die Betriebsübertragung bzw. -aufgabe für jeden einzelnen Betrieb zu überprüfen, mit der Folge, dass der Zinsvortrag anteilig unterginge; vgl. Abschn. B.I.1.b.i, S. 104 (Fn. 69). Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 47. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Zinsvortrag, DB 2009, S. 1953 m. w. N. (Fn. 46). Der BFH hat die Übertragung eines Teilbetriebs als Verlust der „Teil-Unternehmensidentität“ gewertet, weshalb der gewerbesteuerliche Verlustvortrag, soweit er auf den Teilbetieb entfällt, nicht mehr genutzt werden kann; vgl. BFH v. 07.08.2008, IV R 86/05, BFH/NV 2008, S. 1960 (1962). Zur denkbaren Übertragbarkeit der Urteilsgrundsätze auf den Zinsvortrag vgl. Kleinheisterkamp, Teilbetriebe, FR 2009, S. 523 u. 527, der die Entscheidungsgrundsätze des BFH jedoch ablehnt. Des Weiteren wird in der Literatur argumentiert, dass die Entscheidungsgrundsätze aufgrund der Einheitlichkeit des Gewerbebetriebs einer Kapitalgesellschaft allein für Personenunternehmen gelten und nicht auf Körperschaften übertragbar seien; vgl. Dörr/Fehling, Gewerbesteuerfalle, NWB 2008, Fach 5, S. 1690; Werner/Heinz, Teilbetriebsveräußerung, S:R 2008, S. 378; zweifelnd Kleinheisterkamp, Teilbetriebe, FR 2009, S. 527; Salzmann, Anmerkung, DStR 2008, S. 2017. Vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 173 f.; van Lisaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345; Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 82.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
149
legung von Tatbestandsvoraussetzungen des § 4h EStG geeignet sind, ist die Realteilung vielmehr als Aufgabe des Betriebs der Mitunternehmerschaft i. S. des § 4h Abs. 5 S. 1 EStG zu qualifizieren.315 Obwohl über den Generalverweis des § 8 Abs. 1 KStG sämtliche einkommensteuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften auch für Körperschaften anzuwenden sind, wird im Schrifttum vereinzelt die Auffassung vertreten, dass § 4h Abs. 5 S. 1 EStG nicht auf Körperschaften anwendbar sei. Als Begründung wird aufgeführt, dass für Körperschaften mit § 8c KStG (i. V. mit § 8a Abs. 1 S. 3 KStG) eine abschließende Regelung für den Untergang des Zinsvortrags existiere.316 Diese Auffassung übersieht jedoch, dass § 4h Abs. 5 S. 1 EStG und § 8c KStG unterschiedliche Konzeptionen zugrunde liegen. Während § 8c KStG die Ebene der Anteilseigner in den Fokus rückt, nimmt § 4h Abs. 5 S. 1 EStG die Betriebsebene unabhängig vom Gesellschafterbestand ins Visier. Für Mitunternehmerschaften bestehen ja neben Satz 1 auch noch die viel diskutierten Sätze 2 und 3 von § 4h Abs. 5 EStG, die über die Betriebsidentität hinaus den Gesellschafterbestand als existenzerhaltenden Tatbestand für den Zinsvortrag fordern. Vor diesem Hintergrund ist deutlich erkennbar, dass es sich in Bezug auf den Zinsvortrag bei § 8c KStG eben nicht um eine abschließende Regelung handelt. Denn es ist nicht ersichtlich, warum für den Erhalt des Zinsvortrags von Personengesellschaften neben dem Gesellschafterbestand noch betriebsbezogene Voraussetzungen zu erfüllen sind, während bei Körperschaften allein der Erhalt des Gesellschafterbestands relevant sein soll. (II) Umstrittene Umwandlungsvorgänge auf Betriebsebene In der Literatur ist man sich im Ergebnis einig, dass die Aufspaltung einer Personen- oder Kapitalgesellschaft zu einem vollständigen Untergang des Zinsvortrags führt. Selbst wenn man sie unzutreffenderweise nicht als Betriebsaufgabe i. S. des § 4h Abs. 5 S. 1 EStG qualifizieren würde, könnte der Zinsvortrag mangels Übertragbarkeit auf die übernehmenden Rechtsträger nicht fortbestehen (§ 15 Abs. 1 i. V. mit § 12 Abs. 3 i. V. mit § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG). Auch bei einer Abspaltung geht der Zinsvortrag aufgrund derselben Rechtsvorschriften nicht über, aber dafür nur anteilig unter (§ 15 Abs. 3 UmwStG).317 Dem Gesetz ist keine andere Rechtsfolge zu entnehmen, weshalb anderslautende Literaturmeinungen abzulehnen sind.318 315
316 317
318
Im Ergebnis ebenso Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 197, der diesen Fall m. E. unzutreffend als Betriebsübertragung wertet. Zur Qualifikation der Realteilung als Betriebsaufgabe im Zusammenhang mit § 16 EStG vgl. Wacker, in: Schmidt, EStG, § 16, Rz. 535 m. w. N. Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 72. Dies gilt wegen § 16 UmwStG auch für Personengesellschaften; vgl. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2321; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 15 UmwStG, Rz. 1; Schumacher, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 15, Rz. 263; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 512; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 205. So ist Hoffmann der Auffassung, dass der Zinsvortrag einer Personengesellschaft im Falle der Abspaltung anteilig auf die übernehmende Einheit übergehe; vgl. derselbe, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 118. Ferner wird in diesem Fall die Meinung vertreten, dass der Zinsvortrag der übertragenden Personen-
150
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Im Falle der Einbringung eines Betriebs, Teilbetriebs und eines Mitunternehmeranteils in eine Personen- oder in eine Kapitalgesellschaft geht der Zinsvortrag der übertragenden Einheit nicht auf den übernehmenden Rechtsträger über. Während die Einbringung eines Mitunternehmeranteils nach der hier befürworteten Meinung bereits den Untergang des Zinsvortrags gem. § 4h Abs. 5 S. 2 EStG nach sich zieht und deshalb eine Übertragung auf die übernehmende Einheit ausscheidet,319 wird die Übertragung des Zinsvortrags im Falle der Betriebseinbringung von §§ 20 Abs. 9, 24 Abs. 6 UmwStG unterbunden. Auch wenn dies vor dem Hintergrund der Betriebsbezogenheit der Zinsschranke vor allem beim Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft (= Einbringung gem. § 1 Abs. 3 Nr. 3 i. V. mit § 20 UmwStG) ein fragwürdiges Ergebnis darstellt, fehlen daran zweifelnden Literaturstimmen nach dem insoweit eindeutigen Gesetzeswortlaut und den überwiegenden Literaturstimmen die Rechtsgrundlagen.320 Unabhängig davon, dass § 20 Abs. 9 UmwStG namentlich nur den Betrieb erwähnt, ist es meines Erachtens nicht ersichtlich, warum der Zinsvortrag einer kleineren Einheit (gemeint ist der Teilbetrieb), der von Gesetzes wegen nicht als Träger des Zinsvortrags anzusehen ist, eine anteilige Übertragung des Zinsvortrags ermöglichen sollte.321 Selbst wenn man – von einem funktionalen Betriebsverständnis geleitet – die Auffassung vertritt, dass für Zinsschrankenzwecke der Teilbetrieb ebenfalls partiell den Betriebsbegriff erfüllt, müssten zur Auslegung von § 20 Abs. 9 UmwStG Betrieb und Teilbetrieb ebenfalls gleichgesetzt werden. Ein unterschiedlich enges bzw. weites Begriffsverständnis im Rahmen von § 4h EStG und § 20 Abs. 9 UmwStG, die auf denselben Gegenstand zugreifen, erscheint nicht sachgerecht. (III) Begründung und Aufhebung von Organschaftsverhältnissen Im Organschaftsfall wird aus zwei originären Betrieben ein fiktiver Betrieb Organkreis. Die Betriebsfiktion stellt jedoch nicht allein auf das bilaterale Vertragsverhältnis zwischen Organträger und (einer) Organgesellschaft ab, sondern ist vom Gesetzeswortlaut und Gesetzeszweck her als multilaterale Vereinigung von Organträger und Organgesellschaften konzipiert.322 Allerdings gilt die Betriebsfiktion nur für die Ermittlung der nicht abziehbaren Zinsen und die Anwendung der Ausnahmetatbestände i. S. des § 4h Abs. 2 EStG; hierdurch wird kein neuer
319 320
321
322
gesellschaft nicht anteilig unterginge; vgl. Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1003; Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 82. Zu den Meinungsverschiedenheiten in dieser Frage vgl. Abschn. B.I.4.b.i.(I).(3), S. 141. Vgl. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2322; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345; Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 126; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 120; Rasche, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 24, Rz. 137; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 23 UmwStG, Rz. 588.1. In diesem Sinne auch die Regierungsbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008, BTDrs. 16/4841, S. 82; a. A. Hierstetter, Zinsvortrag, DB 2009, S. 83 mit Berufung auf die umwandlungssteuerrechtlichen Rechtsnachfolgevorschriften. So aber Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 513; zutreffend a. A. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2322; Patt, in: Dötsch et al., KSt, § 20 UmwStG, Rz. 341; Widmann, in: Widmann/Mayer, Umwandlungsrecht, § 23 UmwStG, Rz. 588.1. § 15 Nr. 3 S. 2 KStG stellt eindeutig auf die Mehrzahl von Organgesellschaften ab, und in der Regierungsbegründung wird ausdrücklich vom Organkreis gesprochen; vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 77.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
151
steuerlicher Rechtsträger fingiert.323 Aus diesem Grund berührt die Betriebsfiktion auch nicht die rechtliche Zuordnung des Zinsvortrags zum Organträger. Der Zinsvortrag wird auf dessen Ebene ermittelt und festgestellt, weshalb die Vorschriften über den Untergang des Zinsvortrags allein nach dessen persönlichen und sachlichen Verhältnissen zu überprüfen sind.324 Hiernach können weder die Aufnahme neuer Organgesellschaften noch die Beendigung von Organschaftsverhältnissen Konsequenzen für den Zinsvortrag des Organträgers entfalten.325 Die persönlichen und sachlichen Verhältnisse des Rechtsträgers schirmen insoweit von Veränderungen des fiktiven Betriebs ab, weshalb die Kündigung eines Ergebnisabführungsvertrags, der Verkauf einer (ehemaligen) Organgesellschaft oder eine verunglückte Organschaft nicht als (partielle) Aufgabe des fiktiven Betriebs i. S. des § 4h Abs. 5 S. 1 EStG gewertet werden können. Diesem bevorzugten Gesetzesverständnis kann jedoch mit dem einfachen Argument begegnet werden, dass § 15 Nr. 3 S. 2 KStG die Betriebsfiktion für den gesamten § 4h EStG und somit prinzipiell auch für Abs. 5 anordnet. In der Beendigung einer Organschaft könnte somit eine Aufgabe des fiktiven Betriebs gesehen werden, weil danach anstatt eines fiktiven Betriebs (wieder) zwei originäre Betriebe bestehen.326 Folgt man dieser Ansicht, wäre aber erst dann eine (fiktive) Betriebsaufgabe anzunehmen, wenn mit der Beendigung des letzten Organschaftsverhältnisses der gesamte Organkreis „erlischt“. Solange der Organträger auch nur ein einziges Organschaftsverhältnis unterhält, besteht die Betriebsfiktion fort, weshalb nicht von einer Aufgabe i. S. des § 4h Abs. 5 S. 1 EStG auszugehen sein sollte, wenn lediglich eines von mehreren Organschaftsverhältnissen beendet wird. Dies sieht die Finanzverwaltung jedoch entgegen der einhelligen Auffassung im Schrifttum anders.327 Sie versucht über eine Ableitung 2. Ordnung den Anwendungsbereich von § 4h Abs. 5 S. 1 EStG auf die Beendigung eines Organschaftsverhältnisses auszudehnen, und zwar unabhängig davon, ob der fiktive Betrieb danach weiter existiert. Basierend auf ihrer Gleichstellungsthese, dass Betrieb und Teilbetrieb als Tatbestandsvoraussetzung des § 4h Abs. 5 S. 1 EStG gleichzusetzen seien (1. Ableitung), folgert sie, dass auch die Beendigung eines Organschaftsverhältnisses als Aufgabe eines Teilbetriebs zu verstehen sei und den (partiellen) Untergang des Zinsvortrags
323 324
325 326
327
Ebenso Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 15 KStG, Rz. 47; Herlinghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 KStG, Rz. 66; a. A. Kowallik, Erstjahresproblem, IWB 2010, S. 243. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Zinsvortrag, DB 2009, S. 1951; Herlinghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 KStG, Rz. 69; Dötsch, in: Dötsch et al., KSt, § 15 KStG, Rz. 61; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 15 KStG, Rz. 53. Im Ergebnis ebenso Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2322; Erle/Heurung, Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, § 15, Rz. 76. Dörfler sieht in diesem Fall – m. E. unzutreffend – einen analogen Fall der Betriebseinbringung i. S. des § 20 UmwStG, der auch nicht den Untergang des Zinsvortrags zur Folge hätte; vgl. derselbe, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 700. Zur vehementen Kritik des Schrifttums an der Verwaltungsauffassung, die sich weder aus dem Gesetzeswortlaut noch anhand der Gesetzesmaterialien begründen lässt, vgl. die Argumentation und Nachweise bei Herzig/Liekenbrock, Zinsvortrag, DB 2009, S. 1952 f. (Fn. 46).
152
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
herbeiführe (2. Ableitung).328 Die Finanzverwaltung lässt jedoch offen, wie sie den untergehenden Anteil der ausgeschiedenen Organgesellschaft ermitteln möchte. Hier wurde zum einen über einen Untergang nach dem Vorbild des § 15 Abs. 3 UmwStG entsprechend der gemeinen Werte der ausgeschiedenen Organgesellschaft im Verhältnis zu denjenigen des Organkreises spekuliert329 und zum anderen ein verursachungsgerechtes Ermittlungsverfahren330 für Zwecke einer verwaltungskonformen Rechtsanwendung vorgeschlagen. 5.
EBITDA-Vortrag
Nachfolgend werden nur die Rechtsunsicherheiten beim periodischen EBITDA-Vortrag beleuchtet. In Bezug auf besondere Fragestellung im Umgang mit dem sog. fiktiven EBITDAVortrag, der rückwirkend für die Wirtschaftsjahre 2007 bis 2009 und nur einmalig im Veranlagungszeitraum 2010 gewährt wird, sei auf die einschlägige Literatur verwiesen.331 a.
Auf- und Abbau
Der EBITDA-Vortrag ist vereinfacht gesprochen als Spiegelbild des Zinsvortrags zu verstehen, jedoch mit der Ausnahme, dass ein Zinsertragsüberschuss nicht den EBITDA-Vortrag erhöht. Damit handelt es sich beim EBITDA-Vortrag also genaugenommen nicht um den Vortrag von sämtlichen Zinsabzugspotenzialen, die ein Betrieb theoretisch erwirtschaften könnte.332 Ein Zinsertragsüberschuss verhindert nicht den Aufbau des EBITDA-Vortrags. Dies wird laut Rödder von der Finanzverwaltung dem Vernehmen nach aber angezweifelt.333 Vielmehr gewährleistet es der Gesetzeswortlaut, dass auch im Falle eines Zinsertragsüberschuss ein EBITDA-Vortrag i. H. von 30% des verrechenbaren EBITDA entsteht bzw. sich erhöht.334 Ferner werden Zweifel bekundet, inwiefern die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Ausnahmetatbestands der Bildung des EBITDA-Vortrags entgegensteht.335 In dieser Frage herrscht die Meinung vor, dass einzig die Unterschreitung der Freigrenze (§ 4h Abs. 2 lit. a 328
329 330 331
332
333 334
335
Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 47. Die Teilbetriebsfiktion i. S. des § 16 Abs. 1 Nr. 1 EStG als Rechtfertigungsgrundlage für die Verwaltungsmeinung in Erwägung ziehend Goebel/Eilinghoff/Kim, Zinsschrankenerlass, DStZ 2008, S. 636. Vgl. Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 77 m. w. N. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Zinsvortrag, DB 2009, S. 1953 ff. Vgl. Rödding, Änderungen, DStR 2009, S. 2651; Gemmel/Loose, Erleichterungen, NWB 2010, S. 267; Herzig/Liekenbrock, EBITDA-Vortrag, DB 2010, S. 691 ff.; Kessler/Lindemer, EBITDA-Puffer, DB 2010, S. 473. In einem Gesetzentwurf zur Korrektur der Unternehmensteuerreform der FDP-Fraktion (BT-Drs. 16/12525) wurde ein Abzugsvortrag vorgeschlagen, der neben einem EBITDA-Überschuss auch den Vortrag eines Zinsertragsüberschusses ermöglicht hätte. Vgl. Rödder, Zinsertragsüberhang, DStR 2010, S. 529. Vgl. Herzig/Liekenbrock, EBITDA-Vortrag, DB 2010, S. 690; Rödder, Zinsertragsüberhang, DStR 2010, S. 530; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 53e; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 240b; a. A. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 47. Gem. § 4h Abs. 1 S. 3 2. Hs. EStG entsteht ein EBITDA-Vortrag nicht, wenn § 4h Abs. 2 EStG die Anwendung des Grundtatbestands der Zinsschranke ausschließt.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
153
EStG) den Aufbau verhindert. Während die Inanspruchnahme des Stand-alone- oder EquityEscape jeweils an zu erbringende Nachweise seitens des Steuerpflichtigen gekoppelt ist,336 enthält die Freigrenze – im Falle ihrer Unterschreitung – einen Befreiungsautomatismus. Demgegenüber liegt die subjektive Beweislast zur Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape beim Steuerpflichtigen, der die genannten Ausnahmen im Falle der Unterschreitung der Zinsabzugsbeträge des Grundtatbestands regelmäßig nicht begehren wird. Darum können jene mangels Inanspruchnahme selbst dann nicht den Aufbau des EBITDAVortrags verhindern, wenn sie theoretisch einschlägig wären.337 Der Abbau von EBITDA-Vorträgen sorgt im Schrifttum mit einer Ausnahme für keine Verunsicherung. So wird für EBITDA-Vorträge von Organgesellschaften ähnlich wie beim Zinsvortrag darüber gestritten, ob die vororganschaftlichen EBITDA-Vorträge „eingefroren“ oder nutzbar sind. Wortlautkonform und deshalb vorzugswürdig erscheint die erstere Auffassung zu sein. Hiernach kann der vororganschaftliche EBITDA-Vortrag nicht in den organschaftlichen Zeitraum hineingetragen werden, weil Organgesellschaften aus dem Anwendungsbereich von § 4h EStG herausfallen (§ 15 Nr. 3 S. 1 KStG). Zur Mobilisierung des EBITDAVortrags wird aber gerade § 4h EStG benötigt.338 b.
Untergang
Für den Untergang des EBITDA-Vortrags gelten mit Ausnahme von § 8c KStG und § 4h Abs. 5 S. 3 EStG sämtliche Beschränkungsnormen, die auch für den Zinsvortrag einschlägig sind. Zwar liegt gegenwärtig noch keine Stellungnahme der Finanzverwaltung vor, jedoch ist davon auszugehen, dass sie entsprechend ihrer Auffassung zum Zinsvortrag auch dann den EBITDA-Vortrag (partiell) untergehen lassen möchte, wenn ein Teilbetrieb aus dem Betrieb ausscheidet.339 Vor diesem Hintergrund bestehen beim Zins- und EBITDA-Vortrag identische Rechtsunsicherheiten, weshalb auf die Ausführungen zum Zinsvortrag verwiesen wird.340 Es erscheint eigenartig, dass § 8c KStG ausweislich des Gesetzeswortlautes nicht auf den periodischen EBITDA-Vortrag ausgedehnt wurde, wobei ansonsten sämtliche Normen, die den Untergang des Zinsvortrags herbeiführen, im Zuge des Wachstumsbeschleunigungsgeset336 337
338 339 340
Es sei nur auf die Nachweise zur Widerlegung schädlicher Gesellschafterfremdfinanzierung gem. § 8a Abs. 2 bzw. Abs. 3 KStG hingewiesen; vgl. Abschn. B.III.4, S. 200. Vgl. Bien/Wagner, Wachstumsbeschleunigungsgesetz, BB 2009, S. 2632 (Fn. 31); Herzig/Liekenbrock, EBITDA-Vortrag, DB 2010, S. 692; Kessler/Lindemer, EBITDA-Puffer, DB 2010, S. 474; Schneider/Roderburg, Wachstumsbeschleunigungsgesetz, FR 2010, S. 63 (Fn. 22 – nur bezugnehmend auf den Equity-Escape). Gemmel/Loose sehen eine Verlagerung der Beweislast auf die Finanzbehörden, wenn jene auf eine (theoretische) Einschlägigkeit des Equity-Escape beharren sollten; vgl. dieselben, Erleichterungen, NWB 2010, S. 266; zweifelnd Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 240d; a. A. Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 30; wohl auch Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 53e; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 44. Vgl. Herzig/Liekenbrock, EBITDA-Vortrag, DB 2010, S. 695; Lenz/Dörfler/Adrian, Änderungen, Ubg 2010, S. 4; a. A. Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 153. Ebenso Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 329. Vgl. Abschn. B.4.b, S. 138 ff.
154
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
zes um den EBITDA-Vortrag erweitert wurden. Selbst für den fiktiven EBITDA-Vortrag soll offenkundig § 8c KStG berücksichtigt werden. Es bleibt abzuwarten, ob dem Gesetzgeber in diesem Punkt ein redaktioneller Fehler unterlaufen ist und dieser Makel durch ein Reparaturgesetz behoben wird, oder ob dahinter doch eine andere Motivation steckt.341 6.
Gewerbesteuerliche Folgefragen
a.
Zinsvortragsnutzung und gewerbesteuerliche Hinzurechnung
Beim Zusammenspiel von gewerbesteuerlicher Hinzurechnung von Schuldentgelten gem. § 8 Nr. 1 lit. a GewStG und der Hinzurechnung von Zinsen gem. § 4h Abs. 1 EStG besteht in ermittlungstechnischer Hinsicht Klärungsbedarf, wie der Abbau des Zinsvortrags vorzunehmen ist, wenn im Zinsvortrag gespeicherte Zinsaufwendungen nicht die Definition von Schuldentgelten i. S. des § 8 Nr. 1 lit. a GewStG erfüllen.342 Relevant wird diese Qualifikationsfrage insbesondere im Falle der Abzinsung einer Forderung bzw. der Aufzinsung einer (unverzinslichen) Verbindlichkeit, da zumindest letztere nach Auffassung des Gesetzgebers und der Finanzverwaltung nicht von der gewerbesteuerlichen Hinzurechnungsvorschrift erfasst wird.343 Sofern nämlich Zinsen aufgrund der Zinsschranke in einem Veranlagungszeitraum nicht abziehbar sind, lösen sie auch nicht die gewerbesteuerliche Hinzurechnung aus.344 Können diese Zinsen aber in einem Folgejahr wieder verrechnet werden, unterliegen sie nur dann der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung, wenn sie auch den Charakter von Schuldentgelten aufweisen.345 Aufgrund von Qualifikationsunterschieden zwischen Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke und den gewerbesteuerlichen Schuldentgelten muss die rechtliche Qualität der im Zinsvortrag gespeicherten Aufwendungen nachgehalten – gegebenenfalls auch verfahrensrechtlich festgestellt –346 werden, damit die spätere Abziehbarkeit im körperschaftsteuerlichen Bereich nicht zwangsläufig eine Hinzurechnung nach § 8 Nr. 1 lit. a GewStG auslöst, weil nicht sämtliche zinsschrankenbefangenen Aufwendungen gleichsam von einer gewerbesteuer341 342
343 344 345
346
Hierzu bereits Herzig/Liekenbrock, EBITDA-Vortrag, DB 2010, S. 694. Vgl. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2323; Hölzl, in: Herzig et al., Handbuch, S. 118 f.; Schiffers/Köster, Gestaltungshinweise, DStZ 2008, S. 834; Stein, Gesellschafterfremdfinanzierung, S. 135; v. Krempelhuber, Zusammenspiel, NWB 2008, Fach 4, S. 5369 ff. Zu einer Gegenüberstellung von Finanzierungsaufwendungen, die den Zinsbegriffs i. S. der Zinsschranke erfüllen und/oder den Charakter eines gewerbesteuerlichen Schuldentgelts aufweisen, vgl. Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1507 (Tabelle); v. Krempelhuber, Zusammenspiel, NWB 2008, Fach 4, S. 5374 f. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 79; Ländererlass v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 730, Rz. 12. Der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung unterliegen nur Schuldentgelte, die den Gewerbeertrag gemindert haben; vgl. bspw. Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1053. Nach ständiger BFH-Rechtsprechung ist unter dem Begriff der Entgelte für Schulden die Gegenleistung für die Zurverfügungstellung von Fremdkapital zu verstehen; vgl. bspw. BFH v. 09.08.2000, I R 92/99, BStBl. II 2001, S. 609 (610). Damit entsprechen sich Schuldentgelte und Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke weitgehend; vgl. v. Krempelhuber, Zusammenspiel, NWB 2008, Fach 4, S. 5374. Hierfür plädiert v. Krempelhuber, Zusammenspiel, NWB 2008, Fach 4, S. 5383; a. A. Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2323.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
155
lichen Hinzurechnung erfasst werden. Aufgrund dieses Qualifikationsproblems muss eine Technik entwickelt werden, die eine sachgerechte, nachträgliche Zinsaufwandsbesteuerung im körperschaft- und gewerbesteuerlichen Bereich gewährleistet. Diesbezüglich sind für den Auf- und Abbau des Zinsvortrags von von Krempelhuber zwei Aufteilungsmethoden (Rangund Anteilsverfahren) vorgestellt worden, die mit unterschiedlichen Belastungswirkungen einhergehen können.347 Nach dem Rangverfahren wird zunächst eine Grundentscheidung getroffen, ob vorrangig diejenigen im Zinsvortrag gespeicherten Aufwendungen verrechnet werden, die sowohl den Zinsbegriff der Zinsschranke als auch den Begriff der Schuldentgelte erfüllen, oder vorrangig diejenigen, die nur den Zinsbegriff der Zinsschranke erfüllen. Hinter dem sog. Anteilsverfahren verbirgt sich eine entstehungsquotale Verrechnungsmethode. Danach werden die im Zinsvortrag gespeicherten unterschiedlichen Zinsaufwandskategorien genau in dem Verhältnis wieder abgebaut, mit dem sie im Jahr der Entstehung des Zinsvortrags angefallen sind. b.
Nachträgliche Korrektur des Gewerbeertrags einer Organgesellschaft
Bei der organkreisweiten Ermittlung der Gewerbeerträge stellt sich hinsichtlich der Anwendung der Zinsschranken-Bruttomethode die Frage, ob diese auch für den Gewerbeertrag gültig ist, da § 2 Abs. 2 S. 2 GewStG (Betriebsstättenfiktion) keinen expliziten Verweis auf § 15 KStG enthält.348 Hinsichtlich der Bruttomethode für Dividenden von Organgesellschaften (§ 15 S. 1 Nr. 2 KStG) vertritt die Finanzverwaltung die Position, dass diese Vorschrift ebenfalls für die Gewerbeertragsermittlung anzuwenden ist.349 Im Zinsschrankenerlass ist keine davon abweichende Grundhaltung erkennbar, sodass von einem Durchschlagen der Zinsschranken-Bruttomethode und der Betriebsfiktion auf den Gewerbeertrag ausgegangen werden kann.350 Aufgrund der Zinsschranken-Bruttomethode und der getrennten Gewerbeertragsermittlung von Organgesellschaften und Organträger ergibt sich nun das Problem, dass hinzurechnungspflichtige Entgelte für Schulden (gegenüber außerhalb des Organkreises stehenden Personen) zum Gewerbeertrag hinzugerechnet werden, obwohl diese bei Anwendung der Zinsschranke zum Teil nicht abziehbar und insoweit nicht hinzurechnungspflichtig wären. Auf Ebene der Organgesellschaft sind zunächst sämtliche Zinsaufwendungen abzugsfähig und werden im Rahmen der Gewerbeertragsermittlung nach Überschreitung des Freibetrags zu 25% wieder hinzugerechnet.351 Dies bedingt immer dann eine nicht korrekte bzw. zu hohe gewerbesteuer347 348 349 350 351
Vgl. v. Krempelhuber, Zusammenspiel, NWB 2008, Fach 4, S. 5383 ff. Zu diesem Auslegungsproblem vgl. bereits Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2392 f. Vgl. BMF v. 26.08.2003, BStBl. I 2003, S. 437, Tz. 30. Herzig/Liekenbrock, Zinsvortrag, DB 2009, S. 1950 (Fn. 14). Die getrennte Gewerbeertragsermittlung gilt auch nach Änderung von § 8 Nr. 1 GewStG. Dementsprechend ist der gewerbesteuerliche Hinzurechnungsfreibetrag jeder Organgesellschaft zu gewähren; vgl. Ländererlass v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 730, Rz. 45.
156
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
liche Hinzurechnung der Zinsen, wenn die Zinsschranke auf Ebene des Organträgers letztlich zum Tragen kommt. In diesem Fall müssen die auf Ebene des Organträgers zusammengerechneten Gewerbeerträge von Organträger und Organgesellschaften nachträglich korrigiert werden. Für Korrekturzwecke ist es notwendig, eine Parallelrechnung anzustellen, die die maximal abzugsfähigen Zinsen der jeweiligen Organgesellschaften festhält, um darüber auch den korrekten Hinzurechnungsbetrag i. S. des § 8 Nr. 1 lit. a GewStG feststellen zu können.352 Hieran wird deutlich, dass eine Überprüfung des Grundtatbestandes für jede Organgesellschaft allein aus ermittlungstechnischen Gründen notwendig wird, um einen betragsmäßig korrekten Gewerbeertrag des gesamten Organkreises ermitteln zu können.
352
Vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2392 ff. Zu einem alternativen Korrekturvorschlag vgl. Franke/Gageur, Zweifelsfragen, BB 2008, S. 1709; Schuck/Faller, Probleme, DB 2010, S. 2188 f.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
II.
157
Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung der Ausnahmetatbestände
Die nachfolgenden Ausführungen konzentrieren sich allein auf Rechtsunsicherheiten beim Stand-alone- und Equity-Escape, weil im Zusammenhang mit der Freigrenze im Grundsatz keine gravierenden Auslegungsfragen bestehen.353 1.
Stand-alone-Escape und Konzernabgrenzung
Die Inanspruchnahme des Stand-alone-Escape gem. § 4h Abs. 2 lit. b EStG ist vorbehaltlich § 8a Abs. 2 KStG nur dann möglich, wenn der betrachtete Betrieb nicht oder nur anteilmäßig zu einem Konzern gehört. Aus diesem Grund ist es erforderlich, zunächst das Konzernverständnis der Zinsschranke zu systematisieren, um anschließend konzernzugehörige bzw. konzernfreie Betriebe identifizieren und Problemfälle erörtern zu können. a.
Weites Konzernverständnis der Zinsschranke
Zur Beschreibung des Konzernbegriffs der Zinsschranke wird im Schrifttum vielfach zwischen einem originären und einem rein steuerlichen Konzern unterschieden.354 Während ein originärer Konzern durch das jeweils einschlägige Rechnungslegungssystem begründet wird (IFRS, EU-HGB, US-GAAP),355 liegt dem steuerlichen Konzernverständnis eine über die konzernrechtliche Definition hinausgehende Bestimmungsmöglichkeit der Finanz- und Geschäftspolitik zugrunde (§ 4h Abs. 3 S. 6 EStG).356 Durch diese Erweiterung des Konzernverständnisses werden im Grundsatz konzernfreie Gesellschaften für Zwecke der Zinsschranke als konzernzugehörige Einheiten gewertet, weshalb die Vorschrift zum steuerlichen Konzernbegriff auch häufig als Auffang- bzw. Ergänzungstatbestand bezeichnet wird.357 Zwar ist die Organschaft stets als originärer Konzern zu qualifizieren, weil aber das organschaftlich verbundene Mutter-Tochter-Verhältnis aufgrund der Betriebsfiktion (§ 15 Nr. 3 353 354
355 356 357
Zu den Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich des Zusammenspiels von Zinsvortrag und Freigrenze vgl. Abschn. B.I.4.a.ii, S. 136. Vgl. Dörr/Geibel/Fehling, Gestaltungsspielraum, NWB 2007, Fach 4, S. 5208; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, Rz. 162; 153 ff.; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 477; Schultz-Assberg, in: Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 63; Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 701; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 216; Forst/Schaaf, Gleichordnungskonzern, EStB 2008, S. 414; Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 750; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 6 f.; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 85; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 35; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 86; auch die Finanzverwaltung trennt erkennbar zwischen den Konzerntatbeständen nach Satz 5 und Satz 6; vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 59 f.; a. A. Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 246; Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1262, die den steuerlichen Konzern allein nach den IFRS beurteilen wollen. Zur Hierarchie der Rechnungslegungssysteme vgl. die Ausführungen in Abschn. B.II.2.a, S. 164 ff. Sozusagen wird ein steuerliches Control-Konzept analog IAS 27 und § 290 HGB eingeführt; vgl. Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2101. Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 469; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1066; Hageböke/Stangl, Unternehmen, DB 2008, S. 200; Krain, Konzernbegriff, StuB 2009, S. 489; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 78.
158
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
S. 2 KStG) negiert wird, bestimmen allein die Beteiligungs- und Beherrschungsverhältnisse außerhalb des Organkreises darüber, ob der fiktive Betrieb zu einem originären oder steuerlichen Konzern im Rahmen der Zinsschranke zu zählen ist.358 Unter weiteren Voraussetzungen gilt dies entsprechend für die im Mittelstand weitverbreitete GmbH & Co. KG, deren zwei Betriebe (KG und GmbH) per Zinsschrankenerlass als ein Betrieb und eben nicht als ein Konzern i. S. der Zinsschranke gelten sollen (Billigkeitsregelung).359 b.
Konzernfreie und konzernzugehörige Rechtsträger
i.
Originärer Konzerntatbestand
Das jeweilige Rechnungslegungssystem gibt vor, ab wann eine Gesellschaft in einem Konzernabschluss vollständig zu konsolidieren ist. HGB und IFRS stellen diesbezüglich auf den beherrschenden Einfluss der Ober- auf die Untergesellschaft ab (sog. Control-Verhältnis im Unterordnungskonzern).360 Das deutsche Aktienrecht kennt daneben zwar auch den Gleichordnungskonzern (§ 18 Abs. 2 AktG), der zwei voneinander rechtlich unabhängige Gesellschaften, die unter einer einheitlichen Leitung stehen, als Konzernschwestergesellschaften qualifiziert,361 hieraus ergibt sich jedoch regelmäßig keine Pflicht zur Erstellung eines Konzernabschlusses, da HGB und IFRS grundsätzlich nur den Fall des Unterordnungskonzerns erfassen.362 Klar ist aber, dass es für die Qualifikation als originär konzernzugehörige Gesellschaft einer grundsätzlichen Vollkonsolidierungspflicht bedarf.363 Demnach erfüllt der betrachtete Betrieb nicht den originären Konzerntatbestand, wenn er in den Konzernabschluss lediglich über die Quotenkonsolidierung (Gemeinschaftsunternehmen bzw. Joint-Venture)364 oder die Equity-Methode (assoziierte Unternehmen)365 aufgenommen wird.366 Hingegen schirmen bestimmte Befreiungen von der Vollkonsolidierung (z. B. aufgrund von Wesentlichkeits- und Wirtschaftlichkeitsgründen) nicht von dem originären Konzerntatbestand der Zinsschranke ab, da nach § 4h Abs. 3 S. 5 EStG ausdrücklich die Möglichkeit einer Vollkonsolidierung ausreichend ist.367 358 359 360
361 362
363 364 365 366 367
Vgl. Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 750 f. m. w. N. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 66; Dorenkamp, Publikums KG, FR 2008, S. 1133 f. Tatbestände, die das Beherrschungsverhältnis konkretisieren, sind in § 290 Abs. 2 HGB bzw. IAS 27.13 aufgelistet. Zur deutschen Konzernabgrenzung vgl. Küting/Seel, Konzernbilanzrecht, DStR-Beihefter 2009 zu Heft 26, S. 37 ff.; zur Konzeption und zu Zweifelsfragen des Beherrschungsverhältnisses nach IFRS vgl. Watrin/Lammert, Beherrschungsverhältnis, KoR 2008, S. 74 ff. m. w. N. Vgl. Emmerich/Habersack, Konzernrecht, 2005, § 4, Abschn. IV; Hüffer, Aktiengesetz, 2008, § 18, Rz. 20 ff. Zum HGB vgl. Küting/Weber, Konzernabschluss, 2010, S. 48 und zu IFRS vgl. Baetge/Hayn/Ströher, in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 27, Rz. 42 – jeweils mit Verweisen auf eng begrenzte Ausnahmefälle, in denen der Gleichordnungskonzern doch zur Konzernabschlusserstellung nach HGB bzw. IFRS verpflichtet ist. Vgl. statt aller Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2102. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 50; Hageböke/Stangl, Unternehmen, DB 2008, S. 201 f. m. w. N. Vgl. Hageböke/Stangl, Unternehmen, DB 2008, S. 200 ff. m. w. N. (insbes. Fn. 4). Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 61. Zu einer umfassenden Auflistung konzernfreier Rechtsträger vgl. Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 89. Vgl. bspw. Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2102.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
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In diesem Zusammenhang wurde in der Literatur die Frage aufgeworfen, nach welchem Rechnungslegungsstandard die Vollkonsolidierungsmöglichkeit zu beurteilen ist, wenn tatsächlich gar kein Konzernabschluss erstellt wird bzw. keiner nach den geforderten Rechnungslegungswerken.368 Hierbei sollte es sich innerhalb der EU jedoch regelmäßig nur um eine theoretische und nicht um eine praxisrelevante Frage handeln, da die Zinsschranke – wie im empirischen Teil ausgeführt – nur für große Unternehmen von Bedeutung ist,369 die im Insowie Ausland regelmäßig der Pflicht unterliegen, einen Konzernabschluss zu erstellen bzw. in diesen einbezogen zu werden. Im Verhältnis zu Drittstaaten (z. B. Japan370, ausgenommen sind die USA) erlangt diese Frage aber praktische Bedeutung, wenn der betrachtete Betrieb zu einem Konzern gehört, der weder nach IFRS noch nach US-GAAP Rechnung legt. Die Regierungsbegründung deutet zwar daraufhin, dass sich die Konsolidierungsmöglichkeit auch in diesem Fall nach dem jeweils anwendbaren Rechnungslegungswerk ergibt,371 da aber gerade keins der in § 4h Abs. 2 lit. c S. 8 ff. EStG genannten Konzernrechnungslegungswerke anwendbar ist, sollte meines Erachtens vielmehr der Auffassung gefolgt werden, dass in einem nächsten Schritt der steuerliche Konzernbegriff i. S. des § 4h Abs. 3 S. 6 EStG zu prüfen ist. Denn für Zwecke des § 4h Abs. 3 S. 6 EStG ist es gerade ohne Belang, ob ein Konzernabschluss erstellt wird (vgl. Abschn. B.II.1.b.ii, S. 160).372 Im Falle eines einfachen Mutter-Tochter-Verhältnisses ist fraglich, ob sowohl Ober- als auch Untergesellschaft jeweils die Betriebseigenschaft der Zinsschranke erfüllen müssen oder ob für die Prüfung der originären Konzernzugehörigkeit allein die rechnungslegungsspezifischen Konsolidierungsbestimmungen maßgeblich sind. Denn aus dem Wortlaut von § 4h Abs. 3 S. 5 EStG lässt sich – ebenso wie aus Satz 6 – ausdrücklich die Konsolidierung von mindestens zwei (Zinsschranken-)Betrieben herauslesen. Einer wortlautgetreuen Rechtsanwendung folgend würde die Konzernzugehörigkeit nach § 4h Abs. 3 S. 5 EStG scheitern, wenn es sich bei der (ausländischen) Obergesellschaft nicht um einen Betrieb i. S. der Zinsschranke handelt.373 Gegen eine wortlautgetreue Gesetzesauslegung werden jedoch teleologische Einwände vor368 369 370 371
372
373
Bspw. aufgrund von größenabhängigen Befreiungen gem. § 293 HGB; vgl. hierzu Kozikowski/Ritter, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 293. Vgl. Teil I – Kapitel 4 – Abschn. C, S. 83. Zur Konzernrechnungslegung in Japan vgl. Benston et al., Reporting, 2006, S. 166 ff. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 50; so auch Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1069; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 39 f.; Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1262 halten in diesem Fall einen „fiktiven“ IFRS-Konzernabschluss für erforderlich. Vgl. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 66; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 163; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 77 f.; a. A. Mensching/Rosseburg, Konzernbegriff, DStR 2008, S. 1225, die den steuerlichen Konzerntatbestand in diesem Fall anscheinend ignorieren und behaupten, dass ein Konzern i. S. der Zinsschranke nur dann vorliegt, wenn tatsächlich ein Konzernabschluss erstellt wird. So Winkler/Käshammer, Konsolidierungskreis, Ubg 2008, S. 480; Goebel/Eilinghoff, Konzernklausel, DStZ 2010, S. 488; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 22; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 109; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 161; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 64a; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 42; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4h, Rz. 27; zweifelnd Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1876.
160
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
gebracht. Demnach ließe sich eine zweckkonforme Rechtsanwendung nur dadurch erzielen, wenn es im Rahmen des § 4h Abs. 3 S. 5 EStG allein auf die handelsrechtliche Konsolidierungsmöglichkeit ankäme.374 Eine weitere Debatte wird über die Konzernzugehörigkeit von Zweckgesellschaften geführt, die grundsätzlich sowohl nach IFRS als auch nach HGB in einen originären Konzernabschluss aufzunehmen sind.375 Sofern die rechnungslegungsspezifischen Besonderheiten jedoch nicht erfüllt sind und die Zweckgesellschaft nicht im Konzernabschluss konsolidiert werden muss, kann es dennoch dazu kommen, dass sie vom steuerlichen Konzernbegriff gem. § 4h Abs. 3 S. 6 EStG erfasst wird. Die Finanzverwaltung nimmt in Anlehnung an die Regierungsbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 allein Zweckgesellschaft im Rahmen von Asset-backed-Securities-Gestaltung (ABS) von der Konzernzugehörigkeit aus, wenn eine Einbeziehung in den Konzernabschluss aufgrund einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise erfolgt ist.376 Damit verschafft die Finanzverwaltung allein für ABS einen Sonderstatus im Billigkeitswege. Es lässt sich nach herrschender Meinung weder dem Wortlaut noch dem Telos des Gesetzes entnehmen, dass über ABS-Gesellschaften hinaus sämtliche Zweckgesellschaften (z. B. Leasingobjektgesellschaften) als nicht konzernzugehörig i. S. der Zinsschranke aufzufassen sind.377 ii.
Steuerlicher Konzerntatbestand
Nach überwiegender Auffassung kann aus Sicht des jeweils betrachteten Betriebs ein steuerlicher Konzern i. S. des § 4h Abs. 3 S. 6 EStG nur dann vorliegen, wenn der Betrieb nicht bereits Teil eines originären Konzern i. S. der maßgeblichen Rechnungslegungsstandards (IFRS, EU-HGB, US-GAAP) ist; es wird somit ein subsidiäres steuerliches Konzernver-
374 375
376 377
So Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 77. Dies ergibt sich nach SIC 12 für den IFRS-Konzernabschluss, an dessen Inhalt sich der deutsche Gesetzgeber bei Schaffung von § 290 Abs. 2 Nr. 4 HGB eng angelehnt hat, sodass keine Unterschiede zwischen dem Einbezug von Zweckgesellschaften in einen HGB- bzw. IFRS-Konzernabschluss bestehen; vgl. ausführlich Kümpel/Piel, Zweckgesellschaften, DStR 2009, S. 1222 ff.; Zoeger/Möller, Zweckgesellschaften, KoR 2009, S. 309 ff.; Kozikowski/Ritter, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 290, Rz. 65 ff. Zu den weiteren Voraussetzungen vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 67; BT-Drs. 16/4841, S. 50; krit. zur Beschränkung auf ABS Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Konzernabschluss, DStR 2007, S. 637. Vgl. Coenenberg, IFRS-Jahresabschluss, PiR 2007, S. 211; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 159; Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2102; Schultz-Assberg, in: Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 65 f.; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 470; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1074; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 217; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 55; Schulz, Zinsschranke, DB 2008, S. 2047; Thielo/Szentpetery, Verbriefungsstrukturen, BB 2008, S. 1989; Goebel/Eilinghoff, Konzernklausel, DStZ 2010, S. 494; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 89; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 83; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 75; zweifelnd Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1262; a. A. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 142; Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2279; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 250; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 165.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
161
ständnis unterstellt.378 Stimuliert durch die Ausführungen in der Regierungsbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 wird demgegenüber auch im Sinne eines exklusiven steuerlichen Konzernverständnisses argumentiert, wonach § 4h Abs. 3 S. 6 EStG keine eigenständige, sondern stets eine ergänzende Funktion erfüllen soll. Danach wird Satz 6 als eine Art Annexvorschrift verstanden, die den originären Konzernbegriff immer und stets erweitert (exklusives steuerliches Konzernverständnis).379 Die Möglichkeit zur Bestimmung der Finanz- und Geschäftspolitik wird im Gesetz nicht weiter präzisiert. Allein in der Regierungsbegründung wird der Versuch unternommen, dieses Tatbestandsmerkmal mit Leben zu füllen, indem auf das Control-Verhältnis nach IAS 27 verwiesen wird.380 Dieser Verweis auf die internationalen Rechnungslegungsstandards wird im Schrifttum teilweise dahingehend gedeutet, dass für Zwecke der Konzernzugehörigkeit spätestens durch § 4h Abs. 3 S. 6 EStG auf die IAS/IFRS abzustellen sei und eine Konzerndefinition beispielsweise nach dem ehemals im HGB bestehenden Konzept der einheitlichen Leitung (§ 290 Abs. 1 HGB a. F.) überschrieben würde.381 Demgegenüber mehren sich die Stimmen, die der Vorschrift eine eigenständige Funktion beimessen, der auch über den Konzernumfang von IAS 12 bzw. SIC 12 hinausgehen kann. Denn für die Anwendung von § 4h Abs. 3 S. 6 EStG ist es nur erforderlich, dass mindestens zwei Betriebe (theoretisch) von einer Person bzw. einem Rechtsträger beherrscht werden,382 der weder eine rechnungslegungsbezogene Unternehmenseigenschaft noch eine zinsschrankenbezogene Betriebseigenschaft erfüllen muss.383 Dadurch wird es möglich, dass natürliche Personen, die die Gesellschaftsanteile im Privatvermögen halten, sowie vermögensverwaltende Personengesellschaften (z. B. ein 378
379
380 381
382
383
Vgl. Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2101; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 216; Kahle/Dahlke/Schulz, IFRS, StuW 2008, S. 271; Brunsbach, Konzern, IStR 2010, S. 748; Goebel/Eilinghoff, Konzernklausel, DStZ 2010, S. 488; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 286; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 67; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 85; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 78. I. d. S. ist wohl auch der Zinsschrankenerlass zu verstehen; vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 60. Die jeweilige Auffassung über das Verhältnis der Sätze 5 und 6 des § 4h Abs. 3 EStG beeinflussen eine konsistente Argumentationsführung bei der Ableitung des maßgeblichen Rechnungslegungs-standards (vgl. Abschn. B.II.2.a, S. 164 ff.) und bei der Abgrenzung des Konsolidierungsumgangs (vgl. Abschn. B.II.2.b.i, S. 170 ff.). Vgl. BT-Drs. 1674841, S. 50. I. d. S. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 140; wohl auch Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Konzernabschluss, DStR 2007, S. 636; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 249; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 75. Der Wortlaut von § 4h Abs. 3 S. 6 EStG könnte auch so verstanden werden, dass Personengruppen gemeinschaftlich über die Finanz- und Geschäftspolitik bestimmen; i. d. S. wohl Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 478. Dies würde jedoch dem ausdrücklichen Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen, der Gemeinschaftsunternehmen nicht durch die Zinsschranke sanktionieren wollte; vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 50; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 162; SchultzAssberg, in: Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 63; Goebel/Eilinghoff, Konzernklausel, DStZ 2010, S. 496. Schließlich hat die Finanzverwaltung im Zinsschrankenerlass klargestellt, dass es nominell nur eine Konzernspitze geben kann; vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 59 S. 2. Vgl. Goebel/Eilinghoff, Konzernklausel, DStZ 2010, S. 496; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 170 f.; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 167. Zur erforderlichen Unternehmenseigenschaft im Bereich der Konzernbilanzierung nach HGB und IFRS vgl. Petersen/Zwirner, Natürliche Personen, BB 2008, S. 1777 ff.; Busse von Colbe et al., Konzernabschlüsse, 2010, S. 75 f.
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PE-Fonds) an der Spitze des steuerlichen Konzerns stehen können, wenn sie über die Finanzund Geschäftspolitik von mehr als einem Betrieb bestimmen können.384 Umgangssprachlich wird die Beherrschung durch einen außerhalb der Rechnungslegungswerke stehenden Rechtsträger als Fall des „Gleichordnungskonzerns“ bezeichnet,385 der allerdings regelmäßig nicht mit dem Gleichordnungskonzern i. S. des § 18 Abs. 2 AktG identisch sein wird.386 Da der steuerliche Konzernbegriff eben keine finanzielle Verbindung bzw. kein Unterordnungsverhältnis fordert, wird über § 4h Abs. 3 S. 6 EStG auch der aktienrechtliche Gleichordnungskonzern erfasst,387 der – wie bereits gesagt – regelmäßig zu keiner originären Konzernzugehörigkeit i. S. des § 4h Abs. 3 S. 5 EStG führt.388 Mit dem steuerlichen Konzernbegriff hat der Gesetzgeber ein sehr weitreichendes Instrument geschaffen, worüber gestalterische Maßnahmen, die auf die Anwendung des Stand-aloneEscape abzielen, eingedämmt werden können. Letztlich wird die Prüfung des jeweiligen Einzelsachverhalts ergeben, ob der Tatbestand einer einheitlichen Bestimmungsmöglichkeit der Finanz- und Geschäftspolitik einschlägig ist. Eine schwer zu widerlegende steuerliche Konzernvermutung wird jedenfalls unabhängig von der rechtlichen und wirtschaftlichen Qualität des obersten Rechtsträgers gegeben sein, wenn jener die Stimmrechtsmehrheit in mindestens zwei Betrieben innehat.389 Weitere Beherrschungstatbestände, die auch im Falle einer fehlenden Stimmrechtsmehrheit die Bestimmung der Finanz- und Geschäftspolitik indizieren, können IAS 27 bzw. SIC 12 und dem an die internationalen Vorschriften angepassten § 290 Abs. 2 HGB entnommen werden,390 wenn sich hieraus nicht bereits eine origi384
385 386
387
388 389
390
Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 60; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, Rz. 162; Stangle/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 477; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1079; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 217; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 291; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 156; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 68; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 95; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 78; Schwedhelm, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 8a, Rz. 50; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 87; a. A. in Bezug auf nicht unternehmerisch bzw. betrieblich tätige natürliche Personen Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 138; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 249; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 45; a. A. in Bezug auf PE-Fonds Blumenberg/Lechner, a. a. O., S. 156 f.; Dörr/Geibel/Fehling, Gestaltungsspielraum, NWB 2007, Fach 4, S. 5208; Eilers, Zinsschrankenerfahrungen, Ubg 2008, S. 200; IDW, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 53; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 160; zweifelnd Töben/Lohbeck/Fischer, Inbound-Investitionen, FR 2009, S. 158. Vgl. statt vieler Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 175; so auch das BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 60. Der aktienrechtliche Gleichordnungskonzern ist losgelöst von finanziellen Verbindungen der Konzerntöchter und ihrer Konzernmutter. In den Standardfällen des sog. Gleichordnungskonzerns der Zinsschranke bestehen aber gerade finanzielle Verbindungen. Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 477; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1081; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 95. Vgl. Abschn. B.II.1.b.i, S. 158 (Fn. 362). Es wird aber darauf hingewiesen, dass ein Control-Verhältnis unter bestimmten Umständen selbst bei Stimmrechtsmehrheit nicht zwingend vorliegen muss; vgl. Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1262; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 74. I. d. S. Forst/Schaaf, Gleichordnungskonzern, EStB 2008, S. 416 f.; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 216; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 95; Hoffmann,
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
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näre Konzernzugehörigkeit erschließt. Nach überwiegender Auffassung im Schrifttum wird für die Bestimmungsmöglichkeit der Finanz- und Geschäftspolitik jedoch eine gesellschaftsrechtliche Veranlassung und eine gewisse Dauerhaftigkeit zu fordern sein, während die faktische Einflussnahme (z. B. aufgrund materiell bedeutsamer Leistungs- oder Darlehensbeziehungen) noch nicht als ausreichende Konkretisierung der Tatbestandsvoraussetzungen angesehen wird.391 c.
Konzernzugehörigkeit in zeitlicher Hinsicht
Es ist umstritten, ob bei der Prüfung der Konzernzugehörigkeit einer Zeitpunkt- oder einer Zeitraumbetrachtung gefolgt werden soll. Die Finanzverwaltung und Teile des Schrifttums stellen in Anlehnung an die Vorgaben beim Equity-Escape auf die Verhältnisse am vorangegangenen Abschlussstichtag ab,392 wonach die erstmalige Konzernzugehörigkeit des Betriebs immer erst ein Stichtagsjahr später die Anwendung des Stand-alone-Escape verhindert.393 Der Bezug auf den vorangegangenen Abschlussstichtag kann im Falle der Veräußerung bzw. des Erwerbs von Gesellschaften zu sonderbaren Ergebnissen führen: Wenn die Gesellschaft nach der Veräußerung nicht mehr konzernzugehörig ist, bleibt ihr dennoch der Stand-alone-Escape im ersten Jahr nach der Abtrennung vom Konzern verwehrt, weil sie im Vorjahr noch konzernzugehörig war. Umgekehrtes gilt beim Erwerb einer vormals konzernfreien Gesellschaft durch einen Konzern.394 Nach dieser Auffassung wäre es nur konsequent, wenn man auch neugegründete Betriebe im ersten Jahr ihres Bestehens vom Konzerntatbestand der Zinsschranke ausnehmen würde, da sie am vorangegangenen Abschlussstichtag mangels rechtlicher Existenz noch nicht zum Konzernvermögen zu zählen waren.395 Dies lässt die Finanzverwaltung allerdings nicht zu, obwohl sie Betrieben, die erstmalig als Konzern anzusehen sind, ein Erstjahresprivileg einräumt, indem jene – anders als neugegründete Betriebe – vom Konzerntatbestand der Zinsschranke ausgenommen werden.396 Neben der grundsätzlichen Frage, ob die Zeitpunktbetrachtung sachgerecht ist, würde sie für neu begründete und für sukzessiv vergrößerte Organkreise eine deutliche Er391 392
393 394 395 396
in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 171 f. Vgl. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 290; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 170; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 95. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 68; gl. A. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 145 f.; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 23; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 42; grds. gl. A. Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 703; Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 547; IDW, Erlassentwurf, IDW-FN 2008, S. 138; krit. Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1877; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1514 f.; Schmidt-Fehrenbacher, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 473; Töben/Lohbeck/Fischer, InboundInvestitionen, FR 2009, S. 161. Hierauf hinweisend z. B. Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1877. Vgl. bspw. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 90. Vgl. Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 256 f.; i. d. S. auch Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1514; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 73. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 68; zustimmend mit Verweis auf die mögliche Beeinflussung der betrieblichen Kapitalstruktur durch den Konzern Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 281.
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schwerung bedeuten, die nicht mit dem Gesetzeszweck zu vereinbaren ist und sich nur sehr eingeschränkt über die Auslegung des Zinsschrankenerlasses heilen ließe.397 Da das Gesetz für die Konzernzugehörigkeit aber gerade keine Stichtagsbetrachtung vorschreibt, wird im Schrifttum vielfach eine Zeitraumbetrachtung für die richtige Rechtsanwendung erachtet, die sich meines Erachtens auch aus der wirtschaftsjahrbezogenen Ausgestaltung der Zinsschranke erschließt.398 Hiernach seien die Verhältnisse im Jahr des Eingreifens der Zinsabzugsbeschränkung bzw. des Begehrens des Stand-alone-Escape maßgeblich.399 Nach dieser Auffassung wäre es denkbar, dass auch eine nur kurzfristige Konzernzugehörigkeit im jeweiligen Veranlagungszeitraum die Anwendung des Stand-alone-Escape verwehrt.400 Zur Abmilderung von solchen Grenzfällen wird verschiedentlich vorgeschlagen, den Stand-alone-Escape zeitanteilig zu gewähren, und zwar in Abhängigkeit des Zeitpunktes, in dem der Qualifikationswechsel von konzernfreier zu konzernzugehöriger Gesellschaft (bzw. umgekehrt) eingetreten ist.401 2.
Equity-Escape und Eigenkapitalquotenermittlung
a.
Maßgeblicher Rechnungslegungsstandard
Zur Führung des Equity-Escape sind nach § 4h Abs. 2 lit. c S. 8 ff. EStG lediglich die (endorsed) IFRS402 bzw. wenn innerhalb der letzten fünf Jahre hiernach nicht Bericht erstattet wurde403 auch die Rechnungslegungsstandards anderer EU-Mitgliedsstaaten zugelassen. Sofern nach keinem der vorgenannten Standards ein Konzernabschluss erstellt wird, kann auch ein US-GAAP-Konzernabschluss herangezogen werden, wenn dieser für den Konzern verpflichtend aufzustellen und offenzulegen ist.404 Die zu vergleichenden Eigenkapitalquoten des 397 398 399
400
401 402
403
404
Vgl. Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 547; Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 751 f. Zur wirtschaftsjahrbezogenen Ausgestaltung vgl. Abschn. B.I.2.b, S. 111. Hallerbach, Anwendungsschreiben – Teil II, StuB 2008, S. 625; Goebel/Eilinghoff, Konzernklausel, DStZ 2010, S. 499; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 65; Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4h, Rz. 30; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 90. Hiergegen wendet Eisgruber jedoch ein, dass es keinen Sinn ergäbe, das Eigenkapital des Betriebs mit dem Eigenkapital eines Konzerns abzugleichen, zu dem der betrachtete Betrieb gar nicht mehr zählt. Seines Erachtens ist ein Betrieb nur dann konzernzugehörig, wenn er das gesamte Wirtschaftsjahr über im Konzernvermögen enthalten ist; vgl. derselbe, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 258. Vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 80; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 84 f.; i. d. S. wohl auch Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 59. Laut Regierungsbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz (BT-Drs. 16/4841, S. 48) und nach einhelliger Auffassung im Schrifttum soll es sich bei § 4h Abs. 2 lit. b S. 8 EStG um einen dynamischen Verweis auf die in der EU anwendbaren (endorsed) IFRS handeln; vgl. statt aller Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2103. Die fünfjährige Bindung an die IFRS-Rechnungslegung gilt nach übereinstimmender Meinung nur, wenn es sich bei dem IFRS-Abschluss um einen veröffentlichten Abschluss (mit Außenwirkung) und nicht etwa um einen für interne Zwecke oder wegen der Zinsschranke erstellten Abschluss handelt, vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 95; Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2280 (Fn. 25); Schulz, Zinsschranke, DB 2008, S. 2044; Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2508 (Fn. 11); Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 102; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 135 m. w. N. Zu den vergleichsweise restriktiven Voraussetzungen für die Verwendbarkeit der US-GAAP vgl. statt aller Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 135.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
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Konzerns und des Betriebs sind nach einem einheitlichen Rechenwerk zu ermitteln, wobei der zu verwendende Rechnungslegungsstandard für den Konzern auch für denjenigen des Betriebs maßgeblich ist.405 Das Gesetz formuliert sozusagen eine bedingt-hierarchisch aufgebaute Rechnungslegungs-Trias (1. IFRS – 2. EU-GAAP – 3. US-GAAP),406 weshalb nachfolgend zwischen Fällen innerhalb und außerhalb dieser Trias differenziert wird. Im folgenden Abschnitt werden zunächst die Hauptanwendungsfälle untersucht, in denen die Konzernspitze nach dem jeweils anwendbaren Handelsrecht und diejenige nach dem Konzernverständnis der Zinsschranke übereinstimmen. Danach wird der umstrittenen Frage nachgegangen, ob auch ein nicht konsolidierungsfähiger Rechtsträger, der allein für Zwecke der Zinsschranke als Konzernspitze angesehen wird, ein und – wenn ja – welches Rechnungslegungssystem vorgeben kann. i.
Originärer Konzerntatbestand
Da innerhalb desselben Konzerns mehrere (Teil-)Konzernabschlüsse nach unterschiedlichen Standards vorliegen können, gilt es die Frage zu beantworten, welche Konzernebene den maßgeblichen Rechnungslegungsstandard vorgibt. Aufgrund der Ausführungen in der Regierungsbegründung, dass es immer auf den größtmöglichen Konsolidierungskreis ankäme,407 wird im Schrifttum einmütig die Auffassung vertreten, dass sich das maßgebliche Rechenwerk immer nach den Verhältnissen des obersten Rechtsträgers des Konzerns richtet.408 Demzufolge wäre ein IFRS-Konzernabschluss einer börsennotierten Tochtergesellschaft nicht maßgeblich, wenn deren (inländisches) Mutterunternehmen nur einen Konzernabschluss nach HGB erstellt.409 Gleiches gilt, wenn das Mutterunternehmen einen US-GAAP-Konzernabschluss offenlegt und zugleich für seinen europäischen Teilkonzern einen IFRS-Abschluss
405
406 407
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409
Sofern die Rechnungslegungssysteme von Einzel- und Konzernabschluss differieren, muss der Einzelabschluss auf den Rechnungslegungsstandard des Konzerns übergeleitet werden (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 11 EStG); vgl. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 86. Die Beschränkung auf diese Rechenwerke wird mit den arbeitsökonomischen Argumenten der Praktikabilität und Administrierbarkeit durch die Behörden gerechtfertigt; BT-Drs. 6/4841, S. 49. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 50. Dort wird explizit angemerkt, dass es im Zweifel nicht auf einen bestehenden (Teil-)Konzernabschluss ankommt, sondern der Konsolidierungskreis „in vielen Fällen“ nach Maßgabe der in § 4h Abs. 3 EStG festgelegten Kriterien erweitert würde. Vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 86; Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1261; Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2103; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 217; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1086; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 34; Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2507; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 95; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 89; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6020; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 135. Sofern das Mutterunternehmen nicht vom Anwendungsbereich des § 315a Abs. 1 oder Abs. 2 HGB erfasst wird und auch keinen freiwilligen IFRS-Konzernabschluss nach § 315a Abs. 3 HGB erstellt, unterliegt es der gewöhnlichen Konzernrechnungslegungspflicht nach § 290 HGB. Zudem kann sich das Tochterunternehmen nicht über § 291 HGB von der Konzernrechnungslegungspflicht (nach IFRS) exkulpieren, weil es börsennotiert ist (§ 291 Abs. 3 Nr. 1 HGB); vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Konzernbilanzen, 2009, S. 83 ff.; Küting/ Weber, Konzernabschluss, 2010, S. 118 ff.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
aufzustellen hat.410 Der herrschenden Meinung zufolge wäre in beiden Fällen für Zwecke des Equity-Escape der Rechnungslegungsstandard des obersten Rechtsträgers maßgeblich; also im ersten Fall HGB und im zweiten Fall US-GAAP. Wenn die oberste Konzerneinheit ihren Konzernabschluss aber nach einem Standard außerhalb der genannten Rechnungslegungs-Trias erstellt oder aufgrund von (theoretisch) einschlägigen Befreiungsvorschriften keinen Konzernabschluss zu erstellen braucht,411 ist fraglich, nach welchem Rechnungslegungsstandard der Equity-Escape geführt werden kann/muss.412 Die überwiegende Mehrheit scheint sich für ein Wahlrecht zugunsten eines IFRS- oder EUGAAP-Konzernabschlusses auszusprechen.413 Es sind aber auch Stimmen zu verzeichnen, die in solchen Fällen eine ausschließliche Anwendung der IFRS bevorzugen.414 Auch der Gesetzgeber ging davon aus, dass der Equity-Escape kein Wahlrecht, sondern eine Rangfolge für den anzuwendenden Rechnungslegungsstandard vorgäbe.415 Das IDW nimmt eine zwiegespaltene Position ein. Für den Fall, dass die oberste Konzernmutter in einem Nicht-EUStaat ansässig und nicht nach US-GAAP berichterstattungspflichtig ist, sollen nur die IFRS anwendbar sein. Handelt es sich hingegen um ein Inlandsunternehmen, das nicht zur Konzernabschlusserstellung verpflichtet ist, soll ein Wahlrecht zwischen IFRS oder HGB bestehen.416 Problembehaftet ist ferner der Fall, wenn die Konzernmutter einen IFRS-Konzernabschluss erstellt, der jedoch nicht den von der EU übernommenen (endorsed) Standards entspricht. Sollten sich hierbei Unterschiede bei der Rechnungslegung ergeben, wäre der nach den original IFRS erstellte Konzernabschluss für den Equity-Escape nicht verwendbar.417
410 411 412
413
414
415 416 417
Innerhalb der EU sind kapitalmarktorientierte Mutterunternehmen zur Erstellung eines Konzernabschlusses nach IAS/IFRS verpflichtet; vgl. Art. 4, VO 1606/2002, ABl. EG 2002, L 243, S. 3. Da die Zinsschranke nur große Unternehmen erfasst (vgl. Teil I – Kapitel 4 – Abschn. C, S. 83), wird die jeweilige Spitzeneinheit regelmäßig nicht von der Erstellung eines Konzernabschlusses befreit sein. Instruktiv Brunsbach, Konzern, IStR 2010, S. 747. Der Zinsschrankenerlass (BStBl. I 2008, S. 718) bezieht sich nicht ausdrücklich auf diese Fälle. In Rz. 77 wird allgemein auf Fälle verwiesen, in denen „bislang“ kein Konzernabschluss erstellt wurde. Diese Formulierung könnte man als Wahlrecht zwischen einem IFRS- oder EU-GAAP-Abschluss verstehen; so Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 272 (Fn. 1039). Vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 98; Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2280; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1096 (Tabelle); Kußmaul et al., Anwendungsprobleme, BB 2008, S. 139 (Abb. 2); Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 300; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 102; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 93; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 60 u. 62; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6022 (Bsp. 5); Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 70. Die US-GAAP werden von dem Wahlrecht ausgenommen, da jene nach einhelliger Auffassung nur dann für den Equity-Escape qualifizieren, wenn sie verpflichtend zu erstellen und offenzulegen sind; vgl. Abschn. B.II.2.a, S. 164 (Fn. 404). Vgl. Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2103 expliziter Bezug nur auf Drittlandfall; Hallerbach, Problemfelder, StuB 2007, S. 491; Krüger/Thiere, Rechnungslegung, KoR 2007, S. 472; Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2508; Brunsbach, Konzern, IStR 2010, S. 749 f. BT-Drs. 16/4835, S. 3; obgleich bezweifelt werden kann, dass die Bundesregierung Anfang 2007 die umstrittenen Fallkonstellationen allesamt vor Augen hatte. Vgl. IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 17 f. Vgl. Kirsch, Bilanzpolitik, DK 2007, S. 659; offengelassen Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Konzernabschluss, DStR 2007, S. 641; Hennrichs spricht sich in diesem Fall für eine Konzern-Überleitungsrechnung von origi-
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ii.
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Steuerlicher Konzerntatbestand
Ferner ist unklar, welcher Rechnungslegungsstandard heranzuziehen ist, wenn ein steuerlicher Konzern i. S. des § 4h Abs. 3 S. 6 EStG vorliegt; offensichtlich bestehen jedoch keine Zweifel daran, dass zur Beantwortung dieser Frage ebenfalls das Primat der Maßgeblichkeit des obersten Rechtsträgers gilt. Da es sich bei der steuerlichen Konzernspitze aber regelmäßig um eine nicht konsolidierungsfähige Einheit handelt, die nicht die Betriebseigenschaft der Zinsschranke erfüllt, kann sie auch kein maßgebliches Rechenwerk vorgeben. Vergegenwärtigt man sich zunächst den Grundfall, dass eine natürliche Person oder eine vermögensverwaltende Personengesellschaft an mindestens zwei gleichgeordneten Betrieben mehrheitlich beteiligt ist, wird regelmäßig auf keiner Ebene ein Konzernabschluss erstellt. Mangels Konzernrechnungslegung führt das Prinzip der Maßgeblichkeit des Rechenwerks der steuerlichen Konzernspitze zu keinem eindeutigen Ergebnis (Fall 1). Dasselbe Problem stellt sich aufgrund der sehr weit gehenden Ausführungen in der Regierungsbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz418 auch in dem Fall ein, in dem die steuerliche Konzernspitze mehrere berichtspflichtige, gleichgeordnete Konzerne beherrscht (Fall 2). Während in Fall 1 kein Betrieb zu einem originär handelsrechtlichen Konzernverbund i. S. des § 4h Abs. 3 S. 5 EStG zählt, sondern allein für Zwecke der Zinsschranke ein steuerlicher Konzern i. S. des § 4h Abs. 3 S. 6 EStG angenommen wird, zwingt das Gesetz zur Erstellung eines Konzernabschlusses, wenn der Equity-Escape aktiviert werden soll. Da die steuerliche Konzernspitze aber mangels handelsrechtlicher Rechnungslegungspflicht kein Konzernrechnungslegungsrecht vorgeben kann, wird in der Literatur eine Parallele zu dem Fall gezogen, in dem die handelsrechtliche Konzernspitze außerhalb der Rechnungslegungs-Trias Bericht erstattet. Mithin wird von dem einen Teil ein Wahlrecht419 zwischen IFRS und EU-GAAP und von dem anderen Teil eine Exklusivstellung420 der IFRS präferiert. In Fall 2 zählt der betreffende Betrieb bereits zu einem originär handelsrechtlichen Konzernverbund. Zudem besteht oberhalb der originär handelsrechtlichen Konzernspitze noch eine Bestimmungsmöglichkeit der Finanz- und Geschäftspolitik durch einen nicht im handelsrechtlichen Sinne konzerngebundenen Rechtsträger, der daneben noch einen oder mehrere originäre Konzerne beherrscht. In diesem Fall könnte zur Ableitung des maßgeblichen Rechnungslegungsstandards – und des Konsolidierungsumfangs –421 eine Anwendungskonkurrenz
418 419
420 421
nal IFRS auf endorsed IFRS im Wege eines Analogieschlusses über § 4h Abs. 2 lit. c S. 11 EStG aus; vgl. derselbe, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2104; gl. A. Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6061; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 14. BT-Drs. 16/4841, S. 50. Vgl. Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2280; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1096 (Tabelle); Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 67 i. V. mit 85; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6022 (Bsp. 4); Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 94; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 88a; gl. A. wohl auch Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1876. Vgl. Schulz, Zinsschranke, DB 2008, S. 2049; Abschn. B.II.2.a.i, S. 165 (Fn. 414). Vgl. hierzu Abschn. B.II.2.b.i, S. 170.
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zwischen den Sätzen 5 und 6 des § 4h Abs. 3 EStG gesehen werden, wenn die für den betrachteten Betrieb relevante handelsrechtliche Konzernmutter einen Abschluss innerhalb der Rechnungslegungs-Trias erstellt. Diese Konkurrenz kann in Abhängigkeit von dem zugrunde gelegten steuerlichen Konzernverständnis (subsidiäres oder exklusives Verständnis)422 auf unterschiedliche Weise aufgelöst werden: Möchte man den steuerlichen Konzerntatbestand als subsidiär gegenüber dem originären Konzerntatbestand einstufen, besteht für die Anwendung von § 4h Abs. 3 S. 6 EStG kein Raum mehr, da der Betrieb bereits als originär konzernzugehörig i. S. des § 4h Abs. 3 S. 5 EStG zu qualifizieren ist; das Prinzip der Maßgeblichkeit des Rechnungslegungsstandards der originären Konzernspitze würde in diesem Fall zu einer eindeutigen Lösung führen, wenn die handelsrechtliche Konzernmutter einen Abschluss innerhalb der Rechnungslegungs-Trias erstellt. Misst man § 4h Abs. 3 S. 6 EStG hingegen keine eigenständige Funktion zu (exklusives steuerliches Konzernverständnis), führt die Ableitung des Rechnungslegungsstandards nach Maßgabe der steuerlichen Konzernspitze zu keinem eindeutigen Ergebnis, da die steuerliche Konzernspitze mangels handelsrechtlicher Berichterstattungspflicht wiederum keinen Rechnungslegungsstandard vorgeben kann. Deshalb ergeben sich in puncto maßgeblicher Rechnungslegungsstandard dieselben Fragen und unterschiedlichen Antworten wie in Fall 1. Wenn die von der steuerlichen Konzernspitze beherrschte, originäre Konzernmutter außerhalb der Trias Rechnung legt, ist die Frage des Verhältnisses der Sätze 5 und 6 von § 4h Abs. 3 EStG im Ergebnis ohne Belang, da sich aus keinem der beiden Sätze eine eindeutige Lösung für den maßgeblichen Rechnungslegungsstandard ableiten lässt. Hier wird man in konsequenter Fortführung der Meinungen im (rein) originären Konzernfall entweder den IFRS einen Anwendungsvorrang einräumen oder wahlweise den Rechnungslegungsstandard eines Mitgliedstaates der EU zulassen.423 iii.
Exemplarische Veranschaulichung der Unterschiede zwischen einem subsidiären und exklusiven steuerlichen Konzernverständnis
Das steuerliche Konzernverständnis der Zinsschranke erfordert keinen konsolidierungsfähigen Rechtsträger, der zugleich die Betriebsdefinition erfüllt. Dementsprechend können auch natürliche Personen und nicht publizitätspflichtige Personengesellschaften an der Spitze des Zinsschranken-Konzerns stehen. In diesen Fällen ist die Ableitung des maßgeblichen Rechnungslegungsstandards und – wie noch zu zeigen ist – die Abgrenzung des Konsolidierungsumfang nicht im Gesetz geregelt. In Abhängigkeit von der Auslegung des Verhältnisses der Sätze 5 und 6 von § 4h Abs. 3 EStG (subsidiäres vs. exklusives steuerliches Konzernver-
422 423
Zur Systematisierung des steuerlichen Konzernverständnisses vgl. Abschn. B.II.1.b.ii, S. 160. Vgl. Abschn. B.II.2.a.i, S. 166 (Nachweise in Fn. 413 u. 414).
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
169
ständnis) können die Ergebnisse variieren.424 Anhand der nachfolgenden Beispiele in Abbildung 8 sollen die Auswirkungen der unterschiedlichen Verständnisse verdeutlicht werden. Beispiel2
Beispiel1 KonzernABC
KonzernABCD
Holding
Holding
(nicht konsolidierungspfl.)
(nicht konsolidierungspfl.)
Mutter BetriebA
Mutter BetriebA
Mutter BetriebC
Tochter BetriebB
Tochter BetriebB
Tochter BetriebD
IFRSͲKonzernAB
IFRSͲKonzernAB
HGBͲKonzernCD
BetriebC
HandelsrechtlicherKonzern(=originärerKonzerni.S.d.§ 4hAbs.3S.5EStG) SteuerlicherKonzern(=steuerlicherKonzerni.S.d.§ 4hAbs.3S.6EStG)
Abbildung 8: Konzernverständnisse
Zu Beispiel 1:
424
Nach einem subsidiären steuerlichen Konzernverständnis zählen die Betriebe A und B für Zwecke der Zinsschranke zum handelsrechtlichen bzw. originären Konzern AB. Aus der Perspektive von Betrieb A und B ist es für die Ableitung des maßgeblichen Rechnungslegungsstandards (und des steuerlichen Konsolidierungsumfangs) irrelevant, dass die handelsrechtliche Konzernmutter (Betrieb A) von einer nicht konsolidierungspflichtigen oder -fähigen Holding beherrscht wird, die daneben noch den Betrieb C beherrscht. Mithin lässt sich der maßgebliche Rechnungslegungsstandard für Zwecke des Equity-Escape in Bezug auf die Betriebe A und B eindeutig bestimmen; es gelten die IFRS. Mangels originärer Konzernzugehörigkeit zählt Betrieb C zum steuerlichen Konzern ABC. Somit ist dessen maßgeblicher Rechnungslegungsstandard unbestimmt, weil die steuerliche Konzernspitze keiner Konzernrechnungslegung unterliegt. Nach einem exklusiven steuerlichen Konzernverständnis sind die Determinanten der Konzernrechnungslegung für Zwecke der Zinsschranke nachrangig. Unabhängig von ihrer handelsrechtlichen Konzernzugehörigkeit zählen Betrieb A und Betrieb B zum steuerli-
Zu der Abgrenzung der steuerlichen Konzernverständnisse vgl. Abschn. B.II.1.b.ii, S. 160.
170
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
chen Konzern ABC. Gleiches gilt für Betrieb C. Für alle drei Betriebe ist der maßgebliche Rechnungslegungsstandard unbestimmt. Zu Beispiel 2:
Nach einem subsidiären steuerlichen Konzernverständnis bestimmt sich der maßgebliche
Rechnungslegungsstandard für die Betriebe A und B nach IFRS und für die Betriebe C und D nach HGB. Nach einem exklusiven steuerlichen Konzernverständnis ist der maßgebliche Rechnungslegungsstandard unbestimmt, weil auf die Verhältnisse der Konzernspitze des steuerlichen Konzerns ABCD (Holding) abzustellen ist.
Die Beispiele zeigen, dass ein subsidiäres steuerliches Konzernverständnis zu sinnvollen und praktikablen Lösungen führt. Demgegenüber lassen sich aus einem exklusiven steuerlichen Konzernverständnis vielfach keine eindeutigen Lösungen ableiten. b.
Modifikationen der Eigenkapitalquote des Konzerns
i.
Umfang des Konsolidierungskreises und Behandlung von bestimmten Anteilen im Konzernabschluss
Es besteht Uneinigkeit in der Frage, ob der weite Konzernbegriff der Zinsschranke auch den Konsolidierungsumfang für Zwecke des Equity-Escape determiniert.425 Sofern man diese Frage bejaht, bestünde in vielen Fällen die Notwendigkeit, den bestehenden Konzernabschluss um konzernzugehörige, aber nicht konsolidierte Gesellschaften zu erweitern bzw. um nicht konzernzugehörige, aber konsolidierte Betriebe zu reduzieren.426 Nach anderer Auffassung wird diese Frage jedoch verneint, weil bestehende Konzernabschlüsse ansonsten in den meisten Fällen ihrer Verwendungsfunktion für den Equity-Escape beraubt würden.427 Im Falle eines originären Konzerntatbestands lässt die Finanzverwaltung die Verwendung bestehender Konzernabschlüsse zu. Jedoch seien Verbriefungszweckgesellschaften bzw. ABS-Gestaltungen – mit wesentlichem Einfluss auf das Konzerneigenkapital –428 aus dem Konzernab425 426
427
428
Vgl. Schulz, Zinsschranke, DB 2008, S. 2048 m. w. N. I. d. S. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 159; Coenenberg, IFRSJahresabschluss, PiR 2007, S. 212; Hallerbach, Problemfelder, StuB 2007, S. 491; Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1150 (Fn. 53); Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 33; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 164; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 168; unentschlossen Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 480 f. Vgl. Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2104; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 245; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 217 f.; Goebel/Eilinghoff, Konzernklausel, DStZ 2010, S. 497; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 104; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 48; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 79; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 43; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 106. Das Gesetz fordert m. E. aber ausdrücklich, dass zumindest der Betrieb, für den der Equity-Escape beansprucht werden soll, im Konzernabschluss enthalten sein muss – § 4h Abs. 2 lit. c S. 3 2. Hs. EStG: „[…] Konzernabschluss, der den Betrieb umfasst, […]“. Wie die Wesentlichkeitsgrenze zu bemessen ist, bleibt wohl der Praxis überlassen; so bspw. Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 548; hierzu auch Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 86.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
171
schluss herauszurechnen, wenn sie für Zwecke der Zinsschranke als konzernfrei behandelt werden.429 Ferner sei ein im Konzernabschluss ausgeübtes Wahlrecht zur Quotenkonsolidierung von Gemeinschaftsunternehmen wieder rückgängig zu machen.430 Das Herausrechnen von Verbriefungszweckgesellschaften und anteilmäßig konsolidierten Gemeinschaftsunternehmen wird im Schrifttum mangels gesetzlicher Kodifizierung jedoch vielfach abgelehnt.431 Dennoch besteht in diesem Punkt eine ebenbürtige Gegenmeinung, die darüber hinaus den Ausschluss von at-equity-bilanzierten Unternehmen aus dem heranzuziehenden Konzernabschluss fordert, weil diese Unternehmen ebenso wie Gemeinschaftsunternehmen nicht als konzernzugehörig i. S. des § 4h Abs. 3 S. 5 f. EStG zu qualifizieren sind.432 Geht man sogar so weit, dass der größtmögliche Konsolidierungskreis auch über die originäre Konzernspitze hinausgehen kann (exklusives steuerliches Konzernverständnis), müsste ein originärer Konzernabschluss stets um gleichgeordnete Konzerne und Betriebe, die von einem übergeordneten Rechtsträger beherrscht werden, erweitert werden.433 In diesen Fällen wird in der Literatur mehrheitlich eine horizontale „Konsolidierung“ bzw. additive Zusammenrechnung sämtlicher gleichgeordneter Konzerne und Betriebe in Betracht gezogen.434 Aufgrund von Informationsdefiziten, technischen Umsetzungsschwierigkeiten sowie hohen Implementierungskosten des steuerinduzierten Konsolidierungsprozesses würde der Equity-Escape in einer Vielzahl von Fällen (insbesondere im Falle übergeordneter Fondsgesellschaften) praktisch unmöglich. Dieses unbefriedigende Ergebnis einer faktischen Nichtanwendbarkeit der Ausnahmevorschrift stellt sich allerdings nicht ein, wenn konsequent einem subsidiären Konzernverständnis gefolgt wird, weil danach im Falle originärer Konzerne nicht mehr auf § 4h Abs. 3 S. 6 EStG zurückgegriffen und dementsprechend hierdurch auch nicht der Konsolidie-
429 430 431
432
433 434
Vgl. Abschn. B.II.1.b.i, S. 158 f. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 72; ähnlich auch die Regierungsbegründung vgl. BTDrs. 16/4841, S. 50; gl. A. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 149 f. Vgl. Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008S. 218; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 111; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 76a; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 208; gl. A. in Bezug auf anteilmäßig konsolidierte Unternehmen Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6025; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 9. Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 159; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 103; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 481; IDW, Erlassentwurf, IDW-FN 2008, S. 139; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 174, der mit Verweis auf Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1263 anstatt des konsolidierten bzw. at equity-bilanzierten Vermögens die fortgeführten Anschaffungskosten der betreffenden Beteiligungsunternehmen ansetzen möchte. So ausdrücklich Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1086; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6014. Vgl. Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1514; Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2509; Töben/Lohbeck/Fischer, Inbound-Investitionen, FR 2009, S. 158; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 21; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6014; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 49; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 209. Zum Teil wird auch eine Vollkonsolidierung nach allgemeinen Regeln auf den Nicht-Betrieb befürwortet, vgl. Förster, in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 104; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 481; Schwedhelm/Finke, Beratungspraxis, GmbHR 2009, S. 287. Beide Konsolidierungsmethoden für möglich erachtend Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 94.
172
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
rungskreis vergrößert werden kann.435 Des Weiteren kann dieses unerwünschte Ergebnis über die Argumentation vermieden werden, dass der steuerliche Konzernbegriff (§ 4h Abs. 3 S. 5 f. EStG) nur über die Konzernzugehörigkeit entscheide, nicht aber über den Konsolidierungsumfang.436 Der Konsolidierungsumfang für Zwecke der Zinsschranke ist nach dieser Auffassung aus dem bestehenden Konzernabschluss abzuleiten.437 In Fällen, in denen ein Nicht-Betrieb an der Spitze des steuerlichen Konzerns steht (subsidiäres Konzernverständnis von § 4h Abs. 3 S. 6 EStG), werden im Schrifttum – soweit ersichtlich – keine Einwendungen gegen die Auffassung der Verwaltung vorgebracht, dass das Vermögen des obersten Rechtsträgers nicht in den Konsolidierungsumfang einzubeziehen ist.438 Im Ergebnis erfordert dies eine additive Zusammenrechnung der Einzelbilanzen und eine etwaige Konsolidierung der steuerlichen Schwesterunternehmen im Falle von gegenseitigen Leistungs- und Kapitalverflechtungen.439 ii.
Anpassungen bei gesellschaftsrechtlichen Kündigungsrechten
Fraglich ist, ob auch das Eigenkapital des Konzerns im Falle von gesellschaftsrechtlichen Kündigungsrechten gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 4 2. Hs. EStG zu korrigieren ist,440 wenn der Anteil des Gesellschafters am Kapital der Gesellschaft (insbesondere Personengesellschaft) nach IAS 32 als Fremdkapital auszuweisen ist.441 In diesem Fall ist für Zwecke des EquityEscape ausweislich des Gesetzeswortlauts mindestens das Eigenkapital anzusetzen, das sich nach dem HGB ergeben würde. In der Literatur wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass diese Korrekturvorschrift nicht auf die Ermittlung der betrieblichen Eigenkapitalquote beschränkt ist.442 Wenn man hingegen der Gegenmeinung folgend die Anwendbarkeit der Vorschrift für den Konzernabschluss verneinen würde, könnten Konzerne, an deren Spitze eine Personengesellschaft steht, durch gesellschaftsvertragliche Ausgestaltung der Kündigungsrechte regelmäßig das Konzerneigenkapital auf null reduzieren, wodurch die Inan435 436 437 438 439 440 441
442
I. d. S. Kahle/Dahlke/Schulz, IFRS, StuW 2008, S. 271; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 79; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 41 (Fn. 6). So Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2104; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 245. Betreffend Fondsstrukturen im Ergebnis ebenso Töben/Fischer, Immobilieninvestitionen, Ubg 2008, S. 155; krit. Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1514. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 60. Vgl. die Nachweise in Fn. 434. Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1263; Schulz, Zinsschranke, DB 2008, S. 2050. Zum Eigenkapitalausweis von Personengesellschaften nach IFRS vgl. bspw. Pawelzik/Heuser, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 2020 ff. Zu weiteren Anwendungsfällen dieser Korrekturvorschrift vgl. IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 41. Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 160; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 219; Schulz, Zinsschranke, DB 2008, S. 2050 m. w. N. (Fn. 137); IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 39; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 110; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 100; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 51; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 157; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 45; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 103; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 176; ; a. A. Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2281.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
173
spruchnahme des Equity-Escape durch die jeweiligen Konzernbetriebe erheblich erleichtert würde.443 Allerdings hat diese Diskussion seit Überarbeitung von IAS 32 an Bedeutung verloren, da in der überwiegenden Anzahl der Fälle inländische Personengesellschaften nunmehr auch nach IAS/IFRS Eigenkapital auszuweisen haben.444 Gleichwohl sind Minderheitenanteile von konzernexternen Gesellschaftern, die bei Kündigung des Beteiligungsverhältnisses mit einem Abfindungsanspruch versehen sind, im Konzernabschluss – anders als im Einzelabschluss – zwingend als Fremdkapital auszuweisen,445 sodass insoweit ein Anwendungsbereich für § 4h Abs. 2 lit. c S. 4 2. Hs. EStG verbleiben sollte.446 Darüber hinaus bestehen unterschiedliche Auffassungen über die konkrete Höhe des handelsrechtlichen Wertes, der anstatt des im IFRS-Abschluss ausgewiesenen Fremdkapitals für Zwecke des Equity-Escape angesetzt werden soll. Denn der Wortlaut von § 4h Abs. 2 lit. c S. 4 2. Hs. EStG lässt auch in dieser Frage einen weiten Interpretationsspielraum zu. So wird von der Mindermeinung eine HGB-Schattenkonsolidierung gefordert, da nur hierüber das handelsrechtliche Eigenkapital des Konzerns – verstanden als Residuum von Vermögensgegenständen und Schulden – ermittelt werden könne.447 Hingegen wendet die herrschende Meinung mit Verweis auf die Vergleichbarkeit der Abschlüsse und die Praktikabilität ein, dass das im IFRS-Abschluss ausgewiesene Fremdkapital – analog zum handelsrechtlichen Verständnis – lediglich betragsgleich in Eigenkapital umzuwidmen sei.448 Für die letzte Ansicht spricht auch die Regierungsbegründung, wonach „das Eigenkapital der Personengesellschaften ausgehend von den im Konzernabschluss ausgewiesenen Aktiva und Passiva [ohne das Eigenkapital] der Personengesellschaften zu ermitteln [ist].“449 c.
Modifikationen der Eigenkapitalquote des Betriebs
Die betriebliche Eigenkapitalquote, die im Rahmen des Equity-Escape mit der Konzerneigenkapitalquote zu vergleichen ist, unterliegt den in § 4h Abs. 2 lit. c S. 4–7 EStG kodifizierten 443 444 445 446
447
448
449
Vgl. hierzu Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Konzernabschluss, DStR 2007, S. 640 f.; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1117. Vgl. Clemens, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 12, Rz. 96 m. w. N. Vgl. Baetge/Winkeljohann/Haenelt, lAS 32, DB 2008, S. 1522; Pawelzik/Heuser, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 3520. Ebenso Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 70; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 95; zweifelnd Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 219 (Fn. 53); a. A. Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1263. Vgl. Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 70; in Erwägung ziehend Küting/Weber/Reuter, Steuerbemessungsfunktion, DStR 2008, S. 1605; a. A. aber ohne Alternativvorschlag Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1263. Vgl. Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 270; Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2106; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 219; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 42; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 95 u. 100; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 146; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 81; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 157; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 45 (Fn. 3); i. d. S. wohl auch Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 480; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345. BT-Drs. 16/4841, S. 49; BT-Drs. 16/5491, S. 17.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Hinzurechnungs- und Kürzungsvorschriften. Die Modifikationen des Eigenkapitals und der Bilanzsumme zielen darauf ab, die Quoten sachlich miteinander vergleichbar zu machen und Gestaltungsoptionen zu unterbinden.450 Bereits in einem frühen Gesetzgebungsstadium wurden diesbezüglich Unklarheiten und Inkonsistenten im Gesetzeswortlaut beklagt,451 die die Finanzverwaltung aufgegriffen und in weiten Teilen einer kritikfreien Lösung zugeführt hat. Nachfolgend werden im Zusammenhang mit der Gesetzesauslegung verbliebene und durch den Zinsschrankenerlass ausgelöste Zweifelsfragen diskutiert. Aufgrund von Gesetzesänderungen im Bereich der Rechnungslegungsvorschriften sind einige Zweifelsfragen seit Einführung der Zinsschranke allerdings obsolet geworden bzw. haben an Bedeutung verloren, weshalb hierauf nicht vertiefend eingegangen werden soll. So besteht seit der Überarbeitung von IAS 32 in vielen Fällen keine Notwendigkeit mehr, das nach IFRS bilanzierte Eigenkapital einer Personengesellschaft der Korrektur gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 4 2. Hs. EStG zu unterwerfen, da nunmehr ein Eigenkapitalausweis auch nach IAS 32 im Einzelabschluss möglich ist.452 Ferner darf seit Inkrafttreten des BilMoG kein Sonderposten mit Rücklageanteil mehr gebildet werden,453 sodass sich Meinungsverschiedenheiten hinsichtlich der Hinzurechnungsvorschrift um die Hälfte des Sonderpostens mit Rücklageanteil gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG außerhalb der Übergangsregelung erübrigt haben.454 In Bezug auf die Einlagenkorrekturvorschrift gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG bestehen – soweit ersichtlich – keine gravierenden Rechtsunsicherheiten.455 Da diese Vorschrift eindeutig die betriebliche Eigenkapitalquote adressiert, ist die vom IDW vertretene, korrespondierende Korrektur des Konzernabschlusses im Fall von Einlagen durch Konzernexterne abzulehnen.456 Auch wenn hiermit eine weitere Komplexitätssteigerung verbunden ist, so herrscht im Schrifttum einmütig die Auffassung vor, dass Organkreise aufgrund der Betriebsfiktion auf einer Vorstufe einen Teilkonzernabschluss erstellen müssen, bevor die einzelnen Korrekturvorschriften beim Eigenkapital und bei der Bilanzsumme des konsolidierten Organkreises angewendet werden können. Die sich in diesem Zusammenhang stellenden Zweifelsfragen werden nachfolgend jedoch nicht weiter erörtert.457
450 451 452 453 454 455 456 457
Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 49; Schnitter, Einführung, sj 2007, Heft 15, S. 36 f. Vgl. bspw. Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1263 ff.; Rödder/Stangl, Zinsschranke, DB 2007, S. 481 f. Vgl. bereits die Ausführungen in Abschn. B.II.2.b.ii, S. 172. Hierzu ausführlich Dettmeier, Rücklageanteil, DB 2009, S. 2124 ff. Zu bestehenden Zweifelsfragen vgl. die Nachweise bei Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a, Rz. 152. Zu den Vorgaben des IDW in der Übergangszeit vgl. IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 53 ff. Vgl. hierzu IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 73 ff.; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 86; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 155. Vgl. IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 81. Vgl. hierzu ausführlich Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 752 ff. Das IDW stellt offenkundig keine hohen Anforderungen an den Abschluss des fiktiven Betriebs bzw. Organkreises; vgl. IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 26 u. 37.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
i.
175
Bewertung des Betriebsvermögens und Firmenwerthinzurechnung
Dem Gesetzeswortlaut ist ausdrücklich zu entnehmen, dass die Grundlage für den EquityEscape der Jahres- bzw. Einzelabschluss des Betriebs darstellt (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 3 2. Hs. EStG). Um die Einheitlichkeit der zu vergleichenden Abschlüsse zu wahren (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 8 EStG), muss der Einzelabschluss gegebenenfalls auf den Rechnungslegungsstandard der Konzernspitze übergeleitet werden (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 11 EStG). Ferner sind Ansatz- und Bewertungswahlrechte im Konzern- und Einzelabschluss bzw. in der Überleitungsrechnung einheitlich auszuüben (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 4 1. Hs. EStG).458 Diese gesetzlich vorgeschriebenen Korrekturvorschriften des Betriebsvermögens nähern das Eigenkapital des Betriebs zwar an denjenigen Betrag an, der in den Konzernabschluss eingegangen ist, jedoch wird hiermit regelmäßig noch nicht das Ziel erreicht, die zu vergleichenden Quoten sachlich aufeinander abzustimmen. Denn im Konzernabschluss werden die betrieblichen Vermögensgegenstände und Schulden aufgrund der Zeitwertbilanzierung im Rahmen der Erstkonsolidierung mitunter in abweichender Höhe ausgewiesen.459 Deshalb werden in vielen Fällen stille Reserven bzw. Lasten des Betriebs im Konzernabschluss aufgedeckt, die in dessen handelsrechtlichem Jahresabschluss nicht enthalten sind.460 Diese Bewertungsdivergenz wird nur unvollkommen über die Firmenwerthinzurechnung gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG aufgefangen, wonach ein im Konzernabschluss enthaltener Firmenwert dem Betrieb hinzuzurechnen ist, soweit er auf diesen entfällt. Denn der Firmenwert deckt gerade nicht die in den Vermögensgegenständen und Schulden enthaltenen stillen Reserven und Lasten ab, sondern nur ein darüber hinausgehendes im Kaufpreis mitvergütetes Ertragspotenzial des Betriebs.461 458
459
460
461
Die Angleichung erfordert mitunter eine Währungsumrechnung der Bilanzpositionen des Betriebs entsprechend der Währung, die dem Konzernabschluss zugrunde gelegt wird, vgl. Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2511. Nach HGB und IFRS wird die Erstkonsolidierung über die sog. Erwerbsmethode vorgenommen. Der Differenzbetrag zwischen den Anschaffungskosten der Beteiligung und dem Zeitwert des Eigenkapitals der erworbenen Tochtergesellschaft im Zeitpunkt der Erstkonsolidierung wird ermittlungstechnisch regelmäßig in einer (separaten) Handelsbilanz III der Tochter erfasst oder auch in die Handelsbilanz II mit aufgenommen; vgl. Küting/Seel, Konzernbilanzrecht, DStR-Beihefter 2009 zu Heft 26, S. 47 ff; Busse von Colbe et al., Konzernabschlüsse, 2010, S. 209 ff. Zur Problematik und der Kritik an der fehlenden Berücksichtigung von konsolidierungsbedingten Bewertungsdivergenzen in Konzern- und Einzelabschluss vgl. auch Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 483 f.; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1105; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 63. Da der Firmenwert nach IAS/IFRS sog. Cash-Generating-Units zugeordnet wird und losgelöst von der Legaleinheit ist, ergeben sich praktische Ermittlungsprobleme, den Firmenwert des Betriebs vollständig zu erfassen und den jeweiligen steuerlichen Betrieben zuzuordnen; vgl. hierzu Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1264; Pawelzik, Firmenwert, Ubg 2009, S. 52; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 45 ff.; aber mitunter auch Gestaltungspotenziale; vgl. Teil III – Kapitel 3 – Abschn. A.III, S. 314. Streitig ist auch die Aufteilung des Goodwills auf die steuerlichen Betriebe in zeitlicher Hinsicht. So bevorzugt Pawelzik eine Aufteilung nach den Verhältnissen im Zeitpunkt der erstmaligen Anwendung des Equity-Escape; vgl. derselbe, Firmenwert, Ubg 2009, S. 52; a. A. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 151, die eine Aufteilung nach den Verhältnissen im Erwerbszeitpunkt bevorzugen.
176
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Aufgrund des konsolidierungsbedingten Auseinanderfallens des Vermögensausweises in Konzern- und Einzelabschluss wird von der herrschenden Literaturmeinung und der Finanzverwaltung ein sog. Push-down-Accounting (teilweise auch als Scheibentheorie bezeichnet) gefordert, über das die beschriebene Bewertungsdivergenz gesetzeszweckkonform geheilt werden könne.462, 463 Nach dieser teleologisch extensiven Gesetzesauslegung sind für die Bewertung des betrieblichen Eigenkapitals die (fortgeführten) Konzernbilanzwerte maßgeblich.464 Somit dürften konsequenterweise auch solche Vermögensgegenstände bei der Ermittlung der betrieblichen Eigenkapitalquote zu berücksichtigen sein, die nur im Konzernabschluss, nicht aber im Einzelabschluss ausgewiesen werden (Kundenstamm, Patente etc.).465 Ferner wären konsolidierungsbedingte Steuerlatenzen für Vermögensgegenstände und Schulden des Betriebs in dessen Einzelabschluss „herunterzudrücken“.466 Ein Push-down sollte jedoch nur für diejenigen Bilanzpositionen infrage kommen, die tatsächlich im Konzernabschluss ausgewiesen und nicht etwa (weg)konsolidiert werden. Eine Eliminierung von Bilanzpositionen im Einzelabschluss aufgrund konzerninterner Konsolidierungsvorgänge (insbesondere Schuldenkonsolidierung) oder aufgrund etwaiger Ansatzverbote im Konzernabschluss wäre wohl nicht mit dem Gesetzeszweck vereinbar.467 Allerdings sprechen gute 462
463
464 465 466
467
Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 73; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 161 f.; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 117; Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2105 f.; Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 600 (Fn. 17); Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2282; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15873 f.; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 82a; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 151; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 182; im Ergebnis ebenso Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 276; zweifelnd Loschelder, in: Schmidt, EStG, § 4h, Rz. 17; Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Konzernabschluss, DStR 2007, S. 639; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil II, DStR 2008, S. 268; krit. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 76; a. A. Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1264 (Fn. 19); Reiche/Kroschewski, Akquisitionsfinanzierung, DStR 2007, S. 1335; Geißelmeier/Bargenda, Personengesellschaften, NWB 2008, Fach 4, S. 5330 f.; Hölzer/Nießner, BMF-Schreiben, FR 2008, S. 850; Küting/Weber/Reuter, Steuerbemessungsfunktion, DStR 2008, S. 1605; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 52; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 71. Da sich ein Pushdown-Accounting nicht zwingend aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, lässt das IDW zwei alternative Methoden bei der Bewertung des betrieblichen Eigenkapitals gelten; vgl. IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 29 ff. bzw. Rz. 33 ff. Vereinzelt wird jedoch angezweifelt, dass die Finanzverwaltung ein Push-down-Accounting vorsehe; vgl. Schulz, Zinsschranke, DB 2008, S. 2050. Diese Zweifel sind m. E. nicht gerechtfertigt, weil die Finanzverwaltung in Rz. 73 S. 2 des Zinsschrankenerlasses unmissverständlich klargestellt hat, dass im „…im Rahmen eines Beteiligungserwerbs mitbezahlte stille Reserven der Beteiligungsgesellschaft […] dem Betrieb zuzuordnen [sind], soweit sie auf diesen entfallen.“ Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718. Damit wird das BMF wesentlich konkreter als die im Regierungsentwurf zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 enthaltenen Ausführungen; vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 49. Vgl. Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 704; Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1877 f.; Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2510. Vgl. Coenenberg, IFRS-Jahresabschluss, PiR 2007, S. 213; Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2105; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil II, DStR 2008, S. 268. Vgl. Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2510; Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 756; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 131; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 110; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6037. Vgl. Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1878 (Fn. 41); Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2510; i. d. S. wohl auch Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1515; a. A. Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6037.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
177
Gründe dafür, Bewertungskorrekturen im Zusammenhang mit konzerninternen Lieferungen und Leistungen (Zwischengewinneliminierung) auf die Betriebsebene durchschlagen zu lassen, um so das teleologische Argument der Vergleichbarkeit von Konzern- und Einzelabschluss konsequent umzusetzen.468 Vergleichsweise unproblematisch wäre dies für materielle Vermögensgegenstände durchführbar, da jene im Konzern- und Einzelabschluss ausgewiesen werden. Im Falle von Zwischengewinnen im Zusammenhang mit konzerninternen Dienstleistungen, die das betriebliche Eigenkapital erhöht haben, aber keiner Bilanzposition (mehr) zugeordnet werden können, müsste das betriebliche Eigenkapital – in welcher Form auch immer – angepasst werden. Gegen die Zwischengewinneliminierung sind jedoch gewichtige Praktikabilitätsgründe einzuwenden, da sodann für den Equity-Escape nicht mehr auf die (IFRS-)Handelsbilanz II/III des Betriebs zurückgegriffen werden kann.469 Denn hierbei handelt es sich um einen Korrekturvorgang, der sich auf die Summenbilanz des Konzerns bezieht.470 ii.
Korrekturen des Eigenkapitals
(I)
Kürzung um eigenkapitalähnliche Mezzanine
Gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG darf das betriebliche Eigenkapital, das den Kapitalgebern keine Stimmrechte am Betrieb vermittelt (ausgenommen Vorzugsaktien), für Zwecke des Equity-Escape nicht berücksichtigt werden. Diese Kürzungsvorschrift ist vor dem Hintergrund von handelsbilanziellen und steuerrechtlichen Qualifikationsunterschieden zu sehen, die sich bei eigenkapitalähnlichem MezzanineKapital einstellen können. In Abhängigkeit von der rechtlichen Ausgestaltung der Kapitalüberlassung wird die handelsbilanzielle Einstufung als eigenkapitalähnlicher Titel steuerlich nicht nachvollzogen, sondern stattdessen die hierauf entfallenden Vergütungen wie Fremdkapital behandelt. So ist es beispielsweise im Falle von Genussrechten und stillen Gesellschaftereinlagen möglich, dass im handelsrechtlichen Einzelabschluss ein Eigenkapitaltitel vorliegt, der steuerlich aber wie Fremdkapital behandelt wird.471 Mit der vorgenannten Kürzungsvorschrift soll die steuerliche Qualifikation beim Equity-Escape nachvollzogen werden.472 Jedoch geht der Gesetzeswortlaut in einigen Fällen über die beabsichtigte Erfas468 469
470 471 472
I. d. S. Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2510; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 31; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6037. Aus Praktikabilitätsgründen wird ein Rückgriff auf die Handelsbilanz II bzw. III für wünschenswert erachtet; vgl. bereits Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1263; Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2106; Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Konzernabschluss, DStR 2007, S. 639. Aus diesem Grund wird auch die Meinung vertreten, dass sich für Zwecke des Push-down-Accounting auf die Kapitalkonsolidierung beschränkt werden sollte; vgl. Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 756; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 110. Zum Konsolidierungsprozess vgl. bspw. Theile/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 3222 (Abb. 77). Zur handels- und steuerbilanziellen Qualifikation elementarer mezzaniner Finanzinstrumente vgl. Briesemeister, Finanzinstrumente, 2006, S. 93 ff. Vgl. BT-Drs. 16/5491, S. 17.
178
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
sung von eigenkapitalähnlichen Mezzanine-Finanzierungen, die steuerlich wie Fremdkapital behandelt werden, hinaus. Demzufolge wird im Schrifttum in den Fällen eine teleologisch reduzierte Anwendung des Gesetzes gefordert, in denen die eigenkapitalähnlichen Mezzanine auch steuerlich wie Eigenkapital behandelt werden.473 Die Kürzungsvorschrift umfasst nicht die Komplementäreinlage eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA.474 Auch wenn die Komplementäreinlage keine Stimmrechte für die Hauptversammlung vermittelt, so geht sie mit umfassenden Mitwirkungspflichten und Zustimmungsrechten (z. B. Geschäftsführung und bestimmte Vetorechte) einher, die regelmäßig über die stimmrechtsgebundene Einflussnahmemöglichkeit der Kommanditaktionäre auf die Geschäftspolitik der Gesellschaft hinausgehen.475 Wenn man die hybride Charakteristik der KGaA im Rahmen der Zinsschranke dahingehend deutet, dass kapitalistische und personalistische Spähre zwei separate Betriebe darstellen,476 wird man den Anteil des Komplementär am haftenden Eigenkapital jedoch nicht beim Betrieb der KGaA, sondern beim Betrieb des Komplementärs zu berücksichtigen haben, sodass sich hier eine auslegungsbedingte Kürzung des Eigenkapitals der KGaA einstellt, die nicht explizit aus dem Wortlaut der Norm hervorgeht.477 (II) Beteiligungsbuchwertkürzung Das betriebliche Eigenkapital ist gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG um Anteile an anderen Konzerngesellschaften (sog. Beteiligungsbuchwertkürzung) zu vermindern. Hiermit möchte der Gesetzgeber Eigenkapitalkaskaden verhindern, die durch mehrfaches Hintereinanderschalten von Konzerntochtergesellschaften entstehen, und wodurch das betriebliche Eigenkapital aufgebläht werden könnte.478 Von der Vorschrift werden nur Beteiligungen an vollkon-
473
474 475
476 477 478
Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 162 f.; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 120; Heintges/Kamphaus/Loitz, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 1265; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 484; Glutsch/Otte/ Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 67, die darüber hinaus die Kürzung auch im Konzernabschluss vornehmen möchten; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 59 ff.; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 135; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 84 f.; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 80; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 54; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 153; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 184. Bereits in der Regierungsbegründung wird klar zum Ausdruck gebracht, dass MezzanineKapital erfasst werden soll; vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 49. Nach den Ausführungen des Finanzausschusses handelt es sich bei dem Passus „mit Ausnahme von Vorzugsaktien“ um eine Klarstellung; vgl. BT-Drs. 16/5491, S. 17. So Kollruss, KGaA, BB 2007, S. 1989; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 60; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 117; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a, Rz. 153. Vgl. Schaumburg/Schulte, KGaA, 2000, Rz. 8 f.; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 144. Zu den Rechten und Pflichten des Komplementär vgl. bspw. Perlitt, in: Goette/Habersack/Kalss, MüKomm-AktG, Bd. 5, § 278 AktG, Rz. 17 ff. Zu Auslegungsfragen bei der Betriebsabgrenzung einer KGaA vgl. Abschn. B.I.1.b.ii, S. 105. I. d. S. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a, Rz. 144. Zur Kritik an der Beteiligungsbuchwertkürzung vgl. bspw. Rödder/Stangl, Zinsschranke, DB 2007, S. 484; Welling, Zinsschranke, FR 2007, S. 738.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
179
solidierten Tochterkapital- und Tochterpersonengesellschaften erfasst,479 wozu grundsätzlich auch die Komplementäreinlage eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA zählt (s. u.). Unter Berücksichtigung der im Vorabschnitt erläuterten Kürzung um eigenkapitalähnliche Mezzanine wird vielfach die Meinung vertreten, dass die Beteiligungsbuchwertkürzung nicht greife, soweit der Anteil an der Konzerngesellschaft auf stimmrechtsloses Eigenkapital entfällt, da sodann das in dem Beteiligungsbuchwert verkörperte (anteilige) Eigenkapital weder bei der Gesellschaft – aufgrund der Kürzung für eigenkapitalähnliche Mezzanine – noch beim Gesellschafter – aufgrund der Beteiligungsbuchwertkürzung – berücksichtigt werden könne.480 Auch wenn diese Auffassung angesichts der gegebenenfalls zweifachen Nichtberücksichtigung solcher Eigenkapitalanteile eine gewisse Rechtfertigung verdient, so lässt der Wortlaut von § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG keine korrespondierende Behandlung der Kürzungsvorschriften auf Gesellschafts- und Gesellschafterebene erkennen.481 Auch die Komplementäreinlage eines persönlich haftenden Gesellschafters einer KGaA wird grundsätzlich von der Beteiligungsbuchwertkürzung erfasst,482 da sie das handelsrechtliche Beteiligungs- bzw. Anteilsverständnis erfüllt.483 Angesichts unterschiedlicher Auffassungen über die Anwendung der Zinsschranke bei einer KGaA sind an diesem Ergebnis jedoch Zweifel anzumelden.484 Sofern nämlich der Auffassung gefolgt wird, dass kapitalistische und personalistische Sphäre zwei separate Betriebe verkörpern und der personalistische Bereich für Zwecke der Zinsschranke gegebenenfalls dem originären Betrieb des Komplementärs zuzuweisen wäre, müsste die Komplementäreinlage konsequenterweise durch das anteilige Vermögen der KGaA substituiert werden, sodass für die Beteiligungsbuchwertkürzung kein Raum mehr bestünde.485 Demgegenüber ist zu vermuten, dass die Anwendung der Beteiligungsbuchwertkürzung von denjenigen Meinungsvertretern uneingeschränkt befürwortet
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Mithin unterliegen eigene Anteile und Anteile an nicht konsolidierungsfähigen Gesellschaften nicht der Kürzung; vgl. bspw. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 154 m. w. N. Allein Heuser/Pawelzik wollen darüber hinaus Anteile an Tochtergesellschaften, die aus Wesentlichkeitsgründen nicht im Konzernabschluss konsolidiert werden, von der Beteiligungsbuchwertkürzung ausklammern; vgl. dieselben, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6038. Vgl. Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 601; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 138; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 114. Darüber hinaus möchte das IDW noch Anteile von der Kürzung ausnehmen, die aus Sicht des Abschlusses der nämlichen Tochtergesellschaft Fremdkapital repräsentieren; vgl. IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 69. Der Begriff „Anteil“ sollte i. S. des jeweils einschlägigen Rechnungslegungsrechts definiert werden. Sofern eigenkapitalähnliche Mezzanine gleichfalls die entsprechende Anteilsdefinition auf Ebene der kapitalgebenden Mutter erfüllen, würde die Kürzungsvorschrift eingreifen; i. d. S. Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil II, DStR 2008, S. 269. Eine zweifache Nichtberücksichtigung des nämlichen Eigenkapitals ist auch nicht zwingend: So bspw. im Falle einer ausländischen Tochtergesellschaft, weil jene schon nicht unter die Zinsschranke fällt. So Kollruss, KGaA, BB 2007, S. 1989; Kollruss/Weißert/Ilin, KGaA, DStR 2009, S. 91. Vgl. bspw. IDW, WPH I, 2006, Abschn. F 184. Ferner ist sie in die Kapitalkonsolidierung einzubeziehen; vgl. Busse von Colbe, in: Schmidt, MüKomm-HGB, Bd. 4, § 301, Rz. 15. Zur Vermeidung der Vollkonsolidierung einer KGaA vgl. Kollruss, Joint-Venture-KGaA, KoR 2009, S. 427 ff. Zu Auslegungsfragen bei der Betriebsabgrenzung einer KGaA vgl. Abschn. B.I.1.b.ii, S. 105. I. d. S. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 25.
180
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
wird, die den kapitalistischen und personalistischen Bereich der KGaA als einen einzigen Betrieb qualifizieren. (III) Beteiligungsbuchwertkürzung bei Personengesellschaften und ihr Verhältnis zur Zuordnungsvorschrift für Sonderbetriebsvermögen Trotz des insoweit rechtsformneutral formulierten Gesetzeswortlauts wird vielfach die Auffassung vertreten, dass rein vermögensverwaltend tätige Tochterpersonengesellschaften (= Nicht-Betriebe) nicht von der Kürzung betroffen seien.486 Für diese Sichtweise scheint auch der Zinsschrankenerlass zu sprechen, denn dort wird nur von einer Kürzung des Anteils an einer Mitunternehmerschaft gesprochen.487 Da der Anteil an einer Mitunternehmerschaft begrifflich auch das Sonderbetriebsvermögen und etwaige Ergänzungsbilanzen erfasst, wird vereinzelt darüber spekuliert, ob die Kürzungsvorschrift in Bezug auf Tochterpersonengesellschaft auch das Sonderbetriebsvermögen und etwaige Ergänzungsbilanzen erfasst.488 Die Kürzung um das Sonderbetriebsvermögen in der Bilanz des Mitunternehmers wird jedoch originär durch die Zuordnungsvorschrift des § 4h Abs. 2 lit. c S. 7 EStG verwirklicht, da hiernach das (positive und negative) Sonderbetriebsvermögen dem Betrieb der Mitunternehmerschaft zuzuordnen ist, soweit es im Konzernvermögen enthalten ist.489 Hierüber wird eine korrespondierende Kürzung bzw. Erhöhung des Vermögens aufseiten der Mitunternehmerschaft und des Mitunternehmers bewirkt. Denn spiegelbildlich zur Erhöhung bzw. Verminderung des Eigenkapitals der Mitunternehmerschaft ist das Eigenkapital des Mitunternehmers in Höhe des Sonderbetriebsvermögens zu erleichtern bzw. zu beschweren.490 Ferner wird der Zuordnungsvorschrift im Schrifttum ein Anwendungsvorrang gegenüber der Korrekturvorschrift für konzerninterne Kapitalforderungen gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 6 EStG eingeräumt.491 Dieser Vorrang sollte auch gegenüber der Beteiligungsbuchwertkürzung nach § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG gelten. Sofern die Anteile, die der Beteiligungsbuchwertkürzung unterliegen, nämlich dem Sonderbetriebsvermögen einer anderen Konzern-Personengesellschaft zuzuordnen sind, greift die Beteiligungsbuchwertkürzung insoweit sachgerechterweise nicht beim Mitunternehmer, sondern bei der Eigenkapitalermittlung der Mitunternehmerschaft ein.492
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487 488 489
490 491 492
Vgl. Geißelmeier/Bargenda, Personengesellschaften, NWB 2008, Fach 4, S. 5331; van Lishaut/Schumacher/ Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 69; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 154. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 74. So Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1516. Vgl. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 138; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 154; Förster möchte hingegen das Sonderbetriebsvermögen über § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG kürzen, vgl. derselbe, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 114. Vgl. statt vieler Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 56. Vgl. Abschn. B.II.2.c.iii.(II), S. 183 (Fn. 507). Vgl. IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 67 i. V. mit Rz. 93.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
181
Obwohl die Zuordnungsvorschrift ausweislich ihres insoweit klaren Wortlauts nach herrschender Meinung auf das Sonderbetriebsvermögen von konzernzugehörigen Mitunternehmern beschränkt ist,493 wird bisweilen dennoch die Auffassung vertreten, dass auch das Sonderbetriebsvermögen konzernexterner Mitunternehmer zu erfassen sei.494 Da im Zinsschrankenerlass ganz allgemein von Sonderbetriebsvermögen gesprochen wird,495 ist davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung insoweit eine über den Gesetzeswortlaut hinausgehende Rechtsauffassung vertritt.496 Hinsichtlich etwaiger Ergänzungsbilanzwerte ist anzumerken, dass es sich hierbei um rein steuerliche Wertkorrekturen von bilanziellem Vermögen der Mitunternehmerschaft handelt, die in keiner Handels- oder IFRS-Bilanz einen entsprechenden Niederschlag finden. Dem Gesetzeswortlaut kann nicht entnommen werden, dass die in den Ergänzungsbilanzen aufgedeckten stillen Reserven auch beim Equity-Escape zu berücksichtigen sind.497 Dementsprechend sollte in die Formulierung „Beteiligung an Mitunternehmerschaften“ des Zinsschrankenerlasses auch keine Korrektur in Höhe des Nettovermögens der Ergänzungsbilanz hinein interpretiert werden.
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494
495 496 497
Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 167; Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 602; Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1815; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1111; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15874; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil II, DStR 2008, S. 270; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345; Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1005; Pawelzik, Firmenwert, Ubg 2009, S. 54; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 88; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h EStG, Rz. 88; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 84; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6043; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 56; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 218; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 48; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 113; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 187; im Ergebnis ebenso Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 102 f. Vgl. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 158, die korrespondierend das Konzerneigenkapital um das konzernexterne Sonderbetriebsvermögen adjustieren möchten. M. E. wird hierdurch aber der Sinn und Zweck der Korrespondenznorm gerade verfehlt. Denn der Ausschluss von konzernexternem Sonderbetriebsvermögen gewährleistet gerade, dass die betriebliche Eigenkapitalquote nicht durch Vermögenszuordnungen verzerrt wird, die sich nicht in gleicher Weise im Konzernabschluss niedergeschlagen haben. Die Bezeichnung Konzern„vermögen“ ist m. E. vor dem Hintergrund von Konsolidierungsvorgängen zu sehen, wodurch eine Zuordnung von Sonderbetriebsvermögen auch dann möglich wird, wenn das Sonderbetriebsvermögen nach der Konsolidierung nicht mehr im Konzernabschluss erscheint. Van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345, möchten (unbegründet) auch Privatvermögen eines Mitunternehmers von der Zuordnungsvorschrift erfasst wissen, wenn es als Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft anzusehen ist; gl. A. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh.1, Rz. 149. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 75 f. Auch in Rz. 6 des vorstehenden BMFs wird allgemein das Sonderbetriebsvermögen dem Betrieb der Mitunternehmerschaft zugeordnet. Zu dieser Vermutung vgl. Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 758. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 139; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 154; a. A. offenbar Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h EStG, Rz. 88.
182
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
iii.
Korrekturen der Bilanzsumme
(I)
Zweckkonforme Korrespondenz von Korrekturen des Eigenkapitals und der Bilanzsumme
In Einklang mit der herrschenden Literaturmeinung ist auch die Finanzverwaltung der Auffassung, dass ein Teil der oben beschriebenen Korrekturvorschriften auch bei der Ermittlung der Bilanzsumme zu berücksichtigen seien. Es ist nämlich sachgerecht, dass Erhöhungen und Verminderungen des Eigenkapitals, die nicht bloß zu einer bilanzsummenneutralen Umqualifizierung von Eigen- in Fremdkapital (et vice versa) führen, auch entsprechend bei der Bilanzsumme korrigiert werden.498 Um bilanzsummenneutrale und deshalb nicht zu berücksichtigende Korrekturen handelt es sich bei der Hinzurechnung der Hälfte des Sonderpostens mit Rücklageanteil, der Kürzung um eigenkapitalähnliche Mezzanine (Abschn. B.II.c.ii.(I), S. 177) und der besonderen Korrekturvorschrift im Falle von gesellschaftsrechtlichen Kündigungsrechten (Abschn. B.II.b.ii, S. 172). Auch die Zuordnungsvorschrift von § 4h Abs. 2 lit. c S. 7 EStG ist grundsätzlich für die Ermittlung des Eigenkapitals und der Bilanzsumme von Bedeutung.499 In Abweichung zu dem allgemeinen Ermittlungsschema der Finanzverwaltung500 sollte jedoch positives Sonderbetriebsvermögen, dem in der Bilanz der Personengesellschaft eine korrespondierende Verbindlichkeit (z. B. Gesellschafterdarlehen) gegenübersteht, nicht (noch einmal) bei der Bilanzsumme der Mitunternehmerschaft hinzugerechnet werden, da das Darlehen bereits als Verbindlichkeit die Bilanzsumme verlängert hat.501 Ferner wird im Falle von negativem Sonderbetriebsvermögen (z. B. zur Finanzierung des Mitunternehmeranteils) die Auffassung vertreten, dass dies zwar das Eigenkapital, nicht aber die Bilanzsumme der Mitunternehmerschaft mindere, weil sowohl auf Ebene des Mitunternehmers als auch auf Ebene der Mitunternehmerschaft nur eine Umqualifizierung von Fremd- in Eigenkapital stattfinde.502 (II) Konzerninterne Kapitalforderungen Eine explizite Kürzung der Bilanzsumme enthält der Gesetzeswortlaut nur für Kapitalforderungen, die nicht im Konzernabschluss ausgewiesen sind und denen Verbindlichkeiten i. S. des § 4h Abs. 3 EStG in mindestens gleicher Höhe gegenüberstehen (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 6 498
499 500 501
502
Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 76; zum Meinungsstand in der Literatur vgl. bspw. Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 52 m. w. N.; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 190 m. w. N. Vgl. statt vieler Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1815 f. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 75 f. Vgl. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 91; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 153; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 109. Vgl. Pawelzik, Firmenwert, Ubg 2009, S. 54 f.; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 92; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 153; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 109; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6054.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
183
EStG). Diese Vorschrift gewährleistet eine Bereinigung der betrieblichen Eigenkapitalquote um konzernintern durchgeleitete Darlehen (sog. Onlending), die aufgrund der Schuldenkonsolidierung die Eigenkapitalquote des Konzerns nicht berühren.503 Unterschiedliche Auffassungen bestehen über die Reichweite der Vorschrift. So ist umstritten, ob sich die Vorschrift nur auf längerfristige oder auch auf kurzfristige Kapitalforderungen erstreckt. Der Terminus Kapitalforderung sollte in Übereinstimmung mit § 4h Abs. 3 S. 3 EStG verstanden werden, weshalb die Kürzung unabhängig von der Fristigkeit der Kapitalüberlassung angewendet werden sollte.504 Da konzerninterne Lieferungen und Leistungen ebenfalls nicht die Eigenkapitalquote des Konzerns tangieren, wird im Schrifttum zunehmend gefordert, die Bilanzsumme auch um Forderungen und Verbindlichkeiten aus konzerninternen Leistungsverflechtungen zu bereinigen.505 Dieser Ansicht ist jedoch entgegenzuhalten, dass die Kürzungsvorschrift ausdrücklich auf § 4h Abs. 3 EStG verweist, wonach Gegenstand der Zinsschranke stets Vergütungen für die Überlassung von Geldkapital und gerade nicht für die Überlassung von Sachkapital sind.506 Ein weiteres Problem stellt das Verhältnis der Kürzungsvorschrift gem. Satz 6 und der Zuordnungsvorschrift gem. Satz 7 des § 4h Abs. 2 lit. c EStG dar. Sofern ein Mitunternehmer seiner Mitunternehmerschaft desselben Konzerns ein Darlehen weiterreicht, weist er in seinem Einzelabschluss eine Kapitalforderung aus, die steuerlich als Sonderbetriebsvermögen der Mitunternehmerschaft zu qualifizieren ist. Damit ist für die Adjustierung der betrieblichen Eigenkapitalquote des Mitunternehmers grundsätzlich die Kürzung der Bilanzsumme gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 6 EStG anwendbar und darüber hinaus auch die Zuordnungsvorschrift gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 7 EStG. Eine zweifache Kürzung der Bilanzsumme scheint aufgrund des Gesetzeswortlauts möglich, aber weder sachgerecht noch vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen zu sein. Deshalb wird in der Literatur die Auffassung geteilt, dass der Zuordnungsvorschrift des Satzes 7 ein Anwendungsvorrang gegenüber der Kürzung des Satzes 6 einzuräumen sei.507
503 504
505
506 507
Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 49. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 758 f.; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 85; a. A. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 87. Die Dauerhaftigkeit der Kapitalüberlassung ist für den Zinsbegriff der Zinsschranke ohne Belang; vgl. Abschn. B.I.3.a, S. 119. Vgl. Pawelzik, Konzernforderung, DB 2008, S. 2439 ff.; gl. A. IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 86; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 142; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 116; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6056 ff.; a. A. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 87; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a Rz. 156. Eine Bereinigung um konzerninterne Lieferungs- und Leistungsbeziehungen, die allein die betriebliche Bilanzsumme verlängern, würde im Ergebnis ebenfalls erzielt, wenn man im Rahmen der Bewertung des zugrunde zu legenden Betriebsvermögens auch die im Konzernabschluss vorgenommene Schuldenkonsolidierung in den Einzelabschluss „herunterdrückt“; vgl. hierzu Abschn. B.II.2.c.i, S. 176. Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 166; Hick, in: Herrmann/ Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 55. Vgl. Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1815 f.; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2345; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 154 f.; Frotscher, in:
184
d.
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Maßgeblicher Vergleichszeitpunkt
Der maßgebliche Vergleichszeitpunkt für den Equity-Escape ist der vorangegangene Abschlussstichtag des Konzerns bzw. des Betriebs (Stichtagsbetrachtung gem. § 4h Abs. 2 S. 1 lit. c EStG). Sofern die Stichtage von Konzern- und Einzelabschluss differieren, ist nach herrschender Meinung auf denjenigen Einzelabschluss zurückzugreifen, der in den vorangegangenen Konzernabschluss eingegangen ist – dies kann auch ein Zwischenabschluss sein.508 Damit gibt die Konzernspitze ebenfalls in zeitlicher Hinsicht die Beurteilungsmaßstäbe vor. Dies sollte entsprechend gelten, wenn ein Konzernabschluss allein aufgrund eines steuerlichen Konzerntatbestands i. S. des § 4h Abs. 3 S. 6 EStG erstellt werden muss. Wenn im abgelaufenen Wirtschaftsjahr erstmalig ein Konzerntatbestand i. S. der Zinsschranke begründet wurde, liegt für den maßgeblichen Vergleichszeitpunkt noch kein Konzernabschluss vor. In diesem Fall sind verschiedene Auslegungsvarianten denkbar.509 Aus Sicht des Steuerpflichtigen hat sich die Finanzverwaltung jedenfalls für die günstigste Auslegungsoption entschieden. Sie geht nämlich davon aus, dass im ersten Jahr der Konzernierung der Betriebsverbund noch nicht als konzernzugehörig i. S. der Zinsschranke zu qualifizieren ist.510 Streitanfällig, weil auslegungsbedürftig ist der Gesetzeswortlaut, wenn der relevante Betrieb am vorangegangenen Abschlussstichtag noch nicht zum Konzernvermögen zählte (Neugründung, Erwerb) bzw. unterjährig verkauft wurde und nunmehr einem anderen Konzern angehört. Die Finanzverwaltung möchte im Gründungsfall die betriebliche Eigenkapitalquote der Eröffnungsbilanz entnehmen, womit sie im Schrifttum auf breite Zustimmung trifft.511 Dennoch sind Literaturstimmen zu beachten, die dieser Auffassung entgegentreten, weil der EquityEscape es ihrer Ansicht nach erfordere, dass der jeweilige Betrieb bereits zum maßgeblichen Vergleichszeitpunkt im Konzernabschluss enthalten sein müsse.512 Dem schließt sich die Folgefrage an, ob diese konträren Sichtweisen undifferenziert auf Umwandlungsvorgänge übertragen werden können, in denen der Betrieb neu entsteht (Umwandlung zur Neugrün-
508
509 510 511
512
Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 87. So auch das BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 70; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 158, die aber eine gesonderte Erstellung eines Zwischenabschlusses nicht für zwingend halten; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 478; Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 99; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 74; Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 547; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 13; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 92; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 77b; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 84; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 49; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 132; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 164. Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 136a. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 68. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 70; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 158; Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 547; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 13; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 49. Vgl. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 77; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 165.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
185
dung). Nach Auffassung der Finanzverwaltung und der herrschenden Meinung wäre in derartigen Umwandlungsfällen wohl auf die Eröffnungsbilanz des neuen Betriebs abzustellen.513 Nach der Gegenmeinung käme es mutmaßlich darauf an, ob das dem umgewandelten Betrieb zugeordnete Vermögen am vorangegangenen Abschlussstichtag bereits im Konzernabschluss enthalten war. Auch im Erwerbs- bzw. Veräußerungsfall stimmt die Finanzverwaltung mit der herrschenden Meinung überein. Mit Blick auf die retrospektive Stichtagsbetrachtung wird dafür plädiert, dass die betriebliche Eigenkapitalquote mit der Eigenkapitalquote desjenigen Konzerns zu vergleichen sei, in dessen Abschluss der betreffende Betrieb am maßgeblichen Vergleichszeitpunkt enthalten war.514 Auch wenn dieser Vergleich in praxi mit erheblichen Informationsbeschaffungsproblemen verbunden sein wird, weil der Betrieb im Zeitpunkt der Prüfung des Equity-Escape zu einem anderen Konzern zählt,515 findet diese Auffassung eine zweifache Stütze im Gesetzeswortlaut. So verlangt der Equity-Escape erstens gerade keine Zugehörigkeit zu ein und demselben Konzern über den gesamten Veranlagungszeitraum und zweitens bezieht sich § 4h Abs. 2 lit. c S. 3 2. Hs. EStG auf die Eigenkapitalquote desjenigen „[…] Konzernabschluss[es], der den Betrieb umfasst, […]“. Mithin sind die Verhältnisse des erwerbenden Konzerns nicht maßgeblich.516 Sofern der betrachtete Betrieb aber erst aufgrund des Veräußerungsvorgangs konzernzugehörig i. S. der Zinsschranke wird, liegt nach der hier befürworteten Gesetzesauslegung keine vergleichbare Konzerneigenkapitalquote zum vorangegangenen Abschlussstichtag und somit eine weitere Regelungslücke vor. Nach Heuermann sind im Erstjahr der Konzernzugehörigkeit sodann die Verhältnisse des erwerbenden Konzerns maßgeblich und es sollten die zu vergleichenden Eigenkapitalquoten gegebenenfalls im Wege von Überleitungsrechnungen miteinander vergleichbar gemacht werden können.517 Anzumerken bleibt, dass es sich hierbei aber nur um ein auslegungsbedingtes Folgeproblem handelt. Wenn man nämlich in Einklang mit der Finanzverwaltung und Teilen der Literatur davon ausgehen würde, dass die retrospektive Stichtagsbetrachtung auch für den Stand-aloneEscape gilt, kommt der ehemals konzernfreie Betrieb gar nicht in die Verlegenheit, den Equi513
514
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516 517
I. d. S. Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 547; IDW, Erlassentwurf, IDW-FN 2008, S. 138; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 91; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 133, die unter Verweis auf die Möglichkeit der Buchwertfortführung auch ein Abstellen auf die Verhältnisse des Rechtsvorgängers für eine denkbare Rechtsauslegung halten. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 68; Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 159; IDW, Eigenkapitalquote, IDW-FN 2010, S. 213, Rz. 13; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 49; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 134; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 165. Es ist zu vermuten, dass die Auskunftsbereitschaft der ehemaligen Konzernmutter eher gedämmt sein wird, Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 703. Aufgrund dieses praktischen Informationsdefizits plädiert Huken dafür, dem Erwerber entweder generell den Equity-Escape zu gewähren oder alternativ einen separaten Konzernabschluss unter Einbezug des erworbenen Betriebs auf den Erwerbszeitpunkt zu erstellen und den relevanten Einzelabschluss auf den Erwerbszeitpunkt überzuleiten, vgl. derselbe, Erlassentwurf, DB 2008, S. 547. A. A. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 73. Vgl. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 73.
186
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
ty-Escape in Anspruch nehmen zu müssen, weil er im ersten Jahr seiner Konzernzugehörigkeit noch als konzernfrei zu behandeln ist.518 Diese Zweifelsfragen stellen sich in etwas modifizierter Form auch im Zusammenhang mit Teilkonzernabschlüssen von Organkreisen. In diesem Kontext gilt es insbesondere die Frage zu klären, ob nur diejenigen Organgesellschaften konsolidierungsfähig sind, die zum vorangegangenen Abschlussstichtag bereits Mitglied des Organkreises waren. Sofern die Stichtagsbetrachtung auch für die Betriebsfiktion gem. § 15 Nr. 3 S. 2 KStG gelten sollte, könnten unterjährig einbezogene Organgesellschaften im ersten Jahr ihrer Organkreiszugehörigkeit noch nicht im Teilkonzernabschluss konsolidiert werden.519 e.
Bestandteile und Testat des Konzernabschlusses sowie Prüfung des Einzelabschlusses bzw. der Überleitungsrechnung
Nach § 4h Abs. 2 lit. c S. 10 muss der Konzernabschluss der handelsrechtlichen Konzernrechnungslegung genügen oder die Vorausetzungen erfüllen, unter denen ein Abschluss nach §§ 291 f. (und 315a) HGB befreiende Wirkung hätte.520 Aufgrund dieser Vorgaben besteht im Schrifttum ganz überwiegend Einigkeit darin, dass der Konzernabschluss, auch wenn er allein für Zinsschrankenzwecke erstellt wird, sämtliche Inhalts- und Formvorschriften des maßgeblichen Rechnungslegungsstandards erfüllen müsse, weshalb nicht allein die Aufstellung einer Konzernbilanz ausreichend sein wird, sondern darüber hinaus auch die Erstellung einer Kapitalflussrechnung, eines Lageberichts etc. erforderlich sein wird.521 Ferner muss der Konzernabschluss der Regierungsbegründung zufolge von einem Abschlussprüfer testiert werden. Dies ist nach übereinstimmender Meinung auch im Falle eines „fiktiven“ bzw. allein für Zinsschrankenzwecke erstellten oder erweiterten Konzernabschlusses erforderlich.522 Fraglich ist nur, ob der Abschlussprüfer ein uneingeschränktes Testat überhaupt erteilen kann, wenn
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Vgl. Abschn. B.II.1.c, S. 163. Zu weiteren Einzelheiten vgl. Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 753 ff.; Kowallik, Erstjahresproblem, IWB 2010, S. 243 f. Im Gesetz wird zwar § 315a HGB, der ein inländisches Mutterunternehmern im Falle von verpflichtend oder freiwillig erstellten IFRS-Konzernabschlüssen von der HGB-Konzernrechnungslegung befreit, nicht erwähnt, jedoch geht die Finanzverwaltung in Übereinstimmung mit der Literatur davon aus, dass ein IFRS-Abschluss unter den in § 315a HGB genannten Voraussetzungen zu verwenden ist; BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 714, Rz. 72; IDW, Erlassentwurf, IDW-FN 2008, S. 138 f.; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 87 m. w. N. I. d. S. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 94; Förster, in: Gosch, KStG, § 4h EStG Exkurs, Rz. 87; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 111, der hingegen auch Konzernabschlüsse heranziehen möchte, zu denen kein Konzernlagebericht vorliegt; bspw. schreiben die IFRS keinen Konzernlagebericht vor; vgl. Elrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 315, Rz. 50. Zudem ist den Finanzbehörden eine beglaubigte Übersetzung des befreienden Konzernabschlusses vorzulegen; BT-Drs. 16/4841, S. 49. Vgl. Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 49; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a, Rz. 136; zweifelnd Schultz-Assberg, in: Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 79, nach deren Auffassung eine Abschlussprüfung für einen freiwillig erstellten Konzernabschluss im Gesetz hätte geregelt werden müssen.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
187
handelsrechtlich nicht konsolidierungsfähige Betriebe in den Konzernabschluss (insbesondere die steuerliche Konzernspitze) aufzunehmen sind.523 Die Überleitungsrechnung des Betriebs ist stets einer prüferischen Durchsicht zu unterziehen (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 12 EStG). Ferner können die Finanzbehörden bei begründeten Zweifeln an der Richtigkeit des Abschlusses bzw. der Überleitungsrechnung verlangen, diese ebenfalls einer Überprüfung durch einen handelsrechtlich anerkannten Abschlussprüfer i. S. des § 319 HGB zu unterziehen (§ 4h Abs. 2 lit. c S. 13 EStG).524 Im Zusammenhang mit der prüferischen Durchsicht ist unklar, wer diese durchführen darf und was sie beinhalten muss.525 Die Regierungsbegründung verweist in diesem Punkt auf die Grundsätze des IDW PS 900.526 Dies hat das IDW dazu veranlasst, einen speziell auf die Zinsschranke zugeschnittenen Entwurf zur prüferischen Durchsicht der Überleitungsrechnung vorzulegen (IDW EPS 901), worin Prüfungsumfang und Berichtselemente festgelegt werden.527 Der Verweis in der Regierungsbegründung auf IDW PS 900 könnte dahingehend interpretiert werden, dass allein Wirtschaftsprüfern die notwendige Kompetenz zur Durchsicht zugesprochen wird. Allerdings werden hierfür mehrheitlich z. B. auch Steuerberater als befähigte Prüfer angesehen.528 Ferner sind nach der Regierungsbegründung zusätzlich zu dem (gegebenfalls) gesondert erstellten Einzelabschluss bzw. der Überleitungsrechnung erläuternde (übersetzte) Anhangangaben erforderlich, wenn darin für die Ermittlung der Eigenkapitalquote nützliche Informationen enthalten sind.529 Der Teilkonzernabschluss des Organkreises ist nach übereinstimmender Auffassung wie ein Einzelabschluss zu qualifizieren, der mithin keinem Abschlussprüfertestat analog dem Konzernabschluss unterliegt.530 Nach dieser Qualifikation käme eine prüferische Durchsicht mangels Überleitungsrechnung nicht in Betracht. Sofern man den Teilkonzernabschluss des Organkreises jedoch als eine Art Überleitungsrechnung versteht, bestünde auch für den Organkreis eine konstitutive Bringschuld, die Richtigkeit des Teilkonzernabschlusses für jeden Veranlagungszeitraum der Inanspruchnahme des Equity-Escape – unabhängig von dem Ver-
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Zu diesem Problem vgl. Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Konzernabschluss, DStR 2007; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 218; Streck, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 8a, Rz. 59. Die Finanzverwaltung kann nicht willkürlich eine Prüfung verlangen; vgl. Hennrichs, Prüfung, DStR 2007, S. 1928 f.; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 275; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 59. Vgl. Schulz, Zinsschranke, DB 2008, S. 2047 m. w. N. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 49. Vgl. IDW, EPS 901, IDW-FN 2009, S. 169 ff.; Dettmeier, Sackgasse, S:R 2009, S. 114. Vgl. Förster, G., in: Breithecker et al., UntStRefG, § 4h EStG, Rz. 88; Hennrichs, Prüfung, DStR 2007, S. 1927; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 487; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 62; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 180; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 117, der allein Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer zulassen möchte. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 49; hierzu krit. Hennrichs, Eigenkapitalvergleich, DB 2007, S. 2105. Vgl. Stibi/Thiele, IFRS, BB 2008, S. 2510; Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 753; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 89.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
langen der Finanzbehörden gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 13 EStG – im Wege einer prüferischen Durchsicht durch Dritte bestätigen zu lassen.531 III. Rechtsunsicherheiten bei der Auslegung der Rückausnahmetatbestände Die Inanspruchnahme des Stand-alone- und Equity-Escape stehen unter dem Vorbehalt etwaiger schädlicher Fremdfinanzierungen durch wesentlich beteiligte Gesellschafter, diesen nahestehende Personen und rückgriffsberechtigte Dritte. Während unter den Voraussetzungen des § 8a Abs. 2 KStG der Stand-alone-Escape nicht mehr als Schutz vor der Zinsschranke aktiviert werden kann, suspendiert § 8a Abs. 3 in einer konzeptionell sinnverwandten – wenngleich wesentlich umfassenderen – Weise den Equity-Escape. Aufgrund tatbestandlicher Überschneidungen von § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG werden die anstehenden Zweifelsfragen weitgehend einheitlich bzw. mit Gültigkeit für beide Rückausnahmen diskutiert.532 Dort, wo es notwendig erscheint, werden aber Differenzierungen vorgenommen. Eine gesonderte Beleuchtung verdient die Anwendung von § 8a KStG auf Mitunternehmerschaften und Organkreise. 1.
Abgrenzung des relevanten Personenkreises von § 8a KStG
a.
Wesentlich beteiligter Gesellschafter
Als wesentlich beteiligte Gesellschafter i. S. des § 8a Abs. 2 KStG kommen Anteilseigner in Betracht, die zu mehr als 25% am „Grund- oder Stammkapital“ der Gesellschaft beteiligt sind.533 Weil nur Kapitalgesellschaften (GmbH, AG, KGaA, SE) über ein Grund- bzw. Stammkapital verfügen, wird von der herrschenden Meinung der Standpunkt vertreten, dass diese Rückausnahme grundsätzlich nicht für sämtliche Körperschaften anwendbar sei.534 Der Komplementär einer KGaA erfüllt in Bezug auf seine Haftungseinlage nach herrschender
531 532
533
534
Vgl. hierzu Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 753. Zur weitgehenden Entsprechung der beiden Rückausnahmevorschriften vgl. bspw. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 168; Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2263. Nach einhelliger Auffassung sind eigene Anteile bei der Berechnung der Mindestbeteiligungsquote vom Nennkapital abzuziehen; vgl. bspw. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 104; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 100. Vgl. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2260; Kreft/Schmitt-Homann, Rückgriff, BB 2008, S. 2100; Töben/Fischer, Immobilieninvestitionen, Ubg 2008, S. 155; Kollruss et al., Rechtsformabhängigkeit, DStZ 2009, S. 118; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 519; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 15; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 97; Schwedhelm, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 8a, Rz. 40; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 99; a. A. Strunk/Hofacker, Öffentliche Hand, Stbg 2008, S. 255; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 106 f., nach deren Auffassung im Falle von Körperschaften, die über kein Grundbzw. Stammkapital verfügen, auf eine mit dem Nennkapital vergleichbare Größe abzustellen sei; Stangl/ Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 495, möchten die Vorschrift lediglich auf Körperschaften, die keine Mitgliedschaftsrechte (z. B. Vereine) vermitteln, nicht anwenden; gl. A. Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-12; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 43 u. 47; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 36;
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189
Meinung jedoch nicht die Voraussetzungen eines wesentlich Beteiligten, weil er insoweit nicht am Grundkapital der Gesellschaft beteiligt ist.535 Hingegen stellt § 8a Abs. 3 KStG auf die Beteiligung am „Kapital“ der konzerngebundenen Gesellschaften ab. Hier ist eine Grundwertung zu treffen, ob einem weiten oder engen Begriffsverständnis gefolgt werden soll. Einem weiten Verständnis entspräche es, sämtliche Eigenkapitalelemente unter das Beteiligungsverhältnis zu subsumieren, während sich eine enge Auslegung entsprechend § 8a Abs. 2 KStG am Nennkapital oder vergleichbaren Eigenkapitalbestandteilen orientieren würde.536 Nach einem weiten Verständnis könnten Genussrechts-Eigenkapital und die Haftungseinlage des Komplementärs einer KGaA ein schädliches Beteiligungsverhältnis vermitteln. Hingegen wird im Schrifttum eindeutig eine enge Auslegung favorisiert, die das relevante Beteiligungsverhältnis auf eine Gesellschafterstellung (mit oder ohne Stimmrecht) reduziert.537 Der Hintergrund dieser weiten Formulierung wird vermutlich darin bestehen, dass hierüber Beteiligungsverhältnisse an sämtlichen Rechtsträgern des Konzerns (einschließlich Personengesellschaften) erfasst werden sollen, um so die konzernweite Betrachtung von § 8a Abs. 3 KStG zu verwirklichen.538 In diesem Zusammenhang ist von großer Bedeutung, dass Darlehen von konzernzugehörigen Gesellschaftern unschädlich sind, da sie im vollkonsolidierten Konzernabschluss nicht enthalten sind (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG) und deshalb die Eigenkapitalquote des Konzerns nicht tangieren.539 Zur Ermittlung der Beteiligungshöhe sind nach herrschender Meinung und Auffassung der Verwaltung unmittelbare und mittelbare Beteiligungen zusammenzurechnen, wobei im Falle mittelbarer Beteiligungen auf die durchgerechnete Quote abzustellen ist.540 Teilweise wird aber bestritten, dass eine lediglich mittelbare Gesellschafterstellung für eine wesentliche
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536 537
538 539 540
Vgl. Kollruss/Weißert/Ilin, KGaA, DStR 2009, S. 92; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 520; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 46; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 97; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 41; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 227; a. A. offenbar BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 44, da für Sondervergütungen des Komplementärs § 8a Abs. 2 bzw. Abs. 3 KStG zu prüfen sei. Vgl. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2264. Vgl. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2264; Hoffmann, Mitunternehmerschaft, GmbHR 2008, S. 184; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 92; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 166; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 170; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 145. Vgl. Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 76; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 170; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 144. Zur Konzernbetrachtung von § 8a Abs. 3 KStG vgl. Abschn. B.III.2.d, S. 195 ff. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 81; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 230; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 123; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 519; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 49; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 42; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 19; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 109; a. A. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 100, der unmittelbare und mittelbare Beteiligungen nicht addieren möchte, da das Gesetz von Anteilseignern spricht, die entweder unmittelbar „oder“ mittelbar beteiligt sind.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Beteiligung i. S. des § 8a KStG ausreichend ist.541 Des Weiteren ist fraglich, wie die Beteiligungsquote zu ermitteln ist, wenn die Beteiligung an der schädlich finanzierten Gesellschaft über eine Personengesellschaft vermittelt wird, oder aufgrund der rechtsformneutral ausgestalteten Konzernbetrachtung des § 8a Abs. 3 KStG eine Personengesellschaft des Konzerns direkt fremdfinanziert wird. Dörfler schlägt in diesen Fällen vor, auf das Kapitalkonto I bzw. auf den Gewinnverteilungsschlüssel zurückzugreifen, um die maßgebliche Beteiligungsquote zu erhalten.542 Nach ganz überwiegender Auffassung ist der Zeitpunkt der Begründung einer wesentlichen Gesellschafterstellung, eines Nahestehens bzw. eines Rückgriffs auf die vorgenannten Personen zu beachten.543 Deshalb sind in die Prüfung von § 8a KStG nach nahezu einhelliger Auffassung nur Zinsen einzubeziehen, die innerhalb eines Zeitraums bilanziell erfasst werden, in dem die Beteiligungsquote von 25% überschritten wird. Deshalb sind Veränderungen der Beteiligungsverhältnisse innerhalb des Wirtschaftsjahres zu berücksichtigen;544 ohne Belang sind aber die Beteiligungsverhältnisse im Zeitpunkt der Hingabe des Fremdkapitals.545 b.
Nahestehende Personen
Im Zusammenhang mit Nahestehenden i. S. des § 1 Abs. 2 AStG bestehen keine gravierenden zinsschrankenspezifischen Rechtsunsicherheiten.546 So wird übereinstimmend davon ausgegangen, dass auch ein Upstream-Darlehen einer Tochtergesellschaft in den Anwendungsbereich von § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG fällt, wenn der wesentlich beteiligte Gesellschafter der darlehensempfangenden Gesellschaft als nahestehende Person der darlehensgewährenden Gesellschaft zu qualifizieren ist.547 541 542 543
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Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 495; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 101. Vgl. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 50 u. 92. Im Zusammenhang mit konzerninternen Fremdfinanzierungen ist zudem der Zeitpunkt der Konzernzugehörigkeit bzw. theoretischen Konsolidierungsmöglichkeit zu beachten, vgl. Töben/Lohbeck/Fischer, InboundInvestitionen, FR 2009, S. 162; Abschn. A.III.2.d, S. 195. Vgl. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2260; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 496; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 518; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 53; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 51 f.; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 105; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-12; Schwedhelm, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 8a, Rz. 44; a. A. Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 123, die entsprechend § 8a KStG a. F. davon ausgehen, dass eine wesentliche Beteiligung zu irgendeinem Zeitpunkt im laufenden Veranlagungszeitraum ausreichend sei. Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 106; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 53; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 117; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 105. Vgl. hierzu die ausführlichen Erläuterungen von Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 107 ff., der § 1 Abs. 2 Nr. 3 AStG im Rahmen des § 8a KStG für unanwendbar hält, ebenda, Rz. 116; gl. A. IDW, Erlassentwurf, IDW-FN 2008, S. 140; Kollruss/Michaelis, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, StuB 2008, S. 824 f.; insoweit a. A. Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 46; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 107. Vgl. Hein/Suchan/Geeb, MoMiG, DStR 2008, S. 2292; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 56; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 46; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 114; Möhlen-
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In § 8a Abs. 3 KStG ist zwar – anders als in § 8a Abs. 2 KStG – kein dynamischer Verweis auf das AStG enthalten, jedoch wird überwiegend die Auffassung vertreten, dass es sich hierbei nur um ein redaktionelles Versehen handelt, das mit keinen unterschiedlichen Wertungen einhergehe.548 Ferner ist darauf hinzuweisen, dass sich der Nahestehende i. S. des § 8a Abs. 3 KStG außerhalb des Konsolidierungskreises des Konzerns befinden muss, da andernfalls keine Verbindlichkeit im Konzernabschluss ausgewiesen wird, die eine schädliche Fremdkapitalvergütungen vermitteln könnte (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG).549 c.
Rückgriffsberechtigter Dritter
Sofern ein Dritter auf einen wesentlich beteiligten Gesellschafter oder auf eine diesem nahestehende Person zur Sicherung seiner Fremdkapitalüberlassung zurückgreifen kann, liegt ebenfalls ein potenziell schädliches Fremdfinanzierungsverhältnis vor. In der Literatur ist man jedoch uneins, ob ein unwesentlich beteiligter Anteilseigner zugleich rückgriffsberechtiger Dritter sein kann.550 Ferner ist umstritten, ob eine Rückgriffsmöglichkeit des Fremdkapitalgebers auf einen (zwischengeschalteten) Dritten, der wiederum auf den wesentlich Beteiligten bzw. eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann (sog. verlängerter Rückgriff), auch als schädliches Fremdfinanzierungsverhältnis zu qualifizieren ist.551 In Anlehnung an die Gesetzesbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 sieht die Finanzverwaltung selbst dann einen schädlichen Rückgriff als gegeben an, wenn lediglich eine faktische Verpflichtung zur Erfüllung der Schulden der finanzierten Gesellschaft durch den wesentlich Beteiligten oder eine diesem nahestehende Person besteht.552 Dieses weite Rückgriffsverständnis wird mit Verweis auf den Gesetzeszweck in der Literatur stark kritisiert und vielfach darauf hingewiesen, dass zivilrechtlich durchsetzbare Ansprüche bzw. Sicherheiten zwischen Kapitalgeber und bürgender Person bestehen müssten, um einen schädlichen Rückgriff i. S. der Vorschrift begründen zu können.553 Teilweise wird entgegen der
548 549 550
551
552 553
brock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 115; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 24, der m. E. in seinem Bsp. 3 für die Begründung eines (mittelbaren) Nahestehens i. S. des § 1 Abs. 2 Nr. 1 AStG zu niedrige Beteiligungsquoten unterstellt. Vgl. bspw. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 504 (Fn. 307); Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2263. Vgl. bspw. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 114; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 94. Bejahend Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 118; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 116; a. A. Kollruss/Michaelis, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, StuB 2008, S. 823 f.; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 27; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-12. Bejahend Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 118; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 116; a. A. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 27; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 114. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 83; BT-Drs. 16/4841, S. 75; gl. A. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 25 f. Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 498; Hölzer/Nießner, BMFSchreiben, FR 2008, S. 850; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1516; Kreft/Schmitt-Homann, Rückgriff, BB 2008, S. 2102 f., die zudem darauf hinweisen, dass in Gesetzesbegründungen zu anderen
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Auffassung der Finanzverwaltung die Meinung vertreten, dass die bloße Verpfändung von Anteilen an der fremdfinanzierten Gesellschaft zugunsten des kapitalgebenden Dritten nicht vom weiten Rückgriffsverständnis gedeckt sei.554 Für die Inanspruchnahme des Equity-Escape ist der Rückgriff allerdings nur dann schädlich, wenn er auf einen konzernexternen Gesellschafter bzw. eine diesem nahestehende Person erfolgt (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG). Zwar sind konzernzugehörige Gesellschaften häufig wiederum nahestehende Personen von konzernexternen Gesellschaftern, jedoch liegt hierin nach übereinstimmender Auffassung kein schädlicher Rückgriff begründet, da andernfalls der Sinn dieser Ausnahmeregelung vollständig konterkariert würde.555 2.
Ermittlung der Vergleichsgrößen für den 10%-Test und schädliche Fremdkapitalvergütungen
In § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG werden jeweils inhaltsgleich zwei Vergleichsgrößen definiert. Zum einen die Vergütungen für Fremdkapital (Vergleichsgröße I) und zum anderen die die Zinserträge übersteigenden Zinsaufwendungen (Vergleichsgröße II).556 Wenn die Vergleichsgröße I 10% oder mehr der Vergleichsgröße II beträgt, kann der Stand-alone- bzw. der Equity-Escape nicht beansprucht werden (sog. 10%-Test). Zwar ist man sich im Schrifttum überwiegend einig, dass die Tatbestände „Vergütungen für Fremdkapital“ und „Zinsaufwendungen“ im Rahmen von § 4h EStG bzw. § 8a KStG grundsätzlich einheitlich auszulegen seien.557 Dennoch gehen die Vorstellung darüber auseinander, welche und in welchem Umfang Zinsaufwendungen der Körperschaft bzw. des Rechtsträgers als potenziell schädliche Zinsaufwendungen in die Vergleichsgrößen einzubeziehen sind.
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Normen (§§ 8b Abs. 3 S. 7 KStG, 32d Abs. 2 Nr. 1 lit. c EStG) ebenfalls von einer zivilrechtlichen Auslegung des Rückgriffsverständnisses ausgegangen wird; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 520; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 64; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 122 f.; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-12. Nach teilweiser Auffassung soll sich der Rückgriff allein auf sog. Back-to-Back-Finanzierungen beschränken; vgl. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2261; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 53; Schwedhelm, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 8a, Rz. 43. Eisgruber möchte sich auf Rückgriffe beschränken, die grundsätzlich einem Gegenbeweis zugänglich sind, vgl. derselbe, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 232. Vgl. Töben/Fischer, Immobilieninvestitionen, Ubg 2008, S. 158 f.; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 116; a. A. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 83; Kreft/Schmitt-Homann, Rückgriff, BB 2008, S. 2103; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 121a. Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 169; Rödder, Unternehmensteuerreformgesetz, DStR-Beihefter 2007 zu Heft 40, S. 10 f.; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 507 f.; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 214; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 134; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 172; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 95; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 148; im Ergebnis ebenso Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 35. Vgl. Hahne, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, StuB 2007, S. 808; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 498 ff.; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 162. Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 498; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 71; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 167; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 103.
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a.
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Abweichende Zinsbegriffe für Zwecke des § 4h EStG und § 8a KStG?
Von der Finanzverwaltung und Teilen der Literatur wird die Auffassung vertreten, dass Vergütungen für Fremdkapital unabhängig davon in die Vergleichsgröße I einfließen, ob sie das maßgebliche Einkommen gemindert haben.558 Es ist also davon auszugehen, dass Zinsaufwendungen einer ausländischen Freistellungsbetriebsstätte im Rahmen der Vergleichsgröße I zu berücksichtigen sind, obwohl diese nicht als Zinsaufwendungen i. S. des § 4h EStG qualifizieren. Wenn diese Vermutung zutreffend sein sollte, wird die im Schrifttum geäußerte Forderung nachvollziehbar, dass in analoger Weise auch die Vergleichsgröße II um diejenigen Zinsaufwendungen und Zinserträge zu modifzieren sei, die aufgrund inländischer Steuerfreiheit nicht im Zinssaldo des § 4h Abs. 1 EStG berücksichtigt wurden. Nach dieser Auffassung wäre es im Extremfall sogar denkbar, dass die Vergleichsgröße II dann nicht mehr einen negativen, sondern einen positiven Zinssaldo repräsentiert. Folglich würden bereits marginale Zinszahlungen an Personen des schädlichen Personenkreises die Inanspruchnahme eines Ausnahmetatbestands torpedieren.559 Dieses Ergebnis ist jedoch abzulehnen.560 Ein derartiges Auseinanderfallen der Zinsbegriffe i. S. der §§ 4h EStG, 8a KStG kann nicht vom Gesetzgeber beabsichtigt gewesen sein. Die Ausdehnung des Zinsverständnisses für Zwecke der Vergleichsgrößenermittlung auf im Inland steuerunwirksame Zinsaufwendungen stellt in Bezug auf die den Ausnahmetatbestand begehrende Gesellschaft ein unzutreffendes Ergebnis dar.561 Denn bei § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG handelt es sich um Vorschriften, die die Anwendbarkeit der Ausnahmetatbestände um zusätzliche Voraussetzungen erweitern. Es ist nicht zu erkennen, dass von dem in § 4h EStG unterstellten Zinsverständnis abgewichen werden soll. Allenfalls in Bezug auf ausländische Konzerngesellschaften, die gem. § 8a Abs. 3 KStG ebenfalls den 10%-Test bestehen müssen, scheint eine Beschränkung auf im Inland steuerwirksame Zinsaufwendungen nicht sachgerecht zu sein.562 Im Zusammenhang mit der Ermittlung der Vergleichsgröße I wird vereinzelt eine Saldierung von Zinsaufwendungen und Zinserträgen an ein und dieselbe Person befürwortet.563 Diese Auffassung ist jedoch mangels tatbestandlicher Fundierung abzulehnen.564
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Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 82; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 102 u. 166. Zu diesem Szenario vgl. bereits Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 75. Ebenso Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 506; IDW, Erlassentwurf, IDW-FN 2008, S. 139; Herzberg, Überlegungen, GmbHR 2009, S. 370; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 152, der bei einem positiven Zinssaldo nicht von einer schädlichen Fremdfinanzierung ausgehen möchte. Vgl. Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 517; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 72; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 89. Vgl. die Ausführungen in Abschn. B.III.2.d.i, S. 195. Vgl. Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 228. Ebenso Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 499; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 118.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Ganz überwiegende Einigkeit besteht allerdings darin, dass die Aufzinsung eines unverzinslichen Gesellschafterdarlehens nicht vom Vergütungsbegriff der Vergleichsgröße I erfasst wird und insoweit eine Abweichung gegenüber den von § 4h Abs. 1 EStG erfassten Zinsaufwendungen zu verzeichnen ist.565 Gleichwohl sind Auf- und Abzinsungen aufgrund des Verweises auf § 4h Abs. 3 EStG nach vielfacher Auffassung bei der Vergleichsgröße II zu berücksichtigen.566 b.
Einzel- vs. Gesamtbetrachtung
In der Literatur ist umstritten, ob Zinszahlungen an mehrere Personen aus dem schädlichen Personenkreises zusammenzurechnen oder jeweils separat zu betrachten sind. Die Finanzverwaltung besteht auf einer sog. Gesamtbetrachtung, wonach schädliche Zinsen an wesentlich beteiligte Gesellschafter, diesen Nahestehende und rückgriffsberechtigte Dritte gebündelt in die Vergleichsgröße I einfließen. Somit ist für jeden fremdfinanzierten Rechtsträger nur ein 10%-Test durchzuführen, in dem sämtliche schädlichen Zinsen berücksichtigt werden.567 Die Gegenmeinung vertritt hingegen, dass § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG von Fremdkapitalvergütungen an „einen“ wesentlich Beteiligten etc. spricht. Hieraus wird geschlossen, dass für jede schädliche Person ein eigener 10%-Test vorzunehmen sei (sog. Einzelbetrachtung).568 Auch das niedersächsische Finanzgericht hat ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der Gesamtbetrachtung bekundet.569
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568
569
Vgl. die Nachweise in Fn. 566; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 215; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 94; a. A. Kellersmann/Pannewig, Darlehn, Ubg 2009, S. 851. Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 498 f.; Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2261; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 228; Töben/Lohbeck/Fischer, Inbound-Investitionen, FR 2009, S. 161; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 517; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 71 u. 73; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 50 u. 59; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-13; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 118 u. 120. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718; gl. A. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 149; Möhlenbrock, Detailfragen, Ubg 2008, S. 11 (Fn. 116); Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 548; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 286; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 55; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 94; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-13; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 119. Vgl. Hallerbach, Einführung, StuB 2007, S. 292; Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2390; Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2260; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 499; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 229; Kollruss/Michaelis, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, StuB 2008, S. 826; Kellersmann/Pannewig, Darlehn, Ubg 2009, S. 849 f.; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 517; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 28. Vgl. FG Niedersachsen v. 18.02.2010, 6 V 21/10, EFG 2010, S. 981; Behrens, Aussetzung, BB 2010, S. 1132 ff. Die OFD Frankfurt a. M. hat verfügt, dass in gleich gelagerten Fällen keine Bedenken bestünden, wenn die Behörden eine Aussetzung oder Aufhebung der Vollziehung gewähren; vgl. OFD Frankfurt a. M. v. 14.05.2010, LEXinform, 5232744 (Datenbankquelle).
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
c.
195
Umfang schädlicher Zinsen bei Rückgriff auf einen Darlehensteilbetrag
In Rückgriffsfällen ist offen, in welchem Umfang die schädlichen Darlehenszinsen in die Vergleichsgröße I einfließen, wenn der wesentlich beteiligte (konzernexterne) Gesellschafter bzw. ein diesem Nahestehender nur für einen Teil des Darlehensbetrags Sicherheiten gewährt. Es erscheint sachgerecht zu sein, die schädlichen Zinsen auf den Teil der Fremdkapitalverbindlichkeit zu beschränken, für den auch tatsächlich Sicherheiten bereitgestellt werden.570 Im Wortlaut von § 8a KStG findet diese Würdigung allerdings keine unmittelbare Stütze, da allein auf den Rückgriff als solchen abgestellt wird und nicht auf den Umfang der Sicherheiten.571 Anlässlich dieser Rechtsunsicherheit hat die Oberfinanzdirektion Koblenz verfügt, dass in Rückgriffsfällen die Zinszahlungen nur in dem Verhältnis bei der Vergleichsgröße I zu berücksichtigen sind, in dem das Darlehen auch tatsächlich besichert wird.572 d.
Konzernbetrachtung des § 8a Abs. 3 KStG
i.
Regelungsziel vs. Gesetzeswortlaut
Die Formulierung des Gesetzeswortlauts von § 8a Abs. 3 S. 1 KStG ist in sinnwidrigem Maße missglückt. In der Literatur wird darauf hingewiesen, dass der Wortlaut die Inanspruchnahme des Equity-Escape zulässt, wenn wenigstens eine Konzerngesellschaft den 10%-Test besteht.573 Kurioserweise hat der Gesetzgeber aber genau das Gegenteil beabsichtigt. Die Konzernbetrachtung von § 8a Abs. 3 S. 1 f. KStG soll nämlich gerade dazu führen, dass der Equity-Escape für sämtliche Konzerngesellschaften bereits dann versagt wird, wenn irgendeine Konzerngesellschaft in schädlichem Umfang durch irgendeinen wesentlich beteiligten, konzernexternen Gesellschafter (bzw. diesem Nahestehende oder rückgriffsberechtigte Dritte) fremdfinanziert wird.574 Der Gesetzgeber will hiermit verhindern, dass Darlehen von konzernexternen Gesellschaftern über andere Konzerngesellschaften an den inländischen Betrieb weitergeleitet werden, für dessen Fremdkapitalvergütungen § 8a KStG aufgrund von § 8a Abs. 3 S. 2 KStG keine Anwendung findet (Onlending).575 Aufgrund der ausdrücklich formulierten Zielsetzung des Gesetzgebers geht die herrschende Meinung davon aus, dass die Vorschrift grundsätzlich auf sämtliche Konzerngesellschaften anwendbar sei. Gleichwohl soll diese Konzernbetrachtung mit Verweis auf die Gesetzesbegründung574 nach vielfacher An570
571 572 573 574 575
So Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1878; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 68; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 53; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 116; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 113. Für eine wörtliche Auslegung Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 126. OFD Koblenz v. 27.04.2009, DB 2009, S. 1964. Diese Einschätzung entspricht der Verwaltungsmeinung zu § 8a KStG a. F. vgl. BMF v. 15.07.2004, BStBl. I 2004, S. 593, Rz. 18 ff. Vgl. Dörr/Geibel/Fehling, Gestaltungsspielraum, NWB 2007, Fach 4, S. 5210; Staats/Renger, Logikfehler, DStR 2007, S. 1801 ff.; gl. A. Hölzer/Nießner, BMF-Schreiben, FR 2008, S. 850. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 75. Zum Gesetzeszweck vgl. bspw. Herzberg, Überlegungen, GmbHR 2009, S. 369.
196
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
sicht nur für solche Konzerngesellschaften gelten, deren Zinsaufwendungen im Inland steuerwirksam sind.576 In der Literatur wird des Weiteren die Frage aufgeworfen, welches Konzernverständnis bei der Abgrenzung des Umfangs von „anderen demselben Konzern konzernzugehörigen Rechtsträger[n]“ gem. § 8a Abs. 3 S. 1 KStG zugrunde zu legen ist. Relevant wird diese Frage, wenn der Konzernumfang der Zinsschranke und der für den Equity-Escape unterstellte Konsolidierungskreis nicht deckungsgleich sind.577 Aufgrund der Ausnahme für konzerninterne Darlehen, die nicht im vollkonsolidierten Konzernabschluss ausgewiesen sind (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG),578 herrscht die Auffassung vor, dass zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs von § 8a Abs. 3 S. 1 f. KStG der für den Equity-Escape verwendete Konzernabschluss maßgeblich sei.579 Nach diesem Verständnis wären also außerhalb des (steuerlichen) Konsolidierungskreises stehende, aber nach § 4h Abs. 3 S. 5 f. EStG grundsätzlich als konzernzugehörig zu qualifizierende Betriebe nicht von der Konzernbetrachtung des § 8a Abs. 3 S. 1 KStG erfasst, weshalb solche Konzernbetriebe nicht in den Prüfungsradius für potenziell schädliche Fremdfinanzierung aufgenommen werden müssten. Auf der anderen Seite hat diese Ansicht ebenfalls zur Konsequenz, dass Fremdfinanzierungen von konsolidierten Nicht-Betrieben ebenfalls schädlich sein können, weil es sich bei jenen um Rechtsträger i. S. der Vorschrift handelt.580 Der Grundsatz, dass nur konsolidierte Rechtsträger zu berücksichtigen sind, gilt jedoch nicht in Bezug auf die den Equity-Escape begehrende Körperschaft. Denn insoweit bezieht sich das Gesetz nicht auf einen konzernzugehörigen Rechtsträger, sondern unmittelbar
576
577 578 579
580
Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 170; Dörr/Geibel/Fehling, Gestaltungsspielraum, NWB 2007, Fach 4, S. 5210; Hahne, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, StuB 2007, S. 809; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 505; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15877; Herzberg, Überlegungen, GmbHR 2009, S. 368 f.; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 72 u. 88; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 89 u. 98; zweifelnd Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 38; hinsichtlich der Beschränkung auf inlandsverhaftete Zinsen a. A. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 82; Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 600; Reiche/Kroschewski, Akquisitionsfinanzierung, DStR 2007, S. 1333; Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2264; Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1150; Töben/Fischer, Regelungskonzept, BB 2007, S. 978; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 235; Schultz-Assberg, in: Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 85; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 130; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 214 (Fn. 11), die darauf hinweisen, dass sich die Gesetzesbegründung auf eine Formulierung in der Fassung des Referentenentwurfs zum Unternehmensteuerreformgesetz bezieht, wonach § 8a Abs. 3 KStG vom Wortlaut her allein die den Equity-Escape begehrende Körperschaften erfassen sollte; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 165 u. 168; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 161 u. 166; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-18; Schwedhelm, in: Streck, Körperschaftsteuergesetz, § 8a, Rz. 61; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 139 f. Zu auslegungsabhängigen Anwendungsfällen vgl. Abschn. B.II.2.a.iii, S. 168. Hierzu ausführlich vgl. Abschn. B.III.2.d.iii, S. 198 ff. Vgl. Brunsbach/Syré, 10 %-Grenze, IStR 2008, S. 160; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 235; Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1878; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008S. 214; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 85 u. 91; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 33 u. 35; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 165; zweifelnd Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 309; a. A. wohl Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, Rz. J 07-11. Ablehnend Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 310.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
197
auf die (begehrende) Körperschaft; mithin ist in diesem Fall die tatsächliche Konsolidierung ohne Belang. Sofern man für die Konzernbetrachtung des § 8a Abs. 3 KStG jedoch unabhängig vom zugrunde gelegten Konzernabschluss auf das weitestgehende Konzernverständnis der Zinsschranke abstellen will, müssten stets auch nicht konsolidierte Betriebe auf schädliche Fremdkapitalzuführungen überprüft werden.581 ii.
Rechtsträgerbezogene Durchführung des 10%-Tests und Verhältnismäßigkeitsproblem
Eine weitere Zweifelsfrage betrifft den Abgleich der Vergleichsgrößen I und II im Rahmen der Überprüfung von anderen Konzerngesellschaften, deren Zinsabzug von der Zinsschranke – z. B. mangels Inlandsbezug – nicht bedroht ist. Unklarheit besteht darin, ob die Fremdkapitalvergütungen der anderen Konzerngesellschaft mit ihrem eigenen Zinssaldo oder mit dem Zinssaldo des Betriebs, der den Equity-Escape begehrt, abzugleichen ist. Nach herrschender Meinung ist der 10%-Test hinsichtlich der Vergleichsgrößen I und II für jede Konzerngesellschaft separat durchzuführen.582 Nach dieser Auffassung ist im Rahmen der Konzernbetrachtung also das effektive Fremdfinanzierungsvolumen der anderen Konzerngesellschaft im Verhältnis zum inländischen Betrieb irrelevant, sodass selbst unwesentliche Konzerngesellschaften, die nur eine geringfügige Kapitalausstattung aufweisen, eine erfolgreiche Inanspruchnahme des Equity-Escape verwehren können.583 Nimmt man hingegen die Motive des Gesetzgebers für die Konzernbetrachtung in den Blick, so wird erkennbar, dass unwesentliche Konzerngesellschaften nicht als Vehikel genutzt werden können, um die Rückausnahme des § 8a Abs. 3 KStG zu umgehen. Denn von einer missbräuchlichen Fremdfinanzierung einer anderen zinsschrankenfreien Konzerngesellschaft, die das aufgenommene Fremdkapital mitunter außerhalb der Restriktionen von § 8a KStG (wegen § 8a Abs. 3 S. 2 KStG) an die von § 4h EStG erfasste Konzerngesellschaft weiterleiten könnte, sollte nur dann auszugehen sein, wenn die zinsschrankenfreie Konzerngesellschaft auch einen entsprechenden Fremdfinanzierungsumfang erreicht. Deshalb wird in der Literatur vorgeschlagen, die Konzernbetrachtung des § 8a Abs. 3 KStG auf diejenigen Gesellschaften zu beschränken, deren negativer Zinssaldo oder gegebenenfalls deren unsaldierte Zinsaufwendungen eine bestimmte Bagatellgrenze (z. B. 1% der gesamten Zinsauf581
582
583
Fremdfinanzierungen von nicht konsolidierten Nicht-Betrieben wären hingegen irrelevant, da sie nicht vom weiten Konzernverständnis der Zinsschranke erfasst werden, vgl. Winkler/Käshammer, Konsolidierungskreis, Ubg 2008, S. 483 f.; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 310. Vgl. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2265; Töben/Fischer, Zinsschranke, GmbHR 2007, S. 533; Winkeljohann/Fuhrmann, in: PwC, Unternehmensteuerreform, Rz. 1133 ff.; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 88; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 97; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 166 u. 169; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 135 f.; a. A. Grotherr, Funktionsweise, IWB 2007, Fach 3, Gruppe 3, S. 1503; Brunsbach/Syré, 10 %-Grenze, IStR 2008, S. 162; Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 214; Herzberg, Überlegungen, GmbHR 2009, S. 370. Hierzu krit. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2265; Töben/Fischer, Zinsschranke, GmbHR 2007, S. 533; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 88 f.
198
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
wendungen des Konzerns oder die Freigrenze i. S. des § 4h Abs. 2 lit. a EStG) übersteigen.584 Eine weitere Möglichkeit eine zweckkonforme Reduktion des Gesetzeswortlauts zu erreichen, könnte darin bestehen, der Gesellschaft einen Nachweis einzuräumen, mit dem sie belegen kann, dass keine „ungewollte“ Weiterleitung von Fremdkapital über ausländische bzw. zinsschrankenfreie Konzerngesellschaften stattgefunden hat.585 Ferner ließe sich ein verhältnismäßiger Zusammenhang zwischen der Gesellschafterfremdfinanzierung des zinsschrankenbefangenen Betriebs und derjenigen von anderen Konzerngesellschaften herstellen, wenn man der oben skizzierten Mindermeinung zufolge die schädlichen Fremdkapitalvergütungen der anderen Konzerngesellschaft (Vergleichsgröße I) stets auf den Zinssaldo des zinsschrankenbefangenen Betriebs beziehen würde (Vergleichsgröße II).586 iii.
Konzerninterne Fremdfinanzierungen (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG)
Weiterhin können sich bei der Ermittlung der Vergleichsgröße II im Rahmen des § 8a Abs. 3 KStG Abweichungen gegenüber dem Zinssaldo von § 4h Abs. 1 EStG ergeben, wenn Zinsaufwendungen an konzernzugehörige Gesellschafter oder an Dritte gezahlt werden, die auf konzernzugehörige Gesellschafter bzw. diesen Nahestehende zurückgreifen können. Denn solche Zinsen sind nach teilweise vertretener Auffassung aufgrund von § 8a Abs. 3 S. 2 KStG auch aus der Vergleichsgröße II herauszunehmen.587 Darüber hinaus wird die Auffassung vertreten, dass spiegelbildlich zu den konzerninternen Zinsaufwendungen aus telelogischen Erwägungen auch Zinserträge, die auf konzerninterne Kapitalforderungen entfallen, aus der Vergleichsgröße II auszuscheiden seien.588
584
585 586
587
588
Vgl. IDW, Zinsschranke, Ubg 2008, S. 55; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 237; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 101. Blumenberg/Lechner schlagen vor, die Fremdkapitalvergütungen an Konzernexterne von sämtlichen Konzerngesellschaften erst dann als schädlich zu qualifizieren, wenn sie mehr als 10% des Verhältnisses von kumulierten Nettozinsaufwendungen aller Konzerngesellschaften (adjustiert um konzerninterne Finanzierungen) zu den im Inland steuerwirksamen Nettozinsaufwendungen des Konzerns betragen; vgl. dieselben, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 171. Vgl. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 89. Vgl. die Nachweise in Fn. 582 (S. 210). Auch Frotscher sieht darin eine systematisch zutreffendere – wenngleich wortlautinkonforme – Lösung; vgl. derselbe, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 169. Dieser systematischeren Gesetzesauslegung folgend plädieren Brunsbach/Syré im Falle mehrerer schädlich fremdfinanzierter Konzerngesellschaften dafür, sämtliche Vergütungen für Zwecke der Vergleichsgröße I zu addieren. Explizit allein Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 507. In der Literatur wird meist nur allgemein von der Herausnahme konzerninterner Zinsen aus dem 10%-Test gesprochen, nicht aber explizit darauf hingewiesen, dass solche Zinsen auch nicht beim Zinssaldo i. S. des § 8a Abs. 3 S. 1 KStG bzw. der Vergleichsgröße II zu erfassen sind; vgl. z. B. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 93. Explizit a. A. Brunsbach/Syré, 10 %-Grenze, IStR 2008, S. 161 f.; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 132; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 167; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 141. Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 508; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 308; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 171a; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-18; a. A. Brunsbach/Syré, 10 %-Grenze, IStR 2008, S. 161 f.; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 36.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
199
Ebenfalls ist streitig, ob die Ausnahme von konzernintern ausgereichten bzw. rückgriffsbesicherten Darlehen (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG) ebenfalls für Gesellschafter greift, die nur für Zwecke der Zinsschranke als konzernzugehörig qualifiziert werden. Während hinsichtlich des Gesellschafterdarlehens explizit auf den Ausweis der Schuld im Konzernabschluss abgestellt wird (§ 8a Abs. 3 S. 2 1. Hs. KStG), fehlt dieser Verweis im Rückgriffsfall (§ 8a Abs. 3 S. 2 2. Hs. KStG). Dem Wortlaut nach können also originär konzernzugehörige, aber nicht konsolidierte Konzerngesellschaften und steuerliche Konzernspitzen, die ebenfalls nicht in den Konsolidierungskreis integriert sind, eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung vermitteln.589 Im Rückgriffsfall könnte man jedoch auch zu einem anderen Ergebnis neigen. Denn hierbei ist es grundsätzlich ohne Belang, ob sich die Fremdkapitalaufnahme auf die Eigenkapitalquote des Konzerns ausgewirkt hat, weshalb man den Rückgriff auf einen nur im steuerlichen Sinn konzernzugehörigen Rechtsträger als unschädliche Fremdfinanzierung werten könnte.590 Hinterfragen kann man ferner, ob im Zusammenhang mit konzerninternen Fremdfinanzierungen i. S. des § 8a Abs. 3 S. 2 KStG ein konkreter Zeitpunkt oder ein Zeitraum relevant ist. Während sich die Vergleichsgrößen I und II unstreitig auf die jeweils zu veranlagende Periode beziehen, könnte man analog der Zeitpunktbetrachtung des Equity-Escape die Auffassung vertreten,591 dass es hinsichtlich des Ausweises im Konzernabschluss auf den vorangegangenen Abschlussstichtag ankomme.592 Aufgrund des Bezugs der Vergleichsgrößen auf den zu veranlagenden Zeitraum und angesichts der herrschenden Meinung in Bezug auf die Erfüllung der zeitlichen Voraussetzungen für eine wesentliche Gesellschafterstellung593 sollte jedoch einer zeitraumbezogenen Anwendung gefolgt werden, wonach Fremdkapitalvergütungen vom 10%-Test nur dann ausgenommen werden, wenn sie auf einen Zeitraum entfallen, in dem eine Schuldenkonsolidierung Platz greifen würde.594
589
590 591 592 593 594
Betreffend die nicht konsolidierte Konzernspitze: BMF v. 04.07.2008, BStBl. I, S. 718, Rz. 80; Winkler/Käshammer, Konsolidierungskreis, Ubg 2008, S. 483 f.; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 310; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 171; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6014; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 165; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 142a. Sofern die steuerliche Konzernspitze auch die Konsolidierungsspitze des separaten Zinsschranken-Konzernabschlusses darstellt, sollten von ihr gewährte Darlehen aber unschädlich sein; vgl. Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 85. Betreffend die nicht konsolidierte Konzerngesellschaft: Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1878; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 309; a. A. Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 85. Die Antwort auf diese Frage wird maßgeblich von dem unterstellten Konzernverständnis abhängen, das für die Auslegung von § 8a Abs. 3 KStG zugrunde gelegt wird; vgl. Abschn. B.III.2.d.i, S. 196. Vgl. Abschn. B.II.2.d, S. 184. So Brunsbach/Syré, 10 %-Grenze, IStR 2008, S. 164; gl. A. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 165. Vgl. Abschn. B.III.1.a, S. 188. Ebenso Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, J 07-18.
200
3.
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Infektion des Zinsvortrags mit schädlichen Fremdkapitalzinsen?
Es ist umstritten, ob Zinszahlungen an Personen aus dem relevanten Personenkreis ihre schädliche Qualität behalten, wenn sie im Zinsvortrag gespeichert werden. Sofern man von einer „Infektion“ des Zinsvortrags ausgeht, stellt sich ein zweifaches Reihefolgenproblem. Erstens wird zu klären sein, ob im Wirtschaftsjahr der Entstehung des Zinsvortrags vorrangig schädliche Gesellschafterzinsen oder normale Zinsen im Rahmen des § 4h Abs. 1 EStG als abzugsfähig bzw. nicht abzugsfähig behandelt werden. Zweitens gilt es im Wirtschaftsjahr der Zinsvortragsnutzung zu bestimmen, ob vorrangig von § 8a KStG erfasste bzw. nicht erfasste Zinsen mobilisiert werden, die sodann die Vergleichsgrößen I und II erhöhen würden.595 Nach herrschender Meinung ist der Zinsvortrag jedoch nicht im Rahmen des 10%-Tests zu berücksichtigen, weshalb weder die Qualität der Zinsen noch die Reihenfolgeprobleme von Bedeutung sind. Begründet wird diese Ansicht damit, dass der Zinsvortrag im Jahr seiner Nutzung zum einen keine Vergütung für Fremdkapital (Vergleichsgröße I) darstellt, und zum anderen erfüllt er nicht die sich aus dem Verweis auf § 4h Abs. 3 EStG ergebende Voraussetzung der Einkommensminderung (Vergleichsgröße II).596 Die Sichtweise der herrschenden Meinung ermöglicht dem Steuerpflichtigen ein hohes Maß an Gestaltungspotenzial. Denn es könnte in einem Wirtschaftsjahr gezielt ein Zinsvortrag mittels Gesellschafterzinsen aufgebaut werden (z. B. um einen Verlustvortrag in einen Zinsvortrag zu substituieren) und nachdem das Gesellschafterfremdkapital wieder zurückgeführt wurde, könnte der Zinsvortrag außerhalb von § 8a KStG wieder genutzt werden.597 Vor diesem Hintergrund erscheint es sehr fraglich, ob die Finanzverwaltung dieser Sichtweise in einem weiteren Zinsschrankenerlass folgen wird. 4.
Nachweispflichten
Einer vehementen Kritik sieht sich die vollkommen offengelassene Nachweispflicht für das Nichtvorliegen einer schädlichen Fremdfinanzierung ausgesetzt.598 Auch der Zinsschrankenerlass enthält keine Hinweise, wie ein rechtssicherer Gegenbeweis geführt werden könnte. Während es in Bezug auf etwaige Gesellschafterdarlehen und mit Abstrichen auch in Bezug auf Darlehen von Nahestehenden vermutlich gut belegbar sein wird, dass die Darlehenszinsen 595 596
597 598
Vgl. hierzu Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2262 f.; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, J 07-13, der aber mangels gesetzlicher Regelung für eine Meistbegünstigung eintritt. Vgl. Kollruss/Michaelis, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, StuB 2008, S. 826; Beußer, Zinsvortrag, FR 2009, S. 54 f.; Wendland, Cash Pooling, 2009, S. 143; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 518; Hick, Mitunternehmerschaft, S. 155; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 77; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 50 u. 56; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 92; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 54; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 119; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 197; a. A. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2262 f.; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 124, die den Zinsvortrag nur bei Vergleichsgröße II berücksichtigen wollen. Vgl. hierzu Kollruss/Michaelis, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, StuB 2008, S. 828 f. Vgl. die Nachweise bei Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-14.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
201
nicht die kritische 10%-Marke überschreiten,599 ist es in hohem Maße fraglich, wie der Nachweis im Falle von (abstrakt) rückgriffsberechtigten Dritten erbracht werden kann. Im Zweifel müsste für jedes Bankdarlehen eine Bescheinigung von der Bank eingeholt werden, welche dokumentiert, dass kein Rückgriff auf konzernexterne Gesellschafter bzw. diesen Nahestehende erfolgen kann. Für einen weltweit agierenden Konzern wird dies praktisch ein nicht zu erfüllender Nachweis sein.600 5.
Mitunternehmerschaften und KGaA
Im Schrifttum wird beklagt, dass der Zinsschrankenerlass keine Ausführungen zur Anwendung der Rückausnahmen bei nachgeordneten Mitunternehmerschaften enthält.601 Denn über § 4h Abs. 2 S. 2 EStG wird der Anwendungsbereich von § 8a Abs. 2 u. 3 KStG für Gesellschaften eröffnet, die unmittelbar oder mittelbar einer Körperschaft nachgeordnet sind. Nach nahezu einhelliger Auffassung sollen über diesen Normverweis die Fremdfinanzierungen der Mitunternehmerschaft selbst und nicht diejenigen der nachgeordneten Körperschaft in den Fokus von § 8a KStG gerückt werden. Demnach führt die entsprechende Anwendung von § 8a KStG auch nur zu Rechtsfolgen bei der Mitunternehmerschaft.602 Umstritten ist jedoch insbesondere die Ebene, auf der die Tatbestandsvoraussetzungen für eine wesentliche Gesellschafterstellung i. S. des § 8a Abs. 2 KStG zu prüfen sind. In Abhängigkeit von der favorisierten Prüfungsebene differieren folglich die Auffassungen darüber, wie die Vergleichsgrößen für den 10%-Test im Falle nachgeordneter Mitunternehmerschaften zu bestimmen sind. Da § 4h Abs. 2 S. 2 EStG eine Gesellschaft anspricht, an der eine Körperschaft als Mitunternehmer anzusehen ist, könnte die Verweisnorm grundsätzlich auch für eine KGaA einschlägig sein. Zu beachten ist jedoch, dass die KGaA als Körperschaft bereits originär § 8a KStG unterliegt, weshalb die materielle Wirkungskraft der Verweisnorm davon abhängig ist, welcher Ansicht man bei der Anwendung der Zinsschranke auf eine KGaA folgt.603 Sofern man den kapitalistischen und den personalistischen Bereich der KGaA als einen Betrieb auffasst, unterliegt dieser eine Betrieb originär § 8a KStG, sodass der Verweis in § 4h Abs. 2 S. 2 EStG leerläuft.604 Unterstellt man aber, dass die beiden Sphären der KGaA jeweils zwei separate Betriebe darstellen, so könnte die Verweisnorm für die personalistische Sphäre eingrei599 600 601 602
603 604
Zu den inhaltlichen Anforderungen an den Nachweis vgl. Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 79 ff. u. 97 ff.; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-14. Vgl. Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 310 ff. m. w. N. Vgl. bspw. Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1819; Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 549; Kaminski, Erlassentwurf, Stbg 2008, S. 210. Vgl. statt vieler Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1812, deren Auffassung – soweit ersichtlich – sich das übrige Schrifttum mit einer Ausnahme angeschlossen hat; in Bezug auf § 8a Abs. 2 KStG a. A. Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 195; ausführlich Möhlenbrock, in: Wassermeyer/Richter/Schnittker, Personengesellschaften, Rz. 18.36 ff. Vgl. hierzu die Ausführungen in Abschn. B.I.1.b.ii, S. 105 f. Dementsprechend fordert die Finanzverwaltung, für etwaige Sondervergütungen des Komplementärs § 8a Abs. 2 bzw. Abs. 3 KStG zu prüfen; vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 44.
202
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
fen.605 Sodann würden sich die nachfolgenden Zweifelsfragen gleichermaßen für den Betrieb des Komplementärs der KGaA stellen. a.
Prüfungsebene zur Bestimmung der wesentlichen Gesellschafterstellung i. S. des § 8a Abs. 2 KStG und Mindestbeteiligungsquote
Zur Bestimmung des relevanten Personenkreises von § 8a Abs. 2 KStG werden zwei grundlegend verschiedene Ansichten vertreten. Nach der einen Sichtweise, die sich stark an der Auslegung des § 8a Abs. 5 KStG a. F. orientiert,606 sollen die Beteiligungsverhältnisse auf Ebene der vorgeordneten Körperschaft entscheidend dafür sein, ob ein potenziell schädlicher Fremdkapitalgeber vorliegt. Hinsichtlich der Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen eines schädlichen Kapitalgebers wird der Anwendungsbereich des Verweises in § 4h Abs. 2 S. 2 EStG reduziert. Vielmehr sei § 8a Abs. 2 KStG in Bezug auf die Beteiligung am Grund- oder Stammkapital wörtlich zu nehmen und die Überprüfung der Tatbestandsvoraussetzungen eines schädlichen Kapitalgebers auf Ebene der unmittelbar beteiligten Körperschaft vorzunehmen (körperschaftsbezogene Betrachtungsweise). Denn Personengesellschaften verfügen über kein Grund- oder Stammkapital, an dem die vorgeordnete Körperschaft beteiligt werden könnte, weshalb die direkte Beteiligung an der Mitunternehmerschaft irrelevant sei. Dafür spräche zudem der Zweck der Vorschrift, nur missbräuchliche Fremdfinanzierungen zu sanktionieren, die aber im Verhältnis von nachgeordneter Mitunternehmerschaft und unmittelbar beteiligter Körperschaft aufgrund des Mitunternehmerkonzepts (§ 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) nicht vorliegen könnten.607 Dementsprechend sei auch das Nahestehen bzw. der Rückgriff im Verhältnis zu den Anteilseignern der vorgeordneten Körperschaft zu beurteilen.608 Nach anderer Ansicht wird § 4h Abs. 2 S. 2 EStG als umfassende Rechtsgrundverweisung interpretiert, wonach die Tatbestandsvoraussetzungen von § 8a Abs. 2 KStG unmittelbar auf Ebene der Mitunternehmerschaft zu prüfen sind (mitunternehmerschaftsbezogene Betrach605
606 607
608
So konsequent Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 33; gl. A., aber inkonsequent Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 192, die grundsätzlich davon ausgehen, dass die KGaA nur einen Betrieb hat; vgl. ebenda, Rz. 61; konsequent a. A. Kollruss/Weißert/Ilin, KGaA, DStR 2009, S. 92. Vgl. bspw. die Stellungnahme von Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, J 07-15. Zu den insoweit rätselhaften Ausführungen in der Regierungsbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (BT-Drs. 16/4841, S. 48) vgl. Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1813; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 129. Die körperschaftsbezogene Betrachtungsweise vertreten: Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2261 f.; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 500; Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 549; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15881; Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 131; Schmitz-Herscheidt, Mitunternehmerschaften, BB 2008, S. 701 f.; van Lishaut/Schumacher/ Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2346 f.; Kollruss et al., Rechtsformabhängigkeit, DStZ 2009, S. 120 f.; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 521; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 107 u. 109; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 66; Hick, Mitunternehmerschaft, S. 151; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 193 u. 198; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, J 07-15; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 125; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 130; offenbar gl. A. Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 239 f.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
203
tungsweise). Mithin kommt es vornehmlich auf die unmittelbare Beteiligung einer Körperschaft an der Mitunternehmerschaft an. Bei dem Gesellschafter der vorgeordneten Körperschaft handelt es sich sodann um einen mittelbar Beteiligten, durch den eine schädliche Fremdfinanzierung erfolgen könnte. Nach dieser Ansicht werden Mitunternehmerschaften hinsichtlich der Überprüfung der gesellschafterbezogenen Tatbestandsvoraussetzungen mit Körperschaften gleichgestellt.609 Insbesondere aufgrund der vorgestellten Auslegungsalternativen differieren die Ansichten über eine etwaige Mindestbeteiligungsquote der Körperschaft an der nachgeordneten Mitunternehmerschaft. Denn § 4h Abs. 2 S. 2 EStG enthält keine Vorgabe, bei welchen gesellschafterspezifischen Beteiligungsverhältnissen eine entsprechende Anwendung von § 8a KStG zum Tragen komme. Sofern man bei der Bestimmung der schädlichen Fremdkapitalgeber allein auf die Ebene der vorgeordneten Körperschaft blickt, wird ganz überwiegend die Auffassung vertreten, dass selbst Komplementärgesellschaften, die nicht am Kapital der Personengesellschaft beteiligt sind, eine schädliche Fremdfinanzierung i. S. des § 8a Abs. 2 KStG vermitteln können.610 Die Frage nach einer Mindestbeteiligung stellt sich eigentlich nicht, wenn man einer mitunternehmerschaftsbezogenen Betrachtungsweise folgt. Denn hiernach ist eine entsprechende Anwendung von § 8a KStG nur möglich, wenn die vorgeordnete Körperschaft zu mehr als 25% an der Mitunternehmerschaft beteiligt ist.611 Auslegungsübergreifend besteht jedoch ganz überwiegend Einigkeit darin, dass mitunternehmerisch beteiligte Nicht-Körperschaften (insbesondere natürliche Personen) keine schädlichen Fremdfinanzierungen über Nahestehende oder rückgriffsberechtigte Dritte vermitteln können.612
609
610
611
612
Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Die Unternehmensteuerreform 2008, Köln 2007, S. 149; Frotscher, in: Frotscher/Maas (Hrsg.), Kommentar, § 8a KStG, Rz. 128a ff.; Heuermann, in: Blümich, EStG/KStG/GewStG, § 4h EStG, Rz. 94. Vgl. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2261; Schmitz-Herscheidt, Mitunternehmerschaften, BB 2008, S. 700 u. 703; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2346; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 104 f.; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 64; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 193; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 128; a. A. Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 239; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 501; Kollruss et al., Rechtsformabhängigkeit, DStZ 2009, S. 121, die § 8a Abs. 2 KStG nur anwenden möchten, wenn der Gesellschafter der vorgeordneten Körperschaft auch mittelbar zu mehr als 25% an der nachgeordneten Mitunternehmerschaft beteiligt ist. Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 149; Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1813; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 139; Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 186; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 128b; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 65 f.; offenbar gl. A. Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1007 f. Vgl. Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1813; Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 186 f.; Schmitz-Herscheidt, Mitunternehmerschaften, BB 2008; S. 701, Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 109; a. A. Schultz-Assberg, in: Preißer/v. Rönn/Schultz-Aßberg, Unternehmensteuerreform, S. 89.
204
b.
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Prüfungsebene zur Bestimmung der wesentlichen Gesellschafterstellung i. S. des § 8a Abs. 3 KStG
Aufgrund der weit angelegten bzw. rechtsformunabhängigen Gesetzesformulierung von § 8a Abs. 3 KStG wird im Schrifttum – auch von Vertretern einer körperschaftsbezogenen Betrachtungsweise im Rahmen von § 8a Abs. 2 KStG – ganz überwiegend eine Gleichbehandlung von Mitunternehmerschaften und Körperschaften in Bezug auf die Ebene der Überprüfung von schädlichen Kapitalgebern ausgegangen.613 Zwar lassen es einige Autoren hinsichtlich der den Equity-Escape begehrenden Mitunternehmerschaft offen, ob sie analog zu § 8a Abs. 2 KStG einer mitunternehmerschafts- oder körperschaftsbezogenen Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen von § 8a Abs. 3 KStG folgen möchten, dennoch wird vielfach klar zum Ausdruck gebracht, dass bezüglich der Überprüfung der übrigen Konzerngesellschaften keine Unterschiede zu Körperschaften bestehen.614 Ferner ist es herrschende Meinung, dass § 8a Abs. 3 KStG nur die Konzernzugehörigkeit der nachgeordneten Mitunternehmerschaft voraussetzt und die Konzernverhältnisse der vorgeordneten Körperschaft irrelevant sind.615 c.
Rückgriff auf die vorgeordnete Körperschaft
Eine weitere Zweifelsfrage betrifft die Besicherung von Schulden der nachgeordneten Mitunternehmerschaft durch die mitunternehmerisch beteiligte Körperschaft. Die herrschende Meinung bestreitet in diesem Fall, dass ein schädlicher Rückgriff i. S. des § 8a KStG vorläge. Unbestritten ist aber, dass aufgrund von § 8a Abs. 3 S. 2 KStG keine schädliche Besicherung
613
614
615
Vgl. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2263; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 139; Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 186 ff.; Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1008; Hick, Mitunternehmerschaft, S. 161 ff.; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 168a; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 97; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 196; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, J 07-19; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 65; offenbar grds. gl. A. Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 80; a. A. Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 131; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 117 (Bsp. c). Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 510; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2348; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 162; a. A. Schmitz-Herscheidt, Mitunternehmerschaften, BB 2008, S. 704; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 132, die die Konzernbetrachtung auf eine direkte Fremdfinanzierung der nachgeordneten Mitunternehmerschaft durch irgendwelche konzernexternen Gesellschafter verengen. Vgl. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2263; Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1811; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 139; Hoffmann, Mitunternehmerschaft, GmbHR 2008, S. 186; Huken, Erlassentwurf, DB 2008, S. 549; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15881; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2346; Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1007; Hick, Mitunternehmerschaft, S. 156; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 113; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 97; Hick, Mitunternehmerschaft, S. 150; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, J 07-19; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 127; a. A. Schmitz-Herscheidt, Mitunternehmerschaften, BB 2008, S. 704; Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 132; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 78; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 196.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
205
des Fremdkapitals vorliegen kann, wenn die nachgeordnete Mitunternehmerschaft und die vorgeordnete Körperschaft demselben Konsolidierungskreis angehören.616 Sofern man eine mitunternehmerschaftsbezogene Betrachtungsweise favorisiert, würde die Besicherung von Fremdkapital durch die vorgeordnete (konzernexterne) Körperschaft, das der Mitunternehmerschaft von Dritten bereitgestellt wird, grundsätzlich einen schädlichen Rückgriff i. S. des § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG begründen. Zum gleichen Ergebnis kommt man auch über die körperschaftsbezogene Betrachtungsweise. Nach dieser Ansicht erfolgt der schädliche Rückgriff zwar nicht auf den wesentlich beteiligten Gesellschafter, dafür aber auf eine diesem nahestehende Person.617 Denn in diesem Fall ist die die Sicherheiten gewährende, vorgeordnete Körperschaft als nahestehende Person des relevanten Gesellschafters zu qualifizieren. Ferner ist umstritten, ob bereits die allgemeine Haftung der vorgeordneten Körperschaft für Schulden der Mitunternehmerschaft von dem weiten Rückgriffsverständnis des § 8a KStG erfasst würde.618 d.
Ermittlung der Vergleichsgrößen für den 10%-Test
i.
Quotale vs. vollständige Erfassung von schädlichen Zinsen
Auch bei der Ermittlung der Vergleichsgrößen existieren verschiedene Ansichten. Auf der einen Seite wird vertreten, dass die als schädlich identifizierten Zinszahlungen zu 100 Prozent die Vergleichsgröße I erhöhen, und von der anderen Seite, dass die Zinsen nur in dem Umfang schädlich sein können, wie sie auf den Mitunternehmeranteil der vorgeordneten Körperschaft entfallen. Konsequent sind die alternativen Sichtweisen dann, wenn sie in Übereinstimmung mit der eingenommenen Betrachtungsweise bzw. der Auffassung über eine etwaige Mindestbeteiligung an der nachgeordneten Mitunternehmerschaft vertreten werden. Dementsprechend teilen Meinungsvertreter der körperschaftsbezogenen Betrachtungsweise innerhalb von § 8a Abs. 2 KStG ganz überwiegend die Auffassung, dass schädliche Vergütungen i. S. der Vergleichsgröße I nur insoweit vorliegen, als die vorgeordnete Körperschaft an der fremdfinanzierten Mitunternehmerschaft beteiligt ist.619 Hingegen äußern sich die 616 617
618
619
Vgl. die Ausführungen in Abschn. B.III.1.c, S. 191 f. Vgl. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 502; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, J 07-15; a. A. mit Verweis auf den Gesetzeszweck Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2262; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2347; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 109; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 66. Befürwortend Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 121; grds. gl. A., aber für eine einschränkende Auslegung plädierend Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 150; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 140; a. A. Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 502; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 240. Vgl. Niehus/Wilke, Personengesellschaften, 2008, S. 131; Schmitz-Herscheidt, Mitunternehmerschaften, BB 2008, S. 703; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2347; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 105 u. 111; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 67; Prinz, in: Herrmann/Heuer/ Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, J 07-15; Tschesche, in: Bordewin/Brandt, EStG, § 4h EStG, Rz. 125
206
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Befürworter einer mitunternehmerschaftsbezogenen Betrachtungsweise nicht explizit zur Ermittlung der Vergleichsgröße I. Allerdings legen ihre Ausführungen nahe, dass nachgeordnete Mitunternehmerschaften und Körperschaften insoweit gleichgestellt werden, weshalb die Fremdkapitalvergütungen konsequenterweise zu 100 Prozent in die Vergleichsgröße I einzubeziehen sein sollten. Im Zusammenhang mit § 8a Abs. 3 KStG wird diese Problematik kaum diskutiert. Aufgrund der weitgehend befürworteten Gleichbehandlung von konzernzugehörigen Mitunternehmerschaften und Körperschaften sollte jedoch davon auszugehen sein, dass die schädlichen Zinsen stets zu 100 Prozent bei der Vergleichsgröße I zu berücksichtigen sind.620 ii.
Behandlung von Sonderbetriebszinsen
Ferner ist die Behandlung von Sonderbetriebszinsen der Mitunternehmerschaft fraglich. Während Vergütungen für Fremdkapital, die die nachgeordnete Mitunternehmerschaft an ihren körperschaftsteuerlichen Mitunternehmer zahlt, mangels Gewinnminderung nicht als Zinsen i. S. des § 4h EStG anzusehen sind, könnte man sie dennoch als schädliche Vergütungen i. S. des § 8a KStG werten, weil dessen Wortlaut explizit keine gewinnmindernde Wirkung voraussetzt. Während die Behandlung von Sonderbetriebszinsen im Rahmen von § 8a Abs. 3 KStG eine allgemeine Frage darstellt, ist sie in Bezug auf die Vergleichsgröße I des § 8a Abs. 2 KStG grundsätzlich nur dann von Relevanz, wenn man einer mitunternehmerschaftsbezogenen Betrachtung folgt. Nach einer körperschaftsbezogenen Betrachtungsweise fallen nämlich Sonderbetriebszinsen bereits aufgrund der Beurteilungsperspektive bzw. Prüfungsebene aus der Vergleichsgröße I heraus, soweit der Gesellschafter der vorgeordneten Körperschaft nicht auch selbst mitunternehmerisch an der Personengesellschaft beteiligt ist. Nach herrschender Meinung stellen Sonderbetriebszinsen aber keine schädlichen Fremdkapitalvergütungen i. S. des § 8a KStG dar.621
620 621
(u. Rz. 132 in Bezug auf § 8a Abs. 3 KStG); trotz anderer Beurteilungsperspektive gl. A. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 128e; a. A. Schaden/Käshammer, Neuregelungen, BB 2007, S. 2262 (Bsp. 4), die aber für eine Mindestbeteiligungsquote im Zusammenhang mit der Anwendung von § 8a KStG auf nachgeordnete Mitunternehmerschaften plädieren. Explizit a. A. Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 90. Vgl. Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 240; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 140 (allgemein); Hoffmann, Personengesellschaften, GmbHR 2008, S. 187; van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2346 (Fn. 60); Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1007 f.; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 518 f.; Hick, Mitunternehmerschaft, S. 155; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 108 u. 111; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 129 u. 168a; Seiler, in: Kirchhof, EStG, § 4h, Rz. 65 f.; explizit nur in Bezug auf § 8a Abs. 2 KStG: Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 501; Wagner/Fischer, Personengesellschaften, BB 2007, S. 1813; Kollruss et al., Rechtsformabhängigkeit, DStZ 2009, S. 120; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 69; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 131; a. A. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 95; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 194.
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In der Literatur wird bei der Ermittlung der Vergleichsgröße II aufgrund des Verweises auf Zinsaufwendungen und Zinserträge i. S. des § 4h Abs. 3 EStG, die den Gewinn gemindert haben, eine Nichtberücksichtigung von Sonderbetriebszinsen favorisiert.622 Ob Sonderbetriebszinsen aus der konzernweiten Prüfung von schädlichen Fremdfinanzierungsverhältnissen i. S. des § 8a Abs. 3 KStG herausgenommen werden können, ist meines Erachtens zweifelhaft. Denn für ausländische Konzern-Personengesellschaften ist es für Zwecke des 10%-Tests sicherlich nicht relevant, ob im Ausland ein mit dem nationalen Recht entsprechendes Mitunternehmerkonzept verwirklicht wird. Bereits aus Gründen der Gleichbehandlung von ausländischen und inländischen Personengesellschaften sollte davon auszugehen sein, dass auch Sonderbetriebszinsen bei der Prüfung von § 8a Abs. 3 KStG schädlich sein können. 6.
Organschaften
Der Ausgangspunkt für unterschiedliche Auffassungen über die Anwendung von § 8a KStG bei Organschaften liegt darin begründet, dass § 15 Nr. 3 KStG keinen expliziten Verweis auf § 8a KStG enthält. Allein die Gesetzesbegründung zum Unternehmensteuerreformgesetz äußert den Wunsch, dass § 8a KStG auf den Organkreis insgesamt anzuwenden sei.623 Offenkundig war es der Wille des Gesetzgebers, die Betriebsfiktion (§ 15 Nr. 3 S. 2 KStG) auf § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG auszudehnen. Dafür sprechen auch gesetzessystematische Gründe, weil die Absätze 2 und 3 von § 8a KStG als Annexvorschriften zum Stand-alone- bzw. Equity-Escape konzipiert sind, die die Befreiung von der Zinsschranke für Körperschaftsteuersubjekte bzw. nachgeordnete Gesellschaften (§ 4h Abs. 2 S. 2 EStG) an strengere Voraussetzungen knüpfen. Meinungsverschiedenheiten bestehen insbesondere dahingehend, ob die Betriebsfiktion sowohl für die Abgrenzung des relevanten Personenkreises und/oder ausschließlich beim 10%-Test beachtlich sei. a.
Reichweite der Betriebsfiktion im Rahmen von § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG
Eine umfassende Ausdehnung der Betriebsfiktion auf § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG würde bedeuten, dass in Bezug auf den Organkreis die körperschafts- bzw. rechtsträgerbezogene Betrachtungsweise zu einer betriebsbezogenen Betrachtungsweise modifiziert wird. Demnach wäre der gesamte Organkreis als Bezugsobjekt für potenziell schädliche Fremdfinanzierungen anzuerkennen und nicht die einzelnen Rechtsträger des Organkreises; organkreisinterne
622
623
Bzw. wird eine Berücksichtigung von gegenläufigen Zinserträgen aus der Sonderbilanz unterstellt, wodurch im Ergebnis eine Bereinigung des Zinssaldos der Gesamthand um Vergütungen für Mitunternehmerdarlehen erzielt wird; vgl. van Lishaut/Schumacher/Heinemann, Besonderheiten, DStR 2008, S. 2347; Goebel/Eilinghoff, Fremdfinanzierung, DStZ 2010, S. 521; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 71; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 129. Vgl. BT-Drs. 16/4841, S. 77.
208
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Fremdfinanzierungen würden ebenfalls negiert.624 Dieser von der herrschenden Meinung vertretenen Sichtweise haften erkennbare einheitstheoretische Züge an, die der körperschaftsteuerlichen Organschaft grundsätzlich fremd sind.625 Außerhalb des Organkreises stehende Konzerngesellschaften werden von dieser Gesetzesauslegung jedoch nicht berührt. Demgegenüber wird in der Literatur zur Abgrenzung des relevanten Personenkreises auch eine körperschafts- bzw. rechtsträgerbezogene Betrachtungsweise verfolgt. Innerhalb dieser Gruppe von Meinungsvertretern wird vielfach die Ansicht vertreten, dass schädliche Fremdfinanzierungen nur von bzw. über wesentlich beteiligte Gesellschafter des Organträgers vermittelt werden könnten, weil Organgesellschaften per se vom Anwendungsbereich des § 4h EStG – und somit auch von § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG – ausgeschlossen sind. Demzufolge wären Fremdfinanzierungen durch Minderheitsgesellschafter von Organgesellschaften im Rahmen des § 8a Abs. 2 KStG unbeachtlich.626 Die Konzernbetrachtung des § 8a Abs. 3 KStG wäre für organkreisinterne Fremdfinanzierungen regelmäßig nicht einschlägig, weil das Fremdkapital nicht im Konzernabschluss ausgewiesen ist (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG). Vereinzelt wird sogar vertreten, dass die Fremdfinanzierung von Organgesellschaften durch konzernexterne Gesellschafter nicht von § 8a Abs. 3 KStG erfasst würde.627 Die Betriebsfiktion wird unabhängig von der Betrachtungsweise jedoch als Argument angeführt, wenn es um die Besicherung von Schulden der Organgesellschaft durch den Organträger geht. Denn grundsätzlich könnte in der Verlustübernahmeverpflichtung ein schädlicher Rückgriff gesehen werden, weil der Organträger für sämtliche Schulden der Organgesellschaft einzustehen hat. Da die Rückgriffsmöglichkeit aber auf ein und denselben (fiktiven) Betrieb erfolgt, wird in dem Abschluss des Ergebnisabführungsvertrags – bei Erfüllung der übrigen Organschaftsvoraussetzungen – kein schädliches Ereignis gesehen, das die Inanspruchnahme des Stand-alone- bzw. Equity-Escape gefährden könne.628 Die Befürworter einer 624
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627
628
Vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2389 f.; Köhler, Gedanken, DStR 2007, S. 598 f., der von dem „Organbetrieb“ spricht; Glutsch/Otte/Schult, Unternehmensteuerrecht, 2008, § 8, Rz. 143; Behrens, Aussetzung, BB 2010, S. 1135; Herlinghaus, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 15 KStG, Rz. 68; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 451; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 121 u. 154. Die betriebsbezogene Betrachtungsweise ausdrücklich für § 8a Abs. 2 KStG befürwortend Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 494 f. u. 512; Töben/Fischer, Regelungskonzept, BB 2007, S. 976; Eisgruber, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 230; Korn, Zinsschranke, KÖSDI 2008, S. 15882; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Rz. 78; Möhlenbrock/Pung, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 104. Vielmehr ist die körperschaftsteuerliche Organschaft von dem Zurechnungskonzept geprägt; vgl. Herzig, in: Herzig, FS Thiel, S. 4 ff. Vgl. Schaden/Käshammer, in: Ernst & Young/BDI, Unternehmensteuerreform, S. 152, Rz. 204; Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 98; Förster, in: Gosch, KStG, § 8a, Rz. 45; Neumann, in: Gosch, KStG, § 15, Rz. 37; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-12. Vgl. Schaden/Käshammer, in: Ernst & Young/BDI, Unternehmensteuerreform, S. 153, Rz. 205, die davon ausgehen, dass der in § 8a Abs. 3 KStG enthaltene Verweis auf den Zinssaldo i. S. des § 4h Abs. 3 KStG in Bezug auf Organgesellschaften leerliefe. Vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 148 f.; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 512; Kreft/Schmitt-Homann, Rückgriff, BB 2008, S. 2104; Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 102; Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar,
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
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rechtsträgerbezogenen Betrachtungsweise müssten diese Argumentation jedoch inkonsequenterweise ablehnen. b.
Ermittlung der Vergleichsgrößen für den 10%-Test
Nach einer betriebsbezogenen Betrachtungsweise sind Zinsaufwendungen an Gesellschafter, die zum relevanten Personenkreis des Organkreises zählen, für Zwecke des 10%-Tests gem. § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG zu berücksichtigen.629 Sofern ein und derselbe Gesellschafter mehrere Rechtsträger des Organkreises fremdfinanziert, sollten die Fremdkapitalvergütungen mangels Unterscheidung zwischen Organgesellschaft und Organträger für die Ermittlung der Vergleichsgröße I zusammenzurechnen sein.630 Ferner sind für Zwecke der Vergleichsgröße II die Zinsaufwendungen und Zinserträge des Organkreises zu beachten, wobei die Meinungsverschiedenheiten über die Ermittlung des Zinssaldos gem. § 4h Abs. 1 EStG (vgl. Abschn. B.I.3.g, S. 131) sowie des Zinssaldos gem. § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG (vgl. Abschn. B.III.2.a, S. 193) gleichermaßen zu beachten sind. Auch die Befürworter einer rechtsträgerbezogenen Betrachtungsweise kommen zu dem Ergebnis, dass die nach ihrer Auffassung als schädlich zu qualifizierenden Fremdkapitalvergütungen dem Betrieb des Organträgers zuzurechnen und mit dem Zinssaldo des Organkreises (s. betriebsbezogene Betrachtungsweise) abzugleichen seien.631 Insgesamt ist aber anzumerken, dass vielfach keine expliziten Ausführungen über die Ermittlung der Vergleichsgrößen im Rahmen des § 8a Abs. 3 KStG vorliegen. Dies könnte dahingehend verstanden werden, dass der 10%-Test unterschiedslos auf jeden Rechtsträger des Konzerns bzw. Organkreises vorgenommen werden solle; die Betriebsfiktion von § 15 Nr. 3 S. 2 KStG wäre insoweit bedeutungslos.632 Beim Vergleich der Betrachtungsweisen fällt auf, dass sich materielle Unterschiede grundsätzlich nur bei der Ermittlung der Vergleichsgröße I ergeben können. Abweichungen ergeben sich, wenn Minderheitsgesellschafter Fremdfinanzierungen an Organgesellschaften vermitteln, die nicht zugleich wesentlich am Organträger beteiligt sind. Sofern an der rechtsträgerbezogenen Betrachtungsweise im Rahmen des 10%-Tests von § 8a Abs. 3 KStG festgehalten werden sollte, ergäben sich erhebliche Unterschiede bei den Vergleichsgrößen. Zudem wür-
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§ 8a, Rz. 123; Prinz, in: Herrmann/Heuer/Raupach, Jahresband 2008, § 8a KStG, Rz. J 07-12; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 115. Vgl. die Nachweise in Fn. 624 (S. 221); ebenso Ganssauge/Mattern, Eigenkapitaltest – Teil I, DStR 2008, S. 215 (Fn. 13); Goebel/Eilinghoff/Kim, Zinsschrankenerlass, DStZ 2008, S. 639; Dötsch, in: Dötsch et al., KSt, § 15 KStG, Rz. 59. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2390, die eine Zusammenrechnung von Fremdkapitalvergütungen an sämtliche wesentlich beteiligten Gesellschaftern des Organkreises (Gesamtbetrachtung) ablehnen. Ausdrücklich in Bezug auf § 8a Abs. 2 u. Abs. 3 KStG Förster, in: Gosch, KStG, Rz. 45 u. 79; Neumann, in: Gosch, KStG, § 15, Rz. 37; ausdrücklich nur in Bezug auf § 8a Abs. 2 KStG Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 100. So wohl Erle/Heurung, in: Erle/Sauter, KStG, § 15, Rz. 111.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
den organkreisinterne Fremdfinanzierungen in den Anwendungsbereich von § 8a KStG geraten.633
633
Vgl. hierzu Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 760.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
C.
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Risiken und Chancen aufgrund von Rechtsänderungen
Die Zinsschranke kann als eindrucksvoller Beleg für die Änderungshäufigkeit von Steuergesetzen angeführt werden. Denn die vergangenen zwei Jahre haben gezeigt, dass der Gesetzgeber insbesondere aus zweierlei Gründen gehalten war, Korrekturen am Normengerüst der Zinsschranke vorzunehmen: zum einen um gestalterische Maßnahmen einzuschränken und zum anderen, um krisenverschärfende Wirkungen abzumildern. Mit den eingeleiteten Maßnahmen waren sowohl negative als auch positive Folgen für den Steuerpflichtigen verbunden, sodass mit Blick auf zukünftige Entwicklungen auch der Chancenaspekt von Bedeutung ist. Mithin erfordert ein mehrperiodiges Management von Zinsschrankenrisiken eine genaue Beobachtung der politischen Geschehnisse, der Rechtsprechung und hieraus resultierenden Reformierungsbestrebungen. Deshalb sollen auf der Grundlage von bereits verwirklichten Anpassungen der Zinsschranke vermeintliche Änderungspotenziale für die Zukunft erkundet werden. In diesem Zusammenhang sind sowohl die Forderungen von Unternehmensseite als auch (zwingende) Veränderungen aufgrund von potenziellen Unvereinbarkeiten mit Verfassungs- und/oder Europarecht zu berücksichtigen. I.
Realisierte Anpassungen des Normengefüges
Die ersten Änderungen am Normengefüge der Zinsschranke wurden im Zuge des Jahressteuergesetzes 2009 vorgenommen, um Gestaltungslücken zu schließen. Denn nach der am 14.08.2007 verabschiedeten Gesetzesfassung des Unternehmensteuerreformgesetzes634 unterlagen Zinsvorträge von Mitunternehmerschaften noch nicht § 8c KStG, sodass sich die Zwischenschaltung von oder Umwandlung in Mitunternehmerschaften innerhalb mehrgliedriger Konzernstrukturen als Schutzinstrument angeboten hat, um die umstrukturierungshemmenden Auswirkungen von § 8c KStG auf den Zinsvortrag zu vermeiden.635 Seit der Ausdehnung von § 8c KStG auf Mitunternehmerschaften, an denen Körperschaften mitunternehmerisch beteiligt sind (§ 4h Abs. 5 S. 3 EStG), kann dieser rechtsformbedingte Gestaltungsvorteil jedoch nicht mehr erzielt werden.636 Ferner hat die zinsschrankenfreie Fremdfinanzierung von Mitunternehmerschaften, die über einen umfassenden Grundstücks- und Immobilienbesitz verfügen (sog. Bankenmodell),637 durch die Einschränkungen bei der erweiterten Kürzung gem. § 9 Nr. 1 S. 5 GewStG an Attraktivität verloren.638 Auch die Überarbeitung bzw. Einfügung von § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG und § 50d Abs. 10 EStG zielen darauf ab, die zinsschrankenfreie 634 635 636
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Unternehmensteuerreformgesetz 2008 v. 14.08.2007, BGBl. I 2007, S. 1912. Vgl. hierzu Kollruss, KGaA, BB 2007, S. 1991. Vgl. Beinert/Benecke, Änderungen, Ubg 2009, S. 172 f.; Suchanek, Verlustvernichtung, Ubg 2009, S. 179 f. Flankierend wirken zudem die Einschränkungen bei der Rückwirkungsfiktion innerhalb von Umwandlungen (§ 2 Abs. 4 UmwStG i. d. F. des JStG 2009 vgl. Rödder/Schönfeld, Auslegung, DStR 2009, S. 560 ff. Vgl. hierzu Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 347; Mensching/Tyarks, Kürzung, DStR 2009, S. 2037 ff. Vgl. Beinert/Benecke, Änderungen, Ubg 2009, S. 177; Dörfler/Rautenstrauch/Adrian, JStG 2009, BB 2009, S. 586.
212
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
(Gesellschafter-)Fremdfinanzierung von Immobilieninvestitionen bzw. Mitunternehmerschaften zu unterbinden.639 Diesen aus Sicht des Steuerpflichtigen negativen Gesetzesentwicklungen folgten mit dem Bürgerentlastungs- und Wachstumsbeschleunigungsgesetz deutliche Abmilderungen bei der Zinsschranke. Während das sog. Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung640 noch eine temporäre Anhebung der Freigrenze auf 3 Mio. € für den Veranlagungszeitraum 2009 vorsah,641 wurde die zeitliche Befristung mit dem sog. Wachstumsbeschleunigungsgesetz642 aufgehoben. Darüber hinaus wurde der EBITDA-Vortrag eingeführt und die Toleranzschwelle beim Equity-Escape (marginal) erhöht. Ferner steigern die neu eingeführten Ausnahmetatbestände von § 8c KStG die Werthaltigkeit bzw. Nutzbarkeit von Zinsvorträgen.643 II.
Potenzielle Anpassungen des Normengefüges
Aufgrund von Vorbehalten gegenüber der Zinsschranke wurde während des Umsetzungsprozesses des Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vonseiten der Bundesregierung eine Evaluation der Zinsschranke angekündigt, sobald die Behörden über erste Erfahrungen mit der neuen Vorschrift verfügen.644 Auf eine kleine Anfrage der FDP-Fraktion im Bundestag aus dem Frühjahr 2009 führte die Bundesregierung aus, dass die konjunkturellen Auswirkungen der Zinsschranke frühestens im Jahr 2012 abgeschätzt werden könnten, weil erst dann IstDaten aus dem Besteuerungsverfahren vorlägen.645 Aufgrund der im Herbst 2009 vorgenommenen umfassenden Nachbesserungen und zum Teil rückwirkenden Änderungen am Normengefüge der Zinsschranke durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz könnte sich dieser Evaluierungstermin aber durchaus noch weiter in die Zukunft verschieben. Gegenwärtig bestehen nur vage Anzeichen, dass der Evaluierungsprozess schon begonnen haben könnte.646 639
640 641
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In diesem Punkt ist jedoch umstritten, ob der Gesetzgeber sein angestrebtes Ziel tatsächlich erreicht hat. Zu § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f EStG vgl. Abschn. B.I.1.b.iii, S. 106 ff. und zu § 50d Abs. 10 EStG vgl. Abschn. B.I.3.f, S. 129 ff. Gesetz zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen v. 16.07.2009, BStBl. I 2009, S. 782. Die zeitlich befristete Anhebung der Freigrenze bis zum Ende des Wirtschaftsjahres 2009 war mit einiger Verunsicherung verbunden, da ursprünglich eine Befristung bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 2010 vorgesehen war (vgl. die Entwurfsfassung des Bürgerentlastungsgesetzes BR-Drs. 168/09 (B), S. 2); vgl. hierzu Hoffmann, Freigrenze, DStR 2009, S. 1461 f. Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums v. 22.12.2009, BGBl. I 2009, S. 3950. Zu den Ausnahmetatbeständen von § 8c KStG vgl. Sistermann/Brinkmann, Mantelkaufregelung, DStR 2009, S. 2633 ff.; Wittkowski/Hielscher, Änderungen, DB 2010, S. 11 ff. In mehreren Drucksachen (bspw. BT-Drs. 16/6739, S. 32; BT-Drs. 17/1334, S. 13) bringt die (ehemalige) Bundesregierung zum Ausdruck, dass sie der Prüfbitte des Finanzausschusses zur Evaluation der Zinsschrankenwirkungen (BT-Drs. 16/5491, S. 13) nachkommen möchte. Mit der Evaluation soll zum einen die tatsächliche Belastung von Unternehmen erhoben und zum anderen die Effektivität und Effizienz der Zinsschranke zur Bekämpfung internationaler Steuersatzarbitrage analysiert werden. Hierüber erhofft man sich Erkenntnisse über die Zielgenauigkeit der Zinsschranke, der ursprünglich der Gedanke zugrunde lag, die aus Sicht des Fiskus unliebsamen Finanzierungsgestaltungen in internationalen Konzernstrukturen einzudämmen. Vgl. BT-Drs. 16/12637, S. 3. In einem Antwortschreiben der Bundesregierung auf eine kleine Anfrage der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN wird angemerkt, dass man „die noch laufende Evaluierung der Zinsschranke“ abwarten wolle; vgl.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
213
Nachdem die ernst zu nehmenden Diskussionen über die Abschaffung der Zinsschranke seit der Kabinettsbildung der neuen Bundesregierung abgeklungen sind und das weitere Schicksal der Zinsschranke vermutlich insbesondere von den Evaluationsergebnissen abhängig sein wird, ist mit großer Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass die Zinsschranke nach gegenwärtiger Konzeption wenigstens die laufende Legislaturperiode überstehen wird.647 Von daher wird die Diskussion über etwaige Alternativmodelle zur Zinsschranke vermutlich erst in einigen Jahren wieder an Fahrt aufnehmen.648 Wenngleich die Konzeption der Zinsschranke erhalten bleibt, sollte sich der Gesetzgeber vor punktuellen Nachbesserungen nicht verschließen. Da viele Unternehmen nicht zuletzt aufgrund der Finanz- und Wirtschaftskrise der Zinsschranke ausgesetzt waren bzw. sind, werden im Schrifttum insbesondere beim Equity-Escape Nachbesserungen gefordert, damit diese Ausnahmevorschrift praktizierbarer und rechtssicherer wird.649 In diesem Zusammenhang erscheinen insbesondere eine Anhebung der Toleranzschwelle, Ausnahmen von der Beteiligungsbuchwertkürzung und eine modifizierte Konzernbetrachtung von § 8a Abs. 3 KStG wünschenswerte Anpassungen zu sein. Während im Zuge der Beratungen über das Jahressteuergesetz 2009 dem Bundesrat eine Anhebung der Toleranzschwelle auf 5%-Punkte vonseiten des Finanzausschusses empfohlen wurde,650 die dann aber doch nicht umgesetzt wurde, konnte sich selbst das neue Regierungsbündnis nur auf eine Anhebung auf 2%-Punkte einigen. Die noch im Koalitionsvertrag angekündigten deutlichen Verbesserungen651 beim Equity-Escape blieben damit ohne die erwartete Nachahmung im Wachstumsbeschleunigungsgesetz, obwohl die FDP-Fraktion in der abgelaufenen Legislaturperiode bereits eine Gesetzesinitiative652 in den Bundestag eingebracht hatte, in der die obigen Nachbesserungen aufgegriffen wurden.653 Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen und angesichts des angespannten Staatshaushalts erscheint es äußerst zweifelhaft, dass sich der Gesetzgeber noch in 647 648
649
650
651 652 653
BT-Drs. 17/2696, S. 3. Die Abschaffung der Zinsschranke war ein Wahlversprechen der FDP; vgl. FDP, Wahlprogramm 2009, 2009, S. 7 (Internetquelle). Nach einer Unternehmensbefragung rechnen 47,4% der befragten steuerverantwortlichen Personen mit einer Ersetzung der Zinsschranke durch eine andere Vorschrift innerhalb der nächsten fünf Jahre; vgl. Ernst & Young/Fuest, Evaluation, 2010, S. 28 u. 30 (Internetquelle). Zu Alternativmodellen vgl. Herzig/Bohn/Fritz, Alternativmodelle, DStR-Beihefter 2009 zu Heft 29, S. 61 ff.; zu den europarechtlichen Vorgaben einer möglichen gesellschafterbezogenen Neuregelung vgl. Schön, Zukunft, IStR 2009, S. 882 ff.; Ernst/Bachmann, Unternehmensfinanzierung, StuW 2010, S. 262 ff. Zu diesen und weiteren Vorschlägen zur Abmilderung der Zinsschranke vgl. bspw. Thiel, Fremdfinanzierung, FR 2007, S. 730 ff; Welling, Zinsschranke, FR 2007, S. 738; Neumann, Zinsschranke, Ubg 2009, S. 464 ff.; Ortmann-Babel/Zipfel, Sofortprogramm, Ubg 2009, S. 816. Vgl. BR-Drs. 545/1/08, S. 3 f., worin zutreffend ausgeführt wird, dass die damals gültige 1%-Schwelle kein geeigneter Indikator für eine übermäßige Fremdfinanzierung sei, da bei geringfügiger Überschreitung dieser Schwelle nicht von einer „wesentlichen“ Abweichung von der Konzerneigenkapitalquote ausgegangen werden könne. Der Equity-Escape sollte überarbeitet und für deutsche Konzerne anwendbar gemacht werden; vgl. CDU/CSU/FDP, Koalitionsvertrag 2009, S. 11 (Internetquelle). Vgl. BT-Drs. 16/12525. Zu den unterlassenen Nachbesserungen vgl. Herzig/Bohn, Wachstumsbeschleunigungsgesetz, DStR 2009, S. 2345 ff.
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Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
dieser Legislaturperiode zu weiteren Verbesserungen bei der Zinsschranke entschließt. Gerade in Zeiten, in denen über Steuererhöhungen aufseiten der Bürger diskutiert wird, könnten Entlastungen aufseiten der Unternehmen als unpopuläre Maßnahmen angesehen werden, weshalb die Chance bzw. Wahrscheinlichkeit für positiv wirkende Korrekturen als relativ gering eingeschätzt werden sollte. Im Zuge der Diskussionen über das Jahressteuergesetz 2009 wurden auch umfassende Änderungen im Zusammenhang mit der Besteuerung von sog. Streubesitzanteilen erwogen,654 die mit unmittelbaren Auswirkungen auf die Zinsschranke verbunden gewesen wären.655 So wurde über eine Steuerpflicht von Streubesitzdividenden (Beteiligungsquote < 10 Prozent) und über eine schedulenartige Behandlung der damit in Zusammenhang stehenden (Refinanzierungs-)Aufwendungen diskutiert. Der Hintergrund für die geplante Gesetzesänderung liegt in der potenziell europarechtswidrigen Entlastung von der Kapitalertragsteuer für Streubesitzdividenden, da die Anrechnung bzw. Erstattung allein inländischen Anteilseignern vorbehalten ist.656 Angesichts des von der EU-Kommission eingeleiteten Vertragsverletzungsverfahrens, sind Änderungen bei der Besteuerung von Streubesitzdividenden sehr wahrscheinlich.657 Nach dem Vorbild der damaligen Reformüberlegungen würden Erträge und Aufwendungen im Zusammenhang mit den Streubesitzanteilen weder das steuerliche EBITDA noch den Zinssaldo beeinträchtigen.658 Zinsaufwendungen im Zusammenhang mit Streubesitzanteilen wären fortan nur mit Erträgen aus solchen Anteilen – außerhalb der Zinsschranke – verrechenbar. Mithin würde die Wirkungsrichtung regelmäßig negativ ausfallen, aber grundsätzlich wäre auch ein positiver Besteuerungseffekt denkbar.659 Ferner bleibt abzuwarten, wie die Zinsschranke in das angekündigte moderne Gruppenbesteuerungskonzept integriert wird.660 Gegenwärtig liegen nur konzeptionelle Diskussionsentwürfe darüber vor, wie das Nachfolgeregime der Organschaft aussehen könnte; konkrete Auswir-
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660
Vgl. Finanzausschuss, Protokoll Nr. 16/99, 2008, S. 32 ff. (Internetquelle). Insbesondere aufgrund der Systemwidrigkeit einer Besteuerung von Streubesitzdividenden wurde der Änderungsvorschlag nicht in den Gesetzentwurf für ein Jahressteuergesetz 2009 (BT-Drs. 16/10189) aufgenommen; Schmitt, Entwicklungen, WPg 2008, S. 1166. Vgl. Baumgärtel/Lange, Streubesitzdividenden, Ubg 2008, S. 525 f.; Beinert/Benecke, Änderungen, Ubg 2009, S. 169 f. Vgl. Baumgärtel/Lange, Streubesitzdividenden, Ubg 2008, S. 525 ff.; Patzner/Frank, Streubesitzanteile, IStR 2008, S. 433 ff. Schmidt, Streubesitzdividenden, NWB 2008, S. 2312; Watermeyer, Jahressteuergesetz 2009, S:R 2008, S. 216. Wenn ein Unternehmen ausschließlich über Streubesitzgewinne verfügt und die Ausnahmetatbestände der Zinsschranke sowie § 8b Abs. 7 KStG nicht anwendbar wären, können Zinsaufwendungen de lege lata maximal bis zur Höhe von 30% der zu 5% als nicht abziehbare Betriebsausgaben geltenden Erträge abgezogen werden; wenn man von anderen Betriebsausgaben abstrahiert, wäre eine Bemessungsgrundlage von null nicht denkbar. De lege ferenda könnten Zinsaufwendungen bis maximal zur Höhe der steuerpflichtigen Erträge abgezogen werden, sodass eine Bemessungsgrundlage von null möglich wäre. Nach dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung soll die Einführung eines modernen Gruppenbesteuerungssystems als Ersatz für die Organschaft geprüft werden; vgl. CDU/CSU/FDP, Koalitionsvertrag 2009, S. 14 (Internetquelle).
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
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kungen für die Zinsschranke lassen sich nach gegenwärtigem Kenntnisstand noch nicht antizipieren.661 III. Potenzielle Unvereinbarkeiten der Zinsschranke mit höherrangigem Recht 1.
Verfassungs- und abkommensrechtliche Bedenken
In der Literatur besteht die weitverbreitete Auffassung, dass die Zinsschranke gegen verfassungsrechtliche Maßstäbe verstößt. Aufgrund der Komplexität, Kompliziertheit und wegen der zum Teil unklaren Tatbestandsvoraussetzungen werden Zweifel an der verfassungsrechtlich gebotenen Klarheit des Normengefüges der Zinsschranke bekundet (Bestimmtheitsgebot).662 Des Weiteren werden Bedenken hinsichtlich der gesetzestechnischen Ausgestaltung von § 4h EStG insbesondere mit Blick auf die Freigrenze geäußert. Aufgrund des „Fallbeileffekts“ einer Freigrenze sei die Gleichmäßigkeit der Besteuerung gefährdet.663 Denn beim Vergleich von zwei äquivalenten und grundsätzlich zinsschrankenbefangenen Unternehmen können die jeweiligen Steuerbelastungen erheblich auseinanderfallen, wenn das eine Unternehmen die Freigrenze marginal unterschreitet und das andere Unternehmen die Freigrenze marginal überschreitet. Mithin ist es denkbar, dass zwei wirtschaftlich vergleichbare Sachverhalte in massivem Umfang ungleich besteuert werden.664 Neben diesen vereinzelten Verfassungsbedenken an der gesetzestechnischen Ausgestaltung der Zinsschranke herrscht ganz eindeutig die Meinung vor, dass die Zinsschranke gegen das objektive Nettoprinzip verstoße.665 Die (potenzielle) Aufwandsbesteuerung im Zeitpunkt des Eingreifens der Zinsschranke verletze das Gebot der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Dieser Verstoß könne auch nicht mit der Möglichkeit einer zukünftigen Verrechnung des Zinsvortrags geheilt werden, weil dessen Nutzbarkeit in einer Vielzahl von Fällen äußerst zweifelhaft sei und das Nettoprinzip nach teilweise vertretener Ansicht zusätzlich einen zeitnahen Aufwandsabzug erfordere.666 Weitere Argumente, die die Verletzung des objektiven Nettoprinzips rechtfertigen könnten, werden ebenfalls entkräftet. So greife der rechtfertigungsbegründende Missbrauchsvermeidungszweck der Zinsschranke nicht, da weder das Anknüpfen an eine Ergebnisgrenze noch die konzeptionelle Ausgestaltung der Ausnah661
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663 664 665
666
Zum Stand der Diskussionen vgl. Eisgruber, Reformüberlegungen, DB 2010, Standpunkte, S. 39 f. Zu dem gesetzgeberischen Reformbedarf vgl. Endres, Bestandsaufnahme , S. 189 ff.; Herzig, Gruppenbesteuerung, StuW 2010, S. 214 ff. Vgl. Müller-Gatermann, Unternehmensteuerreform, Stbg 2007, S. 158; Stangl/Hageböke, in: Schaumburg/Rödder, Unternehmensteuerreform, S. 452 (Fn. 27); Goebel/Eilinghoff, Konformität, DStZ 2010, S. 558; Shou, Vereinbarkeit, 2010, S. 93 f.; Korn, in: Korn, EStG, § 4h, Rz. 22. Zur Gleichmäßigkeit der Besteuerung vgl. bspw. Lang, in: Tipke/Lang, Steuerrecht, § 4, Rz. 70 ff. Vgl. hierzu Hey, Zinsschranke, S. 121; a. A. Shou, Vereinbarkeit, 2010, S. 76 f. Vgl. Hey, Zinsschranke, S. 122 m. w. N. (Fn. 54); Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 41 m. w. N. (Fn. 190); Nacke, Gesetzentwurf, DB 2009, S. 2508 m. w. N. (Fn. 9); Goebel/Eilinghoff, Konformität, DStZ 2010, S. 555 m. w. N. (Fn. 39); a. A. Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 25. Vgl. Hey, Zinsschranke, S. 122; Musil/Volmering, Rechtsfragen, DB 2008, S. 14; Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2323, die allerdings die zeitlich gestreckte Aufwandsverrechnung für verfassungskonform halten.
216
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
metatbestände als zielgenaue Maßstäbe zur Missbrauchstypisierung geeignet seien.667 Vielmehr sei erkennbar, dass die Zinsschranke in erster Linie der Einnahmenerzielung bzw. der Gegenfinanzierung der im Zuge der Unternehmensteuerreform 2008 vorgenommenen Körperschaftsteuertarifsenkung von 25 Prozent auf 15 Prozent diene, womit die Einschränkung des objektiven Nettoprinzips ebenfalls nicht gerechtfertigt werden könne.668 Mit Blick auf die Doppelbesteuerungsabkommen wird kontrovers darüber diskutiert, ob die Zinsschranke gegen abkommensrechtliche Vorgaben verstößt. Hier stehen sich offenbar unterschiedliche Auffassungen hinsichtlich des Schutzbereiches von Doppelbesteuerungsabkommen gegenüber. Während auf der einen Seite aufgrund der Besteuerung der Zinsaufwendungen beim Schuldner und der Zinserträge beim Gläubiger eine (wirtschaftliche) Doppelbesteuerung reklamiert wird,669 kommt man auf der anderen Seite zu dem Ergebnis, dass weder Art. 7 noch Art. 11 des OECD-Musterabkommens eine Korrespondenz zwischen den Aufwendungen und Erträgen beim Schuldner bzw. Gläubiger vorsehe, sondern allein die Vermeidung einer juristischen Doppelbesteuerung geregelt sei, weshalb die Zinsschranke nicht gegen Abkommensrecht verstoße.670 Des Weiteren erscheint es nicht unbedingt ausgeschlossen zu sein, dass die Sperrwirkung von Art. 9 Abs. 1 OECD-MA sowie das Diskriminierungsverbot des Art. 24 OECD-MA auch für die Zinsschranke gelten könnten.671 Sofern Gerichte die Zinsschranke aufgrund der Verletzung des objektiven Nettoprinzips für verfassungswidrig erklären sollten, bliebe dem Gesetzgeber wohl nichts anderes übrig, als die Zinsschranke durch ein alternatives Modell zu ersetzen, welches zielgenau auf die Verhinderung von missbräuchlichen Finanzierungsgestaltungen gerichtet ist. Sollten allein Verstöße gegen das Bestimmtheitsgebot identifiziert werden, ist eher mit punktuellen Nachbesserungen zu rechnen. 2.
Europarechtliche Bedenken672
a.
Primäres Gemeinschaftsrecht
Aufgrund ihres weitgefassten und nicht auf Steuerausländer konzentrierten Anwendungsbereichs erscheint die Zinsschranke in formaler Hinsicht nicht (offen) gegen die europäischen
667 668
669 670 671 672
Vgl. Hey, Besteuerungsprinzipien, BB 2007, S. 1305 f.; Hey, Zinsschranke, S. 123 f.; Musil/Volmering, Rechtsfragen, DB 2008, S. 15; Shou, Vereinbarkeit, 2010, S. 60 ff. Vgl. Homburg, Steuerinnovation, FR 2007, S. 719 f.; Hey, Zinsschranke, S. 111 f. Der Missbrauchsvermeidungszweck der Zinsschranke komme nur noch „schemenhaft“ zum Ausdruck; vgl. Hey, Missbrauchsgesetzgebung, StuW 2008, S. 172. Vgl. Homburg, Steuerinnovation, FR 2007, S. 725 f.; Kessler/Knörzer, Ban, TNI 2008, S. 429f.; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 6. Vgl. Mössner, Aspekte, S. 37 ff.; Shou, Vereinbarkeit, 2010, S. 152 ff. Vgl. Kessler/Knörzer, Ban, TNI 2008, S. 429 f.; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 44 ff.; Shou, Vereinbarkeit, 2010, S. 162 ff.; Zu etwaigen Unvereinbarkeiten der Zinsschranke mit dem Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum vgl. Dörr/Fehling, Aspekte, NWB 2007, Fach 2, S. 9378 f.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
217
Grundfreiheiten zu verstoßen.673 Dennoch haften ihr nach herrschender Meinung in der Literatur verdeckte Diskriminierungen an, die gegen die Niederlassungsfreiheit (Art. 43 EGV) verstoßen, weil sie sich nicht mit dem Argument der Missbrauchsvermeidung rechtfertigen lassen.674 Denn bei genauerer Betrachtung der Zinsschrankenprivilegien einer Organschaft wird offenkundig, dass sich ausschließlich im Inland angesiedelte Konzerne über den Standalone-Escape der Zinsschranke entziehen können, sofern Konzern und Organkreis deckungsgleich sind.675 Inlandsgesellschaften, die zu einer im Ausland ansässigen Muttergesellschaft gehören, steht diese Option nicht offen, da der Konzern – mangels grenzüberschreitender Organschaftsbildung – niemals deckungsgleich mit dem Organkreis sein kann. In diesem allein Inlandskonzernen vorbehaltenen Privileg wird eine verdeckte Diskriminierung von grenzüberschreitend tätigen Konzernen gesehen. Auch in umgekehrter Hinsicht könnte die Expansionsbereitschaft eines Inlandskonzerns durch die Zinsschranke theoretisch beeinträchtigt werden. Ein ausschließlich im Inland tätiger und organschaftlich verbundener Konzern verliert nämlich mit der Investition in eine ausländische Tochtergesellschaft seinen Standalone-Status, da die Betriebsfiktion nicht über die Grenze hinausreicht. Theoretisch wäre es also denkbar, dass der Inlandskonzern, anstatt ins europäische Ausland zu expandieren, nur in weitere Inlandsgesellschaft investiert. Die potenziell prohibitiven Wirkungen der Zinsschranke könnten die inländischen Unternehmen in ihrer Niederlassungsfreiheit beschränken.676 Ferner könnte eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit in der Tatsache begründet liegen, dass die Beteiligungsbuchwertkürzung im Rahmen des Equity-Escape für Organgesellschaften keine Anwendung findet. Da die Organgesellschaften in dem notwendigerweise zu erstellenden Teilkonzernabschluss aufgrund der Kapitalkonsolidierung nicht mehr enthalten sind, läuft auch die Beteiligungsbuchwertkürzung leer. Hingegen unterliegen ausländische bzw. organkreisexterne Konzerngesellschaften dieser Kürzungsvorschrift und wirken sich somit im Vergleich zu Organgesellschaften negativ auf die betriebliche Eigenkapitalquote aus. Für Zwecke des Equity-Escape sind aus Sicht eines inländischen Konzerns somit inländische Konzerngesellschaften aufgrund ihrer Einbeziehungsmöglichkeit in den Organkreis attrakti-
673 674
675 676
Vgl. Führich, Europarecht, IStR 2007, S. 343; Hey, Zinsschranke, S. 112 f.; Führich, Einfluss, 2009, S. 136 ff.; Shou, Vereinbarkeit, 2010, S. 103. Vgl. Dörr/Fehling, Aspekte, NWB 2007, Fach 2, S. 9376 ff.; Führich, Europarecht, IStR 2007, S. 341 ff.; Kraft/Bron, Europarecht, EWS 2007, S. 488 ff.; Bauer, Drittstaaten, SWI 2008, S. 359 f.; Musil/Volmering, Rechtsfragen, DB 2008, S. 15 f.; Wilke/Süß, Gemeinschaftsrecht, FR 2009, S. 798 ff.; Goebel/Eilinghoff, Konformität, DStZ 2010, S. 559; Shou, Vereinbarkeit, 2010, S. 103 ff.; Homburg, Steuerinnovation, FR 2007, S. 724 f., der darüber hinaus in dem zinsschrankeninduzierten Anstieg der Kapitalkosten einen (offenen) Verstoß gegen die Niederlassungs- und „vor allem“ die Kapitalverkehrsfreiheit sieht. Auch Mössner identifiziert offen diskriminierend wirkende Sachverhaltskonstellationen, in denen Steuerausländern der Zutritt zum inländischen Markt aufgrund der Zinsschranke erschwert würde; vgl. derselbe, Aspekte, S. 41 ff.; a. A. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 6a; Heuermann, in: Blümich, Kommentar, § 4h EStG, Rz. 24. Vgl. bspw. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2388 m. w. N. I. d. S. Hey, Zinsschranke, S. 113.
218
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
ver als vergleichbare Auslandstochtergesellschaften. Hierin könnte ein weiterer Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit gesehen werden.677 Fraglich ist nur, ob die aufgezeigten Ungleichbehandlungen originär auf die Zinsschranke zurückgeführt werden können oder vielmehr eine zwangsläufige Folgeerscheinung der potenziell europarechtswidrigen Organschaftsvoraussetzungen darstellen.678 Geht man nämlich mit dem Finanzgericht Niedersachsen davon aus, dass die „gemeinschaftsrechtswidrigen Tatbestandsvoraussetzungen der Organschaft in gemeinschaftsrechtlich konformer und normerhaltender Weise zu reduzieren“ seien, würden die Rechtsfolgen der Organschaft grundsätzlich auch für ausländische Tochtergesellschaften eröffnet.679 Hiernach wäre es durchaus vorstellbar, dass ausländische Tochtergesellschaften von der Betriebsfiktion erfasst bzw. in den Teilkonzernabschluss aufgenommen werden könnten. Vor diesem Hintergrund erscheint nicht das Normengefüge der Zinsschranke in europarechtswidrigem Lichte, sondern vielmehr die auf Inlandssachverhalte konzentrierten Tatbestandsvoraussetzungen der Organschaft. Nach dieser Wertung wäre die Abschaffung von § 15 Nr. 3 KStG keine geeignete Maßnahme zur Lösung der Europarechtsproblematik.680 Vielmehr ist der Gesetzgeber – unter Beibehaltung der Zinsschrankenprivilegien – aufgefordert, die Organschaft für grenzüberschreitende Sachverhalte zu öffnen. Vereinzelt wird auch in der Konzernbetrachtung von § 8a Abs. 3 KStG eine verdeckte Diskriminierung gesehen, da es Konzernen mit primärem Auslandsbezug faktisch sehr viel schwerer fallen würde, ihre weltweiten Konzerngesellschaften auf schädliche Fremdfinanzierungen zu überprüfen, als dies für Konzerne mit primärem Inlandsbezug möglich wäre.681 Jedoch erscheinen Zweifel angebracht, ob die Komplexität der Informationsbeschaffung und 677 678
679
680 681
Vgl. Herzig/Liekenbrock, Organkreis, DB 2007, S. 2389. So Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 7a; a. A. Knopf/Bron, Zinsschrankenbesteuerung, BB 2009, S. 1223. In der Literatur werden insbesondere das Erfordernis eines Ergebnisabführungsvertrages und der doppelte Inlandsbezug (§ 14 Abs. 1 KStG) für europarechtswidrig erklärt; vgl. Wagner, Gruppenbesteuerung, 2006, S. 12 ff.; Kußmaul/Niehren, Spannungsfeld, S. 178 ff. Hinsichtlich des doppelten Inlandsbezugs hat die EU-Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet; vgl. IP/10/1253, S. 1 (Internetquelle). Vgl. FG Niedersachsen v. 11.02.2010, 6 K 406/08, EFG 2010, S. 815; ähnlich FG Rheinland-Pfalz v. 17.03.2010, 1 K 2406/07, DStRE 2010, S. 802 (Rev. eingelegt, Az. BFH: I R 34/10). Das niedersächsische Finanzgericht hat die Tatbestandsvoraussetzungen im Zusammenhang mit der Durchführung des Gewinnabführungsvertrags durch die Figur der effektiven Verlusttragung substituiert und von dem doppelten Inlandsbezug vollkommen abstrahiert. Sofern eine rechtsverbindliche und zeitnahe Verpflichtung zur Übernahme der Verluste der (ausländischen) Tochtergesellschaft besteht, könnten die finalen bzw. im Ansässigkeitsstaat der Tochter nicht mehr nutzbaren Verluste bei der inländischen Mutter zum Abzug gebracht werden; vgl. hierzu auch Homburg, Konzernverluste, IStR 2010, S. 246 ff.; krit. zur Verlusttragung v. Brocke, Verluste, DStR 2010, S. 964 ff. Der BFH hat in seinem Beschluss vom 09.11.2010 (I R 16/10) einem „faktischen“ Organschaftsverhältnis über die Grenze entsprechend der Argumentation des niedersächsichen Finanzgerichts (s. o.) im Ergebnis zugestimmt, jedoch mit Verweis auf die Rechtsprechung zur Finalität von ausländischen Betriebsstättenverlusten (BFH v. 09.06.2010, I R 107/09, BFH/NV 2010, S. 1744) noch einmal betont, dass eine Verlustnutzung nur im Jahr der Finalität der ausländischen Verluste möglich sei und nicht etwa im Jahr der effektiven Verlusttragung. So aber Hey, Zinsschranke, S. 118; Führich, Abzugsbeschränkungen, Ubg 2009, S. 42. Vgl. Mössner, Aspekte, S. 45 f.
Kapitel 1 – Identifikation von Zinsschrankenrisiken
219
-weitergabe eines weltweit agierenden Konzerns überhaupt mit derjenigen eines vergleichsweise kleinen Konzerns mit primärem Inlandsbezug verglichen werden kann. b.
Sekundäres Gemeinschaftsrecht
Neben Verstößen gegen das primäre Gemeinschaftsrecht wird auch die Vereinbarkeit der Zinsschranke mit sekundärem Gemeinschaftsrecht angezweifelt. So wird von Teilen des Schrifttums ein Konflikt mit der Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie (ZLRL) identifiziert. Die Zinsabzugsbeschränkung aufseiten des Schuldnerunternehmens würde nach Maßgabe einer wirtschaftlichen Gesamtbetrachtung die gleiche Wirkung wie eine Quellensteuer entfalten, die im europäischen Binnenmarkt für Zins- und Lizenzzahlungen zwischen verbundenen Unternehmen nicht erhoben werden darf.682 Von der Gegenmeinung wird jedoch vertreten, dass für die Auslegung der ZLRL bzw. einer richtlinienkonformen Qualifikation einer Quellensteuer eine formale Betrachtungsweise einzunehmen sei. Legt man enge Interpretationsmaßstäbe an die formale Betrachtungsweise an, sei der Schutzbereich der ZLRL bereits deshalb nicht eröffnet, weil nicht die Zinserträge des Gläubigers, sondern die Zinsaufwendungen des Schuldners besteuert werden.683 Selbst wenn man, einer weiten Interpretation folgend, die Zinsaufwandsbesteuerung beim Schuldner für schutzbedürftig erklären wollte, läge kein Verstoß gegen die Richtlinie vor, weil ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Zinszahlung und der Besteuerung des Zinsaufwands fehle.684 Im Zusammenhang mit der ZLRL ist die beim EuGH anhängige Rechtssache mit Spannung abzuwarten, in der die gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Schuldentgelten (§ 8 Nr. 1 GewStG a. F.) auf den Prüfstand gestellt wird.685 Aber selbst wenn der EuGH, einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise folgend, die gewerbesteuerliche Hinzurechnung als einen Verstoß gegen die ZLRL bewerten sollte,686 lässt dies nicht unweigerlich den Schluss zu, dass 682
683 684
685 686
Vgl. Dörr/Fehling, Aspekte, NWB 2007, Fach 2, S. 9376 ff.; Kraft/Bron, Europarecht, EWS 2007, S. 491 f.; Homburg, Steuerinnovation, FR 2007, S. 725; Hey, Zinsschranke, S. 119 ff.; Goebel/Eilinghoff, Konformität, DStZ 2010, S. 560; Shou, Vereinbarkeit, 2010, S. 145 ff., die sich zur Begründung ihrer Auffassungen vornehmlich auf die Rechtssache Athinaïki Zythopoiia AE (EuGH-Urteil v. 04.10.2001, Rs. C-294/99, IStR 2001, S. 651) stützen, worin die nachträgliche Besteuerung von grundsätzlich steuerfreien Einkünfte einer griechischen Tochtergesellschaft im Falle einer Gewinnausschüttung an eine im EU-Ausland angesiedelte Muttergesellschaft mit einer Quellensteuerbelastung gleichgestellt und folglich als Verstoß gegen die MutterTochterrichtlinie gewertet wurde. A. A. Mössner, Aspekte, S. 51 f. Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 8. Vgl. Führich, Abzugsbeschränkungen, Ubg 2009, S. 38; ebenfalls zu einer formalen Sichtweise tendierend Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 90 ff. Die Höhe von (temporär) nicht abziehbaren Zinsen nach Anwendung des Grundtatbestands ist von mehreren Faktoren abhängig. Neben den schutzbedürftigen Zinszahlungen zwischen verbundenen Unternehmen sind nicht schutzbedürftige Zinszahlungen (bspw. an Dritte) sowie die Zinserträge und die Höhe des steuerlichen EBITDA von besonderer Bedeutung. Ferner geht das Eingreifen der Zinsschranke nicht zwingend mit einer (permanenten) Liquiditätsbelastung einher (bspw. Verlustsituation und zukünftige Zinsvortragsnutzung). Vgl. hierzu den an den EuGH adressierten Vorlagebeschluss des BFH v. 27.05.2009, I R 30/08, BFH/NV 2009, S. 2059; Thömmes, Dauerschuldzinsen, IWB 2009, Fach 3A, Gruppe 1, S. 1145 ff. Einen Richtlinienverstoß bejahend Dautzenberg, Agenda, BB 2004, S. 19; Hidien, Richtlinie, DStZ 2008, S. 132; Goebel/Jacobs, ZLRL, IStR 2009, S. 87 ff.; a. A. Führich, Abzugsbeschränkungen, Ubg 2009, S. 41;
220
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
damit auch die Zinsschranke gegen die Richtlinie verstößt.687 Denn anders als bei der Zinsschranke besteht zwischen der Zinszahlung und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung ein unmittelbarer Zusammenhang.
687
Hahn, Erwiderung, IStR 2009, S. 346 ff.; Schulz-Trieglaff, Gemeinschaftsrecht, IStR 2010, S. 319 f. So aber Dörr, Hinzurechnung, NWB 2009, S. 3724.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
Kapitel 2
221
Bewertung von Zinsschrankenrisiken
Innerhalb der Risikobewertung werden die essenziellen Komponenten des Risikos (potenzielle negative Planabweichung und deren Eintrittswahrscheinlichkeit)688 ermittelt und anschließend in ein geeignetes bzw. kommunikationsfähiges Risikomaß transformiert.689 Ferner ist aufgrund ihrer Heterogenität zu beachten, dass nicht für sämtliche Risiken eine fundierte Prognose über deren Eintritt und Planabweichung abgegeben werden kann. Nach Maßgabe ihrer jeweiligen Charakteristik müssen für die Bewertung von Risiken unterschiedliche Bewertungsansätze herangezogen werden, die mittels verschiedener Techniken Erkenntnisse über Eintrittswahrscheinlichkeit und Planabweichung gewinnen. Dementsprechend wird bei der Bewertung allgemein zwischen quantifizierbaren und qualitativ beschreibbaren Risiken unterschieden.690 Charakteristisch für quantifizierbare Risiken sind die Ermittelbarkeit ihrer Risikokomponenten und die Transformation in ein zahlenmäßig darstellbares Risikomaß. Hingegen sind qualitativ beschreibbare Risiken (z. B. (steuer-)rechtliche und politische Risiken) grundsätzlich nur sehr eingeschränkt messbar. Deshalb kann ihre Relevanz für das Unternehmen häufig nur über die Einstufung in Risikoklassen nach Maßgabe festgelegter Kriterien beurteilt werden.691 Um die Relevanz von ausgewählten Zweifelsfragen der Zinsschranke einschätzen zu können, werden die Ergebnisse einer Expertenbefragung vorgestellt, worin ausgewählte Rechtsunsicherheiten der Zinsschranke anhand eines Scoring-Verfahrens bewertet werden.692 Für den Bereich der quantifizierbaren Risikowirkungen der Zinsschranke wird ein analytisches Bewertungsmodell entwickelt und eine multivariate Monte-Carlo-Simulation auf Basis empirischer Wachstumsraten der investitions- und finanzierungsspezifischen Einflussfaktoren durchgeführt. A.
Qualitative Bewertung elementarer Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke
In Kapitel 1 wurde eine Vielzahl von Zweifelsfragen über die Auslegung des Normengefüges der Zinsschranke und ein breites Spektrum an Auslegungsvarianten identifiziert. Diese steuerlichen Rechtsbeurteilungsrisiken erschweren im Dispositionszeitpunkt die Antizipation von zukünftigen Besteuerungskonsequenzen. Die Rechtsunsicherheiten unterscheiden sich teilweise jedoch deutlich hinsichtlich ihrer praktischen und materiellen Relevanz. Neben einer 688 689 690 691
692
Zu den betriebswirtschaftlichen Risikokomponenten vgl. Teil I – Kapitel 2 – Abschn. B.I, S. 9. Vgl. Burger/Buchhart, Risiko-Controlling, 2002, S. 101; Fiege, Risikomanagement, 2006, S. 159 f.; Gleißner, Risikomanagement, 2008, S. 101. Zu einer Übersicht und Erläuterung über qualitative und quantitative Ansätze zur Bewertung von Risiken vgl. Fiege, Risikomanagement, 2006, S. 165 ff. Vgl. Kromschröder/Lück, Unternehmensüberwachung, DB 1998, S. 1574; Bitz, Risikomanagement, 2000, S. 40 ff; Burger/Buchhart, Risiko-Controlling, 2002, S. 46. Demgegenüber wird in Teilen der Literatur unabhängig vom Informationsniveau und der Datenqualität eine Risikoquantifizierung gefordert; vgl. Lück, Risikomanagementsystem, DB 1998, S. 1927; krit. Liekweg, Risikomanagement, 2003, S. 312, Fn. 310 m. w. N. Zum Scoring-Verfahren vgl. Burger/Buchhart, Risiko-Controlling, 2002, S. 156 ff.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_6, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
222
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
allgemeinen Beurteilung der verschiedenen Paragrafen bzw. Tatbestände der Zinsschranke soll sich die qualitative Analyse auf ausgewählte Auslegungsfragen konzentrieren. I.
Konzeption der Expertenbefragung
Für Zwecke der Bewertung von ausgewählten Rechtsunsicherheiten der Zinsschranke wurden im Juli 2010 neun Experten befragt, die allesamt in der Steuerberatungspraxis tätig sind und über eine ausgewiesene Expertise im Bereich der Konzernbesteuerung im Allgemeinen und der Zinsschranke im Speziellen verfügen. 1.
Untersuchungsziel
Mit der Befragung wird das Ziel verfolgt, die praktische Relevanz von Rechtsunsicherheiten bei der Anwendung von Tatbeständen und ausgewählten Zweifelsfragen der Zinsschranke zu erkennen und zu bewerten. Hierüber soll eine Einschätzung ermöglicht werden, welche Zweifelsfragen eher einen akademischen und welche Fragen einen praxisrelevanten Stellenwert haben. Ferner soll anhand der Erfahrungen der Experten eine Einschätzung gewonnen werden, wie in der Beratungspraxis mit bestehenden Auslegungsproblemen umgegangen wird, um zwischen Problemen mit hohem und geringem Konfliktpotenzial in Auseinandersetzungen mit den Finanzbehörden unterscheiden zu können. 2.
Aufbau des Fragebogens693
Im ersten Frageblock bewerten die Experten die „gefühlte“ Rechtsunsicherheit, das Konfliktpotenzial mit den Finanzbehörden und die Beratungsrelevanz im Zusammenhang mit der Anwendung von Tatbeständen der Zinsschranke (Grundtatbestand, Ausnahme- und Rückausnahmetatbestände sowie Tatbestände zum Untergang des Zins- und EBITDA-Vortrags). Nur in diesem Block wird die Bewertung rechtsform- bzw. organisationsformspezifisch vorgenommen. Dementsprechend werden die Punktwerte jeweils gesondert für die Rechtsform der Kapitalgesellschaft (ohne KGaA), Personengesellschaft, KGaA sowie für die Organschaft (Organträger = Kapitalgesellschaft) abgegeben. Im zweiten Frageblock werden konkrete Auslegungsprobleme bewertet, zu denen im Schrifttum und vonseiten der Finanzverwaltung überwiegend unterschiedliche Auffassungen bestehen. Aufgrund der Spezifität der Problemstellung wird zusätzlich zu den Beurteilungskriterien aus Frageblock I noch die persönliche Beratungsempfehlung abgefragt. Bei den Zweifelsfragen handelt es sich um in der Literatur besonders intensiv diskutierte Problemstellungen. Sie wurden auch danach ausgewählt, dass möglichst nur zwei alternative Beratungsempfehlungen denkbar sind.
693
Der Fragebogen ist in Anhang 3 (S. 383 ff.) abgedruckt.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
223
In dritten Frageblock werden die Motive der individuellen Beratungsempfehlungen in Abhängigkeit davon ergründet, ob die Empfehlungen im Einklang mit oder im Gegensatz zu der Auffassung der Finanzverwaltung stehen. Ferner wird in Erfahrung gebracht, ob zu Auslegungsfragen, zu denen sich die Finanzverwaltung noch nicht offiziell geäußert hat, verbindliche Auskünfte eingeholt bzw. erteilt wurden. 3.
Befragungs- und Auswertungsmethodik
Der Befragungsablauf ist an die sog. Delphi-Methode angelehnt.694 Während des Befragungszeitraums wussten die Befragten nicht, welche Experten dem Gremium angehören. Die ausgewerteten Ergebnisse der ersten Befragungsrunde wurden den Experten übermittelt, damit sie ihre Antworten untereinander vergleichen und einer nochmaligen Überprüfung unterziehen konnten. Auf dieser Grundlage wurden die Experten in einer zweiten Runde ermutigt, ihre Antworten anzupassen, falls sie im Nachhinein andere Bewertungen vornehmen würden. Mit dieser zweiten und letzten Runde sollte der Konsensgrad erhöht bzw. die Streuung der Antworten reduziert werden. Die jeweiligen Problemstellungen bzw. vorgegebenen Begründungen werden anhand von Punktwerten (PW), die innerhalb der ganzzahligen Bandbreite von 0 bis 4 liegen, bewertet. Der Wert 0 bringt zum Ausdruck, dass das Problem, die Begründung oder die Rechtsunsicherheit für nicht existent gehalten wird. Die Werte 1 und 2 kennzeichnen eine tendenziell schwache Zustimmung zu der Aussage oder Wahrnehmung der Rechtsunsicherheit. Die Werte 3 und 4 kennzeichnen eine tendenziell starke Zustimmung zu der Aussage oder Wahrnehmung der Rechtsunsicherheit. Bei der Ermittlung von Punktedurchschnitten entstehen regelmäßig gebrochene Zahlen, die wie folgt interpretiert werden: Intervall
Interpretation
0 PW < 0,5
0,5 PW < 1,5
keine Bedeutung der Problemstellung bzw. Ablehnung der Aussage
schwache Bedeutung der Problemstellung bzw. schwache Zustimmung zu der Aussage
1,5 PW < 2,5
2,5 PW < 3,5
mittelmäßige Bedeutung der Problemstellung bzw. mittelmäßige Zustimmung zu der Aussage
hohe Bedeutung der Problemstellung bzw. hohe Zustimmung zu der Aussage
3,5 PW 4 sehr hohe Bedeutung der Problemstellung bzw. sehr hohe Zustimmung zu der Aussage
Tabelle 4: Interpretation von aggregierten Punktwerten im Rahmen der Expertenbefragung
Der Grad an Übereinstimmung der Antworten wird über die Standardabweichung (ı) gemessen. Nimmt die Standardabweichung einen Wert von kleiner als 1 an, kennzeichnet dies ein eher homogenes Antwortverhalten. Ein Wert größer als 1 indiziert ein eher heterogenes Antwortverhalten. 694
Die Delphi-Methode ist eine spezielle Form der Expertenbefragung. Über einen mehrfach durchgeführten, schriftlichen und anonymen Meinungsaustausch wird eine Konvergenz der Einzelmeinungen hin zu einer konsensfähigen Expertenmeinung zu erreichen versucht; vgl. Brockhoff, Prognoseverfahren, 1977, S. 80 ff.; Krystek/Müller-Stewens, Frühaufklärung, 1993, S. 228 ff.
224
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Statistische Zusammenhänge der Antworten zu unterschiedlichen Problem- bzw. Fragestellungen werden über den korrigierten Kontingenzkoeffizienten nach Pearson (C) gemessen. Wenn C im Intervall 0 bis 0,5 liegt, wird dies als relativ schwacher Zusammenhang und wenn C zwischen 0,5 und 1 liegt, als relativ starker Zusammenhang interpretiert.695 Soweit es die Bewertungsergebnisse ermöglichen, werden zur Beurteilung der verschiedenen Rechtsformen Rangfolgen nach dem Dominanzprinzip gebildet.696 II.
Allgemeine Bewertung von Tatbeständen der Zinsschranke
1.
Gefühlte Rechtsunsicherheit und Konfliktpotenzial
Nach einer Durchschnittsbetrachtung weisen sämtliche Tatbestände der Zinsschranke zumindest eine mittelmäßige Rechtsunsicherheit bzw. ein mittelmäßiges Konfliktpotenzial auf. Der nachfolgenden Tabelle kann entnommen werden, dass die experten- und rechtsformübergreifenden Mittelwerte (MW) für die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial stets einen Wert größer als 2 annehmen. Tatbestand Beurteilung Rechtsunsicherheit Konfliktpotenzial Beratungsrelevanz
EBITDAErmittlung
ZinssaldoErmittlung
Stand-aloneEscape
EquityEscape
§ 8a KStG
ZV-, EVUntergang
2,14
2,14
2,44
3,69
2,94
2,87
2,28
2,22
2,44
3,28
2,72
3,01
1,74
2,11
1,81
2,58
2,28
2,89
Tabelle 5: Durchschnittliche Bewertung der Rechtsunsicherheit, des Konfliktpotenzials und der Beratungsrelevanz von Tatbeständen der Zinsschranke
Die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial im Zusammenhang mit der korrekten EBITDA- und Zinssaldo-Ermittlung sowie der Anwendung des Stand-alone-Escape werden als mittelmäßig beurteilt. Deutlich rechtsunsicherer und konfliktanfälliger wird der EquityEscape eingestuft. Das Niveau der Rechtsunsicherheit wird hier als sehr hoch und das Konfliktpotenzial als hoch bewertet. Ähnliches gilt für Auslegungsfragen von § 8a KStG und Vorschriften zum Untergang des Zins- und EBITDA-Vortrags. Diesbezüglich nehmen die Mittelwerte für Rechtsunsicherheit und Konfliktpotenzial jeweils hohe Ausprägungen an.
695 696
Zum korrigierten Kontingenzkoeffizienten nach Pearson und dessen Interpretation vgl. Toutenburg/Heumann, Statistik, 2008, S. 115; Hartung/Elpelt/Klösener, Statistik, 2009, S. 449 ff.. Zum Dominanzprinzip vgl. Laux, Entscheidungstheorie, 2005, S. 105 f.; Bamberg/Coenenberg/Krapp, Entscheidungslehre, 2008, S. 38.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken Tatbestand Beurteilung Rechtsunsicherheit Konfliktpotenzial Beratungsrelevanz
225
EBITDAErmittlung
ZinssaldoErmittlung
Stand-aloneEscape
EquityEscape
§ 8a KStG
ZV-, EVUntergang
0,73
0,75
0,89
0,43
0,99
0,72
0,84
0,80
0,74
0,74
1,14
0,85
0,90
0,65
1,20
1,07
1,03
0,78
Tabelle 6: Standardabweichungen der Punktwerte im Rahmen der Bewertung von Tatbeständen der Zinsschranke
Darüber hinaus weist das Antwortverhalten der Experten in Sachen Rechtsunsicherheit und Konfliktpotenzial ein recht hohes Maß an Übereinstimmung auf. Tabelle 6 zeigt, dass die jeweiligen Standardabweichungen der aggregierten Punktwerte meist deutlich unterhalb von 1 liegen. Die Standardabweichungen der rechtsformübergreifenden Mittelwerte befinden sich innerhalb einer Bandbreite von 0,43 und 1,14, wobei nur die Punktwerte von § 8a KStG eine vergleichsweise hohe Streuung aufweisen. Hinsichtlich Rechtsunsicherheit und Konfliktpotenzial sind die geringsten Bewertungsunterschiede beim Equity-Escape zu verzeichnen. Ganz überwiegend wird das Ausmaß der Rechtsunsicherheit als sehr hoch und das Konfliktpotenzial als hoch bis sehr hoch beurteilt. Es ist nicht verwunderlich, dass zwischen der Beurteilung der Rechtsunsicherheit und dem Konfliktpotenzial starke statistische Zusammenhänge bestehen. Die jeweiligen Punktwerte liegen sehr häufig nahe beieinander. So nimmt der Kontingenzkoeffizient (C) mit einer Ausnahme stets einen Wert von größer als 0,7 an.697 Nur beim Equity-Escape besteht eine vergleichsweise geringere statistische Abhängigkeit (C = 0,5).698 2.
Beratungsrelevanz
Aus der obigen Tabelle 5 (S. 224) geht ferner hervor, dass nach den Erfahrungen der Experten die Vorschriften zum Untergang des Zins- und EBITDA-Vortrags durchschnittlich die höchste Beratungsrelevanz aufweisen. Der rechtsformübergreifende Mittelwert liegt hier bei 2,89. Zugleich ist dessen Standardabweichung am niedrigsten – sie liegt bei 0,78. Der EquityEscape ist im Durchschnitt von zweithöchster Beratungsrelevanz (MW = 2,58), wobei die Punktevergabe hier stärker streut (ı = 1,07). Die EBITDA- und Zinssaldo-Ermittlung sowie der Stand-alone-Escape sind indes nur von mittlerer Beratungsrelevanz. Gleiches gilt für die Beratungsintensivität von § 8a KStG. Während die Punktwerte in Bezug auf den Grundtatbestand eine verhältnismäßig hohe Übereinstimmung aufweisen, streut die Beratungsrelevanz beim Stand-alone-Escape und § 8a KStG 697 698
Die jeweiligen Kontingenzkoeffizienten sind in Tabelle 15 (Anhang 4, S. 389) enthalten. Zum Kontingenzkoeffizienten des Equity-Escape ist jedoch anzumerken, dass bei der Bewertung von Rechtsunsicherheit und Konfliktpotenzial eine hohe Konzentration beim Punktwert 4 zu verzeichnen ist. So bewerten 4 Experten sowohl die Rechtsunsicherheit als auch das Konfliktpotenzial mit dem Wert 4.
226
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
stärker. Während einige Experten dem Stand-alone-Escape bzw. § 8a KStG eine hohe Beratungsrelevanz beimessen, stufen andere deren Relevanz als gering ein. Die Beratungspraxis ist diesbezüglich eher heterogen. Die Kontingenzkoeffizienten (Anhang 4, S. 389) verdeutlichen, dass die Beratungsrelevanz jeweils von der Rechtsunsicherheit und dem Konfliktpotenzial statistisch abhängig ist. Die Koeffizienten liegen stets oberhalb von 0,5. Zwischen Rechtsunsicherheit und Beratungsrelevanz bestehen besonders starke Zusammenhänge beim Stand-alone-Escape und § 8a KStG. Der Kontingenzkoeffizient nimmt hier jeweils einen Wert oberhalb von 0,8 an. Ähnliches gilt für die statistischen Zusammenhänge zwischen Konfliktpotenzial und Beratungsrelevanz. Die Kontingenzkoeffizienten liegen jeweils deutlich oberhalb von 0,5. Ein besonders starker Zusammenhang zwischen Konfliktpotenzial und Beratungsrelevanz ist bei § 8a KStG gegeben (C = 0,85). III. Rechtsform- bzw. organisationsformspezifische Bewertung der Tatbestände der Zinsschranke 1.
Gefühlte Rechtsunsicherheit
Tabelle 16 (Anhang 4, S. 389) kann entnommen werden, dass die Kapitalgesellschaft in puncto EBITDA-Ermittlung durchschnittlich die geringste Rechtsunsicherheit aufweist (MW = 1,67). Darüber hinaus wird beim Vergleich der einzelnen Punktewerte ersichtlich, dass die Kapitalgesellschaft von den Experten stets einen niedrigeren oder zumindest keinen höheren Punktwert als die übrigen Rechtsformen erhält.699 Auch die Ermittlung des EBITDA von Organkreisen wird von den Experten als mittelmäßig rechtsunsicher eingeschätzt (MW = 1,89). Nur zwei Experten stufen die Rechtsunsicherheiten bei der Organschaft höher ein als bei der Kapitalgesellschaft. Wie die niedrigen Standardabweichungen zeigen, ist das Antwortverhalten in Bezug auf Kapitalgesellschaft und Organschaft homogen. Trotz des in der Literatur geführten Meinungsstreits bei der Ermittlung des EBITDA von Personengesellschaften bewerten die Experten die Rechtsunsicherheit im Durchschnitt noch als mittelmäßig (MW = 2,44).700 Die Mittelwertbildung wird allerdings durch ein eher heterogenes Antwortverhalten beeinflusst (ı = 1,01). Im Durchschnitt wird der KGaA die höchste Rechtsunsicherheit bescheinigt (MW = 2,75). Darüber hinaus erhält die KGaA im Vergleich zu den übrigen Rechtsformen trotz eines eher heterogenen Antwortverhaltens (ı = 1,04) mit einer Ausnahme jeweils den höchsten bzw. keinen kleineren Punktwert. Die von den Experten empfundene hohe Rechtsunsicherheit bei der Ermittlung des EBITDA einer KGaA spiegelt die kontroversen Standpunkte im Schrifttum wider.701 699 700 701
Die einzelnen Punktwerte der Experten können Tabelle 16 jedoch nicht entnommen werden. Zu den Meinungsverschiedenheiten bei der EBITDA-Ermittlung einer Personengesellschaft vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.2.a, S. 109 ff. Vgl. hierzu Kapitel 1 – Abschn. B.I.2.c, S. 112 ff.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
227
Die Punktwerte zur Beurteilung von bestehenden Rechtsunsicherheiten bei der Ermittlung des Zinssaldos liegen zwar sehr dicht beieinander, dennoch kann eine Rangfolge nach dem Dominanzprinzip gebildet werden. Die Punktwerte der Personengesellschaft sind stets höher oder zumindest nicht geringer als diejenigen der anderen Rechtsformen. Mit anderen Worten dominiert die Personengesellschaft die übrigen Rechtsformen. Folglich erzielt die Personengesellschaft auch den höchsten Punktedurchschnitt (MW = 2,33), was insbesondere auf die Meinungsverschiedenheiten über die Zuordnung von Sonderbetriebszinsen zurückzuführen sein dürfte.702 Die zweitgrößte Rechtsunsicherheit weisen KGaA und Organschaft auf. Die abgegebenen Punktwerte für KGaA und Organschaft werden von den Experten jeweils gleich bewertet (MW = 2,0). Die Kapitalgesellschaft weist die niedrigste Rechtsunsicherheit auf (MW = 2,0). Obwohl sich die jeweiligen Punktedurchschnitte von Kapitalgesellschaft, KGaA und Organschaft nicht unterscheiden, belegt die Kapitalgesellschaft nach dem Dominanzprinzip den letzten Rang. Die durchweg niedrigen Standardabweichungen kennzeichnen ein homogenes Antwortverhalten. Die durchschnittlich vergebenen Punktwerte der Experten zeigen, dass die Anwendung des Stand-alone-Escape am problematischsten bei der KGaA eingeschätzt wird (MW = 2,63), dicht gefolgt von der Personengesellschaft, die einen Mittelwert von 2,56 aufweist. Der Organkreis liegt mit einem Punktedurchschnitt von 2,38 nur leicht vor der Kapitalgesellschaft (MW = 2,33). Mit Ausnahme eines Experten werden der Kapitalgesellschaft im Vergleich zu den anderen Rechtsformen aber jeweils die geringsten bzw. keine höheren Punktwerte zugewiesen. Mithin weist die Kapitalgesellschaft insgesamt die geringste Rechtsunsicherheit auf. Die Streuung der Punktwerte liegt rechtsformübergreifend in einer vergleichbaren Bandbreite (0,92 – 1,01). Angesichts des eher heterogenen Antwortverhaltens und vergleichbarer Mittelwerte können keine eindeutigen Rechtsformdifferenzierungen vorgenommen werden. Auch beim Equity-Escape sind rechtsformspezifische Aussagen schwierig. Zwar lassen sich die Rechtsformen nach dem Dominanzprinzip in eine Rangfolge bringen; da die Experten aber nur die Punktwerte 3 oder 4 vergeben, sind die Bewertungsabstände zwischen den Rechtsformen gering.703 Die Kapitalgesellschaft und die Organschaft dominieren die anderen Rechtsformen hinsichtlich der gefühlten Rechtsunsicherheit. Es ist überraschend, dass von einigen Experten die Rechtsunsicherheiten der Kapitalgesellschaft höher als bei der Organschaft eingeschätzt werden. Angesichts der Komplexitätssteigerung und der Vielzahl an Zweifelsfragen bei der Anwendung des Equity-Escape auf Organschaften lässt sich dies sachlich nicht erklären.704 Der höhere Mittelwert der Kapitalgesellschaft gegenüber der Organschaft darf aber nicht dahingehend interpretiert werden, dass durchschnittlich eine höhere 702 703 704
Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.a.i, S. 132 ff. Dementsprechend nimmt die Standardabweichung jeweils sehr geringe Werte an; sie schwankt um den Wert 0,5. Zu Zweifelsfragen bei der Anwendung des Equity-Escape auf Organkreise vgl. Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 752 ff.
228
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Rechtsunsicherheit bei Kapitalgesellschaften empfunden wird. Dies hat vielmehr berechnungstechnische Gründe, weil sich zwei Experten bei der Bewertung der Rechtsunsicherheiten der Organschaft enthalten haben. Ferner entzieht es sich einer sachlichen Begründung, dass die Rechtsunsicherheiten bei der Personengesellschaft und bei der KGaA teilweise geringer eingestuft werden als bei der Kapitalgesellschaft. Denn schließlich erweitert sich ebenfalls das Spektrum an Zweifelsfragen bei der Anwendung des Equity-Escape auf eine Personengesellschaft oder KGaA gegenüber der Anwendung auf eine (gewöhnliche) Kapitalgesellschaft.705 Der Expertenbewertung zufolge sind die Rechtsunsicherheiten von § 8a KStG bei der KGaA am größten (MW = 3,13). Auf Rang 2 folgt die Kapitalgesellschaft, die auch den zweithöchsten Punktedurchschnitt aufweist (MW = 3,11). Die Rechtsunsicherheiten werden bei der Organschaft im Durchschnitt noch als hoch eingestuft (MW = 3,0), während sie bei der Personengesellschaft nur als mittelmäßig empfunden werden (MW = 2,38). Das Antwortverhalten der Experten lässt in dieser Problemstellung auch keine klare Differenzierung zu, da ganz überwiegend rechtsformunabhängig die gleichen Punktwerte vergeben werden. Der vergleichsweise geringe Mittelwert der Personengesellschaft verwundert, da die im Schrifttum identifizierten Meinungsunterschiede eine hohe Rechtsunsicherheit anzeigen.706 Nach den Befragungsergebnissen ist die Anwendung der Vorschriften zum Untergang des Zinsvortrags (§§ 4h Abs. 5 EStG, 8c KStG) und des EBITDA-Vortrags (nur § 4h Abs. 5 EStG) wiederum bei der KGaA mit der größten Rechtsunsicherheit behaftet. Ihr werden von den Experten im Vergleich zu den anderen Rechtsformen stets höhere oder zumindest nicht niedrigere Punktwerte zugewiesen, weshalb ihr Mittelwert ebenfalls am größten ist (MW = 3,25). Eine weitergehende Rangfolge kann jedoch nicht gebildet werden. Die Organschaft erhält den zweithöchsten Punktedurchschnitt (MW = 3,0). Die Mittelwerte von Personen- und Kapitalgesellschaft liegen zwar gleich auf (MW = 2,67), allerdings deutet die höhere Standardabweichung der Personengesellschaft bereits an, dass ihre Mittelwertbildung im Vergleich zur Kapitalgesellschaft stärker von Ausreißern beeinflusst ist (1,0 vs. 0,71). So bewerten zwei Experten die Rechtsunsicherheiten bei Personengesellschaften mit der Maximalpunktzahl, während nur ein Experte der Kapitalgesellschaft den höchsten Punktwert zuordnet. Das Antwortverhalten hat mit Ausnahme der Punktwerte, die für die Personengesellschaft vergeben werden, einen eher homogenen Charakter. 2.
Konfliktpotenzial
Die rechtsformspezifische Auswertung des von den Experten empfundenen Konfliktpotenzials zeigt im Vergleich zur gefühlten Rechtsunsicherheit ein etwas einheitlicheres Bild. Wie 705 706
Zu den relevanten Zweifelsfragen beim Equity-Escape vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.II.2.c, S. 173 ff. Zu Anwendungsfragen von § 8a KStG auf Personengesellschaften vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.III.5, S. 201 ff.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
229
den Standardabweichungen aus Tabelle 17 (Anhang 4, S. 390) entnommen werden kann, weist das Antwortverhalten bis auf zwei Ausnahmen einen homogenen Charakter auf. Die Personengesellschaft nimmt bei der Beurteilung des Konfliktpotenzials von EBITDA- und Zinssaldo-Ermittlung sowie der Anwendung des Stand-alone-Escape eine dominierende Stellung ein. Sie belegt jeweils den vordersten Rangplatz, den sie sich allerdings mit der KGaA bei der EBITDA-Ermittlung teilen muss. Diesbezüglich wird das Konfliktpotenzial für beide Rechtsformen als hoch eingeschätzt, während die Streitanfälligkeit bei der Kapitalgesellschaft und der Organschaft nur als mittelmäßig bewertet werden. Die KGaA und Organschaft liegen in puncto Zinssaldo-Ermittlung und Stand-alone-Escape gleich auf. Rechtsformübergreifend wird die Ermittlung des Zinssaldos als mittelmäßig konfliktträchtig beurteilt. Hinsichtlich des Stand-alone-Escape wird das Konfliktpotenzial jedoch nur bei der Kapitalgesellschaft als mittelmäßig bewertet; die übrigen Rechtsformen erhalten jeweils hohe Mittelwerte. Insgesamt weist die Kapitalgesellschaft bei allen drei genannten Tatbeständen das niedrigste Konfliktpotenzial auf. Denn wie die Rangplätze zeigen, sind die Punktwerte der Kapitalgesellschaft stets niedriger oder zumindest nicht höher als die Punktwerte der übrigen Rechtsformen. Betreffend den Equity-Escape, § 8a KStG und die Vorschriften zum Untergang des Zins- und EBITDA-Vortrags wird das Konfliktpotenzial rechtsformübergreifend als hoch bewertet. Eine rechtsformbezogene Rangbildung ist nicht möglich. Die Kapitalgesellschaft weist beim Equity-Escape und bei § 8a KStG jeweils die höchsten und die KGaA die zweithöchsten Durchschnittswerte auf. Bei den Vorschriften zum Untergang von Zins- und EBITDA-Vortrag ist der KGaA der höchste Mittelwert vorbehalten, gefolgt von der Personengesellschaft und Organschaft; die Kapitalgesellschaft weist hier den geringsten Mittelwert auf. 3.
Beratungsrelevanz
Die praktischen Erfahrungen mit den Tatbeständen der Zinsschranke bei unterschiedlichen Rechtsformen sind überwiegend heterogen. Aus Tabelle 18 (Anhang 4, S. 391) wird ersichtlich, dass die Standardabweichungen überwiegend oberhalb von 1 liegen. Den Punktwerten kann entnommen werden, dass sich die praktische Beratungstätigkeit der Experten auf die Kapitalgesellschaft und Organschaft konzentriert. Die Kapitalgesellschaft erweist sich innerhalb von Fragen zum Zinssaldo und dem Stand-alone-Escape als eine dominierende Rechtsform. Ferner erhält sie bei § 8a KStG und den Vorschriften zum Untergang des Zins- und EBITDA-Vortrags gemeinsam mit der Organschaft durchschnittlich die höchsten Punktwerte. Die Organschaft ist in Bezug auf den Equity-Escape dominant. Ferner erzielt sie bei § 8a KStG einen vergleichsweise hohen Punktedurchschnitt.
230
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Die Beratungsrelevanz der Personengesellschaft ist insbesondere bei der EBITDA-Ermittlung und dem Stand-alone-Escape stark ausgeprägt. Bei letzterem wird ihr gemeinsam mit der Kapitalgesellschaft eine dominierende Stellung zugemessen. Tatbestandsübergreifend kann festgehalten werden, dass die KGaA in der Beratungspraxis der Experten nur von untergeordneter Bedeutung ist; sie erzielt durchweg die niedrigsten Mittelwerte. Gleichwohl ist zu beachten, dass sie ebenfalls die höchste Standardabweichung aufweist. Die Mittelwertbildung ist hier stark durch Extremwerte gekennzeichnet. Während für die einen die KGaA von großer Beratungsrelevanz ist, spielt sie für die anderen keine Rolle. IV. Bewertung von ausgewählten Zweifelsfragen der Zinsschranke Die nachfolgend diskutierten Auslegungsfragen und Auswertungsergebnisse beziehen sich auf Tabelle 19 und Tabelle 20 von Anhang 5 (S. 392 f.). 1.
Betriebsdefinition
Im Schrifttum konnten zwei Interpretationslinien zur Belebung des Betriebsbegriffs der Zinsschranke identifiziert werden. Nach beiden Argumentationen bedarf es zur Anwendung der Zinsschranke einer Gewinneinkunftsart. Im Unterschied zu der einkunftsartabhängigen Begriffsauslegung erfordert das funktionale und tätigkeitsbezogene Betriebsverständnis jedoch zusätzlich noch die Erfüllung sachlicher und persönlicher Merkmale. Die Finanzverwaltung hat ihre Linie noch nicht eindeutig zu erkennen gegeben.707 Im Durchschnitt bewerten die Experten die Rechtsunsicherheit, das Konfliktpotenzial und die Beratungsrelevanz als mittelmäßig, wobei das Antwortverhalten eher heterogener Natur ist. Die von den Experten ausgesprochenen Beratungsempfehlungen spiegeln überaus deutlich die herrschende Literaturmeinung wider. Denn 7 von 8 Experten gehen davon aus, dass es zur Erfüllung des Betriebsbegriffs genügt, wenn Gewinneinkünfte erzielt werden. Nur ein Experte spricht sich für die funktionale und tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise aus. Gleichwohl geben die Experten zu erkennen, dass ihre Beratungsempfehlung individuell auf den bzw. mit dem Mandanten abgestimmt ist. 2.
EBITDA-Ermittlung
a.
EBITDA-Kaskade bei Mitunternehmerschaften
Die Finanzverwaltung möchte den Ergebnisanteil aus der Beteiligung an einer Mitunternehmerschaft nicht nochmals bei der EBITDA-Ermittlung des Mitunternehmers berücksichtigen. Im Schrifttum ist jedoch die gegenteilige Auffassung vorherrschend, da eine Kürzungsvor-
707
Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.1, S. 102 ff.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
231
schrift analog zu § 9 Nr. 2 GewStG im Normengefüge der Zinsschranke nicht vorgesehen ist.708 In Anbetracht des großen Gestaltungspotenzials durch die Hintereinanderschaltung von Mitunternehmerschaften ist es nicht verwunderlich, dass die Experten die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial als hoch einstufen. In der praktischen Beratungstätigkeit der Experten ist dieses Auslegungsproblem aber nur von mittlerer Relevanz, wenngleich die Mittelwertbildung überwiegend durch hohe und niedrige Punktwerte beeinflusst ist. Die Ergebnisse zeigen, dass die Experten überwiegend eine verwaltungstreue Beratungsempfehlung aussprechen. Denn mehrheitlich wird bei der Ermittlung des EBITDA von mehrgliedrigen Mitunternehmerschaften empfohlen, das EBITDA der Mitunternehmerschaft aus dem EBITDA des Mitunternehmers herauszurechnen. Dennoch wird in Abhängigkeit von und in Absprache mit dem Mandanten auch eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. b.
Gewinnanteil eines KGaA-Komplementärs
Die Finanzverwaltung trennt im Rahmen der EBITDA-Ermittlung nicht zwischen kapitalistischer und personalistischer Sphäre der KGaA. Vielmehr fasst sie beide Sphären in einem Zinsschranken-Betrieb zusammen. Von der Gegenmeinung wird die Auffassung vertreten, dass der Gewinnanteil des Komplementärs aus dem Betrieb der KGaA herauszulösen und dem (eigenen) Betrieb des Komplementärs zuzuordnen sei.709 In Einklang mit den Ergebnissen aus dem allgemeinen Frageblock II bewerten die Experten die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial dieser Streitfrage im Durchschnitt mit hohen Punktwerten. Gleichwohl ist diese konkrete Zweifelsfrage nur für wenige Experten von praktischer Bedeutung. Die Auswertung der präferierten Beratungsempfehlungen der Experten spiegelt die Situation im Schrifttum trefflich wider. Während 3 Experten eine Erfassung des Gewinnanteils im Betrieb der KGaA bevorzugen, sprechen sich ebenfalls 3 Experten für eine Erfassung im Betrieb des Komplementärs aus. Bereits die Auswertung des Schrifttums ließ keine Meinungsführerschaft erkennen. Zudem weichen die Experten tendenziell nicht von ihrer bevorzugten Beratungsempfehlung ab, weshalb das gewonnene Befragungsergebnis als stabiles Unentschieden gewertet werden kann.
708 709
Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.2.a, S. 109 ff. Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.2.c, S. 112 ff.
232
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
3.
Zinssaldoermittlung
a.
Zinssurrogate
In der Literatur werden zur Optimierung des Zinssaldos Gestaltungsinstrumente wie z. B. Zinsswaps oder die Wertpapierleihe vorgeschlagen, mittels derer originäre Zinsaufwendungen in andere Aufwendungen substituiert bzw. Zinserträge generiert werden könnten.710 Dem Zinsschrankenerlass kann entnommen werden, dass die Finanzverwaltung solchen Gestaltungen durchaus kritisch gegenübersteht.711 Die Experten sind sich einig darin, dass die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial in Bezug auf Zinssurrogate hoch einzustufen ist. Die Beratungsrelevanz zeigt zwar kein einheitliches Bild, dennoch sind diese Themen überwiegend von großer Bedeutung für die praktische Tätigkeit der Experten. Die gesteigerte Rechtsunsicherheit und Beratungsrelevanz kommen auch in den Punktwerten zur Beratungsempfehlung zum Ausdruck. Zwar werden Zinssurrogate mehrheitlich als Gestaltungsinstrument empfohlen, gleichwohl wird die Beratungsempfehlung in starkem Maße von dem Mandanten abhängig gemacht. b.
Ab- und Aufzinsung
Zwar werden von der Zinsschranke auch Aufwendungen und Erträge aus der Auf- oder Abzinsung von Kapitalverbindlichkeiten bzw. Kapitalforderungen erfasst (§ 4h Abs. 3 S. 4 EStG), jedoch möchte die Finanzverwaltung Abzinsungsaufwendungen bzw. Abzinsungserträge beim erstmaligen Ansatz einer (unverzinslichen) Verbindlichkeit bzw. Forderung mit ihrem Barwert aus dem Zinsbegriff der Zinsschranke aussparen. Demgegenüber wird im Schrifttum einhellig die Auffassung vertreten, dass Aufwendungen und Erträge aus der Aufoder Abzinsung unbahängig von der Erst- oder Folgebewertung unter die Zinsschranke fallen.712 Die Ab- bzw. Aufzinsungsproblematik ist nach einheitlicher Auffassung der Experten von hoher Beratungsrelevanz und wird von einer hohen Rechtsunsicherheit überschattet. Ebenfalls wird das Konfliktpotenzial überwiegend als hoch eingestuft. Vor diesem Hintergrund erscheint es nachvollziehbar, dass die Befragungsergebnisse nicht so eindeutig ausfallen wie die herrschende Literaturmeinung. Die Berücksichtigung von Ab- und Aufzinsungserträgen bzw. -aufwendungen stellt nämlich nur mit knapper Mehrheit die bevorzugte Beratungsempfehlung der Experten dar. Ferner wird die Beratungsempfehlung in hohem Maße von der Individualität des Mandanten abhängig gemacht.
710 711 712
Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.c, S. 124 ff. sowie Teil III – Kapitel 2, S. 285 (Fn. 21). Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 24. Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.d, S. 125 f.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
c.
233
Gesellschafterfremdfinanzierung durch ausländische Mitunternehmer
In der Literatur stehen sich zwei gegensätzliche Auffassungen gegenüber, ob Zinszahlungen einer inländischen Mitunternehmerschaft an einen ausländischen Mitunternehmer vom Zinsbegriff der Zinsschranke erfasst werden. Den Ausführungen im Zinsschrankenerlass kann entnommen werden, dass die Finanzverwaltung nur Zinszahlungen an inländische Mitunternehmer – aufgrund des nationalen Mitunternehmerkonzepts – vom Zinsbegriff der Zinsschranke ausnehmen möchte. Offenbar sollen Zinszahlungen an ausländische Mitunternehmer – trotz Mitunternehmerkonzept – vom Zinsbegriff der Zinsschranke erfasst werden. Demgegenüber wird im Schrifttum mehrheitlich die Auffassung vertreten, dass die Zinsaufwendungen nicht den Zinsbegriff der Zinsschranke erfüllen.713 Die genannte Problematik weist nach der überwiegenden Einschätzung der Experten ein hohes Konfliktpotenzial auf. Des Weiteren befinden sich Rechtsunsicherheit und Beratungsrelevanz auf einem mittleren Niveau. Die Experten empfehlen überwiegend die Auffassung der Finanzverwaltung und sprechen sich für eine Berücksichtigung von Zinszahlungen an ausländische Mitunternehmer aus. Zudem wird die verwaltungstreue Beratungshaltung nur in schwachem Maße an den individuellen Verhältnissen des Mandanten ausgerichtet. Auffällig ist, dass diejenigen Experten, deren bevorzugte Beratungsempfehlung von der Auffassung der Finanzverwaltung abweicht, ihre Empfehlung überwiegend vom Mandanten abhängig machen. 4.
Zinsvortrag
a.
Verteilung nicht abziehbarerer Zinsen bei Mitunternehmerschaften
Die Zurechnung von nicht abziehbaren Zinsaufwendungen bei Mitunternehmerschaften ist ungeklärt. Die Finanzverwaltung bestimmt im Zinsschrankenerlass gesellschaftsbezogene Rechtsfolgen der Zinsschranke und verteilt die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen unabhängig von ihrer Verursachung nach dem Gewinnverteilungsschlüssel auf die Mitunternehmer. Diese Auffassung wird zwar von einer Vielzahl von Autoren im Schrifttum geteilt, dennoch wird von einer ebenbürtigen Anzahl an Literaturstimmen eine verursachungsgerechte bzw. gesellschafterbezogene Verteilung für zutreffend erachtet.714 Die Ergebnisse der Expertenbefragung bestätigen die Kontroverse in der Literatur über die sachgerechte Verteilung von nicht abziehbaren Zinsaufwendungen. Obwohl die Finanzverwaltung eine vielfach im Schrifttum befürwortete Rechtsauffassung vertritt, werden die Rechtsunsicherheiten und das Konfliktpotenzial überwiegend hoch eingestuft. Für die Bera-
713 714
Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.f, S. 129 ff. Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.a.i, S. 132 ff.
234
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
tungspraxis der überwiegenden Anzahl an Experten ist diese Frage allerdings von nicht so großer Bedeutung. Im Gegensatz zu der Auffassung der Finanzverwaltung empfehlen die Experten ihren Mandanten mehrheitlich eine verursachungsgerechte Verteilung der nicht abziehbaren Zinsaufwendungen, wodurch das hohe Konfliktpotenzial erklärt werden kann. Diese konfliktanfällige Beratungsempfehlung wird in der Tendenz mandantenunabhängig ausgesprochen. Demgegenüber ist bemerkenswert, dass zwei von drei Experten, deren bevorzugte Beratungsempfehlung mit der Auffassung der Verwaltung übereinstimmt, ihre Empfehlung in starkem Maße an den individuellen Verhältnissen des Mandanten ausrichten. b.
Auswirkungen einer Teilbetriebsveräußerung und der Aufhebung eines Organschaftsverhältnisses auf den Zinsvortrag
Die von der Finanzverwaltung im Zinsschrankenerlass vertretene Auffassung zum (partiellen) Untergang eines Zinsvortrags im Falle einer Teilbetriebsveräußerung oder der Aufhebung eines Organschaftsverhältnisses hat im Schrifttum eine deutliche Ablehnung erfahren.715 Dementsprechend stufen die Experten die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial auch ganz überwiegend hoch ein. Vor dem Hintergrund der zahlreichen und heftigen Kritik an der Verwaltungsmeinung erklärt sich auch die hohe Beratungsrelevanz dieser Zweifelsfrage. Die bevorzugte Beratungsempfehlung der Experten weicht mit einer Ausnahme von der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung ab. Trotz des hohen Konfliktpotenzials der Beratungsempfehlung liegt die Mandantenabhängigkeit des Beratungsansatzes nur auf einem mittleren Niveau. 5.
EBITDA-Vortrag und Zinsertragsüberschuss
Aus informellen Quellen wird berichtet, dass Vertreter der Finanzverwaltung die Entstehung eines EBITDA-Vortrags ablehnen, wenn der betreffende Betrieb einen Überschuss an Zinserträgen aufweist. Im Schrifttum wird jedoch mehrheitlich davon ausgegangen, dass der Gesetzeswortlaut die Entstehung eines EBITDA-Vortrags in diesem Fall zulässt.716 Die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial dieser Frage werden von den Experten überwiegend hoch eingeschätzt, wenngleich ihr nur eine mittlere bis schwache Beratungsrelevanz bescheinigt wird. Die Experten präferieren unisono die Auffassung, dass ein Zinsertragsüberschuss nicht die Bildung eines EBITDA-Vortrags verhindert. In der Tendenz wird diese Beratungsempfehlung
715 716
Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.b.ii.(I), S. 147 ff. Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.5.a, S. 152.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
235
mandantenunabhängig ausgesprochen. Nur eine Minderheit richtet ihre Beratungsempfehlung an den Verhältnissen des Mandanten aus. 6.
Equity-Escape
a.
Konsolidierungskreis bei Beherrschung mehrerer Konzerne durch nicht konsolidierungspflichtigen Rechtsträger
Wenn mehrere handelsrechtliche Konzerne von einem Rechtsträger beherrscht werden, der nicht konsolidierungsfähig oder konsolidierungspflichtig ist, wird in der Literatur die Frage aufgeworfen, ob aufgrund des weiten steuerlichen Konzernverständnisses die separaten handelsrechtlichen Konzernabschlüsse allein für Zwecke des Equity-Escape zu konsolidieren sind. Es wird überwiegend eine horizontale Konsolidierung bzw. additive Zusammenrechnung von sämtlichen gleichgeordneten Konzernen befürwortet. Zum Teil wird aber auch eine Vollkonsolidierung nach allgemeinen Regeln auf den beherrschenden Rechtsträger in Betracht gezogen. Demgegenüber lassen sich auch Argumente vorbringen, die die Notwendigkeit einer steuerlichen Konsolidierung widerlegen. Die Finanzverwaltung nimmt im Zinsschrankenerlass hierzu nicht explizit Stellung.717 Im Durchschnitt ist die Frage der steuerlichen Konsolidierung von gleichgeordneten Konzernen mit großer Rechtsunsicherheit und hohem Konfliktpotenzial behaftet. Ferner ist dieses Thema für die meisten Experten von hoher Beratungsrelevanz. Hinsichtlich der bevorzugten Beratungsempfehlung sind sich die Experten uneins. Zu gleichen Teilen wird eine Konsolidierung befürwortet bzw. abgelehnt. Diese Pattsituation charakterisiert den Schwebezustand, in dem sich Berater und Unternehmen befinden. Mangels eindeutiger Positionierung der Finanzverwaltung kann eine deklarationssichere Beratungsempfehlung nicht ausgesprochen werden. Dieser Zustand wird durch das uneinheitliche Meinungsspektrum in der Literatur zusätzlich verschärft. b.
Teilkonzernkonsolidierung von Organgesellschaften im ersten Organschaftsjahr
Damit der Equity-Escape auf einen Organkreis angewendet werden kann, ist die Erstellung eines separaten organschaftlichen Teilkonzernabschlusses erforderlich, in dem nur die Organkreismitglieder konsolidiert werden. In zeitlicher Hinsicht ist jedoch unklar, ob auch Organgesellschaften, die am letzten Bilanzstichtag noch nicht zum Organkreis zählten, in den organschaftlichen Konsolidierungskreis aufgenommen werden können.718 Die Finanzbehörden haben sich zu diesem Problem noch nicht geäußert.
717 718
Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.II.2.b.i, S. 170 ff. Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.II.2.d, S. 184 ff. m. w. N. (Fn. 519).
236
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Auch diese Zweifelsfrage erhält in Sachen Rechtsunsicherheit und Beratungsrelevanz durchschnittlich hohe Punktwerte. Das Konfliktpotenzial wird im Schnitt allerdings nur als mittelmäßig bewertet. Während das Antwortverhalten in Bezug auf die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial in der Tendenz einheitlich ist, schwanken die Punktwerte zur Beratungsrelevanz stärker. Von den Experten wird mehrheitlich die Beratungsempfehlung bevorzugt, dass Organgesellschaften auch im ersten Organschaftsjahr in den Teilkonzernabschluss einbezogen werden können. Diese Empfehlung wird eher selten von den Verhältnissen des Mandanten abhängig gemacht. Wenngleich sich nur wenige Literaturbeiträge mit dieser Frage auseinandersetzen, bestärkt das Befragungsergebnis die im Schrifttum vertretene Auffassung. 7.
Gesellschafterfremdfinanzierung
a.
Einzel- vs. Gesamtbetrachtung
Die herrschende Literaturmeinung und die Finanzverwaltung vertreten bei der Ermittlung von schädlichen Zinszahlungen an wesentlich beteiligte Gesellschafter, diesen Nahestehende oder rückgriffsberechtigte Dritte die Auffassung, dass Zinszahlungen an mehrere Personen des schädlichen Personenkreises von § 8a KStG zusammenzurechnen sind (Gesamtbetrachtung). Die Gegenmeinung befürwortet indes eine jeweils personenbezogene Prüfung von § 8a Abs. 2 bzw. Abs. 3 KStG (Einzelbetrachtung).719 Die Rechtsunsicherheit, das Konfliktpotenzial und die Beratungsrelevanz werden von den Experten mehrheitlich mit niedrigen Punktwerten versehen. Diese Beurteilung steht in Einklang mit der mehrheitlich bevorzugten Beratungsempfehlung, die nämlich der Rechtsauffassung der Finanzverwaltung bzw. der herrschenden Meinung entspricht und tendenziell mandantenunabhängig ausgesprochen wird. b.
Behandlung des Zinsvortrags im Rahmen von § 8a KStG
Nach herrschender Literaturmeinung ist der Zinsvortrag auch dann nicht bei der Ermittlung von schädlichen Zinsaufwendungen des § 8a KStG zu berücksichtigen, wenn er aufgrund von nicht abziehbaren Zinszahlungen an wesentlich Beteiligte, diesen Nahestehende oder Rückgriffsberechtigte entstanden ist. Eine klarstellende Positionierung der Finanzverwaltung steht in dieser Frage aus.720 Die Experten stufen die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial dieser Problemstellung im Durchschnitt als mittelmäßig ein. Mehrheitlich werden niedrige Punktwerte vergeben.
719 720
Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.III.2.b, S. 194. Vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.III.3, S. 200.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
237
Ebenso ist diese Frage für die praktische Beratungstätigkeit der Experten nur von geringer Bedeutung. Ferner bestätigt das Expertenvotum die im Schrifttum mehrheitlich vertretene Rechtsauffassung, dass der Zinsvortrag im Rahmen der Vergleichsgrößenermittlung des § 8a KStG nicht zu berücksichtigen sei. In der Tendenz wird an der bevorzugten Beratungsempfehlung unabhängig von den Mandantenverhältnissen festgehalten. 8.
Zwischenergebnis
Zu sieben von den hier diskutierten 13 Zweifelsfragen hat sich die Finanzverwaltung im Zinsschrankenerlass geäußert. In vier von sieben Fällen weicht die mehrheitliche Beratungsempfehlung von der Verwaltungsauffassung ab.721 In einem Fall (Gewinnanteil des KGaAKomplementärs) ist das Votum der Experten unentschieden. Nur bei zwei Auslegungsfragen liegt die mehrheitlich bevorzugte Beratungsempfehlung auf einer Linie mit der Finanzverwaltungsmeinung (EBITDA-Kaskade und Betrachtungsweise bei § 8a KStG). Hier ist allerdings anzumerken, dass die von der Finanzverwaltung zu § 8a KStG vertretene Auffassung mit der herrschenden Literaturmeinung übereinstimmt. Bemerkenswert ist das Expertenvotum aber hinsichtlich der EBITDA-Kaskade. Denn nur in dieser Frage spricht sich die Mehrheit der Experten gegen die herrschende Literaturmeinung aus, was bei sonst keiner der übrigen zwölf Zweifelsfragen beobachtet werden kann. Vielmehr empfiehlt die Mehrheit der Experten in zehn von 13 Problemfällen ihren Mandanten eine Rechtsauslegung, die der herrschenden Literaturmeinung entspricht. Nur bei zwei Fragestellungen ist das Votum unentschieden (Gewinnanteil des KGaA-Komplementärs und Konsolidierungskreis von gleichgeordneten Konzernen).722 Sofern man sich aber von den einzelnen Fragestellungen und dem Mehrheitsvotum löst und einfach die Fälle durchzählt, in denen die Experten eine verwaltungskonforme Beratungsempfehlung aussprechen, wird deutlich, dass in 24 Fällen eine Beratungsempfehlung ausgesprochen wird, die der Auslegung im Zinsschrankenerlass entspricht. Die Anzahl an Beratungsempfehlungen, die dem Zinsschrankenerlass widersprechen, liegt mit 28 Fällen nur leicht darüber. Insgesamt ist das Verhältnis von konfliktfreien und konfliktanfälligen Beratungsempfehlungen nahezu ausgeglichen.
721
722
Zu den vier Fällen zählen die die Ab- und Aufzinsungsproblematik, die Gesellschafterfremdfinanzierung durch ausländische Mitunternehmer, Verteilung nicht abziehbarer Zinsen bei Mitunternehmerschaften und die Auswirkungen von Teilbetriebsveräußerungen. Hierbei handelt es sich um Fragestellungen, zu denen sich im Schrifttum noch keine herrschende Meinung herausgebildet hat.
238
V.
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Motive der Beratungsempfehlungen
Die im Vorabschnitt durchgeführte Auswertung von Zweifelsfragen hat gezeigt, dass die Experten mehrheitlich von der im Zinsschrankenerlass vertretenen Auffassung abweichen und ihren Mandanten bevorzugt eine Rechtsauslegung empfehlen, die mit der herrschenden Meinung im Schrifttum übereinstimmt. Sofern die Mandanten diesen Beratungsempfehlungen folgen, sind Auseinandersetzungen mit den Finanzbehörden vorprogrammiert. Vielfach werden aber auch verwaltungskonforme Beratungsempfehlungen ausgesprochen, die das Konfliktpotenzial auf ein Minimum reduzieren. Allerdings lässt sich bereits anhand der Punktedurchschnitte zur Mandantenabhängigkeit der Beratungsempfehlung erahnen, dass die Beratungsempfehlung mit den Mandanten abgestimmt ist und in Abhängigkeit von der Konfliktscheue bzw. -freude des Mandanten mit der Verwaltungsmeinung übereinstimmen bzw. von ihr abweichen kann.723 1.
Verwaltungskonforme Beratungsempfehlung
Die vorherrschenden Gründe, die die Experten zur Empfehlung einer verwaltungskonformen Rechtsauslegung bewegen, liegen in der Vermeidung von zusätzlichen Beratungs- und Prozesskosten sowie der Erhöhung der Planungssicherheit der Mandanten begründet (vgl. Tabelle 7, S. 238). Vermeidung von Beratungs- und Prozesskosten Erhöhung der Planungssicherheit Geringe Erfolgsaussichten der Gegenmeinung in Gerichtsverfahren Zustimmung zur Auffassung der Finanzverwaltung Gutes und möglichst konfliktfreies Verhältnis zu Finanzbehörden
MW 3,25 3,13
Std 0,46 0,99
1,75
1,04
1,25
1,39
1,13
1,13
Tabelle 7: Motive für eine verwaltungskonforme Beratungsempfehlung
Eindeutig ist das Expertenvotum auch dahingehend, dass geringe Erfolgsaussichten in Finanzgerichtsprozessen kein bedeutsames Motiv für die Empfehlung der Verwaltungsmeinung darstellen. Denn mit einer Ausnahme werden hier nur Punktwerte unterhalb von 3 vergeben. Die Zustimmung der Experten zu der Verwaltungsmeinung ist ganz überwiegend schwach ausgeprägt. Mit einer Ausnahme werden nur Punktwerte von 2 oder weniger vergeben. Ferner bestehen zwischen der bevorzugten Beratungsempfehlung und der Stärke der Zustimmung zur Verwaltungsmeinung keine bedeutsamen statistischen Zusammenhänge (C = 0,21). Mithin kann die Empfehlung einer verwaltungskonformen Rechtsauslegung nicht darauf zurückge723
Vgl. die überwiegend mittlere Wertausprägung der Punktedurchschnitte für die Mandantenabhängigkeit der Beratungsempfehlung in Tabelle 20 von Anhang 5, S. 393.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
239
führt werden, dass die Experten in sachlicher Hinsicht die Auffassung im Zinsschrankenerlass teilen. Die geringste Zustimmung erfährt das Motiv, dass die Experten ihren Mandanten deshalb eine verwaltungskonforme Auffassung empfehlen, um ein gutes und konfliktfreies Verhältnis mit den Finanzbehörden aufrechtzuerhalten. Mit einer Ausnahme werden für dieses Argument nur niedrige Punktwerte vergeben. Insgesamt lassen die Befragungsergebnisse die Schlussfolgerung zu, dass eine verwaltungskonforme Beratungsempfehlung nur in Ausnahmefällen auf eine sachliche Akzeptanz der Verwaltungsmeinung im Zinsschrankenerlass zurückgeführt werden kann. Das Streben nach Rechtssicherheit und Kostenvermeidung sind eindeutig die vorherrschenden Motive, die eine verwaltungstreue Beratungsempfehlung begünstigen. 2.
Verwaltungsinkonforme Beratungsempfehlung
Der nachstehenden Tabelle kann entnommen werden, dass die Experten davon ausgehen, dass sie ihre verwaltungsinkonforme Rechtsauffassung in Verhandlungen mit den Finanzbehörden – trotz Zinsschrankenerlass – durchsetzen können. MW
Std
Durchsetzung der abweichenden Auffassung in Verhandlungen mit den Finanzbehörden
2,94
0,56
In Abhängigkeit eines anhängigen Gerichtsverfahrens Einspruchsmöglichkeit wahren
2,81
0,65
2,38
0,92
1,25
0,71
1,25
1,04
Bereitschaft, die vertretene Rechtsauffassung einzuklagen Verhandlungsbereitschaft zur nachträglichen Anpassung der vertretenen Auffassung Abwarten bis zum Aufgriff der Zweifelsfrage durch Finanzbeamten Tabelle 8: Motive für eine verwaltungsinkonforme Beratungsempfehlung
Diese einhellig von den Experten abgegebene Beurteilung ist bemerkenswert und voraussichtlich auch auf das Renommee und die Erfahrung der Experten zurückzuführen. Dieses Bewertungsergebnis zeigt aber auch, dass die Experten im Falle einer verwaltungsinkonformen Beratungsempfehlung offenbar die stärkeren Argumente auf ihrer Seite zu glauben wissen, von denen sie auch die Finanzbehörden überzeugen werden. Ein weiteres wichtiges Motiv, von der Verwaltungsmeinung abzuweichen, stellt die Wahrung der Einspruchsmöglichkeit dar. Diese Möglichkeit wird von anhängigen Gerichtsverfahren abhängig gemacht. Die Experten gehen nämlich davon aus, dass zu einer Vielzahl von Zweifelsfragen in naher Zukunft Gerichtsverfahren geführt werden (vgl. Abschn. A.VI, S. 240). Es soll die Chance gewahrt werden, von den mitunter positiven Folgen eines Gerichtsurteils profitieren zu können.
240
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Die Klagebereitschaft ist für die Mehrheit der Experten mittelmäßig ausgeprägt, allerdings deutlich stärker als die Bereitschaft, die vertretene Rechtsauffassung in Verhandlungen mit den Finanzbehörden nachträglich anzupassen. Die Auswertung der Punktwerte ergibt, dass die Klagebereitschaft die Anpassungsbereitschaft dominiert. Eine verwaltungsinkonforme Rechtsauffassung wird eher eingeklagt, als dass sich der Auffassung im Zinsschrankenerlass gebeugt wird. Ein taktisches Deklarationsverhalten, das den Aufgriff einer Zweifelsfrage durch die Finanzbeamten abwartet, wird von der Mehrheit der Experten als tendenziell unzutreffendes Motiv bewertet. Bei der Expertenbefragung wurde implizit unterstellt, dass eine Abweichung von der Verwaltungsmeinung nur dann empfohlen wird, wenn sie zum Vorteil des beratenden Mandanten reicht und mit hoher Wahrscheinlichkeit in Gerichtsverfahren durchgesetzt werden kann.724 Die Befragungsergebnisse sind konsistent mit den impliziten Annahmen. Die durchschnittlich hohen Punktwerte für die Überlegenheit in Verhandlungen mit den Finanzbehörden und für die Klagebereitschaft zeigen, dass die Experten die Überzeugungskraft einer abweichenden Rechtsauffassung als hoch einstufen, wissend, dass sie die herrschende Literaturmeinung als Argumentationshilfe heranziehen können.725 Diese Einschätzung kommt auch in den überwiegend niedrigen Punktwerten für das im Vorabschnitt diskutierte Motiv der geringen Erfolgsaussichten einer verwaltungsinkonformen Rechtsauffassung zum Ausdruck. VI. Erfahrungen mit den Finanzbehörden und Prognose gerichtlicher Verfahren Laut den ausgewerteten Fragebögen haben nur zwei Experten verbindliche Auskünfte zur Klärung von Auslegungsfragen bei der Zinsschranke eingeholt. Inhaltlich befassen sich die Anfragen mit Themen zum Untergang des Zinsvortrags sowie der Abgrenzung von Zinsaufwendungen von sonstigen Aufwendungen. Nur teilweise haben die Finanzbehörden Auskünfte zu den gestellten Anfragen erteilt. Zudem wurde angemerkt, dass die Auskunftsbereitschaft der Finanzbehörden im Süden der Republik stärker ausgeprägt ist als im Norden. Insgesamt erweckt die Befragung den Eindruck, dass die verbindliche Auskunft nicht als ein besonders wirksames Instrument angesehen wird, um bestehende Rechtsunsicherheiten bei der Zinsschranke abzumildern. Anhand von Tabelle 21 (Anhang 6, S. 394) kann nachvollzogen werden, dass die Experten davon ausgehen, dass mit einer Ausnahme sämtliche der hier diskutierten Zweifelsfragen bei Finanzgerichten anhängig sein werden. Während die Experten ganz überwiegend nur ihre Erwartungen über zukünftige Verfahren kundtun, gibt ein Experte zu erkennen, dass er siche724 725
Aufgrund der Sensibilität des Themas wurde nicht nach steuergestalterischen Motiven gefragt (z. B. aggressiver oder eher konservativer Beratungsansatz). Mehrheitlich bevorzugen die Experten eine Beratungsempfehlung, die der herrschenden Literaturmeinung entspricht; vgl. Abschn. A.8, S. 237.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
241
re Kenntnis über ein bereits anhängiges Verfahren hat. Bei dem anhängigen Verfahren geht es um das Problem der Betrachtungsweise im Rahmen von § 8a KStG. Hierzu hat das niedersächsische Finanzgericht bereits einem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung aufgrund ernstlicher Zweifel an der Verwaltungsmeinung im Zinsschrankenerlass stattgegeben.726 Anhand des herrschenden Meinungsstands im Schrifttum und dem Expertenvotum müsste das anhängige Verfahren zugunsten der Finanzverwaltung ausfallen, denn mehrheitlich wird sowohl vonseiten der Literatur als auch von den Experten eine Gesamtbetrachtung für die richtige Rechtsbeurteilung erachtet. Die Experten erwarten vorwiegend zu Zweifelsfragen anhängige Gerichtsverfahren, die im Zinsschrankenerlass angesprochen werden. Auffallend häufig werden die EBITDA-Kaskade bei Mitunternehmerschaften, die Ab- und Aufzinsungsproblematik, die Gesellschafterfremdfinanzierung durch ausländische Mitunternehmer, die Auswirkungen der Veräußerung von Teilbetrieben und die Betrachtungsweise bei § 8 KStG als erwartete Gerichtsverfahren genannt. Von den nicht im Zinsschrankenerlass explizit diskutierten Problemstellungen ragt die Auslegung des Betriebsbegriffs heraus. Dies ist im Vergleich zu anderen Problemstellungen bemerkenswert, weil die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial der Betriebsdefinition von den Experten nur mittelmäßig eingestuft werden.727 Im Rahmen der freien Anmerkungen gaben die Experten an, dass sie ein Verfahren zur Normenklarheit des Equity-Escape und zu § 8a Abs. 3 KStG sowie zur Vergleichsgrößenermittlung des § 8a KStG im Falle eines positiven Zinssaldos erwarten.728 VII. Implikationen der Expertenbefragung für die Behandlung von Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke Die allgemeinen und speziellen Fragen zu Tatbeständen und Auslegungsfragen der Zinsschranke bescheinigen insgesamt ein hohes Niveau an Rechtsunsicherheit, Konfliktpotenzial und Beratungsrelevanz. Die zu vereinzelten Fragen im Zinsschrankenerlass enthaltenen Stellungnahmen der Finanzverwaltung tragen nicht zur Reduktion der Rechtsunsicherheit und des Konfliktpotenzials bei. Dies ist darauf zurückzuführen, dass die Finanzverwaltung in den meisten der hier thematisierten Zweifelsfragen von der herrschenden Literaturmeinung abweicht, die Experten aber mehrheitlich eine Beratungsempfehlung bevorzugen, die mit der herrschenden Literaturmeinung in Einklang steht. Eine Übereinstimmung von Beratungsempfehlung und Zinsschrankenerlass ist überwiegend nicht auf eine sachliche Akzeptanz der Verwaltungsmeinung zurückzuführen, sondern vielmehr dem Umstand geschuldet, dass über ein verwaltungskonformes Deklarationsverhalten ein Maximum an Konfliktfreiheit und ein 726 727 728
Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.III.2.b, S. 194. Vgl. Abschn. A.IV.1, S. 230. Zur Anwendung von § 8a KStG im Falle eines positiven Zinssaldos vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.III.2.a, S. 193 f.
242
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Minimum an Beratungs- und Verhandlungskosten erreicht werden kann. Aufgrund der zahlreichen Wertungsunterschiede bei der Rechtsauslegung zwischen Finanzverwaltung und Schrifttum erwarten die Experten in naher Zukunft anhängige Gerichtsverfahren. Zudem zeigen sich die Experten sehr optimistisch, dass sie ihre verwaltungsinkonforme Rechtsauffassung gegenüber den Finanzbehörden auch ohne Gerichtsverfahren durchsetzen werden. Anscheinend liefern die sachlichen Argumente der herrschenden Literaturmeinung die notwendige Überzeugungskraft. Nach den Befragungsergebnissen sollte das Unternehmen in der Tendenz gute Aussichten auf eine Rechtsdurchsetzung haben, wenn die verwaltungsinkonforme Rechtsauslegung mit der herrschenden Literaturmeinung übereinstimmt. Dies gilt auch für Zweifelsfragen, zu denen sich die Finanzverwaltung noch nicht geäußert hat. Jedoch ist in diesem Punkt die Bedeutung von verbindlichen Auskünften zur Verbesserung der Rechtssicherheit nur von geringer Bedeutung. Überwiegend werden keine verbindlichen Auskünfte eingeholt, was auf eine pessimistische Einschätzung der Erfolgsquote solcher Anfragen im Bereich der Zinsschranke schließen lässt. Dies wird auch von den Erfahrungen derjenigen Experten bestätigt, die zu verschiedenen Fragen verbindliche Auskünfte gestellt haben, aber nur teilweise Auskünfte erteilt bekommen haben. Ein Experte weist auf ein erkennbares Nord-Süd-Gefälle innerhalb Deutschlands hin. Nach seinen Erfahrungen ist die Auskunftsbereitschaft der Finanzbehörden im Süden der Republik stärker ausgeprägt als im Norden. In der Beratungspraxis der Experten dominieren Fragen, die die Rechtsform einer gewöhnlichen Kapitalgesellschaft (GmbH, AG etc.) betreffen. Die Befragungsergebnisse zeigen ferner, dass diese Rechtsform im Vergleich zur Personengesellschaft, KGaA oder Organschaft in den meisten Fällen die geringste Rechtsunsicherheit und das geringste Konfliktpotenzial aufweist. Hingegen erhalten die KGaA und die Personengesellschaft vielfach die höchsten Punktwerte im Rahmen der Beurteilung der Rechtsunsicherheit und des Konfliktpotenzials.729 Bereits die qualitative Analyse in Kapitel 1 hat ergeben, dass sich der Grad an Komplexität und Kompliziertheit der Auslegungsfragen für die Personengesellschaft, KGaA und die Organschaft gegenüber der Kapitalgesellschaft deutlich erhöht. Vor diesem Hintergrund sollte zur Reduktion von Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke gegebenenfalls ein Wechsel in die Rechtsform der Kapitalgesellschaft (ohne KGaA) erwogen werden. Problematisch ist aber, dass nach Ansicht der Experten bei der Anwendung des beratungsintensiven Equity-Escape auch mit der Kapitalgesellschaft keine Vorteile in puncto Rechtssicherheit und Konfliktfreiheit gegenüber den anderen Rechtsformen erzielt werden können.
729
Allerdings verfügen nicht alle Experten über Erfahrungen mit der Anwendung der Zinsschranke bei einer KGaA. Es ist jedoch einschränkend anzumerken, dass es sich in Bezug auf die Auslegung des Grundtatbestands der Zinsschranke bei einer KGaA genau genommen nur um ein Folgeproblem handelt, das auf Meinungsverschiedenheiten bzw. Rechtsunsicherheiten bei der Einkommensermittlung der KGaA zurückzuführen ist.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
B.
243
Quantitative Bewertung von Zinsschrankenrisiken
Innerhalb dieses Abschnitts sollen die Intensität und das Ausmaß des Zinsschrankenrisikos analytisch und simulationsbasiert gemessen werden. Die analytische Messung fußt auf einer eigenen Modellkonzeption und konzentriert sich auf die Quantifizierung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung von genau einer Periode, in der ein stochastischer Einflussfaktor existiert. Innerhalb der Simulationsrechnung werden darüber hinaus die Intensität und das Ausmaß des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung und des Zinsschrankenrisikos2. Ordnung in einer mehrperiodigen Betrachtung mit mehreren stochastischen Einflussfaktoren untersucht. Im Rahmen der beiden Quantifizierungsansätze wird jeweils unterstellt, dass der Grundtatbestand der Zinsschranke nicht durch die Anwendung des Stand-alone oder Equity-Escape suspendiert wird. Der Fokus liegt auf der Analyse der Auswirkung von investitions- und finanzierungsspezifischen Einflussfaktoren. Von unternehmensstrukturellen Anpassungsmaßnahmen, die auf die Anwendbarkeit eines Ausnahmetatbestands zielen oder den Untergang von Zinsvorträgen herbeiführen, wird abstrahiert. In methodischer Hinsicht ist dies auch sachgerecht, weil die Auswirkungen von unternehmensstrukturellen Anpassungen auf die Intensität und das Ausmaß von Zinsschrankenrisiken von vollkommen anderer Art sind als diejenigen der übrigen Einflussfaktoren. I.
Analytische Bestimmung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung
1.
Grundmodell zur Erklärung der formalen Zusammenhänge von Einflussfaktoren und Zinsschranke und zur Ermittlung von Elastizitäten der Zinsabzugsquote
a.
Modellannahmen und Operationalisierung des liquiditätswirksamen Eingreifens der Zinsschranke
Nachfolgend sollen die Prämissen und ihr formaler Zusammenhang in einem Bewertungsmodell festgelegt werden, um danach die Auswirkungen der einzelnen Einflussfaktoren für die Zinsschranke zu messen. Die Rentabilität eines Investitionsprojekts wird durch den Einsatz des Kapitals und die hieraus erzielbaren, finanziellen Einzahlungsüberschüsse beschrieben.730 Zur Steuerbemessung von Betrieben sind jedoch nicht die Zahlungen relevant, sondern die handelsrechtlichen und steuerlichen Gewinnermittlungsvorschriften.731 Es wird die Annahme getroffen, dass Erträge und Aufwendungen in derselben Periode zahlungswirksam werden. Ferner sollen die buchmäßigen Abschreibungsraten dem realen Kapitalverzehr bzw. der Verminderung des Ertragswerts des investierten Vermögens entsprechen.732 Am Ende des Planungshorizonts entspricht 730 731 732
Vgl. Wöhe/Döring, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 44. Zu verschiedenen Rentabilitätskennzahlen vgl. Schierenbeck/Wöhle, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 81. Es wird unterstellt, dass keine Abweichungen zwischen den beiden Rechenwerken bestehen; vgl. die Basisannahmen zur Steuerbemessung in Teil I – Kapitel 3 – Abschn. A.I, S. 31. Zur sog. Ertragswertabschreibung vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 558.
244
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
der Restbuchwert des investierten Kapitals seinem am Markt erzielbaren Veräußerungspreis; von Veräußerungskosten wird abstrahiert. Tilgungen werden fremdkapitalquotenkonform vorgenommen, d. h., das zu Beginn der Investition festgelegte Verhältnis von Fremd- zu Gesamtkapital bleibt über den Planungshorizont hinweg konstant. Des Weiteren wird von handelsrechtlichen Ausschüttungssperren abstrahiert und unterstellt,733 dass der am Bilanzstichtag erwirtschaftete Jahresüberschuss vollständig an die Eigenkapitalgeber ausgekehrt wird, die ihrerseits die Gewinnausschüttungen steuerfrei vereinnahmen. Ebenfalls wird von einer Verzinsung eines positiven Zahlungsmittelbestands (Differenz aus Abschreibungen und Tilgung) abstrahiert.734 Etwaige Auszahlungsüberschüsse werden von den Eigen- und Fremdkapitalgebern eigenkapitalquotenkonform ausgeglichen. Auf Basis dieser Annahmen spiegelt das operative Ergebnis (EBIT) aus der Gewinn- und Verlustrechnung die Verzinsung des eingesetzten Gesamtkapitals (Eigen- und Fremdkapital) am Ende einer Berichtsperiode wider. Wird z. B. aus einer Realinvestition mit einem durchschnittlichen Kapitaleinsatz von insgesamt 10 Mio. € ein EBIT i. H. von 2 Mio. € erzielt, beträgt die Gesamtkapitalrendite für das betrachtete Jahr 20%.735 Zieht man hiervon noch die periodischen Zinszahlungsverpflichtungen für die Aufnahme von Fremdkapital ab, verbleibt als Residuum die Verzinsung des Eigenkapitals vor Steuern. Aufgrund der obigen Annahmen weicht der Jahresüberschuss von dem Zahlungsüberschuss nur i. H. der Abschreibungen ab.736 Handelt es sich hingegen um eine Finanzinvestition, sind die Einzahlungen der Investition ausschließlich im Finanzergebnis enthalten; ein operativer Einzahlungsüberschuss wird nicht erzeugt. In diesem Fall könnten aus dem operativen Ergebnis allenfalls Aufwendungen zu übernehmen sein. Mittels der getroffenen Annahmen kann ein formaler Zusammenhang zwischen dem Investitionsprojekt und der potenziellen Zinsschrankenbelastung hergestellt werden, sodass der Liquiditätsnachteil der Zinsschranke modellendogen berechenbar wird. Das Eingreifen der Zinsschranke kann unmittelbar in Beziehung zu der Gesamtkapitalrentabilität (rGK bzw. rGK*), der Abschreibungsrate (d), der Fremdkapitalquote (l) und dem Fremdkapitalzins (i) gesetzt werden.737 Der Grundtatbestand der Zinsschranke ist einschlägig, wenn folgende Bedingung erfüllt ist: 733 734 735
736
737
Zu handelsrechtlichen Ausschüttungssperren vgl. Simon, Ausschüttungssperre, NZG 2009, S. 1081 ff. Sofern Zinsertragsüberschüsse verzinslich angelegt werden, erhöhen diese in Folgeperioden das Zinsabzugsvolumen bzw. können zur Verrechnung von Zinsvorträgen eingesetzt werden. Hier wird eine Definition der Gesamtkapitalrendite zugrunde gelegt, die Ertragsteuern im Zähler ausspart. Zu Varianten der Gesamtkapitalrendite vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzanalyse, 2004, S. 369 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2009, S. 1145 ff. Da die Abschreibungen annahmegemäß ihrem ökonomischen Werteverzehr entsprechen, können sie nicht als Bestandteil der Eigenkapitalrendite aufgefasst werden. Darüber hinaus mindern sie das Ausschüttungsvolumen. Durch Abschreibungen angesammelte Einzahlungsüberschüsse werden am Ende des Planungshorizonts zur Tilgung des Fremdkapitals benötigt und danach verbleibende Mittel von den Eigenkapitalgebern entnommen. Zu einer ähnlichen formelhaften Zerlegung der Einflussfaktoren der Zinsschranke vgl. Blaufus/Lorenz,
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
245
GK 0,3*(r * GK d * GK * l * GK ) i EBITDA
Zinsaufwand
0,3*(r GK d ) i * l r
GK *
^r
i *l
GK
r GK * d
`
0,3
(F.II.3)
Der erste Klammerterm aus der unverkürzten Darstellung der Ungleichung repräsentiert das steuerliche EBITDA. Die Zinsaufwendungen werden durch den rechten Teil der Ungleichung beschrieben (1. Zeile). Da die absolute Höhe des steuerlichen EBITDA und der Zinsaufwendungen unmittelbar vom investierten Gesamtkapital (GK) abhängt, kann mittels Division der linken und rechten Seite der Ungleichung durch das Gesamtkapital das Eingreifen der Zinsschranke in eine normierte Schreibweise überführt werden (2. Zeile). Da die Zählergröße der Gesamtkapitalrendite (EBIT) um Abschreibungen verringert ist, der Grundtatbestand der Zinsschranke aber gerade unabhängig von Abschreibungen eingreift, wird die Gesamtkapitalrendite um Abschreibungen bereinigt und zu der Kennzahl rGK* modifiziert (3. Zeile). Dieser Quotient stellt die Gesamtkapitalrendite vor Abschreibungen bzw. das Verhältnis von steuerlichem EBITDA zum Gesamtkapital dar. Die Zinsschranke führt zu einem Liquiditätsnachteil, wenn kein Ausnahmetatbestand einschlägig und die Bedingung aus Formel F.I.1 (S. 34) erfüllt ist. Passt man diese Formel an die obigen Parametervorgaben an, ergibt sich:738
EBIT EBITDA
(r GK* d )* GK r GK* * GK
r GK* d ! 0,3 r GK*
(F.II.4)
mit rGK* > d Aufgrund des formalen Zusammenhangs der obigen Parameter und dem Grundtatbestand der Zinsschranke wird auch das (ökonomische) Zinsschrankenrisiko durch die Ungewissheit über die Zustandsrealisationen dieser Parameter determiniert, wenn man von den Ausnahmetatbeständen abstrahiert. Im Vergleich zu den Zinskonditionen und den Abschreibungsraten erscheint die Gesamtkapitalrendite mit der vermeintlich größten Ungewissheit behaftet zu sein. Während die Fremdkapitalquote im Falle einer autonomen Finanzierungspolitik eine relativ stabile Planungsgröße darstellt, ist sie bei atmender Finanzierungspolitik als stochastische Größe wahrzunehmen, die einen beträchtlichen Einfluss auf den Grundtatbestand nehmen kann.739
738
739
Untersuchung, ZfB 2009, S. 505 f. Mit dieser formalen Bedingung wird nicht der Wirkungsbereich des mittelbaren, gewerbesteuerlichen Liquiditätsnachteils erfasst; vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. A.II.3.a, S. 35 ff. Dieser Effekt wird nachfolgend vernachlässigt. Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. A.I.1, S. 90 ff.
246
b.
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Elastizitäten der Zinsabzugsquote
Bereits in Teil I wurde die Zinsabzugsquote (a) eingeführt, die ganz entscheidend über die Höhe des Liquiditätsnachteils bestimmt.740 Es soll nun hinterfragt werden, wie stark sich die Zinsabzugsquote verändert, wenn die jeweiligen Einflussfaktoren marginal variiert werden. Anhand der Elastizitäten der Zinsabzugsquote auf differenzielle Veränderungen der Einflussfaktoren (rGK*, i und l) wird ermittelt, ob die Schwankungen der Einflussfaktoren eine verschiedengewichtige Auswirkung auf die Zinsabzugsquote haben. Zur Analyse der relativen Bedeutung der Einflussfaktoren wird zunächst die Formel der Zinsabzugsquote F.I.3 (S. 35) an die Modellparameter angepasst, wobei Zinserträge sowie Zins- und EBITDA-Vorträge vernachlässigt werden:
a
min{0,3* r GK * * GK ; i * l * GK} i * l * GK
min{0,3* r GK * ; i * l} , mit rGK* > 0 i *l
(F.II.5)
Grundsätzlich ist die Zinsabzugsquote für das Intervall von 0 bis einschließlich 1 definiert. Da hier aber gerade die Reagibilität der Zinsabzugsquote auf Veränderungen der Einflussfaktoren im Bereich des Eingreifens der Zinsschranke analysiert wird, interessiert an dieser Stelle nur das Intervall 0 a < 1, weshalb nachfolgend nur die folgende Funktion betrachtet werden soll:
f a (r GK * , i, l )
0,3* r GK * , mit 0,3 rGK* < i * l i *l
(F.II.6)
Die Stärke des Einflusses von Veränderungen eines Parameters auf die Zinsabzugsquote kann über Elastizitäten der obigen Funktion fa angegeben werden.741 Über die sog. Punktelastizität (İ) können die differenziellen Veränderungen der abhängigen Funktion fa bei infinitesimal kleiner Veränderung der unabhängigen Parameter (rGK*, i, l) angegeben werden. Dazu wird die unabhängige Variable (z. B. rGK*) ins Verhältnis zu der abhängigen Variablen (hier stets die Funktion fa) gesetzt und dieser Quotient mit der ersten Ableitung der Funktion (z. B. fa'(rGK*)) multipliziert. Tabelle 9 enthält die Elastizitäten der Zinsabzugsquote für die jeweiligen Einflussfaktoren:742
740 741 742
Vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. A.II.3.a, S. 35 (F.I.3). Zur formalen Herleitung und Interpretation von Bogen- und Punktelastizität vgl. Karmann, Mathematik, 2008, S. 172 ff. Zur Berechnung der Elastizitäten vgl. Anhang 7, S. 395.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
247
Elastizitäten der Zinsabzugsquote Renditeelastizität (F.II.7)
Elastizitätskoeffizient
Hf
a ,r
GK *
r GK * * f a '(r GK * ) 1 fa
Zinselastizität (F.II.8)
H f a ,i
i * f a '(i ) fa
Verschuldungselastizität (F.II.9)
H fa ,l
l * fa '(l ) 1 fa
1
Tabelle 9: Elastizitäten der Zinsabzugsquote
Als Renditeelastizität wird hier die Reagibilität der Zinsabzugsquote auf Veränderungen des Einflussfaktors rGK* bezeichnet. Offenkundig besteht ein positiver Zusammenhang zwischen einer Veränderung der Gesamtkapitalrentabilität und der Höhe der Zinsabzugsquote. Sofern die Gesamtkapitalrendite steigt (sinkt), steigt (sinkt) ceteris paribus ebenfalls die Zinsabzugsquote. Da der Elastizitätskoeffizient den Wert 1 aufweist, reagiert die Zinsabzugsquote proportional elastisch, weil sich die Zinsabzugsquote mit dem gleichen Prozentsatz wie die Inputgröße rGK* verändert. Sollte die Gesamtkapitalrendite beispielsweise um 1% absinken, verringert sich die Zinsabzugsquote ebenfalls um 1%. Die Zins- und Verschuldungselastizität sind ebenfalls proportional elastisch. Es besteht hier ein negativer Zusammenhang zwischen einer Erhöhung (Verringerung) der Parameter i und l und der Zinsabzugsquote fa. Eine Erhöhung des Zinssatzes oder der Fremdkapitalquote um x Prozent führt zu einer Verringerung der Zinsabzugsquote um eben diese x Prozent. Mithin regiert die Zinsabzugsquote gleichstark auf Schwankungen des Zinssatzes oder der Fremdkapitalquote. Die Elastizitätskoeffizienten zeigen, dass infinitesimale Veränderungen der Einflussfaktoren grundsätzlich gleichstark auf die Zinsabzugsquote wirken, allein die Wirkungsrichtung unterscheidet sich. Während Verringerungen der modifizierten Gesamtkapitalrendite auch die Zinsabzugsquote verringern, führt eine Reduzierung der Fremdkapitalquote oder des Zinssatzes zu einer Erhöhung der Zinsabzugsquote et vice versa.
248
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
2.
Berechnung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung im Einperiodenkontext
a.
Exemplarische Neuinvestition mit stochastischer Gesamtkapitalrendite
Die Gefahr des Eingreifens der Zinsschranke soll innerhalb dieses Abschnitts am Beispiel einer Neuinvestition veranschaulicht werden. Es sei geplant, die Neuinvestition innerhalb eines eigenständigen bzw. isolierten Betriebs zu realisieren, sodass Effekte etwaig bestehender Investitions- und Finanzierungsprogramme des Konzerns außerhalb dieses Betriebs keinen Einfluss auf die hier interessierenden Parameter der Neuinvestition nehmen können.743 Im Planungs- bzw. Entscheidungszeitpunkt herrscht Sicherheit über die Höhe der jährlichen Abschreibungen, des Fremdkapitalzinses und der Fremdkapitalquote. Ferner sei bekannt, dass der Betrieb keinen Ausnahmetatbestand von der Zinsschranke in Anspruch nehmen kann. Allerdings besteht Ungewissheit über die periodische Entwicklung der Zahlungsüberschüsse, die mit der Neuinvestition erzielt werden sollen. Zur Berechnung der Wahrscheinlichkeit des Eingreifens der Zinsschranke und des potenziellen Liquiditätsnachteils werden folgende Planungsparameter unterstellt: -
Der Erwartungswert (ȝ) der normalverteilten Gesamtkapitalrendite vor Abschreibungen (rGK*) betrage 14% p. a. und deren Varianz (ı2) 4% bzw. Standardabweichung (ı) 20% [rGK* ~ N(ȝ, ı2)];744
-
die Abschreibungsrate d beziffere konstant 4%; die Fremdkapitalquote (l) soll konstant 70% betragen und die aufgenommenen Fremdmittel sollen mit einem konstanten Zins (i) i. H. von 6% verzinst werden.
Bei diesen Ausgangsdaten beträgt die kritische Gesamtkapitalrendite (rkrit(1)), unterhalb derer der Grundtatbestand der Zinsschranke einschlägig ist, 14%.745 In der Terminologie des Risikomanagements gesprochen, kann dieser kritische Wert auch als steuerlicher Value at Risk (VaR) oder Probable Minimum Return (PMR) bezeichnet werden.746 Hierfür muss jene Wahrscheinlichkeit (p) ermittelt werden, bei der eine Gesamtkapitalrendite von weniger als 14% erwirtschaftet wird: P(rGK* < 0,14) = p.747 Aufgrund der Normalverteilungsannahme 743 744
745 746
747
Der Betrieb gehöre auch keinem Organkreis an. Krit. zur Annahme von normalverteilten Renditen Albrecht/Maurer, Risikomanagement, 2008, S. 109; Mosler/Schmid, Wahrscheinlichkeitsrechnung, 2006, S. 111. Zur Schätzung von Umsatzziffern wird häufig auf die Lognormalverteilung zurückgegriffen; vgl. Hartung/Elpelt/Klösener, Statistik, 2009, S. 151. Aufgrund des instruktiven Charakters dieses Abschnittes wird jedoch die eingängigere Normalverteilung verwendet. Konstante Parameter in Formel F.II.3 (S. 245) einsetzen und mit rkrit(1) gleichsetzen: rkrit(1) = i * l/0,3 = (0,06*0,7)/0,3 = 0,14. Grundsätzlich wird der VaR für die Bezeichnung absoluter (Schadens-)Werte verwendet, der bei einer vorgegebenen Wahrscheinlichkeit nicht unter- bzw. überschritten wird. Sofern nach kritischen Werten von relativen Größen gefragt wird, passt diese Bezeichnung nach einem engen Begriffsverständnis also nicht. In solchen Fällen wird häufig die PMR verwendet; zur Konzeption und zum Aussagegehalt des VaR und der PMR vgl. Albrecht/Maurer, Risikomanagement, 2008, S. 130 ff. Da rGK* normalverteilt ist und somit eine stetige Variable vorliegt, gilt P(rGK* < 0,1) = P(rGK* 0,1). Stetige Zufallsvariablen können theoretisch unendlich viele Werte annehmen, weshalb für genau eine denkbare Zustandsrealisation keine Eintrittswahrscheinlichkeit ermittelbar ist; vgl. Bomsdorf, Wahrscheinlichkeitsrech-
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
249
kann zur Ermittlung der Wahrscheinlichkeit auf die Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung abgestellt werden, welche mathematisch wie folgt definiert ist:748 z
)( z)
1 v2 1
³ e 2 dt 2S f
(F.II.10)
Da rGK nicht standardnormalverteilt, sondern nur normalverteilt ist, handelt es sich bei dem Parameter z um die angepasste Integralgrenze z = (rkrit(1) – iሻȀɐ.749 Aus den obigen Vorgaben ergibt sich z = 0 bzw. ĭ(0). Aufgrund der Symmetrie der unterstellten Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion gilt: p = ĭ(0) = 1 – ĭ(0) = 0,5.750 Die Wahrscheinlichkeit, dass die Neuinvestition in einer Periode in den Grundtatbestand der Zinsschranke fällt, beträgt somit 50%. Darüber hinaus ist noch die Wahrscheinlichkeit für diejenige Gesamtkapitalrendite zu bestimmen, unterhalb derer die Zinsschranke keinen Liquiditätsnachteil mehr verursacht. Nach Maßgabe der obigen Parametervorgaben beträgt die gesuchte kritische Gesamtkapitalrendite (rkrit(2)) 5,71%.751 Gesucht ist deshalb P(rGK 0,0571). Die angepasste Integralgrenze z beträgt nun gerundet –0,4143. Durch Einsetzen von z in die obige Verteilungsfunktion ergibt sich ĭ(–0,4143) § 0,3393. Damit beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass mit dem Eingreifen der Zinsschranke kein Liquiditätsnachteil verbunden ist, ca. 33,93%. Die Wahrscheinlichkeit, dass mit dem Eingreifen der Zinsschranke ein Liquiditätsnachteil einhergeht, kann über den sog. Streubereich ermittelt werden. Der Streubereich gibt nämlich die Wahrscheinlichkeit an, dass die normalverteilte Größe in einem bestimmten Intervall liegt. Das hier interessierende Intervall wird durch die Untergrenze rkrit(2) und die Obergrenze rkrit(1) aufgespannt. Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die zukünftige Gesamtkapitalrendite innerhalb dieser Bandbreite bewegt, kann durch Differenzenbildung der beiden Wahrscheinlichkeiten für das Unterschreiten der Ober- bzw. Untergrenze ermittelt werden. Dies stellt sich formal wie folgt dar: krit (2) krit (1) P(r, r GK * r, ) z1
(F.II.11)
z2
)( z2 ) )( z1) )(0) )(0,4143) | 0,1607 Damit beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsschranke eine Steuermehrbelastung bzw. einen Liquiditätsnachteil hervorruft, ca. 16,07%.
748 749 750
751
nung, 2002, S. 40; Bücker, Statistik, 2003, S. 142 f. Zu der formalen Darstellung und den Eigenschaften der Verteilungsfunktion der Standardnormalverteilung vgl. Mosler/Schmid, Wahrscheinlichkeitsrechnung, 2006, S. 102 ff. Zur z-Transformation der Integralgrenzen vgl. Bücker, Statistik, 2003, S. 156 f.; Mosler/Schmid, Wahrscheinlichkeitsrechnung, 2006, S. 107 f. Der Wert für ĭ() kann auch einfach aus den Normalverteilungstabellen abgelesen werden, die im Internet abrufbar sind (bspw. unter http://www.wikipedia.de). Formel F.II.4 (S. 245) nach rGK* umformen, konstante Parameter einsetzen und mit rkrit(2) gleichsetzen: rkrit(2) = d/0,7 = 0,04/0,7 § 0,0571.
250
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
rkrit(1)=x0,5 =ʅ rkrit(2)
rGK* ч d/0,7 Quantil
=x0,3393
rGK* шi*l/0,3
25% 50% = כx rǁ GK =0,0995 p 0,4197
75%
Abbildung 9: Wahrscheinlichkeit des liquiditätswirksamen Eingreifens der Zinsschranke
Anhand der in Abbildung 9 gezeichneten Dichtefunktion der Gesamtkapitalrendite kann die Wahrscheinlichkeit für ein liquiditätswirksames Eingreifen der Zinsschranke illustriert werden.752 Genau genommen handelt es sich bei der oben analytisch ermittelten Wahrscheinlichkeit um die graue Fläche, die sich zwischen dem 25%- und 50%-Quantil befindet. Während die gesamte Fläche unterhalb der Dichtefunktion die Wahrscheinlichkeit für ein sicheres Ereignis (p = 100%) repräsentiert, beträgt der Anteil der grau skizzierten Fläche an der Gesamtfläche ca. 16,07%, was wiederum der Wahrscheinlichkeit für das liquiditätswirksame Eingreifen der Zinsschranke entspricht. Zur Quantifizierung des potenziellen, zinsschrankeninduzierten Liquiditätsnachteils wird der (bedingte) Median bzw. das zentrale p-Quantil des (grauen) Streubereichs berechnet. Dazu wird in einem ersten Schritt dasjenige p-Quantil bestimmt, welches die graue Fläche aus Abbildung 9 halbiert. Hierüber kann sodann in einem zweiten Schritt die zentrale Gesamtkapitalrendite berechnet werden, die sich unter der Bedingung ergibt, dass die Zinsschranke einen Liquiditätsentzug herbeiführt. Die gesuchte Wahrscheinlichkeit (p) des gesuchten pQuantils bestimmt sich aus dem Mittelwert der jeweiligen Wahrscheinlichkeiten, dass die Untergrenze (rkrit(2)) bzw. die Obergrenze (rkrit(1)) erreicht oder unterschritten wird: p § (0,3393 + 0,5)/2 = 0,4197. Da es sich um eine stetige Verteilung handelt, gilt
752
Aus Gründen der besseren grafischen Veranschaulichung wurde hier die Dichtefunktion und nicht die Verteilungsfunktion der Gesamtkapitalrendite abgebildet.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
251
P(rGK* xp) = p = 0,4197.753 Setzt man nun p in die inverse Verteilungsfunktion bzw. Quantilfunktion ĭ–1(p) ein,754 erhält man die zentrale Gesamtkapitalrendite (rǁ GK* p ) innerhalb des Streubereichs der zinsschrankeninduzierten Liquiditätswirkung. Sie beträgt in diesem Beispielszenario ca. 9,95%.
~ Der zentrale relative Liquiditätsnachteil ( LN rel ) kann durch Anpassung der Formel F.I.6 (S. 39) an die obigen Parametervorgaben direkt ermittelt werden:755
~ LN
rel
(1 a)* l * i *(sKSt 0,75sGewSt )* GK GK * GK * (r p i * l )* GK [t EK (r p d ) t FK * i * l ]* GK
(F.II.12)
Steuerzahlung
~ LN
mit tEK = sKSt + sGewSt und tFK = a * (sKSt + 0,75 * sGewSt).756 rel
beträgt in dem hier betrachteten Beispielsfall 6,73% und die zentrale Steuerquote liegt bei 56,60%.757 b.
Variation der stochastischen Parameterelemente der Gesamtkapitalrendite
Nun sollen die Wahrscheinlichkeiten für das liquiditätswirksame Eingreifen der Zinsschranke bei unterschiedlichen Erwartungswerten und Standardabweichungen der Gesamtkapitalrendite bestimmt werden. In vielen Fällen stellt sich das intuitiv vermutete Ergebnis ein, dass, je höher der Erwartungswert für die Gesamtkapitalrendite festgelegt wird, desto geringer fällt die Wahrscheinlichkeit für ein Zinsschrankenszenario aus (vgl. Anhang 8, Tabelle 22, S. 396). Dieser Kausalschluss besitzt aber keine allgemeine Gültigkeit. Dies liegt vornehmlich darin begründet, dass die kritischen Gesamtkapitalrenditen, die den Anwendungsbereich des liquiditätswirksamen Eingreifens der Zinsschranke determinieren, nicht von den stochastischen Einflussfaktoren rGK* und ı abhängig sind, sondern vielmehr von den konstanten Einflussfaktoren i, l und d. Der nachstehenden Grafik kann entnommen werden, dass die Maximierung der Fläche des Integrals von rkrit(2) bis rkrit(1) gleichfalls die Wahrscheinlichkeit für ein liquiditätswirksames 753 754 755
756
757
Vgl. Bomsdorf, Wahrscheinlichkeitsrechnung, 2002, S. 108. Da die hier unterstellte Verteilungsfunktion streng monoton wachsend ist, besitzt sie auch eine Umkehrfunktion; hierzu instruktiv Mosler/Schmid, Wahrscheinlichkeitsrechnung, 2006, S. 47 ff., 105 u. 108. GK bezeichnet hier das investierte Gesamtkapital, welches zwar nicht gegeben ist, aber jeweils im Zähler und Nenner gekürzt werden kann. Aufgrund der Annahmen für die periodengleichen Zahlungswirkungen von Aufwendungen und Erträgen, kann die Veränderung des OCF durch die Differenz von EBITDA [= (rGK + d) * GK] und dem Zinsaufwand [= i * l * GK] beschrieben werden. Da bei der unterstellten Gesamtkapitalrendite das EBIT größer ist als der Zinsaufwand, kann der Liquiditätsnachteil aus der (einfacheren) Formel F.I.2 (S. 35) berechnet werden. tEK bezeichnet hier den Effektivsteuersatz für operative Erträge bzw. Aufwendungen und tFK den Effektivsteuersatz für Zinsaufwendungen. Da Zinsaufwendungen aufgrund der Zinsschranke und der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nicht in gleichem Maße die steuerliche Bemessungsgrundlage vermindern wie operative Aufwendungen, ist auch die effektive steuerliche Entlastung geringer. Zur Aufspaltung des Effektivsteuersatzes bei fremdfinanzierten Investitionen vgl. König/Wosnitza, Steuerwirkungslehre, 2004, S. 96 f. Vgl. Anhang 8, Tabelle 22, S. 396 für den hier betrachteten Beispielsfall ȝ = 14% und ı = 20%.
252
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Eingreifen der Zinsschranke maximiert. Die maximale Wahrscheinlichkeitsmasse wird erzielt, wenn der Erwartungswert der Gesamtkapitalrendite innerhalb dieser Integralgrenzen liegt. Solange der Erwartungswert kleiner ist als die Obergrenze rkrit(1), führt eine Erhöhung (Reduktion) des Erwartungswerts nicht automatisch zu einer Reduktion (Erhöhung) der Wahrscheinlichkeit. In solchen Konstellationen kann dies nur im Zusammenhang mit der Stärke der Streuung (ı) der Gesamtkapitalrendite beantwortet werden.
A4
A3 A2 A1 rkrit(2)
rkrit(1)
N(0,14;0,2^2)
N(0,14;0,5^2)
N(Ͳ0,14;0,1^2)
N(0,14;0,1^2)
N(0,5;0,2^2)
Abbildung 10: Wahrscheinlichkeiten für ein liquiditätswirksames Zinsschrankenszenario bei Variation der stochastischen Parameter
In Abbildung 10 werden fünf unterschiedliche Dichtefunktionen der normalverteilten Gesamtkapitalrendite gezeichnet, die jeweils mit fünf verschiedenen Wahrscheinlichkeiten für ein liquiditätswirksames Eingreifen der Zinsschranke einhergehen. Die übrigen Einflussfaktoren werden genauso festgelegt wie im vorangegangenen Abschnitt, weshalb die kritischen Gesamtkapitalrenditen unverändert bleiben und für alle Variationen von ȝ und ı gelten. Die schwarze (durchgezogene) Kurve veranschaulicht nochmals das Szenario aus dem vorangegangenen Abschnitt und soll hier als Referenzfall dienen. Die Wahrscheinlichkeit für das liquiditätswirksame Eingreifen ergibt sich im Referenzfall aus der Summe der Flächen A1 bis A3.758 Verglichen mit dem Referenzfall sinkt die Wahrscheinlichkeit für das gesuchte Zinsschrankenszenario, wenn die Streuung der Gesamtkapitalrendite zunimmt (schwarz gepunktete Kurve); nunmehr setzt sich die Wahrscheinlichkeitsmasse für das Zinsschrankenszenario
758
Die Wahrscheinlichkeit beträgt im Referenzfall 16,07%, der zentrale relative Liquiditätsnachteil 6,73% und die zentrale Steuerquote 56,60%; vgl. Anhang 8, Tabelle 22, S. 396.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
253
lediglich aus den Flächen A1 und A2 zusammen.759 Demgegenüber erhöht sich die Wahrscheinlichkeit, wenn die Streuung abnimmt (vgl. die Dichte der grauen Kurve innerhalb der festgelegten Integralgrenzen, die sich aus der Summe der Flächen A1 bis A4 ergibt).760 Bei einer Gesamtkapitalrendite vor Abschreibungen von 14% steigt die Wahrscheinlichkeit mit abnehmender Standardabweichung bis auf 50% monoton an. Sollte hingegen der Erwartungswert für rGK* exakt zwischen den kritischen Grenzen liegen, kann die Eintrittswahrscheinlichkeit bis zu 100% betragen, wenn die Standardabweichung entsprechend gering ist (z. B. ı = 1%).761 Des Weiteren verringert sich bei sonst gleichen Annahmen die Wahrscheinlichkeit, wenn die Erwartungen an die zukünftige Gesamtkapitalrendite steigen (hier beispielhaft durch die schwarz gestrichelte Kurve und Fläche A1 gekennzeichnet).762 Da der Erwartungswert der Gesamtkapitalrendite und die Obergrenze für das Eingreifen der Zinsschranke in dem hier angenommenen Fall identisch sind, führt eine höhere Erwartung an die Gesamtkapitalrendite verglichen mit dem Referenzfall zu einer Reduktion der Wahrscheinlichkeit. Der Vergleich der grau gestrichelten und der grauen Kurve soll noch einmal verdeutlichen, dass die Erhöhung der erwarteten Gesamtkapitalrendite (hier von –14% auf +14%) nicht zwingend zu einer Reduktion, sondern auch zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit für ein liquiditätswirksames Eingreifen der Zinsschranke führen kann.763 c.
Variation der deterministischen Einflussfaktoren
Möchte man den Wirkungsgrad der deterministischen Einflussfaktoren auf die Wahrscheinlichkeit des liquiditätswirksamen Eingreifens der Zinsschranke untersuchen, bietet sich eine Sensitivitätsanalyse an. Hierbei werden der stochastische Einflussfaktor rGK* und dessen Standardabweichung ı entsprechend dem obigen Referenzfall konstant gehalten und prozentuale Veränderungen des Fremdkapitalzinssatzes (i) und der Abschreibungsrate (d) untersucht. Da der Wirkungsgrad von Veränderungen des Fremdkapitalzinssatzes und der Verschuldung (l) hinsichtlich der Zinsschranke identisch ist, wird auf eine Variation des Faktors l verzichtet.764
759 760 761 762 763
764
Für einen Erwartungswert von 14% und einer Standardabweichung von 50% beträgt die Wahrscheinlichkeit 6,58%, der zentrale relative Liquiditätsnachteil 6,94% und die zentrale Steuerquote 58,13%; vgl. ebenda. Für einen Erwartungswert von 14% und einer Standardabweichung von 10% beträgt die Wahrscheinlichkeit 29,63%, der zentrale relative Liquiditätsnachteil 6,06% und die zentrale Steuerquote 52,24%; vgl. ebenda. Für einen Erwartungswert von 10% und einer Standardabweichung von 1% beträgt die Wahrscheinlichkeit 100%, der zentrale relative Liquiditätsnachteil 6,58% und die zentrale Steuerquote 55,54%; vgl. ebenda. Für einen Erwartungswert von 50% und einer Standardabweichung von 20% beträgt die Wahrscheinlichkeit 2,25%, der zentrale relative Liquiditätsnachteil 4,90% und die zentrale Steuerquote 46,26%; vgl. ebenda. Dies lässt sich unmittelbar aus der Grafik ersehen, da die – nicht gesondert hervorgehobene – Dichte der grau gestrichelten Kurve innerhalb der kritischen Intervalgrenzen offensichtlich kleiner ist als diejenige Dichte der grauen Kurve in diesem Intervall (Summe der Flächen A1 bis A4). Vgl. die identischen Koeffizienten der Zins- und Verschuldungselastizität in Abschn. B.I.1.b, S. 246.
254
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Es wurde bereits darauf hingewiesen, dass die kritischen Grenzen für das liquiditätswirksame Eingreifen der Zinsschranke eben durch diese „sicheren“ Einflussfaktoren determiniert werden. Durch die Variation der Parameter d und i verschieben sich somit die Integralgrenzen rkrit(2) bzw. rkrit(1), über die die gesuchten Wahrscheinlichkeiten bestimmt werden können. Während eine Veränderung von i beide Integralgrenzen verschiebt, kann durch Variation von d nur die Untergrenze rkrit(2) beeinflusst werden. Je größer (kleiner) die Abstände zwischen den Integralgrenzen sind, desto größer (kleiner) ist die Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsschranke einen Liquiditätsnachteil herbeiführt. Die Werte aus Tabelle 23 (Anhang 9, S. 397) bestätigen die intuitive Erkenntnis, dass eine Erhöhung (Verminderung) der Abschreibungsrate stets die Wahrscheinlichkeit für eine Liquiditätsbelastung der Zinsschranke mindert (erhöht). Genau spiegelverkehrte Auswirkungen ergeben sich bei einer Erhöhung bzw. Verminderung des Fremdkapitalzinssatzes. Aufgrund der Tatsache, dass durch Veränderungen von i beide Intervallgrenzen verschoben werden, kommt es zu einer vergleichsweise stärkeren Beeinflussung der Wahrscheinlichkeit für eine potenzielle Liquiditätsbelastung der Zinsschranke, als dies bei Variationen von d möglich ist. Bei einer Erhöhung des Fremdkapitalzinssatzes um beispielsweise 10%765 steigt die gesuchte Wahrscheinlichkeit ausgehend von dem Referenzfall von 16,07% auf 18,86% (¨ = 2,79%), während eine Verringerung der Abschreibungsrate um ebenfalls 10%766 nur zu einer Erhöhung der Wahrscheinlichkeit von 16,07% auf 17,01% führt (¨ = 0,94%). Die nachstehende Abbildung soll die Auswirkungen der Parametervariationen auf die Wahrscheinlichkeit verdeutlichen.
765 766
Dies entspricht einem Anstieg des Fremdkapitalzinssatz von 6% auf 6,6%. Dies entspricht einem Absinken der Abschreibungsrate von 4% auf 3,64%.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
255
ʅ
Quantil
25% P(3,9%
50%
75%
P(5,71%
P(8,37%
(Referenzfall)
Abbildung 11: Wahrscheinlichkeiten für das liquiditätswirksame Eingreifen der Zinsschranke bei Variation der Abschreibungsrate und des Fremdkapitalzinses
Die dunkelgraue Fläche von Abbildung 11 skizziert die Wahrscheinlichkeit für das Zinsschrankenszenario im Referenzfall. Die hellgraue Fläche illustriert den Fall, dass der Fremdkapitalzinssatz um den Faktor 1,14 § 1,46 steigt und die Abschreibungsrate um denselben Faktor sinkt.767 In diesem Szenario weitet sich die Gefahr des liquiditätswirksamen Eingreifens der Zinsschranke somit deutlich aus – sie liegt nun bei 32,05%.768 Mit der schwarzen Fläche wird die Wahrscheinlichkeit für ein Szenario illustriert, in dem sich die Kombination der sicheren Einflussfaktoren in Bezug auf das Zinsschrankenrisiko deutlich verbessert. Es wird nämlich die Abschreibungsrate um den Faktor 1,14 gesteigert und der Fremdkapitalzins um eben diesen Faktor reduziert.769 Bei einer solchen Parameterkonstellation sinkt die Wahrscheinlichkeit für ein liquiditätswirksames Eingreifen der Zinsschranke auf 2,31% herab.770
767 768 769 770
Dies entspricht einer Erhöhung des Zinssatzes von 6% auf 8,78% und einem Absinken der Abschreibungsrate von 4% auf 2,73%. rkrit(1) liegt in diesem Fall bei 20,49% und rkrit(2) bei 3,90%. Der zentrale relative Liquiditätsnachteil beträgt in diesem Fall 14,94% und die zentrale Steuerquote 54,59%; vgl. Anhang 9, Tabelle 23, S. 397. Dies entspricht einer Reduktion des Zinssatzes von 6% auf 4,10% und einer Erhöhung der Abschreibungsrate von 4% auf 5,86%. rkrit(1) liegt in diesem Fall bei 9,56% und rkrit(2) bei 8,37%. Der zentrale relative Liquiditätsnachteil beträgt in diesem Fall 0,80% und die zentrale Steuerquote 90,90%; vgl. Anhang 9, Tabelle 23, S. 397.
256
3.
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Kritische Ergebniswürdigung
Im Rahmen der modellanalytischen Ermittlung des Zinsschrankenrisikos wurden die Einflussfaktoren für Zwecke verallgemeinerungsfähiger Aussagen in relative Größen transformiert und die Gesamtkapitalrendite vor Abschreibungen als stochastische Größe angenommen. Innerhalb einer einperiodigen Modellwelt ermöglichen die unter restriktiven Annahmen hergeleiteten formalen Zusammenhänge eindeutige Aussagen über die Intensität und das Ausmaß des Zinsschrankenrisikos. Diese Modellwelt lässt sich mit gewissen Einschränkungen auch auf ein Investitionsprojekt übertragen, das in einem isolierten und ansonsten funktionslosen Betrieb durchgeführt wird. Denn im Falle von Neuinvestitionen werden für die erste Planungsperiode i. a. R. sowohl die handels- bzw. steuerrechtliche Abschreibungsrate als auch die Fremdkapitalaufnahme und der Fremdfinanzierungszins bekannt sein.771 Des Weiteren sollten Buch- und Marktwert des Gesamtkapitals im ersten Planungsjahr relativ dicht beieinander liegen, sodass über die formalen Zusammenhänge eine marktgerechte Gesamtkapitalrendite und Verzinsung des Fremdkapitals ermittelbar sind. Die Robustheit der formalen Zusammenhänge und damit auch die Aussagefähigkeit über das Zinsschrankenrisiko schwinden jedoch mit jeder weiteren Planungsperiode. Auf bestehende Betriebe oder sogar auf Organkreise ist das hier vorgestellte Modell nicht übertragbar. Denn die Bilanzen von „reifen“ Unternehmen sind durch eine Vielzahl von Investitionsgütern gekennzeichnet, die mitunter verschiedentlich finanziert sind. Der Bezug von investitionsspezifischer Rendite und dem dazugehörigen Fremdmitteleinsatz wird sich im Zeitablauf immer schwerer herstellen lassen. Vielmehr werden die Erfolgsbeiträge der jeweiligen Investitionen im internen und externen Rechenwerk aggregiert. Zudem lässt sich auf Basis der Bilanzbuchwerte im Zeitablauf keine marktgerechte Gesamtkapitalrendite mehr bestimmen, da insbesondere aufgrund des handelsrechtlichen Niederstwertprinzips im Anlagevermögen stille Reserven entstehen.772 Mit zunehmender Unternehmensgröße wird es aus Praktikabilitäts- und Informationsgesichtspunkten auch nicht möglich sein, die betragsmäßige Entwicklung der Abschreibungen sowie der Fremdkapitalbestände bzw. Zinsaufwendungen mit hinreichender Genauigkeit zu antizipieren. Somit sind aus Sicht des Beurteilenden neben der Entwicklung des steuerlichen EBITDA auch die Höhe der Abschreibungen und der Nettozinsaufwendungen mit mehr oder minder großer Unsicherheit behaftet.
771 772
Die buchmäßige Abschreibung wird jedoch i. a. R. nicht mit der Ertragswertabschreibung übereinstimmen. Zu Buchwert-Marktwert-Verhältnissen von internationalen Unternehmen vgl. bspw. die empirischen Untersuchungen von Schulz/Stehle, Buchwert-Marktwert-Verhältnis, 2002, S. 10 ff. (Internetquelle); Jostarndt/ Wagner, Kapitalstrukturen, DIW-VJH 2006, S. 93 ff.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
II.
257
Multivariate Simulation des Zinsschrankenrisikos auf Basis der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank
1.
Methodische Herangehensweise
Um die wesentlichen Kritikpunkte an der analytischen Vorgehensweise abzumildern, soll das Zinsschrankenrisiko nachfolgend mithilfe einer multivariaten Monte-Carlo-Simulation773 ermittelt werden. Denn hierüber kann das Eingreifen der Zinsschranke auch für bestehende Unternehmen sinnvoll geschätzt und die Unsicherheit über die Entwicklung von mehreren Einflussfaktoren berücksichtigt werden. Die Simulationsrechnung basiert nach diesem anerkannten Verfahren auf einer großen Anzahl von Zufallszahlen, über die die Entwicklungen der investitions- und finanzierungsspezifischen Einflussfaktoren geschätzt werden können.774 Auf der Grundlage der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank werden für einen abgeschlossenen Zeitraum durchschnittliche Absolutbeträge für das EBITDA, die Abschreibungen und die Zinsaufwendungen ermittelt. Da die verwendete Datenbasis keine adäquate Approximation der Zinserträge i. S. der Zinsschranke zulässt, werden jene nachfolgend vernachlässigt.775 Anhand von Jahresvergleichen der jeweiligen Absolutbeträge im historischen Beobachtungszeitraum werden die empirischen Wachstumsraten des EBITDA (GEBITDA), der Abschreibungen (GAfA) und des Fremdfinanzierungsaufwands (GZA) sowie deren Varianzen und Kovarianzen ermittelt.776 Die zukünftige Entwicklung des jeweiligen Einflussfaktors bzw. Zinsschrankenparameters im Prognosezeitpunkt B + 1 kann durch Multiplikation des Absolutbetrags im (historischen) Beobachtungszeitpunkt B mit der jeweiligen (stochastischen) Wachstumsrate geschätzt werden.777 Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Wachstumsraten untereinander regelmäßig nicht stochastisch unabhängig sind, weshalb auch Korrelationen berücksichtigt werden müssen. Diese statistischen Abhängigkeiten werden über empirische Varianzen bzw. Kovarianzen der Wachstumsraten im Simulationsmodell erfasst. Die Wachstumsraten werden jeweils für ein Jahr bestimmt; dabei wird unterstellt, dass die intertemporalen Veränderungen der Wachstumsraten voneinander stochastisch unabhängig sind.778 773
774
775 776
777 778
Die Namensgebung geht auf die Stadt Monte Carlo, die durch ihr Spielcasino berühmt wurde, und das Glückspiel Roulette zurück, welches mit einem mechanischen Zufallszahlengenerator vergleichbar ist; vgl. Frey/Nießen, Monte-Carlo-Simulation, 2005, S. 15 f. Instruktiv zur multivariaten Monte-Carlo-Simulation mit normalverteilten Zufallsvariablen Dowd, Value at Risk, 2003, S. 108 ff.; Jendruschewitz, Value at Risk, 2003, S. 76 ff.; Glasserman, Monte Carlo, 2004, S. 71 ff. Zur Analyse von Steuerwirkungen wurden bereits (univariate) Monte-Carlo-Simulationen durchgeführt; vgl. bspw. Niemann, Mindestbesteuerung, ZfB 2004, S. 367; Knirsch, Steuerplanung, zfbf 2007, S. 491; Pasedag, Wirkungen, CF 2010, S. 305. Zur Datenstruktur der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank und zur Approximation der zinsschrankenrelevanten Parameter vgl. Abschn. B.II.2, S. 259 ff. Üblicherweise wird die Wachstumsrate aus dem Verhältnis der absoluten Differenz zwischen zwei Vergleichszeitpunkten zum Absolutbetrag des älteren Vergleichspunkt gebildet: EBITDA = (EBITDAB+1 – EBITDAB)/EBITDAB. Die Wachstumsrate kann somit auch negativ werden. G Zur methodenbasierten Schätzung von Renditen vgl. Spörk, Faktorstruktur, 2002, S. 39 ff. Zu dieser Annahme krit. Spörk, Faktorstruktur, 2002, S. 64 f. m. w. N.
258
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Mit dem Tabellenkalkulationsprogramm Microsoft Excel werden für jede zu schätzende Wachstumsrate zunächst 10.000 (= n) unabhängige, standardnormalverteilte Zufallszahlen erzeugt.779 Aus den insgesamt 30.000 Zufallszahlen werden 10.000 3 x 1 Vektoren Xi (i = 1, 2,…, n) gebildet. Die aus dem empirischen Datensatz abgeleitete Varianz-Kovarianz-Matrix der Wachstumsraten der Einflussfaktoren () wird über die Cholesky-Zerlegung in die modifizierte Kovarianzmatrix A überführt und mit den n Zufallszahlenvektoren multipliziert.780 Danach werden die n-Produkte jeweils mit dem empirischen Erwartungswertvektor M der Wachstumsraten addiert. Die auf diese Weise berechneten Summen ergeben den Ergebnisvektor für die Wachstumsraten in einem simulierten Zustand i. Die insgesamt 10.000 simulierten Zustände bilden das Szenario an zukünftigen Entwicklungspfaden der gemeinsam normalverteilten Einflussfaktoren. Formal kann die Simulation über die folgenden Zusammenhänge (F.II.13) beschrieben werden: Ȍi = XiT ƕ A + MT, Ȍ ~ N(M, ) für = AT ƕ A, mit
0
§ ( ªG EBITDA º · § V2EBITDA ¼¸ ¨ ¬ ¨ G ¨ ( ªG AfA º ¸ 6 ¨ V AfA EBITDA ¼ ¸ ¨ ¬ ¨ G ,G ¨ ( G ZA ¸ ¨ VGZA , G EBITDA © © ¹
VG EBITDA , G AfA V
2 G AfA
VGZA , G AfA
VG EBITDA , GZA · § a1,1 ¸ ¨ VG AfA , GZA ¸ $ ¨ 0 ¸ ¨ 0 VG2ZA ¸ © ¹
a1,2 a2,2 0
a1,3 · ¸ a2,3 ¸ a3,3 ¸¹
Durch Multiplikation der Ergebnisvektoren mit dem stationären Vektor der Absolutbeträge für die Einflussfaktoren im Beobachtungszeitpunkt B können die zukünftigen Ausprägungen des EBITDA, der Abschreibungen und der Zinsaufwendungen geschätzt werden:
EBITDAi ,B 1 AfAi , B 1
ZAi , B1
EBITDAB *(1 GiEBITDA )
(F.II.14)
AfAB * (1 GiAfA )
(F.II.15)
ZAB *(1 G )
(F.II.16)
ZA i
Nach Maßgabe dieser Parameterschätzung kann nun für jeden der 10.000 Zustände das Eingreifen der Zinsschranke und die Höhe der Steuerbemessungsgrundlage berechnet werden. Die Anzahl von simulierten Zinsschrankenszenarien gibt Auskunft über die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zinsschranke in der nächsten Periode. Werden nach der Simulation beispielsweise 1.000 Zinsschrankenfälle gezählt, beträgt die Eintrittswahrscheinlichkeit bzw. relative Häufigkeit der Zinsschranke 10% (1.000/10.000).781
779
780 781
Die Güte der Monte-Carlo-Simulation steigt mit Zunahme von n. In den meisten Monte-Carlo-Prozeduren erhöht sich die Prognosegenauigkeit mit zunehmendem n proportional um den Faktor 1/ξ݊; vgl. Dowd, Value at Risk, 2003, S. 114. Zur Cholesky-Zerlegung vgl. Bandemer/Näther, Versuchsplanung, 1980, S. 94 ff.; Glasserman, Monte Carlo, 2004, S. 72 f. Zum frequentistischen Wahrscheinlichkeitsverständnis vgl. Teil I – Kapitel 2 – Abschn. B.I.1, S. 10.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
259
2.
Empirische Datenstruktur und Ableitung der Einflussfaktoren
a.
Allgemeine Charakteristika der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank und Eingrenzung des relevanten Datenbestands
Die Ermittlung der Wachstumsraten von den jeweiligen Einflussfaktoren könnte auf Basis von betriebsindividuellen oder auf allgemeineren branchenspezifischen Daten beruhen. Die Verhältniszahlen der Deutschen Bundesbank, die in der Publikationsreihe „Statistische Sonderveröffentlichung 6“ abgedruckt werden,782 liefern beispielsweise eine wirtschaftszweigspezifische Datenbasis,783 die zur näherungsweisen Bestimmung der Wachstumsraten der Einflussfaktoren herangezogen werden soll.784 In den Bestand der Datenbank fließen pro Berichtsjahr bis zu 130.000 Abschlüsse von nicht finanziellen Unternehmen ein, die zu etwa zwei Drittel aus Steuerbilanzen bestehen.785 Die Bilanz- sowie GuV-Positionen der einbezogenen Unternehmen werden für jeden Wirtschaftszweig, unterteilt nach Umsatzklassen786 und Rechtsform787 aggregiert. Das Gliederungsschema der Jahresabschlusspositionen richtet sich im Wesentlichen nach den handelsrechtlichen Pflichtangaben für große Kapitalgesellschaften (§§ 266, 275 HGB).788 Aufgrund der Aggregation der relevanten GuV-Positionen handelt es sich bei den ermittelten Wachstumsraten um Durchschnittswerte eines Wirtschaftszweiges für einen bestimmten Zeitraum. Zu ihrer Berechnung werden die Jahre 1998–2008 berücksichtigt.789 Die Wachstumsraten werden aus den Jahresvergleichen der Unternehmensbilanzstatistik gewonnen, womit gewährleistet ist, dass die Entwicklungen der Einflussfaktoren zwischen den beiden Vergleichszeitpunkten für eine identische Gruppe von Unternehmen berechnet werden. Es werden branchenspezifische Wachstumsraten von Kapitalgesellschaften mit einem Umsatz 782 783
784
785
786
787
788 789
Die Daten sind im Internet als Exceldateien kostenfrei verfügbar (Abrufdatum: 25.10.2010): http://www.bundesbank.de/statistik/statistik_wirtschaftsdaten_tabellen.php. Die Wirtschaftszweige werden nach der Klassifikation des Statistischen Bundesamts WZ 2003 (http://www.statistik-portal.de/Statistik-Portal/klassiWZ03.pdf; Abrufdatum: 25.10.2010) abgegrenzt, vgl. Deutsche Bundesbank, Verhältniszahlen 06/07, S. 8 f. (Internetquelle). Die Unternehmensbilanzstatistik der Bundesbank wurde zur Analyse von Steuerbelastungen bereits vielfach eingesetzt; vgl. Henselmann, Erfolgsmessung, 1994, S. 112 ff.; Spengel, Steuerbelastungsvergleiche, 1995, S. 159 ff.; Knirsch, Steuerbelastung, 2005, S. 31 ff. Auch bereits für Simulationen zur Zinsschranke vgl. Teil I – Kapitel 4, S. 83 (Fn. 316). Vgl. Deutsche Bundesbank, Verhältniszahlen 06/07, S. 6 (Internetquelle). Zudem enthält der Datenbestand überproportional viele Abschlüsse großer Unternehmen. Gemessen an der Umsatzsteuerstatistik des Statistischen Bundesamtes beträgt die Erfassungsquote von Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als 50 Mio. € ca. 77% der Gesamtumsätze dieser Umsatzklasse; vgl. ebenda, S. 8. Die Umsatzklassen der Unternehmensbilanzstatistik werden in Anlehnung an die Empfehlungen der EU zur Unternehmenseinteilung abgegrenzt; vgl. Deutsche Bundesbank, Verhältniszahlen 06/07, S. 9 (Internetquelle) bzw. Europäische Kommission, 2003/361/EG, ABl. EU 2003, L 124, S. 39. Seit dem Berichtszeitraum 2000 wird zwischen Kapital- und Nichtkapitalgesellschaften unterschieden. Für die Vorjahre wurde bei den Nichtkapitalgesellschaften noch zwischen Personengesellschaften und Einzelunternehmen differenziert. Vgl. Deutsche Bundesbank, Verhältniszahlen 06/07, S. 14 (Internetquelle). Frühere Jahre werden nicht berücksichtigt, da hierin Unternehmen aus einer anderen Datenbasis enthalten sind; vgl. Deutsche Bundesbank, Jahresabschlüsse, S. 5 f. (Internetquelle). Die Daten des Jahres 2008 haben vorläufigen Character und sind nur in elektronischer Version verfügbar; vgl. URL in Fn. 782.
260
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
von mehr als 50 Mio. € berechnet. Eine homogene Unternehmensgruppe für den gesamten Beobachtungszeitraum existiert nicht. Deshalb muss einschränkend darauf hingewiesen werden, dass die jährlichen Wachstumsraten aufgrund des intertemporal heterogenen Datenbestands streng genommen nicht miteinander vergleichbar sind. Da es sich bei den relevanten GuV-Positionen aber ohnehin um Gesamtaggregate einer Vielzahl von Unternehmen handelt, sollten intertemporale Veränderungen innerhalb des einbezogenen Unternehmensbestands nicht so schwer wiegen. Mit Ausnahme der Umsatzerlöse werden die übrigen GuV-Positionen lediglich als Prozentwerte der Gesamtleistung (Umsatzerlöse zzgl. Bestandsveränderungen an Erzeugnissen) angegeben.790 Um die Absolutbeträge der jeweils benötigten GuV-Positionen zu erhalten, muss ausgehend vom Umsatz auf die Gesamtleistung zurückgerechnet werden. Wenn beispielsweise die Umsatzerlöse 99% der Gesamtleistung ausmachen und das aggregierte Gesamtvolumen an Umsatzerlösen 1.000 Mio. € beträgt, beziffert die Gesamtleistung in absoluten Beträgen gemessen rund 1.010 Mio. € (= 1.000/0,99). Sodann kann der Absolutbetrag einer GuV-Position aus dem Produkt von Prozentsatz und Gesamtleistung berechnet werden. In Bezug auf die Eignung der verwendeten Datenbasis ist klar, dass es sich bei den jeweils ermittelten Beträgen nur um Näherungswerte handeln kann, da genaue Informationen über Abweichungen zwischen Handels- und Steuerbilanz sowie außerbilanzielle Hinzurechnungen und Kürzungen im aggregierten Datensatz nicht verfügbar sind.791 b.
Konzeptionelle Ableitung des EBITDA, der Abschreibungen und Zinsaufwendungen aus dem relevanten Datenbestand
Das zur Bestimmung der Wachstumsraten benötigte EBITDA der jeweils zu vergleichenden Unternehmensgruppen wird aus dem „Jahresergebnis vor Gewinnsteuern“ (1), erhöht um „Zinsaufwendungen“ (2) sowie „Abschreibungen auf Sachanlagen“ (3) und vermindert um „Beteiligungserträge“ (4) sowie „Zinserträge“ (5), abgeleitet. Zu (1): Das in der Datenbasis aufgeführte „Jahresergebnis vor Gewinnsteuern“ stellt die Startgröße zur Ermittlung des EBITDA dar. Wie bereits angemerkt, wird von Unterschieden aufgrund steuerlicher Gewinnermittlungsvorschriften abstrahiert. Mit Blick auf die steuerliche Einkommenswirkung von Ergebnisabführungsverträgen sei darauf hingewiesen, dass Erträge und Aufwendungen im Zusammenhang mit Gewinnabführungen und Verlustausgleichsver-
790
791
Vgl. Deutsche Bundesbank, Verhältniszahlen 06/07, S. 10 (Internetquelle). Die Umsatzerlöse werden vermindert um Preisnachlässe und (bspw. Skonti, Rabatte) und zurückgewährte Entgelte (bspw. mängelbedingte Gutschriften). In die Position Bestandsveränderungen an Erzeugnissen fließen Veränderungen des Bestands an noch nicht abgeschlossenen Aufträgen und anderen aktivierten Eigenleistungen ein; vgl. Deutsche Bundesbank, Jahresabschlüsse, S. 17 (Internetquelle). Zu den Problemen einer empirischen bzw. jahresabschlussbasierten Ermittlung der Steuerbemessungsgrundlage und Steuerbelastung vgl. Schneider, Besteuerung, 1992, S. 187 f.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
261
pflichtungen nicht im Jahresergebnis der Bundesbankdaten enthalten sind. Hierdurch sollen u. a. redundante Ergebniserfassungen im aggregierten Datensatz vermieden werden.792 Zu (2): In die Position „Zinsaufwendungen“ fließen laut offizieller Erläuterung zum Datenbestand Zinsen und ähnliche Aufwendungen ein.793 Zwar entspricht diese Position nicht exakt der Definition von Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke (§ 4h Abs. 3 S. 2 EStG), jedoch wird sie unverändert als Schätzer herangezogen.794 Zu (3): Im Datensatz werden „Abschreibungen auf Sachanlagen“ und „übrige Abschreibungen“ gesondert ausgewiesen. Vom Grundtatbestand der Zinsschranke werden lediglich Abschreibungen nach § 6 Abs. 2 S. 1, Abs. 2a S. 2 EStG und § 7 EStG erfasst, weshalb in der Position „Abschreibungen auf Sachanlagen“ sämtliche zinsschrankenrelevanten Abschreibungsbeträge enthalten sein sollten. Da hierein auch Abschreibungen auf aktivierte Aufwendungen für die Ingangsetzung und Erweiterung des Geschäftsbetriebs eingehen,795 welche nicht von den vorgenannten Paragrafen erfasst werden, fallen die zur Ermittlung des EBITDA herangezogenen Abschreibungsbeträge mitunter zu hoch aus. Die „übrigen Abschreibungen“ werden zwar nicht bei der EBITDA-Berechnung hinzugerechnet, jedoch mindern sie die Ausgangsgröße „Jahresergebnis vor Gewinnsteuern“. Die Ausgangsgröße und folglich auch das steuerliche EBITDA können deshalb unterschätzt werden, weil in den „übrigen Abschreibungen“ auch Teilwertabschreibungen gem. § 8b Abs. 3 S. 3 KStG enthalten sein können, die grundsätzlich auf der zweiten Stufe der Gewinnermittlung wieder hinzuzurechnen sind und somit weder den maßgeblichen Gewinn noch das steuerliche EBITDA mindern. Zu (4): In den Jahren 2001–2008 wird unter den „Übrigen Erträge“ die Position „Erträge aus Beteiligungen“ gesondert ausgewiesen. Beteiligungserträge sind für die EBITDA-Ermittlung weitestgehend irrelevant. Während Gewinnausschüttungen von Tochterkapitalgesellschaften aufgrund von § 8b KStG nur zu 5% im maßgeblichen Einkommen enthalten sind, sollen nach Auffassung der Finanzverwaltung für Zwecke der EBITDA-Ermittlung Ergebniszurechnungen aus Mitunternehmerschaften zu 100% eliminiert werden.796 Weil keine Angaben darüber vorliegen, zu welchen Anteilen die Beteiligungserträge auf Tochterkapital- und Tochterpersonengesellschaften entfallen, wird auf eine feinadjustierte Korrektur dieser Position verzichtet und die ausgewiesenen Beteiligungserträge für Zwecke der EBITDA-Ermittlung vollständig vom „Jahresergebnis vor Gewinnsteuern“ abgezogen. Aufgrund der Tatsache, dass für die Jahre 1998–2000 die Position „Erträge aus Beteiligungen“ nicht gesondert ausgewiesen wird, 792 793 794 795
796
Vgl. Deutsche Bundesbank, Verhältniszahlen 06/07, S. 16 (Internetquelle). Vgl. Deutsche Bundesbank, Verhältniszahlen 06/07, S. 13 (Internetquelle). Ebenso Bach/Buslei, Empirische Analysen, DIW-RN 2009, S. 12. Der Umfang zinsschrankenrelevanter Zinsen ist in der Literatur umstritten; vgl. Kapitel 1 – Abschn. B.I.3, S. 118 ff. Vgl. Deutsche Bundesbank, Verhältniszahlen 06/07, S. 13 (Internetquelle). Mit dem BilMoG sind Ingangsetzungsaufwendungen nicht mehr aktivierungsfähig – § 269 HGB ist ersatzlos gestrichen worden; vgl. BTDrs. 16/10067, S. 64. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 42. Zum Literaturstreit vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.2.a, S. 109 ff.
262
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
kann weder auf die relative noch auf die absolute Höhe der Beteiligungserträge geschlossen werden. Angesichts dieses Informationsdefizits wird hilfsweise unterstellt, dass der in den Jahren 2001–2008 im Durchschnitt beobachtete Anteil der Beteiligungserträge an den „Übrigen Erträgen“ auch in den Jahren 1998–2000 realisiert wurde. Zu (5): In der Position „Zinserträge“ sind neben Zinsen auch ähnliche Erträge z. B. aus Wertpapieren und Ausleihungen des Finanzanlagevermögens enthalten.797 Wiederum ist nicht erkennbar, zu welchen Anteilen in dieser Position steuerpflichtige Zinserträge bzw. (teilweise) steuerbefreite Dividendenerträge enthalten sind. Mangels besserer Informationen werden die „Zinserträge“ vollständig vom „Jahresergebnis vor Steuern“ abgezogen. Somit wird das EBITDA leicht unterschätzt, da der steuerpflichtige Teil von Dividendenerträgen und Veräußerungsgewinnen im Zusammenhang mit Kapitalgesellschaftsanteilen grundsätzlich das EBITDA erhöhen würde. Während diese Position die Schätzung des EBITDA nur leicht beeinflusst, ist sie zur Schätzung der Zinserträge i. S. der Zinsschranke (§ 4h Abs. 3 S. 3 EStG) gänzlich ungeeignet, da sie sich aus sehr heterogenen steuerlichen Bemessungsgrundlagen zusammensetzt. Ferner zeigt die statistische Auswertung, dass die „Zinserträge“ in vielen Wirtschaftszweigen eine sehr volatile Größe darstellt, die zudem einen bedeutenden Anteil am „Jahresergebnis“ hat. Dies deutet daraufhin, dass der Anteil von variabel vergüteten Finanztiteln hoch ist und/oder die Finanzanlageintensität starken Schwankungen unterliegt. Aufgrund der unzureichenden Informationsgrundlage und des hohen Einflusses der Zinserträge auf etwaige Schätzergebnisse wird auf eine Berechnung der periodischen Wachstumsraten von Zinserträgen und auf ihren Einbezug in die Kovarianz-Matrix verzichtet. c.
Durchschnittliche Relevanz der Zinsschranke in ausgewählten Wirtschaftszweigen
Bevor empirische Wachstumsraten und deren Volatilität aus dem verwendeten Datensatz gewonnen werden, soll das Datenmaterial hinsichtlich seiner Eignung für weitere Simulationszwecke kurz näher beleuchtet werden. Anknüpfend an den Vergleich von empirischen Studien in Teil I der Arbeit wird die Datenüberprüfung in einem ersten Schritt auf die dort genannten sechs Wirtschaftszweige Baugewerbe, (wirtschaftliche) Dienstleistungen, Energie, Grundstücks- und Wohnungswesen, Handel (Großhandel) und verarbeitendes Gewerbe eingeschränkt.798
797 798
Vgl. Deutsche Bundesbank, Verhältniszahlen 06/07, S. 13 (Internetquelle). Vgl. Teil I – Kapitel 4 – Abschn. D, S. 84.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
263
70% 50% 30% 10% Ͳ10%
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Ͳ30% Ͳ50% Baugewerbe
Dienstleistungen
Energie
GrundstücksͲundWohnungswesen
Handel
verarbeitendesGewerbe
Abbildung 12: Verhältnis von Zinsaufwand zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen (Unternehmensbilanzstatistik)
Abbildung 12 zeigt die Verhältnisse von Zinsaufwand zu EBITDA für die ausgewählten Wirtschaftszweige, die auf der Grundlage der im Vorabschnitt dargestellten Berechnungsmethodik ermittelt wurden.799 Es wird erkennbar, dass nur das Baugewerbe und das Grundstücks- und Wohnungswesen oberhalb der kritischen Marke von 30% liegen.800 Bis einschließlich 2000 befindet sich nur das Baugewerbe im Bereich negativer Verhältniszahlen, die auf ein negatives EBITDA zurückzuführen sind. Dies lässt den Schluss zu, dass anhand der aufgestellten Prämissen und bei Vernachlässigung von Zinserträgen die Zinsschranke im Beobachtungszeitraum nur für Durchschnittsunternehmen des Baugewerbes und des Grundstücks- und Wohnungswesens theoretisch einschlägig gewesen wäre. In die Nähe der kritischen 30%Marke gelangen im Beobachtungszeitraum ferner der Handel und das verarbeitende Gewerbe, wobei ein Durchschnittsunternehmen des verarbeitenden Gewerbes in jüngeren Beobachtungszeitpunkten vergleichsweise stärker belastet zu sein scheint. Die Verhältniszahlen im Dienstleistungs- und Energiesektor liegen sehr eng beieinander und unterschreiten die kritische Marke jeweils deutlich. Sofern man die in der Unternehmensbilanzstatistik ausgewiesenen „Zinserträge“ berücksichtigt, stellen sich die Verhältniszahlen vollkommen anders dar. Das Verhältnis von Zinssaldo 799 800
Die der Grafik zugrunde liegenden Daten können der Wertetabelle in Anhang 10, S. 398 entnommen werden. Wenn man von Zinserträgen, Zins- und EBITDA-Vorträgen abstrahiert, greift der Grundtatbestand der Zinsschranke ein, wenn der Zinsaufwand mehr als 30% des steuerlichen EBITDA beträgt; vgl. Teil I –Kapitel 2 – Abschn. A.I, S. 5.
264
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
zu EBITDA, welches anhand der Tabelle und Abbildung in Anhang 11 (S. 399) nachvollzogen werden kann, ist vielfach negativ. Dies ist i. a. R. auf einen positiven Zinssaldo bzw. Zinsertragsüberschuss zurückzuführen ist. Da eine wirtschaftszweigübergreifende hohe Anlageintensität in (festverzinsliche) Wertpapiere, die als Zinserträge i. S. der Zinsschranke qualifiziert werden können, eher auszuschließen ist, kann dies als Indiz aufgefasst werden, dass in der Position „Zinserträge“ in hohem Maße auch (partiell) steuerfreie Dividendenerträge und Veräußerungsgewinne enthalten sind, die nicht die Definition von Zinserträgen i. S. der Zinsschranke erfüllen. Die Ergebnisse der empirischen Studien können durch die oben abgebildeten Verhältniszahlen nur teilweise bestätigt werden. Während die Verhältniszahlen des Grundstücks- und Wohnungswesens sowie des Energiesektors in dieselbe Richtung weisen wie die Studienergebnisse, sind deutliche Abweichungen für den Dienstleistungssektor zu verzeichnen.801 Auch hinsichtlich des Baugewerbes scheinen die Verhältniszahlen nicht die Studienergebnisse repräsentieren zu können. Denn anders als es die Studien zum Vorschein bringen, liegt ein Durchschnittsunternehmen des Baugewerbes im Jahr 2008 vergleichsweise nahe an der 30%Marke (23,63%).802 Ähnliches gilt für den Handel, der beim Vergleich der Jahre 2007–2008 die viertniedrigsten Verhältniszahlen aufweist, den Studienergebnissen zufolge aber der Zinsschranke innerhalb dieser Branche eine mittlere bis hohe Relevanz beizumessen ist. In der Tendenz liegen Studienergebnisse und Verhältniszahlen in Bezug auf das verarbeitende Gewerbe jedoch nicht so weit auseinander. Den Verhältniszahlen zufolge ist die Bedeutung der Zinsschranke für das verarbeitende Gewerbe in den letzten fünf Beobachtungszeitpunkten hinter dem Baugewerbe und dem Grundstücks- und Wohnungswesen am größten. Diese mittlere Relevanz der Zinsschranke spiegeln auch die empirischen Studien wider. Des Weiteren wird aus Abbildung 12 ersichtlich, dass Datenpunkte teilweise nicht mit Verbindungslinien verknüpft sind. Diese Lücken liegen darin begründet, dass für die betroffenen Wirtschaftszweige keine vollständigen Datensätze über den gesamten Beobachtungszeitraum verfügbar sind. Eine größen- und rechtsformspezifische Aufgliederung, die den gestellten Anforderungen aus dem Vorabschnitt entspricht, ist lediglich für das Baugewerbe, den Handel und das verarbeitende Gewerbe verfügbar. Während die Verhältniszahlen des Handels und des verarbeitenden Gewerbes zwischen 10% und 30% schwanken, weisen die Verhältniszahlen des Baugewerbes eine extrem starke Schwankungsbreite auf (minimaler Wert: 162,02%; maximaler Wert: 219,16%). Aufgrund des teilweise lückenhaften und teilweise sehr volatilen Datenbestands beschränken sich die nachfolgenden Ausführungen auf die Wirtschaftszweige Handel und verarbeitendes Gewerbe. 801
802
Während für den Dienstleistungssektor die Studien auf eine hohe Relevanz der Zinsschranke hindeuten (Abbildung 7 (S. 84)), schwanken die aus der Unternehmensbilanzstatistik abgeleiteten Verhältniszahlen im Beobachtungszeitraum 2004–2007 lediglich um die 10%; vgl. auch Tabelle 24 in Anhang 10, S. 398. Nach den Ergebnissen der Studien ist die Zinsschranke im Baugewerbe nur von geringer Bedeutung, vgl. Abbildung 7 (S. 84).
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
d.
265
Entwicklungspfade der Einflussfaktoren ausgewählter Wirtschaftszweige 50% 40% 30% 20% 10% 0% 1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Ͳ10% Ͳ20% Ͳ30% Ͳ40% ɷEBITDA
ɷAfA
ɷZinsaufwand
Abbildung 13: Wachstumsraten des EBITDA, der Abschreibungen und des Zinsaufwands im verarbeitenden Gewerbe
Abbildung 13 veranschaulicht den Entwicklungsverlauf der Wachstumsraten der zinsschrankenrelevanten Einflussfaktoren im Zeitraum 1998–2008 im verarbeitenden Gewerbe. Während die Wachstumsraten des EBITDA und der Zinsaufwendungen durch einen volatilen und (leicht) positiv korrelierten Entwicklungsverlauf gekennzeichnet sind, liegen die Wachstumsraten der Abschreibungen in einem vergleichsweise schmalen Schwankungsintervall. Angesichts einer geringen Anzahl an Datenpunkten können keine (echten) Ausreißer identifiziert werden, weshalb zur Berechnung der für die Simulation benötigten Erwartungswerte und Varianzen sämtliche Wachstumsraten berücksichtigt werden sollen.
266
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
50% 40% 30% 20% 10% 0% 1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Ͳ10% Ͳ20% Ͳ30% Ͳ40% ɷEBITDA
ɷAfA
ɷZinsaufwand
Abbildung 14: Wachstumsraten des EBITDA, der Abschreibungen und des Zinsaufwands im Handel
Auch wenn sich die Entwicklungsrichtung der Wachstumsraten im Handel von derjenigen im verarbeitenden Gewerbe teils deutlich unterscheidet, sind die Charakteristika der Wachstumsraten hinsichtlich Volatilität und Korrelation der Entwicklungsverläufe durchaus miteinander vergleichbar. Der visuelle Eindruck lässt sich über einen Vergleich der statistischen Lage- bzw. Streuungsmaße (Tabelle 10) bestätigen. Erwartungswert
Standardabweichung
Kovarianz Korrelation įEBITDA mit … įEBITDA mit …
įEBITDA
2,43%
14,39%
2,07%
1,00
įAfA
–3,40%
5,95%
–0,42%
–0,49
įZinsaufwand
6,71%
16,27%
0,02%
0,01
Handel
Verarbeitendes Gewerbe įEBITDA
4,96%
17,59%
3,09%
1,00
įAfA
2,33%
4,53%
–0,12%
–0,15
įZinsaufwand
10,36%
16,87%
1,85%
0,62
Tabelle 10: Lage- und Streuungsmaße der zinsschrankenrelevanten Wachstumsraten im Handel und verarbeitenden Gewerbe
In beiden Wirtschaftszweigen sind die Rangplätze der Wachstumsraten identisch. Die erwartete bzw. durchschnittliche Wachstumsrate des Zinsaufwands ist jeweils am höchsten, gefolgt
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
267
von der erwarteten Wachstumsrate des EBITDA. Die erwartete Wachstumsrate der Abschreibungen nimmt jeweils den kleinsten Wert an, wobei im Handel eine negative erwartete Wachstums- bzw. Veränderungsrate vorliegt. Die jeweiligen Standardabweichungen der Wachstumsraten des EBITDA und des Zinsaufwands liegen im vergleichbaren zweistelligen Prozentbereich, während die Streuungen des Abschreibungswachstums jeweils vergleichbare einstellige Prozentwerte annehmen. Ferner weisen die Korrelationskoeffizienten in beiden Wirtschaftszweigen dieselben Vorzeichen auf.803 Im Handel besteht zwischen dem EBITDAWachstum und der Wachstumsrate der Abschreibungen eine mittelstarke negative Korrelation, die im verarbeitenden Gewerbe nur schwach ausgeprägt ist. Während im Handel zwischen dem EBITDA-Wachstum und der Zinsaufwandsentwicklung nur ein verschwindend geringer statistischer Zusammenhang festgestellt werden kann, ist dieser im verarbeitenden Gewerbe überdurchschnittlich stark ausgeprägt.
803
Zur Berechnung des Korrelationskoeffizienten nach Bravais und Pearson vgl. Hartung/Elpelt/Klösener, Statistik, 2009, S. 73 f.
268
3.
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Durchführung der Monte-Carlo-Simulation
In dieser Arbeit werden für ein Referenzunternehmen des verarbeitenden Gewerbes und des Handels Fallzahlen der Zinsschranke und die drohende Belastung für eine und mehrere Perioden simuliert. Innerhalb des ersten Untersuchungsabschnittes wird die Gefahr des erstmaligen Eingreifens der Zinsschranke in der nächsten Berichtsperiode analysiert. Anschließend werden im zweiten Untersuchungsabschnitt die intertemporalen Effekte der Zinsschranke in den Blick genommen. Hierbei stehen insbesondere das wiederholte Eingreifen der Zinsschranke sowie die Nutzung des Zinsvortrags innerhalb eines Fünfjahreszeitraums im Vordergrund. Allerdings werden im Rahmen der Simulation etwaige Verrechnungsbeschränkungen aufgrund von §§ 4h Abs. 5 EStG, 8c KStG etc. außer Acht gelassen. a.
Simulation des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung im Einperiodenkontext
Als Ausgangsdaten für den Beobachtungszeitpunkt t = B werden die Werte des Jahres 2008 aus dem Datenbestand der Unternehmensbilanzstatistik zugrunde gelegt. Die durchschnittlichen Werte zur Berechnung des EBITDA, der Abschreibungen und Zinsaufwendungen einer Kapitalgesellschaft können der nachstehenden Tabelle entnommen werden. Handel
verarbeitendes Gewerbe
(1) Jahresergebnis vor Gewinnsteuern
7.145.662
16.475.521
(2) Zinsaufwendungen
1.242.724
5.814.890
(3) Abschreibungen auf Sachanlagen
1.553.405
14.052.651
(4) Beteiligungserträge
621.362
7.268.612
(5) Zinserträge
B = 2008
932.043
4.845.742
(6) EBITDA = (1) + (2) + (3) – (4) – (5)
8.388.386
24.228.708
(7) 30% des EBITDA
2.516.516
7.268.612
Tabelle 11: Zinsschrankenparameter eines Durchschnittsunternehmens der Wirtschaftszweige Handel und verarbeitendes Gewerbe
Vergleicht man die Zeilen (2) und (7) der Tabelle miteinander, wird unmittelbar ersichtlich, dass ein Durchschnittsunternehmen des Handels und des verarbeitenden Gewerbes im Jahre 2008 selbst dann nicht von der Zinsschranke betroffen gewesen wäre, wenn es keine Zinserträge erwirtschaftet hätte. Im Handel unterschreitet der Zinsaufwand eines Durchschnittsunternehmens zudem die Freigrenze von 3 Mio. € (§ 4h Abs. 2 lit. a EStG). Die Freigrenze wird im verarbeitenden Gewerbe nur dann unterschritten, wenn Zinserträge berücksichtigt werden. Aufgrund der bereits diskutierten problematischen Charakteristik der Position „Zinserträge“ kann jedoch davon ausgegangen werden, dass die in der Unternehmensbilanzstatistik ausge-
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
269
wiesenen Zinserträge nur in geringem Umfang die rechtliche Qualität von Zinserträgen i. S. der Zinsschranke erfüllen werden.804 Aus diesem Grund wird im Rahmen der Simulation des Zinssaldos vollständig von Zinserträgen abstrahiert. Da ein Durchschnittsunternehmen des Handels aus dem Anwendungsbereich der Zinsschranke herausfällt, eignen sich die in Tabelle 11 aufgeführten Daten nicht als Ausgangswerte für die nachfolgende Simulation. Deshalb werden für den Handel und das verarbeitende Gewerbe identische Ausgangsdaten angenommen. Die Simulationsergebnisse werden nachfolgend nur für das verarbeitende Gewerbe erläutert. Die entsprechenden Ergebnisse für den Handel sind in Anhang 13 (S. 401 ff.) enthalten und werden vereinzelt nachrichtlich angegeben. Im Beobachtungszeitraum ergeben sich für die Wachstumsraten der folgende Erwartungswertvektor (M) und die folgenden Kovarianz-Matrizen ( und A): 0 verarb.Gewerbe
§ 0, 04959 · ¨ 0, 02328 ¸ ¨ ¸ ¨ 0,10355 ¸ © ¹ $verarb.Gewerbe
6 verarb.Gewerbe
§ 0, 03093 ¨ ¨ 0, 00120 ¨ 0, 01874 ©
0, 00120
0, 00205 0, 00076
0, 01847 · ¸ 0, 00076 ¸ 0, 02846 ¸¹
§ 0,17586 0, 00682 0,10501 · ¨ ¸ 0, 04474 0, 03296 ¸ . ¨ 0 ¨ 0 0 0,12784 ¸¹ ©
Für ein Durchschnittsunternehmen des verarbeitenden Gewerbes ist die Berechnung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung selbst bei Vernachlässigung von Zinserträgen entbehrlich, da die Zinsaufwendungen im Zeitpunkt B deutlich unterhalb von 30% des EBITDA liegen. Die simulierte Anzahl an Zinsschrankenfällen beträgt ohne Berücksichtigung von Zinserträgen 190. Gemessen an den 10.000 Simulationsdurchläufen beträgt die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zinsschranke somit 1,90%.805 Die geringen Eintrittswahrscheinlichkeiten zeigen an, dass auf der Grundlage der in Tabelle 11 enthaltenen Ausgangsdaten keine dringende Notwendigkeit für eine detaillierte Messung des Zinsschrankenrisikos besteht. Die Berechnung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung ist vielmehr dann von Bedeutung, wenn die Nettozinsaufwendungen eines Unternehmens in der abgelaufenen Periode das steuerliche EBITDA nicht deutlich unterschritten haben. Für die weitere Simulation soll deshalb ein wesentlich höherer Zinsaufwand unterstellt werden, der das hier angenommene exemplarische Referenzunternehmen ceteris paribus in die nähere Reichweite des Grundtatbestands der Zinsschranke bringt. Als Beobachtungswerte für den Zeitpunkt B werden ein EBITDA i. H. von 24 Mio. €, Abschreibungen i. H. von 14 Mio. € und Nettozinsaufwendungen i. H. von 7 Mio. € angenommen. Bei diesen Ausgangsdaten hat das Unternehmen im Zeitpunkt B die maximal abzugsfähigen Zinsen lediglich um 200.000 € 804 805
Vgl. Abschn. B.II.2.b, S. 260 ff. Dagegen beträgt die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zinsschranke im Handel bei identischen Ausgangsdaten, aber unterschiedlichen Wachstumsraten 5,42%.
270
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
(= 30% * EBITDA – 7 Mio. €) unterschritten. Dieser Überschuss an abzugsfähigen Zinsen erhöht den EBITDA-Vortrag; annahmegemäß wurde in den Vorperioden kein EBITDAVortrag aufgebaut. Zur Berechnung der Steuerbelastung wird vereinfachend davon ausgegangen, dass sich die Bemessungsgrundlage vor Zinsschranke – also das maßgebliche Einkommen i. S. des § 8a Abs. 1 S. 2 KStG – aus der Differenz von EBITDA, Abschreibungen und Nettozinsen zusammensetzt. Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben beträgt die Wahrscheinlichkeit für das Eingreifen der Zinsschranke im Prognosezeitpunkt B + 1 49,08%. Die Wahrscheinlichkeit für ein negatives Vorsteuerergebnis beträgt 24,19%. Ferner führt die Zinsschranke in der überwiegenden Anzahl der simulierten Fälle auch zu einem Liquiditätsentzug. 100%
70% 60%
59,73%
90% 80%
50%
70% 60%
40%
50% 30%
40%
22,85%
30%
20% 13,04% 10%
20% 3,82%
10%
0,52%
0,04%
0,00%
4%
5%
6%
0%
0% 0%
1%
2%
3%
relativerLiquiditätsnachteil RelativeHäufigkeit
Kumuliert%
Abbildung 15: Histogramm des relativen Liquiditätsnachteils für ein Referenzunternehmen des verarbeitenden Gewerbes
Die Häufigkeitsverteilungen des relativen Liquiditätsnachteils können Abbildung 15 entnommen werden. Mit einer Wahrscheinlichkeit von 40,27% (= 100% – 59,73%) droht dem Referenzunternehmen durch die Zinsschranke ein Liquiditätsnachteil. Dies führt im Verhältnis zur Wahrscheinlichkeit des Eingreifens der Zinsschranke zu einem Belastungsgrad von 82,05% (= 40,27%/49,08%).806 Innerhalb des Wahrscheinlichkeitsbereichs, in dem die Zinsschranke eine materielle Relevanz entfaltet, ist erkennbar, dass die größte Häufung an Zinsschrankenfällen zu einer liquiditätsmäßigen Belastung zwischen 1% und 3% des Operating Cash806
Im Handel beträgt die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zinsschranke 47,68%. Die Wahrscheinlichkeit einer Liquiditätswirkung beträgt hier 44,54%.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
271
flows (OCF) führt. Die schwarze Kurve in der Grafik verdeutlicht (gemessen an den Prozentwerten der rechten Ordinate), mit welcher kumulierten Wahrscheinlichkeit ein bestimmter relativer Liquiditätsnachteil nicht überschritten wird. So kann mit einer Wahrscheinlichkeit von über 95% ausgeschlossen werden, dass ein Liquiditätsnachteil von größer als 2% des OCF erlitten wird. Aus dem Histogramm der Steuerquote kann entnommen werden, dass die Steuerquote mit einer Wahrscheinlichkeit von 90% nicht größer als 60% sein wird. Die Wahrscheinlichkeit, eine Steuerquote jenseits von 99% zu erzielen, beträgt aber noch 4,48%.807 Der nachstehenden Tabelle können die statistischen Lage- und Streuungsmaße der Simulation für den relativen Liquiditätsnachteil (LNrel) und die Steuerquote (StQ) abgelesen werden. Minimum
Maximum
Median
Standardabweichung
Erwartungswert
bedingter Median
LNrel
0,00%
4,41%
0,00%
0,68%
0,40%
0,68%
StQ
–52302,49%
53859,11%
34,37%
924,53%
29,46%
39,98%
Tabelle 12: Statistische Lage- und Streuungsmaße der einperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote (verarbeitendes Gewerbe)
Vergleicht man die minimalen und maximalen Wertausprägungen von beiden Kennzahlen, wird erkennbar, dass die Steuerquote eine deutlich weitere Schwankungsbreite besitzt als der relative Liquiditätsnachteil. Insbesondere der minimale Ausschlag der Steuerquote ist keiner eindeutigen Interpretation mehr zugänglich, denn der Prozentwert –52302,49% stellt keine positive Situation in Form eines negativen Steueraufwands (bzw. Steuerertrags) dar, sondern vielmehr ein Szenario, in dem trotz negativen Vorsteuerergebnisses eine Steuerbelastung eintritt. Damit handelt es sich beim Steuerquotenminimum nicht um den Best Case, sondern vielmehr um ein besonders schlechtes Szenario. Auch bei der Interpretation des Steuerquotenmaximums kann nicht eindeutig der Schluss gezogen werden, dass es sich hierbei um das Worst-Case-Szenario handelt oder ob nicht doch eher das Steuerquotenminimum in materieller Hinsicht ein noch schlechteres Szenario verkörpert. Im Gegensatz hierzu geben der minimale und maximale Wert des relativen Liquiditätsnachteils in Bezug auf die Belastungswirkung der Zinsschranke ein klares Bild über den Worst- und Best-Case der Simulation. Bestenfalls liegt die Mehrbelastung aufgrund der Zinsschranke bei 0% und schlimmstenfalls bei 4,41%. Den Medianen kann entnommen werden, dass mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% ein relativer Liquiditätsnachteil i. H. von 0% und eine Steuerquote i. H. von 34,37% nicht überschritten werden. Daneben geht aus den Erwartungswerten hervor, dass im Mittel ein relativer Liquiditätsnachteil von 0,40% und eine Steuerquote von 29,46% erzielt werden. Der bedingte Median gibt Auskunft darüber, mit welcher Belastung zu rechnen ist, wenn die Zinsschranke eingreift. In der hier vorgenommenen Simulation ergibt sich ein (bedingt-)zentraler relativer 807
Vgl. Anhang 12, S. 400.
272
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Liquiditätsnachteil i. H. von 0,68% und eine (bedingt-)zentrale Steuerquote i. H. von 39,98%.808 Mithilfe der Standardabweichung kann die Robustheit der beschriebenen Lagemaße bewertet werden. Beim Vergleich der Standardabweichungen der beiden Kennzahlen wird deutlich, dass die Streuung der Steuerquote (924,53%) um ein Vielfaches höher ist als diejenige des relativen Liquiditätsnachteils (0,68%). Aufgrund ihrer hohen Volatilität ist die Steuerquote selbst mit großer Unsicherheit behaftet, weshalb sie nicht zur Einschätzung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung herangezogen werden sollte. b.
Simulation des Zinsschrankenrisikos 1. und 2. Ordnung im Mehrperiodenkontext
Bevor die Gefahr der Nichtnutzung des Zinsvortrags und die Höhe des potenziellen Liquiditätsnachteils in einem Mehrperiodenkontext analysiert werden, sei noch auf die erforderlichen Erweiterungen der Simulationsrechnung hingewiesen. Während der Beurteilungszeitpunkt B, von dem aus die potenziellen Belastungen prognostiziert werden, unverändert bleibt, werden die für den Prognosezeitpunkt B + 1 geschätzten Werte in den darauf folgenden fünf Perioden fortentwickelt. So werden das EBITDA, die Abschreibungen und Zinsaufwendungen der Periode B + 2 auf Basis der Schätzwerte B + 1 berechnet – Entsprechendes gilt für die weiteren Perioden. Die Wachstumsraten der Prognosezeiträume basieren jeweils auf „neuen“ Zufallszahlen. Damit spielen Zinsschrankenrisiken1. Ordnung in die Berechnung von Zinsschrankenrisiken2. Ordnung ein, weshalb auch das erneute Eingreifen der Zinsschranken Gegenstand der Analysen ist. Klar ist auch, dass die Berechnungen nun um die Wirkungen der Verrechnung von Verlust-, Zins- und EBITDA-Vorträgen anzureichern sind. i.
Gefahr des wiederholten Eingreifens der Zinsschranke
Für den fünfjährigen Prognosezeitraum ergibt die Simulation die in Tabelle 13 enthaltenen Wahrscheinlichkeiten: Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsschranke greift Wahrscheinlichkeit, dass mit der Zinsschranke kein LN verbunden ist Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsschranke wiederholt eingreift
B+1 49,08%
B+2 55,87%
B+3 60,94%
B+4 65,46%
B+5 68,51%
B+6 71,45%
(55,67%)
(63,06%)
(69,48%)
(73,46%)
(76,78%)
(79,30%)
17,95%
26,81%
31,41%
33,62%
35,03%
35,80%
(14,57%)
(23,28%)
(27,58%)
(29,92%)
(31,21%)
(32,38%)
86,86%
92,29%
94,63%
95,81%
96,44%
(84,14%)
(90,41%)
(92,90%)
(94,16%)
(94,89%)
Tabelle 13: Eintrittswahrscheinlichkeiten des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (verarbeitendes Gewerbe)
808
Zur Erklärung und Interpretation des zentralen relativen Liquiditätsnachteils bzw. der zentralen Steuerquote vgl. Abschn. B.I.2.a, S. 250.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
273
Offenkundig steigt die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zinsschranke im Zeitablauf an. Diese negative Entwicklung ist jedoch ausschließlich auf die Inputdaten der Simulation und nicht auf die Beschaffenheit des Regelungsgefüges der Zinsschranke zurückzuführen. Allein der EBITDA-Vortrag verhindert eine noch höhere Eintrittswahrscheinlichkeit der Zinsschranke. Anhand der in Klammern ausgewiesenen Prozentwerte kann abgelesen werden, wie hoch die Eintrittswahrscheinlichkeiten der Zinsschranke ausgefallen wären, wenn kein EBITDAVortrag existieren würde. Insofern deuten die Eintrittswahrscheinlichkeiten darauf hin, dass das hier unterstellte Unternehmen aufgrund investitions- und finanzierungsspezifischer Einflüsse ein strukturelles Problem mit der Zinsschranke hat. Da die Wahrscheinlichkeit von operativen Verlusten im Zeitablauf zunimmt, steigt auch die Wahrscheinlichkeit an, dass die Zinsschranke keinen Liquiditätsnachteil nach sich zieht.809 Ferner ist problematisch, dass die Wahrscheinlichkeit für ein wiederholtes Eingreifen der Zinsschranke in der unmittelbaren Folgeperiode hoch ausfällt. So beträgt beispielsweise die Wahrscheinlichkeit, dass im zweiten und dritten Prognosezeitpunkte die Zinsschranke erneut zur Anwendung gelangt, deutlich über 80%. Minimum des LNrel
B+1 0,00%
B+2 0,00%
B+3 0,00%
B+4 0,00%
B+5 0,00%
B+6 -1,91%
Maximum des LNrel
4,41%
8,91%
13,03%
24,94%
35,98%
47,91%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,40%
0,74%
1,06%
1,45%
1,91%
2,33%
rel
Median des LN
rel
Erwartungswert LN
Standardabweichung LNrel
0,68%
1,25%
1,78%
2,41%
3,17%
3,96%
rel
0,68%
0,92%
1,11%
1,25%
1,46%
1,50%
Minimum der StQ
–52302%
–1401124%
–139638%
–7226%
–56308%
–296297%
Maximum der StQ
53859%
589378%
127022%
52317%
61183%
60635%
Median der StQ
34,37%
32,76%
32,08%
31,47%
31,11%
30,66%
Erwartete StQ
29,46%
–62,34%
18,01%
37,08%
27,77%
–14,90%
Standardabweichung StQ
924,53%
15264%
2030%
710,39%
1121%
3131%
zentrale StQ
39,98%
36,60%
35,03%
33,66%
33,02%
32,46%
zentraler LN
Tabelle 14: Statistische Lage- und Streuungsmaße der mehrperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote (verarbeitendes Gewerbe)
Die in Tabelle 14 aufgeführten Lage- und Streuungsparameter des relativen Liquiditätsnachteils verdeutlichen die zunehmende Intensität des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung für das Unternehmen. Ab Periode 6 besteht sogar die Gefahr, dass die in der Berichtsperiode erwirtschafteten Zahlungsmittel nicht ausreichen, um die zinsschrankeninduzierten Mehrsteuern zu bedienen. Dies könnte im Extremfall einen zusätzlichen Außenfinanzierungsbedarf verursa809
Die Wahrscheinlichkeit, operative Verluste (EBITDA vermindert um Abschreibungen) zu erzielen, beträgt im ersten Simulationsjahr 1,21%, im zweiten 3,48%, im dritten 6,15%, im vierten 8,37%, im fünften 10,41% und im sechsten Simulationsjahr 12,03%.
274
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
chen. Allein anhand der entsprechenden Werte für die Steuerquote könnten diese Schlussfolgerungen jedoch nicht gezogen werden, da hier – anders als beim relativen Liquiditätsnachteil – im Zeitablauf keine monoton steigende Entwicklung der Lage- und Streuungsparameter identifiziert werden kann. Vielmehr könnte bei ausschließlicher Betrachtung der Steuerquote der Eindruck entstehen, dass der Wirkungsgrad der Zinsschranke im Zeitablauf abnimmt. So sind der Median und der bedingte Median der Steuerquote (bzw. die zentrale Steuerquote) durch einen monoton fallenden Verlauf gekennzeichnet. 100%
40% 35,84% 35%
90% 80%
30%
70%
25% 20%
60% 19,40%
50% 15,38%
40%
15% 10%
6,25%
5,84%
7,72%
30%
9,57%
20%
5%
10% 0%
0% keinmal
1Ͳmal
2Ͳmal
rel.HäufigkeitderZinsschranke
3Ͳmal
4Ͳmal
5Ͳmal
6Ͳmal
rel.HäufigkeitderZinsschranke(kumuliert)
rel.Häufigkeiteinesneg.EBT(kumuliert) Abbildung 16: Häufigkeit des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (verarbeitendes Gewerbe)
Über den gesamten Prognosezeitraum betrachtet ist die Wahrscheinlichkeit, wenigstens einmal der Zinsschranke zu unterliegen, deutlich größer als der Zinsschranke kein einziges Mal zu unterliegen (80,60% vs. 19,40%). Ferner kann Abbildung 16 entnommen werden, dass ein mehrfaches Eingreifen der Zinsschranke deutlich wahrscheinlicher ist, als nur ein oder vielleicht zweimal der Zinsschranke ausgesetzt zu sein. Ist das Unternehmen einmal von der Zinsschranke betroffen, wird es ohne strukturelle Anpassungen sehr unwahrscheinlich sein, einem wiederholten Zinsschrankenszenario zu entfliehen. Der annähernd lineare Anstieg der schwarzen Linie zeigt an, dass die Wahrscheinlichkeit, im Prognosezeitraum einmal oder mehrmals einen vorsteuerlichen Verlust zu erwirtschaften, in etwa gleich wahrscheinlich ist. Demgegenüber kennzeichnet der überproportional ansteigende Verlauf der grauen Linie, dass die Wahrscheinlichkeit, im Zeitablauf (ab der zweiten Prognoseperiode) mehrfach der Zinsschranke zu unterliegen, ansteigt. Mithin ist es im Betrachtungszeitraum auf der Grundlage
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
275
der Ausgangsdaten unwahrscheinlicher, sich von einem Zinsschrankenszenario zu befreien als erneut einen vorsteuerlichen Verlust zu erleiden. Angesichts dieser simulierten Entwicklungstendenzen sollte das Unternehmen angehalten sein, präventive Maßnahmen zu ergreifen, um das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung deutlich herabzusenken. ii.
Gefahr der Nichtnutzung eines potenziellen Zinsvortrags
Abbildung 17 eröffnet einen Einblick in die periodische Verteilung der Zinsvortragsnutzung (ZVN). Augenscheinlich sind die Aussichten auf eine vollständige Verrechnung des Zinsvortrags sehr pessimistisch zu beurteilen. Denn es überwiegt deutlich die Wahrscheinlichkeit, dass die im jeweils vorangegangenen Prognosezeitpunkt aufgelaufenen Zinsvorträge nicht verwertet werden können. Die durchschnittliche Wahrscheinlichkeit der Nichtnutzung beträgt 90,72%. 100% 8,94%
6,00%
3,34%
2,72%
1,89%
86,86%
88,03%
91,58%
92,90%
94,22%
B+2
B+3
B+4
B+5
B+6
90% 80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% ZVN=0%
0%<ZVNч25%
25%<ZVNч50%
50%<ZVNч75%
75%<ZVNч100%
ZVN=100%
Abbildung 17: Prozentuale Nutzung des Zinsvortrags in den einzelnen Prognoseperioden (verarbeitendes Gewerbe)
Im Vergleich hierzu erscheint eine vollständige Verrechnung des Zinsvortrags nahezu ausgeschlossen; sie liegt bei durchschnittlich 3,96% (vgl. den Verlauf der grauen Kurve). Gelingt es dem Unternehmen nicht, den Zinsvortrag in der unmittelbaren Folgeperiode abzubauen, wird es zunehmend unwahrscheinlicher, den Zinsvortrag bis zum Ende des Prognosehorizonts zu nutzen. Dies ist darauf zurückzuführen, dass ein Zinsvortrag, der nicht abgebaut werden kann, weiter aufgebaut wird, wodurch eine vollständige Nutzung immer schwieriger wird.
276
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
Um eine Einschätzung darüber zu gewinnen, ob der im Prognosezeitraum potenziell eintretende Steuermehraufwand temporärer oder eher permanenter Natur ist, wird untersucht, inwieweit es wahrscheinlich ist, dass die im Zeitablauf vermeintlich anfallende Mehrbelastung bis zum Ende des Prognosezeitraums durch zahlungswirksame Verwertung des Zinsvortrags kompensiert wird. Die im Vorabschnitt identifizierte ansteigende Wahrscheinlichkeit, im Zeitablauf wiederholt der Zinsschranke zu unterliegen, gibt einen deutlichen Fingerzeig dahin, dass eine vollständige Kompensation der erlittenen Steuermehrbelastung nicht allzu wahrscheinlich ist. Diese Tendenzaussage wird durch eine genauere Betrachtung der Wahrscheinlichkeit, am Ende des Prognosezeitraums einen effektiven Liquiditätsnachteil zu erleiden, bestätigt. 90% 80%
100% 79,31%
90% 80%
70%
70%
60%
60%
50%
50% 40%
40%
30%
30% 15,71%
20% 10%
7,88%
7,82% 2,01%
1,20%
0,66%
20% 10% 0%
0%
Permanentebzw.temporäreBelastungdurchdieZinsschranke Permanentebzw.temporäreBelastungdurchdieZinsschranke(kumuliert) Abbildung 18: Wahrscheinlichkeit für einen permanenten bzw. (teilweise) temporären Liquiditätsnachteil der Zinsschranke im fünfjährigen Prognosezeitraum (verarbeitendes Gewerbe)
Abbildung 18 offenbart, dass die Wahrscheinlichkeit, innerhalb des Prognosezeitraums eine permanente Belastung durch die Zinsschranke zu erfahren, höher ist als nur einer temporären Belastung ausgesetzt zu sein. In 79,31% der simulierten Fälle kann eine im Prognosezeitraum erlittene Mehrbelastung nicht kompensiert werden. Ferner wird deutlich, dass es in etwa gleich wahrscheinlich ist, eine vollständige oder eine nur teilweise Kompensation zu erzielen. Die Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Liquiditätsnachteil zu 100% temporärer Natur ist, beträgt 15,71%. Im Vergleich dazu beträgt die kumulierte Wahrscheinlichkeit, innerhalb des Prognosezeitraums einer temporären (bzw. teilweise permanenten) Belastung zwischen mehr
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
277
als 0% und weniger als 100% zu unterliegen, 3,86%.810 Nach Begutachtung dieser Simulationsergebnisse liegt die Schlussfolgerung nahe, dass, wenn die Zinsschranke eingreift, in mittlerer Frist verstärkt mit einer definitiven als mit einer temporären Belastung zu rechnen ist. Im Rahmen der vorstehenden Ausführungen wurde zum einen die Nutzungswahrscheinlichkeit des Zinsvortrags zeitpunktbezogen betrachtet und zum anderen wurden die Liquiditätseffekte vom Zeitpunkt B + 1 bis B + 6 aggregiert. Weder aus den zeitpunktbezogenen noch aus den kumulierten Werten kann auf die Wahrscheinlichkeit und Dauer der Verrechnung des in Periode B + 1 angefallenen Zinsvortrages geschlossen werden. Denn in die zeitpunktbezogenen Daten fließen „neue“ Zinsschrankenfälle ein, die nicht in Zusammenhang mit dem Zinsvortragsaufbau in Periode B + 1 stehen. In die aggregierten Daten gehen darüber hinaus Szenarien ein, in denen ein Zinsvortrag über die fünf Perioden mehrmals auf- und wieder vollständig abgebaut wird. Mit Blick auf die bilanziell relevante Frage der Werthaltigkeit von Zinsvorträgen soll allein die Nutzbarkeit des in B + 1 potenziell entstehenden Zinsvortrags bewertet werden. DauerbiszumvollständigenAbbaudesinB+1gebildetenZinsvortrags(inJahren) 1 2 3 4 5 80%
73,02%
70% 60% 50% 40% 30% 15,97%
20% 10%
15,48%
8,70% 1,59%
0,71%
0%
NutzungdesinB+1angefallenenZinsvortrags NutzungsdauerdesinB+1angefallenenZinsvortrags Abbildung 19: Wahrscheinlichkeit und Dauer der Verrechnung des in B + 1 potenziell entstehenden Zinsvortrags (verarbeitendes Gewerbe)
Aus Abbildung 19 geht hervor, dass die Wahrscheinlichkeit für eine zumindest partielle Nutzung des Zinsvortrags lediglich bei 26,98% (= 100% – 73,02%) liegt. Mithin käme ein Bi-
810
3,86% = 7,88% + 2,01% + 1,20% + 0,66% +7,82%% – 15,71%.
278
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
lanzansatz nach dem more-likely-than-not-Kriterium nicht infrage.811 Wenn aber eine Nutzung möglich ist, bestehen gute Aussichten, dass eine vollständige Verrechnung gelingt. Denn die simulierten Fallzahlen einer vollständigen Verrechnung (15,48%) übersteigen diejenigen einer partiellen Nutzung (11,49%)812. Die graue Kurve in der Abbildung gibt Auskunft darüber, in welcher Folgeperiode mit einer vollständigen Verrechnung des in Periode B + 1 entstandenen Zinsvortrags zu rechnen ist. Die erwartete Nutzungsdauer beträgt 1,46 Jahre.813 Unter der Bedingung, dass der Zinsvortrag genutzt werden kann, gelingt eine vollständige Verrechnung mit hoher Wahrscheinlichkeit (63,68%) in der ersten Periode nach der Bildung (d. h. in Periode B + 2). Die Nutzungswahrscheinlichkeit über mehrere Perioden hinweg sinkt mit zunehmender Entfernung vom Entstehungszeitpunkt. So beträgt die Wahrscheinlichkeit, den Zinsvortrag spätestens in B + 3 vollständig verrechnen zu können, 27,37% und diejenige in B + 4 nur noch 8,42%. Wenn eine hundertprozentige Verrechnung auch in der zweiten und dritten Folgeperiode nicht möglich sein sollte, erscheint es nahezu ausgeschlossen, den Zinsvortrag in den nachfolgenden Perioden vollständig abbauen zu können.814 Die isolierte Untersuchung des Zinsvortrags aus B + 1 hat gezeigt, dass sich dessen Nutzungswahrscheinlichkeit nicht über die aggregierten Liquiditätsnachteile erklären lässt. Die Unterschiede in Bezug auf die Wahrscheinlichkeit und den Umfang der Zinsvortragsnutzung (Abbildung 19, S. 277) gegenüber der liquiditätsmäßigen Belastungswirkung der Zinsschranke (Abbildung 18, S. 276) sind insbesondere darauf zurückzuführen, dass in Abbildung 18 auch Szenarien eingehen, in denen nach dem vollständigen Abbau des Zinsvortrags aus B + 1 ein neuer Zinsvortrag beispielsweise ab Periode B + 3 aufgebaut wird, und/oder die Entstehung des Zinsvortrags mit keinem Liquiditätsnachteil verbunden ist. Hingegen erhöht die Verrechnung des Zinsvortrags nur in sehr wenigen Szenarien einen Verlustvortrag, weshalb sich der Abbau fast immer steuermindernd auswirkt. 4.
Kritische Ergebniswürdigung
Die Simulation hat gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit des liquiditätswirksamen Eingreifens der Zinsschranke sowohl im verarbeitenden Gewerbe als auch im Handel oberhalb von 40% liegt und mit zunehmendem Prognosehorizont ansteigt. Ferner ist zu beobachten, dass, wenn die Zinsschranke einmal eingegriffen hat, es im Prognosezeitraum wahrscheinlicher ist, mehrmals der Zinsschranke zu unterliegen, als ihrem Anwendungsbereich wieder zu ent-
811 812 813 814
Zu den handelsrechtlichen Voraussetzungen eines werthaltigen Zinsvortrags vgl. Teil IV – Kapitel 3, S. 368 ff. 11,49% = 8,70% + 1,59% + 0,71% + 15,97 – 15,48%. Für das Referenzunternehmen des Handels beträgt die erwartete Nutzungsdauer des Zinsvortrags 1,56 Jahre. Anhand der erwarteten Nutzungsdauer lässt sich der Zinsnachteil der Zinsschranke berechnen. Die Nutzungswahrscheinlichkeit für Periode B + 5 beträgt 0,53% und diejenige von Periode B + 6 0%.
Kapitel 2 – Bewertung von Zinsschrankenrisiken
279
kommen, weshalb die Verwertungschancen des Zinsvortrags gering sind.815 Aus diesem Grund ist im Zeitablauf auch die Entlastungswirkung des EBITDA-Vortrags begrenzt, weil dieser schnell aufgebraucht ist, und nur mit einer geringen Wahrscheinlichkeit erneut ein EBITDA-Vortrag aufgebaut wird. Aufgrund der statistischen Abhängigkeiten der investitionsund finanzierungsspezifischen Einflussfaktoren hat das Referenzunternehmen in beiden Wirtschaftszweigen ein strukturelles Zinsschrankenproblem, das nur durch eine deutliche Absenkung des Zinsaufwands oder durch unternehmensstrukturelle Anpassungen, die auf die Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape zielen, abgemildert bzw. beseitigt werden kann. Im Bereich finanzieller Anpassungshandlungen können die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zinsschranke deutlich reduziert und die Aussichten einer Zinsvortragsnutzung deutlich gesteigert werden, wenn der Zinsaufwand einmalig um 10 Prozentpunkte gegenüber dem stochastischen Prognosewert der Periode B + 1 reduziert wird. So kann beim Referenzunternehmen des verarbeitenden Gewerbes die Eintrittswahrscheinlichkeit und der Belastungsgrad der Zinsschranke periodenübergreifend teilweise um mehr als die Hälfte reduziert werden. Folgerichtig liegt auch die Wahrscheinlichkeit für eine (teilweise) Verrechnung eines in B + 1 angefallenen Zinsvortrags deutlich oberhalb von 50%.816 Der Vergleich der Wirtschaftszweige zeigt, dass das Handelsunternehmen tendenziell stärker durch die Zinsschranke belastet wird. Zwar ist die Eintrittswahrscheinlichkeit für das Eingreifen der Zinsschranke im Handel geringer, gleichwohl ist auch die Anzahl an simulierten operativen Verlustszenarien geringer als im verarbeitenden Gewerbe, weshalb mit der Zinsschranke wesentlich häufiger eine Liquiditätswirkung verbunden ist. Jedoch ist die Liquiditätswirkung beim Handelsunternehmen häufiger von temporärer Natur. So ist die Wahrscheinlichkeit für eine teilweise oder vollständige Verrechnung des Zinsvortrags erkennbar höher als beim Referenzunternehmen des verarbeitenden Gewerbes. Unabhängig davon ist das Zinsschrankenrisiko2. Ordnung jedoch für beide Referenzunternehmen als hoch einzustufen, da der Zinsvortrag mit überwiegender Wahrscheinlichkeit dauerhaft nicht genutzt werden kann. Die wirtschaftszweigübergreifende hohe Relevanz der Zinsschranke ist im Wesentlichen auf die hohe Volatilität des EBITDA und des Zinsaufwands zurückzuführen. In Bezug auf den Zinsaufwand ist diese empirisch beobachtete Entwicklung jedoch insofern kritisch zu sehen, als dass in großen Konzernen die Höhe des Zinsaufwands einer gewissen Gestaltbarkeit zugänglich sein sollte.817 Wenn man auf die relativ hohe Korrelation der Wachstumsraten des EBITDA und des Zinsaufwands eines Durchschnittsunternehmens des verarbeitenden Gewer815 816 817
Die geringe Wahrscheinlichkeit einer Zinsvortragsverwertung deckt sich mit den Ergebnissen der empirischen Untersuchungen; vgl. Teil I – Kapitel 4 – Abschn. B, S. 82. Anhang 14 (S. 406) enthält für das verarbeitende Gewerbe die Daten und Abbildungen der Simulation bei einer Zinsaufwandsreduktion um 10 Prozentpunkte gegenüber den jeweiligen Prognosewerten. Zur empirischen Evidenz fremdfinanzierungsgesteuerter Gewinnverlagerungen in internationalen Konzernen vgl. auch Teil I – Kapitel 4 – Abschn. E, S. 85 ff.
280
Teil II – Analyse von Zinsschrankenrisiken
bes blickt (vgl. Tabelle 10, S. 266), scheint diese Vermutung auch für den hier verwendeten Datensatz des verarbeitenden Gewerbes zu gelten. Die durchgeführten Simulationen dienen nicht dem Zweck, verallgemeinerungsfähige Aussagen über bestimmte Wirtschaftszweige zu gewinnen. Vielmehr soll ein Vorschlag unterbreitet werden, wie Zinsschrankenrisiken auf Basis empirischer Beobachtungen quantifiziert und intersubjektiv nachprüfbar gemacht werden können.818 Allerdings sollte für diese Zwecke möglichst auf einen betriebsindividuellen Datensatz oder auf zeitpunktbezogene Querschnittsdaten vergleichbarer Unternehmen zurückgegriffen werden, um die Anzahl an Beobachtungspunkten deutlich auszuweiten. Des Weiteren könnten konjunkturelle Entwicklungen innerhalb der Branche und allgemeine wirtschaftliche Konjunkturprognosen in die Schätzung des Parameterwachstums einbezogen werden.819 Ferner ist die Fortschreibung vergangenheitsbasierter Daten in die Zukunft ungeeignet, wenn strukturelle Anpassungen vorgenommen oder bereits eingeleitet wurden (z. B. Veräußerung eines verlustverursachenden Teilbetriebs oder die Tilgung von Darlehen), die das Parameterwachstum und deren statistische Abhängigkeiten signifikant beeinflussen. Ferner ist die Normalverteilungsannahme und die Vernachlässigung von Trends bzw. erkennbarer Muster des Parameterwachstums im längerfristigen Kontext als kritisch zu bewerten, weshalb die Prognosezeiträume nach dem hier vorgestellten Modell eher kürzer gewählt werden sollten (maximal 2 Jahre). Dies ist auch unabhängig von methodischen Gesichtspunkten zu empfehlen, weil im längerfristigen Kontext unternehmensstrukturelle Einflüsse die Intensität und das Ausmaß von Zinsschrankenrisiken regelmäßig stark beeinflussen werden. Hinzu kommt, dass sich die Durchführung von unternehmensstrukturellen Anpassungen, die eine Verbesserung (Inanspruchnahme von Ausnahmetatbeständen) oder Verschlechterung (Untergang des Zinsvortrags) des Zinsschrankenstatus bewirken, regelmäßig einer mathematischen Vorhersehbarkeit entziehen, sodass in diesem Punkt vielfach nur subjektive Einschätzungen weiterhelfen werden, um die Intensität und das Ausmaß von Zinsschrankenrisiken prognostizieren zu können.
818 819
Alternativ könnte zur kurzfristigen Prognose des Parameterwachstums das Verfahren der (multivariaten) exponentiellen Glättung verwendet werden; vgl. Küsters/Vogt, Glättung, S. 101 ff. Insbesondere die weltweite Finanz- und Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass an historischen Daten ausgerichtete Wachstumsprognosen im Regelfall keine treffsichere Prognosegrundlage darstellen. Zu einer konjunkturellen Adjustierung der Parameterschätzung auf der Grundlage einer Wachstumsprognose des DIW vgl. Bach/Buslei, Empirische Analysen, DIW-RN 2009, S. 26 ff.
Teil IIII
Steueerung von n Zinssch hrankenrisiken
Kapitell 1
Typollogie und Einsatz E der Steuerung gsinstrumen nte
Im Rahhmen der Risikosteueru R ung werdenn Maßnahm men und Strategien zum m Umgang mit den identifizzierten und bewerteten n Einzelrisikken festgeleegt, um diee Risikoposiition des UnternehU mens naachhaltig zuu verbesserrn.1 Anknüppfungspunk kte der Risik kosteuerungg sind das Ausmaß und die Intensität eines e Risiko os.2 Typologgisch kann zwischen ursachen- unnd wirkungssbezogenen Steeuerungsmaßnahmen unterschiede u en werden.3 Obgleich eine vollkoommen übeerschneidungsfrreie Systematisierung schwierig s eerscheint,4 können k in der d Tendenzz die Risiko overmeidung, -minderungg und -div versifikationn den urssachenbezog genen Maßßnahmen und u die 5 Risikoüüberwälzungg und -vorso orge den wiirkungsbezoogenen Maß ßnahmen zuugeordnet werden. w
Die Risikovermeiddung folgt dem d Ziel, rissikobehafteeten Bereich hen schlichttweg auszuw weichen. obereiche aausgeschlossen werden n, die nicht mit ChanceeneinbuJedoch sollten nur jene Risiko ßen verbbunden sindd oder gemeessen an deer Risikokulltur/-politik als zu hochh eingestuft werden. Denn eiine unterneehmensweitee Meidung von Investtitionen in risikobehaft r tete Projektte würde auch daas Entgehenn von Chanccenpotenziaalen bedeuten.6 Deshallb setzen Innstrumente zur z Vermeidungg von Zinssschrankenrisiken nicht bei einer Meidung M vollatiler EBITTDA-Entwiccklungen an, sonddern vielmeehr bei der Finanzieruung von riskkanten Inveestitionsvorh rhaben. Einee besonders wirksame Verrmeidungssstrategie bessteht darin,, das Fremd dkapitalvoluumen unterrhalb der h machen zuu können. Für große kritischeen Schwellee zu halten, um von deer Freigrenze Gebrauch Konzernne wird diees vielfach jedoch keeine unterneehmenserhaaltende Opttion darstellen. Zur nachhalltigen Verm meidung derr Zinsschraanke könnteen Alternatiiven zur kllassischen FremdfiF nanzieruung (z. B. L Leasing)7 Einsatz E findeen oder diee Fremdkapiitalaufnahm me könnte über ü aus-
1 2
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4 5
6 7
Vgl. Lück, Risikomanagementssystem, DB 11998, S. 19277; Helten/Bitttl/Liebwein, V Versicherung, S. 169 f.; p. 1590 f. Schraadin, Risikomaanagement, Sp Vgl. IImboden, Risiikohandhabun ng, 1983, S. 2449 ff.; Weber//Weißenbergerr/Liekweg, Rissikomanagem ment, DStR 1999, S. 1715; Schierenbeck/Lister, Value Conntrolling, 200 02, S. 353 f. Zusätzlich ist aauch die temp porale Verne spätere P Periode oder die Beeinflu ussung der funktionalen Ursacheschiebbung des Riisikos in ein Wirkuungsbeziehungg denkbar. Beeide Anknüpfuungspunkte kö önnen jedoch unter die Beeeinflussung des Risikoausmaaßes subsumieert werden; vg gl. Siepermannn, Risikokosteenrechnung, 2008, 2 S. 42. Vgl. K Kupsch, Risikken, WiSt 197 75, S. 155; Faasse, Risk-Maanagement, 19 995, S. 86 f.; M Mikus, Risikeen, S. 17 f. Diesee Typologie wurde w bereits für f steuerlichhe Risiken vorrgeschlagen; vgl. v Schlager, r, Steuerrechtssprognose, S. 3499 ff. Teilweisee werden die Steuerungsmaaßnahmen au uch in aktive und u passive M Maßnahmen unterschieu den; vvgl. Rücker, Umweltrisiken U n, 1999, S. 966; Hölscher, Risikobewältig R gung, S. 14; SSchierenbeck/L Lister, Value Coontrolling, 2002, S. 353. Vgl. B Braun, Risikomanagement, 1984, S. 257 f.; Siepermannn, Risikokosttenrechnung, 22008, S. 42. Zu deen Instrumentten der Risiko osteuerung alllgemein vgl. Kupsch, K Risik ken, WiSt 19775, S. 154 ff.; Imboden, Risikoohandhabung,, 1983, S. 70 ff.; f Fasse, Rissk-Managemeent, 1995, S. 87 8 ff. Zu den sspeziell steuerrlichen Instrum mentarien der Risikosteuerun R ng vgl. Hensellmann/Rose, Steuer-Risikom S management, S. 192 ff. Vgl. F Fasse, Risk-M Management, 1995, S. 87; Weber/Weißen nberger/Liekw weg, Risikomaanagement, DStR 1999, S. 17115; Lück, Mannagementrisik ken, S. 331. Vgl. K Kapitel 2 – Abbschn. A.I.1, S. S 285.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_7, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
ländische Gesellschaften organisiert werden, die das Kapital in anderer rechtlicher Qualität an die zu finanzierenden Inlandsbetriebe weiterreichen.8 In Abgrenzung zur Risikovermeidung sollen Maßnahmen der Risikominderung die Eintrittswahrscheinlichkeit oder die betragsmäßige Auswirkung eines Risikos bei gleichzeitiger Wahrung der unternehmerischen Chancen reduzieren. Das Steuerungsinstrument kann bei den Ursachen und/oder Wirkungen ansetzen.9 So lässt sich die Eintrittswahrscheinlichkeit und das Ausmaß der Zinsschranke durch Vereinigung von Zinsschranken-Betrieben (z. B. Organschaft) regelmäßig reduzieren.10 Ferner lässt sich das Ursache-Wirkungsgeflecht der Zinsschranke grundsätzlich durch die Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape unterbrechen; eine vollständige Vermeidung des Zinsschrankenrisikos kann jedoch nicht erreicht werden, weil im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme der genannten Ausnahmetatbestände zum Teil erhebliche Rechtsunsicherheiten bestehen und das Risiko von schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierungen allgegenwärtig ist. Solche Rechtsbeurteilungsrisiken können durch verwaltungskonformes Handeln oder durch Einholung von verbindlichen Auskünften gegebenenfalls reduziert werden.11 Die materiellen Konsequenzen bei Eintritt des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung lassen sich gegebenenfalls durch ein optimiertes Steuerveranlagungs- bzw. Steuerzahllastmanagement reduzieren.12 Bei der Risikodiversifikation – teilweise auch als Risikozerlegung bezeichnet – wird ein Risiko in mehrere unabhängige Einzelrisiken zerlegt, um die Konsequenzen bei Eintritt der Risiken in sachlicher, zeitlicher oder personeller Hinsicht zu streuen und somit das Gesamtrisikoausmaß zu reduzieren.13 Auch dieser Ansatz findet sich im Zinsschrankenmanagement wieder. Denn in bestimmten Konstellationen kann die Separierung des Zinsschrankenrisikos in mehreren Betrieben vorteilhaft sein (z. B. Auflösung von Organschaften oder Spaltung in mehrere Zinsschranken-Betriebe).14 Die Überwälzung von Risiken kann sowohl auf professionelle Risikoträger (sog. Risikoübertragung) als auch auf Vertragspartner (sog. Risikoverlagerung bzw. Risikoverteilung) erfolgen. Während die Risikoübertragung gegen Zahlung einer Risikoprämie bis zu einem bestimmten Betrag vor dem Risiko schützt, wird mittels Risikoverlagerung ein Teil der Risiken, die aus eigenen und fremden Gewährleistungspflichten erwachsen, auf die Geschäftspartner verlagert oder verteilt.15 Für Steuerrisiken im Allgemeinen und Zinsschrankenrisiken im 8 9 10 11 12 13 14 15
Vgl. Kapitel 2 – Abschn. A.II, S. 294 ff. Vgl. Haller, Eckpunkte, S. 31 f.; Fasse, Risk-Management, 1995, S. 88; Kupsch, Risikomanagement, S. 537 f.; Lück, Managementrisiken, S. 331; Schierenbeck/Lister, Value Controlling, 2002, S. 354. Vgl. Kapitel 2 – Abschn. B.I, S. 301. Vgl. Heigl/Melcher, Steuerpolitik, 1974, S. 58; Rose, Steuerberatung, S. 45 f.; Wacker, Steuerrisiken, S. 260 ff. Vgl. Kapitel 3 – Abschn. C, S. 318. Vgl. Imboden, Risikohandhabung, 1983, S. 79; Fasse, Risk-Management, 1995, S. 88 f.; Rücker, Umweltrisiken, 1999, S. 118; Schierenbeck/Lister, Value Controlling, 2002, S. 355. Vgl. Kapitel 2 – Abschn. B.II, S. 305. Vgl. Imboden, Risikohandhabung, 1983, S. 80 f.; Haller, Eckpunkte, S. 32; Fasse, Risk-Management, 1995,
Kapitel 1 – Typologie und Einsatz der Steuerungsinstrumente
283
Speziellen besteht kein professioneller Versicherungsschutz, weshalb allein die Übertragung von ungewissen Besteuerungskonsequenzen durch sog. Steuerklauseln bzw. Steuerübernahmeklauseln in Betracht kommt.16 Hinsichtlich derjenigen Risiken, die das Unternehmen nicht beeinflussen kann bzw. möchte und deshalb bewusst oder unbewusst selbst trägt, sollten vorsorgende Maßnahmen getroffen werden, um im Risikofall die Existenz des Unternehmens zu erhalten. In Abhängigkeit von ihrem potenziellen Ausmaß sollten für bewusst selbst getragene Zinsschrankenrisiken finanzielle Reserven gebildet werden, um etwaige Liquiditätsengpässe zu vermeiden.17 Um rechtzeitig auf neue Entwicklungen im Bereich der Rechtsbeurteilungs- und Rechtsänderungsrisiken reagieren zu können, sollten steuerliche Frühwarnsysteme implementiert werden bzw. personelle Kapazitäten zur Verfügung stehen, die die Auswirkungen auf das Unternehmen analysieren.18 Im Grundsatz könnte man auch die Beschreitung des Klageweges wegen Verstößen der Zinsschranke gegen Verfassungs- und Europarecht als strategisches Steuerungsinstrument auffassen. Aufgrund von langen Prozessdauern und unsicheren Verfahrensausgängen erlangt das Unternehmen aber nicht die notwendige Planungs- bzw. Rechtssicherheit, sodass diesem Instrument zur effektiven Steuerung von Zinsschrankenrisiken keine große Bedeutung beizumessen ist.19 Gleichwohl ist darauf hinzuweisen, dass es in den Fällen, in denen sich ein Zinsschrankenrisiko1. Ordnung aufgrund von divergierenden Rechtsauffassungen nicht vermeiden lässt, grundsätzlich empfehlenswert ist, Rechtsbehelfe einzulegen, um sich die entsprechenden Steuerfestsetzungen offenzuhalten.20
16 17
18 19 20
S. 89 f.; Rücker, Umweltrisiken, 1999, S. 118 f. Vgl. Rose, Steuerberatung, S. 46; Kapitel 3 – Abschn. B, S. 316. Diese können intern bspw. in Form von Rücklagen, Rückstellungen oder stillen Reserven aufgebaut werden, vgl. Schlager, Steuerrechtsprognose, S. 351 f.; Fasse, Risk-Management, 1995, S. 90 f.; Mikus, Risiken, S. 18; Vgl. Schramm, Ungewissheitsanalyse, 1989, S. 200 ff.; Voß, Ungewissheit, 1992, S. 150 ff.; Ludenia, Steuerliche Risiken, 2006, S. 319 ff. Vgl. Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1150 f. Knopf/Bron, Zinsschrankenbesteuerung, BB 2009, S. 1222; Behrens, Aussetzung, BB 2010, S. 1135.
284
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
Das Schaubild fasst die in den Folgekapiteln näher erläuterten Steuerungsansätze zusammen, die sich mittels unterschiedlicher Sachverhaltsgestaltungen verwirklichen lassen. Risikovermeidung
Risikominderung
ursachenbezogene Maßnahmen
VerlagerungvonZinsaufͲ wandbzw.Zinsertrag
Restrukturierung von Beteiligungsverhältnissen Konzentrationder Unternehmensstruktur (insbes.Organschaften)
FremdfinanzierungunterͲ halbdeskrit.FKͲVolumens
RisikoͲ überwälzung
Dekonzentration derstatuarischen Unternehmensstruktur undKonzernfinanzierung (insbes.Spaltungvon BetriebenundFKͲVerteiͲ lung)
KonzernͲRichtlinien
Rechtsformwahl BilanzpolitischeMaßnahmen
Liquiditätsmanagement FKͲVergütung(z.B.variable Verzinsung)
Steuerklauseln
operativeMaßnahmen
Fremdfinanzierungssubstitute (insbes.Leasing)
wirkungsbezogene Maßnahmen
strategischeMaßnahmen
Konzerninterne Ergebnisverlagerung
RisikoͲ diversifikation
Steuerzahllastmanagement
Abbildung 20: Maßnahmen zur Bewältigung von Zinsschrankenrisiken
Die Steuerungsansätze werden entsprechend ihres Anknüpfungspunktes den ursachen- bzw. wirkungsbezogenen Maßnahmen zugeordnet. Ferner werden die Steuerungsansätze in Abhängigkeit ihrer zeitlichen Umsetzbarkeit, der Nachhaltigkeit ihrer Auswirkungen sowie des Entscheidungs- und/oder Risikoträgers in operative bzw. strategische Maßnahmen unterteilt. Da die Entscheidungskompetenzen und die Umsetzungsgeschwindigkeit von Konzern zu Konzern mitunter variieren, ist keine absolut trennscharfe Kategorisierung möglich. Deshalb soll die hier dargestellte Zuordnung nur eine Tendenz aufzeigen. Insbesondere hinsichtlich der Rechtsformwahl, den bilanzpolitischen Maßnahmen und der Höhe des Fremdkapitalbestands sind die Übergänge zwischen operativen und strategischen Entscheidungen fließend.
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
Kapitel 2
285
Ursachenbezogene Steuerungsansätze
Die nachfolgend dargestellten Steuerungsmaßnahmen konzentrieren sich auf die Finanzierungs- und Unternehmensstruktur, da durch operative und/oder strategische Eingriffe der Zinsabzug optimiert und gegebenenfalls flexibel sowie planungssicher an die unsicheren ökonomischen Rahmendaten angepasst werden kann. Zwar erscheinen zinsschrankeninduzierte Veränderungen des Investitionsverhaltens durchaus denkbar zu sein, mit der Risikosteuerung soll aber gerade nicht die Entscheidung zugunsten weniger riskanter Investitionsprojekte stimuliert werden, sondern es sollen die mit der Investitionsentscheidung potenziell einhergehenden negativen Folgen abgewendet bzw. abgemildert werden. Ferner sollen Gestaltungen wie etwa die Wertpapierleihe nicht als verlässliches Steuerungsinstrument anerkannt werden, weil sie hinsichtlich ihrer Durchsetzung gegenüber den Finanzbehörden mit einer hohen Rechtsunsicherheit behaftet sind.21 Neben strukturellen Eingriffen bestehen darüber hinaus noch Gestaltungsmöglichkeiten im Bereich der Rechnungslegung, die durch Ausnutzung von Wahlrechten eine vergleichsweise unkomplizierte Verbesserung des Zinsabzugs bzw. Inanspruchnahme eines Ausnahmetatbestands ermöglichen. A.
Finanzierungsspezifische Anpassungshandlungen
I.
Betriebsbezogene Finanzierungsmaßnahmen
1.
Leasing als alternative Finanzierungsform
Die Zinsschranke erfasst nur Vergütungen für die Überlassung von Fremdkapital. Vergütungen für die Überlassung von Sachkapital werden grundsätzlich nicht vom Zinsbegriff der Zinsschranke erfasst.22 In bestimmten Sachverhaltskonstellationen könnte in der Miete bzw. dem Leasing von Investitionsgütern eine steuerlich vorteilhaftere Alternative gegenüber dem fremdfinanzierten Kauf bestehen.23 Mit Blick auf die Leasingerlasse und den Zinsschrankenerlass ist insbesondere die Ausgestaltung des Leasingvertrags zu beachten.24 Nach Maßgabe der vertraglichen Ausgestaltung ist nämlich festzustellen, ob der Leasinggeber oder Leasing21
22 23 24
Im Rahmen von Wertpapierleihgeschäften entleiht der zinsschrankenbefangene Betrieb zinstragende Wertpapiere und zahlt dem Verleiher eine Vergütung für die Sachkapitalüberlassung, die nach herrschender Meinung nicht als Zinsaufwand i. S. der Zinsschranke anzusehen ist; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.c, S. 124. Während der Zinsertrag aus dem entliehenen Wertpapier den negativen Zinssaldo verringert, bleiben die korrespondierenden Entleihgebühren im Rahmen des Grundtatbestands der Zinsschranke unberücksichtigt, vgl. instruktiv Hölzl, in: Herzig et al., Handbuch, S. 115 f. Im Zinsschrankenerlass wird angedroht, dass bei solchen Geschäften ein Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 AO vorliegen kann, vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 24. Auch in der Literatur wird bezweifelt, dass eine missbräuchliche Sachverhaltsgestaltung widerlegt werden könne, vgl. Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 346. Auch die Ergebnisse der Expertenbefragung zeigen, dass die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial hoch einzustufen sind; vgl. Teil II – Kapitel 2 – Abschn.A.IV.3.a, S. 232. Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.a, S. 119. Vgl. Middendorf/Stegemann, Funktionsweise, INF 2007, S. 312; Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 345 f.; Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 506 f. Vgl. BMF v. 19.04.1971, BStBl. I 1971, S. 264; BMF v. 21.03.1972, BStBl. I 1972, S. 188; BMF v. 22.12.1975, DB 1976, S. 172; BMF v. 23.12.1991, BStBl. I 1992, S. 13.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_8, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
nehmer als wirtschaftlicher Eigentümer am Leasingobjekt zu qualifizieren ist.25 Die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums ist entscheidend für die Behandlung im Rahmen der Zinsschranke. Sofern das wirtschaftliche Eigentum dem Leasingnehmer zuzuweisen ist (sog. Financial Leasing), liegt wirtschaftlich und bilanziell ein Anschaffungsvorgang bzw. Ratenkauf des Leasingnehmers vor. Das Investitionsgut ist beim Leasingnehmer zu aktivieren und eine korrespondierende Verbindlichkeit zu passivieren, die die in Raten zu erfüllende Kaufpreisschuld abbildet.26 Das Leasinggeschäft ist in diesem Fall äquivalent zu einer Fremdfinanzierung bzw. es liegt eine Form der Kapitalüberlassung vor, weshalb Teile der Leasingraten beim Leasingnehmer als Zinsaufwendungen und beim Leasinggeber als Zinserträge i. S. der Zinsschranke zu behandeln sind.27 Sofern das wirtschaftliche Eigentum allerdings beim Leasinggeber verbleibt (sog. Operating Leasing),28 liegen weder beim Leasingnehmer noch beim Leasinggeber zinsschrankenrelevante Zinsaufwendungen bzw. Zinserträge vor.29 Mangels bilanzieller Erfassung des geleasten Wirtschaftsguts fallen beim Leasingnehmer folglich auch keine Abschreibungen an, die im Rahmen der EBITDA-Ermittlung zu berücksichtigen wären. Zu beachten sind jedoch die gewerbesteuerlichen Wirkungen aufgrund der Hinzurechnungsvorschriften für Leasingraten gem. § 8 Nr. 1 lit. d u. lit. e GewStG. Hiernach sind Leasingraten für bewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens effektiv zu 5% (lit. d) und für unbewegliche Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens effektiv zu 12,5% (lit. e) hinzuzurechnen. Augenscheinlich sind die Hinzurechnungsquoten niedriger als für Schuldentgelte (25% gem. § 8 Nr. 1 lit. a GewStG). Da aber in der Leasingrate insbesondere die Amortisation bzw. die Abnutzung des geleasten Objekts sowie Finanzierungskosten enthalten sind, kann der absolute Hinzurechnungsbetrag durchaus denjenigen Wert übersteigen, der sich im Falle eines vollständig fremdfinanzierten Erwerbs des Wirtschaftsguts ergeben würde.30 25
26
27 28 29
30
Zur systematischen Darstellung der Abgrenzungsmerkmale für die Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums i. S. der Leasingerlasse (Fn. 24) und den damit einhergehenden unterschiedlichen Bilanzansätzen vgl. instruktiv Scheffler, Steuerplanung, 2010, S. 186 f.; ausführlich zu den Leasingerlassen Bordewin/Tonner, Leasing, 2008, S. 38 ff. Das HGB enthält keine speziellen Bilanzierungsvorschriften für Leasinggeschäfte. Deswegen wird regelmäßig auf die Leasingerlasse (Fn. 24) zurückgegriffen. Zur handels- und steuerbilanziellen Abbildung des Financial Leasing vgl. Bordewin/Tonner, Leasing, 2008, S. 100 ff.; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2009, S. 195 f. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 25; Dörfler, Zinsschrankenerlass, Ubg 2008, S. 697; Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1509. Das Operating Leasing ist in praxi die dominierende Erscheinungsform vgl. IDW, WPH I, 2006, Abschn. E, Rz. 25. Vgl. Bordewin/Tonner, Leasing, 2008, S. 85 f. Im Falle des Immobilienleasings hat die Finanzverwaltung jedoch eine Billigkeitsregelung für die Leasingbranche geschaffen, wonach der Leasinggeber den Zinsanteil der Leasingrate als Zinsertrag i. S. der Zinsschranke behandeln kann, wenn der Leasingnehmer in einem gemeinsam zu stellenden Antrag den Zinsanteil als Zinsaufwand i. S. der Zinsschranke und beide Parteien die betreffenden Zinsen offen ausweisen, vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 26. Mit § 8 Nr. 1 lit. d bzw. lit. e GewStG möchte der Gesetzgeber den in der Leasingrate enthaltenen (fiktiven) Zinsanteil in Abhängigkeit von der Mobilität des Wirtschaftsguts pauschal erfassen. Der pauschalierte bzw. fiktive Zinsanteil weicht teilweise beträchtlich von dem tatsächlichen Zinsanteil ab; vgl. hierzu ausführlich
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
287
Das Leasinggeschäft ist gegenüber der Fremdfinanzierung aber steuerlich immer dann von Vorteil, wenn aufgrund der bestehenden Ertrags- und Finanzierungssituation des Unternehmens zusätzliche Fremdkapitalzinsen, die im Falle des fremdkapitalfinanzierten Direkterwerbs des Investitionsguts entstünden, ceteris paribus in hohem Umfang der Zinsschranke unterliegen würden.31 Ferner wirken sich beim Direkterwerb im Gegensatz zum Operating Leasing Abschreibungen mindernd auf die steuerlichen Bemessungsgrundlagen aus. Vor dem Hintergrund der Zinsschranke schwindet die Vorteilhaftigkeit der Leasingfinanzierung aufseiten des Leasingnehmers, je mehr (alte und neue) Finanzierungszinsen außerhalb der Zinsschranke abgezogen werden können, desto höher die Abschreibungsbeträge des Investitionsobjekts sind und umso höher die Prämie des Leasinggebers (Vergütung für Finanzierungsleistung)32 veranschlagt wird. Gehört der Leasinggeber jedoch zum selben Konzern, sollte die Bedeutung des letztgenannten Einflussfaktors regelmäßig nicht so groß sein.33 Sofern das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung des Betriebs bereits vor der geplanten Neuinvestition relativ hoch ist, bietet sich das Leasing als Alternative zur Fremdkapitalfinanzierung an. Solange die steuerpflichtigen Rückflüsse aus dem (geleasten) Investitionsprojekt mit hoher Wahrscheinlichkeit die Leasingrate übersteigen, kann das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung sogar reduziert werden, weil jene Rückflüsse das EBITDA erhöhen, ohne dass der korrespondierende Finanzierungsaufwand (Leasingrate) die Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke erhöht. Durch sog. Sale-Lease-Back-Transaktionen kann der positive Effekt des Operating Leasing auch mit der Hebung von stillen Reserven kombiniert werden.34 2.
Variable Zinszahlungen
Ein besonders flexibles Steuerungsinstrument, welches sich insbesondere für konzerninterne Finanzierungen anbietet, sind variabel ausgestaltete Kapitalverzinsungen.35 Sofern die Höhe der Vergütung für die Überlassung von Fremdkapital mit der Höhe des steuerlichen EBITDA verknüpft werden kann, besteht die Möglichkeit, am Ende des Veranlagungszeitraums – wenn das steuerliche EBITDA bekannt ist – die Zinszahlung zu steuern, um den Umfang von nicht abziehbaren Zinsen zu begrenzen oder der Zinsschranke sogar vollständig auszuweichen.
31 32 33
34 35
Scheffler, Steuerplanung, 2010, S. 193 ff. Zu einer beispielhaften Darstellung des Leasingvorteils unter Berücksichtigung der Zinsschranke vgl. Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 506 f. Bspw. Verwaltungskosten, Kapitalverzinsung, Gewinnmarge etc. Mitunter ist die Prämie des Leasinggebers (Dritter) auch dadurch gemindert, dass der (ausländische) Leasinggeber Steuervorteile (bspw. aufgrund von besseren Abschreibungsbedingungen oder mangels Zinsabzugsbeschränkungen) an den Leasingnehmer (partiell) weitergibt, die der inländische Leasingnehmer bei fremdfinanziertem Kauf des Investitionsgutes nicht erzielen könnte; vgl. Schreiber, Besteuerung, 2008, S. 701 ff., mit instruktiven Modellrechnungen zur Vorteilhaftigkeit des Leasings im Mehrperiodenkontext. Hölzl, in: Herzig et al., Handbuch, Rz. 337 f.; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 4h, Rz. 532; hierzu ausführlich Kapitel 3 – Abschn. A.I, S. 312. Vgl. Reiche/Kroschewski, Akquisitionsfinanzierung, DStR 2007, S. 1333; Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 352.
288
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
Hierdurch kann zwar nicht die Steuerzahlung reduziert werden, wohl aber der Umfang an Zinsschrankenrisiken2. Ordnung. Für diese Zwecke bieten sich mezzanine Finanzinstrumente an, die steuerlich wie Fremdkapital behandelt werden (z. B. stille Beteiligungen, partiarische Darlehen oder Genussrechte).36 Bei der Vertragsgestaltung zwischen gesellschaftsrechtlich verbundenen Vertragsparteien ist grundsätzlich zu beachten, dass die vereinbarten Zahlungen fremdvergleichskonform ausgestaltet sind bzw. den gesetzlichen Anforderungen entsprechen. So ist dem (typisch) stillen Gesellschafter ein angemessener Anteil am Vorsteuergewinn des Handelsgewerbes auszuzahlen (§§ 231 Abs. 2, 232 Abs. 1 HGB). Inwieweit aufgrund dieser gesetzlichen Limitierung noch Spielraum zur Adjustierung der Zinszahlung an die Zinsschranke besteht, wird insbesondere davon abhängig sein, wie groß der Unterschied zwischen dem maßgeblichen Gewinn i. S. des § 4h Abs. 3 S. 1 EStG und dem handels- bzw. steuerbilanziellen Vorsteuergewinn ausfällt.37 Auch bei anderen Finanzierungsformen wird sich die angemessene Höhe der variablen Vergütung vornehmlich an den tatsächlich erzielten Gewinnen, dem handelsrechtlichen EBITDA, operativen Zahlungsüberschüssen etc. ausrichten und nicht am steuerpflichtigen Ergebnis.38 Wenn der steuerpflichtige Gewinn beispielsweise aufgrund von steuerfreien Einnahmen deutlich geringer ausfällt als der handelsrechtliche Gewinn, ist auch das steuerliche EBITDA verhältnismäßig niedrig. Eine relativ hohe, gewinnabhängige Zinszahlung steht in diesem Fall einem relativ niedrigen steuerlichen EBITDA gegenüber. Die für das Management von Zinsschrankenrisiken gewünschte Steuerungsfunktion wird verfehlt. Sie kann sogar selbst zum Zinsschrankenrisiko werden, wenn der steuerliche Gewinn wesentlich geringer ist als der handelsrechtliche Gewinn. Als Steuerungsinstrument empfehlen sich variabel vergütete Finanzierungsformen tendenziell nur dann, wenn die Bemessungsgrundlage zur Bestimmung des variablen Entgelts (z. B. handelsrechtlicher Gewinn/handelsrechtliches EBITDA) nicht signifikant von ihrem steuerlichen Pendant (maßgeblicher Gewinn bzw. steuerliches EBITDA) abweicht. Eine zinsschrankenadjustierte Verzinsung ließe sich gegebenenfalls in Anlehnung an Hybridanleihen fremdvergleichskonform ausgestalten. So könnte dem Fremdkapitalnehmer die Möglichkeit oder das Recht eingeräumt werden, die Zinszahlungen im Falle des (drohenden) Eingreifens der Zinsschranke (Indikatoren: niedriges EBITDA, geringe Cashflows etc.) auszusetzen und die aufgelaufenen Zinsen erst in Folgeperioden bei Eintritt verbesserter wirtschaft-
36 37
38
Zu rechtlichen Ausgestaltungsformen von Mezzanine-Kapital vgl. Golland et al., Mezzanine, BB-Sepcial 2005, S. 14 f. und zu dessen Zielspektrum vgl. Briesemeister, Finanzinstrumente, 2006, S. 32 ff. Als Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Gewinnbeteiligung des stillen Gesellschafters kann neben dem Handelsbilanz- auch der Steuerbilanzgewinn verwendet werden; vgl. Blaurock, Stille Gesellschaft, 2010, Rz. 14.18 ff. Die Vergütungsstruktur von Mezzanine-Kapital kann sehr flexibel an die Ertrags- und Finanzierungssituation des Unternehmens angepasst werden; vgl. Dörscher/Hinz, Mezzanine, FB 2003, S. 608 f.; Golland et al., Mezzanine, BB-Special 2005, S. 3.
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
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licher bzw. steuerlicher Rahmendaten zurückzuzahlen.39 Im Ergebnis wird durch diese Vertragsgestaltung ein „Schatten-Zinsvortrag“ aufgebaut und damit die Gefahr des Untergangs (aufgrund von §§ 4h Abs. 5 EStG, 8c KStG) eines ansonsten angefallenen „richtigen“ Zinsvortrags vermieden.40 Wird die Kapitalüberlassung zwischen gesellschaftsrechtlich verbundenen Unternehmen jedoch zu unüblichen bzw. unangemessenen Konditionen vereinbart, sind steuerliche Korrekturvorschriften zu beachten, die den zinsschrankeninduzierten Steuerungszweck konterkarieren können.41 Sofern ein Gesellschafter seiner Gesellschaft variabel verzinstes Fremdkapital überlässt und die Zinszahlungen im Vergleich zu Konditionen mit fremden Dritten zu niedrig ausfallen, sollte mangels einlagefähigen Wirtschaftsguts regelmäßig keine verdeckte Einlage anzunehmen sein,42 sodass innerhalb Deutschlands weder bei der Gesellschaft noch beim Gesellschafter eine steuerliche Korrektur vorzunehmen wäre. Im grenzüberschreitenden Kontext wäre jedoch beim ausländischen Gesellschafter gegebenenfalls eine Einkünftekorrektur analog zu § 1 AStG zu beachten.43 Wenn jedoch in umgekehrter Richtung die Gesellschaft ihrem Gesellschafter das Kapital überlässt (Upstream-Darlehen), liegt bei einer zu niedrig bemessenen Zinszahlung im Inland aufgrund einer verhinderten Vermögensmehrung eine verdeckte Gewinnausschüttung (vGA) vor, die auf Ebene der Gesellschaft und gegebenenfalls auch auf Ebene des Gesellschafters zu einer entsprechenden Korrektur bis zur Höhe des angemessenen Entgelts führt. Die nicht gezahlten, aber nach Fremdvergleichsgrundsätzen üblicherweise zu zahlenden Zinsen sind dem Einkommen der Gesellschaft hinzuzurechnen (§ 8 Abs. 3 S. 2 KStG). Im Ergebnis wird die Gesellschaft so gestellt, als ob sie die Zinserträge vereinnahmt hätte. Auf Ebene des Gesellschafters führt die vGA zu Einkünften i. S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, die die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage effektiv um 5 Prozent erhöhen (§ 8b Abs. 1 i. V. mit 39 40
41
42 43
Zur rechtlichen Ausgestaltung von Hybridanleihen vgl. Vater, Anleihen, FB 2006, S. 45 ff.; Rüßmann/Vögtle, Industrieanleihen, CF 2010, S. 207 f. Eine mitunter handelsbilanzielle Rückstellungspflicht für die nachzuzahlenden Zinsen (bedingte Zahlung), sollte aufgrund des steuerlichen Rückstellungsverbots gem. § 5 Abs. 2a EStG regelmäßig nicht in die Steuerbilanz durchschlagen; vgl. hierzu auch Golland et al., Mezzanine, BB-Special 2005, S. 23 f. Z. B. könnte die variable Vergütung mit einer Obergrenze ausgestattet werden, die in Abhängigkeit von der Höhe des steuerlichen EBITDA die Zinszahlung begrenzt. Es ist aber davon auszugehen, dass ein fremder Dritter einer solchen Vertragsvereinbarung nicht zustimmen würde, weil steuerliche Werte grundsätzlich keine transparente Abrechnungsgrundlage darstellen und – wie bereits gesagt – das handelsrechtliche und steuerliche EBITDA massiv voneinander abweichen können; vgl. hierzu auch Reiche/Kroschewski, Akquisitionsfinanzierung, DStR 2007, S. 1333; Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 352. Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8 KStG, Rz. 82b; Wochinger, in: Dötsch et al., KSt, § 8 Abs. 3 KStG - Teil B, Rz. 47. Vgl. Striegel, Grenzüberschreitende Zinszahlungen, IStR 2008, S. 534. Bei nicht fremdvergleichskonform ausgestalteten Kapitalüberlassungsverhältnissen wird gegen Doppelbesteuerungsrecht (Art. 9 OECD-MA) verstoßen. Zur Einkommensberichtigung bedarf es jedoch einer innerstaatlichen Korrekturvorschrift entsprechend § 1 AStG, da Art. 9 Abs. 1 OECD-MA keine Rechtsgrundlage für eine Gewinnkorrektur darstellt (keine Self-executing-Wirkung); vgl. Wassermeyer, in: Flick/Wassermeyer/Baumhoff, AStG, Bd. I, § 1, Rz. 99.
290
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
Abs. 5 KStG)44 und gegebenenfalls zu fiktiven Betriebsausgaben führen (Vorteilsverbrauch).45 Ungeklärt ist bislang, ob die Einkommenserhöhung auf Ebene der Gesellschaft zu Zinserträgen und die fiktiven Betriebsausgaben auf Ebene des Gesellschafters zu Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke führen. Sofern man den vGA-Fall unterschiedslos zum Fall angemessener Entgeltvereinbarung behandelt, könnte die Zinsschranke auch durch variabel ausgestaltete Gesellschafterfremdfinanzierung nicht vermieden werden, weil die steuerlichen Zinssalden auf ein fremdvergleichskonformes Niveau herauf- bzw. herabgeschleust würden und somit das Steuerungsziel von unangemessenen Vergütungen verfehlt würde.46 3.
Niedrig verzinstes Fremdwährungsdarlehen
Eine weitere Maßnahme, über die der Zinsaufwand des Unternehmens reduziert werden kann, besteht darin, Fremdkapital in Staaten aufzunehmen, in denen das Zinsniveau vergleichsweise niedrig ist (z. B. Japan, Schweiz). Der zu finanzierende Betrieb könnte das Kapital direkt oder indirekt über eine Finanzierungsgesellschaft des Konzerns aufnehmen.47 Angesichts unterschiedlicher Währungen gilt es, im Rahmen des Risikomanagements auch Wechselkursschwankungen zu steuern, was den Abschluss von korrespondierenden Währungskurssicherungsgeschäften erfordert.48 Hierbei ist jedoch problematisch, dass für Zwecke der Zinsschranke die Behandlung des mit dem Sicherungsgeschäft verbundenen Aufwands (Währungs-Swap) umstritten ist.49 Sofern der Aufwand nämlich als Zinsaufwand i. S. der Zinsschranke qualifiziert werden sollte, würde diese Maßnahme den steuerlichen Zinssaldo bzw. das Zinsschrankenrisiko des Betriebs kaum beeinflussen. Eine effektive Absenkung des Zinsschrankenrisikos wird nur dann erzielt, wenn man der herrschenden Meinung folgend die Swap-Zahlungen nicht als Zinsaufwendungen qualifiziert. Aufgrund der bestehenden Rechtsunsicherheit sollte die skizzierte Maßnahme im Rahmen des Zinsschrankenrisiko-Managements erst dann eingesetzt werden, wenn die Finanzverwaltung der herrschenden Meinung ihre Zustimmung in Form einer verbindlichen Auskunft oder eines zweiten Zinsschrankenerlasses erteilt hat.
44
45 46 47 48 49
Gegebenenfalls erhöht die vGA die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage des Gesellschafters zu 100%, wenn die Mindestbeteiligungsquoten gem. § 8 Nr. 5 i. V. mit § 9 Nr. 2a bzw. Nr. 7 GewStG unterschritten werden. Vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, Anhang zu § 8 KStG: Verdeckte Gewinnausschüttung, Rz. 231; Lang, in: Dötsch et al., KSt, § 8 Abs. 3 KStG - Teil D, Rz. 1101. Vgl. hierzu die Diskussion in Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.e.ii, S. 127 f. Vgl. Eilers, Zinsschrankenerfahrungen, Ubg 2008, S. 198 f.; Häuselmann, Zinsschrankenmanagement, Ubg 2009, S. 232. Zur steuerlichen Behandlung von Wechselkursschwankungen und deren Absicherung vgl. Schänzle, Wechselkursschwankungen, IStR 2009, S. 516 f. Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.c, S. 124.
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
4.
291
Liquiditätsmanagement
Ein potenziell zinsschrankenbefangener Betrieb, der über die notwendige Liquidität verfügt, kann seinen Zinssaldo durch kurzfristige Anlage liquider Mittel, z. B. in konzerninternen Cash-Pools oder durch Ankauf von Forderungen anderer (Konzern-)Gesellschaften, optimieren.50 Da die Effekte auf den Zinssaldo aufgrund des kurzfristigen Anlage- bzw. Finanzierungscharakters regelmäßig nicht hoch sind, eignen sich diese Maßnahmen insbesondere für Betriebe, die sich im Grenzbereich der Freigrenze bewegen. Ein marginales Überschreiten der Grenze von 2.999.999,99 € kann hierdurch mitunter effektiv vermieden werden. Sofern der jeweilige Betrieb nicht auf ein Liquiditätsmanagementsystem bzw. Cash-Pooling zurückgreifen kann, ist dessen Implementierung zur kurzfristigen Steuerung des Zinssaldos empfehlenswert.51 Aus dem Cash-Pooling sollten regelmäßig keine schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierungen i. S. des § 8a KStG resultieren.52 Während beim virtuellen Cash-Pooling eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung mangels eines bilateralen Kapitalüberlassungsverhältnisses zwischen den am Cash-Pooling teilnehmenden Einheiten ausscheidet, wäre dies theoretisch beim physischen Cash-Pooling vorstellbar.53 Letzteres wäre aber nur dann möglich, wenn am Cash-Pooling Gesellschaften teilnehmen, die nicht im selben Konzernabschluss vollkonsolidiert werden und in wesentlichem Umfang Kapital bereitstellen, welches zur gezielten Finanzierung einzelner Konzerneinheiten eingesetzt wird. Denn eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung gem. § 8a Abs. 3 KStG scheidet immer dann aus, wenn die am Cash-Pooling teilnehmenden Gesellschaften zum selben Konzern gehören und die gegenseitigen Forderungen und Verbindlichkeiten nicht im Konzernabschluss enthalten sind (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG).54 Eine schädliche Fremdfinanzierung i. S. des § 8a Abs. 3 KStG kommt in solchen Fällen nur dann in Betracht, wenn das Kreditinstitut zur Erfüllung etwaiger Sollsalden des Masterkontos auf konzernexterne Gesellschafter oder diesen Nahestehende zurückgreifen kann.55 50
51
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Nach unbestrittener Auffassung führt das Cash-Pooling zu Zinserträgen und Zinsaufwendungen i. S. der Zinsschranke; vgl. Wendland, Cash Pooling, 2009, S. 133; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 207 u. 250; Hick, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 4h EStG, Rz. 75; Wienbergen, in: Mössner/Seeger, KStG, § 8a n. F., Rz. 32. Zu Varianten des Cash-Poolings und weiteren Instrumenten des operativen Liquiditätsmanagements, die in mittleren und großen Konzern üblicherweise eingesetzt werden, vgl. Oho/Eberbach, Cash-Pooling, DB 2001, S. 825 ff.; von Rosenberg, in: Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. F.; Million/Zucknick/Juraschka, Liquiditätsplanung, FB 2009, S. 378 ff. Vgl. Oho, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 10, Rz. 117. Zu vGA-Risiken des Cash-Pooling vgl. Podewils, Risiken, GmbHR 2009, S. 803 ff. Beim virtuellen Cash-Pooling werden die Banksalden der teilnehmenden Konzerngesellschaften auf einem Masterkonto der Bank saldiert, wodurch sich die Kreditkonditionen der Konzerngesellschaften verbessern. Ein tatsächlicher Geldtransfer zwischen den Konzerngesellschaften wie beim physischen Cash-Pooling findet nicht statt; vgl. Oho, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 10, Rz. 102 ff.; Wendland, Cash Pooling, 2009, S. 205 ff. Zu Zweifelsfragen über das Konzernverständnis von § 8a Abs. 3 KStG vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.III.2.d, S. 195 ff. Vgl. Wendland, Cash Pooling, 2009, S. 150. Werden die Sollsalden des Masterkontos hingegen durch Konzerngesellschaften besichert, ist dies wiederum für die Anwendung von § 8a Abs. 3 KStG unschädlich; vgl.
292
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
Neben der zinsbringenden Geldanlage können Zinserträge auch durch den Ankauf von (konzerninternen) Forderungen generiert werden (Factoring/Forfaitierung).56 Beim sog. echten Factoring erwirbt der Forderungskäufer (Zessionär) vom Forderungsverkäufer (Zedent) eine Forderung zu einem Preis unterhalb des Nennwerts der Forderung; der Zessionär übernimmt auch das Risiko des Forderungsausfalls (Delkredererisiko). Das rechtliche und/oder wirtschaftliche Eigentum an der abgetretenen Forderung geht unstreitig auf den Zessionär über.57 Ein Teil des Differenzbetrags zwischen dem Nennwert und dem Kaufpreis der Forderung ist wirtschaftlich betrachtet als Entgelt für die Vorfinanzierung der mit der Forderung in Zusammenhang stehenden Liquidität anzusehen. Der andere Teil entfällt auf Bearbeitungsgebühren und die Übernahme des Delkredererisikos.58 Der auf die Vorfinanzierung entfallende Entgeltbetrag führt grundsätzlich nicht zu Zinsen i. S. der Zinsschranke, weil ihm kein Kapitalüberlassungsverhältnis mit Rückzahlungsanspruch des Zessionärs gegenüber dem Zedenten zugrunde liegt.59 In Abweichung hiervon eröffnet die Finanzverwaltung im Billigkeitswege die Möglichkeit, dass der auf die Vorfinanzierung entfallende Teil per gemeinsamen Antrag von Zedent und Zessionär bei dem zuständigen Finanzamt des Zessionärs als Zinsaufwand bzw. Zinsertrag i. S. der Zinsschranke behandelt werden kann.60 Während der Zedent im Zeitpunkt des Verkaufs der Forderung Zinsaufwendungen erzielt, realisiert der Zessionär erst im Zeitpunkt der Erfüllung der Forderung durch den Schuldner einen Zinsertrag.61 Die Höhe der Zinserträge bzw. Zinsaufwendungen steigt/sinkt mit der Fristigkeit der Forderung bzw. des aufgrund der Vorfinanzierung vorgenommenen Abschlags auf den Nennwert der Forderung. Um kurzfristig den Zinssaldo des Zessionärs zu steigern, sollten Forderungstitel mit hoher Bonität erworben werden, deren Erfüllungszeitpunkt im laufenden Wirtschaftsjahr bzw. Veranlagungszeitraum des Zessionärs liegt. Sofern es sich um einen konzerninternen Forderungserwerb handelt, muss zudem gewährleistet sein, dass der Forderungsverkäufer aufgrund gesteigerter Zinsaufwendungen nicht selbst in die Zinsschranke hineingerät. Letzteres könnte
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Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.III.1.c, S. 191 f. Zur terminologischen Abgrenzung des Factoring und der Forfaitierung vgl. Papperitz, Factoring, DStR 1993, S. 1842; Hinz, Implikationen, DStR 1994, S. 1751. Auf die Forfaitierung wird nachfolgend nicht weiter eingegangen; vgl. hierzu BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 35 ff. Die bilanzielle Behandlung des echten Factorings ist im Schrifttum unstreitig. Dem Abgang der abgetretenen Forderung aus der (Steuer-)Bilanz des Zedenten folgt der phasengleiche Zugang beim Zessionär; vgl. Borgel, Factoring, S. 150 f. m. w. N.; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. D, Rz. 201 m. w. N. Zur üblichen Zusammensetzung des Kaufpreisabschlags (Diskont) beim Factoring vgl. z. B. Schott/Bartsch, in: Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, Kap. E, Rz. 60; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. D, Rz. 200. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 14; Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.a u. Abschn. B.I.3.b., S. 119 ff. Die nur von Möhlenbrock/Pung vertretene Ansicht, dass im Falle der Nichtbeantragung der Billigkeitsregelung trotzdem Zinserträge beim Zessionär entstünden, ist nicht sachgerecht und widerspricht m. E. der von den Autoren vertretenen Zinsertragsdefinition; vgl. dieselben, in: Dötsch et al., KSt, § 8a KStG, Rz. 216 u. 225. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 14; auf die Notwendigkeit eines gesonderten Ausweises des Zinsanteils hinweisend Köhler/Hahne, BMF-Schreiben, DStR 2008, S. 1509. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 33; Goebel/Eilinghoff/Kim, Zinsschrankenerlass, DStZ 2008, S. 635.
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
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dadurch ausgeschlossen werden, dass die Forderungen von ausländischen Konzerngesellschaften erworben werden, die ihrerseits nicht von einer Zinsabzugsbeschränkung erfasst werden. Hierbei ist allerdings problematisch, dass die Finanzverwaltung die Berücksichtigung der Zinserträge beim Zessionär von einer korrespondierenden Erfassung des Finanzierungsentgelts als Zinsaufwendungen beim Zedent abhängig macht. Der Zessionär muss nämlich nachweisen, dass der Zedent gegenüber seinem zuständigen (ausländischen) Finanzamt eine Erklärung abgibt, worin sich der Zedent mit der Erfassung des Finanzierungsentgelts als Zinsaufwendungen einverstanden erklärt.60 Jedoch ist es sehr fraglich, ob die ausländischen Finanzbehörden die Einverständniserklärung anerkennen werden bzw. können. Aufgrund dieser formellen Schwierigkeiten könnte die Inanspruchnahme der Billigkeitsregelung scheitern, was im europarechtlichen Kontext problematisch erscheint.62 Sofern das mit der Forderung verbundene Delkredererisiko hingegen beim Zedent (partiell) verbleibt, liegt ein Kapitalüberlassungsverhältnis vor,63 welches als unechtes Factoring bezeichnet wird. Das wirtschaftliche Eigentum an der Forderung verbleibt beim Zedenten, weshalb vielfach vertretener Auffassung im Schrifttum und nach Ansicht des BFH die Forderung weiterhin in seiner Handels- und Steuerbilanz zu aktivieren ist.64 Darüber hinaus hat er in Höhe des geschuldeten Abtretungsbetrags eine (verzinsliche) Darlehensverbindlichkeit gegenüber dem Zessionär zu passivieren und für den auf die Vorfinanzierung entfallenden Teil einen aktiven Rechnungsabgrenzungsposten anzusetzen, der entsprechend der Fälligkeit der Forderung (gegebenenfalls) ratierlich aufzulösen ist.65 Der Zessionär weist eine Forderung in Höhe des aufgewendeten Entgelts für den Erwerb der abgetretenen Ansprüche aus.66 Nach Auffassung der Finanzverwaltung muss der Zessionär zudem in Höhe des auf die Vorfinanzierung entfallenden Teils einen passiven Rechnungsabgrenzungsposten in der Steuerbilanz ansetzen und zeitkongruent auflösen.67 Die Auflösung der aktiven und passiven Abgrenzungsposten führt unstreitig zu Zinsaufwendungen und Zinserträgen i. S. der Zinsschranke.68 Entsprechend den Ausführungen zum echten Factoring steigt der Zinsanteil in Abhängigkeit 62 63 64
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So bereits zur vergleichbaren Problematik der Billigkeitsregelung beim Leasing vgl. Fischer/Wagner, Zinsschrankenerlass, BB 2008, S. 1874. Vgl. BGH v. 21.06.1994, XI ZR 183/93, BGHZ 126, S. 261 (263); BFH v. 05.05.1999, XI R 6/98, BStBl. II 1999, S. 735 (736). Vgl. IDW, RS HFA 8, WPg 2002, S. 1151, Rz. 7 u. 41; BFH v. 26.08.2010, I R 17/09, DStR 2010, S. 2455 (2457) mit Verweis auf die h. M. im steuerlichen Schrifttum; krit. zur übereinstimmenden Rechtsprechung der Vorinstanz (FG Münster v. 02.12.2008, 9 K 2344/07 G, EFG 2009, S. 624) Schmid, Forderungen, DStR 2010, S. 145 ff. Beim unechten Factoring ist die bilanzielle Zuordnung der abgetretenen Forderung zum Zedent und Zessionär im handelsrechtlichen Schrifttum umstritten; vgl. Hinz, Implikationen, DStR 1994, S. 1751 m. w. N.; Borgel, Factoring, S. 152 f. m. w. N.; Turwitt, Asset-backed, 1999, S. 119 ff. m. w. N.; Hennrichs, in: Kropff/Semler, MüKomm-AktG, Bd. 5/1, § 246 HGB, Rz. 156 ff.; Kleindiek, in: Ulmer et al., HGB-Bilanzrecht, Bd. 1, § 246, Rz. 61. Vgl. Eilers/Rödding/Schmalenbach, Unternehmensfinanzierung, S. 34 f. Vgl. Glomb, Factoring, 1969, S. 71; Turwitt, Asset-backed, 1999, S. 116. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 30; Dörfler, in: Erle/Sauter, KStG, § 8a, Anh. 1, Rz. 187. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 14; zustimmend stellv. für viele Köhler/Hahne, BMFSchreiben, DStR 2008, S. 1509.
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Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
von der Fristigkeit der Forderung. Wenn der Fälligkeitstermin der abgetretenen Forderung und derjenige der Zahlungsverpflichtung an den Zessionär identisch sind, entstehen beim Zessionär und Zedenten zeitgleich Zinserträge bzw. Zinsaufwendungen. Die beim echten Factoring eintretende ungünstige Konstellation einer zeitlich früheren Entstehung von Zinsaufwendungen beim Zedenten kann somit vermieden werden. Der entscheidende Vorteil des unechten Factorings gegenüber dem echten Factoring ist aber darin zu sehen, dass beim Zessionär unabhängig von einem Forderungsausfall Zinserträge entstehen, weil jener einen Erfüllungsanspruch gegenüber dem Zedenten hat. Beim echten Factoring ist die (antragsgebundene) Realisierung von Zinserträgen durch den Zessionär hingegen davon abhängig, dass der Schuldner die erworbene Forderung tatsächlich erfüllt, während beim Zedenten hiervon unabhängig Zinsaufwendungen sofort entstehen. Insgesamt erweist sich das unechte Factoring somit als das „einfachere“ und sichere Steuerungsinstrument, weil kein Antrag bei den Finanzämtern gestellt werden muss und das Risiko von nicht realisierbaren Zinserträgen reduziert wird. II.
Konzerninterne Restrukturierung der Fremdfinanzierung von Kapitalgesellschaften
Sofern die betriebsbezogenen Maßnahmen unter Beibehaltung der Kapitalstruktur nicht zur Vermeidung der Zinsschranke ausreichen oder nicht zur Verfügung stehen, ist mitunter die Restrukturierung der betrieblichen Fremdfinanzierung unter Einbezug von Gesellschaftern und anderen Schwestergesellschaften des Konzerns überlegenswert. Die nachfolgenden Maßnahmen sind darauf gerichtet, die betriebliche Kapitalstruktur gezielt zu verändern, um den negativen Zinssaldo des Betriebs zu reduzieren.69 Hiermit ist ein weiterer positiver Nebeneffekt verbunden, weil sich die betriebliche Eigenkapitalquote vielfach verbessert, sodass die Chancen für die Inanspruchnahme des Equity-Escape steigen sollten. Ein flexibler und kurzfristiger Einsatz der Maßnahmen ist vornehmlich internationalen Konzernstrukturen vorbehalten, weil hier die Möglichkeit besteht, die konzerninternen Kapitalströme weitgehend ohne Beeinflussung der vorsteuerlichen Kapitalkosten umzuleiten. Mit Blick auf die Kapitalkosten nach Steuern ist jedoch zu beachten, dass die Maßnahmen nicht isoliert auf die Optimierung des inländischen Zinsabzugs gerichtet sein sollten, sondern aus Sicht der Gesamtsteuerposition des Konzerns optimal strukturiert sein müssen. 1.
Zinsaufwandsvermeidung durch Rückkauf oder Tilgung von Darlehen
Sofern der Betrieb über die notwendige Liquidität verfügt, könnte der Fremdkapitalbestand durch Tilgung oder (direkten) Rückkauf der Darlehensforderung (sog. Debt-Buy-Back) her69
Ein negativer Zinssaldo des inländischen Betriebs bzw. Organkreises kann entweder durch die Reduzierung von Zinsaufwendungen oder durch die Erhöhung von Zinserträgen herabgesetzt werden; vgl. hierzu auch Endres/Spengel/Reister, Auswirkungen, WPg 2007, S. 486; Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1148; Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 507.
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
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abgesetzt werden, wodurch die Gefahr des Eingreifens der Zinsschranke reduziert oder sogar vollständig vermieden wird, weil der Betrieb danach die Freigrenze beanspruchen kann.70 In diesem Vorgang verwirklicht sich eine Substitution der Fremd- durch die Selbstfinanzierung. Allerdings werden Finanzierungsentscheidungen nicht ausschließlich von Steuern getrieben. Insbesondere ist die Ausstattung mit Eigen- oder Fremdkapital eine Frage der Höhe der Kapitalkosten. Die Kosten für die Aufnahme von konzernexternem Fremdkapital liegen häufig unterhalb derer für den Einsatz von Eigenkapital.71 Soweit jedoch Konzerngesellschaften durch eigene Mittel des Konzerns finanziert werden, wird die Entscheidung über die Finanzierung mit Eigen- oder Fremdkapital überwiegend von steuerlichen Motiven geleitet, da – abseits von regulatorischen Restriktionen – die vorsteuerlichen Kapitalkosten von Eigen- und Fremdkapital gleich hoch sind; dem hingegebenen Kapital wird lediglich eine andere rechtliche Qualität zugemessen.72 Von daher ist im Rahmen von konzerninternen Darlehensverhältnissen die Herabsetzung des Fremdkapitalbestands anzuraten, wenn ein (ehemals) erzielter Steuersatzvorteil aufgrund der Zinsschranke und/oder aufgrund des Angleichens von inländischem und ausländischem Steuerniveau in keinem nennenswerten Umfang mehr erzielbar ist.73 Da die Zinsaufwendungen – soweit sie der Zinsschranke unterliegen – bei der Schuldnergesellschaft keine Steuerentlastung herbeiführen, wohl aber bei der Gläubigergesellschaft regelmäßig zu 100% der Besteuerung unterliegen, tritt die Situation einer wirtschaftlichen Doppelsteuerung von Zinsen ein. Aus steuerplanerischer Sicht ist eine Anpassung der Finanzierungsbeziehungen erforderlich. In diesem Szenario wird in vielen Fällen die Eigen- bzw. Selbstfinanzierung der konzerninternen Fremdfinanzierung überlegen sein, weil die ausgeschütteten Beteiligungserträge re-
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Sofern der jeweilige Betrieb jedoch nicht über die notwendige Liquidität verfügt, könnten die Mittel über Einlagen von Alt- und/oder Neugesellschaftern aufgebracht werden; Diem, Akquisitionsfinanzierungen, 2009, § 34, Rz. 5. Ferner könnte ein Gesellschafter oder eine andere Konzerngesellschaft den Forderungstitel erwerben (indirekter Rückerwerb), um daran anschließend auf die Forderung zu verzichten oder diese gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten in den Betrieb einzubringen. Alternativ könnte die Darlehensschuld von einem dem Betrieb Nahestehenden unter Verzicht auf Regressansprüche gegen den Betrieb abgelöst werden; vgl. Friedl/Natusch, Debt-Buy-Back, FB 2009, S. 229; Töben/Lohbeck/Specker, Rettungsmaßnahmen, NWB 2009, S. 1489 ff.; Hierstetter, Entschuldung, DStR 2010, S. 884 ff. In allen Fällen wird im wirtschaftlichen Ergebnis Fremd- in Eigenkapital umgewandelt (sog. Debt-to-Equity-Swap); hierzu Abschn. A.II.2, S. 296. Vgl. die Ergebnisse einer Kapitalkostenstudie von Dörschell/Franken/Schulte, Kapitalkosten, 2010, S. 68 ff. Vgl. Dinstuhl, Segmentbewertung, 2003, S. 183. Aus diesem Grund sind konzerninterne Fremdfinanzierungen innerhalb von Unternehmensbewertungen außer Acht zu lassen; vgl. ebenda, S. 186; Meichelbeck, Konzern, 1998, S. 184 f.; Munkert, Kapitalisierungszinssatz, 2005, S. 408 f. Neben der Zinsschranke hat auch die Absenkung der inländischen Steuerbelastung durch die Unternehmensteuerreform 2008 dazu geführt, dass die Verlagerung von Einkünften von Deutschland ins Ausland mittels konzerninterner Fremdfinanzierung an Attraktivität verloren hat, vgl. Schreiber/Overesch, Ökonomische Analyse, DB 2007, S. 818; Köhler, Steuerstrategien, S. 178; Prinz, Mittelstandsfinanzierung, FR 2008, S. 446; Schreiber, Gewinnverlagerung, DBW 2009, S. 538 f. Aus internationalen Steuersatzvergleichen kann entnommen werden, dass aber immer noch Anreize für den fremdfinanzierten Gewinntransfer innerhalb von Konzernen bestehen; vgl. Zielke, Steuerplanung, DB 2007, S. 2783 ff.
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Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
gelmäßig im Ansässigkeitsstaat des Gesellschafters steuerfrei sind oder einem reduzierten Steuersatz unterliegen.74 Darüber hinaus könnte sich auch die Absenkung des von Konzernexternen aufgenommenen Fremdkapitals als ökonomisch sinnvoll erweisen, wenn die Fremdkapitalkosten aufgrund der Gefahr von nicht abziehbaren Zinsaufwendungen die Kosten für die Aufnahme bzw. Verwendung von Eigenkapital übersteigen sollten. Die Auswirkungen auf die Konzernsteuerquote hängen davon ab, ob die ohne die Schuldentilgung ansonsten anfallenden nicht abziehbaren Zinsaufwendungen zu einem werthaltigen Zinsvortrag i. S. des anzuwendenden Rechnungslegungsstandards führen würden. Sind die Zinsschrankenrisiken2. Ordnung so hoch, dass für den Zinsvortrag keine aktive latente Steuer gebildet werden kann, verhindert die Maßnahme unabhängig vom Fremdkapitalgeber einen vergleichsweise starken Anstieg der Konzernsteuerquote. Sollte demgegenüber von einem werthaltigen Zinsvortrag auszugehen sein, besteht aus Sicht des Managements der Konzernsteuerquote keine dringliche Notwendigkeit, die Finanzierungssituation des inländischen Betriebs zu überdenken. Eine Reduktion der konzerninternen Schulden könnte sich sogar negativ auf die Konzernsteuerquote auswirken, wenn der hiermit verbundene Effektivsteuersatzvorteil eingebüßt wird und sich nicht mehr im Konzernergebnis niederschlägt. 2.
Zinsaufwandsvermeidung durch Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital
Die Umwandlung von Fremd- in Eigenkapital (sog. Debt-to-Equity-Swap) stellt außerhalb von Krisenszenarien insbesondere für unmittelbar oder mittelbar gesellschaftsrechtlich verbundene Vertragsparteien eine liquiditätsschonende und weitestgehend friktionsfreie Alternative dar, um den Fremdkapitalbestand des im Zinsschrankenrisiko befindlichen Betriebs herabzusetzen. Die ausstehenden Darlehensansprüche werden grundsätzlich nicht durch liquide Mittel des Betriebs, sondern durch Beteiligung der Gläubiger am Eigenkapital des Betriebs bedient.75 Mit dieser Maßnahme wird die Fremdfinanzierung durch die Eigen- bzw. Beteiligungsfinanzierung ersetzt. Allein für Zwecke der Steuerung von Zinsschrankenrisiken wird eine Umwandlung von „werthaltigem“ Fremd- in Eigenkapital regelmäßig nur innerhalb von verbundenen Unternehmen stattfinden.76 Hier besteht mit der Umwandlung des Fremdkapitals 74 75
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Innerhalb der EU dominiert die Dividendenfreistellung (Shareholder Relief); vgl. Spengel/Oestreicher, Umsetzungsfragen, DStR 2009, S. 774 f. Der Debt-to-Equity-Swap kann durch Einbringung der Darlehensforderung gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten oder durch Übertragung von Gesellschaftsrechten (ggf. auch eigene Anteile) auf die Gläubigerin mit anschließendem Forderungsverzicht realisiert werden; vgl. Hofert/Möller, Finanzierung, GmbHR 2009, S. 527; Schmidt/Mielke, Sanierungsmaßnahmen, Ubg 2009, S. 399 f.; Töben/Lohbeck/Specker, Rettungsmaßnahmen, NWB 2009, S. 1493. Zur gesellschaftsrechtlichen Umsetzung des Debt-to-Equity-Swaps vgl. Schmidt/Schlitt, Restrukturierung, DK 2009, S. 280 ff. Ein im Verhältnis zum Konzern außenstehender Dritter (insbes. Banken) wird regelmäßig nur in insolvenzbedrohlichen Krisenzeiten einer Umwandlung seines Fremdkapitaltitels in einen Eigenkapitaltitel zustimmen, um den definitiven Untergang seiner Kapitalforderung und des Unternehmens abzuwenden; vgl. auch Wentzler, Debt Equity Swap, FB 2009, S. 446 f.
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
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in Mezzanine-Kapital (z. B. Genussrechte, stille Beteiligung) eine flexible Alternative, für steuerliche Zwecke je nach Bedarf einen Eigen- oder Fremdkapitalinstrument zu kreieren.77 Im Falle einer konzerninternen Fremdfinanzierung tauscht der (Neu-)Gesellschafter einen Zinsanspruch gegen einen (höheren) Gewinnanspruch ein. Die Gesamtsteuerbelastung wird hierdurch reduziert, wenn die Gewinnausschüttung niedriger besteuert wird als die mit den potenziell nicht abziehbaren Zinsaufwendungen in Zusammenhang stehenden Zinserträge. Sofern die steuerlichen Bestimmungen im Ansässigkeitsstaat der kapitalgebenden Konzerngesellschaft denen in Deutschland entsprechen, führt der Tausch von (werthaltigem) Fremdgegen Eigenkapital grundsätzlich zu keiner materiellen Steuerbelastung.78 Unter Einbezug von ausländischen Gesellschaftern oder Konzerngesellschaften lässt sich im Ergebnis auch konzernexternes Fremdkapital in betriebliches Eigenkapital umwandeln. Je nach Ausgestaltung der finanziellen Restrukturierung kann der Zinsaufwand des inländischen Betriebs ins Ausland verlagert werden.79 So könnte der inländische Betrieb zur Finanzierung der Darlehensablösung bzw. zum Rückerwerb der Darlehensforderung beispielsweise neue Gesellschaftsanteile emittieren, deren Anschaffung die ausländische Konzerngesellschaft wiederum über konzernexternes Fremdkapital refinanziert. Unter der Voraussetzung, dass die ausländische Konzerngesellschaft die Refinanzierungszinsen steuerwirksam abziehen kann, werden die im Inland nicht abziehbaren Zinsen in abziehbare Zinsen der ausländischen Konzerngesellschaft umgewandelt.80 Die Gesamtsteuerbelastung des Konzerns wird reduziert und dieser positive Effekt schlägt auf die Konzernsteuerquote durch, wenn ein andernfalls auflaufender Zinsvortrag als nicht werthaltig zu qualifizieren wäre. 3.
Zinsaufwandsverteilung durch Fremdkapitaldiversifizierung
Die vorangestellten Restrukturierungsmaßnahmen können auch innerhalb von inländischen Unternehmensgruppen dazu eingesetzt werden, die Fremdkapitalbestände von nicht organschaftlich verbundenen Inlandsbetrieben gezielt zu steuern, um mehreren Betrieben den Anwendungsbereich der Freigrenze zu eröffnen.81 Aber auch bei Zinsaufwandsüberhängen 77 78
79 80
81
Zum Debt-to-Mezzanine-Swap vgl. Oelke/Wöhlert/Degen, Restrukturierungsfinanzierung, BB 2010, S. 299 ff. Nach nationalen Grundsätzen wird aufseiten der Schuldnerin die Einbringung der bzw. der Verzicht auf die Darlehensforderung i. H. des Teilwerts der Forderung als (offene) Einlage gewertet (§§ 4 Abs. 1 i. V. mit § 6 Abs. 1 Nr. 5 EStG) und aufseiten der Gläubigerin erhöhen sich korrespondierend die Anschaffungskosten der Beteiligung an der betreffenden Kapitalgesellschaft (§ 6 Abs. 6 EStG); vgl. Scheunemann/Hoffmann, DebtEquity-Swap, DB 2009, S. 985 f.; Schmidt/Mielke, Sanierungsmaßnahmen, Ubg 2009, S. 395; Schmidt/ Schlitt, Restrukturierung, DK 2009, S. 287 f. Vgl. Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1148. Zu ausländischen Zinsabzugsbeschränkungen vgl. Kessler/Köhler/Knörzer, Rechtsvergleich, IStR 2007, S. 418 ff.; Galeano/Rhode, Italy, Intertax 2008, S. 292 ff.; Bohn, Zinsschranke, 2009, S. 111 ff.; Wengerter, Dänemark, IWB 2009, Fach 5, Gruppe 2, S. 175; Zielke, Gesellschafter-Fremdfinanzierung, StuW 2009, S. 63 ff.; Lenz/Dörfler, Vergleich, DB 2010, S. 18 ff. Zur Berechnung der kritischen Fremdkapitalbestände, unterhalb derer die Zinsschranke nicht eingreift, vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. A.I.1, S. 90; was bei sehr großen Konzernen an praktische Grenzen stößt.
298
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
jenseits der Freigrenze könnte das Fremdkapital verstärkt bei Betrieben angesiedelt werden, deren Zinsschrankenrisiko z. B. aufgrund der EBITDA-Prognose vergleichsweise niedrig ist. Ein weiteres Motiv für die Verteilung der Fremdkapitalbestände könnte darin bestehen, nicht abziehbare Zinsen bei Betrieben anfallen zu lassen, die über Verlustvorträge verfügen, sodass mit dem Eingreifen der Zinsschranke wenigstens keine Liquiditätsbelastung einhergeht.82 Die gezielte Diversifizierung des Fremdkapitalbestands strebt eine Reduzierung des (aggregierten) Zinsschrankenrisikos der inländischen Unternehmensgruppe an. Das Zinsschrankenrisiko eines einzelnen Betriebs kann sich zwar isoliert betrachtet erhöhen, allerdings wird diese Erhöhung auf der anderen Seite durch ein vermindertes Zinsschrankenrisiko eines anderen (Konzern-)Betriebs überkompensiert. Die Verteilung des Fremdkapitalbestands auf mehrere Einheiten könnte sich auch im Rahmen von Unternehmensakquisitionen anbieten, um die mit der Kaufpreisfinanzierung in Zusammenhang stehenden Fremdkapitalzinsen für jede Erwerbseinheit unterhalb der Freigrenze zu halten.83 Sofern mehrere Erwerbsgesellschaften an der Anschaffung und Finanzierung des Zielunternehmens beteiligt werden, wird in der Literatur jedoch auf die Gestaltungsrisiken hingewiesen, dass die Erwerbsgesellschaften als einheitliche Willensbildungs-GbR bzw. als eigenständiger Zinsschranken-Betrieb angesehen werden könnten und/oder die Finanzverwaltung in der Atomisierung der Kaufpreisfinanzierung eine Form des Gestaltungsmissbrauch sehen könnte. Dieser aufgesplittete Unternehmenserwerb sollte sich jedoch auch mit außersteuerlichen Gründen rechtfertigen lassen. Insbesondere sollte dies gegeben sein, wenn die auf die jeweiligen Erwerbsgesellschaften verteilten Kaufpreisanteile sachlich einem abgrenzbaren Teil des erworbenen Unternehmens (z. B. Tochtergesellschaften, Teilbetriebe, einzelne Segmente des Unternehmens) zugeordnet werden können.84 Im Ergebnis lässt sich ein Splitting des Fremdkapitals auch durch atypisch stille Beteiligungen an einer GmbH, AG oder anderen Rechtsform herbeiführen, falls die atypisch stille Gesellschaft den Betriebsbegriff der Zinsschranke erfüllen sollte.85 In diesem Fall würde für jede atypisch stille Gesellschaft eine eigene Freigrenze gelten. Sofern Investitionen einer Konzerngesellschaft über (atypisch) stille Gesellschaftereinlagen finanziert werden, die Einlagen aber wiederum über konzernexternes Fremdkapital refinanziert werden, ist der Refinanzierungsaufwand dem Sonderbetriebsbereich der atypisch stillen Gesellschaft (= Mitunternehmerschaft) zuzuordnen.86 Da Sonderbetriebszinsen dem Betrieb der atypisch stillen Gesellschaft 82 83
84 85
86
Dies ist allerdings nur dann sinnvoll, wenn die Verlustvorträge vom Untergang bedroht sind. Vgl. Reiche/Kroschewski, Akquisitionsfinanzierung, DStR 2007, S. 1333 f.; Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 351; Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 512; Prinz, Mittelstandsfinanzierung, FR 2008, S. 446. Vgl. Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 352. Dies wird im Schrifttum einhellig bejaht; vgl. Blumenberg/Lechner, in: Blumenberg/Benz, Unternehmensteuerreform, S. 115; Kraft/Mayer-Theobald, Atypisch stille Gesellschaft, DB 2008, S. 2326; Schulze zur Wiesche, GmbH & Still, GmbHR 2008, S. 1143; Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 27d. Sofern der stille Gesellschafter Mitunternehmerinitiative entfaltet und Mitunternehmerrisiko trägt, wird die
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
299
zuzuordnen sind, greift die Zinsschranke erst ein, wenn die Refinanzierungszinsen die Freigrenze überschritten haben. In Abhängigkeit des für Investitionen der Gesellschaft benötigten Fremdkapitals könnten mehrere atypisch stille Beteiligungen an verschiedenen Teilgeschäftsbereichen der (einen) Gesellschaft begründet werden, um so für jeden Teilgeschäftsbereich im Ergebnis eine eigene Freigrenze zu schaffen.87 Diese Finanzierungsgestaltung steht jedoch im Schatten von erheblichen Rechtsunsicherheiten. Zum einen ist die Betriebsqualität von atypisch stillen Gesellschaften noch nicht von der Finanzverwaltung bestätigt worden und zum anderen ist davon auszugehen, dass ihr ein großes Auseinandersetzungspotenzial mit den Finanzbehörden innewohnt, die in einem exzessiven Einsatz dieser Finanzierungform einen Gestaltungsmissbrauch i. S. des § 42 AO sehen könnten. 4.
Zinsertragssteigerung durch konzerninterne Darlehen und Anleihen
Der negative Zinssaldo kann auch ohne Anpassung des Fremdkapitalbestands reduziert werden. Über konzernintern vergebene Darlehen oder durch Erwerb von Anleihen anderer Konzerngesellschaften können die laufenden Zinserträge des Betriebs gesteigert werden,88 ohne dass sich das Zinsergebnis des Konzerns verändern würde.89 Mithin tritt der inländische Betrieb innerhalb des Konzerns selbst als Fremdkapitalgeber auf, wodurch im Falle von grenzüberschreitenden Darlehensverhältnissen im Ergebnis steuerpflichtige Erträge ins Inland verlagert werden. Ob die Ertragsverlagerung aus Konzernsicht vorteilhaft ist, hängt von ihrer Auswirkung auf die Gesamtsteuerbelastung und Steuerquote des Konzerns ab. Aber auch innerhalb der inländischen Steuerjurisdiktion könnten Investitionen von Gesellschaften, die aufgrund ihrer Größe, Fremdfinanzierungsintensität oder Ertragslage nicht von der Zinsschranke bedroht sind, anstatt mit Eigenkapital oder konzernexternem Fremdkapital vermehrt mit Gesellschafterfremdkapital finanziert werden, um auf Ebene des Gesellschafters Zinserträge zu generieren, die bei ihm vor dem Eingreifen der Zinsschranke schützen.90 Eine Optimierungsstrategie kann im konzerninternen Handel von Konzerndarlehen, die mit einem Darlehensaufgeld bzw. Begebungsagio ausgestattet sind, gesehen werden. Aufgrund des höheren Auszahlungsbetrags stehen dem Primärgläubiger höhere Zinserträge zu, die in
87
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atypisch stille Gesellschaft als andere Gesellschaft i. S. des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG zur Mitunternehmerschaft; vgl. Blaurock, Stille Gesellschaft, 2010, Rz. 20.58 ff. Vgl. Kraft/Mayer-Theobald, Atypisch stille Gesellschaft, DB 2008, S. 2326; gl. A. Frotscher, in: Frotscher, EStG, § 4h, Rz. 27d. Sofern sich mehrere Personen an verschiedenen Geschäftsbereichen einer Gesellschaft atypisch still beteiligen, entstehen für steuerliche Zwecke pro Geschäftsbereich jeweils atypisch stille Gesellschaften, die vom BFH und der Finanzverwaltung jeweils als eigenständige Gewerbebetriebe gewertet werden; vgl. BFH v. 25.07.1995, VIII R 54/93, BStBl. II 1995, S. 794 (796); BFH v. 06.12.1995, I R 109/94, BStBl. II 1998, S. 685 (686); OFD Frankfurt v. 14.03.2001, DStR 2001, S. 1160 (Abschn. 2.2); OFD Erfurt v. 23.10.2003, FR 2003, S. 1302 f. (Abschn. 4.2.3). Vgl. Dörr/Geibel/Fehling, Gestaltungsspielraum, NWB 2007, Fach 4, S. 5213; Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 507. Die hierfür benötigte Liquidität kann aus eigenen Mitteln oder durch Gesellschaftereinlagen aufgebracht werden. Vgl. die Beispielrechnung bei Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 507.
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Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
dessen Steuerbilanz aber durch ratierliche Auflösung eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens vermindert werden, sodass sich bei ihm die Zinserträge nicht steigern lassen. Beim (konzerninternen) Weiterverkauf der Darlehensforderung hat der Erwerber des Schuldtitels (Sekundärgläubiger) eine Teilwertabschreibung auf den niedrigeren Rückzahlungsbetrag vorzunehmen, die dessen Zinsergebnis jedoch unberührt lässt.91 Da die höheren Zinserträge beim Sekundärgläubiger mangels Abgrenzungsposten nicht gegenberichtigt werden, lässt sich dessen Zinssaldo optimieren.92 Diese Steuerungsmaßnahmen können von inländischen Holdinggesellschaften genutzt werden, die aufgrund eines regelmäßig hohen Anteils von steuerfreien Beteiligungserträgen nur über ein vergleichsweise geringes steuerliches EBITDA verfügen. Darüber hinaus ermöglichen Konzerndarlehen die gezielte und kurzfristige Beeinflussung eines Zinssaldos, der sich in der Nähe der Freigrenze befindet.93 Wenn das kritische Fremdfinanzierungsvolumen nicht überschritten wird, gewährleistet dieses Steuerungsinstrument eine sehr effektive Vermeidung eines Zinsschrankenrisikos1. Ordnung. 5.
Interest-Pooling-Modell
Im Schrifttum ist von Kollruss eine zinsschrankenfreie Fremdfinanzierungsgestaltung vorgestellt worden, die für einen inländischen Organkreis mit ausländischer Betriebsstätte zur Ersparnis von Gewerbesteuer eingesetzt werden kann und das Zinsschrankenprivileg der Organschaft unterstreicht.94 Zur Umsetzung des sog. Interest-Pooling-Modell (IPM) wird ein Organschaftsverhältnis und eine ausländische Betriebsstätte des Organträgers benötigt, für die die Anrechnungsmethode zur Anwendung gelangt.95 Das Modell sieht vor, dass die mit Eigenkapital ausgestattete Finanzierungsbetriebsstätte die inländische Organgesellschaft fremdfinanziert.96 Bei der Organgesellschaft mindern die Zinsaufwendungen das zu versteuernde Einkommen zu 100% und den Gewerbeertrag zu 75% (§ 8 Nr. 1 lit. a GewStG).97 Auf der 91 92 93 94 95
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Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 28. Hierzu vgl. Häuselmann, Kapitalüberlassungsverhältnisse, FR 2009, S. 510; derselbe, Zinsschrankenmanagement, Ubg 2009, S. 228 f. Vgl. Hölzl, in: Herzig et al., Handbuch, S. 121. Zu den nachfolgenden Ausführungen vgl. Kollruss, IPM, GmbHR 2009, S. 637 ff.; Kollruss, Interest-Pooling Modell, FB 2009, S. 311 ff. Für die im Ausland steuerpflichtigen Betriebsstättengewinne kommt die Anrechnungsmethode zur Anwendung, wenn sie sich in einem Staat befindet, mit dem Deutschland kein DBA (§ 26 KStG, § 34c EStG) oder eins mit Anrechnungsmethode (Art. 23 B OECD-MA) vereinbart hat, vgl. Tillmanns/Mössner, in: Mössner et al., Steuerrecht, S. 204 ff., oder wenn zwar die Freistellungsmethode (Art. 23 A OECD-MA) vereinbart wurde, aber eine uni- oder bilaterale Switch-Over-Klausel (insbes. § 20 Abs. 2 AStG) einen Wechsel zur Anrechnungsmethode anordnet; vgl. ebenda, Rz. B 454 f. u. E 490. Das IPM wird von Frotscher kritisch gesehen. Er bekundet Zweifel an der Betriebsstättenfähigkeit und an der Zuordnungsmöglichkeit der finanziellen Mittel zu der ausländischen Finanzierungsbetriebsstätte an, vgl. derselbe, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 8a KStG, Rz. 22a. Zur Fremdkapitalausstattung von ausländischen Betriebsstätten vgl. Jacobs, Unternehmensbesteuerung, 2007, S. 942 ff. Trotz organkreisinterner Fremdfinanzierung greift die Hinzurechnungsvorschrift gem. § 8 Nr. 1 lit. a GewStG ein, weil die Zinserträge aufgrund von § 9 Nr. 3 GewStG nicht im Gewerbeertrag des Organträgers enthalten sind (R 7.1 Abs. 5 GewStR 2009).
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
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anderen Seite haben die Zinserträge der Finanzierungsbetriebsstätte das Welteinkommen des Organträgers für Zwecke der Körperschaftsteuer erhöht; etwaige im Belegenheitsstaat der Finanzierungsbetriebsstätte angefallene Ertragsteuern können auf die Körperschaftsteuer des Organträgers angerechnet werden, soweit diese auf den im steuerpflichtigen Einkommen enthaltenden Gewinn der ausländischen Betriebsstätte entfällt. Da die Zinserträge dem Gewinn einer ausländischen Betriebsstätte zuzuordnen sind, unterliegen sie nicht der Gewerbesteuer (§ 9 Nr. 3 GewStG). Im Idealfall gleichen sich die im Ausland angefallenen Steuern und der im Inland auf die Körperschaftsteuer anrechenbare Betrag aus, sodass die Zinserträge per saldo keine Steuerbelastung auslösen. Unter diesen Voraussetzungen erzeugt die Umleitung der Erträge der Organgesellschaft über die ausländische Betriebsstätte bei einem körperschaftsteuerpflichtigen Organträger eine Steuerersparnis in Höhe der Differenz zwischen der andernfalls im Inland angefallenen nominellen Gewinnsteuerbelastung und der im Belegenheitsstaat der Betriebsstätte entstandenen Gewinnsteuerbelastung zuzüglich der im Inland entstandenen Gewerbesteuer für ein Viertel der gezahlten Zinsaufwendungen. Die auf Ebene der Organgesellschaft angefallenen Zinsaufwendungen sind zwar bei der Zinssaldoermittlung für Zwecke des § 4h EStG auf Ebene des Organträgers zu berücksichtigen (§ 15 Nr. 3 S. 3 KStG), allerdings stehen den Zinsaufwendungen die korrespondierenden Zinserträge aus der Finanzierungsbetriebsstätte gegenüber, sodass durch diese Finanzierungsgestaltung nicht die Zinsschranke ausgelöst werden kann. Neben den von Frotscher96 geäußerten Zweifeln an der Umsetzbarkeit des IPM ist anzumerken, dass es sich bei diesem Modell nicht um eine Steuerungsmaßnahme zur Vermeidung oder Reduzierung des Zinsschrankenrisikos handelt, weil auch die direkte Fremdfinanzierung der Organgesellschaft durch den Organträger aufgrund des Pooling von Zinsaufwendungen und Zinserträgen im Organkreis (§ 15 Nr. 3 S. 3 KStG) nicht die Zinsschranke ausgelöst hätte. Vielmehr handelt es sich bei dem IPM um eine gewerbesteuersparende Gesellschafterfremdfinanzierung, die nicht von der Zinsschranke sanktioniert wird. B.
Unternehmensstrukturspezifische Anpassungshandlungen
I.
Konzentrationsvorgänge
Aus der Konzernperspektive weist jeder separate Inlandsbetrieb ein eigenes Zinsschrankenrisiko auf. Durch die Verdichtung der Betriebsanzahl bzw. die Zusammenführung von Betrieben mit unterschiedlichem Ausmaß und unterschiedlicher Intensität von Zinsschrankenrisiken können Synergien erzielt werden, die zu einer Reduzierung oder Vermeidung des (aggregierten) Zinsschrankenrisikos des Inlandskonzerns beitragen. Die rechtliche und wirtschaftliche Konzentration des (steuerlichen) Ergebnisses von ursprünglich mehreren Betrieben kann
302
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
durch organschaftliche Verbindung, die Schaffung von Einheitsunternehmen oder durch Verschmelzung bzw. Anwachsung von Betrieben herbeigeführt werden.98 Durch die Begründung eines Organschaftsverhältnisses (§ 14 KStG) oder von Betriebsstätten wird das wirtschaftliche und steuerliche Ergebnis der ertragsgenerierenden Einheiten beim Organträger bzw. Stammhaus des Einheitsunternehmens konzentriert.99 Während die operativen Einheiten kein eigenes Zinsschrankenrisiko mehr aufweisen, weil sie entweder von der Zinsschranke ausgenommen sind (Organgesellschaften) oder mangels Erfüllung des Betriebsbegriffs nicht in ihren Anwendungsbereich fallen (Betriebsstätten),100 verändert sich durch die Konzentration der steuerlichen Ergebniskomponenten das Zinsschrankenrisiko des Organträgers bzw. Stammhauses. Sofern man von steuerpflichtigen Zwischengewinnen eines organschaftlich verbundenen Unternehmens abstrahiert, unterscheidet sich die Begründung von Organschaftsverhältnissen hinsichtlich der Auswirkung auf den Grundtatbestand der Zinsschranke im Wesentlichen nicht von der Gründung inländischer Betriebsstätten.101 Aus Konzernsicht ist eine Abmilderung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung zu verzeichnen, wenn durch den Konzentrationsvorgang die Intensität und/oder das Ausmaß des Eingreifens der Zinsschranke – über alle inländischen Konzernbetriebe betrachtet – abgemildert wird. So können durch das Pooling von volatilen mit vergleichsweise stabileren EBITDA-Entwicklungen anderer Einheiten des Organkreises bzw. Einheitsunternehmens die Wahrscheinlichkeit des Eingreifens und mitunter auch die Höhe von nicht abziehbaren Zinsen reduziert werden.102 Für Konzerne mit primärem Inlandsbezug ist die Konzentration des wirtschaftlichen Engagements in einem Zinsschranken-Betrieb auch mit Blick auf die Anwendung des Stand-aloneEscape vorteilhaft. Denn sowohl das Einheitsunternehmen als auch der Organkreis stellen privilegierte Organisationsformen dar, weil sie der Anwendung des Stand-alone-Escape nicht entgegenstehen und somit die Möglichkeit eröffnen, die Zinsschranke vollständig zu vermeiden. Während Betriebsstätten des Stammhauses keine eigenen Zinsschranken-Betriebe darstellen, gilt der Organkreis für Zwecke der Zinsschranke als ein Betrieb (§ 15 Nr. 3 S. 2 KStG).103 Einem Unternehmen, das vornehmlich im Inland tätig ist, steht es mitunter offen, 98 99
100
101 102 103
Zu den verschiedenen Konzentrationsformen vgl. Jung, Betriebswirtschaftslehre, 2006, S. 145 ff. Dies trifft für ausländische Betriebsstätten nur dann zu, wenn die Betriebsstätte in einem Staat belegen ist, mit dem Deutschland kein DBA oder eines mit Anrechnungsmethode abgeschlossen hat. Innerhalb der EU dominiert jedoch die Freistellungsmethode; vgl. Dörfler/Ribbrock, Binnenmarkt, BB 2008, S. 305. Zu verschiedenen Formen der Begründung von Betriebsstätten vgl. Köhler, in: Kessler/Kröner/Köhler, Konzernsteuerrecht, § 4, Rz. 3. Organgesellschaften sind gem. § 15 Nr. 3 S. 1 KStG von der Zinsschranke ausgenommen und Betriebsstätten erfüllen nicht die konstitutive Betriebsqualität des § 4h Abs. 1 EStG; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.1.b.iv, S. 108. Zum Gestaltungsmedium des Einheitsunternehmens (dort als Stammhauskonzern bezeichnet) vgl. Prinz, Organisationsstruktur, DB 2008, S. 369. Vgl. Herzig/Liekenbrock, Zinsvortrag, DB 2009, S. 1949; exemplarisch zur Vorteilhaftigkeit der Organschaft Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 513. Sofern der Organkreis und der Konzern i. S. der Zinsschranke deckungsgleich sind, ist der Stand-aloneEscape vorbehaltlich von § 8a Abs. 2 KStG anwendbar; vgl. Herzig/Liekenbrock, Konzernbilanzierung, Ubg 2009, S. 751.
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
303
die selbstständig durchgeführten Auslandsaktivitäten anstatt in Personen- oder Kapitalgesellschaften in Betriebsstätten zu führen bzw. fortzuführen. Sofern Kooperationen mit ausländischen Partnern bestehen, sollten aus Sicht der Zinsschranke Mehrheitsbeteiligungen vermieden werden, weil sie unter Berücksichtigung der Inlandsaktivität einen Konzerntatbestand i. S. von § 4h Abs. 3 S. 5 f. EStG begründen.104 Auch wenn sich nicht sämtliche Konzerneinheiten in die vorgenannten privilegierten Organisationsformen überführen lassen, gehen die skizzierten Konzentrationsvorgänge mit Vorteilen bei der Inanspruchnahme des Equity-Escape einher. Denn Betriebsstätten und Organgesellschaften unterliegen nicht der Beteiligungsbuchwertkürzung gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG, sodass eine Verbesserung der betrieblichen Eigenkapitalquote, die im Verhältnis zur Konzerneigenkapitalquote stärker wiegt, denkbar ist. Um in die privilegierten Organisationsformen hineinzugelangen, sind mitunter Umstrukturierungen erforderlich, die den Erhalt von Zinsvorträgen gefährden. Sofern eine Kapitalgesellschaft zur Organgesellschaft wird, ist ihr etwaig vorhandener Zinsvortrag im Zeitraum der Organschaft nach herrschender Literaturmeinung eingefroren.105 Sollte der Integration in den Organkreis noch ein Formwechsel von einer Personengesellschaft in eine Kapitalgesellschaft vorausgegangen sein, geht ein bestehender Zinsvortrag unter.106 Auch die Umwandlung einer Konzerngesellschaft in eine Betriebsstätte, die insbesondere im Wege einer Verschmelzung/Einbringung der Konzerngesellschaft auf/in das Stammhaus oder auf eine zum Organkreis gehörende Gesellschaft vollzogen werden könnte,107 bedeutet den Verlust von etwaig vorhandenen Zinsvorträgen.108 Im Falle von hohen Zinsvorträgen ist im Einzelfall zu überprüfen, ob die Chance der zukünftigen Nutzung des Zinsvortrags gewichtiger als das Risiko eines (dauerhaften) Eingreifens der Zinsschranke wiegt. Sofern mit dem Konzentrationsvorgang eine nachhaltige Vermeidung der Zinsschranke möglich wird, sollte ein vorhandener Zinsvortrag aber regelmäßig keine prohibitive Wirkung entfalten können. Im Falle der Verschmelzung einer Tochtergesellschaft auf ihren Gesellschafter könnte der Verlust des Zinsvortrags jedoch gegebenenfalls abgewendet werden. So wird im Schrifttum mit der Ausgabe eines unverzinslichen Gesellschafterdarlehens im Veranlagungszeitraum vor der Verschmelzung eine Gestaltungsoption offeriert, über die die Übertragung des im Zinsvortrag gespeicherten Aufwands auf den übernehmenden Gesellschafter gelingen könnte.109 104 105 106 107
108 109
Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.II.1, S. 157 ff. Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.a.iii, S. 137. Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.b.ii.(II), S. 149 und Abschn. B.IV, S. 308. Zu den Anforderungen zur Begründung einer Betriebsstätte vgl. Wassermeyer, in: Wassermeyer/Andresen/Ditz, Betriebsstätten, S. 3 ff. Im Falle von grenzüberschreitenden Umwandlungen ist die steuerneutrale Umwandlung davon abhängig, dass das übertragene Vermögen einer inländischen Betriebsstätte zugeordnet werden kann; vgl. Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 3, Rz. 101. Ein Zinsvortrag kann nicht auf die übernehmende Einheit übertragen werden (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 i. V. mit § 4 Abs. 2 S. 2 UmwStG bzw. § 1 Abs. 3 Nr. 1 i. V. mit § 20 Abs. 9 UmwStG). Vgl. hierzu Schaden/Käshammer, Zinsvortrag, BB 2007, S. 2322.
304
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
Auf Ebene der übertragenden Einheit entsteht ein Ertrag aus der Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit (§ 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG),110 der nach herrschender Meinung in der Literatur – aber entgegen der Auffassung der Verwaltung – als Zinsertrag i. S. des § 4h Abs. 3 S. 4 EStG zur Verrechnung des Zinsvortrags verwendet werden könnte.111 In der Steuerbilanz des übernehmenden Gesellschafters kann die unverzinsliche Darlehensforderung gem. § 6 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 EStG mit dem niedrigeren Teilwert (Barwert) angesetzt werden.112 Wird dieses autonome steuerliche Bewertungswahlrecht in der Steuerbilanz des Gesellschafters jedoch nicht ausgeübt, entsteht eine Differenz zwischen dem Wertansatz des Schuldtitels in der Steuerbilanz der übertragenden Einheit (abgezinster Nominalwert) und demjenigen in der Steuerbilanz der übernehmenden Einheit (Nominalwert).113 Dieser Bewertungsunterschied löst sich im Zuge der Verschmelzung aufgrund der Konfusion von Forderung und Verbindlichkeit auf und führt bei der übernehmenden Einheit zu steuerlichem Aufwand (Konfusionsverlust).114 Diesen Aufwand könnte man als Zinsaufwand i. S. der Zinsschranke werten, weil er aus der einseitigen Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit bei der übertragenden Einheit resultiert. Im Ergebnis würde mittels dieser Gestaltung der Zinsvortrag auf die übernehmende Einheit übertragen und in Abhängigkeit von den Verhältnissen der Übernehmerin nutzbar.115 Dieser Gestaltung haftet jedoch das Problem einer geringen Durchsetzungswahrscheinlichkeit gegenüber den Finanzbehörden an, weil die Finanzverwaltung unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie den Abzinsungsertrag im Zusammenhang mit dem erstmaligen Ansatz einer unverzinslichen Darlehensverbindlichkeit nicht als Zinsertrag i. S. der Zinsschranke akzeptiert.116
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114 115 116
Vgl. BFH v. 06.10.2009, I R 4/08, BStBl. II 2010, S. 177 (178 f.); BMF v. 26.05.2005, BStBl. I 2005, S. 699; zur h. M. vgl. die Nachweise bei Stadler/Bindl, Darlehn, DB 2010, S. 862 (Fn. 11). Die h. M. wertet den Abzinsungsertrag im Zusammenhang mit dem Erstansatz einer Darlehensverbindlichkeit als Zinsertrag i. S. der Zinsschranke; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. A.I.3.d, S. 125; a. A. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 27. Vgl. Kleinle, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG, Rz. 912 (mit Verweis auf die BFHRechtsprechung); Kulosa, in: Schmidt, EStG, § 6, Rz. 296; Hoffmann, in: Littmann/Bitz/Pust, EStR, § 6, Rz. 648; zweifelnd Kellersmann/Pannewig, Darlehn, Ubg 2009, S. 850. In der Handelsbilanz ist die Forderung mit dem Barwert anzusetzen; vgl. Ellrott/Roscher, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 253, Rz. 592 ff. Die Maßgeblichkeit des handelsbilanziellen Wertes für die Steuerbilanz befürwortend OrtmannBabel/Bolik/Gageur, Gesellschafterdarlehen, BB 2009, S. 2415. Nach Auffassung der Finanzverwaltung und vielfach vertretener Ansicht in der Literatur können seit BilMoG steuerliche Bewertungswahlrechte unabhängig vom handelsrechtlichen Wertansatz ausgeübt werden; vgl. BMF v. 12.03.2010, BStBl. I 2010, S. 239, Rz. 15; zum Literaturstreit vgl. die Nachweise bei Stadler/Bindl, Darlehn, DB 2010, S. 863 (Fn. 28 f.). Zu weiteren Ursachen von Konfusionsgewinnen und -verlusten vgl. Birkemeier, in: Rödder/Herlinghaus/van Lishaut, Umwandlungssteuergesetz, § 6, Rz. 32 ff. Sofern man den Konfusionsverlust nicht als Zinsaufwand i. S. der Zinsschranke qualifiziert, würde der Zinsvortrag durch diese Gestaltung in unbeschränkt abziehbare Aufwendungen transformiert. Vgl. die Nachweise in Fn. 111. Auch die Ergebnisse der Expertenbefragung zeigen, dass die Rechtsunsicherheit und das Konfliktpotenzial hoch einzustufen sind und die mehrheitlich bevorzugte Beratungsempfehlung nicht eindeutig zugunsten der herrschenden Meinung ausfällt; vgl. Teil II – Kapitel 2 – Abschn. A.IV.3.b, S. 232.
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
II.
305
Dekonzentrationsvorgänge
Spiegelbildlich zu den Konzentrationsvorgängen kann es zur Bewältigung von Zinsschrankenrisiken1. Ordnung sinnvoll sein, das Unternehmen in mehrere rechtlich selbstständige Einheiten bzw. Zinsschranken-Betriebe zu zerlegen. Durch die Verteilung von steuerlichem EBITDA und Zinssalden auf mehrere Betriebe kann das Zinsschrankenrisiko aus Sicht der inländischen Unternehmensgruppe reduziert oder gar vermieden werden. Die Dekonzentration der rechtlichen und wirtschaftlichen Unternehmensstruktur kann durch Spaltung von Betrieben sowie Auflösung von Organschaftsverhältnissen verwirklicht werden.117 So kann das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung durch Aufspaltung des Betriebs vermieden werden, wenn der den übertragenen Teilbetrieben zugeordnete Nettozinsaufwand jeweils unterhalb der Freigrenze liegt.118 Derselbe Effekt wird bei der Auflösung von Organschaftsverhältnissen erzielt, weil für die ausgeschiedene Organgesellschaft wieder eine eigene Freigrenze zu berücksichtigen ist.119 Die Auflösung von Organschaftsverhältnissen ist sinnvoll, wenn hierdurch das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung des Konzerns deutlich abgemildert oder sogar vermieden werden kann. Dies ist der Fall, wenn nach der Auflösung des Organschaftsverhältnisses sichergestellt ist, dass sowohl die Einzelgesellschaften als auch der verbliebene Organkreis die Freigrenze in Anspruch nehmen kann oder mit dem Eingreifen der Zinsschranke keine liquiditätsmäßige Belastung mehr verbunden ist. Allerdings stehen dem Vorteil bei der Zinsschranke die Nachteile bei der laufenden Besteuerung gegenüber.120 Diese Nachteile sollten aber nur dann hingenommen werden, wenn andernfalls das Eingreifen der Zinsschranke sehr wahrscheinlich ist.121 Aus Sicht der inländischen Unternehmensgruppe ist der Spaltungsvorgang oder die Auflösung einer Organschaft auch außerhalb der Freigrenze vorzugswürdig, wenn das aggregierte Ausmaß des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung der separierten Teileinheiten geringer ist als das Ausmaß, das sich erwartungsgemäß ergeben würde, wenn die Teileinheiten weiterhin als ein Betrieb fortbestehen würden.122
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121 122
Zur betriebswirtschaftlichen Dimension von Dekonzentrationsvorgängen vgl. Dürrfeld, Steuerung, 2003, S. 48 ff.; Bysikiewicz, Unternehmensbewertung, 2009, S. 36 f. Grundsätzlich könnte man auch den Statuswechsel von einer Mehrheits- in eine Minderheitsbeteiligung als Dekonzentrationsvorgang verstehen. Diesbzgl. wird auf Abschn. B.III, S. 306 verwiesen. Vgl. Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 350 f. Die Spaltung kann in Form der Auf-, Abspaltung oder Ausgliederung vollzogen werden (§ 123 UmwG). Damit eine steuerneutrale Umwandlung möglich ist, müssen jeweils Teilbetriebe übertragen werden bzw. im Falle der Abspaltung beim übertragenen Rechtsträger ein Teilbetrieb verbleiben (§§ 15 Abs. 1, 20 Abs. 1 UmwStG). Exemplarisch Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 514. Insbesondere die 5%ige Besteuerung von Gewinnausschüttungen (§ 8b Abs. 1, 5 KStG) und die fehlende intersubjektive Verlustverrechnungsmöglichkeit; vgl. Fuhrmann, Organschaft, KÖSDI 2008, S. 15994 ff.; Scheffler, Organschaft, StuB 2008, S. 60 ff. Vgl. Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 351. Hierbei dürfte es sich allerdings um einen Ausnahmefall handeln, der allenfalls bei stark positiv korrelierten EBITDA-Entwicklungen der betrieblichen Teilbereiche eintritt.
306
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
III. Restrukturierung der Beteiligungsverhältnisse Durch die Neuordnung von ausländischen und inländischen Beteiligungen an rechtlich selbstständigen Konzerneinheiten können Unternehmensstrukturen geschaffen werden, die insbesondere auf Ebene des übergeordneten Konzernbetriebs bzw. des Gesellschafters gewisse Vorteile bei der Anwendung des Stand-alone- und Equity-Escape bieten. Der Restrukturierung von unmittelbaren oder mittelbaren Beteiligungen an inländischen Gesellschaften stehen jedoch mitunter § 4h Abs. 5 EStG und § 8c Abs. 1 KStG entgegen, deren Anwendung zum (partiellen) Untergang von Verlust- und Zinsvorträgen führen und somit strukturkonservierend wirken können. Die Konzernklausel des § 8c Abs. 1 S. 5 KStG könnte als Ausnahmevorschrift vom (partiellen) Verlust- und Zinsvortragsuntergang Anreize setzen, Anteilsrechte an Konzernkapitalgesellschaften bis auf 100% aufzustocken, damit zukünftige Restrukturierungen innerhalb des Konzerns keinen Untergang von Verlust- und Zinsvorträgen mehr bewirken können.123 Das Zinsschrankenrisiko2. Ordnung ließe sich hierdurch reduzieren.124 Für Konzerne, deren Inlandsaktivitäten als vorrangig bzw. primär anzusehen sind, könnte erwogen werden, die Beteiligungen an Inlandsgesellschaften von denen an Auslandsgesellschaften zu separieren bzw. Mehrheitsbeteiligung an Auslandsgesellschaften aufzugeben. Denn im Gegensatz zu Inlandsgesellschaften, die in einen Organkreis integrierbar sind, sind Mehrheitsbeteiligungen an Auslandsgesellschaften für die Anwendung des Stand-aloneEscape schädlich und des Weiteren unterliegen sie im Rahmen des Equity-Escape der Beteiligungsbuchwertkürzung gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG.125 So könnte das Eigenkapital von Auslandsgesellschaften durch ordentliche Kapitalherabsetzungen oder umfangreiche Ausschüttungen von Gewinn- oder Kapitalrücklagen reduziert und durch Gesellschafterfremdkapital ersetzt werden. Hierüber würden die Anschaffungskosten der Beteiligung an der ausländischen Gesellschaft herabgesetzt und es ließe sich der negative Effekt der Beteiligungsbuchwertkürzung beim Eigenkapitalquotenvergleich abmildern.126 Gleichwohl sind die aperiodi123
124
125 126
Zur Konzernklausel vgl. Bien/Wagner, Konzernklausel, BB 2010, S. 923 ff.; Franz, Konzernklausel, BB 2010, S. 991 ff.; Wittkowski/Hielscher, Änderungen, DB 2010, S. 11 ff. Sofern der die Anteilsrechte übertragende Rechtsträger nicht auch unmittelbar oder mittelbar zu 100% am übernehmenden Rechtsträger beteiligt ist, greift die Konzernklausel nicht ein. Sofern Anteilsrechte konzernexterner Gesellschafter übertragen werden, hilft somit die Konzernklausel regelmäßig nicht weiter. In diesem Fall könnte gegebenenfalls noch über die Inanspruchnahme des sog. Stille-Reserven-Escape (§ 8c Abs. 1 S. 6 ff. KStG) oder der Sanierungsklausel (§ 8c Abs. 1a KStG) der Untergang des Verlust- und Zinsvortrags abgewendet werden; vgl. hierzu Sistermann/Brinkmann, Mantelkaufregelung, DStR 2009, S. 2634 ff.; Scheipers/Linn, Änderungen, Ubg 2010, S. 12 ff. Die Finanzverwaltung hat die Sanierungsklausel aufgrund eines gegenwärtigen Vertragsverletzungsverfahrens gegen europäisches Beihilferecht für nicht abwendbar erklärt; vgl. BMF v. 30.04.2010, BStBl. I 2010, S. 488. Dies gilt nur für Kapitalgesellschaften. Die Konzern-Klausel ist auf Personengesellschaften nicht anwendbar. Zinsvorträge von Personengesellschaften gehen bei Gesellschafterwechseln in Abhängigkeit von der Beteiligung des ausscheidenden Gesellschafters partiell unter; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.b.i.(I).(1), S. 140. Vgl. Kirsch, Bilanzpolitik, DK 2007, S. 662; Köhler, in: Steuerstrategien, S. 179 ff. Rückzahlungen sowohl des Nennkapitals als auch der Kapitalrücklagen mindern die Anschaffungskosten der Beteiligung. Im Falle der Auflösung oder Ausschüttungen von Gewinnrücklagen kommt mitunter eine außerplanmäßige Abschreibung des Beteiligungsbuchwerts in Betracht, wenn der innere Wert der Beteiligung nicht
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
307
schen und periodischen Besteuerungswirkungen einer Substitution von Eigen- in Gesellschafterfremdkapital zu beachten und abzuwägen.127 Global agierende Konzerne könnten aber genauso gut ein Interesse daran haben, Anteilsrechte an ausländischen Gesellschaften, die eine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung gem. § 8a Abs. 3 KStG vermitteln, auf das Niveau einer Mehrheitsbeteiligung aufzustocken, um eine konzernexterne in eine konzerninterne Gesellschafterfremdfinanzierung umzuwandeln. Denn konzerninterne Gesellschafterfremdfinanzierungen sind für Zwecke des Equity-Escape unschädlich (§ 8a Abs. 3 S. 2 KStG). Ferner könnte die Neuordnung der Beteiligungsverhältnisse von der Absicht getrieben sein, das zur Refinanzierung der (ausländischen) Konzerngesellschaft aufgenommene Fremdkapital ins Ausland zu verlagern. So könnten etwa sämtliche nicht in einen Organkreis integrierbare Gesellschaften auf Auslandsgesellschaften übertragen werden, die die Anschaffung der Gesellschaftsrechte wiederum fremdfinanzieren.128 Diese Maßnahme leistet in mehrfacher Hinsicht einen positiven Beitrag zur Reduzierung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung. Erstens wird der Nettozinsaufwand des Gesellschafters aufgrund der Verlagerung der Refinanzierung reduziert, aber kein bedeutsamer Verlust an EBITDA erlitten, weil die mit der Beteiligung in Zusammenhang stehenden Erträge nicht oder nur unwesentlich das EBITDA erhöhen.129 Zweitens lässt sich mit Blick auf den Equity-Escape durch die Zuordnung von Mehrheitsbeteiligungen zu ausländischen Konzerngesellschaften die Beteiligungsbuchwertkürzung gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG vermeiden. Drittens verbessert eine etwaige Verlagerung der Refinanzierung das Verhältnis der betrieblichen Eigenkapitalquote zu der Eigenkapitalquote des Konzerns. Die Aufstockung von Anteilsrechten an inländischen Gesellschaften könnte erstrebenswert sein, um die notwendige Stimmrechtsmehrheit für den Abschluss eines Gewinnabführungsvertrages zu erreichen und ein Organschaftsverhältnis begründen zu können.130 Umgekehrt könnten fremdfinanzierte Inlandsinvestitionen, die einem hohen Zinsschrankenrisiko1. Ordnung unterliegen, in paritätische Joint-Venture-Gesellschaften eingekleidet werden, um eine Mehrheitsbeteiligung am Inlandsbetrieb bzw. eine Konzernzugehörigkeit des Inlandsbetriebs zu
127 128
129
130
mehr durch den Buchwert gedeckt ist; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 253 HGB, Rz. 48 f.; Brösel/Olbrich, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 253 HGB, Rz. 132. Vgl. Hölzl, in: Herzig et al., Handbuch, S. 113 f. Vgl. Kirsch, Bilanzpolitik, DK 2007, S. 662 f.; Hölzl, in: Herzig et al., Handbuch, S. 114 f.; Abschn. A.II.2, S. 296 f.; Jonas, Zinsschranke, S. 45 f. Dies setzt freilich voraus, dass die nun im Ausland anfallenden Zinsaufwendungen gegen eine positive Bemessungsgrundlage verrechnet werden können. Die Restrukturierung erhöht in kapitalistischen Konzernstrukturen die steuerpflichtige Bemessungsgrundlage i. H. von 5% des Übertragungsgewinns (§ 8b Abs. 2, 3 KStG). Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften sind gem. § 8b Abs. 1, 5 KStG effektiv zu 95% steuerbefreit. Ferner sollen Gewinnanteile von Personengesellschaften nach Auffassung der Finanzverwaltung bei der EBITDA-Ermittlung des Gesellschafters zu kürzen sein; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.2.a, S. 109. Gem. § 293 Abs. 1 AktG wird ein Gewinnabführungsvertrag nur wirksam, wenn die Hauptversammlung dem Abschluss mehrheitlich zugestimmt hat. Eine Mehrheit ist gegeben, wenn drei Viertel des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals dem Vertragsabschluss zugestimmt hat.
308
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
vermeiden, und um hierüber in den Anwendungsbereich des Stand-alone-Escape zu gelangen.131 Die genannten Effekte zeigen, dass mehrgliedrige und nicht organschaftlich verbundene Beteiligungsverhältnisse im Inland nachteilig wirken können. Ein potenziell zinsschrankenbefangener Betrieb sollte möglichst über einen geringen Umfang an Mehrheitsbeteiligungen verfügen. Mithin ist international agierenden Konzernen mit nachrangigem bzw. sekundärem Inlandsbezug eine flache Konzernhierarchie in Deutschland anzuraten. Man könnte sagen, dass Deutschland als Holdingstandort an Attraktivität eingebüßt hat.132 International tätige Konzerne mit primärem Inlandsbezug erfahren somit gegenüber Konzernen mit sekundärem Inlandsbezug eine Benachteiligung, weil sie aufgrund ihrer gewachsenen Strukturen im Inland vergleichsweise weniger flexibel sind, ihre Spitzeneinheiten umzusiedeln.133 Die vorgestellten Anpassungen der Beteiligungsverhältnisse sind nicht zur kurzfristigen Steuerung von Zinsschrankenrisiken geeignet, weil sie erst mit einer Verzögerung von einem Wirtschaftsjahr die (verbesserte) Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape ermöglichen.134 Ferner ist anzumerken, dass der Equity-Escape nicht als primäres Instrument zur Vermeidung der Zinsschranke angesehen werden kann, weil die Regelung selbst mit erheblichen Rechtsbeurteilungsrisiken behaftet ist.135 Nur wenn alle übrigen Steuerungsmaßnahmen nicht weiterhelfen, um dem liquiditätswirksamen Eingreifen der Zinsschranke zu entgehen, sollte diese Ausnahmevorschrift in Erwägung gezogen werden. Dennoch wirken sich Unternehmensstrukturen, die die grundsätzlichen Anforderungen des Equity-Escape erfüllen, positiv auf die Beurteilung von Zinsschrankenrisiken aus, weil hierdurch das Spektrum an Ausweichmöglichkeiten erweitert wird. In Bezug auf den Equity-Escape kommt der Neuordnung von Beteiligungsverhältnissen somit eine Präventivfunktion zu, die die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zinsschranke reduziert, weshalb ein Fall der Risikominderung gegeben ist. Ein restrukturierungsbedingter Verlust von Zinsvorträgen bzw. ein schlagend werdendes Zinsschrankenrisiko2. Ordnung sollte nur in Ausnahmefällen akzeptiert werden. IV. Rechtsformwahl / Formwechsel Auch der Formwechsel von einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft oder umgekehrt kann den Zinsschrankenstatus des Unternehmens optimieren. Die qualitative Rechts131 132 133 134
135
Vgl. Kirsch, Bilanzpolitik, DK 2007, S. 662. So auch Körner, Holdingstrukturen, IStR 2009, S. 3. Vgl. Köhler, in: Steuerstrategien, S. 181. Während beim Vergleich der Eigenkapitalquoten im Gesetz klar geregelt ist, dass die Quoten des vorangegangenen Abschlussstichtages heranzuziehen sind, ist der maßgebliche Vergleichszeitpunkt für die Überprüfung der Konzernzugehörigkeit ungeregelt. Die Finanzverwaltung folgt hier der zeitlichen Vorgabe des Equity-Escape, sodass im Sinne einer rechtssicheren Anwendung des Stand-alone-Escape ebenfalls der vorangegangene Abschlussstichtag maßgeblich sein sollte; zum Literaturstreit vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.II.1.c, S. 163. Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.II.2, S. 164 ff.
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
309
analyse und die Expertenbefragung in Teil II der Arbeit haben gezeigt, dass die Rechtsbeurteilungsrisiken bei Betrieben, die in der Rechtsform einer GmbH oder AG firmieren deutlich geringer sind, als bei Betrieben, die in der Rechtsform einer Personengesellschaft oder KGaA geführt werden. Mit dem Wechsel in eine rechtssichere Rechtsform können etwaige Konflikte mit den Finanzbehörden prospektiv vermieden werden. Dies gilt insbesondere für Fragestellungen, zu denen sich die Finanzverwaltung noch gar nicht geäußert hat und für die somit die Würdigung des jeweiligen Sachverhalts durch die Finanzbehörden vollkommen unklar ist.136 Ein weiteres Motiv für den Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft könnte darin gesehen werden, dass bei Personengesellschaften Zinsschrankenrisiken auf zwei Ebenen bestehen. So bewirkt das liquiditätswirksame Eingreifen der Zinsschranke eine Gewerbesteuermehrbelastung auf Ebene der Personengesellschaft und in Form von erhöhten steuerlichen Gewinnanteilen u. U. eine höhere Steuerbelastung auf Ebene der Mitunternehmer. Ferner wird die Abschätzung der Intensität und des Ausmaßes der Zinsschrankenrisiken bei Mitunternehmerschaften, an denen Mitunternehmer beteiligt sind, die nicht demselben Konzern angehören oder diesem nahestehen, erschwert, weil diese Mitunternehmer beispielsweise durch einen hohen Finanzierungsbedarf zur Anschaffung von Sonderbetriebsvermögen die Zinsschranke (plötzlich) auslösen oder durch Übertragung ihres Mitunternehmeranteils den partiellen Untergang des Zinsvortrags auslösen. Zwar könnten diese fremdbestimmten Zinsschrankenwirkungen durch entsprechende Vertragsgestaltungen unterbunden werden,137 jedoch bietet der Formwechsel in eine Kapitalgesellschaft die Möglichkeit, zumindest das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung in einem einzigen Betrieb zu separieren bzw. einzuschließen. Zwar sind die Personengesellschaft und auch die KGaA in gestalterischer Hinsicht der Kapitalgesellschaft überlegen, allerdings werden sich die Gestaltungsformen regelmäßig nur mit erhöhtem Aufwand gegenüber den Finanzbehörden durchsetzen lassen. Denn in den zentralen Punkten, in denen die Personengesellschaft Vorteile gegenüber der Kapitalgesellschaft bietet, vertritt die Finanzverwaltung im Zinsschrankenerlass eine von der herrschenden Meinung abweichende Rechtsauffassung. So ist es nach Auffassung der Finanzverwaltung weder möglich, durch das Hintereinanderschalten von Mitunternehmerschaften eine EBITDA-Kaskade zu produzieren,138 noch eine zinsschrankenfreie Gesellschafterfremdfinanzierung durch ausländische Mitunternehmer zu erzielen.139 Mithin ist die Ausnutzung von Rechtsformvorteilen der Personengesellschaft mit erheblichen Rechtsdurchsetzungsrisiken behaftet, weshalb sich die skizzierten Gestaltungsansätze nicht zur Steuerung des Zinsschrankenrisikos eignen. Ähnliches sollte auch für das sog. KGaA-Joint-Venture-Modell gelten, wonach in Abhängigkeit 136
137 138 139
Die Expertenbefragung hat gezeigt, dass von dem Instrument der verbindlichen Auskunft zur Klärung von offenen Zweifelsfragen bei der Zinsschranke nur wenig Gebrauch gemacht wird und die Auskunftsbereitschaft der Finanzbehörden als zurückhaltend zu bewerten ist; vgl. Teil II – Kapitel 2 – Abschn. A.VI, S. 240. Vgl. Kapitel 3 – Abschn. B, S. 316. Zum Gestaltungsmodell der EBITDA-Kaskade und dem Meinungsstreit zwischen der Literatur und Finanzverwaltung vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.2.a, S. 109. Vgl. hierzu ausführlich Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.f, S. 129.
310
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
von der gesellschaftsvertraglichen Ausgestaltung ein originärer Konzerntatbestand nach IFRS (§ 4h Abs. 3 S. 5 EStG) trotz mehrheitlicher Beteiligung des Kommanditaktionärs vermieden und eine „schadlose“ Gesellschafterfremdfinanzierung über den persönlich haftenden Gesellschafter vermittelt werden könnte.140 Es ist davon auszugehen, dass derartige Strukturen einen Aufgriff durch die Betriebsprüfung erfahren werden. In Verhandlungen mit den Finanzbeamten könnte das Unternehmen in Rechtfertigungsnöte geraten, dass die gesellschaftsvertraglichen Abreden auch tatsächlich keinen steuerlichen Konzerntatbestand i. S. des § 4h Abs. 3 S. 6 EStG begründen. V.
Ergebnisverlagerung
International tätige Unternehmen, deren Inlandsaktivitäten von wesentlicher Bedeutung sind, könnten Ertragspotenziale von ausländischen Konzerneinheiten ins Inland verlagern, um ihr steuerliches EBITDA zu erhöhen.141 Ob dies aber so weit geht, dass die Zinsschranke zu einer verstärkten Investitionstätigkeit im Inland anreizt, dürfte in starke Zweifel gezogen werden.142 Klar ist nur, dass sich zur Steuerung von (bestehenden) Zinsschrankenrisiken weder die Verlagerung von Unternehmensfunktionen ins Inland noch die Investition in neue Inlandsprojekte eignen, weil hiermit wiederum neue Risikoherde entzündet werden, deren Auswirkungen auf das Eingreifen der Zinsschranke im Inland beurteilt werden müssten. Von diesen Überlegungen ist jedoch die Verlagerung von Ertragspotenzialen in Form von Verrechnungspreisen zwischen rechtlich selbstständigen und verbundenen Unternehmen abzugrenzen.143 Denn im Rahmen der (Neu-)Festlegung von Verrechnungspreisen bestehen Bandbreiten bzw. Ermessenspielräume,144 die die Möglichkeit eröffnen, das EBITDA von Inlandsbetrieben gezielt zu steuern, um gegebenenfalls auch kurzfristig ein Eingreifen der Zinsschranke abzuwenden.145 Diese dem Bereich der taktischen Verrechnungspreispolitik146 140 141
142
143
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Vgl. Kollruss, Joint-Venture-Modell, StuW 2009, S. 280 ff. Für Unternehmen mit sekundärem Inlandsbezug bzw. primärem Auslandsbezug dürfte die Ergebnisverlagerung keine zielführende Option sein, weil ihr Verlagerungspotenzial bzw. die Bedeutung der Inlandsaktivitäten im Vergleich zur Auslandstätigkeit unwesentlich ist; vgl. Scheunemann/Socher, Leveraged Buy-out, BB 2007, S. 1147. Eher ist der gegenteilige Effekt wahrscheinlicher, weil sich durch die Zinsschranke die Fremdkapitalkosten in Deutschland erhöhen können. Einen positiven Anreizeffekt zur Ertragsverlagerung bieten vielmehr niedrige Gewinnsteuersätze; vgl. Schreiber, Gewinnverlagerung, DBW 2009, S. 539 ff. § 1 Abs. 3 AStG legt eine Hierarchie bei den zur Anwendung gelangenden Methoden zur Bestimmung von Verrechnungspreisen fest. Vorrangig sind die Preisvergleichs-, Wiederverkaufspreis- und die Kostenaufschlagsmethode anzuwenden (sog. Standardmethoden), wenn uneingeschränkt vergleichbare Werte vorliegen; vgl. Baumhoff/Ditz/Greinert, Verrechnungspreise, DStR 2007, S. 1462 ff. Sofern lediglich eingeschränkt vergleichbare Werte vorliegen, ist eine geeignete Methode zu verwenden, zu denen neben den Standardmethoden auch die sog. gewinnorientierten Methoden zählen, von denen innerhalb der OECD die Nettomargenmethode und Gewinnaufteilungsmethode anerkannt sind; vgl. Hofacker, in: Haase, AStG, 2009, § 1 AStG, Rz. 188 ff. u. 220 ff. Aus der Anwendung einer Verrechnungspreismethode geht regelmäßig eine Bandbreite an zulässigen Werten hervor, aus der der Fremdvergleichspreis abgeleitet wird; vgl. Zech, Funktionsverlagerungen, 2009, S. 65 ff. Zu einer Beispielrechnung vgl. Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 510. Zur Abgrenzung der taktischen von der strategischen Verrechnungspreispolitik sowie deren Möglichkeiten
Kapitel 2 – Ursachenbezogene Steuerungsansätze
311
zuzuordnende Steuerung der Ertragssituation findet allerdings u. a. Grenzen darin, dass aufgrund von zunehmenden Dokumentationspflichten plötzliche Veränderungen von Verrechnungspreisen erkennbar und gegebenenfalls rechtfertigungsbedürftig werden.147 Denn es ist zu beachten, dass im Falle der Änderung von Verrechnungspreisen erhöhte Anforderungen148 an die Verrechnungspreisdokumentation gestellt werden und Ergebnisverlagerungen zugunsten der inländischen Bemessungsgrundlage Auseinandersetzungen mit den jeweils zuständigen ausländischen Fisken heraufbeschwören können.149 Die Vorteilhaftigkeit einer solchen Anpassung der Verrechnungspreise steht und fällt mit den Auswirkungen auf die Gesamtsteuerbelastung und auf die Konzernsteuerquote. Selbst wenn sich eine (temporäre) Reduktion der Gesamtsteuerbelastung erzielen ließe, die jedoch aufgrund eines bilanziell werthaltigen Zinsvortrags oder aufgrund des Effektivsteuersatzgefälles der beteiligten Staaten nicht oder nur unwesentlich auf die Konzernsteuerquote durchschlägt, wird eine wichtige Zielsetzung von Verrechnungspreis(gestaltung)en verfehlt,150 sodass die zinsschrankeninduzierte Ergebnisverlagerung mittels Verrechnungspreisgestaltungen aus Konzernsicht keine erstrebenswerte Gestaltungsoption mehr darstellt.
147 148 149
150
und Grenzen vgl. Borstell, in: Grotherr, Steuerplanung, S. 325 ff. Vgl. Martini, Verrechnungspreise, 2007, S. 24. Vgl. BMF v. 12.04.2005, BStBl. I 2005, S. 570, Rz. 3.4.1 u. 3.4.8.2.; Fischer/Looks/im Schlaa, Erfahrungen, BB 2010, S. 157 ff. Eine Veränderung zugunsten der inländischen Bemessungsgrundlage befindet sich nicht im Anwendungsbereich von § 1 AStG, da hiervon nur Einkommensminderungen erfasst werden. Ein Aufgriff durch die nationalen Finanzbehörden ist deshalb unwahrscheinlich. Zu den Zielen von Verrechnungspreisen vgl. Vögele/Brem, in: Vögele/Borstell/Engler, Verrechnungspreise, S. 603 f.; Martini, Verrechnungspreise, 2007, S. 16.
312
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
Kapitel 3
Wirkungsbezogene Steuerungsansätze
A.
Bilanzpolitische Maßnahmen
I.
Aufdeckung von stillen Reserven
Die gezielte Auflösung von stillen Reserven kann als Instrument zur Steigerung des steuerlichen EBITDA eingesetzt werden, um den Anteil an nicht abziehbaren Zinsen zu reduzieren.151 Hierbei sind jedoch die gegenläufigen Belastungskonsequenzen zu beachten, die mit der gewinnrealisierenden Auflösung der stillen Reserven verbunden sind. Während die aufgelösten Reserven die steuerliche Bemessungsgrundlage zu 100% erhöhen, beträgt das hierdurch gewonnene Mehr an abzugsfähigen Zinsen nur 30%. Geht man von einem ausreichend hohen Umfang an nicht abziehbaren Zinsen aus, wird die körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage effektiv um 70% der aufgelösten Reserven erhöht. Soweit die hiermit verbundene Steuerzahlung nicht aufgrund von verrechenbaren Verlustvorträgen vermieden werden kann, erhöht diese Maßnahme die Steuerbelastung des Unternehmens im Jahr der Aufdeckung von stillen Reserven. Dennoch kann dieses Vorgehen mit Blick auf zukünftige Veranlagungszeiträume sinnvoll sein, wenn hierdurch Verlust- und Zinsvorträge verrechenbar bzw. neue Zinsvorträge vermieden werden, die angesichts geplanter Veränderungen der Unternehmens- und Beteiligungsstruktur nicht genutzt werden können (hohes Zinsschrankenrisiko2. Ordnung).152 Im wirtschaftlichen Ergebnis werden ansonsten nicht abziehbare Zinsaufwendungen in zukünftiges Abschreibungspotenzial bzw. niedrigere Veräußerungsgewinne transformiert. Vor diesem Hintergrund ist der Zinsnachteil aufgrund der vorgezogenen Besteuerung der stillen Reserven dem Vorteil aus der Vermeidung von definitiv nicht abziehbaren Zinsen gegenüberzustellen. Der mit der Maßnahme einhergehende Zinsnachteil ist umso geringer, je kürzer die Abschreibungsdauer bzw. der Zeitraum bis zur Veräußerung der Wirtschaftsgüter ist, deren stille Reserven gehoben werden. Ist allerdings davon auszugehen, dass nicht abziehbare Zinsaufwendungen in zukünftigen Veranlagungszeiträumen durch Verwertung des Zinsvortrags genutzt werden können, also das Zinsschrankenrisiko2. Ordnung gering ist, stellt die Aufdeckung von stillen Reserven regelmäßig keine empfehlenswerte Steuerungsmaßnahme dar. Denn bei übereinstimmenden Diskontierungssätzen ist der ersparte Zinsnachteil durch Vermeidung eines Zinsvortrags i. H. von 30% der aufgelösten stillen Reserven im Regelfall kleiner als der Zinsnachteil, der durch die vorgezogene Besteuerung von 70% der stillen Reserven „eingekauft“ wird. Allenfalls dann, wenn sich die Verrechnung des Zinsvortrags über einen sehr langen Zeitraum erstrecken würde und sich die Minderbesteuerung aufgrund der vorgezogenen Aufdeckung der stillen
151 152
Vgl. Dörr/Fehling, Gestaltungsmöglichkeiten, Ubg 2008, S. 350. Die Aufdeckung von stillen Reserven stellt insbesondere im Rahmen von Unternehmensumstrukturierungen ein steuerliches Gestaltungsinstrument dar, um andernfalls untergehende Verlust- und Zinsvorträge auf Ebene der übertragenden Einheit noch verrechnen zu können vgl. Jacobsen, Teilgestaltungen, BB 2009, S. 1956.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_9, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Kapitel 3 – Wirkungsbezogene Steuerungsansätze
313
Reserven (z. B. aufgrund höherer Abschreibungen) bereits nach kurzer Zeit materialisiert, könnte die Maßnahme in diesem theoretischen Fall einen ökonomischen Sinn ergeben. Die Aufdeckung von stillen Reserven lässt sich beispielsweise durch Umwandlungsvorgänge, Sale-Lease-Back-Transaktionen (Financial Leasing) oder den konzerninternen Verkauf von bislang nicht bilanzierten Wirtschaftsgütern (selbsterstellte Immaterialgüter) verwirklichen.153 Damit setzt dieses bilanzpolitische Instrument die Bereitschaft und Möglichkeit für strukturelle Anpassungen voraus. II.
Bilanzierung von Zinsen als Herstellungskosten
Mit § 255 Abs. 3 S. 2 HGB offeriert das Handelsrecht dem Bilanzersteller ein Wahlrecht, Fremdkapitalzinsen als Herstellungskosten zu behandeln,154 soweit die Zinsen in dem Herstellungszeitraum anfallen und eindeutig dem Herstellungsprozess des Vermögensgegenstands zugeordnet werden können.155 Dieses Wahlrecht gilt über den (einfachen) Maßgeblichkeitsgrundsatz (§ 5 Abs. 1 EStG) auch für die Steuerbilanz bzw. steuerliche Gewinnermittlung (R 6.3 Abs. 4 EStR).156 Ebenso ist höchstrichterlich entschieden und von der Finanzverwaltung anerkannt, dass die nach Ausübung des handelsrechtlichen Wahlrechts als Herstellungskosten zu behandelnden Zinsen im Bereich der gewerbesteuerlichen Hinzurechnung nicht als Schuldentgelte zu qualifizieren sind, da die Zinsen mit der Aktivierung ihren ursprünglichen Charakter verlieren.157 Folgerichtig sind sie weder im Zeitpunkt der Aktivierung noch im Zusammenhang mit der Ausbuchung oder Abschreibung des Vermögensgegenstands als Zinsaufwendungen i. S. des § 4h Abs. 3 S. 2 EStG zu qualifizieren.158 Vor diesem Hintergrund besteht eine rechtssichere Handhabe, potenziell nicht abziehbare Zinsaufwendungen in (zukünftig) abziehbare Herstellungskosten umzuwidmen.159 Sofern das 153 154
155
156
157 158 159
Vgl. auch Rolf/Pankoke, Gegenmaßnahmen, BB 2008, S. 2276. Seit 2009 besteht nach IAS/IFRS für herstellungsbezogene Fremdkosten kein Aktivierungswahlrecht mehr, sondern eine Aktivierungspflicht. Zu verbleibenden Gestaltungsspielräumen in diesem Kontext vgl. Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6101. Zur Auslegung der Zuordnungsvoraussetzungen und des Herstellungszeitraums vgl. Esser/Gebhardt, Fremdkapitalzinsen, WPg 2007, S. 639 ff.; Ellrott/Brendt, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 255, Rz. 504 ff. Da das Aktivierungswahlrecht keine Einschränkungen betreffend die Zugehörigkeit des hergestellten Vermögensgegenstands zum Anlage- oder Umlaufvermögens fordert, wird im Schrifttum die Auffassung vertreten, dass die Norm auch uneingeschränkt für das Umlaufvermögen anwendbar ist; vgl. Kahle/Haas, in: Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzrecht, § 255, Rz. 221; Knop/Küting, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 255 HGB, Rz. 304 ff. Zu erfassungstechnischen Problemen des Zinsaufwands im Falle von unterjährig veräußertem Umlaufvermögen vgl. Haupt, Bauzeitzinsen, DStR 2008, S. 1818. Vgl. BMF v. 12.03.2010, BStBl. I 2010, S. 239, Rz. 6; gl. A. Scheffler, Maßgeblichkeitsprinzip, StuB 2010, S. 297. Dagegen wird in der Literatur auch die Auffassung vertreten, dass es sich bei R 6.3 Abs. 4 EStR seit der Abschaffung der formellen Maßgeblichkeit durch das BilMoG um ein autonomes steuerliches (Richtlinien-)Wahlrecht handelt, welches unabhängig von der handelsrechtlichen Behandlung der Fremdkapitalzinsen eigenständig ausgeübt werden könne; vgl. Herzig/Briesemeister, Wahlrechtsvorbehalt, DB 2010, S. 923. Vgl. BFH v. 10.03.1993, I R 59/92, BFH/NV 1993, S. 561; BFH v. 30.04.2003, I R 19/02, BStBl. II 2004, S. 192 (193); Ländererlass v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 730, Rz. 13. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 20; Haupt, Bauzeitzinsen, DStR 2008, S. 1816 f. Vgl. Eilers, Zinsschrankenerfahrungen, Ubg 2008, S. 198; Herzig/Lochmann/Liekenbrock, Unternehmensbefragung, DB 2008, S. 598.
314
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
Zinsschrankenrisiko2. Ordnung hoch ist, wird hierdurch sichergestellt, dass die Aufwendungen im Zusammenhang mit der Fremdkapitalfinanzierung als abzugsfähige Aufwendungen erhalten bleiben. Die Aktivierung der Zinsaufwendungen erfolgt ergebnisneutral, sodass im Zeitpunkt der Wahlrechtsausübung kein Unterschied zu der Wirkung der Zinsabzugsbeschränkung festzustellen ist. Erst in Folgeperioden können die „gespeicherten“ Herstellungszinsen in Form von höheren Abschreibungsbeträgen oder niedrigeren Veräußerungserlösen steuermindernd verwertet werden, sodass ein vergleichbarer Effekt wie bei der Aufdeckung von stillen Reserven entsteht.160 Aber auch im Falle eines relativ niedrigen Zinsschrankenrisikos2. Ordnung könnte die Wahlrechtsausübung vorteilhaft sein, wenn die andernfalls zu 100% der Zinsschranke unterfallenden Zinsen durch Umwidmung in Herstellungskosten in der Folgezeit schneller genutzt werden können, als dies im Rahmen der Zinsvortragsnutzung möglich wäre. Sodann ließe sich nicht nur die definitiv wirkende gewerbesteuerliche Hinzurechnung vermeiden, sondern es würde auch der Zinsnachteil aufgrund der temporär wirkenden Aufwandsverrechnungsbeschränkung reduziert. III. Optimierung der Eigenkapitalquote Mit Blick auf die Nutzung des Equity-Escape sind bilanzpolitische Gestaltungsspielräume von Relevanz, die auf die Optimierung der betrieblichen Eigenkapitalquote gerichtet sind.161 In einem ersten Schritt determiniert bereits der anzuwendende Rechnungslegungsstandard das Spektrum an bilanzpolitischem Gestaltungspotenzial.162 Sofern die IFRS nicht bereits verpflichtend vorgeschrieben werden, wird in der Literatur unter Abwägung der Kosten und Nutzen eine optionale Anwendung der IFRS erwogen, da hier in der Möglichkeit zur Zeitwertbilanzierung von bestimmten Vermögensgegenstände bzw. Vermögenswerten ein beträchtliches Volumen gesehen wird, das zur betrieblichen Eigenkapitalsteuerung eingesetzt werden könnte.163 Da sich die Ausübung von Bewertungswahlrechten aber sowohl in der Bilanz des Betriebs als auch in der Konzernbilanz auswirkt, ist die erfolgreiche Optimierung der betrieblichen Eigenkapitalquote davon abhängig, dass die bilanzpolitische Maßnahme eine stärkere Erhöhung der betrieblichen Eigenkapitalquote bewirkt als in der Konzernbilanz. Zudem sind die zukünftigen Folgewirkungen der Wahlrechtsausübung zu beachten, weil die Inanspruchnahme von Bewertungswahlrechten in zeitlicher und sachlicher Hinsicht einem Stetigkeitsgebot unterliegt (IAS 8.13).164 In der Literatur werden insbesondere die Neubewer160 161 162 163 164
Vgl. Abschn. A.I, S. 312. Vgl. Küting/Weber/Reuter, Steuerbemessungsfunktion, DStR 2008, S. 1607 f.; Langkau, GoodwillImpairment, DStR 2009, S. 652. Zu dem für den Equity-Escape maßgeblichen Rechnungslegungsstandard vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.II.2.a, S. 164 ff. Vgl. Kirsch, Bilanzpolitik, DK 2007, S. 660; Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2280; Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Konzernabschluss, DStR 2007, S. 641. Vgl. Kirsch, Bilanzpolitik, DK 2007, S. 660 f.; Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2282; Krüger/Thiere, Rechnungslegung, KoR 2007, S. 473 f.
Kapitel 3 – Wirkungsbezogene Steuerungsansätze
315
tung von Sachanlagen (IAS 16.31 ff.) und die Zeitwertbilanzierung von sog. Investment Property (IAS 40.32A) als Bewertungswahlrechte mit positivem Effekt für die betriebliche Eigenkapitalquote identifiziert.165 Ebenfalls kann die Ausnutzung von Ermessensspielräumen (z. B. im Zusammenhang mit der Aktivierung von Entwicklungskosten) als ein weiteres Gestaltungsinstrument neben den zuvor genannten Bewertungswahlrechten angesehen werden. Sofern der Bilanzierende aus einer Bandbreite von zulässigen und vertretbaren Werten auswählen kann, könnte er sich für denjenigen Wert entscheiden, der die betriebliche Eigenkapitalquote im Verhältnis zur Konzerneigenkapitalquote optimiert.166 Hingegen sollten Bewertungsspielräume und Wahlrechte bei der Ermittlung des Goodwill im Rahmen der Erstkonsolidierung nach IFRS 1 für den erstmalig nach IFRS berichterstattenden Einzelbetrieb keine Bedeutung (mehr) haben,167 wenn man im Sinne der Finanzverwaltung und der herrschenden Literaturmeinung zufolge die Wertansätze für die Vermögenswerte und Schulden des Betriebs direkt aus dem Konzernabschluss ableitet (Push-down-Accounting).168 Etwas anderes gilt hingegen für die Goodwill-Allokation und den Goodwill-Impairment-Test. Da der Goodwill auf sog. Cash-Generating-Units verteilt werden muss und häufig aus Synergien zwischen mehreren Unternehmen resultiert, ist er auch regelmäßig mehreren Legaleinheiten bzw. Betrieben des Konzerns zuzuordnen.169 In der Zuordnung und Folgebewertung des Goodwills eröffnen sich weitere Ermessenspielräume, die zur Optimierung der betrieblichen Eigenkapitalquote genutzt werden könnten.170 Schließlich könnte Bilanzpolitik noch durch gezielte Sachverhaltsgestaltungen betrieben werden.171 Innerhalb des HGB werden die bereits erwähnte Aktivierung von Zinsen als Herstellungskosten, der Vollkostenansatz zur Bestimmung der Herstellungskosten (§ 255 Abs. 2 HGB) sowie Maßnahmen zur erfolgsneutralen Bilanzverkürzung als bilanzpolitische Gestaltungsmaßnahmen diskutiert.172 Ferner kann mit der wahlweisen Auflösung eines Sonderpostens mit Rücklagenanteil (Art. 67 Abs. 3 EGHGB), der in der Zeit vor BilMoG gebildet wurde, die betriebliche Eigenkapitalquote erhöht werden, weil ein bilanzierter Sonderposten gem. § 4h Abs. 2 lit. c S. 5 EStG nur zu 50% das betriebliche Eigenkapital erhöht, während die in eine Ge-
165 166 167 168 169 170 171 172
Vgl. Kirsch, Bilanzpolitik, DK 2007, S. 660 f.; Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2283 (Abb. 3); Thurow, Vergleich, BRZ 2009, S. 427 f.; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6093 ff. Vgl. Kirsch, Bilanzpolitik, DK 2007, S. 661; Köster, Bilanzpolitik, BB 2007, S. 2284; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6099 ff. Vgl. hierzu Kirsch, Bilanzpolitik, DK 2007, S. 661 f.; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6097. Zum Push-down-Accounting bei der Ermittlung des betrieblichen Eigenkapitals vgl. Teil II – Kapitel 1 Abschn. B.II.2.c.i, S. 175. Zur Abgrenzung von Cash-Generating-Units und Allokation des Goodwills vgl. Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 11, Rz. 31 ff.; Theile/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 1518 ff. Vgl. Langkau, Goodwill-Impairment, DStR 2009, S. 653 ff.; Thurow, Vergleich, BRZ 2009, S. 428; Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6034 ff. Vgl. hierzu die Beispiele und Erläuterungen bei Heuser/Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 6104 ff. Vgl. Kußmaul/Ruiner/Schappe, Gestaltungsmaßnahmen, GmbHR 2008, S. 510. Zum eigenkapitalerhöhenden Einsatz von handelsrechtlichen Ansatz- und Bewertungswahlrechten und Ermessenspielräumen vgl. bspw. Knebel/Schmidt, Eigenkapital-Optimierung, BB 2009, S. 433 f.
316
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
winnrücklage einzustellenden Beträge im Zusammenhang mit der Auflösung des Sonderpostens zu 100% das betriebliche Eigenkapital erhöhen.173 B.
Steuerklauseln
Mittels steuerspezifischen Vertragsklauseln lassen sich in Abhängigkeit von der jeweiligen Verhandlungsposition und des Informationsniveaus identifizierte und eingrenzbare Steuerrisiken für einen Vertragspartner durch (teilweise) Übertragung auf den anderen Vertragspartner ausschließen (sog. Steuerübernahmeklauseln).174 Beim Unternehmenskauf werden üblicherweise Steuerrisiken, die vor der Unternehmensübernahme – also in der Vergangenheit – verursacht wurden, auf den Veräußerer überwälzt.175 Die Zinsschranke verstärkt darüber hinaus die Bedeutung von Steuerübernahmeklauseln mit Gegenwarts- und Zukunftsbezug, weil die Zinsschrankenrisiken in vielen Fällen außerhalb des Steuerungs- und Kontrollbereichs der Unternehmensführung liegen bzw. auf eine fremdbestimmte Verursachung zurückzuführen sind.176 Eine Absicherung vor Zinsschrankenrisiken1. Ordnung ist insbesondere im Falle von Mitunternehmerschaften vordringlich. Die Zinsschranke kann nämlich auch durch Zinsaufwendungen des Sonderbetriebsvermögens eines einzelnen Mitunternehmers ausgelöst werden, wobei die nicht abziehbaren Zinsaufwendungen nach Auffassung der Finanzverwaltung entsprechend des Gewinn- und Verteilungsschlüssels auf alle Mitunternehmer zu verteilen sind.177 Vor diesem Hintergrund könnten zwischen den Gesellschaftern Ausgleichszahlungen vereinbart werden oder vorzugsweise die gesellschaftsvertraglich festgelegte Ermittlung des Gewinnund Verteilungsschlüssels modifiziert werden, um die steuerlichen Mehrbelastungen der übrigen Gesellschafter zu kompensieren bzw. eine verursachungsgerechte Verteilung der nicht abziehbaren Zinsen zu erreichen.178 173 174
175 176 177 178
Vgl. Herzig/Briesemeister, BilMoG-RegE, Ubg 2009, S. 167. Nach einem engen Begriffsverständnis sind Steuerübernahmeklauseln terminologisch von den Steuerklauseln abzugrenzen. Während Steuerübernahmeklauseln die Verteilung einer (potenziellen) Belastung zwischen den Vertragsparteien regeln, wird durch Steuerklauseln die Wirksamkeit eines Rechtsgeschäfts von den (ungewissen) Besteuerungskonsequenzen abhängig gemacht; vgl. Kober, Steuerklauseln, 2006, S. 37 ff. Vielfach wird in der Literatur aber keine begriffliche Differenzierung vorgenommen und allgemein von Steuerklauseln gesprochen; vgl. Marx/Löffler/Kläne, Steuerwirkungen, StuW 2010, S. 74 (Fn. 57); Stümper, Steuerrisiken, GStB 2008, S. 197 ff. Vgl. Munkert, Unternehmenstransaktionen, DStR 2008, S. 2507; Stümper, Steuerklauseln, GStB 2008, S. 155 ff.; Balda/Kiegler, in: Kneip/Jänisch, Diligence, S. 789 ff. Zu den fremdbestimmten Steuerwirkungen der Zinsschranke vgl. auch Kläne, Steuerwirkungen, 2010, S. 115 ff. u. 157 ff. Zu den unterschiedlichen Auffassungen vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.a.i, S. 132 ff. Vgl. Feldgen, Mitunternehmerschaften, NWB 2009, S. 1001; Schaaf/Engler, Steuerklausel, EStB 2009, S. 173 ff. Aufgrund von Unsicherheiten bei der steuerlichen Qualifikation der Ausgleichszahlungen zwischen den Gesellschaftern ist mitunter eine Anpassung der Gewinnverteilung vorzugswürdig; vgl. Marx/Löffler/ Kläne, Steuerwirkungen, StuW 2010, S. 75 f. Zur Zinsschrankenadjustierung des Verteilungsschlüssels vgl. Kußmaul/Ruiner/Schappe, Personengesellschaften, DStR 2008, S. 906 ff. Zu gesellschaftsvertraglichen Formulierungsvorschlägen vgl. Müller/Marchand, Vertragsklauseln, ErbStB 2008, S. 275; Winter, Personengesellschaftsverträge, Ubg 2009, S. 826.
Kapitel 3 – Wirkungsbezogene Steuerungsansätze
317
Aus Sicht eines Mehrheitsgesellschafters sind zur Reduzierung des Zinsschrankenrisikos2. Ordnung mitunter gesellschaftsvertragliche Regelungen erstrebenswert, die für einen bestimmten Zeitraum den monetären Wert eines Zinsvortrags erhalten. So wäre es beispielsweise denkbar, dass die Veräußerung von Gesellschaftsrechten von der Zustimmung der Gesellschaft abhängig gemacht wird (sog. Vinkulierungsklauseln), oder die Gesellschafter im Falle der Veräußerungen ihrer Gesellschaftsrechte verpflichtet werden, der Gesellschaft den veräußerungsbedingten Untergang des Zinsvortrags bzw. den Verlust an Steuerminderzahlungen zu ersetzen (sog. Kompensationsklauseln).179 Mit Blick auf die Beanspruchung des Equity-Escape sollten im Zuge des Erwerbs von Konzerngesellschaften Vereinbarungen in den Kaufvertrag aufgenommen werden, die den Veräußerer oder die nunmehr minderheitlich beteiligten Gesellschafter zu postakquisitorischen Auskünften verpflichten. Sofern es sich bei der erworbenen Gesellschaft um einen inländischen Betrieb handelt, dessen Zinsschrankenrisiko1. Ordnung aus Sicht des Erwerbers als hoch einzustufen ist, benötigt der Erwerber zur Führung des Equity-Escape interne Informationen über die Konzerneigenkapitalquote des Veräußerers, weil die Eigenkapitalquote des erworbenen Betriebs im Jahr des Unternehmenskaufs noch mit der Eigenkapitalquote desjenigen Konzerns zu vergleichen ist, zu dem der Betrieb am vorangegangenen Abschlussstichtag gehörte.180 Dagegen sind unabhängig von der Domizilierung der erworbenen Gesellschaft Informationspflichten für den Erwerber von Vorteil, wenn der seine Gesellschaftsanteile veräußernde Gesellschafter weiterhin zu mehr als 25% an der Gesellschaft beteiligt bleibt. Denn hier drohen schädliche Gesellschafterfremdfinanzierungen, die der erwerbende Konzern – insbesondere in Rückgriffsfällen – nicht umfassend antizipieren oder kontrollieren kann.181 Deshalb sollten Auskunftspflichten vereinbart werden, die dem erwerbenden Konzern den Nachweis ermöglichen, dass keine schädliche Gesellschafterfremdfinanzierung im Konzern vorliegt.182
179
180
181
182
Vgl. Rodewald/Pohl, Gesellschaftsverträge, DStR 2008, S. 727 ff.; Carlé, Ausgleichsklauseln, NWB 2009, S. 2968 ff.; Levedag, Gesellschaftsverträge, GmbHR 2009, S. 22 ff.; Schildknecht/Riehl, Ausgleichsanspruch, DStR 2009, S. 117 f. Bei Personengesellschaften könnte der teilweise Verlust des Zinsvortrags in den Abfindungsanspruch des ausscheidenden Gesellschafters eingepreist werden; vgl. Rodewald/Pohl, Gesellschaftsverträge, DStR 2008, S. 728, die darauf hinweisen, dass Kompensationszahlungen an eine AG aktienrechtlich unzulässig seien; ebenda, S. 729. Alternativ könnte eine disquotale Gewinnausschüttung zugunsten der verbleibenden Gesellschafter vereinbart werden, deren Vermögenseinbußen durch zukünftig Gewinnansprüche, die über den entsprechenden Kapitalanteil hinausgehen, kompensiert werden; vgl. hierzu Waitz, Gewinnverteilung, BB 2010, S. 2535 ff. Vgl. Schultes-Schnitzlein/Miske, Anwendungsschreiben, NWB 2008, Fach 4, S. 5366. Dies setzt natürlich voraus, dass der erworbene Betrieb bereits zu einem Konzern zählte; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.II.2.d, S. 184. Zum Risiko eines schädlichen Rückgriffs gem. § 8a KStG im Falle der Übernahme von zinsschrankeninduzierten Steuermehrbelastungen durch einen (konzernexternen) Gesellschafter im Zusammenhang mit Darlehen von Dritten vgl. Töben/Lohbeck/Fischer, Inbound-Investitionen, FR 2009, S. 161. Vgl. Reiche/Kroschewski, Akquisitionsfinanzierung, DStR 2007, S. 1336. Denkbar – aber sehr weitgehend – wäre auch die Verpflichtung des Gesellschafters zur Übernahme der Mehrbelastung im Falle der Auslösung von § 8a KStG; vgl. Töben/Lohbeck/Fischer, Inbound-Investitionen, FR 2009, S. 161.
318
Teil III – Steuerung von Zinsschrankenrisiken
Aber auch konzerninterne Verträge oder Richtlinien tragen dazu bei, Zinsschrankenrisiken identifizierbar und steuerbar zu machen. In einem multinationalen Konzern, dessen Inlandsbetriebe den Equity-Escape begehren, könnte diese Zielsetzung beispielsweise durch zeitnahe Informationspflichten der Konzerngesellschaften, Handlungsvorgaben oder Zustimmungsvorbehalte der Konzernsteuerzentrale bei der Aufnahme und Besicherung von Fremdkapital erreicht werden.183 C.
Steuerzahllastmanagement
Sollte sich das liquiditätswirksame Eingreifen der Zinsschranke nicht vermeiden lassen, besteht noch die Möglichkeit, die Liquiditätswirkung durch taktisches Verhalten bei der Steuerveranlagung zu beeinflussen. Da die Steuererklärung regelmäßig bis zum Ablauf des anschließenden Veranlagungszeitraums und in Einzelfällen auch noch später bei den Finanzbehörden eingehen muss,184 können Erkenntnisse des folgenden bzw. laufenden Veranlagungszeitraums genutzt werden, um die Steuerzahllast des Unternehmens zu optimieren.185 Sofern nämlich absehbar ist, dass der Zinsvortrag im laufenden Veranlagungszeitraum – also während der Erstellung der Steuererklärung für den vorangegangenen Veranlagungszeitraum – unmittelbar wieder verrechnet werden kann, könnte die Abgabe der Steuererklärung bis zum letztmöglichen Zeitpunkt hinausgezögert und die Abgabe der Steuererklärung für den folgenden Veranlagungszeitraum so bald wie möglich abgegeben werden, um den zeitlichen Abstand zwischen der Zahlung der Mehrsteuern (aufgrund des Eingreifens der Zinsschranke) und der Zahlung der Mindersteuern (aufgrund der Verrechnung des Zinsvortrags) zu verkürzen. In den Fällen, in denen keine zeitnahe oder keine liquiditätswirksame Verrechnung des Zinsvortrags möglich ist oder etwa die zeitnahe Abgabe der (Folge-)Steuererklärung aus organisatorischen und administrativen Gründen nicht gewährleistet ist, sollte nach Eingang des Steuerbescheids für den Veranlagungszeitraum, in dem die Zinsschranke eingegriffen hat, einer etwaigen erhöhten Neufestsetzung der Steuervorauszahlungen durch die Finanzbehörden entgegengewirkt werden. Denn grundsätzlich bemessen sich sowohl die Vorauszahlungen für die Körperschaft- als auch für die Gewerbesteuer auf Grundlage der Steuer des vorangegangenen Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraums (§§ 37 Abs. 3 S. 2 EStG, 19 Abs. 2 GewStG). Sofern durch die Zinsschranke eine deutliche Differenz zwischen den Vorauszahlungen und 183 184
185
Zur Bedeutung einer unternehmensweit koordinierten Dokumentation und Kommunikation von Fremdfinanzierungsverhältnissen vgl. Ledure et al., Observations, Intertax 2010, S. 358. Grundsätzlich muss ein Unternehmen seine Steuererklärung bis spätestens fünf Monate nach Ablauf des relevanten Besteuerungszeitraums beim Finanzamt einreichen (§ 149 Abs. 2 AO). Die Finanzbehörden können jedoch nach pflichtgemäßem Ermessen eine Fristverlängerung gewähren (§ 109 Abs. 1 AO); vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 149 AO, Rz. 10 f. Gegenwärtig wird für Steuerdeklarationen des Kalenderjahrs 2009 bei Zuhilfenahme von Personen oder Gesellschaften i. S. der §§ 3, 4 StBerG die Fristverlängerung allgemein bis zum 31.12.2010 gewährt; vgl. Ländererlass v. 04.01.2010, BStBl. I 2010, S. 29. Vgl. allgemein Henselmann, Liquiditätsmanagement, SteuerStud 2005, S. 161 ff.
Kapitel 3 – Wirkungsbezogene Steuerungsansätze
319
der tatsächlich angefallenen Steuern zuungunsten des Steuerpflichtigen verbleibt, ist damit zu rechnen, dass das zuständige Finanzamt eine Anhebung der Steuervorauszahlung vornehmen wird.186 In diesem Fall würde die Zinsschranke eine (vorläufige) Liquiditätsbelastung in einer Periode bewirken, in der sie mitunter gar nicht zur Anwendung kommt. Deshalb sollte nach einer zinsschrankeninduzierten Anpassung der Steuervorauszahlungen unmittelbar die Herabsetzung der Steuervorauszahlungen beantragt werden.187 In dem Antrag ist glaubhaft zu machen, dass die Zinsschranke im laufenden Veranlagungszeitraum nicht eingreifen wird.188 Dieser konkrete Fall bringt die praktische Dimension einer Schätzung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung zum Vorschein. Denn letztlich wird mit der Antragstellung nichts anderes als ein geringes Zinsschrankenrisiko1. Ordnung dokumentiert.
186 187 188
Nach erfolgter Veranlagung werden die Vorauszahlungen regelmäßig geändert, vgl. Lindberg, in: Frotscher, EStG, § 37, Rz. 73. Vgl. Henselmann, Liquiditätsmanagement, SteuerStud 2005, S. 162. Grundlage für die Herabsetzung ist § 37 Abs. 3 S. 3 EStG bzw. § 19 Abs. 3 S. 1 GewStG, wonach die Vorauszahlungen entsprechend der Steuer bemessen werden können, die sich für den laufenden Veranlagungsbzw. Erhebungszeitraum voraussichtlich ergeben wird. Der Steuerpflichtige muss hierfür in einem formlosen Antrag glaubhaft machen, dass die Steuerzahllast – bspw. aufgrund eines nicht erneuten Eingreifens der Zinsschranke – voraussichtlich niedriger als im abgelaufenen Besteuerungszeitraum ausfallen wird; vgl. Diebold, in: Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 37 EStG, Rz. 24 u. 42.
Teil IV V
Exterrne Bericchterstattu ung über Zinsschrrankenrisiiken
In dieseem letzten Teil T werden n die Auswirrkungen vo on Zinsschraankenrisikenn auf den EinzelabE schluss untersuchtt. Denkbaree Angabeppflichten übber materieell bestandssgefährdend de Zinsschrankkenrisiken im m handelsrrechtlichen (Konzern-))Lageberich ht (§§ 289, 315 HGB) werden nicht thhematisiert.1 Ebenfalls wird nicht auf die Ausswirkungen n von Zinsscchrankenrissiken auf den Konnzern-Zwiscchenabschlu uss eingegaangen, wobeei anzumerk ken ist, dasss hierfür diee Bewertung dess Ausmaßess von Zinsscchrankenrissiken1. Ordnunng von großeer Bedeutunng sein kann n.2 Kapitell 1
Rechn nungslegun ngsübergreeifende Anlässe für billanzielle Auuswirkungen von Zinsscchrankenriisiken
Inwieweeit sich (geesteuerte) Zinsschrank Z kenrisiken auf a die Bilanzierung iim Einzelaabschluss auswirkken, ist in Abhängigke A it von dem anzuwendeen Rechnun ngslegungssstandard zu beurteilen. Diee Anlässe, ob eine billanzielle Errfassung üb berhaupt in Betracht kkommt, sind d jedoch identiscch. Ein besoonderes Chaarakteristikuum von Zinnsschranken nrisiken1. Orddnung ist, dasss sie als spezielle Erscheinuungsform eines e Steuerrrisikos den n Steueraufw wand einerr Periode veerändern und desshalb in bilanzkategoriischer Hinssicht keinem m eigenstän ndigen Posteen zugeordn net werden könnnen. Folgendde Anlässe sind denkb bar, bei dennen Zinsschhrankenrisik ken1. Ordnung bilanziellee Konsequenzenn nach sich ziehen könn nten: -
Zum m Zeitpunktt der Jahressabschlusserrstellung lieegen noch nicht sämtlliche Inform mationen für die Steuervveranlagung g vor bzw. konnten au ufgrund beg grenzter Infformationsv verarbeitunggskapazitäteen noch nich ht vollständdig erfasst werden. w
-
Die Vermeidunng des Grun ndtatbestannds der Zinssschranke oder o die Nuutzung des ZinsvorZ trags beruht auuf einer Steu uergestaltunng, die nich ht der von der d Finanzvverwaltung im i Zinsschrrankenerlasss vertreteneen Auffassuung entspriccht (z. B. EBITDA-Ka E askade bei hinterei-
-
Die Vermeidunng des Grun ndtatbestannds der Zinssschranke oder o die Nuutzung des ZinsvorZ trags beruht auf einer Rech htsbeurteiluung oder Steeuergestaltu ung, deren A Anerkennun ng durch ne verbindlliche Auskuunft nicht eingeholt e die Finanzbehöörden unsiccher erscheiint, weil ein
nanddergeschalteten Mituntternehmerscchaften).
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wurrde bzw. (nooch) nicht errteilt wurdee. Auffgrund von Rechtsunsic R cherheiten bbei der Erm mittlung der betriebliche b en Eigenkap pitalquote (iinsbes. bei Organkreissen) und/odder einer kn nappen Einh haltung der Konzerneig genkapitalquuote ist fragglich, ob derr Equity-Esscape einer Betriebsprü B üfung standhhalten wird..
1 2
Zu Stteuerrisiken im m Konzern-Lagebericht vggl. Freidank/M Mammen, Rep porting, ZCG 2008, S. 282 2 ff.; Hoffmann, Steuerrisikenn, PiR 2010, S. S 238 f. Vgl. aauch den Hinw weis von Dahlke, Zwischennabschluss, BB B 2007, S. 1833. Zur Ermitttlung von tatssächlichen und laatenten Steueern im IFRS-Q Quartalsabschhluss vgl. v. Eitzen/Dahlke E e, Steuerpositiionen, 2008, S. 161 ff.; Loitz//Puth, Quartallsabschluss, DStR D 2008, S. 1655 ff.; Meyyer et al., Late ente Steuern, 22010, § 4.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_10, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
322
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
-
Im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape
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herrscht Unsicherheit darüber, ob die Nachweise zur Widerlegung einer schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierung von den Finanzbehörden akzeptiert werden. Während einer Betriebsprüfung werden Veranlagungsfehler identifiziert, deren Korrektur möglicherweise die Zinsschranke auslöst (z. B. verunglückte Organschaft).
Im Bereich der Zinsschrankenrisiken2. Ordnung können folgende Anlässe zu bilanziellen Konsequenzen führen: -
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Aufgrund von ungünstigen Entwicklungsprognosen der zinsschrankenrelevanten Einflussfaktoren ist nicht damit zu rechnen, dass der Zinsvortrag innerhalb des Planungszeitraums vollständig verrechnet werden kann (dauerhafte Nichtnutzung). Deswegen können für den Zinsvortrag aktive Steuerlatenzen gar nicht oder nur in vermindertem Umfang gebildet werden. Die steuerliche Ergebnisprognose führt zu dem Ergebnis, dass der Zinsvortrag ganz oder teilweise in einen Verlustvortrag transformiert wird und der Verlustvortrag innerhalb des Planungszeitraums voraussichtlich nicht verrechnet werden kann. Aufgrund von unterschiedlichen Rechtsauffassungen über den Erhalt von Zinsvorträgen bei Unternehmensumstrukturierungen (z. B. Veräußerung eines Teilbetriebs) ist damit zu rechnen, dass im Rahmen einer Betriebsprüfung der (partielle) Wegfall des Zinsvortrags gefordert wird.
Für die bilanzielle Würdigung der Zinsschrankenrisiken sind auch ihre etwaigen Interdependenzen zu berücksichtigen. So ist von Relevanz, ob sich bei der Bilanzierung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung ein hypothetisch anfallender Zinsvortrag (im Falle eines schlagend werdenden Zinsschrankenrisikos1. Ordnung) mindernd auf den gegebenenfalls zu bildenden Passivposten auswirken kann. Umgekehrt sollte regelmäßig davon auszugehen sein, dass sich Zinsschrankenrisiken1. Ordnung auf die Verrechnungsprognose eines Zinsvortrags negativ auswirken, da ein erhöhtes Zinsschrankenrisiko1. Ordnung automatisch die Nutzungschancen des Zinsvortrags verschlechtert.
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
Kapitel 2
323
Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
Nachfolgend wird untersucht, ob und inwieweit ein potenzieller Liquiditätsnachteil der Zinsschranke zur Passivierung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten (HGB) bzw. zur Passivierung einer Schuld (IAS/IFRS) führt. Ein Liquiditätsnachteil droht auch dann noch, wenn ein Zinsvortrag zwischenzeitlich auf Basis einer streitbefangenen Sachverhaltsbeurteilung von der Finanzbehörde unter dem Vorbehalt der Nachprüfung zur Verrechnung zugelassen wird. A.
HGB-Abschluss
Verbindlichkeitsrückstellungen i. S. des § 249 Abs. 1 HGB sind anzusetzen, wenn die abstrakten Passivierungsvoraussetzungen für Schulden erfüllt sind, das Unternehmen hinsichtlich seiner Außenverpflichtung wahrscheinlich in Anspruch genommen wird und die künftigen Ausgaben nicht aktivierungspflichtig sind.3 Sofern die Ansatzkriterien erfüllt sind und eine Rückstellung passiviert wurde, darf sie gem. § 249 Abs. 2 S. 2 HGB nur aufgelöst werden, soweit der Grund für ihre Bildung entfallen ist. I.
Prüfung der Ansatzkriterien für eine risikoadjustierte Steuerrückstellung
1.
Schuldcharakter
Die abstrakten Passivierungsvoraussetzungen sind erfüllt, wenn bis zum Bilanzstichtag eine Außenverpflichtung gegenüber einem Dritten rechtlich entstanden bzw. wirtschaftlich verursacht ist, die in zukünftigen Perioden eine wirtschaftliche Belastung herbeiführt.4 Darüber hinaus muss die Außenverpflichtung exakt oder zumindest in einer Bandbreite quantifizierbar sein.5 Aufgrund des notwendigen Bezugs zu einer abgelaufenen Berichtsperiode kann ein Zinsschrankenrisiko1. Ordnung, welches erst in zukünftigen Berichtsperioden erwartet wird und im Mittelpunkt vorheriger Untersuchungen stand,6 zum gegenwärtigen Bilanzstichtag noch nicht berücksichtigt werden. Ein schlagend werdendes Zinsschrankenrisiko1. Ordnung erhöht die Steuerverbindlichkeiten eines zurückliegenden Wirtschaftsjahres, sodass eine öffentlich-rechtliche Außenverpflichtung gegenüber den Finanzbehörden entsteht bzw. sich erhöht.7 Da die potenziellen Steuer3
4 5 6 7
Vgl. Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 247, Rz. 201 u. § 249, Rz. 24. Die grundsätzliche Passivierungspflicht für ungewisse Verbindlichkeiten ist durch das BilMoG unverändert geblieben, weshalb die entwickelten Ansatzkriterien weiterhin Gültigkeit besitzen. Mit dem BilMoG wurden vereinzelte Ansatzwahlrechte bei der Passivierung von Rückstellungen aufgehoben; vgl. Binger, Rückstellungen, 2009, S. 267 ff.; Küting/Cassel/Metz, Rückstellungen, S. 321 ff. Vgl. Herzig/Köster, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. III/5, Rz. 81 ff.; Mayer-Wegelin, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 249 HGB, Rz. 35 ff. Vgl. Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2009, S. 416; Binger, Rückstellungen, 2009, S. 88 m. w. N. (Fn. 471). Vgl. Teil II – Kapitel 2 – Abschn. B, S. 243 ff. Nach gefestigter Rechtsprechung des BFH müssen öffentlich-rechtliche Außenverpflichtungen hinreichend
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_11, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
mehrzahlungen untrennbar mit den Steuerverpflichtungen eines bestimmten Veranlagungszeitraums verbunden sind, entsteht mit dem Eintritt des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung aber keine neue bzw. eigenständige Außenverpflichtung. Vielmehr erhöht sich eine dem Grunde nach bereits bestehende und gegebenenfalls (partiell) erfüllte Außenverpflichtung. Nur dann, wenn ausschließlich aufgrund des Eingreifens der Zinsschranke Steuerzahlungen zu leisten sind, entsteht eine neue Außenverpflichtung. Nach dieser Wertung ist das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung betragsmäßig der ungewissen Steuerschuld des jeweiligen Wirtschaftsjahrs zuzuordnen, in dem die Ertragsteuerschulden rechtlich entstanden sind.8 Sofern das bilanzierende Unternehmen trotz gewissenhafter und pflichtgemäßer Erstellung des Jahresabschlusses das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung erst nach der Bilanzaufstellung erkennt,9 kommt es somit an den darauffolgenden Bilanzstichtagen bei der Überprüfung der Rückstellungskriterien nicht mehr auf die rechtliche Entstehung an, weil die potenzielle Steuerschuld bereits dem Grunde nach in zurückliegenden Wirtschaftsjahren rechtlich entstanden ist.10 Aber auch unabhängig von bereits rechtlich entstandenen Ertragsteuerschulden (insbes. bei vom Kalenderjahr abweichenden Wirtschaftsjahren) handelt es sich bei der potenziellen Steuermehrbelastung der Zinsschranke um eine im Grundsatz rückstellungspflichtige Außenverpflichtung, weil die eventuelle Verwirklichung des Grundtatbestands bzw. die Nichterfüllung von Ausnahmetat-
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konkretisiert sein, d. h., Gesetze/Vorschriften müssen ein genau bestimmtes Handeln anordnen; vgl. z. B. BFH v. 19.10.1993, VIII R 14/92, BStBl. II 1993, S. 891 (892 f.); BFH v. 27.06.2001, I R 45/97, BStBl. II 2003, S. 121 (122). In der Literatur wird diese Auffassung aufgrund ihrer Limitierung des Vorsichtsprinzips jedoch abgelehnt; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 249 HGB, Rz. 51 m. w. N.; Herzig/Köster, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. III/5, Rz. 114 ff.; Mayer-Wegelin, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 249 HGB, Rz. 35. Bei Steuergesetzen im Allgemeinen und der Zinsschranke im Besonderen fehlt es jedoch vielfach an einer eindeutigen Rechtslage, sodass die Rechtsfolgen nicht immer genau bestimmt werden können. Je nach Rechtsbeurteilung lassen sich unterschiedliche Rechts- und Belastungsfolgen ableiten, deren Verifizierung durch Schrifttum, Verwaltung und Finanzgerichte regelmäßig einen langwierigen Prozess durchläuft. Erst nach Vollendung dieses Prozesses verfügt der Steuerpflichtige über die notwendige Rechtssicherheit, um seine in Vorjahren entstandene Steuerschuld exakt ermitteln zu können; vgl. Teil I – Kapitel 2 – Abschn. B.II.2.c, S. 20 f. Die Körperschaft- und Gewerbesteuer entstehen unabhängig von ihrer Festsetzung nach Ablauf des Veranlagungs- bzw. Erhebungszeitraums (§§ 30 KStG, 18 GewStG); vgl. Frotscher, in: Frotscher/Maas, Kommentar, § 30 KStG bzw. Sarrazin, in: Lenski/Steinberg, GewSt-Kommentar, § 18, Rz. 14 f. Veranlagungs- und Erhebungszeitraum sind grundsätzlich deckungsgleich mit dem Kalenderjahr (§§ 7 Abs. 3 S. 2 KStG, 14 S. 2 GewStG). Z. B. aufgrund eines weiteren Zinsschrankenerlasses, der eine von der h. M. abweichende Auffassung enthält oder aufgrund eines anhängigen Gerichtsverfahrens, das sich mit Auslegungsfragen zur Zinsschranke befasst. Eine für den betreffenden Berichtszeitraum noch ausgewiesene Steuerschuld ist somit bei Erfüllung der übrigen Ansatzkriterien im letzten noch nicht festgestellten Jahresabschluss betragsmäßig anzupassen. Sofern die Steuerschuld hingegen bereits ausgebucht wurde, ist die noch nicht vollständig erfüllte, potenzielle Steuerschuld wieder einzubuchen. Eine Bilanzänderung kommt nicht in Betracht, wenn der pflichtgemäß und gewissenhaft handelnde Kaufmann und dessen Abschlussprüfer im Zeitpunkt der Bilanzaufstellung von der Richtigkeit des Bilanzansatzes (hier Steuerrückstellung) ausgehen konnten (sog. subjektive Richtigkeit); vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 172 AktG, Rz. 43; Ellrott/Schubert, in: Ellrott et al., BilanzKommentar, § 253, Rz. 805 u. 815 ff. Gegebenenfalls ist wahlweise eine Handelsbilanzänderung möglich, wenn die Betriebsprüfung Mehrsteuern auf der Grundlage einer Rechtsauffassung erhebt, die nicht mit der herrschenden Meinung oder der Rechtsprechung übereinstimmt; vgl. ebenda, Rz. 816.
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
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beständen der Zinsschranke, dessen Rechtsfolge die (erhöhte) Ertragsteuerschuld ist, einer abgelaufenen Berichtsperiode zuzurechnen und mithin wirtschaftlich verursacht ist.11 Bereits die Definition des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung erfordert einen potenziellen Liquiditätsnachteil,12 sodass auch das Kriterium der wirtschaftlichen Belastung erfüllt ist. Ferner ist der Liquiditätsnachteil regelmäßig exakt oder in einer Bandbreite bewertbar. Sofern das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung erst nach der Erstellung des Jahresabschlusses – z. B. während der Erstellung der Steuererklärung – identifiziert wird, sollte es aufgrund der zur Verfügung stehenden Daten eines abgeschlossenen Berichtszeitraumes exakt zu quantifizieren sein. Sofern jedoch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden kann, dass die Zinsschranke in der abgelaufenen Periode zu einer materiellen Steuerzahllast führt, wird das Kriterium der wirtschaftlichen Belastung nicht erfüllt, weshalb die Bilanzierung einer Steuerrückstellung unterbleibt. 2.
Wahrscheinlichkeit der tatsächlichen Inanspruchnahme
Nach der obigen Wertung geht das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung in der allgemeinen Ertragsteuerschuld auf, die als einseitige periodische Verpflichtung des bilanzierenden Unternehmens gegenüber dem Fiskus besteht. Da sich das Unternehmen seiner Verpflichtung nicht entziehen kann und jedes Jahr seinen Steuererklärungspflichten nachkommen muss, handelt es sich somit um eine dem Grunde nach gewisse, aber der Höhe nach ungewisse Verbindlichkeit. Selbst wenn die auf dem Steuerbescheid ausgewiesenen Steuerverbindlichkeiten beglichen wurden, kann noch nicht mit hundertprozentiger Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die in der Steuererklärung deklarierten Steuerverbindlichkeiten einer zukünftigen Betriebsprüfung standhalten werden.13 Gedanklich kann die Steuerschuld in einen unsicheren und in einen sicheren Teil aufgespalten werden.14 Der auf dem Steuerbescheid dokumentierte Betrag (ohne Zinsschranke) kann als der sichere Teil und der auf das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung entfallende Betrag kann als der unsichere Teil betrachtet werden. Nachdem das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung identifiziert wurde, ist es für dessen Erfassung als Rückstellung
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Auf die wirtschaftliche Entstehung einer dem Grunde nach ungewissen Verbindlichkeit kommt es nach der Rechtsprechung des BFH an, wenn die Verbindlichkeit rechtlich noch nicht (voll) entstanden ist (sog. Wesentlichkeitskriterium); vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 249 HGB, Rz. 66 m. w. N.; MayerWegelin, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 249, Rz. 38 ff.; Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., BilanzKommentar, § 249, Rz. 36 m. w. N. Zu Anzeichen der BFH-Rechtsprechung in Richtung der sog. Alimentationsthese vgl. Kessler, Kehrtwende, DStR 1996, S. 1430 ff. Vgl. Teil I – Kapitel 2 – Abschn. B.III.1, S. 27. Vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.I.1.a, S. 57 ff. Bei dem Grunde nach sicheren Verpflichtungen wird es in der Literatur (teilweise) für zulässig erachtet, die Verpflichtung getrennt auszuweisen. Der betragsmäßig sichere Teil kann als Verbindlichkeit und der betragsmäßig unsichere Teil kann als Rückstellung ausgewiesen werden; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 249 HGB, Rz. 77; Mayer-Wegelin, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 249 HGB, Rz. 52; vgl. auch Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.I.1.a, S. 58 (Fn. 234).
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
erforderlich, dass das Unternehmen mit einer hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit davon ausgehen muss, dass es einen zinsschrankeninduzierten Steuermehraufwand erleiden wird.15 Die Frage, nach welchen Kriterien die Inanspruchnahme als wahrscheinlich zu qualifizieren ist, wird im Schrifttum und von der Rechtsprechung nicht an Prozentwerten bzw. an quantifizierten Eintrittswahrscheinlichkeiten festgemacht. Der BFH befürwortet den Ansatz einer Rückstellung, wenn spätestens bei der Aufstellung der Bilanz anhand erkennbarer Tatsachen mehr Gründe für als gegen eine Inanspruchnahme sprechen.16 Diese Formel wird in der Literatur kritisiert. Vor dem Hintergrund des Vorsichtsprinzips wird eine generell erforderliche Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50% abgelehnt. Vielmehr müsse die Inanspruchnahme unabhängig von quantifizierten Eintrittswahrscheinlichkeiten drohen bzw. sich hinreichend konkretisiert haben, sodass das Unternehmen ernsthaft mit einer Belastung rechnen muss.17 Subjektive Einschätzungen des Bilanzierenden reichen nicht aus, um eine drohende Verpflichtung zu begründen. Vielmehr sind objektive Anhaltspunkte erforderlich, die das Bestehen der Verpflichtung am Bilanzstichtag aus Sicht eines gewissenhaften Kaufmanns nachprüfbar werden lassen.18 Im Falle von sog. einseitigen Verpflichtungen verlangt der BFH bei der Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer Inanspruchnahme zudem, dass der Gläubiger seinen Anspruch kennen müsse. Die Inanspruchnahme sei nur dann wahrscheinlich, wenn die den Anspruch begründenden Tatsachen bzw. Einzelsachverhalte identifiziert und dem Anspruchsberechtigten bekannt sind oder die Kenntniserlangung bzw. Aufdeckung unmittelbar bevorsteht.19 Die Wahrscheinlichkeit beurteilt der BFH hier anders als bei vertraglichen bzw. zweiseitigen Verpflichtungen anhand sog. aufdeckungsorientierter Maßnahmen. Danach sei von einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme frühestens auszugehen, wenn der strittige
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Auch hinsichtlich der Höhe muss die Inanspruchnahme aus der Verbindlichkeit wahrscheinlich sein; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 249 HGB, Rz. 73. Vgl. z. B. BFH v. 06.12.1995, I R 14/95, BStBl. II 1996, S. 406 (407); BFH v. 30.11.2005, I R 110/04, BStBl. II 2007, S. 251 (253). Vgl. Moxter, Ansatzkriterien, DStR 2004, S. 1057 f.; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 249 HGB, Rz. 75; Herzig/Köster, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. III/5, Rz. 104 ff.; Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 249, Rz. 26 u. 43; Mayer-Wegelin, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 249 HGB, Rz. 53 f., die allesamt auch bei einer Eintrittswahrscheinlichkeit von weniger als 50% von einer Passivierungspflicht ausgehen. Nach Auffassung von Moxter ist die wirtschaftliche Belastung greifbar bzw. hinreichend konkret, wenn sich die potenzielle Belastung negativ auf die Zahlungsbereitschaft eines gedachten Erwerbers des gesamten Unternehmens auswirken würde; vgl. derselbe, Umweltschutzrückstellungen, 1992, S. 430. Vgl. z. B. BGH v. 28.01.1991, II ZR 20/90, NJW 1991, S. 1890 f.; BFH v. 05.06.2002, I R 23/01, BFH/NV 2002, S. 1434 (1435). Es sind alle Anhaltspunkte zu verwenden, die bis zur Aufstellung der Bilanz (Wertaufhellungszeitraum) bekannt geworden sind; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 249 HGB, Rz. 74; Mayer-Wegelin, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 249 HGB, Rz. 54. Zum Prinzip objektiver Mindestwahrscheinlichkeiten vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, 2007, S. 85 f. Vgl. z. B. BFH v. 19.10.1993, VIII R 14/92, BStBl. II 1993, S. 891 (893); BFH v. 25.04.2006, VIII R 40/04, BStBl. II 2006, S. 749 (751). Die allgemeinen Erfahrungen aus Betriebsprüfungen können nach Auffassung des BFH nicht den Ansatz einer Rückstellung rechtfertigen. Auch hier müssen konkrete und nachprüfbare Einzelsachverhalte vorliegen, deren (abweichende) Würdigung durch die Betriebsprüfung zu Steuernachforderungen führen wird; vgl. BFH v. 13.01.1966, IV 51/62, BStBl. III 1966, S. 189 f.; H 4.9 EStH.
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
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Sachverhalt von der Betriebsprüfung beanstandet wird.20 Diese Auffassung wird vonseiten des handelsrechtlichen Schrifttums weitgehend abgelehnt, weil sie die bilanzielle Antizipation von ernsthaft drohenden Verlusten stark einschränkt und deswegen der Rückstellungsdefinition des § 249 HGB nicht gerecht wird.21 Wenn man ein gesetzestreues Verhalten von Unternehmen und Finanzbehörden voraussetzt, kennt der Fiskus seinen abstrakten Besteuerungsanspruch gegenüber den Unternehmen und wird ihn auch konkret einfordern. Darüber hinaus belegen amtliche Statistiken, dass der Fiskus den deklarierten Besteuerungsanspruch von großen Unternehmen mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im Rahmen von Betriebsprüfungen auf seine Richtigkeit – verstanden i. S. der Verwaltungsmeinung – überprüfen wird.22 In welchem Umfang die Betriebsprüfung strittige Sachverhalte mit einer hinreichend hohen Wahrscheinlichkeit entdecken wird, ist jedoch sachverhaltsbezogen zu beurteilen und zu begründen.23 Wenn das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung identifiziert wird, ist in Abhängigkeit von der jeweiligen Konkretisierung des vermeintlichen Eingreifens der Zinsschranke zu prüfen, ob mit einer Inanspruchnahme ernsthaft zu rechnen ist. Mit einer Inanspruchnahme sollte jedenfalls dann ernsthaft zu rechnen sein, wenn eine vorläufige Steuerberechnung ergibt, dass der Grundtatbestand der Zinsschranke erfüllt und die Freigrenze überschritten ist. Sodann ist – vorbehaltlich einer exakten Steuerberechnung und Steuererklärung – die Vermeidung der Zinsschranke im Falle von konzernzugehörigen Betrieben nur über den Equity-Escape möglich. Sofern das Unternehmen bis zur Bilanzaufstellung noch nicht über die notwendigen Bilanzinformationen verfügt und auch keine Erfahrungen im Zusammenhang mit der Anwendung des betreffenden Ausnahmetatbestands vorweisen kann, sollten aufgrund von erheblichen Unsicherheiten über die richtige Rechtsanwendung und das erfolgreiche Bestehen des Eigenkapitalquotenvergleichs regelmäßig mehr Gründe für das Eingreifen der Zinsschranke sprechen als dagegen. Sollte der Equity-Escape jedoch in der Vergangenheit bereits erfolgreich bestanden bzw. von den Finanzbehörden akzeptiert worden sein, sind objektive Anhaltspunkte gegeben, dass ein Eingreifen der Zinsschranke eher unwahrscheinlich ist, wenn sich die Eigenkapitalquoten des Betriebs und des Konzerns im Zeitablauf nicht wesentlich verändert haben sollten. Sofern das Unternehmen jedoch Finanzierungs- und Beteiligungsstrukturen implementiert hat, wodurch die Zinsschranke steuergestalterisch vermieden werden soll, ist im Einzelfall zu 20 21
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Vgl. BFH v. 16.02.1996, I R 73/95, BStBl. II 1996, S. 592 (593 f.); BFH v. 27.11.2001, VIII R 36/00, BStBl. II 2002, S. 731 (732). Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 249 HGB, Rz. 75 m. w. N.; Herzig/Köster, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. III/5, Rz. 110 ff.; Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 249, Rz. 44; Mayer-Wegelin, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 249 HGB, Rz. 55 ff. Im Kalenderjahr 2009 wurden 22,9% der Großbetriebe (§ 3 BPO) geprüft. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Veranlagungszeitraum eines Großbetriebs geprüft wird (sog. Prüfungsdichte), betrug im Kalenderjahr 2009 78,5%; vgl. BMF, Monatsbericht 04/2010, S. 68 f. Potenziell zinsschrankenbefangene Unternehmen werden i. a. R. die Kriterien für Großbetriebe i. S. von § 3 BPO erfüllen; vgl. BMF v. 21.09.2006, BStBl. I 2006, S. 530 (531) bzw. Teil I – Kapitel 4 – Abschn. C, S. 83. Vgl. Scheffler, in: Castan et al., Rechnungslegung, Bd. I, B 233, Rz. 477 f.
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prüfen, ob es wahrscheinlich ist, dass die Finanzbehörde diese Gestaltungen entdecken und akzeptieren wird. Aufgrund der hohen Prüfungsdichte24 ist es sehr wahrscheinlich, dass die Betriebsprüfung Sachverhaltswertungen, die sich ausdrücklich gegen die im Zinsschrankenerlass vertretenen Auffassungen richten, entdecken und nicht akzeptieren wird. In diesen Fällen muss ein gewissenhaft handelnder Kaufmann ernsthaft mit einer höheren Steuerschuld rechnen, solange bis der strittige Sachverhalt in Verhandlungen mit der Betriebsprüfung oder durch Gerichtsentscheidungen beseitigt ist. Eine Nichterfassung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung würde einen Verstoß gegen das Vorsichtsprinzip bedeuten. Bei offenkundig verwaltungsinkonformer und vorbehaltlich veranlagter Steuererklärung kann sich das Unternehmen nicht auf die einengende Sichtweise des BFH berufen, dass die Inanspruchnahme erst dann wahrscheinlich sei, wenn ein Betriebsprüfer die Sachverhaltsdeklaration beanstandet hat.25 Ferner ist es bei der Abschätzung der Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme ohne Belang, ob ein möglicherweise im Anschluss an die Betriebsprüfung angestrengtes Gerichtsverfahren die vom Unternehmen vertretene Rechtsauffassung bestätigen wird. Denn zunächst muss das Unternehmen die von den Finanzbehörden oder der Betriebsprüfung festgesetzten Mehrsteuern – vorbehaltlich eines erfolgreichen Antrags einer Aussetzung der Vollziehung – 26 zahlen, und nur um die Antizipation dieser wirtschaftlichen Belastung geht es bei dem Ansatz der risikoadjustierten Steuerrückstellung. Auch wenn das niedersächsische Finanzgericht dem Antrag auf Aussetzung der Vollziehung aufgrund offenkundiger Rechtszweifel an der sog. Gesamtbetrachtung bei § 8a KStG stattgegeben hat,27 wird es angesichts der gegenwärtigen Niedrigzinsphase ratsam sein, die vom Finanzamt festgesetzten Mehrsteuern zu zahlen und den Prozessausgang abzuwarten. So können im Falle eines für den Steuerpflichtigen ungünstigen Urteils vergleichsweise hohe Nachzahlungs- bzw. Aussetzungszinsen (§ 237 AO) vermieden und im Falle eines günstigen Urteils hohe Erstattungs- bzw. Prozesszinsen (§ 236 AO) vereinnahmt werden.28 Im Falle von Rechtsbeurteilungen, deren Anerkennung durch die Finanzbehörden mangels expliziter Stellungnahmen ungewiss ist, kommt eine Erfassung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung jedoch grundsätzlich nicht in Betracht. Solange die Finanzbehörden ihre Rechtsauffassung nicht zu erkennen geben, handelt es sich bei der Einschätzung, ob tatsächlich eine höhere Steuerschuld aufgrund einer „fehlerhaften“ Anwendung der Zinsschranke droht, um 24 25 26
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Vgl. die Nachweise in Fn. 22, S. 351. Falsch bemessene Steuerrückstellungen können zur Nichtigkeit des Jahresabschlusses führen; vgl. FG Nürnberg v. 28.10.1986, I 74/82, EFG 1987, S. 139 (rkr.). Im Falle von ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Steuerbescheids (hier: divergierende Rechtsbeurteilungen über die Auslegung der Vorschriften zur Zinsschranke) kann bei der zuständigen Finanzbehörde die Aussetzung der Steuervollziehung beantragt werden (§ 361 Abs. 2 S. 2 AO). Bleibt der Antrag erfolglos, kann der Steuerpflichtige den Antrag auf Aussetzung der Vollziehung bei dem zuständigen Finanzgericht stellen (§ 69 Abs. 2 S. 2 i. V. mit Abs. 3 S. 1 FGO); hierzu Seer, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 69 FGO, Rz. 45 ff. Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.III.2.b, S. 194. Zu derartigen Zinsarbitrageüberlegungen vgl. Seer, in: Tipke/Kruse, Abgabenordnung, § 69 FGO, Rz. 9.
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
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reine Spekulationen.29 Deshalb kann nicht angenommen werden, dass sich die Verpflichtung bereits hinreichend konkretisiert hat. Hier wird man in der Tat erst dann mit einer wahrscheinlichen Inanspruchnahme zu rechnen haben, wenn ein Finanzbeamter die deklarierte Rechtsauffassung beanstandet. Zu einem anderen Urteil könnte man jedoch gelangen, wenn das Unternehmen eine aus seiner Sicht vorteilhafte Rechtsauffassung vertritt, die in Widerspruch zur herrschenden Literaturmeinung steht. Auch die Unsicherheit darüber, ob die Zinsschranke als Folge von z. B. abweichenden Gewinnfeststellungen oder aufgrund der Nichtanerkennung einer Organschaft durch die Betriebsprüfung doch zur Anwendung kommt, ist spekulativ und geht letztlich im allgemeinen Unternehmensrisiko auf. Das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung hat sich erst dann hinreichend konkretisiert, wenn auf der Grundlage von (Zwischen-)Ergebnissen einer laufenden Betriebsprüfung objektive Anhaltspunkte zutage treten, die ein wahrscheinliches Eingreifen der Zinsschranke indizieren. II.
Bewertung der risikoadjustierten Steuerrückstellung
Steuerrückstellungen sind gem. § 253 Abs. 1 S. 2 HGB mit dem nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendigen Erfüllungsbetrag anzusetzen.30 Sofern Unsicherheit oder Streit über eine steuerliche Sachverhaltswürdigung besteht, ist man im Schrifttum der Auffassung, dass aus Vorsichtsgründen der volle von den Finanzbehörden (potenziell) eingeforderte Betrag zurückzustellen ist.31 Die teilweise vertretene Auffassung, dass Rückstellungen, die dem Grunde nach ungewiss, aber der Höhe nach gewiss sind, nur in einem risikoadjustierten Umfang zu bilden sind,32 ist nach Maßgabe der obigen Wertungen nicht für das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung einschlägig, weil die steuerliche Verpflichtung dem Grunde nach gewiss ist. Sofern bis zur Bilanzaufstellung noch nicht sämtliche Besteuerungsgrundlagen zur Bemessung der zukünftigen Steuerbelastung vorliegen oder ausgewertet werden konnten, aber deutliche Anzeichen für ein liquiditätswirksames Eingreifen der Zinsschranke gegeben sind, muss der Rückstellungsbetrag inklusive des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung geschätzt werden. Regelmäßig sollte eine überschlägige Steuerberechnung vorgenommen werden können, bei der die Besteuerungsgrundlagen des Vorjahres in wesentlichen Punkten an die aktuellen handelsrechtlichen Ist-Daten angepasst werden. Auf dieser Grundlage können die Besteuerungskonsequenzen unter näherungsweiser Berücksichtigung von handels- und steuerbilanziellen
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Das Vorsichtsprinzip darf nicht im Sinne einer Erfassung von entferntesten Unternehmensrisiken interpretiert werden, da hierdurch willkürlich stille Reserven gelegt werden könnten; vgl. Mayer-Wegelin, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 249 HGB, Rz. 53. Vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.I.1.b, S. 59. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 253 HGB, Rz. 217; Scheffler, in: Castan et al., Rechnungslegung, Bd. I, B 233, Rz. 476; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. F, Rz. 845. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 253 HGB, Rz. 193; a. A. Herzig/Köster, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. III/5, Rz. 161; Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 253, Rz. 155.
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
Gewinnermittlungsdifferenzen und außerbilanziellen Korrekturtatbeständen plausibel abgeschätzt werden (Punktschätzung).33 Sofern die Vermeidung der Zinsschranke auf verwaltungsinkonformen Steuergestaltungen oder auf äußerst zweifelhaften Rechtsbeurteilungen beruht, sollte das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung ebenfalls Eingang in die Steuerrückstellung finden. In Abhängigkeit des Informationsniveaus am Bilanzstichtag ist der Rückstellungsbetrag inklusive der potenziellen Mehrbelastung aufgrund der Zinsschranke zu schätzen oder exakt zu bestimmen. Wenn die Besteuerungsgrundlagen am Bilanzstichtag vollständig ausgewertet sind, kann das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung der Höhe nach exakt bestimmt werden. Aufgrund der Auswertung von historischen Daten befindet sich der Rückstellungsbetrag nicht innerhalb einer zu prognostizierenden Bandbreite von möglichen Werten. Es handelt sich lediglich um eine binäre Bewertungsunsicherheit, da in Abhängigkeit von der zukünftigen Rechtsbeurteilung durch die Finanzverwaltung das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung entweder schlagend wird, also den maximalen Wert annimmt, oder eben nicht schlagend wird, mithin den Wert null annimmt. Schließlich ist der auf das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung entfallende Rückstellungsbetrag gem. § 253 Abs. 2 S. 1 HGB abzuzinsen, wenn mit der Inanspruchnahme frühestens nach Ablauf eines dem Bilanzstichtag folgenden Jahres zu rechnen ist.34 Mithin ist es erforderlich, den potenziellen Eintritt des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung in zeitlicher Hinsicht abzuschätzen. Sofern das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung auf noch nicht vollständig ausgewertete Besteuerungsgrundlagen zurückzuführen ist, wird eine Abzinsung der Steuerrückstellung aufgrund der kurzen Abgabefristen für Steuererklärungen regelmäßig unterbleiben können.35 Ist hingegen der Eintritt des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung vom Ausgang einer Betriebsprüfung abhängig, sollte der Diskontierungszeitraum anhand von Erfahrungen aus abgeschlossenen Betriebsprüfungen abgeschätzt werden können.36 Weil die zurückgestellten Steuerschulden nicht den Tatbestand einer Geldkapitalüberlassung erfüllen, unterliegt der im Rahmen der Folgebewertung der Steuerrückstellung anfallende Aufzinsungsaufwand nicht der Zinsschranke.37 Im Falle eines Zinsschrankenrisikos1. Ordnung, mit dessen Eintritt frühestens nach einem Jahr gerechnet wird, sind neben der potenziellen Steuernachzahlung mitunter noch drohende Nachzahlungszinsen zurückzustellen.38 Unter der Annahme, dass die Finanzbehörde die 33 34
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I. d. S. Leffson, GoB, 1987, S. 471; Baetge et al., Risiken, PiR 2007, S. 316 m. w. N. Zu den handelsrechtlichen Anforderungen an Schätzverfahren vgl. Kapitel 3 – Abschn. B.IV, S. 358 ff. Die Abzinsungspflicht gilt unabhängig von einer etwaigen Verzinsung der Steuernachforderung (§ 233a AO); vgl. Brösel/Mindermann/Zwirner, Bewertung, StuB 2009, S. 649; Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 253, Rz. 180. Hierüber soll eine zutreffendere Darstellung der Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens vermittelt werden; vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 54. Vgl. Teil III – Kapitel 3 – Abschn. C, S. 318 (Fn. 184). Insbesondere bei der zeitlichen Abschätzung der Inanspruchnahme sind subjektive Beurteilungen unvermeidlich, vgl. Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 253, Rz. 156. Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.d, S. 125. Die Verzinsung der Steuernachforderung beginnt 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer rechtlich entstanden ist (§ 233a Abs. 2 AO).
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
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Sachverhaltsbeurteilung beanstanden wird, sind die für das abgelaufene Berichtsjahr (hypothetisch) entstandenen Nachzahlungszinsen als Rückstellung zu erfassen.39 Da die Nachzahlungszinsen wirtschaftlich und rechtlich zeitanteilig bzw. monatlich entstehen, ist der gesamte Rückstellungsbetrag, der bis zur Inanspruchnahme durch die Finanzbehörden nach Abschluss der Betriebsprüfung voraussichtlich anfallen wird, pro rata temporis aufzubauen bzw. der zurückzustellende Gesamtbetrag an Nachzahlungszinsen wächst entsprechend seiner wirtschaftlichen und rechtlichen Entstehung im Zeitablauf an (Anwachsungsrückstellung). Ferner unterliegen die zurückgestellten Nachzahlungszinsen grundsätzlich auch dem Diskontierungsgebot.40 Sie erfüllen aber nicht die Voraussetzungen für Fremdkapitalvergütungen i. S. der Zinsschranke.41 III. Kompensatorische Wirkung einer aktiven Steuerlatenz für einen hypothetischen Zinsvortrag Für die Frage des Ansatzes und der Bewertung einer risikoadjustierten Steuerschuld ist noch die Bedeutung des Zinsvortrags zu klären, der mit derselben Wahrscheinlichkeit entsteht, wie mit der drohenden Steuermehrbelastung zu rechnen ist. Mit Blick auf die Möglichkeit einer steuermindernden Verwertung eines Zinsvortrags könnte argumentiert werden, dass ein potenzielles Eingreifen der Zinsschranke nur eine temporäre Belastung darstelle, wenn mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen ist, dass ein hypothetisch anfallender Zinsvortrag verwertet werden könnte. In einem fiktiven Szenario würden die die Steuermehrbelastung auslösenden nicht abziehbaren Zinsaufwendungen im Jahr ihrer Aufwandswirkung zu einer aktiven Steuerlatenz berechtigen, sodass per saldo mit dem Eingreifen der Zinsschranke keine negative Erfolgswirkung verbunden wäre.42 Die gegenläufigen Erfolgswirkungen der Zinsschranke könnten als Argument für eine Nichtbilanzierung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung angeführt werden, da keine bilanzielle Belastung eintritt. Zudem würde die Antizipation des Eingreifens der Zinsschranke im Jahr der Verursachung und/oder Identifikation des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung durch die Bildung einer Rückstellung einen Ergebniseffekt erzeugen, weil ein hypothetischer Zinsvortrag nicht zur Aktivierung einer Steuerlatenz gem. § 274 HGB berechtigt.43 Die Beurteilung, ob die kompensatorische Wirkung eines hypothetischen Zinsvortrags bei der Steuerrückstellung zu berücksichtigen ist, hängt ent-
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Unter den Voraussetzungen, dass das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung zeitnah identifiziert wird und das Wirtschaftsjahr dem Kalenderjahr entspricht, sind Nachzahlungszinsen aufgrund des zeitversetzt beginnenden Zinslaufs frühestens im zweiten auf die Identifikation des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung folgenden Wirtschaftsjahr bzw. Einzelabschluss zu erfassen. Zur Bewertung der Rückstellung für Nachzahlungszinsen vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.I.1.b, S. 59 f. Vgl. BMF v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 718, Rz. 16; Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.3.a, S. 119. Zu den Erfolgswirkungen der Zinsschranke vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.IV, S. 71 ff. Ein bereits rechtlich entstandener und per Steuerbescheid dokumentierter Zinsvortrag lässt sich nur im Auslegungswege unter den Anwendungsbereich von § 274 Abs. 1 HGB subsumieren; vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.II, S. 62.
332
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
scheidend von dem Zeitpunkt ab, in dem das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung identifiziert oder dessen Bilanzansatz überprüft wird. Sofern man davon ausgeht, dass das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung zeitnah, d. h. in dem Wirtschaftsjahr, in dem das mögliche Eingreifen der Zinsschranke verursacht wurde, identifiziert wird, stellen die drohenden Mehrsteuern eine zukünftige wirtschaftliche Belastung dar. Die gegebenenfalls aktivierungsfähige Steuerlatenz für den Zinsvortrag kompensiert diese wirtschaftliche Belastung nicht, da mit der Entstehung des Zinsvortrags weder eine unmittelbare Steuerentlastung verbunden ist noch dem Unternehmen in Form der aktiven Steuerlatenz ein Vermögensgegenstand zugeht.44 Anders formuliert, werden die Mehrsteuern nicht zur Anschaffung einer aktiven Steuerlatenz verwendet. Denn die Aktivierung des Zinsvortrags in Form einer Steuerlatenz ist nach eigenständigen Kriterien bzw. anhand von Prognoserechnungen zu beurteilen.45 Das vom BFH bestätigte Rückstellungsverbot für zukünftige Aufwendungen, die im Verausgabungszeitpunkt zu aktivierungspflichtigen Vermögensgegenständen führen bzw. deren Wertansätze erhöhen, kann deshalb nicht auf die geschilderte Problematik übertragen werden.46 Vielmehr stellen die Mehrsteuern und die aktive Steuerlatenz zwei strikt zu trennende Bilanzpositionen dar; die Bildung einer komplexen Bewertungseinheit kommt nicht in Betracht.47 Eine saldierende Betrachtungsweise würde das Verrechnungsverbot (§ 246 Abs. 2 HGB) und den Gläubigerschutz aushebeln.48 Während die etwaig zu zahlenden Mehrsteuern im Zeitpunkt ihres Anfallens realisierte Aufwendungen darstellen, verkörpert die aktive Steuerlatenz im Zeitpunkt ihrer bilanziellen Erfassung noch nicht realisierte Erträge. Zur Pflege des Gläubigerschutzes wird die mit der Antizipation von zukünftigen Steuerentlastungen einhergehende Durchbrechung des Realisationsprinzips mit einer Ausschüttungssperre (§ 268 Abs. 8 HGB) belegt.49 Sofern man bei der Beurteilung der Frage, ob durch das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung eine wirtschaftliche Belastung droht, die latenten Steuererträge mitberücksichtigen möchte, würde implizit die Ausschüttungssperre umgangen. Denn im Falle der Nichtbilanzierung eines evidenten Zinsschrankenrisikos1. Ordnung bliebe die Ausschüttungsbemessungsgrundlage der Eigenkapitalgeber unverändert. Dies würde im Ver-
44
45 46 47
48 49
Steuerlatenzen werden handelsrechtlich als Sonderposten eigener Art bezeichnet und weisen nicht die bilanzrechtliche Qualität eines Vermögensgegenstandes auf; vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67; Herzig/Liekenbrock/Vossel, Grundkonzept, Ubg 2010, S. 92 f. m. w. N. Vgl. Kapitel 3 – Abschn. B, S. 351 ff. Vgl. BFH v. 19.08.1998, XI R 8/96, BStBl. II 1999, S. 18 (19); vgl. hierzu auch Sarrazin, Zweifelsfragen, WPg 1993, S. 5 f.; Siegel, Rückstellungen, DB 1999, S. 857 f.; Koths, Rückstellungsrecht, S. 251 ff. Aufgrund der Ungewissheit über die Entstehung der Steuerentlastung (aus der Verrechnung des Zinsvortrags) und des zeitlichen Auseinanderfallens der Liquiditätswirkungen von Steuerbe- und Steuerentlastung darf der kompensatorische Effekt nicht den Rückstellungsbetrag beeinflussen und somit keine komplexe Bewertungseinheit gebildet werden; vgl. Naumann, Rückstellungen, 1989, S. 225; Reuter, Rückstellungen, 2007, S. 131 ff. Instruktiv Koths, Rückstellungsrecht, S. 254 ff. Zur Ermittlung des ausschüttungsgesperrten Betrags und zur Gläubigerschutzfunktion der Ausschüttungssperre vgl. z. B. Gelhausen/Althoff, BilMoG, WPg 2009, S. 584 ff.; Simon, Ausschüttungssperre, NZG 2009, S. 1081 ff.
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
333
gleich zum tatsächlichen Eingreifen der Zinsschranke eine Schieflage erzeugen, weil der auf die aktive Steuerlatenz des Zinsvortrags entfallende Teil ausschüttungsgesperrt wäre. Wird das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung jedoch erst zeitversetzt, d. h. in einer Berichtsperiode, die dem Wirtschaftsjahr der potenziellen Verursachung nachfolgt, identifiziert, oder werden in einer Folgeperiode die Ansatzkriterien der Steuerrückstellung für das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung erneut überprüft, so ist ein hypothetischer Zinsvortrag zu berücksichtigen. Denn aus dieser Perspektive lässt sich beurteilen, ob ein hypothetisch angefallener Zinsvortrag in einer Periode nach der Entstehung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung hätte steuerwirksam verrechnet werden können, weil es sich bei den notwendigen Informationen dann nicht mehr um Prognosewerte, sondern um historische Daten handelt. Das hypothetische Verrechnungsvolumen wird sogar in Gestalt des EBITDA-Vortrags – mit Ausnahme von etwaigen Zinsertragsüberschüssen – nachweislich dokumentiert.50 Wenn der EBITDA-Vortrag auf der Grundlage einer unstreitigen oder verwaltungskonformen Rechtsbeurteilung ermittelt wurde, verflüchtigt sich in betragsgleichem Umfang auch das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung. Soweit ein hypothetischer Zinsvortrag in einem zurückliegenden Wirtschaftsjahr steuerwirksam verrechnet werden könnte, ist die bilanzierte Steuerrückstellung für das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung nicht zu bilden bzw. aufzulösen. IV. Anhangangaben Die Prüfung, ob ein Zinsschrankenrisiko1. Ordnung (auch) im Anhang eines Unternehmens in Erscheinung tritt, fällt kurz aus, weil die §§ 284, 285 HGB weder für bilanzierte Steuerrückstellung noch für nicht bilanzierte Risiken in Zusammenhang mit unsicheren Steuerverbindlichkeiten zusätzliche Angaben fordern.51 So unterliegt eine risikoadjustierte Steuerrückstellung nicht der Erläuterungspflicht gem. § 285 Nr. 1 lit. a HGB, weil diese Vorschrift explizit nur (gewisse) Verbindlichkeiten gem. § 266 Abs. 3 C HGB mit einer Restlaufzeit von mehr als 5 Jahren erfasst, und nicht etwa auch Rückstellungen, mit deren Inanspruchnahme erst nach 5 Jahren gerechnet wird.52 Ebenso können nicht bilanzierte Steuerrisiken nicht unter die Vorschrift von § 285 Nr. 3 HGB subsumiert werden, weil potenzielle Steuerverbindlichkeiten nicht den Tatbestand eines „Geschäfts“ erfüllen.53 Sie könnten allenfalls in den aggregierten Gesamtbetrag an sonstigen finanziellen Verpflichtungen einzubeziehen sein (§ 285 Nr. 3a HGB), wenn ihre Bedeutung für die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage von wesentlichem Gewicht ist;54 eine weitere Spezifizierung des Gesamtbetrags bzw. eine kurze Erläuterungs50 51 52 53
54
Zinsertragsüberschüsse sind nicht vortragsfähig; vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.5.a, S. 152. Vgl. Ellrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 284, Rz. 130 u. § 285, Rz. 261. Vgl. IDW, WPH I, 2006, Abschn. F, Rz. 652 ff.; Ellrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 285, Rz. 5. In der Regierungsbegründung zum BilMoG wird der sachliche Anwendungsbereich von § 285 Nr. 3 HGB beispielhaft konkretisiert. Hiernach handele es sich bei den nicht bilanzierten Geschäften um „[…] alle Transaktionen, die von vornherein dauerhaft keinen Eingang in die Handelsbilanz finden […]“; vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 69; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Prüfung, Abschn. O, Rz. 14 ff. Laut Regierungsbegründung zum BilMoG sind von dieser Vorschrift auch öffentlich-rechtliche Verpflichtun-
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
pflicht resultiert hieraus aber grundsätzlich nicht.55 Auch die sog. Ertragsteuerspaltung gem. § 285 Nr. 6 HGB enthält keine Erläuterungspflichten für bilanzierte oder nicht bilanzierte Steuerrisiken.56 Allerdings können sich Erläuterungspflichten für erwartete Nachzahlungszinsen ergeben, da sie in der Bilanz nach einhelliger Auffassung als sonstige Rückstellung auszuweisen sind.57 Gem. § 285 Nr. 12 HGB sind nämlich nicht gesondert ausgewiesene, sonstige Rückstellungen hinsichtlich ihrer Art und ihrer Größenordnung näher zu beschreiben, wenn sie einen nicht unerheblichen Umfang haben. Eine Erläuterungspflicht besteht jedoch nicht, wenn die sonstige Rückstellung in der Bilanz (wahlweise) mit einem sog. Davon-Vermerk (hier: davon aus steuerlichen Nachzahlungszinsen) untergliedert ist.58 Eine Erläuterungspflicht im Anhang kann sich allenfalls dann ergeben, wenn das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung schlagend wird und nicht durch eine Rückstellung gedeckt war. In diesem Fall liegen nämlich periodenfremde Aufwendungen vor, die gem. § 277 Abs. 4 S. 2 HGB im Anhang näher zu erläutern sind, soweit die resultierenden Steuermehraufwendungen zur Beurteilung der Ertragslage nicht von untergeordneter Bedeutung sind.59
55
56
57
58 59
gen erfasst; vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 69 f. Im Falle heterogener Verpflichtungen könnte eine Untergliederung des Gesamtbetrags aus Informationsgesichtspunkten erforderlich werden. Der Gesamtbetrag ist nach denselben Regelungen zu bewerten wie Verbindlichkeiten und Rückstellungen; vgl. Ellrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 285, Rz. 54 ff. Diese Vorschrift soll dem Bilanzleser einen Einblick darüber ermöglichen, zu welchen Anteilen die Ertragsteuern auf das Ergebnis der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit und das außerordentliche Ergebnis entfallen; vgl. Marx, Steuern, 1998, S. 249 ff.; Ellrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 285, Rz. 120 ff. Vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.I.1.a, S. 59. Hingegen sind potenzielle Steuernachzahlungen nach herrschender Meinung nicht unter den sonstigen Rückstellungen, sondern unter den Steuerrückstellungen zu verbuchen; vgl. ebenda, S. 62. Vgl. IDW, WPH I, 2006, Abschn. F, Rz. 642 ff.; Ellrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 285, Rz. 260 f. Vgl. IDW, WPH I, 2006, Abschn. F, Rz. 490 u. 733 f.; Förschle, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 277, Rz. 25.
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
B.
335
IFRS-Abschluss
Im Rahmen der nachfolgenden Untersuchungen, ob und in welchem Umfang das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung in den Bilanzansatz einer risikoadjustierten Steuerschuld eingeht, wird der Ansicht gefolgt, dass IAS 37 für die Behandlung von Steuerrisiken unmittelbare Anwendung findet.60 Eine Rückstellung für ungewisse Steuerschulden bzw. drohende Steuernachzahlungen ist nach allgemeinen Grundsätzen zu bilanzieren, wenn das Unternehmen rechtlich oder faktisch eine gegenwärtige Verpflichtung hat, die aus einem Ereignis der Vergangenheit resultiert und bei Erfüllung wahrscheinlich zu einem Ressourcenabfluss führt (IAS 37.14 lit. a–b). Zudem muss die Verpflichtung einer verlässlichen Schätzung zugänglich sein (IAS 37.14 lit. c).61 Zu jedem Bilanzstichtag sind die Voraussetzungen für den Ansatz einer Rückstellung und ihre zutreffende Bewertung zu überprüfen und gegebenenfalls anzupassen (IAS 37.59).62 I.
Prüfung der Ansatzkriterien für eine risikoadjustierte Steuerschuld
1.
Gegenwärtige Verpflichtung
Nach IAS 37.14 lit. a muss sich das Unternehmen einer gegenwärtigen, rechtlichen oder faktischen Verpflichtung ausgesetzt sehen, die auf ein Ereignis in der Vergangenheit zurückzuführen ist. Der Anwendungsbereich der Vorschrift erstreckt sich – ebenso wie im HGB – grundsätzlich nur auf Außenverpflichtungen.63 Da das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung den potenziellen Steuerschulden einer abgelaufenen Berichtsperiode zuzuordnen ist, liegt eine gegenwärtige, also dem Grunde nach gewisse, öffentlich-rechtliche Außenverpflichtung vor, die ihre Ursache in der Vergangenheit hat und der sich das Unternehmen nicht entziehen kann.64 Damit ist auch unter IAS/IFRS ein Zinsschrankenrisiko1. Ordnung, welches erst für zukünftige Perioden erwartet wird, am gegenwärtigen Bilanzstichtag von der Passivierung ausgenommen.65 Sofern Unsicherheit über das grundsätzliche Bestehen der steuerlichen Außenverpflichtung herrscht (Steuern würden nur bei Eingreifen der Zinsschranke fällig), sind substanzielle Hin60
61 62 63
64 65
Mangels expliziter Regelungen in IAS 12 zum Ansatz und zur Bewertung von steuerlichen Risiken wird in Einklang mit einer Vielzahl von Literaturstimmen unmittelbar auf die Regelungen in IAS 37 Bezug genommen; vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.I.2, S. 59 ff. Zu einer instruktiven Übersicht über die Ansatzkriterien von Rückstellungen nach IAS 37 vgl. Binger, Rückstellungen, 2009, S. 120 (Abb. 3). Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 64; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRSKommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 125. Die Verpflichtung muss grundsätzlich gegenüber einer anderen Partei bestehen, die ihren Anspruch rechtlich durchsetzen kann (IAS 37.17 u. 37.20); vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 32 ff.; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 48 ff. Eine Ausnahme vom Grundsatz der Außenverpflichtung besteht im Falle von Restrukturierungsaufwendungen, die als Innenverpflichtungen unter weiteren Voraussetzungen dennoch passivierungspflichtig sind; vgl. Moxter, Abweichungen, BB 1999, S. 522. Vgl. bereits Abschn. A.I.1, S. 323 ff. Allgemein für Steuerrisiken Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 222.
336
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
weise auszuwerten, ob mit überwiegender Wahrscheinlichkeit mit einer Steuerzahlung zu rechnen ist (more likely than not, IAS 37.15).66 In der Literatur zu den internationalen Rechnungslegungsstandards wird diese Umschreibung der Mindesteintrittswahrscheinlichkeit quantitativ im Sinne einer 51%-Wahrscheinlichkeit verstanden.67 Für eine dem Grunde nach unsichere Außenverpflichtung besteht somit eine Ansatzschwelle.68 Diese Ansatzschwelle gilt unabhängig von der jeweiligen rechtlichen und wirtschaftlichen Natur der drohenden Außenverpflichtung. Im Gegensatz zur BFH-geprägten Auslegung des HGB wird der Konkretisierungsgrad bzw. die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme nicht fallgruppenartig, sondern einheitlich beurteilt und quantifiziert.69 Sofern mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50% davon auszugehen ist, dass keine Steuerzahlungen anfallen werden, aber mit einer nicht unwesentlichen Restwahrscheinlichkeit dennoch das Risiko einer potenziellen Nachzahlung besteht, liegt eine Eventualschuld vor, die zwar nicht bilanziert werden darf, aber im Anhang erläuterungspflichtig ist (IAS 12.88).70 2.
Wahrscheinlicher Ressourcenabfluss
Als zweite Ansatzvoraussetzung wird gefordert, dass mit der Verpflichtung ein Ressourcenabfluss in Zusammenhang steht, der zu einem Verlust von wirtschaftlichem Nutzen führt. Diese Nutzeneinbußen bzw. die wirtschaftliche Belastung (hier: Steuerzahlungen) müssen zudem mit überwiegender Wahrscheinlichkeit – verstanden i. S. des o. g. more-likely-thannot-Kriteriums – eintreten (IAS 37.23).71 Da insbesondere bei Rechtssachen eine Quantifizierung der Wahrscheinlichkeit eines Ressourcenabflusses schwierig oder nicht möglich ist, sind zur Beurteilung der Eintrittswahrscheinlichkeit sämtliche belastbaren Hinweise hinsichtlich ihres qualitativen Gewichts gegeneinander aufzuwiegen.72 Das Abwägen des Für und Wider ist von subjektiven Einschätzungen geprägt und eröffnet somit einen Ermessensspielraum.73 66 67
68
69 70 71
72 73
In die Auswertung sind ebenfalls werterhellende Hinweise nach dem Bilanzstichtag einzubeziehen (IAS 37.16); vgl. v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 39. Vgl. Moxter, Abweichungen, BB 1999, S. 520; Hommel, Objektivierung, S. 195; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 44; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 59 f. Die Wahrscheinlichkeitsdefinition von IAS 37 ist nicht zwingend für die Auslegung anderer Standards anwendbar; vgl. IAS 37.23 (Fn. 3). Auch von den Meinungsvertretern, die eine analoge Anwendung von IAS 37 für den Ansatz und die Bewertung von unsicheren Steuerschulden ablehnen, sprechen sich für eine Ansatzschwelle nach Maßgabe des 51%-Wahrscheinlichkeitskriteriums aus; vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 125; Senger/Brune/ Hoehne, Steuerunsicherheiten, WPg 2010, S. 674; Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 12. Vgl. Hommel, Objektivierung, S. 195. Vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 129; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 69. Typischerweise ist unter dem Abfluss von Ressourcen mit wirtschaftlichem Nutzen die Zahlung von liquiden Mitteln, Übertragung von Vermögenswerten, Dienstleistungen etc. zu verstehen; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 42. Vgl. v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 60; Scheffler, in: Castan et al., Rechnungslegung, Bd. I, B 233, Rz. 611. Vgl. Hommel, Objektivierung, S. 197; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37,
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
337
Zum Zeitpunkt der Identifikation des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung sind für die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit des Ressourcenabflusses etwaige Rechtsbehelfe zur Abwendung der Steuernachzahlung grundsätzlich ohne Belang.74 Reichen die Hinweise nicht aus, um eine Eintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50% zu begründen, ist die (potenzielle) Verpflichtung gegebenenfalls als Eventualschuld zu qualifizieren und im Anhang zu erläutern.75 Auf die periodische Verpflichtung des Unternehmens, Ertragsteuern zu bezahlen, wurde bereits hingewiesen.76 Die Wahrscheinlichkeit eines Abflusses von Ressourcen im Zusammenhang mit steuerlichen Verpflichtungen beträgt regelmäßig 100%; lediglich über den finalen Umfang an abzuführenden Steuern herrscht Ungewissheit. Sobald die passivierte Steuerschuld jedoch auf der Grundlage eines erlassenen Steuerbescheids aufgelöst wird, ist zu prüfen, ob eine hinreichende Wahrscheinlichkeit für die Festsetzung von Steuernachzahlungen aufgrund von Betriebsprüfungen besteht. Konkret ist zu hinterfragen, ob für den ungewissen bzw. auf das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung entfallenden Betrag ein Ressourcenabfluss wahrscheinlich ist. Denn mit dem Steuerbescheid erlischt nicht zwingend eine gegenwärtige Verpflichtung, weil die auf dem Steuerbescheid festgesetzten Beträge regelmäßig unter dem Vorbehalt einer Nachprüfung ergehen. Für den Ansatz einer potenziellen Steuerschuld kommt es nun entscheidend darauf an, ob es wahrscheinlich ist, dass die Betriebsprüfung Steuernachzahlungen festsetzen wird. Die Festsetzung von Steuernachzahlungen setzt voraus, dass die potenziell streitigen Sachverhaltswertungen und Rechtsbeurteilungen von der Finanzbehörde identifiziert und beanstandet werden.77 Regelmäßig sollten die Ansatzkriterien für Rückstellungen aufgrund der stärkeren Betonung des Vorsichtsprinzips und der damit verbundenen niedrigeren Wahrscheinlichkeitsschwellen häufiger im HGB-Abschluss als im IFRS-Abschluss erfüllt sein.78 In Bezug auf die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung von Anlässen zur Bilanzierung eines Zinsschrankenrisikos1. Ordnung wird hier die Meinung vertreten, dass aufgrund der als hoch einzustufenden Aufdeckungswahrscheinlichkeit von verwaltungsinkonform deklarierten Sachverhalten keine Unterschiede zwischen den beiden Rechnungslegungssystemen bestehen.79 In Bezug auf Unsicherheiten bei der Auslegung von Tatbeständen, zu denen sich die Finanzverwaltung noch nicht geäußert hat und ein breites Spektrum von Meinungen besteht, sollte das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung nicht 74 75 76 77
78 79
Rz. 40; Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 21, Rz. 39 ff. Vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 126 f. (Abb. 5). Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 44; Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 12. Vgl. Abschn. A.I.1, S. 323 ff. In das Wahrscheinlichkeitskalkül zur Bestimmung des Ressourcenabflusses ist auch die Kenntnis(-erlangung) des Anspruchsberechtigten einzubeziehen; vgl. v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 57. In Steuersachen wird allein die Tatsache einer zukünftigen Betriebsprüfung als ausreichend angesehen, dass potenziell streitbefangene Sachverhalte mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit aufgegriffen bzw. entdeckt werden; vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 125; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 212 f. Vgl. Moxter, Abweichungen, BB 1999, S. 521 f. Deswegen wird auf Abschn. A.I.2, S. 325 ff. verwiesen.
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
auf den Ansatz der risikoadjustierten Steuerschuld ausstrahlen. In diesen Fällen könnte aber eine erläuterungsbedürftige Eventualschuld vorliegen (IAS 12.88).80 3.
Verlässliche Schätzung des Verpflichtungsbetrags
Als drittes und letztes Ansatzkriterium wird eine verlässliche Schätzung des Verpflichtungsbetrags vorausgesetzt. Ausreichend ist, wenn die Schätzung auf der Auswahl eines Wertes innerhalb einer Bandbreite von möglichen Erfüllungsbeträgen beruht (IAS 37.25). Eine zuverlässige Schätzung setzt indes voraus, dass der angesetzte Wert begründbar und intersubjektiv nachprüfbar ist.81 Wie bereits zum HGB ausgeführt, sollte die Steuerbelastung im Falle eines Zinsschrankenszenarios für das abgelaufene Wirtschaftsjahr näherungsweise bestimmbar sein. Im Berichtsjahr, welches dem Wirtschaftsjahr folgt, für das die Steuernachzahlung aufgrund der Zinsschranke erwartet wird, sollte der Verpflichtungsbetrag nahezu exakt bestimmt werden können.82 II.
Bewertung der risikoadjustierten Steuerschuld
Zur Bewertung von unsicheren Ertragsteuerschulden wird auf den bestmöglichen Schätzwert abgestellt. Unter Berücksichtigung von IAS 37.40 konkretisiert sich dieser in dem Erfüllungsbetrag der potenziellen Steuerschuld mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit.83 Da es sich bei der bilanziellen Bewertung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung um eine binäre Bewertungsunsicherheit handelt, ist – wie im HGB-Abschluss – stets der maximale Steuerbetrag anzusetzen, der im Falle des Eingreifens der Zinsschranke zu erfüllen wäre.84 Sofern man von weiteren Steuerrisiken abstrahiert, unterliegt der zu schätzende Erfüllungsbetrag keinen berücksichtigungspflichtigen Risiken und Unsicherheiten (IAS 37.42), da sich die Tatumstände, die für das potenzielle Eingreifen der Zinsschranke verantwortlich sind, allesamt in einer abgeschlossenen und der Vergangenheit angehörenden Berichtsperiode abspielen, und deren Aufgriff und Beanstandung durch die Betriebsprüfung sehr wahrscheinlich ist.85 Da man sich im Schrifttum im Ergebnis einig ist, dass unsichere Steuerschulden nicht mit dem Barwert anzusetzen sind,86 ist die drohende Steuermehrbelastung, die aus dem Eingreifen der Zinsschranke erwartet wird, in Höhe des Nominalbetrags zurückzustellen. Hingegen 80 81 82
83 84 85 86
I. d. S. zu § 8a KStG a. F. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 211 (Bsp.). Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 46 ff.; v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRSKommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 61. Vgl. Abschn. A.II, S. 329 ff. In der Literatur wird angemerkt, dass in praxi kaum Fälle denkbar seien, in denen dieses Kriterium nicht erfüllt werden kann; vgl. v. Keitz et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 37, Rz. 61. Vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.I.2.b, S. 61 f. Vgl. Abschn. A.II, S. 330. Vgl. Abschn. A.I.2, S. 325 ff. Von der einen Seite wird dies mit der Verzinsung von Steuernachzahlungen begründet und von der anderen Seite wird das Diskontierungsverbot für Steuerlatenzen analog auf tatsächliche Steuern angewendet; vgl. Teil I – Abschn. C.I.2.b, S. 62.
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
339
unterliegen die damit in Zusammenhang stehenden Nachzahlungszinsen der Diskontierungspflicht, wenn der Zinseffekt wesentlich ist.87 Von Unterschieden bei dem anzuwendenden Diskontierungszins abgesehen, bestehen zwischen dem im HGB-Abschluss anzusetzenden Rückstellungsbetrag und demjenigen im IFRS-Abschluss keine konzeptionellen Ermittlungsunterschiede.88 Auch im IFRS-Abschluss ist der Rückstellungsbetrag entsprechend der rechtlichen Entstehung der Nachzahlungszinsen sukzessive aufzubauen.89 Ferner ist die Länge des Diskontierungszeitraums auf Basis von Erfahrungen des Managements oder von externen Sachverständigen abzuschätzen (IAS 37.38).90 III. Kompensatorische Wirkung einer aktiven Steuerlatenz für einen hypothetischen Zinsvortrag In der Literatur herrscht Einigkeit, dass sich die Bilanzierung von risikoadjustierten Steuerschulden auch auf den Bilanzansatz von Steuerlatenzen, die sich auf die „im Risiko stehende“ Steuerposition bezieht, auswirken kann.91 Demnach sind Steuerlatenzen, soweit sie auf eine als riskant eingestufte Steuerposition entfallen, in Höhe der Risikoadjustierung der tatsächlichen Steuerschuld korrespondierend im Wert zu berichtigen. Unklarheit besteht jedoch in dem umgekehrten Fall; nämlich bei der Frage, ob hypothetische Steuerlatenzen, die aus Unsicherheiten über die Rechtsbeurteilung und steuerliche Wertfindung resultieren, auch auf den Ansatz und die Bewertung von risikoadjustierten, tatsächlichen Steuerschulden zurückwirken können (Rückkopplungseffekt). Diese Frage stellt sich, wenn durch den Eintritt des steuerlichen Risikos eine temporäre Differenz, ein Verlust- und Zinsvortrag etc. begründet bzw. vergrößert wird. Den Rückkopplungseffekt könnte man sich in Gestalt eines Brutto- oder Nettoansatzes vorstellen.92 Nach Maßgabe eines Bruttoansatzes würde für den drohenden Aufwand an tatsächlichen Steuern eine Rückstellung gebildet und korrespondierend hierzu eine aktive Steuerlatenz für den hypothetischen Zinsvortrag.93 Hingegen würde bei einem Nettoansatz die aktive Steuerlatenz für den hypothetischen Zinsvortrag den Betrag der Steuerrückstellung unmittelbar mindern.94 Nach diesem Verständnis kompensiert die hypothetische
87 88 89 90
91 92 93 94
Vgl. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 219. Es wird auf Abschn. A.II, S. 330 verwiesen. Vgl. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 215; KPMG, Insights, 2009, S. 827 f. Änderungen über die Einschätzung der Restlaufzeit sind als Veränderungen des Diskontierungszinses wahrzunehmen und entsprechend bei der Folgebewertung zu berücksichtigen; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRSKommentar, Abschn. 18, Rz. 87. Vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 126 ff.; Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote, 2008, S. 138 ff.; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, S. 167 f. In Anlehnungen an die Ausführungen zu US-GAAP bei Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 245 f. I. d. S. wohl v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 128; Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRSHandbuch, § 25, Rz. 16. I. d. S. wohl Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 244; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 15.
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
Verrechnungsmöglichkeit des Zinsvortrags den mit der drohenden Steuernachzahlung verbundenen Ressourcenabfluss von wirtschaftlichem Nutzen.95 Entsprechend der Überlegungen zum HGB-Abschluss ist ein hypothetischer Zinsvortrag stets bei der Ermittlung der risikoadjustierten, tatsächlichen Steuerschuld zu berücksichtigen, wenn auf Basis von historischen Daten konkrete Aussagen über dessen theoretische Verrechnung gemacht werden können.96 Darüber hinaus sollte sich bei stabilen Planungsgrundlagen und im Falle von eingeleiteten Steuerungsmaßnahmen auch die hypothetische Verrechnungsmöglichkeit des Zinsvortrags mindernd auf den Rückstellungsbetrag für das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung auswirken, da der IFRS-Abschluss – im Unterschied zum HGB-Abschluss – primär eine Informationsfunktion übernimmt und die aktive Steuerlatenz für einen (realen) Verlustbzw. Zinsvortrag die Kriterien eines Vermögenswerts (Assets) erfüllt.97 Eine bilanzielle Erfassung des hypothetischen Zinsvortrags im Sinne einer Bruttobetrachtung ist jedoch abzulehnen, weil IAS 12 nur reale temporäre Differenzen, Verlust- und Zinsvorträge erfasst und nicht etwa auch fiktive Steuerentlastungspotenziale. Zudem würde hierdurch die Informationsvermittlungsfunktion der Bilanz gestört, weil ein fiktives Aktivum zweiter Ordnung geschaffen würde. Denn einer Bruttobetrachtung folgend würde ein latenter bzw. fiktiver Steuerertrag auf der Grundlage eines hypothetischen bzw. fiktiven steuerlichen Entlastungspotenzials gebildet.98 IV. Anhangangaben Der Katalog von IAS 12.80 bzw. IAS 12.81 enthält für drohende und passivierte Steuernachzahlungen einer laufenden Berichtsperiode keine erläuterungspflichtigen Anhangangaben.99 Da es sich bei dem Katalog allerdings nicht um eine abschließende Aufzählung von Berichtspflichten handelt, können darüber hinausgehende Angaben, sofern sie das Verständnis fördern, erforderlich sein.100 Ferner kann die Angabe von passivierten Steuerrisiken innerhalb der Überleitungsrechnung (IAS 12.81 lit. c) notwendig werden,101 um die Differenz zwischen 95 96 97
98 99 100
101
I. d. S. wohl Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 203. Der Nettoansatz verwirklicht den Tatbestand einer komplexen Bewertungseinheit; vgl. hierzu die Ausführungen zum HGB in Abschn. A.III, S. 332. Vgl. Abschn. A.III, S. 333. Vgl. IDW, RS HFA 2, WPg 1999, S. 591, Rz. 55; Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2009, S. 490; Brähler/Brune/Heerdt, Zinsschranke, KoR 2008, S. 289 m. w. N. (Fn. 5); Adler/Düring/Schmaltz, IFRSKommentar, Rz. 85; Karrenbrock, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. IIIa/1, Rz. 172. Latente Steuern werden teilweise auch als fiktive Steuern bezeichnet vgl. z. B. Grefe, Ertragsteuern, StuB 2009, S. 163 f. Vgl. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 266 ff. Vgl. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 1, Rz. 194; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 227; Ballwieser/Kurz, in: Epstein/Jermakowicz, IFRS, Abschn. 15, Rz. 93; Coenenberg/Blaum/ Burkhardt, in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 12, Rz. 114 f. Vielfach werden die Angaben in IAS 12.80 hingegen nicht als Pflichtangaben, sondern als Angabeempfehlungen verstanden; vgl. Kröner/ Beckenhaub, Konzernsteuerquote, 2008, S. 214; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 26, Rz. 130; Schulz-Danso in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 212 f.; Thiele/Eckert, in: Thiele/v. Keitz/Brücks, IFRS-Kommentar, IAS 12, Rz. 381. Vgl. Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote, 2008, S. 209; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 1,
Kapitel 2 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Bilanzierung von Steuerrückstellungen
341
dem erwarteten Steueraufwand und dem in der Gewinn- und Verlustrechnung ausgewiesenen Steueraufwand erklären zu können.102 Das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung wäre somit als sog. steuerlicher Einmaleffekt (Tax Only Effect) im Überleitungsposten, der über die Zuführung von Rückstellungen für Steuerrisiken aufklärt, in aggregierter Form enthalten. In praxi werden diese Abweichungen zwischen dem erwarteten und ausgewiesenen Steueraufwand jedoch häufig nicht als solche gekennzeichnet, sondern innerhalb eines unspezifischen Auffangpostens („Sonstige“) erfasst.103 Sofern der Effekt des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung für das (Konzern-)Ergebnis aber wesentlich ist, sollte aus Gründen der Informationsvermittlung eine genauere Beschreibung des betreffenden Überleitungspostens in Betracht gezogen werden.104 Sofern ein bilanziell nicht antizipiertes Zinsschrankenrisiko1. Ordnung schlagend geworden ist bzw. Steuernachzahlungen festgesetzt worden sind, resultiert hieraus in der abgelaufenen Berichtsperiode ein periodenfremder Steueraufwand, welcher im Anhang erläuterungspflichtig ist (IAS 12.80 lit. b).105 Sofern gegen die angeordnete Steuernachzahlung Rechtsmittel eingelegt werden, ist in Abhängigkeit von den Einschätzungen über den Ausgang des weiteren Verfahrens eine Eventualforderung im Anhang anzugeben (IAS 12.88 i. V. mit IAS 37.86).106 Nach der gleichen Vorschrift sind nicht passivierungsfähige Steuerrisiken, die die Voraussetzungen von Eventualschulden erfüllen, im Anhang kurz zu erläutern.107 Dabei fordert der Standard nur Angaben für eine (homogene) Gruppe von Eventualschulden, weshalb ein Zinsschrankenrisiko1. Ordnung nur bei besonderem Gewicht für die Informationsvermittlung explizite Erwähnung finden wird.108 Mittelbar wirkt sich ein nicht bilanziertes und als Eventualschuld qualifiziertes Zinsschrankenrisiko1. Ordnung somit auf die Einschätzung der Höhe und Fälligkeit von drohenden, aber nicht bilanzierten Steuernachzahlungen und die Prognosen über eine mögliche Abwendung der Belastung durch anschließende Gerichtsprozesse aus.109
102
103 104
105 106 107 108 109
Rz. 206; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 234. Regelmäßig wird als erwarteter Steueraufwand das Produkt von handelsrechtlichem Ergebnis und der kombinierten Ertragsteuersätze im Ansässigkeitsstaat der Konzernmutter herangezogen (so auch IAS 12.85); vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 105 f.; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 232. Vgl. Dempfle, Konzernsteuerquote, 2006, S. 225 ff.; Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote, 2008, S. 220 f. Grundsätzlich stellen die IAS/IFRS keine konkreten Anforderungen an den Detaillierungsgrad der Überleitungsrechnung, dennoch ist das Postulat der Vermittlung entscheidungsnützlicher Informationen auch hier zu beachten; vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 117. Ein gesonderter Ausweis gilt auch für die Überleitungsrechnung vgl. Kirsch, Berichterstattung, DStR 2003, S. 705. Vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 126 f. Vgl. Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 12. Die Gruppenbildung erfolgt nach Art, Unsicherheitsniveau und ggf. Fälligkeit der jeweiligen Rückstellungen bzw. Eventualschulden (IAS 37.78); vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 270. Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berichtspflicht über eine Gruppe von Eventualschulden vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 285 f.
342
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
Da die drohenden Nachzahlungszinsen in den originären Anwendungsbereich von IAS 37 fallen, sind die hierin vorgesehenen Anhangangaben zu berücksichtigen (IAS 37.84 f.). Der Standard fordert eine Berichtspflicht – entsprechend der Vorgaben zu den Eventualschulden – nur für Gruppen von (gleichartigen) Rückstellungen, weshalb die drohenden Nachzahlungszinsen für das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung nur im Ausnahmefall eine explizite Erwähnung finden werden.110
110
Zu den inhaltlichen Anforderungen an die Berichtspflicht über eine Gruppe von Rückstellungen vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 18, Rz. 265 ff.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
Kapitel 3
343
Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
Im Grundlagenteil der Arbeit wurde bereits dargestellt, dass sowohl § 274 HGB als auch IAS 12 die Aktivierung von Steuerlatenzen für den Zinsvortrag vorsehen.111 Nach beiden Rechnungslegungswerken erfordert die Aktivierung eine steuerliche Prognoserechnung, die eine verlässliche Grundlage für den Nachweis einer zukünftigen steuerwirksamen Verwertung des Zinsvortrags bilden soll. Zur Erstellung der Prognoserechnung müssen unternehmensinterne und -externe Informationen beschafft, separiert und ausgewertet werden. Allerdings stellen die rechnungslegungsspezifischen Rahmengrundsätze und Einzelvorschriften unterschiedliche Anforderungen an den konkreten Bilanzansatz der aktiven Steuerlatenz.112 Hieraus ergeben sich explizite und implizite Begrenzungen der betriebswirtschaftlichen Prognose und der auf dieser Grundlage ermittelten Steuerlatenzen. Nachfolgend wird untersucht, nach welchen Prinzipien und Objektivierungskriterien Zinsschrankenrisiken1. Ordnung und Zinsschrankenrisiken2. Ordnung die Ableitung der steuerlichen Prognosewerte beeinflussen könnten. Die Prognose ist zu jedem Bilanzstichtag um neue Erkenntnisse zu aktualisieren. Veränderte Entwicklungserwartungen der Einflussfaktoren wirken sich mitunter auf die prognostizierte Zinsvortragsverrechnung aus, weshalb die aktivierte Steuerlatenz bzw. der Steuerlatenzüberhang unabhängig von der tatsächlichen Nutzung erfolgswirksam anzupassen ist. Das Zinsschrankenrisiko2. Ordnung tritt hier als die Gefahr eines prognosebedingten Nichtansatzes und/oder Abwertungsbedarfs einer aktiven Steuerlatenz des Zinsvortrags in Erscheinung.113 A.
Rechnungslegungsübergreifende Strukturierung des Prognoseproblems
I.
Eruierung der Prognosegrundlagen
Die Bilanzierung von latenten Steuern erfordert eine koordinierte Erfassung der Daten der internen und externen Unternehmensrechnung bzw. -planung.114 Während die Ermittlung von temporären Differenzen eine zeitnahe und valide Erfassung der vorliegenden Ist-Daten aus dem externen Rechnungswesen erfordert, werden zur Prognose der zukünftigen Steuereffekte im Zeitpunkt der Differenzauflösung zusätzlich die Planungsgrundlagen des internen Rechnungswesens und der Unternehmensleitung benötigt.115
111 112 113 114 115
Vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.II, S. 62 ff. Zu den gesetzeskonzeptionellen Unterschieden von HGB und IAS/IFRS bei der Aufstellung von Prognoserechnungen vgl. Meyer/Ruberg, Planungsrechnungen, DStR 2010, S. 1539 f. Eine erfolgswirksame Verminderung eines Überhangs an aktiven Steuerlatenzen wird auch als bilanzielles Steueraufwandsrisiko bezeichnet; vgl. Kröner/Beckenhaub, Konzernsteuerquote, 2008, S. 130. Vgl. Kirsch, Auswirkungen, DStR 2007, S. 1269; Herzig/Vossel, Interdependenzen, KSzW 2010, S. 53 f. Vgl. Meyer/Ruberg, Planungsrechnungen, DStR 2010, S. 1542 f., die zur sachgerechten Umsetzung eines Tax Accounting auf die Erforderlichkeit einer interdisziplinären Zusammenarbeit von Steuerabteilung, Controlling und Rechnungswesen hinweisen.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5_12, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
Dementsprechend müssen die handels- und steuerrechtlichen Ist-Daten bis zur Bilanzaufstellung ausgewertet werden, damit das Eingreifen der Zinsschranke für das abgelaufene Wirtschaftsjahr festgestellt und die Höhe des gegebenenfalls mit einer aktiven Steuerlatenz zu belegenden Zinsvortrags ermittelt werden kann. Sofern die Geschwindigkeit und Kapazität der Informationsverarbeitung limitiert ist, kann die Höhe des im Berichtsjahr entstandenen oder erhöhten Zinsvortrags nur geschätzt werden. Sofern man jedoch eine vollständige und fehlerfreie Informationsverarbeitung unterstellt, kann die Höhe des Zinsvortrags – wenn man von Rechtsbeurteilungsrisiken abstrahiert – exakt bestimmt werden. In der Besteuerungswirklichkeit bestehen jedoch erhebliche Rechtsunsicherheiten auch außerhalb der Zinsschranke, sodass die Differenzen, die die Grundlage zur Bilanzierung von latenten Steuern bilden, regelmäßig ein eigenes Bemessungsgrundlagenrisiko darstellen. Im konkreten Fall der Zinsschranke werden Steuerbescheide, die die (vorläufige) Höhe des Zinsvortrags dokumentieren, erst einige Zeit nach dem Bilanzstichtag vorliegen.116 Der Prognosezeitraum kann statisch in einen operativen (kurzfristigen), taktischen (mittelfristigen) und strategischen (langfristigen) Planungszeitraum unterteilt werden.117 Die operative Planung erstreckt sich regelmäßig über einen Zeitraum von bis zu einem Jahr und ist durch einen hohen Detaillierungsgrad gekennzeichnet. Deshalb wird diese Phase auch als Detailplanung bezeichnet, die rollierend (monatlich oder quartalsweise) fortzuentwickeln ist und somit einen dynamischen Charakter gewinnt.118 Der taktischen Planung kommt eine mittelfristige Planungsfunktion zu, deren Zeithorizont zwischen zwei und fünf Jahren festgelegt werden kann. Zeitlich darüber hinausgehende Planungsrechnungen sind der strategischen Planung zuzurechnen. Mit zunehmender Länge des Prognosezeitraums verschlechtert sich das Informationsniveau bei der Schätzung der Planwerte,119 weshalb insbesondere der strategischen Planung nur Tendenzaussagen über die zukünftige Entwicklung des Unternehmens entnommen werden können. Auf dieser Grundlage können unter Berücksichtigung von steuerspezifischen Daten die steuerlichen Planungsrechnungen für das jeweilige Bezugsobjekt (hier: Betrieb) erstellt werden,120 deren Detaillierungsgrad mit zunehmendem Komplexitätsgrad des Prognosesachverhalts steigt. II.
Zerlegung des Prognosesachverhalts und Prognoseverfahren
Die zukünftige Verrechnung des Zinsvortrags ist von vielen Einzelfaktoren abhängig. Die maßgeblichen ökonomischen Treiber wurden in dieser Arbeit in investitions-, finanzierungs116 117 118 119 120
Zur vergleichbaren Problematik bei Verlustvorträgen vgl. Loitz, Verluste, WPg 2007, S. 780. Vgl. Wöhe/Döring, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 83 ff.; Horváth, Controlling, 2009, S. 161 ff. Die längerfristigen Planungsphasen werden hierdurch gestaltend beeinflusst; vgl. Schierenbeck/Wöhle, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 156 f.; Horváth, Controlling, 2009, S. 174 ff. Vgl. Baetge, Objektivierung, 1970, S. 169; Winker, Wirtschaftsforschung, 2007, S. 287. Vgl. Meyer/Ruberg, Leitlinien, Ubg 2010, S. 436 f.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
345
und unternehmensstrukturspezifische Einflussfaktoren unterteilt.121 Um diese Einflussfaktoren verlässlich schätzen zu können, sind mitunter verschiedene Planungsgrundlagen (insbesondere Plan-GuV und Plan-Bilanz) heranzuziehen und verschiedene Schätzmethoden zu verwenden.122 Darüber hinaus gilt es, das Ausmaß an Risiken bei der steuerlichen Rechtsbeurteilung einzugrenzen. Allgemeine Diskontinuitäten des Steuerrechts sollten bei Gesetzesreformen in die Verrechnungsprognose einbezogen werden, die sich im Endstadium befinden (z. B. Bericht des Finanzausschusses liegt vor).123 1.
Anforderungen an die prognostizierten Zielgrößen
In Teil I wurden die fundamentalen Voraussetzungen für eine steuerwirksame, d. h. liquiditätswirksame, Verrechnung des Zinsvortrags und dessen Interdependenzen mit der Verlustverrechnung herausgearbeitet. Mithin muss die steuerliche Prognoserechnung für jede Planungsperiode ergeben, dass die Nutzung des Zinsvortrags die Steuerzahllast vermindert (Steuerzahllasteffekt). Sofern der Zinsvortrag im Zuge seiner Verwertung lediglich in negative Einkünfte transformiert wird (insbesondere bei der erstmaligen Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape),124 ist zu prüfen, in welcher Höhe die negativen Einkünfte gegebenenfalls außerhalb des verursachenden Betriebs verwertet werden können (kommt nur für Mitunternehmerschaften in Betracht) oder ein Verlustvortrag in zukünftigen Perioden verwertet werden kann.125 Sofern die Nutzung des Zinsvortrags im Prognosezeitraum einen Verlustvortrag verursacht oder vergrößert, ist die steuerliche Prognoserechnung ab dem Zeitpunkt der prognostizierten Verrechnung des Zinsvortrags auf die Möglichkeit einer steuerlichen Verlustnutzung zu konzentrieren. Soweit die steuerlichen Prognoserechnungen eine steuerliche Verlustverwertung unter Beachtung der Mindestbesteuerung (§§ 10d Abs. 2 EStG, 10a S. 2 GewStG) für wahrscheinlich erklären, sollte der Zinsvortrag als werthaltig zu qualifizieren sein. Sobald der Zinsvortrag tatsächlich in einen Verlustvortrag transformiert wird, ist die aktive Steuerlatenz
121
122
123
124 125
Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. A, S. 89 ff. Zu einzelnen, wesentlichen Prognoseparametern vgl. Kirsch, BilMoG, Stbg 2008, S. 286; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 200 ff.; Scholz-Görlach, Steueransprüche, PiR 2009, S. 201. Zu den Determinanten der Prognosequalität vgl. Schierenbeck/Wöhle, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 117 ff. Die in vergangenen Berichtsperioden vorgenommenen Wertberichtigungen von Steuerlatenzen für Verlustvorträge können als Indikator für die Prognosequalität des Unternehmens herangezogen werden; vgl. Küting/Zwirner, Bilanzierungspraxis, WPg 2007, S. 559. Nach HGB und IFRS werden die zur Bewertung von Steuerlatenzen benötigten zukünftigen Steuersätze durch die am Bilanzstichtag gültigen Steuersätze approximiert; vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.II, S. 62. Von daher sollte für Prognosezwecke allgemein ein statisches Steuerrecht unterstellt werden. Dies befreit jedoch nicht von der Verpflichtung, die aktuellen steuerlichen Entwicklungen zu beobachten, vgl. Küting/Zwirner, Indikationsfunktion, BB 2005, S. 1555. Durch die Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape wird der gesamte Zinsvortrag mobilisiert. In diesem Fall ist die Höhe des verrechenbaren EBITDA ohne Belang; vgl. Teil II – Abschn. B.I.4.ii, S. 136. Zur Ermittlung des Steuerzahllasteffekts bei Transformation des Zinsvortrags in negative Einkünfte vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. A.III.1.b, S. 45.
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
für den Zinsvortrag aufzulösen und entsprechend die Nutzungsmöglichkeit des Verlustvortrags (neu) zu beurteilen.126 Unter Beachtung der obigen Fundamentalprämisse des Steuerzahllasteffekts können die zu prognostizierenden Zielgrößen bzw. das Verrechnungsvolumen, gegen das der Zinsvortrag verrechnet werden soll, in Abhängigkeit von den unternehmensstrukturellen und investitionsspezifischen Eigenschaften des Unternehmens unterschiedlich ausfallen. Soweit die Nutzung des Zinsvortrags innerhalb der Grenzen des verrechenbaren EBITDA geplant ist, müssen sowohl investitions- als auch finanzierungsspezifische Einflussfaktoren detailliert bei der Prognose berücksichtigt werden.127 Sofern bei der Verrechnungsprognose jedoch vorrangig auf die zukünftige Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape gebaut wird, kommt es primär auf die absolute Höhe des maßgeblichen Gewinns bzw. des maßgeblichen Einkommens an. Darüber hinaus ist die Gefahr von schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierungen i. S. des § 8a KStG auszuschließen und für Zwecke des Equity-Escape eine nachhaltige Unterschreitung der (modifizierten) Eigenkapitalquote des Konzerns zu gewährleisten. Im Rahmen der geplanten Inanspruchnahme des Equity-Escape beeinträchtigen kaum überschaubare Rechtsbeurteilungsrisiken die Qualität der Prognoserechnung. Die Anzahl von Prognoseparametern reduziert sich auf ein Minimum, wenn die Investitionstätigkeiten dahingehend gelenkt werden, dass zukünftig ein ausreichend hoher Zinsertragsüberschuss erwirtschaftet wird. Dann ist nämlich die Entwicklung des Verhältnisses von verrechenbarem EBITDA und Zinssaldo für die Prognoserechnung irrelevant. 2.
Investitionsspezifische Einflussfaktoren
Tendenziell kann davon ausgegangen werden, dass das Informationsniveau über die Entwicklung des Investitionserfolgs im Vergleich zur Entwicklung der Fremdfinanzierung und der Organisationsstruktur schlechter ist. Dies liegt im Wesentlichen in der Tatsache begründet, dass das Unternehmen die den Investitionserfolg mitbestimmenden unternehmensexternen Einflüsse nur sehr eingeschränkt beeinflussen kann. Somit stellt die Schätzung des steuerlichen EBITDA das Hauptproblem bei der Verrechnungsprognose des Zinsvortrags dar. Denn im Unterschied zu den übrigen Einflussfaktoren wirken auf diese Größen verstärkt unternehmensexterne Einflüsse ein, sodass ein mehr oder weniger breites Intervall an zukünftigen Schätzergebnissen besteht. In Abhängigkeit des Reifegrades des Unternehmens und des Innovationsgrades seiner Investitionstätigkeit können mehr oder weniger verlässliche Bandbreiten über zukünftige Zustandsrealisationen des EBITDA angegeben und Verteilungsannahmen getroffen werden.128 126 127 128
Vgl. Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 199 f. Vgl. Brähler/Brune/Heerdt, Zinsschranke, KoR 2008, S. 293. Zu maßgeblichen Einflussfaktoren und den Schwierigkeiten bei der Prognose des operativen Ergebnisses vgl. Lachnit, Bilanzanalyse, 2004, S. 259 ff.; Hesselmann, Residualgewinnkonzepte, 2006, S. 59 ff.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
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Die Höhe der Abschreibungen ist zwar nicht für die Prognose des Eingreifens der Zinsschranke von Bedeutung, wohl aber für die Schätzung des Vorzeichens des steuerlichen Ergebnisses bzw. zu versteuernden Einkommens. Die Höhe der Abschreibungen sollte sich relativ stabil anhand der mittel- bis langfristigen Planung der Unternehmensleitung erschließen lassen. Regelmäßig liegen über den Bestand an notwendigen Ergänzungsinvestitionen auf operativer Ebene Erfahrungswerte vor, sodass sich auf Basis von historischen Daten die Abschreibungen insoweit verlässlich in die Zukunft fortschreiben lassen, sofern keine gezielten Desinvestitionen betrieben werden.129 Das Schätzintervall fällt üblicherweise schmal aus, weshalb mitunter keine Schätzverfahren benötigt werden, sondern sich die Prognosewerte als Punktwerte aus den Planungsgrundlagen der Unternehmensleitung ableiten lassen. Sofern zur Vermeidung der Zinsschranke die Inanspruchnahme des Equity-Escape vorgesehen ist, bilden die geplanten Investitionen und Desinvestitionen im realwirtschaftlichen Bereich die maßgebliche Prognosegrundlage für die Entwicklung des betrieblichen Eigenkapitals. In multinationalen Konzernen wird sich die Schätzung des Absolutbetrags des Konzerneigenkapitals weder als praktikabel noch als zuverlässig erweisen. Sofern keine konzernweite Veränderung der Finanzierungspolitik abzusehen ist (z. B. aufgrund eines Leveraged Buy-Out), sollte für Prognosezwecke die Konzerneigenkapitalquote als konstante Größe angenommen werden. Die Prognose des steuerlichen EBITDA kann für die operative Detailplanung über historische und stochastische Verfahren abgeschätzt werden. So werden bei der historischen Methode die Risikokomponenten aus der Häufigkeit von in der Vergangenheit beobachteten Planabweichungen abgeleitet. Hierfür ist allerdings eine repräsentative Anzahl von Beobachtungswerten notwendig, damit eine belastbare Verteilung ermittelt werden kann, auf deren Grundlage die zukünftigen Entwicklungen sinnvoll abgeschätzt werden können.130 Mithilfe von Zeitreihenanalysen – auch univariate Verfahren genannt – werden auf der Basis von Vergangenheitsdaten etwa Trends oder Saisonschwankungen einer zu erklärenden Variable prognostiziert.131 Demgegenüber werden bei der stochastischen Simulation die Risikokomponenten über computergestützt generierte Zufallszahlen ermittelt.132 Jedoch muss zur Durchführung der Simulation die Verteilung der potenziellen Planabweichungen näherungsweise bekannt sein.133
129
130 131
132 133
Problematisch ist die Abschätzung von Abschreibungsverläufen jedoch bei jungen Unternehmen und innovativen Wirtschaftsgütern, über deren Nutzungsdauern keine Erfahrungswerte bestehen. Zur Prognose von Abschreibungsverläufen vgl. Knieps/Küpper/Langen, Abschreibungen, zfbf 2001, S. 759 ff. Vgl. Holst/Holtkamp, Risikoquantifizierung, BB 2000, S. 817; Burger/Buchhart, Risiko-Controlling, 2002, S. 126 f. Zu prominenten univariaten Verfahren zählen bspw. die Methode der gleitenden Durchschnitte, die Methode der exponentiellen Glättung, das Saisonverfahren und die Regressionsanalyse; vgl. Brockhoff, Prognoseverfahren, 1977, S. 93 ff.; Streitfeld/Schaefer, Prognosemethoden, Sp. 1563 ff.; Hartung/Elpelt/Klösener, Statistik, 2009, S. 637 ff. Vgl. Teil II – Kapitel 2 – Abschn. B, S. 257 ff. Vgl. Holst/Holtkamp, Risikoquantifizierung, BB 2000, S. 817; Burger/Buchhart, Risiko-Controlling, 2002, S. 128.
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
Die vorgenannten Verfahren erfordern für ihren Einsatz außerhalb des operativen Planungshorizonts restriktive Annahmen bzw. Voraussetzungen an das EBITDA-Wachstum.134 Mithin nimmt die Verlässlichkeit der Prognosequalität mit zunehmendem Prognosehorizont ab.135 In Abhängigkeit von der Analyse der historischen Daten und ihrer Schätzgüte für zukünftige Entwicklungen ist es mitunter empfehlenswert, von einer rein statistischen Wertermittlung abzusehen und (zusätzlich) auf subjektive Beurteilungen zurückzugreifen, deren intersubjektive Nachvollziehbarkeit gegebenenfalls durch qualitative Methoden gesteigert werden können (z. B. Expertenbefragung nach der Delphi-Methode).136 So könnte beispielsweise unter Einsatz des sog. Drei-Werte-Verfahrens jeweils ein subjektiver Wert für die wahrscheinlichste, minimale und maximale Ausprägung der riskanten Zielgröße (EBITDA) für jede Prognoseperiode geschätzt werden.137 Mittels dieser drei Werte ist die sog. Dreiecksverteilung – auch Simpson-Verteilung genannt – vollständig beschrieben. Die Zustandsrealisationen zwischen den Schätzwerten gelten als gleichverteilt und können per Interpolation berechnet werden, sodass für verschiedene Wahrscheinlichkeitsintervalle Prognosewerte ermittelbar sind.138 Darüber hinaus sollten die in der taktischen Planung angenommenen Sollwerte (Punktschätzungen) anhand von allgemeinen Konjunkturprognosen, branchenspezifischen Marktprognosen und der betriebsindividuellen Ertragskraft des Unternehmens validiert werden. Methodisch könnte das Abweichungspotenzial der mittelfristigen Planungswerte über strategische Analyseinstrumente eruiert werden. Hierzu zählen z. B. die Umweltanalyse139, die SWOTAnalyse (Strengths-Weaknesses-Opportunities-Threats)140 und die Portfolioanalyse141.
134
135 136 137
138
139
140
141
Zu den Schwächen von einfachen Zeitreihenverfahren und stochastischen Simulationen im Mehrperiodenkontext vgl. Winker, Wirtschaftsforschung, 2007, S. 292. Zu Einsatzgebieten der betriebswirtschaftlichen Prognoseverfahren und deren Evaluation vgl. Makridakis/Wheelwright, Forecasting, S. 167 ff.; Küsters, in: Mertens/Rässler, Prognoserechnung, 2005, S. 367 ff. In der Literatur wird ein Prognosehorizont von bis zu 2 Jahren für zulässig erachtet; vgl. Wolz, Prognosepublizität, BuW 2004, S. 110 m. w. N. Zu qualitativen Prognosemethoden Welge/Laham, Planung, 1992, S. 137 ff.; Standop, Prognosemethoden, Sp. 1551 ff. Zur Delphi-Methode vgl. auch Teil II – Kapitel 2 – Abschn. A, S. 221 ff. Zur Verwendung des Drei-Werte-Verfahrens als Risikomaß vgl. Gleißner, Risikomanagement, 2008, S. 107 f. Zu dessen Verwendung im Rahmen der Risikoanalyse vgl. Neubürger, Strategisches Management, 1989, S. 70 ff.; Schierenbeck/Lister, Value Controlling, 2002, S. 345 ff. Es handelt es sich um eine stetige Wahrscheinlichkeitsverteilung, deren Erwartungswert und Standardabweichung ermittelt werden kann; vgl. Hartung/Elpelt/Klösener, Statistik, 2009, S. 195 f. Zur Quantilberechnung der Dreiecksverteilung vgl. Kotz/van Dorp, Beyond, 2004, S. 28 ff. Bei der Umweltanalyse werden Risiken sowohl aus dem Wettbewerbsumfeld als auch aus dem politischen, rechtlichen, ökonomischen, sozialen und technologischen Unternehmensumfeld analysiert; vgl. Porter, Wettbewerbsvorteile, 2000, S. 28 ff.; Burger/Buchhart, Risiko-Controlling, 2002, S. 36 ff.; Baum/Coenenberg/ Günther, Controlling, 2007, S. 54 ff. Hierbei geht es um die Identifikation der Stärken und Schwächen des Unternehmens unter Einbezug der Erkenntnisse aus der Umweltanalyse; vgl. Hahn/Hungenberg, PuK, 2001, S. 1126 f.; Götze/Mikus, Risikomanagement, S. 398 f.; Baum/Coenenberg/Günther, Controlling, 2007, S. 74. In einer Portfolio-Matrix werden die Stärken und Schwächen strategischer Geschäftseinheiten und die Chancen und Risiken der Unternehmensumwelt abgebildet und deren Ausgewogenheit überprüft; vgl. Götze/Mikus, Risikomanagement, S. 399 ff.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
3.
349
Finanzierungs- und unternehmensstrukturspezifische Einflussfaktoren
Das zukünftige Finanzergebnis bzw. der darin enthaltene Nettozinsaufwand wird maßgeblich durch die Finanzplanung des Managements beeinflusst, weshalb sich die benötigten Prognosewerte hieraus gegebenenfalls als Punktwerte extrahieren lassen. In Abhängigkeit von der Finanzierungspolitik und/oder den vereinbarten Kreditkonditionen bestehen zwischen der Entwicklung des EBIT bzw. EBITDA und der Entwicklung des Nettozinsaufwands jedoch signifikante Zusammenhänge, die die Prognose beeinflussen.142 Diese Zusammenhänge sollten zwar bereits in die Finanzplanung eingeflossen sein, sofern jedoch zur Prognose des EBITDA besondere Verfahren angewendet werden, sind die schätzungsbedingten Auswirkungen auf den prognostizierten Nettozinsaufwand zu berücksichtigen. Die Sollbestände des Fremdkapitals sind zudem für die Prognose der betrieblichen Eigenkapitalquote von Bedeutung, sofern das Unternehmen die Anwendung des Equity-Escape begehrt. In diesem Fall und auch bei der Inanspruchnahme des Stand-alone-Escape sind aufgrund von § 8a KStG ebenfalls die Fremdkapitalgeber von Prognoserelevanz.143 Die Entwicklung der statutarischen Organisationsstruktur und der Beteiligungsverhältnisse sind maßgeblich von strategischen Entscheidungen des Managements und der Eigentümer des Unternehmens abhängig. Für eine verlässliche Prognose der Werthaltigkeit des Zinsvortrags werden somit Informationen über die strategischen Entscheidungen der Unternehmensführung und das finanzielle Engagement von wesentlich beteiligten Unternehmenseignern benötigt,144 um eine Einschätzung darüber zu gewinnen, inwieweit vorhandene Zinsvorträge vom Untergang bedroht sind. Umgekehrt können Restrukturierungen des Unternehmens auch als positive Signale für die Nutzung des Zinsvortrags gewertet werden, wenn hiermit privilegierte Unternehmensstrukturen geschaffen werden, die eine Verrechnung des Zinsvortrags ermöglichen oder beschleunigen (z. B. Einbringung von ertragsstarken Teilbetrieben, Stand-aloneEscape), ohne dass zugleich Tatbestände von § 4h Abs. 5 EStG oder § 8c KStG verwirklicht werden.145 Sowohl die Kapitalausstattung als auch die rechtliche und statutarische Beteiligungsstruktur sind typischerweise Entscheidungen des Managements, die unternehmens- und gegebenenfalls auch betriebsindividuell festgelegt werden und sich somit aus internen Beschlussfassungen (z. B. Businesspläne, Richtlinien, Strategiepapiere, Gesellschafterbeschlüsse etc.) erge-
142 143 144 145
Vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. A.I, S. 90 ff. Zur Prognoserelevanz schädlicher Gesellschafterfremdfinanzierungen vgl. Kirsch, Zinsvortrag, PiR 2007, S. 241 f. Zu empirischen Studien über Buy-Outs von Konzerneinheiten vgl. Arbeitskreis Finanzierung der Schmalenbach-Gesellschaft für Betriebswirtschaft e.V., Konzernteile, zfbf 2006, S. 235 ff. (S. 237 m. w. N.). Anzumerken ist, dass die mit dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz geschaffenen Ausnahmen vom Untergang eines Verlust- und Zinsvortrags (Konzernklausel und Stille-Reserven-Escape) in vielen Fällen zu einer verbesserten Einschätzung der Nutzungswahrscheinlichkeit von Verlust- und Zinsvorträgen führen werden; vgl. Kirsch, Auswirkungen, DStZ 2010, S. 482 ff.
350
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
ben.146 Soweit diese internen Informationen verfügbar oder durch Befragungen ermittelt werden können, sollten sie i. a. R. eine verlässliche Grundlage für die kurz- bis mittelfristige Prognose des Nettozinsaufwands und des Erhalts von Zinsvorträgen darstellen. Ein zweckadäquates und leistungsfähiges Prognoseverfahren erscheint hier allenfalls dann erforderlich zu sein, wenn die Entwicklung des Nettozinssaldos signifikant von Entwicklungen am Kapitalmarkt (z. B. Zins- und Währungsrisiken) abhängig ist.147 4.
Steuerliche Rechtsbeurteilung
Die steuerliche Ergebnisprognose baut zwar auf den betriebswirtschaftlichen Planungsgrundlagen auf, dennoch müssen für eine Vielzahl von Prognosewerten aufgrund von steuerlichen Informationsdefiziten über die exakte steuerliche Behandlung von zukünftigen Erträgen (z. B. Umfang an steuerfreien Erträgen) und Aufwendungen erfahrungsbasierte Annahmen getroffen werden, um von dem betrieblichen auf den steuerlichen Planwert zu schließen.148 Darüber hinaus sind steuerliche Beurteilungsrisiken bei der Ermittlung der zinsschrankenrelevanten Parameter zu beachten. In diesem Fall sind Grundwertungen zu treffen, nach welcher Meinung bzw. Rechtsbeurteilung die Parameter ermittelt werden sollen. Dies betrifft insbesondere auch die Würdigung von Sachverhalten, die den Erhalt des Zinsvortrags bedrohen. Eine verlässliche Planung erfordert somit die Einnahme einer Rechtsposition, die sich innerhalb des Planungshorizonts durchsetzen lässt. Da konfliktanfällige Rechtspositionen innerhalb eines mittelfristigen Planungshorizonts aufgrund langer Gerichtsverfahren aller Voraussicht nach keine Klärung durch Finanzgerichte erfahren werden, erhöht eine verwaltungskonforme Sachverhaltswürdigung die steuerliche Prognosegüte.149 Hinsichtlich derjenigen Zweifelsfragen, zu denen sich die Finanzverwaltung noch nicht geäußert hat, kann die Vertrauenswürdigkeit der steuerlichen Prognose durch Expertenbefragungen und die Einnahme der Rechtsposition der herrschenden Meinung gesteigert werden.150
146
147 148 149
150
Zu Entscheidungskompetenzen der Finanzplanung vgl. z. B. Mensch, Finanz-Controlling, 2008, S. 52. Zu den strategischen Zielen und Kriterien bei der Wahl der rechtlichen und statutarischen Aufbauorganisation eines Konzerns vgl. Kutschker/Schmid, Management, 2008, S. 642 ff. Zu den Einflussfaktoren und der Bewertung von Zinsänderungsrisiken vgl. Schulte, Kreditinstitute, 1998, S. 123 ff. Hierdurch vervielfältigt sich das Spektrum an zukünftigen Ergebnissen vgl. Teil I – Kapitel 2 – Abschn. B.II.3.c, S. 26. Erfahrungsberichten zufolge sollen Finanzgerichtsverfahren unter Berücksichtigung des behördlichen Verfahrens regelmäßig 4–5 Jahre dauern; vgl. Hey, Steuerplanungssicherheit, 2002, S. 89 m. w. N.; Wagner, Verfahrensdauer, DStR 2009, S. 2111. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit anhängiger Verfahren bei den Finanzgerichten und dem BFH beträgt nach einer Erhebung der Bundesregierung weniger als 3 Jahre; BT-Drs. 17/2296, S. 3. Die Expertenbefragung zu offenen Zweifelsfragen der Zinsschranke hat gezeigt, dass die Experten ihren Mandanten mehrheiltlich die herrschende Meinung als Rechtsbeurteilungsmaßstab empfehlen; vgl. Teil II – Kapitel 2 – Abschn. A.IV.8, S. 237 f.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
B.
351
Anforderungen des HGB zur Konkretisierung von Prognosewerten für den Nachweis werthaltiger Zinsvorträge
I.
Begrenzungsfunktion handelsrechtlicher Bilanzierungsprinzipien
Nach der Regierungsbegründung zum BilMoG soll die voraussichtliche steuerwirksame Verrechnung des Verlust- bzw. Zinsvortrags innerhalb des fünfjährigen Prognosehorizonts anhand von Wahrscheinlichkeitsüberlegungen unter Beachtung des Vorsichtsprinzips (i. e. S.) nachgewiesen werden.151 Die vom Gesetzgeber betonte Berücksichtigung des Vorsichtsprinzips erscheint insbesondere vor dem Hintergrund gerechtfertigt zu sein, dass durch die Aktivierung von Steuerlatenzen das Realisationsprinzip (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB) durchbrochen wird, weil noch nicht realisierte Erträge Eingang in die GuV und Bilanz finden.152 Der fünfjährige Prognosezeitraum impliziert, dass die Bewertung nach der Prämisse der Unternehmensfortführung (§ 252 Abs. 1 Nr. 2 HGB) vorgenommen wird. Da es sich bei der Prognose des zukünftigen Verrechnungsvolumens um ein mehrwertiges Schätzproblem handelt, kann in Anlehnung an die Bewertung von Rückstellungen zur Konkretisierung der Planwerte die „vernünftige kaufmännische Beurteilung“ (§ 253 Abs. 1 S. 1 HGB) als Beurteilungsmaßstab herangezogen werden.153 Die zur vernünftigen Beurteilung eingesetzten Prognoseverfahren unterliegen grundsätzlich dem Stetigkeitsgebot (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB). Ferner erfordert der Grundsatz der Vollständigkeit eine umfassende Beschaffung und Auswertung von internen und externen Informationen bei der Bewertung von Bilanzpositionen und eine Bestandsaufnahme von Risiken, die die bilanzielle Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Unternehmens tangieren.154 Es sind sämtliche bis zur Aufstellung der Bilanz verfügbaren Informationen in die Bewertung einzubeziehen (§ 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB). Die vernünftige kaufmännische Beurteilung ist nicht als konkreter Bewertungsmaßstab, sondern als Schätzungsrahmen zu verstehen, der die Bandbreite an zulässigen Wertansätzen bzw. den Bewertungsspielraum des Bilanzierenden begrenzt. Die Bewertungskompetenz des Bilanzierenden wird dadurch begrenzt, dass der Wertansatz von sachverständigen Dritten nachvollziehbar sein bzw. als plausibel angesehen werden und frei von individuellen Risikonei-
151
152
153
154
Vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67. Gemeint ist wohl das Vorsichtsprinzip i. e. S. Zur Systematisierung der Erscheinungsformen des Vorsichtsprinzips instruktiv Federmann, Bilanzierung, 2010, S. 221 ff. Zum Einfluss des BilMoG auf die Auslegung der GoB vgl. Stibi/Fuchs, GoB, DB-Beilage 2009 zu Heft 23, S. 12 ff. Vgl. Karrenbrock, Neuregelung, WPg 2008, S. 330 f. Zum Zweck und den Ausprägungen des Realisationsprinzips vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 247 ff.; Moxter, Rechnungslegung, 2003, S. 41 ff. Auch die Abführungssperre für einen Überhang an aktiven Steuerlatenzen (§ 268 Abs. 8 HGB) rechtfertigt nicht eine „milde“ Anwendung des Vorsichtsprinzips, weil im umgekehrten Fall – des Überhangs an passiven Steuerlatenzen – keine Abführungssperre existiert und somit das Ausschüttungsvolumen erhöht wird; vgl. Karrenbrock, Saldierungsproblematik, S. 640; Meyer/Ruberg, Leitlinien, Ubg 2010, S. 434. Vgl. Meyer/Ruberg, Leitlinien, Ubg 2010, S. 435. Bereits auf diesen Beurteilungsmaßstab zur Festlegung von Schätzgrößen verweisend Moxter, Rechnungslegung, 2003, S. 35; Selchert, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 252 HGB, Rz. 86. Zum GoB der Vollständigkeit vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 219 ff.; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2009, S. 119.
352
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
gungen sein muss.155 Neben dem Kriterium der intersubjektiven Nachprüfbarkeit ist bei der Schätzung des konkreten Bilanzansatzes der Grundsatz der Bewertungsvorsicht zu beachten.156 Die Erwartung einer zukünftigen Verrechnung des Zinsvortrags ist stark von subjektiven Einschätzungen über die Entwicklung der zinsschrankenrelevanten Einflussfaktoren geprägt. Das Vorsichtsprinzip und das Gebot der Willkürfreiheit erfordern eine bestmögliche intersubjektive Nachvollziehbarkeit der Bilanzansätze. Historische Ergebnis- und Bilanzdaten sowie interne Planungsrechnungen ermöglichen es sachverständigen Dritten, die subjektiven Erwartungen des Bilanzierenden an die Entwicklungen der zinsschrankenrelevanten Einflussfaktoren zu validieren bzw. in begrenztem Maße zu objektivieren.157 Damit bilden die steueradjustierten Planungsgrundlagen des Unternehmens über vergangene und zukünftige Perioden den berechtigten Ausgangspunkt für die handelsrechtliche Prognose der Zinsvortragsverrechnung des Unternehmens. Die Notwendigkeit von steuerlichen Planungsrechnungen gilt uneingeschränkt auch im Falle eines Überhangs an zu versteuernden temporären Differenzen. Denn ein etwaiger Überschuss an zu versteuernden temporären Differenzen stellt in Bezug auf die Einschätzung einer zukünftigen steuerwirksamen Verrechnung von Zinsvorträgen aufgrund äußert komplexer Wechselwirkungen keinen geeigneten Werthaltigkeitsindikator dar.158 II.
Wahrscheinlichkeitsverständnis
Eine Mindesteintrittswahrscheinlichkeit für die zukünftige Nutzung des im Zinsvortrag gespeicherten Entlastungspotenzials definiert das HGB auch nicht im Bereich der latenten Steuern. § 274 Abs. 1 S. 4 HGB verlangt lediglich die Berücksichtigung von Verlust- bzw. Zinsvorträgen im Umfang der in den nächsten fünf Jahren „erwarteten“ Verlust- bzw. Zinsverrechnung. In Anlehnung an die IAS/IFRS wird vom DRSC und in der Literatur eine steuerentlastende Verrechnung als „erwartet“ angesehen, wenn gewichtigere Gründe für als gegen die Nutzung des Verlust- bzw. Zinsvortrags sprechen.159 Somit wird entsprechend der Wahrscheinlichkeitsproblematik bei Rückstellung keine quantitative Wahrscheinlichkeitsschwelle für den Ansatz einer aktiven Steuerlatenz auf einen Verlust- bzw. Zinsvortrag festgelegt. Vielmehr ist die erwartete bzw. wahrscheinliche Verrechnung auf der Grundlage einer voll155
156 157 158
159
Vgl. Drukarczyk, Interpretation, S. 128; Moxter, Rückstellungen, BB 1989, S. 947; Reuter, Rückstellungen, 2007, S. 36; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 253 HGB, Rz. 189; Brösel/Olbrich, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 253 HGB, Rz. 352. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 252 HGB, Rz. 67; Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 253, Rz. 155; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. E, Rz. 1538. Vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 476. Vgl. hierzu auch Abschn. B.III.2, S. 355 f.; Kapitel 3 – Abschn. C.III.1, S. 365 ff. Die in DRS 18.21 i. V. mit DRS 18.20 vertretene Ansicht ist abzulehnen; zur Sichtweise des DRSC vgl. auch Loitz, DRS 18, DB 2010, S. 2180 f.; Meyer/Ruberg, DRS 18, DStR 2010, S. 2096 ff. Vgl. DRS 18.9 – im Anhang A3 zu DRS 18 wird auf das internationale Wahrscheinlichkeitsverständnis „more likely than not“ verwiesen. Zur Interpretation dieses Wahrscheinlichkeitsverständnisses vgl. Kapitel 2 – Abschn. B.I.1, S. 335 f. Die Formulierung in DRS 18.9 erinnert stark an die Wortwahl des BFH zur Konkretisierung der Wahrscheinlichkeit bei Rückstellungen; vgl. Kapitel 2 – Abschn. A.I.2, S. 326 (Fn. 16).
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
353
ständigen und dokumentierten Informationsverarbeitung und anhand einer steuerlichen Ergebnis- und Bilanzprognose sowohl qualitativ als auch quantitativ zu beurteilen. Die quantitative Bestimmung des Wahrscheinlichkeitsintervalls für eine Verrechnung des Zinsvortrags darf weder zu pessimistisch noch zu optimistisch sein.160 Eine vorsichtige Ermittlung der Eintrittswahrscheinlichkeit ist beim Einsatz quantitativer Messmethoden nicht sinnvoll.161 Soweit der Einsatz quantitativer Prognoseverfahren für einen Einflussfaktor in methodischer Hinsicht zulässig und zuverlässig ist, sollte eine Verrechnungswahrscheinlichkeit von mehr als 50% akzeptiert werden.162 Die qualitative Beurteilung von nicht messbaren Einflussfaktoren ist stark von subjektiven Einschätzungen des gewissenhaften Kaufmanns geprägt, sodass ihr gegenüber den quantitativen Verfahren ein geringeres Niveau an intersubjektiver Nachvollziehbarkeit bzw. ein höherer Beurteilungsspielraum anhaftet. Hier sollte das Vorsichtsprinzip zu einer stärkeren Gewichtung der Zweifel an einer Verrechnung führen und nur bei einem deutlichen Übergewicht von Indizien, die für eine Verrechnung sprechen, der Ansatz einer aktiven Steuerlatenz infrage kommen.163 Aufgrund ihres heterogenen Informationsniveaus können die für jeden Einflussfaktor ermittelten Wahrscheinlichkeiten regelmäßig nicht zu einer Gesamtwahrscheinlichkeit verdichtet bzw. aggregiert werden. Vielmehr muss für jeden Einflussfaktor der Nachweis erbracht werden, dass dessen zukünftige Entwicklung einer Verrechnung des Zinsvortrags aller Voraussicht nach nicht entgegensteht. Die Wechselwirkungen bzw. Korrelationen zwischen den Einflussfaktoren sind idealerweise bei der Ermittlung der jeweiligen Einzelwahrscheinlichkeiten zu berücksichtigen.164 III. Unsicherheitsabsorption 1.
Ausschöpfung von historischen und prognosebasierten Informationen
Die Prinzipien Vollständigkeit und Bewertungsvorsicht erfordern eine Maximierung des Informationsniveaus bzw. eine Minimierung von Schätzunsicherheiten.165 Folglich sind bis 160 161 162
163 164 165
Vgl. Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 253, Rz. 154. Die Berechnung von Eintrittswahrscheinlichkeiten auf Basis von anerkannten statistischen Verfahren kann man nur richtig oder falsch durchführen, nicht aber vorsichtig; vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 465. Van Hall/Kessler bewerten die Frage einer quantitativen Mindesteintrittswahrscheinlichkeit als praktisch bedeutungslos, da sich Eintrittswahrscheinlichkeiten i. a. R. nicht messen ließen; vgl. dieselben, in: Kessler/Leinen/Paulus, BilMoG I, KoR 2009, S. 404 f. Die Bedeutung des Vorsichtsprinzips wächst mit zunehmender Entfernung von berechenbaren Werten; vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 469 f. Zur Berücksichtigung von Korrelationen im multivariaten Simulationsmodell vgl. Teil II – Kapitel 2 – Abschn. B.II.1, S. 257. Zur Aggregation von Risiken vgl. Schröder, Risikoaggregation, 2005, S. 75 ff. Vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 220 ff.; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 252, Rz. 66. Die Sammlung von Informationen über die zu schätzenden Einflussfaktoren findet regelmäßig ihre natürliche Grenze im üblichen Geschäftsumfeld des Unternehmens; vgl. Ballwieser, in: Schmidt, MüKomm-HGB, Bd. 4, § 252 HGB, Rz. 64.
354
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
zur Bilanzaufstellung sämtliche Informationen in die Prognose der zukünftigen Verrechenbarkeit des Zinsvortrags miteinzubeziehen. Es sind sowohl wertaufhellende als auch wertbegründende Tatsachen zu berücksichtigen.166 Tritt im Wertaufhellungszeitraum z. B. ein Ereignis ein, dass zum (teilweisen) Untergang des Zinsvortrags führt, muss dies bei der Prognose berücksichtigt werden.167 Der Einbezug von wertbegründenden Tatsachen ist meines Erachtens aufgrund der Durchbrechung des Realisationsprinzips gerechtfertigt.168 Denn mit der Bilanzierung von nicht realisierten Steuerentlastungen wird das Prinzip der verursachungs- bzw. periodengerechten Vermögens- und Erfolgsermittlung verlassen und von Tatumständen, deren Verursachung in der Zukunft liegen, abhängig gemacht. Dies rechtfertigt die Berücksichtigung von wertbegründenden Tatsachen im Wertaufhellungszeitraum. Gegen die hier vertretene Auffassung könnte man jedoch einwenden, dass zukünftige Steuersatzänderungen erst dann bei der Bewertung von Steuerlatenzen berücksichtigt werden dürfen, wenn sich diese bis zum Bilanzstichtag – also gerade nicht innerhalb des Wertaufhellungszeitraums – mit hinreichender Sicherheit konkretisiert haben (Zustimmung des Bundesrats).169 Den Ergebnisgrößen und Bilanzen abgelaufener Perioden kommt neben der Ableitung von quantitativen Eintrittswahrscheinlichkeiten auch bei der Validierung des prognostizierten Verrechnungsvolumens und zur stetigen Verbesserung der Prognosegüte eine entscheidende Bedeutung zu.170 Die Beobachtung von historischen Entwicklungen der zinsschrankenrelevanten Parameter kann nämlich den Ausschlag dafür geben, dass an den Nachweis einer Zinsvortragsverrechnung strengere Anforderungen zu stellen sind. So werden in der Regierungsbegründung zum BilMoG hinsichtlich der Aktivierung von Steuerlatenzen auf Verlustvorträge hohe Anforderungen an die Verrechnungswahrscheinlichkeit gestellt, wenn das Unternehmen in der Vergangenheit keine ausreichend hohen Gewinne erwirtschaftet hat.171 Überträgt man diese Vorgaben auf die Verrechnungsprognose eines Zinsvortrags, so sind in dem Fall, in dem das Unternehmen in der Vergangenheit Verluste und/oder beträchtliche Zinsaufwandsüberschüsse erzielt hat (Verlust- und Zinshistorie), höhere Anforderungen an den Nachweis einer erwarteten Zinsvortragsnutzung zu stellen. Den Begriff der Zinshistorie könnte man beispielsweise definieren als ein mehrfaches Überschreiten der Freigrenze in hintereinander folgenden Perioden, wenn das verrechenbare EBITDA zugleich nicht deutlich
166 167 168 169 170
171
Zur Abgrenzung von wertaufhellenden und wertbegründenden (bzw. wertbeeinflussenden) Tatsachen vgl. z. B. Winkeljohann/Büssow, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 252, Rz. 38. Im Rahmen der planungsbasierten Rechnungslegung sind „Wahrscheinlichkeitsaufhellungen“ zu berücksichtigen; vgl. Moxter, Rechnungslegung, 2003, S. 261. I. d. S. ist wohl auch DRS 18.24 zu verstehen. Vgl. Abschn. B.I, S. 351. BT-Drs. 16/10067, S. 68; a. A. Theile, BilMoG, 2009, § 274, Rz. 15, der eine Steuersatzänderung im Wertaufhellungszeitraum nicht als wertbegründendes, sondern als wertaufhellendes Ereignis qualifiziert. Vgl. Baetge, Objektivierung, 1970, S. 30 ff.; IDW, PS 314 n. F., IDW-FN 2009, S. 415, Rz. 35 ff. Auch der BFH hat die maßgebliche Bedeutung von historischen Daten bzw. kaufmännischen Erfahrungen bei der Schätzung hervorgehoben; vgl. Moxter, Bilanzrechtsprechung, 2007, S. 98 ff. m. w. N. Vgl. BT-Drs. 16/10067, S. 67; IDW, ERS HFA 27, IDW-FN 2009, S. 337, Rz. 6.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
355
höher war als das Dreifache des Nettozinsaufwands.172 Eine Definition, die bloß auf die tatsächlich in der Vergangenheit beobachtete Einschlägigkeit der Zinsschranke abstellt,173 greift z. B. in den Fällen zu kurz, in denen die zurückliegenden Perioden noch nicht veranlagt sind und Unsicherheit über das effektive Eingreifen der Zinsschranke besteht, oder die Zinsschranke trotz Zinshistorie durch die Inanspruchnahme eines Ausnahmetatbestands vermieden werden konnte. Nach Auffassung in der Literatur und vom DRSC (DRS 18.23) soll in Anlehnung an IAS 12.35 im Falle einer Verlust- bzw. Zinshistorie die Aktivierung einer Steuerlatenz nur in Betracht kommen, wenn überzeugende Anhaltspunkte angegeben werden können, die eine steuerwirksame Verrechnung glaubhaft werden lassen. Beispielhaft werden u. a. Umstrukturierungen, die Veräußerung verlustträchtiger Betriebsteile und Steuergestaltungen aufgeführt;174 dies gilt umso mehr, wenn Verlust- und Zinshistorie nebeneinander bestehen. 2.
Länge des Prognosezeitraums
Sofern die verfügbare Datengrundlage keine verlässliche Schätzung der steuerlichen Prognosewerte über den gesamten fünfjährigen Prognosezeitraum zulässt, ist die Prognose auf den Zeitraum zu begrenzen, für den eine verlässliche Erstellung der erforderlichen Plandaten möglich ist.175 Des Weiteren verkürzt sich der Prognosehorizont, wenn der Betrieb in absehbarer Zeit liquidiert werden sollte und somit das Prinzip der Unternehmensfortführung nicht mehr erfüllt ist.176 Eine künstliche Skalierung bzw. Extrapolation der zugrunde gelegten Plandaten bis zum Ende des gesetzlichen Prognosehorizonts ist nicht mit dem Prinzip der vorsichtigen Bewertung in Einklang zu bringen.177 Die vom DRSC, IDW (mit etwas abgeschwächter Wortwahl) und teilweise in der Literatur geforderte Verrechnungsprognose über den vollständigen Fünfjahreszeitraum auch bei kürzeren Planungsrechnungen ist daher abzulehnen.178 Wie bereits ausgeführt, hängt die Genauigkeit und Verlässlichkeit der Schätzung 172
173 174
175
176
177 178
Eine Verlusthistorie wird in Anlehnung an die internationale Rechnungslegung als negatives Aggregat der kumulierten Steuerergebnisse der vergangenen drei Berichtsperioden definiert; vgl. Loitz, BilMoG, Ubg 2009, S. 711; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Prüfung, Abschn. M, Rz. 35; Abschn. C.III.1, S. 355 (Fn. 172). Zur Bereinigung von Sondereffekten innerhalb einer Verlusthistorie vgl. Bösser/Pilhofer, Verlustvorträge, KoR 2008, S. 301. So Brähler/Brune/Heerdt, Zinsschranke, KoR 2008, S. 293. IDW, ERS HFA 27, IDW-FN 2009, S. 337, Rz. 7; Hoffmann/Lüdenbach, NWB-Kommentar, § 274, Rz. 35 ff. u. 56. Belastbare Nachweise für mögliche Steuergestaltungen fordernd Meyer/Ruberg, Leitlinien, Ubg 2010, S. 435 f.; Kozikowski/Fischer, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 274, Rz. 43. So auch Kirsch, Zinsvortrag, PiR 2007, S. 241. Dies lässt sich auch der Regierungsbegründung zum BilMoG entnehmen, worin ausgeführt wird, dass Verlustvorträge nur zu berücksichtigen sind, „[…] soweit zu erwarten ist, dass sie innerhalb […] der folgenden fünf Geschäftsjahre zur Verlustverrechnung herangezogen werden.“; BT-Drs. 16/10067, S. 67. Sofern aufgrund von tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten nicht mehr mit einer Unternehmensfortführung zu rechnen ist, muss dies entsprechend beim Ansatz und der Bewertung von Vermögensgegenständen und Schulden berücksichtigt werden; vgl. IDW, WPH I, 2006, Abschn. E, Rz. 233 m. w. N.; Federmann, Bilanzierung, 2010, S. 204 f. A. A. Loitz, BilMoG, Ubg 2009, S. 711. Vgl. DRS 18.19; IDW, ERS HFA 27, IDW-FN 2009, S. 337, Rz. 13; Kühne/Melcher/Wesemann, Zweifelsfragen, WPg 2009, S. 1058; Naumann, Zweifelsfragen, S. 696 f.; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Prüfung, Abschn. M, Rz. 32.
356
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
vom Geschäftsfeld und der Investitionstätigkeit des Unternehmens ab und verschlechtert sich mit zunehmendem Zeithorizont.179 Eine methodengestützte, mittelfristige Planung der Erfolgsrechnung und Bilanz ist nur unter sehr restriktiven Annahmen möglich. Der vom DRSC und IDW vorgeschlagene Einsatz von Instrumenten, die eine Extrapolation der zinsschrankenrelevanten Parameter ermöglichen, wird nur in seltenen Fällen eine verlässliche Prognosegrundlage bieten.180 Es wird regelmäßig an sachgerechten und plausiblen Schätzmethoden fehlen, die es ermöglichen, die Planungsgrundlagen verlässlich bis zum Ende der fünften Planperiode zu extrapolieren. Dementsprechend ist die gesetzliche Formulierung eines Fünfjahreszeitraums als eine Schätzobergrenze zu verstehen;181 in bestimmten Konstellationen sogar eine Überschreitung des Fünfjahreszeitraums zuzulassen, kann angesichts der massiven Prognoseunsicherheiten bei den übrigen Einflussfaktoren nicht gerechtfertigt werden.182 Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass im Rahmen einer zeitreihenbasierten Punktschätzung im Unterschied zu einer querschnittsdatenbasierten Intervallschätzung regelmäßig nicht die Streubreite bzw. Volatilität des verrechenbaren EBITDA angemessen berücksichtigt werden kann. 3.
Eliminierung steuerlicher Beurteilungsrisiken
Zur Reduktion von Schätzunsicherheiten sind steuerliche Beurteilungsrisiken soweit wie möglich zu eliminieren. Mithin ist es allein für Prognosezwecke erforderlich, eine verwaltungstreue Rechtsposition einzunehmen, selbst wenn die laufende Steuerdeklaration dieser Anforderung nicht genügt.183 Dies begrenzt insbesondere die Auswahl an berücksichtigungsfähigen Steuergestaltungen, die zur Nutzung des Zinsvortrags eingesetzt werden können.184 Die für Prognosezwecke zu fordernde (gegebenenfalls) fiktive Verwaltungstreue darf jedoch nicht dazu führen, dass die steuerlichen Bemessungsgrundlagen systematisch überschätzt 179 180
181 182
183 184
Vgl. Abschn. A.II.2, S. 348; Kozikowski/Fischer, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 274, Rz. 42. Ebenso Meyer/Ruberg, Leitlinien, Ubg 2010, S. 437. Eine zeitreihenbasierte Trendextrapolation erfordert eine zeitraumübergreifende Konstanz der Ursache-Wirkungsbeziehungen; vgl. die Nachweise in Abschn. A.II.2, S. 347 (Fn. 131); zur begrenzten Einsatzfähigkeit dieses Prognoseinstruments vgl. auch IDW, PS 350, WPg 2006, S. 1293, Rz. 25; Schierenbeck/Wöhle, Betriebswirtschaftslehre, 2008, S. 211 f. I. d. S. Küting/Seel, Latente Steuern, S. 509; Langenbucher/Blaum, Wandel, S. 40 f.; für den „Einzelfall“ zustimmend Kozikowski/Fischer, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 274, Rz. 44. Vom DRSC, IDW und Teilen der Literatur wird es im Falle von zu versteuernden temporären Differenzen (passive Steuerlatenzen), die erst nach Ablauf von fünf Jahren das steuerliche Ergebnis erhöhen, für sachgerecht erachtet, wenn ein innerhalb des Fünfjahreszeitraums voraussichtlich nicht nutzbarer Verlustvortrag in Höhe der (nämlichen) temporären Differenzen bei der Berechnung der ansetzbaren Steuerlatenzen berücksichtigt wird; vgl. DRS 18.21 ff.; IDW, ERS HFA 27, IDW-FN 2009, S. 337, Rz. 14 f.; Kühne/Melcher/ Wesemann, Zweifelsfragen, WPg 2009, S. 1058; Loitz, BilMoG, Ubg 2009, S. 711; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Prüfung, Abschn. M, Rz. 33; Kozikowski/Fischer, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 274, Rz. 45; krit. Lüdenbach/Freiberg, DRS 18, BB 2010, S. 1974. Allerdings ist z. T. nicht eindeutig, ob dies auch für den Zinsvortrag entsprechend gesehen wird, da hier das Problem besteht, dass zeitkongruent anfallende, zu versteuernde temporäre Differenzen nur zu 30% das steuerliche EBITDA erhöhen; vgl. hierzu ausführlich Abschn. C.III.1, S. 365 ff. Vgl. Abschn. A.II.4, S. 350 f. Zu rechtssicheren Steuergestaltungen bzw. Steuerungsinstrumenten vgl. Teil III, S. 303 ff.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
357
werden, weil hierdurch auch das prognostizierte Verrechnungsvolumen annahmebedingt überschätzt werden könnte.185 Dies gilt grundsätzlich auch für die Höhe des festgestellten Zinsvortrags. Sofern dieser aus steuerplanerischen Aktivitäten resultiert, um z. B. die Mindestbesteuerung nach §§ 10d Abs. 2 EStG, 10a S. 2 GewStG abzumildern oder zu vermeiden, ist zu prüfen, ob dessen gezielter Aufbau und zeitnahe Nutzung gegenüber den Finanzbehörden durchsetzbar erscheint.186 Nur unter diesen Bedingungen ist es gewährleistet, dass die Verrechnung des Zinsvortrags innerhalb des Planungshorizonts von den Finanzbehörden auch nach Abschluss einer Betriebsprüfung (noch) akzeptiert wird. Sofern nämlich davon auszugehen ist, dass die zuständige Finanzbehörde die Verrechnung des Zinsvortrags im Falle einer Betriebsprüfung beanstanden wird, sind darin gewichtige Gründe gegen eine Verrechnung zu erkennen. Eine im fünfjährigen Planungszeitraum zwischenzeitliche Materialisierung des Zinsvortrags könnte somit nachträglich rückgängig gemacht werden. Die Gefahr einer nachträglichen Versagung des im Zinsvortrag gespeicherten Steuervorteils darf aufgrund des Prinzips der Bewertungsvorsicht grundsätzlich nicht für die steuerliche Prognoserechnung akzeptiert werden. Dies gilt auch dann, wenn überzeugende Gründe für eine Durchsetzung der tatsächlich eingenommenen – verwaltungsinkonformen – Rechtsposition im Finanzgerichtsverfahren sprechen. Denn solange noch keine Gerichtsprozesse zu den jeweiligen Auslegungsfragen geführt wurden, ist nach der Einlegung des Einspruchs gegen die Steuerfestsetzung mit einem Urteil regelmäßig erst am Ende des fünfjährigen Planungshorizonts zu rechnen.187 Ferner sind nach dem obigen Wahrscheinlichkeitsverständnis für qualitative Prognosesachverhalte negative Ereignisse (Beanstandung der vertretenen Rechtsauffassung durch die Betriebsprüfung) stärker zu gewichten als positive Ereignisse (Bestätigung der vertretenen Rechtsauffassung durch ein Finanzgericht).188 Aufgrund der Begrenzungsfunktion der handelsrechtlichen Bewertungsprinzipien wirken sich somit insbesondere die Veräußerung von Teilbetrieben und die Beendigung von Organschaften negativ auf den Umfang der zukünftigen Zinsvortragsverrechnung aus, weil diese Sachverhalte aus Sicht der Finanzverwaltung den (partiellen) Untergang des Zinsvortrags zur Folge haben.189 Vor diesem Hintergrund sollte die Nutzung des Zinsvortrags 185
186
187 188 189
Die im Rahmen der Steuerdeklaration vertretenen, verwaltungsinkonformen Rechtsauffassungen, die sich mindernd auf die Höhe des vorläufig festgestellten, laufenden Gewinns bzw. Einkommens und der relevanten Parameter des Grundtatbestands der Zinsschranke auswirken, sind für die steuerliche Ergebnisprognose als Schätzannahmen beizubehalten. Würde man entgegen der Realität eine fiktive Verwaltungstreue unterstellen, fielen annahmebedingt die zu prognostizierenden Bemessungsgrundlagen zu hoch aus. Zur Rechtsunsicherheit bei künstlich durch Gesellschafterfremdfinanzierung erzeugten Zinsvorträgen vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.III.3, S. 200; Teil II – Kapitel 2 – Abschn. A.IV.7.b, S. 236. Generell sollte die Steuerbarwertminimierung aber weder als verwaltungsinkonform noch als missbräuchlich einzustufen sein. Vgl. Abschn. A.II.4, S. 350 (Fn. 149). I. d. S. Selchert, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 252 HGB, Rz. 87. Zur kontroversen Diskussion dieser Rechtsauffassung vgl. Teil II – Kapitel 1 – Abschn. B.I.4.b.ii, S. 147 ff. Die befragten Experten empfehlen ihren Mandanten ganz überwiegend eine von der Verwaltungsmeinung abweichende Rechtsauffassung. In Abhängigkeit von den Mandantenverhältnissen wird aber zur Reduktion von Planungsunsicherheiten auch eine verwaltungskonforme Rechtsauffassung empfohlen; vgl. Teil II – Ka-
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
auf Basis des Equity-Escape grundsätzlich nicht als Prognosesachverhalt zugelassen werden, weil die Rechtsunsicherheiten insbesondere im Zusammenhang mit schädlichen Gesellschafterfremdfinanzierungen kaum kontrollierbar erscheinen. Dieser Befreiungstatbestand sollte allenfalls dann akzeptiert werden, wenn das Unternehmen über fundierte Erfahrungen mit der Anwendung der Vorschrift verfügt und die notwendigen Kontrollmechanismen implementiert hat. Diese auf den ersten Blick als restriktiv und komplexitätssteigernd anmutenden Anforderungen an die Erstellung der Prognoserechnung könnten sich bei näherer Betrachtung jedoch als arbeitsökonomisch vorteilhaft erweisen. Sofern nämlich eine aktive Steuerlatenz für den Zinsvortrag auf der Grundlage einer streitanfälligen Rechtsbeurteilung gebildet und diese zwischenzeitlich aufgelöst würde, weil der Zinsvortrag – vorbehaltlich einer Nachprüfung durch die Finanzbehörden – zunächst zur Verrechnung zugelassen wird, wäre für den streitbefangenen Auflösungsbetrag mitunter eine Steuerrückstellung zu bilden. Denn es droht die Gefahr, dass die steuerwirksame Verrechnung des Zinsvortrags im Nachhinein versagt wird. IV. Methodengestützte und vorsichtige Wertermittlung In Abhängigkeit von dem zu schätzenden Einflussfaktor sind unterschiedliche Informationsniveaus vorhanden, die die Auswahl an verwendbaren Prognoseverfahren mitunter begrenzen und ursächlich für unterschiedlich breite Schätzintervalle sind. Die Methodenwahl wird jedoch nicht durch das Vorsichtsprinzip beschränkt.190 Vielmehr ist ein informationsniveauabhängiger Methodeneinsatz erforderlich, um dem Kriterium der Sachgerechtigkeit einer vernünftigen kaufmännischen Beurteilung zu entsprechen.191 So ist für jeden Einflussfaktor zu prüfen, ob die Beobachtung von historischen Daten als Grundlage für die Prognose der zukünftigen Entwicklung des Einflussfaktors geeignet ist und in welchem Umfang subjektive Einschätzungen für eine sachgerechte Wertfindung erforderlich sind.192 Die Entwicklung der investitionsspezifischen Einflussfaktoren (EBITDA und AfA) sollte in vielen Fällen anhand historischer und erfahrungsbasierter Wachstumsprognosen und Verteilungsannahmen eingrenzbar sein.193 Aus diesem Intervall an diskreten oder stetigen Zustands190
191
192
193
pitel 2 – Abschn. A.IV.4.b, S. 234. Vgl. Moxter, Rechnungslegung, 2003, S. 35; Küsters, in: Mertens/Rässler, Prognoserechnung, 2005, S. 394; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 252 HGB, Rz. 70; Selchert, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 252 HGB, Rz. 89. Damit wird der Schätzungsrahmen intersubjektiv nachprüfbar und der Beurteilungsspielraum wird methodenseitig limitiert. Zur Objektivierungsfunktion von Schätzverfahren vgl. Baetge, Objektivierung, 1970, S. 85. Vgl. Ballwieser, in: Schmidt, MüKomm-HGB, Bd. 4, § 253 HGB, Rz. 94 f.; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. E, Rz. 72 ff. u. 1538. Reuter misst den objektiven Daten (ohne diese zu definieren) einen umfassenden Verwendungsvorrang gegenüber subjektiven, erfahrungsbasierten Schätzungen zu; vgl. derselbe, Rückstellungen, 2007, S. 38. Vgl. Abschn. A.II.2, S. 346 ff. Zur finanzgerichtlichen Rechtsprechung über die methodengestützte Bewertung von Rückstellungen vgl. Naumann, Rückstellungen, 1989, S. 214 f. m. w. N.; Reuter, Rückstellungen, 2007, S. 38 m. w. N.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
359
realisationen des EBITDA ist ein konkreter Prognosewert auszuwählen. Nach überwiegender Ansicht im handelsrechtlichen Schrifttum wird dem Vorsichtsprinzip bei der Auswahl des Prognosewerts Rechnung getragen, wenn ein Wert zwischen dem Erwartungswert und dem unteren Ende der Bandbreite bzw. ein pessimistischer Wert gewählt wird.194 Sofern das Schätzintervall eine hohe Anzahl an wahrscheinlichen Zustandsrealisationen abbildet und frequentistische Wahrscheinlichkeiten ermittelbar sind (Risikosituation), wird es auch für sachgerecht erachtet, den Erwartungswert auszuwählen.195 Sofern zur Unterstützung der steuerlichen Detailplanung (operative Planung) historische und/oder stochastische Verfahren Anwendung finden und auf eine umfassende Datengrundlage zurückgegriffen werden kann, sollte der Erwartungswert des EBITDA als Prognosewert akzeptiert werden. Da sich mit zunehmendem Planungshorizont über statistische Verfahren keine hinreichend verlässlichen Prognosewerte mehr ermitteln lassen (Ungewissheits- und Unsicherheitssituation), sollten für den mittelfristigen Planungshorizont (taktische Planung) eher pessimistische Prognosewerte verwendet werden. Beispielsweise könnten optimistische Wachstumsprognosen auf ein durchschnittliches Niveau zurückgeführt werden und/oder ein im Schätzintervall befindlicher Prognosewert unterhalb des Erwartungswerts angesetzt werden. Eine vorsichtige Auswahl des Prognosewerts aus dem Schätzintervall könnte beispielsweise darin bestehen, dass man denjenigen Wert auswählt, der mit einer kumulierten Wahrscheinlichkeit von 20% nicht unterschritten wird (sog. Sicherheitsniveau).196 Sofern das EBITDA nicht mittels quantitativer Messmethoden geschätzt, sondern auf Basis subjektiver Punktschätzungen festgelegt wird, müssen diese Werte anhand unternehmensinterner Dokumentationen (z. B. Gutachten eines Marktforschungsinstituts etc.) begründbar sein und gegebenenfalls anhand unternehmensexterner, branchenspezifischer Konjunkturprognosen nachvollziehbar sein. Im Falle von besonders optimistischen Prognosen und hohen Wachstumsraten (z. B. Produktinnovationen) sollten die Punktschätzungen jedoch nicht dem Vorsichtsprinzip genügen, wenn nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung von einer hohen Volatilität des EBITDA auszugehen ist. Gegebenenfalls ist eine verlässliche Prognose gar nicht oder nur für einen verkürzten Prognosezeitraum möglich. Mitunter könnte eine vorsichtige Wertfindung aber auch durch Einsatz des sog. Drei-Werte-Verfahrens erreicht werden.197 Auf Basis der dort angenommenen Gleichverteilung zwischen minimalem bzw. maximalem Wert und dem Erwartungswert 194
195
196 197
Vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 479; Baetge/Kirsch/Thiele, Bilanzen, 2009, S. 139; Federmann, Bilanzierung, 2010, S. 223; Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 252 HGB, Rz. 68; Selchert, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 252 HGB, Rz. 87; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. E, Rz. 76; Wohlgemuth, in: Hofbauer/Kupsch, Rechnungslegung, § 253, Rz. 95. Vgl. Baetge, Objektivierung, 1970, S. 141 ff.; Drukarczyk, Interpretation, S. 135; Moxter, Rechnungslegung, 2003, S. 36; Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. E, Rz. 72; Ballwieser in: Schmidt, MüKomm-HGB, Bd. 4, § 252 HGB, Rz. 57, der von statistischen Kollektiven spricht; Wohlgemuth, in: Hofbauer/Kupsch, Rechnungslegung, § 253, Rz. 93. Vgl. Schildbach, Jahresabschluss, 2009, S. 97; hierzu auch Leffson, GoB, 1987, S. 479 f.; Naumann, Rückstellungen, 1989, S. 240 ff. Vgl. Rose, Steuerberatung, S. 49 f.; derselbe, Steuerlehre, 1992, S. 282. Zum Drei-Werte-Verfahren ausführlich vgl. Abschn. A.II.2, S. 348.
360
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
könnte ein dem Vorsichtsprinzip genügender, unterhalb des Erwartungswerts bzw. im Sicherheitsniveau liegender Prognosewert ausgewählt werden.198 Zur Prognose der Entwicklung der finanzierungsspezifischen Einflussfaktoren sollte regelmäßig die interne Finanzplanung des Unternehmens die verlässlichste Grundlage darstellen. Entsprechend der obigen Ausführungen zur Schätzung des EBITDA sollte ein vergleichsweise schmales Intervall an mehr oder weniger wahrscheinlichen Zustandsrealisationen des Zinssaldos bestimmbar sein (Risikosituation), woraus der Erwartungswert berechnet werden kann.199 Sofern die zukünftigen Zinssalden beispielsweise aufgrund einer geplanten Veränderung der Kapitalstruktur nur vernünftig über einzelne Prognosewerte unter Angabe subjektiver Wahrscheinlichkeiten geschätzt werden können (Ungewissheitssituation), müssen diese Prognosewerte durch interne Planungsrechnungen, Finanzierungskontrakte, übliche Finanzierungspolitik etc. intersubjektiv nachvollziehbar sein, um dem Vorsichtsprinzip zu genügen.200 Anders als bei Intervallschätzungen ist es im Falle von Punktschätzungen regelmäßig nicht erforderlich, das Schätzrisiko zu reduzieren,201 weshalb ein besonders pessimistischer Wertansatz nicht mit dem Verweis auf das Vorsichtsprinzip zwingend erscheint. Sofern ein singulärer Prognosewert im Vergleich zu den übrigen Prognosewerten mit hoher Eintrittswahrscheinlichkeit realisiert wird, ist der Wert mit der höchsten Eintrittswahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.202 Im Falle mehrerer gleichverteilter oder unbekannter Wahrscheinlichkeiten (Unsicherheitssituation) ist aus Vorsichtsgründen eine pessimistische Wertbestimmung vorzunehmen,203 was tendenziell eine Überschätzung des (negativen) Zinssaldos begünstigt. Bei den unternehmensstrukturspezifischen Einflussfaktoren müssen Sachverhaltsentwicklungen, die den (partiellen) Untergang des Zinsvortrags zur Folge haben, bereits ab dem Diskussionsstadium der schädlichen Maßnahmen – ungeachtet ihres mitunter vagen und unverbindlichen Charakters – berücksichtigt werden. Hingegen sollten positiv wirkende Maßnahmen erst dann zu berücksichtigen sein, wenn sie bereits umgesetzt oder hierfür offenkundige Anhaltspunkte nachgewiesen werden können (z. B. ernsthafte Einleitung der Planungsphase oder Managementbeschlüsse).204
198
199 200 201 202 203
204
Das Vorsichtsprinzip zwingt bei Annahme einer Gleichverteilung nicht zum Ansatz des minimalen Werts; vgl. zur vergleichbaren Problematik bei der Wertfindung von Rückstellungen Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. E., Rz. 1535; Ballwieser, in: Schmidt, MüKomm-HGB, Bd. 4, § 253 HGB, Rz. 96; a. A. Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 253, Rz. 155. Im Falle von ergebnis- oder ratingabhängigen Kreditkonditionen, sollten bei der Schätzung des Zinssaldos etwaige Korrelationen mit den prognostizierten EBITDA-Werten berücksichtigt werden. Vgl. Selchert, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 252 HGB, Rz. 88. Vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 470. Vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 471; in Bezug auf die Bewertung von Rückstellungen vgl. Naumann, Rückstellungen, 1989, S. 238 m. w. N.; Kozikowski/Schubert, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 253, Rz. 155. Vgl. Winnefeld, Bilanz-Handbuch, 2006, Kap. E, Rz. 76; Winkeljohann/Büssow, in: Ellrott et al., BilanzKommentar, § 252, Rz. 33; hinsichtlich der Bewertung von Rückstellungen vgl. Reuter, Rückstellungen, 2007, S. 41 f. m. w. N. I. d. S. ebenfalls Spanheimer/Simlacher, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 274 HGB, Rz. 40.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
361
Aufgrund der teilweise heterogenen Datenstruktur von investitions-, finanzierungs- und unternehmensstrukturspezifischen Einflussfaktoren sollte das Vorsichtsprinzip grundsätzlich für jeden zu schätzenden Parameter separat beachtet werden. Die Anwendung des Vorsichtsprinzips auf ein sich insgesamt ergebenes Intervall an abziehbaren bzw. nicht abziehbaren Zinsen ginge in die Richtung eines pauschalen Risikoabschlags, worunter die intersubjektive Nachprüfbarkeit leidet und nach Ansicht des DRSC nicht sachgerecht ist (DRS 18.17). Sofern die Prognose bestehende Korrelationen zwischen investitions- und finanzierungsspezifischen Einflussfaktoren berücksichtigt, sollte es nicht zu beanstanden sein, wenn aus der zusammengefassten bzw. integrierten Berechnung der beiden Einflussfaktoren ein (vorsichtiger) Schätzwert nach den obigen Kriterien ausgewählt wird. Die jeweils verwendete Prognosemethode unterliegt dem Stetigkeitsgebot (§ 252 Abs. 1 Nr. 6 HGB), weshalb der Bilanzierende auf ein einmal angewendetes Bewertungsverfahren aus Gründen der intertemporalen Vergleichbarkeit der Jahresabschlüsse und des Gebots der Willkürfreiheit grundsätzlich festgelegt wird.205 Ein Methodenwechsel ist aber jedenfalls dann möglich, wenn sich hierüber verlässlichere Schätzergebnisse erzielen lassen.206 Gegebenenfalls ist ein Methodenwechsel bei Veränderung des Informationsniveaus über den zu schätzenden Einflussfaktor sogar notwendig (insbesondere bei Verschlechterung des Informationsniveaus), um zu einer dem Vorsichtsprinzip genügenden, vernünftigen Wertfindung zu gelangen.207 Im Falle von aktiven Steuerlatenzen berührt ein Methodenwechsel die Einschätzung von zukünftigen Vorteilen, weshalb nur im Wirtschaftsjahr des Methodenwechsels eine Erfolgswirkung eintritt. Die sog. sachliche Stetigkeit erfordert eine einheitliche Methodenverwendung bei art- und funktionsgleichen Bewertungsobjekten. Diese sachliche Anforderung sollte auch für die Prognose von EBITDA und Zinssaldo gelten, wenn für beide Parameter ein identisches Informationsniveau verfügbar ist.208 V.
Anhangangaben
Die Angaben im Anhang zu den Ursachen der Bilanzierung von latenten Steuern sind in § 285 Nr. 29 HGB (un)geregelt.209 In der Literatur besteht Uneinigkeit über die qualitative und quantitative Reichweite bzw. Detailtiefe, die sich aus dieser Norm für die Erläuterung von Steuerlatenzen ableiten lässt.210 205 206 207 208 209 210
Ausführlich zum Stetigkeitsgebot vgl. Selchert, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 252 HGB, Rz. 131 ff. Vgl. Meyer/Ruberg, Leitlinien, Ubg 2010, S. 433. Zur Methodenstetigkeit bei der Bewertung von Rückstellungen vgl. Naumann, Rückstellungen, 1989, S. 255; Reuter, Rückstellungen, 2007, S. 42 f. Zu berechtigten Durchbrechungen des Stetigkeitsgrundsatzes vgl. Leffson, GoB, 1987, S. 437 ff.; IDW, HFA 3/1997, WPg 1997, S. 541; Selchert, in: Küting/Pfitzer/Weber, HdR, § 252 HGB, Rz. 166 ff. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, Rechnungslegung, § 252 HGB, Rz. 107 m. w. N. Kleine und mittelgroße Kapitalgesellschaften (& Co) sind gem. § 288 Abs. 1, 2 HGB von dieser Anhangangabe ausgenommen. Vgl. Kühne/Melcher/Wesemann, Grundlagen, WPg 2009, S. 1012; Wulf, Anhangberichterstattung, DStZ 2010, S. 415. Indes wurde in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum BilMoG klargestellt, dass die Angabepflicht unabhängig davon besteht, ob das Wahlrecht zur Bilanzierung eines Aktivüberhangs von
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
Obgleich sich die Vorschrift nicht explizit auf Zinsvorträge bezieht, ist davon auszugehen, dass diese auch erfasst werden.211 Demnach ist im Anhang anzugeben, in welchem Umfang latente Steuern für Verlust- und Zinsvorträge gebildet werden. Nicht angabepflichtig ist aber, in welcher Höhe die Aktivierung von Steuerlatenzen für Verlust- und Zinsvorträge unterblieben ist. Damit ist für den Bilanzleser nicht ersichtlich, mit welcher Quote das bilanzierende Unternehmen von (nicht) werthaltigen Verlust- und Zinsvorträgen ausgeht. Folglich lassen sich auf der Grundlage von § 285 Nr. 29 HGB nur dann Informationen über Zinsschrankenrisiken2. Ordnung ableiten, wenn im Anhang freiwillig über den Bestand an verfügbaren Verlustund Zinsvorträgen berichtet wird.212 Da für den HGB-Einzelabschluss keine Überleitungsrechnung vorgesehen ist, können hieraus auch keine weiteren Informationen über die Existenz von Zinsschrankenrisiken gewonnen werden.213 In der Literatur wird es aber dennoch für sachgerecht erachtet, wenn freiwillig eine Überleitungsrechnung erstellt wird.214 In Abhängigkeit des Detaillierungsgrads der Überleitungsrechnung könnten die Effekte der Zinsschranke auf die Steuerquote separiert werden und das Verhältnis von tatsächlichem, zinsschrankeninduziertem Steuermehraufwand zu latentem Steuerertrag aufgrund der (teilweisen) Aktivierung der Steuerlatenz näherungsweise bestimmt werden. Anhand dieses Verhältnisses und der Pflichtangaben von § 285 Nr. 29 HGB könnten Anhaltspunkte für die Existenz und über den Umfang eines Zinsschrankenrisikos2. Ordnung ermittelt werden.
211 212
213
214
Steuerlatenzen (§ 274 Abs. 1 S. 2 HGB) ausgeübt wird; vgl. BT-Drs. 16/12407, S. 88. So auch Küting/Seel, Ungereimtheiten, DB 2009, S. 924; Loitz, Wahlrecht, DB 2009, S. 919. So auch Ellrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 285, Rz. 472; Gelhausen/Fey/Kämpfer, Prüfung, Abschn. O, Rz. 259. Freiwillige Angaben über bilanzierte und nicht bilanzierte Verlust- und Zinsvorträge befürworten: Kühne/Melcher/Wesemann, Grundlagen, WPg 2009, S. 1013; Wendholt/Wesemann, HGB-Modernisierung, DBBeilage 2009 zu Heft 23, S. 68. Nur vereinzelt werden verpflichtende Angaben über die Werthaltigkeit und Nutzungswahrscheinlichkeit von Verlust- und Zinsvorträgen gefordert; vgl. Ellrott, in: Ellrott et al., BilanzKommentar, § 285, Rz. 472. Vgl. Kirsch, Latente Steuern, DStZ 2009, S. 517; Wendholt/Wesemann, HGB-Modernisierung, DB-Beilage 2009 zu Heft 23, S. 68; Ellrott, in: Ellrott et al., Bilanz-Kommentar, § 285, Rz. 474. Auch das DRSC fordert nur für den Konzernabschluss eine Überleitungsrechnung (DRS 18.67). In der Regierungsbegründung zum BilMoG (BT-Drs. 16/10067, S. 68) wurde noch eine Überleitungsrechnung gefordert; diese Forderung ist aber in der Beschlussempfehlung des Rechtsausschusses zum BilMoG (BT-Drs. 16/12407) nicht mehr enthalten. Vgl. IDW, ERS HFA 27, IDW-FN 2009, S. 337, Rz. 35; Petersen/Zwirner, Darstellung, StuB 2009, S. 418; Loitz, DRS 18, DB 2010, S. 2185.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
C.
363
Anforderungen von IAS 12 zur Konkretisierung von Prognosewerten für den Nachweis werthaltiger Zinsvorträge
I.
Übergeordnete Rahmengrundsätze
Zwar enthält IAS 12 durchaus konkrete Vorgaben, die bei der Beurteilung der zukünftigen Verwertung von Steuervorteilen (abzugsfähigen temporären Differenzen, Verlust- und Zinsvortrag etc.) zu berücksichtigen sind, dennoch ist es erforderlich, diese Vorgaben durch weitere Anforderungen zu ergänzen, um konkrete Prognosewerte ermitteln zu können. Diese Anforderungen müssen den Ansprüchen der internationalen Rahmengrundsätze (Framework) genügen.215 Auf der Grundlage der sog. Basisannahmen, der Unternehmensfortführung und der Periodenabgrenzung werden im Framework qualitative Merkmale für die Abschlusserstellung festgelegt, damit die kommunizierten Informationen für einen Abschlussadressaten nützlich sind.216 Zu den Primärgrundsätzen zählen die Entscheidungsrelevanz (F. QC 6 ff.) und die glaubwürdige Berichterstattung (F. QC 12 ff). Danach ist die Berichterstattung glaubwürdig, wenn sie neutral i. S. von verzerrungsfrei ist und den Bilanzleser über Annahmen und Methoden bei der Schätzung von Werten aufklärt. Daneben bestehen Sekundärgrundsätze, die zur Verbesserung einer entscheidungsnützlichen Berichterstattung beitragen sollen (F. QC 19). Hierzu zählen die folgenden Grundsätze: Vergleichbarkeit (F. QC 20 ff.), Nachprüfbarkeit (F. QC 26 ff.), zeitnahe Berichterstattung (F. QC 29) und Verständlichkeit (F. QC 30 ff.). Aus dem Grundsatz der Vergleichbarkeit wird der Grundsatz der Bewertungsstetigkeit abgeleitet.217 Mit dem Grundsatz der Nachprüfbarkeit soll eine fehlerfreie Anwendung von Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden gewährleistet werden.218 Der Grundsatz der Vorsicht wurde mit der Überarbeitung des Frameworks im Jahr 2010 gestrichen.219 Ihm wurde aber ohnehin keine mit dem HGB vergleichbare Bedeutung beigemessen.220 Im Zusammenhang mit der entscheidungsnützlichen Berichterstattung ist das Wirtschaftlichkeitsprinzip (F. QC 35 ff.) zu beachten, wonach die Kosten einer die Primär- und Sekundär-
215
216
217 218 219 220
Das Framework besitzt allerdings keinen mit einem Standard vergleichbaren Rang. Obwohl das Framework formell nicht zu den EU-IFRS gehört, kann den amtlichen Unterlagen der EU-Kommission entnommen werden, dass es grundsätzlich zu beachten ist; vgl. Theile, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 252 m. w. N. Die Primär- und Sekundärgrundsätze des Frameworks wurden im September 2010 überarbeitet; zum Exposure Draft vgl. Gassen/Fischkin/Hill, Rahmenkonzept, WPg 2008, S. 878 f.; Wawrzinek, in: Bohl/Riese/ Schlüter, IFRS-Handbuch, § 2, Rz. 181 ff. Zu den qualitativen Merkmalen des IFRS-Abschlusses vor der Überarbeitung des Frameworks vgl. Pellens et al., Rechnungslegung, 2008, S. 113 ff.; Baetge et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil A, Kap. II, Rz. 41 ff. Vgl. F. QC 22; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 1, Rz. 83 ff.; Baetge et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil A, Kap. II, Rz. 138 ff. Vgl. Wawrzinek, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 2, Rz. 196. Vgl. F. BC 3.27 ff., worin auf einen Konflikt zwischen verzerrungsfreier und vorsichtiger Bewertung hingewiesen wird. Vgl. z. B. Pellens et al., Rechnungslegung, 2008, S. 134; Meyer/Ruberg, Leitlinien, Ubg 2010, S. 434; Baetge/Zülch, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. I/2, Rz. 312.
364
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
grundsätze beachtenden Bilanzierung und deren (zusätzlicher) Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen müssen. II.
Wahrscheinlichkeitsverständnis
Zentrales Ansatz- und Bewertungskriterium bei der Bilanzierung von aktiven Steuerlatenzen für Verlust- bzw. Zinsvorträge stellt die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit für das Vorliegen von zukünftigen zu versteuernden Ergebnissen bzw. verrechenbarem EBITDA dar (IAS 12.34). Jedoch wird der Terminus „wahrscheinlich“ (probable) nicht in IAS 12 definiert. Nach der Auffassung des IASB und der nunmehr herrschenden Meinung wird probable im Sinne von more likely than not verstanden.221 Hierüber wird eine Mindesteintrittswahrscheinlichkeit von mehr als 50% festgelegt.222 Im Falle einer Verlust- und/oder Zinshistorie wird aufgrund der in IAS 12.35 geforderten erhöhten Anforderungen an den Nachweis einer zukünftigen Verrechenbarkeit teilweise eine Eintrittswahrscheinlichkeit von deutlich über 50% gefordert.223 Damit die Erfüllung der Mindesteintrittswahrscheinlichkeit intersubjektiv nachvollziehbar wird, ist bereits für die zukünftige Verrechnung des Verlustvortrags ein hoher Detaillierungsgrad der Prognoserechnung erforderlich. Nach einhelliger Auffassung wird man diesem Anspruch nur mittels fundierter steuerlicher Planungsrechnungen gerecht, anhand derer die vom Management angenommenen Ergebnis- bzw. EBITDA- und Zinssaldoentwicklungen transparent und auf ihre Verlässlichkeit hin überprüfbar werden.224 Bei der Erstellung der steuerlichen Prognoserechnungen wird vorgeschlagen, auf den Daten aus der operativen Planung aufzubauen, die für Zwecke des Impairment-Test nach IAS 36 erstellt werden.225 III. Unsicherheitsabsorption Der Grundsatz der Vollständigkeit erfordert grundsätzlich eine Auswertung von sämtlichen bilanzierungsrelevanten Informationen.226 Die elementaren Anforderungen an die Prognose221
222
223
224
225 226
Vgl. IASB, Update, S. 3. Vor der grundlegenden Überarbeitung des IAS 12 im Jahr 1996 musste die Verrechnung des Verlustvortrags noch mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erfüllt sein, um zum Ansatz einer aktiven Steuerlatenz zu berechtigen; vgl. ABl. EU 2003, L 261, S. 63. Vgl. Kirsch, Zinsvortrag, PiR 2007, S. 239; Lienau/Erdmann/Zülch, IAS 12, DStR 2007, S. 1095; v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 184; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 200; Adler/Düring/ Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 87; Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 79; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 26, Rz. 49; a. A. Ballwieser/Kurz, in: Epstein/Jermakowicz, IFRS, Abschn. 15, Rz. 35. Vgl. Küting/Zwirner, Indikationsfunktion, BB 2005, S. 1555 f.; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRSKommentar, § 26, Rz. 54; Thiele/Eckert, in: Thiele/v. Keitz/Brücks, IFRS-Kommentar, IAS 12, Rz. 215. Zu den erhöhten Nachweiserfordernissen im Falle einer Verlust- bzw. Zinshistorie vgl. Abschn. C.III.1, S. 365 ff. Vgl. Brähler/Brune/Heerdt, Zinsschranke, KoR 2008, S. 294; v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 185 f.; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 200 f. Zum hohen Anforderungsniveau an Steuerplanungsrechnungen vgl. bereits Küting/Zwirner, Indikationsfunktion, BB 2005, S. 1555 f. Vgl. Loitz, Verluste, WPg 2007, S. 780; Bösser/Pilhofer, Verlustvorträge, KoR 2008, S. 301 f.; Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 74. Vgl. Baetge/Zülch, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. I/2, Rz. 247 f.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
365
rechnung sollten sich somit im Wesentlichen nicht von denen des HGB unterscheiden. Der Vollständigkeitsgrundsatz wird jedoch insbesondere durch das Wirtschaftlichkeitsprinzip (Kosten-Nutzen-Abwägung) und das Prinzip der Wesentlichkeit eingeschränkt.227 Folglich sollten die Intensität der Informationsauswertung und der Detaillierungsgrad der Prognoserechnung mit abnehmender Relevanz der aktiven Steuerlatenz für den Abschluss der jeweiligen Berichtseinheit (regelmäßig ist dies die Konzernmutter) sinken. Sofern man unterstellt, dass die für den betrieblichen Zinsvortrag zu aktivierende Steuerlatenz eine entscheidungsrelevante Bilanzposition darstellt, ist eine umfassende Auswertung sämtlicher Einflussfaktoren zur Beurteilung der Nutzbarkeit von abzugsfähigen Differenzen bzw. von Verlust- und Zinsvorträgen erforderlich.228 Die Informationsauswertung sollte meines Erachtens den gesamten Wertaufhellungszeitraum einbeziehen, damit entscheidungsrelevante Informationen einbezogen und verlässliche Prognosewerte ermittelt werden können.229 1.
Objektivierungskriterien
Bei der Beurteilung, ob die Verrechnung des Zinsvortrags wahrscheinlich ist, gibt IAS 12 konkrete Kriterien vor, die eine Indikatorfunktion für die Belastbarkeit einer positiven Verrechnungsprognose erfüllen.230 Grundsätzlich gelten für Verlust- und Zinsvorträge sowie Steuergutschriften die gleichen Kriterien wie für abzugsfähige temporäre Differenzen (IAS 12.35 i. V. mit IAS 12.27 ff.).231 Dementsprechend kann der Zinsvortrag angesetzt werden, wenn in der Zukunft ausreichend hohe verrechenbare EBITDA und/oder Zinsertragsüberschüsse wahrscheinlich zur Verfügung stehen werden. Der Zinsvortrag ist dabei jedoch selbst als Indikator für eine eher pessimistisch zu beurteilende Verrechnungsmöglichkeit anzusehen. Ein positiver Indikator für eine zukünftige Verrechnungsmöglichkeit könnte darin gesehen werden, wenn der betreffende Betrieb gegenüber derselben Steuerbehörde und hinsichtlich derselben Steuerart über zeitkongruent anfallende zu versteuernde temporäre Differenzen verfügt, gegen die der Zinsvortrag verrechnet werden kann (IAS 12.36 lit. a).232 Sofern der zukünftige Abbau des Zinsvor227 228 229
230 231 232
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 1, Rz. 82; Baetge et al., in: Baetge et al., IFRSKommentar, Teil A, Kap. II, Rz. 128. Vgl. Bösser/Pilhofer, Verlustvorträge, KoR 2008, S. 301; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 91. Dies ist aber in Bezug auf den „substantially enacted“ Steuersatz, der zur Berechnung von aktiven und passiven Steuerlatenzen gem. IAS 12.47 heranzuziehen ist, im Schrifttum umstritten; vgl. Pawelzik, in: Heuser/Theile, IFRS, Rz. 2649, der Steuersatzänderungen im Wertaufhellungszeitraum berücksichtigen möchte; a. A. Thiele/Eckert, in: Thiele/v. Keitz/Brücks, IFRS-Kommentar, IAS 12, Rz. 287. Vgl. Coenenberg/Haller/Schultze, Jahresabschluss, 2009, S. 490 f.; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 88. Vgl. v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 184 f.; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 199. Die zu versteuernden temporären Differenzen werden regelmäßig auch passive Steuerlatenzen begründen; vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 89; Coenenberg/Blaum/Burkhardt, in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 12, Rz. 80. Ferner ist grundsätzlich nach der Steuerart zu differenzieren, da die anspruchsberechtigten Hoheiten von Körperschaft- und Gewerbesteuer verschieden sind; vgl. Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 51.
366
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
trags nicht auf die Inanspruchnahme des Stand-alone- oder Equity-Escape zurückzuführen ist, müssen die zu versteuernden temporären Differenzen, die das EBITDA erhöhen, betragsmäßig mindestens das 31/3-Fache des Zinsvortrags ausmachen, um als ausreichend hoch bezeichnet werden zu können;233 zu versteuernde temporäre Differenzen, die einen Zinsertragsüberschuss begründen bzw. erhöhen, sind mit dem Faktor 1 zu berücksichtigen.234 Der Mindestbetrag an zu versteuernden Differenzen erhöht sich entsprechend, wenn neben dem Zinsvortrag noch zeitkongruente, abzugsfähige temporäre Differenzen bestehen, da diese das EBITDA vermindern und somit bereits einen Teil der für den Zinsvortrag benötigten zu versteuernden Differenzen aufzehren.235 Sollte neben dem Zinsvortrag noch ein Verlustvortrag bestehen, so zehrt der Zinsvortrag aufgrund seiner vorrangigen Verrechnung wiederum den Betrag an zu versteuernden temporären Differenzen des Verlustvortrags auf.236 Mithin erlangt die zeitliche Planung des Umkehreffekts von temporären Differenzen sowie der Nutzung von Zins- und Verlustvorträgen enorme Bedeutung.237 Dennoch erscheint diese aus dem Wortlaut von IAS 12 abgeleitete Untermauerung einer wahrscheinlichen Nutzung nur dann auf den Zinsvortrag übertragbar zu sein, soweit dessen zukünftige Verrechnung gegen einen hohen Zinsertragsüberschuss oder auf der Basis einer rechtssicheren Inanspruchnahme einer der o. g. Ausnahmetatbestände geplant ist. Denn in diesen Fällen ist die Verrechnung unabhängig vom Verhältnis des verrechenbaren EBITDA zum Zinssaldo. Sofern die Verwertung des Zinsvortrags allerdings innerhalb der Grenzen des Grundtatbestands geplant ist, erscheint das Kriterium von verfügbaren zu versteuernden temporären Differenzen ungeeignet zu sein, weil ein einfacher Bemessungsgrundlageneffekt gerade nicht ausreichend ist, um eine Verrechnung des Zinsvortrags zu begründen. Zu versteuernde temporäre Differenzen stellen in diesem Fall keine verlässlichen Indikatoren für das zukünftige Verhältnis von verrechenbarem EBITDA und Zinssaldo dar. Wenn zu versteuernde temporäre Differenzen – ungeachtet ihrer begrenzten Indikatortauglichkeit – nicht in ausreichendem Umfang zur Verfügung stehen, kommt eine Aktivierung einer Steuerlatenz dennoch in Betracht, wenn unter erhöhten Anforderungen zukünftig ein ausreichendes verrechenbares EBITDA bzw. ein ausreichender Zinsertragsüberschuss glaubhaft gemacht werden kann (IAS 12.36 lit. b). Die erhöhten Anforderungen sind darin zu sehen, dass in die Prognoserechnung keine Bemessungsgrundlagenerhöhungen einfließen dürfen, die aus dem erwarteten Entstehen von zukünftigen, abzugsfähigen temporären Differenz233 234 235
236
237
Bereits v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 185. Steigerungen des steuerlichen EBITDA erhöhen das Zinsabzugsvolumen um 30% und Steigerungen des (positiven) Zinssaldos erhöhen es um 100%. Ebenfalls einen Vorrang von abzugsfähigen temporären Differenzen gegenüber Verlust- und Zinsvorträgen bei der Ermittlung der Steuerlatenzen befürwortend Scholz-Görlach, Steueransprüche, PiR 2009, S. 197 u. 201; analog für den HGB-Abschluss IDW, ERS HFA 27, IDW-FN 2009, S. 337, Rz. 14. Eine vorrangige Bilanzierung von Steuerlatenzen für Verlustvorträge gegenüber der Bilanzierung für Zinsvorträge – unabhängig von ihrer Verrechnungsreihenfolge – befürwortend vgl. Scholz-Görlach, Steueransprüche, PiR 2009, S. 198; Bolik/Linzbach, Bilanzierung, DStR 2009, S. 1589. Allgemein Lühn, Steuerplanung, KoR 2007, S. 557 f.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
367
en resultieren, da dieses Steuerentlastungspotenzial selbst wiederum ein zukünftiges steuerliches Ergebnis in ausreichender Höhe erfordert (IAS 12.29 lit. a).238 Sofern die Entstehung des Zinsvortrags allerdings auf separierbare Ursachen zurückgeführt werden kann, welche mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht wieder eintreten werden, ist hierin ein gewichtiger Anhaltspunkt zu sehen, dass von einer zukünftigen Verrechnung ausgegangen werden kann (IAS 12.36 lit. c). Separierbare Ursachen könnten beispielsweise hohe und zwischenzeitlich getilgte Fremdkapitalbestände oder ehemalige (schädliche) Gesellschafterfremdfinanzierungen darstellen. Sollte der Zinsvortrag von defizitären Teilbetrieben oder Organgesellschaften verursacht worden sein, ist zu beachten, dass deren Veräußerung oder Stilllegung bzw. die Auflösung des Organschaftsverhältnisses nach Auffassung der Finanzverwaltung zu einem (partiellen) Untergang des Zinsvortrags führt. Die Beseitigung der Ursache des Zinsvortrags kann zwar als Anhaltspunkt für die zukünftige Vermeidung der Zinsschranke gewertet werden, aber nicht als Indiz für eine rechtssichere Verwertung des Zinsvortrags in zukünftigen Perioden. Hinsichtlich der Akzeptanz von Steuerungsmaßnahmen im Rahmen der Prognoserechnung, die zur (beschleunigten) Nutzung des Zinsvortrags eingeleitet werden, ist entscheidend, wie hoch die Anforderungen an die Wahrscheinlichkeit und an die zeitliche Dauer der finalen Rechtsdurchsetzung einer Steuerungsmaßnahme gestellt werden (Toleranzniveau).239 Als letzter konkretisierender Anhaltspunkt für eine positive Verrechnungsprognose werden Steuergestaltungsmöglichkeiten genannt (IAS 12.36 lit. d i. V. mit IAS 12.30).240 Die in IAS 12.30 aufgeführten Steuergestaltungen sind auf die Erzeugung eines höheren steuerlichen Ergebnisses bzw. EBITDA gerichtet; namentlich werden Sale-Lease-Back-Transaktionen erwähnt (IAS 12.30 lit. c), die sich bereits als rechtssicheres und betriebswirtschaftlich sinnvolles Instrument zur Erhöhung des Zinsabzugsvolumen erwiesen haben.241 Die im Standard beispielhaft aufgeführten Steuergestaltungen haben nicht den Charakter von aggressiven Gestaltungsoptionen, weshalb nur solche Steuergestaltungen akzeptabel erscheinen, die kein oder nur ein sehr geringes Auseinandersetzungsrisiko mit den Finanzbehörden in sich tragen.242 Ferner wird im Schrifttum gefordert, dass die Inanspruchnahme von Steuergestaltungen hinreichend konkret sein muss und nicht bloß eine theoretische Umsetzungsmöglichkeit bestehen darf. So müsse die Umsetzung der Maßnahme wahrscheinlich und in der vollständi-
238
239 240 241
242
Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 95. Auf die Auswirkungen von abzugsfähigen temporären Differenzen auf die Zinsvortragsverrechnung hinweisend Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 201 f. Hierzu ausführlich Abschn. C.III.3, S. 369 f. Krit. zur praktischen Relevanz dieses Kriteriums Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 53. Unter bestimmten Voraussetzungen kann mittels Operating Leasing der betriebliche Zinsabzug optimiert bzw. die Verwertung des Zinsvortrags herbeigeführt werden, vgl. Teil III – Kapitel 2 – Abschn. A.I.1, S. 285 ff. Vgl. Abschn. C.III.3, S. 369 f.
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
gen Entscheidungsmacht der Unternehmensführung liegen. Des Weiteren sollte das gestalterisch generierte Zinsabzugsvolumen hinreichend genau prognostizierbar sein. Dies untermauert wiederum das Erfordernis einer detaillierten Prognoserechnung.243 Im Falle einer Verlust- und/oder Zinshistorie sind höhere Anforderungen an den Nachweis einer zukünftigen Materialisierung des Zinsvortrags zu stellen.244 Es werden überzeugende substanzielle Hinweise gefordert, die eine Verrechnung in hohem Maße glaubwürdig erscheinen lassen.245 Hieraus kann gefolgert werden, dass Umstrukturierungen mit Auswirkungen auf die Ertragskraft und/oder den Zinssaldo des Betriebs bereits eingeleitet sein müssen, die nicht nur ein erneutes Eingreifen der Zinsschranke verhindern, sondern überdies eine Verrechnung des Zinsvortrags ermöglichen. Damit ist klar, dass Umstrukturierungen nur dann die Werthaltigkeit eines Zinsvortrags begründen können, wenn sie nicht zugleich dessen Untergang herbeiführen. Die im Standard ausdrücklich geforderten überzeugenden Hinweise könnten auch das Toleranzniveau von verwaltungsinkonformen Prognoserechnungen herabsetzen.242 2.
Länge des Prognosezeitraums
Anders als im HGB wird in IAS 12 die Länge des Prognosezeitraums nicht fixiert.246 Aufgrund der zeitlich unbefristeten Vortragsmöglichkeit von Verlust- und Zinsvorträgen wird im Schrifttum aber nicht auf einen zeitlich unbegrenzten Prognosezeitraum geschlossen.247 Vielmehr sei der zeitliche Horizont für eine verlässliche Schätzung der zukünftigen Verrechenbarkeit von Verlust- und Zinsvorträgen von den individuellen Verhältnissen des Unternehmens abhängig.248 Nach dieser Auffassung determiniert der vom Unternehmen als verlässlich
243 244
245 246 247
248
Vgl. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 51; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 93 f.; Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 75. In Anlehnung an die US-GAAP wird zur Konkretisierung einer Verlusthistorie auf die steuerlichen Ergebnisse des gegenwärtigen und der beiden davor liegenden Berichtsperioden geblickt. Sofern der kumulierte Betrag dieser Ergebnisse negativ ist, wird von einer Verlusthistorie gesprochen; vgl. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 40. Zu einem Definitionsvorschlag der Zinshistorie vgl. Abschn. B.III.1, S. 354 f. Eine Übertragung der erhöhten Anforderung für Verlustvorträge auf Zinsvorträge befürwortend Brähler/Brune/ Heerdt, Zinsschranke, KoR 2008, S. 293; v. Eitzen/Dahlke, Steuerpositionen, 2008, S. 185; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 199. Zu einer Auflistung von Indizien, die als substanzielle Hinweise für eine Verrechnung gewertet werden könnten, vgl. Lienau/Erdmann/Zülch, IAS 12, DStR 2007, S. 1096. Vgl. die Stellungnahme des DRSC, Verlustvorträge, 2007 (Internetquelle). Dies könne auch nicht mit der Prämisse der Unternehmensfortführung (Going-Concern) gerechtfertigt werden, vgl. Bösser/Pilhofer, Verlustvorträge, KoR 2008, S. 302; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 100; Coenenberg/Blaum/Burkhardt, in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 12, Rz. 87; Thiele/Eckert, in: Thiele/v. Keitz/Brücks, IFRS-Kommentar, IAS 12, Rz. 219; wohl a. A. IDW, RS HFA 2, WPg 1999, S. 591, Rz. 55; Karrenbrock, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. IIIa/1, Rz. 175. Vgl. Berger/Hauck/Prinz, Prognosezeitraum, DB 2007, S. 412; Lienau/Erdmann/Zülch, IAS 12, DStR 2007, S. 1095 f.; Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 26 f.; Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 101 f. Eine langfristige und valide Prognose ist u. a. von der Stabilität bzw. Volatilität der Ertragskraft, der Branche, dem Marktumfeld und der allgemeinen rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmendaten des Unternehmens abhängig; vgl. ebenda.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
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eingestufte Planungszeitraum das zukünftig verrechenbare Zinsvortragsvolumen.249 Da die Schätzunsicherheiten mit der Länge des Prognosezeitraums zunehmen, wird im Schrifttum teilweise eine Begrenzung des Zeitraums auf fünf Planungsperioden für sinnvoll erachtet;250 dies entspricht nach einer Unternehmensbefragung auch der herrschenden Bilanzierungspraxis.251 Angesichts der Vielzahl an relevanten Einflussfaktoren bzw. Schätzparametern sollten Prognosen, die für eine vollständige Verrechnung des Zinsvortrags mehr als fünf Jahre benötigen, kritisch gesehen werden, weil die Notwendigkeit eines in weiter Zukunft liegenden Umkehrzeitpunkts als Indikator dafür gewertet werden kann, dass dem Eingreifen der Zinsschranke nicht mit kurz- und mittelfristig wirkenden Steuerungsmaßnahmen begegnet wird bzw. werden kann. Die Länge des Prognosezeitraums wird durch die Beurteilung der Wahrscheinlichkeit einer zukünftigen steuerwirksamen Verrechnung des Zinsvortrags limitiert.252 Eine auf die individuellen Verhältnisse des Unternehmens abgestimmte Vorgehensweise ermöglicht eine verlässliche Darstellung der Vermögens- und Ertragslage. Aufgrund der Notwendigkeit von subjektiven Annahmen über die zukünftige Ergebnisentwicklung, eröffnen sich dem Bilanzierenden aber auch Ermessensspielräume beim Ansatz und der Bewertung von Steuerlatenzen für den Zinsvortrag. Allerdings sollte der bilanzierende Betrieb regelmäßig ein gesteigertes Interesse an einer möglichst umfassenden Aktivierung des Zinsvortrags haben, um Steigerungen der Effective Tax Rate abzuwenden.253 3.
Toleranzniveau bei der steuerlichen Rechtsbeurteilung
Zu hinterfragen ist, ob auch IAS 12 ein verwaltungstreues Steuerveranlagungsverhalten für Zwecke der Verrechnungsprognose erfordert. Wenn die Zinsschranke lediglich aufgrund eines separierbaren Einmaleffekts eingegriffen hat, sollte es nicht zu beanstanden sein, wenn das bilanzierende Unternehmen auch eine von der Finanzverwaltung abweichende Auffassung vertritt, sofern die vertretene Rechtsauffassung einen großen Rückhalt im Schrifttum findet. Denn anders als im HGB wird der Zeitraum, in dem sich der Steuerentlastungsvorteil des Zinsvortrags materialisieren soll, nicht begrenzt. Somit könnte der erwartete, positive Ausgang einer gerichtlichen Auseinandersetzung jedenfalls dann ins Prognosekalkül einbezogen werden, wenn das Unternehmen ernsthaft bestrebt ist, seine Rechtsauffassung einzuklagen, und gewichtige Indizien für einen positiven Ausgang
249 250 251 252 253
Vgl. Kirsch, Zinsvortrag, PiR 2007, S. 241; Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 201. Vgl. Berger, Verlustvorträge, DB 2006, S. 2474; Hoffmann, in: Lüdenbach/Hoffmann, IFRS-Kommentar, § 26, Rz. 54; Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 74. Nach einer PwC-Umfrage herrscht in praxi ein Planungszeitraum von 3–5 Jahren vor; vgl. Meyer et al., Latente Steuern, 2010, § 2, Rz. 19. So bereits für den Verlustvortrag Loitz, Verluste, WPg 2007, S. 781 f.; Bösser/Pilhofer, Verlustvorträge, KoR 2008, S. 303. Zu den Effekten der Zinsschranke auf die ETR vgl. Teil I – Kapitel 3 – Abschn. C.IV, S. 71 ff.
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
der Rechtssache bestehen.254 Die Vertretung einer verwaltungsinkonformen, aber im Einklang mit der herrschenden Meinung stehenden Rechtsbeurteilung stellt eine angemessene Begrenzung des Beurteilungsspielraums dar. Hingegen sollten Mindermeinungen oder subjektiv für richtig befundene Auffassungen, die zwar eine bessere Verrechnungsprognose ermöglichen, sich aber gegen die herrschende Meinung wenden, regelmäßig keine geeigneten Begründungen für die Eingrenzung des rechtlichen Beurteilungsspielraums liefern, weil sie in Konflikt mit den Grundsätzen der glaubwürdigen Berichterstattung und der Nachprüfbarkeit stehen können. Soweit die Aktivierung der Steuerlatenz für den Zinsvortrag nämlich auf einer vagen und höchst streitbaren Rechtsbeurteilung beruht, wäre der Bilanzansatz eher unglaubwürdig und könnte von sachverständigen Dritten nicht verifiziert werden. Vielmehr läge in diesem Falle die Vermutung nahe, dass das Vermögen vorsätzlich zu hoch ausgewiesen wird.255 Anderes sollte aber gelten, wenn der Betrieb auf eine Verlust- und/oder Zinshistorie zurückblickt.256 Da in diesem Fall höhere Anforderungen an den Nachweis einer zukünftigen Nutzbarkeit des Zinsvortrags zu stellen sind,257 sollte dies auch zu einer Verschärfung der Prognoseannahmen führen. Eine Verrechnungsprognose, die auf konfliktanfälligen Auslegungen der steuerlichen Normen beruht, sollte dann nicht mehr akzeptiert werden können, da die Durchsetzung des Steuerentlastungsvorteils mit hohem Risiko behaftet ist. Folglich sollten Rechtsbeurteilungsrisiken – entsprechend der Ausführungen zum HGB – umfassend vermieden werden.258 Sofern die jeweils vertretenen Rechtspositionen bei der Steuerdeklaration auf der einen Seite und für Prognosezwecke auf der anderen Seite auseinanderfallen, wird diese Inkonsistenz zwischen tatsächlichem Handeln und Prognoseannahme nicht durch den Grundsatz der Bewertungsstetigkeit begrenzt. Eine Begrenzung liegt deshalb nicht vor, weil zwei unterschiedliche bzw. nicht art- und funktionsgleiche Vermögenspositionen bewertet werden: Tax-Asset auf der einen und Tax-Liability auf der anderen Seite.259 IV. Methodengestützte Wertfindung IAS 12 gibt ebenfalls keine genaue Bewertungsmethodik zur Prognose des im Verlust- bzw. Zinsvortrag gespeicherten, werthaltigen Steuerentlastungspotenzials vor. Aus dem Grundsatz der Verlässlichkeit kann lediglich die Forderung einer ausreichend hohen Prognosesicherheit 254
255
256 257 258 259
Da die Finanzverwaltung in Bezug auf die Veräußerung von Teilbetrieben und die Beendigung von Organschaften nach einhelliger Auffassung im Schrifttum die Grenzen der Gesetzesauslegung überschreitet, sollten m. E. gewichtige Indizien für einen positiven Verfahrensausgang gegeben sein; vgl. hierzu Teil II – Kapitel 1 – Abschn.B.4.b.ii, S. 147 ff. Dies bestätigen auch die Ergebnisse der Expertenbefragung aus Teil II – Kapitel 2 – Abschn. A.IV.4.b, S. 234. Der Grundsatz der glaubwürdigen Berichterstattung soll ein verlässliches und verzerrungsfreies Bilanzierungsverhalten im Falle von mit Unsicherheiten behafteten Bilanzpositionen fördern; vgl. Pellens et al., Rechnungslegung, 2008, S. 115; Baetge et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil A, Kap. II, Rz. 49 ff. Zur Definition von Verlust- und Zinshistorie vgl. Abschn. B.III.1, S. 355 (Fn. 172). Vgl. Abschn. C.III.1, S. 368. Vgl. Abschn. B.III.3, S. 356. Zur Reichweite und Konkretisierung des Grundsatzes der Bewertungsstetigkeit mit Verweis auf IAS 8.14, vgl. Baetge et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil A, Kap. II, Rz. 138 ff.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
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abgeleitet werden.260 Eine methodengestützte Wertfindung könnte dazu beitragen, die Prognosegüte zu verbessern und die Wertfindung transparenter zu gestalten. Eine solche Vorgehensweise würde darüber hinaus dem Grundsatz der Glaubwürdigkeit entsprechen, wonach die Offenlegung von wesentlichen Prognoseannahmen geboten sein kann.261 Ferner scheidet eine bilanzielle Erfassung nach diesem Grundsatz aus, wenn keine verlässliche Schätzung gewährleistet ist.262 Eine mit dem HGB vergleichbare vorsichtige Bewertung der aktiven Steuerlatenz ist jedoch nicht vorzunehmen, weshalb ein Sicherheitsniveau im Rahmen der Wertfindung nicht zu berücksichtigen ist.263 Folglich wäre eine methodengestützte Wertfindung entsprechend der Ausführungen zum HGB unter Vernachlässigung eines Sicherheitsniveaus sachgerecht. Fraglich ist nur, ob die im HGB aus Vorsichtsgründen notwendigerweise umfassende Herangehensweise auch erforderlich ist. Mit Blick auf die Schätzung des Nutzungswerts eines Vermögenswerts im Rahmen des Wertminderungstests nach IAS 36.33 ff. (sog. Impairment-Test), ist es nämlich nicht zwingend erforderlich, komplexe Bewertungsmethoden einzusetzen. Nach IAS 36.33 lit. a sind die Cashflow-Prognosen auf der Grundlage von vernünftigen und vertretbaren Annahmen und der besten Einschätzung des Managements über die zukünftigen ökonomischen Rahmenbedingungen zu erstellen.264 Das IASB akzeptiert eine Cashflow-Schätzung auf der Basis von unternehmensinternen Finanzplanungen (IAS 36.33 lit. b), wonach regelmäßig einzelne Punktwerte geschätzt werden. Die Ermittlung eines Erwartungswerts auf der Basis einer Intervallschätzung an möglichen Werten wird zwar für zulässig, aber nicht für notwendig erachtet (IAS 36.BCZ 42). Um dem Grundsatz der Glaubwürdigkeit zu genügen, fordert IAS 36.33 lit. a, dass zur Validierung des Prognosewerts insbesondere den externen Hinweisen (z. B. branchenspezifische Wachstumsprognosen) ein besonderes Gewicht einzuräumen ist.265 Die für Zwecke des Wertminderungstests gestellten Anforderungen suggerieren eine dem Grundsatz der zeitnahen Berichterstattung und dem Wirtschaftlichkeitsprinzip gerecht werdende Prognoserechnung. Plausibel erscheinende Punktschätzungen des EBITDA, Zinssaldos etc. sollten somit grundsätzlich akzeptiert werden. Die Berücksichtigung von Schätzintervallen und Eintrittswahrscheinlichkeiten könnten jedoch erforderlich werden, wenn das Unter260 261 262 263
264 265
I. d. S. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 20, Rz. 102. Vgl. Baetge/Zülch, in: v. Wysocki et al., HdJ, Abt. I/2, Rz. 242. Vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 1, Rz. 73. Bei der Aktivierung von Steuerlatenzen ist kein allgemeines Vorsichtsprinzip zu berücksichtigen Loitz, Verluste, WPg 2007, S. 779. Zur Beachtung eines Sicherheitsniveaus im HGB-Abschluss vgl. Abschn. B.IV, S. 359. Das Management wird verpflichtet, die getroffenen Annahmen auf ihre Angemessenheit anhand eines SollIst-Abgleichs von vergangenen Prognosen zu prüfen (IAS 36.34). Ausführlich zur Konkretisierung der Prognosewerte für den Impairment-Test vgl. Koelen, Bewertungskalküle, 2009, S. 176 ff.; Baetge et al., in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 36, Rz. 51 ff. Zur Entwicklung der Prognoseparameter von DAX-, MDAX- und SDAX-Unternehmen vgl. die empirischen Ergebnisse von Müller/Reinke, Werthaltigkeitsprüfungen, PiR 2010, S. 243 ff.
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Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
nehmen auf eine Verlust- und/oder Zinshistorie zurückblickt. Sollte das Unternehmen in diesem Fall nicht in der Lage oder gewillt sein, Finanzierungs- und/oder Unternehmensstruktur anzupassen (z. B. aufgrund externen Liquiditätsbedarfs oder des Untergangs des Zinsvortrags), kann eine zukünftige Verrechnung allein anhand der Entwicklung der zinsschrankenrelevanten Parameter begründet werden. Da eine Verlust- und/oder Zinshistorie aber gerade als gewichtiges Anzeichen für eine Nichtverrechenbarkeit des Zinsvortrags gewertet wird, muss die Validität der Prognoserechnung durch geeignete Methoden gesteigert werden, um die zukünftige Nutzung des Zinsvortrags anhand belastbarer Schätzwerte zu rechtfertigen.266 Ferner sollten strenge Maßstäbe an die Prognoserechnung zu stellen sein, wenn der betreffende Betrieb von einer volatilen Ergebnisentwicklung gezeichnet ist, oder eine Verrechnung erst am Ende des zugrunde gelegten Prognosezeitraums für möglich erachtet wird.267 Sofern geplante Umstrukturierungen den Erhalt des Zinsvortrags bedrohen, ist dies im Rahmen der Prognose zu berücksichtigen. Der Grad der Konkretisierung einer schädlichen Umstrukturierung sollte jedoch verglichen zum HGB höher sein. So sollte eine Adjustierung des Zinsvortragsvolumens nicht bereits zu Beginn der Diskussionen über Umstrukturierungsalternativen, sondern erst ab konkreten internen Beschlussfassungen notwendig erscheinen.268 Die verwendeten Prognosemethoden unterliegen auch nach IAS/IFRS der Bewertungsstetigkeit.269 Dies gilt jedoch nicht für die Annahmen, die zur Beurteilung der zukünftigen Entwicklung von Schätzparametern getroffen werden.270 Eine Änderung der Methodenwahl ist mitunter geboten, wenn sich das Informationsniveau über die Schätzparameter verändert hat und die bisherige Vorgehensweise keine verlässlichen Prognosen mehr gewährleistet (IAS 8.14 lit. b).271 Dementsprechend ist in Abhängigkeit von den individuellen Gegebenheiten des bilanzierenden Unternehmens und der zu schätzenden Parameter ein dem Informationsniveau entsprechender Methodeneinsatz erforderlich. V.
Anhangangaben
In IAS 12.80 lit. e, f wird die betragsmäßige Angabe der Minderung des tatsächlichen und latenten Steueraufwands aufgrund der Nutzung von steuerlichen Verlusten etc. gefordert, für die bislang noch keine aktiven Steuerlatenzen gebildet wurden.272 Unterstellt man eine Übertragbarkeit dieser Anweisung auf nicht bilanziell erfasste Zinsvorträge,273 könnte die Be266 267 268 269 270 271
272 273
Insoweit gelten die Ausführungen zum HGB entsprechend; vgl. Abschn. B.IV, S. 358 ff. I. d. S. Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 74. I. d. S. Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 71. Vgl. Schulz-Danso, in: Bohl/Riese/Schlüter, IFRS-Handbuch, § 25, Rz. 52. Vgl. Küting/Zwirner, Bilanzierungspraxis, WPg 2007, S. 558. Eine Schätzungsänderung berührt nur die Bilanzansätze von gegenwärtig zu erstellenden und zukünftigen Abschlüssen (IAS 8.5 und IAS 8.34); vgl. Adler/Düring/Schmaltz, IFRS-Kommentar, Abschn. 1, Rz. 87 ff.; Blaum/Holzwarth, in: Baetge et al., IFRS-Kommentar, Teil B, IAS 8, Rz. 118 ff. Zum Literaturstreit, ob es sich bei IAS 12.80 um empfohlene oder verpflichtende Angaben handelt, vgl. Kapitel 2 – Abschn. B.IV, S. 340 (Fn. 100). So auch Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 202.
Kapitel 3 – Einfluss von Zinsschrankenrisiken auf die Verrechnungsprognose von Zinsvorträgen
373
obachtung solcher Anhangangaben auf zwei unterschiedliche Ursachen zurückgeführt werden. Auf der einen Seite könnte das Zinsschrankenrisiko2. Ordnung nicht schlagend geworden sein bzw. die Befürchtung, dass der Zinsvortrag nicht genutzt werden kann, hat sich im Nachhinein als unbegründet erwiesen. Das (aggregierte) Ausmaß des Zinsschrankenrisikos2. Ordnung wird somit im Nachhinein für den Bilanzleser sichtbar. Auf der anderen Seite könnte der Ausweis des Minderungsbetrags auch darauf zurückzuführen sein, dass das bilanzierende Unternehmen Zweifel an der finalen Durchsetzung des (gestaltungsgetriebenen) Aufbaus und der Nutzung des Zinsvortrags gegenüber den Finanzbehörden hat und deshalb in der bzw. den Vorperiode(n) auf eine Aktivierung latenter Steuern verzichtet hat.274 In diesem Fall würde das Zinsschrankenrisiko2. Ordnung im Vorhinein in Erscheinung treten. Insgesamt können aus dieser Anhangangabe also keine eindeutigen Rückschlüsse auf die Verflüchtigung oder Entstehung eines Zinsschrankenrisikos2. Ordnung gezogen werden. Ferner ist eine Abschreibung und Wertaufholung einer aktiven Steuerlatenz gem. IAS 12.56 im Anhang anzugeben (IAS 12.80 lit. g). Aus einer Abwertung der Steuerlatenz des Zinsvortrags kann jedoch nicht geschlossen werden, ob sich bloß die Prognose einer zukünftigen Verrechnung verschlechtert bzw. sich das Zinsschrankenrisiko2. Ordnung vergrößert hat, oder ob der Zinsvortrag aufgrund von Umstrukturierungen (partiell) untergegangen bzw. das Zinsschrankenrisiko2. Ordnung bereits schlagend geworden ist. Im Berichtsjahr der erstmaligen Entstehung bzw. (zeitversetzten) Identifizierung des Zinsvortrags ist eine Angabe über den Umfang an nicht aktivierten Steuerlatenzen erforderlich (IAS 12.81 lit. e).275 In Höhe des angegebenen Betrags wird das (aggregierte) Zinsschrankenrisiko2. Ordnung für den Bilanzleser im Vorhinein erkennbar. Allerdings ist zu beachten, dass ein Teil des nicht bilanzierten Betrags auch auf eine Unsicherheit über die exakte Höhe des Zinsvortrags zurückgeführt werden könnte, weil beispielsweise noch kein Steuerbescheid vorliegt. Schließlich sind der Betrag des mit dem Zinsvortrag in Zusammenhang stehenden Steuerentlastungspotenzials sowie die substanziellen Hinweise im Anhang anzugeben, wenn der Zinsvortrag den Umfang an geeigneten, zu versteuernden Differenzen übersteigt (IAS 12.82 lit. a) und der Betrieb in der laufenden Periode oder in Vorperioden Verluste erlitten hat (IAS 12.82 lit. b). Zur Auslegung der kumulativen Tatbestandsvoraussetzungen von IAS 12.82 sollte der Terminus „Verluste“ nicht mit der Entstehung eines Zinsvortrags gleichgesetzt werden, weil diese Vorschrift auf die Untermauerung von zukünftigen steuerlichen Gewinnen gerichtet ist, die die elementare Grundvoraussetzung für die Materialisierung von abzugsfähigen temporären Differenzen sowie von Verlust- und Zinsvorträgen darstellt. Sofern in bestimmten Fällen die zu versteuernden temporären Differenzen eine berechtigte Indikatorfunktion276 für die 274 275 276
Zum gestaltungsbedingten Aufbau und zur unmittelbaren Nutzung des Zinsvortrags vgl. Teil II – Abschn. B.III.3, S. 200. Loitz/Neukamm, Zinsvortrag, WPg 2008, S. 202. Zur begrenzten Indikatorfunktion von zu versteuernden temporären Differenzen für die steuerwirksame
374
Teil IV – Externe Berichterstattung über Zinsschrankenrisiken
Zinsvortragsnutzung übernehmen und ein ausreichend hohes verrechenbares EBITDA und steuerliches Ergebnis erwartet wird, sollte eine Offenlegung von substanziellen Hinweisen für die Verrechnung eines Zinsvortrags im Anhang nicht erforderlich sein. Anderes gilt aber im Falle einer Zinshistorie. Sodann sind die substanziellen Hinweise im Anhang anzugeben, weil an den Nachweis einer Zinsvortragsnutzung erhöhte Anforderungen hinsichtlich Prognosequalität und Transparenz zu stellen sind (IAS 12.35).
Nutzung von Zinsvorträgen vgl. Abschn. C.III.1, S. 366.
Teil V
Fazit
In dieser Arbeit wurden zwei Dimensionen von Zinsschrankenrisiken hinsichtlich ihrer ökonomischen und bilanziellen Konsequenzen untersucht: zum einen die Gefahr des liquiditätswirksamen Eingreifens der Zinsschranke (Zinsschrankenrisiko1. Ordnung) und zum anderen die Gefahr der dauerhaften Nichtnutzbarkeit des Zinsvortrags (Zinsschrankenrisiko2. Ordnung). Im Grundlagenteil der Arbeit konnten die elementaren Steuerwirkungen der Zinsschranke vervollständigt werden. Anhand einer an den Zahlungswirkungen der Zinsschranke orientierten Fallgruppierung wurden verschiedene Erscheinungsformen von Liquiditäts- und Zinseffekten der Zinsschranke charakterisiert und zum Teil auch erstmals identifiziert. Zu nennen sind hier insbesondere die Phänomene des mittelbaren gewerbesteuerlichen Liquiditätsnachteils und des scheinbaren Liquiditätsvorteils der Zinsschranke. Die Liquiditätseffekte schlagen sich – regelmäßig mit zeitlichem Vorlauf – auch bilanziell nieder. Das Zusammenwirken von zinsschrankeninduziertem Mehraufwand und zinsvortragsinduziertem latenten Steuerertrag kann zu ganz unterschiedlichen Auswirkungen auf die Effective Tax Rate führen. So wurde gezeigt, dass die Erfolgswirkungen der Zinsschranke per saldo negativ, neutral und auch positiv sein können. Aufgrund der mehrdeutigen Erfolgswirkungen und den speziellen Eigenschaften der Zinsschranke eignen sich die Effective Tax Rate und Steuerquote insbesondere bei geringen und negativen Vorsteuerergebnissen nicht, um den (drohenden) Belastungseffekt zu messen. Deshalb wurde zur Beurteilung des Zinsschrankenrisikos1. Ordnung eine Kennzahl vorgestellt, die die (drohende) Steuermehrbelastung ins Verhältnis zum Operating Cashflow setzt (sog. relativer Liquiditätsnachteil). Innerhalb der in Teil II durchgeführten analytischen Berechnung sowie der Simulation von Zinsschrankenrisiken1. Ordnung hat sich diese Kennzahl als weitestgehend verzerrungsfreier Beurteilungsmaßstab erwiesen. Sie ist jedoch vornehmlich zur operativen Indikation und nicht zur langfristigen Beurteilung des Zinsschrankenrisikos geeignet, da sie nicht den zukünftigen Entlastungseffekt aufgrund der Verrechnungsmöglichkeit eines (hypothetischen) Zinsvortrags erfasst. In Teil II wurden die sachlichen Einflussfaktoren bzw. Treiber von Zinsschrankenrisiken konkretisiert. Darüber konnten der faktische Anwendungsbereich der Zinsschranke auf konzernzugehörige Betriebe eingegrenzt und Beurteilungskriterien abgeleitet werden, die eine Kategorisierung von potenziell zinsschrankenbefangenen Konzerneinheiten ermöglicht. Anhand dieser Kategorisierung können von strategischer Ebene aus das Erfordernis und der Nutzen detailreicher Analysen auf operativer Ebene beurteilt werden. Die im Anschluss hieran durchgeführte Detailanalyse von Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke hat die unüberschaubar große Anzahl an Zweifelsfragen verdeutlicht. Nahezu für jedes Tatbestandsmerkmal des Normengefüges konnten Rechtsunsicherheiten ausfindig gemacht werden. Wenn man die Anzahl an Zweifelsfragen anhand eines Rechtsformvergleichs beurteilt, wird leicht ersichtlich, dass die KGaA und Personengesellschaft eine dominierende Stellung einnehmen.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
376
Teil V – Fazit
Rechtsunsicherheiten, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft (ohne KGaA) stehen, können aus materieller Sicht vernachlässigt werden. Rechtsformübergreifend sind insbesondere die zahlreichen Auslegungsfragen bei den Ausnahmetatbeständen zu kritisieren, die sich noch verschärfen, wenn ein Organkreis den Standalone- oder Equity-Escape in Anspruch nehmen möchte. In diesem Bereich sind die Rechtsbeurteilungsrisiken der Zinsschranke kaum kontrollierbar. Vor dem Hintergrund der großen Rechtsunsicherheit sollte ein Management von Zinsschrankenrisiken in Abhängigkeit von der Tragweite drohender Liquiditätsnachteile die Empfehlung aussprechen, möglichst eine kapitalistische Rechtsform (ohne KGaA) zu wählen und den Equity-Escape nicht in Anspruch zu nehmen. Diese Einschätzung wird auch durch die Ergebnisse einer Befragung von namhaften Steuerexperten gestützt, die in den vorstehend genannten Bereichen ein hohes Maß an Rechtsunsicherheit und Konfliktpotenzial konstatieren. Aus diesen Ergebnissen und anderen empirischen Untersuchungen lässt sich aber auch die Erkenntnis gewinnen, dass die von der Zinsschranke betroffenen Unternehmen vielfach auf die Inanspruchnahme des Equity-Escape angewiesen sind, um die gegebenenfalls substanzbedrohenden Liquiditätseffekte abzuwenden. Folglich wird die o. g. Empfehlung häufig nicht realisierbar sein, weshalb sich ein umfassendes Zinsschranken-Management notgedrungen mit den Rechtsbeurteilungsrisiken befassen muss. In mittlerer Frist sind deshalb Nachbesserungen am Normengefüge der Zinsschranke und in kurzer Frist ein zweiter Zinsschrankenerlass zu fordern, der sich den diskutierten Zweifelsfragen umfassend annimmt, um das Informationsdefizit und die hieraus erwachsenden Planungsunsicherheiten zu reduzieren. Im Zweifel erscheint eine nachteilige aber planungssichere Rechtsauslegung einer vorteilhaften, aber in hohem Maße planungsunsicheren Rechtsauslegung vorzugswürdig zu sein. Der erhöhte Bedarf nach Heranziehung eines Ausnahmetatbestands lässt sich ebenfalls anhand der in Teil II durchgeführten Simulationsrechnungen nachvollziehen. So konnte für ein fremdfinanziertes Referenzunternehmen der Wirtschaftszweige verarbeitendes Gewerbe und Handel, das im Gegenwartszustand nicht akut von der Zinsschranke betroffen ist, jeweils eine hohe Eintrittswahrscheinlichkeit und liquiditätsmäßige Belastung der Zinsschranke festgestellt werden. Auf Basis der deterministischen Ausgangsdaten und der stochastischen Wachstumsraten der investitions- und finanzierungsspezifischen Einflussfaktoren überwiegt jeweils die Wahrscheinlichkeit eines nachhaltigen Eingreifens der Zinsschranke und einer dauerhaften Nichtnutzbarkeit des Zinsvortrags. Die einzelfallbezogene und vom Stand-alone- und Equity-Escape abstrahierende Simulation hat verdeutlicht, dass das Referenzunternehmen nur durch wesentliche strukturelle Anpassungen die Eintrittswahrscheinlichkeit der Zinsschranke reduzieren kann. Sofern die Generierung von zusätzlichen Erträgen ausscheidet, kann die Zinsschranke nur durch Absenkung der Zinsaufwendungen oder Beanspruchung eines Ausnahmetatbestands abgewendet werden. Die erforderliche Zurückführung des Fremdkapitalbe-
Teil V – Fazit
377
stands wird sich bei Unternehmen, deren Finanzierungsmöglichkeiten beschränkt sind, jedoch vielfach als schwierig bis unmöglich erweisen. Somit stellt der Equity-Escape für konzerngebundene Betriebe in diesen Fällen den letzten Ausweg aus dem strukturellen Zinsschrankenrisiko dar. Allerdings „kauft“ sich der Betrieb mit der Inanspruchnahme dieser Ausnahmevorschrift in Abhängigkeit von der statutarischen Organisationsstruktur des Konzerns unkontrollierbare Rechtsbeurteilungsrisiken und überdies sehr aufwendige Informations- und Kontrollpflichten ein. Vor diesem Hintergrund ist auch ersichtlich, warum in Teil III diejenigen Steuerungs- bzw. Gestaltungsmaßnahmen dominieren, die auf eine Vermeidung des Grundtatbestands der Zinsschranke und Verringerung des Umfangs von nicht abziehbaren Zinsaufwendungen abzielen. Denn Steuerungsmaßnahmen sollten nicht selbst einen (neuen) Risikofaktor begründen. Auf der Grundlage der Rechtsanalyse wurden ganz überwiegend nur solche Maßnahmen näher betrachtet, die als rechtsdurchsetzungswahrscheinlich bzw. weitestgehend als nicht streitanfällig angesehen werden können. Eine konfliktfreie Rechtsanwendung setzt jedoch eine umfassende Kenntnis bzw. Antizipation der Verwaltungsmeinung voraus. Die Gewinnung dieser Kenntnisse lässt sich allerdings aufgrund der unzureichenden Ausführungen im Zinsschrankenerlass und der geringen Bereitschaft der Finanzbehörden, verbindliche Auskünfte zu erteilen, in vielen Punkten nicht erreichen. Dieses Informationsdefizit reduziert den Umfang an geeigneten Steuerungsinstrumenten erheblich. Mithin verbleiben als besonders wirkungsvolle Maßnahmen im Wesentlichen die konzerninterne Verlagerung von Erträgen oder Zinsaufwendungen, um den Zinsabzug im Inland zu gewährleisten. Da Beteiligungsstrukturen von multinationalen Konzernen tendenziell eine hohe Veränderungsdynamik aufweisen, ist im Falle des Eingreifens der Zinsschranke die Gefahr des Zinsvortragsuntergangs hoch. Zur Reduktion des Zinsschrankenrisikos2. Ordnung sollte somit eine zeitnahe Nutzung des Zinsvortrags angestrebt werden. Jedoch ist auch in diesem Punkt das Spektrum an rechtssicheren Sachverhaltsgestaltungen begrenzt. Konzentrations- und Dekonzentrationsvorgänge innerhalb der inländischen Unternehmensgruppe, wodurch das aggregierte Zinsschrankenrisiko der Gruppe reduziert werden kann, sind hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf etwaige Zinsund Verlustvorträge zu überprüfen. Neben diesen strategischen Anpassungsmaßnahmen bestehen noch kurzfristig einsetzbare Instrumente, mittels derer zwar kein strukturelles Zinsschrankenrisiko geheilt werden kann, wohl aber die Höhe an nicht abziehbaren Zinsaufwendungen vermindert oder der Nettozinsaufwand im Bereich der Freigrenze wirksam gesteuert werden kann. Da die Zinsschranke ebenfalls durch Ereignisse außerhalb des Kontrollbereichs des Managements ausgelöst werden könnte, wird sie bei derartigen Risiken die Ausgestaltung von Unternehmens- und Kaufverträgen sowie von steuerpolitischen Konzernrichtlinien beeinflussen, um die Gefahr von fremdbestimmten Steuerwirkungen auf die verursachenden Parteien abzuwälzen.
378
Teil V – Fazit
In Teil IV wurde gezeigt, dass Zinsschrankenrisiken1. Ordnung in vielen Fällen die Höhe der Steuerrückstellung beeinflussen. Dies gilt nicht nur dann, wenn die Höhe von abzugsbeschränkten Zinsen aufgrund einer unvollständigen steuerlichen Informationsauswertung nur geschätzt werden kann. Denn eine Beeinflussung der Steuerrückstellung ist auch möglich, wenn nicht abziehbare Zinsaufwendungen durch Sachverhaltsgestaltungen oder die Inanspruchnahme der Ausnahmetatbestände vermieden werden. Sofern die Vermeidung des Grundtatbestands bzw. die Inanspruchnahme eines Ausnahmetatbestands auf einer verwaltungsinkonformen Rechtsbeurteilung und Steuerdeklaration beruht, ist die Steuerrückstellung so zu berechnen, als ob die Zinsschranke eingegriffen hätte. In diesen Fällen ist nämlich davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung die vertretene Rechtsposition ablehnen und insoweit Mehrsteuern festsetzen wird. Demzufolge ist nach HGB und IAS/IFRS eine tatsächliche Inanspruchnahme bzw. ein Ressourcenabfluss im Zusammenhang mit der Festsetzung von Mehrsteuern sehr wahrscheinlich, wodurch ein erhöhter Wertansatz der Steuerrückstellung begründet wird. Die Wahrscheinlichkeit, ob die drohenden Mehrsteuern von der Finanzverwaltung bspw. nach Verhandlungen in Betriebsprüfungen tatsächlich festgesetzt werden, oder ob ein im Anschluss an die Feststetzung von Mehrsteuern gestellter Antrag auf Aussetzung der Vollziehung oder ein Finanzgerichtsprozess zugunsten des Unternehmens ausgehen wird, ist im Zeitpunkt der Beurteilung der tatsächlichen Inspruchnahme bzw. des Ressourcenabflusses nicht zu berücksichtigen. Wenn aber im Bilanzierungszeitpunkt die Rechtsauffassung der Finanzbehörden unbekannt ist und die deklarierte Rechtsbeurteilung der herrschenden Literaturmeinung entspricht, sollte jedenfalls dann kein rückstellungserhöhender Sachverhalt verwirklicht werden, wenn die Rechtsauffassung nicht von Steueroptimierungsbestrebungen getrieben ist, deren Anerkennung durch die Finanzverwaltung nach objektiven Gesichtspunkten stark angezweifelt werden muss. Hierbei kommt der (subjektiven) Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, ob die Finanzverwaltung die deklarierte Rechtsauffassung akzeptieren wird, eine entscheidende Bedeutung zu. Da das HGB im Unterschied zu den IAS/IFRS keine starre Mindesteintrittswahrscheinlichkeit für rückstellungsbegründende Sachverhalte und Bewertungseinflüsse definiert, können sich insoweit Bewertungsunterschiede bei den jeweiligen Steuerrückstellungen ergeben. Ein weiterer wesentlicher Unterschied zwischen den Rechnungslegungsstandards könnte darin bestehen, dass im IFRS-Abschluss bei der Ermittlung der zinsschrankenadjustierten Steuerrückstellung das Entlastungspotenzial eines hypothetischen Zinsvortrags berücksichtigungsfähig sein könnte. Mit der drohenden, nachträglichen Feststellung des Eingreifens der Zinsschranke durch die Finanzbehörden entsteht nämlich zeitkongruent ein (hypothetischer) Zinsvortrag, der unter bestimmten Voraussetzungen zum Ansatz einer aktiven Steuerlatenz berechtigt. Da aktive latente Steuern für Verlust- und Zinsvorträge nach IFRS – im Unterschied zum HGB – als Vermögenswerte qualifiziert werden, könnte der hypothetische Zinsvortrag als rückstellungsmindernder Kompensationseffekt gewertet werden.
Teil V – Fazit
379
Vor diesem Hintergrund könnten die Anreize für rechtsunsichere und konfliktanfällige Steuergestaltungen abnehmen, wenn sich die gestaltungsbedingte und gegebenenfalls nur temporär wirkende Verminderung der Steuerzahllast nicht auf die Effective Tax Rate auswirkt, weil in Höhe des Steuereffekts eine (erhöhte) Steuerrückstellung für ein Zinsschrankenrisiko1. Ordnung bilanziert werden muss. Mitunter könnte sogar ein Zielkonflikt zwischen steuerplanerischen Maßnahmen, die auf eine Steuerbarwertminimierung abzielen, und dem Tax Accounting, welches einen optimalen Erfolgsausweis von tatsächlichen und latenten Steuern anstrebt, entstehen, wenn ceteris paribus von einem werthaltigen Zinsvortrag auszugehen ist. Denn im Falle des Eingreifens bzw. der Nichtvermeidung der Zinsschranke würde der zinsschrankeninduzierte (tatsächliche) Steuermehraufwand durch einen latenten Steuerertrag aufgrund der Aktivierung von Steuerlatenzen für einen werthaltigen Zinsvortrag kompensiert. Wenn die Zinsschranke hingegen trotz großer Rechtsunsicherheit und großem Konfliktpotenzial gestaltungsbedingt vermieden wird, kann der Steuermehraufwand aufgrund der (erhöhten) Steuerrückstellung für das Zinsschrankenrisiko1. Ordnung nicht durch einen latenten Steuerertrag kompensiert werden, weil zumindest nach HGB keine aktive Steuerlatenz für einen hypothetischen Zinsvortrag angesetzt werden kann. Außerhalb der Ausnahmetatbestände kann das Eingreifen der Zinsschranke insbesondere in Verlustsituationen nicht vermieden werden. Die hiermit einhergehende Entstehung bzw. Erhöhung eines Zinsvortrags verändert unter rechnungslegungsspezifischen Voraussetzungen den Wertansatz von aktiven Steuerlatenzen. Zinsschrankenrisiken2. Ordnung wirken sich unmittelbar auf die Bewertung der Steuerlatenzen aus, weil sie nach beiden Rechnungslegungssystemen innerhalb der zu erstellenden Prognoserechnungen zu berücksichtigen sind. Während beide Standards an den Detaillierungsgrad der Prognoserechnungen hohe Anforderungen stellen, sind zur Begründung eines werthaltigen Zinsvortrags im HGB-Abschluss vergleichsweise restriktivere Anforderungen zu erfüllen. Ein unterschiedsloser Verweis auf die Anwendungspraxis von IAS 12 ist aufgrund der starken Begrenzungsfunktion handelsrechtlicher Bilanzierungsprinzipien nicht möglich. Aufgrund des Vorsichtsprinzips und der zeitlichen Begrenzung des Prognosezeitraums ist zur Ermittlung des Verrechnungsvolumens nach § 274 HGB eine Rechtsbeurteilung zu unterstellen, die mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit im Prognosezeitraum gegenüber den Finanzbehörden durchgesetzt werden kann. Dies gilt selbst dann, wenn die in der Steuererklärung vertretene Rechtsauffassung hiervon abweichen sollte.
Anhang 1.
Herleitung des mittelbaren gewerbesteuerlichen Liquiditätsnachteils der Zinsschranke
Ein mittelbarer gewerbesteuerlicher Liquiditätsnachteil der Zinsschranke tritt ein, wenn der gewerbesteuerliche Hinzurechnungsbetrag von abziehbaren Zinsen größer ist als die negative körperschaftsteuerliche Bemessungsgrundlage. Es sind die nachfolgenden Bedingungen zu beachten: -
Wenn zwar EBIT > 0 aber EBIT + ZE – a * ZA < 0 gilt, dann ist im körperschaft- bzw. einkommensteuerlichen Bereich kein Liquiditätsnachteil zu verzeichnen. Ein gewerbesteuerlicher Liquiditätsnachteil entsteht mittelbar, wenn gilt: EBIT + ZE – ZA + 0,25 * ZA 0 (Referenzsteuersystem)
(F.A.1)
und EBIT + ZE – a * ZA + 0,25 * a * ZA > 0
(F.A.2)
Unter diesen weiteren Bedingungen ist gewährleistet, dass ein positiver Gewerbeertrag nur deshalb entsteht, weil ein Teil der Zinsaufwendungen bei der körperschaft- bzw. einkommensteuerlichen Gewinnermittlung nicht abziehbar ist und deshalb die gewerbesteuerliche Hinzurechnungspflicht der abziehbaren Zinsaufwendungen den Gewerbeertrag über den Betrag von null hievt. -
Formt man nun die Formel (F.A.2) unter den Bedingungen des ersten Spiegelstrichs um, kann die Bedingung für den mittelbaren Liquiditätsnachteil der Zinsschranke bei der Gewerbesteuer verkürzt wie folgt formuliert werden: (1) * ( EBIT ZE a * ZA) ! 0, 25* a * ZA EBIT ZE a * ZA 25* a * ZA
0, negative körperschaftsteuerl . BMG
gewerbesteuerl . Hinzurechnungsbetrag
Ù EBIT + ZE < 1,25 * a * ZA
(= F.I.4)
Da die Vorzeichen der Minuenden und des Subtrahenden innerhalb des obigen Klammerterms aufgrund der Bedingungen für ein liquiditätswirksames Eingreifen der Zinsschranke in der dargestellten Form determiniert sind und ferner die Differenz des Klammerterms per Definition negativ ist (s. o.), kann er für die Aufstellung der Ungleichung mit dem Multiplikator –1 versehen werden. Durch die Multiplikation beider Seiten der Ungleichung mit –1 kehrt sich das Größer-Zeichen in ein Kleiner-Zeichen um.
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
382
2.
Anhang
Entwicklung des relativen Liquiditätsnachteils bei steigender Fremdkapitalquote und verschiedenen Abschreibungsraten l =50%
l =66,7%
l =91,7%
1,2
ProzentualeBelastung
1 pos.EBT(d=2,5%)
neg.EBT(d=2,5%)
0,8 0,6 0,4 pos.EBT(d=5%)
neg.EBT(d=5%)
0,2 0
Fremdkapitalquote(l) relativerLiquiditätsnachteil(d=2,5%)
relativerLiquiditätsnachteil(d=5%)
Abbildung 21: Entwicklung des relativen Liquiditätsnachteils bei steigender Fremdkapitalquote
Anhang
3. Fragebogen zu ur qualitatiiven Bewerrtung von Rechtsbeurteilungsrisiiken der Zinssschranke (Seite 1)
383
384
Fragebogen n – Seite 2) Noch Anhang 3 (F
Anhang
Anhang
Noch Anhang 3 (F Fragebogen n – Seite 3)
385
386
Anhang 3 (F Fragebogen n – Seite 4) Noch A
Anhang
Anhang
Noch A Anhang 3 (F Fragebogen n – Seite 5)
387
388
Anhang 3 (F Fragebogen n – Seite 6) Noch A
Anhang
Anhang
389
4. Auswertung der Expertenbefragung (Frageblock I) Zusammenhang von… Rechtsunsicherheit u. Konfliktpotenzial Rechtsunsicherheit u. Beratungsrelevanz Konfliktpotenzial u. Beratungsrelevanz
Kontingenzkoeffizienten der rechtsformübergreifenden Mittelwerte EBITDAErmittlung
ZinssaldoErmittlung
Stand-aloneEscape
EquityEscape
§ 8a KStG
ZV-, EVUntergang
0,79
0,80
0,72
0,50
0,81
0,72
0,72
0,72
0,87
0,50
0,83
0,58
0,68
0,60
0,73
0,74
0,85
0,72
Tabelle 15: Statistische Zusammenhänge von Rechtsunsicherheit, Konfliktpotenzial und Beratungsrelevanz
Gefühlte Rechtsunsicherheit
Untergang Zins- u. EBITDAVortrag
§ 8a KStG
EquityEscape
Stand-aloneEscape
ZinssaldoErmittlung
EBITDAErmittlung
Tatbestand
Rechts- bzw. Organisationsform
Mittelwert
Standardabweichung
Rang nach Dominanzprinzip
Kapitalgesellschaft
1,67
0,71
dominiert
Personengesellschaft
2,44
1,01
dominiert
KGaA
2,75
1,04
undominiert
Organschaft
1,89
0,60
undominiert
Kapitalgesellschaft
2,00
0,71
3
Personengesellschaft
2,33
0,87
1
KGaA
2,00
0,76
2
Organschaft
2,00
0,76
2
Kapitalgesellschaft
2,33
1,00
dominiert
Personengesellschaft
2,56
1,01
undominiert
KGaA
2,63
0,92
undominiert
Organschaft
2,38
0,92
dominiert
Kapitalgesellschaft
3,78
0,44
1
Personengesellschaft
3,56
0,53
3
KGaA
3,63
0,52
2
Organschaft
3,71
0,49
1
Kapitalgesellschaft
3,11
1,05
2
Personengesellschaft
2,38
1,41
dominiert
KGaA
3,13
1,13
1
Organschaft
3,00
1,00
dominiert
Kapitalgesellschaft
2,67
0,71
dominiert
Personengesellschaft
2,67
1,00
dominiert
KGaA
3,25
0,89
undominiert
Organschaft
3,00
0,87
dominiert
Tabelle 16: Rechtsformspezifische Bewertung der Rechtsunsicherheit von Tatbeständen der Zinsschranke
390
Anhang
Noch Anhang 4 Konfliktpotenzial
Untergang Zins- u. EBITDAVortrag
§ 8a KStG
EquityEscape
Stand-aloneEscape
ZinssaldoErmittlung
EBITDAErmittlung
Tatbestand
Rechts- bzw. Organisationsform
Mittelwert
Standardabweichung
Rang nach Dominanzprinzip 3
Kapitalgesellschaft
1,78
0,83
Personengesellschaft
2,67
1,12
1
KGaA
2,88
0,99
1
Organschaft
2,00
0,71
2
Kapitalgesellschaft
2,11
0,78
3
Personengesellschaft
2,33
0,87
1
KGaA
2,25
0,89
2
Organschaft
2,25
0,89
2
Kapitalgesellschaft
2,33
0,87
3
Personengesellschaft
2,56
0,73
1
KGaA
2,50
0,76
2
Organschaft
2,50
0,76
2
Kapitalgesellschaft
3,33
0,71
undominiert
Personengesellschaft
3,22
0,83
dominiert
KGaA
3,25
0,71
undominiert
Organschaft
3,13
0,83
dominiert
Kapitalgesellschaft
3,25
0,46
undominiert
Personengesellschaft
2,57
1,27
dominiert
KGaA
3,14
0,69
undominiert
Organschaft
3,13
0,35
undominiert
Kapitalgesellschaft
2,89
0,93
dominiert
Personengesellschaft
3,00
0,87
dominiert
KGaA
3,25
0,89
undominiert
Organschaft
3,00
0,87
dominiert
Tabelle 17: Rechtsformspezifische Bewertung des Konfliktpotenzials von Tatbeständen der Zinsschranke
Anhang
391
Noch Anhang 4 Beratungsrelevanz
Untergang Zins- u. EBITDAVortrag
§ 8a KStG
EquityEscape
Stand-aloneEscape
ZinssaldoErmittlung
EBITDAErmittlung
Tatbestand
Rechts- bzw. Organisationsform
Mittelwert
Standardabweichung
Rang nach Dominanzprinzip
Kapitalgesellschaft
1,78
0,97
dominiert
Personengesellschaft
2,00
1,12
undominiert
KGaA
1,43
1,40
undominiert
Organschaft
1,56
0,88
dominiert
Kapitalgesellschaft
2,22
0,67
1
Personengesellschaft
2,11
0,60
2
KGaA
1,71
0,95
3
Organschaft
2,13
0,64
2
Kapitalgesellschaft
1,89
1,17
1
Personengesellschaft
1,88
1,25
1
KGaA
1,57
1,40
3
Organschaft
1,63
1,19
2
Kapitalgesellschaft
2,89
1,05
2
Personengesellschaft
2,33
1,32
dominiert
KGaA
1,88
1,46
dominiert
Organschaft
2,88
0,99
1
Kapitalgesellschaft
2,56
1,13
undominiert
Personengesellschaft
2,00
1,41
undominiert
KGaA
2,00
1,63
undominiert
Organschaft
2,44
1,24
undominiert
Kapitalgesellschaft
3,00
0,87
undominiert
Personengesellschaft
2,89
0,93
dominiert
KGaA
2,43
1,40
undominiert
Organschaft
3,00
0,93
undominiert
Tabelle 18: Rechtsformspezifische Bewertung der Beratungsrelevanz von Tatbeständen der Zinsschranke
392
Anhang
5. Auswertung der Expertenbefragung (Frageblock II) Auslegungsproblem
Gefühlte Rechtsunsicherheit
Konfliktpotenzial
Beratungsrelevanz
MW
Std
MW
Std
MW
Std
Betriebsdefinition
2,11
1,27
2,22
1,20
1,89
1,36
Zur EBITDA-Ermittlung: EBITDA-Kaskade bei Mitunternehmerschaften Gewinnanteil KGaA-Komplementär
2,78
0,97
3,11
1,05
2,44
1,13
3,00
0,58
2,57
0,98
1,67
1,63
3,22
0,44
3,33
0,50
2,67
1,00
2,89
0,78
2,89
1,17
3,00
0,71
2,44
1,01
2,78
0,97
2,00
1,41
2,67
1,22
3,00
1,12
2,11
1,36
2,83
1,12
3,19
0,84
2,75
1,58
2,67
1,12
2,78
0,97
2,22
0,97
3,33
0,87
3,22
0,83
3,11
1,36
2,50
0,93
2,25
0,71
2,50
1,20
2,33
1,12
2,33
1,12
1,89
1,05
2,44
0,88
2,22
1,09
1,33
0,71
Zur Ermittlung des Zinssaldos: Zinssurrogate (Wertpapierleihe, Zinsswaps etc.) Ab- und Aufzinsung beim Erstansatz von Kapitalforderungen bzw. –verbindlichkeiten Gesellschafterfremdfinanzierung durch ausländischen Mitunternehmer Zum Zinsvortrag: Verteilung n. a. Zinsen bei Mitunternehmerschaften Auswirkungen der Veräußerung von Teilbetrieben / Organgesellschaften Zum EBITDA-Vortrag: Entstehung eines EBITDA-Vortrags bei Zinsertragsüberschuss Zum Equity-Escape: Konsolidierungskreis bei Beherrschung mehrerer Konzerne durch nicht konsolidierungspflichtigen Rechtsträger (z. B. PE-Fonds) Teilkonzernkonsolidierung von Organgesellschaften im ersten Organschaftsjahr Zur Gesellschafterfremdfinanzierung: Einzel- vs. Gesamtbetrachtung bei Zinszahlungen an Gesellschafter Berücksichtigung des Zinsvortrags bei der Ermittlung schädlicher Gesellschafterzinsen
Tabelle 19: Rechtsunsicherheit, Konfliktpotenzial und Beratungsrelevanz von ausgewählten Auslegungsfragen der Zinsschranke
Anhang
393
Noch Anhang 5 Auslegungsproblem Betriebsdefinition (Funktionale u. tätigkeitsbezogene Betrachtungsweise = 0; einkunftsartabhängige Betrachtungsweise = 1) Zur EBITDA-Ermittlung: EBITDA-Kaskade bei Mitunternehmerschaften (nein = 0; ja = 1) Gewinnanteil KGaA-Komplementär (Erfassung im Betrieb der KGaA = 0; Erfassung im Betrieb des Komplementärs = 1) Zur Ermittlung des Zinssaldos: Zinssurrogate (Empfohlene Gestaltung: ja = 0; nein = 1) Ab- und Aufzinsung beim Erstansatz von Kapitalforderungen bzw. -verbindlichkeiten (keine Zinsen i. S. der Zinsschranke = 0; Zinsen i. S. der Zinsschranke = 1) Gesellschafterfremdfinanzierung durch ausländischen Mitunternehmer (Zinsaufwand i. S. der Zinsschranke = 0; kein Zinsaufwand i. S. der Zinsschranke) Zum Zinsvortrag: Verteilung n. a. Zinsen bei Mitunternehmerschaften (nach Gewinnverteilungsschlüssel = 0; verursachungsgerechte Verteilung = 1) Auswirkungen der Veräußerung von Teilbetrieben / Organgesellschaften (partieller Untergang = 0; kein Untergang = 1) Zum EBITDA-Vortrag: Entstehung eines EBITDA-Vortrags bei Zinsertragsüberschuss (nein = 0; ja = 1) Zum Equity-Escape: Konsolidierungskreis bei Beherrschung mehrerer Konzerne durch nicht konsolidierungspflichtigen Rechtsträger (steuerliche Konsolidierung = 0; keine steuerliche Konsolidierung = 1) Teilkonzernkonsolidierung von Organgesellschaften im ersten Organschaftsjahr (nein = 0; ja = 1) Zur Gesellschafterfremdfinanzierung: Einzel- vs. Gesamtbetrachtung bei Zinszahlungen an Gesellschafter (Gesamtbetrachtung = 0; Einzelbetrachtung = 1) Berücksichtigung des Zinsvortrags bei der Ermittlung schädlicher Gesellschafterzinsen (ja = 0; nein = 1)
Bevorzugte Beratungsempfehlung
Mandantenabhängigkeit der Beratungsempfehlung
Anzahl (0)
Anzahl (1)
MW
Std
1
7
1,88
0,83
5
3
1,88
0,99
3
3
1,50
0,55
5
3
2,75
1,28
3
4
2,50
1,07
3
5
1,63
1,06
3
5
1,88
1,36
1
6
2,00
1,41
0
8
1,75
1,49
4
4
2,13
1,13
2
5
1,43
1,27
6
2
1,50
1,07
2
6
1,63
1,06
Tabelle 20: Beratungsempfehlung zu ausgewählten Auslegungsfragen der Zinsschranke
394
Anhang
6. Auswertung Frageblock III Auslegungsproblem
Gerichtsverfahren wird erwartet
Betriebsdefinition EBITDA-Kaskade bei Mitunternehmerschaften Gewinnanteil KGaA-Komplementär
4 4 1
Zinssurrogate Ab- und Aufzinsung beim Erstansatz von Kapitalforderungen bzw. –verbindlichkeiten Gesellschafterfremdfinanzierung durch ausländische Mitunternehmer Verteilung n. a. Zinsen bei Personengesellschaft Auswirkungen der Veräußerung von Teilbetrieben / Organgesellschaft auf den Zinsvortrag
1
EBITDA-Vortrag und Zinsertragsüberschuss Konsolidierungskreis bei Beherrschung von Konzernen durch nicht konsolidierungspflichtige Rechtsträger Teilkonzernkonsolidierung von Organgesellschaften im ersten Organschaftsjahr Einzel- vs. Gesamtbetrachtung bei § 8a KStG Berücksichtigung des Zinsvortrags im Rahmen von § 8a KStG Normenklarheit von § 4h Abs. 2 lit. c EStG und § 8a Abs. 3 KStG Vergleichsgrößenermittlung bei § 8a KStG im Falle eines Zinsertragsüberschusses
1
Tabelle 21: Prognose von zukünftigen Gerichtsverfahren
Gerichtsverfahren ist sicher
4 4 2 4
2 2 3 0 1 1
1
Anhang
395
7. Berechnung der Elastizitäten der Zinsabzugsquote
0,3* r GK * i *l
fa (r GK * , i, l )
Funktion der Zinsabzugsquote:
Erste Ableitung1 der Funktion fa (…) nach rGK* f a '( r GK * )
i 0, 3 i *l
Renditeelastizität:
Zinselastizität:
Verschuldungselastizität:
1
f a '(i )
Hf
a ,r
H f a ,i
H f a ,l
GK *
l
0,3 r GK * * i *l i
r GK * * f a '(r GK * ) fa
fa '(l )
r GK * 0,3* r GK *
i * f a '(i) fa
i 0,3* r GK *
l * f a '(l ) fa
l 0,3* r GK *
i *l
0,3 1 i *l
*
0,3* r GK * i2 * l
1
*
0,3* r GK * i *l2
1
i *l
i *l
*
0,3 r GK* * i *l l
Die (erste) Ableitung ist der Proportionalitäts- bzw. Steigungsfaktor zwischen infinitesimalen Änderungen der unabhängigen Variablen (hier: rGK, d, i, l) und der daraus resultierenden, ebenfalls infinitesimalen Änderungen der abhängigen Variablen (hier: a (…)).
20% 14,56% 7,59% 63,71% 16,41% 6,97% 58,37% 16,07% 6,73% 56,60% 14,46% 6,39% 54,25% 9,95% 5,85% 50,99% 5,36% 5,36% 48,38% 2,25% 4,90% 46,26% 0,74% 4,49% 44,52% 0,19% 4,12% 43,08% 0,04% 3,79% 41,87% 0,01% 3,49% 40,86%
30% 10,41% 7,25% 60,62% 10,98% 6,97% 58,41% 10,88% 6,87% 57,59% 10,38% 6,71% 56,44% 8,78% 6,45% 54,67% 6,65% 6,20% 53,08% 4,51% 5,96% 51,65% 2,74% 5,73% 50,35% 1,49% 5,51% 49,17% 0,73% 5,30% 48,10% 0,32% 5,09% 47,13%
40% 8,00% 7,13% 59,64% 8,25% 6,98% 58,42% 8,21% 6,92% 57,96% 7,99% 6,83% 57,28% 7,27% 6,68% 56,21% 6,22% 6,53% 55,20% 4,99% 6,39% 54,26% 3,77% 6,25% 53,37% 2,67% 6,11% 52,52% 1,78% 5,98% 51,73% 1,12% 5,85% 50,98%
50% 6,48% 7,07% 59,20% 6,60% 6,98% 58,43% 6,58% 6,94% 58,13% 6,47% 6,88% 57,69% 6,09% 6,78% 56,98% 5,51% 6,69% 56,30% 4,79% 6,60% 55,64% 4,00% 6,50% 55,01% 3,21% 6,41% 54,41% 2,47% 6,32% 53,82% 1,83% 6,23% 53,26%
60% 5,43% 7,05% 58,96% 5,50% 6,98% 58,43% 5,49% 6,95% 58,22% 5,43% 6,91% 57,92% 5,20% 6,84% 57,41% 4,85% 6,78% 56,92% 4,40% 6,71% 56,45% 3,88% 6,65% 55,99% 3,33% 6,58% 55,54% 2,78% 6,52% 55,10% 2,26% 6,45% 54,67%
70% 4,67% 7,03% 58,82% 4,72% 6,98% 58,43% 4,71% 6,96% 58,28% 4,67% 6,93% 58,05% 4,53% 6,88% 57,68% 4,30% 6,83% 57,31% 4,00% 6,78% 56,95% 3,65% 6,73% 56,60% 3,26% 6,68% 56,26% 2,86% 6,64% 55,92% 2,45% 6,59% 55,59%
80% 4,10% 7,02% 58,73% 4,13% 6,98% 58,44% 4,12% 6,96% 58,32% 4,10% 6,94% 58,14% 4,00% 6,90% 57,85% 3,85% 6,86% 57,57% 3,64% 6,83% 57,29% 3,39% 6,79% 57,02% 3,11% 6,75% 56,75% 2,81% 6,71% 56,48% 2,50% 6,68% 56,22%
90% 3,65% 7,01% 58,67% 3,67% 6,98% 58,44% 3,67% 6,97% 58,34% 3,65% 6,95% 58,20% 3,58% 6,92% 57,98% 3,47% 6,89% 57,75% 3,32% 6,86% 57,53% 3,14% 6,83% 57,31% 2,94% 6,80% 57,09% 2,71% 6,77% 56,87% 2,47% 6,74% 56,66%
Spalten: Variationen der Standardabweichung der Gesamtkapitalrendite (ı)
10% 20,31% 9,57% 91,78% 32,13% 6,94% 58,18% 29,63% 6,06% 52,24% 19,77% 4,94% 46,42% 4,72% 3,55% 41,05% 0,44% 2,63% 38,25% 0,02% 2,02% 36,65% 0,00% 1,61% 35,67% 0,00% 1,33% 35,02% 0,00% 1,13% 34,58% 0,00% 0,97% 34,25%
Tabelle 22: Auswirkungen von Variationen des Erwartungswerts und der Standardabweichung der Gesamtkapitalrendite
90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
14%
10%
0%
1% 0,00% 6,99% -3,61% 100,00% 6,58% 55,54% 50,00% 0,72% 33,73% 0,00% 0,11% 32,56% 0,00% 0,04% 32,44% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% 0,00% -
100% 3,29% 7,00% 58,63% 3,30% 6,98% 58,44% 3,30% 6,97% 58,36% 3,29% 6,95% 58,25% 3,24% 6,93% 58,06% 3,16% 6,90% 57,88% 3,05% 6,88% 57,70% 2,91% 6,86% 57,52% 2,76% 6,83% 57,34% 2,58% 6,81% 57,16% 2,40% 6,78% 56,99% 90%
80%
70%
60%
50%
40%
30%
20%
14%
10%
0%
396 Anhang
8. Ergebnistabelle der Variation der stochastischen Einflussfaktoren Zeilen: Variationen des Erwartungswerts der Gesamtkapitalrendite (ȝ) (1. Wert: Wahrscheinlichkeit; 2. Wert: zentraler LNrel; 3. Wert: zentrale StQ)
-
9,85% 5,83% 57,06% 11,72% 6,68% 56,25% 13,79% 7,56% 55,61% 16,09% 8,48% 55,12% 18,63% 9,43% 54,76% 21,42% 10,43% 54,54% 24,47% 11,49% 54,48% 27,79% 12,65% 54,59% 31,36% 13,93% 54,92% 35,17% 15,39% 55,53%
-
10,54% 6,68% 56,25% 12,41% 7,56% 55,57% 14,48% 8,46% 55,03% 16,78% 9,39% 54,61% 19,32% 10,36% 54,31% 22,11% 11,38% 54,14% 25,16% 12,46% 54,11% 28,48% 13,64% 54,25% 32,05% 14,94% 54,59% 35,86% 16,45% 55,21%
17,02% 33,49% 50,89% 18,89% 33,16% 50,76% 20,97% 32,91% 50,65% 23,27% 32,75% 50,58% 25,80% 32,73% 50,57% 28,59% 32,87% 50,63% 31,65% 33,23% 50,79% 34,97% 33,89% 51,06% 38,54% 34,94% 51,49% 42,35% 36,54% 52,14%
3,01%
-
2,73%
8,23% 4,23% 59,38% 10,10% 5,02% 58,10% 12,18% 5,84% 57,14% 14,48% 6,71% 56,41% 17,01% 7,61% 55,88% 19,80% 8,56% 55,54% 22,86% 9,58% 55,38% 26,17% 10,68% 55,42% 29,75% 11,89% 55,70% 33,56% 13,26% 56,28%
-
3,64%
7,29% 3,47% 61,12% 9,16% 4,23% 59,41% 11,23% 5,02% 58,17% 13,53% 5,86% 57,26% 16,07% 6,73% 56,60% 18,86% 7,66% 56,16% 21,91% 8,64% 55,93% 25,23% 9,71% 55,92% 28,80% 10,88% 56,16% 32,61% 12,21% 56,72%
-
4,00%
6,23% 2,75% 63,60% 8,10% 3,47% 61,17% 10,18% 4,23% 59,50% 12,48% 5,03% 58,31% 15,01% 5,88% 57,46% 17,80% 6,77% 56,89% 20,86% 7,72% 56,56% 24,18% 8,75% 56,49% 27,75% 9,89% 56,69% 31,56% 11,16% 57,21%
-
4,40%
5,06% 2,06% 67,44% 6,93% 2,75% 63,65% 9,01% 3,48% 61,26% 11,31% 4,24% 59,64% 13,84% 5,05% 58,52% 16,63% 5,91% 57,76% 19,69% 6,83% 57,31% 23,01% 7,82% 57,14% 26,58% 8,91% 57,28% 30,39% 10,13% 57,76%
-
4,84%
Spalten: Variationen der Abschreibungsrate (d)
9,08% 5,01% 58,07% 10,95% 5,84% 57,08% 13,03% 6,69% 56,30% 15,33% 7,58% 55,71% 17,86% 8,51% 55,28% 20,65% 9,49% 55,01% 23,71% 10,53% 54,90% 27,02% 11,66% 54,98% 30,60% 12,91% 55,29% 34,41% 14,33% 55,88%
-
3,31%
Tabelle 23: Auswirkungen von Variationen des Fremdkapitalzinssatzes und der Abschreibungsrate
9,66%
8,78%
7,99%
7,26%
6,60%
6,00%
5,45%
4,96%
4,51%
4,10%
0%
0%
3,76% 1,41% 74,36% 5,63% 2,07% 67,50% 7,71% 2,76% 63,75% 10,00% 3,49% 61,41% 12,54% 4,26% 59,86% 15,33% 5,08% 58,83% 18,38% 5,96% 58,20% 21,70% 6,91% 57,90% 25,28% 7,95% 57,95% 29,08% 9,11% 58,38%
-
5,32%
2,31% 0,80% 90,90% 4,18% 1,42% 74,42% 6,26% 2,07% 67,61% 8,55% 2,76% 63,91% 11,09% 3,50% 61,64% 13,88% 4,28% 60,18% 16,93% 5,12% 59,28% 20,25% 6,02% 58,81% 23,83% 7,02% 58,73% 27,63% 8,12% 59,08%
-
5,86%
0,70% 0,22% 188,87% 2,57% 0,80% 90,96% 4,64% 1,42% 74,53% 6,94% 2,07% 67,76% 9,48% 2,77% 64,13% 12,27% 3,51% 61,96% 15,32% 4,31% 60,63% 18,64% 5,17% 59,90% 22,21% 6,11% 59,65% 26,02% 7,16% 59,88%
-
6,44%
9,66%
8,78%
7,99%
7,26%
6,60%
6,00%
5,45%
4,96%
4,51%
4,10%
0%
Anhang 397
9. Ergebnistabelle der Variation der deterministischen Einflussfaktoren Zeilen: Variationen des Fremdkapitalzinssatzes (i)
(1. Wert: Wahrscheinlichkeit; 2. Wert: zentraler LNrel; 3. Wert: zentrale StQ)
398
Anhang
10. Wertetabelle für die Verhältniszahlen von Zinsaufwand zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen nach der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank
Grundstückswesen
Handel
verarbeitendes Gewerbe
Baugewerbe
Energie
Jahr
Dienstleistungen
Verhältnis von Zinsaufwand zu EBITDA
1998
-1,6102
0,4825
0,2883
0,1494
1999
-0,4128
0,4877
0,2434
0,1474
2000
-0,2789
0,5297
0,2072
0,1774
2001
1,2013
0,1998
0,2018
2002
0,7217
0,2423
0,2304
2003
0,8602
0,1874
0,2400
2004
2,1916
0,1198
0,1016
0,4913
0,1489
0,2035
2005
0,2895
0,0890
0,0861
0,4693
0,1503
0,1635
2006
0,4335
0,1122
0,0811
0,4335
0,1223
0,1701
2007
0,4200
0,0998
0,0817
0,3914
0,1380
0,1816
2008
0,2363
0,3962
0,1536
0,2037
Tabelle 24: Wertetabelle für die Verhältniszahlen von Zinsaufwand zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen (Unternehmensbilanzstatistik)
Anhang
399
11. Verhältnis von „Zinssaldo“ zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen nach der Unternehmensbilanzstatistik der Deutschen Bundesbank
70% 50% 30% 10% Ͳ10%
1998
1999
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
2007
2008
Ͳ30% Ͳ50% Baugewerbe
Dienstleistungen
Energie
GrundstücksͲundWohnungswesen
Handel(Großhandel)
verarbeitendesGewerbe
Abbildung 22: Verhältnis von Zinssaldo zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen (Unternehmensbilanzstatistik)
verarbeitendes Gewerbe
Handel
Grundstückswesen
Energie
Dienstleistungen
Baugewerbe
Jahr
Verhältnis von Zinssaldo zu EBITDA
1998
1,8068
0,4129
0,0954
-0,0134
1999
0,3255
0,4189
0,0926
-0,0162
2000
0,0427
0,4505
0,0683
0,0060
2001
-0,4552
0,0788
0,0129
2002
-0,5126
0,0836
0,0372
2003
-0,7214
0,0711
0,0442
2004
-2,3480
-0,0324
0,0461
0,0225
2005
-0,2371
-0,0279
0,0193
0,4076
0,0241
0,0256
2006
-0,1331
-0,0244
-0,0232
-0,1331
0,0408
0,0179
2007
-0,2578
-0,0272
-0,0251
0,3230
0,0392
0,0302
2008
-0,0628
0,3235
0,0384
0,0326
0,0295
0,4263
Tabelle 25: Wertetabelle für die Verhältniszahlen von Zinssaldo zu EBITDA in ausgewählten Wirtschaftszweigen (Unternehmensbilanzstatistik)
400
Anhang
12. Histogramm der Steuerquote für ein Referenzunternehmen des verarbeitenden Gewerbes
100%
40% 35,05%
90%
35% 30%
80% 26,83%
70%
25%
60%
20%
50%
15% 10% 5%
40% 11,28% 5,64% 3,65%
30% 4,48% 2,14%
20% 10%
0,87%
0%
0%
Steuerquote relativeHäufigkeit
Kumuliert%
Abbildung 23: Histogramm der Steuerquoten für ein Referenzunternehmen des verarbeitenden Gewerbes
Anhang
401
13. Simulationsergebnisse für ein Referenzunternehmen des Handels Erwartungswertvektor (M) und Kovarianz-Matrizen ( und A):
0 Handel
§ 0, 02429 · ¨ ¸ ¨ -0, 03402 ¸ ¨ 0, 06709 ¸ © ¹
6 Handel
§ 0, 02071 ¨ ¨ 0, 00418 ¨ 0, 00021 ©
0, 00418
0, 00354 0, 00318
0, 00021 · ¸ 0, 00318 ¸ 0, 02648 ¸¹
§ 0,14394 0, 02903 0, 00147 · ¨ ¸ 0, 05190 0, 06046 ¸ ¨ 0 ¨ 0 0 0,15107 ¸¹ ©
$ Handel
100%
60% 55,46%
90% 50%
80% 70%
40%
60% 50%
30%
40% 20% 12,24% 10%
30% 9,55%
6,66%
20% 4,79% 3,47% 2,29%
1,63%
10% 0%
0%
relativerLiquiditätsnachteil RelativeHäufigkeit
Kumuliert%
Abbildung 24: Histogramm des relativen Liquiditätsnachteils für ein Referenzunternehmen des Handels
402
Anhang
Noch Anhang 13
35%
100%
30% 28,89%
90%
25%
80%
24,70%
70% 60%
20%
50% 15% 10% 5%
40%
11,21%
30% 5,75% 20%
6,69% 4,61% 2,01%
10%
0%
0%
Steuerquote relativeHäufigkeit
Kumuliert%
Abbildung 25: Histogramm der Steuerquoten für ein Referenzunternehmen des Handels
Minimum
Maximum
Median
Standardabweichung
Erwartungswert
bedingter Median
LNrel
0,00%
127,09%
0,00%
3,03%
1,36%
1,88%
StQ
-37088,02%
71501,06%
35,39%
1080,03%
44,74%
45,04%
Tabelle 26: Statistische Lage- und Streuungsmaße der einperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote eines Referenzunternehmens des Handels
Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsschranke greift Wahrscheinlichkeit, dass mit der Zinsschranke kein LN verbunden ist Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsschranke wiederholt eingreift
B+1
B+2
B+3
B+4
B+5
B+6
47,68%
47,38%
49,09%
50,18%
51,63%
52,27%
6,59%
9,79%
10,59%
11,04%
10,48%
10,81%
79,66%
86,34%
88,92%
91,19%
91,85%
Tabelle 27: Eintrittswahrscheinlichkeiten des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (Handel)
Anhang
403
Noch Anhang 13
Minimum des LNrel
B+1 0%
B+2 -2417%
B+3 -3369%
B+4 -10326%
B+5 -31767%
B+6 -17722%
Maximum des LNrel
7512%
127%
35432%
5283%
4178%
479525%
Median des LNrel
0%
0%
0%
0%
0%
0%
Erwartungswert LNrel
1%
7%
5%
7%
47%
4%
Standardabweichung LNrel
3%
356%
82%
145%
4813%
310%
zentraler LNrel
2%
3%
5%
5%
6%
6%
Minimum der StQ
-37088%
-288625%
-106559%
-140335%
-2227490%
-18752%
Maximum der StQ
71501%
25707%
103224%
83820%
50894%
33541%
Median der StQ
35%
33%
32%
32%
32%
31%
Erwartete StQ
45%
-1%
31%
-6%
-185%
30%
1080%
3049%
1596%
2163%
22301%
658%
45%
43%
41%
39%
39%
38%
Standardabweichung StQ zentrale StQ
Tabelle 28: Statistische Lage- und Streuungsmaße der mehrperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote (Handel)
100%
35% 30%
90%
28,99% 25,81%
25%
80% 70% 60%
20%
50% 15%
40%
12,07% 8,74%
10%
7,74%
7,80%
8,85%
30% 20%
5%
10% 0%
0% keinmal
1Ͳmal
2Ͳmal
rel.HäufigkeitderZinsschranke
3Ͳmal
4Ͳmal
5Ͳmal
6Ͳmal
rel.HäufigkeitderZinsschranke(kumuliert)
rel.Häufigkeiteinesneg.EBT(kumuliert) Abbildung 26: Häufigkeit des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (Handel)
404
Anhang
Noch Anhang 13 100% 90%
13,38%
9,94%
7,18%
4,95%
4,32%
79,66%
79,79%
82,27%
84,71%
84,84%
B+2
B+3
B+4
B+5
B+6
80% 70% 60% 50% 40% 30% 20% 10% 0% ZVN=0%
0%<ZVNч25%
25%<ZVNч50%
50%<ZVNч75%
75%<ZVNч100%
ZVN=100%
Abbildung 27: Prozentuale Nutzung des Zinsvortrags in den einzelnen Prognoseperioden (Handel)
70%
100%
64,72%
90%
60%
80% 50%
70% 60%
40%
50% 30%
40%
20%
15,98%
18,12%
10,83% 10%
30% 20%
3,66%
1,94%
1,21%
10% 0%
0%
Permanentebzw.temporäreBelastungdurchdieZinsschranke Permanentebzw.temporäreBelastungdurchdieZinsschranke(kumuliert) Abbildung 28: Wahrscheinlichkeit für einen permanenten bzw. (teilweise) temporären Liquiditätsnachteil der Zinsschranke im fünfjährigen Prognosezeitraum (Handel)
Anhang
405
Noch Anhang 13 DauerbiszumvollständigenAbbaudesinB+1gebildetenZinsvortrags(inJahren) 1 2 3 4 5 70% 60%
54,13%
50% 40% 27,18%
30% 20% 10%
26,03%
13,49% 3,59%
1,61%
0%
NutzungdesinB+1angefallenenZinsvortrags NutzungsdauerdesinB+1angefallenenZinsvortrags Abbildung 29: Wahrscheinlichkeit und Dauer der Verrechnung des in B + 1 potenziell entstehenden Zinsvortrags (Handel)
406
Anhang
14. Simulationsergebnisse für ein Referenzunternehmen des verarbeitenden Gewerbes bei pauschaler Verringerung des prognostizierten Zinsaufwands Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsschranke greift Wahrscheinlichkeit, dass mit der Zinsschranke kein LN verbunden ist Wahrscheinlichkeit, dass die Zinsschranke wiederholt eingreift
B+1
B+2
B+3
B+4
B+5
B+6
26,51%
24,27%
22,98%
21,31%
19,96%
19,02%
32,03%
52,62%
66,10%
73,21%
79,01%
81,02%
68,84%
75,98%
79,07%
80,99%
82,46%
Tabelle 29: Eintrittswahrscheinlichkeiten des Eingreifens der Zinsschranke im Prognosezeitraum (Handel)
Minimum des LNrel
B+1 0,00%
B+2 0,00%
B+3 0,00%
B+4 0,00%
B+5 0,00%
B+6 -1,82%
Maximum des LNrel
2,62%
5,34%
6,27%
6,77%
7,83%
7,58%
Median des LNrel
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
Erwartungswert LNrel
0,10%
0,10%
0,08%
0,07%
0,05%
0,04%
Standardabweichung LNrel
0,29%
0,37%
0,37%
0,38%
0,35%
0,31%
zentraler LNrel
0,25%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00%
0,00% -5585%
Minimum der StQ
-153242%
-3124%
-18288%
-5255%
-9594%
Maximum der StQ
12296%
32283%
6050%
11718%
4737%
2886%
Median der StQ
33,87%
32,34%
31,65%
31,28%
31,00%
30,81%
Erwartete StQ
7,09%
33,09%
22,21%
23,16%
22,19%
22,40%
Standardabweichung StQ
1590%
484%
226%
161%
156%
97%
zentrale StQ
43,24%
39,63%
37,46%
36,87%
35,98%
34,96%
Tabelle 30: Statistische Lage- und Streuungsmaße der mehrperiodigen Simulation zum relativen Liquiditätsnachteil und zur Steuerquote bei pauschaler Verringerung des Zinsaufwands (verarbeitendes Gewerbe)
Anhang
407
Noch Anhang 14 100% 90%
21,80%
15,66%
14,11%
11,33%
62,41%
66,52%
67,77%
69,36%
B+3
B+4
B+5
B+6
21,84%
80% 70% 60% 50% 40% 30%
68,84%
20% 10% 0% B+2 ZVN=0%
0%<ZVNч25%
25%<ZVNч50%
50%<ZVNч75%
75%<ZVNч100%
ZVN=100%
Abbildung 30: Prozentuale Nutzung des Zinsvortrags in den einzelnen Prognoseperioden bei pauschaler Verminderung des Zinsaufwands (verarbeitendes Gewerbe) 100%
60% 50%
48,66%
46,07%
90% 80% 70%
40%
60% 26,63%
30%
50% 40%
20%
30% 20%
10% 2,47%
1,71%
1,41%
1,71%
10% 0%
0%
Permanentebzw.temporäreBelastungdurchdieZinsschranke Permanentebzw.temporäreBelastungdurchdieZinsschranke(kumuliert) Abbildung 31: Wahrscheinlichkeit für einen permanenten bzw. (teilweise) temporären Liquiditätsnachteil der Zinsschranke im fünfjährigen Prognosezeitraum bei pauschaler Verringerung des Zinsaufwands (verarbeitendes Gewerbe)
408
Anhang
Noch Anhang 14 DauerbiszumvollständigenAbbaudesinB+1gebildetenZinsvortrags(inJahren) 1 2 3 4 5 60% 52,24%
50,36%
50% 40% 30,86% 30% 20% 10,18% 10%
4,38%
2,34%
0%
NutzungdesinB+1angefallenenZinsvortrags NutzungsdauerdesinB+1angefallenenZinsvortrags Abbildung 32: Wahrscheinlichkeit und Dauer der Verrechnung des in B + 1 potenziell entstehenden Zinsvortrags bei pauschaler Verringerung des Zinsaufwands (verarbeitendes Gewerbe)
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Stand:
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Rechtsquellenverzeichnis 1. Internationales Recht OECD Model Tax Convention on Income and Capital (OECD-Musterabkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen – OECD-MA), Condensed Version July 2010, Paris 2010. 2. Europäisches Recht (Endorsed IAS/IFRS) Verordnung (EG) Nr. 1606/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Juli 2002 betreffend die Anwendung internationaler Rechnungslegungsstandards, ABl. EG Nr. L 243. Framework for the Preparation and Presentation of Financial Statements übernommen vom IASB im April 2001 unter Berücksichtigung der Änderungen im September 2010 (The Conceptual Framework for Financial Reporting 2010), London 2010. IAS 1 – Darstellung des Abschlusses, übernommen durch Verordnung (EG) Nr. 1274/2008 vom 17. Dezember 2008 (ABl. EU Nr. L 339, S. 3, 5), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 243/2010 vom 23.03.2010 (ABl. EU Nr. L 77, S. 33). IAS 8 – Bilanzierungs- und Bewertungsmethoden, Änderungen von Schätzungen und Fehler, übernommen durch Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 vom 3. November 2008 (ABl. EU Nr. L 320, S. 1, 34), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EG) 70/2009 vom 23.01.2009 (ABl. EU Nr. L 21, S. 16). IAS 12 – Ertragsteuern, Übernommen durch Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 vom 3. November 2008 (ABl. EU Nr. L 320, S. 1, 53), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EG) 495/2009 vom 03.06.2009 (ABl. EU Nr. L 149, S. 22). IAS 27 – Konzern- und separate Einzelabschlüsse nach IFRS, übernommen durch Verordnung (EG) Nr. 494/2009 vom 3. Juni 2009 (ABl. EU Nr. L 149, S. 6, 9). IAS 36 – Wertminderung von Vermögenswerten, übernommen durch Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 vom 3. November 2008 (ABl. EU Nr. L 320, S. 1, 215), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EU) 243/2010 vom 23.03.2010 (ABl. EU Nr. L 77, S. 33). IAS 37 – Rückstellungen, Eventualverbindlichkeiten und Eventualforderungen, übernommen durch Verordnung (EG) Nr. 1126/2008 vom 3. November 2008 (ABl. EU Nr. L 320, S. 1, 241), zuletzt geändert durch Art. 1 ÄndVO (EG) 495/2009 vom 03.06.2009 (ABl. EU Nr. L 149, S. 22). IFRS 1 – Erstmalige Anwendung der International Financial Reporting Standards, übernommen durch Verordnung (EG) Nr. 1136/2009 vom 25. November 2009 (ABl. EU Nr. L 311, S. 6, 8), zuletzt geändert durch ÄndVO (EU) 662/2010 vom 23.07.2010 (ABl. EU Nr. L 193, S. 1). SIC 12 – Konsolidierung — Zweckgesellschaften übernommen durch Verordnung (EG) Nr. 1725/2003 vom 29. September 2003 (ABl. EU Nr. L 261, S. 393), zuletzt geändert durch ÄndVO (EU) 1751/2005 vom 25.10.2005 (ABl. EU Nr. L 282, S. 3).
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
466
Rechtsquellenverzeichnis
3. Nationales Recht 3.1
Gesetze
Abgabenordnung (AO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, S. 3866; ber. BGBl. I 2003, S. 61), zuletzt geändert durch das Gesetz über die Internetversteigerung in der Zwangsvollstreckung und zur Änderung anderer Gesetze vom 30.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2474). Deutscher Rechnungslegungs Standard Nr. 18 (DRS 18) – Latente Steuern – verabschiedet durch den Deutschen Standardisierungsrat (DSR) am 08. Juni 2010, Bundesanzeiger Nr. 133 vom 03.09.2010 (Beilage 133a). Gesetz über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz – AStG) vom 8. September 1972 (BGBl. I 1972, S. 1713), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 08.04.2010 (BGBl. I 2010, S. 386). Einkommensteuergesetz (EStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 8. Oktober 2009 (BGBl. I 2009, S. 3366), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EUVorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 08.04.2010 (BGBl. I 2010, S. 386). Einführungsgesetz zum Handelsgesetzbuch (EGHGB) in der Fassung vom 10. Mai 1897 (RGBl. 1897, S. 437 bzw. BGBl. III/FNA 4101-1), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Angemessenheit der Vorstandsvergütung (VorstAG) vom 31.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2509). Finanzgerichtsordnung (FGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 28. März 2001 (BGBl. I 2002, S. 442, ber S. 2262, S. 679), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht vom 30.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2449). Gewerbesteuergesetz (GewStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, S. 4167), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EUVorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 08.04.2010 (BGBl. I 2010, S. 386). Gewerbesteuergesetz alte Fassung (GewStG a.F.) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, S. 4167), vor Änderung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) vom 14.08.2007 (BGBl. I 2007, S. 1912). Handelsgesetzbuch (HGB) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 1897 (BGBl. 1897, S. 219), zuletzt geändert durch Art. 6a Gesetz zur Neuregelung der Rechtsverhältnisse bei Schuldverschreibungen aus Gesamtemissionen und zur verbesserten Durchsetzbarkeit von Ansprüchen von Anlegern aus Falschberatung vom 31.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2512). Handelsgesetzbuch alte Fassung (HGB a.F.) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 1897 (BGBl. 1897, S. 219), vor Änderung durch das Gesetz zur Modernisierung des Bilanzrechts (BilMoG) vom 25.05.2009 (BGBl. I 2009, S. 1102). Körperschaftsteuergesetz (KStG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, S. 4144), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Umsetzung steuerlicher EU-
Rechtsquellenverzeichnis
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Vorgaben sowie zur Änderung steuerlicher Vorschriften vom 08.04.2010 (BGBl. I 2010, S. 386). Körperschaftsteuergesetz alte Fassung (KStG a. F.) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, S. 4144), vor Änderung durch das Unternehmensteuerreformgesetz 2008 (UntStRefG 2008) vom 14.08.2007 (BGBl. I 2007, S. 1912). Solidaritätszuschlaggesetz (SolZG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. Oktober 2002 (BGBl. I 2002, S. 4130), zuletzt geändert durch Art. 9 Gesetz zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 22.12.2009 (BGBl. I 2009, S. 3950). Steuerberatungsgesetz (StBerG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 04. November 1975 (BGBl. I 1975, S. 2735), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Modernisierung von Verfahren im anwaltlichen und notariellen Berufsrecht vom 30.07.2009 (BGBl. I 2009, S. 2449). Umwandlungssteuergesetz (UmwStG) in der Fassung vom 7. Dezember 2006 (BGBl. I 2006, S. 2782/2791, zuletzt geändert durch das Wachstumsbeschleunigungsgesetz vom 22.12.2009 (BGBl. I 2009, S. 3950). 3.2
Gesetzesmaterialien
Beschluss des Bundesrates Jahressteuergesetz 2010 (JStG 2010) vom 26.11.2010, BR-Drs. 679/10 (Beschluss). Gesetzesbeschluss des Deutschen Bundestages Jahressteuergesetz (JStG 2010) vom 28.10.2010, BR-Drs. 679/10. Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wirtschaftswachstums (Wachstumsbeschleunigungsgesetz) vom 09.11.2009, BT-Drs. 17/15. Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur verbesserten steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung) vom 03.04.2009, BR-Drs. 168/09 (Beschluss). Entwurf eines Gesetzes zur Korrektur der Unternehmensteuerreform der Abgeordneten Dr. Herrmann Otto Solms et al. und der Fraktion der FDP vom 27.03.2009, BT-Drs. 16/12525. Beschlussempfehlung und Bericht des Rechtsausschusses (6. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksache 16/10067 – Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 24.03.2009, BTDrs. 16/12407. Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zu dem Gesetzentwurf der Bundesregierung – Drucksachen 16/10189, 16/10494, 16/10665 Nr. 3 – Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 27.11.2008, BT-Drs. 16/11108. Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) – Drucksache 16/10189 – vom 07.10.2008, BTDrs. 16/10189. Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 19.09.2008, BR-Drs. 545/08 (Beschluss).
468
Rechtsquellenverzeichnis
Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2009 (JStG 2009) vom 02.09.2008, BT-Drs. 16/10189. Entwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts (Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz – BilMoG) vom 30.07.2008, BT-Drs. 16/10067. Stellungnahme des Bundesrates und Gegenäußerung der Bundesregierung zum Entwurf eines Jahressteuergesetzes 2008 (JStG 2008) – Drucksache 16/6290 – vom 18.10.2007, BTDrs. 16/6739. Bericht des Finanzausschusses (7. Ausschuss) zum Entwurf eines Unternehmensteuerreformgesetzes 2008 vom 24.05.2007, BT-Drs. 16/5491. 3.3
Sonstige parlamentarische Dokumente
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Thomas Gambke et al. und der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/2564 – Auswirkungen der Unternehmensteuerreform 2008 vom 03.08.2010, BT-Drs. 17/2696. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Barbara Höll et al. und der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 17/1999 – Ausmaß der Streitanfälligkeit des Steuerrechts vor den Finanzgerichten, dem Bundesfinanzhof und dem Europäischen Gerichtshof vom 25.06.2010, BT-Drs. 17/2296. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Gerhard Schick et al. und der Fraktion Bündnis 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 17/1103 – Haltung der Bundesregierung zu Maßnahmen gegen Steuerhinterziehung und Steuerflucht vom 06.04.2010, BT-Drs. 17/1334. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Volker Wissing et al. und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/12497 – Unternehmensbesteuerung in der Rezession vom 15.04.2009, BT-Drs. 16/12637. Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Hermann Otto Solms, Frank Schäffler, Carl-Ludwig Thiele, weiterer Abgeordneter und der Fraktion der FDP – Drucksache 16/4640 – Zinsschranke im Rahmen der Unternehmensteuerreform vom 27.03.2007, BT-Drs. 16/4835.
Rechtsprechungsverzeichnis 1. Europäischer Gerichtshof (EuGH) Datum 04.10.2001
Aktenzeichen/Rechtssache
Fundstelle
C-294/99
IStR 2001, S. 651
Athinaïki Zythopoiia AE 2. Bundesgerichtshof (BGH) Datum
Aktenzeichen
Fundstelle(n)
28.01.1991
II ZR 20/90
NJW 1991, S. 1890
21.06.1994
XI ZR 183/93
BGHZ 126, S. 261
3. Bundesfinanzhof (BFH) Datum
Aktenzeichen
Fundstelle(n)
13.01.1966
IV 51/62
BStBl. III 1966, S. 189
03.10.1984
I R 119/81
BStBl. II 1985, S. 245
19.12.1984
I R 165/80
BStBl. II 1985, S. 403
23.10.1985
I R 235/81
BStBl. II 1986, S. 72
26.10.1987
GrS 2/86
BStBl. II 1988, S. 348
13.10.1988
IV R 136/85
BStBl. II 1989, S. 7
21.06.1989
X R 14/88
BStBl. II 1989, S. 881
10.03.1993
I R 59/92
BFH/NV 1993, S. 561
19.10.1993
VIII R 14/92
BStBl. II 1993, S. 891
25.07.1995
VIII R 54/93
BStBl. II 1995, S. 794
06.12.1995
I R 14/95
BStBl. II 1996, S. 406
06.12.1995
I R 109/94
BStBl. II 1998, S. 685
16.02.1996
I R 73/95
BStBl. II 1996, S. 592
02.10.1997
IV R 84/96
BStBl. II 1998, S. 104
19.08.1998
XI R 8/96
BStBl. II 1999, S. 18
25.02.1999
IV R 55/97
BStBl. II 1999, S. 473
05.05.1999
XI R 6/98
BStBl. II 1999, S. 735
09.08.2000
I R 92/99
BStBl. II 2001, S. 609
27.06.2001
I R 45/97
BStBl. II 2003, S. 121
27.11.2001
VIII R 36/00
BStBl. II 2002, S. 731
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
470
Rechtsprechungsverzeichnis
05.06.2002
I R 23/01
BFH/NV 2002, S. 1434
30.04.2003
I R 19/02
BStBl. II 2004, S. 192
04.06.2003
I R 89/02
BStBl. II 2004, S. 517
19.02.2004
III R 1/03
BFH/NV 2004, S. 1231
25.03.2004
IV R 35/02
BStBl. II 2006, S. 644
30.11.2005
I R 110/04
BStBl. II 2007, S. 251
17.01.2006
VIII R 96/04
BFH/NV 2006, S. 885
25.04.2006
VIII R 40/04
BStBl. II 2006, S. 749
29.03.2007
IV R 72/02
BStBl. II 2008, S. 420
04.07.2007
X R 49/06
BStBl. II 2007, S. 772
17.10.2007
I R 5/06
BStBl. II 2009, S. 356
28.11.2007
X R 6/05
BStBl. II 2008, S. 363
07.08.2008
IV R 86/05
BFH/NV 2008, S. 1960
27.05.2009
I R 30/08
BFH/NV 2009, S. 2059
06.10.2009
I R 4/08
BStBl. II 2010, S. 177
09.06.2010
I R 107/09
BFH/NV 2010, S. 1744
15.06.2010
VIII R 33/07
BFH/NV 2010, S. 1917
26.08.2010
I R 17/09
DStR 2010, S. 2455
08.09.2010
I R 74/09
DStR 2010, S. 2450
4. Finanzgerichte (FG) Gericht
Datum
Aktenzeichen
Fundstelle(n)
FG Nürnberg
28.10.1986
I 74/82
EFG 1987, S. 139
FG Bremen
30.09.2002
3 K 160/02 und
DStRE 2003, S. 546
3 K 161/02 FG Münster
02.12.2008
9 K 2344/07 G
EFG 2009, S. 624
FG München
30.07.2009
1 K 1816/09
EFG 2009, S. 1954
FG Niedersachsen
11.02.2010
6 K 406/08
EFG 2010, S. 815
FG Niedersachsen
18.02.2010
6 V 21/10
EFG 2010, S. 981
FG Rheinland-Pfalz
17.03.2010
1 K 2406/07
DStRE 2010, S. 802
Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen 1. Richtlinien des Bundesministeriums der Finanzen Betriebsprüfungsordnung (BpO/Allgemeine Verwaltungsvorschrift für die Betriebsprüfung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 15. März 2000 (BStBl. I 2000, S. 368). Einkommensteuer-Richtlinien 2008 (EStR 2008) Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Einkommensteuerrechts vom 16. Dezember 2005 (BStBl. I 2005, Sondernummer 1) in der Fassung des EStÄR 2008 vom 18.12.2008 (BStBl. I, 2008, S. 1017). Gewerbesteuer-Richtlinien 2009 (GewStR 2009) Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Anwendung des Gewerbesteuerrechts vom 28. April 2010 (BStBl. I 2010, Sondernummer 1 S. 2). Körperschaftsteuer-Richtlinien 2004 (KStR 2004) Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Körperschaftsteuer vom 13. Dezember 2004 (BStBl. I 2004, Sondernummer 2 S. 2). 2. Verwaltungsanweisungen des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) Datum
Aktenzeichen
Fundstelle
19.04.1971
IV B/2 — S 2170 — 31/71
BStBl. I 1971, S. 264
21.03.1972
F/IV B 2 — S 2170 — 11/72
BStBl. I 1972, S. 188
22.12.1975
IV B 2 — S 2170 — 161/75
DB 1976, S. 172
23.12.1991
IV B 2 — S 2170 — 115/91
BStBl. I 1992, S. 13
24.12.1999
IV B 4 — S 1300 — 111/99
BStBl. I 1999, S. 1076
26.08.2003
IV A 2 — S 2770 — 18/03
BStBl. I 2003, S. 437
15.07.2004
IV A 2 — S 2742a — 20/04
BStBl. I 2004, S. 593
12.04.2005
IV B 4 — S 1341 — 1/05
BStBl. I 2005, S. 570
26.05.2005
IV B 2 — S 2175 — 7/05
BStBl. I 2005, S. 699
17.11.2005
IV B 2 — S 2144 — 50/05
BStBl. I 2005, S. 1019
21.09.2006
IV A 7 — S 1450 — 29/06
BStBl. I 2006, S. 530
07.05.2008
IV B 2 — S 2144/07/0001 2008/0201374
BStBl. I 2008, S. 588
04.07.2008
IV C 7 — S 2742- a/07/10001 2008/0336202
BStBl. I 2008, S. 718
04.11.2008
IV C 6 — S 2144/07/10001 2008/0578483
BStBl. I 2008, S. 957
25.08.2009
IV B 5 — S 1341/07/10004 2009/0421117
BStBl. I 2009, S. 888
12.03.2010
IV C 6 — S 2133/09/10001 2010/0188935
BStBl. I 2010, S. 239
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
472
16.04.2010
Verzeichnis der Verwaltungsanweisungen
IV B 2 — S 1300/09/10003
BStBl. I 2010, S. 354
2009/0716905 30.04.2010
IV C 2 — S 2745-a/08/10005 :002 2010/0332067
BStBl. I 2010, S. 488
3. Erlasse und Verfügungen der Länder Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 04.07.2008, BStBl. I 2008, S. 730. Gleich lautende Erlasse der obersten Finanzbehörden der Länder v. 04.01.2010, BStBl. I 2010, S. 29. OFD Erfurt v. 23.10.2003, S 2241 A - 08 - L 221, FR 2003, S. 1299. OFD Frankfurt a. M. v. 14.03.2001, S 2241 A – 37 – St II 21, DStR 2001, S. 1159. OFD Frankfurt a. M. v. 14.05.2010, S 2742a A – 3 – St 51, DATEV LEXinform, Dokumentennummer: 5232744. OFD Koblenz v. 27.04.2009, S 2742a A – St 33 1, DB 2009, S. 1964.
Stichwortverzeichnis
1 10%-Test ............................................. 192, 197, 205, 209
Bewertungsvorsicht......................................353, 355, 357 Bewertungswahlrechte .................................175, 304, 314 Bilanzpolitik ....................................................... 312, 315 Bilanzsummenkorrektur .............................................. 182
5
Billigkeitsregelung ......... 98, 105, 126, 158, 160, 286, 292
5%-Pauschalierung ...................................................... 122
Bürgerentlastungsgesetz ....................................... 79, 212
Bruttomethode .............................................117, 131, 155
A
C
Ab-/Aufzinsung ........................... 125, 194, 232, 304, 330
Cash-Generating-Units ....................................... 175, 315
Abschlussstichtag ........................................ 163, 184, 199 Anhangangaben ................................... 333, 340, 361, 372 Anlaufverluste ............................................................... 96 Anrechnungshöchstbetrag ........................................... 116 Anwachsung ................................................................ 140 Asset ............................................................................ 340 Asset-backed-Securities .............................................. 160 aufdeckungsorientierte Maßnahmen............................ 326 Aufdeckungswahrscheinlichkeit.......................... 326, 337 Ausgleichszahlungen ........................................... 118, 316 Ausnahmetatbestände ...................................... 6, 136, 157 Ausschüttungssperre.................................................... 332 Außenverpflichtung............................................. 323, 335 Aussetzung der Vollziehung ....................................... 328 Avalprovisionen .......................................................... 120
B Bankenmodell ............................................................. 211 Barwert ...............................52, 62, 68, 125, 232, 304, 338 Belastungsgrad ...................................................... 78, 270 Beratungsempfehlung.................................................. 238 Beratungsrelevanz ............................................... 225, 229 Bereitstellungszinsen ................................................... 120 Berichterstattung ......................................................... 321 Bestimmtheitsgebot ..................................................... 215 Beteiligungsbuchwertkürzung ..... 178, 213, 217, 303, 306 Beteiligungsfinanzierung............................................. 296 Beteiligungsquote (mittelbare Beteiligung) ......... 144, 189 Betriebsaufgabe/-übertragung ............. 141, 147, 149, 151 Betriebsdefinition ................................................ 102, 230 Betriebsfiktion ..................................... 104, 117, 151, 207 Betriebsprüfung ................................... 321, 327, 337, 357 Betriebsstätte ..........................95, 108, 114, 193, 300, 302 Bewertungseinheit ....................................................... 332
Cash-Pooling............................................................... 291 Cholesky-Zerlegung .................................................... 258 Control-Verhältnis .............................................. 158, 161 COSO............................................................................ 99
D DAFNE ......................................................................... 78 Debt-Buy-Back ........................................................... 294 Debt-to-Equity-Swap .................................................. 296 Delkredererisiko.......................................................... 292 Delphi-Methode .......................................................... 223 Detailplanung ...............................................344, 347, 359 Dichtefunktion ............................................................ 250 Diskontierungspflicht.................................................. 339 Diskriminierungsverbot .............................................. 216 Dominanzprinzip ........................................................ 224 Doppelbesteuerung ............................................. 114, 216 Doppelstöckige Personengesellschaft ......................... 142 Dotationskapitalgrundsätze ......................................... 115 Dreiecksverhältnis ...................................................... 128 Drei-Werte-Verfahren ......................................... 348, 359
E EBIT ............................................................................. 32 EBITDA-Ermittlung ........................................5, 109, 230 EBITDA-Kaskade ........................................110, 230, 309 EBITDA-Vortrag ....................................... 5, 67, 152, 273 Effective Tax Rate ...........................................71, 74, 369 Eigenkapitalinstrument ......................................... 90, 123 Eigenkapitalkorrektur ................................................. 177 Einbringung .................................................141, 147, 150 Einflussfaktoren ............... 30, 89, 243, 265, 345, 358, 360 Einheitstheorie ............................................................ 118 Einheitsunternehmen............................................. 97, 302
B. Liekenbrock, Management und Bilanzierung von Zinsschrankenrisiken, DOI 10.1007/978-3-8349-6219-5, © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
474
Stichwortverzeichnis
Einkünftekorrektur (§ 1 AStG)............................ 127, 289
Gesellschafterfremdfinanzierung ............. 8, 188, 233, 310
Einlagen/Entnahmen ........................................... 135, 174
gesellschaftsbezogene Betrachtungsweise .................. 133
Eintrittswahrscheinlichkeit .......................... 249, 270, 273
Gewerbesteuerstatistik .................................................. 78
Einzelbetrachtung ................................................ 194, 236
Gewinn- und Verteilungsschlüssel .............................. 316
Elastizität............................................................. 246, 394
Gewinneinkünfte .................. 102, 104, 106, 111, 147, 230
Empirie .................................................................. 78, 259
Gläubigerschutz .......................................................... 332
Entscheidungsrelevanz ................................................ 363
Glaubwürdigkeit ......................................................... 371
Equity-Escape ............ 7, 97, 164, 224, 235, 306, 314, 327
Gleichordnungskonzern ...................................... 158, 162
Equity-Methode........................................................... 158
Grundtatbestand ...................................................... 5, 102
Erfüllungsbetrag ...................................... 59, 61, 329, 338
Gruppenbesteuerung ................................................... 214
Ergänzungsbilanzen .................................... 109, 144, 180 Ergebnisverlagerung.................................................... 310 Ermessensspielraum .................... 310, 315, 336, 351, 369 Eröffnungsbilanz ......................................................... 184 Erstkonsolidierung .............................................. 175, 315 Erwartungswert ....................248, 251, 265, 271, 358, 371 Europarecht ................................................................. 216 Evaluation ................................................................... 212 Eventualforderung ....................................................... 341
H herrschende Meinung (Definition) .................................. 4 Herstellungskosten .............................................. 313, 315 Hinzurechnung (GewSt) ................ 31, 154, 219, 286, 313 Holding ............................................ 94, 99, 169, 300, 308 Hybridanleihen............................................................ 288
I
Eventualschuld .................................................... 337, 341 Expertenbefragung ...................................... 222, 348, 350
Immaterialgüter..................................................... 94, 313
Extrapolation ............................................................... 355
Impairment-Test...........................................315, 364, 371
F
Informationspflichten.................................................. 317
Informationsniveau ....................................... Siehe Risiko
Factoring ..................................................................... 292 Fallbeileffekt ............................................................... 215 Financial Covenants ...................................................... 93 Finanzierungsbetriebsstätte ......................................... 301 Finanzierungspolitik .................52, 91, 245, 347, 349, 360 Finanzinstrument ......................................................... 124 Finanzinvestitionen ......................................... 93, 96, 244 Finanzplanung ............................................................. 349
Informationsverarbeitung .................................... 344, 352 Interest-Pooling-Modell .............................................. 300
J Jahressteuergesetz 2009 ...............................106, 142, 213 Joint-Venture ............... Siehe Gemeinschaftsunternehmen
K
Firmenwerthinzurechnung........................................... 175
Kapitalforderungen .............................. 122, 127, 180, 182
Forfaitierung............................................. Siehe Factoring
Kapitalkosten ........................................... 53, 54, 294, 295
Formwechsel ............................................... 150, 303, 308
Kapitalstruktur .................................................6, 294, 360
Fragebogen .................................................................. 222
Kaskadeneffekt ................................................... 110, 178
Framework .................................................................. 363
Kennzahlen ........................................................... 35, 271
Freigrenze..................... 6, 79, 90, 136, 212, 291, 297, 305
Kommunikationsprozess ............................................... 98
Fremdkapitalvergütungen.................... Siehe Zinsaufwand
Kompensationsklausel ................................................ 317
Fremdwährungsdarlehen ............................................. 290
Komplementäreinlage (KGaA) ............ 114, 178, 179, 189
G Gemeinschaftsunternehmen ........................ 171, 307, 309 Genussrechte ....................................... 177, 189, 288, 297 Gerichtsverfahren ........................................ 240, 328, 350 Gesamtbetrachtung ...................................... 194, 236, 328 Gesamthandszinsen ..................................................... 134 Gesamtkapitalrendite................................... 245, 248, 251 gesellschafterbezogene Betrachtungsweise ................. 133
Konfliktpotenzial ................................................ 224, 228 Konfusionsverlust ....................................................... 304 Konsolidierung............................... 98, 158, 165, 171, 235 Kontingenzkoeffizient................................................. 224 Konzernabgrenzung .............................................. 20, 157 Konzernabschluss .................. 98, 158, 164, 170, 186, 199 konzerninterne Fremdfinanzierung ...... 182, 198, 299, 307 Konzernklausel (§ 8c KStG) ....................................... 306 Konzernspitze .............................. 165, 167, 171, 184, 199
Stichwortverzeichnis
475
Konzernverständnis ..................... 157, 160, 165, 168, 195
Bilanzierung nach HGB ................................... 59, 330
körperschaftsbezogene Betrachtungsweise ................. 202
Bilanzierung nach IAS/IFRS ................................... 62
Kovarianz-Matrix ................................................ 258, 269
nahestehende Person ........................................... 127, 190
Kündigungsrechte ............................................... 172, 182
Nettoprinzip ................................................................ 215
L
Niederlassungsfreiheit................................................. 217
O
Lagebericht.................................................................. 321 latente Steuern ............................................................... 62
Objektivierungskriterien ............................................. 365
~ für einen EBITDA-Vortrag ................................... 67
Objektkapitalgesellschaften ........................................ 106
~ nach HGB für den Zinsvortrag...................... 63, 351
Onlending ........................................................8, 183, 195
~ nach IAS/IFRS für den Zinsvortrag .............. 66, 363
Operating Cashflow .............................................. 38, 271
Aktivierungswahlrecht (HGB) ................................. 64
Organisationsformen ......................................98, 104, 303
Einzeldifferenzbetrachtung ................................ 64, 66
Organisationsstruktur .................................................. 349
faktisches Aktivierungswahlrecht (IAS/IFRS) ......... 66
Organschaftsverhältnis . 150, 234, 302, 305, 307, 357, 367
Gesamtdifferenzenbetrachtung ................................ 63
P
Leasing ........................................................ 119, 285, 286 Leveraged Buy-Out ..................................................... 347 Liability Method............................................................ 63 Liquiditätsmanagement ............................................... 291 Liquiditätsnachteil ............................................... 270, 276 Bedingungen ............................................................ 42 definitiver ~.............................................................. 46 Messung ................................................................... 35 mittelbarer gewerbesteuerlicher ~ ............................ 36 relativer ~ ................................................................. 38 temporärer ~ ............................................................. 43 zentraler relativer ~ ................................................ 251 Liquiditätsvorteil scheinbarer ~ ............................................................ 49 temporärer ~ ............................................................. 47
Parameterschätzung .................................................... 258 Parametervariationen .................................................. 254 Parameterwachstum .................................................... 280 PPP-Gesellschaften ......................................................... 3 Private-Equity-Fonds .......................................... 100, 162 probable ...................................................................... 364 Probable Minimum Return.......................................... 248 Prognosehorizont ........................................................ 278 Prognoserechnung ............................................... 343, 352 Prognosezeitraum..................... 65, 66, 272, 344, 355, 368 Prüfungsdichte ............................................................ 328 Punktschätzung ............................ 330, 348, 356, 359, 371 Push-down-Accounting....................................... 176, 315
Q
M Mahngebühren............................................................. 120
Quantil ........................................................................ 250
R
Median ................................................................ 250, 271 Mezzanine ........................................... 177, 179, 288, 297 Microsoft Excel ........................................................... 258 Minderheitsgesellschafter............................ 118, 208, 209 Mindestbeteiligungsquote ........................................... 203 Missbrauchsvermeidungszweck .................................. 215 Mitunternehmer(teil)anteil .................. 140, 141, 145, 150 mitunternehmerschaftsbezogene Betrachtungsweise... 203 Monte-Carlo-Simulation ..................................... 257, 268
Realinvestition ...................................................... 93, 244 Realisationsprinzip.............................................. 351, 354 Realteilung .................................................................. 149 Rechnungslegungsstandard .................. 159, 164, 314, 321 Rechtsänderungsrisiken .......................................... 18, 20 Rechtsbeurteilungsrisiken ..................................... 20, 102 Rechtsformwahl .................................................. 242, 308
more likely than not ............................................ 336, 364
Rechtsunsicherheit .............................................. 224, 226
N
Referenzunternehmen ................................................. 268
nachgeordnete Mitunternehmerschaft ......................... 201 Nachweispflichten ....................................................... 200 Nachzahlungszinsen .................................... 328, 334, 342
Referenzsteuersystem ............................................. 47, 49 Refinanzierung ..................................... 112, 114, 297, 307 Repatriierung .......................... Siehe Ergebnisverlagerung Ressourcenabfluss ....................................................... 336 Risiko
476
Stichwortverzeichnis
Bewertung .............................................................. 221
Entscheidungswirkung............................................. 26
Definition ................................................................... 9
Quantifizierung ........................................................ 25
Informationsniveau .................................................. 10
Systematisierung...................................................... 17
Zeitbezug ................................................................. 14 Zielwirkung.............................................................. 12 Risikoabschlag ............................................................ 360
Zielwirkung ............................................................. 23 Steuerrückstellung Bilanzierung nach HGB ................................... 57, 323
Risikoausmaß ................................................................ 13
Bilanzierung nach IAS/IFRS ........................... 60, 335
Risikointensität.............................................................. 13
Steuersatzeffekt............................................................. 46
Risikomanagement ................................................ 38, 290
Steuerübernahmeklausel ............................................. 316
Risikomaß ................................................................... 221
Steuerungsinstrumente ................................................ 284
Risikosteuerung ........................................................... 281
Steuerverwaltungskosten ........................................ 24, 28
Risikoträger ........................................................... 98, 282
Steuervorauszahlungen ......................................... 56, 318
Rückausnahmetatbestände....................................... 6, 188
Steuerwirkungen ........................................................... 23
Rückgriff ..................................... 191, 195, 204, 208, 317
Steuerzahllasteffekt ..................................................... 345
Rückkopplungseffekt .................................................. 339
Stichtagsbetrachtung ........................................... 164, 184
Rückzahlungsanspruch ................................................ 124
stille Gesellschaft .............................................3, 288, 298
S Sachverhaltsrisiken ....................................................... 22 Safe-Haven .................................................................... 92 Sale-Lease-Back .......................................... 287, 313, 367 Scheibentheorie ........................................................... 176 Schuldenkonsolidierung ...................................... 176, 199 Schwestergesellschaften .............................. 128, 158, 294
stille Reserven ..................................................... 256, 312 Streubereich ................................................................ 249 Streubesitzanteil .......................................................... 214 Substanzbesteuerung ..................................................... 46 substanzielle Hinweise .................................336, 368, 373 Swap-Geschäfte ...........................................124, 232, 290
T
Selbstfinanzierung ....................................................... 295
Tax Compliance Costs ..... Siehe Steuerverwaltungskosten
Sensitivitätsanalyse ..................................................... 253
Tax Only Effect .......................................................... 341
Sicherheitsniveau ................................................ 359, 371
Tax Risk Accounting ...................................................... 2
Sicherungsgeschäfte .......................Siehe Swap-Geschäfte
Tax Risk Management .............................................. 2, 89
Sonderbetriebsvermögen ............. 110, 180, 182, 183, 309
Tax Shield ..................................................................... 51
Sonderbetriebszinsen ................................... 133, 206, 298
Teilbetrieb .................................... 148, 153, 234, 357, 367
Sonder-Mitunternehmer .............................................. 142
Teilkonzernabschluss ........... 165, 174, 186, 187, 217, 235
Sonderposten mit Rücklageanteil ................................ 174
Teilrechtssubjektivität ................................................. 109
Sondervergütungen ............................. 112, 129, 142, 233
Teilwertabschreibungen ...............................121, 261, 300
Spaltung .............................................................. 149, 305
Temporary Concept ...................................................... 63
Stand-alone-Escape ............7, 97, 157, 217, 224, 302, 306
Testat .......................................................................... 186
Standardnormalverteilung ........................................... 249
Treuhandmodell .............................................................. 3
Stetigkeitsgebot ................................... 351, 361, 363, 372 Steuerbescheid..................................................... 344, 373 Steuererklärung ................................................... 318, 325 Steuererstattungszinsen ............................................... 123 Steuergestaltungen ...................................... 355, 356, 367 Steuerklauseln ............................................................. 316 Steuerlatenzen .................................. Siehe latente Steuern Steuerquote...................................................... 37, 39, 251 Steuerrechtssprünge ...................................................... 19 Steuerrisiko Bilanzierung .......................... Siehe Steuerrückstellung Charakterisierung ..................................................... 15 Definition ................................................................. 14
U Überentnahmen ........................................................... 134 Überleitungsrechnung .......................... 175, 186, 340, 362 Überschusseinkünfte ................................................... 107 Umkehreffekt ........................................................ 72, 366 Umsatzklassen ............................................................ 259 Umstrukturierungen ............... 98, 301, 306, 355, 368, 372 Umwandlungen .................................... 141, 149, 303, 313 Unternehmens-/Unternehmeridentität .. 139, 143, 146, 147 Unternehmensakquisitionen ................................ 298, 317 Unternehmensbilanzstatistik ....................................... 259 Unternehmensfortführung ............................351, 355, 363
Stichwortverzeichnis
477
Unternehmensteuerreformgesetz ................................. 211
Wirtschaftsprüfer ........................................................ 187
Unterordnungskonzern ................................................ 158
Wirtschaftszweige ..........................................84, 262, 279
Upstream-Darlehen ............................................. 127, 289
Wurzeltheorie ............................................................. 113
V
Z
Value at Risk ............................................................... 248
Zebragesellschaft ........................................................ 111
Veranlagungszeitraum ..............32, 43, 111, 164, 185, 318
Zeitreihenanalysen ...................................................... 347
verbindliche Auskunft ................................................. 240
Zins- und Lizenzgebühren-Richtlinie.......................... 219
verdeckte Einlage ................................................ 126, 289
Zinsabzugsfreibetrag ....................................................... 5
verdeckte Gewinnausschüttung ........................... 126, 289
Zinsabzugsquote ................................................... 35, 246
Vergleichsgrößen ........................................ 192, 205, 209
Zinsaufwand (Definition).................................... 119, 193
Verlustausgleichsbeschränkungen ............................... 121
Zinseffekte .................................................................... 51
Verlusthistorie ............................................................. 354
Zinsertrag (Definition) ........................................ 122, 193
Vermietung und Verpachtung ..................................... 106
Zinsertragsüberschuss ......................................... 152, 234
Verpflichtungsbetrag ................................................... 338
Zinshistorie .................................. 354, 368, 370, 372, 374
Verrechnungspreise ..................................................... 310
Zinsnachteil................................................................... 51
Verschmelzung.................................................... 141, 303
Zinssaldoermittlung .................................................... 118
Vinkulierungsklausel................................................... 317
Zinsschrankenrisiko ...................................................... 27
Volatilität ......................... 25, 96, 262, 266, 272, 356, 359
Bilanzierung .......................................................... 321
Vorbehalt der Nachprüfung ......................................... 323
Definition................................................................. 27
Vorfälligkeitsentschädigungen .................................... 121
Zinssurrogate .............................................................. 232
Vorsichtsprinzip ............. 64, 326, 328, 337, 351, 353, 358
Zinsvorteil ..................................................................... 55
Vorteilsverbrauch ................................................ 128, 290
Zinsvortrag...................................................132, 200, 236
W Wachstumsbeschleunigungsgesetz ...................... 153, 212 Wachstumsraten .......................................... 257, 260, 265 Wahrscheinlichkeitsverständnis .... 11, 325, 336, 352, 364 Welteinkommensprinzip ............................................... 95 Wertaufhellungszeitraum .................................... 354, 365 Wertpapierleihe ................................................... 232, 285 wesentliche Gesellschafterstellung ...... 188, 202, 204, 208 Willkürfreiheit ............................................................. 352 wirtschaftliches Eigentum ................................... 286, 293 Wirtschaftlichkeitsprinzip ........................... 363, 365, 371 Wirtschaftsjahr ............................................ 111, 146, 324 Wirtschaftskrise............................................... 81, 86, 213
Bilanzierung ..................................... 62, 331, 339, 343 hypothetischer ~ .......................................68, 331, 339 Mitunternehmerschaft ............................................ 233 Nutzungsdauer ....................................................... 277 Nutzungswahrscheinlichkeit ............................ 82, 275 risikoloser ~ ............................................................. 52 riskanter ~ ................................................................ 53 Schatten-Zinsvortrag ............................................. 289 Transformation (Erfolgswirkung) .................... 73, 345 Transformation (Zahlungswirkung) ......................... 45 Zweckgesellschaften ........................................... 160, 170 Zwischenabschluss...................................................... 321 Zwischengewinneliminierung ..................................... 177