Ueli Halbheer · André Kunz Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien
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Ueli Halbheer · André Kunz Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien
Educational Governance Band 12 Herausgegeben von Herbert Altrichter Thomas Brüsemeister Ute Clement Martin Heinrich Roman Langer Katharina Maag Merki Matthias Rürup Jochen Wissinger
Ueli Halbheer · André Kunz
Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien Eine qualitative und quantitative Analyse der Wahrnehmung von Lehrpersonen aus schul- und governancetheoretischer Perspektive
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Die vorliegende Arbeit wurde von der Philosophischen Fakultät der Universität Zürich im Frühlingssemester 2009 auf Antrag von Herrn Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Helmut Fend und Frau Prof. Dr. Katharina Maag Merki als Dissertation angenommen.
1. Auflage 2011 Alle Rechte vorbehalten © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011 Lektorat: Stefanie Laux VS Verlag für Sozialwissenschaften ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.vs-verlag.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-531-17749-6
Inhalt
Vorwort .................................................................................................................................9 Einleitung............................................................................................................................11 1 Beschreibung wesentlicher Elemente einer Theorie der Schulen.........................15 1.1 Grundzüge schultheoretischer Konzeption ............................................................16 1.1.1 Bedeutsamkeit des Strukturfunktionalismus für eine Theorie der Schule....17 1.1.2 Kritik am strukturfunktionalistischen Ansatz ...............................................19 1.2 Elemente einer erweiterten schultheoretischen Konzeption ..................................19 1.2.1 Akteurtheoretische Ansätze und Rollen .......................................................23 1.2.2 Fazit..............................................................................................................25 1.3 Zusammenfassung .................................................................................................25 2 Qualität, insbesondere Schul- und Unterrichtsqualität.........................................27 2.1 Zum Begriff der Qualität .......................................................................................28 2.2 Qualität auf verschiedenen Ebenen........................................................................30 2.2.1 Qualität auf der Makroebene ........................................................................30 2.2.2 Qualität auf der Meso-Ebene: Schulqualität.................................................31 2.2.3 Qualität auf der Mikro-Ebene: Unterrichtsqualität.......................................32 2.3 Qualität als ko-konstruktiver Prozess ....................................................................32 2.4 Forschungsstand.....................................................................................................34 2.4.1 Überblick......................................................................................................34 2.4.2 Die „gute Schule“ .........................................................................................36 2.4.3 Modelle ........................................................................................................39 2.5 Zusammenfassung .................................................................................................42 3 Konzepte zu schulischer Qualität und deren Entwicklung und Sicherung: Schulentwicklung, Qualitätsmanagement, Educational Governance, Schulkultur.........................................................................................................................45 3.1 Schulentwicklung...................................................................................................45 3.1.1 Schulentwicklung auf der Ebene Einzelschule.............................................45 3.1.2 Zum Begriff der Schulentwicklung ..............................................................47 3.1.3 Schule als Lernende Organisation ................................................................50 3.1.4 Zusammenfassung ........................................................................................66 3.2 Qualitätsmanagement, Schulkultur, Educational Governance – drei Konzepte, welche Schulqualität und -entwicklung in je verschiedener Weise beschreiben ...67 3.2.1 Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung, interne und externe...................67 Evaluation.....................................................................................................67 3.2.2 Educational Governance...............................................................................75 3.2.3 Schulkultur ...................................................................................................78 3.3 Zusammenfassung .................................................................................................87 4 Kooperation...............................................................................................................91 4.1 Zum Begriff der Kooperation ................................................................................91 4.2 Kooperation als soziales Phänomen.......................................................................92 4.2.1 Dimensionen und Formen von Kooperation.................................................93 5
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4.2.2 Fazit..............................................................................................................94 4.3 Kooperation von Lehrpersonen..............................................................................95 4.3.1 Forschungsstand ...........................................................................................97 4.3.2 Ausgewählte Beschreibungen von Kooperation...........................................97 4.3.3 Wirkungen kooperativen Handelns ............................................................102 4.4 Bedeutung für die vorliegende Arbeit..................................................................107 4.5 Zusammenfassung ...............................................................................................107 Indikatoren für Schulqualität & Schulentwicklung: eine vorläufige Auswahl .109 5.1 Indikatoren auf der Personalen Ebene (Intrapersonale Ebene) ............................109 5.1.1 Belastung: Kann Kooperation auch belasten? ............................................109 5.1.2 Selbstwirksamkeit als individuelle Überzeugungen von Handlungskompetenz .................................................................................111 5.2 Indikatoren auf der Unterrichtsebene (Mikro-Ebene) ..........................................113 5.2.1 Qualitativ guter Unterricht – aus Lehrersicht? ...........................................113 5.3 Indikatoren auf der Schulebene (Meso-Ebene)....................................................117 5.3.1 Kooperation als zentraler Aspekt im Hinblick auf die Fähigkeit einer Schule, Probleme zu lösen ......................................................................................117 5.3.2 Schulleitungshandeln – es gibt keine guten Schulen mit schlechten Schulleitungen ............................................................................................119 5.3.3 Kollektive Selbstwirksamkeit als überindividuelle Überzeugungen von Handlungskompetenz .................................................................................123 5.3.4 Innovationsklima, Evaluation und Qualitätsentwicklung...........................124 5.3.5 Schulklima..................................................................................................126 5.4 Zusammenfassung ...............................................................................................129 Aktuelle Gestalt der Zürcher Gymnasien.............................................................131 6.1 Autopoietische Reproduktion am Beispiel der Zürcher Gymnasien....................131 6.2 Selbst- bzw. Fremdreferentialität und Qualitätsentwicklung ...............................132 6.3 Verschiedene Akteure und der institutionelle Akteur im Zürcher Mittelschulsystem ................................................................................................132 6.4 Gymnasien und ihre Entwicklung in der Neuzeit ................................................134 6.5 Lehrpersonen als bedeutsame Akteure.................................................................136 6.5.1 Das Berufsbild der Gymnaisallehrpersonen im Wandel der Neuzeit .........137 6.5.2 Zur Professionalisierung der Zürcher Gymnasiallehrkräfte .......................138 6.6 Fazit und Zusammenfassung................................................................................139 Theoretisches Fazit und Fragestellungen .............................................................141 7.1 Theoretisches Fazit ..............................................................................................141 7.2 Fragestellung und Hypothesen.............................................................................143 7.2.1 Fragen zu Wahrnehmungen und Praxis von Kooperation ..........................143 7.2.2 Kooperation in Bezug auf unterschiedliche Qualitätsaspekte von Schule, Unterricht und Individuum .........................................................................145 7.2.3 Frage zur Bedeutung von Kooperation.......................................................149 7.2.4 Repräsentativität.........................................................................................149 7.2.5 Ausblick .....................................................................................................149 Untersuchungsdesign..............................................................................................151 8.1 Quantitative Untersuchung ..................................................................................153 8.1.1 Stichprobe und Erhebungszeitpunkt der quantitativen Untersuchung........153 8.1.2 Konstrukte, Operationalisierungen und Datenerhebungsinstrumente ........153 8.1.3 Auswertungsstrategien und methodisches Vorgehen .................................164
8.1.4 Schlussbemerkungen zur quantitativen Datengrundlage ............................170 8.2 Qualitative Nachuntersuchung.............................................................................170 8.2.1 Methodische Vorüberlegungen ..................................................................170 8.2.2 Nachbefragung über halbstrukturierte Interviews ......................................171 8.2.3 Interviewablauf und Inhalte des Interviews................................................173 8.2.4 Inhaltsanalytische Auswertung...................................................................174 8.3 Fallanalyse und Triangulation..............................................................................178 8.3.1 Einzelfalldarstellung...................................................................................178 8.3.2 Fallvergleich...............................................................................................179 9 Profile von Zürcher Mittelschulen: Ergebnisse ...................................................181 9.1 Repräsentativität der Stichprobe ..........................................................................181 9.1.1 Rücklauf .....................................................................................................181 9.1.2 Repräsentativität.........................................................................................182 9.1.3 Lebensalter und Dienstalter in der Stichprobe............................................186 9.1.4 Fazit............................................................................................................188 9.2 Kooperationsgrad von Mittelschulen im Kanton Zürich......................................188 9.2.1 Kooperations-Levels der an der Studie teilnehmenden Mittelschulen im Kanton Zürich ............................................................................................188 9.2.2 Deskription von Kooperations-Levels der an der Studie teilnehmenden Mittelschulen im Kanton Zürich ................................................................190 9.2.3 Beantwortung der Fragestellung.................................................................198 9.3 Ausgewählte Ergebnisse aus der Gesamtstichprobe ............................................198 9.4 Einzelfallanalysen von fünf ausgewählten Gymnasien des Kantons Zürich........202 9.4.1 Schule A (Level 4: „Integration“) ..............................................................202 9.4.2 Schule C (Level 3: „Interaktion“)...............................................................216 9.4.3 Schule D (Level 3: „Interaktion“) ..............................................................230 9.4.4 Schule F (Level 2: „Koordination“) ...........................................................243 9.4.5 Schule G (Level 2: „Koordination“)...........................................................255 9.4.6 Zwischenfazit und Ausblick .......................................................................267 9.5 Zur Bedeutsamkeit von Kooperation an den einzelnen Schulen bei der Realisierung von Qualitätsmanagement ..............................................................268 9.5.1 Gegenüberstellung der Ergebnisse .............................................................269 9.5.2 Rekontextualisierungsleistungen findiger Akteure.....................................281 9.5.3 Kooperation als Chance oder Risiko für Qualitätssicherungsprozesse an Gymnasien?................................................................................................293 9.5.4 Beantwortung der Fragestellung.................................................................295 10 Diskussion und Ausblick ........................................................................................297 10.1 Repräsentativität..............................................................................................297 10.1.1 Zur Repräsentativität der quantitativen Stichprobe ....................................297 10.1.2 Zur Repräsentativität der qualitativen Stichprobe ......................................298 10.2 Methodik .........................................................................................................299 10.2.1 Quantitative Methodik................................................................................299 10.2.2 Qualitative Methodik und Datentriangulation ............................................300 10.3 Diskussion des Konstrukts „Kooperation“......................................................301 10.4 Theoretische Grundlegung ..............................................................................303 10.5 Makrostrukturelle Rahmenbedingungen der Stichprobe .................................304 10.6 Ausblick ..........................................................................................................305 10.6.1 Gewinn dieser Arbeit..................................................................................305 7
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10.6.2 Forschungsbedarf .......................................................................................306 Literaturverzeichnis ...............................................................................................309 Abbildungs- und Tabellenverzeichnisse ...............................................................323
Vorwort
Die vorliegende Untersuchung ist als Dissertation im Fachbereich Pädagogische Psychologie I (Lehrstuhl Prof. Dr. Dr. h.c. mult. H. Fend) des Pädagogischen Institutes der Universität Zürich entstanden. Das quantitative Befragungsinstrument wurde im Winter 2003/2004 entwickelt, die Befragung der Lehrpersonen fand im Frühjahr 2004 statt. Die daran anschließenden qualitativen Interviews mit Lehrpersonen und Schulleitungen ausgewählter Schulen wurden im Schuljahr 2005/2006 realisiert. In den folgenden zweieinhalb Jahren entstanden neben Artikeln in Fachzeitschriften, Referaten an Kongressen und Beiträgen in Publikationen die hier ausgeführten detaillierten Einzelfallanalysen von fünf Gymnasien. Nur dank der Mithilfe vieler Personen konnte die diese Arbeit durchgeführt werden. Unser Dank gilt an dieser Stelle sowohl Herrn Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Helmut Fend, dem emiritierten Lehrstuhlinhaber für Pädagogische Psychologie am Pädagogischen Institut der Universität Zürich, wie auch Frau Prof. Dr. Katharina Maag Merki, der Projektleiterin dieser Untersuchung und ehemaligen Leiterin des FS&S (Forschungsbereich für Schulqualität und Schulentwicklung des ehemaligen Pädagogischen Institutes der Universität Zürich) und aktuelle Lehrstuhlinhaberin für Theorie und Empirie schulischer Bildungsprozesse am neuen Institut für Erziehungswissenschaften der Universität Zürich, welche beide entscheidende Impulse für das Zustandekommen dieser Arbeit setzten und für das Vorhaben wertvolle wissenschaftliche Beratung leisteten. Unser Dank gilt im Weiteren den Schulleitungen für die Bereitschaft, sich mit ihren Schulen einem solchen Projekt gegenüber zu öffnen, und natürlich allen Lehrpersonen für ihren Einsatz und die Zeit, die sie sich genommen haben, um den Fragebogen auszufüllen und an den Interviews mitzuwirken. Weiterer Dank gebührt Frau Dr. Brigitte Steinert vom DIPF für die Beratung und Unterstützung bei der Anwendung des Kooperationsinstruments. Dieser anregende und spannende Austausch ermöglichte einen adäquaten Einsatz derjenigen Instrumente, welche sich mit dem DIPF überschneiden. Bedanken möchten wir uns weiter bei denjenigen Personen, welche uns bezüglich Methodik unterstützt haben: Susanne Haab und Dr. Barbara Fontanellaz führten uns durch ihre kritischen und präzisen Rückfragen näher an die qualitative Methodik heran und Dr. Ilaria Ferrari ermöglichte durch ihren beispiellosen Einsatz und die Bereitschaft, sich in unser Codiersystem einzudenken, ein externes Interrating zur qualitativen Auswertung. Irene Wolf danken wir für die Mitarbeit bei den Interviews. Dr. Patricia Schuler unterstützte uns durch hilfreiche inhaltliche Feedbacks zum Manuskript. Ein Team von Personen hat uns bei der Zusammenstellung des Textes unterstützt: Romina Gavio danken wir für das kritische Lektorat des quantitativen Fragebogens und von Teilen des Manuskripts und Jonna Truniger für das Gesamtlektorat. Mario Fux hat mit seinen Kenntnissen die technische Seite des Zusammenführens großer Textmengen ermöglicht. Claudia Halbheer hat massgeblich zur Textformatierung beigetragen. Besonders dankbar sind wir für die Unterstützung und das Verständnis, welches wir seitens unserer Familien erfahren durften: Claudia Halbheer mit Delaja und Manuela Arnet Kunz mit Dario, Nico, Robin und Noah. Oktober 2010 Ueli Halbheer & André Kunz 9
Einleitung
„Die besten Reformer sind diejenigen, die bei sich selbst anfangen.“ G.B. Shaw
Das Leben in modernen Dienstleistungsgesellschaften ist eng gekoppelt an die Vermittlung von Wissensbeständen und Kompetenzen, wie sie ausschließlich in schulischen Szenarien vermittelt werden. Den öffentlichen Schulen kommt die herausfordernde Aufgabe zu, Kinder und Jugendliche unterschiedlicher Herkunft auf ihr zukünftiges Leben vorzubereiten, von dem ebenfalls wenig bekannt ist, welche Fähigkeiten es von den zukünftigen Erwachsenen erfordern wird. „Die zentrale Aufgabe der Schule ist dabei dafür zu sorgen, dass heranwachsende Menschen in ihrer Kultur keine Fremden bleiben, dass sie in ihr ‚zu Hause’ sind“ (Fend 2006a: 48). Auch wenn schulische Bildung hinsichtlich ihrer Wirkungen und ihrer tatsächlichen Bedeutung für die Zukunft von Jugendlichen nicht abschliessend bestimmbar erscheint, wird ihre gesellschaftliche Bedeutung nicht zuletzt an der grossen Resonanz deutlich, welche die Untersuchungen im Rahmen von PISA erzeugt haben. Insbesondere in den deutschsprachigen Ländern finden Debatten über die Um- und Neugestaltung struktureller und curricularer Aspekte von Schulen statt und machen deutlich, dass sich das Bildungswesen insgesamt in einem umfassenden Umbruch befindet. Auf bildungspolitischer Ebene ist zudem ein Wechsel der Steuerungsphilosophie zu beobachten: Aufgrund der Einsicht, dass eine Top-Down-Steuerung des Schulwesens versagt, wurde in den vergangenen Jahren auf sämtlichen Stufen des Schulwesens eine teilweise Autonomie eingeführt, auf deren Grundlage den Schulen wesentliche Freiheitsgrade in der Gestaltung ihres pädagogischen Profils und in der Personalbewirtschaftung zugestanden werden. Im Gegenzug verordnet die Bildungspolitik verbindliche Maßnahmen zur Qualitätssicherung, welche den Schulen im Sinne einer Accountability den Nachweis entsprechender Aktivitäten abverlangen. Diese verstärkte Outputorientierung des Bildungswesens zeigt sich derzeit insbesondere in der Einführung von Bildungsstandards. Damit geraten die schulischen Prozessfaktoren in den Fokus des Forschungsinteresses. Naheliegend ist einerseits die Untersuchung der Unterrichtsprozesse als unmittelbare Voraussetzungen für die Lernleistungen von Schüler/innen. Auf der anderen Seite interessieren vor diesen makrostrukturellen Umwälzungen die Prozesse, welche die Schule als Ganzes betreffen. Wird die Schule als pädagogische Handlungseinheit (Fend, 1986) verstanden, gerät nicht nur das Lehr-Lern-Geschehen, sondern die Gesamtheit beruflichen Handelns von Lehrpersonen in den Blick. Obwohl deren Arbeit von der zellularen Grundstruktur des Klassenunterrichts und gefügeartiger Kooperation geprägt ist, ergeben sich Abläufe und Situationen, in denen Zusammenarbeit sinnvoll oder erforderlich erscheint. Damit entstehen Kooperationsanlässe und -verpflichtungen verschiedener Art und auf verschiedenen Ebenen. Auch für Gymnasien stellen sich entsprechende Herausforderungen, repräsentieren sie doch diejenige Ausbildungsstätte, über welche das akademische Personal und die Eliten unserer Wissensgesellschaft rekrutiert werden. Ihnen stellt sich die anspruchsvolle Aufgabe, Jugendliche in den abendländischen Bildungskanon einzuführen und gleichzeitig auf 11 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_1, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
ein Leben vorzubereiten, welches angesichts steten Wandels unbestimmbar erscheint und lebenslängliches Lernen notwendig macht. Als abendländisches Erfolgsmodell höherer Bildung sind sie in vermutlich stärkerem Masse aber auch einer bildungstheoretischen Tradition verpflichtet, welche sowohl die curricularen Gehalte als auch die zelluläre Struktur mit einem durchgehenden Fachlehrerprinzip in hohem Masse beeinflusst. Die geschilderten Veränderungen in der Steuerung des Bildungswesens gehen indessen mit anspruchsvollen Koordinationsleistungen auf Schulebene einher, was für Gymnasien bedeutet, dass in stärkerem Masse als bisher die Zusammenarbeit von Lehrpersonen bedeutsam wird. Entsprechend ist diese Arbeit dem Thema Kooperation gewidmet, verstanden als intentionales und zielgerichtetes, kollektives Handeln (Tuomela 2000). Dabei gilt es zuerst zu klären, welche Charakteristiken Lehrerkooperation aufweist. Im Gegensatz zu Wettbewerbsszenarien, wie sie für marktwirtschaftliche Handlungsfelder konstitutiv sind, kann die Zielgerichtetheit für Lehrpersonen nicht darin bestehen, durch Kooperation einen Gewinn zu erzielen – das aus der Spieltheorie bekannte Gefangenendilemma (Axelrod 2005) scheint nur beschränkten heuristischen Wert bei der Aufschlüsselung von Lehrerkooperation zu besitzen. Lehrerinnen und Lehrer müssen, um ihre Arbeit erfolgreich bewältigen zu können, nicht durchgehend und zwingend miteinander kooperieren. Notwendigerweise führt eine Erfassung der Besonderheiten der Kooperation von Lehrpersonen über eine umfangreiche Deskription dessen, wie Zusammenarbeit in diesem Beruf erfolgt. Zudem wird Schule in zunehmendem Masse als offene, zu Veränderungen fähige und somit als selbstlernende Organisation verstanden (Fullan 1999; Rolff 1993 und 1998 u.a.). Dies kontrastiert mit der bereits erwähnten zellularen Grundstruktur von Einzelschulen (Rolff 1993) als lose gekoppelte Systeme (Fend 1986). Nicht zuletzt durch den Befund, „dass der Einzelschule als pädagogischer Handlungseinheit eine große Bedeutung zukommt“ (a.a.O., 275) und die Feststellung, dass kollegiale Zusammenarbeit zwischen den Lehrpersonen zwischen guten und verbesserungsbedürftigen Schulen differenziert (ebd.), wurde professionelle Kooperation zum Gegenstand der Forschung zu Schulqualität und Schulentwicklung. Kooperation zwischen Lehrpersonen erscheint sodann in verschiedenen theoretischen Modellen auch als Merkmal effektiver Schulen (z.B. Ditton 2000; Fend 1986, 2000a; Scheerens & Bosker 1997; Seashore & Leithwood 1998) und als eine Dimension professioneller Kompetenz von Lehrpersonen (z.B. Baumert & Kunter 2006; Oser & Oelkers 2001). Weil Kooperation sich immer im Rahmen bestimmter Situationen und Anlässe ereignet, werden in der vorliegenden Arbeit auch der historische und schulrechtliche Kontext der Zürcher Mittelschulen dargestellt, um Aussagen darüber machen zu können, vor welchem Hintergrund an den neun teilnehmenden Schulen kooperiert wird. Im vorliegenden Falle ist Kooperation vor der Folie der Einführung des schulischen Qualitätsmanagements zu betrachten, welches Teil und Folge des vom zürcherischen Souverän 1999 angenommenen Mittelschulgesetzes ist. Insgesamt erscheint der Untersuchungsgegenstand als komplexes Gebilde und bedingt Betrachtungen aus unterschiedlichen Perspektiven und auf verschiedenen Ebenen des Bildungssystems (Fend 1998), um eine Deskription liefern und Aussagen zu den fünf ausgewählten Schulen machen zu können. Entsprechend umfasst die Gesamtanlage dieser Arbeit nicht nur eine quantitative, sondern auch eine qualitative Erhebung von Kooperation. Ein quantitativer Zugang erfolgt mit den Pädagogischen EntwicklungsBilanzen und den Kooperations-Levels, einem im Rahmen einer größeren Untersuchung in Hessen bewährten Instrument zur Erfassung der Kooperation von Lehrpersonen, sowie weiteren Skalen und Items auf der Ebene der Schule, des Unterrichts und der einzelnen Lehrperson. In einer qualitativen Nachuntersuchung wurden in fünf ausgewählten Gymnasien aus der Stichpro12
be neben der Bedeutung von Kooperation auch nach Einstellungen zu dem erwähnten Qualitätssicherungssystem gefragt. Des Weiteren ist die Geschichte der Zürcher Mittelschulen von Interesse, insbesondere aber diejenige der teilnehmenden Gymnasien. Ein Verständnis von schulischem Handeln als Ergebnis der Rekontextualisierung gesetzlicher Vorgaben (Fend 2006a) erfordert es, differenzierte Operationalisierungen von Kooperation zu konzipieren und die Analyse unterschiedlicher Konfigurationen von Kooperation vor dem je schuleigenen Hintergrund vorzunehmen. Diese Arbeitsschritte bilden sich in den nachfolgend in aller Kürze skizzierten Kapiteln ab: Im 1. Kapitel wird der theoretische Rahmen abgesteckt, indem – ausgehend von Fends schultheoretischen Konzeptionen (1980 und 2006a) – die Beiträge aus Strukturfunktionalismus, Systemtheorie und verstehender Soziologie dargestellt werden, welche grundlegend für das Verstehen von Handeln an Schulen sind. Quasi als Grundfigur für diese Arbeit erfährt insbesondere das Konzept der Rekontextualisierung gesetzlicher Normen durch den „findigen Akteur“ besondere Berücksichtigung. Das 2. Kapitel widmet sich ausschließlich dem Thema „Qualität“. Nach der Klärung des Begriffs interessiert hier die Bedeutsamkeit von Qualität auf den unterschiedlichen Ebenen des Schulsystems, insbesondere aber auf der Meso-, der Mikro- und der personalen Ebene (Schule, Unterricht, Individuum). Danach erfolgt im 3. Kapitel die Beschreibung von Konzepten, welche der Entwicklung und Erhaltung schulischer Qualität dienen. Wichtiges Konzept bildet dabei die Darstellung des im Zuge der Postulierung von Einzelschule als pädagogischer Handlungseinheit grundlegenden Konzepts von Schule als Lernender Organisation. Danach erfolgen Beschreibungen von Begriffen und Ansätzen, die im Zusammenhang mit besagten neuen Steuerungsversuchen bedeutsam geworden sind. Insbesondere handelt es sich dabei um Qualitätsmanagement, Educational Governance und Schulkultur als Möglichkeit, die Entwicklung einer Schule zu beschreiben, speziell auch vor dem Hintergrund ihrer Geschichte. Das eigentliche Kernthema – Kooperation – wird im 4. Kapitel näher beleuchtet. Ausgehend von einer allgemeinen Konzeption von Kooperation als sozialem Phänomen, wie sie vor allem aus der Sozialpsychologie und den Wirtschaftswissenschaften bekannt ist, werden einige bedeutsame erziehungswissenschaftliche Forschungsansätze vorgestellt, welche für die vorliegende Arbeit bedeutsam werden. Eingehender dargestellt werden insbesondere die für den quantiativen Teil der Untersuchungen verwendeten Instrumente der „Pädagogischen EntwicklungsBilanzen“ (Steinert et al. 2003) und der Erfassung von Lehrerkooperation auf fünf Niveaustufen (Steinert & Klieme 2003; Steinert et al. 2006). Diese fünf invariaten Levels von Kooperation sind folgendermaßen zu charakterisieren: Level 0: Fragmentierte Schulen ohne nennenswerte Kooperationsaktivitäten, Level 1: Differenzierte Schulen mit minimalen Standards bezüglich gemeinsamer Schulprogrammentwicklung, Level 2: Koordinierte Schulen mit systematischer Koordination von Information sowie Fach- & Sachthemen, Level 3: Interaktive Schulen mit koordinierten fachübergreifenden Absprachen und einer von der Schule getragenen Personalentwicklung sowie Level 4: Integrative Schulen mit umfassender Koordination in allen Bereichen. Ausgehend vom Kapitel zu Schul- und Unterrichtsqualität werden im 5. Kapitel Indikatoren zu diesen Themen vorgestellt, welche für die Forschungsanlage von Bedeutung sind, weil erfasst werden soll, inwiefern ein hoher Grad an Kooperation mit höheren Werten in den beschriebenen Dimensionen einher geht. Dabei handelt es sich um die folgenden, aus der Forschung bekannten Konzepte: 13
auf der personalen Ebene: individuelle Selbstwirksamkeit und Belastung; auf der Mikro-Ebene des Unterrichts: Unterrichtsqualität; auf der Meso-Ebene der Einzelschule: Kooperation, Schulleitungshandeln, kollektive Selbstwirksamkeit sowie Innovations- und Schulklima.
Das 6. Kapitel ist der historischen Entwicklung der Zürcher Gymnasien und deren aktueller Gestalt gewidmet. Ausgehend von der Grundlegung eines öffentlichen Schulwesens in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts werden die großen Entwicklungslinien skizziert, welche zu drei für die Stichprobe charakteristischen Typen gymnasialer Mittelschulen geführt haben: Städtische, aus der Tradition der Klosterschulen hervorgehende Schulen, Schulen aus der Dezentralisation im Zuge des Bevölkerungswachstums auf dem Lande sowie freie evangelische Schulen als Reaktion auf die zunehmende Säkularisierung des Bildungswesens. Nach einer Zusammenfassung der wichtigsten Elemente des theoretischen Teils werden Forschungsfragen und die sich darauf beziehenden Hypothesen im 7. Kapitel ausgeführt. Zentral geht es darum, die Frage nach der Bedeutung der Kooperation von Lehrpersonen im Rahmen schulischer Qualitätsentwicklung beantworten zu können. Die Fragen sind so angelegt, dass sie sich zu etwa gleichen Teilen auf die quantitative Untersuchung und die später stattfindende qualitative Nachuntersuchung beziehen. Das 8. Kapitel enthält die Informationen zu Untersuchungsdesign und methodischem Vorgehen. Gegliedert ist es in drei Teile. Zuerst werden Stichprobe und Verfahren der neun Schulen umfassenden quantitativen Untersuchung dargestellt, ehe in einem weiteren Teil Details zur später erfolgenden qualitativen Nachuntersuchung mit einem Subsample von fünf ausgewählten Schulen aufgeführt werden. Ein letzter Teil dieses Kapitels ist den Einzelfalldarstellungen der Schulen dieser engeren Stichprobe und einem abschließenden Fallvergleich gewidmet. Für letztere beide Verfahren wird eine Datentriangulation vorgenommen, welche daselbst begründet wird. In Kapitel 9 werden die Ergebnisse entlang der beiden methodischen Zugänge dargestellt und Antworten auf die Fragestellungen gegeben. Nach Überlegungen zur Repräsentativität folgen die Zuteilung zu einem Kooperationslevel auf der Basis des verwendeten Rasch-Modells sowie die Ergebnisse zu den ebenfalls untersuchten Aspekten von Schulund Unterrichtsqualität. Mit den Einzelfalldarstellungen erfolgt eine dichte Beschreibung der fünf Schulen der engeren Stichprobe anhand der erhobenen qualitativen und quantitativen Daten, bezogen auf die Frage, welche Bedeutung Kooperation bei der Umsetzung schulischer Qualitätssicherungsmaßnahmen erhält. Der abschließende Fallvergleich verdeutlicht diesbezügliche Unterschiede zwischen den fünf Schulen und bezieht sie auf die vorgefundenen Muster von Kooperation und die Bewährungsdynamik bezüglich der Anforderung, gesetzliche Rahmenbedingungen zu rekontextualisieren. Kapitel 10 widmet sich der Diskussion der Ergebnisse. Um das eingangs erwähnte Wort von George Bernard Shaw aufzugreifen: Schulen scheinen – im Sinne einer sich als erfolgreich bewährenden Rekontextualisierungsleistung – immer dann produktiv zu sein, wenn sie sich Schritt für Schritt auf den Weg in die eigene Zukunft machen, und zwar vor dem Hintergrund der eigenen Geschichte und der Auseinandersetzung mit den geltenden gesetzlichen Rahmenbedingungen. Bei sich selbst zu beginnen bedeutet also, proaktiv und kritisch die Grundanliegen einer Reform in den aktuellen Kontext der eigenen Situation und deren spezifischen historischen, institutionellen und strukturellen Gegebenheiten zu stellen und damit zu verbinden. Darüber wird in der vorliegenden Arbeit berichtet. 14
1 Beschreibung wesentlicher Elemente einer Theorie der Schulen
In der vorliegenden Arbeit soll eine Beschreibung von Kooperation unter Lehrpersonen an Zürcher Mittelschulen vorgenommen werden. Um dies leisten zu können, sind bestimmte Annahmen über die Wirklichkeit, in der diese Prozesse stattfinden, notwendig. Kenntnisse über den Gegenstand, welcher sich entwickeln soll, sind ebenso nötig, wie das Wissen darum, in welche Richtung sich dieser Gegenstand entwickelt und in welcher Umgebung dies geschieht. Im Falle von Schulentwicklung ist also eine umfassende Beschreibung der Rahmenbedingungen notwendig, in denen sich Schule abspielt und entwickelt. Schnell wird dabei vordergründig klar, dass wir es mit einer äußerst komplexen Wirklichkeit zu tun haben, weil der Begriff „Schule“ in unserem alltäglichen Sprachgebrauch ein weites Assoziationsfeld öffnet: Mit „Schule“ verbinden wir sowohl Gedanken an eine staatliche Institution, welche durch politische Entscheidungen gesteuert wird, als auch Vorstellungen von einzelnen Schulen. Wir denken möglicherweise an Inhalte und Fächer oder Qualifikationen und Sanktionen, aber auch an bestimmte Menschen (Lehrpersonen, Schulkolleginnen und -kollegen). Verstärkend wirkt hier sicher die Tatsache, dass in unserem Kulturkreis alle Personen in erheblichem Masse Erfahrungen im Umgang mit Schule sammeln können bzw. müssen. Dieses heterogene Alltagsverständnis schlägt sich auch in wissenschaftlichen Zugangsversuchen nieder: Der Gegenstandsbereich „Schule“ ist dermaßen weitreichend und komplex, dass es beispielsweise wenig sinnvoll erscheint, den Zugang dazu über eine einzige Disziplin oder über ein einziges theoretisches Angebot zu erschließen (Fend 1980). Vielmehr muss ein theoretisches Vorgehen „von der Struktur des Gegenstandsbereichs vorgegeben werden (ebd.). Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, eine wissenschaftliche Arbeit wie die vorliegende in einen schultheoretischen Bezugsrahmen einzubetten, welcher die Vielfalt und Spezifität dieses komplex strukturierten Gegenstandes möglichst weitgehend zu erfassen vermag. Dabei wird es von Bedeutung sein, die verschiedenen Ebenen des Schulwesens und ihre Interaktionswege darzustellen wie auch die einzelnen Akteure und ihre Wirkungsweisen und -möglichkeiten zu benennen. Zu beachten ist, dass ein über das Alltagsverständnis geprägter Begriff, wie „Schule“ auch zu theoretischen Fassungen führt, welche sich hinsichtlich ihrer Intersubjektivität, Abstraktheit und Elaboriertheit unterscheiden. Grundsätzlich kann zwischen Theorien 1., 2. und solchen 3. Grades unterschieden werden (Wiater 2006). Während mit Theorien 1. Grades sämtliche subjektiven Zugänge und Alltagstheorien umfasst werden, sind Leitbilder und ausgearbeitete Handlungsorientierungen als Theorien 2. Grades zu charakterisieren. Als Theorien 3. Grades gelten solche, welche „…wissenschaftlich gesicherte, systematische und generalisierbare Gesamtaussagen über einen Wirklichkeitsbereich [generieren, Anm. d. Verf.], deren Bedeutung darin liegt, genaue Kenntnisse und Erkenntnisse zu liefern und prinzipielle Aussagen zu machen, die als grundlegende ‚regulative Ideen’ das praktische Handeln legitimieren“ (Wiater 2006: 12). Bezogen auf schultheoretische Belange geht es unter anderem darum, alles, was mit Schule zu tun hat, in einen Ordnungszusammenhang 15 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_2, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
zu stellen, von verschiedenen Gesichtspunkten aus Analysen vornehmen zu können und die Bedingungen des Handelns zu klären sowie die Grundlage für empirische Forschung zu bilden (Wiater 2006). Schulsysteme sind reichlich komplex, sie stellen „eine höchst ambivalente Form der Institutionalisierung von Erziehung in der modernen Gesellschaft“ (Gudjons 1999: 263) dar oder sind als „Institutionen der gesellschaftlich kontrollierten und veranstalteten Sozialisation“ (Fend 1980: 2) zu charakterisieren. Entsprechend benötigen sie zu ihrer exakten Beschreibung theoretische Ansätze 3. Grades, welche ihre Aussagekraft aus wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Gegenstand Schule schöpfen und die in der Lage sind, das charakteristische Geschehen an Schulen in allgemeiner Form darzustellen.
1.1 Grundzüge schultheoretischer Konzeption In den vergangenen Jahren sind einige Anstrengungen unternommen worden, im beschriebenen Sinne Schule theoretisch umfassend zu beschreiben. In der Folge soll unterschiedlich detailliert auf einige bedeutsame Ansätze hingewiesen werden, von denen insbesondere die Konzeption von Fend als Rahmen für die vorliegende Arbeit unter die Lupe genommen werden soll. Allen Ansätzen gemeinsam ist, dass sie die Verbindung zwischen der Funktionslogik des gesamten Bildungswesens und dem Handeln der einzelnen involvierten Akteure herzustellen versuchen. Meyer (1997) etwa unterscheidet zwischen vier Ebenen des Handelns, auf denen schulpädagogische Reflexion abläuft. Eine erste Stufe bilden die subjektiven Theorien der einzelnen Akteure, welche handlungswirksam werden. Die nächste Ebene umfasst Schulpädagogik als Handlungswissenschaft; die dritte Ebene bezieht sich auf Schulleitbilder und ihre Funktion, während auf der vierten Ebene Gesamtdarstellungen von Schule angesiedelt sind. Über das Zusammenwirken dieser Ebenen werden die charakteristischen Funktionen des Schulsystems erzeugt: Die Reproduktionsfunktion, im Sinne gesellschaftlicher Weiterentwicklung, die Humanfunktion, indem Bildungssysteme gelingende Bedingungen des Aufwachsen für Heranwachsende schaffen, die Bildungsfunktion, welche – in aufklärerischem Sinne – die Freisetzung des Menschen zu sich selbst ermöglicht (ebd.). Entlang dieser Ebenen und Funktionsweisen sind Reformmodelle zu denken, welche Desiderate wie Teilautonomie sowie Entwicklungs- und Handlungsorientierung aufnehmen. Im Gegensatz zu diesem eher schulpädagogisch fokussierten Zugang verwenden Diederich & Tenorth (1997) eine eher sozialgeschichtlich inspirierte Strukturfolie, mit deren Hilfe sie Genese und Charakteristik von Bildungsinstitutionen anhand der Entwicklung des deutschen Schulwesens nachzeichnen und die zentralen Gestaltungsmerkmale herausarbeiten. Ausgangspunkt bilden die mit der Unterscheidung zwischen Schule und Leben einhergehende räumliche und soziale Trennung zwischen schulischen und übrigen lebensweltlichen Belangen sowie die Professionalisierung der Lehrkräfte. Auf dieser Grundlage erscheint die Ebene der Curriculumsentwicklung als Basis einer erstmaligen Theoretisierung von Schule. Auf ebendieser Basis und in Anlehnung an Fend (1980) werden der Strukturierungsprozess des deutschen Schulwesens und die Funktionsweisen des Systems dargestellt und daraus in einem dritten Teil Implikationen für die Steuerung desselben abgeleitet. Dabei werden 16
insbesondere die Normierungsversuche von Schule, Unterricht und den an beiden beteiligten Menschen dargestellt. Winkel (1997) benutzt die Metapher einer Schulhausbegehung, um sein theoretisches Modell zu veranschaulichen. Die anthropologisch-historisch-systematische Fundierung bildet dabei die Grundlage für darauf aufbauende Stockwerke, welche ihre Gestalt durch das Zusammenwirken von Politik, Pädagogik und Familie, Religion, Philosophie und Anthropologie sowie Erziehung, Bildung und Schule gewinnen. Das oberste Stockwerk ist dann dem Praxisvollzug gewidmet. Auf der Grundlage der genannten Bezüge handeln Lehrpersonen, Eltern und Schüler als personale Faktoren in Interaktion mit didaktischen, lerndiagnostischen, extracurricularen und strukturellen Faktoren. Diese in aller Kürze skizzierten Ansätze systematisieren und beschreiben das Geschehen in Schulsystemen auf je eigene Weise treffend und umfassend und beziehen sich alle mehr oder weniger auf inhärente Charakteristiken des Komplexes „Schule“ wie etwa Curriculum oder pädagogische Praktiken. Die von Wiater (2006) postulierte Forderung nach einer generalisierenden Gesamtaussage zum Wirklichkeitsbereich „Schule“ könnte jedoch nachhaltiger erfüllt werden, wenn Schulsysteme vor dem Hintergrund elaborierter Gesellschafts- und Handlungstheorien beschrieben würden. Dies mit dem Ziel, den Systemkomplex „Schule“ in seinem gesamtgesellschaftlichen Kontext darstellen zu können. Damit könnte eine Theorie der Schule gewissermaßen „gegen außen“ anschlussfähig gemacht werden, da die Beschreibungen in den interdisziplinär gebräuchlichen Begriffen vorgenommen würden. Fend kommt hier das Verdienst zu, bereits 1980 den Versuch unternommen zu haben, Schule auf der Grundlage eines strukturfunktionalistischen Gesellschaftsmodells zu beschreiben. Nachfolgend werden einige Grundelemente dieses Ansatzes in ihrer Bedeutung für eine Theorie der Schule skizziert. Zudem soll die vom selben Autor vorgenommene Weiterentwicklung dieses Ansatzes geschildert werden. Dabei geraten insbesondere system- und akteurtheoretische Konzeptionen in den Fokus.
1.1.1 Bedeutsamkeit des Strukturfunktionalismus für eine Theorie der Schule Bezug nehmend auf Parsons (1968) postuliert Fend (1980) einen kulturellen Reproduktionsprozess, welcher durch das Schulsystem geleistet wird. Dabei werden drei Funktionen unterschieden: Zum einen wird über die Qualifikationsfunktion die „Beherrschung grundlegender Symbolsysteme wie Sprache und Schrift bis zum Erwerb spezifischer Berufsqualifikationen“ (Fend 1980: 15) vermittelt. Im Weiteren werden über die Selektions- oder Allokationsfunktion die gesellschaftlichen Positionen verteilt – die terminale Struktur unseres Bildungswesens ermöglicht (oder verhindert) bestimmte berufliche Laufbahnen. Schließlich verweist die Legitimations- oder Integrationsfunktion auf die politische Funktion des Bildungswesens: Auf dem Weg der erwähnten kulturellen Reproduktion werden auch die bestehenden Herrschaftsverhältnisse in einer Gesellschaft gesichert. Dies bedeutet im engeren Sinne, dass auf diese Weise vor allem die Kultur der herrschenden Klasse weitervermittelt wird – eine Vermutung, die durch die Ergebnisse etlicher Schulleistungsstudien, wonach die Aspirationen gebildeter (und damit oft auch an gesellschaftlichen Gestaltungsprozessen teilhabenden) Eltern sich als bedeutsamer Prädiktor für den Schulerfolg ihrer Kinder erweisen, bestärkt wird. Mit der letztgenannten Funktion wird im weiteren Sinne auf die Rezeption marxistischer Theoriebildung rekurriert bzw. auf die Arbeit der französischen Soziologen Bourdieu und Passeron (vgl. Fend 1980). 17
Abbildung 1:
Gesellschaftliche Funktionen des Bildungswesens (vgl. Fend 2006a: 51; basierend auf 1980: 17)
Fend (1980, 2006a) illustriert in Abbildung 1 nochmals die erwähnten Funktionen im Zusammenhang mit den zu erwartenden Effekten und der Richtung der Zusammenhänge: Während auf der linken Seite die schulexternen Systembereiche dargestellt sind, zu denen das Schulsystem Problemlösungen leisten kann, sind auf der rechten Seite dessen Charakteristika aufgeführt und in der Mitte die möglichen Effekte. Um es anhand eines Beispiels zu illustrieren: Auf der Ebene des Schulsystems sind in den vergangenen Jahren vielfältige Anstrengungen unternommen worden, damit die Schüler/innen Qualifikationen im Bereich 18
der Textverarbeitung erwerben können, weil im Produktionssektor Arbeitskräfte über die entsprechenden Fähigkeiten verfügen müssen. Zu beachten ist die Interdependenz innerhalb des Modells: Sowohl auf Ebene Bildungssystem wie auch auf Ebene Gesellschaft stehen die einzelnen Teilbereiche miteinander in Beziehung. Im vorhin erwähnten Beispiel hieße das etwa, dass Schüler/innen heute Tests in Maschinenschreiben bestehen müssen und dass der Umgang mit Informationstechnologien als Teil einer Kultur gesehen wird, welche eingeübt werden muss. Ebenso haben sich technologische Spitzenberufe (wie etwa Informatiker) in der Sozialstruktur auf hohem Niveau positioniert, was seinen Niederschlag auch im politischen System findet, indem dort etwa darüber debattiert wird, ob der Arbeitsmarkt für fremdländische Berufstätige mit entsprechenden Kompetenzen geöffnet werden soll. Schülerinnen und Schüler erfahren auf diese Weise, wie sie aufgrund des erfahrenen Unterrichtes Qualifikationen erwerben, über Prüfungen und Berechtigungen den entsprechenden gesellschaftlichen Positionen zugeführt und letztlich in ein politisches, in unserem Falle demokratisches System integriert werden. Damit leisten Schulsysteme mehr, als Lernprozesse zu systematisieren und zu organisieren – sie weisen letztlich eine „wirtschaftliche, soziale und politische Relevanz“ (Fend 1980: 18) auf.
1.1.2 Kritik am strukturfunktionalistischen Ansatz Auch wenn mit dieser strukturfunktionalistischen Sichtweise eine weitgehende Beschreibung des Bildungswesens als Teil des gesamten Gesellschaftssystems gelingt, verweist Fend (2006a: 118 ff.) unter Bezugnahme auf Joas (1996: 306 ff.) rund zwanzig Jahre später auf die Defizite: Insgesamt gehe das strukturfunktionalistische Paradigma zu sehr von einer harmonisch geordneten Wirklichkeit aus, in der alle Teile einen sinnvollen Beitrag zum Ganzen ergäben; das Funktionsparadigma liefere zwar eine idealtypische Beschreibung von Bildungssystemen, berücksichtige in keiner Weise historische Entwicklungen; es blende weiter den Einfluss der verschiedenen Akteure aus, indem es den Fokus einseitig auf die Funktionen lege; die Funktionen selbst würden ohne ihre Gestaltungsmöglichkeiten dargestellt und normativ hergestellte Zusammenhänge würden als mechanische Kausalitäten gesehen. 1.2 Elemente einer erweiterten schultheoretischen Konzeption Damit ist der Ergänzungsbedarf vorgezeichnet: Die Neufassung einer Schultheorie bedarf der Erweiterung um folgende Aspekte (Fend 2006a): Akteurortientierung: Aus unseren eigenen Schulerfahrungen heraus wissen wir, dass hinter den einzelnen Funktionen Menschen stehen, welche in der Lage sind, die Freiheitsgrade, welche ihnen ihre Rolle (oder Aufgabe) bietet, aktiv zu nutzen. Notwendigerweise müssen die einzelnen Akteure benannt und beschrieben werden können. Verstehensorientierung: Schule erweist sich als ein komplexes Zusammenspiel von rechtlichen Normen, beruflichem Handeln, Reflexionen verschiedener Akteure und kulturellen Inhalten, welche über Generationen weitergegeben werden. Diese Zusammenhänge müssen beschreib- und verstehbar gemacht werden. 19
Handlungsorientierung: Wie gestalten die einzelnen Akteure ihre Wirklichkeit? Welche Intentionen und Sinngebungen stecken hinter Entscheidungen und Abläufen, welche das Bildungswesen betreffen? Historische Orientierung: Bildungssysteme wachsen aus bestimmten historischen Kontexten heraus. So ist zum Beispiel die insgesamt föderalistischere und wenig zentralistische Ausprägung des schweizerischen im Vergleich zum deutschen Bildungswesen zu sehen. Dies steht im Zusammenhang mit den je verschiedenen politischen und historischen Entwicklungen in den beiden Ländern in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts (Kemnitz, 1999). Systematische Gestaltungsorientierung: Damit wird auf die Schaffung und Ausprägung sozialer Ordnungen verwiesen – wie wirken die verschiedene Kräfte zusammen, sodass es zur vorhandenen sozialen Struktur kommt? Welche Verregelungen bilden die Grundlage für entsprechende Ordnungen? Im Gegensatz zur weiter oben nachskizzierten, vorwiegend strukturfunktionalistischen Sicht, geraten bei einer solchen Erweiterung vermehrt die Freiräume oder Gestaltungsmöglichkeiten von einzelnen Individuen oder Gruppen in den Blickwinkel. Selbstredend muss sich eine solche Sichtweise als metatheoretisches Vorhaben präsentieren, welches verschiedene Sichtweisen integrieren muss, um den genannten Aspekten Rechnung tragen zu können.
Auch für die vorliegende Arbeit erscheint eine Erweiterung rahmentheoretischer Vorgaben sinnvoll, da ja zu erwarten ist, dass sich die Schulen trotz ähnlicher oder gleicher Vorgaben hinsichtlich der Gestaltung der Kooperation auf der Schulebene und Aspekten der Schulqualität in Bezug auf die Schulentwicklung unterscheiden. Das Ziel der folgenden Abschnitte ist es deshalb, diejenigen theoretischen Konzeptionen darzustellen, welche die oben genannten Merkmale berücksichtigen.
Bedeutung der Systemtheorie für eine schultheoretische Konzeption Mit dem Begriff der Systemtheorie verbindet sich untrennbar der Name Niklas Luhmann. Für einen schultheoretischen Bezugsrahmen sind dessen Ausführungen insofern bedeutsam, weil sie sich vor allem in den Achtziger- und Neunzigerjahren immer wieder mit erziehungswissenschaftlichen Fragestellungen beschäftigt haben und weil der systemtheoretische Ansatz in der pädagogischen Szene auf insgesamt große Resonanz gestoßen ist (Treml 1992). Zudem hat Luhmann in seiner Literatur immer wieder ein Gesamtgesellschaftssystem vor Augen, wie es für die Moderne typisch ist – ein System also, in dem das Subsystem des Bildungswesens einen bedeutsamen Anteil hat. Nachfolgend sollen bedeutsame systemtheoretische Begriffe in ihrer Auslegung für schultheoretische Belange dargestellt werden. Auffallend ist bei Luhmann die Unterscheidung zwischen Erziehung und Sozialisation: Er spricht sogar davon, dass Kinder bereits sozialisiert sind, wenn sie in die Schule eintreten (Luhmann 1996). Entsprechend einer autopoietischen Sichtweise ist „Sozialisation immer Selbstsozialisation und nicht Import von Kulturpartikel in das psychische System“ (Luhmann 2002: 52). Sie will auf „ein Leben in permanenter Unsicherheit vorbereiten“ (a.a.O. 49) und ist ein notwendiges Erfordernis, um überhaupt handlungsfähig zu werden (Luhmann 2002). Erziehung ist dagegen charakterisiert durch Absicht. Absicht ist dasjenige Symbol, welches die Operationen im System miteinander zu verknüpfen vermag 20
(Luhmann & Schorr 1992). Entsprechend symbolisiert die Absicht zu erziehen die Einheit des Erziehungssystems (Luhmann 2002). Impliziert wird weiter, dass diese Absicht eine moralisch gute sei und auf gesellschaftliche Institutionalisierung angewiesen sei (Luhmann 2002). Naheliegend erscheint es, Erziehung (und in Entsprechung zum eben Gesagten: auch Schulen) als soziale Systeme zu begreifen (Luhmann 1984). Wie weiter oben ausgeführt, stehen entsprechende Systeme in selbstreferentiellem Austausch mit ihrer Umwelt. Die Strukturformung findet also auch hier in ständigem Austausch mit anderen Systemen bzw. Umwelten statt. Innerhalb des Schulsystems existieren die verschiedensten Systeme, welche sich gerade auch wechselseitig Umwelt sind: Für die Lehrpersonen repräsentieren die Systeme der Schülerinnen und Schüler, die Eltern oder die Schulbehörden die Umwelt. Entsprechend ihrem selbstreferentiellen Charakter wird eine Schule in einem Gebiet mit überdurchschnittlich vielen fremdsprachigen Schülerinnen und Schülern Möglichkeiten entwickeln, um diesem Umstand mit zusätzlichen Integrationsbemühungen zu begegnen, ohne dabei ihre eigentliche Systemgestalt als Schule zu verlieren. Damit wird auch auf den problemlösenden Charakter des jeweiligen Systems verwiesen: Eine Schule als System sucht sich die entsprechenden Probleme gewissermaßen aus, um deren Lösung anzustreben (Luhmann 1996). Um dies mit einem einfachen Beispiel zu illustrieren: Jede Lehrperson muss die Probleme regeln, welche sich aufgrund der von ihr festgelegten Verhaltensnormen im Klassenzimmer ergeben. Bezeichnend dabei ist jedoch auch, dass das Erziehungssystem zwar absichtsvoll und problemlösend vorgeht, die beabsichtigten Wirkungen aber nicht unbedingt eintreten, weil der Zeithorizont für Erziehung ein weiter ist. Pädagogische Lebensplanungen würden frustrierend, weil das Ausmaß unbeabsichtigter Folgen zunehmen würde. Aus diesem Grund würden Prüfungen und andere, ähnliche Zäsuren angesetzt, um Erziehungsplanungen umzusetzen (Luhmann & Schorr 1992). Dies erscheint deshalb logisch, weil das Erziehungswesen insgesamt nicht aus trivialen, sondern aus selbstreferentiellen Systemen besteht, welche auf einen Inputvorgang nicht einfach den beabsichtigten Output liefern. Damit ergibt sich für das Erziehungssystem ein eigentliches Technologiedefizit (vgl. Kapitel 3.1.4), weil eine systematische Kontrolle über die Erreichung der beabsichtigten Ziele bzw. über das Verhältnis von Aufwand und Ertrag nicht möglich ist (Luhmann 2002). Erziehung bedient sich weiter des Selektionsprinzips, das prüft, ob die im Rahmen schulischer Erziehung erfolgte Vermittlung von Inhalten gelungen sei oder nicht. Dies geschieht entlang binärer Codes (gelungen/nicht gelungen, gut/schlecht etc.). Auf diese Weise werden die Ergebnisse solcher Selektionsprozesse zu Ersatzindikatoren für Erfolge oder Misserfolge in der absichtsvoll vorgenommenen Erziehung (Luhmann 2002). Selektionen legen die Grundlage für Karrieren, welche entscheidend sind für die soziale Positionsvergabe (ebd.). „Damit wird die Schule zur zentralen Dirigierungsstelle für Chancen im späteren Leben“ (Luhmann 2002: 70). Somit wird das Erziehungssystem (und darunter ist in jedem Falle das Bildungswesen zu verstehen) Teil einer Karriere (a.a.O. 71).
Bedeutung für die vorliegende Arbeit Was ist nun der Beitrag der Systemtheorie für die vorliegende Arbeit? Fend (2006a) nennt hier als Erstes den Aspekt, dass von den Problemen und nicht von den vorgefundenen Strukturen ausgegangen wird. Wenn es darum geht, Schulen hinsichtlich ihrer Entwick21
lungsbestrebungen und hinsichtlich ihres Kooperationsgrades zu beschreiben, ist es durchaus angebracht, von den Funktionen auszugehen, die eine Schule leistet, um (selbst gewählte) Probleme zu lösen. Weiter nennt Fend (2006a) die System-Umwelt-Differenz. Weil die am Bildungswesen Beteiligten (Lehrpersonen, Schülerschaft, Eltern, Bildungspolitiker) ihrer Rolle entsprechende Subsysteme repräsentieren, kann jedes System die Umwelt des anderen sein. Damit wird letztlich die Komplexität des gesamten Bildungssystems aufgezeigt. Diesen Aspekt gilt es gerade bei empirischen Untersuchungen wie der vorliegenden zu berücksichtigen, wenn Zusammenhänge interpretiert werden sollen. Dabei ist auf diese „SystemUmwelt-Verschachtelungen“ (Fend 2006a) zu achten. Als weiteres bedeutendes Element erscheint die Selbstrefentialität (Fend, 2006a). Schulsysteme leben in Austausch mit ihren Umwelten, sie reproduzieren sich aufgrund vorgenommener Operationen. Gerade bei teilautonomen Strukturen, wie sie sich heute für die Einzelschulen anbieten, scheint dieser Aspekt von Bedeutung zu sein: Schulen richten ihre Angebote auf die vorhandene Umwelt (z.B. demographische Verhältnisse) aus und entwickeln sich, ohne jedoch ihre Systemeigenheit als Schule je aufzugeben. Entscheidend ist allerdings, ob es Schulen gelingt, sich flexibel an sich ändernde äußere Bedingungen anzupassen und dabei insgesamt günstige Entwicklungsschritte zu unternehmen. Veränderungen sind folglich ein wichtiger Bestandteil der Umwelt von Schulen und der Umgang damit scheint zentral. Selbstreferentialität erzeugt zudem auch ein Wissen im System (Fend 2006a). Schulbehördenmitglieder eignen sich ebenso für ihren Bereich spezifisches Wissen an, wie es Lehrpersonen, Eltern oder Schülerinnen und Schüler tun. Spür- und sichtbar wird dies oft dann, wenn beispielsweise Lehrpersonen, welche über Jahre in einem Team bestimmte Funktionen innehatten, den Arbeitsplatz wechseln und ihr Wissen, dass sie etwa beim Aufbau einer naturkundlichen Sammlung oder als Sachverständige für Informatikfragen erworben haben, mitnehmen. Dabei gilt es zwischen dem Wissen im System, das über Beobachtungen erster Ordnung entsteht, und dem Wissen über das System aufgrund von Beobachtungen zweiter Ordnung zu unterscheiden. Während in der Innenansicht pädagogisches Wissen produziert und stabilisiert wird, kommt der Erziehungswissenschaft die Aufgabe zu, Wissen über das System zu erzeugen (Fend 2006a). Die Selbstbeschreibung einer Schule muss sich demzufolge nicht mit einer von außen vorgenommenen Beschreibung decken. Wie später ausführlicher dargestellt wird, sind für das organisationale Lernen Selbstbezug und Fremdbezug (bzw. die Einbeziehung der Innenwelt- wie der Außenweltperspektive) von zentraler Bedeutung, um eine Organisation lernfähig zu machen respektive zu erhalten. Durch die Selbstreferentialität wird aber auch die Anschlussfähigkeit der Systeme thematisiert: Das System der Lehrpersonen soll anschlussfähig sein an dasjenige der Schülerinnen und Schüler, das Schulsystem muss anschlussfähig sein an das Wirtschaftssystem, ebenso müssen verschiedene Schulsysteme untereinander anschlussfähig sein. Dadurch, dass die einzelnen Schulen autopoietisch ihre Operationen vornehmen, unterscheiden sie sich von trivialen Maschinensystemen und erzeugen „ein unausrechenbares Repertoire an Reaktionsmöglichkeiten“ (Luhmann 2002: 77). Dies bedeutet unter anderem, dass Prozesse und Maßnahmen, welche im Bildungswesen ablaufen, schwer voraussagbar sind – weder sind Bildungssysteme von außen leicht steuerbar noch ist klar, wie sie auf andere Systeme einwirken (Fend 2006a). Auf unseren Forschungsgegenstand bezogen hieße dies letztlich: Auch wenn Schulen im Rahmen der Pädagogischen EntwicklungsBilanzen einen hohen Grad an Kooperation erzielen, bedeutet das noch lange nicht zwingend, dass dieser Um22
stand einen günstigen Einfluss auf die einzelne Schülerbiografie hat. Der Aspekt der Selbstreferentialität trägt auch der Sichtweise der Selbstorganisation Rechnung. Schulen sind demzufolge als soziale Systeme zu sehen, welche Lösungen eigener Probleme anstreben und sich dabei in Austausch mit ihrer Umwelt befinden (Fend 2006a). Damit kann der systemtheoretische Ansatz einiges für eine schultheoretische Konzeption und auch für die Rahmenbildung unserer Arbeit leisten. Kritisch anzumerken gilt jedoch, dass in dieser Sichtweise die Akteure verschwinden und Möglichkeiten des Subjekts ausgeblendet werden: „Das Subjekt handelt in Bezugssystemen und erzeugt die anderen und sich selber als solche selbstreferentielle bzw. fremdreferentielle Konstruktionen. Diese kann eine Person selber nicht mehr durchbrechen, höchstens bei größter Anstrengung des Vergleichs relativieren“ (Fend 2006a: 136). Ebenso besteht eine latente Gefahr, die sozialen Systeme enthistorisiert zu betrachten. Dabei müssen Strukturen laufend an Auseinandersetzungen und Entscheidungen zurückgebunden werden können, welche in einem bestimmten zeitlichen Kontext stattfinden (ebd.). Eher ungenau wird auch die soziale Umwelt menschlichen Handelns geschildert, da nicht eingehend thematisiert wird, inwiefern Rechtssysteme eine prägende Funktion für das subjektive Handeln besitzen. Eine entsprechende Wirksamkeit als Prägeinstanzen erfahren soziale Systeme aber erst, nachdem intersubjektive Aushandlungen darüber stattgefunden haben. „Soziales Leben ist weitgehend ein unendlicher Strom von Aushandlungen, von Klärungen des Gemeinten, um so symbolisch getragene gemeinsame Welten herzustellen“ (Fend 2006a: 136).
1.2.1 Akteurtheoretische Ansätze und Rollen Um die genannten Defizite einer ausschließlich auf die Funktionalität sozialer Systeme bezogenen Sichtweise auszugleichen, ist es notwendig, das Individuum und sein Handeln in den Blick zu nehmen. Gerade Schulen mit ihrem geringen Ausmaß an Hierarchie ermöglichen ihren Mitgliedern in vielen Bereichen eigenverantwortliches Tun. Aus diesem Grund werden nachfolgend relevant erscheinende Aspekte aus handlungs- und akteurtheoretischen Konzepten in ihrer schultheoretischen Bedeutung dargestellt.
Rollen sowie individuelle und kollektive, respektive institutionelle Akteure Ausgehend von Weber handlungstheoretischem Ansatz (Weber 1920/88, 1956) kann Handeln individuell oder kollektiv erfolgen, letzteres als sinnbezogenes Gemeinschaftshandeln oder als zweckrationales Gesellschaftshandeln. Dabei werden Erwartungen punkto Verhalten an das Individuum herangetragen. Mit ihrer Verbindlichkeit eröffnen solche Orientierungen an einer „gesatzten Ordnung“ (Weber 1920/88: 443) dem Individuum verschiedene Rollen. Gerade die Schule erzeugt mit ihren normativen Vorgaben diesbezügliche individuelle und kollektive Erwartungen. Voraussetzungen dafür, dass ein solches Rollenhandeln funktioniert, sind folgende Aspekte: die Vereinbarkeit der Rollenerwartungen verschiedener Bezugsgruppen muss gegeben sein; eine Person muss die verschiedenen ihr zugeeigneten Rollen vereinbaren können; eine klare Definition der Rollenerwartungen muss gegeben sein; 23
die Person muss von ihren Ressourcen und Potenzialen her in der Lage sein, ihre Rolle gestalten zu können; die Vereinbarkeit mit Bedürfnissen, Interessen und Zielen einer Person mit ihrer Rolle muss gegeben sein (Schimank 2000).
Für Rollenträgerinnen oder einen Rollenträger bestehen dabei durchaus Gestaltungsspielräume. Rollen werden interpretiert und nicht einfach übernommen. Turner (1962: 22, zitiert nach Schimank 2000: 55) spricht ergänzend von „role-making“ anstelle von bloßem „roletaking“. Während letztgenannter Prozess die Assoziation an eine von außen bewegte Marionette erzeugt, lässt sich Ersterer als kreative Eigenleistung beschreiben. Schimank (2000: 64) charakterisiert die entsprechende Vorstellung mit dem „findigen Akteur“. Um dies anhand eines Beispiels zu illustrieren: Eine Lehrperson hat wohl die normative Vorgabe zu erfüllen, den Schülerinnen und Schülern das Bruchrechnen zu vermitteln. Welche Arbeitsformen und Veranschaulichungen aus ihrer Sicht dafür angemessen sind und verwendet werden, ist ihrer Entscheidung überlassen. Der Begriff des Handelns ist also nicht ausschließlich auf Auftragshandeln ausgerichtet, sondern berücksichtigt Potenziale und Ressourcen einer Person, welche diese in Auseinandersetzung mit vorhandenen Möglichkeiten und Einschränkungen bringt (Fend 2006a). Handeln in Institutionen, wie Schulen sie darstellen, geschieht somit sowohl unter Berücksichtigung der Interessen und Fähigkeiten eines Akteurs als auch in Orientierung „an den Opportunitäten und Restriktionen der institutionellen Umwelt“ (Fend 2006a: 152). Aus dieser Überlegung heraus erweist es sich als sinnvoll, vom Konzept eines institutionellen Akteurs auszugehen (ebd.), welcher insofern zum Verständnis von Bildungsinstitutionen und dem Handeln von Menschen in denselben beiträgt, als dass er in der Rekonstruktion der institutionellen Regelungen besteht (ebd.).
Bedeutung für eine schultheoretische Konzeption Weil Bildungssysteme nicht ausschließlich nach Regelwerken funktionieren und weil das Zusammenhandeln der Beteiligten in einer vielfältigen Umwelt geschieht, die auch individuell verschieden interpretiert wird, entstehen in einem solchen System Handlungschancen und -risiken für die einzelnen Akteure. Für Lehrpersonen etwa können unterschiedliche Bedingungen bestehen in Bezug auf die Zeit, welche sie zur Bearbeitung eines bestimmten Lernziels mit ihren Schülerinnen und Schülern zur Verfügung haben. Ein institutioneller Akteur kann diesem Umstand begegnen, indem genügend Lehrpersonen eingestellt werden oder diese so ausgebildet werden, dass sie mit schwierigen Bedingungen umzugehen in der Lage sind (Fend 2006a). Vor diesem Hintergrund müssen systemische Bedingungen und historische Bedingungen sowie reale Handlungsbedingungen der einzelnen Akteure berücksichtigt und beschrieben werden, um schulisches Handeln bzw. auch Unterschiede bezüglich der Handlungspraxis in verschiedenen schulischen Institutionen verstehen zu können. Vor Augen gehalten werden muss also immer auch, wie es zur Struktur eines Bildungssystems gekommen ist und welche – möglicherweise intensiv geführten – Auseinandersetzungen die Genese und Gestaltung in welcher Weise beeinflusst haben (Fend 2006a). Das Bildungswesen als institutioneller Akteur hat sich über einen längeren Zeitraum entwickelt, wobei verschiedene Akteurgruppen mit ihren Intentionen Einfluss auf die Gestaltung der Normen hatten. Dabei können sich immer wieder verschiedene Akteurkonstellationen ergeben, indem in einem 24
Falle Übereinstimmung hinsichtlich der Absichten besteht, in einem anderen Falle eine Gruppe stärker ist als die andere und ihre Intentionen durchzusetzen vermag oder wiederum in einem anderen Szenario sich die Gruppen gegenseitig in ihren Absichten blockieren und auf diese Weise erreichen, dass normative Regelungen als Nebenergebnis entstehen. Entsprechend handeln Lehrpersonen in Bildungsinstitutionen also nicht als einfache Vollstrecker, sondern vollbringen Rekontextualisierungsleistungen, indem sie Bildungsaufträge gewissermaßen übersetzen und rechtliche Vorgaben re-interpretieren (Fend 2006a). Verschriftlichungen von Normen in Form von Gesetzestexten bilden dabei die Ergebnisse der historischen Entwicklung sozialer Gebilde ab. Jeder beteiligte Akteur interpretiert solche Regelwerke aber wiederum anders – es entstehen also subjektive Repräsentationen von entsprechenden Satzungen, welche an sich objektiv gelten wollen. Die Einführung eines neuen Lehrplanes etwa kann für Lehrpersonen in erster Linie eine Legitimation erweiterter Unterrichtsformen darstellen, während sie für Schulbehördenmitglieder einen Wandel in der Aufsichtspraxis bedeutet und Lernende wiederum neue Fächerkonstellationen und Beurteilungspraxen kennen lernen. Bezogen auf die vorliegende Arbeit bedeutet dies, dass auch die rechtlichen Grundlagen des Zusammenhandelns von Lehrpersonen unter die Lupe genommen werden müssen, welche mitverantwortlich sind, dass sich an Schulen je unterschiedliche Grade von Kooperation ausbilden.
1.2.2 Fazit Im Vergleich zu den Ausführungen zum Strukturfunktionalismus und zur Systemtheorie sind in den letzten Abschnitten wieder vermehrt die Handlungsspielräume des einzelnen Individuums aber auch das Zusammenwirken verschiedener Akteure als institutioneller Akteur ins Blickfeld gerückt. Damit verbunden ist auch die Resubjektivierung bzw. die Rekontextualisierung von Ordnungen durch die einzelnen Akteure. Insgesamt und zusammenfassend ergibt sich also die Notwendigkeit, schulisches Geschehen in seiner (Rück-)Bindung an die beteiligten Akteure zu beschreiben und dabei insbesondere Rekontextualisierungen von Vorgaben und deren Koppelungen an das Wissen im System zu leisten. Dieses akteurspezifische Wissen und damit einhergehende Wertungen sind konstitutiv für die Gestaltung von Schulen (Fend 2006a). Um Kooperation von Gymnasiallehrpersonen angemessen verstehen zu können, ist es notwendig, die Rekontextualisierungsleistungen der relevanten gesetzlichen Grundlagen durch die Lehrpersonen und die Selbstreferenzen zu ihrem Wissen dazu zu erfassen, um zu einer dichten Beschreibung des Zusammenhandelns der Beteiligten zu kommen. Diesem Aspekt wurde dadurch Rechnung getragen, dass für die vorliegende Arbeit sowohl quantitative als auch qualitative Erhebungen und Analysen vorgenommen wurden, um das Spannungsfeld zwischen idealtypischen Zwecksetzungen und faktischen Wirkungen auszuleuchten (Fend 2006a).
1.3 Zusammenfassung In diesem ersten Kapitel wurde das Geschehen an Schulen theoretisch dargestellt. Dabei wurde unter 1.1 auf die ursprüngliche Theorie der Schule von Fend (1980) und unter 1.2 auf die Erweiterungen durch denselben Autor (Fend 2006a) verwiesen. Diese erweiterte Konzeption einer Theorie der Schule orientiert sich an unterschiedlichen theoretischen Ansätzen, welche in ihren Grundzügen dargestellt worden sind. Insbesondere sind dies: Der 25
Strukturfunktionalismus, die Systemtheorie und die verstehende Soziologie Max Webers. Aus diesem umfassenden Repertoire an Begriffen sind für die folgenden Ausführungen vor allem derjenige der Selbstreferentialität eines Systems, jener der Rekontextualisierung von Normen sowie derjenige des Bildungswesens als institutionellem Akteur von Bedeutung.
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2 Qualität, insbesondere Schul- und Unterrichtsqualität
„Es scheint ein weltweiter Trend zu sein, dass sich die Gesellschaften um die Verbesserung der Qualität ihrer Bildungssysteme sorgen“ (Mortimore 1997: 171). Die Qualität von Bildungssystemen gerät dort in den Fokus öffentlicher Wahrnehmung, wo bestimmte Qualifikationen erwartet werden, um zum einen an gesellschaftliche Entwicklungen anschlussfähig bleiben zu können und zum andern mit den dabei sich ergebenden Herausforderungen produktiv umgehen zu können. Stichworte hierfür sind eine zunehmende Globalisierung, knapper werdende Ressourcen und damit einhergehende Verteilkämpfe, eine sich rasant entwickelnde Technologisierung und Automatisierung, welche mit einer Verlagerung von Arbeitsfunktionen in den Dienstleistungssektor einhergeht oder auch die Notwendigkeit, lebenslänglich zu lernen respektive generelle Lernkompetenzen zu entwickeln. Entsprechend beziehen sich die Fragestellungen von PISA (Programme for International Student Assessment) auf Kompetenzen, welche Lernende aufweisen müssen, um für die Herausforderungen einer sich wandelnden Welt vorbereitet zu sein (OECD, 2006). Damit geraten Bildungssysteme hinsichtlich ihrer früher genannten Qualifikations-, Allokations-, Selektions- und Sozialisationsfunktion in den Fokus der öffentlichen Aufmerksamkeit und vermehrt auch in die Kritik (Böttcher 2002). Im Zuge des mäßigen Abschneidens deutscher Schülerinnen und Schüler bei PISA 2000 wurde etwa die Leistungsfähigkeit des Bildungssystems angezweifelt. Vermehrt ist dabei feststellbar, dass das Bildungssystem an den erbrachten Lernergebnissen der Schülerinnen und Schüler gemessen wird. Entsprechend geschieht eine Fokusverschiebung vom Input zum Output. Indem dieser Output als Ergebnis von schulischem Lernen betrachtet wird, rücken Schule und Unterricht und die damit verbundenen Prozesse in den Brennpunkt des Interesses. Den Schulen wird entsprechend die Verantwortung für die Erreichung der gewünschten Ergebnisse zugesprochen (Klieme et al. 2003). Deshalb ist in den vergangenen Jahren und im Zuge von TIMSS und PISA zunehmend die Forderung nach klaren und verbindlichen Leistungserwartungen im Sinne von Bildungsstandards laut geworden (Klieme 2005b; Klieme et al. 2003). Damit wird nicht nur die Frage aufgeworfen, welcher Art die zu erbringenden Leistungen sein sollen, sondern welche Prozessqualitäten im Bildungssystem vorhanden sein müssen, damit Schülerinnen und Schüler die verlangten Leistungen überhaupt erbringen können. Gleichzeitig ist eine andere Entwicklung festzustellen, welche – ebenfalls verbunden mit Effektivitäts- und Effizienzüberlegungen – die verstärkte Autonomie von Schulen betont. Heyer et al. (2003) etwa stellen fest, dass Länder, in denen soziale Herkunft und Bildungserfolg weitgehend entkoppelt sind, unter anderem dadurch zu charakterisieren sind, dass eine weitgehende Autonomie von Einzelschulen besteht. Schulen übernehmen dabei Verantwortung für die Programmgestaltung und auch für finanzielle Belange. Wie an anderer Stelle dieser Arbeit ausgeführt, sind Schulen im Rahmen (teil-)autonomer Strukturen auch verpflichtet, ihre Aktivitäten zur Sicherung von Qualität und damit einhergehenden Schulentwicklungsprozessen im Sinne von Rechenschaftslegung zu dokumentieren. Diese beiden in äußerster Kürze erwähnten Zusammenhänge und Entwicklungen bringen es mit sich, dass in vielfältiger Weise über Qualität im Bildungswesen nachgedacht 27 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_3, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
wird. Qualität wird relevant, sowohl wenn es um die zu erbringenden Leistungen geht als auch wenn die damit verbundenen Prozesse betrachtet werden. Qualität wird zum „…leitenden Begriff innerhalb des allgemeinen Bildungsdiskurses“ (vgl. Terhart 2000: 809). Allerdings muss geklärt werden, von welchem Qualitätsverständnis ausgegangen wird. Die beiden genannten Entwicklungen – die Outputorientierung einerseits und die Autonomie von Einzelschulen andererseits – bedingen letztlich eine Reflexion des vielschichtigen Begriffs „Qualität“, bezogen auf Schule und Unterricht. Wir werden uns also im Rahmen dieses Kapitels mit Qualität als allgemeinem Konzept auseinandersetzen und in der Folge Qualität auf den verschiedenen Ebenen des Bildungssystems betrachten. Insbesondere sollen Schul- und Unterrichtsqualität als aus der Forschung bekannte Konstrukte thematisiert werden.
2.1 Zum Begriff der Qualität Bevor Qualitätskonzepte und -indikatoren eingeführt werden, drängt sich aus didaktischen Überlegungen eine Klärung des Begriffs in Bezug auf das Bildungswesen auf, zumal ihm zum einen – wie oben erwähnt – eine leitende Funktion im allgemeinen Bildungsdiskurs zukommt, zum andern auch, weil er gleichzeitig verschiedene Deutungen zulässt. Terhart (2000) nennt drei Bestimmungsversuche für Qualität im Bildungswesen: Im Rahmen normativer Bestimmungsversuche muss vorerst einmal bestimmt werden, „welche Sachverhalte und Wirkungen man als Ausdruck hoher Qualität betrachten will“ (Terhart 2000: 815). Dabei ist es selbstverständlich, dass normative Vorstellungen der einzelnen Akteure über Absichten und Ziele in eine Entscheidung einfließen. Als gut erscheint eine Schule demnach, wenn sie „sich zu diesen normativen Setzungen bekennt bzw. diese übernimmt, innerhalb ihres Programms sowie in ihrer täglichen Arbeit möglichst umsetzt und die vorgestellten Ziele als tatsächliche Wirkungen auch möglichst weitgehend erreicht“ (ebd.). Diese normativen Setzungen richten sich noch nicht an empirischen oder andern Restriktionen aus, sondern an „übergeordneten ‚letzten’ Zwecken sowie der Ableitung von daraus resultierenden Konsequenzen“ (a.a.O. 816). Normative Bestimmungsversuche sind idealerweise Gegenstand öffentlicher und fachinterner Diskussionen über Qualität im Bildungswesen, sie sollten aber unbedingt auch den historisch-gesellschaftlichen Werte- und Problemwandel, die je gegebenen empirischen Verhältnisse sowie die institutionellen und personellen Möglichkeiten mit einschließen, um nicht einfach normativistisch zu wirken (vgl. Terhart 2000: 815 f.). Bei analytischen Bestimmungsversuchen geht es um klare inhaltliche Differenzierung verschiedener Begriffsvarianten von Qualität. Harvey & Green (2000) unterscheiden dabei fünf verschiedene Aspekte von Qualität: o Mit „Qualität als Ausnahme“ (Harvey & Green 2000: 21) wird impliziert, dass Qualität etwas Besonderes, Exzellentes oder Hochklassiges ist. Nur wenige Institutionen können demnach diesen Anspruch erfüllen. o „Qualität als Perfektion oder Konsistenz“ orientiert sich an den Prozessen und zeigt sich vornehmlich im Streben nach Fehlerlosigkeit und in der Fähigkeit, „die richtigen Dinge in der richtigen Weise (zu) tun“ (ebd.). Im Gegensatz zum ersten Aspekt können alle Institutionen diesen Qualitätsanspruch erfüllen, weil die Standards selbst gesetzt werden und nicht extern bestehen. 28
„Qualität als Zweckmäßigkeit“ orientiert sich dagegen am Grad, in dem ein Produkt seinen Zweck erfüllt. Je nachdem kann bei der Festlegung dieses Qualitätsverständnisses die Sichtweise der Produzenten (oder auf den Bildungsbereich bezogen: der Institution), bzw. diejenige der Konsumenten geltend gemacht werden (a.a.O. 23 ff.). o Mit „Qualität als adäquater Gegenwert“ (value for money) geschieht eine Orientierung am Preis-/Leistungs-Verhältnis. Dieses soll möglichst günstig ausfallen – gute Schulen wären demnach solche, welche auf der Grundlage kontrollierter und quantifizierter Ergebnisse eine möglichst hohe Lehrqualität bei möglichst geringen Ausgaben aufwiesen (a.a.O. 28 f.). o „Qualität als Transformation“ schließlich zielt auf eine Veränderung der Form. Erziehung wird dabei nicht einfach als Dienstleistung an Schüler/innen verstanden (resp. Kunden/Kundinnen), „sondern zielt auf die kontinuierliche Transformation der Teilnehmenden“ (a.a.O. 31). Dies kann so verstanden werden, dass sich diese weiterentwickeln können (enhancing), oder dass sie ermächtigt werden (empowerment), ihre Lernprozesse eigenständig zu gestalten (a.a.O. 32). Die Autoren kommen aber letztlich zum Schluss, dass Qualität ein philosophischer Begriff sei, welcher nicht durch eine für sämtliche Beteiligten zutreffende Definition festgelegt werden könne. Vielmehr sei von unterschiedlichen Qualitäten zu sprechen (a.a.O. 36). Dennoch ist der Beitrag analytischer Bestimmungsverfahren insofern ein zentraler, als der Begriffsgebrauch geklärt wird und „vor sprachlich bedingten Denkfallen und Scheinbegründungen“ gewarnt wird (Terhart 2000: 817). Empirische Bestimmungsverfahren von Qualität nehmen demgegenüber die tatsächlichen Wirkungen von Bildungs- und Sozialeinrichtungen in den Blick (ebd.). Dabei werden – im Sinne einer Wirkungskontrolle – Absichten, Ressourcenverbrauch und Wirkungen miteinander verglichen, um das Verhältnis von Aufwand und Ertrag im Hinblick auf ein Ziel festzulegen. Allerdings konnte dieses Vorhaben bisher von keiner Studie eingelöst werden, da der Versuch, Qualität zu bestimmen, von verschiedenen Problemen begleitet wird. Zum einen sind anspruchsvolle Zielsetzungen im Bildungsbereichen nicht ohne Weiteres überprüfbar. Weiter ist die Wirkung der Teilnahme an Bildungsinstitutionen nicht präzise erfassbar. Und schließlich bildet die Unterschiedlichkeit der Ausgangslagen der einzelnen Teilnehmenden eine weitere Schwierigkeit, wenn einheitliche Zieldefinitionen festgelegt werden. o
Diese Bestimmungsversuche machen deutlich, dass es nicht einfach „den“ Qualitätsbegriff gibt. Je nach Ausgangslage oder Perspektive erscheint ein anderer Bestimmungsversuch angemessener zu sein. Maag Merki (2003a) plädiert für eine Sichtweise, welche die wechselseitige Ergänzung der drei Verfahren für Evaluationsvorhaben an Schulen vorsieht. Eine entsprechende Studie muss sowohl normativ verankert sein (z.B. indem sie Lehrpläne und Bildungsziele in den Fokus nimmt) als auch geeignete methodische Vorgehensweisen aufweisen, damit Wirkungen erhoben werden können. Schließlich muss aber auch eine Klärung des Qualitätsbegriffs erfolgen. Im Falle des Projekts „Überfachliche Kompetenzen“, in dessen Rahmen diese Arbeit entstand, ist dies der weiter oben geschilderte Aspekt von „Qualität als Transformation“. Qualitativ hoch stehende Schulen würden sich demnach dadurch auszeichnen, dass es ihnen gelingt, „die Kompetenzen ihrer Schüler/innen beson29
ders gut zu fördern und den Schüler/innen einen möglichst großen ‚Kompetenzzuwachs’ zu ermöglichen“ (Maag Merki 2003a: 62).
2.2 Qualität auf verschiedenen Ebenen Nachdem nun Qualität in ihrer Begrifflichkeit erfasst wurde, geht es in den folgenden Ausführungen darum, Qualität in ihrer Bedeutung für die einzelnen Ebenen des Bildungswesens zu bezeichnen. Relevant wird der Qualitätsbegriff vor allem für Schule und Unterricht. Dazu haben sich in der Forschungslandschaft mit der Unterrichtsforschung und der Schulund Klassenklimaforschung bekanntlich zwei eigenständige Traditionen entwickelt, welche ihrerseits im Laufe der Zeit je spezifische Paradigmen entwickelt haben (Gruehn 2000). Dabei hat die Unterrichtsforschung im Zuge langjähriger Effektivitätsforschung vor allem mit mehrebenenanalytischen Designs empirisch Kriterien ermitteln können, welche optimale Voraussetzungen für gute Lernleistungen darstellen. Auch die Schul- und Klassenklimaforschung hat zu zahlreichen empirischen Untersuchungen geführt, welche maßgeblich zur Identifikation von Faktoren eines für schulische Lernprozesse günstigen Sozialklimas geführt haben (ebd.). Dabei werden uns insbesondere die Ausführungen von Fend (1998 und 2000a) hilfreich sein. Sein Ansatz zielt in eine ähnliche Richtung wie der im vorhergehenden Abschnitt (vgl. 2.1) skizzierte Transformationsansatz, wenn er festhält, dass sich die Qualität des Bildungswesens letztlich daraus ergebe, „(...) ob es gelingt, die Schule für möglichst alle Schüler zu produktiven Räumen des Lernens und ihrer längerfristigen Entwicklung werden zu lassen“ (Fend 2000a: 56).
2.2.1 Qualität auf der Makroebene Nicht erst mit PISA ist die Leistungsfähigkeit von Bildungssystemen in den Fokus der Aufmerksamkeit gerückt. Klemm (2004) nennt Aspekte der weltweiten Globalisierung, welche den Druck auf die Bildungspolitik moderner Staaten erhöht hätten. So würde etwa das Primat der Ökonomie gelten, welches nachhaltige Auswirkungen auf die Entwicklung regionaler Bildungssysteme habe. Weiter sei davon auszugehen, dass den Industrieländern die unqualifizierte Arbeit ausgehen würde, was eine bessere Ausbildung aller Kinder und Jugendlichen in Westeuropa notwendig machen würde. Wenn erreicht werden soll, dass Lernende sich im oben zitierten Sinne entwickeln sollen, muss ein entsprechendes Bildungswesen sowohl effizient sein als auch ein hohes Leistungsniveau erzeugen können, es muss die Erzeugung überfachlicher Qualifikationen „im Sinne von Schlüsselkompetenzen“ (Fend 2000a: 61) im Auge behalten und ermöglichen, dass eine heranwachsende Generation ihr Leben langfristig planen kann (ebd.). Von zentraler Bedeutung ist dabei, dass die damit verbundenen externen Rahmenbedingungen stabil sind. Sie dürfen weder zu schwach sein (was zu einer Steigerung der Unterschiede zwischen den Schulen führen könnte) noch sollen sie zu stark sein, was wiederum die Autonomie der Lehrpersonen einschränken würde. „Es gilt, eine Balance zwischen Regelungsnotwendigkeit und individuellen Freiheitsgraden, von Notwendigkeiten der Kooperation und von Rechten zu Eigenentscheidungen anzustreben“ (a.a.O.: 63). Entsprechend lassen sich Bildungssysteme nur konfigurativ, also nicht durch isolierte Einzelmaßnahmen sinnvoll gestalten (ebd.), und das Ansinnen, ein bisher ausschließlich staatliches Bildungssystem auf ein marktorientiertes Angebot umzustellen, wird sehr kritisch eingeschätzt (a.a.O.: 66 f.). Im Weiteren ist auch der Tendenz, 30
den Schulen im Rahmen von teilautonomen Ansätzen mehr Entscheidungskompetenzen einzuräumen, insofern mit einer gewissen Vorsicht zu begegnen, als dadurch eine nicht unbedingt wünschbare Varianz zwischen den einzelnen Schulen entstehen könnte. Nur wenn klare curriculare Vorgaben existieren, für eine kontinuierliche Leistungsüberprüfung gesorgt ist, extern abgesicherte Leistungsniveaus bestehen und eine Gleichversorgung der Schulen in personeller und materieller Hinsicht gewährleistet ist, sind auch die Voraussetzungen dafür gegeben, dass weniger privilegierte Bevölkerungsschichten „in den Genuss eines gut ausgestatteten Bildungswesens kommen“ (a.a.O: 68). Entsprechend bedarf es der Suche nach optimalen Konfigurationen des instituionellen Akteurs Bildungssystem (Fend 2000a, 2006a: 169 ff.), damit sich engagierte Kräfte zur Verwirklichung entsprechender produktiver Lernwelten durchsetzen können. In Anlehnung an das erste Kapitel wird hier also deutlich, dass in einem Diskurs über Qualität immer das ganze System bzw. der institutionelle Akteur Bildungswesen und – damit verbunden – die Gestaltungsmöglichkeiten der einzelnen Akteurgruppen im Auge behalten werden müssen, um eine qualitativ gute Schule zu realisieren. Dabei müssen die verschiedenen Gruppen nicht nur einbezogen werden, sondern im Bemühen um Qualität auch miteinander interagieren. Dubs (2005: 205) betont insbesondere die dabei notwendigen sozialen Aushandlungsprozesse aller beteiligten Akteure: „Qualität meint die bewertete Beschaffenheit eines Bildungssystems, einer Schule oder einer Klasse gemessen an den in einem politischen Aushandlungsprozess gefundenen Zielvorstellungen und Ansprüchen aller am Bildungswesen interessierten Anspruchgruppen und Personen.“
2.2.2 Qualität auf der Meso-Ebene: Schulqualität Tillmann (1999) verweist auf die definitorischen Schwierigkeiten, welche sich mit dem Begriff der Schulqualität verbinden. Schulqualität kann sowohl als normativer Teil eines Problems gesehen werden, indem nach den Vorstellungen gefragt wird, welche wir von gebildeten Menschen haben. Dasselbe Problem kann aber auch unter empirischem Blickwinkel angegangen werden, indem nach der Gestalt der Schule gefragt wird, welche möglichst vielen Menschen eine gelungene Schulbildung ermöglicht. Im Rahmen dieser Arbeit wird vor allem die zweite Perspektive in den Blick genommen, indem die einzelne Schule als produktiver Raum des Lernens verstanden werden will, der schismogene Prozesse verhindern und aktive Problembewältigung erleichtern soll (Fend 2000a). Die Schule als soziales System gestaltet die Organisation der Schule, diese wiederum ist Lebensraum für die Schüler/innen und Lehrpersonen, die darin lernen und lehren. Schulkultur, Schulleitungshandeln und die Koordination des unterrichtlichen Geschehens spielen an der Schule eine wichtige Rolle als Voraussetzung für gelingende Lernprozesse in einem pädagogisch begründeten Lern- und Arbeitsklima. Dass sich dabei die Schule als „Lernende Organisation“ versteht und sich dahingehend entwickelt, ist nach dem bisher Erwähnten mitbestimmend für die Qualität. „Schulen müssen Anreize schaffen, in denen Lehrerinnen und Lehrer ein teamorientiertes Arbeiten wollen und realisieren können“ (Böttcher 2002: 82). Darüber hinaus ist es wichtig, wie eine Schule Feedback einholt bei Schüler/innen, Eltern und ihrem Lernumfeld. Dadurch wird eine Kultur gepflegt, die Feedbacks und Selbstevaluation als selbstverständlich erachtet und die sich auf diese Weise vor Erstarrung bewahrt und sich für Veränderungen und anstehende Problemlösungsprozesse öffnet. Diese Öffnung nach außen und die damit verbundene Bereitschaft, eigenes Handeln verantwortungsbewusst zu evaluieren, sind wichtig. 31
2.2.3 Qualität auf der Mikro-Ebene: Unterrichtsqualität Fend verweist darauf, dass eine für Schülerinnen und Schüler optimale Lernsituation im Unterricht nur entstehen kann, wenn die Akteure auf den einzelnen Ebenen des Bildungswesens in sinnvoller Weise zusammenwirken. Qualitativ guter Unterricht manifestiert sich dort, wo es Lehrpersonen gelingt, Eigenaktivität zu fördern und eine konstruktive Fehlerkultur zu pflegen (Fend 2000a: 57). „Kinder und Jugendliche sind dann mit der größten Wahrscheinlichkeit produktiv, wenn sie aktiv an ihrem Lernprozess beteiligt sind, wenn sie im Laufe der Schuljahre zunehmend zu eigenverantwortlichen Gestaltern ihrer eigenen Lerngeschichte werden“ (ebd.). So erscheint im alltäglichen Unterricht Qualität als eine optimale „Synchronisierung von Angebotsmerkmalen und Nutzungsmöglichkeiten von Lernangeboten“ (ebd.). Das folgende Kapitel macht dieses Verhältnis von Angebot und Nutzung deutlich und Abbildung 2 zeigt, dass dieses Verhältnis wiederum im Rahmen umfassender Stützsysteme steht, die außerhalb des Unterrichts liegen. „Die Qualität von Schule realisiert sich ganz wesentlich auf der Ebene des Unterrichts“ (Böttcher 2002: 82). Ein „high-quality teaching“ muss also im Mittelpunkt von Qualitätsüberlegungen stehen (Fend 1998: 377). Weinert, Schrader & Helmke (1989, 899) definieren entsprechend Unterrichtsqualität als „…jedes stabile Muster von Instruktionsverhalten, das als Ganzes oder durch einzelne Komponenten die substantielle Vorhersage und/oder Erklärung von Schulleistung erlaubt.“ Unterrichtsqualität im engeren Sinne wird in Kapitel 5.2.1. eingehender thematisiert.
2.3 Qualität als ko-konstruktiver Prozess Jeder Veränderungsprozess, wie dies gemäß den weiter unten dargestellten Ausführungen in Kapitel 3.1.5 das individuelle oder organisationale Lernen darstellt, ist der Absicht nach ein Prozess mit dem Ziel der Verbesserung und Vervollkommnung. Qualität als Prozess beinhaltet zwei Perspektiven: die Bewertung der Qualität durch den Empfänger und durch den Erbringer. Beim Ersten bemisst sich die Bewertung von Qualität als Nutzen- oder Schadenerwartung an Dinge, Aktionen und Wirkungen, die definiert ist durch die Interessenssituation des Empfängers, seine Kenntnis (oder Nichtkenntnis) der objektiven Qualitätsmaßstäbe sowie seine quantitativen Möglichkeiten, sich ein bestimmtes Maß dieser Qualität zu verschaffen. Sobald diese Erwartung erfüllt wird, ist das Ergebnis Zufriedenheit. Aus der Sicht des Erbringers von Qualität wird das Ausmaß an Zufriedenheit bemessen durch seine (in der Regel stärker ausgeprägte) Kenntnis der objektiven Qualitätsmaßstäbe (Perfektion) sowie durch die quantitative Vergleichbarkeit mit den Erwartungen der Empfänger und mit den Angeboten anderer Lieferanten von Qualität (Konkurrenz). Qualität unterliegt somit einer auf sich entwickelnde Interessen und Neigungen bezogenen Standpunktlogik und ist immer auch als soziales Verhältnis zwischen Empfänger und Erbringer, Kunde und Lieferant zu verstehen. Dabei ist die jeweils konkrete Qualität definiert durch die jeweils bestimmte Schnittmenge von Zufriedenheit und Perfektion (Franz 2004: 35). Beide verändern sich jedoch, die Anspruchhaltung der Empfänger und die Leistungsmöglichkeiten der Erbringer. So ist das Verhältnis zwischen diesen beiden ebenfalls betroffen. Qualität wir so zum Prozess und stellt ein bewegliches Ziel dar. „Qualität ist eine interessen-, standpunkt- und erfahrungsbasierte Konstruktion, die in der Organisation sowie zwischen ihr und ihren Stakeholdern immer wieder neu austariert wird“ (a.a.O.: 32). Bei 32
Schulen kommt der besondere Umstand dazu, dass die unmittelbaren Kunden die Lernerinnen und Lerner, also die Schülerinnen und Schüler, sowie deren Eltern sind. Diese prägen in wesentlichem Umfang den Qualitätsprozess und sind Ko-Produzenten der Leistung und damit der Qualität. ‚Qualität als soziales Verhältnis’: diesem Bezug ist bei Lernprozessen Rechnung zu tragen, indem diese Beziehung in den Mittelpunkt der Qualitätsbemühungen gerückt wird. Ziel dabei ist nach Franz (2004), dass die Qualitätsproduzenten der Leistungssituation in allen möglichen Verbesserungskomponenten gerecht werden. Lernen wird so zum Prozess der Verbesserung und Selbstverbesserung, wirkt also bei allen beteiligten Menschen gleichzeitig und lässt im Kontext Schule die Begrifflichkeit ‚Empfänger’ und ‚Erbringer’ zumindest zweifelhaft – wenn nicht unbrauchbar – erscheinen. Die Qualität des Bildungswesens und der Schule kommt letztendlich darin zum Ausdruck, dass „die situativen und inhaltlichen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die es ermöglichen, dass möglichst viele Schüler zu einem bestmöglichen Verständnis und zu einem bestmöglichen Niveau der Entwicklung ihrer Fähigkeiten gelangen“ (Fend 1998: 379). Fend zeigt die Qualität im Bildungswesen als Angebot- und Nutzungsmodell, welches offensichtlich macht, dass Schule „ein optimierter Entwicklungskontext“ (ebd.) ist, in welchem die Lehrpersonen als erwachsene Menschen mit den Kindern und Jugendlichen „ko-konstruktiv“ an den jeweiligen Wachstums- und Entfaltungsprozessen arbeiten. So entsteht eine gemeinsame Verantwortung, und Qualität kann nur in „Ko-Produktion“ erreicht werden. In diesem Bild der „Ko-Produktion“ schwingt ein Begriff mit, der sich im Sinne der gegenseitigen Annäherung und Abgrenzung auf der Basis der Wertschätzung der Individualität des anderen versteht: Kooperation ... ... zwischen Kindern und Jugendlichen beim gemeinsamen Lernen und wechselseitigen Lehren; ... zwischen Lehrpersonen und Schüler/innen im Lehr-/Lernprozess während des Unterrichts; ... zwischen Lehrpersonen und Lehrpersonen bei inhaltlichen und organisatorischen Absprachen sowie bei der Klärung von gemeinsamen Zielen und Werthaltungen; ... zwischen Schulleitung und Lehrpersonen.
Stützsysteme Schulversorgung Schulaufsicht Lehreraus- und Fortbildung Curriculares Material Organisatorische Rahmenbedingungen Kulturelle Traditionen der Bewertung von „Leistung“
Abbildung 2:
Stützsysteme Angebot
Nutzung
Quantität Qualität
Quantität Qualität
Ko-Produktion Mehrebenen-Struktur der Qualität des Angebotes zentrale Vorgaben kollegiale Stütze Individ. Darbietung
Kontextuelle Struktur der Nutzungsqualität familiäre Stütze Stütze durch Peers
Emotional Zuwendung Wertmässige Absicherung von Schulleistung Intellektuelle Anregung Aktive Hilfe Altersgruppe normative Stütze
Modell der Qualität im Bildungswesen (Fend 1998: 322; 2000: 58) 33
Kooperation versteht sich als Weg und Ziel für die „Ko-Produktion von Qualität“, als Voraussetzung und als Zweck. Um eine gemeinsame Vorstellung von qualitätsbewusstem Handeln zu erzeugen sind beide am ko-konstruktiven Prozess der Qualitätsproduktion Beteiligten aufeinander angewiesen. Dies bedingt gemeinsame Verantwortlichkeit, subjektive Beteiligung, Anerkennung des anderen und die Koordination der Handlungen. Kooperation soll dabei nicht appellativ gefordert werden, sondern es geht darum, das Ziel der Kooperation als gemeinsame Strategie der Veränderung und Entwicklung zu formulieren, damit kooperative Prozesse auf allen Ebenen erfahrbar werden. Die gegenseitige Verschränkung wird dadurch evident und führt zu einer nicht zu vernachlässigenden Komplexität des Gegenstandes ‚Qualität im Bildungswesen’. Unwillkürlich wird hier die Nähe zum systemtheoretischen Denken bewusst: Soziale Systeme stehen in selbstreferentiellem Austausch mit ihren jeweiligen Umwelten. Qualität als mögliches Ziel eines solchen Austausches bleibt ein beweglicher Begriff. Ihre jeweilige Struktur formt sich daran, dass verschiedene soziale Systeme miteinander interagieren.
2.4 Forschungsstand Wirksamkeitsforschung und die Suche nach dem Qualitätsaspekt von „guten Schulen“ (vgl. dazu 2.4.2) sind ein eher quantitativ-empirisch ausgerichteter Forschungsbereich. Dies, obwohl qualitative Elemente als Inhalt beschrieben werden. Es liegen unterschiedliche Übersichtsartikel vor (Ditton 2000; Mortimore 1997; Scheerens & Bosker 1997), wobei große Theorieambitionen noch ausbleiben. „In der Praxis zeichnet sich die Forschung in aller Regel durch eine mehr oder weniger kreative Auswahl von nach Plausibilitätsüberlegungen vermutlich bedeutsamen Einzelvariablen aus“ (Ditton 2000: 75). Es wurden jedoch auf der Basis empirischer Untersuchungen Modelle und Strukturraster entwickelt, die sich mittlerweile der als notwendig erachteten Mehrebenensicht (s.o.) auf schulische Wirksamkeit annehmen (vgl. 2.4.3.). Darin werden die verschiedenen Akteurgruppen mitberücksichtigt.
2.4.1 Überblick „Eine hohe Schulqualität ist nicht als Selbstzweck anzusehen, sondern als eine bedeutsame Voraussetzung für guten Unterricht“ (Ditton et al. 2002: 375). Nachfolgend soll es darum gehen, diejenigen Aspekte von Schulqualität darzustellen, welche sich nach Meinungen der Experten als wirksam erweisen, um diese Voraussetzung zu erfüllen. Wie im ersten Kapitel dargestellt, entspricht Schule dem Zusammenhandeln verschiedener Akteurgruppen. In Entsprechung dazu sind Modellvorstellungen notwendig, welche diese Wechselwirkungen auch abbilden können. Bislang vorliegende Theorieansätze bzw. Modelle und Strukturraster lassen sich nach Ditton (2000: 76) durch zwei Dimensionen charakterisieren: Erstens durch eine strukturelle Dimension, welche die Schule als Mehrebenensystem wahrnimmt. Es haben sich dabei vier Ebenen durchgesetzt, die je in Wechselwirkung zueinander stehen, wobei die jeweils hierarchisch höher gelegene als Handlungsrahmen oder Unterstützungssystem gilt: Die Differenzierung ergibt sich aus der „geschachtelten Struktur von Individuen (Schüler und Lehrer) in Lehr-Lern-Situationen (Unterricht) innerhalb von Schulen, die ihrerseits in einen sozial-regionalen Kontext eingebettet sind“ (ebd.). 34
Zweitens durch eine dynamische Dimension, die als Prozessbetrachtung auf die „Produktionsfunktion des Schulwesens, also auf die Bedingungen und Prozesse im Schulwesen, durch die Eingangsbedingungen (inputs) in erzielte Ergebnisse (outputs, outcomes) transformiert werden“ (ebd.).
Nach dieser Skizze zweier unterschiedlich modellierter Zugänge zur Thematik geht es nachfolgend darum, Elemente von Schulqualität abzubilden und die entsprechenden Merkmale auf den einzelnen Ebenen zu nennen, welche eine gute Schule ausmachen. Mit der Studie von Rutter (1980) wurde die Wichtigkeit des sogenannten „Schul-Ethos“ empirisch belegt: „Der kumulative Effekt der verschiedenen Aspekte der Schulsituation scheint mithin erheblich größer gewesen zu sein als der Einfluss irgendeines einzelnen Faktors. Vermutlich entsteht aus dem Zusammenwirken der verschiedenen Situationselemente ein gewisses ‚Ethos’, eine Grundstruktur bestimmter Wertorientierungen, Einstellungen und Verhaltensmuster, die für die Schule insgesamt charakteristisch wird“ (Rutter et al. 1980: 211). Im Zusammenhang mit der Suche nach Voraussetzungen für „Qualität von Schule“, die sich unabhängig von der Zusammensetzung der Schülerschaft zeigen soll, erwies sich dieses „Ethos der Schule“ oder auch „Schulkultur“ als wichtiger Indikator. Auch andere Untersuchungen zur Wirksamkeit der Schule haben gezeigt, dass der Lernerfolg nicht allein durch Schülermerkmale und durch den Faktor Unterricht beeinflusst wird, sondern ebenfalls durch Rahmenbedingungen wie Führung einer Schule, Teamarbeit sowie durch Schulklima und -kulturvariablen, wobei die hauptsächlichen Einflüsse in einer umfangreichen Metaanalyse von Wang, Haertel & Wallberg (zitiert nach Ditton 2000), die eine übergreifende Gesamteinschätzung erlaubt, dargestellt werden. Als wirksame Bedingungen hinsichtlich des Lernerfolgs von Schülerinnen und Schüler zeigen sich: Auf der Schulebene (MESO-Ebene) werden die Faktoren Schulkultur und das curriculare Design bedeutsam (vgl. dazu Ditton 2000). Auf der MIKRO-Ebene der Klasse erweisen sich die Qualität des Unterrichts insbesondere im Bereich ‚classroom-management’ (Strategien, um die Aufmerksamkeit und die Beteiligung am Unterricht aufrechtzuerhalten) und ‚student and teacher social interactions’ (Klassenklima Lehrperson-Schüler/in) als wirksam. Die individuellen Schülermerkmale wie ‚social behavior’, ‚motivational and affective characteristics’ sowie kognitive und metakognitive Eigenschaften bilden die wichtigste Voraussetzung für den Lernerfolg. Weiter sind der familiäre und der außerschulische Kontext wichtig wie ‚home environment and parental support’. Der sozio-ökonomische Hintergrund zeigt sich also auch bei dieser Metaanalyse. Man kann also sagen, dass den proximalen Faktoren eine primäre Bedeutung zukomme, was aber nicht heißt, dass schulische Bedingungsrahmen und -kontexte nicht zu berücksichtigen wären. Wichtig ist, dass man klar zwischen den Ebenen unterscheidet und die Einzelvariablen den Ebenen korrekt zuordnet. „Als Mehrebenenmodell verstanden, ergibt sich damit überhaupt erst der Zugang zu einer auch methodisch angemessenen Forschung, die Beziehungen zwischen den Ebenen und Bereichen herauszuarbeiten in der Lage ist“ (Ditton 2000: 87). Wenden wir uns im Folgenden der Ebene der Schule zu.
35
2.4.2 Die „gute Schule“ Handlungsleitend für eine entsprechende Forschung ist und war immer: Was macht denn eine gute Schule aus? Diese Thematik wurde zunehmend wichtiger und resultierte in dichotomisierten Darstellungen wie effektiv-gute vs. entwicklungsbedürftige Schulen. Aspekte für Schulqualität beziehen sich dabei auf vier übergreifende Bereiche, denen eine hohe Bedeutung zukommt: „Eine entwickelte Schulkultur bzw. ein Schulethos (im Sinne eines gemeinsam geteilten Aufgabenverständnisses im Kollegium), ein effektives Management der Schule, eine enge (auf den Unterricht bezogene) Kooperation sowie eine gezielte Personalpolitik“ (Ditton et al. 2002: 375). Die „gute Schule“ markiert sicher den pädagogisch wünschenswertesten Zielzustand von Qualitätsentwicklung an einer Schule. Im deutschsprachigen Raum hat sich ein Denken durchgesetzt, welches „Schulqualität an einer breiten Palette von Merkmalen festmacht, die sich in der Praxis als qualitätsrelevant erwiesen haben“ (Büeler 1998: 668). Fend (1998: 117 ff.) hat im Rahmen seiner Arbeiten zum Schulklima gute und belastete Schulen definiert und miteinander verglichen. Die Zuweisung zu den beiden Kategorien erfolgte aufgrund folgender, durch die Befragung der Lehrpersonen erhobener Merkmale: Arbeitszufriedenheit Schulleben Soziale Integration des Kollegiums Konsens bzw. wahrgenommene Fraktionierung Gleichgültigkeit bzw. Verantwortungsbereitschaft Schülerzentriertheit. Erhoben wurde nun, welche Merkmale zwischen den beiden Gruppen stark bzw. wenig differenzierten. Der Vergleich der beiden Gruppen ergab unter anderem folgenden Ergebnisse: In guten Schulen besteht eine positivere Einstellung zu ausserunterrichtlichen Veranstaltungen. Die Kollegialität unter den Lehrpersonen wird in guten Schulen höher eingeschätzt. In belasteten Schulen werden in stärkerem Masse Probleme mit Schüler/innen und mit der Organisation des Schulbetriebes vermerkt. In guten Schulen herrscht ein wohlwollender Umgangston und besteht eine höhere kollektive Verantwortungsbereitschaft. In gut funktionierenden Kollegien werden Schulleitungen als positiv eingeschätzt, während in belasteten Schulen Resignation und Defensivität kennzeichnend sind für die Leitung. Mehrheitlich bestätigt wurden diese Ergebnisse durch die Einschätzungen der Eltern sowie der Schülerinnen und Schüler. Eine weitere Zusammenstellung haben Steffens & Bargel (1993) mit 12 Merkmalen einer „guten Schule“ geliefert: Die Orientierung der Schule an klaren fachlichen und überfachlichen Leitungszielen, die Schule will Kenntnisse und Fähigkeiten vermitteln; 36
ein forderndes Lernen, im Sinne eines ‚pädagogischen Optimismus’, der davon ausgeht, dass alle Schüler/innen lernen wollen und lernen können; pädagogisches Engagement der Lehrpersonen, das am erkennbaren Interesse am Wohlergehen der Schüler/innen ablesbar wird; Lernfortschritte werden kontrolliert beobachtet und begleitet; Disziplin und Ordnung werden in einem Mindestmass gesichert, es herrschen klar erkennbare Regeln und Prinzipien sowie deren konsistente Handhabung; die Führungsqualitäten von Leitungs- und Lehrpersonen im Sinne personaler und sozialer Kompetenzen wie Optimismus, Konfliktfähigkeit, Begeisterungsfähigkeit, Kreativität; ein Klima des Vertrauens, das aus persönlichen Kontakten resultiert (Lehrperson – Lehrperson, Lehrpersonen – Schüler/innen und Eltern); das Funktionieren der Schule im arbeitsorganisatorischen Sinne; Lehrerkooperation, die sich beobachten lässt, z.B. durch gemeinsame Projektarbeit, gegenseitige Hospitationen, Inter- und/oder Supervisionen; Innovationsbereitschaft der Lehrpersonen, Bereitschaft zur Veränderung; Einbezug von Eltern; Schulaufsichtliche flankierende Stützmaßnahmen.
Eine ähnliche Übersicht über internationale Forschungsergebnisse, die folgende Kriterien guter Schulen betonen, stellt Fend (2000a: 60) zusammen: Klare Konzeption pädagogischer Leitideen, effiziente Führung in Fragen des Unterrichts und der Unterrichtspraxis, hohe Erwartungen in Bezug auf die Leistungen der Lernenden, eine ordentliche und ästhetische Schulumwelt, eine optimale Zeitnutzung, die häufige Beobachtung der Fortschritte der Schülerinnen und Schüler, gute Beziehungen zwischen Schule, Familie und Gemeinde. Mittlerweile existieren, wie bereits erwähnt, etliche entsprechende Kriterienkataloge, welche zum Teil das Ergebnis von Survey-Studien sind. Scheerens & Bosker (1997) gehen in ihrer Arbeit noch einen Schritt weiter, indem sie die Ergebnisse verschiedener Übersichtsstudien zusammenstellten. Allgemein zeigen sich Ähnlichkeiten in diesen Arbeiten hinsichtlich der Bedingungen guter Schulen. Beispielhaft sei etwa die Merkmalsliste von Lezotte (1990, zitiert nach Scheerens & Bosker 1997: 156) aufgeführt: Productive climate and culture, focus on central learning skills, appropriate monitoring, practice-oriented staff development, outstanding leadership, salient parent involvement, effective instructional arrangements, high expectations. Dabei scheint sich allgemein ein Trend durchzusetzen, welcher die Merkmale guter Schulen auf verschiedenen Ebenen des Systems sucht. So etwa unterscheidet Cotton (1995, zitiert nach Scheerens & Bosker 1997: 160) zum einen „classroom characteristics and practices“ (planning and learning goals, classroom-management and organization, instruction, 37
teacher-student-interactions, equity, assessment), „school characteristics and practices“ (planning and learning goals, school management and organization, leadership and school improvement, administrator-teacher-student interactions, equity, assessment, special programs, parent and community involvement) sowie „district characteristics and practices“ (leadership and planning, curriculum, district-school interactions, assessment). Allerdings ist hier kritisch anzumerken, dass eine Zuordnung einzelner Faktoren zu den verschiedenen Ebenen schwierig ist, was eine Klärung möglicher Ursache-WirkungsBeziehungen außerordentlich erschwert (Ditton 2000). Der Autor führt im Folgenden verschiedene Gründe gegen ein globales Konstrukt von Schulqualität „mit der Unterstellung allgemeiner, weitgehend einheitlicher sowie zeitlich stabiler Effekte (a.a.O.: 85) ins Feld: Die Konsistenz der Wirkungen einer Schule über Fächer und Lernbereiche sei nur bedingt gegeben. Die Ergebnisse bezüglich Stabilität und Konstanz schulischer Wirkungen variieren in den zahlreichen Untersuchungen. Verschiedene Schulen würden spezifische Schülergruppen je nachdem bevorzugen bzw. Benachteiligen. Insgesamt könne eine Globalklassifikation in gute und weniger gute Schulen nur bedingt überzeugen. Vor Augen gehalten werden muss in diesem Zusammenhang immer auch, dass Unterricht und Schulen und die darin erbrachten Lernleistungen Ergebnisse komplexer und multideterminierter Systemzusammenhänge sind (vgl. Helmke & Weinert 1997; Helmke 2003). Bezug nehmend auf Reynolds et al. (1994, zitiert nach Ditton 2000: 85) folgert Ditton, dass das Konstrukt der Schulqualität bedingt brauchbar werde, wenn Unterrichts- und Schulqualität in ihrer wechselseitigen Beziehung analysiert würden. Kritische Einwände gegen Merkmalslisten sind aber noch in einem andern Zusammenhang anzubringen. Ganz grundsätzlich erscheint es problematisch, an einer Auswahl von Schulen, die aufgrund empirischer Daten erwiesenermaßen die Lernleistung ihrer Schülerinnen und Schüler steigern können, Kriterien für ein zu verallgemeinerndes Label „Gute Schule“ abzulesen. Empirische Studien liefern nach Rolff keine definitiven Antworten über die „Qualität von Schulen“. „Empirie ist ihrem Wesen nach deskriptiv, die Frage nach der ‚Qualität von Schulen’ normativ“ (Rolff 1991a: 878). Was die Empirie jedoch liefert, ist eine Rückmeldung über die Wichtigkeit von normativ gesetzten Zielen. Zudem: „Gute Praxis lässt sich nicht klonen“ (Posch & Altrichter 1997: 128). Hinter bestimmten Handlungsweisen stehen immer Personen mit ihren Wertehaltungen. „Damit also eine praktische Anregung oder Innovation Erfolg haben kann, muss sie von der Person, die sie realisiert, in einem sehr persönlichen Sinn ‚vereinnahmt’ und aufgrund ihres eigenen situativen Verständnisses transformiert und mit individueller ‚Farbe’ getönt werden“ (ebd.). Einen berechtigten Einwand gegenüber der Fokussierung der Schulqualitätsforschung auf die Einzelschule formulierte zudem Gruber (1995), indem er darauf hinweist, dass die Profilierung einer einzelnen Schule auf Kosten von benachbarten Schulen gehen könne. Er forderte eine erneute Ausrichtung der Forschung auf die Qualität des Gesamtsystems, seine soziale Fairness und seine Effektivität sowie den Vergleich mit internationalen Indikatoren. Dies hat mit der „Balance von zentraler Steuerung und Kontrolle und der einzelschulisch verantworteten Organisationsentwicklung und Qualitätsverbesserung“ (Gruber 1995, zitiert nach Fend 1998, 199) zu tun. Dies bedingt gesamtstrategische Flankierungsmaßnahmen, um zu verhindern, dass sich Einzelschulen vollständig voneinander entfernen und die Chancengleichheit der jungen Menschen für ihre Bildung gänzlich verloren geht. Vielfalt 38
ist Ausdruck von Autonomie, verschärft aber gleichzeitig „das Problem der Vergleichbarkeit von Schulen ebenso wie das der Qualitätssicherung“ (Rolff 1991a: 883). Grundlagenforschung im Bereich der Schulqualität hat sich aus all diesen Überlegungen heraus mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen: Wodurch zeichnen sich effektive Schulen im Allgemeinen aus, welche Funktionen, Rollen und Dynamiken sind vorfindbar und wie werden bestimmte schulische Merkmale mit Schülerleistungen (insbesondere im affektiven, sozialen Bereich und im Erwerb curricularübergreifender Kompetenzen) gekoppelt (vgl. Ditton 2000: 75)?
2.4.3 Modelle Modelle sind als Basis für Rahmenbedingungen für Forschungsprojekte zu verstehen und setzen die verwendeten Strukturen zueinander in hypothetische Beziehung. Sie erheben nicht den Anspruch einer Theorie, wollen aber im Hinblick auf eine solche eine Perspektive einnehmen und zur Theoriebildung beitragen.
Allgemeines Modell nach Ditton Ditton (2000: 78) hält es für sinnvoll, Schulqualität und Unterrichtsqualität als Prozessmerkmale in ihrer gegenseitigen Abhängigkeit zu untersuchen. Als Basis und konzeptionellen Rahmen eines eigenen Forschungsprojektes schlägt er folgendes Modell der Schule als Mehrebenensystem vor, bei welchem „individuelle, unterrichtliche, schulische und kontextuelle Faktoren in einer komplexen wechselseitigen Verschränkung zu den resultierenden Wirkungen beitragen“ (Ditton 2000: 76). Neben dieser strukturellen Dimension (s.o.) soll es die Möglichkeit bieten, die auf den unterschiedlichen Ebenen und dazwischen ablaufenden Prozesse in ihrer mehr oder weniger gelingenden Koordination zu untersuchen und damit die dynamische Dimension mit der Beschreibung der Produktionsfunktionen des Schulwesens in den Blick zu nehmen (vgl. Abbildung 3). Der Autor sieht sein Modell als konzeptionellen Rahmen für Forschungszwecke (ebd.) bzw. als Analyseraster für empirische Untersuchungen (a.a.O.: 80). Als zentrales Element zur Verbesserung schulischer Qualität werden die Wechselbeziehungen zwischen den Ebenen Schulqualität und Unterrichtsqualität gesehen. Schulqualität manifestiert sich entlang der Aspekte Schulkultur und -management, Kooperation und Koordination sowie Personalentwicklung. Unterrichtsqualität bezieht sich im Wesentlichen auf die Angemessenheit der Lehrinhalte und die Qualität der eigentlichen Unterrichtsarbeit. Zu beachten ist auch, dass zwischen diesen beiden Ebenen, welche als implementiertes Curriculum bezeichnet werden, und den Eingangsbedingungen und Intentionen (dem intendierten Curriculum) eine Wechselbeziehung besteht. Wirkungen lassen sich als Realisierungen von Bildungszielen oder aber als längerfristige Konsequenzen von Bildungsprozessen beschreiben (Ditton 2000: 80).
39
Voraussetzungen
Merkmale und Prozesse in Schule und Unterricht
Ergebnisse
MEHREBENEN 1. Bedingungen Strukturell Finanziell Materiell Personell Sozial
3. Schulqualität: Schulische Merkmale und Prozesse
Schulkultur Schulmanagement Kooperation und Koordination
2. Intentionen
4. U-Qualität: Unterrichtsmerkmale und -prozesse
5. Wirkungen Bildungsziele Leistungen Einstellungen Haltungen
Adäquatheit der Lehrinhalte und -materialien Qualität des Lehrens und Lernens
Personalentwicklung
6. langfristige Wirkungen
Bildungsziele Leistungen Einstellungen Haltungen
Æ intendiertes Curriculum
INPUT
Beruflicher Erfolg Gesellsch.-soz. Teilhabe
Æ implementiertes Curriculum
TRANSFORMATION
Æ erreichtes Curriculum
OUTPUT/OUTCOME
PRODUKTIONSFUNKTIONEN
Abbildung 3:
Mehrebenenmodell in Anlehnung an Ditton (2000: 79)
Erweitertes Modell im Hinblick auf fachliche und überfachliche Kompetenzen von Schüler/innen Die Ganzheitlichkeit und Komplexität des Schulsystems findet Erwähnung im Mehrebenen-Schema von Fend (1998, 2000a). Er spricht – wie schon unter Kapitel 2.2. ausgeführt – von der Unterrichtsebene (MIKRO-Ebene), der Schulebene (MESO-Ebene) und der Systemebene (MAKRO-Ebene). Diese sind, unter anderem in Anlehnung an das oben referierte Modell von Ditton (2000) (vgl. Abbildung 3), im erweiterten Modell sichtbar (Abbildung 4). Dieses im Hinblick auf überfachliche Kompetenzen der Schüler/innen erweiterte Modell nach Maag Merki (2003b) zeigt einen Überblick über relevante Faktoren und Beziehungen in Schule und Unterricht. Im Besonderen werden die Wirkmechanismen auf den einzelnen Ebenen aufgeführt. Die Gliederung in Input-, Prozess- und Outputqualität unterstreicht die Prozesshaftigkeit 40
und Dynamik des Modells. Auf der Prozessebene wird neben der Schulebene und der Unterrichtsebene noch ein weiterer Fokus auf den intrapersonalen Bereich der Individuen im Bildungssystem gelegt, welcher im Verständnis der „Ko-Produktion“ von Qualität (Fend 2000a) sowohl auf Seiten der Lehrpersonen als auch der Schüler/innen eine wichtige Rolle spielt. Weiter sind die zum Teil bereits im Forschungsüberblick erwähnten und später in der vorliegenden Arbeit verwendeten Konstrukte visualisiert. Input
Prozess
Makroebene
…
Mesoebene (Schule)
Mikroebene (Unterricht)
Personale Ebene (Individuum)
Innovationsklima Schulklima, LP-LP Kooperation und Kohäsion LP-Team Kollektive Selbstwirksamkeit der LP Organisation Qualitätsmanagement Feedbackkultur Schulleitungshandeln
Klassenklima, S-S Klassenklima, LP -S Leistungserwartung Förderungshaltung P artizipation Schülerinnen und Schüler Unterrichtsgestaltung
Einstellung gegenüber Schule/Lernen Selbstwirksamkeitsüberzeugungen der LP Reflexionsbereitschaft der LP Berufliche Belastung Burnout LP …
…
…
Individuum Geschlecht familiärer Bildungshintergrund
…
Fach liche un d übe rfachliche Komptenz e n de r Sch üle r/inn en
Bildungsund gesellschaftspolit. Kontext Curriculum/Lehrmittel Ressourcen (finanziell, materiell, personell)
Output
Schulische Prozessfaktoren
Ausserschulischer Erfahrungshorizont
Abbildung 4:
Theoretisches Modell: Relevante Faktoren und Beziehungen in Schule und Unterricht im Hinblick auf fachliche und überfachliche Kompetenzen von Schüler/innen (Maag Merk, 2003b)
Akteure im Modell Welche Akteure gibt es in Modellen zur „Schulqualität und Schulentwicklung einer Einzelschule“? Wenn man den Fokus auf Schulentwicklung legt, dann sind die Lehrpersonen, die Schulleitungen, die Schülerinnen und Schüler und die Eltern vorerst am dringlichsten im Blickfeld (vgl. Rolff 1998: 312f): Lehrpersonen: Obwohl fast alle Lehrpersonen sich Fortbildung in Unterrichtsmethoden und Kommunikation wünschen, trifft dies für den Bereich der Schulentwicklung nur bedingt zu. Dennoch sind die Lehrpersonen die einzige Chance für die Schulentwicklung, weil sie die „operativen Akteure“ sind. Ohne ihr Engagement gibt es keine Entwicklung.
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Schulleitungen: Insbesondere unter handlungstheoretischen Gesichtspunkten ist die Rolle von Schulleitungen von besonderer Bedeutung. Sie sind Schlüsselpersonen der Schulentwicklung. Schülerinnen und Schüler: Sie sind die „Koproduzenten des Lernens“ (Fend 2000a), für welche die Schule ja überhaupt erst stattfindet. Ihr Beitrag zur Schulentwicklung liegt jedoch im Dunkeln. Schülerinnen und Schüler stehen eigentlich im Zentrum, obwohl sie in Konzepten der Schulentwicklung oft nur am Rande vorkommen. „Auf die Frage, ob man die Lernförderung durch Schulenwicklung erhöhen kann, ohne die Schülerinnen und Schüler an der Schulentwicklung zu beteiligen, gibt es bisher keine empirisch gesicherte Antwort“ (Rolff 1998: 313). Eltern: Sie können als Kunden der Schule betrachtet werden mit ihren je individuellen Interessen an der Entwicklung ihres Kindes. Zum Teil haben sie als Mitglieder der Organisation Schule Gestaltungsrechte und -pflichten, an anderen Orten fehlt dies gänzlich. Das Gesamtsystem: Das Gesamtsystem gewinnt ebenfalls bei der Zielvorstellung, Einzelschulen zu einem Entwicklungsprozess anzuregen, um zu Lernenden Schulen zu werden. Die Qualifikationsanforderungen an die Betroffenen steigen, es braucht also ein Unterstützungssystem im Aus- und Weiterbildungsbereich. Hinzu kommt die Forderung nach Beratung und Begleitung bei Schulentwicklungsprozessen. Ein solch umfassendes Unterstützungssystem „weist notwendig über die Ebene der Einzelschule hinaus und bringt das Gesamtsystem wieder in den Blick“ (Rolff 1991a: 883). Beides führt dazu, die Makropolitik im Bildungssystem neu zu sehen: als Unterstützungssystem. Diesem „Aufbau eines Unterstützungssystems“ (a.a.O.: 884) fällt eine Schlüsselrolle beim weiteren Fortgang von Schulentwicklung zu. Stehen gar strukturelle Probleme in größerem Masse an, dann muss die Gesamtsystem-Ebene auch wieder durch strukturpolitische Entscheide Verantwortung wahrnehmen. Strukturreformen durchzuführen übersteigt die Kraft einer einzelnen Schule oder eines Kollegiums. Bildungspolitik wird mit der Stärkung der Einzelschule und deren Ausprägung in Richtung Problemlöseschule nicht überflüssig. Im Weiteren sind Fragen der finanziellen Ressourcen der öffentlichen Hand ebenfalls mitentscheidend. Wechselwirkungen zwischen Qualität und Quantität bestehen. Was Bildung maximal kosten darf in einem Staat, muss von der Gesellschaft begründet und verantwortet werden.
2.5 Zusammenfassung In Kapitel 2 sind wir im ersten Teil den Begriffen rund um „Qualität“ und „“Qualität von Schule und Unterricht“ nachgegangen und haben aufgezeigt, dass diese Begrifflichkeit neben dem pädagogischen Diskurs auch in einen politischen eingebettet ist, indem knapper werdende finanzielle Ressourcen der öffentlichen Hand auch zu ökonomischen Fragen an die Schule und an das Bildungssystem führen, wie z.B. denjenigen der Effektivität und Effizienz als Aspekten der Qualität eines „sparsamen“ Bildungssystems. Dubs (2005: 205) bringt dies wie oben bereits zitiert auf den Punkt: „Qualität meint die bewertete Beschaffenheit eines Bildungssystems, einer Schule oder einer Klasse gemessen an den in einem politischen Aushandlungsprozess gefundenen Zielvorstellungen und Ansprüchen aller am Bildungswesen interessierten Anspruchgruppen und Personen.“ Im pädagogischen Diskurs zeigt Qualität verschiedene Aspekte. „Qualität als Transformation“ zielt auf die Veränderung der Form und somit würden sich qualitativ hoch ste42
hende Schulen dadurch auszeichnen, ob sie in der Lage sind, Kompetenzzuwachs zu fördern und zu ermöglichen (Fend 2000a). Dies kann sowohl für Erziehungsprozesse als auch für die Personalentwicklung gelten. Qualität im Bildungssystem muss auf mehreren Ebenen gleichzeitig thematisiert werden: auf der Ebene des Unterrichts (MIKRO-Ebene), der Ebene einer einzelnen Schule (MESO-Ebene) und der übergeordneten Ebene des Bildungssystems (MAKRO-Ebene). In einem Diskurs um Qualität müssen immer das ganze System bzw. der institutionelle Akteur Bildungswesen und die Gestaltungsmöglichkeiten der einzelnen Akteurgruppen im Auge behalten werden, um eine qualitativ gute Schule zu realisieren. Dabei sollen die verschiedenen Gruppen nicht nur einbezogen werden, sondern auch interagieren. Qualität kann in diesem Verständnis nur auf der Basis sozialer Interaktion und ko-konstruktiver Prozesse der Kooperation entstehen. Kooperation versteht sich so als Weg und Ziel für die „KoProduktion von Qualität“, als Voraussetzung und als Zweck (vgl. 2.3). Die gegenseitige Verschränkung wird dadurch evident und führt zu einer nicht zu vernachlässigenden Komplexität des Gegenstandes „Qualität im Bildungswesen“. Mit diesen Voraussetzungen wurde ein Modell von Ditton (2000) vorgestellt, welches eine strukturelle als auch eine dynamische Dimension umfasst und so den Mehrebenencharakter und die Prozesshaftigkeit des Schulsystems mit einschließt. Dergestalt trägt es dem Qualitätsaspekt auf den erwähnten und verschiedenen Ebenen Rechnung. Die Erweiterung dieses Modells (Maag Merki 2003b) differenziert zusätzlich mithilfe der unterschiedlichen Ebenen des Bildungssystems und durch die intrapersonale Ebene als Prozessfaktor.
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3 Konzepte zu schulischer Qualität und deren Entwicklung und Sicherung: Schulentwicklung, Qualitätsmanagement, Educational Governance, Schulkultur
Mit dem vorliegenden Forschungsvorhaben wurde der Versuch unternommen, eine Aufnahme von Schulentwicklungsprozessen zu machen, welche sowohl von außen angeregt wurden als auch Teil bewussten organisationalen Lernens sind. Eine Erfassung dieser Prozesse über quantitative und qualitative Instrumente setzt voraus, dass weitere im Zusammenhang mit der Entwicklung von Qualität an Schulen bedeutsame Begriffe und Konzepte erläutert werden. Es sind dies Schulentwicklung, Qualitätsmanagement, Schulkultur und Educational Governance.
3.1 Schulentwicklung Nachdem im vorangegangenen Kapitel zur Qualität die Begriffe von Schul- und Unterrichtsqualität erörtert worden sind, sollen die kommenden Abschnitte der Schul- und Unterrichtsentwicklung gewidmet werden. Die „Lernende Schule“ (Fullan 1999) oder „Problemlöseschule“ (Rolff 1991a) stellt zwar ein für diese Arbeit bedeutsames Konzept dar, ist jedoch bereits hinlänglich dargestellt in anderen Publikationen und wird aus diesem Grund nicht mehr im ganzen Umfang ausgeführt. Aus dem Kontext der qualitativen Nachbefragung hat sich im Weiteren als notwendig erwiesen, auch den Aspekten Qualitätsmanagement, Educational Governance und Schulkultur Beachtung zu schenken. Entsprechende Ansätze werden in Abschnitt 3.2 dargestellt.
3.1.1 Schulentwicklung auf der Ebene Einzelschule In der Blütezeit der neueren Bildungsreform bezogen sich Theorien und Indikatoren der Schulentwicklung nahezu ausschließlich auf das Gesamtsystem. Diese Perspektive hat sich seit den achtziger Jahren geradezu in ihr Gegenteil verkehrt. Die Theorien und Indikatoren beziehen sich auf die Einzelschule (Rolff 1991a: 865). Die Schulforschung hat sich seit zwei Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum unter anderen mit Fend (1986, 1998, 2000a) und Rolff (1991a, 1993, 1998) auf die Entwicklungsbedingungen der Einzelschule konzentriert. Angestoßen wurde dies durch die eher ernüchternden Befunde der ‚flächendeckenden’ Schulentwicklungsprogramme in den USA, durch die empirischen Studien von Helmut Fend (1977) über das Klima deutscher Gesamtschulen sowie durch die schulvergleichenden Studien über das Schulethos an Schulen in England von Rutter (1979, 1980)1. Es lässt sich also ein Wechsel von der ‚Makropolitik’ 1
Im Jahre 1979 veröffentlichten Rutter und Mitarbeiter eine Studie (Rutter et al., 1979, 1980), die sich mit Schulen und ihren Wirkungen auf die Kinder befasste. Damals herrschte die weit verbreitete Meinung, Schulen hätten
45 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_4, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
zur ‚Mikropolitik’ feststellen. Man kann von einem eigentlichen Paradigmenwechsel sprechen, wenn anstelle der Perspektive einer zentralistischen Schulplanung die „Einzelschule als Gestaltungseinheit“ (Fend 1986) in den Fokus rückt. In den vorangegangenen Sechziger- und Siebzigerjahren orientierten sich die Theorien zur Schule vornehmlich an Bildungsökonomie und Bildungssoziologie. „Die Bildungsökonomie untersuchte vor allem den Beitrag von Bildungsausgaben zum Wirtschaftswachstum, (...). Sie war also makroökonomisch ausgerichtet wie auch ihre Indikatoren, vor allem Rentabilität von Bildungsausgaben, sowie Umfang und Struktur des Arbeitsvermögens“ (Rolff 1991a: 865). Auf der anderen Seite stand die Bildungssoziologie, „die die Rolle der Schule bei der Reproduktion von Klassen, Schichten und Statuslagen erforschte, (...). Deren Indikatoren bezogen sich auf Bildungszertifikate und Ungleichheit der Bildungschancen“ (ebd. 865). Aus beiden Bereichen wurden Konzepte für die zentrale Bildungsplanung abgeleitet und umzusetzen versucht, was in der Größe der Gesamtanlage der Reformen zur Stagnation führte. Damit wuchs das Interesse an der Erforschung der Bedingungen, welche die Implementation von schulischen Innovationen gelingen oder misslingen lassen. Rolff (1991a) hat aus Implementationsstudien drei Gründe zusammengetragen, die aufzeigen sollen, weshalb die Gesamtsystem-Strategie schwierig umzusetzen war: Die Vorstellung, dass sich gewisse Innovationen gleichzeitig bei allen Schulen umsetzen lassen, war nicht mehr haltbar, da bildungspolitische Vorgaben nur in den individuellen Schulen auf der Basis der lokalen Ressourcen materialisiert und interpretiert werden können. Lehrpersonen sind keine ‚Konsumenten’ von Innovationen sondern adaptieren Vorgaben an die je eigenen Realitäten in der Schule. Druck ‚von oben’ ist somit nur ein Faktor unter anderen. Gesamtsystem-Strategien gehen davon aus, dass die Innovationen zielgenau eingepasst und umgesetzt werden können. „Änderungen in der Schule sind demgegenüber ein komplexer politischer, ideologischer, sozialer, organisatorischer und vor allem pädagogischer Entwicklungsprozess, die einer eigenen Dynamik folgen“ (ebd., 868). Die Einzelschule wird wichtig als Einheit, die agieren muss und kann. Fend (1986) konnte bereits früh feststellen, dass sich die einzelnen Schulen innerhalb derselben Schulform stärker unterscheiden als sie dies von anderen Schulformen tun. Daraus zog er den Schluss, dass die „einzelne Schule als pädagogische Handlungseinheit“ (Fend1986) zu verstehen sei und nicht das Gesamtsystem Schule. Schulen, die sich handelnd ihren Aufgaben annehmen, keinen oder nur einen geringen Einfluss auf den Lernerfolg von Schülerinnen und Schülern. Aus dieser Sicht erklären soziale und familiale Faktoren die Lernerfolgsvarianz besser als Unterschiede zwischen einzelnen Schulen (ebd.). Die Forschergruppe um Rutter kommt in ihrer Untersuchung an Sekundarschulen in London jedoch zum Schluss, dass einzelne Schulen sehr wohl einen bedeutsamen positiven oder negativen Einfluss auf das Schulund Lebensschicksal von Lernenden ausüben (ebd.). Die Schulen unterscheiden sich in ihrer Wirkung nicht aufgrund der räumlichen, technischen und finanziellen Ausstattung, sondern bezüglich Faktoren, die sich auf die Schule als soziale Organisation beziehen. Hier sei das Ethos bzw. das Arbeits- und Sozialklima einer einzelnen Schule, eine Grundstruktur bestimmter Wertorientierungen, Einstellungen und Verhaltensmuster, angesprochen. Im Weiteren kommt diese Forschung zur Erkenntnis, dass die unterschiedlichen Ergebnisse der Schulen nicht auf differierende Eingangsvoraussetzungen (u.a. soziokulturelle Herkunft) der Schüler und Schülerinnen zurückzuführen sind. Zusammenfassend zeigt die Studie, "dass Schulen durchaus die Möglichkeit haben, ihre Schüler sowohl im Verhaltens- als auch im Leistungsbereich entscheidend zu fördern und Nachteile der sozialen Herkunft in gewissem Umfang zu kompensieren" (Rutter et al. 1980: 241). Entsprechend dieser Aussage gehen die Autoren davon aus, dass Lernende durch ihre Erfahrungen mit der Schule, insbesondere mit der Schule als sozialer Institution, in ihren Verhaltensweisen und Einstellungen nachhaltig beeinflusst werden.
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entwickeln sich weiter. So wurde die Einzelschule je länger je mehr als eigentlicher „Motor der Schulentwicklung“ (Dalin & Rolff 1990) verstanden. Unterstützt wurde diese Sichtweise durch die Systemtheorie, welche aufzeigt, dass Einzelsysteme, hier die Einzelschule, selbst entscheiden, ob und wie sie auf Interventionen von außen, also von zentralen Behörden der Bildungspolitik als Umwelt, reagieren wollen und können. Dies rückt die einzelnen Mitglieder der Schule ins Zentrum: Die Lehrpersonen und die Leitung einer Schule sind hauptverantwortlich für das, was in der einzelnen Schule geschieht. Dabei wird der prominente Ansatz „Qualität von Schule“, wie ihn einige Autoren postulieren (u.a. Fend 1986, 1998; Steffens & Bargel 1993) zum Fokus von Schulentwicklung. Dieses Konzept der „Qualität von Schule“ meint einen neuen Ansatz pädagogischer Schulreform, der Handlungsorientierung für die einzelne Schulen verspricht. Übergeordnete Instanzen üben so zunehmend eine eher unterstützende und ressourcensichernde Funktion aus. Wenn die überblickbare Einzelschule ins Zentrum rückt, dann wird auch der Blick auf die Schule als organisatorische Einheit wichtig. Lernen wird zentral, und zwar nicht nur individuell, sondern auch im Team. Organisationales Lernen, ein Konzept das unter anderen von Argyris & Schön (1978) eingeführt wurde, geht von der Grundidee aus, dass Organisationen die wichtigen und zentralen Lernorte der gegenwärtigen Gesellschaft sind. Die Schule wird als eigene Organisation und somit als Einzelschule mit ihrer eigenen Kultur (ihrem Ethos) wahrgenommen. Verändert sie sich, so erweitert sie ihre Kompetenzen, sie zeigt Effekte, wie man dies bei individuellen Lernprozessen kennt. Wird eine Schule als Lernende Organisation oder gar als „lernendes Unternehmen“ (Fullan 1999) beschrieben, dann bezeichnet dies eine Schule, die „eine innovative Organisationskultur, ein qualifiziertes Management und eine hohe Lehrerqualifikation besitzt“ (Dalin, Rolff & Buchen 1996). Eine durch teamartige Kooperation erhöhte Problemlösekapazität und somit erreichte Problemlösekompetenz einer ganzen Schule (vgl. Rolff 1991a, 1993, 1998) ist wiederum nicht Selbstzweck, „sondern dient einer Verbesserung der Schulkultur als Rahmen für eine Verbesserung der Qualität der Lehrerschaft (...) um letztlich die Kompetenzen der Schülerinnen und Schüler zu erhöhen“ (Rolff 1993: 142). Gemäß aktuellem Diskurs wird das Gesamtsystem wieder zentral, weil es neue Funktionen übernehmen soll, die verhindern, dass die Chancengleichheit bei der Bildung durch das „Auseinanderdriften“ der Qualität einzelner Schulen nicht gefährdet wird. Dabei wird unter anderem der Verschränkung von interner und externer Evaluation besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Funktionen in Bezug auf die Kontrolle und Unterstützung, die zunehmend diskutiert werden, sind folgende: Stützung der Einzelschule durch Ressourcen- und Qualitätssicherungsprozesse. KnowHow für Qualitäts-Management und Qualitäts-Sicherung. Sicherung der Chancengleichheit durch Rahmensetzung (Gesetze, Reglemente etc.), die je nach soziokulturellem Umfeld der Schule einen Finanzausgleich, niedrigere Schülerzahlen pro Klasse und z.B. Schulsozialarbeit erlauben (vgl. u.a. Rolff 1991a, 1998).
3.1.2 Zum Begriff der Schulentwicklung Dubs (2000) definiert Schulentwicklung als ein planmäßiges, zielorientiertes und langfristiges Vorgehen der Schulleitung und der Lehrerschaft einer einzelnen Schule zur Steigerung der Wirksamkeit der Schule in konzeptioneller, pädagogischer und administrativorganisatorisch-wirtschaftlicher Hinsicht innerhalb eines gesetzlich definierten Autonomie47
raumes. Dieses Vorgehen wird geprägt durch Lernprozesse aller Lehrkräfte in allen Schulbereichen sowie durch eine gute Leadership der Schulleitung (Dubs 2000: 60). Ziel dabei ist das Wohlergehen aller Beteiligten (Lernende und Lehrende) sowie der Schule als menschlicher Gemeinschaft. Abbildung 5 zeigt diese einzelnen Bereiche der erwähnten Ganzheit einer Schule sowie deren Bezugswissenschaften nach Dubs (2000) auf. Dieser Auffassung liegen folgende Akzente zugrunde: Schulentwicklung dient der Verbesserung und zielt auf eine höhere Qualität in allen schulischen Bereichen. Wirksame Schulentwicklung benötigt als Voraussetzung eine genau definierte Autonomie der Schule sowie der Behördenorganisation. Schulentwicklung ist eine gemeinsame Aufgabe, die von allen Lehrpersonen getragen werden muss und die Schüler/innen, deren Eltern und die Behörden mit einbezieht. Eine starke Schulleitung koordiniert diesen Prozess.
Schulentwicklung
Visionen (Konzept einer Schule)
Unterricht in dieser Schule
Schulgemeinschaft dieser Schule
Bezugswissenschaft: Bildungsphiloso-phie Bildungspolitik
Bezugswissenschaft: Curriculumtheorie Unterrichtstheorie Lehr-Lern-Theorie
Bezugswissenschaft: Sozialpsycho-logie Sozialpädagogik Personalwesen der BWL
Abbildung 5:
administrative / organisatorische und wirtschaftliche Bereiche einer Schule Bezugswissenschaft: Verwaltungsbetriebswirtschaftslehre Organisationstheorie Rechts-, Staats- und Finanzwissenschaften
Die Bereiche der Schulentwicklung mit ihren Bezugswissenschaften nach Dubs (2000: 63)
Rahm (2005: 46) geht bei ihrer Umschreibung von Schulentwicklung davon aus, dass Schulen als autonome Gestaltungseinheiten zu betrachten sind, welche in ihrem systemischen Zusammenhang zu betrachten sind. Rolff (1998) plädiert für eine Synthese von Organisations-, Unterrichts- und Personalentwicklung und betont diesen Prozess als Lernprozess, in welchen die Einzelschule einsteigt. Dies bedingt, dass sich die Reformen eines Schulentwicklungsvorhabens auf die ganze Schule als pädagogische Entwicklungs- und Handlungseinheit beziehen müssen und die Initiative dazu von der Schule kommt. Dann wird die Schule für den Arbeitsprozess der Schulentwicklung auch selbst verantwortlich. Das Ziel dieses Prozesses ist die Verbesserung der Qualität, auch wenn Folgendes angenommen werden kann: „Organisationsentwicklung erreicht den Unterricht nicht direkt, sondern nur indirekt“ (Dalin, Rolff & Buchen 1996: 336). Rolff (1998) unterscheidet folgende Ebenen: Schulentwicklung ist bewusste und systematische Weiterentwicklung von Einzelschulen (intentionale Schulentwicklung oder Schulentwicklung 1. Ordnung), zielt darauf ab, lernende Schulen zu schaffen (institutioneller Schulentwicklung oder Schulent48
wicklung 2. Ordnung) und setzt demzufolge eine Steuerung des Gesamtzusammenhanges voraus (komplexe Schulentwicklung oder Schulentwicklung 3. Ordnung), indem Rahmenbedingungen für Einzelschulen, welche diese Prozesse angehen, festgelegt werden um diese zu unterstützen und zu begleiten, Selbstkoordination anzuregen und mitzuhelfen, Evaluationssysteme aufzubauen und zu korrigieren. Mortimore (1997) betont den Wandel als Ziel: „Schulentwicklung ist der allgemeine Begriff für eine Anzahl von Aktivitäten, die auf Wandel zielen. Sie basiert auf der Anwendung von Befunden der Wirkungsforschung. Sie zielt sowohl auf Schulen als auch auf Schüler. Sie versucht sowohl die Möglichkeiten des Lernens zu verbessern als auch Leistungsstandards zu erhöhen“ (Mortimore 1997: 184). In dieser Auffassung stellt Schulentwicklung die Anwendungsform des Wissens über Wirksamkeit von Schulen dar, welche in hohem Masse eine starke und zielorientierte Leitung benötigt, die jedoch auch den partizipatorischen Ansatz integriert: „Der Schulleiter bzw. die Schulleiterin hat demnach Führungsaufgaben und ist der Motivator und Berater im Prozess des Wandels“ (ebd.). Dies sollte jedoch auf der Basis geschehen, Lehrerinnen und Lehrer in Entscheidungsprozesse einzubinden und sie als Agenten des schulischen Veränderungsprozesses zu sehen, „wobei auch hier der Beobachter definiert, welchen Dimensionen der Veränderung er Relevanz zuschreibt“ (Szaday, Büeler & Favre 1996: 91). Auch Rahm (2005) postuliert Qualitätsentwicklung und -sicherung durch Schulentwicklung. Gerade im Hinblick auf die durch die Einführung von Bildungsstandards stattfindende Verschiebung des Steuerungssystems in Richtung Outputorientierung lenkt Schulentwicklung den Fokus notwendigerweise auch auf die Prozessebene zurück: Schulentwicklung dient der Qualitätsentfaltung und Qualitätssicherung an Schulen. Die internationale empirische Bildungsforschung liefert Vergleichsdaten, die die Verstärkung dezentraler schulischer Entwicklungsarbeit plausibel erscheinen lassen. Die Schulentwicklungsberatung stellt differenzierte Methoden zur Qualitätsentwicklung zur Verfügung; dazu gehören Schulprogrammentwicklung, Verfahren interner wie externer Evaluation ebenso wie Modelle der Praxisforschung. Mit der Formulierung internationaler Bildungsstandards, die Ergebnisnormen in Gestalt von empirisch fundierten Qualitätsindikatoren benennen, verlagert sich das Gewicht staatlicher Steuerungsmaßnahmen in Deutschland von der Input- zur Output-Steuerung. Schul- und Unterrichtsentwicklungsforschung untersuchen Voraussetzungen und Wege zur Entwicklung hoher Unterrichtsqualität. Evaluationsstudien und Fallanalysen benennen Problemzonen schulischer Entwicklungsarbeit, und sie geben Hinweise auf notwendige Voraussetzungen kooperativer Schulentwicklung. Wissenschaftliche Untersuchungen belegen die Relevanz professionellen Managements von Schulentwicklung – Schulleitungen tragen die Verantwortung für die Bildungsqualität von Schule (Rahm 2005: 81).
Charakteristisch für die Schulentwicklung ist folglich, dass sie Entwicklung bilanzieren, Innovationen auslösen und diese steuern möchte. Somit werden in der angewandten Schulqualitätsentwicklungsforschung qualitätsevaluierende Verfahren in der Regel nicht mit dem Blick nach außen (also als Legitimation), sondern im Hinblick auf die Optimierung von internen Prozessen der Organisationsentwicklung, der Personalpolitik und der pädagogischen Unterrichtsentwicklung angewendet.
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3.1.3 Schule als Lernende Organisation Um die Dynamik dieser Entwicklung hin zum Fokus auf die Einzelschule als organisatorische Einheit verstehen zu können, wird in einem nächsten Schritt die Schule als Organisation näher betrachtet.
Schule als Organisation Der Begriff „Organisation“ kann auf der Basis der Systemtheorie mit zwei Dimensionen gefasst werden: Der Dimension der Rationalität (rein zweckrational vs. nicht-rational, vgl. Türk 1989) und der Dimension der Offenheit (geschlossene und offene Systeme). Dabei ist der Grad wichtig, den ein jeweiliger Ansatz einer Organisation beimisst (vgl. Weinert 1987: 44). Daraus entstehen Theoriekategorien, denen vier Organisationstheorien zugeordnet2 werden können (vgl. Blindenbacher 1997), die eine überragende und anerkannte Bedeutung im letzten Jahrhundert erlangt haben: Zu den rationalen/geschlossenen Ansätzen gehört die in der Begrifflichkeit von Max Weber benannte Bürokratietheorie (aktuell war dieser Ansatz im Zeitraum von ca. 1900 bis 1930). Werden Schulen als solche Organisationen verstanden, so zeichnen sie sich durch ihr bürokratisches Muster aus, ersichtlich durch ihre Leistungsorientierung, durch die Produktion von Zensuren und Zertifikaten und die Zuteilung von Schüler/innen zu Lehrpersonen. Die Wirksamkeit wird in diesem Verständnis mit der besten Struktur erreicht. Zu den rationalen/offenen Ansätzen zählt die Kontingenztheorie (60er/-70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts). Organisationsstrukturen sind dabei „das Ergebnis einer Vielzahl verschiedener situationsbezogener organisationsinterner sowie -externer Bedingungen. Je nach Situation variiert somit die strukturelle Gestaltung einer Organisation“ (Blindenbacher, 1997: 78). Die Wirksamkeit ergibt sich dort, wo die Aufgaben und die Strukturen optimal übereinstimmen. Zu den nicht-rational/geschlossenen Ansätzen zählt die Human-Relations-Theorie (ab 1930). Untersuchungen in den 30er-Jahren zeigten, „dass die tatsächlichen Verhältnisse in einer Organisation nicht unbedingt den formalen Regeln entsprechen, sondern dass diese vielmehr von informellen Ordnungsgefügen beeinflusst werden“ (Blindenbacher 1997: 77). Die größte Wirksamkeit erreicht aus dieser Perspektive diejenige Organisation, in welcher sich alle Menschen wohl fühlen. Demokratische und teamorientierte Organisationsstrukturen wurden im Folgenden als wesentliche Merkmale angesehen: Gleichberechtigung unter den Organisationsmitgliedern, fachliche Kontrolle durch Arbeitskollegen und nicht durch Vorgesetzte, variable Aufgabenverteilung mit Ziel- statt Regelorientierung und mit informellem, netzartigem, meist mündlichem Informationsfluss. Dabei gerät die fachliche Qualifikation in den Vordergrund bei der Auswahl von neuen Mitarbeitern.
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Aus der Eigenlogik dieser vier Kategorien von Theorien leiten die Organisationssoziologen Scott (1992) und Otley (1988) die chronologische Reihenfolge ihrer Entstehung ab: „The development of organization theory can be viewed as a progression from rational to natural models: firstly, within a closed systems perspective and, more recently, within an open systems perspective“ (Otley 1988: 88, zitiert nach Blindenbacher 1997: 84). Scott erbringt den Nachweis, dass eine Zuordnung der bekanntesten organisationstheoretischen Ansätze nach den vier Theoriekategorien möglich ist.
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Zu den nicht-rational/offen Ansätzen können die Open-Natural-Systems-Theorie und New Public Management (seit den 70er-Jahren, NPM ab den 90er-Jahren) genannt werden. „In der Open-Natural-Systems-Theorie sind Organisationen keine zielorientierten oder geplant-monolithischen Einheiten mehr. Im Gegenteil, sie gelten als beschränkt steuerbare und von vielen Interessengruppen beeinflussbare Gebilde“ (a.a.O.: 80). Man kann in Analogie zu einem biologischen System die Organisation aus dieser Perspektive als organisches Ganzes betrachten, das aus gegenseitig unabhängigen Elementen zusammengesetzt ist. Diese Elemente stellen das Überleben der Organisation sicher. Sie tun dies in sich dauernd verändernden Umweltsituationen. Die Wirksamkeit wird dann gewährleistet, wenn die Organisation „sich fortwährend den sich verändernden referentiellen Situationsbedingungen anpasst“ (ebd.: 80). Es muss dazu ein fortwährender dynamischer Austausch- sowie Adaptionsprozess zwischen den Organisationsstrukturen und deren jeweiligen Situationen herrschen. Das Hauptkriterium lautet: Wie sieht die Umwelt um die Organisation diese Organisation? Kurz: Ohne Außensicht lässt sich keine Wirksamkeit erreichen. Die bekannteste Weiterentwicklung dieser Theorie bildet der New-Public-Management-Ansatz. Dieser Ansatz der „wirkungsorientierten Verwaltungsführung“ hat zu einer grundlegenden Neuorientierung der Steuerung im politisch-administrativen System geführt. Dabei ist die Öffnung des Systems gegenüber der Gesellschaft und den Bedürfnissen der Kunden (Verwaltung: Bürger; Schule: Schüler, Eltern) wichtig. Diese beurteilen letztlich auch die Qualität der erbrachten Leistung. Die Leistungskriterien orientieren sich in diesem Ansatz an den höchstmöglichen Qualitätsstandards („Bench-marking“). Nicht mehr die Verteilung der zur Verfügung stehenden Ressourcen steuert (Input-Steuerung), sondern die anvisierten Leistungs- und Wirkungsvorgaben sind zentral (Output-Steuerung).
Ein durch Forschung gut belegter Einwand (Türk 1989) gegen eine rein bürokratische Organisationstheorie ist die Bezeichnung von Organisationen als zweckorientierte soziale Organismen, in welchen die ihnen zugehörigen Menschen und Gruppen von Menschen gemeinsam und zusammen arbeiten, um Zwecke zu erfüllen. In diesem Verständnis sind Institutionen (wie die Schule) eben immer auch Organisationen mit Fokus auf „unterscheidbar strukturierte und geregelte Formen zweckvoller Interaktion von Individuen und Gruppen“ (Franz 2004: 32). Organisationen sind somit nicht mehr formale Systeme, „vielmehr sind sie lebensweltlich konstituierte Handlungszusammenhänge mit eigenen spezifischen Kulturen und Subkulturen“ (Türk 1989: 23). So gesehen bilden die oben erwähnten Dimensionen (rational vs. nicht-rational und geschlossen vs. offen) unterschiedliche Aspekte einer Organisation ab und können gemeinsam betrachtet mehr zur Analyse von Organisationen beitragen als eine einzelne Theorie. Quinn & Rohrbaugh (1983) erweitern dies noch um die Zuordnung der Zielsetzung der einzelnen Kategorien zu den von Parsons (1951) geschaffenen Grundimperativen3. Diese variieren unabhängig voneinander, sind aber für die Erhaltung eines Systems entscheidend. Das System hebt sich von seiner Umwelt dann ab, wenn durch die Verfestigung von Handlungsabläufen ein Strukturaufbau entstehen konnte. Gelingt es dem System, eine Grenze aufrechtzuerhalten, so kann es fortbestehen und es entstehen ein „interner“ und ein „externer“ Bereich. Die räumliche Dimension wird 3
„The open system model parallels the adaptive function, the rational goal model parallels the goal attainment function, the internal process model parallels the integrative function, and the human relations model parallels the pattern-maintenance and tension-management function [latency function, R.B.]“ (Quinn & Rohrbaugh, 1983: 372, zitiert nach Blindenbacher, 1997: 85)
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durch eine zeitliche ergänzt, in welcher sich Eigenschaften und Prozesse durch einen unmittelbaren Gegenwartsbezug („instrumentell“) sowie den Blick auf erwartbare, künftige Zustände („konsumatorisch“) differenzieren lassen. Bei der Kombination beider Dimensionen lassen sich die so entstehenden Imperative als Werte „für die Elastizität der Anpassung („adaptation“), die Verwirklichung von Zielen („goal attainment“), den Grad der Integration („integration“) und das Maß der normativen Stabilität („pattern maintenance“, früher “latency“) beschreiben (vgl. Morel et al. 1993: 158 f.). Auf diese Weise entsteht eine allgemeine, von handlungstheoretisch gedeuteten Gesellschaftsmodellen unabhängige Begründung eines Schemas, welches unter der Bezeichnung AGIL-Schema oder auch LIGASchema bekannt ist. Somit wird die Betrachtung der Organisation als komplexes System zunehmend wichtiger: Komplexe Systeme sichern sich in dieser Auffassung ihre Überlebensfähigkeit und ihre Elastizität durch die interne Ausbildung von sogenannten lose gekoppelten Subsystemen, die unabhängig voneinander mit zum Teil unterschiedlichen Subkulturen je unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen und erfüllen können. In diesem „neuen“ Verständnis erfasst Türk (1989: 27) Organisation mit sieben Kriterien auf folgende Art und Weise: Komplexität (statt Simplizität): Darunter versteht Türk die Abkehr von einfachen Organisationsprinzipien und die Bemühung, Komplexität begrifflich zu fassen. Heterarchie (statt Hierarchie): Hierbei ist die Annahme zentral, dass Organisationen multizentrisch aufgebaut sind und nicht nur nach einfachen hierarchischen und/oder zentralistischen Prinzipien funktionieren. Holographie (statt Mechanik): In Analogie zur Computer-Holographie werden Organisationen als ganzheitliche Systeme begriffen, die sich jedoch nur als „cognitive maps“ in den Köpfen der einzelnen Organisationsmitglieder abbilden. Unbestimmtheit (statt Determinismus): Das Verhalten in Organisationen ist nicht deterministisch vorhersagbar. Vielmehr zeigt es sich aufgrund der Eigendynamik eher zufällig. Wechselseitige Beeinflussung (statt linearer Kausalität): Organisationen sind als Systeme interdependenter Variablen wie Macht, gegenseitige Abhängigkeit und Kampf um Einfluss etc. zu verstehen, die sich wechselseitig beeinflussen. Gestaltwandel (statt Statik): Organisationen wird die Eigenschaft der Entwicklungsfähigkeit als Gestalten zugesprochen. Perspektivität (statt Objektivität): Das Verhalten in Organisationen wird wesentlich als ein Ergebnis multiperspektivischer kognitiver Prozesse verstanden und nicht als davon losgelöste „objektive“ Realität. Diese neueren Ansätze nehmen dem Faktor „Organisation“ bei der Betrachtung von Schule seinen scheinbar mechanistischen und rationalistischen Charakter. Für einen näheren Blick auf die Organisation Schule eignen sich die Frage-Dimensionen, wie sie Krainz-Dürr (1999) postuliert: Welche Organisationsstrukturen?: Die Struktur einer Einzelschule zeichnet sich durch eine „flache Hierarchie“ aus, in welcher ein Schulleiter – manchmal nicht einmal dies, sondern lediglich ein organisatorisches Leitungsamt (Hausvorstand) – einem wenig strukturierten und egalitären Kollegium gegenübersteht. Die Lehrpersonen besitzen viel Eigenverantwortung, Autonomie und Freiheit. Ihre Klassen sind oft relativ unabhängige Einheiten. In großen Schulen entsteht bei einem Gesamtkonvent (Gesamtteamsitzung) dadurch ein Druck, Organisatorisches zu besprechen; dabei bleibt eine 52
Diskussion oft auf der Strecke. Insbesondere deshalb, weil es auch unmöglich ist, in einer Großveranstaltung pädagogische Themen zu diskutieren. Welche Anreize und Belohnungen?: Die Entlöhnung von Lehrpersonen erfolgt gemäß Reglementen. Anreiz und Belohnung sind folglich ideeller Natur, außerordentliche Leistungen werden nicht finanziell honoriert. Anerkennung ist ein wichtiger Faktor. Welche Hilfsmittel und Technologien?: Die Person der Lehrerin/des Lehrers ist mitentscheidend für die Lernprozesse, die sich in Schulen abspielen. Unterricht ist nur begrenzt technologisierbar. Welche Arbeitsbeziehungen?: Strukturierte Arbeitsbeziehungen beziehen sich vor allem auf das Verhältnis Lehrperson-Schüler. Arbeitsbeziehungen mit Kollegen bzw. Kolleginnen erfolgen vor allem auf freiwilliger Basis. Somit fehlen Anreize für Gruppen- bzw. Teambildungen. Oft fehlen Zeiten, in denen pädagogische Anliegen Platz hätten. Teamsitzungen sind mit Organisatorischem überladen. Welche Führung?: Die Führung, insbesondere eine pädagogische Führung, „gehört weitgehend in den Tabubereich einer Schule. Leitungsfunktionen werden nur zum Teil wahrgenommen, formelle Führung beschränkt sich oft vorwiegend auf den Bereich der Administration“ (Krainz-Dürr 1999: 21). Welche Ziel-Zweck-Aufgabe?: Die Zielsetzungen einer Schule kann man nicht einfach so auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Sie lassen einen breiten Interpretationsspielraum und sind bei genauerer Betrachtung äußerst widersprüchlich: „Schule soll ausbilden und bilden, erziehen und Wissen vermitteln, den einzelnen umfassend fördern und selektieren, Unterschiede ausgleichen und gleichzeitig produzieren, auf Zukunft vorbereiten und Traditionen weitergeben“ (a.a.O.: 19). Schule ist zum Lebensraum geworden, was einen umfassenderen Auftrag an die Schule nach sich zieht. Welche Kommunikation mit dem Umfeld?: Welche Kommunikation ist meist nicht geregelt? Feedback von Eltern, Elternvereinen, ehemaligen Schüler/innen oder Behörden werden wenig systematisch erhoben. Unklar ist auch der Einbezug der Schüler/innen, die aktuell an der Schule unterrichtet werden. Es gibt oft keine Mechanismen, die Rückmeldungen der Umwelt aufnehmen und weiterverarbeiten können. Schulbildung ist obligatorisch und somit sind Schulen nur in begrenztem Ausmaß von ihren Umwelten (Markt, Eltern, Schüler/innen) abhängig. „Schulen verfügen überdies kaum über klare Gesamtidentitäten, Zugehörigkeiten entstehen bestenfalls über ‚Subsysteme’ wie Klassen oder Fächer. Die Beziehung zwischen diesen Systemen ist jedoch sehr schwach ausgeprägt“ (Krainz-Dürr 1999: 21).
Die Einzelschule ist, was die Form angeht, also relativ einfach strukturiert, sie ist jedoch eine hochkomplexe Organisation, sobald man die sozialen und emotionalen Aspekte betrachtet (vgl. Krainz-Dürr 1999). „Organisationen sind nicht durch Rationalität ausgezeichnet, sondern vielmehr handelt es sich bei dieser ubiquitären Unterstellung um einen wohlgepflegten Mythos der Theorie wie auch der Praxis. Die Infragestellung des Rationalitätsaxioms hat eine lange Inkubationszeit hinter sich“ (Türk 1989: 26). Und so zeigt sich ein eher kompliziertes System von Regeln der Interaktion als allgemein geteilte objektive Strukturen, die diese Organisation Schule beschreiben würden (vgl. Rolff 1991a, 1993). Zudem ist die Schule gleichzeitig eine Erziehungs- und Bildungseinrichtung. Will die Schule diesen zweiteiligen Auftrag erfüllen, dann muss sie sich anders ausgestalten als eine bloß formale Bürokratie. Dies zeigen nach Rolff (1991a, 1993) die folgenden fünf Charakteristika der Schule plausibel: 53
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Begrenzte Technologisierbarkeit des pädagogischen Prozesses: Die Schule ist eine Organisation, welche sich durch lebensweltliche Handlungszusammenhänge auszeichnet und aus unterschiedlichen Mitgliedern besteht: Kinder, Jugendliche; Lehrpersonen; Behörden; Eltern. In diesem Verständnis rückt die erzieherische Dyade von erwachsener Person und jungen Menschen in den Vordergrund. Erziehungsprozesse und pädagogische Arbeit lassen sich dabei nur zum Teil zweckrational organisieren und nur sehr begrenzt technologisieren (Rolff 2007). Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in der Schule ist keine Warentätigkeit und Lehrpersonen können sich als Personen nicht völlig zurücknehmen ohne Gefahr zu laufen, sich von ihrer Erzieherrolle ganz zu verabschieden. Professioneller Berufszuschnitt: Lehrpersonen müssen als Akteure jenseits der technisch-rationalen Begründbarkeit noch Entscheidungen treffen, die für die Lebenspraxis anderer Menschen bedeutsam sind. Ob eine Lehrperson Klassiker oder Trivialliteratur, Bezüge zur Gesellschaft oder eben nicht auswählt und im Unterricht aufgreift und umsetzt, bedarf der pädagogischen Reflexion im Hinblick auf das erzieherische Verhältnis und den Sinn der Auseinandersetzung mit der Kultur. Der Bildungsbegriff spielt hier eine zentrale Rolle. Dieser kann nicht einfach so geklärt werden. Immanente Kontrollunsicherheit: In der Regel zeigt sich erst später, wenn die Schülerinnen und Schüler erwachsen sind, ob die Schulzeit eine erfolgreiche war. Den großen Teil ihrer Arbeit vollziehen Lehrpersonen im Klassenzimmer, dort existiert nach wie vor ein Raum von Autonomie für die Lehrperson. Der Preis für diese strukturelle Autonomie ist die Erfolgsunsicherheit. Diese Unsicherheit ist nur durch kollegiale Kommunikation und Kooperation zu mildern, was aber durch ein Klassenlehrerprinzip (eine Lehrperson pro Klasse) erschwert wird. Dies führt uns zum nächsten Punkt. Zellulare Struktur und gefügeartige Kooperation: Lehrpersonen sind Einzelarbeiter. Hinter der meist geschlossenen Klassentüre steht die Lehrperson in aller Regel allein vor der Klasse. Vor diesem Hintergrund spricht Lortie (1975) von einer „zellularen“ Grundstruktur der Schule. So gesehen sind Schulen „lose gekoppelte Systeme“ welche als Scharniere zwischen der Schul- und der Unterrichtsebene autonome Lehrpersonen einsetzen, die in ihrer Interpretation der Bildungsinhalte die Qualität hauptsächlich mitbestimmen. Diese gefügeartige Verbindung aller Zellen zu einer Organisationsgestalt heißt Einzelschule und ob darin ein „ich und meine Klasse“ oder ein „wir und unsere Schule“ als vorherrschende Sichtweise anzutreffen ist, fußt hauptsächlich auf der Kooperation der einzelnen Mitglieder. Lose gekoppelt ist folglich die Zusammenarbeit unter den Lehrpersonen, nicht jedoch das Organisationsgefüge mit Klassen, zeitlicher Strukturierung durch den Stundenplan, Arbeitsteilung bei Hausämtern, etc. Soll jedoch der Gefahr entgegengewirkt werden, dass sich für Schülerinnen und Schüler die schulischen Erziehungs- und Bildungsprozesse in isolierte Veranstaltungen auflösen, so braucht dies eine teamartige Kooperation sowie eine curriculare Absprache, welche sich für die Chancengleichheit beim Wechsel von einer Zelle (Schulklasse) in einer andere verantwortlich zeigen. Das Erste könnte man folglich als „lose gekoppelt“ bezeichnen. Das Zweite wird zum Teil durch Lehrpläne geregelt. Eigenart pädagogischer Ziele: Der Organisationszweck liegt in den Bildungs- und Erziehungszielen, welche die Schule verfolgt. Pädagogische Ziele zeichnen sich durch Reflexivität, Widersprüchlichkeit und Unbegrenzbarkeit aus, wenn sie auf allgemeiner Ebene formuliert werden (z.B. ‚Mündigkeit als Ziel’). Was Mündigkeit heißen könnte, kann nur reflexiv angegangen werden, da eine klare Anleitung im Widerspruch zum Inhalt stehen würde. Dies lässt die schiere Unmöglichkeit erahnen, wollte man sich an
die Operationalisierung solcher Ziele wagen. Die Widersprüchlichkeit zeigt sich etwa in der doppelten Rolle der Lehrperson als beratendem und unterstützendem Ansprechpartner für Lernprozesse, die dann von derselben Person beurteilt und zum Zwecke der Selektion verwendet werden. Diese unaufhebbare Einheit, die es auszubalancieren gilt, prägt den schulischen Alltag. Spricht man mit Organisationsmitgliedern über die Organisationsstruktur, dann wird man so viele Strukturbilder und -schilderungen zu hören bekommen, wie es befragte Menschen gibt. Subjektiv differenzierte Bilder oder besser: kognitive Landkarten konstituieren eine Organisation. „Organisationen verfügen nicht oder nur rudimentär über eine objektivversachlichte Struktur, sondern vielmehr über subjektiv bzw. begrenzt kollektiv differierende ‚cognitive maps’ der eigenen Organisation“ (Türk 1989: 24). So gesehen zeigt sich eher ein kompliziertes System von Regeln der Interaktion als allgemein geteilte objektive Strukturen, die diese Organisation Schule beschreiben würden. Dies ist ein wichtiger Punkt, wenn es gilt, die Schwerfälligkeit von Kooperationsprozessen innerhalb von Teams zu verstehen und das Potenzial einer Schule zur Veränderung und Innovation zu erfassen. Ob Schulen in ihrer aktuellen Organisationsform Veränderungen nachhaltig einleiten und umsetzen können, bleibt folglich offen. Eine weitere Perspektive auf die Schule betrachtet diese in ihrer „professionellen Form“ (das Konzept der „professionellen Bürokratie“), diese Form „entwickelt sich gewöhnlich dann, wenn Tüchtigkeit und fachliche Qualität die dominierenden Kräfte sind, (...) die Aneignung neuer Kenntnisse und die Entwicklung neuer Methoden sind gegenüber der Fortentwicklung der vorhandenen tendenziell nachrangig. Es dominieren bewährte, anspruchsvolle Prozeduren; sie bieten dem, der sie professionell beherrscht, erhebliche Freiheiten im Verhältnis zu den Kollegen“ (Dalin 1999: 84). Solche Organisationen sind eher dezentral strukturiert und zeichnen sich durch lose gekoppelte Systeme aus (Lortie 1975), was die Funktion der Leitung erheblich erschwert. Mintzberg (1991) äußert sich skeptisch über das Veränderungspotenzial von solch „professionellen Organisationen“. In sich verändernden Umwelten ist aber genau die Eigenschaft der innovativen Veränderung notwendig. Entscheidend ist, wie sich die Schule und deren einzelne Mitglieder mit ihrer Umwelt auseinandersetzen, um ihre Innensicht ergänzen und ihren Berufsauftrag passend umsetzen zu können. Die Schule muss so eher als „lebendiges“ System denn als formale Bürokratie verstanden werden. Dieses „Anderssein“ als eine formale Bürokratie zeichnet die Komplexität im Sozialen und Kulturellen des Systems Schule aus. Als gemeinsamen Nenner könnte man anfügen, dass die Schule als Organisation Ziele anstrebt und ein soziales Gebilde ist. Es lässt sich im Weiteren vorsichtig formuliert festhalten, dass sich die Schule den sich ändernden Umweltbedingungen stellen und die Kraft zu Innovationen und Veränderungen entwickeln muss, will sie ihren komplexen Auftrag der Gleichzeitigkeit von Bildung und Erziehung erfüllen. Dies übersteigt die Fähigkeit und Möglichkeit einer einzelnen Lehrperson. Somit rückt ein Umgang mit Veränderungen ins Zentrum, der sich auf der Basis von teamartiger Kooperation eines Kollegiums an einer Schule ständig weiterentwickelt und zu Kompetenzen in ebendiesem Umgang führt.
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Lernen in Organisationen Lernen in Institutionen und Organisationen erscheint komplex. Systemtheoretisch stellt sich das Problem, wie das System „Lernende Organisation“ diese Komplexität zu bewältigen vermag. Kenntnisse komplexer Systemprozesse sind dabei notwendig. „Lernende Schulen sind nicht nur Einrichtungen, in denen die Schüler lernen, sondern solche, die selber zum Lernen fähig sind. Dazu müssen sie – genau wie Individuen – Lernstrukturen und Lernkapazitäten pflegen und z.T. erst aufbauen“ (Rolff 1998: 317). Werden Schulen als „Lernende Organisation“ bezeichnet, dann bedeutet dies nach Rolff folgendes: „Schulen, die sich bewusst entwickeln, lernen ihr Schulcurriculum zu klären, eine gemeinsam Diagnose der Stärken und Schwächen durchzuführen, Prioritäten für Entwicklungsvorhaben zu setzen, Teams zu bilden und Projekte zu managen und die Wirkung dieser neuartigen Prozesse zu beurteilen“ (Rolff 1998: 317). Organisationen sind gemäß Türk (1989) nicht oder nur teilweise stabil. Vielmehr sind sie permanent in Bewegung und erreichen ihre Stabilität weniger durch Gleichgewicht und Statik als durch dynamische Prozesse. Nach Türk (1989) kann neben Entwicklungs- und Selektionsmodellen für die Veränderung von Organisationen insbesondere von Lernmodellen gesprochen werden. Sie betonen die Fähigkeit eines Systems zur Selbstveränderung angesichts erfahrener Umweltereignisse. Der Lernprozess wird im Gegensatz zu den Selektionsmodellen durch interne Kriterien der Effizienz gesteuert und ist als Optimierungsprozess angelegt im Sinne einer reflexiven Fehlerkorrektur. „Für Organisationen gilt dabei, dass ein Lernzyklus erst dann als abgeschlossen bezeichnet werden kann, wenn Einsichten und Fähigkeiten operativ wirksam werden, sich also in Organisationspraxis niederschlagen“ (Türk 1989: 57). Solche Modelle gehen von einem gerichteten, kumulativen Effekt der Lernprozesse aus. Die Umwelt stellt dabei nicht die Summe kausaler Ereignisse dar, sondern sie ist ein internes Modell, welches sich das System von seiner Umwelt macht. „Sie [die Einzelschulen, Anm. d. Verf.] müssen ihre Entwicklungskonzepte selber erarbeiten und auf eigene Realisierungsstrategien vertrauen, mit anderen Worten: sie müssen lernen und lernfähig werden, um zunehmend ihre Probleme selber lösen zu können“ (Rolff 1998: 317). Dies rückt das Lernen in und von Organisationen bzw. ihren Mitgliedern in den Mittelpunkt. Probst & Büchel begründen den Zwang zur Anpassung und Weiterentwicklung folgendermaßen: Organisationales Lernen stellt eine Alternative dar, wie Systeme sich verändern können, so dass Wirtschaft und Gesellschaft sich neu definieren können. (...) Die Fähigkeit, den externen Umständen durch den Aufbau interner Handlungskompetenzen Rechnung zu tragen, stellt einen kritischen Aspekt dar, der durch das organisationale Lernen in den Mittelpunkt gerückt wird. (...) Lernen stellt den Prozess der Vorbereitung auf neue Situationen dar, so dass zukünftige Probleme bewältigt werden können. (...) Um diesem Wandel gerecht zu werden und um die neuen, komplexen Probleme zu bewältigen, sind gesellschaftliche Systeme wie Institutionen gezwungen, sich anzupassen, sich zu verändern und die Entwicklungen vorauszudenken. (Probst & Büchel 1998: 3 ff.)
Es gibt zwei prinzipielle Träger von organisationalem Lernen: die Organisationsmitglieder als Individuen und Speichersysteme in der Organisation. Lernen bedeutet, Informationen bewusst auszuwerten, Denkgewohnheiten sowie das soziale Verhalten anzupassen und zu verändern und die Problemlösefähigkeit dadurch zu steigern. Man kann mit Geissler (1991: 82) sagen, dass das Lernen verstanden wird als Veränderung des Steuerungspotentials von Individuen als Individuen, von Individuen als Bestandteilen einer Organisation, 56
von formellen oder informellen Gruppen von Individuen als Teil einer Organisation, von ganzen Organisationen.
Sämtliche vier Ebenen des organisationalen Lernens bis hin zum ‚Lernen von ganzen Organisationen’ unterliegen einem Fremdbezug (Umwelt) und einem Selbstbezug (Innenwelt). Für Geissler (1991) ist organisationales Lernen also eine Veränderung des Steuerungspotenzials von Organisationen mittels eines komplexen Zusammenhanges von kollektiven und individuellen Lernprozessen. Die Annahme für organisationales Lernen lautet also, „dass Veränderungen in Organisationen, die nicht nur zufällig zustande kommen, sondern Ergebnis eines bewussten Gestaltungsprozesses sind, auf langfristige und komplexe Lernprozesse der Beteiligten zurückzuführen sind“ (Schönig 2000: 26). So rücken transformatorische Abläufe in einer Organisation ins Zentrum der Betrachtung, also die Umsetzung von Veränderungsimpulsen in konkretes Handeln der Organisationsmitglieder durch Lernen. Sattelberger (1991) betont dabei den kulturellen Charakter eines Lernprozesses, indem für ihn die Erhaltung der Überlebensfähigkeit einer Organisation unter sich verändernden bzw. instabilen Umweltbedingen als wichtiges Lernziel erscheint und damit eine Richtung erhält: die Verbesserung der Organisation. Dabei können nach Bateson (1985) mehrere Lernstufen (Lernen Null, Lernen I bis III) unterschieden werden, die sich eher wechselseitig überlagern, als dass sie in einem streng hierarchischen Ordnungsverhältnis stehen. Das Lernmodell von Bateson zeigt gewisse Parallelen mit dem systemischen Denken: Lernen hat reaktive und proaktive Merkmale, ist also konservativ und entwicklungsöffnend zugleich. Wirkliche Veränderungen sind an komplexes Lernen gebunden, Umbrüche im eigenen Weltbild sind notwendig auf möglichst hoher Ebene. Wird dort so etwas wie Erstmaligkeit zugelassen, kann eine Umzentrierung stattfinden. Widersprüche und Paradoxien im eigenen Verhaltensrepertoire können Hilfestellung bieten bei diesem Prozess des Aufbrechens. Es gilt im kommunikativen Diskurs eine gemeinsame Organisationsvision zu entwickeln (Leitbildarbeit) und vor deren Hintergrund Veränderungsmaßnahmen kritisch auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen. Organisationales Lernen erfolgt somit über einzelne Individuen und deren Interaktionen untereinander, die ein verändertes Ganzes mit eigenen Fähigkeiten und Eigenschaften bewirken. „Das Lernen eines sozialen Systems ist also nicht mit der Summe der individuellen Lernprozesse und Ergebnisse gleichzusetzen, auch wenn diese Voraussetzung und wichtige Basis für institutionelles Lernen sind“ (Probst & Büchel 1998: 21). Es geht vielmehr darum, kollektives Wissen zu schaffen. Durch Gruppenprozesse mit ihren je eigenen Rollenerwartungen an die Organisationsmitglieder, die einer gemeinsamen Gruppe angehören, kommt es zwischen diesen zu einem – teils diskursiven, teils konfliktgeladenen – Austausch, der neues gemeinsames Wissen generiert. Wird dieses Wissen in Form von „Spielregeln und Handlungsanweisungen“ der gesamten Organisation zugänglich gemacht, so haben diese Gruppen den Lernprozess gestartet und getragen. Solches Wissen spiegelt die Grundhaltungen, Werte und Erwartungen aller Individuen wider. Die Lernfähigkeit einer Organisation benötigt also Lernsysteme, die den Prozess in Gang halten. Argyris & Schön (1978, 1999) unterscheiden dabei drei Typen des Lernens der Organisation (vgl. Abbildung 6). Gemeinsam können sie als „organisationales Ordnungssystem des Lernens“ (vgl. Schönig 2000: 31) bezeichnet werden, mit dessen Hilfe Fehler entdeckt und korrigiert werden sollen.
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Reflexion, Analyse und Herstellung eines Sinnbezugs
Ziele
Handlungen
Ergebnisse
Korrekturen „single-loop-learning“ Korrekturen „double-loop-learning“ Korrekturen „deutero-learning“
Abbildung 6: 1.
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Lernstufen nach Argyris & Schön (vgl. Probst & Büchel, 1998: 38)
„single-loop learning“: Das Einfachschleifen-Lernen funktioniert ähnlich wie ein Thermostat, indem Abweichungen und Fehler entdeckt werden und man weiß, wie man diese innerhalb des bestehenden Aktionsprogramms korrigieren kann. Die Organisation wird dadurch nicht verändert. Die grundsätzlichen Normen, Weltsichten und Werte bleiben bestehen. Das Erfolgskriterium ist folglich die Effektivität der Organisationsabläufe. Dieser Lerntyp steht gemäß Argyris & Schön im Dienste einer ‚theory in use’4, einer Handlungstheorie, die das tatsächliche Verhalten von Organisationsmitgliedern meint, und nicht einer ‚espoused theory’ 5, einer Art Idealtheorie aus Leitbildern und Programmen der Organisation, entsprechen muss. Die Inkongruenz dieser beiden Theorien innerhalb der Organisation wird meist nicht diskutiert und stillschweigend gebilligt. Solange die Umgebung einer Organisation stabil bleibt, kann dies eine sehr erfolgreiche Strategie sein und Veränderungsbedarf ist nicht notwendig. Anpassungslernen ist folglich die effektive Adaption an die vorgegebenen, gemeinsam geteilten Ziele und Normen durch die Bewältigung der Umwelt. Organisationales Lernen wäre es aber gemäß Argyris & Schön erst, wenn der Prozess der Fehlerkorrektur in diskursiver Form zwischen den betroffenen Organisationsmitgliedern abläuft und es dann zu einer institutionalisierten Form von veränderten Verfahrens- und Handlungsweisen kommt, wenn also die Ziele selbst Gegenstand der Diskussion würden.
„Die organisationsinternen Gebrauchstheorien oder theories-in-use resultieren aus den individuellen und den kollektiv geteilten Erfahrungen, den zwischen ihnen bestehenden Wechselwirkungen sowie einer Gegenüberstellung der Erfahrungen und des institutionellen Bezugsrahmens „ (Probst & Büchel 1998: 25). In Organisationen sind diese „theories-in-use“ kollektiv geteilte Erwartungen über Funktionszusammenhänge von Zielen, einzusetzenden Handlungen und den damit verbundenen technischen, ökonomischen und sozialen Normen. Sie ordnen Situationswahrnehmungen bestimmten Klassen zu. 5 „Offizielle Handlungstheorien oder Espoused Theories sind formeller oder informeller Ausdruck des Unternehmenszweckes und Bekenntnis zu jenen Ideen und Werten, nach denen die Individuen oder Organisation ihr Handeln offiziell ausrichten (Argyris & Schön 1978). Meist erfahren diese einen breiten Konsens innerhalb der Organisation und sind das Resultat der Vorstellung der Führungskräfte über die Managementprinzipien“ (Probst & Büchel 1998: 25).
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2.
3.
„double-loop learning“: Hier wird die Justierung des Thermostates analysiert und die Suche nach neuen Problemlösesystemen angestrebt. Die Normen und Werte des Aktionsprogramms einer Organisation werden hier also selbst in Frage gestellt und die Inkongruenz der „theory in use“ und der „espoused theory“ wird thematisiert. Dazu bedarf es einer doppelten Lernschleife, weil Korrekturen von Fehlern und Verbesserungen nicht nur in der Handlungsausführung („theory in use“), sondern auch in den grundlegenden Handlungsnormen („espoused theories“) stattfinden6. Das Veränderungslernen zeichnet sich also durch die Hinterfragung von organisationalen Normen und Werten aus und restrukturiert diese in einem neuen Bezugsrahmen. „deutero-learning“: Die Umsetzung des Veränderungslernens wird in der Praxis durch sogenannte, äußerst stabile und zähe „defensive Routinen“ (Argyris 1990) erschwert. Darunter wird der Aufbau von „fundamentalen Regeln“ verstanden, die zum Ignorieren von Fehlern und unpassenden Handlungen führen und darüber hinaus noch dafür sorgen, dass darüber nicht diskutiert wird. Um solche unbewusste Mechanismen aufdecken zu können, muss das „double-loop-learning“ selbst in Frage gestellt werden. Mit anderen Worten: Es muss überprüft werden, inwiefern eingeübte Handlungsmuster und Gesprächsformen bestimmte Diskussionsabläufe und Lernprozesse be- und sogar verhindern können. Bei diesem Vorgang steht das „Lernen zu lernen“ oder ein Meta-Lernen im Vordergrund, bei welchem der Lernprozess selbst Gegenstand des Lernens wird. Dies stellt die höchste Ebene der Lernstufen dar. Anders ausgedrückt: Der Prozess des Lernens zu lernen besteht aus der Erkenntnis über den Vorgang von Anpassungs- und Veränderungslernen. Es geht um die Reflexion, Analyse und Herstellung eines Sinnbezugs. Damit ist die Einsicht in den Lernprozess selbst und „(...) in die kontextuelle Problemlösung sowie in den Ablauf von Lernprozessen gemeint. Erst durch die Erreichung dieser Ebene ist es möglich, sich selbst zu thematisieren und sich selbst als Umwelt anderer sozialer Systeme zu verstehen“ (Probst & Büchel 1998: 38). Durch die (Wieder-)Erkennung von Mustern, die in ähnlichen Situationen das Lernen bereits einmal ermöglicht haben, kann eine umfangreiche und umfassende Restrukturierung der Verhaltensregeln und -normen erreicht werden. Somit stellt das Prozesslernen die Einsicht über den Ablauf der Lernprozesse dar, in welchem „Lernen zu lernen“ der zentrale Bezugspunkt wird. In diesem Verständnis stellt Schule so etwas wie (teil)-autonome Einheiten dar, die sich durch Selbstorganisation und Selbstregulierung auszeichnen.
„Grundsätzlich kann man sagen, eine Organisation lerne, wenn sie sich Informationen (Wissen, Verständnis, Know-how, Techniken oder Praktiken) jedweder Art auf welchem Weg auch immer aneignet“ (Argyris & Schön 1999: 19). Auf dieser Stufe betrachtet lernen alle Organisationen – im guten wie im schlechten Sinne – immer dann, wenn sie ihren Informationsstand erweitern, und es gibt auch keine Einschränkungen dafür, wie diese Erweiterung zustande kommt. Dieses Schema schließt einen Informationsgehalt bzw. ein Lernergebnis und einen Lernprozess ein, der darin besteht, die notwendigen Informationen zu erwerben, zu verarbeiten, zu speichern und weiterzugeben. Zusätzlich benötigt es einen Lernenden, dem der Lernprozess zugeschrieben werden kann. Was ist denn nun anders, 6
Diese doppelte Feedbackschlaufe ist ein Vorgang, „der schon einige Jahre früher von Watzlawick (1974) mit Veränderung erster und zweiter Ordnung bezeichnet worden ist. Das „double-loop-learning“ zielt also auf die Restrukturierung des Bezugsrahmens der Organisation, oder wie Watzlawick sagt: auf das reframing“ (Schönig 2000: 32).
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wenn die ganze Organisation lernen soll? Auf der einen Seite könnte man mit Dalin (1991) sagen: „Es ist die Summe des individuellen und kollektiven Lernens, das die Organisation formt“ ebd.: 18). Dies bedeutet aber, dass dies auf jeden Fall mehr ist, als was ein einzelnes Mitglied der Organisation weiß. Durch diese Speicherung von Wissen und Handlungsmustern in Organisationen mittels Wissenssystemen wird individuelles Verhalten zu überdauerndem und replizierbarem Wissen der Organisation, was aber nicht heißt, dass sämtliches individuelles Wissen der Organisation zugänglich ist. Des Weiteren kann eine Organisation auch Teile speichern, die nicht mehr im individuellen Wissensreservoir vorhanden sind. „Das Resultat eines organisationalen Lernprozesses hat also eine andere Qualität als die Summe der individuellen Lernprozesse“ (Probst & Büchel 1998: 21). Somit verhalten sich Institutionen als Ganzes häufig anders als Individuen: Durch menschliche Interaktion, Erfahrungsaustausch sowie Auseinandersetzungen werden Verschiebungen ausgelöst, die das Lernergebnis beeinflussen. Organisationales Lernen stellt also die Fähigkeit einer Institution dar, als Ganze Fehler zu entdecken, diese zu korrigieren und die organisationale Basis von Werten, Normen und Wissen zu verändern. Dies ist auch der Unterschied zu den individuellen Lernkonzepten. Die Folge davon ist eine neue Problemlösungs- und Handlungsfähigkeit.
Die „Lernende Schule“ Holly & Southworth (1989) definieren die „Lernende Schule” folgendermaßen: Essentially, the Learning School is a place (...) ‚designed for learning’. (...) They (such schools, Anm. d. Verf.) take trouble to make their philosophies explicit for themselves and to explain them to parents and pupils; the foundation of their work and cooperative life is an acceptance of shared values. Emphasis is laid on consultation, team work and participation, but without exception, the most single factor in the success of these schools is the quality of leadership of the head. (...) Indeed we would argue that the Learning School has five interrelated characteristics. In the Learning School: o the focus is on children and their learning; o individual teachers are encouraged to be continuing learners themselves; o the group of teachers (and sometimes others) who constitute the ‚staff’ is encouraged to collaborate by learning with and from each other; o the school (i.e. all those people who constitute the ‚school’) learns its way forward. The school as an organization is a ‚learning system’ o the headteacher is the leading learner. (Holly & Southworth 1989; zitiert nach Krainz-Dürr 1997: 27)
Lernen erscheint hier als „Tun“ und um aus diesem Lernen von Personen und Gruppen ein Lernen der Organisation zu machen, sind gemäß Holly & Southworth (zitiert nach KrainzDürr 1997) verschiedene Lernbereiche entscheidend: Personalentwicklung, Umweltfeedback erheben und reagieren, Wissen nutzbar machen und verbreitern, Entwicklung auf drei Ebenen: Individuum, Team, Organisation sowie gemeinsame Ziele.
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Architektur einer Schule als „Lernende Organisation“ Die Architektur einer Lernenden Organisation (nach Senge 1996b: 24), verstanden als ‚Schale’, innerhalb welcher sich die Initiierung des Lernzyklus und die engagierte Anwendung der Lerndisziplinen s.u.) abspielen, setzt sich aus folgenden Elementen zusammen: Leitgedanken: Wofür steht die Organisation und was möchten die Mitglieder erschaffen? Bei Schulen nennt man dies Schulprogramm. Es ist Ausdruck von Visionen und Zielklärung eines Kollegiums. Wird dieses Leitbild operationalisiert, so entsteht ein Programm, das bereits Zielvereinbarungen enthält. Theorien, Methoden und Werkzeuge: „Die Disziplinen stehen für ein ‚praxisfähiges Wissen’, das sich aus grundlegenden Theorien und darauf aufbauenden Methoden und Werkzeugen zusammensetzt“ (a.a.O.: 32). Bei Schulen bezieht sich dies nach Rolff (1998) auf die Selbstreflexion und die Selbstorganisation. Innovationen der Infrastruktur: „Die Infrastruktur ist das Mittel, durch das eine Organisation die Ressourcen zur Verfügung stellt, die den Menschen bei ihrer Arbeit helfen sollen“ (Senge 1996b: 35). Bei Schulen bezieht sich dies auf die Arbeitsorganisation und auf die Prozesssteuerung. Beim Ersten ist vor allem die Organisation des Unterrichts gemeint, ob Lehrpersonen kooperieren (auf der Fach-, Klassen- und Jahrgangsebene) und als Gruppen lernende Teams bilden. Die Schulleitung ist davon nicht ausgenommen. Bei neuen Kooperationsstrukturen und der Prozesssteuerung trifft man in Schulen oft sogenannte Steuergruppen an (oder ähnlich, bestehend aus Mitgliedern des Kollegiums und/oder der Schulleitung). Sie sind das verbindende Element zwischen dem Kollegium und den Schulentwicklungselementen der ganzen Schule. Organisationsarchitektur, Lernkultur: Im Zentrum steht der Begriff Lernkultur (durch Rolff ergänzt, 1998) einer Lernenden Organisation. Bei Schulen stellt ‚ein Stock gemeinsam geteilten Wissens’, das gerade in Schulentwicklungsprozessen entsteht, einen wichtigen Teil der Lernkultur dar. Dieses „Organisationsgedächtnis“ (Geissler 1994) soll den Umgang mit komplexen Situationen erlauben. Dafür ist eine gemeinsame Sprache notwendig, die auf die Pflege einer Beziehungskultur angewiesen ist. Bei Schulen ist unter anderem das Schulklima mitentscheidend, und die Fähigkeit, Konflikte thematisierbar und bearbeitbar zu machen, macht vielleicht aus, dass es sich um eine ‚pädagogische Organisation’ handelt. Die Grundhaltung von Senge (1996a, 1996b) besteht aus den Grundannahmen, dass der Mensch erst durch andere Menschen zum Menschen wird. Dieser Mensch lernt ein Leben lang und hört nie auf, sich zu entwickeln. Er lernt folglich unter Menschen in einem kokonstruktiven Prozess auch für diese anderen Menschen. Lernen in einer Organisation bedeutet für jedes einzelne Mitglied einer Organisation zu lernen, was die Organisation braucht. Ein Team ist in diesem Sinn eine Gruppe von Menschen, die auf der Basis dieser Sichtweise von Lernen als ko-konstruktivem Prozess aufeinander angewiesen sind, um ein Ergebnis zu erzielen. Als Basistheorie dient Senge (1996a) die Systemtheorie. Menschen führen eine Organisation dann zum Erfolg, wenn sie sich gemeinsam auf eine Vision ausrichten und sich als System begreifen, an welchem alle Mitglieder teilhaben. Es wird ein Lernzyklus in Gang gesetzt. Die Teammitglieder entwickeln neue Fertigkeiten und Fähigkeiten. Diese eröffnen ihnen andere Denk- und Handlungsmöglichkeiten und führen zu neuer Bewusstheit und Sensibilität. „Mit der Zeit, wenn die Menschen anfangen, die Welt anders wahrzunehmen und zu erleben, bilden sich neue Überzeugungen 61
und Annahmen heraus, die die Entwicklung weiterer Fertigkeiten und Fähigkeiten fördern“ (Senge 1996b: 20). Senge beschreibt so einen tieferen Lernzyklus als Kern einer Lernenden Organisation (ebd.: 19), in welchen ein lernendes Team einsteigen soll und welcher in Gang gehalten werden muss. Die Theorie der Lernenden Organisation beruht auf diesem Kern. Senge (1996a) betont dabei fünf zentralen „Lerndisziplinen“ als Mittel, mit welchen diese Organisation durch einen intensiven Prozess in die Lage versetzt wird, anstehende Probleme lösungsorientiert zu meistern: Personal Mastery, Mentale Modelle, Gemeinsame Vision, Team-Lernen und Systemdenken. Die Bündelung von Engagement hat zur Folge, dass das eigene Tun als sinnhaft erlebt wird. Man muss erreichen, „dass die Beschäftigten wissen, was sie tun, warum sie es tun und wozu sie es tun. Man kann Menschen dazu zwingen zu arbeiten. Man kann sie nicht (zumindest nicht auf Dauer) dazu zwingen, gut zu arbeiten. Das müssen sie können, wollen und dürfen“ (Franz 2004: 34). Ist dies der Fall, dann lernen Menschen aus eigenem Antrieb. Sie können ihre eigenen Werte und Ziele in das Ganze einordnen und erleben eine Ergänzung, Bereicherung und Zufriedenheit. Nach Senge (1996a) verfolgt ein solches Team einen gemeinsamen Zweck, eine gemeinsame Vision und weiß, wie es sich untereinander ergänzen und unterstützen kann: Dabei opfert der Einzelne seine persönlichen Interessen nicht der größeren Teamvision. Vielmehr wird die gemeinsame Vision zu einer Erweiterung der persönlichen Vision. Tatsächlich ist diese Ausrichtung eine notwendige Bedingung, damit das Empowerment des Einzelnen zum Empowerment des ganzen Teams beitragen kann (Senge 1996a: 285/6).
Wissensmanagement Das Systemdenken bildet dabei die Basis für das Erkennen von Handlungszusammenhängen aller beteiligten Akteure und der Tatsache, dass eigenes Handeln in diesem System aktives Verändern und Mitgestalten bedeutet. Ansonsten wird Organisationales Lernen zum Selbstzweck, wenn das neu erworbene Wissen nicht angewendet, weitergegeben, schnell verfügbar gemacht und kombiniert wird. Die Organisation muss so etwas wie ein ‚Organisationsgedächtnis’ entwickeln und erhalten, um Know-how-Verluste beim Wegzug von Mitarbeitern zu verhindern. Eine gemeinsame Sprache und auch ein Grundstock gemeinsam geteilten Wissens gehören dazu. Für die Schule bedeutet dies, dass in gemeinsamer Schulentwicklungs- und Projektarbeit Wissen entsteht, das den Umgang mit komplexen Situationen erlaubt. Geissler (1994) betont die Wichtigkeit der Entstehung eines ‚Organisationsgedächtnisses’ und führt dies noch deutlicher aus: Die Gesamtheit des kooperativ vermittelbaren Wissens und Könnens in einer Organisation ist die organisationale Wissensbasis (organizational knowledge base). (...) In der Konzeption (...) ist die Erkenntnis angelegt, dass das Wissen der Organisationsmitglieder über ihre Organisation und besonders über die Bedingungen, wie in ihr Kooperation möglich ist, ein wichtiger Faktor für ihr tatsächliches Kooperationsverhalten und damit für Organisationslernen ist. (Geissler 1994: 11 f.)
Für Organisationsmitglieder stellen die Bedingungen ihrer Organisation folglich eine wichtige Erkenntnisgrundlage dar, diese ist jedoch häufig unvollständig und durchzogen mit unklaren Informationen. Dieses Informationsdefizit müssen Mitarbeiter dadurch kompensieren, dass sie ihr eigenes Organisationsbild an den Organisationsbildern der anderen Mitglieder der Organisation orientieren. So entsteht ein gemeinsam geteiltes Wissen über die 62
Organisation, das von weiten Kreisen der Organisation akzeptiert wird und „der Wirklichkeit zwar nicht unbedingt entsprechen muss, aber dennoch gültig ist, weil es von der Mehrheit der Organisationsmitglieder als richtig empfunden und ihrem Verhalten praktisch folgenreich zugrunde gelegt wird“ (a.a.O.: 12). So wird die Lernkultur zu einer Beziehungskultur, die Dissens und Konflikte thematisierbar und dadurch bearbeitbar machen muss. Die Kompetenz zur Bearbeitung wird im kollektiven Gedächtnis gespeichert und bietet dann Strukturen für kommende Lern- und Problemlöseprozesse an.
Die Kompetenz einer Einzelschule, Probleme zu lösen Konzepte und Theorien der Schulentwicklung betonen, dass die Organisation Schule nicht mehr nur als bürokratisches System, das hauptsächlich auf die Vermittlung von Wissen ausgerichtet ist, verstanden werden soll, sondern dass Schulen sich in zunehmendem Masse als offene, zu Veränderungen fähige und somit letztlich als Selbstlernende Organisationen verstehen können (vgl. Fullan 1999; Rolff 1993; 1998; u.a.). Dieser stärker systemisch geprägte Ansatz seit Anfang der 90er-Jahre ist eng mit Schlagworten verbunden wie „Schulische Autonomie“, „Organisationales Lernen“, Organisationsentwicklung an der Schule“, „Schulisches Management“, „Schulqualität“, „Qualitätsmanagement“ etc. Die Richtung all dieser Bezeichnungen hat die inhaltliche, personelle und auch finanzielle Ausweitung der Kompetenzen einer einzelnen Schule zur Folge. Dalin & Rolff (1990) sprechen hier von einer Weiterentwicklung vom Zustand einer fragmentierten Schule über eine sogenannte Projektschule hin zum dritten Zustand einer problemlösenden (also Lernenden) Schule, der Problemlöseschule (vgl. dazu Abbildung 7), die nicht von einzelnen ‚einsamen’ Lehrern ausgeht, sondern miteinander kooperierende und untereinander vernetzte Teams als Motoren der Entwicklung ansieht (vgl. Rolff 1998: 303). „Organisationales Lernen im Hinblick auf Unterricht hat dann erfolgreich stattgefunden, wenn es innerhalb eines Kollegiums kollektiv geteilte Vorstellungen darüber gibt, wie Unterricht sein soll, wenn die von den Lehrkräften praktizierten Formen des Unterrichts möglichst weggehend mit den gemeinsamen Vorstellungen übereinstimmen und wenn es überdies Regularien dafür gibt, Abweichungen von den gemeinsamen Leitvorstellungen produktiv zu bearbeiten“ (Horster & Rolff 2001: 58). Solche komplexen Zweck-Mittel-Nebenwirkungen-Abläufe (vgl. Rolff 1991a) können als Programme bezeichnet werden, in welchen die Ziele über die Mittel geklärt werden. „Die begrenzte Technologisierbarkeit des pädagogischen Prozesses wird anerkannt, die Lehrkräfte können sich professionell beteiligen, ein hohes Maß an Kontrollsicherheit durch Selbstkontrolle wird gewährt und teamartige Kooperation eingeübt, und Ziele werden geklärt sowie vereinbart“ (Rolff 1991a: 880). Lernen kann unterschiedliche Niveaus erreichen und die Schwierigkeit zeigt sich darin, diese Niveaus mit Indikatoren zu fassen und greifbar zu machen. Ab wann kann in einem konkreten Schulentwicklungsprozess von Anpassungslernen (Wandel erster Ordnung oder „Mehr des Gleichen“) oder Veränderungslernen (Wandel zweiter Ordnung oder „Struktur- und Systemwandel“), gar Prozesslernen (vgl. Probst & Büchel 1998; Argyris & Schön, 1999) gesprochen werden? Läuft Entwicklung auf eine „Höherentwicklung“ hinaus? In jedem Fall – oder nur im günstigsten? Auf einer sehr hohen Abstraktionsstufe spricht Parsons von einer „Steigerung der Anpassungsfähigkeit als evolutionäre Perspektive“ und Luhmann nennt dies die „Erhöhung der Eigenkomplexität und Steuerungskapazität“ (zitiert nach Rolff 1991a). 63
1. Fragmentierte Schule „Ich und meine Klasse“
2. Projektschule
3. Problemlöseschule
Abbildung 7:
„Ich und meine Klasse im Projekt mit anderen Klassen“
„Wir und unsere Schule“
Entwicklung einer Einzelschule (vgl. dazu Dalin & Rolff 1990; Rolff 1991)
Dieser Dreischritt von der „Fragmentierten Schule“ bis hin zur „Problemlöseschule“ soll kurz dargestellt werden: Fragmentierte Schule: Diese Schule ist in mancherlei Hinsicht die Normalschule. Leitung plus eine Anzahl lose miteinander gekoppelter Klassen machen die Schule aus, welche ein gutes Kollegium besitzt, das jedoch keine teamartige Kooperation in engeren Arbeitsbereichen pflegt. Abgestimmtes Zielkonzept wie konsistente Programme fehlen. Projektschule: Etliche Erneuerungsaktivitäten finden in Form von Projekten statt, die jedoch miteinander unverbunden sind und bleiben. Sie fügen sich nicht zu einer Struktur, die Koordination fehlt. Dennoch finden viele Teamprozesse statt, welche die Kompetenzen zur Kooperation der Beteiligten erhöhen. Lernende Schule oder Problemlöseschule: So wird eine Schule bezeichnet, die ihre anstehenden Probleme selber lösen kann, souverän mit der prinzipiellen Begrenztheit der Unterrichtstechnologie umgeht und eine professionelle Personalentwicklung aufbaut, um die Ressourcen der Mitarbeiter zu erhalten. Die immanente Kontrollunsicherheit wird durch Selbstkontrolle und Feedbackschlaufen produktiv aufgefangen und teamartige Kooperation wird auf allen Ebenen praktiziert. Die Problemlöseschule steht für eine völlig andere Schulkultur mit gemeinsam geklärten Visionen, in der Initiative, Kreativität und teamartige Kooperation die Normen darstellen. Damit verweist der Autor auf das zentrale Konzept der Kooperation. Hier erfolgt jedoch eine Beschränkung auf die von ihm postulierten Stufen von Schulentwicklung, einem Konzept, dessen emprirische Validierung bisher noch aussteht. Ungeachtet dessen stellt die Problemlöseschule als Zielvorstellung ein denkbar hohes Stadium eines Schulentwick64
lungsprozesses dar und „steht für eine völlig andere Schulkultur, in der Initiative, Kreativität und teamartige Kooperation die Normen darstellen“ (Rolff 1991: 882). Dabei geht es nicht darum, eine oder gar mehrere Innovationen bloß zu implementieren, sondern darum, eine ausreichende Problemlösekompetenz für alle möglichen künftigen Aufgaben und deren Bewältigung aufzubauen.
Kritische Anmerkungen zum Konzept der „Lernenden Organisation“ Stellvertretend für die genannten Ansätze beschreibt Fees (2004) einen Wandel von der Einzelschule als letztrangigem Glied einer Behörde mit geringem Entscheidungsspielraum im Sinne eines bürokratischen Modells hin zu einer Lernenden Organisation. Insgesamt erscheint die Übernahme dieses Konzepts für die Schule als problematisch. Das Grundprinzip der Lernenden Organisation liegt in der Kopplung der individuellen Ebene mit der systemischen Ebene. Dabei wird davon ausgegangen, dass Mitarbeitende gemeinsame Ziele insgesamt übernehmen und die eigene Motivation auf dieses gemeinsame Ziel aller Beteiligten ausrichten. Senge (1996a) nennt dies Vision. Das Problem dabei stellt aus Sicht von Fees (2004: 17) Folgendes dar: "Der Ansatz der Lernenden Organisation bindet die Legitimität der gleichsinnigen Ausrichtung an die Legitimität der zentralen normativen Leitlinien". Dies wird insbesondere in Leitbildern und Schulprogrammen sichtbar. Solche Schulprogramme sind letztlich Grundwertekataloge und als solche zwar unverzichtbar; wie aber die praktische Umsetzung funktioniert, kann mit ihnen nicht festgelegt werden. Dies erzeugt hohe normative Sicherheit und doch bleibt die Lehrperson bei einzelnen Entscheidungen im pädagogischen Handlungsfeld letztlich, wie weiter oben ausgeführt, auf sich selbst verwiesen. „Liegt dem Konzept der ‚Lernenden Organisation’ eine hohe normative Geschlossenheit der Beteiligten zugrunde, wird die einzelne Lehrkraft bzw. das jeweils verantwortliche Team deshalb jedoch nicht der Pflicht entbunden, selbst die Zulässigkeit ihrer Handlungen bzw. den Vorgaben zu überprüfen“ (a.a.O.: 18). Fraglich ist auch, ob Organisationen überhaupt lernen können – „wenn ‚Frau Müller’ gelernt hat, heißt das noch lange nicht, dass ‚Herr Meier’ auch gelernt hat“ (ebd.). "Denn lernen können in einer Organisation nur Personen, nicht etwa die Organisation als solche, weshalb man dort von einem ‚Lernen in Organisationen’ spricht" (ebd.). Das Konzept der Lernenden Organisation ist mit pädagogischen Intentionen unvereinbar, weil es Geschlossenheit impliziert und mit den Konstitutionsprinzipien einer öffentlich-rechtlichen Institution, wie dies die Schule darstellt, kollidiert. Zudem kann diese Geschlossenheit in letzter Konsequenz in Zwang umschlagen und ist somit nicht geeignet ist, auf eine heterogene, pluralistische Lebenswelt vorzubereiten. Legitim ist es aus Sicht von Fees (2004) höchstens, den Begriff der Lernenden Organisation metaphorisch zu verwenden. "Wird freilich der Status der Metapher überschritten, eine Schule oder Teile des Schulsystems real in den Status der Lernenden Organisation erhoben, so werden die Möglichkeiten dieser Metapher überdehnt. Faktisch gibt es keine Lernenden Organisationen, sondern bestenfalls lernende Menschen in Organisationen" (a.a.O: 21).
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3.1.4 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde Schule in ihrer Entwicklungslogik dargestellt. Ausgehend von organisationstheoretischen Ansätzen haben wir ausgeführt, wie die Einzelschule als Organisation aufgefasst werden kann. Weiter wurde dargestellt, über welche Prozesse Entwicklungen in der Organisation Schule angestoßen werden und welche Verlaufsdynamik sie in der Regel annehmen. Diese Einzelschule ist, was die Form angeht, relativ einfach strukturiert, sie ist jedoch eine hochkomplexe Organisation, sobald man die sozialen und emotionalen Aspekte betrachtet (vgl. Krainz-Dürr 1999). So zeigt sich ein eher kompliziertes System von Regeln der Interaktion als allgemein geteilte objektive Strukturen, die diese Organisation Schule beschreiben würden (vgl. Rolff 1991a, 1993). Ob Schulen in ihrer aktuellen Organisationsform Veränderungen nachhaltig einleiten und umsetzen können, bleibt somit noch offen. Mintzberg (1991) äußert sich skeptisch über das Veränderungspotenzial von solch „professionellen Organisationen“. Entscheidend ist, wie sich die Schule und deren einzelne Mitglieder mit ihrer Umwelt auseinandersetzen, um ihre Innensicht ergänzen und ihren Berufsauftrag passend umsetzen zu können. Die Schule muss so eher als „lebendiges“ System denn als formale Bürokratie verstanden werden. Dies zeichnet die Komplexität im Sozialen und Kulturellen des Systems Schule aus. Somit rückt ein Umgang mit Veränderungen ins Zentrum, der sich auf der Basis von teamartiger Kooperation eines Kollegiums ständig weiterentwickelt und zu Kompetenzen in eben diesem Umgang führt. Lernen in Organisationen wird wichtig. Organisationales Lernen stellt dann die Fähigkeit einer Institution dar, als Ganzes Fehler zu entdecken, diese zu korrigieren und die gemeinsame Basis von Werten, Normen und Wissen zu verändern. Dies ist auch der Unterschied zu den individuellen Lernkonzepten. Die Folge davon ist eine neue Problemlöse- und Handlungsfähigkeit. Organisationales Lernen findet gemäß Argyris & Schön erst dann statt, wenn der Prozess der Fehlerkorrektur in diskursiver Form zwischen den betroffenen Organisationsmitgliedern abläuft und es zu einer institutionalisierten Form von veränderten Verfahrens- und Handlungsweisen kommt. Es wird deutlich, dass es zwei prinzipielle Träger von organisationalem Lernen gibt: die Organisationsmitglieder als Individuen sowie Wissensspeichersysteme in der Organisation. Ohne lernende Personen vermag eine Organisation nicht zu lernen, sie ist auf ihre lernenden Individuen angewiesen. Trotzdem ist ein Organisationsgedächtnis etwas anderes als ein Einzelgedächtnis. Lernt ein Kollegium zum Beispiel, sich und der Schule Richtlinien zu geben und bisher vorhandene Schulhausregeln zu verändern, so überschreitet dies den Bereich individuellen Lernens. Dies ist über teamartige Kooperation unter den Organisationsmitgliedern zu erreichen, da es um die Erhöhung der Problemlösekapazität und die Ausbildung von Problemlösekompetenz der ganzen Schule geht. Konzepte des Team-Lernens und der Personalentwicklung werden wichtige Bestandteile für die Ausgestaltung einer Lernenden Schule. In Schulen werden immer wieder Änderungen vorgenommen, Projekte angegangen, und man muss sich mit veränderten Bedürfnissen auseinandersetzen und auf gesellschaftliche Veränderungen eingehen (z.B. die Entwicklung des Computers seit den 80er-Jahren des letzten Jahrhunderts). Das Schulsystem steht in einem Prozess und niemals still und somit kann man sagen: „Schulentwicklung fokussiert den Prozesscharakter des Schulsystems“ (Szaday, Büeler & Favre 1996: 90). Als Quintessenz dieser Ausführungen kann festgehalten werden, dass Schulen nicht als statisch-bürokratische Organisationen, sondern als sich dynamisch entwickelnde Systeme im Sinne Lernender Organisationen zu verstehen sind, 66
dass die damit einhergehenden Entwicklungsprozesse aber nicht einer Automatik gehorchen, sondern Ergebnis nachhaltigen Lernens, sowohl auf Ebene des Kollektivs wie auch des Individuums sind, dass genannte Entwicklungs- und Lernprozesse der Sicherung und Entwicklung schulischer und unterrichtlicher Qualität im Dienste nachhaltigen schülerseitigen Lernens dienen und dass für die beteiligten Lehrpersonen damit Prozesse der Teambildung und Kooperation verstärkt in den Blick rücken.
3.2 Qualitätsmanagement, Schulkultur, Educational Governance – drei Konzepte, welche Schulqualität und -entwicklung in je verschiedener Weise beschreiben Zu dem im vorangegangenen und aktuellen Kapitel postulierten Verständnis von Schulqualität als Ko-Produktion und Transformation als Basis vielfältiger Entwicklungsprozesse im Sinne Lernender Schulen haben sich in den vergangenen Jahren Begrifflichkeiten, Konzeptionen und Forschungszweige entwickelt, welche in der Folge näher erörtert werden. Dazu gehört das Qualitätsmanagement als Ansatz zur Sicherung und Entwicklung von Qualität an Schulen. Educational Governance wird als Ansatz verstanden, welcher das Koordinationsgeschehen der unterschiedlichen Akteure im Rahmen schulischer Entwicklungsprozesse umschreibt. Dagegen beschreibt das Konzept der Schulkultur die für die Schulentwicklung wichtige Bewährungsdynamik. Alle drei Ansätze sollen ferner im Hinblick auf das dieser Arbeit zugrunde liegende Forschungsinteresse dargestellt werden.
3.2.1 Qualitätsmanagement, Qualitätssicherung, interne und externe Evaluation Gerade dynamische Konzeptionen, wie sie mit der Vorstellung von Qualität als Transformation (Harvey & Green 2000) einhergehen, bedingen eine aktive Pflege von Qualität. Wie in den vorangegangenen Abschnitten detailliert beschrieben, wurden in den vergangenen Jahren Ansätze aus der Organisationsentwicklung für Zwecke der Schulentwicklung adaptiert. Unter dem Begriff des „Change Managements“ wurden idealtypische Prozessverläufe postuliert, welche von einer erkennbaren Wandlungsbereitschaft in einer Organisation ausgehen und sequenziert sind in Phasen der Initialisierung, der Konzipierung, der Mobilisierung, der Umsetzung und der Verfestigung der Erneuerung (vgl. Krüger 2002). Wie ebenfalls festgestellt, handelt es sich bei Schulen jedoch um besondere Organisationen, nicht zuletzt, weil sie als professionelles Handlungsfeld nur bedingt Vergleiche mit anderen sozialen Organisationen zulassen. Zudem ist ein Change Management für eine Bildungseinrichtung nur bedingt eine Herausforderung, gilt es doch zu beachten, dass die Qualitätsfrage hier abgekoppelt erscheint von der Existenz der Organisation und der Mitarbeiter in dieser Organisation (Brohm 2004). Während etwa privatwirtschaftlich strukturierte Unternehmen auf einen im Dienste der Qualitätsentwicklung stehenden Wandel angewiesen sind, um in einem freien Wettbewerb bestehen zu können, spielt dies für Schulen aus verschiedenen und leicht nachvollziehbaren Gründen keine entscheidende Rolle. Entsprechend ist das Verhältnis zwischen Pädagogik und Organisationsentwicklung eher ein getrübtes: Das Individuum werde in Organisationen zu wenig berücksichtigt, zumal häufig eine Anlehnung an systemtheoretische Funktionsmodelle erfolge, welche Reiz67
Reaktions-Mechanismen suggerierten (Brohm 2004). Dies, obwohl die damit gemeinten älteren sozio-technischen Ansätze in der heutigen Ökonomie eigentlich keine große Bedeutung mehr haben und derzeit generell eine mehrdimensionale Sicht als Basis für die Qualitätsentwicklung in einer Organisation bestimmend ist (ebd.). Galiläer (2005: 236 f.) bringt dieses spannungsvolle Verhältnis folgendermaßen auf den Punkt: Der Grundgedanke des Qualitätsmanagements ist die systematische und regelmäßige Betrachtung und Ausrichtung aller Elemente der Planung, Durchführung/Produktion, Distribution etc. ausgehend von den Zielen der Organisation und den ex ante festzulegenden Eigenschaften der Produkte bzw. Dienstleistungen. Qualitätsmanagementverfahren beinhalten somit den Anspruch, die Qualität der Produkte zu erhöhen oder zumindest eine festgelegte Beschaffenheit zu gewährleisten. Im Falle der pädagogischen Dienstleistungen erinnert dies allerdings in fataler Weise an die Luhmannschen Überlegungen zur Funktionalität von Verfahren im Rechtssystem (1978). Diese lassen sich so zusammenfassen, dass die Verfahren (des Rechtssystems) selbst die Herstellung bzw. Gewährleistung der „eigentlichen“ Sache (i.e. Gerechtigkeit) nicht garantieren können, aber durch ihre korrekte Anwendung die dabei zustande kommenden Ergebnisse (Rechtsurteile) legitimieren.
Begrifflichkeiten Qualitätsmanagement (in der Folge der Einfachheit halber mit dem Kürzel „QM“ bezeichnet) wird bei Dubs (1998: 100) verstanden als „…systematisch eingesetzte Verfahren, mit denen ihre Qualität [die Qualität der Schule, Anm. d. Verf.] verbessert und gesichert wird.“ QM trifft bei den involvierten Akteuren an der Basis auf Vorbehalte. Insbesondere nennt dieser Autor in einem Übersichtsartikel folgende Bedenken gegenüber QM: QM leite Schulen in eine falsche Richtung, weil ausschließlich Schulleistungen erfasst und wichtige Erziehungsziele vernachlässigt würden; der Aufwand für QM sei zu groß und es sei fraglich, ob er zu einer tatsächlichen Qualitätsverbesserung an einer Schule führe; über QM werde Druck von den Schulbehörden und Medien auf die Schulen ausgeübt. Evaluationsergebnisse führten zu Zerrbildern, weil nicht alle Schulen dieselben sozioökonomischen Voraussetzungen aufwiesen; viele Lehrpersonen würden im Laufe des QM Motivationsverluste erfahren; QM führe für die LP zu einer erneuten Erweiterung ausserunterrichtlicher Aufgaben und Lehrpersonen lehnten QM deshalb ab, weil es überstürzt eingeführt worden sei und zu laufenden Kurskorrekturen führe. Im Wesentlichen bringen diese Befürchtungen zum Ausdruck, dass die betroffenen Akteure von einer top-down geführten Installation von QM ausgehen, welche zusätzlich zu den bestehenden und laufenden Aktivitäten einer Schule hinzugefügt wird. Die in den vergangenen Jahren nachhaltig geführte Diskussion um Qualität in Schule und Bildung zeigt jedoch, dass im Zuge des Paradigmenwechsels hin zu verstärkter Autonomie der einzelnen Schule eine partizipative Qualitätsverantwortung verlangt wird, dass sich Qualität in hohem Masse auf die ablaufenden Prozesse bezieht und dass Betroffene in dieser Sichtweise als Kunden gesehen werden, welche mit der Qualität von Prozessen und Produkten mehr oder weniger zufrieden sein und dies auch zum Ausdruck bringen können (Gonon et al. 1999). 68
Entsprechend sind folgende Merkmale essentielle Bestandteile eines neuen Verständnisses schulischer Qualität und deren Pflege: eine umfassende Betrachtungsweise, Kundenorientierung, der Einbezug möglichst aller Beteiligter, datenorientierte Feedbacks und Evaluationen, umfassende Dokumentation sämtlicher Prozesse, kontinuierliche Fehlerelimination, qualifizierte Mitarbeitende.
Input
Prozess
Kontext der Schule Lehrkräfte Schülerinnen und Schüler …
Inputqualitäten oder Inputvariablen
Abbildung 8:
Unterrichtsgestalt ung Führung der Schule …
Prozessqualitäten oder Prozessvariablen
Output Outputs (Schülerleistung, Selbstkonzept bei Schülerinnen und Schülern, usw.) Outcomes (Erfolg an fortführenden Schulen, Berufsund Lebenserfolge) …
Produktqualitäten oder Produktvariablen
Input-Prozess-Output-Modell (Darstellung aus Dubs 2005)
Insgesamt wird somit klar, dass Qualität und der Umgang mit ihr als anspruchsvolle Managementaufgabe verstanden werden müssen. Dubs (1998) betont die Komplexität dieses Ansatzes und verweist in seinem Übersichtsartikel zur Thematik sowohl auf die Mehrebenencharakteristik des Bildungswesens als auch auf die Mehrperspektivität. Abbildung 8 zeigt die zugrunde liegende Modellvorstellung, welche im Wesentlichen der aus anderem Zusammenhang bekannten Prozesslogik folgt. Fundamental ist die Unterscheidung zwischen intern und extern konzipiertem QM: Intern konzipiertes QM setzt bei der Verpflichtung der Schulen zur Selbstverantwortung an und ist dadurch charakterisiert, dass die zu evaluierenden Schulbereiche von der Schule und ihrer Leitung ebenso bestimmt werden, wie in der Folge Methoden, Datenerhebung, Analyse und die anschließende Bestimmung von Schulentwicklungsmaßnahmen.
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Beim extern konzipierten QM werden in der Regel Ergebnisse des internen QM als Grundlage für eine durch Dritte (z.B. Schulbehörde oder Spezialisten) durchgeführte Fremdevaluation der Schule genommen (Dubs 1998 & 2005).
Wenn auch die Schritte in beiden Verfahren in etwa dieselben sind, bleibt doch unübersehbar, dass mit der Verwendung beider Ansätze eine Gratwanderung zwischen Kontroll- und Evaluationsparadigma vorgenommen werden muss: Das Kontrollparadigma geht von einem statischen Systemumfeld aus, in welchem es längerfristige Qualitäten gibt, die kontrolliert werden müssen, um festzustellen, ob die vorgegebenen Qualitäten eingehalten werden. Ist dies nicht der Fall, so interveniert eine zuständige Instanz. Das Evaluationsparadigma geht von einem dynamischen Systemumfeld aus, in welchem dauernde Anpassungen nötig sind, so dass es keine längerfristig gültigen Qualitäten geben kann. Deshalb sind intern gesteuerte Evaluationsprozesse anzustreben, und Verbesserungen sind selbstbestimmt durch organisationales Lernen herbeizuführen (Dubs 1998: 174).
Abbildung 9 zeigt die verschiedenen Formen des QM und die jeweiligen Zuständigkeiten. Form des QM
Verantwortung
Ziel
Intern konzipiertes QM mit Selbstevaluation
Schulleitung
Überwachung der Qualitätsentwicklung und allfällige Schulentwicklungsmassnahmen
Metaevaluation
Schulbehörde oder Schulaufsicht
Überwachung des intern konzipierten QM
Übergeordnete Schulbehörde oder von ihr beauftragte Institutionen
Überprüfung der Qualität zur Rechenschaftslegung zur Systembeeinflussung zur Systemsteuerung Systemvergleich
Externes QM Fremdevaluation
Abbildung 9:
mit
Formen von QM (nach Dubs 2005: 470)
Die unterschiedlichen Zielsetzungen verdeutlichen jedoch auch, dass für wirkungsvolle Qualitätsentwicklung beide Elemente – externes wie internes QM – notwendig sind. Als sinnvolles Bindeglied erweist sich die Metaevaluation, indem sie überprüft, ob das von den Schulen selbst entwickelte QM auch zweckmäßig ist und zu sinnvollen Schulentwicklungsmaßnahmen führt (Dubs 2005). Im Wesentlichen umfasst ein intern konzipiertes QM folgende Schritte (ebd.): Der Anstoß des Prozesses erfolgt in der Regel durch die Schulleitung, indem eine Analyse der Gegebenheiten vorgenommen wird. Danach werden in einer Konferenz alle am QM beteiligten Kreise (Lehrpersonen, Schulaufsicht, Eltern und weitere Akteure) über Absichten und Möglichkeiten des Vorgehens informiert. Die Lehrerkonferenz entscheidet in der Folge über die Vorgehensweise. Auf dieser Basis wird ein QM-Konzept erarbeitet und der Lehrerschaft beantragt. Die Konferenz genehmigt schließlich das QM-Konzept. 70
Qualitätssicherungssysteme Förderlich für die Verbreitung von QM war in den vergangenen Jahren aber nicht nur ein gewandeltes kollektives Verständnis von Qualität, sondern auch eine vielerorts veränderte Gesetzgebung, durch welche die Schulen zunehmend zur Qualitätsentwicklung und sicherung verpflichtet werden und dabei über beide Formen der Evaluation Informationen erzeugen müssen (z.B. Kanton Zürich 2005). Entsprechend sind im Verlaufe der letzten zwanzig Jahre Qualitätssicherungssysteme entwickelt worden, welche zum Teil aus dem Dienstleistungsbereich für die Schule adaptiert oder speziell für diese entwickelt worden sind. Gonon et al. (1999) nennen insbesondere folgende Qualitätssysteme: ISO 9000 ff.: ISO steht als Kürzel für „International Organization for Standardization“, welche Normsysteme für verschiedenste Produktions- und Dienstleistungsbereiche erstellt; die Normenreihe ISO 9000 ff. soll Bildungsinstitutionen beim Aufbau eines QM-Systems helfen. In einer Vorbereitungsphase werden anhand des Schulleitbildes und der Darstellung der unterschiedlichen Abläufe sowie mit Hilfe einer Checkliste zwischen der Ist-Situation der Schule und der ISO-Norm die Entwicklungsbereiche festgestellt. In der nachfolgenden Dokumentationphase „…geschieht die eigentliche Erarbeitung des Qualitätssystems, indem die Aufbau- und Ablauforganisation zur Darstellung gebracht werden“ (Gonon et al. 1999: 19). Schließlich wird die Zertifizierung in einer Validierungsphase vorgenommen. Sogenannte Routine- und WiederholungsAudits sollen den angelaufenen Verbesserungsprozess sichern und in Gang halten. EFQM (European Foundation for Quality Management/European Quality Award): Dieser Total-Quality-Ansatz geht davon aus, dass in jedem Betrieb insgesamt neun Befähiger- und Ergebnis-Faktoren vorhanden sein müssen, um ein erfolgreiches Funktionieren des Unternehmens zu garantieren. Die jeweilige Schule hat diese neun Kriterien für sich zu spezifizieren, passende Indikatoren zu erstellen und ein SelfAssessment durchzuführen, welches wiederum Basis für die anschließenden Verbesserungsprozesse ist (ebd.). ProMES (Productivity Measurement and Enhancement System): Dieses aus den USA stammende System ist als Leitfaden zur Erstellung maßgeschneiderter Selbstevaluation zu verstehen. Es sieht folgende Schritte vor: Zuerst wird eine Gruppe gebildet, welche die Erarbeitung des Messsystems vornehmen soll. Weiter werden die Lehrpersonen einer Schule aufgefordert, sämtliche Aktivitäten aufzulisten, welche den Arbeitsalltag ausmachen, um anschließend für die identifizierten Aufgabenbereiche Messindikatoren zu ermitteln. Sodann wird mit Hilfe dieser Indikatoren und den dazugehörigen Bewertungshilfen die Messung durchgeführt. In einem letzten Schritt wird das Messsystem laufend überprüft und neu angepasst (ebd.). FQS (Formatives Qualitätsevaluations-System): Als ein in der Schweiz als Alternative zu lohnwirksamen Qualifikationssystemen für Lehrpersonen entwickeltes System will FQS die Lehrpersonen in Bildungsinstitutionen ermächtigen, „…die Qualitätsprüfung und -förderung für die Schule selbst zu übernehmen“ (a.a.O.: 46). Neben den aus den vorherigen Konzepten bekannten und mit diesen vergleichbaren Planungs- und Vorgehensschritten umfasst FQS vier spezifische Strukturelemente, bestehend aus einer Steuergruppe, Feedback- oder Hospitationsgruppen, welche jeweils 4-6 Lehrpersonen umfassen, einem sämtliche Lehrpersonen umfassenden FQS-Konvent und zeitlich beschränkten Projektgruppen für Gesamtqualitätsrecherchen (ebd.). 2Q (Qualität und Qualifizierung): Auch dieses Modell wurde speziell für schulische Zwecke entwickelt, indem in erster Linie die didaktischen Entwicklungsbedürfnisse 71
festgelegt werden und die einzelnen Lehrpersonen daraus ein mögliches Entwicklungsziel ableiten. Dieses wird im Mitarbeitergespräch mit der Schulleitung besprochen und seine Erreichung nach Ablauf eines vereinbarten Zeitraums überprüft. Damit entspricht es im Wesentlichen vielen anderen Ansätzen zur Mitarbeiterbeurteilung, allerdings mit dem wesentlichen Unterschied, dass die Entwicklungsziele der individuellen Gestaltung unterworfen sind (ebd.). Q2E (Qualität durch Evaluation und Entwicklung): Dieser ebenfalls in der Schweiz entwickelte, noch relativ junge Ansatz bezieht sich auch primär auf schulische Qualitätsentwicklung. Unter Berücksichtigung des für Schule und Unterricht spezifischen Qualitätsverständnisses wird ein Mehrkomponentenmodell postuliert, das von einem schulischen Qualitätsleitbild ausgeht. Dieses bildet die Grundlage für die Erarbeitung von Instrumenten und datengestützter Evaluation, von Feedbackinstrumenten und von Mitarbeitergesprächen. Ebenso ist es Maßstab für externe Evaluationen und für die Festlegung von Entwicklungsschwerpunkten. Die weiteren Komponenten sind: Individualfeedback, Selbstevaluation der Schule, die Steuerung der Qualitätsentwicklung durch die Schulleitung, eine der Validierung der internen Evaluation dienende externe Evaluation und die (fakultative) Q2E-Zertifizierung, mit der die Schule gegen außen den Aufbau ihres QM dokumentieren kann (Landwehr & Steiner 2003).
Daneben bestehen zahlreiche weitere vergleichbare Konzepte. Welche Ansätze sich durchsetzen werden, ist nicht zuletzt davon abhängig, inwieweit auf der Makroebene verpflichtende Auflagen zur Qualitätssicherung gemacht werden, welche die Verwendung eines bestimmten Qualitätssystems favorisieren, oder ob Dienstleistungserbringer einen bestimmten Ansatz priorisieren. So etwa arbeitet die Interkantonale Fachstelle für Externe Schulevaluation auf der Sekundarstufe II (IFES, o.J.), welche für die externe Evaluation von fünf Schulen dieser Stichprobe verantwortlich zeichnet, vorzugsweise mit Q2E als Bezugsrahmen für die Metaevaluation des QM (IFES, o.J.).
Wirkungen und Entwicklung Ob ein Qualitätssystem erfolgreich ist, hängt unter anderem davon ab, welches Qualitätsverständnis dem Ansatz zugrunde liegt, ob die berücksichtigten Schwerpunkte für die Schul- und Unterrichtsqualität relevant sind oder nicht, ob es eine eingehende Reflexion des Ist-Zustandes – und damit zusammenhängend: eine Entwicklungsfunktion – ermöglicht. Letztlich muss es aber auch aufwandmässig realisierbar bleiben und sich kompatibel mit den örtlichen schulischen Rahmenbedingungen erweisen (Gonon et al. 1999). Auch für Scheerens et al. (2003) hängt die Praktikabilität von Evaluation davon ab, ob es gelingt Evaluationsverfahren nicht nur als singuläre Prozesse für bestimmte Programme, sondern als Teil eines umfassenden Steuerungssystems einzuführen und auch zu nutzen, auf der Basis von Evaluation Lernprozesse auszulösen und in Gang zu halten, welche dem Anspruch feedbackgesteuerten Lernens genügen, verschiedene Arten der empirischen Erhebung und Datenquellen, welche auch unterschiedlichen Zwecken dienen, einzubeziehen und weiter, dass mit einem theoretischen Rahmenmodell gearbeitet wird, welches erlaubt, Input-, Prozess- und Outputaspekte sinnvoll zueinander in Relation zu setzen. Zu Wirkungen von Qualitätssystemen zeigt sich eine schmale Befundlage. In den meisten Fällen, in denen empirische Ergebnisse vorliegen, handelt es sich um relativ breit gefasste 72
Konzeptionen von Lernenden Schulen in der Folge veränderter Steuerung respektive (Teil-) Autonomie. Die wenigen Ergebnisse ergeben zudem ein recht ambivalentes Bild. Ekholm (1997) etwa fand zwar Einstellungsveränderungen bei Lehrpersonen und dem Schulleitungspersonal im Zuge der Einführung neuer Steuerung, aber keine Veränderungen bezüglich der effektiven Arbeitsroutinen und der Arbeitskultur. Eine von Maag Merki & Büeler (2002) durchgeführte Metaanalyse evaluierter Schulreformprojekte aus verschiedenen Schweizer Kantonen ergibt, dass strukturelle Reformen wohl mit Wirkungen in Team- und Organisationskultur und teilweise auch im Unterrichtsbereich einhergehen, dass aber insgesamt keine Aussagen hinsichtlich der Auswirkungen veränderter Steuerungspraxis auf die Schülerleistungen machbar sind. PISA 2000 zeigte schwache positive Zusammenhänge zwischen diversen Aspekten schulischer Autonomie und den von den Lernenden erbrachten Leistungen (OECD 2001). In einer australischen Studie fanden Silins & Mulford (2004) einen Zusammenhang zwischen Schulen, welche den Charakter Lernender Organisationen aufweisen, und der Zufriedenheit von Lehrpersonen als auch der Professionalität im Team. Diese beiden Aspekte wirkten sich gemäß den Forschenden positiv auf Partizipation und Engagement von Lernenden im Unterricht aus. Indirekt scheint hier also ein Effekt zwischen der Steuerungsform und den Lernleistungen zu bestehen. Maag Merki (2005: 8) kommt in einer Übersicht zum Schluss, dass insgesamt fundierte Kenntnisse dazu fehlen, „…wie sich strukturell-organisatorische Reformen auf die Leistungen der Schüler/innen auswirken.“ Weiter weist die Autorin auf die Notwendigkeit hin, dass die Entwicklung der Organisation lediglich Teil eines umfassenden Ansatzes zur Schulentwicklung sein könne, bei dem nicht zuletzt auch der Professionalisierungsgrad der Einzelschule zu berücksichtigen sei (a.a.O.: 9 ff.). Die Befundlage ist also eher dürftig, entsprechend ergeben sich Desiderate, welche Elemente QM insbesondere zu berücksichtigen habe. So postuliert etwa Lüders (1998: 86) die Betonung des Aspekts der Professionalisierung von Lehrpersonen: „Es hängt von der professionellen Kompetenz der Lehrerinnen und Lehrer ab, ob sich eine Schule zunächst programmatisch und dann auch pädagogisch effektiv auf die Bedürfnisse ihrer Klientel, auf heterogene Problemlagen und neue Herausforderungen einstellen kann oder nicht.“ Klieme (2005a: 59) betont die Notwendigkeit der Kombination von qualitätssichernden Maßnahmen im beschriebenen Sinne und Lernerfolgsmessungen, um eine aussagekräftige Basis für Forschung und Evaluation erhalten zu können: Erst wenn Ausgangs- und Rahmenbedingungen (Input), Prozessmerkmale auf Schul- und Unterrichtsebene und Ergebnisse (vor allem schulische Leistungen) zusammengebracht werden, erhält die Schule das Feedback, das sie braucht, um sich als ‚lernende Organisation’ weiter zu entwickeln. Dabei ist die Verbindung von internen und externen Evaluationen besonders fruchtbar, wobei die Qualitätskriterien breit gefasst werden sollten (neben kognitiven auch nicht-kognitive ‚Ergebnisse’ sowie Prozessmerkmale). Die Bewertung der erfassten Daten ist dabei an sozialen, ipsativen und vor allem kriteriumsorientierten Maßstäben unter Berücksichtigung von Rahmenbedingungen und Eingangsvoraussetzungen der untersuchten Schüler/innen vorzunehmen.
Im Zuge etwa der in Deutschland schon erfolgten und für die Schweiz geplanten Einführung von Bildungsstandards werden standardisierte Leistungstests in den Hauptfächern zum Einsatz kommen, um systematische Daten über den Output in Form von Lernleistungen zu erhalten. Damit wird gewissermaßen ein „Gegengewicht“ zu einer autonomen, sich vorwiegend aufgrund von Selbstwahrnehmungen zur Schulqualität entwickelnden Schule postuliert. Gleichzeitig macht diese weitere Paradigmenverschiebung in Richtung Steuerung des Bildungswesens über seinen Output auch deutlich, dass es gleichzeitig der umfassenden 73
Selbst- und Fremdevaluation im Sinne eines seriös betriebenen und fortlaufenden QM bedarf, welches im beschriebenen Sinne Prozessdaten erzeugen und darauf basierende Innovationen ermöglichen kann. Weil für sämtliche Schulen, welche sich an der vorliegenden Untersuchung beteiligt haben, die Verpflichtung zum QM besteht, wurde dieses in der qualitativen Nachuntersuchung umfassend thematisiert. Insbesondere interessierte, ob und in welchem Ausmaß QM zu einem selbstverständlichen Teil der professionellen Reflexion der befragten Akteure geworden ist. Davon ausgehend ist im Weiteren wichtig, ob auch Maßnahmen eingeleitet worden sind, von denen begründet erwartet werden darf, dass sie zur Sicherung und Entwicklung schulischer und unterrichtlicher Qualität beitragen.
Kritische Anmerkungen Vor dem Hintergrund des Konzepts des „Neo-Institutionalismus“ betrachtet Schaefers (2002) QM-Konzepte insgesamt eher kritisch. Sie postuliert, dass die Aufnahme neuer Strukturelemente weniger das Ergebnis von Effizienzanforderungen sei, als vielmehr der Versuch, die Formalstruktur an den geglaubten Regeln und Erwartungen der Gesellschaft ausrichten zu wollen. Dabei spricht Schaefers von „Rationalitätsmythen“ (2002: 840), welche in den gesellschaftlichen Umwelten institutionalisiert sind. Diese Rationalitätsmythen werden aufgegriffen und die einzelne Organisation versucht sie zur Geltung zu bringen, um ihre Legitimität zu sichern. Es wird Isomorphie hergestellt; dadurch werden sich Umwelt und Organisation in ihrer Struktur ähnlicher. Diese Isomorphie wird über folgende Mechanismen hergestellt (Di Maggio & Powell 1991): Isomorphie durch Zwang (coercive isomorphism), z.B. durch staatliche Vorgaben (Gesetze, Reglemente), Isomorphie durch normativen Druck (normative isomorphism), z.B. durch Professionen (Orientierungsrahmen mit normativer Bindung wie Standesregeln), Isomorphie durch Unsicherheit (mimetic isomorphism), z.B. Unklarheit über UrsacheWirkungs-Zusammenhänge und Technologiedefizit. Unter Wettbewerbsbedingungen wird insbesondere ‚mimetic isomorphism’ besonders wichtig, weil die Organisationen sich aus eigener Ungewissheit an erfolgreichen Konzepten und Modellen anderer orientieren. Ein Beispiel dafür ist die Institutionalisierung von neuen Steuerungskonzepten, die eine mehr oder weniger ausgeprägte erfolgreiche Verbreitung erfahren haben, wie QM, die Verankerung des Konzeptes der „Lernenden Organisation“ sowie der Zwang zur Entwicklung von Leitbildern und Schulprogrammen. Weiter besteht – wie an anderer Stelle ausgeführt – in Bezug auf Schulen als Organisationen das Prinzip der losen Koppelung (Lortie 1975; Meyer & Rowan 1991). Es ist daher zu vermuten, dass Reformvorgaben lediglich symbolischen Niederschlag in der formalen Struktur finden und extern und intern zeremoniell zur Geltung gebracht werden (z.B. Präsentation des Schulprogramms, Homepage etc.). Auch das weiter oben ausgeführte Technologiedefizit an Schulen bewirkt Unsicherheit und fördert so das Auftreten mimetischer Prozesse (vgl. Schaefers 2002: 847). Die Übernahme von Rationalitätsmythen (durch demonstrative Einführung rationaler und moderner Organisationselemente, wie dies das Konzept des QM und der Qualitätssicherungssysteme darstellen) verspricht die nötige Anerkennung bei Politik und Administration (a.a.O.: 848). Durch die neo-institutionalistische Perspektive lässt sich laut Schaefers (2002) eine Erklärung formulieren für die Adoption 74
von Reformvorhaben und Innovationskonzepten, welche unter dem Effizienzdruck, unter dem die Schulen heute stehen, noch verstärkt wird (a.a.O.: 850).
3.2.2 Educational Governance Im letzten Abschnitt war davon die Rede, dass mit der Einführung von Qualitätsmanagement als systematischem Verfahren zur Sicherung und Verbesserung schulischer Qualität ein Gegengewicht zu einer sich vollständig autonom und eigenständig entwickelnden Schule erzeugt werde. Altrichter & Heinrich (2005) unterscheiden diesbezüglich drei Phasen der Erneuerung des Schulsystems: Charakteristisch für die erste Phase ist eine Innovationsstrategie, welche in erster Linie Gestaltungsspielräume ermöglicht. Von den Schulen gewählte Optionen können, aber müssen nicht zwingend genutzt werden. In der zweiten Phase, wie sie hierzulande ab der zweiten Hälfte der Neunzigerjahre beobachtbar war, wird die Steuerung des Systems explizit thematisiert, indem Verbindlichkeiten erzeugt werden. So wurde von den Schulen etwa die Formulierung von Schulprogrammen verlangt oder die Implementierung von Selbst- und Fremdevaluation angestrebt und die Überprüfung meist in vertraglicher Form geregelt. In einer dritten Phase ist eine Akzentuierung in Richtung schulübergreifender Steuerelemente zu beobachten, indem aufgrund der vor allem in Deutschland desolaten PISA-Ergebnisse eine zentrale externe Kontrolle postuliert wurde. Unter Beibehaltung der teilautonomen Struktur mit Betonung der Gestaltungsfreiheit der Einzelschule wird eine outputorientierte Steuerung des gesamten Bildungssystems angestrebt. Der Kontext der vorliegenden Untersuchung – die Einführung von Qualitätsmanagement im Rahmen von Teilautonomie an den Zürcher Gymnasien – verdeutlicht dieses Phasenprinzip, indem von den beteiligten Schulen die verbindliche Erfüllung zahlreicher Auflagen, wie etwa die Durchführung interner und externer Evaluation, gefordert wird. Dies geschieht bekanntlich nicht aus dem Nichts heraus, hatten vor diesem Auftrag der Einführung von QM doch schon vielerorts verschiedene Ansätze zur Förderung von Qualität und Unterrichtsentwicklung bestanden, welche in dieser zweiten Phase in möglicherweise veränderter Form für obligatorisch erklärt wurden. Deutlich wird damit aber auch, dass in einem solchen Phasenmodell eine Vielzahl von Möglichkeiten unterschiedlicher Handlungsakte entsteht: Lehrpersonen und Schulleitungen können sich beispielsweise in ihrem Kurs bestätigt sehen und bestehende Entwicklungen kultivieren. Sie können sich aber auch in ihrer Selbstwirksamkeit und Intrinsität beeinträchtigt erleben und daraufhin zu bloßen Vollstreckern extern verordneter Regelungen werden. Oder aber sie können gar mit Verweigerung reagieren, weil die geforderten Entwicklungsschritte sie in ihrer individuellen oder kollektiven Lage und Befindlichkeit überfordern und bedrohen.
Begrifflichkeiten Aus diesen Entwicklungen heraus hat sich in der Schulentwicklung in den vergangenen Jahren mit dem Governancebegriff ein weiterer Konzeptimport etabliert. Heinrich (2007) plädiert den aus den Politik- und Sozialwissenschaften adaptierten Governancebegriff als 75
Betrachtungsweise, welche weniger als Theoriekonzept verstanden werden kann, denn als eine Sichtweise auf schulische Realität. Entsprechend umfassend fällt auch die Definition von Mayntz (2004: 66) aus, indem er Governance als „…das Gesamt aller nebeneinander bestehenden Formen der kollektiven Regelung gesellschaftlicher Sachverhalte: von der institutionalisierten zivilgesellschaftlichen Selbstregelung über verschiedene Formen des Zusammenwirkens staatlicher und privater Akteure bis hin zu hoheitlichem Handeln staatlicher Akteure…“ versteht. Damit sind die zentralen Begriffe der Governanceperspektive genannt (Brüsemeister & Kussau 2007): Akteure und Akteurkonstellation, Mehrebenensystem, Handlungskoordination. Kussau & Brüsemeister (2007) betonen unter dem Begriff „Governance“ vor allem die Beziehung zwischen Schule und Politik und charakterisieren diese als antagonistisch und zugleich kooperativ. An anderer Stelle verweisen dieselben Autoren auf das Potenzial der Governance-Perspektive, die Steuerungsthematik im Bildungswesen zu erfassen: „Gegenüber früheren ‚steuerungs’-theoretischen Zugriffsweisen erlaubt das Governance-Konzept eine umfassende Beschreibung und Analyse von Steuerungs- und Umstrukturierungsfragen im Bildungswesen, die sie als Probleme der Handlungskoordination zwischen Akteurkonstellationen in einem Mehrebenensystem analysiert“ (Brüsemeister & Kussau 2007: 2). Dabei sind mehr oder weniger optimale Koordinationsmöglichkeiten denkbar, welche sich in der Regel über internationale Vergleiche ermitteln lassen (Fend 2008). Zudem wird die Mehrebenencharakteristik des Bildungswesens prinzipiell immer mitgedacht. Brüsemeister (2004) nennt folgende ebenenspezifischen Entwicklungen im Bildungssystem: Auf der Makro-Ebene des Gesamtsystems ist ein staatlicher Rückzug bei gleichzeitig verstärktem Engagement hinsichtlich strategischer Zielsetzungen zu beobachten. Hintergrund dafür ist eine Steuerungsphilosophie, wie sie sich etwa mit der Einführung von New Public Management verbindet. Auf der Meso-Ebene der Einzelschule verbindet sich Governance mit den gewachsenen Entscheidungsbefugnissen der Einzelschule: „Die einzelne Schule wird zum verlängerten Arm des Staates und soll staatliche Ziele in einer operativen Autonomie durchsetzen“ (a.a.O. 192). Auf der Mikro-Ebene ist Governance durch das Rollenhandeln der Lehrpersonen und anderer Akteure in der Einzelschule charakterisiert: „Im Rahmen von Qualitätsmethoden kommt es zur strukturellen Aufwertung des Kollegiums, weg von einer ‚weichen’ Schulkultur, hin zu einer teambasierten kollektiven Entscheidungsinstanz einer als Qualitäts-Organisation erneuerten Schule. Die stärkere Beobachtung von Systemoutputs steht dabei mit der bisherigen Allgemeinzuständigkeit der einzelnen professionellen Lehrkraft in Konflikt“ (a.a.O.: 193). Entscheidend sind dabei immer Rolle und Verhalten der jeweils anderen Akteure, welche strukturelle Vorgaben und Möglichkeiten reproduzieren bzw. adaptieren. Educational Governance umschließt im Sinne einer wertneutralen Konzeption unterschiedliche sich ergebende Haltungen. Auch Blockadehaltungen einzelner Akteure können eine bestimmte Spielart darstellen (Heinrich 2007). Probleme ergeben sich jedoch dort, wo die Akteure auf den verschiedenen Ebenen unterschiedliche Handlungsorientierungen und Beliefs aufwei76
sen. Die große Herausforderung besteht darin, die je unterschiedlichen Handlungen zu koordinieren: „Komplexe Systeme sind dadurch charakterisierbar, dass Akteure, wollen sie Systemmitspieler bleiben, ihre Handlungen an jenen anderer Akteure ausrichten und dadurch das Problem der sozialen Interdependenz zu bewältigen suchen“ (Kussau & Brüsemeister 2007: 2). Entsprechend können Formen gelingender oder aber auch misslingender Handlungskoordination angenommen werden (Heinrich 2007). Nach Lange & Schimank (2004) wird Handeln dabei wahlweise über die drei Modi Beobachtung, Beeinflussung oder Verhandlung vermittelt. Während über wechselseitige Beobachtungen Handeln einseitig oder wechselseitig angepasst werden kann, kommen beim Modus der Beeinflussung Potenziale wie Geld, Macht, Wissen oder Emotionen ins Spiel. Demgegenüber ist für den Modus „Verhandlung“ zentral, dass Akteure Handlungsabstimmungen vornehmen. „Nur aus Verhandlungen zwischen Akteuren – auf der Basis wechselseitiger Beobachtungen und Beeinflussungen – können abgesprochene und nicht bloße auf der jederzeitigen Präsenz und Aktualisierbarkeit von Macht beruhende Handlungsabstimmungen hervorgehen, Hierarchie ersetzt in diesem Sinne Gewaltausübung durch Legitimitätsglauben – niemals vollständig, aber doch in erheblichem Masse. Und dieser Glauben erwächst nicht zuletzt daraus, dass in Verhandlungen beide Seiten die je eigene Position darlegen und damit ungeachtet des Ergebnisses vor anderen, vor allem aber vor sich selbst, ihr Gesicht wahren können“ (a.a.O, 2004: 22). Verhandlungen bieten somit den Vorteil der Konsensualität, welche aber oft über lange Entscheidungsfindungsprozesse erkauft werden muss und damit Innovationen tendenziell zuwiderläuft (ebd.). Trotzdem genießt das Verhandlungsprinzip in der Schulentwicklung derzeit etliche Popularität, welche es vor allem den Schwierigkeiten verdankt, die sich im Zuge der Implementation von Steuerungsmodellen, wie etwa demjenigen des New Public Managements ergeben (ebd.). Hier muss immer auch das von Kussau & Brüsemeister (2007) thematisierte antagonistische Verhältnis zwischen Schule und Politik mitbedacht werden, da sich das System Schule traditionell gegen administrative Steuerung sträubt und sich als Sonderfall darzustellen versucht, während staatliche Politik jedoch die Anerkennung dieses Sonderfalls verweigert. Educational Governance als „Sichtweise auf die Realität“ (Heinrich 2007: 40) betont die wechselseitige Angewiesenheit dieser beiden Systeme und will soziale Mechanismen des Zusammen-, Gegeneinander- und Parallelwirkens beschreiben und aufklären: „Mit dem Governancekonzept beobachten und erklären wir ansatzweise, wie die zwei verschiedenen, in sich differenzierten Akteur-‚Kompositionen’ – die in einer wechselseitigen Abhängigkeitsbeziehung zueinander stehen und sich in ihrer Unterschiedlichkeit und den entsprechenden Leistungsbeiträgen ergänzen, konkurrenzieren, indifferent bleiben oder sogar behindern – das kollektive Gut Schule herstellen“ (Kussau & Brüsemeister 2007: 12).
Wirkungen Empirische Befunde zu Wirkungen jeweils unterschiedlicher Akteurkonstellationen sind selten. Fend (2008) vergleicht die OECD-Daten von sechs verschiedenen Ländern (Australien, Kanada, Finnland, Großbritannien, Deutschland und der Schweiz) hinsichtlich der Wirkung von Lehrer- und Schulautonomie auf die Lesekompetenz. Als Grundlage für die Einschätzung der beiden Autonomien wurden die Angaben aus Schulleitungsbefragungen verwendet. Allerdings konnte auf diese Weise kein konsistentes Muster ermittelt werden: Während etwa in Kanada die Leseleistungen zunehmen, wenn Lehrerautonomie und Schulautonomie erhöht werden, zeigt sich in Deutschland eine gegenteilige Tendenz. In Finnland 77
steigt die Leseleistung lediglich an, wenn die Lehrerautonomie erhöht wird und sinkt dagegen bei einer verstärkten Schulautonomie. Der Autor kommt nach eingehender Analyse der verschiedenen Systemkonfigurationen zum Schluss, dass es schwierig sei, eine ideale Konfiguration festzustellen und „…dass ganz unterschiedliche Maßnahmen gleiche Wirkungen haben können (funktionale Äquivalenz), gute Länder sich in zentralen Steuerungselementen unterscheiden, einzelne Maßnahmen immer in ihrer Einbettung in ein Gesamtpaket gesehen werden müssen und die Kultur eines Landes bestimmte Steuerungsmaßnahmen nochmals verändert, sie kompensiert oder erst zur Geltung kommen lässt“ (Fend 2008: 141 f.).
Bedeutung für die vorliegende Arbeit Mit seiner Berücksichtigung des Mehrebenengeschehens mit verschiedenen Akteuren, welche ihre Handlungen miteinander koordinieren müssen, erweist sich das Konzept der Educational Governance als kompatibel mit einem schultheoretischen Ansatz, welcher ebenfalls die Interaktivität der verschiedenen Ebenen unter der handlungsorientierten Perspektive des findigen und aktiven Akteurs betont. Indem Educational Governance nicht lediglich nach dem makropolitisch eingesetzten Steuerungsinstrument, sondern auch nach der „Antwort“ der damit konfrontierten Akteure fragt, wird es als Konzept für die vorliegende Arbeit insofern relevant, als die quantitativen Ergebnisse zu Kooperation und Aspekten von Schulqualität in Relation gesetzt werden zu (qualitativ erfragten) Einstellungen und Umsetzungen von Qualitätsmanagement. Insbesondere interessiert dabei, mit welchen Formen der Handlungskoordination die primär fokussierten Lehrpersonen und Schulleitungen auf die Verrechtlichung von Maßnahmen zur Schulentwicklung wie sie etwa mit dem Zürcher Mittelschulgesetz von 1999 angestrebt werden) reagieren.
3.2.3 Schulkultur Im Folgenden sollen die möglichen Facetten des Begriffs der Kultur bezogen auf das System Schule erläutert werden und insbesondere auf die theoretische Beschreibung, wie sie von Helsper und anderen Autorinnen und Autoren vorgenommen worden ist, eingegangen werden. Dabei soll dieses Konzept insbesondere unter den im Theorieteil explizierten Aspekt der Rekontextualisierung betrachtet werden.
Verschiedene Zugänge zum Begriff der Schulkultur Ausgehend von obigem alltagssprachlichem Verständnis könnte das Verhältnis der Teilbegriffe „Schule“ und „Kultur“ etwas lapidar folgendermaßen dargestellt werden: Schule ist essentieller Teil unserer hochdifferenzierten abendländischen Kultur und gleichzeitig deren Vermittlerin. Wiater (1997) stellt in seinem Problemaufriss die verschiedenen möglichen Bedeutungen dieses Begriffs dar. Insbesondere differenziert er in verschiedene Herkunftskontexte (21 ff.): Wirtschaftswissenschaftliche Ansätze gebrauchen die Begrifflichkeiten der Unternehmens- bzw. Organisationskultur. Damit verbinden sich im Wesentlichen die Vorstellung systemspezifischer Werte und Normen, das Vorhandensein besonderer Rituale, Symbole und Interaktionsformen, welche helfen, das Unternehmen zu identifizieren, 78
sowie die für ein erfolgreiches Marktverhalten notwendige Identifikation der Mitglieder mit der Organisation. Hier sind insbesondere der „Corporate-Identity“- und der „Total-Quality-Management (TQM)“-Ansatz hervorzuheben, welche die Selbstdarstellung und die Qualitätsbestrebung eines Unternehmens betonen und fördern wollen. Eine Adaption für Zwecke der Schule ist nicht unproblematisch, weil Schule nicht mit einem Produktionsbetrieb verglichen werden kann. Dennoch wird etwa das TQMPrinzip in abgewandelter Form für die Schule verwendet. Als Qualitätsmerkmale der Schulkultur werden die Zufriedenheit der Beteiligten (Lehrer, Schüler, Eltern usw.), deren permanente Innovationsbereitschaft sowie die konsistente, positive Außendarstellung der einzelnen Schule insgesamt betrachtet“ (Wiater 1997: 30). Ausgehend vom kulturphilosophischen Kontext ist der Begriff „Kultur“ durch das Insgesamt der in einem bestimmten geografischen Raum vorfindlichen Kulturgüter, durch bestimmte Ordnungen und Lebensformen (Wissenschaft, Wirtschaft, Kunst etc.) sowie alle Handlungen, welche Ergebnis von Kulturgebieten und entsprechenden Lebensformen sind, bestimmt (30 f.). Einen entsprechenden und für die Schule nutzbaren Kulturbegriff hat vor allem die geisteswissenschaftliche Pädagogik entwickelt. Demnach wird die Persönlichkeitsentwicklung durch Kulturaneignung ermöglicht, indem das Subjekt sich mit den Inhalten einer Kultur auseinander setzt. : Von seinem lerntheoretischen Kontext her wird vor allem der Begriff der Lernkultur relevant, wenn es darum geht, Unterrichtsarrangements zu gestalten, damit Schülerinnen und Schüler eigenaktiv und individuell lernen können (ebd.).
Diese je unterschiedlichen Bedeutungssetzungen machen deutlich, dass mit „Schulkultur“ ganz unterschiedliche Dinge gemeint sein können bzw. dass der Begriff zur inflationären Sammelkategorie diverser unterschiedlicher Prozessaspekte des Bildungssystems zu verkommen droht. Verschiedene Autoren aus dem Bereich der klassischen Schulforschung bringen mit ihren Umschreibungen Schulkultur definitorisch in die Nähe von Konzeptionen wie derjenigen der Schulqualität respektive des Schulklimas. So betont Holtappels (1995) im Hinblick auf die Entwicklung der Einzelschule das kulturelle Eigenleben der Schule, welches durch die mit dieser Entwicklung einhergehenden interaktiven Aushandlungsprozesse charakterisiert wird. Unter Schulkultur subsumiert er Aspekte wie Unterrichts-, Erziehungsund Organisationskultur. Lütterfelds (1997) beschreibt mögliche Dilemmata, welche mit der Etablierung und Implementierung von Schulkultur auftreten. So ergeben sich seiner aus Sicht Ausschlussproblematiken, indem etwa bestimmte Kulturtradierungen, Kulturübernahmen und entwicklungen oder auch die Fülle von Lehr- und Lerninhalten zurückgebunden werden zugunsten gewisser fachübergreifender und weltbildbestimmender kultureller Gehalte. Er kommt zum Schluss, dass der Kulturbegriff zum einen zu vieldeutig ist, was sowohl Theorie als auch Praxis überfordere, was zur Befürchtung Anlass gebe, dass Schulkultur eher ein Indikator für Probleme der Schulpädagogik ist, als dass sie Wege und Strategien der Lösung für all diese Probleme vorgeben könnte“ (78).
Schulkultur als sinnhafte Organisationskultur Schönig (2002) verweist auf ein Erkenntnisdefizit in der Schulforschung, wo unbesehen Entwicklungskonzepte aus dem privatwirtschaftlichen Bereich übernommen werden (817), 79
und führt aus, dass der Kulturbegriff – wie soeben ausgeführt – schwierig zu definieren sei. In der gängigen Literatur werden damit Qualität der Umgangsformen, das Schulklima, die Lern-, Erziehungs- und Organisationskultur gemeint. Dies greift aus Sicht von Schönig (2002) aber zu kurz, vielmehr müsse geklärt werden, welche kollektiven Sinndeutungen dazu führen, dass Schulen so bleiben wie sie sind. Aus diesem Grund bedarf der Begriff der Schulkultur eine Erweiterung in Richtung Organisationskultur, um die Tiefenstrukturen zu beschreiben und zu beeinflussen (a.a.O.: 821). Bei Schein (1992: 17 ff.) sind es drei übereinandergelagerte Ebenen, welche die Kultur ausmachen: „artifacts“, im Sinne sichtbarer Strukturen und Prozesse, wie etwa der Gestaltung und Architektur des Gebäudes, „espoused values“, als Strategien, Ziele oder Philosophien einer Schule sowie „basic underlying assumptions“, gedacht als alles Unbewusste oder Glaubensgrundsätze der einzelnen Personen. Sackmann (1983) stellt ein Modell vor, das einen Kulturkern aus unzugänglichen Grundannahmen und ein Kulturnetz aus Regeln, Standards und Mythen beinhaltet. Dieses Glaubenssystem hat die Funktion einer Linse mit Filterungs-, Steuerungs- und Rechtfertigungsfunktion (Sackmann 1983: 396). Das Kulturnetz als symbolische Seite der Organisation entsteht als kollektives Gedächtnis aus den gemachten Erfahrungen in einer Organisation. Organisationskulturen als geteilte Sichtweisen, welche die Komplexität reduzieren bieten Sicherheit und Hilfe und reduzieren Unsicherheit, Zweifel und Angst, indem sie den Menschen in der Organisation „am Leitseil der unbewussten Manifestation von Metaphern, Zeichen, Symbolen und Aktionsweisen sicher durch das Leben der Organisation führen“ (Schönig 2002: 825). Bedeutsam ist folglich für eine Organisation, dass der Mythos von der Einheitskultur entzaubert wird (Organisationskultur ≠ corporate identity). Es geht nicht so sehr um das Kulturhaben als mehr um das Kultursein, denn dort wird nicht die Hochglanzfassade, sondern werden die Muster der symbolischen Diskurse in der Organisation fokussiert (a.a.O.: 827). Zusammenfassend erscheint Organisationskultur als ein „gemeinschaftliches und strukturiertes Glaubens- und Sinnsystem. Es ergibt sich im Laufe der Lebensgeschichte der jeweiligen Organisation durch das Teilen (sharing) von Glaubensvorstellungen (basic assumptions), Werten (values) und Normen (norms)“ (Schönig 2002: 823). Dabei besteht gemäß Schönig (2000: 36) kein Zweifel, dass dieses „Teilen“ nicht ausschließlich als bewusst intentionaler Vorgang verstanden werden kann.
Schulkultur als symbolische Ordnung Helsper (2008: 66) definiert den Begriff der Schulkultur folgendermaßen: „Schulkultur ist die symbolische Ordnung der einzelnen Schule in der Spannung von Realem, Symbolischem und Imaginärem (...)“ Sie entsteht „…durch die handelnde Auseinandersetzung der schulischen Akteure mit übergreifenden bildungspolitischen Vorgaben und Strukturierungen vor dem Hintergrund historischer Rahmenbedingungen und der sozialen Auseinandersetzung um die Durchsetzung und Distinktion pluraler kultureller Ordnungen und deren Hierarchisierung“ (ebd.). Damit ist sie das Ergebnis davon, wie die Akteure einer Schule Strukturprobleme des Bildungswesens und grundlegende Antinomien oder Paradoxien 80
pädagogischen Handelns deuten (ebd.). An anderer Stelle weisen Helsper et al. (2001) auch auf die Grenzen ihres Konzepts hin und betonen, dass Schulkultur weder ausschließliche Selbststeuerung, noch Unternehmens- oder Alltagskultur sei. Ebenso wenig wären weder weltanschauliche noch erlebnisorientierte Akzentuierungen einer Schule der Schulkultur zuzuweisen, auch könne diese nicht vollständig zur Wissenschaft werden, weil Schule im Kern die Vermittlung und nicht die Erzeugung von Wissensgütern vorsehe.
Schulkultur als Ergebnis eines Mehrebenengeschehens
Nationale Strukturen des Schulsystems konstituiert durch das Handeln kollektiver Akteure (Parteien, Verbände, Interessengruppen etc.) als genereller Rahmen schulischen Handelns; Konstitution genereller Strukturprobleme
Regionale, landesspezifische Ausformung von übergreifenden schulischen Strukturvarianten durch die handelnde Auseinandersetzung kollektiver regionaler Akteure als Rahmen für einzelschulspezifische Handlungsoptionen; spezifische Strukturprobleme
Auseinandersetzung einzelschulischer Akteure mit den Strukturen und Strukturvarianten des Schulsystems: Einzelschulische Konstituierung von Strukturvarianten und konkret ausgeformten Strukturproblemen als Rahmen für individuelle Handlungsoptionen
Auseinandersetzung von Gruppen und Individuen im Rahmen der Strukturprobleme der Einzelschule: Konstituierung individueller Strukturvarianten und -probleme
Abbildung 10: Kollektives Handeln, Strukturen und Strukturvarianten des Schulsystems (nach: Helsper et al. 2001: 23) Wie Abbildung 10 zeigt, muss Schulkultur aber immer auch als Teil eines Geschehens auf den verschiedenen Ebenen des Bildungswesens aufgefasst werden, in welchem Strukturvorgaben selten unbesehen übernommen werden, sondern in ihrer endgültigen Gestalt als 81
„…Ergebnis des Handelns kollektiver Akteure begriffen werden, die wiederum institutionalisierte Handlungsrahmungen und -möglichkeiten für konkrete Akteure vorstrukturieren, aber auch durch deren Handeln modifiziert und transformiert werden können…“ (Helsper et al. 2001: 24). Mit dieser Modellierung wird auch die Nähe zur Konzeption einer schultheoretischen Konzeption bewusst, wie sie für die vorliegende Arbeit Relevanz besitzt: Die Auseinandersetzung je verschiedener Akteure auf den unterschiedlichen Ebenen des Bildungswesens führt zu je anderen Rekontextualisierungsleistungen. Entsprechend wird die Schulkultur „…durch die handelnde Auseinandersetzung der schulischen Akteure mit systemischen Vorgaben, bildungspolitischen Strukturentscheidungen vor dem Hintergrund historisch spezifischer Rahmenbedingungen und sozialer Aushandlungen um die Durchsetzung und hierarchisierende Distinktion pluraler kultureller Ordnungen generiert. In ihr sind die einzelschulspezifisch erzeugten Varianten der Bearbeitung der Strukturprinzipien des Bildungssystems und der daraus resultierenden Antinomien grundgelegt, die sich wiederum in einzelschulspezifischen Ausformungen konkreter Strukturprobleme und -konflikte niederschlagen“ (a.a.O.: 25 f.). Schulkultur kann entsprechend als Ergebnis strategischer und kommunikativer Auseinandersetzungen in mikropolitischen Streitarenen gesehen werden (ebd.).
Anerkennungsverhältnisse und Dimensionen von Schulkultur Allerdings geht es im Schulsystem nicht ausschließlich um die Rekontextualisierung von Rahmenbedingungen. Durch Konflikte und Auseinandersetzungen werden spezifische Anerkennungsverhältnisse geschaffen, welche bei der Ausformung von Bildungsprozessen eine wichtige Rolle spielen und die eine zentrale Kernstruktur von Schulkultur werden (a.a.O.: 31 ff.) Als erste Anerkennungsform wird die positive, interessierte, freundliche und offene Haltung Jugendlichen gegenüber genannt, welche aber der Entsprechung seitens der Lernenden bedarf, nämlich des Vertrauens in die Lehrperson als Lernhelfer. Zweitens braucht es die moralische Anerkennung in Form gerechter Behandlung und zugebilligter gleicher Rechte, als Voraussetzung dafür, „…sich überhaupt an moralischen Anerkennungsprozessen umfassend beteiligen zu können, also um die Bildung moralischer Kompetenzen und Strukturen im jugendlichen Subjekt“ (a.a.O.: 32). Schulkultur ist drittens durch die Anerkennung des einzelnen Schülers aufgrund erbrachter spezifischer Leistungen, seiner Eigenschaften und Haltungen, seines Lebensstils und seiner Selbstdarstellung charakterisiert. Dadurch konstituiert sich die Wertschätzung der Person in den Augen anderer (a.a.O.: 33). Damit wird deutlich, wie Ansprüche und Normierungen, wie sie sich untrennbar mit der charakteristischen Gestalt von Schulsystemen verbinden, auf ein empfindliches Gefüge von Interaktionen, Beziehungen sowie Selbstansprüchen der verschiedenen Akteure treffen. Schulkultur bildet sich deshalb über folgende und einander tendenziell widersprechende Dimensionen ab: Leistung, verstanden als selektive Codierung in Form von Beurteilungen welche – in binäre Form gebracht – „gut“ oder „schlecht“ lauten können. Inhalte, als Gegenstand der Leistungsüberprüfung und der professionellen Vermittlung. Sie stellen eine Auswahl eines ständig wachsenden Wissensvorrats dar. 82
Pädagogische Orientierungen, als schulische Werte und Normen sowie Deutungsmuster und Handlungsstrukturen. „Hierzu gehören die Vorstellungen eines angemessenen Lehrerhandelns, des Umgangs mit den Schülern, didaktische und methodische Prinzipien, die Gestaltung des Unterrichts, Vorstellungen über Nähe und Distanz, Personund Sachorientierung, der Umgang mit Regelübertretungen und Sanktionierungen etc.“ (a.a.O:, 37) Partizipation, verstanden als die an einer Schule bestehenden Möglichkeiten, über die sich Akteure bei Entscheidungsprozessen einbringen können. Partizipation wird somit als allgemeine Dimension von Schulkultur in Schulsystemen, aber auch als Gradmesser der an einer spezifischen Schule herrschen Schulkultur relevant (ebd.).
Professionalität im Spannungsfeld von Antinomien Für die alltägliche professionelle Praxis von Lehrpersonen ergeben sich somit verschiedene zum Teil schwer lösbare Paradoxien oder Antinomien des Handelns (Helsper et al. 2001: 39 ff.). Diese können sich zum Beispiel auf die pädagogisch-professionelle Praxis beziehen, indem Lehrpersonen beispielsweise unter hohem Druck laufbahnwirksame Entscheidungen fällen müssen, dabei aber gleichzeitig unter Begründungspflichtigkeit stehen. Weitere Antinomien bestehen darin, dass Lehr-Lernprozesse mit einem schwer einlösbaren Vermittlungsversprechen einhergehen, oder dass das nicht unproblematische Verhältnis Lehrperson-Schüler/-in beleuchtet, wird, indem einerseits eine Vertrauensbasis zwischen diesen beiden Akteuren vorausgesetzt wird, andererseits jedoch eine von Alters-, Hierarchie- und Machtunterschieden geprägte Asymmetrie besteht. Weiter bestehen Antinomien des professionellen, auf die psychosoziale Integrität bezogenen Handelns, indem in der Schule oft sozialisatorische Probleme in einer Weise zutage treten, bei deren Bearbeitung Lehrpersonen sich „…auf diffuse, hoch affektive Primärbeziehungen und Erlebnis- bzw. Erinnerungsspuren, die in aktuellen sozialen Kontexten und Beziehungskonstellationen reaktualisiert werden bzw. sich dort erst – unter massiven Belastungen – krisenhaft zuspitzen…“ beziehen (a.a.O.: 50). Gleichzeitig müssen sich Lehrpersonen als Professionelle aber gerade von einem solchen Modus distanzieren, indem sie eben nicht hoch affektive Verhaltensweisen an den Tag legen und keine persönlich gefärbten Beziehungsmuster entwickeln. Eine weitere Antinomie dieser Art bezieht sich auf das Verhältnis zwischen Person und Sache: Einerseits muss eine Orientierung am konkreten Schüler erfolgen, andererseits erfolgt sie an der zu vermittelnden Sache (ebd.). Gerade an Gymnasien, welche ein hoch differenziertes Fachlehrkräftesystem aufweisen und gleichzeitig über lange Zeit zu einem hoch relevanten sozialisatorischen Kontext für Heranwachsende werden, dürfte diese Antinomie die jeweilige Schulkultur prägen. Weitere Paradoxien in diesem Bereich beziehen sich auf das Verhältnis zwischen dem Anspruch an Organisation und der Notwendigkeit von Interaktion, weiter auf das Spannungsfeld zwischen der Entfaltung lebenspraktischer Autonomie und dem Handeln von Lehrpersonen, dass dieser Entwicklung tendenziell zuwiderläuft. Antinomien entstehen aber auch im Verhältnis zwischen dem Schulsystem und seinen Umweltsystemen. So etwa muss dem Allgemeinbildungsanspruch ebenso Genüge geleistet werden, wie der Forderung nach engen und spezifischen Qualifikationsanforderungen, wie sie etwa durch das Berufsbildungssystem erzeugt werden. Ebenso ergeben 83
sich schwer lösbare Widersprüche zwischen dem Anspruch, dass Schule zur Ausbildung lebenspraktischer Autonomie beiträgt, und dem Selektionsprinzip. Weiter geraten Antinomien des Handelns von Lehrpersonen in den Blick, welche sich – in Anlehnung an Luhmann – auch als pragmatische Paradoxie verstehen lassen. Ein klassisches Handlungsdilemma entsteht etwa dort, wo eine Lehrperson Schüler/-innen dazu anregt, sich bei der Wahl einer Vertretung in die Schülerorganisation zu engagieren, was im Sinne der Förderung lebenspraktischer Autonomie ist. In Wirklichkeit wird aber Autonomie nur suggeriert, weil es letztlich um kontrollförmige Überwachung geht. Konfliktpotenzial bieten auch die so genannten Modernisierungsantinomien. Im Wesentlichen geht es dabei um Paradoxien, welche sich angesichts der Tendenz stetiger Pluralisierung und Individualisierung von Lebenslagen ergeben, bei gleichzeitiger Tendenz zur Globalisierung und Rationalisierung. Als Beispiel hierfür könnte die geplante Einführung von Bildungsstandards in ausgewählten Kernfächern genannt werden, durch welche eine Standardisierung der von den Lernenden zu erbringenden Leistungen angestrebt wird, während gleichzeitig einer zunehmenden herkunftsbedingten und leistungsmäßigen Heterogenität der Schülerschaften begegnet werden muss.
Bewährung professionellen Handelns: der Schulmythos Als Kristallisation dieser hier dargestellten Spannungsfelder plädieren Helsper et al. (2001) für den Schulmythos als Lösungsentwurf der Bewährungsdynamik professionellen Handelns. Damit verbindet sich die Vorstellung, dass die angesichts ihres immanenten Technologiedefizits permanent bedrohte Professionalität von Lehrpersonen durch einen Bewährungsmythos als erfolgreich dargestellt wird. Im Schulmythos wird also nicht das Scheitern von Handlungsbestrebungen, welches angesichts der erwähnten, je nach Ebene unterschiedlichen Rekontextualisierungen, der Anerkennungsverhältnisse und Antinomien im Schulsystem als wahrscheinlich erscheint, sondern „… die jeweils spezifische ‚Bewährung’ der Institution für alle Beteiligten als integrativer und legitimatorischer Entwurf formuliert. Der Schulmythos legitimiert somit als ‚symbolische Gewalt’ die Anerkennungs- und Anschlussverhältnisse einer Schule in sinnstiftender Weise. Der jeweilige Schulmythos ist also immer eindominanter Mythos, der als Ergebnis der Auseinandersetzungen zwischen den kollektiven schulischen Akteuren zu verstehen ist – zwischen verschiedenen Lehrergruppen, Fachkulturen, der Schulleitung, im Zusammenspiel mit Eltern und Schülergruppen, vor dem Hintergrund sozialer und bildungspolitischer Strukturentscheidungen und im Rahmen kultureller Kämpfe um die Definition und Durchsetzung pluraler kultureller Ordnungen“ (Helsper et al. 2001: 82). Der Schulmythos soll als „institutionelle Selbstrepräsentanz“ (a.a.O.: 85) nach außen wirken und von der Umwelt Anerkennung finden. Gelingt dies, bildet er die Grundlage für ein öffentliches Image, welches sozial selektiv wirken kann (ebd.). Es versteht sich von selbst, dass sich diese Bewährungsdynamik im Zuge von Teilautonomie und damit einhergehender Verpflichtung der Schulen zur Profilbildung noch verschärft, nicht zuletzt, weil durch Schwerpunktsetzungen (etwa in Schulprogrammen) die Eigenverantwortlichkeit einer Schule zunimmt. Weiter entstehen für die Schulen Legitimationsprobleme, weil sie sich laufend entscheiden müssen, ob sie Schultraditionen fortführen oder Veränderungen anstreben wollen. Auch werden von den Lehrpersonen vermehrt kommunikative Aushandlungen verlangt. Insbesondere aber wird in einem Schulprogramm 84
in der Regel das Besondere formuliert, was zu einer weiteren Steigerung der Ansprüche an Schule und Lehrpersonen führt (ebd.). Allerdings sind damit auch Risiken des Scheiterns verbunden: „Je ambitionierter die pädagogischen Entwürfe formuliert sind, umso deutlicher ist die jeweilige Schule als imaginäre pädagogische Anspruchskultur zu fassen, sowohl gegenüber den Schülern als auch gegenüber den Lehrkräften. Damit wird die Bewährungsdynamik in der Schulkultur angespannt und zugleich wächst das Risiko des Scheiterns“ (Helsper 2008: 68).
Zur Messung von Schulkultur Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass eine empirische Erfassung von Schulkultur äußerst anspruchsvoll ist. Wenn „Schulkultur“ als theoretisches Konzept angenommen wird, dann gehört es zu denjenigen, welche in dem Sinne empirisch nicht gehaltvoll sind, als sie eine große Anzahl von Kategorien und Annahmen aufweisen, welche empirisch überhaupt nicht überprüfbar sind (Kelle & Kluge 1999). Schönig (2002) verweist darauf, dass ein Schulentwicklungsansatz, welcher die Konfigurationen von Lern- und Erfahrungskontexten, von Einstellungshorizonten und Wertehaltungen berücksichtig, einen anderen methodischen Zugang benötigt. Am Beispiel des genannten Ansatzes von Schein (1992) müssen Metaphern, Mythen, Symbole, Rituale und Stories gesucht werden (Schönig 2002: 828), indem Ausstattungen des Arbeitsplatzes, Begrüßungsformen, verschiedene Formen des Gefühlsausdrucks, Aufenthaltsorte des Kollegiums, der Empfang im Sekretariat, die Gestaltung der Gebäude, Informationswege etc. analysiert werden. Neue Mitglieder im Team schildern ihre Wahrnehmungen zu diesen Aspekten. Im nächsten Schritt werden die übrigen Teammitglieder mit diesen Wahrnehmungen („artifacts“) konfrontiert und es wird erfragt, was diese ergänzen oder systematisieren wollen (a.a.O.: 829). „Es entstehen Kontrast- und Differenzerfahrungen, die auf Tieferliegendes verweisen“ (ebd.). Auf der Ebene der „espoused values“ werden Fragen nach den Beweggründen für bewusste Präferenzen gestellt. Ziel ist es, dass sich die Organisation fremd wird und sich gewissermaßen aus der Distanz anschaut (a.a.O.: 830). Zeigen sich Spannungen, Unvereinbarkeiten zwischen dem Erklärungspotenzial von „espoused values“ für die „artifacts“, so ist dies ein Hinweis auf „basic assumptions“, die bislang verdeckt und unbewusst blieben. „Schulentwicklung hat nur dort Erfolgschancen, wo sie bereits vorhandene Werte modifizieren kann“ (a.a.O.: 831). Helsper et al. (2001) haben versucht, über die Methode der objektiven Hermeneutik die Kulturen von drei Schulen, welche vor der innerdeutschen Wende der DDR angehört hatten, zu erschließen. Aufgrund der Analyse von Videoaufzeichnungen schulischer Ereignisse, Tonbandaufnahmen von Konferenzen und Interviews mit verschiedenen Schulakteuren sowie Feldtagebücher und schuleigene Dokumente kommen die Verfasser zum Schluss, dass die schulischen Akteure „…die jeweilige Schule als einen sinnstrukturierten, sich reproduzierenden und transformierenden Raum…“ generieren (a.a.O.: 535), indem sie sich aktiv sowohl mit den Strukturvorgaben des Bildungswesens als auch mit pädagogischen und Modernisierungsantinomien sowie den einzelschulspezifischen Strukturproblemen auseinandersetzten (ebd.).
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Bedeutung für die vorliegende Arbeit Schulkultur als symbolische Ordnung der einzelnen Schule, als Spannungsfeld zwischen Imaginärem und Realem und als Bewährungsdynamik: Schon die Aufzählung einiger in obigen Ausführungen vorgenommener Explizierungen dieses umfassenden Konzepts macht bewusst, dass Schulkultur nicht Teilaspekt einer empirischen Untersuchung bilden kann, sondern im Zentrum umfangreicher qualitativer Analysen verschiedenen Datenmaterials stehen müsste. Gegenstand der vorliegenden Arbeit bildet jedoch die Kooperation gymnasialer Lehrpersonen vor dem Hintergrund sich wandelnder makrosystemischer Kontexte. Gleichwohl bildet die Kultur einer Schule gewissermaßen die umfangreiche Hintergrundvariable, welche sowohl den ermittelten Grad an Kooperation wie auch die in semistrukturierten Interviews ermittelten Selbstreferenzen von Lehrpersonen zu den Themen Kooperation, Qualitätsmanagement und Belastung beeinflusst. Insbesondere durch die aktive Auseinandersetzung von Lehrpersonen und Schulleitung mit der bildungspolitischen Strukturentscheidung „Neues Mittelschulgesetz“ werden Varianten je unterschiedlicher Bearbeitung erzeugt. Damit ist auch eine Ähnlichkeit gegeben zum Rekontextualisierungsansatz, wie er im ersten Kapitel vorgestellt worden ist: Rekontextualisierung bedeutet auch, dass Rahmenvorgaben auf unterschiedliche Handlungsbedingungen im Sinne von Umwelten adaptiert werden müssen. Diese Adaption ist neben den institutionellen Vorgaben von reflexiven Prozessen der Selbst- und Fremdwahrnehmung, von Kompetenzen der Aufgabenerfüllung und von situativen Konstellationen beeinflusst. Das Konzept der Rekontextualisierung möchte damit darauf aufmerksam machen, dass auf verschiedenen Ebenen des Bildungswesens jeweils eigene Handlungsaufgaben entstehen, die eigenen Handlungsinstrumente, Kompetenzen und Verantwortungen erfordern. Schließlich wird damit impliziert, dass es auch einen Druck von ‚unten’ geben kann, wenn institutionelle Vorgaben eine optimale Aufgabenbewältigung erschweren oder problematische Ergebnisse provozieren. Institutionelle Vorgaben sind damit keine Einbahnstrasse. Sie selber sind durch die Erfahrungen auf der operativen Ebene veränderbar (Fend 2006a: 175).
Die von Lehrpersonen und Schulleitungen in den Interviews genannten Selbstreferenzen zu den thematisierten Inhalten sind als Rekontextualisierungsleistungen zu verstehen. Diese wiederum dürften durch den Schulmythos, verstanden als die an einer Schule vorherrschende Bewährungsdynamik, beeinflusst werden. Ausgehend von den Überlegungen in diesem Kapitel dürfte an Schulen die Handlungsdynamik geprägt sein von Traditionen, Auseinandersetzungen und sich daraus für die Akteure ergebenden Repräsentationen. Schulkultur in diesem Sinne bildet zwar eine schwer identifizierbare Hintergrundvariable, welche jedoch dort sichtbar werden müsste, wo Aussagen möglich werden über das an den entsprechenden Schulen vorherrschende Selbstverständnis, welches argumentativ im Zusammenhang mit Überzeugungen zu Kooperation im Zuge der Einführung von Qualitätsmanagement eingebracht wird. Wie bereits gesagt, kann es nicht Gegenstand dieser Arbeit sein, sie im skizzierten Umfang empirisch zu erfassen und abzubilden. Vielmehr soll Schulkultur als das Kooperationsgeschehen latent beeinflussende Größe angesehen werden, welche prinzipiell mitbedacht werden muss. Um sie darstellen zu können, wurde zum einen eine knappe Beschreibung der historischen und rechtlichen Grundlagen der Zürcher Gymnasien vorgenommen (vgl. Kapitel 6). Sie bilden den Rahmen für die Rekontextualisierungen durch die einzelschulischen Akteure. Zum andern wurde im Zuge der qualitativen Auswertungen nach Äußerungen gesucht, welche auf für die jeweilige Schule charakteristische Einstellungen verweisen. Eine separate Kategorisierung von so genannten Mustern 86
erlaubt die schulspezifischen Bündelungen von Aussagen, in welchen sich die thematisierte Bewährungsdynamik abbildet.
3.3 Zusammenfassung Im ersten Teil dieses Kapitels wurde im Zusammenhang mit Schulentwicklung insbesondere auf die Lernende Schule als Konzept und das Wissensmanagement durch Schulleitungen hingewiesen. Wir sind der Meinung, dass das Konzept der ‚Lernenden Organisation’ für Ansätze zur Schulentwicklung von Einzelschulen – insbesondere unter dem Aspekt der teamartigen Kooperation – gewinnbringend ein- und umgesetzt werden kann. Schaut man die Lernbereiche an, die sich in einer Schule stellen, dann sieht man, dass gerade das Abstecken gemeinsamer Ziele im pädagogisch-erzieherischen Bereich, die damit einhergehende Entwicklung auf den drei Ebenen Individuum (Personalentwicklung), Team (Teamentwicklung) und Organisation (Organisationsentwicklung) sowie die Nutzbarmachung von individuellem Wissen einzelner Personen und verschiedener Akteure (Schüler/innen, Eltern, Behörden, Lehrpersonen) durch Evaluation für das ganze Kollegium und auch für viele Schulen wichtig und ein aktuelles Thema sind. Im zweiten Teil dieses Kapitels wurden mit dem Qualitätsmanagement, der Educational Governance und der Schulkultur Konzepte thematisiert, welche in Bezug auf den Forschungsgegenstand relevant sind: Qualitätsmanagement wird bei Dubs (1998: 100) verstanden als „…systematisch eingesetzte Verfahren, mit denen ihre Qualität (die Qualität der Schule) [Anm. d. Verf.] verbessert und gesichert wird.“ Dies bringt jedoch auch Befürchtungen mit sich, dass die betroffenen Akteure von einer top-down geführten Installation von QM additional zu den bestehenden und laufenden Aktivitäten einer Schule zusätzlich belastet werden. Wird ein neues Verständnis schulischer Qualität und deren Pflege postuliert, so sind als essentielle Bestandteile Folgende zu nennen: eine umfassende Betrachtungsweise, eine Kundenorientierung, der Einbezug möglichst aller Beteiligten, datenorientierte Feedbacks und Evaluationen, umfassende Dokumentation sämtlicher Prozesse, kontinuierliche Fehlerelimination und zu guter Letzt qualifizierte Mitarbeitenden. Daraus wird klar, dass Qualität und der Umgang mit ihr als anspruchsvolle Managementaufgabe verstanden werden muss. Dubs (1998) betont die Komplexität dieses Ansatzes und verweist sowohl auf das Input-Prozess-Output-Modell, die Mehrebenencharakteristik des Bildungswesens wie auch auf die Mehrperspektivität. Dabei lassen sich verschiedene Formen des QM unterscheiden: Intern konzipiertes QM mit Selbstevaluation, Externes QM mit Fremdevaluation und Metaevaluation. Wichtig für die Einzelschule mit Freiheitsgraden für die Realisierung des Auftrags, QM umzusetzen, wird dabei insbesondere in einem ersten Schritt ein intern konzipiertes QM entlang folgendem Ablauf: Anstoß des Prozesses durch die Schulleitung, Information aller am QM beteiligten Kreise über Absichten und Möglichkeiten des Vorgehens, Entscheid über die Vorgehensweise durch die Lehrerkonferenz, Erarbeitung eines QM-Konzepts, welches durch die Konferenz begutachtet und genehmigt wird. Im Verlaufe der letzten zwanzig Jahre haben sich unterschiedlichste Qualitätssicherungssysteme wie ISO 9000 ff. , EFQM (European Foundation for Quality Management/European Quality Award), ProMES (Productivity Measurement and Enhancement System), FQS (Formatives Qualitätsevaluations-System), 2Q (Qualität und Qualifizierung), Q2E (Qualität durch Evaluation und Entwicklung) entwickelt, die jeweils abhängig von verpflichtenden 87
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Auflagen auf der Makroebene und der Priorisierung durch Dienstleistungserbringer (externe Evaluationsstelle, Beratung, …) zur Anwendung gelangten und gelangen. Insgesamt fehlen jedoch fundierte Kenntnisse zu Wirkungen von Qualitätssystemen und der Frage „wie sich strukturell-organisatorische Reformen auf die Leistungen der Schüler/innen auswirken“ (Maag Merki 2005: 8). Weiter wird auf die Notwendigkeit hingewiesen, dass die Entwicklung der Organisation lediglich Teil eines umfassenden Ansatzes zur Schulentwicklung sein könne, bei dem nicht zuletzt auch der Professionalisierungsgrad der Einzelschule zu berücksichtigen sei. Das Konzept der Educational Governance erweist sich mit seiner Berücksichtigung des Mehrebenengeschehens mit verschiedenen Akteuren, welche ihre Handlungen miteinander koordinieren müssen, als kompatibel mit dem in Kapitel 1 vorgestellten schultheoretischen Ansatz (Fend 2006a), welcher ebenfalls die Interaktivität der verschiedenen Ebenen unter der handlungsorientierten Perspektive des findigen und aktiven Akteurs betont. Educational Governance fragt nicht nur nach makropolitisch eingesetzten Steuerungsinstrumenten, sondern auch nach der „Antwort“ der damit konfrontierten Akteure. Dabei interessiert, mit welchen Formen der Handlungskoordination die in der vorliegenden Arbeit befragten Lehrpersonen und Schulleitungen auf die Verrechtlichung von Maßnahmen zur Schulentwicklung (wie sie etwa mit dem Zürcher Mittelschulgesetz von 1999 angestrebt werden), reagieren. Bezüglich Schulkultur wurden unterschiedliche Ansätze gemäß ihrer Bedeutung für die vorliegende Arbeit dargestellt. Es kann dabei auf unterschiedliche Herkunftskontexte verwiesen werden (Wiater 1997): Wirtschaftswissenschaftliche Ansätze, kulturphilosophischer Kontext, lerntheoretischer Kontext und einzelne Ansätze betonen die Nähe von Konzeptionen wie derjenigen zur Schulqualität respektive des Schulklimas. Schönig (2002) postuliert Schulkultur als sinnhafte Organisationskultur, verstanden als gemeinschaftliches und strukturiertes Glaubens- und Sinnsystem, das sich im Laufe der Lebensgeschichte der jeweiligen Organisation ergibt. Der Prozess des Teilens ist ein vielschichtiger und kann keinesfalls als bewusst intentionaler Vorgang verstanden werden. Helsper (2008: 66) definiert den Begriff der Schulkultur als symbolische Ordnung der einzelnen Schule in der Spannung von Realem, Symbolischem und Imaginärem, die durch die handelnde Auseinandersetzung der schulischen Akteure mit übergreifenden bildungspolitischen Vorgaben und Strukturierungen entsteht. Dies vor „dem Hintergrund historischer Rahmenbedingungen und der sozialen Auseinandersetzung um die Durchsetzung und Distinktion pluraler kultureller Ordnungen und deren Hierarchisierung“ (ebd.). Schulkultur ist aber immer auch als Teil eines Geschehens auf den verschiedenen Ebenen des Bildungswesens aufzufassen. Strukturvorgaben werden in diesem Verständnis selten unbesehen übernommen, sondern sind in ihrer endgültigen Gestalt als Ergebnis des Handelns kollektiver Akteure zu begreifen, die dadurch ihrerseits institutionalisierte Handlungsrahmungen und -möglichkeiten für einzelne Akteure vorstrukturieren und durch deren Handeln dabei selber wiederum modifiziert werden können (Helsper et al. 2001: 24). Relevanz für die Ausformung von Bildungsprozessen besitzen in dieser Auffassung von Schulkultur Anerkennungsverhältnisse wie eine freundliche und offene Haltung Jugendlichen gegenüber, eine moralische Anerkennung in Form gerechter Behandlung und zugebilligter gleicher Rechte sowie die Anerkennung des einzelnen Schülers aufgrund erbrachter spezifischer Leistungen. Für die professionelle Praxis von Lehrpersonen ergeben sich verschiedene zum Teil schwer lösbare Paradoxien oder Antinomien des Handelns (Helsper et al. 2001: 39 ff.):
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Konstitutive professionelle Antinomien, pädagogisch-professionelle Antinomien, Antinomien durch das Verhältnis zwischen dem Schulsystem und seinen Umweltsystemen, Handlungsdilemmata sowie Modernisierungsantinomien.
Als Kristallisation dieser dargestellten Spannungsfelder beschreiben Helsper et al. (2001) den Schulmythos als Lösungsentwurf der Bewährungsdynamik professionellen Handelns. Im Weiteren wird die Ähnlichkeit zum Rekontextualisierungsansatz (Fend 2006a) ausgeführt. In Bezug auf die vorliegende Arbeit sind die von Lehrpersonen und Schulleitungen in den Interviews genannten Selbstreferenzen zu den thematisierten Inhalten als Rekontextualisierungsleistungen zu verstehen, die selber durch den Schulmythos – verstanden als die an einer Schule vorherrschende Bewährungsdynamik – beeinflusst sein dürften. Aus den Ausführungen wird deutlich, dass eine empirische Erfassung von Schulkultur eine äußerst anspruchsvolle Angelegenheit darstellt und im eigentlichen Sinn in dieser Arbeit nicht geleistet werden kann. Als zentrales Element in sämtlichen vorgestellten Ansätzen und Konzepten erweist sich durchgängig die Zusammenarbeit von Lehrpersonen. Diese werden, wenn es um die Weiterentwicklung von Schule und Unterricht geht, in vielfacher Weise herausgefordert, miteinander zu kooperieren. Dies ist nicht zuletzt deshalb auch bemerkenswert, weil Lehrpersonen bezüglich ihrer Kerntätigkeit – der Unterrichtsarbeit – mehrheitlich Einzelarbeit betreiben. Werden Innovationsschritte in Richtung Lernende Schule unternommen und werden Maßnahmen zur Erhaltung und Weiterentwicklung von Qualität relevant, müssen Lehrpersonen notwendigerweise ihr professionelles Repertoire erweitern. Die Fähigkeit und Bereitschaft zu verschiedenen Formen der Kooperation – so wird hier postuliert – wird somit entscheidend, um Schule weiterentwickeln zu können, sei es, dass Entwicklungsprozesse von außen angestoßen werden oder teamintern gewollt sind. Im Kapitel Kooperation soll diese sowohl als allgemeines Konzept als auch in ihrem Bezug zur Arbeit von Lehrpersonen dargestellt werden. Insbesondere interessieren charakteristische Formen und Grade von Kooperation, ebenso aber Einstellungen und Motive, welche der Zusammenarbeit von Lehrpersonen zugrunde liegen.
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4 Kooperation
Im folgenden Kapitel soll der Begriff der Kooperation eingehender thematisiert werden. Wenn auch eine eigentliche theoretische Konzeption zu Kooperation fehlt, existieren doch sozialpsychologische Zugänge zu dieser Variante prosozialen Verhaltens, welche auf das sogenannte Gefangenen-Dilemma zurückgeht. Insbesondere werden in diesem Teil konstitutive Merkmale von Kooperation benannt. Im weiteren Verlauf wird die Bedeutung von Kooperation für pädagogische Zwecke, vor allem aber für die Zusammenarbeit unter Lehrpersonen thematisiert. Dabei wird auf ausgewählte empirische Arbeiten eingegangen. Weitgehend ausgeblendet bleiben didaktisch-methodische Formen der Kooperation für den Unterricht, da im Rahmen unserer Untersuchung ausschließlich Selbstreferenzen von Lehrpersonen zu deren kollegialer Zusammenarbeit erhoben wurden.
4.1 Zum Begriff der Kooperation In jüngerer Vergangenheit hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass Menschen nicht lediglich selbstzentrierte Wesen sind, denen Altruismus über ausgiebige Vermittlungsprozesse beigebracht werden muss, sondern dass sie aufgrund ihrer biologischen Disposition dazu veranlagt sind, empathisches, altruistisches und kooperatives Verhalten an den Tag zu legen. (Schmuck & Kruse 2005). Allerdings scheint sich das Potenzial für die Entwicklung sozialer Werthaltungen bei Individuen in unterschiedlichem Umfang zu entfalten. Für diesen Umstand verantwortlich gemacht werden in erster Linie sozialisatorische Einflüsse (ebd.). Anzenberger (1991: 12) verweist auf die stammesgeschichtliche Bedeutung von altruistischem Verhalten, da Altruismus auch dann von der Selektion begünstigt werde, „…wenn innerhalb einer Gruppe Individuen altruistisches Verhalten bevorzugt an solche Individuen richten, von denen sie altruistische Handlungen wiedererhalten.“ Kooperation als eine der genannten Werthaltungen wird dabei als intentionales und zielgerichtetes Unterfangen beschrieben, indem sie einen Spezialfall gemeinsamen kollektiven Handelns darstellt: "To be more specific, all intentional cooperation in the full sense must involve, firstly, intention-based commitment to a collective goal or plan" (Tuomela 2000: 11). Als entscheidendes Kriterium wird die Erzeugung kollektiver Handlungsabhängigkeit gesehen (a.a.O.: 73). Insbesondere spielt hier die Reziprozität eine entscheidende Rolle, indem ein Individuum ein anderes in der Erwartung unterstützt, bei anderer Gelegenheit mit entsprechenden Gegenleistungen seitens des Kooperationspartners rechnen zu können (Axelrod 2005; Spiess 1996). Als grundlegend für das definitorische Verständnis des Kooperationsbegriffs hat sich insbesondere Axelrods Arbeit erwiesen. Ausgangspunkt bildet das sogenannte Gefangenendilemma, bei dem zwei des gemeinsamen Bankraubs verdächtigte Personen unabhängig voneinander die Möglichkeit haben, die Tat zu leugnen oder zu gestehen. Für den Fall, dass der erste Verdächtigte die Tat gesteht und der zweite leugnet, führt dies dazu, dass der Geständige freikommt, während sein Partner zur Höchststrafe von zehn Jahren Gefängnis verurteilt wird. Ein beidseitiges Geständnis führt zu je fünf Jahren Haftstrafe. Streiten beide 91 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_5, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Angeklagten die Tat ab, werden sie wegen geringfügiger Vergehen zu je einem Jahr Haft verurteilt. Grundsätzlich werden die beiden Möglichkeiten beidseitiges Gestehen und beidseitiges Leugnen der Tat als kooperatives Verhalten betrachtet, während unterschiedliches Verhalten der beiden Verdächtigten als Nichtkooperation bzw. Defektion bezeichnet wird (Axelrod 2005; Bierhoff 1991). Das Dilemma besteht also darin, dass es für jeden der beiden vorteilhafter wäre, zu defektieren, eine Defektion beider Spieler jedoch wiederum nachteiliger erscheint als wechselseitige Kooperation (ebd.). Diese aus der Spieltheorie bekannte Situation wurde in der Folge für die Entwicklung von Computerspiel-Programmen adaptiert, welche im Rahmen eines Turniers mit Experten bezüglich ihres Erfolgs getestet wurden. Dabei stellte sich heraus, dass sich dasjenige – in Anlehnung an seine Funktionsweise „Tit for Tat“ genannte – Programm als am erfolgreichsten erwies, das mit einer kooperativen Wahl startete und danach in derselben Weise agierte, wie der Gegenspieler im vorangegangenen Zug (ebd.). Kooperation erweist sich also als Gegensatz zu einem kompetitiven Verhalten und ist durch drei Merkmale charakterisiert: eine persönliche Abhängigkeit von der anderen Partei, Pessimismus hinsichtlich der Möglichkeit, den andern ausbeuten zu können, Einsicht in die Notwendigkeit von Kooperation, damit die andere Partei auch kooperiert (Spiess 1996). In Anlehnung an die Ziel-/Erwartungs-Theorie (Pruitt & Kimmel 1977) nennt Bierhoff (1991) als konstitutive Elemente von Kooperation die Zielsetzung beider Interaktionspartner, längerfristig kooperativ zu agieren, und die Erwartung an den andern, grundsätzlich kooperativ zu sein. Damit gerät Vertrauen als Grundlage jeglichen kooperativen Handelns in den Blick, zumal oft nicht feststeht, wie die beteiligten Partner in zukünftigen Situationen reagieren werden (Spiess, 1996; Bierhoff 1991; Deutsch 1960). Exemplarisch dafür stehen etwa die Schilderungen von Augenzeugen und Beteiligten aus dem Stellungskrieg im Ersten Weltkrieg. Über längere Zeit konnte beobachtet werden, wie sich gegnerischen Lager unbehelligt ließen, wenn sich eine feindliche militärische Einheit verpflegte. Der Verzicht auf einen Angriff mit der Chance eines kurzfristigen Positionsgewinns ging mit der Erwartung einher, dass der Gegner sich ebenfalls kooperativ verhalten solle, wenn die eigene Truppe sich verpflegen würde. Defektion, also Zuwiderhandlungen gegen diese unausgesprochene Kooperationserwartung, wurde mit umso heftigerem Sperrfeuer bestraft (Axelrod 2005). Das Beispiel verdeutlicht auch, dass die Chance zur Kooperation erheblich größer wird, wenn die beteiligten Akteure nicht nur den kurzfristigen Gewinn vor Augen haben, sondern eine längerfristige Perspektive einnehmen: „Durch die Betonung von Gewinnen wird Kooperation leichter gemacht als durch die Betonung von Verlusten“ (Bierhoff 1991: 35).
4.2 Kooperation als soziales Phänomen In der Praxis ist es häufig so, dass sich nicht nur zwei Akteure in einer im weitesten Sinne kooperativen Situation befinden, sondern dass ganze Gruppen von Individuen miteinander kooperieren. Dabei werden zwei weitere, bis jetzt noch unerwähnte Aspekte bedeutsam. Zum einen ist dies die „Social Facilitation“ (Spiess 1996). Damit gemeint ist das Phänomen einer beobachtbaren Leistungssteigerung bei Individuen, wenn sie bei Aufgaben andere Personen um sich wissen (Häcker & Stapf 1998). Zum andern ist aber auch „Social Loa92
fing“ zu beobachten, wenn bei Gruppenarbeiten die unbewusste Neigung entsteht, in der Leistung nachzulassen. Dieses soziale Bummeln nimmt mit zunehmender Größe der Gruppe zu (Spiess 1996). Zu thematisieren bleibt hier, inwiefern Unterschiede in den jeweiligen Leistungsanforderungen und zwischen den einzelnen Gruppenmitgliedern die Auftretenswahrscheinlichkeit einer dieser beiden Erscheinungen beeinflussen. Die bisherigen Ausführungen machen deutlich, dass Kooperation auch von sozialen Wertesystemen beeinflusst wird. In der westlichen Kultur etwa besteht die Erwartung, dass Belohnungen in einem Verhältnis zu den Leistungen stehen sollen, welche die zu belohnende Person erbracht hat (Spiess 1996). Entsprechend ist im Abendland weniger von einer kooperativen, denn von einer wettbewerbsorientierten Grundhaltung auszugehen – man beachte hier beispielsweise nur die bereits thematisierte Selektionsfunktion von Schulen, welche die Unabhängigkeit des zu Beurteilenden voraussetzt (Dreeben 1980). Von Rosenstiel (1998) moniert denn auch, dass das Bildungssystem, welches die Teamarbeit eher als Ausnahme vorsehe, kooperationshindernd wirke. Gleichzeitig fordern die Vielschichtigkeit und Komplexität der Aufgaben sowie die zunehmende Vernetztheit verschiedener Tätigkeiten die Akteure dazu auf, mit anderen Fachleuten zu kooperieren, welche in ihrer Domäne kompetenter sind (von Rosenstiel 1998). Kooperation erscheint vor diesem Hintergrund als notwendiger und gesellschaftlich hoch geschätzter Wert (ebd.). Ob tatsächlich ein Wertewandel bezüglich Kooperation stattfindet, erscheint insofern unklar, weil diverse Autoren in den vergangenen Jahrzehnten eine Zunahme der Bedeutung von Individualismus und Autonomie jedes Einzelnen beobachten (ebd.).
4.2.1 Dimensionen und Formen von Kooperation Aus diesem Spannungsfeld heraus unterscheidet Spiess (1996) drei verschiedene Formen von Kooperation: strategische Kooperation, als ein Handeln, das rational und zielgerichtet seinen Nutzen kalkuliert. Im Zentrum steht ein rationaler und möglichst effizienter Umgang mit vorgefundenen Zielen und Zwecken (222 f.). empathische Kooperation, die sich ebenfalls an gemeinsam zu erreichenden Zielen orientiert, aber notwendigerweise im expliziten Einverständnis mit dem Partner, auf der Grundlage von Freiwilligkeit geschieht. Voraussetzung dafür ist die Fähigkeit zur Rollenübernahme und zum Perspektivenwechsel (223 ff.). Pseudokooperation "…geht von einer Gemeinsamkeit zwischen den Partnern aus, die de facto nicht oder nicht mehr vorhanden ist" (225). In diesem Sinne ist sie Täuschung des andern und auch Selbsttäuschung. Dabei entsteht ein Gehorsam nach den bestehenden Vorschriften, im Sinne von „Dienst nach Vorschrift“, welcher die sachlichrationalen Anliegen einer Organisation behindert. Ebenso könnte Social Loafing ein Beleg für Pseudokooperation sein (225 ff.). Auch Neuberger (1991) thematisiert die letztgenannte (und problematischste) Form von Kooperation, indem er die zugrunde liegenden kooperationsbehindernden Motive anspricht: „In Unternehmen gilt vielfach die Norm: ‚Du sollst kooperieren!’ Latent gehalten werden dabei Egoismus, Konkurrenz, Vorteilssuche (...) Bei unvermeidlichen Rückschlägen und Misserfolgen kommt als Entlastungsstrategie die Abwälzung der Verantwortung auf ‚die anderen’ in Frage.“ 93
Die Ausführungen machen deutlich, dass Kooperation kein perpetuierender Vorgang ist, sondern vom Willen ihrer Akteure, aber auch von den strukturellen Bedingungen abhängig ist. Bezogen auf postmoderne Arbeitswelten schlägt Antoni (1998) unterschiedliche Formen von Kooperation vor, welche sich an der je unterschiedlichen arbeitsteiligen und zeitlichen Organisation orientiert: Gruppenarbeit: Damit werden solche Gruppen beschrieben, denen zwei oder mehr Personen angehören, welche so miteinander handeln, dass „…jede Person die anderen Personen beeinflusst und von ihnen beeinflusst wird, die ein gemeinsames Ziel, eine Gruppenstruktur mit Rollen und Normen sowie ein Wir-Gefühl haben (159)." Ein weiteres charakteristisches Merkmal ist eine gemeinsame Aufgabenstellung, welche von den Mitgliedern gemeinsam bearbeitet wird. Idealerweise werden die Arbeitsprozesse so gestaltet, dass die Bildung kleinerer Gruppen mit fünf bis sechs Mitgliedern möglich ist (ebd.). Als Qualitätszirkel werden kleine moderierte Gruppen bezeichnet, „ (...) die sich regelmäßig auf freiwilliger Grundlage treffen, um selbstgewählte Probleme aus ihrem Arbeitsbereich zu bearbeiten" (160). Das Qualitätszirkel-Konzept wurde aus Japan übernommen und ist im deutschen Sprachraum auch unter dem Begriff "Lernstatt" bekannt geworden (ebd.). Unter Projektgruppen werden solche Gruppen verstanden, welche sich aus Experten und Führungskräften zusammensetzen, „…die für die Lösung des konkret vorgegebenen Problemkreises entsprechend ihrer Sachkompetenz ausgewählt wurden und für die Dauer der Projektbearbeitung zusammenarbeiten" (162). Die Teilnahme ist nicht freiwillig und resultiert aus dem Arbeitsauftrag (ebd.). Als teilautonome Arbeitsgruppe gilt eine „…kleine Gruppe von Mitarbeitern, denen die Erstellung eines kompletten (Teil-)Produktes oder einer Dienstleistung mehr oder weniger verantwortlich übertragen wurde. Das Konzept der teilautonomen Arbeitsgruppen verknüpft die Gedanken der Arbeitserweiterung, der Arbeitsbereicherung und des Arbeitswechsels und überträgt sie auf die Gruppensituation" (162). Damit wird nicht nur menschengerechtere Tätigkeit, sondern auch höhere Produktivität, Qualität und Flexibilität angestrebt. Charakteristische Merkmale sind: Partielle selbständige Planung, Steuerung und Kontrolle der übertragenen Aufgaben (ebd.).
4.2.2 Fazit Insgesamt erweist sich das Konzept der Kooperation als zielgerichtetes Unterfangen altruismus- und empathiefähiger Individuen, welche willentlich, zielgerichtet und mit einem Vertrauensvorschuss zusammen aufgabenbezogen handeln. Dies tun sie, weil sie sich von einer kooperativen Arbeitsweise langfristig die besseren Resultate erhoffen als von Einzelhandlungen. Seine Grenzen erfährt dieses Konzept dort, wo Individuen zwar zur Kooperation verpflichtet sind, diese aber ablehnen und pseudokooperatives Verhalten erzeugen. Die genannten verschiedenen Dimensionen und Formen beziehen sich nicht zuletzt auf komplexe und hoch strukturierte Arbeitswelten der Moderne, welche mit dieser Form der Vernetzung Wissen im System generieren und weiterentwickeln. Kooperation bietet sich aus dieser Sicht als Arbeitsform für handelnde und ihre Möglichkeitsspielräume nutzende Akteure an, wie wir sie in Bildungssystemen finden. Insbesondere für das Konzept der Lernenden Schule dürfte kooperatives Handeln zur zentralen Grundfigur institutioneller Weiterentwicklung werden. 94
4.3 Kooperation von Lehrpersonen Obigem Fazit muss allerdings entgegengehalten werden, dass Schule so angelegt ist, dass sie auch ohne engere Zusammenarbeit der Lehrpersonen existieren kann (Steffens 1991) und dass in ihrem Arbeitskontext eher individualistische denn kooperative Ziele verfolgt werden (Gräsel et al. 2006). Mehr noch: Kooperation ist freiwillig und kann deshalb nur schwer eingefordert werden (ebd.; Wellendorf 1972). Dies allein kann allerdings noch nicht als stichhaltiges Argument dafür gelten, dass von einem tiefen Grad an Kooperation bei Lehrpersonen ausgegangen werden kann (vgl. Fend 1990), denn wie oben ausgeführt, baut Kooperation idealerweise auf Freiwilligkeit auf. Wie Wellendorf bereits 1972 feststellte, dürfte der Grund für eingeschränkte Zusammenarbeit in der verwaltungsbürokratischhierarchischen Struktur des Schulwesens liegen. Weil Lehrpersonen normalerweise Ziele für ihre Klasse realisieren müssen, sind sie in der Regel nur beschränkt von den Beratungen und Aktivitäten der Lehrerkonferenz abhängig (ebd.). Entsprechend nimmt Kooperation mit zunehmender Unterrichtsnähe ab (Rolff & Steinweg 1980) und bezieht sich nicht auf die Kernarbeit im Klasszimmer. Terhart (1987) sieht diesen Umstand im Rollenverständnis der Lehrpersonen begründet, da die erlebte Isolation im Unterricht ihre Fortsetzung im Lehrerzimmer findet. Dort bestehe eine Art kollegiale Anforderung, „…die u. a. verlangt, dass man sich offiziell unter formell gleichen Kollegen auch als prinzipiell gleichwertig, gleichkompetent und gleichberechtigt behandelt und vor allem darauf achtet, nicht in den Arbeitsund Kompetenzbereich der Kollegen einzudringen“ (445). Erst durch das strikte Nebeneinander und bei gleichzeitiger Demonstration von Geschlossenheit gegen außen werde aushaltbar, dass jeder Lehrer Versagensängste haben müsse bei gleichzeitigem Verdacht, dass es beim Kollegen besser laufe. Entsprechend werde die Erörterung eigener beruflicher Probleme als Bedrohung erlebt, was wiederum echte Kooperation verhindere (ebd.). Der Autor verweist in diesem bereits älteren Artikel einerseits auf die Notwendigkeit der Realisierung curricular-didaktischer Maßnahmen wie etwa Team-Teaching und andererseits von organisatorischen Reformvorschlägen, um bessere kooperative Bedingungen entstehen zu lassen (ebd.). Zu einem ähnlichen Schluss kommt eine von Kündig (1979) durchgeführte Organisationsanalyse des Zürcher Volksschulwesens: Im beruflich-fachlichen Bereich ist die horizontale Kommunikation unter Lehrern wenig entwickelt. Der Lehrer wird von den übergeordneten Stellen der Verwaltungsbürokratie als einzelner angesprochen; als einzelner, oder besser als Vereinzelter übt er auch seine berufliche Tätigkeit aus. Die isolierte Situation ist vom Lehrer teilweise selbst gewünscht; seine Unsicherheit in Bezug auf die eigene Rolle verlangt danach, seine berufliche Tätigkeit gegenüber Kollegen abzuschirmen, um sich so ihrer Kritik zu entziehen. Ein weiterer Ausdruck dieses Mangels an Berufsidentität besteht in der Tendenz, Kollegen anderer Schulstufen und anderer Schultypen, aber auch etwa der anderen Generation oder des anderen Geschlechts im negativen Sinne zu stereotypisieren, was wiederum sowohl die fachliche als auch die informale Kommunikation zwischen Lehrergruppen erschwert (76).
Inwiefern Lehrpersonen zu kooperativem Verhalten bereit sind, hängt deshalb auch davon ab, ob die dafür notwendigen organisationalen Bedingungen in einem Schulsystem bestehen oder nicht. Knauf (1995) kommt in einer Beschreibung der Entwicklung in einigen deutschen Nachbarländern zum Schluss, dass diesbezüglich etwa in den Niederlanden und in Italien günstigere rechtliche, administrative und institutionelle Voraussetzungen bestehen würden als in Deutschland, weil etwa die schon seit geraumer Zeit bestehende Verpflichtung zur integrativen Schulung behinderter Kinder oder die Einführung teilautonomer 95
Strukturen Voraussetzungen erzeugen, welche die Zusammenarbeit von Lehrpersonen nicht nur fördern, sondern nachgerade verlangen und zu einem neuen professionellen Selbstverständnis bei den Betroffenen führen. Der Autor vermutet gesellschaftsgeschichtliche Wurzeln, welche zur Entstehung kooperations- und autonomiefördernder Strukturen geführt haben: „Denken ließe sich an den englischen Parlamentarismus und Regionalismus, an Toleranz und Stiftungswesen in den Niederlanden, an die in Italien in den frühen Staatsrepubliken ebenso wie in der modernen Gewerkschafts- und Genossenschaftsbewegung ausgeprägte Fähigkeit zum phantasievollen, oft spontanen kollektiven Handeln“ (a.a.O.: 100). Auch wenn die institutionellen Bedingungen dazu nur in beschränktem Masse vorhanden sind, findet Kooperation unter Lehrpersonen in verschiedenster Form, Variation und Intensität statt, wie Kelchtermans (2006) nach einem Überblick über die Forschungsliteratur bilanzierend feststellt: „Ein adäquates Verständnis von Lehrerkooperation ergibt sich erst unter Einbeziehung des organisatorischen Kontexts der Schule. Die hier anzutreffenden Bedingungen bestimmen und beeinflussen die spezifische Form, den Inhalt, die Bedeutung und den Einfluss von Kooperation. Insofern resultieren Zusammenarbeit und Kollegialität aus den spezifischen Bedingungen des Arbeitsplatzes Schule und wirken umgekehrt auf diesen zurück“ (220). Kooperation von Lehrpersonen erfolgt also in der Regel unter Berücksichtigung struktureller Aspekte. Um das Phänomen wissenschaftlich beschreiben zu können, muss dennoch nach generellen und charakteristischen Formen der Zusammenarbeit in diesem Berufsfeld gesucht werden. Gräsel et al. etwa (2006: 209 f.) nennt drei Formen lehrerspezifischer Kooperation, welche sich hinsichtlich Intensität und Autonomieeinschränkung unterscheiden: Austausch: Darunter wird der Austausch relevanter oder hilfreicher Information verstanden, auf die Lehrerinnen und Lehrer angewiesen sind, um die mit Erziehungs- und Bildungsprozessen verbundenen Tätigkeiten zu synchronisieren. „Austausch erfordert keine Zielinterdependenz; er findet lediglich im Rahmen übergeordneter Zielstellungen der Schule statt“ (ebd.). Damit repräsentiert er eine niederschwellige Form der Kooperation, da er mit geringen Investitionen, aber entsprechend auch geringen Risiken hinsichtlich möglicher Einschränkung der Autonomie verbunden ist. Insofern erfordert er relativ wenig Vertrauen. Arbeitsteilige Kooperation: Hier besteht die Zusammenarbeit „…vielmehr darin, sich über eine präzise Zielstellung sowie eine möglichst gute Form der Aufgabenteilung und -zusammenführung zu verständigen, in der die Neigungen und Kompetenzen der Mitglieder berücksichtigt werden“ (ebd.). Mehrere Mitglieder eines Teams steuern Beiträge bei, mit dem Ziel, die Effizienz zu steigern. Dies kann beispielsweise die Vorbereitung von Unterrichtseinheiten oder Korrekturarbeiten betreffen. Die Autonomie ist dabei vergleichsweise eingeschränkt, während gleichzeitig mehr Vertrauen zwischen den Beteiligten als beim geschilderten Austausch erforderlich ist. Kokonstruktion: Sie liegt dann vor, „…wenn die Partner sich intensiv hinsichtlich einer Aufgabe austauschen und dabei ihr individuelles Wissen so aufeinander beziehen (kokonstruieren), dass sie dabei Wissen erwerben oder gemeinsame Aufgaben- oder Problemlösungen entwickeln“ (ebd.). Entscheidendes Merkmal ist die gemeinsame Bearbeitung von Aufgaben, was mit eingeschränkter Autonomie der beteiligten Akteure einhergeht. Bei insgesamt relativ hohem Aufwand besteht auch die Gefahr eines Scheiterns, weil vergleichsweise viel Abstimmungsarbeit zwischen den Partnern vorgenommen werden muss, was das Konfliktpotenzial erhöhen kann.
96
Pröbstel (2008) bezeichnet in leicht modifizierter Begrifflichkeit diese drei Modi von Kooperation als „Austausch“, „Synchronisation“ und „Ko-Konstruktion“ und konnte diese im Rahmen einer quantitativen Untersuchung mittels explorativer und konfirmatorischer Faktorenanalysen als Konstrukt bestätigen (Pröbstel 2008). Wichtig zu erwähnen ist dabei, dass diesen drei Modi zwar verschiedene Anforderungen zugrunde liegen, sie aber dennoch nicht als qualitative Reihenfolge verstanden werden dürfen. Zentral ist der situative und zweckmässige Einsatz der unterschiedlichen Formen. Ko-Konstruktion wird folglich aus der Praxisperspektive v.a. dann eingesetzt, „wenn neues Wissen oder qualitativ hochwertige Ergebnisse nicht durch individuelle Arbeit hätten erreicht werden können“ (Pröbstel 2008: 61). Fussangel (2009) konnte die Bedeutung einer nutzengeleiteten Auswahl von einer bestimmten Kooperationsform für die Praxis im Rahmen ihrer Dissertation empirisch nachweisen. In diesem Sinn entspricht Kooperation in pädagogischen Kontexten weitgehend dem weiter oben beschriebenen und aus der Sozialpsychologie bekannten Konzept. Je verbindlicher und stärker kooperatives Handeln auf eine gemeinsam getragene Zielstellung hin angelegt ist, desto mehr ist es vom Vertrauen der einzelnen Akteure abhängig. Ebenso erweist es sich für diese aber auch als Risiko, weil soziale Reibungsflächen entstehen und die zeitliche Investition nicht in selbem Masse mit zunehmender Effektivität einhergeht.
4.3.1 Forschungsstand Die gemachten Ausführungen verdeutlichen, dass sich der Zugang zu Kooperation als Forschungsgegenstand nicht trivial gestaltet. Einerseits muss aufgrund der bisherigen Ausführungen von einer komplexen und heterogenen Gestalt und Struktur dieser Thematik ausgegangen werden. Zum anderen ist Kooperation Teil eines komplexen Systemgeschehens, Ausdruck vom Zusammenhandeln verschiedener Akteure sowie Resultat von Rekontextualisierungsleistungen. Entsprechend herausfordernd erscheint die Aufgabe, Kooperation gewissermaßen aus dem ganzen Systemgeschehen heraus zu entflechten und isoliert wahrnehmen zu können. Grundsätzlich sind zwei Formen empirischer Zugänge zu Kooperation festzustellen. Der eine Ansatz fokussiert Kooperation eher in der ganzen Bandbreite ihrer Erscheinung und versucht sie in ihrer Vielgestaltigkeit zu beschreiben. Im andern Fall werden Wirkungsanalysen vorgenommen, welche nach Zusammenhängen zwischen bestimmten Kooperationsleistungen und Effekten auf schulischer oder unterrichtlicher Ebene suchen. Dabei werden vorzugsweise Trainingsprogramme oder Weiterbildungen zu quasiexperimentellen Zwecken genutzt, um Treatment-Effekte auf Outputvariablen festzustellen.
4.3.2 Ausgewählte Beschreibungen von Kooperation Rolff 1980 (113 ff.) hat eine erste kriterienorientierte Erfassung der Lehrerkooperation vorgelegt und definiert dabei Lehrerkooperation als Problemlösekompetenz, die sich in einer Stufenfolge der Lehrerkooperation entwickelt und zunehmend komplexere Anforderungen umfasst, bis hin zu teamartigem kooperativen Handeln. Rolff bildet auf dieser theoretischen Grundlage zwei empirische Skalen „technische Kooperation“ (Materialaustausch unter Lehrkräften, Austausch über Unterrichtserfahrungen im gleichen Jahrgang, gemeinsame Erstellung von Stoffplänen bis zur komplexen Unterrichtsplanung durch alle Lehr97
kräfte eines Fachs) und „pädagogische Kooperation“ (einfachen fächerübergreifenden Unterrichtsplanung, fächerübergreifende Unterrichtsdurchführung, Unterrichtsführung durch alle Lehrer eines Fachs bis hin zur komplexen gemeinsamen Unterrichtsplanung und Unterrichtshospitation). Diese ordnen die Kooperationsanforderungen nach Schwierigkeitsgrad. Steinert et al. (2006) halten unter Bezugnahme auf Rolff (1980) und Bauer (2002) fest, dass Unterschiede zwischen den Schulformen nur für die Skala der technischen Kooperation gefunden wurden, und zudem Lehrkräfte an den integrierten Gesamtschulen auf höherem Niveau als Lehrkräfte an Gymnasien kooperieren, vermutlich als Folge der größeren Heterogenität der Schülerschaft und der Differenzierung des Fachunterrichts mit der Möglichkeit zum Niveauwechsel. Dieser frühe Ansatz einer kriterienorientierten Skalierung der Lehrerkooperation ging über Rating-Verfahren zur internen Arbeitsorganisation, wie sie auch heute noch in Schulleistungsstudien verwendet werden, hinaus. Allerdings ist die Anwendung eines deterministischen Modells – und ein solches stellt die Guttman-Skala dar – unter theoretischen und empirischen Gründen problematisch, weil es eine sequenzielle Invarianz der Problemlösekapazitäten annehmen muss und empirische Abweichungen nur mit äußerem Zwang erklären kann. Auch ist die Annahme einer Entwicklungssequenz der Lehrerkooperation, die Kooperationsstufen als Entwicklungsstufen interpretiert, hinsichtlich der Wirkungsannahmen äußerst voraussetzungsvoll. Eine echte längsschnittliche Analyse solcher Entwicklungsverläufe hat Rolff nicht vorgelegt (Steinert et al. 2006).
Dalin & Rolff (1990) haben später eine Abstufung von Lehrerkooperation in den Arbeiten zur Schulentwicklung wieder aufgegriffen und dabei die Organisations-, Personal- und Unterrichtsentwicklung gleichberechtigt in ein allgemeines Modell der pädagogischen Schulentwicklung integriet. Sie entwerfen die bereits weiter oben (Kap. 3.1.) ausgeführte Stufenleiter der Schulentwicklung als eine Art Entwicklungsmodell (fragmentierte Schule, Projektschule, Problemlöseschule) für die Problemlösekapazität ganzer Schulen. Lehrkräfte und Schulen müssen zunehmend komplexere Anforderungen an Schulentwicklung erfüllen (Rolff 1991a). Steinert et al. (2006) merken hingegen kritisch an, dass besonders auf der Stufe der Fragmentierung die Abstufungen der Problemlösekapazität nicht ausreichend und trennscharf expliziert sind, wenn Schulen mit deutlichen Defiziten (z.B. Fehlen eines Zielkonzepts) und „Normalschulen“, in denen Lehrkräfte im Rahmen der vorgegebenen Arbeitsteilung kooperieren, derselben Stufe der Fragmentierung zugeordnet werden. „Diese drei Stufen mögen sich zur Strukturierung von Maßnahmen der Organisationsentwicklung gut eignen, sind aber empirisch vermutlich zu wenig differenziert“ (ebd.). Sie erklären zwar einerseits nicht, wie die jeweils höhere Stufe der Entwicklung erreicht wird bzw. wodurch Koordination, Kooperation und Professionalisierung in einer Schule zunehmen, bieten jedoch andererseits verdientermassen durch diese Konzeption einer Stufung der Problemlösekapazität von Schulen die Möglichkeit, dass diese Stufung als Ansatz für eine kriterienorientierte Erfassung der Lehrerkooperation dienen kann, weil organisationstheoretisch begründete Aufgabenanforderungen beschrieben werden (vgl. ebd.). In anderen Arbeiten geht es zum Teil vermehrt um Struktur und Form von Kooperation. Little (1991) beispielsweise hat in einer Analyse von sechs innovationsfreudigen Schulen ein Inventar möglicher Formen kollegialer Zusammenarbeit von Lehrpersonen herausgearbeitet. Es sind dies unter anderem die Durchsicht und Strukturierung geeigneter Materialien für den Unterricht, die Diskussion, Planung und Ausarbeitung von Unterrichtssequenzen und -projekten, die Ein- und Durchführung gegenseitiger Hospitationen, die Vermittlung neuen Wissens an andere Lehrpersonen, Teamteaching, aber auch eher informelle 98
Formen wie die Diskussion bestimmter schulischer Vorfälle oder ein gemeinsamer Restaurantbesuch. Davon schälten sich folgende Aspekte als charakteristische Interaktionsformen an innovativen Schulen heraus: Häufige und kontinuierliche Gespräche über Unterrichtspraktiken, um eine gemeinsame Sprache zu entwickeln, welche der Komplexität des Unterrichtsgeschehens entspricht; regelmäßige Beobachtungen, Rückmeldungen und Beurteilungen des praktizierten Unterrichts; gemeinsame Planung, Entwicklung und Konzeption von Unterrichtsmaterialien sowie Lehrpersonen, welche sich in der „Kunst“ des Unterrichtens gegenseitig unterweisen (ebd.). Kooperation kann auch auf ihre Funktion im gesamten Schulentwicklungsprozess hin betrachtet werden. Grunder (2002) untersuchte mit dem Forschungsansatz der so genannten hermeneutischen Schulentwicklung die Entwicklungsprozesse an ebenfalls sechs verschiedenen Schulen, indem er aufgrund der Analyse der Selbstreferenzen der Lehrkräfte die Gesamtöffentlichkeit der jeweiligen Schule darzustellen versuchte. Zentral dabei war, dass auf qualitative Weise Gemeinsamkeiten und Differenzen zwischen den einzelnen an der Schule arbeitenden Personen herausgearbeitet werden: „Im Prozess des Dialogs geschieht die gemeinsame Auslegung von Praxis als Herstellung von Öffentlichkeit und gemeinsamem Handeln“ (a.a.O.: 35). Als hauptsächliche Erkenntnisse nennt er unter anderen den unaufhebbaren und wechselseitigen Bezug von Unterrichts- und Schulentwicklung, die Bearbeitung von Konflikten über sozial-institutionelles Handeln, die Bedeutung sinnvoller kollegialer Arbeitsteilung und die Berücksichtigung der Subjektperspektive, bei der Gestaltung von Bildungsprozessen (ebd.). Gerade auf der Sekundarstufe mit ihrem ausgeprägten Fachschaftsprinzip interessieren Struktur und Funktion fachbezogener Kooperation. So etwa untersuchten Gräsel et al. (2006) in einer Interventionsstudie im Rahmen des Projekts „Chemie im Kontext“, inwiefern im Rahmen fachlicher Fortbildung die Anregung zur kollegialen Zusammenarbeit zu Veränderungen in der Kooperationskultur von Schulteams führen würde. In kooperierenden Kollegien waren sowohl das kollegiale Klima, der Austausch in der Fachgruppe als auch die unterrichtsbezogene Zusammenarbeit höher. Um das Verständnis von Lehrerkooperation genauer zu erfassen, wurde von denselben Autoren (ebd.) in zwei qualitativen Studien mit Subgruppen aus der geschilderten quantitativen Studie das Kooperationsverständnis von Lehrpersonen genauer beleuchtet. Dabei zeigte sich, dass Lehrpersonen unter Kooperation vor allem den kollegialen Austausch verstehen: „Auffallend – und in Übereinstimmung mit der theoretischen Bedeutung, die Ziele im Kooperationsprozess haben – war das Fehlen von artikulierten gemeinsamen Aufgaben und Zielstellungen“ (a.a.O.: 214). In einer zweiten Studie wurde untersucht, in welcher Weise sich Lehrpersonen in Fachgruppen austauschen. Dabei zeigte es sich, dass sich die Zusammenarbeit der befragten Chemielehrpersonen vor allem auf fachlichen Austausch bezog: „Die Zielvereinbarungen liefen in der Regel auf einen Informationsaustausch hinaus; weiterführende Aspekte wurden nur in wenigen Fällen vereinbart“ (a.a.O.: 216). Mit Blick auf das gesamte Tätigkeitsspektrum von Lehrpersonen stellt sich die Frage nach einer differenzierten Erfassung sowohl der Struktur als auch des Grades an Kooperation. Auf der Basis der empirischen Untersuchung am DIPF „Lehrerarbeit und Schulentwicklung“ (SEL) mit 93 hessischen Sekundarschulen und über 4319 Lehrpersonen wurde unter Bezugnahme der theoretischen Konzepte der Schuleffektivitäts- und Schulentwicklungsfor99
schung Lehrerkooperation durch folgende Aspekte charakterisiert (vgl. Steinert & Klieme 2003; Steinert et al. 2006): Schulorganisation: Pädagogische Orientierung und Zielkonzept der Schule, Koordination der schulischen Förderangebote, Information und Kommunikation, Aufgabenverteilung und Entscheidungsbeteiligung, Berichterstattung und Evaluation. Personalmanagement und Professionalisierung: Rekrutierung, Fortbildung und Training der Lehrkräfte, Beratung und Diagnose des Lehrerhandelns. Unterrichtsorganisation: Curriculum, Fachinhalte, Fach-Didaktik und Methodik, Beratung und Diagnose der Lernentwicklungen und individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler. Datenbasis der Analysen sind die „Pädagogischen EntwicklungsBilanzen“ (PEB). In Hessen wurden diese vom Deutschen Institut für Internationale Pädagogische Forschung als Instrument zur freiwilligen Schulevaluation eingesetzt. Um eine praxisnahe Selbstevaluation zu ermöglichen, sind die Wahrnehmungen des Arbeitsplatzes und der Organisation der Schule aus Lehrersicht sowie die Wahrnehmungen des Schulklimas aus Schüler- und Lehrersicht (Döbrich, Plath & Trierscheid 1999; Döbrich, 2003; Klieme u.a. 2005) relevant. „Eine vollständige Erfassung aller Kooperationsaspekte zu Organisation, Personal und Unterricht war damit nicht impliziert“ (Steinert et al. 2006). In Anlehnung an die von Dalin & Rolff (1990) und Rolff (1991a) organisationstheoretisch begründete Stufenabfolge von Aufgabenanforderungen („Fragmentierte Schule“ – „Projektschule“– „Problemlöseschule“), die als Ansatz für eine kriterienorientierte Erfassung der Lehrerkooperation dienen kann, schlagen Steinert und Klieme (2003) fünf theoretische Entwicklungsstufen der zunehmenden Kooperation unter Lehrpersonen vor (vgl. Tabelle 1). Dabei bilden die drei grundlegenden Komponenten der Schulentwicklungsforschung: Organisationsentwicklung, Personalentwicklung und Unterrichtsentwicklung (vgl. Fullan: 1990; Rolff: 1998) die Basis für die sechs Dimensionen dieser Stufenfolge. Die fünf Kooperationsstufen sind (vgl. Steinert & Klieme 2003; Steinert et al. 2006): Fragmentierte Schule: Hier handelt es sich um eine negative Definition, einen Anfangspunkt bezüglich Koordination, gemeinsamen Zielen, gegenseitiger Information, Öffnung der Schulzimmer, pädagogischer Innovation und Personalentwicklung. Differenzierte Schule: Minimale Standards formaler Prozesse in der Schulorganisation, bei gemeinsamen Zielen und dem Schulprogramm sind sichtbar. Personalentwicklung ist limitiert vorhanden und vollzieht sich in individueller, unkoordinierter Form. Koordinierte Schule: Es gilt alles oben Erwähnte. Darüber hinaus zeigt sich eine systematische Koordination von Information, Fach- und Sachthemen; Wertschätzung der Teamarbeit ist wichtig und es herrscht Konsens über Leitbild und Schulprogramm. Interaktive Schule: Koordination und Kooperation vollziehen sich innerhalb eines Faches und in fachübergreifenden Absprachen, Informationsaustausch, Diskussionen über Probleme (z.B. Disziplinarschwierigkeiten an der Schule) und Unterricht. Personalentwicklung geschieht auf Schulebene (gemeinsame Weiterbildung, koordinierte individuelle Weiterbildung in Bezug auf die Schule). Integrative Schule: Umfassende Koordination von Fach- und Sachthemen, Weiterentwicklung der Teamkooperation und Personalentwicklung, Erfahrungsaustausch über Lehrerfahrungen, Verbesserung der Lehrkompetenzen durch gegenseitige Anpassung und Koordination auf der Basis von kollegialen Hospitationen und Kooperation bilden an dieser Schule die Regel und stellen die oben erwähnte „Problemlöseschule“ dar. 100
Tabelle 1: Kooperations-Levels (nach Steinert & Klieme: 2003, 12) LEVEL
Päd. Ziele Leitbild/ Konzept
Information, Kommunikation, Entscheide
Schulentwicklung Innovation
Personalentwicklung
Vorbereitung, Umsetzung von Lehren und Lernen
Schülerbeurteilung
(0) Fragmentierung (1) Differenzierung
Kein abgestimmtes Zielkonzept
Mangelhafte Information und Kommunikation
Geringer Grad an Innovationsbereitschaft
Geringe Personalentwicklung
Herstellung eines Leitbildes und SchulKonzeptes
Informationen innerhalb formellen und informellen Treffen
Implementierung von päd. Konzepten, einzelne Berichte über die Schule
Individuelle Weiterbildung an Weiterbildungsinstituten für Lehrpersonen
Keine oder zufällige gemeinsame Vorbereitungen Lehren an einzelner Klasse, Kooperation innerhalb Fachthemen und Jahrgangsstufen
(2) Koordination
Konsens über das Leitbild und Konzept ist erreicht
Information innerhalb von Treffen, Sitzungen und Teams
(3) Interaktion
Umfassender Einbezug im und Teilnahme am päd. Programm
Austausch von Informationen & Beratung in Sitzungen und Teams
Regelmässige Berichte über die Schule, Einführung von Evaluationen Implementation eines Evaluationsprozesses mit Auswertung
(4) Integration
Evaluation und Verbesserung des päd. Programms
Austausch von Informationen und Beratung in Sitzungen, Teams und der Belegschaft
Kontinuierliche Evaluation von Schulprogrammen und deren Weiterentwicklung
Individ. und teambezogene Weiterbildung, institutionelle Weiterbildung Weiterbildung auf individ. und schul. Ebene, Beratungsaktivitäten Programm für Weiterbildung; Strategien zur Problemlösung
Beurteilung ausschliesslich durch die einzelne Lehrperson Beurteilung durch die Klassen-, Fachlehrpersonen, Zeugniskonferenzen Ende Semester Beurteilung innerhalb ausgewählter Fachthemen und Stufen
Koordinierte Teamarbeit innerhalb Fach- und Jahrgangsgruppen Koordination des Lehrens über Fach-/ Jahrgangsgruppe hinaus Koordination und Teamarbeit über Fächer und Stufen hinweg
s.o. und Diagnostik spezieller Bedürfnisse (Förderdiagnostik) Entwicklung und Austausch von Kriterien und Standards für die Beurteilung
Die Ergebnisse der Studie weisen auf Folgendes hin: „Teacher cooperation is a highly appreciated goal in all schools, but hardly realized. Cooperation on educational concepts and programs occurs more often than cooperation on teaching and instruction. Despite remarkable differences among the surveyed schools and school types the average degree for teacher cooperation is quite low“(Döbrich, zitiert nach Steinert & Klieme 2003: 6). Für die 25 teilnehmenden Gymnasien zeigte sich folgendes Bild: 20% befinden sich auf dem Level (0) „Fragmentierung“, 60% auf dem Level (1) „Differenzierung“, 16% auf dem Level (2) 101
„Koordination“ und 4% auf dem Level (3) „Interaktion“. Den Level (4) „Integration“ erreicht kein Gymnasium der Stichprobe in Hessen. Aufgrund dieser Studie kann gesagt werden, dass die verschiedenen theoretisch fundierten Levels sich auch empirisch abbilden lassen. „Regarding teacher cooperation the different organizational environments of school types supposed to correspond to organisational requirements and different priority setting on pedagogical objectives and teaching“ (Steinert & Klieme 2003: 10). Mit der Rasch-Skalierung der Items zeigen sich die Levels deutlich und differenzieren die unterschiedlichen Schultypen der Gesamtstichprobe von 93 Schulen. Das Modell hält auch einer Überprüfung stand, die Schweizer und Klieme (2005) publiziert haben: „Es wurde also festgestellt, (a) dass die Stufen der Lehrerkooperation auf einer zugrunde liegenden Dimension angeordnet waren (d.h. sich aufeinander beziehen), (b) dass sich die Stufen voneinander unterscheiden und (c) dass der Zuwachs von Stufe zu Stufe immer den gleichen Betrag aufwies“ (Schweizer & Klieme 2005: 76). Insgesamt wird in diesen hier kurz vorgestellten Arbeiten zum Ausdruck gebracht, dass Kooperation von Lehrpersonen als facettenreiches und hinsichtlich Intensität, Zielbezogenheit und Verbindlichkeit sehr heterogenes Phänomen erscheint, welches immer auch – und dies ganz im Sinne der Grundfigur des institutionellen Akteurs – in Abhängigkeit struktureller Gestaltungsvorgaben auf der Makroebene des Bildungswesens zu sehen ist. Zwar scheint Kooperation von den Lehrpersonen vorzugsweise eher in informeller Weise und in Form von Gesprächen stattzufinden, welche keine hohen zeitlichen, emotionalen und autonomiebedrohlichen Investitionen mit sich bringen. Offensichtlich scheinen sie aber auch eine Grundfigur kooperativen Lehrerhandelns zu sein, welche für das Funktionieren von schulischen Systemen unerlässlich ist.
4.3.3 Wirkungen kooperativen Handelns Lehrerkooperation wird in zahlreichen Studien der Schuleffektivitäts- und Schulentwicklungsforschung als zentrales Konstrukt für Schulqualität und Schuleffektivität konzeptualisiert, das zur produktiven Bewältigung organisatorischer, schulischer und lernprozessbezogener Anforderungen einen Beitrag leisten kann (Fend 1986, 1998; Dalin & Rolff 1990; Rolff 1980, 1991a, 1992, 1998; Wang, Haertel & Walberg 1993; Slavin, 1996; Scheerens & Bosker 1997; Leithwood & Seashore Louis 1998; Dalin 1999; Ditton 2000, 2004; Teddlie & Reynolds 2000; Ditton, Arnoldt & Bornemann, 2002; Ditton & Arnoldt 2004; Johnson & Johnson 2003; Maag Merki & Steinert 2006; Halbheer, Kunz & Maag Merki 2008; Steinert, Hartig & Klieme 2008; Maag Merki 2009). Kooperationen sind im schulischen Alltag jedoch nur in begrenztem Ausmass realisiert (vgl. Gräsel, Fussangel, & Pröbstel 2006; Holtappels 1999; Steinert et al. 2006) und erscheinen als Ergebnis unklarer, impliziter und komplexer Kontexte insbesondere in Bezug auf Rollen und Aufgaben problembehaftet und klärungsbedürftig (Anliker, Lietz & Thommen, 2008). Kooperation ist nicht per se qualitativ gut, resultiert aus den spezifischen Bedingungen des Arbeitsplatzes Schule und wirkt auf diesen zurück (Kelchtermans 2006). Professionelle Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen ist äusserst voraussetzungsreich und an begünstigende Rahmenbedingungen gebunden. Entsprechende Studien verweisen auf Gelingensbedingungen von Kooperation (vgl. Maag Merki 2009; Shachar & Sharan 1993) ohne den Anspruch zu erheben, Kooperationsmodelle könnten innerhalb des Schulsystems linear transferiert werden.
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Schuleffektivität und Kooperation von Lehrpersonen Bereits in den 80er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts haben Purkey & Smith (1983a) aus den Ergebnisse amerikanischer Schuleffektivitätsforschung neben andern Merkmalen, wie etwa Leistungsorientierung und pädagogischer Orientierung der Lehrpersonen, auch Kooperation als bedeutsamen Faktor im Hinblick auf gute Schülerleistungen genannt. Die Bedeutung der Kooperation von Lehrpersonen als Merkmal guter Schulen wurde zunächst auf induktivem Weg ermittelt. Als effektive Schulen wurden diejenigen Schulen identifiziert, die sich trotz eines insgesamt geringeren sozioökonomischen Status der Schülerinnen und Schüler durch höhere Schülerleistungen auszeichneten. In Extremgruppenvergleichen wurde dann nach Schulmerkmalen gesucht, die mit den Leistungen variierten. Listen von Merkmalen guter Schulen und Schulportraits waren die Folge. Zu diesen Merkmalen gehörte auch die Lehrerkooperation (vgl. Purkey & Smith 1983b; Aurin, 1991; Steffens & Bargel 1993). Die Schulunterschiede liessen sich als Beleg für die Gestaltbarkeit der Einzelschule und Beeinflussbarkeit von Lernergebnissen durch Schulmerkmale jenseits des Einflusses der sozialen Herkunft der Schülerinnen und Schüler (Coleman et al. 1966) interpretieren: „Schools matter“ (Rutter u. a. 1979, 1980; Mortimore 1994) war als Leitidee der Schuleffektivitätsforschung etabliert. Mit der systematischen Modellierung der Schulqualität und Schuleffektivität (vgl. Scheerens & Bosker 1997; Stringfield 1994; Fend 1986, 1998; Ditton 2000) und der Konzeption von Kooperation als pädagogischem Prozessmerkmal der Organisationseinheit Schule (vgl. Steinert et al. 2006), wird in diesen Modellen die Erwartung erzeugt, über kollektive schulische Praxis könne die Kohärenz und Konsistenz individuellen Lehrerhandelns (klassen- und fachübergreifend) erhöht und auf diese Weise die Lernergebnisse von Schülerinnen und Schülern verbessert werden. „Diese Erwartung wurde empirisch nur teilweise erfüllt“ (Steinert et al. 2006). Die Frage nach der relativen Bedeutsamkeit von Merkmalen auf verschiedenen Ebenen (Individuum, Unterricht und Schule) für Unterschiede in den Lernergebnissen der Schüler/innen (vgl. Wang, Haertel & Walberg 1993; Scheerens & Bosker 1997; Fend 1998 und Ditton 2004) zeigt, dass die individuellen und familiären Ausgangsvoraussetzungen mehr zur Erklärung von Leistungsunterschieden beitragen als dies Schulmerkmale vermögen. Zudem sind die Zusammenhänge zwischen Schulmerkmalen und Schülerleistungen nicht konsistent und variieren nach Schulstufen und Fächern (Ditton & Krecker 1995; Ditton 2000; Scheerens & Bosker 1997). Weiter verfehlen Zusammenhänge zwischen der Lehrerkooperation und Schülerleistungen häufig die Schwelle statistischer Signifikanz (Scheerens & Bosker 1997). Die Art und Häufigkeit von Kooperation an Grundschulen hat Holtappels (1999) untersucht. Die Kooperationsbeteiligung macht dabei nur einen geringen Anteil an der Arbeitszeit aus. Bezüglich der konkreten Aktivitäten zeigte sich deutlich, dass die Lehrpersonen sich am ehesten noch an der Vor- und Nachbereitung von Unterricht beteiligten. Bereits etwas geringer war die Beteiligung an Schulentwicklungsaktivitäten und noch seltener die Form des Teamteachings oder die Mitwirkung an Fördermaßnahmen. Gegenseitige Hospitation verbunden mit Beurteilung des Unterrichtshandelns kam besonders selten vor. Schwerpunkte von Unterrichtsentwicklung waren demnach eher Fragen der Planung von Unterricht und der Schülerbeurteilung als die Modifikation des tatsächlichen Unterrichtshandelns durch gegenseitiges Feedback. Pang (2003) untersuchte verschiedene Typen von Kohäsionskräften in Lehrerteams und stellte dabei fest, dass „Cultural Linkage“, „Tight Coupling“ und „Loose Coupling“ als 103
Strukturformen der Zusammenarbeit günstigere Wirkungen zu verschiedenen Facetten der beruflichen Arbeit wie etwa „Ordnung und Disziplin“, „Zusammengehörigkeitsgefühl“, „Arbeitszufriedenheit“ oder „Lehrerengagement“ aufwiesen als „Bureaucratic Linkage“. Cheung & Cheng (2002) haben mit dem Konzept des „Multilevel self-management in school“ ein Instrument entwickelt, welches unterschiedliche Grade der Schulqualität auf den Ebenen Schule, Team und Individuum erfasst. Ein Vergleich zwischen Schulen mit hohem und solchen mit tiefem Grad an „Multilevel self-management in school“ zeigte, dass die Schülerinnen und Schüler derjenigen Schulen, an denen eine hohe Zusammenarbeitsqualität auf sämtlichen Ebenen bestand, höhere Leistungen erbrachten als jene der Schulen mit gering manifestierter Zusammenarbeitsqualität. Allerdings zeigten auch die Schülerinnen und Schüler jener Schulen, welche bezüglich einzelner der drei Ebenen hohe Werte erzielt hatten, vergleichbar gute Leistungen. In einer deutschen Untersuchung konnte Kuper (2002) zeigen, dass an so genannten integrierten Schulen, welche sich durch einen hohen Grad an kollegialer Abstimmung und individueller Verantwortung auszeichnen, der Austausch über den praktizierten Unterricht ausgeprägter ist als an Schulen, an denen dieser Grad tief liegt.
Schulentwicklung und Kooperation von Lehrpersonen Wie Steinert et al. (2006) ausführen, wird Lehrerkooperation eher im Kontext der Organisationsentwicklung thematisiert (Bauer 2002; Dalin & Rolff 1990; Dalin 1999; Rolff 1991b, 1992, 1998; Wenzel 2002), als im Kontext der Professionalisierung (Bauer, 2000; Leithwood & Seashore Louis, 1998; Rosenholtz 1989) oder der Unterrichtsentwicklung (Holtappels 1999; Rolff 1980). Wie bereits weiter oben ausgeführt (Kapitel 3.1) wurden die Handlungsspielräume der Einzelschule zunehmend als Element der pädagogischen Organisationsentwicklung betrachtet. Dabei rückt für Schulentwicklung der Fokus nicht nur auf den Output (die Steigerung von fachlichen und überfachlichen Schülerleistungen), sondern auch auf die Qualität der schulischen Prozesse. Hierbei stellt Lehrerkooperation als kollegiale Arbeitsform ein wichtiges Merkmal der Organisationsqualität dar, mit dem Potenzial, den Unterricht, die Lehr- und Lernkultur und die Lernergebnisse von Schülerinnen und Schülern beeinflussen zu können. Welche Herausforderungen für eine funktionierende Kooperation von Lehrpersonen ergeben sich dabei? Die weiter oben ausgeführten Charakteristika (Rolff, 1991a, 1993), welche die Schule prägen, nennen als beachtenswerte Restriktion für die Kooperation von Lehrpersonen die zelluläre und gefügeartige Struktur der Schule (Lortie 1975). Diese begünstigt Individualismus, Konservatismus und Kurzfristigkeit in den Einstellungen und im Handeln von Lehrkräften und erschwert die erwähnten professionellen Handlungsmuster und die Qualitätsentwicklung in Schule und Unterricht (Lortie 1975; Rosenholtz 1989; Hargreaves & Fullan 1992; Rolff 1980, 1992; Schönknecht 1997; Ulich 1996; Altrichter 2000). Mit dem Fokus auf organisationales und professionelles Lernen differenzieren Seashore Louis & Leithwood (1998) zwischen zwei Veränderungsmustern (vgl. dazu auch Kapitel 3.1.3): Vor dem Hintergrund der zellularen Struktur von Schulen (Lortie 1975) sind umfassende Transformationen (double-loop learning) weniger wahrscheinlich als diskontinuierliche kleinere Veränderungen und Entwicklungen (single-loop learning) von kleinen Teams. „Eindeutige Vorzüge der einen oder anderen Variante des Organisationslernens bezüglich der Schülerleistungen sind nicht nachzuweisen“ (Steinert et al. 2006:188). 104
Ergebnisse zu Wirkungen von Kooperation liegen insbesondere zur Thematik der so genannten professionellen Lerngemeinschaften (professional learning communities) vor. Folgende Kriterien professioneller Lerngemeinschaften (Seashore Louis & Leithwood 1998; Newman 1994; Bonsen & Rolff 2006) für die Verbesserung schulischer Effektivität sind als relevant zu bezeichnen: gemeinsame Zielorientierung, Zusammenarbeit sowie gemeinsam geteilte Normen und Werte (shared norms and values), wechselseitige Verpflichtung und gemeinsame Fokussierung auf schülerseitige LernLehrprozesse (focus on student learning), offene Diskussion individueller Unterrichtspraktiken und eine De-Privatisierung der Praxis, weil Unterrichten zwar eine persönliche, aber keine private Angelegenheit darstellt (de-privatization of practice), regelmäßige Diskussion und Kooperation in Fragen des Curriculums, des Unterrichts, der Lernfortschritte und der Leistungsbeurteilung, ein fortlaufender reflektierender Dialog (reflective dialog, collaboration). Das aus den USA stammende Konzept der „Professional Learning Communities“ hat sich dort als effektiv erwiesen. In professionellen Lerngemeinschaften geht es im Wesentlichen darum, die eigene Professionalität zu entwickeln, indem die berufliche Praxis laufend reflektiert wird: „The goal of their actions is to enhance their effectiveness as professionals for the students’ benefit; thus, this arrangement may also be termed communities of continuous inquiry and improvement“ (Hord 1997: 10). Diese relativ breite Umschreibung professioneller Praxisentwicklung kann sich auf engagierte Arbeitsgruppen, Fach- oder Jahrgangsteams, ganze Schulkollegien oder Netzwerke innovativer Schulen beziehen (Bonsen & Rolff 2006). Dabei stellen Selbst- und Fremdbeurteilungsprozesse, z.B. durch wechselseitige Beurteilung oder die Zusammenarbeit Möglichkeiten für gegenseitige Unterstützung und für den Auf- und Ausbau fachlicher Expertise dar. Den Forschungsstand zur Wirksamkeit von PLG zusammenfassend hält Hord (1997) fest, dass eine professionelle Lerngemeinschaft erfolgreich neue Unterrichtstechniken erlernt, professionelles Wissen erweitert, den Informationsstand über fachliche Innovation erhöht, ein Verständnis der Bedeutsamkeit der eigenen Rolle als Lehrperson bei der Unterstützung und Förderung von Lernenden entwickelt und dass eine höhere Berufszufriedenheit und eine höhere Motivation für nachhaltige Veränderung und Innovation erreicht werden. Lehrerzusammenarbeit wird damit zu einem Bindeglied zwischen dem Organisationslernen in der Schule und dem Lernen in professionellen Gemeinschaften. Zudem zeigt Rosenholtz (1989) in einer frühen Studie zur Arbeitsplatzsituation von Lehrkräften, dass Lehrkräfte dann, wenn sie mit Kollegen kooperieren und in ihrer Arbeit ein positives Feedback erhalten, eine höhere Effektivitätsüberzeugung bezüglich ihres pädagogischen Handelns haben und mehr Unterstützung durch Kollegen erfahren. Gemäß Rosenholtz (ebd.) werden an so genannten „learning enriched schools“, an denen Lehrpersonen sich als Lernende verstehen und ihre Berufspraxis systematisch weiterentwickeln, bessere Schülerleistungen erzielt. Die Art und Häufigkeit von Kooperation an Grundschulen hat Holtappels (1999) untersucht. Einen nur geringen Anteil an der Arbeitszeit machte die Kooperationsbeteiligung aus. Lehrpersonen beteiligen sich am ehesten noch an der Vor- und Nachbereitung von 105
Unterricht, bereits etwas geringer war die Beteiligung an Schulentwicklungsaktivitäten und noch seltener die Form des Teamteachings oder die Mitwirkung an Fördermaßnahmen. Gegenseitige Hospitationen, verbunden mit einer Beurteilung des Unterrichtshandelns kamen besonders selten vor. Schwerpunkte von Unterrichtsentwicklung waren demnach eher Fragen der Planung von Unterricht und der Schülerbeurteilung sowie die Modifikation des tatsächlichen Unterrichtshandelns durch gegenseitiges Feedback. Im Rahmen des Projekts SINUS (Steigerung der Effizienz des mathematischnaturwissenschaftlichen Unterrichts) wurden professionelle Lerngemeinschaften in den Schulen angeregt und die Wirkungen des Programms wissenschaftlich evaluiert (Ostermeier 2004; Prenzel et al. 2005). Unterrichtsbezogene Kooperation als Leitprinzip wurde dadurch angeregt, dass die teilnehmenden Fachlehrpersonen in so genannten Schulnetzwerken zusammengefasst waren. Diese waren dadurch charakterisiert, dass sie eines der elf angebotenen Module relativ autonom bearbeiteten und dabei Aufgaben- und Rollenverteilungen vornahmen, eine gemeinsame Zielsetzung entwickelten, auf schnelle Kommunikation achteten und Führungsfragen klärten (Ostermeier 2004). Zu zwei Messzeitpunkten wurden über 500 Lehrpersonen hinsichtlich ihrer Kooperationsaktivitäten befragt. Es zeigte sich unter anderem, dass diese Form der unterrichtsbezogenen Kooperation durch die Teilnehmenden im Längsschnitt positiv bewertet wurden und dass sich diese Einschätzung zwischen dem ersten und dem zweiten Messzeitpunkt noch verstärkte, obwohl die tatsächlichen Kooperationsaktivitäten im selben Zeitraum eher abnahmen. Die Wirkungen des auf verschiedenen Niveaustufen des Sekundarschulsystems realisierten Modellversuchsprogramms waren insgesamt positiv, da unter anderem die Schülerleistungen in Mathematik und das mathematikbezogene Interesse an den an SINUS teilnehmenden Schulen gegenüber vergleichbaren Schulen aus der PISA-Stichprobe im Bereich der Effektstärken zum Teil bedeutsam besser waren. Obwohl die Autoren insgesamt flächendeckende Effekte zugunsten der SINUS-Schulen berichten, gilt anzumerken, dass diese Befunde hauptsächlich für die tieferen Schulniveaus und Schulen mit mehreren Bildungsgängen gelten, nicht aber für die Gymnasien. Generell zeigen sich für solche unterrichtsbezogenen und mit geleiteten Weiterbildungsaktivitäten verbundenen Kooperationsangebote günstige Effekte, sowohl was die Wirkungen auf die Professionalität von Lehrpersonen, die Berufszufriedenheit als auch die Leistungen der Schülerinnen und Schüler betrifft, wie Lipowsky (2004: 473) in einer Übersichtsarbeit festhält: Die Forschungsarbeiten zeigen ferner, dass wirksame Lehrerfortbildungen Möglichkeiten zum gegenseitigen Austausch und zur Zusammenarbeit eröffnen und dabei mehrere Kolleginnen und Kollegen einer Schule einbinden. Solche schulischen Diskurs- und Lerngemeinschaften (vgl. Rolff 2002; Green 2002; Fullan 1982) zielen zum einen auf die schulische Dissemination von Fortbildungsinhalten ab und sehen in der unterrichtsbezogenen Interaktion von Kolleginnen und Kollegen wichtige Voraussetzungen für die Bewusstmachung und Veränderung von Lehrereinstellungen und Lehrerhandeln (473).
Professionelle Lerngemeinschaften in Verbindung mit Weiterbildung vermögen hier das sich im Zuge verbindlicher und zielbezogener Kooperation ergebende Risiko des Scheiterns zu mildern, indem sie die Kooperationsaktivitäten der Beteiligten an einen von diesen zwar gewollten, aber von außen begleiteten und (mit-)gesteuerten Prozess anbinden. Weitere Studien verweisen darauf, dass Kooperationen zwischen Lehrpersonen in hohem Masse voraussetzungsreich sind und nicht in kurzer Zeit initiiert, aufgebaut und nachhaltig 106
implementiert werden können. Dabei können Gelingens- und Risikofaktoren nach Maag Merki (2009) in verschiedenen Bereichen angenommen werden: (1) Bereitstellung von Unterstützungssystemen, (2) eine Bedürfnisorientierung und Adaptivität, (3) die Berücksichtigung emotional-motivationaler Voraussetzungen der Akteure, (4) gemeinsame Zielvorstellungen und verbindliche Regelungen, (5) eine konzeptionelle und didaktische Gestaltung von Kooperation und (6) die Schaffung von Rahmenbedingungen und Strukturen.
4.4 Bedeutung für die vorliegende Arbeit Gerade im Zuge zunehmender Teilautonomie im Bildungswesen mit sukzessiver Übertragung der Steuerung auf regionale Akteure erlangt Kooperation von Lehrpersonen in Bezug auf die Ausgestaltung des Schulprofils erhebliche Bedeutung (Zymek 2006). Lehrerkollegien sind dabei herausgefordert, über die Entwicklung ihrer Schule, über Schwerpunktsetzungen im Rahmen von Leitbildentwürfen, über Schulqualität und das damit verbundene Qualitätsmanagement nachzudenken. Sie müssen entsprechende Konzepte entwickeln, diese umzusetzen und ihre Funktionalität kritisch reflektieren. Dies bedingt vielfältige Prozesse des Zusammenhandelns, welche über informellen Austausch hinausgehen und durchaus Risiken des Autonomieverlusts im Zuge intensiverer Kooperation bergen können. Wie erwähnt, interessiert in der vorliegenden Arbeit neben einer allgemeinen und auf verschiedenen Ebenen des Schulsystems stattfindenden Lehrerkooperation insbesondere die Verbindung zum Qualitätsmanagement der beteiligten Zürcher Mittelschulen. Speziell werden neben dem Ausmaß an Kooperation, wie es an den einzelnen Schulen realisiert wird, die Erscheinungsformen (vor allem auch in Bezug zu Schulentwicklung und Qualitätsmanagement) und die Haltungen fokussiert, welche die Betroffenen zu ihrem eigenen Zusammenhandeln entwickeln. Aus diesem Grund wurden sowohl auf quantitative Weise der Grad an Kooperation an den einzelnen Schulen als auch über halbstandardisierte Interviews Selbstreferenzen der Lehrpersonen zu Formen und Einstellungen zu Kooperation erhoben.
4.5 Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde in einem ersten Schritt Kooperation als soziales Phänomen und allgemeines Konzept dargestellt. Dabei erfuhr insbesondere das aus der Spieltheorie bekannte und sich im experimentellen Versuch bewährende Prinzip des „Tit for Tat“ eine eingehendere Darstellung. Weiter gilt insbesondere für Arbeitsverhältnisse die von Spiess (1996) vorgeschlagene Dreiteilung in strategische und empathische Kooperation sowie Pseudokooperation. Obwohl Lehrpersonen durch den gemeinsamen Arbeitsort Schule miteinander verbunden sind, wird kooperatives Verhalten durch die zelluläre Struktur (Gliederung in ein dichtes Gefüge von Klassen und Lektionen) von Schule erschwert. Durch den ausgeführten Forschungsstand lässt sich zeigen, dass Kooperation in unterschiedlichsten Formen und Intensitäten gepflegt wird. Gerade informellere Formen wie gegenseitiger Austausch werden oft praktiziert. Davon können seltener vorkommende, aufwändigere und anspruchsvollere Modi der Zusammenarbeit wie arbeitsteilige Kooperation oder gemeinsame Ko-Konstruktion unterschieden werden. In unterschiedlichen Konzeptionen werden auch Graduierungen von Kooperation vorgeschlagen. Hier gilt es insbesondere das auf einer Rasch-Skalierung basierende Modell von Steinert & Klieme (2003) zu erwähnen, welches fünf Niveaus von Kooperation postuliert. 107
Hinsichtlich Effektivität sind die Befunde uneinheitlich; insbesondere bezogen auf die Lernleistungen sind wenige Wirkungen nachweisbar. Günstige Effekte scheint Kooperation von Lehrpersonen hingegen auf die Entwicklung von Schulen und die damit verbundenen Aspekte von Organisation zu haben. Die zitierte Forschungsliteratur verdeutlicht weiter, dass Kooperation von Lehrpersonen entweder auf den Kern professionellen Handelns, den Unterricht, beschränkt werden kann oder sich auf sämtliche Facetten der beruflichen Tätigkeit beziehen kann. Für den ersten Fall wurde prototypisch das Konzept der professionellen Lerngemeinschaften vorgestellt. Diese Form der verbindlich geregelten Zusammenarbeit von Lehrpersonen bezieht sich in der Regel auf gemeinsame, (fach-)didaktische Unterrichtsentwicklung und kann aufgrund der Befundlage als produktive Möglichkeit angesehen werden, berufliche Weiterentwicklung zu gestalten. Weil Lehrpersonen aber nicht nur bezogen auf den Unterricht zu kooperieren haben, muss eine umfassende Deskription von Lehrerkooperation auch schulorganisatorische und administrative Belange der beruflichen Tätigkeit in den Blick nehmen, zumal von Kooperation in diesen Bereichen günstige Effekte in Bezug auf Aspekte der Organisationsqualität zu erwarten sind.
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5 Indikatoren für Schulqualität & Schulentwicklung: eine vorläufige Auswahl
Obwohl als komplexes und dynamisches Geschehen zu begreifen, sind Schulqualität und Schulentwicklung über bestimmte und unverzichtbare Aspekte erfassbar. Ebenso lassen sich Schulen auch hinsichtlich des Realisierungsgrades dieser Aspekte beschreiben. Gerade dort, wo Schulentwicklungsprozesse über rechtliche Verordnungen angestoßen werden, mehr noch, wo Entwicklungsprozesse vom Gesetzgeber verlangt werden, wird Schulentwicklung für die Einzelschule zur eigentlichen Problemlöseaufgabe. Das Ausmaß, mit dem bestimmte Aspekte von Schulqualität und Schulentwicklung an einer Schule vorhanden sind, kann in diesem Sinne als Basis für deren Problemlösekapazität betrachtet werden. Für die Schulen dieser Untersuchung gilt dies insofern, als sie sich der Herausforderung von Teilautonomie und der damit verbundenen Selbstorganisation stellen müssen.
5.1 Indikatoren auf der Personalen Ebene (Intrapersonale Ebene) Im Folgenden werden ausgewählte und für diese Arbeit relevante Qualitätsaspekte auf der Personalen Ebene, welche Basis für Items und Skalen der quantitativen Erhebung respektive zum Teil ebenfalls Inhalte der qualitativen Befragung bildeten, erläutert.
5.1.1 Belastung: Kann Kooperation auch belasten? Veränderungs- und Entwicklungsprozesse bedeuten für die Betroffenen oft auch einen größeren Arbeitsaufwand und können bisweilen auch Angst, Verunsicherung und Widerstand evozieren. Gerade die Ausführungen zur Selbstwirksamkeits-Thematik machen deutlich, dass das Wohlbefinden der Lehrpersonen dort in Belastung und Erschöpfung umschlagen kann, wenn die einzelnen Individuen vor Aufgaben gestellt werden, welche sie mit ihren Kapazitäten und Ressourcen nicht mehr glauben bewältigen zu können. Gerade die letzten beiden Jahrzehnte brachten den Schulen Reformanliegen und -verpflichtungen in Hülle und Fülle. Edelstein (2002) bemerkt dazu kritisch, dass idealerweise die Schülerinnen und Schüler die Adressaten von Reformbemühungen sein müssten, weil es letztlich Ziel sei, ihre Lernprozesse zu verbessern. Gerade die aktuellen Bemühungen zur Systemsteuerung (zu welchen die Teilautonomisierung zweifelsohne gehört) zeigten jedoch, wie sich die Energie der Reform auf die Veränderungen von Struktur und Organisation der Schulen selbst richtete. Edelstein glaubt, dass „die Komplexität des Systems an eine Grenze gelangt ist, die zwar Reformen nicht weniger dringend erscheinen lässt als zuvor, zugleich aber Skepsis gegen die bisher vorherrschenden, organisationsstrategischen Ansätze signalisiert“ (Edelstein, 2002: 13). Die durch die internationalen Schulleistungsstudien ausgewiesenen Defizite an Schulen, die insgesamt geschwundenen Zukunftsperspektiven der Jugendlichen, aber auch 109 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_6, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
die Inadäquatheit der schulischen Inhalte mit den Bedürfnissen der Lernenden und die zunehmende Heterogenität von Schulklassen erwiesen sich als tendenzielle Befindlichkeitsstörungen. Viele Schulen würden ihren Mitgliedern deshalb „keine zufrieden stellende Lebenswelt“ (a.a.O.: 16) mehr bieten. Der Autor geht noch weiter, wenn er sagt, die systemischen Reparaturen in Gestalt von auf Schulen ausgerichteten Reformen hätten sich als unwirksam erwiesen (ebd.). „Die Symptome blieben resistent, jede Reform fügte als Nebenfolge den bereits bekannten neue Symptome hinzu“ (a.a.O.: 17). Nach dem Gesagten wären Schulentwicklungsvorhaben also insofern bedroht, als die Beteiligten diese als Symptombehandlung tatsächlich bestehender und evidenter Probleme entlarven würden. Dies könnte sich insofern fatal auswirken, weil auf diese Weise die individuelle und die kollektive Selbstwirksamkeit bedroht sind. In Anlehnung an Fullan (1993) nennt Edelstein (2002) eine Taxonomie von Bedingungen, welche erfüllt sein müssen, damit Prozesse des Wandels an Schulen erfolgreich ablaufen können. Dazu gehören: Sensitivität der Leitung für die Handlungserfordernisse, gemeinsam anerkannte Wertpräferenzen und Kooperationsbereitschaft unter Mitgliedern. Verschiedene, in dieser Arbeit schon erwähnte Studien sind zum Schluss gekommen, dass sich ein innovatives Schulklima bzw. gute Schulen durch entsprechende oder ähnliche Charakteristiken auszeichnen. Doch wird mit obiger Taxonomie ausschließlich auf die Zielerreichung verwiesen – unberücksichtigt bleibt der Prozess selbst, welcher durchaus kritische Momente aufweisen kann. Schley (1998) etwa nennt in seinem Team-PhasenModell die Konfliktphase, welche unter anderem durch Interessengegensätze, Abgrenzungsversuche, Ausweglosigkeit und Schuldzuweisungen gekennzeichnet ist. Aber auch im Vorfeld und zu Beginn eines Entwicklungsprozesses ist damit zu rechnen, dass Widerstand gegen die zu erwartenden Anstrengungen, Widerwille gegen aufgezwungene Änderungen, Ängste oder auch Uneinsichtigkeit entstehen (Rolff 1993). Insofern ist es also durchaus denkbar, dass Lehrpersonen die als notwendig erkannte und kooperativ angelegte Veränderungsprozesse als belastend erleben. Strittmatter (1996: 17 f., zitiert nach Buholzer 2000: 101) nennt im Zusammenhang mit Innovationsbemühungen fünf zentrale Ängste von Lehrpersonen: Selbstzweifel bezüglich Sach- und Sozialkompetenzen, inhaltliche Fragen anzugehen und Konflikte im Team auszutragen; die Sorge um zeitliche Überlastung; die Sorge um den Rechtfertigungsaufwand, da selbstverantwortete Lösungen nach außen argumentativ abgestützt werden müssen; die Angst vor kommunalen Billiglösungen aufgrund der Finanzknappheit in Gemeinden und Kanton; Angst vor dichter sozialer Kontrolle und Ausgrenzung, da eine kollegiale Verbindlichkeit und so auch eine Loyalität gegenüber der Schule entstehen. Tatsächlich stellt Buholzer (2000) in seiner Untersuchung zum Innovationsklima von Schulen eine von den Schulleiterinnen und Schulleitern wahrgenommene Zunahme von Konflikten im Team über Fragen der Pädagogik und Schulentwicklung fest. Der Autor sieht diese Entwicklung als Folge der verstärkten Kooperationsbemühungen. In derselben Untersuchung wurde auch festgestellt, dass mit zunehmender Dauer des Projektes „Schulen mit Profil“ dessen Möglichkeiten und Chancen geringer eingeschätzt wurden und dass diejenigen Lehrpersonen, welche schon über einen längeren Zeitraum in „Schulen mit Profil“ 110
involviert waren, bezüglich beruflicher Zufriedenheit geringere Werte aufwiesen, als solche, welche im ersten Jahr des Schulentwicklungsprozesses stehen. Insgesamt konnte der Autor seine Hypothese, wonach in Schulen mit hoher Innovationsbereitschaft die Lehrpersonen weniger belastet wären, weder durch die Wahrnehmungen der Lehrkräfte noch durch solche der Schulleitungen bestätigen (ebd.). Eine im Jahr 2002 veröffentlichte Erhebung über die Arbeitsbedingungen, Belastungen und Ressourcen der Lehrkräfte des Kantons Basel-Stadt von Ulich et al. weist ebenfalls verschiedene Aspekte von Belastung nach, welche – nicht ausschließlich, aber teilweise – vor dem Hintergrund von verschiedenen systembedingten Reformen zu sehen sind. Bemerkenswerterweise unterschieden die Verfasser/innen zwischen Belastungsfaktoren und Beanspruchungen, also „Auswirkungen, welche Belastungen auf die Person haben“ (Ulich et al. 2002: 4). Dabei zeigte sich, dass 29% der Lehrkräfte und 38% des Schulleitungspersonals angaben, durch ihre Aufgaben stark bis sehr stark belastet zu sein. Belastend erwiesen sich vor allem die folgenden Aspekte: Verhalten schwieriger Schüler/innen, Heterogenität der Klasse, administrative Pflichten, ausserunterrichtliche Verpflichtungen, berufliches Image und Prestige, Koordination von beruflichen und außerberuflichen Verpflichtungen, Zeitdruck bei der Arbeit, Klassenstärke, Neuerungen, Veränderungen im Schulsystem. Knapp 30% der Lehrpersonen wiesen kritische Werte hinsichtlich emotionaler Erschöpfung auf. Mit 21% und 27.4% war der Anteil derjenigen, welche eine beeinträchtigte Zuwendungsbereitschaft bzw. ein reaktives Abschirmen beklagen, ebenfalls recht hoch. Letzteres ist aber vor allem bei den Schulleitungen in starkem Masse vorhanden: Über dreißig Prozent des Schulleitungspersonals respektive über fünfzig Prozent der Rektor/innen wiesen kritische Werte in dieser Beanspruchungsskala auf. Hier muss aber auch einschränkend darauf hingewiesen werden, dass diese Daten nicht in nachgewiesenem Zusammenhang mit Aspekten der Schulentwicklung gesehen werden können. Im Hinblick auf unsere Stichprobe interessiert aber, ob ein hohes Maß an Kooperation und ein entsprechend hoher Organisationsstatus mit gleichzeitiger Belastung in Form von Stress einhergehen oder nicht.
5.1.2 Selbstwirksamkeit als individuelle Überzeugungen von Handlungskompetenz An früherer Stelle dieser Arbeit wurde eingehend die Bedeutsamkeit der Lernenden Organisation für schulische Entwicklungsprozesse thematisiert. Kollegien müssen in der Lage sein, das Lernen des Einzelnen zu fördern, gemeinsame Modelle und Visionen zu entwickeln, als Team zu lernen und ein Systemdenken zu entwickeln, um sich von einem weitgehend fragmentierten Zustand hin zu einer problemlösenden Schule zu entwickeln. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, mit welchen Überzeugungen die einzelnen Beteiligten ans Werk gehen: Sind sie überzeugt von der Wirksamkeit ihres Tuns oder glauben sie, nur in geringem Masse mit ihrer Arbeit etwas bewirken zu können? Bandura hat in den Siebziger- und Achtzigerjahren seine soziale Lerntheorie entwickelt, wonach Lernende ihr Lernen selber steuern können, indem sie Vertrauen in ihre eige111
nen Fähigkeiten entwickeln (Mietzel 1998). Dies bedeutet, dass zum einen das instrumentelle Wissen (im Sinne des tatsächlichen Verfügens über bestimmte Kompetenzen), aber auch der Glaube in die selbstleitenden Fähigkeiten vorhanden sein müssen, damit eine Person die Kontrolle über ihr Lernen übernimmt (ebd.). Bandura hat entsprechend den Begriff der Selbstwirksamkeit (self-efficacy) geprägt (ebd.). In einer „ausgeprägten Selbstwirksamkeitserwartung (kommt) die optimistische Überzeugung einer Schülerin oder eines Schülers zum Ausdruck, über die notwendigen personalen Ressourcen zur Bewältigung schwieriger Anforderungen zu verfügen“ (Satow 2002: 175). Wenn es einem Individuum gelingt, sich aufgrund der eigenen Selbstwirksamkeit zu regulieren, hat dies für die Lebensbewältigung hohe Bedeutsamkeit (Schwarzer & Jerusalem 2002). In Längsschnittuntersuchungen fanden diese beiden Autoren (ebd.) heraus, dass selbstwirksame Übersiedler und Flüchtlinge aus der ehemaligen DDR gesünder leben, als diejenigen, welche ungünstige Selbstwirksamkeitserwartungen hatten. In Abgrenzung zu relativ allgemein gehaltenen Vorstellungen von Selbstkonzept oder Selbstwertgefühl ist Selbstwirksamkeit relativ aufgabenspezifisch zu sehen (ebd.) – eine Lehrperson mag beispielsweise eine hohe Selbstwirksamkeitserwartung bezüglich der Wirksamkeit ihres Unterrichts haben, aber gleichzeitig daran zweifeln, dass es ihr gelingen wird, eine gute Elternarbeit aufzubauen. Maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der Selbstwirksamkeitserwartung haben die bisherige Erfolgsgeschichte, stellvertretende Erfahrungen (z.B. soziale Modelle von Bezugspersonen in adäquaten Situationen), ermunterndes Zureden sowie der physiologische Erlebniszustand (z.B. Nervosität vor einer bevorstehenden Prüfung) (ebd.). Neben seiner Bedeutung für die Psychotherapie (Häcker & Stapf 1998) ist das Selbstwirksamkeitskonzept vor allem in Kontexten des Lernens und für die Schule schlechthin von großer Wichtigkeit. In den letzten Jahren erfuhr das ursprüngliche Konzept eine zunehmende Differenzierung. Schwarzer & Jerusalem (2002) differenzieren in einem ersten Schritt zwischen allgemeiner und spezifischer Selbstwirksamkeitserwartung. Letztere ist charakterisiert „durch die Formulierung einer subjektiven Gewissheit, eine konkrete Handlung auch dann erfolgreich ausführen zu können, wenn bestimmte Barrieren auftreten“ (a.a.O.: 9 f.). In gewissem Widerspruch zur ursprünglichen Konzeption umfasst die allgemeine Selbstwirksamkeitserwartung sämtliche Lebensbereiche „und soll eine optimistische Einschätzung der generellen Lebensbewältigungskompetenz zum Ausdruck bringen“ (a.a.O.: 10). Dazwischen sind bereichsspezifische Konzepte anzusiedeln, wie etwa die Lehrer-Selbstwirksamkeit, welche charakterisiert ist durch Überzeugungen von Lehrpersonen, den Herausforderungen ihres Berufs auch unter schwierigen Umständen erfolgreich zu begegnen (ebd.). Gemäß diesen Ausführungen würden Selbstwirksame Lehrpersonen demzufolge im Unterricht eher einmal etwas ausprobieren, das mit einer komplexen Planung verbunden ist, als solche, welche diese Überzeugung nicht haben. Tschannen-Moran & Woolfolk Hoy (2001) haben diese Herausforderungen empirisch gefasst und noch spezifischer mit Skalen bezüglich der Förderung von Schüler/innen, des Einsatzes unterschiedlicher Unterrichtsmethoden und der Klassenführung (Classroom-Management) ausdifferenziert. Für unsere Arbeit indes bedeutsamer erscheint die Differenzierung in individuelle und kollektive Selbstwirksamkeit. Schmitz & Schwarzer (2002, vgl. auch: Schwarzer & Schmitz 1999) haben im Rahmen des bundesdeutschen Modellversuchs „Verbund Selbstwirksamer Schulen“ in einem Längsschnittverfahren sowohl die individuelle als auch die kollektive (s. weiter unten) Lehrer-Selbstwirksamkeit erhoben. Hinsichtlich individueller Lehrer-Selbstwirksamkeit fanden die Autoren heraus, dass hoch selbstwirksame Lehrper112
sonen bedeutend weniger unter Burnout (als Erschöpfung und Depersonalisation charakterisiert) litten und mehr Zeit in ihre berufliche Arbeit investierten (ebd.). Hohe Selbstwirksamkeit und gleichzeitig hohe Werte in der Burnout-Skala würden sich demnach ausschließen (ebd.).
5.2 Indikatoren auf der Unterrichtsebene (Mikro-Ebene) Im Folgenden werden ausgewählte und für diese Arbeit relevante Qualitätsaspekte auf der Unterrichtsebene, welche Basis für Items und Skalen der quantitativen Erhebung bildeten, erläutert.
5.2.1 Qualitativ guter Unterricht – aus Lehrersicht? Dass Schulen sich der Qualitätsmessung stellen und sich weiterentwickeln, kann und darf nicht zum Selbstzweck verkommen. Für Lehrkräfte steht die Alltagserfahrung der Unterrichtsarbeit im Zentrum ihres Umgangs mit Schule (Rolff 1993), Unterrichten ist also gewissermaßen ihr Kerngeschäft. Dazu sind sie ausgebildet und diese Tätigkeit (mit der damit verbundenen Vorbereitung) macht im Normalfall auch den größten Anteil ihrer Arbeitszeit aus. Während in den bisherigen Ausführungen der Fokus vor allem auf das Geschehen an den einzelnen Schulen gerichtet war, sollen nachfolgend Aspekte des Unterrichts angesprochen werden. Im oben gezeigten Modell von Maag Merki (2003b) wenden wir uns der Mikroebene zu. Zentral geht es dabei um die Frage, welche Wirkungen der Unterricht auf die Leistungen der Lernenden hat. Die Forschungsergebnisse dazu weichen deutlich voneinander ab: Jencks et al. (in Einsiedler 1997) nannten 1972 eine Varianzaufklärung der Schulleistung durch Unterricht von etwa 3%, während Bloom diesen Anteil auf 25% und Walberg ihn auf 15% schätzten (Clausen, 2002). Unterrichtsqualität als wissenschaftliches Konzept geht auf Caroll zurück (Einsiedler, 2000), welcher zu Beginn der Sechzigerjahre „den Lernererfolg aus dem Verhältnis von tatsächlich aufgewendeter und eigentlich benötigter Lernzeit eines Schülers“ (a.a.O., 117) bestimmte. Je besser also die Unterrichtsqualität, desto weniger Zeit muss von den Lernenden für die eigentlichen Lernprozesse aufgewendet werden. In Anlehnung an diesen Ansatz entwickelte Bloom ein Modell des schulischen Lernens, das die Qualität des Unterrichts an der Abfolge der Darbietung, am Ausmaß der erfolgten Bekräftigung, an der Erhöhung der aktiven Lernzeit sowie an der Rückmeldung der bisher erbrachten Leistungen maß (Bloom 1973). Creemers (zitiert nach Gruehn, 2000) seinerseits nennt drei Dimensionen von Unterrichtsqualität: Die Qualität der Lehrpläne und ihre Umsetzung im Unterricht, wahrgenommene Möglichkeiten zu innerer Differenzierung im Unterricht, aber auch Merkmale des Lehrerverhaltens. Die genannten Arbeiten machen deutlich, dass unter Unterrichtsqualität in erster Linie ein möglichst hoher Output an Schülerleistung gedacht war. Bezeichnenderweise wird beispielsweise Walbergs Ansatz, welcher der Ökonomie entlehnt ist, als Prozess-Produkt-Paradigma bezeichnet (Clausen 2002). Es werden also Zusammenhänge „zwischen Prozessmerkmalen des Unterrichts und Produktmassen gesucht“ (a.a.O.: 25f.). Prozesse werden durch direkte verhaltensnahe Beobachtung des Unterrichtsverhaltens und der Lehrer-Schüler-Interaktion erhoben, während Produkte sich auf die Lernergebnisse beziehen (ebd.). Dabei wird deutlich, dass der Zweck gewissermaßen die Mittel heiligt – Unter113
richt wird dann als gut eingeschätzt, wenn die Zielerreichung möglichst optimal gelingt. Diese Sichtweise klammert ethische Standards und jegliche Wertvorstellungen aus (Einsiedler 1997). Aus diesem Grund wurden in jüngeren Forschungsarbeiten auch Aspekte der Erziehungsstilforschung hinzugefügt, wie etwa autoritäre Kontrolle oder schülerzentriertunterstützende Kontrolle bei Einzelarbeit. Kritik widerfährt dem Prozess-Produkt-Ansatz, der auch unter dem Begriff der „LehrLern-Forschung“ bekannt wurde (Clausen 2002), auch deshalb, weil er die Sichtweise der Schülerinnen und Schüler weitgehend ausblendet. Ebenso geschieht eine beinahe ausschließliche Ausrichtung auf die Qualität lehrergesteuerten Frontalunterrichts (Einsiedler 2000). Demgegenüber rückt bei der Unterrichtsklimaforschung vor allem die Wahrnehmung der einzelnen Schülerinnen und Schüler ins Zentrum. In Anlehnung an angelsächsische Forschungsarbeiten haben beispielsweise Von Saldern & Littig & Bessoth Itempools geschaffen, um das Unterrichtsklima zu erheben (Clausen 2002). Fend (1977, 1998) hat ein eigenes Instrument entwickelt, welches sowohl die Perspektive der Lehrpersonen als auch diejenige der Lernenden zu erfassen imstande ist. Entsprechend wurden die Designs der Unterrichtsforschung in den letzten zehn Jahren zunehmend komplexer und der Begriff der Unterrichtsqualität geriet vielschichtiger. Mit der Einbeziehung von Variablen aus der Erziehungsstil- und der Klimaforschung wurden die Variablen immer zahlreicher. Stellvertretend für die vielen Versuche, Unterrichtqualität zu strukturieren, sei hier auf das Modell von Slavin verwiesen, welches unter dem Namen „QAIT“ (Quality of Instruction, Appropriateness, Incentives and Time) Unterrichtsqualität grob in vier Bereiche gliedert (Ditton 2000). Demnach ist unter qualitativ gutem Unterricht eine gelungene Präsentation, ein angemessener Schwierigkeitsgrad, eine möglichst hohe Motivation der Lernenden und eine möglichst effektiv genutzte Lernzeit zu verstehen (ebd.). Helmke (1988) hat zehn Bedingungen herausgearbeitet, welche kennzeichnend für sogenannte Optimalklassen sind, in denen eine möglichst starke Leistungsförderung mit einer möglichst geringen Leistungsstreuung einhergeht. In Optimalklassen intervenieren die Lehrpersonen bei Disziplinstörungen sofort und aufgrund vereinbarter Regeln, wird die Unterrichtszeit intensiv für die Behandlung des Lehrstoffes genutzt, wird individueller gefördert, indem häufiger Kleingruppen für die Bearbeitung von Aufgaben gebildet werden, stellen Lehrkräfte in höherem Masse anspruchsvolle Fragen, können die Lehrpersonen den Schwierigkeitsgrad ihrer Fragen besser dosieren, achten die Lehrerinnen und Lehrer darauf, dass auch leistungsschwache Kinder angemessen gefördert werden, wird darauf geachtet, dass informationsverarbeitende Prozesse nicht tempoorientiert ablaufen, weisen Lehrpersonen eine hohe diagnostische Kompetenz auf, sind Lehrpersonen bei den Schülerinnen und Schülern beliebter, verkommt der Leistungsanspruch nicht zum Selbstzweck und wird Leistungsangst abgebaut. Anzumerken bleibt hier, dass auch in den jüngeren Arbeiten zur Unterrichtsqualität vor allem die Fachleistungen in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Unterrichtsbereichen ermittelt wurden (ebd.). Insofern erstaunt es wenig, dass sich dabei lehrerzentrierter Unterricht als günstig für die Leitungsentwicklung der Schülerinnen und Schüler erwies (Helmke 2003.). Insbesondere Aspekte des Klassenmanagements haben sich als wichtig für die Leistungsentwicklung herausgestellt (Einsiedler 1997). Insgesamt scheint der Einfluss 114
von Unterrichtsqualität auf die Schulleistung in jüngeren Forschungsarbeiten höher zu sein als in früheren Studien (Einsiedler 2000). Bedeutsam ist, dass in neueren Forschungsarbeiten wie etwa der TIMS-Studie sowohl Beobachtungen der Lehrpersonen als auch solche der Schülerinnen und Schüler sowie solche von Ratern verwendet werden (Clausen 2002). Von den genannten drei Gruppen wurden die Wahrnehmungen zu bedeutsamen Unterrichtsqualitätsmerkmalen wie Pacing, Monitoring, Disziplin, Sprunghaftigkeit, Interaktionstempo, anspruchsvollem Üben, genetischsokratischem Vorgehen, individueller Bezugsnormorientierung, Individualisierung, Schülerpartizipation, Sozialorientierung und repetitivem Üben ermittelt. Dabei ergab sich eine geringe Übereinstimmung der drei Perspektiven in sämtlichen zwölf Merkmalen (ebd.). Der Autor sieht die Ermittlung von Unterrichtsqualität durch Lehrpersonen eher kritisch, wenn er schreibt: „Die eigentliche Problematik von Lehrerangaben liegt darin, dass die meisten Lehrer wenig Erfahrung in der Beurteilung von Unterricht haben. Sie beurteilen in ihrer beruflichen Praxis selten den Unterricht anderer Lehrer und erhalten auch wenig Rückmeldung zu ihrem eigenen unterrichtlichen Handeln“ (Clausen, 2002: 188). Im Weiteren spricht er von „selbstdienlichen Verzerrungen“ (a.a.O: 47), welche den Einschätzungen der Lehrpersonen eigen seien. Auch Helmke (2003) beurteilt Lehrerangaben zum eigenen Unterricht eher kritisch und verweist auf Weinert & Schrader (1986), welche 1986 feststellten, dass die meisten Lehrer die Bedeutung ihrer Arbeit für die Leistungsentwicklung ihrer Schüler unterschätzen würden. Durch die zahlreichen Arbeiten zur Thematik sind auch zur Unterrichtsqualität umfangreiche Itemlisten entstanden. In aktuellen Untersuchungen haben sich Dimensionen und Skalen als unverzichtbar erwiesen, wie sie TIMSS, BIJU und LASSO zum Einsatz kamen. Dabei werden folgende Unterrichtsaspekte entweder über Beobachtungen oder Fragebogen erhoben: Instruktionseffizienz (abgebildet über Klassenführung, Regelklarheit, Time-on-Task, Zeitverschwendung, Disziplinprobleme, Aggressionen), Schülerorientierung (abgebildet über positive Fehlerkultur, positive Schülerorientierung, diagnostische Kompetenz, individuelle Lernunterstützung, individuelle Bezugsnormorientierung, Individualisierung, multiple und authentische Kontexte, überforderndes Tempo), kognitive Aktivierung (in der Regel auf das Fach Mathematik zugeschnitten und abgebildet über fachliche Produktivität, anspruchsvolles Üben, Lehrperson als Mediator, Pacing, Motivierungsfähigkeit, repetitives Üben, Sprunghaftigkeit), Klarheit und Strukturiertheit (abgebildet über Strukturierungshilfen, Klarheit, diagnostische Kompetenz) (Clausen et al. 2003). In der vorliegenden Arbeit wird Unterrichtsqualität hinsichtlich Aspekte von Klassenklima und Störungen im Unterricht, der Individualisierung und der individuellen Bezugsnormorientierung bei Beurteilungsprozessen erhoben. Mit diesen Aspekten wird Unterrichtsqualität vor allem im Hinblick darauf erfasst, dass Unterricht auf die Vermittlung sowohl von fachlichen Fertigkeiten als auch von überfachlichen Kompetenzen hin ausgerichtet ist. Und dabei spielen individuelle Problemlösefertigkeiten wie Selbstkontrolle und Selfmonitoring, Selbstaktivität, Arbeitsreflexion und Elaboration eine wichtige Rolle. Mit einer derartigen Konzeption von Unterrichtsqualität werden Lernprozesse idealerweise als selbstreguliertes Lernen betrachtet. Ein entsprechendes Modell hat Boekaerts (1999) formuliert. Selbstreguliertes Lernen (SRL) besteht demnach aus drei dynamischen Aspekten, welche sich aufeinander beziehen: 115
Beim SRL geschieht zum einen Selbstregulation, indem über die Wahl von Zielen und Mitteln verfügt werden kann. Weiter werden Lernprozesse reguliert durch den Gebrauch metakognitiven Wissens und Fertigkeiten. Schließlich wird auch der Verarbeitungsmodus reguliert durch die Wahl geeigneter kognitiver Strategien (Boekaerts 1999: 449).
Zusammenfassend werden bei diesem Modell vom Individuum sowohl motivationale Aspekte, Kontrollstrategien als auch Elaborations- und Wiederholungsstrategien eingesetzt, um erfolgreich zu lernen. Wie an früherer Stelle angemerkt, entwickeln Kinder und Jugendliche höchstwahrscheinlich dann produktives Verhalten, wenn sie aktiv an den Lernprozessen beteiligt sein können (Fend 2000a). Gerade in Gymnasien erscheint eine solche Beteiligung im Sinne der Ermöglichung selbstregulierten Lernens sinnvoll. Gruehn (2000) kommt zur Feststellung, dass es den Lehrpersonen an Gymnasien besser gelingen würde, „anspruchsvollen und problemlösenden Unterricht zu gestalten“ (208), als dies auf tieferen Niveaus möglich ist. Schulisches Lernen ist – im Sinne der Selektionsfunktion von Schulen – mit Lernkontrollen und Tests verbunden. Diese werden in der Regel benotet, obwohl seit geraumer Zeit bekannt ist, dass dieses Verfahren äußerst fehleranfällig ist (Ingenkamp, 1977; Schrader & Helmke 2002). Bei der Beurteilung von Leistungen können sich Lehrpersonen grundsätzlich an drei verschiedenen Bezugsnormen orientieren (Rheinberg 2002): Eine soziale Bezugsnorm, mit welcher aufgrund des Vergleichs zwischen verschiedenen Lernenden eine Rangreihe der Lernleistungen festgelegt werden kann. Als klasseninternes Bezugssystem etabliert, kann die soziale Bezugsnorm jedoch zu Fehleinschätzungen führen, weil sie außer Acht lässt, ob das Leistungsniveau der Klasse eher hoch oder tief ist. Zudem blendet sie den gesamten Lernzuwachs und auch die Schwankungen im Lernzuwachs aus. Eine individuelle Bezugsnorm misst im Längsschnitt jedes erzielte Ergebnis daran, was vom Lernenden in diesem Bereich bisher erbracht worden ist. Schwankungen im Lernverlauf können so ebenso sichtbar gemacht werden wie Leistungszuwächse. Allerdings benötigt eine individuelle Bezugsnorm einen zusätzlichen Bezug, weil überdauernde Leistungsunterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern ausgeblendet werden. Außerdem eignet sich eine alleinige individuelle Bezugsnormorientierung schon deshalb nicht, weil schulische Leistungen an Zulassungsberechtigungen gebunden sind und auf diese Weise die allozierende und qualifizierende Funktion des Schulsystems verunmöglichen würde. Eine sachlich-kriteriale Bezugsnorm besteht dort, wo Mindestkompetenzen erreicht werden müssen, wie sie etwa im Rahmen abrufbarer Fach- und Leistungstests vorliegen. Als hilfreiche Ankerpunkte helfen sie den Lehrpersonen die Beurteilung an den Lerninhalten auszurichten. Dieser Aspekt gewinnt dort an Bedeutung, wo Schulen in zunehmendem Masse eigene Profile entwickeln. Allerdings geben auch sie ausschließlich Auskunft über die verlangten Fertigkeiten und Kompetenzen und blenden somit Schwankungen und Prozesse bei den einzelnen Lernenden aus. Idealerweise werden in umfassenden und auf Fairness ausgerichteten Beurteilungsprozessen sämtliche Bezugsnormen in angemessener Weise berücksichtigt. Die die Regel darstellende soziale Bezugsnorm, wie sie bei den meisten Lernkontrolle Anwendung findet, kann dazu ergänzt werden, indem neben Vergleichsarbeiten oder standardisierten Leistungstests 116
ergänzende Rechenschaftslegungen der Lernprozesse, im Sinne von Lern- oder Reisetagebüchern (Ruf & Gallin 1991) oder Portfoliomethoden erfolgen, wobei Lernende auch in den Auswahlprozess einbezogen werden können (Winter 2004). Die weiter oben erwähnten Bedingungen für Optimalklassen machen deutlich, dass Unterricht nur dann gelingen kann, wenn ein Lernumfeld besteht, welches zwar klar strukturiert ist, aber auch individuelles und problemlösendes Handeln ermöglicht. Solche Kontexte des Lernens dürften in Gymnasien mit ihren Fachlehrerstrukturen vor allem aufgrund kooperativer Abmachungen realisierbar sein. Qualität von Unterricht hätte dann mit der Qualität der gesamten Schule zu tun – oder um es mit den Worten von Rolff (1993: 116) zu sagen: „Qualität von Unterricht weist auf die Qualität der ganzen Schule zurück.“
5.3 Indikatoren auf der Schulebene (Meso-Ebene) Im Folgenden werden ausgewählte und für diese Arbeit relevante Qualitätsaspekte auf der Schulebene, welche Basis für Items und Skalen der quantitativen Erhebung respektive zum Teil ebenfalls Inhalte der qualitativen Befragung bildeten, erläutert.
5.3.1 Kooperation als zentraler Aspekt im Hinblick auf die Fähigkeit einer Schule, Probleme zu lösen Anschließend an Kapitel 4, in welchem Kooperation ausführlich beleuchtet wurde, soll an dieser Stelle die Kooperation von Lehrpersonen in Bezug auf das Vorhaben dieser Untersuchung fokussierter dargestellt werden. Schulentwicklung, welche Kooperation als zentrales Element einer Problemlöseschule (Rolff 1991a) zu messen beansprucht, impliziert in diesem Sinn eine veränderte Koordination und Kooperation bei der Zusammenarbeit bezüglich des Umgangs der Schule mit Veränderungen in der Gesellschaft und in der Umwelt der Schule. Solche Neuerungen werfen auch die Frage nach einer Neudefinition der Rolle einer einzelnen Lehrperson auf. Autonomie spielt dabei eine wichtige Rolle. Dabei ist die Methodenfreiheit, als zentrales Element der Unterrichtsarbeit einer Lehrperson, für Kooperation unter Lehrpersonen erschwerend und innovationsfördernd zugleich: Sie erschwert die Kooperation, weil gemeinsame Entscheide durch die Methodenfreiheit, verstanden als übergeordnetes Recht, immer unterwandert und für die eigene Situation als nicht passend oder nicht praktikabel negiert werden können. Auf der anderen Seite stellt ebendiese Methodenfreiheit eine Quelle an Möglichkeiten zur Verfügung, aus je individuellen Erfahrungen geeignete methodisch-didaktische Konzepte in teamartiger Kooperation auf mehrere Klassen anzuwenden (z.B. auf der Jahrgangs- oder der Fachgruppenebene). Im Folgenden soll den konkreten Möglichkeiten zur Kooperation nachgegangen werden, um eine Ausgangslage für die Erfassung von Kooperation zu erhalten. Kollegiale Kulturen der Offenheit und Zusammenarbeit: „Die Aufteilung der Lehrertätigkeit in Einzelzellen bringt die Gefahr mit sich, dass jeder Lehrer sein Fachgebiet den Schülern vermittelt, ‚als ob es ein Ziel in sich selbst wäre, obgleich es nur Mittel zum Ziel ist, auf das es immer bezogen bleiben sollte’ (Durkheim 1972, zitiert nach Rolff 1991a: 875), nämlich auf die Persönlichkeits- und Bildungsentwicklung der Schüler. „Das bedeutet, dass nur durch teamartige Kooperation von Lehrern der Gefahr entgegengewirkt werden kann, dass sich für die Schülerinnen und Schüler der schulische Erziehungs- und Bil117
dungsprozess aufzulösen beginnt in eine Reihe isolierter Veranstaltungen, die keinen Sinnzusammenhang erkennen lassen“ (Rolff 1991a: 875). Scheerens & Bosker (1997) beschreiben den Output dieses Erziehungs- und Bildungsprozesses an einer Schule als Funktion und Transformation von Kontextdaten, Inputvariabeln sowie den Prozessfaktoren auf der Schul-, Unterrichts- und Individual-Ebene. Sie betonen, dass die Kooperation unter Lehrpersonen ein Faktor ist, der die Arbeit als Lehrperson und das Lernen der Schüler/innen verbessert: „Given the traditional autonomy of teachers it is clear that consensus, cohesion and sufficient continuity for pupils, when they pass from one teacher to the next, should not be taken for granted in schools. Therefore, in many school effectiveness studies, the degree to which schools succeed in building coherence and consistency is seen as a hypothetical explanation for the fact that some schools do better than others“(Scheerens & Bosker 1997: 108). Bereits durch die Studie Rutters7 und mehrere Untersuchungen (vgl. Lortie 1975; Rosenholtz, 1989; Fullan, 1990; zitiert nach Dalin, 1999) ist heute klar, dass „kollegiale Kulturen, in denen Offenheit und Zusammenarbeit die Norm darstellen, Schulentwicklung fördern“ (Dalin, 1999: 324). Dies meint der weiter oben ausgeführte Begriff der „De-Privatisierung“ (vgl. Newmann, 1994, oder zusammenfassend: Bonsen & Rolff 2006), gemäß welchem durch gegenseitige Hospitationen Selbst- und Fremdbeurteilung von Unterrichtsgeschehen ermöglicht wird und als Basis für Kooperation dienen kann. Gemeinsam geteilte Vorstellungen: Die Steigerung der Unterrichtsqualität durch die Einzellehrperson in ihrem Unterricht wird in Studien über Schulqualität zunehmend durch Aspekte der Koordination unter Lehrpersonen ergänzt. Literatur zu Schulorganisation und Organisationsentwicklung verweist auf das oben erwähnte Konzept der „Lernenden Organisation/Schule“. „Organisationales Lernen im Hinblick auf Unterricht hat dann erfolgreich stattgefunden, wenn es innerhalb eines Kollegiums kollektiv geteilte Vorstellungen darüber gibt, wie Unterricht sein soll“ (Horster & Rolff 2001). Eine gute Schule ist nach Haenisch (1987) kein System aus einer Vielzahl von Einzelkämpfern, sondern sie stellt sich als zusammenhängendes Ganzes dar und zeichnet sich in der Zusammenarbeit aus durch einen starken programmatischen Konsens, z.B. bezüglich didaktisch-methodischer Fragen, über die Abstimmung des Unterrichts sowie im Umgang mit Disziplinproblemen und der bei Aufrechterhaltung von Schulhausregeln . Es sind jedoch nicht nur die Einsicht in die Notwendigkeit und der gute Wille ausreichend, damit Lehrer erfolgreich kooperieren können, sondern es braucht auch umfangreiche Lernprozesse der Lehrpersonen, um sich die dafür erforderliche Handlungskompetenz schrittweise anzueignen. Strukturen für Kooperationsaktivitäten: Worauf muss man achten, wenn man Organisationsstrukturen identifizieren will, die Koordination und kollektive Lernprozesse begünstigen und somit Kooperation ermöglich? Türk (1989: 100 ff.) postuliert Lernen als einen Übergangsprozess von einem ausschließlich reproduzierenden auf ein erweitertes Niveau. „Lernen setzt also den operativen Reproduktionsprozess eines Systems für die Zeit des Lernens außer Kraft; deshalb können überhaupt nur solche Systeme lernen, die mehrstufig angelegt sind, weil sie sonst während des Lernens zugrunde gingen“ (a.a.O.: 102). Für die 7
In der Studie von Rutter (1980) hängt „die Atmosphäre einer Schule zum großen Teil davon ab, inwieweit die Schule ein zusammenhängendes Ganzes darstellt, inwieweit ... im Hinblick auf bestimmte Ziele und Methoden ein Konsens besteht, der vom gesamten Kollegium getragen wird“ (Rutter et al., 1980: 226). Den Zusammenhang zum Arbeitsklima zeigten sie dadurch, dass dort, „wo die Lehrer im Rahmen eines effizienten Systems auf der Basis konsensfähiger Ziele zusammenarbeiteten, ganz offensichtlich auch ein insgesamt günstiges Arbeitsklima“ entstand (a.a.O.: 227). Hier ist jedoch eine Einschränkung zu machen: Die Forschungsgruppe hat auch belegt, dass „punktuelle Kooperation wenig nützt und die blosse verbale Verständigung über bestimmte Ziele weitgehend folgenlos“ (a.a.O.: 231) bleibt.
118
Schule bedeutet dies, dass kollektive Lernprozesse neben dem Unterricht stattfinden müssen. Dazu sind gemeinsame Zeitgefäße und Kooperations-Orte notwendige Voraussetzung für die Durchführung von kooperativen Lernprozessen und Koordination neben der Unterrichtstätigkeit. Kooperationsanlässe, Kooperationspartner und Kommunikation: „Lernen in Organisationen ist organisiertes reorganisierendes kollektives Handeln. (...) Das Objekt organisationalen Lernens ist (...) die Organisation eines Kollektivs selbst; d.h. introvers: Die Assoziationsweise praktisch interagierender und kommunizierender Individuen und extrovers: die Assimilationsweise von Umweltverhältnissen“ (Türk, 1989: 102). „Organisiert“ heißt für die Schule, dass sie ihre Mitarbeitenden entlang von Jahrgangsund Fächergruppen organisiert und auch ein Gesamtgefäß zur Verfügung stellt, in dem sich sämtliche Organisationsmitglieder treffen können. Es müssen Kommunikationskanäle transparent zur Verfügung stehen. „Reorganisierend“ heißt, dass die Möglichkeit zur Handlung auf der Basis von Feedbacks (intern oder extern) genutzt wird für die Verbesserung der organisationsinternen Strukturen und Vernetzungen mit der Umwelt. Gegenseitige kollegiale Hospitation und interne wie externe Evaluation der Schule sind hier zu nennen (s.o.). „Kollektives Handeln“ verweist auf den sozialen und gesellschaftlichen Bezug, in welchem sich die Schule befindet. Prozesse des Aushandelns bestimmen über Ziele, Werte und Normen. Gemeinsam geteiltes Wissen (festgehalten in Form von Leitbild und Schulprogrammen) in Schulen ist ein Prozess, der alle miteinbeziehen muss. „Organisationales Lernen liegt nur dann vor, wenn der Lernprozess kollektiv abläuft und in eine tatsächlich veränderte – erweiterte – Assimilationsweise von Umwelt einmündet“ (ebd.). Kollektive Lernprozesse in Schulen lassen sich z.B. an der Koordination von Schulhausregeln, die über alle Klassen hinweg Gültigkeit haben, ablesen. Diese Lernergebnisse (gemeint sind die gemeinsam geteilten Grundhaltungen, die sich zu Regeln für den sozialen Umgang im Schulhaus verdichten) strukturieren in der Folge die Wahrnehmung aller Beteiligten, was eine veränderte Handlungsweise möglich macht. Kooperation unter den Mitgliedern eines Kollegiums ist ein aus theoretischer Sicht (vgl. Kapitel 4) zentraler Aspekt innerhalb der Entwicklung einer Schule. Die unterschiedlichen Facetten reichen von programmatischer Kooperation in Bezug auf geteilte Vorstellungen und pädagogische Leitziele, konkreten Kooperationsanlässen wie Absprachen bei erzieherischen und pädagogischen (z.B. Classroom-Management, Schulhausregeln und Disziplin, Beurteilung etc.) sowie (fach-)didaktischen Themen bis hin zu konkreter gemeinsamer Vorbereitung von Unterricht entlang von Fächern und über Fachgruppen hinweg. Die oben angesprochene Form des Feedbacks über gegenseitige Hospitationen ist ein für die Offenheit und Zusammenarbeit im Team weiterer wichtiger Bereich, an welchem Kooperation abgelesen werden könnte.
5.3.2 Schulleitungshandeln – es gibt keine guten Schulen mit schlechten Schulleitungen Wenn in einer Schule die Klassen und/oder einzelne Teams „lose gekoppelt“ sind, dann kann es in der Tat flexible und rasche Anpassungsleistungen geben. Die Schwierigkeit stellt sich aber bei der Koordination und Steuerung von solchen Einheiten. Wird dem Management dieser Koordination zu wenig Gewicht beigemessen, erscheinen Ziele unklar oder 119
fehlt eine Unterstützung bei Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Einheiten, dann kann zwar immer noch von „konsequenter Rückkoppelung auf allen Niveaus“ gesprochen werden, aber wie diese Prozesse ausgestaltet sind, bleibt oft unklar. Sowohl Senge als auch Holly & Southworth betonen das Element der Führung: „(...) the most single factor in the success of these schools is the quality of leadership of the head“(Holly & Southworth, 1989, zitiert nach Krainz-Dürr 1999: 32). Auch Senge misst der Führung eine entscheidende Rolle beim Aufbau einer „Lernenden Organisation“ bei. Die fünf Lerndisziplinen bilden dabei auch für die Führungsperson die Grundlage: „Wer diese Gebiete [die fünf Lerndisziplinen, Anm. d. Verf.] meisterhaft beherrscht, ist zur Führung einer lernenden Organisation prädestiniert“ (Senge 1996a: 435). So werden nach Senge (1996a) subtilere Aufgaben wichtig: In einer lernenden Organisation sind Führungskräfte Designer, Stewards und Lehrer. Sie sind verantwortlich für den Aufbau von Organisationen, deren Mitglieder ihre Fähigkeiten kontinuierlich ausweiten, um komplexe Zusammenhänge zu begreifen, ihre Vision zu klären und ihre gemeinsamen mentalen Modelle zu verbessern – das heißt, die Führungskräfte sind für das Lernen verantwortlich. (Senge 1996a: 411)
Nun sind Schulen nicht von Natur aus offene Systeme. Der eingangs geschilderte Wechsel von einem strukturfunktionalistischen zu einem akteurorientierten schultheoretischen Paradigma zeigt nachgerade, wie die Wahrnehmung von Schule als einem starren und geschlossenen hin zu einem dynamischen prozessorientierten Gefüge erst im Gange ist. Dies bedingt aber auch eine Neuinterpretation der Rolle von Schulleitungen, welche ursprünglich vor allem für eine effiziente Schuladministration zuständig waren, aber die pädagogischen Führungsaufgaben eher nachgeordnet wahrnahmen (Schratz 1996). Bezeichnenderweise wurde dieser Aspekt im stark verregelten Zürcher Bildungswesen über lange Zeit mehrheitlich ausgeklammert. Kronbichler (1983) beispielsweise führt die Rektorate als Repräsentanten der Schulleitung noch gar nicht als eigene Akteurgruppe auf, während sie im neuen Mittelschulgesetz von 1999 sowohl hinsichtlich ihrer administrativen, als auch ihrer pädagogischen Aufgabe beschrieben werden (Bildungsdirektion des Kantons Zürich, 1999). Schuleiter/innen „leiten die Schule im Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften nach den Weisungen der Schulaufsichtsbehörden und den Grundsatzbeschlüssen der Lehrer- bzw. Schulkonferenz, deren Vorsitzende [sie sind, Anm. d. Verf.]“ (Rolff 1993: 177). Dabei müssen nach Schratz (1996) in Anlehnung an Strittmatter (1994) aber verschiedene, im kollektiven Denken der Lehrpersonen verankerte‚ Glaubenssätze’ demontiert werden. Zum Ersten ist dies die Vorstellung, dass alle Lehrpersonen gleich sind, also ein allfälliger Führungsanspruch einer Schulleitungsperson gar nicht mitgedacht ist. Zum Zweiten wird die Austauschbarkeit der Schulleitung unterstrichen und Schulleitung damit zur unvermeidlichen Leitungsaufgabe reduziert. Drittens orientiert sich die Leitung von Schulleiter/innen häufig an sekundären Motiven, wie Dienstalter oder Arbeit in politischen Ämtern, sowie Mitarbeit in Vereinen. Dabei wäre, in Anlehnung an die Erkenntnisse aus dem Konzept der „Lernenden Organisation“ Schulleitung als eine Aufgabe zu sehen, welche das Management von Schulentwicklungsprozessen beinhaltet (ebd.). Aus den weiter oben von Rolff (1991a, 1993) genannten Charakteristiken von Schulen (begrenzte Technologisierbarkeit, professioneller Zuschnitt, immanente Kontrollunsicherheit, zellulare Struktur und gefügeartige Kooperation sowie Eigenart pädagogischer Ziele ergeben sich folgende Aufgabenbereiche für ein wirksames Schulmanagement (Schratz 1996): Administration und Organisation der Schule als komplexe bürokratische Einheit; 120
Führung und Leitung mit besonderer Beachtung der internen als auch externen Kommunikation und Kooperation; (sozial-)pädagogische Aufgaben, vor allem im Bereich pädagogischer Beratung; Schul- bzw. Organisationsentwicklung: Gemeint ist die Notwendigkeit, „Entwicklungsprozesse im curricularen und pädagogischen Bereich zu initiieren und zu steuern (a.a.O: 187); Personalentwicklung und Elternarbeit: Organisation des Fortbildungsbedarfs und Wahrnehmung neuer Formen von Elternarbeit; Beziehungen zu Schulbehörde/-aufsicht und Schulerhalter im Sinne einer Koordinationsfunktion; Gemeinwesenorientierung und außerschulische Kontakte im Zuge einer Autonomisierung von Schule sowie Qualitätskontrolle, wobei den Schulleitungen eine Art Anwaltsfunktion für die Schülerinnen und Schüler, aber auch für die Lehrpersonen zukommt in ihrer jeweiligen Beziehung zur hierarchisch übergeordneten Gruppe.
Die im Zürcher Mittelschulgesetz von 1999 verrechtlichten Kompetenzen und Aufgaben der mindestens zwei Personen umfassenden Mittelschulleitungen sehen folgende Schwerpunkte vor: Festlegung und Organisation des Unterrichtsangebots, Antragstellung auf Ernennung und Entlassung der Lehrpersonen mit unbefristeter Anstellung, Ernennung und Entlassung der Lehrpersonen mit befristeter Anstellung, Anstellung und Entlassung des administrativen und technischen Personals, Förderung und Weiterbildung der Lehrpersonen, Führung des Finanzwesens, Erfüllung der weiteren zugewiesenen Aufgaben (Bildungsdirektion des Kantons Zürich, 1999). Zu diesen Letzteren gehört – wie bereits erwähnt – beispielsweise die Errichtung eines Qualitätsmanagements. Diese beiden Auflistungen machen deutlich, dass Schulleitungen eine weit über den Administrationsbereich hinausreichende Bedeutung erlangen, vor allem in Bezug auf Aspekte der Schulqualität und -entwicklung. Bonsen et al. (2002: 16) stellen hierzu fest: „Es steht kaum in Frage, dass die Schulleitung bei allen Entwicklungsbemühungen die Schlüsselrolle inne hat. Reformideen oder Innovationen können nicht gegen den Willen des Schulleiters implementiert werden.“ Schulleitungen werden zu so genannten „change agents“, welche den Wechsel von eher geschlossenen zu tendenziell offenen Systemen mitzuverantworten haben (Schratz 1996: 1998). Solche zeichnen sich unter anderem dadurch aus, dass sie von einer Grundphilosophie ausgehen, die mit Unsicherheit rechnet, dass sie weiter problemorientiert und von der Struktur her flexibel sind und ein vernetztes Ablaufschema implizieren. Gerade im Zuge der Teilautonomie drängt sich ein entsprechender Wandel auf (ebd.). Allerdings evozieren entsprechende Veränderungen oft die Angst und den Widerstand der Betroffenen. Deshalb sind nach Schratz (1996: 191) eine „transformational leadership“ notwendig, welche durch Mut und Vertrauen gegenüber den Menschen und ein ausgeprägtes Wertebewusstsein gekennzeichnet ist, sowie die Bereitschaft zu lebenslangem Lernen und durch die Fähigkeit, mit Komplexität umzugehen und die Zukunft visionär angehen zu können (ebd.). Unter dem Begriff „Leadership“ wird im Allgemeinen das Zusammenwirken von Persön121
lichkeitsmerkmalen, zugewiesener, hierarchischer Position und dem Repertoire von Verhaltensweisen in Bezug auf die jeweilige, konkrete Situation verstanden (Buholzer 2000). Rolff (1993) sieht, in leichter Abweichung vom bisher Gesagten, Schulleitungen weniger als „einsame Agenten des Wandels“ (185) und auch nicht als „Türöffner“ (ebd.), sondern „als Teambilder und Gruppenmoderatoren, die Kooperation ermöglichen und gerade dadurch andere motivieren, die Gestaltung ihrer Schule in die eigenen Hände zu nehmen, indem sie nicht nur in der Schule, sondern auch an der Schule arbeiten“ (ebd.). Auch er postuliert aber eine „transformationale Führung“ (a.a.O.: 186), welche versucht, den Kollegiumsmitgliedern zu einer kollaborativen und professionellen Schulkultur zu verhelfen, Lehrpersonen in Bezug auf ihre persönliche Entwicklung hin zu fördern und darauf achtet, dass die Fähigkeit, Probleme zu lösen innerhalb des Kollegiums erhöht wird (ebd.). Damit entsprechen Schulleitungen idealerweise und in etwa den erwähnten fünf Lerndisziplinen einer Lernenden Organisation. Auch Rolff (1993) betont die Bedeutung der Schulleitungen für die Qualität sowie die Veränderung und Entwicklung von Schulen: „Gute Schulen ohne gute Schulleiter gibt es nicht; dennoch sind gute Schulleiter keine Garantie für gute Schulen“ (183). Er beruft sich dabei auf Untersuchungen im angelsächsischen Raum, wonach Erneuerungsprozesse ohne die Unterstützung der Leitung kaum Aussichten auf Verwirklichung hätten (ebd.). In ähnlicher Weise postuliert Dubs (1994) eine kooperativ-situative Führung, welche dem Kollegium Freiheiten hinsichtlich Gestaltung und Entfaltung ermöglicht. Untersuchungen, wie etwa diejenige von Bonsen et al. (2002) berichten in Entsprechung zu dem Gesagten einen indirekten Einfluss zielgerichteter Führung auf Schul- und Unterrichtsmerkmale, da beispielsweise ein von der Schulleitung ausgehender positiver Einfluss auf die Kooperationsfähigkeit eines Kollegiums „ein geeignetes Mittel zu sein scheint, um andere Faktoren wie die Innovationsbereitschaft auf Schulebene, aber auch andere mögliche Unterrichtsmerkmale zu beeinflussen“ (Bonsen et al. 2002: 91). Bemerkenswert an dieser Arbeit ist insbesondere der Umstand, dass die Autoren ihre Stichprobe von dreißig Schulen anhand ausgesuchter Qualitätsaspekte in gute und verbesserungsbedürftige Schulen einteilten. Dabei zeigen sich auch hoch signifikante Unterschiede zwischen den beiden Gruppen hinsichtlich sämtlicher erhobener Handlungsdimensionen der Schulleitung (Veränderungsbereitschaft, Partizipation in der Entscheidungsfindung, Management sozialer Beziehungen, Organisation des Schulbetriebs, Beziehungsorientierung, zielgerichtete Führung, Visibilität, individuelle Lehrerbegleitung, Belohnen von Lehrern sowie Förderung von Fort- und Weiterbildung) (ebd.). Insbesondere die Werte in den Bereichen „zielbezogene Führung“ und „Innovationsbereitschaft“ zeigten beachtliche Unterschiede zwischen guten und verbesserungsbedürftigen Schulen. Die erwähnten Handlungsdimensionen erwiesen sich zudem mehrheitlich als gute Prädiktoren im Sinne der von den Autoren beschriebenen Schulqualität (ebd.). Buholzer (2000) erhob das Innovationsklima am Teilautonomie-Projekt „Schulen mit Profil“. Darunter ist im Wesentlichen ein durch Kooperation und Kommunikation geprägtes Schulklima zu verstehen (ebd.). Eine hohe Innovationsbereitschaft war in hoch signifikanter Weise mit einer positiven Einschätzung der Schulleitung durch die Lehrpersonen gekoppelt – an tendenziell innovativen Schulen schätzten die Lehrerinnen und Lehrer die Arbeit der Leitung sowohl in administrativer, in unterstützender als auch in sozialer Hinsicht hoch ein. Schulleitungen nehmen in Schulen mit hoher Innovationsbereitschaft in starkem Masse Einfluss auf das Geschehen in der Schule (ebd.). Für gelingende, innovative Schulentwicklungsprozesse scheint daher der Einfluss der Schulleitung ein wesentlicher zu sein. Es ist also durchaus zu erwarten, dass zielgerichtetes 122
Schulleitungshandeln in einem bedeutsamen Zusammenhang mit dem Grad an TeamKooperation steht, wie er in der vorliegenden Stichprobe erhoben wird.
5.3.3 Kollektive Selbstwirksamkeit als überindividuelle Überzeugungen von Handlungskompetenz In den bisherigen Ausführungen zur Selbstwirksamkeit (s.o.) war ausschließlich von der individuellen die Rede. Ausgehend vom im angelsächsischen Sprachraum schon seit geraumer Zeit verwendeten Begriff der „teacher efficacy“ entwickelten Schmitz und Schwarzer (2002; vgl. auch: Schwarzer & Schmitz 1999) eine deutsche LehrerSelbstwirksamkeitsskala, welche sich an Banduras sozial-kognitiver Theorievorgabe anlehnt. Bandura selbst hat diesen Ansatz in den Neunzigerjahren auf die Ebene der kollektiven Überzeugungen ausgedehnt (Schwarzer & Jerusalem 2002). Dabei geht es nicht einfach um die aggregierten Selbstwirksamkeitswerte von einzelnen Gruppenmitgliedern, sondern „um die Einschätzung der Gruppen-Selbstwirksamkeit, die sich aus der Koordination und Kombination der verschiedenen individuellen Ressourcen zu einem gemeinsamen Wirkungspotenzial ergibt“ (a.a.O.: 11). Bandura (1997: 476) selbst hat kollektive Selbstwirksamkeit als „die von einer Gruppe geteilte Überzeugung in ihre gemeinsamen Fähigkeiten, die notwendigen Handlungen zu organisieren und auszuführen, um bestimmte Ziele zu erreichen“ (Übers. Schmitz & Schwarzer 2002: 195) definiert. Um dies etwas zu verdeutlichen: Eine Gruppe von sehr selbstwirksamen Individuen hat unter Umständen eine kleinere kollektive Selbstwirksamkeit als eine Gruppe, deren Mitglieder individuell ungünstigere Selbstwirksamkeitserwartungen haben, aber in der Lage sind, ihre Fähigkeiten und Ressourcen besser miteinander zu verknüpfen (ebd.). Kollektive Selbstwirksamkeit hat also einen Einfluss darauf, „welche Ziele sich Gruppen setzen, wie viel Anstrengung sie in ein Projekt investieren und wie viel Widerstand sie leisten, wenn Barrieren auftreten“ (Schmitz & Schwarzer 2002: 195). Dies macht deutlich, dass die kollektive Selbstwirksamkeit eine entscheidende Bedeutung für Schulen hat, welche sich als Lernende Organisationen weiterentwickeln. Schmitz und Schwarzer, 2002 haben im oben bereits erwähnten bundesdeutschen Modellversuch „Verbund Selbstwirksamer Schulen“ in einem Längsschnittverfahren auch die kollektive Lehrer-Selbstwirksamkeit erhoben. Der Zusammenhang zwischen kollektiver Selbstwirksamkeit und Burnout war zwar schwächer als der auf der Individualebene erhobene (s.o.), aber immer noch sehr bedeutsam (ebd.). Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist die Tatsache, dass aufgrund der vorgenommenen Kovarianzanalysen sichtbar wurde, „dass die Kausalrichtung tendenziell eher von der Selbstwirksamkeit zum Burnout führt statt umgekehrt“ (a.a.O.: 205). Entsprechend dürfte – nach Einschätzung der Autoren – die Bedeutung der beiden Konstrukte der individuellen und der kollektiven Selbstwirksamkeitserwartung in der Burnout-Prävention, sowie der Schulberatung liegen (ebd.). Es ist daher davon auszugehen, dass das Gelingen von Innovationsprozessen in hohem Masse vom kollektiven Selbstwirksamkeitsgrad eines Kollegiums vorgezeichnet wird – wo mit mehr Vertrauen in die Teamressourcen in den herausforderungsreichen Prozess der Schulentwicklung eingetreten wird, ist auch mit kleineren Verlusten hinsichtlich Burnout bei den einzelnen Teammitglieder zu rechnen.
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5.3.4 Innovationsklima, Evaluation und Qualitätsentwicklung Unter „Innovation“ wird „eine signifikante Änderung im Status Quo eines sozialen Systems“ verstanden (Buholzer 2000: 22). Entsprechende Innovationsprozesse können als dynamisch und spannungsreich beschrieben werden (a.a.O.: 23), sie können „bottom-up“ oder „top-down“ erfolgen (ebd.). Letztere sind Innovationen, welche von einer übergeordneten Stelle veranlasst werden, während Erstere von der Basis, also im vorliegenden Falle, von den Lehrpersonen, ausgehen (ebd.). Was sind nun die Merkmale eines innovativen Schulklimas? Buholzer (2000: 69) nennt folgende vier Prozesse, welche maßgeblich dafür verantwortlich sind, dass sich ein innovatives Schulklima entwickeln kann: Zum einen muss in einem Kollegium eine Kommunikationskultur vorhanden sein, in welcher schismogene Prozesse abgewendet werden können, indem der Austausch nach einem reziproken Muster gestaltet wird. Keine Gruppe dominiert immer über andere vorhandene Gruppierungen, Spaltungsprozesse werden immer wieder abgewendet. Gleichzeitig – und damit verbunden – unterstützen Kooperationsprozesse den Innovationsprozess. Kooperation setzt eine gute Kommunikation voraus und kann – in Anlehnung an Rolff – als technische Kooperation (Austausch von Materialien, gemeinsames Erstellen von Stoff- und Unterrichtsplänen etc.) oder als pädagogische Kooperation (fächerübergreifende Unterrichtsplanung und -durchführung, Hospitationen etc.) verstanden werden. Solche Kommunikations- und Kooperationsbemühungen sind wiederum voraussetzend für ein Schulprogramm, welches „die Grundwerte der Schule, das Menschenbild und die Leitperspektiven der Schule beinhaltet“ (Buholzer 2000: 81, in Anlehnung an: Osswald, 1995: 68). Ein entsprechendes Programm muss inhaltliche Ziele enthalten, welche kurz-, mittel- oder langfristig angelegt sind und deren Erreichung sich über geeignete Qualitätssicherungskonzepte auch überprüfen lassen kann. Dabei spielen Schulleitungen eine wichtige Rolle: Sie können innovative Prozesse ermöglichen und unterstützen oder aber hemmen. Schulleitungen müssen idealerweise Lernfähigkeit demonstrieren und Schulprojekte oder einzelne Entwicklungsschritte mit Vertrauen und Unterstützung begleiten. Auch Bonsen et al. (2002) verweisen auf die zentrale Rolle, welche Schulleitungen innehaben, wenn es darum geht, innovative Prozesse zu gestalten. Sie sprechen vom Schulleiter als „Initiator des Wandels“ (ebd.: 114), welcher die herausforderungsreiche Aufgabe zu bewältigen hat, die Organisation zwischen Wandel und Stabilität sinnvoll auszubalancieren (a.a.O.: 115). Letztlich muss das Kollegium als Ganzes aber auch mit den durch Innovationen entstehenden neuen Herausforderungen umgehen können. Wird die Gestaltungsfreiheit von Schulen erweitert, wie dies etwa bei der Teilautonomie der Fall ist, verändern sich damit auch die Rollen der einzelnen Lehrpersonen, weil zur Unterrichtsarbeit auch noch die Kollegiumsarbeit hinzukommt. Dies kann Auswirkungen auf die berufliche Zufriedenheit bzw. auf das Belastungsempfinden der einzelnen Lehrpersonen haben. Allerdings bleibt hier anzumerken, dass in den bisherigen Untersuchungen zu dieser Thematik die Arbeit mit der Klasse und das Unterrichten an sich die Einschätzungen zur Zufriedenheit maßgeblich beeinflussen, während Entwicklungsarbeit im Kollegium nicht im Zentrum zu stehen scheint (ebd.). Selbstredend sind Kraft und Ausdauer, sowohl bei den Schulleitungen als auch bei den Lehrpersonen als Einzelpersonen, aber auch als ganzem Team gefragt, wenn es um die Entwicklung eines innovativen Schulklimas geht. In einem dezentralen Qualitätsentwicklungsprozess, wie er ja auch für die vorliegende Stichprobe charakteristisch ist, bedarf es 124
zudem der systematischen Evaluation, um letztlich die Qualität des autonomer gewordenen Unterrichts sicherstellen zu können (Posch & Altrichter 1997). Dieselben Autoren nennen vier allgemeine Gesichtspunkte, nach denen Qualitätsevaluation zu erfolgen hat (a.a.O.: 126 ff): Messung von Qualität steht im Dienste der Entwicklung von Qualität: Dabei wird Qualität transformational gesehen (siehe 3.1.1). Qualität wird in Zusammenhang mit den Mechanismen der Weiterentwicklung der betroffenen Institution gesehen. Ohne Problembewusstsein erfolgt keine Entwicklung: Innere Krisen oder ein wachsender Aussendruck können Anstoß zu einem Qualitätsentwicklungsprozess sein. Qualitätsentwicklung und professionelle Entwicklung sind voneinander abhängig: Problemlösungen können nicht einfach unbesehen, sondern nur reflektiert übernommen werden. Generell erfordert ein Qualitätsentwicklungsprozess eine intensive Auseinandersetzung mit der eigenen Professionalität. Betonung von individuellen und institutionellen Stärken und die Nutzung ‚lokaler Potenziale’ sind wesentlich Elemente von Qualitätsevaluation: Nicht Verhinderung von Fehlverhalten einzelner soll in den Fokus des Entwicklungsprozesses geraten, sondern die Nutzung vorhandener Potenziale. In Entsprechung dazu soll eine Qualitätsevaluation nach folgenden Zielsetzungen erfolgen (a.a.O.: 129 ff): Die Festlegung von Qualitätskriterien soll transparent und in Aushandlung mit den Betroffenen erfolgen, Zielformulierungen sollen die Intentionen der wichtigsten Interessegruppen umfassen, begleitende Zielklärungsprozesse sind beim Aufbau eines Qualitätsevaluationsprozesses notwendig, Maßnahmen der Qualitätsevaluation und -entwicklung wirken auf die Definition der institutionellen Ziele zurück, Qualitätsevaluationssysteme sollten umfassend sein und sowohl Input-, Prozess- und Output-Merkmale umfassen. Ditton (2000) fordert für Qualitätskontroll- und Qualitätssicherungsprozesse ebenfalls die Berücksichtigung der spezifischen Bedingungskonstellationen, eine Klärung der Zielsetzungen und des Aufgabenverständnisses. Wichtig sei insbesondere „die Verbindung von Zielperspektiven und praktisch verwendbaren Systemen der Qualitätskontrolle“ (a.a.O.: 88). Im Hinblick darauf, dass es bei allen Bemühungen um Qualitätsentwicklung und Qualitätskontrolle letztlich darum gehe, schulischen Misserfolg zu vermeiden, ist es aus seiner Sicht notwendig, curricular valide Tests und Erhebungen zur Ermittlung überfachlicher Kompetenzen einzusetzen, Schul- und Unterrichtsqualität standardisiert zu erheben und die entsprechenden Verfahren überregional zu koordinieren. Qualitätsentwicklungsprozesse können durch kollegiale Evaluation oder durch Selbstevaluation durchgeführt werden (Posch & Altrichter 1997). Bei Ersterer wird die Schule oder ein Teilbereich davon durch anerkannte Fachkolleg/-innen evaluiert, bei der zweiten Variante sind die Lehrpersonen aufgefordert, ihre eigene Arbeit zu untersuchen, und zwar hinsichtlich aller Merkmale der beruflichen Praxis, besonders aber von Prozessmerkmalen (ebd.). In Bezug auf die vorliegende Untersuchung ist die Frage nach einem innovativen Klima sowie nach der Entwicklung und Sicherung von Qualität von zentraler Bedeutung. Lernende Schulen bzw. Problemlöseschulen müssten sich demnach gerade durch eine hohe 125
Innovationsbereitschaft auszeichnen, welche von allen Beteiligten mitgetragen wird. Auch die für eine Qualitätsentwicklung unerlässlichen Evaluationsmaßnahmen können nur dort realisiert werden, wo die dafür notwendige Initiative und die Motivation vorhanden sind.
5.3.5 Schulklima Mit dem Begriff „Klima“ verbinden sich in aller Regel Assoziationen zur Meteorologie, da der atmosphärische Zustand, welcher für eine bestimmte Gegend charakteristisch ist, damit bezeichnet wird. Unterschieden werden sodann Klima-Elemente wie z.B. Sonneneinstrahlung oder Temperatur) und Klima-Faktoren (wie etwa geographische Breite oder Höhenlage) (Eder 1996). Davon zu unterscheiden sind Verwendungen, welche über die Organisationspsychologie Eingang in unseren Sprachgebrauch gefunden haben. Entsprechend werden unter Klima „…Meinungen, Gefühle und Verhaltensweisen der Arbeitenden untereinander und gegenüber den betrieblichen Gegebenheiten…“ verstanden (Friedeburg 1973: 291). Insbesondere wurden unter dem Begriff „Betriebsklima“ für die Belegschaft inhaltlich bedeutsame Dimensionen eines Betriebs beschrieben und bewertet (Rosenstiel et al. 1984). Mitte der 80er-Jahre fand der Begriff auch Eingang in den pädagogischen Kontext. Grundlegende theoretische Konzeptionen dafür waren Lewins Lebensraumkonzept und Murrays Need-press-Modell (zusammenfassend in Gruehn 2000). In Lewins (1963) feldtheoretischem Ansatz wird der Lebensraum durch die psychologische Person, die psychologische Umwelt sowie die reale Welt charakterisiert. Mit dem Lebensraum sind dabei diejenigen Ausschnitte gemeint, welche für eine Person von Bedeutung sind. Diese Verknüpfung von Individuum und Umwelt bedeutet, „….dass weniger objektive Merkmale der Umwelt für die Erklärung menschlichen Verhaltens heranzuziehen sind, sondern die subjektiven Deutungen des einzelnen als Grundmotor für das Verhalten einer Person betrachtet werden“ (Gruehn 2000: 64). Im Need-press-Modell wird davon ausgegangen, dass Umwelteinflüsse (sogenannte „presses“) und persönliche Bedürfnisse (sogenannte „needs“) das Verhalten eines Individuums prägen. Weiterentwicklungen dieses Ansatzes unterscheiden zwischen „alpha press“, im Sinne objektiver Umweltgegebenheiten, und „beta press“, der Wahrnehmung und Interpretation der objektiven Bedingungen durch die einzelne Person (Saldern 1987). Auf das Forschungsfeld von Schule und Unterricht übertragen bedeutet diese Unterscheidung, dass die „alpha presses“ über ausgebildete Rater erhoben werden können, während die „beta presses“ den subjektiven Wahrnehmungen von Schule und Unterricht der Betroffenen entsprechen (ebd.). In der Schulklimaforschung interessieren vor allem Letztere. Lange et al. (1983: 11) umreißen den Begriff des Schulklimas entsprechend als „…das Insgesamt der Merkmale in der Wahrnehmung der Schüler.“ Eder (2002) nennt als tragende Elemente dieses Begriffs folgende: Die Subjektivität des Konstrukts, welches durch die Wahrnehmung bestimmter Verhältnisse durch die betroffenen Individuen entsteht; alle Ereignisse, Merkmale, Zustände der Lernumwelt, welche von den Betroffenen als bedeutsam erlebt werden, sind konstitutiv für den Gegenstand des Schulklimas; weil es nicht bloß um individuelle, sondern um sozial geteilte Wahrnehmungen geht, handelt es sich um ein kollektives Konstrukt; die Wahrnehmungen müssen sich sowohl auf einen längeren Zeitraum als auch auf eine definierbare raum-zeitliche Umwelt beziehen können und 126
als Quelle gelten die Auskünfte der Betroffenen als angemessen. Insbesondere der Anspruch, Klima als kollektives Konstrukt festzulegen, erfordert, dass ausschließlich mit konsensualen Wahrnehmungen gearbeitet wird. Entsprechend kann eine Unterscheidung in folgende drei Klimatypen vorgenommen werden (ebd.: 1996): Das individuelle Klima als Ausdruck davon, wie ein Individuum seine Umwelt erfährt und erlebt, das aggregierte Klima als durchschnittliche Wahrnehmung einer institutionell oder organisatorisch verbundenen Einheit, meist über den statistischen Mittelwert errechnet sowie das kollektive Klima, das den Einfluss, den die Kognitionen der anderen Schüler auf das Individuum haben in dem Sinne berücksichtigt, dass durch Kommunikation und Interaktion zwischen den Beteiligten geteilte Repräsentationen der Lernumwelt entstehen. Fend (1977: 1998) hat entsprechend das Ausmaß der Zustimmung zu einem Item als Kriterium verwendet, um festzulegen, ob das entsprechende Merkmal eine für die jeweilige Schule oder Klasse charakteristische Klimakomponente darstelle oder nicht. Vorgängig wurde auf normative Weise festgelegt, ob die Zustimmung bzw. Ablehnung zu einem Item aus pädagogischer Sicht positiv oder negativ bewertet werden soll. In einem letzten Schritt wurde geprüft, ob die verwendeten Items zu inhaltlich konsistenten Gruppen zusammengenommen werden können. Auf diese Weise konnten die folgenden Dimensionen von Schulklima gebildet werden: Höhe des Leistungsdrucks, Höhe des Disziplindrucks, argumentative Kontrolle, Mitbestimmung, Lehrerengagement, persönliches Vertrauen. Die weiter oben dargestellte inhaltliche Breite des Konstrukts „Schulklima“ hat allerdings auch zur Folge, dass in den Ansätzen verschiedener Untersuchungen mit unterschiedlichen Instrumenten und Verfahren zum Thema gearbeitet wurde. Dennoch finden sich in den Dimensionen des Learning Environment Inventory (Anderson 1973), in der Classroom Environment Scale (Moos & Tricket 1974), im Fragebogen zum Unterrichtsklima (Dreesmann 1979), in den Landauer Skalen zum Sozialklima (von Saldern & Littig 1987) und in den Klima-Skalen von Fend – um nur die bedeutsamsten Ansätze zu nennen – Items und Skalen zu den folgenden vier Themen: Schüler-Lehrer-Beziehung, Schüler-Schüler-Beziehung, Merkmale des Unterrichts, Lernhaltungen der Schüler (Eder 1996; Gruehn, 2000). Das ermittelte Klima an einer Schule ist aber auch in Abhängigkeit verschiedener weiterer Systemfaktoren zu sehen. So ermittelte etwa Fend (1977, 1998) beim Vergleich von traditionellen Schulen mit Gesamtschulen geringere Betonung von Konformität und Leistungsresp. Disziplindruck. Diese Dimensionen erfuhren, je nach Schultyp (Gymnasium, Realschule oder Hauptschule), auch Unterschiede. 127
Weiter müssen auch die regionale und soziale Situierung der Schule, etwa bezüglich Größe von Schule und Klassen, oder Merkmale von Lehrpersonen, Schulleitung sowie Schülerinnen und Schülern berücksichtigt werden (Eder 1996). Schulklima wird als Konzept deshalb erhoben, weil sich damit eine Wirkungsannahme verbindet, welche davon ausgeht, dass ein gutes Schulklima auch mit verschiedenen schülerseitigen Merkmalen und Dimensionen einhergeht. Festzustellen gilt hier, dass Kausalanalysen im eigentlichen Sinne fehlen, nicht zuletzt, weil Schulklima meistens lediglich im Querschnitt erhoben wurde (Gruehn 2000). Charakteristisch ist auch, dass unterschiedliche Wirkungen postuliert werden. Unterschieden werden können hier Wirkungen bezüglich Schulleistung und solche bezüglich schülerseitiger psychosozialer Aspekte wie etwa Einstellungen zu Schule und Unterricht, Verhalten, Selbstkonzept, Belastungen sowie Interesse (Eder 1996; Gruehn, 2000). Eder (1996) kommt bezüglich Leistung nach Sichtung verschiedener Arbeiten zum Schluss, dass dort, wo die Leistung über Fachtests erhoben wurde, ein klarer Zusammenhang zwischen Klima und Leistung bestehe. Allerdings ist anzumerken, dass in zahlreichen Untersuchungen der Zusammenhang zwischen Klima und Leistung über die Schulnoten erhoben wurde. Ebenso wurde in etlichen, vor allem aus dem angelsächsischen Raum stammenden Arbeiten mit Beobachtungen gearbeitet und nicht mit Schülerwahrnehmungen (Gruehn 2000). Weiter gilt auch, dass zwar oft, wie zum Beispiel in den Arbeiten von Dreesmann (1980, 1981), eine respektable Klärung der Leistungsvarianz über die Klimadimension erreicht werden kann, dass sich aber die aggregierten Mittelwerte klimapositiver und klimanegativer Klassen in einem Rechentest nicht signifikant unterschieden. In der von Haertel, Walberg & Haertel (1981) vorgenommenen Metaanalyse wurde lediglich eine Durchschnittskorrelation von r = .17 zwischen Leistung und Klimawahrnehmung ermittelt. Bezüglich Wirkungen auf Fachleistungen lässt sich also kein eindeutiges Fazit ziehen, zumal die erwähnten Untersuchungen zum Teil älteren Datums sind und die Ergebnisse aufgrund unterschiedlicher Instrumente nur bedingt vergleichbar sind. Hinsichtlich psychosozialer Wirkungen finden sich in verschiedenen Arbeiten positive Zusammenhänge zwischen verschiedenen Aspekten eines guten Klimas und positiven Einstellungen zu Schule und Unterricht, schülerseitigem Verhalten (im Sinne von geringerer Delinquenzneigung und weniger Störungen der Disziplin), günstigerem Selbstkonzept, einem geringeren Maß an psychischer Belastung und höherem Interesse der Schülerinnen und Schüler (zusammenfassend: Eder 1996). In einer eigenen, längsschnittlich angelegten Untersuchung des Klimas an weiterführenden höheren Schulen kommt dieser Autor zusammenfassend zum Schluss, „…dass sich die Wirkungen von Schule auf Verhaltens- und Befindensmerkmale außerordentlich gut, auf Persönlichkeitsmerkmale und Leistung zumindest signifikant, wenn auch nicht in besonders bedeutsamer Höhe aus dem Klima in Klasse und Schule vorhersagen lassen. Für diese Veränderungen ist in erster Linie das individuell wahrgenommene Klima bedeutsam; das kollektive Klima ist in erheblich geringerem Masse direkt für die Ausprägung der Effektvariablen wirksam“ (Eder 1996: 239). Auch in der erwähnten Untersuchung von Dreesmann (1979) sind statistisch signifikante Zusammenhänge zwischen Klima und den Skalen „Förderung des Selbstvertrauens“ und „wahrgenommene Schwierigkeit“ lediglich auf Individualebene, nicht aber als Klassenaggregat nachweisbar. Gruehn (2000) kommt in ihrer Übersicht zum Schluss, dass es vor allem der Merkmalsbereich „Selbstvertrauen“ ist, welcher in Zusammenhang mit der wahrgenommenen Lernumwelt steht.
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Kritisch anzumerken für sämtliche Erhebungen zum Schulklima gilt es, dass sich damit theoretische und empirische Probleme ergeben. So macht schon die uneinheitliche Verwendung des Klimabegriffs entweder eher als personalistisches Konstrukt oder als Organisationsmerkmal) deutlich, wie problematisch eine einheitliche Verwendung des Klimabegriffs ist. Gruehn (2000) weist zusätzlich auf die fehlende Theoriebildung hin und regt an, auf den Begriff „Klima“ zu verzichten und stattdessen den neutralen Begriff der „Wahrnehmung“ zu verwenden. Weitere Problemlagen, welche sich mit Schul-/Unterrichtsklima ergeben, betreffen unter anderem die mangelnde Integration von Befunden aus der Lehr-/Lernforschung in den Forschungsdesigns, aber auch Schwierigkeiten bei der Operationalisierung und Datenerhebung (Gruehn 2000; Eder 1996). Obwohl Schulklima in den vergangenen Jahren relativ selten Gegenstand der Schulforschung bildete und das Konstrukt nur beschränkt aussagekräftig erscheint bezüglich Wirkungen auf verschiedene schülerseitige Merkmale, ist es für die vorliegende Untersuchung insofern von Bedeutung, als es die Wahrnehmungen der Lehrpersonen misst und deren Kooperation das eigentliche Herzstück dieser Arbeit bildet. Unter Bezugnahme auf Fend (1998) und vor dem kontextuellen Hintergrund der zum Zeitpunkt der Untersuchung laufenden Implementation von Qualitätsmanagement könnte das Schulklima als Indikator für die Kapazität eines Kollegiums betrachtet werden, Kooperation zu realisieren und Probleme anzugehen und zu lösen.
5.4 Zusammenfassung Um im erweiterten Modell von Qualität in Schule und Unterricht Qualitätsmessung vornehmen zu können, muss die Kapazität einer Schule Probleme zu lösen und Kooperation zu realisieren erörtert werden, weil Schulen nicht mehr in erster Linie als bürokratische, sondern als veränderungsfähige und Lernende Organisationen gesehen werden. In der vorliegenden Untersuchung wird deshalb von einer „Lernenden Schule“ gesprochen, in der sich durch zielgerichtete Zusammenarbeit ein Bewusstsein manifestiert, das sich mit „Wir und unsere Schule“ (vgl. „Problemlöseschule“ in Rolff 1991a) charakterisieren lässt – im Gegensatz zu einer fragmentierten Schule, in der Lehrpersonen eher nach der Devise „Ich und meine Klasse“ arbeiten. Soll Kooperation tatsächlich ein zentraler Indikator für Schulentwicklung sein, dann muss sich diese sowohl auf der Meso-, auf der Mikro- und auf der intrapersonalen Ebene manifestieren. Dabei interessieren auf der personalen Ebene Aspekte zu Belastung und der individuellen Selbstwirksamkeit von Lehrpersonen; auf der MikroEbene des Bildungssystems sind Unterricht und Klassenklima sowie Bezugsnormorientierung bei Beurteilungsprozessen relevante Aspekte für einen Unterricht, der dem Postulat von selbstreguliertem Lernen folgen will und auf fachlichen und überfachlichen Kompetenzzuwachs hinzielt. Auf der Meso-Ebene ist für die Einzelschule wichtig, wie zielgerichtet eine Schulleitung ihre Funktion ausübt, wie innovationsbereit und selbstwirksam sich ein Team empfindet, wie Kooperation unter Lehrpersonen realisiert wird und wie das Schulklima erlebt wird. In den vorhergehenden Abschnitten wurden einige aus der empirischen Forschung bekannte und ausreichend validierte Konzepte vorgestellt, mit deren Hilfe eine Erfassung von Qualitätsaspekten in Schule und Unterricht sowie der Kapazität eines Kollegiums, sich Problemen zu stellen, möglich erscheint. Daran muss sich ein hoher erreichter Level an Kooperation messen lassen, will er Merkmal gelingender Schulentwicklung sein. Gleich129
zeitig ist aber auch daran zu denken, dass Aspekte von Schul- und Unterrichtsqualität, das Ausmaß an persönlicher Belastung oder der Grad an Kooperation zwar über eine quantitativ-querschnittliche Momentaufnahme zu ermitteln sind, dass dahinter aber ein Prozessverlauf steht, der sich – in der Terminologie bisher vorgestellter Konzepte – am ehesten mit Rekontextualisierung oder Bewährungdynamik umschreiben lässt. Deshalb ist der quantitativen Erfassung genannter Aspekte und insbesondere von Kooperation noch eine qualitative Untersuchung anzufügen, welche sich der Umsetzung und „Rückübersetzung“ der über die Gesetzgebung angestoßenen Schulentwicklungsschritte widmet. Dabei werden die im nächsten Kapitel ausgeführte aktuelle und historische Gestalt der Zürcher Gymnasien sowie das Berufsbild von Gymnasiallehrpersonen wichtig als Folie, auf welcher Ergebnisse interpretiert werden können.
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6 Aktuelle Gestalt der Zürcher Gymnasien
In diesem Kapitel geht es darum, die Bedingungen zu nennen, welche für die untersuchten Schulen sowohl Ausgangslage wie auch Hintergrund für ihren Entwicklungsprozess darstellen. Nach einer systemtheoretisch unterlegten Darstellung des Akteurgeschehens im Zürcher Mittelschulwesen bilden kurze Abrisse über die historische Entwicklung der Gymnasien und über Rolle und Berufsbild der Lehrpersonen die zentralen Inhalte dieses Kapitels, welches den theoretischen Teil abschließt.
6.1 Autopoietische Reproduktion am Beispiel der Zürcher Gymnasien Ausgehend von der Systemtheorie wurde das Prinzip autopoietischer Reproduktionen erläutert. Demnach entwickeln sich Schulen als soziale Systeme, indem sie ihre Entwicklung selber gestalten und Probleme, welche sich auf diesem Wege stellen, selber lösen. Für die vorliegende Arbeit ist dieser Aspekt deshalb von zentraler Bedeutung, weil uns gerade der Entwicklungsaspekt von Zürcher Gymnasien interessiert. Aufgrund eines Beschlusses des Bildungsrates vom 19. September 2000, welcher wiederum auf der Annahme des kantonalen Mittelschulgesetzes vom 13. Juni 1999 beruht, sind die kantonalen Gymnasien dazu verpflichtet, „ein schulinternes Qualitätsmanagement aufzubauen“ (Kanton Zürich, Staatskanzlei, Mittelschulgesetz 1999) Während die Bildungsdirektion dafür lediglich eine zeitliche Frist ansetzt, das entsprechende Qualitätsmanagement muss bis im Jahr 2005 aufgebaut sein, hält sie sich zurück bezüglich der weiteren Vorgaben und verweist auf die relativ allgemein gehaltenen Qualitätsvorgaben für Schulen, welche der Kanton im Bildungsgesetz vom 1. Juli 2002 erlassen hat. Danach soll über Selbst- und Fremdbeurteilungen auf Personen-, Schul- und Bildungsbereichsebene ein Qualitätsmanagement etabliert werden, welches die Förderung der optimalen Bildung und Ausbildung der Lernenden fördern will (ebd.). Jedes Gymnasium soll also sein eigenes System des Qualitätsmanagements entwickeln und dafür auch die Verantwortung übernehmen (ebd.). Die Zürcher Gymnasien können damit in teilweiser Autonomie darüber entscheiden, in welche Richtung sich ihre Qualitätsentwicklung bewegen soll. Wesentlich ist dabei, dass die entsprechenden Schulen die Themen, welche sie zu evaluieren gedenken, selber wählen können (Keller 2003). Bezug nehmend auf die bisherigen Ausführungen zeigt sich hier eine autopoietische Reproduktion: Das soziale System Einzelschule sucht sich diejenigen Probleme aus, welche sich in Auseinandersetzung mit seiner Umwelt bilden und erarbeitet sich Problemlösungen. Entsprechend kann der Eigenzustand stabilisiert oder optimiert werden. Mit vorliegender Studie soll diese autopoietische Reproduktionsleistung nachgezeichnet werden, indem vielfältige Selbstreferenzen zum Qualitätsmanagement-Prozess sowohl quantitativ wie auch qualitativ erfasst werden.
131 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_7, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
6.2 Selbst- bzw. Fremdreferentialität und Qualitätsentwicklung Prinzipiell mitgedacht ist ein weiterer systemtheoretischer Aspekt, nämlich derjenige der Selbst- und Fremdreferentialität. Wie erwähnt, sehen die kantonalen Konzeptvorgaben zum Qualitätsmanagement sowohl interne als auch externe Beurteilungen vor. Die Schulen sind angehalten, auf personaler Ebene Selbstbeurteilung in Form systematischer Feedbacks einzuholen. Weiter sollen sie als gesamte Einzelschule Selbstevaluation vornehmen. Ergänzend dazu wird auf personaler Ebene die reglementierte Mitarbeiterbeurteilung vorgenommen, während auf der Ebene der einzelnen Schule Fremdbeurteilungen durch externe Fachstellen vorgesehen sind. Den Schulen werden Anregungen geboten, wie sie Evaluation durchführen können (Keller 2003). Das entspricht einem selbstreferentiellen Prozess, durch den Wissen im System generiert wird. Dies kann auf verschiedene Weise geschehen, sei es durch Gespräche zwischen Schulleitung und Lehrpersonen, sei es durch Interviews, Fragebogen, Dokumentenanalyse oder strukturierte Beobachtungen, welche aber alle innerhalb des Systems als Selbstbeobachtung vorgenommen werden (ebd.). Daneben kommt aber auch der Fremdreferentialität in diesem Qualitätsmanagement-Konzept entscheidende Bedeutung zu. Es muss „Wissen über das System“ (Fend 2006a) erzeugt werden, welches die Innensicht unter Umständen bestätigen kann, ihr aber möglicherweise in zentralen Aspekten auch widersprechen oder sie erweitern kann. Auch wenn unsere Untersuchung nicht explizit Bezug nimmt auf das besagte Qualitätsmanagement-Konzept, repräsentieren ihre Ergebnisse für die teilnehmenden Gymnasien dennoch Beobachtungen zweiter Ordnung, welche Wissen über das System generieren. Nach Fend (2006a) kommt der Erziehungswissenschaft diese Aufgabe zu. Im Unterschied zu den Selbstbeobachtungen definieren allerdings die Beobachter welche Dimensionen der Veränderung bzw. welche Qualitätsaspekte relevant sein sollen (Szaday et al. 1996). Die Schulen sollen diese Fremdbeobachtungen in ihren Entwicklungsprozess einbeziehen können. Selbstreferentialität und autopoietische Reproduktion bedeuten im vorliegenden Falle aber auch, dass die untersuchten Schulen keine trivialen Maschinensysteme sind, deren Output sich leicht steuern lassen würde. Die ebenfalls bereits thematisierte immanente Kontrollunsicherheit zeigt sich hier in einer andern Form: Hinsichtlich der Interpretation der Ergebnisse ist insofern Vorsicht angesagt, als zum einen mit einer vorläufigen pädagogischen Entwicklungsbilanz die weitere Entwicklung einer Schule nur schwer voraussagbar ist, da sich ihr als sozialem System weiterhin „ein unausrechenbares Repertoire an Reaktionsmöglichkeiten“ bietet (Luhmann 2002: 77). Damit ist auch die Prognosequalität dieser Arbeit eine eingeschränkte, was es zu bedenken gilt, wenn den einzelnen Schulen wichtige Ergebnisse der Untersuchung rückgemeldet werden. Zum anderen verweist der autopoietische Charakter von Schulsystemen insgesamt auf die in Kapitel 3 beschriebene beschränkte Technologisierbarkeit pädagogischer Prozesse: Ob ein hoher Grad an Kooperation der Lehrpersonen dazu führt, dass Schülerinnen und Schüler später ihr Leben angemessen bewältigen können, kann letztlich nicht nachgewiesen werden.
6.3 Verschiedene Akteure und der institutionelle Akteur im Zürcher Mittelschulsystem Wie bereits ausgeführt, entspricht das Bildungswesen mit seinen verschiedenen Funktionsträgern auf verschiedenen Ebenen einem institutionellen Akteur. Für die vorliegende Arbeit 132
ist dies insofern bedeutsam, als die Schulen mit dem bereits erwähnten Mittelschulgesetz normative Gestaltungsvorgaben umzusetzen haben und sich die Akteurfigur dazu eignet, die entsprechenden Prozesse zu beschreiben. Notwendigerweise müssen an dieser Stelle die bedeutsamen Akteure genannt werden, welche Einfluss auf Gestaltung und Umsetzung entsprechender Verregelungen haben. Auf oberster Hierarchiestufe beschließt der Kanton in der Gestalt von Regierungsrat (als Exekutive) und Kantonsrat (als Legislative) über die Errichtung oder Schließung von Schulen sowie die Einführung neuer Schultypen in Entsprechung mit den bestehenden kantonalen oder eidgenössischen Vorschriften zur Maturität (Kanton Zürich, Staatskanzlei, Mittelschulgesetz 1999). Ebenfalls auf kantonaler Ebene fungiert der Bildungsrat, welcher die Lehrpläne und eine Rahmenschulordnung erlässt und die einzelnen Schulen den verschiedenen Maturitätstypen zuordnet. Unmittelbare Aufsicht über die einzelne Schule übt die von der Bildungsdirektion eingesetzte Schulkommission aus (a.a.O.: 1). Ihre Aufgabe ist es unter anderem, Schulleitungen zu ernennen oder zu entlassen, Lehrpersonen mit unbefristeter Anstellung einzustellen oder zu suspendieren sowie die Leistungsbeurteilung der Lehrpersonen in Zusammenarbeit mit den Schulleitungen vorzunehmen. Ebenso müssen Schulleitbilder und Abschlussprüfungsergebnisse von dieser Kommission genehmigt werden. (a.a.O.: 2). Die vom Regierungsrat gewählten Rektoratspersonen und mindestens ein Vertreter oder eine Vertreterin des Prorektorats bilden die Schulleitungen. Sie sind für die pädagogische, administrative und finanzielle Führung der jeweiligen Schule zuständig. Ihnen obliegt unter anderem auch die Festlegung des Unterrichtsangebots, die Antragstellung für die Ernennung und Entlassung von Lehrpersonen mit unbefristeter Anstellung sowie die Ernennung und Entlassung von solchen mit befristeter Anstellung. Ebenso können sie über Einstellung und Suspendierung von administrativem Personal bestimmen. Auch fördern sie die Weiterbildung der Lehrpersonen und führen das Finanzwesen (Kanton Zürich, Staatskanzlei, Mittelschulgesetz 1999: 3). Die Schulleitungen sämtlicher Kantonsschulen bilden zudem die Schulleiterkonferenz (a.a.O.: 6.). Die Mitbestimmung der Lehrkräfte ist über die verschiedenen Konvente geregelt. Dabei ist zwischen Gesamt- und Klassenkonvent zu unterscheiden. Der Gesamtkonvent, an dem auch eine Vertretung der Schülerschaft stimmberechtigt teilnimmt, verabschiedet unter anderem das Leitbild (unter dem Vorbehalt, dass es durch die Schulkommission genehmigt wird) und formuliert Anträge für den Lehrplan und für die Ernennung von Vertreterinnen bzw. Vertretern für die Schulkommission. Auch Anträge für die Ernennung der Schulleitung werden vom Gesamtkonvent vorgenommen und an die Schulkommission weitergereicht (Kanton Zürich, Staatskanzlei, Mittelschulgesetz 1999). Der Klassenkonvent beschäftigt sich dagegen mit Fragen, „welche die Schülerinnen und Schüler der Klasse betreffen“ (a.a.O.: 3). Laut dem neuen Mittelschulgesetz ist der Lehrkörper aus Lehrpersonen mit befristeter und unbefristeter Anstellung zusammengesetzt. Neben der eigentlichen Unterrichtsarbeit sind sie dazu verpflichtet, Elternarbeit und auch Aufgaben im Rahmen des Schulbetriebs und der Schulentwicklung wahrzunehmen. Ebenso besteht eine gesetzliche Verpflichtung zur Weiterbildung. Wichtig sind aber auch die Rechte der Lehrpersonen: Paragraph 13 des neuen Mittelschulgesetzes bekräftigt ausdrücklich ihr Recht, „(...) im Rahmen des Lehrplans, der Konventsbeschlüsse, behördlichen Anordnungen und schulinterner Richtlinien den Unterricht frei zu gestalten und die Lehrmittel selbst zu bestimmen“ (a.a.O.: 4).
133
Aber auch die Schülerinnen und Schüler sowie deren Eltern haben als Akteure ihre verschriftlichten Rechte und Pflichten, welche an dieser Stelle jedoch nicht weiter ausgeführt werden, da sie für die vorgenommenen Analysen nicht bedeutsam werden. Im zitierten Schulgesetz werden die einzelnen Gymnasien verpflichtet, Maßnahmen zur Qualitätssicherung zu betreiben (a.a.O.: 1). Weiter oben wurde geschildert, welche dieser Maßnahmen den einzelnen Schulen vorgeschlagen werden, um diese Norm zu erfüllen. Die eben erfolgte Auflistung der Rechte und Pflichten der einzelnen Akteure macht nun deutlich, dass ein solcher Erlass nicht einfach im Sinne strukturfunktionalistischen Denkens „top-down“ umgesetzt werden kann. Vielmehr löst ein solches Vorhaben eine Resonanz aus, welche schwer voraussehbar ist, weil die einzelnen Gruppen bei der Umsetzung Gestaltungsspielräume und Freiheitsgrade haben und diese vermutlich auch nutzen werden. Jede der bezeichneten Gruppen muss die normativen Vorgaben rekontextualisieren und in Entsprechung zu ihren Möglichkeiten umsetzen. Deshalb wird nicht einfach eine Gestaltungsvorgabe maßstabgetreu umgesetzt. Stattdessen entsteht ein Abbild des Zusammenhandelns und der wechselseitigen Abstimmung der einzelnen Gruppen. Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit hinsichtlich verschiedener Facetten der Schulentwicklung können daher auch als das Ergebnis der Wirkung des institutionellen Akteurs gesehen werden.
6.4 Gymnasien und ihre Entwicklung in der Neuzeit Gymnasien existieren in der heutigen Form seit rund 200 Jahren. Ausgehend von den Domund Klosterschulen des Mittelalters ist im ihre Entwicklung und Ausbreitung im deutschen Sprachraum untrennbar mit der humboldtschen Bildungsreform im preußischen Staat des beginnenden 19. Jahrhunderts verbunden (Kellner 2005). Angesichts der Anforderung, dass höhere gesellschaftliche Positionen im Staatswesen der Neuzeit nicht mehr über das Prinzip der Statusvererbung vergeben werden, mussten Strukturen erzeugt werden, welche diesen Zugang über staatlich kontrollierte Ausbildung und Prüfung regelten (Herrlitz, 1997). Weiter galt es auch den Zugang für das ebenfalls aufkommende universitäre Bildungssystem zu regeln. Bislang war dieser nämlich nicht geregelt gewesen und es hatte eine eigentliche Schnittstellenproblematik bestanden (Oelkers 2007). In der Schweiz fiel die Gründung der Zürcher Kantonsschule im Jahr 1833 in die sogenannte Zeit der Regeneration, als die liberalen Kräfte in den Schweizer Kantonen sich gegen die in der Zeit nach 1815 erfolgte Restauration zur Wehr setzten (Kreis 1986). Nach ihren Vorstellungen sollte die Schule sowohl vernunftbegabte als auch brauchbare Menschen schaffen (Mesmer 1986). Zum einen mussten die Bürgerinnen und Bürger lesen und schreiben können, um den Ansprüchen einer repräsentativen Demokratie genügen zu können, zum andern sollten sie die für die fortschreitende Industrialisierung notwendigen Kompetenzen aufweisen können (ebd.). Gerade aus diesem Grund musste ein zu schaffendes Schulsystem auch selektiv und qualifizierend sein (ebd.). Die Änderung der Kantonsverfassung und das ein Jahr später erlassene Unterrichtsgesetz zielten vor allem darauf ab, das damals bestehende Schulsystem zu vereinheitlichen und zu entkonfessionalisieren (Ziegler 1993). Unter anderem wurde die obligatorische Länge der Volksschule auf sechs Jahre angesetzt – gegliedert in Elementar- und Realschule – während als Fortsetzungen Gymnasium und Industrieschule als parallele Alternativen eingeführt wurden. Weiter sah das Konzept auch die Gründung einer kantonalen Universität und die Professionalisierung der Lehrerausbildung vor (Osterwalder 1997). 134
Die Gründung der Kantonsschule bildete entsprechend einen wesentlichen Beitrag zur Ausgestaltung eines Gesamtsystems, welches diesen gesellschaftlichen Entwicklungen und Desideraten entsprach, indem sie von Anfang an als „…gelehrte, auf Wissenschaft ausgerichtete Schule…“ (Fend, 2006b: 171) und als Voraussetzung für den Besuch der 1833 gegründeten Zürcher Hochschule konzipiert wurde. Was sich in der Folge in der Gestaltung der Zürcher Hochschulen abbildete – nämlich die 1833 erfolgte Gründung einer kantonalen Universität, welche sich zu Beginn auf die Ausbildung von Theologen, Juristen, Medizinern und Philosophen beschränkte, sowie die 1855 erfolgte Schaffung eines Polytechnikums (der späteren ETHZ) als Ausbildungsstätte für zukünftige Ingenieure – galt auch für die Entstehung der Kantonsschule: Das ebenfalls 1833 nach den neuhumanistischen Ideen Humboldts entstandene Gymnasium wurde durch eine sogenannte Industrieschule (später als Oberrealschule bezeichnet) ergänzt, welche Züge des mathematisch-naturwissenschaftlichen Gymnasiums trug (Kronbichler 1983). Mit dieser Differenzierung in Industrieschulen und Gymnasien grenzte sich das Zürcher Bildungssystem im Übrigen vom deutschen System ab, welches im Namen der humanistischen Bildung an der Einheitswissenschaft festhielt und jede Spezialisierung ablehnte. Insgesamt wurde mit dem Umbau des Schulsystems erreicht, dass der gesellschaftliche Aufstieg über den – erfolgreich zu bewältigenden – Weg durch die Schulen führte (Mesmer 1986). Mit Verfassung und Gründung einer Kantonsschule (Gymnasium) war jedoch erst der Anfang gemacht. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten entstanden weitere Gymnasien bzw. höhere Schulen, welche erst später gymnasiales Gepräge erhielten. Dabei können grundsätzlich drei verschiedene Typen von Schulen unterschieden werden (Kronbichler 1983): Als städtische Schulen können – wie es der Name sagt – diejenigen Schulen bezeichnet werden, welche auf dem Gebiet der beiden wichtigsten Städte Zürich und Winterthur liegen. Kennzeichnend ist, dass ihre Entstehung ins 19. Jahrhundert fällt und dass sie in der Regel als Industrieschulen oder als humanistische Gymnasien gegründet wurden. Die Industrieschulen, aus denen später die mathematischnaturwissenschaftlichen Gymnasien hervorgingen, sollten ihre Absolventen auf das Studium an der in derselben Zeit gegründeten Eidgenössisch Technischen Hochschule vorbereiten, während das humanistische Gymnasium mit seiner vorwiegend auf alte Sprachen ausgerichteten Ausbildung die Grundlage für ein Universitätsstudium legte. Auch die so genannten höheren Töchterschulen in der Stadt Zürich können der Kategorie der städtischen Schulen zugeordnet werden. Sie entstanden in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und standen den bis anhin von der höheren Bildung ausgeschlossenen Mädchen offen. Diese Trennung wurde erst in den 70er-Jahren des 20. Jahrhunderts aufgehoben, nachdem die Zürcher Stimmberechtigten einem Gesetz zugestimmt hatten, dass die Einführung von Koedukation forderte. Mit den Schulen der Dezentralisation sind solche gemeint, welche außerhalb der Städte liegen. Ihre Entstehung hängt einerseits mit dem rasanten Bevölkerungswachstum in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts, andererseits mit einer insgesamt höheren Bildungsbeteiligung zusammen. Regierung und Stimmberechtigte erkannten rechtzeitig, dass ein gutes Angebot an weiterführenden Schulen ein wesentlicher Standortvorteil für eine bestimmte Region sein kann. Entsprechend erfolgten die Gründung und der Aufbau von Kantonsschulen im Zürcher Oberland und später im Zürcher Unterland und im Limmattal. Obwohl die Schülerzahlen sprunghaft zunahmen, ergaben sich angesichts der Verlangsamung des Wirtschaftswachstums in den Siebzigerjahren zunehmend Probleme, geplante Aus- und Neubauvorhaben zu realisieren. Entsprechend 135
waren einzelne Schulen über lange Zeit auf Provisorien angewiesen, während andere in der Planungsphase stecken blieben und gar nie realisiert wurden. Der dritte Typ - die freien evangelischen Schulen – sind als Reaktion evangelischkirchlicher Kreise auf die zunehmende Säkularisierung des Schulwesens ab Mitte des 19. Jahrhunderts zu verstehen. Mit der Gründung eigener Schulen reagierten kirchliche Kreise auf den „Terrainverlust“ und versuchten „in ihrem Sinne Einfluss auf das Erziehungswesen zu gewinnen“ (Ziegler 1993: 17). Diesen Schulen wurde schon früh die regierungsrätliche Konzession als staatlich anerkannte Privatschulen erteilt, sie mussten sich aber als private Institutionen in einem wechselnden Umfeld immer wieder neu positionieren und durch innovative Leistungen im wachsenden Bildungsmarkt behaupten. Mit der Einführung des neuen Mittelschulgesetzes von 1999 wird diesen privaten Gymnasien die Möglichkeit staatlicher Subventionierung zugestanden (Kanton Zürich, Staatskanzlei, Mittelschulgesetz 1999). Wirtschaftsfreundliche Kreise, welche mehr Wettbewerb im Bildungswesen fordern, machten sich ebenso für diesen Passus stark wie christliche Gruppierungen (Aisslinger 1999).
Die Entwicklung dieser drei charakteristischen Typen verdeutlicht, wie Bevölkerungswachstum, technische und soziale Entwicklungen sowie ein auf demokratische Partizipation ausgerichtetes politisches System, in dem verschiedene Akteure ihre Gestaltungsspielräume nutzen, zu einem vielfältigen Mittelschulwesen geführt haben. Die im ersten Teil des Kapitels geschilderten rechtlichen Voraussetzungen, wie sie mit dem aktuellen Mittelschulgesetz formuliert worden sind, lassen sich als Bestreben der Politik deuten, eine gewisse Vielfalt zu erhalten, indem sich Schulen als teilweise autonome Institutionen ihr eigenes Profil geben, während über verpflichtende und extern zu kontrollierende Maßnahmen zur Qualitätssicherung die notwendige Einheitlichkeit garantiert wird. In einer Arbeit über die Steuerungslogik im Bildungswesen am Beispiel der Zürcher Kantonsschulen kommt Bergmann (2000: 15 f.) angesichts der vorhandenen Vielfalt zum Schluss, dass es sogar schwierig sei, den Begriff der Schule widerspruchsfrei festzulegen: Betrachtet man die kantonalen Zürcher Mittelschulen [Gymnasien, Anm. d. Verf.], so umfassen diese typischerweise mehrere Schultypen, das heißt jede Schule bietet mehrere unterschiedliche Maturitäts- und eventuell Diplomkurse an. Der Begriff Mittelschulen stützt sich also nicht auf die Homogenität der erbrachten Dienstleistung. Selbstverständlich umfassen alle Schulen auch mehrere Klassen. Andrerseits finden sich in den Städten Zürich und Winterthur mehrere Schulen, deren geographische Einzugsgebiete sich teilweise oder ganz überschneiden. Je nach gewünschtem Schultyp besuchen die Einwohner einer bestimmten Gemeinde die eine oder andere Schule. Im Rahmen des neuen Mittelschulgesetzes (MSG) wird sogar grundsätzlich die freie Schulwahl eingeführt (§25MSG). Der Begriff Schule ist folglich auch geographisch nicht fassbar. Wie schließlich das Beispiel der unabhängigen Kantonsschulen Rämibühl vor Augen führt, ist nicht einmal das Gebäude beziehungsweise der Gebäudekomplex ein brauchbares Kriterium zur Beschreibung der einzelnen Mittelschule.
6.5 Lehrpersonen als bedeutsame Akteure Bisher war ausschließlich von den Schulen als Akteuren die Rede. Ausgehend von den Ausführungen zur allgemeinen Theorie der Schule ist jedoch nicht davon auszugehen, dass Schulen als Strukturformate selbstredend vorhersehbares Handeln ihrer Angehörigen erzeugen. Die Konzeption des „findigen Akteurs“ dürfte sich gerade für Lehrpersonen inso136
fern als adäquat erweisen, als diese sich in einem professionellen Feld bewegen, das relativ umfangreiche Gestaltungsspielräume ermöglicht und das sich auch in einer Mittlerposition zwischen Volksschule und Hochschule bewegt (Kronbichler 1983). Für Gymnasiallehrpersonen ist dies insbesondere relevant, als Gymnasien im Verlaufe des 20. Jahrhunderts einen Bedeutungswandel durchlaufen haben. Nachfolgende Abschnitte beziehen sich weitgehend auf die Ausführungen von Engelhardt (von Engelhardt 1997), welcher eine Analyse des Gymnasiallehrberufs vor allem für Deutschland vorlegt.
6.5.1 Das Berufsbild der Gymnasiallehrpersonen im Wandel der Neuzeit Zu Beginn seiner Geschichte galt das Gymnasium als exklusive Schulform und diente vornehmlich der männlichen Elitebildung. Der Beruf des Gymnasiallehrers wurde vorwiegend von Männern ausgeübt (von Engelhardt 1997), nicht zuletzt auch deshalb, da wie erwähnt unter den Hochschulabsolventen Frauen die Ausnahme bildeten. Mit dem Beruf verband sich, im Gegensatz zu den Lehrämtern auf den übrigen Schulstufen, auch ein hohes Sozialprestige (ebd.).Mit einer vor allem in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einhergehenden Modernisierung und dem Wandel zur Dienstleistungsgesellschaft ging dieser bildungsbürgerliche Nimbus allmählich verloren: Die Gymnasiallehrer können sich kaum noch unbefangen als Sachwalter eines kulturellen Erbes und einer gehobenen Bildung verstehen, die es an eine nachwachsende Generation zu vermitteln gilt und woraus sich eine besondere soziale Anerkennung und Verantwortung ableiten lässt. Auch wenn ihnen immer wieder Bildungs- und sogar Erziehungsaufgaben zugewiesen werden, sind sie doch weitgehend zu Vermittlern von Fachwissen geworden, das als Voraussetzung einer gehobenen Allgemeinbildung und einer Studierfähigkeit angesehen wird. (von Engelhardt 1997: 223)
In der Folge kann auch eine Professionalisierung in Richtung fachlicher Orientierung konstatiert werden, die zu einer verstärkten wissenschaftlichen Ausrichtung der Gymnasien führte (ebd.). Die politischen Veränderungen im Laufe der 60er- und 70er-Jahre des vergangenen Jahrhunderts im Zuge der Protestbewegung und der Politisierung einer ganzen Generation führten zu einem erneuten Sichtwechsel auf Bildung und Erziehung insgesamt. Erziehungsinstitutionen wurden als Herrschaftsinstrumente der Gesellschaft betrachtet, was in der Folge Anlass war, über einen anderen Stil im Umgang mit der jungen Generation nachzudenken und eine veränderte Erziehungskultur einzuführen (Fend 1988). Wenngleich die Gymnasiallehrpersonen traditionell immer auch sozialisatorische Aufgaben realisieren und sich an der Lösung psychosozialer Probleme beteiligen mussten, standen diese nicht im Zentrum ihrer beruflichen Aktivität (von Engelhardt 1997). Eine tendenziell autoritätskritischere gesellschaftliche Grundhaltung und eine eigentliche Bildungsexpansion, welche zunehmend auch soziale Schichten, die bisher von höheren Bildungsprozessen ausgeschlossen geblieben waren, erfasste, bedingten eine Sensibilisierung für andersgeartete Anliegen: „Damit gewinnen pädagogisch-soziale und fachdidaktische Kompetenzen sowie erziehungs- und sozialwissenschaftliches Wissen auch für die Gymnasiallehrer eine zunehmende Bedeutung“ (von Engelhardt 1997: 226). Heute kann der Beruf der gehobeneren Dienstleistungskategorie zugeordnet werden, der mit vergleichbaren professionellen Gruppen „…die akademische Ausbildung, die Verpflichtung auf ein Gemeinwohlinteresse, eine Handlungsund Entscheidungsdisposition in der Durchführung ihrer Arbeit und die Berücksichtigung 137
ihrer fachlichen Kompetenz bei politischen Entscheidungen, die ihr Berufsfeld betreffen…“ (a.a.O.: 233) teilt. Ebenfalls verändert haben sich damit zum Teil auch die Funktionen der Gymnasiallehrpersonen im Rahmen des gesamten Bildungssystems. Hinsichtlich Qualifikationsfunktion sind zwar über den gymnasialen Unterricht immer noch Ausbildungsvoraussetzungen für die Mitglieder des oberen gesellschaftlichen Segments zu schaffen, wobei allerdings zu beachten ist, dass dieser Bereich im Zuge von Bildungsoffensiven eine beträchtliche Ausweitung erfahren hat. Die Selektions- und Allokationsfunktion erscheint insofern abgeschwächt, weil mit Berücksichtigung der Vornoten ein Teil der Selektionsleistung vor dem Eintritt ins Gymnasium vollbracht wird. Gleichzeitig haben die Maturitätszeugnisse an Wert eingebüsst, weil bestimmte universitäre Ausbildungsgänge dazu übergegangen sind, eigene Zulassungsverfahren einzusetzen, womit die terminale Struktur der Sekundarstufe bedroht erscheint. Dennoch konstatiert von Engelhardt (1997: 237), dass die Leistungsbewertung an diesem Schultyp insgesamt an Bedeutung zugenommen habe: „…eine Entwicklung, zu der die Gymnasiallehrer eine zwiespältige Haltung einnehmen. Auf der einen Seite unterstützt dies die rein instrumentellen und rein extrinsischen Haltungen der Schüler, auf der anderen Seite lassen sich eben gerade darüber Mitarbeit und Lernleistungen absichern.“ Bezüglich der eigentlichen Kerntätigkeit – der Unterrichtsarbeit – gilt für den gymnasialen Unterricht verstärkt, was aus der internationalen Forschungsliteratur zum Unterricht auf Sekundarstufe bekannt ist: Nämlich, dass Klassenunterricht und selbständige Schülerarbeit als Unterrichtsform dominieren (Reusser & Pauli 2003). Bedingt vor allem durch besagtes Fachlehrerprinzip und die damit verbundenen Struktureigenheiten in Bezug auf den Stundenplan stellen alternative Formen wie etwa Team-Teaching eher die Ausnahme dar (von Engelhardt 1997). Dieses an der Einzelarbeit orientierte Prinzip schlägt sich nach Aussagen dieses Autors auch im Verhältnis zur Kollegialität nieder, indem Verbindlichkeiten wie etwa gegenseitige Hospitation, außer wenn sie verordnet werden, eher die Ausnahme sind, während gleichzeitig wechselseitiger Erfahrungs- und Arbeitsaustausch prinzipiell ermöglicht sein sollten. Auch gilt die an anderer Stelle in dieser Arbeit vorgetragene Feststellung (Terhart 1987), dass es im Rahmen des Kollegialitätsprinzips zur Norm gehört, sich als gleichwertig, gleichkompetent und gleichberechtigt anzusehen, was auch Schutz vor An- und Eingriffen von außen bietet (von Engelhardt 1997).
6.5.2 Zur Professionalisierung der Zürcher Gymnasiallehrkräfte In der Schweiz sind die Mittelschullehrerinnen und -lehrer auch über eigene kantonale und gesamtschweizerische Verbände recht gut organisiert (Kronbichler 1983). In höherem Masse als das Lehrpersonal an der Volksschule müssen Lehrkräfte an Gymnasien die Rollen sowohl des Erziehers als auch diejenige des Wissenschafters miteinander vereinen können (ebd.). Wie das „role making“ durch die einzelnen Individuen geschieht, wird einen Aspekt der vorliegenden Untersuchung bilden. Ebenfalls im Unterschied zu den Volksschulehrkräften, welche sich primär für den Lehrberuf entscheiden und erst anschliessend die Ausbildung für die entsprechende Stufe vornehmen, absolvieren Mittelschullehrpersonen zuerst eine wissenschaftliche Ausbildung an einer Hochschule, die mit dem Lizentiat bzw. einem universitären Masterabschluss oder Doktorat abgeschlossen wird. Dies war nicht immer so: Als 1832 die Kantonsschule Zürich startete, wurde lediglich in sogenannnten „Stegreiflektionen“ (Kronbichler 1983: 241) geprüft, ob die Bewerber mit einer wissenschaftlichen Denkweise vertraut seien (ebd.). Heute 138
müssen Anwärterinnen und Anwärter auf ein Lehramt an einer Kantonsschule neben der wissenschaftlichen Ausbildung noch Lehrveranstaltungen in Psychologie und Pädagogik, insbesondere aber in Fachdidaktik für die Sekundarstufe II an der Universität besuchen. Ein Blick in das diesbezügliche Ausbildungskonzept der Universität Zürich zeigt, wie sich angehende Gymnasiallehrkräfte in vertiefter Weise mit Fragen der Didaktik und Methodik, der Unterrichtsentwicklung, der Lern- und der Entwicklungspsychologie auseinanderzusetzen haben. Während früher zwischen Hilfs- und Hauptlehrpersonen unterschieden wurde (ebd.), wird nach heutigem Mittelschulgesetz zwischen Lehrpersonen mit befristeter und solchen mit unbefristeter Anstellung unterschieden (Kanton Zürich, Staatskanzlei, Mittelschulgesetz 1999). Der Arbeitsmarkt für diese Berufsgruppe war zu allen Zeiten Schwankungen unterworfen. Faktoren wie zum Beispiel die erwähnte Dezentralisierung, die zu einem Ausbau des Mittelschulangebots führte, bewirkten zeitweise einen Mangel an Lehrpersonen. Je nach konjunktureller Verfassung waren zudem zahlreiche, finanziell attraktive Angebote in der Privatwirtschaft vorhanden, was zeitweise zu einem Mangel an mathematischnaturwissenschaftlich geschulten Lehrpersonen führte. Daneben gab es aber auch Zeiten des Lehrerüberflusses, etwa während der Rezession der Siebzigerjahre (Kronbichler 1983). Seit 1916 sind die Lehrpersonen an den Zürcher Kantonsschulen im Mittelschullehrerverband (MVZ) zusammengefasst, welcher sich als gewerkschaftliche Organisation versteht und sich in seinen Aktivitäten vor allem standespolitischen Anliegen wie Besoldungs- und Versicherungsfragen, der Gesetzgebung und der Arbeitszeitregelung widmet (ebd.). In den vergangenen Jahren engagierte sich der Verband beispielsweise mit Vehemenz gegen diejenigen Sparmassnahmen des Regierungsrates, welche die Gymnasien betreffen (MVZ 2004). Wie bereits erwähnt, können Gymnasien im Rahmen des Qualitätsmanagements an ihren Schulen Gestaltungsspielräume wahrnehmen und Einfluss auf die Wahl der Schulleitung geltend machen. Als Akteur in bildungspolitischen Debatten bilden die Gymnasien überdies eine ernst zu nehmende Größe, da sie über ihren Verband bereits seit geraumer Zeit Einfluss nehmen können in die Gestaltung der normativen Vorgaben.
6.6 Fazit und Zusammenfassung In diesem Kapitel wurde versucht, die aktuelle und die historische Gestalt von Gymnasien darzustellen, indem neben den rechtlichen Voraussetzungen auch Hinweise zur geschichtlichen Entwicklung sowie die damit einhergehende Professionsgeschichte der Lehrpersonen genannt wurden. Vor dem Hintergrund des vorgestellten Rekontextualisierungsansatzes wurde damit der Rahmen dargestellt, in dem Schulentwicklung betrieben wird, und in dem Lehrpersonen ihr professionelles Selbstverständnis festlegen. Als Fazit dieses Abschnitts drängt es sich auf, Gymnasien sowie ihre Akteure und Verrechtlichungen als Spannungsbogen zwischen jeweils zwei verschiedenen Polen zu beschreiben: Mit der Einführung einer Gesetzgebung, welche den Schulen eine teilweise Autonomie erlaubt, wird eine Balance zwischen größer gewordenen Selbstbestimmungsmöglichkeiten und einer klar umschriebenen Rechenschaftspflicht angestrebt. Für das Qualitätsverständnis von Schulen bedeutet dies, dass die Spannung zwischen Selbst- und Fremdreferentialität aufrechterhalten werden muss, indem interne wie auch externe Beurteilungen Wissen im und über das System Einzelschule erzeugen. 139
Dabei können sowohl gleichlaufende wie auch einander widersprechende Wahrnehmungen entstehen. Wird die historische Entwicklung betrachtet, sind Gymnasien mit der Herausforderung konfrontiert, sowohl ihre traditionelle Rolle als dem klassischen Bildungsideal verpflichtete Eliteausbildungsstätten wie auch diejenige der für moderne Dienstleistungsgesellschaften relevanten Kompetenzvermittlungsagenturen zu pflegen. Dies kann zu spannungsvollen Auseinandersetzungen zwischen einzelnen Fachschaften führen, wenn je die eine oder die andere Sichtweise geltend gemacht wird für das Selbstverständnis einer Schule. Weiter befinden sich Gymnasien zwischen den Polen Volksschule und Hochschulbildung. Unter Berücksichtigung der zunehmenden Bedeutung höherer Bildung ergibt sich ein spannungsvolles Verhältnis zwischen einer Qualifikationsfunktion für akademische Karrieren und gesellschaftliche Spitzenpositionen einerseits und der Sozialisationsfunktion für einen wachsenden und zunehmend heterogenen Anteil von Jugendlichen im Übergang von der Kindheit zum Erwachsenenalter andererseits. Letztlich ergeben sich Spannungsverhältnisse, aufgrund unterschiedlicher Größen (relativ kleine und große Schulen), Lagen (städtisch oder dezentral) und unterschiedlichem Status (öffentlich oder halbprivat).
Bezug nehmend auf das Thema dieser Arbeit kann vermutet werden, dass Kooperation sich in diesen Spannungsfeldern ereignet, von ihnen auch geprägt wird und sich zu je schulspezifischen Mustern verdichtet. So kann erwartet werden, dass Lehrpersonen aufgrund der eingeführten Verrechtlichung von Qualitätsmanagement Kooperationsgelegenheiten, z.B. über gegenseitige Hospitationen, wahrnehmen und dass im Zuge der Pflege anspruchsvoller fachlicher Ausbildungen (nicht zuletzt auch akzentuiert durch die Profilbildungen an Gymnasien) der fachschaftliche Austausch als bedeutsame Form der Kooperation erlebt wird. Zudem wird Kooperation aber auch dort gefragt sein, wo Lehrpersonen aufgrund entstehender und möglicherweise zunehmend häufiger auftretender sozialisatorischer Probleme miteinander kooperieren (müssen). Gleichzeitig dürften an den von der Untersuchung erfassten Schulen je unterschiedliche Grade an Kooperation vorzufinden sein, da durch die Aggregate der Einstellungen je unterschiedliche Mehrheitsverhältnisse entstehen oder an Schulen möglicherweise ein über bestimmte Traditionen vermitteltes Kooperationsethos besteht. Ebenso dürften die unterschiedlichen Größen von Schulen zu je unterschiedlich verpflichtenden Voraussetzungen bezüglich Kooperation führen.
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7 Theoretisches Fazit und Fragestellungen
7.1 Theoretisches Fazit In diesem theoretischen Teil wurden, eingebettet in einen allgemeinen schultheoretischen Rahmen, verschiedene Konzepte dargestellt, welche als zentral erachtet werden, um Schulen in ihrer Funktionsweise und insbesondere bezogen auf kooperatives Handeln von Lehrpersonen angemessen beschreiben zu können. Daraus ergeben sich für die empirische Untersuchung die nachfolgenden Erfordernisse und Notwendigkeiten: Ausgehend von einer schultheoretischen Sichtweise muss berücksichtigt werden, dass einzelne Akteure – seien es jetzt Schulen oder die darin wirkenden Lehrpersonen – nicht ausschließliches „role-taking“ betreiben, sondern handelnd strukturelle Bedingungen, wie sie durch historische und rechtliche Vorgaben entstehen, umzusetzen. Diese Rekontextualisierungsleistungen sind über Selbstreferenzen der maßgeblich involvierten Akteure, in diesem Falle Schulleitungen und Lehrpersonen, zu erfassen. Je nachdem, wie Lehrkräfte gesetzlichen Rahmenbedingungen begegnen, ob und wie sie Gestaltungsspielräume nutzen, dürften sich verschiedene Konstellation und Formen der Zusammenarbeit ergeben. Dies insbesondere, wenn Kooperationsleistungen erforderlich werden, um gesetzlich verordneten Anforderungen an die Qualität von Schule und Unterricht (wie sie für diese Stichprobe mit dem Mittelschulgesetz von 1999 vorliegen) gerecht werden zu können. Eine Beschreibung des Handelns von Schulen als findigen Akteuren bedingt, dass sowohl vergleichbare quantitative wie auch beschreibende qualitative Daten verwendet werden. Aus der Perspektive der Schulentwicklung sind Schulen als besondere Typen Lernender Organisationen zu betrachten. Dies setzt ein dynamisches Verständnis von Schule voraus, welches davon ausgeht, dass bestimmte Merkmale relevant sind und vorhanden sein müssen, um für Innovation günstige Rahmenbedingungen entstehen zu lassen. Gleichzeitig können diese Merkmale in mehr oder weniger starker Ausprägung vorhanden sein und zu je unterschiedlichen Graden von Schulentwicklung führen. Insbesondere lassen sich aber aus den einzelnen, je nach Schule unterschiedlich ausgeprägten Merkmalen Profile von Schulen ableiten, welche in deskriptiver Weise deren aktuellen Stand hinsichtlich selbst bestimmter oder administrativ verlangter Entwicklungsvorgaben darstellen. Bezogen auf das Thema dieser Arbeit bedeutet dies, dass Kooperation je unterschiedliche Grade annehmen und möglicherweise Indikator sein kann für den Stand an Schulentwicklungsmaßnahmen an den untersuchten Schulen. Entsprechend bedeutet dies, Kooperation in ihrer Ausprägung festzustellen und in einem weiteren Schritt zu anderen Aspekten von Schulqualität und -entwicklung in Beziehung zu setzen. Eine governancetheoretische Sicht interessiert sich nicht ausschließlich für die makropolitisch eingesetzten Steuerungsinstrumente, sondern fragt nach Reaktionen und Antworten der betroffenen Akteure. In Entsprechung zum bereits dargestellten Konzept des „findigen Akteurs“ wird betont, dass Lehrpersonen und Schulleitungen sich nicht als triviale Systeme steuern lassen, sondern dass sie kontextsensitiv und adaptiv 141 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_8, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
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die ihnen zugewiesene Rolle gestalten. Insofern ist für die vorliegende Arbeit von Belang, welche Einstellungen zum Mittelschulgesetz und dem damit verordneten Qualitätsmanagement bestehen und in welcher Weise das institutionelle Handeln koordiniert wird und Umsetzungen realisiert werden. Insbesondere interessiert, ob und wie Kooperation von den Betroffenen als Werkzeug erkannt und eingesetzt wird. Dazu sind qualitative Interviews nötig, welche mit offenen Fragestellungen die je unterschiedlichen Rekontextualisierungen ausleuchten. Auch eine schulkulturelle Sichtweise richtet das Augenmerk auf die Rekontextualisierungsleistungen makropolitischer Rahmenbedingungen. Darüber hinaus fragt sie aber nach der an einer Schule vorherrschenden Bewährungsdynamik und deren Voraussetzungen. Damit geraten die historischen Grundlagen der Schule und der Lehrpersonen in den Blick. Handeln an Schulen erfolgt nicht voraussetzungslos, sondern ist gekoppelt an eine Geschichte, welche das institutionelle Verständnis der Akteure zu prägen vermag. Bezogen auf Gegenstand und hauptsächliche Fragestellungen dieser Arbeit bedeutet dies, die Selbstreferenzen der Lehrpersonen und Schulleitungen in ihrer generalisierten Form vor dem Hintergrund der Gestaltentwicklung der jeweiligen Institution zu sehen. Diesem Verständnis folgend dürfte auch das Kooperationsgeschehen Ausdruck einer bestimmten Bewährungsdynamik respektive eines zugrunde liegenden Schulmythos sein. Für den Feldzugang bedeutet dies, dass die qualitativen und quantitativen Daten im Rahmen von Triangulationen zu Einzelfalldarstellungen der einzelnen Schulen verdichtet werden. Weiter sind auch die rechtlichen und historischen Rahmenbedingungen zu erfassen und müssen als konstitutiver Hintergrund für die Fallbeschreibungen mitbedacht werden. Im Hinblick auf die Ausbildung charakteristischer Muster von Kooperation interessiert zum einen das gefundene Ausmaß an Kooperation. Vor dem theoretischen Hintergrund, wonach sich Kooperation im Spannungsfeld zwischen Vertrauen (als zentraler Voraussetzung) und Angst vor Autonomieverlust (als möglichem Hindernis) abspielt, bedarf es aber auch der Erfassung der Qualität der berichteten Zusammenarbeit, indem Stellenwert, Einstellungen und praktizierte Formen analysiert werden. Dabei ist insbesondere darauf zu achten, welche Bedeutung Kooperation bei der Umsetzung erwähnter makropolitischer Rahmenbedingungen erlangt. Vor dem Hintergrund kooperationstheoretischer Überlegungen ist auch festzustellen, welchen Rückschluss die Daten erlauben bezüglich Funktionalität von Kooperation an den jeweiligen Schulen: Besteht ein tendenziell eher pragmatisches, ein eher empathisches Kooperationsverständnis oder zeigen sich Formen einer Pseudokooperation? Der hier vorgeschlagene Blick auf Muster von Kooperation meint die verdichtete Darstellung der unterschiedlichen Daten unter Berücksichtigung der genannten theoretischen Sichtweisen. Kooperationsmuster, im Sinne einer Art von „Kooperationskultur“ bedeutet, dass das Zusammenhandeln von Lehrpersonen in einer Weise erfolgt, welche Gestaltungsvorgaben unter Berücksichtigung eigener Gestaltungsmöglichkeiten und eines sich spezifisch entwickelnden Gestaltungsrahmens adaptiert bzw. rekontextualisiert. Hierzu können nicht nur die erwähnten Einzelfalldarstellungen Auskunft geben, sondern vor allem fallvergleichende Analysen, welche den möglicherweise je unterschiedlichen Stellenwert und Umgang mit Kooperation an den einzelnen Schulen zu akzentuieren vermögen.
7.2 Fragestellung und Hypothesen Grundlegendes Ziel der vorliegenden Dissertation ist eine dichte Deskription von fünf Zürcher Gymnasien. Diese fünf Gymnasien bilden die Grundlage für eine explorative Arbeitsweise, welche sich der Kooperation von Lehrpersonen an der jeweiligen Schule nähert. Die Aussagekraft ist durch die Stichprobe eine beschränkte, was im methodischen Teil näher ausgeführt wird. Aus diesen Gründen und aus den für diese explorative Studie relevanten theoretischen Grundlagen leiten wir unsere Hauptfragestellung ab, welche folgendermaßen lautet: Welche Bedeutung erlangt Kooperation von Lehrpersonen im Rahmen schulischer Qualitätsentwicklung?
7.2.1 Fragen zu Wahrnehmungen und Praxis von Kooperation An die obige Forschungsfrage schließt sich folgende Subfragestellung an: Wie wird Kooperation unter Lehrpersonen an Zürcher Gymnasien wahrgenommen und realisiert? Diese Fragestellung wird mit den folgenden Unterfragestellungen aufgrund von quantitativen und qualitativen Datenquellen und dem Kooperationslevel-Instrument in den Kapiteln 9.4 und 9.5 beantwortet. Die Fragen lauten: Welche Grade an Kooperation werden von den einzelnen Schulen erreicht? Damit verbindet sich folgende Hypothese: In den Schulen der Stichprobe bilden sich die beschriebenen unterschiedlichen Kooperationsgrade/-levels ab. Begründen lässt sich diese Hypothese folgendermaßen: Die Schulen der Stichprobe werden durch die gesetzlichen Vorlagen zum Aufbau eines schulischen Qualitätsmanagements verpflichtet (vgl. Kapitel 6), sind hinsichtlich dessen konkreter Ausgestaltung jedoch relativ frei. Schulen wurden in Kapitel 1 einerseits als findige Akteure dargestellt, welche Gestaltungsspielräume aktiv nutzen. Entsprechend kann Kooperation eine valable Möglichkeit darstellen, bestimmten Aspekten der Professionalität gerecht zu werden. Je nach kontextuellen Bedingungen muss sie dies aber nicht zwingend. Gerade Gymnasien mit einer hoch ausgebildeten Fächerkultur (vgl. Kapitel 6) eignen sich nur bedingt für bestimmte Formen der interdisziplinären Zusammenarbeit, was insgesamt ein eher tiefes Niveau an Kooperation erwarten lässt. Andererseits werden Schulen in dieser Arbeit als sich entwickelnde und Lernende Organisationen aufgefasst (vgl. Kapitel 3.1). Dieses dynamische Verständnis impliziert, dass Schulen sich an verschiedenen Punkten eines Entwicklungsprozesses befinden, was eine gewisse Heterogenität bezüglich des Ausmaßes an realisierter und geplanter Kooperation erwarten lässt. Diese Fragestellung wird aufgrund von quantitativen Datenquellen und des Kooperationslevel-Instruments in Kapitel 9.2 beantwortet. Welche Ziele werden von einer Schule mit Kooperation angestrebt? Damit verbinden sich folgende zwei Hypothesen: Erstens, Schulen streben mit Kooperation vielfältige unterrichtliche und schulorganisatorische Ziele an. Und zweitens, Kooperation dient dabei vorwiegend pragmatischen, aber auch empathischen und strategischen Zwecken. Welche Formen von Kooperation werden von einer Schule genannt? 143
Damit verbindet sich folgende Hypothese: An den Schulen werden sowohl informelle wie auch verbindliche Formen der Kooperation gepflegt. Wie häufig werden an einer Schule Formen der Kooperation gepflegt? Damit verbindet sich folgende Hypothese: An den Schulen werden häufiger informelle Formen der Kooperation gepflegt als verbindliche, wobei Letztere vor allem an Schulen mit höherem Kooperationslevel auftreten. Begründet werden die letzten Hypothesen folgendermaßen: Kooperation muss immer im Spannungsfeld zwischen Vertrauen und drohendem Autonomieverlust gesehen werden (vgl. Kapitel 4). Informelle Formen spontaner und nicht institutionalisierter Kooperation ermöglichen es, dieser Gefahr zu entgehen. Da Kooperation keine zwingende Notwendigkeit für die Lehrpersonen darstellt, Schule somit ohne Kooperation auskommen kann und die eigentliche Kerntätigkeit – die Unterrichtsarbeit – traditionell als Einzelarbeit verstanden wird, ist davon auszugehen, dass Lehrpersonen in pragmatischer Weise kooperieren, indem sie dort mit Kolleginnen und Kollegen die Zusammenarbeit suchen, wo für sie ein Mehrwert zu erwarten ist. Gleichzeitig können aber auch empathische Faktoren bedeutsam werden, insofern Kooperation als Möglichkeit gesehen wird, der Einsamkeit, welche charakteristisch ist für Lehrberufe, durch Zusammenarbeit entgegenzuwirken. Ebenso stellt strategische Kooperation für Schulen eine Möglichkeit dar, extern eingeführte Zielsetzungen und umfassendere Unterrichtsprojekte effizient zu rekontextualisieren. Dabei werden auch verbindliche Formen der Kooperation notwendig. Daraus ist abzuleiten, dass sich ein hoher Level an Kooperation auch darin abbildet, dass Lehrpersonen vertraut sind mit diesem Instrument und bereit sind, in strukturierter und verbindlicher Weise zusammenzuarbeiten. Diese Fragestellungen werden aufgrund von qualitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet. Welche Einstellungen bestehen zu Kooperation generell und zu bestimmten Formen der Kooperation im Speziellen? Damit verbinden sich folgende zwei Hypothesen: Erstens, an den Schulen bestehen weitgehend positive Einstellungen zu Kooperation. Und zweitens, Kooperation wird als nützliches Instrument im Rahmen von Schulentwicklungsprozessen identifiziert. Begründet werden sie wie folgt: Auch wenn mit der Einführung eines neuen Mittelschulgesetzes (vgl. Kapitel 6) eine gewisse Verpflichtung zur Kooperation entstanden ist (u.a. dadurch, dass Lehrpersonen kollegiale Hospitationen durchführen müssen), bleibt dennoch und letztlich die Autonomie von Lehrerinnen und Lehrern erhalten. Kooperation kann also in explorativer Weise genutzt werden, es können Erfahrungen gemacht werden, ohne dass sich damit Zwänge verbinden. Gleichzeitig dürfte die Tatsache, dass die Untersuchung einige Jahre nach Einführung dieser gesetzlichen Neuerungen stattgefunden hat, dazu geführt haben, dass Lehrpersonen – wiederum verstanden als findige Akteure – stimmige Formate der Kooperation gefunden haben, welche für sie eine positive Bewältigungsform bestimmter beruflicher Herausforderungen repräsentieren. Wie im Theorieteil dargestellt, gilt Kooperation zudem als erwünschtes soziales Phänomen (Kapitel 4). Allerdings muss hierzu berücksichtigt werden, dass Selbstreferenzen von Lehrpersonen zu dieser Thematik eventuell auch erwünscht ausfallen. Diese Fragestellung wird aufgrund von qualitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet. Welche Möglichkeiten und Grenzen von Kooperation werden von einer Schule genannt? Daran schließt folgende Hypothese an: Möglichkeiten von Kooperation werden vor allem hinsichtlich ihres Synergiepotenzials gesehen, während Grenzen sich aufgrund des möglichen Mehraufwands im Sinne von zusätzlicher Belastung ergeben. 144
Begründet wird diese Aussage wie folgt: Oben Gesagtes gilt auch hier: Kooperation muss einen Mehrwert ergeben. Vor Augen gehalten werden muss aber auch die damit einhergehende Belastung (vgl. Kapitel 5). Gerade Gymnasiallehrpersonen, welche an verschiedenen Klassen einer Schule (oder sogar verschiedenen Schulen) ein bestimmtes Fach erteilen, sind mit erheblichen Hindernissen konfrontiert, wenn sie mit anderen Lehrpersonen in derselben Lage zusammenarbeiten wollen. Die Suche nach gemeinsamen Zeitgefäßen dürfte sich schwierig gestalten oder gar kooperationshindernd auswirken. Diese Fragestellung wird aufgrund von qualitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet.
7.2.2 Kooperation in Bezug auf unterschiedliche Qualitätsaspekte von Schule, Unterricht und Individuum Zu diesem Themenbereich interessiert folgende Subfragestellung: Wie zeigt sich Kooperation in Bezug auf unterschiedliche Qualitätsaspekte von Schule, Unterricht und Individuum? Diese Fragestellung wird mit den folgenden Unterfragestellungen aufgrund von quantitativen und qualitativen Datenquellen, des Kooperationslevel-Instruments sowie der Literaturaufarbeitung zum rechtlichen und historischen Kontext in den Kapiteln 9.4 und 9.5 beantwortet. Damit verbindet sich eine weitere Frage, nämlich diejenige nach der Geschichte der Schule: Vor dem Hintergrund welcher rechtlichen und historischen Kontexte haben sich die einzelnen Zürcher Mittelschulen entwickelt? Beantwortet wird sie in Kapitel 6, wo die rechtlichen und historischen Kontextbedingungen der an der Untersuchung teilnehmenden Gymnasien beleuchtet werden. In Entsprechung zur vorgeschlagenen Modellierung gliedern sich die folgenden Unterfragestellungen entlang der a. Meso- und b. der Mikro-Ebene sowie c. der personalen Ebene.
Meso-Ebene Schule Die Forschungsfragen, welche sich auf die Meso-Ebene der Schule beziehen, lauten folgendermaßen: Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Qualitätsaspekte von Schule wie das Schulleitungshandeln, kollektive Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen, die Innovationsbereitschaft des Teams, die Organisation der Arbeit, Leistungserwartung und das Schulklima ein? Diese Fragestellung wird aufgrund von quantitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet. Welche konkreten QS-Prozesse und -maßnahmen werden von einer Schule genannt? Dazu wird folgende Hypothese ins Feld geführt: An den Schulen werden vor allem QSMaßnahmen realisiert, zu denen die Schulen verpflichtet sind. Begründet wird diese Annahme damit, dass die Installation von Qualitätsmanagement Ausdruck eines GovernanceVerständnisses ist, wie es in den vergangenen Jahren akzentuiert wurde: Auf der einen Seite werden den Schulen Freiheitsgrade im Sinne von Teilautonomie zugestanden, auf der 145
anderen Seite besteht die Verpflichtung zur Rechenschaftslegung (vgl. Kapitel 3.2). Es ist davon auszugehen, dass Schulen auf makropolitische Steuerungsversuche in adaptiver Weise reagieren, indem sie Neuerungen schrittweise übernehmen und sorgfältig auf ihren je spezifischen Kontext adaptieren. Dabei ist immer auch davon auszugehen, dass eine gewisse Reaktanz gegenüber den entstehenden Verpflichtungen sichtbar wird, da Neuerungen mit einem Mehraufwand verbunden sind, welcher belastend sein könnte. Ebenso stellen Neuerungen eine Herausforderung für die an einer Schule herrschenden Rollenverständnisse und Bewährungsdynamiken dar. Diese Fragestellung wird aufgrund von qualitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet. Welche Folgen von Qualitätsmanagement werden von einer Schule genannt? Die Hypothese dazu lautet: Qualitätsmanagement führt an den Schulen einerseits zu verbindlichen Formen der Unterrichts- und der Personalentwicklung. Andererseits sind aber auch negative Folgen wie Belastung und Bürokratisierung zu erwarten. Begründet wird sie wie folgt: Die Untersuchungsergebnisse zur Implementation von Neuerungen, wie etwa diejenigen zu den professionellen Lerngemeinschaften von Lehrerinnen und Lehrern (PLG), zeigen, dass Neuerungen, wo sie unterrichtsbezogen sind, eine positive Akzeptanz erfahren (vgl. Kapitel 4). Gleichzeitig werden zusätzliche administrative Arbeiten, wie sie etwa mit dem Prozess der Rechenschaftslegung verbunden sind (z.B. Planung, Erstellung und Durchführung von Evaluationen), als eher negativ bewertete Pflichtübung erlebt. Diese Fragestellung wird aufgrund von qualitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet. Welche Einstellungen bestehen zu QM und Qualitätssicherung an den Schulen? Wie sieht die Akzeptanz von QM und Qualitätssicherung aus? Dazu wird folgende Hypothese angenommen: In Schulen, welche einen höheren Kooperations-Level erreichen, werden Prozesse der Schulentwicklung, der Qualitätssicherung und des Qualitätsmanagements positiver geschildert als in Schulen auf tieferen Levels. Begründung: Kooperation als zentrales Thema dieser Arbeit kann als Indikator von Schulentwicklung gesehen werden (vgl. Kapitel 3.1 und 4), weil Bemühungen, Schule und Unterricht in den genannten Aspekten weiterzuentwickeln, vielfältige Szenarien der Zusammenarbeit zwischen Lehrpersonen implizieren. Deshalb wird erwartet, dass an stärker kooperierenden Schulen der Umgang mit Maßnahmen der Qualitätssicherung bereits vertraut ist und deshalb tendenziell positiver bewertet wird. Die Reform bezieht sich auf bereits Vertrautes und Bewährtes und bestätigt letztlich den eingeschlagenen Kurs. Diese Fragestellung wird aufgrund von qualitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet. Wie präsentieren sich die Aspekte von Schulqualität und Schulentwicklung auf der Meso-Ebene an Schulen mit je unterschiedlicher Kooperation? Die Hypothese zu dieser Frage lautet: Im Hinblick auf die postulierten Indikatoren von Schulqualität und -entwicklung auf der Meso-Ebene unterscheiden sich Schulen auf hohem bzw. niedrigem Kooperations-Level voneinander, so dass Schulen mit hoher Kooperation höhere Werte bei den Indikatoren erreichen und umgekehrt. Begründung: Die folgenden Ausführungen orientieren sich an Kapitel 5: Die Teilautonomie der Schulen bedingt die Installation einer Schulleitung. Diese hat einen wesentlichen Einfluss auf den Erfolg von Erneuerungs- und Entwicklungsprozessen an einer Schule, je nach Einstellung der Schulleitung werden Schulentwicklungsprozesse beschleunigt oder gebremst. Ebenso werden sich konkrete Kooperationsformen unterschiedlich ausgeprägt zeigen, je nachdem, ob sich das berufliche Selbstverständnis der Lehrpersonen ausschließlich an der Einzelarbeit orientiert oder ob Teamarbeit selbstverständlicher Teil der Professionalität ist. Gemeinsam durchlaufene Problemlöseprozesse und Rekontextualisierungsleistungen verändern die Sicht auf das Team und dessen Selbstwirksamkeit. Innovation wird nicht nur verordnet erfolgen, sondern 146
als Ausdruck einer je unterschiedlichen Veränderungs- und Entwicklungsbereitschaft der einzelnen Schule den Gestaltungsspielraum abbilden, den die Gymnasien bei der Umsetzung des Qualitätsmanagements zur Verfügung haben. Als weiterer Aspekt für die Erfassung von Wahrnehmungen von Lehrpersonen auf der Schulebene dient das Konstrukt des Schulklimas, das insbesondere vor dem kontextuellen Hintergrund der zum Erhebungszeitpunkt erwähnten laufenden Implementation des Qualitätsmanagements indikativ erscheint. Diese Fragestellung wird aufgrund von quantitativen Datenquellen der beiden Schulen auf höchstem, bzw. niedrigstem Kooperationslevel der Stichprobe in Kapitel 9.5 beantwortet.
Mikro-Ebene Unterricht Weitere Forschungsfragen beziehen sich auf die Mikro-Ebene des Unterrichts. Sie lauten folgendermaßen: Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Aspekte der Qualität von Unterricht und des Unterrichtsklimas ein? Diese Fragestellung wird aufgrund von quantitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet. Welche Schulprofile hinsichtlich der betrachteten Aspekte von Unterrichtsqualität lassen sich bei unterschiedlichen Kooperations-Levels finden? Dazu gilt folgende Hypothese: Im Hinblick auf die postulierten Indikatoren von Unterricht und Unterrichtsqualität auf der Mikro-Ebene unterscheiden sich Schulen auf hohem bzw. niedrigem Kooperations-Level voneinander, so dass Schulen mit hoher Kooperation höhere Werte bei den Indikatoren erreichen und umgekehrt. Begründet wird diese Annahme dadurch, dass sich in diversen Untersuchungen bezüglich der Qualität von Unterricht deutliche Unterschiede in der Wahrnehmung einzelner Merkmale durch Lehrpersonen zeigen. In dieser Arbeit wird unter qualitativ gutem Unterricht ein solcher verstanden, der selbstreguliertes Lernen ermöglicht, sich durch ein positives Klassenklima mit geringer Störungsanfälligkeit auszeichnet und in dem Lehrpersonen individualisierende Formen in Förderung und Beurteilung einsetzen (vgl. Kapitel 5). Da für Lehrpersonen Methodenfreiheit gilt, ist eine Heterogenität zu erwarten. Wenn Kooperation als Indikator für lernende und innovative Schulen gilt, dürfte sich dies auch auf der Ebene des Unterrichts niederschlagen, da an Schulen mit hohem Kooperations-Level mehr auf besagte Merkmale geachtet wird als an solchen, welche in eher zurückhaltender Weise kooperieren. Diese Fragestellung wird aufgrund von quantitativen Datenquellen der beiden Schulen auf höchstem bzw. niedrigstem Kooperationslevel der Stichprobe in Kapitel 9.5 beantwortet.
Personale Ebene Individuum Ein weiteres Fragenbündel bezieht sich auf die personale Ebene des Individuums: Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule ihre individuelle Selbstwirksamkeit, ihre Belastung und Arbeitszufriedenheit ein und welche Einstellungen zu Unterrichtsstörungen bestehen? Diese Fragestellung wird aufgrund von quantitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet.
147
Wie äußert sich eine Schule zur beruflichen Belastung? Eine denkbare Hypothese dazu lautet: An den Schulen erweist sich Belastung als bedeutsames Thema, weil sowohl die Aufforderung zum Qualitätsmanagement als auch die Unterrichtsarbeit als Belastungsfaktoren genannt werden. Begründung: Vorhaben der Schulentwicklung und ein Aufbau von Qualitätsmanagementprozessen scheinen dann bedroht zu sein, wenn diese als Symptombehandlung bestehender Probleme entlarvt werden. Schulentwicklungsprozesse können dadurch als unsinnig, zusätzlich belastend und für die ohnehin schon als anstrengend wahrgenommene Arbeit im Unterricht störend empfunden werden. Zusätzlich muss mitberücksichtigt werden, dass sich die mit aktuellen Reformvorhaben einhergehende Belastung sowie die Aufsplitterung von Pensen einer Gymnasiallehrperson, welche in verschiedenen Klassen oder gar an verschiedenen Schulen arbeitet, kumulieren. Vgl. zu diesen Ausführungen Kapitel 5. Diese Fragestellung wird aufgrund von qualitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet. Welche Formen der Bewältigung werden von einer Schule genannt? Dazu wird folgende Hypothese aufgestellt: Lehrpersonen und Schulleitungen nennen verschiedene Formen der Bewältigung, welche sowohl im Rahmen der Institution als auch individuell erfolgen können. Begründet wird sie wie folgt: Schulen verstehen sich als offene und zur Veränderung fähige – letztendlich Lernende – Organisationen, welche in der Lage sind, selbst gesetzte Ziele über ihre Mittel zu klären (vgl. Kapitel 3.1). Auswirkungen zeigen sich dadurch, dass solche Kollegien in grundlegender Weise gelernt haben, Probleme zu identifizieren, zu bearbeiten und auch zu lösen. Dies führt einerseits zu einem institutionellen Umgang mit Belastung, weil Satzungen vorhanden sind für Bewältigung von schwierigen Situationen. Daneben bleibt andererseits ein individueller Umgang mit Belastung, allein oder mit professioneller Hilfe bestehen, der durch zusätzliche gemeinsame, von Fall zu Fall angewandte und nicht institutionalisierte Formen von Bewältigung unterstützt wird (vgl. Kapitel 5). Diese Fragestellung wird aufgrund von qualitativen Datenquellen in Kapitel 9.4 beantwortet. Welche Schulprofile hinsichtlich der betrachteten Aspekte von Selbstwirksamkeit, Belastung und Arbeitszufriedenheit sowie Einstellung zu Unterrichtsstörungen zeigen sich bei unterschiedlichen Kooperations-Levels? Hier gilt nachfolgende Hypothese: Im Hinblick auf die postulierten Indikatoren von Arbeit und Wohlbefinden auf der intrapersonalen Ebene unterscheiden sich Schulen auf hohem bzw. niedrigem Kooperations-Level voneinander, so dass Schulen mit hoher Kooperation höhere Werte bei den Indikatoren erreichen und umgekehrt. Begründung: Lernende Organisationen zeichnen sich durch die Annahme von Kompetenz, Vertrauen und einen positiven Umgang mit Fehlern aus (vgl. Kapitel 3.1). Dies läuft grundsätzlich einem belastenden Arbeitsklima und einer Unzufriedenheit in der Arbeit entgegen. Durch die relative Freiheit bei der Festlegung von Themen für die im Rahmen der gesetzlichen Forderung nach Qualitätsmanagement festgelegte Aufforderung, Selbst- und Fremdevaluation zu praktizieren (vgl. Kapitel 6), ergibt sich eine potenzielle Varianz in der Art und Weise der Rekontextualisierung dieser Vorgaben (vgl. Kapitel 1). Akzeptanz und Ablehnung sind denkbar, was bedeutet, dass die Befragten je nach Schule Belastung unterschiedlich erfahren. Zudem ist das Erleben von individueller Selbstwirksamkeit nicht zwingend durch die kollektive Selbstwirksamkeit bedingt, was unterschiedliche Wahrnehmungen erwarten lässt (vgl. Kapitel 5). Diese Fragestellung wird aufgrund von quantitativen Datenquellen der beiden Schulen auf höchstem bzw. niedrigstem Kooperations-Level der Stichprobe in Kapitel 9.5 beantwortet. 148
7.2.3 Frage zur Bedeutung von Kooperation Wie äußern sich die Schulen mit je unterschiedlicher Kooperation zur Bedeutung von Kooperation im Rahmen von Schulentwicklungs-, Qualitätssicherungs- und Qualitätsmanagementprozessen? Zu dieser Frage wird folgende Hypothese aufgestellt: An Schulen mit höherem Kooperations-Level wird die Bedeutung von Kooperation für Qualitätssicherungsprozesse günstiger eingeschätzt als an solchen mit tiefem Level. Begründung: Bezug nehmend auf das Konzept der Schulkultur entwickeln Schulen ihren je eigenen Mythos respektive ihre Bewährungsdynamik als Ausdruck erfolgter Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen schulischen Akteuren (vgl. Kapitel 3.2). Kooperation kann Teil dieser Bewährungsdynamik sein, insofern als Schulen diese Form als adäquates Instrument benutzen, um sich im Spannungsfeld zwischen Schüler- und Elternschaft, bildungspolitischen Strukturentscheidungen und Schulgeschichte zu bewähren (vgl. Kapitel 6). Diese Bewährungsdynamik kann aber auch kooperationsfeindlich sein. Entsprechend kann der vorgefundene Grad an Kooperation auf den zugrunde liegenden Schulmythos verweisen. Diese Fragestellung wird aufgrund von qualitativen Datenquellen in Kapitel 9.5 beantwortet; dabei interessieren insbesondere die Daten der beiden Schulen auf höchstem bzw. niedrigstem Kooperations-Level in der Stichprobe.
7.2.4 Repräsentativität Stellen die teilnehmenden Schulen eine repräsentative Auswahl dar? Auf der Basis der quantitativen Datenquellen wir im Kapitel 9.1 der Frage nach der Repräsentativität der Schulen aus der Stichprobe nachgegangen. Die Repräsentativität wird dabei in Bezug auf den Rücklauf innerhalb der Schule und in Bezug auf die Größe und das Personal der Schule sowie ihrem Maturitätsprofil im Vergleich zu sämtlichen Mittelschulen des Kantons Zürich untersucht.
7.2.5 Ausblick Die Beantwortung der hier aufgeführten Forschungsfragen sollte – im Sinne der Zielsetzung dieser Arbeit – eine möglichst umfassende Beschreibung der Schulen dieser Stichprobe ermöglichen. Gleichzeitig erfordern sie auch unterschiedliche methodische Zugriffe. Entsprechend erfolgt im nächsten Kapitel eine ausführliche Darstellung des quantitativqualitativen Untersuchungsdesigns, indem die Vorgehensweisen bei den beiden Untersuchungen und die dabei verwendeten Instrumente beschrieben werden.
149
8 Untersuchungsdesign
Um die Hauptfragestellung beantworten zu können, mussten sowohl Erhebungen zum Gegenstand der Kooperation wie auch Erkundungen zur Qualitätsentwicklung der beteiligten Schulen vorgenommen werden. Im Sinne eines quantitativ-qualitativen Designs (Kelle 2007) wurden zuerst quantitative Untersuchungen vorgenommen, um den Gegenstand der Kooperation und die beschriebenen Qualitätsdimensionen erschließen zu können (vgl. Abbildung 11). Damit wurden repräsentative Aussagen zum Grad an Zusammenarbeit ermöglicht. Gleichzeitig war damit noch nichts darüber gesagt, wie die Betroffenen das Kooperationsgeschehen sehen und welchen Bezug sie dabei zum gesetzlich verordneten schulischen Qualitätsmanagement herstellen. Deshalb wurde in einem weiteren Schritt eine qualitative Nachbefragung durchgeführt, welche sowohl eine vertiefende Sicht auf die vorgefundene Zusammenarbeit wie auch Wahrnehmungen zur Qualitätssicherungsthematik ermöglichen. Die offenen Fragestellungen erlaubten den befragten Lehrpersonen und Schulleitungsmitgliedern ihre Sichtweise zur Thematik in einer Weise einzubringen, wie es eine ausschließliche quantitative Fragebogenerhebung nicht erlaubt hätte.
Quantitativ (KooperationLevels, 20 Items) Quantitativ (Umfrage, PEB, 25 Skalen)
Qualitativ (5 ausgewählte Schulen, Fokusgruppe LP, SL)
Analyse: Einzelfall und Cross-Case
Literaturanalyse (Entstehungs- und Gestaltungsbedingungen)
Abbildung 11: Visualisierung des methodischen Designs Entsprechend bildet die vorliegende Untersuchung einen Querschnitt zu zwei verschiedenen Zeitpunkten in der Anwendung von zwei je unterschiedlichen methodischen Zugängen ab. Nachfolgend werden deshalb die beiden Zugangsweisen sowie die anschließende methodische Triangulation dargestellt, welche den Einsatz verschiedener Methoden zum selben Forschungsgegenstand vorsieht (vgl. Flick 1995, 2004). Damit soll auch berücksichtigt 151 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_9, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
werden, „…dass jede Methode den erforschten Gegenstand auf spezifische Weise konstituiert“ (Flick 1995: 432). Quantitative Grundlage der empirischen Untersuchung bilden die im Frühjahr 2004 erhobenen Daten von 444 Mittelschullehrpersonen, welche an neun verschiedenen Zürcher Gymnasien unterrichten. Bei dieser Untersuchung, die ein Element des Projektes „Überfachliche Kompetenzen im Kontext Schule. Eine Analyse von Bedingungsfaktoren auf der Sekundarstufe II“ des FS&S darstellt, bildet das Instrument der „Pädagogischen EntwicklungsBilanzen“ (PEB) vom DIPF das zentrale Element des in der endgültigen Version 239 Items umfassenden Fragebogens. Die Autor/-innen (Steinert et al. 2003) verwenden Konstrukte und Skalen, wie sie für Arbeitsplatzuntersuchungen von Lehrpersonen in Hessen Verwendung gefunden haben, und beziehen sich in der Formulierung der Items auf Scheerens & Bosker und deren Arbeiten im angelsächsischen Raum (1997). Zudem wurden bei der Erstellung des Fragebogens Skalen und Konstrukte verschiedener prominenter Untersuchungen zur Thematik in zum Teil angepasster Form verwendet. Im Rahmen eines Experten-Ratings, an dem die Schulleiterinnen und Schulleiter der untersuchten Schulen teilnahmen, wurden einzelne Elemente des Instruments noch erweitert oder gestrichen. Auf der Meso-Ebene gelangten so einerseits nach dem Rating und andererseits nach der Faktorenanalyse 12 Skalen und 2 Einzelitems zur Anwendung, auf der Mikro-Ebene deren 8 und auf der Intrapersonalen Ebene 5 Skalen und ein Einzelitem. Eine spezifische Auswahl an Items zu Kooperation und Kohäsion in Lehrer/-innenTeams erlaubt dank einer gemeinsam mit der Stichprobe in Hessen durchgeführten RaschSkalierung die Zuteilung der einzelnen Schulen zu verschiedenen Kooperations-Levels (vgl. Steinert & Klieme 2003). Eine qualitative Befragung der Schulleitungen sowie einer Gruppe von Lehrpersonen von fünf ausgewählten Schulen bildet die zweite Datenquelle. Mit halbstandardisierten Interviews wurden die Schulleitungen sowie eine Gruppe von jeweils ca. zehn Lehrpersonen (Fokusgruppe) bezüglich Qualitätsmanagement und der damit verbundenen Schulentwicklungsaktivitäten, Kooperation und Belastung befragt. Ziel war es dabei, Argumentations- und Deutungsmuster hinter den quantitativen Fragebogendaten zu erfassen. Im Anschluss an die 2005 erfolgten Interviews wurden qualitative Inhaltsanalysen mit anschließenden Reduktionen vorgenommen, mit dem Ziel, für jede Schule eine komprimierte Beschreibung der Rahmenbedingungen und der Charakteristiken von Kooperation zu realisieren. In einer anschließenden Daten- und Methodentriangulation werden die quantitativen und qualitativen Ergebnisse schulweise aufeinander bezogen. Damit soll eine Darstellung der schulspezifischen Art und Weise von Kooperation erreicht werden. Vorausgehend sollen die Entstehungs- und Gestaltungsbedingungen und möglichkeiten des Zürcher Mittelschulwesens im Allgemeinen und der einzelnen Schulen im Besonderen beleuchtet werden. Dieser eher ereignis- und sozialgeschichtliche Zugang wird ergänzt durch die Schilderung der normativen Rahmenbedingungen durch den Gesetzgeber. Hier interessiert insbesondere die Verpflichtung der einzelnen Schulen zu einem Qualitätsmanagement, wie es das Zürcher Mittelschulgesetz von 1999 (Kanton Zürich, Staatskanzlei, Mittelschulgesetz 1999) vorsieht.
152
8.1 Quantitative Untersuchung
Im Folgenden sollen die Stichprobe und die quantitative Methodik beschrieben werden. Die Konstrukte, Operationalisierungen und Datenerhebungsinstrumente werden dargestellt sowie die Auswertungsstrategien ausgeführt.
8.1.1 Stichprobe und Erhebungszeitpunkt der quantitativen Untersuchung An der vorliegenden Untersuchung beteiligten sich insgesamt 9 von 22 Gymnasien des Kantons Zürich. Sieben davon sind öffentliche Schulen, zwei Schulen sind private bzw. halbprivate Institutionen, welche ebenfalls anerkannte Maturitätsausbildungen anbieten. Die Teilnahme an dieser Untersuchung wurde den Schulen seitens der Bildungsdirektion empfohlen, war den Gymnasien jedoch freigestellt. Die Schulleitungen der erwähnten neun Schulen haben sich für eine Teilnahme entschieden. In einigen Schulen ist dies in Absprache mit dem Kollegium geschehen. Die Untersuchung fand im Mai/Juni 2004 statt. Der Fragebogen wurde in der letzten Woche der Frühlingsferien (22. April 2004) zusammen mit der gleichen Anzahl anonymer, frankierter Rückantwort-Couverts an die Sekretariate der betreffenden Schulen versandt. Die Schulen wählten den Zeitpunkt der Verteilung des Fragebogens entsprechend ihren Bedürfnissen (Termine Aufnahmeprüfungen, interne Termine etc.) selber. Der Abgabetermin wurde nach Abschluss der Aufnahmeprüfungen angesetzt. Nach zwei Wochen wurde ein erster Reminder verschickt mit dem Vermerk des Einsendeschlusses und einigen wenigen zentralen Punkten zur Untersuchung. Anschließend wurde noch ein zweiter Reminder verschickt mit einem definitiven Schlussdatum für die Untersuchung. Die vorliegende Arbeit war Teil einer externen Evaluation überfachlicher Kompetenzen durch den FS&S – Forschungsbereich Schulqualität und Schulentwicklung des Pädagogischen Institutes der Universität Zürich (Lehrstuhl Prof. Dr. H. Fend) an sämtlichen zwanzig öffentlichen und den genannten zwei privaten Mittelschulen des Kantons Zürich (Maag Merki 2003a). Diese Added-value-Studie befragte zu zwei Zeitpunkten (2001 und 2004) dieselben Schülerinnen und Schüler zuerst in der 10. Klasse zu Beginn und dann in der 12. Klasse am Ende ihrer Gymnasialzeit zu überfachlichen Kompetenzen.
8.1.2 Konstrukte, Operationalisierungen und Datenerhebungsinstrumente Das „Herzstück der Untersuchung“ bilden in der ersten Form 23 Items (Tabelle 2) zur Kooperations-Thematik, welche aus den erwähnten PEB-Untersuchungen stammen (Steinert & Klieme 2003). Sie werden entlang der zugehörigen Levels tabellarisch dargestellt. Alle für die vorliegende Arbeit ausgewählten und verwendeten Konstrukte werden im Folgenden hinsichtlich Herkunft, Skalenwerten, ihrer Skalierung und verwendeter Items aufgeführt. Dem Anhang liegt die Skalendokumentation mit je einem Beispiel-Item bei.
153
Erfassung von Lehrerkooperation: Lehrerkooperationslevels Wie oben bereits erwähnt, findet sich eine detaillierte Beschreibung der Bildung von Kooperationslevels bei Steinert & Klieme (2003). In einem ersten Schritt wurden dem PEBFragebogen (Pädagogische EntwicklungsBilanzen) in der Re-Analyse sämtlicher Daten der Stichprobe (93 Schulen der Sekundarstufe in Hessen mit total 4319 Lehrpersonen aus der SEL-Untersuchung) 23 Items für die RASCH-Skalierung entnommen. Diese 23 Items stellen die Basis für die Einteilung in die Lehrerkooperation-Levels vgl. Tabelle 2) innerhalb eines Kollegiums dar und bilden über die Zustimmung zur Kooperation innerhalb des Kollegiums einen wesentlichen Indikator für die Lehrerkooperation und die Fähigkeit eines Teams, dadurch als Ganzes Probleme zu lösen. Die Bildung der Levels erfolgte über die Rasch-Skalierung dieser Items. Mit diesem methodischen Ansatz müssen nicht sämtliche Bereiche der verschiedenen Levels abgedeckt werden, da ein neuer Schwierigkeitsgrad die Erreichung des vorhergehenden voraussetzt und somit davon ausgegangen werden kann, dass ein Kollegium z.B. über Level 1 verfügt, wenn es Level 2 erreicht. Tabelle 2: Lehrerkooperation-Levels, 23 Items in der Reihenfolge ihres Difficulty-Wertes (ζ) (vgl. Steinert & Klieme 2003: 13) PEB1_DIPF_Hessen (Deutschland) Reliabilität der Gesamtskala PEB1, dipf
α8=.84
Level 1 (Differenzierung)
Difficulty (ζ)
Wir haben eine gute fachspezifische Zusammenarbeit.
-2.023
Die Schulleitung achtet auf kollegiale Mitbestimmung.
-1.768
Wir erarbeiten gemeinsam das Profil unserer Schule.
-1.688
Die Koordination der Unterrichtsarbeit innerhalb der Jahrgangsstufen ist gut organisiert.
-0.976
Wir werden rechtzeitig und ausreichend über wichtige Vorgänge informiert.
-0.976
Bei der Festlegung des Stundenplans werden wir ausreichend beteiligt.
-0.782
Level 2 (Koordination)
Difficulty (ζ)
Die Ergebnisse aus Arbeitsgruppen werden regelmäßig bekannt gegeben.
1.119
Wir nutzen gezielt unsere unterschiedlichen Fähigkeiten und Interessen für die gemein1.191 same Arbeit.
Im Kollegium gibt es Gruppen, die nur wenig miteinander zu tun haben wollen. (-)
1.340
Beim Entwurf des Stundenplans werden Gelegenheiten zur Teamarbeit berücksichtigt.
1.837
8
Damit ist Cronbach’s Alpha gemeint, das anzeigt, wie gut eine Linearkombination von Variablen das zu messende theoretische Konstrukt wiedergibt. Werte >.70 stellen dabei eine zufrieden stellende Reliabilität dar.
154
Level 3 (Interaktion)
Difficulty (ζ)
Im Kollegium gibt es eindeutige Meinungsführer. (-)
2.231
Wir haben eine fächerübergreifende Zusammenarbeit, die sich an gemeinsamen Themen 2.459 orientiert. Die Koordination der Unterrichtsarbeit zwischen den Jahrgangsstufen ist gut organisiert.
2.715
In Konferenzen beteiligen sich die meisten Anwesenden aktiv an den Diskussionen.
2.858
Die Zusammenarbeit im Kollegium orientiert sich fast ausschließlich an Fächern. (-)
2.858
Wir organisieren in unserer Schule Supervisionsgruppen.
3.014
Wir nutzen die Zwischenstunden für gemeinsame Arbeit.
3.592
Selbst- und Fremdbeurteilung sollten für uns Bestandteil der Arbeit sein.
3.592
Level 4 (Integration)
Difficulty (ζ)
Wir erarbeiten gemeinsame Strategien zur Bewältigung beruflicher Probleme.
4.147
Für die Teamarbeit stehen Arbeitsräume mit einer ausreichenden Ausstattung zur Verfü4.531 gung. Unsere Zeitpläne außerhalb des Unterrichts sind für die Zusammenarbeit gut koordiniert.
5.058
Gegenseitige Unterrichtsbesuche sind ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit.
5.923
Die Absprache von Hausaufgaben ist ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit.
5.923
Stichprobe für das aktuelle Instrument der Lehrerkooperation-Levels Durch die Integration aller Daten von der hessischen und der zürcherischen Untersuchung wurde das Instrument angepasst. Datenbasis der Anpassung des oben erwähnten Instrumentes der Lehrerkooperation-Levels (Steinert & Klieme 2003) sind also einerseits die hessische Studie zu den Wahrnehmungen des Arbeitsplatzes und der Organisation der Schule aus Lehrersicht und den Wahrnehmungen des Schulklimas aus Schüler- und Lehrersicht (Döbrich, Plath & Trierscheid, 1999; Klieme et al. 2005). Die verwendeten Daten wurden in den Schuljahren 1998/99 bis 2003/04 erhoben. Andererseits bildet die dieser Arbeit zugrunde liegende Untersuchung im Kanton Zürich zu den überfachlichen Kompetenzen im Zusammenhang mit schulischen Bedingungsfaktoren an Gymnasien (Maag Merki, 2003b; Halbheer & Kunz, 2004) die zweite Datenquelle. Diese Daten wurden im Schuljahr 2003/04 erhoben. Für die Analyse der Items und Skalen zur Lehrerkooperation wurden beide Datenquellen zusammengespielt (vgl. Tabelle 3). Zielgruppe in Hessen und in Zürich sind jeweils ganze Lehrer-Kollegien. Die Teilnahme an der Befragung war auch in Hessen freiwillig und schließt dort alle Schulformen ein. In Zürich wurden ausschließlich Gymnasien befragt. „In Hessen nutzen die Schulen die Pädagogischen EntwicklungsBilanzen als Instrument der Selbstevaluation. Voraussetzung für die Durchführung der Lehrerbefragung in den Kollegien war eine Mindestbeteiligungsquote von 75%. Im Durchschnitt beteiligten sich über 85% der Lehrkräfte eines Kollegi155
ums“ (Steinert et al. 2006: 192). In Zürich lag die geforderte Mindestbeteiligung bei 50%. Der Durchschnitt lag leicht darüber mit mehr als 58%. In Hessen werden viele Sekundarschulen als integrierte oder kooperative Gesamtschulen und verbundene Schulen geführt, die mehrere Bildungsgänge umfassen. „Die hessische Stichprobe umfasst insgesamt 150 Sekundarschulen mit 6996 Lehrkräften“ (ebd.). Davon sind 40 Gymnasien. Die zürcherische Stichprobe umfasst 8 Gymnasien mit insgesamt 409 Lehrkräften. Ein Gymnasium wurde aus den Analysen ausgeschlossen, weil sich weniger als 50% der Lehrkräfte an der Befragung beteiligten. Tabelle 3: Lehrerstichprobe der Pädagogischen EntwicklungsBilanzen in Hessen und im Kanton Zürich (Tabelle aus Steinert et al. 2006: 192)
Schulen abs. Schulen in % Lehrer abs. Lehrer in %
Hessen Insgesamt 150 100,0 6996 100,0
Hessen Übrige 110 73,3 4710 67,3
Hessen Gymnasium 40 26,7 2286 32,7
Zürich Gymnasium 8 100,0 409 100,0
Skalierung der Items Da in den Pädagogischen EntwicklungsBilanzen nicht nach der individuellen Bereitschaft der einzelnen Lehrkräfte, sondern nach dem kooperativen Handeln im Kollegium gefragt wird, ist die Schulebene die Analyseeinheit der Wahl. Dafür wurden die Lehrerantworten zu den Kooperationsitems auf Schulebene aggregiert. Das Ausmaß der Zustimmung zu den Kooperationsaufgaben wird als Indikator für die Lehrerkooperation im Kollegium genutzt (Steinert et al. 2006: 192).
Die Items weisen eine vierstufige Ratingskala von „1 = trifft gar nicht zu“, „2 = trifft eher nicht zu“, „3 = trifft teilweise zu“ bis „4 = trifft genau zu“ auf. „Wenn 50% und mehr der Lehrkräfte eines Kollegiums ein Kooperationsitem mit „trifft teilweise zu“ oder „trifft genau zu“ beantworten, wird dies dahingehend bewertet, dass das Kollegium in dieser Frage kooperiert, anderenfalls nicht“ (ebd.). Die Skalierung ist bei Steinert et al (2006: 192f) folgendermaßen beschrieben: Die Skalierung der Kooperationsitems wurde analog zur Kompetenzmessung in der Schulleistungsforschung auf der Basis der Item-Response-Theorie durchgeführt. Diese Modelle gehen davon aus, dass zwischen den geschätzten Personenfähigkeiten und den Lösungswahrscheinlichkeiten einzelner Aufgaben eine Beziehung besteht, die sich auf einer gemeinsamen eindimensionalen Skala abbilden lässt (Rost 2004; Wilson 2005). Die geschätzte Kooperationsfähigkeit (im Folgenden: Kooperationsniveau) [bzw. in der vorliegenden Arbeit: Kooperations-Level, Anm. d.Verf.] der einzelnen Schulen hängt nur von den Antworten der Befragten und den Aufgabenschwierigkeiten der Kooperationsitems ab, nicht aber von den Kooperationsniveaus der Schulen in der untersuchten Stichprobe. Jenseits einfacher Rangplatzzuweisungen lassen sich damit Schulen im Hinblick auf die Erfüllung spezifischer Anforderungen an Lehrerkooperation beschreiben. Die Skalierung der Kooperationsitems aus den Pädagogischen EntwicklungsBilanzen erfolgte mit dem Programm „ACER Conquest“ (Wu, Adams & Wilson 1998). Dabei werden die Items auf Anpassungsgüte mit den einschlägigen Prüfgrößen an ein eindimensionales Gesamtmodell überprüft (vgl. Tabelle 4). In der oben erwähnten früheren Skalierung auf der Ba-
156
sis von 93 hessischen Sekundarschulen zeigten 23 von 26 Kooperationsitems bei allen Prüfgrößen eine gute Passung (Steinert & Klieme 2003).
Aktuelles Instrument zur Erfassung der Lehrerkooperation-Levels auf der Basis der ItemResponse-Theorie „Die gemeinsame Skalierung der Items zur Lehrerkooperation auf der Basis von 158 Schulen in Hessen und im Kanton Zürich ergibt mit allen Items eine eindimensionale Skala.“ (Steinert et al. 2006: 193). Mit diesem gemeinsamen Einbezug der Daten in die Berechnung gehen - im Vergleich zum ursprünglichen Modell - einige Verschiebungen von Items einher (Steinert & Klieme 2003): Das Instrument reduzierte sich von 23 Items auf 20 Items (vgl. Steinert et al. 2006: 194 ff.). Es umfasst jedoch nach wie vor zentrale Aspekte von Organisation, der kollegialen Zusammenarbeit, von Professionalisierung und Unterricht, dem Schulleitungshandeln und der Qualitätssicherung sowie unterschiedlich schwierige Anforderungsmerkmale an die Lehrerkooperation in exemplarischer Weise. Die Schätzungen der Itemschwierigkeiten unterscheiden sich in beiden Stichproben nur minimal. Die geschätzten Parameter weisen auch in der größeren Stichprobe (Hessen und Kanton Zürich, 158 Gymnasien) nach den maßgeblichen Prüfgrößen eine gute Passung auf (vgl. Tabelle 4). Die ermittelten Itemschwierigkeiten eignen sich nicht nur für eine theoretisch fundierte, kriterienorientierte Unterscheidung und Interpretation von Kooperationsniveaus, sondern auch für eine Einteilung der geschätzten Kooperationsniveaus in Niveaustufen. Dafür wurden die Kooperationsitems anhand der ermittelten Itemschwierigkeiten in eine Rangfolge gebracht. Unter Berücksichtigung der den Items zugrunde liegenden Anforderungen wurden die Items mit ähnlichen Schwierigkeitswerten zu homogenen Itemgruppen zusammengefasst. Hieraus resultieren die Abschnitte auf der Skala der Kooperationsniveaus der Schulen. Diese Abschnitte werden als Niveaustufen der Lehrerkooperation bezeichnet. Eine Schule wird dann einer Kooperationsstufe zugewiesen, wenn das geschätzte Kooperationsniveau der Schule über der unteren Schwelle dieser Stufe liegt. Dies bedeutet, dass eine Schule dann einer Kooperationsstufe zugeordnet wird, wenn das Kollegium wenigstens das einfachste Item der jeweiligen Stufe mit einer Wahrscheinlichkeit von 50% erfüllt (Steinert et al. 2006: 193).
157
Tabelle 4: Niveaustufen der Lehrerkooperation (aus Steinert, Klieme, Maag Merki, Döbrich, Halbheer & Kunz 2006)
158
Aspekte von Schulqualität und Schulentwicklung9 Für die Erfassung von schulischen Qualitätsdimensionen aus Sicht der Lehrpersonen auf der Meson-, der Mikro- und der personalen Ebene wurde auf Dimensionen und Skalen zurückgegriffen, wie sie in prominenten Studien zur Schul- und Unterrichtsforschung zur Anwendung gelangt und in Theoriemodellen zu schulischer Qualität berücksichtigt sind (Ditton 2000; Fend 1998; Scheerens & Bosker 1997; Scheerens, Glas, & Thomas 2003). Die Auswahl dieser Konzepte erfolgte im Hinblick darauf, welche Akteure und Prozessdimensionen durch Kooperation von Lehrpersonen betroffen sind (vgl. Halbheer, Kunz & Maag Merki 2008): Im Bereich der Meso-Ebene der einzelnen Schule sind dies Schulleitungshandeln (Bonsen, Von der Gatten, Iglhaut & Pfeiffer 2002), Innovationsklima, Evaluation und Qualitätsentwicklung (Bonsen et al. 2002; Steinert et al. 2003), Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation und Feedback (Scheerens & Bosker 1997; Steinert et al. 2003) und kollektive Selbstwirksamkeit (Schwarzer & Jerusalem 1999) sowie Schulklima (Eder 1998; Steinert et al. 2003). Auf der Mikro-Ebene des Unterrichts wurden Unterrichtsklima und Klassenmanagement (Clausen 2002; Eder 1998; Maag Merki 2002; Steinert et al. 2003), Unterrichtsgestaltung (Baumert, Gruehn, Heyn, Köller & Schnabel 1997; Clausen 2002; Maag Merki 2002; Pauli & Reusser 2002) sowie Beurteilung und Benotung (Clausen 2002) berücksichtigt. Im Zentrum stand dabei die Erfassung des fachspezifischen Unterrichts der einzelnen Lehrperson. Die personale Ebene der Lehrperson schließlich wird durch die Konzepte Belastung und Selbstwirksamkeit (Schwarzer & Jerusalem, 1999) sowie Einstellungen zu Unterrichtsstörungen (Steinert et al. 2003) abgebildet. Eine detaillierte Zusammenstellung der genannten Aspekte mit Beispielitems findet sich in Tabelle 5. Die verwendeten Skalen wurden aufgrund vorgenommener Reliabilitätsanalysen gebildet und sind in einer umfangreichen Skalendokumentation zuhanden des Schweizerischen Nationalfonds dokumentiert (Halbheer, Kunz & Maag Merki 2005). In der Übersicht in Tabelle 5 sind sämtliche verwendeten Konstrukte und Einzelitems der vorliegenden Arbeit mit den Dimensionen sowie den aktuellen Kennwerten aufgeführt. Sie stellen somit Transparenz bezüglich der Skalen und Items her und liefern bereits erste Ergebnisse.
9
Teile aus diesem Kapitel wurden bereits an anderer Stelle publiziert: Halbheer, U., Kunz, A. & Maag Merki, K. (2008). Kooperation zwischen Lehrpersonen in Zürcher Gymnasien. Eine explorative Fallanalyse zum Zusammenhang zwischen kooperativen Prozessen in Schulen und schulischen Qualitätsmerkmalen. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 28. Jg. (1), 19-35.
159
Tabelle 5: Indikatoren zur Erfassung von Aspekten zu Schulqualität auf der Meso- und Mikro-Ebene sowie auf der Personalen Ebene; Beispielitem (Anzahl Items und Dimensionen); Herkunft; Anzahl Lehrpersonen (N), Mittelwert (M); Standardabweichung (SD); Reliabilität (R; Cronbach’s Alpha). Wenn nichts anderes vermerkt ist, haben die Skalen folgenden Skalierungsstil: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu
Dimension
Beispielitem (Anzahl Items / Dimensionen) (evt. alternativer Skalierungsstil)
Quelle
N
M
SD
R
Die Schulleitung versucht so deutlich wie möglich herauszustellen, was wir erreichen wollen. (6 / 1)
Bonsen, Von der Gatten, Iglhaut & Pfeiffer (2002)
434
3.27
.55
.84
Trotz der Systemzwänge können wir die pädagogische Qualität unserer Schule verbessern, weil wir ein gut eingespieltes und leistungsfähiges Team sind. (5 / 1)
Schwarzer & Jerusalem (1999)
439
2.86
.53
.71
Bonsen, Von der Gatten, Iglhaut & Pfeiffer (2002); Steinert et al. (2003)
433
3.15
.52
.83
Eigenentwicklung
417
2.37
.68
.74
Schule (Meso-Ebene) Schulleitung
„Zielgerichtete Führung“
Lehrer/innenkollegium
„Kollektive Selbstwirksamkeit“
Innovationsklima / Evaluation / Qualitätsentwicklung
„Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung“
Interne Evaluation ist ein nützliches Instrument unserer Arbeit. (8/2) Zur Entwicklung unserer Schule holen wir systematisch und regelmäßig Feedbacks ein …
„360° Feedback“
- von allen Eltern unserer Schule. (4/1)
Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback
„Soll – Programmatische Kooperation“
Wir sollten gemeinsame Strategien zur Bewältigung beruflicher Schwierigkeiten erarbeiten. (5/1)
Steinert et al. (2003)
434
3.4
.43
.64
„Selbst- und Fremdbeurteilung (SOLL)“
Selbst- und Fremdbeurteilung sollten für uns Bestandteil der Arbeit sein.
Steinert et al. (2003)
434
3.16
.80
Einzelitem
160
Dimension
Beispielitem (Anzahl Items / Dimensionen) (evt. alternativer Skalierungsstil)
Quelle
N
M
SD
R
„Gegenseitige Unterrichtsbesuche (SOLL)“
Gegenseitige Unterrichtsbesuche sollten ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit sein.
Steinert et al. (2003)
431
3.19
.81
Einzelitem
Steinert et al. (2003)
440
3.06
.79
.85
Steinert et al. (2003)
437
3.48
.90
.83
Steinert et al. (2003)
437
2.92
.79
.79
Steinert et al. (2003)
431
3.01
.46
.72
Wie häufig bearbeiten Sie relativ regelmäßig gemeinsam mit anderen Lehrkräften Ihrer Schule folgende Themen und Probleme? ... - Weitergabe neuer pädagogischer Ideen (9/1) „Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch“
(Skalierungsstil: 5=einmal wöchentlich, 4=einmal monatlich, 3=mehrmals im Halbjahr, 2=einmal im Jahr, 1=gar nicht) Wie häufig bearbeiten Sie relativ regelmäßig gemeinsam mit anderen Lehrkräften Ihrer Schule folgende Themen und Probleme? ... - Unentschuldigtes Fehlen von Schülerinnen und Schülern (4/1)
„Kooperation Disziplin“
(Skalierungsstil: 5=einmal wöchentlich, 4=einmal monatlich, 3=mehrmals im Halbjahr, 2=einmal im Jahr, 1=gar nicht) Wie häufig bearbeiten Sie relativ regelmäßig gemeinsam mit anderen Lehrkräften Ihrer Schule folgende Themen und Probleme? ...
- Beurteilung der Schülerinnen und Schüler (3/1)
„Kooperation Beurteilung Noten“
(Skalierungsstil: 5=einmal wöchentlich, 4=einmal monatlich, 3=mehrmals im Halbjahr, 2=einmal im Jahr, 1=gar nicht)
Leistungserwartung
„Fordern, Leistungserwartung“
Schülerinnen und Schüler müssen sich anstrengen, um den Forderungen der Lehrer und Lehrerinnen hier genügen zu können. (3/1)
161
Dimension
Beispielitem (Anzahl Items / Dimensionen) (evt. alternativer Skalierungsstil)
Quelle
N
M
SD
R
Kulturelle Aktivitäten haben an unserer Schule einen hohen Stellenwert. (4/1)
Eder (1998) angepasst auf LP
438
3.23
.56
.70
Steinert et al. (2003)
425
1.46
.33
.70
Eder (1998) angepasst auf LP
440
4.21
.33
.86
Eder (1998) angepasst auf LP
434
2.09
.64
.86
Maag Merki (2002); Steinert et al. (2003); Clausen (2002)
444
4.12
.46
.72
Schulklima
„Anregung“
An unserer Schule kommt es vor, dass... - Schülerinnen und Schüler andere Schülerinnen und Schüler erpressen - Schülerinnen und Schüler mutwillig etwas kaputt machen (7/2) "Aggression und Vandalismus"
(Skalierungsstil: 4 = sehr oft, 3= oft, 2 = manchmal, 1 = sehr selten) Bitte kennzeichnen Sie, wie sehr eher die links stehende oder die rechts stehende Eigenschaft aus Ihrer Sicht zutrifft. - heiter, fröhlich - gedrückt, lustlos - unterstützend, helfend - wenig unterstützend, wenig helfend (10/2)
„Wärme“
(Skalierungsstil: 5-stufiges Kontinuum mit Ausprägung zwischen zwei gegensätzlichen Aussagen: 5=positiv Aussage (links); 1=negative Aussage (rechts))
Unterricht & Klasse (Mikro-Ebene)
Unterrichtsklima / Klassenmanagement
„Störungen im Unterricht“
Einige Schülerinnen und Schüler stören immer wieder meinen Unterricht, obwohl die anderen arbeiten möchten.
Die Meinungen meiner Schülerinnen und Schüler sind mir wichtig. (7/2)
„Klassenklima“
162
(Skalierungsstil: 5=sehr oft, 4=oft, 3=manchmal, 2=selten, 1=nie)
Beispielitem (Anzahl Items / Dimensionen) (evt. alternativer Skalierungsstil)
Quelle
N
M
SD
R
„Individualisierung“
Schnellen Schülerinnen und Schülern gebe ich gern Extraaufgaben, durch die sie wirklich gefordert werden. (5/1)
Clausen (2002)
437
2.38
.60
.69
„Selbstkontrolle und Selfmonitoring“
Die Schülerinnen und Schüler korrigieren in meinem Unterricht ihre Arbeiten häufig gegenseitig. (4/1)
Eigenentwicklung
434
2.45
.59
.68
„Selbstaktivität“
In meinem Unterricht gibt es für die Schülerinnen und Schüler immer wieder Gelegenheiten, eigene Ideen zu realisieren. (6/1)
Maag Merki (2002) angepasst an LP; Eder (1998)
439
3.12
.49
.70
„Arbeitsreflexion"
Meine Schülerinnen und Schüler blicken in meinem Unterricht immer wieder auf ihre Lernmethoden und Lerntätigkeiten zurück. (5/1)
Pauli & Reusser (2002) angepasst an LP
436
1.86
.53
.71
„Elaboration“
Ich unterstütze meine Schülerinnen und Schüler darin, Texte kritisch zu lesen, um logische Schwächen in der Argumentation zu erkennen. (4/1)
Eigenentwicklung
422
2.76
.70
.72
Clausen (2002)
439
3.70
.46
.80
Dimension Unterrichtsgestaltung
Beurteilung und Benotung / Bezugsnormorientierung
„Individuelle Bezugsnormorientierung“
Wenn sich eine Schülerin oder ein Schüler besonders anstrengt, lobe ich sie oder ihn meistens, auch wenn andere Schülerinnen und Schüler noch besser sind. (2/1)
Person: Individuum (Interpersonale Ebene)
Belastung
„Arbeitsüberforderung“
Ich fühle mich häufig überfordert. (6/1)
Schwarzer & Jerusalem (1999)
443
2.06
.58
.78
„Zeitaufwand für Kooperation zu groß“
Der zeitliche Aufwand, den ich für Teamarbeit und Koordination (innerhalb und zwischen den Jahrgangsstufen) aufwenden muss, ist zu hoch.
Schwarzer & Jerusalem (1999)
431
2.20
.85
Einzelitem
„Arbeitsunzufriedenheit“
Was meine Arbeit betrifft, bin ich rundum zufrieden. (6/1)
Schwarzer & Jerusalem (1999)
443
1.88
.34
.78
163
Dimension
Beispielitem (Anzahl Items / Dimensionen) (evt. alternativer Skalierungsstil)
Quelle
N
M
SD
R
Schwarzer & Jerusalem (1999)
442
3.27
.43
.72
Steinert et al. (2003)
440
2.30
.67
.80
Eigenentwicklung
438
1.64
.48
.71
Selbstwirksamkeit Lehrpersonen
„Lehrperson Selbstwirksamkeit“
Ich bin mir sicher, dass ich auch mit den problematischsten Schülern in guten Kontakt kommen kann, wenn ich mich darum bemühe. (6/1)
Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen Wenn es in Ihrem Unterricht nicht so läuft, wie Sie es sich vorgestellt haben, was spielt dabei Ihrer Meinung nach eine Rolle? ...
„Externe Attribuierung von Unterrichtsstörungen"
- einzelne unmotivierte und Schüler (4/1) (Skalierungsstil: 4=sehr oft, 3=oft, 2=manchmal, 1=sehr selten) Wenn es in Ihrem Unterricht nicht so läuft, wie Sie es sich vorgestellt haben, was spielt dabei Ihrer Meinung nach eine Rolle? ...
„Interne Attribuierung von Unterrichtsstörungen“
- Eigenes pädagogisches Verhalten gegenüber der Klasse oder einzelner Schülerinnen und Schüler (4/1) (Skalierungsstil: 4=sehr oft, 3=oft, 2=manchmal, 1=sehr selten)
8.1.3 Auswertungsstrategien und methodisches Vorgehen Sämtliche erhobenen Daten wurden in eine SPSS-Datei eingegeben und mit diesem Programm (Version 11.0 und höher) ausgewertet. Nach der Eingabe fand die Datenbereinigung statt. Dabei wurden folgende Vorgaben eingehalten: Kodierung von abweichendem Antwortverhalten der Lehrpersonen: 99 = fehlende Werte, 88 = doppelte Werte, 77 = unlesbare Werte; Berücksichtigung von Ausreißer- und Extremwerten. In einem ersten Auswertungsgang ging es darum, die Stichprobe hinsichtlich ihrer Charakteristiken zu beschreiben. Dabei interessierten vor allem die Masse der zentralen Tendenz zu folgenden Aspekten: Rücklauf (in der vorliegenden Stichprobe mussten mindestens 50% der Lehrpersonen einer Schule einen ausgefüllten Fragebogen zurücksenden, um als Schule für die Auswertung des Kooperationsgrades in Frage zu kommen), Verteilung nach der Anzahl Schüler/innen und der Klassengröße, 164
Verteilung nach Maturitästypenangebot, Verteilung nach Geschlecht der Lehrpersonen, Verteilung nach Art der Anstellung (befristet oder unbefristet), Verteilung nach der Art des Unterrichts (Einzelunterricht, Klassenunterricht), Verteilung nach Größe des Pensums.
Repräsentativität der Stichprobe Erhoben wurde die Repräsentativität über einen separaten Fragebogen, welcher die Größe der Schule, die Maturitätsprofile im Angebot der Schule, die Geschlechterverteilung der Schüler/innen und Lehrpersonen sowie den Anstellungsgrad der Lehrpersonen erhob. Dieser Fragebogen ging an sämtliche Sekretariate der Mittelschulen im Kanton Zürich im Zusammenhang mit der oben erwähnten Längsschnittstudie, in deren Rahmen sämtliche Schüler/innen der Abschlussklassen im Kanton Zürich befragt wurden. Neben der Fragestellung, ob die freiwillig teilnehmenden Schulen repräsentativ sind für die 22 Mittelschulen im Kanton, interessierte auch der Rücklauf. Dabei wurde von der verteilten Anzahl der an einer Schule verteilten Fragebogen ausgegangen. Nicht alle Lehrpersonen erhielten einen Fragebogen (Urlaub, Krankheit, Kleinstpensen von bis zu wenigen Lektionen). Dies ist der Grund, weshalb die Anzahl der verteilten Fragebogen nicht immer identisch ist mit der Anzahl Lehrpersonen, wie sie vom Sekretariat der jeweiligen Schule genannt wurde.
Zuteilung der Kooperations-Levels Als minimale Bedingung für die Aufnahme in die Levelzuteilung gilt das Kriterium von 50% Rücklauf, das eine Schule erreichen muss. Dieser Rücklauf stellt sicher, dass sich in einem Kollegium mindestens die Hälfte der Lehrpersonen oder mehr zum Thema der Kooperation geäußert haben. Dies entspricht einem präzisen demokratischen Verständnis auf der Basis des Majorz-Prinzips. Der Rücklauf bei den Schulen der vorliegenden Stichprobe ist mit 58.18% tiefer als beim DIPF und schwankt zudem unter den berücksichtigten10 Schulen zwischen 50% und 70%. Mindestens die Hälfte der Proband/innen muss einem dichotomisierten Levelitem die Zustimmung im beschriebenen Sinne erteilen, damit dieses für die betreffende Schule als angenommen taxiert werden kann. Die Items aus den Pädagogischen EntwicklungsBilanzen (PEB) in dem vom DIPF entlehnten Kooperationslevel-Instrument wurden einer Rasch-Skalierung unterzogen, um die teilnehmenden Schulen hinsichtlich des Kooperations- und Problemlösekompetenzgrades auf fünf Levels abzubilden. Rasch-Skalierungen beruhen auf der Item Response Theory (IRT) oder der probalistischen Testtheorie (Köller, Watermann & Baumert 2001). Zu den Grundannahmen des Modells gehört es, dass die Wahrscheinlichkeit, ob ein Item gelöst wird, sowohl von den Fähigkeiten der Versuchsperson, als auch von der Schwierigkeit eines Items abhängt.
10
Rücklauf ≥50%
165
Im vorliegenden Fall wurde ein dichotomes Rasch-Modell gewählt, welches die einfachste Variante darstellt, da mit kategorialen (nominalen) Variablen gearbeitet wird. Dazu wurden die vierstufig skalierten Items dichotomisiert. Dem Wert 1 werden die ursprünglichen Skalenwerte 1 und 2 (“trifft gar nicht zu” bzw. “trifft eher nicht zu”) zugewiesen, Wert 2 umfasst die im Fragebogen angegebenen Skalenwerte 3 und 4 (“trifft eher zu” bzw. “trifft voll zu”). Die Zustimmung zu einem Item bezieht sich folglich auf die Anzahl Personen, welche den Wert 2 aufweisen. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein Item erfüllt wird, wird vom Itemparameter ζ (Schwierigkeit) und dem Personenparameter θ (Fähigkeit) bestimmt und als Logit dieser Wahrscheinlichkeit ausgedrückt (Köller, Watermann & Baumert 2001). Dies erlaubt die Ausdehnung des Intervalls für die Darstellung der Lösungswahrscheinlichkeit auf - und +. Die Schwierigkeit eines Items ζ wird durch den Wendepunkt der Item Characteristic Curve (ICC) definiert, bei welchem die Lösungswahrscheinlichkeit exakt bei 0.5 liegt. Die ICC drückt die Antwortwahrscheinlichkeit für jedes Item grafisch aus. So liegen Item- und Personenparameter auf demselben latenten Kontinuum bzw. lassen sich auf einer gemeinsamen eindimensionalen Skala abbilden (Rost 2004; Wilson 2005). Ob eine Schule ein Item erfüllt oder nicht, wird bei den Untersuchungen vom DIPF danach entschieden, ob ihm ≥50% der Lehrpersonen einer Schule zustimmen oder nicht (vgl. Steinert & Klieme 2003: 7). Zu den Charakteristiken einer Rasch-Skala gehören die lokale stochastische Unabhängigkeit der Items, wonach die Assoziationen zwischen den manifesten Variablen bei Kontrolle der latenten Personenfähigkeit verschwinden, dann die Personenhomogenität, nach der die Bestimmung der Itemparameter unabhängig von der gewählten Personenstichprobe sein soll, und die spezifische Objektivität, wonach einerseits der Schwierigkeitsunterschied zweier verschiedener Items unabhängig von der Personenstichprobe feststellbar bleibt und andererseits die Rangreihen der Probanden (in diesem Falle: der Schulen) erhalten bleiben, wenn man einen Teil der Items aus dem Gesamttest entnimmt und die gleichen Personen wiederholt testet (vgl. Köller, Watermann & Baumert 2001). So kann man anhand der Items, welche von einer Schule mit hinreichender Sicherheit gelöst werden, entscheiden, über welches Niveau die betreffende Schule verfügt. Die Items bilden so – in aufsteigender Reihenfolge – die verschiedenen erwähnten Levels (vgl. Steinert & Klieme 2003: 7). Für die vorliegenden Schulen wurde der Kooperationsgrad ermittelt, indem die verbleibenden 8 Zürcher Gymnasien zusammen mit den Daten der 150 Schulen in Hessen am DIPF ausgewertet wurden (s.o.). Auf diese Weise wurde eine Rasch-Skalierung trotz der geringen Stichprobengröße im Kanton Zürich möglich.
Berechnung der Aspekte von Schulqualität und -entwicklung Skalenanalyse Um die Reliabilität der einzelnen Konstrukte zu prüfen, wurden Skalen- oder Reliabilitätsanalysen durchgeführt. Mit diesem Verfahren kann geprüft werden, welche Einzelitems einer Skala brauchbar und welche es weniger sind (Bühl & Zöfel 2000: 501). Damit handelt es sich also zum einen um ein komplexitätsreduzierendes Verfahren (Wittenberg 1998: 95). Zum andern soll es aber auch eine valide statistische Überprüfung der formulierten Hypothesen auf Basis der verwendeten Variablen ermöglichen (a.a.O.: 96), indem sichergestellt wird, „(...) dass sie erstens reliabel sind, dass sie also zuverlässig ohne allzu großen Schwankungen die theoretischen Konstrukte widerspiegeln, und dass sie zweitens homogen 166
sind, dass sie also jeweils im wesentlichen nur eine Dimension oder, anders ausgedrückt, einen Faktor beinhalten“ (ebd.). Das Maß, mit dem diese Reliabilitätsprüfung vorgenommen wird, ist Cronbach’s Alpha. Es ist „Ausdruck für die interne Konsistenz des Antwortverhaltens der Befragten“ (a.a.O.: 96), will also zum Ausdruck bringen, „wie gut eine Linearkombination von Variablen (das untersuchte Variablenbündel) eine einzige theoretische Variable, das zu messende theoretische Konstrukt wiedergibt“ (a.a.O.: 200). Bei der Berechnung von Alpha wird die Anzahl der Variablen mit deren Varianz, sowie der Varianz der Linearkombination verrechnet (ebd.). Per Konvention wird Cronbach’s Alpha folgendermaßen interpretiert: Alpha < .50: keine ausreichende Reliabilität, Alpha ≥ .50: ausreichende Reliabilität, Alpha ≥ .70: zufrieden stellende Reliabilität, Alpha ≥ .90: hohe Reliabilität (a.a.O.: 201). Insgesamt gibt der Alpha-Wert in der vorliegenden Untersuchung an, wie konsistent die vorhandenen Variablen das gewünschte Konstrukt abbilden. Um diese Information noch differenzierter zu gestalten, ist auch die Verwendung des Trennschärfekoeffizienten rit notwendig. Dieser gilt „als wohl wichtigstes Kriterium zur Beurteilung der Brauchbarkeit eines Items“ (Bühl & Zöfel 2000: 503). Er misst die Korrelation zwischen dem Wert eines einzelnen Items und dem Gesamtwert der betreffenden Skala (ebd.). Damit kann der erstgenannte Anspruch der Reliabilitätsprüfung eingelöst werden, nämlich die Prüfung dessen, ob ein Item im Sinne des Konstruktes auch brauchbar sei. Als Gütestandards für rit haben sich folgende Werte bewährt: rit ≥ 0.40 gutes bis sehr gutes Item 0.30 ≤ rit ≤ 0.40 brauchbares Item 0.20 ≤ rit ≤ 0.30 revisionsbedürftiges Item rit ≤ 0.20 unbrauchbares Item (Grob 2001). Mit dieser zusätzlichen Information können diejenigen Items festgestellt werden, welche zu einer tiefen Reliabilität beitragen. Allerdings muss vor einem allfälligen Ausschluss geprüft werden, ob der inhaltliche Beitrag zum Gesamtkonstrukt nicht zu wichtig ist und die angestrebte Komplexitätsreduktion und Gütesteigerung letztlich nicht zu einem kapitalen Informationsverlust führen würde (ebd.). In einem solchen Fall wird die Skala aufgegeben und die Items werden höchstens noch als spezifische Einzelitems verwendet.
Faktorenanalyse Mittels Faktoranalysen wird zudem festgestellt, wie gut die einzelnen Variablen zu den Variablengruppen resp. Konstrukten passen. Bei diesem explorativen Verfahren geht es im Wesentlichen darum, die latenten Dimensionen oder Faktoren zu entdecken, welche hinter den manifesten Variablen verborgen sind (Wittenberg 1998). Dabei wird „eine ‚synthetische’ Variable konstruiert, welche mit allen Variablen möglichst hoch korreliert“ (a.a.O.: 100). Diese ‚synthetische’ Variable wird als Faktor bezeichnet, der den „wechselseitig hoch korrelierten Variablen zugrunde liegt“ (ebd.). Ziel bzw. Ergebnis einer Faktorenanalyse sollen also Faktoren sein, welche wechselseitig voneinander unabhängig sind und die Zusammenhänge zwischen den Variablen abzubilden vermögen (ebd.). In einem ersten Schritt wird die Korrelationsmatrix aller für die Analyse verwendeten Variabeln berechnet. In 167
einem nächsten Schritt werden die Ladungen ermittelt, d. h. die Korrelation zwischen einem Faktor und einer Variablen. Weil das Ziel auch hier letztlich eine Reduktion der Komplexität sein soll, müssen in einem nächsten Schritt diejenigen Faktoren eliminiert werden, auf denen nur eine Variable eine hohe Ladung aufweist (a.a.O.: 102). Diese sind daran erkennbar, dass ihr Eigenwert – der Erklärungsanteil eines Faktors an der Varianz aller Variablen – weniger als 1 beträgt (a.a.O.: 102). Entsprechend werden diejenigen Faktoren, welche weniger Varianz erklären, als dies die entsprechenden Variablen selbst schon tun (mit Eigenwert < 1), extrahiert (ebd.). In der Regel werden die Faktorladungen mittels Varimax-Rotation so rotiert, „dass die Varianz der quadrierten Ladungen pro Faktor maximiert wird“ (a.a.O.: 107). Die dabei generierte Faktorladungsmatrix informiert darüber, wie die verbliebenen Faktoren mit den Variablen korrelieren. Für die Interpretation ist zum einen wichtig, welcher Prozentsatz an Varianz von den im Modell verbliebenen Faktoren erklärt wird. Zum andern zeigt die rotierte Faktormatrix mit den Faktorladungen, wie sich die einzelnen Variablen den Faktoren zuordnen lassen. Auf der Basis übergeordneter Faktorenstrukturen wurden die Skalen angepasst. Dies musste in Absprache im Gesamtprojekt mit der Befragung der Schüler/innen geschehen, damit dort übergeordnete Vergleiche möglich blieben. Wo Veränderungen also angezeigt sind, werden in Zusammenzügen nur die neuen Skalen ausgewiesen und wiederum einer Skalenanalyse unterzogen. Blieben sie bestehen, fanden sie in veränderter Form Eingang in unsere Auswertungen (vgl. dazu Tabelle 5).
Profile von Schulen: Mittelwertsvergleiche der Levelitems, Varianzanalysen Mit diesen Angaben können die Schulen nun entlang der Skalenmittelwerte abgebildet werden. Die Mittelwertsvergleiche bei den Levelitems zwischen den Schulen werden mit einer Rangvarianzanalyse nach Kruskal-Wallis vorgenommen, um in einem ersten Schritt herauszufinden, bei welchen Einzelitems sich signifikante Differenzen in der untersuchten Stichprobe einstellen. Dieser Test ist ein nicht-parametrisches Verfahren für ordinalskalierte oder nicht annähernd normalverteilte metrische und abhängige Variablen. Er ist als Signifikanztest für unabhängige Messungen geeignet, wie die vorliegende Untersuchung eine ist. Liegt eine signifikante Differenz vor, so kann im Sinne einer explorativen Analyse eine einfaktorielle Varianzanalyse mit dem Post-hoc-Scheffé-Test durchgeführt werden, um bei vorliegender Varianzhomogenität die bedeutsamen Differenzen zwischen einzelnen Schulen mit einer Signifikanzschranke von p = 0.05 lokalisieren zu können (vgl. Wittenberg, 1998: 185). Der Scheffé-Test ist für den Vergleich von Mittelwerten aus Gruppen geeignet, die ungleichen Umfang aufweisen. Er ist zudem der „konservativste“ und liefert so die kleinste Anzahl signifikanter Unterschiede (vgl. Wittenberg, 1998: 181). Man muss dann jedoch die Frage beantworten, ob Varianzhomogenität zwischen den Schulen bezüglich der betrachteten Variable besteht. Der Levene-Test ist für ungleich besetzte Gruppen die erste Wahl und er ist zusätzlich auch robust gegen Abweichungen von der Normalverteilung in der Grundgesamtheit (a.a.O.: 183). Ist die Varianzhomogenität nicht gegeben, muss prinzipiell von einem Artefakt ausgegangen werden. Im Falle nicht gegebener Varianzhomogenität und somit der Verletzung der Voraussetzung gegebener Varianzhomogenität für die Durchführung einer einfaktoriellen Varianzanalyse wird nach Bühl & Zöfel (2000: 409) jedoch empfohlen, das Niveau der Signifikanzschranke auf p = 0.01 anzuheben. So kann dann im Falle einer sehr signifikanten Differenz auf der Basis von Varianzheterogenität 168
doch noch ohne große Gefahr eines Artefakts von einer signifikanten Differenz gesprochen werden. Profile einzelner Schulen mit standardisierten Residuen11 Um die Differenzen zwischen einer Schule und der Gesamtstichprobe oder zwischen einzelnen Schulen zu analysieren, wurden in einem ersten Schritt auf individueller Ebene der Lehrpersonendaten multiple Regressionsanalysen gerechnet. Dabei wurden verschiedene Hintergrundvariablen als Kontrollvariablen eingegeben, um eine Vergleichbarkeit der Schulen zu erreichen (Geschlecht, Lebensalter, Dienstalter an der Schule und insgesamt, Pensum an der Schule sowie die Fächergruppenzugehörigkeit). Bei diesem Verfahren wurden die standardisierten Residuen abgespeichert. Die Regressionsresiduen kennzeichnen die Abweichung eines empirischen Wertes vom vorausgesagten Wert und enthalten damit, neben Messfehlern der Kriteriumsvariablen, vor allem Anteile der Kriteriumsvariablen, die durch die Prädiktorvariablen nicht erfasst worden sind. Diese Anteile können nun durch andere, mit den Prädiktorvariablen nicht zusammenhängende Merkmale erklärt werden (Bortz 1999: 199). In einem zweiten Schritt wurden die standardisierten Residuen auf Schulebene aggregiert. Auf diese Weise erhält man die um den Einfluss der Hintergrundvariablen bereinigten Werte der einzelnen Schulen, die so genannten Erwartungswerte einer Schule. Ein Schulvergleich ist damit fair, da allfällige unterschiedliche Zusammensetzungen der Lehrpersonen (z.B. aufgrund von Geschlecht, Lebensalter, Dienstalter etc.) an einer Schule rechnerisch neutralisiert worden sind. Der Vergleich wurde mit standardisierten Residuen durchgeführt, weil sich Schulen in Bezug auf den Hintergrund unterscheiden. Werte im positiven Bereich deuten darauf hin, dass die Schulen in der interessierenden Dimension den Erwartungswert übertreffen. Schulen im negativen Bereich sind solche, deren Ergebnisse unterhalb des Erwartungswertes liegen. Dieses Vorgehen wird regelmäßig in internationalen Leistungsvergleichen wie beispielsweise PISA zur Rückmeldung der schulspezifischen Ergebnisse an die einzelne Schule angewendet (Watermann & Stanat 2004). Da beim Vergleich von zwei Teilstichproben (z.B. der Vergleich einer Schule mit dem Gesamtmittelwert) nicht immer von einer Normalverteilung ausgegangen werden kann, ist der Mann-Whitney U-Test die erste Wahl, um signifikante Unterschiede zu eruieren. Weil ein solch klassischer Signifikanztest große Stichproben immer begünstigt (Bortz 1999), werden zusätzlich auch bei denjenigen Skalen und erwähnten Einzelitems, welche keine signifikanten Unterschiede zwischen den Extremschulen generieren, die Effektgrößen in den Vergleich miteinbezogen, da bei einer alleinigen Fokussierung auf den Signifikanzwert inhaltlich bedeutsame Effekte u.U. nicht aufscheinen würden. In den vorliegenden Analysen werden folglich sowohl Signifikanzwerte (Mann-Whitney U-Test) wie auch Effektgrößen12 berichtet. Bei der Berechnung von Effektgrößen wird der Unterschied der Mittelwerte 11
Teile aus diesem Kapitel wurden bereits an anderer Stelle publiziert: Halbheer, U., Kunz, A. & Maag Merki, K. (2008). Kooperation zwischen Lehrpersonen in Zürcher Gymnasien. Eine explorative Fallanalyse zum Zusammenhang zwischen kooperativen Prozessen in Schulen und schulischen Qualitätsmerkmalen. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 28. Jg. (1), 19-35. 12 Bei der Berechnung der Effektgröße (Cohen 1988) wird der Mittelwertsunterschied zwischen den beiden interessierenden Gruppen in Beziehung gesetzt zur gepoolten Standardabweichung (Standardabweichung der beiden Gruppen in Abhängigkeit der Anzahl Personen in den beiden Gruppen = Wurzel von ((n1-1)*s12 + (n2-1)*s22)/n1 + n2 -2)).
169
zwischen zwei zu betrachtenden Teilstichproben in Beziehung zur gepoolten Standardabweichung gesetzt (SD der beiden Teilstichproben in Abhängigkeit zur Anzahl Personen in den beiden Teilstichproben). Nach Cohen (1988) werden Effektgrößen von d=.20 als moderate, Effektgrößen von d=.50 als mittlere und d=.80 als starke Effekte eingeschätzt. Nach Bortz (1999: 140) kann ein nicht signifikanter Unterschied als bedeutsamer Effekt oder Tendenz thematisiert werden, wenn bereits eine Effektgröße von d > 0.15 erreicht wird. Diese Effektgröße beim Vergleich von zwei Stichprobenmittelwerten aus unabhängigen Stichproben wird denn auch als klein, eine Effektgröße von d ≥ 0.5 als mittel und eine Effektgröße von d ≥ 0.8 als groß bezeichnet (vgl. Bortz 1999: 140). 8.1.4 Schlussbemerkungen zur quantitativen Datengrundlage Da in dieser Studie nur eine geringe Anzahl Gymnasien untersucht werden, ermöglicht das gewählte Vorgehen lediglich explorative quantitative Analysen. Diese können grundsätzlich als Basis für die Formulierung von Hypothesen herangezogen werden, die an einer größeren Stichprobe zu überprüfen sind.
8.2 Qualitative Nachuntersuchung In den Nachfolgenden Ausführungen wird die qualitative Methodik beschrieben.
8.2.1 Methodische Vorüberlegungen Aus der Interpretation der quantitativen Analyseergebnisse entwickelten sich neue Fragen, welche sich hauptsächlich auf die kontextuellen Bedingungen bezogen, in denen die untersuchten Schulen je unterschiedliche Grade an Kooperation entwickelt hatten. Aufgrund der Tatsache, dass die Schulen infolge eines neuen Mittelschulgesetzes zum Qualitätsmanagement verpflichtet sind, interessierte vor allem die Bedeutung, welche Kooperation im Rahmen schulischer Teilautonomie und Qualitätsmanagement erlangt. Damit ergab sich die Notwendigkeit, das Kooperationshandeln der hauptsächlichen Akteure – Lehrpersonen und Schulleitungen – zu erfassen, zu beschreiben und letztlich erklär- und verstehbar zu machen. Dies bedingte eine kritische Reflexion der bisherigen, monomethodisch-deduktiven Position. Bezug nehmend auf Kelle (2007) und unter der Überlegung, dass die Struktur des Forschungsgegenstandes die Wahl der Methode bestimme (Mayring 2007), wurde einsichtig, dass eine zusätzliche quantitative Nachuntersuchung nicht sensitiv genug ist, um das Handlungswissen im System der einzelnen Schulen zu erfassen: „In Gegenstandsbereichen, die durch Strukturen begrenzter Reichweite gekennzeichnet sind und in denen die Entwicklung von Erklärungshypothesen nicht allein auf der Grundlage theoretischen Vorwissens erfolgen kann, sondern auf der Grundlage einer Exploration von Handlungswissen des Feldes, stößt ein mono-methodisches, quantitativ orientiertes und hypothetiko-deduktives methodologisches Programm auf Grenzen. Hier muss die empirisch begründete Konstruktion von Erklärungshypothesen, die einen zentralen Teil des gesamten Forschungsprozesses darstellt, durch qualitative Methoden erfolgen“ (Kelle 2007: 110). Vor Augen gehalten werden muss dabei, dass im Rahmen eines solchen „Mixed- Methodology“-Ansatzes (vgl. Mayring 2007) nicht bloß mit unterschiedlichen methodischen Zugängen operiert wird, 170
sondern dass auch ein anderer Realitätszugang eröffnet wird: „Quantitative and qualitative methods are more than just differencies between research strategies and data collection procedures. These approaches represent fundamentally different epistemological frameworks for conceptualizing the nature of knowing, social reality and procedures for comprehending these phenomena” (Filstead 1970: 45). Mit der Verwendung des je anderen methodischen Zugangs wird auch ein fundamentaler Paradigmenwechsel vorgenommen, indem nicht mehr eine deduktiv-erklärende Analyse das Vorgehen bestimmt, sondern ein induktiv-verstehender Fokus (Atteslander 2000). Trotz scheinbar schwer miteinander vereinbarer Ausrichtungen der beiden Forschungstraditionen und trotz gegenseitiger Abgrenzung zwischen den beiden Lagern (Kelle 2007), wird heutzutage in der Sozialforschung häufiger „Mixed Methodology“ eingesetzt (Mayring 2007). Vorteile können nicht zuletzt darin gesehen werden, dass Schwächen der einen Tradition durch die Stärken der anderen ausgeblendet werden können (Kelle 2007). Innerhalb gemischter Designs bestehen wiederum verschiedene Kombinationsmodelle. So wird in zahlreichen Fällen zuerst eine qualitative Befragung durchgeführt, welche den Charakter einer explorativen Vorstudie hat, um damit Hypothesen für eine nachfolgende qualitative Befragung zu generieren. Für die vorliegende Arbeit wurde logischerweise ein umgekehrter Ansatz gewählt, insofern die Funktion der qualitativen Nachbefragung darin bestand, im Rahmen von Fallanalysen die Hintergründe von Kooperation an Schulen auszuleuchten und entsprechende Interpretationen zu ermöglichen (Mayring 2007). Insgesamt sollte die dieser Studie zugrunde liegende Nachbefragung die Funktion einer Vertiefungsstudie besitzen.
8.2.2 Nachbefragung über halbstrukturierte Interviews Um das kooperative Handeln vor dem Hintergrund genannter Schulreformen ausreichend zu erfassen, drängte sich eine getrennte Befragung von Schulleitungen und Lehrpersonen auf. Dies vor allem deshalb, weil Lehrpersonen eine entscheidende Funktion besitzen, wenn es um die Umsetzung schulischer Reformen geht. Aus diesen Gründen wurden im Kalenderjahr 2005, also ein Jahr nach der quantitativen Erhebung mittels Fragebogen, qualitative Nachbefragungen des Schulleitungspersonals und eines Teils der Lehrpersonen vorgenommen.
Fallauswahl Wie bereits erwähnt hat die Analyse der quantitativen Daten sowohl aus der Schüler/innenbefragung13 wie auch aus der vorliegenden Lehrpersonenbefragung gezeigt, dass die Förderung von überfachlichen Kompetenzen der Schüler/innen nicht in allen Schulen gleichermaßen gelungen ist und die Schüler/innen die Schul- und Unterrichtsqualität der Schulen unterschiedlich eingeschätzt haben. Zudem ist das über die Lehrpersonen erfasste Kooperationsniveau der einzelnen Schulen nicht in allen Schulen mit der Unterrichts- und Schulqualität – wie sie von Seiten der Schüler/innen wahrgenommen worden ist – kongruent (vgl. Maag Merki & Steinert 2006). Somit wurden einerseits aufgrund der errechne13
Hier handelt es sich um die Längsschnittuntersuchung an den Zürcher Gymnasien zu überfachlichen Kompetenzen unter der Leitung von K. Maag Merki. Die hier erwähnten Ergebnisse der Schüler/innenbefragung lagen als interne Ergebnisse vor der Fallauswahl vor und wurden anschließend publiziert: Maag Merki & Steinert (2006).
171
ten Kooperationslevel (vgl. Kapitel 9.2) und andererseits aufgrund der Wahrnehmungen der Schüler/innen (vgl. Maag Merki & Steinert 2006) die Schulen erneut für die Teilnahme an der geplanten Zusatzuntersuchung angefragt. Im Sinne eines sequentiellen quantitativqualitativen Designs (Kelle 2007; siehe weiter unten) wurden die Schulen mit dem höchsten und dem tiefsten Kooperationslevel sowie vier das Mittelfeld abbildende Schulen angeschrieben und telefonisch kontaktiert für ein Gespräch mit der Schulleitung. Leider verzichtete die Schule mit dem niedrigsten erreichten Level von Lehrerkooperation auf eine Teilnahme, womit die Möglichkeit einer maximalen Fallkontrastierung im Sinne eines Extremvergleichs zwischen Level 1 und Level 4 wegfiel. Fünf der insgesamt neun Schulen erklärten sich zu den Interviews bereit. Für die vorliegende Untersuchung wurden letztendlich fünf Schulen (vgl. Tabelle 6) berücksichtigt, die sich durch folgende Merkmale unterscheiden lassen: Schule A: hoher Kooperationslevel (Perspektive Lehrpersonen), hohe Schul- und Unterrichtsqualität (Perspektive Schüler/innen); Schule C: hoher Kooperationslevel (Perspektive Lehrpersonen), tiefe Schul- und Unterrichtsqualität (Perspektive Schüler/innen); Schule D: mittlerer Kooperationslevel (Perspektive Lehrpersonen), hohe Schul- und Unterrichtsqualität (Perspektive Schüler/innen); Schule F: mittlerer Kooperationslevel (Perspektive Lehrpersonen), tiefe Schul- und Unterrichtsqualität (Perspektive Schüler/innen); Schule G: mittlerer Kooperationslevel (Perspektive Lehrpersonen), mittlere Schul- und Unterrichtsqualität (Perspektive Schüler/innen). Tabelle 6: Darstellung der Fälle für die Auswahl Kooperation-Levels
Hoch (4/3)
Mittel (2)
Tief (0/1)
Schüler/innenEinschätzung Hoch
A/D
Mittel Tief
G C
F
Absage Teilnahme
Auswahl Interviewteilnehmer Während die Schulleitungen in der Regel aus einer bis drei Personen bestanden und sich mit dieser Größe gut für ein Gruppeninterview eigneten, wurde für die Befragung der Lehrpersonen mit Fokusgruppen gearbeitet. Grundsätzlich werden darunter „…mehr oder minder strukturierte und vom Interviewer gesteuerte Vorgehensweisen unterschieden“ (Flick, 1999: 131), bei denen mit einer Gruppe eine thematische Fokussierung „…auf einen vorab bestimmten Gesprächsgegenstand bzw. Gesprächsanreiz…“ (Hopf 1995) vorgenommen wird. Die teilnehmenden Schulen wurden aufgefordert, für die Zusammenstellung der Fokusgruppe vier bis acht Lehrpersonen zu rekrutieren, welche das Kollegium hinsichtlich der von uns gegebenen Kriterien wie Alter und Geschlecht etc. repräsentierten. 172
8.2.3 Interviewablauf und Inhalte des Interviews Im Rahmen eines ca. 90- bzw. 60-minütigen Interviews, das auf Tonband aufgenommen und wörtlich transkribiert wurde, sollten die Teilnehmenden zu ihren Einschätzungen zu Kooperation im Allgemeinen, zu Einstellungen und Praktiken im Zuge von Qualitätsmanagement, insbesondere zu Maßnahmen interner und externer Evaluation, und zu ihrem Umgang mit Belastung befragt werden. Im Sinne einer halbstrukturierten Gesprächssituation wurden offene, aber auch theoriegeleitete Fragen und Konfrontationsfragen eingesetzt (Flick 1999), um zu ermöglichen, dass gleichzeitig eine spezifische Situationsdefinition für die jeweilige Schule vorgenommen werden konnte, ohne auf eine gewisse Vergleichbarkeit der Fälle hinsichtlich der eingesetzten Stimuli verzichten zu müssen (ebd.). Aus der Überlegung heraus, dass aus der Analyse des einen Datensatzes Kategorien für die Analyse des zweiten Datensatzes abgeleitet werden können (Flick 2004), wurden in einem ersten Teil Fragen nach der Resonanz der Pädagogischen EntwicklungsBilanzen (PEB) gestellt, deren wichtigste Ergebnisse in Form eines Schulberichts einige Monate vorher den betreffenden Schulen vorgestellt und übergeben worden waren, um Näheres über den Vorwissensstand der Akteure und die Informationskultur zu erfahren. Weiter wurden die Befragten aufgefordert, die Begriffe „Qualität“ und „Qualitätsmanagement“ zu umschreiben, mit dem Ziel, Informationen über die Rekontextualisierungsversuche der gesetzlich eingeführten Reformen an den einzelnen Schulen zu erhalten. Insbesondere wurde dabei nach der Akzeptanz und Wirkungen von Qualitätsmanagement, nach kritischen als auch begünstigenden Faktoren sowie nach Funktion und Rolle von Schulleitung und Schulkommission bei dessen Installierung gefragt. In den daran anschließenden Fragen nach Kooperation wurde einerseits die PEB-Befragung thematisiert, indem die Teilnehmenden aufgefordert wurden, zu zentralen Ergebnissen Stellung zu beziehen. Andererseits wurden Fragen nach Praxis und Einstellungen sowie nach Hindernissen und spezifischen Möglichkeiten gestellt, welche sich hinsichtlich Kooperation an den einzelnen Schulen ergeben. Dies geschah vor allem mit dem Ziel, zu erfahren, in welcher Weise sich die dabei erfassten subjektiven Theorien von Kooperation den weiter vorne beschriebenen theoretischen Konzeptionen zuordnen ließen und welche Funktion Kooperation in der Rekontextualisierung gesetzlicher Aufträge einnahm. Den Abschluss der Befragung bildeten Fragen zum Umgang mit Anforderungen und Belastungen im Schulalltag. Damit wurde auch wieder Bezug auf das quantitative Fragebogeninstrument genommen, welches ebenfalls Items zu Belastung und Arbeitszufriedenheit umfasste. Weiterführend sollten in der halbstrukturierten Befragung auch Formen des Umgangs mit Belastung thematisiert werden. Für die Interviews mit den Schulleitungen wurden dieselben Fragen verwendet und an die spezielle Situation des Leitungspersonals adaptiert (die beiden Leitfäden befinden sich im Anhang der vorliegenden Arbeit). Mit sämtlichen an der Nachbefragung teilnehmenden Schulen ließen sich Zeitgefäße sowohl für ein Interview mit der Schulleitung als auch für ein solches mit einer Fokusgruppe finden. Die vorgesehene Länge der beiden Interviews betrug rund 90 Minuten für die Fokusgruppen und etwa 60 Minuten für die Schulleitungen. Effektiv lagen die Durchführungszeiten leicht über diesem Erwartungswert, was daher rührte, dass die beiden Themen „Qualitätsmanagement“ und „Kooperation“ bei den meisten Beteiligten eine kräftige Resonanz erzeugten. Gleichzeitig hatte dies zur Folge, dass in einigen Fällen die Belastungsthematik nur relativ knapp thematisiert werden konnte. Im Übrigen bewährte sich das gewählte Format mit einer Mischung aus relativ offenen und eher geschlossenen Fragen gut, um aus sämtlichen Gesprächen Informationen zu vergleichbaren Aspekten zu gewinnen. 173
8.2.4 Inhaltsanalytische Auswertung Um dem Ziel einer Verdichtung und Erweiterung der Beschreibung von Schule näher zu kommen, wurden qualitative Analysen durchgeführt, welche abbilden, wie die maßgeblichen Akteure gesetzliche und institutionelle Vorgaben rekontextualisieren (Fend 2006a). Über die halbstandardisierten Interviews mit der Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen wurden u.a. Überzeugungen zu Aspekten der Meso- und der personalen Ebene erfasst. Die Lehrpersonen wurden in einer Gruppe interviewt, weil möglichst die Schule als Ganze erfasst werden sollte. Die Teilnehmer/innen der Fokusgruppen, aber auch der kleineren Schulleitungsgruppen, wurden jeweils vor dem Gespräch aufgefordert, thematische Ergänzungen zu berichten. Durch die Wahl der Methode haben wir uns bewusst für die Erfassung der Schule als Ganzes und nicht für die Interaktionen zwischen den Beteiligten entschieden. Für die Analyse waren diejenigen Inhalte wichtig, welche von der gesamten Gruppe geteilt wurden. Weiter wurde der gegenseitige Austausch der Teilnehmer/innen einer Fokusgruppe erfasst, insbesondere dann, wenn es um Prozesse wie denjenigen der Qualitätssicherung ging. Gegenüber einem Einzelinterview hat das Gruppeninterview bekanntlich den Vorteil, dass ein Thema eher ausführlich bezüglich der unterschiedlichen Perspektiven und Facetten besprochen werden kann und Ergänzungen möglich sind. Das auf diese Weise gewonnene umfangreiche Datenmaterial wurde in der Folge ins Programm MaxQDA2 eingelesen. Im nächsten Schritt wurde ein Kodierschema entwickelt, indem entlang der vier Ebenen des theoretischen Modells (Makro-, Meso-, Mikro- und personale Ebene) und entlang der im Leitfaden festgelegten Themen Dimensionen für die Auswertung festgelegt wurden (Mayring 2000). Damit einher ging auch die Entscheidung einer inhaltsanalytischen Auswertung, weil sie „…die systematische Bearbeitung von Material aus Kommunikationen…“ (Mayring 1995: 209) erlaubt, aber auch, weil mit der vorgenommenen thematischen Fokussierung auf Qualitätsmanagement, Kooperation und berufliche Belastung eine Eingrenzung des selbstreferentiellen Spielraums vorgenommen wurde, welche ein Vorgehen, etwa im Sinne einer „Grounded Theory“ oder der objektiven Hermeneutik eher weniger angezeigt erscheinen ließ. Das Auswertungsinstrument wurde im vorliegenden Falle also durch theoretische Vorüberlegungen in seinen Grundzügen festgelegt, weshalb von einer deduktiven Kategorienbildung gesprochen werden kann, bei der „…die Struktur in Form eines Kategoriensystems an das Material herangetragen [wird]“ (Mayring 2000: 82 f.). Entsprechend gestaltete sich die exakte Bestimmung der Strukturierungsdimensionen als besonders bedeutsamer Prozess. Als Konsequenz wurden in den Transkripten Ankerbeispiele gesucht, welche exemplarische Ausprägungen zu den gewählten Dimensionen darstellten (Mayring 1995: 2000). Gleichzeitig wurde konsensuell festgelegt, nach welchen Prinzipien der nachfolgende Kodierprozess entlang der in Tabelle 7 dargestellten Kategorien erfolgen sollte: 1. Eine Codierung muss entweder einen ganzen Satz oder eine komplette – im Kontext der übrigen Äußerungen – Sinn ergebende Äußerung umfassen. 2. Eine Aussage kann mehrfach codiert werden, sofern sie von ihrem Inhalt her mehreren Dimensionen entspricht. 3. Im Umgang mit dem Material sind in einem ersten Durchgang weitere Subkategorien zu erzeugen, welche in der Folge für sämtliche Interviews Gültigkeit besitzen. 4. Aussagen, welche sich nicht eindeutig einem bestehenden Code zuordnen ließen und/oder bezüglich Fragestellungen bemerkenswert oder charakteristisch für die 174
jeweilige Schule erschienen, wurden einer so genannten „Muster“-Kategorie zugeordnet und festgehalten. Im Folgenden sollen die aus der quantitativen Analyse abgeleiteten Codes kurz dargestellt werden (vgl. Tabelle 7). Sie wurden ergänzt durch relevante Codes bei der Textcodierung von 10% des qualitativen Materials. Einige Codes fanden keinen Eingang in die Falldarstellung, da aufgrund der Durchführung der Interviews z.T. einzelne Themen nicht zur Sprache gekommen waren und dadurch für eine Schule beide Perspektiven (SL und Fokusgruppe) für die Analyse fehlten. Einige, insbesondere aus der quantitativen Untersuchung abgeleitete Codes haben sich in der Folge des Codierens auch als wenig ergiebig erwiesen. Eine für die vorliegende Studie relevante Auswahl aus dieser Code-Liste (mit einem * markiert) diente für die qualitative Auswertung als Analyseeinheit. Tabelle 7: Codebaum für thematische Codierung der Interviews mit der Schulleitung sowie der Fokusgruppe einer Schule (* = ausgewählte Kategorien für die Darstellung des Einzelfalls) Ebene Bildungssystem
Kategorie
Unterkategorie I
UnterKategorie II
Makro Ebene Makro-Ebene
Makrosteuerung
Makro-Ebene
Makrosteuerung
Einstellung gegenüber Makrosteuerung
Meso Ebene Meso-Ebene
Qualität und QM
Meso-Ebene
Qualität und QM
Wissen über Qualität/QS/QM
Meso-Ebene
Qualität und QM
Vorgaben/Rahmenbedingungen für QM
Meso-Ebene
Qualität und QM
Maßnahmen von QM
Meso-Ebene
Qualität und QM*
Maßnahmen von QM
Intern
Meso-Ebene
Qualität und QM
Maßnahmen von QM
Extern
Meso-Ebene
Qualität und QM*
Einstellungen tät/QS/QM
Meso-Ebene
Qualität und QM*
Folgen von QM
Meso-Ebene
Schulleitungshandeln
Meso-Ebene
Schulleitungshandeln*
SL Zielgerichtetheit
Meso-Ebene
Schulleitungshandeln
SL Transparenz
gegenüber
Quali-
175
Meso-Ebene
Schulleitungshandeln
SL Empathie
Meso-Ebene
Schulleitungshandeln
SL Innovationsbereitschaft
Meso-Ebene
Schulklima
Meso-Ebene
Kollektive Selbstwirksamkeit (SWK)
Meso-Ebene
Kooperation
Meso-Ebene
Kooperation*
Formen von Kooperation
Meso-Ebene
Kooperation*
Kooperation Häufigkeit
Meso-Ebene
Kooperation*
Ziele von Kooperation
Meso-Ebene
Kooperation*
Einstellung gegenüber Kooperation
Meso-Ebene
Kooperation*
Grenze der Kooperation
Mikro Ebene Mikro-Ebene
Klassenklima
Mikro-Ebene
Unterrichtsarbeit
Personale Ebene Personale Ebene
Arbeitszufriedenheit
Personale Ebene
Belastungsempfinden*
Personale Ebene
Bewältigung Belastung*
Personale Ebene
Individuelle Selbstwirksamkeit
von
Restkategorie Zweifelsfälle
Im Rahmen der Genese dieses Codierschemas wurde nach einer Probecodierung an ca. 10% des Materials die Intercoderreliabilität berechnet, wenngleich für qualitative Designs nie von einer vollständigen Übereinstimmung auszugehen ist. Ebenso galt es im vorliegenden Falle zu beachten, dass der Hauptcodierende mit dem Material vertrauter war als der Zweit-
176
codierer (vgl. Mayring 2005). Für die Errechnung der Übereinstimmung wurde mit folgender Formel14 operiert: 2 x C (1, 2) R = C1 + C1 Eine durchgehende Codierung ergab für sämtliche Sinneinheiten eine gute Übereinstimmung von .88. Wurden sämtliche codierten Textstellen gemäß ihrer Übereinstimmung bei der Wahl des vergebenen Codes oder der vergebenen Codes analysiert, so resultiere ein befriedigender Intercoder-Reliabilitätswert von .78. Eine Testcodierung mit einer projektexternen, jedoch spezifisch ins Codesystem eingeführten und geschulten Person, welche mit dem Textmaterial nicht vertraut war, ergab für die Intercoder-Reliabilität einen ebenfalls befriedigenden Wert von .73. In der Folge wurden sowohl die Interviews mit den Schulleitungen als auch diejenigen mit den Fokusgruppen arbeitsteilig codiert, wobei in Zweifelsfällen eine Gegencodierung durch den jeweils anderen Codierer vorgenommen wurde. Wiederum Bezug nehmend auf Mayring (1995, 2000) wurden nach Abschluss dieser Phase sämtliche Kodierungen paraphrasiert. Beim Bestreben, diesen Prozess möglichst transparent und rekonstruierbar zu gestalten, erwies sich die Memo-Funktion des Analyseprogramms als äußerst wertvoll, weil mit dem Memo automatisch Informationen über Zeitpunkt, Herkunft und Codierung der entsprechenden Textstelle generiert werden konnten. Dabei wurden wenige inhaltstragende Textbestandteile gestrichen und die betreffenden Codierungen in eine grammatikalische Kurzform gebracht, welche eine Zählbarkeit vergleichbarer Codierungen erlaubte. In Anlehnung an Mayring (2000) wurden in den daran anschließenden Generalisierungs- und Reduktionsprozessen die Aussagen in den Paraphrasen in möglichst gleicher Weise generalisiert und das Material reduziert, indem etwa bedeutungsgleiche Paraphrasen zusammengeführt wurden (wobei die vorgenommene Zählung vergleichbarer Sequenzen innerhalb derselben Auswertungseinheit vorerst aufrechterhalten wurde). Schließlich wurde das derart reduzierte Material sowohl des Schulleitungs- als des Fokusgruppeninterviews einer betreffenden Schule zusammengeführt und gebündelt. Die einzelnen Schritte sind im Anhang am Beispiel des Codes „Einstellung zu Kooperation“ für die Schule A je mit dem Schulleitungs- und dem Fokusgruppeninterview dokumentiert. Noch eine Bemerkung zu den hier beschriebenen Auszählungen: Obwohl es sich anbieten würde, damit eine Quantifizierung der qualitativen Aussagen vorzunehmen, wurde bewusst auf diesen Schritt verzichtet, um die Komplementarität der je unterschiedlichen Methoden zu unterstreichen (Kelle 2007), weil die qualitative Erhebung vornehmlich der Zielsetzung diente, das soziale Handeln an den einzelnen Schulen zu verstehen (ebd.). Zudem konnten in den offenen Interviews mit Lehrpersonen und Schulleitungen nicht in jedem Fall dieselben Aspekte gleichermaßen thematisiert werden, da die thematischen Schwerpunkte der Gespräche an den einzelnen Schulen unterschiedlich gesetzt wurden oder die zeitlichen Ressourcen zu einer eingehenden Behandlung fehlten.
14
Anzahl Codierer (2 = Codierer C1 und C2) x Anzahl übereinstimmender Textstellen (C(1,2)) / Anzahl codierter Textstellen C1 + Anzahl codierter Textstellen C2.
177
8.3 Fallanalyse und Triangulation Somit lagen für jede Schule umfassende Daten vor, insofern neben dem auf quantitative Weise ermittelten Grad an Kooperation und den standardisierten Residuen qualitativ ausgewertete Daten aus den Interviews mit Schulleitung und Fokusgruppe zur Verfügung standen. Deshalb war es nahe liegend, in der Folge über ein fallanalytisches Verfahrens eine verdichtete Beschreibung der fünf Schulen anzustreben und sie in einem abschließenden Fallvergleich einander mittels einer Synopse gegenüberzustellen.
8.3.1 Einzelfalldarstellung Einzelfalldarstellungen haben in pädagogischen Forschungsfeldern „…eine lange Tradition mit unterschiedlichen Ausprägungen…“ (Backe 1995: 45). Entsprechend vielfältig ist die damit verbundene Terminologie, welche „Fallstudien“, „Falldarstellungen“, „Fallanalysen“, „Fallmethoden“ oder „Fallgeschichten“ kennt (ebd.). Unabhängig von der theoretischen Position bildet die Fallrekonstruktion bzw. die Tatsache, „…dass mehr oder minder konsequent am Einzelfall angesetzt wird, bevor zu vergleichenden bzw. allgemeinen Aussagen übergegangen wird…“ (Flick 1999: 40) ein Kennzeichen qualitativer Auswertung. Zunächst jedoch musste eine Festlegung dessen erfolgen, was in der vorliegenden Untersuchung als Fall verstanden wird (ebd.). Ein Fall repräsentiert in erster Linie sich selbst, als Ergebnis einer spezifischen Verlaufsgeschichte, welche vorgefundene Haltungen, Einstellungen und Sichtweisen beeinflusst (Hildebrand 1995). Dies bedeutet in der Regel, „…dass ein Fall im Prozess der Auseinandersetzung mit lebenspraktischen Erfordernissen eine Struktur entwickelt hat, die sich ständig reproduziert bzw. transformiert“ (a.a.O.: 257) und ebenso, dass er „…aus einem Horizont objektiver Möglichkeiten selbst gesteuerte Wahlen [trifft]“ (a.a.O.: 257). Ein solches Vorgehen entspricht somit der theoretischen Konzeption eines institutionellen und mit Freiheitsgraden ausgestatteten Akteurs, wie sie im ersten Teil dieser Arbeit dargestellt worden ist. Fallstudien sollen also das Akteurgeschehen verständlich machen, indem sie das spezifische Handeln an einer Schule abbilden : „The case study is a research strategy which focuses on understanding the dynamics present within single settings” (Eisenhardt 1989: 534). Als Charakteristikum gilt ferner die Kombination verschiedener Datenquellen (ebd.). Die Ausgangslage – Mittelschulen, welche sich bezüglich ihres Grades an Lehrerkooperation unterscheiden und damit einzelne Fälle bilden – hätte auch eine Typologisierung erlaubt, indem beispielsweise der kooperationsstärksten Schule der Status eines Idealtypus zugewiesen worden wäre (Gerhardt 1995). Damit hätte sich jedoch die Frage gestellt, wie Kooperation gestaltet sein müsse, damit sie einen Idealzustand erreicht. Auch erschien uns das Sample mit fünf Fällen als zu klein, um daraus einen Idealtypus der Kooperation abzuleiten. Die Kombination verschiedener Datenquellen und zweier unterschiedlicher methodischer Zugänge entspricht im Wesentlichen einer Triangulation, da derselbe Gegenstand gewissermaßen von unterschiedlichen Standpunkten aus betrachtet wird. Dieses Verfahren kann als „kumulative Validierung“ verstanden werden oder mit dem Ziel verbunden sein, „eine ganzheitliche, holistische Sicht“ zu gewinnen (Lamnek 1995: 250). Kelle (2007: 51) schätzt die Bedeutung triangulierender Verfahren als überaus bedeutsam ein, weshalb er gar davon ausgeht, „…dass bestimmte soziale Sachverhalte überhaupt nicht empirisch erfassbar sind, wenn hierzu nicht qualitative und quantitative Methoden miteinander kombiniert wer178
den“ (51). Im vorliegenden Falle kann sowohl von einer Daten- als auch von einer Methodentriangulation gesprochen werden (Flick 2004; Mayring 2007), je verstanden als komplementäre Strategie, um einerseits die über die quantitativen Daten erzeugten Informationen zu verdichten und zu erweitern und andererseits die qualitativen Daten im Kontext repräsentativer quantitativer Befunde darstellen zu können. Komplementaritätsmodelle können deshalb der Komplexität eines Gegenstandes gerecht werden, weil „…blinde Flecken einer Methode durch die jeweils andere ausgeglichen werden – wobei jedoch kaum Studien den Anspruch vertreten, einen Gegenstand mit Hilfe von Methodentriangulation umfassend abzubilden“ (Pfaff 2005: 254). Auch Flick (2004: 102) sieht den Gewinn weniger in der wechselseitigen Überprüfung verschiedener methodischer Zugänge als vielmehr „…in der Erweiterung der Erkenntnismöglichkeiten durch die Erweiterung von Perspektiven auf den untersuchten Gegenstand.“ Weiter spezifiziert wird Triangulation durch die Abfolge der einzelnen Elemente. Im vorliegenden Falle wurde zuerst quantitativ, danach qualitativ erhoben, was einem sequentiellen quantitativ-qualitativen Design entspricht, womit sich die Erwartung verbindet, schwer identifizierbare statistische Zusammenhänge über eine gezielte Fallauswahl aufklären zu können (Kelle 2007). Entsprechend wurden die fünf teilnehmenden Schulen hinsichtlich Wahrnehmungen und Maßnahmen zu Qualitätsmanagement, zu Formen und Einstellungen zu Kooperation sowie zu Schulleitungshandeln und Belastung sowohl über die als standardisierte Residuen erreichten quantitativen Werte als auch über die inhaltsanalytisch erarbeiteten Reduktionen der Interviews mit Schulleitung und Fokusgruppen dargestellt. Als Illustration wurden die Darstellungen der quantitativen und qualitativen Ergebnisse um wörtliche Zitate zu den betreffenden Themen ergänzt. Damit sollten die oben genannten selbst gesteuerten Wahlen bzw. die Dynamiken des Handlungsgeschehens herausgearbeitet werden. Als hilfreich erwies sich hier insbesondere die im Zuge der Codierung gefällte Entscheidung, die für eine Schule als charakteristisch erscheinenden Textstellen durch beide Codierer konsensuell als Muster zu codieren und einer separaten Kategorie zuzuordnen. 8.3.2 Fallvergleich15 Durch das inhaltsanalytische Vorgehen mit einem für sämtliche Interviews in gleicher Weise eingesetzten Kategoriensystem und die über die standardisierten Residuen erzeugte Vergleichbarkeit der Schulen bezüglich Kooperation und weiterer relevanter Dimensionen von Schulqualität schien es nahe liegend, einen abschließenden Fallvergleich vorzunehmen. „Cross-case data are also need to be made comparable via common codes, common displays of commonly data segments, and common reporting formats for each case” (Miles & Huberman 1994: 178). Der Vergleich unterschiedlicher Fälle miteinander ist einerseits ein Bedürfnis: „Researchers usually assume that the cases at hand are more or less comparable, structured in similar ways” (a.a.O.: 174), andererseits jedoch eine nicht zu unterschätzende Herausforderung: „The problem is how to assemble them coherently and in one place – the major criteria for a good display” (a.a.O.: 178). Als Hilfe für das weitere Verständnis und die Interpretation ist eine Matrix von Fällen und interessierenden Aspekten äußerst hilfreich: „A case-ordered descriptive matrix is usually a fundamental next step in understan15
Mit dem Begriff „Fallvergleich“ wird eine Abgrenzung zu „Fallkontrastierung“ vorgenommen, welche sich in der Regel auf ein idealtypisches Vorgehen bezieht (siehe Flick 1999: 255f).
179
ding what’s going on across cases. Assuming that you have a good basis for ordering the cases, it’s far more powerful than a partially ordered matrix: Patterns can be seen for high, medium, and low cases, and the beginnings of explanations can emerge” (a.a.O.: 193). Bei einem Fallvergleich lassen sich unterschiedliche Strategien verfolgen: Eine davon hat zum Ziel, bereits in der Analyse eines Falles von mehreren gefundene Muster in den übrigen Fällen zu suchen (Replication strategy). „A theoretical framework is used to study one case in depth, and then successive cases are examined to see whether the pattern found matches that in previous cases. It’s also useful to examine cases where the pattern is expected on a theoretical basis to be weaker or absent” (a.a.O.: 174). Eine weitere Strategie ist es, die Fälle entlang einer zentralen Variable synoptisch darzustellen (Case-Ordered Displays). „A case-ordered descriptive matrix contains first-level descriptive data from all cases, but the cases are ordered according to the main variable being examined” (a.a.O.: 188). Im vorliegenden Fall ist diese Strategie mit der zentralen Variable „Erreichter Level von Kooperation unter Lehrpersonen“ für die gemeinsame Darstellung der Fälle und deren empirische Daten verfolgt worden, um sowohl entlang der Fälle (vertikal in der Spalte) als auch entlang der einzelnen Aspekte (horizontal in der Zeile) vergleichen und analysieren zu können. Die Kontrastierung durch das Aufspannen der Fälle entlang der Levels von Lehrerkooperation ermöglicht am Schluss des empirischen Teils dieser Arbeit eine verdichtete Beschreibung der Schulen entlang von Mustern, die theoretisch rückgebunden sich z.T. auch in mehreren Fällen zeigen lassen. Eine Analyse über alle Schulen hinweg zu Chancen und Risiken von Kooperation für Qualitätssicherungsprozesse innerhalb eines schuleigenen Qualitätsmanagements zeigt das Potenzial auf, das in einem Fallvergleich steckt.
180
9 Profile von Zürcher Mittelschulen: Ergebnisse
In diesem Kapitel sollen die Ergebnisse entlang den Subfragestellungen und den Hypothesen aus Kapitel 7 dargestellt werden. Interessante Ergebnisse werden erwähnt und in Kapitel 10 in einer abschließenden Diskussion mit dem theoretischen Teil verknüpft. Mit einem ersten Blick auf die Stichprobe und die Repräsentativität lernen wir die neun Schulen etwas besser kennen: hinsichtlich ihrer Schüler/innen- und Lehrer/innenzusammensetzung sowie des Angebots an Maturitätsprofilen (vgl. Kapitel 9.1). Danach sollen die Schulen anhand des Instrumentes „Kooperationsniveau“ mit ihren 4 Levels analysiert werden, um zu sehen, wo sich die Schulen der Stichprobe befinden (vgl. Kapitel 9.2). In einem nächsten Schritt wenden wir uns fünf Schulen in Form einer Einzelfallanalyse zu, indem wir diese entlang den in der Theorie postulierten Aspekten von Schulqualität sowie den Ergebnissen aus der qualitativen Befragung beschreiben (9.3). In einem umfassenden Kapitel (vgl. 9.4), welches sich der Bedeutung von Kooperation widmet, stellt zu Beginn ein kontrastiver Fallvergleich die Eigenheiten von Schulen auf einem mittleren Kooperations-Level und einer solchen auf dem höchsten Level dar. Im Weiteren unterstützt die synoptische Darstellung einer CCA (Cross Case Analysis) zu ausgewählten Qualitätsaspekten von Schule und Unterricht sowie Qualitätsmanagement und Schulentwicklung das Verständnis der einzelnen Schule, immer mit Fokus auf Kooperation. Charakteristische Muster von Kooperation werden aus den bestehenden Ergebnissen verdichtet, um abschließend der Bedeutung von Kooperation im Rahmen schulischer Qualitätsentwicklung nachzugehen.
9.1 Repräsentativität der Stichprobe Das hier interessierende Thema lautet einerseits, ob die Repräsentativität in Bezug auf den Rücklauf innerhalb einer Schule gegeben sei, und andererseits, ob die teilnehmenden Schulen in Bezug auf die Größe und das Personal der Schule sowie ihrem Maturitätsprofil im Vergleich zu sämtlichen Mittelschulen des Kantons Zürich eine repräsentative Auswahl darstellen. Die Stichprobe besteht aus den oben erwähnten neun Schulen aus der Grundgesamtheit von 22 Schulen im Kanton Zürich, die Maturitätsprofile anbieten. Für die Interpretation der Ergebnisse in den folgenden Kapiteln ist es wichtig zu wissen, wie die Stichprobe zusammengesetzt ist. Aus diesem Grund sollen die wichtigsten Eigenschaften der Stichprobe, mit der gerechnet wurde, dargestellt werden. Parallel dazu soll immer auch die Frage der Repräsentativität in Bezug zu sämtlichen Mittelschulen des Kantons Zürich genauer betrachtet werden.
9.1.1 Rücklauf Insgesamt wurden 758 Fragebogen an den neun Schulen verteilt. 452 wurden zurückgeschickt, davon waren 8 unklar oder leer, so dass am Schluss 444 verwertbare Fragebogen in 181 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_10, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
die Studie miteinbezogen werden konnten. Dies entspricht einer Rücklaufquote von 58.58%. Der Rücklauf der einzelnen Schulen wird aus folgender Tabelle ersichtlich: Tabelle 8: Rücklauf der einzelnen Schulen und gesamthaft über alle Schulen Schule C G E F B D A H I Rücklauf 70.00% 68.87% 64.14% 64.10% 61.43% 56.67% 50.00% 49.46% 35.56%
Total 58.18%
In einer Schule (I) konnte die Festlegung des Rücklauf-Kriteriums von 50% (vgl. 8.1.2) deutlich nicht eingehalten werden, was zum Ausschluss dieser Schule in Bezug auf die Zuteilung zu einem Kooperations-Level führte.
9.1.2 Repräsentativität Die Angaben zur Stichprobe und zur Grundgesamtheit stammen aus dem Fragebogen an die Sekretariate aller Mittelschulen im Kanton zum Zeitpunkt der Befragung im Frühjahr 2004. Aus der Befragung der Lehrpersonen konnten wir oft ebenfalls Daten in den Vergleich einbringen, wobei diese dann als „Rücklauf“ betitelt sind.
Verteilung nach der Anzahl Schüler/innen und der Klassengröße In nur geringem Masse (vgl. Tabelle 9) unterscheidet sich der Anteil der beiden Geschlechter in der Stichprobe und in der Grundgesamtheit. Die für die Untersuchung berücksichtigten neun Schulen wiesen zudem zum Zeitpunkt der Befragung im Durchschnitt einen um 0.46 Schüler/innen pro Klasse geringeren Klassenschnitt auf als in der Grundgesamtheit. Tabelle 9: Anzahl Schüler/innen und Klassengröße in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit der Schüler/innen an Gymnasien des Kantons Zürich im Schuljahr 2003/04
Schülerinnen Prozentanteil Schüler Prozentanteil Klassenschnitt Schüler/innen Klasse
Stichprobe Alle 9 Schulen
Grundgesamtheit
Differenz [ %]
58.59%
58.53%
+ 0.06
41.41%
41.47%
- 0.06
20.13
20.59
- 0.46
pro
Die vorliegende Stichprobe weist bezüglich der Verteilung der Geschlechter bei den Schüler/innen eine sehr gute Repräsentativität auf. Der Klassengrössendurchschnitt liegt deutlich unter demjenigen des Kantons, wobei die Spanne bei sämtlichen Schulen im Kanton bei
182
Werten von 18.41 bis 22.10 liegt und sich sämtliche Schulen der Stichprobe dazwischen befinden.
Verteilung nach Maturitätstypen-Angebot Sind die Schulen hinsichtlich ihres Angebotes mit der Grundgesamtheit vergleichbar? Tabelle 10 zeigt in der rechten Spalte „Grundgesamtheit/Prozentanteil“ jeweils, zu welchem prozentualen Anteil der entsprechende Maturitätstyp im Angebot sämtlicher kantonaler Mittelschulen vertreten ist. Die Spalte „Stichprobe – Prozentanteil“ weist dagegen den Prozentsatz aus, zu dem dieses Profil in den Schulen der vorliegenden Untersuchung vertreten ist. Insgesamt lässt sich feststellen, dass lediglich das Profil „Wirtschaft und Recht“ augenfällig übervertreten ist, während die andern Profile in etwa die tatsächlichen kantonalen Verhältnisse abbilden. In den absoluten Zahlen der Grundgesamtheit ist die Stichprobe enthalten. Der zweisprachige Ausbildungsgang im Profil „Wirtschaft und Recht“ wird im Angebot einer Privatschule, die in der Stichprobe enthalten ist, geführt. So erklärt sich die Differenz am betreffenden Ort. Tabelle 10: Angebot der Maturitätsprofile in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit aller Gymnasien im Kanton Zürich Stichprobe alle 9 Schulen
Grundgesamtheit
Profil absolut Prozentanteil Altsprachliches Profil 6 22.22% Neusprachliches Profil 7 25.93% Musisches Profil 4 14.81% Profil Mathe/ Naturwissenschaften 4 14.81% Profil Wirtschaft/Recht 3 11.11% Diplommittelschule 0 0.00% Handelsmittelschule 1 3.70% Informatikmittelschule 1 3.70% Zweisprachiger Ausbildungsgang im Profil Wirtschaft/Recht 1 3.70% Total 27 100%
absolut Prozentanteil 14 23.73% 16 27.12% 10 16.95%
Differenz [% ] - 1.51 - 1.19 - 2.13
8 5 1 2 2
13.56% 8.47% 1.69% 3.39% 3.39%
+ 1.26 + 2.64 - 1.69 + 0.31 + 0.31
1 59
1.69% 100%
+ 2.01
Verteilung nach Geschlecht der Lehrpersonen Hinsichtlich der Verteilung nach Geschlecht der Lehrpersonen zeigen sich leichte Unterschiede zwischen der Stichprobe und der Grundgesamtheit, insofern die Frauen, welche an den neun untersuchten Schulen arbeiten, mit einer Differenz von +3.45% stärker vertreten sind als dies im Kanton Zürich bei den Mittelschulen insgesamt der Fall ist (vgl. Tabelle
183
11). Dennoch kann man von einer guten Repräsentativität sprechen bezüglich der Verteilung der Geschlechter. Tabelle 11: Verteilung nach Geschlecht der Lehrpersonen in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit aller Lehrpersonen an Gymnasien im Kanton Zürich Rücklauf
Stichprobe Grundgesamtheit Differenz [%] Differenz Alle zw. Rücklauf und Stich- Lehrpersonen probe [%] der 9 Schulen
Lehrerinnen 45.90%
-0.21
46.12%
42.67%
+3.45
54.10%
0.22
53.88%
57.33%
-3.45
Lehrer
Bei den Lehrpersonen aus der Stichprobe der 9 Schulen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, liegt der Frauenanteil geringfügig tiefer als in der Stichprobe der ursprünglich für die Befragung vorgesehenen Lehrkräfte (- 0.21%). Die Prozentwerte aller Lehrpersonen an den Schulen der Stichprobe stammen aus dem separaten Fragebogen, der durch die betreffenden Sekretariate der Schulen ausgefüllt wurde. Man kann folglich von einer sehr guten Repräsentativität der Lehrpersonen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, bezüglich ihrer neun Schulen sprechen.
Verteilung nach Art der Anstellung (befristet oder unbefristet) Der Anteil derjenigen Lehrpersonen, welche an den Schulen der Stichprobe unbefristet angestellt sind, liegt um den Wert +1.51 höher als dies gesamthaft in allen Mittelschulen des Kantons Zürich der Fall ist (vgl. Tabelle 12). Innerhalb der Stichprobe haben sich um 4.13% mehr Lehrpersonen mit unbefristeter Anstellung an der Umfrage beteiligt und den Fragebogen ausgefüllt zurückgesandt, als dies der Verteilung entspricht. Hier fällt die Differenz zum Total der an den neun Schulen der Stichprobe arbeitenden Lehrpersonen größer aus. Tabelle 12: Verteilung nach Art der Anstellung (befristet oder unbefristet) in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit aller Lehrpersonen an Gymnasien im Kanton Zürich Rücklauf
unbefristete Anstellung 77.19% befristete Anstellung 22.81%
184
Differenz Stichprobe Grundgesamtheit Differenz [%] zw. Rücklauf Alle und Stich- Lehrpersonen probe [%] der 9 Schulen 4.13
73.06%
71.55%
1.51
-4.13
26.94%
28.45%
-1.51
Verteilung nach der Art des Unterrichts (Einzelunterricht, Klassenunterricht) Die bei den Schulen der Stichprobe unterrichtenden Lehrpersonen mit Einzelunterricht unterscheiden sich im Prozentsatz von sämtlichen Beschäftigten nur um einen Wert von – 1.06. Wir können so von einer Repräsentativität der Stichprobe ausgehen (vgl. Tabelle 13). Betrachten wir jedoch den Anteil an Lehrpersonen mit Einzelunterricht innerhalb des Rücklaufs, so zeigt sich eine deutliche Unterrepräsentierung gegenüber den an den neun Schulen arbeitenden Lehrpersonen der Stichprobe sowie der Grundgesamtheit. Während ein knapper Fünftel aller Mittelschullehrkräfte des Kantons Zürich sowie an den Schulen der Stichprobe Einzelunterricht erteilt, sind es bei den Teilnehmenden nur knapp zehn Prozent. Eine mögliche Erklärung ist darin zu suchen, dass etliche Lehrpersonen, welche einzelne Schüler/innen unterrichten, entweder ein Kleinstpensum haben oder an verschiedenen Schulen tätig sind und sich zu Fragen von Kooperation im Kollegium und Schulqualität (die ja spezifisch an den Kontext einer bestimmte Schule gebunden sind) nicht äußern wollten bzw. konnten. Tabelle 13: Verteilung nach der Art des Unterrichts (Einzelunterricht, Klassenunterricht) in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit aller Lehrpersonen an Gymnasien im Kanton Zürich Rücklauf
Differenz zw. Rücklauf und Stichprobe [%]
Lehrpersonen mit Einzelunterricht 9.82% Lehrpersonen ohne Einzelunterricht 90.18%
GrundStichprobe Alle Gesamtheit Lehrpersonen der 9 Schulen
Differenz [%]
-7.84
17.66%
18.72%
-1.06
7.84
82.34%
81.28%
1.06
Verteilung nach Größe des Pensums Bei der Größe des Pensums war nur ein Vergleich zwischen dem Sekretariatsfragebogen (vgl. Kapitel 8.1.) und der Grundgesamtheit möglich, deshalb entfällt der Rücklauf. Tabelle 14: Repräsentativität der Verteilung nach Größe des Pensums aller Lehrpersonen der Stichprobe in Relation zur Grundgesamtheit aller Lehrpersonen an Gymnasien im Kanton Zürich
Pensum ≥ 90% 90% > Pensum ≥ 50%
Stichprobe Alle Lehrpersonen der 9 Schulen 20.84% 33.80%
Grundgesamtheit
Differenz [%]
22.91% 36.18%
-2.08 -2.38
Bei der Betrachtung der Pensengröße aller Lehrpersonen an den neun Schulen der Stichprobe im Vergleich zu sämtlichen Mittelschulen des Kantons Zürich (vgl. Tabelle 14) fällt 185
auf, dass die Anteile jeweils leicht tiefer ausfallen. Mit anderen Worten: Es arbeiten etwas mehr Lehrpersonen im Teilpensum unter 50% an den Schulen der Stichprobe. Dennoch ist die Repräsentativität noch gegeben. Im Fragebogen, welchen die Stichprobe bearbeitete, wurde eine andere Kategorisierung der Größe des Pensums vorgenommen (vgl. Abbildung 12). Aus diesem Grund lassen sich die Angaben aus dem Rücklauf mit nur bedingt mit der Grundgesamtheit vergleichen. Größe Arbeitspensum 9.8%
27.0% 15.6% unter 25% 25 - 49% 50 - 74% 75 - 99% 100%
16.7% 30.9%
Abbildung 12: Größe des Arbeitspensums in der Stichprobe Den knapp 59% aller Lehrpersonen der Grundgesamtheit, welche mehr als 50% an einer Schule arbeiten, stehen hier deren 74.6% bei der Gruppe derjenigen Lehrpersonen gegenüber, welche den Fragebogen ausgefüllt haben. Wie bereits festgestellt, sind die Kleinstpensen, welche häufig durch Lehrpersonen mit Einzelunterricht erteilt werden, bei den Fragebogen-Beantworter/innen unterrepräsentiert.
9.1.3 Lebensalter und Dienstalter in der Stichprobe Es ist anzunehmen, dass die die Ausprägung der untersuchten Konzepte auch dadurch beeinflusst wird, wie lange eine Lehrperson bereits ihrer beruflichen Tätigkeit nachgeht. Deshalb werden nachfolgend auch die Angaben zu Lebens- und Dienstalter aufgeführt.
Lebensalter der Lehrpersonen im Rücklauf der Stichprobe Das Lebensalter derjenigen Lehrpersonen, die den Fragebogen ausgefüllt haben, ist in Tabelle 15 dargestellt. Insgesamt sind über 61% jünger als 50 Jahre und davon beträgt der Anteil an Berufseinsteiger/innen mit 6.83% gerade einmal knapp 10%. Lehrpersonen über 50 Jahre bilden mit 38.5% eine Gruppierung von fast zwei Fünfteln. Über 10% der Frauen 186
sind nicht älter als 30 Jahre und erreichen zusammen mit der Altersgruppe 31–50 Jahre eine Gruppengröße von über 70% aller Frauen. Nur gerade etwas mehr als 28% der Frauen aus der Stichprobe, die den Fragebogen ausgefüllt haben, sind älter als 51 Jahre. Die größte Frauengruppe besteht aus Lehrerinnen im Alter von 31 bis 40 Jahren. Tabelle 15: Lebensalterverteilung nach Geschlecht im Rücklauf der Stichprobe N = 438
bis 30 Jahre 31-40 Jahre 41-50 Jahre 51-60 Jahre über 60 Jahre Gesamt
Gesamt Kumulierte Prozente 6.83% 35.31% 61.50% 91.57% 100%
Frauen absolut 21 69 52 46 13 201
Männer Prozentsatz 10.45% 34.33% 25.87% 22.89% 6.47% 100%
absolut 9 56 63 85 24 237
Prozentsatz 3.80% 23.63% 26.58% 35.86% 10.13% 100%
Bei den Männern verschieben sich diese Prozentwerte deutlich in Richtung höheres Alter. Während gerade einmal 3.80% der Männer jünger als 31 Jahre alt sind, liegt die Gruppengröße der Lehrer von 51 Jahren bis Pensionsalter bei fast 46%. Die größte Gruppe bilden bei den Männern die 51–60 Jahre alten Lehrer.
Dienstalter der Lehrpersonen an der betreffenden Schule im Rücklauf der Stichprobe Die bisherigen Beobachtungen zur Verteilung des Lebensalters in Bezug auf das Geschlecht bestätigen sich auch hier, indem deutlich wird, dass die Frauen im Vergleich zu den Männern über weniger Dienstjahre verfügen (vgl. Tabelle 16). Tabelle 16: Dienstalter an der Schule nach Geschlecht im Rücklauf der Stichprobe N = 419 weniger als 5 Jahre 5-10 Jahre 11-20 Jahre 21-30 Jahre über 30 Jahre Gesamt
Gesamt Prozentsatz 25.00% 22.86% 20.24% 23.10% 8.81% 100%
Frauen Absolut 59 42 45 34 10 190
Prozentsatz 31.05% 22.11% 23.68% 17.89% 5.26% 100%
Männer absolut 46 54 40 62 27 229
Prozentsatz 20.09% 23.58% 17.47% 27.07% 11.79% 100%
Etwas über 31% der Frauen haben ein Dienstalter von bis zu 5 Jahren. Beinahe 39% der Männer weisen 20 oder mehr Dienstjahre auf. Im Gesamten ergeben sich jedoch vier Gruppen, die jede für sich mehr als 20% der Lehrpersonen enthält. 25% „Neue“ stehen jedoch immer noch 75% „Alten“ gegenüber, welche die Schule als Ganzes und die formellen wie informellen Strukturen bereits über Jahre hinweg kennen.
187
9.1.4 Fazit Es ergibt sich eine hinsichtlich Klassengröße, Art des Unterrichts, Geschlecht, Alter und Dienstalter für sämtliche Zürcher Gymnasien repräsentative Stichprobe für die quantitative Untersuchung (Lehrpersonen N = 444). Trotz eines möglichen Selbstselektionseffektes durch die Freiwilligkeit der Teilnahme an der Studie kann demnach von einer guten Datengrundlage ausgegangen werden. Die Repräsentativität ist gegeben. 9.2 Kooperationsgrad von Mittelschulen im Kanton Zürich16 Wie im theoretischen Teil angekündigt, wird in diesem Kapitel eine Darstellung der einzelnen Schulen entlang eines Kontinuums angestrebt, welches von fragmentierten bis hin zu lernenden Schulen reicht. Wir erreichen dies mit dem Instrument der Kooperations-Levels des DIPF (vgl. dazu den Methodenteil 8.1.2). Die Zuteilung zu einem Level für eine Schule erfolgt mit Hilfe eines Rasch-Modells.
9.2.1 Kooperations-Levels der an der Studie teilnehmenden Mittelschulen im Kanton Zürich Die Fragestellung, welche diesem Kapitel zugrunde liegt, lautet: Welche Grade an Kooperation werden von den einzelnen Schulen erreicht? Als Arbeitshypothese haben wir in Kapitel 7 folgende formuliert: In den Schulen der Stichprobe bilden sich die beschriebenen unterschiedlichen Kooperationsgrade/-levels ab. Lassen sich Niveaustufen von Lehrerkooperation unterscheiden und welchen Kooperationslevel erreichen die einzelnen Gymnasien aus unserer Stichprobe? Für die Skalierung der Items zur Lehrerkooperation aus den Pädagogischen EntwicklungsBilanzen in Hessen und im Kanton Zürich ist somit entscheidend, ob sich Niveaustufen unterscheiden lassen, die den theoretisch postulierten Aufgaben und Anforderungsmerkmalen der sozialen Organisation Schule entsprechen. Der für die Zuteilung zu einem Level erforderliche schulspezifische Mindestrücklauf von 50% wurde an einer Schule (Gymnasium I mit einem Rücklauf von 35.56%) deutlich nicht erreicht. Sie wurde aus diesem Grund für die Zuteilung zu einem Level nicht berücksichtigt Abbildung 13 stellt die Anforderungen an die Lehrerkooperation und die empirisch ermittelten Schwierigkeiten für die Niveaustufen mittels typischer Items dar und zeigt die Zuordnung der einzelnen Schulen aus der Zürcher Stichprobe zu den jeweiligen Kooperationslevels. Dabei werden die geschätzten Logits für eine Schule in Klammern angeführt.
16
Teile aus diesem Kapitel wurden bereits an anderem Ort publiziert: Halbheer, U., Kunz, A., Maag Merki, K. (2008). Kooperation zwischen Lehrpersonen in Zürcher Gymnasien. Eine explorative Fallanalyse zum Zusammenhang zwischen kooperativen Prozessen in Schulen und schulischen Qualitätsmerkmalen. In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation, 28. Jg. (1), 19-35.
188
Zunahme des systematischen, wechselseitig adaptiven und integrierten Lehrerhandelns durch Lehrerkooperation im Kollegium. Charakterisierung und Beispielitems für die Kooperationsanforderungen und Kooperationsniveaus der Schulen. Level 4 - Integration systematisches Zielkonzept und abgestimmtes Lehrerhandeln; Transparenz und wechselseitige Adaptivität im Unterrichtshandeln; systematische Beobachtung von Lehrerhandeln und Lernentwicklungen; Selbst- und Fremdevaluation; systematische Fortbildung
Beispielitem: „Gegenseitige Unterrichtsbesuche sind ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit.“
1 Schule A (5.899)
Level 3 - Interaktion detailliertes Zielkonzept; umfassend abgestimmtes Lehrerhandeln innerhalb und zwischen Jahrgangsstufen und Fächern; umfassende Kooperation bei Unterrichtsplanung und durchführung; wechselseitige Beratung fachlicher und überfachlicher Inhalte; Didaktik; Diagnostik; umfassende Fortbildung
Beispielitem: „Wir haben eine fachübergreifende Zusammenarbeit, die sich an gemeinsamen Themen orientiert.“
4 Schulen B (2.717) C, D, E (1.988)
Level 2 - Koordination globales Zielkonzept; umfassende Information; fachspezifisch abgestimmtes Lehrerhandeln; partielle Kooperation zur Planung und Durchführung des Unterrichts; Austausch über Fachinhalte und -didaktik; Notenmaßstäbe; Selbstevaluation; individuelle und schulinterne Fortbildung.
Beispielitem: „Die Ergebnisse aus Arbeitsgruppen werden regelmäßig bekannt gegeben.“
2 Schulen F, G (1.621)
Level 1 - Differenzierung globales Zielkonzept; formal geregelte Information; fach- und jahrgangsspezifisch abgestimmtes Lehrerhandeln und Kooperation bei Unterrichtsvorbereitung; formeller Austausch über Curricula, Fachinhalte und Noten; Selbstberichte über Lehrerhandeln, individuelle Fortbildung.
Beispielitem: „Wir haben eine gute fachspezifische Zusammenarbeit.“
1 Schule H (0.809)
Level 0 – Fragmentierung unklare Zielkonzeption; isoliertes, wenig abgestimmtes Lehrerhandeln; vereinzelt fachlicher Austausch und individuelle Fortbildung.
Die keines erfüllt.
Keine Schule: alle Schulen dieser Stichprobe erfüllen wenigstens die einfachsten Kooperationsanforderungen.
Anforderung Items wird
Abnahme des systematischen, wechselseitig adaptiven und integrierten Lehrerhandelns durch Lehrerkooperation im Kollegium Abbildung 13: Zuordnung der Schulen zu den Niveaustufen für Lehrerkooperation, Charakterisierung sowie Beispielitems für die Kooperationsanforderungen und Kooperationsniveaus der Schulen (vgl. Halbheer, Kunz & Maag Merki, 2008; Steinert et al. 2006; Maag Merki & Steinert 2006) Anmerkung: Beispielitems und die geschätzten Logits für die jeweiligen Kooperationsniveaus in Klammern. Antwortkategorien der Beispielitems: 1 = trifft gar nicht zu … 4 = trifft genau zu 189
9.2.2 Deskription von Kooperations-Levels der an der Studie teilnehmenden Mittelschulen im Kanton Zürich Im Folgenden sollen die Schulen auf den einzelnen Niveaustufen deskriptiv dargestellt werden in Bezug auf das Antwortverhalten der Lehrpersonen zu den jeweiligen Items (vgl. Steinert et al. 2006).
Level 0 – Fragmentierung Die unterste Stufe der Lehrerkooperation ist ausschließlich negativ definiert. Schulen, an denen keine Anforderung an Lehrerkooperation im Kollegium realisiert wird, befinden sich im Zustand der Fragmentierung. Ihnen fehlt ein gemeinsames Schulprofil. Mindeststandards der Information und Kommunikation werden nicht eingehalten. In der fachspezifischen Arbeit dominiert isoliertes Lehrerhandeln. Zusammenarbeit findet nur punktuell statt (Steinert et al. 2006: 195).
Keine der betrachteten Schulen im Kanton Zürich weist diese defizitäre Form der Lehrerkooperation auf.
Level 1 – Differenzierung Die erste Niveaustufe der Lehrerkooperation umfasst Kooperationsaufgaben, die der vorgegebenen Funktionsteilung in Schulen entsprechen. Schulen, in denen Lehrkräfte auf der Niveaustufe der Differenzierung zusammenarbeiten, haben ein globales Zielkonzept, formal geregelte Arbeitsabläufe und Kommunikationsformen. Die Lehrerkooperation vollzieht sich hauptsächlich innerhalb der Fach- und Jahrgangsgrenzen. Diese Anforderungen an Lehrerkooperation lassen sich als Mindeststandards für einen geordneten Schulbetrieb interpretieren (Steinert et al. 2006:196).
Alle der in der Zürcher Stichprobe betrachteten Schulen kooperieren mindestens auf dieser Niveaustufe. Die Items „Wir haben eine gute fachspezifische Zusammenarbeit“ und „Wir erarbeiten gemeinsam das Profil unserer Schule“ stellen aufgrund der Faktorenanalyse über die 20 Levelitems zusammen mit je einem Item aus Level 2 und 4 den Fokus „Kommunikation, fachspezifische Zusammenarbeit und Problemlösestrategien“ dar, der sich mit der Vorbereitung, Umsetzung von Lehren und Lernen und der dazu notwendigen Absprache und Arbeit am gemeinsamen Profil sowie an gemeinsamen pädagogischen Zielen beschäftigt. Die prozentuale Zustimmung aller Lehrpersonen der Stichprobe im Kanton Zürich beträgt für das erste dieser beiden Items 81.86% und für das zweite 72.79% (vgl. Tabelle 17). Alle Schulen erreichen eine deutliche Zustimmung zu diesen zwei Aspekten. Dies meint, dass mehr als 50% der Personen, welche diese Frage ausgefüllt haben, das Antwortformat „stimmt“ oder „stimmt eher“ wählten. Man kann also sagen, dass fachspezifische Zusammenarbeit aus Sicht der Lehrpersonen relevant ist. Zudem kann davon ausgegangen werden, dass die gemeinsame Erarbeitung eines Schulprofils fester Bestandteil der Arbeit eines Kollegiums ist und ein großer Teil der Lehrpersonen in irgendeiner Form daran beteiligt ist.
190
Tabelle 17: Prozentuale Zustimmung pro Schule zu den Items und deren Mittelwerte auf Level 1. Level 1 Wir haben eine N gute fachspezi- Mean fische ZusamSD menarbeit. Zustimmung [%] Wir erarbeiten N gemeinsam das Mean Profil unserer SD Schule Zustimmung [%] Die SchulleiN tung achtet auf Mean kollegiale SD Mitbestimmung. Zustimmung [%] Die Koordinati- N on der UnterMean richtsarbeit SD innerhalb der Jahrgangsstufen ist gut organi- Zustimmung siert. [%] N Wir werden Mean rechtzeitig und SD ausreichend über wichtige Vorgänge Zustimmung informiert. [%] N Bei der Festlegung des Stun- Mean denplans wer- SD den wir ausrei- Zustimmung chend beteiligt. [%]
A L4
B L3
C L3
D L3
E L3
F L2
G L2
H L1
I -
Total
32 3.41 0.84
432 3.24 0.83
100.00 83.72 85.71 80.39 82.80 84.00 73.97 78.26 84.38 18 43 34 50 91 48 72 44 32 3.56 2.95 3.18 2.78 3.03 2.88 2.81 2.75 3.22 0.86 0.87 0.76 0.82 0.66 0.82 0.80 0.84 0.83
81.86 432 2.96 0.80
88.89 69.77 77.14 64.71 80.65 74.00 64.38 60.87 87.50 18 43 34 51 91 49 72 45 32 3.94 3.26 3.32 2.76 3.58 3.31 2.93 2.91 3.00 0.24 0.58 0.77 0.81 0.56 0.65 0.79 0.90 0.80
72.79 435 3.20 0.78
100.00 93.02 85.71 72.55 94.62 88.00 72.60 76.09 81.25 17 42 43 49 86 49 69 39 32 2.94 2.93 2.64 2.80 2.97 3.04 2.68 2.44 2.91 0.66 0.84 0.96 0.79 0.76 0.73 0.93 0.82 0.93
84.13 416 2.82 0.84
72.22 74.42 57.14 66.67 68.82 82.00 53.42 41.30 65.63 18 43 34 51 91 49 72 46 31 3.72 3.30 3.12 2.71 3.51 3.57 3.40 2.89 2.90 0.46 0.56 0.73 0.92 0.58 0.58 0.66 0.97 0.79
64.17 435 3.25 0.77
100.00 95.35 77.14 62.75 93.55 94.00 89.04 65.22 68.75 18 43 33 51 91 48 73 45 32 4.00 3.63 3.73 2.94 3.44 3.52 2.97 2.82 3.38 0.00 0.58 0.45 0.86 0.81 0.74 0.91 0.96 0.83
83.67 434 3.31 0.85
100.00 95.35 94.29 72.55 84.95 90.00 71.23 60.87 90.63
82.09
18 3.61 0.50
43 3.21 0.77
35 3.34 0.80
48 3.40 0.89
89 3.26 0.75
49 3.27 0.81
73 3.00 0.96
45 3.11 0.83
Ein zweiter Fokus ausschließlich auf Level 1 setzt sich aus den Items „Wir werden rechtzeitig und ausreichend über wichtige Vorgänge informiert“, „Bei der Festlegung des Stundenplans werden wir ausreichend beteiligt“ und „Die Schulleitung achtet auf kollegiale Mitbestimmung“ zusammen. Dabei geht es um die „kollegiale Mitbestimmung und den Informationsfluss bei informellen und formellen Treffen“ zwischen der Schulleitung und den Lehrpersonen sowie zwischen der Koordinationsstelle für den Stundenplan und dem Kollegium oder einzelnen Lehrpersonen. Mit gesamthaft 84.13% für das SchulleitungsItem, 83.67% für die Information über wichtige Vorgänge und 82.09% für die Beteiligung bei der Stundenplanfestlegung werden sämtliche drei Items von allen Schulen positiv und in zustimmender Weise wahrgenommen. Bei genauerer Betrachtung zeigt sich, dass in der Schule D die Lehrpersonen der Ansicht sind, nur „teilweise“ über wichtige Vorgänge informiert zu werden (Mean = 2.71, 191
SD = .092). Das nichtparametrische Verfahren der Rangvarianzanalyse nach KruskalWallis, welches allgemein einen signifikanten Unterschied zwischen allen Schulen liefert, errechnet auf dem Niveau p < .001 einen signifikanten Unterschied zwischen den Schulen. Der Mittelwert der Schule D unterscheidet sich diesbezüglich nach einer nachgeschalteten einfaktoriellen Varianzanalyse mit anschließendem post-hoc Test (Scheffé) signifikant von den Schulen A, E und F (p < .01). Zusammengefasst kann man mit dieser Stichprobe sagen, dass es teilweise bis ganz zutrifft, dass Informationen von der Schulleitung ans Kollegium oder an Lehrpersonen fließen und dass sie Mitbestimmung und Beteiligung bei Koordinationsaufgaben erleben. Als drittem Fokus auf Level 1 wird mit dem Item „Die Koordination der Unterrichtsarbeit innerhalb der Jahrgangsstufen ist gut organisiert“ Gewicht gelegt auf die „Koordination der alltäglichen Zusammenarbeit“ mit denjenigen Lehrpersonen, welch dieselbe Schülergruppe betreuen. Die prozentuale Zustimmung aller Lehrpersonen der Stichprobe im Kanton Zürich beträgt für das Item 64.17%. Lediglich die Schule H hat beim Thema der Koordination innerhalb der Jahrgansstufe einen nur knapp zustimmenden Wert (M = 2.44, SD = 0.82 und 41.3% Zustimmung). Somit kann man sagen, dass die Lehrpersonen sämtlicher Schulen mit Ausnahme von Schule H der Ansicht sind, eine teilweise bis gut organisierte Koordination zwischen den Jahrgangsstufen aufzuweisen. In den folgenden Tabellen der Levels 1 bis 4 sind jeweils die prozentualen Anteile der Zustimmung für ein Item an einer Schule sowie in der Gesamtstichprobe aufgeführt. Zudem sind die Mittelwerte mit dem jeweiligen N und der Standardabweichung (SD) dargestellt. Insgesamt zeigt sich für Kooperation auf Level 1 („Differenzierung“) deutlich, dass sie in klarer und umfassender Weise institutionalisiert zu sein scheint. Dies wird vor allem durch die guten Zustimmungswerte in den Bereichen der Kooperation bei Unterrichtsvorbereitungen und des Umsetzens von Lehren und Lernen erreicht. Die Mittelschulen der vorliegenden Untersuchung im Kanton Zürich erreichen folglich alle einen Grad der Differenzierung ihrer Kooperationstätigkeit, der für die Bewältigung anstehender Aufgaben an einer Schule notwendig ist.
Level 2 – Koordination Die zweite Niveaustufe der Lehrerkooperation schließt die Kooperationsformen der ersten Stufe ein und zeichnet sich darüber hinaus durch umfassende Informationen über Aufgabenverteilung, Arbeitsabläufe und Arbeitsergebnisse aus. Ansätze zu einer Koordination von Ressourcen und Aufgaben sind vorhanden (Steinert et al. 2006: 196).
Sieben Gymnasien aus der Stichprobe kooperieren auf der Niveaustufe der Koordination. Auf Level 2 (vgl. Tabelle 18) zeigen sich aufgrund der durchgeführten Faktorenanalyse über sämtliche 20 Items hinweg Anteile an zwei Faktoren, die auch in Level 1, 3 und 4 bzw. in Level 3 hineinreichen. Das einfachste Item (Difficulty (ζ) von 0.497) auf Level 2 liegt im Thema „Kommunikation, fachspezifische Zusammenarbeit und Problemlösestrategien“ mit der Aussage „Die Ergebnisse aus Arbeitsgruppen werden regelmäßig bekannt gegeben“. Mit über 88% erhält dieses Item die größte Zustimmung überhaupt von sämtlichen 20 Items, aus denen die vier Levels zusammengesetzt sind. Diejenigen 88% der Lehrpersonen, die dem Item zugestimmt 192
haben, stellen zudem über 50% aller Lehrpersonen dar, die überhaupt an den beteiligten Schulen arbeiten. Somit kann von einem als gut wahrgenommenen Informationsfluss an den Schulen im Kanton Zürich ausgegangen werden. Der Mittelwert aller Schulen zeigt auf, dass dies teilweise bis ganz zutrifft (M = 3.43, SD = 0.71, N = 432). Besonders die Schulen A und C erreichen eine maximale prozentuale Zustimmung derjenigen Personen an der Schule, welche den Fragebogen ausgefüllt haben, verbunden mit hohen Mittelwerten. Ein weiterer Faktor mit Items aus Level 2 und 3 bildet die Thematik „Separation und Polarisierung“ ab. Der Aussage „Im Kollegium gibt es Gruppen, die nur wenig miteinander zu tun haben wollen“ (Difficulty (ζ) von 1.267) stimmen die meisten Schulen zu, was sich nach der Umpolung des Antwortformates als tiefer Wert erweist. Bei Leitbild- und Konzeptarbeiten ist eine auszuhandelnde minimale Bereitschaft für eine gemeinsame Auseinandersetzung notwendige Basis. In diesem Sinn ist Schule A die einzige, welche angibt, keine separierenden Gruppen im Kollegium zu haben (77%, N = 3.44, SD = 0.86). Aufgrund der Rangvarianzanalyse existiert wie erwartet auch ein signifikanter Unterschied zwischen den Schulen. Die Schule A unterscheidet sich diesbezüglich auf der Basis einer einfaktoriellen Varianzanalyse mit erhöhter Signifikanzschranke (wegen Varianzheterogenität) dennoch signifikant von den Schulen F, E (p < .01) und G und D (p < .001). Tabelle 18: Prozentuale Zustimmung pro Schule zu den Items und deren Mittelwerte auf Level 2 Level 2
A L4
B L3
C L3
D L3
E L3
F L2
G L2
H L1
I -
Total
Die Ergebnisse N 432 18 43 35 51 92 47 70 44 32 aus ArbeitsMean 3.78 3.23 3.60 3.37 3.72 3.19 3.27 3.39 3.38 3.43 gruppen werden SD 0.43 0.81 0.50 0.80 0.48 0.80 0.72 0.75 0.83 0.71 regelmäßig bekannt gege- Zustimmung 88.66 ben. [%] 100.00 81.40 100.00 88.24 97.85 80.00 83.56 84.78 84.38 18 43 35 51 93 48 73 43 32 Im Kollegium N 436 gibt es GrupMean 3.44 2.49 2.46 2.08 2.39 2.29 2.15 1.93 2.50 2.32 pen, die nur SD 0.86 0.98 0.92 0.80 0.79 0.80 0.86 0.77 0.92 0.89 wenig miteinander zu tun haben wollen. Zustimmung (-) [%] 77.78 41.86 45.71 23.53 40.86 32.00 34.25 15.22 53.13 36.96 Bemerkung: (-) heißt, dass dieses Item für die Auswertung umgepolt wurde. Eine hohe Zustimmung bedeutet also, dass die positive Leseweise unterstützt wird. Zum Beispiel Schule A: 77.78% stimmen zu, dass es im Kollegium KEINE Gruppen gibt, die nur wenig miteinander zu tun haben wollen.
Insgesamt zeichnet sich auf Level 2 ein differenzierteres Bild der beteiligten Schulen ab als noch auf Level 1 und man kann sagen, dass der Austausch von Informationen und die gegenseitige Wertschätzung, welche diese Arbeit bedingt, diesen Level ausmachen. Beim ersten Item auf Level 2 erreichen die Schulen der vorliegenden Zürcher Untersuchung sogar einen sehr guten Zustimmungswert. Eine Schule erreichte auf Grund der RaschSkalierung diesen Level nicht. Insbesondere bei diesem Gymnasium H scheinen polarisierende Gruppen die gemeinsame Zusammenarbeit zu erschweren.
193
Level 3 – Interaktion Die dritte Niveaustufe der Lehrerkooperation geht über die bereichsspezifische Arbeitsteilung hinaus. Auf der Stufe der Interaktion arbeiten die Lehrkräfte fach- und jahrgangsübergreifend zusammen und tauschen sich umfassend über Schule und Unterricht aus. Evaluationsaktivitäten gehen über einseitige Selbstberichte hinaus. Fremdbeurteilungen werden für die Personal- und Unterrichtsentwicklung genutzt. Ansätze zu einer kollegialen Handlungsregulation und Verbesserung individuellen Lehrerhandelns werden durch wechselseitige Adaptivität und Transparenz bei der Planung, Durchführung und Überprüfung der unterrichtlichen Arbeit ermöglicht (Steinert et al. 2006: 196).
Fünf der untersuchten Gymnasien im Kanton Zürich kooperieren auf der Niveaustufe der Interaktion. Auf Level 3 (vgl. Tabelle 19) zeigen sich aufgrund der durchgeführten Faktorenanalyse über sämtliche 20 Items mehrere Faktoren, die immer auch mit Items aus anderen Levels zusammenhängen. Mit dem Faktor „Separation und Polarisierung" wird neben dem Item auf Level 2 hier auf Level 3 mit den beiden negativ formulierten Aussagen „Im Kollegium gibt es eindeutige Meinungsführer“ und „Zusammenarbeit im Kollegium orientiert sich fast ausschließlich an Fächern“ der Aspekt des umfassenden Einbezugs und der Teilnahme am pädagogischen Programm auch über die Fächergruppen hinweg thematisiert. Offensichtlich sind nur gerade 28.12% der Meinung, dass eindeutige Meinungsführer im Kollegium nicht oder fast nicht existieren. Offensichtlich scheint es in der Wahrnehmung vieler Lehrpersonen der Fall zu sein, dass Diskussionen durch Positionen von eindeutig identifizierbaren Personen bestimmt werden. Die pädagogische Zusammenarbeit orientiert sich zudem gesamthaft gesehen auch hauptsächlich entlang von Fächern: Nur gerade 34.24% aller Lehrpersonen der Stichprobe sind der Meinung, dass dem nicht oder eher nicht so ist. Dies bedeutet jedoch nicht, dass keine Zusammenarbeit und Koordination zwischen den Jahrgangsstufen möglich ist. Im Gegenteil, der Faktor „Koordination der alltäglichen Zusammenarbeit“ mit dem Item „Die Koordination der Unterrichtsarbeit zwischen den Jahrgangsstufen ist gut organisiert“ weist eine gesamthaft positive Zustimmung von 60.54% auf und ist somit dasjenige Item auf Level 3 mit der zweitgrößten Zustimmung. Der Mittelwert gibt an, dass die Koordination „eher teilweise“ gut organisiert ist zwischen den Jahrgangsstufen (Nr. 6: Mean = 2.75, SD = 0.86, N = 416). Einzig die Schule H auf Level 1 und die Schule G auf Level 2 weisen bloß einen neutralen Mittelwert (M = 2.50) auf. „Strukturelle Rahmenbedingungen“ wie Stundenpläne, Zeitfenster und Räumlichkeiten für Teamarbeit bilden einen weiteren Faktor. Auf Level 3 ist eines der drei Items angesiedelt: „Beim Entwurf des Stundenplans werden Gelegenheiten für Teamarbeit berücksichtigt.“ Vorbereitung von Unterricht und koordinierte Teamarbeit innerhalb von Fach- und Jahrgangsgruppen setzen voraus, dass sich zeitliche Überschneidungen ergeben oder im idealsten Fall eingeplant sind. In der Gesamtstichprobe scheint dies kaum der Fall zu sein (M = 2.10, SD = 1.03, N = 419). Nur in Schule B (62.79%) und z.T. in Schule A mit 50% wird dies in der Wahrnehmung der Lehrpersonen berücksichtigt. Schule B unterscheidet sich von Schule F mit dem geringsten Wert nach erfolgter Rangvarianz und einfaktorieller Varianzanalyse trotz fehlender Varianzhomogenität noch signifikant (p < .001).
194
Tabelle 19: Prozentuale Zustimmung pro Schule zu den Items und deren Mittelwerte auf Level 3. A L4
Level 3 Beim Entwurf des Stundenplans werden Gelegenheiten zur Teamarbeit berücksichtigt. Wir haben eine fächerübergreifende Zusammenarbeit, die sich an gemeinsamen Themen orientiert.
E L3
F L2
G L2
H L1
I -
Total
18
42
34
50
85
47
68
43
32
419
2.83
2.12
1.98
2.02
1.81
2.22
1.63
2.03
2.10
SD
1.04
1.19
1.04
0.98
0.87
0.85
1.10
0.82
1.06
1.03
50.00
62.79
34.29
29.41
24.73
18.00
35.62
15.22
18
43
35
49
88
49
72
44
32
430
Mean
3.28
2.30
2.49
2.39
2.40
2.14
2.22
2.02
2.69
2.36
SD Zustimmung [%]
0.75
0.96
0.89
0.93
0.80
0.79
0.88
0.98
0.90
0.90
83.33
41.86
45.71
47.06
43.01
30.00
36.99
32.61
Zustimmung [%]
N
Im Kollegium gibt es eindeutige SD Meinungsführer. Zustimmung (-) [%] Die Koordination N der Unterrichts- Mean arbeit zwischen den Jahrgangs- SD stufen ist gut Zustimmung organisiert. [%]
N
Die Zusammenarbeit im Kollegium orientiert sich fast ausschließlich an Fächern. (-)
D L3
2.56
Mean
In Konferenzen beteiligen sich die meisten Anwesenden aktiv an den Diskussionen.
C L3
Mean
N
N
Selbst- und Fremdbeurteilung sind für uns Bestandteil der Arbeit.
B L3
37.50 31.75
59.38 42.86
18
43
35
51
93
48
72
43
32
435
2.56
1.81
2.11
2.43
1.99
2.06
2.10
1.88
2.03
2.08
0.70
0.82
0.87
0.64
0.70
0.60
0.87
0.66
0.86
0.77
55.56
20.93
31.43
47.06
19.35
20.00
34.25
15.22
31.25 28.12
18
42
33
49
86
48
70
38
32
416
2.83
3.00
2.61
2.73
2.86
2.96
2.50
2.50
2.81
2.75
0.62
0.80
1.00
0.78
0.81
0.90
0.91
0.80
0.93
0.86
72.22
76.74
57.14
62.75
65.59
72.00
45.21
39.13
17
43
35
51
92
48
72
46
32
436
65.63 60.54
Mean
3.29
2.98
3.37
2.65
2.77
2.85
2.39
2.50
3.09
2.78
SD Zustimmung [%]
0.77
0.74
0.77
0.82
0.60
0.88
0.72
0.81
0.96
0.82
77.78
72.09
88.57
58.82
69.89
68.00
43.84
47.83
17
43
35
51
93
48
71
45
32
435
N
78.13 64.20
Mean
3.47
2.70
3.06
2.20
2.46
2.67
2.58
2.11
2.66
2.56
SD Zustimmung [%]
0.51
0.67
0.68
0.83
0.88
0.72
0.77
0.78
0.79
0.83
94.44
62.79
80.00
37.25
44.09
58.00
53.42
21.74
17
43
35
51
93
49
70
45
32
435
2.88
2.30
2.37
1.94
2.19
2.29
2.21
1.98
2.41
2.22
N Mean
53.13 51.47
SD 0.99 0.86 0.91 0.68 0.80 0.84 0.92 0.75 0.98 0.86 Zustimmung [%] 55.56 37.21 42.86 19.61 34.41 32.00 38.36 21.74 43.75 34.24 Bemerkung: (-) heißt, dass dieses Item für die Auswertung umgepolt wurde. Eine hohe Zustimmung bedeutet also, dass die positive Leseweise unterstützt wird. Zum Beispiel Schule A: 55.56% stimmen zu, dass es im Kollegium
195
KEINE eindeutigen Meinungsführer gibt; oder z.B. Schule D: nur 19.61% stimmen zu, dass sich die Zusammenarbeit im Kollegium NICHT fast ausschließlich an Fächern orientiert.
Einen für die Schulentwicklung interessanten Bereich auf Level 3 stellt die „Zusammenarbeit entlang gemeinsamer Themen, Evaluationsprozesse und Schulentwicklung“ dar. Das Item „Selbst- und Fremdbeurteilung sind für uns Bestandteil der Arbeit“ erreicht mit 64.20% einen für diesen Level verhältnismäßig hohen Prozentanteil an Zustimmung und einen Mittelwert im positiven Bereich (M = 2.78, SD = 0.82, N = 436). Einzig die Level 1-Schule H und Schule G auf Level 2 weisen einen mittleren bzw. knapp ablehnenden Mittelwert auf. Im Gegensatz dazu liegen die Werte beim Item „Wir haben eine fächerübergreifende Zusammenarbeit, die sich an gemeinsamen Themen orientiert“ vor allem bei Schule A hoch (Zustimmung bei 88.33%, M = 3.28, SD = 0.75), während der Gesamtmittelwert im ablehnenden Bereich liegt (M = 2.36, SD = 0.9, N = 430). Ein weiterer Fokus thematisiert die „aktive Diskussionskultur“, welche sich durch eine möglichst große Beteiligung aller bei Diskussionen im Kollegium auszeichnet. Schule A und C erreichen beim Item „In Konferenzen beteiligen sich die meisten Anwesenden aktiv an den Diskussionen“ eine sehr hohe Zustimmung (A: 94.44%, M = 3.47, SD = 0.51 / C: 80%, M = 3.06, SD = 0.68)) während diese im Durchschnitt der Stichprobe auf einem knapp positiven Wert verbleibt (M = 2.56, SD = 0.83, N = 435). Schule A unterscheidet sich bei diesem Item im Mittelwert signifikant (p < .01) von Schule E und D (nach Rangvarianzanalyse und einfaktorieller Varianzanalyse mit verschärfter Signifikanzschranke wegen Varianzheterogenität). Schule C weicht von Schule D ab (p < .01). Die beiden Schulen A und C setzen sich folglich insbesondere durch eine aktivere Beteiligung an Diskussionen durch das Kollegium von Schule D ab. Der Level 3 macht die sich bereits auf Level 2 abzeichnende Ausdifferenzierung der Schulen weiter deutlich. Schule A weist durchgehend zustimmende Werte auf bei den Items auf diesem Level, während Schule G, welche aufgrund der Rasch-Skalierung nur Level 2 erreicht hat, bei keinem Item auf Level 3 eine Zustimmung über 50% erreicht. Betrachtet man die einzelnen Items über die gesamte Stichprobe hinweg, so fallen die Items zur Koordination zwischen den Jahrgansstufen sowie zur Selbst- und Fremdbeurteilung mit gesamthaft zustimmenden Wahrnehmungen der Lehrpersonen auf.
Level 4 – Integration Die vierte Niveaustufe der Lehrerkooperation zeichnet sich durch eine systematisch abgestimmte bereichsspezifische und bereichsübergreifende Kooperation unter den Lehrkräften aus. Im Unterrichtshandeln nehmen die Lehrkräfte aufeinander Bezug, indem sie Unterricht und Hausaufgaben wechselseitig absprechen und durch gegenseitige Hospitationen transparent machen. Das Kollegium wird als soziale Ressource genutzt, die organisatorische, personelle und unterrichtliche Aufgaben und Praktiken integriert und das professionelle Handeln der Lehrkräfte wechselseitig reguliert. Eine Lehrerkooperation, die die Anforderungen der Stufe der Integration erfüllt, findet sich nur sehr selten in einem der im Kanton Zürich betrachteten Kollegien. Die Kriterien für die integrierte Lehrerkooperation sind mit den Kriterien für professionelle Lerngemeinschaften von Seashore Louis & Leithwood (1998) vergleichbar. Dort bilden die gemeinsamen Werte und Normen, reflektierte Dialoge, eine Entprivatisierung des Unterrichts und umfassende Lehrerkooperation mit Fokus auf das Lernen der Schülerinnen und Schüler die Basis für die Verbesserung professionellen Handelns von Lehrkräften (Steinert et al. 2006: 196).
196
Eine der hier näher untersuchten Schulen im Kanton Zürich kooperiert auf dem Level 4 der „Integration“. Auf Level 4 (vgl. Tabelle 20) zeigen sich aufgrund der durchgeführten Faktorenanalyse über sämtliche 20 Items drei Faktoren. Tabelle 20: Prozentuale Zustimmung pro Schule zu den Items und deren Mittelwerte auf Level 4 Level 4 Wir erarbeiten gemeinsame Strategien zur Bewältigung beruflicher Probleme Für die Teamarbeit stehen Arbeitsräume mit einer ausreichenden Ausstattung zur Verfügung. Gegenseitige Unterrichtsbesuche sind ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit Die Absprache von Hausaufgaben ist ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit Unsere Zeitpläne außerhalb des Unterrichts sind für die Zusammenarbeit gut koordiniert.
A L4
B L3
C L3
D L3
E L3
F L2
18 3.33 0.77
43 2.12 0.73
34 2.50 0.86
51 2.33 0.84
92 2.61 0.77
48 2.25 0.70
G L2
H L1
I -
Total
32 2.34 0.87
432 2.41 0.81
Zustimmung [%] 83.33 27.91 42.86 41.18 55.91 30.00 18 43 35 48 87 48 N Mean 3.39 2.14 1.37 2.71 2.64 1.98 SD 0.98 1.01 0.69 0.94 0.94 0.96
36.99 34.78 46.88 72 43 32 1.76 2.26 2.66 0.91 1.03 1.07
42.63 426 2.27 1.06
Zustimmung [%] 77.78 34.88 11.43 62.75 49.46 26.00 17 43 35 51 92 48 N Mean 2.82 3.28 2.83 1.73 2.20 1.79 SD 0.88 0.80 0.82 0.72 0.67 0.77
20.55 36.96 53.13 72 46 32 1.83 1.78 2.78 0.65 0.73 1.01
39.23 436 2.22 0.91
Zustimmung [%] 61.11 79.07 68.57 15.69 29.03 16.00 18 43 33 47 87 49 N Mean 2.56 2.56 2.39 2.09 2.31 2.31 SD 0.92 1.10 1.06 0.90 0.89 0.96
13.70 13.04 62.50 71 40 32 1.94 1.55 2.19 0.86 0.60 0.93
33.56 420 2.18 0.95
Zustimmung [%] 50.00 55.81 42.86 25.49 38.71 40.00 N 18 43 35 48 87 49 Mean 2.28 2.28 1.69 1.60 1.85 1.71 SD 0.67 0.88 0.80 0.68 0.71 0.71
19.18 71 1.63 0.78
4.35 34.38 41 32 1.56 1.78 0.71 0.75
32.65 424 1.79 0.77
Zustimmung [%] 38.89 37.21 20.00
15.07 10.87 12.50
17.23
N Mean SD
9.80 17.20 10.00
72 2.32 0.78
44 2.27 0.69
Der erste Bereich auf Level 4, „Kommunikation, fachspezifische Zusammenarbeit und Problemlösestrategien“, lässt sich am ehesten als Anliegen der internen Personalentwicklung fassen, wenn gemeinsame Strategien zur Bewältigung von beruflichen Problemen erarbeitet und umgesetzt werden sollen. Dies ist ein hoher Anspruch, was sich auch im bescheidenen Wert an gesamthaft relativer Zustimmung von 42.63% zeigt. Schule A unterscheidet sich als einzige Schule nach berechneter Rang- und einfaktorieller Varianzanalyse auch signifikant (p < .01) von den Schulen F, B, G und D. Der Faktor "strukturelle Rahmenbedingungen" fokussiert auf Level 4 die räumlichen Ressourcen und die organisatorische Abstimmung, damit Teamarbeit auch wirklich unterstützt werden kann. Diese beiden Aspekte werden unterschiedlich bewertet. Der tiefste 197
Mittelwert überhaupt wird für das Item „Die Zeitpläne außerhalb des Unterrichts sind für die Zusammenarbeit gut koordiniert“ ausgegeben (M = 1.79, SD = 0.77, N = 424). Dort unterscheidet sich die Schule B (M = 2.28, SD = 0.88) nach vorgenommener Rangvarianzanalyse und einfaktorieller Varianzanalyse signifikant (p < .05) von den Schulen G und D. Bei den räumlichen Ressourcen erreicht Schule A mit 77.78% (M = 3.39, SD = 0.98) eine auffallend hohe Zustimmung. Schule D erreicht ebenfalls einen hohen Wert von 62.75% mit einem Mittelwert von 2.71 und scheint damit die räumlichen Voraussetzungen für die Teamarbeit nach Meinung der Lehrpersonen zur Verfügung zu haben, wenn auch andere Aspekte von Kooperation oft hinter dem Durchschnitt zurückbleiben (s.o.). Schule D unterschiedet sich im Mittelwert nach der durchgeführten Rangvarianz- und einfaktoriellen Varianzanalyse denn auch von den Schulen C und G (p < .001). Der dritte Faktor „Zusammenarbeit entlang gemeinsamer Themen, Evaluationsprozesse und Schulentwicklung“ zeigt mit dem Item „Gegenseitige Unterrichtsbesuche sind ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit“ auf, dass dies bei den Schulen C und B deutlich ein Bestandteil der Schulkultur ist. Beide erreichen eine relativ hohe Zustimmung (C: 68% und B: 79%). Bei Schule A scheint dieser Aspekt von Kooperation und gegenseitigem Austausch ebenfalls vorzukommen. Schule A unterscheidet sich auch signifikant von den Schulen F, G und D (p < .01; erhöhte Signifikanzschranke wegen Varianzheterogenität). Die Schulen C und B unterscheiden sich diesbezüglich ebenfalls signifikant (p < .001) von sämtlichen anderen Schulen außer Schule A. Level 4 stellt einen hohen Anspruch an ein Kollegium, was sich nicht zuletzt daran zeigt, dass die Zustimmungswerte aus der selbstreferenziellen Wahrnehmung der Lehrpersonen auf diesem Level im Durchschnitt nie im positiven Bereich zu liegen kommen. Der Anspruch für diesen Grad an Kooperation ist höher als auf Level 3.
9.2.3 Beantwortung der Fragestellung Wie in Kapitel 7.2 als Begründung für die Hypothese ausgeführt, ist zu erwarten, dass die Schulen unterschiedliche Grade von Kooperation erreichen. Zusammenfassend lässt sich über die Häufigkeit und Qualität, wie die jeweiligen Levels durch die einzelnen beteiligten Schulen erreicht wurden, sagen, dass über die Hälfte der Schulen aus der Stichprobe im Kanton Zürich auf den beiden höchsten Niveaustufen agieren. Sie betreiben somit umfangreiche Kooperation in verschiedenen Arbeitsbereichen, während von den restlichen drei Schulen deren zwei als koordinierte Schulen gelten und die letzte noch am Anfang kooperativer Bemühungen steht (Niveaustufe 1 bzw. Level der Differenzierung). Somit kann der Hypothese entsprochen werden, wonach sich die unterschiedlichen Levels von Kooperation in den einzelnen Schulen abbilden.
9.3 Ausgewählte Ergebnisse aus der Gesamtstichprobe Mit einer knappen Deskription der Gesamtstichprobe soll in diesem Kapitel 9.3 die Grundlage gelegt werden für die weiteren Analysen der im den nachfolgenden Kapitel 9.4 je einzeln betrachteten Gymnasien. Wie bereits an anderer Stelle ausgeführt, wurden die Lehrpersonen der einzelnen Schulen zu Aspekten des Schulgeschehens, des Unterrichts und des persönlichen Wohlbe198
findens befragt. Bevor die Werte der einzelnen Schulen im Vergleich zum ermittelten Wert sämtlicher Schulen und bezogen auf die Forschungsfragen besprochen werden, sollen hier in knapper Form einige bemerkenswerte Gesamtmittelwerte berichtet werden. Basis bildet die Übersicht in Tabelle 21, welche die Grundlage für die quantitativen Einzelfalldarstellungen darstellt. Bei den in der Regel vierstufigen Skalen wird die Grenze für eine Zustimmung beim Mittelwert M = 2.50 gesetzt und je der Prozentsatz der zustimmenden, bzw. derjenige der ablehnenden Teilnehmer/innen ermittelt. Bei einer fünfstufigen Skala liegt dieser Grenzwert entsprechend bei M = 3. Tabelle 21: Mittelwerte und Standardabweichungen der Gesamtstichprobe Skalen und Einzelitems
N
M
SD
434
3.27
0.55
439
2.86
0.53
Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (A-Werte 1-4)
433
3.15
0.52
360-Grad-Feedback (A-Werte 1-4)
417
2.37
0.68
SOLL - Programmatische Kooperation (A-Werte 1-4)
434
3.40
0.43
Selbst- und Fremdbeurteilung sollten für uns Bestandteil der Arbeit sein. (A-Werte 1-4)
434
3.16
0.80
Gegenseitige Unterrichtsbesuche sollten ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit sein. (A-Werte 1-4)
431
3.19
0.81
Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (B-Werte 1-5)
440
3.06
0.79
Kooperation bei Disziplinproblemen der Schüler (B-Werte 1-5)
437
3.48
0.90
Kooperation bei der Benotung (B-Werte 1-5)
437
2.92
0.79
431
3.01
0.46
Anregung (A-Werte 1-4)
438
3.23
0.56
Aggression und Vandalismus (D-Werte 1-4) --> Polung!
425
1.46
0.33
Wärme, Schulklima (E-Werte 1-5)
440
4.21
0.47
Schule (Meso-Ebene) Schulleitung Zielgerichtete Führung (A-Werte 1-4)
Lehrer/innenkollegium Kollektive Selbstwirksamkeit (A-Werte 1-4)
Innovationsklima / Evaluation / Qualitätsentwicklung
Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback
Leistungserwartung Erziehungsstil der Lehrkräfte: Fordern (A-Werte 1-4)
Schulklima
199
Skalen und Einzelitems
N
M
SD
Störungen im Unterricht (A-Werte 1-4) --> Polung!
434
2.09
0.64
Klassenklima LP-S (F-Werte 1-5)
444
4.12
0.46
Individualisierung (A-Werte 1-4)
437
2.38
0.60
Selbstkontrolle und Selfmonitoring (A-Werte 1-4)
434
2.45
0.59
Diagnostische Kompetenz (A-Werte 1-4)
441
3.12
0.44
Selbstaktivität im Unterricht (A-Werte 1-4)
439
3.12
0.49
Arbeitsreflexion (A-Werte 1-4)
436
1.86
0.53
Elaboration (A-Werte 1-4)
422
2.76
0.70
439
3.70
0.46
Belastung (A-Werte 1-4) --> Polung!
443
2.06
0.58
Der zeitliche Aufwand, den ich für Teamarbeit und Koordination (innerhalb und zwischen den Jahrgangsstufen) aufwenden muss, ist zu hoch. (A-Werte 1 - 4) --> Polung!
431
2.20
0.85
Arbeitsunzufriedenheit (A-Werte 1-4) --> Polung!
443
1.88
0.34
442
3.27
0.43
Externe Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4)
440
2.30
0.67
Interne Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4)
438
1.64
0.48
Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) Unterrichtsklima / Klassenmanagement
Unterrichtsgestaltung
Beurteilung und Benotung / Bezugsnormorientierung Individuelle Bezugsnormorientierung (A-Werte 1-4)
Person: Individuum (Intrapersonale Ebene) Belastung
Selbstwirksamkeit Lehrpersonen Lehrerselbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4)
Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen
Skalierung: A-Werte: 1=trifft gar nicht zu, 2=trifft eher nicht zu, 3=trifft teilweise zu, 4=trifft genau zu B-Werte: 1=gar nicht, 2=einmal im Jahr, 3=mehrmals im Halbjahr, 4=einmal monatlich, 5=einmal wöchentlich C-Werte: 5-stufiges Kontinuum; 1=stimmt nicht - 5=stimmt genau D-Werte: 1=sehr selten, 2=manchmal, 3=oft, 4=sehr oft E-Werte: 5-stufiges Kontinuum; Ausprägung zwischen zwei gegensätzlichen Aussagen (li/re): 1=negative Aussage (rechts) - 5=positive Aussage (links) F-Werte: 1=nie, 2=selten, 3=manchmal, 4=oft, 5=sehr oft G-Werte: 1=sehr klein, 2= eher klein, 3=eher groß, 4=sehr groß H-Werte: 1=absolut unwichtig, 2= eher unwichtig, 3=eher wichtig, 4=sehr wichtig I-Werte: 1=sehr selten, 2=manchmal, 3=oft, 4=sehr oft
200
Meso-Ebene der Schule Allgemein wird den Schulleitungen ein hohes Maß an Zielgerichtetheit attestiert (M = 3.27, SD = 0.55). Dies ist insofern bemerkenswert, als die Schulleitungen mit ihren aktuellen Funktionen zum Zeitpunkt der Erhebung erst wenige Jahre zuvor eingeführt worden waren. Weiter kann ein ebenfalls hoher Wert beim Innovationsklima hinsichtlich Einstellung zu Qualitätsentwicklung berichtet werden. Aufgrund der Auswertungen sind zwei Drittel der Befragten positiv gegenüber interner oder externer Evaluation, kollegialer Fallberatung oder gemeinsamer Reflexion des Veränderungsprozesses eingestellt. Rund ein Viertel der Lehrpersonen sind gegenüber diesen Qualitätssicherungsmaßnahmen sogar sehr positiv eingestellt. Eher tief liegen dagegen die Werte für Feedback: Der Mittelwert von M = 2.37 bedeutet, dass mehr als 51% der Befragten sagen, es treffe eher oder gar nicht zu, dass ein umfassender Einbezug aller beteiligten Akteure in die Feedbackkultur ihrer Schule Realität sei. Bezüglich des Themas Arbeitsorganisation fallen die relativen hohen Werte für SOLLProgrammatische Kooperation (M = 3.40, SD = 0.43) und Kooperation bei Disziplinproblemen (M = 3.48, SD = 0.90) auf, während die Kooperation bei der Benotung (M = 2.92, SD = 0.79) tiefer liegt. Offensichtlich wird die Notwendigkeit von Kooperation erkannt und bezogen auf die erzieherisch-disziplinarische Komponente von Schule auch realisiert, während die Zurückhaltung bei der gemeinsamen Schülerbeurteilung auch mit dem Fachschaftsprinzip zusammenhängen könnte. Eine ebenfalls hohe Zustimmung erreicht das Thema Schulklima (fünfstufige Skala, M = 4.21, SD = 0.47). Über 80% der Befragten sind der Meinung, an ihrer Schule herrsche zumindest teilweise ein anregendes Klima mit Kultur- und Freizeitangeboten.
Mikro-Ebene des Unterrichts Das Klassenklima als bedeutsame Voraussetzung für gelingendes Lernen thematisiert die Bereitschaft, die Meinungen der Schülerinnen und Schüler einzubeziehen. Auf der fünfstufigen Skala zu diesem Aspekt wird im Schnitt ein recht hoher Wert von M = 4.12 (SD = 0.46) erreicht. Dagegen springen insbesondere die relativ tiefen Werte zu Individualisierung (M = 2.38, SD = 0.60) und Arbeitsreflexion (M = 1.86, SD = 0.53) ins Auge. Gerade Letzteres stimmt insofern nachdenklich, als damit offensichtlich ein zentrales Desiderat höherer Bildung – die Fähigkeit, über das eigene Tun kritisch reflektieren zu können – in der Unterrichtswirklichkeit einen relativ bescheidenen Platz einzunehmen scheint. Dagegen ermöglichen mehr als 86% der Lehrpersonen den Lernenden Selbstaktivität (M = 3.12, SD = 0.49; Beispielitem: „Meine Schülerinnen und Schüler können im Unterricht meist selbst aktiv mitarbeiten“). Über 90% sind auch der Ansicht, dass sie das Leistungsvermögen der Schülerinnen und Schüler einschätzen können oder merken, wenn jemand dem Unterricht nicht folgen kann (Diagnostische Kompetenz; M = 3.12, SD = 0.44). Dagegen scheinen nur 40% der Lehrkräfte nach eigenen Aussagen im Unterricht Wert auf Individualisierung zu legen (M = 2.38; SD = 0.6; Beispielitem: „Ich gebe meinen Schülerinnen und Schülern oftmals je nach Leistung unterschiedlich schwierige Hausaufgaben“).
201
Intrapersonale Ebene: Individuum Positiv zeigt sich der relativ hohe Wert für die persönliche Selbstwirksamkeit (M = 3.27, SD = 0.43). Dies bedeutet, dass rund 94% der Befragten zumindest teilweise der Ansicht sind, auch mit herausfordernden und problematischen Situationen zurechtzukommen (M = 2.06, SD = 0.58). Belastung wird zum einen über eine Skala ermittelt, die nach der Arbeitsüberforderung fragt (Beispielitem: „In meinem Beruf wird man ständig überfordert“). Der erreichte Wert von M = 2.06 bedeutet, dass sich die befragten Lehrerinnen und Lehrer durch ihre berufliche Tätigkeit eher nicht überfordert fühlen. Allerdings zeigt die differenzierte Analyse zum andern auch, dass 20% der Lehrpersonen eine teilweise Überlastung berichten. Die Arbeitsunzufriedenheit als weiterer Aspekt des Themas Belastung ist tief: Nur 3% der Befragten geben an, mit ihrer Arbeit teilweise unzufrieden zu sein (M = 1.88, SD = 0.34).
9.4 Einzelfallanalysen von fünf ausgewählten Gymnasien des Kantons Zürich Die zusätzlich qualitativ untersuchten Gymnasien werden nachfolgend anhand sämtlicher erhobener Datenquellen als Einzelfälle dargestellt. Dabei wird nach folgendem Modus vorgegangen: Zuerst erfolgt eine Beschreibung der kontextuellen Bedingungen für die jeweilige Schule. Danach wird auf Grund der quantitativen Daten ein Profil zu den entsprechenden Qualitätsaspekten von Schule, Unterricht und Individuum erstellt, welches die Beantwortung der diesbezüglichen Fragestellungen erlaubt. Um die umfangreiche Darstellung nicht weiter zu verlängern, wurde auf eine nochmalige Formulierung der Hypothesen verzichtet. Hier sei auf Kapitel 7.2 verwiesen, wo sämtliche Hypothesen samt Begründungen aufgeführt werden. In einem weiteren Schritt wird eine Beschreibung der jeweiligen Schule anhand der qualitativen Daten vorgenommen, welche ebenfalls die entsprechenden Fragestellungen berücksichtigt. Als ergänzende Information und Vervollständigung der Einzelfalldarstellung dienen die Ergebnisse der Schülerdaten aus der „Evaluation Mittelschulen – überfachliche Kompetenzen“ welche im dieser Dissertation zu Grunde liegenden SNF-Projekt „Überfachliche Kompetenzen im Kontext Schule. Eine Analyse von Bedingungsfaktoren auf der Sekundarstufe II“ mitberücksichtig wurden. Durch die Parallelität der Untersuchungen und der verwendeten Instrumente ist es möglich, die Schüler/innendaten direkt auf die hier vorliegenden Schulen zu beziehen, ausgewählte Ergebnisse zu berichten und für den Vergleich der Schulen heranzuziehen. Wir beziehen uns dabei auf den Artikel von Maag Merki & Steinert (2006).
9.4.1 Schule A (Level 4: „Integration“) Mit dem eingesetzten Instrument zur Erfassung von Kooperation unter Lehrpersonen konnte die Schule A das Niveau 4 („Integration“) ermittelt werden. Im Folgenden soll dieses Ergebnis anhand unterschiedlicher Datenquellen als Einzelfall dargestellt werden. Es folgt 202
eine ausführliche Beschreibung entlang der weiter oben (Kp. 7) ausgeführten Fragestellungen.
Kontextuelle Bedingungen der Schule A (Level der Integration) Schule A repräsentiert eine jener Institutionen, welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden und von ihren Gründern als Reaktion auf einen aus ihrer Sicht allzu forschen Säkularisierungsprozess verstanden worden sind. Damit reagierten protestantischkirchliche Kreise auf den Verlust an Einfluss, welcher sich im Zuge des Aufbaus eines liberal geprägten Bildungswesens einstellte. Als staatlich anerkannte Privatschule ist Schule A seit ihrer Gründung gemeinnützig ausgerichtet. Sie erhält keine staatlichen Subventionen und ist daher auf eine aktive Trägerschaft und Gönner angewiesen. Neben einem Gymnasium mit weniger als 200 Schüler/innen umfasst die Schule auch ein Institut zur Aus- und Weiterbildung von Lehrpersonen.
Profil der Schule A anhand quantitativer Daten Nachfolgend werden die quantitativen Auswertungen für die unterschiedlichen Aspekte von Schulqualität aufgeführt. Dabei leiten uns folgende Fragestellungen: • Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Qualitätsaspekte von Schule wie das Schulleitungshandeln, kollektive Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen, die Innovationsbereitschaft des Teams, die Organisation der Arbeit, Leistungserwartung und das Schulklima ein? • Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Aspekte der Qualität von Unterricht und des Unterrichtsklimas ein? • Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule ihre individuelle Selbstwirksamkeit, ihre Belastung und Arbeitszufriedenheit ein und welche Einstellungen zu Unterrichtsstörungen bestehen? Mit den Tabellen als Strukturierungshilfe soll in einem ersten Schritt den bedeutsamen Themen auf Ebene der Einzelschule nachgegangen werden. Dabei werden diejenigen Punkte ausgeführt, in denen sich die Schule einerseits signifikant und/oder mit einem bedeutsamen Effekt vom Gesamtmittelwert unterscheidet (vgl. Tabelle 22 bis Tabelle 24) und andererseits deutlich über oder unter dem liegt, was erwartbar wäre. Die schwarzen Balken in den Abbildungen (vgl. Abbildung 14 bis Abbildung 16) veranschaulichen jeweils das Ausmaß, mit dem der Wert der standardisierten Residuen vom erwartbaren Wert einer für die Stichprobe fiktiven Durchschnittsschule abweicht (vgl. Kapitel 8).
Schule (Meso-Ebene) Mit Blick auf die Mittelwerte (vgl. Tabelle 22) zeigt sich insbesondere bezüglich Schulleitungshandeln, dass die Lehrpersonen des Gymnasiums A ihre Schulleitung als bedeutsam zielgerichteter wahrnehmen, als dies die Lehrpersonen der Gesamtstichprobe bei ihren 203
Schulleitungen tun (M = 3.79, SD = 0.23). Hier zeigt sich ein beachtlicher Effekt, weil die Schulleitung z.B. auf die pädagogischen Ziele der Schule verweist, wenn Entscheidungen über das Curriculum getroffen werden müssen oder deutlich herausstellt, was erreicht werden soll. Die Lehrpersonen des Gymnasiums A erleben sich im Vergleich zur Gesamtstichprobe in beachtlich stärkerem Masse als selbstwirksames Kollegium als der Durchschnitt in der Stichprobe (M=3.32, SD = 0,43). Tabelle 22: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule A auf der Meso-Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium A Schule (Meso-Ebene) Schulleitung Zielgerichtete Führung (A-Werte 1 - 4) Lehrer/innenkollegium Kollektive Selbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4) Innovationsklima / Evaluation / Qualitätsentwicklung Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (A-Werte 1 - 4) 360-Grad-Feedback (A-Werte 1 - 4) O rganisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback SOLL - Programmatische Kooperation (A-Werte 1 - 4) Selbst- und Fremdbeurteilung sollten für uns Bestandteil der Arbeit sein. (A-Werte 1 - 4) Gegenseitige Unterrichtsbesuche sollten ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit sein. (A-Werte 1 4) Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei Disziplinproblemen der Schüler (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei der Benotung (B-Werte 1 - 5) Leistungserwartung Erziehungsstil der Lehrkräfte: Fordern (A-Werte 1 - 4) Schulklim a Anregung (A-Werte 1 - 4) Aggression und Vandalismus (D-Werte 1 - 4) --> Polung! Wärme, Schulklima (E-Werte 1 - 5)
Gesamtstichprobe Gymnasium A Differenz PEB-ZH PEB-ZH zu Schule N M SD N1 M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt 434
3.27
0.55
17 3.79 0.23
0.53 *** ¨
0.97
439
2.86
0.53
18 3.32 0.43
0.45 *** ¨
0.87
433 417
3.15 2.37
0.52 0.68
18 3.63 0.37 17 3.07 0.84
0.48 *** ¨ 0.70 *** ¨
0.95 1.02
434 434 431
3.40 3.16 3.19
0.43 0.80 0.81
18 3.66 0.42 18 3.67 0.49 17 3.41 0.51
0.26 ** ¨ 0.51 ** ¨ 0.22 ¨
0.59 0.64 0.28
440 437 437
3.06 3.48 2.92
0.79 0.90 0.79
18 3.26 0.60 18 3.68 0.71 18 2.99 0.55
0.20 0.20 0.07
¨ ¨
0.26 0.22 0.09
431
3.01
0.46
18 3.13 0.38
0.12
¨
0.25
438 425 440
3.23 1.46 4.21
0.56 0.33 0.47
18 3.19 0.44 17 1.25 0.26 18 4.57 0.34
-0.04 -0.20 *** ¨ 0.36 *** ¨
-0.07 -0.63 0.77
Bemerkung zur Tab.: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau , ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen 1988) Skalierung: Schule (Meso-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu B-Werte: 1 = gar nicht, 2 = einmal im Jahr, 3 = mehrmals im Halbjahr, 4 = einmal monatlich, 5 = einmal wöchentlich C-Werte: 5-stufiges Kontinuum; 1 = stimmt nicht – 5 = stimmt genau D-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft E-Werte: 5-stufiges Kontinuum; Ausprägung zwischen zwei gegensätzlichen Aussagen (li/re): 1 = negative Aussage (rechts) – 5 = positiv Aussage (links)
Gegenüber Qualitätsentwicklung sind die Lehrpersonen dieser Schule bedeutsam positiver eingestellt, als dies in der Gesamtstichprobe der Fall ist. Die Lehrpersonen geben in höherem Masse an, interne und externe Evaluation zu begrüßen und kollegiale Beratung als nützliches Instrument der eigenen Arbeit zu sehen. Besonders zu erwähnen ist, dass die Lehrpersonen in einem überdurchschnittlichen Ausmaß der Ansicht sind, dass Rückmeldungen verschiedener Beteiligter eingeholt werden sollen. Der Mittelwert (M = 3.07, SD = 0.84) liegt hier im Gegensatz zum Gesamtmittelwert klar im zustimmenden Bereich (M > 2.5 bei einer Skalierung von 1 bis 4). In praktisch allen Bereichen zur Organisation der Arbeit kommunizieren die Lehrpersonen in überdurchschnittlichem Maß ihre positive Einstellung gegenüber gemeinsamen Zielformulierungen und dem Umsetzen von Kooperation. So sind die Lehrpersonen des Gymnasiums A gegenüber der Selbst- und Fremdbeurteilung als Ziel deutlich positiver eingestellt (M = 3.67, SD = 0.49) als ihre Kolleg/innen in der Gesamtstichprobe. Wenn es 204
um die beabsichtigte Umsetzung in Form von gegenseitigen Schulbesuchen geht, dann zeigt sich ebenfalls ein beachtlicher Unterschied zum kantonalen Durchschnitt, da kollegiale Hospitationen an Schule A häufiger zu erfolgen scheinen. Konkrete Formen von Austausch über Erfahrungen und Kooperation bei Disziplinproblemen werden bedeutsam stärker erwähnt als in der Gesamtstichprobe. An diesem Gymnasium erwarten die Lehrpersonen von den Schüler/innen in leicht höherem Masse (M = 3.13, SD = 0.38) Leistung und Einsatz, als dies in der Gesamtstichprobe der Fall ist. Deutlich geringer (M = 1.25, SD = 0.26) als im Gesamtdurchschnitt wird am Gymnasium A Vandalismus wie auch Aggression wahrgenommen. Es zeigt sich zudem ein beachtlicher Effekt beim Schulklima, das als deutlich wärmer eingeschätzt wird als im Durchschnitt. Wird das Profil des Gymnasiums A betrachtet (vgl. Abbildung 14), so fällt bei den Indikatoren auf der Meso-Ebene auf, dass die Level-4-Schule A eine zumeist positivere Beurteilung als der Durchschnitt aller Schulen aufweist. Bezüglich der Werte, welche von Schule A erwartbar wären, zeigt sich auf der Meso-Ebene (vgl. Abbildung 14) folgendes Bild. Schulleitung: Die Schulleitung wird an der Level-4-Schule A als zielgerichteter wahrgenommen, als erwartbar wäre. Lehrer/innenkollegium: Das Vertrauen in die Wirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen, bei der Pflege von Kooperation sowie dem professionellen Umgang mit schwierigen Situationen liegt über dem Erwartbaren (‚Kollektive Selbstwirksamkeit’).
Schule A: Kooperations-Level 4 "Integration"
Zielgerichtete Führung (*** / E = 0.97 ) Kollektive Selbstwirksamkeit (*** / E = 0.87) Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (*** / E = 0.95) 360-Grad-Feedback (*** / E = 1.02) SOLL-Programmatische Kooperation ( **/ E = 0.59)
Skalen
Selbst-Fremdbeurteilung (SOLL - Einzelitem) ( **/ E = 0.64) Gegenseitige Unterrichtsbesuche (SOLL - Einzelitem) (n.s. / E = 0.28) Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (n.s. / E = 0.26) Kooperation Disziplin ( n.s. / E = 0.22 ) Kooperation Beurteilung Noten (n.s. / kE ) Fordern, Leistungserwartung (n.s. / E = 0.25) Anregung (n.s. / E = kE) Aggression Vandalismus ( ***/ E = -0.63) -> neg. Polung! Wärme (*** / E = 0.77 ) -0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
standardisierte Residuen
Abbildung 14: Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A auf der MesoEbene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. 205
Innovationsklima/Evaluation/Qualitätsentwicklung: Es herrscht eine positivere Einstellung gegenüber Qualitätssicherung und es wird häufiger Feedback von verschiedenen Akteursgruppen einbezogen, als erwartbar wäre. Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback: Auch bei der Beschreibung der Zielvorstellungen nimmt die Level-4-Schule A den Bedarf an gemeinsamer Planung von Zielen und Strategien zur Aufgabenbewältigung (‚SOLL-Programmatische Kooperation’) deutlich über der durchschnittlichen Erwartung wahr. Auch die Selbst- und Fremdbeurteilung sind in beachtlich stärkerem Maß Absicht für die eigene Arbeit, als dies von Schule A erwartet werden könnte. Koordination und Absprachen bezüglich des Unterrichts werden an dieser Schule in erwartungswidrig stärkerem Masse als realisiert wahrgenommen. Leistungserwartung: An der Level-4-Schule wird in deutlich höherem Ausmaß Leistung von den Schüler/innen erwartet (‚Fordern, Leistungserwartung’), als zu erwarten wäre. Schulklima: Die beiden Skalen zum Thema ‚Anregung’ sowie ‚Wärme’ erfragen das Vorhandensein von kulturellen Aktivitäten und einem Freizeitangebot für die Schüler/innen sowie die Stimmung und die Beziehungsqualität an der Schule. In der integrativen Level-4Schule A wird über ein wärmeres Verhältnis zwischen den Lehrpersonen untereinander wie auch zwischen den Lehrpersonen und den Schüler/innen sowie eine positivere Stimmung an der Schule berichtet. Zu erwähnen ist der unterdurchschnittliche Wert bei der Skala ‚Anregung’. Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass die Lehrpersonen der Level-4-Schule A in den meisten Fällen mit Ausnahme von ‚Kooperation Beurteilung Noten’ und ‚Anregung’ mit ihren Wahrnehmungen zu Aspekten von Schulqualität auf der Meso-Ebene über den Durchschnittswerten sämtlicher Schulen und tendenziell über der Erwartungswerten ihrer eigener Schule bleiben.
Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) Ein Blick auf die Mittelwerte der Schule A (vgl. Tabelle 23) zeigt, dass Störungen im Unterricht eher nicht zutreffen (M = 1.73, SD = 0.60) und die Lehrpersonen das Klassenklima beinahe einheitlich als gut einschätzen (M = 4.17, SD = 0.05). Der Wert zu den wahrgenommenen Störungen im Unterricht unterscheidet sich signifikant vom Mittelwert der Stichprobe. Bei den Werten zu Aspekten der Unterrichtsgestaltung sind nur eine Betonung der Selbstaktivität der Schüler/innen im Unterricht sowie der diagnostischen Kompetenz im eher zustimmenden Bereich. Arbeitsreflexion im Sinne der schriftlichen und mündlichen Rückschau auf eigene Lernprozesse scheinen sowohl an dieser Schule wie auch in der Gesamtstichprobe ein selten praktiziertes Element im Unterricht zu sein (M = 1.87, SD = 0.66). Individuelle Bezugsnormorientierung, in deren Rahmen Schüler/innen an ihren persönlichen Lernfortschritten beurteilt werden, findet eine hohe Zustimmung (M = 3.72, SD = 0.43).
206
Tabelle 23: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule A auf der Mikro-Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium A Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene)
Gesamtstichprobe PEB-ZH
Unterrichtsklima / Klassenmanagement Störungen im Unterricht (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Klassenklima LP-S (F-Werte 1 - 5) Unterrichtsgestaltung Individualisierung (A-Werte 1 - 4) Selbstkontrolle und Selfmonitoring (A-Werte 1 - 4) Diagnostische Kompetenz (A-Werte 1 - 4) Selbstaktivität im Unterricht (A-Werte 1 - 4) Arbeitsreflexion (A-Werte 1 - 4) Elaboration (A-Werte 1 - 4) Beurteilung und Benotung / Bezugsnorm orientierung Individuelle Bezugsnormorientierung (A-Werte 1 - 4)
Gymnasium A N1
Differenz PEB-ZH zu Schule
M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt
N
M
SD
434 444
2.09 4.12
0.64 0.46
18 1.73 0.60 18 4.17 0.39
-0.36 * 0.05
¨
-0.57 0.12
437 434 441 439 436 422
2.38 2.45 3.12 3.12 1.86 2.76
0.60 0.59 0.44 0.49 0.53 0.70
18 18 18 18 18 17
0.78 0.61 0.42 0.37 0.66 0.66
0.20 -0.03 -0.03 0.04 0.01 -0.06
¨
0.32 -0.06 -0.07 0.09 0.01 -0.09
439
3.70
0.46
18 3.72 0.43
0.02
2.58 2.42 3.09 3.16 1.87 2.69
0.04
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau , ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen 1988) Skalierung: Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu F-Werte: 1 = nie, 2 = selten, 3 = manchmal, 4 = oft, 5 = sehr oft
Bezüglich der Werte, welche von Schule A erwartbar wären, zeigt sich auf der MikroEbene (vgl. Abbildung 15) ein uneinheitliches Bild.
Schule A: Kooperations-Level 4 "Integration"
Störungen im Unterricht (* / E = -0.57 ) -> neg. Polung! Klassenklima (n.s. / kE) Individualisierung (n.s. / E = 0.32)
Skalen
Selbstkontrolle Selfmonitoring (n.s. / kE) Diagnostische Kompetenz (n.s. / kE) Selbstaktivität (n.s. / kE) Arbeitsreflexion (n.s. / kE) Elaboration (n.s. / kE) Individuelle Bezugsnormorientierung (n.s. / kE)
-0.6
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
standardisierte Residuen
Abbildung 15: Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A auf der MikroEbene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt. Unterrichtsklima/Klassenmanagement: Ein deutlicher Unterschied zugunsten des Gymnasiums A liegt beim Aspekt „Störungen im Unterricht“. Die Kolleg/innen in dieser Schule sind bedeutend weniger als zu erwarten wäre der Ansicht, dass der Ablauf einer Lektion 207
durch Störungen unterbrochen wird. Beim ‚Klassenklima’ liegt die Level-4-Schule A im Erwartbaren, so dass aus Sicht der Lehrpersonen und mit Blick auf den Mittelwert (M = 4.17, SD = 0.39) insgesamt eher von einem als gut wahrgenommenen Klassenklima gesprochen werden kann. Unterrichtsgestaltung: Das geschätzte Ausmaß an ‚Individualisierung’ des Unterrichts am Gymnasium A liegt mit einem mittleren Effekt über dem Gesamtdurchschnitt. Dies bedeutet, dass die Lehrpersonen häufiger als zu erwarten wäre angeben, dass sie ihren Schüler/innen je nach Leistung unterschiedlich schwierige Hausaufgaben oder den schnellen Schüler/innen Extraaufgaben geben, durch die sie wirklich gefordert werden. Hinsichtlich der Realisierung von selbstaktivierenden Unterrichtsmethoden zeigt sich, dass das Resultat der Level-4-Schule A im Erwartungsbereich liegt. Bezugsnormorientierung: Hier liegen die Werte der Schule A im erwartbaren Bereich.
Individuum: Lehrperson (Personale Ebene) Auf der personalen Ebene geht es um das subjektive Wohlbefinden der befragten Lehrpersonen. Die Tabelle 24 zeigt die Mittelwerte des Gymnasiums A in Bezug zum Mittelwert der Gesamtstichprobe. Auffallend sind dabei die eher tiefen Werte hinsichtlich Belastungs- und Arbeitsunzufriedenheit sowie eine Auffassung, dass der Zeitaufwand eher nicht zu groß ist für Teamarbeit und Koordination (M = 1.82, SD = 0.27). Tabelle 24: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule A auf der Personalen Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium A Person: Individuum Personale Ebene) Belastung Belastung (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Der zeitliche Aufwand, den ich für Teamarbeit und Koordination (innerhalb und zwischen den Jahrgangsstufen) aufwenden muss, ist zu hoch. (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Arbeitsunzufriedenheit (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Selbstwirksam keit Lehrpersonen Lehrerselbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4) Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen Externe Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4)
Gesamtstichprobe PEB-ZH
Gymnasium A N1
Differenz PEB-ZH zu Schule
M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt
N
M
SD
443 431
2.06 2.20
0.58 0.85
18 2.05 0.50 18 2.22 0.73
-0.02 0.02
443
1.88
0.34
18 1.82 0.27
-0.06
¨
-0.18
442
3.27
0.43
18 3.34 0.46
0.07
¨
0.17
440 438
2.30 1.64
0.67 0.48
18 2.18 0.54 18 1.78 0.40
-0.12 0.14
¨ ¨
-0.17 0.29
-0.03 0.02
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Person: Individuum (Intrapersonale Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu G-Werte: 1 = sehr klein, 2 = eher klein, 3 = eher groß, 4 = sehr groß H-Werte: 1 = absolut unwichtig, 2 = eher unwichtig, 3 = eher wichtig, 4 = sehr wichtig I-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft
Die Lehrpersonen schätzen ihr eigenes Handeln als selbstwirksam ein und Störungen des Unterrichts werden in geringerem Masse extern oder intern attribuiert (vgl. Tabelle 24). Bezüglich der Erwartungswerte (vgl. Abbildung 16) zeigt sich die Schule A uneinheitlich: Belastung: Die Lehrpersonen der Schule A schätzen ihre berufliche Tätigkeit als durchschnittlich belastend ein (‚Arbeitsüberforderung’). Allerdings fühlen sie sich weniger unzu208
frieden (‚Arbeitsunzufriedenheit’) als erwartbar wäre, und geben in durchschnittlichen Masse an, dass der ‚Zeitaufwand für Kooperation’ an ihrer Schule zu groß sei. Schule A: Kooperations-Level 4 "Integration"
Arbeitsüberforderung (n.s. / kE) -> neg. Polung!
Skalen
Zeitaufwand für Kooperation zu gross (Einzelitem) (n.s. / kE) -> neg. Polung! Arbeitsunzufriedenheit (n.s. / E = -0.18) -> neg. Polung! Lehrpersonen Selbstwirksamkeit (n.s. / E = 0.17) Externe Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / E = -0.17) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / E = 0.29) -0.2
-0.1
0.0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
standardisierte Residuen
Abbildung 16: Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen: Die persönliche Selbstwirksamkeit in Bezug auf das eigene Unterrichten und den Umgang mit schwierigen Situationen liegt leicht über der durchschnittlichen Wahrnehmung in allen beteiligten Schulen. Die Lehrpersonen dieser Schule sind damit etwas stärker davon überzeugt, schwierige Situationen im Berufsalltag gut meistern zu können. Dies zeigt sich in einem erwartungsgemäßen Wert bezüglich ‚Lehrpersonen-Selbstwirksamkeit’ bei der der Level-4-Schule A. Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen: Wenn etwas im eigenen Unterricht einmal nicht so läuft wie geplant, dann suchen die Lehrpersonen des Gymnasiums A die Ursache etwas weniger häufig bei den Schüler/innen (‚externe Attribuierung’), als dies zu erwarten wäre. Umgekehrt geben die Lehrpersonen dieser Schule in bedeutsamem Maß stärker als ihre Kolleg/innen aus den übrigen Schulen an, die möglichen Ursachen bei der eigenen Vorbereitung und Umsetzung im Unterricht zu suchen (‚interne Attribuierung’). Diese Befunde verweisen darauf, dass ein höherer Level an Kooperation nicht zu einem höheren Ausmaß an wahrgenommener Belastung führen muss, sondern, wie im vorliegenden Fall, mit einer höheren Zufriedenheit und einer günstigeren Selbstwirksamkeit zusammenfallen kann.
Beschreibung der Schule A anhand qualitativer Daten Aus den Interviews werden im Folgenden die einzelnen Auswertungen der Schule A auf Level 4 entlang der Aspekte zu Kooperation, Belastung und Qualitätsmanagement ausgeführt. In Entsprechung zum Untersuchungsgegenstand wurde nach Stellenwert von Kooperation bei der Arbeit gefragt. Die diesbezügliche Fragestellung lautete: Welche Ziele werden von einer Schule mit Kooperation angestrebt? An Schule A wird der Förderung empathischer Ziele im Sinne sozialer Kompetenzen ein hohes Gewicht beigemessen. „Ja und dann ist es, dass soziale Kompetenz weit oben steht bei uns. Also die Förderung sozialer Kompetenz und das geht unter Kooperation. Kooperation ist omnipräsent an unserer Schule, gerade, weil diese Förderung von uns eben 209
so wichtig ist“ (L4 Schule A FG:152). Ebenso wird durch Kooperation auf die Erreichung von Unterrichtszielen und auf eine optimale Förderung der Schüler/innen Wert gelegt. „Es geht letztlich darum, dass wir eine optimale Förderung aller SchülerInnen erbringen wollen. Und diese Schülerinnen und Schüler werden in einer bestimmten Zeiteinheit von 10 bis 14 Lehrpersonen berieselt. Und da müssen sich die Lehrpersonen zusammenraufen, bzw. sich bewusst sein, was das heißt. (…) Und das geht nicht ohne Absprachen und gemeinsame pädagogische Vorstellungen“ (L4 Schule A SL: 84). Dabei geht es auch um das Nutzen von Synergien. Kooperation erscheint als konstitutives Element an dieser Schule und unterstützt die Schulentwicklung. „Unsere Kooperation ist immer eine interdisziplinäre, sie ist auf interdisziplinäre Fragestellungen, Inhalte, aber auch auf pädagogische, schulorganisatorische Fragen ausgerichtet und nur so können wir die Schule weiterentwickeln“ (L4 Schule A SL: 66). Wie häufig werden an einer Schule Formen der Kooperation gepflegt? Die Aussagen zeigen, dass Kooperation als häufige Arbeitsform in unterschiedlichen formellen und informellen Settings mit differenzierten Zielen wahrgenommen wird. „Also wir machen 3-4mal pro Jahr halb- bis anderthalbtägige Arbeitstagungen, die Weiterbildungs- und Arbeitscharakter haben mit sich ständig mischenden Arbeitsgruppen“ (L4 Schule A SL:66). Es besteht eine Tendenz zum Übermaß. „Es gibt keine Schule, wo man derart viele Konvente hat“ (L4 Schule A FG: 232). Weiter wurde nach den praktizierten Formen von Kooperation gefragt. Kooperation ist an Schule A in hohem Masse als selbstverständlich erscheinende Arbeitsform institutionalisiert und bezieht sich besonders auf organisationale Aspekte, wie etwa die Gestaltung spezieller schulischer Anlässe aber auch auf regelmäßige Konvente. „Wir haben so verbindliche Gefäße wie etwa Pausentreffen. Nach der Pause trifft sich das Plenum der ganzen Schule. Das ist eigentlich verbindlich, da müssen alle dort sein. Am Mittwochvormittag gibt es ein 20-Minuten-Gefäss und jetzt gerade sind wir gerade nicht in diesem Gefäß gewesen, dem Wochenschluss. Eigentlich Gefäße, die ganz verbindlich sind. Es sind alle dort“ (L4 Schule A FG: 227). Gleichermaßen wird pragmatisch kooperiert, etwa im Sinne von privaten Intervisionsgruppen und von institutionalisierten wöchentlichen Treffen. Kooperation in Bezug auf konkrete Unterrichtsplanung wird in geringerem Masse genannt und bezieht sich vor allem auf zahlreiche Projekte, pädagogisch-erzieherischen Austausch und die Abstimmung von unterrichtlichen Aktivitäten. „Wir haben ein Traktandum alle 14 Tage im Konvent: ‚SchülerInnen, die zur Sprache kommen sollen’. (…) ich denke, das hat ganz viel mit Qualität zu tun“ (L4 Schule A SL:66). Weiter wird genannt: „Es müsste jede Lehrperson und das haben wir ab 25-30% - mindestens ein Pult zur Mitbenutzung, ab 50% ein eigenes Pult, wo sie dran arbeiten kann“ (L4 Schule A SL:69). Welche Einstellungen bestehen zu Kooperation generell und zu bestimmten Formen der Kooperation im Speziellen? An dieser Schule wird Kooperation als institutionell bedingter, notwendiger und positiv bewerteter Aspekt professionellen Handelns gesehen, der zum Berufsauftrag einer Lehrperson gehört und – obwohl grundsätzlich freiwillig – mit der Gefahr eines Kohäsionsdrucks verbunden ist. „Ja, das [die Kooperation, Anmerk. d. Verf.] ist ein freiwilliges Zwangsvehikel an einer kleinen Schule. Man kommt gar nicht darum herum. Es gibt einfach Projekte, wo die Notwendigkeit von enger Zusammenarbeit derart notwendig ist, dass man sich dies gar nicht auslesen kann. Und das hat positive und negative Seiten“ (L4 Schule A FG: 147). Weiter wird genannt: „Also, wenn man eine Jahresarbeitszeit hätte, welche man arbeiten würde und nicht einfach einzelne Stunden, in denen man unterrichten muss, dann hätte man eine ganz andere Auffassung, was alles zum Amtsauftrag einer Mittelschullehrperson gehört. Ich glaube, dort krankt es einmal ganz grund210
sätzlich. Wenn ich das Gefühl habe: Ich gehe dann an die Arbeit, wenn ich die Türklinke des Unterrichtszimmers in die Hand nehme und ich habe dann gearbeitet, wenn ich sie wieder loslasse, dann ist grundsätzlich etwas krumm“ (L4 Schule A SL: 69). Die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen von Kooperation führt an Schule A zu folgenden Ergebnissen: Kooperation wird hiervor allem durch die Tatsache limitiert, dass die Lehrpersonen an verschiedenen Schulen unterrichten, dass die Räume für Büroarbeitsplätze fehlen, bestimmte Vorhaben unterschiedlichste Akteure in die Kooperation einbinden, die Schule zu groß sein kann und der Berufsauftrag nicht auf Kooperation angelegt ist. „Wenn ich es ganz radikal sage, dann ist es weder vom Amtsauftrag noch von den räumlichen und zeitlichen Strukturen her [gegeben, dass man, Anmerk. d. Verf.] die Voraussetzungen dazu [programmatische Kooperation, Anm. d. Verf.] hat in einer normalen Mittelschule“ (L4 Schule A SL: 69). Bezüglich Größe der Schule wird erwähnt: „Ich glaube, Schulen ab 400 werden bezüglich der Wirkung im Bereich der Bildungseffekte ... ineffizient, weil sie sich nur noch organisatorisch am Leben erhalten müssen und sie sich die organisatorischen Hürden selber vorgeben. Das sehen wir selber viel, wenn wir etwas machen. Da sagen die Kantonsschulen oft: ‚Das ist lässig, was ihr macht, das können wir nie. Das geht einfach nicht.’ Es würde in vielen Fällen vielleicht schon gehen, man müsste es ein bisschen anders machen. Aber ich glaube, es gibt tatsächlich eine obere Grenze und da behindert dann die Struktur den Grundauftrag“ (L4 Schule A SL:104). In geringerem Masse werden Zeit- und Personalmangel als Grenzen für Kooperation genannt. Kooperation wird in Abhängigkeit vom persönlichen Willen dazu gesehen. Erschwerte Kommunikation setzt Kooperation Grenzen. Ein Verzicht auf Kooperation kann mit Gewissensbissen einhergehen. „Ja, da erwartet man einfach, dass man dabei ist. Man kann dann beinahe nicht mehr, wenn man an verschiedenen Schulen ist, da kann man Schwierigkeiten bekommen“ (L4 Schule A FG: 241). Der folgende Fragenkomplex ist dem Thema Belastung und ihrer Bewältigung gewidmet. Im Zentrum standen die folgenden beiden Fragestellungen: Wie äußert sich eine Schule zur beruflichen Belastung? Welche Formen der Bewältigung werden von einer Schule genannt Belastungsempfinden: Belastung ist ein permanentes und alle Beteiligten betreffendes Problem und entsteht vor allem dadurch, dass infolge fehlender Ressourcen keine Entschädigungen möglich sind und die Lehrpersonen auf allen Ebenen einen hohen Einsatz leisten müssen. „Was ein permanentes Problem ist, ist die Belastung der Leute. Unsere Ressourcen sind knapp (…)“ (L4 Schule A SL: 38). Der dadurch entstehende Teilnahmedruck wirkt sich wiederum belastend für die Einzelnen aus. „Also, sogar die freien Gefäße, welche man hat kantonal, werden bei uns durch Arbeitstagungen belegt. Dort meine ich, müsste man einmal sagen: Hört Leute, jetzt ist genug gearbeitet, jetzt habt ihr auch einmal frei. Das sind Sachen, welche für mich nicht ganz aufgehen. Das vermisse ich auch ein wenig“ (L4 Schule A FG: 299). Bewältigung von Belastung an der Schule: Obwohl Belastung unumgänglich erscheint und an dieser Schule hoch ist, kann sie durch Gelassenheit, durch Effizienzsteigerung, gegenseitige Hilfe, durch aktive Thematisierung in informellen Gesprächen und situationsbezogenen Interventionen reduziert werden. „Und auch dieser gemeinsame Austausch, was dann auch die Schüler nicht immer so lustig finden, weil sie merken, da wird über mich geschwatzt im Lehrerzimmer. Wir sind eine kleine Schule, das heißt: Drei Viertel der Lehrer weiß, wer gemeint ist, wenn man über ihn schwatzt. Und da haben wir glaube ich noch ein gutes Niveau. Es wird nicht einfach small-talkig oder abschätzig Luft abgelassen, son211
dern ernsthaft hingeschaut, was denn da abgeht. Und was kann ich da herauslesen und wo habe ich eventuell falsch reagiert bis hin, wo man es offiziell zum Gespräch macht im Konvent“ (L4 Schule A FG: 100). Weiter: „Wir sind ja so wenige. Ich glaube, wenn man diesbezüglich ein Problem hat, regelt man es bilateral mit dem SL. Ich glaube, dass ist ein Instrument, das sich sehr bewährt hat, wenn man einfach direkt das Gespräch sucht“ (L4 Schule A FG: 291). Weiter wurden die Bezüge zum Qualitätsmanagement der Schulentwicklung thematisiert. Dabei standen folgende Forschungsfragen im Zentrum: Welche konkreten QS-Prozesse und –maßnahmen werden von einer Schule genannt? Welche Folgen von Qualitätsmanagement werden von einer Schule genannt? Welche Einstellungen bestehen zu QM und Qualitätssicherung an den Schulen? Wie sieht die Akzeptanz von QS/QM aus? Institutionalisierungsgrad des Qualitätsmanagements (QM) an der Schule: Charakteristisch für die Institutionalisierung von Qualitätsmanagement ist die Regelung der Zusammenarbeit, welche sich sowohl in einer hohen Verbindlichkeit bezüglich Konferenzen und Weiterbildungen, dem Vertrauen gegenüber den Verantwortlichen, als auch in einem elaborierten Personalmanagement zeigt, welches für die individuelle und personale Förderung der einzelnen Lehrpersonen verschiedene und zum Teil maßgeschneiderte Maßnahmen vorsieht wie z.B. Weiterbildungs-, Unterstützungs- und Urlaubskonzepte, professionelle Lerngruppen, Intervision, Krisenintervention sowie Mitarbeiterbeurteilung und Standortgespräche. „Wir haben selbstverständlich ein ausgedehntes Kompetenzenmodell, das wir einerseits bei Anstellungen zur Anwendung bringen zusammen mit einem Unternehmensprofilpassungsmodell, mit dem wir schauen, sind das Personen, von denen wir meinen, sie bringen auf diesen Kompetenzbereichen das mit, was wir da haben möchten. Und sie passen in unser Profil, wie wir unsere Schule eigentlich weiter entwickeln möchten. Das ist für mich das A und das O“ (L4 Schule A SL: 27). Allerdings liegt die Verantwortung für Qualitätsmanagement bei einigen wenigen Lehrpersonen. „Ich habe das Gefühl, dass die Organisation an zwei, drei Personen ziemlich stark hängt. Also, es läuft gut. Ich habe das Gefühl, das hängt ein bisschen - wenn man dahinter schaut, hängt das an zwei drei Personen, die schon länger da sind und das schon länger machen und auch gut machen und ich habe manchmal das Gefühl, das müsste - und es ist ja jetzt auch am Laufen – (…) Aber, wenn ihr jetzt einfach weg genommen würdet, dann gäbe es im Bereich der Organisation schon ein Puff“ (L4 Schule A FG: 352). Berichtete Folgen des QM: Die Einführung von Qualitätsmanagement hatte insofern positive Auswirkungen, als sie die Grundlage bildete für die (Weiter-) Entwicklung von hilfreichen Strukturen, wie Leitbild, bestimmten Checklisten oder Feedbackinstrumenten. Negative Folgen entstehen durch die Einführung leistungsabhängiger Besoldung und durch Belastung. „Obwohl, für mich ist es dann schlimm gewesen, als der Aushang gekommen ist, wo alles aufgelistet gewesen ist, was beinhaltet jetzt das Mitarbeiterbeurteilungsgespräch oder was muss man alles beachten. Das habe ich in schlechter Erinnerung, auch von meiner Vorgängerschule her, das ist mit schlechten Gefühlen verbunden“ (A4 FG: 128). Die Entwicklung und Erprobung von weiteren Qualitätsmaßnahmen muss aus diesem Grund zeitlich erstreckt werden. „Die (kritischen Momente, Anm. d. Verf.) sind aber nie im grundsätzlichen Bereich gelegen, sondern eher im Belastungsbereich. Und ich habe nie grundsätzlichen Widerstand gespürt, dass man jetzt - man hat dann z.B. Hospitationen, Tandems zu dritt kombiniert mit Schülerfeedbacks gemacht, die ich einfach verordne, oder. Und dann merkt, das kann man nicht in 10 Monaten abhaken, da muss ich jetzt einfach länger 212
Zeit geben…“ (A4 Schule SL: 56). Keinen Einfluss scheint die Einführung von Qualitätsmanagement auf die Entwicklung schulischer Projekte generell zu haben. Einstellungen zum QM an der Schule: Positiv eingeschätzt wird Qualitätsmanagement insgesamt, indem es als günstige Rahmenbedingung für professionelles Handeln gesehen wird. „Für mich gibt es wie so zwei Pole, so dass ich behaupten würde, eine Schule steht und fällt auf der einen Seite mit der Persönlichkeit der Lehrerin, dem Lehrer. Das kann man mit QS nicht wahnsinnig beeinflussen. Und auf der andern Seite gibt es auch veränderbare Faktoren wie eben gewisse technische didaktische Konzepte usw., wo eben QM eingreifen kann. Aber eine Schule bekommt dann ein Gesicht, und vielleicht ist das jetzt ein bisschen an denjenigen Schulen, wo wir alle sind, dass vielleicht Persönlichkeit personalpolitisch von der SL auch ein bisschen angeschaut wird. Und dann gibt sich eine Schule ein Gesicht und verändert sich auch ganz anders, als wenn das eine zufällige Zusammensetzung ist“ (L4 Schule A FG: 5). Weiter sind die gemachten QualitätsmanagementErfahrungen positiv. Damit dies möglich ist, muss Qualitätsmanagement von den Lehrpersonen und der Schule getragen werden und dem Schulprofil entsprechen. „Qualitätsmanagement, wenn man es nicht als ‚Geiermodell’ von oben versucht den Leuten aufzuoktroyieren, irgend theoriefremd und es dann nicht von den Leuten getragen wird, dann kann man ev. sagen das sei kein Qualitätsmanagement, Qualität heißt ja eigentlich: dafür sorgen, dass die Leute das richtige möglichst machen können, das muss sein“ (L4 Schule SL: 29). Skepsis herrscht in Bezug auf die Wirksamkeit von Qualitätsmanagement-Maßnahmen, weil Qualität von den betroffenen Lehrpersonen geschaffen und nicht über ein bürokratisches System eingeführt werden kann. Ebenso wurde die Perspektive der Lernenden zu Aspekten der Schul- und Unterrichtsqualität ermittelt. Verglichen mit der gesamten Stichprobe berichten die Schülerinnen und Schüler von Schule A deutlich häufiger einen unterstützenden, selbstaktivierenden Unterricht und ein positives Schul- und Klassenklima als die Schülerinnen und Schüler sämtlicher untersuchter Schulen (Werte zwischen 0.22 und 0.63). Die Effekte sind bis auf wenige Ausnahmen („Anregung“ 0.14, „Arbeitsreflexion“ 0.07) bedeutsam. Abweichend davon sind die Ergebnisse bei der Beurteilung der Beziehungen zwischen den Schüler/innen (0.47) und ihrer Mitsprachemöglichkeiten in der Schule (-0.33) deutlich unterdurchschnittlich. Über alle Dimensionen erreicht Schule A am häufigsten die höchsten Werte aller Schulen. Diese überdurchschnittlich hohen Werte sind insofern erwartungskonform, als sie insgesamt auch den Selbstwahrnehmungen der Lehrpersonen in diesen Dimensionen entsprechen (Maag Merki & Steinert: 114 ff.).
Zusammenfassende Darstellung Aufgrund der beantworteten Fragestellungen lassen sich für die integrative L-4-Schule A folgende tabellarisch (vgl. Tabelle 25) verdichteten Aussagen zu den quantitativen und daran anschließend berichteten qualitativen Daten (Tabelle 26) machen:
213
Tabelle 25: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule A auf Level 4 Fazit auf der Basis der Mittelwerte
bzw. auf Basis der standardisierten Residuals
An der Schule A auf Level 4 berichten die Lehrpersonen: Schulebene
eine positive Wahrnehmung ihrer Schulleitung hinsichtlich Zielgerichtetheit,
Überdurchschnittlich positive Wahrnehmung der Schulleitung
ein ausgeprägtes Vertrauen in die Selbstwirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen (‚kollektive Selbstwirksamkeit’),
Überdurchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
ein günstiges Innovationsklima, bestehend aus einer positiven ‚Einstellung gegenüber Qualitätsentwicklung’ sowie der Praxis von ‚360°-Feedback’, welches die Perspektiven von Schüler/innen, Eltern und Lehrpersonen einbezieht,
Überdurchschnittliche Innovationsbereitschaft
den ausgewiesenen Bedarf an gemeinsamer Planung von Zielen und Strategien zur Aufgabenbewältigung (‚SollProgrammatische Kooperation’) und den deutlichen eigenen Anspruch ‚Selbst- und Fremdbeurteilung’ sowie ‚gegenseitige Unterrichtsbesuche’ durchzuführen,
Überdurchschnittliche Werte hinsichtlich geplanter …
eine deutliche Umsetzung verschiedener konkreter Formen von Kooperation wie dem Austausch von unterrichtsbezogener Erfahrung, über Disziplin und über die Beurteilung von Schüler/innen,
… und effektiver Kooperation
eine hohe Leistungserwartung an die Schüler/innen,
Überdurchschnittliche tungserwartung
ein ausgesprochen warmes Verhältnis zwischen den Lehrpersonen untereinander wie auch zwischen den Lehrpersonen und den Schüler/innen. Zudem schätzen sie die Stimmung an der Schule positiv ein.
Überdurchschnittlich positives Schulklima, unterdurchschnittlicher Grad an wahrgenommener Aggression
Leis-
Unterrichtsebene
eine als gering wahrgenommene Störungsneigung im Unterricht,
Unterdurchschnittlich erlebte Störneigung in der Klasse
eine eher auf Individualisierung, Selbstaktivität und Elaboration ausgerichtete Unterrichtskultur mit Betonung der eigenen diagnostischen Kompetenz
Leicht überdurchschnittliche Beurteilung der ‚Individualisierung’
Durchschnittlich erlebte Belastung und überdurchschnittliche Zufriedenheit in der Arbeit
Personale Ebene
214
einen eher tiefen Belastungswert und eine geringe Unzufriedenheit in der Arbeit,
Fazit auf der Basis der Mittelwerte
bzw. auf Basis der standardisierten Residuals
eine günstige individuelle Selbstwirksamkeit
Überdurchschnittlich erlebte individuelle Selbstwirksamkeit
und eine selbstkritische Einstellung zu Ursachen von Unterrichtsstörungen.
Überdurchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion über eigenes Classroommanagement
Bei den qualitativen Ergebnissen zeigt sich folgendes Bild: Tabelle 26: Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule A auf Level 4 Schule A (Level 4: Integration) Kooperation an Schule A: Es werden sowohl empathische als auch unterrichtliche Ziele angestrebt. Als strategisches Ziel sind Nutzung von Synergien und Fokus auf Schulentwicklung wichtig. Häufige Arbeitsform sowohl institutionalisiert wie auch informell; mit Tendenz zum Übermaß. Kooperation bezieht sich auf die Organisation der Schule und den Unterricht: Beides steht im Fokus. Kooperation ist konstitutiv und institutionalisiert und gehört zum Programm. Es besteht zudem ein pragmatisches Verständnis, im Sinne von: „Es muss einem etwas bringen!“ Eine positive Einstellung zu Kooperation besteht: Man muss diese Einstellung auch mitbringen, um an Schule A zu unterrichten! Dabei ist auf die Gefahr von Kohäsionsdruck durch Institutionalisierung zu achten: Dies erzeugt ein schlechtes Gewissen, wenn man sich drückt. Konkrete (verteilte Pensen, fehlende Infrastruktur, auf Lektionen bezogener Berufsauftrag) und diffuse (erschwerte Kommunikation) Grenzen für Kooperation. Belastungserleben an Schule A: Belastung ist ein permanentes Problem aller Beteiligten. Fehlende Ressourcen verhindern eine Entschädigung und der erhöhte Teilnahmedruck belastet zusätzlich. Eine Palette an Bewältigungsformen liegt vor, um Belastung situationsspezifisch zu reduzieren. Die geringe Größe dieser Schule ist ein Unterstützungsfaktor. QM an Schule A: Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch eine geregelte Zusammenarbeit und ein umfassendes Personalmanagement. Das Wissen um Q-Prozesse ist jedoch an wenige Personen gebunden. Qualitätsmanagement ermöglicht Weiterentwicklung, was jedoch mit Belastung einhergeht. Von Lehrpersonen getragenes Qualitätsmanagement wird als Rahmenbedingung für professionelles Handeln gesehen. Qualität wird jedoch als an die Lehrerpersönlichkeit gebunden betrachtet.
215
Ohne hier dem detaillierten Fazit (vgl. 9.5.2) vorzugreifen, kann zusammenfassend festgehalten werden, dass an Schule A nicht nur geregelte Formen der Kooperation bestehen, sondern auch eine umfassende Koordination in Fach- und Sachthemen realisiert wird. Der so erzielte hohe Grad an Kooperation geht einher mit überdurchschnittlichen Werten in den erhobenen Aspekten von Schulqualität und tendenziell Belastungsreduzierenden Wahrnehmungen auf personaler Ebene. Diese Ergebnisse entsprechen auch der positiven Aufnahme, welche obligatorische Qualitätssicherungsmaßnahmen an dieser Schule erfahren.
9.4.2 Schule C (Level 3: „Interaktion“) Mit dem eingesetzten Instrument zur Erfassung von Kooperation unter Lehrpersonen konnte für die Schule C das Niveau 3 („Interaktion“) ermittelt werden. Im Folgenden soll dieses Ergebnis anhand unterschiedlicher Datenquellen als Einzelfall dargestellt werden. Es folgt eine ausführliche Beschreibung entlang der weiter oben (Kp. 7) ausgeführten Fragestellungen.
Kontextuelle Bedingungen der Schule C Schule C gehört zu jenen Gymnasien, welche in der zweiten Hälfte des zwanzigsten Jahrhundert außerhalb der beiden großen Städte Winterthur und Zürich entstanden sind. Gemeinsam mit anderen Schulen wurde sie im Zuge eines rasanten Bevölkerungswachstums und einer zunehmenden Bildungsbereitschaft als kleinere Filiale einer zu jenem Zeitpunkt bereits bestehenden, ebenfalls dezentralen Mittelschule gegründet. Aktuell ist sie in den bestehenden Räumlichkeiten eines Bildungszentrums eingemietet, mit der Option, in einigen Jahren ein eigenes Gebäude beziehen zu können. Obwohl mit wenigen hundert Schülern relativ klein, können die Absolvierenden zwischen fünf verschiedenen Maturitätsprofilen auswählen.
Profil der Schule C anhand quantitativer Daten Nachfolgend werden die quantitativen Auswertungen für die unterschiedlichen Aspekte von Schulqualität aufgeführt. Dabei leiten uns die folgenden Fragestellungen: • Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Qualitätsaspekte von Schule wie das Schulleitungshandeln, kollektive Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen, die Innovationsbereitschaft des Teams, die Organisation der Arbeit, Leistungserwartung und das Schulklima ein? • Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Aspekte der Qualität von Unterricht und des Unterrichtsklimas ein? • Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule ihre individuelle Selbstwirksamkeit, ihre Belastung und Arbeitszufriedenheit ein und welche Einstellungen zu Unterrichtsstörungen bestehen? Mit den Tabellen als Strukturierungshilfe soll in einem ersten Schritt den bemerkenswerten Themen auf Ebene der Einzelschule nachgegangen werden. Dabei werden vor allem dieje216
nigen Punkte ausgeführt, in denen sich die Schule einerseits signifikant und/oder mit einem bedeutsamen Effekt vom Gesamtmittelwert unterscheidet und andererseits deutlich über oder unter dem liegt, was erwartbar wäre (vgl.Tabelle 27 bis Tabelle 29). Die schwarzen Balken in den Abbildungen (vgl. Abbildung 17 bis Abbildung 19) veranschaulichen jeweils das Ausmaß, mit dem der Wert der standardisierten Residuen vom erwartbaren Wert einer für die Stichprobe fiktiven Durchschnittsschule abweicht (vgl. Kapitel 8.1.3.).
Schule (Meso-Ebene) Mit Blick auf die Mittelwerte (vgl. Tabelle 27) zeigt sich insbesondere bezüglich Schulleitungshandeln, dass die Lehrpersonen des Gymnasiums C ihre Schulleitung als zielgerichtet wahrnehmen (M = 3.3, SD = 0.54), ähnlich wie dies im Durchschnitt an allen Gymnasien der Stichprobe der Fall ist. Mit „Zielgerichtetheit“ ist zum Beispiel die Langfristigkeit und Transparenz von Zielen gemeint.
Tabelle 27: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule C auf der Meso-Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium C Schule (Meso-Ebene) Schulleitung Zielgerichtete Führung (A-Werte 1 - 4) Lehrer/innenkollegium Kollektive Selbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4) Innovationsklim a / Evaluation / Q ualitätsentwicklung Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (A-Werte 1 - 4) 360-Grad-Feedback (A-Werte 1 - 4) O rganisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback SOLL - Programmatische Kooperation (A-Werte 1 - 4) Selbst- und Fremdbeurteilung sollten für uns Bestandteil der Arbeit sein. (A-Werte 1 - 4) Gegenseitige Unterrichtsbesuche sollten ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit sein. (A-Werte - 4) Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei Disziplinproblemen der Schüler (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei der Benotung (B-Werte 1 - 5) Leistungserwartung Erziehungsstil der Lehrkräfte: Fordern (A-Werte 1 - 4) Schulklima Anregung (A-Werte 1 - 4) Aggression und Vandalismus (D-Werte 1 - 4) --> Polung! Wärme, Schulklima (E-Werte 1 - 5)
Gesamtstichprobe PEB-ZH
Gymnasium C
N
M
SD
434
3.27
0.55
N1
Differenz PEB-ZH zu Schule
M1 SD1 M1 - M sig. ¨
34 3.30 0.54
0.04
Effekt 0.07
439
2.86
0.53
35 3.11 0.42
0.25 **
¨
0.47
433 417
3.15 2.37
0.52 0.68
35 3.27 0.55 34 2.72 0.72
0.12 0.35 **
¨ ¨
0.23 0.51
434 434 431
3.40 3.16 3.19
0.43 0.80 0.81
34 3.51 0.36 34 3.50 0.71 34 3.35 0.60
0.12 0.34 ** 0.16
¨ ¨ ¨
0.27 0.43 0.20
440 437 437
3.06 3.48 2.92
0.79 0.90 0.79
35 3.14 0.83 34 3.62 0.82 34 3.10 0.97
0.09 0.14 0.18
¨ ¨
0.11 0.15 0.22
431
3.01
0.46
33 2.97 0.43
-0.04
-0.10
438 425 440
3.23 1.46 4.21
0.56 0.33 0.47
34 2.91 0.46 34 1.34 0.21 34 4.29 0.45
-0.32 *** ¨ -0.12 ¨ 0.08 ¨
-0.57 -0.37 0.17
Bemerkung zur Tabelle: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau , ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Schule (Meso-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu B-Werte: 1 = gar nicht, 2 = einmal im Jahr, 3 = mehrmals im Halbjahr, 4 = einmal monatlich, 5 = einmal wöchentlich C-Werte: 5-stufiges Kontinuum; 1 = stimmt nicht – 5 = stimmt genau D-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft E-Werte: 5-stufiges Kontinuum; Ausprägung zwischen zwei gegensätzlichen Aussagen (li/re): 1 = negative Aussage (rechts) – 5 = positive Aussage (links)
217
Die Lehrpersonen des Gymnasiums C auf Level 3 erleben sich in bedeutsam stärkerem Masse als wirksames Kollegium, das in der Lage ist, Kooperation zu pflegen und auch in schwierigen Situationen pädagogisch professionell zu agieren (M = 3.11, SD = 0.42). Gegenüber Qualitätsentwicklung sind die Lehrpersonen an Schule C positiv eingestellt. Die Lehrpersonen geben zudem in höherem Masse an, interne und externe Evaluation zu begrüßen und kollegiale Beratung als nützliches Instrument der eigenen Arbeit zu sehen. Besonders zu erwähnen ist die überdurchschnittliche Einholung von Rückmeldungen von verschiedenen Beteiligten. Der Mittelwert von M = 2.72 differenziert sehr signifikant und liegt hier im Gegensatz zum Gesamtmittelwert im zustimmenden Bereich (M > 2.5 bei einer Skalierung von 1 bis 4). In praktisch allen Bereichen kommunizieren die Lehrpersonen dieser Schule in einem überdurchschnittlichen Maß ihre positive Einstellung gegenüber gemeinsamen Zielformulierungen und dem Umsetzen von Kooperation in verschiedenen Bereichen. Diese Ergebnisse lassen auf eine überdurchschnittliche Organisation der Arbeit schließen. So sind die Lehrpersonen an der Level-3-Schule C gegenüber der Selbst- und Fremdbeurteilung als Ziel deutlich positiver eingestellt (M = 3.5, SD = 0.72) als ihre Kolleg/innen in der Gesamtstichprobe. Wenn es um die Bereitschaft zur Umsetzung gegenseitiger Schulbesuche geht, dann zeigt sich ebenfalls ein Effekt gegenüber dem kantonalen Durchschnitt. Konkrete Formen der Kooperation bei Disziplinproblemen (M = 3.62, SD = 0.82) und bei der Beurteilung von Schüler/innen (M = 3.1, SD = 0.97) werden bedeutsam stärker erwähnt als in der Gesamtstichprobe. An diesem Gymnasium erwarten die Lehrpersonen von den Schüler/innen in vergleichbarem Masse (M = 2.97, SD = 0.43) Leistung und Einsatz, wie dies in der Gesamtstichprobe der Fall ist. Deutlich weniger häufig als im Gesamtdurchschnitt geben die Lehrpersonen am Gymnasium C an, dass Wert auf die kulturelle und interessenspezifische Anregung neben der Schule gelegt wird (M = 2.91, SD = 0.46). Dazu gehören z.B. Freizeitangebote oder kulturelle Veranstaltungen, die zum Teil auch öffentlich sein können. Dafür zeigt sich ein leicht bedeutsamer Effekt beim Schulklima, das als etwas wärmer erlebt wird als im Gesamtdurchschnitt. Vandalismus und Aggression werden an dieser Schule weniger häufig wahrgenommen als im Schnitt der Gesamtstichprobe. Bezüglich der Werte, welche von Schule C erwartbar wären, zeigt sich auf der Meso-Ebene (vgl. Abbildung 17) ein tendenziell einheitliches Bild.
218
Schule C: Kooperations-Level 3 "Interaktion"
Zielgerichtete Führung (n.s. / kE) Kollektive Selbstwirksamkeit (** / E = 0.47) Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (n.s. / E = 0.23) 360-Grad-Feedback (** / E = 0.51) SOLL-Programmatische Kooperation (n.s. / E = 0.27)
Skalen
Selbst-Fremdbeurteilung (SOLL - Einzelitem) (** / E = 0.43) Gegenseitige Unterrichtsbesuche (SOLL - Einzelitem) (n.s. / E = 0.20) Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (n.s. / kE) Kooperation Disziplin (n.s. / E = 0.15) Kooperation Beurteilung Noten (n.s. / E = 0.22) Fordern, Leistungserwartung (n.s. / kE) Anregung (*** / E = -0.57) Aggression, Vandalismus (n.s. / E = -0.37) -> neg. Polung! Wärme (n.s. / E = 0.17) -0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
standardisierte Residuen
Abbildung 17: Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule C auf der MesoEbene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt. Schulleitung: Die Schulleitung wird an der Level-2-Schule C in erwartbarem Maß als zielgerichtet wahrgenommen. Lehrer/innenkollegium: Das Vertrauen in die Wirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen, bei der Pflege von Kooperation sowie dem professionellen Umgang mit schwierigen Situationen liegt über dem Erwartbaren (‚Kollektive Selbstwirksamkeit’). Innovationsklima/Evaluation/Qualitätsentwicklung: Es herrscht eine positivere Einstellung gegenüber Qualitätssicherung und es wird häufiger Feedback von verschiedenen Akteursgruppen einbezogen, als erwartbar wäre. Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback: Auch bei der Beschreibung der Zielvorstellungen nimmt die Level-3-Schule C den Bedarf an gemeinsamer Planung von Zielen und Strategien zur Aufgabenbewältigung (‚SOLL-Programmatische Kooperation’) deutlich über der durchschnittlichen Erwartung wahr. Insbesondere die Selbst- und Fremdbeurteilung übertrifft die Erwartungen an die Schule in bedeutsamer Weise. Kooperation bezüglich Beurteilung und disziplinarischer Absprachen werden an dieser Schule in stärkerem Masse als realisiert wahrgenommen. Leistungserwartung: An der Level-3-Schule wird in durchschnittlichem Ausmaß Leistung von den Schüler/innen erwartet (‚Fordern, Leistungserwartung’). Schulklima: Die Skala zum Thema ‚Anregung’ erfragt das Vorhandensein von kulturellen Aktivitäten und einem Freizeitangebot für die Schüler/innen. Die Level-3-Schule C liegt hier deutlich unter dem, was erwartbar wäre. Aggression und Vandalismus werden weniger häufig wahrgenommen, als zu erwarten wäre. An dieser Schule wird über ein wärmeres Klima untereinander berichtet. 219
Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Lehrpersonen der Level-3-Schule C in den meisten Fällen mit Ausnahme bei ‚Anregung’ mit ihren Wahrnehmungen zu Aspekten von Schulqualität auf der Meso-Ebene über den Erwartungswerten ihrer eigenen Schule bleiben.
Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) Ein erster Blick auf die Mittelwerte der Schule C (vgl. Tabelle 28) zeigt, dass Störungen im Unterricht als deutlich wenig ausgeprägt wahrgenommen werden (M = 1.75, SD = 0.48). Die Kolleg/innen in der Gesamtstichprobe sind also häufiger als die Lehrpersonen dieser Schule der Ansicht, dass der Ablauf einer Lektion durch Störungen unterbrochen wird. Bemerkenswerterweise liegt der Mittelwert der Skala „Klassenklima“ (M = 4.02, SD = 0.58) mit einem schwachen Effekt unter dem Durchschnittswert sämtlicher Schulen. Der Einbezug der Meinungen der Schüler/innen in die Unterrichtsgestaltung wird also in geringerem Masse – wenn auch auf hohem Niveau – wahrgenommen, als dies an anderen Schulen geschieht. Die Lehrpersonen dieser Schule gewichten Aspekte eines individualisierenden und den Lernprozess reflektierenden und steuernden Unterrichts um einiges höher, als dies im Mittel getan wird. Mehr Lehrpersonen als in der Gesamtstichprobe sind der Ansicht, dass ihre Schüler/innen eigene Arbeiten im Unterricht selbstständig kontrollieren sollen. Selbstaktivität und Elaboration sind weitere eher akzeptierte und bedeutsame Aspekte des Unterrichts. Arbeitsreflexion scheint trotz des bedeutsamen Unterschieds zur Gesamtstichprobe wenig relevant zu sein (M = 2.01, SD = 0.58). Individuelle Bezugsnormorientierung, in deren Rahmen Schüler/innen an ihren persönlichen Lernfortschritten beurteilt werden, findet eine hohe Zustimmung (M = 3.69, SD = 0.5). Tabelle 28: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule C auf der Mikro-Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium C Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) U nterrichtsklim a / Klassenm anagem ent Störungen im Unterricht (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Klassenklima LP-S (F-Werte 1 - 5) U nterrichtsgestaltung Individualisierung (A-Werte 1 - 4) Selbstkontrolle und Selfmonitoring (A-Werte 1 - 4) Diagnostische Kompetenz (A-Werte 1 - 4) Selbstaktivität im Unterricht (A-Werte 1 - 4) Arbeitsreflexion (A-Werte 1 - 4) Elaboration (A-Werte 1 - 4) Beurteilung und Benotung / Bezugsnorm orientierung Individuelle Bezugsnormorientierung (A-Werte 1 - 4)
Gesamtstichprobe PEB-ZH
Gymnasium C
Differenz PEB-ZH zu Schule
M1 SD1 M1 - M sig. ¨
Effekt
-0.35 ** -0.10
¨ ¨
-0.56 -0.21
0.55 0.62 0.50 0.43 0.58 0.75
0.25 0.29 0.02 0.12 0.14 0.16
¨ ¨
0.41 0.49 0.04 0.25 0.27 0.22
35 3.69 0.50
-0.02
N
M
SD
N1
434 444
2.09 4.12
0.64 0.46
34 1.75 0.48 35 4.02 0.58
437 434 441 439 436 422
2.38 2.45 3.12 3.12 1.86 2.76
0.60 0.59 0.44 0.49 0.53 0.70
34 33 35 34 33 31
439
3.70
0.46
2.63 2.74 3.14 3.24 2.01 2.91
* *
¨ ¨ ¨
-0.04
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu F-Werte: 1 = nie, 2 = selten, 3 = manchmal, 4 = oft, 5 = sehr oft
Bezüglich der Werte, welche von Schule C erwartbar wären, zeigt sich auf der MikroEbene (vgl. Abbildung 18) ein tendenziell eher einheitliches Bild. 220
Schule C: Kooperations-Level 3 "Interaktion"
Störungen im Unterricht (** / E = -0.56) -> neg. Polung! Klassenklima (n.s. / E = -0.21) Individualisierung (* / E = 0.41)
Skalen
Selbstkontrolle Selfmonitoring (* / E = 0.49) Diagnostische Kompetenz (n.s. / kE) Selbstaktivität (n.s. / E = 0.25) Arbeitsreflexion (n.s. / E = 0.27) Elaboration (n.s. / E = 0.22) Individuelle Bezugsnormorientierung (n.s. / kE)
-0.6
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
standardisierte Residuen
Abbildung 18: Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule C auf der MikroEbene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt. Unterrichtsklima/Klassenmanagement: Ein deutlicher Unterschied zugunsten des Gymnasiums C liegt beim Aspekt „Störungen im Unterricht“, wo Schule C über deutlich weniger Störungen berichtet, als man erwarten könnte. Das Klassenklima weist hingegen einen unterdurchschnittlichen Wert auf. Unterrichtsgestaltung: Das geschätzte Ausmaß an ‚Individualisierung’ des Unterrichts am Gymnasium C liegt über dem zu Erwartenden. Aspekte eines individualisierenden und den eigenen Lernprozess reflektierenden Unterrichts liegen höher, als dies im Durchschnitt zu erwarten wäre. Selbstaktivität und Elaboration sowie die notwendige Arbeitsreflexion liegen ebenfalls über dem Durchschnitt. Bezugsnormorientierung: Hier liegen die Werte der Schule C im erwartbaren Bereich.
Individuum: Lehrperson (Personale Ebene) Auf der personalen Ebene geht es um das subjektive Wohlbefinden der befragten Lehrpersonen. Tabelle 29 zeigt die Mittelwerte des Gymnasiums C in Bezug zum Mittelwert der Gesamtstichprobe. Auffallend sind dabei die eher tiefen Werte hinsichtlich Belastungs- und Arbeitsunzufriedenheit sowie eine Auffassung, dass der Zeitaufwand eher nicht zu groß ist für Teamarbeit und Koordination (M = 1.82, SD = 0.27).
221
Tabelle 29: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule C auf der Personalen Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium C Person: Individuum (Intrapersonale Ebene)
Gesamtstichprobe PEB-ZH
Belastung Belastung (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Der zeitliche Aufwand, den ich für Teamarbeit und Koordination (innerhalb und zwischen den Jahrgangsstufen) aufwenden muss, ist zu hoch. (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Arbeitsunzufriedenheit (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Selbstwirksamkeit Lehrpersonen Lehrerselbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4) Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen Externe Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4)
Gymnasium C N1
Differenz PEB-ZH zu Schule
M1 SD1 M1 - M sig. ¨
N
M
SD
443 431
2.06 2.20
0.58 0.85
35 2.03 0.60 31 2.23 0.76
-0.03 0.02
-0.05 0.03
443
1.88
0.34
35 1.88 0.33
0.00
-0.01
442
3.27
0.43
35 3.31 0.48
0.04
440 438
2.30 1.64
0.67 0.48
33 2.18 0.64 33 1.67 0.58
-0.12 0.03
Effekt
0.10 ¨
-0.18 0.07
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Person: Individuum (Intrapersonale Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu G-Werte: 1 = sehr klein, 2 = eher klein, 3 = eher groß, 4 = sehr groß H-Werte: 1 = absolut unwichtig, 2 = eher unwichtig, 3 = eher wichtig, 4 = sehr wichtig I-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft
Die Lehrpersonen schätzen ihr eigenes Handeln als selbstwirksam ein (M = 3.31, SD = 0.48). Wenn etwas im eigenen Unterricht einmal nicht so läuft wie geplant, dann suchen die Lehrpersonen des Gymnasiums C die Ursache etwas weniger häufig bei den Schüler/innen (M = 2.18, SD = 0.64) als dies ihre Kolleg/innen in der Gesamtstichprobe tun. Bezüglich der Erwartungswerte (vgl. Abbildung 19) zeigt sich Schule C uneinheitlich: Schule C: Kooperations-Level 3 "Interaktion"
Arbeitsüberforderung (n.s. / kE) -> neg. Polung!
Skalen
Zeitaufwand für Kooperation zu gross (Einzelitem) (n.s. / kE) -> neg. Polung! Arbeitsunzufriedenheit (n.s. / kE) -> neg. Polung! Lehrpersonen Selbstwirksamkeit (n.s. / kE) Externe Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / E = -0.18) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / kE) -0.3
-0.2
-0.1
0.0
0.1
0.2
0.3
standardisierte Residuen
Abbildung 19: Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule C auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. Belastung: Die Lehrpersonen der Schule C schätzen ihre berufliche Tätigkeit als durchschnittlich belastend ein (‚Arbeitsüberforderung’), sie fühlen sich weniger unzufrieden (‚Arbeitsunzufriedenheit’) als erwartbar wäre und geben in durchschnittlichem Masse an, dass der ‚Zeitaufwand für Kooperation’ an ihrer Schule zu groß sei. 222
Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen: Die persönliche Selbstwirksamkeit in Bezug auf das eigene Unterrichten und den Umgang mit schwierigen Situationen entspricht der durchschnittlichen Wahrnehmung in allen beteiligten Schulen. Die Lehrpersonen dieser Schule sind davon überzeugt, schwierige Situationen im Berufsalltag gut meistern zu können. Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen: Wenn im eigenen Unterricht einmal nicht alles nach Plan verläuft, dann suchen die Lehrpersonen des Gymnasiums C die Ursache etwas weniger häufig bei den Schüler/innen (‚externe Attribuierung’), als zu erwarten wäre.
Beschreibung der Schule C anhand qualitativer Daten Aus den Interviews werden im Folgenden die einzelnen Auswertungen der Schule C auf Level 3 entlang einzelner Aspekte zu Kooperation, Belastung und Qualitätsmanagement ausgeführt. Zu Kooperation wurde zuerst nach den Zielen schulischer Zusammenarbeit gefragt. An Schule C werden durch Kooperation eine Reduktion des Aufwandes und gleichzeitig eine Unterstützung der Unterrichtsentwicklung angestrebt. Empathische Ziele im Sinne eines positiven Arbeitsklimas, von Spaß und eines spannenden Austauschs sind wichtig. „Aufwandreduktion, Effizienzsteigerung, Erkenntnisgewinn. Ich habe jetzt drei Sachen gesagt. Ja, Beziehungspflege, also das ist wirklich auch wichtig“ (L3 Schule C FG: 166). Bezüglich Häufigkeit gilt, dass an Schule C Kooperation institutionalisiert oft als Austauschforum und in Form von Lehrerarbeitstagen stattfindet. Informell wird täglich kooperiert. „Auf der formellen Ebene oder der instutionalisierten Ebene haben wir eben die Lehrerarbeitstage, das ist eine Form von Zusammenarbeit bis hinunter auf die völlig informelle Ebene, wo es vielleicht auch kleine Sachen sind, bis rein zum Austausch wie ich es vorher beschrieben habe. Dort ist es stündlich in meinem Fall sogar, oder mehrmals am Tag, würde ich sagen, tausche ich mich mit Leuten einfach kurz aus. Oder im Lehrerzimmer immer wieder schnell eine Frage“ (L3 Schule C FG: 161). Welche Formen von Kooperation werden von den Angehörigen dieser Schule genannt? An Schule C wird Kooperation als selbstverständlicher Bestandteil einer kleinen Schule gesehen, welche mit tiefem Organisationsgrad ein Maximum an Gestaltungsfreiheit und Offenheit erreicht bei gleichzeitiger Eingebundenheit aller Lehrpersonen. „Es ist vielleicht eine Kooperation mit einem äußerlich tiefen Organisationsgrad. Aber ich würde dort auch wieder zurückverweisen auf das, was ich schon gesagt habe. Also dass die Kollegenschaft, Kollegen und Kolleginnen, die mitarbeiten wollen an der Gestaltung der Schule, dass die nicht zuerst das kanonische Alter erreicht haben müssen, bevor sie dürfen. Das gibt natürlich eine andere Möglichkeit, gibt eine andere Perspektive, die eben diese Kooperation fördert“ (L3 Schule C SL: 123). Es wird unterrichtsbezogen kooperiert, indem Projekte in interdisziplinärer und fachlicher Zusammenarbeit vorbereitet und durchgeführt werden sowie Material ausgetauscht wird. „Ja, dann haben wir die Semesterprojekte, die meistens von mehreren LP im Teamteaching geleitet werden. Und wir haben Sonderprojekt-Wochen, die auch meist von mehreren LP in gemeinsamer Arbeit gehalten werden“ (L3 Schule C FG: 208). Institutionalisierte Austauschforen zu schulrelevanten Themen sowie Arbeitstage und Konvente mit hoher Verbindlichkeit bilden den Rahmen für Kooperation. Zudem werden auf pragmatische Art informeller Erfahrungsaustausch und kooperative Problemlösung mit der Schulleitung gepflegt. Aufwand-Nutzen-Abwägungen sind relevant. „Ja ich muss schon sagen, es geht über den Austausch hinaus. Oder, wenn man 223
jemanden fragt, ‚würdest du mir einen Schüler für eine halbe Stunde schicken für ein „Nachex“, obwohl es in deiner Stunde ist’, sagen sie normalerweise ja. Oder, kannst Du mir das noch abnehmen oder könntest du mir vielleicht auch noch eine Kopie machen. Das sind vielleicht Kleinigkeiten, aber die Masse dieser Kleinigkeiten ist noch wichtig. Und da gibt es auch größere Sachen, die man füreinander tut“ (L3 Schule C FG: 147). Bezüglich der Frage nach den Einstellungen wird hervorgehoben, dass Kooperation als positiv bewerteter Aspekt professionellen Handelns im Team und in der Fachschaft gesehen wird, welcher auch Spaß macht, wenn damit konkreter unterrichtsbezogener Austausch erreicht wird. „Es macht Spaß, das ist wichtig“ (L3 Schule C FG: 168). „Ja aber es hängt auch an den Leuten, weil z.B. innerhalb der Fachschaften, sage ich jetzt einmal, da gibt es ja auch alle Altersklassen und es funktioniert trotzdem gut, die Kooperation dort. Das ist schon eine Stärke“ (L3 Schule C FG: 146). Kooperation ist personenabhängig, die „Chemie“ muss stimmen. „Ich glaube das hat mit dem persönlichen Mensch zu tun. Also die Menschen, die sich auch privat gut verstehen und Sachen zusammen gemacht haben, die machen auch eher etwas zusammen in einer solchen Woche. Andere vielleicht weniger“ (L3 Schule C FG: 234). Kooperation kann aber auch unter Vorwand (z.B. Stundenplanschwierigkeiten) gemieden werden. Welche Möglichkeiten und Grenzen von Kooperation werden genannt? Kooperation wird an Schule C dadurch limitiert, dass Zeitdruck und fehlende Räumlichkeiten die Zusammenarbeit erschweren und z.T. verhindern. „Das ist für mich ziemlich klar, das ist der Faktor Zeit. Man braucht dafür einfach mehr Zeit und die steht zum Teil im Weg, dass man dann findet, ja in dem Fall doch. Wir müssen dann wieder zusammensitzen und all das machen. Und ich kenne es von mir selber, dass man wirklich noch sagt: ‚Ja, es wäre gut, wenn man könnte.’ Und dann läuft es halt schon wieder anders“ (L3 Schule C SL: 127). Zudem schränkt die starre Unterrichtsorganisation ein. „Da gibt es ein Haupthindernis und das ist für mich klar, das ist wie das Lehren und Lernen grundsätzlich organisiert ist. Es hat für mich einen strukturellen Grund. Nämlich in Einheiten von Lektionen, die 45 Minuten dauern, nach Fächern unterteilt und immer nur eine LP. Und aus dem auszubrechen ist relativ schwierig“ (L3 Schule C FG: 158). Aus individueller Sichtweise stellen fehlende finanzielle Entschädigung und ungleiche Entlöhnung Hindernisse dar. „X: ... das ist einfach nicht in Ordnung. Weil bei uns alle in diesen Kommissionen mitarbeiten müssen, weil wir einfach zu wenig Leute haben. Aber trotzdem verdienen die einen mehr als die anderen, wegen dieser MBA und OBA Sache. Und niemand sagt genau, was die besonderen Aufgaben sind. Wie definieren sich die genau? Dann wäre es für mich wieder O.K., wenn es hieße, ja gut der macht dafür das und das mehr, weil er ja MBA ist“ (L3 Schule C FG: 247). Zudem sind als Grenze für Kooperation unterschiedliche Unterrichtsstile sowie die Bedrohung der Methodenfreiheit durch gleichförmige Lektionen zu nennen. Hinsichtlich Belastungsempfinden werden folgende Fragen untersucht: Wie äußert sich eine Schule zur beruflichen Belastung? Welche Formen der Bewältigung werden von einer Schule genannt? Belastungsempfinden: Belastung ist ein ständiges Thema und entsteht vor allem dadurch, dass trotz beschränkter zeitlicher und personeller Ressourcen viele Evaluationen stattfinden und die Lehrpersonen einen hohen Einsatz leisten müssen. „Vor allem deshalb, weil das Kollegium in letzter Zeit ein bisschen strapaziert wurde mit so Umfragen und ‚derigem’ [solchen Dingen, Anm. d. Verf.]“ (L3 Schule C SL: 21). Dieser Teilnahmedruck für die Mitarbeit aller Lehrpersonen bei besonderen Aufgaben belastet, wie auch in dem schon zitierten Interviewabschnitt zum Ausdruck kommt (Siehe: L3 Schule C FG: 247). Im Wei224
teren wirken sich der eigentliche Unterricht sowie die fehlende Wertschätzung für die geleistete Arbeit belastend aus. „... das Geld wäre jetzt ein Hindernis, oder, weil wir werden zu wenig entschädigt. Mir geht es nicht um mehr Lohn, sondern mir geht es um mehr Zeit. Also wenn wir etwas machen wollen, inklusive QM, dann soll man uns genug Zeit geben, um das richtig zu machen. Und es ist glaube ich, ich weiß nicht wie ihr das empfindet, tatsächlich das Gefühl da, wir müssen immer mehr machen. Und es werde einem, auch via Geld einfach symbolisiert oder vermittelt, ... also die Wertschätzung eigentlich wird immer kleiner von der Arbeit. Weil beim Lohn ist ja nicht nur das Geld wichtig, sondern es ist eine Form von Wertschätzung der Arbeit“ (L3 Schule C FG: 242). Ungünstige Stundenpläne können dies noch verstärken. Bewältigung von Belastung an der Schule: Bewältigung von Belastung wird möglich durch individuelle und kollektive Entlastungsstrategien wie Pensenreduktion, Aufwandoptimierung, Prioritätensetzung, und proaktives Handeln. „Verhindern, dass es unnötige Sitzungen gibt, die einfach im Leerlauf sind. Das ist etwas, das ... wenn man da so viele Sitzungen machen würde, das würde nicht so geschätzt“ (L3 Schule C SL: 178). Problemlösung zusammen mit Schulleitung und Nutzung der Teamressourcen sind ebenfalls wichtig. „ich habe ein gutes Beispiel dafür, das sehr aktuell ist. Also ich habe aufgrund eines Erlebnisses mit einem Schüler sofort die Klassenlehrerin informiert, also eine Minute später und diese hat es eine Minute später dem SL gesagt. Und der ist bereits 30 Min. später mit dem Schüler zusammengesessen und hat das mit dem Schüler verhandelt. Also, die Verantwortung hat zuerst die Klassenlehrerin übernommen und nachher der SL. Und es hat sofort stattgefunden, die ganze Kette, innerhalb von zwei Stunden“ (L3 Schule C FG 278). Bewältigungsstrategien sind auch die optimale Organisation des Stundenplanes und verbindlichen Terminabsprache im Kollegium. „Oder, da gibt es natürlich etwas vom Wichtigsten ist einmal ein guter Stundenplan, wenn sie so das sagen. (…) das ist etwas sehr wichtiges, dass die Schülerschaft und Lehrerschaft zufrieden ist und dass auch die Belastung reduziert wird, wenn jemand ... das ist etwas ganz enorm Wichtiges in einer Schule“ (L3 Schule C SL: 200). Zum Qualitätsmanagement der Schulentwicklung wurden den folgenden Fragen nachgegangen: Welche konkreten QS-Prozesse und -maßnahmen werden von einer Schule genannt? Welche Folgen von Qualitätsmanagement werden von einer Schule genannt? Welche Einstellungen bestehen zu QM und Qualitätssicherung an den Schulen? Wie sieht die Akzeptanz von QS/QM aus? Institutionalisierungsgrad des Qualitätsmanagements (QM) an der Schule: Charakterisiert ist die Institutionalisierung von Qualitätsmanagement durch Austauschforen, Feedbackkultur, Netzwerkarbeit zu andern Q-Kommissionen, Weiterbildung zu QM und nahen Einbezug der Schulleitung in der Qualitätskommission. „Ich könnte vielleicht noch erwähnen, dass ich zusammen mit einem anderen Mitglied der Qualitätskommission, eine 17-tägige Weiterbildung gemacht habe, wo wir viele Leute aus anderen Kantonsschulen, auch aus anderen Kantonen, kennen gelernt haben. Und dort haben wir natürlich viel ausgetauscht. Was machen sie an ihren Schulen“ (L3 Schule C FG 90). Daneben werden weiterhin informelle mündliche Absprachen getätigt. „… wie das bei uns gestaltet wird, dass relativ rasch und schnell Leute bereit sind in verschiedenen Bereichen mitzuarbeiten, wo man eine Kommission braucht, wo etwas ansteht, das gemacht werden muss. Aber im Ganzen ist nicht eine Struktur drin, wie das genau vom Instanzenweg her läuft. Sondern, es geht eben 225
eher spontan, auch noch einmal zwischen Tür und Angel und dort kann es auch einmal passieren, dass jemand nicht informiert ist“ (L3 Schule C SL: 204). Berichtete Folgen des QM: Obwohl QM mit erheblichem Aufwand verbunden ist, ist seine Umsetzung dank kollektiver Anstrengungen möglich: „Und trotz dem Verklärungseffekt, wo eintritt, also dass früher alles besser war. Ich könnte mir jetzt das was heute praktiziert wird vor 25 Jahren oder 30 Jahren schlicht nicht vorstellen. Also das wäre damals nicht gegangen und das geht heute. Eigentlich nicht problemlos, sondern dank einem recht erheblichen Aufwand. Der aber nicht nur von einem Einzelnen geleistet wurde, sondern wo ich sagen muss, dass ist von allen, die den Lehrkörper ausmachen, mitgeleistet worden“ (L3 Schule C SL: 41). Die Einführung von QM hat insofern positive Auswirkungen, als dass gegenseitiges Feedback, Hospitation, gezielte Personalentwicklung, Partizipation aller Beteiligten und eine Systematisierung von internen Abläufen zu einer vertrauensvollen Atmosphäre und Offenheit geführt haben, die Veränderungen im Kollegium und die Umsetzung von Maßnahmen ermöglicht. „Ich habe auch den Eindruck, eben im Klima und gerade auch die Sache mit dem Hospitieren, das schafft irgendwo noch Vertrauen. Und das einander in den Unterricht hineinsehen zu können, da sind die Türen schon eher aufgegangen. Was früher weniger gewesen ist“ (L3 Schule C SL: 105). Qualität wird thematisiert, Schüler/innen werden aktiv eingebunden. „Wir haben in den Kommissionen jetzt immer Schüler dabei. Das war früher nicht so. Wir probieren sie viel mehr einzubeziehen und auf ihre Wünsche einzugehen“ (L3 Schule C FG: 34). Zudem finden Schwerpunktverschiebungen auf der Unterrichtsebene statt, weil soziale Kompetenzen bedeutsamer geworden sind. „Also nicht die Frage, was das QM beiträgt. Zudem könnte ich vielleicht etwas sagen. Also das sieht man zum Teil wirklich anders als früher, was Qualität bedeutet. Also z.B. wird vielmehr Gewicht darauf gelegt, dass Schüler selbstständig arbeiten können. Das wäre ein Beispiel. Früher hat man weniger davon geredet. Das ist auch weniger in den Lehrplänen, in gewissen Gefäßen erschienen, die man heute hat, wie z.B. Maturitätsarbeiten. Dass Schüler nicht nur selbstständiger denken können, selbstständig handeln können, dass Schüler lernen auch für ihre Rechte einzustehen, aber auch ihre Pflichten natürlich wahrzunehmen, all diese Sachen. Es ist mehr auch eine Gewichtung auf das Umgehen miteinander, mehr auch auf der sozialen Ebene, also Sozialkompetenz. Den Begriff habe ich vor 15 Jahren kaum je gehört beim Thema Schule geben. Also Qualität hat sich schon verändert“ (L3 Schule C FG: 58). Negative Wirkungen ergeben sich durch aus zeitlicher Belastung heraus zurückgestellte Projekte. Einstellungen zum QM an der Schule: Es bestehen positive wie negative Einstellungen gegenüber QM. Skepsis gegenüber Qualitätsmanagement besteht, weil Prozessbeschreibungen und Zertifizierungsverfahren wenig Wirkung zeigen. „Also es gibt gewisse QM, die in einer Zertifizierung gipfeln, z.B. ISO, wo die Illusion besteht, dass man den ganzen Laden kann in einem Buch in Form von Prozessbeschreibungen erfassen. Dann nachher sei Qualität schon sichergestellt. Das ist eine Illusion. (…) Das sind wahrscheinlich eben ein bisschen Illusionen. Das was wir machen, ist eher ein Bewusstseinsprozess“ (L3 Schule C SL: 39). Zudem schwankt die Qualität externer Evaluationen. „… z.B. im Kanton Zürich [ist] das ganze QM aufgezogen worden, sehr vorsichtig, sehr sorgfältig und mit den Möglichkeiten von den einzelnen Schulen auch dieser Qualitätsarbeit ihr eigenes Gesicht zu geben und Rücksicht zu nehmen auf die eigenen Strukturen im Lehrkörper usw. Und das hat sich natürlich in den Schulen fortgesetzt und ist jetzt bei uns außerordentlich sorgfältig gemacht worden. Man hat auch am Anfang die Freiwilligkeit bzw. die Anonymität ganz groß geschrieben. Also, man hat Feedback eingeholt, aber die SL hat nichts vom Resultat erfahren. Und das ist gelungen auf diesem Weg wirklich eine ziemlich große Akzeptanz zu 226
erreichen. Die Form des Berichtes zu der externen Evaluation hat uns da wieder etwas zurückgeworfen. Weil heute wo gespart wird, haben die LP kein gutes Gefühl, wenn man so eine 40’000-fränkige Evaluation macht und nachher eigentlich nichts wesentlich Neues erfährt, als man schon gewusst hat. Und dann kommen natürlich wieder, wie früher so Fragen: „Was soll das Ganze?“ und ...“ (L3 Schule C SL: 60). Positiv erscheint die durch Feedbacks angeregte Selbstreflexion. Gelingensfaktoren sind eine sorgfältige Einführung, Freiwilligkeit und Anonymität sowie die Notwendigkeit von Einsicht in die Sinnhaftigkeit von QM und kollegialem Feedback. Stolpersteine liegen im Einsatz externer Evaluation und in der Sensibilisierung im Team für das Thema QM sowie in anfänglichen Ängsten gegenüber kollegialem Feedback. Top-down verordnetes QM verletzt eigenes hohes Berufsethos bezüglich Qualität. „Das hat es alles schon gegeben, bevor das QM offiziell kam. Es ist übrigens, wenn ich das anfügen darf, auch noch ein Grund für einen gewissen Widerstand gegen QM. Manche Leute empfinden das wie einen Vorwurf, als ob man das nie gemacht hätte. Wir haben uns schon immer um die Qualität bemüht. Das ist auch so“ (L3 Schule C FG: 50). Feedback kann jedoch positive Einstellung bewirken, um dann „Schritt für Schritt“ vorwärts zu gehen. „Im Ganzen haben die LP gemerkt, dass es nicht ums Töten geht. Dass es einfach gut ist. ... “ (L3 Schule C FG: 72). Wird die Perspektive der Lernenden zu Aspekten von Schul- und Unterrichtsqualität an Schule C ermittelt, liegen die Werte der Schülerinnen und Schüler - verglichen mit der gesamten Stichprobe - in sämtlichen Dimensionen deutlich tiefer (Werte zwischen -0.21 und -0.72), außer in „Mitsprache“ (0.35) und „Wärme“ (0.08). Diese Werte sind insofern erwartungswidrig, als die Selbsteinschätzungen der Lehrpersonen in diesen Dimensionen günstig ausfielen (Maag Merki & Steinert, 2006: 114 ff).
Zusammenfassende Darstellung Aufgrund der beantworteten Fragestellungen lassen sich für die interaktive L-3-Schule C folgende tabellarisch (Tabelle 30) verdichteten Aussagen zu den quantitativen und daran anschließend berichteten (Tabelle 31) qualitativen Daten machen: Tabelle 30: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule C auf Level 3 Fazit auf der Basis der Mittelwerte
Bzw. auf Basis der standardisierten Residuals
An der Schule C auf Level 3 berichten die Lehrpersonen: Schulebene
eine positive Wahrnehmung ihrer Schulleitung hinsichtlich Zielgerichtetheit,
Durchschnittliche nehmung der SL
ein deutliches Vertrauen in die Selbstwirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen (‚kollektive Selbstwirksamkeit’),
Überdurchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
Wahr-
227
ein günstiges Innovationsklima, bestehend aus einer positiven ‚Einstellung gegenüber Qualitätsentwicklung’ sowie der Praxis von ‚360°-Feedback’, welches die Perspektiven von Schüler/innen, Eltern und Lehrpersonen einbezieht,
Überdurchschnittliche Innovationsbereitschaft
den ausgewiesenen Bedarf an gemeinsamer Planung von Zielen und Strategien zur Aufgabenbewältigung (‚SollProgrammatische Kooperation’) und den deutlichen eigenen Anspruch ‚Selbst- und Fremdbeurteilung’ sowie ‚gegenseitige Unterrichtsbesuche’ durchzuführen,
Überdurchschnittliche Werte hinsichtlich geplanter …
eine deutliche Umsetzung verschiedener konkreter Formen von Kooperation wie dem Austausch über Disziplin und über die Beurteilung von Schüler/innen,
… und effektiver Kooperation
eine hohe Leistungserwartung an die Schüler/innen,
Durchschnittliche tungserwartung
ein ausgesprochen warmes Verhältnis zwischen den Lehrpersonen untereinander wie auch zwischen den Lehrpersonen und den Schüler/innen, eine eher hohe Anregung sowie einen geringen Grad an Aggression und Vandalismus.
Überdurchschnittlich positives Schulklima, unterdurchschnittliche kulturelle Anregung und unterdurchschnittlicher Grad an wahrgenommener Aggression
Leis-
Unterrichtsebene
eine als gering wahrgenommene Störungsneigung im Unterricht,
Unterdurchschnittlich erlebte Störneigung in der Klasse
eine eher auf Individualisierung, Selbstkontrolle und Selbstmonitoring sowie Selbstaktivität und Elaboration ausgerichtete Unterrichtskultur
Leicht überdurchschnittliche Beurteilung von ‚Individualisierung’ und ‚Selbstmonitoring’
Personale Ebene
eine eher geringe Belastung und eine geringe Unzufriedenheit in der Arbeit,
Durchschnittlich erlebte Belastung und Zufriedenheit in der Arbeit
eine günstige individuelle Selbstwirksamkeit
Durchschnittlich erlebte individuelle Selbstwirksamkeit
und eine selbstkritische Einstellung zu Ursachen von Unterrichtsstörungen.
Überdurchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion über Eigenanteil bei Störungen im Unterricht
228
Tabelle 31: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule C auf Level 3 Schule C (Level 3: Interaktion) Kooperation an Schule C: Es werden sowohl empathische als auch unterrichtliche Ziele angestrebt. Als strategisches Ziel werden Aufwandreduktion und Unterrichtsentwicklung erwähnt. Häufige Arbeitsform, sowohl institutionalisiert wie auch informell. Kooperation bezieht sich auf die Organisation der Schule und den Unterricht: Beides steht im Fokus. Kooperation ist konstitutiv und institutionalisiert und gehört zum Programm. Es wird pragmatisch kooperiert, um informell schnelle Lösungen für Probleme zu finden. Eine positive Einstellung zu Kooperation wird als Teil professionellen Handelns angesehen. Fachlicher und interdisziplinärer Austausch ist dann wertvoll, wenn er unterrichtsbezogen erfolgt und Spaß macht. Betont wird die Notwendigkeit der funktionierenden Beziehung.
Konkrete (fehlende Infrastruktur, Zeitdruck, starre Unterrichtsorganisation) und diffuse (Einschränkung Methodenfreiheit, ungleiche Entlöhnung) Grenzen für Kooperation. Belastungserleben an Schule C: Belastung ist ein permanentes Problem aller Beteiligten. Beschränkte zeitliche und personelle Ressourcen erhöhen den Druck. Fehlende Wertschätzung, Unterricht und Zeitdruck belasten kumulativ. Eine Palette an Bewältigungsformen liegt vor, um Belastung situationsspezifisch zu reduzieren. Dies geschieht über individuelle und teaminterne Absprachen und Aktivitäten, Absprachen mit der Schulleitung und der Sichtweise, Belastung problemlösend anzugehen. QM an Schule C: Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch eine geregelte Zusammenarbeit (Austauschforen, Feedbackkultur, Netzwerkarbeit der Qualitätskommission). Wichtig bleibt jedoch die informelle Gesprächskultur unter den Lehrpersonen. Qualitätsmanagement mit seinen Instrumenten hat zu einer vertrauensvollen Atmosphäre und Offenheit geführt, die Veränderungen im Kollegium und die Umsetzung von Maßnahmen ermöglichen: Thematisierung von Qualität, Einbezug von Schüler/innen, Unterrichtsentwicklung. Dies geht jedoch mit Belastung einher. Positiv erscheint die durch Feedbacks angeregte Selbstreflexion. Eine skeptische Einstellung besteht gegenüber der reinen Prozess-Zertifizierung. Qualität ist mehr als diese und basiert auf einem hohen Berufsethos.
An Schule C wird sowohl fachinterne als auch fachübergreifende Kooperation realisiert. Ebenso erfolgt die Koordination in Bezug auf Anliegen, welche die gesamte Schule betreffen. Der insgesamt hohe Grad an Kooperation geht einher mit überdurchschnittlichen Werten in Bezug auf die genannten Qualitätsaspekte aus Sicht der Lehrpersonen, wohingegen die Sichtweise der Schüler/innen zu den entsprechenden Themen weniger günstig ausfällt. Der Innovationsbereitschaft der Schule entsprechend erfuhr das Qualitätsmanagement eine positive Aufnahme, wenngleich auch die damit verbundenen Belastungen erwähnt wurden. Ein detailliertes Fazit findet sich unter 9.5.2. 229
9.4.3 Schule D (Level 3: „Interaktion“) Mit dem eingesetzten Instrument zur Erfassung von Kooperation unter Lehrpersonen konnte für Schule D das Niveau 3 („Interaktion“) ermittelt werden. Im Folgenden soll dieses Ergebnis anhand unterschiedlicher Datenquellen als Einzelfall dargestellt werden. Es folgt eine ausführliche Beschreibung entlang der weiter oben (Kp. 7) ausgeführten Fragestellungen.
Kontextuelle Bedingungen der Schule D Auch Schule D gehört zu jenem Typ von Gymnasien, welcher im Gefolge von Bildungsexpansion und Bevölkerungsanstieg vor allem im Agglomerationsraum Zürich entstanden ist. Speziell ist, dass die Entstehung dieser Schule in eine Phase fiel, in der sich eine erste nachhaltige Abkühlung des wirtschaftlichen Wachstums bemerkbar machte, was eine verstärkte Sparpolitik der öffentlichen Hand zur Folge hatte. Obwohl die Nachfrage nach gymnasialer Bildung hoch war, konnte ein Schulhausbau erst realisiert werden, nachdem erhebliche politische Widerstände überwunden waren. Verglichen mit den beiden vorher dargestellten Institutionen, ist Schule D erheblich größer und bietet mehreren hundert Schülern und Schülerinnen vier verschiedene gymnasiale Profile an.
Profil der Schule D anhand quantitativer Daten Nachfolgend werden die quantitativen Auswertungen für die unterschiedlichen Aspekte von Schulqualität aufgeführt. Dabei leiten uns folgende Fragestellungen: • Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Qualitätsaspekte von Schule wie das Schulleitungshandeln, kollektive Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen, die Innovationsbereitschaft des Teams, die Organisation der Arbeit, Leistungserwartung und das Schulklima ein? • Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Aspekte der Qualität von Unterricht und des Unterrichtsklimas ein? • Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule ihre individuelle Selbstwirksamkeit, ihre Belastung und Arbeitszufriedenheit ein und welche Einstellungen zu Unterrichtsstörungen bestehen? Mit den Tabellen als Strukturierungshilfe soll in einem ersten Schritt den bemerkenswerten Themen auf Ebene der Einzelschule nachgegangen werden. Dabei werden v.a. diejenigen Punkte ausgeführt, in denen sich die Schule einerseits signifikant und/oder mit einem bedeutsamen Effekt vom Gesamtmittelwert unterscheidet und andererseits deutlich über oder unter dem liegt, was erwartbar wäre (vgl. Tabelle 32 bis Tabelle 34). Die schwarzen Balken in den Abbildungen (vgl. Abbildung 20 bis Abbildung 22) veranschaulichen jeweils das Ausmaß, mit dem der Wert der standardisierten Residuen vom erwartbaren Wert einer für die Stichprobe fiktiven Durchschnittsschule abweicht (vgl. Kapitel 8.1.3).
230
Schule (Meso-Ebene) Mit Blick auf die Mittelwerte (vgl. Tabelle 32) zeigt sich insbesondere bezüglich Schulleitungshandeln, dass die Lehrpersonen des Gymnasiums D ihre Schulleitung als weniger zielgerichtet (M = 3.12, SD = 0.58) wahrnehmen als dies in der Gesamtstichprobe der Fall ist. Tabelle 32: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule D auf der Meso-Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium D Schule (Meso-Ebene)
Gesamtstichprobe PEB-ZH
Schulleitung Zielgerichtete Führung (A-Werte 1 - 4) Lehrer/innenkollegium Kollektive Selbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4) Innovationsklim a / Evaluation / Qualitätsentwicklung Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (A-Werte 1 - 4) 360-Grad-Feedback (A-Werte 1 - 4) Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback SOLL - Programmatische Kooperation (A-Werte 1 - 4) Selbst- und Fremdbeurteilung sollten für uns Bestandteil der Arbeit sein. (A-Werte 1 - 4) Gegenseitige Unterrichtsbesuche sollten ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit sein. (AWerte 1 - 4) Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei Disziplinproblemen der Schüler (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei der Benotung (B-Werte 1 - 5) Leistungserwartung Erziehungsstil der Lehrkräfte: Fordern (A-Werte 1 - 4) Schulklim a Anregung (A-Werte 1 - 4) Aggression und Vandalismus (D-Werte 1 - 4) --> Polung! Wärme, Schulklima (E-Werte 1 - 5)
N
M
SD
434 3.27
0.55
Gymnasium D N1
Differenz PEB-ZH zu Schule
M1 SD1 M1 - M sig. ¨
Effekt
¨
-0.26
51 3.12 0.58
-0.15
439 2.86
0.53
51 2.61 0.49
-0.25 ** ¨
-0.48
433 3.15 417 2.37
0.52 0.68
49 3.01 0.50 46 2.38 0.56
-0.14 0.01
¨
-0.27 0.02
434 3.40 434 3.16
0.43 0.80
49 3.33 0.44 49 2.90 0.85
-0.07 -0.26
*
¨ ¨
-0.15 -0.32
431 3.19
0.81
49 2.92 0.89
-0.27
*
¨
-0.33
440 3.06 437 3.48 437 2.92
0.79 0.90 0.79
50 3.10 0.79 50 3.34 0.94 50 2.84 0.64
0.04 -0.15 -0.08
¨
0.05 -0.16 -0.10
431 3.01
0.46
50 2.94 0.39
-0.07
¨
-0.16
438 3.23 425 1.46 440 4.21
0.56 0.33 0.47
51 3.06 0.52 50 1.42 0.24 51 4.09 0.36
-0.17 * -0.04 -0.12 *
¨
-0.31 -0.12 -0.27
¨
Bemerkung zur Tab.: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau, ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Schule (Meso-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu B-Werte: 1 = gar nicht, 2 = einmal im Jahr,3 = mehrmals im Halbjahr, 4 = einmal monatlich, 5 = einmal wöchentlich C-Werte: 5-stufiges Kontinuum; 1 = stimmt nicht – 5 = stimmt genau D-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft E-Werte: 5-stufiges Kontinuum; Ausprägung zwischen zwei gegensätzlichen Aussagen (li/re): 1 = negative Aussage (rechts) – 5 = positiv Aussage (links)
Die Lehrpersonen der Schule D auf Level 3 erleben sich im Vergleich zu allen Lehrpersonen der Gesamtstichprobe als ein bedeutsam weniger wirksames Kollegium (M = 2.61, SD = 0.49), das entsprechend weniger in der Lage zu sein scheint, auch in schwierigen Situationen und knappen Ressourcen pädagogisch professionell zu agieren. Die Lehrpersonen an Gymnasium D sind in bedeutsam geringerem Ausmaß (M = 3.01, SD = .050) als der Durchschnitt in der Gesamtstichprobe, jedoch grundsätzlich positiv gegenüber Qualitätsentwicklung eingestellt. Beim 360-Grad-Feedback kann man nicht von einer eigentlichen Feedbackkultur sprechen, weder in der Gesamtstichprobe noch an dieser Schule. Der Wert des Gymnasiums D liegt im eher ablehnenden Bereich (M = 2.38, SD = 0.56). Die Lehrpersonen an der Schule D auf Level 3 sind gegenüber der Selbst- und Fremdbeurteilung als Ziel bedeutsam weniger positiv eingestellt (M = 2.90, SD = 0.85) als ihre Kolleg/innen in der Gesamtstichprobe. Auch gegenseitige Unterrichtsbesuche sind aus 231
Sicht der Lehrpersonen dieser Schule (M=2.92, SD=0.89) weniger dringlich, als dies in der Gesamtstichprobe (M = 3.19, SD = 0.81) vertreten wird. In der konkreten Umsetzung im Schulalltag geben die Lehrpersonen dieser Schule D im Vergleich zur Gesamtstichprobe bedeutend weniger häufig an, sich in Bezug auf Disziplinprobleme von Schüler/innen auszutauschen. Dennoch liegt der Wert klar im zustimmenden Bereich, was die Notwendigkeit dieses Austauschs aufzeigt (M = 3.34, SD = 0.94). Ebenfalls wird ein unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch gepflegt und es wird zum Teil auch bei der Beurteilung zusammengearbeitet. Die Lehrpersonen dieser Schule sind in etwas geringerem Masse der Ansicht, dass sie an die Schüler/innen hohe Leistungsanforderungen stellen oder dass sie den Schüler/innen vermitteln, für die Schule hart arbeiten zu müssen (M = 2.94, SD = 0.39). An Gymnasium D geben Lehrpersonen etwas weniger häufig als im Gesamtdurchschnitt an, dass Wert auf die kulturelle und interessenspezifische Anregung gelegt wird (M = 3.02, SD = 0.52). Das Schulklima wird zwar tendenziell positiv beurteilt, ist aber im Vergleich zur Gesamtstichprobe weniger ausgeprägt (M = 4.09, SD = 0.36). Aggression (z.B. dass Schüler/innen andere schlagen, erpressen, bedrohen und beklauen) und Vandalismus (z.B. dass die Schüler/innen Wände vollschmieren) sind aus Sicht der Lehrpersonen keine nennenswerten Probleme (M = 1.42, SD=0.24). Insgesamt kann bei der Betrachtung des Profils (vgl. Abbildung 20) von Gymnasium D festgehalten werden, dass die Indikatoren auf der Meso-Ebene tendenziell unterdurchschnittliche oder gerade noch erwartbare Werte erreichen.
Schule D: Kooperations-Level 3 "Interaktion"
Zielgerichtete Führung (n.s. / E = -0.26) Kollektive Selbstwirksamkeit (** / E = -0.48) Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (n.s. / E = -0.27) 360-Grad-Feedback (n.s. / kE) SOLL-Programmatische Kooperation (n.s. / E = -0-15)
Skalen
Selbst-Fremdbeurteilung (SOLL - Einzelitem) (* / E = -0.32) Gegenseitige Unterrichtsbesuche (SOLL - Einzelitem) (* / E = -0.33) Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (n.s. / kE) Kooperation Disziplin (n.s. / E = -0.16) Kooperation Beurteilung Noten (n.s. / kE) Fordern, Leistungserwartung (n.s. / E = -0.16) Anregung (* / E = -0.31) Aggression Vandalismus (n.s. / kE) -> neg. Polung! Wärme (* / E = -0.27) -0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
standardisierte Residuen
Abbildung 20: Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule D auf der MesoEbene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. 232
Schulleitung: Die Schulleitung wird an der Level-3-Schule D weniger als zu erwarten wäre als zielgerichtet wahrgenommen. Lehrer/innenkollegium: Das Vertrauen in die Wirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen und Schwierigkeiten liegt deutlich unter dem Erwartbaren (‚Kollektive Selbstwirksamkeit’). Innovationsklima/Evaluation/Qualitätsentwicklung: Bei der Einstellung gegenüber Qualitätssicherung bleibt die Schule hinter ihrem Erwartungswert zurück. Dafür wird in durchschnittlichem Ausmaß Feedback von möglichst allen Beteiligten eingeholt. Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback: Bei der Beschreibung der Zielvorstellungen nimmt die Level-3-Schule D den Bedarf an gemeinsamer Planung von Zielen und Strategien zur Aufgabenbewältigung (‚SOLL-Programmatische Kooperation’), die ‚Selbst- und Fremdbeurteilung’ sowie den Anspruch, sich gegenseitig im Unterricht zu besuchen, bedeutsam geringer wahr, als eigentlich zu erwarten wäre. Bei der konkreten Kooperation liegt die Schule im Durchschnitt, mit Ausnahme des Austausches über Disziplinprobleme, wo sie hinter dem, was für sie erwartbar wäre, zurückbleibt. Leistungserwartung: An der Level-3-Schule wird in geringerem Ausmaß Leistung von den Schüler/innen erwartet (‚Fordern, Leistungserwartung’). Schulklima: Die beiden Skalen zum Thema ‚Anregung’ sowie ‚Wärme’ bleiben hinter dem Durchschnitt und somit hinter dem, was erwartbar wäre, zurück. Aggression und Vandalismus liegen demgegenüber im erwartbaren Bereich.
Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) Ein erster Blick auf die Mittelwerte der Schule D (vgl. Tabelle 33) zeigt, dass Störungen im Unterricht in der Wahrnehmung der Lehrpersonen eigentlich kein Problem darstellen (M = 2.16, SD = 0.58). Zudem schätzen die Lehrpersonen des Gymnasiums D das Klassenklima, vergleichbar demjenigen der Gesamtstichprobe, als gut ein (M = 2.14, SD = 0.39). Tabelle 33: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule D auf der Mikro-Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium D Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) Unterrichtsklim a / Klassenm anagem ent Störungen im Unterricht (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Klassenklima LP-S (F-Werte 1 - 5) Unterrichtsgestaltung Individualisierung (A-Werte 1 - 4) Selbstkontrolle und Selfmonitoring (A-Werte 1 - 4) Diagnostische Kompetenz (A-Werte 1 - 4) Selbstaktivität im Unterricht (A-Werte 1 - 4) Arbeitsreflexion (A-Werte 1 - 4) Elaboration (A-Werte 1 - 4) Beurteilung und Benotung / Bezugsnorm orientierung Individuelle Bezugsnormorientierung (A-Werte 1 - 4)
Gesamtstichprobe PEB-ZH N
Gymnasium D N1
Differenz PEB-ZH zu Schule
M1 SD1 M1 - M sig. ¨
M
SD
434 2.09 444 4.12
0.64 0.46
51 2.16 0.58 51 4.14 0.39
437 434 441 439 436 422
2.38 2.45 3.12 3.12 1.86 2.76
0.60 0.59 0.44 0.49 0.53 0.70
51 50 50 51 51 50
439 3.70
0.46
Effekt
0.07 0.03
0.11 0.06
0.52 0.63 0.42 0.48 0.53 0.78
-0.04 -0.03 0.02 -0.07 -0.02 -0.04
-0.07 -0.04 0.05 -0.14 -0.03 -0.06
51 3.73 0.38
0.02
0.05
2.34 2.42 3.14 3.05 1.85 2.71
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu F-Werte: 1 = nie, 2 = selten, 3 = manchmal, 4 = oft, 5 = sehr oft
233
Beim gesamten Themenbereich Unterrichtsgestaltung zeigen sich keine Effekte; Schule D liegt im Durchschnitt der Gesamtstichprobe. Die Lehrpersonen dieser Schule legen, wie aus dem Gesamtmittelwert ersichtlich, tendenziell wenig Gewicht auf Individualisierung und Arbeitsreflexion, während Selbstaktivität im Unterricht, Elaboration sowie die eigene diagnostische Kompetenz eher als zutreffende Merkmale der Unterrichtsgestaltung eingeschätzt werden. Die individuelle Bezugsnormorientierung, welche Schüler/innen an ihren eigenen Fortschritten misst, wird aus Sicht der Lehrpersonen an dieser Schule (M = 3.73, SD = 0.38) wie auch im Gesamt der Stichprobe angewandt. Bezüglich der Werte, welche von der Schule D erwartbar wären, zeigt sich auf der MikroEbene (vgl. Abbildung 21) ein einheitliches Bild: Unterrichtsklima/Klassenmanagement: Beim Thema Störungen im Unterricht und Klassenklima entspricht Schule D den Erwartungen an ihre Schule. Unterrichtsgestaltung: Für die Ebene der Klasse und des Unterrichts kann festgehalten werden, dass die Lehrpersonen an dieser Level-3-Schule mehrheitlich erwartbare Wahrnehmungen berichten. Bezugsnormorientierung: Hier liegen die Werte der Schule D im erwartbaren Bereich.
Schule D: Kooperations-Level 3 "Interaktion"
Störungen im Unterricht (n.s. / kE) -> neg. Polung! Klassenklima (n.s. / kE) Individualisierung (n.s. / kE)
Skalen
Selbstkontrolle Selfmonitoring (n.s. / kE) Diagnostische Kompetenz (n.s. / kE) Selbstaktivität (n.s. / kE) Arbeitsreflexion (n.s. / kE) Elaboration (n.s. / kE) Individuelle Bezugsnormorientierung (n.s. / kE)
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
standardisierte Residuen
Abbildung 21: Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule D auf der MikroEbene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt.
Individuum: Lehrperson (Personale Ebene) Auf der personalen Ebene geht es um das subjektive Wohlbefinden der befragten Lehrpersonen. Tabelle 34 zeigt die Mittelwerte des Gymnasiums D in Bezug zum Mittelwert der Gesamtstichprobe. 234
Tabelle 34: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule D auf der Personalen Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium D Person: Individuum (Intrapersonale Ebene) Belastung Belastung (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Der zeitliche Aufwand, den ich für Teamarbeit und Koordination (innerhalb und zwischen den Jahrgangsstufen) aufwenden muss, ist zu hoch. (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Arbeitsunzufriedenheit (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Selbstwirksam keit Lehrpersonen Lehrerselbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4) Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen Externe Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4)
Gesamtstichprobe Gymnasium D Differenz PEB-ZH PEB-ZH zu Schule N M SD N1 M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt 443 2.06 431 2.20
0.58 0.85
51 2.20 0.69 51 2.25 0.93
0.14 0.05
¨
0.24 0.06
443 1.88
0.34
51 1.94 0.36
0.05
¨
0.16
442 3.27
0.43
51 3.16 0.42
-0.11
¨
-0.25
440 2.30 438 1.64
0.67 0.48
51 2.39 0.67 51 1.58 0.43
0.09 -0.06
0.14 -0.12
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau , ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Person: Individuum (Intrapersonale Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu G-Werte: 1 = sehr klein, 2 = eher klein, 3 = eher groß, 4 = sehr groß H-Werte: 1 = absolut unwichtig, 2 = eher unwichtig, 3 = eher wichtig, 4 = sehr wichtig I-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft
Auffallend sind dabei die bedeutsam höheren Werte bei Belastung (M = 2.20, SD=0.69) wie auch bei der Arbeitsunzufriedenheit (M = 1.94, SD = 0.36) als im Durchschnitt der Gesamtstichprobe. Im Weiteren herrscht die Auffassung, dass der Zeitaufwand für Teamarbeit und Koordination eher nicht zu groß ist (M = 2.25, SD = 0.93). Wie bereits bei der kollektiven Selbstwirksamkeit (s.o.) liegt auch die Einschätzung persönlicher Selbstwirksamkeit in Bezug auf das eigene Unterrichten und den Umgang mit schwierigen Situationen unter dem Mittel der Lehrpersonen aller beteiligten Schulen im Kanton. Dies bedeutet, dass die Lehrpersonen an dieser Schule etwas weniger davon überzeugt sind (M = 3.16, SD = 0.42), die Anforderungen im Alltag gut bewältigen zu können. Schule D: Kooperations-Level 3 "Interaktion"
Arbeitsüberforderung (n.s. / E = 0.24) -> neg. Polung!
Skalen
Zeitaufwand für Kooperation zu gross (Einzelitem) (n.s. / kE) -> neg. Polung! Arbeitsunzufriedenheit (n.s. / E = 0.16) -> neg. Polung! Lehrpersonen Selbstwirksamkeit (n.s. / E = -0.25) Externe Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / kE) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / kE) -0.4
-0.3
-0.2
-0.1
0.0
0.1
0.2
0.3
0.4
standardisierte Residuen
Abbildung 22: Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule D auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. Die unterschiedlichen Zuschreibungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen liegen im Durchschnitt der Gesamtstichprobe. Dort muss jedoch darauf verwiesen werden, dass die 235
Ursache für Störungen im Unterricht in der gesamten Stichprobe weniger häufig bei sich selber und dem eigenen didaktisch-methodischen Handeln als bei den Schüler/innen selbst gesehen wird. Bezüglich der Erwartungswerte (vgl. Abbildung 22) zeigt sich die Schule D uneinheitlich: Belastung: Die Lehrpersonen der Schule D fühlen sich in ihrer beruflichen Tätigkeit in bedeutsamer Weise überdurchschnittlich belastet (‚Arbeitsüberforderung’) und unzufrieden (‚Arbeitsunzufriedenheit’). Der ‚Zeitaufwand für Kooperation’ wird an dieser Schule im erwartbaren Maß wahrgenommen. Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen: Die Lehrpersonen dieser Schule sind weniger überzeugt, schwierige Situationen im Berufsalltag gut meistern zu können. Die Ausprägung der individuellen Selbstwirksamkeit liegt hinter dem erwartbaren Ausmaß zurück und bleibt unterdurchschnittlich. Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen: Diese beiden Konstrukte liegen im erwartbaren Bereich. Die Lehrpersonen des Gymnasiums D suchen die Ursache für Schwierigkeiten im Unterricht einerseits bei den Schüler/innen (‚externe Attribuierung’) aber auch in durchschnittlichem Ausmaß bei sich.
Beschreibung der Schule D anhand qualitativer Daten Aus den qualitativen Interviews werden im Folgenden die einzelnen Auswertungen der Schule D auf Level 3 entlang der Aspekte zu Kooperation, Belastung und Qualitätsmanagement ausgeführt. Nach den Zielen von Kooperation gefragt, sich folgendes Antwortmuster: An Schule D wird durch Kooperation innerhalb der Fachschaft die Nutzung von Synergien in Bezug auf Unterricht angestrebt. „Das eine ist sicher Synergien nutzen, also was jetzt fachschaftsintern passiert, wenn jemand etwas Neues ausprobiert hat, erzählt er das weiter, es ist erfolgreich gewesen, dann kann man es auch mal probieren“ (L3 Schule D FG: 143). Zusätzlich dient sie der Profilierung der Schule. „Als Schule einheitlicher nach außen auftreten zu können. Die gleiche Sprache reden nach außen, das scheint mir etwas ganz, ganz Wesentliches zu sein“ (L3 Schule D SL: 164). Bezogen auf die Häufigkeit finden an Schule D institutionalisierte, jedoch zeitlich je unterschiedlich häufige Fachschaftstreffen für inhaltliche Themen in zunehmender Tendenz gegenüber früher statt. „Und innerhalb der Fachschaft ist es ein bisschen unterschiedlich, also von mir kann ich sagen, von unserer Fachschaft kann ich sagen, dass wir auch ein bisschen so institutionalisierte Treffen haben einmal pro Semester, so halb privat, halb beruflich, wo wir Themen ansprechen, welche die Fachschaft beschäftigen. Auch immer wieder Fachschaftstage oder Halbtage, wo wir neue Sachen, welche auf ein Fach zukommen, wieder diskutieren oder Lehrplanänderungen, die anstehen. Also, ich denke das hat auch zugenommen. So das sich absprechen müssen“ (L3 Schule D FG: 137). Was die Form anbetrifft, so ist Kooperation an Schule D unterrichtsbezogen, indem Interdisziplinarität, fachliche Zusammenarbeit und Materialaustausch sowie Teamteaching gepflegt werden. „Aber wir haben Ansätze, die das fördern und das ist z.B. der interdisziplinäre Unterricht und der Projektunterricht, der interdisziplinäre: ... und zum Teil auch Ergänzungswahlfach, das zwei LP erteilen. Das hat bei Einzelnen sehr viel ausgelöst“ (L3 Schule D SL: 130-132). Regelungen für die schulinterne Organisation wie Ergänzungsfächer, Teamteaching und Kommissionsmitarbeit liefern Rahmenbedingungen für Kooperation. Es wird zudem pragmatisch kooperiert auf der Basis einer guten Beziehungsebene, 236
indem Hospitation und Feedback, fachinterne und -übergreifende Zusammenarbeit, Mentorate und Weiterbildung stattfinden. „Das merkt man auch bei den Projekten, ein fachspezifisches Projekt ist viel schneller vorbereitet als ein interdisziplinäres. Weil man da halt wirklich zusammenkommen muss und Gedanken austauschen und ein Programm zusammenstellen“ (L3 Schule D FG: 132). Die Einstellung zu Kooperation ist grundsätzlich positiv. Kooperation wird als Aspekt professionellen Handelns gesehen wird, der grundsätzlich freiwillig erfolgt, das Wohlbefinden erhöht und ein Unterrichtsqualitätsfaktor unter anderen darstellt. „Es mag durchaus auch LP geben, die vielleicht ein 80%-Pensum haben und sich trotzdem nicht groß ‚scheren darum’ was hier läuft, das mag es auch geben. Hingegen das Umgekehrte, dass jemand mit 30% sehr engagiert an der Schule ist und vieles ‚anreißt’. Also ich denke nicht, dass es von den Prozent abhängt, sondern mehr von den Leuten die dahinter sind“ (L3 Schule D FG: 207). Kooperation wird dann wirksam und entlastend, sobald die Zusammenarbeit ein Bestandteil des Berufsauftrags darstellt und zur Kultur im Verständnis „Wir und unsere Schule“ anstatt eines Einzelkämpfertums gezählt wird. „Und für mich ist es vielleicht ein bisschen weniger wichtig als für dich, aber es ist natürlich sicher so, wenn man im Kollegium nicht einigermaßen gestützt wäre, oder so, wäre es schwierig, vernünftig unterrichten zu können. Das Einzelkämpfertum gibt es eigentlich nicht mehr“ (L3 Schule D FG: 126). Der Erfolg ist abhängig von Rahmenbedingungen wie Infrastruktur und Zeit, sowie dem verfolgten Zweck und der Beziehungsqualität der Kooperationspartner. „Ja, Kooperation ist lebensnotwenig um zusammenarbeiten zu können und es muss irgendwie ein Benefit daraus geben. Und ich denke auch es muss, und zwar einer, der einsehbar ist sofort. Und nicht Kooperation an und für sich ist etwas sehr Gutes, sondern es muss etwas dabei herausschauen“ (L3 Schule D SL: 126). Besonders wirkt Kooperation durch angeordneten Formund Zeitdruck kontraproduktiv und erhöht die Belastung. „Ich weiß nicht, irgendwie so eine befohlene Kooperation, aber das wurde schon zwei-dreimal angedeutet, dann fällt es sehr schnell ins Negative. Man kommt immer wieder auf das Gleiche, wenn man keine Zeit hat, dann ist es schwer zum wirklich miteinander Stress abbauend zu kooperieren“ (L3 Schule D SL: 166). An Gymnasien fehlt bislang diesbezüglich eine Tradition. „Ja, also ich denke, dass der klassische Mittelschullehrer da schon ein bisschen der Einzelkämpfer war. Dass man schon immer gesagt hat, dass in einer Volksschule diese Zusammenarbeit im Kollegium viel größer ist und dass wir auf dem Weg sind vom Einzelkämpfer zum Kollegium“ (L3 Schule D SL: 127). Welche Möglichkeiten und Grenzen von Kooperation werden von Schule D genannt? Kooperation wird dadurch limitiert, dass die Teamzusammensetzung, Teilzeitpensen und die Erreichbarkeit der Personen entscheidende, aber wenig beeinflussbare Faktoren sind. „Ja, dass manchmal gewisse Leute nicht anwesend sind, schlicht weg. Dass man sie sucht wegen irgendetwas. Oder dass man sie nicht findet, dass sie im Unterricht sind oder in der Vorbereitung irgendwo in einer Ecke, oder so. Das kann manchmal mühsam sein“ (L3 Schule D FG: 190). Die Freiwilligkeit und gegenseitige Sympathie sind weitere entscheidend wichtige Faktoren. „Ich könnte mir vorstellen, eben die Zeitgründe und dann vielleicht dass an gewissen Orten die Persönlichkeitsstruktur, so ist, dass man nicht zusammenarbeiten möchte. Aber dass der Wunsch trotzdem besteht“ (L3 Schule D SL: 134). Interdisziplinäre Kooperation ist aufwändiger als fachliche, und weiter sorgen zeitliche Gründe sowie der Verlust von freier Zeit für Belastung und Stress. „Ich denke es ist vor allem ein Zeitproblem. Also sobald man kooperiert mit jemanden muss man sich arrangieren, muss Termine finden, man muss zusammenarbeiten, kann sich das nicht zuhause im Stübli oder sonst einmal in einer Freistunde oder in den Ferien sich über237
legen, sondern man muss immer zusammenkommen. Und je mehr Personen dabei sind, umso schwieriger wird es und zeitaufwändiger auch. Es ist in erster Linie ein Zeitproblem“ (L3 Schule D FG: 130). Die Stundenplankoordination und die Betonung des unmittelbaren Nutzens, auch auf die eigene Arbeitszufriedenheit, sind weitere Grenzen für die Kooperation. „Ja, man könnte natürlich sagen, eben dass man auch fast nicht in der Lage ist, irgendwelche Räume zeitlich einzugeben im Stundenplan, habe ich den Eindruck. Also wenn ich Studenplanordner höre, dann hat er so viele Auflagen, dass es dann auch fast nicht möglich ist, die gemeinsamen Löcher zu definieren. Also ich habe gerade vorher mit ihm geredet, was er jetzt für ein ‚Krampf’ macht. Und das wäre dann schon etwas, was man können müsste“ (L3 Schule D SL: 134). Werden Belastungsempfinden und -bewältigung thematisiert, kommt zum Ausdruck, dass die Entstehung von Belastung vor allem durch ausserunterrichtlichen Anforderungen begründet wird. Diese überlagern sich mit bestehenden Belastungsphasen. Durch diesen Zeitmangel senkt sich die Kapazität für individuellen Gestaltungsraum. „Ich denke auch, man kann nicht sagen, es ist ein spezieller Aspekt, wo einen massiv mehr belastet als ein anderer. Sondern es ist die Zunahme von Zusatzaufgaben, die immer häufiger gekommen sind. Reformen, wo man Anpassungen machen musste. Und nebenbei auch immer noch Schule geben und vor allem mit immer größeren Klassen. Und mit zum Teil auch immer mehr Problemfällen in der Klasse. Seien das psychologisch bedingte oder eben Mädchen, die magersüchtig sind, was es auch immer häufiger gibt. Ja, Disziplin, welche zum Teil vor allem durch die großen Klassen schwieriger wird zu bewältigen. Es ist einfach das Mehr an Arbeiten, wo man bewältigen muss“ (L3 Schule D FG: 228). Bewältigung von Belastung an der Schule: Bewältigung von Belastung wird möglich durch individuelle persönliche Entlastungsstrategien, die Nutzung bestehender Unterstützungsangebote in der Schule sowie durch informelle Gespräche. „Also es gibt schon, sagen wir mal, was Disziplin angeht, Problemschüler, dort gibt es schon vorgegebene Wege. Ich weiß jetzt nicht, wie dieses Papier heißt, so ein ... wie geht man eben vor, wenn eine Schülerin gemobbt wird oder hat private Problemen. Also es gibt dann schon gewisse Richtlinien, wie man vorgehen muss oder kann. Ich denke, das machen wir auch und das macht auch Sinn. Es will ja niemand selber die Verantwortung übernehmen und anfangen zu psychologisieren. Also da gibt es schon Stellen, wo man versucht das weiterzuleiten. Aber sonst, rein persönlicher Umgang mit Belastungen, glaube ich nicht, dass es Muster gibt“ (L3 Schule D FG: 215). Rezepte gibt es keine; oder man wird krank. „... ja man macht es dann vielleicht halbherzig oder ich weiß auch nicht. – Jaja, man rettet sich irgendwie in die Ferien oder so. – Und wird dann krank“ (L3 Schule D FG: 237-239). Wird aus den Antworten nach den Bezügen zum Qualitätsmanagementauftrag der Schulentwicklung geforscht, zeigen sich die folgenden Aspekte Institutionalisierungsgrad des Qualitätsmanagements (QM) an der Schule: Charakterisiert ist die Institutionalisierung von Qualitätsmanagement sowohl durch geregelte Elemente wie die verpflichtend geregelte Arbeit in Kommissionen, das Einrichten von Mentoraten für Neue, verbindlich geregelte Konvente, aber insbesondere auch durch eine informelle Nutzung der Strukturen. „Aber vielleicht ein Indiz für die nicht gerade große Beliebtheit von dieser QS mag darin auch gesehen werden, dass wo wir die ... wo ich die acht ständigen Kommissionen gebildet habe, das war eigentlich das Erfüllen des Auftrages, dass die MBA’s Zusatzaufgaben erfüllen müssen, da habe ich mir gesagt, ich tue die einfach in ständige Kommissionen einteilen und dann können sie dort ihre Aufgaben erfüllen. Und man konnte alle Kommissionen bemannen und befrauen, Entschuldigung. Und in der QSKommission war praktisch niemand und es war auch bezeichnend, welche LP sich für keine 238
Kommission gemeldet haben. Es sind wirklich die LP gewesen, die über 50 waren, sagen wir es mal so, die schon lange an der Schule waren. Und durch das haben wir jetzt in der QS-Kommission sehr viel LP, die schon sehr viel Lehrerfahrung haben, sagen wir das einmal positiv. Also man hat sich nicht darum gerissen“ (L3 Schule D SL: 81). Unklare Auftragslagen von Schulleitung und Qualitätskommission lösen hingegen Intransparenz und Unsicherheit bei Lehrpersonen aus. „XY ist der Präsident der QualitätssicherungsKommission und wir haben in etwa den gleichen Schulweg. Und so wie er redet, fasst er ‚in Anführungszeichen’ den Auftrag“ (L3 Schule D FG: 119). Berichtete Folgen des QM: Die Einführung von QM hat insofern positive Auswirkungen, als dadurch die Wichtigkeit des Schulklimas, eines konsensfähigen Teams sowie der Schulorganisation, die unterrichtsbezogene Diskussion zu fachlichen und überfachlichen Standards, interdisziplinäre Projekte und alternative Lehr-Lernformen betont und angeregt werden. Zudem wird ein auf unterschiedliche Kompetenzen von Lehrpersonen ausgerichtetes Personalmanagement wichtig. „Es ist vermehrt so, dass soziale Kompetenzen usw. eben auch eine große Rolle spielen. Und das kann man nicht einfach bei allen voraussetzen, die man einstellt. Also didaktische, pädagogische und soziale Kompetenzen und Fachkompetenzen das ist etwas, das kann man nicht überall in gleichem Masse voraussetzen. Und ich glaube das Schwergewicht hat sich zum Teil ein bisschen verlagert. Etwas, und jetzt kommt das, was ich vorher gesagt habe, es ist nicht jedermanns Sache, sich von einem Tag auf den anderen auf etwas Neues einzustellen. Und das geht im Prinzip über Generationen, der Wechsel, ein bisschen. Und der findet auch an dieser Schule statt. Das ist ganz klar. Also um das krass auszudrücken, LP die jetzt in Pension gehen, die haben zum Teil das Gefühl, es werde, jetzt extrem ausgedrückt, nur noch „gesändelet“ und der Fachunterricht stehe nicht mehr so extrem im Zentrum. Und das stimmt so sicher nicht. Aber also nochmals, ich glaube, der Lehrkörper bestimmt an und für sich die Qualität“ (L3 Schule D SL: 60). Negative Wirkungen ergeben sich durch die Unsicherheiten bezüglich des Auftrags der Qualitätskommission, verpflichtende Veränderungen und die hohe zeitliche Beanspruchung aller Beteiligten. „Oder anders gefragt, was weiß die Qualitätssicherungskommission, was eigentlich ihr Auftrag wäre. Ich bin nicht ganz sicher, weil die Aussagen der letzten Untersuchung hat man nicht gebraucht. Also ich würde sagen, es ist schade um die Zeit, die sie aufgewendet haben, für die Resultate, die herausgeschaut haben. Und das ist das, was ich eigentlich schon öfters gesagt habe, wir setzten relativ viel Zeit ein. ... “ (L3 Schule D FG: 86). Keine eindeutigen Auswirkungen von QM zeigen sich durch die große Varianz in den Kompetenzen der Lehrpersonen und der Ausübung der Klassenlehrerfunktion. „Also die Aufgabe, die ein Klassenlehrer hat, als Bezugsperson Eltern, Schüler, Kollegen, wir haben das auch schon thematisiert auch in einer WB der Schule, also die LP. Das ist sicher viel größer geworden, diese Funktion ist immer wichtiger geworden. Und man sieht auch klar, dass nicht jede LP diese Funktion gleich übernimmt, wie die andere“ (L3 Schule D SL: 70). Die Schulkommission spielt beim QM keine wahrnehmbare Rolle und durchgeführte Evaluationen zeigen wenig Wirkung. Im Weiteren haben die Erwartungen der Gesellschaft an Lehrpersonen zugenommen, und eine Tendenz zu mehr Public Relation entsteht. Insgesamt ist ein Einstellungswandel zu mehr Eigenverantwortung notwendig. Einstellungen zum QM an der Schule: Es bestehen sowohl grundsätzlich positive als auch negative Einstellungen gegenüber QM. Skepsis herrscht gegenüber überhöhter und unmittelbarer Wirkungserwartung an Effektivität und Effizienz von QM und dem Nutzen vereinzelt angewendeter Instrumente. „Also sobald etwas von oben herunter diktiert wird, man muss jetzt das machen. Dann ist schon einmal eine gewisse Resistenz da, vor allem auch vom Zeitaufwand her. Das bedeutet mehr Arbeit, das bedeutet mehr Zeit, die man 239
investieren muss. Und wie gesagt es hat sich in letzter Zeit so viel verändert, dass langsam das eigentliche Kerngeschäft vom Unterrichten ein bisschen auf einem Nebengeleis läuft“ (L3 Schule D FG: 46). Dies zeigt sich in der Überzeugung, dass Einsicht in die Sinnhaftigkeit von QM und kollegialem Feedback für eine Wirkung notwendig wäre und negative Einstellungen diese Wirkung beeinträchtigen, dass Aufwand und Ertrag der Umsetzung von QM-Maßnahmen in sinnvollem Verhältnis zueinander stehen sollten, dass zeitliche Parallelität zu weiteren Reformen sowie Überbelastungen vermieden werden müssen und schismogene Prozesse im Team Stolpersteine darstellen. „Ich glaube auch, es schwankt zwischen solchen, die die Notwendigkeit sofort sehen und das auch dementsprechend machen, und andere sagen, alles, was irgendwie angeordnet wird, ist schon gerade sowieso einmal nicht gut. Und bringen tut es eh nicht viel. Also ich würde es auch zwischen diesen Extrem sehen“ (L3 Schule D SL: 76). Werden die Daten der Schüler/-innenbefragung zu Aspekten von Schul und Unterrichtsqualität an Schule D analysiert, ergeben sich für Schule D in den Aspekten zu Schulund Unterrichtsqualität vergleichsweise durchschnittliche bis überdurchschnittliche Werte. Auffallend sind insbesondere jene in den Bereichen „Mitsprache“ (0.47), „Wärme“ (0.25), „LP-S-Beziehungen“ (0.42), „Elaboration“ (0.22), „Genetisch-Sokratisches Vorgehen“ (0.34), „Selbstaktivität“ (0.23), „Selfmonitoring“ (0.33) und „Förderhaltung“ (0.22) (Maag Merki & Steinert: 114 ff.).
Zusammenfassende Darstellung Aufgrund der beantworteten Fragestellungen lassen sich für die interaktive L-3-Schule D folgende tabellarisch (Tabelle 35) verdichteten Aussagen zu den quantitativen und daran anschließend berichteten qualitativen Daten (Tabelle 36) machen: Tabelle 35: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule D auf Level 3 Fazit auf der Basis der Mittelwerte
bzw. auf Basis der standardisierten Residuals
An der Schule D auf Level 3 berichten die Lehrpersonen: Schulebene
eine positive Wahrnehmung ihrer Schulleitung hinsichtlich Zielgerichtetheit,
Unterdurchschnittliche Wahrnehmung der SL
ein wenig ausgeprägtes Vertrauen in die Selbstwirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen (‚kollektive Selbstwirksamkeit’),
Unterdurchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
240
Fazit auf der Basis der Mittelwerte
bzw. auf Basis der standardisierten Residuals
ein wenig kohärentes Innovationsklima, bestehend aus einer eher positiven ‚Einstellung gegenüber Qualitätsentwicklung’ einerseits und der geringen Praxis von ‚360°-Feedback’, welches die Perspektiven von Schüler/innen, Eltern und Lehrpersonen einbezieht,
Unterdurchschnittliche Innovationsbereitschaft
einen Bedarf an gemeinsamer Planung von Zielen und Strategien zur Aufgabenbewältigung (‚Soll-Programmatische Kooperation’) und den tendenziellen Anspruch, Selbst- und Fremdbeurteilung sowie gegenseitige Unterrichtsbesuche durchzuführen,
Unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich geplanter,…
eine wahrgenommene Umsetzung verschiedener konkreter Formen von Kooperation wie dem Austausch von unterrichtsbezogener Erfahrung, über Disziplin und über die Beurteilung von Schüler/innen,
…jedoch durchschnittliche und unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich effektiver Kooperation
eine hohe Leistungserwartung an die Schüler/innen,
Durchschnittliche Leistungserwartung
ein warmes Verhältnis zwischen den Lehrpersonen untereinander, wie auch zwischen den Lehrpersonen und den Schüler/innen, eine eher hohe Anregung sowie einen geringeren Grad an Aggression und Vandalismus.
Unterdurchschnittlich positives Schulklima, unterdurchschnittliche kulturelle Anregung und ein durchschnittlicher Grad an wahrgenommener Aggression
Unterrichtsebene
eine als eher gering wahrgenommene Störungsneigung im Unterricht,
Durchschnittlich Störneigung
eine eher auf Elaboration und Selbstaktivität der Schüler/innen ausgerichtete Unterrichtskultur mit Betonung der eigenen diagnostischen Kompetenz
Einheitliches Bild: durchschnittliche Unterrichtskultur
erlebte
Personale Ebene
eine eher geringe Belastung und eine geringe Unzufriedenheit in der Arbeit,
Überdurchschnittlich erlebte Belastung und Unzufriedenheit in der Arbeit
eine günstige individuelle Selbstwirksamkeit
Unterdurchschnittlich erlebte individuelle Selbstwirksamkeit
und eine wenig selbstkritische Einstellung zu Ursachen von Unterrichtsstörungen.
Durchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion bei Unterrichtsstörungen
241
Tabelle 36: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule D auf Level 3 Schule D (Level 3: Interaktion) Kooperation an Schule D: Kooperation bezieht sich auf unterrichtliche und strategische Ziele, um Synergien zu schaffen. Zunehmend häufige, institutionalisierte Arbeitsform. Kooperation bezieht sich auf die Organisation der Schule und den Unterricht: Beides steht im Fokus. Kooperation ist institutionalisiert. Es besteht zudem ein pragmatisches Verständnis, da die Beziehungsebene als Basis für Kooperation betont wird. Eine positive Einstellung zur Kooperation wird als Teil professionellen Handelns angesehen. Institutionell angeordnete Kooperation unter Form- und Zeitdruck wirkt kontraproduktiv. Die bisher an Gymnasien fehlende Kultur einer Zusammenarbeit als Teil des Berufsauftrags soll sich verändern. Betont wird der notwendigerweise resultierende Benefit. Konkrete (Teamzusammensetzung, Teilzeitpensen und interdisziplinäre Kooperation, welche als aufwändiger erlebt wird als fachliche) und diffuse (die durch Freiwilligkeit, gegenseitige Sympathie, Nutzenorientierung, eigene Arbeitszufriedenheit charakterisiert sind) Grenzen für Kooperation. Belastungserleben an Schule D: Belastung ist ein Problem und wird durch hohe Erwartungen an Lehrpersonen und Schule seitens der Öffentlichkeit, durch Belastungsphasen und Zeitmangel verstärkt. Bewältigung von Belastung geschieht durch individuelle Aktivitäten und Nutzung bestehender Unterstützungsangebote. Keine Rezepte vorhanden. QM an Schule D: Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch eine geregelte Zusammenarbeit (Konvent, Kommissionen). Wichtig bleibt jedoch die informelle Nutzung der Strukturen. Intransparenz und Unsicherheit herrschen bezüglich Verknüpfung von Schulleitung und Qualitätskommission. Qualitätsmanagement ermöglicht schulische Weiterentwicklung und individuelle Personalentwicklung. Dies geht jedoch mit hoher zeitlicher Belastung einher. Interne Evaluationen zeigen wenig Wirkung, QM bringt jedoch insgesamt eine Tendenz zu mehr PR im Mittelschulbereich. Qualitätsmanagement ist grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Skepsis herrscht gegenüber überhöhter und unmittelbarer Wirksamkeitserwartung an Effektivität und Effizienz. Einsicht in Sinnhaftigkeit von QM ist wichtig, schismogene Prozesse im Team stellen Stolpersteine dar.
An Schule D wird sowohl fachintern wie überfachlich kooperiert. Ebenso erfolgt die Koordination in Bezug auf Anliegen, welche die gesamte Schule betreffen. Dieser insgesamt hohe Grad an Kooperation geht einher mit eher unterdurchschnittlichen Werten bezüglich der Qualitätsaspekte aus Sicht der Lehrpersonen, während die Lernenden die entsprechenden Aspekte günstiger beurteilen. Qualitätsmanagement scheint zwar institutionalisiert zu sein, dennoch besteht von Seiten der Lehrpersonen Skepsis, vor allem bezüglich der beabsichtigten Wirkungen von QM. Ein detailliertes Fazit findet sich unter 9.5.2. 242
9.4.4 Schule F (Level 2: „Koordination“) Mit dem eingesetzten Instrument zur Erfassung von Kooperation unter Lehrpersonen konnte für die Schule F das Niveau 2 („Koordination“) ermittelt werden. Im Folgenden soll dieses Ergebnis anhand unterschiedlicher Datenquellen als Einzelfall dargestellt werden. Es folgt eine ausführliche Beschreibung entlang der weiter oben (Kp. 7) ausgeführten Fragestellungen.
Kontextuelle Bedingungen der Schule F Schule F gehört zu jenem Typ traditionsreicher Mittelschulen, welche als Ergebnis des bildungspolitischen Aufbruchs in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstanden sind und in der Stadt angesiedelt sind. Die Schule F ist im Vergleich zum Kanton Zürich ein mittelgroßes Gymnasium.
Profil der Schule F anhand quantitativer Daten Nachfolgend werden die quantitativen Auswertungen für die unterschiedlichen Aspekte von Schulqualität aufgeführt. Dabei leiten uns folgende Fragestellungen: Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Qualitätsaspekte von Schule wie das Schulleitungshandeln, kollektive Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen, die Innovationsbereitschaft des Teams, die Organisation der Arbeit, Leistungserwartung und das Schulklima ein? Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Aspekte der Qualität von Unterricht und des Unterrichtsklimas ein? Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule ihre individuelle Selbstwirksamkeit, ihre Belastung und Arbeitszufriedenheit ein und welche Einstellungen zu Unterrichtsstörungen bestehen? Mit den Tabellen als Strukturierungshilfe soll in einem ersten Schritt den bemerkenswerten Themen auf Ebene der Einzelschule nachgegangen werden. Dabei werden v.a. diejenigen Punkte ausgeführt, in denen sich die Schule einerseits signifikant und/oder mit einem bedeutsamen Effekt vom Gesamtmittelwert unterscheidet und andererseits deutlich über oder unter dem liegt, was erwartbar wäre (vgl. Tabelle 37 bis Tabelle 39). Die schwarzen Balken in den Abbildungen (vgl. Abbildung 23 bis Abbildung 25) veranschaulichen jeweils das Ausmaß, mit dem der Wert der standardisierten Residuen vom erwartbaren Wert einer für die Stichprobe fiktiven Durchschnittsschule abweicht (vgl. Kapitel 8.1.3.).
Schule (Meso-Ebene) Die Lehrpersonen des Gymnasiums F nehmen ihre Schulleitung bezüglich Zielgerichtetheit (vgl. Tabelle 37) in durchschnittlichem Maß positiv wahr (M = 3.32, SD = 0.55). 243
Tabelle 37: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule F auf der Meso- Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium F Schule (Meso-Ebene) Schulleitung Zielgerichtete Führung (A-Werte 1 - 4) Lehrer/innenkollegium Kollektive Selbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4) Innovationsklim a / Evaluation / Qualitätsentwicklung Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (A-Werte 1 - 4) 360-Grad-Feedback (A-Werte 1 - 4) Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback SOLL - Programmatische Kooperation (A-Werte 1 - 4) Selbst- und Fremdbeurteilung sollten für uns Bestandteil der Arbeit sein. (A-Werte 1 - 4) Gegenseitige Unterrichtsbesuche sollten ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit sein. (A-Werte 1 Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei Disziplinproblemen der Schüler (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei der Benotung (B-Werte 1 - 5) Leistungserwartung Erziehungsstil der Lehrkräfte: Fordern (A-Werte 1 - 4) Schulklima Anregung (A-Werte 1 - 4) Aggression und Vandalismus (D-Werte 1 - 4) --> Polung! Wärme, Schulklima (E-Werte 1 - 5)
Gesamtstichprobe Gymnasium F Differenz PEB-ZH PEB-ZH zu Schule N M SD N1 M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt 434
3.27 0.55
48 3.32 0.55
0.06
0.11
439
2.86 0.53
49 2.79 0.48
-0.07
-0.14
433 417
3.15 0.52 2.37 0.68
49 3.14 0.61 48 2.43 0.60
-0.01 0.06
-0.02 0.09
434 434 431 440 437 437
3.40 3.16 3.19 3.06 3.48 2.92
49 49 49 49 49 49
0.44 0.84 0.95 0.78 0.90 0.70
-0.02 -0.12 -0.31 -0.16 -0.03 -0.03
-0.04 -0.14 ¨ -0.38 ¨ -0.21 -0.03 -0.04
431
3.01 0.46
48 3.10 0.39
0.09
438 425 440
3.23 0.56 1.46 0.33 4.21 0.47
49 3.52 0.46 45 1.56 0.38 49 4.18 0.46
0.29 *** ¨ 0.53 0.10 ¨ 0.31 -0.03 -0.07
0.43 0.80 0.81 0.79 0.90 0.79
3.38 3.04 2.88 2.89 3.45 2.89
*
¨
0.19
Bemerkung zur Tab.: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau, ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen 1988) Skalierung: Schule (Meso-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu B-Werte: 1 = gar nicht, 2 = einmal im Jahr, 3 = mehrmals im Halbjahr, 4 = einmal monatlich, 5 = einmal wöchentlich C-Werte: 5-stufiges Kontinuum; 1 = stimmt nicht – 5 = stimmt genau D-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft E-Werte: 5-stufiges Kontinuum; Ausprägung zwischen zwei gegensätzlichen Aussagen (li/re): 1 = negative Aussage (rechts) – 5 = positiv Aussage (links)
Die Lehrpersonen der Schule F erleben sich in durchschnittlichem Ausmaß (M = 2.79, SD = 0.48) als kooperatives Kollegium, das sich aufeinander verlassen und auch trotz Systemzwängen oder schwieriger Situationen pädagogisch professionell agieren kann. Gegenüber Qualitätsentwicklung sind die Lehrpersonen dieser Schule wie in der Gesamtstichprobe in der Tendenz eher zustimmend eingestellt (M = 3.14, SD = 0.61). Der Praxis des Einholens von Rückmeldungen verschiedener Beteiligter stimmen die Lehrpersonen der Schule F eher nicht zu (M = 2.43, SD = 0.6). Der Gesamtmittelwert (M = 2.37, SD = 0.68) liegt diesbezüglich im ablehnenden Bereich (M > 2.5 bei einer Skalierung von 1 bis 4). Die Lehrpersonen des Gymnasiums F sind gegenüber gegenseitigen Unterrichtsbesuchen als Ziel deutlich skeptischer eingestellt (M = 2.88, SD = 0.95) und geben auch bedeutend weniger häufig als ihre Kolleg/innen in der Gesamtstichprobe an, dass sie einen gemeinsamen Erfahrungsaustausch im Zusammenhang mit Unterrichtsfragen pflegen (z.B. Weitergabe von pädagogischen Ideen, Diskussion von Schüler/innenverhalten im Unterricht). Im Weiteren verweisen sie auf die Notwendigkeit eines gemeinsamen Erarbeitens der schulischen Ziele (M = 3.38, SD = 0.44) sowie der Selbst- und Fremdbeurteilung. Kooperation bei Disziplinarproblemen findet wie in der ganzen Stichprobe statt, während die Kooperation bei der Benotung geringer ausfällt. Laut den Lehrpersonen trifft in Bezug auf Leistungserwartung eher zu, dass an der Level-2-Schule F von den Schüler/innen hohe Leistung und Einsatz gefordert werden, und sie sich anstrengen müssen (M = 3.1, SD = 0.39). 244
Deutlich stärker als im Gesamtdurchschnitt wird am Gymnasium F auf Level 2 Wert auf die kulturelle und interessenspezifische Anregung gelegt (M = 3.52, SD = 039). Dazu gehören z.B. Freizeitangebote oder kulturelle Veranstaltungen. Vandalismus wie auch Aggression scheinen an dieser Schule aus Sicht der Lehrpersonen häufiger vorzukommen (M = 3.1, SD = 046) als im Schnitt der Gesamtstichprobe. Das Klima an der Schule F (M = 4.18, SD = 0.46) wird wie in der gesamten Stichprobe als eher positiv bezeichnet. Die Abbildung 23 zeigt das Profil bezüglich der Erwartungswerte von Schule F.
Schule F: Kooperations-Level 2 "Koordination"
Zielgerichtete Führung (n.s. / kE) Kollektive Selbstwirksamkeit (n.s. / kE) Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (n.s. / kE) 360-Grad-Feedback (n.s. / kE) SOLL-Programmatische Kooperation (n.s. / kE)
Skalen
Selbst-Fremdbeurteilung (SOLL - Einzelitem) (n.s. / kE) Gegenseitige Unterrichtsbesuche (SOLL - Einzelitem) (* / E = -0.38) Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (n.s. / E = -0.21) Kooperation Disziplin (n.s. / kE) Kooperation Beurteilung Noten (n.s. / kE) Fordern, Leistungserwartung (n.s. / E = 0.19) Anregung (*** / E = 0.53) Aggression Vandalismus (n.s. / E = 0.31) -> neg. Polung! Wärme (n.s. / kE) -0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
standardisierte Residuen
Abbildung 23: Profile mit standardisierten Residuen der Level-2-Schule F auf der MesoEbene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. Schulleitung: Die Schulleitung wird an der Level-2-Schule F in erwartbarem Masse als zielgerichtet wahrgenommen. Lehrer/innenkollegium: Das Vertrauen in die Wirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen und der Problemlösung liegt im Erwartbaren (‚Kollektive Selbstwirksamkeit’). Innovationsklima/Evaluation/Qualitätsentwicklung: Es herrscht eine durchschnittliche Einstellung gegenüber Qualitätssicherung und es wird in erwartbarem Ausmaß Feedback von verschiedenen Akteursgruppen einbezogen. Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback: Die Level-2-Schule F nimmt den Bedarf für eine gemeinsame Planung von Zielen und Strategien in durchschnittlichem Ausmaß wahr (‚SOLL-Programmatische Kooperation’). Die Selbst- und Fremdbeurteilung bleibt auf dem durchschnittlichen Wert. Gegenseitige Unterrichtsbesuche sowie ein Aus245
tausch über Unterrichtserfahrung werden gemäß Angaben der Lehrpersonen weniger häufig praktiziert, als erwartbar wäre. Leistungserwartung: An der Level-2-Schule F fordern die Lehrpersonen von den Schüler/innen in leicht höherem Masse Leistung und Einsatz (‚Fordern, Leistungserwartung’), als dies erwartbar wäre. Schulklima: Die beiden Skalen zum Thema ‚Anregung’ sowie ‚Wärme’ erfragen das Vorhandensein von kulturellen Aktivitäten und einem Freizeitangebot für die Schüler/innen sowie die Stimmung und die Beziehungsqualität an der Schule. In der Level-2-Schule F wird das Schulklima eingeschätzt, wie es aufgrund der standardisierten Residuen zu erwarten ist. Dagegen liegen die Einschätzungen für ‚Aggression’ und ‚Vandalismus’ über den Erwartungswerten. Insgesamt kann festgehalten werden, dass die Lehrpersonen der Level-2-Schule F in den meisten Fällen durchgängig durchschnittliche Wahrnehmungen in den Aspekten von Schulqualität auf der Meso-Ebene kommunizieren. In einzelnen Bereichen liegen die Einschätzungen entweder unter oder auch über der Erwartung an ihre Schule.
Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) Mit Blick auf die Mittelwerte der Schule F (vgl. Tabelle 38) zeigt sich, dass Störungen im Unterricht tendenziell keine Schwierigkeit darstellen (M = 2.12, SD = 0.67) und die Lehrpersonen der Schule F das Klassenklima, welches den wahrgenommenen Einbezug der Schüler/innen abbildet, analog der Gesamtstichprobe als gut einschätzen (M = 4.06, SD = 0.45). Tabelle 38: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule F auf der Mikro-Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium F Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) Unterrichtsklima / Klassenmanagement Störungen im Unterricht (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Klassenklima LP-S (F-Werte 1 - 5) Unterrichtsgestaltung Individualisierung (A-Werte 1 - 4) Selbstkontrolle und Selfmonitoring (A-Werte 1 - 4) Diagnostische Kompetenz (A-Werte 1 - 4) Selbstaktivität im Unterricht (A-Werte 1 - 4) Arbeitsreflexion (A-Werte 1 - 4) Elaboration (A-Werte 1 - 4) Beurteilung und Benotung / Bezugsnorm orientierung Individuelle Bezugsnormorientierung (A-Werte 1 - 4)
Gesamtstichprobe Gymnasium F Differenz PEB-ZH PEB-ZH zu Schule N M SD N1 M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt 434 444
2.09 0.64 4.12 0.46
49 2.12 0.67 50 4.06 0.45
0.03 -0.06
0.04 -0.13
437 434 441 439 436 422
2.38 2.45 3.12 3.12 1.86 2.76
49 49 49 49 49 48
0.65 0.57 0.45 0.51 0.51 0.74
0.01 0.06 0.03 0.00 0.03 -0.01
0.01 0.10 0.07 0.00 0.06 -0.01
439
3.70 0.46
47 3.70 0.46
0.00
0.00
0.60 0.59 0.44 0.49 0.53 0.70
2.39 2.51 3.15 3.11 1.89 2.75
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu F-Werte: 1 = nie, 2 = selten, 3 = manchmal, 4 = oft, 5 = sehr oft
Beim gesamten Themenbereich Unterrichtsgestaltung zeigen sich keine Effekte, die Schule F liegt im Durchschnitt der Gesamtstichprobe. Die Lehrpersonen dieser Schule legen – wie auch im Gesamtmittelwert bereits ersichtlich – eher wenig Gewicht auf Individualisierung und Arbeitsreflexion, während Selbstaktivität im Unterricht, Elaboration sowie die eigene 246
diagnostische Kompetenz eher als zutreffende Merkmale der Unterrichtsgestaltung wahrgenommen werden. Bezüglich der Werte, welche von der Schule F erwartbar wären, zeigt sich auf der MikroEbene (vgl. Abbildung 24) ein einheitliches Bild:
Schule F: Kooperations-Level 2 "Koordination"
Störungen im Unterricht (n.s. / kE) -> neg. Polung! Klassenklima (n.s. / kE) Individualisierung (n.s. / kE)
Skalen
Selbstkontrolle Selfmonitoring (n.s. / kE) Diagnostische Kompetenz (n.s. / kE) Selbstaktivität (n.s. / kE) Arbeitsreflexion (n.s. / kE) Elaboration (n.s. / kE) Individuelle Bezugsnormorientierung (n.s. / kE)
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
standardisierte Residuen
Abbildung 24: Profile mit standardisierten Residuen der Level-2-Schule F auf der MikroEbene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. Unterrichtsklima/Klassenmanagement: Beim Thema Störungen im Unterricht und Klassenklima entspricht Schule F den Erwartungen an ihre Schule. Unterrichtsgestaltung: Für die Ebene der Klasse und des Unterrichts kann festgehalten werden, dass an dieser Level-2-Schule mehrheitlich erwartbare Wahrnehmungen der Lehrpersonen berichtet werden. Bezugsnormorientierung: Hier liegen die Werte der Schule F ebenfalls im erwartbaren Bereich.
Individuum: Lehrperson (Personale Ebene) Auf der personalen Ebene geht es um das subjektive Wohlbefinden der befragten Lehrpersonen. Der zeitliche Aufwand für Teamarbeit und Kooperation (vgl. Tabelle 39) wird von den Lehrpersonen dieses Schulhauses im Vergleich zur Gesamtstichprobe als leicht geringer eingestuft (M = 2.06, SD = 0.89). Zudem sind dabei die eher tiefen Werte hinsichtlich Belastungs- und Arbeitsunzufriedenheit, wie sie im Durchschnitt in der Gesamtstichprobe entsprechen, zu erwähnen. Die Lehrpersonen schätzen ihr eigenes Handeln als selbstwirksam ein (M = 3.28, SD = 0.42). Wenn etwas im eigenen Unterricht einmal nicht so läuft, wie geplant, dann suchen die Lehrpersonen der Level-2-Schule F die Ursache im Vergleich 247
zum Durchschnitt der Gesamtstichprobe bedeutsam häufiger (M = 2.54, SD = 0.75) bei den Schüler/innen ihrer Klasse (z.B. Konzentrationsschwierigkeiten, Disziplinlosigkeit) als bei sich selber und dem eigenen pädagogischen und didaktischen Handeln. Tabelle 39: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule F auf der Personalen Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium F Person: Individuum (Intrapersonale Ebene) Belastung Belastung (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Der zeitliche Aufwand, den ich für Teamarbeit und Koordination (innerhalb und zwischen den Jahrgangsstufen) aufwenden muss, ist zu hoch. (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Arbeitsunzufriedenheit (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Selbstwirksam keit Lehrpersonen Lehrerselbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4) Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen Externe Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4)
Gesamtstichprobe Gymnasium F Differenz PEB-ZH PEB-ZH zu Schule N M SD N1 M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt 443 431
2.06 0.58 2.20 0.85
49 2.10 0.58 48 2.06 0.89
0.04 -0.14
0.07 ¨ -0.17
443
1.88 0.34
49 1.89 0.31
0.01
0.02
442
3.27 0.43
49 3.28 0.42
0.01
440 438
2.30 0.67 1.64 0.48
50 2.54 0.75 48 1.59 0.49
0.25 -0.04
0.03 *
¨
0.36 -0.09
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Person: Individuum (Intrapersonale Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu G-Werte: 1 = sehr klein, 2 = eher klein, 3 = eher groß, 4 = sehr groß H-Werte: 1 = absolut unwichtig, 2 = eher unwichtig, 3 = eher wichtig, 4 = sehr wichtig I-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft
Bezüglich der Erwartungswerte (vgl. Abbildung 25) zeigt sich die Schule F uneinheitlich: Schule F: Kooperations-Level 2 "Koordination"
Arbeitsüberforderung (n.s. / kE) -> neg. Polung!
Skalen
Zeitaufwand für Kooperation zu gross (Einzelitem) ( n.s./ E = -0.17) -> neg. Polung! Arbeitsunzufriedenheit (n.s. / kE) -> neg. Polung! Lehrpersonen Selbstwirksamkeit (n.s. / kE) Externe Attribuierung von Unterrichtsstörung (* / E = 0.36) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / kE) -0.2
-0.1
0.0
0.1
0.2
0.3
0.4
standardisierte Residuen
Abbildung 25: Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule F auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. Belastung: Die Lehrpersonen der Schule F fühlen sich in ihrer beruflichen Tätigkeit durchschnittlich belastet (‚Arbeitsüberforderung’) und zufrieden (‚Arbeitsunzufriedenheit’). Zudem geben sie in bedeutsam geringerem Masse als erwartbar wäre an, dass der ‚Zeitaufwand für Kooperation’ an ihrer Schule zu groß sei. Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen: Die Ausprägung der individuellen Selbstwirksamkeit liegt im erwartbaren Ausmaß. 248
Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen: Die Lehrpersonen des Gymnasiums F suchen die Ursache für Schwierigkeiten im Unterricht bedeutsam häufiger bei den Schüler/innen (‚externe Attribuierung’), als zu erwarten wäre.
Beschreibung der Schule F anhand qualitativer Daten Aus den qualitativen Interviews werden im Folgenden die einzelnen Auswertungen der Schule F auf Level 2 entlang der Aspekte zu Kooperation, Belastung und Qualitätsmanagement ausgeführt. Werden als Erstes die Ziele von Kooperation in den Blick genommen, so zeigt sich, dass diese in erster Linie den Austausch von Unterrichtsmaterialien und die Vernetzung mit anderen Fächern betreffen. „Ah, eigentlich schon fachliche, also fachliche ... also, ich realisiere z.B. ich bräuchte jetzt eine historische ... irgendwo etwas historisches, wo ich also nicht so sattelfest bin, dann würde ich einen Historiker fragen, hast Du das schon gemacht. Kann ich auf etwas zurückgreifen oder würdest du vielleicht, also ja eben, habe ich auch schon gefragt, oder würdest du einmal eine Stunde zu diesem Thema machen. Ich bräuchte das jetzt. Oder ein Kollege macht etwas und fragt, könntest Du ein kleines ... macht den Hamlet in Deutsch und sagt, könntest Du den Monolog, den Berühmten auf Englisch machen, so. Also es sind fachliche Gründe“ (L2 Schule F FG: 143). Punkto Häufigkeit von Kooperation wird ausschließlich auf die Möglichkeit informellen kollegialen Austausches ohne explizite Nennung von Häufigkeiten verwiesen. „Weil, ich habe den Eindruck, ein großer Teil unseres Austausches läuft sehr informell, punktuell schnell in der Pause da und ... also es kommt schon ab und zu vor, so in kleinen Sachen, dass ein Kollege oder eine Kollegin sagt, du bei denen habe ich dann heute so und so. Könntest du nicht noch schnell auf das zurückkommen. Oder schau doch, der hat dann das. Also, aber das sind ganz ... das ist nur so schnell im Vorbeigehen“ (L2 Schule F FG: 160). Formen von Kooperation: An Schule F wird Kooperation einerseits in verbindlicher, institutionalisierter Form, im Sinne von Konventen, Leitbildarbeit oder Arbeitswochen betrieben. „Auf dem Niveau von der Schule ist sicher einer der wichtigsten Orte innerhalb der Fachschaften, nachher auch über das im Konvent und dort gibt es sicher weitere Möglichkeiten das auszunützen“ (L2 Schule F SL: 66). Kooperation wird andererseits aber auch in pragmatischer und zum Teil unverbindlicher Form als unterrichtsbezogener Austausch in der Fachschaft, in der gegenseitigen kollegialen Unterstützung und Betreuung sowie in der Planung von Projekten betrieben. „Und also in der Fachschaft ... bei uns in der Fachschaft haben wir einen extremen Austausch, also das geht bis zu, ‚Du ich habe da das Ex gemacht über die Lektion sowieso, willst Du einmal sehen?’, oder uhh, ich habe sogar schon erlebt, dass ich gejammert habe, ‚Jesses Gott, ich muss ja noch, schau doch das einmal an, vielleicht kannst du das brauchen.’ So. Also da ist ... Materialien tauschen wir aus, Hinweise, Sekundärliteratur, ständig. Und das was A. gesagt hat, finde ich auch sehr bemerkenswert. Also man bekommt fast für jedes Problem irgendwo Hilfe, wenn man fragt“ (L2 Schule F FG: 130). Eine Tendenz zur Pseudokooperation zeigt sich in gescheiterten Versuchen schulinterner Planungs- und Sammlungsprojekte: „Das war ja auch ein Instrumentarium, das wir hatten, zur Qualitätssicherung, quasi. Über lange Jahre musste der Klassenlehrer sämtliche Stoffprogramme zusammentragen und dann wieder den Kollegen verteilen. In all diesen Jahren ist mit einem Kollegen, mit einem Latein-LP etwas, könnte man sagen, aufgrund dieses Austausches entstanden, etwas Fächerübergreifendes. Ein einziges Mal. Und 249
ich musste Dutzende von Zetteln einfordern und nachher tippen müssen, was da jeder wird wollen gemacht haben“ (L2 Schule F FG: 137). Welche Einstellungen bestehen an Schule F zu Kooperation generell und zu bestimmten Formen der Kooperation im Speziellen? Kooperation wird – obwohl sie an dieser Schule keine Tradition hat – positiv geschätzt, vor allem im Sinne von gedanklichem und erfahrungsbezogenem sowie fachlichem und interdisziplinärem Austausch, der sich im Idealfall indirekt, aber nicht zwingend auf den Unterricht auswirkt. „Also ich würde sagen, der Stellenwert ist hoch, die Umsetzung ist vielleicht noch nicht so hoch, oder. Also das ist sicher etwas, wo wir auf dem Weg sind. Ich kann jetzt mal sagen für uns, weil das ist ja auch ein Interview mit der Schulleitung, unsere Kooperation ist, glaube ich, wirklich verstärkt. Kooperation heißt, einen klaren Gedankenaustausch, das heißt nicht, dass man alles zusammen machen muss und überall genau gleich einverstanden ist, aber Kooperation heißt, dass man versucht alle Effort, die man macht, in einen Zusammenhang zu bringen“ (L2 Schule F SL: 66). Ihr Gelingen ist von den Beteiligten und deren Bereitschaft zur Zusammenarbeit abhängig. „Es läuft nur über den persönlichen Kontakt, ein fachübergreifender Unterricht und nicht über ein Papier. Da bin ich überzeugt. Der Anstoß muss von den Personen kommen“ (L2 Schule F FG: 137). Kooperation wird dadurch limitiert, dass sie zwar gut erlebt wird, aber andere berufsbezogene Aktivitäten zu viel Zeit in Anspruch nehmen und die Lehrpersonen tendenziell überlastet sind. „Es gibt noch ein Hindernis und das bezieht sich auf diese Schule präzis, aber wahrscheinlich auch auf andere Schulen. Ein konkretes Hindernis und das ist, das ist Zeit und Kraft“ (L2 Schule F SL 82). Weiter weist Schule F generell keine kooperationsfreundliche Struktur auf, was Terminfindungen schwierig werden lässt. „Mitunter die Begrenztheit von der Zeit und halt auch die Überlastung. Und dann ... ich meine wenn man um drei fertig ist und heimgehen kann, weil man keine Sitzung hat, dann geht man heim. Aber andere haben bis um fünf noch etwas usw. Und das ist dann wirklich schwierig, wenn man dann wartet bis fünf, z.B. in dem Fall. Dann nachher ist der Nachmittag schon wieder irgendwie ‚verzettelt’. Und es ist halt von unserem Beruf her etwas ganz, ganz schwieriges. Das habe ich seit Jahrzehnten erlebt“ (L2 Schule F FG: 135). Auch hat Kooperation keine Tradition und wird nicht ausreichend honoriert. Zudem verstehen sich Lehrpersonen traditionell eher als Einzelkämpfer und priorisieren ihren eigenen Unterricht, während Kooperation einen vertrauensvollen wechselseitigen Umgang bedingen würde. Wie äusser sich Lehrpersonen und Schulleitung an Schule F zur beruflichen Belastung und zu möglichen Bewältigungsformen? Belastungsempfinden: Belastung zeigt sich durch Müdigkeit, Kräfteverlust, Fahrigkeit, fehlende Abgrenzungsmöglichkeiten und Inanspruchnahme von Beratung. „Also ich habe jetzt gerade wieder von LP gehört, dass sie so müde sind. Also einer, der gerade jetzt Probezeit hat als Klassenlehrer und noch für viele andere Klassen. Und man sieht, er ist wirklich eigentlich jetzt fast am Rand, ein jüngerer Kollege. Also da, der Kräftehaushalt ist ein Problem, in diesem Beruf sowieso. Und auch die Kunst, sich abzugrenzen und sich wieder herauszunehmen. Und da gibt es bei vielen LP, glaube ich wirklich das Phänomen, dass sie manchmal keine Kraft mehr haben. Und dann natürlich auch für das keine Kraft mehr haben und keine Zeit“ (L2 Schule F SL: 82). Belastung rührt sowohl von der eigentlichen pädagogischen Arbeit und den großen Klassen her, aber auch vom falschen Bild, das die Öffentlichkeit vom Lehrerberuf hat, von der Summe der verschiedenen Belastungen und vom latenten Teilnahmedruck, dem alle ausgesetzt sind. „Dann denke ich, ‚Gottfriedstutz’ spinnt eigentlich die Öffentlichkeit, was die das Gefühl hat, was wir alles auch noch machen müssen. Und wir müssten die einmal informieren. Also ja, rein was wir leisten müssen 250
in Bezug auf Schüler, die psychische Probleme haben, wo familiäre Probleme haben. Das gehört alles zu unserem Ressort, aber weiß man das eigentlich? In der Öffentlichkeit, die immer findet, ja die faulen LP, wo nur Ferien haben“ (L2 Schule F FG: 193). Bewältigung von Belastung an der Schule: Belastung wird bewältigt durch Abgrenzung und Verweigerung, passive Hinnahme, Schimpfen oder Regulierung des Kräftehaushaltes. „Ich weiß schon wie ich damit umgehe, das ist dann vielleicht nicht unbedingt erfolgreich, aber wahrscheinlich charakteristisch. Ich falle dann einfach gerade aus, ich komme ins Lehrerzimmer und sage, ‚au jetzt Gottfriedstutz und Schotter und jetzt muss ich noch das’ und so. Aber es ist vielleicht nicht ideal, wenn das alle machen würden, wäre das wahrscheinlich ziemlich schlimm. Aber ich finde das ganz wichtig, dass man das ... irgendwo muss man das deponieren können. Und Kollegen haben eher Verständnis, als Personen außerhalb. Die haben immer Gefühl, was hast du auch, wieso arbeitest du die ganze Zeit, das ist doch gar nicht nötig so viel zu arbeiten“ (L2 Schule F FG: 167). Entlastung kann durch Inanspruchnahme von Beratungsangeboten und – in Absprache mit der Schulleitung – über Weiterbildung, Stundenreduktion oder Entlastung von bestimmten Aufgaben herbeigeführt werden. Weiter können teaminterne Ressourcen genutzt werden, wie gemeinsamer Mannschaftssport, Austausch von Berufserfahrungen und Toleranz von Unmutsbekundungen. Dagegen erhöht Kooperation in Fachschaften die Belastung, wie auch die genannten Maßnahmen zu Belastungen werden können. Allgemeine Rezepte gegen Belastung gibt es nicht. Es besteht die Tendenz, Belastung als Problemlöseaufgabe zu sehen. „Ja, das ist schon sehr persönlich, oder, das muss man sagen, oder. Die werden persönlich bewältigt oder nicht so gut bewältigt. Wir von der Schulleitung sagen einfach, was anders ist, dass wir offen sind für ein Gespräch darüber und aktiv bereit sind, Lösungen zu suchen, Entlastungen zu suchen oder so, wenn das persönlich nötig ist, Weiterbildungen zu ermöglichen. Also wir sind einfach da wieder viel offener geworden, was vielleicht früher angesehen wurde, ja das ist wirklich dein Problem, du musst halt besser einteilen oder du kannst es nicht so gut. Diese Einstellung haben wir nicht, sondern da, wo wir mithelfen können ... aber die Initiative muss noch irgendwie ... kommt noch von der LP. Sie müssen es letztlich auch lösen. Wir würden helfen, aber da gibt es nicht so ein allgemeines Rezept, wie wir das einfach aufnehmen können. Und auch nicht, z.B. haben wir auch nicht die Illusion, dass eben z.B. durch Kooperationen in der Fachschaft würde es weniger Arbeit, die Erfahrung zeigt, es gibt mehr, nicht weniger“ (L2 Schule F SL: 85). Welche Bezüge zum Qualitätsmanagementauftrag der Schulentwicklung zeigen sich? Welche konkreten QS-Prozesse und -maßnahmen werden genannt? Wie steht es um Folgen, Einstellungen und Akzeptanz von QS/QM? Institutionalisierungsgrad des Qualitätsmanagements (QM) an der Schule: Charakteristisch für die Institutionalisierung von QM ist, dass die Schulleitung nach Ressorts aufgeteilt ist und eine Qualitätsgruppe eingesetzt hat. „Wir haben eine Ressortaufteilung und auch viele Ressorts, die wir offiziell deklariert zusammen betreuen. Und es ist klar, dort wo wir Ressorts einzeln betreuen, gibt es laufende Absprache. Also wir sind ja auch nicht eine unübersichtlich große Schulleitung mit zwei Personen. Also das heißt, wir sind immer im Kontakt zu allen Fragen, die sich stellen, täglich“ (L2 Schule F SL 8). Ebenfalls typisch ist, dass verbindliche Regelungen für die Lehrpersonen bezüglich Feedback bestehen. „Es ist nicht so, dass so Zweiergespanne da verordnet werden. Sondern man sucht seine Leute selber aus, weil so ein Vertrauen ja etwas Heikles ist. Und das ist etwas, wo quasi eine niedere Schwelle ist, so dass die Akzeptanz dann steigen kann.“ (L2 Schule F FG: 91). Zudem werden Evaluationen vorgenommen, wobei diesbezügliche verbindliche Regelungen fehlen. Vereinzelt ziehen Lehrpersonen externe Beratung bei. 251
Berichtete Folgen des QM: Die Einführung von QM hat positive Wirkungen, indem mit dem Wechsel zur Outputorientierung die Prozessebene stärker berücksichtigt und systematisiert wird, was sich etwa darin zeigt, dass Qualität neu unabhängig vom akademischen Grade der Lehrpersonen gesehen wird. Damit verbunden sind ein Verantwortungsbewusstsein für Unterricht und Lernen (von Lehrpersonen und Schülern), ein verstärkter Austausch über Unterricht und die damit verbundenen Probleme sowie eine zusätzliche Fokussierung auf das Wohlbefinden der Schüler. „Aber gerade zu dem, gerade da hat sich etwas verändert, habe ich den Eindruck, dass man so etwas registriert oder dass man das weiß. Früher war das alles viel vager, oder. Und man redet auch darüber. Also die LP von einer Klasse reden auch darüber, wenn eine Klasse mit jemandem immer wieder Probleme hat, oder. Das hat es früher überhaupt nicht gegeben“ (L2 Schule F FG 68). Vor allem ist damit eine gestiegene Akzeptanz von Selbstevaluation und Feedback verbunden. „Im Ganzen kann man sagen, dass mit diesen verschiedenen Instrumenten, die wir haben und mit diesen verschiedenen Prozessen, die im Gang sind, dass wir da sicher in die richtige Richtung gehen. Und nochmals, dass die Bereitschaft der LP viel größer geworden ist, sich zu öffnen für solche Feedback-Mechanismen“ (L2 Schule F SL: 22). In konstruktiver Form führt Schülerfeedback ebenfalls zu positiven Wirkungen, während auf der anderen Seite die Tendenz besteht, unbeliebte Lehrpersonen über negative Feedbacks loszuwerden. Unklare Wirkungen bestehen hinsichtlich der Wirkungen von QM auf die gesamte Entwicklung der Schule und die Individuen, insbesondere auf die Veränderungsbereitschaft der kritisch eingestellten Lehrpersonen. Einstellungen zum QM an der Schule: QM hat Potenziale, weil es unmittelbar in Angriff genommen wurde und ernsthaft betrieben wird und weil die Schulleitung dem Prozess und den Lehrpersonen gegenüber positiv eingestellt ist. Weiter, weil QM die Entwicklung strukturiert und den Einbezug verschiedener Perspektiven ermöglicht, weil kollegiale Feedbacks und interne Evaluation bei den Lehrpersonen zunehmend akzeptiert sind, vor allem, wenn der Unterricht fokussiert wird und auf diese Weise hilfreiche Ergebnisse herauskommen. „ Jaja, man sollte nur nicht einfach über drei Jahre hintereinander irgendwie immer das gleiche Instrument verwenden. Ich möchte vielleicht auch noch etwas sagen, ich bin bei dieser Evaluation eigentlich schon seit x Jahren dabei. Also dann, wo es auch angefangen hat, wo man das einmal in Gang gesetzt hat. Und man hat dort auch gewisse Fehler gemacht, dass man irgendwie zuviel wollte und das hat man jetzt reduziert und ich glaube auch, die Akzeptanz ist auch größer geworden. Am Anfang gab es irgendwie wie eine Abwehr im Sinne von, ich lasse doch meinen Unterricht nicht von Schülern und Schülerinnen beurteilen. Oder, oh nein, es kommt jemand in den Unterricht, um zu schauen, das habe ich nicht gern. Das waren so Stimmungen gewesen und ich meine jetzt, wo es obligatorisch ist, wo man auch mit Unterschrift klar machen, dass man es gemacht hat, hat man gesehen, dass das eigentlich etwas ganz Gutes ist. Also dass ein Feedback nicht einfach immer nur Kritik ist und wie man es schlecht macht, sondern eben auch, wie man es gut macht. Und das haben, meine ich, sehr viele LP gesehen, dass es eigentlich auch für das Selbstwertgefühl von einer LP sehr gut ist. Auch die gegenseitige Visitation, dass es gar nicht so wahnsinnig schlimm ist und so. Also ich sehe irgendwie eine Tendenz zu einer immer größeren Akzeptanz, einfach weil es gute Sachen bringt“ (L2 Schule F FG: 63). QM erscheint gefährdet durch vorgegebene irrelevante Evaluationsschwerpunkte, durch Unsicherheiten hinsichtlich seiner Funktion, welche sich in negativen Einstellungen von Lehrpersonen zu interner Evaluation (insbesondere als Kontrollangst und Misstrauen gegenüber der Administration erlebt) äußern. „Und dort ist das Misstrauen hergekommen. Ist das QM ein Instrument, und das war durchaus zum Teil so angelegt, z.B. zu lohnwirksamen Maßnahmen 252
usw. Und geht es darum, also individuell einen Lehrer oder eine Lehrerin jetzt einzustufen. Oder heißt QM prinzipiell Feedback und Steuerungs ..., dass aus den Resultaten Steuerungselemente entstehen für eine bessere Entwicklung von der LP oder von der Schule. Also dort drin war das Misstrauen sicher auch bis zu einem gewissen Grad berechtigt. Ich bin auch ... also die Erfahrung haben wir mindestens gemacht“ (L2 Schule F SL: 40). Weiter gefährdend wirken die zunehmende Evaluationsmüdigkeit bei den Schülern und fehlende Wirkungen auf den Unterricht, welche QM zur Alibiübung verkommen lassen. Ebenso wird der Einsatz fachfremder Personen bei externen Evaluationen kritisiert. Die Analyse der Schüler/innenbefragung ergibt im Vergleich durchschnittliche bis negative Werte für die Aspekte von Schul- und Unterrichtsqualität. Substanzielle Abweichungen in den negativen Bereich bestehen insbesondere in den folgenden Dimensionen: „Anonymität“ (0.45, d.h., dass sich die Schüler in höherem Masse an ihrer Schule allein gelassen fühlen), „Mitsprache“ (-0.65), „Wärme“ (-0.41), „LP-S-Beziehungen“ (-0.42), „Arbeitsreflexion“ (-0.27), „Genetisch-sokratisches Vorgehen“ (-0.38), „Selbstaktivität“ (0.45), „Selfmonitoring“ (-0.25), „Autonomieunterstützung“ (-0.45) (Maag Merki & Steinert, 114 ff.).
Zusammenfassende Darstellung Aufgrund der beantworteten Fragestellungen lassen sich für die koordinierte L-2-Schule F folgende tabellarisch (Tabelle 40) verdichteten Aussagen zu den quantitativen und daran anschließend berichteten qualitativen Daten (Tabelle 41) machen: Tabelle 40: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule F auf Level 2 Fazit auf der Basis der Mittelwerte
bzw. auf Basis der standardisierten Residuals
An der Schule F auf Level 2 berichten die Lehrpersonen: Schulebene
eine positive Wahrnehmung ihrer Schulleitung hinsichtlich Zielgerichtetheit,
Durchschnittliche mung der SL
ein zurückhaltendes Vertrauen in die Wirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen (‚kollektive Selbstwirksamkeit’),
Durchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
ein wenig kohärentes Innovationsklima, bestehend aus einer positiven ‚Einstellung gegenüber Qualitätsentwicklung’ einerseits und einer als eher gering wahrgenommenen Praxis von ‚360°-Feedback’,
Durchschnittliche Innovationsbereitschaft
Wahrneh-
253
einen Bedarf an gemeinsamer Planung von Zielen und Strategien zur Aufgabenbewältigung (‚Soll-Programmatische Kooperation’) und den Anspruch, Selbst- und Fremdbeurteilung durchzuführen sowie ‚gegenseitige Unterrichtsbesuche’ einzuplanen,
Durchschnittliche und unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich geplanter Kooperation …
eine wahrgenommene Umsetzung verschiedener konkreter Formen von Kooperation wie dem Austausch von unterrichtsbezogener Erfahrung, über Disziplin und über die Beurteilung von Schüler/innen,
… sowie durchschnittliche als auch unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich effektiver Kooperation
eine hohe Leistungserwartung an die Schüler/innen,
Überdurchschnittliche tungserwartung
ein hohes Gewicht von kultureller Anregung an ihrer Schule. ein warmes Verhältnis zwischen den Lehrpersonen untereinander wie auch zwischen den Lehrpersonen und den Schüler/innen.
Überdurchschnittliche kulturelle Anregung, durchschnittliches Klima, überdurchschnittlicher Grad an wahrgenommener Aggression
Leis-
Unterrichtsebene
eine als eher gering wahrgenommene Störungsneigung im Unterricht,
Durchschnittlich erlebte Störneigung
eine eher auf Elaboration und Selbstaktivität der Schüler/innen ausgerichtete Unterrichtskultur mit Betonung der eigenen diagnostischen Kompetenz
Einheitliches Bild: durchschnittliche Unterrichtskultur
Personale Ebene
eine eher geringe Belastung und eine geringe Unzufriedenheit in der Arbeit,
Durchschnittlich erlebte Belastung und Arbeitszufriedenheit
eine günstige individuelle Selbstwirksamkeit
Durchschnittliche individuelle Selbstwirksamkeit
und Zustimmung zur Ansicht, Ursachen von Unterrichtsstörungen bei den Schüler/innen zu suchen.
Überdurchschnittliche Tendenz, Ursachen für Störungen den Schüler/innen zuzuschreiben und eine durchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion über den eigenen Anteil dabei
Tabelle 41: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule F auf Level 2 Schule F (Level 2: Koordination) Kooperation an Schule F: Kooperation bezieht sich auf unterrichtliche Ziele. Austausch auf informeller Ebene findet statt.
254
Kooperation bezieht sich auf Unterricht und Schule. Pragmatische Kooperation, indem zwar institutionalisierte Formen existieren, aber vor allem informeller Austausch in der Fachschaft erfolgt. Es besteht eine Tendenz zu Pseudokooperation, weil bestimmte Kooperationsformen zwar bestehen, sich aber als Leerläufe erweisen. Eine eher positive Einstellung zu Kooperation besteht: fachlicher und interdisziplinärer Erfahrungsaustausch ist erwünscht. Die Umsetzung hinkt dem Wunsch noch nach. Betont wird die Notwendigkeit der Bereitschaft aller Beteiligten zur Kooperation. Konkrete (hohe zeitliche Belastung, Schule weist keine kooperationsfreundliche Struktur auf, Terminkoordination) und diffuse (Tradition als „Einzelkämpfer“, Kooperation wird nicht honoriert) Grenzen für Kooperation. Belastungserleben an Schule F: Belastung ist ein Problem und wird durch hohe Erwartungen an Lehrpersonen und Schule seitens der Öffentlichkeit, durch fehlende Ressourcen sowie die Summe der Probleme verstärkt. Bewältigung von Belastung geschieht über individuelle Aktivitäten, Beratung und Absprache mit der SL, teaminterne Ressourcen und die Sichtweise, Belastung durch Problemlösung anzugehen. QM an Schule F: Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch geregelte Ressortverteilung der Schulleitung, eine Qualitätsgruppe und geregelte Formen für Feedback. Informelles, wenig geregeltes Vorgehen bei der Verwendung von Evaluationsinstrumenten. Qualitätsmanagement ermöglicht die Fokussierung der Prozessebene, Selbstevaluation und Feedback sowie Austausch über Unterricht. Evaluation kann missbraucht werden, was die persönliche Veränderungsbereitschaft kritischer LP beeinflusst. Qualitätsmanagement hat grundsätzlich Potenzial und ist unterrichtsorientiert vermehrt akzeptiert. Bei fehlender Wirkung auf Unterricht und irrelevanter Fokussierung verkommt QM zur Alibiübung und ermüdet alle Beteiligten.
Grundsätzlich kann ohne das detaillierte Fazit unter 9.5.2 vorwegzunehmen von Schule F gesagt werden, dass sich Kooperation ausschließlich auf unterrichtliche Ziele bezieht. Damit wird ein mittlerer Grad an Kooperation erreicht, welcher seine Bestätigung auch in den eher zurückhaltenden Einstellungen der Lehrpersonen zu diesem Thema findet. Die Aspekte zu Schul- und Unterrichtsqualität sowie zur persönlichen Befindlichkeit erfahren eine durchschnittliche Bewertung durch die Lehrpersonen. Ebenso besteht eine tendenziell skeptische Sicht bezüglich Akzeptanz und Wirkungen von Qualitätsmanagement.
9.4.5 Schule G (Level 2: „Koordination“) Die Schule G wird in dieser vorliegenden Darstellung mit Ergebnissen aus der quantitativen Erhebung und mit Reduktionen aus den qualitativen Interviews beschrieben.
255
Kontextuelle Bedingungen der Schule G Die mittelgroße städtische Schule blickt auf eine lange Tradition zurück. Ihr Angebot konzentriert sich ausschließlich auf sprachliche Maturitätsprofile.
Profil der Schule G anhand quantitativer Daten Nachfolgend werden die quantitativen Auswertungen für die unterschiedlichen Aspekte von Schulqualität aufgeführt. Dabei leiten uns die folgenden Fragestellungen: Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Qualitätsaspekte von Schule wie das Schulleitungshandeln, kollektive Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen, die Innovationsbereitschaft des Teams, die Organisation der Arbeit, Leistungserwartung und das Schulklima ein? Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule relevante Aspekte der Qualität von Unterricht und des Unterrichtsklimas ein? Wie schätzen die Lehrpersonen einer Schule ihre individuelle Selbstwirksamkeit, ihre Belastung und Arbeitszufriedenheit ein und welche Einstellungen zu Unterrichtsstörungen bestehen? Mit den Tabellen als Strukturierungshilfe soll in einem ersten Schritt den bemerkenswerten Themen auf Ebene der Einzelschule nachgegangen werden. Dabei werden v.a. diejenigen Punkte ausgeführt, in denen sich die Schule einerseits signifikant und/oder mit einem bedeutsamen Effekt vom Gesamtmittelwert unterscheidet (vgl. Tabelle 42 bis Tabelle 44) und andererseits deutlich über oder unter dem liegt, was erwartbar wäre: Die schwarzen Balken in den Abbildungen (vgl. Abbildung 26 bis Abbildung 28) veranschaulichen jeweils das Ausmaß, mit dem der Wert der standardisierten Residuen vom erwartbaren Wert einer für die Stichprobe fiktiven Durchschnittsschule abweicht (vgl. Kapitel 8.1.3.).
Schule (Meso-Ebene) Mit Blick auf die Mittelwerte (vgl. Tabelle 42) zeigt sich bezüglich Schulleitungshandeln, dass die Lehrpersonen des Gymnasiums G ihre Schulleitung bezüglich Zielgerichtetheit in durchschnittlichem Maß positiv wahrnehmen (M = 3.28, SD = 0.53). Zudem erleben die Lehrpersonen der Schule G sich ebenfalls in leicht zustimmendem und durchschnittlichen Ausmaß (M = 2.8, SD = 0.55) als kooperatives Kollegium, das sich aufeinander verlassen kann und aufgrund dessen in der Lage ist, auch in schwierigen Situationen pädagogisch professionell zu agieren. Gegenüber Qualitätsentwicklung sind die Lehrpersonen dieser Schule leicht zustimmend eingestellt, wie dies in der Gesamtstichprobe der Fall ist. In dieser Schule werden jedoch aus ihrer Sicht in einem höchst signifikant geringeren Maß als der Durchschnitt zur Weiterentwicklung der Schulqualität Rückmeldungen von verschiedenen Beteiligten eingeholt M = 1.99, SD = 0.65). Der Wert liegt deutlich im ablehnenden Bereich (M < 2.5 bei einer Skalierung von 1 bis 4). Obwohl die Lehrpersonen an Schule G gegenüber der Selbst- und Fremdbeurteilung oder den gegenseitigen Hospitationen vergleichbar positiv eingestellt sind wie ihre Kol256
leg/innen in der Gesamtstichprobe (klar im zustimmenden Bereich liegende Mittelwerte), zeichnen sich in der konkreten Umsetzung im Schulalltag bedeutsame Unterschiede ab. So geben die Lehrpersonen dieser Schule bedeutend weniger häufig an, sich in Bezug auf verschiedene Themen wie beispielsweise Disziplinprobleme von Schüler/innen, Benotung oder Unterrichtserfahrungen auszutauschen oder gegenseitige Unterrichtsbesuche durchzuführen. In Bezug auf die Leistungserwartung geben die Lehrpersonen als eher zutreffend an, dass an der Level-2-Schule G hohe Anforderungen gestellt werden und die Schüler/innen sich anstrengen müssen (M = 3.01, SD = 0.52). Deutlich mehr Lehrpersonen als in der Gesamtstichprobe sind der Ansicht, dass an dieser Schule auf die kulturelle und interessenspezifische Anregung neben der Schule Wert gelegt wird (M = 3.45, SD = 0.49). Dazu gehören z.B. Freizeitangebote oder kulturelle Veranstaltungen, die z.T. auch öffentlich sein können. Hingegen zeigt sich, dass die Mehrheit der Lehrpersonen der Schule G zwar ein eher positives Schulklima erlebt (M = 3.99, SD = 0.6), es im Vergleich zur Gesamtstichprobe (M = 4.21, SD = 0.47) aber weniger ausgeprägt ist. Vandalismus und Aggression werden zudem etwas häufiger wahrgenommen als im Schnitt der Gesamtstichprobe. Tabelle 42: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule G auf der Meso-Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium G
GesamtstichprobeGymnasium G Differenz PEB-ZH PEB-ZH zu Schule N M SD N1 M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt
Schule (Meso-Ebene) Schulleitung Zielgerichtete Führung (A-Werte 1 - 4) Lehrer/innenkollegium Kollektive Selbstwirksamkeit (A-W erte 1 - 4) Innovationsklim a / Evaluation / Qualitätsentwicklung Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (A-Werte 1 - 4) 360-Grad-Feedback (A-W erte 1 - 4) Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback SOLL - Programmatische Kooperation (A-Werte 1 - 4) Selbst- und Fremdbeurteilung sollten für uns Bestandteil der Arbeit sein. (A-W erte 1 - 4) Gegenseitige Unterrichtsbesuche sollten ein selbstverständlicher Teil unserer Arbeit sein. (AUnterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei Disziplinproblemen der Schüler (B-Werte 1 - 5) Kooperation bei der Benotung (B-W erte 1 - 5) Leistungserwartung Erziehungsstil der Lehrkräfte: Fordern (A-W erte 1 - 4) Schulklim a Anregung (A-Werte 1 - 4) Aggression und Vandalismus (D-Werte 1 - 4) --> Polung! Wärme, Schulklima (E-Werte 1 - 5)
434 3.27 0.55
71 3.28 0.53
0.01
0.03
439 2.86 0.53
72 2.80 0.55
-0.06
-0.12
433 3.15 0.52 417 2.37 0.68
72 3.10 0.49 69 1.99 0.65
-0.05 -0.38 *** ¨
-0.09 -0.57
434 434 431 440 437 437
73 73 72 73 73 73
0.00 0.06 0.00 -0.25 * -0.19 -0.16
0.01 0.08 0.01 -0.31 -0.21 -0.20
3.40 3.16 3.19 3.06 3.48 2.92
0.43 0.80 0.81 0.79 0.90 0.79
3.40 3.22 3.19 2.80 3.29 2.75
0.45 0.75 0.78 0.88 1.02 0.91
¨ ¨ ¨
431 3.01 0.46
71 3.01 0.52
0.00
-0.01
438 3.23 0.56 425 1.46 0.33 440 4.21 0.47
71 3.45 0.49 70 1.52 0.34 72 3.99 0.60
0.22 ** ¨ 0.06 ¨ -0.22 ** ¨
0.40 0.18 -0.45
Bemerkung zur Tab.: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Schule (Meso-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu B-Werte: 1 = gar nicht, 2 = einmal im Jahr,3 = mehrmals im Halbjahr, 4 = einmal monatlich, 5 = einmal wöchentlich C-Werte: 5-stufiges Kontinuum; 1 = stimmt nicht – 5 = stimmt genau D-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft E-Werte: 5-stufiges Kontinuum; Ausprägung zwischen zwei gegensätzlichen Aussagen (li/re): 1 = negative Aussage (rechts) – 5 = positiv Aussage (links)
257
Wird das Profil des Gymnasiums G betrachtet (vgl. Abbildung 26), so fällt bei den Indikatoren auf der Meso-Ebene auf, dass es sich tendenziell mit durchschnittlichen oder unter der Erwartung liegenden Werten charakterisieren lässt. Schulleitung: Die Schulleitung wird an der Level-2-Schule G in Bezug auf die Betonung von Zielen in erwartbarem Maß wahrgenommen. Lehrer/innenkollegium: Das Vertrauen in die Wirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen liegt ebenfalls im Erwartbaren (‚Kollektive Selbstwirksamkeit’).
Schule G: Kooperations-Level 2 "Koordination"
Zielgerichtete Führung (n.s. / kE) Kollektive Selbstwirksamkeit (n.s. / kE) Einstellungen gegenüber Qualitätsentwicklung (n.s. / kE) 360-Grad-Feedback (*** / E = -0.57) SOLL-Programmatische Kooperation (n.s. / kE)
Skalen
Selbst-Fremdbeurteilung (SOLL - Einzelitem) (n.s. / kE) Gegenseitige Unterrichtsbesuche (SOLL - Einzelitem) (n.s. / kE) Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (* / E = -0.31) Kooperation Disziplin (n.s. / E = -0.21) Kooperation Beurteilung Noten (n.s. / E = -0.20) Fordern, Leistungserwartung (n.s. / kE) Anregung (** / E = 0.40) Aggression Vandalismus (n.s. / E = 0.18) -> neg. Polung! Wärme (** / E = -0.45) -0.8
-0.6
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
0.6
0.8
1.0
standardisierte Residuen
Abbildung 26: Profile mit standardisierten Residuen der Level-2-Schule G auf der MesoEbene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. Innovationsklima/Evaluation/Qualitätsentwicklung: Es herrscht eine durchschnittliche Einstellung gegenüber Qualitätssicherung und dennoch wird deutlich weniger häufig Feedback von verschiedenen Akteursgruppen einbezogen, als erwartbar wäre. Organisation der Arbeit: Kooperation, Evaluation, Feedback: Bei der Absicht zur programmatischen Zusammenarbeit wie auch der gegenseitigen Beurteilung und Hospitation liegt Schule G im erwartbaren Bereich. Unter dem, was erwartbar wäre, zeigen sich jedoch die konkreten Formen der Kooperation und des Erfahrungsaustausches. Leistungserwartung: An der Level-2-Schule wird in erwartbarem Ausmaß Leistung von den Schüler/innen gefordert. Schulklima: Die beiden Skalen zum Thema ‚Anregung’ sowie ‚Wärme’ erfragen das Vorhandensein von kulturellen Aktivitäten und einem Freizeitangebot für die Schüler/innen sowie die Stimmung und die Beziehungsqualität an der Schule. An der Level-2-Schule G scheint das Vorhandensein von kulturellen Aktivitäten und einem Freizeitangebot für Schü258
ler/innen (‚Anregung’) in größerem Ausmaß wahrgenommen zu werden, als im Durchschnitt zu erwarten wäre, dafür liegt das Schulklima hinter dem Erwartbaren zurück. Insgesamt kann damit festgehalten werden, dass die Lehrpersonen der Level-2-Schule G praktisch durchgängig durchschnittliche oder unterdurchschnittliche Wahrnehmungen in den Aspekten von Schulqualität auf der Meso-Ebene kommunizieren und damit teilweise hinter der Erwartung an ihre Schule zurückbleiben.
Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) Ein erster Blick auf die Mittelwerte der Schule G (vgl. Tabelle 43) zeigt, dass nur wenige Differenzen einen bedeutsamen Unterschied zum durchschnittlichen Gymnasium darstellen. Ein schwacher Unterschied zulasten der Schule G liegt beim Aspekt von Störungen im Unterricht (M = 2.19, SD = 0.65). Die Kolleg/innen dieser Schule sind etwas häufiger der Ansicht, dass der Ablauf einer Lektion durch Störungen unterbrochen wird. Beim gesamten Themenbereich Unterrichtsgestaltung zeigen sich nur wenige schwache Effekte, ansonsten liegt die Kantonsschule G im Durchschnitt der Gesamtstichprobe. Die Lehrpersonen dieser Schule gewichten Aspekte eines auf Selbstaktivität (M = 3.04, SD = 0.50) und Arbeitsreflexion (M = 1.76, SD = 0.52) ausgerichteten Unterrichts etwas schwächer, als dies im Mittel getan wird. Tabelle 43: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule G auf der Mikro-Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium G Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) Unterrichtsklim a / Klassenmanagement Störungen im Unterricht (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Klassenklima LP-S (F-Werte 1 - 5) Unterrichtsgestaltung Individualisierung (A-Werte 1 - 4) Selbstkontrolle und Selfmonitoring (A-Werte 1 - 4) Diagnostische Kompetenz (A-Werte 1 - 4) Selbstaktivität im Unterricht (A-Werte 1 - 4) Arbeitsreflexion (A-Werte 1 - 4) Elaboration (A-Werte 1 - 4) Beurteilung und Benotung / Bezugsnormorientierung Individuelle Bezugsnormorientierung (A-Werte 1 - 4)
GesamtstichprobeGymnasium G Differenz PEB-ZH PEB-ZH zu Schule N M SD N1 M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt 434 2.09 0.64 444 4.12 0.46
69 2.19 0.65 73 4.13 0.46
0.09 0.02
437 434 441 439 436 422
72 72 73 72 72 69
0.65 0.59 0.43 0.50 0.52 0.73
0.00 -0.07 0.04 -0.08 -0.11 -0.03
73 3.73 0.48
0.02
2.38 2.45 3.12 3.12 1.86 2.76
0.60 0.59 0.44 0.49 0.53 0.70
439 3.70 0.46
2.38 2.38 3.15 3.04 1.76 2.72
¨
¨ ¨
0.15 0.03 -0.01 -0.12 0.08 -0.16 -0.20 -0.05 0.05
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Klasse & Unterricht (Mikro-Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu F-Werte: 1 = nie, 2 = selten, 3 = manchmal, 4 = oft, 5 = sehr oft
Bezüglich der Werte, welche von der Schule G erwartbar wären, zeigt sich auf der MikroEbene (vgl. Abbildung 27) ein uneinheitliches Bild. Unterrichtsklima/Klassenmanagement: Beim Thema Störungen im Unterricht liegt Schule G unter den Erwartungen, während das Klassenklima im erwartbaren Masse wahrgenommen wird. 259
Unterrichtsgestaltung: Für die Ebene der Klasse und des Unterrichts kann überblickend festgehalten werden, dass mehrheitlich erwartbare oder unterdurchschnittliche Wahrnehmungen der Lehrpersonen berichtet werden. Insbesondere bei der Selbstaktivität im Unterricht und der Arbeitsreflexion erreicht die Schule die Erwartungen nicht. Bezugsnormorientierung: Hier liegen die Werte der Schule G im erwartbaren Bereich.
Schule G: Kooperations-Level 2 "Koordination"
Störungen im Unterricht (n.s. / E = 0.15) -> neg. Polung! Klassenklima (n.s. / kE) Individualisierung (n.s. / kE)
Skalen
Selbstkontrolle Selfmonitoring (n.s. / kE) Diagnostische Kompetenz (n.s. / kE) Selbstaktivität (n.s. / E = -0.16) Arbeitsreflexion (n.s. / E = -0.20) Elaboration (n.s. / kE) Individuelle Bezugsnormorientierung (n.s. / kE)
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
standardisierte Residuen
Abbildung 27: Profile mit standardisierten Residuen der Level-2-Schule G auf der MikroEbene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt.
Individuum: Lehrperson (Personale Ebene) Auf der personalen Ebene geht es um das subjektive Wohlbefinden der befragten Lehrpersonen. Tabelle 44 zeigt die Mittelwerte des Gymnasiums G in Bezug zum Mittelwert der Gesamtstichprobe. Auffallend sind dabei einzig die schwachen Effekte, die sich sowohl bei der Belastung als auch beim zeitlichen Aufwand zeigen, der für Kooperationsaufgaben aufgewendet werden muss. Die Lehrpersonen dieser Schule erleben beide Aspekte im Vergleich zur Gesamtstichprobe als geringer. Sie fühlen sich damit eher weniger belastet und geben weniger häufig an, dass der zeitliche Aufwand für Teamarbeit und Koordination zu hoch ist. Die Arbeitsunzufriedenheit (M = 1.91, SD = 0.39) liegt wie die beiden unterschiedlichen Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen im Durchschnitt der Gesamtstichprobe.
260
Tabelle 44: Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule G auf der Personalen Ebene Pädagogische Entwicklungsbilanzen (PEB-ZH 2004) Gymnasium G Person: Individuum (Intrapersonale Ebene) Belastung Belastung (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Der zeitliche Aufwand, den ich für Teamarbeit und Koordination (innerhalb und zwischen den Jahrgangsstufen) aufwenden muss, ist zu hoch. (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Arbeitsunzufriedenheit (A-Werte 1 - 4) --> Polung! Selbstwirksam keit Lehrpersonen Lehrerselbstwirksamkeit (A-Werte 1 - 4) Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen Externe Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörungen (I-Werte 1 - 4)
GesamtstichprobeGymnasium G Differenz PEB-ZH PEB-ZH zu Schule N M SD N1 M1 SD1 M1 - M sig. ¨ Effekt ¨ ¨
443 2.06 0.58 431 2.20 0.85
73 1.98 0.56 70 2.04 0.81
-0.08 -0.16
443 1.88 0.34
73 1.91 0.39
0.03
0.09
442 3.27 0.43
73 3.29 0.41
0.02
0.05
440 2.30 0.67 438 1.64 0.48
73 2.30 0.66 73 1.69 0.53
0.00 0.05
0.00 0.10
-0.15 -0.19
Bemerkung: sig. = Signifikanzwert: * = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau ¨ = bedeutsamer Unterschied zwischen der Gesamtstichprobe und der analysierten Schule (Effektgröße nach Cohen, 1988) Skalierung: Person: Individuum (Intrapersonale Ebene) A-Werte: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu G-Werte: 1 = sehr klein, 2 = eher klein, 3 = eher groß, 4 = sehr groß H-Werte: 1 = absolut unwichtig, 2 = eher unwichtig, 3 = eher wichtig, 4 = sehr wichtig I-Werte: 1 = sehr selten, 2 = manchmal, 3 = oft, 4 = sehr oft
Bezüglich der Erwartungswerte (vgl. Abbildung 28) zeigt sich Schule G uneinheitlich: Schule G: Kooperations-Level 2 "Koordination"
Arbeitsüberforderung (n.s. / E = -0.15 ) -> neg. Polung!
Skalen
Zeitaufwand für Kooperation zu gross (Einzelitem) (n.s. / E = -0.19) -> neg. Polung! Arbeitsunzufriedenheit (n.s. / kE) -> neg. Polung! Lehrpersonen Selbstwirksamkeit (n.s. / kE) Externe Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / kE) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / kE) -0.2
-0.1
0.0
0.1
0.2
standardisierte Residuen
Abbildung 28: Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule G auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt. Belastung: Die Befragten von Schule G auf Level 2 schätzen den Zeitaufwand für Kooperation als tendenziell eher nicht zu groß ein und geben weniger als zu erwarten wäre an, dass sie sich belastet fühlen. Die Unzufriedenheit in der Arbeit ist in erwartbarem Maß eher gering. Selbstwirksamkeit der Lehrpersonen: Die Ausprägung der individuellen Selbstwirksamkeit, welche die konkrete Arbeitssituation der Lehrpersonen fokussiert, liegt im erwartbaren Ausmaß. Einstellungen zu Ursachen von Unterrichtsstörungen: Diese beiden Konstrukte liegen im erwartbaren Bereich. 261
Beschreibung der Schule G anhand qualitativer Daten Aus den qualitativen Interviews werden im Folgenden die einzelnen Auswertungen der Schule G auf Level 2 entlang der Aspekte zu Kooperation, Belastung und Qualitätsmanagement ausgeführt. Welchen Stellenwert nimmt nun Kooperation an Schule G ein? Welche Ziele werden von dieser Schule kooperativ angestrebt? Hauptsächlich wird mit Kooperation an Schule G die Erreichung unterrichtlicher Ziele angestrebt. Dabei spielt Interdisziplinarität eine große Rolle, um einen abwechslungsreichen Unterricht zu entwickeln. Ein Zusammenhang zwischen dem Kooperationsgrad der Lehrpersonen und der Häufigkeit von unterrichtlicher Kooperation wird in Frage gestellt. „Ja, das ist bei mir auch das Fachliche. Das ist sowieso etwas vom Schönsten, wenn man an so einem Ort arbeiten darf. Wenn man bedenkt, dass man eigentlich auf allen Wissensgebieten Fachleute hat in diesem Haus: und dann mit so jemanden zusammenzuarbeiten über ein Gebiet das neu ist bzw. eben die zwei Fächer dann überschneidet [fachübergreifend durchführt, Anm. d.Verf.], [und man, Anm. d. Verf.] dann eine Menge lernen kann“ (L2 Schule G FG: 201). An Schule G wird eine steigende Häufigkeit an Kooperationsakten beobachtete, die sich vor allem auf fachlichen Austausch beziehen: „Also, ich beobachte eigentlich noch erstaunlich viele Kollegen, auch bei den jüngeren Kollegen, die wirklich dann Zeit aufwenden: ’Was hast du jetzt mit dieser Klasse in dem und dem Gebiet gemacht und kann ich auch einmal deine Unterlagen ansehen und einen Teil davon vielleicht verwenden’“ (L2 Schule G SL128). Die Häufigkeit dieses Austausches wird zudem durch die Beziehungsebene beeinflusst. „Ich hätte jetzt gesagt, es komme sehr auf die Chemie innerhalb vom Fachkreis an, hätte ich jetzt gesagt. Aber es gibt Unterschiede, das ist völlig eindeutig“ (L2 Schule G SL: 145). Was die zur Anwendung kommenden Formen betrifft, wird an Schule G Kooperation vorwiegend auf die konkrete Unterrichtsarbeit hin betrieben, indem etwa fachschaftsinterne kollegiale Praxisberatung und informeller Erfahrungsaustausch bevorzugt werden. Ein pragmatisches Kooperationsverständnis drückt sich etwa in einer hohen Interaktivität im eigenen Fachkreis und beim informellen Erfahrungsaustausch bei Problemen mit einzelnen Klassen aus. In geringerem Masse wird in Bezug auf die Organisation Schule kooperiert (Konvente, Fachkreise), zumal fachschaftsübergreifende Konvente nicht beliebt sind und tendenziell zu Pseudokooperation führen. „Ich habe den Eindruck, es wird zu wenig über die Klassen gesprochen. Also wir sind zu wenig ein Team, welche eine Klasse betreut. Also das denke ich, das fehlt. Und das kommt eben auch davon, dass eine Klasse viele LP hat. Die haben auch alle ganz andere Stundenpläne. Es gibt nichts Unbeliebteres, als irgend so ein Klassenkonvent, der dann an irgend so einem Tag zu einer bestimmten Zeit verordnet wird, und das trifft dann mindestens drei an ihrem freien Tag oder dann sind sie gerade an einer anderen Schule. Aber dort habe ich den Eindruck, könnten wir noch mehr machen. Weniger beim Unterricht, dort läuft, glaube ich, vieles gut. Eben auch so in völlig informellen Gesprächen“ (L2 Schule G FG: 89). Einmal implementierte Kooperationsformen laufen teilweise auch wieder aus, was tendenziell zu handlungsleeren Formen führen kann. Insgesamt wird eine informelle Kooperation mit tiefem Institutionalisierungsgrad betont. „Wenn wir das strukturell ansehen, glaube ich könnte man es nicht so ‚grausam’ festbinden. Also wir haben das Gefühl, wenn man sieht, also Informationen, Zusammenarbeit, Gruppenbildung, verschiedene Gruppenbildungen zu verschiedenen Zwecken, das läuft eigentlich sehr schnell und sehr einfach, aber es läuft nicht nach sozusagen vorgegebenen 262
Strukturen ab. Also Kooperationsstrukturen als solche, dort haben wir wahrscheinlich nicht sehr viel“ (L2 Schule G SL: 107). Wird nach den Einstellungen gefragt, zeigt sich, dass Kooperation als beschränkt notwendiger und wenig bedeutsamer, eher negativ bewerteter Aspekt professionellen Handelns gesehen wird, der durch begrenzte zeitliche und institutionelle Ressourcen eingeschränkt wird und auf freiwilliger Basis praktiziert werden soll. „Ich finde, es [die Kooperation, Anmerk. d. Verf.] ist nicht groß geschrieben. Ich erlebe es zumindest nicht“ (L2 Schule G FG: 179). Dennoch schafft Kooperation Transparenz dort, wo Übergänge gewährleistet werden müssen. „Dann ist es natürlich auch so, dass gegenüber den Eltern ist es einfach, wenn gewisse Grundstrukturen und Grundanforderungen überall gleich sind“ (L2 Schule G SL: 124). Kooperation wird an Schule G dadurch limitiert, dass der zeitliche Aufwand groß ist und die Lehrpersonen nicht bereit sind, diesen in Kauf zu nehmen. Vor allem infrastrukturelle (weite Wege) und institutionelle (Stundenplankoordination, Pensen an anderen Schulen) Hindernisse erschweren Kooperation. „Und wenn man das jetzt so macht, dann muss man eine Stunde so koordinieren, dass die anderen auch in dieser Stunde sein können. Nur schon das ist schwierig. Und dann muss man ja nachher noch, dass es wirklich ein Feedback geben kann, über die Stunde reden. Also, es nimmt enorm zu an Zeit, wo man irgendwie zusätzlich erbringen muss, wenn man nebenbei nicht noch Stunden ausfallen lässt“ (L2 Schule G FG: 205). Persönliche Gründe wie die Einschränkung der Lehrfreiheit und die Relevanz der Beziehungsebene setzen diffuse Grenzen. „Aber eben die Schwierigkeit ist nachher, dass man merken muss, wo man aufhören muss, weil eben dann die Lehrfreiheit tangiert wird. Und das ist ja eine der Hauptmotivation für einen guten Unterricht. Dort gibt es eine Grenze, die man nicht genau definieren kann“ (L2 Schule G SL: 124). Weiter glauben Lehrpersonen, dass der Lehrplan Kooperation nicht vorsieht und sich einzelne Fächer dafür auch nicht eignen. Zusätzliche Kooperationsanstrengungen sollen sich auf die Unterrichtsarbeit beziehen und unter Umständen finanziell entschädigt werden. „Ja, der Zeitaspekt, oder ich meine, den müssen sie ja irgendwo, wenn sie das jetzt auf breiter Basis machen wollen, müssen sie ein Teil Zeit bereitstellen, wo sie sagen, ja das gehört sozusagen dazu, zum Lehrauftrag“ (L2 Schule G SL: 127). Weiter interessieren die Wahrnehmung von Belastung, respektive geäußerte Strategien zu ihrer Bewältigung. Hierzu äußerten sich die Befragten wie folgt: Belastungsempfinden: Belastung entsteht, weil Lehrpersonen ein hohes Arbeitsethos haben und in ihrer Arbeit belastende Situationen erleben. Sie wird dadurch verstärkt, dass Mehrarbeit nicht entschädigt werden kann. „Also ich persönlich nehme das so wahr, dass ich sagen würde, unsere LP haben ein relativ hohes Ethos, d.h. es braucht noch ziemlich viel, bis sie beginnen zu reklamieren und sagen, es sei jetzt langsam des Guten zu viel. Also ich habe das immer so ausgedrückt, dass ich gesagt habe ein guter LP muss einen rechten Schuss Idealismus aufweisen und das erwarte ich eigentlich auch“ (L2 Schule G SL: 155). Bewältigung von Belastung an der Schule: Bewältigung von Belastung geschieht vorwiegend über mehr oder weniger geregelte Treffen und soziale Aktivitäten mit Lehrerkollegen. Freude an der Zusammenarbeit oder finanzielle Entschädigungen können kompensierend wirken. „Es gibt Fachkreise, die regelmäßig soziale Aktivitäten haben. Wir haben das im Deutsch eigentlich einmal im Semester auch. Aber oft kommen nicht alle, weil dann halt wieder etwas dazwischen kommt, aber es gibt das schon. Und eben wie vorher gesagt, es gibt viele informelle Treffpunkte. Das darf man wirklich nicht unterschätzen, dass viele Leute am gleichen Ort zusammen essen. Das ist etwas ganz Zentrales“ (L2 Schule G: 155). 263
Welche Bezüge zum Qualitätsmanagementauftrag der Schulentwicklung zeigen sich? Welche konkreten QS-Prozesse und -maßnahmen werden genannt? Wie steht es um Folgen, Einstellungen und Akzeptanz von QS/QM? Institutionalisierungsgrad des Qualitätsmanagements (QM) an der Schule: Charakterisiert ist die Institutionalisierung von Qualitätsmanagement sowohl durch geregelte Elemente wie die kompetente Prozessbegleitung durch die Qualitätsgruppe. „Wo man dann die QUEL gegründet hat und wir der Meinung waren innerhalb von den vorgeschriebenen Rahmenbedingungen natürlich, ist das mehr als nur ein reiner Verwaltungs- und Protokollauftrag. Sondern sie müssen dann das wirklich aktiv in die Hand nehmen und mit den Leuten reden und so“ (L2 Schule G SL: 93). Weiter ist sie auch charakterisiert durch den geregelten Informationsfluss und die individuelle Unterstützung durch die Schulleitung, aber insbesondere auch durch eine informelle Gesprächskultur der Lehrpersonen untereinander. „... ich habe mit K. zusammen zum Beispiel eine Klasse und dann kommt es doch ab und zu vor, dass man darüber redet, ja was gibt es für Probleme in dieser Klasse oder ich habe das beobachtet bei dem Schüler, bei dieser Schülerin usw. Aber klar es ist nicht in dem Sinn ... oder relativ wenig organisiert“ (L2 Schule G FG: 92). Berichtete Folgen des QM: Die Einführung von Qualitätsmanagement hatte insofern positive Auswirkungen, als dadurch das neue Mittelschutzgesetz umgesetzt und die Organisation der Schule systematisiert wurde, Evaluation geregelt und die Bereitschaft zu Unterrichtsreflexion und Elternarbeit gestiegen ist. Ebenso wurden die Ängste der Lehrpersonen vor Evaluation abgebaut. „Also was ich meine und ich finde, das passiert viel öfters, dass sich die LP gemütlichkeitshalber Feedbacks einholen bei Klassen, die funktionieren ... (L2 Schule G FG: 112) Negative Wirkungen ergeben sich durch die Häufigkeit von Evaluation und die einhergehende Bürokratisierung und Belastung der Akteure sowie unklare Verantwortlichkeiten und Missbräuchlichkeiten bei Umsetzung und Praxis. Keine Auswirkungen scheint QM auf die laufende Entwicklung der Schule, auf die Verbesserung des Unterrichts und die Regelung des Informationsflusses zu haben. Als Schlüsselfaktoren fürs Gelingen werden die personelle Besetzung der Qualitätsgruppe und ihre Unabhängigkeit von der Schulleitung genannt. Als heikler Punkt wird die Mitarbeiterbeurteilung angesehen. „Und das ist auch ... also im ersten Moment löst das vielleicht auch so ein bisschen einen Schreck aus, weil man eben das Gefühl hat, es wird alles sehr papierig und bürokratisch. Aber im Ganzen, habe ich jetzt das Gefühl hat es auch positive Begleiterscheinungen, unter anderem auch darum, weil die zwei Personen, die das jetzt bei uns machen, das sehr mit Fingerspitzengefühl wahrnehmen“ (L2 Schule G SL: 39). Einstellungen zum QM an der Schule: Skepsis und Ablehnung gegenüber Qualitätsmanagement bestehen insofern, als Wirkungen angezweifelt werden, Ergebnisse unbefriedigend erlebt werden und die Durchführung als aufwändig aber unzulänglich erlebt wird. „Das zeigt, dass die Leute mit wenig Herz und Seele dabei sind. Also wir gehen brav Stimmen, wir füllen brav die Formulare aus, die Befragungen ausfüllen, aber niemand glaubt wirklich daran, dass es spürbare Konsequenzen haben wird. Man glaubt so wie zu wenig, dass von oben her die Veränderungen nachher stattfinden, die im Konsens von den Lehrpersonen, die an dieser Schule sind, schlussendlich auch gemacht werden“ (L2 Schule G FG: 20). Daneben bestehen auch positive Einstellungen, da Lehrpersonen eine pragmatische Grundeinstellung haben und offen für Qualitätsmanagement sind, die Einführungsveranstaltung effizient erlebt wurde und QM als Strukturvorlage für Schulentwicklungsprozesse gesehen wird. „Ich glaube so im Ganzen ist das Vertrauen da, dass das auch etwas Gutes sein könnte sein, ist eher gewachsen. Aber steht für mich in enormem Zusammenhang 264
mit den Möglichkeiten, die man hat das auch zu gestalten. Also eben, das man bei den Selbstevaluationen wirklich die Möglichkeit hat, selbst eine Thematik zu wählen, den ganzen Prozess selber zu steuern. Und wenn dieser Freiraum groß ist, denke ich, wächst das Vertrauen und macht es aus unserer Sicht auch Sinn, solche Impulse zu geben. Aber wenn sie dann von außen an sich gerissen werden und in dem Sinne genau kontrolliert und in den einzelnen Schritten genau vorgeschrieben werden, dann würde das Misstrauen sehr schnell wieder wachsen. Also auch bei uns, oder“ (L2 Schule G SL: 56). Werden die Ergebnisse der Befragung der Schüler/innen zu Aspekten von Schul- und Unterrichtsqualität analysiert, zeigt sich ein uneinheitliches Muster. Im Vergleich zu den andern Schulen der Stichprobe liegen die meisten Werte zwar im negativen Bereich, es bestehen aber auch substanzielle Abweichungen im positiven Bereich: So erleben die Schüler/innen überdurchschnittlich häufig eine angeregte Schulkultur („Anregung“ 0.34) und positive Mitsprachemöglichkeiten (0.37) sowie eine ausgesprochene Motivierungsfähigkeit bei ihren Lehrpersonen (0.24). Häufiger als im Durchschnitt berichten die Schüler/innen, dass sie in ihrem Unterricht Fachinhalte aus unterschiedlichen Fächern miteinander oder mit Erfahrungen aus dem Alltag verknüpfen („Elaboration“: 0.20) (Maag Merki & Steinert, 2006: 114 ff.)
Zusammenfassende Darstellung Aufgrund der beantworteten Fragestellungen lassen sich für die Koordinierte L-2-Schule G folgende tabellarisch (Tabelle 45) verdichteten Aussagen zu den quantitativen und daran anschließend berichteten qualitativen Daten (Tabelle 46) machen: Tabelle 45: Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule G auf Level 2 Fazit auf der Basis der Mittelwerte
bzw. auf Basis der standardisierten Residuals
An der Schule G auf Level 2 berichten die Lehrpersonen: Schulebene
eine positive Wahrnehmung ihrer Schulleitung hinsichtlich Zielgerichtetheit,
Durchschnittliche Wahrnehmung der Schulleitung
ein vorsichtiges Vertrauen in die Wirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen (‚kollektive Selbstwirksamkeit’),
Durchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
ein wenig kohärentes Innovationsklima, bestehend aus einer positiven ‚Einstellung gegenüber Qualitätsentwicklung’ einerseits und der bedeutsam geringen Praxis von ‚360°-Feedback’, welches die Perspektiven von Schüler/innen, Eltern und Lehrpersonen einbezieht,
Unterdurchschnittliche Innovationsbereitschaft
einen Bedarf an gemeinsamer Planung von Zielen und Strategien zur Aufgabenbewältigung (‚Soll-Programmatische Kooperation’) und den Anspruch, Selbst- und Fremdbeurteilung
Durchschnittliche Werte hinsichtlich geplanter Kooperation, …
265
sowie gegenseitige Unterrichtsbesuche durchzuführen,
eine wahrgenommene Umsetzung verschiedener konkreter Formen von Kooperation wie dem Austausch von unterrichtsbezogener Erfahrung, über Disziplin und über die Beurteilung von Schüler/innen,
… jedoch unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich effektiver Kooperation
eine hohe Leistungserwartung an die Schüler/innen,
Durchschnittliche wartung
ein überdurchschnittliches Gewicht von kultureller Anregung an ihrer Schule, ein warmes Verhältnis zwischen den Lehrpersonen untereinander wie auch zwischen den Lehrpersonen und den Schüler/innen.
Überdurchschnittliche kulturelle Anregung, durchschnittliches Klima, überdurchschnittlicher Grad an wahrgenommener Aggression
Leistungser-
Unterrichtsebene
eine als eher gering wahrgenommene Störungsneigung im Unterricht,
Überdurchschnittlich Störneigung
eine eher auf Elaboration ausgerichtete Unterrichtskultur mit Betonung der eigenen diagnostischen Kompetenz
Uneinheitliches Bild: durchschnittliche Unterrichtskultur, welche ‚Selbstaktivität’ und ‚Arbeitsreflexion’ unterdurchschnittlich einschätzt
erlebte
Personale Ebene
eine eher geringe Belastung und eine geringe Unzufriedenheit in der Arbeit,
Durchschnittlich erlebte Belastung und Arbeitszufriedenheit
eine günstige individuelle Selbstwirksamkeit
Durchschnittlich erlebte individuelle Selbstwirksamkeit
und eine wenig selbstkritische Einstellung zu Ursachen von Unterrichtsstörungen.
Durchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion über Eigenanteil bei Störungen im Unterricht
Tabelle 46: Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule G auf Level 2 Schule G (Level 2: Koordination) Kooperation an Schule G: Kooperation bezieht sich ausschließlich auf unterrichtliche Ziele mit Fokus auf Interdisziplinarität. Steigende Häufigkeit für fachlichen Austausch auf informeller Ebene. Kooperation bezieht sich vor allem auf den Unterricht und steht im Spannungsfeld zwischen Zusammenarbeit und eigener Lehrfreiheit.
266
Informelle Kooperation mit tiefem Institutionalisierungsgrad. Es besteht ein pragmatisches Verständnis mit Fokus auf die eigene Fachschaft. Zudem besteht die Gefahr von Pseudokooperation infolge zeitlicher Belastung. Eine eher negative Einstellung zu Kooperation besteht, weil Kooperation nicht unbedingt nötig und zu zeitintensiv ist. Kooperation hat am ehesten auf informeller Ebene ihre Berechtigung: Es gibt wenig institutionalisierte Gefäße und wo vorhanden, werden sie eher negativ erlebt. Konkrete (Stundenplankoordination, Infrastruktur, fehlende Ressource) und diffuse (fehlende Bereitschaft der Lehrpersonen für großen Aufwand, Einschränkung der Lehrfreiheit, Beziehungsebene) Grenzen für Kooperation. Belastungserleben an Schule G: Belastung ist ein Problem und wird durch hohe Erwartungen und fehlende Ressourcen verstärkt. Bewältigung von Belastung geschieht über informelle Treffen und individuelle Aktivitäten. QM an Schule G: Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch geregelte Abläufe. Wichtig bleibt jedoch die informelle Gesprächskultur unter den Lehrpersonen. Qualitätsmanagement ermöglicht Evaluation und Reflexion. Häufigkeit und Bürokratisierung von Prozessen können auch belasten. Die Unterrichtsebene wird nicht erreicht. Der Erfolg hängt von wenigen Personen in der Q-Gruppe ab. Es herrscht aufgrund fehlender wahrgenommener Wirkung große Skepsis gegenüber dem Qualitätsmanagement. Positiv gesehen erscheint Qualitätsmanagement höchstens als Strukturvorlage für Schulentwicklung.
An Schule G bezieht sich Kooperation ausschließlich auf unterrichtliche Ziele. Auf diese Weise wird ein mittlerer Grad an Kooperation erreicht, welcher begleitet ist von einer tendenziell negativen Einstellung zur Thematik. Die erhobenen Qualitätsaspekte zu Schule, Unterricht und Person weisen im Vergleich zur gesamten Stichprobe unterdurchschnittliche Werte auf. In Verbindung mit fehlenden Wirkungen besteht große Skepsis gegenüber dem obligatorischen Qualitätsmanagement. Ein diesbezüglich detaillierteres Fazit findet sich unter 9.5.2.
9.4.6 Zwischenfazit und Ausblick In diesem Abschnitt wurden fünf Schulen, welche sowohl an der quantitativen als auch der qualitativen Befragung teilgenommen hatten, hinsichtlich Schul- und Unterrichtsqualität, insbesondere aber zu den Themen Kooperation und Qualitätsmanagement umfassend dargestellt. Sowohl die quantitativen wie auch die qualitativen Daten verweisen auf eine Heterogenität dieser Teilstichprobe, sowohl bezüglich der Aspekte zu Schul- und Unterrichtsqualität als auch bezüglich Belastungsempfinden und der Themen Kooperation und Qualitätsmanagement. Im nächsten Abschnitt wird versucht, die Bedeutung von Kooperation in Bezug auf die weiteren untersuchten Dimensionen zu ermitteln, indem ein Fallvergleich der
267
beiden, aufgrund der Rasch-Skalierung am weitesten voneinander entfernten Schulen A und G vorgenommen wird.
9.5 Zur Bedeutsamkeit von Kooperation an den einzelnen Schulen bei der Realisierung von Qualitätsmanagement In der Hauptfragestellung dieser Arbeit wird nach der Bedeutung von Kooperation im Rahmen schulischer Qualitätsentwicklung gefragt. Diese umfassende Frage bedingte verschiedene Analyseschritte. So wurden mittels quantitativer Methoden Kooperationsgrade ermittelt und zu Aspekten unterrichtlicher und schulischer Qualität in Beziehung gesetzt. Weiter wurden qualitative Daten zu diesen Themen und insbesondere zu Realisierung und Akzeptanz von Qualitätsmanagement über Interviews mit Schulleitungen und Lehrpersonen erhoben. Der theoretischen Rahmung entsprechend wurde auch ein historischer Abriss zur Entstehung und Entwicklung des Mittelschulwesens im Kanton Zürich vorgenommen. Damit liegen verschiedenartige, deskriptive Daten vor, welche es erlauben, unterschiedliche, an den Schulen vorherrschende Bedeutungsmuster von Kooperation, bezogen insbesondere auf die verbindliche Einführung von Maßnahmen zur Qualitätssicherung, zu identifizieren. Mit der nachfolgenden Darstellung (Tabelle 47) wird versucht, besagte Frage in tabellarischer Form zu beantworten, welche sowohl als vergleichende Darstellung der fünf untersuchten Schulen der engeren Stichprobe wie auch als beschreibende Darstellung des jeweiligen Einzelfalls (in der Vertikale) zu lesen ist. Ein Fallvergleich der beiden, aufgrund der Rasch-Skalierung am weitesten voneinander entfernten Schulen A und G in Bezug auf die quantitativen Daten unterstützt die vergleichende Darstellung. Anschließend wird versucht, die Funktionslogik der einzelnen Schulen beschreibend darzustellen, wobei Bezug auf die eingangs dieser Arbeit dargestellten theoretischen Modellierungen und Konzepte genommen wird. Mit dieser verdichtenden Darstellung wird insbesondere dem Umstand Rechnung getragen, dass der Forschungsgegenstand durch „Strukturen begrenzter Reichweite“ (Kelle 2007: 57) charakterisiert ist: Die Einführung und Umsetzung von Qualitätsmanagement betrifft ausschließlich die Zürcher Gymnasien in einer vergleichbaren Weise. Gleichzeitig sind die einzelnen Schulen Ergebnis völlig unterschiedlicher Entstehungsbedingungen (Bergmann 2000). Der ‚beschränkten Vergleichbarkeit der miteinander verglichenen Schulen’ wird deshalb so begegnet, dass die gewählte Tabellenform das Ergebnis der vorgenommenen Methoden- und Datentriangulation darstellt und mit ihrer Kriterienbezogenheit eine relative Vergleichbarkeit zwischen den Schulen ermöglicht, während die in reiner Textform gehaltenen Schilderungen der einzelnen Schulen das besondere jedes Einzelfalles hervorheben. Bezug nehmend auf die Hauptfragestellung werden in einem Schlusswort und in der vorangehenden synoptischen Darstellung (Tabelle 48) Chancen und Risiken von Kooperation in Bezug auf Maßnahmen der Qualitätssicherung expliziert. Wie insbesondere die Analyse der qualitativen Daten zeigt, erweist sich das Konzept der Kooperation nicht als triviales Zaubermittel, welches von den Lehrpersonen bereitwillig und widerspruchsfrei eingesetzt wird, um schulische oder unterrichtliche Aufgaben effizient angehen zu können, obwohl die Potenziale kooperativer Arbeitsformen offenkundig sind.
268
9.5.1 Gegenüberstellung der Ergebnisse In den nächsten zwei Unterkapiteln sind folgende Fragestellungen auf den drei betrachteten Ebenen des Bildungssystems relevant: Wie präsentieren sich die Aspekte von Schulqualität und Schulentwicklung auf der Meso-Ebene an Schulen mit je unterschiedlicher Kooperation? Welche Schulprofile hinsichtlich der betrachteten Aspekte von Unterrichtsqualität lassen sich bei unterschiedlichen Kooperations-Levels finden? Welche Schulprofile hinsichtlich der betrachteten Aspekte von Selbstwirksamkeit, Belastung und Arbeitszufriedenheit sowie Einstellung zu Unterrichtsstörungen zeigen sich bei unterschiedlichen Kooperations-Levels? Als Arbeitshypothese haben wir in Kapitel 7 formuliert: Im Hinblick auf die postulierten Indikatoren von Schulqualität und -entwicklung auf der Meso-Ebene, von Unterricht und Unterrichtsqualität auf der Mikro-Ebene und von Arbeit und Wohlbefinden auf der intrapersonalen Ebene unterscheiden sich Schulen auf hohem bzw. niedrigem KooperationsLevel voneinander, so dass Schulen mit hoher Kooperation höhere Werte bei den Indikatoren erreichen und umgekehrt. Um diesen Fragestellungen nachgehen zu können, stellen wir die quantitativen und qualitativen Ergebnisse in einer Tabelle dar und analysieren anschließend die Differenzen zwischen zwei unterschiedlichen Schulen mit der Gegenüberstellung ihrer quantitativen Daten zu Qualitätsaspekten von Schule und Unterricht. Für diesen Fallvergleich wurden die beiden Gymnasien ausgewählt, welche aufgrund der Rasch-Skalierung bezüglich ihres Levels von Lehrerkooperation am weitesten voneinander entfernt liegen. Dies sind Gymnasium A auf Level 4 und Gymnasium G auf Level 2.
Verdichtete Gegenüberstellung sämtlicher Daten zu den fünf betrachteten Gymnasien Die hier gewählte Tabellenform stellt das Ergebnis der vorgenommenen Methoden- und Datentriangulation dar. Mit dieser Gegenüberstellung der Ergebnisse aus den Einzelfallanalysen der fünf Gymnasien aus der Stichprobe im Kanton Zürich ergibt sich nun in der folgenden, alle Daten umfassenden Tabelle 47 die Möglichkeit von zwei Lesarten: Die eine bewegt sich entlang einer Schule (in der Vertikalen) als Beschreibung des jeweiligen Gymnasiums. Die andere Sichtweise mit Fokus auf einen betrachteten Aspekt über alle Schulen hinweg (in der Horizontalen) lässt sich als Vergleich realisieren und ermöglicht dadurch mit ihrer Kriterienbezogenheit eine relative Vergleichbarkeit zwischen den Schulen.
269
Tabelle 47: Gegenüberstellung der Ergebnisse aus dem Lehrpersonenfragebogen sowie den Interviews mit der Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen (Gymnasien A, C, D, F, G) Schulen
Schule A
Schule C
Schule D
Schule F
Schule G
Level
Level 4: Integration
Level 3: Interaktion
Level 3: Interaktion
Level 2: Koordination
Level 2: Koordination
Kontextuelle Bedingungen
Reaktion
Dezentralisierung
Dezentralisierung
Städtische Schule
Städtische Schule
Perspektive der Schüler/innen17
Überdurchschnittliche Schul- und Unterrichtsqualität.
Unterdurchschnittliche Schul- und Unterrichtsqualität.
Überdurchschnittliche Schul- und Unterrichtsqualität.
Unterdurchschnittliche Schul- und Unterrichtsqualität.
Durchschnittliche Schul- und Unterrichtsqualität.
Schule (MesoEbene)
Kooperation an Schule A:
Kooperation an Schule C:
Kooperation an Schule D:
Kooperation an Schule F:
Kooperation an Schule G:
Kooperation (quantitativ)
Überdurchschnittliche Werte hinsichtlich effektiver und geplanter Kooperation.
Überdurchschnittliche Werte hinsichtlich geplanter und effektiver Kooperation.
Unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich geplanter Kooperation, jedoch durchschnittlicheund unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich effektiver Kooperation.
Durchschnittliche und unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich geplanter Kooperation sowie durchschnittliche als auch unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich effektiver Kooperation.
Durchschnittliche Werte hinsichtlich geplanter Kooperation, jedoch unterdurchschnittliche Werte hinsichtlich effektiver Kooperation.
Ziele von Kooperation
Es werden sowohl empathische als auch unterrichtliche Ziele angestrebt. Als strategisches Ziel sind Nutzung von Synergien und Fokus auf Schulentwicklung wichtig.
Es werden sowohl empathische als auch unterrichtliche Ziele angestrebt. Als strategisches Ziel werden Aufwandreduktion und Unterrichtsentwicklung erwähnt.
Kooperation bezieht sich auf unterrichtliche und strategische Ziele, um Synergien zu schaffen.
Kooperation bezieht sich auf unterrichtliche Ziele.
Kooperation bezieht sich ausschließlich auf unterrichtliche Ziele mit Fokus auf Interdisziplinarität.
Konstrukte
17
vgl. Maag Merki & Steinert (2006)
270
Schulen
Schule A
Schule C
Schule D
Schule F
Schule G
Level
Level 4: Integration
Level 3: Interaktion
Level 3: Interaktion
Level 2: Koordination
Level 2: Koordination
Häufigkeit von Kooperation
Häufige Arbeitsform sowohl institutionalisiert wie auch informell; mit Tendenz zum Übermaß.
Häufige Arbeitsform, sowohl institutionalisiert wie auch informell.
Zunehmend häufige, institutionalisierte Arbeitsform.
Austausch auf informeller Ebene findet statt.
Steigende Häufigkeit für fachlichen Austausch auf informeller Ebene.
Formen von Kooperation
Kooperation bezieht sich auf die Organisation der Schule und den Unterricht: Beides steht im Fokus. Kooperation ist konstitutiv und institutionalisiert und gehört zum Programm. Es besteht zudem ein pragmatisches Verständnis, im Sinne von: Es muss einem etwas bringen!
Kooperation bezieht sich auf die Organisation der Schule und den Unterricht: Beides steht im Fokus. Kooperation ist konstitutiv und institutionalisiert und gehört zum Programm. Es wird pragmatisch kooperiert, um informell schnelle Lösungen für Probleme zu finden.
Kooperation bezieht sich auf die Organisation der Schule und den Unterricht: Beides steht im Fokus. Kooperation ist institutionalisiert. Es besteht zudem ein pragmatisches Verständnis, da die Beziehungsebene als Basis für Kooperation betont wird.
Kooperation bezieht sich auf Unterricht und Schule. Pragmatische Kooperation, da zwar institutionalisierte Formen existieren, aber vor allem informeller Austausch in der Fachschaft erfolgt. Es besteht eine Tendenz zu Pseudokooperation, indem bestimmte Kooperationsformen zwar bestehen, sich aber als Leerläufe erweisen.
Kooperation bezieht sich vor allem auf den Unterricht und steht im Spannungsfeld zwischen Zusammenarbeit und eigener Lehrfreiheit. Informelle Kooperation mit tiefem Institutionalisierungsgrad. Es besteht ein pragmatisches Verständnis mit Fokus auf die eigene Fachschaft. Zudem besteht die Gefahr von Pseudokooperation, infolge zeitlicher Belastung.
Konstrukte
271
Schulen
Schule A
Schule C
Schule D
Schule F
Schule G
Level
Level 4: Integration
Level 3: Interaktion
Level 3: Interaktion
Level 2: Koordination
Level 2: Koordination
Einstellung zu Kooperation
Eine positive Einstellung zu Kooperation besteht: Man muss diese Einstellung auch mitbringen, um an Schule A zu unterrichten! Dabei ist auf die Gefahr von Kohäsionsdruck durch Institutionalisierung zu achten: Dies erzeugt ein schlechtes Gewissen, wenn man sich drückt.
Eine positive Einstellung zu Kooperation wird als Teil professionellen Handelns angesehen. Fachlicher und interdisziplinärer Austausch ist dann wertvoll, wenn er unterrichtsbezogen erfolgt und Spaß macht. Betont wird die Notwendigkeit der funktionierenden Beziehung.
Eine positive Einstellung zur Kooperation wird als Teil professionellen Handelns angesehen. Institutionell angeordnete Kooperation unter Formund Zeitdruck wirkt kontraproduktiv. Die bisher an Gymnasien fehlende Kultur einer Zusammenarbeit als Teil des Berufsauftrags soll sich verändern. Betont wird der resultierende Benefit.
Eine eher positive Einstellung zu Kooperation besteht: fachlicher und interdisziplinärer Erfahrungsaustausch ist erwünscht. Die Umsetzung hinkt dem Wunsch noch nach. Betont wird die Notwendigkeit der Bereitschaft aller Beteiligten zur Kooperation.
Eine eher negative Einstellung zu Kooperation besteht, weil Kooperation nicht unbedingt nötig und zu zeitintensiv ist. Kooperation hat am ehesten auf informeller Ebene ihre Berechtigung: es gibt wenig institutionalisierte Gefäße und wo vorhanden, werden sie eher negativ erlebt.
Grenzen von Kooperation
Konkrete (verteilte Pensen, fehlende Infrastruktur, auf Lektionen bezogener Berufsauftrag) und diffuse (erschwerte Kommunikation) Grenzen für Kooperation.
Konkrete (fehlende Infrastruktur, Zeitdruck, starre Unterrichtsorganisation) und diffuse (Einschränkung MethodenFreiheit, ungleiche Entlöhnung) Grenzen für Kooperation.
Konkrete (Teamzusammensetzung, Teilzeitpensen und interdisziplinäre Kooperation, welche als aufwändiger erlebt wird als fachliche) und diffuse (die durch Freiwilligkeit, gegenseitige Sympathie, Nutzenorientierung, eigene Arbeitszufriedenheit charakterisiert ist) Grenzen für Kooperation.
Konkrete (hohe zeitliche Belastung, Schule weist keine kooperationsfreundliche Struktur auf, Terminkoordination) und diffuse (Tradition als „Einzelkämpfer“, Kooperation wird nicht honoriert) Grenzen für Kooperation.
Konkrete (Stundenplankoordination, Infrastruktur, fehlende Ressource) und diffuse (fehlende Bereitschaft der LP für großen Aufwand, Einschränkung der Lehrfreiheit, Beziehungsebene) Grenzen für Kooperation.
Konstrukte
272
Schulen
Schule A
Schule C
Schule D
Schule F
Schule G
Level
Level 4: Integration
Level 3: Interaktion
Level 3: Interaktion
Level 2: Koordination
Level 2: Koordination
Schule (MesoEbene)
Schulleitung A:
Schulleitung C:
Schulleitung D:
Schulleitung F:
Schulleitung G:
Schulleitung (quantitativ)
Überdurchschnittlich positive Wahrnehmung der Schulleitung
Durchschnittliche Wahrnehmung der Schulleitung
Unterdurchschnittliche Wahrnehmung der Schulleitung
Durchschnittliche Wahrnehmung der Schulleitung
Durchschnittliche Wahrnehmung der Schulleitung
Schule (MesoEbene)
QM an Schule A:
QM an Schule C:
QM an Schule D:
QM an Schule F:
QM an Schule G:
Innovationsbereitschaft (quantitativ)
Überdurchschnittliche Innovationsbereitschaft
Überdurchschnittliche Innovationsbereitschaft
Unterdurchschnittliche Innovationsbereitschaft
Durchschnittliche Innovationsbereitschaft
Unterdurchschnittliche Innovationsbereitschaft
Kollektive Selbstwirksamkeit (quantitativ)
Überdurchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
Überdurchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
Unterdurchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
Durchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
Durchschnittlich erlebte kollektive Selbstwirksamkeit
Institutionalisierung von QM
Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch eine geregelte Zusammenarbeit und ein umfassendes Personalmanagement. Das Wissen um QProzesse ist jedoch an wenige Personen gebunden.
Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch eine geregelte Zusammenarbeit (Austauschforen, FeedbackKultur, Netzwerkarbeit der QKommission). Wichtig bleibt jedoch die informelle Gesprächskultur unter den LP.
Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch eine geregelte Zusammenarbeit (Konvent, Kommissionen). Wichtig bleibt jedoch die informelle Nutzung der Strukturen. Intransparenz und Unsicherheit herrschen bezüglich Verknüpfung von SL und QKommission.
Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch geregelte Ressortverteilung der SL, eine Q-Gruppe und geregelte Formen für Feedback. Informelles, wenig geregeltes Vorgehen bei der Verwendung von EvaluationsInstrumenten.
Qualitätsmanagement ist institutionalisiert durch geregelte Abläufe. Wichtig bleibt jedoch die informelle Gesprächskultur unter den LP.
Konstrukte
273
Schulen
Schule A
Schule C
Schule D
Schule F
Schule G
Level
Level 4: Integration
Level 3: Interaktion
Level 3: Interaktion
Level 2: Koordination
Level 2: Koordination
Folgen von QM
Qualitätsmanagement ermöglicht Weiterentwicklung, was jedoch mit Belastung einhergeht.
Qualitätsmanagement mit seinen Instrumenten hat zu einer vertrauensvollen Atmosphäre und Offenheit geführt, die Veränderungen im Kollegium und die Umsetzung von Maßnahmen ermöglicht: Thematisierung von Qualität, Einbezug von Schüler/innen, Unterrichtsentwicklung. Dies geht jedoch mit Belastung einher.
Qualitätsmanagement ermöglicht schulische Weiterentwicklung und individuelle Personalentwicklung. Dies geht jedoch mit hoher zeitlicher Belastung einher. Interne Evaluationen zeigen wenig Wirkung, QM bringt jedoch insgesamt eine Tendenz zu mehr PR im Mittelschulbereich.
Qualitätsmanagement ermöglicht die Fokussierung der Prozessebene, Selbstevaluation und Feedback sowie Austausch über Unterricht. Evaluation kann missbraucht werden, was die persönliche Veränderungsbereitschaft kritischer LP beeinflusst.
Qualitätsmanagement ermöglicht Evaluation und Reflexion. Häufigkeit und Bürokratisierung von Prozessen können auch belasten. Die Unterrichtsebene wird nicht erreicht. Der Erfolg hängt von wenigen Personen in der QGruppe ab.
Einstellung zu QM
Von Lehrpersonen getragenes Qualitätsmanagement wird als Rahmenbedingung für professionelles Handeln gesehen. Qualität wird jedoch als an die Lehrerpersönlichkeit gebunden betrachtet.
Positiv erscheint die durch Feedbacks angeregte Selbstreflexion. Eine skeptische Einstellung besteht gegenüber der reinen ProzessZertifizierung. Qualität ist mehr als diese und basiert auf einem hohen Berufsethos.
Qualitätsmanagement ist grundsätzlich nicht in Frage gestellt. Skepsis herrscht gegenüber überhöhter und unmittelbarer Wirksamkeitserwartung an Effektivität und Effizienz. Einsicht in Sinnhaftigkeit von QM ist wichtig, schismogene Prozesse im Team stellen Stolpersteine dar.
Qualitätsmanagement hat grundsätzlich Potenzial und ist unterrichtsorientiert vermehrt akzeptiert. Bei fehlender Wirkung auf Unterricht und irrelevanter Fokussierung verkommt QM zur Alibiübung und ermüdet alle Beteiligten.
Es herrscht aufgrund fehlender wahrgenommener Wirkung große Skepsis gegenüber dem Qualitätsmanagement. Positiv gesehen erscheint Qualitätsmanagement höchstens als Strukturvorlage für Schulentwicklung.
Konstrukte
274
Schulen
Schule A
Schule C
Schule D
Schule F
Schule G
Level
Konstrukte
Level 4: Integration
Level 3: Interaktion
Level 3: Interaktion
Level 2: Koordination
Level 2: Koordination
Schule (MesoEbene)
Leistungserwartung A:
Leistungserwartung C:
Leistungserwartung D:
Leistungserwartung F:
Leistungserwartung G:
Leistungserwartung (quantitativ)
Überdurchschnittliche Leistungserwartung
Durchschnittliche Leistungserwartung
Durchschnittliche Leistungserwartung
Überdurchschnittliche Leistungserwartung
Durchschnittliche Leistungserwartung
Schule (MesoEbene)
Schulklima A:
Schulklima C:
Schulklima D:
Schulklima F:
Schulklima G:
Schulklima (quantitativ)
Überdurchschnittlich positives Schulklima, unterdurchschnittlicher Grad an wahrgenommener Aggression
Überdurchschnittlich positives Schulklima, unterdurchschnittliche kulturelle Anregung und unterdurchschnittlicher Grad an wahrgenommener Aggression
Unterdurchschnittlich positives Schulklima, unterdurchschnittliche kulturelle Anregung und ein durchschnittlicher Grad an wahrgenommener Aggression
Überdurchschnittliche kulturelle Anregung, durchschnittliches Klima, höherer Grad an wahrgenommener Aggression
Überdurchschnittliche kulturelle Anregung, durchschnittliches Klima, überdurchschnittlicher Grad an wahrgenommener Aggression
Unterricht & Klasse (MikroEbene)
Belastungserleben an Schule A:
Belastungserleben an Schule C:
Belastungserleben an Schule D:
Belastungserleben an Schule F:
Belastungserleben an Schule G:
Unterrichtsklima (quantitativ)
Unterdurchschnittlich erlebte Störneigung in der Klasse
Unterdurchschnittlich erlebte Störneigung in der Klasse
Durchschnittlich erlebte Störneigung
Durchschnittlich erlebte Störneigung
Überdurchschnittlich erlebte Störneigung
Unterricht (quantitativ)
Leicht überdurchschnittliche Beurteilung der ‚Individualisierung’
Leicht überdurchschnittliche Beurteilung von ‚Individualisierung’ und ‚Selbstmonitoring’
Einheitliches Bild: durchschnittliche Unterrichtskultur
Einheitliches Bild: durchschnittliche Unterrichtskultur
Uneinheitliches Bild: durchschnittliche Unterrichtskultur, welche ‚Selbstaktivität’ und ‚Arbeitsreflexion’ unterdurchschnittlich einschätzt
275
Schulen
Schule A
Schule C
Schule D
Schule F
Schule G
Level
Konstrukte
Level 4: Integration
Level 3: Interaktion
Level 3: Interaktion
Level 2: Koordination
Level 2: Koordination
Person: Individuum (Interpersonale Ebene)
Belastungserleben an Schule A:
Belastungserleben an Schule C:
Belastungserleben an Schule D:
Belastungserleben an Schule F:
Belastungserleben an Schule G:
Belastung (quantitativ)
Durchschnittlich erlebte Belastung
Durchschnittliche Belastung
Überdurchschnittlich erlebte Belastung
Durchschnittlich erlebte Belastung
Durchschnittlich erlebte Belastung
Belastung
Belastung ist ein permanentes Problem aller Beteiligten. Fehlende Ressourcen verhindern eine Entschädigung und der erhöhte Teilnahmedruck belastet zusätzlich.
Belastung ist ein permanentes Problem aller Beteiligten. Beschränkte zeitliche und personelle Ressourcen erhöhen den Druck. Fehlende Wertschätzung, Unterricht und Zeitdruck belasten kumulativ.
Belastung ist ein Problem und wird durch hohe Erwartungen an LP und Schule seitens der Öffentlichkeit, durch Belastungsphasen und Zeitmangel verstärkt.
Belastung ist ein Problem und wird durch hohe Erwartungen an LP und Schule seitens der Öffentlichkeit, durch fehlende Ressourcen sowie die Summe der Probleme verstärkt.
Belastung ist ein Problem und wird durch hohe Erwartungen und fehlende Ressourcen verstärkt.
Zufriedenheit (quantitativ)
Überdurchschnittliche Zufriedenheit in der Arbeit
Durchschnittliche Zufriedenheit in der Arbeit
Überdurchschnittliche Unzufriedenheit in der Arbeit
Durchschnittliche Arbeitszufriedenheit
Durchschnittliche Arbeitszufriedenheit
Einstellungen zu Unterrichtsstörungen (quantitativ)
Überdurchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion über eigenes Classroommanagement
Überdurchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion über Eigenanteil an Störungen im Unterricht
Durchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion bei Unterrichtsstörungen
Überdurchschnittliche Tendenz, Ursachen für Störungen den Schüler/innen zuzuschreiben und eine durchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion über den eigenen Anteil dabei
Durchschnittliche Bereitschaft zur Selbstreflexion über Eigenanteil an Störungen im Unterricht
276
Schulen
Schule A
Schule C
Schule D
Schule F
Schule G
Level
Level 4: Integration
Level 3: Interaktion
Level 3: Interaktion
Level 2: Koordination
Level 2: Koordination
individuelle Selbstwirksamkeit (quantitativ)
Überdurchschnittlich erlebte individuelle Selbstwirksamkeit
durchschnittliche individuelle Selbstwirksamkeit
Unterdurchschnittlich erlebte individuelle Selbstwirksamkeit
Durchschnittliche erlebte individuelle Selbstwirksamkeit
Durchschnittlich erlebte individuelle Selbstwirksamkeit
Bewältigungsformen
Eine Palette an Bewältigungsformen liegt vor, um Belastung situationsspezifisch zu reduzieren. Die geringe Größe dieser Schule ist ein Unterstützungsfaktor.
Eine Palette an Bewältigungsformen liegt vor, um Belastung situationsspezifisch zu reduzieren. Dies geschieht über individuelle und teaminterne Absprachen und Aktivitäten, Absprachen mit der SL und der Sichtweise, Belastung problemlösend anzugehen.
Bewältigung von Belastung geschieht durch individuelle Aktivitäten und Nutzung bestehender Untestützungsangebote. Keine Rezepte vorhanden.
Bewältigung von Belastung geschieht über individuelle Aktivitäten, Beratung und Absprache mit der SL, teaminterne Ressourcen und die Sichtweise, Belastung durch Problemlösung anzugehen.
Bewältigung von Belastung geschieht über informelle Treffen und individuelle Aktivitäten.
Konstrukte
Die hier zusammenfassend dargestellten Ergebnisse illustrieren, wie sich die Schulen bezüglich Kooperation nicht nur quantitativ unterscheiden, sondern auch, wie hinter diesen Differenzen unterschiedliche Paradigmen stehen, mit denen Schulleitungen und Lehrpersonen der Bewältigung des professionellen Alltags sowie schulentwicklerischen Forderungen begegnen. Dabei bleibt sicher zu diskutieren, ob der historische Kontext, wie er in der ersten Tabellenzeile in reduzierter Form dargestellt ist, einen Einfluss auf diese kollektiven Deutungsmuster hat, oder nicht.
Quantitativer Fallvergleich der Schulen A (Level 4) und G (Level 2) In einem zweiten Schritt interessiert die Betrachtung der Spannweite der quantitativen Daten. Dabei sind die weiter vorne vorgestellten Fragestellungen leitend. Abbildung 29 zeigt diesen Vergleich zwischen den Schulen A und G für die in dieser Arbeit verwendeten Qualitätsaspekte auf der Schulebene. Berichtet werden die signifikanten Unterschiede zwischen den beiden Schulen und die dazugehörigen Effektgrößen (vgl. Cohen 1988). Dabei wird, wie in den Einzelschuldarstellungen weiter oben ausführlich dargestellt, deutlich, dass Schule A fast durchgängig über den durchschnittlich erwartbaren Werten bleibt, mit Ausnahme bei der ‚Kooperation Beurteilung Noten’ und der ‚Anregung’, und zudem tiefere Aggressionswerte aufweist. Schule G bleibt hingegen nur bei der Skala ‚Anregung’ in bedeutsamer Weise über dem, was erwartbar wäre. 277
Es zeigt sich, dass an Schule A, wo aus Sicht der Lehrpersonen mehr kooperiert wird, die Lehrpersonen auch in bedeutsam mehr als erwartbarem Ausmaß berichten über eine positive Wahrnehmung ihrer Schulleitung hinsichtlich Zielgerichtetheit, ein ausgeprägtes Vertrauen in die Wirksamkeit des Teams bei der gemeinsamen Bewältigung von Herausforderungen, ein günstiges Innovationsklima, bestehend aus einer positive Einstellung gegenüber Qualitätsentwicklung sowie der Praxis von 360°-Feedback, welches die Perspektiven von Schüler/innen, Eltern und Lehrpersonen einbezieht, den Bedarf an gemeinsamer Planung von Zielen und Strategien zur Aufgabenbewältigung (‚Soll-Programmatische Kooperation’) und den Anspruch, Selbst- und Fremdbeurteilung sowie gegenseitige Unterrichtsbesuche durchzuführen, konkrete Formen der Kooperation bezüglich Austausch von unterrichtsbezogener Erfahrung, Disziplin und Beurteilung, eine hohe Leistungserwartung an die Schüler/innen, geringere Aggression seitens der Schüler/innen, ein wärmeres Verhältnis zwischen den Lehrpersonen untereinander wie auch zwischen den Lehrpersonen und den Schüler/innen. Zudem schätzen sie die Stimmung an der Schule positiver ein. Schule A (Level 4)
Schule G (Level 2) Zielgerichtete Führung (*** / E = 1.06) Kollektive Selbstwirksamkeit (*** / E = 0.99) Einstellungen gegenüber QE (*** / E = 1.13) 360-Grad-Feedback (*** / E = 1.58) Soll-Programmatische Kooperation (* / E = 0.58)
Skalen
Selbst-Fremdbeurteilung (SOLL) - Item (* / E = 0.63) Gegenseitige Unterrichtsbesuche (SOLL) - Item (n.s. / E = 0.29) Unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch (n.s. / E = 0.55) Kooperation Disziplin (n.s. / E = 0.40) Kooperation Beurteilung Noten (n.s. / E = 0.28) Fordern, Leistungserwartung (n.s. / E = 0.24) Aggression Vandalismus (*** / E = -0.81) -> neg. Polung! Anregung (* / E = -0.54) Wärme (*** / E = 1.04) -0.8 -0.6 -0.4 -0.2 0.0
0.2
0.4 0.6
0.8 1.0
1.2 1.4
1.6
standardisierte Residuen
Abbildung 29: Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A und der Level2-Schule G auf der Meso-Ebene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-UTest die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt.
278
An Schule G scheint das Vorhandensein von kulturellen Aktivitäten und einem Freizeitangebot für Schüler/innen (‚Anregung’) in größerem Ausmaß wahrgenommen zu werden, als im Durchschnitt zu erwarten wäre. Auf der Ebene des Unterrichts fallen die Unterschiede zwischen Schule A auf Level 4 und Schule G auf Level 2 geringer und unregelmäßig aus (vgl. Abbildung 30): Nur beim Thema „Störungen im Unterricht“ liegt der Mittelwert von Schule A höchst signifikant tiefer mit einem mittleren Effekt. Somit verweist dies auf eine tiefere Störungsneigung der Schüler/innen in der Wahrnehmung der Lehrpersonen am Gymnasium A auf Level 4 im Vergleich zur Schule G auf dem mittleren Level 2. Bei den Themen ‚Individualisierung’, ‚Diagnostische Kompetenz’ der Lehrperson, ‚Selbstaktivität’ und ‚Arbeitsreflexion’ bewegen sich die Unterschiede höchstens im Bereich von moderaten Effekten. Vorsichtig formuliert zeigt sich also eine Tendenz, dass in der integrativen Schule A im Unterricht etwas stärker als in Schule G individualisiert und mit den Schüler/innen deren Arbeit reflektiert wird sowie dass die Schüler/innen etwas stärker selbstaktiv arbeiten können. Schule A (Level 4)
Schule G (Level 2) Störungen im Unterricht (*** / E=-0.71) -> neg. Polung! Klassenklima (n.s. / kE ) Individualisierung (n.s. / E=0.29)
Skalen
Selbstkontrolle Selfmonitoring (n.s. / kE ) Diagnostische Kompetenz (n.s. / E=-0.15) Selbstaktivität (n.s. / E=0.25) Arbeitsreflexion (n.s. / E=0.2) Elaboration (n.s. / kE) Individuelle Bezugsnormorientierung (n.s. / kE)
-0.6
-0.4
-0.2
0.0
0.2
0.4
standardisierte Residuen
Abbildung 30: Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A und der Level2-Schule G auf der Mikro-Ebene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt. Abbildung 31 öffnet einen Blick auf Aspekte des subjektiven Wohlbefindens auf der personalen Ebene: Die Lehrpersonen von Schule A schätzen den „Zeitaufwand für Kooperation“ zwar vergleichbar mit dem Durchschnitt ein, berichten jedoch von einer bedeutsam geringeren Arbeitsunzufriedenheit als ihre Kolleginnen und Kollegen von Schule G. Bei der Belastung zeigen sich keine bedeutsamen Differenzen. 279
Wenn es darum geht, Unterrichtsstörungen gewissen Ursachen zuzuschreiben, so werden an Schule A auf Level 4 die Ursachen für Störungen überdurchschnittlich häufig beim eigenen Classroom-Management und weniger bei den Schüler/innen selbst gesucht. Die Lehrpersonen in Schule G hingegen geben deutlich weniger häufig als die Lehrpersonen in Schule A an, dass Störungen intern bzw. durch die eigene Unterrichtsgestaltung verursacht werden kann. Bei der individuellen Selbstwirksamkeit zeigen sich keine bedeutsamen Unterschiede.
Schule A (Level 4)
Schule G (Level 2) Arbeitsüberforderung (n.s. / k.E.) -> neg. Polung!
Skalen
Zeitaufwand für Kooperation zu gross (n.s. / E=0.23) -> neg. Polung! Arbeitsunzufriedenheit (n.s. / E=-0.24) -> neg. Polung! Lehrpersonen Selbstwirksamkeit (n.s. / k.E.) Interne Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / E=0.18) Externe Attribuierung von Unterrichtsstörung (n.s. / E=-0.18) -0.2
-0.1
0.0
0.1
0.2
0.3
0.4
0.5
standardisierte Residuen
Abbildung 31: Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A und der Level2-Schule G auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt.
Beantwortung der Fragestellung für den quantitativen Fallvergleich der Gymnasien A und G Die Hypothese, dass im Vergleich von Schulen auf hohem bzw. niedrigem KooperationsLevel diejenige Schule mit hoher Kooperation höhere Werte bei den Indikatoren erreicht und umgekehrt, lässt sich mehrheitlich bestätigen. Im direkten Vergleich der beiden Gymnasien A und G sind die Unterschiede auf der Ebene Schule oft signifikant und es lassen sich mittlere bis große Effekte zu Gunsten der Schule A finden. Für die Ebene des Unterrichts gilt dies jedoch nur beschränkt, da lediglich geringe Unterschiede zwischen der stark kooperierenden Schule A auf Level 4 und der auf mittlerem Niveau kooperierenden Schule G wahrgenommen werden. Die Befunde auf der Personebene verweisen zudem darauf, dass ein höherer Level an Kooperation mit durchschnittlichem Zeitaufwand zu haben ist und mit einer höheren Zufriedenheit einhergeht und dass insbesondere im Umgang mit Störungen das eigene Classroom-Management zur Disposition gestellt wird.
280
9.5.2 Rekontextualisierungsleistungen findiger Akteure Im ersten, theoretischen Teil dieser Arbeit wurden diejenigen theoretischen Ansätze vorgestellt, welche die Grundlage für die verschiedenen analytischen Schritte bildeten. Die hier in komprimierter Form wiedergegebenen Ergebnisse sollen in einem letzten Schritt kommentiert werden, indem sie gewissermaßen durch die Linse der theoretischen Erklärungsversuche betrachtet werden und indem dazu aus den qualitativen Daten konsensuell gefundene und als typisch erachtete Muster von Gesprächssequenzen als Illustrationen beigefügt werden. Dabei werden lediglich diejenigen Themen behandelt, welche hinsichtlich der theoretischen Postulate bedeutsam sind. Nach einer kurzen Rekapitulierung der theoretischen Grundanliegen werden die fünf Schulen, zu denen zusätzlich qualitative Daten erhoben worden sind, anhand der theoretischen Sichtweisen dargestellt (vgl. Kap. 5). Dabei ist nicht zu übersehen, dass diese konzeptionellen „Folien“ stellenweise deckungsgleich sind, da sie ähnliche Aspekte mit einer anderen Sprachregelung versehen. Gleichzeitig ermöglichen es die Sichtweisen aber auch, die besonderen Charakteristiken der einzelnen Schulen und deren Funktionslogik darzustellen. Nachfolgend werden die verwendeten theoretischen Zugänge in aller Kürze umrissen. Aus einer allgemeinen schultheoretischen Sichtweise interessiert, wie die Schulen der Stichprobe insgesamt die externe Vorgabe des Mittelschulgesetzes und die damit verbundenen Auflagen zur Schulentwicklung im Rahmen von Teilautonomie als handelnde und findige Akteure rekontextualisiert haben. Ein entsprechend kontextsensitives und adaptives Ausgestalten der zugewiesenen Rolle ist im weiteren Verlauf der theoretischen Ausführungen auch als Governance (oder Educational Governance) bezeichnet worden. Die Schulen der Stichprobe scheinen insgesamt im Begriff zu sein, in proaktiver Weise auf externe Gestaltungsvorgaben zu reagieren. Sowohl für die Items zur Kooperation von Lehrpersonen wie auch für die Skalen und Items zu Aspekten der Schul- und Unterrichtsentwicklung werden Werte erreicht, welche darauf schließen lassen, dass Schulentwicklung ernst genommen wird und dass über konkrete Maßnahmen zumindest nachgedacht, in den meisten Fällen aber aktiv handelnd vorgegangen wird. In diese Richtung zeigen jedenfalls die von uns erfassten und ausgewerteten Daten. Über die Hälfte der betrachteten Schulen agieren auf den beiden höchsten Niveaustufen von Lehrerkooperation. Sie betreiben somit umfangreiche Kooperation in verschiedenen Arbeitsbereichen. Neben bedeutsamen Unterschieden hinsichtlich der quantitativ erhobenen Skalen und Items zu Kooperation und Belastung sowie Schul- und Unterrichtsqualität ergeben sich zwischen den einzelnen Schulen bei vertiefter Analyse der Aussagen in den qualitativen Interviews durchaus auch Unterschiede im Rekontextualisierungsstil. Lernende Schulen/Schulentwicklung: Dieser Stil wird auch darin zum Ausdruck gebracht, wie Schulen ihre Weiterentwicklung betreiben und welche Schwerpunkte dabei gesetzt werden. Aufgrund der theoretischen Vorüberlegungen interessiert insbesondere, inwieweit die teilnehmenden Schulen mit dem Postulat der Lernenden Schule identifiziert werden können. Auch hier lässt sich aufgrund sämtlicher Daten sagen, dass die Schulen den Turnaround zur teilautonomen Schule mit Realisierung von Qualitätssicherungsmaßnahmen geschafft haben. Historische und kontextuelle Bedingungen: Hinter der Art und Weise, wie Schulen gesetzliche Rahmenbedingungen umsetzen und Schulentwicklung betreiben, steht – so eine der Thesen dieser Arbeit – eine durch verschiedene Faktoren beeinflusste Handlungsdynamik bzw. schulkulturelle Bewährungsdynamik. Hierzu sind die in obiger Darstellung verdichte281
ten Ergebnisse auch vor dem Hintergrund historischer und kontextueller Bedingungen der jeweiligen Schule zu betrachten. Der Stellenwert von und der Umgang mit Kooperation wird hier als „Kooperationskultur“ postuliert. Unter Berücksichtigung der hier nochmals genannten theoretischen Konzeptionen soll in äußerst komprimierter Weise dargestellt werden, was die Kooperation an der jeweiligen Schule bestimmt und wie sie ihre Funktion entfaltet. Die Fragestellung in Bezug zur Hauptfragstellung dazu lautet: Wie äußern sich die Schulen mit je unterschiedlicher Kooperation zur Bedeutung von Kooperation im Rahmen von Schulentwicklungs-, Qualitätssicherungs- und Qualitätsmanagementprozessen? Als Arbeitshypothese diente dabei folgende Aussage: An Schulen mit höherem Kooperationslevel wird die Bedeutung von Kooperation für Qualitätssicherungsprozesse günstiger eingeschätzt als an solchen mit tiefem Level. Tabelle 48 umreißt neben einer Kurzbeschreibung der Levels (vgl. Darstellung der Methoden in Kap. 8) in knapper Form die Ergebnisse der Schulen mit dem höchsten bzw. tiefsten erreichten Level von Kooperation sowie die zugrunde liegende Bewährungsdynamik und deren Muster. Im Weiteren lassen sich Chancen und Risiken von Kooperation als Instrument für Qualitätssicherungsprozesse innerhalb eines umfassenden Qualitätsmanagements aufzeigen. Tabelle 48: Übersicht über die Kooperationslevels, Bewährungsdynamik und Muster von Lehrerkooperation an den fünf betrachteten Gymnasien aus dem Kanton Zürich Fazit
Gymnasium A: Level 4
Gymnasium C: Level 3
Kooperationslevel (Beschreibung des Instrumentes)
Auf Level 4 werden neben einer umfassenden Koordination von Fach- und Sachthemen auch die unterrichtsbezogene Kooperation mit Ziel verbesserter didaktischer Kompetenzen über geregelten Erfahrungsaustausch sowie kollegiale Hospitation betont.
Auf Level 3 wird neben Koordination und Kooperation innerhalb eines Faches auch fachübergreifende Zusammenarbeit an gemeinsamen Themen realisiert. Weiter werden auftretende Probleme bezüglich Schule und Unterricht diskutiert, Selbst- und Fremdbeurteilung als integrale Elemente der Professionalität verstanden und Personalentwicklung sowie individuelle Weiterbildung auf Schulebene koordiniert.
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Gymnasium D: Level 3
Gymnasium F: Level 2
Gymnasium G: Level 2
Auf Level 2 geschieht eine systematische Koordination von Informationen sowie Fach- und Sachthemen. Dies baut auf Level 1 auf, wo erste Schritte zu einer umfassenden Kooperation erfolgt sind (fachspezifische Zusammenarbeit, Schulprofil, Mitbestimmung und Informationsfluss). Auf Level 2 werden folglich regelmäßig Ergebnisse aus Fachgruppen kommuniziert und Möglichkeiten zur Teamarbeit wahrgenommen. Über Leitbild und Schulprogramm herrscht Konsens.
überdurchschnittliche Wahrnehmung der Qualitätsaspekte
überdurchschnittliche Wahrnehmung der Qualitätsaspekte
tendenziell unterdurchschnittliche Wahrnehmung der Qualitätsaspekte
tendenziell durchschnittliche Wahrnehmung der Qualitätsaspekte
mehrheitlich unterdurchschnittliche oder z.T. durchschnittliche Wahrnehmung der Qualitätsaspekte
Kooperation ist bewährtes, institutionalisiertes und umfassendes Mittel, um schulische Herausforderungen jeglicher Art zu bewältigen
Kooperation ist institutionalisiertes und adäquates Mittel, um Pioniersituation zu bewältigen
Kooperation ist zum Teil institutionalisiert: Sie muss als möglicher Freiraum gelten können.
Kooperation ist eher informell und wenig institutionalisiert. Potenzial besteht in der Überwindung starrer Strukturen
Kooperation ist eher informell und wenig institutionalisiert. Potenzial besteht als möglicher Anlass für Unterrichtsentwicklung
Risiken von Kooperation für QSProzesse
Kohäsionsdruck und Vereinnahmung
Kooperation erscheint stark an aktuelle (Pionier)situation gekoppelt
verbindliche Kooperation tendenziell bedrohlich
verbindliche Kooperation wenig adaptiv zu bestehender Funktionslogik
Pseudokooperation und Abwehr bei Kooperationszwang
Bewährungsdynamik
proaktiv
aktiv
defensiv
eher defensiv
defensivreaktiv
Kooperationsmuster
produktiv
pragmatisch
pragmatischinformell
Informellpragmatisch
informell
Höchster und tiefster Kooperationslevel in der Stichprobe: quantitativ erhobene Qualitätsaspekte
Chancen von Kooperation für QSProzesse
Rekontextualisierungsleistungen der Schule A Der aufgrund der quantitativen Untersuchungsergebnisse ermittelte Status der integrierten Schule findet seine Bestätigung bei differenzierter Analyse der quantitativen und qualitativen Daten. Lehrpersonen an Schule A mit einem hohen Grad an fachbereichsübergreifender und differenzierter Kooperation nehmen im Vergleich zu Schulen mit geringerem Ausmaß an Kooperation häufiger ein positives Schulklima, eine zielgerichtete Schulleitung oder die Überzeugung wahr, dass das Team Herausforderungen gemeinsam begegnen kann. Sie zeigen eine größere Innovationsbereitschaft, formulieren in stärkerem Masse hohe Leistungserwartungen an die Schüler/innen, sind in stärkerem Masse bereit zur Selbstreflexion über Eigenanteile bei Störungen im Unterricht und kommunizieren eine größere Arbeitszufriedenheit. Die Level 4-Schule A erreicht in praktisch allen Bereichen überdurchschnittliche Resultate. 283
Dies bestätigt sich durch die qualitativen Daten in der positiven Einstellung zu einer alle Arbeitsbereiche umfassenden Kooperation. Zu beachten ist jedoch, dass die Gefahr eines „Zuviel“ bzw. eines „Drucks zur Kooperation“ durchaus besteht. „Ja, das [die Kooperation, Anmerk. d. Verf.] ist ein freiwilliges Zwangsvehikel an einer kleinen Schule. Man kommt gar nicht darum herum. Es gibt einfach Projekte, wo die Notwendigkeit von enger Zusammenarbeit derart notwendig ist, dass man sich dies gar nicht auslesen kann. Und das hat positive und negative Seiten“ (L4 Schule A FG: 147). Die außerordentlich proaktive Weise, in der etwa an der relativ kleinen Schule A Schulentwicklung als bewusste Übersetzung des Desiderats Schulentwicklung in den eigenen Möglichkeitsspielraum angestrebt wird, drückt sich etwa im folgenden, im Interview mit der Schulleitung gemachten Statement aus: „Gib der Schule ein Gesicht, nämlich deines, und zwar jedes das da ist“ (L4 Schule A SL: 113). Rekontextualisierung eines Qualitätskonzeptes wird gemäß dieser Aussage auch als Chance verstanden, die personelle Heterogenität abzubilden und mit der Möglichkeit der prägenden Mitgestaltung jedes und jeder Angehörigen der Schule zu rechnen. Dieser Stil wird umso verständlicher angesichts der historischen Gestaltungsbedingungen dieser Schule. Als Einzige der Stichprobe gehört sie zu denjenigen Schulen, welche in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts als konfessionelle Institution und in Reaktion auf die fortschreitende Liberalisierung und Säkularisierung des Schulwesens gegründet wurden. Als kleine und private Institution versteht sie sich in einer Wettbewerbssituation und muss – analog zu einem privatwirtschaftlich geführten Unternehmen – auf die aktive Mitarbeit und Innovationskraft ihrer sämtlicher Mitwirkenden zählen können. Der Anspruch als Schule in privater Trägerschaft gleichzeitig allen Kreisen der Bevölkerung unabhängig von den finanziellen Mitteln offen zu stehen, verstärkt das Bewusstsein der permanenten Herausforderung für alle an der Schule Beteiligten. Dies mag verantwortlich sein für ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl, welches sich auch in den hohen Werten und der großen Bedeutung von Kooperation niederschlägt. Hier manifestiert sich eine Bewährungsdynamik, welche von dieser Selbstbehauptungslogik bestimmt ist. Für diese Schule ist es von existentieller Bedeutung, ein qualitativ gutes Bildungsangebot offerieren zu können: „Es kommt sicher auch daher, dass wir als Privatschule uns in einem gewissen Wettbewerb behaupten müssen und die Meinung, eigentlich müssen wir ja besser sein als die andern, das spüre ich schon. Also ich finde das eigentlich auch gut. Es ist auf eine Art ein wirtschaftliches Denken auch. Wir müssen ein Produkt verkaufen“(Schule A FG: 32). Die Schule muss sich gegen außen – und damit auch gegen die anderen Schulen! – behaupten. Die Bemühungen um Qualität scheinen sich auch schülerseitig auszuzahlen, bescheinigen die befragten Lernenden ihrer Institution doch überdurchschnittlich hohe Werte bezüglich Schul- und Unterrichtsqualität. Dies erscheint auch deshalb plausibel, weil an dieser Schule Weiterentwicklung ein permanentes Thema ist: „Wenn ich dazu etwas sagen kann: Weiterbildung ist schon immer ein großes Thema gewesen. Wir sind einsam gewesen in der Bildungslandschaft, dass wir viermal im Jahr uns getroffen haben und das machen wir seit 10-15 Jahren, wirklich, 4-5-mal im Jahr, entweder einen halben Tag, einen ganzen oder sogar anderthalb Tage, wo man ein Thema bearbeitet, das dringend ist, oder das gewünscht wird. Und von dem her ist schon lange etwas gelaufen in dieser Richtung. Weiterbildung ist – ja – QS, also, sonst macht sie keinen Sinn oder sogar Q-Verbesserung. Also da sind wir auch die Avantgarde gewesen vor diesem Mittelschulgesetz“ (L4 Schule A FG: 66). Für dieses Gymnasium erscheinen makrostrukturelle Veränderungspostulate als nach284
gereichte Bestätigungen des eigenen, bereits vor einiger Zeit eingeschlagenen Kurses. Sie kommen – in Entsprechung zu den vergleichsweise überdurchschnittlichen Werten bezüglich Innovationsbereitschaft sowie kollektiver und individueller Selbstwirksamkeit – der geschilderten Bewährungsdynamik regelrecht entgegen, schaffen sie doch über die Verpflichtung zur Evaluation Möglichkeiten, die Güte des eigenen Produkts zum Teil auch im Vergleich mit anderen Anbietern unter Beweis zu stellen. Schule A bildet den produktiv-proaktiven Rekontextualisierungstyp. Das heißt: Sie nimmt die erwähnten gesetzlichen Rahmenbedingungen im Kanton Zürich zum Qualitätsmanagement schon vorweg (proaktiv) und setzt diese auf die eigene Situation angepasst um (produktiv). Kooperation der Lehrpersonen erscheint in allen möglichen Gebieten und auf allen Ebenen das Mittel der Wahl zu sein: „Wir leben davon, dass man kooperiert, weil wir relativ eine kleine Schule sind. Und wenn es hoch kommt, dann haben wir zwei oder drei Personen pro Fach. Das heißt, wir haben keine Fachschaften. Unsere Kooperation ist immer eine interdisziplinäre, sie ist auf interdisziplinäre Fragestellungen, Inhalte, aber auch auf pädagogische, schulorganisatorische Fragen ausgerichtet und nur so können wir die Schule weiterentwickeln. Also wir machen 3-4-mal pro Jahr halb- bis anderthalbtägige Arbeitstagungen, die Weiterbildungs- und Arbeitscharakter haben mit sich ständig mischenden Arbeitsgruppen“ (L4 Schule A SL: 66). Dies erzeugt über eine initiative Gruppe von Lehrpersonen eine hohe Verbindlichkeit und damit einen Druck zur Kooperation. „Du kannst nicht tauchen bei uns. Wir sind so wenige. Man kennt einander. Und man weiß genau: Wenn einer kneift, das fällt auf“ (L4 Schule A FG: 159). Kooperation ist „freiwilliges Zwangsvehikel“ (L4 Schule A FG: 147) und muss gewissermaßen abrufbar sein als entscheidende Funktion, damit sich die Schule in dieser permanenten Wettbewerbssituation bewähren kann. So trivial es klingen mag: Kooperation an Schulen setzt die Bereitschaft ihrer Akteure zur Kooperation voraus. Sie lässt sich nicht einfach verordnen, sondern beginnt bereits mit der Auswahl des Personals. Diese Kooperation ist in hohem Masse der Schule als Ganzer verpflichtet. Dies verdeutlicht sich in der Forderung nach einem umfassenderen Berufsauftrag für die Lehrpersonen an Gymnasien (Mittelschulen), der über ein Arbeitszeitmodell definiert wird: „Also, wenn man eine Jahresarbeitszeit hätte, welche man arbeiten würde und nicht einfach einzelne Stunden in denen man unterrichten muss, dann hätte man eine ganz andere Auffassung, was alles zum Amtsauftrag einer Mittelschullehrperson gehört. Ich glaube. Dort krankt es einmal ganz grundsätzlich. Wenn ich das Gefühl habe: Ich gehe dann an die Arbeit, wenn ich die Türklinke des Unterrichtszimmers in die Hand nehme und ich habe dann gearbeitet, wenn ich sie wieder loslasse, dann ist grundsätzlich etwas krumm“ (L4 Schule A SL: 69). Kooperation gehört an Schule A damit verbindlich zum Konzept einer hoch innovationsbereiten Institution, welche von außen veranlasste Veränderungsschritte als Chance zur Profilierung und Positionierung des eigenen Angebots wahrnimmt. Dies entspricht den Anforderungen einer Kooperation auf dem Niveau 4 der „Integration“.
Rekontextualisierungsleistungen der Schule C Der aufgrund der quantitativen Untersuchungsergebnisse ermittelte Status der interaktiven Schule findet seine Bestätigung bei differenzierter Analyse der quantitativen und qualitativen Daten. Bei den Lehrpersonenwahrnehmungen in zentralen Bereichen der Schulebene (Schulleitungshandeln, Selbstwirksamkeit des Kollegiums, Innovationsbereitschaft, Schulklima) 285
sowie den Bereichen des Unterrichts wie auch der Ebene der einzelnen Person zeigen sich fast durchgängig überdurchschnittliche Werte. Dies bestätigt sich in der positiven Einstellung zu einer professionellen, interdisziplinären und fachlichen Kooperation. Die Level-3-Schule C bildet einen pragmatischen aktiven Rekontextualisierungstyp, welcher mit seinem hohen Grad an Kooperation (aktiv) einen funktionalen und sachlichen Weg (pragmatisch) der Zusammenarbeit anstrebt, der unterrichtsbezogen ist und Freude bereiten darf. „Es macht Spaß, das ist wichtig“ (L3 Schule C FG: 168). Als kleine Institution wurde an Schule C das Thema Qualitätsmanagement bei Einführung durch den Kanton aktiv angegangen: „Man hat auch am Anfang die Freiwilligkeit bzw. die Anonymität ganz groß geschrieben. Also, man hat Feedback eingeholt, aber die SL hat nichts vom Resultat erfahren. Und das ist gelungen auf diesem Weg wirklich eine ziemlich große Akzeptanz zu erreichen. Die Form des Berichtes zu der externen Evaluation hat uns da wieder etwas zurückgeworfen. Weil heute wo gespart wird, haben die LP kein gutes Gefühl, wenn man so eine 40’000 fränkige Evaluation macht und nachher eigentlich nichts wesentlich Neues erfährt, als man schon gewusst hat. Und dann kommen natürlich wieder, wie früher so Fragen: ‚Was soll das Ganze?’ und ...“. (L3 Schule C SL: 61). In diesen Worten kommt neben der Betonung positiver und engagierter Beteiligung am Schulentwicklungsprozess auch eine gewisse Frustration zum Ausdruck, angesichts teurer externer Evaluationen, welche als Fremdreferenz offensichtlich wenig heuristisches und aufklärendes Potenzial für Schulleitung und Lehrpersonal besitzen. Bedeutsam erscheint in diesem Zusammenhang auch, dass besagte Schule als Filiale einer größeren Schule seit Jahren auf provisorische Räumlichkeiten angewiesen ist: „…man könnte ich noch zur Anknüpfung da sagen, wir sind natürlich jetzt 31 Jahre lang da in einer Pioniersituation. Das braucht einen langen Atem. Und da würde man eigentlich eine Ermüdung erwarten, das ist erstaunlicherweise wenig eingetreten (…) Das hat vielleicht noch ein bisschen zusammengeschweißt, die gemeinsame Gefahr, und eben das Pionierhafte“(L3 Schule C SL: 214). Ähnlich wie bei Schule A hat sich hier offenbar eine Bewährungsdynamik entwickelt, welche sich stark über eine Differenz gegenüber den anderen und in dieser Sichtweise privilegierteren Schulen definiert, indem besagtes Provisorium und unbefriedigende infrastrukturelle Bedingungen mit einer Art Außenseitermentalität der Betroffenen einhergehen. Ein gutes Schulklima gilt in dieser Diktion als Achtungserfolg, hat man doch nicht dieselben Voraussetzungen wie die anderen Schulen: „Und ich habe den Eindruck, dass eben, wir haben keine optimalen Bedingungen was Räumlichkeiten anbelangt oder wo sie Arbeitsplätze haben, das sieht an anderen Schulen ganz anders aus. Und doch was dabei herausschaut vom klimatischen und von der Leistung her, dass ist ja im Kantonsrat, also eben auch dort aufgefallen, dass man uns dann nicht als Beispiel nimmt, man braucht auch weniger ... man könnte dort sparen, ‚seht eine Schule, die nicht optimal dotiert ist, funktioniert gut’, oder. Oder ja, besser als andere“(L3 Schule C SL: 215). Schulentwicklung erscheint hier mitunter auch als Möglichkeit, auf sich als Institution aufmerksam zu machen und Anerkennung ernten zu können. Wie aus letztem Zitat hervorgeht, erweist sich dieses Bestreben jedoch auch als doppeldeutig, wenn die Verantwortlichen auf politischer Ebene der Schule eine gute Funktionsfähigkeit bescheinigen und daraus ableiten, es brauche keine besonderen infrastrukturellen Maßnahmen, um eine gute Schulqualität zu realisieren. Auffällig ist an dieser Schule ferner, dass die Lehrpersonen ihrer Schule – verglichen mit den übrigen Schulen – überdurchschnittliche Werte bezüglich Schul- und Unterrichtsqualität attestieren, während diese Werte aus Sicht der Lernenden und im Vergleich unterdurchschnittlich sind. Hier müsste die Frage gestellt werden, ob ein eventueller „self286
serving-bias“ ins Spiel kommt, indem die Lehrpersonen ihre Schule angesichts genannter Pioniersituation idealer sehen, als sie dies im Vergleich tatsächlich ist. Die vorhandenen Daten erlauben jedoch keine Prüfung dieser Hypothese. Möglicherweise aber scheint die Kommunikation bezüglich anberaumter Schul- und Unterrichtsentwicklungsmaßnahmen zwischen Lehrpersonen und Schülerschaft nicht einwandfrei zu klappen: „Ja, also ich habe den Eindruck, alles was wir für die Schüler gemacht haben, die Förderpläne, das Tutorensystem, das ist sehr schwierig herauszufinden, ob sie das auch wirklich wollen. Auch wenn wir eine Kommission von 6 Schülern haben, die sagen, dass sie es wollen, also dass es dann auch funktioniert. Das Tutorensystem müssen wir schon überarbeiten. Wollen wir auch. Das finde ich sehr schwierig“ (L3 Schule C FG: 92). Das stetige Bemühen um eine gute Schulqualität erscheint dort in Frage gestellt, wo die Maßnahmen ihr eigentliches Ziel verfehlen, nämlich Lehr- Lern-Prozesse zu befördern. Falls Erfolge in Form sichtbarer Wirkungen ausbleiben, könnte der Antrieb erlahmen, dies trotz überdurchschnittlicher Werte bezüglich kollektiver Selbstwirksamkeit und Innovationsbereitschaft. Hinsichtlich Kooperationskultur ergibt sich ein ähnliches Verpflichtungsethos wie bei Schule A. Weil die Schule klein ist, wird der Einsatz aller notwendig: „Und ich denke da ... also nicht dass man nur als MBA, das oder anderes machen kann, auch Mitarbeit in Kommissionen, da habe ich jetzt den Eindruck ... es müssen eben viele mitmachen, weil wir eine kleine Schule sind“ (L3 Schule C SL: 163). Die Mitarbeit möglichst aller erfordert kooperative Settings aller Art, welche in ihrer Vielfalt auch geschildert werden. Wie stark Kooperation aber auch konstitutives und überdauerndes Gestaltungselement der eigenen Schulkultur ist, wird die Zukunft weisen, wenn die Schule in einigen Jahren in einen Neubau dislozieren wird und sich in einem veränderten Kontext neu definieren muss. Kooperation gehört an Schule C verbindlich zum Konzept einer innovationsbereiten Institution, welche von außen veranlasste Veränderungsschritte als Chance für die eigene Schul- und Unterrichtsentwicklung wahrnimmt. Dies entspricht den Anforderungen einer Kooperation auf dem Niveau 3 der „Interaktion“.
Rekontextualisierungsleistungen der Schule D Der aufgrund der quantitativen Untersuchungsergebnisse ermittelte Status der interaktiven Schule findet nur teilweise seine Bestätigung bei differenzierter Analyse der quantitativen und qualitativen Daten. Bei den Lehrpersonenwahrnehmungen zeigen sich fast durchgängig unterdurchschnittliche Werte in zentralen Aspekten der Qualität von Schule auf der Schulebene bezüglich Zielgerichtetheit der Schulleitung, kollektiver Selbstwirksamkeit des Teams im Umgang mit herausfordernden Situationen, der Innovationsbereitschaft sowie des Schulklimas und der Anregung. Ausnahmen bilden dabei eine durchschnittliche Leistungserwartung an die Schüler/innen, die Wahrnehmung von Aggression und Vandalismus sowie unterrichtsbezogener Erfahrungsaustausch und Kooperation bei der Beurteilung. In den Bereichen des Unterrichts zeigen sich durchschnittliche Werte, und auf der Ebene der einzelnen Person sind die überdurchschnittlich erlebte Belastung und Arbeitsunzufriedenheit in Kombination mit einem unterdurchschnittlichen Selbstwirksamkeitsempfinden zu erwähnen. Weiter gilt auch zu beachten, dass sich beim Vergleich von Lehrpersonen- und Schülerdaten die Situation uneinheitlich und tendenziell umgekehrt zu Schule C präsentiert: Unterdurchschnittlichen Werten zu Schul- und Unterrichtsqualität aus der Lehrpersonenbefragung stehen überdurchschnittliche Werte aus den Schülerdaten gegenüber. 287
Schule D gehört ebenfalls zu denjenigen Gymnasien, welche im Zuge dezentralen Wachstums in den Regionen außerhalb der beiden Zürcher Großstädte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts entstanden sind. Die Rekontextualisierung genannter externer Vorgaben scheint hier – verglichen mit den vorher beschriebenen Schulen – in zurückhaltenderer Weise zu erfolgen: „Aber vielleicht ein Indiz für die nicht gerade große Beliebtheit von dieser QS mag darin auch gesehen werden, dass wo wir die ... wo ich die acht ständigen Kommissionen gebildet habe, das war eigentlich das Erfüllen des Auftrages, dass die MBA’s Zusatzaufgaben erfüllen müssen, da habe ich mir gesagt, ich tue die einfach in ständige Kommissionen einteilen und dann können sie dort ihre Aufgaben erfüllen. Und man konnte alle Kommissionen bemannen und befrauen, Entschuldigung. Und in der QSKommission war praktisch niemand und es war auch bezeichnend, welche LP sich für keine Kommission gemeldet haben. Es sind wirklich die LP gewesen, die über 50 waren, sagen wir es mal so, die schon lange an der Schule waren. Und durch das haben wir jetzt in der QS-Kommission sehr viel LP, die schon sehr viel Lehrerfahrung haben, sagen wir das einmal positiv. Also man hat sich nicht darum gerissen“ (L3 Schule D SL: 81). In dieser Sequenz wird deutlich, dass das Thema „Qualitätssicherung“ durch die Bestellung der entsprechenden Kommission mit unfreiwilligen und der Kommissionsarbeit tendenziell eher abgeneigten älteren Mitgliedern – quasi als Restkategorie – von Beginn weg eher geringe Priorität genoss. Obwohl die Schule gut organisiert zu sein scheint, entsteht der Eindruck, systematisches Qualitätsmanagement spiele sich eher auf einem Nebenschauplatz ab, was auch dadurch bekräftigt wird, dass Kommunikation und Beschlüsse eher informellen Charakter aufweisen: „... also bei uns läuft es so, da gibt es gemeinsame Gespräche, ich weiß nicht genau, wer den Vorschlag macht und wer es absegnet, oder ob das von der Kommission her kommt, die Vorschläge oder ob die von der SL kommen. Das weiß ich nicht.“ (L 3 Schule D FG: 116-119). Hier wird sichtbar, dass die Betroffenen nur beschränkt über den formellen Ablauf des Qualitätsmanagements an ihrer Schule informiert sind. Das Anliegen erscheint nicht prioritär zu sein. Qualitätsanliegen werden gewissermaßen an den Rand der beruflichen Tätigkeit verdrängt, die Strategien für das weitere Vorgehen in Sachen Qualitätsmanagement informell entwickelt. Dies, obwohl prinzipielle und vorgegebene Bausteine realisiert werden: „Und das andere das mit der Selbstevaluation, dort ist es darum gegangen, Modelle aufzuzeigen, weil ja jede und jeder verpflichtet ist, das durchzuführen, sich irgendeines herauszusuchen, das einem am Besten liegt, Fragebogen oder Coaching oder Monitoring oder wie das alles heißt, oder Interview. Da ist man eigentlich frei in der Wahl, Hauptsache man macht es“ (L 3 Schule D FG: 93). Schule D bildet somit den pragmatisch-informellen und defensiven Rekontextualisierungstyp in dem Sinne, als dass Kooperation aktiv, auf hohem Niveau und mit Blick auf den Nutzen daraus betrieben wird (pragmatisch), aber ebenfalls in hohem Masse Skepsis besteht gegenüber einer allfälligen obligatorischen Verordnung derselben (defensiv) und dem mit Kooperation einhergehenden Belastungspotenzial. Bezüglich des Qualitätsmanagements bleibt zudem die informelle Nutzung der Strukturen zentral (informell) und fällt mit Intransparenz und Unsicherheit bezüglich der Einstellung der Schulleitung zur Qualitätskommission zusammen. Etwas schwieriger gestaltet sich die Suche nach einer kollektiven Bewährungsdynamik an dieser wesentlich größeren Schule. Die relative Größe erlaubt es den einzelnen Lehrpersonen auch, im Gegensatz zu den beiden Schulen A und C, sich hinsichtlich Engagement in schulorganisatorischen Aufgaben zurückzuhalten und mit der Möglichkeit zu spielen, administrative Aufgaben mögen an einem vorbeigehen: „…vielleicht war mein Bild eher 288
eines das eher stagniert, wo man sagt, das bleibt in etwa. Ich meine nicht, dass die Ansätze nicht da sind, dass eben der Fächer größer geworden ist. Aber es ist nicht so, dass sich jeder reißt um die neuen Aufgaben. Aber man macht es und findet, es ist in Ordnung, dass man es macht, vielleicht nicht unbedingt ich“ (L3 Schule D SL: 192). Tendenziell ist hier eine soziale Verantwortungsdiffusion herauszuspüren, frei nach dem Motto: Irgendwer wird die unangenehme Aufgabe schon übernehmen oder übernehmen müssen. An dieser Stelle muss auf die vergleichsweise tiefe individuelle und kollektive Selbstwirksamkeit und die relativ ausgeprägte Arbeitsunzufriedenheit sowie das überdurchschnittliche Belastungserleben der Lehrpersonen verwiesen werden. Ist dieser defensive Bewältigungsmodus Teil eines Selbstschutzprogramms, welches Impulsen von außen mit einer latenten Abwehr begegnet, weil sie identitätsbedrohend wirken oder bezüglich Belastung „das Fass zum Überlaufen bringen könnten“? Tendenziell im Gegensatz dazu steht die grundsätzlich positive Einstellung zu Kooperation als Aspekt des professionellen Lehrerhandelns. Kooperiert wird an Schule D wie bereits oben angeführt in pragmatischer Weise, indem Synergien und der notwendigerweise daraus resultierende Erfolg im Zentrum stehen. „Ja, Kooperation ist lebensnotwendig, um zusammenarbeiten zu können und es muss irgendwie ein Benefit daraus geben. Und ich denke auch es muss, und zwar einer, der einsehbar ist sofort. Und nicht Kooperation an und für sich ist etwas sehr Gutes, sondern es muss etwas dabei herausschauen“ (L3 Schule D SL: 126). Dabei soll Kooperation jedoch nicht verordnet werden und wird auch lediglich dort gesucht, wo dies von den Betreffenden auch gewünscht wird: „Ja und ich denke, die einen arbeiten lieber mit jemandem zusammen und auch besser als andere. Aber beide Seiten machen einen guten Unterricht. Ich denke, es muss einfach für sich selber auch stimmen“ (L3 Schule D FG: 171). Dies ergibt eine zweckrationale und pragmatische Kooperationskultur, welche wiederum auf die Bewährungsdynamik zurückverweist: Wichtiger als kollektive Würfe, welche Belastung und Unzufriedenheit tendenziell erhöhen könnten, ist die individuelle Stimmigkeit. Weil man an dieser Schule (über-)leben möchte und muss, lässt man die anderen auch leben. Kooperation erhält an Schule D eine Art Pufferfunktion: Wo sie dazu dient, über die Nutzung von Synergien Entlastung anzubieten, ist sie eine durchaus willkommene Arbeitsform mit Potenzial. Dies entspricht den Anforderungen einer Kooperation auf dem Niveau 3 der „Interaktion“. In geplanter Form und mit möglichen Belastungen verbunden wird sie jedoch nach Möglichkeit gemieden.
Rekontextualisierungsleistungen der Schule F Dem aufgrund der quantitativen Untersuchungsergebnisse ermittelten Status der koordinierten Schule entsprechen tendenziell auch die in den qualitativen Interviews gemachten Aussagen und die quantitativen Daten zu Qualitätsaspekten. Eine koordinierte Kooperation (Level 2), die Aufgabenverteilung, Arbeitsabläufe und Arbeitsergebnisse kommuniziert sowie über Ansätze zur Koordination von Ressourcen und Aufgaben verfügt, bildet sich in den Lehrpersonenwahrnehmungen an der Schule F mit beinahe durchgängig durchschnittlichen Werten in zentralen Bereichen der Schulebene (Schulleitungshandeln, Selbstwirksamkeit des Kollegiums, Innovationsbereitschaft, Organisation und Kooperation, Schulklima) sowie den Bereichen des Unterrichts wie auch auf der Ebene der einzelnen Person (Belastung, Arbeitszufriedenheit) ab. Überdurchschnittlich 289
hoch sind die Erwartungen an die Schüler/innen und die kulturellen Anregungen, die geboten werden. Aus Sicht der Schüler und verglichen mit den übrigen Schulen sind die Werte für Schul- und Unterrichtsqualität eher tief. Offensichtlich fehlen Zeit und Möglichkeiten, Unterricht auch systematisch weiterzuentwickeln. So wird die geringe Bereitschaft, Formen des selbstgesteuerten Lernens anzuregen und zu praktizieren, aus Sicht der Lehrpersonen folgendermaßen kommentiert: „H: Also für das bleibt knapp Zeit (…) Zuerst müssen sie ja einmal ihre Sache machen, oder, bevor sie darüber reflektieren, wie sie sie gemacht haben und wie sie sie machen werden. Also wir haben ja Verkürzungen vom Stoffprogramm und von Jahresstunden, wo wir also noch nicht ganz verdaut und verkraftet haben, in mehreren Fächern. (…) es müsste anders sein, aber ich schaffe das nicht. Und ich denke also bevor ich lange mit ihnen darüber nachdenke, was sind jetzt ihre Lernstrategien oder was ist jetzt ... wie beurteilen sie die Arbeit von andere ... und letztlich habe ich dann gar nichts gemacht, dann ist es viel Lärm um sehr wenig, das gemacht wurde. Meistens fällt das flach, ich muss es ehrlich sagen“ (L2 Schule F FG: 147-154). Formen selbstregulierten Lernens repräsentieren ein „Nice to have“, aber erst, wenn die Schülerinnen und Schüler „ihre Sache gemacht haben“. Gemäß den Ausführungen im Kapitel zur historischen Entwicklung des Mittelschulwesens im Kanton Zürich (vgl. Kp. 6) repräsentiert Schule F eine klassische städtische Schule, die auf eine lange Geschichte zurückblicken kann. Die damit verbundenen Traditionen scheinen sich auch in Haltungen des Personals zu manifestieren, welche ihren Niederschlag in der Gestaltung eines reichen, kulturellen Schullebens und auch im Umgang miteinander sowie mit Anregungen und Forderungen von außen finden: „Das sind Traditionen natürlich. Also das eine, das sie ansprechen, sind alle die kulturellen Unternehmungen, nicht. Die haben eine große Tradition bei uns und die sind klassenübergreifend, schulumfassend, ja sogar schulübergreifend. Das war immer so und wie gesagt, die haben eine feste Stellung. Und das andere, das kommt natürlich auch ein bisschen aus der Tradition. Aus dieser Sicht von früher, wo jeder seinen Unterricht selber verantwortet hat und gesagt hat, ich bin der Verantwortliche. Ich sorge dafür dass es gut läuft. Und mein Kollege macht das Gleiche. Und wir reden schon im Lehrerzimmer miteinander, aber ich habe das Vertrauen, er macht es gut und ich mache es gut. Dass man dann einmal zusammen schaut vielleicht, eben das ist etwas, das jetzt vielleicht langsam kommt“ (L2 Schule F SL: 79). Die Umsetzung des Qualitätsmanagements ist durch Verunsicherung geprägt und wird bei fehlender Unterrichtsrelevanz als Alibiübung taxiert. „Und dort ist das Misstrauen her gekommen. Ist das QM ein Instrument, und das war durchaus zum Teil so angelegt, z.B. zu lohnwirksamen Maßnahmen usw. Und geht es darum, also individuell einen Lehrer oder eine Lehrerin jetzt einzustufen. Oder heißt QM prinzipiell Feedback und Steuerungs- ..., dass aus den Resultaten Steuerungselemente entstehen für eine bessere Entwicklung von der LP oder von der Schule. Also dort drin war das Misstrauen sicher auch bis zu einem gewissen Grad berechtigt. Ich bin auch ... also die Erfahrung haben wir mindestens gemacht“ (L2 Schule F SL: 40). Es herrscht die Überzeugung vor, die Schule könne sich auch ohne Qualitätsmanagement weiterentwickeln:„Wenn es jetzt z.B. vom Kanton das QM so nicht gäbe, würden wir trotzdem einen Weg finden. Aber das tut uns ... wenn es uns Mittel in die Hand gibt, dann nützen wir diese aus. Aber wir wären jetzt z.B. nicht starr ohne QM. Also das ist irgendwie der Punkt. Aber wir ... die Grundanlage ist wichtig oder die Grundeinstellung, wie wir der Entwicklung der Schule gegenüber stehen und der Notwendigkeit von Entwicklung“ (L2 Schule F SL: 54). Hier schwingt auch Selbstbewusstsein und Stolz mit, insofern die Überzeugung vertreten wird, die Schule würde sich auch ohne gesetzliche 290
Auflagen entwickeln und indem Qualitätsmanagement als ein Mittel gesehen wird, das von der Schulleitung zu bestimmten Zwecken eingesetzt werden kann. Die eher zurückhaltende (defensiv) Rekontextualisierung externer Normen lässt sich möglicherweise damit erklären, dass die eigene, durch Traditionen herausgebildete institutionelle Identität nicht beschädigt werden soll. Damit geht auch ein gewisses Abwehrpotenzial einher. Die sich dabei ergebende Bewährungsdynamik erscheint unauflösbar mit dem Traditionsbewusstsein verwoben zu sein. Dabei erweist sich der (gute) Ruf sowohl als identitätsstiftendes und das Selbstbewusstsein stärkendes als auch entwicklungsbehinderndes Element: „Schwächen. Ja Schwächen schon vielleicht von dieser Schule, also aus meiner persönlichen Sicht, Schwächen schon in der Art und Weise, wie die Schule sich eigentlich gegen außen verhält, gegenüber der Elternschaft verhält, gegenüber den Schülern verhält, also man hatte stark die Tendenz sehr, sagen wir einmal sehr selbstbewusst, vielleicht auch ein bisschen eingebildet und autokratisch zu sagen, wir wissen schon was richtig ist und wir müssen eigentlich auf niemanden hören, wir wissen das und wir müssen uns von niemandem rein reden lassen. Wir brauchen gar kein ... das ist so, wir brauchen kein Feedback. Und das hat sich, wie gesagt, jetzt geändert“( L2 Schule F SL: 35). Die dabei auszumachende tendenzielle Abwehr gegenüber Impulsen von außen ist hier weniger darin begründet, dass man sich (wie die Lehrpersonen von Schule D) überlastet, unzufrieden und wenig selbstwirksam fühlt, sondern, dass extern angeregte Entwicklungen das Image der Schule, welches prinzipiell als gut angesehen wird, in Frage stellen könnten. Entsprechend dienen Entwicklungsschritte vor allem dem Ziel, unter diesen Voraussetzungen das eigene Profil zu akzentuieren: „Ja also die Schule F muss auch schauen wegen dem Namen. Wir sind die Schule F (…). Eine Entwicklungstendenz ist glaube ich auch klar eine Findung vom eigenen Profil und eigenen Charakter“ (L2 Schule F SL: 49). Etwas überspitzt lässt sich die dabei wirkende Dynamik wie folgt skizzieren: Wir sind per Definition eine gute, selbstbewusste und angesehene Schule. Anstöße von außen nehmen wir so lange auf, als sie uns dienen, unsere Identität zu wahren und zu bekräftigen. Bezüglich der Zusammenarbeit wird die schnelle Verfügbarkeit im Sinne informeller, an bestimmte Unterrichtsplanungen gebundene Kooperation betont. „Weil, ich habe den Eindruck, ein großer Teil unseres Austausches läuft sehr informell, punktuell schnell in der Pause da und ... (…) Also, aber das sind ganz ... das ist nur so schnell im Vorbeigehen“ (L2 Schule F FG: 160). Es scheinen ausdifferenzierte und verbindliche Formen zu fehlen, welche auch funktional erscheinen und Anreize bieten würden für die Planung aktiver Zusammenarbeit nicht nur innerhalb, sondern auch über die Grenzen von Fachschaften hinaus. So bleibt Kooperation an mehr oder weniger zufällige Kontakte zwischen Lehrpersonen gebunden (informell-pragmatisch). „Es läuft nur über den persönlichen Kontakt, ein fachübergreifender Unterricht und nicht über ein Papier. Da bin ich überzeugt. Der Anstoß muss von den Personen kommen“ (L2 Schule F FG: 137). Zusammenfassend lässt sich der Rekontextualisierungstyp der Schule F als informellpragmatisch und eher defensiv beschreiben. Tendenziell zeichnet sich bei Schule F ab, dass das Instrument „Kooperation“ eher zurückhaltend angewendet wird. Man ist geneigt von einer beiläufigen Kooperationskultur zu sprechen, welche sich auf Unterricht und insbesondere die Fachschaft beschränkt. Damit beansprucht Kooperation den Spielraum, der ihr vom traditionellen und bestimmenden Bild der Schule zugestanden wird. Dies entspricht den Anforderungen einer Kooperation auf dem Niveau 2 der „Koordination“.
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Rekontextualisierungsleistungen der Schule G Der aufgrund der quantitativen Untersuchungsergebnisse ermittelte Status der koordinierten Schule findet bei Schule G seine Bestätigung in den quantitativen und qualitativen Daten. Der durchschnittliche Level 2 geht mit durchschnittlichen Einschätzungen der Schulleitung und der kollektiven Selbstwirksamkeit sowie einer geringen Innovationsbereitschaft einher. Schule G weist wie Schule F eine Tradition als angesehene städtische Mittelschule auf. In ähnlicher Weise vollzieht sich die Rekontextualisierung des Qualitätsmanagements eher zurückhaltend (defensiv). Obwohl die Schule im Vergleich zu den anderen teilnehmenden Kollegien durchaus durchschnittliche Werte bezüglich individueller Selbstwirksamkeit aufweist, wird wenig Wirkung von den eigenen diesbezüglichen Bemühungen erwartet: „Das zeigt, dass die Leute mit wenig Herz und Seele dabei sind. Also wir gehen brav Stimmen, wir füllen brav die Formulare aus, die Befragungen ausfüllen, aber niemand glaubt wirklich daran, dass es spürbare Konsequenzen haben wird. Man glaubt so wie zu wenig, dass von oben her die Veränderungen nachher stattfinden, die im Konsens von den LP die an dieser Schule sind, schlussendlich auch gemacht werden. Ich habe immer das Gefühl, man sei immer am Evaluieren. Man ist immer am schauen, was hat man gemacht. Aber einfach einmal machen, als Gegenpol dazu, das ist viel weniger gängig. Man tut sehr gerne überprüfen im Nachhinein, was war wichtig und was müsste man jetzt machen. Und es verstreicht so viel Zeit, dass man keine Ahnung mehr hat, was der Ursprung von dieser Idee eigentlich gewesen ist. Und es ist schon, ja gut jetzt tun wir neu evaluieren, damit die Akten, damit die Bürokratie fertig ist und erledigt ist, damit man alle Daten hat. So fühlt es sich ein Stück weit an für mich“ (Level 2 Schule G FG: 20). Mehr noch als an den beiden vorher dargestellten Schulen F und D scheint eine gewisse Abwehr gegen diesbezügliche Anforderungen von außen zu bestehen, welche hier lauter und direkter vorgetragen wird. In Verbindung mit einer geringen Innovationsbereitschaft scheint die Adaption der kantonalen Qualitätssicherungsvorgaben eher ein Ärgernis darzustellen und lediglich unter Protest zu erfolgen, als eine Möglichkeit, die eigene Schule weiterzuentwickeln und zu akzentuieren. Hier ergibt sich wohl die Gefahr, dass etwa Einführung von Selbst- und Fremdevaluation zur Alibiübung verkommt, weil sich damit nur geringe Wirkungserwartungen verbinden – man führt sie durch, weil man muss, mehr nicht. Für die Verantwortlichen der Qualitätsentwicklung ergibt sich daraus die schwierige Situation, dass sie gegen diese Widerstände notwendige Veränderungen einführen müssen: „Wir haben eine Art wie eine Doppelstrategie, dass wir uns gesagt haben, es gibt Faktoren, die wir sagen müssen, so voilà, wird jetzt etwas gemacht, auch vielleicht gegen den Widerstand des Kollegiums. Und umgekehrt, dass man aber grundsätzlich eigentlich, das ist einfach unsere Erfahrung, versucht, eine Art wirklich basisdemokratisch in solchen Fällen, wirklich zu arbeiten. Weil nur das tragfähig ist“ (L2 Schule G SL: 15). Die Maßnahmen scheinen aber die Akteure und ihre Kerntätigkeit – die Unterrichtsarbeit – nicht zu erreichen: „Ich habe nicht das Gefühl, dass mir irgend jemand dazu verholfen hat, guten Unterricht zu machen oder nicht. Also ich fühle mich von keiner Instanz, von keinem Blatt, von keiner Auswertung im Geringsten beeinflusst in meinem Schule geben. Absolut nicht. Und darum finde ich das zum größten Teil einfach absurd“ (L2 Schule G FG: 64). In diesen Worten schwingt ein gewisser Trotz mit, welcher allfällige Einflüsse einer Evaluationskultur restriktive verneint. Wird versucht, die zugrunde liegende Bewährungsdynamik dieser Schule herauszuarbeiten, scheint diese Abwehrhaltung als (mit-)bestimmendes Element in starkem Masse auf: „…also ein typisches Merkmal ist, wir sagen immer, und das stimmt glaube ich auch, 292
wir sind alle von diesem Gebäude beeinflusst. Also es ist auch bei den Schülern so. Es gibt Schüler, die können sich ja melden, und es ist ganz lustig, es gibt Schüler, die fahren völlig auf das ab und anderen, auf gut Deutsch gesagt, denen ‚löscht es gerade ab’. Und das schöne ist, das wir nur die Schüler haben, die darauf abfahren. In dem Sinne ist das auch schon eine Vorselektion“ (L2 Schule G SL: 179). Hier wird auf das historische Schulgebäude Bezug genommen, welches sich vom Beton-Architekturstil des ausgehenden 20. Jahrhunderts abhebt. Dieser sinnlichen Erfahrung kommt gemäß obiger Äußerung selektiver Charakter zu, indem potenzielle Schülerinnen und Schüler davon fasziniert oder abgestoßen sein können. Wem das Gebäude gefällt, der wird an diesem Ort gerne zur Schule gehen, wem nicht, der wird eine andere Schule wählen. Die durchschnittlichen, zum Teil auch unterdurchschnittlichen Werte in Bezug auf Kooperation werden durch die folgende Aussage illustriert: „Aber letztlich wenn ich meinen Beruf ansehe, hat der mit dem Kollegium nicht so wahnsinnig viel zu tun. Die konkrete Arbeit, und das ist nicht nur weil ich so bin, vielleicht bin ich persönlich auch noch so, aber ich glaube, das ist in diesem Beruf so, von der Organisation her, von den Grundzielen her, wir sind mit unseren Klassen letztlich für uns. Und das hat Positives und Negatives. Das hat im Positiven das, dass ich eine enorme Freiheit habe, letztlich mache ich wirklich, was ich will dort drin. Und es hat auch Negatives, dass ich sehr alleine gelassen werde in vielem. Aber eigentlich ist es ein Job, wo wir für uns arbeiten und es ist nicht unbedingt notwendig, dass dieser Austausch so riesig ist“ (L2 Schule G FG: 236). Kooperation wird als etwas der pädagogischen Kernarbeit Wesensfremdes gesehen. Auf Kooperation wird gerne verzichtet, weil sie nicht unbedingt nötig ist. Dabei wird eine eventuelle Isolation in Kauf genommen, angesichts der Unabhängigkeit, welche der Beruf bieten kann. Diese Freiheit gilt es zu verteidigen, zumal Kooperation potenziell bedrohend sein kann für die eigene berufliche Kreativität: „Und die Frage ist auch, wie wichtig sind die einzelnen Punkte für einem persönlich. Beispiel Kooperation, da kann einer auch sagen, das ist für mich gar nicht so wichtig, ich bin froh, wenn ich für mich arbeiten kann und nicht dauernd gestört werde von Leuten, die mit mir zusammenarbeiten wollen und in Wirklichkeit meine Ideen klauen wollen. Oder ich weiß auch nicht was“(L2 Schule G FG: 47). Schule G bildet den eher informellen defensiven Rekontextualisierungstyp, welcher eine Passung von Qualitätsmanagement zum bisher gepflegten Stil noch nicht gefunden hat. An dieser Schule müssen sich Lehrpersonen demnach als Einzelkämpfer verstehen können, um zu bestehen. Kooperation kann sein, gehört aber nicht zu den Kernanliegen pädagogischen Tuns.
9.5.3 Kooperation als Chance oder Risiko für Qualitätssicherungsprozesse an Gymnasien? Ausgehend vom Titel dieser Arbeit und der Hauptfragestellung, welche der Bedeutung von Kooperation nachgehen möchte, stellt sich abschließend die Frage, ob denn Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien tendenziell eher ein Risiko oder eine Chance darstellt, wenn es darum geht, Qualitätssicherungsmaßnahmen zu rekontextualisieren. Nachfolgend werden zuerst allgemeine Potenziale und Gefährdungen der Zusammenarbeit von Lehrpersonen aus der vorliegenden Stichprobe genannt. Danach werden die für die einzelnen Schulen je spezifischen Chancen und Risiken aufgeführt.
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Allgemein lässt sich die Bedeutung von Kooperation für sämtliche an der Stichprobe beteiligten Schulen wie folgt zusammenfassen: Kooperation an den untersuchten Zürcher Gymnasien findet in nachweisbar und vergleichbar hohem Ausmaß statt. Kooperation wird in mannigfaltiger Form gepflegt, es kommen informelle, sporadische und eher verbindliche, intensive Formen zum Einsatz, welche fachspezifisch oder interdisziplinär sein können und an denen wenige Lehrpersonen oder auch ganze Kollegien beteiligt sein können. Aus den qualitativen Daten geht hervor, dass Kooperation insgesamt wertgeschätzt und als Notwendigkeit wahrgenommen wird, Arbeitsprozesse auf Schul- oder Unterrichtsebene zu bewältigen. Kooperation ist nie nur Selbstzweck. Kooperation entspricht weitgehend einem pragmatischen Verständnis, gemäß dem Lehrpersonen Formen der Zusammenarbeit mit der Erwartung wählen, einen Effizienzgewinn zu erzielen. Dabei sind gesamthaft folgende Chancen und Potenziale auszumachen: Unterrichtsentwicklung durch Austausch von Material erscheint als beliebte und niederschwellige Kooperationsform. Lehrpersonen berichten in den meisten Fällen einen Mehrwert durch Kooperation. Kooperation kann Freude und Spaß an der Arbeit als Lehrperson bereiten und auch mit einer Steigerung des eigenen Wohlbefindens einhergehen. Kooperation wird als Alternative zum Einzelkämpfertum betrachtet. Als wertvoll erweist sich insbesondere auch der berufliche Erfahrungsaustausch. Kooperation ist in einem Zusammenhang zu sehen mit der Kultur an einer Schule, der Transparenz von Informationen und Motivation aller Beteiligten. Kooperation erscheint für viele Lehrpersonen ganz generell als valable Möglichkeit im Repertoire verschiedener Arbeitsformen. Folgende Risiken, im Sinne nachteiliger Nebenwirkungen, sind auszumachen: Kooperation kann zu stark im Zentrum stehen und zum reinen Selbstzweck werden. Wird Kooperation an einer Schule gesamthaft und intensiv betrieben, kann ein Kohäsionsdruck entstehen, welcher für Einzelne emotional belastend sein kann. Ob Kooperation gelingt resp. als positiv wahrgenommen wird, ist stark von den Beziehungen der Teilnehmenden untereinander abhängig. „Die Chemie muss stimmen“, andernfalls besteht die Gefahr, dass Kooperation scheitert und dadurch zu einer negativen sozialen Erfahrung führt, was wiederum das Klima an einer Schule gefährden kann. Die Rahmenbedingungen von Kooperation, vor allem was Infrastruktur (geeignete Arbeitsräume) und Zeitaufwand betrifft, sind nicht zu unterschätzen. Dadurch, dass Kooperation zeitintensiv sein kann, werden von Befragten Reibungsverluste befürchtet, die das „Kerngeschäft Unterricht“ negativ beeinflussen. Unterschiedliche Ausprägungen der Chancen und Risiken von Lehrerkooperation: Sowohl Chancen wie auch Risiken gestalten sich an einzelnen Schulen je unterschiedlich gemäß den verschiedenartigen kontextuellen Bedingungen. Dies wird insbesondere auch durch die unterschiedliche Art der Umsetzung von Qualitätssicherungsprozessen akzentuiert: 294
Schule A: Einerseits ist Kooperation zentrales und bewährtes Instrument für Arbeitsprozesse an der Schule generell und dient auch der Umsetzung von Qualitätssicherungsmaßnahmen. Andererseits besteht die Gefahr, dass Kooperation die beteiligten Lehrpersonen zu vereinnahmen droht und die Lehrpersonen durch den „kollektiven Sog“ belastet werden. Schule C: Kooperation erscheint hier als probates Mittel, um die erwähnte und andauernde Pioniersituation aushalten zu können und im Rahmen dieser zum Teil nachteiligen strukturellen Voraussetzungen den Aufbruch ins QM wagen zu können. Dabei bleibt die Frage offen, wie und ob diese hohe Bedeutung von Kooperation erhalten werden kann, wenn sich mit der Aufgabe des Provisoriums und dem Bezug neuer Räumlichkeiten veränderte Rahmenbedingungen ergeben. Schule D: Kooperation erscheint so lange als Chance, als auf diese Weise freie Spielräume beansprucht werden können. In obligatorischer und verbindlicher Form wäre Kooperation dagegen eher bedrohlich und könnte durch die Größe der Schule zu Abwehr und Abkehr von kooperativen Verpflichtungen durch die Lehrpersonen führen. Schule F: Kooperation hat Potenzial, starre Strukturen aufzubrechen. Weiter könnten damit vorhandene Ressourcen genutzt werden. Würde Kooperation verordnet, drohte ihr, als wesensfremdes Parallelprogramm wahrgenommen zu werden, welches wenig mit dem Kerngeschäft und der eigentlich notwendigen Professionalität einer Gymnasiallehrperson zu tun hat. Schule G: Durch kooperative Unterrichtsarbeit könnte sich eine Erweiterung der didaktischen Spielmöglichkeiten und des Rollenrepertoires von Lehrpersonen einstellen. Es besteht aber die Gefahr der Pseudokooperation, insofern Kooperation als dem Kerngeschäft „Unterrichten“ wesensfremd betrachtet und in der Tendenz abgelehnt wird.
9.5.4 Beantwortung der Fragestellung Kooperation erweist sich insgesamt als bedeutsames Instrument in der Realisierung einer schulischen Reform, wie es die Einführung des schulischen Qualitätsmanagements darstellt. Wo Kooperation institutionalisiert und wertgeschätzt ist, können Reformanliegen proaktiver angegangen werden. Dabei müssen kooperative Settings einer pragmatischen Logik folgen und den Beteiligten einen Mehrwert ermöglichen. Für die Lehrpersonen als findige Akteure stellt Kooperation sinnvollerweise eine Erweiterung des Spielraums ihres schulischen und unterrichtlichen Handelns dar. Damit können sie den sich verändernden und steigenden Ansprüchen an ihre Professionalität begegnen. Gleichzeitig ist Kooperation kein Selbstläufer, welcher institutionsunabhängig funktioniert. Die Einsicht in ihre Notwendigkeit und ihre Akzeptanz sind immer auch im Zusammenhang mit den jeweiligen schulischen Strukturmerkmalen und dem gewachsenen Selbstverständnis eines Kollegiums zu sehen.
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10 Diskussion und Ausblick
In diesem letzten Teil soll der Aussagewert der Ergebnisse diskutiert werden, indem die Gesamtanlage der Untersuchung, aber auch die theoretischen Grundlagen des Untersuchungsgegenstandes einer kritischen Sichtung unterzogen werden. Weiter sollen in einem Ausblick sowohl Ableitungen für die Forschung als auch Implikationen für die Praxis benannt werden.
10.1 Repräsentativität Da in der vorliegenden Arbeit sowohl mit quantitativen als auch mit qualitativen Daten gearbeitet wurde, sind beide Samples hinsichtlich ihrer Aussagekraft zu betrachten.
10.1.1 Zur Repräsentativität der quantitativen Stichprobe Es haben sich neun Schulen von deren 22 im Kanton Zürich bereit erklärt, bei dieser Untersuchung mitzumachen. Welche Gründe die Schulen zur Teilnahme respektive zu einem Verzicht darauf bewogen haben, bleibt letztlich nicht klärbar. Damit bleibt grundsätzlich offen, ob es sich bei den neun teilnehmenden Schulen um solche handelt, welche sich insgesamt proaktiver mit dem Forschungsgegenstand befassen und somit eine diesbezüglich beschränkt repräsentative Stichprobe ergeben. Möglicherweise haben sich Schulen, welche auf einem tiefen Kooperationslevel angesiedelt sind, gar nicht an der Untersuchung beteiligt. Werden jedoch die sozialstatistischen Angaben im Abschnitt zur Repräsentativität der Stichprobe herbeigezogen, muss diese Annahme bezweifelt werden, weil sowohl die an der Befragung teilnehmenden Lehrpersonen der neun Schulen wie auch die neun Schulen in Bezug zur Grundgesamtheit repräsentativ sind. In der Zusammensetzung der Lehrpersonen hinsichtlich unterschiedlicher Merkmale wie Alter, Geschlecht, Pensum und anderer differenzierender Faktoren unterscheiden sich die untersuchten Schulen nicht von der Grundgesamtheit. Dasselbe gilt für die Repräsentativität innerhalb der einzelnen Schulen. Zwar Es konnten nur knapp 60% der Lehrpersonen dazu ermutigt werden, den Fragebogen auszufüllen, was weit unter den vom DIPF (Deutsches Institut für Internationale pädagogische Forschung) für seine Untersuchungen geforderten 75% liegt. Diese Lehrpersonen entsprechen aber hinsichtlich genannter Merkmale sämtlichen gymnasialen Lehrpersonen des Kantons. Die einzige Ausnahme bildet die Unterrepräsentierung der Lehrpersonen mit Einzelunterricht bei den Beantwortenden in den neun Schulen der Stichprobe. Dies ist jedoch nachvollziehbar, da gerade solche Lehrpersonen in Kleinstpensen arbeiten und wenig Aussagen zum Kooperationsverhalten im Kollegium machen können wie auch zu sämtlichen Fragen, die den Unterricht mit einer Klasse betreffen. Einzellehrpersonen, die den Fragebogen aus297 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720_11, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
gefüllt haben, weisen bei diesen Fragen oft auch Lücken auf, weil sie keine Aussage machen konnten. Andere haben dann den Fragebogen wohl schon gar nicht ausgefüllt. Was die genauen Ursachen sind für die – im Vergleich zum DIPF – relativ niedrige Beteiligung der Lehrpersonen an der Erhebung, lässt sich nicht schlüssig sagen. Vermutet werden darf, dass der Zeitpunkt der Befragung insofern etwas ungünstig lag, weil an den Gymnasien kurz vorher Aufnahmeprüfungen stattgefunden hatten, welche für die einzelnen Lehrerinnen und Lehrer einen hohen zusätzlichen Arbeitseinsatz bedeuteten. Aber auch laufende Sparmassnahmen im Bildungsbereich, welche von den einzelnen Kollegien einen überlegten Umgang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen abverlangen, könnten für etliche Angehörige der neun Schulen Anlass gewesen sein, auf eine Teilnahme zu verzichten. Zudem besteht, wie bereits erwähnt, eine Verpflichtung zur Selbstevaluation und zum Qualitätsmanagement an den Schulen. Diese Prozesse erfordern wiederum ein hohes Maß an Einsatz und Zeit für die Beteiligten, was möglicherweise zu einer pragmatischen Haltung im Sinne einer Reduktion auf das Notwendigste führen kann. Weiter beanspruchte der umfangreiche Fragebogen für das Ausfüllen ca. 60 Minuten Zeit und stellte damit von seinem Umfang her ein gewisses Teilnahmehindernis dar. Damit die Teilnahmebereitschaft höher zu liegen gekommen wäre, hätten möglicherweise folgende Änderungen genügt: Die Befragung hätte zu einem belastungsärmeren Zeitpunkt durchgeführt werden können. Ein anderes Vorgehen anstelle des Versandes der Fragebogen auf dem Postweg wäre gewesen, im Rahmen eines Gesamtkonvents oder einer Teamsitzung die Fragebogen zu verteilen und im selben Zeitraum auszufüllen. Ob eine höhere Teilnahmequote zu anderen Ergebnissen geführt hätte, darf angesichts der Vergleichbarkeit der Stichprobe mit der Grundgesamtheit hinsichtlich der verschiedenen aufgeführten sozialstatistischen Merkmale bezweifelt werden. Ob aber beispielsweise Lehrpersonen, welche aktuell ihre Tätigkeit als enorm belastend wahrnehmen, angemessen in der Stichprobe repräsentiert sind, kann angesichts der vorliegenden Daten nicht gesagt werden.
10.1.2 Zur Repräsentativität der qualitativen Stichprobe Aus dem quantitativen Sample von neun Schulen, welches die Grundgesamtheit angemessen repräsentiert, ließen sich fünf Schulen für eine qualitative Nachuntersuchung gewinnen. Dabei konnten wir allerdings nicht dasjenige Sample realisieren, welches eine maximale Fallkontrastierung erlaubt hätte, weil aufgrund der quantitativ erhobenen Niveaus die kooperationsschwächste Schule H auf Level 1 und die kooperationsstärkste Schule A auf Level 4 miteinander hätten verglichen werden können, da Schule H auf eine Teilnahme verzichtete. Immerhin aber konnten je zwei Schulen auf vergleichsweise hohem und zwei auf mittlerem Kooperationsniveau untersucht werden. Differenziert werden konnten die teilnehmenden Schulen ferner aufgrund der quantitativen Schülerdaten zu Schul- und Unterrichtsqualität. Dennoch ist damit lediglich eine teilweise Repräsentativität gegeben, da Lehrpersonen und Schulleitungen kooperationsschwacher Schulen nicht befragt werden konnten. Um dennoch mögliche Muster breiter absichern zu können, wurde ein Sample von fünf Schulen gewählt. Die Auswertung der halbstrukturierten, qualitativen Interviews an 298
diesen fünf Schulen förderte dann trotz der fehlenden kooperationsschwachen Schulen ein sehr breites Spektrum an Einstellungen und Meinungen zum Untersuchungsgegenstand zutage und erlaubt schulspezifisch die Identifikation verschiedener Muster des gemeinsamen Handelns im Rahmen von Strukturveränderungen im Schulsystem. Die Auswahl der Lehrpersonen für die Fokusgruppen-Interviews erfolgte durch die Schulleitungen der einzelnen Schulen. Obwohl Anweisungen hinsichtlich Durchmischung und Repräsentativität der Gruppen bestanden, kann nicht abschließend beurteilt werden, inwiefern die Befragten das an den Schulen tatsächlich vorhandene Spektrum an Meinungen zum Ausdruck brachten. Hinsichtlich der manifesten Merkmale (Geschlecht, Alter, Dienstalter und Fachzugehörigkeit) erschienen die Gruppen ausreichend durchmischt. In sämtlichen Gruppen wurden denn auch vielfältige Meinungen und Einstellungen genannt. Obwohl aufgrund der quantitativen Ergebnisse eine repräsentative Auswahl für die halbstrukturierte Nachbefragung angestrebt und zum Teil auch vorgenommen werden konnte, muss an dieser Stelle aber auch darauf verwiesen werden, dass mit qualitativer Forschung Strukturen begrenzter Reichweite untersucht werden (Kelle 2007), aus deren Beschrieb keine generalisierenden Ableitungen vorgenommen werden können.
10.2 Methodik Unter der Frage, ob die gewählten methodischen Zugänge angemessen sind, um den Untersuchungsgegenstand entsprechend passend beschreiben zu können, werden nachfolgend die quantitative und die qualitative Methodik separat diskutiert.
10.2.1 Quantitative Methodik Mit den PEB (Pädagogischen EntwicklungsBilanzen) stand ein bewährtes und im Zuge weiterer in Hessen vorgenommener Untersuchungen laufend verbessertes Instrument, u.a. insbesondere zur Erfassung von Lehrerkooperation, zur Verfügung. Mit Blick auf bildungspolitische Disparitäten zwischen dem hessischen und dem Zürcher Schulsystem stellte sich die Frage, ob das eingesetzte Instrument ausreichend kontextsensitiv sei. Möglicherweise beziehen sich Items und Skalen auf Bereiche, welche an den Gymnasien des Kantons Zürich anders geregelt sind als beispielsweise an Gymnasien in einem deutschen Bundesland. Die Eigenheit eines Rasch-Modells besteht darin, dass der Schwierigkeitsgrad eines Items aufgrund der geschätzten Personenfähigkeiten und den Lösungswahrscheinlichkeiten der einzelnen Aufgaben ermittelt wird. Die Skalierung der Items erfolgte auf der Basis von 158 Schulen, darunter die Schulen der vorliegenden Stichprobe. Damit flossen Eigenheiten der Schulen, welche sich im Antwortverhalten ihrer Angehörigen niederschlagen, in das Instrument mit ein. Es dürfte aus diesem Grund genügend kontextsensitiv sein. Die Skalierung der vorliegenden 20 Items zur Lehrerkooperation auf der Basis der ItemResponse-Theorie zeigt einerseits, dass eine kriterienorientierte Beschreibung von Schulen auf der Basis theoretisch begründeter Anforderungen möglich ist. Andererseits ermöglicht die Auswertung der 20 Kooperations-Items die einwandfreie Zuordnung zu einer invarianten und fünf Levels umfassenden Stufenfolge von Kooperation, welche Varianz erzeugt, eine differenzierte Rückmeldung an die Schulen erlaubt und auch mit weiteren Merkmalen von Schulen, Lehrpersonen und Schüler/-innen in Zusammenhang gebracht werden kann. Im Kanton Zürich ist die gesetzliche Rahmenbedingung für die Qualitätsentwicklung in 299
Schulen zentral. Die Verpflichtung zur schulinternen Qualitätssicherung sowie zu Zusammenarbeit und Feedback schlägt sich offensichtlich im Niveau der Lehrerkooperation der zürcherischen Gymnasien nieder; gerade auch im Vergleich mit den Gymnasien in Hessen (vgl. Steinert et al. 2006). Diese an den Zürcher Gymnasien gemeinsame Ausgangslage bezüglich gesetzlichen Auftrags zur Implementierung von Qualitätsmanagement an der Schule macht den Einsatz dieses Instrumentes wertvoll, weil damit die Ausgangssituation eine gewisse Standardisierung erfährt. Ein weiteres Problem, das sich im Rahmen des quantitativen Vorgehens stellte, waren die bereits angesprochenen kleinen Teilstichproben. Diesem Problem wurde begegnet, indem für die vorgenommenen Varianzanalysen konservative Signifikanztests zur Anwendung kamen (Mann-Whitney U-Test). Mit der gleichzeitigen Darstellung, sowohl von Signifikanzwerten als auch von Effektgrößen bei den vorgenommenen Vergleichen zwischen den Schulen wurde ebenfalls der beschränkten Größe der Teilstichproben Rechnung getragen. Insgesamt ist allerdings Vorsicht geboten, wenn es darum geht, generelle Aussagen über den Kooperationsgrad Zürcher Gymnasien zu machen. Die Ergebnisse lassen zwar den Eindruck entstehen, Kooperation könnte quasi zum Lackmus-Test für Schulentwicklung und die Ausgestaltung von Teilautonomie werden: Wo an Schulen nachhaltig, in verschiedenen Bereichen und organisiert kooperiert wird, kann eine höhere Schulqualität realisiert werden. Kritisch muss jedoch angefügt werden, dass obwohl die Stichprobe als repräsentativ gelten kann und Schulen unterschiedlicher Regionen und Größen umfasst, die Datenlage letztlich zu schmal ist für ein allgemeines Fazit in dieser Art. Die Daten bieten lediglich die Möglichkeit für Einzelfallanalysen mit explorativem Charakter. Allerdings stärken die Befunde der hier dokumentierten Analysen auf der Basis der Lehrpersonendaten, die mit den Befunden der Analysen auf der Basis der Schüler/innendaten (Maag Merki & Steinert 2006) übereinstimmen, die These der Funktionalität von Kooperation für die Erreichung einer hohen Schulqualität.
10.2.2 Qualitative Methodik und Datentriangulation Mit der Ergänzung der quantitativen Fragebogenerhebung durch halbstrukturierte Interviews im Sinne eines sequentiellen Designs wurde eine Entscheidung getroffen, welche methodologisch nicht unanfechtbar ist. Etliche Autoren halten Mixed-MethodologyAnsätze wie den gewählten für verfehlt, da der positivistische und der naturalistische Ansatz inkommensurabel seien (z.B. Lincoln & Guba 1985). Kelle (2007) hält dagegen, dass das positivistische Paradigma in seinem ursprünglichen Sinne schon längst nicht mehr zur erkenntnistheoretischen Begründung empirischer Sozialforschung herangezogen werde und dass naturalistische Feldforschung nicht von Beginn weg als Gegensatz zu einer positivistischen begründet worden sei. In etlichen Bereichen empirischer Sozialforschung hat sich vielmehr die Überzeugung durchgesetzt, dass sich im Rahmen von Mixed-MethodologyDesigns die Schwächen des einen Ansatzes durch die Stärken des andern kompensieren lassen. Von zentraler Bedeutung für die Festlegung des methodischen Vorgehens war letztlich die Struktur des Gegenstandes. Dabei interessierten neben dem reinen Ausmaß an Kooperation auch die dahinter stehenden Überzeugungen und Einstellungen, insbesondere in Bezug auf Qualitätsmanagement. Diese Bedingungen repräsentieren „Strukturen begrenzter 300
Reichweite“ (Kelle 2007: 57 ff.), da sie vor dem gemeinsamen gesetzlichen Hintergrund lediglich für Mittelschulen des Kantons Zürich in identischer Weise Bestand haben. Ein möglicher Einwand könnte auch die Wahl der qualitativen Inhaltsanalyse als Auswertungsinstrument betreffen. Hier hätte eine Alternative darin bestanden, mit einer Methode zu arbeiten, welche – im Sinne etwa einer Grounded Theory – mit offeneren Formen der Codierung operiert. Dies hätte bedeutet, induktiv zu arbeiten und letzten Endes auch die theoretischen Konzepte aus dem Datenmaterial abzuleiten sowie im Folgenden eine eigentliche Typologie anzustreben. Da diese qualitative Nachbefragung aber den Charakter einer Vertiefungsstudie hatte, in der theoretische Konzepte aus der vorausgegangenen quantitativen Studie den Hintergrund und zum Teil die Basis für Kategorien in der Auswertung bildeten, wurde diese Möglichkeit verworfen. Dies deshalb, weil die Gefahr bestanden hätte, letzten Endes zwei inhaltlich möglicherweise nur schwer aufeinander zu beziehende Datensätze vorliegen zu haben. Mit der qualitativen Inhaltsanalyse nach Mayring (1995, 2000, 2005, 2007) konnte dem Anspruch Genüge getan werden, mit halbstandardisierten Interviewformaten zu arbeiten, um auf diese Weise eine Vergleichbarkeit zwischen den einzelnen Schulen anhand bestimmter Kriterien zu gewährleisten. Damit wurde bewusst in Kauf genommen, Themen, welche für die Schulen möglicherweise zentral sind und gewissermaßen eine Hintergrundvariable für den erreichten Kooperationsgrad bildeten, auszublenden. Mit den umfangreichen und zum Teil auch sehr offen gehaltenen Frageformaten der Leitfadeninterviews bestand jedoch die Möglichkeit, dass Lehrpersonen und Schulleitungen sich auch zu Inhalten äußern konnten, welche nicht explizit erfragt wurden, ohne dass letztlich Kriterien, welche eine Vergleichbarkeit ermöglichen, aufgegeben worden wären. Obwohl mit der verwendeten quantitativen Vorgehensweise Möglichkeiten erzeugt wurden, Schulen in Bezug auf Kooperation sowie Schul- und Unterrichtsqualität umfassend zu beschreiben, erwies sich die Ergänzung durch qualitative Daten eines Teils der ursprünglichen Stichprobe insofern als bedeutsam, als die Fallanalysen es erlaubten, nach Entsprechungen und Widersprüchen im je anderen Datensatz zu suchen. Deshalb wurde nach den getrennt vorgenommenen Analysen eine methodische Triangulation (Flick 2004) vorgenommen, um in dichter Weise sowohl die zentralen quantitativen, wie auch die qualitativen Ergebnisse zu den einzelnen Schulen im Überblick darstellen zu können. Wie weiter oben bereits angetönt, wurden dabei die komplementären Potenziale der je verschiedenen Methoden genutzt (vgl. Pfaff 2005; Kelle & Erzberger 1999). Insgesamt sind wir der Ansicht, ein dem Gegenstand angemessenes Design gewählt zu haben, mit welchem das Ziel, eine dichte Beschreibung der Stichprobe hinsichtlich Kooperation vorzunehmen, erreicht wurde.
10.3 Diskussion des Konstrukts „Kooperation“ Mit Blick auf das quantitative Ergebnis der Studie bildet sich eine hohe, fachbereichsübergreifende und differenzierte Kooperation zwischen den Lehrpersonen in für Schulentwicklung zentralen Bereichen wie Organisation, Innovationsbereitschaft und Qualitätsmanagement, Schulleitungshandeln, Schul- und Klassenklima sowie in einzelnen Bereichen des Unterrichts und der Arbeitszufriedenheit ab. Diese Ergebnisse erscheinen konsistent mit bisherigen Befunden (Maag Merki & Steinert 2006; Pang 2003; Kuper 2002). Betrachtet man die Level-4-Schule, so erreicht sie in fast allen Dimensionen Resultate über dem Durchschnitt, wobei die Werte der Level-4-Schule A in den genannten Dimensionen mehr301
heitlich höher liegen als die Werte der Level-2-Schule G. Auch auf personaler Ebene der einzelnen Lehrperson zeigt sich diese Tendenz, insofern an der integrativen Level-4-Schule Zufriedenheit mit der Arbeit bei vergleichbarer Belastungswahrnehmung günstiger ausfällt. Gerade dies ist ein erfreuliches Resultat, scheint doch damit Kooperation unter Lehrpersonen nicht unbedingt mit höherer Belastung oder gar Unzufriedenheit zusammenzufallen. Von Lehrerkooperation werden hingegen Effekte auf die Qualität von Schule und Unterricht erwartet. Wie bisherige Forschungsergebnisse und auch die vorliegende Arbeit zeigen, erfüllt sich diese Erwartung nur bedingt. Gerade auf Ebene Unterricht konnte kein systematischer Zusammenhang gefunden werden, welcher Kooperation einen günstigen Effekt auf die Qualität der Lernumwelt bescheinigen würde. Zu diskutieren bleibt also, ob sich im Falle der Zürcher Gymnasien, die im Zuge der Realisierung der Teilautonomie in den vergangenen Jahren intensiv mit Schulentwicklung beschäftigt waren, Kooperation noch nicht genügend in einer Professionalisierung der Unterrichtsarbeit niedergeschlagen hat, weil dafür allenfalls auch in kooperationsfreudigen Schulen die Energien fehlten. So kann aufgrund verschiedener Studien vermutet werden, dass Schulentwicklungsprozesse erst verzögert nach einiger Zeit Wirkungen im Bereich der Unterrichtsgestaltung, der Leistungsförderung sowie der Kompetenzentwicklung zeigen (Fullan 1991 1993; Maag Merki, Imhasly & Leutwyler 2003). Zudem: Hohe Werte für (lehrerseitig) erhobene Unterrichtsqualität bieten noch lange keine Gewähr dafür, dass die fachlichen und überfachlichen Leistungen der Schülerinnen und Schüler tatsächlich höher liegen. Aus der Forschungsliteratur zu Kooperation (siehe Kapitel 4) wird auch ersichtlich, dass Kooperation dann günstige Auswirkungen sowohl auf die Aspekte der Professionalität von Lehrpersonen, ihre berufliche Zufriedenheit als auch auf die Schülerleistungen hat, wenn sie Gegenstand unterrichtsbezogener Weiterbildung ist (Lipowsky 2004). Dagegen ist Kooperation, wie sie in der vorliegenden Arbeit konzipiert wurde, weder an entsprechende Weiterbildungskonzepte gekoppelt noch ausschließlich unterrichtsspezifisch erhoben worden. Unseres Erachtens bildet diese aus Arbeitsplatzuntersuchungen stammende Konzeption jedoch ein sinnvolles Instrument für die realitätsnahe Erfassung der Zusammenarbeit von Lehrpersonen. Gerade im Hinblick auf die Frage, wie und ob Lehrpersonen der Einführung von Qualitätsmangement mit kooperativen Formen begegnen, erscheint es angezeigt, mit einem relativ unspezifischen Konzept von Lehrerkooperation zu arbeiten, da sich diese mit einem Fokus auf unterschiedliche Kooperationsanlässe – wie gezeigt werden konnte – auf verschiedenen Ebenen und in unterschiedlich verbindlichen Formen abspielt. Damit bezieht sie sich auf unterschiedliche Facetten der Arbeit von Lehrpersonen, welche zum Teil nicht oder nur in indirekter Weise mit unterrichtlichem Lernen in Zusammenhang stehen, welche aber untrennbarer Teil der gesamten Professionalität bilden. Lehrpersonen müssen angesichts der aktuellen Anforderungen an ihren Beruf sowohl über fachliche wie auch soziale und kooperative Kompetenzen verfügen (vgl. Baumert & Kunter 2006). Zudem ist auch davon auszugehen, dass Lehrpersonen im Zuge von Teilautonomie und Rechenschaftslegung in zunehmendem Masse auf verschiedenen Ebenen miteinander kooperieren müssen, sei dies fachschaftsintern oder über Fachschaften und Jahrgangsgrenzen hinweg. Dabei könnte sich auch zeigen, dass sich Gymnasiallehrpersonen je nach Fachgruppe in Bezug auf die Settings und Modi ihrer schulinternen unterrichtsbezogenen Zusammenarbeit bedeutsam unterscheiden, so dass die Bildung eines auf Schule aggregierten Wertes der Unterrichtsgestaltung einen Durchschnittswert abbildet, der wenig aussagekräftig ist. Legt man also den Fokus auf die Kooperationspartner, dann wäre diesbezüglich gerade bei Gymnasien neben dem hier zur Anwendung gelangten relativ unspezifischen Kon302
zept von Kooperation (s.o.) eine spezielle Berücksichtigung von fachschaftlicher Kooperation im Sinne Professioneller Lerngemeinschaften (vgl. dazu Bonsen & Rolff 2006) zu diskutieren. Entsprechend müssten Fragen und Items spezifischer auf die jeweiligen Kooperationen zugeschnitten werden. Mit dem Fokus auf die Quantität und Qualität von Kooperation unter Lehrpersonen muss auch die Frage aufgeworfen werden, ob ein Maximum an Kooperation überhaupt sinnvoll sei. Aus den quantitativen Auswertungen geht hervor, dass an der kooperationsstärksten Schule ein geringeres Maß an Belastung berichtet wird als an der Schule mit dem tiefsten Kooperationslevel. Werden alle Schulen in der Analyse berücksichtigt, ist allerdings keine diesbezügliche systematische Tendenz zu beobachten. Die qualitativen Ergebnisse bestätigen die Annahme, dass vor allem in pragmatischer Weise kooperiert wird und sie zeigen auch, dass ein hohes Maß an verbindlicher Zusammenarbeit auch mit Kohäsionsdruck einhergehen kann. Hier muss sicher auch berücksichtigt werden, dass Kooperation in einem allgemein verstandenen Sinne auch unterschiedlich dringlich erscheinen kann, je nach personaler und infrastruktureller Situation und laufenden Reformprozessen. So wurde in einem Fokusgruppeninterview beispielsweise geschildert, wie eine Schule während des Umbaus ihrer Schulgebäude ein Provisorium zu beziehen hatte, was zur Folge hatte, dass die verschiedenen Lehrpersonen verstärkt miteinander zusammenarbeiten mussten. Insgesamt könnte Kooperation in ihrem Zusammenhang mit Schulentwicklung auch kurvilinear sein, insofern erfolgreiche Teams mit einer geringeren Kooperationsintensität bei gleichzeitig hoher Qualität die gleichen oder bessren Ergebnisse erbringen als ein Team, welches sich Kooperationstrukturen (noch) nicht gewohnt ist oder durch schismogene Prozesse im Team in seinen Bemühungen behindert wird Weiter ist damit auch die Frage verbunden, ob verschiedene Gruppen von Lehrpersonen an einer Schule häufiger kooperieren als andere. Dies lässt sich anhand der ausgewerteten Daten nicht beantworten. Anzunehmen ist aber, dass im Bereich fachlicher Kooperation dort erhöhter Bedarf an Zusammenarbeit besteht, wo die materielle Unterrichtsvorbereitung relativ aufwändig ist, wie etwa im naturwissenschaftlichen Unterricht. Ebenso wenig lässt sich aufgrund der Datenlage schlüssig klären, ob Kooperation effizienter wird, wenn sie häufiger erfolgt, oder ob jede Lehrperson für ein qualitativ hochwertiges Ergebnis genau gleich viel Kooperation in derselben Qualität benötigt wie andere Lehrpersonen. Für die Beantwortung dieser Fragen wird weiterführende Forschung notwendig sein.
10.4 Theoretische Grundlegung Zur Diskussion zu stellen ist ferner die theoretische Rahmengebung. Mit der neuen Theorie der Schule lag eine empiriebasierte und mehrere prominente Ansätze in sich vereinende Konzeption vor, welche in umfassender Weise schulischen und unterrichtlichen Prozessen eine Strukturfolie bietet. Ebenso erlaubt sie die Integration von Konzepten, wie denjenigen der Schulentwicklung, der Educational Governance sowie der Schulkultur, indem sowohl Systemlogik und -funktionalität berücksichtigt werden als auch die Handlungsmöglichkeiten des Individuums im Blick bleiben. Ebenso ermöglicht sie mit ihrer Sensitivität für historische Bedingungen von Systementwicklungen und Handlungsspielräumen Interpretationen für auftretende Disparitäten. Gerade seine Generalität macht diesen Entwurf auch anfällig, indem er zwar in umfassendem Masse erlaubt, ablaufende Prozesse zu beschreiben, gleichzeitig aber eine exakte Testung von spezifischen und gerichteten Hypothesen nur bedingt erlaubt. Gleichzeitig 303
wird damit aber auch die Komplexität von Bildungssystemen bewusst gemacht: Ein bestimmter Sachverhalt ist Ergebnis von Prozessen, welche teils auf mehreren Ebenen und in wechselseitiger Wirkung ablaufen. Organisationsstrukturelle Bedingungen und programmatische Spezifika der Schulformen sind offensichtlich für Unterschiede in der Lehrerkooperation nicht allein relevant. Vielmehr dürften auch andere Merkmale der Schulkultur und des bildungspolitischen Schulumfeldes für die Kooperation von Lehrpersonen bedeutsam sein. Anders als in Laborversuchen muss schulische Praxisforschung mit mehreren, einander zum Teil ausschließenden Funktionen und unterschiedlichen, in ihren Interessen recht heterogenen Akteuren rechnen. Dies erschwert und verunmöglicht einfache Wirkungsanalysen weitgehend. Für die vorliegende Untersuchung, welche aus diesem Grunde bewusst eine breite Deskription der einzelnen Schulen in Bezug auf Kooperation fokussierte und bezweckte, eignet sich die gewählte Strukturfolie jedoch hervorragend. Mit dem Prinzip des findigen Akteurs wird eine Grundfigur schulsystemischer Dynamik skizziert, welche dem Verhältnis zwischen Systemsteuerung und eigenständig handelnden Lehrpersonen gerecht zu werden vermag.
10.5 Makrostrukturelle Rahmenbedingungen der Stichprobe Die vorliegende Arbeit ist vor allem vor dem Hintergrund beschriebener bildungspolitischer Veränderungen zu lesen, wie sie mit dem Mittelschulgesetz und der darin enthaltenen Forderung nach Teilautonomie der Schulen und Qualitätsmanagement eingeführt wurden. Diesen Kontext berücksichtigend wurde versucht, das kooperative Geschehen an den einzelnen Schulen an zwei Stellen dieses Prozesses über zwei verschiedene methodische Zugänge abzubilden. Es stellt sich hier die Frage, inwiefern die Ergebnisse prototypisch sind für Veränderungsprozesse, wie sie vom Gesetzgeber bestimmt und eingeleitet werden. Sicher markiert der Schritt zur teilweisen Autonomie mit der damit verbundenen Installation von Schulleitungen eine Besonderheit, welche sich insofern von anderen Schulreformen unterscheidet, als sie das Verhältnis zwischen Meso- und Makro-Ebene des Bildungswesens selbst zum Ziel hat. Die Schulen werden dabei nicht nur zu einer Veränderung verpflichtet (in diesem Falle zu Maßnahmen der Qualitätssicherung und der damit verbundenen Rechenschaftslegung), sondern erhalten im Gegensatz dazu Freiheitsgrade bei deren Umsetzung. Dies entspricht im weitesten Sinne dem Prinzip von Educational Governance, da die wechselseitige Abhängigkeit und Angewiesenheit des schulischen und des politischen Systems zum Ausdruck kommt (vgl. Heinrich 2007). Die Ergebnisse dieser Arbeit zeigen einerseits, dass Qualitätssicherungsprozesse an allen befragten Schulen eingeleitet worden sind, andererseits aber auch, dass sich die Einstellungen dazu von Schule zu Schule unterscheiden. Offen bleibt, inwieweit sich die Schulen durch diese Einführung weiter verändern, und ob sich die offenbarten Unterschiede in den manifesten Einstellungen langfristig in nachhaltigen Differenzen bezüglich praktizierter Maßnahmen niederschlagen. Es gilt dabei auch zu bedenken, dass die Einführung von Qualitätsmanagement zwar insofern eine quasi-experimentelle Situation darstellt, als sämtliche Schulen mit denselben Erfordernissen konfrontiert werden, dass aber – wie die qualitativen Interviews zeigen – an sämtlichen Schulen schon früher Überlegungen zu Qualität und deren Pflege angestellt worden sind. Dies relativiert die Vergleichbarkeit der Schulen der Stichprobe insofern etwas, als mit der Installation und Realisation von qualitätssichernden Maßnahmen nicht überall bei Null begonnen werden musste. 304
Bemerkenswert an dieser Stelle ist das in den Interviews teilweise zutage tretende Misstrauen gegenüber bildungspolitischen Maßnahmen. Hierin zeigt sich das von Kussau & Brüsemeister (2007) als antagonistisch beschriebene Verhältnis zwischen Schule und Politik: Erstere sträubt sich gegen Steuerungsmaßnahmen und will als Sonderfall betrachtet werden, was ihr von politischer Seite in der Regel nicht zugestanden wird. Damit aber wird deutlich, wie heikel für die Administration die Ein- und Durchführung bildungspolitischer Reformen ist: Steuerungsmaßnahmen werden von den Schulen nicht einfach absichtsgemäß umgesetzt, sondern für den eigenen Kontext adaptiert. Oder mit den Worten von Tyack & Tobin (1994): „Reformers believe that their innovations will change schools, but it is important to recognize that school change reforms“(478). Gelingt es nicht, schulische Akteure als eigenständige Partner anzuerkennen und für die angesetzten Vorhaben zu gewinnen, dürften die anberaumten Maßnahmen mit Reaktanz und Misstrauen umgesetzt werden, damit sie den eigenen Sonderfall nicht bedrohen – die Reform wird verändert, bis sie der eigenen Bewährungsdynamik entspricht. Sollte dereinst beispielsweise Kooperation als Reformthema auf der bildungspolitischen Agenda erscheinen und Lehrpersonen zu verbindlichen Maßnahmen der Kooperation verpflichtet werden, müssten diese nicht nur um den allfälligen Mehrwert der Neuerung wissen, sondern sie müssten auch ein Repertoire an Szenarien und Möglichkeiten zur Verfügung haben, welche es ihnen erlaubt, kooperative Settings sinnvoll und direkt in ihre alltägliche Arbeit zu integrieren. Hierzu können wissenschaftlich begleitete Maßnahmen der kooperativen Unterrichtsentwicklung (z.B. im Sinne professioneller Lerngemeinschaften) oder Modellversuchsprogramme (wie z.B. SINUS) bedeutsam werden, insofern Lehrpersonen Kooperation als professionelles Tool zur Bewältigung und Entwicklung ihres Kerngeschäfts Unterricht handhaben und schätzen lernen. Dies könnte zur Folge haben, dass mit Blick auf den Kooperationsanlass eher ein geteiltes Verständnis der Kooperationspartner über den Gegenstand Kooperation entsteht, was als Basis für weitere Kooperationsanlässe dienen kann.
10.6 Ausblick Im ersten Teil dieser Arbeit wurde der theoretische Bezugsrahmen des Themas abgesteckt. Weiter wurden Qualität, Schulentwicklung, Qualitätsmanagement, Educational Governance und Schulkultur, Kooperation sowie die historische Entwicklung des Zürcher Mittelschulwesens thematisiert. Im zweiten Teil wurden Fragestellungen, Hypothesen und das methodische Vorgehen formuliert und im dritten die Ergebnisse dargestellt und interpretiert. Im vierten und letzten Teil wurden die Anwendbarkeit der Pädagogischen EntwicklungsBilanzen einerseits als Standortbestimmungsinstrument für Schulentwicklungsvorhaben und andererseits die Bedeutung von Kooperation von Lehrpersonen diskutiert. Zum Schluss soll zum einen eine kurze Bilanz zur geleisteten Arbeit erstellt werden, zum andern möchten wir in einem Ausblick auf die Forschungsdesiderata hinweisen.
10.6.1 Gewinn dieser Arbeit Von wesentlicher Bedeutung erscheint uns, dass mit den Pädagogischen EntwicklungsBilanzen (PEB) ein Instrument geschaffen worden ist, welches – trotz der im vorangegangenen Abschnitt genannten Einschränkungen – Beobachtungen zweiter Ordnung ermöglicht. 305
Dieser fremde Blick auf das Geschehen ist umso notwendiger, als Schulen im Rahmen teilautonomer Bestrebungen als sich entwickelnde und lernende Organisationen gesehen werden sollen. Welche Richtung ein Entwicklungsprozess jedoch nimmt, welche Chancen und Risiken damit verbunden sind, muss durch gezielte Beobachtung von außen erfasst werden. Mit der Thematisierung von Kooperation unter Lehrpersonen eines Kollegiums wird der Fokus auf das Zentrum der Entwicklungsbemühungen gelenkt: Ist ein Team insgesamt in der Lage, sich den Problemen, welche ein Entwicklungsprozess in sich birgt, lösungsorientiert zu begegnen? Diesem ‚fremden Blick von außen’ oder dieser Beobachtung der Beobachtung kann sich ein System nun anschließen oder nicht, je nachdem, ob es die erhaltene Information zur eigenen Reproduktion nutzen kann. Ein beträchtlicher Gewinn für eine Schule ist dort zu erwarten, wo die PEB Grundlage für eine eingehende Beobachtung erster Ordnung im Sinne einer Selbstevaluation bieten. Hier könnte dieses Instrument Orientierungshilfen bieten für Teams, welche bisher noch keine oder nur zögerliche Schritte zu einem eigenen Evaluationskonzept hin unternommen haben. Die Lehrerkooperations-Levels bieten einen Einblick in das Handeln einer bedeutenden Akteurgruppe, insofern sie validierte Steigerungs- und Verbesserungsformen der schulinternen Zusammenarbeit erfassen. Wie in dieser Arbeit dargestellt, ist dieser Einblick ein differenzierter. Obwohl in der vorliegenden Arbeit nur die Perspektive der Lehrpersonen berücksichtigt wird, kann dargestellt werden, welche Elemente mit dafür verantwortlich sind, wie eine Schule einen bestimmten Kooperations-Level erreicht und ausgestaltet. Dazu notwendig sind jedoch ergänzende Informationen, die aus der Analyse der historischen Entwicklung betreffender Schulen wie auch aus Interviews mit Lehrpersonen und Schulleitungen stammen. Mit gewissen Einschränkungen kann dieses Instrument zu einer zielorientierten Planung von Evaluation oder Selbstevaluation im oben beschriebenen Sinne verwendet werden, da das Erreichen eines höheren Levels dadurch angestrebt wird, dass an denjenigen Aspekten der EntwicklungsBilanzen gearbeitet wird, die noch Entwicklungsmöglichkeiten zulassen. Zudem ist es wichtig zu erfassen, wie die Einstellung zu und die Grenzen von Kooperation wahrgenommen werden.
10.6.2 Forschungsbedarf Grundsätzlich fehlen Langzeitstudien, welche neben der allgemeinen Entwicklung der Kooperation vor allem diejenige auf Unterrichtsebene fokussieren und die Beziehung zwischen Kooperation und Unterrichtsentwicklung in ihrer Interdependenz untersuchen. Hierzu sind ebenfalls Konzepte der Professionalisierung von Lehrpersonen (vgl. Baumert & Kunter 2006; Oser & Oelkers, 2001) zu berücksichtigen. Insbesondere müsste dabei berücksichtigt werden, dass auch im Lehrerberuf zunehmend von einem Professionalitätsverständnis ausgegangen wird, welches eine kontinuierliche berufliche Weiterentwicklung vorsieht (vgl. z.B. Hargreaves 1994; Day & Sachs, 2004; Hagmann 2006) und untersucht, welchen Einfluss dieser Wandel auf das Kooperationsverständnis der Lehrerinnen und Lehrer nimmt. Dabei müsste auch untersucht werden, welche Funktionen Kooperation zwischen Lehrpersonen für die einzelnen Beteiligten hat, und wie sich Kooperationen zwischen Lehrpersonen fachspezifisch ausgestalten. Zudem interessieren die unterschiedlichen Realisationen von Kooperation auf verschiedenen Schultypen (Primar- und Sekundarstufe 306
der Volksschule, Berufsschulen und Gymnasien). Dabei sind mehrperspektivische Designs anzustreben, die verschiedene Akteure miteinbeziehen. Dies bedeutet, dass folgende Aspekte interessieren: Entwicklungsverläufe von Kooperation: Im Sinne einer Längsschnittstudie könnten zu einem oder mehreren späteren Messzeitpunkten weitere Messungen mit demselben quantitativen Instrument erfolgen. Dies würde nicht nur bedeuten, anhand von Strukturgleichungen Aussagen über den Kausalzusammenhang von Kooperation leisten zu können, sondern auch eine Beschreibung der Dynamik von Kooperation an den einzelnen Schulen zu ermöglichen. Damit könnte etwa die Frage beantwortet werden, ob eine Zunahme an Kooperationsaktivitäten auch mit bedeutsamen Zuwächsen in den Dimensionen zu Schul- und Unterrichtsqualität einhergeht. Spezifizierung des quantitativen Instrumentes: Einerseits könnte der Fokus stärker auf unterschiedliche Kooperationspartner (in der eigenen Fachschaft „quasi unter Fachexperten“, im Jahrgang bezüglich der Interaktionsmuster mit denselben Schüler/innen und Klassen) und andererseits auf unterschiedliche Kooperationsanlässe (im fächerübergreifenden Unterricht, Maturitätsarbeiten, Projektunterricht, Lernumgebungen für selbstorganisiertes Lernen wie ein „Selbstlernsemester“, gemeinsam verantwortete Beurteilung und Benotung von Schüler/innen-Leistungen, für die Aufrechterhaltung der Organisation Schule bezüglich gemeinsam verantworteter Regeln, Abläufe, Informationsfluss und Erwartungen) gelegt werden. Für die Interpretation der vorgestellten Befunde ist es deshalb notwendig zu überlegen, ob das verwendete Instrument für Aspekte qualitativ guten Unterrichts insofern sensitiv genug ist, als es zwar eine breit abgestützte Kooperation auf sämtlichen Gebieten des professionellen Handelns von Lehrpersonen vorsieht, Kooperationen zwischen Lehrpersonen hinsichtlich des Unterrichtshandelns aber weniger differenziert abbildet. Das Instrumentarium von Steinert et al. (2006) müsste folglich weiterentwickelt werden und neue Aspekte aufnehmen, die bis anhin nicht Bestandteil des Instrumentariums waren. Erfassung von fachlichen und/oder – wie in der parallel an denselben Gymnasien realisierten Schüler/innenerhebung – von überfachlichen Kompetenzen der Schüler/innen an den betreffenden Schulen: Dabei rückt die Funktionalität von Lehrerkooperation hinsichtlich der „outcomes“, also den überfachlichen und fachbezogenen Schülerleistungen in den Hauptfokus und es könnte damit die Frage beantwortet werden, ob an Schulen mit einem höheren Grad an Kooperation auch bessere Leistungen (fachbezogene oder eben überfachliche Leistungen; vgl. Maag Merki & Steinert 2006) erzielt werden. Ausweitung der Untersuchung auf weitere Schultypen und -niveaus: Denkbar ist die Anwendung des quantitativen Instrumentes PEB sowie einer allfälligen darauf folgenden qualitativen Nachuntersuchung auf verschiedene Schultypen und -niveaus, welche hinsichtlich ihrer Kooperation unter Lehrpersonen miteinander verglichen werden könnten. Interessant wäre hierzu beispielsweise der Vergleich zwischen Gymnasien und der Sekundarstufe der Volksschule des Kantons Zürich, welche teilweise auch das Fachschaftsprinzip kennt. Die vorliegende Arbeit fand allerdings im Kontext der Untersuchung zur Erfassung überfachlicher Kompetenzen ausschließlich an der gymnasialen Oberstufe statt. Hier hätte es umfangreicher Vorbereitungs- und Koordinationsarbeiten bedurft, um eine Vergleichbarkeit zwischen Schulen je verschiedenen Typs zu erzeugen. Zusätzliche Erfassung von Lehrerkooperation über die Befragung weiterer Akteure, wie Schüler/-innen, Eltern oder Schulbehörden: Damit wären gewissermaßen „unab307
hängige“ Aussagen darüber erzeugt worden, in welchem Ausmaß Kooperation stattfindet. Hier gilt es jedoch einzuwenden, dass ein hoher Anteil von Kooperation sich auf professionelle Aspekte bezieht, welche den genannten Akteuren verborgen bleiben: Seien es etwa Lehrerkonferenzen, Fachschaftssitzungen oder konkrete Unterrichtsvorbereitung und Materialaustausch in kleinen Teams oder Tandems. Zu bedenken gilt ferner, dass ein solches mehrebenenanalytisches Design auch mit umfangreichen Abstimmungsarbeiten verbunden ist, da mit Items gearbeitet wird, welche für die Befragung der verschiedenen Akteurgruppen eingesetzt werden können. Damit wird deutlich, dass das Thema „Kooperation von Lehrpersonen“ als Forschungsgebiet noch weiter erschlossen werden kann. Vorrangiges Ziel muss es dabei sein, die Potenziale von Lehrerkooperation im Hinblick auf nachhaltiges, schülerseitiges Lernen herauszuarbeiten. Mit der vorliegenden Deskription von Kooperation an Gymnasien wird dazu eine Basis gelegt, indem Umfang und Struktur dieses Konzepts anhand der Rekontextualisierung einer makropolitischen Steuerungsmaßnahme beschrieben werden.
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11 Literaturverzeichnis
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12 Abbildungs- und Tabellenverzeichnisse
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1: Abbildung 2: Abbildung 3: Abbildung 4:
Abbildung 5: Abbildung 6: Abbildung 7: Abbildung 8: Abbildung 9: Abbildung 10: Abbildung 11: Abbildung 12: Abbildung 13:
Abbildung 14:
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Gesellschaftliche Funktionen des Bildungswesens (vgl. Fend 2006a: 51; basierend auf 1980: 17) ............................................................................................................................18 Modell der Qualität im Bildungswesen (Fend 1998: 322; 2000:, 58) .................................33 Mehrebenenmodell in Anlehnung an Ditton (2000: 79) .....................................................40 Theoretisches Modell: Relevante Faktoren und Beziehungen in Schule und Unterricht im Hinblick auf fachliche und überfachliche Kompetenzen von Schüler/innen (Maag Merk, 2003b) ................................................................................................................................41 Die Bereiche der Schulentwicklung mit ihren Bezugswissenschaften nach Dubs (200O: 63) ...........................................................................................................................................48 Lernstufen nach Argyris & Schön (vgl. Probst & Büchel, 1998: 38)..................................58 Entwicklung einer Einzelschule (vgl. dazu Dalin & Rolff 1990; Rolff 1991) ....................64 Input-Prozess-Output-Modell (Darstellung aus Dubs 2005)...............................................69 Formen von QM (nach Dubs 2005: 470)............................................................................70 Kollektives Handeln, Strukturen und Strukturvarianten des Schulsystems (nach: Helsper et al. 2001: 23) .......................................................................................................................81 Visualisierung des methodischen Designs........................................................................151 Größe des Arbeitspensums in der Stichprobe ...................................................................186 Zuordnung der Schulen zu den Niveaustufen für Lehrerkooperation, Charakterisierung sowie Beispielitems für die Kooperationsanforderungen und Kooperationsniveaus der Schulen (vgl. Halbheer, Kunz & Maag Merki, 2008; Steinert et al. 2006; Maag Merki & Steinert 2006)...................................................................................................................189 Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A auf der Meso-Ebene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt.................................................205 Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A auf der Mikro-Ebene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt...................................................................................................207 Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. ...........................209 Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule C auf der Meso-Ebene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt................................................219 Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule C auf der Mikro-Ebene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt...................................................................................................221 Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule C auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro
323 U. Halbheer und A. Kunz, Kooperation von Lehrpersonen an Gymnasien, DOI 10.1007/978-3-531-92720, © VS Verlag für Sozialwissenschaften | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2011
Abbildung 20:
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Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. ...........................222 Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule D auf der Meso-Ebene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt.................................................232 Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule D auf der Mikro-Ebene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt....................................................................................................234 Profile mit standardisierten Residuen der Level-3-Schule D auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. ...........................235 Profile mit standardisierten Residuen der Level-2-Schule F auf der Meso-Ebene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt.................................................245 Profile mit standardisierten Residuen der Level-2-Schule F auf der Mikro-Ebene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt....................................................................................................247 Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule F auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. ...........................248 Profile mit standardisierten Residuen der Level-2-Schule G auf der Meso-Ebene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt.................................................258 Profile mit standardisierten Residuen der Level-2-Schule G auf der Mikro-Ebene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt....................................................................................................260 Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule G auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt. ..........................261 Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A und der Level-2-Schule G auf der Meso-Ebene (Schule). Profile von 12 Skalen und 2 Einzelitems (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt. ...........................278 Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A und der Level-2-Schule G auf der Mikro-Ebene (Unterricht). Profile von 9 Skalen (vgl. Tabelle 5). Pro Konstrukt wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen, 1988) bestimmt................................................279 Profile mit standardisierten Residuen der Level-4-Schule A und der Level-2-Schule G auf der Personalen Ebene (Lehrperson). Profile von 5 Skalen und 1 Einzelitem (vgl. Tabelle 5).
Pro Konstrukt/Einzelitem wird mittels MW-U-Test die Signifikanz der Mittelwertsdifferenz (Schule zu Stichprobe) angegeben (* = sig. auf 5%-, ** auf 1%- und *** auf 0.1%-Niveau / n.s. = nicht signifikant) und die Effektgröße (Cohen 1988) bestimmt...........................................................................................................................280
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Tabelle 2: Tabelle 3: Tabelle 4: Tabelle 5:
Tabelle 6: Tabelle 7:
Tabelle 8: Tabelle 9:
Tabelle 10: Tabelle 11: Tabelle 12:
Tabelle 13:
Tabelle 14:
Tabelle 15: Tabelle 16: Tabelle 17: Tabelle 18: Tabelle 19: Tabelle 20: Tabelle 21: Tabelle 22: Tabelle 23: Tabelle 24: Tabelle 25:
Kooperations-Levels (nach Steinert & Klieme: 2003, 12)................................................101 Lehrerkooperation-Levels, 23 Items in der Reihenfolge ihres Difficulty-Wertes (ζ) (vgl. Steinert & Klieme 2003: 13) ............................................................................................154 Lehrerstichprobe der Pädagogischen EntwicklungsBilanzen in Hessen und im Kanton Zürich (Tabelle aus Steinert et al. 2006: 192)...................................................................156 Niveaustufen der Lehrerkooperation (aus Steinert, Klieme, Maag Merki, Döbrich, Halbheer & Kunz 2006)...................................................................................................................158 Indikatoren zur Erfassung von Aspekten zu Schulqualität auf der Meso- und Mikro-Ebene sowie auf der Personalen Ebene; Beispielitem (Anzahl Items und Dimensionen); Herkunft; Anzahl Lehrpersonen (N), Mittelwert (M); Standardabweichung (SD); Reliabilität (R; Cronbach’s Alpha). Wenn nichts anderes vermerkt ist, haben die Skalen folgenden Skalierungsstil: 1 = trifft gar nicht zu, 2 = trifft eher nicht zu, 3 = trifft teilweise zu, 4 = trifft genau zu ...................................................................................................................160 Darstellung der Fälle für die Auswahl..............................................................................172 Codebaum für thematische Codierung der Interviews mit der Schulleitung sowie der Fokusgruppe einer Schule (* = ausgewählte Kategorien für die Darstellung des Einzelfalls) .........................................................................................................................................175 Rücklauf der einzelnen Schulen und gesamthaft über alle Schulen..................................182 Anzahl Schüler/innen und Klassengröße in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit der Schüler/innen an Gymnasien des Kantons Zürich im Schuljahr 2003/04 ............................................................................................................182 Angebot der Maturitätsprofile in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit aller Gymnasien im Kanton Zürich ......................................................183 Verteilung nach Geschlecht der Lehrpersonen in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit aller Lehrpersonen an Gymnasien im Kanton Zürich.......184 Verteilung nach Art der Anstellung (befristet oder unbefristet) in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit aller Lehrpersonen an Gymnasien im Kanton Zürich ..................................................................................................................184 Verteilung nach der Art des Unterrichts (Einzelunterricht, Klassenunterricht) in der Stichprobe sowie Repräsentativität in Relation zur Grundgesamtheit aller Lehrpersonen an Gymnasien im Kanton Zürich ..........................................................................................185 Repräsentativität der Verteilung nach Größe des Pensums aller Lehrpersonen der Stichprobe in Relation zur Grundgesamtheit aller Lehrpersonen an Gymnasien im Kanton Zürich...............................................................................................................................185 Lebensalterverteilung nach Geschlecht im Rücklauf der Stichprobe................................187 Dienstalter an der Schule nach Geschlecht im Rücklauf der Stichprobe ..........................187 Prozentuale Zustimmung pro Schule zu den Items und deren Mittelwerte auf Level 1. ...191 Prozentuale Zustimmung pro Schule zu den Items und deren Mittelwerte auf Level 2 ....193 Prozentuale Zustimmung pro Schule zu den Items und deren Mittelwerte auf Level 3. ...195 Prozentuale Zustimmung pro Schule zu den Items und deren Mittelwerte auf Level 4 ....197 Mittelwerte und Standardabweichungen der Gesamtstichprobe .......................................199 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule A auf der Meso-Ebene.................................................................................204 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule A auf der Mikro-Ebene ...............................................................................207 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule A auf der Personalen Ebene ........................................................................208 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule A auf Level 4 ...................................................................................................214
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Tabelle 26: Tabelle 27: Tabelle 28: Tabelle 29: Tabelle 30: Tabelle 31: Tabelle 32: Tabelle 33: Tabelle 34: Tabelle 35: Tabelle 36: Tabelle 37: Tabelle 38: Tabelle 39: Tabelle 40: Tabelle 41: Tabelle 42: Tabelle 43: Tabelle 44: Tabelle 45: Tabelle 46: Tabelle 47: Tabelle 48:
326
Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule A auf Level 4........................................................................................................215 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule C auf der Meso-Ebene.................................................................................217 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule C auf der Mikro-Ebene................................................................................220 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule C auf der Personalen Ebene.........................................................................222 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule C auf Level 3 ...................................................................................................227 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule C auf Level 3 ........................................................229 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule D auf der Meso-Ebene.................................................................................231 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule D auf der Mikro-Ebene ...............................................................................233 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule D auf der Personalen Ebene ........................................................................235 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule D auf Level 3 ...................................................................................................240 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule D auf Level 3........................................................242 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule F auf der Meso- Ebene ................................................................................244 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule F auf der Mikro-Ebene ................................................................................246 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule F auf der Personalen Ebene .........................................................................248 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule F auf Level 2....................................................................................................253 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule F auf Level 2 ........................................................254 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule G auf der Meso-Ebene.................................................................................257 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule G auf der Mikro-Ebene ...............................................................................259 Mittelwerte, Standardabweichungen, Signifikanz der Gesamtstichprobe und der Einzelschule G auf der Personalen Ebene ........................................................................261 Zusammenfassung zentraler Ergebnisse aus der qualitativen Befragung der Lehrpersonen an Schule G auf Level 2 ...................................................................................................265 Ergebnisse aus den Interviews mit Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen der Schule G auf Level 2........................................................................................................266 Gegenüberstellung der Ergebnisse aus dem Lehrpersonenfragebogen sowie den Interviews mit der Schulleitung und einer Gruppe von Lehrpersonen (Gymnasien A, C, D, F, G)....270 Übersicht über die Kooperationslevels, Bewährungsdynamik und Muster von Lehrerkooperation an den fünf betrachteten Gymnasien aus dem Kanton Zürich ............282