Nicole Plankert: Marktführerschaft und vergleichende Werbung. Eine Erfolgsfaktorenforschung am Beispiel des deutschen Mo...
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Nicole Plankert: Marktführerschaft und vergleichende Werbung. Eine Erfolgsfaktorenforschung am Beispiel des deutschen Mobilfunkmarktes Hamburger Schriften zur Marketingforschung, Hg.: M. Zerres, Band 58, ISBN 978-3-86618-215-8, Rainer Hampp Verlag, München u. Mering 2008, 369 S., € 32.80
Vergleichende Werbung gilt als ambivalentes Kommunikationsinstrument. Ihre Chancen liegen in hoher Aufmerksamkeit und gezielter Abgrenzung von Konkurrenzprodukten. Ihre Risiken lauten geringere Glaubwürdigkeit und Imageschäden. Vergleichende Werbung erscheint Erfolg versprechend für kleine Marktakteure, während sie für den Marktführer spezifische Risiken beinhaltet. „David-Goliath-Vergleiche“ können zu einem Sympathie- oder Mitleidseffekt bei den Konsumenten führen. Vor diesem Hintergrund wird in dieser Veröffentlichung erstmals im Rahmen eines produkt- und branchenspezifischen Ansatzes am Beispiel des deutschen Mobilfunkmarktes untersucht, wie ein Marktführer das Instrument der vergleichenden Werbung unter Berücksichtigung bestimmter Erfolgsfaktoren sowie der aktuellen gesetzlichen Rahmenbedingungen einsetzen kann. Die entwickelten Forschungshypothesen werden im Rahmen einer Expertenbefragung überprüft und in präzise Gestaltungsempfehlungen für die Marketingpraxis umgesetzt. Schlüsselwörter: Marktführerschaft, vergleichende Werbung, Erfolgsfaktoren, Mobilfunkmarkt Nicole Plankert hat an der FernUniversität Hagen sowie der RWTH Aachen Wirtschaftswissenschaften mit den Schwerpunkten Marketing und Unternehmensrecht studiert. Von Frühjahr 2006 bis Ende 2007 promovierte sie an der Universität Hamburg. Sie ist Senior Referentin bei der Deutschen Telekom AG in Bonn.
HAMBURGER SCHRIFTEN ZUR MARKETINGFORSCHUNG herausgegeben von Michael Zerres Band 58
Nicole Plankert
Marktführerschaft und vergleichende Werbung Eine Erfolgsfaktorenforschung am Beispiel des deutschen Mobilfunkmarktes
Rainer Hampp Verlag
München, Mering
2008
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.d-nb.de abrufbar.
ISBN 978-3-86618-215-8 Hamburger Schriften zur Marketingforschung: ISSN 1430-5429 DOI 10.1688/9783866182158 1. Auflage, 2008 © 2008
Rainer Hampp Verlag München und Mering Marktplatz 5 D – 86415 Mering www.Hampp-Verlag.de Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne schriftliche Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Mikroverfilmungen, Übersetzungen und die Einspeicherung in elektronische Systeme.
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Für Anneliese und Franz Kaumanns
Vorwort des Herausgebers
Vergleichende Werbung erscheint bei kursorischer Betrachtung für kleine, unbekannte Marktakteure geeigneter als für den Marktführer. Das Anliegen der Arbeit von Nicole Plankert ist es, am Beispiel des Mobilfunkmarktes aufzuzeigen, wie ein Marktführer das Instrument der vergleichenden Werbung unter Berücksichtigung der gesetzlichen Rahmenbedingungen sowie bestimmter Erfolgsfaktoren trotz zweifellos vorhandener spezifischer Risiken einsetzen kann. Das Thema ist in diesem oligopolistischen, weitgehend gesättigten und von hohem Preis- und Leistungswettbewerb gekennzeichneten Markt von hoher Relevanz, wie die von der Autorin durchgeführte Marktanalyse deutlich macht. Hier verwertet die Autorin ihre ausgezeichneten Kenntnisse der Produkteigenschaften sowie Branchen- und Marktbedingungen souverän. Sie stellt zutreffend fest, dass Erfolgsfaktorenforschung die Berücksichtigung zumindest branchenspezifischer, möglichst aber auch produkt- und unternehmensspezifischer Faktoren sowie die Einbeziehung der Unternehmensumwelt erfordert. In ihrer kritischen Betrachtung der Forschungsdesigns vorliegender Untersuchungen beweist die Autorin ein gutes Gespür für methodische Fragen und die Grenzen empirischer Forschung. Sie wählt für ihre Untersuchung den Branchenführer, für den spezielle Wettbewerbsbedingungen gelten. Hierzu liegen in der Literatur kaum Erkenntnisse vor, so dass mit der Arbeit eine Forschungslücke geschlossen wird. Die entwickelten zahlreichen Forschungshypothesen zur Wirkung und Gestaltung vergleichender Werbung, die auf einem breiten theoretischen und konzeptionellen Spektrum basieren, werden im Rahmen einer Expertenbefragung überprüft. Der Autorin gelingt es, theoretisch und empirisch gut begründet sehr präzise Gestaltungsempfehlungen für vergleichende Werbung des Marktführers zu entwickeln, sie zeigt aber auch deren Grenzen auf. Die Untersuchung liefert daher neben weiterführenden wissenschaftlichen Erkenntnissen relevante Handlungsempfehlungen für die Marketingpraxis sowie wichtige Impulse für weitere Forschungsarbeiten.
Die Arbeit hat der Universität Hamburg als Dissertation vorgelegen.
Univ.-Prof. Dr. Michael Zerres
Hamburg, im Dezember 2007
Vorwort der Verfasserin
Ziel dieser Arbeit war es, Erfolgsfaktoren für den Einsatz vergleichender Werbung durch den Marktführer zu identifizieren und auf der Grundlage eines produkt- und branchenspezifischen Ansatzes die verbreitete These zu widerlegen, vergleichende Werbung sei für den Marktführer grundsätzlich ungeeignet.
An dieser Stelle möchte ich all jenen Personen danken, die durch vielfältige Unterstützung zum Gelingen des Forschungsvorhabens beigetragen haben. An erster Stelle ist mein Doktorvater Prof. Dr. Michael Zerres zu nennen. Ihm gebührt mein Dank für die ausgezeichnete Betreuung. Er gewährte den wissenschaftlichen Freiraum, den die eigenständige Bearbeitung des Themas erforderte, stand bei Bedarf aber jederzeit mit fachlichem und persönlichem Rat auf unkomplizierte Weise zur Verfügung und begleitete den Fortgang der Arbeit durch "Fordern und Fördern", so dass die Dissertation in dem geplanten Zeitrahmen fertig gestellt werden konnte. Weiterhin danke ich Prof. Dr. Wilfried Laatz für wertvolle Empfehlungen und Hinweise in Bezug auf den empirischen Teil der Arbeit sowie für die Übernahme und zügige Erstellung des Zweitgutachtens.
Meinen Doktorandenkollegen, insbesondere Herrn Dr. Herbert Look, bin ich für die konstruktiven Anregungen und den regelmäßigen Gedankenaustausch dankbar.
Bei meinen Eltern bedanke ich mich herzlich für ihren Rückhalt und ihre mehr als großzügige Unterstützung. Mein besonderer Dank gilt Florian, der die grafische Gestaltung der Schaubilder übernahm, Sparringspartner sowie erster und letzter Korrekturleser war, mich aber gelegentlich auch daran erinnerte, dass die Welt nicht nur aus Wissenschaft besteht.
Nicole Plankert
Königswinter, im Dezember 2007
-I-
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis………………………………..…………………………......... VII Summary………………………………………………………………………………….. X 1
Einleitung…………………………………………………………………….……… 1 1.1
2
Problemstellung……………………………………………………………….. 2 1.1.1
Ausgangslage…………………………………………………………… 2
1.1.2
Forschungsschnittstellen………………………………………………. 3
1.1.3
Literaturthesen…………………………………………………….......... 6
1.2
Stand der Wissenschaft……………………………………………………… 9
1.3
Explorative Voruntersuchung………………………………..………………. 11 1.3.1
Fragestellungen………………………………………………..……….. 11
1.3.2
Ergebnisse………………………………………………………………. 12
1.4
Zielsetzung der Arbeit………………………………………………………… 13
1.5
Forschungsmethodik…………………………………………………………. 14
1.6
Gang der Untersuchung……………………………………………………… 19
Deutscher Mobilfunkmarkt als Gegenstand der Untersuchung….………. 23 2.1
2.2
2.3
Marktübersicht………………………………………………………………… 24 2.1.1
Mobilfunk(markt)………………….…………………………………….. 24
2.1.2
Anbieter(struktur)……………………………………………………….. 30
2.1.3
Nachfrager(struktur)…………………………………………………..… 36
2.1.4
Geschäftsbeziehungen…………………………………………………. 39
Aktuelle Herausforderungen…………………………………………………. 42 2.2.1
Preiswettbewerb………………………………………………………… 42
2.2.2
Leistungswettbewerb…………………………………………………… 48
Zwischenfazit………………………………………………………………….. 51
- II 3
Konzeptionelle Grundlagen…………………….……………………………….. 53 3.1
3.2
Mobilfunk………………………………………………………………………. 54 3.1.1
Erfahrungsgut………………………...…………………………………. 54
3.1.2
Limitierte Kaufentscheidung…………………………………………… 58
3.1.3
Hedonistisches und utilitaristisches Gut……………………………… 61
3.1.4
Kernleistungen und Ergänzungsleistungen………………………….. 65
3.1.5
Nutzendimensionen…………………………………………………….. 67
3.1.6
Zwischenfazit……………………………………………………………. 68
Vergleichende Werbung……………………………………………………… 69 3.2.1
Einführung……………………………………………………………….. 69
3.2.2
Begriffsabgrenzung…………………………………………………...... 71
3.2.3
Rechtsgrundlagen………………………………………………………. 72
3.2.3.1
Rechtslage in Deutschland vor Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG…………………………………………… 73
3.2.3.2
Umsetzung der Richtlinie in deutsches Recht…………………. 75
3.2.3.3
Rechtslage in Deutschland nach Umsetzung der Richtlinie………………………...…………………………….. 78
3.2.3.4
Verbraucherleitbild……………………………….……………….. 80
3.2.3.5
Rechtslage in den USA…………………………………….…….. 82
3.2.3.6
Zwischenfazit……………………………………………………… 85
3.2.4
Gestaltungsformen……………………………………………………… 85
3.2.4.1
Einführung…………………………………………………………. 85
3.2.4.2
Wettbewerberbezug………………………………………………. 86
3.2.4.3
Argumentation…………………………………………………….. 90
3.2.4.4
Zwischenfazit……………………………………………………… 94
- III 3.2.5
3.2.5.1
Volkswirtschaftliche Aspekte…………………………………….. 96
3.2.5.2
Interessen der Akteure…………………………………………… 99
3.2.5.3
Empirische Untersuchungen…………………………..………. 102
3.2.5.4
Zwischenfazit……………………………………………………. 108
3.2.6
3.4
Werbewirkung…………………………………………………………. 108
3.2.6.1
Begriff und Bedeutung………………………………………….. 108
3.2.6.2
Kriterien der Werbewirkung……………………………………. 110
3.2.6.3
Werbewirkungsmodelle……………………………..………….. 111
3.2.6.4
Tendenzen der Werbewirkung……………..………………….. 118
3.2.6.5
Zwischenfazit……………………………………………………. 120
3.2.7
3.3
Chancen und Risiken……………………………..……………………. 95
Vergleichende Werbung im Mobilfunkmarketing………………….. 120
3.2.7.1
Werbeverhalten und Werbeaufwendungen………………….. 121
3.2.7.2
Verbraucherbezogene Informationsökonomie………………. 124
3.2.7.3
Zwischenfazit……………………………………………………. 130
Marktführerschaft…………………………………………………………… 131 3.3.1
Quantitative Dimension………………………………………………. 131
3.3.2
Qualitative Dimension………………………………………………… 134
3.3.3
Zwischenfazit………………………………………………………….. 137
Wirkungen der Marktführerschaft…………………………………………. 137 3.4.1
Einführung……………………………………………………………… 137
3.4.2
Marktwirkungen………………………………………………..……… 139
3.4.3
Konsumentenwirkungen…………………………..…………………. 140
3.4.3.1
Produkt- und Unternehmenswahrnehmung………………….. 140
3.4.3.2
Wahrnehmung der Werbung…………………………………… 146
3.4.4
Zwischenfazit……………………………………………………......... 147
- IV 3.5
3.6
4
Marktführerschaft und vergleichende Werbung…………………………. 148 3.5.1
Empirische Untersuchungen………………………………………… 149
3.5.2
Chancen und Risiken…………………………………………………. 155
Zwischenfazit………………………………………………………………… 160
Theoretische Grundlagen zum Konsumentenverhalten und Implikationen für vergleichende Werbung des Marktführers…………… 163 4.1
Einführung…………………………………………………………………… 164
4.2
Grundmodelle des Konsumentenverhaltens…………………………….. 164
4.3
4.2.1
Black-Box-Modelle……………………………………………………. 165
4.2.2
Struktur- und Simulationsmodelle…………………………………… 166
4.2.3
Zwischenfazit………………………………………………………….. 168
Ausgewählte Theorien des Konsumentenverhaltens…………………… 169 4.3.1
4.4
Intrapersonelles Gleichgewicht……………………………………… 169
4.3.1.1
Theorie der kognitiven Dissonanz…………………………….. 170
4.3.1.2
Risikotheorie…………………………………………………….. 173
4.3.2
Interpersonelle Austauschbeziehung……………………………….. 175
4.3.3
Verhaltensbeurteilung……………………….……………………….. 176
4.3.4
Zwischenfazit………………………………………………………….. 179
Determinanten des Konsumentenverhaltens……...…………………….. 179 4.4.1
Einführung……………………………………….…………………….. 179
4.4.2
Individuelle Faktoren…………………………………………………. 180
4.4.3
Aktivierende Prozesse………………………………………….……. 182
4.4.3.1
Aktivierung……………………………………………………….. 182
4.4.3.2
Aufmerksamkeit………………………………………..……….. 183
4.4.3.3
Emotion…………………………………………………….…….. 184
-V4.4.3.4
Motivation………………………………………………………… 186
4.4.3.5
Einstellung……………………………………………………….. 188
4.4.3.6
Zwischenfazit……………………………………………...…….. 192
4.4.4
Involvement……………………………………………………............ 193
4.4.5
Glaubwürdigkeit……………………………………………………….. 195
4.4.6
Kognitive Prozesse…………………………………………………… 198
4.4.6.1
Informationsaufnahme………………………………………….. 199
4.4.6.2
Informationsverarbeitung…...………………………………….. 202
4.4.6.3
Informationsspeicherung……………………………………….. 208
4.4.6.4
Zwischenfazit…………………………………...……………….. 209
4.4.7 4.5
5
Konative Prozesse……………………………………………...…….. 209
Zwischenfazit………………………………………………………….…….. 213
Vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt……………..…………………………………. 217 5.1
Einführung…………………………………………………………………… 218
5.2
Werbeziele……………………………...…………………………………… 219
5.3
5.2.1
Begriff und Bedeutung…………………………………..…………… 219
5.2.2
Affektive, kognitive und konative Werbeziele……………………… 220
5.2.3
Werbeobjekte und Werbesubjekte………..………………………… 221
5.2.4
Zwischenfazit……………………………………..…………………… 226
Werbestrategien………………………………………………..…………… 226 5.3.1
Assoziierung und Differenzierung………...………………………… 227
5.3.2
Gestaltung der Werbebotschaft…………………...………………… 227
- VI 5.4
5.5
5.6
6
5.4.1
Systematisierung…………...………………………………………… 233
5.4.2
Chancen und Risiken………………………………………………… 234
Werbeumfeld und Werbekontext……………………….………….……… 237 5.5.1
Begriff und Bedeutung……………………………………………….. 237
5.5.2
Chancen und Risiken………………………………………………… 237
Zwischenfazit………………………………………………………………… 239
Empirische Untersuchung………………..……………………………..…….. 243 6.1
6.2
7
Werbeträger und Werbemittel………………………..……………………. 232
Untersuchungsdesign………………………………………………………. 244 6.1.1
Erhebungsmethode…………………………………………………… 244
6.1.2
Fragebogengestaltung……………………………………………….. 248
6.1.3
Untersuchungsteilnehmer……………………………………………. 251
Datenerhebung……………………………………………………………… 252 6.2.1
Durchführung………………………………...………………………… 253
6.2.2
Rücklauf………………………………………………………………… 253
6.3
Datenauswertung…………………….……………………………………… 254
6.4
Untersuchungsergebnisse……………..…………………………………… 255
Schlussbetrachtung…………………………………………………………….. 285 7.1
Zusammenfassung der Arbeit……………………………………………… 286
7.2
Implikationen für die Praxis………………………………………………… 291
7.3
Ausblick und weiterer Forschungsbedarf………………………………… 293
Anhang………………………………………………………………………………….. 297 Literaturverzeichnis…………………………………………………………………… 306
- VII Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1:
Spannungsfeld divergierender Interessen……………………….......... 5
Abbildung 2:
Expertenübersicht der explorativen Voruntersuchung……………… 12
Abbildung 3:
Gestaltungsmöglichkeiten einer Erfolgsfaktorenforschung………… 16
Abbildung 4:
Bewertung der Methoden der Erfolgsfaktorenforschung…………… 18
Abbildung 5:
Vorgehensweise im Rahmen der Untersuchung………….………… 22
Abbildung 6:
Entwicklung der Mobilfunkminuten in Deutschland…………............ 27
Abbildung 7:
Lebenszyklen in der Telekommunikation…………………………….. 28
Abbildung 8:
Entwicklung der Mobilfunkanschlüsse…………………………………29
Abbildung 9:
Marktanteile der GSM-Anbieter……………………………………….. 31
Abbildung 10: Vielfalt der Preiselemente………………………………………........... 46 Abbildung 11: Konsumentenverwirrung und wahrgenommenes Risiko…………… 52 Abbildung 12: Typen von Kaufentscheidungen………………………………………. 59 Abbildung 13: Kernleistungen im Mobilfunk…………………………………………… 65 Abbildung 14: Ergänzungsleistungen im Mobilfunk………………………………….. 66 Abbildung 15: Dimension "Wettbewerberbezug"………………………………………90 Abbildung 16: Dimension "Argumentation"……………………………………………. 95 Abbildung 17: Vielfalt der Forschungsdesigns……………………………………… 104 Abbildung 18: Abhängige Untersuchungsvariablen………………………………… 104 Abbildung 19: Wirkungspfad der informativen Werbung bei involvierten Konsumenten……………………………………….. 113 Abbildung 20: Wirkungspfad informativer Werbung bei hohem Involvement…… 116 Abbildung 21: Werbewirkung vergleichender Werbung…………………………… 118 Abbildung 22: Tendenzen der Wirkung vergleichender Werbung………………… 119 Abbildung 23: Positionierung und Marktführerschaft………………………………. 136 Abbildung 24: Wirkungen der Marktführerschaft…………………………………… 139 Abbildung 25: Marktführerschaft und Konsumentenwahrnehmung………….…… 148
- VIII Abbildung 26: Empirische Untersuchungen zur Wirkung vergleichender Werbung in Abhängigkeit von der Marktposition…………...……… 153 Abbildung 27: Forschungshypothesen aus konzeptionellen Grundlagen……….. 161 Abbildung 28: Modelle des Käuferverhaltens………………………………………. 169 Abbildung 29: Determinanten der Einstellungen gegenüber Marke und Werbung………………………………………………….. 191 Abbildung 30: Zusammenhang zwischen Aktivierung, Emotion, Motivation und Einstellung…………………………………………… 192 Abbildung 31: Konstrukt der Glaubwürdigkeit………………………………………. 197 Abbildung 32: Aufnahme, Suche, Abruf und Speicherung von Informationen…………………………………………..………… 199 Abbildung 33: Marktführerschaft und Evoked beziehungsweise Inept Set……… 201 Abbildung 34: Einflussgrößen auf das Kaufverhalten……………………………… 211 Abbildung 35: Wirkungen vergleichender Werbung (des Marktführers) ………… 214 Abbildung 36: Forschungshypothesen aus theoretischen Grundlagen………….. 215 Abbildung 37: Herabsetzende vergleichende Werbung…………………………… 232 Abbildung 38: Forschungshypothesen "vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt"………………….. 241 Abbildung 39: Keine vergleichende Werbung bei Marktführerschaft…………….. 256 Abbildung 40: Beachtung bestimmter Erfolgsfaktoren……………..…..………….. 257 Abbildung 41: Erzielung hoher Aufmerksamkeit……………………………………. 258 Abbildung 42: Bestehen gefestigter Einstellungen…………………………….…… 259 Abbildung 43: Gezielte Verunsicherung durch überraschende Werbeaussagen…………………….………….…… 260 Abbildung 44: Sachliche Gestaltung…………………………………………………. 261 Abbildung 45: Glaubwürdige Gestaltung……………………………………….…… 262 Abbildung 46: Eigene Schlussfolgerungen der Konsumenten……………………. 263 Abbildung 47: Verweis auf Mehrheitsurteile………………………………………… 265 Abbildung 48: Verweis auf Testergebnisse…………………..……………………… 265 Abbildung 49: Zahlenbasierte Argumentation……………….……………………… 266
- IX Abbildung 50: Zweiseitige Argumentation…………………………………………… 266 Abbildung 51: Keine vergleichende Werbung als Reaktion auf vergleichende Werbung kleiner Marktakteure………………… 269 Abbildung 52: Keine Bezugnahme auf neue Marktakteure bei aktiver vergleichender Werbung………………………………… 270 Abbildung 53: Etablierte Vergleichsmarke bei aktiver vergleichender Werbung……………………………………………… 270 Abbildung 54: Gefahr der kostenlosen Werbung für die Vergleichsmarke………. 271 Abbildung 55: Leistungs- und Preiswerbung………………………………………… 272 Abbildung 56: "Teuer-Image" des Marktführers…………………….………………. 273 Abbildung 57: Bestätigung von Bestandskunden…………………………………… 273 Abbildung 58: Überzeugung weiterer Kunden………………………………………. 274 Abbildung 59: Repositionierung der Marke………………………………………….. 274 Abbildung 60: Strategie der Anlehnung im Preiswettbewerb……………………… 275 Abbildung 61: Demonstration von Souveränität und Gelassenheit durch Humor bei reaktiver vergleichender Werbung……………… 277 Abbildung 62: Verzicht auf humorvolle Gestaltung bei aktiver vergleichender Werbung………………………………… 278 Abbildung 63: Irritation von Bestandskunden durch Humor bei aktiver vergleichender Werbung………………………………… 278 Abbildung 64: Durch Humor keine Überzeugung der Wettbewerberkunden von eigener Leistungsfähigkeit………………………………………. 279
-XSummary
The thesis takes as its starting point two comparative advertising duels conducted by Deutsche Telecom, one with MobilCom and the other with ALDI, which demonstrate that
the
comparative
advertising
pursued
by
the
market
leader
in
the
telecommunications market supplements traditional advertising in selected areas. In literature, on the other hand, it is often assumed that comparative advertising is more or less an unsuitable form of advertising for the market leader due to the numerous risks involved. The state of scientific knowledge indicates, however, that studies on comparative advertising refer, in part, to outdated American studies. What is lacking is an approach showing the sector or product specificity required to determine the success factors in comparative advertising. This approach is taken here for the first time using mobile communications, as the product, and the market leader’s competitive situation. First, the mobile communications market is analyzed. Since the basic mobile communications service is a homogenous and thus interchangeable product, the products offered are differentiated, most notably, through advertising. In a saturated market, this advertising is mainly directed towards both the competitors’ and the company’s customers. The dynamic mobile communications market is characterized by strong price competition on the supply side and offerings that lack transparency on the demand side. This results in consumer uncertainty, providing opportunities, especially for the market leader, to engage in informative comparative advertising. The specific characteristics of the mobile communications sector are presented in the context of conceptual bases. The experience qualities of this product are a major reason why the advertiser’s credibility as well as that of the message being conveyed is extremely important and must be focused on in comparative advertising. The mobile communications product contains hedonistic as well as utilitarian product attributes, with the latter being basically much better suited for comparative advertising. Comparative advertising, defined here as "advertising that refers directly or indirectly to a competitor or his product or service and makes a comparison", is essentially of an informative nature based on facts in Germany. Under § 6 (2) no. 2 of the German Law against Unfair Competition (UWG), advertising must refer “objectively to one or more essential, relevant, verifiable and typical attributes or the price of these products”. It is shown in the analysis of studies on comparative
- XI advertising that these studies, as a rule, compare unknown (or fictitious) brands with established ones. These findings thus cannot be applied to the mobile communications market leader: In addition to the four network operators, the products are offered, in particular, by discounters that the consumer is familiar with and which, in part, have a good market reputation. In addition, market leadership is not (just) quantitative, that is, objectively measurable. On the contrary, the consumers’ subjective perception that it is the leading brand is what is decisive. The consumer’s perception of the company, its brand and its advertising is thus highly important for the success of comparative advertising: Companies that dominate the market enjoy a good reputation with consumers, but they often appear to have little credibility. The market leader’s products are associated with top quality and little risk. The general consensus and positive network externalities reinforce this positive product or brand image. Yet, while the market leader’s advertising attracts attention, it tends to be considered less credible. These perceptions are largely dependent on the consumers’ involvement, prior knowledge and brand orientation. The analysis of the risks and opportunities that comparative advertising present for the market leader shows that the market leader risks losing the leading position it has in the minds of consumers and its “uniqueness“. The market leader should refrain from engaging in active comparative advertising with reference to new market players, which would otherwise help them become known and enhance their standing. Instead, a brand that is already well-known to consumers should be selected as the comparison brand. The market leader should not respond to the comparative advertising of small market players with comparative advertising of its own, since there is a danger that the David-Goliath comparison would make consumers feel sorry for the small player. If, on the other hand, established market players make comparisons in their advertisements, the market leader can use comparative advertising to point up its claim to being the leader and counter any feeling consumers might have that the comparison brand is perhaps the better choice after all. The market leader faces little danger of there being "sponsor misidentification" or "competitor misidentification". In other words, consumers are likely to be able to properly assess the advantages and disadvantages of both the brand being advertised and the comparable brand due to their previous knowledge and frequent involvement with the market leader.
- XII In the context of theoretical bases, basic models, selected theories and determinants relating to consumer behavior are applied to the object under study and additional findings deduced: Consumers have fixed ideas about the market leader, which can be changed by creating uncertainty through comparative advertising. This uncertainty can be achieved by deliberately producing cognitive dissonances. In other words, the market leader communicates comparative advertising messages that contradict current consumer perceptions. In addition, the consumers’ perception of the market leader is largely characterized by the view that “this will involve little risk for me.” The market leader can stress this view in comparative advertising by pointing out the large number of customers it has (consensus) and its many years of market experience, while at the same time highlighting the relatively high risk that is perceived with regard to the competitors’ products. Moreover, the market leader can use comparative advertising to point out that his (higher) price is offset by real benefits for the consumer. The consumer view that the market leader is only trying to defend his sinecure (with comparative advertising) results in the advertising message being accorded little credibility. The market leader can counter this view by referring to the “majority” opinion, test results or two-sided arguments. Basically, consumers have set views and preferences with regard to the market leader and generally already know a lot about it. Consequently, they are little inclined to give much thought to the market leader’s (comparative) advertising message. Comparative advertising messages that are slightly inconsistent with the consumers’ current attitudes, on the other hand, serve the purpose of elaboration and, at the same time, prompt consumers to actively seek further information. Due to the consumers’ high degree of involvement, their perception of being highly competent and the tendency to view the market leader as lacking credibility, there is a great danger that the market leader’s comparative advertising will trigger reactance in the consumers: They oppose the perceived threat to their behavioral freedom and their response is opposite to what was intended by the advertiser (boomerang effect). This type of behavior can be avoided by refraining from drawing any explicit conclusions in the advertising messages, since the intention of influencing behavior is thus less clearly perceived. Given the especially high level of consumer involvement in the market leader’s comparative advertising, consumers can be expected to take a critical look at the advertising message in conjunction with the anticipated elaboration. The advertising message should therefore be credible as well as based on fact.
- XIII The analysis of the market leader’s comparative advertising in the German mobile communications market shows that the market leader can use comparative advertising to achieve not only affective (change in set attitudes) but also cognitive (brand repositioning) and conative (obtaining information) advertising goals. Company-related advertising appears to be less suitable than price/performance advertising and indirectly advertised market reputation. The market leader’s own customers feel confirmed in their decision to purchase the product advertised and obtain arguments they can use to convince other customers. The set attitudes of the competitor’s customers (“expensive image”) can be countered with comparative advertising. The market leader in the German mobile communications market combines price and performance advertising and thus also an association strategy (price) with a differentiation strategy (performance). In a reactive comparative advertisement, the market leader can present a humorous advertising message, demonstrating a calm and collected approach in its dealings with competitors. Preference should be given to print media, which appears particularly credible, can relate to a current situation and enables consumers to determine for themselves how to process complex information. Comparative advertising that is presented in an edited or informative context in “reply” to specific advertising campaigns of competitors appears to be a particularly promising approach for the market leader to take. An expert survey is used to conduct the empirical investigation of the postulated hypothesis. The experts agree to a very large extent with the research findings of this thesis. This especially applies with regard to the finding that the market leader’s comparative advertising needs to be credible. Experts feel that the “idea” conveyed by the advertising message is also of crucial importance in the case of the market leader’s comparative advertising and point out the need to take the competitive environment into account. This investigation supports this opinion: Sweeping statements, such as the premise that comparative advertising is a "marketing communication strategy for the underdog", should be avoided, since there is no such thing as the market leader or the comparative ad, as clearly exemplified by the mobile communications market. In fact, by not using comparative advertising, the market leader would fail to take advantage of an important tool for pointing out the edge he has over competitors. He nevertheless runs greater risks than a newcomer, since he could damage his
- XIV reputation by becoming involved in advertising duels. The market leader is generally firmly entrenched in the minds of the consumers, who have had a lot of experience with his brand. He therefore benefits from the fact that he is well-known and attracts consumers’ attention. The comparative advertising goals pursued by the market leader will thus differ from those of small, unknown market players, whose goals can often be described as "twisting the tiger's tail". The market leader’s comparative advertising is suitable for highlighting his good image and repositioning his brand. Nevertheless, the market leader still faces set consumer attitudes and preferences. As a consequence, his comparative advertising must be convincing and thus (also) informative. Credibility is the most important success factor for his comparative advertising. The market leader should therefore take both components of credibility into account in his comparative advertising by emphasizing his competence while at the same time counteracting any doubts about his trustworthiness. Moreover, the market leader’s comparative advertising must be interesting since consumers are very familiar with the brand and therefore less inclined to give it any thought. Humor appears to be very promising in this case, especially since it imparts a sense of “lightness” instead of “fierceness” to advertising duels. With comparative advertising that is not only credible, but also interesting and informative, the market leader can combine information and animation benefits for consumers. The form and content of the advertising message in the comparative ad is always determined by taking into account the market leader’s positioning (price leader or top-quality brand), his specific situation (for example, “good or tarnished image”) and the competitive context in each particular case.
1
Einleitung
Vergleichende Werbung gilt – nicht nur Deutschland – als ambivalentes Kommunikationsinstrument. Besonders für den Marktführer scheint sie mehr Risiken zu beinhalten, als Chancen zu bieten. Im deutschen Mobilfunkmarkt ist vergleichende Werbung inzwischen ein etabliertes Instrument, das im Rahmen zahlreicher Werbeduelle sowie erwiderungsloser Einzelmaßnahmen zur pointierten Darstellung von Preisund Leistungsvorteilen gegenüber Mitbewerbern eingesetzt wird. Im Folgenden werden zunächst die Problemstellung und der Stand der Forschung erläutert. Danach werden die Ergebnisse einer explorativen Voruntersuchung vorgestellt, bevor die Zielsetzung der Arbeit dargelegt wird. Abschließend werden die Forschungsmethodik und der Gang der Untersuchung aufgezeigt.
-21.1
Einführung in die Problemstellung
Diese Einführung stellt zunächst die Ausgangslage anhand von zwei Beispielen dar, bevor die Forschungsschnittstellen skizziert werden, an denen die Untersuchung anzusiedeln ist. Anschließend werden zwei Thesen vorgestellt, die die einschlägige Literatur beherrschen.
1.1.1
Ausgangslage
1998 startete MobilCom ein Werbeduell mit der Deutschen Telekom. In einer Printanzeige1 in den Farben der Deutschen Telekom (magenta, grau, weiß) hieß es: "Kein Sehfehler. Die günstige Vorwahl für Telekom-Kunden 01019." Die Verbraucher wurden durch einen Coupon aufgefordert, ihren Anschluss von der Deutschen Telekom auf MobilCom umzustellen. Viele Konsumenten füllten damals diesen Coupon aus, in der Annahme, es handle sich um ein Angebot der Deutschen Telekom. Diese reagierte in einer Gegenanzeige: "Vorsicht, Falle! Heute von MobilCom getäuscht, morgen enttäuscht." 2 Die Antwort von MobilCom folgte prompt: "Aua, das tut weh, liebe Telekom: Wir lassen die Luft aus Euren Preisen." 3 Die Deutsche Telekom konterte mit einem Preisvergleich: "Drei Minuten Nahbereich können bei MobilCom ein kleines Vermögen kosten. Bei Telekom nicht." Dieses Werbeduell wurde hauptsächlich in den Printmedien geführt; es wurden aber auch Spots im Fernsehen geschaltet. So imitierte MobilCom in einem Werbespot den damaligen Werbeprominenten der Deutschen Telekom, Manfred Krug, woraufhin die Deutsche Telekom in einem Spot von "MogelCom" sprach.4 Ebenso überraschend und schnell, wie die lediglich rund einwöchige Werbeschlacht in den Medien begann, war sie auch wieder vorbei – und es folgten die Diskussionen über die Chancen und Risiken dieser Werbemaßnahme. Relativ einhellig wurde die Deutsche Telekom zum Verlierer des Werbeduelles erklärt: "Die Telekom hat durch die Verwendung vergleichender Werbung ihrem Konkurrenten MobilCom 'Gratiswerbung' und hohe Bekanntheitsgrade verschafft." 5 Der damalige MobilCom-Chef 1
FOCUS, 19.10.1998 FAZ, 21.10.1998 3 FAZ, 26.10.1998 4 Vgl. o.V. (1998), S. 4 5 Wiltinger (2002), S. 273 2
-3Schmid triumphierte: "Wir haben nicht zu hoffen gewagt, dass die Telekom Millionen investieren würde, um unseren Bekanntheitsgrad auf über 90 Prozent zu steigern." 6 Allerdings bestand für beide Unternehmen die Gefahr, dass die Verbraucher eher desinteressiert reagieren würden, da die Auseinandersetzung für sie keinen direkten Nutzen versprach.7 Thematisiert wurde diese "Beschäftigung der Unternehmen mit sich selbst" durch den direkten Wettbewerber Talkline ("Telekom und MobilCom streiten sich seit einer Woche. Wenn Sie wollen, kümmern wir uns um Sie" 8). Auch Anbieter anderer Produkte machten sich das Werbeduell zunutze. So hieß es in einer Werbeanzeige für einen Tarifmanager: "Wen interessiert's schon, ob MobilCom oder Telekom billiger ist?" 9 Nach diesem "Schlagabtausch" herrschte im Telekommunikationssektor lange Zeit "Funkstille" in Bezug auf vergleichende Werbung, bis es im Dezember 2005 erneut zu einem Werbeduell kam. Schauplatz war diesmal der Mobilfunksektor: Die Anzeige des Lebensmitteldiscounters ALDI ("Wer günstig spricht, spricht ALDI" ) konterte T-Mobile umgehend mit dem Slogan: "Bestnetzgünstig statt discountteuer." 10 Die beiden skizzierten Werbeduelle deuten darauf hin, dass vergleichende Werbung im deutschen Telekommunikationsmarkt nicht als kontinuierliches Werbeelement genutzt wird, sondern offensichtlich ein taktisches Instrument ist, das die herkömmliche Werbung – auch die des Marktführers – lediglich eher punktuell ergänzen soll.
1.1.2
Forschungsschnittstellen
Die Thematik der vorliegenden Untersuchung ist an der Schnittstelle zwischen zwei hochaktuellen und dynamischen Forschungsbereichen angesiedelt: Recht des unlauteren Wettbewerbes und Telekommunikationsmarketing. Recht des unlauteren Wettbewerbes: Vergleichende Werbung, reglementiert durch die in § 6 des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) normierten Zulässigkeitsvoraussetzungen, ist nicht nur eines der wichtigsten Themen des Wettbe-
6
Vgl. Weißenberg (1999) Vgl. Köhler (1999), S. 159 8 FAZ, 23.10.1998 9 FAZ, 28.10.1998 10 FAZ, 10.12.2005 (vgl. Anhang 1) 7
-4werbsrechtes,11 sondern auch eines der umstrittensten. Hartwich bezeichnet die Zulässigkeit der vergleichenden Werbung sogar als "Gretchenfrage" und begründet: "In ihrer Beantwortung spiegeln sich die Grundentscheidungen des Wettbewerbsrechts wider, nämlich wer oder was auf welche Art und Weise und in welchem Umfang geschützt wird. In der Behandlung der vergleichenden Werbung zeigt sich, welche Prioritäten in einem Wettbewerbsrecht gesetzt sind: der Schutz des angegriffenen Konkurrenten, des Verbrauchers oder die Förderung der Wettbewerbsfunktionen." 12 Diese Aussage macht deutlich, dass die wesentliche Grundlage der Ermittlung von Erfolgsdeterminanten vergleichender Werbung die klare Abgrenzung der Interessenslagen von Verbrauchern und werbenden beziehungsweise konkurrierenden Unternehmen ist, wobei gleichzeitig auch stets die gesamtwirtschaftlichen Aspekte zu berücksichtigen sind.13 Romano weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass die Rollenverteilung zwischen den Akteuren keineswegs starr ist: "… it must be noted that the competitor is also sometimes the advertiser (and vice versa) and so each has a dual interest." 14 Die folgende Abbildung verdeutlicht das Spannungsfeld noch einmal grafisch (vgl. Abbildung 1).
11
Vgl. Rudlowski (1993), S. 1 Hartwich (2004), S. 406 13 Vgl. Kapitel 3.2.5 14 Romano (2005), S. 373 12
-5-
gesamtwirtschaftliche Aspekte (Markttransparenz, Wettbewerbsintensität)
keine Aufwertung
der Wettbewerber
wahre, (produkt)relevante Informationen
Beschränkung vergleichender
eigener Einsatz (aktiv
Wettbewerber
vergleichende Werbung im Spannungsfeld divergierender Interessen
werbetreibende Unternehmen
oder reaktiv) vergleichender Werbung
Werbung
Verbraucher
wahre, (produkt)relevante Informationen ungehinderter Einsatz vergleichender Werbung
rechtliche Rahmenbedingungen
(insbesondere § 6 UWG)
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 1: Spannungsfeld divergierender Interessen •
Telekommunikationsmarketing: Die Telekommunikationsbranche, insbesondere der Mobilfunksektor, ist durch besondere Dynamik gekennzeichnet. Während 1992 erst rund ein Prozent der Deutschen ein Handy besaß, liegt die Marktpenetration heute bei über hundert Prozent. Die Mobilfunkpreise fielen dabei im Jahresverlauf 2006 um knapp elf Prozent, und der Mobilfunk verliert nicht zuletzt aufgrund des Markteintrittes diverser Discount-Anbieter allmählich sein "TeuerImage".15 Der hohe Preisdruck korreliert mit den Werbeaufwendungen, die im ersten Halbjahr 2006 um 36 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum gestiegen sind.16 Allein der Mobilfunkbetreiber E-Plus gab 2005 bereits 63,3 Millionen Euro brutto für klassische Werbung aus.17 Turgeon zufolge ist dabei auf Märkten, die durch einen hohen Werbungswettbewerb gekennzeichnet sind, was
15
Vgl. Dirks (2007), S. 63 Vgl. Axel Springer (2006b) 17 Vgl. App (2006a) 16
-6beim Telekommunikationsmarkt zweifellos der Fall ist, vergleichende Werbung für den Marktführer in Vergeltungssituationen durchaus Erfolg versprechend.18
1.1.3
Literaturthesen
Wer die (betriebswirtschaftliche) Literatur zum Thema vergleichende Werbung untersucht, stößt dabei regelmäßig auf zwei Thesen, die kaum oder gar nicht belegt werden, aber stets als nahezu "unumstößliche" Tatsachen präsentiert werden. Die erste These lautet:
Vergleichende Werbung birgt mehr Risiken als Chancen und ist für den Marktführer grundsätzlich ungeeignet. In der einschlägigen Literatur 19 wird diese These geradezu "gebetsmühlenartig" wiederholt: "It is conventional wisdom that comparative advertising should not be used by a brand that already dominates its competitors." 20 Varlam fasst die in der Literatur, aber auch in der Werbepraxis geäußerten Vorbehalte gegen den Einsatz vergleichender Werbung durch den Marktführer zusammen, indem sie erklärt, "dass Verbraucher den Einsatz vergleichender Werbung durch kleinere Anbieter und Newcomer interessant und informativ finden, vergleichende Werbung durch große Anbieter aber eher als unfair und aggressiv ablehnen." 21 KNSK et al. stellen kategorisch fest: "Vergleichende Werbung ist grundsätzlich ein Instrument, das aus der Position des Davids den im Markt stärkeren Goliath angreift." 22 Im Rahmen dieser Untersuchung wird zu prüfen sein, ob derartige Pauschalurteile, insbesondere der Marktführer könne durch vergleichende Werbung sein Image beim Konsumenten schädigen, aber kaum "Pluspunkte" für sich verbuchen, gerechtfertigt sind oder ob – bei Berücksichtigung bestimmter Gestaltungselemente und Ansprache bestimmter Zielgruppen – nicht auch beträchtliche Chancen in diesem Instrument verborgen liegen. Zu untersuchen ist in diesem Zusammenhang zum Beispiel, ob T-Mobile, 18
Vgl. Turgeon (1989), S.154 Vgl. u.a. Saponjic (2005), S. 77; Varlam (2000), S. 54; Rudlowski (1993), S. 204; Gloy/Bruhn (1998), S. 227 20 Pechmann/Stewart (1990), S. 184 21 Varlam (2000), S. 185 22 KNSK et al. (1998) 19
-7nach Kundenzahlen die Nummer eins im deutschen Mobilfunkmarkt, von den Konsumenten als "marktführend" wahrgenommen wird, und welche qualitativen und quantitativen Dimensionen Marktführerschaft aufweist. Haedrich/Jenner betonen in diesem Zusammenhang, dass strategische Erfolgsfaktoren nicht auf objektiv gegebenen, sondern auf vom Verbraucher subjektiv wahrgenommenen Positionierungsvorteilen aufbauen.23 Des Weiteren ist zu prüfen, in welchem Wettbewerbsumfeld sich das marktführende Unternehmen befindet, das heißt, mit welchen Wettbewerbern es tatsächlich in Konkurrenz tritt. So dürfte sich T-Mobile im Rahmen des Werbeduelles mit dem Lebensmitteldiscounter ALDI keineswegs mit einem "kleineren" beziehungsweise "schwächeren" Wettbewerber vergleichen. Wilkie/Farris weisen in diesem Zusammenhang darauf hin, dass der angesprochene Verbraucherkreis durch die Nennung der Wettbewerbermarke eher vergrößert wird,24 was für den Marktführer ein weiterer positiver Werbeeffekt wäre: Ausdehnung des Adressatenkreises auf die Kunden des Lebensmitteldiscounters. Zweifellos kann mit Köhler festgestellt werden, dass es sich bei vergleichender Werbung um ein "äußerst sensibel anzuwendendes Instrument" 25 handelt, und dass sein Einsatz durch den Marktführer besonderen Erfolgsbedingungen unterliegt. Auch Varlam betont: "… das Instrument wird als sehr sensibel eingestuft, das, wenn es 'falsch' eingesetzt wird, dem Unternehmen mehr schadet als nützt. Deshalb wird vergleichende Werbung nur nach eingehender Prüfung der zu erwartenden Verbraucherwirkung und der möglichen Folgen einer Konkurrenzreaktion eingesetzt." 26 Dieser Einschätzung ist grundsätzlich zuzustimmen, sie dürfte allerdings auch für konventionelle Werbeinstrumente gelten. Die zweite These lautet:
Bis zur Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG in deutsches Recht im Jahr 2000 wurde das Instrument der vergleichenden Werbung in Deutschland allein aufgrund wettbewerbsrechtlicher Restriktionen nicht beziehungsweise kaum eingesetzt.27 So erklärt Tscheulin, dass es auf die Auslegung im Einzelfall ankam. Dies gilt aber nach wie vor, auch im Rahmen des neuen § 6 UWG. Außerdem stellte vergleichende 23
Vgl. Haedrich/Jenner (1996), S. 16 Vgl. Wilkie/Farris (1975) 25 Köhler (1999), S. 159 26 Varlam (2000), S. 190 27 Vgl. Rennhak (2001), S. 1 24
-8Werbung ihm zufolge für die Werbepraxis ein riskantes Instrument dar: "… wer eine Werbekampagne startete, scheute aus nachvollziehbaren Gründen das Risiko, sich vom Konkurrenten einstweilige Verfügungen oder gar Klagen einzuhandeln, selbst wenn er gute Aussichten hatte, einen anstehenden Rechtsstreit positiv zu beenden." 28 Dem ist zunächst entgegenzuhalten, dass von vielen Unternehmen sowohl einstweilige Verfügungen als auch Klagen und deren finanzielle Folgen durchaus "einkalkuliert" werden,29 und Niederlagen in juristischen Auseinandersetzungen und Werbeerfolg sich nicht ausschließen. Darauf weist auch Dianoux hin: "Notons que le succès d'une campagne reste compatible avec une condamnation judiciaire. Jartran par exemple, avait obtenu le Golden Effie de l'American Marketing Association pour l'efficacité de sa campagne comparant ses prix de location, la qualité de l'équipement et l'efficacité du service. Plus tard la société a été condamnée à verser un dédommagement de $ 40 millions à U-Haul pour l'utilisation de données fausses." 30 Dass vom Wettbewerber beanstandete vergleichende Werbung sogar umgehend wieder für Werbezwecke genutzt wird, zeigt eine Werbekampagne des Kabelanbieters Ish, der erklärt: "Die Deutsche Telekom fand unseren Vergleich unlauter. Deshalb müssen Sie vorübergehend selbst vergleichen." 31 Entscheidend ist jedenfalls das Urteil der Verbraucher, wie KNSK et al. feststellen: "Der in der Auseinandersetzung mit dem Konkurrenten Überlegene hat nicht automatisch die Gunst des Konsumenten gewonnen, wie auch der Unterlegene sie nicht unbedingt verloren haben muss." 32 Darüber hinaus hat sich die Rechtslage für die werbenden Unternehmen durch die Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG in deutsches Recht im Jahr 2000 keineswegs grundlegend geändert. So betont auch Berlit, dass das neue Gesetz vergleichende Werbung nicht unbeschränkt zulässt, "sondern vielmehr durch seine umfassende Regelung zu einer in weiten Teilen zwar nicht stärkeren Reglementierung, jedoch auch nicht zu der erhofften Liberalisierung geführt hat." 33 Die Behauptung, die Rechtslage vor dem Jahr 2000 habe den Einsatz vergleichender Werbung "auf breiter Front" verhindert, greift daher zu kurz und ist auch durch die Werbepraxis nicht zu belegen. Da auch die gelockerten rechtlichen Rahmenbedingungen
28
Vgl. Tscheulin (1999), S. 553 Vgl. Cochoy/Canu (2006), S. 101 30 Dianoux (1999), S. 21 31 Flyer von Ish, November 2006 32 Vgl. KNSK et al. (1998) 33 Berlit (2002), Vorwort 29
-9keineswegs zu einem massiven Einsatz vergleichender Werbung geführt haben,34 gilt diese offensichtlich bei den Werbetreibenden unabhängig von wettbewerbsrechtlichen Restriktionen als ein mit Vorsicht einzusetzendes Instrument, dessen Chancen und Risiken detailliert im Einzelfall geprüft werden müssen.
1.2
Stand der Wissenschaft
In den USA findet man zahlreiche Untersuchungen zur vergleichenden Werbung,35 unter anderem, weil diese dort schon immer grundsätzlich erlaubt war,36 wenn auch strenge Selbstregulierungsinstrumente der Werbewirtschaft bestehen.37 Darüber hinaus fordern staatliche Einrichtungen, wie die Federal Trade Commission (FTC), sogar ausdrücklich38 zu expliziten Werbevergleichen auf.39 Allerdings sind diese amerikanischen Studien nicht nur zum großen Teil veraltet, sondern beziehen sich auch auf den amerikanischen Verbraucher, so dass Schlüsse auf aktuelles Verhalten deutscher Verbraucher kaum möglich sind.40 Darauf weisen auch Schwaiger/ Rennhak hin: "Die kulturellen Differenzen zwischen den USA und Deutschland sollten ebenso wie das unterschiedliche Mediennutzungsverhalten nicht unberücksichtigt bleiben." 41 In Deutschland muss dagegen zwischen den betriebswirtschaftlichen und den juristischen Forschungsarbeiten zur vergleichenden Werbung unterschieden werden. Dabei ist trotz Überschneidungen der Forschungsfelder von Marketing und Recht in Bezug auf die Planung und Durchführung einer Werbestrategie42 ein mangelnder Wissenstransfer zwischen beiden Forschungsrichtungen festzustellen, wie unter anderem bereits Rudlowski43 kritisiert. Vergleichende Werbung ist in der Rechtswissenschaft ein bevorzugtes Forschungsfeld. Die Studien hierzu lassen sich danach unterteilen, ob sie die nationale44 oder
34
Vgl. Saponjic (2005), S. 40 ff. Vgl. Varlam (2000), S. 210 ff. 36 Vgl. Pechmann/Esteban (1994), S. 404 37 Vgl. Wiltinger (2002), S. 59 f. 38 Vgl. Pechmann/Esteban (1994), S. 404 39 Vgl. Kapitel 3.2.3.5 40 Vgl. Kapitel 3.2.5.3 41 Schwaiger/Rennhak (2002), S. 24 42 Vgl. Kilian (1995), S. 54 43 Vgl. Rudlowski (1993), S. 5 44 U.a. Buck-Freytag (2002) 35
- 10 die europäische45 Rechtslage untersuchen beziehungsweise einen internationalen Rechtsvergleich46 durchführen. Die betriebswirtschaftliche Forschung zur vergleichenden Werbung befindet sich dagegen noch in den Anfängen. An dieser Stelle sei betont, dass vergleichende Werbung, auch nach der Lockerung der rechtlichen Rahmenbedingungen, keineswegs "auf breiter Front" eingesetzt wird. Die zahlreichen (zumeist amerikanischen) Forschungsergebnisse sorgen in Bezug auf Vergleichbarkeit eher für Ratlosigkeit und bergen die Gefahr von Pauschalurteilen: "Wo die Unsicherheit groß ist, greift man unter Umständen nach jedem Strohhalm." 47 Die Untersuchungen zeigen aber zumindest Tendenzen auf: So lassen sich eindeutig positive Auswirkungen unter anderem auf die Aufmerksamkeit und die Informationsverarbeitung sowie mehrheitlich positive Auswirkungen unter anderem auf die Produktpositionierung feststellen. Eindeutig negative Wirkungen wurden insbesondere in Bezug auf die Glaubwürdigkeit konstatiert.48 Es liegen zwar zahlreiche, hauptsächlich juristische, aber auch betriebswirtschaftliche Forschungsarbeiten zur vergleichenden Werbung vor, es fehlt allerdings ein Ansatz, der beide Forschungsrichtungen miteinander zu verbinden vermag: Zunächst muss anhand der aktuellen Rechtslage geprüft werden, wie ein Unternehmen vergleichend werben darf, bevor zu untersuchen ist, in welchen Wettbewerbssituationen und in welcher (Gestaltungs-)Form ein Unternehmen Erfolg versprechend vergleichende Werbung einsetzen sollte. Dabei erscheint ein allgemeiner Ansatz wenig zielführend, sondern es muss eher ein produkt- beziehungsweise branchenspezifischer Ansatz verfolgt werden. Diese Forderung erhebt schon Wiltinger: "Es liegen zwar bereits einige Studien zur Werbewirkung vergleichender Werbung in unterschiedlichen Produktkategorien vor, diese Studien zeichnen sich jedoch durch sehr große Widersprüche aus. Letztlich kann auf Basis dieser Studien keine sinnvolle Aussage getroffen werden, für welche Produktkategorie sich der Einsatz vergleichender Werbung besonders lohnt. Zudem sollte die Produktkategorie nicht als 'Black Box' behandelt werden, wie dies in den vergangenen Studien der Fall war, sondern es sollten Einsichten gewonnen werden, welche Eigenschaften einer Produktkategorie für die Eignung vergleichender Werbung entscheidend sind." 49 Ein 45
U.a. Gülbay (1997) U.a. Kebbedies (2005), Heister (2004), Somarriello (2002) 47 Nerdinger (1990), S. 96 48 Vgl. Wiltinger (2002), S. 293 49 Vgl. Wiltinger (2002), S. 296 46
- 11 solcher Ansatz wird hier mit dem Produkt Mobilfunk und der spezifischen Wettbewerbssituation der Marktführerschaft erstmals gewählt, so dass eine entsprechende Forschungslücke damit geschlossen werden kann.
1.3
Explorative Voruntersuchung
Im Rahmen einer explorativen Voruntersuchung werden Experten zur Rechtslage in Bezug auf vergleichende Werbung sowie zu den Chancen und Risiken ihrer Anwendung durch den Marktführer im deutschen Mobilfunk befragt. Anschließend erfolgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse.
1.3.1
Fragestellungen
Die Befragung von Experten aus Praxis und Wissenschaft mit Expertise in den Bereichen Telekommunikation(smarketing) und Wettbewerbsrecht erfolgte im Frühjahr 2006 in Form von mündlichen unstrukturierten Einzelinterviews auf der Grundlage folgender Aspekte: •
Wie sieht die derzeitige Rechtslage in Bezug auf vergleichende Werbung aus?
•
Ist aufgrund der derzeitigen Rechtslage der Einsatz vergleichender Werbung mit Risiken behaftet? Wenn ja, mit welchen?
•
Wie groß ist das Erfolgspotenzial vergleichender Werbung auf dem deutschen Mobilfunkmarkt, insbesondere für den Marktführer?
•
Ist eine Analyse der Erfolgsfaktoren sinnvoll?
•
Welche Zielrichtung sollte mit vergleichender Werbung verfolgt werden? (Preis-, Produkt- beziehungsweise Imagewerbung?)
•
Welche weiteren Aspekte sollten bei der Untersuchung berücksichtigt werden?
Die folgende Abbildung gibt einen Überblick über die befragten Experten (vgl. Abbildung 2).
- 12 Name
Funktion
Thomas Berlemann
Geschäftsführer Kundenservice T-Mobile Deutschland
Prof. Dr. Sascha Götte
Inhaber des Lehrstuhls für Marketing an der Hochschule Luzern, Experte für Marketing im Telekommunikationssektor, langjährige Führungskraft in der Telekommunikationsbranche
Antje Hundhausen
Leiterin Marketingstrategie und Werbung Konzern, Deutsche Telekom AG
Prof. Dr. Rolf Sack
Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Handels- und Wirtschaftsrecht, Rechtsvergleichung und Internationales Privatrecht an der Universität Mannheim
Abbildung 2: Expertenübersicht der explorativen Voruntersuchung
1.3.2
Ergebnisse
In den Expertengesprächen wurde die bereits erwähnte Diskrepanz zwischen juristischer und betriebswissenschaftlicher Forschung deutlich. In Zusammenhang mit dem § 3 des UWG sehen die Experten zwei Unsicherheiten für die Werbetreibenden: •
Wann beginnt "Irreführung"? Auch wahre Angaben, die irreführend sind, sind unter Umständen rechtswidrig.50
•
Wo beginnt "Herabsetzung"? Die Herabsetzung muss deutlich sein, das heißt, sie muss pauschal erfolgen.
Die Möglichkeiten, die § 6 UWG bietet, werden nach Aussagen der Experten tatsächlich kaum genutzt, allerdings nicht aus juristischen, sondern aus marktpsychologischen Gründen. Sie weisen hier vor allem auf die Gefahr des "Bumerang-Effektes" hin. Vergleichende Werbung könne negative Wirkungen beim Konsumenten hervorrufen, insbesondere, wenn sie durch den Marktführer eingesetzt werde, und der "angegriffene" Konkurrent erhalte eine Plattform, um "zurückzuschlagen". Empfehlenswert sei daher, das Instrument der vergleichenden Werbung – wenn überhaupt – reaktiv, also nach entsprechenden Wettbewerberaktionen, einzusetzen, es aber grundsätzlich nicht aktiv zu verwenden. Darüber hinaus sei der eher abstrakten vor der identifizierenden vergleichenden Werbung Vorzug einzuräumen, die Übergänge seien allerdings fließend. Aggressive vergleichende Werbung müsse der
50
Vgl. Fröndhoff (2004)
- 13 Marktführer jedenfalls vermeiden. Bei der werblichen Ansprache sei zwischen Privatkunden und Geschäftskunden zu unterscheiden. Thematisch solle der Marktführer die Elemente "Qualität", "Service" und "Endgerätekompetenz" in den Vordergrund rücken. Auch der Preis müsse in der vergleichenden Werbung eine Rolle spielen. Für Imagewerbung sei vergleichende Werbung dagegen ungeeignet, da ein echter Vergleich nicht hergestellt werden könne und hier auch nicht erwünscht sei. Die Ermittlung von Erfolgsfaktoren wird als wichtig erachtet, da vergleichende Werbung, insbesondere die des Marktführers, ein heikles Instrument sei. Den Experten zufolge ist dieses Instrument im Wettbewerb in bestimmten (Vergeltungs-) Situationen auch für den Marktführer unverzichtbar, könne aber bei falschem Einsatz zu negativen und kurzfristig kaum zu behebenden Imageschäden führen. Die Erkenntnisse aus den Expertengesprächen lassen sich wie folgt zusammenfassen: Die Einsatzmöglichkeiten vergleichender Werbung sind in juristischer Hinsicht klar geregelt. Fehlende Rechtssicherheit behindert die Nutzung dieses Werbeinstrumentes nicht. Der Einsatz vergleichender Werbung durch den Marktführer ist mit Risiken verbunden. Empfohlen wird in dem Fall eher eine reaktive Strategie.
1.4
Zielsetzung der Arbeit
Vor dem Hintergrund dieser Problemstellung ist es primäres Ziel dieser Arbeit, am Beispiel des Mobilfunkmarktes aufzuzeigen, wie ein Marktführer das Instrument der vergleichenden Werbung unter Berücksichtigung bestimmter Erfolgsfaktoren sowie der gesetzlichen Rahmenbedingungen Erfolg versprechend einsetzen sollte. Während in bisherigen Studien die Chancen, wie stärkere Aufmerksamkeit und höherer Informationsgehalt, sowie die Risiken, wie Widerspruch zur deutschen Werbekultur, Verwirrung der Verbraucher und mangelnde Glaubwürdigkeit, nur plakativ beziehungsweise verallgemeinernd dargestellt worden sind, erfolgt hier erstmals eine Konkretisierung und Differenzierung durch einen produkt- und branchenspezifischen Ansatz.
"Wer es versteht, durch souveräne Markenpolitik ein so eigenständiges Profil aufzubauen, dass sich Anspielungen 'mit dem Holzhammer' von selbst erübrigen, braucht
- 14 vergleichende Werbung nicht." 51 Dieser in der Literatur häufig vertretenen Ansicht kann in ihrer die Markenpolitik idealisierenden und die Werberealität negierenden Absolutheit nicht gefolgt werden. Vergleichende Werbung trägt vielmehr dazu bei, das von Köhler geforderte eigenständige Profil fokussiert darzustellen und abzugrenzen. Mayer/Siebeck weisen zu Recht darauf hin, dass es auf die Frage, ob vergleichende Werbung effektiv ist, keine allgemeingültige Antwort geben kann, sondern nur die Aussage möglich ist, "es hängt davon ab… " 52 Wovon die Effektivität vergleichender Werbung für den Marktführer im Mobilfunk abhängt, soll in dieser Untersuchung im Rahmen einer Erfolgsfaktorenforschung herausgearbeitet werden.
1.5
Forschungsmethodik
Die Wurzeln der Erfolgsfaktorenforschung, die als Forschungsmethodik dieser Untersuchung zugrunde liegt, reichen in die 60er Jahre zurück, eine Intensivierung im deutschsprachigen Raum erfolgte seit Mitte der 80er Jahre.53 Ihr Ziel ist die Ermittlung von Determinanten, die den Erfolg beziehungsweise Misserfolg eines Unternehmens langfristig beeinflussen. Damit sollen praktisch-normative Aussagen getroffen werden. In Zusammenhang mit der Analyse des Unternehmenserfolges wird auch von strategischen Schlüsselfaktoren, strategischen Erfolgspositionen, Erfolgsdeterminanten beziehungsweise kritischen Erfolgsfaktoren gesprochen.54 Im Rahmen dieser Untersuchung werden die Begriffe Erfolgsfaktoren und Erfolgsdeterminanten synonym verwendet. Was aber bedeutet "Erfolg"? Der Begriff muss durch geeignete Messgrößen operationalisierbar gemacht werden. Als Operationalisierung bezeichnet man die empirische Verankerung theoretischer Begriffe, das heißt die Zuordnung direkt beobachtbarer Gegenstände oder Handlungen zu einem nicht direkt beobachtbaren Sachverhalt, dessen Merkmale vorab festgelegt wurden.55 Diese Variablen können sowohl interne (unternehmensbezogene) und damit vom Unternehmen beeinflussbare, als auch externe (umweltbezogene) und damit vom Unternehmen nicht beziehungsweise kaum beeinflussbare Größen sein, so dass auch von instrumentalen beziehungsweise nicht-instrumentalen Erfolgsfaktoren 51
Köhler (1999), S. 159 Mayer/Siebeck (1997), S. 436 53 Vgl. Schröder (1994), S. 89 54 Vgl. Müller-Hagedorn/Greune (1992), S. 122 55 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (1996), S. 29 52
- 15 gesprochen wird.56 Beide sollen im Rahmen dieser Studie untersucht werden. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten einer Erfolgsfaktorenforschung (vgl. Abbildung 3). Vorhandene Ergebnisse der Erfolgsfaktorenforschung lassen sich aus mehreren Gründen nicht auf die Situation im Mobilfunksektor übertragen: 1. Erfolgsfaktoren müssen zumindest branchenspezifisch untersucht werden. Müller/ Hagedorn zufolge kann es keinen branchenübergreifenden, für alle Unternehmen gültigen Katalog von Erfolgsfaktoren geben,57 und auch Haedrich/Jenner betonen, dass in verschiedenen Branchen unterschiedliche Erfolgsfaktoren von Bedeutung sind.58 Es gibt zwar zahlreiche Untersuchungen, aber nur wenige wissenschaftliche Studien, die den Mobilfunkmarkt untersuchen. Eine Ausnahme bildet unter anderem Neudorfer,59 der allerdings allgemeine Mobilfunk-Geschäftsmodelle analysiert. 2. Mobilfunk ist ein sehr dynamischer Markt, die Erfolgsfaktoren ändern sich ständig. Rams sah beispielsweise noch die Rufnummer als entscheidende Wechselbarriere im Mobilfunk an.60 Im November 2002 wurde allerdings die Rufnummernportabilität eingeführt,61 die inzwischen Standard und damit zum Hygienefaktor geworden ist. Zur Veranschaulichung der Marktdynamik sei hier auf das oben bereits erwähnte Werbeduell zwischen dem Lebensmitteldiscounter ALDI und T-Mobile im Dezember 2005 verwiesen: Der Lebensmitteldiscounter wird plötzlich zum Mitbewerber für T-Mobile und muss in die Wettbewerbsanalyse miteinbezogen werden. Daher lässt sich mit Schröder feststellen: "Es ist wenig plausibel, dass dieselben Erfolgsfaktoren … für sehr unterschiedliche Wettbewerbskonstellationen gelten sollen." 62
56
Vgl. Grünig et al. (1996), S. 4 f. Vgl. Müller/Hagedorn (1992), S. 124 58 Vgl. Haedrich/Jenner (1996), S. 15 59 Vgl. Neudorfer (2004) 60 Vgl. Rams (2001), S. 165 61 Vgl. Knauer (2003), S. 677 f. 62 Schröder (1994), S. 96 57
- 16 -
Gestaltung der Erfolgsfaktorenforschung Festlegung Untersuchungsgegenstand
●
unternehmensbezogene Variablen
●
umweltbezogene Variablen
Beeinflussungsmöglichkeiten des Unternehmens
Interne/externe Betrachtung
- Mikroumwelt - Makroumwelt
allgemeine Erfolgsdeterminanten
●
●
unternehmensspezifische Erfolgsdeterminanten
●
kundenspezifische Erfolgsdeterminanten
●
...
Spezifität der Determinanten
markt- oder branchenspezifische Erfolgsdeterminanten
●
Übertragbarkeit der Ergebnisse
Geltungsbereich
Datenerhebung Datenermittlung ●
●
direkt (in der Regel Expertenbefragung) indirekt (statistische Verfahren oder gedankliche Analyse) Vorgehensweise
●
●
qualitative Untersuchung (Beschreibung und Verallgemeinerung von Unternehmensgrundsätzen) quantitative Untersuchung (zahlenbasierte Analyse von Leistungsstrukturen und -elementen)
nicht möglich
●
methodisch und/oder materiell gestützt
konfirmatorisch (Bestätigung / Falsifikation von Hypothesen auf Grund empirischer Untersuchungen)
Anzahl der Variablen Abhängigkeit von Ergebnissen früherer Untersuchungen
●
explorativ (Identifizierung erfolgversprechender aus Vielzahl möglicherweise erfolgsrelevanter Variablen, Beispiel PIMS-Studie)
Kausalstrukturen
●
überprüfen
Analysemethode
entdecken
Datenanalyse
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 3: Gestaltungsmöglichkeiten einer Erfolgsfaktorenforschung
- 17 3. Erfolgsfaktoren sollten, wenn möglich, unternehmensspezifisch untersucht werden, da auf dieser Ebene diejenigen Positionen aufgebaut werden, die eine Differenzierung vom relevanten Wettbewerb ermöglichen.63 Als Beispiel sei auf Haedrich/Jenner verwiesen, die folgende Erfolgsparameter untersuchen: Design, Produktimage, Preis, Produktqualität, Service und Vertrieb (im Sinne von Verfügbarkeit).64 In der Literatur werden übereinstimmend drei Anforderungen genannt, die ein Wettbewerbsvorteil im Sinne eines "strategischen Erfolgsfaktors" erfüllen muss: Zum einen ist er die Grundlage für den Aufbau einer Alleinstellung (Unique Selling Proposition), die voraussetzt, dass die eigenen Stärken die Schwächen der Wettbewerber sind. Darüber hinaus erfüllt der Wettbewerbsvorteil spezifische Konsumentenbedürfnisse, das heißt, er bietet der Zielgruppe einen relevanten Nutzenvorteil. Schließlich nutzt er genau die spezifischen Fähigkeiten und Ressourcen, die für die Wettbewerber nicht oder kaum imitierbar sind.65 Die strategischen Erfolgsfaktoren bauen nicht auf objektiv vorhandenen, sondern auf vom Verbraucher subjektiv wahrgenommenen Positionierungsvorteilen auf.66 Dieser Unterscheidung wird in der vorliegenden Untersuchung durch die Analyse von Marktführerschaft und Marktpositionierung Rechnung getragen. Die auf Basis der Spezifika des Mobilfunkmarktes und -produktes und mit Hilfe konzeptioneller und theoretischer Grundlagen gewonnenen Erkenntnisse münden in Forschungshypothesen, die anschließend im Rahmen einer quantitativen Analyse überprüft werden. Haenecke verdeutlicht die Vorteile dieser Analyseform gegenüber anderen Methoden (vgl. Abbildung 4).
63
Vgl. Seibert (1987), S. 10 Haedrich/Jenner (1996), S. 20 65 Vgl. Haedrich/Jenner (1996), S. 14 f. 66 Vgl. Haedrich/Jenner (1996), S. 16 64
- 18 -
Quelle: Haenecke (2002), S. 173
Abbildung 4: Bewertung der Methoden der Erfolgsfaktorenforschung Quantitative Untersuchungen können explorativ oder konfirmatorisch ausgerichtet sein: Während explorative Untersuchungen darauf abzielen, ein möglichst umfassendes Spektrum von Einflussgrößen zu identifizieren und ihre Relevanz zu überprüfen, werden konfirmatorische Analysen eingesetzt, um auf Basis vorhandener Theorien und Ergebnisse Kausalhypothesen zu bilden (vgl. Abbildung 3). In der Literatur wird häufig die Auffassung vertreten, die konfirmatorische Analyse sei grundsätzlich die geeignetere Methode. So spricht Göttgens explorativen Untersuchungen "echten Erkenntnisfortschritt" ab und lässt sie nur als "Heuristiken oder Ideengeber bei der Erstellung von theoretisch fundierten Kausalhypothesen" 67 gelten. Dabei wird übersehen, dass der konfirmatorische Untersuchungsansatz an bestimmte Voraussetzungen gebunden ist: Zum einen muss geprüft werden, ob der Forschungsstand so gesichert ist, dass Kausalhypothesen gebildet werden können, zum anderen ist bestimmten Anforderungen an die Stichprobengröße Rechnung zu tragen. Allerdings besteht in der Literatur keine Einigkeit darüber, wann eine Stichprobe ausreichend
67
Göttgens (1996), S. 39
- 19 groß ist.68 Grundsätzlich ist aber festzustellen, dass die in quantitativ-explorativen Untersuchungen in der Regel eingesetzte Regressions- und Faktorenanalyse mit geringeren Anforderungen an die Stichprobengröße verbunden ist als die Analyse mit LISREL in quantitativ-konfirmatorischen Ansätzen.69 Grünig et al. weisen zu Recht darauf hin, dass der praktische Nutzen der Ergebnisse konfirmatorischer Untersuchungen in hohem Maße von den Studien abhängt, auf denen die Analyse basiert: "Eine quantitativ-konfirmatorische Untersuchung kann zwar ihre Hypothesen falsifizieren, aber sie kann sie nicht durch bessere ersetzen." 70 Sowohl der Stand der Theorie als auch die zu erwartende Stichprobengröße deuten darauf hin, dass im Rahmen dieser Untersuchung die konfirmatorische Analysemethode mit den entsprechenden Vorteilen (vgl. Abbildung 4) eingesetzt wird.
1.6
Gang der Untersuchung
Die Untersuchung orientiert sich an dem von Ulrich beschriebenen Modell eines Forschungsprozesses. Dieser gliedert sich in mehrere Phasen, die sich von der Erfassung und Typisierung praxisrelevanter Probleme über die Beschreibung und Untersuchung des relevanten Anwendungszusammenhanges sowie die Ableitung von Beurteilungskriterien und Gestaltungsregeln bis zur Beratung der Praxis erstrecken.71 Nachfolgend wird der Gang der Untersuchung detailliert dargestellt: In diesem ersten Kapitel, der Einleitung, erfolgte die Einführung in die Problemstellung (1.1), wobei zunächst die Ausgangslage (1.1.1) beschrieben worden ist, bevor Forschungsschnittstellen (1.1.2) aufgezeigt und Literaturthesen (1.1.3) vorgestellt wurden. Anschließend wurde der Stand der Wissenschaft (1.2) dargestellt. Nach der in Fragestellungen (1.3.1) und Ergebnisse (1.3.2) gegliederten explorativen Voruntersuchung (1.3) wurden die Zielsetzung der Arbeit (1.4) und die Forschungsmethodik (1.5) erläutert; schließlich wird der Gang der Untersuchung (1.6), wie er hier skizziert ist, vorgestellt.
68
Vgl. Haenecke (2001), S. 54 ff. Vgl. Haenecke (2001), S. 57 70 Grünig et al. (1996), S. 9 71 Vgl. Ulrich (1981), S. 19 ff. 69
- 20 Kapitel 2 analysiert den Mobilfunkmarkt in Deutschland als Gegenstand der Untersuchung: Nach einer Marktübersicht (2.1), in der zunächst der Mobilfunkmarkt (2.1.1) mit Anbietern (2.1.2), Nachfragern (2.1.3) und Geschäftsbeziehungen (2.1.4) vorgestellt wird, ist auf in Preiswettbewerb (2.2.1) und Leistungswettbewerb (2.2.2) untergliederte aktuelle Herausforderungen (2.2) einzugehen, bevor ein Zwischenfazit (2.3) gezogen werden wird. Kapitel 3 beschäftigt sich mit den konzeptionellen Grundlagen. Zunächst wird der Mobilfunk (3.1) analysiert: Mobilfunk ist nicht nur ein Erfahrungsgut (3.1.1), sondern auch ein hedonistisches und utilitaristisches Gut (3.1.3), das im Rahmen einer limitierten Kaufentscheidung (3.1.2) erworben wird. Unterscheiden lassen sich Kernleistungen und Ergänzungsleistungen (3.1.4) sowie verschiedene Nutzendimensionen (3.1.5). Die Ergebnisse werden in einem Zwischenfazit (3.1.6) zusammengefasst. Anschließend wird auf vergleichende Werbung (3.2) eingegangen, wobei nach der Einführung (3.2.1) eine Begriffsabgrenzung (3.2.2) erfolgt und die Rechtsgrundlagen (3.2.3) dargestellt werden, bevor Gestaltungsformen (3.2.4) sowie Chancen und Risiken (3.2.5), Werbewirkung (3.2.6) und vergleichende Werbung im Mobilfunkmarketing (3.2.7) analysiert werden. In einem nächsten Schritt wird Marktführerschaft (3.3) untersucht, indem zunächst quantitative (3.3.1) und qualitative (3.3.2) Dimensionen unterschieden werden, und anschließend ein Zwischenfazit (3.3.3) gezogen wird. Die Wirkungen der Marktführerschaft (3.4) werden nach der Einführung (3.4.1) getrennt nach Marktwirkungen (3.4.2) und Konsumentenwirkungen (3.4.3) untersucht und in einem Zwischenfazit (3.4.4) zusammengefasst. Marktführerschaft und vergleichende Werbung (3.5) werden nach einer Darstellung entsprechender empirischer Untersuchungen (3.5.1) auf Chancen und Risiken (3.5.2) hin geprüft. Die Zusammenfassung der abgeleiteten Forschungshypothesen erfolgt in einem Zwischenfazit (3.6). In Kapitel 4, den theoretischen Grundlagen zum Konsumentenverhalten, werden nach der Einführung (4.1) die in Black-Box-Modelle (4.2.1) sowie Struktur- und Simulationsmodelle (4.2.2) gegliederten Grundmodelle des Konsumentenverhaltens (4.2) vorgestellt, bevor nach einem Zwischenfazit (4.2.3) auf ausgewählte Theorien des Konsumentenverhaltens (4.3) eingegangen wird: intrapersonales Gleichgewicht (4.3.1), interpersonale Austauschbeziehung (4.3.2) und Verhaltensbeurteilung
- 21 (4.3.3). Die Determinanten des Konsumentenverhaltens (4.4) werden untersucht, indem nach der Einführung (4.4.1) individuelle Faktoren (4.4.2) sowie aktivierende (4.4.3), kognitive (4.4.6) und konative (4.4.7) Prozesse erörtert werden. Die Konstrukte Involvement (4.4.4) und Glaubwürdigkeit (4.4.5) finden aufgrund ihrer Bedeutung für die Untersuchung besondere Berücksichtigung. In einem Zwischenfazit (4.5) werden die abgeleiteten Forschungshypothesen zusammengefasst. Kapitel 5 analysiert vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt. Nach der Einführung (5.1) werden die Werbeziele (5.2) untersucht: Hier werden zunächst Begriff und Bedeutung (5.2.1) erläutert, bevor auf affektive, kognitive und konative Werbeziele (5.2.2) sowie Werbeobjekte und Werbesubjekte (5.2.3) eingegangen und ein Zwischenfazit (5.2.4) gezogen wird. Bei den Werbestrategien (5.3) wird zwischen Assoziierung und Differenzierung (5.3.1) unterschieden sowie die Gestaltung der Werbebotschaft (5.3.2) untersucht. In Bezug auf Werbeträger und Werbemittel (5.4) erfolgt zunächst eine Systematisierung (5.4.1). Anschließend werden Chancen und Risiken (5.4.2) geprüft. Werbeumfeld und Werbekontext (5.5) sind auf Begriff und Bedeutung (5.5.1) hin zu untersuchen, bevor Chancen und Risiken (5.5.2) dargestellt werden können. Die Zusammenfassung der abgeleiteten Forschungshypothesen erfolgt in einem Zwischenfazit (5.6). In Kapitel 6, der empirischen Untersuchung, wird zunächst das Untersuchungsdesign (6.1) einschließlich Erhebungsmethode (6.1.1), Fragebogengestaltung (6.1.2) und Untersuchungsteilnehmer (6.1.3) festgelegt. Danach erfolgen die in Durchführung (6.2.1) und Rücklauf (6.2.2) gegliederte Datenerhebung (6.2) sowie die Datenauswertung (6.3). Abschließend werden die Untersuchungsergebnisse (6.4) vorgestellt und analysiert. In Kapitel 7 wird im Rahmen der Schlussbetrachtung die Arbeit zusammengefasst (7.1), bevor Implikationen für die Praxis (7.2) vorgestellt werden. Abschließend wird weiterer Forschungsbedarf identifiziert (7.3). Die folgende Abbildung zeigt den Gang der Untersuchung noch einmal grafisch im Überblick (vgl. Abbildung 5).
- 22 -
Marktführerschaft und vergleichende Werbung
Einleitung (1)
Deutscher Mobilfunkmarkt als Gegenstand der Untersuchung (2) Marktübersicht
Aktuelle Herausforderungen
Konzeptionelle Grundlagen (3)
Mobilfunk
Vergleichende Werbung
Marktführerschaft und vergleichende Werbung
Marktführerschaft
Theoretische Grundlagen zum Konsumentenverhalten (4) Grundmodelle des Konsumentenverhaltens
Ausgewählte Theorien des Konsumentenverhaltens
Determinanten des Konsumentenverhaltens
Vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt (5) Werbeziele
Werbestrategien
Werbeträger/ Werbemittel
Werbeumfeld/Werbekontext
Empirische Überprüfung der Forschungshypothesen (6)
Schlussbetrachtung (7)
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 5: Vorgehensweise im Rahmen der Untersuchung
2
Deutscher Mobilfunkmarkt als Gegenstand der Untersuchung
Der Mobilfunkmarkt kann heute als eigenständiger Markt angesehen werden. Seine genaue Abgrenzung ist für die Ermittlung der Marktführerschaft von entscheidender Bedeutung. Eher moderate Wachstums- und vergleichsweise hohe Penetrationsraten begünstigen den Einsatz vergleichender Werbung. Diese beträchtliche Marktdynamik ist auf zahlreiche neue Marktakteure sowie starken Wettbewerbsdruck auf Preise und Leistungen zurückzuführen. Die aus Tarif- und Angebotsvielfalt resultierende Unsicherheit der Konsumenten kann durch vergleichende Werbung reduziert werden, wobei sich für den Marktführer besondere Chancen ergeben. Nachfolgend wird zunächst der Mobilfunkmarkt charakterisiert und abgegrenzt, bevor nach einer Darstellung aktueller Herausforderungen im Preis- und Leistungswettbewerb ein erstes Zwischenfazit gezogen wird.
- 24 2.1
Marktübersicht
Ein Erfolg versprechender Einsatz von Marketing-Maßnahmen setzt die Analyse sowohl des Marktes als auch des Produktes in ihrer jeweiligen Zyklusphase1 voraus. Darüber hinaus sind die Geschäftsbeziehungen auf dem Mobilfunkmarkt vor dem Hintergrund der Anbieter- und Nachfragerstrukturen zu untersuchen.
2.1.1
Mobilfunk(markt)
Der Mobilfunk wurde im Gegensatz zum 1998 liberalisierten Festnetzmarkt von Anfang an als Wettbewerbsmarkt organisiert. Im folgenden soll zwar die Mobilfunkbranche im Zentrum der Untersuchung stehen, allerdings kann aufgrund der Konvergenz der Märkte2 häufig keine trennscharfe Abgrenzung zur Telekommunikationsbranche erfolgen, die mit Sachinvestitionen in Höhe von 6,4 Milliarden Euro und einem Gesamtdiensteumsatz von rund 69 Milliarden Euro im Jahr 20063 zu einer Schlüsselindustrie geworden ist. Die Monopolkommission vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass der Mobilfunk ein eigenständiges Marktsegment und nicht lediglich Teil eines einheitlichen Marktes für Sprachtelefonie ist.4 Die Mobilfunkmarktabgrenzung ist von zentraler Bedeutung für die Bestimmung der Marktanteile der jeweiligen Akteure. Der Marktanteil ist seinerseits (eine) Grundlage für die Ermittlung der Marktführerschaft.5 Darauf weist auch Simon hin: "Die Definition eines Marktes kann schwierig sein und beinhaltet die Gefahr zu Selbstbetrug und Illusionen. Marktdefinitionen müssen mit großer Sorgfalt vorgenommen werden. Die Abgrenzung des Marktes und der Marktanteil sind entscheidend für die Beurteilung des Wettbewerbs und der Strategie." 6 Veranschaulicht wird dies durch die unterschiedliche Einschätzung der Akteure in Bezug auf die Marktphase, in der sich der Mobilfunk derzeit befindet. Die Mobilfunkbranche umfasst "alle Unternehmen, die solche Leistungen herstellen und/oder vermarkten, welche unter Einsatz von nachrichtentechnischen Systemen, die elektromagnetische Wellen zur draht-/kabellosen 1
Vgl. Becker (2006), S. 723 ff.; Schwaiger/Schrattenecker (2005), S. 166 ff. Vgl. Kapitel 2.2.2 3 Vgl. VATM (2006) 4 Vgl. Monopolkommission (2005b), S. 2 5 Vgl. Kapitel 3.3.1 6 Simon (1998), S. 42 2
- 25 Signalübertragung (=Funk) nutzen, einen bidirektionalen Transport von Zeichen (Sprache/Ton, alphanumerische Symbole, Stand- oder Bewegtbilder) zwischen zwei oder mehr, i.d.R. an räumlich voneinander entfernten Standorten befindlichen Telekommunikationsendeinrichtungen ermöglichen, von denen mindestens eine Endeinrichtung per Funk zu einem Telekommunikationsnetz dergestalt Zugang hat, dass sie nicht an einen festen Standort gebunden ist und während einer Bewegung (=mobil) genutzt werden kann." 7 Diese technische Abgrenzung reicht allerdings für die Charakterisierung der Mobilfunkbranche nicht aus. Nachfolgend ist daher auch auf die Marktbedingungen einzugehen, denn Anhaltspunkte für die Entscheidung, ob, wie und in welchem Ausmaß (vergleichend) geworben werden soll, liefert auch das Stadium des Lebenszyklus, in dem sich das Produkt befindet: Nach erheblichen Werbeaufwendungen in der Einführungsphase sind die Werbeaufwendungen in der Wachstumsphase relativ betrachtet am geringsten. Unter dem zunehmenden Konkurrenzdruck wird in der Reifephase eine Intensivierung der Werbemaßnahmen erforderlich, während in der Sättigungsphase häufig eine Aktualisierung der Produkte mit geänderten Werbekampagnen erfolgt.8 Auch die Kommunikationsziele sind grundsätzlich abhängig vom Produktlebenszyklus: In der Einführungsphase ist die Produktinformation von entscheidender Bedeutung, in der Wachstumsphase muss das Produktwissen stabilisiert und Markentreue erreicht werden, bevor schließlich die Profilierung gegenüber der Konkurrenz im Fokus steht.9 Hohe Werbeaufwendungen10 und die in der Einleitung bereits skizzierten Werbeduelle in der Mobilfunkbranche sowie zunehmende Attraktivierung der Produkte durch Betonung des Zusatznutzens (siehe Kapitel 3.1.5) und harter Verdrängungswettbewerb über den Preis deuten darauf hin, dass sich der Mobilfunkmarkt nicht mehr in einer frühen Marktphase befindet.11 Die Autoren, die davon ausgehen, dass sich der Markt bereits in der Sättigungsphase befindet, nehmen allerdings nur eine Teilbetrachtung des Mobilfunkmarktes vor. So beschränkt sich beispielsweise Schmalholz auf die Marktpenetration, also auf das Verhältnis von Mobilfunkanschlüssen zur Gesamtbevölkerung, wenn er erklärt: "Der Markt ist gesättigt. Auf 82,4
7
Gerpott (2003b), S. 465 Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 166 9 Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 273 10 Vgl. Kapitel 3.2.7.1 11 Vgl. Becker (2006), S. 731 ff. 8
- 26 Millionen Einwohner kommen in Deutschland 82,8 Millionen Mobilfunkanschlüsse." 12 Dass der Umsatz mit Mobiltelefonen 2006 zum ersten Mal seit der Entstehung des Marktes stagniert, nachdem der Zuwachs bereits 2005 mit zwei Prozent gegenüber den zweistelligen Wachstumsraten in den Vorjahren sehr gering ausgefallen war, stellt Winkelhage fest und betrachtet seinerseits nur den Markt für Mobiltelefone.13 Während Gerpott/Rams noch 2000 erklärten, dass der deutsche Mobilfunkmarkt ein "eher junger Markt" 14 ist und Rams 2001 noch davon ausging, dass sich der deutsche Mobilfunkmarkt in der Wachstumsphase befand, so dass Neukundenakquisition im Fokus des Anbieterinteresses stand,15 vermutete Gerpott bereits 2003, dass im deutschen Mobilfunkmarkt "quantitative Kundenzuwächse kaum noch zu erwarten sind." 16 Esch et al. zufolge ist dabei in gesättigten Märkten "das Marktpotenzial durch das Marktvolumen ausgeschöpft. Umsatz- bzw. Absatzzuwächse sind nicht durch Marktwachstum möglich. Eine Steigerung des Marktanteils ist nur auf Kosten der Konkurrenz realisierbar." 17 Das gilt allerdings nur in Teilen für den Mobilfunkmarkt. Experten gehen davon aus, dass der Mobilfunkmarkt weiterhin ein Wachstumsmarkt ist und nennen unter anderem folgende Gründe: •
Lediglich rund zehn Prozent aller Haushalte verzichten inzwischen ganz auf den Festnetzanschluss; das Potenzial der Festnetzsubstitution durch den Mobilfunk bleibt daher enorm.18
•
Zwar hat statistisch gesehen jeder Deutsche inzwischen ein Handy, aber in anderen europäischen Ländern ist die Penetrationsrate noch höher. In Italien kommen auf 100 Einwohner 124 Mobilfunkanschlüsse, in Schweden 116 und in Großbritannien noch 113.19
•
Rund fünfzehn Prozent aller Deutschen telefonieren überhaupt nicht mobil.20
•
Das Wachstum der Mobilfunkminuten ist in Deutschland weiterhin umgebremst (vgl. Abbildung 6).
12
Schmalholz (2006) Winkelhage (2006) 14 Gerpott/Rams (2000), S. 740 15 Vgl. Rams (2001), S. 141 16 Gerpott (2003b), S. 470 17 Esch et al. (2006), S. 11 18 Vgl. Lixenfeld (2006) 19 Vgl. Bitkom (2007) 20 Hart (2006) 13
- 27 -
Mobilfunkminuten (Millionen pro Tag) 140 127 120
108 94
100
100
83 80 60 40 22 20 0 1998
2002
2003
2004
2005
2006
Quelle: Winkelhage (2006), S. 21
Abbildung 6: Entwicklung der Mobilfunkminuten in Deutschland •
Wachstumsmöglichkeiten ergeben sich insbesondere durch neue Anwendungen; das Handy wird immer mehr zum Multimediagerät.21 Beschleunigt wird diese Entwicklung durch den Mobilfunkstandard der dritten Generation, UMTS,22 dessen Wachstumsgeschwindigkeit allerdings sowohl von den Kosten als auch von der Attraktivität der angebotenen Dienste abhängen dürfte.
Entscheidend für die Frage, ob der Mobilfunkmarkt gesättigt ist oder nicht, sind allerdings weder Kundenzahlen noch Marktpenetration, wichtiger ist vielmehr die potenzielle Mobilfunknutzung beziehungsweise das Marktpotenzial.23 In Deutschland werden erst rund 20 Prozent aller Gespräche mit dem Handy geführt. Der Grund dafür ist insbesondere die hohe Preisunsicherheit der Verbraucher. Festgestellt werden kann an dieser Stelle jedenfalls, dass sich der komplexe Mobilfunkmarkt mit seinen technologischen Entwicklungssprüngen und diskontinuierlichen Innovationen24 den Modellannahmen im idealtypischen Produktlebenszyklus25 weitestgehend entzieht. In der nachfolgenden Darstellung werden hierzu ergänzend verschiedene Lebenszyklen in der Telekommunikation dargestellt (vgl. Abbildung 7). 21
Vgl. Balser (2006) Universal Mobile Telecommunications System 23 Vgl. Becker (2006) S. 393 ff. 24 Vgl. Rassau (2005) S. 57 25 Vgl. Becker (2006), S. 723 ff. 22
- 28 -
durchschnittlicher Umsatz pro Teilnehmer
Lebenszyklen in der Telekommunikation
SchmalbandInternet Service Provider öffentliches Sprachwählnetz
mobile Sprachübertragung
DSL mobile Datenübertragung InternetTelefonie
Einführung
Wachstum
Sättigung
Rückgang Zeit
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Gutsche (2006), S. 155
Abbildung 7: Lebenszyklen in der Telekommunikation Das Schaubild macht deutlich, dass der Mobilfunkmarkt einerseits durchaus Sättigungstendenzen aufweist, so dass die Netzbetreiber ungenutzte Netzkapazitäten an Billiganbieter weitergeben,26 er andererseits aber insbesondere außerhalb der Sprachtelefonie auch enorme Wachstumschancen bietet. So werden beim Datenverkehr beispielsweise zweistellige Wachstumsraten verzeichnet.27 Die aufgezeigten Tendenzen lassen bereits Chancen für vergleichende Werbung im Mobilfunk erkennen: Gnepa zufolge hat die Wachstumsrate der Branche Einfluss auf die Nutzung der vergleichenden Werbung: Bei negativen oder hohen Wachstumsraten wird sie weniger eingesetzt, bei moderaten Wachstumsraten hingegen verstärkt.28 Die Wachstumsraten im Mobilfunk dürften daher den Einsatz vergleichender Werbung begünstigen (vgl. Abbildung 8).
26
Vgl. Kapitel 2.1.2 Vgl. Nowak (2006b) 28 Vgl. Gnepa (1993) 27
- 29 -
Mobilfunkanschlüsse je 100 Einwohner
Mobilfunkanschlüsse in Deutschland
104 96 87
+8%
109 +5%
114
117
+4%
+3%
2008e
2009e
120 +2%
+ 11 %
+ 10 %
2004
2005
2006
2007e
2010e
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bitkom (2007)
Abbildung 8: Entwicklung der Mobilfunkanschlüsse Die Betreiber setzen angesichts der hohen Penetrationsrate weniger auf Neukundengewinnung als vielmehr auf die Erhöhung des Umsatzes je Kunde.29 Das bedeutet zum einen, dass sich die Werbung verstärkt an Bestandskunden richten wird: Sie werden "von rechts und links verunsichert" 30 und können mit vergleichender Werbung in ihrer Entscheidung für den entsprechenden Anbieter bestätigt werden. Zum anderen wird in einem Markt, in dem Marktanteile praktisch nur noch auf Kosten der Wettbewerber (zurück)gewonnen werden können und die Verwendungsdichte des Produktes sehr hoch ist, mit vergleichender Werbung die eigene Leistungsfähigkeit wirksam gegenüber der Konkurrenz mit dem Ziel abgegrenzt, Kunden der Wettbewerber vom eigenen Angebot zu überzeugen: Gröger zufolge gibt es einen Markt von jährlich 20 Millionen Neukunden, wovon vier Fünftel von einem anderen Anbieter wechseln und ein Fünftel aus Kindern und Jugendlichen besteht, die ihr erstes Handy bekommen.31 Varlam ist allerdings nicht zuzustimmen, wenn sie erklärt: "Vergleichende Werbung kann [in der Reifephase, Anm. d. Verf.] … zwar als defensives Werbeinstrument genutzt werden, um Marktanteile zu verteidigen oder verlorenes Terrain zurückzugewinnen. Doch ist die Erfolgswahrscheinlichkeit einer solchen 29
Vgl. Dohmen (2006) Mortsiefer (2006a) 31 Vgl. Riedl (2006) 30
- 30 Strategie gering, so dass sie nur selten zu beobachten sein dürfte." 32 Im Folgenden soll der Mobilfunkmarkt mit seinen Anbietern, Nachfragern und Geschäftsbeziehungen genauer untersucht werden.
2.1.2
Anbieter(struktur)
Innerhalb der Mobilfunkbranche lassen sich drei Anbietertypen unterscheiden, die ineinander greifende und sich ergänzende Leistungen für Endkunden erbringen: Die Mobilfunkausrüster liefern Hard- und Software zum Aufbau und zur Vermarktung von Mobilfunknetzen. Die Netzbetreiber errichten mit den Ausrüstern eine Infrastruktur aus vermittlungs- und übertragungstechnischen Einrichtungen. Mobilfunkdienstehändler bieten die Leistungen der Netzbetreiber und Ausrüster auf eigene Rechnung und in eigenem Namen Endkunden an.33 Die Mobilfunkausrüster 34 bleiben im Rahmen dieser Untersuchung als eigenständige Marktakteure unberücksichtigt. Ihre Leistungen gehen aber insbesondere aus zwei Gründen in die Untersuchung mit ein. Zum einen wird das Handy immer mehr zum Lifestyle-Produkt,35 zum anderen subventionieren die Betreiber, die im Zentrum dieser Untersuchung stehen, die meisten Handys. Das bedeutet, sie verkaufen ihren Kunden die neuesten Geräte für einen Euro und erheben dafür höhere Minutenpreise. Angesichts des hohen Preisdruckes ist es für die Netzbetreiber deshalb wichtig, möglichst preiswert gute Handys einzukaufen. Der Marktanteil der Dienstehändler sinkt seit Jahren: 1995 hatten noch über 60 Prozent der Handynutzer ihren Vertrag bei einem Dienstehändler, inzwischen sind es weniger als 25 Prozent.36 Die Branche steht vor einer Konsolidierung und dürfte in Zukunft nur noch eine untergeordnete Rolle auf dem Mobilfunkmarkt spielen.37 Für die Untersuchung der Marktführerschaft auf dem Mobilfunkmarkt sind die Dienstehändler nicht von Bedeutung. 32
Varlam (2000), S. 55 f. Vgl. Gerpott (2003b), S. 465 f. 34 Vgl. Louven (2006a) 35 Vgl. Kapitel 3.1.3 und Kapitel 4.5 36 Vgl. Müller (2007b) 37 Vgl. Schmalholz (2006), Schmitt (2006) 33
- 31 In Deutschland wurden in drei Schritten insgesamt vier GSM-Lizenzen38 vergeben.39 Im Februar 1990 erhielten die Deutsche Bundespost Telekom und Mannesmann Mobilfunk eine Lizenz. Die beiden Unternehmen, die inzwischen unter T-Mobile beziehungsweise Vodafone firmieren, begannen ab Juni 1992 mit der Vermarktung von GSM-Diensten. E-Plus erhielt im Februar 1993 eine Lizenz und startete im Mai 1994 sein Diensteangebot. Im Februar 1997 wurde schließlich die vierte Lizenz an Viag Interkom (heute O2) vergeben. Die nachfolgende Übersicht zeigt die Entwicklung der Marktanteile der vier Betreiber (vgl. Abbildung 9).
Teilnehmer-Marktanteile der Netzbetreiber 100%
6,6
6,5
7,7
8,6
13,7
13,3
12,4
12,7
80%
60%
40,0
39,1
38,3
38,1
10,4
12,3
12,9
13,6
14,8
37,8
36,8
35,7
13,3
40%
20%
39,7
41,1
41,6
40,6
38,5
37,3
36,6
2000
2001
2002
2003
2004
2005
2006
0%
T-Mobile Deutschland GmbH
Vodafone D2 GmbH
E-Plus Mobilfunk GmbH & Co. KG
O2 Germany GmbH & Co. OHG
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Bundesnetzagentur (2007)
Abbildung 9: Marktanteile der GSM-Anbieter
38 39
Global System for Mobile Communications Vgl. Gerpott (2003b), S. 467; Frey (2006)
- 32 Aus der Anteilsstruktur lässt sich schließen, dass die ersten beiden Betreiber von Pioniervorteilen profitieren konnten.40 Darüber hinaus deutet sie darauf hin, dass die Pioniere, die über vergleichbare Kundenzahlen verfügen, von den Kunden anders wahrgenommen werden dürften als die Folger: Die einen gelten als "Platzhirsche",41 die anderen als "Angreifer".42 T-Mobile und Vodafone werden in der Presse entsprechend als "die Marktführer" 43 bezeichnet, häufiger allerdings wird allein T-Mobile als "Marktführer" tituliert und gegenüber den "Herausforderern" 44 abgegrenzt. Die nachfolgend skizzierten vier Anbieter bilden ein "enges Oligopol", das durch eine "hohe Reaktionsverbundenheit" 45 gekennzeichnet ist. T-Mobile (T-Mobile Deutschland GmbH), eine hundertprozentige Tochtergesellschaft der T-Mobile International AG & Co. KG, startete 1993 die operative Geschäftstätigkeit als wirtschaftlich selbständige Gesellschaft. Das Unternehmen verfolgt eine Einmarkenpolitik und verzichtete lange auf die Marktsegmentierung über Submarken. Im Juli 2007 wurde allerdings mit "Congstar" eine Zweitmarke eingeführt, die sich vornehmlich an jüngere, preisorientierte Konsumenten richtet.46 T-Mobile ist nach Kundenzahlen Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt und die Marke mit der höchsten Bekanntheit und Nutzungsbereitschaft.47 Das Unternehmen setzt auf Service- und Netzqualität und will das "angesehenste Dienstleistungsunternehmen in Deutschland" 48 werden. T-Mobile strebt gleichzeitig mit neuen Diensten die Innovationsführerschaft an und versucht, die Kunden zu einer verstärkten Nutzung der Dienste zu motivieren und mit einfacheren und günstigeren Tarifen das immer noch bestehende "Teuer-Image" zu bekämpfen.49 Hierzu stellte Rams bereits 2001 skeptisch fest: "T-Mobile, mit dem Monopolistenimage der Deutschen Telekom behaftet und in der Kommunikationsgestaltung an die Vorgaben der Konzernzentrale gebunden, vermag es nur schwer, das Image eines Innovationsführers zu
40
Vgl. Rassau (2005), S. 41 Saal (2006c) 42 Saal (2006c) 43 Müller (2007a) 44 Louven (2007b) 45 Gerpott (2003b) S. 470 46 Vgl. Dohmen (2007); Müller (2007d) 47 Vgl. Stern (2006) 48 Ermert/Ziegler (2006) 49 Vgl. Saal (2006d); Lenz-Hawliczek/Stanossek (2007), S. 27 41
- 33 vermitteln." 50 Gerpott kritisiert in diesem Zusammenhang zwar zu Recht, dass es sich bei "Innovation" um ein in Wissenschaft und Praxis sehr positiv besetztes, aber inhaltlich kaum abgegrenztes Schlagwort handelt,51 allerdings ist im Rahmen dieser Untersuchung allein die Kundenwahrnehmung entscheidend.52 Im Jahr 2000 wurde die Mannesmann AG und damit auch Mannesmann Mobilfunk von dem britischen Unternehmen Vodafone, das 1984 als Tochtergesellschaft von Racal Electronics Plc gegründet worden war, übernommen.53 Vodafone setzte zunächst ganz auf Mobilfunk und verkaufte nach der Übernahme das Festnetzgeschäft. Inzwischen wurde diese Strategie allerdings geändert: Das Unternehmen will, insbesondere durch den Ausbau der Festnetzangebote seiner Tochter Arcor, beispielsweise für schnelle Internetzugänge, Wachstumschancen nutzen und "bester Komplettanbieter in Deutschland" werden.54 Vodafone versucht, vor allem durch UMTS und neue Datendienste55 sein Image als Technologieführer56 zu verteidigen und sich als innovative Premiummarke57 zu positionieren. E-Plus, Tochtergesellschaft der niederländischen KPN Mobile, verfolgt im Gegensatz zu T-Mobile und Vodafone eine Mehrmarkenstrategie mit dem Ziel, über Eigen- und Partnermarken wie Simyo (Discounter), Base (Pauschaltarif) oder Ay Yildiz (günstige Anrufe in die Türkei) eine Zielgruppensegmentierung zu erreichen.58 E-Plus versteht sich als Vollsortimenter und verzichtet als "Smart Follower"59 bewusst auf anspruchsvolle Multimediadienste60 und damit auf die (technische) Innovationsführerschaft.61 Das Unternehmen setzt stattdessen auf innovative Tarife,62 was auch in aggressiver vergleichender Preiswerbung zum Ausdruck kommt, die sich an die übrigen drei Netzbetreiber
richtet.
So
werden
beispielsweise
Vodafone-Kunden
("Lieber
Vodafone-Kunde, diese Anzeige zu lesen kostet 30 Sekunden, sie nicht zu lesen
50
Rams (2001), S. 291; vgl. auch Kapitel 5.2 Vgl. Gerpott (2006), S. 134 52 Vgl. Kapitel 3.3.3 53 Vgl. www.vodafone.com, abgerufen am 03.01.2007 54 Vgl. Frühbrodt (2007b) 55 Vgl. Ermert/Ziegler (2006); Müller (2007a) 56 Vgl. Franke/Kietzmann (2006) 57 Vgl. Frühbrodt (2007a) 58 Vgl. App (2006a), S. 26 59 Vgl. Ermert/Ziegler (2006) 60 Vgl. Franke/Kietzmann (2006) 61 Vgl. Heuzeroth (2006); Kessler (2006) 62 Vgl. App (2006a) 51
- 34 30,03 €" 63), und O2-Kunden ("Wir bedanken uns bei O2 für die 23,28 Argumente, zu uns zu wechseln" 64) auf Sparmöglichkeiten hingewiesen und die Preise von T-Mobile pauschal als hoch bezeichnet ("Die beste Werbung für E-Plus machen immer noch die hohen Preise von T-Mobile" 65). O2, kleinster deutscher Mobilfunkbetreiber und Nachfolgeunternehmen von Viag Interkom, gehört seit Februar 2006 zum spanischen Telekommunikationskonzern Telefónica S.A.66 Das Unternehmen, das sich vom reinen Mobilfunkanbieter zum integrierten Telefonanbieter entwickeln will und inzwischen auch in das Festnetzgeschäft eingestiegen ist, stellt sich in Werbung und Kommunikation als besonders jung und trendbewusst dar.67 O2 versucht, sich als spezielle Marke für Musikfans zu etablieren, verzeichnet pro Tag 100.000 Downloads seiner Handy-Soap68 und gilt als innovativ.69 Das Unternehmen betreibt aggressive Preiswerbung und reagierte auf die oben dargestellte vergleichende Werbung von E-Plus sofort ("Mach Plus. Aber richtig. Die günstigsten Minutenpakete gibt es nämlich bei uns – mit O2 Active" 70), will sich aber andererseits nicht auf den Preis reduzieren lassen und stellte eine Woche nach der vergleichenden Preiswerbung fest: "Während andere sich in Preisvergleiche verbeißen, haben wir das beste O2 Genion aller Zeiten entwickelt." 71 Konkurrenz bekam das skizzierte Oligopol, das lange der Grund für ein "stabiles Hochpreisniveau" 72 im deutschen Mobilfunkmarkt war, im Mai 2005, als mit der E-Plus-Tochter Simyo der erste Discountanbieter 73 an den Start ging. Inzwischen werden rund fünf Prozent aller Mobilfunkverträge in Deutschland von Discountanbietern verkauft; ihr Marktanteil dürfte sich in den kommenden Jahren mindestens vervierfachen.74 Die Discounter mieten dazu Netzkapazitäten von den etablierten Anbietern, wobei sowohl Discountanbieter als auch Netzbetreiber derartige Partnerschaften häufig sehr diskret behandeln. Insbesondere für die letztgenannten ist die 63
General-Anzeiger Bonn, 24.11.2006, S. 17 General-Anzeiger Bonn, 8.12.2006, S. 11 65 General-Anzeiger Bonn, 1.12.2006, S. 19 66 Vgl. o.V. (2006e) 67 Vgl. Welp (2005), S. 72; Müller/Hegmann (2007) 68 Vgl. Ermert/Ziegler (2006) 69 Vgl. Müller (2007) 70 FAZ, 11.12.2006, S. 15 71 BILD, 18.12.2006, S. 9 72 Winkelhage (2005b) 73 Vgl. Monopolkommission (2005a) 74 Vgl. Müller (2007c) 64
- 35 Partnerschaft ein "zweischneidiges Schwert": Einerseits lassen sich nicht genutzte Netzkapazitäten vermarkten, andererseits besteht die Gefahr, dass sich die Kunden fragen, worin der (qualitative) Unterschied zwischen Discountern und Netzbetreibern überhaupt besteht, wenn beide die gleichen Netze nutzen. "Verabschieden Sie sich von teueren Tarifen" fordert so beispielsweise der Anbieter easymobile, der das Netz von T-Mobile nutzt, und wirbt gleichzeitig mit dem Hinweis "In bester D-NetzQualität." 75 Verzichtet wird allerdings auf den Zusatz, dass es sich um das D1-Netz handelt. Die Discounter setzen auf das aus der Luftfahrt bekannte Konzept "No Frills": Sie verfügen nicht über eigene Shops, bieten nur einen eingeschränkten Service und subventionieren keine Handys. Ihre Angebote werden ausschließlich über das Internet vertrieben, und auch der Dialog mit dem Kunden erfolgt über E-Mail, wodurch sich darüber hinaus auch noch besondere Chancen für Dialogmarketing und Kundenbindung ergeben.76 Diese Internet-Anbieter erleben zurzeit eine Konsolidierung, an deren Ende wohl nur wenige Akteure übrig bleiben werden.77 Daneben bieten auch große Handelsketten wie ALDI, Schlecker, Rewe oder Tchibo Mobilfunkdienste an. Sie sind dazu mit einer Vielzahl von Verkaufsstätten flächendeckend präsent und nutzen dies auch als Werbeargument. Als Beispiel sei hier die Handelskette Schlecker genannt, die ihr Mobilfunkangebot smobil bewirbt: "smobil gibt es in über 10.000 Schlecker-Märkten in Deutschland und damit auch in Ihrer Nähe." 78 Diese Handelsketten verfügen nicht nur über eine hohe Marktmacht, sondern auch über ein gefestigtes Image bei den Kunden und damit über einen Vertrauensvorschuss. Sie nutzen ihr Mobilfunkengagement insbesondere auch dazu, ihr Image weiter aufzuwerten und mehr über ihre Kunden zu erfahren.79 Im Gegensatz zu den Angeboten der Discounter, die auf den Vertriebskanal Internet setzen und deren Kunden daher eine Bankverbindung zum Aufladen benötigen, kann beispielsweise ALDI Talk in der Verkaufsstätte erworben sowie aufgeladen werden und steht damit auch Nutzern mit negativen Schufa-Einträgen offen. Die großen Handelsketten nutzen wie die Discounter die Netze der vier großen Mobilfunkbetreiber. Die skizzierten Akteure treten in Konkurrenz zu diesen Betreibern und lassen sich damit als "Mitbewerber" im Sinne 75
FAZ, 14.10.06, S. 17 Vgl. Hansen/Magel (2006), S. 26 77 Vgl. Müller (2006c) 78 Flyer Schlecker "Das clevere Prepaid-Angebot" 79 Vgl. Reitz (2006), S. 81; Müller (2007e), S. 4 76
- 36 von § 6 (1) UWG kennzeichnen, da sie "in einem aktuellen oder potentiellen Wettbewerbsverhältnis zu dem werbenden Unternehmen" stehen und "Konkurrenzangebote einander gegenübergestellt und Kaufalternativen aufgezeigt werden, so dass die Abnahme der eigenen Leistung von dem einen Unternehmen zu Lasten des Vergleichsgegners gehen kann." 80 Aufgrund der geringen Eintrittsbarrieren in den Mobilfunkmarkt ist mit weiteren neuen Marktakteuren zu rechnen,81 die die Marktsegmentierung vorantreiben werden. Die bereits 2001 getroffene Feststellung von Rams, dass "die Anbieterstrukturen im Telekommunikations- beziehungsweise Mobilfunkmarkt … mehrstufig und komplex [sind], womit die Markttransparenz eingeschränkt wird," 82 gilt damit mehr denn je. Derzeit prüfen die unter hohem Kostendruck stehenden Netzbetreiber beispielsweise ein Outsourcing ihres Netzbetriebes – und damit ihrer Kernkompetenz – an die Ausrüster, die wiederum den Betrieb verschiedener Netze bündeln müssten, um Synergien zu erzielen und von Skaleneffekten zu profitieren.83 An dieser Stelle lässt sich bereits die These aufstellen, dass auf dem Mobilfunkmarkt hohe Intransparenz herrscht, die durch (informative) vergleichende Werbung verringert werden kann.
2.1.3
Nachfrager(struktur)
Während 1997 erst knapp sieben Prozent der Deutschen ein Handy besaßen, liegt die Penetrationsrate inzwischen – wie bereits erwähnt – bei über hundert Prozent. Der stärkste Anstieg war in den Jahren 1999 und 2000 mit Einführung der PrepaidKarten zu verzeichnen. Seit August 2006 gibt es in Deutschland mehr Mobilfunkanschlüsse als Einwohner.84 Die Träger von Kaufentscheidungen lassen sich zum einen nach der Art der Entscheidungsträger (Haushalte versus Unternehmen) gliedern.85 Bezogen auf den Mobilfunkmarkt bedeutet das eine Differenzierung in Privatkunden und Geschäftskunden. Zum anderen ist eine Unterscheidung nach der Anzahl der Entscheidungs80
Hasselblatt (2005), S. 715 Vgl. Kuri (2006) 82 Rams (2001), S. 141 83 Vgl. Louven (2007a) 84 Vgl. Bitkom (2007) 85 Vgl. Sander (2004), S. 39 81
- 37 träger (Individualentscheidung versus Kollektiventscheidung) möglich.86 Während Privatkunden ihre Mobilfunkkaufentscheidung in der Regel als einzelne Konsumenten treffen, fällt die Entscheidung über den Abschluss beziehungsweise die Verlängerung von Mobilfunkverträgen bei Geschäftskunden häufig in Buying Centern, die sich aus mehreren Personen zusammensetzen.87 Da Geschäftskunden bei der Preisverarbeitung darüber hinaus auf entsprechende Softwareprogramme zurückgreifen dürften, ist insgesamt von einer höheren (technischen und menschlichen) Verarbeitungskapazität als bei Privatkunden auszugehen, der allerdings aufgrund unterschiedlicher Zahlungs- und Abnahmemodalitäten (Rabatte, Boni, Skonto) auch eine höhere Preiskomplexität gegenübersteht.88 Daher bevorzugen Geschäftskunden beispielsweise
beim
mobilen
Internet
volumenabhängige
Tarifierungen
und
Privatkunden zeitbasierte Abrechnungen.89 Geschäftskunden und Privatkunden weisen ein unterschiedliches Nutzungsverhalten auf, das insbesondere in der Nutzung von Mobilfunkdiensten zu unterschiedlichen Tageszeiten sowie in der Inanspruchnahme besonderer Mehrwert- beziehungsweise Datendienste zum Ausdruck kommt: "Während Privatkunden eher entertainment- oder kommunikationsaffin sind, spielen im Geschäftskundensegment neben der Kommunikation auch Transaktionsund Informationsdienste eine tragende Rolle." 90 Geschäftskunden sind aus Sicht von Mobilfunkbetreibern ökonomisch attraktiver, da sie nicht nur häufiger und länger telefonieren, sondern im Vergleich zu Privatkunden auch eine geringere Preiselastizität aufweisen.91 Sie bilden allerdings auch die anspruchsvollere Zielgruppe, da sie den Mobilfunkdienst als Produktionsfaktor betrachten und ein Systemausfall gegebenenfalls mit beträchtlichen (Umsatz-)Einbußen verbunden ist. Damit dürfte bei Geschäftskunden das einwandfreie Funktionieren des Dienstes im Vordergrund stehen, während der Mobilfunk bei Privatkunden neben utilitaristischen auch hedonistische Produkteigenschaften92 aufweist: "Wir verkaufen Lifestyle an Privatkunden und Produktivität an Unternehmen", skizziert der Chef des britischen Telekommunikationskonzerns BT, Ben Verwaayen, sein Geschäftsmodell.93
86
Vgl. Sander (2004), S. 39 Vgl. Kreye (2005), S. 176 88 Vgl. Kreye (2005), S. 177 89 Vgl. Holst (2007), S. 10 90 Rassau (2005), S. 55 91 Vgl. Gerpott (2003a), S. 473 92 Vgl. Kapitel 3.1.3 93 Vgl. Heilmann (2007) 87
- 38 Die aufgezeigten Unterschiede machen deutlich, dass Privatkunden aufgrund anderer Entscheidungsstrukturen und -prozesse sowie Nutzungsgewohnheiten im Rahmen der Kommunikationspolitik anders zu adressieren sind als Geschäftskunden, die beispielsweise in Form von Direktmarketing durch ein Key-AccountManagement angesprochen werden. Im Folgenden stehen Privatkunden im Fokus der Untersuchung. Sie lassen sich ihrerseits in verschiedene Nutzersegmente gliedern. Innerhalb des Privatkundensegmentes ist zwischen Prepaid-Kunden und Postpaid-Kunden zu unterscheiden: Das Postpaid-Geschäft (Laufzeitverträge) ist dadurch gekennzeichnet, dass Nutzer sowohl ex-post nutzungsabhängige Entgelte entrichten als auch durch Zahlen eines monatlichen Grundentgeltes sicherstellen, dass sie über das Betreibernetz erreichbar sind. Seit 1997 bieten die Mobilfunknetzbetreiber in Deutschland ihren Kunden darüber hinaus die Möglichkeit, vor der Inanspruchnahme der Dienste das nutzungsabhängige Entgelt durch Aufladen einer Wertkarte zu entrichten (Prepaid-Modell). Postpaid-Nutzer haben für die Anbieter einen höheren Wert als Prepaid-Nutzer mit ihrem kaum vorhersehbaren und in der Regel niedrigeren Einzahlungsstrom. In Deutschland lag der Postpaid-Anteil an allen Mobilfunkverträgen 2005 bei 55 Prozent.94 Die Bindung von Privatkunden an Mobilfunkbetreiber ist, neben dem persönlichen Abwechslungsbedürfnis (Variety Seeking), insbesondere von der Preiszufriedenheit und der Zufriedenheit mit dem persönlichen Nutzen von Mobilfunkdiensten abhängig.95 Daher muss zwischen Preiswettbewerb96 und Leistungswettbewerb97 der Anbieter unterschieden werden. Im Mobilfunkmarkt, der, zumindest im Bereich der Sprachübertragung, Sättigungstendenzen aufweist, verfügen die Nachfrager zum Großteil über mehrjährige Nutzungserfahrung "mit entsprechend verfestigten Nutzenwahrnehmungen." 98 Die Kundentreue im Mobilfunk ist hoch: Nur rund 23 Prozent der Mobilfunkkunden nutzen noch ihr erstes Handy, aber 55,8 Prozent der deutschen Mobilfunkkunden haben noch nie ihren Mobilfunkanbieter gewechselt.99 Als wechselwillig bezeichnen sich nur 12 Prozent der Kunden.100 Der durchschnittliche deutsche
94
Vgl. Müller/Bormann (2006) Vgl. Rams (2002), Geleitwort 96 Vgl. Kapitel 2.2.1 97 Vgl. Kapitel 2.2.2 98 Hundacker (2005), S. 247 99 Vgl. Stern (2006) 100 Vgl. o.V. (2007b) 95
- 39 Nutzer telefoniert 81 Minuten im Monat mobil.101 Damit bleiben die Deutschen im internationalen Vergleich weit hinter Dänen (174 Minuten), Franzosen (235 Minuten) und Amerikanern (798 Minuten) zurück.102
2.1.4
Geschäftsbeziehungen
Die Geschäftsbeziehungen zwischen Anbietern und Nachfragern im Telekommunikationsmarkt sind durch die Regulierungsbehörde (Bundesnetzagentur) geprägt. Hauptgrund der Regulierung als "über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinausgehende branchenbezogene Eingriffe des Staates …, die sich unmittelbar auf Wettbewerbskonstellationen zwischen Anbietern und/oder das Verhalten mindestens eines Unternehmens der Branche auswirken",103 ist die Einschätzung, dass allein die Beendigung von Monopolrechten aufgrund hoher Markteintrittsbarrieren nicht für einen nachhaltig wirksamen Wettbewerb ausreicht. Ziel der Regulierung ist daher zum einen, alternativen Wettbewerbern Starthilfe zu geben, zum anderen sollen aber auch innovative Netze und Dienste gefördert werden.104 Während der Festnetzmarkt in Deutschland der Regulierung unterliegt, greift die Bundesnetzagentur derzeit nur in Einzelfällen in den Mobilfunkmarkt ein. Als Beispiel seien hier die Terminierungsentgelte genannt. Dabei handelt es sich um Entgelte, die Mobilfunkbetreiber erhalten, wenn sie Gespräche aus dem Festnetz oder anderen Mobilfunknetzen in ihr eigenes Netz weiterleiten. Sie gelten als "natürliche" Preisuntergrenze im Mobilfunk. Diese Entgelte, die rund 20 Prozent des Umsatzes der Betreiber ausmachen, werden seit Ende 2006 durch die Bundesnetzagentur festgesetzt.105 Einige Marktakteure befürworten allerdings eine weitergehende Regulierung durch die Bundesnetzagentur.106 Gerpott charakterisiert Mobilfunkdienste für Endkunden als "hochgradig technikintensiv und automatisiert produzierte, standardisierte Massendienstleistungen." 107 Ihm zufolge lässt sich der Absatzprozess grob in die Phasen der Kundenakquisition
101
Vgl. Bünder (2006) Vgl. Kietzmann (2006) 103 Gerpott (2006), S. 136 104 Vgl. § 2 Abs. 2 Nr. 3 Telekommunikationsgesetz (TKG) vom 22.06.2004 105 Vgl. Lessmann (2006b); Ury/Müller (2007) 106 Vgl. Fredrich (2006b) 107 Gerpott (2003b), S. 490 102
- 40 (Kauf- /Netzanschlussphase) und der Dienstenutzung gliedern.108 Gerpott ist zuzustimmen, wenn er feststellt, dass direkte zwischenmenschliche Kontakte zwischen Kunden und Mobilfunkbetreibern während der Dienstenutzung eher selten sind. Die Anbieter-Nachfrager-Beziehungen sind allerdings äußerst komplex und in Bezug auf Endkunden insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass auf Anbieterseite eine kontinuierliche Leistungserstellung erfolgt, während die Nachfragerseite eine variable Nutzungsintensität aufweist.109 Mobilfunk wird nicht auf einem Kaufgütermarkt gehandelt, der durch diskrete Einzeltransaktionen und bereits bei Vertragsabschluss feststehende Produkteigenschaften beziehungsweise -qualität charakterisiert ist. Bei Mobilfunk handelt es sich vielmehr um ein Kontraktgeschäft, das über einen längeren Zeitraum abgewickelt wird. Kontraktgüter zeichnen sich dabei dadurch aus, dass sie im Moment des Kaufes noch nicht existieren, also nur in einem Leistungsversprechen bestehen. Müller (1994) ging unverständlicherweise noch davon aus, dass Werbung als Marketinginstrument innerhalb dieser Gütergruppe nur eine untergeordnete Rolle spielt.110 Die hohen Werbeaufwendungen in der Mobilfunkbranche111 zeigen, dass heute das Gegenteil der Fall ist. Kontraktgeschäfte führen zu PrinzipalAgenten-Beziehungen, denn für die Produktion eines Kontraktgutes gilt: "Kunde und Hersteller lassen sich auf ein gemeinsames 'Abenteuer' ein, wobei die Handlungen eines Kooperationspartners das Wohlergehen des jeweils anderen beeinflussen." 112 Alchian/Woodward definieren ähnlich: Ein Leistungsversprechen ("contract") "promises future performance, typically because one party makes an investment, the profitability of which depends on the other's party future behavior." 113 Prinzipal-AgentenBeziehungen sind durch Unsicherheiten, Informationsasymmetrien und Zielkonflikte gekennzeichnet.114 Letztere lassen sich wie folgt skizzieren: Der Agent hat als Anbieter von Mobilfunkleistungen ein Interesse daran, seinen Input zu minimieren, da jede Anstrengung über dieses Minimum hinaus für ihn mit Kosten (Nutzenverlust) verbunden ist. Die Anstrengung hat aber einen Einfluss auf das Nutzenniveau des Prinzipals als Nachfrager von Mobilfunkleistungen, der ein möglichst hohes Nutzenniveau anstrebt. Die Informationsasymmetrie besteht darin, dass der Agent über die Leistung und mögliche Probleme bei der Leistungserstellung besser informiert ist als 108
Vgl. Gerpott (2003b), S. 475 f. Vgl. Hundacker (2005), S. 29 110 Vgl. Müller (1994), S. 2 111 Vgl. Kapitel 3.2.7.1 112 Schade/Schott (1991), S. 15 113 Alchian/Woodward (1988), S. 66 114 Vgl. Adler (1996), S. 10 109
- 41 der Prinzipal ("hidden information"). Das ist im Mobilfunk, der einen hohen Anteil an Erfahrungsguteigenschaften aufweist, der Fall. Unsicherheiten bestehen auf beiden Seiten: Der Prinzipal kann nicht sicher sein, dass der Agent die Leistungsversprechen über die Vertragslaufzeit hinweg uneingeschränkt erfüllt. Für den Agenten sind sowohl die Fortsetzung der Vertragsbeziehung als auch die tatsächliche Nutzung des Leistungsangebotes im Hinblick auf die Amortisierung der spezifischen Akquisitions- und Bindungskosten von entscheidender Bedeutung. Alle vier deutschen Netzbetreiber wenden gegenwärtig durchschnittlich über 80 Euro für die Gewinnung eines neuen Kunden auf. T-Mobile und Vodafone benötigen dabei rund acht bis zehn Monate, um dieses Geld wieder zu verdienen.115 Gerpott spricht von einer Geschäftsbeziehung, die für Mobilfunkbetreiber "wirtschaftlich um so attraktiver ist, je mehr es ihnen gelingt, an das eigene Netz angeschlossene Kunden über einen möglichst langen Zeitraum zur möglichst intensiven Nutzung von Mobilfunkdiensten zu motivieren." 116 Damit kommt der Kundenbindung im Mobilfunk eine entscheidende Bedeutung zu. Diese wird noch dadurch verstärkt, dass die hohe Marktpenetration echte Neukundengewinnung praktisch unmöglich macht. Folglich wird sich (vergleichende) Werbung in Zukunft in hohem Maße an Bestandskunden richten. Ein weiterer wichtiger Aspekt von Prinzipal-Agenten-Beziehungen ist Vertrauen, da der Agent Entscheidungen trifft, die nicht nur sein eigenes, sondern auch das Wohlergehen des Prinzipals beeinflussen. Misstrauen, das durch den diskretionären Handlungsspielraum des Agenten nach Vertragsabschluss in Bezug auf das Leistungsversprechen entsteht, spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Daraus ergibt sich, dass zum einen die Reputation117 des Agenten, zum anderen aber auch die von ihm freiwillig angebotene Einschränkung seines Handlungsspielraumes geeignet ist, Vertrauen zu schaffen beziehungsweise Misstrauen zu beseitigen. Als Beispiel für den Versuch, Vertrauen zu schaffen, seien hier die Serviceversprechen der Deutschen Telekom genannt. Auch mit Pauschalpreisangeboten soll dem Misstrauen der
Kunden
auf
dem
Mobilfunkmarkt
entgegengewirkt
werden.118
trauen(swürdigkeit) lässt sich dabei als eine Komponente der Glaubwürdigkeit
Ver119
auf-
fassen, die, wie bereits skizziert worden ist,120 von entscheidender Bedeutung für den 115
Vgl. Müller/Bormann (2006) Gerpott (2003b), S. 470 117 Fichtner (2006), S. 203 118 Vgl. Kapitel 2.2.1 119 Vgl. Kapitel 4.4.5 120 Vgl. Kapitel 1.2 116
- 42 Erfolg vergleichender Werbung ist. Aus der Übertragung dieses theoretischen Ansatzes der Prinzipal-Agenten-Beziehung auf den Mobilfunk ergibt sich auch die Notwendigkeit, Maßnahmen zur Überwindung von Informationsdefiziten in Bezug auf Preis und Qualität im Mobilfunk abzuleiten, zu denen auch vergleichende Werbung zu rechnen ist.
2.2
Aktuelle Herausforderungen
Die Analyse aktueller Herausforderungen auf dem Mobilfunkmarkt zeigt, dass Preisund Leistungswettbewerb stets einhergehen, so dass in der vergleichenden Werbung Preis- und Leistungselemente miteinander kombiniert werden müssen. Preiswettbewerb ist inzwischen für den Mobilfunkmarkt charakteristisch. Preisintransparenz und hohe Marktdynamik sorgen dabei für eine Verunsicherung der Verbraucher, der mit vergleichender Werbung begegnet werden kann. Dem Marktführer, der über die größte "Community" verfügt, bieten sich hier besondere Chancen. Im Leistungswettbewerb, der durch Substitution und Konvergenz gekennzeichnet ist, kann sich ein Marktführer als Vollsortimenter auch über vergleichende Werbung profilieren.
2.2.1
Preiswettbewerb
"Die Preispolitik gehört zu den schwierigsten und risikoreichesten Marketinginstrumenten im Marketing-Mix." 121 Der Preis ist dabei nicht nur Treiber der wichtigsten Unternehmens- und damit auch der Werbeziele,122 sondern auch ein äußerst wirksames Instrument, da Konsumenten und Wettbewerber auf Preisveränderungen oft unmittelbar und drastisch reagieren.123 Preispolitische Entscheidungen können einerseits schnell am Markt umgesetzt werden, lassen sich andererseits aber schwer 121
Diller (2000), S. 15 Vgl. Kapitel 5.3 123 Vgl. Esch et al. (2006), S. 311 122
- 43 revidieren.124 Darüber hinaus steht die Preispolitik in enger Verbindung zu den anderen Marketinginstrumenten: Die Festlegung auf eine Qualitätspolitik erfordert beispielsweise eine enge Orientierung an der Preisbereitschaft der Konsumenten. Preispolitik erfolgt des Weiteren in einem hier besonders dynamischen Umfeld. Als Einflussfaktoren seien im Mobilfunkmarkt vor allem staatliche Regulierung, Konkurrenzstrategien oder auch geänderte Preisansprüche der Konsumenten genannt. Das Preisverhalten der Konsumenten lässt sich in die Determinanten Preisinteresse (Ausmaß der Preissuche und -verarbeitung), Preiskenntnis, Preisfunktionen und Preisbeurteilung (Urteilsmechanismen im Zusammenhang mit dem Preis) gliedern.125 Die Intensität der Preissuche ist unter anderem dann besonders hoch, wenn der Kunde das eigene Preiswissen als unzureichend einschätzt und preisbezogene Informationen relativ leicht zu beschaffen sind.126 Beides ist auf dem dynamischen Mobilfunkmarkt der Fall: Intransparenz und die daraus resultierende Konsumentenunsicherheit kennzeichnen den Markt ebenso wie einfache Informationsmöglichkeiten über Internet, Fachzeitschriften oder auch die Stiftung Warentest.127 Der Preis kann in diesem Zusammenhang auch als Qualitätsindikator dienen und wird dann als 'Schlüsselinformation' bei der Informationsverarbeitung128 herangezogen; er kann aber auch als reine Kostenkomponente betrachtet werden. Kreye geht sogar davon aus, dass im Mobilfunkmarkt Preise die "traditionelle Funktion als Qualitätssignal" 129 verloren haben. Fröndhoff erklärt ergänzend: "Der Preis ist das alleinige Verkaufsargument. Dementsprechend aggressiv wird er beworben." 130 Auch Kreye ist der Ansicht, "dass die überwiegende Mehrheit der Konsumenten einzig einen Tarif anstrebt, der möglichst niedrige Kosten verursacht. Andere Zielgrößen, wie z.B. Kundenbetreuung oder Servicequalität, spielen für Privatkunden keine Rolle." 131 Dem kann nicht ohne Kritik gefolgt werden. Es ist wohl vielmehr davon auszugehen, dass Kreye hier eine bewusste Vereinfachung vornimmt, da sie sich in ihrer Untersuchung auf die Preisverarbeitung durch Privatkunden auf dem deutschen Mobilfunkmarkt konzentriert. Ihre empirische Studie führte sie ausschließlich mit Studenten durch, deren Preisbewusstsein überdurchschnittlich ausgeprägt sein dürfte. Träfe 124
Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 669 f. Vgl. Esch et al. (2006), S. 296 ff. 126 Vgl. Grewal/Marmorstein (1994) 127 Vgl. Kapitel 3.2.7.2 128 Vgl. Kapitel 4.4.4.2 129 Kreye (2005), S. 71 130 Fröndhoff (2004), S. 454 131 Kreye (2005), S. 101 125
- 44 Kreyes These zu, wäre es nicht zu erklären, dass die beiden Marktführer, die zweifellos nicht die preisgünstigsten Anbieter sind, sondern eher auf Service und Qualität setzen, weiterhin nach Kundenzahlen mit großem Abstand den als Wettbewerbsmarkt organisierten deutschen Mobilfunkmarkt dominieren, und Schätzungen zufolge der Marktanteil der Discountanbieter sogar unter zwanzig Prozent verbleiben wird.132 Richtig ist allerdings wohl, dass bei Mobilfunkkunden in Deutschland die Preiswürdigkeit (Preis-Leistungs-Verhältnis) gegenüber der Preisgünstigkeit (Preisvergleich mit konkurrierenden Unternehmen)133 heute eher in den Hintergrund rückt: So hat E-Plus dank der Gründung neuer Billigmarken mit 363.000 Neukunden mehr als doppelt so viele Nutzer hinzugewonnen wie Vodafone.134 Mit einem durchschnittlichen Monatsumsatz von 24 Euro pro Kunde bildet Deutschland hier das "Schlusslicht" in Europa.135 Die Konsumenten bleiben vorsichtig, obwohl die Mobilfunkpreise drastisch fallen: Im Gesamtjahr 2006 etwa sanken die Mobilfunkpreise um 10,7 Prozent gegenüber dem Vorjahr. 2005 waren sie bereits um drei Prozent und 2004 um 1,1 Prozent zurückgegangen.136 Die Gründe für den drastischen Preisrückgang sind vielfältig: Die hohe Marktpenetration verringert die Chancen der Neukundengewinnung, so dass Kunden über den Preis von Wettbewerbern abgeworben werden. Das Aufkommen der Discounter hat die Preise erheblich "ins Rutschen" gebracht. Die Absenkung der Terminierungsentgelte durch die Bundesnetzagentur trägt zusätzlich zur allgemeinen Preissenkung bei. Die Konsumenten sind nicht länger bereit, die hohen Preisdifferenzen zwischen Mobilfunk- und Festnetzkommunikation zu akzeptieren.137 Die Netzbetreiber versuchen, diesem Preisrutsch mit einer höheren (unüberschaubar werdenden) Tarifvielfalt zu begegnen, so dass ein Tarif inzwischen aus bis zu hundert unabhängigen Preiselementen besteht.138 Darüber hinaus soll mit Bündelangeboten und Pauschalangeboten mehr Volumen auf die Netze gebracht werden. Die Discounter wiederum unterbieten sich regelmäßig mit attraktiven Grundleistungen, so dass sich insgesamt die Preisabwärtsspirale beschleunigt. Die Konsumenten bleiben allerdings skeptisch, sie trauen den Preissenkungen nicht: "Schnell das Gespräch mit dem Handy be132
Vgl. Kapitel 2.1.2 Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 172 134 Vgl. Heilmann/Louven (2006) 135 Vgl. Müller/Bormann (2006), S. 4 136 Vgl. o.V. (2007) 137 Vgl. Müller/Bormann (2006), S. 4 138 Vgl. Kreye (2005), Geleitwort 133
- 45 enden. Denn es kann schließlich richtig teuer werden, so die vorherrschende Meinung der Mobilfunkkunden." 139 Diese Unsicherheit lässt sich auf verschiedene Ursachen zurückführen. Im Mobilfunk herrscht ein "Tarifdschungel".140 Die Anbieter setzen inzwischen verstärkt auf mengenbezogene Rabatte statt auf subventionierte Handys. Die Beurteilung der Vorteilhaftigkeit solcher Angebote setzt allerdings voraus, dass der Kunde sein bisheriges Nutzungsverhalten genau analysiert und seinen zukünftigen Konsum nach Art und Umfang abschätzt: O2 bietet beispielsweise seinen Bestandskunden an, statt eines subventionierten Handys zwei Jahre lang einen dreizehnprozentigen Rabatt auf den jeweiligen Monatsumsatz in Anspruch zu nehmen, wobei der Preisabschlag auf Telefonate bis monatlich 400 Euro begrenzt ist und Sonderrufnummern sowie Mehrwertdienste ausgenommen sind.141 Die Mobilfunkanbieter nutzen zur Preisbildung dabei eine Vielzahl von (nutzungsintensitätsabhängigen und -unabhängigen) Preiselementen, Preisbezugsgrößen (Abrechnungszeittakt, Merkmale der Zielrufnummer) und ergänzenden Konditionsvariablen (Mindestumsätze, Staffelrabatte).142 Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht diese Vielfalt (vgl. Abbildung 10). Die Mobilfunkanbieter bewegen sich grundsätzlich in einem Spannungsfeld: Einerseits versuchen sie, den unterschiedlichen Nutzungserwartungen und Verhaltensmustern der Kunden mit zahlreichen unterschiedlichen Tarifmodellen Rechnung zu tragen, andererseits müssen sie dem Kundenwunsch nach Einfachheit und Transparenz gerecht werden. Als Beispiel seien die inzwischen von allen vier Netzbetreibern angebotenen Pauschaltarife genannt. Die Anbieter gehen davon aus, dass die Kunden mit einem Pauschaltarif nicht nur selbst häufiger telefonieren, sondern auch häufiger angerufen werden, woran der Netzbetreiber zusätzlich verdient.143 Allerdings kann in der Regel nur zu deutschen Festnetzanschlüssen und innerhalb des eigenen Mobilfunknetzes kostenlos telefoniert werden. Da Mobilfunkkunden bei einem Anbieterwechsel ihre bisherige Rufnummer beibehalten können, ist an der Vorwahl aber nicht mehr zu erkennen, ob man in das eigene oder in ein fremdes Netz
139
App (2006d) Lessmann (2006a) 141 Vgl. Schickling (2006) 142 Vgl. Gerpott (2003b) S. 481 f. 143 Vgl. Müller (2006b) 140
- 46 -
Anrufe in Festne s tz Hotline
Hom ezo ne
Postpaid
In mi klus nu ivten
Commu nity
fzeit
Mailb oxab frage
Ta Ab ktung rec hn der un g
d Versan MMS-
P
aid p e r
agsla u
Grun dgeb ühr
Vertr
ming Roa
Hauptzeit/ Nebenzeit SMS-V
ersand
Anrufe in (fremde) ds e n Mobilfunknetze Minutenpakete sla räch u A sp z sat dy rtguthaben ta n S a m ge f H i u r t halta lusive des c k n s n i i u M Pa
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 10: Vielfalt der Preiselemente telefoniert und damit auch nicht, ob ein Gespräch kostenlos ist oder nicht. "So tritt keine Entspannung in den Köpfen ein." 144 T-Mobile versucht hier, mit einem entsprechenden Tarif und dem Werbeslogan "Keine Angst vor Fremdnetzkosten" 145 gegenzusteuern. Benzel stellt allerdings zu Recht fest: "Niemand hat den Rundumsorglos-Tarif." 146 Der Spagat der Mobilfunkbetreiber zwischen Segmentierung und Einfachheit wird in der Preiswerbung deutlich, die von "Sternchen-Text" 147 und "Fußnotenorgien" 148 geprägt ist. Gröger spricht in diesem Zusammenhang sogar davon, die Branche habe das "Image von Gebrauchtwagenhändlern".149 Festgestellt werden kann jedenfalls, dass diese Art der Preiswerbung die Unsicherheit der Verbraucher eher verstärkt.
144
Müller (2006c) Vgl. App (2006d) 146 Benzel (2006) 147 Ermert/Ziegler (2006) 148 Jacob (2006) 149 Ermert/Ziegler (2006) 145
- 47 Fast täglich werden im dynamischen Mobilfunkmarkt neue Billigtarife aggressiv beworben: "Staunend sieht der Verbraucher, wie viele Günstigste es gibt. Er lechzt manchmal nach einer von neutraler Seite erstellten Vergleichsübersicht, die allerdings bei ihrem Erscheinen wegen der Preisdynamik meist schon wieder Makulatur ist." 150 Die skizzierte Intransparenz und die hohe Marktdynamik führen dazu, dass die Mobilfunkanbieter mit einem Glaubwürdigkeitsproblem in Bezug auf die Mobilfunkpreise konfrontiert sind. Dieses Problem ist allerdings bei den Betreibern unterschiedlich stark ausgeprägt, da ihr Preisimage bei den Kunden unterschiedlich ist. "Preisimage" lässt sich in diesem Zusammenhang nach Diller definieren als "Ganzheit subjektiver … Wahrnehmungen, Kenntnisse, Gefühle und Einstufungen von Preismerkmalen bestimmter Urteilsobjekte … , das als Teil eines Gesamtimages handlungssteuernd wirkt … Zum Image passende Elemente werden eher und stärker wahrgenommen als unpassende. Insofern spielt das bereits gespeicherte Wissen eine Schlüsselrolle für das gesamte Preisverhalten." 151 Als etablierter Anbieter sieht sich Marktführer T-Mobile einem verfestigten "Teuer-Image" 152 ausgesetzt.153 An dieser Stelle lässt sich die These aufstellen, dass der Marktführer im Mobilfunk im Preiswettbewerb zwar einerseits das größte Glaubwürdigkeitsproblem154 hat, andererseits aber den Wettbewerbsvorteil "Größe der eigenen Community" nutzen kann: Pauschaltarife beinhalten in der Regel kostenlose netzinterne Gespräche. Dieser Wettbewerbsvorteil kann zum einen kurzfristig nicht vom Wettbewerber kopiert werden, zum anderen handelt es sich bei der Kundenzahl um eine einfache Größe, die leicht kommunizierbar ist und eindeutig gegenüber den Wettbewerbern abgegrenzt werden kann. Damit eignet sich die Kundenzahl zur Differenzierung im Rahmen vergleichender (Preis-) Werbung. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass im dynamischen Mobilfunk vergleichende Preiswerbung inzwischen "an der Tagesordnung" ist und von den Konsumenten nicht nur (kritisch) wahrgenommen, sondern im Tarifdschungel eher sogar erwartet wird.
150
Köhler (1999), S. 158) Diller (2000), S. 150 152 Freytag (2007) 153 Vgl. Kapitel 4.4.3.5 154 Vgl. Kapitel 4.4.5 151
- 48 -
2.2.2
Leistungswettbewerb
Der im vorangegangenen Kapitel skizzierte Preiswettbewerb und die damit verbundenen sinkenden Margen zwingen die Mobilfunkanbieter, nach neuen Differenzierungsmöglichkeiten zu suchen. Rennhak nennt hier "produkttechnische Innovationen, deren Kommunikation mittels vergleichender Werbung zusätzliche Differenzierungsmöglichkeiten eröffnen kann." 155 Rams ist dagegen nicht zuzustimmen, wenn er für den Mobilfunksektor diese Möglichkeit negiert: "Spielraum für eine nichtpreisliche Differenzierung besteht … kaum." 156 Die Abgrenzung zwischen Preiswettbewerb und Nichtpreiswettbewerb ist allerdings keineswegs immer eindeutig: E-Plus hat beispielsweise mit Simyo157 nach Auffassung der Bundesnetzagentur nicht lediglich einen neuen Tarif, sondern eine Produktinnovation eingeführt.158 Zwei Trends kennzeichnen derzeit den Leistungswettbewerb im Mobilfunkmarkt: Substitution und Konvergenz. Substitution bedeutet, dass Festnetzdienste zunehmend durch den Mobilfunk ersetzt werden. Bis 2009 dürften rund ein Drittel der Verbraucher ihren Festnetzanschluss gekündigt haben und mobil oder über das Internet telefonieren.159 Im Rahmen der Konvergenz160 werden stationäre Telefonieund Internetdienste mit mobilen Sprach- und Datendiensten zu integrierten Dienstleistungen verbunden. Inzwischen bieten mit Ausnahme von E-Plus alle Netzbetreiber Konvergenzprodukte an und reagieren damit auf die Wünsche der Verbraucher, die sich für Fernsehen, Internet, Festnetz und Mobilfunk nicht jeweils eigene Anbieter suchen wollen. Allerdings übertragen die Verbraucher die Kompetenzwahrnehmung aus dem Mobilfunk keineswegs automatisch auf neue Bereiche: "Konvergenzmarken müssen für Zuverlässigkeit, Glaubwürdigkeit und Sicherheit stehen, um Erfolg zu haben." 161 Damit könnten sich besondere Chancen für den etablierten Marktführer mit der entsprechenden Positionierung als Vollsortimenter ergeben, beispielsweise durch die Differenzierung gegenüber Discountern oder Handelsunternehmen, die außerhalb ihres Kerngeschäftes einzelne Mobilfunk155
Rennhak (2001), S. 218 Rams (2001), S. 141 157 Vgl. Kapitel 2.1.2 158 Vgl. Monopolkommission (2005), S. 35 159 Vgl. Gartner (2005) 160 Vgl. Gerpott (2003a), S. 628 161 Saal (2006f) 156
- 49 produkte anbieten.162 Diese Positionierung als Vollsortimenter ist auch im Rahmen vergleichender Werbung herauszustellen, da relativ einfach (tabellarisch) kommuniziert werden kann, welche Angebote bei den Wettbewerbern nicht erhältlich sind. Im Leistungswettbewerb ist darüber hinaus zwischen Sprachtelefonie und Datendiensten zu unterscheiden: Sprachtelefonie dürfte in den kommenden Jahren der Hauptumsatzträger bleiben; Datendienste werden dagegen trotz der neuen Übertragungstechnik UMTS163 kaum über einen Umsatzanteil von 30 Prozent hinauskommen.164 Gründe dafür sind einerseits die derzeit noch hohen Kosten und andererseits die mangelnde Nutzernachfrage. Wenn es darum geht, die Verbraucher von der Relevanz und Nützlichkeit der Dienste zu überzeugen, dürfte vergleichende Werbung nur eine untergeordnete Rolle spielen. Unterstützend wirken kann sie dagegen im Innovationswettbewerb bei der Abgrenzung von Wettbewerbern, die eine "Smart-Follower-Strategie" verfolgen.165 Das gilt insbesondere für den Marktführer, der eine "Orientierungsfunktion" im Markt übernimmt,166 und für den eine hohe Innovationsgeschwindigkeit unabdingbar ist.167 Auch die neuen Dienste müssen über den Preis beworben werden: "Viele Menschen wissen nicht, was MMS168 kostet. Die Leute vermuten aber, dass es teuer ist und nutzen es deshalb nicht." 169 Als Beispiel für einen neuen UMTS-Dienst sei das Handy-Fernsehen genannt. Zur Zeit fehlt es noch an einem einheitlichen technischen Standard,170 und bislang nutzt erst rund ein Prozent der Mobilfunkkunden den Dienst. Rund zwanzig Prozent der deutschen Mobilfunknutzer zeigen sich allerdings an Handy-Fernsehen interessiert.171 Der Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien (Bitkom) geht davon aus, dass in Deutschland bis 2010 rund zwanzig
162
Vgl. Kapitel 5 Universal Mobile Telecommunications System 164 Vgl. Müller/Bormann (2006) 165 Vgl. Kapitel 2.1.2 166 Vgl. Kapitel 3.3.3 167 Vgl. Wildemann (1998), S. 36 168 Multimedia Messaging Service (mobile Übermittlung von Fotos beziehungsweise Audio-/ Videosequenzen) 169 Hofer/Louven (2006) 170 Vgl. Mai/Müller (2007) 171 Vgl. Dettmar (2006) 163
- 50 Millionen fernsehfähige Handys verkauft werden.172 Das mobile Fernsehen dürfte aber kaum dazu dienen, stundenlang Filme anzusehen, vielmehr soll der Nutzer nach den Vorstellungen der Anbieter unterwegs in Zwischenzeiten die Funktionen kurzfristig nutzen: So lassen sich beispielsweise nach der Durchsicht von Filmvorschauen entsprechende Videos für zuhause bestellen.173 Mobiles Internet ist ein weiteres Beispiel für die neuen Dienste. Die Nutzung blieb bislang gering, unter anderem weil die Displaygröße keine komfortable Bedienung ermöglichte. Inzwischen befinden sich allerdings Handys mit ausrollbarem Bildschirm in der Markteinführung,174 und seit September 2006 lassen sich Inhalte unter der Internet-Endung ".mobi" technisch so aufbereiten, dass sie auch mit dem Handy gut zu nutzen sind. Staumelder, Routenplaner und andere Mobilitätsdienste können somit unterwegs bequem genutzt werden.175 Die skizzierten Dienste machen deutlich, dass die spezifischen Mobilfunkangebote erst dann bei den potenziellen Nutzern Akzeptanz finden werden, wenn der Mehrwert klar definiert ist, da die deutschen Verbraucher ihr Handy weder als "Zauberkiste" noch als "Allzweckgerät" 176 sehen. Die Nutzenfokussierung bedeutet für die Anbieter, dass sie in ihrer Werbung eine Abgrenzung gegenüber (nicht) vorhandenen Diensten von Mitbewerbern vornehmen müssen. Diese Kommunikation kann über vergleichende Werbung erfolgen. Insgesamt lässt sich feststellen, dass im Mobilfunk Leistungswettbewerb stets mit Preiswettbewerb einhergeht: Bei den im Markt etablierten Leistungen (insbesondere Sprachübertragung) erfolgt der Wettbewerb inzwischen fast ausschließlich über den Preis. Die neuen Dienste, zu denen beispielsweise mobiles Herunterladen von Musik aus dem Internet oder mobile Office-Programme gehören, sind insofern kaum erklärungsbedürftig, als bekannte Leistungen jetzt "nur" über das Medium Handy angeboten werden. Sie müssen aber über den Preis beworben werden, da die Konsumenten hier noch nicht über Preisanker177 verfügen und daher sehr zurückhaltend 172
Vgl. Waldenmaier (2007) Vgl. Nowak (2006) 174 Vgl. Schürmann/Löfken (2007) 175 Vgl. Iwersen (2006) 176 Foggin (2006), S. 304 177 Vgl. Diller (2000), S. 141 ff. 173
- 51 agieren. Damit ergeben sich Chancen für vergleichende Werbung durch Kombination von Leistungs- und Preiswettbewerb.
2.3
Zwischenfazit
Da Mobilfunk in seiner Grundleistung ein homogenes und damit austauschbares Produkt darstellt, muss die Abgrenzung des Angebotes insbesondere über die Werbung erfolgen.178 Aufgrund der Marktsättigung richtet sich die Werbung dabei in erster Linie an Bestandskunden und Kunden der Wettbewerber. Der dynamische Mobilfunkmarkt ist auf Anbieterseite durch einen starken Preiswettbewerb und auf Nachfragerseite durch hohe Angebotsintransparenz gekennzeichnet; die Geschäftsbeziehungen im Kontraktgeschäft Mobilfunk sind geprägt von Informationsasymmetrie. Die daraus resultierende Unsicherheit der Konsumenten bietet insbesondere dem Marktführer Chancen für informative vergleichende Werbung. Dies gilt sowohl für den Preiswettbewerb, den Schwaiger/Rennhak als "natürlichen" Anwendungsbereich vergleichender Werbung bezeichnen,179 als auch für den im Hinblick auf eine langfristige Differenzierung im Wettbewerb unerlässlichen Leistungswettbewerb (Innovationen, Service). Abbildung 11 verdeutlicht abschließend die anbieter-, technologie- und regulierungsinduzierte Unsicherheit der Mobilfunkkunden und zeigt gleichzeitig die Vorgehensweise für die weitere Untersuchung auf: Das wahrgenommene Risiko der Konsumenten180 ist darzustellen, aber auch die Prozesse der Informationsaufnahme und -verarbeitung181 sind zu untersuchen, bevor auf Strategien zur Risikoreduzierung182 eingegangen werden kann.
178
Vgl. Gierl (1998), S. 23 Vgl. Schwaiger/Rennhak (2002), S. 26 180 Vgl. Kapitel 3.1.1 181 Vgl. Kapitel 4.4.6.1 - 4.4.6.2 182 Vgl. Kapitel 5 179
- 52 -
Tariffs and billings
Promotion activities
Technology
Services
Number of Operators
Government regulations
CUSTOMER CONFUSION
Perceived Risk
INFORMATION SEARCH
RISK REDUCTION STRATEGIES ● ●
INFORMATION PROCESSING -evaluation of alternatives
●
word-of-mouth advertising/ brand image sales person advice
PURCHASE DECISION
POST PURCHASE BEHAVIOUR
Quelle: Turnbull et al. (2000), S. 148
Abbildung 11: Konsumentenverwirrung und wahrgenommenes Risiko
3
Konzeptionelle Grundlagen
Die Wirkung vergleichender Werbung auf den Konsumenten hängt insbesondere von der Marktstellung des Werbetreibenden sowie den Charakteristika des Produktes ab.1 Nachfolgend wird daher zunächst der Mobilfunk mit seinen Spezifika dargestellt. Anschließend ist auf die Besonderheiten vergleichender Werbung einzugehen, wobei nach der Begriffsabgrenzung die Rechtsgrundlagen analysiert und verschiedene Gestaltungsformen sowie Chancen und Risiken ihres Einsatzes erörtert werden, bevor auf die Werbewirkung dieses Instrumentes eingegangen wird. Danach erfolgt eine Darstellung der vergleichenden Werbung im Mobilfunkmarketing. Schließlich wird Marktführerschaft begrifflich abgegrenzt und in ihren Wirkungen untersucht. Nach der Vorstellung empirischer Untersuchungen zu Marktführerschaft und vergleichender Werbung werden Chancen und Risiken dieses Werbeinstrumentes für den Marktführer aufgezeigt, bevor ein Zwischenfazit gezogen wird.
1
Vgl. Dianoux (1999), S. 50 f.
- 54 3.1
Mobilfunk
An die erfolgreiche Gestaltung eines den Konsumenten überzeugenden Werbevergleiches sind verschiedene Grundvoraussetzungen geknüpft: Das beworbene Produkt muss über vergleichbare Eigenschaften verfügen und dem Konkurrenzprodukt bei mindestens einer dieser Eigenschaften tatsächlich überlegen sein. Darüber hinaus muss diese Überlegenheit überzeugend darstellbar und die entsprechende Eigenschaft für den Konsumenten entscheidungsrelevant sein.2 Im Folgenden wird daher das Produkt Mobilfunk aus Kundensicht betrachtet, wobei zunächst auf Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften eingegangen und Mobilfunk als limitierte bis extensive Kaufentscheidung dargestellt wird. Anschließend werden hedonistische und utilitaristische Produkteigenschaften aufgezeigt, bevor Kern- und Ergänzungsleistungen abgegrenzt und Nutzendimensionen skizziert werden.
3.1.1
Erfahrungsgut
Nelson zufolge sind Art und Umfang der Möglichkeiten des Konsumenten zur Informationsbeschaffung vor dem Kauf beziehungsweise dem Konsum von der Art der Produkte abhängig: Während bei Suchgütern die Möglichkeit besteht, die Qualität eines Produktes durch Inspektion bereits vor dem Kauf zu bestimmen, ist dies bei Erfahrungsgütern nicht möglich. Nelson bezog seine Typologie zunächst auf Produkte,3 in einer späteren Veröffentlichung auf Produkteigenschaften.4 Diese präzisere Klassifikation ist vorzuziehen, da Produkte in der Regel unterschiedliche Eigenschaften aufweisen.5 Sie geht zurück auf Darby/Karny, die von "qualities" sprechen und die Klassifikation von Nelson um Vertrauenseigenschaften (credence qualities) erweitern.6 Vertrauenseigenschaften können vom Konsumenten auch nach dem Kauf nicht oder zumindest nicht zweifelsfrei und häufig nur unter Inkaufnahme prohibitiver Kosten beurteilt werden.
2
Vgl. Wiltinger (2002), S. 287 Vgl. Nelson (1970) 4 Vgl. Nelson (1974) 5 Vgl. Vakratas/Ambler (1999), S. 29 6 Vgl. Darby/Karny (1973), S. 68 ff. 3
- 55 Die Einordnung eines Produktes beziehungsweise bestimmter Produkteigenschaften in diese informationsökonomische Typologie trägt dazu bei, Ursachen und Ausmaß des vom Konsumenten wahrgenommenen Risikos sowie seiner Informationskosten7 zu erfassen und gezielte Strategien zur Risikoreduzierung zu entwickeln, die insbesondere über die Werbung umgesetzt werden können. Die Formulierung von Gestaltungsanforderungen der Werbung setzt allerdings eine präzise Abgrenzung der Eigenschaften voraus, die daher nachfolgend für den Mobilfunk vorgenommen werden soll. Im Mobilfunk erfolgt die eigentliche Leistungserstellung nach dem Kauf,8 so dass zu vermuten ist, dass der Anteil an Sucheigenschaften im Vergleich zu Erfahrungseigenschaften eher gering ist. Sucheigenschaften weist zunächst das Endgerät auf: Äußerliche Merkmale lassen sich vor dem Kauf vollständig inspizieren. Da das Endgerät allerdings insbesondere derivativen Nutzen aufweist, kann der Konsument entscheidende Merkmale erst nach dem Kauf beziehungsweise Anschlussakt überprüfen. Dazu gehören beispielsweise Zuverlässigkeit und Nutzerfreundlichkeit. Damit sind dem Endgerät sowohl Such- als auch Erfahrungseigenschaften zuzuordnen. Der Preis des Endgerätes lässt sich eindeutig als Sucheigenschaft kennzeichnen, da er vor dem Kauf zweifelsfrei identifiziert werden kann. Der Preis der Mobilfunkleistung, der auf dem Mobilfunkmarkt eine entscheidende Rolle spielt,9 ist dagegen differenzierter zu betrachten: Insbesondere Pauschalpreise sind zwar grundsätzlich als Sucheigenschaften zu bezeichnen, allerdings kann der Konsument im Mobilfunkmarkt erst im Rahmen der Nutzung und in Abhängigkeit von seinem tatsächlichen Nutzungsverhalten die tatsächlichen Kosten des Produktes beurteilen. Der Grund dafür sind die an zahlreiche Voraussetzungen und Bedingungen geknüpften "unechten Pauschalpreise." 10 Damit weist auch der Preis Erfahrungseigenschaften auf. Die weiteren Erfahrungseigenschaften lassen sich in technische und servicebezogene Merkmale gliedern: Zu den technischen Erfahrungseigenschaften gehören Netzverfügbarkeit, Verbindungsabbruchswahrscheinlichkeit, Verbindungsaufbaugeschwindigkeit sowie SMS- beziehungsweise MMS-Zustellung. Servicebezogene Erfahrungseigenschaften sind beispielsweise der Umgang mit Kundenanfragen und -beschwerden, wobei anbieterseitige Flexibilität, Freundlichkeit und Kompetenz im
7
Vgl. Kapitel 3.2.7.2 Vgl. Kapitel 2.1.4 9 Vgl. Kapitel 2.2.1 10 Vgl. Kapitel 2.2.1 8
- 56 Fokus stehen dürften. Als Vertrauenseigenschaft sei die elektromagnetische Verträglichkeit genannt. Insgesamt ist festzustellen, dass das Mobilfunkprodukt überwiegend Erfahrungseigenschaften aufweist. Dies gilt insbesondere für neue Leistungen, denn "Innovationen in der Telekommunikation sind meist unsichtbar. Neue Qualitäten in den Netzen sind für den Kunden erst in Form von Geschwindigkeit oder hoher Zuverlässigkeit erkennbar." 11 Die vorgestellten Produkteigenschaften wirken sich auf das Informations- und Entscheidungsverhalten der Konsumenten im Mobilfunk aus, das aufgrund der hohen Marktdynamik, Angebotskomplexität und Informationsasymmetrie ohnehin von großer Unsicherheit geprägt ist. Den Konsumenten stehen verschiedene Möglichkeiten für den Umgang mit Unsicherheit offen: Sie vertagen die Kaufentscheidung, verzichten ganz darauf12 oder greifen auf Strategien zur Risikoreduzierung zurück. Diese Strategien lassen sich zunächst danach gliedern, ob die Konsumenten sich an eigenen oder an Erfahrungen Dritter (Familie, Freunde, Bekannte) und damit an vergangenheitsbezogenen Leistungen des Unternehmens orientieren. Darauf weist auch Shapiro hin: "When product attributes are difficult to observe prior to purchase, consumers may plausibly use the quality of products produced by the firm in the past as an indicator of present or future quality." 13 Für die Werbung ist dies von besonderer Bedeutung, denn es ist davon auszugehen, dass Empfehlungen aus dem Familienkreis oder von Freunden für den Konsumenten glaubwürdiger und damit entscheidungsrelevanter sind als Werbeinformationen: "The more consumers use relatives and friends, the less they respond to advertising." 14 Eine weitere Möglichkeit für die Konsumenten ist der Rückgriff auf Schlüsselinformationen. Schlüsselinformationen (information chunks) erleichtern insbesondere bei Erfahrungseigenschaften die Produktbeurteilung, da sie Indikatoren für zahlreiche, den Konsumenten nicht zugängliche Informationen sind. Trommsdorff spricht daher auch von "Stellvertreter-Informationen".15 Zu diesen Indikatoren gehören beispielsweise Marke, Unternehmensimage, Häufigkeit der Werbung16 oder auch Gütesiegel. Durch Rückgriff auf informationskostensenkende Elemente, wie Gütesiegel oder Garantien, wird allerdings aus einem Erfahrungsgut keineswegs ein Suchgut. Vielmehr ist mit Müller davon auszugehen, dass in solchen 11
Winkelhage (2005c), S. V32 Vgl. Turnbull (2000), S. 144 13 Shapiro (1983), S. 659 14 Nelson (1974), S. 747 15 Trommsdorff (2004), S. 318 16 Vgl. Kapitel 3.2.7.1 12
- 57 Fällen lediglich einzelne Sucheigenschaften anstelle von Erfahrungseigenschaften für die Produktbeurteilung genutzt werden.17 Such-, Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften bieten unterschiedliche Ansatzpunkte für Art und Gestaltung der Werbung: Für Sucheigenschaften, zu denen die verschiedenen Endgerätefunktionen gehören, ist informative Werbung besonders geeignet. Nelson weist darauf hin, dass bei Sucheigenschaften der Anreiz für den Werbetreibenden, irreführende Angaben über das Produkt zu machen, gering ist, da der potenzielle Käufer sich vor dem Kauf entsprechend informieren kann.18 Ihm zufolge spielt daher auch die Anbieterreputation bei Suchgütern eine geringere Rolle als bei Erfahrungsgütern, und er stellt fest: "The possession of this direct information about these qualities reduces the payoff to both consumers and advertisers of advertisement's increasing the reputability of a brand." 19 Dem ist zuzustimmen, allerdings ergeben sich auch für Sucheigenschaften positive konsumentenseitige Wirkungen durch die höhere Glaubwürdigkeit, zu denen unter anderem geringere Transaktionskosten aufgrund niedrigerer Suchkosten gehören. Bei Erfahrungseigenschaften lassen sich die oben genannten Schlüsselinformationen, wie Marke und Garantie, bewerben, während bei Vertrauenseigenschaften insbesondere die Ergebnisse unabhängiger Testinstitute Erfolg versprechend eingesetzt werden.20 Der Konsument zieht unterschiedlichen Nutzen aus der entsprechenden Werbung und ist daher in unterschiedlichem Maße bereit, sich auf die Werbung einzulassen und ihr Glauben zu schenken: Während der Konsument bei Sucheigenschaften direkte Informationen über das Produkt aus der Werbung erhält, ist bei Erfahrungseigenschaften die wichtigste Information aus der Werbung, dass die Marke überhaupt beworben wird.21 Nelson schließt daraus: "Advertising of experience qualities increases sales through increasing the reputability of the seller, while advertising of search qualities increase sales by providing the consumer with 'hard' information about the seller's products." 22 Ihm zufolge bevorzugen Konsumenten "harte" produktbezogene Informationen gegenüber "weichen" anbieterbezogenen Werbeinformationen, so dass gilt: "… the marginal revenue of advertisements to the
17
Vgl. Müller (1994), S. 152 Vgl. Nelson (1974), S. 730 19 Nelson (1974), S. 734 20 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 319 21 Vgl. Kapitel 3.2.7.1 22 Nelson (1974), S. 740 18
- 58 consumer will be greater for search goods than for experience goods." 23 Diese Sichtweise erscheint sehr eng, insbesondere da Konsumenten bei Erfahrungseigenschaften Schlüsselinformationen nutzen, die zur Entscheidungsvereinfachung und damit zur Senkung von Opportunitätskosten beitragen.24 Müller stellt allerdings zutreffend fest, dass Konsumenten den Werbeaussagen für Suchgüter weniger skeptisch gegenüberstehen als denen für Erfahrungsgüter25 und sieht in Bezug auf letztere einen hohen "Wunsch nach Rezeptions-Vermeidung".26 Insgesamt kann also festgestellt werden, dass das Mobilfunkprodukt vorwiegend Erfahrungseigenschaften aufweist, so dass der Glaubwürdigkeit sowohl der Werbebotschaft als auch des Anbieters27 entscheidende Bedeutung zukommt. Diese muss daher auch in der vergleichenden Werbung besonders hervorgehoben werden.
3.1.2
Limitierte Kaufentscheidung
Kaufentscheidungsprozesse von Konsumenten lassen sich in Prozesse mit stärkerer kognitiver Kontrolle (extensive und limitierte Entscheidungen) und Prozesse mit geringerer kognitiver Kontrolle (habitualisierte und impulsive Entscheidungen) gliedern. Diese Entscheidungsprozesse beinhalten unterschiedliche Informationsaufnahmeund -verarbeitungsstrategien.28 Auch das Involvement ist zu berücksichtigen,29 so dass sich die nachfolgend skizzierten Typen von Kaufentscheidungen ergeben (vgl. Abbildung 12). Im dynamischen, hochkomplexen und von hoher Intransparenz gekennzeichneten Mobilfunkmarkt ist nicht davon auszugehen, dass Kaufentscheidungen impulsiv oder habitualisiert getroffen werden. Entscheidungen werden vielmehr gedanklich gesteuert. Das Entscheidungsverhalten ist daher extensiv oder limitiert, wobei eine eindeutige Abgrenzung allerdings nicht vorgenommen werden kann. Der hohe Informationsbedarf und die begrenzten Möglichkeiten, auf bewährte Entscheidungsmuster und -kriterien zurückzugreifen, legen einen extensiven Entscheidungsprozess 23
Nelson (1974), S. 745 Vgl. Kapitel 3.2.7.2 25 Vgl. Müller (1994), S. 146 26 Vgl. Müller (1994), S. 153 27 Vgl. Kapitel 4.4.5 28 Vgl. Kapitel 4.4.6.1 – 4.4.6.2 29 Vgl. Kapitel 4.4.4 24
- 59 -
Extensive Kaufentscheidung
Limitierte Kaufentscheidung
Habitualisierte Kaufentscheidung
Impulsive Kaufentscheidung
Involvement
- hohes Involvement
- begrenztes Involvement
- geringes Involvement
- hohes situationsspezifisches Involvement
Entscheidungsprozess
- komplexer Kaufentscheidungsprozess - mehrstufige Kaufentscheidung
- Rückgriff auf bewährte Entscheidungskriterien - Satisfizierungs- statt Extremierungsverhalten
- nahezu automatisch ablaufender Entscheidungsprozess - Orientierung an bisheriger Produktund Markenwahl
- reizgesteuerte Kaufentscheidung - ungeplantes Verhalten
Wahrgenommenes Risiko (sozial und finanziell)
- hohes wahrgenommenes Kaufrisiko
- begrenztes wahrgenommenes Risiko
- in der Regel eher gering
- in der Regel eher gering
Affektive/ kognitive Kontrolle
- Dominanz affektiver und kognitiver Prozesse
- bewusste Beschränkung der Informationssuche (Orientierung an Schlüsselinformation)
- geringe kognitive Steuerung des Kaufentscheidungsprozesses
- geringe kognitive Kontrolle
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Sander (2004), S. 40
Abbildung 12: Typen von Kaufentscheidungen nahe: Innovationen, wie beispielsweise Handy-TV, und neue Anbieter mit neuen Geschäftsmodellen verhindern eine einfache Orientierung an bisherigen Kauferfahrungen. Kreye stellt in einer Vorstudie fest, dass Konsumenten im Durchschnitt zwei Monate vor der eigentlichen Kaufentscheidung beginnen, sich mit der Thematik auseinanderzusetzen.30 Die Entscheidung für einen Anbieter bedeutet zumindest im Postpaid-Bereich eine langfristige Bindung (in der Regel zwei Jahre), wobei die meisten Mobilfunkverträge drei Monate vor Vertragsende gekündigt werden müssen. Rudlowski zufolge sind extensive Kaufentscheidungen typisch für Produkte mit hohem wahrgenommenem Risiko.31 Allerdings ist Rams zuzustimmen, der feststellt, dass sich das Mobilfunkprodukt durch ein mittleres Kaufrisiko auszeichnet 32 und eher eine zufriedenstellende und nicht die "beste" Alternative angestrebt wird. Das lässt wiederum auf einen limitierten Entscheidungsprozess schließen. Für eine limitierte Kaufentscheidung spricht auch die Tatsache, dass Konsumenten im Mobilfunkmarkt häufig auf Schlüsselinformationen zurückgreifen: Kroeber-Riel/Weinberg 30
Vgl. Kreye (2005), S. 25 Vgl. Rudlowski (1992), S. 137 32 Vgl. Rams (2001), S. 132 31
- 60 zufolge kann ein extensiv entscheidender Konsument Schlüsselinformationen kaum nutzen (er muss sie erst finden und als solche identifizieren), und ein habitualisiert entscheidender Konsument benötigt sie kaum noch. Sie ziehen daher die Schlussfolgerung, dass die Nutzung von Schlüsselinformationen Erfahrung voraussetzt und sich daher insbesondere für limitierte Kaufentscheidungen eignet: Wenn die interne Informationssuche nicht für die Kaufentscheidung ausreicht, werden im Rahmen der externen Informationssuche Informationen herangezogen, "die eine verdichtende, entlastende Informationsfunktion ausüben." 33 Anders als Kroeber-Riel/Weinberg geht Kearsley davon aus, dass Konsumenten insbesondere bei extensiven Kaufentscheidungen auf Schlüsselinformationen zurückgreifen: "Gerade am Anfang des extensiven Kaufentscheidungsprozesses kann es zu einer Informationsüberlastung kommen, da häufig wenig Erfahrung vorliegt. In dieser Phase werden Schlüsselinformationen gesucht, um die Informationsüberlastung zu verringern." 34 Esch et al. ist, jedenfalls im Grundsatz, zuzustimmen: Beim Erstkauf lässt sich das Mobilfunkprodukt als extensive Kaufentscheidung klassifizieren; bei Folgekäufen handelt es sich eher um eine limitierte Kaufentscheidung.35 Allerdings kann hier angesichts des breiten Programmes an Mobilfunkprodukten nur eine Durchschnittsbetrachtung erfolgen: Dem Erwerb eines Luxushandys36 dürfte ein anderer Informations- und Entscheidungsprozess vorausgehen als der Entscheidung für ein Discount-Angebot, das neben der SIM-Karte auch ein Handy beinhaltet. Unabhängig von einzelnen Produkten eröffnen sich auf dem Mobilfunkmarkt Chancen für vergleichende Werbung, die in Deutschland im Wesentlichen informativ zu gestalten ist,37 so dass von einer eher kognitiven als emotionalen Verarbeitung auszugehen ist: "Tendenziell kann also vergleichende Werbung nur bei extensiven beziehungsweise limitierten Kaufentscheidungen nützlich sein." 38 Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Konsument auf dem Mobilfunkmarkt grundsätzlich Produkt- und Preisvergleiche anstellt 39 und Informationen kognitiv verarbeitet, so dass eine limitierte Kaufentscheidung erfolgt, die die Verarbeitung von Schlüsselinformationen begünstigt. Daraus ergibt sich folgende Schlussfolgerung in Bezug auf die werbliche Adressierung der Konsumenten: Vergleichende Werbung im 33
Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 383 Kearsley (1996), S. 189 35 Vgl. Esch et al. 2006, S. 65 36 Vgl. Mayer-Kuckuck/Iwersen (2007) 37 Vgl. Kapitel 3.2.3.2 38 Rennhak (2001), S. 216 39 Vgl. Kreye (2005), S. 127 34
- 61 Mobilfunk, die die Überlegenheit eines Produktes im Vergleich zu einem anderen in einigen wenigen Merkmalen (Schlüsselinformationen) herausstellt, kann den Vergleich von Alternativen erleichtern, so dass das Informationsdefizit verringert sowie das wahrgenommene Risiko gesenkt wird. Wenn vergleichende Werbung beim Konsumenten einen Konflikt zwischen dem beworbenen Produkt und dem Vergleichsprodukt hervorruft und ihn dadurch verunsichert, wird der Entscheidungsprozess zugunsten des beworbenen Produktes verlängert, und die limitierte Kaufentscheidung verändert sich in Richtung einer extensiven Kaufentscheidung. Dies gilt insbesondere dann, wenn das beworbene Produkt nicht Teil des evoked set des Konsumenten ist.40 Der Marktführer dürfte allerdings im Regelfall zum evoked set des Konsumenten gehören.41 Seine vergleichende Werbung kann dann dazu dienen, das Wissen über die relative Leistungsfähigkeit verschiedener Marken zu erweitern.42
3.1.3
Hedonistisches und utilitaristisches Gut
Hedonistische Produkte sind dadurch gekennzeichnet, dass die Kaufabsicht der Konsumenten auf emotionalen Gründen, wie Freude, Spaß oder Fantasie, basiert, während utilitaristische Produkte eher aufgrund funktionaler Eigenschaften, wie beispielsweise Sicherheit, gekauft werden und häufig mit Begriffen wie "praktisch" oder "notwendig" umschrieben werden.43 Der hedonistischen Bedürfnisbefriedigung dient auch die "Erlebnisnutzenpositionierung",44 die darauf abzielt, dass Konsumenten Träume und Sehnsüchte mit dem Produkt verbinden. Informationsüberlastung der Konsumenten und ein Angebot von austauschbaren Produkten auf gesättigten Märkten sind die Hauptgründe dafür, dass die Werbung verstärkt auf Erlebnisstrategien zurückgreift. Produkte werden immer häufiger nicht wegen ihres sachlichen und funktionalen Nutzens, sondern im Hinblick auf ihren immateriellen Nutzen gekauft, so dass eine "Entmaterialisierung des Konsums" 45 stattfindet. Die Abgrenzung zwischen hedonistischen und utilitaristischen Produkten ist allerdings schwierig, da dasselbe Produkt von einem Konsumenten als utilitaristisch und von 40
Vgl. Kearsley (1996), S. 190 Vgl. Kapitel 3.3.2 42 Vgl. Kearsley (1996), S. 190 43 Vgl. O'Curry/Strahilevitz (2001), S. 37 44 Steffenhagen (2004), S. 110 45 Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 125 41
- 62 einem anderen als hedonistisch eingeschätzt werden kann. Darüber hinaus können Produkte sowohl utilitaristische als auch hedonistische Eigenschaften aufweisen.46 Häufig verlieren bei Konsumgütern mit dem Fortschreiten im Lebenszyklus die funktionalen Eigenschaften gegenüber den hedonistischen Eigenschaften an Bedeutung, da nur mit letzteren noch eine Differenzierung im Wettbewerb realisierbar erscheint. Diese Tendenz lässt sich allerdings auf das Produkt Mobilfunk nicht ohne Einschränkung übertragen, da hier insbesondere im Bereich der Datenübertragung ständig neue funktionale Eigenschaften hinzukommen.47 Allerdings rücken auch hedonistische Eigenschaften in den Vordergrund. Fortunati macht deutlich, warum sich das Handy hervorragend für die "Fetischisierung" 48 eignet: Es wird eng am menschlichen Körper gehalten oder an der Oberfläche des menschlichen Körpers aufbewahrt und verwandelt sich in ein Objekt, das zwischen Accessoire und Schmuck angesiedelt ist.49 Als Beispiel sei hier ein luxuriöses Handy der Modefirma Prada genannt, das bei Eingaben über die Bildschirmoberfläche ohne den üblichen kleinen
Plastikstift
auskommt
und
empfindlichen Bildschirm gesteuert wird.
ausschließlich 50
über
einen
berührungs-
Als weiteres Beispiel lassen sich die von
T-Mobile angebotenen Lifestyle-Accessoires nennen, zu denen insbesondere HandyAnhänger aus Swarovski-Kristallen gehören. Die entsprechende Werbung macht deutlich, dass das Handy inzwischen zu einem Lifestyle-Produkt51 geworden ist: "Dieses kleine, feine Universum aus Lichtblitzen macht aus jedem Handy ganz schnell eine anbetungswürdige Diva." 52 Die Mobilfunkwerbung stellt damit nicht mehr allein auf den Grundnutzen ab, sondern vielmehr auf den Geltungsnutzen.53 So betonen auch Gutsche et al., dass Mitte der 90er Jahre Handys vor allem über funktionale Eigenschaften verkauft worden sind, während inzwischen "der Aufbau und die Pflege einer das Kernprodukt umgebenden Erlebniswelt als Schlüssel für den Markenerfolg" 54 betrachtet wird. Neben dem Erlebnisnutzen dürften in Zukunft auch synästhetische Erfahrungen eine Rolle spielen, da das Handy mit Düften,
46
Vgl. Batra/Ahtola (1990), S. 161 Vgl. Kapitel 2.2.2 48 Glotz et al. (2006), S. 18 49 Vgl. Fortunati (2006), S. 176 50 Vgl. Mayer-Kuckuck/Iwersen (2007) 51 Vgl. Fischer (2007); siehe auch Kapitel 4.5.2 52 Flyer "Mobile Trends" von T-Mobile 53 Vgl. Steffenhagen (2004), S. 111 54 Gutsche et al. (2005), S. 638 47
- 63 Parfüm und anderen Sinnesreizen angereichert werden wird.55 Auch Gross/Bertschi fordern, das Handy mit Geschichten, Mythen, Design, Szenen und Idolen aufzuladen.56 Gutsche et al. argumentieren, dass "die Faszination für das jeweilige Unternehmen und seine Leistungen durch ein von funktionalen Facetten befreites, emotional aufgeladenes, gleichwohl prägnantes Markenbild vermittelt werden [soll]," 57 und verdeutlichen damit, dass die Werbung für funktionale Produkteigenschaften anders ausgerichtet sein muss als die für emotionale Produkteigenschaften, und die Eigenschaften daher getrennt zu bewerben sind: Visuelle Kommunikation, die nach Kroeber-Riel / Weinberg nicht den Restriktionen kognitiver Informationsverarbeitung unterliegt, ist besonders für die Übermittlungen von Emotionen geeignet und erleichtert daher die Informationsaufnahme bei hedonistischen Produkteigenschaften.58 Visuelle Ansprache ist allerdings (ohne Unterstützung durch Text) kaum für vergleichende Werbung im Mobilfunk geeignet. Darüber hinaus werden hedonistische Produkteigenschaften mit dem Ziel beworben, eigene Markenwelten zu kreieren und im Bewusstsein der Konsumenten zu verankern. Die Abgrenzung von der Konkurrenz erscheint bei hedonistischen Produkteigenschaften zweitrangig; im Vordergrund steht die Selbstpräsentation. Daraus lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass vergleichende Werbung (allein) für hedonistische Produkteigenschaften kaum Erfolg versprechend ist. Zu diesem Ergebnis kommt auch Gierl: "Vergleichende Werbung dürfte sich eher für Produkte eignen, die vorwiegend aufgrund ihrer funktionalen Eigenschaften gekauft werden, als für Produktbereiche, in denen der psychologische oder soziale Nutzen im Vordergrund steht. Dies liegt in der schwierigen Vergleichbarkeit des psychologischen oder sozialen Nutzens zwischen Konkurrenzmarken." 59 Bei utilitaristischen Produkteigenschaften, wie beispielsweise Netzabdeckung oder Gesprächsgüte, kann dagegen die Differenzierung von Wettbewerberangeboten in den Vordergrund gerückt werden. Dies gilt besonders für Eigenschaften, die nicht ausschließlich mit absoluten Größen beworben werden können, da den Konsumenten dafür keine "Anker" zur Verfügung stehen und die daher besonders überzeugend im direkten Vergleich mit den Leistungen der Wettbewerber darzustellen sind (Beispiel Verbindungsabbruchswahrscheinlichkeit). Das gleiche gilt für Eigen55
Vgl. Fortunati (2006), S. 176 Vgl. Gross/Bertschi (2006), S. 229 57 Gutsche et al. (2005), S. 638 58 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 125 59 Gierl (1998), S. 26 56
- 64 schaften, die Konsumenten kaum nachprüfen können (Beispiel elektromagnetische Verträglichkeit). Appelliert die Werbung an utilitaristische Produktbedürfnisse, lenkt sie die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf inhaltliche Elemente der Werbung, so dass sie mehr Zeit für die Verarbeitung von Produktinformationen verwenden.60 Damit eröffnen sich Chancen für vergleichende Werbung. Die Beurteilung utilitaristischer Produkte beziehungsweise Produkteigenschaften hängt in höherem Maße von den durch die Werbung ausgelösten kognitiven Reaktionen als von der Gefallenswirkung ab. Bei hedonistischen Produkteigenschaften tritt die entgegengesetzte Wirkung ein.61 Zu diesem Ergebnis führte bereits eine Studie von Mano/Oliver: "Hedonic evaluation is mostly affective while utilitarian evaluation is mostly cognitive." 62 Dem mit vergleichender Werbung verbundenen Glaubwürdigkeitsproblem ist daher bei utilitaristischen Produkteigenschaften anders zu begegnen als bei hedonistischen Produkteigenschaften. Der Marktführer kann bei utilitaristischen Produkteigenschaften gegebenenfalls auf die große Anzahl (zufriedener) Kunden verweisen und so die Kundenzahl im Rahmen vergleichender Werbung nutzen. Bei der Bewerbung hedonistischer Produkteigenschaften müsste er beim Verweis auf hohe Kundenzahlen dagegen befürchten, dass sein Produkt den Konsumenten nicht mehr den angestrebten Geltungsnutzen verleiht. Das erkennt auch Strebinger: "Dass bei identitätsstiftenden Produkten kaum auf den Marktführer-Claim zurückgegriffen wird, erklärt sich wohl aus der Furcht, die Marke zu konformistisch zu positionieren." 63 Im Mobilfunk wird allerdings sowohl dem utilitaristischen als auch dem hedonistischen Produktaspekt Rechnung getragen, wenn der Marktführer mit der Kundenzahl, die hier auch als "Community" bezeichnet wird, vergleichend wirbt. Darauf weist Hundacker hin: "[Die Community] beeinflusst die Möglichkeit zur Identifikation mit den Mitgliedern der Gruppe und ist damit emotionaler Natur. Andererseits beeinflusst die Community-Größe die Nutzungskosten des Kunden, weil die Gesprächsgebühren zu Mitgliedern der Community im Allgemeinen geringer sind als die Gebühren für Telefonate mit Nutzern konkurrierender Anbieter." 64 Damit ist festzuhalten, dass das Produkt Mobilfunk hedonistische und utilitaristische Eigenschaften aufweist, wobei eine Dissoziation häufig nicht möglich ist und von den 60
Vgl. Reich (2006), S. 74 f. Vgl. Reich (2006), S. 75 62 Mano/Oliver (1993), S. 464 63 Strebinger (2001), S. 266 64 Hundacker (2005), S. 148 61
- 65 Konsumenten auch nicht vorgenommen wird, da sie das Kontraktgut in seiner Gesamtheit beurteilen. Für die Darstellung im Rahmen vergleichender Werbung eignen sich die utilitaristischen Mobilfunkeigenschaften eher als die hedonistischen.
3.1.4
Kernleistungen und Ergänzungsleistungen
Kreye vertritt die Auffassung, dass auf dem Mobilfunkmarkt "eine identische, unidentifizierbare Leistung (Kapazität im Mobilfunknetz) gehandelt wird." 65 Damit nimmt sie eine Verengung vor, der hier nicht gefolgt werden soll. Vielmehr ist mit Gutsche festzustellen, dass das aus Kundensicht erlebte Produkt aus Leistungsfacetten besteht.66 Die angebotenen Leistungen lassen sich in Kern- und Ergänzungsleistungen gliedern. Ihre Abgrenzung ist nach Steffenhagen allerdings insbesondere dann schwierig, wenn es sich bei der Kernleistung, wie im Mobilfunk, um eine Dienstleistung handelt. Ihm zufolge lassen sich als Ergänzungsleistungen die zusätzlichen Leistungen kennzeichnen, die die Kernleistung begleiten und den Nachfragern vor oder nach dem Zustandekommen einer Transaktion erbracht werden.67 Gerpott definiert in diesem Zusammenhang Ergänzungsleistungen als Leistungen, deren Inanspruchnahme erst durch Kernleistungen bedingt wird, und die isoliert kaum in Anspruch genommen würden.68 Zu den Kernleistungen im Mobilfunk gehören insbesondere drei Elemente (vgl. Abbildung 13). Netzaspekte - Übertragungsqualität - Netzverfügbarkeit - Verbindungsabbruchswahrscheinlichkeit - Verbindungsaufbauzeit - SMS- und MMS-Zustellzeit …
Endgeräteaspekte - Funktionsumfang - Zuverlässigkeit - Nutzerfreundlichkeit …
Tarifaspekte - Anschlusskosten - Verbindungskosten - Mindestumsatz …
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 13: Kernleistungen im Mobilfunk Damit lässt sich festhalten, dass die Hauptfunktionalität im Mobilfunk die einfache, störungsfreie, schnelle und preiswerte Übertragung von Informationen ist. 65
Kreye (2005), S. 171 Vgl. Gutsche (2005), S. 644 67 Vgl. Steffenhagen (2004), S. 138 68 Vgl. Gerpott (2003b), S. 471 66
- 66 Die Vielfalt der Ergänzungsleistungen verdeutlicht die nachfolgende Übersicht (vgl. Abbildung 14). "Service" im eigentlichen Sinne
Rechnungstellung
anbieterseitige Information der Kunden
Umgang mit Kundenanfragen und -beschwerden
mobilfunkfremde Leistungen
- Entsorgung von Altgeräten - personalisiertes Einrichten der Geräte - Bereitstellung von Leihgeräten - Instandsetzung defekter Geräte …
- Richtigkeit - Transparenz …
Art und Umfang der Information über - neue Leistungen - neue Tarife …
- Freundlichkeit - Kompetenz - Schnelligkeit - Flexibilität …
- Kundenevents - Kundenclubs …
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 14: Ergänzungsleistungen im Mobilfunk Gerpott zählt zu den Ergänzungsleistungen auch die Markenstärke beziehungsweise das Image relativ zum Wettbewerb.69 Da dies aber keine Leistungen sind, die außerhalb der eigentlichen Transaktion erbracht werden, bleiben sie an dieser Stelle unberücksichtigt. Das Image dürfte allerdings insbesondere für den Marktführer von entscheidender Bedeutung sein und auch die Erfolgschancen seiner vergleichenden Werbung beeinflussen.70 Grundsätzlich lassen sich sowohl Kern- als auch Ergänzungsleistungen im Rahmen vergleichender Werbung darstellen. Voraussetzung ist die tatsächliche Überlegenheit des Werbenden. Bei Kernleistungen kann die technische beziehungsweise preisliche Leistungsfähigkeit relativ einfach gegenüber den Wettbewerbern (tabellarisch) in der Werbung hervorgehoben werden. Insbesondere Netz- und Tarifaspekte lassen sich mit Zahlen hinterlegen, so dass das Glaubwürdigkeitsproblem vergleichender Werbung reduziert wird. Ergänzungsleistungen entziehen sich dagegen zum Teil der intersubjektiven Überprüfbarkeit. Auch mit ihnen kann aber vergleichend geworben werden, insbesondere wenn die Wettbewerber keine entsprechenden Leistungen anbieten. Als Beispiel seien die Serviceversprechen der Deutschen Telekom genannt. Sowohl für Kern- als auch für Ergänzungsleistungen gilt jedenfalls, dass die
69 70
Vgl. Gerpott (2003b), S. 477 Vgl. Kapitel 3.3.2 und 3.4.3.1
- 67 rechtlichen Anforderungen an vergleichende Werbung zu berücksichtigen sind.71 So dürfen nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 des UWG nur relevante Eigenschaften Gegenstand des Werbevergleiches sein.72 Gerpott/Rams ist zuzustimmen, wenn sie aus Marketingsicht feststellen, dass die Kunden die Leistungen als für sie persönlich nützlich wahrnehmen müssen.73 Auch Wiltinger zufolge müssen in der vergleichenden Werbung für den Konsumenten besonders entscheidungsrelevante Eigenschaften dargestellt werden.74 Gerpott weist darauf hin, dass beispielsweise die Kundenbetreuung einen Hygienefaktor darstellt, so dass Anbieter sich über herausragende Leistungen in diesem Bereich kaum einen wettbewerbsstrategischen Vorteil verschaffen können.75 Der Preis gilt als wichtigste entscheidungsrelevante Eigenschaft im Mobilfunkmarkt für Privatkunden.76 Damit lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass jedenfalls Ergänzungsleistungen nicht allein Gegenstand vergleichender Werbung auf diesem Markt sein sollten: Ohne Preisbezug kann unter den oben skizzierten Markt- und Wettbewerbsbedingungen77 Werbung und damit auch vergleichende Werbung kaum erfolgreich sein.
3.1.5
Nutzendimensionen
Gutsche versteht unter "Nutzen" ein nach subjektiven Maßstäben bewertetes und daher intersubjektiv kaum überprüfbares Maß an Bedürfnisbefriedigung.78 Er unterscheidet dabei vier Nutzendimensionen und geht davon aus, dass sich deren Bedeutung im Produktlebenszyklus ändert: Während in den frühen Phasen der Produkt- und der Servicenutzen entscheidend sind, sind in der späteren Phase der Marken- und der Beziehungsnutzen von größerer Bedeutung.79 Es wurde zwar bereits festgestellt, dass sich der Mobilfunk den Annahmen des klassischen Produktlebenszykluses entzieht,80 es ist aber davon auszugehen, dass sich der Mobilfunk in Teilen (Sprachdienste) nicht mehr in einer frühen Phase befindet. Damit 71
Vgl. Kapitel 3.2.3 Vgl. Kapitel 3.2.3.2 73 Vgl. Gerpott/Rams (2000), S. 744 74 Vgl. Wiltinger (2002), S. 287 75 Vgl. Gerpott/Rams (2000), S. 6 76 Vgl. Kapitel 2.2.1 77 Vgl. Kapitel 2 78 Vgl. Gutsche (2005), S. 639 f. 79 Vgl. Gutsche (2005), S. 652 80 Vgl. Kapitel 2.1.1 72
- 68 rücken die beiden Funktionalitäten in den Vordergrund, die einen Zusatznutzen generieren: Der Markennutzen als "imaginär-symbolische Nutzenstifung" 81 und der Beziehungsnutzen als Möglichkeit, das "soziale Selbst" 82 zu realisieren und eine "Präsentation … auf der sozialen Bühne" 83 vorzunehmen. Hundacker unterscheidet in Bezug auf den Markennutzen zwischen der holistischen Bedeutung der Anbietermarke für den Konsumenten und der Sicherheitsfunktion der Marke.84 Aus beiden Elementen dürften sich für den Marktführer als einem etablierten, den Konsumenten vertrauten Anbieter, besondere Chancen ergeben, die auch im Rahmen vergleichender Werbung genutzt werden können. Gross/Bertschi warnen vor den Gefahren, die mit der Kommunikation von Zusatznutzen verbunden sind: Die Aufladung mit Zusatznutzen verwirrt den Konsumenten insbesondere dann, wenn Produkte mit Emotionen verknüpft werden, die der Konsument nicht mit dem Produkt verbinden möchte. Sie sprechen hier von consumer ambivalence als "ursächliches Dilemma zwischen der Faszination der Vielfalt der Funktionen und der mit einem erhöhten Maß an Stimuli einhergehenden Überforderung." 85 Vergleichende Werbung dürfte mit einer weiteren Stimuli-Erhöhung einhergehen, so dass mit Wiltinger und Pechmann/Ratneshwar festgestellt werden kann: Typischen Produktattributen, also Attributen, die mit den typischen Marken der Kategorie assoziiert beziehungsweise direkt und automatisch mit dem Produkt verbunden werden, ist in der vergleichenden Werbung gegenüber atypischen Attributen Vorzug zu geben.86
3.1.6
Zwischenfazit
Die Grundvoraussetzungen für die Gestaltung eines wirksamen Werbevergleiches sind im Mobilfunk vorhanden. Die Wahrscheinlichkeit, dass Konsumenten Vergleiche anstellen, ist insbesondere aufgrund der Erfahrungsguteigenschaften hoch, auch wenn Mobilfunk eher als limitierte Kaufentscheidung zu betrachten ist. Die Erfahrungsguteigenschaften sind die Ursache dafür, dass die Glaubwürdigkeit sowohl der Werbebotschaft als auch des Werbetreibenden von besonderer Bedeutung sind und 81
Gutsche (2005), S. 640 Gutsche (2005), S. 640 83 Gutsche (2005), S. 653 84 Vgl. Hundacker (2005), S. 147 85 Gross/Bertschi (2006), S. 222 86 Vgl. Wiltinger (2002), S. 154 f.; Pechmann/Ratneshwar (1991) 82
- 69 in der vergleichenden Werbung im Fokus stehen müssen. Das Mobilfunkprodukt enthält hedonistische und (für vergleichende Werbung grundsätzlich besser geeignete) utilitaristische Produkteigenschaften, die aber von den Konsumenten nicht dissoziiert werden. Neben Kernleistungen lassen sich Ergänzungsleistungen (vergleichend) bewerben, wobei allerdings der Preis als herausragende entscheidungsrelevante Eigenschaft im Mobilfunk stets eine Rolle spielen muss. Vergleichende Werbung lässt sich auch in Bezug auf den Zusatznutzen einsetzen, allerdings ist im Hinblick auf eine mögliche Konsumentenverwirrung typischen vor atypischen Produktattributen Vorrang einzuräumen.
3.2
Vergleichende Werbung
Der Einsatz vergleichender Werbung ist insbesondere von den rechtlichen Rahmenbedingungen abhängig, während für die Akzeptanz der Werbebotschaft durch die Konsumenten in hohem Maße Gestaltungselemente entscheidend sind. Die Chancen und Risiken dieses Werbeinstrumentes sind vor dem Hintergrund der Interessen der Akteure sowie vorhandener empirischer Untersuchungen zu analysieren. Die Werbewirkung vergleichender Werbung ist grundsätzlich höher als die konventioneller Werbung; allerdings sind Werbewirkungskriterien festzulegen und Werbewirkungsmodelle zu untersuchen, bevor Tendenzen der Werbewirkung aufgezeigt werden können. Die Analyse der Chancen und Risiken vergleichender Werbung im Mobilfunkmarketing setzt voraus, dass zum einen das Werbeverhalten in der Mobilfunkbranche (Anbieterseite) und zum anderen die verbraucherbezogene Informationsökonomie (Nachfragerseite) skizziert werden.
3.2.1
Einführung
Vergleichende Werbung lässt sich in die Teilaspekte "werben" und "vergleichen" gliedern. Werbung wiederum weist zwei gegensätzliche Elemente auf: Einerseits dient Werbung der Information und findet bei der Mehrheit der Konsumenten entsprechende Beachtung, andererseits trägt sie zur Manipulation von Informationen und von Konsumenten bei, da sie von ihrem Absender beeinflusst wird. Werbung
- 70 wird aus diesem Grund mit Misstrauen betrachtet und ist nicht erst seit Packards "Die geheimen Verführer" 87 mit einem Glaubwürdigkeitsproblem behaftet.88 Vergleichen ist ebenso wie Werben durch Dichotomie gekennzeichnet: Einerseits werden Äquivalenzbeziehungen hergestellt, andererseits Unterschiede hervorgehoben. In der vergleichenden Werbung wird diese Dichotomie besonders deutlich. Cochoy kennzeichnet die Situation der Konsumenten, die vergleichender Werbung ausgesetzt sind, zunächst als die des Buridanschen Esels (Hilflosigkeit angesichts des Zwanges zur Entscheidung zwischen als gleichartig wahrgenommenen Produkten); dann werden den Konsumenten ihm zufolge aber doch Unterschiede zwischen den Produkten vor Augen geführt: " … la publicité comparative définit d'une part une situation de choix entre le même et le même, qui place le consommateur dans une hésitation analogue à celle de l'âne de buridan, et paradoxalement la même publicité introduit simultanément le soupçon de l'absence d'identité des biens qu'elle rapproche." 89 Er weist darauf hin, dass das Adjektiv "vergleichbar" zwei widersprüchliche Bedeutungen hat: identisch und unterscheidbar. Damit wird deutlich, dass vergleichender Werbung die Doppelfunktion zukommt, Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufzuzeigen. Das erkennen auch Neese/Taylor: "Brand attributes, when compared, help consumers more accurately determine how the various options under consideration are both similar and different from one another." 90 Im Rahmen vergleichender Werbung werden dem beworbenen Produkt Alternativangebote von Wettbewerbern gegenübergestellt. "Im Gegensatz zu nicht vergleichender Werbung wird … eine Entscheidungssituation für den Rezipienten impliziert: Ihm wird die Möglichkeit gegeben, eines der angebotenen Produkte auszuwählen beziehungsweise alle zusammen abzulehnen." 91 Diese Feststellung von Rennhak erscheint unverständlich, da der Konsument auch bei nicht vergleichender Werbung eine Entscheidung für oder gegen das Produkt trifft. Die grundsätzlichen Hürden, die Werbebotschaften zu überwinden haben (sie sollen in der Informationsflut wahrgenommen, behalten und erinnert werden, letztlich aber auch überzeugen und zum Kauf führen) gelten für konventionelle wie für vergleichende Werbung.
87
Vgl. Trommsdorff (2004), S. 301 f. Vgl. Kapitel 4.4.5 89 Cochoy (2006), S. 83 90 Neese/Taylor (1994) S. 57 91 Rennhak (2001), S. 107 88
- 71 3.2.2
Begriffsabgrenzung
Eine allgemeingültige Definition für den Terminus "vergleichende Werbung" existiert nicht. Die Autoren, die sich dieser Thematik widmen, verzichten häufig auf jegliche Begriffsfestlegung oder verwenden ihre eigene Definition. Drei Beispiele sollen dies verdeutlichen. Wiltinger zufolge ist vergleichende Werbung "jede Werbung, die in ihrer Werbeaussage einen oder mehrere Mitbewerber nennt oder für die Zielgruppe eindeutig kenntlich macht und Vergleiche mit diesen Mitbewerbern auf mindestens einer Produkt-, Dienstleistungs- oder Unternehmensdimension zieht." 92 Die Autorin präzisiert nicht, was unter "Unternehmensdimension" subsumiert werden soll und lässt Eigenvergleiche von Unternehmen, also beispielsweise die Gegenüberstellung einer neuen mit einer alten Produktversion, unberücksichtigt. Rennhak definiert: "Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die zum einen zwei oder mehr Produkte der gleichen Kategorie explizit nennt beziehungsweise erkennbar präsentiert, und zum anderen anhand bestimmter Produktattribute explizit oder implizit vergleicht." 93 Unklar bleibt hier, was Rennhak unter "gleicher Kategorie" versteht. Darüber hinaus fehlt bei dieser Definition nicht nur die Möglichkeit, Dienstleistungen vergleichend zu bewerben, sondern es wird auch kein Bezug auf Produkte von Mitbewerbern gefordert. Mayer/Illmann sehen in vergleichender Werbung eine Variante der Werbung, die "zwei oder mehrere explizit genannte oder anderweitig erkennbare Produkte, Dienstleistungen oder sonstige für den Konsumenten relevante Marktdaten miteinander in Beziehung setzt und bestimmte Beeinflussungsziele verfolgt, die informierender, aktualisierender und/oder emotionaler Art sein können." 94 Der Zusatz, vergleichende Werbung müsse Beeinflussungsziele verfolgen, stiftet insofern Verwirrung, als Werbung üblicherweise Beeinflussungsziele verfolgt, und "die intendierte Steuerung
von
scheidungen"
95
Verhaltensdispositionen,
Wiltinger (2002), S. 11 Rennhak (2001), S. 22 94 Mayer/Illmann (2000), S. 562 95 Rudlowski (1993), S. 8 93
und
Verhaltensent-
neben der Informationsübermittlung zu den zentralen Merkmalen der
Werbung gehört.
92
Erwartungen
- 72 Zunächst einmal muss zwischen der juristischen und der betriebswirtschaftlichen Definition von vergleichender Werbung unterschieden werden: Die juristische Definition ist oft breiter gefasst als die betriebswirtschaftliche. So ist in den Rechtswissenschaften96 umstritten, ob vergleichende Werbung überhaupt einen Vergleich erfordert, wenn auch eine Bezugnahme jedenfalls notwendig ist, während in der Marketingwissenschaft ein direkter beziehungsweise indirekter Vergleich erfolgen muss, damit von vergleichender Werbung gesprochen wird. Wiltinger zufolge liegt der Grund für die weite juristische Definition im Schutzgut des UWG, das heißt, der Verbraucher soll vor unlauteren Behauptungen in der Werbung geschützt werden. Sie argumentiert: "Aus Sicht des UWG ist es tatsächlich unerheblich, ob diese unlauteren Behauptungen in Form eines Vergleichs oder in Form irgendeiner andersgearteten Behauptung getroffen werden." 97 Koos stellt seinerseits fest, dass nach herrschender Auffassung der Begriff der vergleichenden Werbung in der Richtlinie 97/55/EG und in § 6 Abs. 1 des UWG einschränkend auszulegen ist, so dass trotz des an sich weiteren Wortlautes nur Bezug nehmende Werbeäußerungen mit einer Vergleichsaussage zu erfassen sind.98 Gemäß § 6 des UWG ist vergleichende Werbung "jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitbewerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht." Wenn man mit Koos99 davon ausgeht, dass nur Werbeaussagen mit einer Vergleichsaussage als vergleichende Werbung zu betrachten sind, gelangt man zu folgender Definition: Vergleichende Werbung ist jede Werbung, die auf einen Mitbewerber oder die von ihm angebotenen Produkte oder Dienstleistungen direkt oder indirekt in Form einer Vergleichsaussage Bezug nimmt. Diese Definition soll im Folgenden der Untersuchung zugrunde gelegt werden.
3.2.3
Rechtsgrundlagen
Die Analyse der Rechtsgrundlagen vergleichender Werbung ist insbesondere aus drei Gründen unerlässlich. Zunächst einmal wird in der Literatur häufig davon ausge-
96
Vgl. Dilly/Ulmar (2005) Wiltinger (2002), S. 10 98 Vgl. Koos (2005,) S. 288 99 Vgl. Koos (2005), S. 287 97
- 73 gangen, dass die rechtlichen Bedingungen unklar sind, und das Werbeinstrument aus diesem Grunde selten eingesetzt wird.100 Außerdem müssen neben der aktuellen Rechtsprechung zur vergleichenden Werbung und dem ihr zugrunde liegenden Verbraucherleitbild auch die Verbraucherakzeptanz und der Einsatz dieses Instrumentes durch die Werbetreibenden vor dem Hintergrund der rechtlichen Entwicklungen und Traditionen betrachtet werden. Darüber hinaus wird in zahlreichen Studien Bezug auf empirische Untersuchungen aus den USA genommen, deren Ergebnisse nur im Lichte der amerikanischen Rechtslage verständlich sind, so dass eine Darstellung der rechtlichen Rahmenbedingungen vergleichender Werbung in den USA erforderlich ist.
3.2.3.1
Rechtslage in Deutschland vor Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG
Als Ende des 19. Jahrhunderts das Reichsgericht das erste Urteil zur vergleichenden Werbung fällte, gab es noch keine Begriffsfestlegung der vergleichenden Werbung. Diese Form der Werbung war grundsätzlich zulässig und entsprach dem wirtschaftlichen Liberalismus der Jahrhundertwende.101 Mit Inkrafttreten des UWG im Jahr 1896 erfolgte die gesetzliche Regelung von irreführender Werbung, Anschwärzung und Missbrauch von geschäftlichen Bezeichnungen. 1909 wurde das UWG neu formuliert und ein Maßstab für unlauteren Wettbewerb geschaffen, der auch für vergleichende Werbung galt. 1931 kam es im Rahmen der Hellegold-Entscheidung zu einem grundsätzlichen Wandel in der Rechtsprechung: Der Verbotsgrundsatz trat an die Stelle des Zulässigkeitsgrundsatzes.102 Das Reichsgericht begründete seine Entscheidung insbesondere mit zwei Argumenten. Das erste ist das sogenannte Hellegold-Motiv: "Die Mitbewerber, auch wenn ihre gewerbliche Leistungsfähigkeit tatsächlich geringer sein sollte, brauchen sich nicht gefallen zu lassen, in den fremden Anpreisungen als Mittel zur Erhöhung der eigenen Leistungsfähigkeit des Anpreisenden verwendet zu werden." 103 Dem zweiten Argument zufolge kann niemand Richter in eigener Sache sein, die Bewertung eines konkurrierenden Angebotes müsse dem Verkehr überlassen bleiben.104 Mit dem Abwehr-, Auskunfts-, Fort100
Vgl. Wiltinger/Fischer (2006), S. 289 Vgl. Kilian (1996), S. 111 102 Vgl. Kilian (1996), S. 119 f. 103 Reichsgericht vom 6.10.1931 (Hellegold), GRUR 1931, S. 1299 104 Vgl. Reichsgericht vom 6.10.1931 (Hellegold), GRUR 1931, S. 1301 101
- 74 schritts- und Systemvergleich105 wurden vier Ausnahmebereiche festgelegt; daraus ergab sich allerdings praktisch kein Gestaltungsspielraum für Werbevergleiche mit direktem Wettbewerberbezug, da die namentliche Nennung eines Wettbewerbers in der Regel unzulässig war. Das Reichsgericht stützte den Verbotsgrundsatz der vergleichenden Werbung auf den Individualschutz des Wettbewerbers. Der Verbotsgrundsatz ist allerdings auch vor dem wirtschaftlichen Hintergrund von Weltwirtschaftskrise und verstärkter Kartellbildung zu sehen und lässt sich auch als "Mittel zur Entschärfung des Wettbewerbs um jeden Preis" 106 interpretieren. Der Bundesgerichtshof übernahm zunächst die vom Reichsgericht entwickelte Systematik und fügte mit dem Aufklärungsvergleich, dessen Zulässigkeit ein schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit an sachgemäßer Aufklärung voraussetzt, noch einen zusätzlichen Ausnahmetatbestand hinzu. Trotz zunehmender Kritik an seiner starren Rechtsprechung lockerte der Bundesgerichtshof den Verbotsgrundsatz erst in den 60er Jahren im Rahmen der sogenannten Betonzusatzmittelentscheidung.107 Die Zulässigkeit der vergleichenden Werbeaussage wurde mit der Begründung des "hinreichenden Anlasses" bejaht.108 In der Folge sah der Bundesgerichtshof Ausnahmen vom Verbot der kritisierenden vergleichenden Werbung als gegeben, wenn ein hinreichender Anlass für eine Konkurrenzbezugnahme gegeben war, und die Angaben sich nach Art und Maß sowohl in den Grenzen des Erforderlichen als auch in denen der wahrheitsgemäßen und sachlichen Erörterung hielten.109 Diese Anforderung führte dazu, dass jegliche Gestaltungselemente, die über die Vermittlung der Sachaussage hinausgingen, nahezu zwangsläufig die Unzulässigkeit begründeten. Damit blieben die Chancen der Ausnahmeregel ungenutzt, wie Kebbedies erkennt: "Dieser Ansatz schien eine weitreichende Entfaltungsmöglichkeit für informative Vergleiche zu schaffen und hätte bei entsprechender Anwendung dazu führen können, den Grundsatz des Verbots vergleichender Werbung umzukehren." 110 Der Verbotsgrundsatz und die eng gefassten Ausnahmetatbestände hatten in der Folgezeit Bestand, wobei sich der Bundesgerichtshof "mal mehr und mal weniger offen
105
Vgl. Hartlage (1997), S. 6ff.; Krüger (1996), S. 37 ff. Rudlowski (1993), S. 92 107 Vgl. BGH v. 14.7.1961, in: GRUR 1962, S. 47 108 Vgl. Kilian (1995), S. 133 f. 109 Vgl. Rudlowski (1993), S. 97 110 Kebbedies (2005), S. 80 106
- 75 gegenüber vergleichender Werbung zeigte." 111 Darüber hinaus waren die festgelegten Kriterien auslegungsbedürftig, so dass für die Werbetreibenden vergleichende Werbung mit einem hohen Risiko verbunden war, und sie dieses Instrument wenig nutzten. Der Bundesgerichtshof hielt trotz Kritik an seiner Rechtsprechung112 bis zur Regelung auf europäischer Ebene durch die Richtlinie 97/55/EG am Verbotsgrundsatz vergleichender Werbung fest.
3.2.3.2
Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG in deutsches Recht
Rund vierzig Jahre nach den ersten europäischen Bemühungen um eine Harmonisierung des europäischen Lauterkeitsrechts wurde mit Erlass der Richtlinie 97/55/EG die Rechtsangleichung auf dem Gebiet der vergleichenden Werbung am 6. Oktober 1997 vollzogen. Der Rat der Europäischen Union hatte gegen den Widerstand Deutschlands, das unter anderem die Verwendung zahlreicher unbestimmter Rechtsbegriffe kritisiert hatte, im Mehrheitsverfahren über den Richtlinienvorschlag entschieden. Die Rechtsangleichung war nach Ansicht des europäischen Gesetzgebers erforderlich, da die unterschiedlichen nationalen Vorschriften den freien Warenund Dienstleistungsverkehr behinderten und zu Wettbewerbsverzerrungen führten.113 Darüber hinaus sollte der Wettbewerb zwischen Anbietern von Waren und Dienstleistungen im Interesse der Verbraucher gefördert werden.114 Dem europäischen Gesetzgeber zufolge gehört das Recht auf Unterrichtung zu den fundamentalen Rechten des Verbrauchers, und vergleichende Werbung kann ein Mittel zur Verbraucherinformation darstellen.115 Voraussetzung ist allerdings, dass sie weder den Wettbewerb verzerrt noch die Mitbewerber schädigt oder die Entscheidung der Verbraucher negativ beeinflusst.116 Ziel der Richtlinie ist damit sowohl der Verbraucher- als auch der Mitbewerberschutz. Die Mitgliedsstaaten dürfen hinsichtlich der Beurteilung vergleichender Werbung weder einen höheren noch einen niedrigeren Schutzstandard festlegen.117 Die Richtlinie 97/55/EG musste bis zum 23. April 2000 in deutsches Recht umgesetzt werden; der Bundesgerichtshof machte aber in 111
Wiltinger (2002), S. 51 Vgl. Varlam (2000), S. 16 113 Vgl. Erwägungsgrund (3) der Richtlinie 97/55/EG 114 Vgl. Erwägungsgrund (2) der Richtlinie 97/55/EG 115 Vgl. Erwägungsgrund (5) der Richtlinie 97/55/EG 116 Vgl. Erwägungsgrund (7) der Richtlinie 97/55/EG 117 Vgl. Kebbedies (2005), S. 271 112
- 76 der Testpreisangebote-Entscheidung118 vom 5. Februar 1998 deutlich, dass der Inhalt der Richtlinie bereits vor Ablauf der Umsetzungsfrist im Wege der richtlinienkonformen Auslegung zu berücksichtigen sei.119 Er urteilte zwar, dass die beanstandete Werbeaussage "Billige Composite Rackets (Graphite-Fiberglas) muten wir Ihnen nicht zu" wettbewerbswidrig sei, da sie als pauschale Herabsetzung eine ganze Produktgattung zum Vorspann der eigenen Ware als minderwertig darstelle, jedoch wurde mit der Entscheidung der Wandel vom Grundsatz der Unzulässigkeit vergleichender Werbung hin zu dem der Zulässigkeit eingeleitet und eine Kehrtwende in der deutschen Rechtsprechung vollzogen. Der Bundesgerichtshof betrachtet vergleichende Werbung seitdem als grundsätzlich zulässig, sofern sie die in Art. 3a Abs. 1 lit (a)-(h) der Richtlinie 84/450/EWG neuer Fassung genannten Bedingungen erfüllt. Der deutsche Gesetzgeber hat mit dem am 14. September 2000 in Kraft getretenen Gesetz zur vergleichenden Werbung und zur Änderung wettbewerbsrechtlicher Vorschriften den Inhalt der Richtlinie 97/55/EG in nationales Recht umgesetzt. Diese Umsetzung erfolgte durch die Neufassung des § 2 UWG alter Fassung, die sich an den Wortlaut der Richtlinie anlehnte. Das Verbot irreführender Werbung wurde in § 3 S. 2 des UWG alter Fassung verankert. Im Rahmen der am 8.7.2004 in Kraft getretenen Neufassung des UWG wurden die entsprechenden Regelungen nahezu unverändert in den §§ 6 und 5 Abs. 3 1. Alt. UWG übernommen. Der Legaldefinition des § 6 Abs. 1 UWG zufolge ist vergleichende Werbung "jede Werbung, die unmittelbar oder mittelbar einen Mitbewerber oder die von einem Mitwerber angebotenen Waren oder Dienstleistungen erkennbar macht", wobei die Definition sämtliche Formen vergleichender Werbung abdecken soll und daher breit zu fassen ist.120 Die ausdrückliche Nennung von Mitbewerbern ist nicht erforderlich; es genügt, dass die angesprochenen Verkehrskreise in der Lage sind, Mitbewerber individuell zu erkennen.121 Diese Feststellung ist für die vorliegende Untersuchung in mehrfacher Hinsicht von entscheidender Bedeutung. Zum einen ist der Mobilfunk ein oligopolistischer Markt,122 auf dem Mitbewerber verhältnismäßig einfach auch ohne Namensnennung erkennbar gemacht werden können, zum anderen dürfte insbe-
118
Vgl. BGH v. 5.2.1998, in GRUR 1998, S. 824-828 Vgl. Menke (1998), S. 814 120 Vgl. Erwägungsgrund (6) der Richtlinie 97/55/UWG 121 Vgl. Koos (2005), S. 283 122 Vgl. Kapitel 2.1.1 119
- 77 sondere der hier interessierende Marktführer problemlos auch indirekt für die Verkehrskreise identifizierbar gemacht werden können. Wichtig ist im Rahmen dieser Untersuchung ferner der in § 6 Abs. 2 Nr. 2 des UWG festgelegte Negativkatalog: Unlauter handelt, wer vergleichend wirbt, wenn der Vergleich "nicht objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen bezogen ist." Das Postulat der "Objektivität" lässt sich als Bekräftigung des Sachlichkeitsgebotes auffassen.123 Objektive vergleichende Werbung ist durch das Bemühen um Richtigkeit gekennzeichnet, setzt allerdings nicht voraus, dass alle wesentlichen, relevanten und typischen Produkteigenschaften genannt werden: Die Beschränkung auf einzelne Eigenschaften in der Werbeaussage ist möglich.124 "Wesentlich" bedeutet für den BGH, dass die verglichene Eigenschaft aus Sicht der angesprochenen Verkehrskreise nicht völlig unerheblich ist, während unter "relevant" zu verstehen ist, dass sie zur Beeinflussung der wirtschaftlichen Entscheidung des Umworbenen geeignet ist und "typisch" die Forderung nach Repräsentativität beziehungsweise Aussagekraft für den Wert der konkreten Ware oder Dienstleistung beinhaltet.125 "Nachprüfbarkeit" bedeutet, dass eher Tatsachenbehauptungen als Werturteile im Werbevergleich zugelassen sind. Allerdings sind auch Vergleiche, die sich auf Werturteile stützen, nicht generell unzulässig. Dies gilt nur für "rein subjektive Werturteile, denen auch kein irgendwie gearteter, dem Beweis zugänglicher Tatsachenkern innewohnt." 126 "Tendenziell problematisch sind … Angaben zu ästhetischen Aspekten sowie insbesondere intangiblen Werten wie Prestige oder Image und dergleichen, sofern sie überhaupt als 'Eigenschaft' zu qualifizieren sind." 127 Das Kriterium der Nachprüfbarkeit ist hier von besonderer Bedeutung, da es vergleichende Werbung mit hedonistischen Eigenschaften des Mobilfunkproduktes128 erschwert und die funktionalen Produkteigenschaften als geeigneter für einen Werbevergleich erscheinen lässt, obgleich "eine Imagebehauptung … auch nicht stets und notwendig als einer Tatsachenbehauptung … nicht zugänglich anzusehen [ist]." 129 Eigenschaftsvergleiche, die sich auf Verbrauchern noch unbekannte Eigen-
123
Vgl. Berlit (2002), S. 21 Vgl. Sack (2004), S. 1356 f. 125 Vgl. Hasselblatt (2005), S. 725 ff. 126 Koos (2005), S. 341 127 Hasselblatt (2005), S. 726 128 Vgl. Kapitel 3.1.3 129 Koos (2005), S. 300 124
- 78 schaften beziehen, sind nicht generell unzulässig,130 so dass der im Mobilfunkbereich wichtige Werbevergleich mit Innovationen131 grundsätzlich möglich ist. Vergleichende Werbung darf keine Verwechslung mit einem Mitbewerber, dessen Leistungen oder geschäftlichen Kennzeichnungen verursachen (§ 6 Abs. 2 Nr. 3 UWG) und nicht die Wertschätzung des von einem Mitbewerber verwendeten Kennzeichens in unlauterer Weise ausnutzen oder beeinträchtigen (§ 6 Abs. 2 Nr. 4 UWG). Unlauterkeit wird insbesondere dann angenommen, wenn ein Mitbewerber eine bekannte Marke als Vorspann zur Anpreisung der eigenen Leistung einsetzt, um so an dem guten Ruf dieser Marke zu partizipieren. Hasselblatt weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass ein solcher unerlaubter Imagetransfer um so eher anzunehmen ist, je bekannter die Mitbewerbermarke ist.132 Damit ist davon auszugehen, dass ein Marktführer, der vergleichende Werbung einsetzt, weniger Gefahr läuft, gegen § 6 Abs. 2 Nr. 4 des UWG zu verstoßen, während ein neuer, unbekannter Marktakteur eher versucht sein dürfte, am Image des Marktführers zu partizipieren. Vergleichende Werbung darf Waren, Dienstleistungen, Tätigkeiten oder persönliche beziehungsweise geschäftliche Verhältnisse eines Mitbewerbers nicht herabsetzen oder verunglimpfen (§ 6 Abs. 2 Nr. 5 UWG). Der Verbraucher ist allerdings inzwischen an Wortspiele und Ironie in der Werbung gewöhnt, so dass nicht jedes humorvolle Wortspiel die Unzulässigkeit einer Werbeaussage begründet. Vielmehr kann kreative Werbung als schützenswerte Leistung des Anbieters betrachtet werden.133
3.2.3.3
Rechtslage in Deutschland nach Umsetzung der Richtlinie
Nach der Testpreisangebote-Entscheidung, in der sich der Bundesgerichtshof erstmals von dem grundsätzlichen Verbot der vergleichenden Werbung distanzierte, zeigte sich insbesondere die Werbewirtschaft erfreut über die Liberalisierung. Inzwischen ist allerdings deutlich geworden, dass trotz der Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG in deutsches Recht und des jetzt geltenden Zulässigkeitsgrundsatzes die wettbewerbliche Beurteilung vergleichender Werbung weitgehend unverändert geblieben ist. So weist Kebbedies darauf hin, dass der Begriff der vergleichenden
130
Vgl. Koos (2005), S. 336 Vgl. Kapitel 2.2.2 132 Vgl. Hasselblatt (2005), S. 734 133 Vgl. Koos (2005), S. 276 131
- 79 Werbung in hohem Maße der früheren Rechtslage entspricht, und sich auch das Wahrheits- und Sachlichkeitsgebot in den Zulässigkeitskriterien des § 6 Abs. 2 UWG wieder findet.134 Diese Einschätzung wurde auch in den Interviews im Rahmen der explorativen Voruntersuchung deutlich. In einigen Bereichen führte die Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG sogar zu einer Verschärfung der wettbewerbsrechtlichen Beurteilung. Sie betreffen beispielsweise den Auskunftsvergleich oder den Vergleich von Waren mit Ursprungsbezeichnung,135 sind aber im Rahmen dieser Untersuchung nicht von Relevanz. Zu den wichtigen Liberalisierungseffekten gehört der Preisvergleich. Während die frühere Rechtsprechung den Vergleich von Preisen bei individueller Bezugnahme auf Mitbewerber als unzulässig ansah, sofern nicht die strengen Anforderungen an das Merkmal des erforderlichen Anlasses erfüllt waren, ist der Preisvergleich jetzt auch bei namentlicher Nennung der Mitbewerber im Rahmen der in § 6 Abs. 2 UWG festgelegten Zulässigkeitsbedingungen erlaubt. Allerdings waren nach bisheriger Rechtsprechung nur sehr geringe Anforderungen an das Merkmal des erforderlichen Anlasses zu stellen, soweit es sich um Werbeaussagen handelte, die auf den ehemaligen Monopolisten im deutschen Telekommunikationsmarkt Bezug nahmen, da sich die Wettbewerber im Aufholwettbewerb befanden. Der ehemalige Monopolist durfte seinerseits die Milderung des Anlassprinzipes nicht geltend machen, wobei die Beantwortung beziehungsweise Richtigstellung von Wettbewerberwerbung eine Ausnahme bildete.136 Auch unternehmensbezogene vergleichende Werbung ist inzwischen zulässig, persönlich vergleichende Werbung bleibt dagegen verboten. Im Bereich der kritisierenden und anlehnenden vergleichenden Werbung zeigen sich ebenfalls Liberalisierungseffekte der Richtinie 97/55/EG, da sie erst dann als unzulässig betrachtet wird, wenn über die immanente herabsetzende Wirkung beziehungsweise die zwangsläufige Ausnutzung der Ausstrahlungswirkung des Rufes besondere Umstände hinzutreten.137 Insgesamt kann allerdings nicht davon ausgegangen werden, dass die Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG in deutsches Recht gravierende Auswirkungen auf die Einsatzmöglichkeit des Werbeinstrumentes der vergleichenden Werbung durch die
134
Vgl. Kebbedies (2005), S. 261 Vgl. Kebbedies (2005), S. 261 ff. 136 Vgl. Salje (1998), S. 678 137 Vgl. Kebbedies (2005), S. 263 135
- 80 Werbewirtschaft aufweist.138 Vielmehr werden die deutschen Gerichte auch künftig gemäß ihrer Rechtstradition vergleichende Werbung eher restriktiv beurteilen.139 Darüber hinaus kann mit Obermair festgestellt werden, dass das UWG kein Verbraucherschutzgesetz ist: Die Beurteilung der Gefährdung der Lauterkeit des Wettbewerbes durch eine Wettbewerbshandlung orientiert sich zwar gleichermaßen an den Interessen von Verbrauchern, Allgemeinheit und Konkurrenten,140 aber "die Interessen der Konsumenten sind dabei nur insoweit zu berücksichtigen, als durch ihre Verletzung der Wettbewerb verfälscht wird. Das UWG bezweckt daher stets nur einen wettbewerbsbezogenen Verbraucherschutz." 141 Die Rechtsfolgen einer unlauteren vergleichenden Werbung ergeben sich aus § 3 UWG: "Unlautere Wettbewerbshandlungen, die geeignet sind, den Wettbewerb zum Nachteil der Mitbewerber, der Verbraucher oder der sonstigen Marktteilnehmer nicht nur unerheblich zu beeinträchtigen, sind unzulässig." In Betracht kommen Ansprüche auf Beseitigung sowie bei Wiederholungsgefahr auf Unterlassung (§ 8 UWG), bei Verschulden auf Schadensersatz (§ 9 UWG) sowie bei vorsätzlicher Zuwiderhandlung auf Gewinnabschöpfung (§ 10 UWG).
3.2.3.4
Verbraucherleitbild
Das Verbraucherleitbild ist für die Feststellung der Eignung einer Werbeaussage zur Irreführung der Verbraucher von entscheidender Bedeutung, da hier darauf abgestellt wird, wie die angesprochenen Verkehrskreise die Werbebotschaft auffassen. Somit ist zu untersuchen, welches Verbraucherleitbild der Europäische Gerichtshof beziehungsweise der Bundesgerichtshof der Beurteilung vergleichender Werbung zugrunde legt. Der Europäische Gerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung von einem durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbraucher aus, wobei er bei der Ermittlung der Auffassung des Durchschnittsverbrauchers die konkrete Situation berücksichtigt, in der sich dieser zum maßgeblichen Zeitpunkt befindet: "Allerdings ist zu berücksichtigen, dass sich dem Durchschnittsverbraucher nur selten die Möglichkeit bietet, verschiedene Marken unmittel-
138
Vgl. Gloy/Bruhn (1998), S. 239 Vgl. Kebbedies (2005), S. 268 140 Vgl. Kapitel 3.2.5.2 141 Obermair (2004), S. 32 139
- 81 bar zu vergleichen, sondern dass er sich auf das unvollkommene Bild verlassen muss, dass er von ihnen im Gedächtnis behalten hat. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Aufmerksamkeit des Durchschnittsverbrauchers je nach Art der betreffenden Waren und Dienstleistungen unterschiedlich sein kann." 142 Damit wird von einer situationsadäquaten Aufmerksamkeit ausgegangen. Der Europäische Gerichtshof versucht einerseits, den Verbraucher durch die Gewährleistung von Informationsmöglichkeiten zu schützen, sieht aber andererseits einen Verbraucher, der diese Möglichkeiten nicht nutzt, als nicht schutzwürdig an. Sein normatives Verbraucherleitbild basiert daher sowohl auf dem sich informierenden Verbraucher als auch auf dem Wettbewerbsmodell der informierenden Werbung.143 Der Bundesgerichtshof ging früher in ständiger Rechtsprechung von einem "flüchtigen und unkritischen Durchschnittsverbraucher" 144 aus. Inzwischen hat er sich zum europäischen Verbraucherleitbild bekannt, und "das Verbraucherleitbild eines durchschnittlich informierten, situationsadäquat aufmerksamen und verständigen Verbrauchers ist nunmehr gefestigte Rechtsprechung des BGH." 145 Von besonderer Bedeutung im Zusammenhang mit der vorliegenden Untersuchung146 ist die Tatsache, dass der Bundesgerichtshof auf die Rolle der beworbenen Produkte für den Verbraucher und dessen Aufmerksamkeit abstellt: In seiner Entscheidung Orient-Teppichmuster147 argumentiert er, dass sich der Verbraucher beim Kauf von hochwertigen Produkten im Gegensatz zu geringwertigen Gütern des täglichen Bedarfes ausreichend informieren und die Kaufentscheidung erst nach gründlicher Überlegung fällen wird. Buck-Freytag begrüßt die Orientierung der Rechtsprechung an der "situationsadäquaten Aufmerksamkeit" des Durchschnittsverbrauchers und weist darauf hin, dass dem Verbraucher damit Beurteilungsvermögen zugetraut, Eigenverantwortung zugewiesen und ein erweiterter Entscheidungsspielraum bei der Warenauswahl eröffnet wird. Ihr zufolge dient gerade in der unübersichtlichen Telekommunikationsbranche Preiswerbung der Transparenz. Obwohl es problematisch sei, diese Werbung so zu gestalten, dass ein flüchtiger und unaufmerksamer Verbraucher keine falschen Schlüsse aus ihr zieht, sei solche Werbung zu befürworten: "Enthielte man dem aufgeklärten Verbraucher derartige 142
EuGH, GRUR Int. 1999, S. 734, ErwG 26 - Lloyd Vgl. Obermair (2004), S. 10 144 Kebbedies (2005), S. 165 145 Obermair (2004), S. 11 146 Vgl. Kapitel 3.1.2 und 4.4 147 BGH, GRUR 1999, S. 619 – Orient-Teppichmuster 143
- 82 Werbung vor, so wäre damit nicht dem Verbraucherschutz gedient, sondern allein der Bequemlichkeit des flüchtigen und unaufmerksamen Verbrauchers." 148
3.2.3.5
Rechtslage in den USA
Ein Großteil der Forschung zur vergleichenden Werbung in Deutschland basiert auf amerikanischen Studien,149 so dass an dieser Stelle eine Darstellung der amerikanischen Rechtslage erforderlich ist. Bis Anfang der siebziger Jahre blieb vergleichende Werbung in den USA ein praktisch ungenutztes Werbeinstrument, wie Ulanoff deutlich macht: "Advertising has with minor exception observed a strong taboo against specifying competition by name. This was not a government regulation but rather a self-imposed restriction followed conscientiously by advertisers, agencies, the associations, and media alike." 150 Zurückhaltend zeigten sich neben Fachverbänden, wie der American Association of Advertising Agencies (A.A.A.A.), auch große Fernsehgesellschaften, wie ABC und CBS, die Vergeltungsmaßnahmen der kritisierten Marken befürchteten.151 Der Einsatz vergleichender Werbung blieb auf "Brand-X-Vergleiche" beschränkt, so dass kein Mitbewerber identifiziert wurde; damit hätte sich das werbende Unternehmen dem Vorwurf der Herabsetzung ausgesetzt und eventuell Sympathie mit dem kritisierten Mitbewerber geweckt.152 Die Federal Trade Commission (FTC) äußerte sich 1971 skeptisch gegenüber solchen Werbevergleichen: Sie bezweifelte, dass dadurch den Konsumenten nützliche Informationen übermittelt würden und befürchtete Irreführung.153 Die FTC sprach sich für identifizierende vergleichende Werbung aus, die zu höherer Markttransparenz und stärkerem Wettbewerb zwischen den Marktakteuren führen könne, und forderte die Unternehmen zur Nutzung dieses Werbeinstrumentes auf. Zwischen 1972 und 1977 veröffentlichte die FTC zahlreiche Statements, in denen vergleichende Werbung befürwortet wurde, und das Instrument fand immer mehr Akzeptanz: 1974 gab die A.A.A.A. ihre ablehnende Haltung auf und erklärte, verglei148
Buck-Freytag (2002), S. 269 Vgl. Kapitel 3.2.5.3 150 Ulanoff (1975), S. 4 151 Vgl. Dianoux (1999), S. 14 152 Vgl. Romano (2005), S. 377 f. 153 Vgl. Muehling/Kangun (1985), S. 113 149
- 83 chende Werbung diene den Interessen der Verbraucher.154 1979 wurde ein weiterer entscheidender Schritt vollzogen: "The FTC formally endorsed comparative advertising and stated that ads disparaging competitors were not illegal so long as the statements ware truthful and not deceptive."155 Gleichzeitig erfolgte erstmals eine Definition vergleichender Werbung: "Comparative advertising is (that) which compares alternative brands on objectively measurable attributes or price, and identifies the alternative brand by name, illustration, or other distinctive information." 156 1986 enthielt bereits über die Hälfte der von der Fernsehgesellschaft NBC ausgestrahlten Werbung Vergleichsaussagen.157 Spezifische gesetzliche Regelungen zur vergleichenden Werbung gibt es in den USA nicht; sie ist prinzipiell zulässig. Insbesondere zwei Bundesgesetze, das Federal Trade Commission Act (FTC Act) und das Lanham Trade Act, finden allerdings auch auf vergleichende Werbung Anwendung. Mit dem FTC Act aus dem Jahr 1914 sollen Handelspraktiken verhindert werden, die den Wettbewerb beeinträchtigen. Die FTC beschäftigt sich insbesondere mit Fällen vergleichender Werbung, in denen entweder unrichtige Werbeaussagen vorliegen, oder bei denen wahre Werbeangaben zur Irreführung geeignet sind; untersucht werden damit Fälle, die nach deutschem Recht nach § 3 UWG zu prüfen wären. Sie schützt Verbraucherinteressen nur mittelbar und wird im öffentlichen Interesse tätig. Der einzelne Verbraucher ist nicht aktivlegitimiert; die FTC wird von Amts wegen tätig.158 Nach dem FTC Act sind unfaire und täuschende Akte im Bereich der Werbung rechtswidrig, wobei sich "Täuschung" danach bemisst, ob die Werbeaussage alle wesentlichen Informationen enthält, die der Konsument für die Produkteinschätzung benötigt, ob die Werbeaussagen irreführend sind und ob ein "verständiger" Konsument betroffen ist.159 Rechtsfolgen sind eine Unterlassungsverfügung durch die FTC und, bei Verstoß gegen eine entsprechende Verfügung, Geldbußen. Von größerer Bedeutung für die vergleichende Werbung ist der Lanham Act: In seiner heutigen Fassung sieht er Klage wegen "false designation of origin and false description" vor, wobei der klagende Mitbewerber folgende drei Punkte sowohl darzulegen als auch zu beweisen hat: Vorliegen einer Werbeaussage, ihre Irre154
Vgl. Turgeon (1989), S. 2 Muehling/Kangun (1985), S. 113 156 Federal Register (1979), S. 47328 157 Vgl. Beck-Dudley/Williams (1989), S. 124 f. 158 Vgl. Ehlers (1994), S. 937 159 Vgl. Gallo (1986), S. 13; Ehlers (1994), S. 937; Barone et al. (2004), S. 19 f. 155
- 84 führungstauglichkeit und die Möglichkeit eines Schadenseintrittes bei ihm.160 Erfasst werden nur "facts", das heißt, die Angaben müssen objektiv nachprüfbar sein. Subjektive Wertungen und Meinungsäußerungen bleiben unberücksichtigt. Sie werden als "puffing" qualifiziert, und es wird davon ausgegangen, dass die angesprochenen Verkehrskreise sie als solche erkennen und nicht ernst nehmen.161 Darüber hinaus sorgen selbständige Kontrollinstanzen, wie die National Advertising Division (NAD) und das National Advertising Review Board (NARB), für eine Regulierung und setzen mit Policy Statements und Guidelines Maßstäbe. Ihre Sanktionsmöglichkeiten sind allerdings begrenzt.162 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass vergleichende Werbung in den USA stets zulässig war und ihr Einsatz sogar von behördlicher Seite gefordert wurde. Souchère nimmt allerdings eine verkürzte Darstellung vor, wenn sie feststellt: "La possibilité de faire de la publicité comparative est la caractéristique la plus frappante du système publicitaire américain." 163 Dianoux verweist dagegen präziser auf das Fehlen einer rigiden Gesetzgebung: "Nous serions tentés de dire que ce n'est pas la possibilité en tant que telle, puisque la publicité comparative existe dans de nombreux autres pays mais la souplesse de la réglementation qui est la plus frappante." 164 Muehling/Kangun kritisieren wiederum gerade diese fehlende Rigidität als mangelnde Unterstützung und Orientierungshilfe seitens der FTC. Sie werfen dieser vor, sie habe nicht präzise genug die Art der vergleichenden Werbung festgelegt, die sie fördern möchte: "Blind advocacy of comparative advertising without guidelines is likely to hinder the outcomes the FTC wants to accomplish." 165 Es ist davon auszugehen, dass die divergierenden rechtlichen Grundlagen (und Traditionen) vergleichender Werbung in den USA und in Deutschland nicht nur zu unterschiedlicher Akzeptanz vergleichender Werbung durch die Konsumenten, sondern auch zu unterschiedlichen Gestaltungsformen der Werbebotschaften führen. Letztere werden im Anschluss an das Zwischenfazit untersucht.
160
Vgl. Ehlers (1994), S. 935 Vgl. Romano (2005), S. 394 f. 162 Vgl. Buchanan (1985), S. 112 f.; Rippert/Weimer (2007), S. 306 163 Souchère (1992), S. 45 164 Dianoux (1999), S. 13 165 Muehling/Kangun (1985), S. 120 161
- 85 3.2.3.6
Zwischenfazit
Vergleichende Werbung ist in Deutschland – im Gegensatz zu den USA – im Wesentlichen informativ und sachlich zu gestalten. Sie muss sich "objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen" 166 beziehen und darf daher nicht rein emotional ausgerichtet sein. Die Rechtsprechung orientiert sich inzwischen nicht mehr am flüchtigen, sondern am situationsadäquat aufmerksamen Verbraucher. Vergleichende Werbung dürfte aufgrund der deutschen Rechtstradition allerdings auch in Zukunft eher restriktiv beurteilt werden.
3.2.4
Gestaltungsformen
Die Vielzahl und Heterogenität der Erscheinungsformen vergleichender Werbung, von denen nachfolgend mit "Wettbewerberbezug" und "Argumentation" zwei Dimensionen beispielhaft skizziert werden, verdeutlicht, dass es keine einfachen UrsacheWirkungs-Beziehungen und damit auch keine eindeutigen globalen (das heißt, produkt-, branchen- und wettbewerbssituationsunabhängigen) Gestaltungsempfehlungen für dieses Werbeinstrument geben kann.
3.2.4.1
Einführung
Die Systematisierung der Gestaltungsformen vergleichender Werbung ist eng mit dem jeweiligen Rechtsrahmen verknüpft: Bis 1997 bildete die Bezugnahme auf den Wettbewerber den Fokus, indem kritisierende, anlehnende und persönlich vergleichende Werbung unterschieden wurden.167 Inzwischen hat § 6 Abs. 2 Nr. 2 des UWG Sachlichkeit und Informationscharakter der Werbebotschaft in den Vordergrund gerückt. Rennhak zieht daraus die Schlussfolgerung, dass vergleichende Werbung als "High-Involvement-Kommunikation"168 zu gestalten ist, insbesondere das Instrument der Sprache eingesetzt werden sollte, und die Werbung mit nachvollziehbaren 166
§ 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG Vgl. Gloy/Loschelder (2005), S. 703; Rudlowski (1992), S. 21 168 Vgl. Kapitel 4.4.4 167
- 86 Argumenten überzeugen muss.169 Muehling/Kangun zeigen in diesem Zusammenhang zwölf Dimensionen vergleichender Werbung mit verschiedenen graduellen Abstufungen auf: •
Identifizierung der Wettbewerber,
•
Ähnlichkeit der Produktvergleiche,
•
Anzahl der Vergleichsmarken,
•
Häufigkeit der Bezugnahme auf den Wettbewerber,
•
Platzierung des Vergleiches,
•
Zielrichtung des Vergleiches,
•
Art der verglichenen Eigenschaften,
•
Anzahl der verglichenen Eigenschaften,
•
Anspruchsuntermauerung,
•
ein- oder zweiseitige Argumentation,
•
Schlussfolgerung der Vergleichsaussage sowie schließlich
•
Klarheit der Schlussfolgerung.170
Diese Systematik von Muehling/Kangun verdeutlicht die vielfältigen Gestaltungsmöglichkeiten, erhebt aber keinen Anspruch auf Vollständigkeit und beschränkt sich auf formale/inhaltliche Aspekte. Es fehlen wichtige Elemente, wie beispielsweise die zeitliche Dimension. So ist es für die Werbewirkung von nicht unerheblicher Bedeutung, wann die Werbung erfolgt: Setzt das Unternehmen vergleichende Werbung aktiv ein oder wirbt es vergleichend als Reaktion auf eine Werbebotschaft der Wettbewerber – und daher mit einem limitierten zeitlichen und inhaltlichen Gestaltungsspielraum?171 Nachfolgend werden mit Wettbewerberbezug und Argumentation zwei Dimensionen vergleichender Werbung skizziert, die für den Einsatz dieser Werbeform durch den Marktführer von besonderer Bedeutung sind.
3.2.4.2
Wettbewerberbezug
Die Dimension "Wettbewerberbezug" der vergleichenden Werbung erscheint im Rahmen dieser Studie in zweierlei Hinsicht von besonderem Interesse: Zum einen 169
Vgl. Rennhak (2001), S. 127 Vgl. Muehling/Kangun (1985), S. 116 f. 171 Vgl. Kapitel 5.7 170
- 87 wird hier mit der Situation des Marktführers eine spezifische Wettbewerbssituation untersucht, zum anderen ist der Mobilfunkmarkt ein oligopolistischer Markt, so dass Mitbewerber leicht identifiziert werden können. Die Anzahl der zum Vergleich herangezogenen Wettbewerber kann zwischen einem Mitbewerber und vielen Mitbewerbern schwanken. Im ersten Fall handelt es sich in der Regel um den Marktführer. Ziel ist es, an dessen Image und dessen Bekanntheit zu partizipieren. Mit der Zahl der Vergleichsmarken steigt die Komplexität der Werbeaussage, und der Rezipient braucht mehr Zeit für die Verarbeitung der Werbebotschaft. Es ist daher davon auszugehen, dass sich bei einer Vielzahl von Vergleichsmarken Printmedien für die Platzierung der Werbung eher anbieten als beispielsweise der Rundfunk, da Rezipienten eine Anzeige mehrmals lesen können.172 Vergleichende Werbung kann aktiv erfolgen oder auch als Reaktion auf entsprechende Werbemaßnahmen der Mitbewerber. Bei reaktiver Werbung besteht die Gefahr, dass Rezipienten, die die ursprüngliche Werbung nicht kennen, die Werbung nicht verstehen oder missverstehen. Darüber hinaus kann reaktive Werbung wieder zu Gegenmaßnahmen der Konkurrenz führen und so Werbeduelle auslösen. Die Identifikation der Wettbewerber erfolgt direkt oder indirekt. Bei der direkten Identifikation wird das Wettbewerberprodukt oder -unternehmen genannt oder gezeigt, bei der indirekten Identifikation erfolgt die Identifikation beispielsweise durch den Verweis auf die "führende Marke". Der Bezug auf den Marktführer, den ein Großteil der Konsumenten problemlos (beispielsweise über Unternehmensfarben oder das Logo) identifizieren kann, ist leichter herzustellen als der Bezug auf eine unbekannte Marke. Die unbekannte Marke kann somit einfacher (auf leichte, spielerische Art) einen Bezug zum Marktführer schaffen. Vergleiche "mit dem Holzhammer", wie sie von Köhler kritisiert werden,173 erübrigen sich daher. Die Ähnlichkeit zwischen beworbenem Produkt und Vergleichsprodukt kann von einem reinen Eigenvergleich (beispielsweise mit einer früheren Produktversion) über einen Vergleich innerhalb der gleichen Produktart bis hin zu kategorienübergreifenden Produktvergleichen variieren.174 Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 des UWG muss
172
Vgl. Muehling/Kangun (1985), S. 115 ff.; siehe auch Kapitel 5.6.2 Vgl. Kapitel 1.4 174 Vgl. Kearsley (1996), S. 22 173
- 88 sich der Vergleich allerdings auf Waren oder Dienstleistungen für den gleichen Bedarf oder dieselbe Zweckbestimmung beziehen. Die Intensität des Vergleiches kann niedrig, aber auch hoch sein, wobei keine klaren Grenzen gezogen werden können. Rudlowski zufolge stellt die Intensität der Bezugnahme auf den Mitbewerber ein Kontinuum mit den Extremen "kein konkurrenzbezogenes Vergleichsobjekt" und "direkter Vergleich mit Konkurrenten" dar.175 Lamb et al. grenzen die Intensität anders ab: "Low-intense message feature casual mention of the competing brand, whereas high-intense messages employ point-by-point comparisons." 176 Wird der Vergleich schon in der Headline gezogen, erhöht sich dadurch die Intensität ebenso wie eine Platzierung am Anfang oder Ende der Werbebotschaft. Die Platzierung bestimmt insofern die Art der Informationsverarbeitung,177 als der erste Eindruck maßgeblich ist und einer Argumentation am Anfang besonders aufmerksam gefolgt wird (Primacy-Effekt). Auch ein Stimulus am Ende der Informationsverarbeitung wirkt prägend, da das letzte Argument besonders gut erinnert wird (Recency-Effekt).178 Je höher die Vergleichsintensität, desto höher ist die Erinnerung an die Werbebotschaft,179 aber desto geringer ist deren Glaubwürdigkeit.180 Auch die Einstellung der Konsumenten gegenüber der Werbebotschaft ist hier eher negativ.181 Vor allem bei Personen mit ausgeprägter Präferenz für das Vergleichsprodukt besteht bei hoher Vergleichsintensität darüber hinaus die Gefahr von Abwehrreaktionen (Counterarguing).182 Diese Abwehrreaktionen wirken sich wiederum negativ auf Einstellungen und Kaufabsicht aus.183 Eine schwache Intensität der Bezugnahme birgt dagegen das Risiko, dass die Werbebotschaft wirkungslos bleibt: Es werden keine intrapersonellen Konflikte ausgelöst, die eine gezielte Verunsicherung zur Folge haben und den Konsumenten zum Überdenken seines Verhaltensmusters veranlassen.184 Damit wird hier Chow/Luk nicht gefolgt, die kate-
175
Vgl. Rudlowski (1993), S. 21 f. Vgl. Pfau (1994), S. 247 177 Vgl. Kapitel 4.4.6.2 178 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 293 179 Vgl. Donthu (1992), S. 56 180 Vgl. Barrio-García/Luque-Martínez (2003) 181 Vgl. Donthu (1992), S. 57 182 Vgl. Kearsley (1996), S. 197 183 Vgl. Barrio-García/Luque-Martínez (2003) 184 Vgl. Kearsley (1996), S. 182 176
- 89 gorisch erklären: "… in all circumstances, marketers should avoid using very intense comparative ads." 185 Die Häufigkeit der Bezugnahme kann ebenfalls variieren. Die Operationalisierung dieses Kriteriums erfolgt medienbezogen. Bei Druckerzeugnissen wird ermittelt, wie häufig Vergleichsmarke oder -produkt gezeigt oder genannt werden, während im Rundfunk die Zeit der Maßstab ist: Als "hoch" gilt die Häufigkeit der Bezugnahme, wenn das Konkurrenzprodukt mindestens ein Drittel der Werbezeit einnimmt.186 Der Bezug auf den Mitbewerber kann verbal, visuell oder auch durch eine Kombination verbaler und visueller Maßnahmen erfolgen, wobei dann die Intensität der Bezugnahme am höchsten ist. Grossbart et al. konnten nachweisen, dass vergleichende Werbung, die nur verbal auf den Mitbewerber Bezug nimmt, zu einer höheren Glaubwürdigkeit führt.187 Wiltinger zufolge muss sich ein werbetreibendes Unternehmen zwischen den Werbezielen Recall (Erinnerungswert) und Einstellung/Akzeptanz entscheiden: Der Einsatz von verbaler und visueller Bezugnahme führt ihr zufolge zu einem höheren Recall, da die Konkurrenz schnell identifiziert wird und der Rezipient mehr Zeit für die Werbeaussage verwenden kann. Allerdings besteht die Gefahr, dass der Rezipient den Vergleich als aufdringlich empfindet. Die Beschränkung auf rein visuelle oder rein verbale Bezugnahme verbessert dagegen die Akzeptanz beziehungsweise Einstellung der Rezipienten.188 Werbetreibende Unternehmen, die sich mit dem Marktführer vergleichen, dürften aufgrund des hohen Wiedererkennungsfaktors des etablierten Unternehmens über besondere Möglichkeiten der Bezugnahme verfügen, beispielsweise in Form von humorvollen Anspielungen. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Dimension "Wettbewerberbezug" die Art der vergleichenden Werbung und damit auch die im Rahmen dieser Untersuchung noch zu analysierende Werbewirkung maßgeblich determiniert. Ihre Ausgestaltung ist in hohem Maße von den angestrebten Werbezielen abhängig.189 Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht die vielfältigen Möglichkeiten der Bezugnahme auf den Wettbewerber (vgl. Abbildung 15).
185
Chow/Luk (2006), S. 64 Vgl. Muehling/Kangun (1985), S. 118 187 Vgl. Grossbart et al. (1986), S. 20 188 Vgl. Wiltinger (2002), S. 136, 279 189 Vgl. Kapitel 5.3 186
- 90 reaktive Werbung
aktive Werbung
viele mehrere
einer (in der Regel der Marktführer)
zeitlicher Zusammenhang mit Werbung der Wettbewerber
niedrig
Anzahl der zum Vergleich herangezogenen Wettbewerber
verbal
visuell
hoch
Intensität des Vergleiches
Wettbewerberbezug
Herstellung des Bezuges
Häufigkeit der Bezugnahme
hoch
gering verbal und visuell Ähnlichkeit zwischen beworbenem Produkt und Vergleichsprodukt
niedrig
hoch
Identifikation der Wettbewerber
direkt
indirekt
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 15: Dimension "Wettbewerberbezug"
3.2.4.3
Argumentation
Grundsätzlich lässt sich zunächst die Richtung der Argumentation abgrenzen: Bei der Differenzierung (differentiative comparative advertising) werden die Unterschiede der Produkte betont, während bei der Gleichstellung (associative comparative advertising) die Gemeinsamkeiten herausgestellt werden. Auch eine Kombination zwischen Differenzierung und Gleichstellung ist möglich, wenn bei einem Attribut die Ähnlichkeiten, bei einem anderen dagegen die Unterschiede betont werden.190 Als Beispiel sei hier eine vergleichende Werbung von 1&1 zitiert: "Gut wie T-Online, aber zum halben Preis." 191 Wilkie/Farris weisen darauf hin, dass im Rahmen einer Differenzierungsstrategie mit Hilfe von vergleichender Werbung entscheidende Attribute herausgestellt und in den Vordergrund gerückt werden.192 In der Literatur wird davon ausgegangen, dass differenzierende vergleichende Werbung zu mehr Aufmerksamkeit bei den Rezipienten führt, während Gleichstellung eine höhere Glaub190
Vgl. Muehling/Kangun (1985), S. 118 Stern, 22.6.2006 192 Vgl. Wilkie/Farris (1975), S. 13 191
- 91 würdigkeit zur Folge hat.193 Letztere sollte eher von neuen Marktakteuren oder Marken mit niedrigem Marktanteil eingesetzt werden, die von der Bekanntheit der etablierten Marke profitieren und als ähnlich wahrgenommen werden wollen.194 Wiltinger weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass differenzierende vergleichende Werbung nicht automatisch zur Folge hat, dass das beworbene Produkt als besser wahrgenommen wird.195 "Whether the ad appears to associate or differentiate competitors, the end result is association." 196 Diese Einschätzung von Johnson/Horne wird in der Literatur nicht geteilt. Manning et al. weisen beispielsweise in ihrer Studie nach, dass differenzierende vergleichende Werbung zur Wahrnehmung von Produktunterschieden seitens der Rezipienten führt.197 Die Betonung von Unterschieden ist insbesondere für den Marktführer wichtig, der in der Regel nicht die Gleichstellung, sondern die Differenzierung (von sämtlichen Mitbewerbern im Sinne einer Alleinstellung) anstrebt.198 Er kann allerdings auch mit Hilfe gleichstellender vergleichender Werbung die Wahrnehmung der Rezipienten verändern: "Association strategies … can be used for attributes on which consumers perceive the sponsored brand to be weaker, when in fact it is at parity or better." 199 Die Art der Argumentation lässt sich danach abgrenzen, ob ein- oder zweiseitig geworben wird. Bei einseitiger Argumentation werden ausschließlich die Vorteile des beworbenen Produktes dargestellt, während bei zweiseitiger Argumentation Vor- und Nachteile aufgezeigt werden. Häufig räumt das werbetreibende Unternehmen ein, dass sein Produkt zwar teurer ist als ein Produkt von Mitbewerbern, dafür aber in bestimmten anderen Produkteigenschaften überlegen ist. Durch zweiseitige Argumentation kann das Unternehmen seine Glaubwürdigkeit erhöhen. Es wird "Schwächen" bei weniger entscheidungsrelevanten Eigenschaften einräumen oder darlegen, inwieweit bestimmte Vorteile die jeweiligen Nachteile überkompensieren. Auf
dem
Mobilfunkmarkt
gilt
beispielsweise
der
Preis
als
überragende
entscheidungsrelevante Eigenschaft,200 so dass Unternehmen, die einem hohen Preis keinen besonderen Nutzenvorteil gegenüberstellen können, in ihrer Argumentation nicht überzeugen dürften. 193
Vgl. Pfau (1994), S. 247 Vgl. Pechmann/Ratneshwar (1991), S. 146; Dröge/Darmon (1987), S. 385 195 Vgl. Wiltinger (2002), S. 132 196 Johnson/Horne (1988), S. 213 197 Vgl. Manning et al. (2001) 198 Vgl. Buchanan (1985), S. 107 199 Wilkie/Farris (1975), S. 13 200 Vgl. Kapitel 2.2.1 194
- 92 Wilkie/Farris sehen in der zweiseitigen Argumentation die Chance, Konsumenten gegen Argumente zu "immunisieren", die von Wettbewerbern genutzt werden könnten,201 und stützen sich damit auf die Inokulationstheorie.202 Gemäß der Attributionstheorie203 führt die Einbeziehung negativer Informationen zu höherer Glaubwürdigkeit, da die Werbeaussage auf die Rezipienten ehrlicher und weniger manipulativ wirkt.204 Zweiseitige Argumentation setzt weniger auf Konfrontation205 als einseitige Argumentation, die die Gefahr birgt, dass Konsumenten Gegenargumente entwickeln und die Werbebotschaft nicht akzeptieren.206 Die Schlussfolgerung erfolgt explizit oder implizit. Letzteres bedeutet, dass der Rezipient selbst Schlüsse aus der Argumentation der Werbeaussage ziehen muss. Voraussetzung dafür ist erstens, dass er motiviert und in der Lage ist, die Inhalte einer solchen Botschaft zu verarbeiten. Zweitens muss die Botschaft so gestaltet sein, dass er die intendierte Schlussfolgerung ziehen kann.207 Wird die Schlussfolgerung einer Werbeaussage explizit gezogen, kann dies einerseits möglichen Verwechslungsgefahren vorbeugen und die persuasive Wirkung erhöhen, andererseits besteht insbesondere bei involvierten Rezipienten die Gefahr, dass sie die Schlussfolgerungen als banal oder manipulativ empfinden und die Werbebotschaft ablehnen.208 Eine implizite Schlussfolgerung wird nicht als direkter Angriff auf den Wettbewerber und damit als "unfair" betrachtet, aber möglicherweise von den Rezipienten nicht wahrgenommen, nicht verstanden oder nicht memorisiert: "Die Gestaltung vergleichender Werbung steht … vor einem Dilemma." 209 Zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit210 kann "Claim substantiation" eingesetzt werden: Die Werbebotschaft wird in diesem Fall durch Urteile neutraler Dritter untermauert. Mit Verweisen, beispielsweise auf Ergebnisse der Stiftung Warentest oder anderer unabhängiger Testinstitute, profitiert das werbetreibende Unternehmen von deren Expertenimage und einer höheren Aufmerksamkeit, da der Rezipient hier nicht davon ausgeht, manipuliert zu werden.211 Gierl/Praxmarer konnten in ihrer Untersuchung
201
Vgl. Wilkie/Farris (1975), S. 14 Vgl. Wiltinger (2002), S. 140 203 Vgl. Kapitel 4.3.3 204 Vgl. Wiltinger (2002), S. 140 205 Vgl. Chow/Luk (2006) 206 Vgl. Kamins/Assael (1987) 207 Vgl. Sawyer/Howard (1991), S. 468 208 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 294 209 Rennhak (2001), S. 218 210 Vgl. Kapitel 4.4.5 211 Vgl. Gorn/Weinberg (1984), S. 719 202
- 93 einen signifikanten Einfluss von Claim Substantiation auf die Glaubwürdigkeit von Werbemitteln und die Einstellung zum Produkt nachweisen.212 Bei der Anzahl der verglichenen Attribute lässt sich unterscheiden, ob ein Attribut oder mehrere Attribute miteinander verglichen werden. Die Werbemedien sind unterschiedlich geeignet für die Darstellung einer Vielzahl von Attributen: In Printanzeigen kann die Zahl der Attribute durchaus fünf übersteigen, in Fernsehspots werden dagegen selten mehr als drei Attribute gleichzeitig verglichen.213 Es können eine, mehrere oder eine Vielzahl von Alternativen gegenübergestellt werden. Strebinger weist hier darauf hin, dass die Anzahl der Attribute und der dargestellten Alternativen den zur Beurteilung und Entscheidungsfindung erforderlichen Denkaufwand entscheidend mitbestimmen: Sieben Alternativen mit je sechs Attributen bedeuten beispielsweise, dass der Rezipient 42 Informationen verarbeiten muss.214 Tscheulin/Helmig gehen davon aus, dass die Verwendung mehrerer Vergleichsprodukte den wahrgenommenen Informationsgehalt und die wahrgenommene Markttransparenz erhöht.215 Die verglichenen Attribute lassen sich auch danach unterscheiden, ob sie einer objektiven Prüfung zugänglich oder lediglich subjektiv zu beurteilen sind. Subjektive, nicht-funktionale Produkteigenschaften sind schwerer vergleichend darstellbar216 als utilitaristische Eigenschaften.217 Darüber hinaus besteht auch die Gefahr, dass die Werbeaussage als unlauter im Sinne von § 3 des UWG beanstandet wird. Bei der beworbenen Eigenschaft handelt es sich insbesondere um den Preis, die Leistung oder auch die Marktgeltung, wobei die Eigenschaften einzeln oder in Kombination in der Werbeaussage herausgestellt werden. Die Marktgeltung dürfte beim Marktführer von besonderer Bedeutung sein und bei jeder Werbebotschaft "mitschwingen", unabhängig davon, ob sie beworben wird oder nicht.218 Die Art der Ansprache kann sachlich oder emotional sein. Mischformen werden besonders häufig in der vergleichenden Werbung eingesetzt, da sie den hohen Informationsgehalt sachlicher Werbung und die Aufmerksamkeitswirkung emotionaler Werbung miteinander verbinden. Gemäß der Attributionstheorie219 ist anzunehmen, 212
Vgl. Gierl/Praxmarer (1998), S. 26 f. Vgl. Muehling/Kangun (1985), S. 118 214 Vgl. Strebinger (2001), S. 177 215 Vgl. Tscheulin/Helmig (1999), S. 568 f. 216 Vgl. Goodwin/Etgar (1980), S. 188 217 Vgl. Kapitel 3.1.3 218 Vgl. Kapitel 3.3.2 219 Vgl. Kapitel 4.3.3 213
- 94 dass sachlich gehaltene Information glaubwürdiger wirkt als emotionale: Der Konsument geht hier davon aus, dass der Werbetreibende nicht nur verkaufen, sondern auch informieren möchte und ist daher eher bereit, sich mit der Werbebotschaft auseinanderzusetzen.220 Der Informationsgehalt der Werbeaussage lässt sich danach abgrenzen, ob er eher niedrig oder hoch ist. In diesem Zusammenhang sind Anzahl und Art der übermittelten Informationen von Bedeutung, wobei Wiltinger hier darauf hinweist, dass zwischen dem tatsächlichen und dem subjektiv wahrgenommenen Informationsgehalt zu unterscheiden ist.221 Für die Werbewirkung ist zwar allein der subjektive Informationsgehalt relevant, er dürfte allerdings aufgrund individueller Faktoren (Vorwissen, Art der bevorzugten Informationsverarbeitung) nicht generalisierbar sein. Jedenfalls kann davon ausgegangen werden, dass ein Zuviel an Informationen zu einer kognitiven Überlastung der Konsumenten führen kann. Enthält die Werbung zu wenig Informationen, besteht dagegen die Gefahr, dass sie unbeachtet bleibt. Goodwin/Etgar zufolge ist daher eine Werbeaussage mit mittlerem Informationsgehalt besonders Erfolg versprechend.222 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Argumentation im Rahmen der vergleichenden Werbung auf Basis der jeweiligen Werbeziele und -strategien erfolgt.223 Die nachfolgende Übersicht verdeutlicht die zahlreichen Argumentationsmöglichkeiten, ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben (vgl. Abbildung 16).
3.2.4.4
Zwischenfazit
Die vorgestellten Dimensionen vergleichender Werbung bilden in ihren vielfältigen Ausprägungen "Bausteine", die in jeder Werbebotschaft auf Grundlage der Werbeziele und -strategien224 aufeinander abgestimmt und entsprechend eingesetzt werden. Beim Marktführer muss jedenfalls die Glaubwürdigkeit im Fokus stehen, so dass für ihn ein Wettbewerberbezug mit hoher Vergleichsintensität mit besonderen
220
Vgl. Iyer (1988), S. 16 Vgl. Wiltinger (2002), S. 147 222 Vgl. Goodwin/Etgar (1980), S. 188 223 Vgl. Kapitel 5.3 und 5.4 224 Vgl. Kapitel 5.3 – 5.4 221
- 95 Gefahren verbunden ist, während zweiseitige Argumentation und Claim Substantiation zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit beitragen.
Gleichstellung
Differenzierung
Kombination Differenzierung/ Gleichstellung
eins eine mehrere
Richtung der Argumentation
mehrere
Anzahl der verglichenen Attribute
viele
objektiv (messbar)
Anzahl der verglichenen Alternativen
viele
einseitig
Art der Art der Argumentation
verglichenen Attribute
subjektiv (nicht messbar)
zweiseitig
Werbeaussage Art der Schlussfolgerung
Claim Substantiation
ja
implizit
explizit
nein Art der Ansprache
Informationsgehalt Beworbene Eigenschaft niedrig
sachlich hoch emotional
Leistung
Marktgeltung Preis
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 16: Dimension "Argumentation"
3.2.5
Chancen und Risiken
Die Polarisierung, die vergleichender Werbung wesensimmanent ist, ist auch in Wissenschaft und Praxis in Bezug auf dieses Werbeinstrument zu beobachten. So geht Köhler davon aus, dass vergleichende Werbung insbesondere mit hohen Risiken verbunden ist,225 während sie für Kebbedies ein wichtiges Instrument darstellt: "Allein der Werbevergleich bietet dem Unternehmen die Möglichkeit, dem Konsumenten die Vorteile des eigenen Produktes im Vergleich zum Konkurrenz-
225
Vgl. Köhler (1999), S. 159
- 96 produkt unmittelbar vor Augen zu führen." 226 Es erscheint daher notwendig, vergleichende Werbung aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten und zunächst volkswirtschaftliche Aspekte sowie die Interessen verschiedener Marktakteure zu untersuchen, bevor empirische Untersuchungen zur vergleichenden Werbung vorgestellt werden.
3.2.5.1
Volkswirtschaftliche Aspekte
Eichmann betonte bereits 1967, dass "vergleichende Werbung … ihrem Wesen nach auf die Bekanntgabe des Verhältnisses des eigenen Angebots zu einem oder mehreren Konkurrenzangeboten ausgerichtet … [und] daher grundsätzlich wie keine andere Werbeform geeignet [ist], dem auf einer Gegenüberstellung basierenden Zustand der Markttransparenz nahezukommen." 227 Er sah allerdings auch die Notwendigkeit informativer Werbung und verkannte nicht die Gefahr der Marktverwirrung, definiert als "vor der Werbemaßnahme nicht vorhandene Fehleinschätzung der Relation zwischen den konkurrierenden Angeboten." 228 Die Diskussion von vergleichender Werbung im Spannungsfeld zwischen Markttransparenz und Konsumentenverwirrung hat in der Folgezeit nicht an Bedeutung verloren: Vergleichende Werbung verdeutlicht Produktvorteile, bietet aber auch Mitbewerbern Anregungen für Produktverbesserungen und Produktinnovationen und sorgt so für eine höhere Wettbewerbsintensität.229 Varlam weist allerdings in diesem Zusammenhang darauf hin, dass eine höhere Wettbewerbsintensität noch keine Aussage über die Funktionsfähigkeit des Wettbewerbes ermöglicht.230 Kritiker vergleichender Werbung gehen davon aus, dass das Instrument zu einer Beeinträchtigung der Funktionsfähigkeit von Märkten führt: Vergleichende Werbung biete zusätzliche Verbraucherinformation, die pointiert, damit aber auch unvollständig und subjektiv sei, so dass bestimmte Anbieter möglicherweise unberechtigt Imageschäden erleiden würden. Werbeduelle drängten wettbewerbsfähige, aber weniger finanzstarke Unternehmen aus dem Markt.231 Die durch vergleichende Werbung 226
Kebbedies (2005), S. 37 Eichmann (1967), S. 98 228 Eichmann (1967), S. 98 f. 229 Vgl. Mayer/Siebeck (1997), S. 436; Varlam (2000), S. 58 f. 230 Vgl. Varlam (2000), S. 59 f. 231 Vgl. Dianoux (1999), S. 32 227
- 97 induzierten höheren Kosten (unter anderem Prozesskosten) würden über den Produktpreis an die Konsumenten weitergegeben.232 Darüber hinaus bestehe die Gefahr der Konsumentenverwirrung. Sie äußert sich Walsh/Thurau zufolge "in Gestalt einer hohen wahrgenommenen Ähnlichkeit von verschiedenen Markenprodukten, einer empfundenen Überlastung des Konsumenten durch die bloße Vielzahl der im Hinblick auf eine Kaufentscheidung vorhandenen Informationen und die empfundene Unklarheit von kaufrelevanten Informationen." 233 Vergleichende Werbung darf sich allerdings nur auf relevante Eigenschaften oder den Preis beziehen (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG). Turnbull et al. definieren Konsumentenverwirrung enger als "consumer failure to develop a correct interpretation of various facts of a product/service, during the information processing procedure" und charakterisieren die Folge als "misunderstanding or misinterpretation of the market." 234 Konsumentenverwirrung kann insbesondere zu einem Aufschub oder sogar dem Abbruch von Kaufentscheidungen führen. Mayer/Siebeck zufolge droht den Konsumenten allerdings keineswegs der Untergang in der Informationsflut. Ihrer These, wahrnehmungsbedingte Selektionsprozesse sorgten ohnehin für eine Begrenzung der Informationsaufnahme,235 ist zwar im Ergebnis zuzustimmen, sie erscheint aber resignativ (begrenzte Informationsaufnahme als Freibrief für jede Informationsübermittlung?) und keineswegs dem Ziel einer optimalen Markttransparenz verpflichtet. Auch Weston sieht als Befürworterin vergleichender Werbung Konsumentenverwirrung gelassen: "Confusion is a higher state of knowledge than ignorance." 236 Müller geht ebenso wie Hess davon aus, dass das "Wissen des Nichtwissens" der völligen Ignoranz als Entscheidungsgrundlage vorzuziehen ist und daher auch Informationen, die den Konsumenten auf ein bestehendes Informationsdefizit aufmerksam machen, zu verbesserten Kaufentscheidungen führen.237 Umstritten sind die Auswirkungen vergleichender Werbung auf die Marktzugangsmöglichkeiten. Es kann aber davon ausgegangen werden, dass mit vergleichender Werbung die Markenloyalität der Konsumenten gegenüber etablierten Unternehmen – wenn auch nur im Ansatz – aufgebrochen und die Wettbewerbsnachteile von 232
Vgl. Varlam (2000), S. 61 Walsh/Thurau (2002), S. 95 234 Turnbull et al. (2000), S. 145 235 Vgl. Mayer/Siebeck (1997), S. 436 236 Vgl. Buchanan (1985), S. 109 237 Vgl. Müller (1994), S. 54 f.; Hess (1991), S. 30 233
- 98 neuen, unbekannten Unternehmen damit zumindest teilweise ausgeglichen werden können, da die Konsumenten des etablierten Produktes durch die Nennung "ihrer" Marke in der Werbung des Newcomers leichter erreicht werden.238 Andererseits besteht die Gefahr, dass etablierte Unternehmen kleine Nischenanbieter mit Hilfe von Werbevergleichen gezielt zu verdrängen versuchen.239 Jedenfalls gilt, dass die Erfolgswahrscheinlichkeit vergleichender Werbung auch durch Größe und Anzahl der Marktakteure und die möglichen Mitbewerber determiniert wird.240 In der Literatur herrscht weitgehend Einigkeit darüber, dass vergleichende Werbung insbesondere die Marktchancen neuer Marktakteure erhöht.241 Buchanan zufolge wird der Marktführer, "a brand that has invested much time and money in developing a good image and a secure consumer franchise",242 damit zum Opfer. Diese volkswirtschaftlich relevanten Kosten bezieht der Konsument allerdings nicht in seine Kosten-Nutzen-Kalkulation mit ein. Seine Wahrnehmung der Marktführerschaft ist eine andere.243 Varlam zufolge ist weder in der Einführungs- noch in der Rückbildungsphase mit dem Einsatz vergleichender Werbung zu rechnen.244 Ihr Argument, dass in der Einführungsphase das Fehlen von Vergleichsprodukten die Nutzung vergleichender Werbung unmöglich macht, vermag nicht zu überzeugen: Insbesondere bei echten Innovationen kann das werbetreibende Unternehmen mit Hilfe vergleichender Werbung Produktvorteile besonders wirksam kommunizieren: Das Nichtvorhandensein entsprechender Leistungsmerkmale bei Wettbewerberprodukten kann leicht nachvollziehbar zum Beispiel in tabellarischer vergleichender Form dargestellt werden.245 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass bei Werbeaussagen, die einen informativen und wahren Werbevergleich enthalten, die volkswirtschaftlichen Vorteile gegenüber den Nachteilen überwiegen. Damit determiniert die Ausgestaltung der vergleichenden Werbung die volkswirtschaftliche Effizienz beziehungsweise Ineffizienz. Dem häufig geäußerten Argument, der Missbrauch vergleichender Werbung
238
Vgl. Varlam (2000), S. 57 Vgl. Rudlowski (1993), S. 205 240 Vgl. Varlam (2000), S. 53 241 Vgl. Pechmann/Stewart (1990, 1991); Grewal et al. (1997) 242 Buchanan (1985), S. 107 243 Vgl. Kapitel 3.3.3 244 Vgl. Varlam (2000), S. 55 245 Vgl. Kapitel 2.2.2 239
- 99 könne sich in einer negativen Einstellung zur Werbung allgemein niederschlagen246 und damit die grundsätzlichen volkswirtschaftlichen Vorteile der Werbung zunichte machen, kann nicht gefolgt werden, da auch nicht vergleichende Werbung missbräuchlich verwendet werden kann. Vielmehr ist davon auszugehen, dass Konsumenten vergleichende Werbung noch kritischer prüfen als nicht vergleichende Werbung, da sie wissen, dass diese Werbeform pointiert gestaltet ist und zwangsläufig polarisiert: "Consumers habe learned how best to cope with comparative advertising in general, or in particular situations." 247
3.2.5.2
Interessen der Akteure
Die Marktakteure, zu denen hier Verbraucher(verbände), Werbetreibende und Mitbewerber gezählt werden, verfolgen in Bezug auf vergleichende Werbung die nachfolgend dargestellten, teilweise konfligierenden Interessen.248 Die Verbraucher sehen sich einer ständig steigenden Informationsflut ausgesetzt; über 98% der durch Massenmedien angebotenen Informationen bleiben unbeachtet.249 Sie suchen daher nach kognitiver Entlastung, die vergleichende Werbung leisten kann: "By pointing out how and to what extent brands are similar (or differ), comparative ads give consumers information in a format that provides increased potential for learning and clearer, focused perceptions." 250 Voraussetzung ist, dass es sich um wahre, entscheidungsrelevante Informationen handelt, die sie in ihrer Entscheidungsfindung unterstützen.251 Als Beispiel seien Schlüsselinformationen genannt, die die Überlegenheit eines Produktes im Vergleich zu anderen in bestimmten Merkmalen herausstellen.252 Die Verbraucher lehnen vergleichende Werbung als Selbstzweck ab; in Werbeduellen sehen sie keinen Nutzen für sich.253 Informative vergleichende Werbung verbessert dagegen ihre Entscheidungsgrundlage, wobei sich die Verbraucher durchaus der Tatsache bewusst sind, dass vergleichende Werbebotschaften keine vollständige Marktübersicht vermitteln. Es 246
Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 358 Friestad/Wright (1994), S. 24 248 Vgl. Kapitel 1.1 249 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 90 250 Dröge/Darmon (1987), S. 378 251 Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 358 252 Vgl. Kapitel 4.4.6.2 253 Vgl. KNSK et al. (1998) 247
- 100 werden zwangläufig nur bestimmte Produkteigenschaften zum Vergleich herausgegriffen, die aber eine gezielte Information der Verbraucher und eine Sensibilisierung für weitere Angebote und Anbieter bewirken.254 Die Verbraucherverbände gehen ihrerseits davon aus, dass vergleichende Werbung auch dazu dienen kann, Produkteigenschaften statt Markenmythen, "dont la seule distinction est le prix élevé",255 in den Vordergrund zu rücken. Sie sehen in dem Instrument die Chance der Verbraucherinformation, befürchten aber auch, dass der Vergleich der Werbetreibenden unausgewogen ausfällt und fordern daher eine klare Aufgabentrennung: "Laissons aux producteurs la tâche de vanter leurs produits et aux organisations de consommateurs celle de les comparer." 256 Bei den Werbetreibenden, die vergleichende Werbung einsetzen, muss zwischen Werbeagenturen und Unternehmen unterschieden werden. Prasad wies bereits 1976 auf die divergierenden Einschätzungen von Vertretern der Werbebranche hin, wobei sich die Bandbreite der Argumente von "the most vital new creative weapon to have come into our hand in many years" bis hin zu "noisy, unproductive and unprofessional" 257 erstreckt. Die Argumentation hängt insbesondere von der Funktion der Werbung ab, die die Vertreter der Werbebranche der Werbung zuweisen: Schaffung von Mythen oder Informationsquelle. Der französische Werbe"papst" Jacques Seguela, entschiedener Gegner vergleichender Werbung, stellt fest: "Dans l'acte d'achat, c'est le rêve et l'imaginaire qui l'emportent. La pub n'a pas pour fonction d'informer." 258 Auch Stöckl vertritt die Auffassung, dass gute Werbung "myth engineering" sei.259 Andere Vertreter der Werbebranche sehen in vergleichender Werbung ein kreatives Gestaltungsinstrument, mit dem Produktvorteile und Innovationen zielgerichtet verdeutlicht werden können. Sie weisen aber auch darauf hin, dass sich vergleichende Werbung keine inhaltlichen Fehler erlauben darf und daher mit besonderer Vorsicht einzusetzen ist.260 Die Unternehmen betrachten vergleichende Werbung als Chance, eine höhere Aufmerksamkeitswirkung zu erzielen, Produktunterschiede zu verdeutlichen und die Produktpositionierung gezielt zu unterstützen. Burger King führt beispielsweise einen Umsatzanstieg um 28 Prozent im Jahr 1998 hauptsächlich auf den Einsatz verglei254
Vgl. Saponjic (2005), S. 78 Dianoux (1999), S. 45 256 Dianoux (1999), S. 44 257 Prasad (1976), S. 128 258 Dianoux (1999), S. 42 259 Vgl. Stöckl (1998), S. 22 260 Vgl. Dianoux (1999), S. 42 255
- 101 chender Werbung zurück.261 Unternehmen gehen allerdings neben juristischen262 auch wettbewerberbezogene Risiken ein, da die Verbraucher über Leistungen der Mitbewerber informiert werden263 und letztere durch die Art des Vergleiches zu Gegenkampagnen gereizt werden können.264 Besonders hoch dürften aber die verbraucherbezogenen Risiken sein: mangelnde Glaubwürdigkeit und Gefahr der Fehlidentifikation.265 Den Interessen der Werbetreibenden stehen die Interessen der Mitbewerber diametral entgegen: Sie sehen in vergleichender Werbung eine mögliche Falschdarstellung ihrer Leistungsfähigkeit sowie Herabsetzung und Rufausbeutung.266 Ihrer Ansicht nach bedeutet vergleichende Werbung nicht Leistungswettbewerb, sondern Behinderungswettbewerb.267 Allerdings betrachten insbesondere kleine, unbekannte Unternehmen, denen es gelingt, große, etablierte Unternehmen in ein Werbeduell zu verwickeln, vergleichende Werbung des Mitbewerbers als Chance, am Bekanntheitsgrad und Image des führenden Wettbewerbers zu partizipieren.268 Zusammenfassend kann mit Cochoy festgestellt werden, dass die Nutzung vergleichender Werbung für die Marktakteure eine Art "kollektives Testgebiet" darstellt: "L'usage de la publicité comparative circonscrit ainsi un espace d'expérimentation collective dans lequel les acteurs économiques parviennent à éprouver, renforcer ou redéfinir continûment les normes et les pratiques de l'échange marchand." 269 Aktuelle Tendenzen im Verbraucherverhalten begünstigen den Einsatz vergleichender Werbung. Der Smart Shopper kauft Qualität preisbewusst und versucht insbesondere bei homogenen Gütern, eine Preisoptimierung zu erreichen, um das Ersparte für persönliche Luxus- und Genussgüter auszugeben.270 Er handelt nach der Devise "If you can't taste the difference, why pay for the difference?" 271 Mit vergleichender Werbung können genau die Produktunterschiede aufgezeigt werden, die einen Preisunterschied begründen.
261
Vgl. o.V. (1999), S. 9 Vgl. Kapitel 3.2.3.3 263 Vgl. Kloss (2003), S. 191 264 Vgl. Gloy/Bruhn (1998), S. 227 265 Vgl. Wiltinger/Barth (2003), S. 205 266 Vgl. Rudlowski (1993), S. 157 ff. 267 Vgl. Rudlowski (1993), S. 161 ff. 268 Vgl. Buchanan (1985), S. 107 269 Cochoy/Canu (2006), S. 81 270 Vgl. Hansen/Magel (2006), S. 22 271 Diekhof (1996), S. 198 262
- 102 Auch Variety-Seeking sorgt für einen verstärkten Einsatz vergleichender Werbung.272 Konsumenten streben hier in Abhängigkeit von personen-, produkt- und situationsbezogenen Einflussfaktoren nach Abwechslung, wobei der Markenwechsel als solcher bereits Nutzen stiftet.273 Vergleichende Werbung kann eingesetzt werden, um einen solchen Markenwechsel zu fördern.
3.2.5.3
Empirische Untersuchungen
In den USA wurde eine Vielzahl an Studien zur vergleichenden Werbung durchgeführt, auf die in der Literatur immer wieder zurückgegriffen wird.274 Kearsley nennt hierfür zwei Gründe: Zum einen wird dort bereits seit 1971 vergleichend geworben,275 zum anderen bildet die Werbewirkungsforschung in den USA zusammen mit der Konsumentenverhaltensforschung "eine in Wissenschaft und Gesellschaft anerkannte Institution." 276 Beiden Argumenten ist zwar grundsätzlich zuzustimmen, allerdings kann Kearsleys absoluter Aussage, der Bezug auf amerikanische Studien sei daher "unabdingbar",277 nicht gefolgt werden. Er nimmt eine Re-Analyse amerikanischer Studien vor, lässt deren unterschiedliche Forschungsdesigns278 aber unberücksichtigt. Damit ist fraglich, ob die Studien zur Überprüfung des von ihm entwickelten Modells279 geeignet sind, wie auch Rennhak kritisch hinterfragt.280 Darüber hinaus sind insbesondere die frühen amerikanischen Studien mit teilweise gravierenden methodischen Mängeln behaftet.281 Auch aus anderen Gründen lassen sich die amerikanischen Forschungsergebnisse kaum auf Deutschland übertragen: Die rechtlichen Rahmenbedingungen sind andere als in Amerika, so dass Konsumenten auf das Werbeinstrument anders reagieren als in Deutschland. Darüber hinaus dürften kulturell bedingte Unterschiede282 für eine unterschiedliche Rezeption der Werbung in Deutschland und Amerika sorgen: Amerikaner streben beispielsweise im Vergleich zu anderen Kulturen in besonderem Maße aktiv nach Überlegenheit und 272
Vgl. Tscheulin/Helmig (1999), S. 562 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 129 274 Vgl. Rennhak (2001), S. 5 275 Vgl. Kapitel 3.2.3.5 276 Kearsley (1996), S. 164 277 Kearsley (1996), S. 164 278 Vgl. Barry (1993), S. 346 279 Vgl. Kapitel 3.2.6.3 280 Vgl. Rennhak (2001), S. 52 281 Vgl. Varlam (2000), S. 42 f.; Traylor (1981), S. 254 f. 282 Vgl. Kapitel 6.4.2 273
- 103 sind vergleichsweise offener für Veränderungen, so dass davon auszugehen ist, dass die mit Hilfe vergleichender Werbung dargestellte Überlegenheit "typisch amerikanischen" Werten entspricht.283 Des Weiteren ist die Informationsflut, der amerikanische Verbraucher ausgesetzt sind, höher als in Deutschland: Die Anzahl der Werbeminuten pro Stunde ist im Medium Fernsehen rund doppelt so hoch wie in europäischen Ländern.284 Zudem sind die Ergebnisse der amerikanischen Studien weder eindeutig noch widerspruchsfrei.285 Beispielhaft sei hier die Untersuchung von Mayer et al. angeführt: Nach einer Gegenüberstellung zahlreicher amerikanischer Studien stellen sie fest: "Die vorgestellten empirischen Ergebnisse zur Effektivität direkt-vergleichender Werbung gegenüber nicht vergleichender Werbung vermitteln ein recht uneinheitliches Bild. In einigen Fällen erwies sich erstere als geeigneter, die gewünschten Persuasionseffekte zu erzielen, in anderen Fällen zeigten sich umgekehrte Wirkungen." Die (triviale) Schlussfolgerung lautet: "Die teilweise recht inkonsistenten Ergebnisse geben Anlass zu der Vermutung, dass vergleichende Werbung nur in bestimmten Situationen zu wünschenswerten Resultaten führt." 286 Inzwischen gibt es zwar auch eine Reihe deutscher Studien zur vergleichenden Werbung,287 aber auch deren Ergebnisse sind teilweise widersprüchlich.288 Die Viefalt der Untersuchungsdesigns führt tatsächlich dazu, dass sich zu jedem Ergebnis einer empirischen Studie eine andere Studie finden lässt, die zu dem gegenteiligen Ergebnis kommt: "While Wilkie and Farris … indicated that comparative ads are more believable (source and message) than noncomparative ads, Swinyard … reports opposite findings. Grewal et al. …, however, found that comparative ads have less source credibility while there was no significant difference for message credibility … While Swinyard … did not find any significant difference between comparative advertising and noncomparative advertising with respect to their effectiveness on purchase intention, Dröge … and Grewal et al. … concluded the opposite." 289 Die nachfolgende Übersicht zeigt, dass die mangelnde Vergleichbarkeit der Studien eine zwangsläufige Folge der Vielzahl unterschiedlicher Forschungsdesigns ist (vgl. Abbildung 17).
283
Vgl. Rennhak (2001), S. 58 f. Vgl. Eisend (2006), S. 47 285 Vgl. Pechmann/Esteban (1994), S. 404 286 Mayer et al. (1982), S. 350 287 Vgl. Gierl/Praxmarer (1998); Munzinger (1998); Tscheulin/Helmig (1999); Rennhak (2001) 288 Vgl. Schwaiger et al. (2007) 289 Yagci (2000), S. 11 f. 284
- 104 -
Challenger Marktführer neuer Marktakteur
Rundfunk
HighInvolvementProdukt/LowInvolvementProdukt
Presse werbendes Unternehmen
Art
fiktive Marke/reales Produkt
sonstige einmalig
beworbenes Produkt
Werbemedium
Präsentation des Werbemittels mehrmalig
neues Produkt/etabliertes Produkt
Forschungsdesign
über Produkt
informiert/ uninformiert
empirische Untersuchung
Testpersonen
Labortest
über Versuch Feldversuch High-Involvement-Situation/ Low-Involvement-Situation
Werbewirkung
Gegenüberstellung von Werbebotschaften
Metaanalyse unterschiedliche Arten vergleichender Werbung
Messung unmittelbar nachdem Testperson mit der Werbung konfrontiert wurde Messung mit zeitlicher Verzögerung
vergleichende Werbung versus keine Werbung
vergleichende versus nicht vergleichende Werbung
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 17: Vielfalt der Forschungsdesigns
des Werbemittels
des werbenden Unternehmens
der Werbebotschaft gegenüber dem gegenüber dem Werbemittel werbenden Unternehmen
Kaufabsicht tatsächlicher Glaubwürdigkeit wie werden Informationen verarbeitet?
Kauf
gegenüber dem Produkt
Einstellung
wie? (gestützt/ungestützt)
welche Informationen werden verarbeitet? mit welchem Ergebnis werden Informationen verarbeitet? Messung auf der physiologischen Ebene
Informationsverarbeitung
Erinnerung
abhängige Untersuchungsvariable
Aktivierung
wahrgenommene Produkteigenschaften
wahrgenommener Informationsgehalt
Messung auf der motorischen Ebene quantitativ
woran? (Werbemittel, Werbebotschaft, beworbenes Produkt, werbendes Unternehmen)
Wahrnehmung beworbenes Produkt/ Vergleichsprodukt
Aufmerksamkeit /
Messung auf der subjektiven Erlebnisebene
wann? (unmittelbar nach der Werbemaßnahme oder mit zeitlichem Abstand)
qualitativ
Verwechslung der beiden Produkte wahrgenommene Ähnlichkeiten/ Unterschiede
Informationsqualität Informationsmenge
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 18: Abhängige Untersuchungsvariablen
- 105 Die abhängigen Untersuchungsvariablen weisen ebenfalls ein breites Spektrum auf, das zur Nicht-Vergleichbarkeit der Ergebnisse beiträgt (vgl. Abbildung 18). Damit drängt sich der Verdacht auf, dass zahlreiche Forscher eigene Ansätze verfolgen, ohne vorhandene Forschungsergebnisse ausreichend zu integrieren. Rennhak warnt in diesem Zusammenhang vor "multipler wissenschaftlicher Isolation" und fordert, künftige Forschung zur vergleichenden Werbung auf die Überprüfung bestehender modelltheoretischer Ansätze zu konzentrieren.290 Auch Kearsley betont, dass immer wieder neue Untersuchungen mit unterschiedlichen Forschungsdesigns durchgeführt werden, deren mangelnde Vergleichbarkeit Erkenntnisfortschritte behindert: "Betrachtet man die zunehmende Integration vorhandenen Wissens als einen wichtigen Indikator für den wissenschaftlichen Fortschritt, so ist die beschriebene Entwicklung mit Skepsis zu sehen." 291 Er weist darauf hin, dass kaum verallgemeinernde Schlussfolgerungen getroffen werden können: "'A, B und C kommen zu dem Ergebnis, dass direkt-vergleichbare Werbung die Variable Alpha stärker beeinflusst als nicht vergleichende Werbung. D und E kommen zum gegenteiligen Ergebnis'. Auf der Basis solcher Zusammenstellungen von Forschungsergebnissen können nicht nur keine generalisierbaren Aussagen zur Werbewirkung direkt-vergleichender Werbung gemacht werden, es ist nicht einmal möglich, grobe Tendenzaussagen zu treffen." 292 Kearsley führt aus diesem Grund die bereits erwähnte ReAnalyse vorhandener amerikanischer Forschungsergebnisse durch. Schwaiger/ Rennhak kritisieren, dass Kearsley zwar ein elaboriertes Modell entwickelt hat, das aber aufgrund der Vielzahl der zu messenden Variablen einer empirischen Überprüfung kaum zugänglich ist.293 Bongard stellt in diesem Zusammenhang wiederum die Frage, "ob empirische Prüfbarkeit als das einzige verbindliche Demarkationskriterium für Wissenschaftlichkeit nicht relativiert werden muss." Er hält es "angesichts der Komplexität und grundlegenden Relationalität kommunikativer Wirkungen" für wenig sinnvoll, "den Horizont der Wirkungsforschung auf das empirisch Prüfbare einzuschränken." 294 Ein weiterer Schwachpunkt vorhandener empirischer Untersuchungen zur vergleichenden Werbung ist die Tatsache, dass in der Regel auf Studenten als Pro290
Vgl. Rennhak (2001), S. 213 Kearsley (1996), S. 4 292 Kearsley (1996), S. 102 293 Vgl. Schwaiger/Rennhak (2002), S. 24 294 Bongard (2002), S. 359 291
- 106 banden zurückgegriffen wird. Die externe Validität der Studien ist damit erheblich eingeschränkt.295 Studenten dürften im Vergleich zu anderen Bevölkerungsgruppen beispielsweise eine eher kognitiv gesteuerte Informationsverarbeitung und damit eine tendenziell höhere Verarbeitungstiefe (elaboration) aufweisen.296 Darüber hinaus wird häufig auf Werbematerial zurückgegriffen, das manipuliert oder ohne professionelle Unterstützung hergestellt wurde. Wird das Werbematerial isoliert, das heißt losgelöst von redaktionellen Inhalten, präsentiert, ist mit einer erhöhten Aufmerksamkeit der Probanden zu rechnen.297 In der Regel erfolgt nur ein einmaliger Kontakt der Probanden mit dem Werbematerial.298 Dieses Untersuchungsdesign ist zum einen realitätsfremd, zum anderen ist damit eine Untersuchung der Werbewirkung unter anderem auf Einstellungen, die sich in der Regel nur langfristig ändern, kaum möglich. In Laborsituationen ist zudem grundsätzlich von einem höheren Involvement und damit auch von einer extensiveren Informationsverarbeitung der Probanden auszugehen als in einer "natürlichen" Umgebung.299 Vergleichende Werbung wird in der Regel in Zusammenhang mit einer hypothetischen Produktneueinführung untersucht, so dass kein Vorwissen der Probanden die Untersuchungsergebnisse beeinflusst.300 Shimp/Dyer zufolge ist dieses Untersuchungsdesign besonders vorteilhaft: "Such a design permits a 'clean' assessment of comparative advertising's impact, free of the confounding effect of prior brand knowledge." 301 Vorwissen, bisherige Produkterfahrungen und Image des Werbetreibenden bleiben daher bei fast allen empirischen Untersuchungen unberücksichtigt.302 Sie können aber insbesondere bei der hier im Vordergrund stehenden Wettbewerbsposition der Marktführerschaft nicht ausgeblendet werden, sondern müssen in die Analyse der Chancen und Risiken miteinbezogen werden. Obwohl viele Autoren die genannten Probleme erkennen, erliegen sie häufig der Versuchung, globale Aussagen zu vergleichender Werbung (und ihrer Wirkung) zu treffen. Wiltinger nennt zahlreiche Gründe für inkonsistente Forschungsergebnisse303 und warnt vor vermeintlich "eindeutigen" Effekten, die möglicherweise nur darauf basieren, dass lediglich eine einzige Untersuchung mit dem entsprechenden Effekt 295
Vgl. Barry (1993), S. 346 Vgl. Kearsley (1996), S. 146; Putrevu/Lord (1994), S. 88 297 Vgl. Celsi/Olson (1988), S. 222 298 Vgl. Rogers/Williams (1989), S. 26 299 Vgl. Cho (1995), S. 144 300 Vgl. u.a. Gierl/Praxmarer (1998), S. 26 301 Shimp/Dyer (1978), S. 14 302 Vgl. Kearsley (1996), S. 152 303 Vgl. Wiltinger (2002), S. 176 ff. 296
- 107 vorliegt.304 Rennhak nimmt eine Zusammenstellung der bisher veröffentlichten empirischen Untersuchungen zur vergleichenden Werbung vor, die er auf Basis des jeweiligen zugrunde gelegten Werbewirkungsmodelles zusammenfasst.305 Allerdings lässt sich daraus lediglich eine auf Quantitätsaspekten basierende Schlussfolgerung in Bezug auf die Vor- und Nachteile vergleichender Werbung ziehen: "Eine qualitative Beurteilung der Studien muss wegen der Inkommensurabilität der verwendeten Modelle dem Leser selbst überlassen bleiben." 306 Anhand der Studien lassen sich allerdings durchaus grundsätzliche Chancen und Risiken vergleichender Werbung aufzeigen: Positive Effekte werden insbesondere hinsichtlich Aufmerksamkeit, Produktkenntnis und Informationsverarbeitung erzielt.307 Einstellung zum Werbemittel und Glaubwürdigkeit bilden dagegen die größten Risiken.308 Beides sind Konstrukte, die verschiedene Komponenten umfassen und zahlreiche Facetten aufweisen. Daher werden sie im Rahmen der Determinanten des Konsumentenverhaltens gesondert untersucht.309 Die Marktposition beziehungsweise damit verbunden die Bekanntheit des beworbenen Produktes und des Vergleichsproduktes gehören zu den entscheidenden Kriterien für den Erfolg vergleichender Werbung:310 In der Literatur herrscht weitgehend Einigkeit, dass die Chancen vergleichender Werbung hoch sind, wenn sie von neuen, unbekannten Unternehmen gegen etablierte Marken beziehungsweise den Marktführer eingesetzt wird. Während der Marktführer erheblichen Schaden erleiden kann,311 erhält der neue Marktakteur Aufmerksamkeit und partizipiert am Image des Marktführers.312 Mäßen stellt fest, dass mit assoziativer vergleichender Werbung neuer Anbieter das beworbene Produkt auf das Qualitäts- und Popularitätsniveau des Marktführers gebracht werden soll.313 Marktführer, die vergleichende Werbung zur Abgrenzung von neuen Marken einsetzen, gehen dagegen beträchtliche Risiken ein.314 Unerforscht blieben bislang allerdings die Chancen von Markt-
304
Vgl. Wiltinger (2002), S. 181 Vgl. Rennhak (2001), S. 61 ff. 306 Rennhak (2001), Geleitwort 307 Vgl. Wiltinger/Fischer (2006), S. 297 308 Vgl. Grewal et al. (1997); Mäßen (1998) 309 Vgl. Kapitel 4.4.3.5 und 4.4.5 310 Vgl. Mäßen (1998), S. 99 311 Vgl. Buchanan (1985), S. 107 312 Vgl. Pechmann/Stewart (1990); Chattopadhyay (1998) 313 Vgl. Mäßen (1998), S. 98 314 Vgl. Kapitel 3.5.1 305
- 108 führern, die sich mit vergleichender Werbung insbesondere an Bestandskunden richten oder in ihren Werbeaussagen auf etablierte Marken Bezug nehmen.315
3.2.5.4
Zwischenfazit
Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass vergleichende Werbung nicht nur volkswirtschaftlich, sondern auch bezogen auf die Einzelinteressen der Marktakteure eher positive als negative Auswirkungen haben dürfte, wobei allerdings die Ausgestaltung der konkreten Werbebotschaft entscheidend ist. Die Darstellung der empirischen Untersuchungen zur vergleichenden Werbung verdeutlichte, dass der Rückgriff auf amerikanische Studien nur von begrenzter Aussagekraft ist, und die Vielfalt der Forschungsdesigns keine allgemeingültigen Schlussfolgerungen ermöglicht. Da vorhandene Studien in der Regel auf den Vergleich zwischen unbekannter (beziehungsweise fiktiver) und etablierter Marke abstellen, sind ihre Ergebnisse auf den Marktführer im Mobilfunk kaum übertragbar: Anbieter sind hier neben den vier Netzbetreibern insbesondere Discounter, die den Konsumenten vertraut sind. Das in der Literatur häufig behandelte "twisting the tiger's tail" 316 findet daher keine Anwendung.
3.2.6
Werbewirkung
Vergleichende Werbung erzielt eine höhere Werbewirkung als konventionelle Werbung. Eine detaillierte Analyse dieser Werbewirkung setzt die Festlegung von Werbewirkungskriterien sowie die Untersuchung von Werbewirkungsmodellen voraus.
3.2.6.1
Begriff und Bedeutung
Als Indiz dafür, dass im Bereich der Werbewirkung weiterhin großer Forschungsbedarf besteht, mag der in Theorie und Praxis immer noch fast "gebetsmühlenartig" 315 316
Vgl. Kapitel 3.5.2 Muehling et al. (1990), S. 41
- 109 zitierte und Henry Ford zugeschriebene Ausspruch dienen, demzufolge die Hälfte des für Werbung ausgegebenen Geldes zum Fenster hinausgeworfen sei, fraglich sei allein welche Hälfte. Zunächst muss allerdings eine Begriffsabgrenzung erfolgen, da in der Literatur häufig nicht die erforderliche Trennung zwischen Werbewirkung und Werbeerfolg vorgenommen wird. Als Beispiel sei hier Rogge zitiert: "Als Werbeerfolg wollen wir jede an einer Zielgröße orientierte bzw. beurteilte Wirkung der Werbung verstehen." 317 Werbewirkung lässt sich vielmehr als notwendige, aber nicht hinreichende Bedingung für Werbeerfolg charakterisieren.318 Erstere wird in psychischen und damit vorökonomischen319 Größen, wie Akzeptanz der Werbebotschaft oder emotionale Reaktion, ausgedrückt und stellt damit auf Personen ab. Letzterer dagegen wird in direkten ökonomischen Größen, wie beispielsweise Umsatz oder Marktanteil, gemessen320 und ist damit unternehmensorientiert. Gegenstand der Werbewirkungsforschung ist "jegliche Art von Reaktion, mit der die von Werbung 'berührten' Personen auf Werbereize in ihrem inneren oder äußeren Verhalten antworten." 321 Cochoy/Canu machen deutlich, warum Unternehmen in der Regel nichts über die Wirkung ihrer vergleichenden Werbung verlauten lassen: Sie fürchten, bei Rechtsstreitigkeiten höhere Strafen einzugehen und die Wettbewerber zu Nachahmeraktionen zu ermuntern, wenn sie Wirkungen ihrer vergleichenden Werbung bekannt machen.322 Schwaiger/Rennhak bezweifeln, ob sich die Wirkungsweise vergleichender Werbung angesichts ihres Facettenreichtums und ihrer Heterogenität allgemeingültig erklären lässt.323 Festgestellt werden kann jedenfalls mit Wiltinger/Barth, dass einer der wesentlichen Vorteile vergleichender Werbung darin besteht, eine hohe Werbewirkung zu erzielen.324 Bevor allerdings Tendenzen der Werbewirkung untersucht werden können, ist zunächst auf Kriterien der Werbewirkung einzugehen.
317
Rogge (2004), S. 351 Vgl. Pepels (1996), S. 103 319 Vgl. Gierl/Praxmarer (1998), S. 25 320 Vgl. Mayer/Illmann (2000), S. 390 f. 321 Steffenhagen (1999), S. 292 322 Cochoy/Canu (2006), S. 102 323 Vgl. Schwaiger/Rennhak (2002), S. 25 324 Vgl. Wiltinger/Barth (2003), S. 204 318
- 110 3.2.6.2
Kriterien der Werbewirkung
Aaker/Carman zufolge ist es einfacher, eine Nadel in einem Heuhaufen als Beziehungen zwischen Werbung und Verkäufen zu finden, und wenn man eine signifikante Beziehung entdecke, so sei sie meist sehr gering.325 Diese pessimistische Einschätzung dürfte insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass zwischen Werbung und Verkauf zahlreiche Prozesse326 ablaufen, die begünstigende oder störende Wirkungen entfalten können, so dass gilt: "Immediate sales results … are, at best, an incomplete criterion of advertising effectiveness." 327 Auch Steffenhagen bezeichnet es als theoretisch gewagt und fragwürdig, Kaufverhalten als Wirkung der Werbung zu interpretieren und begründet dies mit mangelnder Zurechnungsvalidität: Finales Verhalten ist neben der Werbung von zahlreichen weiteren Einflussgrößen abhängig, so dass Werbung (allein) nicht verkaufen kann.328 Steffenhagen unterscheidet zwischen momentanen Werbewirkungen, dauerhaften Gedächtniswirkungen und finalen Verhaltenswirkungen.329 Häufiger verwendet wird in der Literatur die Unterteilung in affektive, kognitive und konative Werbewirkungskriterien, auf der auch das Hierarchy-of-Effects-Modell von Lavidge/Steiner330 basiert. Mit Grewal et al.331 lassen sich folgende Wirkungen vergleichender Werbung abgrenzen: Kognitive Werbewirkungskriterien umfassen Aufmerksamkeit, Kenntnisse, Informationsverarbeitung, Informationsgehalt, Positionierung und Glaubwürdigkeit. Die Einstellungen zum Werbemittel und zum Produkt bilden die affektiven Werbewirkungskriterien. Bei den konativen Werbewirkungskriterien ist zwischen der Kaufabsicht und dem tatsächlichen Kaufverhalten zu unterscheiden. Steffenhagen, der finale Verhaltenswirkungen in die Kriterien Informations-, Kauf-, Verwendungs- und Beeinflussungsverhalten gliedert, weist darauf hin, dass Werbung auch darauf abzielen kann, bei Rezipienten eine aktive Weitergabe eigenen Wissens oder eigener Einstellungen (Referenzaktivitäten) auszulösen332 und integriert damit das im Zusammenhang mit Marktführerschaft wichtige Word-of-Mouth-Advertising durch Bestandskunden.333
325
Vgl. Aaker/Carman (1982), S. 68 Vgl. Kapitel 4.4 327 Lavidge/Steiner (1961), S. 59 328 Vgl. Steffenhagen (2000), S. 221 329 Vgl. Steffenhagen (2000), S. 11 330 Vgl. Kapitel 3.2.6.3 331 Vgl. Grewal et al. (1997), S. 3 ff. 332 Vgl. Steffenhagen (1995), S. 2690 333 Vgl. Kapitel 5.3.3 326
- 111 In den empirischen Untersuchungen zur vergleichenden Werbung ergibt sich in Bezug auf die Werbewirkungskriterien kein einheitliches Bild. Da dies insbesondere auf unterschiedliche Theorien und Modelle zur Werbewirkung zurückzuführen ist, werden nachfolgend die wichtigsten Modelle analysiert und auf ihre Relevanz für die vorliegende Untersuchung hin geprüft, bevor auf dieser Grundlage Tendenzen der Wirkung vergleichender Werbung aufgezeigt werden sollen.
3.2.6.3
Werbewirkungsmodelle
Mit Werbewirkungsmodellen werden unterschiedliche Ziele verfolgt.334 Sie dienen dazu, die Entstehung von Werbewirkung zu erklären, es lassen sich Gestaltungsempfehlungen für Werbebotschaften aus den Modellen ableiten, und sie bilden die Grundlage für Werbeziele, wie beispielsweise Verhaltens- oder Einstellungsänderung der Konsumenten. Stufenmodelle der Werbewirkung gehen davon aus, dass Konsumenten mehrere Stufen von der Wahrnehmung bis zur Entscheidung durchlaufen. Das von Lewis bereits 1898 als Leitfaden für Verkaufsgespräche entwickelte AIDA-Modell postuliert, dass Kommunikation nur erfolgreich ist, wenn nacheinander bestimmte Vorgänge (Attention, Interest, Desire, Action) beim Konsumenten ausgelöst werden.335 Es ist vor seinem wissenschaftlichen (Stimulus-Response-Paradigma336) und zeitgeschichtlichen (ungesättigte Märkte, Ellenbogenfreiheit im Amerika des ausgehenden 19. Jahrhunderts337) Hintergrund zu bewerten und gilt als obsolet.338 Auf diesem ersten und stark vereinfachenden Werbewirkungsmodell bauen zahlreiche weitere Modelle auf.339 Dazu gehört das Hierarchy-of-Effects-Modell von Lavidge/Steiner aus dem Jahr 1961, das in der Literatur zur vergleichenden Werbung immer wieder herangezogen wird.340 Dem Modell zufolge durchläuft der Konsument nach dem Kontakt mit der Werbung sechs Stufen: Awarenness, Knowledge, Liking, Preference, Conviction, Purchase.341 Lavidge/Steiner grenzen in ihrem Modell die 334
Vgl. Moser (2002), S. 96 ff. Vgl. Schneider (2006), S. 229 f. 336 Vgl. Kapitel 4.2.1 337 Vgl. Bongard (2000), S. 223 f. 338 Vgl. Koschnick (2005) 339 Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 171 340 Vgl. Huber et al. (2005), S. 18 341 Vgl. Schneider (2006), S. 330 f. 335
- 112 kognitive, affektive und konative Dimension ab. Die beiden ersten Stufen werden der kognitiven Komponente zugerechnet (Werbung übermittelt Informationen). Für die beiden folgenden Stufen, die der affektiven Komponente zuzuordnen sind (Werbung verändert Einstellungen und Emotionen), empfehlen die Autoren den Rückgriff auf "competitive ads" und eine "argumentative copy".342 Die beiden letzten Stufen kennzeichnen die konative Komponente (Bereich der Motivationen und daraus folgende Aktionen). Äquidistanz zwischen den Stufen ist nicht festgeschrieben; auch können mehrere Stufen simultan durchlaufen werden.343 Das Modell geht (ebenso wie das AIDA-Modell) davon aus, dass jede Stufe eine notwendige, wenn auch nicht hinreichende Bedingung für die Erreichung der nachfolgenden Stufe ist.344 Es gilt allerdings, ebenso wie andere Stufenmodelle, aufgrund seines hierarchischen Aufbaus inzwischen als überholt:345 Rückkopplungen und Interdependenzen bleiben ebenso unberücksichtigt wie das Überspringen von Wirkungsstufen.346 Der Nachteil der Stufenmodelle liegt allerdings insbesondere darin, dass sie das für die vorliegende Untersuchung wichtige Involvement-Konstrukt347 sowie Erfahrungseffekte nicht integrieren: Dem Marktführer (und seiner Werbung) dürfte mit besonderem Involvement begegnet werden, da zahlreiche Konsumenten ihn und seine Produkte kennen.348 Darüber hinaus ist das Involvement der Konsumenten im Mobilfunk tendenziell höher als in vielen anderen Produktkategorien.349 Die skizzierten Stufenmodelle sind daher für die Zwecke dieser Untersuchung als unzureichend abzulehnen. Das Modell der Wirkungspfade von Kroeber-Riel lässt sich als "erweitertes Stufenmodell" charakterisieren: Die streng lineare Ausrichtung ist aufgehoben, Wechselwirkungen zwischen den Stufen sind möglich.350 Das Modell umfasst die Wirkungsdeterminanten Involvement (gering beziehungsweise hoch) und Art der Werbung (emotional, informativ oder gemischt), die determinieren, welche Komponenten der Werbewirkung relevant werden. Sie beeinflussen, ob die Werbung mit hoher oder niedriger Aufmerksamkeit wahrgenommen wird, eher emotionale oder kognitive Prozesse ablaufen, Einstellungen gebildet werden, beziehungsweise ob es zu einem 342
Vgl. Lavidge/Steiner (1961), S. 61 Vgl. Huber et al. (2005), S. 18 344 Vgl. Moser (2002), S. 80 345 Vgl. Vakratsas/Ambler (1999) 346 Vgl. Koschnick (2005), S. 108; Sander (2004), S. 532 347 Vgl. Kapitel 4.4.4 348 Vgl. Kapitel 3.3 349 Vgl. Kapitel 3.1 350 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 612 343
- 113 bestimmten Verhalten kommt. Bei den emotionalen Prozessen handelt es sich um die Wirkung der Werbung auf Emotion und Motivation der Rezipienten, während sich kognitive Prozesse auf die Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung beziehen. Ihr Zusammenwirken führt zu Einstellungen beziehungsweise zu Kaufabsicht.351 Das Modell bietet den Vorteil, dass es zwischen der Wirkung informativer und emotionaler Werbung unterscheidet. Die nachfolgende Abbildung zeigt den für die vorliegende Untersuchung wichtigen Wirkungspfad der informativen Werbung bei involvierten Konsumenten (vgl. Abbildung 19).
Werbekontakt
schwache Aufmerksamkeit
starke Aufmerksamkeit
kognitive Vorgänge
emotionale Vorgänge
Einstellung Kaufabsicht
Verhalten Quelle: Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 622
Abbildung 19: Wirkungspfad der informativen Werbung bei involvierten Konsumenten Die Berücksichtigung des Involvement-Konstruktes erlaubt differenzierte Aussagen über Werbewirkung,352 allerdings wird nicht zwischen Involvement als Zustands- oder als Prozessvariable unterschieden,353 und das Modell integriert keine weiteren individuellen Faktoren, wie beispielsweise bisherige Produkterfahrungen.354 Die Größe
351
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 614 f. Vgl. Sander (2004), S. 535 353 Vgl. Kearsley (1996), S. 66 354 Vgl. Huber et al. (2005), S. 24 352
- 114 "Werbekontakt" erfasst die Reizkonstellation nur unvollständig: Rahmenfaktoren der Werbung, wie produktspezifische Besonderheiten oder die Marktstellung des Werbetreibenden, bleiben außer Betracht. Damit ist es für die vorliegende Untersuchung der Marktführerschaft, die vorhandene Assoziationen und Produkterfahrungen der Konsumenten nicht unberücksichtigt lassen darf, ungeeignet.355 Das Elaborations-Likelihood-Modell von Petty/Cacioppo ist ein Modell zur Beschreibung und Erklärung von Einstellungsänderungen auf Grundlage der Informationsverarbeitungstiefe (elaboration).356 Den Autoren zufolge gibt es zwei Wege (routes), die zu einer Einstellungsänderung führen können: Der erste ist dadurch gekennzeichnet, dass Rezipienten Informationen ausführlich und mit hoher kognitiver Beteiligung bewerten (zentrale Route). Dieser führt zu einer zentralen Einstellungsänderung. Beim zweiten Weg verarbeiten die Rezipienten dagegen nur leicht zugängliche Informationen, der kognitive Aufwand ist gering. Das Ergebnis ist eine periphere Einstellungsänderung. Beide Wege sind allerdings lediglich als Endpunkte des Kontinuums "Grad der Verarbeitungstiefe" zu verstehen. Das Modell geht davon aus, dass individuelle und situative Faktoren entscheiden, welche Anstrengungen Rezipienten unternehmen, um Informationen kognitiv zu verarbeiten. Die Faktoren beeinflussen die Motivation und die Fähigkeit der Rezipienten zur kognitiven Auseinandersetzung mit der Information. Bei hoher Bereitschaft zur intensiven Auseinandersetzung mit der Information, beispielsweise aufgrund persönlicher Relevanz des Sachverhaltes für den Konsumenten, ist die Elaborations-Wahrscheinlichkeit hoch. Niedrig ist sie dagegen, wenn Gegenstand oder Inhalt der Kommunikation von geringer persönlicher Relevanz sind. Unklar bleibt im Modell allerdings, warum Kontextinformationen nicht zentral verarbeitet werden können.357 Darüber hinaus sind nur Einstellungen Gegenstand der Betrachtung, andere Werbewirkungskriterien, wie beispielsweise konkretes Verhalten, bleiben außer acht.358 Kearsley kritisiert das Modell, das ihm zufolge in Bezug auf die gestalterischen Aspekte der Werbung, die Charakteristika des Rezipienten und des Produktes – also genau die Aspekte, die für die vorliegende Untersuchung wesentlich sind – zu ungenau ist.359 Er stellt weiter fest, dass sowohl das Elaborations-Likelihood-Modell als auch das Modell der Wirkungspfade soziale Faktoren 355
Vgl. Kapitel 3.3 und 3.4 Vgl. Petty/Cacioppo (1986), S. 4 357 Vgl. Kearsley (1996), S. 69 358 Vgl. Mayer/Illmann (2000), S. 419 359 Vgl. Kearsley (1996), S. 56 356
- 115 unberücksichtigt lassen und damit implizieren, dass Werbung im "luftleeren" Raum wahrgenommen wird.360 Auch dieses Modell ist für eine Untersuchung Erfolg versprechender Werbung des Marktführers ungeeignet: Der Marktführer agiert gerade nicht im "luftleeren" Raum; seine Werbung muss vielmehr den ihm gegenüber bestehenden gefestigten Präferenzen, Assoziationen und Einstellungen Rechnung tragen.361 Kearsley entwickelt ein eigenes Modell zur Wirkung vergleichenden Werbung, indem er das Modell der Wirkungspfade um die folgenden Wirkungsdeterminanten erweitert: Gestaltungs- und Rahmenfaktoren der Werbung, kulturelle und soziale Einflüsse sowie individuelle Faktoren. Die Gestaltungsfaktoren umfassen die Elemente zweiseitige Argumentation, Begründung der Werbeaussage, Informationscharakter sowie Intensität des Vergleiches.362 Die Rahmenfaktoren beinhalten Besonderheiten des Werbemittels, Produktcharakteristika und Marktstellung.363 Er berücksichtigt zudem verschiedene Arten des Involvements, insbesondere das Botschaftsinvolvement. Darüber hinaus fließen folgende Wirkungskomponenten in das Modell ein: kognitive beziehungsweise emotionale Reaktionen, Akzeptanz der Werbung, Vorstellungen über die Produkteigenschaften und Erinnerungswert.364 Kearsley entwickelt ein Modell, das im Gegensatz zu den bisher skizzierten Modellen auf vergleichende Werbung zugeschnitten ist. Sein komplexes Modell integriert zahlreiche individuelle Faktoren, die auch für die hier zu untersuchende Wettbewerbsposition der Marktführerschaft von Bedeutung sind. Als Beispiel seien bestehende Präferenzen der Konsumenten genannt, aber auch das komplexe Konstrukt der Einstellungen: Zu unterscheiden ist insbesondere die Einstellung zum Produkt, zum Werbemittel und zum Werbetreibenden.365 Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht den für die vorliegende Untersuchung besonders relevanten Wirkungspfad informativer Werbung bei hohem Involvement (vgl. Abbildung 20).
360
Vgl. Kearsley (1996), S. 195 Vgl. Kapitel 3.3 und 3.4 362 Vgl. Kearsley (1996), S. 71 f. 363 Vgl. Kearsley (1996), S. 73 364 Vgl. Kearsley (1996), S. 71 365 Vgl. Kapitel 4.4.3.5 361
- 116 -
Reizkonstellation Gestaltungsfaktoren der Werbung
Rahmenfaktoren der Werbung
Werbekontakt
kulturelle Einflüsse
soziale Einflüsse
individuelle Faktoren Einstellung geg. Werbung im allgemeinen Einstellung geg. direktvergleichender Werbung
Art des Involvements personenspezifisches Involvement
reizspezifisches Involvement
Einstellung geg. dem Werbetreibenden
situationsspezifisches Involvement
Botschaftsinvolvement
Wissen über bzw. Gebrauch der Produktkategorie bestehende Präferenzen für konkurrierende Produkte bestehende Präferenzen für das beworbene Produkt
Grad an Involvement niedrig emotionale Prozesse
kognitive Prozesse
emotionale Reaktionen
kognitive Reaktionen
AAd
hoch
R
bc
AB
IB
Verhalten
Legende AAD : Einstellung zum Werbemittel
bc:
R:
Erinnerungswert
AB: Einstellung zum Produkt beziehungsweise zur Marke
IB :
Intention, das Produkt beziehungsweise die Marke zu kaufen
Vorstellungen über die Produkteigenschaften
Quelle: Kearsley (1996), S. 89
Abbildung 20: Wirkungspfad informativer Werbung bei hohem Involvement
- 117 Rennhak kritisiert sowohl die auf die Vielzahl der berücksichtigten Wirkungsvariablen zurückzuführende mangelnde empirische Überprüfbarkeit des Modelles366 als auch die methodische Vorgehensweise von Kearsley: Seine qualitative Re-Analyse basiere auf US-Studien, die in ihren Ergebnissen widersprüchlich und in ihrer Anlage äußerst heterogen seien.367 Rennhak entwickelt ein eigenes Modell,368 das ebenfalls speziell auf vergleichende Werbung zugeschnitten ist. Es stellt den Entscheidungsprozess des Konsumenten bei der Auswahl eines bestimmten Produktes zwischen mehreren Alternativen und damit die relativen Effekte vergleichender Werbung in den Fokus.369 Sein Modell integriert die Wirkungsdeterminanten Involvement und Vorwissen. Beide sind insbesondere für die Untersuchung der Marktführerschaft von großer Bedeutung, die Beschränkung auf diese Determinanten erscheint allerdings fragwürdig. Auch in anderer Hinsicht vereinfacht Rennhak stark: So setzt er beispielsweise die Einstellung zum Produkt mit der Einstellung zum werbetreibenden Unternehmen gleich, wie aus seiner Umsetzung der zu operationalisierenden Variablen in Indikatoren hervorgeht.370 Damit ist das Modell für die Zwecke dieser Untersuchung ungeeignet: Die Einstellung, die dem Marktführer entgegengebracht wird, dürfte nicht mit der Einstellung gegenüber seinen Produkten gleichzusetzen sein. Das komplexe Einstellungskonstrukt ist vielmehr gesondert zu analysieren.371 Huber et al. entwickeln auf der Basis der vorgestellten Modelle und zahlreicher empirischer Studien372 ein weiteres Modell zur Wirkung vergleichender Werbung. Sie gehen davon aus, dass der Einsatz vergleichender Werbung direkten Einfluss auf interdependente kognitive, affektive und konative Werbewirkungskriterien ausübt, der letztlich zu dem am Absatz gemessenen Werbeerfolg führt (vgl. Abbildung 21).
366
Vgl. Rennhak (2001), S. 55 Vgl. Rennhak (2001), S. 52 368 Vgl. Rennhak (2001), S. 135 369 Vgl. Rennhak (2001), S. 108 370 Vgl. Rennhak (2001), S. 152 371 Vgl. Kapitel 3.3.2 und 4.4.3.5 372 Vgl. Huber et al. (2005), S. 26 367
- 118 -
Kriterien der Werbewirkung Einsatz vergleichender Werbung
Werbeerfolg
Kognitive Kriterien der Werbewirkung Aufmerksamkeit Awareness
Einflussfaktoren
Informationsverarbeitung
Gestaltung der Werbeaussage Eigenschaften des beworbenen Produktes Marktposition des beworbenen Produktes Eigenschaften des Vergleichproduktes Eigenschaften der Konsumenten
Produktpositionierung Glaubwürdigkeit der Werbung Informationsgehalt der Werbung
Absatz
Affektive Kriterien der Werbewirkung Einstellung zum Produkt Einstellung zum Werbemittel Konative Kriterien der Werbewirkung
Weitere situative Faktoren
Purchase Intention
Quelle: Huber et al. (2005), S. 27
Abbildung 21: Werbewirkung vergleichender Werbung Die Werbewirkungskriterien vergleichender Werbung werden hier systematisch erfasst. Das Modell bietet darüber hinaus die Möglichkeit, die besondere Wettbewerbssituation des Marktführers zu berücksichtigen, da es unter anderem die Marktposition des beworbenen Produktes und die Produktpositionierung373 integriert. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Komplexität der Werbewirkung mit einem einheitlichen Werbewirkungsschema nicht erfasst werden kann,374 so dass jedes Modell zwangsläufig eine willkürliche und schwerpunktmäßige Auswahl einzelner Variablen beinhaltet.375 Nachfolgend wird insbesondere auf die Modelle von Kearsley sowie Huber et al. zurückgegriffen, die auf vergleichende Werbung zugeschnitten sind und die Integration der Marktführerschaft ermöglichen.
3.2.6.4
Tendenzen der Werbewirkung
Die Werbewirkung vergleichender Werbung weist eine höhere Varianz auf als die nicht vergleichender Werbung, das heißt, sie polarisiert stärker. Nutzer der beworbenen Marke dürften sich durch vergleichende Werbebotschaften in ihrer Ent373
Vgl. Kapitel 3.3.2 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 628 375 Vgl. Mayer/Illmann (2000), S. 425 374
- 119 scheidung bestärkt sehen. Bei Nutzern der zum Vergleich herangezogenen Marke besteht dagegen die Gefahr von Counterarguing,376 die bei hoher Markentreue besonders hoch ist.377 Die Auswertung empirischer Untersuchungen ergibt zwar teilweise widersprüchliche Ergebnisse in Bezug auf die Werbewirkung vergleichender Werbung, insbesondere Metaanalysen verdeutlichen aber die Überlegenheit vergleichender Werbung bei bestimmten Werbewirkungskriterien. Wiltinger stellt fest, dass "sich durch die Aggregation der unterschiedlichen Studien ein übersichtlicheres und einheitlicheres Bild ergibt." 378 Es darf aber nicht übersehen werden, dass die Vielfalt der Forschungsdesigns und die Gestaltungsvielfalt vergleichender Werbung auf aggregierter Ebene nur Tendenzaussagen zulässt, und die Stärke der einzelnen Effekte nicht quantifiziert werden kann.379 Auf der Grundlage der Metaanalysen von Mäßen sowie Grewal et al.380 lassen sich folgende Tendenzen der Werbewirkung vergleichender gegenüber nicht vergleichender Werbung identifizieren (vgl. Abbildung 22):
Vorteile höhere Aufmerksamkeit bessere Erinnerung (recall) tiefere Informationsverarbeitung (elaboration) höheres Involvement bessere Produktkenntnis positivere Einstellung gegenüber dem Produkt gezieltere Produktpositionierung (Wahrnehmung von Ähnlichkeiten beziehungsweise Unähnlichkeiten zwischen den verglichenen Produkten) höhere Kaufabsicht
Nachteile geringere Glaubwürdigkeit negativere Einstellung zum Werbemittel verstärktes Counterarguing
Abbildung 22: Tendenzen der Wirkung vergleichender Werbung Muehling et al. weisen darauf hin, dass die Unterschiede in der Informationsverarbeitung von vergleichenden und nicht vergleichenden Werbebotschaften häufig unberücksichtigt bleiben.381 Pechmann/Esteban verdeutlichen die mögliche Wirkung vergleichender Werbung: Die Folge eines durch den Einsatz vergleichender 376
Vgl. Wilkie/Farris (1975), S. 14 Vgl. Prasad (1976) 378 Wiltinger (2002), S. 124 379 Vgl. Mäßen (1998), S. 222 380 Vgl. Grewal et al. (1997); Mäßen (1998), S. 212 ff. 381 Vgl. Muehling et al. (1990), S. 41 377
- 120 Werbung induzierten höheren Involvements sind aktive Informationssuche, Informationsverarbeitung über den zentralen Weg und damit bessere Produktkenntnis und eine positivere Einstellung gegenüber dem Produkt, die zu einer höheren Kaufabsicht führen.382 Rogers/Williams gehen ebenfalls von höherem Involvement und intensiverer Informationsverarbeitung als bei traditionellen Werbeformen aus. Sie warnen aber, dass die Gefahr von Counterarguing steigt, und die Akzeptanz der Werbebotschaft sinkt, wenn die vergleichende Werbebotschaft nicht glaubwürdig ist, oder die Konsumenten davon ausgehen, dass die Motive des Einsatzes vergleichender Werbung nicht in einem höheren Konsumentennutzen begründet sind.383 Involvement und Glaubwürdigkeit sind, wie bereits deutlich wurde, von so entscheidender Bedeutung für die Wirkung vergleichender Werbung, dass sie im Rahmen der Analyse der Determinanten des Konsumentenverhaltens gesondert zu untersuchen sind.384
3.2.6.5
Zwischenfazit
Werbewirkung ist im Gegensatz zum Werbeerfolg personenbezogen. Die Wirkung vergleichender Werbung lässt sich aus diesem Grund sowie in Anbetracht des Facettenreichtums und der Heterogenität des Werbeinstrumentes weder allgemeingültig erklären noch modellhaft vollständig erfassen. Es ist aber davon auszugehen, dass der Werbetreibende den Rezipienten mit vergleichender Werbung besser erreicht als mit nicht vergleichender Werbung. Allerdings ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Wirkung eine andere als die angestrebte ist, höher als bei nicht vergleichender Werbung.385
3.2.7
Vergleichende Werbung im Mobilfunkmarketing
Die Ermittlung von Erfolgsfaktoren vergleichender Werbung durch den Marktführer auf dem deutschen Mobilfunkmarkt setzt die Analyse des Werbeverhaltens sowie der
382
Vgl. Pechmann/Esteban (1994), S. 406 f. Vgl. Rogers/Williams (1989), S. 25 384 Vgl. Kapitel 4.4.4 und 4.4.5 385 Vgl. Kearsley (1966), S. 176 383
- 121 Werbeaufwendungen in diesem Sektor voraus. Im Rahmen eines Exkurses in die verbraucherbezogene Informationsökonomie werden Kosten und Nutzen der konsumentenseitigen Informationsbeschaffung im Mobilfunk dargestellt.
3.2.7.1
Werbeverhalten und Werbeaufwendungen
Werbewirtschaftlichkeit ergibt sich als Quotient aus Werbeertrag und Werbeaufwendungen.386 Mayer/Illmann weisen darauf hin, dass Höhe und Steigerung von Werbeaufwendungen keine Absatz- oder Umsatzvolumenerhöhung garantieren: Die Identifizierung von Beziehungen zwischen Werbeaufwand und Werbeertrag erfordert vielmehr die Berücksichtigung der Qualität der Maßnahmen (Werbemittelgestaltung387) sowie der besonderen Marktbedingungen, beispielsweise des Wettbewerbsdruckes.388 Esch et al. zufolge lässt sich über den "Share of Voice" als Verhältnis zwischen eigenen Werbeaufwendungen und gesamten Werbeaufwendungen der Branche sowie den relativen Marktanteil als Verhältnis zwischen eigenem Marktanteil und dem des stärksten Mitbewerbers, ermitteln, ob der Mitbewerber einen ähnlichen Marktanteil mit höheren oder niedrigeren Werbeaufwendungen erzielt.389 Ein Rückschluss auf die Effizienz der Werbeaufwendungen, der damit den Autoren zufolge gezogen werden kann, erscheint für diese Untersuchung allerdings kaum möglich: Die Branchenabgrenzung ist auf dem dynamischen Mobilfunkmarkt390 problematisch, so dass sich beispielsweise die Frage stellt, ob die Werbeaufwendungen des Mitbewerbers ALDI als Mobilfunkanbieter in die gesamten Werbeaufwendungen der Branche einzubeziehen sind. Bei dem hier untersuchten Marktführer (ehemaliger Monopolist) ist darüber hinaus der Zusammenhang zwischen Marktanteil und Werbeaufwendungen fragwürdig. Die Werbeaufwendungen in der Mobilfunkbranche sind enorm. Allein der Mobilfunkbetreiber E-Plus gab 2006 rund 120 Millionen Euro für klassische Werbung aus und damit 80 Prozent mehr als im Vorjahr.391 Turnbull begründet die hohen Werbeausgaben der Mobilfunkbranche mit ihrem Dienstleistungscharakter: Dienstleistungen 386
Vgl. Koschnick (2003), S. 2971 Vgl. Kapitel 5.6.2 388 Vgl. Mayer/Illmann (2000), S. 649 ff. 389 Vgl. Esch et al. (2006), S. 27 390 Vgl. Kapitel 2.1 391 Vgl. Saal (2007) 387
- 122 sind für den Konsumenten wenig greifbar, so dass dem Markenimage entscheidende Bedeutung zukommt.392 Trommsdorff verweist darauf, dass Imagewerbung zur Erhaltung des dem Verschleiß unterliegenden Goodwill, definiert als Vertrauenskapital einer etablierten Marke,393 erforderlich ist.394 Das dürfte besonders für den Marktführer gelten. Die beträchtlichen Werbeaufwendungen sind in hohem Maße auf die Wettbewerbsintensität im Mobilfunk zurückzuführen.395 Die Konsumenten drohen im "Angebotsdschungel" den Überblick zu verlieren, und der Werbedruck muss ständig erhöht werden, damit die Kunden noch erreicht werden: "Weil alle viel ausgeben, will niemand sparen." 396 Hoher Werbedruck birgt allerdings die Gefahr, dass Konsumenten mit Abwehrmaßnahmen reagieren.397 Vergleichende Werbung als relativ neue Werbeform kann diesem Risiko entgegenwirken. Kleinere Anbieter, die über geringere Werbebudgets verfügen, verschaffen sich mit vergleichender Werbung einen relativ "lauten Marktauftritt",398 indem sie Bezug auf etablierte Marken nehmen und damit ihren Bekanntheitsgrad erhöhen. Werbeaufwendungen haben für Konsumenten verschiedene Signalfunktionen: Konsumenten gehen häufig von einer positiven Korrelation zwischen Werbeaufwendungen und Produktqualität aus. Grund dafür ist die Annahme, dass sich hohe Werbeaufwendungen für den Anbieter nur rentieren, wenn nicht zahlreiche Konsumenten wegen schlechter Produktqualität auf einen anderen Anbieter ausweichen. Hohe Werbeausgaben signalisieren Konsumenten daher, dass der Anbieter kurzfristig keine Qualitätsverschlechterung riskieren oder initiieren wird.399 Vergleichende Werbung, die informativ und damit nachprüfbar gestaltet ist, dürfte hier verstärkend wirken. Diese angenommene Wirkung ist allerdings insbesondere bei Neuprodukten zu beobachten, da Konsumenten hier noch kaum über Informationen verfügen.400 Für den Marktführer dürfte sie weniger von Bedeutung sein. Darüber hinaus steht im Mobilfunk der Preis im Mittelpunkt des Konsumenteninteresses.401 392
Vgl. Turnbull et al. (2000), S. 151 Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 115 394 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 168 395 Vgl. Kapitel 2.1.1 396 Mortsiefer (2006) 397 Vgl. Müller (1994), S. 100 398 Varlam (2000), S. 123 399 Vgl. Obermair (2004), S. 21 f. 400 Vgl. Kirmani (1990) 401 Vgl. Kapitel 2.2.1 393
- 123 Hohe Werbeaufwendungen sind für Konsumenten auch ein Signal dafür, dass der Anbieter dauerhaft auf dem Markt bleiben will.402 Dieses Signal dürfte aber ebenfalls insbesondere für kleinere Unternehmen und weniger für Marktführer gelten. Außerdem ist davon auszugehen, dass die Signalwirkung eher durch prestigeträchtige Imagekampagnen als durch vergleichende Werbebotschaften entsteht. Hohe Werbeaufwendungen sind für Konsumenten darüber hinaus ein Zeichen für Größe, Erfolg und Verlässlichkeit von Unternehmen.403 Die Wahrscheinlichkeit, dass ein großes Unternehmen schlechte Produktqualität anbietet, ohne dass dies an die Öffentlichkeit dringt, wird als eher gering angesehen.404 Informative und damit nachprüfbare vergleichende Werbung dürfte die Signalwirkung verstärken. Der Marktführer wird allerdings von den Konsumenten ohnehin in der Regel mit den genannten Eigenschaften assoziiert.405 Werbeaufwendungen übernehmen hier nicht die Rolle von Schlüsselinformationen. Konsumenten befürchten, dass hohe Werbeaufwendungen auf den Produktpreis übergewälzt werden, und sie diese Aufwendungen daher "mitfinanzieren". Im äußersten Fall meiden sie Produkte, die mit hohen Aufwendungen beworben werden.406 Diese insbesondere beim Marktführer zu erwartende negative Signalfunktion dürfte durch informative vergleichende Werbung, die einen echten Mehrwert für die Konsumenten bietet, abgeschwächt werden. Signale sind nur wirksam, solange sie sich von denen der Mitbewerber unterscheiden. Zudem unterliegen sie der Abnutzungsgefahr: Erhöhen alle Anbieter ihre Werbeaufwendungen, ist keine Anbieterdiskriminierung mehr möglich.407 Mit vergleichender Werbung, die als relativ neue beziehungsweise ungewöhnliche Werbeform wahrgenommen wird, kann einer derartigen Signalabnutzung entgegengewirkt werden. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass hohe Werbeaufwendungen die Glaubwürdigkeit der Werbung tendenziell erhöhen, da sie das Eingehen eines Risikos durch den Werbetreibenden bezeugen.408 Vergleichende Werbung im Allgemeinen und die des Marktführers im Besonderen ist allerdings mit einem signifikanten Glaubwürdigkeitsproblem behaftet, das durch besondere formale und inhaltVgl. Decker/Schölling (1999), S. 66 Vgl. Strebinger (2001), S. 154 404 Vgl. Decker/Schölling (1999), S. 66 405 Vgl. Kapitel 3.3.2 406 Vgl. Müller (1994), S. 100 407 Vgl. Decker/Schölling (1999), S. 66 408 Vgl. Müller (1994), S. 86 402
403
- 124 liche Gestaltungselemente der Werbebotschaft,409 nicht aber durch hohe Werbeaufwendungen verringert werden kann. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass nicht von einer (positiven) Signalfunktion hoher Werbeaufwendungen des Marktführers im Mobilfunk auszugehen ist: Zum einen erwarten Konsumenten einfach, dass ein führendes Unternehmen hohe Werbeaufwendungen tätigt und beispielsweise ausschließlich großformatige Anzeigen schaltet,410 zum anderen sind sie im Mobilfunk an Werbeduelle und hohen Werbedruck gewöhnt. Im Mobilfunk wird trotz des hohen Anteils an Erfahrungsguteigenschaften,411 die Nelson zufolge den Schluss vom Umfang der Werbeaufwendungen auf die Produktqualität begünstigen,412 kein entsprechendes positives Signal von den Werbeaufwendungen ausgesendet. Es ist vielmehr anzunehmen, dass hohe Werbeaufwendungen insbesondere des Marktführers von den Konsumenten kritisch hinterfragt werden. Die Begründung dafür liefert die Attributionstheorie:413 Konsumenten gehen davon aus, dass der finanzkräftige Marktführer Werbung in hohem Maße zur Verteidigung seiner Vormachtstellung und damit im Eigeninteresse und nicht mit dem Ziel, sie zu informieren, einsetzt. Vom Marktführer wird einerseits ein bestimmtes Erscheinungsbild erwartet, wozu auch aufwendige Werbung und ständige Werbepräsenz gehören, andererseits kämpft der Marktführer im Mobilfunk gegen sein Teuer-Image.414 Informative vergleichende Werbung, die einen echten Mehrwert bietet, kann dazu beitragen, diesen Spagat glaubwürdig zu vollziehen.
3.2.7.2
Verbraucherbezogene Informationsökonomie
Im Fokus der Informationsökonomie steht die Marktunsicherheit. Diese besteht aus den Elementen Verhaltensunsicherheit und Qualitätsunsicherheit. Qualitätsunsicherheit bezieht sich auf die tatsächliche Qualität der angebotenen Produkte, während
409
Vgl. Kapitel 5.4.2 Vgl. Müller (1994), S. 57 411 Vgl. Kapitel 3.1.1 412 Vgl. Nelson (1974) 413 Vgl. Kapitel 4.3.3 414 Vgl. Kapitel 2.1.2 410
- 125 Verhaltensunsicherheit bedeutet, dass der Nachfrager nicht mit Sicherheit weiß, wie sich der Anbieter im Rahmen der Austauschbeziehung verhalten wird.415 Diese Unsicherheit ist bei langfristigen Geschäftsbeziehungen, wie sie im Mobilfunk in der Regel vorliegen,416 von entscheidender Bedeutung. Sie ist darauf zurückzuführen, dass die Informationen nicht gleichmäßig zwischen den Akteuren verteilt sind, so dass Informationsasymmetrie herrscht und die Gefahr von opportunistischem Verhalten besteht. Die Informationsökonomie untersucht, welche Faktoren für die Informationssuche und -beurteilung relevant sind. Im Gegensatz zur verhaltenswissenschaftlichen Forschung,417 die einen "cognitively lazy consumer" 418 annimmt, setzt sie einen rational handelnden und nach Nutzenmaximierung strebenden Konsumenten voraus. Da im Mobilfunk allerdings limitierte Kaufentscheidungen getroffen werden, ist insbesondere vor dem Hintergrund der Informationsüberlastung der Konsumenten und der hohen Marktdynamik davon auszugehen, dass die Konsumenten nach dem Satisfizierungsprinzip handeln.419 Zu diesem Ergebnis kommt auch Kreye: Sie stellt fest, dass nur vier Prozent der Mobilfunkkunden den optimalen Vertrag ausfindig machen.420 Dennoch ist die Informationsökonomie im Rahmen dieser Untersuchung heranzuziehen: Auch wenn die Wahrscheinlichkeit, einen den Suchaufwand übersteigenden Nutzenzuwachs zu erzielen, dem Konsumenten gering erscheinen mag, bleiben Unsicherheit und Informationsasymmetrie grundsätzlich bestehen und sind für die Geschäftsbeziehung im Mobilfunk prägend.421 Darüber hinaus sind Informationsdefizite konstitutiv für das Marketing, wie Schönborn betont: In einer Welt, in der alle Akteure über vollkommene Informationen verfügen, würde sowohl die Leistungsfindung (Identifikation eines gegenüber der Konkurrenz besseren oder billigeren Angebotes) als auch die Leistungsbegründung (Verdeutlichung dieser Überlegenheit gegenüber den Konsumenten) als Aufgabe des Marketing entfallen.422 Der Abbau der auf asymmetrischer Informationsverteilung zwischen den Austauschpartnern zurückzuführenden Unsicherheit kann durch Signaling und Screening erfolgen. 415
Vgl. Homburg/Kromer (2006), S. 58 Vgl. Kapitel 2.1.4 417 Vgl. Kapitel 4 418 Vgl. Kirmani/Rao (2000), S. 66 419 Vgl. Kapitel 3.1.2 420 Vgl. Kreye (2005), S. 148 421 Vgl. Rudlowski (1993), S. 125 422 Vgl. Schönborn (2005), S. 2 416
- 126 Unter Signaling ist die aktive Informationsübertragung von der besser zur schlechter informierten Marktseite zu verstehen.423 Zu unterscheiden ist zwischen Signalen, die die Wirksamkeit eines Reputationsmechanismus voraussetzen, wie die bereits dargestellte Höhe der Werbeaufwendungen,424 und Signalen, die keinen solchen Mechanismus benötigen, wie beispielsweise Garantien.425 Zu den erstgenannten gehört der Hinweis, Marktführer zu sein. Er lässt sich als Goodwill-Prämie kennzeichnen, die der Konsument zahlt, um seine Qualitätsunsicherheit zu reduzieren.426 Durch Reputation kann Vertrauen aufgebaut werden, wodurch die asymmetrische Informationsverteilung zwar nicht beseitigt wird, jedoch nicht mehr negativ erscheint.427 Informative vergleichende Werbung (insbesondere in Form von tabellarischen Gegenüberstellungen) kann darüber hinaus als Signal für den Inhalt der Werbung und damit auch für den rezipientenseitigen Nutzen aufgefasst werden. Müller weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Signalsendung nicht mit einem Automatismus verbunden ist, der bewirkt, dass Konsumenten automatisch die intendierten Schlussfolgerungen ziehen: Unternehmensgröße kann beispielsweise vertrauensfördernd wirken, aber auch Assoziationen, wie mangelnde Flexibilität, hervorrufen.428 Die Vorteilhaftigkeit von Signalen besteht insbesondere darin, dass sie eigenständige Schlussfolgerungen des Konsumenten erfordern, so dass Reaktanzen429 vermieden werden. Neben Signalen, die vom Anbieter manipulierbar sind, lassen sich Indizes als Qualitätsindikatoren verwenden: Dabei handelt es sich um Attribute, die vom Anbieter nicht beeinflusst werden können, so dass opportunistisches Handeln der Anbieter (moral hazard) bei ihrer Verwendung praktisch ausgeschlossen ist.430 Ihnen kommt daher eine hohe Glaubwürdigkeit zu. Als Beispiel sei hierzu das Alter eines Unternehmens genannt, mit dem insbesondere etablierte Unternehmen Erfolg versprechend (vergleichend) werben können. Da vergleichende Werbung des Marktführers mit einem hohen Glaubwürdigkeitsproblem behaftet ist, ist davon auszugehen, dass dieser eher Indizes als Signale Erfolg versprechend in vergleichenden Werbebotschaften einsetzen kann. 423
Vgl. Müller (1994), S. 27 Vgl. Kapitel 3.2.7.1 425 Vgl. Weiber/Adler (1995a), S. 69 426 Vgl. Rudlowski (1993), S. 126 427 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 60 428 Vgl. Müller (1994), S 107 429 Vgl. Kapitel 4.4.3.5 430 Vgl. Decker/Schölling (1996), S. 63 424
- 127 Als Screening bezeichnet man die Aktivitäten zur Informationsbeschaffung, die von der schlechter informierten Marktseite ausgehen.431 Dem Konsumenten stehen hierbei drei verschiedene Möglichkeiten der Informationsbeschaffung zur Verfügung. Welche dieser Strategien angewendet wird, hängt nach der informationsökonomischen Theorie insbesondere davon ab, ob es sich um Such-, Erfahrungs- oder Vertrauensgüter handelt.432 Die Strategie der direkten Informationssuche kommt insbesondere bei Suchgütern zum Einsatz: Der Konsument kann die Produkteigenschaften vor dem Kauf durch direkte Prüfung oder Beobachtung beurteilen. Als Beispiel seien Handys genannt, die der Konsument im stationären Handel direkt ausprobieren kann. Informative vergleichende Werbung kann hier zielgerichtet direkte Informationen übermitteln, sie versorgt den Konsumenten mit "hard information about the seller's products." 433 Die zweite Strategie ist die der leistungsbezogenen Informationssubstitute:434 Insbesondere bei Erfahrungseigenschaften hat der Konsument nur die Möglichkeit, Informationssubstitute zu beurteilen. Hier kommt der Werbung eine besondere Bedeutung zu: "The minuscule amount of direct information from advertising for experience qualities gives the consumer an incentive to extract any conceivable information that would help. Such indirect information is available from advertising … advertisements for experience goods are dominantly 'soft' or indirect information. Consumers use 'soft' information because they have no option." 435 Im Mobilfunk lassen sich insbesondere Preis und Markenname (des Marktführers oder anderer etablierter Unternehmen) als leistungsbezogene Informationssubstitute nutzen. Die letzte Strategie, die insbesondere bei Vertrauenseigenschaften eingesetzt wird, ist die der leistungsübergreifenden Informationssubstitute.436 Empfehlungen Dritter, Unternehmensreputation und Bekanntheitsgrad sind Beispiele für solche Substitute, die sich auf den Anbieter allgemein beziehen. Hier dürften sich dem Marktführer größere Chancen bieten als kleinen, unbekannten Unternehmen. Signale, wie die Unternehmensreputation, lassen sich in der (vergleichenden) Werbung nutzen, so dass die Glaubwürdigkeit von Aussagen über Erfahrungs- und Vertrauenseigenschaften gefördert wird. 431
Vgl. Müller (1994), S. 26 f. Vgl. Kapitel 3.1.1 433 Nelson (1974), S. 740 434 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 60 435 Nelson (1974), S. 732, 745 436 Vgl. Billen (2003), S. 52 f. 432
- 128 Konsumenten können zwar durch aktives Handeln in die Informationsverteilung eingreifen, allerdings sind solche Informationsaktivitäten mit Kosten verbunden. Werbung gehört zu den wichtigsten Instrumenten der Informationsübertragung von Anbietern zu Nachfragern. Ein Rezipient nimmt der informationsökonomischen Werbeforschung zufolge Werbung aber nur dann auf, wenn er davon ausgeht, dass der Nutzen die Kosten übersteigt. Decker/Schölling zufolge ist es für Konsumenten schwieriger, Informationen über die Qualität als über den Preis von Produkten einzuholen.437 Dieser Annahme kann in Bezug auf den Mobilfunk, der durch mangelnde Preistransparenz bei weitgehend homogenen Leistungen gekennzeichnet ist, nicht uneingeschränkt gefolgt werden.438 Müller unterscheidet verschiedene Kostenelemente der Informationsbeschaffung: 439 Direkte Kosten der Informationsbeschaffung umfassen unter anderem die Kosten für Informationsmaterial oder das Aufsuchen von Geschäften. Diese Kosten dürften im Mobilfunk vergleichsweise gering sein. Mit informativer vergleichender Werbung können die Kosten weiter gesenkt werden. Als Beispiel für direkte (pagatorische) Kosten lassen sich die Kosten für einen auf dem Handy zu installierenden Tarifrouter einordnen, der bei jedem Anruf (im Hintergrund) nach der günstigsten Verbindung sucht.440 Opportunitätskosten der Zeit umfassen den entgangenen Nutzen der Zeit, der sich aus der besten alternativen Verwendung ergeben würde. Zu den Bestimmungsfaktoren dieser Kosten gehören die für Informationsbeschaffung aufgewandte Zeit sowie der Wert der Zeit. Der Zeitaufwand setzt sich zusammen aus dem Zeitaufwand für anbieterseitige Information, eigene Informationsbeschaffung mittels Erfahrung oder Inspektion sowie Lieferung der Information durch Dritte, wie zum Beispiel durch Freunde, Bekannte oder auch unabhängige Institutionen. Im Mobilfunk steht die Beschaffung von Informationen über den Preis im Vordergrund. Es ist davon auszugehen, dass Informationen hier vergleichsweise einfach und schnell erhältlich sind: Die Stiftung Warentest veröffentlicht beispielsweise regelmäßig einschlägige Testberichte, in denen Mobilfunkangebote in Preis und Qualität gegenübergestellt werden. Gleiches gilt für Tageszeitungen oder Fachzeitschriften.
437
Vgl. Decker/Schölling (1999), S. 61 f. Vgl. Kapitel 2 439 Vgl. Müller (1994), S. 70 ff. 440 Vgl. Schriever (2007); Reppesgaard (2007) 438
- 129 Darüber hinaus lassen sich Informationen über den stationären Handel, die jeweilige Unternehmenshomepage oder Internet (-Tarifrechner) beschaffen. Die Informationsvielfalt ist groß, die erforderliche Zeit zur Informationsaufnahme und -verarbeitung wird aber durch die Darstellungsform (in der Regel Tabellen) reduziert. Die Informationen sind einerseits komplex, andererseits ist von einem eher hohen Vorwissen der Konsumenten im Mobilfunk auszugehen, da es kaum "echte" Neukunden gibt.441 Informative vergleichende Werbung, die für die Konsumenten relevante Nutzenelemente gegenüberstellt, strukturiert die Informationen und verringert die Opportunitätskosten. Dieser Vorteil wird in den Werbebotschaften nicht nur direkt thematisiert, sondern sogar quantifiziert: "Lieber Vodafone-Kunde, diese Anzeige zu lesen kostet 30 Sekunden, sie nicht zu lesen 30,03 €." 442 Kreye ist allerdings zuzustimmen, wenn sie davon ausgeht, dass im dynamischen Mobilfunkmarkt die Halbwertzeit von Tarifkenntnissen äußerst gering ist.443 Müller weist darauf hin, dass eine realitätsnahe Bewertung der Opportunitätskosten der Informationsbeschaffung berücksichtigen muss, dass Konsumenten auch Freude an der Werberezeption empfinden, so dass der entsprechende Nutzen von den Kosten zu subtrahieren ist.444 Im Mobilfunk dürfte dies insbesondere für vergleichende Werbung gelten, die für Konsumenten eine relativ neue und ungewohnte Werbeform darstellt. Psychologische Kosten (beispielsweise Frustrationen) führen dazu, dass der Kontakt mit der Werbung verfrüht abgebrochen wird. Diese Kosten, die auf dem Mobilfunkmarkt insbesondere durch den "Tarifdschungel"445 entstehen dürften, lassen sich durch informative vergleichende Werbung reduzieren. Rudlowski zufolge ist der Informationsnutzen im Sinne einer verbesserten Bedürfnisbefriedigung schwer einzuschätzen.446 Der Nutzen der Informationsbeschaffung beinhaltet jedenfalls den Werbenutzen. Letzterer setzt sich aus zwei Elementen zusammen: Der Animationsnutzen liegt insbesondere im Unterhaltungswert der Werbung, die auch geistige Anregung vermittelt, während der Informationsnutzen der Einsparung von Geld und Zeit, der Verbesserung von Kaufentscheidungen und damit der Erhöhung des Nutzenniveaus dient.447 Vergleichende Werbung, die entscheidungsrelevante Informationen über konkurrierende Leistungen bereitstellt, weist 441
Vgl. Kapitel 2.1.1 Werbung von E-Plus 443 Vgl. Kreye (2005), S. 171 444 Vgl. Müller (1994), S. 73 445 Vgl. Kapitel 2.2.1 446 Vgl. Rudlowski (1993), S. 126 447 Vgl. Kaas (1990), S. 498 442
- 130 dabei einen hohen Informationsnutzen für den Konsumenten auf. Der in hohem Maße von der Gestaltung der Werbung abhängige Animationsnutzen ist intrapersonell kaum vergleichbar, in zahlreichen vergleichenden Werbebotschaften im Mobilfunk aber zweifellos vorhanden. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Kosten der Informationsbeschaffung im Mobilfunk relativ gering sind. Die Halbwertzeit der beschafften Informationen ist aufgrund der Marktdynamik allerdings ebenfalls gering. Vergleichende Werbung senkt die Kosten der Informationssuche und -verarbeitung, wenn informativ vergleichend geworben wird, und die Werbebotschaft nicht irreführend ist. Die Stärke der informationsökonomischen Theorie liegt nach Kaas in ihrer klar strukturierten Argumentation und Fokussierung auf die beiden Variablen Kosten und Nutzen. Aussagen über die formale und inhaltliche Gestaltung der Werbung erfordern ihm zufolge aber eine Ergänzung um verhaltenswissenschaftliche Ansätze.448 Seiner Forderung wird in Kapitel 4 dieser Untersuchung Rechnung getragen.
3.2.7.3
Zwischenfazit
Den durch hohen Wettbewerbsdruck induzierten beträchtlichen Werbeaufwendungen in der Mobilfunkbranche kommt insbesondere beim Marktführer keine positive Signalfunktion zu. Es ist vielmehr davon auszugehen, dass aufwendige Werbemaßnahmen das grundsätzliche Glaubwürdigkeitsproblem des Marktführers eher verschärfen. Allerdings kann mit informativer vergleichender Werbung, die Konsumenten tatsächlichen Nutzen stiftet, der mangelnden Glaubwürdigkeit entgegengewirkt werden. Diese Werbung senkt darüber hinaus die Kosten der Informationssuche und -verarbeitung für die Konsumenten. Gleichzeitig ist von einem hohen Informationsnutzen auszugehen, der einen Animationsnutzen keineswegs ausschließt.
448
Vgl. Kaas (1990), S. 503
- 131 3.3
Marktführerschaft
Wenn man den Terminus Marktführerschaft in seine Bestandteile, Markt und Führerschaft, zerlegt, ergeben sich Abgrenzungsschwierigkeiten: Welcher Markt soll der Marktführerschaft zugrunde gelegt werden? In welcher Hinsicht ist ein Anbieter "führend"? Durch wen erfolgt die Festlegung? Die Verbindung der Marktführerschaft mit Termini, wie Marktgeltung, Marktpositionierung oder Markenführer,449 erhöht diese Verwirrung, zumal die Begriffe häufig nicht definiert werden. Es ist daher zu untersuchen, wer Marktführerschaft (für sich) festlegt, und auf welcher Grundlage die Identifizierung eines Anbieters als Marktführer erfolgt. Nach Analyse der quantitativen und qualitativen Dimensionen der Marktführerschaft werden dann die Wirkungen der Marktführerschaft zu untersuchen sein: Der Marktführer nimmt einen besonderen Platz in den Köpfen der Konsumenten ein.450 Abzugrenzen sind dabei allerdings positive und negative Assoziationen.
3.3.1
Quantitative Dimension
In der (Marketing-) Literatur wird regelmäßig angenommen, dass Marktführerschaft durch den Marktanteil bestimmt wird. Winkhaus nennt hier konkrete Zahlen: Marktführer 40%, Herausforderer 30%, Mitläufer 20%, Nischenbesetzer 10%. Er geht allerdings davon aus, dass der Marktführer in der Praxis die Nummer eins oder zwei im relevanten Markt ist, wobei ein Marktanteil von über 40% eher selten sei.451 Esch et al. sehen im Marktanteil eine wettbewerbsstrategische Zielgröße. Sie unterscheiden zwischen einem absoluten und einem relativen Marktanteil: Der absolute Marktanteil ist das Verhältnis des mengen- oder wertmäßig definierten Absatzes eines Unternehmens zum gesamten Absatz in einem Markt in einer bestimmten Periode. Der relative Marktanteil ergibt sich dagegen als Verhältnis des eigenen Marktanteils zu dem des stärksten Wettbewerbers.452 Das Marktvolumen lässt sich als prognostizierte oder realisierte Absatzmenge der Branche in einer Periode kennzeichnen, während unter Marktpotenzial die maximal erzielbare Absatzmenge beziehungsweise
449
Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 628 f. Vgl. Strebinger (2001), S. 147 451 Vgl. Winkhaus (1997), S. 122 452 Vgl. Esch et al. (2006), S. 27 450
- 132 die Aufnahmefähigkeit des Marktes zu verstehen ist. Auf einem gesättigten Markt, wie ihn der Mobilfunk in Teilen453 darstellt, ist das Marktpotenzial durch das Marktvolumen ausgeschöpft.454 Der Marktanteil ist abhängig von der Abgrenzung des relevanten Marktes.455 Besondere Schwierigkeiten ergeben sich, wenn sich, wie im Mobilfunk, das Wettbewerbsumfeld ständig ändert, so dass eine vergleichende Betrachtung im Zeitablauf kaum möglich ist. Darauf weist auch Aaker hin.456 Damit kann mit Yagci festgestellt werden: "Market share information is easy to obtain but difficult to interpret." 457 Becker geht davon aus, dass das Unternehmen mit dem größten Marktanteil nicht zwangsläufig das Unternehmen mit dem höchsten Bekanntheitsgrad sein muss.458 Dröge/Darmon ist dennoch zuzustimmen: "Dominant brands are by definition known to a large proportion of the market." 459 Strebinger zufolge wird die Definition der Marktführerschaft in der Praxis weiter gefasst.460 Sie ist eine wichtige unternehmerische Kennzahl: "A brand's share reflects factors like order of market entry, advertising effort, marketing acumen, and scale of production." 461 Tambakeras formuliert für sein Unternehmen (Kennametal Inc.) fünf Dimensionen der Marktführerschaft: Finanzergebnisse, Kundenzufriedenheit, Innovation, Wachstum im Verhältnis zum Markt sowie beste Mitarbeiter.462 Damit verbindet er quantitative und qualitative Elemente der Marktführerschaft. Definition und Verständnis von Marktführerschaft sind in hohem Umfange von der jeweiligen Interessenslage abhängig, wie das Beispiel des Mobilfunkmarktes zeigt: Vodafone, nach Kundenzahlen knapp hinter T-Mobile liegend, bezeichnete sich Ende 2006 als Marktführer beim Umsatz und Ertrag,463 im ersten Quartal 2007 nur noch als "ertragsstärkster Netzbetreiber in Deutschland." 464 Die Aussagekraft der Kennzahl Umsatz ist allerdings insofern beschränkt, als in den ersten drei Quartalen 2006 im Vergleich der Milliardenumsätze von T-Mobile und Vodafone erst die zweite Stelle hinter dem Komma ausschlaggebend war.465 E-Plus sieht sich als Gewinn- und
453
Vgl. Kapitel 2.1 Vgl. Esch et al. (2006), S. 11 f. 455 Vgl. Arnold (2006), S. 25; Yagci (2000), S. 2 456 Vgl. Aaker (1996), S. 332 457 Vgl. Yagci (2000), S. 2 458 Vgl. Becker (2006), S. 74 f. 459 Dröge/Darmon (1987), S. 379 460 Vgl. Strebinger (2001), S. 149 461 Buchanan (1985), S. 108 462 Vgl. Damm (2005) 463 Vgl. Faust (2006) 464 Schäuble (2007) 465 Vgl. Lütge (2007) 454
- 133 Wachstumsführer,466 während T-Mobile die Service- und Qualitätsführerschaft anstrebt.467 Rassau zufolge setzte mit Einführung der Prepaid-Karten und der Subventionierung von Endgeräten zunächst ein Kampf um die an der Kundenzahl gemessene Marktführerschaft ein. Zahlreiche Kunden generierten allerdings kaum Umsatz, so dass ab 2001 ein Umdenken erfolgte, das durch zunehmende Marktsättigung, hohe Marketingkosten und erforderliche Investitionen in den Netzausbau beschleunigt wurde: Inaktive Kunden, die keine laufenden Umsätze generierten, wurden aus den Statistiken entfernt. Kundenzahlen rückten in den Hintergrund, und die "Kundenqualität" gewann an Bedeutung. Inzwischen stehen Finanzkennzahlen, wie durchschnittlicher Teilnehmerumsatz (ARPU468) und Cash-Flow, im Fokus der Unternehmen.469 Joussen weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass bei einer Mobilfunkdurchdringung von über hundert Prozent Kundenzahlen ihre Aussagekraft verlieren.470 In der öffentlichen Wahrnehmung spielen die genannten Finanzkennzahlen trotz regelmäßiger Veröffentlichungen nur eine untergeordnete Rolle. Insbesondere Kundenzahlen sind ein zweifelhaftes Erfolgskriterium, wie das Beispiel des Mobilfunkmarktes verdeutlicht: Nach der gerichtlichen Untersagung, Prepaid-Guthaben verfallen zu lassen, verbuchte beispielsweise Vodafone auf einen Schlag 30.000 Kunden mehr als zuvor, so dass Lütge hier von einem "Zahlenwirrwarr ohne Aussagekraft" 471 spricht. Wenn man die Marktführerschaft mit Becker als "Marke mit dem höchsten Marktanteil und deutlichem Abstand zum Marktzweiten" 472 definieren würde, gäbe es in Deutschland keinen Marktführer im Mobilfunk: Die Marktanteile von Vodafone und T-Mobile liegen sehr dicht beieinander, so dass in der Presse von den "beiden Marktführern" gesprochen wird.473 Häufiger wird allerdings T-Mobile als Marktführer bezeichnet.474 Dadurch wird die entsprechende Wahrnehmung durch die Konsumenten wiedergegeben. Allein diese Wahrnehmung ist letztlich relevant, so dass Strebinger zuzustimmen ist, wenn er erklärt, dass "eine an der strategischen
466
Vgl. Fredrich (2006b) Unternehmensangaben 468 Average Revenu per User 469 Vgl. Rassau (2005), S. 33 470 Vgl. Faust (2006) 471 Lütge (2007) 472 Becker (2007), S. 74 473 Vgl. Kapitel 2.1.2 474 Vgl. Frühbrodt (2007c) 467
- 134 Position des Unternehmens ansetzende Begriffsdefinition [von Marktführerschaft] für viele der unternehmensexternen Effekte unzweckmäßig [ist]." 475 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass eine Definition von Marktführerschaft, die allein auf den Marktanteil abstellt, zum einen mit Interpretationsproblemen behaftet ist und zum anderen der im Rahmen dieser Untersuchung entscheidenden Konsumentenwahrnehmung nicht gerecht wird.
3.3.2
Qualitative Dimension
Einige Autoren beschränken die Marktführerschaft auf den quantitativen Aspekt,476 andere hingegen unterscheiden zwischen quantitativer und qualitativer Marktführerschaft.477 Letztere bedeutet, dass das Unternehmen qualitativ beziehungsweise imagemäßig als führend eingestuft wird: Es verfügt über die "beste Marke". Quantitative und qualitative Marktführerschaft bedingen sich in der Regel gegenseitig: Becker geht davon aus, dass quantitative Marktführerschaft im Prinzip qualitative Marktführerschaft voraussetzt, aber das Erreichen qualitativer häufig auch zu quantitativer Marktführerschaft führt. 478 Buchanan warnt hier allerdings vor einem Automatismus: "Market share is not the same thing as brand preference." 479 Markenpräferenz setzt eine entsprechende Position der Marke "in den Köpfen" der Konsumenten voraus. Während diese in der Regel nur grobe Vorstellungen von den Marktanteilen einzelner Akteure haben dürften, können sie die ihrer Meinung nach "beste Marke" in der Regel klar benennen. Yagci argumentiert ähnlich: Er stellt fest, dass der Marktanteil zur Ermittlung der Effektivität vergleichender Werbung ungeeignet ist und nutzt stattdessen das Markenimage "as a variable that includes perceived quality, esteem, and personality dimensions … personality is defined as the degree to which the brand is perceived as having a strong personality in terms of its image, heritage, historical consistency, and the degree to which the brand evokes an image of its users." 480 Der Marktführer dürfte besonders durch "personality" in dem hier definierten Sinne gekennzeichnet 475
Strebinger (2001), S. 152 Vgl. Schmidt (2004), S. 34 477 Vgl. Becker (2006), S. 67 478 Vgl. Becker (2006), S. 67 479 Buchanan (1985), S. 108 480 Yagci (2000), S. 19 476
- 135 sein.481 Wenn man mit Esch et al. davon ausgeht, dass der aktive Prozess der Gestaltung des Images durch ein Unternehmen die Positionierung bezeichnet,482 ist die Marktführerschaft hier in Zusammenhang mit der Positionierung zu untersuchen. Letztere kennzeichnen Kroeber-Riel/Esch als die "hohe Schule des Marketing in einem konkurrenzwirtschafltichen Wirtschaftssystem." 483 Schmidt definiert: "Die Positionierung eines Produktes oder einer Dienstleistung gibt darüber Auskunft, was das beworbene Produkt besser zu können behauptet als Konkurrenzprodukte." 484 Diese Definition verdeutlicht, dass vergleichende Werbung in hohem Maße zur Darstellung der Positionierung geeignet ist. Während die quantitative Marktführerschaft objektiv ermittelt werden kann, bleibt die Positionierung als Anordnung von Produkten oder Marken im Wahrnehmungsraum der Konsumenten immer subjektiv.485 Im Rahmen dieser Untersuchung ist besonders die Anordnung im Vergleich zu anderen Produkten des Wahrnehmungsraumes anhand von zwei unterschiedlichen Ansätzen zu analysieren: Die Positionierung über Differenzierung versucht, die Marke hinsichtlich zentraler Dimensionen anders als Mitbewerbermarken erscheinen zu lassen. Bei der Ähnlichkeits-Positionierung soll dagegen signalisiert werden, dass die Marke in Bezug auf bestimmte Eigenschaftsdimensionen mit Mitbewerbermarken vergleichbar ist. Damit versuchen insbesondere neue, unbekannte Unternehmen, von Ausstrahlungseffekten etablierter Marken zu profitieren.486 Für den Marktführer, der ein eigenständiges Profil wahren muss, dürfte in erster Linie die erste Alternative Erfolg versprechend sein. Kloss definiert Positionierung sehr eng als "Bestreben, an sich austauschbaren Produkten Eigenständigkeit zu verleihen," 487 und vertritt die Auffassung: "Das Wesen der Positionierung ist … gerade darin zu sehen, einen direkten Vergleich mit den Wettbewerbsmarken … zu vermeiden." 488 Jedenfalls ist davon auszugehen, dass der Maßstab für die Positionierung die Marktposition der Wettbewerber ist. Der These, eine Marke könne kaum eine Position innehaben, solange sie keine Konkurrenzmarken hat, mit denen ein Vergleich angestellt werden kann, wird hier allerdings nicht gefolgt.489 Marktführerschaft lässt sich als angestrebtes Ergebnis
481
Vgl. Kapitel 3.4.3 Esch et al. (2006), S. 197 483 Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 51 484 Schmidt (2004), S. 54 485 Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 53 486 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 635 487 Kloss (2003), S. 115 488 Kloss (2003), S. 192 489 Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 51 482
- 136 der Positionierung kennzeichnen, wirkt aber auch auf diese zurück (vgl. Abbildung 23).
Positionierung = aktiver Prozess der Image- und Nutzengestaltung durch das Unternehmen
Marktführerschaft
= führende Stellung in den Köpfen der Konsumenten
Anordnung der Marke im Wahrnehmungsraum der Konsumenten insbesondere durch Abgrenzung von Konkurrenzprodukten
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 23: Positionierung und Marktführerschaft Winkhaus weist darauf hin, dass Marktführerschaft nur durch spezifischen, erlebbaren Kundennutzen erreicht und nachhaltig abgesichert werden kann.490 Dieser Nutzen kann auf ein einzelnes Merkmal bezogen sein, wobei es sich dann um eine konzentrierte Positionierung handelt. Werden mehrere nutzenstiftende Eigenschaften hervorgehoben, handelt es sich dagegen um eine Universalpositionierung.491 Marktführerschaft geht in der Regel mit einer bestimmten Verkehrsgeltung einher, definiert als "Anerkennung der beteiligten Wirtschaftskreise," 492 zumindest aber mit einem hohen Bekanntheitsgrad und einem gefestigten Produkt- und/oder Unternehmensimage. Auf dem deutschen Mobilfunkmarkt ist T-Mobile nicht nur das Unternehmen mit dem größten Marktanteil und gleichzeitig dem höchsten Bekanntheitsgrad, sondern dem Betreiber gegenüber bestehen als Tochtergesellschaft eines ehemaligen Monopolunternehmens auch besonders gefestigte Einstellungen und Präferenzen, so dass das Unternehmen im Sinne dieser Untersuchung als marktführend zu betrachten ist.
490
Vgl. Winkhaus (1997), S. 127 Vgl. Steffenhagen (2004), S. 110 f. 492 Mellerowicz (1963), S. 39 491
- 137 3.3.3
Zwischenfazit
Marktführerschaft wird hier nicht (allein) quantitativ und damit objektiv messbar verstanden. Entscheidend ist im Rahmen dieser Untersuchung vielmehr die subjektive Wahrnehmung als führende Marke durch den Konsumenten, die in der Regel mit hoher Bekanntheit und Verkehrsgeltung einhergeht und auf verschiedenen Dimensionen (Preis, Technologie, Service…) basieren kann. Die besondere Verankerung der Marke in den Köpfen der Konsumenten erfolgt auch durch die deutliche Abgrenzung von Wettbewerbern im Rahmen vergleichender Werbung. Dieses Instrument unterstützt die Positionierung und scharfe Profilierung von Marken. Dies gilt insbesondere für den Marktführer, der in der Regel anders als alle Wettbewerber wahrgenommen werden will (Differenzierung).
3.4
Wirkungen der Marktführerschaft
Marktführerschaft entfaltet interdependente unternehmensinterne sowie -externe Wirkungen. Im Rahmen dieser Untersuchung stehen letztere im Fokus: Entscheidend für
den
Erfolg
vergleichender
Werbung
ist
neben
der
Marktwirkung
die
Konsumentenwahrnehmung, das heißt die Wahrnehmung des Unternehmens, seiner Marke und seiner Werbung durch die Konsumenten.
3.4.1
Einführung
Die Analyse der Wirkungen der Marktführerschaft setzt zunächst eine Differenzierung zwischen unternehmensinternen und unternehmensexternen Wirkungen voraus. Zu den unternehmensinternen Faktoren gehören insbesondere Finanzfaktoren wie Kostendegressions- und Erfahrungskurveneffekte. Simon stellt hierzu fest: "Die PIMS 493-Ergebnisse liefern den überzeugendsten Beweis, dass ein höherer Marktanteil (sei es als Rangfolge, absoluter oder relativer Marktanteil) zu einem höheren
493
Profit Impact of Marketing Strategies, Anm. d. Verf.
- 138 ROI 494 führt." 495 Trotz der (Methoden-) Kritik496 an diesem 1972 an der Harvard Business School initiierten und 1975 in das Strategic Planning Institute ausgelagerten Forschungsprogramm ist grundsätzlich von einer positiven Korrelation zwischen Marktanteil und Rendite auszugehen.497 Darüber hinaus lassen sich weiche Faktoren als Wirkungen der Marktführerschaft kennzeichnen. Als Beispiel seien Imagefaktoren, wie die Attraktivität als Arbeitgeber, genannt. Aaker/Joachimsthaler weisen darauf hin, dass Marktführerschaft ein Motivationsfaktor sein kann: "It can inspire employees and partners by setting a high brand aspiration level; the goal of being out in front makes the brand-building task exciting and worthwhile." 498 Die unternehmensinternen Faktoren scheinen im Rahmen dieser Untersuchung, in der die Konsumentenwahrnehmung im Vordergrund steht, zunächst von untergeordneter Relevanz zu sein, sie sind aber nicht zu vernachlässigen: Die Beschäftigten, die häufig zugleich auch Kunden des Unternehmens sind, üben insbesondere beim Marktführer eine wichtige Multiplikatorfunktion aus. Zu den unternehmensexternen Wirkungen der Marktführerschaft zählt insbesondere die Kundenwahrnehmung, wobei zwischen Produkt- beziehungsweise Markenwahrnehmung, Unternehmenswahrnehmung sowie Wahrnehmung der Werbung des Unternehmens zu unterscheiden ist. Auch auf den Markt entfaltet die Marktführerschaft Wirkungen: Der Marktführer gilt als Orientierungsgeber und gestaltet die Spielregeln.499 Die nachfolgende Abbildung veranschaulicht die skizzierten Wirkungen der Marktführerschaft noch einmal grafisch (vgl. Abbildung 24). Die unternehmensexternen Wirkungen, die im Zentrum dieser Untersuchung stehen, werden im Folgenden genauer analysiert.
494
Return on Investment, Anm. d. Verf. Simon (1998), S. 29 496 Vgl. Jacobson/Aaker (1985); Homburg/Krohmer (2006), S. 441 ff. 497 Vgl. Simon (1998), S. 29 498 Aaker/Joachimsthaler (2000), S. 66 499 Vgl. Simon (1998), S. 25 495
- 139 -
Wirkungen der Marktführerschaft
unternehmensintern
harte Faktoren (Kostendegressionsund Erfahrungskurveneffekte)
unternehmensextern
weiche Faktoren (z.B. Attraktivität als Arbeitgeber)
Markt (Gestaltung der Spielregeln)
Konsumenten (Wahrnehmung)
Unternehmen Produkt/ Marke
Werbung
Interdependenzen
Relevanz im Rahmen der Untersuchung
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 24: Wirkungen der Marktführerschaft
3.4.2
Marktwirkungen
Steffenhagen geht davon aus, dass Marktführerschaft dann gegeben ist, wenn "im Rahmen horizontaler Machtbeziehungen ein ausgeprägter Machtüberhang bei einem der Marktbeteiligten [besteht]." 500 Macht definiert er als Fähigkeit, den Verhaltensraum anderer Marktbeteiligter einzuengen und sie zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen.501 Preissner assoziiert Marktführerschaft offenbar ebenfalls mit Macht, wenn sie fragt: "Warum macht sich die Telekom immer nur zum Gejagten, statt aus der Machtposition des Marktführers zu agieren?" 502 Simon spricht von psychologischer Marktführerschaft, die er als den Willen kennzeichnet, den Markt zu determinieren, Branchenstandards zu setzen, Regeln zu definieren und zu modifizieren. Er warnt Marktführer allerdings vor der "Zementierung" von Spielregeln zur Verteidigung ihrer Position: "Diese Einstellung verursacht Trägheit und Selbstzufriedenheit und endet schließlich mit dem Verlust der führenden Position." 503
500
Steffenhagen (2004), S. 40 Vgl. Steffenhagen (2004), S. 40 502 Preissner (2006) 503 Simon (1998), S. 29 501
- 140 Visser geht davon aus, dass "die Telekom im Ausland vergleichsweise unbeschwert als Herausforderer alteingesessene Wettbewerber angreifen kann" 504 und sieht damit in der Marktführerschaft offensichtlich auch eine Bürde. Der Marktführer agiert also in einem Spannungsfeld: Einerseits gestaltet er aktiv die Spielregeln des Marktes, andererseits befindet er sich in einer defensiven Position, da er sich gegen Angreifer behaupten muss. Dieses Spannungsfeld zeigt sich auch in der Konsumentenwahrnehmung, die nachfolgend untersucht wird.
3.4.3
Konsumentenwahrnehmungen
Die Wahrnehmungen der Konsumenten einer führenden Marke sind vielschichtig. Zu unterscheiden sind zunächst die mit dem Produkt beziehungsweise dem Unternehmen verbundenen positiven und negativen Assoziationen, bevor auf die Wirkung der Werbung des Marktführers einzugehen ist.
3.4.3.1
Produkt- und Unternehmenswahrnehmung
Marken lassen sich als ein "in der Psyche des Konsumenten fest verankertes, unverwechselbares Vorstellungsbild von einem Produkt oder einer Dienstleistung" kennzeichnen.505 Fichtner zufolge erfüllen Marken für Konsumenten in erster Linie drei Funktionen: Sie vermitteln Vertrauen, indem sie ein Versprechen übermitteln und für Sicherheit stehen, sie ermöglichen Entscheidungsvereinfachung, da sie Informationsbündel repräsentieren, und sie gewährleisten Problemlösung, indem sie das wahrgenommene Risiko reduzieren.506 Foscht/Swoboda gehen davon aus, dass die Marke Orientierung, Entlastung, Qualitätssicherung, Identität, Prestige und Vertrauen vermittelt.507 Diese Nutzenfunktionen dürften bei der führenden Marke noch ausgeprägter sein. Esch et al. zufolge stellen Marken "verdichtete Informationen und Vertrauensanker" 508 dar. Die Orientierung am Marktführer bietet den Konsumenten daher kognitive Entlastung. Allerdings streben nicht alle Konsumenten in jeder 504
Visser (2006a) Foscht/Swoboda (2005), S. 171 506 Vgl. Fichtner (2006), S. 280 507 Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 171 508 Esch et al. (2006), S. 195 505
- 141 Situation nach dieser Entlastung. Das Bedürfnis nach kognitiver Anstrengung (need for cognition)509 ist bei Konsumenten unterschiedlich ausgeprägt.510 Aaker/Joachimsthaler gehen davon aus, dass der Marktführer Konsumenten nicht nur Sicherheit bietet und ihre Kaufunsicherheit verringert, sondern auch Qualität beziehungsweise Innovationskraft und damit funktionale (Produkt-) Vorteile impliziert.511 Der Marktführer erfährt daher stärkere Aufmerksamkeit als unbekannte Mitbewerber, und die Produkteigenschaften werden besser erinnert.512 In der Regel verfügt der Marktführer über einen hohen Bekanntheitsgrad. Er dürfte sogar meistens die Top-of-mind-Position einnehmen beziehungsweise zum "Evoked Set" gehören.513 Letzteres lässt sich nach Foscht/Swoboda kennzeichnen als "individuell spontan erinnerte und für relevant erachtete Alternativenmenge in der Kaufsituation, zu der grundsätzlich eine positive Einstellung besteht und bezüglich der nichts gravierendes gegen den Kauf spricht." 514 Bekannte Marken werden von Konsumenten im Allgemeinen besser beurteilt als unbekannte Marken.515 Maheswaran et al. konnten allerdings zeigen, dass die Markenbekanntheit insbesondere dann die Einstellung beeinflusst, wenn sich der Konsument nicht mit einzelnen Produkteigenschaften beschäftigen kann oder will.516 Hellofs/Jacobson zufolge beeinflusst der Hinweis auf einen hohen Marktanteil die Qualitätswahrnehmung: Testpersonen beurteilten die Qualität eines Produktes besser (schlechter), wenn sie vorher die Information erhielten, dass das Produkt einen Marktanteil von 40 Prozent (3 Prozent) hat.517 Rindfleisch/Inman stellten bei der Durchführung von Geschmackstests fest, dass ein Produkt umso besser beurteilt wurde, je mehr Personen sich angeblich in früheren Untersuchungen bereits für dieses Produkt entschieden hätten.518 Bei homogenen Leistungen hat Marktführerschaft allerdings nur dann eine Funktion als Qualitätssignal, wenn die Konsumenten über kein oder nur geringes Vorwissen verfügen. Das ist im Mobilfunk mit einer Durchdringungsrate von über hundert Prozent nicht der Fall. Darüber hinaus gilt das
509
Cho (1995), S. 24 Vgl. Kapitel 4.4.2 511 Vgl. Aaker/Joachimsthaler (2000), S. 66 512 Vgl. Strebinger (2001), S. 260 513 Vgl. Kapitel 4.4.6.2 514 Foscht/Swoboda (2005), S. 153 515 Vgl. Hoyer/Brown (1990); Tscheulin/Helmig (1999), S. 570 516 Vgl. Maheswaran et al. (1992) 517 Vgl. Hellofs/Jacobson (1999) 518 Vgl. Rindfleisch/Inman (1998) 510
- 142 wahrgenommene Risiko als gering, während die Preisorientierung hoch ist.519 Andere Effekte der Marktführerschaft lassen sich dagegen auf den Mobilfunk übertragen. Als Beispiel seien positive Netzexternalitäten genannt: "The utility of a product or service rises with increases in the number of other individuals using the same product." 520 Für Mobilfunkkonsumenten bedeutet das: Je mehr Kunden der Anbieter hat, desto vorteilhafter ist die Möglichkeit, billiger oder sogar kostenlos innerhalb der eigenen Community zu telefonieren. Hohe Verbreitung der Angebote eines Marktführers bis hin zur Ubiquität ist allerdings in Bezug auf die sozialen Effekte ein "zweischneidiges Schwert": Individualisten könnten die Angebote nicht mehr als Ausdruck ihrer Persönlichkeit empfinden. Darauf verweist auch Strebinger: "Dass bei identitätsstiftenden Produkten kaum auf den Marktführer-Claim zurückgegriffen wird, erklärt sich wohl aus der Furcht, die Marke zu konformistisch zu positionieren." 521 Konformisten fühlen sich allerdings durch die hohe Verbreitung bestätigt und sehen in der Marktführerschaft einen Konsens-Cue. Der Marktführer im deutschen Mobilfunk trägt dieser Zweischneidigkeit durch Bewerbung verschiedener Angebotselemente Rechnung: Konsens wird durch die Zugehörigkeit zur größten Netz-Community betont, während Individualität durch Bewerben des Handys als Lifestyle-Produkt522 herausgestellt wird. Der "Bandwagon effect", demzufolge Konsumenten einen psychologischen Nutzen aus der Verwendung weit verbreiteter Marken ziehen,523 lässt sich ebenfalls den positiven sozialen Effekten zuordnen. Aaker/Joachimsthaler gehen davon aus, dass der Erwerb und die Nutzung führender Marken Konsumenten das Gefühl verleiht, wichtig zu sein und über ein gutes Urteilsvermögen zu verfügen. Die beiden Autoren kennzeichnen diesen Markennutzen als "self-expressive benefits." 524 Die mit der Marktführerschaft verbundenen Assoziationen der Konsumenten weisen für den Marktführer mehrere Vorteile auf: zum einen sind sie nicht nur im Zeitablauf stabil und gefestigt, sondern auch klar und einzigartig und damit für die Mitbewerber schwer aufzubrechen.525 Zum anderen sind sie mit intangiblen Werten verbunden und daher kaum zu imitieren.
519
Vgl. Kapitel 2 Hellofs/Jacobson (1999), S. 16 521 Vgl. Strebinger (2001), S. 266 522 Vgl. Kapitel 4.5 523 Hellofs/Jacobson (1999), S. 16 524 Aaker/Joachimsthaler (2000), S. 66 525 Vgl. Arnold (2006), S. 70 520
- 143 Kroeber-Riel/Weinberg gehen davon aus, dass die Idealvorstellungen der Konsumenten in erster Linie von der führenden Marke geprägt werden.526 Damit wird deutlich, dass der Marktführer als Orientierungsgeber fungiert. Billen zeigt die Bedeutung von Orientierung auf: "Orientierung kommt dem Wunsch des Individuums entgegen, eine gewisse Vertrautheit mit den Situationen des Lebens zu erreichen, was dem Individuum ein Gefühl von Sicherheit und Kontrolle vermittelt." 527 Dem Marktführer wird in der Regel hohes Vertrauen entgegengebracht: Dieses Vertrauen basiert insbesondere auf Erfahrungen.528 Kempf weist auf einen wichtigen Zusammenhang zwischen Einstellungen529 und Erfahrungen hin: "Research results indicate that attitudes formed from direct experience (i.e., trial) are stronger, more confidently held, and better predictors of behavior than those formed via indirect experience such as advertising." 530 Fichtner zufolge beinhaltet Vorwissen neben Erfahrungen auch Vertrautheit mit dem Produkt.531 Beim Marktführer dürfte gegenüber Nicht-Marktführern das Vorwissen in besonderer Weise zum Tragen kommen. Es ist daher davon auszugehen, dass gegenüber dem Marktführer, mit dem ein Großteil der Konsumenten bereits (direkte) Erfahrungen gemacht hat, besonders gefestigte Präferenzen und Einstellungen bestehen, die zu hoher Akzeptanz oder starker Ablehnung führen. Darüber hinaus beruht das dem Marktführer entgegengebrachte Vertrauen aber auch auf Konsens. Damit wird eine Meinungsübereinstimmung gekennzeichnet, die Strebinger als die Devise "Millionen können nicht irren" 532 bezeichnet. Die Meinungsübereinstimmung verändert sowohl Ergebnis als auch Inhalt und Form des Denkprozesses. Der Mehrheitsmeinung werden positivere Gedanken gewidmet, sofern sie nicht dem Konsumenten persönlich wichtigen Einstellungen zuwiderläuft.533 Domizlaff verdeutlicht, warum dem Marktführer als einer etablierten Marke eher Vertrauen entgegengebracht wird als einem neuen Marktakteur: "Vertrauen verlangt Bewährung, und Bewährung verlangt wiederholte Gelegenheit zur Leistungskritik.
526
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 222 Billen (2003), S. 107 528 Vgl. Walsh/Hennig-Thurau (2002), S. 98 529 Vgl. Kapitel 4.4.3.5 530 Kempf (1999), S. 36 531 Vgl. Fichtner (2006), S. 224 532 Vgl. Strebinger (2001), S. 157 533 Vgl. Strebinger (2001), S. 159 527
- 144 Beides ist nicht kurzfristig denkbar." 534 Die Marktetablierung ist der Goodwill des Marktführers. Foscht/Swoboda kennzeichnen den Goodwill als das Vertrauenskapital einer etablierten Marke.535 Auch Wildemann sieht den Goodwill als vergangenheitsbezogene Größe ("eine hohe Reputation für die Zukunft, basierend auf dem Erfolg in der Vergangenheit" 536), so dass neue, unbekannte Unternehmen im Gegensatz zu Marktführern kaum über einen Goodwill verfügen, den sie im Rahmen ihrer (vergleichenden) Werbung einsetzen können. Reputation lässt sich nach Herbig/Milewicz kennzeichnen als "estimation of the consistency over time of an attribute of an entity … based on the entity's willingness and ability to perform an activity repeatedly in a similar fashion." 537 Die beiden Autoren gehen davon aus, dass Transaktionen stattgefunden haben müssen, damit Reputation entstehen kann. Auch Weizsäcker spricht von Reputation als Extrapolation von Erfahrungen.538 Fichtner definiert Reputation ebenfalls als "Ausdruck bisheriger und/oder kommunizierter Erfahrungen." 539 Damit ist Reputation eine vergangenheitsbezogene Größe, die nicht auf neue Marktakteure, aber in hohem Maße auf den Marktführer angewandt werden kann: "Reputation is a historical notion based on the sum of the past behaviors." 540 Glaubwürdigkeit ist als gegenwartsbezogene Größe von der Reputation abzugrenzen: "Credibility is the believability of the current intention." 541 Das Konstrukt der Glaubwürdigkeit wird im Rahmen der theoretischen Grundlagen zum Konsumentenverhalten gesondert untersucht.542 Festzustellen ist allerdings, dass dem Marktführer grundsätzlich geringere Glaubwürdigkeit entgegengebracht wird als anderen Marktakteuren. Die Attributionstheorie543 liefert hierfür die Begründung: Konsumenten gehen davon aus, dass der Marktführer in erster Linie seine führende Stellung gegenüber Mitbewerbern verteidigen will. Marktführerschaft wird somit häufig mit Defensive und Verteidigung in Verbindung gebracht. Der Grund dafür ist insbesondere darin zu sehen, dass Marktführerschaft auf den Erfolgen in der Vergangenheit basiert, und ein Marktführer seine Position nur 534
Domizlaff (1982), S. 365 Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 115 536 Wildemann (1998), S. 537 Herbig/Milewicz (1995), S. 5 538 Vgl. Weizsäcker (1980), S. 83 539 Fichtner (2006), S. 202 540 Herbig/Milewicz (1995), S. 7 541 Herbig/Milewicz (1995), S. 7 542 Vgl. Kapitel 4.4.5 543 Vgl. Kapitel 4.3.3 535
- 145 noch ausbauen beziehungsweise verteidigen kann. Er riskiert daher, von Konsumenten als "Platzhirsch" wahrgenommen zu werden, der jeden Konkurrenten verdrängen will. Diese Assoziation verstärkt sich noch, wenn der Marktführer gleichzeitig ein (ehemaliger) Monopolist ist. So erklärt auch Rohde: "Auf diese Weise kommt der Marktführer nicht aus der Defensive – was zweifellos bei einem Ex-Monopolisten eine gewissermaßen natürliche Rolle ist." 544 Auch Fockenbrock spricht von der "Vermutung, Noch-Monopolisten verteidigten ihre Pfründe mit allen Mitteln." 545 Es ist daher davon auszugehen, dass die Stärke des Marktführers, der vergangenheitsbezogene Goodwill, zugleich seine Schwäche ist: Er wird als eher reaktiv als aktiv wahrgenommen und gilt häufig als träge und behäbig. Diese Assoziation nutzen Wettbewerber des Marktführers auch in vergleichenden Werbebotschaften. Als Beispiel sei die Werbung des Autovermieters Avis genannt, der gegen den Konkurrenten Hertz den Slogan einsetzte: "We are number two, we try harder." Damit wurde dem Marktführer Hertz unterstellt, sich auf seinen Erfolgen "auszuruhen".546 Darüber hinaus ist Marktführerschaft nicht nur mit Macht, sondern auch mit Ohnmacht verbunden: Konsumenten fühlen sich dem Unternehmen ausgeliefert. Dieses Gefühl, dass sich bei (ehemaligen) Monopolisten noch verschärfen dürfte, spiegelt sich in Publikationen, wie "Die Telekom-Hasser" oder "Die Bahn-Hasser", wider. Konsumenten ziehen häufig den Schluss, dass Marktführerschaft einen hohen Preis, aber nicht unbedingt höchste Qualität bedeutet. Strebinger vertritt die Auffassung, dass diese Schlussfolgerung insbesondere von Nicht-Markenbewussten vertreten wird, während Markenbewusste vor allem die höhere Qualität sehen.547 Seine Verwendung des Terminus "Markenbewusstsein" ist allerdings sehr eng, wenn nicht sogar irreführend: Er versteht darunter die Orientierung an Marken beziehungsweise "die spezielle Facette der Risikoreduktion durch eine bekannte Marke." 548 Außer acht bleibt das im allgemeinen Sprachgebrauch mit Markenbewusstsein assoziierte Prestige einer Marke oder die Sympathie für eine Marke.
544
Rohde (2006) Fockenbrock (2006) 546 Vgl. Cho (1995), S. 3 547 Vgl. Strebinger (2001), S. 269 548 Strebinger (2001), S. 261 545
- 146 3.4.3.2
Wahrnehmung der Werbung
Der Marktführer wirkt auf die Mehrheit der Konsumenten seriös und kompetent. Er steht für umfangreiches (Produkt-) Know-How, was sich auch auf die Wahrnehmung seiner Werbung auswirkt. Goldberg/Hartwick konnten nachweisen, dass angesehene und bekanntermaßen erfolgreiche Unternehmen auch extreme Positionen in ihrer Werbung Erfolg versprechend nutzen können.549 Daher vertrauen neue Marktakteure häufig auf die Überzeugungskraft von Marktführern. Als Beispiel seien Neuf Cegetel und Free genannt, die sich auf dem noch jungen französischen Markt der Konvergenzprodukte engagieren, aber auf die Überzeugungskraft des Marktführers France Télécom (und seine Werbemaßnahmen) vertrauen: "Neuf Cegetel et Free, qui ont lancé des offres similaires mais compliquées, espèrent que les publicités de l'opérateur 550 'éduqueront' les Français." 551 Varlam überschätzt allerdings die Bedeutung der Werbung und lässt direkte (Produkt-)Erfahrungen von Konsumenten unberücksichtigt, wenn sie erklärt: "Aus bereits erfolgten Werbekontakten der Verbraucher mit Produkten etablierter Unternehmen resultieren gewohnheitsbedingte oder sogar meinungsmonopolistische Nachfragepräferenzen (Markenloyalität), die nur durch besondere Verkaufsanstrengungen der Newcomer kompensiert werden können." 552 Priester geht davon aus, dass die Werbung des Marktführers auf besonderes Interesse bei den Konsumenten stößt, da sie für diese von besonderer Relevanz ist: Marktführer sind bekannt, und ihre Produkte werden häufig gekauft.553 Die Reaktionen der Konsumenten hängen allerdings insbesondere von der (gefestigten) Einstellung 554 gegenüber der Marke beziehungsweise dem Unternehmen ab: "For a mature brand with which consumers have had previous experience, prior brand attitude may be seen als exerting considerable influence on consumer's reactions to advertising." 555 Auch das qualitative und quantitative Vorwissen wirkt sich auf die Konsumentenreaktionen aus: Wenn Konsumenten kaum Vorwissen besitzen, bilden sie in geringerem Umfange Gegenargumente. Ist das Vorwissen allerdings, wie beim Marktführer anzunehmen, hoch, werden die mit dem Inhalt der Werbung in Einklang
549
Vgl. Goldberg/Hartwick (1990) France Télécom, Anm. d. Verf. 551 Calignon (2006) 552 Varlam (2000), S. 57 553 Vgl. Priester (2004), S. 116 554 Vgl. Kapitel 4.4.3.5 555 Vgl. MacKenzie et al. (1986), S. 132 550
- 147 stehenden Gedanken verstärkt.556 Transportiert die Werbung dagegen Botschaften, die zu den Kognitionen des Rezipienten in Widerspruch stehen, entstehen kognitive Dissonanzen.557 Der Rezipient bildet verstärkt Gegenargumente (Counter-Arguing), und die Gefahr, dass die Werbeziele nicht erreicht werden, steigt. Das Involvement der Konsumenten wirkt sich ähnlich auf die Rezeption der Werbebotschaft aus: Bei hohem (niedrigem) Involvement steigt (sinkt) die Gefahr von Counter-Arguing.558 Simon zufolge wirkt die Werbung des Marktführers besonders überzeugend, wenn er seine führende Position betont: "Einfache Slogans, die die Marktführerschaft betonen, werden als starke Werbebotschaft verstanden." 559 Der Hinweis auf die führende Stellung darf allerdings nur indirekt erfolgen, der Konsument muss diese Schlussfolgerung selbst ziehen. Darauf weisen Aaker/Joachimsthaler hin: "'I am a leader' has a hollow ring to it." 560 Werbung des Marktführers ist demnach mit einem spezifischen Glaubwürdigkeitsproblem behaftet. Auch hier lässt sich als Begründung die Attributionstheorie561 heranziehen.
3.4.4
Zwischenfazit
Der Marktführer gilt als Orientierungsgeber im Markt und wird von den Akteuren mit Macht und Einflussnahme, aber auch mit Verteidigung und Bewahrung assoziiert, da er seine Position behaupten muss. Marktführende Unternehmen genießen bei Konsumenten einerseits eine hohe Reputation und werden als kompetent wahrgenommen, andererseits wirken sie wenig glaubwürdig. Die Produkte des Marktführers werden mit hoher Qualität und geringem Risiko assoziiert. Konsens und positive Netzexternalitäten verstärken das positive Produkt- beziehungsweise Markenimage. Die Werbung des Marktführers erzeugt Aufmerksamkeit, wird aber als wenig glaubwürdig eingeschätzt. Die dargestellten Wahrnehmungen sind insbesondere von Involvement, Vorwissen und Markenorientierung der Konsumenten abhängig. Die nachfolgende Abbildung verdeutlicht die Zusammenhänge noch einmal grafisch (vgl. Abbildung 25). 556
Vgl. Kearsley (1996), S. 54 Vgl. Kapitel 4.3.1 558 Vgl. Kapitel 4.4.4 559 Simon (1998), S. 29 560 Aaker/Joachimsthaler (2000), S. 209 561 Vgl. Kapitel 4.3.3 557
- 148 -
Marktführerschaft und Konsumentenwahrnehmung
Wahrnehmung des Produktes/der Marke ●
hohe Qualität
●
innovativ
●
geringes Risiko
●
Konsens
Wahrnehmung des Unternehmens ●
hohe Reputation (seriös, erfolgreich, groß, verlässlich)
Wahrnehmung der Werbung ●
●
●
●
positive Netzexternalitäten positives Image
●
●
●
hohe Kompetenz (etabliertes Unternehmen, hohe Mitarbeiterqualifikation)
●
geringe Glaubwürdigkeit ('Pfründe verteidigen')
Werbebotschaft ist relevant erzeugt Aufmerksamkeit trifft auf gefestigte Einstellungen positiv
negativ
Glaubwürdigkeitsproblem
negatives Image (defensiv, träge) ●
Werbeaussage widerspricht Einstellungen nein
ja
Counterarguing
Interdependenzen
moderierende Variablen ●
Involvement
●
Vorwissen
●
Markenorientierung
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 25: Marktführerschaft und Konsumentenwahrnehmung
3.5
Marktführerschaft und vergleichende Werbung
In der Literatur wird relativ einhellig die Ansicht vertreten, vergleichende Werbung sei für den Marktführer ungeeignet. Die Studien, die sich mit der Thematik beschäftigen, sind allerdings im Hinblick auf ihr Forschungsdesign genauer zu untersuchen. Anschließend wird analysiert, mit welchen Chancen und Risiken der Einsatz des Werbeinstrumentes für den Marktführer verbunden ist, und es werden entsprechende Forschungshypothesen aufgestellt.
- 149 3.5.1
Empirische Untersuchungen
Zahlreiche Studien untersuchen die Chancen und Risiken des Einsatzes vergleichender Werbung in Abhängigkeit von der Marktposition.562 Letztere wird in den Studien allerdings aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet: hoher Bekanntheitsgrad versus niedriger Bekanntheitsgrad, Neuprodukt versus etabliertes Produkt, hoher versus geringer Marktanteil. Da ein hoher (niedriger) Bekanntheitsgrad in der Regel mit einem hohen (niedrigen) Marktanteil einhergeht,563 lassen sich die Studien insbesondere danach unterscheiden, ob der Marktanteil oder die Neuartigkeit des Produktes im Vordergrund stehen. Pechmann/Stewart verdeutlichen die mit der Interpretation von Marktanteilen verbundenen Schwierigkeiten. Sie stellen in diesem Zusammenhang fest, dass die Zahl der Marken innerhalb einer Produktkategorie zu berücksichtigen sei, da sonst keine validen Aussagen über den Marktanteil möglich sind. Aus diesem Grund erstellen die Autoren einen Marktanteilsindex "by taking the market share of the advertised brand and dividing it by the share that would be expected based on chance alone, which can be approximately estimated as the reciprocal (multiplicative inverse) of the total number of brands in the category. For example, if there were 10 brands in the category, the market share for any given brand that would be expected based on chance alone would be approximately 1/10 or .10." 564 Gnepa fordert, den Marktanteil auf Marken- statt auf Unternehmensebene zu erheben, da ein diversifiziertes Unternehmen Marktführer bei bestimmten Marken und Follower bei anderen Marken sein könne. Darüber hinaus seien nicht aktuelle, sondern prognostizierte Marktanteile für die Einschätzung heranzuziehen, welche Unternehmen in Zukunft vergleichende Werbung nutzen werden. Grundsätzlich ist dieses Werbeinstrument Gnepa zufolge zwar besonders für "underdogs" geeignet, aber "leaders may abide by conventional rules as long as their lead is not threatened." 565 Damit wird deutlich, dass das jeweilige situative Umfeld des Marktführers zu berücksichtigen ist, und verallgemeinernde Aussagen nur mit großer Vorsicht getroffen werden können. Jedenfalls ist davon
562
Vgl. Iyer (1988); Chattopadhyay (1998); Golden (1976, 1979); Pechmann/Stewart (1991); Gorn/Weinberg (1984); Shimp/Dyer (1978) 563 Vgl. Kapitel 3.3.2 564 Pechmann/Stewart (1991), S. 50 565 Gnepa (1993), S. 74
- 150 auszugehen, dass Unternehmen mit hohen Marktanteilen Gefahr laufen, durch vergleichende Werbung kleinere Wettbewerber aufzuwerten.566 Studien, die sich mit vergleichender Werbung in Abhängigkeit von der Marktposition beschäftigen, betrachten in der Regel Neuprodukte, die sich in ihrer Werbung an den Marktführer anlehnen (Assoziierungsstrategie).567 Darauf verweist auch Dianoux: "Les expériences menées à propos de l'efficacité de la publicité comparative directe ont plutôt tendance à mettre en scène une marque vantée généralement inconnue (la plupart du temps créée fictivement pour éviter tout biais) contre une marque concurrente leader ou bénéficiant d'une grande notoriété." 568 Die Ursache für die breite Nutzung dieses Forschungsdesigns dürfte unter anderem darin liegen, dass die Verarbeitung von Informationen über neue Produkte eher generalisierbar zu sein scheint als die Verarbeitung von Informationen über den Marktführer, mit dem interpersonal kaum zu verallgemeinernde Kognitionen und Emotionen verbunden sind: Bei der Wahrnehmung eines Unternehmens als "Marktführer" spielen bei den Konsumenten vielfältige und gefestigte Assoziationen, Anmutungen und Bewertungen eine wichtige Rolle.569 Faktoren, wie Kenntnisse oder Einstellungen, vollständig erfassen zu wollen, wäre unmöglich, sie ganz auszublenden aber nicht sinnvoll. Kearsley fordert in diesem Zusammenhang: "Bei direkten Werbevergleichen für im Markt bereits etablierte Produkte bzw. Marken sind die bestehenden Präferenzen messtechnisch und modelltechnisch zu berücksichtigen." 570 Autoren, die sich mit vergleichender Werbung des Marktführers beschäftigen, sehen sich daher einem Dilemma gegenüber. Wird eine reale Marke in den Untersuchungen verwendet, verbinden Probanden mit der Marke zwangsläufig vielfältige divergierende Kognitionen und Emotionen, die die Validität der Ergebnisse einschränken und zu den von Dianoux angeführten Verzerrungen (siehe oben) führen. Darüber hinaus kann in Forschungssituationen häufig nur ein einmaliger Kontakt mit der Werbung erfolgen. Gegenüber dem Marktführer bestehen aber stabile, dauerhafte Einstellungen, die nur langfristig zu verändern
566
Vgl. Rennhak (2001), S. 101 Vgl. u.a. Muehling et al. (1990); Shimp/Dyer (1978); Prasad (1976); Gotlieb/Sarel (1991); Dröge (1989), Murphy/Amundsen (1981) 568 Dianoux (1999), S. 174 569 Vgl. Kapitel 3.4.3.1 570 Vgl. Kearsley (1996), S. 80 567
- 151 sind, so dass eine einmalige Messung der Einstellung unmittelbar nach einem ersten Werbekontakt nicht zu validen Ergebnissen der Werbewirkung führen kann.571 Wird Marktführerschaft in (Labor-)Studien Probanden einfach "mitgeteilt" und eine fiktive Marke verwendet, bleiben diese entscheidenden Kognitionen und Emotionen und damit genau das, was den Marktführer aus Konsumentensicht ausmacht, unberücksichtigt und kann nicht in die Untersuchung der Werbewirkung einfließen. Darauf verweisen auch MacKenzie et al.: "For a mature brand with which consumers have had previous experience, prior brand attitude may be seen as exerting considerable influence on consumers' reactions to advertising." 572 Dennoch wird in der Literatur vorzugsweise auf fiktive Marken zurückgegriffen. Als Beispiel seien die Untersuchungen von Chow/Luk,573 Muehling et al.,574 Shimp/ Dyer,575 Belch576 und Prasad577 genannt. Belch nennt die Vorteile, die mit der Verwendung einer fiktiven Marke verbunden sind: "The fictitious brand was created to avoid any possible confounding effects due to prior familiarity or attitudes of subjects toward the sponsoring brand." 578 Shimp/Dyer argumentieren ähnlich: "Such a design permits a 'clean' assessment of comparative advertising's impact, free of the confounding effect of prior brand knowledge." 579 Ihre Argumentation greift allerdings insofern zu kurz, als sie in ihrer Studie der fiktiven Marke "Big Steer" die bekannte Fastfood-Kette "Burger King" gegenüberstellen. Bei letzterer dürfte das Vorwissen von entscheidender (und interpersonal unterschiedlicher) Bedeutung sein. Darüber hinaus stellen sie selbst einschränkend fest: "…the single exposure procedure used in this and other experiments fails to capture reality." 580 Auch Gorn/Weinberg betonen, dass Studien, die eine fiktive Marke dem Marktführer gegenüberstellen, insbesondere dann eine eingeschränkte Validität aufweisen, wenn in den Experimenten nur ein einmaliger Kontakt mit der Werbebotschaft erfolgt: "Attitudes toward these fictious brands relative to attitudes toward the leading brand are unlikely to change
571
Vgl. Chattopadhyay (1998) MacKenzie et al. (1986), S. 132 573 Vgl. Chow/Luk (2006) 574 Vgl. Muehling et al. (1990) 575 Vgl. Shimp/Dyer (1978) 576 Vgl. Belch (1981) 577 Vgl. Prasad (1976) 578 Belch (1981), S. 337 579 Shimp/Dyer (1978), S. 14 580 Shimp/Dyer (1978), S. 19 572
- 152 with a single message exposure, whether the message is comparative or noncomparative." 581 Strebinger verwendet in seiner Untersuchung ebenfalls eine fiktive Marke, der er einen Marktanteil zuweist.582 Der Titel seiner Untersuchung "Der Marktführer-Effekt in der Markenbeurteilung" erweist sich als irreführend: Strebinger beschäftigt sich ausschließlich mit den Wirkungen des expliziten Marktführer-Hinweises in der Werbung. Die tatsächlichen Wirkungen der Marktführerschaft dürften aber erheblich vielschichtiger sein, als es in dem stark vereinfachenden Untersuchungsdesign zum Ausdruck kommt. Strebinger verweist selbst auf die Grenzen seiner Untersuchung: "Inwieweit der Marktführer-Claim mit einer bestehenden Positionierung der Marke (z.B. 'Top-ofmind' vs. 'erweitertes Markenset' vs. 'unbekannte Marke') interagiert, kann aus der vorliegenden Studie aufgrund der Verwendung fiktiver Markennamen … nicht geschlossen werden." 583 Sein Versuchsdesign zielt darauf ab, "Interpretationsprobleme" 584 bestehender Studien zu vermeiden und die Wirkungen des Marktführer-Claims und der moderierenden Variablen in ihrer "reinen Form" zu beobachten.585 Dem ist auf der Grundlage von Kapitel 3.3.3 entgegenzuhalten, dass es keine "reine", höchstens eine reduzierte Form der Betrachtung von MarktführerEffekten geben kann. Zu den wenigen Autoren, die nicht eine neue, fiktive Marke dem Marktführer gegenüberstellen, sondern reale Marken verwenden, gehört neben Pechmann/Stewart586 und Iyer587 auch Lowell. Seine Studie weist den Vorteil auf, dass die Marktführerschaft nicht wie bei Strebinger vorgegeben, sondern in einer Pilotstudie aus Konsumentensicht ermittelt wurde.588 Allerdings führt er ein Laborexperiment durch, so dass ein höheres Involvement und damit verbunden eine Informationsverarbeitung mit hoher Verarbeitungstiefe (elaboration)589 anzunehmen ist. Darüber hinaus werden ausschließlich Marketing-Studenten befragt, so dass, wie in der Studie von Strebinger, von einem erhöhten "need for cognition" auszugehen ist.
581
Gorn/Weinberg (1984), S. 720 Vgl. Strebinger (2001) 583 Vgl. Strebinger (2001), S. 267 584 Strebinger (2001), Vorwort 585 Strebinger (2001), S. 160 586 Vgl. Pechmann/Stewart (1991) 587 Vgl. Iyer (1988) 588 Vgl. Lowell (1984), S. 66 589 Vgl. Kapitel 4.4.4 582
- 153 Die Ergebnisse der Studien, die die Chancen und Risiken vergleichender Werbung in Abhängigkeit von der Marktposition untersuchen, erscheinen auf den ersten Blick eindeutig (vgl. Abbildung 26). Wettbewerbsposition Positiver Effekt des beworbenen auf die Wirkung verProduktes gleichender Werbung
Kein eindeutiger Effekt Negativer Effekt auf die Wirkung auf die Wirkung vergleichender Werbung vergleichender Werbung
Neuprodukt/geringer Marktanteil
7
1
1
Etabliertes Produkt
0
1
2
Hoher Marktanteil/ Marktführer
0
0
7
Quelle: Rennhak (2001), S. 102
Abbildung 26: Empirische Untersuchungen zur Wirkung vergleichender Werbung in Abhängigkeit von der Marktposition Die Übersicht beschränkt sich allerdings auf eine rein quantitative Darstellung. Eine aussagekräftige qualitative Gegenüberstellung ist aufgrund der unterschiedlichen Forschungsdesigns nicht möglich. Darauf weisen auch Shimp/Dyer hin: "… the empirical assessment of comparative advertising's effectiveness is conditioned both by the criteria used for measuring effectiveness and by the experimental manipulations used in performing the research." 590 Als Beispiel sei hier die Argumentation von Kearsley angeführt, der nicht gefolgt werden kann: "Marktführer bzw. Werbetreibende, deren Produkte einen hohen Marktanteil besitzen, werden im allgemeinen davor gewarnt, direkte Werbevergleiche zu nutzen, da die Gefahr besteht, dass das Image des Vergleichsprodukts dadurch aufgewertet wird. Zur gegenteiligen Überzeugung gelangen Pechmann/Stewart. Sie konnten zeigen, dass die Überzeugungskraft und der Erinnerungswert in diesem Fall signifikant höher ist, als wenn nicht vergleichend geworben wird." 591 Da sich die Aufwertung des Vergleichsproduktes und die bessere Erinnerung an die eigene Marke als Werbewirkungskriterien keineswegs ausschließen, kann hier nicht von einer "gegenteiligen Überzeugung" gesprochen werden. Wiltinger argumentiert ähnlich verkürzt: Sie zitiert zunächst Pechmann/ Stewart, denen zufolge vergleichende Werbung durch den Marktführer eine neue 590 591
Shimp/Dyer (1978), S. 19 Kearsley (1996), S. 75
- 154 Werbeform ist und daher Aufmerksamkeit auf sich zieht. Anschließend stellt sie fest: "Pechmann/Stewart stehen mit ihrer Aussage in direktem Gegensatz zu Iyer und Golden, die beide vor der Gefahr der 'Sponsor Misidentification' bei Marktführern warnen." 592 Auch hier ist darauf hinzuweisen, dass vergleichende Werbung gleichzeitig zu höherer Aufmerksamkeit und zu Sponsor Misidentification führen kann; ein Gegensatz ist nicht erkennbar. Allenfalls ist festzustellen, dass es sich bei der höheren Aufmerksamkeit um eine häufig erwünschte, bei der Verwechselung dagegen um eine in der Regel unerwünschte Wirkung der Werbung handelt. Die Argumentationen von Kearsley und Wiltinger verdeutlichen, dass Studien mit unterschiedlichen Forschungsdesigns nicht miteinander vergleichbar sind, und dass sich generalisierende Schlussfolgerungen aus empirischen Untersuchungen insbesondere in Bezug auf die Chancen und Risiken vergleichender Werbung des Marktführers verbieten. Anderenfalls besteht die Gefahr, wie Rennhak zu richtigen, aber nur begrenzt aussagefähigen Schlüssen zu gelangen: "Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass die Marktstellung von beworbenem Produkt und Vergleichsprodukt ein Rahmenfaktor zu sein scheint, der die Wirkung vergleichender Werbung beeinflussen kann." 593 Es erscheint methodisch einfacher, Neuprodukte statt marktführende Unternehmen zu untersuchen. In vorhandenen Studien werden daher kaum die Chancen vergleichender Werbung des Marktführers untersucht, sondern es wird dargestellt, welche Möglichkeiten sich Neuprodukten durch den Vergleich mit Marktführern bieten.594 Pechmann/Esteban sprechen in diesem Zusammenhang vom "most typical scenario: a low-share advertised brand compared to a market leader." 595 Die Untersuchungen zeigen, dass der Newcomer viel zu gewinnen, der Marktführer hingegen viel zu verlieren hat: Bei einem Vergleich zwischen David und Goliath wirkt David sympathischer.596 Dadurch kommt es zu einer positiveren Einstellung gegenüber seinem Produkt. Der Newcomer profitiert darüber hinaus von der Aufmerksamkeit und Reputation des Marktführers sowie von der Relevanz der führenden Marke für den Konsumenten. In der Literatur herrscht allerdings weitgehend Einigkeit darüber, dass Marktführer insbesondere in Vergeltungssituationen vergleichende Werbung Erfolg versprechend 592
Wiltinger (2002), S. 163 Rennhak (2001), S. 102 594 Vgl. Iyer (1988); Walker et al. (1985) 595 Vgl. Pechmann/Esteban (1994), S. 405 596 Vgl. Gloy/Bruhn (1998), S. 227 593
- 155 einsetzen können.597 Kearsley zieht daher folgende Schlussfolgerung: "Letztlich hängt es vom situativen Umfeld und von den Werbezielen ab, ob Marktführern diese Copyform empfohlen werden sollte." 598 Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass Marktführerschaft in vorhandenen Studien eher kursorisch als systematisch betrachtet wird. Die Wettbewerbssituation der Marktführerschaft wird Probanden in der Regel "vorgegeben", aber nicht aus der im Rahmen dieser Untersuchung entscheidenden Konsumentensicht analysiert. Damit bleiben Faktoren, wie Vorwissen oder Präferenzen, die von beträchtlicher Bedeutung für die Wirkung vergleichender Werbung des Marktführers sein dürften, unberücksichtigt. Darüber hinaus ist das in der Literatur vorherrschende Forschungsdesign, "kleiner, unbekannter Akteur vergleicht sich mit Marktführer", nicht auf den Mobilfunk übertragbar: Mitbewerber des Marktführers, wie ALDI oder Tchibo, sind zwar relativ neue Akteure im Mobilfunkmarkt, lassen sich aber weder als klein noch als unbekannt kennzeichnen.599 Hier wird daher ein anderer Ansatz gewählt: Es wird insbesondere geprüft, ob die Chancen, die sich Neuprodukten als Ergebnis empirischer Untersuchungen durch vergleichende Werbung mit Bezug auf den Marktführer bieten, auf den Marktführer in bestimmten Situationen übertragen lassen.
3.5.2
Chancen und Risiken
Werbung, und damit auch vergleichende Werbung, muss Schenk600 zufolge ein knappes Gut produzieren: Aufmerksamkeit.601 Zahlreiche empirische Studien belegen, dass es neuen Produkten durch den Vergleich mit dem Marktführer gelingt, die Aufmerksamkeit der Konsumenten auf sich zu ziehen.602 Wenn bereits der Bezug auf den Marktführer zu Aufmerksamkeit der Konsumenten führt, ist davon auszugehen, dass vergleichende Werbung des Marktführers ebenfalls beachtet wird.
597
Vgl. Turgeon (1988), S. 154 Kearsley (1996), S. 75 599 Vgl. Kapitel 2.1.2 600 Vgl. Schenk (2005), S. 91 601 Vgl. Kapitel 4.4.3.2 602 Vgl. u.a. Grewal et al. (1997) 598
- 156 Konsumenten nehmen aufgrund der Informationsvielfalt und Reizüberflutung nur einen geringen Teil der ihnen angebotenen Stimuli wahr.603 Der Marktführer kann hier als Index604 wirken und für Aufmerksamkeit sorgen "in much the same way that people's own names attract their attention." 605 Produkte des Markführers, die den Konsumenten bekannt sind, oder die sie sogar selbst nutzen, haben für sie eine hohe Relevanz. Konsumenten gehen davon aus, dass entsprechende Werbebotschaften für sie nützliche Informationen enthalten, so dass die Botschaften die Wahrnehmungsschwelle passieren.606 Pechmann/Stewart zufolge finden Konsumenten den Marktführer, selbst wenn sie seine Produkte nicht kaufen, interessant, "in much the same way that people are interested in information about other leaders (e.g. top political and other public figures)." 607 Anders als vergleichende Werbung neuer, unbekannter Akteure ist vergleichende Werbung durch den Marktführer eine bislang eher vereinzelt genutzte Werbeform, so dass Konsumenten darauf aufmerksam reagieren. Mit Pechmann/Stewart ist allerdings davon auszugehen, dass sich dieser Neuigkeitseffekt im Zeitablauf mit zunehmender Verbreitung entsprechender Werbebotschaften abnutzt.608 Zusammenfassend lässt sich folgende Hypothese aufstellen:
Vergleichende Werbung des Marktführers erzielt hohe Aufmerksamkeit der Konsumenten. (H1) Empirischen Untersuchungen zufolge führt der Vergleich einer neuen Marke mit dem Marktführer zu einer wahrgenommenen Ähnlichkeit zwischen dem beworbenen Produkt und dem Marktführer.609 Ziel der Werbetreibenden ist es in der Regel, den wahrgenommenen Unterschied zwischen Marktführer und Herausforderer zu reduzieren (Assoziierungsstrategie).610 Prasad spricht in diesem Zusammenhang von einem "upgrading by association" und einem "halo effect." 611 Dieser Effekt kommt dadurch zum Ausdruck, dass Konsumenten dazu neigen, sämtliche mit den Produkteigenschaften verbundenen Assoziationen auf die Konkurrenzprodukte zu über603
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003) S. 90; Schierl (2003), S. 13 f. Vgl. Tannenbaum (1955) 605 Pechmann/Stewart (1991), S. 48 606 Vgl. Pechmann/Stewart (1990), S. 181 607 Pechmann/Stewart (1991), S. 48 608 Vgl. Pechmann/Stewart (1991), S. 48 609 Vgl. Gorn/Weinberg (1984) 610 Vgl. Dröge/Darmon (1987) 611 Prasad (1976), S. 130 604
- 157 tragen.612 Konsumenten lernen durch Sozialisationsprozesse, dass führende Persönlichkeiten oft kopiert werden und leiten daraus ab, dass das auch für führende Marken gilt. Insbesondere bei Me-too-Marken erfolgt darüber hinaus häufig eine Anlehnung an die äußere Aufmachung des Marktführers, und Konsumenten schließen aus visuellen auf funktionale Ähnlichkeiten.613 Es ist allerdings davon auszugehen, dass nicht nur vergleichende Werbung des Herausforderers zu einer wahrgenommenen Ähnlichkeit zwischen den Produkten führt, sondern auch vergleichende Werbung des Marktführers die Ähnlichkeit mit dem Vergleichsprodukt beziehungsweise der Vergleichsmarke betont. Pechmann/Ratneshwar zufolge nehmen Konsumenten häufig eine heuristische Beurteilung vor und gehen davon aus, dass Marken, die verglichen werden, auch tatsächlich vergleichbar sein müssen.614 In der Literatur wird diese wahrgenommene Ähnlichkeit stets als Risiko für den Marktführer betrachtet.615 Konsumenten mit positiven Einstellungen und Präferenzen gegenüber dem Marktführer könnten verunsichert werden. Ziel des Marktführers ist es, von den Konsumenten als "einzigartig" wahrgenommen zu werden. Assoziierung ist hier in der Regel unerwünscht, wie Buchanan verdeutlicht. Er betont das "special one-of-a kind image that market leaders so carefully cultivate." 616 Auch Köhler weist darauf hin, dass der ausdrückliche Vergleich bei einem Marktführer wie ein "Stilbruch unter Niveau" 617 wirken kann. Dianoux stellt ebenfalls fest: "… pour de nombreux annonceurs une marque leader ne doit pas 's'abaisser' en se comparant à ses challengers." 618 Diese Argumentation führt zu folgender Hypothese:
Durch vergleichende Werbung riskiert der Marktführer, von den Konsumenten nicht mehr als "einzigartig" wahrgenommen zu werden. (H2) Der Marktführer hat im Markt eine Funktion als Orientierungsgeber.619 Wird er zum Gegenstand vergleichender Werbung von Wettbewerbern, gehen Konsumenten davon aus, dass er sich nicht defensiv verhält, sondern seinen Führungsanspruch 612
Vgl. Wiltinger/Barth (2003), S. 204 Vgl. Pechmann/Ratneshwar (1991), S. 147 614 Vgl. Pechmann/Ratneshwar (1991), S. 147 615 Vgl. u.a. Buchanan (1985) 616 Buchanan (1985), S. 107 617 Köhler (1999), S. 159 618 Dianoux (1999), S. 186 619 Vgl. Kapitel 3.4.2 613
- 158 deutlich macht und "zurückschlägt."620 Ohne entsprechende Reaktionen des Marktführers würden die Konsumenten, insbesondere die Bestandskunden, verunsichert. Vergleichende Werbung ist ein Instrument, mit dem gezielt auf einen Angriff der Wettbewerber reagiert werden kann. Dies gilt allerdings nur für etablierte Wettbewerber, da durch vergleichende Werbung als Antwort auf entsprechende Werbemaßnahmen kleiner Marktakteure diese bekannt gemacht und aufgewertet würden.621 Damit werden folgende Hypothesen aufgestellt:
Der Marktführer muss auf vergleichende Werbung etablierter Wettbewerber mit vergleichender Werbung reagieren. (H3a ) Auf vergleichende Werbung kleiner, unbekannter Marktakteure darf der Marktführer nicht mit vergleichender Werbung reagieren. (H3b) Grewal et al. zufolge sollten Werbetreibende als Vergleichsmarke keine neue, unbekannte Marke wählen, da sie für Konsumenten weniger relevant und informativ ist als eine etablierte Marke.622 Darüber hinaus besteht die bereits dargestellte Gefahr, dass neue Marktakteure durch den Vergleich mit dem Marktführer aufgewertet werden und kostenlose Werbung erhalten. Es ist auch davon auszugehen, dass die Gegenüberstellung von "David" und "Goliath" einen Mitleidseffekt bei den Konsumenten auslöst beziehungsweise zur Sympathisierung mit dem vermeintlich Schwächeren führt.623 Darauf weist Golden hin: "When the market leader comparatively advertises, the 'underdog effect' may cause the consumer psychologically to defend the 'lesser' brand." 624 Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass das kleinere Unternehmen in einer "Antwort" auf sein geringeres Werbebudget hinweist, dem aber eine Produktüberlegenheit gegenüberstehe. Der Marktführer riskiert Imageschäden, und das kleine Unternehmen wird eher als "frech" und "mutig" wahrgenommen. Als Beispiel sei folgender Werbeslogan angeführt: "Wir können nicht mit dem Werbebudget von Schick konkurrieren, aber dafür kann Schick nicht mit dem Rasierer von Ronson konkurrieren." 625 Konsumenten reagieren außerdem irritiert, wenn sich der Marktführer mit kleinen, unbekannten Wettbewerbern beschäftigt und fragen sich, ob das 620
Vgl. Girard (2003) Vgl. Vgl. Barrio-García/Luque-Martínez (2003), S. 271 622 Vgl. Grewal et al. (1997), S. 6 623 Vgl. Gloy/Bruhn (1998), S. 227 624 Golden (1979), S. 520 625 Vgl. Dianoux (1999), S. 49 621
- 159 Angebot des Wettbewerbers vielleicht gleichwertig oder sogar besser ist. Grewal et al. gehen des Weiteren davon aus, dass die Einstellung der Konsumenten zur Marke positiver und die Kaufbereitschaft höher ist, wenn die Marktposition des Werbetreibenden schlechter ist als die der Vergleichsmarke.626 Für den Marktführer, der keinen Bezug zu einer "höheren Marke" herstellen kann, bedeutet das, dass er als Vergleichsobjekt zumindest eine Marke wählen muss, die ebenso wie er selbst in der Konsumentenwahrnehmung fest verankert ist. Damit werden folgende Hypothesen aufgestellt:
Der Markführer muss auf aktive vergleichende Werbung mit Bezugnahme auf neue, unbekannte Marktakteure verzichten. (H4a) Als Vergleichsmarke muss eine in der Konsumentenwahrnehmung fest verankerte, etablierte Marke gewählt werden. (H4b) Wenn der Marktführer vergleichend wirbt, ist die Werbebotschaft für den Konsumenten relevant und erzeugt Aufmerksamkeit (siehe oben). Dadurch steigt die Erinnerung (recall), allerdings nicht nur an das Produkt des Markführers, sondern auch an das zum Vergleich herangezogene Produkt. Damit wächst die Gefahr des Bumerang-Effektes: Das Konkurrenzprodukt bleibt stärker in Erinnerung als das beworbene Produkt, so dass der Marktführer kostenlose Werbung für die Konkurrenz betrieben hat. Diese Gefahr, auf die zahlreiche Autoren hinweisen,627 dürfte allerdings insbesondere beim Vergleich mit neuen, unbekannten Marken bestehen. Damit lässt sich folgende Hypothese aufstellen:
Die Gefahr, dass der Marktführer mit vergleichender Werbung auch Werbung für die Vergleichsmarke betreibt, ist umso geringer, je bekannter und etablierter die Vergleichsmarke ist. (H5) Grundsätzlich besteht beim Einsatz vergleichender Werbung die Gefahr von Sponsor Misidentification. Konsumenten ordnen in diesem Fall die Nachteile, die das Konkurrenzprodukt dem werbenden Unternehmen zufolge aufweist, letzterem zu.628 Darüber hinaus kann es zu Competitor Misidentification kommen. Das bedeutet, 626
Vgl. Grewal et al. (1997), S. 6 Vgl. u.a. Neese-Taylor (1994), S. 57; Mayer-Siebeck (1997), S. 430; Varlam (2000) S. 54 628 Vgl. Wiltinger (2002), S. 279 627
- 160 Konsumenten rechnen Argumente, die als Vorteile des Werbenden angeführt werden, der Vergleichsmarke zu. Diese Fehlidentifikationen sind insbesondere dann zu erwarten, wenn Konsumenten der Werbung geringe Aufmerksamkeit schenken und die Werbebotschaften oberflächlich verarbeiten. Wie bereits deutlich wurde, werden Werbebotschaften des Marktführers aufgrund ihrer Relevanz und ihrer Indexfunktion aber mit besonderer Aufmerksamkeit und hoher Elaboration verarbeitet. Wiltinger empfiehlt, der Gefahr von Sponsor oder Competitor Misidentification mit einfacher Identifikation des werbenden Produktes entgegenzutreten.629 Dies dürfte beim Marktführer, dessen Name, Logo, Erkennungsjingle etc. zahlreichen Konsumenten bekannt sind, relativ leicht zu realisieren sein. Besonders hoch ist die Gefahr der Fehlidentifikation, wenn Marken verglichen werden, die Konsumenten als ähnlich wahrnehmen: "When brands are at relative parity, they are likely to be perceived as very similar and thereby as quite indistinguishable. Thus, if a direct comparative ad features brands of this type, consumers might have difficultiy comprehending and remembering which brand the ad sponsored." 630 Damit werden folgende Hypothesen aufgestellt:
Bei vergleichender Werbung des Marktführers ist die Gefahr von Fehlidentifikationen gering. (H6a) Je unähnlicher die Marke, mit der sich der Marktführer vergleicht, im Wahrnehmungsraum der Konsumenten relativ zum Marktführer positioniert ist, desto geringer ist die Gefahr von Fehlidentifikationen. (H6b)
3.6
Zwischenfazit
Als Ergebnis der Auseinandersetzung mit den konzeptionellen Grundlagen von Marktführerschaft und vergleichender Werbung konnten eine Reihe von Hypothesen abgeleitet werden, die nachfolgend zusammengefasst werden (vgl. Abbildung 27).
629 630
Vgl. Wiltinger (2002), S. 279 Pechmann/Stewart (1991), S. 48
- 161 -
Forschungsthematik
Forschungshypothese
HAufmerksamkeit
Vergleichende Werbung des Marktführers erzielt hohe Aufmerksamkeit der Konsumenten. (H1)
HEinzigartigkeit
Durch vergleichende Werbung riskiert der Marktführer, von den Konsumenten nicht mehr als "einzigartig" wahrgenommen zu werden. (H2)
Hreaktiv
Der Marktführer muss auf vergleichende Werbung etablierter Wettbewerber mit vergleichender Werbung reagieren. (H3a ) Auf vergleichende Werbung kleiner, unbekannter Marktakteure darf der Marktführer nicht mit vergleichender Werbung reagieren. (H3b)
Haktiv
Der Markführer muss auf aktive vergleichende Werbung mit Bezugnahme auf neue, unbekannte Marktakteure verzichten. (H4a) Als Vergleichsmarke muss eine in der Konsumentenwahrnehmung fest verankerte, etablierte Marke gewählt werden. (H4b)
Hfree publicity
Die Gefahr, dass der Marktführer mit vergleichender Werbung auch Werbung für die Vergleichsmarke betreibt, ist umso geringer, je bekannter und etablierter die Vergleichsmarke ist. (H5)
HFehlidentifikation
Bei vergleichender Werbung des Marktführers ist die Gefahr von Fehlidentifikationen gering. (H6a) Je unähnlicher die Marke, mit der sich der Marktführer vergleicht, im Wahrnehmungsraum der Konsumenten relativ zum Marktführer positioniert ist, desto geringer ist die Gefahr von Fehlidentifikationen. (H6b)
Abbildung 27: Forschungshypothesen aus konzeptionellen Grundlagen
- 162 -
4
Theoretische Grundlagen zum Konsumentenverhalten und Implikationen für vergleichende Werbung des Marktführers
Theorien lassen sich als Informations- und Erklärungslieferanten begreifen.1 Nachfolgend werden daher derartige Erklärungsansätze des Konsumentenverhaltens auf ihre Anwendbarkeit auf den Untersuchungsgegenstand geprüft, wobei erst auf Grundmodelle, dann auf ausgewählte Theorien des Konsumentenverhaltens eingegangen wird. Anschließend werden Determinanten des Konsumentenverhaltens untersucht: Nach der Darstellung individueller Faktoren erfolgt die Analyse
aktivierender,
kognitiver
und
konativer
Prozesse.
Die
Konstrukte Involvement und Glaubwürdigkeit werden aufgrund ihrer Bedeutung für die Untersuchung gesondert erörtert. Abschließend werden die aus diesen theoretischen Grundlagen abgeleiteten Forschungshypothesen zusammengefasst.
1
Vgl. Ulrich (1981), S. 19
- 164 4.1
Einführung
Die Konsumentenverhaltensforschung beschäftigt sich mit der Untersuchung des Konsumentenverhaltens, das heißt mit beobachtbaren Handlungen von Individuen in Zusammenhang mit ihrem Kauf- und Konsumverhalten.2 "Ist es wirklich notwendig, sich damit zu beschäftigen, wovon das Verhalten der Menschen abhängt, an die man sich mit seinen Marketingaktionen wenden will? Läuft man nicht Gefahr, in Wissensgebiete vorzudringen, die nicht zum Kerngebiet betriebswirtschaftlicher Analysen zählen? Sollte man nicht lieber die Klippen der eigenen unzulänglichen Forschung umgehen?" 3 Koppelmann verneint dies und macht deutlich, dass der "homo oeconomicus" nicht als Grundlage der Verhaltensforschung dienen kann.4 Letztere ist ein interdisziplinäres Forschungsfeld und integriert Überlegungen aus Psychologie, Soziologie, Sozialpsychologie, Verhaltensbiologie und physiologischen Verhaltenswissenschaften.5 Decker/Schölling weisen darauf hin, dass Werbung ein Kommunikationsvorgang ist, der kurz- oder langfristig auf die Veränderung von Konsumentenverhalten abzielt.6 Billen stellt fest, dass Marketing ohne Kenntnis der Gesetzmäßigkeiten des Kaufverhaltens keinen Einfluss auf das Verhalten der Konsumenten nehmen kann.7 Auch Esch et al. gehen davon aus, dass die wirksame Gestaltung von Marketingmaßnahmen gründliche Kenntnisse der beim Konsumenten ablaufenden aktivierenden und kognitiven Prozesse erfordert.8 Die Ableitung von Forschungshypothesen
für
die
Verhaltensbeeinflussung
durch
vergleichende
Werbung erfolgt daher auf Grundlage der relevanten Grundmodelle und Theorien sowie der Determinanten des Konsumentenverhaltens.
4.2
Grundmodelle des Konsumentenverhaltens
In der Literatur zum Konsumentenverhalten wird das Kaufverhalten von Konsumenten mit unterschiedlichen Modellen abgebildet. Diese Modelle beschreiben und erklären Konsumentenverhalten, um auf dieser Grundlage Prognosen für zukünftiges 2
Vgl. Zerres/Zerres (2006), S. 52; Homburg/Krohmer (2006), S. 27 Koppelmann (1997), S. 29 4 Vgl. Koppelmann (1997), S. 29 5 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 8 6 Vgl. Decker/Schölling (1999), S. 60 7 Vgl. Billen (2003), S. 76 8 Vgl. Esch et al. (2006), S. 40 3
- 165 Verhalten von Konsumenten unter den jeweiligen Bedingungen zu erstellen. Nachfolgend werden unterschiedliche Modelle vorgestellt und auf ihre jeweilige Relevanz für den Untersuchungsgegenstand hin geprüft.
4.2.1
Black-Box-Modelle
Die naturwissenschaftlich geprägten Black-Box-Modelle, die auch als StimulusResponse-Modelle bezeichnet werden, basieren auf der Forschungsrichtung des Behaviorismus: Sie gehen davon aus, dass sich objektive Erkenntnisse über die Bestimmungsfaktoren des Verhaltens nur über beobachtbare Reiz-ReaktionsProzesse gewinnen lassen. Damit werden sämtliche Prozesse, die in der Psyche des Konsumenten ablaufen, einem "Schwarzen Kasten" zugerechnet und bleiben unberücksichtigt. Betrachtet werden lediglich Stimuli, also auf den Konsumenten wirkende Reize, sowie die als Response bezeichnete Reaktion des Konsumenten auf diese Reize. Die Black-Box-Modelle lassen sich in zwei Gruppen gliedern: Grundlage der regressionsanalytischen Ansätze ist die mathematische Verknüpfung von Stimulus und Response, während stochastische Prozessmodelle die Kaufentscheidung als Zufallsmechanismus begreifen und sich auf die spezifische Wahrscheinlichkeit, mit der ein Konsument auf einen Stimulus reagiert, konzentrieren.9 Die Modelle bieten eine Reihe von Vorteilen, wozu insbesondere die universelle Verwendbarkeit sowie die einfache Datenbeschaffung und Operationalisierung gehören. Ihr wesentlicher Nachteil besteht allerdings darin, dass die zwischen Reiz und Reaktion ablaufenden Prozesse nicht erklärt werden, so dass angenommen werden muss, auf einen bestimmten Reiz erfolge immer die gleiche Reaktion. Übertragen auf die Werbung hätte diese vereinfachende Annahme zur Folge, dass die Werbetreibenden nur den Reiz (die Werbebotschaft) so konzipieren müssten, dass er die gewünschte Reaktion (den Kauf) bewirken würde.10 Mit den Modellen lässt sich weder erklären, warum verschiedene Nachfrager auf den gleichen Reiz unterschiedlich reagieren noch sind sie geeignet, zukünftiges Käuferverhalten zu prognostizieren.11 Stimulus-ResponseModelle können bei der Untersuchung von rein gewohnheitsmäßig oder impulsiv
9
Vgl. Schneider (2006), S. 34 ff. Vgl. Felser (2001), S. 14 11 Vgl. Billen (2003), S. 78 f. 10
- 166 ablaufenden (Low-Involvement-) Kaufentscheidungen einen Beitrag leisten.12 Der Erwerb eines Mobilfunkproduktes mit seinen vielfältigen Nutzendimensionen13 ist aber mit komplexen aktivierenden und kognitiven Prozessen verbunden, die die Kaufentscheidung determinieren. Darüber hinaus wird der Transformationsvorgang von Stimuli in Reaktionen, der für die Ermittlung von Erfolgsfaktoren vergleichender Werbung entscheidend ist, in den Modellen als unbekannt akzeptiert beziehungsweise als irrelevant angesehen.14 Black-Box-Modelle finden daher im Rahmen dieser Untersuchung keine Verwendung.
4.2.2
Struktur- und Simulationsmodelle
Die auch als Stimulus-Organism-Response-Modelle 15 bezeichneten Strukturmodelle zielen gemäß dem neobehavioristischen Forschungsansatz darauf ab, durch eine Strukturierung der im Inneren der Konsumenten ablaufenden Vorgänge den Prozess des Zustandekommens von Kaufentscheidungen zu erklären. Sie beinhalten beobachtbare und intervenierende Variablen, die miteinander verknüpft werden. Unter beobachtbaren Variablen versteht man die auf den Organismus einwirkenden Stimuli sowie die Reaktionen, während es sich bei den intervenierenden Variablen um theoretische Konstrukte zur Erklärung der Vorgänge innerhalb des Organismus handelt, die aus aktivierenden und kognitiven Prozessen bestehen.16 Billen weist darauf hin, dass die Prozesse der Informationsaufnahme, -verarbeitung und -speicherung sowie Beurteilungsprozesse hier eine besondere Rolle spielen.17 Die Modelle werden daher auch als "echte Verhaltensmodelle" bezeichnet.18 Während Partialmodelle nur ein(ig)e Determinante(n) des Konsumentenverhaltens explizit in die Analyse einbeziehen, zielen Totalmodelle auf die simultane Erfassung möglichst aller kaufverhaltensrelevanter Deteminanten ab. Zu den Totalmodellen gehören deduktive Systemansätze, wobei die bekanntesten von Engel et al. (1995) beziehungsweise Howard/Sheth (1969) stammen, sowie der induktive Entschei-
12
Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 216 Vgl. Kapitel 3.1.5 14 Vgl. Rennhak (2001), S. 38 f. 15 Vgl. Esch et al. (2006), S. 41 16 Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 29 17 Vgl. Billen (2003), S. 80 18 Vgl. Adler (1996), S. 15 13
- 167 dungsnetzansatz von Bettman (1970; 1979).19 Aufgrund der Komplexität der Totalmodelle ist die Operationalisierung der einzelnen Konstrukte problematisch; Art und Anzahl der Verknüpfungen zwischen den Variablen bleiben häufig unklar. Dadurch wird die empirische Überprüfung weitgehend verhindert, und die Praxisrelevanz der Modelle ist gering.20 Auch Kroeber-Riel/Weinberg weisen darauf hin, dass es bislang noch nicht gelungen ist, komplexe Modelle wie das Kaufverhalten in einem einzigen Modell so abzubilden, dass umfassende, empirisch validierbare Erklärungen möglich sind.21 Totalmodelle lassen sich als Orientierungshilfe und Bezugsrahmen nutzen, bieten aber für die vorliegende Untersuchung, in der die Verknüpfung verschiedener hypothetischer Konstrukte im Vordergrund steht,22 keinen Erkenntniswert. In der Literatur existiert eine Vielzahl von Partialmodellen,23 wobei jeweils ein Konstrukt in den Mittelpunkt gestellt wird, dessen Beitrag zur Verhaltenserklärung der Konsumenten als überragend angenommen wird. Auf Basis der Konstrukte werden die Wirkungen bestimmter Marketinginstrumente auf die intervenierenden Variablen sowie die Auswirkungen auf Verhaltensvariablen ermittelt.24 Partialmodelle lassen sich danach unterteilen, ob sie psychologisch oder soziologisch ausgerichtet sind: Während psychologische Modelle das Kaufverhalten anhand einzelner hypothetischer Konstrukte aus dem Insystem des Konsumenten erklären, analysieren soziologische Modelle die Umweltbeziehungen des Konsumenten.25 Sander spricht in diesem Zusammenhang von intrapersonellen und interpersonellen Partialmodellen.26 Zu
den
intrapersonellen
Modellen
gehören
zum
einen
mikroökonomische
Partialmodelle, die in dieser Untersuchung unberücksichtigt bleiben, da sie von einem völlig rational handelnden Individuum (homo oeconomicus) ausgehen, und ihr Aussagewert für reale Fragestellungen des Kaufverhaltens daher relativ gering ist. Zum anderen gehören hierzu psychologische Partialmodelle. Als Beispiele seien Motivtheorie,
Einstellungstheorie,
Risikotheorie
und
Theorie
der
kognitiven
Dissonanz genannt.27 Sie sind für die vorliegende Untersuchung von entscheidender Bedeutung und werden im Rahmen dieses Kapitels detailliert untersucht. Interpersonelle Partialmodelle, die den Einfluss Dritter auf das Kaufverhalten unter19
Vgl. Sander (2004), S. 80 ff. Vgl. Schneider (2006), S. 37; Bänsch (2002), S. 135 21 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 376 f. 22 Vgl. Kapitel 4.4 23 Vgl. Adler (1996), S. 17 f. 24 Vgl. Billen (2003), S. 80 25 Vgl. Adler (1996), S. 16 f. 26 Vgl. Sander (2004), S. 53 ff. 27 Vgl. Sander (2004), S. 56 ff. 20
- 168 suchen, spielen für die Untersuchung eine untergeordnete Rolle. Sie sind allerdings nicht gänzlich zu vernachlässigen. Als Beispiel sei das Bezugsgruppenmodell genannt: Wenn man davon ausgeht, dass Konsumverhalten, Wertvorstellungen und Verbrauchsgewohnheiten anderer als Maßstab für das eigene Verhalten dienen, kann der Hinweis (des Marktführers) in der Werbung, dass zahlreiche Konsumenten das Produkt bereits nutzen, für einen Anpassungsdruck sorgen.28 In der Literatur ist umstritten, ob Simulationsmodelle als dritte eigene Modellkategorie zu klassifizieren sind.29 Mit Simulationstechniken, das heißt spezifischen Techniken für die numerische Auswertung quantitativer Modelle, werden vorhandene Strukturmodelle
oder
stochastische
Modelle
des
Käuferverhaltens
analysiert.30
Zu
Simulationszwecken können aber auch eigene Modelle des Käuferverhaltens geschaffen werden, die dann als "eigenständige Simulationsmodelle" bezeichnet werden.31 Als Beispiel seien die Modelle von Amstutz (1967), Lavington (1970) und Klenger/Krautter (1972) genannt.32 Die Modelle sind in der Lage, eine Vielzahl an verhaltensdeterminierenden Variablen zu verarbeiten, allerdings ist der Beitrag, den sie zur Erklärung des Käuferverhaltens leisten, aufgrund der Schwierigkeiten, einen umfassenden und gleichzeitig validen Dateninput zu liefern, eingeschränkt.33 Simulationsmodelle finden im Rahmen dieser Untersuchung keine Verwendung.
4.2.3
Zwischenfazit
Ein allgemeingültiges Modell des Kaufverhaltens fehlt nach wie vor.34 Black-BoxModelle können ebenso wenig wie Simulationsmodelle oder Totalmodelle einen entscheidenden Beitrag zum Forschungsziel dieser Untersuchung leisten. Partialuntersuchungen erweisen sich dagegen trotz der Kritik, dass sie nur einen kleinen und nicht genau abgegrenzten Ausschnitt aus der Realität abbilden,35 als geeignet, da sie das Kaufverhalten in einem situationsspezifischen Kontext analysieren.
28
Vgl. Sander (2004), S. 73 f. Vgl. Bänsch (2002) S. 3 f. 30 Vgl. Gerhard (1995), S. 15 31 Sander (2004), S. 94 32 Vgl. Bänsch (2002), S. 156 ff. 33 Vgl. Sander (2004), S. 94 34 Vgl. Sander (2004), S. 96 35 Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 28 29
- 169 Das nachfolgende Schaubild fasst die unterschiedlichen Modelle des Konsumentenverhaltens noch einmal grafisch zusammen und verdeutlicht die Relevanz für den Untersuchungsgegenstand (vgl. Abbildung 28).
Modelle des Kaufverhaltens
Strukturmodelle
Black-Box-Modelle
regressionsanalytische Modelle
Partialmodelle
stochastische Modelle
interpersonelle intrapersonelle Modelle Modelle (soziologische (psychologische Ansätze) Ansätze)
-
-
(+)
+
Simulationsmodelle
Simulation eigenständige vorhandener SimulationsStrukturmodelle modelle oder stochastischer Modelle
Totalmodelle
Systemansätze
Entscheidungsnetzansatz
-
-
-
-
Relevanz für den Untersuchungsgegenstand
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 28: Modelle des Käuferverhaltens
4.3
Ausgewählte Theorien des Konsumentenverhaltens
In der Literatur werden die inhaltlich ausgerichteten Theorien des Konsumentenverhaltens in drei Gruppen unterteilt.36 Dabei stehen das intrapersonelle Gleichgewicht, die interpersonelle Austauschbeziehung oder die Verhaltensbeurteilung der Konsumenten im Vordergrund.
4.3.1
Intrapersonelles Gleichgewicht
Die Theorien des intrapersonellen Gleichgewichtes basieren auf der Annahme, dass Konsumenten ihr inneres Gleichgewicht erhalten beziehungsweise herstellen wollen. 36
Vgl. Schneider (2006), S. 37
- 170 Die Kontrasttheorien sowie die Assimilations-Kontrast-Theorie bleiben hier unberücksichtigt, da sie den Schwerpunkt auf das Nachkaufverhalten legen. Mit der Theorie der kognitiven Dissonanz und der Risikotheorie werden zwei für die vorliegende Arbeit besonders wichtige Theorien dargestellt und auf den Untersuchungsgegenstand übertragen.
4.3.1.1
Theorie der kognitiven Dissonanz
Die Theorie der kognitiven Dissonanz geht auf Festinger zurück.37 Ihm zufolge strebt das Individuum nach Konsonanz zwischen seinen kognitiven Elementen, wie beispielsweise Erfahrungen, Wissen oder Meinungen. Die Beziehungen zwischen Kognitionen können irrelevant, konsonant oder dissonant sein. Dissonanz bedeutet, dass die kognitiven Elemente eines Individuums in Widerspruch zueinander stehen. Diesen Zustand, der als unangenehm empfunden wird, versuchen Individuen zu vermeiden beziehungsweise zu verringern oder zu beenden: Das Individuum kann Inkonsistenzen vermeiden, indem Informationen nicht wahrgenommen oder verleugnet werden. Reduzieren lassen sich Inkonsistenzen durch Veränderung der kognitiven Einheiten oder des Verhaltens. Darüber hinaus können Inkonsistenzen auch ganz aus dem Bewusstsein verdrängt werden, oder es erfolgt eine Umdefinition der durch die Inkonsistenz erzeugten Situation.38 Dissonanzen werden in der Literatur häufig in Zusammenhang mit der Nachkaufphase behandelt.39 Im Rahmen dieser Untersuchung stehen allerdings Dissonanzen im Vordergrund, die durch die Aufnahme von neuen (werblichen) Informationen entstehen. Schneider nennt Produkterfahrungen, Informationen über Konkurrenzprodukte
sowie
soziale
Unterstützung
oder
Missbilligung
als
dissonanz-
beeinflussende Faktoren bei der Kaufentscheidung.40 Zahlreiche Konsumenten haben mit den Produkten des Marktführers bereits Erfahrungen gesammelt; vergleichende Werbung informiert über Konkurrenzprodukte, und Mobilfunk ist (zumindest teilweise) dem öffentlichen Konsum zuzurechnen,41 so dass die soziale Bewertung eine Rolle spielt. Daher ist davon auszugehen, dass Dissonanzen von 37
Vgl. Festinger (1957;1978) Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 184 39 Vgl. Kearsley (1996), S. 91 40 Vgl. Schneider (2006), S. 38 41 Vgl. Kapitel 3.1.3 38
- 171 entscheidender Bedeutung sind, wenn der Marktführer vergleichend wirbt. Kognitive Dissonanzen dürften umso größer sein, je weniger dringlich die Kaufentscheidung war, da eine ausführlichere Informationssuche und damit eine bessere Kaufvorbereitung möglich gewesen wäre.42 Im Mobilfunk erstreckt sich die Kaufentscheidung in der Regel über einen längeren Zeitraum,43 so dass das Auftreten vergleichsweise hoher kognitiver Dissonanzen wahrscheinlich ist. Nachfolgend werden die mit kognitiven Dissonanzen der Konsumenten verbundenen Chancen und Risiken für den Marktführer dargestellt. Da Konsumenten konsonante Informationen nicht nur besser aufnehmen als dissonante, sondern letztere häufig überhaupt nicht wahrgenommen werden,44 könnte dies für die Werbung bedeuten, dass sie auf die Erzeugung von Dissonanzen verzichten sollte. So gehen Kroeber-Riel/Weinberg davon aus, dass das Marketing Dissonanzen nicht bewusst und geplant auslösen dürfe, da Dissonanz zu Beunruhigung und Unzufriedenheit führe.45 Mayer/Illmann zufolge gehört kognitive Dissonanz zu den "Störgrößen" 46 im Werbewirkungsprozess. Dem kann in dieser Absolutheit nicht gefolgt werden. Vielmehr ist mit Kloss davon auszugehen, dass mit (vergleichender) Werbung bewusst kognitive Dissonanzen hervorgerufen werden.47 Als Beispiel für den Versuch, Dissonanzen zu schaffen, sei folgender Werbeslogan von T-Mobile genannt: "Bestnetzgünstig statt discountteuer." 48 Kognitive Dissonanzen können zur Folge haben, dass der Konsument seine Kaufentscheidung verschiebt und nach Informationen sucht, die ihm helfen, den Konflikt zu lösen oder abzubauen. Dieses Konsistenzmotiv ist für den Marktführer besonders wichtig, weil es als einer der wenigen Gründe für die Änderung ausgeprägter Einstellungen gilt.49 Die Integration der dissonanten Informationen in die kognitive Struktur des Konsumenten führt zu einer intensiveren Informationsverarbeitung. Voraussetzung ist, dass die dissonanten Informationen als nützlich beziehungsweise glaubwürdig angesehen werden. Je weniger die aus Sicht der Werbetreibenden zu verändernden Kognitionen mit anderen Kognitionen des Konsumenten konsonant verbunden sind, desto eher
42
Vgl. Sander (2004), S. 66 Vgl. Kapitel 3.1.2 44 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 62 45 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 187 46 Mayer/Illmann (2000), S. 628 47 Vgl. Kloss (2003), S. 191 48 Vgl. Anhang 1 49 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 135 43
- 172 werden sie verändert.50 Vergleichende Werbung informiert über Produkteigenschaften, in denen das Vergleichsprodukt schwächer abschneidet. Insbesondere bei Käufern dieses Produktes treten Spannungszustände in Form von kognitiven Dissonanzen auf. Sie werden in erster Linie dadurch abgebaut, dass die Konsumenten Gegenargumente bilden ("Counterarguing") beziehungsweise die Quelle der Werbeaussage in Frage stellen ("Source Derogation").51 Das Ergebnis dieser Mechanismen ist eine verringerte Glaubwürdigkeit der Werbung.52 Vergleichende Werbung des Marktführers ist ohnehin mit einem Glaubwürdigkeitsproblem behaftet.53 Es kann daher festgehalten werden, dass kognitive Dissonanzen das Problem mangelnder Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers verschärfen. Die genannten Vor- und Nachteile (bewusst hervorgerufener) kognitiver Dissonanzen machen deutlich, dass die Dissonanztheorie keine determinierten Konsequenzen beinhaltet, was häufig Anlass zur Kritik bietet: Der Theorie wird vorgeworfen, sie lasse alle möglichen Konsequenzen zu, wie Nichtkauf, Informationssuche oder Entscheidungsverschiebung, und sei daher unpräzise.54 Auch Kearsley stellt fest, dass die Steuerung der Intensität kognitiver Dissonanzen, die von interindividuellen Unterschieden abhängen, schwierig ist.55 Für die Ermittlung von Erfolgsfaktoren vergleichender Werbung des Marktführers ist allerdings die Grundaussage der Dissonanztheorie (Individuen sind bestrebt, ihre Kognitionen im Gleichgewicht zu halten, so dass die Bereitschaft zur Informationsaufnahme von der Art der Information abhängt56) ebenso wichtig wie die Feststellung, dass das Konsistenzmotiv einen entscheidenden Ansatzpunkt zur Änderung gefestigter Einstellungen bildet. Damit wird folgende Hypothese aufgestellt:
Durch gezielte Verunsicherung über vergleichende Werbung kann der Marktführer ihm gegenüber bestehende gefestigte Einstellungen der Konsumenten aufbrechen. (H7)
50
Vgl. Frey (1983), S. 19 Vgl. Wiltinger/Barth (2003), S. 200 52 Vgl. Kapitel 4.4.5 53 Vgl. Kapitel 3.4.3.2 54 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 135, S. 142 55 Vgl. Kearsley (1996), S. 198 56 Vgl. Homburg/Krohmer (2005), S. 62 51
- 173 4.3.1.2
Risikotheorie
Die Risikotheorie geht davon aus, dass Kaufentscheidungen von Konsumenten mit Risiken verbunden sind, da diese nur über unvollständige Informationen verfügen und daher die Konsequenzen ihrer Handlungen nicht umfassend abschätzen können.57 Entscheidend ist dabei nicht das objektive, sondern das subjektiv von Konsumenten wahrgenommene Risiko, das mit der Kaufentscheidung verbunden ist. Es lassen sich verschiedene Risikoarten58 unterscheiden: Während sich das funktionale Risiko auf das Risiko bezieht, dass das erworbene Produkt seine Aufgabe nicht erfüllt, besteht das soziale Risiko in einem Verstoß gegen soziale Normen oder in mangelnder Anerkennung durch die Umgebung. Unter dem finanziellen Risiko ist sowohl das Risiko zu verstehen, dass der Konsument das gleiche Produkt an einem anderen Ort oder zu einem anderen Zeitpunkt günstiger erwerben könnte, als auch der Verlust an Freiheitsgraden beim Konsum von anderen Produkten durch die Geldausgabe. Physische Risiken sind insbesondere mit befürchteten Gefahren für die Gesundheit durch den Gebrauch des Produktes verbunden, während psychologische Risiken sich auf mögliche persönliche Unzufriedenheit durch den Kauf oder die Nutzung des Produktes beziehen. Das Zeitrisiko besteht darin, dass der Konsument nicht weiß, wie viel Zeit er für den Kauf oder Gebrauch des Produktes aufwenden muss. Bänsch weist darauf hin, dass Höhe und Verhaltenswirksamkeit der wahrgenommenen Risiken sowohl durch Produktmerkmale59 als auch durch Persönlichkeitsmerkmale der Konsumenten60 bestimmt werden.61 Die wahrgenommenen Risiken kann der Konsument mit bestimmten Strategien verringern.62 Dazu gehören insbesondere der Erwerb von bekannten beziehungsweise vertrauten Marken, die Orientierung an als relevant und kompetent erachteten Bezugspersonen, die aktive Suche nach Informationen oder die Anwendung einfacher heuristischer Entscheidungsregeln, wie beispielsweise die Nichtberücksichtigung bestimmter Anbieter. Darüber hinaus zählt die Entscheidung für hochpreisige Produkte zur Risikoreduktionsstrategie, sofern der Preis als Qualitätsindikator fungiert.
57
Vgl. Schneider (2006), S. 39 Vgl. Sander (2004), S. 62; Bänsch (2002), S. 76; Homburg/Krohmer (2006), S. 125 59 Vgl. Kapitel 3.1 60 Vgl. Kapitel 4.4.2 61 Vgl. Bänsch (2002), S. 76 62 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 125; Bänsch (2002), S. 77; Sander (2004), S. 39 f. 58
- 174 Für den Marktführer ergeben sich daraus verschiedene Implikationen in Bezug auf den Einsatz vergleichender Werbung. Er wird in seinen Werbebotschaften eine eher informative und sachliche, aber weniger eine emotionale Ansprache verwenden, um dem Informations- und Risikoreduktionsbedürfnis der Konsumenten zu entsprechen. Das gilt insbesondere für Mobilfunkprodukte mit ihrem hohen Anteil an Erfahrungsguteigenschaften.63 Da die Wahrnehmung des Marktführers durch die Konsumenten in hohem Maße durch die Einschätzung "Damit gehe ich ein relativ geringes Risiko ein" geprägt ist,64 wird der Marktführer bestrebt sein, dieses relativ geringe wahrgenommene Risiko für seine Produkte in der vergleichenden Werbung herauszustellen und beispielsweise auf hohe Kundenzahlen ("Konsens") und langjährige Markterfahrungen verweisen. Gleichzeitig kann er das relativ hohe wahrgenommene Risiko in Bezug auf Konkurrenzprodukte betonen, indem er herausstellt, dass das Vergleichsunternehmen erst seit kurzem auf dem Markt tätig ist und noch keine bekannte Größe darstellt beziehungsweise vergleichsweise weniger kompetent ist. Der Marktführer-Hinweis fungiert als Schlüsselinformation und wirkt daher risikomindernd in Bezug auf verschiedene Risikoarten. Voraussetzung ist, dass der Hinweis indirekt und damit für den Konsumenten glaubwürdig erfolgt.65 Zusammenfassend wird folgende Hypothese aufgestellt:
Der Marktführer kann mit vergleichender Werbung Konsumenten in ihrer Wahrnehmung "Marktführer gleich relativ geringes Risiko gegenüber Vergleichsprodukten" bestärken. (H8) Kroeber-Riel/Weinberg gehen davon aus, dass sich weder sehr hohes noch extrem niedriges Risiko stimulierend auf die Informationssuche auswirkt.66 Das Mobilfunkprodukt ist durch ein mittleres Kaufrisiko gekennzeichnet,67 so dass anzunehmen ist, dass die Informationssuche durch das wahrgenommene Risiko gefördert wird, und Konsumenten informativer vergleichender Werbung im Mobilfunk Aufmerksamkeit schenken.
63
Vgl. Kapitel 3.1.1 Vgl. Kapitel 3.4.3.1 65 Vgl. Kapitel 3.4.3.2 66 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 251 67 Vgl. Kapitel 3.1.2 64
- 175 4.3.2
Interpersonelle Austauschbeziehung
Den Theorien der interpersonellen Austauschbeziehung zufolge verhalten sich Konsumenten so, dass sie den Austausch mit anderen Individuen als gerecht empfinden. Neben der sozialen Austauschtheorie, die hier keine Anwendung findet, gehört zu diesen Theorien auch die Equity-Theorie. Sie wird nachfolgend dargestellt und auf den Untersuchungsgegenstand übertragen. Gemäß der Equity-Theorie vergleichen Individuen erhaltene Erträge (Outcome) und erbrachte Aufwendungen (Input) mit denen anderer Personen und streben nach Gerechtigkeit. Letztere ist dann gegeben, wenn das Verhältnis zwischen Erträgen und Aufwendungen der Austauschpartner übereinstimmt. Ungerechtigkeit wird dagegen empfunden, wenn einer der Partner das Gefühl hat, der andere Partner profitiere deutlich mehr von der Beziehung. Die daraus resultierenden Spannungen können auf verschiedene Arten beseitigt werden; schließlich besteht ein Gleichgewicht und damit herrscht Zufriedenheit.68 Die Bandbreite der entsprechenden Reaktionsmöglichkeiten reicht von der Einstellungsänderung (Neubewertung der wahrgenommenen Aufwendungen oder Erträge) über die Beeinflussung des Austauschpartners (Forderungen nach höheren Aufwendungen) und die Inputveränderung (Reduzierung der eigenen Aufwendungen) bis hin zum Abbruch der Beziehungen.69 Aufwendungen der Konsumenten umfassen unter anderem Zeit, Geld und Beschaffungsanstrengungen, während zu den Erträgen die Produktleistungen, Dienste oder auch das Prestige der Marke gehören.70 Konsumenten verwerfen die Angebote, die sie als ungerecht empfinden und entscheiden sich für die ihrer Ansicht nach gerechteste Alternative, wobei sie "personal benefits", "personal investments", "advertiser benefits" und "advertiser investments" gegenüberstellen.71 Aus der Equity-Theorie ergeben sich wichtige Implikationen für das Marketing des Marktführers: Der Marktführer muss sein Leistungsangebot so kommunizieren, dass Konsumenten seinen Input als hoch betrachten und bereit sind, einen entsprechend hohen und als fair wahrgenommenen Preis für die Leistung zu zahlen. Es ist davon auszugehen, dass der Marktführer seine Leistung besonders gut im Verhältnis zu anderen Anbietern und damit über vergleichende Werbung darstellen kann. Konsu-
68
Vgl. Schneider (2006), S. 40 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 124 70 Vgl. Oliver/Swan (1989a), S. 374 71 Vgl. Campbell (1995), S. 229 69
- 176 menten nehmen allerdings häufig an, dass sie einen "Marktführerzuschlag" zahlen, dem keine echte Gegenleistung des Marktführers gegenübersteht. Diese Wahrnehmung wird durch aufwendige Werbung des Marktführers verstärkt. Damit wird deutlich, dass zwischen der Wahrnehmung der Werbung und der Leistung des Marktführers zu unterscheiden ist. Aufwendige vergleichende Werbung des Marktführers erzeugt hohe Aufmerksamkeit und damit hohes Involvement. Die daraus resultierende Informationsverarbeitung mit hoher Verarbeitungstiefe ("elaboration") lässt sich als "personal investment" der Konsumenten ansehen.72 Diese erwarten gemäß der Equity-Theorie entsprechende "personal benefits", die in informativer vergleichender Werbung mit Darstellung von Nutzenvorteilen für die Konsumenten bestehen können. Was die Leistung des Marktführers betrifft, so sind Konsumenten häufig der Ansicht, dass Marktführerschaft mit einem hohen Preis, aber nicht unbedingt mit der höchsten Qualität gleichzusetzen ist.73 Geht man davon aus, dass der (hohe) Preis der "advertiser benefit" ist, erwarten Konsumenten einen entsprechenden "personal benefit". Letzterer kann in tatsächlichem Mehrwert für die Konsumenten bestehen, der sich über informative vergleichende Werbung des Marktführers kommunizieren lässt. Damit wird folgende Hypothese aufgestellt:
Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer signalisieren, dass seinem (höheren) Preis echte Nutzenvorteile für die Konsumenten gegenüberstehen. (H9)
4.3.3
Verhaltensbeurteilung
Die Theorien der Verhaltensbeurteilung gehen davon aus, dass der Konsument das eigene und das Verhalten anderer beobachtet und beurteilt sowie Konsequenzen für die Zukunft daraus zieht.74 Zu diesen Theorien gehören insbesondere die Lerntheorie und die Attributionstheorie. Letzere ist für den Untersuchungsgegenstand von entscheidender Bedeutung und wird im Folgenden dargestellt. Die auf Kelley (1967; 1973) und Heider (1958) zurück gehende Attributionstheorie basiert auf der Annahme, dass Konsumenten eigenes oder fremdes Verhalten bestimmten Ursachen zuschreiben. Ziel ist es, die Wahrnehmung zu strukturieren 72
Vgl. Campbell (1995), S. 229 Vgl. Kapitel 3.4.3.1 74 Vgl. Schneider (2006), S. 37 73
- 177 und sich in der komplexen Wirklichkeit zurechtzufinden.75 Die Ursachen für ein Verhalten werden in den Eigenschaften von Personen, in Umweltreizen und in besonderen Handlungsumständen eines Zeitpunktes gesucht.76 Konsumenten bewerten Verhaltensweisen in Abhängigkeit von der Ursache, der sie ein bestimmtes Verhalten zuschreiben, wobei interne Attribuierung vorliegt, wenn Eigenschaften des Handelnden als Ereignisursache gesehen werden, während bei externer Attribuierung situative Einflüsse als Ursache eines Zustandes angenommen werden.77 Kritik an der Attributionsforschung wird insbesondere daran festgemacht, dass zahlreiche Beurteilungen der Konsumenten nach festgelegten Denkmustern und nicht auf Grundlage umfassender kognitiver Einsichten erfolgen.78 Es ist allerdings davon auszugehen, dass Konsumenten mit höherem Involvement mehr Anstrengung auf die Informationsverarbeitung verwenden, wodurch die Wahrscheinlichkeit von Attribuierungsverzerrungen sinkt.79 Die Attributionstheorie liefert wichtige Erkenntnisse für die Wirkung vergleichender Werbung und damit auch für deren effiziente Gestaltung. Die Einschätzung der Konsumenten, aus welchen Gründen ein Werbetreibender eine bestimmte Meinung in einer Werbebotschaft vertritt, beeinflusst die Akzeptanz der Botschaft durch den Konsumenten.80 Vergleichende Werbung führt zu verstärktem Counterarguing und damit zu geringerer Glaubwürdigkeit, wenn Konsumenten davon ausgehen, dass die Werbebotschaft nur dazu dienen soll, sie zum Kauf des Produktes zu verführen.81 Darauf weisen auch Gorn/Weinberg hin: "If a consumer thinks that the motivation to present more facts is for a purpose other than for his or her own benefit, then counterarguing or discounting of claims should be expected." 82 Kelley spricht in diesem Zusammenhang vom "discounting principle." 83 Bei zweiseitiger Argumentation der Werbebotschaft nehmen Konsumenten Iyer zufolge an, dass das Motiv des Werbetreibenden neben dem Verkauf auch darin besteht, sie zu informieren. Damit erhöht sich die Glaubwürdigkeit des Werbetreibenden, und die Tendenz zu Counterarguing sinkt.84 Diese Verhaltensweise ist 75
Vgl. Trommsdorff (2004), S. 284 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 300 77 Vgl. Schneider (2006), S. 42 78 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 302 79 Vgl. Eisend (2006), S. 46 80 Vgl. Gotlieb/Sarel (1991), S. 39 81 Vgl. Swinyard (1981), S. 176 82 Gorn/Weinberg (1984), S. 719 83 Kelley (1973), S. 113 84 Vgl. Iyer (1988), S. 16 76
- 178 gemäß Kelley auf das "augmenting principle" 85 zurückzuführen. Auch der in der Literatur als positiv eingeschätzte Einsatz von Testergebnissen in der (vergleichenden) Werbung86 lässt sich mit der Attributionstheorie begründen: Unabhängigen Testinstituten werden keine eigennützigen Motive unterstellt. Ihre Aussagen wirken daher glaubwürdiger als unternehmenseigene Quellen.87 Das Abwertungsprinzip dürfte bei vergleichender Werbung des Marktführers in besonderem Maße zum Tragen kommen: Konsumenten gehen häufig davon aus, dass Marktführer mit (vergleichender) Werbung nur "ihre Pfründe verteidigen" und Konkurrenten um jeden Preis ausschalten wollen,88 während sie (vergleichende) Werbung von kleinen, unbekannten Unternehmen als "twisting the tiger's tail" 89 und damit als sympathisch einstufen. Kelley zufolge wird ein Ereignis einem Objekt zugeschrieben, wenn hoher Konsens (viele Personen verhalten sich gegenüber einem Objekt gleich), hohe Distinktheit (eine Person verhält sich gegenüber wenigen Objekten so wie gegenüber einem bestimmten Objekt) und hohe Konsistenz (eine Person verhält sich zu vielen Zeitpunkten gegenüber einem Objekt so wie zu einer bestimmten Zeit) vorliegen.90 Kroeber-Riel/Weinberg zeigen entsprechende Implikationen für die Werbung auf, indem sie feststellen: "So kann eine Werbung, die sich glaubwürdig auf das Urteil einer 'Mehrheit' beruft, unter bestimmten Umständen die Produktbeurteilung einer Person sogar dann positiv beeinflussen oder zum Guten wenden, wenn diese bereits unangenehme Erfahrungen mit dem Produkt gemacht hat." 91 Damit werden folgende Hypothesen in Bezug auf vergleichende Werbung des Marktführers aufgestellt:
Die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers kann durch Verweis auf Mehrheitsurteile (H10a), auf Testergebnisse (H10b) sowie durch zweiseitige Argumentation (H10c) erhöht werden.
85
Vgl. Chow/Luk (2006), S. 56 Vgl. Gorn/Weinberg (1984), S. 719 f.; Gierl/Praxmarer (1998), S. 23 ff.; Earl/Pride (1980), S. 36 ff. 87 Vgl. Bhattacharya/Sen (2003), S. 81 88 Vgl. Kapitel 3.4.3.2 89 Muehling et al. (1990), S. 41 90 Vgl. Herkner (1980), S. 17 91 Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 300 f. 86
- 179 4.3.4
Zwischenfazit
Durch die Analyse ausgewählter Theorien des Konsumentenverhaltens sind Chancen und Risiken vergleichender Werbung des Marktführers deutlich geworden: Kognitive Dissonanzen können so einerseits die mangelnde Glaubwürdigkeit (vergleichender Werbung) des Marktführers verschärfen, bieten ihm andererseits aber die Möglichkeit, Konsumenten gezielt zu verunsichern und damit Einfluss auf ihr Gewohnheitsverhalten zu nehmen. Der Marktführer kann in seiner vergleichenden Werbung das vergleichsweise geringe Risiko betonen, das Konsumenten mit dem Kauf seiner Produkte eingehen. Darüber hinaus ist vergleichende Werbung geeignet, den fairen Austausch zwischen Marktführer und Konsument zu verdeutlichen, indem in der Werbebotschaft der (höhere) Preis des Marktführers mit persönlichen Nutzenvorteilen für den Konsumenten begründet wird. Verweist der Marktführer in seiner vergleichenden Werbung auf Urteile Dritter, denen keine eigennützigen Motive unterstellt werden, erhöht er damit die Glaubwürdigkeit seiner Werbebotschaft.
4.4
Determinanten des Konsumentenverhaltens
Die folgende Analyse der Determinanten des Konsumentenverhaltens basiert auf der Gliederung in aktivierende, kognitive und konative Prozesse, deren Verständnis entscheidend für die wirksame Gestaltung von Marketingmaßnahmen ist. Sie wird ergänzt durch die Untersuchung der Konstrukte Involvement und Glaubwürdigkeit, die von besonderer Bedeutung für die Wirkung vergleichender Werbung des Marktführers sind.
4.4.1
Einführung
Die Determinanten des Kaufverhaltens werden nachfolgend im Hinblick auf die Ziele der Werbung untersucht. Dabei wird ein intrapersonaler Erklärungsansatz gewählt, das heißt interpersonale Faktoren, wie kulturelle oder soziale Aspekte,92 stehen nicht im Mittelpunkt der Überlegungen. Vor der Analyse der aktivierenden, kognitiven und 92
Vgl. Sander (2004), S. 42 f.
- 180 konativen Prozesse sollen zunächst die wichtigsten individuellen Faktoren dargestellt werden, die die Wirkung vergleichender Werbung des Marktführers beeinflussen. Die Abgrenzung ist zwar keineswegs trennscharf, sie erscheint aber notwendig und wird auch in der Literatur häufig vorgenommen. Als Beispiel sei Sander zitiert, der die aktivierenden und kognitiven Determinanten als "psychologische Faktoren" kennzeichnet und von "persönlichen Faktoren" abgrenzt.93
4.4.2
Individuelle Faktoren
Konsumentenverhalten wird durch eine Vielzahl individueller Faktoren determiniert, die sich auf die Informationsverarbeitung und damit auch auf die Wirkung vergleichender Werbung auswirken. Als Beispiel seien Geschlecht, Alter, Einkommen und Bildung, aber auch "Variety Seeking" und "Need for Cognition" als Bedürfnis nach kognitiver Auseinandersetzung mit Inhalten aller Art genannt. Mit Pechmann/ Stewart kann festgestellt werden: "… not all consumers will respond in exactly the same way to comparative ads." 94 Es erscheint aus diesem Grund methodisch einfacher, die Wirkung vergleichender Werbung in aggregierter Form zu analysieren. Das mag einer der Gründe dafür sein, warum dieses Forschungsdesign häufiger verwendet wird. Darauf weist auch Bennett hin: "… little research has been undertaken into the personal consumer characteristics that might determine individual responsiveness to comparative claims." 95 Kearsley geht davon aus, dass die Bedeutung der individuellen Faktoren mit dem Involvement steigt.96 Da Werbebotschaften des Marktführers mit hohem Involvement begegnet wird,97 ist anzunehmen, dass sich individuelle Faktoren, die sich dem Einfluss des Werbetreibenden entziehen, in hohem Maße auf die Informationsverarbeitung vergleichender Werbebotschaften des Marktführers auswirken. Nachfolgend werden mit "Präferenzen" und "Vorwissen" zwei Determinanten untersucht, die insbesondere die Wirkung vergleichender Werbung des Marktführers beeinflussen. Präferenz ist Foscht/Swoboda zufolge ein "eindimensionaler Indikator, der das Ausmaß der Vorziehenswürdigkeit eines Beurteilungsobjektes für eine bestimmte Person 93
Vgl. Sander (2004), S. 43 Pechmann/Stewart (1990), S. 189 95 Bennett (1997), S. 86 96 Vgl. Kearsley (1996), S. 175 97 Vgl. Kapitel 4.4.4 94
- 181 während eines bestimmten Zeitraumes" 98 ausdrückt. Gegenüber dem Marktführer bestehen in der Regel gefestigte Präferenzen: Er wird akzeptiert oder abgelehnt.99 Gefestigte Präferenzen und Motivation zur Informationsverarbeitung sind negativ korreliert. Vorwissen der Konsumenten umfasst das Ausmaß der Erfahrungen sowie die Vertrautheit mit einem Produkt beziehungsweise einem Anbieter.100 Zahlreiche Autoren vernachlässigen die für diese Untersuchung wichtige anbieterseitige Komponente allerdings und beschränken ihre Analyse auf produktspezifisches Vorwissen.101 Art und Umfang des Vorwissens sind entscheidend für die Motivation zur Informationsverarbeitung. So gehen Bettman/Park davon aus, dass Konsumenten mit geringem Vorwissen nicht in der Lage sind, Werbebotschaften adäquat zu verarbeiten. Konsumenten mit hohem Vorwissen fehle dagegen die Motivation zur Informationsverarbeitung. Darüber hinaus können Konsumenten mit geringem Vorwissen keine Bewertungsschemata aus dem Gedächtnis abrufen, während Konsumenten mit hohem Vorwissen solche Bewertungsschemata im konkreten Entscheidungsprozess anwenden.102 Die Art des Vorwissens ist beim Marktführer im Mobilfunk durch umfangreiche (persönliche) Erfahrungen geprägt. Solchen persönlichen Erfahrungen messen Konsumenten in der Regel hohe Bedeutung bei, da sie auf ihr eigenes Urteil vertrauen.103 Der Umfang des Vorwissens dürfte ebenfalls beträchtlich sein: Zum einen handelt es sich beim Marktführer im Mobilfunk um die Tochtergesellschaft eines ehemaligen Monopolisten, zum anderen liegt die Penetrationsrate im Mobilfunk inzwischen bei über hundert Prozent. Einschränkend sei allerdings festgestellt, dass die interne Informationsbasis der Konsumenten aufgrund der hohen Marktdynamik und der daraus resultierenden geringen Halbwertzeit des Wissens häufig nicht ausreicht, so dass auf externe Informationen zurückgegriffen wird. Zusammenfassend lässt sich folgende Hypothese aufstellen:
Die Bereitschaft der Konsumenten, vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, ist aufgrund ihres hohen Vorwissens gering. (H11)
98
Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 62 Vgl. Kapitel 3.4.3.1 100 Vgl. Fichtner (2006), S. 224; Bauer et al. (2003b), S. 249 101 Vgl. Schwaiger/Rennhak (2002), S. 24 102 Vgl. Bettman/Park (1980), S. 234 ff. 103 Vgl. Müller (1994), S. 124 99
- 182 4.4.3
Aktivierende Prozesse
Kroeber-Riel/Weinberg verstehen die aktivierenden Prozesse als "menschliche Antriebskräfte, die dafür sorgen, dass überhaupt Verhalten zustande kommt." 104 Sie umfassen neben der Aktivierung auch Aufmerksamkeit, Emotion, Motivation und Einstellung. Diese nachfolgend dargestellten aktivierenden Prozesse nehmen Einfluss auf den anschließend zu untersuchenden kognitiven Prozess der Wahrnehmung.105 Abzugrenzen ist der Zustand der Aktiviertheit von Konsumenten und dessen Einfluss auf den Informationsverarbeitungsprozess vom Prozess der Aktivierung, das heißt der Frage, wie durch kommunikationspolitische Maßnahmen Aktivierung ausgelöst beziehungsweise deren Intensität verändert werden kann.106
4.4.3.1
Aktivierung
Aktivierung lässt sich nach Gröppel-Klein als Erregungsvorgang verstehen, durch den das Individuum leistungsbereit und -fähig wird. Sie unterscheidet zwischen der tonischen Aktivierung sowie der für diese Untersuchung relevanten phasischen Aktivierung als Reaktion auf bestimmte Reize.107 Esch et al. zufolge zielt Aktivierung aus Marketingsicht darauf ab, entweder eine Kontaktwirkung zu erreichen, indem auf die Zuwendung und Aufmerksamkeit der Konsumenten abgestellt wird, oder eine Verstärkerwirkung im Hinblick auf eine bessere und intensivere Reizverarbeitung zu realisieren.108 Der Marktführer gewinnt in der Regel vergleichsweise leicht die Aufmerksamkeit der Konsumenten, so dass die Kontaktwirkung für ihn von untergeordneter Bedeutung sein dürfte. Da (insbesondere vergleichende) Werbebotschaften des Marktführers mit hoher "elaboration" verarbeitet werden, dürfte auch die Verstärkerwirkung der Aktivierung für den Marktführer weniger relevant sein als für neue, unbekannte Marktakteure. Je höher das Involvement von Konsumenten ist, desto mehr verliert die gezielte Aktivierung an Bedeutung.109 Das Involvement ist gegenüber Werbebotschaften des Marktführers tendenziell hoch, so dass sich zusammen-
104
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 53 Vgl. Esch et al. (2006), S. 61 106 Vgl. Gröppel-Klein (2004), S. 30 107 Vgl. Gröppel-Klein (2004), S. 30 f. 108 Vgl. Esch et al. (2006), S. 46 109 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 50 105
- 183 fassend festhalten lässt, dass eine gezielte Aktivierung bei einem Marktführer, der vergleichende Werbebotschaften einsetzen will, nicht im Zentrum des Interesses stehen wird. Es sei allerdings darauf hingewiesen, dass Aktiviertheit insofern eine Schlüsselstellung einnimmt, als sie den Grundbaustein für die nachfolgend zu untersuchenden komplexeren Determinanten des Kaufverhaltens bildet.
4.4.3.2
Aufmerksamkeit
Kroeber-Riel/Weinberg zufolge ist Aufmerksamkeit "eine vorübergehende Erhöhung der Aktivierung, die zur Sensibilisierung des Individuums gegenüber bestimmten Reizen führt." 110 Vor dem Hintergrund der Informationsüberlastung bedeutet Aufmerksamkeit daher Auswahl von Reizen. Der Aufmerksamkeit kommt entscheidende Bedeutung für die Werbewirkung zu, "denn was nicht wahrgenommen wurde, kann auch nicht wirken." 111 Trommsdorff weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Aufmerksamkeit auch unbewusst bleiben kann.112 Im Rahmen dieser Untersuchung wurde bereits festgestellt, dass vergleichende Werbung höhere Aufmerksamkeit erzielt als nicht vergleichende Werbung. Die Gründe dafür sind insbesondere darin zu suchen, dass es sich um eine in Deutschland bislang nur vereinzelt eingesetzte und relativ neue Werbeform handelt, die Werbebotschaft sowohl Nutzer der beworbenen Marke als auch der Vergleichsmarke und damit einen erweiterten Empfängerkreis anspricht, und vergleichende Werbung in der Regel einen erhöhten Informationsgehalt hat. Darüber hinaus erzielen Werbebotschaften des Marktführers stärkere Aufmerksamkeit als Werbebotschaften von kleinen, unbekannten Marktakteuren, da sie für zahlreiche Konsumenten persönlich relevant sind, und der Marktführer als "Index" fungiert. 113 Es ist davon auszugehen, dass sich die genannten Effekte verstärken, wenn der Marktführer vergleichend wirbt. Zusammenfassend wird daher auf H1 verwiesen ("Vergleichende Werbung des Marktführers erzielt hohe Aufmerksamkeit der Konsumenten") und festgehalten, dass eine gezielte Förderung der Aufmerksamkeit bei einem Marktführer, der vergleichend wirbt, nicht im Mittelpunkt der Werbean-
110
Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 61 Schierl (2003), S. 25 112 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 53 f. 113 Vgl. Kapitel 3.5.2 111
- 184 strengungen stehen wird. Kroeber-Riel/Weinberg zufolge muss Werbung dafür sorgen, dass die Marke von den Konsumenten erst wahrgenommen, dann akzeptiert und schließlich vorgezogen wird.114 Damit dürfte sich der Marktführer, der vergleichende Werbung einsetzt, zunächst gegenüber weniger bekannten Marktakteuren im Vorteil befinden. Letztere müssen erst die Aufmerksamkeit der Konsumenten gewinnen und sich im Wettbewerb profilieren. "Attention can be very roughly equated with message-based processing." 115 Folgt man dieser Argumentation, dann ist eine erhöhte Aufmerksamkeit, die mit einer in hohem Maße botschaftsorientierten Informationsverarbeitung einhergeht, allerdings auch mit Gefahren verbunden: Konsumenten setzen sich stärker mit der Werbebotschaft auseinander, Counterarguing wird wahrscheinlicher, und das Risiko, dass die angestrebte Werbewirkung nicht erreicht wird, steigt.116 Mit aufmerksamkeitsinduzierender Werbung riskiert der Werbetreibende, dass Konsumenten ihm manipulative Absichten unterstellen.117 Dadurch wird die Glaubwürdigkeit herabgesetzt, die aber gerade für einen Marktführer von entscheidender Bedeutung ist, so dass der Marktführer auch aus diesem Grund auf besonders aufmerksamkeitsstarke und damit häufig auch aggressive vergleichende Werbung verzichten wird.
4.4.3.3
Emotion
Emotionen bezeichnen "innere Erregungsvorgänge, die angenehm oder unangenehm empfunden und mehr oder weniger bewusst erlebt werden." 118 Esch et al. zufolge sollen mit emotionalen Reizen insbesondere eine positive Wahrnehmungsatmosphäre geschaffen beziehungsweise emotionale Konsumerlebnisse zur Produktdifferenzierung geschaffen werden.119 Die Autoren gehen davon aus, dass Informationen durch eine positive Wahrnehmungsatmosphäre positiver aufgenommen, beurteilt und erinnert werden. Die emotionalen Elemente vermitteln jedoch keine konkreten Inhalte, was aber gerade das Ziel (informativer) vergleichender Werbung ist. Mit emotionalen Konsumerlebnissen sollen Marken mit spezifischen Emotionen
114
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 53 Pechmann/Stewart (1990), S. 189 116 Vgl. Kapitel 4.4.4 und 4.4.6.2 117 Vgl. Chang (2007), S. 21; Campbell (1995), S. 226 118 Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 53 119 Vgl. Esch et al. (2006), S. 48 115
- 185 verknüpft und dadurch in den Köpfen der Konsumenten verankert werden. Hier ist ebenfalls nicht davon auszugehen, dass vergleichende Werbebotschaften, die (zumindest auch) informativ gestaltet sein müssen, einen Beitrag leisten können, da sie in der Regel weder die Einzigartigkeit betonen noch zur emotionalen Aufladung von Produkten beitragen. Darüber hinaus dürften Emotionen eher durch visuelle als durch verbale Kommunikation beeinflussbar sein.120 Es ist allerdings anzunehmen, dass vergleichende Werbung insbesondere bei Käufern der Vergleichsmarke (auch) emotionale Reaktionen hervorruft. Counterarguing als häufige Reaktion auf vergleichende Werbung deutet darauf hin, dass auch die emotionalen Wirkungen nicht vollständig im Sinne des Werbetreibenden erfolgen werden.121 Der Marktführer wird zwar auf emotionale Werbung nicht verzichten, emotionale und vergleichende Werbung aber trennen: In seinen (vergleichenden) Werbebotschaften muss er die Glaubwürdigkeit stets hervorheben und daher informativ und sachlich argumentieren. Dies gilt für aktive wie auch für reaktive vergleichende Werbung, da sich der Marktführer mit sachorientierter Werbung eher gegen das von Konsumenten häufig als sympathisch empfundene und in der Regel wenig sachbezogene, oft aber aggressive oder humorvolle "twisting the tiger's tail" von neuen, unbekannten Marktakteuren zur Wehr setzen kann. Darüber hinaus wird aufgrund des gegenüber dem Marktführer tendenziell hohen Involvements eine häufig angestrebte Änderung gefestigter Einstellungen der Konsumenten eher durch kognitiv orientierte Kommunikation als durch emotionale Kommunikation begünstigt.122 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Marktführer, der in der Erfahrungsund Erlebniswelt von Konsumenten fest verankert ist, in seinen vergleichenden Werbebotschaften weniger auf Emotionalisierung setzen wird als unbekannte Unternehmen, die über emotionale Ansprache Aufmerksamkeit erzielen und ihren Bekanntheitsgrad erhöhen.
120
Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 37 Vgl. Kearsley (1996), S. 176 122 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 43 121
- 186 4.4.3.4
Motivation
Kroeber-Riel/Weinberg zufolge ist Motivation eine grundlegende Antriebskraft, verbunden mit einer kognitiven Zielorientierung.123 Esch et al. sehen die Herausforderung für das Marketing darin, die wesentlichen Motive zu erkennen, zu aktivieren und zu befriedigen. Sie nennen schnellere Informationsverarbeitung und eine verkürzte Entscheidungszeit bei der Produktauswahl als positive Auswirkungen der Motivation. Konsumenten sehen sich allerdings auch motivationalen Konflikten ausgesetzt: Bei Appetenz-Appetenz-Konflikten schwankt ein Konsument zwischen zwei Angeboten, die ihm beide attraktiv erscheinen; Appetenz-Aversion-Konflikte entstehen dagegen, wenn ihm ein bestimmtes Kaufangebot sowohl anziehend als auch abstoßend erscheint.124 Rezipienten vergleichender Werbung erleben beispielsweise als Käufer der Vergleichsmarke einen solchen Konflikt, wenn ihnen durch die Werbung deutlich gemacht wird, dass ein Kauf dieser Marke nicht nur positive, sondern auch negative Folgen haben könnte. Darüber hinaus lassen sich Reaktanzen sowie die bereits dargestellten Dissonanzen125 beim Konsumenten als aus Sicht des Werbetreibenden unerwünschte Motivationszustände kennzeichnen.126 Die auf Brehm127 zurückgehende Reaktanztheorie basiert auf der Annahme, dass bei einem Individuum angesichts einer wahrgenommenen Bedrohung oder Einschränkung seiner Verhaltensfreiheit eine als Reaktanz bezeichnete Motivation entsteht, sich der Einengung zu widersetzen beziehungsweise seine Freiheit wiederzuerlangen. Voraussetzung für das Auftreten von Reaktanz ist neben dem subjektiv wahrgenommenen Druck zur Meinungs- oder Verhaltensänderung, dass die bedrohte Freiheit als persönlich wichtig empfunden wird.128 Felser weist darauf hin, dass bei Einstellungen und Meinungen immer Freiheit erwartet wird, so dass hier stets Reaktanz auftreten kann.129 Das Individuum ist bestrebt, diese Freiheit wiederherzustellen. Das bedeutet für die Werbung, dass Konsumenten auf bestehenden Einstellungen und Präferenzen beharren oder sogar Reaktionen zeigen, die den Absichten der Werbetreibenden diametral entgegenlaufen ("Bumerang-Effekt"). Das Ziel der Konsumenten besteht in diesem Fall darin, Selbstständigkeit und Unab123
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 142 Vgl. Bänsch (2002), S. 36 f. 125 Vgl. Kapitel 4.3.1 126 Vgl. Esch et al. (2006), S. 51 127 Vgl. Brehm (1966) 128 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 207 129 Vgl. Felser (2001), S. 285 124
- 187 hängigkeit zu demonstrieren. Reaktanzen können bewusst hervorgerufen werden, beispielsweise um Konsumenten im Sinne des Verbraucherschutzes gegen Beeinflussungsversuche zu "immunisieren".130 In der Regel versuchen Werbetreibende allerdings, Reaktanzen von Konsumenten zu vermeiden oder zumindest zu verringern, indem sie die angestrebte Beeinflussung der Konsumenten möglichst nicht zutage treten lassen. So kann die Werbebotschaft beispielsweise als kompetente Informationsquelle hingestellt werden. Darüber hinaus muss sie gut begründet sein und besonders glaubwürdig erscheinen. Auch Ablenkungen der Konsumenten, beispielsweise über bildliche Stimuli, können die Beeinflussungswahrnehmung herabsetzen. Trommsdorff warnt in diesem Zusammenhang allerdings davor, dass im Grenzfall nur die ablenkenden Stimuli verarbeitet werden.131 Kroeber-Riel/Weinberg zufolge lässt sich die Beeinflussungsabsicht auch durch längere und klein gedruckte Fließtexte in Anzeigen verbergen; sie vermitteln dem Konsumenten den Eindruck, er werde gut informiert.132 Diese Strategie dürfte eher bei weniger involvierten Konsumenten erfolgreich sein, da Involvement in der Regel mit einer kritischen Auseinandersetzung mit der Werbebotschaft einhergeht. Dem Marktführer wird allerdings mit vergleichsweise hohem Involvement begegnet. Darüber hinaus ist Werbung im Mobilfunk ohnehin von "Sternchentexten" 133 und "Fußnotenorgien" 134 bei gleichzeitig hoher Konsumentenunsicherheit geprägt, so dass die angestrebte Informationsillusion hier nicht eintreten dürfte. Es wird davon ausgegangen, dass die Wahrscheinlichkeit von Reaktanzen der Konsumenten mit ihrem Involvement und zunehmendem Kompetenzempfinden steigt, während sie mit steigender Glaubwürdigkeit des Werbetreibenden sinkt.135 Sowohl Marktführerschaft als auch vergleichende Werbung sind mit grundsätzlichen Glaubwürdigkeitsproblemen behaftet. Darüber hinaus ist im Mobilfunk von einem hohen Kompetenzempfinden der Konsumenten sowohl in Bezug auf den Marktführer als auch in Bezug auf das Produkt auszugehen. Reaktanzen sind daher wahrscheinlich, so dass der Marktführer die wahrgenommene Beeinflussungsabsicht möglichst weit reduzieren und dem Konsumenten eigene Schlussfolgerungen hinsichtlich der vorgestellten Alternativen überlassen muss. Grundsätzlich erscheinen ausdrückliche Schlussfolgerungen durch den
130
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 209 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 296 132 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 207 133 Vgl. Voswinkel (2006); Ermert/Ziegler (2006) 134 Vgl. Jacob (2006) 135 Vgl. Bänsch (2002), S. 65; Trommsdorff (2004), S. 295 131
- 188 Werbetreibenden auch im Rahmen vergleichender Werbung Erfolg versprechend, da Konsumenten häufig weder motiviert noch in der Lage sind, aus Werbebotschaften eigene Schlüsse zu ziehen.136 Hier ist aber von entsprechender Motivation sowie Urteilsfähigkeit der Konsumenten auszugehen, und der Marktführer muss jeglichem Manipulationsverdacht entgegentreten. Damit wird folgende Hypothese aufgestellt:
Vergleichende Werbung des Marktführers muss explizite Schlussfolgerungen vermeiden. (H12)
4.4.3.5
Einstellung
Einstellungen lassen sich als als subjektiv wahrgenommene Eignung eines Gegenstandes zur Befriedigung einer Motivation kennzeichnen.137 Foscht/Swoboda zufolge haben Einstellungen aus dem Bereich der aktivierenden Prozesse die größte Bedeutung für das Marketing und sind Schlüsselvariablen zur Erklärung und Prognose des Konsumentenverhaltens.138 Dies gilt allerdings insbesondere dann, wenn der Entscheidungsprozess von Konsumenten (zumindest in gewissem Umfang) kognitiv erfolgt, so dass vor allem extensive und limitierte Kaufentscheidungen erklärt werden können.139 Bei dem hier untersuchten Produkt "Mobilfunk" handelt es sich um eine extensive bis limitierte Kaufentscheidung.140 Image und Präferenzen sind von Einstellungen abzugrenzen: Image definiert Trommsdorff als "mehrdimensionale und ganzheitliche Grundlage der Einstellung einer Zielgruppe zum Gegenstand" und weist darauf hin, dass ein Image Basis für die subjektive Unterscheidung und Bildung von Präferenzen bei verschiedenen Marken sein kann.141 Rost verdeutlicht die Bedeutung, die dem Image (des Werbetreibenden) zukommt: "Images modulieren auf den Inhalt einer Botschaft eine 'Oberwelle' von zusätzlicher Gültigkeit oder verstärkter Fragwürdigkeit und beeinflussen so das Ergebnis der Persuasion." 142 Merten/Westerbarkey stellen kritisch fest: "Gesellschaften sind immer mehr darauf angewiesen, Images als Ersatz für gemachte 136
Vgl. Kapitel 3.2.4.3 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 169 138 Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 60 139 Vgl. Praxmarer (2001), S. 19 140 Vgl. Kapitel 3.1.2 141 Trommsdorff (2004), S. 168 142 Rost (1994), S. 2 137
- 189 Erfahrungen zuzulassen und zu konstruieren, und sie bezahlen dies damit, dass Images weder Wahrheitscharakter noch Bestand abgefordert werden kann." 143 Schmidt zufolge dient das Image als Entlastung bei der Urteilsbildung, da es Bedeutungen und Merkmale komplexer Gegenstände auf ein einfaches Maß reduziert.144 Während Einstellungen unabhängig von dem Vorhandensein anderer Produkte beziehungsweise anderer Anbieter gebildet werden können, zeigen sich Präferenzen erst in der Vorziehungswürdigkeit von mindestens zwei Produkten oder Anbietern. Präferenzen sind daher stets Ergebnis eines Bewertungsprozesses.145 Definiert man mit Kroeber-Riel/Weinberg Einstellungen als gelernte und verfestigte Ergebnisse von vorausgegangenen Wahrnehmungsvorgängen,146 dann lassen sich Einstellungen als vergangenheitsorientierte Größe kennzeichnen. Damit wird deutlich, dass Einstellungen der Konsumenten gegenüber Marktführern im Vergleich zu neuen, unbekannten Marktakteuren von besonderer Bedeutung sind. Der Marktführer wird mit seiner vergleichenden Werbung versuchen, bereits überzeugte Konsumenten in ihren Einstellungen zu bestätigen und gefestigte Einstellungen der Kunden von Wettbewerbern aufzubrechen. Goldberg/Hartwick zufolge können Unternehmen mit hoher Reputation auch extreme Aussagen glaubwürdig vertreten.147 Damit ist anzunehmen, dass vergleichende Werbung des Marktführers, die extreme und damit für den Konsumenten überraschende Botschaften übermittelt, zu intensiver Informationsverarbeitung führt und damit gefestigte Einstellungen und Präferenzen aufbrechen kann (vergleiche H7). Die Verhaltensrelevanz von Einstellungen hängt neben individuellen und situativen Faktoren auch vom Involvement sowie von der Verfügbarkeit, Stabilität und Spezifität von Einstellungen ab.148 Da gegenüber dem Marktführer im Mobilfunk auch aufgrund direkter Erfahrungen149 stabile und gefestigte Einstellungen bestehen und ein eher hohes Produkt- und Botschaftsinvolvement gegeben ist, kann hier davon ausgegangen werden, dass Einstellungen zu den verhaltensdeterminierenden Faktoren gehören. In der Literatur wird häufig angenommen, dass dem Marktführer gegenüber tendenziell eher eine positive Einstellung besteht, die bei vergleichender Werbung auf das beworbene
143
Merten/Westerbarkey (1994), S. 206 f. Vgl. Schmidt (2004), S. 52 145 Vgl. Hahn (1997), S. 5 146 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 279 147 Vgl. Goldberg/Hartwick (1990), S. 172 ff. 148 Vgl. Esch et al. (2006), S. 53 149 Vgl. Kempf (1999), S. 36 144
- 190 Produkt übertragen wird.150 Dieser Argumentation wird hier nicht in vollem Umfang gefolgt. Die Analyse der Wirkungen der Marktführerschaft zeigte, dass zwischen der Wahrnehmung des Produktes, des Unternehmens sowie der Werbung zu unterscheiden ist.151 Diese Differenzierung muss auch in Bezug auf die Einstellung erfolgen. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht das komplexe Einstellungskonstrukt (vgl. Abbildung 29). Es zeigt, dass die Einstellung gegenüber einer Marke (AB) auch von der Einstellung gegenüber einer bestimmten Werbung (AAd) bestimmt wird; diese ist unter anderem von der Einstellung gegenüber dem Werbetreibenden abhängig, die ihrerseits von dessen Glaubwürdigkeit und Wahrnehmung durch die Konsumenten geprägt ist. Grundsätzlich wird dem Marktführer als Unternehmen eine eher geringe Glaubwürdigkeit entgegengebracht, während seine Produkte tendenziell positiv bewertet werden. Seiner Werbung begegnen Konsumenten ebenfalls kritisch. Art und Umfang des Vorwissens von Konsumenten wirken sich auf die Einstellung zur Werbebotschaft aus: Konsumenten, die kaum relevantes Vorwissen in Bezug auf den Werbetreibenden und seine Produkte besitzen, reagieren nur in geringem Maße mit Counterarguing auf die Werbebotschaft. Beim Marktführer (und im Mobilfunk) ist allerdings, wie bereits dargestellt wurde, ein vergleichsweise hohes Vorwissen der Konsumenten anzunehmen.152 Werbebotschaften, die ihren bisherigen Erfahrungen und ihrem Wissen entgegenstehen, beantworten Konsumenten häufig mit Counterarguing. Einstellungsänderungen werden wahrscheinlich, die nicht mit den ursprünglichen Werbezielen der Werbetreibenden übereinstimmen. Entspricht die Werbung den gefestigten Präferenzen der Konsumenten, sind diese nicht motiviert, die Botschaft zu verarbeiten. Sind die Werbebotschaften allerdings nur leicht inkonsistent mit bisherigen Erfahrungen und Einstellungen der Konsumenten, ist von einer Motivation zur Auseinandersetzung mit der Werbebotschaft auszugehen. Die Folge ist hier nicht Counterarguing, sondern vertiefte Informationsverarbeitung.153 Damit wird folgende Hypothese aufgestellt:
Zu den bisherigen Einstellungen der Konsumenten leicht inkonsistente vergleichende Werbebotschaften des Marktführers fördern die "elaboration" der Konsumenten. (H13)
150
Vgl. Wiltinger (2002), S. 122 Vgl. Kapitel 3.4.3 152 Vgl. Kapitel 4.4.2 153 Vgl. Kearsley (1996), S. 55; Meyers-Levy/Tybout (1989), S. 39 ff. 151
- 191 -
Message Content
Execution Characteristics
Past Experience and Information
Individual Differences
Reception Context
Advertising Perceptions
Ad Claim Discrepancy
Advertising Credibility
Advertiser Perceptions
ATTITUDE TOWARD ADVERTISING
Advertiser Credibility
AD CREDIBILITY
AD PERCEPTIONS
ATTITUDE TOWARD ADVERTISER
MOOD
AAD
BRAND PERCEPTIONS
AB
LEGEND Perceptual Constructs
Exogenous Variables
Affective Constructs
Noncausal Identities
Hypothesized Causal Relationships
Quelle: MacKenzie/Lutz (1989), S. 53
Abbildung 29: Determinanten der Einstellungen gegenüber Marke und Werbung
- 192 4.4.3.6
Zwischenfazit
Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht die Zusammenhänge zwischen den dargestellten Konstrukten noch einmal grafisch (vgl. Abbildung 30).
Aktivierung + Interpretation
Emotion + (kognitive) Zielorientierung
Motivation + (kognitive) Gegenstandsbeurteilung
Einstellung
Quelle: eigene Darstellung in Anlehnung an Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 56 f., Esch et al. (2006), S. 42
Abbildung 30: Zusammenhang zwischen Aktivierung, Emotion, Motivation und Einstellung Nach der Analyse der aktivierenden Prozesse ist festzuhalten, dass der Marktführer in erster Linie weder nach gezielter Aktivierung noch nach Gewinnung der Aufmerksamkeit der Konsumenten streben wird. In diesen beiden "frühen Phasen" befindet er sich gegenüber neuen und unbekannten Marktakteuren im Vorteil. Emotionen dürften für ihn im Rahmen seiner vergleichenden Werbung ebenfalls nicht im Vordergrund stehen. Motivationen und Einstellungen der Konsumenten sind dagegen für ihn entscheidende Determinanten: Der Marktführer muss Konsumenten einerseits motivieren, seine Werbebotschaften trotz ihm gegenüber bestehender gefestigter Ein-
- 193 stellungen zu verarbeiten und darf daher nicht lediglich vorhandene Vorstellungen der Konsumenten "bedienen", andererseits muss er jedem Manipulationsverdacht entgegentreten und Counterarguing der Konsumenten verhindern. Er wird daher explizite Schlussfolgerungen vermeiden und Werbebotschaften präsentieren, die zu den bisherigen Einstellungen der Konsumenten leicht inkonsistent sind.
4.4.4
Involvement
Involvement ist inzwischen der zentrale Begriff der Werbeforschung geworden: "Ohne das Involvement der Empfänger zu kennen, kann man nur wenig darüber sagen, ob und wie eine bestimmte Werbetechnik wirkt." 154 Trommsdorff zufolge ist Involvement "der Aktivierungsgrad beziehungsweise die Motivstärke zur objektgerichteten Informationssuche, -aufnahme, -verarbeitung und -speicherung." 155 In der Literatur wird Involvement häufig kurz als "Grad der Ich-Beteiligung" gekennzeichnet.156 Für die erfolgreiche Gestaltung von Werbemaßnahmen ist allerdings nicht nur der (eindimensionale) Grad des Involvements von Bedeutung; vielmehr sind die (multidimensionalen) Rahmenbedingungen zu berücksichtigen, die die Stärke des Involvements bestimmen. Auf dieser Grundlage lassen sich unter anderem personen-, produkt-, medien-, botschafts- und situationsspezifisches Involvement abgrenzen.157 So wird beispielsweise das Produktinvolvement insbesondere durch den Preis, die wahrgenommenen Kauf- und Nutzungsrisiken sowie die soziale Auffälligkeit bestimmt.158 Das personenspezifische Involvement ist vor allem durch Kenntnisse, Erfahrungen, Einstellungen, Motive und Werte geprägt.159 Kloss drängt sich der Eindruck auf, "dass es so viele Konzeptansätze für das Involvement gibt wie Forscher, die in seine Erforschung involviert sind." 160 Weitgehende Einigkeit herrscht in der Literatur jedenfalls dahingehend, dass sich das Kontinuum Involvement durch die
Extreme
Auswirkungen
High-Involvement von
hohem
und
Low-Involvement
Involvement
auf
die
darstellen
lässt.
Die
Informationsaufnahme
und
-speicherung sind aktive Infomationssuche, Auseinandersetzung mit der Werbe154
Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 141 Trommsdorff (2004), S. 56 156 Vgl. u.a. Esch et al. (2006), S. 45 157 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 58 158 Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 143 159 Vgl. Esch et al. (2006), S. 46 160 Kloss (2003), S. 98 155
- 194 botschaft,
hohe
Verarbeitungstiefe
("elaboration")
und
intensive
Einstellung.
Niedriges Involvement lässt sich dagegen durch passive Informationsaufnahme, "Passierenlassen" der Werbebotschaft, geringe Verarbeitungstiefe und kaum verankerte Einstellung kennzeichnen.161 Grundsätzlich haben Werbetreibende die Möglichkeit, das aufgrund der Informationsflut in der Regel eher geringe Involvement der Konsumenten zu akzeptieren und ihre Werbebotschaften (beispielsweise durch häufige Wiederholung) darauf auszurichten, oder sie erhöhen (unter anderem durch aufmerksamkeitsstarke
Werbung)
das
Involvement
der
Konsumenten.
Ver-
gleichender Werbung wird aufgrund ihrer Neuartigkeit und Komplexität häufig allerdings bereits höheres Involvement entgegengebracht als nicht vergleichender Werbung. Auf den Marktführer und seine Werbebotschaften reagieren Konsumenten ebenfalls tendenziell mit höherem Involvement.162 Insgesamt ist eine Verstärkerwirkung anzunehmen, so dass Konsumenten vergleichender Werbung des Marktführers mit hohem Involvement begegnen. Kroeber-Riel/Weinberg zufolge ist bei limitierten Kaufentscheidungen wie im Mobilfunk163 von einem stark kognitiv geprägten Involvement auszugehen. Der Konsument setzt sich gedanklich mit der Werbebotschaft auseinander. Entscheidend für die Beeinflussung der Konsumenten ist bei hohem Involvement der Inhalt der Werbebotschaften. Dieser muss eher überzeugen als gefallen; Argumenten kommt entscheidende Bedeutung zu; Bilder werden weniger eingesetzt als das Instrument der Sprache.164 Darüber hinaus strebt der Marktführer im Gegensatz zu kleinen, unbekannten Marktakteuren nicht danach, durch (emotional geprägte) Werbung Aufmerksamkeit zu erzielen.165 Für ihn ist vielmehr der Aspekt der Glaubwürdigkeit von besonderer Bedeutung. Diese Glaubwürdigkeit kann eher über sachorientierte als über emotionale (vergleichende) Werbung erhöht werden. Des Weiteren führen das mit vergleichender Werbung des Marktführers verbundene höhere Involvement sowie die tiefere Informationsverarbeitung tendenziell zu einer kritischen Prüfung der Werbeaussage und damit zu potenziell höherem Counterarguing. Diesem kann eher mit sachlicher als mit emotionaler Ansprache der Konsumenten begegnet werden. Damit wird folgende Hypothese aufgestellt:
161
Vgl. Trommsdorff (2004), S. 56 Vgl. Kapitel 3.4.3.1 163 Vgl. Kapitel 3.1.2 164 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 372 165 Vgl. Kapitel 4.4.3.2 162
- 195 Vergleichende Werbung des Marktführers muss sachlich gestaltet sein. (H14) Auch für das Involvement gilt die im Rahmen dieser Untersuchung bereits mehrfach getroffene Feststellung, dass sich generalisierende Aussagen über die Wirkung vergleichender Werbung nicht treffen lassen. Als Beispiel sei die Argumentation von Pfau angeführt: "If, for example, comparative advertisement for brands of more salient or important products result in more elaborate message processing, triggering a backlash on the part of receivers committed to the opposing brand, then they may prove to be most effective for less involving products." 166 Zum einen gibt es keine "reinen" High- beziehungsweise Low-Involvement-Produkte; entscheidend ist stets die Konsumsituation beziehungsweise das situationsspezifische Involvement. Zum anderen erscheint der Umkehrschluss von Pfau, vergleichende Werbung eigne sich am besten für Low-Involvement-Produkte, da sie bei High-Involvement-Produkten mit bestimmten Gefahren verbunden ist, unzulässig. Die Gestaltungsmodalitäten vergleichender Werbung sind vielmehr an die jeweilige Kommunikationssituation anzupassen.
4.4.5
Glaubwürdigkeit
Glaubwürdigkeit ist für Werbetreibende von zentraler Bedeutung. Durch Abbildung 29 wurde bereits deutlich, dass sich die Glaubwürdigkeit des Werbetreibenden sowohl auf die Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft als auch auf die Einstellung gegenüber dem Werbetreibenden auswirkt. Die Glaubwürdigkeit einer Informationsquelle lässt sich in die Komponenten Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz gliedern.167 Vertrauenswürdigkeit eines Werbetreibenden ist dann gegeben, wenn Konsumenten davon ausgehen, dass die von ihm übermittelte Werbebotschaft seiner tatsächlichen Meinung entspricht, beziehungsweise er offen und unverfälscht kommuniziert.168 Pelzmann verdeutlicht die Bedeutung von Vertrauen: "Vertrauen in gegenseitiges moralisches Verhalten entschärft die Unberechenbarkeit der Situation durch die Zuverlässigkeit der
166
Pfau (1994), S. 246 Vgl. Eisend (2006), S. 44 168 Vgl. Köhnken (1990), S. 119 167
- 196 Partner." 169 Cotte et al. gehen in diesem Zusammenhang von einer negativen Korrelation zwischen Glaubwürdigkeit der Werbung und Wahrnehmung einer manipulativen Absicht des Werbetreibenden aus.170 Ein Werbetreibender gilt als kompetent, wenn Konsumenten annehmen, dass er über besondere Erfahrungen und Kenntnisse in Bezug auf die in der Werbebotschaft enthaltene Thematik verfügt. Kompetenz umfasst damit unter anderem Fachwissen, Sachkenntnis oder Qualifikationen.171 In der Literatur wird neben Vertrauenswürdigkeit und Kompetenz bisweilen auch Objektivität und Sympathie zu den Komponenten der Glaubwürdigkeit gezählt.172 Hier wird der Auffasung von Pelzmann gefolgt. Sie geht davon aus, dass jedenfalls Vertrauen in Zweck-Beziehungen, wie sie im Geschäftsleben bestehen, keine Sympathie voraussetzt.173 Es ist allerdings anzunehmen, dass sich sowohl wahrgenommene Sympathie als auch Objektivität auf die Vertrauenswürdigkeit auswirken. Glaubwürdigkeit (von Werbetreibenden) beurteilen Konsumenten insbesondere auf der Grundlage ihres Vorwissens, wozu hier in erster Linie Informationen, Erfahrungen und
Präferenzen
gezählt
werden.174
Das
Vorwissen
wiederum
prägt
die
Einstellungen der Konsumenten, die durch Werbung beeinflusst werden sollen. Cotte et al. zufolge erhöht die Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft die Wahrscheinlichkeit einer positiveren Einstellung der Konsumenten gegenüber der Werbung und dem Werbetreibenden.175 Konsumenten versuchen, ihre Einstellungssysteme konsistent zu halten und wollen kognitive Dissonanzen vermeiden. Ziel der Werbetreibenden ist es dagegen, Einstellungen zu beeinflussen, ohne Irritationen oder Reaktanzen der Konsumenten zu erzeugen. Dadurch entsteht ein Spannungsfeld. Das nachstehende Schaubild verdeutlicht diese Zusammenhänge noch einmal grafisch (vgl. Abbildung 31).
169
Pelzmann (2005), S. 207 Vgl. Cotte et al. (2005), S. 363 171 Vgl. Praxmarer (2001), S. 27 f. 172 Vgl. Fichtner (2006), S. 242 173 Vgl. Pelzmann (2005), S. 214 174 Vgl. Kapitel 4.4.2 175 Vgl. Cotte et al. (2005), S. 366 170
- 197 -
Glaubwürdigkeit des Werbetreibenden Vertrauenswürdigkeit
Kompetenz
Beurteilung insbesondere auf Basis von
Vorwissen der Konsumenten -
Informationen Erfahrungen Präferenzen ...
Auswirkung auf
Einstellungen der Konsumenten Werbetreibende versuchen, die Einstellungen der Konsumenten zu beeinflussen
Konsumenten versuchen, ihre Einstellungssysteme konsistent zu halten Spannungsfeld
kognitive Dissonanz
Irritation
Reaktanz
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 31: Konstrukt der Glaubwürdigkeit
Konsumenten billigen dem Marktführer als etabliertem Unternehmen zwar in der Regel eine hohe Kompetenz zu, er wird allerdings tendenziell als weniger vertrauenswürdig wahrgenommen. Häufig wird davon ausgegangen, dass der Marktführer nur seine "Pfründe verteidigen" und Mitbewerber verdrängen, Konsumenten aber nicht objektiv informieren will.176 Die Glaubwürdigkeit (der Werbung) des Marktführers ist daher tendenziell geringer als die von weniger etablierten Unternehmen.
176
Vgl. Kapitel 3.4.3 und 4.3.3
- 198 Vergleichende Werbung wird von Konsumenten in der Regel als weniger glaubwürdig eingeschätzt als nicht vergleichende Werbung.177 Oftmals wird sie als aggressiv und unfair empfunden. Insbesondere Nutzer der Vergleichsmarke stehen der Werbebotschaft skeptisch gegenüber; das Risiko kognitiver Dissonanzen ist hoch.178 Mangelnde Glaubwürdigkeit ist zweifellos das größte Risiko für die Wirkung vergleichender Werbung, auch wenn ihr Einsatz keineswegs zu dem 1977 von William Tankersley, ehemals Vorsitzender des Council of Better Business Bureaus, befürchteten Glaubwürdigkeitsverlust für die gesamte Werbung geführt hat: "The plethora of comparative ads has further damaged the credibility of advertising with equally negative effects on the mores of civilized business behavior." 179 Da sowohl der Marktführer als auch vergleichende Werbung, isoliert betrachtet, auf Konsumenten tendenziell wenig glaubwürdig wirken, dürfte sich das Problem der mangelnden Glaubwürdigkeit bei Marktführern, die vergleichende Werbebotschaften einsetzen wollen, verschärfen. Bei der Gestaltung vergleichender Werbung muss die Glaubwürdigkeit daher im Fokus stehen.180 Swinyard verdeutlichte bereits 1981, dass Glaubwürdigkeit die Basis für den Erfolg vergleichender Werbung bildet: "If comparative advertising is to be effective, the comparative claim must be believed." 181 Damit wird folgende These aufgestellt: Vergleichende Werbung des Marktführers muss glaubwürdig gestaltet sein. (H15)
4.4.6
Kognitive Prozesse
Trommsdorff zufolge lassen sich Kognitionen im Marketing als "eigenständig bewusst zu machende Wissenseinheiten" 182 kennzeichnen. Kognitive Prozesse dienen insbesondere dazu, das Verhalten gedanklich zu kontrollieren sowie willentlich zu steuern; sie umfassen stets auch aktivierende Komponenten.183 Damit ist ein breit angelegtes und vielschichtiges Konstrukt beschrieben.184 Es wird in die nachfolgend
177
Vgl. Kapitel 3.2.6.4 Vgl. Grewal et al. (1997), S. 4 179 Buchanan (1985), S. 109 180 Vgl. Kapitel 5.4.2 181 Swinyard (1981), S. 176 182 Trommsdorff (2004), S. 88 183 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 225 184 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 88 178
- 199 dargestellten Elemente Informationsaufnahme, Informationsverarbeitung und Informationsspeicherung gegliedert. Seine Bedeutung erhält es dadurch, dass Konsumentenverhalten durch das Ergebnis der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen bestimmt wird.
4.4.6.1
Informationsaufnahme
"Die Aufnahme von Informationen umfasst die Vorgänge, die zur Übernahme einer Information in den zentralen Prozessor (in das Kurzzeitgedächtnis) führen." 185 Diese Informationsaufnahme ist von der Informationssuche sowie dem Informationsabruf abzugrenzen. Die Informationssuche bezieht sich auf die aktive Suche nach Informationen im Umfeld des Konsumenten beziehungsweise auf die Gewinnung von Informationen, die noch nicht im Langzeitgedächtnis verfügbar sind, während der Informationsabruf als interne Informationsaufnahme aus dem Langzeitgedächtnis definiert ist. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht die Zusammenhänge noch einmal grafisch (vgl. Abbildung 32).
Gehirn
Informationssuche
Informationsaufnahme (selektiv)
Informationen/ Reize
Kurzzeitgedächtnis (Arbeitsspeicher): Informationsbeurteilung
Informationsabruf Informationsaufnahme
Informationsspeicherung
Sensorisches Gedächtnis Langzeitgedächtnis: Gespeicherte Infomationen
Quelle: Homburg/Krohmer (2006), S. 55
Abbildung 32: Aufnahme, Suche, Abruf und Speicherung von Informationen
185
Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 244
- 200 Art und Umfang der Informationsaufnahme divergieren sowohl intraindividuell als auch interindividuell.186 Als Beispiel sei hier das Risikoempfinden des Konsumenten genannt, das in verschiedenen Situationen und bei verschiedenen Produkten spezifisch ausgeprägt ist und damit intraindividuell zu entsprechender Informationsaufnahme führt. Darüber hinaus ist das Streben nach Risikoreduzierung auch zwischen den Konsumenten unterschiedlich ausgeprägt, so dass interindividuell die Informationsaufnahme ebenfalls unterschiedlich ist. Bei limitierten Kaufentscheidungen, wie im Mobilfunk,187 werden zunächst bevorzugt interne Informationen im Hinblick auf eine mögliche Kaufentscheidung herangezogen. Der Konsument prüft also, ob insbesondere seine bisherigen (Kauf-) Erfahrungen und (Marken-)Kenntnisse ausreichen, um eine Entscheidung zu treffen. Erst dann, wenn diese internen Informationen nicht geeignet sind, eine Auswahl zu treffen, wird er aktiv nach externen Informationen suchen. Bei limitierten Kaufentscheidungen ist davon auszugehen, dass der Konsument den Entscheidungsaufwand bewusst begrenzt und sich an Schlüsselinformationen orientiert. Er berücksichtigt daher insbesondere Kaufalternativen beziehungsweise Produkte oder Marken aus dem Evoked Set, das die Menge der als kaufrelevant wahrgenommenen Alternativenmenge darstellt. Der Marktführer dürfte sich grundsätzlich im Evoked Set der Konsumenten befinden: Er wird als Kaufalternative bewusst wahrgenommen (Awareness Set); Indifferenzen ihm gegenüber sind selten,188 so dass das Inert Set als Menge der indifferent bewerteten Alternativen hier unberücksichtigt bleiben kann. Es besteht allerdings die Gefahr, dass der Marktführer von den Konsumenten in das Inept Set und damit in die abgelehnte Alternativenmenge "eingeordnet" wird (vgl. Abbildung 33).
186
Vgl. Kapitel 4.4.2 Vgl. Kapitel 3.1.2 188 Vgl. Kapitel 3.4.3.1 187
- 201 -
Total Set
Unawareness Set
Awareness Set
Inert Set
Inept Set
geringe Wahrscheinlichkeit
Evoked Set
hohe Wahrscheinlichkeit
Konsumenteneinordnung des Marktführers in das jeweilige Set
Quelle: eigene Darstellung unter Berücksichtigung von Foscht/Swoboda (2005), S. 154
Abbildung 33: Marktführerschaft und Evoked beziehungsweise Inept Set
Die Bereitschaft der Konsumenten zu aktiver externer Informationssuche und Informationsaufnahme ist aufgrund gefestigter Präferenzen und Einstellungen sowie des hohen Vorwissens in Bezug auf den Marktführer gering (vergleiche H11). Es ist nicht davon auszugehen, dass die Konsumenten, die dem Marktführer bislang weniger positiv gegenüberstanden, plötzlich bei Berücksichtigung nur der internen Wissensbasis in ihm die präferierte Alternative sehen. Aktive externe Informationssuche der Konsumenten liegt daher im Interesse des Marktführers. Sie kann, wie bereits deutlich wurde, durch vergleichende Werbung gefördert werden, da diese die limitierte Kaufentscheidung tendenziell in Richtung einer extensiven Kaufentscheidung verschiebt.189 Die leicht inkonsistente Gestaltung vergleichender Werbebotschaften verstärkt die angestrebte Werbewirkung (vergleiche H13), da sie zur "elaboration" anregt, ohne den bisherigen Kognitionen der Konsumenten in hohem Maße zuwider zu laufen und damit Counterarguing hervorzurufen. Zusammenfassend wird damit folgende Hypothese aufgestellt:
189
Vgl. Kapitel 3.1.2
- 202 Durch im Vergleich zu bisherigen Einstellungen des Konsumenten leicht inkonsistente vergleichende Werbebotschaften des Marktführers wird der Konsument zu aktiver externer Informationssuche angeregt. (H16)
4.4.6.2
Informationsverarbeitung
Die Abgrenzung zwischen Informationsaufnahme und Informationsverarbeitung ist keineswegs trennscharf. So gehen Foscht/Swoboda davon aus, dass die Informationsverarbeitung bereits mit der Aufnahme eines Reizes und dessen Entschlüsselung beginnt.190 Sie zählen die Wahrnehmung sowohl zur Informationsaufnahme als auch zur Informationsverarbeitung. Trommsdorff dagegen definiert Informationsverarbeitung enger als "Prozess des Verknüpfens von neu aufgenommenen und im Arbeitsspeicher und Gedächtnisspeicher vorhandenen Wissens- und Gefühlseinheiten." 191 Informationsverarbeitung lässt sich jedenfalls mit Homburg/Krohmer als Kernprozess des Konsumentenverhaltens kennzeichnen, dessen Verständnis eine zentrale Voraussetzung für die Erklärung des Verhaltens von Konsumenten darstellt: "Ausmaß und Qualität dieses Prozesses bestimmen, welche Informationen beim Kunden ankommen und wie er sie aufnimmt, beurteilt, speichert und im Hinblick auf eine Kaufentscheidung einsetzt." 192 Köhnken verdeutlicht die Bedeutung der Informationsverarbeitung für den Konsumenten: "Aufgabe und Ziel der Informationsverarbeitung in der sozialen Wahrnehmung und Eindrucksbildung ist es, sich möglichst schnell und mit möglichst geringem kognitiven Aufwand in der sozialen Umwelt zu orientieren. Diese Zielsetzung ist ein Kompromiss aus kognitivem Aufwand einerseits und subjektivem Nutzen andererseits." 193 Kreye, die die Preisverarbeitung von Privatkunden im deutschen Mobilfunkmarkt untersucht, spricht von einem "Zielkonflikt zwischen gedanklicher Anstrengung und Güte des Kaufergebnisses." 194 Ihr zufolge haben nur vier Prozent der Mobilfunkkunden in Deutschland den optimalen Vertrag ausfindig gemacht.195
190
Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 74 Trommsdorff (2004), S. 39 192 Homburg/Krohmer (2006), S. 54 193 Köhnken (1990), S. 165 194 Kreye (2005), S. 148 f. 195 Vgl. Kreye (2005), S. 148 191
- 203 Konsumenten streben grundsätzlich nach kognitiver Entlastung, wenn auch ihr "need for cognition" 196 unterschiedlich ausgeprägt ist, und nicht alle Konsumenten in jeder Situation mit kognitiver Anstrengung geizen, so dass sie nicht pauschal als "cognitive misers" 197 bezeichnet werden können. Auch Helm/Gehrer weisen darauf hin, dass Urteilsheuristiken, die bei begrenztem Verarbeitungsaufwand ein hinreichend genaues Urteil erlauben, keineswegs automatisch und situationsunabhängig eingesetzt werden.198 Strebinger erklärt: "Geht man von einem höheren allgemeinen Selbstvertrauen gebildeter Personen in ihre systematische Urteilsfähigkeit aus, sollte der kaufentscheidungsvereinfachende Marktführer-Hinweis in einem Studentensample eine generell schwächere Wirkung entfalten als in durchschnittlich geringer gebildeten Zielgruppen." 199 Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden, da sie impliziert, hohes Selbstvertrauen und Streben nach Kaufentscheidungsvereinfachung seien negativ korreliert. Anhaltspunkte dafür fehlen. Insbesondere bei limitierten Kaufentscheidungen wie im Mobilfunk erfolgt allerdings in der Regel eine Orientierung an Schlüsselinformationen ("information chunks"), das heißt an "Informationen, die für die Produktbeurteilung besonders wichtig sind und mehrere andere Informationen substituieren oder bündeln." 200 Als Beispiele seien Markenname, Preis oder auch Testurteile genannt. Sie eignen sich aufgrund ihrer informationsverdichtenden und komplexitätsreduzierenden Wirkung besonders zur Verwendung im Rahmen vergleichender Werbung, die in der Regel mit stärkerer kognitiver Aktivität verarbeitet wird als nicht vergleichende Werbung.201 Darauf weist auch Kearsley hin: "Direkte Werbevergleiche, die die Überlegenheit eines Produkts im Vergleich zu einem anderem Produkt in einigen wenigen Merkmalen herausstellen, stellen … Schlüsselinformationen zur Verfügung." 202 Auch "Marktführerschaft" kann Konsumenten als Schlüsselinformation dienen. Das gilt sowohl für die Beurteilung der Marktführerschaft durch die Konsumenten selbst als auch für den expliziten Hinweis des werbetreibenden Unternehmens auf seine führende Position.203 Billen zufolge orientieren sich Konsumenten allerdings keineswegs immer an Schlüsselinformationen: Bei hohem Involvement, von dem bei vergleichenden Werbebotschaften des Markt196
Vgl. Cho (1995), S. 24; Wiltinger (2002), S. 96; Moser (2002), S. 73 Vgl. Kreye (2005), S. 148 198 Vgl. Helm/Gehrer (2006), S. 177 199 Strebinger (2001), S. 264 200 Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 284 201 Vgl. Cho (1995), S. 29 202 Kearsley (1996), S. 189 203 Vgl. Kapitel 3.4.3 197
- 204 führers auszugehen ist,204 sind Konsumenten weniger an Schlüsselinformationen interessiert, weil das Entlastungsstreben bei der Produktbeurteilung nicht im Vordergrund steht.205 Unabhängig vom Involvement ist allerdings anzunehmen, dass (vergleichende) Werbebotschaften des Marktführers eher zu schematischer Informationsverarbeitung führen. Schemata lassen sich in diesem Zusammenhang als kognitive Programme kennzeichnen, nach denen Informationen auf eine vorbestimmte Art und Weise verarbeitet werden.206 Trommsdorff geht davon aus, dass kognitive Schemata als Substrukturen des Wissens noch allgemeinere Bedeutung haben als Schlüsselinformationen.207 Kroeber-Riel/Weinberg zufolge ermöglicht die schematische Informationsverarbeitung Konsumenten, mit der Informationsflut umzugehen. Sie weisen allerdings auch auf die Gefahr hin, dass Informationen entweder gar nicht aufgenommen werden, weil sie nicht in vorhandene Schemata passen, oder unabhängig vom Einzelfall nach einem festen Raster verarbeitet werden.208 Die beiden Autoren postulieren, dass ein altbekannter Markenname eine verfestigte Markenvorstellung und damit ein Schema repräsentiert. Er beeinflusst die gesamte Produktwahrnehmung.209 Werbebotschaften des Marktführers dürften insbesondere aufgrund des hohen Vorwissens von Konsumenten zur Aktivierung von Schemata führen. Es wurde bereits deutlich, dass Art und Umfang des Vorwissens die Motivation und Fähigkeit der Konsumenten zur Informationsverarbeitung determinieren.210 Die Motivation zur Aufnahme externer Informationen ist bei hohem Vorwissen gering, so dass die Bereitschaft der Konsumenten, vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, ebenfalls gering sein dürfte (vergleiche H11). Diese geringe Bereitschaft kann jedenfalls tendenziell durch Werbebotschaften gefördert werden, die zu den bisherigen Kognitionen der Konsumenten leicht inkonsistent sind (vergleiche H13 und H16), da sie eine Informationsverarbeitung mit hoher Verarbeitungstiefe ("elaboration") begünstigen. Den dargestellten Effekten des Vorwissens, das heißt insbesondere Tendenz zur schematischen Informationsverarbeitung sowie geringe Neigung zur externen Informationsaufnahme, stehen allerdings andere durch vergleichende Werbung des Marktführes induzierte Effekte gegenüber, die teilweise gegenläufig wirken. Das ver204
Vgl. Kapitel 4.4.4 Vgl. Billen (2003), S. 260 206 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 91 207 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 91 208 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 302 f. 209 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 296 210 Vgl. Kapitel 4.4.2 205
- 205 gleichender Werbung des Marktführers entgegengebrachte hohe Involvement führt zu einer Informationsverarbeitung mit hoher Verarbeitungstiefe. Die daraus resultierende stärkere Auseinandersetzung der Konsumenten mit der Werbebotschaft beinhaltet aus Sicht des Werbetreibenden die Chance, dass die Werbebotschaft besser behalten wird; allerdings besteht die Gefahr, dass diese intensive und damit kritische Auseinandersetzung die Ablehnung der Werbung zur Folge hat. Auch Chang verweist darauf, dass "elaboration" nicht zwangsläufig zu positiven Werbewirkungen führt und vom Werbetreibenden nicht in jedem Fall anzustreben ist: "… enhancing message elaboration can produce positive outcomes in some conditions but can backfire in others." 211 Jedenfalls ist die abschließend gewonnene Einstellung eindeutig und stabil. Neben konsumentenspezifischen Determinanten, wie Vorwissen oder Involvement, bestimmt der Charakter der Information den Prozess der Informationsverarbeitung. Kearsley geht hier davon aus, dass konkrete Informationen, die sich auf objektive Leistungsmerkmale
beziehen,
zu
kognitiver
Informationsverarbeitung
führen,
während subjektive abstrakte Beurteilungen eher mit emotionaler Verarbeitung einhergehen.212 Auch Neese/Taylor zufolge geht unter High-Involvement-Bedingungen sachlich gestaltete Werbung mit analytischer Informationsverarbeitung einher, da hier Informationen über "salient brand attributes" 213 bereit gestellt werden. Das in der einschlägigen amerikanischen Literatur häufig verwendete Adjektiv "salient" wird von deutschen Autoren unterschiedlich übersetzt: Böcker spricht von "diskriminierenden Merkmalen", 214 Reich übersetzt hingegen mit "bedeutsam".215 Entscheidend ist jedenfalls, dass die Beurteilung aus Konsumentensicht erfolgt und damit subjektiv ist. Thompson/Hamilton fordern, dass die Gestaltung der vergleichenden Werbebotschaft und die Art der Informationsverarbeitung durch die Konsumenten aufeinander abgestimmt sein müssen. Ist dies gewährleistet, wirkt die Werbung überzeugender, die Bewertungen der Werbung sowie der Marke sind positiver, und die Kaufbereitschaft ist höher. Sie unterscheiden zwischen "analytical processing" und "imagery processing" als qualitativ unterschiedliche Arten von "elaboration" 216 und gehen damit über die Darstellung der quantitativen "elaboration" auf einem Kontinuum
211
Chang (2007), S. 32 Vgl. Kearsley (1996), S. 72 213 Neese/Taylor (1994), S. 59 214 Böcker (1986), S. 570 215 Reich (2006), S. 15 216 Vgl. Thompson/Hamilton (2006), S. 530 ff. 212
- 206 zwischen "hoch" und "niedrig" hinaus. Die Autoren postulieren, dass vergleichende Werbung effektiver als nicht vergleichende Werbung ist, wenn Konsumenten die Informationen analytisch verarbeiten. Die analytische Informationsverarbeitung ist dadurch gekennzeichnet, dass die positiven und negativen Produktmerkmale sorgfältig abgewogen werden. Sie lässt sich beispielsweise durch die Anordnung von Merkmalsinformationen in Matrixform begünstigen.217 Diese Art der Darstellung wird in der vergleichenden Mobilfunkwerbung vor allem im Preiswettbewerb häufig verwendet.218 Bleicker zufolge reagieren Konsumenten auf das Matrixformat besonders positiv: Verglichen mit einer markenweisen oder merkmalszentrierten Informationsvorgabe erscheint die Matrixdarstellung weniger verwirrend. Es werden weniger Alternativen und Merkmale herangezogen, so dass weniger Zeit für die Informationssuche verwendet und weniger Zeitdruck empfunden wird.219 Thompson/Hamilton konnten zeigen, dass die Bereitstellung zusätzlicher positiver Informationen über eine Marke sogar kontraproduktiv sein kann, wenn diese Informationen nicht auf die Art der Informationsverarbeitung der Konsumenten abgestimmt sind.220 Als Beispiel sei wiederum auf die Werbeanzeige von T-Mobile, "Bestnetzgünstig statt discountteuer" 221 verwiesen: Sie begünstigt in ihrer gesamten Aufmachung eine analytische Informationsverarbeitung durch die Konsumenten. "Imagery processing", das heißt, "a consumer … thinking about herself using the advertised product," 222 fördert diese Werbung nicht. Hier wird der Auffassung von Thompson/Hamilton gefolgt, derzufolge vergleichende Werbung auf eine analytische Informationsverarbeitung durch die Konsumenten hinwirken muss. Damit wird H14 bekräftigt: Vergleichende Werbung des Marktführers muss sachlich gestaltet sein.223 Priester et al. untersuchen die Voraussetzungen und Gründe für eine mit vergleichender Werbung verbundene "elaboration". Sie wenden sich gegen die in der Literatur weit verbreitete Auffassung,224 dass eine Vergleichsmarke mit einem hohen Marktanteil die Relevanz der vergleichenden Werbebotschaft für den Konsumenten erhöht und eine höhere "elaboration" zur Folge hat.225 Sie führen die mit vergleichender Werbung in der Regel verbundene tiefere Informationsverarbeitung vielmehr 217
Vgl. Thompson/Hamilton (2006), S. 534 Vgl. Anhang 1 219 Vgl. Bleicker (1983), S. 114 220 Vgl. Thompson/Hamilton (2006), S. 537 221 Vgl. Anhang 1 222 Thompson/Hamilton (2006), S. 530 223 Vgl. Kapitel 4.4.4 224 Vgl. Muehling et al. (1990), S. 48 225 Vgl. Priester et al. (2004), S. 116 218
- 207 auf "brand incongruity" zurück, definiert als wahrgenommene Unähnlichkeit zweier Marken. Unähnlichkeit ist ihnen zufolge beispielsweise dann gegeben, wenn eine bekannte und eine unbekannte Marke gegenübergestellt werden. Dies ist, wie im Rahmen dieser Untersuchung bereits mehrfach betont wurde, bei vergleichender Werbung in der Praxis in hohem Maße der Fall. Da Bekanntheitsgrad und Marktanteil häufig positiv korrelieren,226 führen im Ergebnis sowohl die Marktanteilshypothese als auch die Unähnlichkeitshypothese tendenziell zur gleichen Werbewirkung: höhere "elaboration". Die von Priester et al. geforderte Unähnlichkeit dürfte allerdings eine höhere Werbewirkung erzielen: Es ist davon auszugehen, dass die Gegenüberstellung von zwei als unähnlich empfundenen Marken beim Kunden einen zusätzlichen Überraschungseffekt auslöst und damit Werbetreibenden die Möglichkeit bietet, gefestigte Einstellungen und Kognitionen der Konsumenten aufzubrechen, da diese von der gewohnten Schemataverarbeitung abweichen. Die wahrgenommene Unähnlichkeit darf allerdings nicht zu groß sein, da sonst die Glaubwürdigkeit der vergleichenden Werbung, die insbesondere für den Marktführer im Vordergrund steht,227 gefährdet ist. So empfehlen auch Priester et al. "moderately incongruent brand comparisons." 228 Als Beispiel sei hier erneut das Werbeduell zwischen T-Mobile und ALDI angeführt. Bei beiden handelt es sich um etablierte Marken, die Marktführer in ihren jeweiligen Marktsegmenten sind; die Konsumentenwahrnehmung einzelner Eigenschaften divergiert hingegen (günstiger Preis versus TeuerImage). Priester et al. ist allerdings nicht zuzustimmen, wenn sie die Effektivität vergleichender Werbung einer etablierten Marke in Frage stellen, die als Vergleichsmarke eine andere etablierte Marke wählt: "The brand congruity explanation suggests that such a strategy may not only be unwarranted, but even counterproductive." 229 Auch zwischen zwei etablierten Marken kann "brand incongruity" herrschen, wie das obige Beispiel zeigt. Zusammenfassend wird damit folgende Hypothese aufgestellt:
Bezieht sich der Marktführer in seiner vergleichenden Werbung auf eine Vergleichsmarke, die der Konsument als leicht unähnlich wahrnimmt, kann er damit die "elaboration" der Konsumenten fördern. (H17)
226
Vgl. Kapitel 3.3.1 Vgl. Kapitel 4.4.5 228 Priester et al. (2004), S. 117 229 Priester et al. (2004), S. 122 227
- 208 Diese Hypothese weist Parallelen zu H13 auf, derzufolge vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu den bisherigen Einstellungen der Rezipienten leicht inkonsistent gestaltet sein müssen.230 Auf diese Ähnlichkeit weisen auch Priester et al. hin: "We hypothesize, and find support for the idea that similar to how brand deviation from a schema can lead to greater scrutiny, so too can incongruent brand comparison prompt greater elaboration." 231
4.4.6.3
Informationsspeicherung
Informationsspeicherung umfasst die Elemente "Lernen" und "Gedächtnis". Lernen lässt sich als "relativ überdauernde Änderung einer Verhaltensmöglichkeit aufgrund von Erfahrung oder Beobachtung" 232 kennzeichnen. Insbesondere bei limitierten Kaufentscheidungen wie im Mobilfunk kommt dem Lernen hohe Bedeutung zu.233 Es setzt voraus, dass der Konsument die aufgenommenen und verarbeiteten Informationen im Gedächtnis speichert und zu gegebener Zeit darauf zurückgreifen kann.234 Der explizite Informationsabruf kann in Form von Wiedererkennung ("recognition") oder Erinnerung ("recall") erfolgen.235 In der Literatur herrscht weitgehend Konsens darüber, dass vergleichende Werbung besser erinnert wird als nicht vergleichende Werbung.236 Da Werbebotschaften des Marktführers insbesondere aufgrund ihrer Relevanz auch besser von den Konsumenten erinnert werden als Werbebotschaften unbekannter Marktakteure, ist anzunehmen, dass sich dieser Effekt bei vergleichender Werbung des Marktführers verstärkt. Es kann allerdings davon ausgegangen werden, dass der Marktführer im Gegensatz zu kleinen, unbekannten Marktakteuren auch aufgrund seiner starken Werbepräsenz bereits über so hohe Aufmerksamkeits- und Erinnerungswerte verfügt, dass hier eine weitere Steigerung nicht zu den bevorzugten Werbezielen gehören dürfte.237
230
Vgl. Kapitel 4.4.3.5 Priester et al. (2004), S. 121 f. 232 Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 322 233 Vgl. Kapitel 3.1.2 234 Vgl. Schneider (2006), S. 64 235 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 99 236 Vgl. Muehling et al. (1990), S. 43 f.; Cho (1995), S. 132 f.; Grewal et al. (1997), S. 3 237 Vgl. Kapitel 5.3 231
- 209 4.4.6.4
Zwischenfazit
Die kognitiven Prozesse sind für den Marktführer von größter Bedeutung: Einerseits wird Konsumentenverhalten durch das Ergebnis der Wahrnehmung und Verarbeitung von Informationen determiniert, andererseits bestehen gegenüber dem Marktführer in der Regel gefestigte Einstellungen und Präferenzen, so dass Konsumenten tendenziell in eher geringem Maße zu externer Informationsaufnahme in Bezug auf den Marktführer bereit sind. Nur über externe Informationsaufnahme lassen sich aber bestehende Kognitionen verändern. Durch leicht inkonsistent gestaltete vergleichende Werbebotschaften kann der Marktführer die aktive Informationssuche der Konsumenten fördern. Vergleichende Werbung ist (überwiegend) sachlich zu gestalten und dürfte zu kognitiver beziehungsweise analytischer Informationsverarbeitung durch die Konsumenten führen. Diese Form der Informationsverarbeitung wird durch eine Präsentation der vergleichenden Informationen in Matrixform begünstigt. Wählt der Marktführer in seiner vergleichenden Werbung eine Vergleichsmarke, die der Konsument als leicht unähnlich wahrnimmt, ist von einer höheren "elaboration" der Konsumenten und damit von einer höheren Chance, gefestigte Einstellungen der Konsumenten zu verändern, auszugehen. Verbesserte Informationsspeicherung dürfte nicht im Fokus der Werbeanstrengungen des Marktführers stehen, der in der Regel bereits über hohe Erinnerungswerte verfügt.
4.4.7
Konative Prozesse
Konative Prozesse stehen in Zusammenhang mit dem Kaufverhalten von Konsumenten. Sie sind von entscheidender Bedeutung, da Werbung letztlich nicht nur Aufmerksamkeit wecken oder erinnert werden, sondern auch verkaufen will.238 "Purchase is the 'ultimate persuasion' of advertising." 239 Die Abgrenzung ist hier allerdings nicht eindeutig. So untersuchen einige Autoren im Rahmen der konativen Prozesse die Kaufabsicht ("purchase intention"), während andere den tatsächlichen Kauf ("actual sales") als Folge vergleichender Werbemaßnahmen betrachten. 238 239
Vgl. Cho (1995), S. 143 f. Barry (1993), S. 345
- 210 Die Ergebnisse der Studien sind ebenfalls uneinheitlich: "Some findings are positive, but others are negative or show null effects." 240 Diese Uneinheitlichkeit ist neben der bereits dargestellten Vielfalt der Forschungsdesigns241 insbesondere darauf zurückzuführen, dass in Testsituationen häufig nur ein einmaliger Kontakt mit der Werbebotschaft erfolgt. Es ist aber kaum zu erwarten, dass dieser Kontakt bereits zu Kaufintentionen, geschweige denn zu tatsächlichen Käufen führt.242 Dies gilt insbesondere dann, wenn gefestigte Einstellungen und Präferenzen der Konsumenten bestehen, was beim Marktführer der Fall ist. Studien, die sich mit der Verhaltensabsicht 243 in Zusammenhang mit vergleichender Werbung beschäftigen, sind wesentlich zahlreicher als Studien, die den tatsächlichen Kauf 244 berücksichtigen, da die Kaufabsicht leichter zu ermitteln ist, und tatsächliche Käufe ausschließlich im Rahmen von Feldversuchen untersucht werden können. Zwischen dem Werbekontakt und dem Verhalten liegt darüber hinaus in der Regel ein bestimmter Zeitraum, in dem zahlreiche nicht kontrollierbare Faktoren das Verhalten beeinflussen. Daher wird die Kaufabsicht in der Regel direkt nach dem Werbekontakt gemessen.245 Mayer/Illmann gehen davon aus, "dass die Relationen zwischen der Kaufabsicht und Kaufverhalten zwar vorhanden sind, sich aber nach den überwiegenden Erfahrungen nicht allzu eng gestalten." 246 Steffenhagen zufolge ist es "ein theoretisch gewagter und fragwürdiger Schritt",247 finales Verhalten als Wirkung der Werbung zu interpretieren. Er argumentiert, dass Werbung nicht verkaufen, sondern höchstens "vorverkaufen" kann und kritisiert die mangelnde Zurechnungsvalidität: Kaufverhalten ist neben der Werbung von einer Vielzahl weiterer Einflussgrößen abhängig. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht dies noch einmal grafisch (vgl. Abbildung 34).
240
Cho (1995), S. 16 Vgl. Abbildung 17 242 Vgl. Cho (1995), S. 143 243 Vgl. u.a. Pechmann/Stewart (1991) 244 Vgl. u.a. Demirdjian (1983) 245 Vgl. Kearsley (1996), S. 98 246 Mayer/Illmann (2000), S. 671 247 Steffenhagen (2000), S. 220 241
- 211 -
Beratung in der Kaufsituation
Kauferleichternder Service Warenverfügbarkeit und -präsentation
Preise
Kaufverhalten Zufällige Ereignisse
Lethargie
Gedächtnisinhalte Gemachte Erfahrungen
der Werbeadressaten
(Probierkäufe oder Produktproben)
-
Werbeawareness Markenbekanntheit Einstellungen ...
Empfehlungen/ Demonstrativer Konsum/ Soziale Normen
Werbung
Quelle: Steffenhagen (2000), S. 221
Abbildung 34: Einflussgrößen auf das Kaufverhalten
In diesem Zusammenhang weist Rams darauf hin, dass ein Widerspruch zwischen Verhaltensabsicht und Verhalten im Mobilfunkbereich durch vertragliche Bindungen begründet sein kann, die das Verhalten der Konsumenten zumindest temporär einschränken.248 Als Beispiel sei hier die in der Regel zweijährige Bindungsfrist im Postpaid-Bereich genannt. Mit Moser ist zusammenfassend festzuhalten, dass ein "weiter Weg" 249 zwischen einer Einstellung und dem entsprechenden Verhalten liegt. Es erscheint daher zweckmäßig, die konativen Prozesse nicht auf den tatsächlichen Kauf zu beschränken. Die Verhaltensintention ist vielmehr breiter zu fassen und als Bereitschaft zu sehen, bestimmte Handlungen auszuführen. Neben der Kaufbereitschaft muss sie sich auch auf die Absicht beziehen, nach weiteren, mit dem beworbenen Produkt in Zusammenhang stehenden Informationen zu suchen.250 Müller zählt zu den Werbewirkungen im Sinne finaler Verhaltensreaktionen auch das Beeinflussungsverhalten und integriert damit das im Rahmen dieser Untersuchung wichtige Word-of-MouthAdvertising von Bestandskunden.251
248
Vgl. Rams (2001), S. 149 f. Moser (2002), S. 148 250 Vgl. Kearsley (1996), S. 98 251 Vgl. Müller (1994), S. 8 249
- 212 In der Literatur wird davon ausgegangen, dass die Beziehungen zwischen Einstellungen und Verhalten durch verschiedene Faktoren moderiert werden.252 Dazu zählt neben situativen Bedingungen auch die Art der Einstellung: Je stabiler und spezifischer Einstellungen sind, desto eher ermöglichen sie einen Rückschluss auf das Verhalten. Darüber hinaus sind Persönlichkeitsfaktoren sowie das Involvement zu berücksichtigen: Bei geringem Involvement ist ein Rückschluss von Einstellungen auf Verhalten kaum möglich. Foscht/Swoboda weisen darauf hin, dass Einstellungen nur verhaltenswirksam werden, wenn das Verhalten kognitiv gesteuert wird.253 Priester et al. argumentieren ähnlich: "…thoughtfully formed or changed attitudes (i.e. those attitudes that are the result of elaboration) are more likely to guide behavior than nonthoughtfully formed or changed attitudes." 254 Damit ist davon auszugehen, dass die Verhaltenswirksamkeit eher bei limitierten beziehungsweise extensiven Kaufentscheidungen als bei habituellen oder impulsiven Käufen gegeben ist. In der vorliegenden Untersuchung wurde deutlich, dass im Mobilfunk limitierte bis extensive Kaufentscheidungen getroffen werden. 255 Gegenüber dem Marktführer bestehen in der Regel gefestigte Einstellungen und Präferenzen, so dass hier ein Rückschluss von den Einstellungen auf das Verhalten grundsätzlich möglich sein dürfte. Das Involvement gegenüber dem Marktführer und seinen Werbebotschaften ist tendenziell hoch, so dass dieser Faktor ebenfalls eine stabile Beziehung zwischen Einstellung und Verhalten begünstigt. Des Weiteren dürfte die Glaubwürdigkeit eine entscheidende Rolle spielen. Zu diesem Ergebnis kamen Gotlieb/Sarel in ihrer Studie,256 und auch Campbell stellt fest: "Purchase intentions decrease as inferences of manipulative intent increase." 257 Dem Marktführer werden tendenziell eher manipulative Absichten unterstellt als neuen, unbekannten Marktakteuren.258 Wiltinger/Barth postulieren: "Das Involvement vergleichender Werbung kann durch den Einsatz vergleichender Werbung erhöht werden. Das Ergebnis einer Erhöhung des Involvement ist aktive Informationssuche, Informationsverarbeitung über den zentralen Weg und damit auch bessere Produktkenntnisse bei den Konsumenten sowie eine bessere Einstellung gegenüber dem
252
Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 175 ff. Vgl. Foscht/Swoboda (2005), S. 124 254 Priester et al. (2004), S. 116 255 Vgl. Kapitel 3.1.2 256 Vgl. Gotlieb/Sarel (1991), S. 42 ff. 257 Campbell (1995), S. 236 258 Vgl. Kapitel 4.3.3 253
- 213 beworbenen Produkt, die in eine höhere Purchase Intention münden." 259 Dieser Argumentation kann hier nicht gefolgt werden. Gegenüber dem Marktführer bestehen zwar gefestigte, aber nicht zwangsläufig positive Einstellungen, so dass keineswegs von einer höheren Kaufabsicht als unmittelbare Folge vergleichender Werbung auszugehen ist. Anzunehmen ist allerdings, dass durch vergleichende Werbung des Marktführers die Bereitschaft der Konsumenten zur externen Informationssuche gefördert wird (H16), wobei dies insbesondere dann der Fall ist, wenn leicht inkonsistente Werbebotschaften übermittelt werden (H13). Die limitierte Kaufentscheidung im Mobilfunk wird damit durch vergleichende Werbung in Richtung einer extensiven Kaufentscheidung verlängert.260 Darüber hinaus werden Bestandskunden Argumente im Hinblick auf die Überzeugung weiterer Kunden an die Hand gegeben.261 Legt man die oben definierte und vergleichsweise weit gefasste Verhaltensintention zugrunde, ist damit von positiven Wirkungen auf das Informations- und Beeinflussungsverhalten der Konsumenten durch vergleichende Werbung des Marktführers auszugehen. Ein direkter Rückschluss auf tatsächliches Kaufverhalten erscheint dagegen nicht möglich.
4.5
Zwischenfazit
Zentrales Werbeziel auch der vergleichenden Werbung des Marktführers ist die (nur indirekt mögliche) Verhaltensbeeinflussung der Konsumenten. Die Darstellung von Grundmodellen, Theorien und Determinanten des Konsumentenverhaltens sowie ihre Anwendung auf den Untersuchungsgegenstand führten zu folgenden zentralen Ergebnissen: Vergleichende Werbung erhält im Gegensatz zu nicht vergleichender Werbung mehr Aufmerksamkeit, erzeugt allerdings auch in höherem Maße kognitive Dissonanzen. Ihr wird höheres Involvement entgegengebracht, "elaboration" und Erinnerung sind höher. Die Glaubwürdigkeit ist allerdings geringer. Die genannten Effekte verstärken sich, wenn der Marktführer vergleichend wirbt. Das gilt insbesondere für die Glaubwürdigkeit, die in der Gestaltung der vergleichenden Werbebotschaft des Marktführers daher eine entscheidende Rolle spielen muss. Bei den anderen Konstrukten ergeben sich dagegen Chancen und Risiken für den Marktführer, die 259
Wiltinger/Barth (2003), S. 204 Vgl. Kearsley (1996), S. 180 261 Vgl. Kapitel 5.3.3 260
- 214 insgesamt polarisierend wirken: Die höhere Aufmerksamkeit führt tendenziell zu höherem Involvement und "elaboration": Konsumenten setzen sich stärker mit der Werbebotschaft auseinander, so dass einerseits die Erinnerung an die Botschaft steigt, aber auch verstärkt kognitive Dissonanzen entstehen. Diese können allerdings auch aktiv durch den Marktführer hervorgerufen werden, da sie das Aufbrechen gefestigter Einstellungen fördern. Moderierend wirken sich hier individuelle Faktoren wie insbesondere Vorwissen und Präferenzen der Konsumenten aus. Nachfolgend werden die Ergebnisse noch einmal grafisch zusammengefasst (vgl. Abbildung 35).
Werbung
vergleichende Werbung des Marktführers
vergleichende Werbung
Aufmerksamkeit
Kognitive Dissonanzen
Involvement
Elaboration
Erinnerung
Glaubwürdigkeit
Quelle: eigene Darstellung
Abbildung 35: Wirkungen vergleichender Werbung (des Marktführers)
Als Ergebnis der Auseinandersetzung mit den theoretischen Grundlagen zum Konsumentenverhalten und der Ableitung von Implikationen für vergleichende Werbung
des
Marktführers
wurden
die
nachfolgend
Forschungshypothesen aufgestellt (vgl. Abbildung 36).
zusammengefassten
- 215 -
Forschungsthematik
Forschungshypothese
HDissonanz
Durch gezielte Verunsicherung über vergleichende Werbung kann der Marktführer ihm gegenüber bestehende gefestigte Einstellungen der Konsumenten aufbrechen. (H7)
HRisiko
Der Marktführer kann mit vergleichender Werbung Konsumenten in ihrer Wahrnehmung "Marktführer gleich relativ geringes Risiko gegenüber Vergleichsprodukten" bestärken. (H8)
HEquity
Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer signalisieren, dass seinem (höheren) Preis echte Nutzenvorteile für die Konsumenten gegenüberstehen. (H9)
HAttribuierung
Die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers kann durch Verweis auf Mehrheitsurteile (H10a), auf Testergebnisse (H10b) sowie durch zweiseitige Argumentation (H10c) erhöht werden.
HVorwissen
Die Bereitschaft der Konsumenten, vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, ist aufgrund ihres hohen Vorwissens gering. (H11)
HReaktanz
Vergleichende Werbung des Marktführers muss explizite Schlussfolgerungen vermeiden. (H12)
HEinstellungen
Zu den bisherigen Einstellungen der Konsumenten leicht inkonsistente vergleichende Werbebotschaften des Marktführers fördern die "elaboration" der Konsumenten. (H13)
HInvolvement
Vergleichende Werbung des Marktführers muss sachlich gestaltet sein. (H14)
HGlaubwürdigkeit
Vergleichende Werbung des Marktführers muss glaubwürdig gestaltet sein. (H15)
HInformationsaufnahme
Durch im Vergleich zu bisherigen Einstellungen des Konsumenten leicht inkonsistente vergleichende Werbebotschaften des Marktführers wird der Konsument zu aktiver externer Informationssuche angeregt. (H16)
HInformationsverarbeitung
Bezieht sich der Marktführer in seiner vergleichenden Werbung auf eine Vergleichsmarke, die der Konsument als leicht unähnlich wahrnimmt, kann er damit die "elaboration" der Konsumenten fördern. (H17)
Abbildung 36: Forschungshypothesen aus theoretischen Grundlagen
- 216 -
5
Vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt
Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt wird aus Konsumentensicht charakterisiert. Die bestehende sowie die angestrebte Wahrnehmung der Konsumenten sind für die Festlegung der Werbeziele entscheidend, die der Marktführer mit Hilfe vergleichender Werbung verfolgt. Die Identifizierung von Werbeobjekten und Werbesubjekten ist Voraussetzung für die Determinierung der Werbestrategien, die auf der Positionierung des Marktführers im Vergleich zu Wettbewerbern und damit auf Assoziierung beziehungsweise Differenzierung basieren und die Grundlage für die inhaltliche Ausgestaltung der Werbebotschaft bilden. Dieser Inhalt der Werbebotschaft steht in engem Zusammenhang mit der Wahl der Werbeträger als "Transportmittel" der Werbebotschaft auf Basis der spezifischen Chancen und Risiken für den Marktführer. Das Werbeumfeld sowie insbesondere der Werbekontext sind zwar durch den Marktführer nur in begrenztem Umfang zu beeinflussen, für ihn aber von entscheidender Bedeutung. Die Wirkung seiner vergleichenden Werbebotschaften hängt in hohem Maße davon ab, ob er aktiv oder reaktiv wirbt.
- 218 5.1
Einführung
Im deutschen Mobilfunkmarkt ist T-Mobile das Unternehmen mit dem größten nach Kundenzahlen gemessenen Marktanteil und gleichzeitig dem höchsten Bekanntheitsgrad. Das Unternehmen sieht sich besonders gefestigten Einstellungen und Präferenzen der Konsumenten gegenüber, die auch darauf zurückzuführen sind, dass es die Tochtergesellschaft eines ehemaligen Monopolunternehmens ist. T-Mobile nimmt darüber hinaus eine "führende Stellung in den Köpfen der Konsumenten" 1 ein und ist damit als marktführend im Sinne dieser Untersuchung2 zu betrachten. Vodafone lässt sich mit nahezu identischen Kundenzahlen ebenfalls als marktführend bezeichnen, wenn man berücksichtigt, dass beide Unternehmen in der Presse als "altbewährte Marken" 3 bezeichnet und von den "Herausforderern" beziehungsweise "Verfolgern" E-Plus und O2 abgegrenzt werden.4 Das Image von T-Mobile wird auch von der Muttergesellschaft geprägt, die verschiedene Assoziationsstränge auslöst: Die Deutsche Telekom gilt als ehemaliger Monopolist als kompetent und erfahren, allerdings auch als bieder, altmodisch sowie wenig innovativ.5 Darüber hinaus wird das Großunternehmen unter anderem mit Schwerfälligkeit sowie hohen Preisen, aber auch mit hohen Kundenzahlen ("sichere Wahl") und Solidität in Verbindung gebracht und in der Presse häufig als "Rosa Riese" oder "Platzhirsch" 6 tituliert. Diese gefestigte Wahrnehmung ist für die nachfolgend darzustellenden Werbeziele und Werbestrategien sowie für die Werbeträger und Werbemittel, die im Rahmen vergleichender Werbung des Marktführers eingesetzt werden, von entscheidender Bedeutung. Die Untersuchung ihrer Beeinflussung erfolgt vor dem Hintergrund der mit dem Instrument der vergleichenden Werbung verbundenen Chancen und Risiken für den Marktführer.7
1
Vgl. Kapitel 3.3.2 Vgl. Kapitel 3.3.3 3 Vgl. App (2007), S. 24 4 Vgl. Kapitel 2.1.2 5 Vgl. Dohmen (2007), S. 21 6 Krempl (2006), S. 7; Faust (2006), S. 10; Lütge (2007), S. 28 7 Vgl. Kapitel 3.5.2 2
- 219 5.2
Werbeziele
Ziele lassen sich als angestrebte zukünftige Zustände (Sollzustände) oder Entwicklungen kennzeichnen.8 Die Identifizierung von Werbezielen, die der Marktführer im Mobilfunk mit vergleichender Werbung erreichen kann, erfolgt auf Basis der Werbesubjekte und der Werbeobjekte. Die Werbesubjekte sind insbesondere in Bestandskunden sowie Kunden von Wettbewerbern zu gliedern. Bei den Werbeobjekten stehen Preis und Leistung im Mittelpunkt der Untersuchung.
5.2.1
Begriff und Bedeutung
Werbung ist nur dann erfolgreich, wenn sie sowohl die Ziele des Werbetreibenden als auch die der Rezipienten erfüllt.9 Es ist allerdings davon auszugehen, dass insbesondere vergleichende Werbung des Marktführers darauf abzielt, Einstellungen der Konsumenten zu verändern, während diese ihre Einstellungssysteme konsistent halten wollen. Damit wird ein bereits dargestelltes Spannungsfeld deutlich (vgl. Abbildung 31). Werbezielen kommt zum einen eine Steuerungsfunktion zu, da sämtliche Werbeaktivitäten auf die Erreichung der festgelegten Werbeziele auszurichten sind, zum anderen aber auch eine Kontrollfunktion, da sie Maßgröße für die spätere Erfolgskontrolle sind.10 "Eine Werbeerfolgskontrolle ist nur dann sinnvoll durchzuführen, wenn vorher operationale Werbeziele definiert wurden." 11 Schmidt zufolge liegt es nahe, aufgrund der in der Werbeerfolgskontrolle gängigen Trennung zwischen ökonomischen und außerökonomischen Faktoren auch zwischen ökonomischen und außerökonomischen Zielen zu differenzieren.12 Ökonomische Ziele wie absolute oder relative Steigerung von Umsatz, Gewinn oder Marktanteil enthalten allerdings kaum Anhaltspunkte in Bezug auf die zu verfolgende Werbestrategie.13 Darüber hinaus ist in der Regel keine direkte Zuordnung zwischen diesen ökonomischen Größen und bestimmten Werbemaßnahmen möglich, da die ökonomischen Größen durch eine Vielzahl weiterer Faktoren, wie beispielsweise der Wettbewerbs-
8
Vgl. Rogge (2004), S. 51 Vgl. Kloss (2003), S. 8 10 Vgl. Bruhn (2007), S. 205 11 Kloss (2003), S. 246 12 Vgl. Schmidt (2004), S. 95 13 Vgl. Schweiger/Schrattenecker (2005), S. 169 9
- 220 situation, bestimmt werden.14 Burger King Deutschland führte zwar einen Umsatzanstieg im Jahr 1998 von 28 % im Wesentlichen auf den "punktgenauen Einsatz vergleichender Werbung" zurück,15 grundsätzlich dürfte aber vergleichende Werbung kaum geeignet sein, eher abstrakte ökonomische Werbeziele direkt zu erreichen. Besser geeignet scheinen außerökonomische Ziele, die auch als "vorökonomische",16 "psychologische" 17 oder "kommunikative" 18 Ziele bezeichnet werden. "Kommunikative Ziele verfolgen … die Steigerung von Aktualität und Bekanntheit, den Aufbau emotionaler Erlebniswelten, die Differenzierung von der Konkurrenz, den Aufbau und die Absicherung von Markenimages oder einfach Vermittlung von Information." 19
5.2.2
Affektive, kognitive und konative Werbeziele
Bruhn nimmt eine Trennung in affektive, kognitive und konative Werbeziele20 vor und orientiert sich dabei offensichtlich an den im Rahmen dieser Untersuchung21 bereits dargestellten Kriterien der Werbewirkung. Die Analyse der aktivierenden, kognitiven und konativen Prozesse des Konsumentenverhaltens hat gezeigt, dass vergleichende Werbung des Marktführers hier sowohl klare Chancen als auch spezifische Risiken bietet, so dass auf die entsprechenden Untersuchungsergebnisse22 verwiesen werden kann. Kroeber-Riel/Weinberg zufolge lautet bei hohem Involvement, von dem sowohl in Bezug auf den Marktführer im Mobilfunk als auch in Bezug auf das Mobilfunkprodukt auszugehen ist, das Werbeziel "Überzeugen"; bei niedrigem Involvement steht dagegen "Gefallen" im Vordergrund.23 Wichtiges affektives Werbeziel des Marktführers ist in diesem Zusammenhang die Beeinflussung von Einstellungen der Konsumenten. Hier bietet sich mit glaubwürdiger vergleichender Werbung die Chance, das gefestigte "Teuer-Image" des Marktführers im Mobilfunk aufzubrechen. Als kognitives Werbeziel des Marktführers sei die Kenntnis 14
Vgl. Schmidt (2004), S. 95 f. Vgl. o.V. (1999), S. 9 16 Gierl/Praxmarer (1998), S. 25 17 Sander (2004), S. 554 18 Schmidt (2004), S. 95 19 Schmidt (2004), S. 96 20 Vgl. Bruhn (2007), S. 205 21 Vgl. Kapitel 3.2.6.2 22 Vgl. Kapitel 4.4 23 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 372 15
- 221 der Produkteigenschaften genannt. Mit informativer vergleichender Werbung kann eine Repositionierung der Marke im Wahrnehmungsraum der Konsumenten erfolgen. So kann der Marktführer im Mobilfunk seine Preiswürdigkeit betonen. Zu den konativen Werbezielen gehören die Informationseinholung und -vertiefung. Das hohe Vorwissen in Bezug auf den Marktführer im deutschen Mobilfunk senkt allerdings die Bereitschaft der Konsumenten zur Informationsaufnahme und externen Informationssuche. Diese Bereitschaft kann durch vergleichende Werbung gefördert werden. Die detaillierte Analyse der Werbestrategien, die der Marktführer im Mobilfunk mit Hilfe vergleichender Werbung Erfolg versprechend verfolgen kann, setzt eine Abgrenzung der Werbeobjekte und Werbesubjekte voraus.
5.2.3
Werbeobjekte und Werbesubjekte
Werbeobjekte bringen zum Ausdruck, was beworben werden soll. Dabei kann es sich insbesondere um Produkte beziehungsweise Dienstleistungen oder das Unternehmen handeln.24 Auf dieser Grundlage erfolgt anschließend eine weitere Spezifizierung. Für den Marktführer im Mobilfunk dürften sich insbesondere der Preis und die Leistung für die Darstellung im Rahmen vergleichender Werbung eignen, die zahlenbasiert und damit besonders glaubwürdig beworben werden können. Unternehmenswerbung in Form von Imagewerbung erscheint weniger geeignet, da bei der entsprechenden
Informationsverarbeitung
der
Konsumenten
keine
kognitiven
Prozesse dominieren, so dass hier eine eher emotionale Ansprache der Kunden Erfolg verspricht.25 Allerdings ist vergleichende Werbung als taktisches Werbeinstrument in das gesamte Werbekonzept des Marktführers einzubinden. Der Marktführer im Mobilfunk wird im Gegensatz zu neuen, unbekannten Marktakteuren grundsätzlich Imagewerbung zum Erhalt des dem Verschleiß unterliegenden Goodwill betreiben.26 Ein konsistenter Werbeauftritt setzt integrierte Kommunikation, definiert als "zielgerichtete Koordination und Abstimmung aller Kommunikationsmaßnahmen",27 voraus. KNSK et al. stellen in diesem Zusammenhang fest: "Der Stil des Vergleichs qualifiziert das Image … Auch vergleichende Werbung ist für das Bild der
24
Vgl. Schneider (2006), S. 334 Vgl. Wiltinger (2002), S. 286 26 Vgl. Kapitel 3.2.7.1 27 Becker (1998), S. 581 25
- 222 Marke entscheidend mitverantwortlich." 28 Mit vergleichender Leistungswerbung kann der Marktführer im Mobilfunk eine Differenzierung von Wettbewerbern erreichen. Als Beispiel seien zunächst Innovationen genannt. Konsumenten erwarten von einem Marktführer, der eine Orientierungsfunktion übernimmt, ein hohes Innovationstempo.29 "Innovationen sind ein erheblicher Teil wahrgenommener Leistungsgeschichte … Immer wieder der Erste zu sein und einen Markt technisch voranzutreiben, verschafft einer Marke Respekt und Anerkennung." 30 Innovationen lassen sich besonders gut über vergleichende Werbung kommunizieren. Insbesondere durch tabellarische Darstellungen wird deutlich, welche Innovationen der Marktführer im Gegensatz zu Mitbewerbern anbietet. Auf Grundlage der Attributionstheorie31 ist davon auszugehen, dass Konsumenten bei der Kommunikation neuer Leistungen eher annehmen, dass der Marktführer sie (auch) informieren will, während sie bei Werbung für etablierte Leistungen häufig vermuten, dass er in erster Linie seine "Pfründe" verteidigen will. Die Darstellung von Innovationen mit Hilfe vergleichender Werbung dürfte für den Marktführer im Mobilfunk daher besonders Erfolg versprechend sein. Auch andere Leistungsmerkmale, wie beispielsweise die Qualität, können vergleichend beworben werden. So ist die Netzqualität erst im Vergleich mit entsprechenden Wettbewerberkenngrößen und damit als relativer Wert für den Konsumenten aussagefähig; darüber hinaus handelt es sich bei der Netzqualität um eine Erfahrungsguteigenschaft. Sie ist daher geeignet, das Unsicherheitsempfinden in Bezug auf die Leistung von Wettbewerbern zu erhöhen. Neben Innovationen lässt sich der Service des Marktführers im Mobilfunk im Rahmen vergleichender Werbung darstellen. Konsumenten erwarten von einem Marktführer hohe Präsenz. Diese kann der Marktführer im Mobilfunk betonen, indem er (vergleichend) auf seinen ausgebauten stationären Vertrieb hinweist. Die entsprechende Kennzahl ist zahlenbasiert und wirkt damit auf Konsumenten glaubwürdig.32 Auch andere Serviceelemente, wie beispielsweise Hotline oder Kundenversprechen, lassen sich vergleichend bewerben, da die Kommunikation der entsprechenden Angebote relativ einfach (tabellarisch) erfolgen kann, und die Abgrenzung von den Wettbewerbern für die Konsumenten unmittelbar ersichtlich ist. 28
KNSK et al. (1998) Vgl. Kapitel 3.4.3.1 30 Plüss (2005), S. 657 31 Vgl. Kapitel 4.3.3 32 Vgl. Kapitel 4.4.5 29
- 223 Die Marktgeltung kann der Marktführer im Mobilfunk ebenfalls über vergleichende Werbung betonen. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde deutlich, dass der Marktführer seine führende Position nicht explizit hervorheben sollte.33 Indirekt werden allerdings entsprechende Signale durch den Verweis auf hohe Kundenzahlen ("Konsens") und die damit für die Kunden verbundenen Vorteile glaubwürdig und nachvollziehbar übermittelt. Als Beispiel seien hier verbilligte Community-Gespräche genannt. Damit wird Marktführerschaft für den Konsumenten in Form positiver Netzexternalitäten "begreifbar" und führt zu einer eindeutigen Positionierung.34 Esch zufolge muss ein Werbetreibender sicherstellen, dass bei der verglichenen Eigenschaft eine langfristige Überlegenheit des eigenen Angebotes gegenüber Konkurrenzprodukten gewährleistet ist.35 Dieser Argumentation soll hier nicht gefolgt werden, da damit Preiswerbung im Mobilfunk ausgeschlossen wäre: Der Preis kann relativ schnell und leicht von Wettbewerbern imitiert werden. Es ist allerdings davon auszugehen, dass ein Verzicht auf Preiswerbung im Mobilfunk (derzeit) kaum möglich ist. Die Konsumenten sind äußerst preissensibel, und der Markt unterliegt dynamischen Veränderungen, so dass die Halbwertzeit von Tarifkenntnissen sehr kurz ist.36 Daher wird auch der Marktführer im Mobilfunk Preiswerbung betreiben, ohne allerdings die Preisführerschaft anzustreben. Der Preis ist für ihn vielmehr ein Differenzierungsfaktor, der "selbstbewusst eine höhere Leistung übersetzt".37 Damit wird auf H9 verwiesen: "Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer signalisieren, dass seinem (höheren) Preis echte Nutzenvorteile für die Konsumenten gegenüberstehen." Weder Preis- noch Leistungswerbung erscheinen für sich allein Erfolg versprechend für den Marktführer im Mobilfunk, so dass hier folgende Hypothese aufgestellt wird:
Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt muss vergleichende Werbung in Form kombinierter Preis- und Leistungswerbung einsetzen. (H18) Werbesubjekte sind die mit einer Kommunikationsbotschaft anzusprechenden Empfänger der Kommunikation, die auch als Zielgruppe bezeichnet werden.38 Die
33
Vgl. Kapitel 3.4.3.2 Vgl. Kapitel 3.4.3.1 35 Vgl. Esch (1998) S. 5 36 Vgl. Kapitel 2.2.1 37 Plüss (2005), S. 657 38 Vgl. Bruhn (2007), S. 207 34
- 224 Zielgruppenplanung erfolgt in drei Schritten: Nach der Identifizierung und Beschreibung der Zielgruppe wird ihre Erreichbarkeit über verschiedene Medien analysiert. Die nachfolgende Untersuchung folgt dieser von Bruhn vorgeschlagenen Gliederung.39 Die Werbesubjekte des Marktführers im Mobilfunk lassen sich grundsätzlich in Bestandskunden sowie Kunden von Wettbewerbern gliedern, da es kaum "echte" Neukunden gibt.40 Es ist davon auszugehen, dass vergleichende Werbung des Marktführers von beiden Kundengruppen registriert, aber unterschiedlich aufgenommen wird: "Naming a competing brand will tend to increase support arguments by users of the sponsoring brand and counterarguments by users of the competing brand." 41 Bei Kunden von Wettbewerbern besteht damit die Gefahr, dass sie auf vergleichende Werbung des Marktführers mit Counterarguing reagieren; allerdings bietet sich hier neben der fokussierten Darstellung der "Unique Selling Proposition" auch die in H7 zusammengefasste Chance: "Durch gezielte Verunsicherung über vergleichende Werbung kann der Marktführer ihm gegenüber bestehende gefestigte Einstellungen der Konsumenten aufbrechen." In der Literatur wird davon ausgegangen, dass sich insbesondere noch unbekannte Marken durch Anlehnung an den Marktführer über vergleichende Werbung positionieren.42 Der Marktführer kann aber ebenfalls eine (Re)Positionierung seiner Marke mit Hilfe dieses Gestaltungsinstrumentes erreichen, indem nach dem Prinzip der umgekehrten Anlehnung der Vergleich mit etablierten Marken gesucht wird, die von Konsumenten als "preisgünstig" eingestuft werden. Bestandskunden bilden für den Marktführer im Mobilfunk eine besonders wichtige Zielgruppe der (vergleichenden) Werbung. Der Marktführer verfügt über die größte "Community". Hierbei handelt es sich um einen entscheidenden, kurzfristig von Wettbewerbern nicht kopierbaren Wettbewerbsvorteil.43 Mit informativ gestalteter vergleichender Werbung bestätigt der Marktführer im Mobilfunk die durch den scharfen Wettbewerb und die hohe Marktdynamik häufig verunsicherten Bestandskunden44 in ihrer Entscheidung. Die Glaubwürdigkeit seiner Werbebotschaft dürfte hoch sein, das Counterarguing der Konsumenten dagegen gering. Darüber hinaus werden mögliche Nachkaufdissonanzen durch vergleichende Werbung gemindert, während das
39
Vgl. Bruhn (2007), S. 208 Vgl. Kapitel 2.1.1 41 Wilkie/Farris (1975), S. 14 42 Vgl. Wiltinger/Barth (2003), S. 204 43 Vgl. Stadie (2005), S. 50 44 Vgl. Kapitel 2.1.1 40
- 225 Unsicherheitsempfinden in Bezug auf Konkurrenzprodukte erhöht wird.45 Koehlers Befürchtung, vergleichende Werbung könne bereits überzeugte Konsumenten irritieren, erscheint unbegründet.46 Kearsley geht davon aus, dass direkte Werbevergleiche nicht geeignet sind, markentreue Kunden weiterhin an das eigene Angebot zu binden, da diese durch den Vergleich auf konkurrierende Marken aufmerksam gemacht werden.47 Dieser Argumentation wird hier nicht gefolgt: Die (neuen) Wettbewerber des Marktführers im Mobilfunk sind mehrheitlich (in ihren jeweiligen Marktsegmenten) etablierte Marken mit hoher Aufmerksamkeitswirkung und hohem Bekanntheitsgrad. Als Beispiel seien ALDI und Tchibo genannt. Vergleichende Werbung des Marktführers im Mobilfunk ist darüber hinaus geeignet, Weiterempfehlungen seiner Bestandskunden zu fördern, die diese Werbebotschaften als "Argumentationshilfe" nutzen können und eine Multiplikatorfunktion ausüben. Weiterempfehlungen sind für den Werbetreibenden nicht nur kostengünstig, sie besitzen für die Konsumenten auch eine hohe Glaubwürdigkeit48 und dienen bei Erfahrungsguteigenschaften
einer
Risikoreduktion.
Informative
vergleichende
Werbung unterstützt diese Weiterempfehlungen insbesondere dadurch, dass sie in ihrer (zweiseitigen) Argumentationsform dem in der Regel durch die Gegenüberstellung verschiedener positiver und negativer (Kauf-)Argumente gekennzeichneten Word-of-Mouth-Advertising ähnelt. Zusammenfassend werden damit folgende Hypothesen aufgestellt:
Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt Bestandskunden in ihrer Entscheidung für die Marke bestätigen (H19a) und ihnen Argumente im Hinblick auf die Überzeugung weiterer Kunden liefern. (H19b) Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt die Repositionierung der Marke unterstützen. (H19c)
45
Vgl. Schönborn (2005), S. 284; Muthukrishnan (1995), S. 107 Vgl. Koehler (1999), S. 159 47 Vgl. Kearsley (1996), S. 180 48 Vgl. Turnbull (2000), S. 147 46
- 226 5.2.4
Zwischenfazit
Inwieweit vergleichende Werbung für den Marktführer im Mobilfunk als Chance anzusehen ist, hängt in hohem Maße von den verfolgten Werbezielen ab. Vergleichende Werbung erweist sich für Leistungswerbung eher geeignet als für Imagewerbung. Insbesondere Innovationen, Qualität, Service und Preis lassen sich Erfolg versprechend bewerben. Die Marktgeltung kann ebenfalls über vergleichende Werbebotschaften hervorgehoben werden, sofern dies indirekt erfolgt und den Konsumenten entsprechende Vorteile verdeutlicht werden. Vergleichende Werbung des Marktführers im Mobilfunk ist geeignet, Bestandskunden in ihrer Kaufentscheidung zu bestätigen, ihnen Argumente für die Überzeugung weiterer Kunden zu übermitteln sowie ihr Unsicherheitsempfinden in Bezug auf Konkurrenzprodukte zu erhöhen. Darüber hinaus kann der Marktführer mit Hilfe dieser Werbeform eine Repositionierung seiner Marke unterstützen, gefestigte Einstellungen verändern und seine "Unique Selling Proposition" pointiert darstellen. Girard ist allerdings zuzustimmen, wenn er Grenzen dieses taktischen Instrumentes aufzeigt: "Cela permet à un moment de se mesurer, cela ne permet pas de construire une relation de fidélité et d'attachement à la marque." 49 Mit vergleichender Werbung können Kundenbindung und Markentreue gegebenenfalls verstärkt, keineswegs aber aufgebaut werden.
5.3
Werbestrategien
Werbestrategien lassen sich Schmidt zufolge als Mittel und Wege kennzeichnen, mit denen die Werbeziele eines Unternehmens erreicht werden sollen.50 Sie sind eng mit der Positionierung des Unternehmens verknüpft.51 Der Marktführer im Mobilfunk kann vergleichende Werbung in Abhängigkeit vom jeweiligen Werbeobjekt über eine Assoziierungs- beziehungsweise Differenzierungsstrategie Erfolg versprechend einsetzen. Informations- und Animationsnutzen für den Konsumenten determinieren die Gestaltung der Werbebotschaft.
49
Girard (2003), S. 20 Vgl. Schmidt (2004), S. 91 51 Vgl. Kapitel 3.3.2 50
- 227 5.3.1
Assoziierung und Differenzierung
Der Marktführer im Mobilfunk, der mit informativer vergleichender Werbung darauf abzielt, die Markenwahrnehmung ("Teuer-Image") zu verändern und gleichzeitig Bestandskunden in ihrer Kaufentscheidung zu bestätigen, setzt eine kombinierte Preis- und Leistungswerbung ein (vgl. H18). Durch die Assoziierungsstrategie erfolgt in der Preiswerbung eine Anlehnung, beispielsweise an das Image von bekannten Handelsunternehmen mit ihrem aus Kundensicht guten Preis-Leistungsverhältnis. "Association strategies … can be used for attributes on which consumers perceive the sponsored brand to be weaker, when in fact it is at parity or better." 52 Die Glaubwürdigkeit der Preiswerbung des Marktführers dürfte durch den Vergleich mit etablierten Marken, die bereits eine breite Verkehrsgeltung erreicht haben, gesteigert werden.53 Die Leistung wird der Marktführer im Mobilfunk dagegen im Rahmen einer Differenzierungsstrategie bewerben: Hier stehen die Abgrenzung von sämtlichen Mitbewerbern und die Betonung des "Unique Selling Proposition" im Vordergrund. "Particularly for brand differentiation strategies, comparison advertising can be used to isolate and stress 'determinant' attributes." 54 Damit werden folgende Hypothesen aufgestellt:
Im Preiswettbewerb verfolgt der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt mit vergleichender Werbung eine Assoziierungsstrategie. (H20a) Im Leistungswettbewerb verfolgt der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt mit vergleichender Werbung eine Differenzierungsstrategie. (H20b)
5.3.2
Gestaltung der Werbebotschaft
Rost zufolge dient die Gestaltung dem ganzheitlichen (hermeneutischen) "Begreifen" der Botschaft. Er warnt vor der Gefahr der "Übergestaltung, einer gestalterischen Intellektualisierung der Botschaft, die das Begreifen sogar erschweren kann." 55 Diese Gefahr dürfte bei vergleichender Werbung, die in der Regel eine höhere
52
Wilkie/Farris (1975), S. 13 Vgl. Bauer et al. (2003), S. 233 54 Wilkie/Farris (1975), S. 13 55 Rost (1994), S. 3 53
- 228 Komplexität aufweist als nicht vergleichende Werbung, grundsätzlich gegeben sein; sie ist allerdings noch größer, wenn der Marktführer vergleichend wirbt, da er gefestigte Einstellungen und Präferenzen aufbrechen muss und daher Werbebotschaften einsetzt, die zu bisherigen Kognitionen der Konsumenten leicht inkonsistent sind und zu höherer "elaboration" führen (vgl. H13). Die Gestaltung der Werbebotschaft erfolgt auf der Grundlage der Sozialtechnik, definiert als "systematische Anwendung von sozialwissenschaftlichen oder verhaltenswissenschaftlichen Gesetzmäßigkeiten zur Gestaltung der sozialen Umwelt, insbesondere zur Beeinflussung von Menschen." 56 Mit Kroeber-Riel/Esch lassen sich fünf sozialtechnische Regeln unterscheiden: Kontakt herstellen, Aufnahme der Kommunikationsbotschaft sichern, Emotionen vermitteln, Verständnis erreichen und im Gedächtnis verankern.57 Sie weisen darauf hin, dass sich mit den Forschungserkenntnissen zur Gestaltung wirksamer Werbung ganze Bibliotheken füllen lassen.58 Auch Mäßen geht davon aus, "dass eine lückenlose Auflistung sämtlicher Werbemittelgestaltungselemente sowie eine Aufdeckung möglicher Interaktionseffekte der Gestaltungselemente untereinander ein kaum lösbares Vorhaben darstellt." 59 Rost ist jedenfalls zuzustimmen, wenn er fordert: "So viel Erstmaligkeit wie möglich und so viel Bestätigung wie nötig. Ist dieses Verhältnis unausgewogen, wirkt der Inhalt der Botschaft höchst unterschiedlich: Wer zuviel Bestätigung bringt, langweilt sein Publikum. Wer zuviel Erstmaliges anbietet, wirkt häufig unverständlich." 60 Da beim Marktführer im Mobilfunk von einem hohen Vorwissen der Konsumenten auszugehen ist, muss hier "Erstmaligkeit" deutlich werden. Die Beantwortung der Frage, was unter einer wirksam gestalteten Werbebotschaft zu verstehen ist, hängt in hohem Maße von den Zielen ab, die mit der Werbung erreicht werden sollen. Da das Ziel vergleichender Werbung des Marktführers im Mobilfunk zum einen darin besteht, Bestandskunden in ihrer Entscheidung zu bestätigen und ihnen Argumente für Weiterempfehlungen zu liefern, und zum anderen Kunden von Wettbewerbern veranlasst werden sollen, ihre Einstellungen zu verändern, muss die Werbebotschaft so gestaltet sein, dass sie informiert und überzeugt. Bruhn unterscheidet zwischen zwei Gestaltungsstrategien der Werbebotschaft, die er als "grundsätzlich verschieden" kennzeichnet: Rein informative und argumentative Gestaltung, die auf eine sachliche und rationale 56
Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 135 Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 169 ff. 58 Vgl. Kroeber-Riel/Esch (2004), S. 135 59 Mäßen (1998), S. 63 60 Rost (1994), S. 3 57
- 229 Überzeugung insbesondere bei extensiven Kaufentscheidungen abzielt, wird von psychologischer Gestaltung der Werbebotschaft für eher gering involvierte Konsumenten abgegrenzt. Für letztere seien beispielsweise Emotionen und Humor kennzeichnend.61 Diese scharfe Abgrenzung zwischen verschiedenen Gestaltungsstrategien wird hier nicht vorgenommen. Es wird vielmehr postuliert, dass sich Humor und Information nicht ausschließen, sondern ebenso ergänzen wie Informationsnutzen und Animationsnutzen der Werbung.62 Kroeber-Riel/Weinberg ist allerdings zuzustimmen, wenn sie erklären, dass bei hohem Involvement, von dem beim Marktführer im Mobilfunk auszugehen ist, Argumente und das Mittel der Sprache im Vordergrund stehen müssen.63 Trommsdorff argumentiert ähnlich, wenn er annimmt, dass die Botschaft bei hohem Involvement ausführlich sein muss, Sprache wichtiger als Bilder oder Musik ist, und sachliche Argumente Vorrang vor affektiven Reizen haben müssen.64 Die analytische Informationsverarbeitung der Konsumenten wird durch "cues" wie die Darstellung der Argumente in Matrixform, zahlenbasierte Informationen sowie den Verzicht auf die Erzeugung von Stimmungen oder Gefühlen begünstigt.65 Damit fördert der Marktführer gleichzeitig die Glaubwürdigkeit seiner vergleichenden Werbebotschaften. Weiter gesteigert wird diese Glaubwürdigkeit durch zweiseitige Argumentation, den Verweis auf Mehrheitsurteile und Testergebnisse (vgl. H10) sowie den Verzicht auf explizite Schlussfolgerungen (vgl. H12). Bei der Gestaltung der vergleichenden Werbebotschaft steht der Marktführer im Mobilfunk allerdings vor einem Dilemma: Einerseits wird vergleichende Werbung des Marktführers von Konsumenten häufig als aggressiv und herabsetzend empfunden, andererseits muss sie besondere Anreize zur Informationsverarbeitung bieten, da die Bereitschaft der Konsumenten, vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, aufgrund ihres hohes Vorwissens gering ist (vgl. H11). Leicht inkonsistent gestaltete Werbebotschaften fördern diese Bereitschaft (vgl. H13 und H16), sie wirken aber nicht der Einschätzung der Konsumenten entgegen, der Marktführer ziele mit seiner Werbung nur auf die Ausschaltung der Konkurrenz ab.66 Humor lässt sich als ein Gestaltungsmittel kennzeichnen, mit dem die Akzeptanz vergleichender Werbung des Marktführers gefördert, die Glaubwürdigkeit erhöht und möglichen negativen
61
Vgl. Bruhn (2007), S. 225 Vgl. Kapitel 3.2.7.2 63 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 372 64 Vgl. Trommsdorff (2004), S. 57 65 Vgl. Kapitel 4.4.6.2 66 Vgl. Kapitel 3.4.3.2 und 4.3.3 62
- 230 Reaktionen der Konsumenten auf den Werbevergleich entgegengewirkt werden kann.67 Mit humorvollen Werbebotschaften wird der Gefahr begegnet, dass vergleichende Werbung des Marktführers von den Konsumenten als "Besserwisserei" abqualifiziert wird. Außerdem ist Humor geeignet, werblichen Auseinandersetzungen die Schärfe zu nehmen und dem Eindruck entgegenzutreten, die Kontrahenten seien nur mit sich selbst beschäftigt. Im Mobilfunk sind humorvolle Werbevergleiche "an der Tagesordnung". Insbesondere neue Marktakteure, die ihren Bekanntheitsgrad erhöhen und sich gegenüber etablierten Betreibern profilieren wollen, setzen Humor als Gestaltungsinstrument ein. Der Marktführer im Mobilfunk kann im Rahmen reaktiver vergleichender Werbung Souveränität und Gelassenheit im Umgang mit Wettbewerbern signalisieren und "aggressive Mitbewerber harmlos abwehren." 68 Darüber hinaus bietet humorvoll gestaltete vergleichende Werbung auch einen Animationsnutzen. Damit lassen sich die Konsumenten ansprechen, die aufgrund ihres hohen Vorwissens in Bezug auf den Marktführer nicht bereit sind, rein sachliche Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten. Das Gestaltungsmittel Humor trägt damit dazu bei, dass der Marktführer im Mobilfunk gleichzeitig glaubwürdige und interessante Werbung betreibt. Humorvoll gestaltete vergleichende Werbung birgt aber auch Risiken. Gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 5 des UWG darf vergleichende Werbung den Wettbewerber weder herabsetzen noch verunglimpfen. Hasselblatt weist in diesem Zusammenhang allerdings darauf hin, dass mit jedem Werbevergleich eine negative Wirkung für die Konkurrenz verbunden ist, und der Konsument an Ironie und Wortspiele in der Werbung gewöhnt ist, so dass besondere Umstände hinzutreten müssen, die den Vergleich unangemessen abfällig, abwertend oder unsachlich erscheinen lassen. Er warnt vor pauschalen Urteilen, wenn er erklärt: "… vielfach liegt die Würze und der Reiz – und letztlich damit auch die Qualität – einer Werbemaßnahme häufig in deren Doppeldeutigkeit, ihrem Sprachwitz oder besonderem Humor. Allein daraus kann eine Herabsetzung oder Verunglimpfung noch nicht gefolgert werden. Maßgebend sind wie stets die Umstände des Einzelfalls." 69 Cochoy/Canu geben hier zu bedenken, dass Humor subjektiv ist und damit auch der subjektiven Beurteilung durch die Gerichtsbarkeit unterliegt: "L'humour est sans doute au droit d'aujourd'hui ce que le fou fut au roi de jadis – une façon de rendre 'fonctionnelle' une certaine distance irréductible à l'autorité – mais il est important de 67
Vgl. Wiltinger (2007), S. 51; Mäßen (1998), S. 104 f. Schierl (2001), S. 113 69 Hasselblatt (2005), S. 737 68
- 231 noter que dans le cas du droit contemporain cette fonctionnalité n'est lisible qu'à posteriori, tant il semble hasardeux de cerner à l'avance ce qui est capable de faire rire un juge." 70 Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass sich mit humorvollen Werbebotschaften kaum (unmittelbar) überzeugen lässt. Auf dieser Einschätzung basiert auch die viel zitierte Argumentation von Claude Hopkins, dem "Vater" der modernen Werbung, demzufolge niemand von Clowns kauft.71 In Theorie und Praxis herrscht allerdings Uneinigkeit darüber, ob Humor verkaufsfördernd wirken kann. Während "Werbepapst" Ogilvy dies bejaht,72 gehen andere Autoren davon aus, dass Humor
die
Aufklärung
über
echte
Produktvorteile
behindert.73
Humorvolle
Werbevergleiche des Marktführers bergen daher das Risiko, dass Bestandskunden irritiert und Kunden von Wettbewerbern nicht überzeugt werden. Das Gestaltungsmittel Humor ist tendenziell geeignet, bestehende Einstellungen zu verstärken.74 Der Marktführer will allerdings genau das Gegenteil erreichen und gefestigte Einstellungen sowie Präferenzen aufbrechen. Humor ist ein komplexes Konstrukt, dessen Werbewirkung von zahlreichen Einflussfaktoren75 moderiert wird; für den Marktführer im Mobilfunk gilt jedenfalls, dass er sich auf humorvolle Andeutungen beschränken muss, die den Wettbewerber nicht herabsetzen. Da er sich nicht mit unbekannten, sondern mit etablierten Marken vergleicht (siehe H3 und H4), dürften diese Andeutungen für ihn vergleichsweise einfach zu realisieren sein. Vergleichende Werbung, wie sie in der nachfolgenden Karikatur (vgl. Abbildung 37) dargestellt ist, erzielt Aufmerksamkeit und könnte damit für einen neuen Marktakteur Erfolg versprechend sein.76 Für den Marktführer im Mobilfunk, der informativ vergleichend wirbt, um zu überzeugen und Einstellungen zu verändern, verbietet sie sich dagegen.
70
Cochoy/Canu (2006), S. 99 Vgl. Ogilvy (1984), S. 103 72 Vgl. Ogilvy (1984), S. 103 f. 73 Vgl. Schierl (2001), S. 114 74 Vgl. Schierl (2003), S. 191; Moser (2002), S. 216 75 Vgl. Mäßen (1998), S. 109 76 Vgl. Kapitel 4.4.3.2 71
- 232 -
Quelle: Wirtschaftswoche, 19, 1991, S. 144
Abbildung 37: Herabsetzende vergleichende Werbung Zusammenfassend werden damit folgende Hypothesen aufgestellt:
Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt kann bei reaktiver vergleichender Werbung durch eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft Souveränität und Gelassenheit im Umgang mit Wettbewerbern demonstrieren. (H21a) Bei aktiver vergleichender Werbung sollte der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt auf eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft verzichten. (H21b) Er würde Bestandskunden irritieren (H21c) und Kunden von Wettbewerbern nicht von seiner Leistungsfähigkeit überzeugen. (H21d)
5.4
Werbeträger und Werbemittel
Werbeträger sowie Werbemittel, die hier ausschließlich im Rahmen der Mediawerbung betrachtet werden, bieten unterschiedliche Chancen und Risiken für vergleichende Werbung des Marktführers im Mobilfunk. Von entscheidender Bedeutung
sind
hier
neben
der
Glaubwürdigkeit
die
Art
und
Nutzung(smöglichkeit) des jeweiligen Mediums durch den Konsumenten.
Dauer
der
- 233 5.4.1
Systematisierung
Werbemittel lassen sich mit Sander als akustisch oder visuell konkretisierte Werbebotschaften charakterisieren, die mit Hilfe von Werbeträgern an die Umworbenen herangetragen werden.77 Werbeträger übernehmen damit die Funktion von "Transportmitteln".78 Wichtige Werbeträger sind beispielsweise Zeitungen, Zeitschriften, Fernsehen, Rundfunk, Kino, Plakatanschlagstellen und das Internet. Zu den Werbemitteln gehören insbesondere Anzeigen, Fernseh- und Rundfunkspots, BannerWerbung sowie Pop-up-Ads im Internet und Plakate. Homann verdeutlicht ihre Bedeutung im Rahmen der Werbung: "Werbemittel dienen der Darstellung der Werbebotschaft, stellen also die Wahrnehmbarkeit der Werbeaussage her. Durch sie wird die Werbebotschaft materialisiert und personenunabhängig." 79 Rogge geht davon aus, dass vom Einsatz der Werbeträger in erster Linie Wirkungen im Bereich der Kontakte erwartet werden, vom Einsatz der Werbemittel dagegen Wirkungen auf das Bewusstsein beziehungsweise die kognitive Verarbeitung.80 Dieser Argumentation wird hier nicht gefolgt, da die Abgrenzung zwischen Werbeträgern und Werbemitteln keineswegs trennscharf ist.81 Es lassen sich zwar grundsätzlich werbeträgerbezogene Werbemittel, wie Anzeigen, und werbeträgerfreie Werbemittel, wie Prospekte, unterscheiden, die Zahl der Mischformen ist allerdings groß. Als Beispiel sei ein Prospekt als Zeitungsbeilage genannt. Darüber hinaus verschmelzen Mittel und Träger zum Zeitpunkt der Streuung zu einer Einheit.82 Werbeträger werden nach verschiedenen Merkmalen typologisiert: Funktion des Werbeträgers, Darstellungsbasis, Ansprachearten, Aufnahmesituation, Art und Häufigkeit der Nutzungsmöglichkeit durch den Rezipienten, Auswahlmöglichkeit der Zielgruppe durch den Werbetreibenden, Erscheinungsweise, Verfügbarkeit sowie Vorplanungszeitraum beziehungsweise Flexibilität für den Werbetreibenden.83 Auf Grundlage insbesondere dieser Merkmale erfolgt nachfolgend die Analyse der Chancen, die verschiedene Werbeträger für vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunk bieten. Dabei wird nur auf Mediawerbung eingegangen; andere kommunikationspolitische Instrumente, wie beispielsweise Direktmarketing, bleiben außer acht. 77
Vgl. Sander (2004), S. 573 Becker (1998), S. 581 79 Homann (2004), S. 7 f. 80 Vgl. Rogge (2004), S. 305 81 Vgl. Bruhn (2005), S. 341; Steffenhagen (2004), S. 151 f. 82 Vgl. Rogge (2004), S. 179 83 Vgl. Becker (1998), S. 586 78
- 234 Mediawerbung lässt sich mit Bruhn als eine Form der indirekten Kommunikation kennzeichnen, "die sich öffentlich und ausschließlich über technische Verbreitungsmittel (die Medien), vielfach einseitig, mittels Wort-, Schrift-, Bild und/oder Tonzeichen an ein disperses Publikum richtet." 84 Dabei sind Insertions- oder Printmedien wie Zeitungen oder Zeitschriften von elektronischen (audiovisuellen) Medien, wie Rundfunk, Fernsehen, Film oder Internet, sowie Außenwerbung in Form von Plakat-, Verkehrsmittel- oder Lichtwerbung abzugrenzen.85
5.4.2
Chancen und Risiken
Die Glaubwürdigkeit des Werbeträgers beziehungsweise des Werbemittels wirkt sich auf den Kommunikationserfolg aus.86 Gierl/Stich zufolge ist die Glaubwürdigkeit der Informationsquelle besonders dann entscheidend, wenn mit verfestigtem Vorwissen des Rezipienten diskrepante Botschaften übermittelt werden.87 Der Marktführer im Mobilfunk setzt im Rahmen vergleichender Werbung zu bisherigen Kognitionen der Konsumenten leicht inkonsistente Werbebotschaften ein, um die "elaboration" der Konsumenten zu fördern (H13) und sie zu aktiver externer Informationsaufnahme anzuregen (H16). Damit ist die Anmutungsqualität, definiert als "der subjektive und gefühlsmäßige Eindruck des Mediums auf die Empfänger ",88 für die Wirkung vergleichender Werbung des Marktführers von entscheidender Bedeutung. In Theorie und Praxis wird davon ausgegangen, dass Printmedien eine besonders hohe Glaubwürdigkeit zukommt, und in empirischen Studien zur vergleichenden Werbung werden überwiegend Printmedien eingesetzt.89 Letzteres dürfte allerdings insbesondere auf "forschungsökonomische Gründe" 90 zurückzuführen sein: Printmedien bieten sich für entsprechende Forschungen eher an als das Medium Fernsehen, da die Gestaltungsmodalitäten leichter variiert werden können. Werbeagenturen verwenden Printmedien besonders häufig für vergleichende Werbung; dies gilt vor allem im Mobilfunkmarkt, da hier aufgrund der Marktdynamik die Tages-
84
Bruhn (2005), S. 338 Vgl. Bruhn (2005), S. 338 ff. 86 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 638 87 Vgl. Gierl et al. (1997), S. 28 88 Vgl. Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 638 89 Vgl. Rennhak (2001), S. 87 f. 90 Schierl (2003), S. 22 85
- 235 aktualität von großer Bedeutung ist.91 Darüber hinaus lassen sich Zeitungsanzeigen kurzfristig platzieren, so dass beispielsweise Reaktionen auf Wettbewerberaktionen unmittelbar erfolgen können.92 Der Marktführer im Mobilfunk, der vergleichende Werbung in Form kombinierter Preis- und Leistungswerbung einsetzt, dürfte daher dem Werbeträger Zeitung Vorrang vor dem Werbeträger Zeitschrift einräumen. Insbesondere Fachzeitschriften erscheinen als Werbeträger weniger geeignet, da sie häufig erst mit zeitlicher Verzögerung gelesen werden.93 Zeitungen bieten außerdem den Vorteil, dass sie in der Regel der Information und weniger der Unterhaltung dienen. Der Rezipient ist daher bei Zeitungen eher als bei Zeitschriften bereit, tendenziell komplexer gestaltete vergleichende Werbebotschaften zu verarbeiten. Kearsley zufolge ist kritisch zu hinterfragen, ob die Rezipienten von der Möglichkeit, die Werbebotschaft in Printmedien länger und damit auch intensiver zu verarbeiten, überhaupt Gebrauch machen.94 Bei vergleichender Werbung des Marktführers im Mobilfunk ist diese Frage unter der Voraussetzung leicht inkonsistent gestalteter Botschaften eher zu bejahen. Printwerbung bietet darüber hinaus entscheidende Vorteile gegenüber Werbung in audiovisuellen Medien. So ermöglicht Fernsehwerbung zwar eine gute multisensorische Darstellung und Produktdemonstration, allerdings dient Werbung in diesem Medium eher der Steigerung des Bekannheitsgrades und der Imageprofilierung. Rundfunk wiederum ist ein "flüchtiges" Medium, das insbesondere für den schnellen Aufbau von Markenbekanntheit geeignet ist.95 Diese Ziele dürften beim Marktführer im Mobilfunk, der vergleichend wirbt, nicht im Vordergrund stehen. Darüber hinaus bestimmen Rezipienten in Printmedien Zeitpunkt und Dauer der Exposition sowie die Verarbeitungsgeschwindigkeit aufgrund einer physisch vorhandenen Informationsquelle selbst.96 Bei audiovisuellen Medien ist dagegen der Zeitpunkt der Informationsaufnahme identisch mit dem Zeitpunkt der Informationsübermittlung, und die Dauer der Informationsaufnahme ist auf die Dauer der Informationsübermittlung begrenzt.97 Audiovisuelle Medien sind daher kaum für komplexe vergleichende Werbebotschaften des Marktführers im Mobilfunk geeignet, der Einstellungen verändern und eine Repositionierung seiner Marke erreichen möchte. Konsumenten 91
Vgl. Schwaiger/Rennhak (2002), S. 22 Vgl. Schmidt (2004), S. 195 93 Vgl. Rogge (2004), S. 195 94 Vgl. Kearsley (1996), S. 74 95 Vgl. Bruhn (2007), S. 211 96 Vgl. Müller (1994), S. 172 97 Vgl. Bruhn (2005), S. 339 92
- 236 fühlen sich der Werbung in Zeitungen weniger "ausgeliefert", so dass hier die Gefahr von Reaktanzen geringer ist als in audiovisuellen Medien. Je aktiver sich ein Konsument einer Informationsquelle zuwendet, desto glaubwürdiger schätzt er diese tendenziell ein.98 Rezipienten von Zeitungswerbung sind "self-paced" 99 und achten daher stärker auf die Qualität der Argumente. (Werbung im) Fernsehen dient dagegen häufig der Entspannung. Werbebotschaften müssen hier einen hohen Anteil an Animationsnutzen bieten. Die Rezeption von Zeitungswerbung lässt sich dagegen als Suche nach spezifischen Informationen kennzeichnen.100 Knapp zehn Prozent der Nutzer von Tageszeitungen und Zeitschriften empfindet die Werbung als ebenso interessant wie den redaktionellen Teil.101 Printwerbung erfordert allerdings bei der Rezeption nahezu ungeteilte Aufmerksamkeit der Konsumenten, so dass hier die vollen (Opportunitäts-)Kosten der Zeit anfallen: "Only advertisements in newspapers and magazines demand of the consumer the sacrifice of the best of his possible alternative time uses." 102 Die Werbung muss dem Konsumenten daher einen hohen Nutzen versprechen.103 Informative vergleichende Werbung des Marktführers im Mobilfunk kann ein solches Nutzenversprechen darstellen.104 Das Internet ermöglicht rasche und flexible Aktions- und Reaktionsmöglichkeiten der Werbetreibenden; Informationen können jederzeit aktualisiert und modifiziert werden. Es dürfte als Werbeträger für vergleichende Werbung allerdings insbesondere von neuen Marktakteuren im Mobilfunk genutzt werden, die als Discount-Anbieter internet-affine Konsumenten ansprechen und mit "No-Frills"-Werbung Aufmerksamkeit erreichen wollen. Pop-up-Ads sowie Bannerwerbung des Marktführers rufen dagegen mit hoher Wahrscheinlichkeit Reaktanzen hervor. Medien der Außenwerbung weisen gegenüber Printwerbung ebenfalls entscheidende Nachteile für den Einsatz vergleichender Werbung auf: So ist bei Plakatwerbung beispielsweise eine mehrmalige Betrachtung grundsätzlich denkbar, allerdings erfolgt die Informationsaufnahme hier eher zufällig und ungezielt.105 Darüber hinaus ist Plakatwerbung für argumentative vergleichende Werbung des Marktführers kaum geeignet, da keine längeren und komplexen Textbotschaften präsentiert werden 98
Vgl. Götsch (1994), S. 32 Reich (2006), S. 13 100 Vgl. Müller (1994), S. 171; Rogge (2004), S. 226 101 Vgl. o.V. (2006c), S. 21 102 Nelson (1974), S. 745 103 Vgl. Müller (1994), S. 177 104 Vgl. Kapitel 3.2.7.2 105 Vgl. Becker (1998), S. 586; Schwaiger/Schrattenecker (2005), S. 281 99
- 237 können. Übermittelt werden hier in der Regel sehr verdichtete und reduzierte Botschaften.106 "Plakate werden nicht gelesen, sondern geschaut." 107 Zusammenfassend wird hiermit folgende Hypothese aufgestellt:
Für vergleichende Werbung des Marktführers im Mobilfunk ist der Einsatz von Printmedien als Werbeträger besonders Erfolg versprechend. (H22)
5.5
Werbeumfeld und Werbekontext
Der Marktführer im Mobilfunk kann das Werbeumfeld sowie den Werbekontext zwar nur sehr begrenzt beeinflussen, beides determiniert aber in hohem Maße die Wirkung seiner vergleichenden Werbung. Neben dem "nachbarschaftlichen" Umfeld der Werbebotschaft ist hier insbesondere die aktive beziehungsweise reaktive Form vergleichender Werbung auf ihre Wirkung hin zu untersuchen.
5.5.1
Begriff und Bedeutung
Die Umfeldbedingungen lassen sich als Zusammenhänge charakterisieren, die zwischen dem konkreten Werbemittel und anderen Informationsimpulsen bestehen.108 Das engere Umfeld, zu dem beispielsweise die "Nachbarschaft" zu anderen Werbeanzeigen oder einem redaktionellen Umfeld gehören, ist vom weiteren Umfeld abzugrenzen, das auch als Werbekontext bezeichnet werden kann. Als Beispiel sei hier der Wettbewerbsdruck in einem Markt genannt.
5.5.2
Chancen und Risiken
Als sich die Deutsche Telekom und MobilCom 1998 ein Werbeduell lieferten,109 war vergleichende Werbung für Konsumenten noch eine relativ neue und ungewohnte
106
Vgl. Scheier (2005), S. 266 Scheier (2005), S. 267 108 Vgl. Rogge (2004), S. 228 109 Vgl. Kapitel 1.1.1 107
- 238 Werbeform. Auf dem dynamischen Mobilfunkmarkt sind vergleichende Werbeformate inzwischen nicht nur "an der Tagesordnung", sie werden von Konsumenten sogar erwartet.110 Dem Marktführer werden allerdings eher als kleinen, unbekannten Marktakteuren unterstellt.
eigennützige 111
Motive
für
seine
vergleichenden
Werbebotschaften
Reagiert er dagegen auf vergleichende Werbung von Mitbewerbern, ist
die Glaubwürdigkeit und damit die Akzeptanz der Werbebotschaften höher. Konsumenten erwarten vom Marktführer als "Orientierungsgeber" im Markt grundsätzlich eine hohe Werbepräsenz; vergleichende Werbung wird der Marktführer aber nur mit Bezug auf etablierte Marktakteure einsetzen (vgl. H3a und H4b). Reaktive vergleichende Werbung bietet hier die Chance, gleichzeitig Assoziierungs- und Differenzierungswerbung zu betreiben, ohne den Wettbewerber explizit zu benennen und dadurch aufzuwerten. So verweist T-Mobile beispielsweise in einer Antwort auf eine ALDI-Werbung auf ein "aktuelles Lebensmittel-Discounter-Angebot." 112 Die Gefahr, dass der Marktführer mit vergleichender Werbung die Aufmerksamkeit auf Konkurrenzprodukte lenkt, wurde bereits als gering eingestuft.113 Die etablierten Marktakteure, auf die der Marktführer im Mobilfunk Bezug nimmt, gehören zu den Unternehmen mit den höchsten Werbeaufwendungen. So war ALDI im Jahr 2006 mit Werbeaufwendungen in Höhe von rund 275 Millionen Euro eines der werbestärksten Unternehmen in Deutschland.114 Zudem bildeten die Handelsorganisationen im Jahr 2006 mit Bruttoinvestitionen von über 2,5 Milliarden Euro die werbeintensivste Branche.115 Bei reaktiver vergleichender Werbung ist der Marktführer in der Wahl der Werbeträger allerdings eingeschränkt: Er wird den gleichen Werbeträger wie der Wettbewerber wählen, um Konsumenten das Erkennen seiner Werbebotschaft als "Antwort" zu erleichtern.116 Darüber hinaus ist der Zeitdruck bei reaktiver vergleichender Werbung äußerst hoch: "In kürzester Zeit müssen kreative, souveräne und intelligente Antworten entwickelt werden." 117 Trotz dieser Nachteile reaktiver vergleichender Werbung erscheint sie für den Marktführer Erfolg versprechender als
110
Vgl. Schwaiger/Rennhak (2002), S. 26 Vgl. Kapitel 4.3.3 112 Vgl. Anhang 1 113 Vgl. Kapitel 5.2.3 114 Vgl. ZAW (2007), S. 136 115 Vgl. ZAW (2007), S. 18 116 Vgl. Rogge (2004), S. 223 117 Vgl. KNSK et al. (1998) 111
- 239 aktive vergleichende Werbung, die auf Konsumenten wenig glaubwürdig wirkt. Damit wird folgende Hypothese aufgestellt:
Der Marktführer im Mobilfunk sollte vergleichende Werbung eher reaktiv als aktiv einsetzen. (H23) Vergleichende Werbebotschaften befinden sich nicht nur in der "Nachbarschaft" anderer Werbeaussagen, sie sind häufig auch in ein redaktionelles Umfeld eingebunden. Es ist davon auszugehen, dass ein informativ gestaltetes Umfeld als "cue" anzusehen ist, der die analytische Informationsverarbeitung118 und damit die Wirkung argumentativ gestalteter vergleichender Werbung des Marktführers im Mobilfunk begünstigt. Ein solches Umfeld ist in den Printmedien eher anzunehmen und durch den Marktführer zu beeinflussen119 als in audiovisuellen Medien, so dass H22 bekräftigt wird: Für vergleichende Werbung des Marktführers im Mobilfunk ist der Einsatz von Printmedien als Werbeträger besonders Erfolg versprechend.
5.6
Zwischenfazit
Der Marktführer im Mobilfunk kann mit vergleichender Werbung im Mobilfunk sowohl affektive (Änderung gefestigter Einstellungen) als auch kognitive (Repositionierung der Marke) und konative (Informationseinholung) Werbeziele verfolgen. Unternehmenswerbung erscheint weniger geeignet als Preis- und Leistungswerbung, wobei letztere sich insbesondere auf Innovationen, Qualität und Service beziehen wird. Indirekt kann auch die Marktgeltung vergleichend beworben werden. Bestandskunden werden mit vergleichender Werbung in ihrer Kaufentscheidung bestätigt. Gefestigten Einstellungen der Kunden von Wettbewerbern ("Teuer-Image") kann mit vergleichender Werbung entgegengetreten werden. Da der Marktführer vergleichende Preis- und Leistungswerbung kombiniert (vgl. H18), wird er Assoziierungsstrategie (Preis) und Differenzierungsstrategie (Leistung) verbinden. Die humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft ist nicht geeignet, gefestigten Einstellungen der Kunden von Wettbewerbern entgegenzuwirken; reaktive humorvolle vergleichende Werbung signalisiert allerdings souveränen und gelassenen Umgang mit Wettbe118 119
Vgl. Thompson (2006), S. 530 ff. Vgl. Rogge (2004), S. 228
- 240 werbern. Printmedien, die besonders glaubwürdig wirken, Tagesaktualität bieten und den Konsumenten eine selbstbestimmte Verarbeitung komplexer Informationen ermöglichen, ist gegenüber audiovisuellen Medien sowie der Außenwerbung Vorrang einzuräumen. Vergleichende Werbung, die in ein redaktionell beziehungsweise informativ gestaltetes Umfeld eingebunden ist und als "Antwort" auf entsprechende Wettbewerberaktionen erfolgt, erscheint für den Marktführer im Mobilfunk besonders Erfolg versprechend. Diese Untersuchungsergebnisse führten zu den nachfolgend zusammengefassten Forschungshypothesen (vgl. Abbildung 38).
- 241 -
Forschungsthematik
Forschungshypothese
HWerbeobjekt
Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt muss vergleichende Werbung in Form kombinierter Preis- und Leistungswerbung einsetzen. (H18)
HWerbeziele
Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt Bestandskunden in ihrer Entscheidung für die Marke bestätigen (H19a) und ihnen Argumente im Hinblick auf die Überzeugung weiterer Kunden liefern. (H19b) Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt die Repositionierung der Marke unterstützen. (H19c)
HWerbestrategie
Im Preiswettbewerb verfolgt der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt mit vergleichender Werbung eine Assoziierungsstrategie. (H20a) Im Leistungswettbewerb verfolgt der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt mit vergleichender Werbung eine Differenzierungsstrategie. (H20b)
HWerbebotschaft
Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt kann bei reaktiver vergleichender Werbung durch eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft Souveränität und Gelassenheit im Umgang mit Wettbewerbern demonstrieren. (H21a) Bei aktiver vergleichender Werbung sollte der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt auf eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft verzichten. (H21b) Er würde Bestandskunden irritieren (H21c) und Kunden von Wettbewerbern nicht von seiner Leistungsfähigkeit überzeugen. (H21d)
HWerbeträger
Für vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt ist der Einsatz von Printmedien als Werbeträger besonders Erfolg versprechend. (H22)
HWerbeumfeld
Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt sollte vergleichende Werbung eher reaktiv als aktiv einsetzen. (H23)
und Werbekontext
Abbildung 38: Forschungshypothesen "vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt"
- 242 -
6
Empirische Untersuchung
Die auf Basis theoretischer und konzeptioneller Grundlagen aufgestellten und um Hypothesen für den konkreten Fall des deutschen Mobilfunkmarktes
ergänzten
Forschungshypothesen
zur
verglei-
chenden Werbung des Marktführers werden empirisch überprüft. Im Rahmen der Spezifikation des Untersuchungsdesigns wird zunächst die Erhebungsmethode erläutert. Anschließend wird die Fragebogengestaltung vorgestellt, bevor auf die Auswahl der Untersuchungsteilnehmer eingegangen wird. Die Datenerhebung gliedert sich in zwei Phasen: Durchführung und Rücklauf. Die Datenauswertung beinhaltet neben der Editierung und Kodierung der Daten die statistische Datenanalyse. Abschließend werden die Untersuchungsergebnisse verbal und grafisch dargestellt.
- 244 6.1
Untersuchungsdesign
Durch die Festlegung des Untersuchungsdesigns wird die Datenerhebung konzeptionell und methodisch vorbereitet. Nach der Erhebungsmethode wird die Fragebogengestaltung vorgestellt. Sie zielt darauf ab, die Vorteile der gewählten Methode bestmöglich zu nutzen und ihren Nachteilen durch spezifische Maßnahmen zu begegnen. Abschließend wird die Auswahl der Untersuchungsteilnehmer erläutert und begründet.
6.1.1
Erhebungsmethode
In empirischen Untersuchungen zur vergleichenden Werbung wird in der Regel auf Konsumentenbefragungen zurückgegriffen.1 Diese Studien zeichnen sich allerdings durch zahlreiche Unzulänglichkeiten aus.2 So werden in vielen Fällen Studenten befragt, bei denen im Verhältnis zur Gesamtbevölkerung von einer tendenziell eher kognitiv gesteuerten Informationsverarbeitung und einer höheren Informationsverarbeitungstiefe auszugehen ist.3 Erfolgt die Befragung im Labor, wird darüber hinaus häufig nur ein einmaliger Kontakt mit der Werbebotschaft realisiert, der sich kaum einstellungsbildend, insbesondere aber nicht einstellungsverändernd auswirken dürfte.4 Versuchsteilnehmer zeichnen sich in der Regel auch durch ein besonders hohes situatives Involvement aus.5 Grundsätzlich sind Laborexperimente durch eine hohe interne Validität gekennzeichnet, der allerdings eine relativ geringe externe Validität gegenübersteht.6 Berekoven spricht in diesem Zusammenhang von einem "Spannungsverhältnis" beziehungsweise einem "asymmetrischen Verhältnis" der beiden Gütekriterien.7 Die dargestellten Unzulänglichkeiten vorhandener Studien sollen hier vermieden werden. Eine Konsumentenbefragung erscheint im Rahmen dieser Untersuchung allerdings auch aus anderen Gründen wenig zielführend: Theoretische Konstrukte, die die Grundlage für die abgeleiteten Hypothesen bilden, sind per definitionem weder direkt beobachtbar noch können sie direkt abgefragt werden. 1
Vgl. Kearsley (1996), S. 146; Muehling et al. (1989), S. 38 Vgl. Kapitel 3.2.5.3 3 Vgl. Kearsley (1996), S. 146 4 Vgl. Yagci (2000), S. 51 5 Vgl. Kearsley (1996), S. 194 6 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 279 7 Berekoven et al. (2006), S. 89 2
- 245 Die daher erforderliche Operationalisierung der theoretischen Konstrukte lässt im Rahmen einer Konsumentenbefragung nur die Wahl zwischen dem Bezug auf einen fiktiven oder einen realen Marktführer. Beide Alternativen weisen bereits dargestellte8 gravierende Nachteile auf: Wird eine fiktive Marke verwendet, muss die Marktführerschaft den Probanden direkt oder indirekt "vorgegeben" werden. Damit bleiben vorhandene Kognitionen sowie Emotionen und damit genau das, was den Marktführer aus Konsumentensicht ausmacht, unberücksichtigt. Insbesondere bei der Verwendung realer führender Marken ist "Marktführerschaft" mit interpersonell verschiedenen Konotationen verbunden, die kaum erfasst werden können, aber von entscheidender Bedeutung sind. Die Validität entsprechender Studien ist somit stark eingeschränkt. Zur Überprüfung der im Rahmen dieser Untersuchung aufgestellten Hypothesen wird daher eine Expertenbefragung durchgeführt. Berekoven et al. zufolge handelt es sich dabei um ein "altes und probates Vorgehen, um sich aus mehreren und kompetenten Quellen zu informieren." 9 Die hier als Experten herangezogenen Werbeagenturen sind für die formale und inhaltliche Ausgestaltung der vergleichenden Werbebotschaften verantwortlich und prägen damit auch die Wahrnehmung dieses Werbeinstrumentes durch die Konsumenten. "Though a great deal of empirical work has been conducted on consumers, few studies have queried practitioners to determine their viewpoint on the subject." 10 Diese Feststellung von Muehling et al. aus dem Jahr 1989 gilt nach wie vor. Während in der Literatur hohe Übereinstimmung dahingehend herrscht, dass der Marktführer vergleichende Werbung allenfalls in Vergeltungssituationen Erfolg versprechend einsetzen kann,11 zeigt die Praxis ein weniger eindeutiges Bild, so dass aus der Spiegelung der aufgestellten Hypothesen an der Einschätzung erfahrener Praktiker auch Gründe für die unterschiedliche Beurteilung des Instrumentes der vergleichenden Werbung abgeleitet werden können. Die Einschätzung der Werbeagenturen, wann und wie vergleichende Werbung (für den Marktführer) Erfolg versprechend eingesetzt werden kann, basiert auf Erfahrung, Intuition sowie theoretischen Erkenntnissen: "The practitioner must deal with comparative advertising multidimensionally by integrating theory, research findings, experience, and intuition to arrive at decisions of when and how to use ist. This type of
8
Vgl. Kapitel 3.5.1 Berekoven et al. (2006), S. 261 10 Muehling et al. (1989), S. 38 11 Vgl. Rennhak (2001), S. 102 9
- 246 'real world' setting may very well lead the practitioner to different conclusions regarding the effectiveness of comparative advertising than those derived from academic research." 12 Kroeber-Riel/Weinberg kritisieren in diesem Zusammenhang: "Gerade auf dem Gebiet der Verhaltensforschung gibt es ein erhebliches Transferdefizit, da die Praxis die verfügbaren Erkenntnisse weniger übernimmt und verwendet, als es der Fall sein könnte." 13 Mit der hier durchgeführten Expertenbefragung wird dieser in der Literatur14 immer wieder geforderten verstärkten Kommunikation zwischen Wissenschaft und Praxis Rechnung getragen. Die Erhebung wird in Form der standardisierten schriftlichen Befragung durchgeführt. Der Vorteil dieser Methode liegt insbesondere in der zeitlichen und räumlichen Flexibilität der Befragungssituation, die es ermöglicht, auch schwer zu erreichende Berufsgruppen zu befragen.15 Im Rahmen dieser Untersuchung werden Führungskräfte befragt, denen größtmögliche Zeitflexibilität eingeräumt werden sollte, so dass weder auf die telefonische noch auf die mündliche oder die Online-Befragung zurückgegriffen werden konnte, sondern eine postalische Befragung erfolgte. Da Einstellungen und Meinungen zu relativ komplexen Sachverhalten abgefragt werden sollen, ist die "Möglichkeit für die Befragten, in Ruhe über eine Antwort nachzudenken",16 als wichtiger Vorteil der schriftlichen Befragung für diese Untersuchung hervorzuheben. Darüber hinaus führt die Anonymität der schriftlichen Befragungssituation in der Regel zu größerer Offenheit bei den Befragten und damit zu realitätsnäheren Antworten. Die Sicherstellung der Anonymität ist für die vorliegende Untersuchung von entscheidender Bedeutung. Die befragten Agenturchefs deutscher Werbeagenturen dürften ohne Gewährleistung der Anonymität weniger bereit sein, offen zu antworten und ihre Erfahrungen preiszugeben: Bei großen Werbeagenturen, deren Tätigkeit für bestimmte Kunden zumindest Branchenkennern bekannt sein dürfte, wären Rückschlüsse auf den Erfolg beziehungsweise Misserfolg konkreter Werbekampagnen möglich. Ein weiterer Vorteil ist die im Vergleich zur mündlichen Befragung kürzere Erhebungsdauer. Dieser Vorteil ist hier von besonderer Bedeutung, da geografisch weit verstreute Personen befragt werden. Auch der Interviewer-Bias, der sich als durch den Interviewer hervorgerufener systematischer
12
Rogers/Williams (1989), S. 26 Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 38 14 Vgl. Ulrich (1981), S. 20; Kroeber-Riel/Weinberg (2003), S. 40 15 Vgl. Bruhn (2007), S. 98 16 Homburg/Krohmer (2006), S. 271 13
- 247 Fehler kennzeichnen lässt,17 ist gegenüber der mündlichen Befragung als gering einzustufen. Die gewählte Erhebungsmethode weist allerdings auch Nachteile auf. Bei der schriftlichen Befragung sind Verständnisfragen weniger leicht zu klären als beispielsweise bei der telefonischen oder persönlichen Befragung. Darüber hinaus ist aufgrund der fehlenden persönlichen Ansprache häufig "der Papierkorb … sehr nah" 18 und in der Folge die Rücklaufquote gering (Repräsentanzproblem19). Den genannten Nachteilen der schriftlichen Befragung kann nach Dillmann20 mit einer spezifischen Vorgehensweise begegnet werden. Er fordert, dass die Antwortkosten der Befragten minimiert und die erkennbaren Vorteile maximiert werden müssen. Darüber hinaus ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Forscher und Befragtem zu schaffen. Diesen drei Bedingungen muss gemäß Dillmann in jedem Schritt der Befragung Rechnung getragen werden. In Anlehnung an die von ihm entwickelte "TotalDesign-Methode" wurden folgende Maßnahmen getroffen: •
Anschreiben: Im personalisiert verfassten Anschreiben wurde die Zielsetzung der Studie erläutert, für Rückfragen eine Telefonnummer angegeben und die anonyme und vertrauliche Behandlung der Daten zugesichert. Zur Wahrung der Anonymität wurde dem Anschreiben neben dem Fragebogen ein separater Anforderungsbogen für den Ergebnisbericht beigefügt.
•
Rückumschlag: Ein adressierter und anonymer Freiumschlag lag der Sendung bei.
•
Erinnerungsschreiben: Knapp zwei Wochen nach dem ersten Schreiben wurde ein personalisiertes Erinnerungsschreiben versendet.
Laatz zufolge erhöht die hier gewählte persönliche Ansprache der Befragten die Ausschöpfung nur dann, wenn sie nicht als mangelnde Anonymität ausgelegt wird.21 Im Rahmen dieser Untersuchung ist nicht von entsprechenden Bedenken der Befragungsteilnehmer auszugehen, da die Namen der befragten Experten frei zugänglich sind, und die Rücksendung der Fragebögen anonym erfolgte. Berekoven et al. weisen darauf hin, dass bei schriftlichen Befragungen in der Regel nicht sichergestellt werden kann, dass die ausgewählte Auskunftsperson den Fragebogen tat17
Vgl. Berekoven et al. (2006), S. 69 Berekoven et al. (2006), S. 117 19 Vgl. Berekoven et al. (2006), S. 117 20 Vgl. Hippler (1985), S. 42 ff. 21 Vgl. Laatz (1993), S. 110 18
- 248 sächlich selbst ausfüllt und nicht an eine andere Person weitergibt, so dass ein Identitätsproblem auftritt.22 Der Verfasserin waren allerdings die Namen der Zielpersonen bekannt, so dass durch den Abgleich mit der Unterschrift auf dem Anforderungsbogen für den Ergebnisbericht eine Abschätzung des Identitätsgrades vorgenommen werden konnte. Für die Untersuchung wurde ein hoher Identitätsgrad ermittelt.
6.1.2
Fragebogengestaltung
Kromrey geht davon aus, dass ein standardisierter Fragebogen entweder im Rahmen eines "Reaktionsexperimentes" eingesetzt wird oder die Befragten in der Rolle von "Informanten" angesprochen werden, so dass die Befragungssituation als Informationsabruf gekennzeichnet werden kann.23 Letzteres ist hier der Fall: "Die befragte Person teilt anhand der im Fragebogen vorgegebenen Skalen oder standardisierten Antwortmöglichkeiten als 'informierter Experte' für den durch die Frage angesprochenen Sachverhalt mit, 'was der Fall ist'. Der/die Befragte wird also in der Forschungskontaktsituation nicht in der Rolle des Untersuchungsobjektes, sondern als Informant und Mitwirkende/r im Forschungsprozess angesprochen; er/sie ist … die 'messende Person'." 24 Der Interviewer als messende Person kann in der Handhabung des Instrumentes geschult werden. Für die Auskunftspersonen gilt dies nicht in gleichem Maße, so dass der Fragebogengestaltung entscheidende Bedeutung zukommt. Die Fragen wurden daher so unmissverständlich wie möglich formuliert und Definitionen von "Marktführerschaft" und "vergleichender Werbung" vorangestellt, um ein gemeinsames Verständnis der Befragten zu erreichen. Darüber hinaus enthielten die Fragen möglichst nur einen Stimulus.25 Auch auf eine interessante Aufmachung des Fragebogens wurde Wert gelegt, denn "stößt die Thematik auf Desinteresse oder gar Ablehnung, ist sein Schicksal schon besiegelt." 26 Bei der äußeren Form wurden grundsätzliche Gestaltungsempfehlungen berücksichtigt.27 Als Beispiel seien die übersichtliche Anordnung und Nummerierung der Fragen sowie das Ver-
22
Vgl. Berekoven et al. (2001), S. 113 Vgl. Kromrey (2006), S. 391 24 Kromrey (2006), S. 391 f. 25 Vgl. Laatz (1993), S. 124 26 Berekoven et al. (2006), S. 118 27 Vgl. Kuss (2004), S. 93 f. 23
- 249 meiden von Fragen, die über Seitenbegrenzungen hinweggehen, genannt. Homburg/ Krohmer zufolge bilden das Themeninvolvement sowie das gewählte Medium entscheidende Rahmenbedingungen für die Länge des Fragebogens.28 Bei den hier befragten Geschäftsführern großer Werbeagenturen ist ein tendenziell hohes Themeninvolvement anzunehmen, und die schriftliche Befragung ermöglicht eine längere Befragungsdauer. Der Fragebogen wurde dennoch möglichst knapp gehalten, da bei den befragten Agenturchefs von einer erheblichen Befragungsmüdigkeit auszugehen ist. Mit einem Umfang von neun Seiten zuzüglich des Deckblattes liegt der Fragebogen unterhalb des "kritischen" Wertes von 12 bis 16 Seiten, der häufig als Grenze für eine akzeptable Fragebogenlänge angesehen wird.29 Auf Eisbrecherfragen30 wurde verzichtet, um den Aufwand für die Befragten zu minimieren. Aus dem gleichen Grund wurden keine Überleitungsfragen gestellt, allerdings mehrere Fragen zum gleichen Komplex unter einer Zwischenüberschrift zusammengefasst. Zur besseren Übersichtlichkeit erfolgte eine Gliederung in sieben Abschnitte. Nach den allgemeinen Fragen wurden Fragen zur Wirkung, zu den Zielen, zur Gestaltung sowie zum Werbeumfeld und Werbekontext vergleichender Werbung des Marktführers gestellt, bevor die Einschätzung zu vergleichender Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunk erfragt wurde. Abschließend wurden die Befragungsteilnehmer um Anmerkungen gebeten. Da im Rahmen der Befragung Einstellungen und Meinungen abgefragt werden sollten, wurde eine besondere Form der geschlossenen Frage verwendet: Die eigentliche Frage wird durch eine als "item" oder "statement" bezeichnete Aussage ersetzt, zu der die Befragungsteilnehmer Stellung nehmen.31 Die Verwendung solcher geschlossenen Fragen erhöht die Vergleichbarkeit der Antworten, wird von Befragungsteilnehmern häufig aber auch als "Korsett" empfunden. Das dürfte insbesondere für Expertenbefragungen gelten. Die Schlussfrage wurde daher als offene Frage formuliert, so dass die Befragten auch auf Aspekte eingehen konnten, die im Fragebogen keine Berücksichtigung fanden. Der Nachteil "zufälliger und mehrdimensionaler Antworten" 32 wird damit in Kauf genommen, und der Vorteil der "Auflockerung der ansonsten 'bürokratisch' ablaufenden Kommunikation" 33 genutzt.
28
Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 310 Vgl. Hippler (1985), S. 40 30 Vgl. Kromrey (2006), S. 382 31 Vgl. Laatz (1993), S. 123 32 Laatz (1993), S. 122 33 Kromrey (2006), S. 376 29
- 250 Die Einschätzungen der Befragten wurden mittels einer diskreten Rating-Skala erhoben. Vertrautheit im Umgang mit dieser Darstellungsform kann bei den Befragten vorausgesetzt werden. Bei der Auswahl der Wörter für die Antwortstufen wurde auf die von Rohrmann für die Bewertung von Aussagen entwickelte fünfstufige Antwortskala zurückgegriffen.34 Sein Ziel war es, für die Anwendung in einem Feldforschungsprojekt möglichst eindeutige und verständliche Skalen zu entwickeln und diese darum numerisch und verbal und grafisch zu kennzeichnen. Dazu mussten Entscheidungen über die Zahl der Stufen, deren Bezeichnung und die formale Gestaltung getroffen werden. Für die Beantwortung von "statements" wie im Rahmen dieser Untersuchung konnte weder eine "richtig/falsch-Reihe" noch eine "Zustimmung/Ablehnung-Reihe" als zielführend identifiziert werden: Letztere erwies sich in der Anwendung als unhandlich, während erstere bei den Befragten, die persönliche Meinungen äußern sollten, den Eindruck erweckte, es gäbe wie in einem Wissenstest eine "Wahrheit". Rohrmann wählte als Ausweg die Kombination des Terminus "zustimmen" mit den Intensitäts-Graduierungen "stimmt nicht – … wenig – … mittelmäßig – … ziemlich – … sehr".35 Seine Antwortskala wurde verbal und grafisch übernommen. Auf die ergänzende numerische Darstellung wurde allerdings verzichtet, auch um jede Verwechselung mit Schulnoten zu vermeiden. Die Antwortalternativen beinhalteten keine Ausweichkategorie wie beispielsweise "weiß nicht". Es handelte sich daher um ein "forciertes Rating".36 Dieses Befragungsdesign birgt das Risiko von uninformierten Antworten, senkt aber gleichzeitig das Risiko, dass die Befragten ihren kognitiven Aufwand verringern: "… no-opinion options may discourage some respondents from doing the cognitive work necessary to report the true opinions they have." 37 Da hier Einstellungen und Meinungen zu relativ komplexen Sachverhalten abgefragt wurden und von einem hohen Zeitdruck der befragten Führungskräfte auszugehen ist, erscheint das Risiko, dass die Befragungsteilnehmer einen verminderten kognitiven Aufwand betreiben, durchaus gegeben. Krosnick et al. sprechen hier von "survey satisficing", das an die Stelle von "survey optimizing" tritt.38
Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Fragebogengestaltung darauf abzielte, die Vorteile der standardisierten schriftlichen Befragung so weit wie 34
Vgl. Rohrmann (1978), S. 231 Vgl. Rohrmann (1978), S. 231 36 Berekoven et al. (2006), S. 77 37 Krosnick et al. (2002), S. 371 38 Vgl. Krosnick (1991), S. 214 f. 35
- 251 möglich zu nutzen und gleichzeitig deren Risiken zu minimieren. Befragungsrisiken bleiben allerdings, denn "menschliche Reaktionen lassen sich nun mal nicht in strenge Wenn-dann-Aussagen fassen wie etwa in den Naturwissenschaften." 39
6.1.3
Untersuchungsteilnehmer
Im Rahmen der Primärforschung können Daten grundsätzlich über zwei verschiedene Vorgehensweisen erhoben werden: Eine Vollerhebung ist denkbar, wenn die interessierende Gesamtheit relativ klein und einfach zu identifizieren ist. Bei rund 10.000 Werbeagenturen in Deutschland40 kommt in dieser Untersuchung aus zeitlichen, finanziellen und organisatorischen Gründen nur eine Teilerhebung in Betracht. Zu unterscheiden sind hierbei Verfahren der Zufallsauswahl und Verfahren der bewussten Auswahl. Zu den letztgenannten gehört das nachfolgend eingesetzte Konzentrationsverfahren, das auch als Cut-off-Verfahren bezeichnet wird.41 Dieses Verfahren kann angewendet werden, "wenn ein bestimmter Teil der Fälle nur einen unbeträchtlichen Beitrag zum Gesamtergebnis leistet." 42 Es bleiben dann die Teile der Grundgesamtheit unberücksichtigt, die keine zusätzlichen Erkenntnisse liefern, aber wesentlich höhere Kosten verursachen würden.43 Im Rahmen dieser Untersuchung erfolgt eine Konzentration auf die im Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) organisierten Werbe- und Kommunikationsagenturen. Die GWAAgenturen repräsentieren rund 80 Prozent des Umsatzvolumens der Top-200Agenturen in Deutschland und ein jährliches Kommunikationsvolumen von über 13 Milliarden Euro; damit entfällt der Hauptteil der Werbeausgaben in Deutschland auf GWA-Agenturen.44 Darüber hinaus ist durch die Beschränkung auf GWA-Agenturen sichergestellt, dass nur erfahrene Werbe- und Kommunikationsagenturen an der Expertenbefragung teilnehmen: Die GWA-Mitgliedschaft setzt eine mindestens zweijährige Bewährung am Markt voraus. Der GWA lässt sich auch als Qualitätssiegel kennzeichnen: "Wer bei der Agenturpräsentation im Vorstand integrierte Markenkommunikations- und Lead-Agency-Kompetenz nicht nachweisen kann, wird
39
Berekoven et al. (2006), S. 98 Vgl. Mutter (2007), S. 122 41 Vgl. Berekoven (2006), S. 58 42 Laatz (1993), S. 422 43 Vgl. Bruhn (2007), S. 95 44 Vgl. ZAW (2007), S. 184 40
- 252 nicht GWA-Mitglied." 45 Des Weiteren ist in den GWA-Statuten festgelegt, dass kein Kunde und kein Medium eine beherrschende Beteiligung an der Agentur halten darf, so dass die Unabhängigkeit der befragten Agenturen gewährleistet ist. GWA-Vizepräsident Mutter geht in diesem Zusammenhang davon aus, dass "kreativer, freier Geist nicht gedeiht, wenn innerhalb einer Agentur ein einzelner Kunde zu dominant ist." 46 Die Beschränkung auf GWA-Agenturen bietet durch die Möglichkeit einer bewussten Auswahl innerhalb dieser Gruppe zahlreiche weitere Vorteile im Rahmen dieser Untersuchung: Über die Homepage des GWA ist ein Suchindex frei zugänglich, so dass gezielt die Agenturen mit Kompetenz in der hier interessierenden klassischen Werbung ausgewählt werden konnten. So wurden beispielsweise keine Agenturen in die Befragung aufgenommen, die sich ausschließlich auf Direktmarketing konzentrieren. Darüber hinaus konnte mit Hilfe des Suchindexes sichergestellt werden, dass nur potenzielle Befragungsteilnehmer angeschrieben wurden, die einen Telekommunikationsetat oder einen Etat in einer Branche mit ähnlicher Marktstruktur wie beispielsweise Luftfahrt halten und/oder in Branchen tätig sind, in denen vergleichende Werbung in hohem Maße eingesetzt wird. Als Beispiele seien hier die Automobilbranche und die Fast Food – Branche genannt. Auf der Grundlage dieser Auswahlkriterien wurden Fragebögen an 185 Agenturchefs verschickt. Die Agenturen sind verpflichtet, ihren Auftritt auf der GWA-Homepage aktuell zu halten, so dass sichergestellt war, dass die Befragung unter Verwendung gültiger Kontaktdaten erfolgen konnte. Die Agenturchefs bilden darüber hinaus eine homogene Gruppe. Dieses Merkmal der Stichprobe ist als Vorteil im Rahmen der Befragung anzusehen, da Homogenität der Gruppe tendenziell eine hohe Rücklaufquote begünstigt.47
6.2
Datenerhebung
Die nachfolgend dargestellte Datenerhebung beschreibt die in Durchführung und Rücklauf gegliederte Datengewinnung.
45
www.gwa.de Mutter (2007), S. 123 47 Vgl. Hippler (1985), S. 39; Laatz (1993), S. 109 46
- 253 6.2.1
Durchführung
Die Datenerhebung erfolgte in Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA). Der Hauptgeschäftsführer des GWA kündigte in seiner "Montags-E-Mail" an alle Agenturchefs am 03.09.2007 die Befragung an und bat sie um ihre Teilnahme. Berekoven geht davon aus, dass Umfragen besonders Erfolg versprechend sind, wenn Verbandsbeziehungen genutzt werden können.48 An dieser Stelle sei allerdings angemerkt, dass der Verband mit dem GWA-Monitor, einer halbjährlichen Erhebung, in der die Einschätzung der Branchenentwicklung durch die Agenturchefs abgefragt wird,49 gleichzeitig eine eigene Umfrage unter den Mitgliedern durchführte. Diese zeitgleiche Befragung könnte die Bereitschaft der Agenturchefs, sich an der Untersuchung zu beteiligen, verringern. Die "Montags-E-Mail" des GWA-Hauptgeschäftsführers lässt sich als "Vorbrief" auffassen, der in der Literatur50 als wichtiger Baustein einer erfolgreichen Befragung genannt wird. Hippler geht davon aus, dass ein Vorbrief bei nur einer Nachfassaktion erforderlich, bei mehreren Nachfassaktionen dagegen entbehrlich ist.51 Im Rahmen dieser Untersuchung erfolgt nur eine Nachfassaktion, da bei Vorliegen konkreter Ansprechpartner und persönlichem Anschreiben ein mehrmaliges Nachfassen nicht zielführend erscheint. Der Fragebogen wurde Anfang September 2007 inklusive Anschreiben, Rückumschlag sowie Anforderungsbogen für den Ergebnisbericht an 185 Agenturchefs geschickt. Knapp zwei Wochen später erfolgte eine schriftliche Erinnerung.
6.2.2
Rücklauf
Eine Antwort auf den Versand des Fragebogens erfolgte von 68 Agenturchefs und damit von 37 Prozent der angeschriebenen Experten. Vier Agenturchefs erklärten sich außerstande, an der Befragung teilzunehmen und nannten als Gründe Zeitmangel beziehungsweise fehlende Erfahrung mit vergleichender Werbung. 64 Experten schickten ausgefüllte Fragebögen zurück. Die Rücklaufquote von 35 Prozent kann für eine schriftliche Befragung von Führungskräften als äußerst zu-
48
Vgl. Berekoven (2006), S.118 Vgl. ZAW (2007), S. 181 50 Vgl. Hippler (1985), S. 40 51 Vgl. Hippler (1985), S. 52 49
- 254 friedenstellend bezeichnet werden: Homburg/Krohmer gehen davon aus, dass bei schriftlichen Befragungen Antwortquoten von 15 Prozent und höher als gut zu bewerten sind.52 Rogers/Williams erzielten bei einer Befragung von Agenturchefs, die sich ebenfalls auf vergleichende Werbung bezog, eine Rücklaufquote von 11,2 Prozent.53 Die relativ hohe Rücklaufquote im Rahmen der vorliegenden Untersuchung dürfte neben der Empfehlung des Verbandes auch darauf zurückzuführen sein, dass "Marktführerschaft und vergleichende Werbung" ein aktuelles Thema darstellt, das innerhalb der befragten Expertengruppe kontrovers diskutiert wird.54 Bei den Experten dürfte daher ein die Antwortbereitschaft förderndes "besonderes Themen-Interesse" 55 bestehen.
6.3
Datenauswertung
Die Datenauswertung lässt sich in zwei Phasen gliedern: Zunächst erfolgt die Datenaufbereitung durch Editierung und Kodierung der Daten, anschließend wird die statistische Analyse durchgeführt.56 Im Rahmen der Editierung der Daten wurde zunächst geprüft, inwieweit die benötigten Daten vorhanden, lesbar und fehlerfrei waren.57 In diesem Zusammenhang ist eine Entscheidung über den Umgang mit fehlenden Werten zu treffen, wobei zwischen ignorierbaren und nicht-ignorierbaren Ausfallmechanismen unterschieden werden muss: Nicht-ignorierbare Ausfallmechanismen liegen vor, wenn es vom Wert der fehlenden Variablen selbst abhängt, dass die Frage nicht beantwortet wurde. Als Beispiel seien besonders sensible Fragen genannt. Die Dateneditierung ergab keine nicht-ignorierbaren Ausfälle. Ignorierbare Ausfallmechanismen sind dadurch gekennzeichnet, dass Daten völlig zufällig fehlen, weil Antwortpersonen beispielsweise Fragen übersehen haben. Für den Umgang mit solchen fehlenden Werten lassen sich Verfahren der Elimination, der Imputation sowie der simultanen Parameterschätzung unterscheiden.58 Hier wurde das erstgenannte Verfahren angewandt, wobei die fehlenden Werte teilweise auf nicht erkannte Sprungmarken zurückzuführen waren. Die Kodierung der Daten erfolgte 52
Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 297 Vgl. Rogers/Williams (1989), S. 27 54 Aussage eines Befragungsteilnehmers; vgl. auch Varlam (2000), S. 31 55 Berekoven et al. (2006), S. 118; siehe auch Hippler (1985), S. 39 56 Vgl. Kühn/Kreuzer (2006), S. 156 57 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 318; Kuß (2007), S. 167 58 Vgl. Homburg/Krohmer (2006), S. 319 f. 53
- 255 bereits im Vorfeld durch die Bildung von Antwortkategorien,59 so dass den einzelnen Antwortoptionen im Rahmen der Auswertung mit Hilfe des Statistikprogrammes SPSS (Version 13.0) unmittelbar Zahlenwerte zugewiesen werden konnten. Die Datenanalyse wurde mittels univariater und bivariater Verfahren durchgeführt. Hierbei war zu beachten, dass das Skalenniveau die Auswertungsmöglichkeiten vorgibt. Die erhobenen Daten waren nominal- beziehungsweise ordinalskaliert. Untersucht wurden daher insbesondere Häufigkeitsverteilungen.60 Darüber hinaus wurde bei ordinalskalierten Daten mit dem Median ein robuster Lageparameter 61 sowie mit dem mittleren Quartilabstand
Q=
Q3 − Q1 2
der entsprechende Streuungsparameter 62 betrachtet. Für die Identifizierung von Zusammenhängen zwischen zwei Variablen wurden Kreuztabellierungen 63 eingesetzt. Nachfolgend werden die Untersuchungsergebnisse vorgestellt, wobei grafische Darstellungen die Daten veranschaulichen.
6.4
Untersuchungsergebnisse
Die im Rahmen der Erläuterung der Fragebogengestaltung64 vorgestellten Antwortalternativen stimmt nicht und stimmt wenig werden nachfolgend als "Ablehnung" der jeweiligen Aussage gewertet, wobei stimmt nicht völlige Ablehnung und stimmt wenig eine zumindest teilweise Ablehnung der Aussage kennzeichnen. Die Antworten stimmt sehr und stimmt ziemlich werden als uneingeschränkte beziehungsweise teilweise Zustimmung betrachtet und zusammen unter "Zustimmung" gefasst.
Die Frage, ob ihre Agentur bereits vergleichende Werbung eingesetzt hat, bejahten 56 Prozent der Agenturchefs. Als Branchen wurden sowohl Konsumgüter als auch
59
Vgl. Kapitel 6.2.2 Vgl. Kromrey (2006), S. 425 ff. 61 Vgl. Janssen/Laatz (2005), S. 204 f. 62 Vgl. Bühl (2006), S. 121 63 Vgl. Bruhn (2007), S. 111 64 Vgl. Kapitel 6.1.2 60
- 256 verschiedene Dienstleistungen (beispielsweise Telekommunikation, Finanzen, Internet, Versicherungen, Autovermietung) genannt. Vergleichende Werbung bei einem Marktführer hatten dagegen nur knapp 22 Prozent der Agenturchefs bereits eingesetzt. Bei den genannten Branchen dominierten jeweils Dienstleistungen.
Die Antwortpersonen bezogen zu der Aussage "Ein Marktführer sollte grundsätzlich keine vergleichende Werbung betreiben" eindeutig Stellung (vgl. Abbildung 39). Die in empirischen Untersuchungen häufig zu beobachtende "Tendenz zur Mitte" war nicht festzustellen: Lediglich fünf Agenturchefs kreuzten hier das Antwortfeld stimmt mittelmäßig an. Über 60 Prozent der Befragten lehnten diese Aussage ab. Die hohe Ablehnung kam in einem niedrigen Median von 1,89 zum Ausdruck. Weniger als zehn Prozent der Experten stimmten der Aussage uneingeschränkt zu. Während 32 Prozent der Befragten der Aussage, dass der Marktführer grundsätzlich keine vergleichende Werbung einsetzen sollte, zustimmten (stimmt sehr und stimmt ziemlich), beträgt der Zustimmungsgrad unter den Agenturen, die bereits vergleichende Werbung eingesetzt haben, nur 27 Prozent gegenüber 39 Prozent bei Agenturen, die vergleichende Werbung noch nicht eingesetzt haben.
30
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
Häufigkeit (absolut)
25
20
15
10
5
0 1
2
3
4
5
Ein Marktführer sollte grundsätzlich keine vergleichende Werbung betreiben.
Abbildung 39: Keine vergleichende Werbung bei Marktführerschaft
Die Aussage, dass ein Marktführer vergleichende Werbung nur unter Beachtung bestimmter Erfolgsfaktoren einsetzen sollte, fand bei den Experten breite Zustimmung:
- 257 Der Median betrug 4,49. Knapp 78 Prozent der Befragten antworteten mit stimmt ziemlich oder stimmt sehr. Auch hier bezogen die Experten eindeutig Stellung. Nur elf Befragte kreuzten stimmt wenig oder stimmt mittelmäßig an. Das nachfolgende Schaubild verdeutlicht die hohe Zustimmung der Antwortpersonen noch einmal grafisch (vgl. Abbildung 40).
"Die Tatsache, dass ein Unternehmen Marktführer ist, ist für den Einsatz vergleichender Werbung durch dieses Unternehmen ohne Bedeutung." Diese Aussage verneinten 72 Prozent der Experten. 25 Prozent antworteten mit stimmt ziemlich beziehungsweise stimmt sehr. Der Median lag bei 1,72. Die Befragten äußerten sich eindeutig, die Antwortalternative stimmt mittelmäßig wurde nur zweimal angekreuzt.
40
Häufigkeit (absolut)
30
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
20
10
0 1
2
3
4
5
Ein Marktführer sollte vergleichende Werbung nur unter Beachtung bestimmter Erfolgsfaktoren einsetzen.
Abbildung 40: Beachtung bestimmter Erfolgsfaktoren
Die umgekehrte Tendenz zeigte sich bei der Aussage "Vergleichende Werbung des Marktführers erzielt hohe Aufmerksamkeit der Konsumenten". Die Häufigkeitsverteilung verdeutlicht, dass die Experten hier keine uneingeschränkte Zustimmung oder Ablehnung äußern wollten: Über 39 Prozent antworteten mit stimmt mittelmäßig (vgl. Abbildung 41). Anzunehmen ist, dass sie keinen "Automatismus" sahen, sondern die Auffassung vertreten: "Es kommt auf die Ausgestaltung der Werbung an…"
- 258 -
25
Häufigkeit (absolut)
20
15
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
10
5
0 1
2
3
4
5
Vergleichende Werbung des Marktführers erzielt hohe Aufmerksamkeit der Konsumenten.
Abbildung 41: Erzielung hoher Aufmerksamkeit
Ein ganz anderes Bild ergab die Auswertung der Aussage "Durch vergleichende Werbung riskiert der Marktführer, von den Konsumenten nicht mehr als 'einzigartig' wahrgenommen zu werden". Die Experten zeigten sich hier gespalten. Ablehnung (44 Prozent) und Zustimmung (47 Prozent) waren hier in ähnlichem Umfang vertreten. Die hohe Streuung kommt in einem mittleren Quartilabstand von 1,26 zum Ausdruck. Auffallend ist, dass die Position stimmt mittelmäßig nur von wenigen Befragten bezogen wurde: Die Aussage polarisierte. Die Kreuztabellierung ergab, dass sich zwar unter allen Agenturen Zustimmung und Ablehnung bei dieser Aussage die Waage halten, aber unter den Agenturen, die noch keine vergleichende Werbung eingesetzt haben, die Zustimmung und damit die Skepsis gegenüber vergleichender Werbung des Marktführers mit 65 Prozent knapp doppelt so hoch ist wie bei den übrigen Agenturen mit 33 Prozent.
"Vergleichende Werbung des Marktführers wirkt weniger glaubwürdig als vergleichende Werbung von weniger etablierten Unternehmen." Nur ein Befragter stimmte dieser Aussage völlig zu, 63 Prozent der Befragten lehnten sie ab (stimmt nicht oder stimmt wenig). Die deutliche Ablehnung kam in einem niedrigen Median von 1,93 zum Ausdruck.
- 259 Stärkere Zustimmung fand dagegen die Aussage, dass vergleichende Werbung mit höheren Chancen und Risiken verbunden ist als vergleichende Werbung von weniger etablierten Unternehmen. Hier betrug die Ablehnung 28 Prozent, während die Zustimmung bei 63 Prozent lag, und 9 Prozent der Befragten stimmt mittelmäßig ankreuzten. Der mittlere Quartilabstand von 1,17 verdeutlicht die starke Streuung.
Die Experten vertraten einhellig die Auffassung, dass gegenüber dem Marktführer in der Regel besonders gefestigte Einstellungen der Konsumenten bestehen. Der Median betrug hier 4,39. Unter den Befragten befand sich niemand, der diese Aussage völlig ablehnte, über 92 Prozent stimmten dagegen zu. Der niedrige mittlere Quartilabstand von 0,60 zeigt die geringe Streuung (vgl. Abbildung 42).
Häufigkeit (absolut)
30
20
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
10
0 1
2
3
4
5
Gegenüber dem Marktführer bestehen in der Regel besonders gefestigte Einstellungen der Konsumenten.
Abbildung 42: Bestehen gefestigter Einstellungen
Die Meinung der Experten zu der Aussage "Vergleichende Werbung ist besonders geeignet, Informationen zu übermitteln, die nicht zu den bisherigen Einstellungen der Konsumenten passen", war dagegen geteilt: Zwar bildeten die Agenturchefs, die Zustimmung äußerten, mit 45 Prozent die größte Gruppe, aber auch Ablehnung (knapp 30 Prozent) und "mittelmäßige Zustimmung" (25 Prozent) waren beträchtlich.
"Durch diese vom Marktführer bewusst im Rahmen vergleichender Werbung übermittelten 'unpassenden' beziehungsweise 'überraschenden' Werbeaussagen kann
- 260 man Konsumenten gezielt verunsichern." Die Auswertung dieser Aussage ergab eine gleichmäßige Streuung um die Antwortalternative stimmt mittelmäßig, die von knapp 33 Prozent der Experten angekreuzt wurde (vgl. Abbildung 43). Der Median betrug 2,97.
Stärkere Zustimmung erhielt die Aussage: "Für den Marktführer besteht durch die bewusst mit Hilfe vergleichender Werbung erzeugte Verunsicherung die Chance, gefestigte Einstellungen der Konsumenten aufzubrechen." Hier kreuzten knapp 44 Prozent der Befragen stimmt sehr oder stimmt ziemlich an. Lediglich 6 Prozent gaben stimmt nicht an.
25
Häufigkeit (absolut)
20
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
15
10
5
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4
5
Durch diese vom Marktführer bewusst im Rahmen vergleichender Werbung übermittelten "unpassenden" beziehungsweise "überraschenden" Werbeaussagen kann man Konsumenten gezielt verunsichern.
Abbildung 43: Gezielte Verunsicherung durch überraschende Werbeaussagen Die Aussage, dass der Marktführer mit vergleichender Werbung Konsumenten in ihrer Wahrnehmung "Marktführer gleich relativ geringes Risiko gegenüber Vergleichsprodukten" bestätigen kann, fand bei den Experten ebenfalls Zustimmung: Knapp 60 Prozent der Befragten zeigte sich sehr oder ziemlich davon überzeugt. Zwei Experten beantworteten die Frage nicht und gaben an, sie sei zu kompliziert formuliert.
"Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer Konsumenten signalisieren, dass seinem (höheren) Preis echte Nutzenvorteile für die Konsumenten gegenüber-
- 261 stehen." Dieser Auffassung schlossen sich gut 62 Prozent der Befragten an, jeweils knapp 19 Prozent äußerten sich ablehnend beziehungsweise gaben stimmt mittelmäßig an.
Eher zustimmend äußerten sich die Agenturchefs zu der Frage, ob vergleichende Werbung des Marktführers sachlich gestaltet sein muss (vgl. Abbildung 44). 53 Prozent der Experten stimmten zu, aber 31 Prozent signalisierten Ablehnung und 16 Prozent kreuzten stimmt mittelmäßig an. Der Grund für den relativ hohen mittleren Quartilabstand von 1,20 könnte darin liegen, dass die Experten, die die Aussage ablehnten, gedanklich ein Gegensatzpaar "sachlich-humorvoll" bildeten. Darauf lässt die Anmerkung eines Befragungsteilnehmers schließen: "Der Fragebogen geht von einer Differenzierung von 'sachlicher' versus 'humorvoller' Werbung aus. Das ist für mich kein zwingender Widerspruch. Sachliche Argumente können durchaus humorvoll verpackt sein." 65
20
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
Häufigkeit (absolut)
15
10
5
0 1
2
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5
Vergleichende Werbung des Marktführers muss sachlich gestaltet sein.
Abbildung 44: Sachliche Gestaltung
Einen scharfen Kontrast zu dieser Häufigkeitsverteilung ergab die Auswertung der Frage, ob vergleichende Werbung des Marktführers glaubwürdig gestaltet werden muss (vgl. Abbildung 45). Hier war kein Experte der Ansicht, dass diese Aussage abzulehnen sei. Die Zustimmung war dagegen mit über 95 Prozent außerordentlich 65
Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens
- 262 hoch. Knapp fünf Prozent entschieden sich für die Antwortalternative stimmt mittelmäßig. Die hohe Zustimmung führte zu einem extrem hohen Median von 4,75.
"Vergleichende Werbung des Marktführers muss die explizite Schlussfolgerung, dass der Marktführer die bessere Wahl ist als die Vergleichsmarke, vermeiden." Diese Aussage stieß bei zahlreichen Experten auf Ablehnung, so dass der Median nur bei 2,39 lag. Knapp 55 Prozent antworteten mit stimmt nicht oder stimmt wenig. Nur 25 Prozent der Experten beurteilten die Aussage positiv (stimmt ziemlich oder stimmt sehr), so dass hier von einer eher ablehnenden Auffassung der Experten gesprochen werden kann. Die Streuung ist mit einem mittleren Quartilabstand von 1,06 relativ hoch. 50
Häufigkeit (absolut)
40
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
30
20
10
0 1
2
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5
Vergleichende Werbung des Marktführers muss glaubwürdig gestaltet sein.
Abbildung 45: Glaubwürdige Gestaltung
Die Aussage, dass die angestrebte Beeinflussungsabsicht des Marktführers weniger deutlich wird, wenn der Marktführer es dem Konsumenten überlässt, eigene Schlussfolgerungen hinsichtlich der vergleichenden Werbeaussagen zu ziehen, wurde nur von knapp fünf Prozent der Experten mit stimmt nicht völlig abgelehnt. Rund 45 Prozent äußerten sich skeptisch (stimmt wenig beziehungsweise stimmt mittelmäßig), knapp 51 Prozent der Befragten stimmten dagegen zu, so dass auch hier die Auffassungen der Experten divergieren.
- 263 "Überlässt es der Marktführer dem Konsumenten, eigene Schlussfolgerungen hinsichtlich der vergleichenden Werbeaussagen zu ziehen, wird die Werbebotschaft als weniger aggressiv beziehungsweise unfair empfunden." Diese Aussage wurde zwar von über elf Prozent der Befragten völlig und von knapp 10 Prozent teilweise abgelehnt, allerdings stimmten auch gut 57 Prozent der Befragten der Aussage zu.
Sehr uneinheitlich bewerteten die Experten die Aussage, dass die Werbebotschaft glaubwürdiger wirkt, wenn es der Marktführer dem Konsumenten überlässt, eigene Schlussfolgerungen hinsichtlich der vergleichenden Werbeaussagen zu treffen (vgl. Abbildung 46). Damit lässt sich feststellen, dass die Experten zwar einhellig die Auffassung vertreten, vergleichende Werbung müsse glaubwürdig gestaltet sein (vgl. Abbildung 45), dass sie aber "eigene Schlussfolgerungen durch den Konsumenten" nicht eindeutig als geeignetes Instrument kennzeichnen und keineswegs auf explizite Schlussfolgerungen in der Werbung verzichten wollen. Der niedrige Anteil derer, die die Aussage mit stimmt nicht beziehungsweise stimmt sehr bewertet haben, deutet darauf hin, dass die Experten jeglichen "Automatismus" strikt ablehnen und eigene Schlussfolgerungen durch den Konsumenten ihnen zufolge nicht (unmittelbar) zu einer höheren Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft führen.
20
Häufigkeit (absolut)
15
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
10
5
0 1
2
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4
5
Überlässt es der Marktführer dem Konsumenten, eigene Schlussfolgerungen hinsichtlich der vergleichenden Werbeaussagen zu ziehen, wirkt die Werbebotschaft glaubwürdiger.
Abbildung 46: Eigene Schlussfolgerungen der Konsumenten
- 264 Die Aussage, dass die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers durch den Verweis auf ein Mehrheitsurteil erhöht werden kann, lehnten nur knapp fünf Prozent der Befragten mit stimmt nicht völlig ab. Die Zustimmung (stimmt ziemlich oder stimmt sehr) betrug hier insgesamt 50 Prozent.
Deutliche Zustimmung fand die Aussage, dass die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers durch den Verweis auf Testergebnisse erhöht werden kann: Über 92 Prozent der Experten gaben stimmt ziemlich oder stimmt sehr an. Keiner der Befragten lehnte die Aussage mit stimmt nicht völlig ab. Der Median lag bei 4,59.
Der Aussage, dass die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung durch zahlenbasierte Argumentation erhöht werden kann, stimmten die Experten ebenfalls in relativ hohem Maße zu: Knapp 72 Prozent kreuzten hier stimmt ziemlich oder stimmt sehr an. Kein Experte lehnte die Aussage völlig ab, allerdings wollten rund neun Prozent dieser Argumentation nur wenig und knapp 19 Prozent mittelmäßig folgen. Die geringe Streuung kam in einem mittleren Quartilabstand von nur 0,76 zum Ausdruck.
Zweiseitige Argumentation lehnten rund 17 Prozent der Befragten als Mittel zur Erhöhung der Glaubwürdigkeit völlig ab, weitere knapp 22 Prozent gaben stimmt wenig an. Nur gut drei Prozent kreuzten stimmt sehr an. Knapp 34 Prozent der Experten entschieden sich hier für die Antwortalternative stimmt mittelmäßig, gut 23 Prozent für stimmt ziemlich.
Die nachfolgenden vier Abbildungen zeigen zusammenfassend, dass die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers nach Ansicht der Experten insbesondere durch den Verweis auf Testergebnisse sowie durch zahlenbasierte Argumentation gesteigert werden kann (vgl. Abbildungen 47-50).
- 265 -
25
Häufigkeit (absolut)
20
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
15
10
5
0 1
2
3
4
5
Die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers kann erhöht werden durch Verweis auf das Urteil einer "Mehrheit".
Abbildung 47: Verweis auf Mehrheitsurteile
40
Häufigkeit (absolut)
30
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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5
Die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers kann erhöht werden durch Verweis auf Testergebnisse.
Abbildung 48: Verweis auf Testergebnisse
- 266 -
30
Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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Die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers kann erhöht werden durch zahlenbasierte Argumentation.
Abbildung 49: Zahlenbasierte Argumentation
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Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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Die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers kann erhöht werden durch zweiseitige Argumentation, das heißt, Vor- und Nachteile der beworbenen Marke werden genannt.
Abbildung 50: Zweiseitige Argumentation
"Die Bereitschaft der Konsumenten, vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, ist gering." Bei dieser Aussage gaben knapp 36 Prozent der Experten stimmt mittelmäßig an, gut 42 Prozent signalisierten mit stimmt nicht oder stimmt wenig Ablehnung. Es ist davon auszugehen, dass die Befragten hier "Allgemeingültigkeit" verneinen und in ihrem Antwortverhalten zum Ausdruck bringen
- 267 wollten: "Es hängt von der Ausgestaltung der Werbebotschaft ab…" Die Experten, die mit stimmt sehr oder stimmt ziemlich antworteten, machten in hohem Maße die dem Marktführer gegenüber bestehenden gefestigten Einstellungen der Konsumenten für die geringe Bereitschaft der Konsumenten, vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, verantwortlich: 64 Prozent antworteten mit stimmt sehr oder stimmt ziemlich, was zu einem Median von 4,11 führte.
Die Aussage, das hohe Vorwissen der Konsumenten sei ein Grund für diese geringe Bereitschaft, bewerteten zwar knapp 43 Prozent der Experten mit stimmt ziemlich oder stimmt sehr, allerdings war hier die Ablehnung mit über 50 Prozent deutlicher ausgeprägt.
"Sind die vergleichenden Werbebotschaften des Marktführers so gestaltet, dass sie zu den bisherigen Einstellungen der Konsumenten nicht ganz passend sind, kann der Konsument die Werbebotschaft nicht an bisherigen (Kauf-) Erfahrungen und Einstellungen spiegeln und wird damit zur aktiven Suche nach weiteren Informationen angeregt." Mit dieser Aussage erklärte sich kein Experte uneingeschränkt einverstanden, allerdings antworteten rund 30 Prozent der Befragten mit stimmt ziemlich und rund 38 Prozent mit stimmt mittelmäßig. Knapp 32 Prozent der Befragten signalisierten aber auch Ablehnung (stimmt nicht oder stimmt wenig), so dass die Auffassung der Experten insgesamt uneinheitlich ist.
Dass zu den bisherigen Einstellungen der Konsumenten nicht ganz passende vergleichende Werbebotschaften des Marktführers die intensive Auseinandersetzung der Konsumenten mit der Werbebotschaft fördern, wollten die Experten weder klar bestätigen noch verneinen. Jeweils 6 Prozent der Befragten antworteten mit stimmt sehr beziehungsweise stimmt nicht. Die übrigen Antworten verteilten sich fast gleichmäßig auf die mittleren Alternativen stimmt wenig, stimmt mittelmäßig und stimmt ziemlich. Das lässt darauf schließen, dass die Experten hier absolute Aussagen ablehnen und die Ansicht vertreten: "Die Ausgestaltung der Werbebotschaft ist entscheidend…" Eine ähnliche Tendenz zeigte sich bei der Frage, ob als leicht unähnlich wahrgenommene Vergleichsmarken die intensive Auseinandersetzung der Konsumenten mit der Werbebotschaft des Marktführers fördern. Hier fiel die Zustimmung allerdings mit 27 Prozent geringer aus als bei der vorigen Frage (38 Prozent).
- 268 "Bei vergleichender Werbung des Marktführers ist die Gefahr von Fehlidentifikationen gering, das heißt, es gibt kaum Verwechselungen der beworbenen Vor- und Nachteile von Marktführer und Vergleichsmarke." Dieser Aussage stimmten gut 44 Prozent der Befragten zu (stimmt sehr oder ziemlich). Über 25 Prozent lehnten sie ab (stimmt nicht oder stimmt wenig). Gut 30 Prozent der Experten wählten die Antworten stimmt mittelmäßig. Es ist davon auszugehen, dass die Experten auch hier signalisieren wollten, dass keine "allgemeingültigen" Aussagen möglich sind.
Weniger uneinheitlich waren die Reaktionen auf die folgende Aussage: "Je unähnlicher die Marke, auf die der Marktführer Bezug nimmt, im Vergleich zum Marktführer von den Konsumenten wahrgenommen wird, desto geringer ist die Gefahr von Fehlidentifikationen durch vergleichende Werbung." Knapp 54 Prozent der Befragten signalisierten hier mit stimmt sehr oder stimmt ziemlich Zustimmung, nur gut sechs Prozent lehnten die Aussage völlig ab, weitere 19 Prozent gaben stimmt wenig an.
Starken Widerspruch rief die Aussage hervor, dass der Marktführer auf vergleichende Werbung etablierter Wettbewerber mit vergleichender Werbung reagieren muss: 81 Prozent der Experten kreuzten hier stimmt nicht oder stimmt wenig an. Kein Befragter antwortete mit stimmt sehr. Der Median betrug nur 1,43. Die hohe Ablehnung der Antwortpersonen dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass Marktführer ihrer Ansicht nach eher agieren als reagieren sollten. Es ist auch anzunehmen, dass die Experten die Gefahr von Werbeduellen sehen. Darüber hinaus könnte auch die Wortwahl bei dieser Frage ablehnende Antworten begünstigt haben: "Man 'kann' alles machen, sich vorstellen etc., man 'muss' nichts machen." 66
Die (wenigen) Befragten, die dieser Aussage positiv gegenüberstanden, stimmten alle der Aussage zu, dass der Marktführer mit vergleichender Werbung als Reaktion auf vergleichende Werbung etablierter Wettbewerber seinen Führungsanspruch verdeutlichen kann.
Die Aussage, dass der Marktführer mit reaktiver vergleichender Werbung Irritationen seiner Bestandskunden vermeiden kann, lehnte kein Befragter ab. Allerdings signalisierte auch kein Agenturchef mit stimmt sehr völlige Zustimmung. 66
Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens
- 269 Eine ganz andere Häufigkeitsverteilung ergab die Auswertung der Aussage "Auf vergleichende Werbung kleiner, unbekannter Marktakteure darf der Marktführer nicht mit vergleichender Werbung reagieren." Hier bezogen die Experten eindeutig Stellung: Nur knapp fünf Prozent der Befragten antworteten mit stimmt mittelmäßig. Fast 75 Prozent der Antwortpersonen stimmten der Aussage zu (vgl. Abbildung 51).
"Der Marktführer muss auf aktive vergleichende Werbung mit Bezugnahme auf neue, unbekannte Marktakteure verzichten." Hier zeigte sich eine ähnliche Antworttendenz (vgl. Abbildung 52). Knapp 62 Prozent stimmten der Aussage zu, 27 Prozent lehnten sie ab. Der Median betrug 3,76.
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Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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Auf vergleichende Werbung kleiner, unbekannter Marktakteure darf der Marktführer nicht mit vergleichender Werbung reagieren.
Abbildung 51: Keine vergleichende Werbung als Reaktion auf vergleichende Werbung kleiner Marktakteure
Auch der Aussage, dass der Marktführer im Rahmen aktiver vergleichender Werbung als Vergleichsmarke eine in der Wahrnehmung der Konsumenten fest verankerte, etablierte Marke wählen muss, stimmten die Befragten zu (vgl. Abbildung 53). 48 Prozent der Experten antworteten mit stimmt sehr oder stimmt ziemlich, weitere 32 Prozent mit stimmt mittelmäßig. Gut 20 Prozent der Antwortpersonen lehnten die Aussage ab.
- 270 -
25
1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
Häufigkeit (absolut)
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Der Marktführer muss auf aktive vergleichende Werbung mit Bezugnahme auf neue, unbekannte Marktakteure verzichten.
Abbildung 52: Keine Bezugnahme auf neue Marktakteure bei aktiver vergleichender Werbung
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Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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5
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Im Rahmen aktiver vergleichender Werbung muss der Marktführer als Vergleichsmarke eine in der Wahrnehmung der Konsumenten fest verankerte, etablierte Marke wählen.
Abbildung 53: Etablierte Vergleichsmarke bei aktiver vergleichender Werbung "Die Gefahr, dass der Marktführer mit vergleichender Werbung auch Werbung für die Vergleichsmarke betreibt, ist umso geringer, je bekannter und etablierter die Vergleichsmarke ist." Hier waren sich die Experten uneinig (vgl. Abbildung 54). Die Zustimmung war insgesamt ähnlich groß wie die Ablehnung, wenn auch die Antwort-
- 271 möglichkeit stimmt ziemlich mit über 31 Prozent hervorsticht. Die breite Streuung kam in einem mittleren Quartilabstand von 1,14 zum Ausdruck. Es ist davon auszugehen, dass zahlreiche Experten die Ansicht vertreten, dass mit vergleichender Werbung grundsätzlich auch Werbung für die Vergleichsmarke betrieben wird, und sie der bei dieser Aussage vorgenommenen Differenzierung zwischen etablierten und weniger etablierten Unternehmen nicht folgen wollten.
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Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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2
3
4
5
Die Gefahr, dass der Marktführer mit vergleichender Werbung auch Werbung für die Vergleichsmarke betreibt, ist umso geringer, je bekannter und etablierter die Vergleichsmarke ist.
Abbildung 54: Gefahr der kostenlosen Werbung für die Vergleichsmarke Nachfolgend erfolgt die Auswertung der Fragen, die sich konkret auf vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunk beziehen.
Die Aussage, dass der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt neben Leistungsauch Preiswerbung betreiben muss, traf bei den Befragten auf deutliche Zustimmung (vgl. Abbildung 55). Über 82 Prozent der Experten gaben hier stimmt sehr oder stimmt ziemlich an. Dies führte zu einem hohen Median von 4,31. Der mittlere Quartilabstand lag bei nur 0,75.
Lediglich knapp 15 Prozent der Experten äußerten sich ablehnend. Die Antwortpersonen, die der Aussage zustimmten, sahen die hohe Preisorientierung der Konsumenten als wichtigen Grund für die notwendige Kombination aus Preis- und
- 272 Leistungswerbung. Hier gab es keine ablehnenden Antworten: 68 Prozent antworteten mit stimmt sehr, die übrigen mit stimmt ziemlich. Dies führte zu einem hohen Median von 4,68.
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Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt muss neben Leistungs- auch Preiswerbung betreiben.
Abbildung 55: Leistungs- und Preiswerbung
Das Teuer-Image des Marktführers wurde ebenfalls mit hoher Zustimmung als Grund für die Kombination von Preis- und Leistungswerbung des Marktführers im Mobilfunk gesehen: Über 82 Prozent der Experten kreuzten stimmt sehr oder stimmt ziemlich an. Die Agenturchefs schöpften hier allerdings das gesamte Spektrum der Antwortmöglichkeiten aus (vgl. Abbildung 56).
"Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt muss vergleichende Werbung in Form kombinierter Preis- und Leistungswerbung einsetzen." Dieser Aussage schlossen sich 65 Prozent der Experten an. Jeweils knapp 10 Prozent gaben stimmt nicht oder stimmt wenig an. Gut 16 Prozent entschieden sich für die Antwortalternative stimmt mittelmäßig.
Der Aussage, dass der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt mit vergleichender Werbung Bestandskunden in ihrer Entscheidung für die Marke bestätigen kann, stimmten die Befragten mit gut 77 Prozent deutlich zu (vgl. Abbildung 57).
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Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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Grund dafür, dass der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt neben Leistungs- auch Preiswerbung betreiben muss, ist das "Teuer-Image" des Marktführers.
Abbildung 56: "Teuer-Image" des Marktführers
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
Häufigkeit (absolut)
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Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt Bestandskunden in ihrer Entscheidung für die Marke bestätigen.
Abbildung 57: Bestätigung von Bestandskunden
Bei der Frage, ob der Marktführer im Mobilfunkmarkt mit vergleichender Werbung Bestandskunden Argumente im Hinblick auf die Überzeugung weiterer Kunden liefern kann, war die Zustimmung der Experten mit knapp 64 Prozent etwas geringer (vgl. Abbildung 58). Allerdings signalisierte nur ein Agenturchef völlige Ablehnung.
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Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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2
3
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Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt Bestandskunden Argumente im Hinblick auf die Überzeugung weiterer Kunden liefern.
Abbildung 58: Überzeugung weiterer Kunden
Der Aussage, dass der Marktführer im deutschen Mobilfunk mit vergleichender Werbung die Repositionierung der Marke unterstützen kann, stimmten genau die Hälfte der Befragten zu (vgl. Abbildung 59). Die Zustimmung war damit deutlicher ausgeprägt als die Ablehnung (knapp 32 Prozent).
20
Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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0 1
2
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Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt die Repositionierung der Marke unterstützen.
Abbildung 59: Repositionierung der Marke
- 275 "Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt verfolgt mit vergleichender Werbung im Preiswettbewerb eine Strategie der Anlehnung an andere Marken." Die Häufigkeitsverteilung (vgl. Abbildung 60) verdeutlicht, dass die Befragten hier uneinheitlicher Meinung sind. Es ist davon auszugehen, dass die Ablehnung in Höhe von 43 Prozent insbesondere auf zwei Gründe zurückzuführen ist, die beide aus den Anmerkungen der Experten am Ende des Fragebogens hervorgehen: Erstens muss der Marktführer seine Alleinstellung unter Beweis stellen, und zweitens "darf" der Preis des Marktführers unter bestimmten Bedingungen durchaus höher sein als der von Wettbewerbern: "Der Kunde will König sein, so behandelt werden, Dinge leicht verstehen können und endlich das sichere beziehungsweise gute Gefühl haben, sich auf eine Marke verlassen zu können – selbst wenn sie dann mal zwei Cent teurer ist." 67
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
Häufigkeit (absolut)
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Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt verfolgt mit vergleichender Werbung im Preiswettbewerb eine Strategie der Anlehnung an andere Marken.
Abbildung 60: Strategie der Anlehnung im Preiswettbewerb
Anders sah die Tendenz bei der Frage aus, ob sich der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt mit vergleichender Werbung im Leistungswettbewerb von allen anderen Marken abheben will. Hier lag die völlige Ablehnung (stimmt nicht) nur bei 2 Prozent. 61 Prozent der Befragten antworteten mit stimmt sehr oder stimmt ziemlich.
"Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt sollte vergleichende Werbung eher als Reaktion auf entsprechende Werbemaßnahmen von Wettbewerbern als aktiv 67
Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens
- 276 einsetzen." Diese Aussage beurteilten zwar über 35 Prozent der Experten mit stimmt sehr oder stimmt ziemlich, knapp 42 Prozent äußerten sich allerdings ablehnend. Die teilweise Zustimmung der Experten verwundert zunächst, da die übrigen Aussagen der Befragten eher darauf schließen lassen, dass der Marktführer nicht reagieren, sondern agieren sollte. Aus den Anmerkungen der Experten am Ende des Fragebogens geht allerdings hervor, dass sie dem Image des jeweiligen Marktführers ("imageseitig vorne oder angeschlagen" 68) hohe Bedeutung beimessen. Hier ist daher anzunehmen, dass der eher reaktive Einsatz vergleichender Werbung eine spezifische Empfehlung für den Marktführer im deutschen Mobilfunk darstellt.
Bei den folgenden vier Fragen, die sich auf das Gestaltungsmittel Humor beziehen, zeigten die Befragten dagegen klare Antworttendenzen: Die Aussage, dass der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt durch eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft Souveränität und Gelassenheit im Umgang mit Wettbewerbern demonstrieren kann, wurde von lediglich 3 Prozent der Experten völlig abgelehnt. 70 Prozent äußerten sich dagegen zustimmend (stimmt ziemlich und stimmt sehr).
Den Verzicht auf eine humorvolle Gestaltung vergleichender Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt im Rahmen aktiver vergleichender Werbung lehnen 66 Prozent der Experten ab. Uneingeschränkt zustimmend äußerten sich hier nur 3 Prozent der Befragten. Der niedrige Median von 2,09 verdeutlicht den hohen Ablehnungsgrad.
Auch die Aussage, dass eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft im Rahmen aktiver vergleichender Werbung Bestandskunden des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt irritieren würde, fand bei über 75 Prozent der Befragten keine Zustimmung (stimmt nicht oder stimmt wenig). Uneingeschränkte Zustimmung äußerten lediglich 2 Prozent der Befragten. Der Median betrug hier nur 1,91 bei einem mittleren Quartilabstand von 0,78.
"Kunden von Wettbewerbern könnte der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt mit einer humorvollen Gestaltung der Werbebotschaft im Rahmen aktiver vergleichender Werbung nicht von seiner Leistungsfähigkeit überzeugen." Hier lag die 68
Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens
- 277 uneingeschränkte Zustimmung der Experten wiederum nur bei nur 2 Prozent, knapp 61 Prozent der Experten antwortete dagegen mit stimmt nicht oder stimmt wenig.
Die nachfolgenden Schaubilder verdeutlichen noch einmal grafisch, dass die Experten auf das Gestaltungsmittel Humor im Rahmen aktiver wie auch reaktiver vergleichender Werbung des Marktführers keineswegs verzichten wollen (vgl. Abbildungen 61-64).
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Häufigkeit (absolut)
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Im Rahmen reaktiver vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt durch eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft Souveränität und Gelassenheit im Umgang mit Wettbewerbern demonstrieren.
Abbildung 61: Demonstration von Souveränität und Gelassenheit durch Humor bei reaktiver vergleichender Werbung
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
Häufigkeit (absolut)
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Bei aktiver vergleichender Werbung sollte der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt auf eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft verzichten.
Abbildung 62: Verzicht auf humorvolle Gestaltung bei aktiver vergleichender Werbung
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Häufigkeit (absolut)
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
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Eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft im Rahmen aktiver vergleichender Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt würde Bestandskunden irritieren.
Abbildung 63: Irritation von Bestandskunden durch Humor bei aktiver vergleichender Werbung
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1 = stimmt nicht 2 = stimmt wenig 3 = stimmt mittelmäßig 4 = stimmt ziemlich 5 = stimmt sehr
Häufigkeit (absolut)
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Kunden von Wettbewerbern könnte der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt mit einer humorvollen Gestaltung der Werbebotschaft im Rahmen aktiver vergleichender Werbung nicht von seiner Leistungsfähigkeit überzeugen.
Abbildung 64: Durch Humor keine Überzeugung der Wettbewerberkunden von eigener Leistungsfähigkeit "Für vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt ist der Einsatz von Printmedien als Werbeträger besonders Erfolg versprechend." Die Einschätzungen der Experten zeigten hier eine deutliche "Tendenz zur Mitte": Knapp 46 Prozent der Befragten kreuzten stimmt mittelmäßig an. Die Zustimmung (36 Prozent) war allerdings deutlicher als die Ablehnung (18 Prozent). Es ist davon auszugehen, dass die Experten ein klares "Nein" ebenso wie ein klares "Ja" vermieden, da zum einen neben dem Werbeträger zahlreiche andere Faktoren über den Erfolg vergleichender Werbung entscheiden, und zum anderen der Inhalt der Werbebotschaft für die Experten im Vordergrund stehen muss. Diese Schlussfolgerung lässt sich aus den Anmerkungen der Experten am Ende des Fragebogens ziehen. Zunächst einmal ist festzuhalten, dass 21 Experten und damit knapp 33 Prozent der Antwortpersonen die Rubrik "Anmerkungen" ausgefüllt haben, was auf ein hohes Themeninteresse schließen lässt. Mehrere Experten wiesen darauf hin, dass der Inhalt der vergleichenden Werbebotschaft wichtiger sei als das Format. Sie gehen davon aus, dass die jeweilige Leistung des Anbieters herausgestellt werden muss, nicht die Tatsache, dass ein Unternehmen Marktführer ist. Ihnen zufolge muss zudem unterschieden werden, ob der Marktführer "imageseitig vorne oder angeschlagen" ist und ob die Marktführerschaft "image- oder zahlenbegründet" ist. Jeder Experte dürfte bei der Befragung einen anderen Marktführer vor Augen gehabt haben, was ein Grund für die teilweise starke Streuung der Ergebnisse sein könnte. Dagegen spricht aller-
- 280 dings, dass die Streuung auch im letzten Teil der Befragung hoch war, die sich eindeutig auf den (allerdings nicht genannten) Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt bezog.
Die Befragten betonen darüber hinaus in ihren Anmerkungen, dass der Preis im Mobilfunkmarkt von entscheidender Bedeutung ist, Preis-Leistungs-Vergleiche aber für den Durchschnittskonsumenten kaum zu bewältigen sind und entsprechende anbieterseitige Vergleiche auf großes Misstrauen bei den Konsumenten stoßen. Daher müsse vergleichende Werbung auch des Marktführers zum einen auf Testurteile sowie Expertenempfehlungen zurückgreifen, zum anderen aber auch sehr einfache, transparente Aussagen transportieren. "Kurz und klar" fordern die Experten in diesem Zusammenhang.
Den Einsatz des Gestaltungsmittels Humor sehen die Befragten auch beim Marktführer äußerst positiv, allerdings müsse ein deutlicher Bezug zur Leistungsebene bestehen, und es sei problematisch, den Humor der Masse effektiv zu treffen.
Zusammenfassend lässt sich als Ergebnis der empirischen Untersuchung zunächst die mit knapp 78 Prozent äußerst hohe Zustimmung zu der Forschungsfrage dieser Arbeit festhalten: "Ein Marktführer sollte vergleichende Werbung nur unter Beachtung bestimmter Erfolgsfaktoren einsetzen" (vgl. Abbildung 40). Die Agenturchefs signalisierten bei zahlreichen Fragen Zustimmung, bei einer geringen Anzahl von Fragen dagegen Ablehnung; bei einigen zeigte sich eine "Tendenz zur Mitte". Nachfolgend werden auf Basis dieser Dreiteilung mögliche Gründe für das Antwortverhalten der Experten erörtert. •
Hohe Ablehnung der Experten Die Befragen verneinten die Aussage, dass die Wettbewerbsposition der Marktführerschaft für den Einsatz vergleichender Werbung ohne Bedeutung ist, mit knapp 72 Prozent deutlich. Den stärksten Widerspruch rief allerdings die Aussage hervor, dass der Marktführer auf vergleichende Werbung etablierter Wettbewerber mit vergleichender Werbung reagieren muss (81 Prozent Ablehnung). Insgesamt wurden die Aussagen, die eher auf Reaktivität als auf Aktivität des Marktführers in Zusammenhang mit vergleichender Werbung abzielten, von den
- 281 Befragten tendenziell stärker verneint. Den Experten zufolge ist es Aufgabe des Marktführers, zu agieren: "Der Marktführer muss ständig seine Attraktivität und Anziehungskraft steigern, und das aktiv, nicht reaktiv." 69 Sie gehen davon aus, dass der Marktführer seine Vorrangstellung auch in seiner vergleichenden Werbung klar herausstellt. Das zeigt ihre mit knapp 55 Prozent deutliche Ablehnung der Aussage "Vergleichende Werbung des Marktführers muss die explizite Schlussfolgerung, dass der Marktführer die bessere Wahl ist als die Vergleichsmarke, vermeiden." •
Hohe Zustimmung der Experten Den Aussagen, dass vergleichende Werbung des Marktführers glaubwürdig gestaltet sein muss, die Glaubwürdigkeit durch den Verweis auf Testergebnisse gesteigert werden kann und die Werbebotschaft auf besonders gefestigte Einstellungen der Konsumenten trifft, stimmten die Agenturchefs mit jeweils über 92 Prozent in besonders hohem Maße zu. Auch bei den Aussagen, dass der Marktführer im deutschen Mobilfunk durch eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft Souveränität und Gelassenheit im Umgang mit Wettbewerbern demonstrieren sowie Bestandskunden in ihrer Entscheidung für die Marke bestätigen kann, kreuzten jeweils über 70 Prozent der Befragten stimmt sehr oder stimmt ziemlich an. Die hohe Zustimmung der Experten zu den Aussagen "Der Marktführer muss auf aktive vergleichende Werbung mit Bezugnahme auf neue, unbekannte Marktakteure verzichten" sowie "Der Marktführer darf auf vergleichende Werbung kleiner, unbekannter Marktakteure nicht mit vergleichender Werbung reagieren" (knapp 62 beziehungsweise 75 Prozent Zustimmung), erscheint vor dem Hintergrund der von den Agenturchefs grundsätzlich geforderten aktiven Rolle des Marktführers von besonderer Bedeutung: Sie zeigt, dass die Experten die Abgrenzung von etablierten und neuen Vergleichsmarken, die in dieser Arbeit vorgenommen wird, ebenfalls vollziehen.
•
Tendenz zur Mitte Bei den Aussagen, dass vergleichende Werbung des Marktführers hohe Aufmerksamkeit der Konsumenten erzielt, und die Bereitschaft der Konsumenten, vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, gering ist, kreuz-
69
Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens
- 282 ten über 39 beziehungsweise knapp 36 Prozent der Befragten "stimmt mittelmäßig" an. Es ist davon auszugehen, dass die Experten damit insbesondere ihre Ablehnung jedweder Verallgemeinerung zum Ausdruck bringen wollten. Aus den Anmerkungen der Agenturchefs geht hervor, dass sie hauptsächlich zwei Gründe für die mangelnde Generalisierbarkeit sehen:
- das jeweils spezifische Wettbewerbsumfeld sowie - die Ausgestaltungsoptionen vergleichender Werbung.
Zahlreiche Befragte wiesen darauf hin, dass die Erfolgschancen vergleichender Werbung des Marktführers von dem jeweiligen Wettbewerbsumfeld und Wettbewerbskontext abhängen: "Ob Vergleiche sinnvoll sind, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es hängt sehr stark von der 'tagesaktuellen' Wettbewerbs- und Preissituation ab." 70 Hervorgehoben wurde auch, dass "die besondere Situation des jeweiligen Marktführers" ebenso zu berücksichtigen sei wie "die Marktsituation und die strategischen Unternehmensziele".71 Darüber hinaus betonten die Experten, dass die Ausgestaltung der vergleichenden Werbung von entscheidender Bedeutung sei. So erklärte ein Befragter: "Es gibt gute und schlechte Werbemaßnahmen – vergleichend oder nicht." 72 Für diese Ausgestaltung der (vergleichenden) Werbebotschaft lassen sich allerdings keine Patentrezepte formulieren, wie ein anderer Befragungsteilnehmer deutlich machte: "Es gibt kein richtig oder falsch, sonst wäre die Arbeit einer Werbeagentur unnütz." 73 Diese Einschätzung wurde auch in einer Untersuchung von Muehling et al. zur Beurteilung vergleichender Werbung durch Werbetreibende und Werbeagenturen deutlich: "Several respondents had difficulty generalizing their viewpoints to all comparative ads, noting that comparative advertising is a technique, and as such, can be good or bad depending upon how it is used." 74 Im Vergleich zur vorherrschenden Meinung in der Literatur75 sowie den hier abgeleiteten Forschungshypothesen schätzten die Agenturchefs die Chancen verglei-
70
Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens 72 Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens 73 Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens 74 Muehling et al. (1989), S. 47 75 Vgl. Kapitel 3.5.1 71
- 283 chender Werbung des Marktführers höher und die Risiken geringer ein. Als Beispiel sei ihre hohe Ablehnung der Aussage "Vergleichende Werbung des Marktführers wirkt weniger glaubwürdig als vergleichende Werbung von weniger etablierten Unternehmen" genannt. Diese Aussage findet in der Literatur dagegen hohe Zustimmung und wird auch in dieser Arbeit unterstützt.76 Rogers/Williams gelangten in ihrer Untersuchung ebenfalls zu dem Ergebnis, dass Praktiker vergleichender Werbung tendenziell eher positiv gegenüberstehen: "Many practitioners seem confident in the effectiveness of comparative advertising … their general attitude toward comparative advertising tended to be much more favorable than one would expect based on academic research results." 77 Es ist davon auszugehen, dass die positive Einschätzung vergleichender Werbung des Marktführers durch die Agenturchefs auch darin begründet ist, dass sie davon ausgehen, mit ihrer Kreativleistung mögliche (inhärente) Nachteile dieses Instrumentes "kompensieren" zu können: "Am Ende geht es bei Werbung immer um die Güte der Idee … vergleichende Werbung mit Idee wirkt – die ohne nicht!" 78 Diese Auffassung eines Befragungsteilnehmers fand sich in ähnlicher Form in den Anmerkungen anderer Experten wieder.
76
Vgl. Kapitel 4.4.5 Rogers/Williams (1989), S. 23 und S. 32 78 Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens 77
- 284 -
7
Schlussbetrachtung
Die vorliegende Untersuchung hat einen Beitrag zur Ermittlung von Erfolgsfaktoren für den Einsatz vergleichender Werbung durch den Marktführer geleistet. Nachfolgend wird sie noch einmal mit ihren Ergebnissen zusammenfassend dargestellt, bevor Implikationen für die Praxis sowie weiterer Forschungsbedarf aufgezeigt werden.
- 286 7.1
Zusammenfassung der Arbeit
Ausgangspunkt der Arbeit waren zwei im Rahmen vergleichender Werbung ausgetragene Werbeduelle zwischen der Deutschen Telekom und MobilCom beziehungsweise ALDI, die verdeutlichen, dass vergleichende Werbung des Marktführers im Telekommunikationsmarkt die herkömmliche Werbung punktuell ergänzt. In der Literatur wird dagegen nahezu "gebetsmühlenartig" wiederholt, dass vergleichende Werbung für den Marktführer aufgrund zahlreicher Risiken eher ungeeignet ist. Der Stand der Wissenschaft hat gezeigt, dass Untersuchungen zur vergleichenden Werbung häufig auf teilweise veraltete amerikanische Studien zurückgreifen. In Deutschland befindet sich die betriebswirtschaftliche Forschung zur vergleichenden Werbung noch in den Anfängen, was nicht zuletzt auf die erst seit der Umsetzung der Richtlinie 97/55/EG in deutsches Recht im Jahre 2000 gelockerten rechtlichen Rahmenbedingungen zurückgeführt wird. Es fehlt insbesondere ein Ansatz, der die zur Ermittlung von Erfolgsfaktoren vergleichender Werbung erforderliche Branchenbeziehungsweise Produktspezifität aufweist. Ein solcher Ansatz wurde hier mit dem Produkt Mobilfunk und der Wettbewerbssituation der Marktführerschaft erstmals verfolgt. In einer explorativen Voruntersuchung wurden zunächst Experten im Rahmen mündlicher unstrukturierter Einzelinterviews sowohl zur Rechtslage in Bezug auf vergleichende Werbung als auch zu den Chancen und Risiken ihrer Anwendung für den Marktführer im deutschen Mobilfunk befragt. Als Ergebnis konnte festgehalten werden, dass fehlende Rechtssicherheit die Anwendung dieses Werbeinstrumentes nicht behindert. Risiken sahen die Experten für den Marktführer allerdings insbesondere im Hinblick auf einen möglichen "Bumerang-Effekt" und empfahlen eine eher reaktive Strategie. Zielsetzung dieser Arbeit war es daher, am Beispiel des Mobilfunkmarktes aufzuzeigen, wie ein Marktführer das Instrument der vergleichenden Werbung unter Berücksichtigung bestimmter Erfolgsfaktoren sowie der gesetzlichen Rahmenbedingungen Erfolg versprechend einsetzen kann. Zunächst wurde der Mobilfunkmarkt analysiert: Da Mobilfunk als Grundleistung ein homogenes und damit austauschbares Produkt darstellt, erfolgt die Abgrenzung des Angebotes insbesondere über die Werbung. Diese richtet sich aufgrund der Marktsättigung weniger an "echte" Neukunden, sondern vielmehr an Kunden von Wettbewerbern und Bestandskunden. Der dynamische Mobilfunkmarkt ist auf Anbieterseite durch einen
- 287 starken Preiswettbewerb und auf Nachfragerseite durch hohe Angebotsintransparenz gekennzeichnet; die Geschäftsbeziehungen im Kontraktgeschäft Mobilfunk sind geprägt von Informationsasymmetrie. Die daraus resultierende Unsicherheit der Konsumenten bietet insbesondere dem Marktführer grundsätzlich Chancen für informative vergleichende Werbung. Im Rahmen konzeptioneller Grundlagen war vor einer detaillierten Analyse entsprechender Chancen zunächst der Mobilfunk mit seinen Spezifika darzustellen: Die Erfahrungsguteigenschaften dieses Produktes sind eine Hauptursache dafür, dass die Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft und des Werbetreibenden von besonderer Bedeutung ist und in der vergleichenden Werbung im Fokus stehen muss. Das Mobilfunkprodukt enthält hedonistische sowie für vergleichende Werbung grundsätzlich besser geeignete utilitaristische Produkteigenschaften, die aber von den Konsumenten nicht dissoziiert werden. Neben Kernleistungen wie der Netzverfügbarkeit lassen sich Ergänzungsleistungen wie Service vergleichend bewerben, wobei allerdings der Preis als herausragende entscheidungsrelevante Eigenschaft im Mobilfunk stets eine Rolle spielen muss. Vergleichende Werbung, hier definiert als "jede Werbung, die auf einen Mitbewerber oder die von ihm angebotenen Produkte oder Dienstleistungen direkt oder indirekt in Form einer Vergleichsaussage Bezug nimmt", wurde im Rahmen der konzeptionellen Grundlagen ebenfalls charakterisiert. In Deutschland ist sie, anders als in den USA, im Wesentlichen informativ und sachorientiert zu gestalten. Vergleichende Werbung muss sich "objektiv auf eine oder mehrere wesentliche, relevante, nachprüfbare und typische Eigenschaften oder den Preis dieser Waren oder Dienstleistungen" 1 beziehen und darf daher nicht rein emotional ausgerichtet sein. Die Analyse vorhandener Studien zur vergleichenden Werbung ergab, dass in der Regel auf den Vergleich zwischen unbekannter (beziehungsweise fiktiver) und etablierter Marke abgestellt wird, so dass ihre Ergebnisse auf den Marktführer im Mobilfunk kaum übertragbar sind: Anbieter sind hier neben den vier Netzbetreibern insbesondere Discounter, die den Konsumenten vertraut sind und teilweise über eine hohe Marktgeltung verfügen. Darüber hinaus ist Marktführerschaft – anders als in zahlreichen Studien impliziert – nicht (allein) quantitativ und damit objektiv messbar zu verstehen. Entscheidend ist vielmehr die subjektive Wahrnehmung als führende Marke durch den Konsumenten. Für den Erfolg vergleichender Werbung ist daher die Wahrnehmung des Unternehmens, seiner Marke und 1
§ 6 Abs. 2 Nr. 2 UWG
- 288 seiner Werbung durch den Konsumenten von hoher Bedeutung: Marktführende Unternehmen genießen bei Konsumenten einerseits eine hohe Reputation und werden als kompetent wahrgenommen, andererseits wirken sie häufig wenig glaubwürdig. Die Produkte des Marktführers werden mit hoher Qualität und geringem Risiko assoziiert. Konsens und positive Netzexternalitäten verstärken das positive Produkt- beziehungsweise Markenimage. Die Werbung des Marktführers erzeugt Aufmerksamkeit, wird aber tendenziell als weniger glaubwürdig eingeschätzt. Diese Wahrnehmungen sind insbesondere von Involvement, Vorwissen und Markenorientierung der Konsumenten abhängig. Die Analyse der Chancen und Risiken vergleichender Werbung des Marktführers führte zu den nachfolgend zusammengefassten Forschungserkenntnissen. Es ist davon auszugehen, dass der Marktführer durch vergleichende Werbung seine führende Stellung in den Köpfen der Konsumenten und seine "Einzigartigkeit" riskiert. Grundsätzlich ist zwischen aktiver vergleichender Werbung, das heißt Werbung, die nicht im Anschluss an eine entsprechende Maßnahme eines Wettbewerbers erfolgt, und reaktiver vergleichender Werbung des Marktführers zu unterscheiden: Der Marktführer sollte auf aktive vergleichende Werbung mit Bezugnahme auf neue Marktakteure verzichten, die anderenfalls bekannt gemacht und aufgewertet würden; als Vergleichsmarke ist vielmehr eine in der Konsumentenwahrnehmung bereits verankerte Marke zu wählen. Der Marktführer sollte auf vergleichende Werbung kleiner Marktakteure nicht mit vergleichender Werbung reagieren; er riskiert, durch den Vergleich David-Goliath einen Mitleidseffekt bei den Konsumenten hervorzurufen. Werben etablierte Marktakteure dagegen vergleichend, kann der Marktführer mit vergleichender Werbung seinen Führungsanspruch verdeutlichen und der möglichen Vermutung von Konsumenten entgegentreten, die Vergleichsmarke sei vielleicht doch die bessere Wahl. Die Gefahr von "Sponsor Misidentification" oder "Competitor Misidentification" ist beim Marktführer tendenziell gering, das heißt, Konsumenten dürften Vor- und Nachteile von beworbener Marke und Vergleichsmarke auch aufgrund ihres häufig hohen Vorwissens und Involvements in Bezug auf den Marktführer in der Regel richtig zuordnen. Im Rahmen theoretischer Grundlagen wurden Grundmodelle, ausgewählte Theorien sowie Determinanten des Konsumentenverhaltens auf den Untersuchungsgegenstand bezogen. Daraus wurden folgende Forschungserkenntnisse abgeleitet: Gegenüber dem Marktführer bestehen besonders gefestigte Einstellungen der Konsu-
- 289 menten, die durch gezielte Verunsicherung über vergleichende Werbung aufgebrochen werden können. Diese Verunsicherung kann durch bewusst hervorgerufene kognitive Dissonanzen erreicht werden, das heißt, der Marktführer übermittelt vergleichende Werbebotschaften, die zu den bisherigen Kognitionen der Konsumenten in Widerspruch stehen. Die Wahrnehmung des Marktführers ist in hohem Maße durch die Einschätzung der Konsumenten "Damit gehe ich ein relativ geringes Risiko ein" geprägt. Der Marktführer kann im Rahmen vergleichender Werbung dieses relativ geringe Risiko durch den Verweis auf hohe Kundenzahlen (Konsens) sowie langjährige Markterfahrungen betonen und gleichzeitig das relativ hohe wahrgenommene Risiko in Bezug auf Konkurrenzprodukte herausstellen. Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer darüber hinaus verdeutlichen, dass seinem (höheren) Preis echte Nutzenvorteile für die Konsumenten gegenüberstehen. "Der Marktführer will (mit vergleichender Werbung) nur seine Pfründe verteidigen und Konkurrenten um jeden Preis ausschalten." Dieser Auffassung von Konsumenten, die zu mangelnder Glaubwürdigkeit der Werbebotschaft führt, kann der Marktführer durch Verweis auf das Urteil einer "Mehrheit" oder Testergebnisse sowie zweiseitige Argumentation entgegentreten. Grundsätzlich bestehen gegenüber dem Marktführer gefestigte Einstellungen und Präferenzen, und das Vorwissen der Konsumenten ist in der Regel hoch, so dass ihre Bereitschaft, (vergleichende) Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, eher gering ist. Zu den bisherigen Einstellungen der Konsumenten leicht inkonsistente vergleichende Werbebotschaften des Marktführers fördern allerdings zum einen die "elaboration", das heißt, eine Informationsverarbeitung mit hoher Verarbeitungstiefe, zum anderen aber auch die Bereitschaft der Konsumenten zu aktiver externer Informationssuche. Aufgrund des hohen Involvements der Konsumenten, ihres hohen wahrgenommenen Kompetenzempfindens sowie der tendenziell geringeren Glaubwürdigkeit des Marktführers ist die Gefahr, dass Konsumenten mit Reaktanzen auf vergleichende Werbung des Marktführers reagieren, groß: Sie widersetzen sich der empfundenen Bedrohung ihrer Verhaltensfreiheit und reagieren entgegengesetzt zur Intention des Werbetreibenden (Bumerang-Effekt). Ein solches Verhalten kann durch die Vermeidung expliziter Schlussfolgerungen in den Werbebotschaften des Marktführers vermieden werden, da die wahrgenommene Beeinflussungsabsicht so weniger deutlich wird. Das Involvement der Konsumenten, definiert als Grad der Ich-Beteiligung, ist gegenüber vergleichender Werbung des Marktführers besonders hoch, so dass in Verbindung mit der
- 290 zu erwartenden "elaboration" von einer kritischen Auseinandersetzung der Konsumenten mit dem Inhalt der Werbebotschaft auszugehen ist. Die Werbebotschaft sollte daher zum einen sachorientiert und zum anderen glaubwürdig gestaltet sein. In einem nächsten Schritt erfolgte die Analyse vergleichender Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt. Der Marktführer kann mit vergleichender Werbung im Mobilfunk sowohl affektive (Änderung gefestigter Einstellungen) als auch kognitive (Repositionierung der Marke) und konative (Informationseinholung) Werbeziele erreichen. Unternehmenswerbung erscheint weniger geeignet als Preisund Leistungswerbung, die sich insbesondere auf Innovationen, Qualität und Service beziehen kann. Indirekt kann auch die Marktgeltung beworben werden. Bestandskunden des Marktführers werden mit vergleichender Werbung in ihrer Kaufentscheidung bestätigt und erhalten Argumente zur Überzeugung weiterer Kunden. Gefestigten Einstellungen der Kunden von Wettbewerbern ("Teuer-Image") kann mit vergleichender Werbung entgegengetreten werden. Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt verbindet in seiner vergleichenden Werbung Preis- und Leistungswerbung und damit auch Assoziierungsstrategie (Preis) und Differenzierungsstrategie (Leistung). Bei aktiver vergleichender Werbung sollte er auf eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft eher verzichten: Sie könnte Bestandskunden irritieren und ist wenig geeignet, Kunden von Wettbewerbern von seiner Leistungsfähigkeit zu überzeugen und ihren gefestigten Einstellungen entgegenzutreten. Im Rahmen reaktiver vergleichender Werbung kann der Marktführer dagegen durch eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft Souveränität und Gelassenheit im Umgang mit Wettbewerbern demonstrieren. Printmedien, die besonders glaubwürdig wirken, Tagesaktualität bieten und den Konsumenten eine selbstbestimmte Verarbeitung komplexer Informationen ermöglichen, sollten bevorzugt eingesetzt werden. Vergleichende Werbung, die in ein redaktionell beziehungsweise informativ gestaltetes Umfeld eingebunden ist und als "Antwort" auf entsprechende Wettbewerberaktionen erfolgt, erscheint für den Marktführer besonders Erfolg versprechend. Im Rahmen der empirischen Überprüfung der aufgestellten Forschungshypothesen erfolgte hier eine Expertenbefragung. Die standardisierte schriftliche Befragung von 185 Geschäftsführern deutscher Werbeagenturen wurde in Zusammenarbeit mit dem Gesamtverband Kommunikationsagenturen (GWA) durchgeführt. Die Experten stimmten den Forschungserkenntnissen dieser Arbeit in hohem Maße zu. Das gilt insbesondere für die hier verdeutlichte Notwendigkeit der Glaubwürdigkeit verglei-
- 291 chender Werbung des Marktführers. Sie betonten allerdings die Notwendigkeit einer stark aktiven Rolle des Marktführers und lehnten daher die Forschungsaussagen, die auf einen eher reaktiven Einsatz vergleichender Werbung abzielten, tendenziell stärker ab. Insgesamt wurde deutlich, dass die Experten auch bei vergleichender Werbung des Marktführers die "Idee" einer Werbebotschaft als entscheidend betrachten und die Berücksichtigung des jeweiligen Wettbewerbsumfeldes fordern. Diese Forderung wird durch die vorliegende Untersuchung gestützt: Pauschalaussagen wie die These, vergleichende Werbung sei "a marketing communication strategy for the underdog" 2 verbieten sich, da es weder den Marktführer noch die vergleichende Werbung gibt, wie am Beispiel des Mobilfunkmarktes deutlich wurde. Vielmehr gilt, dass der Marktführer durch den Verzicht auf vergleichende Werbung ein wichtiges Instrument ungenutzt lassen würde, seine spezifischen Vorteile gegenüber den Wettbewerbern pointiert darzustellen. Die Risiken, die er eingeht, sind allerdings höher als die eines Newcomers, da ihm insbesondere durch die Verwicklung in Werbeduelle der Verlust seiner Reputation droht, die wiederherzustellen wesentlich langwieriger als ihr Aufbau ist.3
7.2
Implikationen für die Praxis
Die Ableitung von Implikationen für die Praxis zielt darauf ab, Wissenschaft und Praxis zusammenzuführen.4 Werbeagenturen, deren Auftraggeber häufig gegenüber vergleichender Werbung kritischer eingestellt sind als sie selbst,5 erhalten Argumente für den Erfolg versprechenden Einsatz dieses Instrumentes durch den Marktführer. Werbetreibenden (marktführenden Unternehmen) wiederum werden spezifische, klar definierte Werbeziele als Grundlage und Voraussetzung für den Erfolg vergleichender Werbung aufgezeigt. Der Marktführer ist in der Regel fest in der Erlebnis- und Erfahrungswelt der Konsumenten verankert. Er profitiert daher von hoher Aufmerksamkeit der Konsumenten, sein Bekanntheitsgrad ist ebenfalls hoch. Der Marktführer wird daher mit vergleichender Werbung andere Ziele verfolgen als kleine, unbekannte Marktakteure, deren
2
Gnepa (1993), S. 71 Vgl. Herbig et al. (1995), S. 7 f. 4 Vgl. Ulrich (1981), S. 20 5 Vgl. Muehling et al. (1989), S. 41 3
- 292 Zielsetzung sich häufig als "twisting the tiger's tail" 6 kennzeichnen lässt. Vergleichende Werbung des Marktführers ist geeignet, sein Profil herauszustellen: "Pointiertere Aussagen werden möglich, so dass Produktvorteile besser deutlich gemacht und ausgespielt werden können." 7 Auch KNSK et al. betonen: "Der besondere Reiz liegt bei der vergleichenden Werbung darin, dass sie das Profil einzelner Marken schärfer herausstellt." 8 Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer daher auch eine Repositionierung seiner Marke wirksam unterstützen. Der Marktführer sieht sich allerdings gefestigten Einstellungen und Präferenzen der Konsumenten ausgesetzt, so dass seine vergleichende Werbung überzeugen und damit (auch) informativ gestaltet sein muss. Der wichtigste Erfolgsfaktor seiner vergleichenden Werbung ist Glaubwürdigkeit. Der Marktführer sollte daher in seiner vergleichenden Werbung beiden Komponenten der Glaubwürdigkeit Rechnung tragen, indem er gleichzeitig seine Kompetenz herausstellt und mangelnder Vertrauenswürdigkeit entgegenwirkt. Darüber hinaus muss die vergleichende Werbebotschaft des Marktführers interessant gestaltet sein, da sie auf hohes Vorwissen der Konsumenten und damit auf eine eher geringe Bereitschaft zur Informationsverarbeitung trifft. Hier erscheint das Gestaltungsmittel Humor Erfolg versprechend; es ist zudem geeignet, werblichen Auseinandersetzungen "Leichtigkeit" statt "Schärfe" zu verleihen. Durch die dargestellte Kombination aus glaubwürdiger, interessanter und informativer vergleichender Werbung kann der Marktführer Informations- und Animationsnutzen für die Konsumenten verbinden. Die Ausgestaltung der vergleichenden Werbebotschaft des Marktführers erfolgt allerdings unter Berücksichtung seiner Positionierung (Preisführer oder hochwertige Marke), seiner spezifischen Situation (beispielsweise "imageseitig vorne oder angeschlagen" 9) und des jeweiligen Wettbewerbskontextes. Vergleichende Werbung ist auch für den Marktführer ein taktisches Instrument, das die übrigen Werbemaßnahmen punktuell ergänzt und sich in Stil und Aufmachung "nahtlos" in den gesamten Markenauftritt einfügen muss. Zusammenfassend ist festzuhalten, dass vergleichende Werbung des Marktführers insbesondere aufgrund der hohen Aufmerksamkeitswirkung sowie der hohen "elaboration" der Kunden mit größeren Chancen, aber auch größeren Risiken als vergleichende Werbung weniger etablierter Marktakteure verbunden ist. "Mittelmäßigkeit"
6
Muehling et al. (1990), S. 41 Mayer/Siebeck (1997), S. 436 8 KNSK et al. (1998) 9 Expertenaussage in den Anmerkungen des Fragebogens 7
- 293 der Werbung verbietet sich daher, wie auch Dianoux feststellt: "… elle ne supporte pas la médiocrité. Elle doit être une très bonne publicité." 10 Für vergleichende Werbung des Marktführers als einem "intelligent und sensibel" 11 einzusetzenden Instrument gilt damit in besonderem Maße das in der älteren Rechtsprechung gegen vergleichende Werbung angeführte "Gebot der Werbung": "Du sollst den Namen Deines Konkurrenten nicht unnütz im Munde führen." 12
7.3
Ausblick und weiterer Forschungsbedarf
Allgemeine Ansätze zur Erforschung der Wirkung vergleichender Werbung erscheinen nicht zielführend, so dass stets, wie in dieser Untersuchung, branchenbeziehungsweise produktspezifische Studien unter Berücksichtigung des jeweiligen Wettbewerbsumfeldes erfolgen sollten. Das gilt insbesondere für entsprechende Untersuchungen in Zusammenhang mit der Marktführerschaft, die ohne Spezifizierung der jeweils betrachteten Dimension dieser Wettbewerbsposition kaum sinnvoll erscheinen. "Marktführerschaft" hat quantitative und qualitative Dimensionen und ist mit interpersonell verschiedenen Konsumentenwahrnehmungen verbunden. Für weitere Forschung ergeben sich aus der vorliegenden Untersuchung insbesondere die folgenden Ansatzpunkte: •
Untersuchung vergleichender Werbung des Marktführers auf dem deutschen Mobilfunkmarkt im Zeitablauf Diese Notwendigkeit resultiert zum einen daraus, dass vergleichende Werbung des Marktführers für Konsumenten derzeit noch eine relativ neue Werbeform darstellt, und zum anderen aus der hohen Dynamik des Mobilfunkmarktes. Als Beispiel seien hier die neuen Akteure im Mobilfunkmarkt ohne eigenes Netz angeführt, die teilweise das Netz des Marktführers nutzen. Dies dürfte ein Grund für einen zurückhaltenden Einsatz vergleichender Werbung sowohl des Marktführers als auch des entsprechenden neuen Marktakteurs sein. Schröder fordert in
10
Dianoux (1999), S. 42 Mayer/Siebeck (1997), S. 437 12 Schricker (1972), S. 219 11
- 294 diesem Zusammenhang die Untersuchung der zeitlichen Stabilität von Erfolgsfaktoren.13 •
Untersuchung vergleichender Werbung von Marktführern unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Produkte/Dienstleistungen Ein Marktführer, der Sucheigenschaften von Produkten oder Diensten bewirbt, dürfte seine vergleichende Werbung anders gestalten als ein Marktführer, der Erfahrungsguteigenschaften bewirbt. Im ersten Fall wird der Werbetreibende beispielsweise eher Ubiquität, im zweiten "Risikoreduzierung" durch Orientierung an der "etablierten" Marke vergleichend herausstellen.
•
Übertragung der Forschungsergebnisse auf Marktführer in Branchen mit ähnlichen Wettbewerbsbedingungen Oligopolistische Strukturen, Verdrängungswettbewerb über den Preis sowie eine Mehrmarkenpolitik etablierter Marktakteure sind beispielsweise auch in der Luftverkehrsbranche zu beobachten.
•
Detaillierte Untersuchung der Glaubwürdigkeit als dem wichtigsten Erfolgsfaktor vergleichender Werbung des Marktführers "If comparative advertising is to be effective, the comparative claim must be believed." 14 Diese Aussage gilt, wie die Untersuchung zeigte, für den Marktführer in besonderem Maße. In der vorliegenden Untersuchung wurde deutlich, dass Glaubwürdigkeit die Dimensionen Kompetenz sowie Vertrauenswürdigkeit beinhaltet. Da die Betonung der Vertrauenswürdigkeit für den Marktführer wichtiger und zugleich schwieriger ist als die Demonstration seiner Kompetenz, sollte in zukünftigen Studien untersucht werden, wie der Marktführer in seiner vergleichenden Werbung diese Vertrauenswürdigkeit herausstellen und damit der häufig vertretenen Ansicht der Konsumenten, er wolle nur seine Pfründe verteidigen, entgegenwirken kann. Die in dieser Untersuchung identifizierten Maßnahmen (Verweis auf Mehrheits- und Testurteile, zweiseitige sowie zahlenbasierte Argumentation) dürften insbesondere für utilitaristische Produkteigenschaften gelten.
13 14
Schröder (1994), S. 96 Swinyard (1981), S. 176
- 295 •
Untersuchung der konativen Wirkung vergleichender Werbung kleiner Marktakteure und der entsprechenden Risiken für den Marktführer In der Literatur wird das "twisting the tiger's tail" kleiner Marktakteure als Erfolg versprechend eingestuft, da es ihnen ermöglicht, durch Anlehnung an eine etablierte Marke von deren Bekanntheit und Aufmerksamkeitswirkung zu profitieren sowie einen "Sympathieffekt" zu erzielen. Weitgehend unerforscht blieb bislang allerdings, inwieweit diese Wirkung vergleichender Werbung auch zu tatsächlichen Käufen (zum Nachteil des Marktführers) führt. Eine entsprechende Forschungsfrage würde hier lauten: Unter welchen Bedingungen ist in diesem Zusammenhang (keine Erfahrung voraussetzende) Sympathie gegenüber (auf eigenen oder fremden Erfahrungen basierender) Reputation für Konsumenten kaufentscheidend?
- 296 -
- 297 -
Anhang
Anhang 1: Werbung T-Mobile (Quelle: FAZ, 09.10.2005, S. 17)…………..…… 298 Anhang 2: Fragebogen zu "Marktführerschaft und vergleichender Werbung"………………………………………………. 299
- 298 -
Anhang 1: Werbung T-Mobile (Quelle: FAZ, 09.10.2005, S. 17)
- 299 Anhang 2: Fragebogen (im Original Querformat) A. Allgemeine Fragen 1.
Hat Ihre Agentur bereits vergleichende Werbung eingesetzt?
□ Nein □ Ja 2.
In welcher/welchen Branche(n)?
Hat Ihre Agentur bereits vergleichende Werbung bei einem Marktführer eingesetzt?
□ Nein
3.
In welcher/welchen Branche(n)?
Bitte bewerten Sie folgende Aussagen zu vergleichender Werbung eines Marktführers:
stimm t nich t (- -) stimm t wen ig (-) stimm t mitte lmäß ig (▪) stimm t ziem lich (+ ) stimm t seh r (++ )
□ Ja
Ein Marktführer sollte grundsätzlich keine vergleichende Werbung betreiben.
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3b.
Ein Marktführer sollte vergleichende Werbung nur unter Beachtung bestimmter Erfolgsfaktoren einsetzen.
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Die Tatsache, dass ein Unternehmen Marktführer ist, ist für den Einsatz vergleichender Werbung durch dieses Unternehmen ohne Bedeutung.
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3c.
B. Fragen zur Wirkung vergleichender Werbung des Marktführers 4. 5.
6.
7.
stimm t nich t (- -) stimm t wen ig (-) stimm t mitte lmäß ig (▪) stimm t ziem lich (+ ) stimm t seh r (++ )
3a.
Vergleichende Werbung des Marktführers erzielt hohe Aufmerksamkeit der Konsumenten.
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Durch vergleichende Werbung riskiert der Marktführer, von den Konsumenten nicht mehr als "einzigartig" wahrgenommen zu werden.
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Vergleichende Werbung des Marktführers wirkt weniger glaubwürdig als vergleichende Werbung von weniger etablierten Unternehmen.
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Vergleichende Werbung des Marktführers ist mit höheren Chancen und Risiken verbunden als vergleichende Werbung von weniger etablierten Unternehmen.
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C. Fragen zu Zielen vergleichender Werbung des Marktführers
stimm t nich t (- -) stimm t wen ig (-) stimm t mitte lmäß ig (▪) stimm t ziem lich (+ ) stimm t seh r (++ )
- 300 -
Bitte bewerten Sie jede einzelne Aussage der nachfolgenden Argumentationskette:
8.
Gegenüber dem Marktführer bestehen in der Regel besonders gefestigte Einstellungen der Konsumenten.
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Für den Marktführer besteht durch die bewusst mit Hilfe vergleichender Werbung erzeugte Verunsicherung die Chance, gefestigte Einstellungen der Konsumenten aufzubrechen.
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Der Marktführer kann mit vergleichender Werbung Konsumenten in ihrer Wahrnehmung "Marktführer gleich relativ geringes Risiko gegenüber Vergleichsprodukten" bestätigen.
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Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer Konsumenten signalisieren, dass seinem (höheren) Preis echte Nutzenvorteile für die Konsumenten gegenüberstehen.
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Ø Vergleichende Werbung ist besonders geeignet, Informationen zu übermitteln, die nicht zu den bisherigen gefestigten Einstellungen der Konsumenten passen.
Ø Durch diese vom Marktführer bewusst im Rahmen vergleichender Werbung übermittelten "unpassenden" beziehungsweise "überraschenden" Werbeaussagen kann man Konsumenten gezielt verunsichern.
Ø
9.
10.
D. Fragen zur Gestaltung der vergleichenden Werbebotschaft des Marktführers Vergleichende Werbung des Marktführers muss sachlich gestaltet sein.
stimm t nich t (- -) stimm t wen ig (-) stimm t mitte lmäß ig (▪) stimm t ziem lich (+ ) stimm t seh r (++ )
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● wird die angestrebte Beeinflussungsabsicht des Marktführers weniger deutlich.
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● wird die Werbebotschaft als weniger aggressiv beziehungsweise unfair empfunden.
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● wirkt die Werbebotschaft glaubwürdiger.
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13.
Vergleichende Werbung des Marktführers muss glaubwürdig gestaltet sein.
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14.
Die Glaubwürdigkeit vergleichender Werbung des Marktführers kann erhöht werden ● durch Verweis auf das Urteil einer "Mehrheit".
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● durch Verweis auf Testergebnisse.
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● durch zahlenbasierte Argumentation.
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● durch zweiseitige Argumentation, das heißt, Vor- und Nachteile der beworbenen Marke werden genannt.
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11.
12a. Vergleichende Werbung des Marktführers muss die explizite Schlussfolgerung, dass der Marktführer die bessere Wahl als die Vergleichsmarke ist, vermeiden. 12b. Überlässt es der Marktführer dem Konsumenten, eigene Schlussfolgerungen hinsichtlich der vergleichenden Werbeaussagen zu ziehen,
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D. Fragen zur Gestaltung der vergleichenden Werbebotschaft des Marktführers (Forts.) 15a. Die Bereitschaft der Konsumenten, vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, ist gering.
stimm t nich t (- -) stimm t wen ig (-) stimm t mitte lmäß ig (▪) stimm t ziem lich (+ ) stimm t seh r (++ )
.
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● das hohe Vorwissen der Konsumenten.
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● die dem Marktführer gegenüber bestehende gefestigte Einstellung der Konsumenten.
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Sind die vergleichenden Werbebotschaften des Marktführers so gestaltet, dass sie zu den bisherigen Einstellungen des Konsumenten nicht ganz passend sind, kann der Konsument die Werbebotschaft nicht an bisherigen (Kauf-) Erfahrungen und Einstellungen spiegeln und wird damit zur aktiven Suche nach weiteren Informationen angeregt.
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Zu den bisherigen Einstellungen der Konsumenten nicht ganz passende vergleichende Werbebotschaften des Marktführers fördern die intensive Auseinandersetzung der Konsumenten mit der Werbebotschaft.
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Bezieht sich ein Marktführer in seiner vergleichenden Werbung auf eine Vergleichsmarke, die der Konsument als leicht unähnlich wahrnimmt, kann er damit die intensive Auseinandersetzung des Konsumenten mit der Werbebotschaft fördern.
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Wenn Sie Frage 15a mit "stimmt sehr" oder "stimmt ziemlich" beantwortet haben, beantworten Sie bitte die folgende Frage 15b, sonst machen Sie mit Frage 16 weiter. 15b. Grund für die geringe Bereitschaft der Konsumenten, vergleichende Werbebotschaften des Marktführers zu verarbeiten, ist
16.
17.
18.
E. Fragen zum Werbeumfeld und Werbekontext vergleichender Werbung des Marktführers 19.
20.
stimm t nich t (- -) stimm t wen ig (-) stimm t mitte lmäß ig (▪) stimm t ziem lich (+ ) stimm t seh r (++ )
- 303 -
Bei vergleichender Werbung des Marktführers ist die Gefahr von Fehlidentifikationen gering, das heißt, es gibt kaum Verwechslungen der beworbenen Vor- und Nachteile von Marktführer und Vergleichsmarke.
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Je unähnlicher die Marke, auf die der Marktführer Bezug nimmt, im Vergleich zum Marktführer von den Konsumenten wahrgenommen wird, desto geringer ist die Gefahr von Fehlidentifikationen durch vergleichende Werbung.
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Auf vergleichende Werbung kleiner, unbekannter Marktakteure darf der Marktführer nicht mit vergleichender Werbung reagieren.
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Der Marktführer muss auf aktive vergleichende Werbung mit Bezugnahme auf neue, unbekannte Marktakteure verzichten.
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Im Rahmen aktiver vergleichender Werbung, das heißt Werbung, die nicht als Reaktion auf entsprechende Werbemaßnahmen von Wettbewerbern erfolgt, muss der Marktführer als Vergleichsmarke eine in der Wahrnehmung der Konsumenten fest verankerte, etablierte Marke wählen.
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Die Gefahr, dass der Marktführer mit vergleichender Werbung auch Werbung für die Vergleichsmarke betreibt, ist umso geringer, je bekannter und etablierter die Vergleichsmarke ist.
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21a. Der Marktführer muss auf vergleichende Werbung etablierter Wettbewerber mit vergleichender Werbung reagieren. Wenn Sie Frage 21a mit "stimmt sehr" oder "stimmt ziemlich" beantwortet haben, beantworten Sie bitte die folgende Frage 21b, sonst machen Sie mit Frage 22 weiter. 21b. Reagiert der Marktführer auf vergleichende Werbung etablierter Wettbewerber mit vergleichender Werbung, ● verdeutlicht der Marktführer damit seinen Führungsanspruch. ● vermeidet der Marktführer damit Irritationen seiner Bestandskunden. 22.
23.
24.
25.
F. Fragen zur vergleichenden Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt
stimm t nich t (- -) stimm t wen ig (-) stimm t mitte lmäß ig (▪) stimm t ziem lich (+ ) stimm t seh r (++ )
- 304 -
Die folgenden Fragen beziehen sich konkret auf vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt. 26a. Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt muss neben Leistungs- auch Preiswerbung betreiben.
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Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt verfolgt mit vergleichender Werbung im Preiswettbewerb eine Strategie der Anlehnung an andere Marken.
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Mit vergleichender Werbung im Leistungswettbewerb will sich der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt von allen anderen Marken abheben.
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Wenn Sie Frage 26a mit "stimmt sehr" oder "stimmt ziemlich" beantwortet haben, beantworten Sie bitte die folgende Frage 26b, sonst machen Sie mit Frage 27 weiter. 26b. Grund dafür, dass der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt neben Leistungs- auch Preiswerbung betreiben muss, ist ● die hohe Preisorientierung der Konsumenten. ● das "Teuer-Image" des Marktführers. 27.
28.
Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt muss vergleichende Werbung in Form kombinierter Preis- und Leistungswerbung einsetzen. Mit vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt ● Bestandskunden in ihrer Entscheidung für die Marke bestätigen. ● Bestandskunden Argumente im Hinblick auf die Überzeugung weiterer Kunden liefern. ● die Repositionierung der Marke unterstützen.
29.
30.
F. Fragen zur vergleichenden Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt (Forts.) 31.
stimm t nich t (- -) stimm t wen ig (-) stimm t mitte lmäß ig (▪) stimm t ziem lich (+ ) stimm t seh r (++ )
- 305 -
Der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt sollte vergleichende Werbung eher als Reaktion auf entsprechende Werbemaßnahmen von Wettbewerbern als
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Im Rahmen reaktiver vergleichender Werbung kann der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt durch eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft Souveränität und Gelassenheit im Umgang mit Wettbewerbern demonstrieren.
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33a. Bei aktiver vergleichender Werbung sollte der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt auf eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft verzichten.
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33b. Eine humorvolle Gestaltung der Werbebotschaft im Rahmen aktiver vergleichender Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt würde Bestandskunden irritieren.
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33c. Kunden von Wettbewerbern könnte der Marktführer im deutschen Mobilfunkmarkt mit einer humorvollen Gestaltung der Werbebotschaft im Rahmen aktiver vergleichender Werbung nicht von seiner Leistungsfähigkeit überzeugen.
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32.
34.
Für vergleichende Werbung des Marktführers im deutschen Mobilfunkmarkt ist der Einsatz von Printmedien als Werbeträger besonders Erfolg versprechend.
G. Anmerkungen Welche weiteren Aspekte erscheinen Ihnen in Bezug auf die Thematik "Marktführerschaft und vergleichende Werbung" allgemein oder in Bezug auf den Mobilfunkmarkt wichtig?
Herzlichen Dank für Ihre Unterstützung dieses Forschungsprojektes!
- 306 -
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