Benjamin Rasch Wettbewerb durch Netzzugang?
GABLER RESEARCH
Benjamin Rasch
Wettbewerb durch Netzzugang? Eine ökono...
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Benjamin Rasch Wettbewerb durch Netzzugang?
GABLER RESEARCH
Benjamin Rasch
Wettbewerb durch Netzzugang? Eine ökonomische Analyse am Beispiel des deutschen Briefmarktes
RESEARCH
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Dissertation WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar, 2008
1. Auflage 2009 Alle Rechte vorbehalten © Gabler | GWV Fachverlage GmbH, Wiesbaden 2009 Lektorat: Claudia Jeske | Britta Göhrisch-Radmacher Gabler ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in Germany ISBN 978-3-8349-1415-6
Vorwort Bis heute werden die Briefmärkte Europas durch politische Entscheidungen geprägt. Viele Staaten gestehen den nationalen Postgesellschaften eine Monopolstellung zu. Die Europäische Kommission forciert seit 1992 die Abschaffung dieser Ausschließlichkeitsrechte. Deutschland gehört in punkto Liberalisierung zu den Vorreitern in der EU: Seit Beginn des Jahres 2008 können Unternehmen Briefdienste in Konkurrenz zur Deutschen Post anbieten. Ferner ist in Deutschland ein weitgehendes Netzzugangsregime in Kraft. Dieses verpflichtet die Deutsche Post, Briefe konkurrierender Unternehmen zu reduzierten Entgelten zu befördern und zuzustellen. Zugangsregulierung gilt in Theorie und Praxis als probates Mittel zur Einführung von Wettbewerb in vormals monopolisierten Netzsektoren. Das Beispiel Festnetztelefonie belegt, dass ein verpflichtender Netzzugang zu Anbietervielfalt und sinkenden Preisen führen kann. Allerdings stellt Zugangregulierung einen erheblichen Eingriff in den Marktprozess dar. Sie bedarf daher einer fundierten Rechtfertigung. So muss gelten, dass ohne Netzzugang kein funktionsfähiger Wettbewerb entstehen kann. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist oder ob die Marktöffnung nicht vielmehr die Chance zu einer Rückführung der sektorspezifischen Regulierung erlaubt, wird in dieser Arbeit anhand des deutschen Briefmarktes untersucht. Die vorliegende Arbeit ist im Rahmen des McKinsey Fellowship-Programms entstanden. In ihr verbindet sich mein Interesse an wettbewerbsökonomischen Fragen mit meinen Erfahrungen als Unternehmensberater. In der Praxis hat sich gezeigt, welch überragende Bedeutung Regulierungsvorgaben auch und gerade aus betriebswirtschaftlicher Sicht besitzen. Entsprechend freut es mich, dass ich diese volkswirtschaftliche Dissertation an einer führenden Hochschule für Kaufleute bearbeiten konnte. Ohne die Unterstützung und konstruktive Kritik meines Doktorvaters, Herrn Professor Dr. Jürgen Weigand, wäre diese Arbeit nicht entstanden. Ihm bin ich daher zu besonderem Dank verpflichtet. Bei Herrn Professor Dr. Michael Frenkel bedanke ich mich für die Übernahme des Korreferats. Meine Gesprächspartner aus dem Postmarkt haben mich in die Lage versetzt, die wissenschaftliche Analyse um einen Blick hinter die reine Theorie zu ergänzen. Stellvertretend bedanke ich mich dafür an dieser Stelle bei Ingo Bohlken und Dr. Ilka Meyne von der Deutschen Post. Ferner danke ich meinen
VI
Vorwort
Kollegen bei McKinsey für die Bereitschaft zum fachlichen Dialog, insbesondere Wolfgang Dreßen und Ole Nordhoff. Außerdem möchte ich den Kollegen danken, die mir die faszinierende Welt der Briefpost näher gebracht haben: Dr. Thomas Netzer, Dr. Peter Waller, Dr. Frank Sänger und Dr. Achim Dünnwald. Aus meinem privaten Umfeld möchte ich besonders meinen Eltern danken – vor allem für ihr Vertrauen in meine Fähigkeiten und ihre immerwährende Bestärkung, meinen eigenen Weg zu gehen. Darüber hinaus danke ich meinem Vater für seine jahrelange großzügige Unterstützung, die mir meine Ausbildung ermöglicht hat und den Grundstein für diese Arbeit bildet. Frank, Volker, danke für die vielen guten Stunden während des Leaves! Meiner Frau Tina schulde ich den größten Dank! Sie hat die Höhen und Tiefen bei der Erstellung der Arbeit miterlebt und ertragen, mich motiviert, meinen Ansprüchen gerecht zu werden, aber zum richtigen Zeitpunkt etwas Pragmatismus eingestreut. Ihre Schwangerschaft mit unserem Sohn Nikolas schließlich hat mir geholfen, die Arbeit erfolgreich zu beenden. Ihm widme ich daher diese Arbeit. Benjamin Rasch
Inhaltsverzeichnis Abbildungsverzeichnis Tabellenverzeichnis Abkürzungsverzeichnis 1
2
Einleitung
XIII XV XVII 1
1.1
Problemstellung und Untersuchungsgegenstand
1
1.2
Vorarbeiten
2
1.3
Vorgehen und Aufbau der Arbeit
4
Briefmarkt und Liberalisierung
7
2.1
Einleitung, Zielsetzung und Aufbau des Kapitels
7
2.2
Markt für Briefdienste
8
2.2.1 Konzept des relevanten Marktes 2.2.2 Begriffsbestimmung und Abgrenzung des relevanten Marktes 2.2.3 Ökonomische Bedeutung von Briefdiensten 2.2.4 Nachfrage nach Briefen 2.2.5 Angebotsspektrum von Briefdiensten 2.2.6 Entwicklung des Briefaufkommens 2.2.6.1 Determinanten 2.2.6.2 Preis- und Qualitätsniveau 2.2.6.3 Nachfrageelastizität 2.2.6.4 Elektronische Substitution 2.2.6.5 Nachfrageänderungen 2.2.6.6 Prognosen 2.3
Produktion von Briefdiensten
2.3.1 Netzcharakter von Briefdiensten 2.3.2 Produktionsstufen und -prozesse 2.3.3 Wertschöpfungsanteile und Kostenstrukturen
8 9 13 14 16 19 19 20 21 23 26 27 28 30 32 36
Inhaltsverzeichnis
VIII
2.4
3
Liberalisierung des Briefmarktes
39
2.4.1 Begriffsabgrenzung 2.4.2 Historie staatlicher Postpolitik 2.4.3 Rechtfertigung staatlicher Zutrittsschranken 2.4.3.1 Normative Theorie 2.4.3.2 Positive Theorie 2.4.3.3 Gemeinwirtschaftslehre 2.4.4 Beurteilung staatlicher Zutrittsschranken 2.4.4.1 Natürliches Monopol als Rechtfertigungsgrund? 2.4.4.2 Universaldienst als Rechtfertigungsgrund? 2.4.4.3 Fazit 2.4.5 Abbau staatlicher Zutrittsschranken 2.4.5.1 Ziele der Marktöffnung 2.4.5.2 Vorgaben der EU 2.4.5.3 Umsetzung in Deutschland 2.4.5.4 Status der Marktöffnung
41 42 47 48 51 53 57 57 59 63 64 64 66 68 74
Netzzugang und Regulierung
77
3.1
Einleitung, Zielsetzung und Aufbau des Kapitels
77
3.2
Begriffsbestimmung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes
78
3.3
Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
80
3.3.1 Grundlegende Entscheidungen beim Netzzugang 3.3.1.1 Zugangsregime: Ex-ante Regulierung versus Ex-post Aufsicht 3.3.1.2 Festlegung von Zugangspunkten 3.3.1.3 Standardisierung von Netzübergängen 3.3.1.4 Bestimmung von Zugangsentgelten 3.3.2 Netzzugangsregulierung in Deutschland 3.3.2.1 Rechtliche Vorgaben 3.3.2.2 Entscheidung des Bundeskartellamts 3.3.2.3 Netzzugangskonditionen 3.3.2.4 Deutsche Situation im europäischen Vergleich 3.3.2.5 Zusammenfassung 3.4
Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
81 81 83 85 85 88 89 94 96 98 99 99
Inhaltsverzeichnis
3.4.1 Grundlagen 3.4.1.1 Größenvorteile 3.4.1.2 Irreversibilitäten 3.4.1.3 Konsumentenloyalität 3.4.2 Strukturelle Markteintrittsbarrieren 3.4.2.1 Definition von Markteintrittsbarrieren 3.4.2.2 Unterschiede zwischen den Konzepten von Bain und Stigler 3.4.2.3 Markteintrittsbarrieren nach McAfee et al. 3.4.2.4 Geeignetes Verständnis von Markteintrittsbarrieren auf dem Briefmarkt 3.4.3 Wettbewerbstheoretische Konzepte 3.4.3.1 Monopolistische Bottlenecks 3.4.3.2 Trägheit von Nachfrage 3.5
Untersuchung des Regulierungsbedarfs
3.5.1 Größenvorteile und regionale Kostenunterschiede: Upstream 3.5.1.1 Einsammlung/Annahme 3.5.1.2 Sortierung 3.5.1.3 Transport 3.5.2 Größenvorteile und regionale Kostenunterschiede: Downstream 3.5.2.1 Kostentreiber und Zustellprozess 3.5.2.2 Formalisierung des Modells 3.5.2.3 Parametrisierung des Modells 3.5.2.4 Ergebnisse der Modellierung 3.5.2.5 Exkurs: Zustellkosten auf ausländischen Briefmärkten 3.5.3 Irreversibilitäten 3.5.3.1 Wertschöpfungsstufenspezifische Investitionen 3.5.3.2 Wertschöpfungsübergreifende Investitionen 3.5.4 Nachfrageseitige Markteintrittsbarrieren: Nachfrageträgheit 3.5.4.1 Wechselkosten 3.5.4.2 Reputation und Goodwill 3.5.5 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse 3.6
Fazit: Beurteilung des Regulierungsbedarfs
IX
100 101 102 103 106 106 108 109 110 111 112 116 117 118 118 119 121 122 123 128 130 131 142 146 146 149 151 152 154 158 161
Inhaltsverzeichnis
X
4
Netzzugang und Wettbewerb
165
4.1
Einleitung, Zielsetzung und Aufbau des Kapitels
165
4.2
Begriffsbestimmung und konzeptionelle Grundlagen
166
4.2.1 Wettbewerbsbegriff 4.2.1.1 Definitionen 4.2.1.2 Funktionen 4.2.2 Wettbewerbspolitik 4.2.2.1 Wettbewerbspolitische Konzeption in Deutschland 4.2.2.2 Öffnung des Briefmarktes aus wettbewerbspolitischer Sicht 4.2.2.3 Netzzugang auf dem Briefmarkt aus wettbewerbspolitischer Sicht 4.3
Ansatzpunkte für Wettbewerber
4.3.1 Strukturelle und regulatorische Rahmenbedingungen 4.3.1.1 Regulatorische Rahmenbedingungen 4.3.1.2 Strukturelle Rahmenbedingungen 4.3.2 Marktsegmente 4.3.2.1 Segmentierung anhand von Netzqualität 4.3.2.2 Segmentierung anhand der Einlieferungsart 4.3.2.3 Segmentierung anhand der geographischen Empfängerstruktur 4.4
Wettbewerbsstrategien
4.4.1 Strategie 4.4.2 Wettbewerbsstrategien auf Briefmärkten 4.4.2.1 Ortspost 4.4.2.2 Ortspostvernetzer 4.4.2.3 Massenpost 4.4.2.4 Vollanbieter 4.4.2.5 Konsolidierer und Teilleister 4.5
Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
4.5.1 Marktstruktur und Marktteilnehmer 4.5.1.1 Anzahl der Anbieter 4.5.1.2 Flächendeckung durch die Anbieter 4.5.1.3 Größe der Anbieter
167 167 168 170 171 172 173 176 176 176 180 183 183 187 190 192 192 193 195 197 199 200 202 203 205 205 208 209
Inhaltsverzeichnis
4.5.1.4 Anzahl finanzstarker Investoren 4.5.2 Wettbewerb und Marktanteile 4.5.2.1 Wettbewerbsentwicklung auf dem Gesamtmarkt 4.5.2.2 Exkurs: Wettbewerbsentwicklung auf ausländischen Briefmärkten 4.5.2.3 Wettbewerbsentwicklung in den Marktsegmenten 4.5.3 Wettbewerbsstrategien in Deutschland 4.5.3.1 Überblick 4.5.3.2 Post Modern Dresden 4.5.3.3 Xanto 4.5.3.4 TNT Post
5
XI
210 211 212 215 217 223 224 226 227 228
4.6
Exkurs: Netzzugang aus der Sicht des Incumbents
232
4.7
Fazit: Beurteilung der Wettbewerbsentwicklung
235
Netzzugang und Effizienz
237
5.1
Einleitung, Zielsetzung und Aufbau des Kapitels
237
5.2
Begriffsbestimmung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
238
5.3
Netzzugang und Produktionseffizienz
240
5.3.1 Effiziente Arbeitsteilung im Briefmarkt 5.3.2 Bedeutung von Zugangspreisen für die Produktionseffizienz 5.3.3 Exkurs: Allokative Effizenzwirkungen 5.4
Netzzugang und Netzwerkeffizienz
5.4.1 Interdependenzen in Netzwerken 5.4.2 Netzwerkeffizienz im Briefnetz 5.4.2.1 Auswirkungen von Interdependenzen 5.4.2.2 Annahmen der Simulation 5.4.2.3 Szenarien der Simulation 5.4.2.4 Ergebnisse der Simulation 5.5
Netzwerkeffizienz und Produktionseffizienz
5.5.1 Effizienzwirkung von Netzzugang
240 242 244 246 246 248 248 251 255 256 259 259
Inhaltsverzeichnis
XII
5.5.2 Implikationen für die Netzzugangsregulierung 5.5.3 Beurteilung der Netzzugangsregulierung in Deutschland 5.5.4 Exkurs: Auswirkungen von Netzzugang auf die Evolution des Netzwerks 5.6 6
Fazit
Schlussbetrachtung
260 262 263 267 269
Appendix
275
Literaturverzeichnis
303
Abbildungsverzeichnis Abbildung 1:
Abgrenzung von Postdiensten nach Laufzeit und Gewicht
10
Abbildung 2:
Strukturierung des Briefmarktes anhand von Diensten
16
Abbildung 3:
Preis- und Qualitätsniveau in ausgewählten Ländern
21
Abbildung 4:
Schematische Darstellung eines Postnetzwerks
31
Abbildung 5:
Produktionsprozess im Regelnetz
32
Abbildung 6:
Kostenanteile im deutschen Briefdienst
39
Abbildung 7:
Geographische Kostenunterschiede und Einheitspreis
56
Abbildung 8:
Entwicklung Exklusivlizenz DPAG und Wettbewerbsbereich
70
Abbildung 9:
Liberalisierungsstatus der Briefmärkte in der EU, 2008
75
Abbildung 10:
Zugangsmöglichkeiten und Sendungsfluss
84
Abbildung 11:
Einlieferungsbedingungen und Rabatte von Teilleistungen
97
Abbildung 12:
Lokalisierung monopolistischer Bottlenecks
114
Abbildung 13:
Teilprozesse der Zustellung
125
Abbildung 14:
Zustellkosten in Abhängigkeit von der Sendungsmenge
133
Abbildung 15:
Stückkosten in Abhängigkeit von Dichte
135
Abbildung 16:
Stammkundenpotenziale DPAG
157
Abbildung 17:
Markteintrittsbarrieren im Briefmarkt
160
Abbildung 18:
Beurteilung der regulatorischen Rahmenbedingungen
180
Abbildung 19:
Beurteilung der strukturellen Rahmenbedingungen
182
Abbildung 20:
Abschätzung Sendungsaufkommen nach Laufzeitanforderung
186
Abbildung 21:
Segmentierung nach Art der Einlieferung
189
Abbildung 22:
Wettbewerbertypen und Spezialisierung
194
Abbildung 23:
Aufteilung der Umsätze zwischen DPAG und Wettbewerbern, 2007
213
Marktanteile von Lizenznehmern nach Leitregionen (2007)
222
Abbildung 24:
Abbildungsverzeichnis
XIV
Abbildung 25:
Zuordnung von Briefdienstleistern zu Wettbewerbertypen
225
Abbildung 26:
Effiziente Arbeitsteilung im Rahmen von Netzzugang
241
Abbildung 27:
Mengen- und Preiswirkungen von Netzzugang
245
Abbildung 28:
Auswirkungen von Netzzugang auf das bestehende Netzwerk
250
Abbildung 29:
Briefnetz zur Untersuchung der Netzwerkeffizienz
252
Abbildung 30:
Szenarien zur Simulation von Netzwerkeffizienz
255
Abbildung 31:
Vergleich Liberalisierungsregime USA und EU
276
Abbildung 32:
Funktionen zu Geschwindigkeiten und Stichwegen
291
Tabellenverzeichnis Tabelle 1: Umsatz- und Gewinnanteile Brief, ausgewählte Postgesellschaften
14
Tabelle 2: Inländisches Briefaufkommen in der Europäischen Union, 2004
15
Tabelle 3: Preiselastizität der Briefnachfrage in ausgewählten Ländern
22
Tabelle 4: Untersuchungen zur Kostenstruktur nach Wertschöpfungsstufen
37
Tabelle 5: Wesentliche Definitionen von Markteintrittsbarrieren
107
Tabelle 6: Strukturdaten Deutschlands gemäß Datenset
131
Tabelle 7: Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität, bundesweiter Eintritt
138
Tabelle 8: Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität, regionaler Eintritt
139
Tabelle 9: Skalenvorteile in der Zustellung, Ausland
143
Tabelle 10: Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität, USA
145
Tabelle 11: Bindung an DPAG, Gewerbe- und Geschäftskunden, 2001 bis 2005
156
Tabelle 12: Definitionen von Wettbewerb
167
Tabelle 13: Zugestellte Briefsendungen nach Besiedlungsdichte und Herkunft
191
Tabelle 14: Lizenzerteilung und Marktaustritte, 1998 bis 2007
205
Tabelle 15: Aktive Lizenznehmer und Lizenzdichte nach Bundesländern
207
Tabelle 16: Umsatzbezogene Marktanteile, 1998 bis 2007
214
Tabelle 17: Vergleich Preise Standardbrief, in Euro
219
Tabelle 18: Marktanteile und Anzahl der Wettbewerber in Ballungszentren
223
Tabelle 19: Parameter im Transport
254
Tabelle 20: Kostenwirkung von Netzzugang im Transport
257
Tabelle 21: Ausprägung und Quellen Inputparamter
287
Tabelle 22: Ausschnitt Daten zur Bebauungsstruktur
291
Tabelle 23: Zustellstückkosten in Deutschland, in Euro
294
Tabelle 24: Zustellstückkosten bei Variation der Inputparameter
299
Abkürzungsverzeichnis Abb.
Abbildung
AGB
Allgemeine Geschäftsbedingungen
B-to-B
Business to Business
B-to-C
Business to Consumer
BIP
Bruttoinlandsprodukt
BNetzA
Bundesnetzagentur für Elektrizität, Gas, Telekommunikation, Post und Eisenbahn
BZ
Briefzentrum
BZA
Abgangsbriefzentrum
BZE
Eingangsbriefzentrum
bspw.
beispielsweise
bzw.
beziehungsweise
C-to-B
Consumer to Business
C-to-C
Consumer to Consumer
DPAG
Deutsche Post AG
DVPT
Deutscher Verband für Post und Telekommunikation e. V.
E+1
Zustellung am Tag nach der Einlieferung
E+T
Zustellung zu einem festgelegten Termin (Tag)
E+X
Zustellung an einem der folgenden Tage nach der Einlieferung
ECP-Regel
Efficient Component Pricing Rule
EBPP
Electronic Bill and Payment
EDI
Electronic Data Interchange
ELN
Express-Logistik-Netz
Presentment
Abkürzungsverzeichnis
XVIII
etc.
et cetera
EU
Europäische Union
EUR
Euro
EW
Einwohner
EWG
Europäische Wirtschaftsgemeinschaft
f.
folgende [Seite]
ff.
folgende [Seiten]
GfK
Gesellschaft für Konsumforschung
GWB
Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen
Mio.
Millionen
Mrd.
Milliarden
NIÖ
Neue Institutionenökonomik
NLP
Nachtluftpostnetz
NPÖ
Neue Politische Ökonomie
p. a.
per annum
PKV
Post-Kundenschutzverordnung
PostG
Postgesetz
PUDLV
Post-Universaldienstleistungsverordnung
qKm
Quadratkilometer
S.
Seite
Sdg.
Sendung
SKBf
Standard- und Kompaktbriefe
sog.
so genannte
Stck.
Stück
Tab.
Tabelle
TAK
Transaktionskosten
Tz.
Textziffer
USO
Universal Service Obligation (Universaldienstpflicht)
Abkürzungsverzeichnis
XIX
USPS
United States Postal Service
vgl.
vergleiche
z. B.
zum Beispiel
ZSP
Zustellstützpunkt
%
Prozent
1 Einleitung 1.1 Problemstellung und Untersuchungsgegenstand Deutschland hat seinen Briefmarkt zu Beginn des Jahres 2008 liberalisiert. Mit dem Abbau der staatlichen Marktzutrittsschranken wurde eines der letzten großen Infrastrukturmonopole für den Wettbewerb geöffnet. Durch die Marktöffnung können neue Anbieter in den Markt eintreten und ihre Dienste in Konkurrenz zum etablierten Unternehmen Deutsche Post AG (DPAG) vermarkten. Die Liberalisierung von Netzsektoren wie Telekommunikation und Strom oder Gas nimmt bereits seit den 1980er Jahren in Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik breiten Raum ein (vgl. SEIDENFUS (1989); SCHENK et al. (1997); KRUSE (2002)). Dabei hat sich gezeigt, dass der Abbau institutioneller Marktzutrittsschranken in Netzsektoren allein nicht immer ausreicht, um einen funktionsfähigen Wettbewerb zu ermöglichen: Wenn Netzbereiche des etablierten Unternehmens (Incumbent) den Charakter einer monopolistischen Engpassressource (sogenanntes Bottleneck) aufweisen, trägt weder aktiver noch potenzieller Wettbewerb zur Disziplinierung des marktbeherrschenden Unternehmens bei. Ordnungspolitisch ist dann die Regulierung von Netzzugang angezeigt (vgl. BLANKART et al. (1996b); MONOPOLKOMMISSION (2002)). Liberalisierung geht nicht notwendigerweise mit Deregulierung einher. Dies gilt auch für den deutschen Briefmarkt. Auch nach der vollständigen Marktöffnung unterliegen die Anbieter sektorspezifischen Regulierungsvorgaben, die über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinausgehen. Dazu gehört § 28 des Postgesetzes (PostG). Er verpflichtet marktbeherrschende Unternehmen, ihre Dienstleistung zu entbündeln und Kunden sowie Wettbewerbern einen Zugang zu ihrem Netz zu gewähren (sog. Teilleistungszugang). Ob eine entsprechende Netzzugangsverpflichtung auf Briefmärkten notwendig ist, ist umstritten. Die Verpflichtung zum Angebot von Teilleistungen stellt einen erheblichen Eingriff in den Marktprozess und in die Eigentumsrechte des regulierten Unternehmens dar. Ein solcher Eingriff bedarf in einer Marktwirtschaft einer fundierten Rechtfertigung (vgl. KNIEPS (2000)). Vor diesem Hintergrund werden in der vorliegenden Arbeit drei Fragen untersucht: 1. Ist ein verpflichtender Netzzugang auf dem deutschen Briefmarkt aus ordnungspolitischer Sicht gerechtfertigt?
1 Einleitung
2
2. Welche Rolle spielt Netzzugang für die Entwicklung aktiven Wettbewerbs auf dem deutschen Briefmarkt? 3. Welche Auswirkungen gehen von einem verpflichtenden Zugangsregime auf die Effizienz des bestehenden Netzwerks aus? Mit der Untersuchung der ersten beiden Aspekte wird dem Umstand Rechnung getragen, dass Wettbewerbstheorie und Wettbewerbspolitik nicht unbedingt identische Ziele verfolgen. Wettbewerbstheorie zielt auf den Schutz vor Marktmachtmissbrauch und damit auf die disziplinierende Wirkung aktiven und potenziellen Wettbewerbs. Betrachtet wird vorrangig das Marktergebnis. Wettbewerbspolitik zielt auf den Erhalt und die Förderung von Wettbewerb. Dem liegt in Deutschland ein strukturorientierter Wettbewerbsbegriff zu Grunde, der sich an der Anzahl aktiver Marktteilnehmer orientiert. Die disziplinierende Wirkung potenziellen Wettbewerbs spielt für die praktische Wettbewerbspolitik nur eine untergeordnete Rolle. Beide Sichtweisen sind zu berücksichtigen und zu prüfen, um zu einer fundierten Aussage über die Notwendigkeit von Regulierung kommen zu können. Im Rahmen der dritten Fragestellung soll untersucht werden, ob die in der Regulierungsökonomik vorherrschende isolierte und statische Betrachtungsweise von Netzteilen für den Briefmarkt ausreichend ist. Damit wird ein Aspekt aufgegriffen, der jüngst von SPULBER et al. (2005b) für den Telekommunikationsmarkt problematisiert wurde: „Networks are constructed with a view toward the performance and structure of the system as a whole and, thus, cannot be understood solely by examining individual components in isolation.“1
1.2 Vorarbeiten Im Zuge der weltweiten Liberalisierungsbestrebungen ist eine Vielzahl an Veröffentlichungen zu volkswirtschaftlichen Fragestellungen auf Postmärkten entstanden. Das Thema Netzzugang wird dabei überwiegend im Zusammenhang mit Marktöffnung und Universaldienstverpflichtung diskutiert. Im Kern geht es darum, welche Form der Marktöffnung unter wohlfahrtstheoretischen Gesichtspunkten vorzuziehen ist, wenn die nationale Postgesellschaft die flächendeckende Versorgung zu einem einheitlichen Preis sicherstellen soll. Als Alternativen werden die komplette Abschaffung der reservierten Bereiche der nationalen Postgesellschaften (horizontale Liberalisierung) und
1
Spulber, Yoo (2005b), S. 4. Sie sehen diesbezüglich eine Forschungslücke: „The existing academic commentary has yet to fill this void.” (Spulber, Yoo (2005b), S. 4).
1.2 Vorarbeiten
3
die vertikale Marktöffnung aller Wertschöpfungsstufen bis zur Zustellung verglichen.2 Für die unterschiedlichen Liberalisierungsregime wurden in der Folge verschiedene Mechanismen zur Gestaltung wohlfahrtsoptimaler Netzzugangspreise entwickelt.3 Für Deutschland sind diese Fragen nicht mehr relevant: Der Briefmarkt wurde vollständig für den Wettbewerb geöffnet. Zeitgleich wurde die Verpflichtung zum Einheitspreis abgeschafft und die Finanzierung des Universaldienstes erfolgt marktkonform durch eine Fondslösung. Angesichts der Marktöffnung stellt sich für Deutschland die Frage, ob Regulierung überhaupt noch gerechtfertigt ist. Eine umfassende Untersuchung von verpflichtendem Netzzugang – in der die drei eingangs aufgeworfenen Fragen beantwortet werden – gibt es für den Briefmarkt bislang nicht. Zur Frage der ordnungspolitischen Rechtfertigung existieren vier relevante Vorarbeiten. Diese kommen zu abweichenden Ergebnissen: KNIEPS (2002) untersucht die Netzzugangsverpflichtung in Deutschland und kommt zu dem Ergebnis, dass das Briefbeförderungssystem keine Engpassressource darstellt. Der Grund liege darin, dass beim Aufbau eines Briefnetzes im Gegensatz zu leitungsgebundenen Infrastrukturen keine irreversiblen Kosten anfielen. Die Analyse erfolgt ausschließlich qualitativ. Auf Kostendaten wird nicht Bezug genommen, so dass die Ergebnisse nur bedingt nachzuvollziehen sind. Das gilt auch für KRUSE et al. (2005), die ihre Argumentation ausschließlich auf Kostendaten aus dem Ausland stützen. Sie plädieren für einen ex-ante regulierten Netzzugang mit der Zielsetzung, möglichst viele Wertschöpfungsstufen für den Wettbewerb zu öffnen. Damit liefern sie keine Antwort auf die regulierungsökonomisch relevante Frage, ob aktiver und potenzieller Wettbewerb eine Disziplinierung des marktbeherrschenden Incumbents bewirken. Sie problematisieren die vertikale Integration aller Wertschöpfungsstufen beim etablierten Unternehmen, ohne die Möglichkeit zu thematisieren, dass Marktneulinge beim Netzaufbau kooperieren können.4
2
3
4
Damit wird auf die unterschiedlichen Liberalisierungsregime in der Europäischen Union und den USA Bezug genommen. Vgl. dazu Annex 1. Wesentliche Beiträge stammen von Crew, Kleindorfer (1998); Crew, Kleindorfer (2002a); Panzar (2002); Cohen et al. (2004a); D'Alcantara, Amerlynck (2004); Hill et al. (2005); Dietl et al. (2005); Crew, Kleindorfer (2005); Crew, Kleindorfer (2006b); Pearsall, Trozzo (2008). Vgl. etwa Crew, Kleindorfer (2002a); Billette de Villemeur et al. (2003); Billette de Villemeur et al. (2004); De Donder et al. (2004); De Donder et al. (2006); Hill, Robinson (2006); Billette de Villemeur et al. (2007); Bloch, Gautier (2008). Panzar (2005) hat diese Strategie als „piecemeal bypass“ bezeichnet.
4
1 Einleitung
Ferner stützen sie ihre Argumentation auf den US-amerikanischen Markt, der jedoch im Gegensatz zu Deutschland nur auf den der Zustellung vorgelagerten Wertschöpfungsstufen für Wettbewerb geöffnet ist. DE BIJL et al. (2006) sprechen sich – allerdings nicht länderspezifisch – gegen einen verpflichtenden Netzzugang aus, weil eine Duplizierung der Infrastruktur möglich sei. Allerdings begründen sie diese Einschätzung nur beispielhaft für das Segment qualitätsunkritischer Massensendungen. Ferner liefern sie juristische Gründe, die gegen Netzzugang sprechen. Daher bleibt die Arbeit aus ökonomischer Sicht unvollständig. GERADIN (2006) hat eine Replik auf die Untersuchung von De Bijl verfasst, deren Schwerpunkt aber juristische Argumente sind. In den genannten Vorarbeiten findet die reale Wettbewerbsentwicklung kaum Niederschlag. Wettbewerbsstrategien in liberalisierten Briefmärkten wurden von WALLER (2002) und ECORYS (2005b) herausgearbeitet. Eine empirische Untersuchung der aktuell in Deutschland zu beobachtenden Markteintrittsstrategien findet sich dort allerdings nicht. Die Frage, welche Rolle Netzzugang für die Entwicklung aktiven Wettbewerbs spielt, wird nur am Rande thematisiert. Zu den Auswirkungen von Netzzugang auf die Effizienz des bestehenden Netzwerks gibt es keine relevanten Vorarbeiten für den Briefmarkt. SPULBER et al. (2005a) haben diese Frage für den Telekommunikationsmarkt untersucht. CTCON (1998) untersuchen zwar den Briefmarkt, konzentrieren sich aber auf die Gestaltung der Netzzugangskonditionen. VAN DER LIJN et al. (2004) haben Auswirkungen von Netzzugang auf das Produktionsnetz für wahrscheinlich erklärt, ohne diese näher zu analysieren. 1.3 Vorgehen und Aufbau der Arbeit Der Aufbau der Arbeit orientiert sich an den drei Forschungsfragen und stellt eine umfassende ökonomische Prüfung von Netzzugang sicher. Kapitel 2 („Briefmarkt und Liberalisierung“) ist ein Grundlagenkapitel, das in den Briefmarkt einführt. Der Markt für Briefdienste wird von anderen Postmärkten abgegrenzt, das Briefbeförderungssystem und seine Wertschöpfungsanteile werden ausführlich dargestellt und die rechtlichen Rahmenbedingungen der Marktöffnung beschrieben. Das erste Hauptkapitel (Kapitel 3: „Netzzugang und Regulierung“) beantwortet die normative Frage, ob auf dem liberalisierten deutschen Briefmarkt ein ex-ante regulierter Netzzugang ordnungspolitisch geboten ist (Frage 1). Dazu wird untersucht, ob es
1.3 Vorgehen und Aufbau der Arbeit
5
im Briefbeförderungssystem Bereiche gibt, die den Charakter einer wesentlichen Einrichtung bzw. monopolistischer Bottlenecks besitzen (vgl. AREEDA (1989); KNIEPS (2005)). Es wird geprüft, ob sich einzelne Stufen der postalischen Wertschöpfungskette (Abholung, Abgangsortierung, Transport, Eingangssortierung, Zustellung) durch Bündelungsvorteile auszeichnen und ob die Wertschöpfungsstufen durch die Existenz irreversibler Kosten („sunk costs“) gekennzeichnet sind. Der Fokus der Kostenuntersuchung liegt auf der Zustellung, da in der Literatur vor allem diese Stufe als potenzielles Bottleneck beschrieben wird.5 Dazu wird ein Zustellkostenmodell entwickelt, mit dem sich Größenvorteile und regionale Kostenunterschiede getrennt für alle 8244 Postleitzahlengebiete berechnen lassen. Ferner werden nachfrageseitige Markteintrittsbarrieren wie Wechselkosten und Markentreue untersucht, da diese ebenfalls die Bestreitbarkeit eines Marktes verhindern können (vgl. MCAFEE et al. (2004)). Dies geschieht auf Basis von Literaturquellen, Marktforschungsstudien und ExpertenInterviews. Das zweite Ziel der Arbeit liegt in der Beantwortung der Frage, ob sich auf dem liberalisierten Briefmarkt aktiver Wettbewerb entwickeln kann.6 Dazu werden in Kapitel 4 („Netzzugang und Wettbewerb“) in einem ersten Schritt die regulatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen des deutschen Marktes qualitativ bewertet. Anschließend wird der Markt segmentiert, um zu untersuchen, welche Ansatzpunkte sich für Wettbewerber in einem liberalisierten Umfeld ergeben. Aufbauend auf WALLER (2002) werden zu diesem Zweck generische Wettbewerbsstrategien beschrieben. Anhand von Marktbeobachtungsdaten wird die aktuelle Wettbewerbsentwicklung auf dem deutschen Markt insgesamt und in den einzelnen Segmenten dargestellt und vor allem die Bedeutung von Netzzugang analysiert. Fallstudien mit Wettbewerbern runden die Darstellung des Marktes ab und erlauben Rückschlüsse auf die Bedeutung von Netzzugangsregulierung für die Entwicklung von Wettbewerb. Zudem zeigen sie exemplarisch, welche konkreten Rahmenbedingungen die Marktneulinge vorfinden. 5
6
„The discussion in the postal sector generally revolves around whether the 'last mile delivery' by the incumbent operator constitutes a monopolistic bottleneck or 'essential facility', and includes analysis of the economics of the sector (sunk costs, economies of scale) and its comparability to other network industries.“ (Europäische Kommission (2006a)). In Kapitel 3 wird die disziplinierende Wirkung potenziellen Wettbewerbs berücksichtigt, vgl. dazu Baumol et al. (1982). Eine Aussage, inwiefern sich aktiver Wettbewerb auf dem geöffneten deutschen Briefmarkt entwickeln wird, ist auf dieser Basis nicht möglich.
6
1 Einleitung
Das abschließende Hauptkapitel (Kapitel 5: „Netzzugang und Effizienz“) beschäftigt sich mit den Auswirkungen des Netzzugangs auf die Effizienz des bestehenden Netzwerkes (Forschungsfrage 3). Die Bedeutung von Netzwerkeffizienz für die sektorale Produktionseffizienz wurde von SPULBER et al. (2005b) aufgeworfen. Die Autoren sind der Ansicht, dass die isolierte Betrachtung einzelner Wertschöpfungsstufen nur ein unzureichendes Bild der Auswirkungen von Netzzugang vermittelt, weil damit Interdependenzen zwischen den Wertschöpfungsstufen vernachlässigt werden. Dies ist gerade in einem Dienstleistungsnetz relevant, in dem Produktion und Netz untrennbar miteinander verbunden sind. Mögliche Veränderungen der Netzwerkeffizienz eines Briefnetzes werden auf Basis von Interviews mit Post-Experten erhoben, beschrieben und anschließend in einem stilisierten, graphentheoretischen Netzwerk-Modell anhand von Szenarien simuliert. Die Schlussbetrachtung dient der Zusammenfassung der Ergebnisse der drei Hauptkapitel und der normativen Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Fragen.
2 Briefmarkt und Liberalisierung 2.1 Einleitung, Zielsetzung und Aufbau des Kapitels Postdienstleistungen stellen einen erheblichen Wirtschaftsfaktor dar, wobei den Briefdiensten darunter traditionell eine besonders große Bedeutung zukommt. Die postalische Infrastruktur gilt als wesentlich für das Funktionieren entwickelter Volkswirtschaften, insbesondere im Hinblick auf die physische Nachrichtenübermittlung. Noch verfügen viele Briefpostgesellschaften in Europa über Ausschließlichkeitsrechte in ihren nationalen Heimatmärkten. Innerhalb gewisser Gewichtsgrenzen verfügte das eingesessene Unternehmen Deutsche Post AG (DPAG)7 über einen reservierten Bereich, in dem ihr die Beförderung von Briefen exklusiv bis Ende 2007 oblag. In Deutschland ist der Markt seit 2008 vollständig geöffnet. Dies wird sich auch in den Nachbarmärkten ändern: Die neue EU-Richtlinie vom Februar 2008 sieht vor, die Briefmärkte bis 2013 für den Wettbewerb zu öffnen. In diesem Kapitel sollen die Grundlagen von Briefmärkten erläutert und der Marktöffnungsprozess beschrieben werden. Auf Grund der engen Einbindung des deutschen Briefmarktes in den europäischen Binnenmarkt beschränkt sich die Darstellung nicht auf Deutschland, sondern berücksichtigt sowohl Vorgaben der Europäischen Union (EU) als auch Entwicklungen in bedeutenden europäischen Nachbarstaaten. Die Liberalisierung des Briefmarktes ermöglicht den Eintritt Dritter in ehemalige Monopolgebiete. Das Kapitel schafft die Voraussetzung für die Analyse des Netzzugangs (Kapitel 3) und der Wettbewerbsentwicklung (Kapitel 4). In Kapitel 2.2 wird der Markt für Briefdienste gegenüber anderen Postdienstleistungen abgegrenzt, seine volkswirtschaftliche Bedeutung herausgearbeitet und die Entwicklung des Briefaufkommens untersucht. Anschließend werden in Kapitel 2.3 die Produktionsabläufe bei der Erstellung von Briefdiensten erläutert und die dabei anfallenden Kosten untersucht. Das Kapitel 2.4 beschreibt, wie die Briefmärkte in der Europäischen Union sukzessive für den Wettbewerb geöffnet werden und wie die rechtlichen Vorgaben für den deutschen Markt konkret aussehen.
7
DPAG ist die juristische Bezeichnung der börsennotierten Konzernmuttergesellschaft. Bisweilen tritt der Konzern in der Öffentlichkeit unter dem Namen Deutsche Post World Net (DPWN) au f. In dieser Arbeit wird DPWN nicht benutzt.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
8
2.2 Markt für Briefdienste Nach einer Einführung in das Konzept des relevanten Marktes (Kapitel 2.2.1), erfolgt eine Abgrenzung von anderen Kommunikations- und Beförderungsleistungen (Kapitel 2.2.2). Anschließend wird die Bedeutung von Briefdiensten für die Volkswirtschaft und Postdienstleister herausgearbeitet (Kapitel 2.2.3). Das Kapitel 2.2 endet mit einem Überblick über Marktgröße (2.2.4), Teilmärkte (2.2.5) und einer Abschätzung der künftigen Mengenentwicklung vor dem Hintergrund elektronischer Substitution von Briefdiensten (2.2.6). 2.2.1 Konzept des relevanten Marktes Die Untersuchung des Briefmarktes setzt eine Abgrenzung des relevanten Marktes voraus.8 Der Begriff stammt aus dem Wettbewerbsrecht und besitzt große Bedeutung für die Wettbewerbspolitik bzw. Kartellrechtspraxis. Die Abgrenzung des relevanten Marktes bildet die Grundlage für die Untersuchung von Marktmacht – und mittelbar für die Frage, ob staatliche Intervention in den Marktprozess gerechtfertigt ist. Grundsätzlich versteht man unter einem Markt alle Austauschprozesse, die sich aus dem Zusammentreffen von Anbietern und Nachfragern ergeben.9 Ein Markt konstituiert sich demnach, wenn Marktteilnehmer (Akteure) in der Absicht aufeinander treffen, Tauschverträge abzuschließen. Der relevante Markt „bezeichnet bei korrekter Abgrenzung alle Anbieter, die als aktuelle oder potentielle Konkurrenten in Wettbewerb miteinander stehen“.10 Zur Abgrenzung werden zum einen sachliche, d. h. güter- bzw. dienstleistungsbezogene Kriterien herangezogen. Zum anderen kann eine Abgrenzung anhand räumlicher und zeitlicher Dimensionen vorgenommen werden. Unter Berücksichtigung sachlicher Kriterien wird ein Markt durch diejenigen Güter und Dienstleistungen definiert, die aus Sicht der Nachfrager weitgehend gleichwertig sind: „Der sachlich relevante Produktmarkt umfasst sämtliche Erzeugnisse und/oder Dienstleistungen, die von den Verbrauchern hinsichtlich ihrer Eigenschaften, Preise 8
9 10
Allgemein zur Abgrenzung des relevanten Marktes vgl. Kantzenbach, Krüger (1990), S. 472 ff., Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (97/C 372/03). Zu praktischen Problemen bei der Bestimmung vgl. Geroski (1998), S. 680; Massey (2000), S. 311. Für eine grundlegende Kritik an der rationaltheoretisch fundierten Marktabgrenzung vgl. Engel (2003). Vgl. dazu ausführlich Fritsch et al. (1999), Kapitel 1. Berg (1994), S. 1804. Zu den Grundlagen des so genannten Bedarfsmarktkonzepts vgl. Abbott (1973) und Arndt (1958).
2.2 Markt für Briefdienste
9
und ihres vorgesehenen Verwendungszwecks als austauschbar oder substituierbar angesehen werden.“11 Analytisch lässt sich das Ausmaß von Substitutionsbeziehungen durch die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage bestimmen. Sie misst die Abhängigkeit des Preissetzungsverhaltens zweier konkurrierender Anbieter.12 Formal ausgedrückt wird zur Kennzeichnung von Anbietern der Index i = 1, …, I eingeführt. Die Indexmenge Mi = (1, …, I) beinhalte alle Anbieter. Mit xi 0 sei die beim Anbieter i Mi nachgefragte Menge eines Dienstes und mit pi 0 der Preis des Dienstes beim Anbieter i bezeichnet. Liegt eine Nachfragefunktion der Form xi(p) = fi(p1, …, pI) für i Mi vor, kann die Abhängigkeit des Anbieters i vom Anbieter w (w Mi, w i) gemessen werden. Die Kreuzpreiselastizität der Nachfrage gibt dann an, wie sich eine relative Änderung des Preises pw auf die nachgefragte Menge xi auswirkt: H xi , pw
wxi ( p) xi ( p) wp w pw
p wxi ( p) u w . xi ( p) wp w
Bei H x , p > 0 liegt eine substitutive Beziehung vor, d. h. wenn w den Preis für das Gut i
w
xw erhöht, steigt die Nachfrage nach dem Produkt des Anbieters ixi. Gilt dagegen H x , p < 0, spricht man von komplementärer Nachfrage, weil die Preiserhöhung für xw i
w
zu einer abnehmenden Nachfrage nach xi führt. 2.2.2 Begriffsbestimmung und Abgrenzung des relevanten Marktes Der Begriff Brief leitet sich aus dem Lateinischen „brevis (libellus)“ ab und bedeutet „kurzes (Schreiben)“. Gemeinhin ist Brief als eine „schriftliche, meist verschlossene Mitteilung an Abwesende“13 definiert. Daneben gibt es den „offenen Brief“, der in der Regel eine politische Botschaft enthält. 11
12
13
Bekanntmachung der Kommission über die Definition des relevanten Marktes im Sinne des Wettbewerbsrechts der Gemeinschaft (97/C 372/03), S. 7. Das Vorliegen ökonomischer Homogenität von Gütern und Diensten ist allerdings ex-ante schwierig zu bestimmen, da dies Vermutungen über die subjektiven Bedürfnisse von Nachfragern voraussetzt. Vgl. dazu und zum Folgenden z. B. Güth (1994), S. 6 ff.; für Beispiele vgl. Besanko, Braeutigam (2002), S. 57 f. In der Praxis ist die Bestimmung allerdings schwierig. dtv-Lexikon (1990), Bd. 3, S. 58.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
10
Traditionell umfasst das Produktportfolio von Postgesellschaften eine Vielzahl verschiedener Postdienste.14 Die Beförderung von Briefen, der sog. Briefdienst, bildet dabei einen der zentralen Bestandteil des Leistungsspektrums, aber eben nur einen. Deshalb werden in einem ersten Schritt Briefdienste von anderen Postdiensten abgegrenzt.15 Untersucht man die angebotenen Leistungen von Postgesellschaften nach den Kriterien Gewicht und Laufzeit16, dann lassen sich in einem ersten Schritt Brief-, Kurier-, Express- und Paketsendungen voneinander unterscheiden. Während Erstere den Briefmarkt bilden, werden letztere Drei unter dem Schlagwort KEP-Märkte zusammengefasst. Die folgende Abbildung illustriert den Zusammenhang. Abbildung 1: Abgrenzung von Postdiensten nach Laufzeit und Gewicht Laufzeit KEPMarkt
Kurier
E+0
Express
E+1
Brief
E+T
Paket
E+X Niedrig
Hoch Gewicht
Quelle: Eigene Darstellung nach EUROPÄISCHE KOMMISSION (1992)
Allerdings ist eine solche Abgrenzung nicht eindeutig: Die Trennung zwischen Briefen und Paketen nach Gewicht ist willkürlich. Außerdem erfolgt die Beförderung und Zu14
15
16
Corsten (1988), S. 82, versteht unter Dienstleistungen immaterielle Produkte, die „von personellen oder materiellen Leistungsträgern an einem externen Faktor […] erbracht werden und teilweise materieller Trägersubstanzen wie Papier, Magnetbänder, Disketten etc. bedürfen“. Der Postdienstemarkt kann wiederum als Teilmarkt von Güterverkehrsmarkt einerseits sowie Kommunikations- und Nachrichtenverkehrsmarkt andererseits aufgefasst werden. Vgl. Schwarz (2004), S. 20 ff. Laufzeit bezeichnet die Dauer, die eine Sendung vom Sender zum Empfänger unterwegs ist. E steht dabei für den Einlieferungstag. Entsprechend bedeutet E+0 Zustellung am selben Tag, E+1 Zustellung am Tag nach der Einlieferung, E+T Zustellung an einem bestimmten Tag nach der Einlieferung und E+X Zustellung an einem nicht näher spezifizierten Tag nach der Zustellung, in der Praxis nach 2 bis 7 Tagen.
2.2 Markt für Briefdienste
11
stellung von Briefen bei vielen Postgesellschaften heutzutage innerhalb eines Tages (E+1), womit sich Überschneidungen zum Expressmarkt ergeben. Zur genaueren Unterscheidung des Briefmarktes von verwandten Märkten wird in einem zweiten Schritt auf die in der Regulierungspraxis gängige Abgrenzung abgestellt. Nach der Legaldefinition des deutschen Postgesetzes (PostG, 1997) umfasst der Briefmarkt die gewerbsmäßige Beförderung von Briefsendungen bis zu einem Einzelgewicht von 1000 Gramm. Es handelt sich um den sog. lizenzierten Bereich; Unternehmen, die Briefdienste anbieten möchten, benötigen dazu eine Lizenz (§ 5 Abs. 1 PostG).17 Der Begriff „Beförderung“ beschränkt sich nach § 4 Nr. 3 PostG nicht auf den reinen Transportvorgang, sondern umfasst alle Elemente der postalischen Wertschöpfungskette vom Absender zum Empfänger, d. h. das Einsammeln, Weiterleiten oder Ausliefern.18 Briefsendungen im gesetzlichen Sinne sind definiert als „adressierte schriftliche Mitteilungen“.19 Durch diese Definition werden sowohl der aus einer individuellen Nachricht von einem Absender an einen Empfänger bestehende „klassische“ Brief erfasst als auch Massensendungen wie Werbung, die durch Inhaltsgleichheit charakterisiert, aber individuell adressiert sind.20 Ebenfalls unter diese Definition fällt die sog. Hybridpost. Bei hybriden Diensten übermittelt der Absender seine Sendungsdaten auf elektronischem Weg an die Postgesellschaft. Diese erzeugt aus dem Datensatz Briefe, druckt sie in der Nähe des Empfängers aus, kuvertiert sie und stellt sie schließlich physisch zu. Besonders bei Großversendern von Rechnungen (z. B. Kreditkartenanbietern, Telekommunikationsdienstleistern, Versorgungsunternehmen) ist dieses Verfahren gebräuchlich. 17
18
19 20
Gewerbsmäßigkeit wird im PostG nicht legal definiert. "Gewerbe ist jede erlaubte, auf Gewinnerzielung gerichtete, selbständige Tätigkeit, die fortgesetzt und nicht nur gelegentlich ausgeübt wird" (Herdegen (2004a), S. 170). Davon abzugrenzen sind die der Beförderung vor- bzw. nachgelagerten Tätigkeiten, etwa das Kuvertieren von Briefen oder die Verteilung von Hauspost in einem Unternehmen durch eine Poststelle. Vgl. dazu Fornefeld, Beyer (2007). §4 Abs. 2 PostG. Für eine ausführliche Erläuterung vgl. Herdegen (2004a), S. 159 ff. Klassische Briefsendungen werden auch als Transaktionspost, Korrespondenz oder Individualpost bezeichnet. Für inhaltsgleiche Massensendungen gebräuchliche Synonyme sind Direktwerbung, Werbepost, Reklamepost und Massendrucksachen. Die Unterscheidung zwischen Werbe- und Transaktionspost ist gebräuchlich, jedoch semantisch nicht ganz korrekt: Briefe, die werbende Inhalte enthalten (z. B. Preisausschreiben o. Ä.), können transaktionsauslösend wirken (z. B. Kauf des beworbenen Produkts).
12
2 Briefmarkt und Liberalisierung
Nicht unter diese Definition fallen sonstige adressierte Sendungen wie Zeitungen, Zeitschriften und Kataloge, da sie nicht den Charakter einer Mitteilung besitzen. Räumlich ist der Markt auf das Territorium der Bundesrepublik Deutschland beschränkt, während der grenzüberschreitende Briefverkehr einen eigenen Markt bildet. Diese Abgrenzung entspricht der Praxis der Bundesnetzagentur und der Auffassung der EU-Kommission. Erst seit 1. Januar 2008 sind Markteintritte auf den deutschen Briefmarkt uneingeschränkt möglich: Die Exklusivlizenz21 der DPAG ist Ende 2007 ausgelaufen. Die DPAG verfügt nun nicht mehr – innerhalb bestimmter Gewichts- und Preisgrenzen – über das ausschließliche Recht, Briefe zu befördern. Die Gewichtsgrenze von 50 Gramm sowie die Preisgrenze (weniger als das Zweieinhalbfache des Preises für entsprechende Postsendungen der untersten Gewichtsklasse) wurden abgeschafft. Damit entfällt die Unterscheidung zwischen Monopol- und Wettbewerbsbereich, wie sie bis zur Marktöffnung existierte. Wettbewerber benötigen zwar auch nach der Marktöffnung noch eine Lizenz für ihre Postdienstleistung, aber diese enthält keine sachlichen Beschränkungen (Gewichtsgrenzen) mehr. Es gibt acht Lizenzklassen: Klasse A gilt für die gewerbsmäßige Beförderung von nicht-inhaltsgeichen Briefen, Klasse B gilt für inhaltsgleiche Sendungen, Klasse C umfasst den Dokumentenaustauschdient, für Klasse D müssen Dienstleistungen höherwertig sein, Klasse E ist für Konsolidierer, die im Auftrag von Absendern bei der DPAG einliefern, Klasse F gilt für Postfachanlagen und die Klassen G und H für Sendungen für das bzw. aus dem Ausland. Das Zugrundelegen dieser „breiten“ Definition des Briefmarktes ermöglicht eine umfassende Darstellung seiner Grundlagen (z. B. Produktion, Marktöffnungsprozess etc.) in Kapitel 2. Sie ist allerdings nicht detailliert genug, um Ansatzpunkte für den Wettbewerb in einem liberalisierten Marktumfeld herauszuarbeiten. Dazu müssen die Kundenbedürfnisse einerseits und die Kosten bei der Erstellung unterschiedlicher Briefdienste andererseits berücksichtigt werden. Eine Segmentierung des Marktes im Hinblick auf die genannten Kriterien erfolgt in Kapitel 4.3.2.
21
Synonym für Exklusivlizenz wird von Beförderungsvorbehalt, reserviertem Bereich und seltener von Ausschließlichkeits- bzw. Monopolrechten gesprochen.
2.2 Markt für Briefdienste
13
2.2.3 Ökonomische Bedeutung von Briefdiensten Briefdienstleitungen sind unverzichtbar für Kommunikation und Handel: Sektoren wie E-Commerce, Verlagswesen, Versicherungswirtschaft, Bankensektor und Werbewirtschaft sind auf die postalische Infrastruktur angewiesen. Nahezu alle Wirtschaftssubjekte treten als Empfänger von Briefen auf – Geschäftsbeziehungen zwischen Unternehmen und Nachfragern wären ohne diese Form der Kommunikation erheblich erschwert. Darüber hinaus leisten Briefdienste auch einen Beitrag zur Stärkung des territorialen und sozialen Zusammenhalts. Wie beispielsweise die Versorgung mit Telekommunikation und Energie zählt das Briefbeförderungssystem22 zur wesentlichen Infrastruktur eines Landes. Die Bedeutung des Sektors lässt sich u. a. anhand des Beitrags zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) und der Anzahl der Beschäftigten quantifizieren: In der EU 25 wurden laut WIK (2006a) im Jahr 2004 mit Postdiensten etwa 90 Milliarden (Mrd.) Euro (EUR) umgesetzt. Dies entspricht circa 0,9 % des BIP der damals 25 Mitgliedstaaten. Der direkte Beitrag zum BIP wird auf 37 Mrd. EUR oder 0,4 % geschätzt. Von den Umsätzen wurden rund 60 % auf Briefmärkten erwirtschaftet. Darüber hinaus wurden auf abhängenden Wirtschaftszweigen Umsätze von etwa 150 Mrd. EUR erzielt.23 Der deutsche Markt für Postdienste umfasste im Jahr 2006 Umsätze in Höhe von 23 Mrd. EUR.24 Davon entfielen 9,8 Mrd. EUR auf den Briefmarkt. Damit ergibt sich ein Anteil am BIP von rund 1 % für Postdienstleistungen und 0,4 % für Briefdienste. Geht man bei Briefdiensten auf Grund der hohen Arbeitsintensität von einem Wertschöpfungsanteil von 50 % aus, liegt der direkte Beitrag zum BIP in der Bundesrepublik bei knapp 5 Mrd. EUR. Postdienstleistungen sind arbeitsintensiv. Auf europäischer Ebene trägt der Sektor daher zur Sicherung einer hohen Beschäftigung bei: Die EUROPÄISCHE KOMMISSION (2006b) schätzt, dass es im Postsektor insgesamt rund 5 Mio. direkte oder indirekt veranlasste Arbeitsplätze gibt. Laut WIK (2006a) haben die nationalen Postgesellschaften
22 23 24
Funktionsabläufe und Kosten des Briefbeförderungssystems werden in Kapitel 2.2 dargestellt. Neuere Daten sind nicht verfügbar, vgl. Eurostat (2007). Vgl. Bundesnetzagentur (2007a), S. 114. Zur Berechnung der BIP-Anteile hat der Autor auf öffentliche Daten (Statistisches Bundesamt (2007a)) zurückgegriffen. Die Annahme eines 50 %igen Wertschöpfungsanteils basiert auf WIK (2006a), S. 123.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
14
in Europa im Jahr 2004 rund 1,7 Mio. Personen beschäftigt. Die BUNDESNETZAGENTUR (2007a) beziffert die Anzahl der Beschäftigten (Voll-, Teilzeitund geringfügige Beschäftigung) in Deutschland im lizenzpflichtigen Bereich auf gut 195.000 (Jahresdurchschnitt 2005). Für die Postgesellschaften ist der Briefbereich in der Regel das für Ergebnis und Umsatz wichtigste Geschäftsfeld: Von den vier größten europäischen Postgesellschaften erwirtschaften zwei jeweils mehr als die Hälfte ihrer Umsätze mit der Beförderung von Briefen. Bei allen Gesellschaften gehen mehr als 50 % des Gewinns auf das Konto von Briefdienstleistungen. Tabelle 1 zeigt die Werte für die umsatzstärksten europäischen Briefpost-Unternehmen sowie die schwedische Post. Tabelle 1: Umsatz- und Gewinnanteile Brief, ausgewählte Postgesellschaften Postgesellschaft (Land)
Jahr
Deutsche Post AG (DE) La Poste Group S. A. (FR) Royal Mail Holdings plc (UK) TNT N.V. (NL) Posten AB (SE)
2006 2005 2005/6 2005 2005
Umsatzanteil Brief 21,9% 58,2% 75,7% 39,4% 69,3%
Gewinnanteil Brief 53,0% 87,8% 96,9% 67,0% k.A.
Quelle: Eigene Berechnungen auf der Basis von LA POSTE GROUP (2006); POSTEN AB (2006); ROYAL MAIL (2006); TNT (2006); DPAG (2007)25
2.2.4 Nachfrage nach Briefen Trotz des technologischen Wandels und dem verstärkten Aufkommen elektronischer Kommunikationsmittel wie Telefon, Telefax, SMS und E-Mail gibt es weiterhin eine hohe Nachfrage nach traditioneller physischer Nachrichtenübermittlung. Nach Angaben des Weltpostvereins (Universal Postal Union, UPU) wurden im Jahr 2005 weltweit 437,1 Mrd. Briefsendungen verschickt.26 Davon verblieben fast 99 % (431,5 Mrd. Sendungen) innerhalb eines Landes, der Rest ging ins Ausland. Fast 38 % des inländischen Sendungsaufkommens entfallen dabei durchschnittlich auf Werbepost. Legt man die Untersuchung von ECORYS (2005b) zu Grunde, wurden auf den nationalen Märkten der EU-Mitgliedstaaten im Jahr 2004 rund 80 Mrd. Briefe verschickt.
25
26
Ein direkter Zahlenvergleich ist wegen unterschiedlicher Abgrenzungen der Briefsparte (z. B. separater Ausweis Filialen, Inkludierung Auslandstöcher) nicht möglich Vgl. UPU (2006), S. 11 f f. Darin sind neben Briefen und Massensendungen auch weitere adressierte Sendungen wie Zeitungen, Zeitschriften, Kataloge etc.. enthalten.
2.2 Markt für Briefdienste
15
Deutschland, Frankreich und Großbritannien haben das mit Abstand größte absolute Sendungsaufkommen. Ihr Anteil am Gesamtmarkt liegt zusammen bei über 60 %. Die folgende Tabelle zeigt das absolute jährliche Briefaufkommen sowie die Pro-KopfWerte für die EU-25. Tabelle 2: Inländisches Briefaufkommen in der Europäischen Union, 2004 Land UK DE * FR IT ES NL SE BE AT PL DK FI PT
Mrd. Briefe p.a. 18,03 16,90 15,09 5,31 5,13 4,80 2,67 1,77 1,55 1,42 1,18 1,09 1,09
Briefe pro Kopf 302 205 252 92 121 295 297 171 191 37 219 209 103
Land
Mrd. Briefe p.a. CZ 0,67 HU 0,62 IE 0,55 EL 0,47 SI 0,39 SK 0,29 LU 0,11 LV 0,07 EE 0,07 CY 0,05 LT 0,05 MT 0,04 Durchschnitt 3,20
Briefe pro Kopf 66 61 138 43 197 53 225 32 48 76 13 112 174
* 2005
Quelle: Eigene Berechungen auf der Basis ECORYS (2005a) und BUNDESNETZAGENTUR (2007a)27
Betrachtet man das Briefaufkommen in den einzelnen Ländern, fallen nicht nur die großen absoluten Unterschiede auf, sondern vor allem die unterschiedlichen Pro-KopfSendungsmengen. Während etwa in Italien weniger als 100 Briefe pro Einwohner im Jahr verschickt werden, sind es in Großbritannien mehr als dreimal so viele. In den neuen Mitgliedstaaten der EU (Polen, Tschechien, Slowakei, Litauen, Lettland, Estland) ist die Zahl der Briefe pro Kopf mit Ausnahme von Slowenien besonders niedrig. Der deutsche Markt ist zwar absolut sehr groß, liegt mit einem Pro-Kopf-Aufkommen von 205 Sendungen allerdings nur geringfügig über dem EU-Durchschnitt von 174.28 Im Vergleich mit wirtschaftlich ähnlich entwickelten Ländern wie Frankreich, den
27
28
Die Berechnungen beziehen sich jeweils auf die inländischen adressierten Sendungen (Transaktionspost, Direktwerbung), wie in Kap 2.2.2 definiert. Die Daten stammen außer für Deutschland aus den Länder-Berichten im Appendix-Dokument von Ecorys (2005a). Berücksichtigt man nur die 15 Staaten, die die EU vor der Erweiterung am 1. Mai 2004 bildeten, liegt das Pro-Kopf-Aufkommen im Schnitt bei 198 Sendungen. Weltweit liegt der Durchschnitt bei 68, vgl. UPU (2006), S. 15.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
16
Niederlanden, Schweden und Dänemark ist das Pro-Kopf-Sendungsaufkommen gering.29 2.2.5 Angebotsspektrum von Briefdiensten In Kapitel 2.2.2 wurde der Briefmarkt von artverwandten Märkten wie dem für Kurierdienste abgegrenzt. Zur Eingrenzung wurde die Legaldefinition des deutschen PostG herangezogen. Allerdings spiegelt diese „breite“ Definition nur unzureichend die vorhandene Vielfalt an Diensten wider. Für eine differenzierte Beschreibung des heutigen Briefmarktes bietet sich eine Unterscheidung anhand der angebotenen Dienste an. Abbildung 2: Strukturierung des Briefmarktes anhand von Diensten Briefmarkt nach Legaldefinition ()
[ ] Terminologie DPAG
Beispiele
Briefdienste*
*
Individuelle Briefsendungen [Briefkommunikation]
Adressierte Massensendungen [Direktmarketing]
Pressepost
„Klassischer Brief“/Postkarte (Liebesbrief, Urlaubsgrüße etc.)
Werbesendungen
Zeitungen
Transaktionspost (Rechnungen, Kontoauszüge etc.)
Kataloge
Zeitschriften
Unadressierte Massensendungen [Direktmarketing]
Basisdienste (zusätzlich Mehrwertleistungen möglich, wie Einschreiben u. Ä.)
Quelle: Eigene Darstellung
Aus Abbildung 2 geht hervor, dass grundsätzlich zwischen Briefen unterschieden werden kann, die adressiert sind, und solchen, die keine spezifische Empfängeradresse tragen. Letztere werden oft als Wurfsendungen oder Postwurf bezeichnet. Dabei handelt es beispielsweise um das schriftliche Angebot einer Lotto-Tippgemeinschaft, wobei auf dem Briefumschlag keine individuelle Empfängeradresse zu finden ist, sondern eine Bezeichnung wie „An alle Hausbewohner“. Da unadressierte Sendungen nicht durch die Legaldefinition des PostG gedeckt sind und niemals einem Beförderungs-
29
Die genannten Länder haben ein vergleichbares BIP pro Kopf, vgl. WIK (2006a), S. 192.
2.2 Markt für Briefdienste
17
vorbehalt unterlagen, spielen sie in dieser Arbeit keine Rolle. Bei den adressierten Sendungen lassen sich wiederum drei Unterkategorien bilden. Man kann zwischen Korrespondenz, (adressierten) Massensendungen und Zeitungen unterscheiden, wobei die Kategorien wiederum verschiedene Produkte enthalten können. Relevant für diese Arbeit sind solche Sendungen, die bislang ganz oder teilweise vom Wettbewerb ausgenommen sind (EU) oder waren (Deutschland), denn nur bei ihnen stellt sich die Frage eines verpflichtenden Netzzugangs, die in den Kapiteln 3 bis 5 diskutiert wird. Das sind nach der in Kapitel 2.2.2 erfolgten Marktabgrenzung Korrespondenz und Direktwerbung. Die Unterscheidung zwischen den beiden Kategorien ergibt sich aus dem Grad der Personalisierung: Sendungen, die zur Korrespondenz zählen, sind personalisiert, d. h., sie enthalten adressatenspezifische Inhalte. Beispiele dafür sind der klassische Brief, Urlaubsgrüße, aber auch Rechnungen und Kontoauszüge. Dagegen ist Direktwerbung inhaltsgleich. Solche Sendungen unterscheiden sich lediglich im Hinblick auf die Anschrift des Adressaten, während die Mitteilung für alle Adressaten identisch ist.30 Ein Beispiel ist etwa das allgemeine Informationsschreiben einer Versicherung, in dem über gesetzliche Veränderungen berichtet und für entsprechend angepasste Produkte geworben wird. Das Kriterium der Inhaltsgleichheit zur Abgrenzung zwischen klassischen Briefen und Massensendungen ist weltweit verbreitet. In Deutschland sind diese Briefe jeweils anderen Lizenzklassen zugeordnet (ALizenz für nicht-inhaltsgleiche, B-Lizenz für inhaltsgleiche Sendungen). Die DPAG weist in ihrem Geschäftsbericht das nationale Sendungsaufkommen differenziert aus: Demnach entfallen rund 55 % auf die klassische Individualpost (Korrespondenz), 45 % der Briefe sind adressierte Werbe-Mailings.31 Der Anteil der adressierten Werbepost ist im europäischen Vergleich recht hoch. Außer in Deutschland liegt der Anteil am Gesamtaufkommen nur noch in Belgien, Finnland und Österreich bei jeweils über 40 %. In Litauen, Malta, Polen und Zypern sind es jeweils weniger als 30
31
Vgl. dazu detailliert DPAG (2004c). Die DPAG bezeichnet inhaltsgleiche Sendungen als Infopost/Infobrie f. Sie zählen zum Geschäftsfeld „Direkt Marketing", während klassische Briefsendungen (Korrespondenz) im Geschäftsfeld „Brief Kommunikation“ vermarktet werden. Zu den Geschäftsfeldern vgl. DPAG (2007), S. 22 f. Eigene Berechnung auf der Basis DPAG (2007), S. 44 f. Infopostsendungen wurden nicht berücksichtigt, weil unadressiert. Die europäischen Vergleichszahlen wurden auf Basis der LänderAppendices von Ecorys (2005a) berechnet. Es wurden nur Sendungen einbezogen, die der Marktabgrenzung entsprechen.
18
2 Briefmarkt und Liberalisierung
10 %. In Großbritannien, Frankreich und den Niederlanden machen adressierte Werbebriefe jeweils etwa 30 % des Aufkommens aus. Ob die weltweit übliche Unterscheidung zwischen Transaktionspost und Werbebriefen anhand des Kriteriums der Inhaltsgleichheit bzw. nach Sendungsinhalten im Wettbewerb Bestand haben wird, muss bezweifelt werden: Inhaltsgleichheit hat keine Auswirkungen auf die Kosten der Leistungserstellung, sondern dient ausschließlich dem Abschöpfen von Renten. Die heute unterschiedlichen Preise32 für klassische Briefsendungen und Werbesendungen werden mit Vorleistungen gerechtfertigt, die der Absender bei der Inanspruchnahme von Infopost-Diensten erbringen muss (z. B. Vorsortierung, Mindestmengen, Einlieferung nur an bestimmten Orten etc.). Außerdem unterscheiden sich die Qualitätsstandards: Während die Laufzeit von klassischen Briefen in Deutschland in gut 95 % der Fälle einen Tag beträgt, wird Direktwerbung erst zwei bis vier Tage nach der Einlieferung zugestellt. Entsprechend stellt sich die Frage, ob – statt einer Unterscheidung anhand von Sendungsinhalten – in einem liberalisierten Umfeld nicht eher eine Abgrenzung zwischen Diensten anhand von Netzqualität erfolgen wird. Eine solche Unterscheidung ist auf ausländischen Märkten bereits zu beobachten. In Kapitel 4.3.2 wird der Briefmarkt anhand von Kriterien segmentiert, die Ansatzpunkte für die Entwicklung von Wettbewerb bieten. Ohnehin bleibt die Strukturierung des Briefmarktes anhand des bestehenden Angebots unvollständig für ein liberalisiertes Umfeld. Möglicherweise entspricht das Produktportfolio der nationalen Postgesellschaft – insbesondere in den über Jahre vom Wettbewerb ausgenommenen Bereichen – nicht oder nur eingeschränkt den Präferenzen der Nachfrager. Alternative Angebote sind als Folge des Wettbewerbs zu erwarten (Fortschrittsfunktion des Wettbewerbs). Solche Produktinnovationen können allerdings nicht vorhergesagt werden.33
32
33
Während das Porto für den klassische Standardbrief (< 20 Gramm) 0,55 € beträgt, kostet eine entsprechende Werbesendung in Abhängigkeit vom Aufkommen zwischen 0,40 und 0,19 €, vgl. WIK (2005b), S. 39 (Tab. 11). TNT Post sieht großes Potenzial in der Neugestaltung von Produkten in Bezug auf Maße und Gewicht im liberalisierten Umfeld, vgl. Middendorf (2007), S. 174.
2.2 Markt für Briefdienste
19
2.2.6 Entwicklung des Briefaufkommens Aussagen über die künftige Entwicklung des Briefaufkommens sind mit Unsicherheiten behaftet. Konkrete Vorhersagen für Deutschland liegen nicht vor. Die DPAG veröffentlicht in ihren Geschäftsberichten lediglich eine Einschätzung, wie sich ihr Sendungsaufkommen in den Bereichen Individual- und Werbepost grob entwickeln wird, d. h., ob mit Steigerungen oder Sendungsmengenrückgängen zu rechnen ist. Die Bundesnetzagentur (BNetzA) als zuständige Regulierungsbehörde veröffentlicht keine Prognose zur Gesamtmarkentwicklung. Vor diesem Hintergrund kann in diesem Abschnitt keine detaillierte Voraussage über die Entwicklung des deutschen Briefmarktes getroffen werden. Stattdessen sollen die grundlegenden Trends herausgearbeitet werden. Dazu werden im ersten Unterkapitel (2.2.6.1) die Bestimmungsfaktoren herausgearbeitet, die das Briefaufkommen eines Landes beeinflussen. Anschließend wird das Preisund Qualitätsniveau (2.2.6.2) der etablierten Postgesellschaften dargestellt und die Nachfrageelastizität (2.2.6.3). In Kapitel 2.2.6.4 werden die Auswirkungen von Substitution durch elektronische Medien wie E-Mail näher untersucht, bevor Kapitel 2.2.6.5 auf mögliche Verschiebungen zwischen unterschiedlichen Sendungskategorien eingeht. Das Kapitel endet mit einer Prognose zur künftigen Sendungsmengenentwicklung (2.2.6.5). 2.2.6.1 Determinanten Als wichtigster Bestimmungsfaktor für das Briefaufkommen eines Landes gilt das Bruttoinlandsprodukt.34 Ökonometrische Studien kommen zu dem Ergebnis, dass das Wirtschaftswachstum für rund zwei Drittel des Wachstums der Briefmenge verantwortlich ist. NANKERVIS et al. (1999) konstatieren in einer Zeitreihenanalyse für die Jahre 1976 bis 1995 eine weitgehend parallele Entwicklung von Briefaufkommen und Bruttoinlandsprodukt in Großbritannien. Vergleicht man die Entwicklung von BIP und Sendungsaufkommen für Deutschland, so stimmt die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate für den Zeitraum 2001 bis 2005 nahezu überein: Während die Brief-
34
Vgl. Nankervis, Rodriguez (1995), Nikali (1997), Nankervis et al. (1999), Nankervis et al. (2002), Florens et al. (2002).
2 Briefmarkt und Liberalisierung
20
menge in diesem Zeitraum im Schnitt um 0,6 % p. a. gestiegen ist, wuchs das BIP annualisiert um 0,5 %.35 Weitere Faktoren, die das Briefaufkommen eines Landes beeinflussen, sind die Bevölkerungsstärke bzw. die Anzahl der Haushalte, das Preis- und Qualitätsniveau der nationalen Briefpost und vor allem die Verbreitung und relativen Kosten alternativer Kommunikations- und Nachrichtenübertragungstechnologien, die Substitute darstellen. Da im Hinblick auf die Bevölkerungsstruktur kurz- und mittelfristig keine grundlegenden Veränderungen zu erwarten sind, werden sie im Weiteren nicht untersucht. 2.2.6.2 Preis- und Qualitätsniveau In einem Markt mit einem hohen Preisniveau sind durch Wettbewerb eher Preissenkungen zu erwarten als in einem Markt mit niedrigem Niveau – sofern die Preisunterschiede nicht ausschließlich auf Kostenunterschieden basieren, die sich z. B. aus der unterschiedlichen Topographie eines Landes ergeben. Ein Vergleich der Preise für Briefdienste in ausgewählten europäischen Ländern zeigt, dass die Porti in Deutschland relativ hoch sind (vgl. Abbildung 3). Mit einem Preisniveau36 von 0,73 Euro lag Deutschland in 2006 über dem Durchschnitt von 0,69 Euro und belegte von den 16 betrachteten Ländern Rang sieben.37
35
36
37
Eigene Berechnung auf Basis der Sendungsmengenangaben der Bundesnetzagentur (2007a) und BIP-Daten (Statistisches Bundesamt (2007a)). Der Berechnung liegt das nationale Sendungsaufkommen im lizensierten Bereich zu Grunde. Für das BIP wurden reale Werte in Preisen von 2000 angesetzt. Es handelt sich dabei um mit Mengen gewichtete Preise, die den repräsentativen Format- bzw. Produktmix (Postkarte, Standard-, Kompakt-, Maxi- und Großbrief) des etablierten Unternehmens widerspiegeln. Vgl. Bundesnetzagentur (2007a), S. 120. Nach einer Untersuchung der Deutschen Post liegt der deutsche Preis mit 0,55 Euro unter dem Durchschnitt von 0,58 Euro. Es werden die Preise für Standardbriefe der schnellsten Kategorie verglichen (gemessen in Kaufkraftparitäten), vgl. DPAG (2006a). Oelmann, Schölermann (2006), S. 61 ff. halten die Ergebnisse der BNetzA für aussagekräftiger.
2.2 Markt für Briefdienste
21
Abbildung 3: Preis- und Qualitätsniveau in ausgewählten Ländern Preis in € 0
2002
0,2
0,4
2006
0,6
0,8
IT DE
1,0
0
0,2
0,4
0,6
0,8
1,0
0,78 2.Rang
0,77
NO
0,73
SE
0,71
CH
0,63
AT
0,62
FI
0,87 7.Rang
0,73 0,89 0,83 0,62 0,68
0,62
0,77
Ø-Veränderung
Laufzeit E + 1**
11,4%
87,2%
- 5,0%
95,3%
21,4%
87,2%
16,5%
95,6%
- 1,1%
k.A.
9,6%
93,9%
24,5%
95,7%
26,1%
79,1%
- 4,1%
96,5%
FR
0,60
NL
0,58
BE
0,57
0,72
27,2%
92,4%
DK
0,55
0,71
28,1%
93,9%
79,3%
69,1%
53,5%
95,8%
39,2%
72,0%
0,51
27,1%
91,4%
0,49
37,7%
78,0%
EL
0,41
PT
0,41
IE
0,40
UK
0,40
ES
0,35 Ø 0,57
0,75 0,56
0,74 0,63 0,56
Ø 0,69
* Umgerechnet nach Verbrauchergeldprioritäten, aufkommensgewichteter Formatmix ** 2004/2005
Quelle: Eigene Darstellung auf Basis BUNDESNETZAGENTUR (2007a) und WIK (2006a)
Allerdings ist das deutsche Preisniveau im Zeitablauf gesunken. Es lag im Jahr 2006 nominal rund 5 % unter dem des Jahres 2002. Diese Entwicklung stellt eine Ausnahme dar: Außer in Deutschland sind lediglich in den Niederlanden und der Schweiz Preisrückgänge zu verzeichnen. Im Gegensatz dazu ist das Preisniveau in den anderen Ländern gegenüber 2002 gestiegen, in Griechenland, Irland und Spanien sogar um mehr als ein Drittel. Auch die gestiegenen Porti in Großbritannien, Norwegen und Schweden sind bemerkenswert, da diese Länder ihre Briefmärkte bereits für den Wettbewerb geöffnet haben. Bei einem Vergleich der Preise ist außerdem zu beachten, dass sich die Qualitätsniveaus zwischen den Ländern unterscheiden. 2.2.6.3 Nachfrageelastizität Direkte Auswirkungen der Liberalisierung des Briefmarktes auf das Sendungsaufkommen ergeben sich, wenn durch den Wettbewerb Preissenkungen induziert werden und die Nachfrage elastisch reagiert. Dies kann durch die Preiselastizität der Nachfrage (Nachfrageelastizität) bestimmt werden. Sie misst, wie sich die nachgefragte Menge als Folge einer Preisänderung verändert: „The elasticity (or responsiveness) of demand
2 Briefmarkt und Liberalisierung
22
in a market is great or small according as the amount demanded increases much or little for a given fall in price, and diminishes much or little for a given rise in price.“38 Bezeichnet man die nachgefragte Menge eines Gutes mit x, den Preis dieses Gutes mit p und liegt eine Nachfragefunktion der Form x = f(p) vor, lässt sich die Nachfrageelastizität formal ausdrücken als H x, p
wx x wp p
p wx u . x wp
Die Berechnung ergibt eine dimensionslose Maßzahl für die Reaktion der nachgefragten Menge auf eine Preisänderung. Wegen p, x > 0 und
wx < 0 ist die Elastizität für wp
eine normal verlaufende Nachfragekurve stets kleiner 0. Bei Werten < -1 spricht man von elastischer, zwischen 0 und -1 von unelastischer Nachfrage. Untersuchungen für Briefdienste ermitteln unelastische Nachfrageelastizitäten. Tabelle 3 stellt Ergebnisse für Finnland, Großbritannien, Portugal und Frankreich dar. Tabelle 3: Preiselastizität der Briefnachfrage in ausgewählten Ländern Quelle
Untersuch- Betrachteter tes Land Zeitraum
Produkt
Nikali (1993) Nikali (1997) Nankervis, Carslake und Rodriguez (1999) Pimenta, Ferreira (1999) Florens, Marcy, Toledano (2002) Nankervis, Richard, Soteri, Rodriguez (2002)
FI FI
1971-1991 1975-1995
Inländische A-Post Inländische A-Post
-0,4 -0,78
UK
1976-1995
Aggregierte Briefnachfrage
-0,13
PT
1960-1999
Aggregierte Briefnachfrage
-0,16
FR
1969-1999
Inländische Briefnachfrage
-0,27
UK
1977-1999
Inländische Briefnachfrage
-0,2
Elastizität
Quellen: genannt
Alle ermittelten Elastizitäten sind deutlicher größer als minus 1. Preisänderungen haben in den betrachteten Ländern also nur einen geringen Effekt auf die Zahl der verschickten Briefe. ROBINSON (2006) vergleicht die Ergebnisse von 45 Studien für sechs
38
Marshall (1962), S. 86. Das Folgende kann in jedem Mikroökonomik-Lehrbuch nachvollzogen werden, z. B. Varian (2001), S. 257 f.; Woll (2003), S. 128 f.
2.2 Markt für Briefdienste
23
Länder und kommt bis auf eine Ausnahme stets zu Werten zwischen 0 und minus 1. Besonders geringe Elastizitäten werden für Transaktionspost ermittelt, die in großen Massen verschickt wird: Telefonrechnungen und Kreditkartenabrechnungen etwa fallen regelmäßig an. Ihr Aufkommen hängt ab von der Anzahl der Kunden des Telefonunternehmens bzw. der Kreditkartenfirma. Im Gegensatz zu Werbesendungen ist hier eine Anpassung der Nachfrage kaum möglich, Werbepost weist eine größere Elastizität auf. Dies hängt damit zusammen, dass den Versendern im Rahmen des MediaMixes alternative Wege zur Übermittlung ihrer Botschaften zur Verfügung stehen (Plakatwände, Telefonaktionen, Print- und TV-Werbung etc.), in diesem Bereich also ein starker intermodaler Wettbewerb herrscht.39 Die Ergebnisse decken sich mit den allgemeinen Erkenntnissen über Nachfrageelastizitäten: Je niedriger die Ausgaben für ein Produkt, gemessen am Haushaltseinkommen, desto geringer sind die beobachteten Nachfrageelastizitäten. Die Ausgaben für Briefdienste sind, gemessen am Haushaltseinkommen, in der Regel sehr gering. Sie liegen bei 5,23 EUR pro Monat.40 Außerdem ist die Nachfrage grundsätzlich umso elastischer, je mehr Substitute vorhanden sind. Unter Postökonomen gilt die Annahme einer insgesamt verhältnismäßig unelastischen Briefnachfrage daher als plausibel und gesichert.41 Dennoch haben die konkreten Werte nur indikativen Charakter. Zum einen handelt es sich um aggregierte Werte, so dass für einzelne Briefdienste abweichende Elastizitäten zu erwarten sind. Zum anderen stellen die Untersuchungen (notwendigerweise) Ex-post-Betrachtungen dar für Märkte ohne Wettbewerb. 2.2.6.4 Elektronische Substitution Durch die fortschreitende Verbreitung neuer Kommunikationsdienste wie Fax, Internet, E-Mail und SMS können zuvor an den physischen Briefverkehr gebundene Infor39 40
41
Vgl. dazu detaillierter Robinson (2006). Ausgaben für Post- und Kurierdienstleistungen (außer Postbank), private Brief- und Paketzustelldienste, vgl. Statistisches Bundesamt (2004). Spieltheoretische Modellierungen zur Wettbewerbsentwicklung auf geöffneten Briefmärkten gehen davon aus, dass durch Preissenkungen kaum zusätzliche Nachfrage entsteht. Sendungsmengen, die vormals von der etablierten Postgesellschaft befördert wurden, wandern nach der Öffnung durch das Netz der Konkurrenten. Vgl. z. B. Cremer et al. (2001); De Donder et al. (2002); Dietl, Waller (2002); Dietl et al. (2005); D'Alcantara, Amerlynck (2006).
24
2 Briefmarkt und Liberalisierung
mationen zunehmend auch elektronisch übermittelt werden: Im B-to-C-Bereich lassen sich beispielsweise Rechnungen auf den Webseiten von Unternehmen abrufen (sog. Direct Presentments bzw. EBPP), Direktmarketingkampagnen können per E-Mail oder SMS abgewickelt werden (z. B. Videomails mit Werbespots, begleitende Preisausschreiben etc.), im B-to-B-Bereich kann der Schriftverkehr zur Auftragsabwicklung über spezielle Datenverbindungen (sog. Electronic Data Interchange, kurz EDI) erledigt werden, Privatkunden können persönliche Mitteilungen durch E-Mails, Fax oder SMS substituieren.42 Die durch Marktzutrittsregulierung gesicherten Alleinrechte nationaler Postgesellschaften bei der Briefbeförderung bedeuten entsprechend keineswegs Konkurrenzlosigkeit. An die Stelle des intramodalen Wettbewerbs – der im Mittelpunkt dieser Arbeit steht – tritt die intermodale Konkurrenz, bei der die Befriedigung von Nachfragebedürfnissen durch ein anderes Medium erfolgt.43 Für das traditionelle Geschäftsmodell der Briefposten stellt die elektronische Substitution ein erhebliches Bedrohungspotenzial dar: Zum einen sind bei substituierten und damit sinkenden Sendungsmengen Umsatzausfälle in Höhe der entfallenden Beförderungsentgelte zu verzeichnen, zum anderen kommt es auf Grund der hohen Fixkosten für die Vorhaltung des Beförderungssystems zu negativen Skaleneffekten, d. h. steigenden Stückkosten. Entsprechend wird seit den 1990er Jahren diskutiert, inwiefern diese neuen Dienste in Zukunft die papierbasierte Briefkommunikation ersetzen werden. Prognosen aus der ersten Hälfte der 1990er Jahre gehen von einem erheblichen Substitutionspotenzial aus: SPENGLER-RAST et al. (1991) schätzen, dass langfristig 60 % aller Briefsendungen durch elektronische Kommunikationsdienste ersetzt werden. Für Finnland rechnete NIKALI (1995) mit einem Rückgang der Sendungsmenge zwischen 14 und 40 % bis 2005. BALDRY (1995) zitiert die Deutsche Post mit der Erwartung, dass bis zu 30 % der Briefe substituiert werden könnten.
42
43
Vgl. zu den Substitutionsmöglichkeiten Nikali (1995), Plum (1996), Nikali (1997), Chopra, Szeto (2005) und zusammenfassend Schwarz (2004), S. 27 ff. Ob unter dem Kriterium der Substituierbarkeit eine Marktabgrenzung auch künftig Bestand haben kann, die physische und elektronische Nachrichtenübermittlung strikt trennt, ist nicht Gegenstand dieser Arbeit. Reay (1997) kommt zu dem Ergebnis, dass bei einem deutlichen Ausbau der elektronischen Kommunikationsinfrastruktur eine Anpassung der Marktabgrenzung notwendig wird.
2.2 Markt für Briefdienste
25
Zwar haben sich Prognosen, die einen dramatischen Sendungsmengenrückgang durch elektronische Substitution vorhersagen, bislang nicht bewahrheitet.44 Allerdings zeigt sich, dass der positive Zusammenhang zwischen BIP-Wachstum und Sendungsmengenaufkommen nicht mehr uneingeschränkt gilt. Das Sendungsaufkommen in den EUMitgliedstaaten ist zwischen 2000 und 2004 insgesamt stabil geblieben – und damit nicht im Gleichschritt mit dem BIP gewachsen. In Dänemark, den Niederlanden und Schweden waren jeweils absolute Rückgänge beim nationalen Briefaufkommen zu verzeichnen. Diese Entwicklung hat sich auch im Jahr 2005 fortgesetzt: In den Niederlanden etwa ist die Anzahl der transportierten Briefe gegenüber dem Vorjahr um 3,1 % gesunken.45 In Deutschland ist ein deutliches Sinken der Wachstumsraten festzustellen: Während die Zahl der transportieren Briefe zwischen 1998 und 2002 im Schnitt um 2,4 % per annum gewachsen ist, liegt das durchschnittliche jährliche Wachstum für den Zeitraum von 2002 bis 2006 bei 0,6 % und zwischen 2005 und 2006 bei 0,2 %.46 Aktuelle Untersuchungen zu Auswirkungen neuer Kommunikationsdienste auf die Nachfrage nach traditionellen Briefdiensten zeichnen ein differenziertes Bild.47 Neben der reinen Substitution werden auch komplementäre Entwicklungen zwischen der Nachfrage nach neuen Kommunikationsdiensten und Briefen sowie verstärkende Effekte beschrieben: So erhalten beispielsweise Internetnutzer in den Vereinigten Staaten und Großbritannien nahezu doppelt soviel papierbasierte Briefpost wie Personen ohne Internetzugang, wobei dieser Unterschied in Großbritannien im Zeitablauf sogar zunimmt. Während der Internethandel kontinuierlich an Bedeutung gewinnt, ist gleichzeitig eine stetige Zunahme an versendeten Katalogen zu beobachten. Des weiteren zeigen Studien, dass im Bereich Direktmarketing keine unmittelbare Austauschbarkeit zwischen elektronischer und papierbasierter Post vorliegt. Während Werbe-E-Mails meist als störend empfunden werden („Spam“), billigen die Empfänger von Direkt-
44 45
46 47
Vgl. zusammenfassend Nader (2005a). Zum Folgenden vgl. Nader (2004), S. 4, Diakova (2005). Vgl. Danmark (2006), S. 14, 20, Posten AB (2006), S. 14, TNT (2006), S. 29, WIK (2006a), S. 188 ff.; betrachtet man die Periode von 2000 bis 2003, gilt das auch für Belgien, Finnland, Norwegen, Österreich und Portugal, vgl. Nader (2005a), S. 32. Eigene Berechnung auf der Basis Bundesnetzagentur (2007a), S. 115. Für einen umfassenden Überblick über Prognosen zur Sendungsmengenentwicklung im Zusammenhang mit Substitution vgl. Nader (2005a), für eine Untersuchung der verwendeten Modelle vgl. Harding (2004). Vgl. zum Folgenden Ragozin et al. (2001), Nader (2004), UPU (2004), Nader, Jimenez (2005), Jimenez (2006).
2 Briefmarkt und Liberalisierung
26
marketingsendungen diesen vielfach einen informatorischen Wert zu.48 Ohnehin stellt sich die Frage, ob angesichts der starken Verbreitung des Internets nicht inzwischen ein Großteil der Substitutionspotenziale erschlossen wurde. 2.2.6.5 Nachfrageänderungen Im Hinblick auf die künftige Marktentwicklung ist nicht nur das Gesamtsendungsaufkommen von Interesse, sondern auch mögliche Verschiebungen zwischen unterschiedlichen Sendungskategorien. Sendungskategorien lassen sich z. B. in Bezug auf die Netzqualität (v. a. Laufzeitschnelligkeit) bilden. Briefdienste unterschiedlicher Qualitäten – die nicht an den Sendungsinhalt anknüpfen – werden auf ausländischen Briefmärkten bereits angeboten.49 Dort ist ein Wechsel von so genannten First Class oder Priority Letters („A-Post“) zu Second Class-Produkten („B-Post“): Briefe werden dabei zu einem niedrigeren Preis verschickt, allerdings ist die Zeit zwischen Abgabe und Zustellung beim Empfänger länger als bei der A-Post. Entsprechende Verschiebungen sind dort zu beobachten, wo die nationale Postgesellschaft ihren Kunden die Wahl zwischen verschiedenen Briefprodukten lässt, die sich in der Laufzeit unterscheiden.50 Sie sind das Ergebnis einer gestiegenen Preissensititvität bei den Versendern. „Public postal operators in Europe and North America are noting substantial rises in price elasticity, following decades of relatively inelastic 1st class letters”.51 In Finnland hat es Anfang der 1990er Jahre in Folge einer Rezession eine massive Umschichtung von First in Second Class-Produkte gegeben. Während die Nachfrage nach schnellen und teuren Briefen stark sank, nahm das Aufkommen an langsameren und billigeren Briefen in etwa gleichem Umfang zu. Diese strukturelle Verschiebung hat bis heute Bestand, trotz der wirtschaftlichen Erholung Finnlands Mitte der 1990er Jahre. In Großbritannien ist ebenfalls ein Wechsel zur B-Post zu beobachten. Seit 1991 ist das Aufkommen an A-Post leicht gesunken, während der Gesamtmarkt stark ge-
48 49 50
51
Vgl. WIK (2006a), S. 205. Vgl. Schölermann (2004); WIK (2005b). Ein differenzierteres Bild zeichnet WIK (2006a), S. 195: Demnach sind Umschichtungen v. a. in entwickelten Märkten zu beobachten, während es in den Ländern mit relativ niedrigen Servicelevels noch steigenden Bedarf nach A-Post gibt. Nader (2005b), S. 24. In der Vergangenheit waren Nachfragerückgänge in Folge von Preiserhöhungen jeweils nur von kurzer Dauer.
2.2 Markt für Briefdienste
27
wachsen ist, vor allem wegen Zuwächsen im Second Class-Bereich. Insbesondere Briefe kommerzieller Versender (Finanzkommunikation, Rechnungen u. a.) migrieren in das billigere Segment. In den USA – wo wie in Deutschland Rechnungen und Kontoauszüge etc. ausschließlich als „Priority Mail“ verschickt werden können – gibt es mehrere Sendungsklassen für Werbepost, wobei eine Verschiebung in qualitativ niedrigere Klassen zu beobachten ist. Die partielle Austauschbarkeit von langsamen und schnellen Briefen lässt sich an der Kreuzpreiselastizität von A- in Bezug auf B-Post ablesen, d. h., wie steigt die Nachfrage nach B-Post, wenn der Preis für A-Post angehoben wird.52 Die für Großbritannien ermittelten Kreuzpreiselastizitäten schwanken zwischen 0,4 und 0,56, für Finnland zwischen 0,3 und 0,51. Eine entsprechende Wahlfreiheit zwischen A- und B-Post haben die Nachfrager in Deutschland derzeit nicht. Wie in Kapitel 2.2.5 beschrieben, befördert die DPAG zwar Werbesendungen mittels eines separaten Netzwerks, an das geringere Laufzeitanforderungen gestellt werden, zu einem niedrigeren Preis als Korrespondenz. Allerdings ist die Nutzung der sog. Infopost mit Mindesteinlieferungsmengen verbunden und an das Kriterium der Inhaltsgleichheit geknüpft, d. h. nur Briefe, die sich ausschließlich in Bezug auf den Empfänger unterscheiden, können soverschickt werden. 2.2.6.6 Prognosen Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die Briefmärkte entwickelter Volkswirtschaften stagnieren. Bei der Nutzung vollzieht sich eine Mengenverschiebung von klassischer Zweiwegekommunikation hin zu Einwegekommunikation, vielfach in Form von Werbepost.53 Gleichzeitig nimmt die Wichtigkeit von hoher Laufzeit (Schnelligkeit) ab, während der Preis an Bedeutung gewinnt. Letzteres ist dabei nicht ein Effekt des steigenden Anteils an Werbesendungen, sondern einerseits auf sich wandelnde Kundenbedürfnisse zurückzuführen und andererseits auf steigende Substitutionsmöglichkeiten für eilige Mitteilungen (E-Mail, Fax). Ein Großteil der europäischen Postgesellschaften rechnet für die Zeit bis 2010 mit einer insgesamt gleichbleibenden oder leicht rückläufigen Nachfrage nach Briefdiensten. 52
53
Zum Konzept vgl. 2.1.2. Die Werte stammen aus unterschiedlichen Untersuchungen und sind Robinson (2006), S. 12 ff. entnommen. Vgl. Finger et al. (2005), S. 35.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
28
Dabei werden im Bereich der Transaktionspost Rückgänge erwartet, die auf elektronische Substitution zurückzuführen sind. Dagegen wird die Zukunft von Werbepost positiver gesehen. Von elf Postgesellschaften in Ländern mit hohem Briefaufkommen rechnen sieben im Bereich Transaktionspost mit einer leicht sinkenden Nachfrage, im Bereich Direktmarketing mit leicht steigender Nachfrage. Als Folge steigt die relative Bedeutung von Geschäftskunden/Behörden als Versender weiter an.54 Für Deutschland geht die DPAG davon aus, dass durch die steigende Nachfrage nach Werbepost der Gesamtabsatz insgesamt stabil bleibt oder sich leicht positiv entwickelt.55 Damit würde der leicht negative Trend der vergangenen Jahre stoppen bzw. sich umkehren: Während der Absatz im Geschäftsfeld Brief Kommunikation seit 2002 kontinuierlich zurückgeht, wächst die Zahl der versendeten Werbebriefe stetig. Im Zeitraum von 2001 bis 2005 ist der Absatz im Bereich Briefkommunikation im Durchschnitt um 1,9 % p. a. gesunken, das Aufkommen im Bereich Direktmarketing dagegen im Schnitt um jährlich 1,8 % gestiegen.56 Der Autor rechnet für Deutschland in Zukunft mit einem insgesamt konstanten Sendungsaufkommen: Zwar ist die Anzahl verschickter Briefe pro Kopf der Bevölkerung verhältnismäßig gering, was für weiteres Wachstumspotenzial spräche, allerdings ist der Anteil der Werbepost bereits heute vergleichsweise hoch.57 Entgegengesetzte Veränderungen in beiden Bereichen dürften sich aufheben. 2.3 Produktion von Briefdiensten Bei der Beförderung von Briefen handelt es sich um eine Dienstleistung: Die Postgesellschaft überbringt Sendungen vom Absender zum Empfänger. Dennoch wird im Zusammenhang mit der Leistungserstellung vielfach von „Briefproduktion“ gesprochen. Diese Bezeichnung soll hier beibehalten werden, auch wenn lediglich ein Teil
54
55 56
57
Vgl. Nader (2005a), S. 31 ff., WIK (2006a), S. 201 f. Dabei handelt es sich um einen insgesamt stabilen Trend, vergleicht man die Versender/Empfänger-Matrizen bei Pieper (1996), S. 43, UPU (1997), S. 5, UPU (2000), S. 16, WIK (2006a), S. 198. Vgl. Heeg (2005), Wanner, Paterak (2005). Eigene Berechnung auf der Basis der DPAG-Geschäftsberichte von 2001 bis 2005. Darin enthalten sind auch unadressierte Postwurfsendungen, die zum Geschäftsfeld Direktmarketing zählen. Vgl. Kapitel 2.1.4 und 2.1.5. Teilweise wird das mehr als doppelt so hohe Pro-KopfSendungsaufkommen in den USA als Beleg für Wachstumspotenzial angeführt. Unberücksichtigt bleibt dabei, dass das hohe Aufkommen stark durch Finanzkommunikation (Schecks, Kontoauszüge u. Ä.) geprägt ist, die hierzulande zu 89 % beleglos erfolgt, vgl. DPAG (2005a), S. 9.
2.3 Produktion von Briefdiensten
29
des Produktionsprozesses, die Sortierung, mit einem industriellen Fertigungsprozess vergleichbar ist.58 Im Folgenden wird der Produktionsprozess einer Briefpostgesellschaft am Beispiel der DPAG beschrieben. Er ist mit dem anderer Postgesellschaften vergleichbar, auch wenn sich die konkrete Ausgestaltung der Netzwerke (z. B. Anzahl Sortierzentren etc.) in der Praxis unterscheidet.59 Die Erläuterungen fokussieren auf die eigentliche Beförderungsleistung, die die Kernleistung einer Briefpostgesellschaft darstellt. Hieran knüpft auch die Frage der Regulierungsnotwendigkeit des Netzzugangs (Kapitel 3) an. Betrachtet man die gesamte Kommunikationskette, so wird deutlich, dass Beförderung nur einen – wenn auch den wesentlichen – Teil dieser Kette darstellt. Der Beförderung vorgelagert ist die Sendungserstellung. Diese beinhaltet bspw. die Auswahl des Kommunikationsmittels, das Verfassen, Drucken, Adressieren und Frankieren von Briefen, sog. postvorbereitende Dienste. Der Beförderung nachgelagert sind auf der Empfängerseite z. B. die Entgegennahme von Sendungen, ggf. die Weiterverteilung innerhalb der Firma (Hauspost) und die Verarbeitung der Inhalte, was abermals transaktionsauslösend wirken kann. Sowohl vor- als auch nachgelagerte Elemente der Kommunikationskette werden inzwischen ebenfalls von Postgesellschaften erbracht, stellen aber eigene Märkte dar.60 In diesem Kapitel wird zuerst der Netzcharakter von Briefdiensten erläutert. Darauf aufbauend werden Wertschöpfungskette und Produktionsabläufe beschrieben (Kapitel 2.3.2). Das dritte Unterkapitel stellt die Wertschöpfungsanteile der einzelnen Produktionsstufen dar. Eine Untersuchung möglicher Netzzugangspunkte sowie der Netzökonomie einzelner Produktionsstufen (z. B. Größenvorteile, Irreversibilitäten) erfolgt im nächsten Hauptteil (Kapitel 3).
58
59
60
Günther, Tempelmeier (2000), S. 6 f. verstehen unter Produktion „die Erzeugung von Ausbringungsgütern (Produkten) aus materiellen und nichtmateriellen Einsatzgütern (Produktionsfaktoren) nach bestimmten technischen Verfahrensweisen“. Zur Dienstleistungsproduktion im Briefbereich vgl. Ullmann (1995), S. 24 ff. Vgl. dazu NERA (2004), 11 ff. Die DPAG hat ihr Netzwerk im Rahmen des Konzepts „BRIEF 2000“ grundlegend modernisiert. Neben Kostensenkungen wurde eine Erhöhung der Laufzeitqualität von < 75 % auf mindestens 95 % E+1 angestrebt, vgl. dazu DPAG (1996) und Rabe (2002). Für eine entsprechend umfassende Darstellung der Postwertkette vgl.Walsh (2006), S. 2 ff; Fornefeld, Beyer (2007). Für die Aktivitäten der DPAG vgl. DPAG (2007), S. 23, 25.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
30
2.3.1 Netzcharakter von Briefdiensten Unter Netzindustrien werden Wirtschaftsbereiche verstanden, in denen die Produktion einer spezifischen Netzinfrastruktur bedarf. Die Nutzung eines Netzes stellt eine unabdingbare Voraussetzung für das Angebot auf den komplementären Güter/Dienstemärkten dar.61 Diese Märkte sind i. d. R. vor- und/oder nachgelagert, das Netz hat eine Transport- und Verteilungsfunktion. Netze lassen sich definieren als „raumübergreifende, komplex verzweigte Transport- und Logistiksysteme für Güter, Personen oder Informationen“.62 Bezogen auf ihre strukturellen Eigenschaften wird zwischen physischen bzw. materiellen Netzen, virtuellen Netzen und Dienstleistungsnetzen unterschieden. Zu den physischen Netzen zählen die erdgebundenen Netze wie Straßen-, Strom-, Erdgas-, Eisenbahn- und Telekommunikationsnetz. Sie werden im Sprachgebrauch als klassische Netzsektoren bezeichnet. Virtuelle Netze sind durch ihre nichtphysischen Strukturen und variablen Übertragungswege gekennzeichnet. Beispiele sind Buchungs- und Reservierungssysteme. Eine Zwischenform nehmen Dienstleistungsnetze ein. Charakteristisch ist die betriebsorganisatorische Einheit aus Betriebseinrichtungen, Transportmitteln, Transportwegen, immateriellen Gütern, Organisation der Arbeitsprozesse und Personal.63 Die Briefpost wird zu den Netzsektoren gezählt. Es handelt sich um ein Dienstleistungsnetz. Der Netzcharakter folgt aus den unterschiedlichen Standorten von Sendern und Empfängern: Briefe müssen von Absendern, die über das gesamte Bundesgebiet verteilt sind, zu Empfängern transportiert werden, die sich ebenfalls an beliebigen Orten in Deutschland befinden. Mittels des Netzwerks soll erreicht werden, dass die dabei anfallenden Strecken (zwischen Absendern und Empfängern) möglichst effizient zurückgelegt werden. Dafür wird auf ein sog. Hub-and-Spoke-System zurückgegriffen: Die Sendungen werden in der Abgangsregion eingesammelt (Spokes), dann auf die Zielregion sortiert, möglichst stark verdichtet (Hub), transportiert und in der Zielregion verteilt (Spokes). Durch die Zusammenfassung von Sendungen an verschiedenen Punkten lassen sich Wege einsparen; der Gegensatz zu einem solchen Netzwerk wäre die direkte Lieferung jeder einzelnen Sendung vom Absender zum jeweiligen 61 62
63
Vgl. Kruse, Kiessling (1997). von Weizsäcker (1997), S. 572. Dort findet sich auch eine Einführung in grundlegende Eigenschaften von Netzen. Vgl. auch Bundeskartellamt (1997), S. 6 ff. Vgl. Gerstner (2004).
2.3 Produktion von Briefdiensten
31
Empfänger. Da es weniger Annahmestellen (Briefkästen, Filialen etc.) zum Absenden von Briefen gibt als Empfängeradressen (Hausbriefkästen bzw. Abgabestellen), werden Briefnetze als Distributionsnetze bezeichnet. Abbildung 4 stellt das Netzwerk schematisch dar. Abbildung 4: Schematische Darstellung eines Postnetzwerks Zwischenstufen zur Konsolidierung/ Sortierung
Regionales Sortierzentrum
Überregionaler Transport
Depot für Massensendungen Filialen, Briefkästen
Zustellstützpunkt
Versender
Zustellung
Zustellstützpunkt
Annahme
Filialen, Briefkästen
Zustellung
Region A
Annahme Region B
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an PIEPER et al. (1996)
Im Gegensatz zu den klassischen Netzsektoren wie Energie (Strom, Gas) und Telekommunikation beruht ein Postnetzwerk nur zu einem geringen Teil auf materieller Infrastruktur. Während etwa bei der Eisenbahn zur Distanzüberwindung Schienen, beim Erdgastransport Pipelines oder bei der Festnetztelefonie (in großen Teilen) Kabel notwendig sind, erfolgen die Wegeleistungen in der Briefproduktion mittels üblicher Verkehrsträger, d. h. mit Flugzeugen, Straßenfahrzeugen und zu Fuß. Die Besonderheit des Briefnetzes – bzw. von Dienstleistungsnetzen allgemein – ist der Dienstleistungscharakter, d. h., ein von der Dienstleistung trennbares materielles Netz existiert nicht. Die Zustellroute eines Briefträgers ist einerseits Teil der Infrastruktur (sie stellt die Verbindung zu den Sendungsempfängern her), andererseits handelt es sich bei der Zustelltätigkeit um eine Dienstleistung (Übergabe der Sendung). Alle Netzkomponenten sind mit der Diensterstellung verbunden und ihre Konfiguration eignet sich zur Differenzierung der Leistung. Diese grundlegende Eigenart wiederum beeinflusst Kostenstruktur und Flexibilität des Netzwerks.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
32
2.3.2 Produktionsstufen und -prozesse Bei der Leistungserstellung lassen sich die Produktionsstufen Einsammlung, Sortierung (Abgangs- und Eingangssortierung), Transport und Zustellung unterscheiden. Im Prinzip ist der Produktionsprozess für alle Briefsendungen (Korrespondenz, Werbebriefe) identisch. Entsprechend wird in großen Teilen auf eine gemeinsame Infrastruktur (einheitliches Produktionssystem, Regelnetz) zurückgegriffen.64 Abbildung 5 veranschaulicht den Ablauf des Produktionsprozesses:65 Abbildung 5: Produktionsprozess im Regelnetz
Leistungserstellungsprozess
Annahme/ Einsammlung
Vorlauf
Abgangssortierung
Hauptlauf
Eingangssortierung
Nachlauf
Zustellvorbereitung
Zustellung
Sortierung
Transport
Sortierung
Transport
Zustellung
Zustellung
Wertschöpfungsstufen Annahme/ Einsammlung
Transport
Netzwerk DPAG
• Ca. 110.000
• 82 Brief-
• 82 Brief-
Briefkästen • Ca. 12.500 Filialen • 82 Großannahmestellen
zentren (BZA)
zentren (BZE)
• Ca. 3.400 • Ca. 39 Mio. Zustellstützpunkte
Empfängeradressen
Quelle: Eigene Darstellung
Das Einsammeln bzw. die Annahme von Sendungen erfolgt zum einen über Briefkästen oder Postfilialen. Derzeit leert die Deutsche Post täglich knapp 110.000 Briefkästen und entsorgt 12.628 Filialen.66 Die Einlieferung über Briefkästen bzw. Filialen ist der typische Weg für Privatkunden bzw. Versender mit einem niedrigen individuellen Aufkommen. Insgesamt gelangen auf diesem Weg rund 35 % der Sendungen ins Netz der Deutschen Post. Zum anderen lassen Großkunden ihre Sendungen entweder abho64
65
66
Unterschiede in der Bearbeitung zwischen Transaktions- und Werbepost werden am Ende des Kapitels betrachtet. Die folgenden Ausführungen beziehen sich auf das sog. Regelnetz, in dem die laufzeitkritischen Produkte des Bereichs Brief Kommunikation (E+1) befördert werden. Soweit nicht anders gekennzeichnet, basieren die folgenden Ausführungen auf Ullmann (1995), S. 11 ff.; Pieper (1996), S. 72 ff.; Pieper, Stumpf (1996), S. 266 ff.; DPAG (1996); Waller (2002), S. 15 ff.; DPAG (2004a). Vgl. Bundesnetzagentur (2007a), S. 27, Stand 31.12.2006. Von den Filialen werden 7.062 von Partnern der DPAG betrieben.
2.3 Produktion von Briefdiensten
33
len oder liefern sie direkt in eine der Großannahmestellen, die sich bei den Sortierzentren befinden. Sendungen aus Briefkästen bzw. Filialen werden per LKW zum nächstgelegenen Sortierzentrum gebracht („Vorlauf“). In der Regel treffen die Sendungen dort bis ca. 20 Uhr ein. In den regionalen Sortierzentren (Briefzentren (BZ)) wird das gesamte Briefaufkommen einer Quellregion (Leitregion67) gesammelt und nach Bestimmungsorten sortiert. Dabei müssen in einem ersten Schritt lose Einzelsendungen aus Briefkästen und Filialen nach Formaten getrennt und „aufgestellt“ werden, damit sie sich anschließend in Sortiermaschinen verarbeiten lassen. Alle maschinenfähigen Sendungen des Briefzentrums durchlaufen im Rahmen der sog. Abgangssortierung einen weitgehend automatisierten Bearbeitungsprozess, in dessen Verlauf die Freimachung kontrolliert und entwertet, die Adresse gelesen und in einen maschinenlesbaren Strichcode übersetzt, die Sendungen schließlich auf die Zielregion sortiert, in Behälter gepackt und kommissioniert werden.68 Die Bearbeitung der unterschiedlichen Formate erfolgt dabei in verschiedenen Modulen bzw. Maschinen. Bei kleinformatigen Sendungen (sog. Standardund Kompaktbriefen, SKBf), die mehr als 80 % des Aufkommens ausmachen, ist der Sortiergrad (d. h. Anteil maschinell sortierter Sendungen) am höchsten.69 Nicht maschinenfähige Sendungen wandern in die Handbearbeitung und werden manuell sortiert. Im internationalen Vergleich ist der Automatisierungsgrad in der Sortierung bei der Deutschen Post mit 89 % sehr hoch.70 Die Abgangssortierung beginnt am frühen Abend und endet etwa gegen 21:30 Uhr. Anschließend werden die Briefe von den Quell- in die Zielregionen transportiert. Die Deutsche Post betreibt bundesweit 82 Briefzentren, die im Rahmen des sog. Hauptlaufs miteinander verbunden sind. Der Transport zwischen den Briefzentren erfolgt dabei entweder direkt über Umschlagsstationen (Hubs) oder im Rahmen sog. Kettenverkehre, wobei mehrere BZ nacheinander angefahren und beliefert werden. Als 67 68
69
70
Sie ist definiert über die ersten beiden Ziffern der fünfstelligen Postleitzahl. Die Sortiertiefe variiert nach den Anforderungen des Ziel-BZ. Vielfach werden Sendungen auf spezielle Sortierprogramme vorsortiert, die eine schnelle Eingangsbearbeitung am Bestimmungsort erlauben. Bei SKBf liegt der Sortiergrad bei ca. 95 %. Grundsätzlich nimmt die Sortierfähigkeit mit der Formatgröße ab, d. h. großformatige Briefe (sog. Groß- und Maxibriefe) werden in geringerem Maße maschinell bearbeitet. Vgl. DPAG (2006c), S. 35.
34
2 Briefmarkt und Liberalisierung
Transportmittel kommen dabei vornehmlich LKW und Kleinlastwagen/Transporter zum Einsatz. Nur sehr weite Distanzen werden im Nachtluftpostnetz (NLP) per Flugzeug überwunden. Der Hauptlauf endet etwa gegen 4 Uhr. Alle BZ dienen sowohl der Abgangs- als auch der Eingangsbearbeitung (entsprechend die Bezeichnungen BZA für Abgang und BZE für Eingang). Im Rahmen der sog. BZE-Schicht, die etwa gegen 22 Uhr mit der Sortierung von Mengen aus der eigenen Quellregion beginnt, werden die Briefe feinsortiert. Die dabei erzielte Sortiertiefe ist abhängig von der Maschinenausstattung eines BZ, der Sendungsbeschaffenheit und dem Format der Sendungen. Inzwischen hat die DPAG flächendeckend sog. Gangfolgesortiermaschinen installiert. Sie ordnen die Briefe entsprechend der Zustellroute eines Zustellers.71 Nach der Feinsortierung auf Gangfolge oder Zustellbezirke (bzw. Zustellbezirks-, Postfach-, Großkundengruppen) werden die Briefe im Rahmen des Nachlaufs zu den Zustelldepots (sog. Zustellstützpunkte (ZSP)) bzw. in Einzelfällen zu Großkunden transportiert. Im ZSP kommen die Sendungen zwischen 6:15 und 7:15 Uhr an. Im Rahmen der Vorbereitung werden die Briefe – soweit noch nicht geschehen – vom Zusteller auf die Gangfolge seiner Route bzw. Postfächer sortiert. Außerdem werden die verschiedenen Formate zusammengeführt und Mehrwertleistungen wie Einschreiben, Nachnahme oder Postzustellaufträge vorbereitet. Diese Arbeitsschritte erfolgen weitgehend händisch. Nach der Vorbereitung begibt sich der Zusteller gegen 8 Uhr auf seine Tour. Auf einer vorgegebenen Route liefert er die Sendungen an die einzelnen Empfänger, wobei er die Strecke entweder zu Fuß mit Handwagen abläuft oder per Fahrrad bzw. Auto abfährt.72 Die Übergabe erfolgt durch Hauszustellung, d. h. die Briefe werden in die Briefkästen an der Haus- oder Wohnungstür eingelegt. Derzeit gibt es rund 3.400 ZSP, von denen gut 54.000 Zustellbezirke bedient werden.73 Die Touren der Zusteller enden meist gegen 15 Uhr. Wegen unterschiedlicher Laufzeitvorgaben und bereits übernommener Vorleistungen unterscheiden sich die Produktionsabläufe von Korrespondenz und Werbebriefen in
71
72
73
Vgl. DPAG (2004b), S. 36, und DPAG (2005b), S. 27. Dieser Prozess erfolgte zuvor manuell in den Zustelldepots. Gangfolgesortiermaschinen können allerdings nur SKBf sortieren. In dünn besiedelten Gebieten hat die DPAG die Zustellung von Briefen und Pakten zusammengelegt, um Verbundvorteile zu nutzen (sog. Verbundzustellung), vgl. Rabe (1997), S. 18; DPAG (2004b), S. 36. Ansonsten wäre die Anzahl der Bezirke kleiner. Vgl. Rabe (2002), S. 18; DPAG (2006c), S. 36; DPAG (2007), S. 24.
2.3 Produktion von Briefdiensten
35
der konkreten Ausgestaltung: Die Vorsortierung auf Zielregionen durch Versender ermöglicht es, Sendungen ganz oder teilweise an der Abgangssortierung vorbeizuschleusen und direkt zum Ziel-BZ zu transportieren. Zudem handelt es sich wegen der hohen (Mindest-)Einlieferungsmengen meist um palettierte Ware, die entsprechend leicht kommissioniert werden kann. Durch die längeren Laufzeiten von Werbepost ist eine stärkere Verdichtung der Briefe möglich, wodurch sich größere LKW bzw. Sattelzüge einsetzen lassen. Flugzeuge werden nicht benötigt. Die erforderliche Vorankündigung von Einlieferungen durch die Versender erlaubt eine am Bedarf orientierte Disposition der Transportkapazitäten. Die DPAG nutzt für die Beförderung von Werbebriefen das sog. Express-LogistikNetz (ELN).74 Dabei handelt es sich im Gegensatz zum Regelnetz E+1 um ein Bedarfsnetz, das anders konfiguriert ist: Sortierung und Verdichtung erfolgen in zehn Depots und einem Hub und sind durch eigene Transportströme miteinander verbunden. Zusammengeführt werden die beiden Sendungsströme (Korrespondenz, Werbebriefe) in der Zielregion im BZE. Dort durchlaufen Werbesendungen dieselben Anlagen wie E+1-Post. Allerdings wird die Sortierung nicht in den Abendstunden, sondern am Tag in Schwachlastphasen durchgeführt.75 Durch die vorgenannten Unterschiede ergeben sich Kostenvorteile gegenüber dem Regelnetz. Grundsätzlich determinieren also angestrebte Netzqualität und Grad der Vorleistungen seitens der Versender die Netzkonfiguration, den Produktionsprozess und damit die Kosten der Leistungserstellung. Insgesamt ist das Briefbeförderungssystem verhältnismäßig wenig technologieintensiv. Lediglich die Sortierung kann weitgehend automatisiert werden. Entsprechend sind hier für die Zukunft weitere Veränderungen des Produktionsprozesses zu erwarten. Besonders eine Ausweitung der Gangfolgesortierung auch auf großformatige Sen-
74
75
Für eine gute graphische Darstellung des Zusammenhangs zwischen Regelnetz und ELN vgl. Elsenbast, Smit (2000), S. 43. Da das tägliche Briefaufkommen erheblich schwankt, werden Regelnetze zur Erzielung hoher Laufzeiten auf Spitzenlasten ausgelegt. Die Kapazitätsplanung orientiert sich daher am Aufkommen in den Nachtstunden und führt tendenziell zu einer Unterauslastung am Tag. Zur Spitzenlastproblematik in Postnetzen vgl. Pieper (1996), S. 272.
36
2 Briefmarkt und Liberalisierung
dungen wäre denkbar.76 Wegen des schon heute hohen Automatisierungsgrades bei der DPAG erscheinen künftige Umgestaltungsmöglichkeiten aber begrenzt. Das heißt allerdings nicht, dass das Netzwerk in seiner derzeitigen Ausgestaltung stabil wäre. Im Gegenteil: Charakteristisch für Briefnetze ist eine laufende Anpassung an sich ändernde Rahmenbedingungen, z. B. schwankende Sendungsmengen. In den vergangenen Jahren hat sich das Netz der DPAG ständig verändert.77 Der Einsatz moderner IT-Planungstools verbesserte die Kapazitätsplanung und führte zur Neuschneidung von Zustellbezirken, die Vorbereitung der Zustellung konnte vereinfacht werden durch den Einsatz von Barcodeaufklebern für Mehrwertleistungen wie Einschreiben, im Transport wurde das Nachtluftpostnetz verkleinert. Für die Zukunft erscheint wegen der Ausweitung der Gangfolgesortierung auch eine Trennung von Vorbereitung und Zustellung denkbar. Dies hätte eine Neuschneidung der Zustellbezirke zur Folge. 2.3.3 Wertschöpfungsanteile und Kostenstrukturen Vor dem Hintergrund der geplanten Marktöffnung sind die europäischen Postgesellschaften sehr restriktiv bei der Veröffentlichung detaillierter Kostendaten.78 Dies gilt in besonderem Maße für Deutschland. Zwar weist die DPAG in ihren Geschäftsberichten das Ergebnis für die Briefsparte separat aus, wodurch sich die Gesamtkosten bestimmen lassen. Eine Ableitung der Kosten für die einzelnen Wertschöpfungsstufen ist auf diesem Weg jedoch nicht möglich. Eine Veröffentlichung detaillierter Kostendaten ist weder in der EG-Postrichtlinie noch im PostG vorgesehen und wird von der DPAG abgelehnt.79 Ein Vergleich der vorhandenen quantitativen Untersuchungen zu den Kosten der Leistungserstellung für verschiedene europäische Länder offenbart erhebliche Differenzen. Allerdings ist die Zustellung stets der mit Abstand wichtigste Kostenblock. Sie verur-
76
77 78 79
Die Umleitung nachzusendender Briefe wurde bereits automatisiert, vgl. DPAG (2005b), S. 27. Des Weiteren ist eine stärkere Automatisierung der Annahme durch elektronische Postämter, Online-Briefmarkendruck etc. denkbar. Dies betrifft aber vornehmlich den Vertrieb und nicht das Beförderungssystem. Vgl. zum Folgenden Rabe (2002), S. 21 ff.; DPAG (2005b), S. 27; DPAG (2006c), S. 78. Vgl. allgemein NERA (2004), 60 f f. Vgl. Bundesnetzagentur (2006a), S. 11. Zudem ist die Interpretation der Gesamtkosten schwierig, da hierin Lasten für den gesetzlich vorgeschriebenen Universaldienst und Folgekosten der Privatisierung enthalten sind (z. B. Beamtenpensionen).
2.3 Produktion von Briefdiensten
37
sacht zwischen 50 und 65 % der Gesamtkosten der Briefproduktion.80 Der Anteil der Sortierkosten an den Gesamtkosten beträgt zwischen 19 und 35 %, der Anteil der Einsammlung liegt zwischen 10 und 14 und beim Transport schwanken die Angaben zwischen 2 und 9 %. Die Ergebnisse der Studien fasst Tabelle 4 zusammen. Tabelle 4: Untersuchungen zur Kostenstruktur nach Wertschöpfungsstufen
Quelle EC (1992)
Gebiet EU
Cazals/de Rycke (1997/1999) CTCon (1998) NERA (1998)** NERA (2004)** Durchschnitt***
Frankreich EU EU EU
Anteil an den Produktionskosten* Annahme Transport Sortierung Zustellung 10% 2% 23% 65% 10% 12% 14% 14% 12%
5% 9% 7% 9% 6%
35% 24% 25% 19% 25%
50% 55% 54% 58% 56%
* Alle Angaben bezogen auf Produktionskosten ohne Verwaltung (Marketing, Vertrieb etc.) für das Regelnetz ** Eigene Berechnung durch anteilige Subtraktion der Overhead-Kosten *** Eigene Berechnung. Ungewichteter Durchschnitt, gerundet
Quelle: genannt
Die Abweichungen dürften sowohl aus den unterschiedlichen Zeiträumen der jeweiligen Betrachtungen resultieren als auch aus verschiedenen inhaltlichen Abgrenzungen: Kosten für Vor- und Nachlauf können beispielsweise der Einsammlung bzw. Zustellung statt dem Transport zugerechnet werden, Kosten für die Gangfolgesortierung lassen sich je nach Betrachtung der Zustellung oder der Sortierung zuschlagen und zur Verteilung von Gemeinkosten gibt es ebenfalls keine einheitlichen Regeln.81 Vor diesem Hintergrund erscheint eine Übertragung auf Deutschland nicht möglich. Für Deutschland liegen keine belastbaren Daten vor. ELSENBAST (1994) zitiert einen Vortrag von 1993, nach dem 50 % der Kosten auf die Zustellung, 10 % auf die Einsammlung und der Rest auf Sortierung und Transport entfallen. NERA (2004) beziffert den Anteil der Zustellkosten in Deutschland auf 69,4, den Anteil der Kosten für Einsammlung auf 13,2 und den Anteil der Sortierung auf 17,4 % der Gesamtkosten. Die Daten stammen allerdings von 1998 aus einer Vorläuferstudie. Schon damals wiesen 80
81
CtCon (1998), S. 47 gibt neben den Durchschnittswerten zehn befragter Länder auch die Oberund Untergrenzen an. Für die Zustellung schwanken die Angaben zwischen 38 und 69 %. Die verschiedenen Zurechnungsmöglichkeiten werfen v. a. bei der Preisgestaltung im Mehrproduktunternehmen erhebliche Schwierigkeiten auf. Vgl. z. B. Robinson et al. (2006).
38
2 Briefmarkt und Liberalisierung
die Autoren auf Schwierigkeiten bei der Zuordnung hin und äußerten die Vermutung, dass in die Zustellkosten auch andere Tätigkeiten einbezogen wurden.82 Da das Produktionssystem im Rahmen der Neuausrichtung (BRIEF 2000) grundlegend umgestaltet wurde, sind diese Werte nicht belastbar. Der Autor schätzt, dass in Deutschland rund 60 % der Produktionskosten auf die Zustellung, rund 20 % auf die Sortierung und rund 20 % auf den Transport entfallen. Die Transportkosten lassen sich aufschlüsseln in Hauptlauf (10 %), Einsammlung/Vorlauf und Annahme (6 %) und Nachlauf (4 %). Die im Vergleich zu ausländischen Briefposten unterdurchschnittlichen Einsammel- und Sortierkosten ergeben sich zum einen aus dem geringen Anteil an Briefen, die in Deutschland über Briefkästen und Filialen eingeliefert werden und zum anderen aus dem sehr hohen Automatisierungsgrad in der Sortierung. Die überdurchschnittlichen Transportkosten folgen aus der Tatsache, dass die DPAG ein teures Luftpostnetz unterhält, das es in vergleichbarer Form nur in wenigen europäischen Ländern gibt.83 Die vergleichsweise hohen Zustellkosten sind auf die hohen Lohnkosten in Deutschland zurückzuführen, die in der arbeitsintensiven Zustellung besonders zu Buche schlagen. Das starke kostenseitige Ungleichgewicht zwischen Einsammlung und Zustellung folgt aus dem Charakter als Distributionsnetz: Es gibt erheblich weniger Einsammelstellen als Abgabestellen. In Deutschland sind täglich „nur“ rund 122.000 Briefkästen und Filialen zu leeren („entsorgen“), während die Deutsche Post bundesweit fast 40 Mio. Abgabestellen bedient, von denen knapp 26 Mio. täglich Post erhalten.84 Neben der relativen Bedeutung der einzelnen Wertschöpfungsstufen im Hinblick auf die Leistungserstellung ist auch relevant, welche Kostenarten (Personal, Kapital etc.) beim Betrieb eines Briefbeförderungssystems anfallen. Der große Anteil arbeitsintensiver Produktionsstufen lässt einen ebenfalls hohen Anteil Personalkosten vermuten. Tatsächlich gibt die Deutsche Post an, dass im Briefbereich 54 % der Kosten auf Personal entfallen. Es folgen Aufwendungen für Material und bezogene Leistungen (35 %) vor sonstigen Kosten (8 %) und Abschreibungen für Gebäude, Anlagen und Fahr-
82 83
84
Vgl. NERA (2004), Tabelle 5.7, S. 72, und NERA (1998), S. 144. Vgl. zum Produktionssystem das vorangegangene Kapitel. Aus CtCon (1998), S. 46 ergibt sich, dass im Schnitt 56 % der Sendungen über Briefkästen/Filialen ins Netz gelangen – gegenüber 35 % in Deutschland. Zur Konfiguration von Sortierung und Transport vgl. NERA (2004), S. 14 ff. Vgl. Kapitel 2.3.2 und DPAG (2005a), S. 12. Auf die Asymmetrie der Sendungsströme (wenige Absender, viele Empfänger) wurde in Kapitel 2.3.1 hingewiesen.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
39
zeuge (3 %).85 Die Deutsche Post hat in den vergangenen Jahren in großem Umfang Leistungen fremd vergeben (outgesourct). Sie zählen zu den Kosten für bezogene Leistungen. Entsprechend dürften die genannten Werte die Personalintensität des Briefbeförderungssystems systematisch unterschätzen, da auch bei fremd bezogenen Leistungen Personal zum Einsatz kommt. Realistischer erscheinen die Angaben für Frankreich und die USA, wo keine Fremderstellung von Leistungen stattfindet. Dort liegt der Anteil der Lohnkosten an den Gesamtkosten bei 73 bzw. 80 %.86 Die Ergebnisse für den deutschen Markt sind in Abbildung 6 zusammengefasst: Abbildung 6: Kostenanteile im deutschen Briefdienst Nach Kostenarten in % (gerundet)
Nach Wertschöpfungsstufen in % der Gesamtkosten (gerundet) 100
Sonstige 60
Fremd35 leistungen, Material
20
6
Annahme/ Einsammlung
Abschreibungen
8
3
54 Personal
14
Transport*
Sortierung
Zustellung**
Gesamt
* Ohne Vorlauf (bei Einsammlung enthalten), inkl. Nachlauf ** Inkl. Vorbereitung
Quelle: Eigene Schätzung
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes Traditionell werden bzw. wurden Postdienstleistungen weltweit von Monopolunternehmen der öffentlichen Hand erbracht. In Deutschland unterliegt die Beförderung von Briefen bereits seit dem 16. Jahrhundert staatlichen Auflagen. Lange Zeit bestand ein Konsens, dass netzbasierte Infrastrukturdienste wie Post, Telekommunikation,
85
86
Vgl. DPAG (2006b), S. 32. Eigene Berechnungen auf der Basis der für das 3. Quartal 2006 angegebenen Kosten. Die Werte stimmen in etwa mit den für 2003 zitierten überein, vgl. NERA (2004), S. 79. Vgl. Cazals et al. (1997); Christensen et al. (1993), S. 242.
40
2 Briefmarkt und Liberalisierung
Bahn, Strom und Gas exklusiv durch den Staat zu erbringen sind, da es andernfalls zu volkswirtschaftlichen Effizienzverlusten als Folge von Kostenduplizierung komme und keine flächendeckende Versorgung der Bevölkerung zu erschwinglichen Preisen möglich wäre. Diese Sichtweise gilt unter Ökonomen inzwischen als tradiert.87 Die erfolgreiche Einführung von Wettbewerb in Netzsektoren wie Telekommunikation hat auch im Postwesen einen Liberalisierungsprozess eingeleitet. Am Ende dieses Prozesses soll laut der Postdienstrichtlinie der EU eine vollständige Öffnung des Marktes für Postdienstleistungen stehen. Als Zeitpunkt wird spätestens 2013 angestrebt. In Deutschland wurde der Markt bereits zum 1. Januar 2008 geöffnet. Die Marktöffnung bildet den institutionellen Rahmen für die Analysen zur Netzzugangsregulierung (Kapitel 3 bis 5). Sie soll daher in diesem Unterkapitel dargestellt werden. Die Darstellung fokussiert auf die Liberalisierung, also den Abbau staatlicher bzw. institutioneller Marktzutrittsschranken.88 Im Briefmarkt ist dies der reservierte Bereich, in dem nur die etablierte Postgesellschaft tätig werden darf bzw. durfte. Liberalisierung muss allerdings nicht notwendigerweise mit Deregulierung einhergehen. Dies zeigen die vielen sektorspezifischen Vorschriften in liberalisierten Netzsektoren wie Telekommunikation und Energie.89 Das Kapitel ist wie folgt aufgebaut: Zu Beginn werden die im Zusammenhang mit der Marktöffnung gebräuchlichen Grundbegriffe definiert (2.4.1). Der kurze Überblick über die Historie staatlicher Einflussnahme im Postwesen in Kapitel 2.4.2 zeigt, dass die Monopolisierung von Postdienstleistungen eine lange Tradition hat. Anschließend werden in Unterkapitel 2.4.3 theoretische Konzepte erläutert, mit denen institutionelle Marktzutrittsschranken begründet werden. Ob diese Gründe für den Briefmarkt noch heute Geltung besitzen, wird in Kapitel 2.4.4 untersucht. Zum Abschluss steht die re87
88
89
Die Literatur zur Öffnung von Netzsektoren ist umfangreich. Hier sei beispielhaft auf grundlegende Arbeiten für Deutschland verwiesen, vgl. Knieps et al. (1979); Windisch (1987); Blankart, Knieps (1989); Kruse, Kiessling (1997); Knieps, Brunekreeft (2000). Einen internationalen Überblick bietet Noll (1991). Darunter werden marktzutrittsverhindernde Faktoren zusammengefasst, die auf institutionellen Bedingungen, staatlichen Gesetzen und behördlichen Entscheidungen beruhen. Davon zu unterscheiden sind strategische und strukturelle (bzw. natürliche) Markteintrittsbarrieren. Letztere werden in Kapitel 3 näher erläutert und untersucht. Auf einem wettbewerblich organisierten Markt sind die Vorgaben des allgemeinen Wettbewerbsrechts in der Regel ausreichend. Inwiefern nach der vollständigen Marktöffnung noch eine sektorspezifische Regulierung über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinaus notwendig ist (z. B. Preisund Qualitätsregulierung) kann aus Platzgründen nicht diskutiert werden. Vgl. dazu De Bijl et al. (2005); Geradin (2006). Speziell zur Preisregulierung vgl. Schölermann (2007); Klargaard (2007).
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
41
gulatorische Ausgestaltung der Briefmarktöffnung im Mittelpunkt (2.4.5). Die regulatorische Ausgestaltung gilt als entscheidend, ob der Übergang vom Monopol zu einem wettbewerblich organisierten Markt gelingt. Auf dieser Basis werden im Weiteren die Regulierungsnotwendigkeit von Netzzugang in den Hauptkapiteln 3 bis 5 eingehend untersucht. 2.4.1 Begriffsabgrenzung In der Praxis werden die Begriffe Regulierung, Deregulierung, Liberalisierung und Privatisierung nicht immer eindeutig unterschieden. Eine klare Abgrenzung stellt jedoch eine Voraussetzung dafür dar, den deutschen Briefmarkt korrekt zu beschreiben und die Netzzugangsregulierung in späteren Kapiteln zu analysieren. Unter Regulierung werden staatliche Eingriffe in den Markt- bzw. Wettbewerbsprozess verstanden, die die Transaktions-/Vertragsfreiheit der Marktteilnehmer einschränken und über die allgemeinen Ordnungsregeln einer Marktwirtschaft hinausgehen.90 Die direkte Kontrolle oder unmittelbare Festlegung ökonomischer Aktivitäten (erwerbswirtschaftlicher) Anbieter durch staatliche Institutionen vollzieht sich dabei anhand ordnungspolitischer Ausnahmeregelungen. Dazu zählen vor allem Eingriffe in die Preis-, Konditionen- und Qualitätssetzung, den Marktzutritt und das Kapazitätsangebot, aber auch Kontrahierungszwänge, kartellrechtliche Freistellungen oder Investitionslenkung.91 Im Umkehrschluss handelt es sich bei der Deregulierung um die Abschaffung bzw. Lockerung von Regulierungsvorschriften, denen Marktteilnehmer und potenzielle Marktneulinge unterliegen. Eng verwandt mit dem Begriff der Deregulierung ist Liberalisierung.92 Darunter wird die Aufhebung von institutionellen Marktzutrittsschranken verstanden, also z. B. die Abschaffung staatlicher Monopolbereiche. Aus dieser 90
91 92
Vgl. von Weizsäcker (1988), S. 15; Eickhof (1993), S. 204. Es handelt sich um Regulierung im engeren Sinne, weil staatliche Eingriffe in Form von Steuer-, Umwelt-, Gesundheits- oder allgemeiner Wettbewerbgesetzgebung nicht darunter subsumiert werden, vgl. Joskow, Rose (1989), S. 1450. Die Analyse von Regulierungseingriffen setzt allerdings vielfach voraus, dass auch institutionelle Rahmenbedingungen (z. B. Wettbewerbsgesetzgebung) berücksichtigt werden. Sie sind daher Gegenstand der Regulierungstheorie im weiteren Sinne, vgl. Borrmann, Finsinger (1999), S. 8. Vgl. Eickhof (1993), S. 204. Vgl. Braubach (1992), S. 179; ausführlich zur Liberalisierung Beesley, Littlechild (1992).
2 Briefmarkt und Liberalisierung
42
Begriffsbestimmung wird deutlich, dass es sich bei Deregulierung und Liberalisierung um unterschiedliche Konzepte handelt: Zwar kann die Marktöffnung gleichermaßen als Deregulierung und Liberalisierung bezeichnet werden, aber die Liberalisierung eines Sektors geht nicht notwendigerweise mit einer Deregulierung einher – und umgekehrt. Beispielsweise unterliegen die Energieversorgungsunternehmen, die ehemals über Gebietsmonopole verfügten, auch nach der Marktöffnung (d. h. Liberalisierung des Marktzutritts) einer Ex-ante-Preisregulierung. Privatisierung bezeichnet den Rückzug des Staates aus unternehmerischer Betätigung, d. h. die Überführung von staatlichen Unternehmen in private Eigentümerschaft.93 Dabei ist zu unterscheiden zwischen formeller und materieller Privatisierung. Erstere bezeichnet einen Rechtsformwechsel von einer staatlichen Institution zu einer privatwirtschaftlichen Gesellschaftsform, deren Anteile jedoch vollständig in öffentlichem Besitz verbleiben. Letztere dagegen meint die tatsächliche Übertragung des Eigentums an einer Gesellschaft auf nichtstaatliche Anteilseigner durch Veräußerung. 2.4.2 Historie staatlicher Postpolitik Die staats- und machtpolitische Bedeutung der Nachrichtenübermittlung wurde schon früh von den Herrschenden erkannt. In der Konsequenz wurde das Postwesen als hoheitliche Aufgabe angesehen. Die Verantwortung für die Nachrichtenübertragung wurde entweder Staatsbediensteten oder mit Privilegien ausgestatteten Privatunternehmern übertragen. Von Beginn an war das Postwesen eng mit Monopolrechten verknüpft.94 Vor diesem Hintergrund erscheint eine Darstellung der Postpolitik früherer Jahrhunderte sinnvoll, um die heutigen gesetzlichen Regelungen (Regulierung) einordnen zu können und Begründungen für Staatseingriffe im Kontext aufzuzeigen. Die Entstehung des heutigen Postwesens geht auf die Taxis'schen Postdienste zurück.95 Der Habsburger Kaiser Maximilian I. beauftragte die Familie von Taxis mit der Einrichtung eines leistungsfähigen Nachrichtenübermittlungsnetzes, das seine Herrschaftsgebiete miteinander verbinden sollte. 1490 wurde der erste regelmäßige Post93
94 95
Damit wird Privatisierung im Rahmen dieser Arbeit eng gefasst und bleibt auf die sog. Organisationsprivatisierung beschränkt. Vgl. dazu Möschel (1997), S. 351. Es gibt eine Vielzahl von Bedeutungen, vgl. Müller (1997), S. 23. Vgl. dazu ausführlich Wipperfürth (2005), S. 41 ff. Vgl. zum Folgenden ausführlich Behringer (1990); North (1984). Sowohl im Altertum als auch im Mittelalter war das Postwesen grundlegend anders organisiert und blieb auf wenige gesellschaftliche Gruppen beschränkt. Daher werden diese Epochen hier ausgespart.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
43
kurs zwischen Österreich und den Niederlanden von Innsbruck nach Mechelen eingerichtet. Das Netz wurde sukzessive erweitert, so dass am Ende des 15. Jahrhunderts die Nachrichtenübermittlung zwischen Spanien, Italien (Neapel), Österreich und den Niederlanden Tag und Nacht erfolgte. Grundlegend neu am Taxis'schen Postkursnetz war das Produktionssystem: Im Gegensatz zu den bis dahin gebräuchlichen Botendiensten, bei denen eine Botschaft durch einen Boten überbracht wurde, gelangte die Nachricht im neuen System durch eine Kette von Überbringern vom Absender zum Empfänger. Dazu wurden entlang der Route Versorgungsstationen eingerichtet, in denen sich Reiter und Pferde zur Übernahme und zum Weitertransport von Sendungen bereithielten.96 Das Posthorn – noch immer das Symbol vieler Postgesellschaften – diente der Ankündigung des Reiters, um eine reibungslose Übergabe ohne Wartezeiten zu ermöglichen. Dieses System gewährleistete einen fortlaufenden Transport. Unterbrechungen durch Essens- oder Schlafpausen gehörten der Vergangenheit an. Die Minimierung von Laufzeiten war von Beginn an ein wesentliches Ziel der Post. Bereits in den Postverträgen von 1505 und 1516 finden sich Maximalbeförderungszeiten für einzelne Routen.97 Beim Taxis’schen Postwesen handelte es sich um ein nach heutigen Maßstäben privatwirtschaftliches Unternehmen. Der Ausbau des Netzes wurde von der Familie von Taxis finanziert, die Beförderung erfolgte gegen Entgelt, auch Privatpost wurde transportiert.98 Im Jahr 1597 verbot Kaiser Rudolf II. alle konkurrierenden Nebenposten. Botenanstalten wurde die Beförderung von Postsendungen über Stationen untersagt, Benutzer der Post verpflichtet, ausschließlich die Einrichtungen der Reichspost zu nutzen (Postzwang). Dazu wurde das Postwesen in den Stand eines kaiserlichen Regals99 (Reichspostgeneralat) erhoben, so dass alle Rechte und Befugnisse beim Staatsoberhaupt lagen. Die Zuständigkeit für die Reichspost übertrug der Kaiser dem Fürsten-
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Aus dem System von Versorgungsstationen entlang einer Route ging auch der Name „Post“ hervor: Sie wurden im Lateinischen als „posita statio“ bzw. „posta“" im Italienischen bezeichnet. Vgl. Behringer (1990), S. 14. Zum Folgenden vgl. Behringer (1990), S. 14 ff. Vgl. Thurn und Taxis (1990), S. 25. Vgl. Postler (1991), S. 20. Regalien und Monopole sind materiell vergleichbare Tatbestände. Vgl. Sprißler (1991), S. 161.
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haus von Thurn und Taxis.100 Im Gegenzug verpflichtete sich die Taxis-Post, dem Kaiser und seinem Hofstaat Portofreiheit zu gewähren, und baute das Netz weiter aus. Die Ausschließlichkeitsrechte der Taxis-Post waren nicht unumstritten. Nach Ende des Dreißigjährigen Krieges begannen die nach mehr Unabhängigkeit strebenden Landesfürsten und Reichsstädte mit der Einrichtung eigener Landesposten, die als Wettbewerber zur Taxis'schen Post auftraten.101 Als Folge des Westfälischen Friedens von 1648 waren die Machtbefugnisse des Habsburger Kaisers so weit beschnitten, dass er den Aufbau nicht verhindern konnte. Eine Vorreiterrolle unter den Konkurrenten nahm Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg ein, der zum Aufbau der brandenburgischen (später preußischen) Staatspost die Botenanstalten seiner Behörden miteinander verbinden ließ.102 So entstanden als Konkurrenz zur privatwirtschaftlich betriebenen kaiserlichen Reichspost (Taxis-Post) die als Teil der öffentlichen Verwaltung agierenden Staatsposten der Länder. 1810 konkurrierten auf dem Gebiet der ehemaligen Reichspost 43 Postanstalten. In Hamburg gab es noch Mitte des 19. Jahrhunderts neben der hamburgischen Staatspost jeweils ein schwedisches, mecklenburgisches, hannoversches, preußisches und taxis'sches Postamt.103 Diese Zersplitterung brachte Vor- und Nachteile mit sich: Einerseits verfügte Deutschland bereits Ende des 17. Jahrhunderts über ein alle bedeutenden Städte verbindendes Postnetz. Andererseits führte sie zu hohen Gebühren, da an den Gebiets- bzw. Landesgrenzen Beförderungs- und Durchgangstaxen zu entrichten waren, und zu längeren Laufzeiten auf Grund der fehlenden zentralen Koordination.104 Die Geschichte der staatlichen Alleinrechte im Postwesen hängt stark mit der politischen Expansion Preußens zusammen. Aus der Preußischen Staatspost gingen mit der Norddeutschen Bundespost, der Deutschen Reichspost und der Deutschen Bundespost 100
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Wegen der Abstammung vom italienischen Adelsgeschlecht der Torriani änderte die Familie ihren Namen in „von Thurn und Taxis“. Vgl. Behringer (1990), S. 205 ff. Durch die Erhebung des Reichspostgeneralats zum Erbmannlehen Anfang des 17. Jahrhunderts wurden die Ausschließlichkeitsrechte der Familie langfristig abgesichert, vgl. Pindl (1967), S. 20 ff. Vgl. dazu und zum Folgenden Postler (1991), S. 21; Stephan (1859), S. 38 ff.; Behringer (1990), S. 150 ff.; Thurn und Taxis (1990), S. 38. Dem Beispiel folgten Schweden, Kursachsen, Oldenburg, Mecklenburg, Hessen-Kassel und Braunschweig-Lüneburg. Nach dem Preßburger Frieden 1805 wandelten die Königreiche Württemberg und Bayern sowie das Großherzogtum Baden die Reichspostämter in Landesposten um, vgl. Thurn und Taxis (1990) S. 45 f. Vgl. Behringer (1990), S. 150 f.; Sautter (1928), S. 736. Vgl. Dallmeier (1985), S. 41.
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die Vorläufer der heutigen DPAG hervor.105 Durch Preußen wurden die Organisation des Postwesens (Postverwaltung) und die Postgesetzgebung maßgeblich bestimmt. Eine erste Festlegung staatlicher Alleinrechte erfolgte 1712 durch die „Allgemeine Preußische Postordnung“.106 Sie bildet die Grundlage für die späteren preußischen und deutschen Postgesetze, wobei hier auch erstmals die Allgemeinzugänglichkeit kodifiziert wurde. 1867 wurde die Taxis'sche Reichspost von Preußen gegen eine Entschädigung von drei Millionen Talern übernommen. Im Gesetz über das Postwesen vom 2.11.1867 wurde die gewerbsmäßige Beförderung von verschlossenen Briefen und politischen Zeitungen verboten und das ausschließliche Recht auf den Staat übertragen. Diese Regelung wurde auch nach der Reichsgründung übernommen. In der Postgesetznovelle vom 20.12.1899 wurde das Monopol der Reichspost auch auf unverschlossene Sendungen und auf den Ortsverkehr ausgedehnt. Betrachtet man die Historie staatlicher Postpolitik, so lassen sich drei wesentliche Begründungen für die Gewährung von Ausschließlichkeitsrechten finden:107 erstens politische und militärische Gründe, zweitens Gemeinwohlgründe und drittens fiskalische. Anfangs stand der Bedarf an einer sicheren und schnellen Nachrichtenübermittlung innerhalb eines Herrschaftsgebietes zur Absicherung politischer Macht im Vordergrund. Ein entsprechender Netzaufbau und -betrieb sei – so die Begründung – nur durch eine Post unter staatlichem Schutz zu gewährleisten. Gemeinwohlargumente zur Begründung der Notwendigkeit von Alleinrechten wurden erstmals 1660 angeführt, als sich die Taxis-Post und die Brandenburgische (später Preußische) Staatspost als Konkurrenten gegenüberstanden.108 Mit der endgültigen Übernahme des Postwesens durch den Staat in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts rückte die staatliche Daseinsvorsorge zunehmend in den Mittelpunkt der Postpolitik: Der Staat öffnete die Postdienste für jedermann und setzte einheitliche und transparen-
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Vgl. dazu Wipperfürth (2005), S. 58 ff. Vgl. North (1988), S. 36. Die Proklamation des Reichspostregals durch Kaiser Rudolph II sah keine staatliche Post vor. Vgl. zum Folgenden North (1988), S. 36 ff.; Altmannsperger (1969), S. 251 ff. Vgl. zum Folgenden Bölsche (2001), S. 21 ff., und ausführlich Altmannsperger (1969), S. 236 ff. Vgl. Bölsche, S. 22 f. Allerdings ging der monopolistische Postzwang mit einer unentgeltlichen Beförderung der höfischen Post einher, so dass sich anfangs Gemeinwohl v. a. in einer vorrangigen Bedienung der Interessen der Herrschaftshäuser zeigte.
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te Vertragsbedingungen durch.109 Die noch bis 1899 erlaubte gewerbsmäßige Briefbeförderung im Ortsbereich durch privatwirtschaftliche Unternehmen hatte in Folge von Industrialisierung und Verstädterung erheblich an Bedeutung gewonnen. Für die Deutsche Reichspost stellten die Privaten eine ernstzunehmende Konkurrenz dar. Grund für den Erfolg waren die niedrigen Gebühren der Konkurrenten für den innerstädtischen Brieftransport. Die Reichspost dagegen erhob ein entfernungsunabhängiges Einheitsporto, das für den Nahbereich vergleichsweise hoch war. Entsprechend wurde die Monopolisierung des Ortsbriefverkehrs durch die Postgesetznovelle damit begründet, dass nur die Überschüsse aus den Ballungsgebieten eine Unterstützung der ländlichen Gebiete ermöglichen und einen einheitlichen Tarif garantieren. Obwohl die Gemeinwohlorientierung die Grundlage für Marktzutritts-, Preis- und Qualitätsregulierung bildet und noch heute in Diskussionen über die Marktöffnung eine dominierende Rolle spielt, lässt sich der staatliche Alleinanspruch im Rückblick auch mit fiskalischen Argumenten erklären. Überschüsse aus dem Postwesen standen traditionell dem Staat zu – und Überschüsse lassen sich besser ohne Konkurrenz erwirtschaften.110 Der Erfolg der Ortsposten Ende des 19. Jahrhunderts etwa führte zu erheblichen Einnahmeeinbußen bei der staatlichen Post. Betrachtet man die deutsche Postpolitik im Zusammenhang mit dem Aufkommen von Substituten, dann zeigt sich, dass die Post stets dann geschützt wurde, wenn sich alternative Nachrichtenübermittlungstechniken zu einer wirtschaftlichen Bedrohung hätten auswachsen können. Beispiel Eisenbahn: Der preußische Staat räumte der Post zum einen eine Vorzugsbehandlung bei der Nutzung der Bahn als Transportmittel ein und gestattete der Bahn zum anderen nur den Transport von Gütern, die nicht unter den gesetzlichen Postzwang fielen.111 Eine Wettbewerbsbeziehung konnte sich so nicht einstellen. Beispiel Telegrafen- und Fernmeldewesen: Die Zusammenführung der Telegrafen- und Postverwaltung in der Reichs-Post- und Telegrafenverwaltung 1876 verhinderte eine Konkurrenz zwischen beiden Techniken.112 Das Aufkommen der Fernmeldetechnik (Telefonie) hätte in direkter Konkurrenz zu Telegramm- und Briefverkehr gestanden, wenn nicht die
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Vgl. Postler (1991), S. 42 f., zum Folgenden Altmannsperger (1969), S. 261. Vgl. Herrmann (1986), S. 90. Zu den Überschüssen der Post zwischen 1662 und 1913 vgl. Hempell (1984), S. 9 ff. Zum Folgenden vgl. Braubach (1992), S. 18 ff. Vgl. dazu detailliert Sautter (1951), S. 64 f. Vgl. ebda., S. 209. Allerdings arbeitete das Telegrafenwesen zu diesem Zeitpunkt noch defizitär, so dass es zu einer Deckung der Verluste durch die Überschüsse der Post kam.
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Entscheidung für einen öffentlichen Fernsprechdienst in Kooperation mit der Post gefallen wäre. Folglich wurden die Substitute aus einer Hand angeboten. Obwohl die einheitliche Bereitstellung von Post- und Telekomdienstleistungen durch die staatliche Post erstmals in den 1960er Jahren in Frage gestellt wurde, blieb die besondere Stellung der Deutschen Post bis zur Postreform I im Jahr 1989 unverändert.113 2.4.3 Rechtfertigung staatlicher Zutrittsschranken Die Monopolisierung des Postwesens – in Deutschland bis Ende 2007 bestehend in Form einer Exklusivlizenz für das etablierte Unternehmen (Incumbent) DPAG – kann auf eine lange Tradition zurückblicken und reicht bis ins 16. Jahrhundert zurück. In Deutschland wie in den Mitgliedstaaten der EU ist die Grundentscheidung für ein marktwirtschaftliches System getroffen worden. Marktwirtschaften sind gekennzeichnet durch private Verfügungsrechte an den Produktionsfaktoren, eine dezentrale Steuerung der ökonomischen Aktivitäten über den Marktmechanismus und die nichtautoritäre Kontrolle der Wirtschaftssubjekte durch den Wettbewerb. Dem Staat kommt in diesem System nach ordnungspolitischem Verständnis die Aufgabe zu, im Rahmen der Wirtschaftsverfassung Spielregeln für die Marktteilnehmer festzulegen und die Einhaltung dieser Rahmenbedingungen zu überwachen. Dazu gehört insbesondere der Schutz des Wettbewerbs vor Beschränkungen.114 Gleichwohl existieren in der Realität für eine Vielzahl von Wirtschaftsbereichen Ausnahmeregelungen, die das Markt-Wettbewerb-Prinzip außer Kraft setzen. Solche Beschränkungen der Marktprozesse unterliegen in einer marktwirtschaftlichen Ordnung – im Gegensatz zu Deregulierung und Liberalisierung – grundsätzlich einem Rechtfertigungszwang.115 Regulierung lässt sich sowohl mit ökonomischen als auch mit politi-
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In Deutschland wurden von der Postverwaltung außerdem traditionell Bankdienstleistungen (Postbank) angeboten. Zu den Reformbestrebungen seit den 1960er Jahren vgl. Neumann (1987), S. 69 ff. Die Postreformen, die seit 1989 sukzessive zur Öffnung des deutschen Marktes geführt haben, werden in Kapitel 2.4.5.3 dargestellt. Vgl. Eucken (1940), S. 52 ff.; Eucken (1952), S. 254 ff. Eucken gilt als Begründer der Ordnungpolitik heutiger Ausprägung, seine Konzeption hat wesentlich das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen geprägt, vgl. Lenel (1975), S. 22 ff.; ausführlich Külp, Vanberg (2000). Vgl. Kruse (1989), S. 12; speziell zu Netzindustrien vgl. Knieps (2000). Regulierung schränkt die Transaktionsfreiheit von Wirtschaftssubjekten ein.
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schen Gründen rechtfertigen bzw. erklären.116 Die normative Theorie der Regulierung rechtfertigt staatliche Eingriffe mit Marktversagen, d. h. Situationen, in denen Wettbewerb zu suboptimalen Ergebnissen führt. Sie basiert auf ökonomischen Effizienzüberlegungen und stellt eine Form angewandter Wohlfahrtsökonomik dar. Die positive Theorie der Regulierung hingegen begründet Regulierung mit dem Verhalten von Akteuren (Politiker, Bürokraten, Interessenvertreter) im politischen Prozess. Neben diesen theoretischen Erklärungsansätzen existiert eine Vielzahl unterschiedlicher politischer Begründungen für Regulierungseingriffe, die in der Gemeinwirtschaftslehre zusammengefasst werden. 2.4.3.1 Normative Theorie Marktversagen im Sinne der normativen Theorie der Regulierung liegt vor, wenn der Marktmechanismus nicht zu Ergebnissen im Sinne von allokativer Effizienz führt.117 Dies ist etwa bei sog. öffentlichen bzw. meritorischen Gütern der Fall. Auf Grund von Nichtrivalität im Konsum und Nichtanwendbarkeit des Ausschlussprinzips werden solche Güter oder Dienste nicht oder nicht in ausreichendem Maße vom Markt bereitgestellt (z. B. Landesverteidigung). Externe Effekte stellen einen weiteren Marktversagenstatbestand dar, da sie nicht in den Marktpreis einfließen und entsprechend zu Preissignalen führen, die nicht die tatsächlichen Knappheiten widerspiegeln. Asymmetrische Informationsverteilung ermöglicht vor- und/oder nachvertraglichen Opportunismus und kann infolgedessen ebenfalls effiziente Tausch-/Verhandlungsergebnisse behindern. Das für Netzsektoren am häufigsten angeführte Marktversagen ist das natürliche Monopol.118 Es wird auch im Briefmarkt als Argument zur Legitimation von Ausschließlichkeitsrechten gebraucht.
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Zu der folgenden Unterscheidung vgl. von Weizsäcker (1982), S. 326 ff. Zu den theoretischen Grundlagen der Wohlfahrtsökonomik Sohmen (1976); für eine Lehrbuchdarstellung vgl. Johansson (1991). Für eine ausführliche Darstellung von Marktversagensgründen vgl. Fritsch et al. (1999), S. 91 ff. Luckenbach (1986), S. 131 f. nennt dies Marktversagen im engeren Sinne. Sie unterscheidet davon das Marktversagen im weiteren Sinne, bei dem das Marktergebnis unter Verteilungsaspekten abgelehnt wird. In dieser Arbeit sind solche Aspekte der Gemeinwirtschaftslehre zugeordnet. Zur Entstehung von Konzept und Begriff vgl. Sharkey (1982), S. 12 ff. Demnach hat John Stuart Mill 1848 den Begriff als erster Volkswirt benutzt.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
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Ein natürliches Monopol liegt vor, wenn die gesamte Nachfrage kostengünstiger durch einen Anbieter bedient werden kann als durch zwei oder mehr Unternehmungen.119 Die Versorgung des Marktes durch mehr als einen Anbieter würde in einer solchen Situation zu insgesamt höheren Kosten führen und stellt daher eine volkswirtschaftliche Ressourcenverschwendung dar. In diesem Fall reduziert aktiver Wettbewerb die gesellschaftliche Wohlfahrt: „With natural monopoly, increased competition could not improve social welfare. The entry of firms in a natural monopoly market could only reduce welfare by raising total cost of production.“120 Voraussetzung dafür ist das Vorliegen einer subadditiven Kostenfunktion für die relevante Ausbringungsmenge.121 Nach traditioneller Auffassung ist Subadditivität von Kosten eine ausreichende Rechtfertigung für Regulierung: Um eine kostenminimale und damit wohlfahrtsoptimale Produktion zu gewährleisten, muss das natürliche Monopol gegen Marktzutritte geschützt werden, etwa durch den Aufbau institutioneller Marktzutrittsschranken in Form von Ausschließlichkeitsrechten wie im Briefsektor. Die Einräumung von Monopolrechten wiederum bedingt die Notwendigkeit zur Marktmachtregulierung, vielfach in Form von Preisregulierung des Monopolisten. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die statischen Wohlfahrtsgewinne des natürlichen Monopols realisiert werden und der Angebotsmonopolist seine Marktstellung nicht ausnutzen kann (v. a. durch Monopolpreisbildung). DEMSETZ (1968) hat anhand des Falls von Konkurrenz um einen Markt (statt im Markt) als einer der ersten gezeigt, dass der Zusammenhang zwischen Marktstruktur (hier: Konzentration bzw. Monopol) und Verhalten (hier: Ausbeutung durch den Monopolisten) nicht zwingend ist und die traditionelle Begründung für Regulierung theoretisch nicht überzeugt. Aus der Weiterentwicklung von Demsetz’ Gedanken zur potenziellen Konkurrenz ist die Theorie bestreitbarer oder angreifbarer Märkte (contestable markets) hervorgegangen. Sie besagt, dass potenzielle Konkurrenz unter be-
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Vgl. Joskow (2007). Es handelt sich dabei um die wettbewerbstheoretisch relevante „technologische“ Definition: Wann führt die Konzentration der Produktion in einem Unternehmen zu den geringsten Kosten? Davon zu unterscheiden sind Definitionen, die Faktoren untersuchen, die dazu führen, dass ein Sektor „natürlich“ zu einem Monopol tendiert. Sharkey (1982), S. 56. Vgl. Borrmann, Finsinger (1999), S. 101 ff.; Braeutigam (1989). Für die analytischen Grundlagen zum natürlichen Monopol vgl. ausführlich Baumol (1977); Baumol et al. (1982); Sharkey (1982).
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stimmten Voraussetzungen fehlenden Wettbewerb zwischen aktiven Marktteilnehmern ersetzen kann.122 In der Folge hat sich die wettbewerbstheoretische Beurteilung natürlicher Monopole grundlegend verändert: Subadditivität alleine stellt demnach keinen Grund für Marktzutrittsregulierung dar. Regulierungsbedarf besteht nur, wenn das natürliche Monopol nicht beständig (sustainable) bzw. instabil ist oder wenn es nicht bestreitbar ist.123 Beständigkeit bedeutet, dass es eine markträumende Preis-Mengenkombination gibt, bei der die Gesamtkosten gedeckt sind, aber kein Anreiz zum Marktzutritt weiterer Anbieter vorhanden ist. Dies ist immer dann der Fall, wenn ein marktzutrittsresistenter, subventionsfreier Preisvektor existiert.124 Bestreitbarkeit setzt den freien Marktzutritt voraus. Ein Markt ist also angreifbar bzw. bestreitbar, wenn Markteintrittsbarrieren fehlen. In diesem Zusammenhang kommt der Theorie bestreitbarer Märkte das Verdienst zu, die Bedeutung von Irreversibilitäten (sunk costs) herausgearbeitet zu haben125: Irreversible Kosten wirken als Markteintrittsbarrieren und entstehen durch spezifische Investitionen, die in einer anderen Verwendung einen signifikant niedrigeren Wert aufweisen.126 Wettbewerbstheoretisch problematisch sind Irreversibilitäten, weil das eingesessene Unternehmen die mit sunk costs verbundenen Investitionen bereits getätigt hat. Es braucht sie daher nicht mehr in sein Entscheidungskalkül einzubeziehen und kann Preise setzen, die nur die reversiblen Kosten decken, d.h. Preise, die den kurzfristigen Grenzkosten entsprechen. Dies ist dem Marktneuling dagegen nicht möglich: Für ihn sind die höheren langfristigen Durchschnittskosten relevant, da er die 122
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Zur Bestreitbarkeit vgl. Baumol (1982), S. 1 ff.; Baumol et al. (1982). Der Grundgedanke existiert allerdings bereits seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, vgl. Martin (2004), S. 45. Beständigkeit und Bestreitbarkeit hängen eng zusammen: Den Überlegungen zur sustainability liegt die implizite Annahme eines freien Markteintritts zu Grunde. Wenn ein natürliches Monopol in dieser Situation beständig ist, dann auch bei nicht völlig freiem Marktzutritt. Zu den Verhaltensannahmen vgl. Knieps, Vogelsang (1982). Das ist bei Subadditivität nicht notwendigerweise der Fall, vgl. Sharkey (1982), Kapitel 6. Faulhaber (1975), S. 974, zeigt dies beispielhaft für die Wasserversorgung von drei Ortschaften. Allerdings dürfte eine solche Konstellation empirisch von geringer Relevanz sein, vgl. Baumol et al. (1982), S. 223; von Weizsäcker (1982), S. 328. Dass Größenvorteile per se keine Markteintrittsbarriere darstellen, sondern erst in Verbindung mit Irreversibilitäten, wurde bereits zuvor von von Weizsäcker (1980), S. 401, festgestellt. Baumol, Willig (1981) haben detailliert die unterschiedlichen Wirkungen von reversiblen und irreversiblen fixen Kosten belegt. Ihre eigentliche Wirkung ist die einer Marktaustrittsbarriere, vgl. Kruse (1985), S. 44. Irreversibilitäten ergeben sich rechnerisch aus der Differenz der Anschaffungskosten und dem möglichen Liquidationserlös der Investition direkt nach der Anschaffung. Versunkene Kosten gehen also beim Marktaustritt verloren.
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Amortisation seiner Investition ins Kalkül ziehen muss. Durch die glaubhafte Drohung einer Preissenkung werden Neulinge vom Markteintritt abgeschreckt. Ist ein natürliches Monopol wegen des Fehlens irreversibler Kosten angreifbar, ist es einem Monopolisten trotz seiner Marktstellung nicht möglich, Monopolrenten abzuschöpfen. Wenn er den Preis oberhalb des Wettbewerbspreises setzt, muss er den Markteintritt potenzieller Konkurrenten fürchten, die die Nachfrage bei Preisunterbietung komplett auf sich vereinigen können („hit and run“). In der Literatur ist die praktische Relevanz der Theorie bestreitbarer Märkte wegen der ihr zu Grunde liegenden idealisierten Prämissen in Frage gestellt worden.127 Gleichwohl gilt das Konzept bei einer realitätsnahen Interpretation als geeignetes Instrument, um die Möglichkeiten einer Marktöffnung zu prüfen.128 Als Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Ermöglichung von freiem Marktzutritt auf einem beständigen und angreifbaren Markt staatliche Regulierung ersetzen kann. In einem solchen Fall gibt es keine ökonomischen Gründe für die Gewährung von Ausschließlichkeitsrechten. Marktzutrittsregulierung führt dann nicht zu einer Verbesserung der Wohlfahrt und ist normativ nicht legitimiert. Sie führt unter Berücksichtigung der mit ihr verbundenen Kosten und Verzerrungen in der Praxis zu vielfältigen Ineffizienzen.129 2.4.3.2 Positive Theorie Die positive Theorie der Regulierung gründet auf der Beobachtung, dass sich das Ausmaß ordnungspolitische Ausnahmeregelungen in der Praxis nicht mit den Erkenntnissen der normativen Theorie deckt. Übermäßige Regulierung wird durch interessengeleitete Politikentscheidungen erklärt. Der positiven Theorie liegt die Annahme zu Grunde, dass sich Akteure (Politiker, Bürokraten, Interessenvertreter) in administrativen Prozessen rational und nutzenmaximierend verhalten – ähnlich dem „homo oe-
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Die Kritik bezieht sich v. a. auf zwei Annahmen: Erstens das Fehlen jeglicher Markteintrittsbarrieren und zweitens die vollständige Information aller Marktteilnehmer, die bei kleinen Preisänderungen eine unmittelbare Verlagerung der Nachfrage zum günstigsten Anbieter zur Folge haben (Betrand-Nash-Verhalten). Vgl. dazu Wieandt, Wiese (1993). Vgl. z. B. Kruse (1989), S. 13 ff.; Kruse, Kiessling (1997), S. 17 zur Eignung des Konzepts der Monopolresistenz. Vgl. Kruse (1989), S. 10 f.
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conomicus“ in der Ökonomie.130 Sie steht damit im Widerspruch zur „public interest theory“, nach der staatliche Regulierung dem öffentlichen Interesse dient und ausschließlich mit dem Ziel eingeführt wird, die gesellschaftliche Wohlfahrt zu erhöhen.131 Die Neue Politische Ökonomie (NPÖ) bildet die Grundlage für die positive Theorie der Regulierung.132 Die NPÖ überträgt ökonomische Verhaltensmodelle auf den politischen Entscheidungsprozess und untersucht die Handlungen von Politikern, Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung und Interessengruppen. Ausgehend von der Annahme, dass sich Akteure in politischen Prozessen in erster Linie eigennutzmaximierend und nicht gemeinwohlorientiert verhalten, hat Downs das Zusammenspiel von Wählern und Politikern in einer Konkurrenzdemokratie untersucht, Olson eine Theorie der Interessengruppen entwickelt und Niskanen ein Modell aufgestellt, mit dem sich das Verhalten von Bürokraten erklären lässt.133 In der positiven Theorie der Regulierung haben sich verschiedene Ansätze zur Erklärung von Regulierungseingriffen herausgebildet, die sich allerdings in ihrer Grundaussage nicht wesentlich unterscheiden bzw. (teilweise) aufeinander aufbauen. Als erste haben Vertreter der sog. Chicago-Schule die politökonomischen Ansätze im Regulierungskontext angewendet.134 Grundgedanke ist, dass es einen Markt für Regulierungseingriffe gibt. Auf diesem Markt fragen verschiedene Gruppen staatliche Eingriffe in Form ordnungspolitischer Ausnahmeregelungen nach. Alle Akteure auf diesem Markt – d. h. Nachfrager wie Anbieter – verhalten sich interessengeleitet und versuchen Renten abzuschöpfen („rent seeking“135). In diesem Prozess verursachen kleine, homogene Interessengruppen geringere Organisationskosten und erzielen bei der Durchsetzung ihrer Interessen höhere Nutzenzuwächse als große, unorganisierte Gruppen. Politiker maximieren vor diesem Hintergrund ihre Wählerstimmen, in dem sie Regulierung zu
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Vgl. Peltzman (1989), S. 1. Bereits 1942 hatte Schumpeter den Gedanken zurückgewiesen, dass sich Politiker stets gemeinwohlorientiert verhalten, vgl. Schumpeter (1950), S. 443 ff. Vgl. für kritische Darstellung Posner (1974), S. 336 ff. Alternativ wird von der „Ökonomischen Theorie der Politik“ gesprochen, im Englischen von „public choice theory“. Für ausführliche Darstellungen vgl. Bernholz, Breyer (1994); Frey, Kirchgässner (1994), zusammenfassend Brümmerhoff (2001), S. 123 ff. Vgl. Downs (1968); Olson (1968); Niskanen (1971). Vgl. Stigler (1971), S. 3 ff.; Posner (1974), S. 335 ff.; Peltzman (1976), S. 211 ff.; Becker (1983), S. 371 ff. Vgl. dazu ausführlich Krueger (1974), S. 291 ff.
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Gunsten der kleinen, homogenen Nachfragegruppen einführen und die damit verbundenen Kosten auf die Allgemeinheit umlegen. Für diese fallen die mit der Regulierung einhergehenden direkten Kosten wegen der geringen Höhe in der Regel kaum ins Gewicht und führen daher nicht zu Widerständen. Unkenntnis über die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten von Regulierungsmaßnahmen (z. B. Effizienzverluste infolge des fehlenden Wettbewerbsdrucks, Verlangsamung des Strukturwandels), hohe Informationskosten zur Schaffung von Transparenz über mögliche „spill over“-Effekte staatlicher Eingriffe, Gewöhnung sowie das Interesse von Regulierungsbehörden an großen Kontrollbefugnissen und entsprechend hohen Budgets führen dazu, dass einmal eingeführte Maßnahmen in der Regel langjährig Bestand haben. Mit Hilfe der positiven Theorie lässt sich mithin erklären, warum sich Regulierungspolitik nicht notwendigerweise am Gemeinwohl orientiert, sondern (teilweise) zur Durchsetzung von Partikularinteressen dient – und als Ergebnis in der Praxis vielfach über das normative notwendige Maß hinausgeht. Allerdings sagt sie nichts über die den Interessen zu Grunde liegenden Ziele aus. Sofern es sich um politische Ziele handelt, werden diese in der Gemeinwirtschaftslehre zusammengefasst. 2.4.3.3 Gemeinwirtschaftslehre Vielfach werden politische Ziele zur Legitimation von Regulierung herangezogen. In solchen Fällen wird nicht die Wirksamkeit des Wettbewerbs zur Erzielung effizienter Allokation bestritten. Vielmehr bringt die wettbewerbliche Selbststeuerung Marktergebnisse hervor, die aus gesellschaftspolitischen Gründen abgelehnt werden. Entsprechend wird in diesem Zusammenhang von Marktergebnisablehnung gesprochen, womit eine Ablehnung der Distributionsfunktion des Marktes gemeint ist.136 In den meisten Fällen widersprechen die Marktergebnisse entweder den politischen Vorstellungen bezüglich der anzustrebenden regionalen Einkommensverteilung oder das bereitgestellte Angebot wird als zu gering erachtet (Leistungs-, Qualitätsumfang). Die Einräumung eines Monopolschutzes wird dann mit der Verfolgung sozial-, verteilungs-, wirt-
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Vgl. Luckenbach (1986), S. 173 ff. Da der deutsche Briefmarkt allerdings in jüngerer Vergangenheit nie vollständig liberalisiert war, ist das Niveau der marktlichen Versorgung nicht bekannt. Konkret wird also ein vermeintliches Marktergebnis abgelehnt.
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schafts- und strukturpolitischer Ziele begründet. Diese Ziele werden in der Gemeinwirtschaftslehre aufgegriffen.137 Für den Postmarkt konkretisieren sich die gemeinwirtschaftlichen Ziele in der Verpflichtung zur Sicherstellung eines Universaldienstes.138 Die Universaldienstverpflichtung soll gewährleisten, dass innerhalb eines Versorgungsgebietes eine flächendeckende und einheitliche Bereitstellung mit Postdiensten erfolgt, die zu einem erschwinglichen Preis angeboten werden und einer vorgegebenen (Mindest-)Qualität entsprechen. Dies dient u. a. der Schaffung einheitlicher Lebensverhältnisse in der Bevölkerung, unabhängig vom jeweiligen Wohnort.139 In Deutschland ist die Universaldienstpflicht im Postgesetz normiert (§ 11 PostG). Sie wird ausgestaltet durch die Vorgaben der Post-Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV).140 Die dort festgelegten Standards stellen eine Konkretisierung der verfassungsrechtlich abstrakt umschriebenen Gewährleistungsverordnung gemäß Art. 87 f. Abs. 1 GG und der durch die EG-Postrichtlinie (2002/39/EG, künftig 2008/6/EG) festgelegten Mindeststandards für die Universal Service Obligation (USO) dar.141 Sie manifestiert sich in vielschichtigen Mindestvorgaben zu Qualitäts- und Leistungsstandards sowie zur Preisgestaltung. Konstitutive Merkmale des Universaldienstes sind Flächendeckung (d. h., alle Bürger und Unternehmen haben Zugang zu Postdienstleistungen), tragbare Preise (zur Sicherstellung der Teilhabe am wirtschaftlichen und sozialen Geschehen) und die Erbringung einer Mindestqualität. In der PUDLV werden beispielsweise eine Mindestanzahl stationärer Annahmestellen (Filialen) und Briefkästen festgelegt, Laufzeitziele vorgegeben, die flächendeckende tägliche Zustellung (außer an Sonntagen), die Auslieferung bis an die Haustür vorgeschrieben und ein Einheitstarif gefordert. Die USO umfasst in Deutschland Briefe mit einem Gewicht bis zu zwei Kilogramm, Pakete bis 20 Kilogramm sowie Zeitungen und Zeitschriften. Die
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Vgl. zur Gemeinwirtschaftslehre allgemein Thiemeyer (1983), S. 405 ff. Vgl. Elsenbast (1999), S. 24. Die Anforderung einer einheitlichen Leistungsbereitstellung weicht vom ökonomischen Universaldienstkonzept ab, das lediglich auf die universelle Verfügbarkeit von Diensten abstellt, die von der Gesellschaft als unverzichtbar angesehen werden, vgl. Kruse (2000), S. 99. Die DPAG hat im April 2004 eine Selbstverpflichtung abgegeben, über den rechtlich verpflichtend zu erbringenden Universaldienst hinaus ergänzend bestimmte Postdienstleistungen anzubieten. Dies betrifft v. a. Filialnetz- und BriefkastendichteBT-Drs. 15/3186. Zu den juristischen Grundlagen und Beziehungen der verschiedenen Normen vgl. Wipperfürth (2005), S. 192 ff.
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Anforderungen der PUDLV gehen dabei über die europäischen Vorgaben hinaus.142 Die Sorge, dass ein entsprechend definierter Universaldienst im Wettbewerb nicht aufrechtzuerhalten sei, dient traditionell als Rechtfertigung, der etablierten nationalen Postgesellschaft einen Beförderungsvorbehalt einzuräumen. Dadurch sollen die Kostennachteile ausgeglichen werden, die ein Anbieter durch die Erbringung des Universaldienstes im Vergleich zu Anbietern ohne Auflagen erleidet.143 Die im Monopolbereich erwirtschafteten Überschüsse stellen also eine Kompensation dar und dienen der Finanzierung des politisch gewünschten Leistungsangebots (z. B. hohe Filialdichte in dünn besiedelten Gebieten etc.). Ein Universaldienstanbieter wird nicht per se durch die leistungsbezogenen Auflagen gegenüber dem Wettbewerb schlechter gestellt. Ursächlich dafür ist die Verpflichtung, die Aktivitäten zu nicht kostendeckenden Preisen anzubieten.144 Im Briefmarkt ist bzw. war dies der Einheitstarif. Er führt dazu, dass die bei der Leistungserstellung anfallenden unterschiedlichen Kosten nicht in die Preisgestaltung eingehen dürfen (regionale Kostendifferenzen auf Grund der unterschiedlichen Besiedlungsdichte). In der Folge werden Gebiete bzw. Kunden, die bei der Leistungserstellung höhere Kosten verursachen, durch Erlöse aus Gebieten mit niedrigeren Bereitstellungskosten subventioniert. Umgekehrt werden dicht besiedelte Gebiete diskriminiert. Das Prinzip ist in Abbildung 7 schematisch dargestellt.
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143
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Für einen Vergleich der unterschiedlichen Vorgaben in der EU vgl. WIK (2003), S. 33 ff.; WIK (2006a), S. 44 ff.; Ambrosini et al. (2006a), S. 23 ff. Kosten des Universaldienstes werden definiert als die Summe der wirtschaftlichen Nachteile, die ein Unternehmen erleidet, weil es zur Erbringung eines Universaldienstes verpflichtet wird. Man spricht in diesem Zusammenhang von Universaldienstlast. Vgl. Elsenbast (1999), S. 72. Unberücksichtigt bleiben bei dieser Definition allerdings die sozialen Kosten bzw. Wohlfahrtsverluste, die eine Gesellschaft erleidet, wenn die Leistungsvorgaben von den Präferenzen der Nachfrager abweichen. Vgl. dazu ausführlich Kirchner (2001), S. 160 f. Vgl. Braubach (1992), S. 56 ff.; Kirchner (2001), S. 87 ff. Grundlegend zur Preisbildung auf Postmärkten vgl. Schmidtchen (1987); Pieper (1996).
2 Briefmarkt und Liberalisierung
56
Abbildung 7: Geographische Kostenunterschiede und Einheitspreis Durchschnittskosten, Preis
SCHEMATISCH
Verlust
Einheitspreis
Gewinn
Durchschnittskosten Dichte Dünn …
Mittelstark …
Dicht …
… besiedelte Gebiete
Quelle: Eigene Darstellung
Ein solches System ist bei freiem Marktzutritt längerfristig nicht aufrechtzuerhalten: Marktneulinge könnten ihr Angebot auf dicht besiedelte Gebiete beschränken, die sich zu niedrigen Kosten bedienen lassen, und dort den Einheitspreis des Universaldienstanbieters unterbieten (sog. Rosinenpicken oder „cream skimming”). Die vom Universaldienstleister zuvor in den Niedrigkostengebieten erwirtschafteten Überschüsse stünden dann nicht mehr zur Verfügung, um die hohen Kosten in den ländlichen Gebieten auszugleichen. Daher – so die bisherige Logik – war die Gewährung eines Monopolbereichs notwendig für die Aufrechterhaltung eines einheitlichen Preisniveaus ohne staatliche Bezuschussung.145 Die Universaldienstverpflichtung stellt nach Ansicht der meisten Autoren den entscheidenden Grund für die (Teil-)Monopolisierung des Briefmarktes dar.146
145
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In der Literatur wird die Unvereinbarkeit von Universaldienst bzw. Einheitspreises und Marktöffnung unter dem Schlagwort „graveyard spiral” diskutiert, vgl. Cohen et al. (2004a); D'Alcantara, Amerlynck (2004); Crew, Kleindorfer (2005). Die allgemeine Formalisierung des Problems stammt von Armstrong (2001). Numerische Beispiele für „cream skimming” hat Panzar (2002) entwickelt. Vgl. etwa Braubach (1992), S. 54; Braubach (1996), S. 118; Knorr (1993), S. 45; Elsenbast (1994), S. 1; Kirchner (2001), S. 28; Bölsche (2001), S. 58.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
57
2.4.4 Beurteilung staatlicher Zutrittsschranken Die Historie staatlicher Postpolitik zeigt, dass institutionelle Beschränkungen des Zutritts zum Briefmarkt eine lange Tradition haben. Selbst nach der erfolgreichen Öffnung anderer Netzsektoren für den Wettbewerb wurden die Briefmärkte vom allgemeinen Liberalisierungstrend weitgehend ausgenommen.147 Auch wenn die Abschaffung des Beförderungsvorbehalts in Deutschland umgesetzt ist, gibt es in der EU noch immer viele Stimmen gegen die Marktöffnung.148 Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, ob die im vorangegangenen Kapitel angeführten Regulierungsbegründungen auf Briefmärkte zutreffen und somit staatliche Zutrittsschranken aus ökonomischer Sicht gerechtfertigt sind. Zu untersuchen ist erstens, ob der Briefmarkt ein natürliches Monopol darstellt und daher der Zutritt beschränkt sein sollte, und zweitens, ob gemeinwirtschaftliche Ziele bzw. ein vorgegebenes Universaldienstniveau nur in einem vom Wettbewerb ausgenommenen Markt zu erreichen sind. Beide Fragen werden seit Ende der 1980er Jahre unter Ökonomen diskutiert.149 2.4.4.1 Natürliches Monopol als Rechtfertigungsgrund? Dass Briefdienste ein natürliches Monopol darstellen, das regulierungsbedürftig ist, bezweifeln viele Autoren.150 Die Europäische Kommission vertritt seit der Veröffentlichung ihres Grünbuchs 1992 die Auffassung, dass kein regulierungsbedürftiges natürliches Monopol vorliegt, und somit eine Öffnung der nationalen Briefmärkte für den Wettbewerb ökonomisch vorteilhaft wäre. Grundsätzlich gilt der empirische Nachweis eines natürlichen Monopols als methodisch schwierig. Die Prüfung auf Subadditivität 147
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So hat in Großbritannien die Thatcher-Regierung seit 1979 die Bereiche Kohle, Stahl, Luftfahrt, Öl, Gas, Strom, Telekommunikation und Eisenbahn sukzessive privatisiert und für den Wettbewerb geöffnet. Der Briefmarkt folgte erst 2006. Auch in den USA wurden Schlüsselindustrien seit Ende der 1970er Jahre privatisiert und liberalisiert. Der Briefmarkt ist dagegen weiterhin in wesentlichen Teilen monopolisiert. Vgl. zur Regulierung des US-Briefmarktes Campbell Jr. (2007). Vgl. Bundesnetzagentur (2007b). Vgl. für Deutschland z. B. Blankart (1987), S. 205 ff.; Knieps (1987), S. 129 ff.; Braubach (1992); Knorr (1993); Braubach (1996), S. 93 ff.; Bölsche (2001); Busch (2001); Christmann (2004). Allgemeine Kriterien für erfolgreiche Marktöffnungen haben Armstrong, Sappington (2006) entwickelt. Für Deutschland vgl. z. B. Braubach (1996), S. 118; Kirchner (2001), S. 60 ff.; für die USA z. B. Panzar (1991), S. 224 f.; Sidak, Spulber (1996); für Kanada Sidak, Spulber (1997).
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2 Briefmarkt und Liberalisierung
setzt die Kenntnis der globalen Kostenfunktion voraus, deren Bestimmung mit hohen Informationsanforderungen verbunden ist.151 Empirische Untersuchungen beschränken sich allerdings zumeist auf die Betrachtung von Größenvorteilen einzelner Produkte, die letztlich keine zuverlässige Aussage über das Vorliegen eines natürlichen Monopols erlauben. Die wenigen umfassenden Untersuchungen ermitteln subadditive Kostenstrukturen ausschließlich im Bereich der Zustellung als Folge von Dichtevorteilen in Kombination mit Verbundvorteilen.152 Die dabei auftretenden Größenvorteile sind jedoch nicht global, sondern jeweils lokal bzw. regional begrenzt. Damit lässt sich aus der Kostenstruktur allenfalls für Teile der Zustellung der Charakter eines natürlichen Monopols nachweisen, nicht jedoch für Briefdienste als solche. Zumindest global betrachtet herrscht weitgehend Einigkeit, dass beim Aufbau eines Briefbeförderungssystems keine nennenswerten irreversiblen Kosten anfallen. Diese Einschätzung wird in Kapitel 3 in Bezug auf Deutschland disaggregiert und bottom-up geprüft. Sollte sie sich als richtig erweisen, könnte bei freiem Marktzutritt potenzieller Wettbewerb seine disziplinierende Wirkung entfalten. Ohnehin stellt der empirische Nachweis nur eine Momentaufnahme dar: Änderungen der nachgefragten Menge und vor allem technischer Forschritt (z. B. der verstärkte Einsatz maschineller Sortiertechnik) verändern die Kostenfunktion. Ob dann weiterhin Subadditivität im relevanten Bereich der Nachfrage vorliegt, ist jeweils neu zu überprüfen.153 Desweiteren wird gegen den Nachweis natürlicher Monopole vorgebracht, dass wichtige Kosteneinflussgrößen wie die Qualifikation und Motivation der Mitarbeiter keine Berücksichtigung finden, obwohl sie subadditive Kostenvorteile überkompensieren können. Wichtiger aus wettbewerbstheoretischer Sichtweise erscheint der Einwand, dass die statische Modellwelt von natürlichem Monopol und bestreitba-
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153
Vgl. Knieps (1987), S. 134; detailliert Baumol (1977); Windisch (1987), S. 52 ff. Panzar (1991) bezweifelt, dass der ökonometrische Nachweis überhaupt gelingt: „Indeed, I shall argue that it is unlikely that the question will ever be satifactorily resolved by econometric research”. (Panzar (1991), S. 219). Die Analyse von Größen- und Verbundvorteilen sowie Irreversibilitäten ist auch für die Frage des Netzzugangs relevant. Relevante Untersuchungen und eigene Berechnungen für Deutschland werden daher in Kap 3.5 ausführlich dargestellt. Vgl. Windisch (1987), S. 41, 56. Zudem ist die relevante Marktnachfrage – die mitbestimmend ist für das Vorliegen eines natürlichen Monopols – beeinflusst von den bestehenden Regulierungsvorgaben, die „natürliche“ Nachfrage also nicht bekannt. Konkret zum Einfluss von Regulierung auf den US-Briefabsatz vgl. Owsiany (2007). Zum Folgenden vgl. Kruse (1985), S. 30.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
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ren Märkten nur unzureichend die dynamischen Wirtschaftsprozesse der Realität widerspiegelt: Produktdifferenzierung, Aufbau von Goodwill und Suche nach innovativen Produktionsverfahren sind Kernelemente eines funktionsfähigen Wettbewerbs und kennzeichnen innovative Markteintrittsstrategien, werden jedoch von den beschriebenen Konzepten nicht erfasst. Angesichts der methodischen Unsicherheiten beim empirischen Nachweis natürlicher Monopole und dem weitgehenden Fehlen von Irreversibilitäten bei der Erstellung von Briefdiensten ist eine Marktöffnung aus ökonomischer Sicht zu befürworten. Sollten Briefdienste tatsächlich ein natürliches Monopol darstellen, würde es sich ohnehin als einzel- und gesamtwirtschaftlich effiziente Lösung am Markt bzw. in Teilmärkten durchsetzen.154 Bei Offenheit des Marktes können sich überdies neue Formen von Substitutionskonkurrenz entwickeln, die zur Sicherstellung dynamischer Effizienz beitragen. 2.4.4.2 Universaldienst als Rechtfertigungsgrund? Die Gewährleistung eines flächendeckenden Angebots an Postdienstleistungen zu tragbaren Preisen bildet den Kern der europäischen und deutschen Postpolitik (vgl. 2.4.5). Grundsätzlich entziehen sich solche politischen Zielvorgaben einer ökonomischen Beurteilung. Sie sind moralphilosophisch zu bewerten.155 Beurteilen lässt sich jedoch, ob die politisch definierten Vorgaben den Präferenzen der Nachfrager entsprechen und ob die gewählten Mittel – also der reservierte Bereich – zur Erreichung der (Universaldienst-)Ziele effektiv und effizient sind. In Bezug auf die Frage, ob das in Deutschland politisch vorgegebene Universaldienstniveau den Präferenzen der Konsumenten entspricht, sind Zweifel angebracht: Zwar fehlen aussagekräftige Marktforschungen, die Rückschlüsse auf die konkreten Ansprüche der Nachfrager von Briefdiensten zuließen. Allerdings haben ihre Bedürfnisse bei der Formulierung der Universaldienstziele bisher keine Rolle gespielt.156 Zudem 154 155 156
Entsprechend argumentieren für den Telekom-Bereich Baumol, Sidak (1994), S. 120 f. Vgl. Braubach (1992), S. 53. Vgl. dazu Elsenbast (1996). Dort finden sich die Ergebnisse einer infas-Untersuchung, in der Postnutzer zu den Qualitätsmerkmalen des Universaldienstes befragt wurden. Demnach sind andere Leistungskonfigurationen ohne Nutzenverluste denkbar. Vgl. zum Folgenden Kirchner (2001), S. 240 f.
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2 Briefmarkt und Liberalisierung
kamen mit der Zeit neue Dienste der Individualkommunikation hinzu wie z. B. Telefon, Telefax, E-Mail und SMS, die es den Nutzern ermöglichen, ihre Kommunikationsbedürfnisse auf alternativen Wegen zu befriedigen. Vor diesem Hintergrund dürfte sich die Bedeutung der Briefpost als unabdingbare Basisinfrastruktur bzw. als Dienst von elementarem Interesse verringert haben. Selbst wenn dem Briefdienst weiterhin eine überragende Bedeutung zukommen sollte, stellt sich die Frage, ob deshalb eine landesweit einheitliche Bereitstellung erfolgen muss. Schließlich sind auch bei Gütern des täglichen Bedarfs Unterschiede festzustellen: Nicht in jedem Ort gibt es einen z. B. Supermarkt mit breitem Sortiment oder eine Tankstelle – und dennoch sind die Leistungen mit angemessenem Aufwand zugänglich. Ohnehin profitieren vom Universaldienst heutiger Prägung nur einzelne Gruppen, da die Finanzierung durch den Einheitstarif eine Umverteilung bedeutet.157 Ob die im Verhältnis zu den Produktionskosten überhöhten Briefporti für dicht besiedelte Regionen den Präferenzen der Absender entsprechen, ist keinesfalls klar, zumal in anderen Bereichen wie etwa bei Mieten oder Telefongebühren regionale Preisunterschiede allgemein akzeptiert werden. Bei der Überprüfung von Effektivität und Effizienz158 der Ziel-Mittel-Relation ist im Hinblick auf die Universaldienstziele zu differenzieren zwischen wirtschafts- und strukturpolitischen und sozial- bzw. verteilungspolitischen Zielen. Erstere manifestieren sich in konkreten Vorgaben hinsichtlich des gewünschten Leistungsniveaus, etwa der Größe des Annahmenetzes, der Anzahl der Zustelltage oder Laufzeitvorgaben wie der Verpflichtung, mindestens 80 % der Korrespondenz-Sendungen einen Tag nach der Einlieferung zuzustellen. Diese Vorgaben werden unter dem Begriff flächendeckende Versorgung zusammengefasst. Sozial- und verteilungspolitische Ziele werden durch die Festsetzung eines Einheitstarifs verfolgt. Dass Monopolrechte zur Finanzierung einer flächendeckende Versorgung mit Briefdiensten geeignet waren und sind und damit effektiv, hat sich in der Vergangenheit gezeigt. In allen Mitgliedstaaten der EU wird ein Universaldienstniveau erreicht, das mindestens den Vorgaben der EU-Richtlinie entspricht. Dass das Gewähren von Ausschließlichkeitsrechten kein effizientes Instrument zur Sicherstellung politisch gewoll157
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Vor diesem Hintergrund erscheint dem Autor eine semantische Trennung zwischen gemeinwirtschaftlichen Universaldienstvorgaben (die im politischen Prozess entstehen) und Gemeinwohlzielen (die allgemeinen Wohlfahrtsmaßstäben genügen, wie z. B. dem Pareto-Kriterium) angebracht. In Anlehnung an Ahn, Dyckhoff (1997) wird Effektivität als „to do things right“ (Frage: Wird das Ziel erreicht?) und Effizienz als „to do the right thing right“ (Frage: Wie wird das Ziel erreicht?) definiert. Zum ökonomischen Effizienzbegriff vgl. Kapitel 5.2.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
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ter Infrastrukturziele darstellt, ist allerdings unter Ökonomen ebenso unbestritten: Zum einen werden durch die (teilweise) Monopolisierung der Wettbewerbsmechanismus und die damit verbundenen Anreizwirkungen zur Erzielung statischer und dynamischer Effizienz außer Kraft gesetzt. Zum anderen erweist sich die zur „genaueren“ Finanzierung der USO nötige Festlegung der Größe des reservierten Bereichs in der Praxis als kaum lösbare Aufgabe. Ein marktkonformes Instrument zur Finanzierung von Universaldienstlasten stellt dagegen die Einführung eines Universaldienstfonds dar.159 Dabei beteiligen sich alle Anbieter von Briefdiensten an der Finanzierung des Universaldienstes, in dem sie Geldbeträge an den Fonds abführen. Die Finanzierung erfolgt proportional, wobei als Bemessungsgrundlage z. B. der Umsatz dient. Aus den Mitteln des Fonds werden die Unternehmen kompensiert, die den Universaldienst erbringen.160 Die Universaldienstpflicht kann dabei einem oder mehreren Unternehmen auferlegt werden. Anstelle der Verpflichtung kann auch ein Ausschreibungswettbewerb initiiert werden, bei dem der Anbieter den Zuschlag erhält, der das gewünschte Qualitätsniveau zu den geringsten Kosten bereitstellt.161 Aktuelle Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass zur Sicherstellung des Universaldienstes kein reservierter Bereich benötigt wird: Neben der Einführung von marktkonformen Ausgleichsmechanismen zu Finanzierung möglicherweise anfallender Universaldienstkosten können alternativ durch eine Reduzierung der Mindeststandards etwaige Lasten soweit reduziert werden, dass eine Bereitstellung im Wettbewerb erfolgt.162 Als Beispiel wird in der Literatur eine Qualitätsdifferenzierung zwischen verschiedenen Gebieten genannt, etwa in Form einer Abschaffung der Samstagszustellung in sehr dünn besiedelten Gebieten, einer Reduzierung der Laufzeitanforderungen
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Konkrete Ausarbeitungen für den Postmarkt liegen vor, vgl. Blankart, Knieps (1996a), S. 201 ff.; Elsenbast (1999). Dort wird die im Vergleich zum Beförderungsvorbehalt höhere Effizienz beschrieben, wobei aber auch von einem Fonds Allokationsverzerrungen ausgehen, da es sich um eine Sondersteuer auf Postdienste handelt, vgl. Kruse (2000), S. 100. Weitere alternative Finanzierungsinstrumente sind Aufschläge auf Netzzugangsentgelte und staatliche Subventionen aus Steuermitteln, vgl. Oxera (2007), S. 48 ff. Voraussetzung für die Anwendung alternativer Finanzierungsinstrumente ist, dass die staatlichen Auflagen des Universaldienstes Kosten verursachen. Zur Ausschreibung von Universaldienstlasten im Postbereich vgl. Borrmann (1995). Vgl. Finger et al. (2005); WIK (2005a); PricewaterhouseCoopers (2006a). Entsprechende Vorschläge finden sich auch schon bei Elsenbast (1999), S. 64 f. und 201 ff.; Cohen et al. (2000); Kirchner (2001), S. 240 ff.; CtCon (2001), S. 14.
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für entlegene Empfängeradressen oder einen Verzicht auf die Hauszustellung im Landraum. Im Ergebnis bedeutet diese zweite Variante, dass das Universaldienstkonzept stärker als bisher ökonomisch interpretiert wird, also die Flächendeckung des Angebots Vorrang genießt vor der Einheitlichkeit der Leistung. Eine entsprechende Anpassung der USO wird als möglich erachtet, weil vor allem für dringende Kommunikationsbedürfnisse inzwischen elektronische Substitute flächendeckend verfügbar sind. Neben den leistungsbezogenen Vorgaben manifestiert sich die USO traditionell in einem landesweit einheitlichen Porto. Briefdienste werden zum Einheitstarif angeboten, obwohl sich die Kosten für Annahme und Zustellung regional unterscheiden. Preisdifferenzierung betreiben die Postgesellschaften nur bei Diensten, die sich im Hinblick auf Vorleistungen und Qualitätsniveau unterscheiden (z. B. unterschiedliche Porti für Transaktions- und Werbepost) und auf Formate (höhere Preise für große, schwere Sendungen als für kleine, leichte). Der Einheitstarif wird mit sozial- bzw. verteilungspolitischen Gründen legitimiert. Begreift man die einheitliche Tarifierung als eigentliches Ziel, dann ist der reservierte Bereich zwar ein effektives Mittel, um eine Subventionierung defizitärer Gebiete durch Überschüsse aus anderen Gebieten zu finanzieren. Durch den der Monopolisierung immanenten Ausschluss von Wettbewerb ist jedoch von Ineffizienzen in statischer und dynamischer Hinsicht auszugehen – wie zuvor bereits in Bezug auf die flächendeckende Versorgung ausgeführt.163 Interpretiert man den Einheitstarif dagegen als Mittel, um verteilungs- bzw. sozialpolitischer Ziele zu erreichen – was der Auffassung der Literatur entspricht –, dann kann die Effektivität grundsätzlich bezweifelt werden: Zum einen sind die Ausgaben für Postdienstleistungen im Verhältnis zu den Gesamtausgaben der Haushalte sehr gering, so dass vom Einheitstarif keine nennenswerte Verteilungswirkung ausgehen. Zum anderen ist die Inzidenz nicht eindeutig: Briefdienste werden vom Versender bezahlt (sender pays principle). Statistisch erhalten Haushalte in ländlichen Gebieten mehr Briefe, als sie verschicken. Die großen Versender (Unternehmen, Behörden) sitzen meist in Städten. Entsprechend trifft eine mögliche Preisdifferenzierung nach regionalen Kriterien wie der Besiedlungsdichte von Zustellgebieten vornehmlich die Versen-
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Vgl. zu (In-)Effizienz einheitlicher Preise auch Coase (1939); Coase (1947).
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
63
derkunden in Ballungsgebieten.164 Nach ELSENBAST (1996) korrelieren zudem die Ausgaben für Briefdienste positiv mit dem Haushaltseinkommen. Entsprechend ist die direkte Verteilungswirkung gering. Eine relevante Umverteilung zwischen sozial schwachen und einkommensstarken Haushalten durch den Einheitstarif ergäbe sich also nur, wenn die ärmeren Haushalte eindeutig überproportional viele Briefe in ländliche Gebiete verschicken würden. Einheitstarife zur Erzielung von verteilungs- bzw. sozialpolitischen Zielen sind zudem als ineffizient abzulehnen. Nach dem zweiten Hauptsatz der Wohlfahrtstheorie ist eine redistributive Politik über Geldtransfers bei gleichzeitiger Grenzkostenpreissetzung des Anbieters gegenüber einheitlichen Tarifen zu bevorzugen.165 Einheitspreise stellen im Ergebnis gebundene Realtransfers dar, so dass der Begünstigte im Hinblick auf die Verwendung keine Wahlmöglichkeit hat. Dies ist von grundsätzlichem Nachteil, wenn Briefdienste nicht den Charakter meritorischer Güter aufweisen und gesamtgesellschaftlich in zu geringem Ausmaß nachgefragt werden. Sozial- bzw. verteilungspolitische Ziele lassen sich daher effizienter über direkte bzw. ungebundene Transferzahlungen erzielen. Dadurch bleibt auch die Lenkungsfunktion des Preissystems erhalten.166 Alternativ könnten – wie bereits weiter oben ausgeführt – die bestehenden Kostendifferenzen durch eine Differenzierung der Qualitätsanforderungen zwischen dicht und dünn besiedelten Gebieten nivelliert werden, so dass die Kosten der Leistungsbereitstellung in dünn und dicht besiedelten Gebieten übereinstimmen. 2.4.4.3 Fazit Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sich weder aus der Theorie des natürlichen Monopols noch aus der Wahrnehmung gemeinwirtschaftlicher Aufgaben eine tragfähige Rechtfertigung für die Beibehaltung eines Beförderungsvorbehalts ableiten lässt.
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Vgl. Knorr (1993), S. 49 f. Die höheren Kosten für die Annahme in ländlichen Gebieten dürften wegen ihres geringen Anteils an den Gesamtkosten nicht zu einer Preisdifferenzierung führen. Zur Inzidenz im Allgemeinen vgl. Andel (1999). Vgl. Elsenbast (1999). Zu den Hauptsätzen der paretianischen Wohlfahrtsökonomik vgl. Sohmen (1976), S. 32 ff. Zudem ist nach von Weizsäcker (1981), S. 345 ff. die Verfolgung des Effizienzziels auch unter Verteilungsgesichtspunkten prinzipiell optimal, da nur so der maximale Verteilungsspielraum erwirtschaftet wird. Zur Anwendung des Gedankens in der Wirtschaftspolitik vgl. von Weizsäcker (1998). Vgl. Kruse (2000), S. 100 ff.; Schmidtchen (1987), S. 276.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
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Ein globales natürliches Monopol liegt nicht vor, gemeinwirtschaftliche Aufgaben lassen sich auch ohne Exklusivlizenz bereitstellen. Entsprechend ist der Abbau von staatlichen Zutrittsschranken zum Briefmarkt aus ökonomischer Sicht zu befürworten. Selbst wenn die flächendeckende Versorgung bzw. das Qualitätsniveau trotz der fortschreitenden Anzahl an Substitutionsmöglichkeiten über das sich bei marktlicher Bereitstellung ergebende Niveau aufrecht erhalten werden soll, gibt es dafür effizientere Instrumente als die Einräumung von Monopolrechten. Dass es zur Marktöffnung erst am Anfang des 21. Jahrhunderts kommt, kann letztlich nur mit einem historisch gewachsenen „briefpostalischen Paradigma“167 erklärt werden, das Universaldienst und Regulierungsbedürftigkeit untrennbar miteinander verknüpfte. 2.4.5 Abbau staatlicher Zutrittsschranken Durch den Abbau staatlicher Marktzutrittsschranken zum Briefmarkt wird eines der letzten großen Infrastrukturmonopole für den Wettbewerb geöffnet. Im Folgenden werden in einem ersten Schritt die mit der Liberalisierung verbundenen Ziele (2.4.5.1) erläutert. Anschließend wird der Marktöffnungsprozess dargestellt. Kapitel 2.4.5.2 beschreibt die konkreten Vorgaben auf europäischer Ebene, Kapitel 2.4.5.3 die schrittweise Öffnung des deutschen Marktes. Dabei wird jeweils untersucht, ob die für eine erfolgreiche Liberalisierung als unverzichtbar geltenden Rahmenbedingungen erfüllt sind, d. h. eine marktkonforme Finanzierung des Universaldienstes und eine stärker kostenorientierte Preissetzung möglich ist.168 Das Kapitel endet mit einem Überblick über den Status der Liberalisierung in der EU (2.4.5.4). 2.4.5.1 Ziele der Marktöffnung Der vorangegangene Abschnitt hat gezeigt, dass Marktversagen nicht als normative Begründung gegen eine Öffnung von Briefmärkten angeführt werden kann. Auch die politischen Argumente als positive Begründung gegen die Abschaffung des reservierten Bereichs scheinen nicht stichhaltig. Die Öffnung der Postmärkte ist Teil der sog. Lissabon-Agenda, die darauf zielt, die Europäische Union bis 2010 „zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten wissens-
167 168
Bölsche (2001), S. 43. Welche Regulierungseingriffe einen Liberalisierungsprozess fördern und welche kontraproduktiv wirken, zeigen Armstrong, Sappington (2006) in einem allgemeinen Beitrag.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
65
basierten Wirtschaftsraum der Welt zu machen“169 Postdienstleistungen werden in diesem Zusammenhang als wichtiger Teil des EU-Binnenmarktes für Dienstleistungen, als Quelle für Wirtschaftswachstum und die Schaffung von Arbeitsplätzen angesehen. Wettbewerb im Postsektor soll nach den Vorstellungen der Kommission dazu beitragen, das Niveau der angebotenen Dienstleistungen im Hinblick auf Qualität, Preis und Angebot zu verbessern. Der Abbau dieser institutionellen Marktzutrittsschranke ermöglicht die Etablierung von Wettbewerb in dem über Jahrhunderte monopolisierten Postsektor. Die Gemeinschaftspolitik im Bereich der Postdienste zielt allerdings nicht ausschließlich auf die Vollendung eines gemeinschaftlichen Binnenmarktes für Postdienste. Vielmehr ist das Hauptanliegen, die stufenweise und kontrollierte Liberalisierung und eine dauerhaft garantierte Bereitstellung des Universaldienstes miteinander in Einklang zu bringen. Es wird eine sozial und wirtschaftlich ausgewogene Postinfrastruktur angestrebt, um den sozio-ökonomischen Zusammenhalt in der Gemeinschaft zu verbessern und gleichzeitig sollen die aus den nationalen Postmonopolen resultierenden Beschränkungen der Dienstleistungs- und Niederlassungsfreiheit abgeschafft werden. In der EURichtlinie 2008/6/EG heißt es dazu: „Da die Postdienste ein wesentliches Instrument für Kommunikation und Informationsaustausch darstellen, spielen sie eine grundlegende Rolle im Rahmen der Zielsetzungen des sozialen, wirtschaftlichen und territorialen Zusammenhalts in der Union. […] Die schrittweise und zunehmende Liberalisierung des Postmarktes hat den Universaldiensteanbietern ausreichend Zeit […] gelassen, um unter den neuen Marktbedingungen ihre wirtschaftliche Lebensfähigkeit langfristig zu gewährleisten.“170 Im Ergebnis ähnlich liest sich die Zielsetzung des deutschen Postgesetzes, die darin besteht, durch Regulierung den Wettbewerb zu fördern und flächendeckend angemessene und ausreichende Dienstleistungen zu gewährleisten.171
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Europäischer Rat (2000), S. 2. Bei der Reform der Agenda in 2005 wurde u. a. auf das ursprüngliche Zeitziel „bis 2010“ verzichtet. Daher lässt sich die Öffnung der Postmärkte in 2013 weiterhin noch unter der Lissabon-Agenda subsumieren. Eine gute Zusammenfassung der in verschiedenen Dokumenten kodifizierten wirtschaftspolitischen Ziele der EU findet sich bei WIK (2006a), S. 20 ff. Vgl. Erwägungsgründe 5 und 12 der Richtlinie 2008/6/EG. Vgl. § 1 PostG.
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Die Dualität der Zielsetzung wurde von wissenschaftlicher Seite kritisiert. Crew et al. kommentieren: „However, the joint objectives of achieving full liberalization of postal markets and maintaining the USO in its current form demonstrate a lack of understanding and natural propensity of policy makers to address mutually inconsistent but separately desirable alternatives sequentially rather than confront the inherent tradeoffs that arise from addressing them simultaneously.”172 2.4.5.2 Vorgaben der EU In der Europäischen Union wurde der Liberalisierungsprozess Anfang der 1990er Jahre mit dem Grünbuch über die Entwicklung des Binnenmarktes für Postdienste angestoßen.173 Die Kommission formulierte darin als Ziele ihrer Postpolitik die Harmonisierung der Universaldienste in der Gemeinschaft unter Berücksichtigung verbindlicher Mindestanforderungen und die schrittweise Marktöffnung für Wettbewerber. Die EG-Postrichtlinie (RL97/67/EG) enthielt erstmals verbindliche Vorgaben zu EUweiten Mindestanforderungen an Universaldienste, zum maximalen Umfang des reservierten Bereichs, zum Netzzugang und zur Tarifierung.174 Der vom Wettbewerb ausgenommene Bereich umfasste nach der Richtlinie Sendungen bis zu 350 Gramm bzw. die solche, die mehr als das 5-fache der niedrigsten Preisstufe kosten.175 Die Richtlinie 2002/39/EG zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG aus dem Jahr 2002 sieht eine weitergehende Liberalisierung vor. Sie verschärft vor allem die Vorgaben hinsichtlich des maximal reservierbaren Bereichs. Zwischen 2003 und 2006 durfte er nur Sendungen mit einem Gewicht kleiner 100 Gramm bzw. dem 3-fachen Preis einer Standardsendung der niedrigsten Gewichtsklasse umfassen. Seit 2006 liegen die Grenzen bei 50 Gramm bzw. dem 2,5-fachen Preis. Die Vollendung des europäischen Bin-
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Crew, Kleindorfer (2006b), S. 6. Vgl. COM(91) 476 final. Für eine Übersicht über die europäische Postpolitik vgl. Reinbothe (2004); Reinbothe (2006). Vgl. Richtlinie 97/67/EG sowie erklärend Geradin, Humpe (2002). Darin enthalten sind auch Vorschriften zur Rechnungslegung, zur Harmonisierung technischer Normen und Qualitätsanforderungen zum grenzüberschreitenden Verkehr. Ziel ist eine Harmonisierung der nationalstaatlichen Regulierungsnormen. Eine Gewichtsgrenze stellt alle Sendungen in den Wettbewerb, die oberhalb des festgelegten Schwellenwertes liegen. Eine Preisgrenze orientiert sich an dem Wert der Beförderungsleistung. Sie liberalisiert alle Sendungen, die teurer als ein Referenzwert sind, wobei dieser absolut oder relativ gesetzt werden kann.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
67
nenmarktes für Postdienste war in der Richtlinie von 2002 für 2009 vorgesehen – allerdings unverbindlich.176 Obwohl die Kommission dieses Datum mit ihrem Richtlinien-Vorschlag vom Oktober 2006 verbindlich machen wollte, haben Mitgliedstaaten und Parlament in der Beratung die Vollendung um zwei Jahre auf 2011 verschoben. Die Richtlinie 2008/6/EG sieht die grundsätzliche Öffnung der Postmärkte nun für 2011 vor.177 Allerdings erlaubt eine Übergangsfrist von weiteren zwei Jahren den neuen Mitgliedstaaten Zypern, Tschechische Republik, Ungarn, Lettland, Litauen, Malta, Polen, Rumänien, Slowakei sowie Griechenland und Luxemburg eine Öffnung erst in 2013. Bis dahin können Staaten mit offenen Märkten wie Deutschland Unternehmen aus Märkten mit Exklusivlizenz den Zugang zu ihrem geöffneten Bereich verweigern. In den kommenden vier Jahren wird alternativen Anbietern nun sukzessive der freie Zutritt zu allen Marktsegmenten in allen Mitgliedstaaten ermöglicht. Sie können in einen Infrastrukturwettbewerb mit den eingesessenen Postgesellschaften treten, den so genannten End-zu-End-Wettbewerb.178 Kernelemente der Richtlinie: das Verbot reservierter Bereiche; die Universaldienstverpflichtung wird beibehalten, wobei den Mitgliedstaaten weitgehende Rechte zur Einführung alternativer Finanzierungsinstrumente (wie z. B. den im PostG bereits vorgesehenen Ausgleichsfonds) und zur Anpassung des Universaldienstumfangs (insb. Beschränkung ausschließlich auf Privatkunden, weiterhin Angebot der Dienstleistung an mindestens fünf Tagen pro Woche mit dem Umfang Abholung und Hauszustellung) eingeräumt werden; Einheitstarife bleiben möglich, allerdings nur in begrenzten Umfang (v. a. für Kunden mit niedrigem Einkommen), und Regulierung soll symmetrisch erfolgen, also prinzipiell nicht zwischen etablierten Unternehmen und Marktneulingen unterscheiden. Damit sind wesentliche Empfehlungen einer Folgeabschätzung zur
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Vgl. Richtlinie 2002/39/EG; für eine Bewertung der Änderungen vgl. von Danwitz (2002); van der Horst (2005). Nationale Regelungen, die eine frühere Marktöffnung vorsehen, sind zulässig. Richtlinie 2008/6/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 97/67/EG im Hinblick auf die Vollendung des Binnenmarktes der Postdienste der Gemeinschaft, Amtsblatt der Europäischen Union (2008). Die Richtlinie wurde am 20. Februar 2008 von EP und Rat verabschiedet, trat am 27. Februar in Kraft und ist bis Ende 2010 in nationales Recht umzusetzen. Vgl. Europäische Kommission (2006c). Zu den wichtigsten Veränderungen vgl. Curran (2006). Die Liberalisierung in der EU unterscheidet sich grundsätzlich von der in den USA. Vgl. dazu Appendix A 1.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
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Marktöffnung sowie einer Studie zu Gestaltungsoptionen des regulatorischen Umfeldes in die Richtlinie eingeflossen.179 Ausschlaggebend für die neue Richtlinie ist die Einschätzung, dass die Liberalisierung des Briefmarktes den Universaldienst nicht gefährdet. Vielmehr hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass dieser auch ohne staatliche Zuschüsse finanzierbar ist. Aus ökonomischer Sicht bleibt festzuhalten, dass die Richtlinie die Voraussetzungen dafür schafft, dieses Ziel zu erreichen, wenn auch verspätet. 2.4.5.3 Umsetzung in Deutschland In Deutschland vollzog sich die Liberalisierung des Briefmarktes in drei Stufen. Man spricht von den sog. Postreformen I, II und III. Der Reformprozess geht mit einem Rückzug des Staates aus diesem Sektor einher, an dessen Ende neben der Öffnung des Marktes für Wettbewerber auch die Privatisierung der Deutschen Post steht.180 Im Rahmen der Postreform I wurde die Deutsche Bundespost 1989 in drei selbständige Unternehmenseinheiten aufgeteilt (Telekom, Postdienst und Postbank), die Teile der Bundesverwaltung blieben. Der Beförderungsvorbehalt ging auf die Deutsche Bundespost Postdienst über. Im Kern war die Postreform I eine Organisationsreform.181 Durch das Postneuordnungsgesetz (PTneuOG) erfolgt die Umwandlung des staatlichen Unternehmens Deutsche Bundespost in Aktiengesellschaften zum 1.1.1995 (Postreform II). Der Gründung der Deutschen Post AG geht eine Änderung des Grundgesetzes voraus: Durch den neu eingefügten Art. 87f GG verpflichtet sich der Bund, die infrastrukturelle Grundversorgung im Bereich des Postwesens zu gewährleisten, während das Angebot sonstiger Dienstleistungen als privatwirtschaftliche Tätigkeit erfolgen soll. Der Beförderungsvorbehalt wurde für eine Übergangszeit auf die DPAG als Nachfolgerin der Bundespost Postdienst übertragen – und erstmals eingeschränkt: Massendrucksachen mit einem Einzelgewicht größer als 250 Gramm fielen nicht mehr
179
180
181
Vgl. PricewaterhouseCoopers (2006a) und WIK (2005a). Eine theoretisch fundierte Konzeption, die im Kern zu ähnlichen Gestaltungsoptionen führt, findet sich bei Crew, Kleindorfer (2006a). Zu den Postreformen vgl. ausführlich Cox (1999); Kühn, Pfeffermann (2004), S. 27ff. und zusammenfassend Heinen (2002). Zur Transformation der Deutschen Post von einer Behörde zum erwerbswirtschaftlichen Unternehmen vgl. Maschke (2002); Maschke (2005); Milne (2005). Vgl. Bölsche (2001), S. 95 ff. Normiert sind die Veränderungen im Poststrukturgesetz (PostStruktG). In ihm wurden wesentliche Vorschläge zur Reform der Bundespost aus den 1960er und 1970er Jahren umgesetzt. Vgl. zur Diskussion im Vorfeld Diedrichs et al. (1987).
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
69
unter die Exklusivlizenz.182 Trotz der formellen Privatisierung183 und der ersten Einschränkung des reservierten Bereichs konkretisierte sich das Ziel einer marktlichen Versorgung mit Briefdiensten erst mit dem Postgesetz (PostG) vom 22.12.1997 (Postreform III). Das PostG stellt die gewerbsmäßige Beförderung adressierter schriftlicher Mitteilungen prinzipiell in den Wettbewerb. Danach kann grundsätzlich jedermann Briefdienste am Markt anbieten, sofern er über eine Lizenz der Regulierungsbehörde verfügt (Lizenzvorbehalt).184 Durch das PostG wird das Monopol zur Ausnahme und die wettbewerbliche Bereitstellung zum Regelfall. Allerdings hat der Gesetzgeber der DPAG in den Übergangsvorschriften eine zeitlich befristete Exklusivlizenz eingeräumt (vgl. § 51 Abs. 1 S. 1 PostG). Diese ist am 31.12.2007 ausgelaufen. Erst seit diesem Jahr sind Markeintritte lizenzierter Anbieter in allen Bereichen des Briefmarktes möglich. Abbildung 8 zeigt die Marktöffnungsschritte in Deutschland und die jeweilige Größe des reservierten Bereiches.
182
183
184
Vgl. detailliert Berger (1996), S. 40 ff. 1996 erfolgt zusätzlich eine Absenkung der Gewichtsgrenze für Massendrucksachen auf 100 Gramm. Transaktionspost über 1000 Gramm wird ebenfalls für den Wettbewerb geöffnet. Die materielle Privatisierung erfolgte im Rahmen des Börsengangs 2000. Die öffentliche Hand besitzt indirekt über die KfW Bankengruppe 30,6 % der DPAG-Aktien (Stand: 18.01.2007). Vgl. Schwarz-Schilling (2001); Heinen (2002); Bundesnetzagentur (2006b), S. 5 ff. Der Lizenzvorbehalt dient dazu, nur Anbietern einen Markteintritt zu ermöglichen, die zur Leistungserstellung befähigt sind. In der konkreten Ausgestaltung stellt er – im Gegensatz etwa zu Finnland und Ungarn – keine Markteintrittsbarriere dar. Vgl. zu Finnland, Ungarn Pickavé (2007), S. 27. Wegen des Lizenzvorbehalts bezeichnet der Gesetzgeber Anbieter im Postmarkt als Lizenznehmer.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
70
Abbildung 8: Entwicklung Exklusivlizenz DPAG und Wettbewerbsbereich Sendungs- 350 gewicht in Gramm
Monopolbereich Werbepost
300
Monopolbereich Individualpost
250
200
150
100
50
0 1997
Anteil Sendungen* im Wettbewerb
1998
1999
2000
2001
k. A.
2002
2003
2004
2005
2006
18%
2007
25%
2008
100%
Abweichung wegen • Formatmix • Hochwertigkeitskriterium Größe Wettbewerbsbereich vom Gesamtumsatz
23%
33%
**
42%
50%
100%
* Schätzung ** Veränderung durch Entscheidung zur Konsolidierung des Bundeskartellamts, vgl. Kapitel 3
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis WIK (2005b); BUNDESNETZAGENTUR (2006b); BUNDESNETZAGENTUR (2007a)
Die Exklusivlizenz der DPAG wurde in der Postreform III mehrfach eingeschränkt: Der reservierte Bereich umfasste bis Ende 2002 alle Briefe (Korrespondenz) mit einem Gewicht unter 200 Gramm, zwischen 2003 und 2005 alle Briefe mit einem Gewicht unter 100 Gramm und von 2006 bis zur Marktöffnung 2008 alle Briefe unter 50 Gramm. Für Infopost liegt die Schwelle die gesamte Zeit über bei 50 Gramm.185 Deutlich wird allerdings auch, dass selbst die Beschränkung des reservierten Bereichs auf Sendungen mit einem Gewicht von weniger als 50 Gramm lediglich rund 25 % der Sendungsmenge in den Wettbewerb stellte. Der tatsächlich für den Wettbewerb geöffnete Bereich war jedoch schon vor Januar 2008 größer. Gemessen am Umsatz machte der Wettbewerbsbereich 2006 rund 50 % aus. Dies lag zum einen daran, dass schwere Briefe mehr kosten als leichte. Zum anderen bleibt bei der ausschließlichen Betrachtung von Gewichtsgrenzen eine Besonder185
Neben den hier genannten Gewichtsgrenzen sind zusätzlich Preisgrenzen festgelegt. Ursprünglich war die Marktöffnung zum 1.1.2003 vorgesehen, wurde aber durch das Erste Änderungsgesetz zum Postgesetz im Herbst 2001 verschoben, um eine symmetrische Wettbewerbsöffnung auf europäischer Ebene sicherzustellen. Vgl. BT-Drs 14/6121, S. 9; Herdegen (2004), S. 958.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
71
heit des deutschen Rechtsrahmens unberücksichtigt: Nach dem sog. Höherwertigkeitskriterium fielen qualitativ höherwertige Dienstleistungen nicht in den vom Wettbewerb ausgenommenen Bereich – unabhängig von ihrem Gewicht. Als qualitativ höherwertig gelten Sendungen, die entweder a) taggleich, b) zu einem vereinbarten Termin (Terminzustellung) oder c) bis um 12 Uhr des folgenden Werktags bei Abholung nach 17 Uhr zugestellt werden.186 Mit der vollständigen Öffnung des deutschen Briefmarktes 2008 haben sich auch die regulatorischen Rahmenbedingungen verändert. Wie sind diese zu beurteilen in Hinblick auf die Vereinbarkeit von Wettbewerb und Universaldienst? Gemäß Kapitel 2.4.4.2 sollte die Öffnung des Marktes durch folgende Maßnahmen flankiert werden: - Markkonforme Finanzierung des Universaldienstes im Wettbewerb - Möglichkeit für alle Anbieter von Postdiensten zur kostenbasierten Preissetzung und Ausrichtung des Angebots an den Präferenzen der Nachfrager. Die verfassungsrechtlichen Vorgaben sehen vor, dass der Universaldienst im Wettbewerb erbracht wird.187 Entsprechend findet sich in den sektorspezifischen Bestimmungen (§ 11 PostG) keine a priori-Verpflichtung eines bestimmten Unternehmens zum Angebot von Universaldienstleistungen. Für den Fall, dass die in der PUDLV kodifizierten Vorgaben hinsichtlich Umfang, Qualität und Entgelt nicht oder nur unzureichend durch den Marktprozess erfüllt werden, sind alle Unternehmen mit einem Umsatz größer als 500.000 Euro im Jahr verpflichtet, zur Erbringung beizutragen. Das Verfahren sieht dann eine Ausschreibung der entsprechenden Leistung vor, die über einen umsatzproportionalen Fonds finanziert wird. Die Exklusivlizenz diente nach dem ursprünglichen Willen des Gesetzgebers nicht der Finanzierung des Universaldienstes, sondern in erster Linie der Bewältigung des Strukturwandels bei der Deutschen Post. Sie war also vornehmlich zur Abfederung von Kosten gedacht, die sich aus der Transformation einer Behörde zu einem wettbewerbsfähigen Unternehmen ergeben (z. B. Übernahme von Beamten, Finanzierung von Pensionslasten, Modernisie186
187
Ferner gelten Dienste mit Sendungsverfolgung und integrierte Brief-/Logistikdienste als höherwertig. Die besondere Stellung höherwertiger Sendungen ergibt sich aus § 51 Abs. 1 Nr. 4 PostG. Die Definition wurde durch die richterliche Rechtsprechung präzisiert. Vgl. ausführlich Herdegen (2004b), S. 979 ff. De facto waren damit schon vor der endgültigen Liberalisierung weite Teile des deutschen Briefmarktes für den Wettbewerb geöffnet. vgl. Kap. 4.5.2.3. Vgl. Kirchner (2001), S. 9 ff.
72
2 Briefmarkt und Liberalisierung
rung der Unternehmensstruktur). Dadurch sollten Nachteile der DPAG im Vergleich zu neu in den Markt eintretenden Wettbewerbern vermieden werden.188 Erst durch das Zweite Änderungsgesetz zum Postgesetz von 2002 wurde die Exklusivlizenz (für ihre Geltungsdauer) explizit mit der Universaldienstpflicht verknüpft. Der gesetzlich verankerte Ausgleichsmechanismus über einen Fonds wurde diese Änderung bis zur Abschaffung der Exklusivlizenz 2008 suspendiert. Nun kommt er wieder zum Einsatz. Die BNetzA als zuständige Regulierungsbehörde hat im Dezember 2005 umfassende Vorschläge zum Umfang des Universaldienstes in einem geöffneten Marktumfeld unterbreitet.189 Die BNetzA schlägt eine stärkere Fokussierung auf Privat- und Kleinkunden und das Absenken der Gewichtsgrenzen für Briefe und Pakete vor. Auch eine Lockerung der starren Vorgaben bezüglich mindestens vorzuhaltender Annahmestellen und Briefkästen wird empfohlen. Zudem solle die Laufzeitregelung der PUDLV gelockert werden, so dass Postdienstleister auch andere Regellaufzeiten als E+1 anbieten können. Dies könne auch gegen reduziertes Porto erfolgen, da mit der Exklusivlizenz auch die Vorgabe eines Einheitstarifs entfallen ist. Die Bundesregierung hat die Empfehlungen der BNetzA begrüßt und wird diese in die anstehende Novellierung einfließen lassen. Sie stellt im Hinblick auf eine Überarbeitung der PUDLV fest: „Dabei ist […] die Universaldiensterbringung auf solche Dienstleistungen zu beschränken, die allgemein als unabdingbar angesehen werden, sowie der technischen und gesellschaftlichen Entwicklung nachfragegerecht anzupassen.“190 Presseberichte deuten daraufhin, dass eine Lockerung der Vorgaben auf Mindeststandards angestrebt wird.191 Mit dem Auslaufen der Exklusivlizenz hat sich nicht nur der Finanzierungsmodus des Universaldienstes geändert, sondern auch die Vorgaben hinsichtlich der Preissetzung (Preisregulierung): Das PostG schreibt keine Tarifeinheit im Raum für Universaldienstleistungen vor.192 Die bisherige Verpflichtung zum Einheitstarif ergab sich aus den Bestimmungen der PUDLV und war an die Exklusivlizenz der DPAG geknüpft
188 189 190 191 192
Vgl. BT-Drs. 13/7774, S. 33; zum Folgenden Herdegen (2004), S. 957 ff. Vgl. Bundesnetzagentur (2005), S. 288 ff. Vgl. Bundesregierung (2006), S. 16. Vgl. PricewaterhouseCoopers (2006b), S. 63. Aus der Entstehungsgeschichte des PostG wird deutlich, dass der Gesetzgeber der Tarifeinheit im Raum ablehnend gegenüberstand. Dem Ansinnen des Bundesrates, eine solche Regelung gesetzlich festzuschreiben, trat die Bundesregierung deutlich entgegen, vgl. BT-Drs. 13/7774, S. 46 f. Die Tarife der Deutschen Bundespost und ihrer Nachfolger nach den Postreformen I und II galten stets bundeseinheitlich.
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
73
(§ 6 Abs. 3 PUDLV). Mit ihrem Wegfall ist auch die Verpflichtung zum Einheitstarif weggefallen.193 Für Beförderungsleistungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge größer als 50 Sendungen voraussetzen, gab es noch nie eine Pflicht zum Einheitstarif. Bei Werbesendungen beispielsweise ist daher seit jeher eine Differenzierung der Preise möglich, etwa nach geographischen Kriterien. Eine Ausweitung der Preisdifferenzierung über das bisherige Maß hinaus – bislang ergeben sich abweichende Preise v. a. auf Grund von Format-/Gewichtsunterschieden sowie unterschiedlichen Einlieferungsmengen und Vorleistungen – wird von der DPAG für die Zeit nach der Marktöffnung angedeutet. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der sektorspezifische Regulierungsrahmen die Bedingungen für eine erfolgreiche Marktöffnung erfüllt. Dies deckt sich mit dem Ergebnis der Prospektivstudie für die Europäische Kommission zur Bewertung der Liberalisierung. Sie zählt Deutschland zu den Ländern, die die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Marktöffnung geschaffen haben. Dort heißt es: „Germany has been preparing for FMO [full market opening] for some time. Its regulatory framework is specially geared to relaxing regulatory controls as market forces achieve traction. […] Germany would not require the implementation of any significant flanking measures […].”194 Dieses Urteil bezieht sich allerdings primär auf die Vereinbarkeit von Wettbewerb und Universaldienst – und damit auf die im Vorfeld der Liberalisierung geäußerte Befürchtung, durch „rosinenpickende” Marktneulinge könnte die etablierte Postgesellschaft langfristig keine flächendeckende Versorgung aufrecht erhalten („graveyard spiral”).195 Nicht beurteilt wurde an dieser Stelle, ob und inwiefern die regulatorischen Rahmenbedingungen aus Sicht von Marktneulingen günstig sind und daher mit einer raschen Entwicklung von aktivem Wettbewerb zu rechnen ist. Dafür sind weitere 193
194
195
Allerdings sieht die PUDLV eine Höchstpreisgrenze für Universaldienste vor, die auch nach Wegfall der Exklusivlizenz gilt. Dies schränkt den Preissetzungsspielraum ein, wobei davon a) nur die Preise von Privathaushalten betroffen sind und sich die Regelung b) nur auf das durchschnittliche Preisniveau, nicht jedoch Einzelpreise, bezieht. Vgl. § 6 Abs. 1 PUDLV; BT-Drs. 14/1696, S. 9; bewertend von Danwitz (2004), S. 288 f. Die Vorgaben zur Preissetzung sind grundsätzlich umstritten: Die Maßstäbe „Kostenorientierung“ und Tragbarkeit aus Nutzersicht („erschwinglichen Preis“) können einen Widerspruch darstellen. PricewaterhouseCoopers (2006b) S. 64 f. Für einen Vergleich mit den anderen EU-Staaten vgl. PricewaterhouseCoopers (2006a), S. 105. Vgl. Kapitel 2.4.3.3.
2 Briefmarkt und Liberalisierung
74
rechtliche Vorgaben in die Analyse einzubeziehen, etwa der sog. Mindestlohn und die umsatzsteuerliche Behandlung von Briefpost. Dies geschieht in Kapitel 4.3.1. 2.4.5.4 Status der Marktöffnung Alle EU-Mitglieder haben die Postrichtlinie von 2002 in nationales Recht überführt, inklusive der Reduzierung des reservierten Bereichs auf Sendungen kleiner als 50 Gramm. Dennoch ist die Öffnung der Postmärkte unterschiedlich weit fortgeschritten.196 So hat Großbritannien seinen Briefmarkt bereits am 1.1.2006 vollständig geöffnet, in Schweden und Finnland stehen die Märkte Wettbewerbern bereits offen. Deutschland hat die Pläne zur völligen Marktöffnung zum 1.1.2008 umgesetzt. Diese Entscheidung ist bedeutsam, weil die Verlängerung der DPAG-Exklusivlizenz bis 2008 seinerzeit mit dem Argument begründet wurde, die Marktöffnung solle im europäischen Gleichschritt (also symmetrisch) erfolgen.197 Dagegen haben die Niederlande die für den 1.1.2008 vorgesehene Marktöffnung verschoben. Als Grund wird die Einführung des Mindestlohns in Deutschland genannt, der ein „level-playing field“ verhindere.198 Abbildung 9 liefert einen Überblick über den Stand der Liberalisierung.
196
197
198
Vgl. KOM(2006) 595 endg., S. 4 f. Bei WIK (2006b), S. 13 ff., findet sich für jeden Mitgliedstaat eine Übersicht über den Liberalisierungsstatus und die nationalen regulatorischen Rahmenbedingungen. Für eine Zusammenfassung vgl. Barck (2006). Zur ökonomischen Beurteilung der Forderung vgl. Hellwig, Paulus (2002); Gemeinhardt-Brenk, Wanner (2002); Monopolkommission (2003), S. 118 f.; Christmann (2004), S. 84 f. Vgl. Hinze (2007). Ende 2008 hat die niederländische Regierung die Liberalisierung ihres Marktes abermals verschoben und das Monopol von TNT de facto verlängert, vgl. o.V. (2008d)
2.4 Liberalisierung des Briefmarktes
75
Abbildung 9: Liberalisierungsstatus der Briefmärkte in der EU, 2008 Korrespondenz
Direktwerbung
Monopolisiert für Briefe < 50 Gramm Für Wettbewerb geöffnet
Anmerkung: Ortspost in Spanien vollständig für Wettbewerb geöffnet
Quelle: Eigene Darstellung nach PICKAVÉ (2007)
Aus der Abbildung geht hervor, dass die Marktöffnung im Bereich der inhaltsgleichen Werbebriefe weiter fortgeschritten ist als bei Korrespondenzsendungen. Ob die meisten EU-Staaten ihre nationalen Märkte ab 2011 gem. neuer Richtlinie für den Wettbewerb öffnen oder ob sie die Übergangsfristen bis 2013 nutzen, kann derzeit nicht beurteilt werden. In einigen Staaten gab es während der Beratungen grundsätzliche Bedenken gegen die Abschaffung der reservierten Bereiche.199
199
Das Europäische Parlament hält auch Zwischenschritte für denkbar, vgl. Finke (2006). Für eine Bewertung der Einwände seitens der Kommission vgl. Reinbothe (2007).
3 Netzzugang und Regulierung 3.1 Einleitung, Zielsetzung und Aufbau des Kapitels Seit Anfang 2008 ist der deutsche Briefmarkt für Wettbewerber geöffnet. Der Gesetzgeber hat sich – im Einklang mit den europarechtlichen Vorgaben – für eine horizontale Marktöffnung entschieden: Mit der Abschaffung des reservierten Bereichs bzw. der Exklusivlizenz der DPAG ist in Deutschland ein sog. End-zu-End-Wettbewerb möglich. Marktneulinge, die über ein eigenes Beförderungssystem verfügen, können Briefdienste in Konkurrenz zum etablierten Unternehmen DPAG anbieten. In einem solchen Fall findet ein Infrastruktur- bzw. Netzwettbewerb statt („Wettbewerb mit dem Netz“). Die DPAG ist darüber hinaus verpflichtet, konkurrierenden Unternehmen und Kunden Teile ihres Beförderungsnetzes gegen ein reduziertes Entgelt zur Verfügung zu stellen (Teilleistungspflicht). Dadurch können auch Marktneulinge, die nicht über eine oder nur über eine begrenzte Infrastruktur verfügen (z. B. Zustellorganisation nur in Ballungsgebieten), flächendeckende Dienste anbieten („Wettbewerb auf dem Netz“). Die Verpflichtung zur Gewährung von Netzzugang stellt einen schweren Eingriff in den Markprozess und die Eigentumsrechte des betroffenen Unternehmens dar und Bedarf einer fundierten Rechtfertigung. Ob Netzzugangregulierung auf Briefmärkten gerechtfertigt ist, ist umstritten. Die EU hat in ihren Postrichtlinien auf eine Zugangspflicht verzichtet. Sie hat Untersuchungsbedarf angemeldet: „Access is an important issue which merits further analysis and discussion with the Member States in the coming years.“200 Das Europäische Parlament forderte im Zusammenhang mit der Neufassung der Postrichtlinie eine ausführliche Prüfung, ob und in welchem Ausmaß ein solcher Eingriff ökonomisch gerechtfertigt ist.201 Vorliegende Untersuchungen zu dem Thema kommen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Ein grundsätzliches Manko der Vorarbeiten für Deutschland besteht darin, dass sie das Ausmaß von kosten- und nachfrageseitigen Markteintrittsbarrieren –
200 201
SEC(2005) 388. Vgl. Europäisches Parlament (2005), S 5. Die Auslegung der postgesetzlichen Regelung in Deutschland ist auch im juristischen Schrifttum umstritten und Gegenstand von Auseinandersetzungen.
78
3 Netzzugang und Regulierung
deren Existenz eine Voraussetzung für die Regulierung darstellt – nicht quantifizieren.202 Aus ordnungspolitischer Sicht ist Netzzugangsregulierung immer dann geboten, wenn Netze oder Netzbereiche unabdingbar sind, um Kunden zu erreichen, und diese Netzbereiche nicht mit angemessenen Mitteln durch Wettbewerber errichtet werden können. Ob eine solche Situation in Deutschland vorliegt, ist Gegenstand dieses Kapitels. Dazu wird das Ausmaß der in Deutschland existierenden strukturellen Markteintrittsbarrieren herausgearbeitet. Das dritte Kapitel ist wie folgt aufgebaut: Im ersten Unterkapitel (Kapitel 3.2) wird der Zugangsbegriff für den Briefmarkt definiert und der Untersuchungsgegenstand eingegrenzt, anschließend grundsätzliche Zugangsmöglichkeiten und die Ausgestaltung der Netzzugangsregulierung in Deutschland beschrieben (Kapitel 3.3). In Kapitel 3.4 werden die wettbewerbstheoretischen Grundlagen zur Bewertung von Netzzugang dargestellt, bevor in Kapitel 3.5 die Untersuchung des Regulierungsbedarfs für den deutschen Markt erfolgt. 3.2 Begriffsbestimmung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes Bei der Beförderung von Briefen vom Absender zum Empfänger sind Entfernungen zu überwinden. Zur „Rationalisierung der Distanzüberwindung“203 ist das Briefbeförderungssystem als Netz aufgebaut. Unter Netzzugang (Third Party Access, TPA) wird – in Analogie zur Verwendung des Begriffs in anderen Netzindustrien – die Einspeisung von Sendungen in das Beförderungsnetz des etablierten Unternehmens an einem empfängernäheren Punkt als dem Anfang der Wertschöpfungskette verstanden. Entsprechend erbringt ein Nachfrager von Netzzugang Teile der Beförderungsleistung in Eigenregie. Darunter können neben Transporttätigkeiten auch andere Vorleistungen fallen wie etwa ein Vorsortieren von Sendungen. Das Gewähren von Netzzugang kann zum einen freiwillig auf der Basis von Verhandlungen zwischen Netzeigentümer und Netznutzer erfolgen. Sie kann zum anderen aber auch durch staatliche Institutionen angeordnet bzw. vorgeschrieben werden. In letzterem Fall spricht man von verpflichtendem Netzzugang. Dieser steht im Mittelpunkt 202 203
Vgl. Knieps (2002); Kruse, Liebe (2005); De Bijl et al. (2006). von Weizsäcker (1997), S. 572. Zum Netzcharakter des Briefbeförderungssystems vgl. Kapitel 2.2.1.
3.2 Begriffsbestimmung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstandes
79
der vorliegenden Arbeit. Die Verpflichtung zur Gewährung von Netzzugang stellt einen Eingriff in den Marktprozess dar. Sie schränkt die Transaktionsfreiheit der Marktteilnehmer ein und wird daher zur Regulierung gezählt.204 Netzzugangsregulierung legt nicht nur fest, ob und wem ein Zugang seitens des Netzeigentümers einzuräumen ist, sondern bedeutet darüber hinaus, dass staatliche Institutionen Zugangspunkte und konditionen (z. B. Entgelte) festlegen oder entsprechende Vereinbarungen zwischen Netzeigentümer und -nutzer kontrollieren. Als Netznutzer bzw. Nachfrager von Netzzugang treten zwei Gruppen auf: Kunden und Wettbewerber. - Kunden: Als Kunden werden Versender bezeichnet, die in ihrem Namen Sendungen verschicken. Zwischen diesen Absendern und dem Netzbetreiber besteht also eine direkte vertragliche Beziehung. Der sog. Direktkundenzugang wird in der Praxis vor allem von Versendern genutzt, die eine große Anzahl maschinell erstellter Briefe verschicken, die sich ohne großen Zusatzaufwand vorsortieren lassen. Für das Vorsortieren erhalten die Kunden vom Netzeigentümer einen Rabatt auf das Porto: Wenn die Rabattausschüttung größer ist als die zusätzlichen Kosten für die Vorleistung, lohnt sich dies finanziell für die Versender. Konstituierend ist, dass Kunden Briefsendungen nicht gewerbsmäßig befördern, selbst wenn sie Teile der Wertschöpfung übernehmen. - Wettbewerber erbringen gewerbsmäßig Beförderungsleistungen für Dritte. Sie fungieren als Dienstleister für Versender. Wenn sie einen Zugang zum Netz des etablierten Unternehmens nutzen, treten Wettbewerber in eine vertragliche Beziehung zum Netzbetreiber. Dieser wird damit zum Dienstleister des Wettbewerbers – und nicht des Kunden. Es lassen sich zwei Wettbewerbstypen in Bezug auf Netzzugang unterscheiden:205 Wettbewerber des Typus 1 werden als Konsolidierer oder Teilleister bezeichnet. Sie haben sich auf Teile der Briefproduktion spezialisiert (vertikale Spezialisierung) und übernehmen oftmals postvorbereitende Dienste für Versender. Teilleister erbringen Vorleistungen für einen Kunden. In der Regel fassen Konsolidierer die Sendungen mehrerer Versender zusammen und erbringen gewis204
205
Dies gilt unabhängig davon, ob die Verpflichtung aus dem Allgemeinen Wettbewerbsrecht (GWB) abgeleitet wird oder auf sektorspezifischen Vorschriften beruht. Vgl. zu dieser Unterscheidung Pieper, Stumpf (1996), S. 275 ff.
80
3 Netzzugang und Regulierung
se Vorleistungen wie Einsammlung, Sortierung und Transport. Anschließend werden die konsolidierten Sendungen in das Netz der etablierten Postgesellschaft eingespeist. Entsprechend fragen sie beim Netzeigentümer nicht die gesamte Beförderungsleistung, sondern nur eine Teilleistung206 nach. Wettbewerbertypus 2 stellen alternative Zustelldienste dar. Sie decken zwar prinzipiell die gesamte Wertschöpfungskette ab, verfügen aber in manchen Regionen (horizontal) über kein eigenes flächendeckendes Netz. Für diese Regionen greifen sie auf die Infrastruktur des etablierten Unternehmens zurück. Der Direktkundenzugang ist im Briefsektor etabliert und nicht Gegenstand ordnungspolitischer Streitigkeiten. In dieser Arbeit wird daher untersucht, ob ein verpflichtender Netzzugang für Wettbewerber ordnungspolitisch geboten ist. Als Aufsetzpunkt dient die rechtliche Situation in Deutschland. Dabei wird ausschließlich der Zugang zum Briefbeförderungssystem untersucht. Technische Koordinationsfunktionen des Netzbetreibers wie die Inanspruchnahme des Postleitzahlensystems oder Informationen über Adressänderungen sind nicht Gegenstand der folgenden Analyse. Auch der Zugang zu Postfachanlagen wird nicht weiter betrachtet. Diese Bereiche sind unabdingbar für die Entwicklung von funktionsfähigem Wettbewerb; Zugang ist daher auf jeden Fall zu gewähren.207 3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt In Deutschland ist ein verpflichtender Netzzugang im Briefmarkt verwirklicht: Die DPAG ist laut PostG verpflichtet, Wettbewerbern einen Zugang zu ihrem Beförderungsnetz einzuräumen. Bevor im Rahmen dieser Arbeit untersucht wird, ob eine solche Verpflichtung aus ökonomischer Sicht gerechtfertigt ist, wird die deutsche Regelung beschrieben. Dazu soll in einem ersten Schritt anhand allgemeiner Kriterien herausgearbeitet werden, wie sich Netzzugangsregulierung im Briefsektor ausgestalten lässt bzw. welche grundsätzlichen Alternativen zur Verfügung stehen (3.3.1). Auf dieser Basis werden die deutschen Vorgaben konkret dargestellt (3.3.2).
206 207
Der Begriff „Teilleistung“ wird in Kapitel 3.3.2.1 näher erläutert. Vgl. Knieps (2002), S. 80 f.; Kruse, Liebe (2005), S. 57. Dies ist in Deutschland der Fall: Das Postleitzahlensystem ist zugänglich und nach § 29 PostG hat ein Marktbeherrscher uneingeschränkten Zugang zu Postfachanlagen und Adressänderungssystem zu gewährleisten.
3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
81
3.3.1 Grundlegende Entscheidungen beim Netzzugang Existiert ein verpflichtender Netzzugang, ist zu entscheiden, wie Regulierung und Netzzugang jeweils konkret ausgestaltet werden sollen. Die erste Entscheidung betrifft das Regulierungsregime und dreht sich im Kern um die Alternativen „Ex-anteRegulierung versus Ex-post-Aufsicht“. Die entsprechende Darstellung in Kapitel 3.3.1.1 zeigt, dass die Eingriffsintensität je nach gewähltem Zugangsmodell variiert. Im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung des Netzzugangs sind erstens Zugangspunkte festzulegen (3.3.1.2), zweitens die Netzübergänge zu standardisieren (3.3.1.3) und drittens Höhe und Berechnung der Netzzugangsentgelte (3.3.1.4) zu bestimmen. Die drei letzten Entscheidungen können unter dem Oberbegriff Festlegung von Netzzugangskonditionen gefasst werden. Netzzugangskonditionen werden in Abhängigkeit des gewählten Regulierungsregimes entweder direkt vom Staat vorgegeben oder sie sind Teil von Verhandlungen zwischen Netzeigentümer und Netznutzer, wobei die Vereinbarungen einer Kontrolle seitens des Staates unterliegen. 3.3.1.1 Zugangsregime: Ex-ante Regulierung versus Ex-post Aufsicht Die Gestaltung von Netzzugangsverpflichtung kann sich grundsätzlich unterscheiden im Hinblick auf die Frage, wer die Zugangskonditionen festlegt. Legen die Marktteilnehmer (uni-, bi- oder multilateral) sie fest, spricht man von verhandeltem Netzzugang. Werden Konditionen von der Regierung festgelegt, spricht man von reguliertem Netzzugang. Desweiteren ist zu entscheiden über den Zeitpunkt staatlicher Interventionen (ex post versus ex ante) und die Verantwortung für solche Eingriffe (z. B. sektorspezifische Institution, Kartellbehörde oder Gericht).208 In der Praxis kommen zur Bestimmung von Zugangskonditionen (Zugangspunkte, standards, -entgelte) vornehmlich zwei Zugangsmodelle zum Einsatz: Die Möglichkeit des verhandelten Netzzugangs (Negotiated TPA) erfordert eine Form von Ex-postAufsicht. Bei der anderen Möglichkeit, dem regulierten Netzzugang (Regulated TPA), handelt es sich um Ex-ante-Regulierung. - Verhandelter Netzzugang: Im Fall des verhandelten Netzzugangs einigen sich Netzbetreiber und Netznutzer in Verhandlungen über die Netzzugangskonditionen.
208
Vgl. Haucap, Kruse (2004).
82
3 Netzzugang und Regulierung
Dabei muss es nicht in jedem Einzelfall zu Verhandlungen kommen. Anbieterseitig können auch verbindliche Vorgaben festgelegt werden, die dann für alle Netznutzer gelten. Ein Eingriff staatlicher Institutionen erfolgt nur in Streitfällen: Wenn sich die Parteien nicht im Rahmen von Verhandlungen einigen können, kommt es zu einer nachträglichen Überprüfung durch Regulierungs- bzw. Kartellbehörden oder Gerichte. Diese kontrollieren dann, ob der Netzeigentümer bei der Bestimmung der Konditionen seine Marktstellung missbräuchlich ausgenutzt hat. Aus diesem Grund wird in Bezug auf den Negotiated TPA in der Literatur auch von „Expost-Aufsicht“ gesprochen. - Regulierter Netzzugang: Im Fall eines regulierten Netzzugangs werden Zugangspunkte, -preise und -bedingungen für alle Marktteilnehmer entweder von vorneherein staatlich genehmigt bzw. in Form einer Rechtsverordnung festgelegt („Exante-Regulierung“) oder die Umsetzung der Netzbetreiber unterliegt der Missbrauchsaufsicht („Ex-post-Kontrolle“). Insofern kann eine Ex-ante-Regulierung mit Elementen von Ex-post-Kontrolle einhergehen. Die beschriebenen Zugangsmodelle weisen unterschiedliche Eingriffsintensitäten auf: Die Ex-ante-Regulierung stellt eine größere Form der Marktintervention dar, da der Verhandlungsmechanismus von vorneherein ausgeschaltet wird. Dagegen hat bei der Ex-post-Regulierung der staatliche Eingriff den Charakter einer Kontrolle.209 Welches der beiden Regimes zu bevorzugen ist, lässt sich allgemein nicht sagen und ist immer wieder Gegenstand wissenschaftlicher Auseinandersetzungen.210 Beide Ansätze sind in der Praxis mit Fehlern verbunden.211 Während die Ex-ante-Regulierung tendenziell Gefahr läuft auch dann zu regulieren, wenn ein Eingriff überflüssig ist (Fehler erster Ordnung), unterbleiben bei der Ex-post-Aufsicht tendenziell eher Interventionen, auch wenn sie vorteilhaft wären (Fehler zweiter Ordnung).
209
210
211
Für eine Zusammenfassung der Unterschiede und Bewertung spezifischer Vor-/Nachteile vgl. z. B. Canoy et al. (2004), S. 218 ff. Die Entscheidung zwischen Ex-post-Aufsicht und Ex-ante-Regulierung hat bspw. in der Elektrizitätswirtschaft für viele Diskussionen gesorgt, vgl. etwa Brunekreeft, Keller (2001); Brunekreeft (2002); Böge, Lange (2003). Vgl. Haucap, Kruse (2004). Die Autoren erarbeiten in ihrem Aufsatz Kriterien zur Beurteilung der institutionellen Ausgestaltung.
3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
83
3.3.1.2 Festlegung von Zugangspunkten Netzzugang setzt voraus, dass Zugangspunkte zur Netzinfrastruktur des etablierten Unternehmens definiert werden. In leitungsgebundenen Netzindustrien wie etwa Strom und Gas ist das verhältnismäßig einfach: Die Netz- bzw. Infrastrukturebene lässt sich „natürlich“ von den übrigen Produktionsprozessen separieren. Beispielsweise ist die Stromerzeugung in Kraftwerken ein eigener Vorgang, der klar gegen den Betrieb des Übertragungs- und des Verteilnetzes abgegrenzt werden kann.212 Beim Briefbeförderungssystem existiert keine vergleichbare Trennung zwischen Netz und Produktion: Dienste- und Infrastrukturebene sind eng miteinander verwoben. Die Leistungsfähigkeit des Netzes determiniert die Eigenschaften der erstellten Dienste (v. a. Qualität). Die Zugangsmöglichkeiten zum Briefbeförderungssystem müssen sich folglich an den Prozessen der Leistungserstellung (Produktion) orientieren. Wie in Kapitel 2.3 erläutert, besteht die postalische Wertschöpfungskette aus den Produktionsstufen Einsammlung, Sortierung (Abgang und Eingang), Transport (Vorlauf, Hauptlauf, Nachlauf) und Zustellung. Zwischen diesen Stufen befinden sich Netzknoten. Sie bilden potenzielle Schnittstellen zum Einspeisen von Sendungen. In der Praxis sind vor allem die Briefzentren (BZA und BZE) sowie die Zustellstützpunkte (ZSP) als Zugangspunkte relevant.213 Abbildung 10 illustriert die Zugangspunkte zum Netz des etablierten Unternehmens und den Sendungsfluss:
212
213
Diese eindeutige Trennung zwischen dem Netz und den übrigen Wertschöpfungsstufen hat dazu geführt, dass Gas- und Stromnetze informatorisch, organisatorisch und rechtlich getrennt sind. Dies bezieht sich auf das Regelnetz. In Bezug auf das Bedarfsnetz für Massensendungen (vgl. 2.3.2) sind auch die Depots als Zugangspunkte relevant.
3 Netzzugang und Regulierung
84 Abbildung 10: Zugangsmöglichkeiten und Sendungsfluss Wertschöpfungsstufen
Netzknoten und Sendungsfluss DPAG
Sendungsfluss Wettbewerber
Relevante Zugangspunkte in der Praxis
Annahme/ Einsammlung Briefkästen
Filiale
Großannahme
Transport Abgangssortierung
BZA
Transport Eingangssortierung Transport
BZE
ZSP
ZSP
ZSP
Zustellung* *
inklusive Zustellvorbereitung
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis WALLER (2002)
Teilweise wird im Hinblick auf die Position der Netzzugangspunkte zwischen vorgelagertem (Upstream-) und nachgelagertem (Downstream-)Netzzugang unterschieden. Dabei werden alle Wertschöpfungsstufen bis zur Zustellung als vorgelagert bezeichnet, die Zustellung als nachgelagert.214 Diese Unterscheidung lehnt sich an die Liberalisierungspraxis in den USA an. Dort sind die Upstream-Stufen (Einsammlung, Transport, Sortierung) für den Wettbewerb geöffnet, während die Zustellung, der Downstream-Bereich, ausschließlich der staatlichen Postgesellschaft USPS vorbehalten ist. Da in der EU und Deutschland alle Wertschöpfungsstufen für den Wettbewerb geöffnet sind, kann auf eine solche Unterscheidung verzichtet werden. In Anlehnung an die Diktion der EU-Kommission wird in dieser Arbeit die Einspeisung von Sendungen in das Netz des etablierten Unternehmens an einem Punkt hinter der Annahme/Einsammlung stets als abwärtsgerichteter Zugang (Downstream Access) bezeichnet.215
214 215
Vgl. CtCon (1998), S. 11. In den USA dagegen wird mit Downstream Access die Einspeisung in die Zustellung von USPS bezeichnet; Zugang auf den vorgelagerten Wertschöpfungsstufen wie der Sortierung heißt dort Upstream Access.
3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
85
3.3.1.3 Standardisierung von Netzübergängen Netzzugang bedeutet, dass verschiedene Teilnetze zusammengeschaltet werden. Im Briefsektor bedeutet dies die Übergabe von Sendungen. Neben der Festlegung von Zugangspunkten (3.3.1.2) sind Standards für die Übergabe zu definieren.216 Die Standards sollen sicherstellen, dass die vom Netzzugangsnutzer eingespeisten Sendungen im Beförderungssystem der etablierten Postgesellschaft weiter verarbeitet werden können. Folgende Festlegungen erscheinen dazu zwingend notwendig:217 - übereinstimmende Adressangaben, d. h. vor allem die Übernahme des bestehenden Postleitzahlensystems durch Neuanbieter, - einheitliche Format- und Gewichtsgrenzen für die einzelnen Sendungskategorien, - standardisierte Vorgaben für das Aufbringen von Anschriften, insb. Codierungen und - wertschöpfungsspezifische Vorleistungen (z. B. Grad der Vorsortierung). Allerdings stellen diese Standards lediglich sicher, dass eine Zusammenschaltung der Teilnetze funktioniert. Nicht gewährleistet wird, dass die Teilnetze in effizienter Weise bei der Erstellung der Dienstleistung zusammenarbeiten. Nur wenn die verwendeten Produktionssysteme kompatibel sind, lassen sich Sendungen ohne (erheblichen) Zusatzaufwand einspeisen. Dies betrifft in der Praxis vor allem die Abstimmung von Zeitfenstern für die Sendungsübergabe. Zu klären ist auch, welche Sendungsmenge an welchem Ort übergeben wird. Denkbar ist darüber hinaus das Vereinbaren von Qualitätszielen für die Teilnetze, damit gegenüber dem Sender ein Qualitätsversprechen möglich wird. Dies bedürfte jedoch entsprechender Verfahren zur Qualitätskontrolle. Außerdem ist ein Verfahren zur Entgeltsicherung notwendig. 3.3.1.4 Bestimmung von Zugangsentgelten Die Regulierung von Netzzugangsentgelten ist Gegenstand einer Vielzahl ökonomischer Arbeiten.218 In der Post-Literatur gibt es bisher keine einheitliche Meinung, wel-
216 217 218
Vgl. Borrmann (1995), S. 109 f. Vgl. Elsenbast (1999), S. 57 und zum letzten Punkt Pieper, Stumpf (1996), S. 272. Grundlegende Arbeiten ohne direkten Bezug zum Postmarkt stammen von Baumol, Sidak (1994); Laffont, Tirole (1996); Armstrong et al. (1996); Armstrong, Vickers (1998); Laffont et al. (1998); Curien et al. (1998).
3 Netzzugang und Regulierung
86
che Preissetzungsregel unter welchen Prämissen wann vorteilhaft ist. Die Bestimmung der Entgelte ist Gegenstand ausführlicher Diskussionen.219 Auf eine ausführliche Darstellung wird hier verzichtbar, da in Kapitel 3 die Frage beantwortet werden soll, ob ein regulierter Netzzugang aus wettbewerbstheoretischer Sicht gerechtfertigt ist und nicht, wie er konkret ausgestaltet werden soll. Im Folgenden werden die grundlegenden Preissetzungsmechanismen kurz erläutert.220 Die Regulierung von Netzzugangsentgelten kann entweder über eine Preishöhenkontrolle oder explizit, d. h. in Form von Einzelpreisgenehmigungen, erfolgen. Bei der Preishöhenkontrolle, d. h. die Einführung von sog. Price-Caps, darf die Preisentwicklung eines Produktkorbs – oder auch mehrerer Körbe – von Teilleistungen die Preissteigerungsrate der Inputfaktoren minus Faktor X (für den Produktivitätsfortschritt des regulierten Bereichs) nicht übersteigen. Dies löst einen Anreiz für das regulierte Unternehmen aus, mit der Kostenentwicklung unterhalb des zu erlaubten Preispfads zu bleiben. Ein weiterer Vorteil von Price-Caps besteht darin, dass der Regulierungsaufwand nach der Einführung gering ist, also auch die direkten Kosten der Preisregulierung (z.B. für Kontrolle). Allerdings muss der Regulierer über eine genaue Einschätzung der tatsächlichen Kosten der in einem Korb (oder in mehreren Körben) zusammengefassten Teilleistungen verfügen. Damit steht er – zumindest zu Beginn einer Regulierungsperiode – hinsichtlich der Bestimmung eines adäquaten Ausgangsentgeltniveaus vor den gleichen Herausforderungen wie bei der Einzelpreisgenehmigung.221 Bei der Festlegung expliziter Netzzugangsentgelte (Einzelpreisgenehmigung) wird zwischen vier Alternativen unterschieden, wobei die Wahl davon abhängt, welche Kostendaten vorliegen und welche Ziele der Regulierer verfolgt: - Ramsey-Tarife - ECP-Regel
219
220 221
Vgl. etwa Billette de Villemeur et al. (2003); Billette de Villemeur et al. (2004); De Donder et al. (2004); De Donder et al. (2006); Hill, Robinson (2006); Billette de Villemeur et al. (2007); Bloch, Gautier (2008). Neben der Festlegung von Zugangsentgelten durch die Regulierungsbehörde ist auch eine Preisbildung im Zuge von Verhandlungen unter den Marktteilnehmern denkbar. Im Falle fehlender Marktmacht sind Verhandlungslösungen zu bevorzugen, da sie zu wohlfahrtsoptimalen Ergebnissen führen. Vgl. ausführlicher Elsenbast (2001), S. 25ff. Vgl. ausführlicher Laffont, Tirole (1996); Vogelsang (2003).
3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
87
- Delivery-Area Access Pricing - Kostenorientierte Preissetzung. Ramsey-Preise kommen in Betracht, wenn eine Grenzkostenpreissetzung auf Grund zunehmender Skalenerträge ausscheidet. Ramsey-Tarife zielen auf eine unter diesen Umständen wohlfahrtsoptimale Preissetzung im Sinne allokativer Effizienz222, indem sie Fix- und Gemeinkosten auf Güter mit unterschiedlichen Elastizitäten zuteilen: Das preisunelastischere Gut hat einen höheren Anteil an Fix- und Gemeinkosten zu tragen. Da die Anwendung die Kenntnis der Elastizitäten und Substitutionsbeziehungen zwischen den Gütern voraussetzt, erfordert sie einen hohen ökonometrischen Aufwand. Unter Berücksichtigung der in der Realität unsicheren Wettbewerbs- und Substitutionsbeziehungen erscheint sie nicht praxistauglich. Die Efficient Component Pricing Rule, kurz ECP-Regel, besagt, den Preis für den Netzzugang gleich den durchschnittlichen inkrementellen Kosten der Teilleistung plus den Opportunitätskosten der Netzzugangsgewährung zu setzen.223 Sie gewährleistet statische Produktionseffizienz, da nur Unternehmen in den Markt eintreten können, die auf der Teilleistungsebene effizienter als das etablierte Unternehmen produzieren. Ein weiterer Vorteil ist die Einfachheit der Regel. Allerdings muss der Regulierer in der Lage sein, die durchschnittlichen inkrementellen Kosten der Teilleistung hinreichend genau zu verifizieren. Entsprechend wird das Netzzugangsentgelt in der praktischen Auslegung der ECP-Regel meist ausgehend vom einheitlichen Preisniveau der End-zuEnd-Dienstleistung festgelegt minus den wegfallenden Kosten für den nicht mehr vom Incumbent erbrachten Teil der Wertkette (sog. Avoided Cost Pricing). Geographische Kostenunterschiede in der Zustellung bleiben dann bei bestehendem Einheitspreis unberücksichtigt und erlauben – im Fall der vollständigen Marktöffnung – Rosinenpicken, d.h. Marktneulinge nutzen den Netzzugang in dünn besiedelten Gebieten, die hohe Kosten in der Zustellung verursachen, und stellen Sendungen in Gebieten mit hoher Dichte selber zu.224
222
223 224
Präziser: Die Ramsey-Regel ermöglicht die Realisierung optimaler Preise im Sinne eines „Second-Best“. Für eine formale Definition vgl. Kapitel 5.3.2. Eine formale Herleitung des Problems findet der Leser bei Armstrong (2001).
3 Netzzugang und Regulierung
88
Eine Lösung für dieses Problem bietet das sog. Delivery-Area Access Pricing. Dabei ist das Zugangsentgelt vom Zustellungsziel der Sendungen abhängig. Demnach unterscheidet sich der Preis der Teilleistung selbst bei identischen Wegfallkosten auf den dem Netzzugang vorgelagerten Wertschöpfungsstufen. Ein entsprechendes Entgeltregime wurde in Großbritannien bei Öffnung des Marktes eingeführt.225 Bei einer kostenorientierten Preissetzung für Preise von Teilleistungen wird ein einheitlicher kostenorientierter Maßstab für den Netzzugang gewählt und ein Zuschlag zur Deckung der Gemeinkosten benutzt. Ein wesentlicher Vorteil liegt darin, dass die Annahmen zur Festlegung des Zugangspreises in einem analytischen Kostenmodell hinterlegt sind, also hohe Transparenz erzeugt wird. Andererseits wird damit eine Genauigkeit suggeriert, die nicht gegeben ist – die Bestimmung von Kosten ist abhängig von ihrer betriebswirtschaftlichen Bewertung, die weite Gestaltungsspielräume eröffnet. Vor allem die Zurechnung von Gemeinkosten gestaltet sich in der Praxis kompliziert.226 3.3.2 Netzzugangsregulierung in Deutschland Laut PostG ist ein marktbeherrschendes Briefdienstleistungsunternehmen verpflichtet, sein Netz für Kunden und Wettbewerber zu öffnen. Allerdings bestand diese Verpflichtung – im Gegensatz zu entsprechenden Regelungen in den Bereichen Telekommunikation, Eisenbahn und Energie – gegenüber Wettbewerbern nur unter bestimmten Voraussetzungen. Im Jahr 2005 hat das Bundeskartellamt (BKartA) entschieden, dass auch Wettbewerber einen Netzzugangsanspruch gegenüber der DPAG geltend machen können, weil eine Unterscheidung zwischen Kunden und Wettbewerbern eine unzulässige Diskriminierung darstelle. Dieser Entscheidung ist keine Prüfung der im PostG genannten Voraussetzungen vorausgegangen. Vielmehr waren wettbewerbsrechtliche Erwägungen ausschlaggebend. In Kapitel 3.3.2.1 werden die postgesetzlichen Vorgaben zum Netzzugang und ihre juristische Interpretation dargestellt. Anschließend wird die Entscheidung des BKartA wiedergegeben, die die Grundlage für die derzeit geltende Netzzugangspflicht bildet
225 226
Vgl. Crew, Kleindorfer (2002a) und Hill, Robinson (2006). Zu Schwierigkeiten der Kostenzurechnung bei Briefdiensten vgl. Robinson et al. (2006); Rogerson, Takis (1993).
3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
89
(3.3.2.2). Am Ende des Kapitels (3.3.2.3) werden die Netzzugangskonditionen beschrieben und mit den Vorgaben anderer EU-Staaten verglichen. 3.3.2.1 Rechtliche Vorgaben In Deutschland ist ein verpflichtender Netzzugang im PostG verankert. Der Gesetzgeber spricht in diesem Zusammenhang vom Angebot von Teilleistungen: Nach § 28 Abs. 1 PostG hat ein marktbeherrschender Lizenznehmer Teile der von ihm erbrachten Beförderungsleistung gesondert anzubieten. Die Angebotspflicht geht mit einem Kontrahierungszwang einher, so dass eine Verpflichtung zum Erbringen von Teilleistungen besteht (Teilleistungspflicht).227 Der Teilleistungspflicht unterliegen allerdings nur marktbeherrschende Unternehmen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt trifft dies nur auf die DPAG zu. Die Regelung gilt ferner nur für den lizenzierten Bereich, umfasst also Briefsendungen bis 1000 Gramm und entspricht damit der Briefmarktabgrenzung dieser Arbeit. Grundsätzlich besteht die Verpflichtung zudem nur, wenn dies wirtschaftlich zumutbar ist (§ 28 Abs. 1 S. 1 PostG). Außerdem kann nach § 28 Abs. 1 S. 3 die Teilleistung verweigert werden, wenn dadurch die Funktionsfähigkeit der Einrichtungen oder die Betriebssicherheit gefährdet würde oder wenn die Kapazitäten erschöpft sind.228 Worauf bezieht sich nun die Pflicht, Teile der Beförderungskette gesondert zu erbringen? Der Begriff der Teilleistung wird im PostG nicht definiert.229 Allerdings nimmt die Regierungsbegründung Bezug auf den Beförderungsbegriff. Das Befördern umfasst die gesamte Wertschöpfungskette vom Absender zum Empfänger. Entsprechend beschränken sich Teilleistungen auf Leistungen zwischen dem Anfangs- und Endpunkt der vom marktbeherrschenden Lizenznehmer erbrachten Beförderungskette. Konkret ist eine Teilleistung demnach „die um die Eigenleistung des Nachfragers reduzierte restliche Leistung einer ansonsten als Ganzes angebotenen lizenzpflichtigen Beförderungsleistung.“230 Damit der Netzeigentümer also eine Teilleistung anbieten kann, 227
228 229 230
Vgl. Gerstner (2004), S. 696 f. Ausführliche juristische Auslegungen der Vorschrift finden sich bei Gerstner (2004); Werthmann (2004), S. 192 ff. Zur verfassungsmäßigen Beurteilung vgl. Staab (2000). Eine ausführliche Darstellung der Abwägungsgründe findet sich bei Gerstner (2004), S. 698 ff. Vgl. dazu und zum Folgenden detailliert ebda., S. 697 f. Bundesnetzagentur (2006a), S. 107.
90
3 Netzzugang und Regulierung
muss der Netzzugangsnutzer eine teilleistungsrelevante Eigenleistung erbringen. Daraus ergibt sich erstens, dass der Vor- und Nachbereitung dienende Handlungen (z. B. Kurvertieren) keine teilleistungsrelevanten Eigenleistungen darstellen, zweitens, dass Tätigkeiten, die sich auf die Gegenleistung der Beförderungskette beziehen (z. B. Frankierung mit Briefmarken), ebenfalls keine teilleistungsrelevanten Eigenleistungen darstellen und schließlich drittens, dass der konkrete Anfangs- und Endpunkt der Beförderungsleistung abhängt vom betrachteten Produkt.231 Außerdem wurde durch die richterliche Rechtsprechung festgelegt, dass die Teilleistungsfähigkeit davon abhängt, ob dadurch Kosteneinsparungen beim Teilleister erzielt werden. Wenn durch die Eigenleistung des Nachfragers nach Teilleistung beim Netzeigentümer keine oder nur marginale Kostenvorteile entstehen, dann ist die Eigenleistung nicht teilleistungsrelevant.232 Aus dem Gesetzestext geht nicht hervor, welche Schnittstellen ein marktbeherrschender Lizenznehmer als Zugang zum Netz schaffen muss. Theoretisch wäre es möglich, eine Vielzahl teilleistungsrelevanter Betriebsschritte zu definieren. Die juristische Literatur geht allerdings davon aus, dass dies nicht vom Gesetzgeber intendiert gewesen ist.233 Demnach müssen Schnittstellen dort geschaffen werden, wo sie technisch und organisatorisch möglich und zumutbar sind. Dabei ist von der tatsächlichen Produktionsstruktur des Netzeigentümers auszugehen. Der Gesetzgeber legt in § 28 Abs. 2 PostG außerdem Maßstäbe zur Bestimmung der Netzzugangsentgelte fest.234 Im Wesentlichen unterliegt der Zugangsverpflichtete den in Abschnitt 5 des PostG kodifizierten Entgeltregulierungsvorschriften. Demnach bedürfen Entgelte eines marktbeherrschenden Unternehmens einer Ex-anteGenehmigung durch die Regulierungsbehörde (§ 19 PostG). Seit der vollständigen Marktöffnung gilt der Genehmigungsvorbehalt nicht mehr für solche Beförderungsleistungen, die eine Mindesteinlieferungsmenge von mehr als 50 Sendungen vorse-
231
232 233
234
Vgl. Gerstner (2004), S. 697 f. Beispiel: Wenn wie im Fall von Infopost die Produktdefinition die Einlieferung in einer Großannahmestelle vorschreibt, stellt die Abholung beim Versender und die Einlieferung bei der DPAG keine teilleistungsrelevante Eigenleistung dar, weil kein Teil der Beförderungsleistung des spezifischen Produkts erbracht wurde. Vgl. ebda., S. 698; Werthmann (2004), S. 202 ff. Vgl. dazu und zum Folgenden Herdegen (2002), S. 34 f.; Werthmann (2004), S. 195 ff.; Gerstner (2004), S. 701 f. Vgl. ausführlich Gerstner (2004), S. 713 ff.
3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
91
hen.235 Entgelte für diese Dienste unterliegen nach § 25 PostG einer Ex-postKontrolle. Die bei Genehmigung und Kontrolle anzulegenden Maßstäbe gehen allerdings über die allgemeinen Vorgaben hinaus: Grundsätzlich müssen sich die Entgelte an den Kosten der „effizienten Leistungsbereitstellung“236 orientieren. Nach § 28 Abs. 2 S. 3 PostG sind bei Teilleistungen zusätzlich die anteiligen Kosten der gesamten Beförderungskette angemessen zu berücksichtigen. Dadurch soll sichergestellt werden, dass das zugangsverpflichtete Unternehmen weiterhin die Kosten für der Teilleistung vor- oder nachgelagerte Dienste decken kann und außerdem Wettbewerbern keine Möglichkeit eingeräumt wird, nur die kostenungünstige Zustellung in dünn besiedelten Gebieten als Teilleistung zu einem bundesweit einheitlichen Durchschnittspreis in Anspruch zu nehmen. Auch Kosten für die Schaffung von Schnittstellen sind zu berücksichtigen. Bei der Entgeltfestsetzung kommen zwei Verfahren in Frage: Einzelgenehmigung für einzelne Postdienste oder Price-Cap-Verfahren für einen Korb zusammengefasster Dienste. Das PostG unterscheidet im Hinblick auf die Teilleistungspflicht – also den verpflichtenden Netzzugang – zwischen Kunden einerseits und Wettbewerbern andererseits. Während die Teilleistungspflicht gegenüber Kunden relativ weit gefasst ist, unterliegt sie gegenüber Wettbewerbern engen Grenzen.237 Eine Verpflichtung gegenüber Wettbewerbern besteht laut PostG nur, „wenn ansonsten Wettbewerb auf demselben oder einem anderen Markt unverhältnismäßig behindert würde.“238 Die grundlegende Unterscheidung zwischen Kunden und Wettbewerbern folgt aus der zweifachen Zielsetzung, die der Gesetzgeber mit dieser Vorschrift verfolgt. Nach der Regierungsbegründung zum PostG dient die Vorschrift in erster Linie dazu, Kunden die Möglichkeit einzuräumen, Teile der Beförderungsleistung in Eigenregie auszufüh235
236
237 238
Vgl. § 19 S. 2 PostG. Entgelte für Teilleistungen, die nicht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten sind, unterliegen nach § 28 Abs. 2 S. 2 PostG stets einer Ex-post-Kontrolle. Zur Bestimmung oder Kontrolle von Zugangsentgelten verfügt die Regulierungsbehörde über weitreichende Informationsrechte (vgl. § 26 PostG). § 20 Abs. 1 PostG. Vgl. dazu ausführlich Lübbig et al. (2004), S. 509 ff. Nach der PostEntgeltverordnung sind darin neben den direkt und indirekt zurechenbaren Kosten auch Aufschläge für eine angemessene Eigenkapitalrendite sowie für Altlasten aus der Nachfolge der Bundespost zu berücksichtigen. Vgl. dazu und zum Folgenden ausführlich Gerstner ebda., S. 702 ff. § 28 Abs. 1 Satz 2 PostG. Dort ist auch festgelegt, dass das nachfragende Unternehmen nicht marktbeherrschend sein dar f.
92
3 Netzzugang und Regulierung
ren, wenn sie die Vorleistungen kostengünstiger erbringen können.239 Dadurch wollte der Gesetzgeber den von ihm damals als noch unzureichend bezeichneten Grad der Arbeitsteilung erhöhen. In zweiter Hinsicht zielt die Vorschrift darauf ab, Wettbewerbern „in sehr engen Grenzen“240 einen Zugang zum Netz des etablierten Unternehmens zu ermöglichen, falls andernfalls die Entstehung und Entwicklung wettbewerblicher Strukturen verhindert würde. Mit der Teilleistungspflicht gegenüber Kunden wird also ein verbraucherschutzpolitisches Ziel verfolgt, während die Verpflichtung zum Angebot von Teilleistungen gegenüber Wettbewerbern wettbewerbspolitisch motiviert ist. Da diese Arbeit auf den Zusammenhang von Wettbewerb und Netzzugang fokussiert, soll die Teilleistungsverpflichtung gegenüber Kunden im Weiteren nicht näher betrachtet werden.241 Interessant ist dagegen, wie die Teilleistungsverpflichtung gegenüber Wettbewerbern zu verstehen ist. Leitfaden für die Auslegung des § 28 PostG gegenüber Wettbewerbern muss nach der Auffassung von Rechtswissenschaftlern stets die Vorgabe des Gesetzgebers sein, den Teilleistungszugang nur in „sehr engen Grenzen“ zu gewähren.242 Dabei sind neben den eingangs erwähnten allgemeinen Einschränkungen der Teilleistungsverpflichtung (z. B. Gefährdung der Betriebssicherheit) vor allem zwei Aspekte zu berücksichtigen: erstens die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit und zweitens die Frage einer unverhältnismäßigen Wettbewerbsbehinderung.243 - Die Frage der wirtschaftlichen Zumutbarkeit stellt auf unternehmensindividuelle Aspekte ab. Wirtschaftlich unzumutbar ist die Teilleistungsverpflichtung, wenn das
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BT-Drs. 13/7774, S. 27. Damit stellt die Vorschrift eine Fortführung der schon vor dem PostG bestehenden Entbündelungspflicht aus § 5 PKV dar. ebda., S. 27. Der Gesetzgeber stellt den Teilleistungszugang für Wettbewerber an dieser Stelle durch Bezugnahme auf den Begriff „Bottleneck-Ressourcen“ in einen Bezug zur EssentialFacilities-Doktrin. Kunden stellen per definitionem keine Wettbewerber dar. Die Frage, ob ihnen der Aufbau eines eigenen Beförderungssystems möglich und zumutbar wäre, spielt keine Rolle. Teilleistungen dienen ihnen lediglich der Realisierung von Kostenvorteilen. So auch das Verwaltungsgericht Köln in einem Urteil vom 10.4.2001. Vgl. dazu Gerstner (2004), S. 707. Vgl. ebda., S. 708. Beide stellen eine Ausprägung des Verhältnismäßigkeitsprinzips dar, vgl. Werthmann (2004), S. 236. Zu den verfassungsrechtlichen Schranken einer Teilleistungspflicht vgl. Herdegen (2002), S. 21 ff. Er kommt dabei zu dem Ergebnis, dass die Gewährung von Teilleistungen unerlässlich sein muss, um funktionsfähigen Wettbewerb zu ermöglichen – eine Erleichterung des Wettbewerbs reiche in diesem Zusammenhang nicht aus.
3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
93
verpflichtete Unternehmen zu umfassenden Investitionen oder zur Offenlegung von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen gezwungen wird oder die Betriebsabläufe nachhaltig behindert werden.244 Nach der Gesetzesbegründung soll der Zugangsverpflichtete durch das Teilleistungsangebot im Vergleich zu einer Situation ohne Zugang nicht schlechter gestellt werden. Nach Immenga (2002) ist zudem zu prüfen, ob die Teilleistung vom nachfragenden Unternehmen anderweitig beschafft oder selbst erbracht werden kann.245 - Laut PostG steht die Teilleistungsverpflichtung gegenüber Wettbewerbern unter dem Vorbehalt, dass ohne die Teilleistung der Wettbewerb auf dem vom Zugangsverpflichteten beherrschten Markt oder einem Drittmarkt unverhältnismäßig behindert würde. Eine unverhältnismäßige Behinderung liegt nach Werthmann (2004) vor, wenn die Nichtgewährung eines Teilleistungszuganges den Wettbewerb unmöglich macht oder Wettbewerbern das Tätigwerden bzw. -sein erheblich erschwert wird. Der Vorbehalt bezieht sich dabei nicht auf einen konkreten Wettbewerber, sondern auf den Wettbewerb an sich. Entsprechend ist in Bezug auf die Gewährung von Netzzugang grundsätzlich zu prüfen, ob der Aufbau einer parallelen Infrastruktur für einen dem marktbeherrschenden Lizenznehmer vergleichbaren Wettbewerber unrentabel wäre – nicht jedoch, ob der Aufbau für den Zugangswilligen unrentabel wäre.246 Die deutsche Teilleistungsverpflichtung geht über die Vorgaben der EU-Postrichtlinie hinaus: Die Europäische Union hat darauf verzichtet, eine Teilleistungsverpflichtung anzuordnen. Die neue EU-Richtlinie 2008/6/EG schreibt keinen verpflichtenden Netzzugang vor.247 Der Zugang zum Netz wird in Kapitel 4 geregelt: Art. 11 RL 2008/6/EG räumt dem Europäischen Parlament und dem Rat die Möglichkeit ein, auf Vorschlag der Kommission Harmonisierungsmaßnahmen zu erlassen, mit denen den Nutzern und Anbietern von Universaldienstleistungen der Zugang zum Postnetz unter transparenten und nicht diskriminierenden Bedingungen gewährt wird. Entsprechende 244 245 246
247
Vgl. Herdegen (2002), S. 29 f. Dort finden sich auch entsprechende Entscheidungen der RegTP. Vgl. Immenga ebda., S. 53 ff., ebenso Gerstner (2004), S. 708. Vgl. Herdegen (2002), S. 26 f. Dass die Teilleistungsregel des PostG der Förderung von Wettbewerb diene – wie von der BNetzA behauptet (vgl. Bundesnetzagentur (2007a), S. 118) – ist daher aus Sicht des Autors nicht zutreffend. Vgl. Richtlinie 2008/6/EG. Für eine Zusammenfassung der im Weiteren zitierten relevanten Normen vgl. Montero (2004), S. 322 ff.; Eccles, Kuipers (2006), S. 331 ff.
3 Netzzugang und Regulierung
94
Maßnahmen sind nicht ergangen. Zwar enthält die Richtlinie einen neuen Artikel 11a, der den Zugang zu zentralen postalischen Infrastrukturen und Diensten regelt. Dieser betrifft allerdings explizit nicht den nachgelagerten Zugang zu den Netzbereichen Sortierung und Zustellung.248 Vielmehr erscheint der Kommission die obligatorische Anordnung eines solchen nachgelagerten Zugangs auf Gemeinschaftsebene nicht gerechtfertigt. Entsprechend sollten die bestehenden Regelungen nicht verändert werden. Dies bedeutet, dass die Regulierung von Netzzugang gemäß Subsidiaritätsprinzip in die Verantwortung der Mitgliedstaaten fällt und Maßnahmen nach einzelstaatlichen Erfordernissen getroffen werden können. Lediglich für den Fall, dass Universaldienstanbieter aus eigener Initiative Sondertarife beispielsweise für Geschäftskunden, Massenversender oder Konsolidierer anbieten, wird vorgeschrieben, dass „die Grundsätze Transparenz und Nichtdiskriminierung sowohl für Tarife als auch für die entsprechenden Bedingungen“249 anzuwenden sind. 3.3.2.2 Entscheidung des Bundeskartellamts Der im PostG angelegten grundsätzlichen Unterscheidung zwischen Kunden und Wettbewerbern ist die Regulierungsbehörde in ihrer Spruchpraxis nicht gefolgt: Die Regulierungsbehörde für Telekommunikation und Post (RegTP) als Vorgängerin der BNetzA hat im Jahr 2000 angeordnet, dass die DPAG nicht nur ihren Kunden, sondern auch ihren Wettbewerbern einen Teilleistungszugang anbieten muss. Allerdings erstreckte sich das Zugangsrecht für Wettbewerber nur auf Sendungen, die oberhalb der Preis- und Gewichtsgrenzen der gesetzlichen Exklusivlizenz der DPAG liegen. Damit blieb ein Großteil des Sendungsaufkommens de facto reserviert für die DPAG.250 Dies hat sich durch Beschluss des Bundeskartellamtes (BKartA) vom Februar 2005 geändert. Die Wettbewerbsbehörde hat verfügt, dass gewerbsmäßige Konsolidierer grundsätzlich einen Anspruch auf Teilleistungszugang besitzen. Eine Verweigerung 248
249
250
Vgl. Richtlinie 2008/6/EG. Art. 11a verpflichtet die Mitgliedstaaten unter bestimmten Bedingungen, transparente und nicht diskriminierende Zugangsbedingungen zu Postleitzahlsystem, Adressendatenbank, Hausbriefkästen, Postfächern, Information über Adressänderungen, Umleitungen von Sendungen und Rückleitungen an Absender zu gewährleisten. Art. 12 fünfter Spiegelstrich Richtlinie 97/67/EG. Der fünfte Spiegelstrich wurde durch die Richtlinie 2002/39/EG eingefügt. Aus diesem Tarifierungsgrundsatz lässt sich keine generelle Zugangsverpflichtung ableiten, vgl. Gerstner (2004), S. 693. Die Ausnahme von Sendungen des reservierten Bereichs basierte auf einer entsprechenden Auslegung von § 51 Abs. 1 S. 2 Nr. PostG. Die Auslegung der RegTP findet sich auch im juristischen Schrifttum, vgl. Herdegen (2002), S. 30 ff.; Gerstner (2004), S. 699.
3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
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des Zugangs für Wettbewerber unter Berufung auf die Exklusivlizenz sei nicht möglich.251 Hintergrund war die Praxis der DPAG, auf der Basis der Entscheidung der RegTP von 2000 gewerblichen Konsolidierern den Teilleistungszugang für Briefsendungen unterhalb der Gewichts- und Preisgrenzen der Exklusivlizenz zu verweigern. Dagegen wurde Geschäftskunden und sog. Eigenbeförderungsmittlern – das sind Postdienstleister, die im Auftrag und Namen eines Absenders einliefern – Zugang zu Teilleistungen gewährt und zwar auch für Sendungen, die unterhalb der Gewichts- und Preisgrenzen der Exklusivlizenz liegen. Nach Ansicht des Bundeskartellamts stellt die Verweigerung des Teilleistungszugangs gegenüber Wettbewerbern sowohl einen Verstoß gegen deutsches als auch gegen europäisches Wettbewerbsrecht dar. Im Hinblick auf das deutsche Wettbewerbsrecht stellt es einen Verstoß gegen das Behinderungs- und Diskriminierungsverbot des § 20 Abs. 1 GWB252 fest: Eine Behinderung ergibt sich, weil die DPAG die Wettbewerbsmöglichkeiten gewerblicher Konsolidierer einschränkt, wenn diese nicht die Möglichkeit haben, „Sendungen unterhalb der Gewichtsgrenzen der Exklusivlizenz von mehreren Absendern zu bündeln und diese anschließend nach Leitregionen sortiert bei der DPAG einzuliefern.“253 Eine Diskriminierung liegt vor, weil die DPAG Konsolidierern den Teilleistungszugang und die entsprechenden Rabatte verweigert, die sie anderen Einlieferern gewährt. Gegen europäisches Wettbewerbsrecht verstoße die DPAG ebenfalls: Indem sie gewerblichen Konsolidierern den Teilleistungszugang verweigert, den sie Massenversendern (Kunden) bewährt, wendet die DPAG unterschiedliche Be-
251
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253
Zu den Einzelheiten vgl. Bundeskartellamt (2005). Die DPAG hat gegen die Verfügung geklagt. Die Entscheidung im Hauptsacheverfahren steht noch aus. Die Europäische Kommission hat im Oktober 2004 entschieden, dass § 51 Abs. 1 S. 2 Nr. 5 PostG und die Auslegung durch die BNetzA gegen die europäischen Wettbewerbsvorgaben verstoßen und die Bundesregierung aufgefordert, das PostG zu ändern. Die Bundesregierung hat eine Gesetzesänderung abgelehnt und gegen die Entscheidung Klage erhoben, vgl. Bundesregierung (2004), S. 12; Bundesregierung (2006). Die Vorschrift besagt, dass es marktbeherrschenden Unternehmen verboten ist, andere Unternehmen in einem Geschäftsverkehr, der gleichartigen Unternehmen zugänglich ist, unmittelbar oder mittelbar unbillig zu behindern oder gegenüber gleichartigen Unternehmen ohne sachlich gerechtfertigten Grund unmittelbar oder mittelbar unterschiedlich zu behandeln. Bundeskartellamt (2005), S. 39. Außerdem kommt es zu einer Drittmarktbehinderung, weil Konsolidierer dadurch auch in ihren Möglichkeiten auf dem – abgegrenzten – Markt für postvorbereitende Dienste eingeschränkt werden, vgl. Bundeskartellamt (2005), S. 33. Die Vorlagepflicht ist in § 30 Abs. 1 PostG normiert. Sie dient dazu, der Regulierungsbehörde einen Überblick über die Marktentwicklung zu verschaffen. Eine Genehmigung oder Kontrolle findet nicht statt.
3 Netzzugang und Regulierung
96
dingungen gegenüber Handelspartnern an, die gleichartige Leistungen erbringen. Dies verstößt gegen Art 82 EG (dort im Beispielkatalog gegen S. 2 lit c).254 Das Bundeskartellamt hat seine Verfügung für sofort vollziehbar erklärt. Diese Anordnung wurde vom OLG Düsseldorf mit Beschluss vom 13. April 2005 bestätigt, so dass keine aufschiebende Wirkung besteht. Die BNetzA hat daraufhin die für die Konsolidierung notwendigen Lizenzen (sog. E-Lizenz) erteilt bzw. bestätigt.255 Entsprechend bietet die DPAG seit April 2005 auch gewerbsmäßigen Konsolidierern einen Teilleistungszugang an. Die DPAG ist gesetzlich verpflichtet, alle Teilleistungsverträge der BNetzA vorzulegen. Die Netzzugangsbedingungen für Wettbewerber entsprechen denen für Kunden (vgl. dazu das nächste Kapitel). Abweichungen sind nur möglich, wenn eine sachliche Rechtfertigung vorliegt. Dies wird von der BNetzA überprüft.256 3.3.2.3 Netzzugangskonditionen Grundsätzlich obliegt die Festlegung der Zugangsbedingungen den Marktteilnehmern. Wie im vorangegangenen Kapitel beschrieben, sind im konkreten Fall die Zugangsbedingungen von der Regulierungsbehörde im Rahmen ihrer besonderen Missbrauchskontrolle angeordnet worden. Dies betrifft auch die Zugangsentgelte.257 Der Zugang zum Netz der DPAG ist im Rahmen von Teilleistungen auf zwei Ebenen möglich, zum einen bei der Einlieferung in den Abgangsbriefzentren (BZA), zum anderen in den Eingangsbriefzentren (BZE).258 Ein verpflichtender Zugang zur untersten Netzebene, den Zustellstützpunkten, besteht nicht. Die DPAG hat die seit 2000 geltenden Teilleistungsbedingungen nach der Entscheidung durch das BKartA auf gewerbsmäßige Konsolidierer übertragen. Die Einlieferungsbedingungen und Rabatte sind in Abbildung 11 zusammengefasst.
254 255 256 257
258
Vgl. Bundeskartellamt (2005), S. 52. Vgl. Bundesnetzagentur (2007a), S. 118. Vgl. Bundesnetzagentur (2006a), S. 113. Seit 2003 unterliegen Teilleistungen der Price-Cap-Regulierung nach § 21 Abs. 1 PostG. Sie sind in einem eigenen Korb (Korb T) zusammengefasst. Im Bereich Werbepost gibt es nur einen Zugang zum BZE.
3.3 Ausgestaltung von Netzzugangsregulierung im Briefmarkt
97
Abbildung 11: Einlieferungsbedingungen und Rabatte von Teilleistungen BZA Ort
BZE BZ-Großannahmestellen (82)
Zeitpunkt
Während der Öffnungszeiten bis spätestens 15:00 Uhr
Während der Öffnungszeiten bis spätestens 1 Stunde vor Ende
Preisnachlass** in Prozent
25 BZE
21%
20 Mindestmenge*
5.000
18%
BZA
500 14%
15 Format
Alle Formate 10%
Freimachung
• DV-Freimachung • Absenderfreistemplung • Frankierservice
10 6%
5 Vorsortierung
Leitregion
Qualität
Maschinenlesbar
3%
0 0 500
Vorankünd.
> 25.000 Sdg. ein Werktag
5.000
10.000
15.000 20.000
25.000
30.000
35.000
Anzahl Sendungen
>1.000 Sdg. ein Werktag
*Je Basisprodukt ** Beinhaltet 1 % für DV-Freimachung bzw. AFM; voller Teilleistungsrabatt bei Frankierservice
Quelle: BUNDESKARTELLAMT (2005).259
Um den Teilleistungszugang zu nutzen, müssen Kunden und Wettbewerber gemäß AGB bestimmte Voraussetzungen erfüllen (vgl. Abb. 11). Dies betrifft u. a. die Anzahl mindestens einzuliefernder Sendungen (Mindestmenge), die Art der Frankierung (Freimachung), den Grad der Vorsortierung und die Uhrzeit der Einlieferung. Vor allem die Vorsortierung stellt eine unabdingbare Vorleistung dar, da andernfalls eine reibungslose Weiterverarbeitung nicht möglich wäre. Zudem würde sich dann die teilleistungsrelevante Eigenleistung ausschließlich auf die Einsammlung beziehen. In Bezug auf die Vorgabe konkreter Einlieferungszeiten können sich Abweichungen ergeben, da das Produktionssystem eine möglichst kontinuierliche Sendungszuführung benötigt. Eine entsprechende Differenzierung von Einlieferungszeiten zwischen verschiedenen Einlieferern wurde von der BNetzA als sachlich begründet anerkannt.260
259
260
Die AGB veröffentlicht die DPAG nur ggü. Nachfragern. Die Angaben beziehen sich auf Teilleistungen für Transaktionspost. Für Werbepost gelten abweichende Bedingungen. Vgl. Bundeskartellamt (2005), S. 8; WIK (2005b), S. 37 ff. Bundesnetzagentur (2006a), S. 113.
3 Netzzugang und Regulierung
98
Die DPAG gewährt für Teilleistungen Rabatte zwischen 3 und 21 % auf das Engelt der End-zu-End-Dienstleistung (Briefporto). Für die Einlieferung von Sendungen in Abgangsbriefzentren besteht eine mengenabhängige Rabattstaffelung. Dies macht die gewerbsmäßige Konsolidierung attraktiv, weil durch die Zusammenfassung von Sendungen verschiedener Absender auch Versender mit geringem Briefaufkommen von Rabatten profitieren können. Inwiefern und in welcher Höhe den verordneten Preisnachlässen auch Kostenersparnisse im Netzbetrieb gegenüberstehen, – diese Realisierung von Kostenersparnissen stellt eine Bedingung für die Teilleistungsrelevanz von Vorleistungen dar –, ist nicht bekannt: Der RegTP lagen seinerzeit keine prüffähigen Kostenunterlagen vor, so dass die Zugangsentgelte auf der Basis öffentlich zugänglicher Angaben geschätzt wurden.261 Bereits vor der Anordnung gewährte Entgeltnachlässe stellen lediglich Indizien für die Kostenwirkung von Vorleistungen dar, da sie auch andere Ursachen haben können, wie etwa Mengenrabatte.262 3.3.2.4 Deutsche Situation im europäischen Vergleich Deutschland ist der einzige EU-Mitgliedstaat, in dem ein ex ante regulierter Netzzugang im Briefmarkt existiert.263 In sieben Staaten sind die jeweiligen nationalen Regulierungsbehörden vom Gesetzgeber befugt, einen Zugang zum Netz des Universaldienstleisters anzuordnen. Neben Deutschland sind dies Dänemark, Frankreich, Großbritannien, Polen und Ungarn. Gebrauch gemacht von diesem Recht haben außer Deutschland lediglich Dänemark und Polen. Allerdings wurden dort die Netzzugangskonditionen nicht von der Regulierungsbehörde festgelegt, sondern basieren auf Verhandlungslösungen zwischen Netzzugangsgewährendem und Nutzer. Auch in Großbritannien bietet Royal Mail einen Zugang zum Netz an, die Bedingungen haben anders als in Deutschland die Marktteilnehmer ausgehandelt. Entsprechendes gilt für Frankreich, wo die staatliche Postgesellschaft La Poste bereits seit 1969 einen Netzzugang anbietet.264
261 262
263 264
WIK (2005b), S. 37. In diesem Sinne hat das Verwaltungsgericht Köln in einem Urteil im Jahr 2000 entschieden. Vgl. dazu Gerstner (2004), S. 698. Vgl. Ecorys (2005b), S. 69 und 183. Für außereuropäische Regelungen vgl. OECD (1999). In Großbritannien ist die Einigung allerdings erst zu Stande gekommen, nachdem die Regulierungsbehörde Postcomm ein Eingreifen angekündigt hatte. In Frankreich wurde 2005 eine unabhängige Aufsichtsbehörde etabliert, vgl. WIK (2006a), S. 64.
3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
99
3.3.2.5 Zusammenfassung Im Hinblick auf den Netzzugang im deutschen Briefmarkt lässt sich festhalten: - Es existiert ein verpflichtender Netzzugang. - Die Verpflichtung gilt entsprechend der Auslegung durch die Regulierungs- und Wettbewerbsbehörde für Kunden und Wettbewerber gleichermaßen. - Anspruchsberechtigte Wettbewerber sind gewerbsmäßige Konsolidierer (ELizenznehmer). - Die Regulierungsbehörde „hat die Bedingungen […] über den Zugang zu sogenannten Teilleistungen durch Anordnung verbindlich festgelegt.“265 Es handelt sich damit um einen ex ante regulierten Netzzugang. Nach 2007 sieht das PostG prinzipiell eine Ex-post-Kontrolle der Entgelte vor. Die Aushandlung der sonstigen Konditionen unterliegt den Marktteilnehmern. Die Regulierungsbehörde hat auch in diesem Bereich die Verpflichtung, einen Marktmachtmissbrauch durch das zugangsgewährende Unternehmen zu unterbinden. - Die Entscheidungen von BNetzA und BKartA, auch Wettbewerbern einen Netzzugang einzuräumen, wurden vor dem Hintergrund eines weitgehend monopolisierten Marktes getroffen. Die Frage, inwiefern ein verpflichtender Netzzugang in einem geöffneten Marktumfeld ökonomisch gerechtfertigt ist, wird durch die Normierung im PostG und die juristische Auslegung des BKartA nicht beantwortet. Dies gilt es daher im folgenden Kapitel zu untersuchen. 3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung Sektorspezifische Regulierungseingriffe wie die Verpflichtung zur Netzzugangsgewährung stellen aus ordnungspolitischer Sicht einen erheblichen Eingriff in den Marktprozess und in die Eigentumsrechte des betroffenen Unternehmens dar. Sie bedürfen in einer Marktwirtschaft einer fundierten Rechtfertigung (vgl. Kapitel 2.3.3). Der vorangegangene Abschnitt hat auf die rechtlichen Aspekte von Netzzugangsregulierung und ihre konkrete wettbewerbspolitische Auslegung durch das Bundeskartellamt abgestellt. Wettbewerbspolitik und Wettbewerbstheorie (synonym: -ökonomie)
265
RegTP (2000). Dies stellt eine Anwendung von § 31 Abs. 2 PostG dar.
3 Netzzugang und Regulierung
100
sind jedoch nicht deckungsgleich: Wettbewerbspolitik umfasst nach SCHMIDTCHEN (2005) die Formulierung und Durchsetzung von Wettbewerbsrecht.266 Wettbewerbstheorie hingegen beschäftigt sich mit der Funktionsfähigkeit von Märkten und basiert auf ökonomischen Theorien. In diesem Zusammenhang kommt der Regulierungsökonomik die besondere Bedeutung zu, Kriterien zur Beurteilung von Bedarf und Wirkung von Regulierungseingriffen bereitzustellen (vgl. KNIEPS (2005)). Regulierungsökonomische Konzepte bilden daher in dieser Arbeit die Grundlage zur Untersuchung des Bedarfs an Netzzugangsregulierung im Briefmarkt (Kapitel 3.5) und werden im Folgenden erläutert. Größenvorteile, Irreversibilitäten und Konsumentenloyalität sind grundlegende Begriffe bei der Diskussion von Netzzugangsregulierung. Sie werden daher im ersten Unterkapitel (Kapitel 3.4.1) erläutert, anschließend die unterschiedlichen Konzepte von Markteintrittsbarrieren (3.4.2). Sie bilden die Grundlage für die wettbewerbstheoretischen Konzepte (3.4.3). Dort steht die Theorie der monopolistischen Bottlenecks im Mittelpunkt (3.4.3.1), die in der Regulierungsökonomik zentrale Bedeutung und Anerkennung besitzt. Mit der Essential-Facilities-Doktrin besitzt sie zudem eine wettbewerbsrechtliche Entsprechung. In Kapitel 3.4.3.2 wird die Bottlenecktheorie um neue Erkenntnisse zur Wirkung nachfrageseitiger Markteintrittsbarrieren erweitert. Dies betrifft Fälle, in denen die Nachfrage träge auf neue Angebote reagiert. Auf den aus der wettbewerbspolitischen Praxis stammenden Ansatz der sog. „entry assistance“ wird an dieser Stelle nicht eingegangen, da die theoretische Fundierung erhebliche Schwächen aufweist. Die Fokussierung auf aktiven Wettbewerb, wie sie in der wettbewerbspolitischen Praxis zu beobachten ist, wird jedoch in Kapitel 4 aufgegriffen. 3.4.1 Grundlagen Um im weiteren Verlauf dieser Arbeit untersuchen zu können, ob Netzzugangsregulierung auf dem deutschen Briefmarkt geboten ist, werden in diesem Grundlagenkapitel
266
Die ökonomische Fundierung von Wettbewerbspolitik ist unterschiedlich ausgeprägt: Das deutsche Wettbewerbsrecht beispielsweise zielt auf den Schutz des Wettbewerbs als Institution und bedient sich dazu eines strukturorientierten Ansatzes, in dem es Marktmacht anhand von Marktanteilen bestimmt, vgl. Böge (2005), S. 133 ff. In den USA dagegen ist das Ziel von Wettbewerbspolitik (insb. im Kartellrecht) die Erhöhung der Konsumentenwohlfahrt, vgl. Posner (2001); Bork (1993). Sie ist vergleichsweise stark durch ökonomisches Denken geprägt und darum bemüht, neue wettbewerbstheoretische Erkenntnisse aufzunehmen, vgl. Kovacic, Shapiro (2000); Sherman (2001); zur Berücksichtigung neuer Erkenntnisse vgl. Carlton (2003); Muris (2003).
3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
101
die wesentlichen Definitionen von Größenvorteilen, Irreversibilitäten und Konsumentenloyalität dargestellt. 3.4.1.1 Größenvorteile Die Kostenfunktion K(x) eines Unternehmens mit einem einzigen Produkt der Menge x weist Größen- oder Skalenvorteile S auf (economies of scale), wenn K x S
dK x
x
und
S ! 1,
dx
wenn also die Durchschnittskosten – der Zähler – größer sind als die Grenzkosten im Nenner. Folgende Ableitung zeigt, dass die Durchschnittskosten im Zähler mit der Erhöhung des Outputs x im Nenner fallen. Wenn also die Elastizität kleiner 0 mit d §¨ K x ·¸ x¹ © 0, dx
liegen Skalenvorteile vor. Die Elastizität ist Indikator für Skalenvorteile. Bei der Produktion mehrerer Güter lassen sich jedoch keine Durchschnittskosten definieren. Aus diesem Grund wird zur Ermittlung der Mehrprodukt-Größenvorteile das Konzept der produktspezifischen Skalenvorteile angewendet, die anhand der Zusatzkosten (incremental costs) bestimmt werden können.267 Zusatzkosten beschreiben, wie sich die Produktionskosten verändern, wenn zusätzlich ein weiteres Gut produziert wird. Formal lassen sich Zusatzkosten ZK im Zwei-Güter-Fall für das Produkt x1 folgendermaßen definieren ZK1 = ZK (x1x2) = K(x1, x2) - K(0, x2). Dividiert man die Zusatzkosten von x1 durch die Absatzmenge von x1, erhält man die durchschnittlichen Zusatzkosten (DZK1). Sinken diese bei steigendem Output von x1, liegen fallende durchschnittliche Zusatzkosten vor und damit Skalenvorteile im Multi-
267
Eine weitere grundsätzliche Möglichkeit, Skalenvorteile im Multiprodukt-Kontext zu bestimmen, sind abnehmende Durchschnittskosten entlang einer Kostenkurve (declining ray average costs), vgl. Panzar, Willig (1977). Die Methode ist für Briefposten jedoch nicht geeignet, da es keine (produktionstechnisch) fixen Proportionen zwischen unterschiedlichen Briefprodukten gibt.
3 Netzzugang und Regulierung
102
produktkontext. Weist eine Kostenfunktion fallende durchschnittliche Zusatzkosten für alle Produkte auf, ist die Bedingung für Mehrprodukt-Größenvorteile erfüllt. Im Zusammenhang mit Netzwerksektoren ist bezüglich Größen- bzw. Skalenvorteilen allerdings eine weitere Präzisierung notwendig; es ist zwischen horizontalen Skalenvorteilen und vertikalen Skalenvorteilen, die auf Dichteeffekten beruhen, zu unterscheiden.268 Horizontale Skalenvorteile liegen vor, wenn bei einer proportionalen Erhöhung von Ausbringungsmenge und Netzgröße die Stückkosten sinken. Die Erhöhung von Ausbringungsmenge und Netzgröße beschreibt bezogen auf das Briefbeförderungssystem eine Situation, in der Sendungsaufkommen und Anzahl der Abgabestellen gleichermaßen steigen. Dies wäre etwa der Fall, wenn zwei Zustelleinheiten aus unterschiedlichen Regionen organisatorisch zusammengefasst würden. Vertikale Skalenvorteile bzw. Dichtevorteile („economies of density“) sind vorhanden, wenn die Stückkosten bei steigender Ausbringungsmenge und konstantem Netz sinken, wenn also das Sendungsaufkommen einer Region steigt, bei gleichbleibender Anzahl der Abgabestellen. Verbundvorteile liegen vor, wenn die Produktion eines Güterbündels durch ein Unternehmen günstiger ist als eine Aufteilung auf mehrere Unternehmen und deren Spezialisierung auf jeweils ein Produkt. Formal ausgedrückt gilt für den oben beschriebenen Zwei-Güter-Fall K(x1, x2) < K(x1, 0) + K(0, x2). Im Allgemeinen sind economies of scope umso größer, je mehr sich verschiedene Güter in ihren Produktionscharakteristiken und -prozessen gleichen. Die Kombination von Verbund- und Skalenvorteilen ist im Mehrproduktfall die Voraussetzung für Subadditivität und damit für das Vorliegen eines natürlichen Monopols (vgl. Kapitel 2.4.3.1). 3.4.1.2 Irreversibilitäten Bei der Produktion vieler Güter wie Briefdienste müssen Produktionsfaktoren für einen bestimmten Zeitraum bereitgestellt werden. Es hängt von der Länge des Betrachtungszeitraums ab, welche Kosten als fix und welche als variabel einzuordnen sind. Es 268
Vgl. NERA (2004), S. 81 ff.; für die korrekten Definitionen im Mehrproduktfall vgl. Farsi et al. (2006). Diese definitorische Unterscheidung wird bei einigen Vorarbeiten nicht vorgenommen. Skalen- und Dichtevorteile werden synonym verwendet.
3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
103
kommt jedoch eine weitere Eigenschaft der Kosten von Produktionsfaktoren hinzu: Es gibt Faktoren, die keiner alternativen Verwendung zugeführt werden können oder dabei massiv an Wert verlieren. Diese Kosten sind ein Sonderfall der Fixkosten und werden als versunkene Kosten (sunk costs) bezeichnet.269 Versunkene Kosten können nach der Entscheidung für die Investition – etwa beim Markteintritt oder bei der Investition durch den Incumbent – nicht mehr rückgängig gemacht werden. Die Entscheidung ist irreversibel, die Kosten sind langfristig zudem nicht variabel. Sie werden irreversible Kosten genannt. Dies heisst umgekehrt: Wenn keine versunkenen Kosten vorliegen und wenn Güter lagerfähig sind, kann es keine relevanten fixen Kosten geben, da sie reversibel sind. 3.4.1.3 Konsumentenloyalität Von Konsumentenloyalität spricht man, wenn Nachfrager auf funktional identische Angebote Dritter trotz eines niedrigeren Preises träge reagieren. Zwei zentrale Ursachen lassen sich als Erklärung für Nachfrageträgheit bzw. Konsumentenloyalität ausmachen, die im Folgenden näher erläutert werden:270 - Wechselkosten - Reputation bzw. Goodwill. Wechselkosten Als Wechselkosten werden alle Kosten bezeichnet, die einem Konsumenten bei einem Wechsel von einem Produkt zu einem anderen, funktional identischen Produkt entstehen. Ist der Wechsel von einem Anbieter zu einem anderen mit Wechselkosten verbunden, werden rationale Konsumenten den ursprünglichen Anbieter bevorzugen. Sie verhalten sich loyal. „With switching costs, a customer is better off continuing to purchase from his original supplier even though another supplier offers the same product at a slightly lower price.”271 Anders ausgedrückt: Als Folge von Wechselkosten betrachten Nachfrager ex ante homogene Güter verschiedener Anbieter nach ihrer (ers269 270
271
Vgl. Borrmann, Finsinger (1999), S. 110f. Diese Unterscheidung folgt der gängigen Literatur, in der die beiden Themen getrennt voneinander behandelt werden. Gilbert (1989), S. 506.
104
3 Netzzugang und Regulierung
ten) Kaufentscheidung (ex post) als imperfekte Substitute (heterogene Güter). Durch die Reduzierung der Nachfrageelastizität sinkt die Wettbewerbsintensität zwischen den Anbietern.272 Nach KLEMPERER (1995) ist die Entstehung von Wechselkosten auf den Wunsch von Nachfragern zurückzuführen, Kompatibilität zwischen aktuellem Kauf und zuvor getätigten Investitionen herzustellen. Mit Investitionen werden nicht nur physische Anschaffungen beschrieben, sondern auch der Aufbau von Geschäftsbeziehungen oder das Vertrautmachen mit der Funktionsweise eines Produkts. Zwischen folgenden Ursachen kann unterschieden werden:273 - Bedarf an Kompatibilität mit existierender Ausstattung. Beispiel: Die Kameraobjektive müssen zum Gehäuse einer Spiegelreflexkamera kompatibel sein. - Transaktionskosten beim Anbieter-Wechsel. Beispiel: Ein Wechsel der kontoführenden Bank ist mit Transaktionskosten für die Umstellung von Daueraufträgen und das Informieren der Geschäftspartner über die Bankverbindung verbunden. - Aufwand zum Erlernen der Bedienung einer neuen Marke. Beispiel: Bei der Umstellung von einem Computerbetriebssystem auf ein anderes müssen die Benutzer die Bedienung erst neu erlernen. Das verursacht direkte Kosten, wenn Schulungen/Trainings durchlaufen werden, und indirekte Kosten, weil die Produktivität sinkt, bis die Bedienung vertraut ist. - Kundenbindungsprogramme. Beispiel: Die Prämien von Vielfliegerprogrammen der Fluggesellschaften richten sich nach der Anzahl geflogener Meilen. Durch den Wechsel der Fluggesellschaft entstehen Opportunitätskosten im Sinne entgangener Prämien. In welchem Maße Wechselkosten dazu führen, dass Nachfrager ihrem vertrauten Anbieter treu sind, hängt von ihrer tatsächlichen Höhe ab. Je niedriger die Wechselkosten desto eher ist ceteris paribus der Markteintritt für neue Anbieter lukrativ. Das Ausmaß
272
273
Für einen Überblick über die entsprechende Literatur vgl. Klemperer (1995). Es gibt auch Konstellationen, in denen Wechselkosten zu einer Intensivierung von Wettbewerb führen, vgl.von Weizsäcker (1984). Vgl. zum Folgenden Klemperer (1995), S. 517 f. Es werden nur Ursachen für direkte, d. h. finanzielle Wechselkosten aufgeführt. Klemperer führt im Gegensatz zu seinen früheren Arbeiten auch indirekte, d. h. nichtfinanzielle Wechselkosten an, die auf einer Nutzenveränderung basieren. Diese werden auf Grund der eingangs gewählten Unterscheidung zwischen Wechselkosten und Reputation unter Letzterem erläutert.
3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
105
des Preissetzungsspielraums des Incumbents hängt somit von der Treue der Kunden und den Wechselkosten ab. Ab einer gewissen Preishöhe – und damit einer Nettoersparnis trotz Wechselkosten - wird die Nachfrage elastisch auf neue Angebote reagieren. Damit ist das Marktmachtpotenzial weniger ausgeprägt als bei monopolistischen Bottlenecks. Reputation und Goodwill Goodwill lässt sich definieren als „the phenomenon that consumers through experience or other kind of information form a good opinion about the quality of the product or products of a supplier.”274 Sie basiert auf dem Extrapolationsprinzip (vgl. VON WEIZSÄCKER (1980)): Nachfrager neigen dazu, das künftige Verhalten von Anbietern aus dem in der Vergangenheit beobachteten Verhalten zu extrapolieren. Goodwill spielt vor allem bei Erfahrungsgütern275 eine große Rolle: Können Konsumenten die Qualität eines Gutes nicht ex-ante, d. h. vor dem Kauf, wohl aber zu einem späteren Zeitpunkt, beurteilen, übertragen sie beim nächsten Kauf ihre frühere Erfahrung auf die zu erwartende Qualität des Produkts desselben Anbieters. Sind die Konsumenten mit der Qualität eines Produktes oder einer Dienstleistung eines Anbieters zufrieden, erwirbt der Anbieter eine Reputation für gute Qualität. Reputation ist ein Mechanismus zur Einschätzung von Qualität auf Märkten mit Informationsproblemen.276 Qualitätsreputation resultiert in Konsumentenloyalität bzw. Markentreue. Goodwill kann in einem solchen Fall als Treueprämie verstanden werden: Neu in den Markt eintretende Anbieter ohne Qualitätsreputation müssen ein gleichwertiges Produkt/Dienstleistung zu einem niedrigeren Preis anbieten, um Nachfrager für den aus der Qualitätsunsicherheit resultierenden Nutzenverlust zu kompensieren.277
274 275
276
277
von Weizsäcker (1980), S. 412. Der Ausdruck geht auf Phillip Nelson zurück. Für eine Definition vgl. Nelson (1970), S. 312; Nelson (1974), S: 730. Zu den Grundlagen der Theorie von Märkten bei unvollkommener Information vgl. Stigler (1961); Akerlof (1970); Spence (1974). Hier zeigt sich die Verbindung zu Wechselkosten: Der Nutzenverlust eines Markenwechsels kann als nichtfinanzielle oder indirekte Wechselkosten verstanden werden.
3 Netzzugang und Regulierung
106
3.4.2 Strukturelle Markteintrittsbarrieren Grundsätzlich kann zwischen institutionellen, strategischen und strukturellen Markteintrittsbarrieren unterschieden werden.278 Institutionelle oder staatliche Markteintrittsbarrieren bestehen, wenn ein Unternehmen rechtlich oder institutionell vor Wettbewerb geschützt wird. Ein Beispiel auf dem Briefmarkt ist der reservierte Bereich für die etablierte Postgesellschaft. Solche Zutrittsschranken können im Rahmen von Liberalisierung aufgehoben werden. Strategische Markteintrittsbarrieren werden vom etablierten Unternehmen mit dem Ziel errichtet, potenzielle Marktneulinge vom Zutritt abzuschrecken bzw. eingetretene Unternehmen zu verdrängen. Beispiele sind die strategische Vorhaltung von Überkapazitäten und Kampfpreisstrategien (predatory pricing).279 Strukturelle Markteintrittsbarrieren beruhen auf markteintrittsrelevanten Strukturmerkmalen, wie etwa der Kontrolle einmaliger und knapper Ressourcen. Ihre Existenz bzw. Abwesenheit ist für die Entwicklung von funktionsfähigem Wettbewerb in liberalisierten Märkten von zentraler Bedeutung. Sie stehen daher im Mittelpunkt der folgenden Ausführungen.280 3.4.2.1 Definition von Markteintrittsbarrieren Dass Markteintrittsbarrieren in erheblichem Maße die Wettbewerbsintensität eines Marktes und die Qualität des Marktergebnisses beeinflussen, ist unter Ökonomen unbestritten. Gleichwohl existiert bis heute keine allgemein anerkannte Definition: „Über die Frage, was als Markteintrittsbarriere aufgefasst werden sollte, gibt es freilich eine schon Jahrzehnte andauernde Debatte, aus der sich noch immer kein Konsens herauskristallisiert hat.“281 Die wesentlichen Beiträge stammen von BAIN (1949), BAIN 278
279
280
281
Diese Unterscheidung ist üblich, vgl. z. B. Besanko, Braeutigam (2002), S. 501 f. Desweiteren wird zwischen angebotsseitigen (synonym kostenseitigen) und nachfrageseitigen Markteintrittsbarrieren unterschieden, da Kosten- und Nachfragefaktoren als Eintrittsbarriere wirken können. Die Ausdrücke Markteintrittsbarrieren und -schranken werden synonym verwendet. Für den Briefmarkt liegen zu strategischen Markteintrittsbarrieren bislang nur wenige Arbeiten vor. Beschorner (2007) hat die Anreize zu übermäßigen Investitionen in Qualität seitens des Incumbents untersucht. Sein Ergebnis, dass Qualitätsinvestitionen den Wettbewerb hemmen oder verhindern, deckt sich nicht mit den Ergebnissen der realen Marktentwicklung und spiegelt unzureichend die Kundenbedürfnisse auf dem Briefmarkt wider, vgl. dazu Kapitel 4. Wie in Kapitel 2 dargestellt, hat sich der Gesetzgeber zu einer weitgehenden Abschaffung der institutionellen Markteintrittsbarrieren entschlossen. Sie spielen daher hier keine Rolle. Strategische Markteintrittsbarrieren können vorerst ebenfalls vernachlässigt werden, da der Handlungsspielraum des etablierten Unternehmens bis zur Marktöffnung erheblich eingeschränkt ist (z. B. Ex-ante-Preisgenehmigung etc..). Borrmann et al. (2003), S. 123; ähnlich Elberfeld (2003), S. 151; Carlton (2004), S. 466.
3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
107
(1956), STIGLER (1968), FERGUSON (1974), FISHER (1979), VON WEIZSÄCKER (1980), BAUMOL et al. (1981), GILBERT (1989), CARLTON et al. (1994), ARMSTRONG et al. (1994).282 Einen Überblick über die unterschiedlichen Definitionen gibt Tabelle 5. Tabelle 5: Wesentliche Definitionen von Markteintrittsbarrieren Autor Bain (1956), S. 3
Stigler (1968), S. 67 Ferguson (1974), S. 10 Fisher (1979), S. 23 von Weizsäcker (1980), S. 400 Baumol/Willig (1981), S. 408 Gilbert (1989), S. 478 Carlton/Perloff (1994), S. 110 Armstrong/Cowen/ Vickers (1994), S. 116
Definition „A barrier to entry is an advantage of established sellers in an industry over potential entrant sellers, which is reflected in the extent to which established sellers can persistently raise their prices above competitive levels without attracting new firms to enter the industry.“ „A barrier to entry is a cost of producing (at some or every rate of output) that must be borne by firms seeking to enter an industry but is not borne by firms already in the industry.“ „A barrier to entry is a factor that makes entry unprofitable while permitting established firms to set prices above marginal cost, and to persistently earn monopoly return.“ „A barrier to entry is anything that prevents entry when entry is socially beneficial.“ „A barrier to entry is a cost of producing that must be borne by a firm seeking to enter an industry but is not borne by firms already in the industry, and that implies a distortion in the allocation of ressources from the social point of view.“ „An entry barrier is anything that requires an expenditure by a new entrant into an industry, but that imposes no equivalent cost upon an incumbent.“ „An entry barrier is a rent that is received from incumbency. It is the additional profit that a firm can earn as a sole consequence of being established in an industry.“ „A barrier to entry is anything that prevents an entrepreneur from instantaneousley creating a new firm in the market. A long-run barrier to entry is a cost necessarily incurred by a new entrant that incumbents do not (or have not had to) bear.“ „[Markteintrittsbarriern liegen vor, falls] incumbent firm(s) can persistently make supernormal profits by virtue of their incumbency without attracting entry.“
Quelle: Eigene Zusammenstellung
Die grundlegenden Definitionen stammen von Bain und Stigler. Die anderen Definitionen stellen jeweils Weiterentwicklungen des einen oder anderen Ansatzes dar. Fischer und von Weizsäcker haben bspw. ihre Definition jeweils um normative Aspekte erweitert, Gilbert bezieht in seine Analyse explizit strategisches Verhalten ein und Carlton et al. berücksichtigen zeitliche Aspekte. Keines der Konzepte ist in der Literatur ohne Widerspruch geblieben.283 Dies dürfte darauf zurückzuführen sein, dass die
282
283
Demsetz (1982) weist darauf hin, dass Definitionen, die auf Asymmetrien zwischen Incumbent und Newcomer abstellen, i. d. R. staatliche Marktzutrittsschranken „übersehen“. Da der Fokus hier auf den strukturellen Eigenschaften liegt, kann diese Kritik vernachlässigt werden. Für eine Zusammenfassung der jeweiligen Schwächen aller Definitionen vgl. Borrmann et al. (2003), S. 126 ff. Carlton (2004) kritisiert darüber hinaus, dass es sich zumeist um statische Kon-
108
3 Netzzugang und Regulierung
Definition von Markteintrittsbarrieren eng zusammenhängt mit dem WettbewerbsLeitbild eines Autors. Der Begriff wird stets so gewählt, dass er zum jeweiligen wettbewerbstheoretischen Leitbild passt. Beispielsweise zielt das US-amerikanische Kartellrecht auf eine Maximierung der Konsumentenrente, so dass ein entsprechendes Marktzutrittsschrankenkonzept Anwendung findet.284 3.4.2.2 Unterschiede zwischen den Konzepten von Bain und Stigler Für eine positive Analyse struktureller Markteintrittsbarrieren bilden weiterhin die Definitionen von Bain und Stigler den Aufsetzpunkt. BAIN (1956) subsumiert unter dem Begriff der Markteintrittsbarriere alle Faktoren, die es einem etablierten Anbieter ermöglichen, langfristig sein Preisniveau oberhalb eines wettbewerblichen Niveaus zu halten, ohne Markteintritte zu induzieren. Dies versetzt das etablierte Unternehmen in die Lage, dauerhaft strikt positive ökonomische Gewinne zu erwirtschaften.285 STIGLER (1968) definiert als Markteintrittsbarrieren Kosten, die vom Marktneuling zu tragen sind, nicht jedoch vom etablierten Unternehmen. Er stellt somit auf die Kostenasymmetrien zwischen Incumbent und potenziellen Newcomern ab.286 Aus den unterschiedlichen Definitionen ergeben sich fundamentale Unterschiede bezüglich der Ursachen für Markteintrittsbarrieren.287 So begründen Größenvorteile (economies of scale) für Bain eine Markteintrittsbarriere. Nach Auffassung von Stigler
284
285
286
287
zepte handelt. Faktoren, die einen Markteintritt nicht verhindern, sondern nur verzögern, würden unzureichend beachtet. Zum Zusammenhang von Marktzutrittsschrankenkonzept und Wettbewerbsleitbild vgl. von Weizsäcker (2005); ebenso Borrmann et al. (2003), S. 141. Zur Maximierung der Konsumentenrente im amerikanischen Kartellrecht vgl. Schmalensee (2004), S. 471 ff.; zu den juristischen Grundlagen dieser Zielsetzung vgl. Bork (1993), Kapitel 1 bis 3 und Posner (2001), Kapitel 1. Legt man die Gesamtwohlfahrt als Maßstab an, kommt man zu einer anderen Definition, vgl. z. B. von Weizsäcker (1980); Mankiw, Whinston (1986). Bains Definition hat einen tautologischen Charakter: Die Verwendung wettbewerblicher Preise und damit supernormaler Gewinne als Kriterium für eine Markteintrittsbarriere bedeutet, dass eine Eintrittsbarriere nicht direkt identifiziert wird, sondern ein mögliches Ergebnis einer Eintrittsbarriere als Test zu Grunde gelegt wird. Zudem kann eine über dem normalen Niveau liegende Profitabilität auch auf anderen Faktoren als Markteintrittsbarrieren basieren, etwa einer höheren Effizienz, und stellt damit nicht per se eine Störung des Wettbewerbsprozesses dar. An Stiglers Definition lässt sich vor allem kritisieren, dass ausschließlich Kostenasymmetrien beachtet werden. Unvollkommenheiten auf der Nachfrageseite bleiben unberücksichtigt. Bain (1956) listet ergänzend zu seiner Definition eine Reihe von Ursachen auf, die den Incumbent in die Lage versetzen, dauerhaft strikt positive ökonomische Gewinne zu erzielen. Dazu zählen Größenvorteile, hohe Kapitalerfordernisse für den Markteintritt sowie Produktdifferenzierungsvorteile. Eine Herleitung findet sich bei Bain (1949).
3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
109
stellen sie jedoch keine Eintrittsbarriere dar, solange das etablierte Unternehmen und der Neuling Zugang zu derselben Kostenfunktion besitzen. Das Konzept von Stigler impliziert ferner, dass weder das erforderliche Kapital für den Eintritt noch Wettbewerbsparameter wie Produktdifferenzierung oder Aufbau von Reputation und Goodwill Markteintrittsbarrieren darstellen, solange ein symmetrischer Zugang besteht. Dagegen kommt Bain zu dem Ergebnis, es müsse sich um Markteintrittsbarrieren handeln, da entsprechende Parameter mit hohen Stückgewinnen korreliert zu sein scheinen.288 Versunkene Kosten bzw. Irreversibilitäten (sunk costs), die in Netzindustrien eine bedeutende Rolle spielen können, konstituieren nach Bain eine Markteintrittsbarriere, nicht jedoch nach Stigler.289 Somit ist die Definition von Stigler enger als die von Bain: Alle Stiglerschen Markteintrittsbarrieren fallen auch unter Bains Definition, jedoch nicht umgekehrt. Das wettbewerbstheoretische Denken hat unterschiedliche Ursprünge, die entscheidend von den zugrunde liegenden Konzeptionen für Markteintrittsbarrieren geprägt werden. In der Industrieökonomik erlangte das Bain’sche Markteintrittsbarrierenkonzept zentrale Bedeutung. In der Regulierungsökonomik ist das Stigler’sche Markteintrittsbarrierenkonzept von besonderer Wichtigkeit. 3.4.2.3 Markteintrittsbarrieren nach McAfee et al. McAfee et al. (2004) versuchen, die widersprüchlichen Positionen in einem Konzept zu vereinen.290 Dazu unterscheiden die Autoren zwischen direkten (synonym primären) Eintrittsbarrieren einerseits und verstärkenden (synonym ergänzenden) anderseits.291 Direkte Markteintrittsbarrieren hemmen oder verhindern den Markteintritt in 288
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291
Ein entsprechender Zusammenhang lässt sich nach neueren Forschungsergebnissen nicht belegen, vgl. Schmalensee (1989). Gilbert (1989) spricht sich daher für eine Unterscheidung zwischen Bains Definition und dessen Untersuchungen zu Bestimmungsgründe aus. Ebenso Schmalensee (2004), S. 471: „His definition may be useful even though much of his analysis has been superseded by later work.” Bain hält Kapitalkosten für eine Markteintrittsbarriere, so dass sein Konzept reversible und irreversible Kosten umfasst. Stigler geht vom langfristigen Gleichgewicht aus, so dass für ihn irreversible Kosten keine Rolle spielen, vgl. Carlton (2004), S. 468 f. „[I]s an attempt to resolve the controversies concerning the concept of barriers to entry”. (McAfee et al. ebda., S. 461). Vgl. zum Folgenden McAfee et al. (2004), S. 463 ff. Die Autoren beziehen in ihr Konzept außerdem zeitliche und normative Aspekte ein. Dazu unterschieden sie zwischen ökonomischen und kartellrechtlichen Markteintrittsbarrieren, vgl. McAfee et al. (2004), S. 463.
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3 Netzzugang und Regulierung
allen Fällen. Verstärkende Eintrittsbarrieren jedoch hemmen oder verhindern den Markteintritt nur dann, wenn zusätzlich primäre Eintrittsbarrieren vorliegen oder wenn mehrere verstärkende Eintrittsbarrieren in signifikanter Höhe gemeinsam auftreten und wie eine primäre Eintrittsbarriere wirken. Im Hinblick auf Größenvorteile kommen McAfee et al. (2004) zu dem Ergebnis, dass es sich um verstärkende Markteintrittsbarrieren handelt.292 Nach ihrer Ansicht verhindern oder hemmen Größenvorteile vor allem in Kombination mit starker Konsumentenloyalität Markteintritte: „Therefore, scale economies deter entry only if customers are sufficiently loyal to the incumbent's brand.“293 Damit berücksichtigen die Autoren in ihrem Konzept nachfrageseitige Eintrittsbarrieren, was einer Erweiterung der etablierten Zutrittsschrankenkonzepte darstellt.294 Sunk costs sehen sie wie Größenvorteile als verstärkende Markteintrittsbarrieren an. Eine Kombination aus signifikanten Irreversibilitäten und erheblichen Skalenvorteilen bildet eine primäre Markteintrittsbarriere. Diese Feststellung deckt sich mit den Erkenntnissen der Regulierungstheorie und dem Konzept der bestreitbaren Märkte295. 3.4.2.4 Geeignetes Verständnis von Markteintrittsbarrieren auf dem Briefmarkt Strukturelle Markteintrittsbarrieren erwachsen in der Interpretation des Autors aus zwei Kombinationen: Größenvorteilen und Irreversibilitäten oder Größenvorteilen und Konsumentenloyalität. Zusammenfassend können unter strukturellen Markteintrittsbarrieren also originär-ökonomische Nachfrage- und/oder Kostenfaktoren verstanden werden, die asymmetrische Bedingungen zwischen etabliertem Unternehmen und Marktneulingen verursachen und für Letztere den Markteintritt erschweren oder verhindern. Damit stellt die Definition auf Asymmetrien zwischen aktuellen und potenziellen Marktteilnehmern ab, wobei Angebots- und Nachfrageseite gleichermaßen be-
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Dass Skalenvorteile alleine keine Markteintrittsbarriere darstellen, die stabile Marktmacht konstituiert, geht auf Demsetz (1968) zurück und auf seine Idee eines Bieterwettbewerbs um den Markt. McAfee et al. (2004), S. 464. Reputation bzw. Goodwill als Auslöser von Konsumentenloyalität bzw. Nachfrageträgheit werden (vgl. 3.4.1.3) werden vielfach nicht als Markteintrittsbarrieren angesehen, vgl. Gilbert (1989), S. 503 ff. Demsetz (1982) und von Weizsäcker (1980) argumentieren, dass Reputation einen Mechanismus zur Lösung von Informationsproblemen auf Märkten darstellt und marktlich erworben wurde, also von allen Marktteilnehmern aufgebaut werden kann. Zu den Grundlagen der Theorie von Märkten bei unvollkommener Information vgl. Stigler (1961); Akerlof (1970); Spence (1974); für eine Zusammenfassung vgl. Stiglitz (1989). Vgl. Kapitel 2.4.3.1.
3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
111
rücksichtigt werden. Die Abwesenheit derart definierter Markteintrittsbarrieren bedeutet entsprechend nicht, dass der Markteintritt für Neulinge kostenlos wäre. 3.4.3 Wettbewerbstheoretische Konzepte Als gerechtfertigt werden Regulierungseingriffe in Netzsektoren angesehen, wenn stabile netzspezifische Marktmacht vorliegt. In einem solchen Fall dient Regulierung der Disziplinierung des marktmächtigen Unternehmens und dem Ersatz von Wettbewerb. Es geht um die Frage: „[W]o ist der Wettbewerb in so hohem Maße funktionsunfähig, daß die Neutralisierung wirtschaftlicher Macht nicht mehr dem Markt überlassen werden kann, sondern zur Aufgabe des Rechts wird?“296 Ein Referenzmodell zur Beurteilung des Regulierungsbedarfs in für den Wettbewerb geöffneten Netzsektoren muss die Spezifika von Netzen erfassen (Größen- und Verbundvorteile, Netzexternalitäten etc.), ohne diese automatisch mit Marktmacht gleichzusetzen. Ziel ist es, Wettbewerbspotenziale im Bereich natürlicher Monopole auszuschöpfen. Einen solchen Referenzrahmen stellt der disaggregierte Regulierungsansatz zur Verfügung (vgl. BLANKART et al. (1996b); KNIEPS (2000)). Instrumente zur Disziplinierung von Marktmacht werden dabei nicht auf natürliche Monopole als Ganzes angewendet, sondern nur auf die Teilbereiche, in denen stabile Marktmacht nachgewiesen werden kann. Diese Teilbereiche werden als monopolistische Bottlenecks (Synonym: Flaschenhälse, Engpassbereiche) bezeichnet. Sie sind durch eine Kombination aus Größenvorteilen und erheblichen Markteintrittsbarrieren charakterisiert.297 Damit auf den komplementären Wertschöpfungsstufen aktiver und potenzieller Wettbewerb funktionsfähig wird, werden die Zugangsbedingungen zu den Bottleneck-Bereichen reguliert, d. h. ein symmetrischer Netzzugang für alle aktiven und potenziellen Nachfrager gewährt.298
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298
Mestmäcker (1959), S. 9. Während einige Autoren ausschließlich Größenvorteile und Irreversibilitäten als monopolistische Bottlenecks definieren (z. B. Knieps (2000)), bezeichnen andere Autoren auch Kombinationen aus Größenvorteilen und weiteren Markteintrittsbarrieren als Bottlenecks (z. B. Kruse, Liebe (2005)). Beide Ansätze werden im Folgenden berücksichtigt. Eine alternative Möglichkeit besteht in der vertikalen Desintegration, also der institutionellen Separierung des nicht-wettbewerblichen Teilbereichs von den restlichen Aktivitäten, vgl. z. B. Laffont, Tirole (1996), S. 228; Biggar (2001). Die Möglichkeit der Separierung (synonym Entflechtung oder Unbundling) wird angesichts des in Deutschland bereits etablierten Netzzugangs
3 Netzzugang und Regulierung
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Der disaggregierte Ansatz strebt eine minimale Regulierungsbasis an: Eine Ausdehnung auf Bereiche, in denen keine monopolistischen Bottlenecks nachgewiesen werden können, wird abgelehnt. Die Beschränkung staatlicher Eingriffe folgt aus der Tatsache, dass Regulierung nicht kostenlos ist. Direkte Kosten entstehen durch den administrativen Aufwand für die Ausgestaltung des Regulierungsrahmens (z. B. Gesetzgebungsprozess), v. a. jedoch für den Aufbau und die Unterhaltung einer Regulierungsbehörde/-institution und entsprechender Bereiche im regulierten Unternehmen. Indirekte Kosten resultieren aus der Störung des Wettbewerbsprozesses und der damit einhergehenden Anreizverzerrungen, z. B. im Hinblick auf die Investitionsbereitschaft der Marktteilnehmer. Anreizverzerrungen entstehen, weil die Akteure in der Realität nur über unvollkommene Informationen verfügen. Als Folge führt Regulierung in der Praxis nicht zu Marktergebnissen im Sinne eines Second-Best-Optimums.299 Sie sollte daher auf ein Minimum beschränkt bleiben. In diesem Sinne fordert der disaggregierte Ansatz, sog. „phasing out“-Potenziale monopolistischer Bottleneckregulierung konsequent zu nutzen; Regulierung kann sich als überflüssig erweisen, wenn beispielsweise technischer Fortschritt einen aktiven Infrastrukturwettbewerb ermöglicht oder anderweitig Substitute entstehen. Daher wird eine periodische Überprüfung der Regulierungserfordernisse (regulatory review) angestrebt.300 Im ersten Unterkapitel (3.4.3.1) wird die Theorie monopolistischer Bottlenecks beschrieben. Sie bildet den zentralen Kern der regulierungsökonomischen Begründung von Netzzugangsregulierung. In Kapitel 3.4.3.2 findet die aktuelle Diskussion um die Definition von Markteintrittsbarrieren ihren Niederschlag, indem nachfrageseitige Markteintrittsbarrieren in den Analyserahmen integriert werden. 3.4.3.1 Monopolistische Bottlenecks Die Theorie monopolitischer Bottlenecks bildet das zentrale Element des disaggregierten Regulierungsansatzes zur Lokalisierung von Marktmacht in Netzindustrien. Mit ihr lässt sich stabile netzspezifische Marktmacht nachweisen, die einen regulierten Netz-
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300
nicht weiter betrachtet. Eine solche Maßnahme wirft zudem erhebliche juristische Schwierigkeiten auf, vgl. Scholz (1981). Regulierung stellt wegen der damit verbundenen Kosten maximal eine Second-Best-Lösung gegenüber dem Marktergebnis bei funktionsfähigem Wettbewerb dar. Diese Erkenntnis geht auf Averch, Johnson (1962) zurück. Vgl. dazu Knieps (1997).
3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
113
zugang rechtfertigt. Sie basiert auf der Theorie bestreitbarer Märkte. Diese hat ein Referenzmodell entwickelt, in dem potenzieller Wettbewerb die mangelnde Konkurrenz durch aktive Marktteilnehmer im Fall natürlicher Monopole – wenn also die Kostenfunktion durch Subadditivität gekennzeichnet ist – perfekt ersetzen kann.301 Stabile netzspezifische Marktmacht liegt vor, wenn Netzbereiche durch eine Kombination aus Bündelungsvorteilen und irreversiblen Kosten gekennzeichnet sind. Solche Netzbereiche werden als monopolitische Bottlenecks bezeichnet. Nach KNIEPS (2000) sind die Bedingungen für eine monopolitische Bottleneck-Einrichtung erfüllt, wenn - eine Einrichtung unabdingbar ist, um Kunden zu erreichen, d. h. kein aktives Substitut verfügbar ist. Dies kann der Fall sein, wenn ein natürliches Monopol vorliegt, also ein Anbieter auf Grund von Größenvorteilen die Einrichtung kostengünstiger bereitstellen kann als mehrere Anbieter; - gleichzeitig die Einrichtung nicht mit angemessenen Mitteln dupliziert werden kann, also kein potenzielles Substitut verfügbar ist. Dies ist der Fall, wenn die Kosten für die Einrichtung irreversibel sind. Der Inhaber einer monopolistischen Bottleneck-Einrichtung besitzt stabile Marktmacht. Sind Teilbereiche gleichzeitig durch Bündelungsvorteile und irreversible Kosten gekennzeichnet, kann potenzieller Wettbewerb keine disziplinierende Wirkung entfalten: Irreversible Kosten sind für das etablierte Unternehmen nicht mehr entscheidungsrelevant, da sie bereits versunken sind. Ein potenzieller Wettbewerber steht dagegen vor der Entscheidung, ob er diese unwiederbringlichen Kosten im Falle eines Markteintritts einsetzt oder die Mittel anders verwendet. In dieser Konstellation hat das das etablierte Unternehmen niedrigere entscheidungsrelevante Kosten als ein potenzieller Wettbewerber. Daraus folgt Spielraum für strategisches Verhalten seitens des etablierten Unternehmens; das etablierte Unternehmen kann glaubhaft drohen, seine Preise auf die kurzfristigen Grenzkosten zu senken, da die irreversiblen Investitionen bereits getätigt sind. Dagegen sind für den Neuling die höheren langfristigen Durchschnittskosten relevant, da die Investition noch nicht getätigt wurde.
301
Vgl. Kapitel 2.4.3.1. Entscheidend für das Konzept ist, dass der Marktzutritt frei und der Marktaustritt kostenlos ist. Freier Marktzutritt bezieht sich dabei auf das Fehlen von Markteintrittsbarrieren im Stigler’schen Sinne: Es dürfen keine Kostenasymmetrien zwischen etabliertem und neuem Unternehmen bestehen, was aber nicht heißt, dass der Markteintritt kostenlos wäre.
3 Netzzugang und Regulierung
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Markteintritte sind in einer solchen Konstellation nicht zu erwarten. Deshalb entfällt die disziplinierende Wirkung potenzieller Konkurrenz – selbst für den Fall, dass alle Marktteilnehmer perfekt informiert und wechselbereit sind und kleine Preisänderungen eine Wanderung der Nachfrage zur Folge haben (Betrand-Nash-Verhalten). Zentrales Anliegen der Theorie monopolistischer Bottlenecks ist es, im Sinne eines disaggregierten Regulierungsansatzes zwischen regulierungsbedürftigen Netzbereichen (Bottlenecks) und Netzbereichen, in denen der Wettbewerb funktionsfähig ist, zu unterscheiden. Funktionsfähiger Wettbewerb wird in diesem Zusammenhang nicht erschöpfend durch potenziellen Wettbewerb charakterisiert; vielmehr stellen Technologie- und Produktdifferenzierung sowie Prozess- und Produktinnovationen Parameter von Wettbewerb dar. Kann ein Serviceanbieter zwischen Netzinfrastrukturen wählen, liegt kein monopolistischer Bottleneck vor – auch wenn die Infrastrukturen nicht identisch, sondern durch Technologiedifferenzierung gekennzeichnet sind. Um monopolistische Bottleneckbereiche zu identifizieren, ist die Wertschöpfungskette in ihre Teilbereiche zu zerlegen und disaggregiert zu untersuchen. Bottlenecks sind nur bei gleichzeitiger Abwesenheit von aktivem und potenziellem Wettbewerb vorzufinden. Die schematische Darstellung in Abbildung 12 soll dies verdeutlichen: Abbildung 12: Lokalisierung monopolistischer Bottlenecks Regulierungsbedarf Kein Regulierungsbedarf
Mit Größenvorteilen (natürliches Monopol)
Monopolistische BottleneckEinrichtung
Ohne Größenvorteile Aktiver Wettbewerb (kein natürliches Monopol)
Mit irreversiblen Kosten
Potenzieller Wettbewerb (angreifbare Netze)
Aktiver Wettbewerb
Ohne irreversible Kosten
Quelle: KNIEPS et al. (2000).
Bei Netzbereichen, die eine Kombination aus irreversiblen Kosten und Bündelungsvorteilen aufweisen (Quadrant I), handelt es sich um monopolistische Bottlenecks.
3.4 Rechtfertigung von Netzzugangsregulierung
115
Beispiele sind Aufbau und Betrieb von Schieneninfrastrukturen oder die Ferntransport- und Verteilnetze im Bereich Elektrizität.302 Potenzieller Wettbewerb (Quadrant II) herrscht beispielsweise beim Aufbau und Betrieb von Zugüberwachungssystemen, weil hierbei keine irreversiblen Kosten anfallen. Im Bereich der kabelgebundenen Telekommunikations-Fernnetze fallen dagegen irreversible Kosten an, allerdings nicht in Kombination mit Bündelungsvorteilen (Quadrant III). In einem solchen Fall ist aktiver Wettbewerb zu erwarten. Beispiele für Bereiche, in denen weder irreversible Kosten noch Bündelungsvorteile anfallen (Quadrant IV), sind die Endgeräte und Sprachdienste in der Telekommunikation. Die unterschiedlichen Beispiele aus Netzsektoren verdeutlichen bereits, dass die Erkenntnisse eines Sektors nicht ohne Prüfung auf einen anderen übertragen werden können. Der regulierungsökonomische Bottleneck-Ansatz findet seine wettbewerbsrechtliche Entsprechung im Konzept der wesentlichen Einrichtung (essential facilities). Die aus dem amerikanischen Antitrust-Recht stammende Essential-Facilities-Doktrin besagt, dass eine Einrichtung nur dann als wesentlich anzusehen ist, wenn - erstens der Marktzutritt zum komplementären Markt ohne den Zugang zu dieser Einrichtung nicht effektiv möglich ist, also Substitute fehlen, - zweitens es einem Anbieter auf einem komplementären Markt nicht mit angemessenem Aufwand möglich ist, die Einrichtung zu duplizieren, und - drittens die technische Möglichkeit besteht, die Einrichtung durch Dritte nutzen zu lassen.303
302
303
Vgl. zu den folgenden Beispielen Knieps (2007), S. 166; Kruse (1997), S. 253. Vielfach wird auch die lokale Teilnehmeranschlussleitung im Bereich Telekommunikation als BottleneckEinrichtung charakterisiert. Auf Grund der starken intermodalen Konkurrenz durch Mobiltelefonie und intramodale Konkurrenz durch Telefonieangebote von Fernsehkabelnetzbetreibern ist dies zum heutigen Zeitpunkt zu bezweifeln: Es existieren aktive und potenzielle Substitute im Bereich Sprachtelefonie. Vgl. Areeda (1989); Pitofsky et al. (2002). Einen Überblick über Fälle, in denen die Doktrin zur Anordnung von Zugang geführt hat, findet sich bei Lipsky, Sidak (1999). Das Konzept der wesentlichen Einrichtung hat inzwischen auch Eingang in das europäische und deutsche Wettbewerbsrecht gefunden, vgl. Klimisch, Lange (1998); Schwintowski (1999); ausführlich Haus (2002).
3 Netzzugang und Regulierung
116
Staatliche Eingriffe werden auch in diesem Kontext nur in sehr engen Grenzen als zulässig angesehen. Entsprechend kann das Konzept der wesentlichen Einrichtung als Instrument zur Disziplinierung netzspezifischer Marktmacht angewendet werden.304 Zusammenfassend ist festzuhalten, dass sektorspezifische Netzzugangsregulierung nur dann gerechtfertigt ist, wenn weder aktiver noch potenzieller Wettbewerb die Marktmacht des etablierten Anbieters beschränkt. In solchen Fällen ist ein symmetrischer Zugang zu den monopolistischen Bottleneckbereichen für sämtliche aktiven und potenziellen Wettbewerber durch eine Regulierungsbehörde sicherzustellen. Während bei angreifbaren Netzen effiziente Verhandlungslösungen über die Zugangsbedingungen zu erwarten sind, ist bei Vorliegen von Marktmacht der Verhandlungsprozess gestört. Es besteht die Gefahr, dass das Unternehmen, das über die Engpassressource verfügt, den Zugang ganz verweigert oder zu überhöhten Preisen oder in schlechterer Qualität bereitstellt. 3.4.3.2 Trägheit von Nachfrage Die Theorie der monopolistischen Bottlenecks beruht auf der Analyse angebotsseitiger Markteintrittsbarrieren. Nach diesem Konzept führen ausschließlich Kostenasymmetrien zwischen Incumbent und Marktneuling zu wettbewerbspolitischem Handlungsbedarf. Das Verhalten der Nachfrager wird nicht in die Analyse einbezogen.305 Unberücksichtigt bleibt, dass auch eine Kombination aus Größenvorteilen und Loyalität der Konsumenten gegenüber dem eingesessenen Unternehmen aktiven und potenziellen Wettbewerb hemmen oder verhindern kann. „Scale economies deter entry […] if customers are sufficiently loyal to the incumbent's brand.“306 Reagieren die Nachfrager äußerst träge auf neue Angebote, ist das Absatzpotenzial eines Marktneulings über einen längeren Zeitraum begrenzt.307 Wenn in einer solchen Situation die Leistungserstellung durch Skalenvorteile geprägt ist, hat der Marktneuling dauerhaft abso-
304
305
306 307
Im Rahmen des disaggregierten Regulierungsansatzes erfolgt die Anwendung dann nicht fallweise, sondern in Bezug auf eine Klasse von Fällen, vgl. Knieps (2000). Der Bertrand-Nash-Ansatz geht davon aus, dass ein sofortiger Wechsel möglich ist. Nachfrageträgheit spielt keine Rolle. McAfee et al. (2004), S. 464. Zu den Grundlagen vgl. Kap. 3.4.1.3.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
117
lute Kostennachteile gegenüber dem Incumbent.308 Markteintritte sind dann (bei Rationalverhalten) nicht zu erwarten, womit sich kein aktiver Wettbewerb entwickelt. Die Wirkung des potenziellen Wettbewerbs ist eingeschränkt, weil der Incumbent auch bei überhöhten Preisen auf Grund der Konsumentenloyalität keinen „hit-and-run-Entry“ fürchten muss. Markentreue lässt sich durch Netzzugangsregulierung nicht per se verändern. Gleichwohl wird ein teilweiser Markteintritt erleichtert, wenn Neulingen der Zugang zu den durch Größenvorteile gekennzeichneten Wertschöpfungsstufen des etablierten Unternehmens eröffnet wird. Auf Wertschöpfungsstufen ohne Skalennachteile sind keine Kostennachteile für den Marktneuling zu erwarten. Dies macht Eintritte auf diesen Wertschöpfungsstufen möglich, auch wenn die Marktanteile auf Grund der Konsumentenloyalität anfangs klein sind. Bei anreizkompatiblen Netzzugangspreisen werden nur Marktneulinge mit überlegender Produktionstechnologie in den Markt eintreten – und peu à peu Marktanteile gewinnen. Dies führt zum einen zu einer Erhöhung der Effizienz im Sektor insgesamt. Zum anderen eröffnet es den Marktneulingen die Möglichkeit, die Leistungserstellung sukzessive auch auf durch Größenvorteile gekennzeichnete Wertschöpfungsstufen auszudehnen, wenn sie ausreichend Mengen attrahiert haben um die Größennachteile gegenüber dem eingesessenen Unternehmen (teilweise) zu kompensieren. 3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs Die Anordnung eines verpflichtenden Netzzugangs ist aus wettbewerbstheoretischer Sicht gerechtfertigt, wenn als Folge einer Kombination von Subadditivität und hohen Markteintrittsbarrieren auf einzelnen Stufen weder aktiver noch potenzieller Wettbewerb die Marktmacht des Netzbetreibers disziplinieren. Die DPAG deckt traditionell die gesamte Leistungskette der Briefbeförderung ab. Sie ist vertikal integriert. Wenn eine der Wertschöpfungsstufen ein monopolistisches Bottleneck darstellt, könnte die DPAG in ihrer Eigenschaft als Netzeigentümer den Wett-
308
Verfügt der Neuling jedoch über eine überlegene Produktionstechnologie oder absolut erheblich niedrigere Kosten, ist ein Markteintritt möglich, weil die Skalennachteile ausgeglichen werden können.
3 Netzzugang und Regulierung
118
bewerb auf dieser Stufe unterbinden und ihre Marktmacht auch auf potenziell kompetitive Bereiche der Leistungserstellung ausweiten. Um Engpassbereiche im Briefbeförderungssystem in der Praxis zu identifizieren, wird in Kapitel 3.5.1 der Upstream-Bereich der Wertschöpfungskette auf das Vorliegen von Größenvorteilen hin untersucht.309 Dazu wird auf Studien zurückgegriffen. Anschließend wird in Kapitel 3.5.2 für Deutschland die Zustellung (downstream) modelliert, um Größenvorteile in ihrer Höhe und geographischen Ausprägung zu quantifizieren. In einem dritten Schritt (Kapitel 3.5.3) wird untersucht, ob Teilbereiche der Leistungserstellung irreversible Investitionen erfordern. Da allerdings nicht nur Irreversibilitäten, sondern auch Nachfragetreue in Kombination mit Größenvorteilen Marktmacht konstituieren kann, wird der Briefmarkt in Kapitel 3.5.4 auf nachfrageseitige Markteintrittsbarrieren hin untersucht. In Kapitel 3.5 werden die Ergebnisse zusammengefasst. 3.5.1 Größenvorteile und regionale Kostenunterschiede: Upstream Unter dem Begriff Upstream werden beim Briefbeförderungssystem die Wertschöpfungsstufen Einsammlung/Annahme, Transport und Sortierung zusammengefasst. Das deutsche Zugangsregime sieht vor, dass die in den genannten Bereichen anfallenden Tätigkeiten ganz oder teilweise als Vorleistungen von Netzzugangsnutzern erbracht werden müssen. Entsprechend ist nicht davon auszugehen, dass die vorgelagerten Wertschöpfungsstufen durch ausgeprägte Größenvorteile charakterisiert sind, die aktiven Wettbewerb verhindern. Aus diesem Grund wird auf eine detaillierte eigene Analyse verzichtet. Stattdessen erfolgt die Untersuchung auf der Basis von Vorarbeiten. Dabei wird jede Wertschöpfungsstufe separat betrachtet. 3.5.1.1 Einsammlung/Annahme Die Höhe der Größenvorteile bei der Einsammlung ist abhängig von der Art der Einsammlung: Während bei der Schalterannahme durch die Kapazitätsvorhaltung eine 309
Das Ausmaß von Größenvorteilen liefert zudem Hinweise, inwiefern und in welchem Maße der Markt langfristig durch aktiven Wettbewerb gekennzeichnet sein wird – und welcher Stellenwert dem potenziellen Wettbewerb zukommt. In allen Unterkapiteln stellt sich zudem die Frage, wie hoch jeweils die Markteintrittsbarrieren sind, weil der Höhe eine entscheidende Bedeutung bei der Beurteilung von Regulierungsbedarf für die Praxis zukommt.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
119
Fixkostendegression bei steigenden Sendungsmengen festzustellen ist, sind die Fixkosten für die Einsammlung über Briefkästen oder die Abholung beim Kunden gering und keine ausgeprägten Größenvorteile realisierbar. Da in Deutschland lediglich 35 % des Aufkommens über Briefkästen und Filialen angenommen werden, ein Großteil also bei den Kunden abgeholt oder von diesen direkt im BZ eingeliefert wird, ist das Ausmaß von Größenvorteilen begrenzt. Zudem ist es in der Praxis verhältnismäßig einfach, die Einsammelkosten zu reduzieren. Die Anzahl der Kastenleerungen pro Tag kann bei niedrigen Sendungsmengen ebenso reduziert werden, wie die Anzahl der Einsammeltouren, wodurch weniger Transportmittel benötigt werden. ELSENBAST (1999) kommt zu dem Ergebnis, dass im Bereich der Annahme keine subadditive Kostenfunktion vorliegt.310 Geographische Kostenunterschiede liegen vor, weil in dünn besiedelten Gebieten bei der Einsammlung über Briefkästen und der Abholung beim Kunden jeweils größere Wegeleistungen je Sendung zurückzulegen sind als in dicht besiedelten Gebieten. Allerdings dürfte ihr Ausmaß auf Grund des sehr geringen Anteils an den Gesamtkosten vernachlässigbar sein. So lange die PUDLV genaue Vorgaben über die Anzahl der vom etablierten Unternehmen in Eigenregie zu betreibenden Filialen enthält, sind auf Grund regional variierenden Aufkommens ebenfalls geographische Kostenunterschiede wahrscheinlich. Allerdings ist das Ausmaß durch eine dem Aufkommen angepasste Dimensionierung und entsprechende Personaleinsatzplanung überschaubar.311 Durch Fremdvergabe des Betriebs von Annahmestellen und durch mengenabhängige Vergütungskomponenten lassen sich Kostendifferenzen weiter reduzieren. Vor allem für Marktneulinge sollten daher keine geographischen Kostendifferenzen bestehen. 3.5.1.2 Sortierung Grundsätzlich ist zwischen der manuellen Sortierung und einer automatisierten Sortierung durch Maschinen zu unterscheiden. Eine Studie von CTCON (1998) ergibt, dass bei manueller Sortierung keine Größenvorteile vorliegen, bei automatisierter Sortie310
311
Laut NERA (2004), S. 129 führt in den alten EU-Staaten ein Anstieg des Sendungsaufkommens um 10 % zu einer Erhöhung der Annahmekosten um 6,8 %. Angesichts der von den Autoren eingeräumten Probleme bei der Datenerhebung erscheint dieser Wert zumindest für Deutschland zu hoch. Vgl. Elsenbast (1994), S. 10; Elsenbast (1999), S. 43.
120
3 Netzzugang und Regulierung
rung jedoch auftreten können.312 Mögliche Größenvorteile bei automatisierter Sortierung resultieren aus der hohen Kapitalintensität bei der Anschaffung, die einen Auslöser von Fixkostendegression darstellt. Allerdings weisen Sortiermaschinen oftmals verhältnismäßig kleine mindestoptimale Betriebsgrößen auf, die das Ausmaß von Skalenvorteilen beschränken. PANZAR (1991) kommt zu dem Ergebnis, dass die Sortierung konstante Skalenerträge aufweist. ALIGON et al. (1998) haben auf der Basis von Daten aus 90 Sortierzentren von La Poste in Frankreich eine Translog-Funktion geschätzt. Für verschiedene Aufkommenszusammensetzungen ermitteln sie Elastizitäten – die Reaktion der Stückkosten auf die Erhöhung des Aufkommens um eine Einheit – zwischen 0,74 und 0,97.313 Nach Angaben des US-amerikanischen Briefdienstleisters USPS (1998) liegen die Kostenveränderungen bei 79 % und 95 % der Mengenveränderung. Die in den USA zuständige Regulierungsbehörde hält Skalenvorteile im Bereich Sortierung für vernachlässigbar.314 Eine aktuelle Untersuchung auf der Basis von Kostendaten aus 368 Sortierzentren von USPS für den Zeitraum von 1999 bis 2005 findet „diseconomies of scale and density in most mail processing functions“.315 Im Gegensatz zu den zitierten Untersuchungen ergibt die Untersuchung von NERA (2004) substanzielle Skalenvorteile.316 Insgesamt scheint die Evidenz jedoch für nur geringe Skalenvorteile in der Sortierung zu sprechen. Geographische Kostendifferenzen sind in der Sortierung nicht zu erwarten. Dies wäre nur der Fall, wenn sich nicht mindestoptimale Sortiereinrichtungen vornehmlich in dicht oder dünn besiedelten Gebieten befänden. Auf Grund der recht geringen Sortierkapazitäten der Maschinen und der Möglichkeit, geringe Mehrbedarfe durch Handsor312 313
314 315 316
Dieses Ergebnis deckt sich mit Rogerson, Takis (1993). Der Wert von 0,74 wird für eine Konstellation angegeben, in der neben der Mengenvariation auch das Verhältnis zwischen Eingangs- und Ausgangssortierung verändert wird. Da die Kosten für das Bedienpersonal in der Eingangssortierung in der Regel wegen Nachtzuschlägen höher liegt, scheint hierin der Grund für die unterproportionale Kostenwirkung zu liegen – mithin handelt es sich aus der Sicht des Autors um keinen relevanten Anhaltswert zur Schätzung von Größenvorteilen. Vgl. Cohen et al. (2004b), S. 117. Fenster et al. (2007). Allerdings haben die Autoren das Untersuchungs-Sample verändert. Bei einer Durchschnittsbetrachtung konnte die Nullhypothese (konstante Skalenerträge) nicht abgelehnt werden, vgl. NERA (2004), S. 131, Fußnote 69. In einer älteren Untersuchung gibt NERA die Elastizität der Sortierung mit 0,8 an, aus Interviews mit Royal Mail, vgl. NERA (1998), S. 48. Dieser Wert wird in einer Auftragsstudie für den DVPT (2003) auch für Deutschland verwendet. Dabei handelt es sich allerdings um keinen für Deutschland errechneten Wert, wie in Kruse, Liebe (2005), S. 36, falsch suggeriert wird.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
121
tierung zu decken, scheinen systematische Fehlkonfigurationen der Sortiereinrichtungen unwahrscheinlich. Allerdings unterscheiden sich die Sortierkosten zwischen intraund interregionalen Sendungen deutlich. Briefe, die in ihrer Leitregion verbleiben (intraregionale Sendungen), verursachen geringere Kosten als Briefe, die für eine andere Region bestimmt sind und dadurch mehrere Sortiergänge notwendig machen. Dieser Unterschied ist jedoch für jeden Anbieter gleich immanent und für die Analyse von Bottlenecks nicht relevant. 3.5.1.3 Transport Beim Transport treten ebenfalls geringe Größenvorteile auf. Sie resultieren daraus, dass die Kosten für Transportmittel mit größeren Ladekapazitäten im Vergleich zu Transportmitteln mit kleiner Kapazität unterporportional steigen. Entsprechend sind die Stücktransportkosten eines Briefes in einem voll beladenen LKW geringer als beispielsweise in einem Sprinter. BRADLEY (1997) hat für den Straßentransport des USPS Elastizitäten zwischen 0,65 und 0,95 ermittelt, wobei sich im Mittel 0,80 ergeben. Bei der Nutzung von Bahn und Flugzeugen betragen nach seiner Untersuchung die Elastizitäten sogar mehr als 0,90. ROGERSON et al. (1993) weisen für die USA ebenfalls geringe Skalenvorteile im Transport aus.317 Aus ihrer Analyse geht hervor, dass die Skalenvorteile bei kurzen Strecken im Versorgungsbereich eines Sortierzentrums größer sind als bei Überlandfahrten. Trotz der Existenz von Größenvorteilen gehen sowohl ROGERSON et al. (1993) als auch CTCON (1998) davon aus, dass Marktteilnehmer mit geringem Sendungsvolumen keine absoluten Stückkostennachteile zu verzeichnen haben. Sie begründen ihre Einschätzung damit, dass er im Transportbereich alternative Netzwerkkonfigurationen gibt, mittels derer sich Kosten reduzieren lassen, und dass außerdem ein kompetitiver Markt für die Fremdvergabe von Transportdiensten existiert. Ein weiterer Aspekt, der zu einem Ausgleich möglicher Größennachteile führen dürfte, ist das gegenläufige Verhältnis zwischen Sortier- und Transportkosten. Durch eine Reduzierung bzw. niedrige Anzahl an Sortierzentren können die Sortierkosten gesenkt werden, während die Transportkosten steigen bzw. sich vergleichsweise erhöhen. In 317
Für Europa hat NERA (2004) deutliche Größenvorteile im Transport ermittelt, wobei die Autoren auf Grund ihrer beschränkten Datenlage bei der Höhe ihrer Ergebnisse zur Vorsicht raten, vgl. NERA (2004), S. 132.
122
3 Netzzugang und Regulierung
der Vergangenheit war bei den europäischen Postgesellschaften ein Abbau von Sortierkapazität zu beobachten. Das legt den Schluss nahe, dass die damit einhergehende Reduzierung der Sortierkosten die höheren Transportkosten übersteigt. Da Marktneulinge in der Regel ihre Sortierkapazität sukzessive aufbauen, kann die Konfiguration von vorneherein kostengünstiger ausgelegt werden als die des bestehenden Netzwerks. Regionale Kostenunterschiede sind im Transport wahrscheinlich. Die Strecken, um Sortierzentren oder Umschlagpunkte in ländlichen Gebieten zu erreichen, sind in dünn besiedelten Gebieten länger als in dicht besiedelten. Beispielsweise betreibt die DPAG in Berlin allein drei ihrer bundesweit 82 Briefzentren. Die Annahme von ELSENBAST (1999), dass zusätzlich niedrigere Sendungsvolumina in dünn besiedelten Gebieten zu Kostendifferenzen beitragen, erscheint hingegen nicht plausibel. In der Regel haben Massenversender ihren Sitz in Ballungszentren, generieren jedoch Post gleichmäßig für das gesamte Bundesgebiet, so dass die Transportrelationen eine Asymmetrie zu Gunsten der Randlagen-BZ aufweisen. Wie bei der Sortierung gibt es auch beim Transport Kostenunterschiede zwischen intra- und interregionalen Sendungen. Bei ersteren fällt kein Hauptlauf an, so dass Transportkosten ausschließlich durch Vor- und Nachlauf verursacht werden. 3.5.2 Größenvorteile und regionale Kostenunterschiede: Downstream Der Zustellung kommt im Hinblick auf kostenseitige Markteintrittsbarrieren eine besondere Bedeutung zu. Zum einen macht diese Wertschöpfungsstufe den größten Anteil an den Gesamtkosten der Briefbeförderung aus. Zum anderen gilt sie als Auslöser für die Subadditivität des Briefsektors insgesamt.318 Zur Höhe und Struktur der Zustellkosten in Deutschland liegen keine belastbaren quantitativen Daten vor. Vor allem zu Kostenunterschieden zwischen dicht und dünn besiedelten Regionen und zum Ausmaß von Skalenvorteilen des etablierten Unternehmens sind keine Untersuchungen verfügbar. Ziel der weiteren Untersuchung ist es daher, a) die Zustellkosten in Deutschland zu quantifizieren, b) die geographischen Kostenunterschiede zu bestimmen, c) das Ausmaß der Skalenvorteile abzuleiten und d) die Höhe der kostenseitigen Markteintrittsbarrieren auf Grund von Größenvorteilen 318
„The discussion in the postal sector generally revolves around whether the 'last mile delivery' by the incumbent operator constitutes a monopolistic bottleneck or 'essential facility', and includes analysis of the economics of the sector (sunk costs, economies of scale) and its comparability to other network industries. “ (Europäische Kommission (2006a)). Ebenso Panzar (1991).
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
123
abzuschätzen. Hierbei sind mögliche Qualitätsvariationen und Faktorkostenvorteile seitens eines Marktneulings zu berücksichtigen. Im Mittelpunkt steht die Ableitung belastbarer Aussagen zur Struktur der Zustellkosten in der Bundesrepublik, wie sie in anderen Arbeiten für ausländische Briefmärkte erarbeitet wurden.319 Dazu wird im Folgenden ein Strukturmodell entwickelt, das die kostenrelevanten Tätigkeiten des Zustellprozesses abbildet. Der Modellansatz folgt konzeptionell ROY (1999), der ebenfalls Zustellkosten für Gebiete in Abhängigkeit ihrer Größe berechnet. Außerdem werden die Vorarbeiten von COHEN et al. (1997) und BRADLEY et al. (1995) berücksichtigt.320 Nach der Kalibrierung des Modells mit Daten zur geographischen Struktur Deutschlands (z. B. Einwohner, regionale Besiedlung und Bebauung) und Kostensätzen (z. B. Stundenlöhne für Zusteller) ist eine Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Fragen möglich. Der Zustellprozess wird dabei in seine grundlegenden Teilprozesse zerlegt. Die Prozessschritte werden jeweils separat modelliert. 3.5.2.1 Kostentreiber und Zustellprozess Das Strukturmodell berücksichtigt alle wesentlichen Kostentreiber der Zustellung. Dies sind im Einzelnen - das Sendungsaufkommen (d. h. die Anzahl zu befördernder Sendungen pro Zeiteinheit) 319
320
Die spezifische Kostensituation der DPAG wird nicht analysiert. Zum einen liegen entsprechende Datensätze nicht vor, zum anderen wäre diese für Simulationen variierender Sendungsmengen ungeeignet. Roy (1999) verzichtet auf eine formale Beschreibung des Modells, so dass ein Vergleich auf der Basis von Funktionsgleichungen nicht möglich ist. Die Zielsetzungen sind zudem verschieden: Roy (1999) simuliert für ein fiktives Gebiet beliebige Parameterkonstellationen, um den grundsätzlichen Einfluss von Sendungsaufkommen sowie geographischer und demographischer Dichte auf Zustellkosten zu bestimmen. Zustellkosten, Dichtevorteile etc. für ein existierendes Zustellgebiet bzw. mehrere Gebiete eines Landes werden nicht abgeleitet. Ferner lässt seine Beschreibung vermuten, dass sein Modell einen systematischen Fehler besitzt, da er einen Faktor für die Streckenberechnung verwendet, der nur bei Nutzung von Geodaten verwendet werden dürfte (d. h. mit einer Straßenkarte samt Abschnitten). Damit überschätzt er die Zustellkosten systematisch. Dies wird am Beispiel Frankreich bestätigt: Roy et al. (2006) berechnen mit dem Modell geographische Kostendifferenzen von 1 : 5,3, obwohl die Werte nach Angaben von La Poste bei 1 : 2,3 bis 2,9 liegen, vgl. CtCon (1998). Günther (1998) hat ebenfalls ein Strukturmodell vorgestellt, das aber keine Simulation anhand von Strukturdaten eines Landes erlaubt (z. B. Größe und Bebauung von Postleitzahlgebieten). Damit ist der Ansatz für die Arbeit unbrauchbar.
124
3 Netzzugang und Regulierung
- die geographische Dichte (oder Besiedlungsdichte, d. h. die Anzahl von Einwohnern je qkm), - die demographische Dichte321 (d. h. die Anzahl von Abgabestellen je Hauseingang) und - die Art des Transports (Fortbewegung, d. h. zu Fuß, Fahrrad oder PKW mit unterschiedlichen Geschwindigkeitsprofilen). Die Zustellung lässt sich nicht automatisieren: Wie in den Anfängen des Postwesens übernimmt die Auslieferung auch heute noch ein „Postbote“, der die Briefe zu den Empfängern bringt. Die hohe Arbeitsintensität bedingt, dass die Kosten der Zustellung zum überwiegenden Teil aus Personalkosten bestehen. Entsprechend determiniert die pro Sendung benötigte Zeit die Kosten der Zustellung. In Kapitel 2 wurde die Zustellung bereits grob beschrieben. Betrachtet man die einzelnen Elemente der Straßenzustellung, kann man unterscheiden zwischen den Hin- und Rückwegen vom Zustellstützpunkt (ZSP) zum Zustellbezirk, den Grundwegen innerhalb eines Zustellbezirks (Zustellroute), den Stichwegen von der Zustellroute zum Hauseingang und der eigentlichen Zustelltätigkeit.322 Die verschiedenen Teilprozesse sind in Abbildung 13 schematisch dargestellt.
321
322
Die demographische Dichte beschreibt die Siedlungsstruktur, z. B., ob die Bebauung durch Einfamilienhäuser oder durch Mehrfamilienhäuser geprägt ist. Sie hat postalisch einen erheblichen Einfluss, da sie für ein Gebiet mit einer gegebenen geographischen Dichte die Distanzen zwischen den Empfängeradressen determiniert. Sortierung und Sendungsvorbereitung in den ZSP gehören ebenfalls zum Zustellprozess. Dieser Teilschritt unterscheidet sich allerdings grundlegend von der eigentlichen Auslieferung. In der Literatur wird daher zwischen „in-office delivery“ und „street/outdoor delivery“ unterschieden. Die Sortierung im ZSP ist im Hinblick auf die strukturellen Kosteneigenschaften vergleichbar mit der Sortierung im BZ, d. h., sie ist mengenabhängig und damit kein Auslöser von Größenvorteilen. Entsprechend werden die In-office-Tätigkeiten weder in Struktur- noch in ökonometrischen Modellen berücksichtigt.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
125
Abbildung 13: Teilprozesse der Zustellung
Quelle: Eigene Darstellung
Im Folgenden werden die Teilprozesse beschrieben und die Kostentreiber je Prozessschritt erläutert: - Hin- und Rückwege fallen an für die Strecken zwischen den Zustellstützpunkten, in denen die Sendungen auf die Gangfolge der Zusteller sortiert wurden, und den Zustellbezirken, innerhalb derer ein Zusteller die Sendungen ausliefert. Ein Postleitzahlengebiet besteht i. d. R. aus mehreren Bezirken. Die Kosten hängen somit unmittelbar ab von der Entfernung zwischen dem ZSP und dem jeweiligen Startund Endpunkt einer Route sowie dem vom Zusteller genutzten Fortbewegungsmittel.323 Die Kosten sind mittelbar abhängig vom Sendungsaufkommen: Je mehr Briefe zuzustellen sind, desto mehr Zusteller werden auf Grund von Zeit- und Kapazitätsrestriktionen für die Auslieferung benötigt. Steigt die Anzahl der Zusteller und damit die Anzahl der Zustellbezirke, fallen entsprechend häufiger Hin- und Rückwege an. Demnach handelt es sich um sprungfixe Kosten. Für einen Zusteller sind sie dagegen sendungsmengenunabhängig, so dass bis zum Erreichen der Kapazitätsgrenze sinkende Durchschnittskosten vorliegen. Demographische und geographische Dichte haben keinen Einfluss auf die Kosten von Hin- und Rückwegen. 323
Die Begriffe Zustellbezirk und -route werden bisweilen gleichgesetzt. Dies ist nicht korrekt: Der Zustellbezirk bezeichnet das vom Zusteller versorgte Gebiet, die Zustellroute bezieht sich auf die zu leistenden Wege im Bezirk.
126
3 Netzzugang und Regulierung
Zwar sind in der Praxis im Allgemeinen die Entfernungen zwischen ZSP und Bezirk in ländlichen Regionen größer als in dicht besiedelten Gebieten, allerdings werden in dünn besiedelten Gebieten vielfach PKW eingesetzt, so dass der Zeitbedarf für die Wege im Landraum nicht unbedingt größer ist. - Die Grundwege innerhalb eines Bezirks ergeben sich aus der Route des Zustellers. Die Zustellroute beschreibt die Gangfolge, die ein Zusteller in seinem Bezirk zurücklegt, um die Empfängeradressen zu erreichen. Die benötigte Zeit (route time) und damit die Kosten für die Zustellroute werden determiniert durch die zurückzulegende Strecke und die Geschwindigkeit des Fortbewegungsmittels. Die Grundwege sind weitgehend fix, d. h. vom Sendungsaufkommen größtenteils unabhängig: Selbst wenn ein Zusteller nur sehr wenige Sendungen innerhalb eines Gebietes zuzustellen hat, muss er stets alle potenziellen Empfängeradressen ablaufen.324 Allerdings reduziert sich bei geringem Sendungsaufkommen die Wahrscheinlichkeit, dass an einem Hauseingang tatsächlich gehalten werden muss. Dadurch steigt die Distanz zwischen den tatsächlichen Stopps (die Distanz zwischen den potenziellen Stopps bleibt konstant), wodurch sich wiederum schnellere Verkehrsmittel einsetzen lassen (z. B. Fahrrad statt zu Fuß).325 Geographische und demographische Dichte haben einen großen Einfluss auf die Grundwege: Je dünner ein Gebiet besiedelt ist, desto weiter liegen die Empfänger auseinander, d. h. die die Distanz zwischen zwei Stopps ist größer als in dicht besiedelten Gebieten. Pro Sendung ist damit eine längere Strecke zurückzulegen, so dass erhebliche Stückkostenunterschiede zwischen dicht und dünn besiedelten Gebieten zu erwarten sind. - Ein Stichweg beschreibt den Zeitbedarf für den Zugang zu einer Abgabestelle von der Zustellroute aus (access oder stop time). Ein Stichweg fällt entsprechend immer dann an, wenn ein Zusteller auf der Route an einem Hauseingang stoppt, um Post auszuliefern. Der Zeitbedarf für den Stichweg setzt sich zusammen aus der Strecke zwischen Zustellroute und Abgabestelle (bspw. dem Weg durch einen Vorgarten),
324
325
Bei sehr geringem Aufkommen, ist es – entsprechende Ortskenntnisse vorausgesetzt – ggf. möglich, Abkürzungen zu nehmen. Die Möglichkeit, Abkürzungen zu nehmen und schnellere Verkehrsmittel einzusetzen, stellt einen grundlegenden Unterschied zu leitungsgebundenen Netzsektoren dar: Bei ihnen ist das Netz in der Regel nur mit großem Aufwand veränderbar, das Layout ist daher auch bei Mengenschwankungen konstant. Entsprechend sind die Infrastrukturkosten fix. Das Briefbeförderungssystem dagegen ist ein immaterielles Dienstleistungsnetz, das sich in einem gewissen Maße mit der Ausbringungsmenge verändert.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
127
ggf. dem Warten vor einer Haustür, wenn es keinen Außenbriefkasten gibt, und in Fällen, in denen es mehr als eine Abgabestelle pro Eingang gibt (z. B. bei Mehrfamilienhäusern), dem Suchen des Empfängerbriefkastens.326 Ob Stichwege anfallen, hängt mittelbar ab von der Sendungsmenge: Je größer die Anzahl zuzustellender Sendungen, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein potenzieller Empfänger tatsächlich Post erhält. Nach dieser Logik steigt auch die Wahrscheinlichkeit, dass an einem potenziellen Stopp (Hauseingang) tatsächlich gehalten werden muss. Wenn Stichwege anfallen, sind die Kosten fix, d. h. unabhängig von der Sendungsmenge. Die Besiedlungsdichte hat keinen Einfluss auf die Kosten für Stichwege, die demographische Dichte dagegen schon: Die Distanz zwischen Route und Hauseingang hängt ab von der Art der Bebauung, der Zeitbedarf für das Suchen einer Abgabestelle in einem Mehrfamilienhaus steigt mit der Anzahl der Abgabestellen je Hauseingang. Auch die Wahl des Fortbewegungsmittels hat einen Einfluss auf den Zeitbedarf: Die Distanz zwischen Route und Hauseingang ist in der Regel bei Fuß- und Fahrradzustellung geringer als bei Zustellung mittels PKW. Darüber hinaus ist es unterschiedlich zeitaufwendig, die Briefe jeweils aus den Transportbehältnissen zu holen (z. B. Briefbehälter im Kofferraum eines PKW versus Satteltaschen beim Fahrrad). - Die Zustelltätigkeit beinhaltet die Auslieferung von Sendungen an eine spezifische Abgabestelle, im Regelfall also das Einwerfen von Briefen in Briefkästen.327 Die dafür benötigte Zeit (load time) hängt von der Sendungsmenge ab; Dichte und Verkehrsmittelwahl spielen keine Rolle. Die vorangegangene Beschreibung des Zustellprozesses erlaubt bereits an dieser Stelle eine qualitative Einschätzung, inwiefern Größen- bzw. Dichtevorteile in der Zustellung vorhanden sind: Die Straßenzustellung setzte sich aus Teilprozessen zusammen, die vollständig vom Sendungsvolumen abhängen (Zustelltätigkeit), solchen, die indirekt vom Sendungsaufkommen abhängen (Hin- und Rückwege, Stichwege), und solchen, die weitgehend fix sind (Grundwege). Der fixe Charakter der Grundwege be326
327
Manchmal wird die Zeit für das Suchen des „richtigen“ Briefkastens auch der Zustelltätigkeit zugerechnet. Dies ist eine definitorische Frage, die keinen Einfluss auf die Kosten hat, so lange der Prozessschritt berücksichtigt wird. Davon zu unterscheiden sind die Postfachzustellung und die Zustellung von Sendungen mit Mehrwertleistungen (z. B. Einschreiben). Beide werden in der Modellierung nicht berücksichtigt.
3 Netzzugang und Regulierung
128
dingt, dass bei steigenden Sendungsmengen der konstante Aufwand für Wegeleistungen auf mehr Sendungen verteilt wird, mithin die Stückkosten fallen. Fallende Stückkosten sind im Einproduktfall eine hinreichende Bedingung für Skalenvorteile.328 Die Hypothese von Größen- bzw. Dichtevorteilen in der Zustellung scheint daher zutreffend. Geographische Kostenunterschiede erscheinen ebenfalls plausibel, da die Distanzen zwischen den Stopps umso geringer sind, je dichter die Bebauung ist; damit nehmen die Wegeleistungen pro Sendung bei steigender Dichte ab.329 3.5.2.2 Formalisierung des Modells Die beschriebenen Teilprozesse bilden die Grundlage für die Modellierung der Zustellkosten.330 Die Modellierung erfolgt separat für jeden Teilprozess (Hin- und Rückwege (HR), Grundwege (G), Stichwege (S) und Zustelltätigkeit (Zt)) und jedes Postleitzahlengebiet in Deutschland. Dazu werden die einzelnen Arbeitsschritte der Straßenzustellung mit den jeweils relevanten Kostentreibern funktional verknüpft. Die Kosten K für einen Teilprozess n mit n
^HR, G, S , Zt` 331 eines Postleitzahlenge-
bietes j ergeben sich als Summe aus den anfallenden Personalkosten PK nj und Sachkosten SK nj . Die Personalkosten sind das Produkt aus dem Zeitbedarf t für den spezifischen Teilprozess n eines Postleitzahlengebietes j ( t nj ) und dem Personalkostensatz k. Demnach sind in der Modellierung sowohl die demographische und geographische Dichte separat für jedes Postleitzahlengebiet zu berücksichtigen als auch spezifische Geschwindigkeitsprofile für verschiedene Fortbewegungsmittel. Die Sachkosten setzen sich zusammen aus fixen und variablen Sachkosten (SKf bzw. SKv) und sind abhängig von der Art der Fortbewegung i mit i
^Fuß, Fahrrad , PKW ` .
Die Zustellkosten eines Gebietes ergeben sich als Summe der Kosten für die n Teil328
329
330
331
Die Annahme des Einproduktfalls ist zulässig, weil der Zustellprozess für verschiedene Sendungskategorien identisch ist. Eine Unterscheidung zwischen Massen- und Individualsendungen ist daher nicht notwendig. Unterschiede zwischen den Sendungsarten ergeben sich auf vorgelagerten Stufen wie Sortierung und Transport. Gleichwohl kann daraus nicht mit Sicherheit geschlossen werden, dass die Zeit zwischen den Stopps kürzer ist als auf dem Land. Theoretisch wäre denkbar, dass der Einsatz schnellerer Verkehrsmittel die größeren Entfernungen überkompensiert. Das Modell beschreibt durch Gleichungssysteme die wesentlichen technisch-ökonomischen Produktionsprozesse und liefert – ausgehend von den einzelnen Komponenten – eine aggregierte Kostenfunktion. Eine Übersicht aller Variablen in Tabellenform findet sich im Appendix.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
129
prozesse. Die Zustellstückkosten eines Gebietes oder die Durchschnittskosten DKj entsprechen dem Wert des Quotienten aus den gesamten Zustellkosten des Gebietes
K jZ
und den im Gebiet auszuliefernden Sendungen q Sj . Die gesamten Zustellkosten K Z können durch die Addition der Kosten über alle Postleitzahlen errechnet werden. Um auch geographische Kostenunterschiede untersuchen zu können, wird zwischen vier Regionen unterschieden. Die Unterscheidung erfolgt anhand von Schwellenwerten in Bezug auf die Bevölkerungsdichte d mit d
^Landraum,Verdichtungsraum, Stadt , Großstadt ` , so dass von Dichteclustern gespro-
chen werden kann. Jedes Postleitzahlengebiet wird dabei einem Dichtecluster zugeordnet. Die beschriebenen Zusammenhänge werden im Folgenden formal dargestellt.332 Aus den teilprozessspezifischen Personal- und Sachkosten sowie den fixen Sachkosten lassen sich die Gesamtkosten der Zustellung K Z bestimmen. Sie ergeben durch die Addition der verschiedenen Teilprozesskosten n und müssen über alle Postleitzahlengebiete j summiert werden: KZ
N
J
n
j
¦¦ K
n j
(3.8)
J
KZ
¦K
HR j
K Gj K Sj K Ztj SKf j
(3.8.1)
j
Die Gesamtkosten der Prozessschritte Hin- und Rückwege sowie Grundwege setzen sich aus Personal- und variablen Sachkosten zusammen, so dass gilt K HR j K Gj
PK HR SK HR j j
(3.8.2)
PK Gj SK Gj
(3.8.3)
Damit kann man (3.8.1) ausschreiben als J
KZ
¦ PK
HR j
SK HR PK Gj SK Gj K Sj K Ztj SKf j j
(3.8.4)
j
332
Aus Platzgründen erfolgt an dieser Stelle eine überblicksartige Darstellung. Das Modell berücksichtigt mehr als 30 Variablen/Parameter und 8.244 Postleitzahlengebiete. Die Formalisierung ist in Anhang A 2 ausführlich dargestellt.
3 Netzzugang und Regulierung
130
und dies lässt sich weiter aufteilen in
¦ t J
KZ
HR j
t Gj t Sj t Ztj uk SKv HR SKv Gj SKf j j
(3.8.5)
j
Die Zustellstückkosten DKZ ergeben sich durch Division der Zustellkostenfunktion durch die täglich anfallende Sendungsmenge qS: DK Z
KZ qS
(3.10)
Durch Zuordnung der Postleitzahlengebiete zu jeweils einem der vier Dichtecluster lassen sich Zustell- und Zustellstückkosten in Abhängigkeit von der Dichte berechnen. Damit lassen sich Größenvorteile genauer lokalisieren. 3.5.2.3 Parametrisierung des Modells Um mittels der im vorangegangenen Abschnitt hergeleiteten Kostenfunktion die Zustell- und Zustellstückkosten für Deutschland zu berechnen, müssen die verschiedenen Variablen parametrisiert werden. Die Datenanforderungen folgen aus dem Modell: - Strukturdaten zur geographischen und demographischen Dichte jedes Postleitzahlengebietes (z. B. Fläche, Anzahl Haushalte und Einwohnerzahl) sowie das Sendungsaufkommen bilden den Kern bei der Berücksichtigung von Länderspezifika. Für die Modellierung wird ein Datensatz der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) verwendet.333 Die sog. „Bevölkerungsstrukturdaten 2006“ liefern ein detailliertes Bild hinsichtlich der soziodemographischen Zusammensetzung eines Gebiets. Sie umfassen für alle 8244 Postleitzahlen Deutschlands u. a. die Anzahl der Einwohner und Haushalte, die Haushaltszusammensetzung (Anzahl der Personen, Alters- und Einkommensklassen) und genaue Angaben zur Wohnstruktur, d. h. die Anzahl der Wohn-, Gewerbe- und Mischhäuser sowie Gebäudeklassen nach der Anzahl der Haushalte. - Geschwindigkeiten von Verkehrsmitteln dienen ebenso wie Zeitansätze einzelner Tätigkeiten (z. B. Zustelltätigkeit, Suchen von Briefkästen bei Stichwegen) dazu, den Zeitbedarf der Teilprozesse zu berechnen. Geschwindigkeiten und Zeitansätze stammen entweder aus Quellen über ausländische Briefmärkte oder wurden vom
333
Vgl. GfK (2006).
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
131
Autor geschätzt. Die Angaben wurden durch Interviews für Deutschland überprüft und ggf. entsprechend angepasst. - Kostensätze ermöglichen die geldmäßige Bewertung der verschiedenen Teilprozesse. Sie müssen für den Faktor Arbeit (Personalkosten) sowie für die fixen und variablen Sachkosten der eingesetzten Verkehrsmittel vorliegen. Der Personalkostensatz basiert auf den Tarifinformationen der DPAG und deckt sich mit den Angaben von DIEKE et al. (2007). Im Appendix werden die den einzelnen Werten zu Grunde liegenden Annahmen erläutert und Quellen genannt. 3.5.2.4 Ergebnisse der Modellierung Die nachfolgenden Ausführungen beantworten die Fragen dieses Kapitels: Wie hoch sind die Zustellkosten in Deutschland? Welches Ausmaß haben die geographischen Kostenunterschiede? In welchem Umfang liegen Größenvorteile vor? Und welche kostenseitigen Markteintrittsbarrieren folgen daraus für Marktneulinge? Maßgeblich für die Höhe der Zustellkosten sind das Sendungsvolumen sowie die geographische und demographische Struktur des Territoriums. Tabelle 6 führt die wesentlichen im Rahmen der Modellierung verwendeten Größen auf: In Deutschland leben rund 82,4 Mio. Personen, die sich auf 39 Mio. Haushalte verteilen. Bei einem Aufkommen von jährlich rund 16,9 Mrd. Briefen empfängt jeder Einwohner im Schnitt 205 Briefe pro Jahr. Die Bundesrepublik erstreckt sich über eine Fläche von rund 357.000 Quadratkilometer. Die durchschnittliche Dichte, gemessen als Anzahl der Einwohner je qkm, beträgt demnach 231. Bei rund 17,6 Mio. Wohnhäusern ergibt sich ein Grouping Index – das Verhältnis von Briefkästen zu Hauseingängen – von 2,21. Tabelle 6: Strukturdaten Deutschlands gemäß Datenset Region
Sendungen pro Tag Land 6.976.115 Verdichtung 20.710.659 Stadt 15.746.569 Großstadt 12.904.417 Gesamt 56.337.759
Einwohner Haushalte Fläche Wohnhäuser Bevölkerungsdichte Grouping in km² in EW/km² Index 10.208.949 4.388.437 176.364 2.964.406 58 1,48 30.308.281 13.359.690 149.233 7.723.308 203 1,73 23.043.759 11.106.880 26.579 4.670.486 867 2,38 18.884.512 10.168.725 4.916 2.286.003 3.842 4,45 82.445.501 39.023.732 357.093 17.644.203 231 2,21
Quelle: GfK (2006), eigene Berechnungen
3 Netzzugang und Regulierung
132
Die Modellierung geht davon aus, dass die Zustellung in Deutschland durch einen einzigen Anbieter (Incumbent) erfolgt, der 100 % der Sendungsmenge auf sich vereinigt. Dies entspricht der Situation vor der Marktöffnung, stellt also den Monopolfall dar.334 In diesem Basisszenario erfolgt die Zustellung laut Modell in 62.983 Zustellbezirken, von denen 20 % zu Fuß, 41 % per Fahrrad und 39 % mittels PKW bedient werden. Der sog. Drop Faktor – d. h. die durchschnittliche Anzahl an Sendungen je bedienter Abgabestelle – liegt bei 1,1. Diese Strukturparameter weisen eine große Übereinstimmung mit den für Deutschland bekannten Echtwerten auf und sprechen für eine hohe Güte der Modellergebnisse.335 Gleichwohl erheben die Modellergebnisse nicht den Anspruch, die Kostensituation der DPAG abzubilden. Vielmehr wird die Struktur der Zustellkosten für Deutschland bestimmt. Gründe für Abweichungen zwischen Modellergebnissen und betrieblicher Realität sind im Appendix dargestellt. Zustell- und Zustellstückkosten In einem ersten Schritt werden die Zustell- und Zustellstückkosten sowie die Kostenanteile der einzelnen Teilprozesse untersucht. Die Darstellung der Ergebnisse erfolgt in Form normierter Werte. Dadurch lassen sie sich leichter interpretieren. Zudem orientiert sich diese Form der Darstellung an ausländischen Untersuchungen.336 In Abbildung 14 ist der Verlauf von Zustellkosten, Durchschnittskosten und Teilprozesskosten jeweils in Abhängigkeit von der Sendungsmenge dargestellt. Der auf 100 normierte Wert ergibt sich, wenn 100 % der Sendungsmenge ausgeliefert wird. Diese Situation wird als Basisszenario bezeichnet.
334
335
336
Wie in Kapitel 2 beschrieben, wurde der Briefmarkt bereits vor der vollständigen Öffnung teilliberalisiert (Absenkung von Gewichtsgrenzen, „Höherwertigkeitskriterium“). Dies hat allerdings keinen Einfluss auf die Struktur der Zustellkosten und kann daher vernachlässigt werden. Der Drop-Faktor von 1,1 wurde in Interviews mit der DPAG bestätigt. Rabe (2002) gibt für 2001 folgende Strukturparameter für die DPAG an: 62300 Zustellbezirke, davon 19 % Fuß, 41 % Fahrrad und 40 % PKW. Die Anzahl der Zustellbezirke lag im Jahr 2000 bei 62.500. Vgl. Bernard et al. (2002); Roy (2002); Cohen et al. (2004c). Werte in Euro werden im Appendix ausgewiesen.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
133
Abbildung 14: Zustellkosten in Abhängigkeit von der Sendungsmenge Zustellkosten und ihre Zusammensetzung
Zustellstückkosten
Hin-/Rückweg Grundwege Stichwege Zustelltätigkeit
Kosten (normiert)
Durchschnittskosten (normiert)
Gesamt
100
2.200
90
2.000
80
1.800
70
1.600 1.400
60
1.200
50
1.000
40
800
30
600
20
400
10
200
205
0 0
25
50
75 100 125 150 175 200 225
Sendungsmenge (pro Kopf/Jahr)
0
100 0
205 25
50
75 100 125 150 175 200 225
Sendungsmenge (pro Kopf/Jahr)
Quelle: Eigene Berechnungen
Die gesamten Zustellkosten ergeben sich durch Addition der Kosten für die einzelnen Teilprozesse. Im Basisszenario – wenn eine Zustellorganisation die komplette Sendungsmenge der Bundesrepublik auf sich vereinigt – machen die Kosten für Hin- und Rückwege einen Anteil an den gesamten Zustellkosten von 8 % aus, die Grundwege von 37 %, die Stichwege von 38 % und die Zustelltätigkeit von 16 %. Die Kosten setzen sich zu 90 % aus Personalkosten und zu 10 % aus Sachkosten zusammen.337 Der eingangs qualitativ beschriebene unterschiedliche Charakter der einzelnen Teilprozesse spiegelt sich in den Kurvenverläufen wieder: Die Kosten für Grundwege sind teilfix; sie stellen bei niedrigem Briefaufkommen den mit Abstand größten Kostenblock dar. Die Kosten für Stichwege steigen mit zunehmendem Sendungsvolumen, wobei sich der Anstieg abflacht.338 Die Kosten für die eigentliche Zustelltätigkeit steigen linear mit der Sendungsmenge an. Der Kostenanteil von Hin- und Rückwegen steigt stetig, aber verharrt insgesamt auf niedrigem Niveau.
337
Dies folgt aus dem Umstand, dass Sachkosten – wenn überhaupt – nur bei Hin-/Rückwegen und Grundwegen anfallen. Ihr Anteil wäre höher, wenn die Zustellvorbereitung in die Analyse einbezogen würde, da dort zusätzlich Sachkosten für Gebäude und ggf. Sortieranlagen anfallen.
338
Formal gilt also für n
^G, S `:K
n'
wK n ! 0, K n '' wq S
wK n ' 0. wq S
3 Netzzugang und Regulierung
134
An der Gesamtkostenkurve sticht vor allem der in der Literatur beschriebene Fixkostenanteil ins Auge. Dies führt dazu, dass bei einem Sendungsaufkommen von 10 % gemessen am gesamten heutigen Briefvolumen bereits mehr als 35 % der Zustellkosten anfallen.339 Bei einem Aufkommen von 22 % der Gesamtsendungsmenge fallen Kosten in Höhe von 50,4 % an, bei einem Aufkommen von 50 % sind es bereits fast drei Viertel der Kosten (73,9 %) – jeweils in Bezug auf die Kosten im Basisszenario. Die bei der Zustellung vorhandene Fixkostendegression wird auch an der Stückkostenkurve deutlich sichtbar: Steigt das Beförderungsvolumen bei niedrigen Sendungsmengen, sinken die Durchschnittskosten um ein Vielfaches. Während die Stückkosten bei einer Erhöhung der Sendungsmenge von 1 % auf 28 % des heutigen Niveaus um mehr als den Faktor 10 sinken, halbieren sie sich anschließend lediglich, wenn die Sendungsmenge um weitere 72 Prozentpunkte auf das heutige Gesamtvolumen steigt. Regionale Kostenunterschiede Zur Untersuchung regionaler Kostenunterschiede bei der Zustellung wird zwischen vier Regionen unterschieden. Als Kriterium für die Zuordnung der Postleitzahlengebiete zu den verschiedenen Regionen dient die Bevölkerungsdichte. Auf rund 9 % der Gesamtfläche der Bundesrepublik lebt – sehr konzentriert – mehr als die Hälfte aller Einwohner, während auf knapp der Hälfte des Territoriums nur etwa 12 Prozent der Bevölkerung wohnen. Die Regionen unterscheiden sich allerdings nicht nur in Bezug auf die Bevölkerungsdichte, sondern auch im Hinblick auf die Wohn- und demographische Struktur: Aus den Angaben in Tabelle 6 ergibt sich, dass die Haushalte im Landraum größer sind als in der Großstadt. Während auf dem Land im Durchschnitt 2,3 Personen in einem Haushalt leben, sind es in der Großstadt lediglich 1,9. Des Weiteren zeigt sich, dass die Anzahl der in einem Gebäude lebenden Haushalte in dichter besiedelten Regionen größer ist als in dünn besiedelten. Postalisch drückt sich dies in den höheren Grouping Indizes für dicht besiedelte Räume im Vergleich zu dünn besiedelten aus.
339
Bei sehr niedrigen Sendungsmengen (< 7 % des Gesamtvolumens) werden die Kosten für Grundwege auf Grund der Berechnungslogik des Modells tendenziell überschätzt. Vergleiche dazu die Überlegungen im Appendix. Dies wird dort bei der Sensitivitätsüberlegung aufgegriffen.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
135
Die regionalen Kostenunterschiede sind in Deutschland deutlich ausgeprägt.340 Abbildung 15 stellt die normierten Stückkosten für die verschiedenen Regionen und unterschiedliche Sendungsmengen graphisch dar. Es zeigt sich, dass die Zustellstückkosten in dicht besiedelten Regionen stets geringer sind als in dünn besiedelten. Abbildung 15: Stückkosten in Abhängigkeit von Dichte Stückkosten (normiert)
Anteile der Teilprozesse in Prozent
600
Region
Stückkosten (normiert)
Hin-/Rückwege
Grundwege
Stichwege
Zustelltätigkeit
Elastizität
550
Landraum
153
7
44
39
10
0,41
Verdichtungsraum
118
10
36
40
14
0,33
Stadt
85
8
35
38
19
0,46
Großstadt
61
7
33
33
27
0,49
8 37
38
16
0,39
500 450 400 350 300 250 200 150 100 50 205
0 0
25
50
75 100 125 150 175 200 225
Sendungsmenge (pro Kopf/Jahr)
Durchschnitt 100
Quelle: Eigene Berechnung
Normiert man für das Basisszenario die im Durchschnitt über alle Regionen anfallenden Stückkosten auf 100, ergeben sich für die Zustellung im Landraum Stückkosten in Höhe von 153, im Verdichtungsraum von 118, in der Stadt von 85 und in der Großstadt von 61.341 Damit ist die Zustellung im Landraum im Durchschnitt um den Faktor 2,5 teurer als in der Großstadt. Vergleicht man die Zustellkosten des billigsten mit denen des teuersten Gebietes, ergibt sich ein Faktor von 15,8. Ausgehend von auf 100 normierten Durchschnittskosten liegen die minimalen Zustellstückkosten eines Gebiets bei 33 und die maximalen bei 592.
340
341
Ein Vergleich mit ausländischen Studien zeigt allerdings auch, dass dort die Dichteeffekte noch stärker auftreten. Elsenbast (1994), S. 10, zitiert aus einem Vortrag eines Post-Mitarbeiters aus dem Jahr 1993 mit folgenden Werten: Stadt 100, Großstadt 85, Verdichtungsraum 140, Landraum 170. Setzt man die Stadtzustellung in der Untersuchung des Autors ebenfalls auf 100, ergeben sich für die Großstadt 72, für den Verdichtungsraum 140 und für den Landraum 180 – und damit vergleichbare Werte.
3 Netzzugang und Regulierung
136
Die Kostenunterschiede zwischen den Regionen beruhen vor allem auf dem Umstand, dass die Wegeleistungen je Sendung abnehmen, je dichter die Besiedlung ist. Als Folge ist die Arbeitsproduktivität von Zustellern gemessen in der Anzahl zugestellter Sendungen pro Tag in der Großstadt nahezu doppelt so hoch wie auf dem Land. Ein Vergleich der Kostenanteile der verschiedenen Teilprozesse zwischen den Regionen zeigt, dass der Anteil der Grundwege im Landraum mit 44 % am höchsten ist (vgl. die Tabelle in Abbildung 15). In der Großstadt liegt er 11 Prozentpunkte darunter. Dafür ist dort der Anteil der für die eigentliche Zustelltätigkeit anfallenden Kosten mit 27 % vergleichweise hoch (durchschnittlicher Kostenanteil: 16 %). Im Landraum und in städtischen Gebieten fällt der größte Teil der Kosten für Stichwege an (40 bzw. 38 %). Elastizität und Größenvorteile Die Skalen-Elastizität als Indikator für Größenvorteile lässt sich berechnen als Reaktion der Zustellkosten KZ auf die Veränderung der Sendungsmenge eines Gebiets qS mit H
wK Z KZ
wq S qS
.
Sie beträgt im Basisszenario 0,39, d. h. bei einer Erhöhung der Ausbringungsmenge um 1 % steigen die Gesamtkosten lediglich um 0,39 %. Damit bestehen in der Zustellung in Deutschland deutliche Größenvorteile. Das Ausmaß lässt sich nach COHEN et al. (1997) bestimmen, in dem man den Markt auf zwei Anbieter mit identischer Kostenfunktion, d. h. identischer Effizienz, aufteilt. Jeder Anbieter stellt landesweit und täglich 50 % des Sendungsaufkommens zu. Die dann auftretenden Mehrkosten sind auf die Reduzierung der Größenvorteile im Vergleich zur Situation mit nur einem Anbieter zurückzuführen. In Deutschland betragen die Mehrkosten im Basisszenario 48 %. Die Skalenelastizität variiert zwischen den Regionen.342 Sie ist am niedrigsten im Verdichtungsraum (0,33), höher im Landraum (0,41) und noch höher in der Stadt (0,46) bzw. Großstadt (0,49). Würde man die Elastizitäten graphisch als eine Funktion der
342
Sie variiert ebenfalls mit dem Sendungsaufkommen: Je höher die Anzahl zuzustellender Sendungen, desto stärker fallen Teilprozesse ins Gewicht, deren Kostenfunktion vom Sendungsaufkommen abhängen. Dagegen verteilen sich die fixen Kosten auf eine immer größere Sendungsmenge. Während die Durchschnittskosten sinken, nähern sich die Grenzkosten einem konstanten Wert an. Im Ergebnis sind die Skalenvorteile zunehmend erschöpft.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
137
Dichte darstellen, ergäbe sich ein u-förmiger Kurvenverlauf.343 Wie lässt sich dies erklären? Die hohen Elastizitäten für Gebiete mit großer Dichte (Stadt, Großstadt) ergeben sich, weil der Anteil fixer Kosten relativ niedriger ist als im Verdichtungsraum: Die Distanz zwischen zwei Stopps ist niedriger und ein Stopp beinhaltet mehr Abgabestellen. Entsprechend fallen in dicht besiedelten Gebieten Größenvorteile weniger stark ins Gewicht. Auf den ersten Blick kontraintuitiv ist jedoch, dass die Elastizität im Verdichtungsraum niedriger ist als im noch dünner besiedelten Landraum – schließlich ist auf dem Land die durchschnittliche Entfernung zwischen zwei Abgabestellen größer als im Verdichtungsraum. Dies lässt sich damit erklären, dass in sehr dünn besiedelten Gebieten ein zusätzlicher Brief einen zusätzlichen Stopp bzw. Stichweg verursacht, während in dichter besiedelten Regionen ein Stopp mehrere Abgabestellen umfassen kann. Folglich verursachen zusätzliche Mengen nicht in gleichem Maße zusätzliche Stoppkosten. Entsprechend können Stichwege bzw. Stoppkosten in sehr dünn besiedelten Räumen eher als variable Kosten angesehen werden. Dies führt – im Vergleich zum Verdichtungsraum – zu einer Verringerung der Größenvorteile. Kostenparität Die Existenz von Größenvorteilen beim etablierten Unternehmen wirft die Frage auf, welche Sendungsmenge neu in den Markt eintretende Unternehmen attrahieren müssen, um ihre Skalennachteile auszugleichen, d. h. ein vergleichbares Kostenniveau wie der Incumbent zu erreichen. Den Skalennachteilen von Marktneulingen stehen in Deutschland Faktorkostenvorteile gegenüber, die sich aus einem niedrigeren Lohnniveau im Vergleich zum etablierten Unternehmen ergeben.344 Des Weiteren können Marktneulinge selektive Markzutrittsstrategien wählen und ihr Qualitätsniveau den Bedürfnissen der Nachfrager anpassen. Dies umfasst vor allem eine Reduzierung der
343
344
Für Frankreich wurde ein vergleichbarer u-förmiger Verlauf ökonometrisch nachgewiesen, vgl. Cazals et al. (2005). Ein gegenläufiger Effekt geht von Lernkurven-Effekten in der Zustellung aus. Sie ergeben sich, weil ortskundige Zusteller auf Grund ihrer Kenntnisse und Erfahrungen für die Auslieferung weniger Zeit benötigen als unerfahrene Briefträger (für eine allgemeine Definition und die wettbewerbspolitische Bedeutung vgl. Spence (1981)). Sie führen bei gleichem Lohnniveau zu absoluten Kostennachteilen beim Marktneuling. Es handelt sich jedoch um ein transitorisches Problem. Es ist ohnehin zu vermuten, dass ihr Einfluss in der Praxis begrenzt ist, da ihnen Produktivitätsnachteile gegenüber stehen, die sich aus dem hohen Altersschnitt der Zusteller beim etablierten Unternehmen ergeben. Vgl. dazu Rabe (1997).
3 Netzzugang und Regulierung
138
Zustellfrequenz im Vergleich zur DPAG, die auf Grund der Vorgaben der PUDLV an sechs Tagen in der Woche bundesweit flächendeckend zustellen muss. Die Sendungsmengen zur Erzielung von Kostenparität werden im Folgenden nicht absolut ausgewiesen, sondern als Anteil am Gesamtmarkt. Sie beziehen sich auf das Sendungsaufkommen im Basisszenario von 16,9 Mrd. Briefen p. a. Aus Tabelle 7 lässt sich ersehen, welche Marktanteile ein Wettbewerber erzielen muss, um Kostenparität mit dem etablierten Unternehmen im Bereich der Zustellung zu erreichen. Die Matrixdarstellung erlaubt dabei die Berücksichtigung alternativer Annahmen zu Lohnkostenvorteilen und Zustellfrequenz.
Faktorkostenvorteil in %
Tabelle 7: Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität, bundesweiter Eintritt
20 30 40 50 60
Anzahl Zustelltage pro Woche 5 4 37% 32% 33% 28% 28% 24% 24% 20% 20% 16%
3 26% 23% 19% 16% 13%
2 19% 16% 14% 11% 9%
1 11% 9% 8% 6% 5%
Quelle: Eigene Berechnung
Der zur Erzielung von Kostenparität notwendige Marktanteil eines Wettbewerbers ist um so niedriger, je seltener zugestellt wird und je größer der Lohnkostenvorteil im Vergleich zum etablierten Unternehmen ist. Stellt ein Anbieter etwa nur an einem Tag in der Woche zu und kann seine Mitarbeiter zu 60 % niedrigeren Lohnkosten im Vergleich zum etablierten Unternehmen beschäftigen, liegt der Marktanteil bei 5 %. Bei drei Zustelltagen in der Woche und einem Lohnkostenvorteil von 40 % beträgt der Marktanteil 19 %. Bei einer bundesweiten Zustellung an fünf Tagen in der Woche und einem Lohnkostenvorteil von 20 % erzielt ein Marktneuling Kostenparität erst dann, wenn er 37 % der Gesamtmenge auf sich vereinigen kann. Es zeigt sich, dass die Kostenposition vor allem durch eine Reduzierung von Zustelltagen verbessert werden kann. Die Analyse geht von einem bundesweiten Markteintritt aus. Denkbar – und für eine Übergangsphase wahrscheinlicher – sind selektive Markteintrittsstrategien, wie etwa
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
139
die Beschränkung der Zustellung auf eine Region.345 Der Autor hat daher für alle vier Regionen Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität berechnet. Dazu werden unterschiedliche Kombinationen aus Zustellfrequenz und Lohnkostenvorteil betrachtet. Die Ergebnisse sind in Tabelle 8 für ausgewählte Szenarien aufgeführt. Tabelle 8: Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität, regionaler Eintritt Zustelltage* pro Woche 5 4 3 3 2 2 1 1 1 2, 2, 3, 3 1, 1, 2, 2
Lohnkostenvorteil in % 30 40 40 50 50 60 40 50 60 50 50
Region Land Verdichtung 36% 35% 27% 26% 21% 21% 18% 18% 13% 13% 11% 11% 9% 9% 7% 7% 6% 6% 13% 13% 7% 7%
Stadt 28% 18% 14% 12% 8% 7% 5% 5% 4% 11% 8%
Großstadt Bundesweit 31% 33% 21% 24% 16% 19% 12% 16% 8% 11% 6% 9% 6% 8% 5% 6% 3% 5% 11% 12% 8% 7%
* Bei mehreren Werten: Land, Verdichtung, Stadt, Großstadt
Quelle: Eigene Berechnung
Grundsätzlich ist das anteilige Sendungsvolumen, das ein neu in den Markt eintretendes Unternehmen gewinnen muss, in dünn besiedelten Gebieten größer als in dicht besiedelten. Dies ist mit den grundsätzlich stärker ausgeprägten Größenvorteilen im Landraum im Vergleich zu städtisch strukturierten Räumen zu erklären. Die Unterschiede zwischen Land- und Verdichtungsraum sind in vielen Szenarien marginal. Gleichwohl sind die absoluten Stückkosten auf dem Land höher als im Verdichtungsraum. Die Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität sind in der Stadt bisweilen geringer als in der Großstadt, weil bei niedrigen Sendungsmengen die Entfernungen zwischen den Abgabestellen in der Stadt erheblich stärker steigen als in der Großstadt. Dies führt dazu, dass die Zustellung vornehmlich mit dem Fahrrad oder sogar PKW erfolgt. Dieser Effekt ist in großstädtischen Gebieten auf Grund der höheren Grouping Indezes weniger stark ausgeprägt; auch bei niedrigen Sendungsmengen muss ein Zu-
345
Markteintrittsstrategien für Briefmärkte werden in Kapitel 4 untersucht.
140
3 Netzzugang und Regulierung
steller an vielen – und damit eng beieinander liegenden – Eingängen stoppen, so dass jeweils Stichwege anfallen, die Kosten verursachen. In Stadt und Großstadt kann auch bei zwei Zustelltagen pro Woche – die eine Auslieferung an jedem zweiten Werktag ermöglichen würde – Kostenparität mit Marktanteilen deutlich unter 10 % erzielt werden. Bei nur einem Zustelltag sinken die Kosten für die Zustellung in dünn besiedelten Gebieten ebenfalls so stark, dass die benötigte Sendungsmenge unter 10 % sinkt. Die durch Dichteeffekte verursachten unterschiedlichen Kosten zwischen dicht und dünn besiedelten Räumen können durch eine Qualitätsdifferenzierung zwischen den Regionen reduziert werden, so dass sich die für Kostenparität benötigten Marktanteile angleichen: Wird im Land- und Verdichtungsraum jeweils an einem Tag pro Woche weniger zugestellt als in Stadt und Großstadt, etwa an zwei statt drei oder an einem statt zwei Tagen, sinken die Unterschiede auf zwei bzw. einen Prozentpunkt (zuvor sechs bzw. fünf Prozentpunkte). Für die Berechnung der Marktanteile wurde ein trotz der Eintritte neuer Anbieter stabil bleibendes Sendungsvolumen angenommen. Dies entspricht den gängigen Einschätzungen einer insgesamt stagnierenden Marktentwicklung (vgl. Kapitel 2.2.6). Zudem fokussiert die vorliegende Analyse auf die Kostensituation von Marktneuling und eingesessenem Unternehmen; eine Aussage darüber, wie sich die Preise für End-zu-EndBriefdienste im Wettbewerb entwickeln werden, ist auf dieser Basis nicht möglich. Daher ist die Annahme von Mengensteigerungen in Folge von durch Wettbewerb induzierten Preissenkungen bei elastischer Nachfrage spekulativ. Um den Einfluss möglicher Mengensteigerungen dennoch zumindest exemplarisch zu analysieren, werden zwei Szenarien betrachtet. Dabei wird jeweils unterstellt, dass der Eintritt neuer Wettbewerber eine Senkung von 20 % des Portoniveaus bewirkt. Dies entspricht dem derzeitigen durchschnittlichen Preisabstand zwischen DPAG und ihren Wettbewerbern. Bei einer angenommenen Nachfrage-Elastizität von -0,15 – also einer Nachfragesteigerung um 3 % bei einer Preissenkung um 20 % – ergibt sich dann ein durchschnittliches jährliches Sendungsaufkommen von 211 Briefen/Kopf (205 plus 6 Briefe) und bei einer angenommenen Elastizität von -0,30 ein Aufkommen von 217 Briefen (plus 12 Briefe). Für den Fall, dass der Marktneuling über einen Faktorkostenvorteil von 50 % verfügt und in Großstadt und Stadt an jeweils drei, auf dem Land und im Verdichtungsraum an jeweils zwei Tagen zustellt, ändern sich die für Kostenparität benötigten Marktanteile bei einer Elastizität von -0,15 nicht. Bei einer Elastizität von -0,3 sinken die Marktanteile in Großstadt und Stadt jeweils um einen Prozentpunkt.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
141
Der geringe Einfluss ist darauf zurückzuführen, dass Incumbent und Marktneuling kostenseitig gleichermaßen von dem gestiegenen Aufkommen profitieren, weil die Größenvorteile im Basisszenario nicht vollständig ausgeschöpft sind. Lohnkostenvorteile von Wettbewerbern in Deutschland Die Analysen zur Kostenparität von Marktneulingen und etablierten Unternehmen zeigen, dass die bestehenden Größenvorteile des Incumbents von neuen Anbietern durch niedrigere Kosten für den Faktor Arbeit und eine Reduzierung der Zustellfrequenz kompensiert werden können. Dass die selektive Zustellung an weniger als allen Tagen in der Woche eine realistische Option ist, wurde bereits erläutert und gilt in der Literatur als gesichert.346 Folglich stellt sich die Frage, wie hoch die Lohnkostenvorteile von Marktneulingen in Deutschland sind. Untersuchungen zur Höhe der Löhne bei den in Deutschland bereits tätigen Briefdienstleistern liegen von DIEKE et al. (2007) und INPUT CONSULTING (2006) vor. Auf Grund der ausführlicheren Erhebung werden im Folgenden die Daten von DIEKE et al. (2007) verwendet.347 Demnach liegt der Durchschnittslohn (ohne Lohnzusatzleistungen) eines Zustellers, den Wettbewerber der DPAG zahlen, bei 7,94 Euro pro Stunde. Die Stundenlöhne schwanken dabei zwischen 5,5 und 13 Euro. Daraus ergibt sich für die Wettbewerber gegenüber dem tariflichen Stundenlohn eines DPAG-Zustellers in Höhe von 11,29 Euro ein Lohnkostenvorteil von 30 % in Bezug auf den Durchschnittslohn und 51 % bezogen auf die untere Lohngrenze. Ein solcher Vergleich berücksichtigt aber die beim Unternehmen anfallenden Lohnkosten nur unvollständig. In einem realistischen Vergleich müssen die Lohnkosten inklusive Sozialabgaben und tariflicher und ggf. übertariflicher Lohnzusatzleistungen einander gegenübergestellt werden. Außerdem sind Vertreteranteile für Fehlzeiten zu berücksichtigen. Geschieht dies, ergibt sich für die Wettbewerber ein Faktorkostenvor346
347
Vgl. z. B. Cohen, Chu (1997), S. 13: „Many first class mailers do not require daily delivery and most advertising mailers do not require daily delivery.” Die Angaben weichen ohnehin nur geringfügig voneinander ab. Dieke, Zauner (2007) kommen zu dem Ergebnis, dass der Briefsektor in weiten Teilen einen Niedriglohnsektor darstellt, dass es regionale Lohnunterschiede gibt und das Lohnniveau der DPAG branchenunüblich hoch ist, wobei sich die inzwischen gezahlten Einstiegsgehälter den Wettbewerbern annähern. Das hohe Lohnniveau bei der DPAG ist eine Folge ihrer Geschichte als eine Behörde des Bundes. Die Vergütungssysteme orientierten sich an den Vorgaben für den öffentlichen Dienst.
3 Netzzugang und Regulierung
142
teil von 41 % gegenüber der DPAG, wenn der Durchschnittslohn gezahlt wird. Geht man von der unteren Grenze aus, liegen die Lohnkosten um 59 % unter denen der DPAG.348 Berücksichtigt man außerdem, dass es bei der DPAG Besitzstandsregelungen für Mitarbeiter gibt, die vor 2001 (Arbeiter) bzw. Mitte 2003 (Angestellte) in einem unbefristeten Beschäftigungsverhältnis standen, sind die Lohnabstände zwischen Wettbewerbern und DPAG noch größer. Geht man davon aus, dass bei 50 % der DPAG-Zusteller die Besitzstandsregelung greift und dass die Differenz zwischen Besitzstand und Tarifvertrag im Durchschnitt 35 % beträgt, dann liegen die durchschnittlichen Faktorkosten eines Wettbewerbers für einen Zusteller rund 48 % unter dem der DPAG. Bezogen auf die untere Lohnschwelle ergibt sich ein Lohnkostenvorteil von 65 %.349 Durch den für allgemein verbindlich erklärten, aber juristisch noch umstrittenen Mindestlohn (vgl. Kapitel 4.3.1.1) sinkt der Lohnkostenvorteil der DPAGKonkurrenten: Nach Berechnungen des Autors liegt er bei 27 % in West- und 33 % im Ostdeutschland; unter Berücksichtigung der Besitzstandsregelungen liegen die Werte bei 37 % bzw. 43 %. 3.5.2.5 Exkurs: Zustellkosten auf ausländischen Briefmärkten Während für Deutschland bislang keine Untersuchungen zu Zustellkosten vorlagen, gibt es für ausländische Märkte eine Reihe an Analysen. Im Folgenden werden die Ergebnisse der wichtigsten Arbeiten zu Größenvorteilen bzw. Elastizitäten, zu geographischen Kostenunterschieden sowie zu den für Kostenparität zwischen Marktneuling und etabliertem Unternehmen notwendigen Marktanteilen dargestellt. Elastizitäten und Größenvorteile Die Existenz von Skalenvorteilen in der Briefzustellung wird in den Studien zu ausländischen Briefmärkten bestätigt. Tabelle 9 gibt einen Überblick über die Untersuchungen und ihre Ergebnisse:
348
349
Eigene Berechnungen. Als Kostensatz für die DPAG wird der durchschnittliche Tariflohn inklusive tariflicher Lohnzusatzleistungen wie Urlaubs- und Weihnachtsgeld und Vertreteranteil für Urlaub, Krankheit und Fortbildung angenommen. Während die DPAG einen Vertreteranteil von rund 24 % ansetzt, dürfte dieser bei den Konkurrenten auf Grund niedriger Krankenstände wegen der jüngeren Beschäftigtenstruktur und leistungsabhängiger Entlohnungskomponenten (Stücklöhne) deutlich niedriger liegen. Für die Berechnung wurde ein Wert von 15 % angenommen. Zusatzleistungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld werden von den neuen Anbietern nicht gezahlt. Eigene Berechnung. Zu den Annahmen vgl. Dieke, Zauner (2007), S. 10 f.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
143
Tabelle 9: Skalenvorteile in der Zustellung, Ausland
Autoren Rogerson und Takis Cohen und Chu Cazals et al. Roy Cazals et al. Cazals et al. Cazals et al. NERA Bradley et al.
Jahr 1993 1997 1997 1999 2001 2004a 2004 2004 2006
Land USA USA Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich Frankreich EU USA
SkalenElastizität 0,35 0,39* 0,5 0,82 0,8 0,23 0,42 0,64** 0,43
* Rückrechnung von Bradley et al. ** Alte EU-Mitgliedstaaten
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis BRADLEY et al. (2006) und eigenen Ergänzungen
Alle Untersuchungen kommen zu dem Ergebnis, dass in der Zustellung ausgeprägte Skalenvorteile vorliegen. Die Elastizitäten schwanken zwischen 0,23 und 0,82. Entsprechend sinken die Durchschnittskosten bei steigenden Ausbringungsmengen. Dass sich das Ausmaß der Skalenvorteile zwischen den Studien unterscheidet, ist einerseits darauf zurückzuführen, dass sich die untersuchten Länder im Hinblick auf die geographische und demographische Struktur unterscheiden. Andererseits sind die Unterschiede auch auf die jeweils zu Grunde liegenden Daten und angewandten Methoden zurückzuführen.350 Methodisch kann grundsätzlich zwischen ökonometrischen Modellen und Strukturmodellen (engineering models) unterschieden werden.351 Während ökonometrische Modelle die Beziehung zwischen zuzustellender Menge und resultierenden Zustellkosten auf der Basis tatsächlich gemessener Daten einzelner Zustellstützpunkte (delivery offices) schätzen bzw. hochrechnen, bilden Strukturmodelle die verschiedenen Tätigkeiten des Zustellprozesses ab und errechnen mittels kalibrierter Annahmen die entstehenden Kosten für das spezifizierte Zustellgebiet. Regionale Kostenunterschiede Wie im vorangegangenen Abschnitt ausführlich dargestellt, variieren vor allem die Kosten für Grundwege stark in Abhängigkeit von der geographischen Dichte.
350 351
Vgl. Bradley et al. (2006), S. 104. Vgl. dazu z. B. Cazals et al. (2005), S. 190 f.
3 Netzzugang und Regulierung
144
Um die Kosten des Universaldienstes für verschiedene europäische Länder zu ermitteln, hat NERA (1998) bei den nationalen Postgesellschaften geographische Kostenunterschiede in der Zustellung abgefragt, etwa die durchschnittliche Abweichung zwischen Zustellkosten auf dem Land (rural) und in der Stadt (urban).352 In allen Fällen sind deutliche Kostendifferenzen festzustellen – wie auch in Deutschland, wo die Zustellung im teuersten Quartil (Land) um den Faktor 2,5 teurer ist als im billigsten Quartil (Großstadt). In Finnland kostet die Zustellung auf dem Land je nach Landesteil im Vergleich zu den jeweiligen städtischen Gebieten zwischen knapp 40 bis fast 170 % mehr. Die Kosten für die Zustellung in den städtischen Regionen liegen wiederum um 16 bis 28 % über denen, die für die Zustellung in der Großstadt Helsinki anfallen. Die Zustellkosten in den ländlichen Gebieten Ostfinnlands (Ita-Suomi) liegen um den Faktor 2,9 über denen Helsinkis. In Frankreich unterscheidet sich der Zeitaufwand für die Zustellung – der in etwa das Verhältnis der Kosten widerspiegelt – zwischen dem dünn- und dichtbesiedeltsten von sieben Clustern um den Faktor 2,4 bis 2,9. Für Griechenland werden die Mehrkosten der Landzustellung im Vergleich zur Stadt mit 50 % Prozent angegeben. In Irland sind die Zustellkosten in der Hauptstadt Dublin am niedrigsten. In dem teuersten von insgesamt 50 Zustellgebieten liegen sie circa um den Faktor 2,3 höher. In Portugal beträgt das Verhältnis der Zustellkosten zwischen dem billigsten und teuersten der 430 Zustellstützpunkte 1 zu 16, in Großbritannien ergibt sich unter Berücksichtigung von 1389 Zustellstützpunkten sogar ein Verhältnis von ungefähr 1 zu 23.353
Kostenparität COHEN et al. (1997) ermitteln das Ausmaß der Skalenvorteile für die Zustellung in den USA. Mit ihrem Modell quantifizieren sie – ähnlich wie in der vorliegenden Arbeit – 352
353
Die Werte sind allerdings nicht direkt miteinander vergleichbar, weil die Postgesellschaften ihr Territorium unterschiedlich geclustert haben. Zum Folgenden vgl. NERA (1998), S. 121 ff. Hier zeigt sich die mangelnde Vergleichbarkeit der Datensätze. Eine feine Clusterung bedingt große Kostendifferenzen. Während in Deutschland das Verhältnis von billigster zu teuerster Zustellung bei vier Clustern bei 1:2,5 liegt, beträgt das Verhältnis bei Berücksichtigung aller PLZGebiete 1:15,8 (eigene Berechnung).
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
145
auch die Marktanteile, die ein Marktneuling benötigt, um Kostenparität mit dem etablierten Unternehmen zu erzielen. Sie treffen dafür verschiedene Annahmen zu Lohnkostenvorteilen des Marktneulings und zu dessen Zustellfrequenz.
Zustelltage pro Woche
Tabelle 10: Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität, USA
6 5 4 3 2 1
Lohn- und Effizienzvorteile des Wettbewerbers gegenüber USPS in % 0 33 50 50% 40% 35% 46% 36% 31% 41% 32% 28% 37% 27% 24% 31% 23% 19% 25% 18% 15%
Quelle: COHEN et al. (1997)
Die Werte in Tabelle 10 belegen, dass alternative Zustelldienste in den USA mit erheblichen Skalennachteilen gegenüber dem eingesessenen Unternehmen konfrontiert sind. Die Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität mit dem USPS liegen deutlich über den in dieser Arbeit festgestellten Werten. Ein Vergleich der Ergebnisse für das Szenario, in dem der Wettbewerber über Effizienzvorteile von 50 % gegenüber dem etablierten Unternehmen verfügt, ergibt um 7 bis 9 Prozentpunkte höhere Marktanteile in den USA als in Deutschland.354 Die britische Regulierungsbehörde Postcomm hat untersucht, welche Größennachteile neu in den britischen Markt eintretende Wettbewerber gegenüber dem dortigen Incumbent Royal Mail haben. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass in Großbritannien aus den Größenvorteilen von Royal Mail erhebliche Hindernisse für aktiven Wettbewerb bestehen. Sie beziffert den Marktanteil für Kostenparität eines Marktneulings bei landesweiter Zustellung auf mehr als 50 % bei Zustellung an sechs Tagen und weniger als 20 % bei einem Tag.355 Postcomm sieht allerdings große Chancen für selektive 354
355
Gründe hierfür dürften vor allem in der niedrigeren Bevölkerungsdichte, dem größeren Territorium und unterschiedlichem Aufkommen liegen. Bernard et al. (2002) arbeiten in einem Vergleich der Zustellkosten von USA und Frankreich verschiedene Treiber für Abweichungen heraus. Vgl. Moriarty, Smith (2005), S. 108 f. Die Autoren berechnen allerdings nur die Kostenfunktion des Marktneulings und berücksichtigen nicht, dass die Stückkosten beim etablierten Unternehmen durch Marktanteilsgewinne des Neulings steigen für den wahrscheinlichen Fall, dass das Auf-
3 Netzzugang und Regulierung
146
Markteintritte in dicht besiedelten Gebieten, weil hier die notwendigen Marktanteile erheblich niedriger lägen. DE BIJL et al. (2006) zitieren einen Report des Forschungsinstituts SEO für das niederländische Wirtschaftsministerium, nach dem in den Niederlanden ein Marktneuling einen Marktanteil von 10 % benötigt, um bei landesweiter Zustellung an sechs Tagen die Woche Kostenparität zu erreichen. Bei einer Reduzierung der Zustellfrequenz auf zwei Tage die Woche liegt der Marktanteil bei 3 %. 3.5.3 Irreversibilitäten Versunkene oder irreversible Kosten sind von großer regulierungsökonomischer Bedeutung. Ist ein Markteintritt zwingend mit der Investition in Güter verbunden, die nur für einen speziellen Produktionsprozess geeignet sind oder deren Wert in anderer Verwendung signifikant niedriger ist, liegen Irreversibilitäten vor. Treten sie in Kombination mit Größenvorteilen auf, spricht man von monopolistischen Bottleneckbereichen (vgl. 3.4.3.1). Im Folgenden werden sowohl wertschöpfungsbezogene als auch wertschöpfungsstufenübergreifende Investitionen auf das Vorliegen versunkener Kosten untersucht. Es ist jeweils zu prüfen, ob die Anschaffungskosten eines Investitionsgutes den Liquidationswert nach der Installation übersteigen und entsprechend irreversibel sind.356 Dabei ist allerdings auch zu berücksichtigen, welche Höhe möglicherweise irreversible Kosten aufweisen; nur erhebliche irreversible Investitionen qualifizieren als Markteintrittsbarrieren. 3.5.3.1 Wertschöpfungsstufenspezifische Investitionen In diesem Unterkapitel werden die Wertschöpfungsstufen Annahme/Einsammlung, Sortierung, Transport und Zustellung untersucht. Die Analyse erfolgt disaggregiert und qualitativ-verbal.357
356 357
kommen konstant bleibt. Daher liegen die ausgewiesenen Werte höher als in der Realität zu vermuten. Diese anwendungsorientierte Definition stammt von Kruse (1985), S. 44. Vorarbeiten zu versunkenen Kosten in Briefnetzen stammen von Elsenbast (1999); Knieps (2002). Daten zu der exakten Höhe der Investitionskosten liegen nicht vor.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
147
Einsammlung/Annahme Es gibt verschiedene Wege, wie Briefe in das Beförderungssystem eingespeist werden: die Abgabe in einer Annahmestelle durch den Versender, der Einwurf in einen Briefkasten oder die Abholung beim Versender durch die Postgesellschaft. Die Annahme in Filialen ist keine Quelle für irreversible Kosten: Raumkapazitäten für Annahmeeinrichtungen (Schalterannahme) sind anderweitig verwendbar bzw. veräußerbar und können darüber hinaus gemietet werden. Die Hilfsmittel zur Annahme (Einrichtungen zum Wiegen, Frankieren etc.) können teilweise einen irreversiblen Charakter aufweisen, ihre Kosten sind aber in der Höhe zu vernachlässigen. Die Installation von Briefkästen verursacht irreversible Kosten, allerdings dürfte auch hier das Ausmaß zu vernachlässigen sein.358 Transportkapazitäten zur Entsorgung (Leerung) von Briefkästen oder zur Abholung von Sendungen beim Versender stellen keine versunkenen Kosten dar: Die Fahrzeuge sind anderweitig einsetzbar, veräußerbar und können zudem am Markt bei Dritten nach Bedarf eingekauft werden. Kosten für die Ausbildung von Mitarbeitern im Bereich Einsammlung/Annahme (Humankapitalinvestitionen) sind auf Grund der geringen Anforderungen ebenfalls zu vernachlässigen. Insgesamt liegen im Bereich der Einsammlung/Annahme keine Irreversibilitäten vor, die in ihrem Umfang zu einer Einschränkung der Bestreitbarkeit des Briefmarktes führen könnten. Sortierung Die Gebäude, in denen die Sortierung stattfindet, haben nicht den Charakter versunkener Kosten; sie liegen in der Regel in verkehrsgünstigen Gewerbegebieten, sind anderweitig nutz- und veräußerbar. Sie können außerdem auch gemietet werden. Sowohl die Sortiertätigkeit als auch die Bedienung von Sortiermaschinen stellen keine Tätigkeiten dar, die eine aufwendige Einarbeitung erfordern. Entsprechend fallen keine irreversiblen Humankapitalinvestitionen an. Im Hinblick auf die eigentliche Sortierung ist zwischen Hand- und maschineller Sortierung zu unterscheiden. Jedoch liegen bei der Handsortierung wegen des Fehlens von Investitionen keine versunkenen Kosten vor. Um maschinell zu sortieren, müssen Sortiermaschinen angeschafft werden. Diese weisen einen Hard- und einen Softwarebereich auf. Sortierprogramme (Software) stel-
358
Ohnehin zeigen Erfahrungen aus anderen Märkten, dass die Annahme mittels Briefkästen von Marktneulingen kaum genutzt wird.
3 Netzzugang und Regulierung
148
len eine anbieterspezifische Investition dar. Allerdings ist der darauf entfallende Anteil der Kosten gering. Die Kosten für die Hardware sind – gemessen an den Investitionsvolumina zum Aufbau eines Briefbeförderungssystems – hoch. Allerdings sind Hardware-Investitionen als solche tendenziell unspezifisch:359 Die Maschinen sind an keinen Ort gebunden und können an andere Anbieter von Briefdienstleistungen weiterveräußert werden. Auf Grund der sukzessiven Marktöffnung in der EU ist davon auszugehen, dass sich bei steigender Anbieterzahl zunehmend ein Sekundärmarkt für Sortiermaschinen entwickelt. Somit existieren auch in diesem Bereich keine marktzutrittsverhindernden Irreversibilitäten. Diese Einschätzung wird dadurch untermauert, dass bei geringen Sendungsvolumina grundsätzlich auf eine maschinelle Sortierung verzichtet werden kann. Entsprechend können Marktneulinge sukzessive in Maschinenkapazität investieren, wenn ausreichend Sendungsmengen attrahiert wurden. Dies ist auch wegen der geringen mindestoptimalen Betriebsgröße der Maschinen sinnvoll. Ferner hat die Analyse der Versendersegmente ergeben, dass große Versender überwiegend maschinell erstellte Sendungen verschicken, die ohne nennenswerten Zusatzaufwand bereits im Druckzentrum vorsortiert werden können.360 Transport Die beim Transport verwendeten Transportmittel verursachen keine irreversiblen Kosten. Die zum eigenen Fuhrpark gehörenden Transportmittel lasse sich vielfältig einsetzen und daher problemlos weiterveräußern. Zum anderen werden Transportdienste vielfach an private Speditionen vergeben, so dass keine Investitionen anfallen. Auch die Kapazitäten in Flugzeugen werden gemietet. Humankapitalinvestitionen fallen nicht in nennenswertem Ausmaß an.
359
360
Die Spezifität steigt mit dem Grad der Automatisierung: Ein Universaldienstanbieter mit hohen Sendungsmengen, die flächendeckend in kurzen Laufzeiten befördert werden sollen, wird auch spezifische Ansprüche an die Konfiguration der Sortiermaschinen (z. B. Anzahl der Ausgabestellen) stellen. Dies ist für Marktneulinge allerdings nicht in vergleichbarem Maße relevant. Diese Ausführungen zeigen, dass eine unkritische Übertragung der vom Incumbent über Jahre getätigten Investitionen auf Marktneulinge nicht zulässig ist. Die an das etablierte Unternehmen seinerzeit gestellten Anforderungen (Universaldienst etc.) bedingen im Bereich der Sortierung einen nicht unerheblichen Teil versunkener Kosten. Pfadabhängigkeiten sind ausgeprägt. Marktneulinge können dagegen problemlos Marktzutrittsstrategien verfolgen, die ohne diese Investitionen auskommen. Zu den Zutrittsstrategien vgl. Kapitel 4.4.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
149
Zustellung Die Kosten der Zustellung setzen sich zu 80 bis 90 % aus Personalkosten und nur zu einem geringen Teil aus Sachkosten zusammen (vgl. dazu ausführlich das vorherige Kapitel). Sachkosten fallen an für Fahrzeuge wie Autos und Fahrräder für die eigentliche Zustellung, Gebäude für die Zustellvorbereitung und Hilfsmittel wie Beförderungsbehältnisse, Spinde etc. Wie beim Transport stellen Transportmittel keine versunkenen Kosten dar. Auch Gebäude sind anderweitig nutzbar und veräußerbar, können alternativ angemietet werden und sind daher auch keine Quelle für Irreversibilitäten. Investitionen in Hilfsmittel dürften teilweise spezifischer Natur sein. Allerdings ist ihr Umfang zu vernachlässigen. Personalkosten haben nicht den Charakter versunkener Kosten. Lediglich spezifische Humankapitalinvestitionen wie Schulungsmaßnahmen gelten bei Marktaustritt als versunken. Diese sind allerdings bei der Zustellung auf Grund der geringen Komplexität nicht notwendig.361 Damit liegen im Bereich der Zustellung keine nennenswerten Irreversibilitäten vor. 3.5.3.2 Wertschöpfungsübergreifende Investitionen Neben den Investitionen in das Briefbeförderungssystem fallen bei einem Markteintritt auch wertschöpfungsstufenübergreifende Investitionen an. Als mögliche Quelle für irreversible Kosten werden in diesem Kontext Investitionen in die Bekanntheit und in die Qualitätsreputation eines Marktneulings genannt. Begründung: Erstens, nur Unternehmen, die von den Nachfragern wahrgenommen werden, können in Konkurrenz zum etablierten Unternehmen treten. Zweitens, Briefdienstleistungen stellen Erfahrungsgüter dar, deren Qualität sich nur ex ante (d. h. nach der Kaufentscheidung) beurteilen lässt. Entsprechend hänge der wirtschaftliche Erfolg maßgeblich von der Qualitätsreputation eines Anbieters ab.362 Ausgaben für Marketingmaßnahmen wie etwa Werbung dienen der Erlangung von Bekanntheit und dem Aufbau von Reputation.363 Marketingausgaben können den Charakter versunkener Kosten annehmen: Scheidet ein Unternehmen aus einem Markt aus, 361
362 363
Davon zu unterscheiden sind Lernkurven-Effekte, die im vorangegangenen Kapitel thematisiert wurden. Sie sind nicht mit Investitionen verbunden und daher auch keine Quelle für versunkene Kosten, wie unzutreffenderweise behauptet wird von der Monopolkommission (2005), S. 34. Vgl. Elsenbast (2001); Burns et al. (2002), S. 73 ff.; Monopolkommission (2005). Werbung erfüllt im Zusammenhang mit dem Aufbau von Reputation eine Signalfunktion: Indem ein Anbieter Ausgaben für Werbung tätigt, signalisiert er dem Nachfrager, dass er hinreichend Vertrauen in die Qualität der eigenen Produkte besitzt, vgl. Knieps (2005), S. 200.
3 Netzzugang und Regulierung
150
sind die zuvor getätigten Investitionen verloren, sofern das Unternehmen nicht in einem anderen Markt weiterhin Dienste anbietet und dort von der aufgebauten Reputation profitiert.364 Es ist zu untersuchen, ob die Investitionen in Werbemaßnahmen zur Steigerung der Bekanntheit und zum Aufbau von Qualitätsreputation auf dem Briefmarkt erheblich sind.365 Bekanntheit Dass das etablierte Unternehmen angesichts der jahrelangen Alleinstellung über eine große Bekanntheit verfügt, kann als gegeben angenommen werden. Allerdings ist der hohe Bekanntheitsgrad des Incumbents nicht als Maßstab für Wettbewerber anzusetzen: Bei selektiven, vor allem regional begrenzten, Markteintritten entfällt der Aufbau einer bundesweit bekannten Marke. Die Ausgaben für Marketingmaßnahmen dürften dann vergleichsweise niedrig sein. Aber auch für bundesweit tätige Anbieter ist eine mit der DPAG vergleichbare Bekanntheit keine Notwendigkeit: In einem Interview mit dem Autor hat die DPAG angegeben, dass in Deutschland rund 200 Versender mehr als 35 % des gesamten Briefaufkommens auf sich vereinigen und dass rund 30.000 Geschäfts- und Gewerbekunden weitere gut 50 % der Briefe verschicken. Diese hohe Konzentration auf der Versenderseite führt dazu, dass Marktneulinge keine allgemein bekannte Marke aufbauen müssen; dies wäre mit massiven Streuverlusten verbunden. Vielmehr können Wettbewerber durch die gezielte Ansprache großer Versender erhebliche Mengen attrahieren.366 Die gezielte Ansprache von Kunden erfolgt durch Vertriebsmaßnahmen, die mit vergleichsweise geringem Aufwand durchgeführt werden können und überwiegend als Personalkosten verursachen.
364
365
366
Nicht versunkene Marketingausgaben sind keine Markteintrittsbarrieren im definierten Sinne, da auch das etablierte Unternehmen in seine Reputation investiert hat und sie daher keinen asymmetrischen Kostenvorteil darstellen. Grundsätzlich zielt Werbung für Erfahrungsgüter vornehmlich auf die Stärkung des Markenimages und ist in der Regel weniger produktbezogen, vgl. Nelson (1974). Im Folgenden geht es nur um die Frage, ob und in welchem Umfang versunkene Kosten anfallen. Ob Versender tatsächlich einen Anbieterwechsel scheuen, die Nachfrage also träge auf neue Angebote reagiert, wird im nächsten Unterkapitel untersucht. Kapitel 4 gibt darüber anhand der Marktentwicklung empirisch Aufschluss. Diese Einschätzung deckt sich mit Ecorys (2005b). Entsprechend hohe Versenderkonzentrationen sind üblich: In den Niederlanden versenden 500 bis 600 Unternehmen rund 50 % aller Werbesendungen, vgl. De Bijl et al. (2005), S. 10.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
151
Qualitätsreputation Qualität stellt ein wichtiges Kriterium für die Zufriedenheit mit Briefdiensten dar. Vor allem die Zustellung an den richtigen Empfänger (korrekte Zustellung) und die Unversehrtheit der Sendung entscheiden über die Zufriedenheit eines Versenders. Allerdings kann daraus nicht abgeleitet werden, inwiefern die Qualitätsreputation entscheidend ist für die Anbieter-Wahl eines Versenders.367 Selbst wenn man annimmt, dass in Deutschland hohe Anforderungen an die Qualitätsreputation neuer Anbieter gestellt würden, sind Markteintritte nicht zwingend mit hohen Kosten für Marketingmaßnahmen verbunden: Anstatt erhebliche Mittel in den Markenaufbau zu investieren, können neue Anbieter die Qualität ihrer Dienstleitung durch unabhängige Dritte zertifizieren lassen. Dazu wird eine spezialisierte Firma beauftragt, ein Panel aus repräsentativen Empfängerkunden aufzubauen. An die Panelteilnehmer werden sog. Testbriefe verschickt. Die Panellisten dokumentieren den Erhalt der Testbriefe anhand sendungsspezifischer Prüfnummern, so dass anhand der Stichprobe Rückschlüsse auf Erhaltquote und Laufzeit möglich sind. Solche Laufzeitund Erhaltmessungen sind im Rahmen von Qualitätsmess- und -steuerungssystemen bei etablierten Anbietern seit vielen Jahren üblich. Auch diese Kosten sind im Falle eines Marktaustritts als versunken anzusehen, stellen aber absolut keine unüberwindbare Höhe dar, weil solche Qualitätskontrollen punktuell – in Absprache mit Versenderkunden – durchgeführt werden können.368 3.5.4 Nachfrageseitige Markteintrittsbarrieren: Nachfrageträgheit In den vorangegangenen Kapiteln wurden die Kosten untersucht, die im Falle eines Markteintritts entstehen. Auf dieser Basis wurde das Ausmaß von angebotsseitigen Markteintrittsbarrieren bestimmt. Nun werden die Kosten für einen Anbieterwechsel aus Sicht der Nachfrager bestimmt, um Rückschlüsse auf das Ausmaß von nachfrageseitigen Markteintrittsbarrieren zu gewinnen (vgl. zu den Grundlagen Kapitel 3.4.3.2).
367
368
Diese Frage wird im Zusammenhang mit nachfrageseitigen Markteintrittsbarrieren in Kapitel 3.5.4.2 untersucht. Der DPAG-Konkurrent TNT Post setzt ein entsprechendes System ein, vgl. TNT Post (2007). Die PIN AG hat sich ihre Qualität von der Prüforganisation Dekra zertifizieren lassen.
3 Netzzugang und Regulierung
152
Nachfrageträgheit gegenüber dem Angebot neuer Wettbewerber – bzw. Konsumentenloyalität gegenüber dem Angebot des eingesessenen Unternehmens – basiert auf Wechselkosten oder Goodwill. Es ist zu untersuchen, ob Nachfragern auf dem deutschen Briefmarkt Kosten beim Wechsel des Anbieters entstehen und ob diese ggf. so hoch sind, dass sich kein aktiver und potenzieller Wettbewerb entwickeln kann (3.5.4.1). Des Weiteren ist zu prüfen, ob die Versender auf Grund von Goodwill ihre Briefe auch in einem geöffneten Marktumfeld ausschließlich mit der DPAG verschicken werden, selbst wenn es alternative Angebote gibt (3.5.4.2). 3.5.4.1 Wechselkosten Es gibt unterschiedliche Ursachen für das Entstehen von Wechselkosten369. Die möglichen Ursachen werden im Folgenden in Hinblick auf einen Anbieterwechsel im Briefmarkt untersucht: - Technische Inkompatibilität: Um Beförderungsleistungen in Anspruch zu nehmen, müssen Versender keine anbieterspezifischen Investitionen tätigen. Folglich sind bei einem Anbieterwechsel im Allgemeinen keine Inkompatibilitäten mit vorhandenem technischem Equipment zu erwarten. Versender, die ihre Sendungen mit einer Frankiermaschine (synonym: Freistempelmaschine) freimachen, müssen ihre Frankiermaschine nach einem Anbieterwechsel auf die Porti des neuen Anbieters programmieren. Die Anpassungskosten sind niedrig. - Transaktionskosten entstehen Versendern vor allem bei der Suche nach alternativen Anbietern und beim Vergleich der alternativen Angebote mit denen des eingesessenen Unternehmens. Solche Suchkosten entfallen, wenn Wettbewerber der DPAG aktiv an Versender herantreten. Sie wirken daher keinem Wechsel entgegen. Vergleiche durch die Nachfrager sind dank vieler Informationskanäle (u. a. Internet, Verbraucherschutzorganisationen) ohne großen Aufwand und damit zu geringen Kosten möglich. Verhandlungen mit neuen Anbietern über die Konditionen einer Geschäftsbeziehung beanspruchen Zeit und werden ebenfalls als Transaktionskosten klassifiziert. 369
Vgl. Kapitel 3.4.1.3. Zu Existenz und Höhe von Wechselkosten auf dem deutschen Briefmarkt liegen keine Untersuchungen vor. Auch für ausländische Briefmärkte gibt es kaum Untersuchungen. Die Quantifizierung ist schwierig, vgl. Shy (2002), S. 72.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
153
Die bei einem Anbieterwechsel anfallenden Verhandlungskosten dürften im Briefmarkt aber gering sein: Briefdienste sind weitgehend standardisiert und wenig komplex, aus Versendersicht sind die zu definierenden Parameter überschaubar. Transaktionskosten sind daher im Briefmarkt keine Quelle für hohe Wechselkosten. - Schulungskosten: Briefdienste sind aus Versendersicht vergleichweise wenig komplex. Versender benötigen kaum anbieterspezifische Kenntnisse, die bei einem Wechsel verloren wären. - Kundenbindungsprogramme gibt es im Briefmarkt nicht. Sie sind daher keine Quelle für Wechselkosten. Rabatte knüpfen im Briefmarkt an einer konkreten Einlieferung an und entfalten daher ebenfalls keine Bindungswirkung. Im Bereich Infopost bietet die DPAG ihren Kunden auch Mengenrabatte an, die an die versendete Briefmenge über den Zeitraum eines Jahres gekoppelt sind. Solche Mengenrabatte verursachen Wechselkosten in Form negativer Opportunitätskosten - bei einer unterjährigen Beendigung der Geschäftsbeziehung würde das Durchschnittsporto möglicherweise steigen. Solche Wechselkosten betreffen allerdings nur Massenversender im Segment Werbepost und sind temporärer Natur. Die Eigenschaften der Dienstleistung Briefbeförderung führen dazu, dass auf Versenderseite beim Anbieterwechsel keine hohen Wechselkosten anfallen. Dieses auf Basis von Plausibilitätsüberlegungen verbal-qualitativ abgeleitete Ergebnis deckt sich mit empirischen Ergebnissen aus Großbritannien: Nach dem Vorhandensein von Wechselkosten gefragt, antworteten 14 % (2005: 12 %) der Geschäftskunden mit „ja“.370 Von den Befragten, die die Existenz von Wechselkosten in der 2006er-Untersuchung bejahten, nannten 16 % technische Anpassungen als Ursache, 8 % Administrationskosten und 2 % vertragliche Bindungen; 74 % konnten die Kosten nicht näher spezifizieren. Als Medianwert für die Höhe der Wechselkosten gaben kleine Geschäftskunden (jährliche Portoausgaben bis 10.000 britische Pfund) 100 Pfund an, Top-Versender (jährliche Portoausgaben größer 500.000 Pfund) dagegen 10.000 Pfund. Das entspricht
370
Die Daten stammen aus dem Business Customer Survey, der im Auftrag der Regulierungsbehörde unter einer repräsentativen Auswahl von Geschäftskunden durchgeführt wird. Für 2006 vgl. NERA (2006), S. 63, für 2005: Osborne et al. (2005), S. 62.
3 Netzzugang und Regulierung
154
(einmaligen) Wechselkosten (bezogen auf die Klassengrenzen) von 1 bzw. 2 % der Portokosten eines Jahres. 3.5.4.2 Reputation und Goodwill Wechselkosten sind nicht der einzige Grund für Nachfrager, ihrem Anbieter treu zu bleiben. Vielfach projizieren sie ihre guten Erfahrungen mit einem speziellen Anbieter in die Zukunft und bleiben „ihrem“ Anbieter treu, selbst wenn alternative Angebote zu gleichen oder niedrigeren Kosten verfügbar sind. Den alternativen Angeboten fehlt es an entsprechender Reputation.371 Eine Studie im Auftrag der britischen Regulierungsbehörde Postcomm aus dem Jahr 2005 hat ergeben, dass sich 16 % der geschäftlichen Versender nicht-finanziellen Barrieren für einen Anbieterwechsel gegenüber sehen (vgl. OSBORNE et al. (2005)). Von diesen nannten 29 % Zuverlässigkeit und 8 % Vertrauen als Barrieren. Fasst man diese beiden Gründe unter dem Attribut „fehlende Qualitätsreputation“ zusammen und bezieht die Werte auf alle befragten Geschäftskunden, ist die Reputation neuer Anbieter für 5,8 % der Versender ein relevantes Kriterium. Seit dem 1.1.2006 ist der britische Briefmarkt vollständig liberalisiert. Postcomm hat Ende 2006 den „Business Customer Survey“ ein weiteres Mal durchführen lassen (vgl. NERA (2006)). Darin wurden Versender, die weiterhin das etablierte Unternehmen Royal Mail für die Beförderung ihrer Briefe nutzen und nicht zu einem neuen Anbieter gewechselt sind, nach ihren Gründen gefragt. Als Hauptgrund wurde Zufriedenheit mit Royal Mail (41 %) genannt. Mangelndes Vertrauen in die Leistungsfähigkeit neuer Anbieter – ein möglicher Beleg für Reputationsnachteile von Marktneulingen – spielte bei 4 % eine Rolle.372 Dies legt den Schluss nahe, dass die Reputation von Postdienstleistern für die Anbieterwahl keine übermäßige Bedeutung besitzt. Briefdienste stellen zwar Erfahrungsgüter dar, allerdings handelt es sich bei ihnen nicht um langlebige Wirtschaftsgüter. Zudem müssen auch keine langfristigen Vertragsbeziehungen eingegangen werden, weil Briefe regelmäßig verschickt werden. Der Versender kann im Prinzip stets neu ent-
371 372
Vgl. zu den Grundlagen Kapitel 3.4.1.3. Außerdem wurden mit Qualitätsbezug genannt: schlechtere Abholzuverlässigkeit (2 %), schlechtere Zustellzuverlässigkeit/Laufzeit (2 %), schlechtere Abholzeiten (1 %) und schlechtere Anzahl der Abholungen (1 %). Unklar ist dabei allerdings, ob es sich um Aussagen auf der Basis von Angeboten bzw. konkreten Leistungszusagen neuer Anbieter handelt oder um Befürchtungen der Versender.
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
155
scheiden, von welchem Anbieter er die Dienstleistung Briefbeförderung bezieht. Wenn ein Anbieter die Qualitätsanforderungen des Absenders nicht erfüllt, ist ein Wechsel möglich. Dadurch ist das Risiko eines Anbieterwechsels begrenzt.373 Wie sieht die Situation in Deutschland aus? Die DPAG hat im Rahmen von Marktforschungen die Bindung ihrer Kunden bereits vor der Marktöffnung untersuchen lassen. Die im Folgenden zitierten Ergebnisse wurden dem Autor im Rahmen eines Interviews von der DPAG zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um Ergebnisse zweier Untersuchungen, die Zeiträume von 2001 bis 2005 bzw. von 2003 bis 2006 abdecken.374 Untersuchung 1: Im Rahmen des sog. Kundenorientierten Messsystems zur operativen Steuerung (KosMos) werden Gewerbe- und Geschäftskunden in Bezug auf ihre Bindung in vier Klassen unterteilt: verwurzelt, verbunden, schwankend, wechselbereit. Kunden, die in die ersten beiden Kategorien fallen, gelten als sichere Kunden. Kunden, die in die beiden letzten Kategorien fallen, gelten dagegen als gefährdete Kunden. In Tabelle 11 ist die anteilige Entwicklung der unterschiedlichen Kategorien im Zeitablauf dargestellt.
373
374
Auch Nelson (1970), S. 327, unterscheidet in Bezug auf Erfahrungsgüter zwischen „durable“ und „nondurable“ und sieht bei Letzteren einen stärkeren Wettbewerb. Untersuchungen für die Zeit nach 2006 gibt es nicht bei der DPAG. Ohnehin haben die Ergebnisse dabei nur einen indikativen Charakter: Fragen nach der Wechselbereitschaft in einem (teilweise) monopolisierten Markt dürften einer systematischen Verzerrung unterliegen. So lange kein konkretes Angebot vorhanden ist, handelt es sich nur um eine hypothetische Möglichkeit. Interessant im Hinblick auf die Markentreue sind daher vor allem die Veränderungen in den Einstellungen der Befragten im Zeitablauf.
3 Netzzugang und Regulierung
156
Gewerbekunden (GWK)
2001 2002 2003 2004 2005
Geschäftskunden (GSK)
Tabelle 11: Bindung an DPAG, Gewerbe- und Geschäftskunden, 2001 bis 2005
2001 2002 2003 2004 2005
Sichere Kunden Gefährdete Kunden Verwurzelt Verbunden Schwankend Wechselbereit 30% 47% 18% 4% 24% 45% 24% 7% 24% 42% 25% 9% 21% 40% 28% 11% 12% 41% 31% 15% 31% 27% 25% 24% 17%
47% 47% 48% 40% 50%
19% 20% 18% 25% 25%
3% 6% 9% 11% 8%
Abweichungen von 100 % sind rundungsbedingt
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis DPAG (2006d).
Auffällig ist die starke Abnahme der als verwurzelt eingestuften Kunden. Ihr Anteil sinkt von 2001 bis 2005 von 30 auf 12 % (GWK) bzw. 31 auf 17 % (GSK). Im gleichen Zeitraum steigt die Anzahl der als gefährdet eingestuften Kunden deutlich an: Beträgt der Anteil im Jahr 2001 erst 22 % bei GWK und GSK, sind es 2006 bereits 46 % der Gewerbe- und 33 % der Geschäftskunden. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Jahr 2005 lediglich 45 % der GWK im Bereich Briefkommunikation mindestens einen Wettbewerber kannten (im Bereich Direktmarketing: 31 %) und von den GSK 55 % (DM: 40 %).375 Angesichts der geringen Bekanntheit von Wettbewerbsangeboten ist zu vermuten, dass der Anteil der als gefährdet einzustufenden Kunden in einem liberalisierten Marktumfeld erheblich höher liegen wird. Untersuchung 2: Während bei KosMos die Wechselbereitschaft von Kunden allgemein abgefragt wird, vergleichen die Befragten im Rahmen der Conjoint-Analyse das DPAG-Angebot mit genau spezifizierten Wettbewerber-Angeboten.376 Daraus werden Stammkundenpotenziale für DPAG und Wettbewerber abgeleitet.
375
376
Ungestützte Bekanntheit. Im Jahr 2006 ist der Anteil der GWK, die mindestens einen Wettbewerber kannten, auf 55 % (BK) bzw. 45 % (DM) gestiegen. Bei den GSK lagen die Anteile 2006 bei 67 % (BK) bzw. 50 % (DM). Grundsätzlich ist zu vermuten, dass das Design von Conjoint-Analysen zu stabileren Ergebnissen führt: „It appears that 40 % of respondents who had reported opposition to ever switching volumes away from Royal Mail would nevertheless move some or all of their mail to entrants in exchange for a 5 % price reduction, given constant quality of service.” (Osborne et al. (2005), S. 59).
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
157
Conjoint-Analysen wurden im Auftrag der DPAG 2003 und 2006 durchgeführt. Dabei wurde das Standardbrief-Angebot der DPAG im Bereich Brief Kommunikation jeweils dem eines fiktiven bundesweiten und dem eines fiktiven Ortspost-Anbieters gegenübergestellt. Es wurde angenommen, dass der Preis für das Angebot der Wettbewerber jeweils um 20 % unter dem der DPAG liegt. Im Ortspostbereich ist die Laufzeit von DPAG und Wettbewerbern identisch. Zwar stellt die Ortspost nicht am Samstag zu, bietet dafür aber Serviceleistungen wie kostenlose Abholung an. Der bundesweite Wettbewerber hat annahmegemäß eine schlechtere Laufzeit (E+2) als die DPAG.377 In Abbildung 16 sind für diese Szenarien die Anteile der als Stammkunden von DPAG bzw. Wettbewerbern eingestuften Nachfrager dargestellt. Abbildung 16: Stammkundenpotenziale DPAG
Leistungsmerkmal
DPAG
Alternativer Zustelldienst
DPAG
Ortspost
• Laufzeit
E+1
E+2
E+1
E+1
• Preis
55 €Cent
44 €Cent
55 €Cent
44 €Cent
• Zustelltage
Mo. - Sa.
Mo. - Fr.
Mo. - Sa.
Mo. - Fr.
• Service
Standard
Komfort
Standard
Komfort
Stammkundenpotenziale
83%
77% -45% 44% +218%
23% -48%
17%
2003
+38%
56%
54% 46%
2006
2003
2006
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis DPAG (2006d).
Besonders aufschlussreich ist ein Vergleich der Ergebnisse von 2003 und 2006: Im regionalen Bereich tendierte bereits 2003 die Mehrheit der befragten Kunden zum (fiktiven) Ortspostangebot (56 %). Dieser Anteil ist im Jahr 2006 auf 77 % (plus 21 Pro-
377
Zur näherungsweisen Quantifizierung des Goodwills der DPAG hätte man abfragen müssen, welchen Preis die Nachfrager für eine Briefdienstleistung eines alternativen Anbieters bei identischer Qualität zu bezahlen bereit wären. Der Differenzbetrag zwischen DPAG-Porto und Zahlungsbereitschaft entspräche der Reputationsprämie.
158
3 Netzzugang und Regulierung
zentpunkte) angestiegen. Noch stärker fällt die Zunahme beim bundesweiten Wettbewerberangebot aus: Während der Anteil der DPAG-Stammkunden 2003 noch bei 83 % lag, hat er sich bis 2006 nahezu halbiert und liegt bei 46 % (minus 37 Prozentpunkte). Damit war der Anteil der als loyal einzustufenden Kunden bereits zwei Jahre vor der vollständigen Marktöffnung stark gesunken. Der Anteil der Kunden, die angegeben hat, mindestens einen neuen Anbieter zu kennen, stieg von 59 % (2003) auf 77 % (2006). 2003 gaben 62 % der Befragten an, noch keine Erfahrungen bzw. Kontakt mit Wettbewerbern gehabt zu haben. Im Jahr 2006 waren es 43 %. Ob die bisherigen Kunden der DPAG treu bleiben werden, wenn nach der Marktöffnung alternative Angebote zur Verfügung stehen, ist ex ante nicht mit Sicherheit zu beurteilen. Neuere Marktforschungen zu diesem Thema liegen nicht vor. Eine eindeutige Antwort kann daher nur ex post auf der Basis von Empirie abgeleitet werden.378 3.5.5 Zusammenfassung der Untersuchungsergebnisse Der Briefmarkt wurde in Kapitel 3.5 auf potenzielle Hürden untersucht, die einen Markteintritt in den liberalisierten Postmarkt verhindern oder erschweren können. Dabei wurde die Produktion entlang der Wertschöpfungskette disaggregiert untersucht. Ferner wurde – soweit möglich – die Nachfrageseite auf das Vorliegen von Markentreue analysiert. Zusammenfassend lässt sich sagen: Die Untersuchung der vorgelagerten Wertschöpfungsstufen (Upstream) ergibt, dass weder bei Einsammlung/ Annahme noch bei Sortierung oder Transport deutliche Größenvorteile vorhanden sind. Regionale Kostenunterschiede sind zwar bei Annahme bzw. Transport erkennbar, ihr Anteil an den Gesamtkosten ist jedoch vernachlässigbar bzw. sie sind teilweise vermeidbar. Dieses Ergebnis deckt sich mit einer Einschätzung der EU-Kommission: „[I]t is very difficult to make a convincing argument that significant parts of upstream access constitute an ‚essential facility’“.379 Es bestätigt außerdem die Erfahrungen aus den USA. Dort ist der Upstream-Bereich durch „worksharing“ bereits seit 1976 wettbewerblich organisiert.
378
379
Der zuverlässige Ex-ante-Nachweis von Markentreue ist nur eingeschränkt möglich. Auf habituelles Verhalten von Nachfragern kann aus dem Wechselverhalten bzw. Kundentreue in der Vergangenheit geschlossen werden. Vgl. dazu Kapitel 4. Europäische Kommission (2006a).
3.5 Untersuchung des Regulierungsbedarfs
159
Im Downstream-Bereich liegen deutliche Größenvorteile vor. Die Kosten der Zustellung sind durch Skaleneffekte gekennzeichnet, die auf Dichteeffekten beruhen. Diese sind regional unterschiedlich stark ausgeprägt: In dicht besiedelten Gebieten (Großstädte, Städte) ist dank der geringen Größenvorteile der Markteintritt für Wettbewerber attraktiv. In sehr dünn besiedelten Gebieten und Verdichtungsräumen hat das etablierte Unternehmen absolute Kostenvorteile gegenüber neu in den Markt eintretenden Unternehmen. Diese Größennachteile werden relativiert durch niedrigere Personalkosten bei den Marktneulingen. Zudem lassen sich die Kostennachteile durch differenzierte Netzstrategien (teilweise) ausgleichen: Vor allem eine Variationen der Laufzeit in Abhängigkeit der geographischen Dichte der Empfängeradresse erscheint hier vielversprechend. Hinzu kommt, dass Marktneulinge wegen der hohen Konzentration auf der Versenderseite auch mit wenigen Kunden bereits erhebliche Sendungsmengen attrahieren können. Die Untersuchung von Investitionen auf der Angebotsseite hat gezeigt, - dass beim Aufbau und Betrieb eines Briefbeförderungssystems (wertschöpfungsstufenspezifische Investitionen) in Deutschland nur in geringem Maße versunkene Kosten auftreten. Dieses Ergebnis deckt sich mit denen anderer Autoren für ausländische Briefmärkte (vgl. z. B. PANZAR (2002), CREW et al. (2002b), NERA (2004)). Vor allem durch selektive Marktzutrittsstrategien (z. B. regional begrenzt, auf bestimmte Versender fokussiert) lassen sich irreversible Investitionen (fast) vollständig vermeiden. - Dass beim Eintritt in den Briefmarkt keine erheblichen wertschöpfungsübergreifenden irreversiblen Kosten anfallen. Der Aufbau einer Marke, die ähnlich bekannt ist wie die der Deutschen Post, ist nicht notwendig, die Kosten also vermeidbar. Auf Grund der hohen Konzentration der Versenderkunden ist eine gezielte Ansprache von großen Versendern über den Vertrieb möglich. Ein Qualitätsnachweis ist – für den Fall, dass fehlende Qualitätsreputation tatsächlich eine Barriere beim Anbieterwechsel darstellt – durch Messungen von unabhängigen Dritten zu erbringen. Die dafür notwendigen Investitionen sind im Vergleich zu reichweitenstarken Werbemaßnahmen gering. Auch nachfrageseitig ergeben sich keine hohen Hürden: Dass Wechselkosten den Wettbewerb im Briefmarkt nachhaltig hemmen werden, ist nicht zu vermuten. Markt-
3 Netzzugang und Regulierung
160
forschungen zeigen, dass die Wechselbereitschaft der Kunden im Zeitablauf kontinuierlich gestiegen ist. Der Anstieg verläuft jeweils parallel mit der wachsenden Bekanntheit von Wettbewerbern und ihren Angeboten. Es ist daher zu vermuten, dass die Wechselbereitschaft der Kunden bei einer steigenden Kenntnis über Wettbewerber ebenfalls weiter steigen wird. Angesichts dieser Entwicklung scheinen die nachfrageseitigen Markteintrittsbarrieren in Form von Nachfrageträgheit und Treue gegenüber dem etablierten Unternehmen DPAG für Marktneulinge überwindbar.380 Denn trotz der vermeintlich hohen absoluten Konsumentenloyalität in einigen Bereichen waren bereits zum Zeitpunkt der Untersuchungen (2005 und 2006) jeweils ausreichend große Nachfragepotenziale für profitable Markteintritte vorhanden. Die Ergebnisse lassen sich mit folgender Abbildung zu angebots- und nachfrageseitigen Markteintrittsbarrieren illustrieren: Abbildung 17: Markteintrittsbarrieren im Briefmarkt Ja
Abholung/ Annahme
Transport
Sortierung
Zustellung
(
) Schwach Nein
Markteintrittsbarrieren
• Angebotsseitig – Größenvorteile
(
)
– Irreversible Kosten
-(
)
-(
)
• Nachfrageseitig – Wechselkosten – „Goodwill“
(
)
Quelle: Eigene Darstellung
380
Diesen Schluss lassen auch Untersuchungen auf Großbritannien zu, wenn man von einer grundsätzlichen Vergleichbarkeit der Märkte und ihrer Nachfrager ausgeht: Der Anteil der Unternehmen, die prinzipiell einen Teil ihrer Sendungen statt von Royal Mail von einem neuen Anbieter befördern lassen würden, lag 2005 – also im Jahr vor der Marköffnung – bei 64 % gegenüber 34 % in 2004. Der Anteil, derer die angaben, niemals einen anderen Anbieter zu nutzen, sank von 40 auf 23 %. Konfrontiert mit einem um 5 % günstigeren (fiktiven) Wettbewerberangebot bei identischer Qualität, würden je nach Segment 65 - 85 % der Unternehmen einen Teil oder das gesamte Aufkommen Royal Mail entziehen, vgl. Osborne et al. (2005), S. 56 ff.
3.6 Fazit: Beurteilung des Regulierungsbedarfs
161
3.6 Fazit: Beurteilung des Regulierungsbedarfs Der Gesetzgeber hat die institutionellen Marktzutrittsschranken zum 1.1.2008 abgeschafft. Seitdem ist der deutsche Briefmarkt für Wettbewerber geöffnet. Wettbewerber, die über ein eigenes Beförderungs- und Auslieferungsnetz verfügen, können bundesweit Briefdienste anbieten. Vor der Marktöffnung hat das Bundeskartellamt der DPAG zudem auferlegt, Wettbewerbern einen Zugang zu ihrem Netz zu gewähren. Die Zugangskonditionen unterliegen der Regulierung durch die Bundesnetzagentur. Dieser ex ante regulierte Netzzugang gilt auch im geöffneten Umfeld. Die Rechtfertigung dieses regulierten Netzzugangs erfordert den Nachweis netzspezifischer Marktmacht. Kann ein solcher Nachweis nicht erbracht werden und es wird trotzdem reguliert, spricht man von einem Fehler erster Art oder Überregulierung.381 Ein solcher Fehler verursacht direkte Kosten für die Regulierung (z. B. für die Regulierungsbehörde) und indirekte Kosten (z. B. in Form von Fehlallokationen). Die Folge sind Wohlfahrtsverluste, die ohne Regulierungseingriff nicht anfallen würden. Netzspezifische Marktmacht liegt vor, wenn mindestens ein Element der Wertschöpfungskette durch eine Kombination aus Größenvorteilen und hohen Markteintrittsbarrieren gekennzeichnet ist. Treten Größenvorteile in Kombination mit irreversiblen Kosten auf, spricht man von einem monopolistischen Bottleneckbereich. Der Besitzer einer Engpassressource besitzt auch in einem geöffneten Marktumfeld stabile Marktmacht, die weder durch aktiven noch potenziellen funktionsfähigen Wettbewerb diszipliniert wird. Dies ist auch der Fall, wenn Größenvorteile in Kombination mit übermäßiger Nachfrageträgheit vorliegen. Nach den Maßstäben der Theorie monopolistischer Bottlenecks, besteht in Deutschland kein Bedarf, den Zugang zum Briefbeförderungssystem des etablierten Unternehmens zu regulieren: Nur auf der Stufe der Zustellung existieren ausgeprägte Größenvorteile. Diese treten allerdings nicht in Kombination mit irreversiblen Kosten auf. Alle anderen Wertschöpfungsstufen sind weder durch nennenswerte Größenvorteile noch durch Irreversibilitäten gekennzeichnet. Die Kostenstrukturen spiegeln deutlich den Dienstleistungsnetz-Charakter des Beförderungssystems wider: Im Unterschied zu leitungsgebundenen Netzen fallen kaum Investitionen für materielle Infrastrukturein381
Vgl. Haucap, Kruse (2004). Unterbleibt die Regulierung, obwohl dazu die Notwendigkeit besteht, besteht ein Fehler zweiter Art, der ebenfalls mit Kosten verbunden ist.
162
3 Netzzugang und Regulierung
richtungen an, deren Wert in einer anderen Verwendung versunken ist. Der Markt ist daher bestreitbar; ein Unternehmen, das nicht kostenbasierte Preise setzt, muss stets mit Markteintritten von Wettbewerbern rechnen. Selbst wenn die Zustellung (in einigen Regionen) die Voraussetzungen eines natürlichen Monopols erfüllt, begrenzt dort potenzieller Wettbewerb die Marktmacht der DPAG. Dieses Ergebnis deckt sich im Kern mit dem sog. Bronner-Urteil des Europäischen Gerichtshofes. Dieser hatte 1998 darüber zu entscheiden, ob ein Hauszustellsystem für Zeitungen eine wesentliche Einrichtung (essential facility) darstellt.382 Die Richter entschieden, dass die Existenz von Größenvorteilen in der Zustellung auf Grund hoher Auflagenzahlen kein Argument für das Vorliegen einer wesentlichen Einrichtung ist. Nur weil der Aufbau eines identischen Hauszustellsystems für einen Konkurrenten möglicherweise unrentabel ist, heißt diese nicht, dass ein Anspruch auf Zugang zum Netz des etablierten Unternehmens besteht. Vielmehr gebe es vielfältige Möglichkeiten, angepasst an die Auflagenhöhe und geographische Verteilung der Abonnenten, ein eigenes Hauszustellsystem aufzubauen.383 Bezieht man in die Analyse nicht nur angebotsseitige Markteintrittsbarrieren ein, sondern berücksichtigt zusätzlich die Wirkung nachfrageseitiger Markteintrittsbarrieren, behält das Ergebnis seine Gültigkeit: Auslöser für übermäßige Markentreue der Versender wie hohe Wechselkosten oder Goodwill gegenüber dem etablierten Unternehmen – durch die die Bestreitbarkeit des Marktes prinzipiell verhindert werden könnte – sind im Briefmarkt nicht erkennbar. Versender sind grundsätzlich wechselbereit, umso mehr, je besser sie über alternative Angebote informiert sind. Der Autor kommt zu dem Ergebnis, dass die Netzzugangsregulierung auf dem deutschen Briefmarkt aus wettbewerbstheoretischer Sicht einen Fehler erster Art darstellt. In einem geöffneten Marktumfeld diszipliniert aktiver und potenzieller funktionsfähiger Wettbewerb das etablierte Unternehmen. Die Simulationen zur Kostensituation von Incumbent und Marktneulingen in der Zustellung zeigen, dass Potenziale für differenzierte Netzstrategien bzw. Möglichkeiten zur Produktdifferenzierung existieren. 382
383
Vgl. Europäischer Gerichtshof (1998). Die Bedingungen für das Vorliegen wesentlicher Einrichtungen und monopolitischer Bottlenecks sind identisch, vgl. Kapitel 3.4.3.1. Zur Bedeutung des Urteils für den Postmarkt vgl. Eccles (2001); Montero (2004); Sparas, Kocjancic (2005); Geradin (2006). Interessanterweise hat das BKartA seine Entscheidung zum verpflichtenden Netzzugang im Briefmarkt zwar auf Normen des allgemeinen Wettbewerbsrechts (GWB) gestützt, jedoch nicht auf § 19 Abs. 4 GWB, der wesentliche Einrichtungen normiert.
3.6 Fazit: Beurteilung des Regulierungsbedarfs
163
Beides lässt den Aufbau alternativer Briefbeförderungssysteme ökonomisch sinnvoll und daher realistisch erscheinen. Dies spricht insgesamt für einen durch aktiven Wettbewerb geprägten Briefmarkt.384 Ob diese Einschätzung mit der bislang zu beobachtenden Marktentwicklung übereinstimmt, wird daher in Kapitel 4 untersucht, die Auswirkungen eines verpflichtenden Netzzugangs auf die Effizienz des bestehenden Briefbeförderungssystems in Kapitel 5.
384
Allerdings sind die Eintrittshürden durch den Mindestlohn gestiegen. Zur ordnungspolitischen Fragwürdigkeit des Mindestlohns, vgl. Monopolkommission (2007).
4 Netzzugang und Wettbewerb 4.1 Einleitung, Zielsetzung und Aufbau des Kapitels Mit der Liberalisierung wird das Ziel verfolgt, Wettbewerb in einem zuvor monopolistisch geprägten Markt zu etablieren. Angesichts der vollzogenen Marktöffnung stellt sich die Frage, welche Rolle Netzzugang bei der Etablierung von Wettbewerb auf dem Briefmarkt spielt. Aus wettbewerbstheoretischer Sicht ist die Verpflichtung zur Gewährung von Netzzugang zu regulierten Konditionen ein Instrument zur Disziplinierung von Marktmacht. Die Untersuchung in Kapitel 3 hat gezeigt, dass die Netzzugangsregulierung in Deutschland einen Fehler erster Art im Sinne von Überregulierung darstellt. Wettbewerbstheorie und praktische Wettbewerbspolitik sind jedoch nicht deckungsgleich. In der praktischen Wettbewerbspolitik spielt die disziplinierende Wirkung von potenziellem Wettbewerb oftmals keine Rolle, weil sie zum einen schwer zu messen ist und zum anderen nicht zu einer Erhöhung der Auswahlmöglichkeiten i. S. v. Angeboten Dritter für die Nachfrager führt. Wettbewerb wird daher von den Wettbewerbsbehörden reduziert auf den aktiven Wettbewerb zwischen mehreren Anbietern.385 In diesem Zusammenhang wird Netzzugang als ein Instrument zur Förderung von aktivem Wettbewerb begriffen: Der Zugang ermöglicht es Anbietern ohne eigenes Netz, ihre Dienste landesweit in Konkurrenz zum etablierten Unternehmen anzubieten. In diesem Kapitel sollen zwei Fragen beantwortet werden: Erstens, wie sind die Rahmenbedingungen für die Entwicklung von aktivem Wettbewerb in Deutschland zu beurteilen – und deckt sich das Urteil mit der bislang zu beobachtenden Wettbewerbsentwicklung? Zweitens, welche Bedeutung kommt dem Zugang zum Netz der DPAG im Hinblick auf die Entwicklung von aktivem Wettbewerb in Deutschland zu, d. h., ist Netzzugang in der Praxis für die Entwicklung von Wettbewerb notwendig? Frage 1 überprüft das in Kapitel 3 theoretisch abgeleitete Ergebnis – dass Möglichkeiten für aktiven Infrastrukturwettbewerb zwischen Incumbent und Marktneuling im Bereich der Zustellung existieren – empirisch, Frage 2 knüpft an die wettbewerbspolitische Aussage an, dass Netzzugang zur Stimulierung von Wettbewerb beiträgt. 385
„Wirtschaftstheoretische und wirtschaftspolitische Erörterungen zum Thema ‚Wettbewerb’ gehen häufig aneinander vorbei, weil man nicht den gleichen Wettbewerbsbegriff zugrunde legt.“ (Zitat von Egon Tuchfeldt, zitiert nach Herdzina (1999), S. 8).
166
4 Netzzugang und Wettbewerb
Konkrete Vorhersagen zu Marktanteilen, Preisniveau und Produktangebot sind in der Literatur nicht zu finden. Anhaltspunkte für die künftige Wettbewerbsentwicklung und die Bedeutung von Netzzugang in der Praxis lassen sich gewinnen durch die Beurteilung - der regulatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen - der gegenwärtigen Marktstruktur und - der zu beobachtenden Markteintrittsstrategien. Eingangs wird der Begriff „Wettbewerb“ definiert und dargestellt, welche Ziele die deutsche Wettbewerbspolitik im Hinblick auf Marktöffnung und Netzzugang verfolgt (Kapitel 4.2). In Kapitel 4.3 werden die regulatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen des liberalisierten deutschen Briefmarktes untersucht und Ansatzpunkte für Wettbewerber abgeleitet. Kapitel 4.4 zeigt unterschiedliche Wettbewerbsstrategien für Marktneulinge auf dem Briefmarkt auf. Anschließend werden in Kapitel 4.5 Status und Entwicklung des Wettbewerbs auf dem deutschen Briefmarkt untersucht. Außerdem werden in Deutschland anzutreffende Geschäftsmodelle in Form von Fallstudien beschrieben, um die vielfältigen Ausprägungen von Wettbewerb aufzuzeigen. In Form eines Exkurses wird in Kapitel 4.6 thematisiert, welche Rolle Netzzugang für das etablierte Unternehmen in einem offenen Markt haben kann. 4.2 Begriffsbestimmung und konzeptionelle Grundlagen Wettbewerb gilt nach EUCKEN (1952) als konstituierendes Merkmal von Marktwirtschaften. Er bildet den entscheidenden Gegensatz zum Prinzip der hierarchischen Koordination in Zentralverwaltungswirtschaften. In Marktwirtschaften kommt daher der Wettbewerbspolitik eine wesentliche Rolle im Rahmen von Wirtschaftspolitik zu. Sie hat die Erhaltung und Ermöglichung von Wettbewerb zum Ziel. Allerdings existiert kein einheitliches Verständnis, was genau unter Wettbewerb zu verstehen ist. Vielmehr erfüllt Wettbewerb eine Vielzahl unterschiedlicher Funktionen. Ebenso vielfältig kann die Ausrichtung von Wettbewerbspolitik ausfallen – je nachdem, welche Zielsetzung verfolgt wird. In Kapitel 4.2.1 wird deshalb der Wettbewerbsbegriff näher beschrieben. In Kapitel 4.2.2 wird die deutsche Wettbewerbspolitik charakterisiert.
4.2 Begriffsbestimmung und konzeptionelle Grundlagen
167
4.2.1 Wettbewerbsbegriff Im Folgenden werden verschiedene ökonomische Definitionen des Begriffs „Wettbewerb“ dargestellt und seine Funktionen beschrieben. 4.2.1.1 Definitionen Wettbewerb spielt in der Volkswirtschaftslehre als wissenschaftlicher Disziplin eine zentrale Rolle. Daher ist es erstaunlich, dass unter Ökonomen keine allgemein anerkannte, einheitliche Definition des Begriffs existiert. Vielmehr ist in der Literatur eine Vielzahl an Definitionen gebräuchlich.386 MARTIN (2004) unterscheidet vier Kernelemente, nach denen er die verschiedenen Definitionen gruppiert: Wettbewerb als Rivalität, Wettbewerb als Möglichkeit zu freiem Marktein- und -austritt, Wettbewerb als Selektionsmechanismus und Wettbewerb als Preisnehmerverhalten. In Tabelle 12 ist beispielhaft jeweils eine Definition aus jeder Gruppe aufgeführt. Tabelle 12: Definitionen von Wettbewerb Definition Wettbewerb als Rivalität
Wettbewerb als Möglichkeit zu freiem Marktein- und -austritt
Wettbewerb als Selektionsmechanismus Wettbewerb als PreisnehmerVerhalten
Inhalt „[C]ompetition means struggle, contest, rivalry, matching of wits or strength. […] competition in business is but one manifestation of this spirit of conflict and rivalry of ideas.“ (Lilienthal, 1952) „The essential characteristic of an industry which is in open competition… is [...] that such an industry is formally open to the entry of new competition. […] an industry with only one firm in it might well have to be analysed as though it were competitive.“ (Andrews, 1964) „Competition is the chief selective process in modern economic society, and through it we have the survival of the fit.“ (Ely, 1901) „Monopoly ordinarily means control over the supply, and therefore over the price. A sole prerequisite to pure competition is indicated - that no one have any degree of such control.“ (Chamberlin, 1933)
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis MARTIN (2004)
386
Eine allgemeine Definition von Wettbewerb, die nicht ausschließlich auf ökonomische Vorgänge abstellt, lautet „Wettbewerb ist ein Prozeß der Auswahl von Objekten zwischen Alternativen nach dem Kriterium der Eignung des ausgewählten Objekts für die jeweilige Umgebung.“ (von Weizsäcker (1995), S. 2729).
4 Netzzugang und Wettbewerb
168
Es zeigt sich, dass der Begriff „Wettbewerb“ unterschiedliche Gegebenheiten bezeichnet. Angesichts dieser Vielfalt ist es kaum möglich, eine von allen gleichermaßen akzeptierte Wettbewerbsdefinition zu finden.387 Viele Autoren benutzen Attribute, um den Begriff „Wettbewerb“ im Sinne ihrer Interpretation genauer zu beschreiben. Wettbewerb wird beispielsweise charakterisiert als vollständig oder unvollständig, als wirksam, atomistisch, schöpferisch, frei, aktiv, potenziell oder funktionsfähig. Besonders die Attribute aktiv und potenziell besitzen im wettbewerbspolitischen Kontext eine große Bedeutung. - Aktiv beschreibt dabei den Wettbewerb zwischen Wirtschaftssubjekten, die bereits in einem Markt tätig sind. Aktiver Wettbewerb stand lange Zeit im Mittelpunkt der Wettbewerbstheorie. Heute dominiert er vor allem die praktische Wettbewerbspolitik. - Potenzieller Wettbewerb rekurriert auf die disziplinierende Wirkung, die von der Möglichkeit von Eintritten neuer Anbieter auf das Verhalten der aktiven Marktteilnehmer ausgeht. Wettbewerbstheoretisch fundiert wurde dieser Gedanke von BAUMOL et al. (1982) in ihrem Konzept angreifbarer Märkte. Potenzieller Wettbewerb spielt auch im Konzept der monopolistischen Bottlenecks eine zentrale Rolle. Die Wirkungsweise von potenziellem Wettbewerb besitzt in der Wettbewerbstheorie einen hohen Stellenwert.388 4.2.1.2 Funktionen Trotz der Unterschiede im Definitionsansatz existiert unter Ökonomen eine Art Grundkonsens, welche Wirkungen von wettbewerblichem Marktgeschehen ausgehen sollen. HERDZINA (1999) unterscheidet in diesem Zusammenhang die folgenden vier Wettbewerbsfunktionen: - Freiheitsfunktion: Wettbewerb sichert die Handlungs- und Wahlfreiheit der Wirtschaftssubjekte, indem ihnen ein maximales Transaktionspotenzial zur Verfügung gestellt wird.
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Vgl. ausführlich Herdzina (1999), S. 7 ff. Eine essentialistische Wettbewerbsdefinition zu liefern, ist allerdings auch nicht das Kernanliegen der Volkswirtschaftslehre. Als Erfahrungswissenschaft hat sie vielmehr die Aufgabe, ökonomische Vorgänge zu erklären. Vgl. zum Konzept angreifbarer Märkte Kapitel 2.4.3.1, zur wettbewerbstheoretischen Bedeutung 3.4.3.1.
4.2 Begriffsbestimmung und konzeptionelle Grundlagen
169
- Allokationsfunktion: Wettbewerb passt Angebotsstruktur und Faktoreinsatz an Änderungen der Nachfrage an. Durch die optimale Allokation der knappen Ressourcen maximiert Wettbewerb den Wohlstand. - Fortschrittsfunktion: Wettbewerb generiert Informationen, die zur Schaffung neuer Produktionsmöglichkeiten (Prozessinnovationen) einerseits und zur Schaffung neuer Produkte (Produktinnovationen) andererseits benötigt werden. Er ermöglicht die Realisierung technischen Fortschritts.389 - Verteilungsfunktion: Wettbewerb verhindert das Entstehen bzw. führt zum Abbau nicht leistungsgerechter Einkommen. Wettbewerb stellt durch die Beseitigung von Monopolrenten Verteilungsgerechtigkeit in dem Sinne her, dass Einkommensunterschiede auf Leistungsdifferenziale zurückzuführen sind. In der Literatur wird bisweilen unterschieden zwischen der Freiheitsfunktion und den Wettbewerbsfunktionen im engeren Sinne bzw. ökonomischen Wettbewerbsfunktionen.390 Zwischen den Wettbewerbsfunktionen bestehen Spannungsverhältnisse.391 VON WEIZSÄCKER (1981) etwa differenziert zwischen Wettbewerb auf der Produktionsebene und Wettbewerb auf der Innovationsebene. Um Anreize für Innovationen zu schaffen, muss der Wettbewerb auf der Produktionsebene temporär durch Patentschutz eingeschränkt werden. Dies widerspricht einer optimalen Allokation im statischen Sinne und schränkt zudem die Freiheit der Wirtschaftssubjekte ein. Diese natürlichen Spannungsverhältnisse führen dazu, dass sich Wettbewerbspolitik – je nachdem, welche Wettbewerbsfunktionen schwerpunktmäßig verfolgt werden – in ihrer Ausgestaltung unterscheidet. Wettbewerbspolitische Maßnahmen müssen daher im Hinblick auf ihre Wirkung auf alle Funktionen untersucht werden. Funktionsfähig heißt Wettbewerb dann, wenn er die ihm zugeordneten Funktionen im Sinne der Verwirklichung bestimmter Ziele erfüllt. Begriff und Konzeption gehen auf
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Der Gedanke von Wettbewerb als Entdeckungsverfahren geht auf Hayek (1969) zurück. Dem neoklassischen Gleichgewichtsgedanken stellt Hayek eine Theorie der kulturellen Evolution gegenüber. Vgl. Hoppmann (1967). Man spricht vom sog. Dilemma-Problem. Wie stark die Zielkonflikte zwischen den Funktionen in der Realität tatsächlich sind, ist allerdings umstritten, vgl. Herdzina (1999), S. 37 ff.
4 Netzzugang und Wettbewerb
170
CLARK (1940) zurück, der „workable competition“ als Alternative zum Leitbild der vollständigen Konkurrenz propagiert. Das Konzept berücksichtigt Marktunvollkommenheiten, wie sie in der Realität auftreten und ist auf reale Märkte anwendbar. Das Konzept erkennt an, dass die sog. First-best-Bedingungen zur Erzielung eines ParetoOptimums in der Realität nicht gegeben sind.392 Clarks späteres Werk stellte insbesondere auf die Fortschrittsfunktion des Wettbewerbs ab und steht damit in der Tradition von Schumpeters Theorie zu Innovationen.393 Auf Grund der realistischeren Annahmen besitzt das Konzept vom funktionsfähigen Wettbewerb in der Wirtschaftspolitik einen hohen Stellenwert. Allerdings bestehen auch hier divergierende Auffassungen darüber, was im Einzelnen unter funktionsfähigem Wettbewerb zu verstehen ist. Autoren und Wettbewerbsbehörden haben den Begriff aufgenommen, stellen jedoch unterschiedliche Funktionen in den Mittelpunkt ihrer Konzeption von funktionsfähigem Wettbewerb. Wegen der unterschiedlichen Zielvorstellungen sind in der Praxis verschiedene Diagnose- und Therapieansätze anzutreffen.394 4.2.2 Wettbewerbspolitik Kernanliegen von Wettbewerbspolitik ist die Erhaltung und Förderung von Wettbewerb. Die Öffnung des Briefmarktes stellt eine wettbewerbspolitische Maßnahme dar, die diesem Ziel dient. Im Folgenden soll zunächst sehr kurz die wettbewerbspolitische Konzeption in Deutschland skizziert werden, aus der auch das herrschende Wettbewerbsverständnis der Regulierungsbehörden hervorgeht (Kapitel 4.2.2.1). Anschließend wird der Zusammenhang von Marktöffnung und Wettbewerb aus der Sicht der Wettbewerbspolitik betrachtet (Kapitel 4.2.2.2), in Kapitel 4.2.2.3 der Zusammenhang von Wettbewerb und Netzzugang.
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Beim funktionsfähigen Wettbewerb handelt es sich um einen Second-best-Ansatz. Vgl. zur Theorie des „Second best“ Lipsey, Lancaster (1956). Makowski, Ostroy (2001) haben jüngst einen Ansatz vorgestellt, die Modellwelt des perfekten Wettbewerbs mit realistischen Annahmen in Einklang zu bringen. Vgl. Clark (1961). Im deutschen Sprachraum geht das Konzept auf Kantzenbach (1967) zurück. Schumpeter hat Wettbewerb als einen Prozess der schöpferischen Zerstörung charakterisiert und als Triebfeder für Wohlstand benannt, vgl. Schumpeter (1912); Schumpeter (1942), S. 83. Vgl. dazu Herdzina (1999), S. 105.
4.2 Begriffsbestimmung und konzeptionelle Grundlagen
171
4.2.2.1 Wettbewerbspolitische Konzeption in Deutschland Wettbewerbspolitik beschäftigt sich mit dem Wettbewerb zwischen Unternehmen. Wettbewerbspolitik im weiteren Sinne kann verstanden werden als die Summe aller Maßnahmen, mit denen im politisch-administrativen System die Erhaltung und Förderung von Wettbewerb verfolgt wird.395 Während im Hinblick auf die konkrete Ausgestaltung kein einheitliches Konzept vorliegt, besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass ihr grundsätzliches Ziel die Erhaltung und Förderung von Wettbewerb ist. Wettbewerbspolitik umfasst die Formulierung und Durchsetzung von Wettbewerbsrecht. Konkret kommen der Wettbewerbspolitik zwei Aufgaben zu:396 Zum einen sind die Wirtschaftssubjekte vor Beschränkungen ihrer Wettbewerbsfreiheit durch andere Wirtschaftssubjekte zu schützen. Dazu wird wettbewerbsbeschränkendes Verhalten mit per se Verboten belegt (z. B. die Bildung von Kartellen).397 Da solche Verhaltensweisen jedoch schwer zu beobachten und nachzuweisen sind, werden in der Praxis Marktergebnistests herangezogen. Zum anderen gehört zu den Aufgaben, die Entstehung wettbewerbs- bzw. freiheitsgefährdender Marktstrukturen zu verhindern und, wenn diese schon bestehen, sie aufzulösen oder einer besonderen Kontrolle zu unterstellen. Wettbewerbsbeschränkende Marktstrukturen werden in der Praxis mit Hilfe von Marktstrukturtests identifiziert. Eine Wettbewerbspolitik, die sich bei der Diagnose von Wettbewerb zu stark auf solche Tests verlässt, ist aus wettbewerbstheoretischer Sicht kritikwürdig:398 Zum einen bereitet die Wahl und Operationalisierung geeigneter Indikatoren erhebliche Schwierigkeiten. Zum anderen lassen die Testergebnisse oftmals keine eindeutigen Rückschlüsse zu.
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In dieser breiten Definition gehören auch Regulierungseingriffe dazu. In der Literatur werden staatliche Eingriffe unterteilt in Wettbewerbspolitik (d. h. Ex-post-Durchsetzung des allgemeinen Wettbewerbsrechts) und sektorspezifische Regulierung (d. h. Ex-ante-Kontrolle), vgl. allgemein zu dieser Unterscheidung Kirchner (2004); konkret zum Postmarkt Panzar (2008). Vgl. Herdzina (1999), S. 114 ff. Die Verpflichtung der DPAG zur Gewährung von Netzzugang wurde rechtlich mit Verweis auf das Diskriminierungsverbot und das Verbot der unbilligen Behinderung gemäß § 20 Abs. 1 GWB begründet. In der Literatur ist vom Problem der unsicheren theoretischen Basis die Rede, vgl. dazu ausführlich Herdzina (1999), S. 54 ff.
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4 Netzzugang und Wettbewerb
4.2.2.2 Öffnung des Briefmarktes aus wettbewerbspolitischer Sicht Wettbewerbsfreiheit ist – wie im vorangegangenen Abschnitt dargelegt – ein zentrales Anliegen der deutschen Wettbewerbspolitik. Die Einräumung von Monopolrechten für einzelne Anbieter widerspricht dem Prinzip der Wettbewerbsfreiheit. Die Liberalisierung des Briefmarktes ist insofern eine wettbewerbspolitische Entscheidung. In der Regierungsbegründung zum PostG stellt der Gesetzgeber ausdrücklich fest, dass die Monopolisierung des Marktes für Postdienste ordnungspolitisch nicht akzeptabel ist.399 Der Gesetzgeber hat sich zum Ziel gesetzt, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass auf den Postmärkten ein „chancengleicher und funktionsfähiger Wettbewerb gefördert wird“.400 Das PostG unterstellt die Anbieter von Briefdiensten einer sektorspezifischen Regulierung. Diese hat auch nach dem Auslaufen der Exklusivlizenz der DPAG Bestand. Zweck der Regulierung ist nach § 1 PostG, einerseits den Wettbewerb zu fördern und andererseits eine flächendeckende Versorgung mit Postdiensten (Universaldienst) zu gewährleisten. Die Monopolkommission wurde in diesem Zusammenhang per Gesetz beauftragt, alle zwei Jahre in einem Sondergutachten zu der Frage Stellung zu nehmen, ob auf den Märkten des Postwesens funktionsfähiger Wettbewerb herrscht. Daraus wird deutlich, dass der Gesetzgeber der Entwicklung von funktionsfähigem Wettbewerb auf dem Briefmarkt einen hohen Stellenwert beimisst. Was darunter allerdings konkret zu verstehen ist, wird im PostG nicht erläutert. Auch die Monopolkommission legt in ihren Gutachten nicht dar, wie sie funktionsfähigen Wettbewerb genau definiert. Hinweise auf das Wettbewerbsbild des Gesetzgebers liefert jedoch die Regierungsbegründung zum PostG. Darin heißt es, Wettbewerb werde die Wahlmöglichkeiten der Nachfrager hinsichtlich Art, Qualität und Preis erweitern.401 An anderer Stelle wird darauf verwiesen, der etablierte Anbieter allein könne ein der Nachfrage optimal angepasstes Angebot nicht erbringen. Und weiter: „Diese Aufgabe kann letztlich nur das ‚Entdeckungsverfahren’ Wettbewerb erfüllen, in dem innovatives und marktorientiertes Verhalten […] und hieraus resultierende Vorsprunggewinne der kreativsten und kundenfreundlichsten Anbieter belohnt wird.“402 Die Betonung eines erweiterten Leistungsspektrums, der explizite Bezug auf die Hay-
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Vgl. BT-Drs. 13/7774, S. 1. Zur europäischen Postpolitik vgl. Kapitel 2.4.5.1. ebda., S. 1. Vgl. ebda., S. 19. ebda., S. 17.
4.2 Begriffsbestimmung und konzeptionelle Grundlagen
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eksche Formel von Wettbewerb als Entdeckungsverfahren und die Anlehnung an den Schumpeterschen Unternehmer und seine Pioniergewinne lassen auf eine Betonung der Fortschrittsfunktion von Wettbewerb schließen. 4.2.2.3 Netzzugang auf dem Briefmarkt aus wettbewerbspolitischer Sicht Durch die Öffnung des Briefmarktes ist die entscheidende Voraussetzung für die Entwicklung von Wettbewerb geschaffen worden. Es stellt sich daher die Frage, welche Bedeutung dem Netzzugang aus wettbewerbspolitischer Sicht zukommt? Laut Regulierungsbegründung zum PostG gewährleistet die Verpflichtung zum Netzzugang gegenüber Wettbewerbern, „daß durch die Existenz sog. ‚BottleneckRessourcen’ auf seiten des Marktbeherrschers die Entstehung und Entwicklung wettbewerblicher Strukturen nicht verhindert wird.“403 Sowohl die Bezugnahme auf das wettbewerbstheoretisch fundierte Bottleneck-Konzept als auch die vorherrschende Auslegung durch die Rechtswissenschaft (vgl. dazu Kapitel 3.3.2.1) legen den Schluss nahe, dass der Gesetzgeber Netzzugang nicht als Instrument zur Förderung von aktivem Wettbewerb begreift.404 Gleichwohl erläutert er nicht, mit welchen Maßstäben
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ebda., S. 27. Hinter der Teilleistungsregel des PostG steht die Vorstellung eines mit Leitungsnetzen vergleichbaren Postnetzes, vgl. dazu und zum Folgenden Herdegen (2002), S. 13 ff.; Immenga (2002), S. 42 f. In Bezug auf die Ausgestaltung sowohl der Bereitstellungskriterien als auch der Preisregulierung hat sich der Gesetzgeber an den Parallelregelungen des Telekommunikationsgesetzes (§ 33 TKG) orientiert. Allerdings besteht ein wesentlicher Unterschied: Nur im PostG wird die Zugangsverpflichtung gegenüber Wettbewerbern beschränkt auf Fälle, in denen der Wettbewerb ohne Teilleistungszugang unverhältnismäßig behindert würde (vgl. Kap. 3.3.2.1). Eine derartige Einschränkung der Zugangsverpflichtung findet sich weder im TKG noch in den Zugangsregeln des Energiewirtschaftsgesetzes (EnWG) oder des Allgemeinen Eisenbahngesetzes (AEG). Darin dürfte sich die Einschätzung ausdrücken, dass eine Netzzugangsverpflichtung im Bereich der leitungsgebundenen Infrastrukturen bzw. physischen Einrichtungen als unverzichtbar für die Entwicklung von Wettbewerb angesehen wird. Hinzu kommt, dass im Fall von Dienstleistungsnetzen wie der Briefbeförderung direkt in das Produktionsprogramm des verpflichteten Unternehmens eingegriffen wird. Dies stellt eine Verschärfung gegenüber einer Zugangsverpflichtung für eine materielle Infrastruktur dar. Entsprechend unterscheidet der Gesetzgeber auch im PostG zwischen der Verpflichtung zur Erbringung einer Dienstleistung (d. h. Teilleistung) und der Öffnung physischer Netze: Der nach § 29 Abs. 1 PostG zu gewährende Zugang zu Postfachanlagen – die ihrerseits keinen Dienst, sondern eine physische Einrichtung darstellen –, unterliegt anders als der Teilleistungszugang keinem Wettbewerbsvorbehalt. Anders Bundesnetzagentur (2007a), S. 118: „Zur Förderung von Wettbewerb auf dem Markt für lizenzpflichtige Postdienstleistungen verpflichtet das PostG das marktbeherrschende Unternehmen, einen Zugang zu seinem Netz (Teilleistung) zu eröffnen.“
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4 Netzzugang und Wettbewerb
beurteilt werden soll, ob die Entstehung und Entwicklung von Wettbewerb ohne Netzzugang verhindert wird. Bundeskartellamt und Monopolkommission nehmen im Hinblick auf den Zusammenhang von Netzzugang und Wettbewerb eine andere Position ein: Das Bundeskartellamt hat in seiner Entscheidung zur Ausweitung des verpflichtenden Netzzugangs (vgl. Kapitel 3.3.2.2) auf die Schwierigkeiten hingewiesen, eine konkurrierende Zustellorganisation aufzubauen, und folgert: „[Dem] offenen Zugang zum Postnetz der DP AG […] kommt daher ausschlaggebende Bedeutung für die Entstehung wettbewerblicher Strukturen und mithin die Schaffung der Voraussetzungen eines funktionsfähigen Wettbewerbs zu.“405 Vor diesem Hintergrund sei es im öffentlichen Interesse, „gerade auch kleineren und mittleren Unternehmen den Marktzutritt und das Erreichen einer wettbewerbsfähigen Unternehmensgröße zu ermöglichen.“406 Ähnlich argumentiert auch die Monopolkommission: „Wettbewerbspolitisch ist […] der Teilleistungszugang eine notwendige Voraussetzung dafür, dass die neu in den Markt eintretenden Anbieter auch auf der Ebene der End-to-End-Dienstleistungen mit der Deutschen Post AG in Konkurrenz treten können.“407 Sie hält den vom Bundeskartellamt angeordneten Netzzugang für Wettbewerber für ökonomisch vorteilhaft und geht davon aus, dass dieser zu einer Belebung des Wettbewerbs führen kann. Ähnliche Argumente finden sich in Dokumenten der EU-Kommission: „New competitors who want to establish a delivery network could also use access for a transitional period to build up customer relationships and volumes, before being able to compete end to end with the incumbent.“408 In ihrer Begründung zum Vorschlag für eine neue Postdiensterichtlinie listet die Kommission Argumente für einen verpflichtenden Netzzugang auf, so unter anderem, Netzzugang könne geeignet sein, „to address the scale and unit cost challenges faced by entrants who may find it difficult to replicate nationwide delivery networks for a competitive price.“409
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Bundeskartellamt (2005), S. 61. Die Wettbewerbsbehörde setzt fälschlicherweise in ihrem Gutachten natürliches Monopol und Bottleneck-Ressource. ebda., S. 66. Monopolkommission (2005), Tz. 19. Europäische Kommission (2006a), S. 21. Christmann (2004), S. 74, argumentiert ähnlich und plädiert für einen temporär begrenzten Netzzugang für Marktneulinge. Europäische Kommission (2006a), S. 17. Allerdings hat die Kommission in die neue Richtlinie keine Zugangspflicht aufgenommen. Sie stellt den Mitgliedstaaten diese Entscheidung frei.
4.2 Begriffsbestimmung und konzeptionelle Grundlagen
175
Demnach kommt dem Netzzugang auf dem Briefmarkt die Rolle zu, Markteintritte zu erleichtern bzw. zu unterstützen und in der Folge Wettbewerb zu ermöglichen und zu stimulieren. Wettbewerbspolitik, die mit Hilfe von Regulierungsmaßnahmen den Markteintritt für Neulinge zu erleichtern versucht, wird als „Entry Assistance“ bezeichnet.410 Auch wenn in allen zitierten Veröffentlichungen eine Definition des zu Grunde liegenden Wettbewerbsbegriffs fehlt, scheint jeweils eine Forcierung von aktivem Wettbewerb angestrebt zu werden; der disziplinierenden Wirkung von potenziellem Wettbewerb wird keine Bedeutung beigemessen. Dies kann als Ausdruck einer strukturorientierten Wettbewerbspolitik verstanden werden. Auf die grundsätzlichen Schwächen einer strukturorientierten Wettbewerbspolitik aus der Sicht der Wettbewerbstheorie wurde bereits verwiesen. Vor allem die einfache Gleichsetzung von hohem Marktanteil eines Anbieters und Marktmacht bzw. einer großen Anzahl von Anbietern und hoher Wettbewerbsintensität ist nicht zwingend.411 Entry Assistance birgt zudem die Gefahr, dass exogen Anreize gesetzt werden, die den Wettbewerbsprozess langfristig verzerren: ARMSTRONG et al. (2006) untersuchen im Zusammenhang mit der Liberalisierung ehemals (staats-)monopolistischer Sektoren verschiedene Regulierungseingriffe im Hinblick auf ihre Auswirkungen. Die Gestaltung von Netzzugangsbedingungen und -entgelten ist ihrer Ansicht nach eine der größten Quellen für Verzerrungen von Wettbewerbsprozessen. Als besonders problematisch wird die Stimulierung von Dienstleistungswettbewerb durch regulierungsbedingt günstige Netzzugangskonditionen angesehen, die Anbietern ohne Infrastruktur den Zutritt erleichtert. Denn das großzügige Einräumen von Netzzugang senkt die Investitionsanreize bei Marktneulingen und etabliertem Unternehmen und reduziert in Folge des geschwächten Infrastrukturwettbewerbs die Möglichkeiten für Produkt- und Prozessinnovationen und damit die dynamische Effizienz.
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Vgl. z. B. Borrmann et al. (2003), S. 146 f. Vgl. Herdzina (1999), S. 78 ff.; Carlton (2004), S. 467; Armstrong, Sappington (2006), S. 384. Darüber hinaus ignoriert eine strikt strukturorientierte Wettbewerbspolitik die Effizienzwirkungen von Entry Assistance: Durch Markteintritte können die sektoralen Kosten der Leistungserstellung steigen, weil Produktionsprozesse dupliziert und Größenvorteile nur noch unzureichend ausgeschöpft werden.
4 Netzzugang und Wettbewerb
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4.3 Ansatzpunkte für Wettbewerber Die Abschaffung des reservierten Bereichs stellt eine notwendige Voraussetzung für die Entwicklung von Wettbewerb auf dem Briefmarkt dar. Ob sich aktiver Wettbewerb entwickelt, hängt jedoch maßgeblich von den strukturellen und regulatorischen Rahmenbedingungen ab. Diese werden daher in Kapitel 4.3.1 analysiert. Des Weiteren wird untersucht, welche konkreten Ansatzpunkte für den Markteintritt von Wettbewerbern existieren. Dazu wird die Perspektive verändert: Statt den Markt als Ganzes zu betrachten, werden Segmente definiert und auf ihre Attraktivität für Wettbewerber beurteilt (Kapitel 4.3.2). 4.3.1 Strukturelle und regulatorische Rahmenbedingungen Ob und in welchem Ausmaß neue Anbieter eine Chance haben, sich auf einem geöffneten Briefmarkt zu etablieren, hängt maßgeblich von den regulatorischen und strukturellen Rahmenbedingungen ab. Im Folgenden werden die Rahmenbedingungen für Deutschland analysiert. 4.3.1.1 Regulatorische Rahmenbedingungen Mit der Abschaffung des für die DPAG reservierten Bereichs ist Anfang 2008 das größte regulatorische Wettbewerbshemmnis auf dem deutschen Briefmarkt beseitigt worden.412 Gleichwohl gibt es weiterhin Regulierungseingriffe, die den Eintritt von Neulingen und damit die Entstehung von aktivem Wettbewerb grundsätzlich beeinflussen. Je nach Ausgestaltung können Regulierungsvorgaben wettbewerbshemmend wirken: - Bedingungen für die Lizenzerteilung: Hohe Auflagen, Anforderungen oder hohe Kosten für die Lizenzerteilung, eingeschränkte Laufzeiten der Lizenzen u.Ä. wirken sich hemmend auf den Eintritt neuer Anbieter aus. - Universaldienstanforderungen: Werden Marktneulinge verpflichtet, ihre Dienste flächendeckend anzubieten oder sich an der Finanzierung des Universaldienstes zu beteiligen, reduziert dies ihre Chancen, im Wettbewerb gegen das etablierte Unternehmen zu bestehen. 412
Die Marktöffnung ging einher mit einer Rückführung der sektorspezifischen Regulierung. Dies betraf in erster Linie die DPAG, die nun über einen größeren Preissetzungsspielraum verfügt und nicht mehr allein für die Erbringung des Universaldienstes verantwortlich ist, vgl. Kapitel 2.4.5.3.
4.3 Ansatzpunkte für Wettbewerber
177
- Steuerliche Ungleichbehandlung: Universaldienstleistungen des etablierten Unternehmens sind in der EU oftmals von der Umsatzsteuer befreit. Unterliegen die neuen Dienstleister dagegen einer Umsatzsteuerpflicht, sind ihre Angebote im Wettbewerb benachteiligt. - Weitere wirtschaftspolitische Eingriffe: Staatliche Eingriffe in den Wettbewerbsprozess beeinflussen ebenfalls die Marktchancen neuer Anbieter. In Deutschland fällt darunter die Einführung eines allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns für Beschäftigte im Postwesen. Wie sind die regulatorischen Rahmenbedingungen in Deutschland ausgestaltet? Wer in Deutschland Briefsendungen mit einem Gewicht bis einem Kilogramm gewerbsmäßig befördern möchte, benötigt dazu eine Lizenz der Bundesnetzagentur. Die Lizenzerteilung stellt jedoch auf Grund ihrer Ausgestaltung keine institutionelle Marktzutrittsschranke dar: Das Verfahren ist einfach und schnell, die Kosten niedrig und wettbewerbshemmende Anforderungen gibt es nicht.413 Seit der Marktöffnung wird der Universaldienst in Deutschland im Wettbewerb erbracht. Die Marktneulinge sind jedoch weder zum Angebot flächendeckender Dienste noch zu einheitlichen Preisen verpflichtet und unterliegen auch sonst keinen Vorgaben, die ihre Wettbewerbschancen schmälern. Für den Fall, dass die Anforderungen der PUDLV bezüglich Umfang, Qualität oder Preis nicht oder nur unzureichend durch den Marktprozess erfüllt werden, sind alle Lizenznehmer mit einem Umsatz von mehr als 500.000 Euro im Jahr verpflichtet, an der Erbringung mitzuwirken. Die Finanzierung erfolgt dann über einen umsatzproportionalen Fonds (vgl. Kapitel 2.4.5.3). Diese Regelung behindert nicht das Entstehen von Wettbewerb: Die dem Universaldienst direkt zuzuordnenden Lasten sind zum einen nach allgemeiner Ansicht gering, zum anderen schützt die Umsatzproportionalität kleine und mittlere Unternehmen vor hohen Kosten zur Finanzierung des Universaldienstes. Eine Verzerrung der Wettbewerbssituation zwischen etabliertem Unternehmen und Marktneulingen ergibt sich aus der Umsatzsteuerbefreiung der DPAG.414 Die von der 413 414
Vgl. für Details Oelmann (2007), S. 12 ff. Vgl. dazu und zum Folgenden Van der Lijn, de Bas (2005), S. 18 f.; Monopolkommission (2005), S. 43 f.; Dieke, Elixmann (2005). Umsatzsteuerbefreiungen für den Incumbent gibt es in nahezu allen EU-Staaten. Ausnahmen sind u. a. Finnland und Schweden.
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4 Netzzugang und Wettbewerb
DPAG erbrachten Universaldienste unterliegen nicht der Umsatzsteuer. Dagegen müssen Konkurrenten der Post ihre Preise als Bruttopreise kalkulieren, d. h. auf den Nettopreis 19 % aufschlagen. In der Konsequenz müssen die Nettopreise der neuen Anbieter um bis zu 19 % unter denen der DPAG liegen, um am Markt identische Endkundenpreise zu realisieren.415 Dieser Nachteil kommt bei allen Versendern zum Tragen, die nicht vorsteuerabzugsberechtigt sind. Dies sind z. B. Banken und Versicherungen, öffentliche Verwaltungen und Wohlfahrtsverbände, Ärzte und Bildungseinrichtungen – und damit einige der aufkommensstärksten Versender. Umsatzsteuerpflichtige Versender wie Telekommunikationsunternehmen und Versorger können dagegen die Umsatzsteuer auf Postdienste von Konkurrenten der DPAG abziehen, so dass hier keine Nachteile für die Marktneulinge existieren. Unter deutschen Juristen herrscht weitgehend Einigkeit, dass das Umsatzsteuerprivileg nicht gerechtfertigt ist. Ferner ist die steuerliche Ungleichbehandlung nicht mit europäischem Recht vereinbar, weshalb die EU-Kommission in 2007 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die Bundesregierung eingeleitet hat. Im Oktober 2008 hat das Bundeskabinett einen Gesetzentwurf verabschiedet, nach dem die Umsatzsteuerbefreiung für Geschäftskunden zum Ende des Jahres 2009 ausläuft. Ab dem 1.1.2010 wären dann nur noch die Sendungen von Privatkunden von der Mehrwertsteuer befreit.416 Angesichts des geringen Sendungsaufkommens von privaten Versendern handelt es sich bei der umsatzsteuerlichen Ungleichbehandlung um ein transitorisches Problem. Zum 1.1.2008 wurden Briefdienstleistungen per Verordnung („Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Branche Briefdienstleistungen“) in das Arbeitnehmer-Entsendegesetz aufgenommen und der zwischen dem Arbeitgeberverband Postdienste und verdi am 29.11.2007 geschlossene Tarifvertrag darin für allgemeinverbindlich erklärt. Damit gibt es einen bundesweiten Mindestlohn für Briefdienste.417 Die Stundenlöhne für das Ausliefern von Briefsendungen liegen in Westdeutschland bei 9,80 Euro und in Ostdeutschland bei 9 Euro. Ansprüche auf Lohnzusatzleistungen ergeben sich nicht. Juristisch ist nicht abschließend geklärt, wie weit der Geltungsbe-
415
416 417
Es gibt einen gegenläufigen Effekt: Weil die DPAG ihrerseits nur eingeschränkt einen Vorsteuerabzug für fremdbezogene Vorleistungen geltend machen kann, hat sie höhere Kosten beim Bezug von Vorleistungen. Für Details vgl. Monopolkommission (2007), S. 13 ff. Vgl. o.V. (2008c). Vgl. zum Gesetz BT-Drs. 16/6735; zur Verordnung BriefArbbV (BAnz. 2007 Nr. 242 S. 8410); zum Tarifvertrag ver.di - Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, Arbeitgeberverband Postdienste e.V. (2007).
4.3 Ansatzpunkte für Wettbewerber
179
reich des für allgemeinverbindlich erklärten Tarifvertrags auszulegen ist. Der Tarifvertrag bezieht sich nach § 1 Abs. 2 Entsendegesetz auf alle Betriebe und Abteilungen, die überwiegend gewerbe- oder geschäftsmäßig Briefe befördern.418 Der Arbeitgeberverband Neue Brief- und Zustelldienste (AGV-NBZ), in dem die 200 wesentlichen Wettbewerber der DPAG organisiert sind, hatte aber bereits einen eigenen Tarifvertrag für sog. Mehrwert-Briefdienste abgeschlossen und gefordert, diesen Vertrag mit Stundenlöhnen von 7,50 Euro in West- und 6,50 Euro in Ostdeutschland ebenfalls für allgemeinverbindlich zu erklären. Strittig ist, ob in den Mindestlohn nur tariflich nicht gebundene Arbeitgeber und Arbeitnehmer einbezogen werden dürfen und ob der allgemeinverbindliche Mindestlohn durch anderweitige tarifliche Regelungen unterlaufen werden darf. Auf die Klage der Konkurrenten hin erklärte das Berliner Verwaltungsgericht die Mindestlohn-Verordnung für rechtswidrig. Dieses Urteil wurde im Dezember 2008 vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt. Die Bundesregierung hat gegen dieses Urteil abermals Revision eingelegt.419 Sollte der Mindestlohn schließlich für alle Anbieter von Briefdiensten gelten, geht von ihm eine wettbewerbshemmende Wirkung aus: Wie in Kapitel 3.5 gezeigt, weisen Marktneulinge gegenüber dem eingesessenen Unternehmen erhebliche Größennachteile auf, die sie durch Effizienzvorteile und niedrigere Faktorkosten reduzieren oder ausgleichen können. Der Mindestlohn schränkt diese Möglichkeit ein.420 Gleichwohl verfügen die neuen Anbieter weiterhin über Lohnkostenvorteile gegenüber der DPAG, die einen profitablen Einstieg ermöglichen. Allerdings ist davon auszugehen, dass sich neue Anbieter mit ihren Geschäftsmodellen dann auf besonders attraktive Segmente wie Großversender oder Versender computergenerierter Briefe konzentrieren werden. Flächendeckende Angebote auch für Versender mit einem geringeren Sendungsaufkommen sind bei einem allgemeinen Mindestlohn in der gesetzlich angedachten Höhe zumindest mittelfristig unwahrscheinlich. Die Ergebnisse dieses Kapitels sind in Abbildung 18 zusammengefasst:
418
419 420
Damit dürften Unternehmen, die Briefe mittels einer vorhandenen Zustellorganisation befördern (z. B. Zeitungszusteller), von den Regelungen ausgenommen sein. Vgl. o.V. (2008a). Vgl. für eine Quantifizierung die Berechnungen in Kapitel 3.5.2.4.
4 Netzzugang und Wettbewerb
180
Abbildung 18: Beurteilung der regulatorischen Rahmenbedingungen Positiv
Einfluss auf die Entwicklung aktiven Wettbewerbs
Faktoren
Ausprägung
Bedingungen für die Lizenzerteilung
Niedrig
Universaldienstanforderungen
Niedrig
Steuerliche Behandlung (Umsatzsteuer)
Ungleich
*
Allgemeiner Mindestlohn
Hoch
**
Neutral Negativ
* Jedoch transitorisches Problem ** Juristisch umstritten, Gültigkeit nicht endgültig geklärt
Quelle: Eigene Darstellung
Prinzipiell sind die postspezifischen Rahmenbedingungen in Deutschland so ausgestaltet, dass sie Marktzutritte weder verhindern noch hemmen, v. a., da die Mehrwertsteuer ein transitorisches Problem ist. Die wirtschaftspolitische Entscheidung, in die Lohnfindung einzugreifen, schmälert jedoch die Wettbewerbschancen neuer Anbieter und ist damit der Wettbewerbsentwicklung abträglich. 4.3.1.2 Strukturelle Rahmenbedingungen Unter strukturellen Rahmenbedingungen werden exogene Faktoren zusammengefasst, die die Kosten der Leistungserstellung und die Attraktivität des Marktes für potenzielle Konkurrenten beeinflussen. In Bezug auf den Briefmarkt sind folgende Faktoren von hoher Relevanz: - Bevölkerungsdichte und Urbanisierungsgrad: Je dichter ein postalisches Gebiet besiedelt ist bzw. je mehr Menschen in dicht besiedelten Räumen leben (hohe Urbanisierung), desto niedriger sind die Größennachteile von Marktneulingen gegenüber der etablierten Postgesellschaft in der Zustellung – und desto höher ist das Wettbewerbspotenzial.
4.3 Ansatzpunkte für Wettbewerber
181
- Absolutes und Pro-Kopf-Sendungsaufkommen: Hohe Sendungsvolumina erleichtern Marktneulingen den Eintritt, da auch mit geringen Marktanteilen profitable Strategien realisierbar werden.421 - Preis- und Qualitätsniveau der etablierten Briefpost: Hohe Preise beim etablierten Unternehmen eröffnen neuen Dienstleistern die Chance, den Incumbent zu unterbieten.422 Dies gilt in besonderem Maße, wenn das etablierte Unternehmen auf eine regionale Preisdifferenzierung verzichtet. Ein niedriges Qualitätsniveau ermöglicht es neuen Unternehmen, sich als Qualitätsführer zu etablieren. Wie sind die strukturellen Rahmenbedingungen in Deutschland ausgeprägt? Deutschland ist vergleichsweise dicht besiedelt und urbanisiert: Die Bevölkerungsdichte beträgt 231 Einwohner je Quadratkilometer (EW/km²). Dies ist der fünfthöchste Wert in der EU-25.423 Der Urbanisierungsgrad – definiert als Anteil der Bevölkerung, der auf Gebieten mit einer Bevölkerungsdichte größer 100 EW/km² lebt – liegt bei rund 88 %. Legt man die Gebietsklassifikation von EUROSTAT (2004) zu Grunde, leben in Deutschland etwa 12 % der Bevölkerung in dünn besiedelten Gebieten mit einer Dichte von kleiner gleich 100 EW/km², 37 % in mittelstark besiedelten Gebieten (Dichte größer 100 und kleiner gleich 500 EW/km²) und 51 % in dicht besiedelten Gebieten (Dichte größer 500 EW/km²). Die insgesamt hohe Dichte und die Konzentration der Bevölkerung auf Ballungszentren erleichtern den Einstieg für Postkonkurrenten. Das absolute Sendungsaufkommen ist in Deutschland sehr hoch, was den Einstieg neuer Anbieter begünstigt. Es ist das zweithöchste in der EU-25. Bezogen auf das ProKopf-Aufkommen liegt Deutschland im EU-Vergleich auf Rang 8 und über dem Durchschnitt (vgl. Kapitel 2.2.3). Das durchschnittliche Preisniveau der DPAG liegt mit 0,73 Euro über dem europäischen Durchschnitt von 0,69 Euro (jeweils formatgewichtet). Es ist im Vergleich mit 421
422
423
Sind niedrige Sendungsvolumina Ausdruck ungenutzter Wachstumspotenziale eines Marktes, erschweren sie einen Eintritt nicht. Preise stellen allerdings lediglich einen Indikator für Wettbewerbspotenziale dar; entscheidend ist die zu Grunde liegende Kostenstruktur, über die in der Regel jedoch keine Daten verfügbar sind. Hohe Preise, die ausschließlich auf für alle gleichermaßen geltenden Bedingungen beruhen (z. B. niedrige Dichte und Urbanisierung, niedriges Sendungsaufkommen), ermöglichen keine Unterbietung. Unterbietung ist möglich, wenn hohe Preise Ausdruck einer Abschöpfungsstrategie oder hoher Kosten beim Incumbent für Inputfaktoren wie Arbeitskräfte sind. Vgl. Roy et al. (2006), S. 49.
4 Netzzugang und Wettbewerb
182
den Preisen in den 15 „alten“ EU-Mitgliedstaaten das siebthöchste (vgl. Kapitel 2.2.6.2). Die DPAG differenziert ihre Preise weder bei individuellen Briefsendungen noch bei Werbepost regional. Hohe, undifferenzierte Preise ermöglichen einen Markteintritt, vor allem in dicht besiedelten Gebieten. Die DPAG erreicht bei mehr als 95 % der individuellen Briefsendungen eine Laufzeitqualität von E+1. Damit gehört sie in Sachen Qualität zu den führenden Anbietern in der EU. Deshalb werden Marktneulinge eher über einen günstigeren Preis als über eine höhere Qualität konkurrieren. Dennoch dürften auch Nischen für Qualitätswettbewerb vorhanden sein, wenn Wettbewerber Zusatzleistungen anbieten. Die Ergebnisse dieses Kapitels sind in Abbildung 19 zusammengefasst: Abbildung 19: Beurteilung der strukturellen Rahmenbedingungen
Preis und Qualität
Sendungsaufkommen
Besiedlung
Positiv
Faktoren
Ausprägung
• Bevölkerungsdichte
• Hoch
• Besiedlungsstruktur
• Konzentriert
• Absolut
• Sehr hoch
• Pro Kopf
• Hoch
• Preisniveau
• Hoch
• Preisstruktur
• Undifferenziert
• Qualitätsniveau
• Sehr hoch
Einfluss auf die Entwicklung aktiven Wettbewerbs
Neutral Negativ
Quelle: Eigene Darstellung
Insgesamt sind die strukturellen Rahmenbedingungen für die Entwicklung aktiven Wettbewerbs in Deutschland günstig.424
424
Ecorys (2005b) hat die strukturellen Rahmenbedingungen in den verschiedenen EUMitgliedstaaten verglichen und Deutschland ebenfalls positiv bewertet. Allerdings sind die dem Urteil zu Grunde liegenden Daten nicht dokumentiert. Außerdem gilt dieses Urteil nicht absolut, sondern nur relativ zu anderen Ländern.
4.3 Ansatzpunkte für Wettbewerber
183
4.3.2 Marktsegmente Durch eine Segmentierung des Marktes lassen sich Ansatzpunkte für Markteintritte neuer Anbieter finden. Im Grundlagenkapitel wurde der Briefmarkt gemäß der Legaldefinition des PostG abgegrenzt (vgl. Kapitel 2.2.2). Ferner wurde gezeigt, wie er sich anhand von Diensten strukturieren lässt, und zwischen Individual- und Werbepost unterschieden. Auf dieser Basis lassen sich allerdings nur bedingt Ansatzpunkte für Wettbewerber herausarbeiten. Die verschiedenen Bedürfnisse der Versender (Kundenwünsche) und die damit einhergehenden unterschiedlichen Kosten der Leistungserstellung werden unzureichend berücksichtigt. Die Segmentierung in diesem Kapitel soll diese Defizite überwinden. In der Betriebswirtschaft wird unter Segmentierung die Bildung von Kundengruppen mit gleichen Anforderungen verstanden. Diese Segmente bilden die Grundlage für die Entwicklung spezifischer Marketingstrategien.425 In dieser Arbeit wird der Begriff – wie in der Postliteratur üblich – nicht ausschließlich nachfragebezogen verwendet, sondern umfasst auch die Strukturierung mittels angebotsseitiger Kriterien, die die Kosten der Leistungsbereitstellung beeinflussen. Aus der Sicht von Netzbetreibern erscheint eine Segmentierung des Briefmarktes anhand der von den Kunden erwarteten Netzqualität (v. a. Schnelligkeit) einerseits und der Art der Einlieferung (Sendungsaufkommen, Vorleistungen) andererseits besonders relevant. Ebenfalls wichtig für einen Netzbetreiber ist die geographische Empfängerstruktur, also die Frage, ob die Empfänger in einer Großstadt leben oder auf dem Land.426 Alle drei Kriterien beeinflussen in erheblichem Maße die Kosten, die bei der Beförderung von Briefen entstehen. 4.3.2.1 Segmentierung anhand von Netzqualität Netzqualität knüpft an die Ausprägung produktbezogener Leistungsmerkmale an, die auf der Konfiguration des Beförderungssystems beruhen. Die Netzqualität determiniert in hohem Maße die Kosten der Leistungserstellung.
425 426
Vgl. Kotler (1994), S. 264 ff. Zu Markteintrittsstrategien für den Briefmarkt vgl. Kapitel 4.4. Vgl. zur Segmentierung von Post- und Briefdiensten Waller (2002); Ecorys (2005b), S. 39 ff.; Oelmann (2007), S. 39.
184
4 Netzzugang und Wettbewerb
Die Bedürfnisse der Kunden beim Verschicken von Briefen variieren. Ein Beispiel ist die Zeit, die benötigt wird, um einen Brief vom Absender zum Empfänger zu befördern (Laufzeit). Ein Mobilfunkunternehmen, das die Monatsrechnungen versendet, stellt andere Anforderungen als beispielsweise eine Rentnerin, die ihrem Enkel schreibt. Eine karitative Einrichtung, die um Spenden wirbt, hat andere Ansprüche als ein Gericht, das eine Vorladung verschickt. Werbungtreibende legen auf andere Merkmale Wert als ein Arzt, der ein Rezept verschickt. Die unterschiedlichen Bedürfnisse erfordern jeweils unterschiedliche Netzqualitäten. Dies können sich Marktneulinge zu Nutze machen, in dem sie ihr Angebot auf Kundengruppen mit homogenen Ansprüchen an die Netzqualität ausrichten. Über die vom Kunden erwartete Netzqualität sind kaum Informationen verfügbar.427 Die DPAG gibt aus ihrer Kundenzufriedenheitsmessung 2005 bekannt, dass „korrekte Zustellung“ (d. h. Auslieferung zum richtigen Empfänger), Laufzeitschnelligkeit, Beschädigungsfreiheit und Erhalt (d. h. Nicht-Verlust) sowohl im Bereich Brief Kommunikation (also bei individuellen Briefsendungen) als auch beim Direktmarketing (also bei Werbesendungen) die wichtigsten Merkmale darstellen.428 Von diesen Kriterien eignet sich als Ansatzpunkt für eine Segmentierung vor allem die Laufzeit, da sich hier die die Anforderungen und Präferenzen von Versendern deutlich unterscheiden. Dagegen ist davon auszugehen, dass die Ansprüche an die anderen drei Merkmale in jedem Fall hoch sind. Insbesondere die Zuverlässigkeit des Zustellsystems, d. h. dass die Sendung den Empfänger auch erreicht, ist für den Absender entscheidend.429 Ebenfalls eine wichtige Kundenanforderung dürfte das Beschwerdemanagement sein, das allerdings nicht an die Netzqualität anknüpft und daher hier unberücksichtigt bleibt. Zur Qualität zählen außerdem noch Zusatzleistungen wie Einschreiben, persönliche Übergabe, Versicherung etc. Da es sich dabei um Ergänzungen der jeweiligen Basisleistungen handelt und ihr Angebot keinen unmittelbaren Einfluss auf die Qualität des zu Grunde liegenden Netzes hat, werden sie nicht näher betrachtet. Das Sendungsvolumen solcher Zusatzleistungen ist ohnehin gering.
427
428 429
Eine Ausnahme bildet Elsenbast (1996). Allerdings fokussiert er auf den Universaldienst und untersucht nur vorgegebene Qualitätsparameter. Angaben im Interview. Middendorf (2007), S. 175, zitiert eine Forsa-Umfrage, nach der Zuverlässigkeit bei 97 % der Befragten oberste Priorität genießt.
4.3 Ansatzpunkte für Wettbewerber
185
Im Hinblick auf die Laufzeitschnelligkeit kann zwischen der Zustellung am nächsten Tag (E+1), an einem bestimmten, vorher festgelegten Tag (E+T) und an einem der nächsten Tage (E+X) unterschieden werden; die taggleiche Zustellung (E+0) ist dagegen eine Leistung von Express- und Kurierdiensten. Es lassen sich drei Anforderungsprofile ableiten, die im liberalisierten Umfeld zur Produktabgrenzung benutzt werden könnten: - A-Post: Sie umfasst E+1-Sendungen. Die Zustellung muss täglich erfolgen und eine hohe Zuverlässigkeit aufweisen; das Produktionssystem muss auf kurze Sortierund Transportzeiten für überregionale Sendungen ausgelegt sein. Entsprechende Anforderungen dürften vor allem für Geschäftspost gelten. - Termin-Post: Sie beinhaltet die E+T-Sendungen. Das Produktionssystem muss eine Zustellung an jedem Tag der Woche ermöglichen, ohne dass diese tatsächlich täglich erfolgt. Auch hier dürften die Kunden hohe Ansprüche an die Einhaltung des Laufzeitversprechens stellen. Typische Sendungen sind z. B. Aktionsmailings, die einer angepassten Personalplanung in Callcentern bedürfen (wegen der Reaktionen der Sendungsempfänger). Im Privatkundengeschäft ist v. a. an Grußkarten (z. B. Geburtstag) zu denken. - B-Post: Hierunter fallen alle Briefe, die nicht zeitkritisch sind, deren Beförderung vom Absender zum Empfänger also 2 bis 4 Tage dauern darf (E+X). Das Briefbeförderungssystem kommt in einem solchen Fall auch mit 2-3 Zustelltagen in der Woche aus. Nicht-Dringlichkeit dürfte für Werbesendungen, Urlaubsgrüße, aber auch Teile der Geschäftspost gelten (z. B. Telefon- oder Stromrechnungen im Privatkundengeschäft, wo der Rechnungssteller über eine Einzugsermächtigung verfügt und die Rechnung ausschließlich informatorischen Charakter hat). Auf ausländischen Briefmärkten ist eine an die Netzqualität anknüpfende Produktdifferenzierung bereits zu beobachten. Sendungskategorien unterschiedlicher Laufzeiten gibt es bspw. in Finnland, Großbritannien, Frankreich, den Niederlanden und den USA. Besonders die Unterscheidung zwischen A- und B-Post ist gebräuchlich.430 Für Deutschland lassen sich in der Literatur keine zuverlässigen Angaben zur Größe der Segmente finden. Dies liegt daran, dass in Deutschland bislang (flächendeckend) keine 430
Vgl. 2.2.6.5. Termin- und Frequenzpost sind dagegen Nischenprodukte und sprechen nur kleine Kundengruppen an.
4 Netzzugang und Wettbewerb
186
entsprechenden Briefprodukte angeboten werden: Privatkunden etwa suchen ein BPost-Angebot vergeblich. Lediglich Versender inhaltsgleicher Sendungen können Infopost verschicken, die maximal vier Tage bis zum Empfänger unterwegs ist (E+4). Der Autor hat auf der Basis von Marktforschungsergebnissen der DPAG die A- und BPost-Anteile für Deutschland geschätzt: Im Jahr 2006 gaben Kunden des Geschäftsfeldes Brief Kommunikation an, dass 57 % der versendeten Briefe zeitkritisch sind.431 Daraus ergibt sich, dass an 43 % der Sendungen niedrigere Laufzeitanforderungen gestellt werden. Wenn man davon ausgeht, dass für Versender von Werbepost gemäß der heutigen Produktdefinition von Infopost grundsätzlich die Laufzeit von untergeordneter Bedeutung ist, kann man das Briefaufkommen in A- und B-Post einteilen (vgl. Abbildung 20). Abbildung 20: Abschätzung Sendungsaufkommen nach Laufzeitanforderung Laufzeitanforderung laut Marktforschung
Heutiges Briefaufkommen
100% Direkt Marketing 45% E+2/4
55%
Brief Kommunikation E+1
43%
Nicht zeitkritisch
57%
Zeitkritisch
A-Post 31% 45% B-Post (69%)
24%
Anteil am Sendungsaufkommen
Quelle: Eigene Schätzung
Unter den getroffenen Annahmen sind bundesweit gut 30 % aller verschickten Briefe dem A-Post-Segment, fast 70 % dem B-Post-Segment zuzuordnen. Berücksichtigt man, dass die Werte aus dem Jahr 2006 stammen und es keine entsprechenden Angebote am Markt gibt, mithin noch keine Gewöhnung an ein alternatives Produktportfo-
431
Angaben im Interview. Die Zahlen stammen aus einer Conjoint-Analyse. Es wurden repräsentative Geschäftskunden mit einem Briefumsatz > 4000 EUR/Jahr befragt. Die Stichprobengrößen lagen jeweils bei N > 750, vgl. DPAG (2006d).
4.3 Ansatzpunkte für Wettbewerber
187
lio stattgefunden hat, dürften die hier ausgewiesenen Werte das Potenzial eher unterals überschätzen. Erfahrungen aus dem Ausland zeigen, dass zwischen A- und B-Post eine erhebliche intramodale Substitutionskonkurrenz besteht. Eine steigende Preissensitivität der Versender führt dort zur vermehrten Nutzung von B-Post (vgl. Kapitel 2.2.6.5). Dass auch in Deutschland der Preis an Bedeutung gewinnt und die Anforderungen an die Laufzeit zurückgehen, zeigt ein Vergleich der Markforschungsergebnisse von 2003 und 2006: Die relative Bedeutung des Preises ist zwischen 2003 und 2006 um 4 Prozentpunkte gestiegen von 22 auf 26 %. Im gleichen Zeitraum ist der Anteil zeitkritischer Briefe an allen Korrespondenzsendungen von 62 auf 57 % gesunken.432 Der relativ niedrige Anteil zeitkritischer Sendungen und die steigende Preissensitivität der Versender bilden einen Ansatzpunkt für Marktneulinge: Durch die Einführung eines B-Post-Dienstes (oder auch Termin-Post) differenziert sich der Anbieter gegenüber der etablierten Postgesellschaft. Vor allem können Marktneulinge durch eine entsprechende Konfiguration des Briefbeförderungssystems ihre Produktionskosten im Vergleich zum etablierten Unternehmen reduzieren. Die kostenseitigen Auswirkungen einer Reduzierung von Zustelltagen wurden in Kapitel 3 simuliert und sind beträchtlich. Im Transport lassen sich Einsparungen erzielen durch eine stärkere Verdichtung von Sendungen und den Einsatz größerer – und auf Stückkostenbasis – billigerer Fahrzeuge, die Sortierung kann komplett am Tag erfolgen, wodurch die höhere Vergütung für Nachtschichten entfällt. 4.3.2.2 Segmentierung anhand der Einlieferungsart Auch die Art der Einlieferung eignet sich zur Segmentierung des Briefmarkts.433 Individuelle Aufträge lassen sich in Massen-, Groß- und Kleinmengen differenzieren. Diese Unterscheidung knüpft in erster Linie an das tägliche Sendungsaufkommen an. Als Anhaltspunkte für die Bildung der Klassen dienen zum einen die Einlieferungsbedingungen der DPAG und zum anderen die Definitionen der heute bereits tätigen Wett-
432
433
Angaben im Interview. Die Daten stammen aus Roland Berger Market Research (2003) und DPAG (2006d). Eine gestiegene Preissensitivität und gesunkene Laufzeitaffinität ist auch aus den Angaben zu den Stammkundenpotenzialen abzulesen. Vgl. Ecorys (2005b), S. 41.
188
4 Netzzugang und Wettbewerb
bewerber. Demnach liegt in Deutschland die Schwelle für Massensendungen bei rund 5.000 Sendungen, für Großmengen bei rund 50 Sendungen.434 Die Höhe des Aufkommens eines Auftrags (Anzahl der Sendungen) determiniert nicht nur den Aufwand bei der Annahme, sondern geht meist auch mit bestimmten Eigenschaften der Sendungen einher.435 Massensendungen bestehen oftmals aus identischen oder ähnlichen Inhalten, die an viele Empfänger verschickt werden. Ein typisches Beispiel ist der Produktkatalog eines Unternehmens. Aber auch die Monatsrechnungen einer Kreditkartenfirma weisen Eigenschaften von Massensendungen auf. Charakteristisch ist, dass Massensendungen maschinell in Versandzentren gedruckt und kommissioniert werden. Dadurch können mit einfachen Mitteln Vorleistungen erbracht werden, etwa die Sortierung der Sendungen nach Regionen oder Postleitzahlen. Auch eine Freimachung mit entsprechenden Freistempelmaschinen ist leicht möglich. Wegen des hohen Aufkommens kann sich auch die Einlieferung in ein Depot des Briefdienstleisters lohnen. Sendungen, die zu Großmengen zusammengefasst werden, sind stärker individualisiert. Ein Beispiel ist die Korrespondenz einer Behörde oder eines Unternehmens im Laufe eines Tages (Poststellenpost). Eine Vorsortierung ist in der Regel mit Aufwand verbunden und erfolgt daher nicht, Freimachung dagegen schon. Ob sich der Transport zu einem Depot lohnt, hängt vom Aufkommen ab. Vielfach bietet sich die Nutzung eines Abholservice an. Bei Kleinmengen dagegen spielen Vorleistungen keine Rolle. Die Einlieferung erfolgt entweder über Annahmestellen (Filialen) oder Briefkästen. Die Höhe des Sendungsaufkommens und erbrachte Vorleistungen beeinflussen die Kosten der Bearbeitung von Briefsendungen. Die Vorsortierung beispielsweise reduziert den Aufwand bei der Postgesellschaft und führt zu Zeitersparnissen bei der Bearbeitung, die sich wiederum positiv auf die Qualität auswirken, da mehr Zeit für die Beförderung und Zustellung zur Verfügung steht. Welchen Anteil welche Kategorie am Gesamtsendungsaufkommen ausmacht, kann nur geschätzt werden, da die Informationen öffentlich nicht verfügbar sind. Der Autor folgert auf der Basis von Interviews mit der DPAG, dass in Deutschland 21 % der Sendungen in das Segment „Kleinmengen“ fallen, und 37 bzw. 42 % den Groß- bzw.
434
435
Die Schwellenwerte können zwischen Anbietern und Produkten variieren und haben daher indikativen Charakter. Vgl. zum Folgenden Waller (2002), S. 43 ff.
4.3 Ansatzpunkte für Wettbewerber
189
Massensendungen zuzurechnen sind (vgl. Abbildung 21). Dabei ist zu beachten, dass sich Transaktionspost und Werbesendungen unterschiedlich auf die Kategorien verteilen: Während es im Bereich von Werbesendungen praktisch keine Kleinmengen gibt, ist der Anteil an den Massensendungen besonders hoch.436 Abbildung 21: Segmentierung nach Art der Einlieferung Kleinmengen
Großmengen
Massenmengen 42%
Anteil am Gesamtsendungsaufkommen
37% 18%
Transaktionspost
24%
Werbesendungen
16% 21%
21%
Einlieferungsmenge (Sendungen pro Tag bzw. Auftrag)
< 50
51 - 5000
> 5000
Einlieferungsort
Briefkasten/Filiale
Abholung, sonst Filiale/Sortierzentrum
Sortierzentrum
Grad der Vorleistungen
Keine
Mittel (Freimachung,teilw. Vorsortierung)
Hoch (Freimachung, Vorsortierung)
Quelle: Eigene Schätzung
Der hohe Anteil von Massen- und Großmengen legt zudem eine starke Konzentration der Versender nahe. Dies wurde von der DPAG im Interview bestätigt (vgl. auch Kapitel 3.5.3.2). Demnach verschicken die 200 größten Versender rund 35 % aller Briefe in Deutschland, 30.000 weitere Versender nochmals 50 % - also rund 14,5 Mrd. Briefe p. a.437 Marktneulinge können sich daher auf wenige Großkunden aus den Segmenten „Großmengen“/„Massenmengen“ konzentrieren, um eine für ihr Beförderungssystem kritische Sendungsmenge zu erzielen. Da in diesen Segmenten Vorleistungen von Versen436
437
Dies wirkt sich auch auf die Vorleistungsfähigkeit aus. Weil eine versenderseitige Vorsortierung die maschinelle Erstellung „zusammenhängender“ Chargen voraussetzt, kommt dies bei Transaktionspost vor allem beim Rechnungsversand (z. B. von Telekommunikations-, Versorgungs- und Finanzdienstleistern) zum Tragen. Daher wird die Schwelle in diesem Bereich vielfach bei mehr als 25.000 Stück/Einlieferung liegen. Bei Werbesendungen lassen sich auch schon Chargen von 500 Stück vorsortieren, da sie in der Regel immer in einem Schritt (maschinell) erstellt werden. Angesichts von rund 82 Mio. in Deutschland lebenden Privatpersonen und über 3 Mio. Unternehmen ist dies eine erhebliche Konzentration auf der Versenderseite.
190
4 Netzzugang und Wettbewerb
dern erbracht werden, können Marktneulinge Kostenersparnisse im Vergleich zur Beförderung von Kleinmengen realisieren, wo sie Vorleistungen selbst erbringen müssten. 4.3.2.3 Segmentierung anhand der geographischen Empfängerstruktur Massen- und Großsendungen sind auf entsprechend wenige Versender konzentriert. Als wichtigste Versender gelten in Europa Banken und Versicherungen, der öffentliche Sektor, Versorgungsunternehmen (Telekommunikation, Energie, Wasser) und Industriebetriebe. In den zehn EU-Mitgliedstaaten mit dem höchsten Sendungsaufkommen liegt der Anteil der von Unternehmen und Behörden verschickten Briefe bei fast 88 % des Gesamtaufkommens,438 in Deutschland ist der Anteil mit 91 % noch höher.439 Empfänger sind dabei in gut zwei Dritteln der Fälle private Haushalte. Diese Struktur hat Auswirkungen auf die räumliche Anordnung von Absendern und Empfängern: Während die Abgangsmengen vornehmlich in wirtschaftlichen Zentren konzentriert sein dürften, ist für die Empfängerseite von einer stärker gleichmäßigen Verteilung auszugehen, die sich an der Besiedlungsstruktur Deutschlands orientiert. Entsprechend werden mehr Sendungen aus den Ballungsgebieten in die ländlichen Gebiete transportiert als umgekehrt. Geographische Kostenunterschiede auf Grund von Dichtevorteilen (economies of density) spielen in der Zustellung von Briefen eine große Rolle. Dichtevorteile führen zu Stückkostendegressionen bei wachsender Sendungsmenge pro Region bzw. Kilometer eines Versorgungsweges (vgl. ausführlich Kapitel 3.5.2). Für Netzbetreiber ist daher die regionale Verteilung der Sendungsströme von hoher Bedeutung. Unter der Annahme einer Gleichverteilung der Sendungen über die Bevölkerung werden auf 49 % der Fläche Deutschlands nur 12 % der Sendungen zugestellt, während in rund 8 % des Bundesgebietes – nämlich dem dicht besiedelten Raum – mehr als 51 % der Empfän-
438
439
Die Sender-/Versendermatrix sieht folgendermaßen aus: Sendungen von Unternehmen/Behörden an Privatpersonen (Business to Consumer, B-to-C): 60,3 %, zwischen Unternehmen/Behörden (Business to Business, B-to-B): 27,3 %, von Haushalten an Unternehmen/Behörden (Consumer to Business, C-to-B): 5,4 %, zwischen Haushalten (Consumer to Consumer, C-to-C): 7,0 %. Vgl. WIK (2006a), S. 198 f. Es handelt sich um die Werte für entwickelte Briefmärkte, zu denen auch Deutschland zählt. Eigene Berechnung auf der Basis DPAG (2007), S. 44 f. Berücksichtigt wurden nur adressierte Sendungen unter der Annahme, dass Direktmarketingsendungen ausschließlich von Unternehmen verschickt werden. Betrachtet man nur den Geschäftsbereich Brief Kommunikation der DPAG (d. h. Transaktionspost, keine Werbung), liegt der Anteil bei 84 %.
4.3 Ansatzpunkte für Wettbewerber
191
ger leben. Neben der Zustelldichte ist für Netzbetreiber auch bedeutsam, wie groß der Anteil an Sendungen ist, der innerhalb einer Region verbleibt. Denn regionale Markteintritte sind mit geringerem Aufwand verbunden als der Aufbau einer deutschlandweit flächendeckenden Präsenz. Nach Angaben der DPAG sind bei rund einem Drittel der Briefe abgehendes und empfangendes Sortierzentrum identisch, d. h., die Sendungen verbleiben innerhalb einer Leitregion. Kombiniert man die genannten Angaben, lässt sich der Briefmarkt nach der räumlichen Struktur segmentieren. Dabei erfolgt beim Aufkommen eine Unterscheidung nach der Entfernung des Senders vom Empfänger (Herkunft) und auf der Empfängerseite nach der Dichte der Zustellregion. Die Ergebnisse sind in Tabelle 13 zusammengefasst. Tabelle 13: Zugestellte Briefsendungen nach Besiedlungsdichte und Herkunft
Herkunft
Besiedlungsdichte der Zustellregion dünn mittelstark (100 EW/km²) (>100500 EW/km²)
regional überregional
dicht (>500 EW/km²)
12%
37%
51%
33%
4%
12%
17%
67%
8%
25%
34%
Quelle: Eigene Berechnung
Nach Einschätzung des Autors stellt die Zustellung regionaler Sendungen in mittelstark und dicht besiedelten Räumen grundsätzlich kein Problem für Marktneulinge dar, so dass 29 % der Sendungen hoch attraktiv sind für Wettbewerber. Auch überregionale Sendungen, die in mittelstark und dicht besiedelte Räume gehen, können von Marktneulingen zugestellt werden – aufgrund der Größenvorteile jedoch möglicherweise nur als B-Post. Dadurch lassen sich die Sendungen verdichten und die Anzahl der Zustelltage reduzieren. Da in Deutschland gemäß Kapitel 4.3.2.1 fast 70 % der verschickten Briefe nicht zeitkritisch sind und als B-Post befördert werden können, sind mindestens weitere 41 % der Sendungen für Wettbewerber attraktiv; verzichtet die DPAG auch weiterhin auf regionale Preisdifferenzierung, dürfte eine Reduzierung der Zustellfrequenz für Neulinge aus Kostengründen zumindest in dicht besiedelten Räumen verzichtbar sein, so
4 Netzzugang und Wettbewerb
192
dass der Anteil der durch Wettbewerber zustellbaren Sendungen bei insgesamt 80 % liegt. Auch in dünn besiedelten Gebieten, in die insgesamt ca. 12 % der Briefe gehen, erscheint eine Zustellung durch Konkurrenten der DPAG möglich, wenn die Unternehmen hohe Faktorkosten- bzw. Effizienzvorteile aufweisen und Sendungsmengen auf Kosten der Laufzeit verdichten. Unter der Annahme, dass dort ebenfalls rund 70 % als B-Post zugestellt werden können, beträgt der im Hinblick auf die Zustellung insgesamt von Wettbewerbern erbringbare Anteil an Sendungen in Deutschland rund 88 %. 4.4 Wettbewerbsstrategien Die Untersuchung von strukturellen und regulatorischen Rahmenbedingungen im vorangegangenen Kapitel hat ergeben, dass die Chancen für die Entwicklung von Wettbewerb günstig sind. Aus der Segmentierung des Marktes lassen sich unterschiedliche Wettbewerbsstrategien ableiten. In Kapitel 4.4.1 wird der Zusammenhang zwischen den Ansatzpunkten und Wettbewerbsstrategien aufgezeigt. Anschließend werden die verschiedenen Wettbewerbsstrategien charakterisiert (Kapitel 4.4.2). 4.4.1 Strategie Die Erforschung von Wettbewerbsstrategien nimmt in der Betriebswirtschaftslehre mittlerweile einen hohen Stellenwert ein. Dabei ist der Strategiebegriff in den Wirtschaftswissenschaften verhältnismäßig jung: Er wurde erst in den 20er Jahren des vergangenen Jahrhunderts in der Spieltheorie eingeführt und in den 60er Jahren in Zusammenhang gebracht mit der Führung von Unternehmen. Die Theorie der Wettbewerbsstrategie hat ihren Ursprung in der Kunst der Kriegsführung. Nachdem China bereits um 500 v. Chr. Konzepte zur Kriegsführung entwickelte, prägten die Griechen den Begriff der Strategie (aus „stratos“ (Heer) und „agein“ (führen)). Entsprechend mit der Militärstrategie verwandt ist auch die Definition „Strategy is about winning“.440 Vereinfacht lassen sich zwei Denkschulen untrscheiden: Die Resource-Based-View begründet Vorteile im Wettbewerb mit der Ausstattung des Unternehmens mit strategischen Ressourcen. Die Market-Based-View sieht Erfolg als die überlegene Positionierung im wettbewerblichen Marktumfeld. Diese Sicht ist bei der Liberalisierung be-
440
Vgl. Grant (1998), S. 3.
4.4 Wettbewerbsstrategien
193
sonders relevant, weil dort exogene Faktoren eine besondere Rolle spielen, wie die Ausführungen im vorangegangenen Kapitel gezeigt haben. PORTER (1991) hat aus dieser Sicht generische Geschäftsstrategien entwickelt. Demnach muss ein Unternehmer zum einen über die strategischen Ausrichtung und zum anderen den strategischen Vorteil entscheiden. Die strategische Ausrichtung bezieht sich auf die Frage, ob der Gesamtmarkt oder nur ein Teilmarkt bedient wird. Der strategische Vorteil liegt entweder in einer überlegenen Kostenposition (Kostenführerschaft) oder der Differenzierung. Bezogen auf den Briefmarkt kann als Teilmarkt etwa eine Kundengruppe (z. B. nur Geschäftkunden mit Massenmengen), eine Aktivität (z. B. nur Transport) oder eine Region (z. B. nur städtische Gebiete) verstanden werden. Kostenführerschaft drückt sich in niedrigeren Preisen im Vergleich zu den Wettbewerbern aus, Differenzierung kann z. B. in einer höherwertigen Dienstleistung liegen. 4.4.2 Wettbewerbsstrategien auf Briefmärkten Neu in den Briefmarkt eintretende Unternehmen sehen sich einem starken Konkurrenten gegenüber. Die DPAG verfügt durch ihre jahrzehntelange Alleinstellung auch nach der Abschaffung der institutionellen Marktzutrittsschranken über eine starke Position: Sie besitzt ein flächendeckendes Annahme- und Beförderungsnetz, eine etablierte Marke und kann erhebliche Größenvorteile in der Zustellung realisieren. Dies sind Wettbewerbsvorteile gegenüber Marktneulingen. Nachteilig sind dagegen die hohen Faktorkosten für das betriebseigene Personal und ein auf mittlere Sicht weitgehend unflexibles Produktionssystem.441 Um mit der DPAG konkurrieren zu können, müssen Wettbewerber ein Briefbeförderungssystem aufbauen. Auch wenn die Kosten für den Aufbau nicht versunken sind, sollten die Investitionen in Sortieranlagen, Gebäude und Fahrzeuge dennoch nicht unterschätzt werden. Vor allem die Investitionen für den Aufbau eines flächendeckenden, mit der DPAG vergleichbaren Netzes sind erheblich und werden zu entsprechenden 441
Auch ein möglicherweise zu wenig an den Kundenbedürfnissen ausgerichtetes Produktangebot (Beispiel: fehlende B-Post) und ein durch politische Erwägungen gekennzeichnetes Preissystem (Einheitspreis) zählen zu den Nachteilen. Diese sind allerdings schnell zu beseitigen. Zu den strategischen Optionen nationaler Postgesellschaften in einem liberalisierten Umfeld vgl. Schwarz (2004), Blersch (2007); empirisch zu den Strategien vgl. Niederprüm (2007).
4 Netzzugang und Wettbewerb
194
Anfangsverlusten führen, bis das Unternehmen eine kritische Größe erreicht hat. Vor diesem Hintergrund werden sich neue Anbieter spezialisieren bzw. auf Teilmärkte konzentrieren. Als Teilmärkte werden die im vorangegangenen Kapitel abgeleiteten Marktsegmente, Regionen und einzelne Aktivitäten der Wertschöpfungskette (z. B. nur Sortierung) verstanden.442 WALLER (2002) hat aufbauend auf den Theorien des strategischen Managements ein Industriemodell für den Briefmarkt entwickelt, daraus sieben Wettbewerbsstrategien für neu in den Markt eintretende Unternehmen abgeleitet und entsprechende Wettbewerbertypen beschrieben. Als die vier Wettbewerbertypen mit dem größten Potenzial nennt er Ortspost, Ortspostvernetzer, Massenpost und Konsolidierer. Vor dem Hintergrund der Fragestellung in diesem Kapitel – inwiefern aktiver Wettbewerb entsteht und welche Rolle Netzzugang besitzt – erscheint außerdem der Vollanbieter von Relevanz. Bevor im folgenden Kapitel die fünf soeben genannten Wettbewerbsstrategien bzw. Wettbewerbertypen dargestellt werden, soll an dieser Stelle der Zusammenhang zwischen Wettbewerbertyp und Spezialisierung aufgezeigt werden. Er geht aus Abbildung 22 hervor. Abbildung 22: Wettbewerbertypen und Spezialisierung Primärer Fokus
Fokussierung auf Wettbewerbstypen
Segmente
Regionen
Sekundärer Fokus
Aktivitäten
Kein Fokus
Ortspost Ortspostvernetzer Massenpost Vollanbieter Konsolidierer/ Teilleister
*
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis WALLER (2002).
442
Der Begriff Teilmärkte wird hier entsprechend der betriebswirtschaftlichen Literatur als Gegensatz zum Gesamtmarkt verstanden.
4.4 Wettbewerbsstrategien
195
Mit Ausnahme des Vollanbieters sind alle Wettbewerbertypen entweder auf ein Marktsegment, einzelne Aktivitäten der Wertkette oder Regionen spezialisiert. Konsolidierer etwa sind auf die Abholung und Vorsortierung von Sendungen (Aktivität) spezialisiert und außerdem auf Versender mit einem hohen Sendungsaufkommen, da sich andernfalls die Abholung nicht lohnen würde. Im Folgenden werden die fünf im vorangegangenen Kapitel genannten Strategien genauer beschrieben. Relevante Kriterien sind dabei jeweils der Kundenfokus, das Leistungsspektrum und die Kostenposition im Vergleich zum etablierten Unternehmen. Die Darstellung der Wettbewerbertypen folgt WALLER (2002). Die von ihm charakterisierten Typen verfolgen klar voneinander abgrenzbare Strategien und sind durch Bezugnahme auf Konzepte des strategischen Managements betriebswirtschaftlich fundiert.443 Sie skizzieren die vielfältigen Möglichkeiten für Markteintritte in den Briefmarkt. Solchermaßen stilisierte Wettbewerbertypen können sich von den in der Praxis zu beobachtenden Geschäftsmodellen unterscheiden. Deshalb wird an dieser Stelle auf die Vorstellung in Deutschland aktiver Unternehmen verzichtet. Unterschiede zwischen den vorgestellten Wettbewerbertypen und den auf dem deutschen Briefmarkt tätige Unternehmen werden in Kapitel 4.5 dargestellt, das auch die Entwicklung von Markstruktur und Wettbewerbsintensität untersucht. 4.4.2.1 Ortspost Ortspostanbieter befördern Sendungen in einem regional begrenzten Gebiet, etwa einer Stadt oder einem Landkreis. Sie differenzieren sich vom etablierten Unternehmen durch niedrigere Porti und eine identische oder höhere Qualität: Briefe werden beim Versender abgeholt, die Zustellung erfolgt entweder am selben Tag oder am nächsten Morgen, kundenindividuelle Wünsche wie bspw. eine taggenaue oder dokumentierte Zustellung sind Leistungen, die über das Angebot des etablierten Unternehmens hinausgehen.
443
Ecorys (2005b) hat ebenfalls Strategien von Neulingen auf dem Briefmarkt definiert. Die vier Strategien basieren auf Fallstudien. Die Kriterien zur Abgrenzung sind nicht überschneidungsfrei und willkürlich. Daher wird dieser Vorschlag verworfen.
196
4 Netzzugang und Wettbewerb
Damit sich solche Mehrwertleistungen lohnen, fokussieren Ortsposten auf Versender, deren tägliches Aufkommen 20 bis 50 Briefen übersteigt. Auf Grund ihrer begrenzten geographischen Abdeckung zielen sie auf Versender, die einen hohen Anteil lokaler bzw. regionaler Briefe generieren. Dies sind z. B. Behörden wie Stadtverwaltung und Finanzamt, ortsansässige Bankfilialen und Sparkassen, regionale Versorgungsunternehmen aus der Energie- und Wasserbranche, Krankenhäuser, Ärzte, Rechtsanwälte und andere regionale Dienstleistungsunternehmen. Rund ein Drittel aller in Deutschland verschickten Briefe verbleibt in einer Leitregion. Abzüglich der Briefe von Privatkunden und unter Berücksichtigung, dass Versender mit einem hohen überregionalen Aufkommen - zumindest teilweise – die Kosten für die Trennung der Sendungen für Ortspost bzw. DPAG scheuen, kann ein Ortspostanbieter ca. 25 % der in seiner Region erstellten Briefe bedienen.444 Eine Erweiterung des Marktpotenzials ist grundsätzlich möglich durch die Nutzung eines Teilleistungszugangs zum Netz der DPAG oder durch die Zusammenarbeit mit einem Ortspostvernetzer. In beiden Fällen kann der Anbieter dann die gesamte Post eines Versenders annehmen, auch wenn diese nicht ausschließlich für seine Region bestimmt ist.445 Kostenvorteile gegenüber der etablierten Postgesellschaft ergeben sich vor allem aus niedrigeren Faktorkosten (Löhnen). Zudem fallen keine Kosten für überregionalen Transport und aufwendige Feinsortierung an. In dicht besiedelten Gebieten wie Städten und Großstädten können zudem die Größennachteile gegenüber dem Incumbent auch schon mit niedrigen Sendungsmengen ausgeglichen werden. Der Autor schätzt unter Verwendung des Zustellkostenmodells aus Kapitel 3.5.2, dass der Marktanteil einer Ortspost zur Erzielung von Kostenparität mit der DPAG in Städten und Großstädten bei 4 bis 8 % des Gesamtaufkommens liegt; das entspricht einem Anteil von 16 bis 32 % am regionalen Aufkommen. Dabei wurden ein Faktorkostenvorteil von 50 % und 5 Zustelltage zugrunde gelegt. Berücksichtigt wurde, dass ein Ortspostanbieter nicht nur im Bereich der Zustellung über Faktorkostenvorteile verfügt, sondern auch in den anderen Teilen der Beförderungskette.446 Ferner wurde einbezogen, dass die
444
445
446
Der Autor schätzt, dass sogar bis zu 30 % in Frage kommen können. Zunehmend richten Ortspostanbieter auch Abgabestellen (z. B. Briefkästen, Kooperation mit Geschäften) für Kunden mit niedrigem Sendungsaufkommen ein. Die Nutzung des Teilleistungszugangs ist in der Praxis auf Grund der Mindesteinlieferungsmenge von 5.000 Stück beschränkt. Verfügen Marktneulinge über Lohnkostenvorteile gegenüber dem etablierten Unternehmen im Bereich der Auslieferung, werden diese auch auf den anderen Stufen der Wertkette zum Tragen
4.4 Wettbewerbsstrategien
197
DPAG derzeit auf eine regionale Preisdifferenzierung verzichtet, so dass die regionalen Kosten der Ortspost mit den Durchschnittskosten von DPAG zu vergleichen sind. Kalkuliert man außerdem eine Abweichung zwischen den reinen Produktionskosten und Preisen der DPAG ein,447 dann liegen die Marktanteile, die ein Ortspostanbieter zur Erzielung von Profitabilität beim derzeitigen Marktpreisniveau benötigt, bei 3 bis 6 % des Gesamtaufkommens; das entspricht einem Anteil von 12 bis 24 % am regionalen Aufkommen. WALLER (2002) schätzt die Marktanteile auf 3 bis 4 % bzw. 12 bis 15 % und findet diese Werte in Interviews mit Ortspostanbietern bestätigt. Ortsposten haben sich in Deutschland in vielen Regionen Deutschlands bereits vor der vollständigen Marktöffnung 2008 etabliert. Auf die Marktentwicklung geht Kapitel 4.5 ausführlich ein. 4.4.2.2 Ortspostvernetzer Ein Ortspostvernetzer verknüpft die regional begrenzten Zustellregionen unabhängiger Ortsposten.448 Durch die Erhöhung der Flächendeckung vergrößert ein Ortspostvernetzer den Kreis der potenziellen Kunden einer Ortspost: Bei einer entsprechend hohen Netzabdeckung des Vernetzers wird diese auch für Versender attraktiv, denen die Trennung ihres Aufkommens in Ortspost und überregionale Post für das etablierte Unternehmen zuvor zu mühselig war. Nach Schätzung des Autors kann so die relevante Sendungsmenge von 25-30 % auf über 85 % gesteigert werden. Dabei wurde berück-
447
448
kommen. Da im Bereich Sortierung und Transport keine nennenswerten Skaleneffekte vorhanden sind, wirken sich die Lohnkostenvorteile unmittelbar auf die Kosten für die Erstellung der Endzu-End-Dienstleistung aus. Wenn der Anteil der Personalkosten im Upstream-Bereich bei 60 % liegt und dieser Bereich einen Anteil von 40 % an der gesamten Wertschöpfung ausmacht, führt ein Lohnkostenvorteil von 50 % bei identischer Zustellkostenfunktion zu 12 % niedrigeren Gesamtkosten. Anders betrachtet könnten die Kosten des Marktneulings für die Zustellung – in diesem Bereich sind Größennachteile vorhanden – um 20 % über denen des etablierten Unternehmens liegen und es wäre noch immer Kostenparität in Bezug auf die End-zu-End-Dienstleistung gegeben. Entsprechend lässt sich festhalten, dass die Marktanteile zur Erzielung von Kostenparität in Bezug auf die gesamte Wertkette unter den in Kapitel 3.5.2.4 ausgewiesenen Werten liegen. In den von der BNetzA genehmigten Entgelten sind bspw. Lasten für den Universaldienst enthalten. Unklar ist auch, wie die DPAG Gemeinkosten auf Werbepost und individuelle Briefsendungen alloziiert. Zudem lagen die Gewinnmargen in den vergangenen Jahren konstant über 15 %. Panzar (2005) untersucht die Auswirkungen eines solchen Wettbewerbertypus auf die Wettbewerbsintensität unter dem Oberbegriff „piecemeal bypass“ theoretisch.
198
4 Netzzugang und Wettbewerb
sichtigt, dass Ortsposten ihr Angebot auf Kleinmengen ausweiten können, d. h. auch Privatkunden ansprechen. Der Ortspostvernetzer tritt als Dienstleister für Ortsposten auf. Das Leistungsangebot umfasst immer den überregionalen Transport von Sendungen einer Ortspost zu einer mit dem Vernetzer kooperierenden Ortspost in der Zielregion. Es kann auch die Abgangssortierung auf die Zielregionen übernommen werden. Dies ist sinnvoll, wenn die Ortspost über keine ausreichende Sortierkapazität verfügt bzw. die manuelle Sortierung auf mehrere Zustellregionen zu teuer ist. Die Akquise von Kunden, die Abholung von Sendungen, die Rechnungsstellung und die Zustellung in der eigenen Region verbleiben bei der Ortspost. Dadurch behalten diese ihre Identität und Unabhängigkeit. Durch die Auslieferung von Briefen anderer Ortsposten in der eigenen Zustellregion verbessert der Ortspostvernetzer zudem mittelbar die Kostenposition der örtlichen Zustellunternehmen, da diese bei steigenden Sendungsmengen Größenvorteile realisieren können. Da das Netzwerk eines Ortspostvernetzers aus mehreren regionalen Netzen besteht, die keiner einheitlichen Steuerung unterliegen, ist der Koordinationsaufwand größer als bei einem integrierten Anbieter. Entsprechend werden Zusatzleistungen – beim regionalen Angebot der Ortspost üblich – nur selten angeboten. Das Qualitätsniveau eines Ortspostvernetzers liegt bezogen auf End-zu-End-Dienstleistungen selten über der des etablierten Unternehmens. Vor allem beim überregionalen Transport in entlegene Zielregionen können Laufzeitverluste im Vergleich zur nationalen Postgesellschaft anfallen. Entsprechend bepreist ein Ortspostvernetzer seine Dienste so, dass die von der Ortspost verlangten Preise für überregionale Sendungen unter denen des Incumbents liegen. Eine solche Preissetzung kann nur realisiert werden, wenn die Leistungserstellung beim Ortspostvernetzer zu niedrigen Kosten erfolgt. Daher sind für die Rolle des Vernetzers vor allem Unternehmen prädestiniert, die bereits über Logistiknetzwerke und Erfahrungen in der Abwicklung von Transportdienstleistungen verfügen. Hierbei ist zu denken an Speditionsunternehmen oder -verbünde sowie KEP-Dienstleister.449
449
Auf dem spanischen Briefmarkt hat sich mit Entrega en Mano ein entsprechendes Unternehmen erfolgreich am Markt etabliert.
4.4 Wettbewerbsstrategien
199
4.4.2.3 Massenpost Massenposten spezialisieren sich auf die Beförderung computergenerierter Massensendungen (z. B. Werbeflyer, Telefon- oder Kreditkartenabrechnungen). In diesem Segment unterbieten sie das etablierte Unternehmen im Preis. Computergenerierte Massensendungen basieren auf einem elektronischen Datensatz. Sie werden in Druckzentren gedruckt und kuvertiert. Die Briefe lassen sich auf Zustellregionen sortiert ausdrucken, ohne dass dafür zusätzliche Kosten entstehen. Die Arbeitsschritte Annahme bzw. Einsammlung und Sortierung entfallen für die Massenpost, was zu Kostenersparnissen gegenüber dem etablierten Anbieter führt. Durch die Kooperation mit mehreren Druckzentren in verschiedenen Regionen lassen sich zusätzlich die Transportkosten reduzieren. Dafür wird der Auftrag auf die verschiedenen Druckereien aufgeteilt, d. h., die Sendungen werden jeweils in der Zielregion bzw. in deren Nähe ausgedruckt. Weitere Kosteneinsparungen im Vergleich zum etablierten Anbieter ergeben sich durch die Anwendung eines Systems rollierender Zustellung: Statt in jedem Bezirk täglich zuzustellen, wird die Frequenz auf z. B. auf zwei Tage in der Woche reduziert. Dadurch kann ein Zusteller in einer Woche drei Bezirke bedienen, Fixkosten für Hin-/Rückwege, Grundwege und Stichwege fallen teilweise weg.450 Auf Grund der Kostenersparnisse kann eine Massenpost ihre Leistungen auch bei Marktanteilen von rund 5 % zu geringeren Preisen als das etablierte Unternehmen und Ortsposten anbieten.451 Die Massenpost kann zeitunkritische Massensendungen wie Kataloge und Werbesendungen zustellen. Wenn Versender und Massenpost die Druck- und Zustelltermine koordinieren, lassen sich auch Massensendungen befördern, die am nächsten Tag zugestellt werden sollen. Wenn beispielsweise ein Versender von Telefonrechnungen nicht auf das Servicelevel E+1 verzichten will, kann er den Abrechnungszeitraum der Regionen so festlegen, dass der Ausdruck jeweils auf den Vortag der Auslieferung des Massenversenders fällt. WALLER (2002) hat für das Jahr 2001 geschätzt, dass der Markt für Massenposten rund 40 % des Sendungsvolumens betrifft. Angesichts der 450
451
Durch die rollierende Zustellung an 2 statt an 6 Tagen sinken die Zustellkosten im Schnitt um 50 % (eigene Berechnungen). Schätzung des Autors auf der Basis des Zustellkostenmodells und unter der Annahme, dass auf den vorgelagerten Wertschöpfungsstufen nur Transportkosten anfallen, wobei die Massenpost hier über einen Faktorkostenvorteil von rund 20 % verfügt.
4 Netzzugang und Wettbewerb
200
Tatsache, dass der Anteil von Werbesendungen am Gesamtaufkommen steigt und der Autor dieser Arbeit den Markt für B-Sendungen für größer hält als von Waller angenommen, dürfte das für Massenposten in Frage kommende Sendungsvolumen bei bis zu 60 % des Gesamtaufkommens liegen. Das Geschäftsmodell einer Massenpost erfordert in der Abwicklung – vor allem der Planung einer rollierenden Zustellung – postalisches Know-how. Daher dürften Unternehmen, die über Erfahrungen aus Post- oder anderen Briefmärkten verfügen, besonders prädestiniert für eine entsprechende Eintrittsstrategie sein. Das Unternehmen CityMail, eine Tochter des norwegischen Incumbents Posten Norge, verfolgt eine Massenpost-Strategie und ist damit im schwedischen Briefmarkt erfolgreich.452 4.4.2.4 Vollanbieter WALLER (2002) definiert Vollanbieter als Unternehmen, die sich mit kurzen Laufzeiten und hoher Zuverlässigkeit als Qualitätsführer am Markt positionieren und eine kostengünstige Alternative zu Kurier- und Expressdienstleistern darstellen. Voraussetzung für die erfolgreiche Positionierung eines solchermaßen definierten Vollanbieters ist ein hoher Qualitätsunterschied zur etablierten Postgesellschaft. Aus diesem Grund stellt dieser Wettbewerbertyp für entwickelte Briefmärkte wie den deutschen keine realistische Option dar. Die DPAG verfolgt eine Qualitätsstrategie und realisiert hohe Laufzeiten und zuverlässige Zustellung. Unter dem Geschäftsmodell eines Vollanbieters kann jedoch auch ein Unternehmen verstanden werden, welches flächendeckend End-zu-End-Briefdienste unter einem einheitlichen Auftritt anbietet.453 Im Unterschied zur Massenpost ist das Geschäftsmodell nicht auf computergenerierte Sendungen beschränkt. Die gesamte Wertschöpfungskette, inklusive Abholung/Annahme und Sortierung, wird abgedeckt. Der Unterschied zum Ortspostvernetzer ergibt sich aus dem einheitlichen Auftritt am Markt und der integrierten Netzsteuerung. Dadurch können zum einen Größenvorteile in den durch Fixkosten geprägten Bereichen wie Vertrieb und Marketing genutzt und zum anderen auch kundenindividuelle Produkte angeboten werden, weil die gesamte Wertschöpfungskette der Steuerung durch ein einzelnes Unternehmen unterliegt. Durch die
452 453
Zum Geschäftsmodell und zur -entwicklung von Citymail vgl. Ohlsson (2007). Diesen Wettbewerbertyp hat der Autor auf der Basis der Marktentwicklung in Deutschland definiert.
4.4 Wettbewerbsstrategien
201
Kompatibilität innerhalb des Produktionssystems lässt sich bspw. die Sendungsverfolgung vom Absender zum Empfänger realisieren. Die Abgrenzung zum etablierten Unternehmen erfolgt über den Preis. Ziel des Vollanbieters ist das Angebot von End-zu-End-Diensten zu einem niedrigeren Preis als dem der etablierten Postgesellschaft. Um angesichts von Größennachteilen zu niedrigeren Preisen anbieten zu können, wird das Netzwerk nicht auf kurze Laufzeiten ausgelegt. Überregionale Sendungen werden gebündelt, die Zustellung erfolgt in Abhängigkeit von der Dichte rollierend oder – wenn ein ausreichend hohes regionales Sendungsaufkommen generiert wird – täglich. Während die Beförderung lokaler und regionaler Sendungen auf einem mit der etablierten Postgesellschaft vergleichbaren Niveau erfolgt, erreicht der Anbieter bei überregionalen Sendungen B-Post-Niveau. Bei einem solchen Qualitätsniveau kommen knapp 85 % des heutigen Aufkommens für den Vollanbieter in Frage. Der Erfolg des Vollanbieters hängt davon ab, ob er das Produktionsnetzwerk zu geringeren Kosten betreiben kann. Vorteile gegenüber dem etablierten Anbieter ergeben sich aus niedrigeren Faktorkosten, d. h. einem niedrigeren Lohnniveau. Erheblichen Einfluss auf die Kosten haben auch die Konfiguration des Netzwerkes und die Planung bzw. Durchführung der Betriebsabläufe. Wie beschrieben sind hier ebenfalls Einsparungen gegenüber dem Incumbent realisierbar. Auf Grund der Größennachteile hängt der Erfolg allerdings auch vom Preissetzungsverhalten des etablierten Anbieters ab: Verfolgt der Incumbent eine Abschöpfungsstrategie mit hohen Preisen, dürfte der Geschäftsbetrieb für den Vollanbieter auch bei niedrigen Sendungsmengen profitabel möglich sein. Ein bundesweiter Marktanteil von rund 6 bis 7 % erscheint ausreichend.454 Setzt der Incumbent hingegen auf eine Niedrigpreisstrategie und verlangt Preise in Höhe der langfristigen Grenzkosten in Kombination mit einer regionalen Preisdifferenzierung, dann dürfte der notwendige Marktanteil bei mindestens 11 % liegen.455 Dieser lässt sich durch eine Verringerung der Flächendeckung reduzieren, z. B. durch einen Verzicht auf die Zustellung im Landraum.
454
455
Eigene Schätzung. Annahmen: Der Vollanbieter verfügt über einen Faktorkostenvorteil von 50 % und stellt rollierend in Großstädten an 4 Tagen, in den anderen Regionen an drei Tagen zu. Die etablierte Postgesellschaft betreibt keine regionale Preisdifferenzierung. Eigene Schätzung. Die Annahmen bzgl. des Vollanbieters sind identisch.
4 Netzzugang und Wettbewerb
202
Allerdings sinkt dann das potenziell verfügbare Sendungsaufkommen auf maximal 70 %. 4.4.2.5 Konsolidierer und Teilleister Konsolidierer und Teilleister unterscheiden sich grundlegend von den anderen in Kapitel 4.4.2 beschriebenen Geschäftsmodellen. Die Erstellung der End-zu-EndDienstleistung erfolgt bei ihnen in Zusammenarbeit mit der etablierten Postgesellschaft. Konsolidierer und Teilleister sind Vorleistungsspezialisten.456 Sie konzentrieren sich auf die der Zustellung vorgelagerten Wertschöpfungsstufen. Das Leistungsspektrum umfasst die Abholung von Sendungen beim Kunden, die Sortierung auf Zielregionen und die Einlieferung bei einem Unternehmen, das Transport und Zustellung übernimmt. Dabei handelt es sich in der Regel um das etablierte Unternehmen; sind weitere (End-zu-End-)Dienstleister am Markt präsent, können diese alternativ Überlandtransport und Zustellung durchführen. Denkbar ist auch eine Einlieferung der Sendungen in die Zustelldepots des Unternehmens, das die Auslieferung übernimmt. Dann gehört zum Leistungsspektrum von Teilleister bzw. Konsolidierer auch der Transport. Solche Anbieter sind in den USA vielfach tätig. Konsolidierer und Teilleister nutzen Arbitragemöglichkeiten zwischen den eigenen Kosten für die Erstellung von Vorleistungen und den Entgelten für die Netznutzung von Zustellunternehmen. Beispiel: Das etablierte Unternehmen gewährt dem Konsolidierer für die Übernahme von Vorleistungen einen Rabatt von 20 % auf den Preis für die End-zu-End-Dienstleistung. Bei einem Porto von 55 Cent wären das 11 Cent pro Sendung. Wenn ein Konsolidierer oder Teilleister Sendungen für weniger als 11 Cent je Sendung abholen und sortieren kann, verbleibt eine Marge. Diese wird – in Teilen – an den oder die Versender ausgeschüttet, damit das Porto unter dem Endkundenpreis des End-zu-End-Anbieters liegt. Teilleister bereiten die Sendungen eines Versenders auf. Die Rabatte werden dabei dem Versender, d. h. dem Kunden, gewährt. Teilleister gelten daher nicht als Wettbewerber der etablierten Postgesellschaft, sondern als Dienstleister des Versenders. Konsolidierer übernehmen Vorleistungen für mehrere Versender und fassen deren Briefe 456
Die folgenden Ausführungen basieren neben Waller (2002) auf WIK (2005b) und Recherchen des Autors beim größten deutschen Konsolidierer PostCon.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
203
zu einer Einlieferung zusammen. Sie nutzen dabei aus, dass flächendeckend tätige Postdienstleister in der Regel mengenabhängige Rabatte gewähren: Je mehr Sendungen eingeliefert werden, desto höher ist der gewährte Rabatt.457 Konsolidierer zielen auf Versender mit einem täglichen Aufkommen von mehr als 50 Sendungen (Großmengen). Bei einem niedrigeren Aufkommen (Kleinmengen) lohnt die Abholung nicht. Teilleister sind tätig für Massenversender, die wegen des hohen Sendungsaufkommens auch ohne die Zusammenfassung mit den Briefen anderer Versender den maximal möglichen Mengenrabatt erzielen. Grundsätzlich ist auch die Einbeziehung von Kleinmengen in die Konsolidierung denkbar. Dies wäre möglich, wenn die Schwelle für Mindesteinlieferungsmengen niedriger liegen würde. Allerdings fallen beim Konsolidierer hohe Kosten für die Abholdung/Einsammlung an. Um diese Kosten zu reduzieren, müssten dann Annahmestellen eingerichtet werden. Ein solches Netzzugangsmodell ist in der Praxis bisher nirgends anzutreffen. Das Geschäftsmodell von Teilleistern und Konsolidierern hängt wesentlich ab von der Rabattgestaltung des etablierten Unternehmens bzw. den flächendeckend zustellenden Briefdiensten. Sind die Teilleistungsentgelte für die Nutzung der Zustellung hoch bzw. die Rabattgewährung für die Übernahme von Vorleistungen niedrig, sind die Arbitrage- und damit die Geschäftsmöglichkeiten begrenzt. Solange Konsolidierer und Teilleister mit der etablierten Postgesellschaft zusammenarbeiten, ist das Ausmaß des induzierten Wettbewerbs beschränkt. Nur wenn sie mit einem alternativen End-zu-End-Dienstleister kooperieren, wäre ein mit den anderen Wettbewerbertypen vergleichbares Ausmaß an Wettbewerb gegeben. 4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland Zentrales Ziel der Liberalisierung des Briefmarktes ist die Schaffung von Wettbewerb. Im Fokus der praktischen Wettbewerbspolitik steht dabei aktiver Wettbewerb, mit einem an den Wünschen der Nachfrager orientierten Angebot zu günstigen Preisen. Die Gewährung von Netzzugang für neu in den Markt eintretende Unternehmen durch den 457
Dies liegt daran, dass flächendeckende Anbieter ihr Netzwerk nur mit großer Zeitverzögerung an Sendungsmengenschwankungen anpassen können. Auf Grund der Fixkosten wird ein hohes Sendungsaufkommen angestrebt, das zu niedrigen Stückkosten führt.
204
4 Netzzugang und Wettbewerb
Incumbent DPAG wird in diesem Zusammenhang als Voraussetzung oder flankierende Maßnahme für die Entwicklung eines solchen Wettbewerbs angesehen (vgl. Kapitel 4.2.2.3). Entwickelt sich auf dem deutschen Briefmarkt aktiver Wettbewerb? Und welche Rolle spielt der Netzzugang? Beide Fragen sollen empirisch durch eine Auswertung der bisher zu beobachtenden jungen Markt- und Wettbewerbsentwicklung beantwortet werden. Auf eine Anwendung von Wettbewerbstests wird dabei verzichtet: Die Marktöffnung und die damit einhergehende teilweise Deregulierung sind erst zu Beginn diesen Jahres vollzogen worden. Bis vor wenigen Monaten war der Markt in einen Monopolund einen Wettbewerbsbereich geteilt. Gleichzeitig war das etablierte Unternehmen einer umfassenden Ex-ante-Kontrolle durch die BNetzA unterworfen, vor allem im Hinblick auf Preissetzung und Gestaltung des Leistungsspektrums. Entsprechend sind Marktstruktur und Marktergebnis zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur in Teilen das Ergebnis von Wettbewerbsprozessen. Eine Aussage über die künftige Entwicklung im liberalisierten Umfeld ist auf dieser Basis nur eingeschränkt möglich.458 Zur Beantwortung der eingangs aufgeworfenen Fragen wird die bislang empirisch zu beobachtende Markt- und Wettbewerbsentwicklung ausführlich dargestellt und analysiert (Kapitel 4.5.1 und 4.5.2). Dabei ist insbesondere zu prüfen, ob die Marktteilnehmer über eigene Infrastrukturen verfügen oder ob Wettbewerb vornehmlich auf den vorgelagerten Wertschöpfungsstufen stattfindet. Dazu wird auf Marktbeobachtungsdaten zurückgegriffen. Da diese Daten jedoch nur in relativ aggregierter Form vorliegen, werden in einem weiteren Schritt die Eintritts- und Wettbewerbsstrategien von Marktneulingen analysiert (Kap 4.5.3).
458
Beispiele: Ein hoher Herfindahl-Index als Ausdruck der dominierenden Marktstellung der DPAG ist historisch bedingt. Er beschreibt zwar die Marktstruktur, bildet aber die Dynamik der Wettbewerbsentwicklung nicht ab. Auch Preise und Gewinne des etablierten Unternehmens als Indikatoren für das Marktergebnis erlauben keine geeigneten Rückschlüsse auf das Ausmaß des Wettbewerbs und dessen künftige Entwicklung, da die Handlungsspielräume der DPAG bis zur Marktöffnung durch das PostG beschränkt werden (z. B. Ex-ante-Preiskontrolle). Sie sind nicht das Ergebnis von Wettbewerb.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
205
4.5.1 Marktstruktur und Marktteilnehmer Die Marktstruktur liefert Anhaltspunkte, ob sich auf dem Briefmarkt wettbewerbliche Strukturen im Aufbau befinden oder bereits vorhanden sind. Kriterien zur Untersuchung der Marktstruktur sind459 - Anzahl der Anbieter (keine, wenige, viele) - Flächendeckung durch die Anbieter - Größe der Anbieter (gemessen am Umsatz: klein, mittel, groß) - Anzahl finanzstarker Anbieter (finanzkräftige Investoren vorhanden: ja, nein). 4.5.1.1 Anzahl der Anbieter Die Anzahl der auf dem Markt tätigen Anbieter und ihre regionale Verbreitung liefern Hinweise, ob sich wettbewerbliche Strukturen in Konkurrenz zur DPAG im Aufbau befinden bzw. bereits entwickelt haben. Im Hinblick auf die übergeordnete Frage dieses Kapitels, wie Netzzugang und Wettbewerb zusammenhängen, ist außerdem von hoher Relevanz, ob die Lizenznehmer eigene Infrastrukturen aufbauen. Durch die schrittweise Marktöffnung ist es Anbietern seit 1998 möglich, Briefe zu befördern. Die BNetzA hat bislang 2.372 Unternehmen Lizenzen erteilt, im Schnitt jährlich fast 250.460 963 Lizenznehmer sind wieder aus dem Markt ausgeschieden. Tabelle 14 stellt die Lizenzerteilung und die Marktaustritte im Zeitablauf dar: Tabelle 14: Lizenzerteilung und Marktaustritte, 1998 bis 2007 Erteilte Lizenzen Marktaustritte
1998 164 0
1999 455 17
2000 241 70
2001 221 134
2002 179 181
2003 239 68
2004 255 81
2005 281 105
2006 211 119
2007 126 188
Gesamt 2.372 963
Quelle: BUNDESNETZAGENTUR (2008), S. 67
459
460
In der neoklassischen Theorie mit ihren unrealistischen Prämissen (z. B. vollständige Information, keine Wechselkosten, keine Nachfrageträgheit etc.) spielt die Größe der Anbieter für ihr Wettbewerbspotenzial ebenso wenig eine Rolle wie die Finanzausstattung (über liquide und informierte Märkte wird stets ausreichend Kapital zur Verfügung gestellt). Bundesnetzagentur (2008), Stand 31.12.2007. Die BNetzA bezeichnet Konkurrenten der DPAG als Lizenznehmer, obwohl auch die DPAG Lizenzen benötigt, vgl. Bundesnetzagentur (2007c), S. 11. Die von der BNetzA verwendeten Bezeichnungen werden hier entsprechend benutzt. Es gibt acht Lizenzklassen.
4 Netzzugang und Wettbewerb
206
Der Vergleich von erteilten Lizenzen und Marktaustritten zeigt, dass die Anzahl der Lizenznehmer nahezu kontinuierlich gestiegen ist. Lediglich in den Jahren 2002 und 2007 überstieg die Zahl der Marktaustritte die Anzahl der neuen Lizenzen. Im Jahr 2002 war dies eine Folge der Verlängerung der Exklusivlizenz der DPAG über den 31.12.2002 hinweg, weil dadurch einige Geschäftsmodelle nicht realisiert werden konnten. Die hohe Zahl der Marktaustritte in 2007 ist dagegen vor allem auf einen Konsolidierungsprozess zurückzuführen: „In der Vergangenheit erfolgten die Marktaustritte hauptsächlich aufgrund von Insolvenzen und Geschäftsaufgaben. Mittlerweile sind in erster Linie Übernahmen und Zusammenschlüsse von Marktteilnehmern im Rahmen der Marktkonsolidierung die Ursache von Marktaustritten von Lizenznehmern. Die Zahl der Marktaustritte steigt dadurch zwar zahlenmäßig an, die Unternehmen sind aber in anderer Form weiter am Markt tätig.“461 Eine Gleichsetzung von Lizenznehmern und aktiven Marktteilnehmern ist jedoch nicht zulässig: Nicht alle erteilten Lizenzen werden genutzt. Die BNetzA schätzt, dass von den 1.409 Lizenznehmern rund 845 Lizenznehmer auf dem Briefmarkt aktiv sind. Während mit der Marktöffnung die sachlichen Beschränkungen der Lizenzen entfielen, sind die räumlichen Beschränkungen geblieben. Knapp 40 % der Lizenzen gelten bundesweit und jeweils gut 30 % sind regional beschränkt oder bundeslandbezogen.462 Tabelle 15 zeigt die Anzahl der aktiven Lizenznehmer und die Lizenzdichte (aktive Lizenznehmer je 1 Mio. Einwohner) je Bundesland:
461 462
Bundesnetzagentur (2007b), S. 66. Stand 31.12.2006, vgl. Bundesnetzagentur (2007c), S. 33.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
207
Tabelle 15: Aktive Lizenznehmer und Lizenzdichte nach Bundesländern Bundesland
Aktive Lizenznehmer
Lizenzdichte*
BadenWürttemberg
72
6,7
Bayern Berlin Brandenburg Bremen Hamburg
67 21 48 5 17
5,4 6,2 18,8 7,5 9,7
Hessen MecklenburgVorpommern
42
6,9
19
11,2
Bundesland
Niedersachsen NordrheinWestfalen Rheinland-Pfalz Saarland Sachsen Sachsen-Anhalt SchleswigHolstein Thüringen
Aktive Lizenznehmer
Lizenzdichte*
81
10,1
158 42 8 72 47
8,8 10,4 7,7 16,9 19,2
26
9,2
35
15,1
* Aktive Lizenznehmer je 1 Mio. Einwohner
Quelle: BUNDESNETZAGENTUR (2007b), S. 47, Stand: 31. Oktober 2007 In Bremen und im Saarland sind jeweils weniger als zehn Lizenznehmer aktiv. Das sind die absolut niedrigsten Werte. Allerdings ist die Lizenzdichte in den beiden Bundesländern höher als in Bayern, Berlin, Baden/Württemberg und Hessen, wo die Anzahl der genutzten Lizenzen je eine Mio. Einwohner jeweils unter 7 liegt. Auffällig ist die hohe Lizenzdichte in den neuen Bundesländern. Dort kommen auf eine Million Einwohner jeweils deutlich mehr als zehn Lizenznehmer. In Brandenburg etwa ist die Lizenzdichte mit 18,8 aktiven Lizenznehmern je eine Mio. Einwohnern gut drei Mal so hoch wie in Bayern. Die BNetzA wertet dies als Beleg, „dass auch in strukturschwachen Gebieten einer Versorgung durch alternative Anbieter“463 möglich ist. Die Anbieter verfügen in der Regel über Lizenzen unterschiedlicher Klassen, um möglichst viele lizenzpflichtige Dienstleistungen anbieten zu können.464 Daher kann aus der Anzahl der aktiven Lizenznehmer bzw. der Lizenzdichte nicht ohne Weiteres auf die Art des Angebots geschlossen werden. Neben den End-zu-End-Diensten können ELizenznehmer auch den Netzzugang (Teilleistungszugang) in Anspruch nehmen. Konsolidierer, die Sendungen mehrerer Versender bündeln und einliefern, müssen darü-
463 464
Bundesnetzagentur (2007b), S. 46. Am 31.12.2006 verfügten 2.245 Lizenznehmer über 14.934 Lizenzen für acht lizenzpflichtige Dienste, vgl. Bundesnetzagentur (2007c), S. 33.
4 Netzzugang und Wettbewerb
208
berhinaus einen Teilleistungsvertrag mit der DPAG abschließen. Bis Oktober 2007 hatten 321 Konsolidierer und 27 Wettbewerber einen Teilleistungsvertrag mit der DPAG abgeschlossen.465 Im Zeitablauf ist die Anzahl der abgeschlossenen Verträge stark gefallen: 199 Verträge wurden im Jahr 2005 abgeschlossen, in dem Jahr, in dem das Bundeskartellamt Konsolidierern den verpflichtenden Netzzugang eingeräumt hat, 95 im Jahr 2006 und 27 im Jahr 2007. Genutzt wurden die Verträge von rund einem Drittel. Von diesen gut 130 aktiven Teilleistungsnutzern sieht wiederum nur jeder Dritte sein wirtschaftliches Schwergewicht in diesem Bereich, also etwa 45 Unternehmen. Insgesamt liegt der Anteil der schwerpunktmäßig konsolidierenden Unternehmen an allen aktiven Lizenznehmern damit bei rund 6 %. 4.5.1.2 Flächendeckung durch die Anbieter Angesichts der hohen Anzahl der aktiven Lizenznehmer, ihrer Verteilung und des geringen Anteils konsolidierender Anbieter folgert der Autor, dass nahezu überall in der Bundesrepublik Unternehmen Briefdienste in Konkurrenz zur DPAG anbieten. Damit ist allerdings nicht gesagt, dass die Post-Konkurrenten flächendeckend End-zuEnd-Dienstleistungen anbieten. Eine hohe Flächendeckung ist jedoch ein wichtiges Kriterium, um außerhalb von Nischen mit der DPAG konkurrieren zu können. Dazu benötigen die Anbieter entweder ein eigenes Netzwerk oder müssen – wenn sie nur über ein lokal oder regional begrenztes Zustellnetz verfügen – Kooperationen mit anderen Anbietern eingehen (vgl. Kapitel 4.4). Die Daten der BNetzA legen den Schluss nahe, dass ein Großteil der aktiven Lizenznehmer lokal bzw. regional tätig ist. Von 528 Lizenznehmern, die im Jahr 2007 Angaben zur Größe des von ihnen versorgten Gebietes gemacht haben, versorgten 60 % ein Gebiet von weniger als 1.000 km2, wobei die durchschnittliche Größe bei 334 km2 lag.466 Das entspricht etwas mehr als der Stadtfläche Münchens. 33 % der Lizenznehmer deckten ein Gebiet zwischen 1.000 und 10.000 km2 ab, dies entspricht mit einer durchschnittlichen Fläche von 3.511 km2 etwa der Größe des Saarlandes und Berlins zusammen. Knapp 6 % der Lizenznehmer versorgten ein Gebiet zwischen 10.000 und
465
466
Vgl. dazu und zum Folgenden Bundesnetzagentur (2007b), S. 74 f f. Die absoluten Werte wurden auf der Basis der Angaben vom Autor berechnet. Eigene Berechnungen auf der Basis Bundesnetzagentur (2007c), S. 47 f. Die Flächenangaben stammen aus Statistisches Bundesamt (2007b).
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
209
100.000 km2, das mit durchschnittlich 25.855 km2 etwas kleiner ist als das Bundesland Brandenburg. Vier Lizenznehmer gaben an, bundesweit ihre Dienste anzubieten. Durch die Vernetzung mit Kooperationspartnern sind allerdings auch lokal und regional tätige Anbieter in der Lage, bundesweite Dienste anzubieten. 57 % der 528 Lizenznehmer gaben an, mit anderen Anbietern zu kooperieren. Dadurch steigt die Flächendeckung erheblich: 40 Unternehmen geben an, dass sie im Verbund ein Gebiet größer als 250.000 km2 versorgen. De facto dürfte damit ein bundesweiter Service angeboten werden. Insgesamt 11 % decken ein Gebiet ab, das größer ist als die Flächenstaaten Baden-Württemberg und Bayern zusammen, und insgesamt 34 % bedienen eine Fläche, die größer als 10.000 km2 ist, also viermal der Fläche des Saarlandes entspricht.467 Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass die auf dem deutschen Briefmarkt tätigen Anbieter zwar größtenteils lokal und regional tätig sind, dass jedoch durch die Kooperation mit anderen Anbietern Netze entstanden sind, die es ermöglichen, Versendern einen flächendeckenden Service anzubieten. 4.5.1.3 Größe der Anbieter Ein weiteres Kriterium zur Untersuchung der Marktstruktur ist die Größe der Anbieter. Als Kriterium für die Größe eines Unternehmens wird dabei der Umsatz betrachtet. Größere Anbieter entfalten annahmegemäß einen größeren Wettbewerbsdruck als Kleine, da ihnen beispielsweise mehr Mittel für Marketing und Vertrieb zur Verfügung stehen und bereits vorhandene Kundenbeziehungen zur Akquise zusätzlicher Kunden genutzt werden können. Üblicherweise wird zwischen kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) einerseits und großen Unternehmen andererseits unterschieden. Legt man die von der BNetzA veröffentlichten Umsatzklassen zu Grunde, handelt es sich bei den Wettbewerbern der DPAG überwiegend um kleine Unternehmen.468 Bislang gibt es nur wenige mittlere und große Unternehmen: Für das Jahr 2007 erwarteten 467
468
Eigene Berechnungen auf der Basis Bundesnetzagentur (2007c), S. 47 f. Die Flächenangaben stammen aus Statistisches Bundesamt (2007b). Als Abgrenzung wird die Definition des Instituts für Mittelstandsforschung (Bonn) für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) verwendet. Es definiert Unternehmen als klein, wenn der Umsatz kleiner/gleich 1 Mio. EUR p. a. beträgt. Mittlere Unternehmen erwirtschaften Erlöse zwischen 1 und 50 Mio. EUR p. a., große Unternehmen entsprechend über 50 Mio. EUR p. a.
4 Netzzugang und Wettbewerb
210
76 % der Lizenznehmer Umsätze von bis zu 1 Mio. EUR und sind daher als kleine Unternehmen zu klassifizieren, 20 % rechneten mit Erlösen von über 1, aber unter 10 Mio. EUR und 4 % gingen von mehr als 10 Mio. EUR aus.469 In der Gruppe der umsatzstärksten Unternehmen erwarteten vier Unternehmen Umsätze von mehr als 50 Mio. EUR. Entsprechend liegt der Anteil der großen Unternehmen an allen Lizenznehmern bei 0,7 %, der der mittleren Unternehmen bei gut 23 %. Als wesentlichen Grund für den hohen Anteil kleiner Unternehmen sieht die BNetzA die Exklusivlizenz der DPAG, die es den Lizenznehmern bis 2008 nicht ermöglicht habe, größere Sendungsmengen zu attrahieren und Größenvorteile zu realisieren.470 Gleichwohl ist der Anteil der mittleren und großen Unternehmen unter allen Lizenznehmern seit dem Jahr 2000 kontinuierlich gestiegen, von 4 % auf 9 % im Jahr 2002, 11 % in 2004, 21 % in 2006 und nun 24 % (2007). Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate lag damit bei ca. 27 %. Grund hierfür ist der seit 2006 deutlich zu erkennende Konzentrationsprozess in der Branche.471 Die beiden Marktführer PIN Group AG und TNT Post haben in den Jahren 2006 und 2007 insgesamt 164 Lizenznehmer übernommen. 4.5.1.4 Anzahl finanzstarker Investoren Über die finanzielle Situation der Lizenznehmer ist insgesamt nur wenig bekannt. Die BNetzA fragt neben der Erlössituation auch ab, ob die Unternehmen Gewinne erwirtschaften: Für das Jahr 2006 gaben 45 % der Unternehmen an, profitabel zu arbeiten, 27 % stuften ihre Ergebnissituation als neutral ein und 28 % verzeichneten Verluste.472 Allerdings können aus diesen Zahlen keine Rückschlüsse auf die Kapitalausstattung gezogen werden. Die Beteiligung finanzstarker Investoren an den Lizenznehmern dagegen erlaubt solche Rückschlüsse. Die Bandbreite potenzieller Investoren ist groß; die Erfahrungen auf ausländischen Postmärkten zeigen, dass sich vielfach Briefpostgesellschaften aus anderen Ländern abseits ihres Heimatmarktes engagieren. Ebenfalls immer wieder zu 469
470
471 472
Eigene Berechnung auf der Basis Bundesnetzagentur (2007b), S. 26. Die Daten enthalten allerdings nicht alle aktiven Lizenznehmer (n=602), so dass die Werte nur eine Näherung darstellen. Vgl. ebda., S. 26. Dort finden sich auch Angaben zur Entwicklung im Zeitablauf. Die entsprechenden Anteilswerte im folgenden Abschnitt wurden auf dieser Basis vom Autor berechnet. Vgl. ebda., S. 49. Vgl. ebda., S. 27.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
211
beobachten ist der Eintritt von Unternehmen, die bereits über Erfahrungen in der Zustellung verfügen: Neben Unternehmen aus dem KEP-Bereich sind dies vor allem Zeitungsverlage. Das Engagement finanzstarker Investoren auf dem deutschen Briefmarkt ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt begrenzt: Zwar unterhalten mehrere ausländische Postgesellschaften Dependancen in Deutschland, doch dienen diese ausschließlich zur Beförderung von Auslandspost.473 Ausnahmen bilden die niederländische und die Schweizer Post. Die niederländische Post ist mit ihrem Ableger TNT Post AG Deutschland vertreten. Das Unternehmen bietet bundesweit Geschäfts- und Werbepost-Dienste sowie mit der Tochter PostCon auch Konsolidierungsleistungen an. Die niederländische Post gehört zu den weltweit profitabelsten Postgesellschaften. Die Swiss Post International betreibt gemeinsam mit der Hermes Logistik Gruppe (einer Tochter des Versandhandelsunternehmens Otto) den Briefdienstleister primeMail, der sich auf großformatige Briefsendungen (> 50 g) und Werbepost spezialisiert hat. Mit der Insolvenz der PIN Group im Winter 2007, bis dahin die Nummer 2 auf dem Markt, hat der Axel Springer Verlag den Markt verlassen.474 12 Gesellschaften der PIN-Gruppe wurden im Oktober 2008 von der Stuttgarter Verlagsgruppe Georg von Holtzbrinck übernommen, womit ein neuer finanzstarker Investor in den Markt eingetreten ist.475 4.5.2 Wettbewerb und Marktanteile Der vorangegangene Abschnitt hat gezeigt, dass bereits vor der vollständigen Liberalisierung eine Vielzahl von Unternehmen Beförderungsleistungen in Konkurrenz zur DPAG angeboten haben. In welchem Maße die Angebote von den Nachfragern ange-
473
474
475
Auslandspost ist nach der Marktabgrenzung in Kapitel 2.2.2 nicht Gegenstand dieser Arbeit. Für eine Übersicht über die ausländischen Postgesellschaften vgl. ebda., S. 33. Hauptaktionär Springer nicht mehr bereit war, die Verluste des laufenden Geschäftsbetriebs zu decken. Springer hat den Ausstieg aus dem Briefgeschäft mit der Einführung des Mindestlohns begründet, vgl. Hülsen, Tuma (2007). Dies wurde von Marktbeobachtern als vorgeschoben bezeichnet. Laut einem Zeitungsbericht hat eine Analyse der Unternehmensberatung Roland Berger ergeben, dass das Geschäftsmodell von PIN prinzipiell auch nach Einführung des Mindestlohns tragfähig sei, vgl. Hinze, Leyendecker (2007). o.V. (2008b). Mehrere weitere Verlage haben einzelne regionale PIN-Gesellschaften übernommen. Der Ortspostvernetzer Xanto hat im April 2008 den größten Überregionalen Briefversand der PIN-Gruppe gekauft, die PIN Mail GmbH (Düsseldorf).
212
4 Netzzugang und Wettbewerb
nommen werden, wird in diesem Kapitel dargestellt. Dazu kann auf Untersuchungen der BNetzA zurückgegriffen werden. Allerdings betrachtet die BNetzA stets den gesamten deutschen Markt. Eine Differenzierung findet nur im Hinblick auf die Lizenzklassen statt. So können zwar Status und Entwicklung in den Segmenten Werbepost und individuelle Briefsendungen voneinander getrennt betrachtet werden und auch eine Unterscheidung zwischen End-zu-EndDiensten und Konsolidierung ist möglich. Eine Analyse des Wettbewerbs der in Kapitel 4.3.2 definierten Segmente ist auf dieser Basis jedoch nur sehr eingeschränkt möglich. 4.5.2.1 Wettbewerbsentwicklung auf dem Gesamtmarkt Abbildung 23 stellt die Wettbewerbssituation im Jahr 2007 in der Bundesrepublik graphisch dar. Für das Jahr 2007 erwarteten die Lizenznehmer Umsätze in Höhe von 1,27 Mrd. EUR. Damit kamen die Wettbewerber im Jahr vor der Abschaffung der gesetzlichen Marktzutrittsschranken auf einen Marktanteil von knapp 13 %. Ein knappes Drittel der Wettbewerber-Umsätze entfällt auf die PIN Group AG und die TNT Post AG. Die beiden umsatzstärksten Wettbewerber der DPAG erzielen gemeinsam einen Marktanteil von circa 4 %.476
476
Vgl. Bundesnetzagentur (2007b), S. 22 f. Bei den Angaben für 2007 handelt es sich um Erwartungswerte. Die BNetzA hat die Daten Mitte 2007 abgefragt, vgl. Bundesnetzagentur (2007b), S. 21. Die DPAG rechnete Mitte 2007 für das Gesamtjahr mit einem Marktanteil der Wettbewerber von 14,1 % (Angabe im Interview).
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
213
Abbildung 23: Aufteilung der Umsätze zwischen DPAG und Wettbewerbern, 2007 100% =
2007*
1.274 9,3% (118)
35,8% (456) DPAG 87,3%
12,7%
• E-Lizenz und Konsolidierung**
Netzzugang
• Weitere End-zu-EndDienste
Wettbewerber
Eigene Infrastruktur
• Qualitativ höher54,9% (700)
wertige Dienstleistungen (D-Lizenz)
Wettbewerber * Erwartungswerte ** E-Lizenznehmer im Auftrag eines Versenders: 43 Mio. EUR, gewerbsmäßige Konsolidierer 75 Mio. EUR
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis BUNDESNETZAGENTUR (2007b)
Die Wettbewerber erzielen rund 55% ihrer Erlöse mit qualitativ höherwertigen Dienstleistungen (D-Lizenz). Ihr Anteil hat sich damit seit dem Jahr 2000 mehr als verdoppelt; im Jahr 2000 lag er bei 27 %. Dass vor allem von den unter der D-Lizenz angebotenen Produkten ein hoher Wettbewerbsdruck auf das Angebot der DPAG ausgehen würde, scheint auch den Marktteilnehmern bewusst gewesen zu sein: Über die Merkmale, die einen Dienst als „höherwertig“ im Sinne des § 51 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 PostG charakterisieren, haben DPAG und Wettbewerber rund zehn Jahre vor Gericht gestritten.477 Im Jahr 2007 erwirtschafteten die Wettbewerber mehr als 90 % ihrer Umsätze unter Nutzung eigener Infrastruktur. Dienste, die auf dem verpflichtenden Netzzugangsregime des PostG aufbauen (E-Lizenz, gewerbsmäßige Konsolidierung) machten bezogen auf die gesamten Umsätze der Lizenznehmer nur rund 9 % aus. Damit ist die absolute Bedeutung des von Wettbewerbern genutzten Netzzugangs gering. Während im Bereich der End-zu-End-Dienste die Marktanteile der einzelnen Lizenznehmer niedrig sind, liefern die drei größten Konsolidierer PostCon, freesort und Direktexpress rund 60 % aller zu konsolidierenden Sendungen ein. 477
Dass die Über-Nacht-Zustellung – die Abholung von Sendungen nach 17 Uhr beim Absender und die garantierte Zustellung vor 12 Uhr beim Empfänger – als höherwertige Dienstleistung anzusehen ist, wurde erst im Juni 2007 richterlich festgelegt, vgl. Monopolkommission (2007), Tz. 23. Durch die Aufhebung der sachlichen Beschränkungen im Rahmen der Marktöffnung sind die Wettbewerber nun frei in ihrer Produktgestaltung.
4 Netzzugang und Wettbewerb
214
Der Vertrieb der DPAG gibt an, bis Herbst 2007 knapp 8.500 Geschäftskunden an Wettbewerber verloren zu haben. In 35 % der Fälle handele es sich um Kunden aus dem öffentlichen Sektor und zu je circa 12 % um Versender aus dem gemeinnützigen Sektor, Handel sowie Finanzdienstleister und Dienstleistungsunternehmen. Zu diesem Zeitpunkt stufte der Vertrieb weitere rund 5.000 Kunden als „gefährdet“ ein. In diesen Fällen hatten die Versender Wechselabsichten oder -bereitschaft signalisiert bzw. bereits konkrete Angebote von Konkurrenten vorliegen.478 Insgesamt hat die Wettbewerbsintensität in den vergangenen Jahren spürbar zugenommen: In 2002 – im Jahr vor der ursprünglich geplanten Marktöffnung – kamen die Wettbewerber auf einen umsatzbezogenen Marktanteil von 2,8 %. Damit hat sich der Marktanteil der Lizenznehmer innerhalb von 5 Jahren verfünffacht. Die Entwicklung ist in Tabelle 16 dargestellt. Tabelle 16: Umsatzbezogene Marktanteile, 1998 bis 2007 1998 Markt insgesamt (Wettbewerbsbereich) in Mio. EUR Umsatz Lizenznehmer* in Mio. EUR Marktanteil Lizenznehmer (am Wettbewerbsbereich) Marktanteil DPAG (am Wettbewerbsbereich)
1999
9827 10047 (~ 2.250) (~ 2.300)
2000 10266 (~ 2.350)
2001 10237 (~ 2.350)
2002 10164 (~ 2.400)
2003 9900 (~ 3.300)
2004 9994 (~ 3.400)
2005 9863 (~ 4.100)
2006 10073 (~ 4.900)
2007** 10060 (~ 5.000)
76
127
174
249
305
388
532
745
1.056
1.274
0,78% (~ 3,4%) 99,22% (~ 96,6%)
1,3% (~ 5,5%) 98,7% (~ 94,5%)
1,7% (~ 7,4%) 98,3% (~ 92,6%)
2,4% (~ 10,6%) 97,6% (~ 89,4%)
3,0% (~ 12,7%) 97,0% (~ 87,3%)
3,9% (~ 11,8%) 96,1% (~ 88,2%)
5,3% (~ 15,6%) 94,7% (~ 84,4%)
7,6% (~ 18,2%) 92,4% (~ 81,8%)
10,5% (~ 21,6%) 89,5% (~ 78,4%)
12,7% (~ 25,5%) 87,3% (~ 74,5%)
* Ohne DPAG ** Erwartungswert
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis BUNDESNETZAGENTUR (2007b), S.23 und BUNDESNETZAGENTUR (2007c), S. 17
Die Umsätze der Lizenznehmer sind seit 1998 kontinuierlich gestiegen, im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr um gut 20 bis fast 70 %. Die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate zwischen 1998 und 2007 beträgt knapp 37 %. Im Jahr 2006 fiel der Anteil der DPAG am gesamten Briefmarkt erstmalig unter 90 %. Bezogen auf den Wettbewerbsbereich, der gut die Hälfte des Marktes umfasste, hatten die DPAGKonkurrenten zu diesem Zeitpunkt mehr als ein Fünftel des Marktes erobert.479
478 479
Angaben im Interview. Eigene Berechnung auf der Basis Bundesnetzagentur (2007c), S. 26. Berechnet den Marktanteil in Bezug auf die Sendungsmenge wurden im Jahr 2006 im Wettbewerbsbereich rund 31 % der Sendungen von Lizenznehmern befördert. Dies liegt daran, dass die Preise der Wettbewerber niedriger sind als die der DPAG.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
215
Die Anzahl konsolidierter Sendungen ist seit der Entscheidung des Bundeskartellamts von ca. 29 Mio. (2005) über 400 Mio. (2006) auf rund 600 Mio. (2007) gestiegen. Der Umsatz bzw. das ausgeschüttete Rabattvolumen an Wettbewerber der DPAG stieg von 3 Mio. EUR (2005) über 57,5 Mio. EUR (2006) auf ca. 75 Mio. EUR im Jahr 2007.480 Damit ist zwar auch in diesem Bereich ein deutliches Wachstum sichtbar. Gemessen am Sendungsaufkommen und Umsatz des Briefmarktes von 10,1 Mrd. EUR sind Konsolidierung und Netzzugang gleichwohl bislang nur ein Randthema. 4.5.2.2 Exkurs: Wettbewerbsentwicklung auf ausländischen Briefmärkten Wie hat sich der Wettbewerb in Deutschland im europäischen Vergleich entwickelt? Um diese Frage zu beantworten, wird kurz die Wettbewerbssituation in Schweden, Finnland, Großbritannien und den Niederlanden beschrieben:481 - In Schweden hat sich mit CityMail ein bedeutender Wettbewerber zum Incumbent etabliert.482 Das Unternehmen ist auf die Beförderung von computergenerierten (und damit vorsortierten) Briefen spezialisiert, die rund 50 % des schwedischen Briefaufkommens ausmachen. CityMail stellt zwei Mal in der Woche im Süden des Landes zu. Die Haushaltsabdeckung von CityMail beträgt circa 45 %. CityMail kommt auf einen Marktanteil von circa 7,7 %. Es gibt einige lokale Zustellorganisationen, die aber keinen nennenswerten Anteil am Markt erobert haben. Konsolidierung spielt in Schweden keine Rolle. - In Finnland wird der Markt weiterhin ausschließlich von der staatlichen Postgesellschaft (Posti) versorgt. Neben den ungünstigen strukturellen Voraussetzungen aufgrund einer sehr geringen geographischen Dichte sind dafür vor allem die regulatorischen Rahmenbedingungen verantwortlich: Wettbewerber benötigen eine Lizenz,
480
481
482
Vgl. Bundesnetzagentur (2007b), S. 24, 77. Bei den 2007er-Werten handelt es sich um Erwartungswerte der Marktteilnehmer. Schweden, Finnland und Großbritannien haben ihre Briefmärkte 1993, 1994 bzw. 2006 für den Wettbewerb geöffnet. Die Niederlande verfolgten einen ähnlichen Liberalisierungsfahrplan wie Deutschland. Zu den Auswirkungen der schwedischen Marktöffnung vgl. Cohen et al. (2006a); Andersson (2007); Monopolkommission (2007), Tz. 12.
216
4 Netzzugang und Wettbewerb
die mit Universaldienstverpflichtungen verknüpft ist. Stellt ein Marktneuling nicht flächendeckend zu, muss er eine Art Strafsteuer entrichten.483 - In Großbritannien bieten derzeit 18 Unternehmen Briefdienste in Konkurrenz zum etablierten Unternehmen Royal Mail an.484 End-zu-End-Wettbewerb existiert allerdings praktisch nicht: Royal Mail stellt weiterhin circa 99 % aller adressierten Sendungen zu. Wettbewerb findet nahezu ausschließlich über Netzzugangsvereinbarungen statt. Von den zwischen April und Dezember 2007 durch Royal Mail zugestellten Sendungen stammten rund 20 % von Netzzugangsnutzern. Rund die Hälfte dieser Briefe stammt von Großkunden, die eigene Vereinbarungen mit Royal Mail geschlossen haben, die andere Hälfte von Konsolidierern. Die Attraktivität des Netzzugangs in Großbritannien dürfte bedingt sein a) durch das insgesamt niedrigere Preisniveau und b) die relativ höheren Rabatte im Vergleich zu Deutschland. - In den Niederlanden sollte die Exklusivlizenz der etablierten Postgesellschaft TNT Post ebenfalls mit Beginn des Jahres 2008 auslaufen. Dieser Schritt, mit dem auch ein neuer Regulierungsrahmen in Kraft getreten wäre (Postwet), wurde wegen der Einführung eines Mindestlohns in der Bundesrepublik verschoben.485 Marktteilnehmer benötigen in den Niederlanden bis zur Marktöffnung keine Lizenz; entsprechend gibt es keine verlässlichen Zahlen über Anzahl und Art der Anbieter. Die niederländische Regulierungsbehörde OPTA gibt an, dass neben dem Incumbent TNT Post zwei konkurrierende Unternehmen (SelektMail, Sandd) über eigene Zustellnetze mit landesweiter Reichweite verfügen. Allerdings stellen die Konkurrenten nicht täglich zu. SelektMail und Sandd kamen 2007 gemeinsam auf einen Marktanteil von 14 % bzw. 31 % bezogen auf den bereits liberalisierten Teil.486 Netzzugang spielt bislang keine Rolle, soll aber mit der Marktöffnung erstmals reguliert werden. Im europäischen Vergleich entwickelt sich der Wettbewerb auf dem deutschen Briefmarkt dynamisch. Bereits vor der vollständigen Marktöffnung haben Konkurrenten der DPAG deutlich mehr als 10 % des Marktes erobert. Lediglich in den Niederlanden ist 483 484 485
486
Vgl. Oelmann (2007), S. 53 f. Vgl. Postcomm (2008a). Vgl. Hinze (2007); OPTA (2007b). In den Niederlanden waren bereits vor der Marktöffnung Werbesendungen vom reservierten Bereich ausgenommen. Das Kriterium höherwertiger Sendungen gibt es in den Niederlanden nicht. Vgl. OPTA (2007a), S. 15 ff.; Monopolkommission (2007), Tz. 14.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
217
eine vergleichbare Entwicklung zu verzeichnen, wobei dort wenige große Anbieter mit der etablierten Postgesellschaft konkurrieren, im Gegensatz zu den vielen lokalen und regionalen Wettbewerbern in Deutschland. Wenn auf Grund struktureller oder regulatorischer Rahmenbedingungen kein Infrastrukturwettbewerb möglich ist, erweist sich Netzzugang als ein probates Instrument zur Stimulierung von Wettbewerb auf dem Netz. Dies zeigt das Beispiel Großbritannien. 4.5.2.3 Wettbewerbsentwicklung in den Marktsegmenten Die Wettbewerber der DPAG haben schon vor der Liberalisierung 2008 sukzessive Marktanteile gewonnen. Die Betrachtung des Gesamtmarktes lässt jedoch keine Aussagen darüber zu, ob sich die Wettbewerbsentwicklung flächendeckend vollzieht oder ob die alternativen Angebote vor allem in Nischen oder einzelnen Regionen nachgefragt werden bzw. für begrenzte Kundengruppen angeboten werden. Wie sich der Wettbewerb in den in Kapitel 4.3.2 definierten Segmenten entwickelt hat, wird im Folgenden untersucht. Wettbewerb nach Sendungsinhalten Die Unterscheidung zwischen Werbesendungen einerseits und individuellen Briefsendungen andererseits knüpft an die Inhalte von Briefen an. Das Unterscheidungskriterium für die Zuordnung ist die sog. Inhaltsgleichheit (vgl. Kapitel 2.2.5). Werbesendungen werden in der Regel in großen Stückzahlen versendet, wobei der Versender Vorleistungen wie die Vorsortierung übernimmt. Die Abwicklung auf den der Zustellung vorgelagerten Wertschöpfungsstufen erfolgt in einem eigenen Produktionssystem (vgl. Kapitel 2.3.2). Für das Jahr 2007 hat die BNetzA keine produktspezifischen Marktanteile ausgewiesen. Im Vorjahr 2006 betrug der umsatzbezogene Marktanteil der Lizenznehmer bei Individualpost 10,2 % (sendungsmengenbezogen: 12,0 %), bei Werbesendungen 6,2 % (sendungsmengenbezogen: 4,0 %).487 Der Wettbewerb im Bereich Individualkommu-
487
Vgl. Bundesnetzagentur (2007c), S. 24 f. Inhaltsgleiche Sendungen fallen in die Lizenzklasse B. Ordnet man die Lizenzklassen wie die BNetzA den verschiedenen Produkten zu und geht davon aus, dass die Umsatzanteile von Direktwerbung und Individualpost bezogen auf den Gesamtmarkt (nur End-zu-End, ohne Ausland) konstant geblieben sind, ergeben sich für 2007 folgende umsatz-
218
4 Netzzugang und Wettbewerb
nikation ist stärker ausgeprägt als im Direkt-Marketing-Segment. Auch die Umsatzentwicklung der Lizenznehmer verläuft im Segment der individuellen Briefsendungen dynamischer als bei den Werbebriefen: Bei Ersteren lag die durchschnittliche jährliche Wachstumsrate der Lizenznehmer-Umsätze im Zeitraum 2003 bis 2007 nach Berechnungen des Autors bei knapp 40 %, bei Direktwerbung dagegen nur bei gut 8 %. Die verhaltene Wettbewerbsentwicklung im Werbepost-Segment verwundert auf den ersten Blick: Auf Grund der niedrigeren Laufzeitanforderungen und des höheren Vorleistungsgrads bei Werbebriefen im Vergleich zu Individualpost gelten die Eintrittsbarrieren für das Segment Direktwerbung als besonders niedrig. Ein möglicher Grund für die geringe Wettbewerbsintensität könnten die vergleichweise niedrigen Entgelte für Werbepost in Deutschland sein. Das Porto für individuelle Briefsendungen der DPAG liegt im europäischen Vergleich im Mittelfeld, das Entgelt für Werbesendungen dagegen am unteren Rand. Bezogen auf das Porto für einen Standardbrief (0,55 EUR) kosten Werbebriefe in Deutschland fast 55 % weniger. In Frankreich, Großbritannien und den USA betragen die Abschläge dagegen nur rund 24 % (Frankreich), 29 % (Großbritannien) bzw. 28 % (USA).488 Entsprechend ist das Preis-KostenVerhältnis für Werbesendungen in Deutschland vermutlich ungünstiger als im Segment der individuellen Briefsendungen. Die Preise für individuelle Briefsendungen der meisten Wettbewerber liegen unter denen der DPAG. Das gilt für alle Gewichtsklassen.489 Beim Standardbrief, der rund drei Viertel des nationalen Briefaufkommens ausmacht, liegt der Durchschnittspreis der zehn aufkommensstärksten Wettbewerber rund 7 % unter dem der DPAG (vgl. Tabelle 17).
488
489
bezogenen Marktanteile für die Lizenznehmer: 12,8 % (Individualpost), 6,5 % (Direktwerbung). Eigene Berechnung auf der Basis Bundesnetzagentur (2007b), S. 23, 24. Eigene Berechnung auf der Basis WIK (2005b). Für Deutschland wurden die Preise von Standardbrief und Infopost mit einer Mindesteinlieferungsmenge von 4.000 Sendungen verglichen. Vgl. Bundesnetzagentur (2007b), S. 36. Für eine ausführliche Darstellung der Preisstrukturen vgl. Bundesnetzagentur (2007c), S. 40 ff. Für den Bereich Werbebriefe liegt kein Preisvergleich vor. Auf Grund der komplexeren Preisstruktur (Mengenrabatte, Vorleistungsrabatte) ist dieser schwer zu ermitteln.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
219
Tabelle 17: Vergleich Preise Standardbrief, in Euro
Anbieter DPAG PIN Mail AG TNT Regioservice PostModern PIN Mail (WPS) PIN WEST MAIL CITIPOST arriva VDL Express Biber Post Main-PostLogistik Durchschnitt Wettbewerber*
Listenpreis (brutto)
Listenpreis (netto)
Preisabstand zur DPAG (brutto)
Preisabstand zur DPAG (netto)
nicht umsatzsteuerpflichtig 0,52 0,52 0,46 0,52 0,52 0,54 0,55 0,42 0,42 0,61
0,55 0,44 0,44 0,39 0,44 0,44 0,45 0,46 0,35 0,35 0,51
-0,03 -0,03 -0,09 -0,03 -0,03 -0,01 0 -0,13 -0,13 0,06
-0,11 -0,11 -0,16 -0,11 -0,11 -0,1 -0,09 -0,2 -0,2 -0,04
0,51
0,43
-0,04
-0,12
* Ungewichtet
Quelle: Eigene Darstellung, Preisabfrage telefonisch oder im Internet. Stand: Januar 2008.
Im Gegensatz zur DPAG unterliegen die Lizenznehmer der Umsatzsteuer. Für vorzugssteuerabzugsberichtige Versender ist die Umsatzsteuer ein durchlaufender Posten, den sie nicht bezahlen müssen (vgl. Kapitel 4.3.1.1). Entsprechend niedriger sind dann die Wettbewerberpreise. Bezogen auf die Nettopreise der Lizenznehmer beträgt der Preisabstand zur DPAG durchschnittlich minus 21 %. Wettbewerb nach Netzqualität Die Anforderungen an die Qualität von Briefdiensten variieren zwischen den Versendern. Das sog. B-Post-Segment grenzt sich durch eine niedrigere Laufzeit von der E+1-Beförderung ab (vgl. Kapitel 4.3.2.1). Die DPAG bietet bislang nur den Versendern von Werbepost eine laufzeitreduzierte „B-Post“-Dienstleistung an. Versender von individuellen Briefsendungen können nur die schnelle A-Post nutzen, von der DPAG als „Brief Kommunikation“ bezeichnet. Die Laufzeit hat einen großen Einfluss auf die Kosten der Leistungserstellung. Wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert, sind Kostenunterschiede auf Grund von Laufzeitunterschieden ein Grund für die verschiedenen Preise für Werbe- und Individual-
220
4 Netzzugang und Wettbewerb
post. Durch niedrigere Laufzeiten können zum einen Kostenersparnisse in den der Zustellung vorgelagerten Wertschöpfungsstufen realisiert werden, zum anderen lassen sich durch eine Reduzierung der Zustellfrequenz Sendungsmengen bündeln und auf diesem Weg Größenvorteile auf der letzten Meile realisieren. Entsprechend ist zu vermuten, dass sich Marktneulinge auf das B-Post-Segment konzentrieren. In Schweden und den Niederlanden stellen die flächendeckenden End-zu-End-Wettbewerber jeweils nur an 2 bis 3 Tagen die Woche zu. Auf ausländischen Märkten ist eine Umschichtung laufzeitkritischer Sendungen in das B-Post-Segment zu beobachten (vgl. Kapitel 2.2.6.5). Eine solche Entwicklung war in Deutschland vor der Marktöffnung nur eingeschränkt möglich: Um auch im aufkommensstarken Bereich der Exklusivlizenz tätig werden zu können, mussten die Leistungen der Wettbewerber der DPAG höherwertig sein (D-Lizenz).490 Das Angebot von BPost (hier E+X) war im reservierten Bereich jedoch nicht möglich. Entsprechend sind für den deutschen Markt keine nach Laufzeit geschlüsselten Umsatzzahlen oder Sendungsmengen verfügbar. Dass die DPAG-Konkurrenten sowohl auf A- als auch auf B-Post setzen kann aus der Entwicklung der Lizenzvergabe bei den höherwertigen Dienstleistungen geschlossen werden. Während in den Jahren 1998 bis 2003 überwiegend Lizenzen für Dienste mit einer kürzeren Laufzeit (taggleiche Zustellung, Übernacht-Zustellung) als bei der DPAG erteilt wurden, hat in den Jahren 2004 bis 2006 vor allem die Nachfrage nach Lizenzen für Dienste mit termingenauer Zustellung bzw. mit Sendungsverfolgung zugenommen, die in der Regel mit einer langsameren Beförderung einhergehen: Von Ersteren wurden 405 Lizenzen (1998 bis 2000: 230, 2001-2003: 289), von Letzteren 227 (1998 bis 2000: 66, 2001 bis 2003: 48) erteilt.491 In die Zeit ab 2004 fällt die zunehmende Kooperation zwischen den regionalen Anbietern und die Zunahme von Unternehmenszusammenschlüssen. Der Autor vermutet, 490
491
Die BNetzA hat fünf unterschiedliche Dienste definiert, die das Höherwertigkeitskriterium erfüllen: Dienste mit taggleicher Zustellung (D 1), Dienste mit Übernacht-Zustellung (D 2), Dienste mit termingenauer Zustellung (D 3), Dienste mit Sendungsverfolgung (D 4) und integrierte Briefund Logistikdienste (D 5), vgl. Bundesnetzagentur (2007c), S. 35. Dies erklärt auch die starke Stellung regionaler Anbieter, da in einem beschränkten Versorgungsgebiet schnellere Laufzeiten eher zu realisieren sind. Die Zahlen stammen von der BNetzA, vgl. ebda., S. 31. In den anderen Lizenzklassen ist die Anzahl der erteilten Lizenzen im Zeitablauf konstant geblieben. Insgesamt wurden allerdings in den Bereichen D1 und D2 die meisten Lizenzen erteilt: 37 % D 1, 33 % D 2, 22 % D 3, 8 % D 4, 0 % D 5.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
221
dass der Anstieg der Lizenzen zusammenhing mit der Ausweitung der Angebote auf überregionale Sendungsströme, die sich nur unter hohen Kosten mit einer kurzen Laufzeit hätten realisieren lassen. Dies führt zu folgender Einschätzung im Hinblick auf die Netzqualität bei Wettbewerbern der DPAG: Bei der regionalen Post setzen die Lizenznehmer oftmals auf kurze Laufzeiten (A-Post), während sich der Qualitätsvorteil bei den überregionalen Sendungen auf andere Qualitätsdimensionen bezieht.492 Wettbewerb nach Art der Einlieferung Die Art der Einlieferung kann nach dem Sendungsaufkommen je Auftrag und dem Grad der Vorleistungen unterschieden werden. Darauf aufbauend wurden in Kapitel 4.3.2.2 drei Segmente (Klein-, Groß- und Massenmengen) definiert. Ob Lizenznehmer vornehmlich einzelne Segmente bedienen, kann gegenwärtig nicht beantwortet werden, da keine Daten dazu vorliegen. Analysiert man die vorherrschenden Geschäftsmodelle der Marktneulinge, dann konzentrieren diese sich überwiegend auf Groß- und Massenmengen, die in einigen Fällen bereits vom Versender vorbereitet wurden. Angebote für Kleinmengen, also insbesondere für Privatkunden, gibt es selten. Sie sind vielfach auf den Ortsbereich beschränkt. Wettbewerb nach geographischer Empfängerstruktur Die Kosten für die Beförderung von Briefen unterscheiden sich in Abhängigkeit von der geographischen Dichte (vgl. dazu ausführlich Kapitel 3.5.2): Angesichts der regionalen Kostenunterschiede stellt sich die Frage, ob sich Wettbewerb bislang vornehmlich in Ballungsgebieten entwickelt hat, es sich also um „regionale Inseln des Wettbewerbs“ handelt, oder ob er sich flächendeckend im Aufbau befindet.493
492
493
Allerdings erwägen die Post-Konkurrenten nach der Marktöffnung die Einführung flächendeckender A-Post-Angebote, vgl. o.V. (2008e). Dass bundesweit aktive Lizenznehmer vorhanden sind, kann als Indiz für ein flächendeckendes Angebot gesehen werden. Damit ist allerdings nicht geklärt, ob das Angebot der DPAGKonkurrenten auch nachgefragt wird – möglicherweise erlauben die Skalennachteile in manchen Regionen kein kompetitives Angebot.
222
4 Netzzugang und Wettbewerb
In Abbildung 24 sind die sendungsmengenbezogenen Marktanteile von Wettbewerbern der DPAG nach Leitregionen dargestellt. Dabei handelt es sich um eine Schätzung, die auf Daten des zweiten Quartals 2007 beruht.494 Abbildung 24: Marktanteile von Lizenznehmern nach Leitregionen (2007) < 5% > 5% < 10% > 10% < 15% > 15% < 20% > 20%
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis von Angaben der DPAG im Interview
Der auf das Gesamtjahr 2007 extrapolierte Marktanteil der Wettbewerber liegt bei 14,1 %. Die Abweichung vom Erwartungswert der Erhebung der BNetzA (12,7 % Marktanteil, vgl. Kapitel 4.5.2.1) resultiert daraus, dass sich der Marktanteil zum einen auf Sendungsmengen und nicht auf Umsätze und zum anderen ausschließlich auf Transaktionspost (Bereich Brief Kommunikation) und nicht auf den Gesamtmarkt bezieht.495 Aus Abbildung 24 geht hervor, dass die Wettbewerber vor allem in Ostdeutschland hohe Marktanteile gewinnen konnten. Hier liegen ihre Marktanteile nahezu in allen Leitregionen über 20 %. Die vergleichsweise hohe Wertbewerbsintensität in Ost-
494
495
Die DPAG hat dazu ihre leitregionsspezischen Sendungsmengen für einen begrenzten Zeitraum im 2. Quartal 2007 gemessen und auf das Gesamtjahr extrapoliert. Diese Daten wurden mit einer historischen Sendungsmengenverteilung aus dem Jahr 2003 verglichen, wobei die erwartete Gesamtsendungsmenge (DPAG und Wettbewerber laut BNetzA) exptrapoliert wurde. Um die Ergebnisse zu verifizieren, wurden Mitarbeiter aus dem Vertrieb interviewt. Die Porti der Wettbewerber liegen in der Regel unter denen der DPAG. Entsprechend ist der auf den Gesamtumsatz bezogene Marktanteil der Lizenznehmer geringer als der auf die Sendungsmengen bezogene. Die Ergebnisse dürften daher die regionale Wettbewerbsintensität akkurat wiedergeben.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
223
deutschland korreliert mit der von der BNetzA für die neuen Bundesländer ermittelten hohen Lizenzdichte. Sie dürfte auf das vergleichsweise niedrige Lohnniveau in Ostdeutschland zurückzuführen sein.496 Der geringste Wettbewerb herrschte demnach in Südost-Bayern, den südlichen Teilen Nordrhein-Westfalens und in Teilen NordHessens. Auffällig ist, dass Wettbewerb kein Ballungsgebiet-Phänomen darstellt: Abgesehen von den ostdeutschen Zentren Berlin, Dresden und Leipzig liegen die Marktanteile der Wettbewerber nur noch im Ruhrgebiet über dem Bundesdurchschnitt. Die Marktanteile in den Ballungsgebieten sind in Tabelle 18 ausgewiesen. Der sendungsmengengewichtete Durchschnitts-Marktanteil liegt über die betrachteten zehn Ballungszentren bei 22,4 %.
Leipzig
Berlin
Ruhrgebiet
Hannover
Stuttgart
Köln/ Düsseldorf
Hamburg
Frankfurt/ Main
München
Marktanteil Wettbewerber* Anzahl Wettbewerber**
Dresden
Tabelle 18: Marktanteile und Anzahl der Wettbewerber in Ballungszentren
37,0%
33,1%
32,2%
20,1%
11,4%
11,3%
10,6%
10,5%
2,5%
2,1%
6
9
13
18
3
6
14
7
2
3
* Stand 2. Quartal 2007, nur Basisprodukte Brief Kommunikation (Transaktionspost) ** Mit Zustellung in LR >= 1000 Sdg/Tag
Quelle: Eigene Darstellung auf der Basis Angaben DPAG im Interview
4.5.3 Wettbewerbsstrategien in Deutschland Nachdem in den zwei vorangegangenen Kapiteln die Markt- und Wettbewerbsstruktur des deutschen Briefmarktes untersucht wurden, werden in diesem Kapitel exemplarisch einige Wettbewerber und ihre Strategien dargestellt. Kapitel 4.5.3.1 liefert einen kurzen Überblick über die Unternehmen und ordnet sie den stilisierten Wettbewerbsstrategien aus Kapitel 4.4 zu. In den Unterkapiteln 4.5.3.2 bis 4.5.3.4 werden die Unternehmen anhand von Fallstudien vorgestellt.
496
Eine Studie zum Lohnniveau bei Briefdiensten ermittelt vergleichsweise niedrige Löhne in strukturschwachen Gebieten, vor allem in Ostdeutschland, vgl. Dieke, Zauner (2007), S. 22.
4 Netzzugang und Wettbewerb
224
4.5.3.1 Überblick Auf Grund der schrittweisen Öffnung des deutschen Briefmarktes sind bzw. waren die Markteintritts- und Wettbewerbsstrategien der neuen Anbieter stark durch die regulatorischen Rahmenbedingungen geprägt.497 Vor allem wegen des Höherwertigkeitskriteriums sind viele kleine und mittlere Unternehmen entstanden, deren geographische Abdeckung sich jeweils auf ein lokales Gebiet beschränkt. Inzwischen ist das Bestreben der Anbieter erkennbar, ihre Flächendeckung auszuweiten. Dazu werden unabhängige Ortspostvernetzer genutzt, Kooperationen mit anderen regionalen Anbietern geschlossen, der Teilleistungszugang der DPAG genutzt und größere Unternehmenseinheiten gebildet, die unter einem einheitlichen Markt bundesweit auftreten. Das Tätigkeitsfeld der Briefdienste verändert sich zudem nicht nur in räumlicher Hinsicht, sondern auch in Bezug auf Kunden. Zunehmend erweitern die Anbieter ihren Fokus, indem auch Kleinmengen (d. h. Briefe von Privatpersonen und Unternehmen mit niedrigem Aufkommen) befördert werden. Dazu werden Briefkästen aufgestellt und Geschäfte wie Lotto-Annahmestellen oder Sparkassen als Abgabestellen genutzt. Als Folge dieser Entwicklungen weichen die in der Praxis zu beobachtenden Strategien der Lizenznehmer von den stilisierten Wettbewerbertypen aus Kapitel 4.4 ab.498 Die Auswahl der Unternehmen zur Untersuchung der Wettbewerbsstrategien auf dem deutschen Briefmarkt in den folgenden Unterkapiteln orientiert sich daher vor allem daran, ob sie typisch für Deutschland sind und erfolgversprechend erscheinen. Die Zuordnung der Beispiel-Unternehmen zu den stilisierten Wettbewerbertypen ist in Abbildung 25 illustriert:
497 498
Vgl. zu diesem Zusammenhang ausführlich Oelmann ebda.. Dies kann nicht verwundern: Arbeiten zum strategischen Management kommen zu dem Ergebnis, dass es bei dynamischen Marktprozessen vorteilhaft seien kann, Geschäftsstrategien im Zeitablauf zu verändern, vgl. z. B. Gilbert, Strebel (1987); Müller-Stewens, Knoll (2005).
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
225
Abbildung 25: Zuordnung von Briefdienstleistern zu Wettbewerbertypen
Quelle: Eigene Darstellung
Als Ortspost wird das Unternehmen Post Modern aus Sachsen vorgestellt, dass schwerpunktmäßig in Dresden und Umgebung tätig ist. Xanto ist ein reiner Ortspostvernetzer, der sich auf die Abwicklung von Überlandtransporten spezialisiert hat. TNT Post ist mit drei Unternehmen am Markt tätig, von denen zwei einen flächendeckenden Service anstreben, aber unterschiedliche Kunden bedienen. PostCon ist der führende gewerbliche Konsolidierer in Deutschland. Die folgende Darstellung der Wettbewerbsstrategien der Anbieter basiert auf Interviews mit Mitarbeitern der Firmen, den Websites der Unternehmen, Marktstudien sowie Zeitungs- und Zeitschriftenartikeln.499
499
Auf einen gesonderten Quellennachweis wird im Folgenden der Übersichtlichkeit wegen verzichtet. Gesprächspartner waren: Nicole Göttlicher (TNT Post, Regioservice, PostCon), Christian Holland-Moritz (Xanto), Eik Waldmann (Post Modern Dresden/ Media Logistik). Die Interviews wurden zwischen Februar und April 2008 geführt. Bei den Marktstudien handelt es sich um Bundesnetzagentur (2007b); Input Consulting (2006). Die Artikel stammen aus der FactivaDatenbank von Dow Jones. Ausgewertet wurden Artikel aus dem Zeitraum 1.1.2006 bis 31.01.2008. Folgende Publikationen wurden berücksichtigt: Börsenzeitung, Financial Times Deutschland, Focus, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, Handelsblatt, Manager Magazin, Spiegel, Süddeutsche Zeitung, Welt, Wirtschaftswoche.
4 Netzzugang und Wettbewerb
226
4.5.3.2 Post Modern Dresden Post Modern Dresden ist der Briefdienst der Media Logistik GmbH. Diese gehört zum Dresdner Druck- und Verlagshaus, das die Sächsische Zeitung und Morgenpost Sachsen verlegt. Media Logistik ist sei 1999 als Ortspostanbieter im Großraum Dresden aktiv. Der Briefdienst firmiert seit 2006 unter dem Namen Post Modern Dresden und beschäftigt z. Zt. rund 600 Mitarbeiter. Post Modern Dresden stellt täglich etwa 150.000 Briefe (Individualpost) zu und hat damit einen lokalen Marktanteil von deutlich über 30%.500 Post Modern Dresden wendet sich an Behörden, Geschäfts- und Privatkunden, die vorwiegend Briefe innerhalb der Region verschicken. Bei Versendern mit einem Aufkommen von mehr als 20 Briefen werden die Briefe nach 17 Uhr kostenlos abgeholt und frankiert. Für Privatkunden und Versender mit niedrigeren Briefmengen hat Post Modern Dresden Briefkästen aufgestellt und kooperiert außerdem mit verschiedenen Geschäften (z. B. Lotto-Läden, Sparkassen), die die Sendungen annehmen. Die Versender müssen ihre Post mit Marken von Post Modern frankieren. Insgesamt gibt es mehr als 500 solcher Annahmestellen. Abholung und Annahmestellen sind beschränkt auf die Postleitzahlengebiete 01 und 02. Die Zustellung der Briefe erfolgt am Folgetag bis 12 Uhr. Post Modern kooperiert seit 2006 mit dem WVD Postservice, der seine Leistungen unter der Marke Post Modern Chemnitz anbietet. Gemeinsam decken die Unternehmen die Postleitzahlengebiete 01 (Dresden), 02 (Bautzen/Görlitz), 03 (Cottbus), 04 (Leipzig), 06 (Halle), 07 (Gera), 08 (Zwickau) und 09 (Chemnitz) ab. Das versorgte Gebiet umfasst damit knapp 3,5 Mio. Haushalte auf einer Fläche von rund 36.000 km2. Briefe für andere PLZ-Gebiete frankiert das Unternehmen mit Wertzeichen der DPAG und liefert sie ein wie ein normaler Endkunde. Dafür wird eine Bearbeitungsgebühr erhoben. Post Modern nutzt keinen Teilleistungszugang zum Netz der DPAG. Die dafür anfallenden Mengen sind zu gering, der Aufwand für die Sortierung zu hoch. Das Produktportfolio von Post Modern Dresden umfasst auch Zusatzleistungen wie Einschreiben oder die dokumentierte Übergabe an den Empfänger. Ein Standardbrief kostet bei Post Modern Dresden 0,46 Euro inkl. MWSt. Das sind rund 16 % weniger
500
Angaben im Interview; der Marktanteil bezieht sich auf das Geschäftspost-Aufkommen im Regierungsbezirk. Der Marktanteil bei Privatkunden liegt bei 5-7 Prozent.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
227
als bei der DPAG.501 Die Bezahlung erfolgt monatlich auf Rechnung – wenn die Kunden nicht Briefmarken benutzen. Post Modern befördert neben individuellen Briefsendungen auch inhaltsgleiche Werbepost, wenn das Aufkommen bei über 50 Sendungen liegt. Preise und Service werden individuell mit dem Kunden vereinbart. Dies gilt auch für computergenerierte Massensendungen, die im eigenen sog. Lettershop gedruckt, sortiert und kuvertiert werden.502 Post Modern stellt täglich über 50.000 Werbesendungen in Sachsen zu. Post Modern Dresden hat sich ursprünglich als Ortspost für Dresden positioniert. Durch die sukzessive Erweiterung des versorgten Gebietes und durch die Kooperation mit Post Modern Chemnitz ist das Unternehmen inzwischen eine Regiopost, die in ganz Sachsen tätig ist. Sie richtet sich an alle Versender, unabhängig von Aufkommen und Sendungsart. Durch den Betrieb eines Lettershops ist das Unternehmen nicht nur als regionale Massenpost tätig, sondern bietet auch Mehrwertleistungen wie die Sendungserstellung an. Post Modern Dresden lässt sich damit als vollwertiger Briefdienstleister für Sachsen charakterisieren. 4.5.3.3 Xanto Die Xanto GmbH & Co. KG wurde im Frühjahr 2006 von fünf Speditionsunternehmen gegründet.503 Im März 2007 startete der operative Betrieb. Xanto tritt als Dienstleister für Ortsposten auf: Durch den Anschluss der Ortsposten an das von Xanto betriebene sog „LetNet-System“ wird die geographische Reichweite der Ortsposten erhöht. Sie können dann auch Post für Regionen außerhalb ihres Zustellgebietes annehmen und befördern. Die Ortsposten behalten ihre Unabhängigkeit und vermarkten die Briefdienste unter ihrer Marke. Produktdefinition und Preisgestaltung obliegen ebenfalls den Ortsposten. Für den Vernetzer macht es keinen Unterschied, ob individuelle oder inhaltsgleiche Briefsendungen befördert werden, so dass der Gestaltungsspielraum der Ortsposten nicht beschränkt wird.
501 502
503
Für vorsteuerabzugsberechtigte Versender liegt der Preisvorteil bei 29 % Post Modern bietet auch Postdienste an, die nicht zum Briefmarkt gehören, wie Kurierdienste, Paketdienste, Hauspost-Bearbeitung und Poststellendienste. Unter den Gesellschaftern sind Mitbegründer des Deutschen Paket Dienstes (DPD; heute Dynamic Parcel Distribution) und von German Parcel (heute GLS).
4 Netzzugang und Wettbewerb
228
Xanto steuert die zentralen Betriebsabläufe und ist verantwortlich für das Qualitätsmanagement des Systems. Den Transport (Hauptlauf) zwischen den regionalen Anbietern übernimmt im Auftrag von Xanto die Nachtexpressspedition Night Star Express, die dafür auf die eigene Fahrzeugflotte und eigene Umschlagorte (Hubs) zurückgreift. Die Briefsortierung auf die unterschiedlichen Regionen erfolgt im Auftrag von Xanto durch den Konsolidierer freesort, der bundesweit 10 Sortierzentren unterhält. Die Laufzeit von mit Xanto beförderten Briefen liegt bei 1 bis 2 Tagen, abhängig von der Entfernung. Xanto macht keine Angaben zum derzeitigen Stand der Anzahl der angeschlossenen Ortsposten oder zu Sendungsmengen. Ziel ist es, das System auf 100 Partner zu erweitern und zu einem bundesweit flächendeckenden Netz auszubauen. Seit Frühjahr 2007 wickelt Xanto den bundesweiten Hauptlauf für die PIN Group ab. Xanto verbindet dabei die lokalen PIN-Standorte jeweils mit den regionalen Knotenpunkten und diese wiederum mit den zwei eigenen zentralen Umschlagplätzen in Würzburg und Hannover. Xanto übernimmt auch die Verkehre zwischen den Hubs. Das transportierte Sendungsvolumen lag vor der PIN-Insolvenz Ende 2007 bei rund 1 Mio. Sendungen pro Tag. Insolvente PIN-Firmen werden nicht mehr angefahren. Dadurch ist die Haushaltsabdeckung auf ca. 60% gefallen. Xanto verfolgt eine klare Vernetzerstrategie. Kompetenz und Mehrwert liegen in der Organisation und Abwicklung von überregionaler Sortierung und Hauptlauf, also einem parallelen Netz zu dem der DPAG.504 4.5.3.4 TNT Post Der niederländische Postkonzern TNT ist seit dem Jahr 2000 auf dem deutschen Briefmarkt aktiv. Erklärtes Ziel ist es, sich als Nummer 2 hinter der DPAG zu positionieren. Mittelfristig wird ein umsatzbezogener Marktanteil von 10 bis 15 % angestrebt. Gegenwärtig betreibt TNT drei unabhängige Gesellschaften:505
504
505
Mit Übernahme der PIN Mail GmbH (Düsseldorf) ist Xanto in die Akquisition und Betreuung von Großkunden eingestiegen. Mehrere hunderttausend Briefsendungen werden täglich von Düsseldorf aus in das Netz eingespeist, vornehmlich von Versendern aus der Telekommunikationsbranche. Durch die Hinzugewinnung neuer Zustellpartner liegt die Haushaltsabdeckung inzwischen wieder bei rund 80% (Stand September 2008). Das durch die PIN-Pleite verlorene Geschäft wurde zurückgewonnen, vgl. Xanto (2008). TNT Post betreibt zwei weitere Unternehmen, die jedoch nicht unter die Legaldefinition des Briefmarktes fallen: TNT Post Direktwerbung verteilt bundesweit unaddressierte Werbesendungen, Spring Global Mail befördert grenzüberschreitende Sendungsmengen. TNT veröffentlicht für
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
229
- TNT Post AG & Co. KG - TNT Post Regioservice GmbH - PostCon Deutschland GmbH Die TNT Post AG & Co. KG ist aus der im Jahr 2000 gegründeten EP Europost hervorgegangen. Es handelt sich um ein Gemeinschaftsunternehmen der niederländischen Post TNT mit dem Paketversender Hermes Logistik, einer Tochter des Otto-Konzerns. Die Gesellschaft hat sich spezialisiert auf Versender mit einem hohen Briefaufkommen, deren Sendungen bundesweit zugestellt werden. Die Mindesteinlieferungsmenge liegt bei 1.000 Sendungen je Abholung für individuelle Briefsendungen. Die Sendungen werden unsortiert beim Versender abgeholt. TNT Post ist außerdem auf industriell gefertigte Briefpost (z. B. Rechnungen) spezialisiert, die bereits vorsortiert ist. Die Mindesteinlieferungsmenge für Massensendungen liegt bei 25.000 Sendungen. Ferner werden auch inhaltsgleiche Werbesendungen und Kataloge ab 10.000 Stück abgeholt und befördert. Neben der Beförderungsleistung bietet TNT Post Versenden auch die Komplettübernahme von Erstellung und Produktion in Zusammenarbeit mit Lettershops an. Die Preiskalkulation erfolgt individuell, wobei der Preis der DPAG im Schnitt um ca. 20 % unterboten wird. Nach der Abholung sortiert TNT Post die Sendungen soweit notwendig in der Abgangsregion und transportiert sie anschließend in ein eigenes zentrales Sortierzentrum, in dem die Sendungen nach Zielregionen getrennt werden. Anschließend werden die Briefe in die Zielregionen transportiert. TNT Post deckt mehr als 90 % des Bundesgebiets ab. Die Zustellung erfolgt entweder durch eigene Zusteller oder durch Netzwerkpartner (derzeit ca. 120), die über ein Franchisesystem an das Unternehmen gebunden sind. Dadurch wird ein einheitlicher Auftritt am Markt (z. B. Dienstkleidung der Zusteller) sichergestellt und eine flächendeckende Qualitätskontrolle über alle Wertschöpfungsstufen hinweg ermöglicht. Die Zustellung erfolgt täglich außer samstags an einem mit dem Versender vereinbarten Termin (Terminzustellung (E+T)), nicht jedoch am Tag nach der Einlieferung (A-Post (E+1)). Insgesamt liefern ca. 30.000 Zusteller
die einzelnen Gesellschaften keine Umsatz- und Gewinnzahlen. Im Jahr 2007 wurden im Deutschlandgeschäft nach Auskunft der niederländischen Muttergesellschaft 233 Mio. Euro umgesetzt und ein operativer Verlust i. H. v. 31 Mio. Euro erwirtschaftet. Ingesamt arbeiteten 14.000 Personen für die deutsche TNT Gruppe (festangestellt, ohne Mitarbeiter bei Franchise-Nehmern).
230
4 Netzzugang und Wettbewerb
Sendungen für TNT Post aus. Sendungen für nicht versorgte Gebiete werden nach der Trennung im zentralen Sortierzentrum an die DPAG übergeben. Zum Sendungsaufkommen macht TNT keine Angaben. Dass B-Post grundsätzlich in intramodaler Konkurrenz zum Angebot der DPAG steht, ergibt sich aus der Abwanderung großer Versender zu den Lizenznehmern: So haben etwa Mobilfunkunternehmen wie Eplus, Vodafone und debitel ihren Rechnungsversand ganz oder teilweise auf TNT Post umgestellt, deren Laufzeit bei überregionalen Sendungen unter der der DPAG liegt, dafür jedoch garantiert wird. Der TNT Post Regioservice wurde 2003 gegründet und hat sich auf die Zustellung regionaler Sendungen spezialisiert. Er wendet sich an kleine und mittelständische Unternehmen und Behörden mit einem Aufkommen von mehr als 50 Stück am Tag. Die Sendungen werden beim Kunden abgeholt, sortiert und am Tag nach der Einlieferung zugestellt. Die Netto-Preise liegen im Schnitt ca. 20 % unter denen der DPAG. Das Unternehmen bietet seine Dienste vornehmlich in Ballungszentren an, derzeit in Hamburg, Frankfurt/Main, Stuttgart und in großen Teilen Nordrhein-Westfalens (u. a. Köln, Düsseldorf, Wuppertal). Insgesamt beträgt die Netzabdeckung des Regioservices gut 30 % des Bundesgebietes. Sendungen, die nicht in der Zielregion verbleiben, befördert TNT Post Regioservice – abhängig von den Wünschen der Versender – entweder mit dem Netzwerk von TNT Post oder übergibt sie an den Konsolidierer PostCon. Für solche Sendungen gilt das Laufzeitziel von E+1 jedoch nicht. Insgesamt liegt das Sendungsaufkommen bei rund 400.00 Briefen pro Tag. PostCon gehört seit 2006 zu TNT. Das Unternehmen ist seit 2003 als Konsolidierer auf dem deutschen Markt tätig.506 PostCon wendet sich an Versender mit einem Aufkommen von mehr als 300 Briefen pro Tag. Die Transaktionspost wird bei den Kunden abgeholt, in eigenen Sortierzentren maschinell auf Leitregionen vorsortiert, frankiert und schließlich in ein BZ der DPAG eingeliefert, von dem aus die Sendungen durch die DPAG weiterbefördert und zugestellt werden.507 PostCon ist bundesweit an 13 Standorten präsent: Berlin, Hamburg, Bremen, Hannover, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Frankfurt, Karlsruhe, Nürnberg, München, Stuttgart und Ludwigshafen. Es wird
506
507
Bis 2005, als die DPAG durch die Entscheidung des Bundeskartellamts gezwungen wurde, auch Wettbewerbern einen Zugang zu ihrem Netz zu gewähren, war PostCon als eingetragene Genossenschaft tätig; dadurch galt sie nicht als gewerbsmäßig und die Regelungen des PostG fanden keine Anwendung. Eine Einlieferung in das TNT-Netz findet nicht statt.
4.5 Analyse der Markt- und Wettbewerbsentwicklung in Deutschland
231
jeweils ein Einzugsgebiet von ca. 100 Kilometern um die Niederlassung abgedeckt. Damit bedient PostCon rund 1.600 mittlere und große Unternehmen, darunter die Hälfte der DAX-30-Unternehmen und Firmen wie Tchibo, die Landesbank BadenWürttemberg und Henkel. Durch die Bündelung („Konsolidierung“) und Vorsortierung ist PostCon in der Lage, die jeweils höchste Stufe der mengenabhängigen Teilleistungsrabatte der DPAG in Anspruch zu nehmen. Die DPAG gewährt ab Einlieferungsmengen von mindestens 25.000 Sendungen pro Einlieferung einen Preisnachlass in Höhe von 18 % auf das volle Porto. PostCon schüttet davon bis zu 5 % an seine Kunden aus. Bei 5 % Rabattausschüttung durch PostCon lohnt sich das Angebot für alle Versender mit einem Sendungsvolumen bis zu 15.000 Briefen.508 Mit mehr als 2 Mio. konsolidierten Sendungen pro Tag ist PostCon die Nummer 1 unter den gewerblichen Konsolidierern. Der Marktanteil liegt bei über 50 %. Die niederländische TNT hat ihr Deutschland-Engagement sukzessive erweitert. Mit den verschiedenen Gesellschaften werden inzwischen wesentliche Teile des Briefmarktes abgedeckt. Auch das Zustellnetz wurde kontinuierlich vergrößert. Durch Beteiligungen und Kooperationen erreicht TNT heute mehr als 90 % der deutschen Haushalte. Das Franchisesystem sichert dabei einen bundesweit einheitlichen Marktauftritt und ermöglicht eine zentrale Qualitätskontrolle. Die einzelnen Gesellschaften von TNT sind zwar rechtlich und organisatorisch voneinander getrennt, arbeiten jedoch operativ eng zusammen: TNT Post AG und Regioservice kooperieren eng im Bereich der Zustellung. Regionale Zustellunternehmen des Regioservice werden von der AG genutzt, umgekehrt speist der Regioservice bundesweite Sendungen in das Netzwerk der TNT Post und seiner Kooperationspartner ein. Beide Gesellschaften firmieren am Markt inzwischen einheitlich als TNT Post.509 PostCon liefert seine Mengen zwar bislang ausschließlich an die DPAG, vermarktet aber aktiv die Dienste der TNT-Post-Schwestern (Cross-selling). Insgesamt ist damit ein Verschmelzen der stili-
508
509
Vgl. zur Rabattgestaltung Abbildung 11. Ab 15.000 Briefen gewährt die DPAG ihren Kunden einen Rabatt in Höhe von 10 %. Angesichts der Differenz von 5 Prozentpunkten gegenüber der maximalen Rabattausschüttung durch PostCon lohnt sich ab dieser Sendungsmenge auch die Vorsortierung und Einlieferung in Eigenregie. Eine Fusion der beiden Gesellschaften scheiterte bislang an den unterschiedlichen Eigentumsverhältnissen: Während die Regiopost zu 100 % im Besitz der niederländischen TNT ist, gehört die AG zu 29 % zu Hermes Logistik. Bei einer Fusion müsste Hermes, um den Anteil an der neuen Gesellschaft konstant zu halten, neue Anteile erwerben.
232
4 Netzzugang und Wettbewerb
sierten Wettbewerbsstrategien zu beobachten: Elemente von Ortspost, Ortspostvernetzer, Massenpost und Konsolidierer sind in der TNT-Gruppe vertreten. Das DPAGNetz wird nur bei der Übergabe von Sendungen an PostCon als Konsolidierer genutzt. TNT hat bis Ende 2007 eine aggressive Wachstumsstrategie verfolgt und durch die Übernahme von bzw. Beteiligung an Ortsposten die Netzabdeckung erhöht. Als Reaktion auf den Mindestlohn hat das Unternehmen die Expansion zum Jahreswechsel gestoppt. Ursprünglich war für das Jahr 2008 ein Angebot für kleine Unternehmen und private Versender geplant, die bislang nicht von TNT angesprochen werden. Dazu sollten die rund 13.500 Hermes Paketannahmestellen auch zur Annahme von Briefen genutzt werden. Dadurch hätte TNT mit einem Schlag über ein mit der DPAG vergleichbares Netz an Annahmestellen verfügt.510 Für den Fall, dass der gerichtliche Stopp des Mindestlohns auch in höheren Instanzen Bestand haben sollte, hat Hermes eine Wiederaufnahme des Projekts in Aussicht gestellt. Bei TNT gibt man bis zu einer letztinstanzlichen Entscheidung keine Auskunft zur weiteren Strategie. 4.6 Exkurs: Netzzugang aus der Sicht des Incumbents Die bisherigen Ausführungen haben auf die Rolle und Bedeutung von Netzzugang aus der Sicht von Marktneulingen fokussiert. In diesem Exkurs soll der Netzzugang kurz aus der Sicht des Netzbesitzers untersucht werden. Vor der vollständigen Marktöffnung hat die DPAG die Verpflichtung zur Gewährung von Netzzugang für Wettbewerber strikt abgelehnt und gegen die entsprechende Verfügung des Bundeskartellamts Beschwerde beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingelegt. Solange die Wettbewerber nicht in der Lage sind flächendeckend Briefdienste anzubieten, ist die Verweigerung von Netzzugang eine rationale Strategie: Durch Netzzugang können konkurrierende Anbieter auch ohne eigenes Netzwerk flächendeckend Briefdienste anbieten und damit ihre Attraktivität für Versender erheblich steigern. Selbst wenn die Netzzugangsentgelte so gestaltet werden, dass sie genau die wegfallenden Kosten für die durch die Zugangsnutzer erbrachten Vorleistungen sowie regionale Kostenunterschiede in der Zustellung reflektieren – und damit vom Netzzugang keine Auswirkungen auf das Ergebnis des Netzbetreibers ausgehen511 – können die 510 511
Bezogen auf die Filialen der DPAG, ohne Berücksichtigung von Briefkästen. Vgl. dazu die Kap. 5.3.2 und 5.5.2.
4.6 Exkurs: Netzzugang aus der Sicht des Incumbents
233
Wettbewerber ihre Kundenbasis ausweiten. Dadurch verbessert sich die Ausgangsposition der Wettbewerber in einem liberalisierten Marktumfeld. Ist die Verweigerung von Netzzugang auch nach der vollständigen Marktöffnung rational? Strebt das etablierte Unternehmen nach der Liberalisierung eine Verweigerung von Netzzugang für Wettbewerber oder eine möglichst unattraktive Gestaltung der Zugangskonditionen an? Die Analyse von Struktur und regulatorischen Rahmenbedingungen in Kapitel 4.3.1 hat gezeigt, dass die Voraussetzungen für die Entwicklung von aktivem Wettbewerb günstig sind. Die bislang zu beobachtende Markt- und Wettbewerbsentwicklung bestätigt diese Einschätzung. In den meisten Fällen greifen die Wettbewerber auf eigene Beförderungssysteme zurück, die vor der Marktöffnung sukzessive aufgebaut wurden. Kooperationen von Ortsposten und Vernetzern sowie die Integration regionaler Anbieter in größere Unternehmen haben dazu geführt, dass inzwischen flächendeckend Briefdienste in Konkurrenz zur DPAG angeboten werden.512 In dieser Situation erscheint es bei unelastischer Nachfrage für das etablierte Unternehmen nicht länger rational, einen Netzzugang zu verweigern – schließlich können die Konkurrenten das Beförderungssystem des Incumbents durch den Aufbau und die Nutzung eigener Netzwerke umgehen. Gewinnen die Konkurrenten des etablierten Unternehmens sukzessive Versender, steigt das zu befördernde Sendungsvolumen. Dies führt durch die Realisierung von Größenvorteilen zu sinkenden Durchschnittskosten. Beim Incumbent hingegen steigen die Durchschnittskosten, weil sich die Menge der zu befördernden Briefe in seinem System verringert. Dies verschlechtert seine Wettbewerbsposition im Vergleich zu den Konkurrenten. Wegen dieses Zusammenhangs ist ein rational agierende Incumbent daran interessiert, möglichst viele Briefe im eigenen System zu halten, um das durch Fixkosten geprägte Zustellnetz auszulasten.513 Ein
512
513
Allerdings gibt es für Versender von Einzelsendungen bzw. einem Aufkommen von unter 20 bis 50 Briefen/Tag nicht überall bundesweit flächendeckende Konkurrenzangebote. Ortsposten sind nahezu flächendeckend präsent. Ein Universaldienstleister wie die DPAG, deren Netzwerk auf die flächendeckende und schnelle Beförderung hoher Sendungsvolumina ausgelegt ist, lässt sich nur eingeschränkt und mit großen zeitlichen Verzögerungen an sinkende Mengen anpassen. Schwarz (2004) hat die Veränderung der operativen Ergebnismarge bei sinkenden Sendungsmengen für einige europäischer Postgesellschaften modelliert. Auf der Basis von Daten aus dem Jahr 2001 kommt er zu dem Ergebnis, dass die Marge je nach Berechnungsmethode bei einem Mengenrückgang von 5 % um 12 bis 14 %, bei
234
4 Netzzugang und Wettbewerb
freiwillig gewährter, kostenorientierter Netzzugang dient diesem Ziel. Entsprechend beurteilen CREW et al. (2004) die Anreize einer Postgesellschaft, den Netzzugang zu verweigern oder bei der Konditionengestaltung zu diskriminieren, als unwahrscheinlich: „[S] sabotage is unlikely to be a major issue in postal service because of the nonessential nature of the facilities“. BOURREAU et al. (2006) zeigen in einem mehrperiodigen Spiel für den Ortsnetzbereich im Telefonmarkt, dass die Anreize eines Netzeigentümers, freiwillig Zugang zur Netzinfrastruktur zu gewähren, kontinuierlich steigen, wenn die Infrastruktur keinen Bottleneckcharakter aufweist.514 Erfahrungen auf ausländischen Briefmärkten bestätigen das modelltheoretisch abgeleitete Ergebnis: In Frankreich gewährt die nationale Postgesellschaft seit 1969 freiwillig einen Zugang zu ihrem Netz. Ursprünglich initiiert, um angesichts niedriger Sortierkapazitäten und -produktivitäten steigende Mengen von Direktwerbung befördern zu können, hat sich die Arbeitsteilung inzwischen fest etabliert und wurde auf weitere Produkte wie individuelle Briefsendungen ausgedehnt. Aussagen von Verantwortlichen legen nahe, dass La Poste gerade im Zusammenhang mit der bevorstehenden Liberalisierung des Marktes (nach EU-Zeitplan in 2011) das Zugangssystem ausbauen wird.515 In Großbritannien hat sich trotz der Öffnung des Briefmarktes zum Jahr 2006 kein nennenswerter Netzwettbewerb entwickelt. Nahezu alle Konkurrenten von Royal Mail nutzen den 2004 eröffneten Zugang zum Netz des Incumbents, was Marktbeobachter auf die für Wettbewerber günstigen Zugangskonditionen zurückführen. Die Zugangsbedingungen sind das Ergebnis von Verhandlungen.516
514
515 516
einem Mengenrückgang um 10 % um 23 bis 28 % und bei einem Mengenrückgang von 20 % um 48 bis 53 % zurückgeht. Vgl. Schwarz (2004), S. 131 ff. Konzeptionell zum Zusammenhang von Sendungsmengenverlusten und Stückkostenentwicklung vgl. Cohen et al. (2004c). Gautier (2006) hat darauf aufbauend für den Briefmarkt Konstellationen modelliert, in denen der Netzeigentümer die Netzzugangskonditionen freiwillig so vorteilhaft wählt, dass das Ausmaß des Zugangs sogar das wohlfahrtsoptimale Niveau übersteigt. Allerdings basieren die Ergebnisse auf der Annahme, dass Marktneulinge keine Skaleneffekte in der Zustellung verzeichnen. Das ist unzutreffend. Vgl. PricewaterhouseCoopers (2006a), S. 140 ff.; Ambrosini, Klargaard (2006b). Vgl. Postcomm (2008b); zu Verhandlungen und Konditionen vgl. PricewaterhouseCoopers (2006a), S. 145.
4.7 Fazit: Beurteilung der Wettbewerbsentwicklung
235
4.7 Fazit: Beurteilung der Wettbewerbsentwicklung Auf dem deutschen Briefmarkt war bereits vor der vollständigen Marktöffnung 2008 eine dynamische Wettbewerbsentwicklung zu verzeichnen: Eine große Anzahl von Unternehmen ist in den Markt eingetreten. In nahezu allen Teilen der Bundesrepublik werden Briefdienste in Konkurrenz zur DPAG angeboten. Die rasch wachsenden Marktanteile der Marktneulinge belegen, dass die Versender in zunehmendem Maße die alternativen Angebote wahr- und annehmen. Inzwischen sind flächendeckend Strukturen für einen Infrastrukturwettbewerb mit dem etablierten Unternehmen entstanden; der weit überwiegende Teil der Wettbewerber hat in den Aufbau eigener Briefbeförderungssysteme investiert. Es existieren deutschlandweit lokale und regionale Zustellnetze, die es den Anbietern im Rahmen von Kooperationen ermöglichen, auch ohne Nutzung des Netzes der DPAG Briefe zu nahezu jedem Empfänger in der Bundesrepublik zu befördern. Welche Rolle spielt der Netzzugang für die Entwicklung von aktivem Wettbewerb auf dem deutschen Briefmarkt? Nach den vorliegenden Daten ist der Einfluss des verpflichtenden Netzzugangs für die Entwicklung von aktivem Wettbewerb gering: Konsolidierte Sendungsmengen und ausgeschüttete Rabatte sind vergleichsweise niedrig. Von den Wettbewerbern, die über ein Netzwerk verfügen oder im Infrastrukturbereich mit anderen Anbietern kooperieren, wird der Netzzugang kaum genutzt. Damit bestätigt sich das in Kapitel 3 theoretisch abgeleitete Ergebnis: Das Zustellnetz der DPAG stellt keine monopolistische Bottleneck-Einrichtung dar. Der Aufbau eines Netzes ist offensichtlich nicht unmöglich, d. h. nicht mit prohibitiv hohen Kosten verbunden (Voraussetzung 1). Ferner existieren zum gegenwärtigen Zeitpunkt aktive Substitute, um das Netz der DPAG zu umgehen (Voraussetzung 2). Einer ökonomischen Prüfung hält die Netzzugangsverpflichtung in Deutschland also weder theoretisch noch empirisch stand. Auch eine wettbewerbsrechtliche Prüfung auf der Basis des Konzepts der wesentlichen Einrichtung („Essential Facilities“) würde zu einer Verneinung des Anspruchs auf Netzzugang führen, weil es möglich ist, das Netz des etablierten Unternehmens zu umgehen. Wie sich der Wettbewerb auf dem Briefmarkt in Zukunft entwickeln wird, ist schwierig zu prognostizieren: Während die strukturellen Voraussetzungen in Deutschland Markteintritte befördern und prinzipiell eine Intensivierung des Wettbewerbs durch die
236
4 Netzzugang und Wettbewerb
Marktöffnung vermuten lassen, erschweren die regulatorischen Rahmenbedingungen die Chancen von Marktneulingen. Die Umsatzsteuerbefreiung verschafft der DPAG einen Preisabschlag von 19 % bei umsatzsteuerpflichtigen Versendern. Sie widerspricht dem Prinzip eines „level playing fields“. Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns für Briefzusteller mag zwar diesem Ziel dienen, unterbindet jedoch eine marktkonforme Lohnfindung auf dem Briefmarkt. Sie ist daher ordnungspolitisch abzulehnen und zementiert das noch aus Monopolzeiten stammende hohe Lohnniveau mit entsprechend negativen Verteilungswirkungen zu Ungunsten von Versendern.517 Die Analyse in Kapitel 3 hat zwar gezeigt, dass Marktneulinge auch nach Einführung des Mindestlohnes über Faktorkostenvorteile gegenüber der DPAG verfügen und dadurch Größennachteile in Teilen ausgleichen bzw. reduzieren können. Gleichwohl werden die Marktchancen durch den Mindestlohn reduziert. Dass TNT Post seine Pläne für eine bundesweite Präsenz für alle Kundengruppen inklusive privaten Versenden vorerst gestoppt hat, ist eine Reaktion auf den Mindestlohn. Die Erstellung von Briefdiensten basiert auf einem Dienstleistungsnetz – stärker als in leitungsgebundenen Netzindustrien sind im Briefsektor Diensteeigenschaften und Netzkonfiguration voneinander abhängig. Angesichts der Größenvorteile in der Zustellung und des Differenzierungspotenzials auf der Diensteebene ist das neoklassische Leitbild vollständiger Konkurrenz mit einer atomistischen Marktstruktur (viele Marktteilnehmer, geringe Marktanteile) nicht zur Beurteilung des Wettbewerbs geeignet. Vielmehr ist der Wettbewerb durch Parameter wie Produktdifferenzierung gekennzeichnet. Wegen der grundsätzlichen Bestreitbarkeit des Marktes stellen Konzentrationsmaße keinen geeigneten Indikator zur Messung von Wettbewerbsintensität dar. Als Beleg mag das Beispiel Werbepost gelten: In diesem Bereich ist die Wettbewerbsintensität gemessen in Marktanteilen der Wettbewerber geringer als bei den individuellen Briefsendungen. Andererseits ist das Preisniveau erheblich niedriger – potenzielle Konkurrenz scheint das etablierte Unternehmen davon abzuhalten, die Preise zu erhöhen. Marktmacht wird zumindest im Bereich Werbepost anscheinend wirkungsvoll diszipliniert.
517
Vgl. für eine ökonomische Bewertung des Mindestlohns Monopolkommission (2007), S. 22 ff. Die Einführung von Wettbewerb in ehemals regulierten Sektoren dient der Steigerung von Effizienz. Eine Anpassung der Vergütung an ein marktliches Niveau entspricht diesem Ziel. Zu Effizienzgewinnen durch Marktöffnung in Netzindustrien vgl. Panzar (1991).
5 Netzzugang und Effizienz 5.1 Einleitung, Zielsetzung und Aufbau des Kapitels Mit der Netzzugangsverpflichtung wird das Ziel verfolgt, eine effiziente Form der Arbeitsteilung zwischen Kunden, Teilleistern, Konsolidierern und der etablierten Postgesellschaft sicherzustellen. In Deutschland hat der Gesetzgeber die Verpflichtung zum Angebot von Teilleistungen, also zum Netzzugang, vorrangig damit begründet, dass auf diesem Weg den Kunden die Möglichkeit gegeben werde, Teile der Beförderungskette in Eigenleistung auszuführen, wenn sie die (Vor-)Leistungen selbst kostengünstiger erbringen können.518 Damit soll sichergestellt werden, dass Versender ihren möglichen Kostenvorteil nutzen können und nicht in jedem Fall vom Netzbetreiber die integrierte Gesamtleistung abnehmen müssen. Volkswirtschaftlich betrachtet kann die Entbündelung der End-zu-End-Dienstleistung – eine anreizkompatible Preissetzung vorausgesetzt – zu einer Erhöhung der sektoralen Produktionseffizienz führen. Notwendig ist dazu eine separate Bepreisung der einzelnen Wertschöpfungsstufen unter Berücksichtigung der jeweils beim Netzbetreiber anfallenden Kosten (sog. Wegfallkostenansatz). Dieses Paradigma wird durch neue Erkenntnisse über die Ökonomie von Netzwerken in Frage gestellt: Zwischen den verschiedenen Komponenten eines Netzwerks bestehen Interdependenzen. Bei der separaten Betrachtung einzelner Wertschöpfungsstufen werden die Auswirkungen von Netzzugang auf andere Wertschöpfungsstufen vernachlässigt. Auswirkungen auf die Netzwerkeffizienz, d. h. die Effizienz des bestehenden Netzwerks insgesamt, sind jedoch ein wichtiger Aspekt bei der Beurteilung der Effizienzwirkung von Netzzugang (vgl. SPULBER et al. (2005b)). In diesem Kapitel sollen daher die Auswirkungen von Netzzugang auf die Netzwerkeffizienz eines Briefnetzes untersucht und Implikationen für die Regulierung von Netzzugang abgeleitet werden. Dies geschieht deskriptiv und anhand eines Netzwerkmodells, mit dessen Hilfe verschiedene Szenarien simuliert werden. Zunächst werden die verschiedenen Effizienzbegriffe voneinander abgegrenzt (Kapitel 5.2). Anschließend wird das vorherrschende Paradigma zum Zusammenhang zwischen Produktionseffizienz und Netzzugang erläutert (Kapitel 5.3). Auf dieser Basis sollen
518
Zur Intention des Gesetzgebers vgl. Kapitel 3.3.2.1 und Kapitel 4.2.2.3.
238
5 Netzzugang und Effizienz
dann die Auswirkungen von Netzzugang auf die Netzwerkeffizienz untersucht werden (Kapitel 5.4). In Kapitel 5.5 wird der Zusammenhang zwischen Netzwerkeffizienz und sektoraler Produktionseffizienz hergestellt und Implikationen für Netzzugangsregulierung abgeleitet. 5.2 Begriffsbestimmung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands Effizienz ist ein zentraler ökonomischer Maßstab, der auch zur Beurteilung von Regulierungseingriffen angewendet wird. Im Sinne der Wohlfahrtsökonomie lässt sich Effizienz als die Vermeidung von Wohlfahrtsverlusten definieren.519 Die Betrachtung von Effizienzwirkungen kann sich auf den Status quo beziehen oder über den Zeitablauf erstrecken. Man unterscheidet zwischen statischer und dynamischer Effizienz. In der wirtschaftswissenschaftlichen Literatur existieren zwei Konzepte zur statischen Effizienz520: - Allokationseffizienz ist erreicht, wenn in einer Volkswirtschaft Angebot und Nachfrage nach Gütern und Diensten bei gegebenen Kostenfunktionen und Präferenzen der Nachfrager durch optimale Preise ins Gleichgewicht gebracht werden. Wettbewerb stellt einen Koordinationsmechanismus dar, durch den Märkte wohlfahrtsoptimale Ergebnisse erzielen.521 - Produktionseffizienz oder X-Effizienz (auch: technische Effizienz, Kosteneffizienz, interne Effizienz) ist erreicht, wenn in einem einzelnen Unternehmen die Produktion eines Gutes kostenminimal erfolgt. Der Wettbewerb erzeugt hier Druck auf mikroökonomischer Ebene.522 Sektorale Produktionseffizienz beschreibt entsprechend die kostenminimale Produktion eines Outputs durch mehrere Anbieter, d. h., die aggregierte Kostenfunktion ist kostenminimal. Netzwerkeffizienz bezeichnet die Produktionseffizienz von Netzwerken, bedeutet also, dass die Leistungserstellung in einem Netzwerk kostenminimal erfolgt. Dynamische Effizienz umfasst die schnellstmögliche und fortlaufende Anpassung von Preisen, Mengen und Qualitäten an sich verändernde Kosten- und Nachfragebedin519 520 521 522
In Anlehnung an Brunekreeft (2003), S. 70. Er setzt Ineffizienzen mit Wohlfahrtsverlusten gleich. Vgl. Böge (2005), S. 132. Vgl. Kruse (1989), S. 10. X-Ineffizienzen sind in stärkerem Maße als allokative Ineffizienzen der Treiber zur Abschaffung von Monopolen. Vgl. Leibenstein (1966), der den Begriff „X-Effizienz“ geprägt hat.
5.2 Begriffsbestimmung und Eingrenzung des Untersuchungsgegenstands
239
gungen im Zeitablauf, in makroökonomischer Betrachtung also die Entstehung von Wachstum durch technischen Fortschritt.523 Dynamische Effizienz besitzt zwei Aspekte: - Prozessinnovationen beschreiben die Entwicklung effizienterer bzw. kostensenkender Produktionsmöglichkeiten. - Produktinnovationen beschreiben die Entwicklung neuer, präferenzadäquater Produkte. Zwischen statischer und dynamischer Effizienz besteht ein Spannungsverhältnis. Dynamische Effizienz besitzt aus volkswirtschaftlicher Perspektive eine besonders hohe Bedeutung, weil nur durch sie ein dauerhafter Zuwachs an Wohlstand zu erzielen ist. Diesen Aspekt hat insbesondere SCHUMPETER (1942) hervorgehoben: „A system […] that at every given point of time fully utilizes its possibilities to the best advantage may yet in the long run be inferior to a system that does so at no point of time, because the latter’s failure to do so may be a condition for the level and speed of long-run performance”.524 Kapitel 5 behandelt den Zusammenhang zwischen Netzzugang und Effizienz. Vor der vollständigen Öffnung des Briefmarktes hätte sich in diesem Kontext vor allem die Frage gestellt, wie ein wohlfahrtsoptimales Liberalisierungsregime auszusehen hat: Sollen alle Wertschöpfungsstufen für den Wettbewerb geöffnet werden (vertikale Liberalisierung) oder ist es volkswirtschaftlich vorteilhafter, nur die der Zustellung vorgelagerten Wertschöpfungsstufen für Wettbewerb zu öffnen, wie dies in den USA der Fall ist (horizontale Liberalisierung)? Im Kern geht es um die Frage, welche Form von Wettbewerb (mit dem Netz versus auf dem Netz) in statischer und dynamischer Hinsicht effizienter ist.525 Diese Grundsatzfrage stellt sich allerdings für Deutschland nicht mehr: Mit der vollständigen Marktöffnung, die Wettbewerb auf allen Wertschöpfungsstufen zulässt,
523 524 525
Vgl. Kruse (1989), S. 10. Schumpeter (1942), S. 83. Hervorhebungen im Original. Die Frage wird seit Jahren diskutiert. Wesentlich Beiträge stammen von Crew, Kleindorfer (1998); Crew, Kleindorfer (2002a); Panzar (2002); Cohen et al. (2004a); D'Alcantara, Amerlynck (2004); Hill et al. (2005); Dietl et al. (2005); Crew, Kleindorfer (2005); Crew, Kleindorfer (2006b); Pearsall, Trozzo (2008).
5 Netzzugang und Effizienz
240
wurde die Entscheidung für ein vertikales Liberalisierungsregime getroffen. Ausgehend von der existierenden Netzzugangspflicht stellt sich die Frage, welche Auswirkungen vom Netzzugang auf das bestehende Netzwerk ausgehen.526 Der Fokus von Kapitel 5 liegt daher auf der Untersuchung von Netzwerkeffizienz. Sie ist im Briefnetz ein wichtiger Bestandteil der Produktionseffizienz. Die Frage lautet, ob und ggf. wie die Netzwerkeffizienz durch Netzzugang verändert wird. Die Analyse von Auswirkungen auf die Effizienz von Netzwerken ist neu und wurde für den Briefmarkt bislang nicht beantwortet. 5.3 Netzzugang und Produktionseffizienz Das erste Unterkapitel beschreibt das Prinzip der effizienten Arbeitsteilung bei der Produktion von Briefen. Anschließend wird die Preissetzung mittels des Wegfallkostenansatzes erklärt, da nach herkömmlichem Verständnis mit diesem Preisregime Produktionseffizienz erzielt wird. 5.3.1 Effiziente Arbeitsteilung im Briefmarkt Ein adäquat installierter Netzzugang soll die Effizienz des Briefmarktes erhöhen. Dies bezieht sich in erster Linie auf die sektorale Produktionseffizienz. Bei elastischer Nachfrage ist zudem eine Erhöhung der allokativen Effizienz zu erwarten.527 Das Ausmaß der Arbeitsteilung zwischen vertikal integriertem Netzbetreiber – also in Deutschland der DPAG – und Teilleistern bzw. Konsolidierern ist volkswirtschaftlich effizient, wenn die Netzzugangsnutzer alle Tätigkeiten übernehmen, die sie kostengünstiger als der Netzbetreiber erstellen können.528 In diesem Fall steigt durch Netzzu-
526
527
528
Angesichts der Liberalisierung fragt sich, ob Netzzugangsregulierung überhaupt gerechtfertigt ist. Diese Frage wurde in Kapitel 3 theoretisch und in Kapitel 4 empirisch untersucht und verneint. In diesem Kapitel wird die Veränderung der sektoralen Effizienz ausschließlich in Bezug auf die vom Netzzugang betroffenen Upstream-Wertschöpfungsstufen hin untersucht. Von Netzzugang gehen keine direkten Effekte auf den Downstream-Bereich (Zustellung) aus. Auf kompetitiven Märkten mit freiem Marktzutritt ist der Grad der Arbeitsteilung und die Spezialisierung innerhalb der Wertschöpfungskette das Ergebnis von Make-or-Buy-Entscheidungen der Wirtschaftssubjekte, vgl. grundlegend Coase (1937); Williamson (1989); Grossman, Hart (1986); Hart, Moore (1990). Wenn integrierte und nicht-integrierte Unternehmen im Wettbewerb gegeneinander bestehen müssen, setzt sich das überlegende institutionelle Arrangement durch, vgl. Joskow (2002).
5.3 Netzzugang und Produktionseffizienz
241
gang die sektorale Produktionseffizienz, weil die durchschnittlichen Kosten für die Leistungserstellung sinken.529 Das Prinzip der effizienten Arbeitsteilung ist in Abbildung 26 am Beispiel der Abgangssortierung dargestellt. Der in Deutschland am meisten genutzte Netzzugangspunkt ist das BZA: Konsolidierer und Teilleister liefern die Briefe auf Leitregionen vorsortiert in ein Abgangszentrum (BZA) ein, von wo die DPAG dann den Transport, die Feinsortierung und die Zustellung übernimmt.530 Abbildung 26: Effiziente Arbeitsteilung im Rahmen von Netzzugang G
Kosten, Rabatt
S
GKE
I: Konstante Skalenerträge E: Steigende Skalenerträge
E
D
F
S
GKI
C
Menge 0
A
B
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an PIEPER et al. (1996)
Die Kurve DEF beschreibt die Grenzkosten GK für die Sortierung S von Briefen, die dem etablierten Unternehmen I entstehen (GK IS ) . In Übereinstimmung mit den empirischen Befunden aus Kapitel 3 werden konstante Grenzkosten für die Sortierung angenommen. Die Grenzkosten, die Teilleistern und Konsolidierern (E) entstehen, wenn sie die Abgangssortierung übernehmen, sind durch die Kurve CEG repräsentiert (GK ES ) . Es handelt sich um die aggregierte Grenzkostenkurve verschiedener Unter-
nehmen bzw. Versender. Es wird angenommen, dass die aggregierten Grenzkosten
529
530
Bei konstanter Nachfrage sinken auch die absoluten Kosten. Vgl. zum Folgenden Panzar (1993); Pieper, Stumpf (1996). Vgl. zu den Netzzugangsbedingungen in Deutschland Kap 3.3.2.3.
242
5 Netzzugang und Effizienz
von Teilleistern und Konsolidierern mit der Menge vorsortierter Briefe ansteigen. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen unterschiedliche Sortiertechniken einsetzen (z. B. maschinell vs. manuell) und dass der Aufwand für die Abgangssortierung bei großen Mengen kleiner ist als bei kleinen. Hinzu kommt die Möglichkeit für Versender computergenerierter Post, diese bereits vorsortiert ausdrucken zu lassen. Dies führt zu Kosteneinsparungen im Vergleich zur nachträglichen Sortierung. In der Abbildung wird das gesamte Briefaufkommen bzw. die Menge zu sortierender Sendungen durch die Strecke 0B auf der Abszisse dargestellt. Solange die Grenzkosten von Teilleistern und Konsolidierern unter denen des etablierten Unternehmens liegen, ist es effizient, den Grad der Arbeitsteilung zu erhöhen. Dies ist bis zur Menge 0A der Fall. Hier ist das effiziente Ausmaß an Arbeitsteilung erreicht: Die letzte zusätzliche Einheit Sortierung durch Teilleister bzw. Konsolidierer verursacht bei dieser Menge genau so viele zusätzliche Kosten, wie bei der Sortierung durch die etablierte Briefpost entstünden. In der Abbildung wird dies durch den Schnittpunkt E der beiden Grenzkostenkurven dargestellt. Im Beispiel würden Teilleister bzw. Konsolidierer die Menge 0A sortieren, der Incumbent die Menge AB. Der Zugewinn an Produktionseffizienz durch Arbeitsteilung entspricht der Fläche CDE. In diesem Umfang sinken die Kosten der Leistungserstellung. Das Beispiel lässt sich erweitern auf den Netzzugang als solchen: Alle Arbeitsschritte, die von Netzzugangsnutzern erbracht werden und beim Zugangsgewährenden wegfallen, müssen dann in die Analyse einbezogen werden. Man kann sich die in der Abbildung dargestellten Grenzkostenkurven ebenso gut als aggregierte Kostenkurven für alle vom Netzzugang betroffenen Upstream-Wertschöpfungsstufen (z. B. Einsammlung/Annahme, Vorsortieren, Transport zum BZ) vorstellen. 5.3.2 Bedeutung von Zugangspreisen für die Produktionseffizienz Die Nachfrage nach Netzzugang hängt wesentlich von seinem Preis ab. Damit sich das aus volkswirtschaftlicher Sicht effiziente Ausmaß an Arbeitsteilung bzw. an Nachfrage nach Netzzugang ergibt, muss vom Netzbetreiber folglich nicht nur ein Zugang gewährt werden, sondern er muss zu einem Preis angeboten werden, der seine Kostensituation reflektiert. Der Netzzugangspreis im Briefmarkt ist gestaltet als Rabatt auf den Preis für die End-zu-End-Dienstleistung (vgl. für Deutschland Kapitel 3.3.2.3). Die Rabatthöhe muss dabei die Höhe der Grenzkosten des Netzbetreibers annehmen. Das Prinzip lässt sich an Abbildung 26 verdeutlichen. Die Sortierung durch Teilleister und
5.3 Netzzugang und Produktionseffizienz
243
Konsolidierer ist so lange effizient, wie ihre Grenzkosten für die Leistungserstellung unter denen des Netzbetreibers liegen. Ein Rabatt in Höhe von 0C auf der Ordinate würde allerdings keine Sortierung durch andere Unternehmen induzieren, da er zu gering wäre. Ein Rabatt oberhalb von 0D wiederum würde dazu führen, dass auch Unternehmen Sendungen sortieren, deren Grenzkosten über denen des Incumbents liegen. Folglich muss sich die Festlegung des Rabatts an der Höhe der Grenzkosten orientieren, im Beispiel in Höhe von 0D. Das beschriebene Prinzip wird als Wegfallkostenansatz bezeichnet. Formal lassen sich die Zusammenhänge folgendermaßen darstellen:531 Es werden zwei Anbieter betrachtet (Incumbent I und Neuling/Entrant E), wobei I eine End-zu-End-Dienstleistung anbietet (E2E) und eine Teilleistung, die in diesem Beispiel nur die Zustellung (D) umfassen soll. Die End-zu-End-Dienstleistung besteht aus der Zustellung und den der Zustellung vorgelagerten Vorleistungen (U). Anbieter I bepreist die End-zu-EndDienstleistung (PE2E) entsprechend der Durchschnittskosten (DKE2E).532 E bietet ebenfalls einen Briefdienst an. Dieser umfasst allerdings nur die der Zustellung vorgelagerten Stufen. Für die Zustellung von Sendungen speist E die Sendungen in das Netz von I. Damit ist E auf der Vorleistungsebene ein Konkurrent von I, auf der Zustellebene dessen Kunde. Der Preis, den E an I für die Nutzung von D pro Einheit zahlen sollte (PD), muss sich entsprechend dem oben beschriebenen Prinzip an den Kosten für die End-zu-End-Dienstleistung abzüglich der bei I wegfallenden Kosten orientieren. Bei I fallen Kosten weg, weil E die Vorleistungen selbst erbringt. Der Rabatt (R) entspricht daher den Grenzkosten für die wegfallende Vorleistung (GKU): PD = DKE2E – GKU bzw. R = PE2E – GKU.
531
532
Die Darstellung lehnt sich an Pieper (1996), S. 170 ff an. Bei der Darstellung werden einige relevante Probleme bei der Preissetzung im Briefmarkt außer Acht gelassen (unterschiedliche Produkte, regulatorische Preisvorgaben etc.). Da es an dieser Stelle nur um die Funktionsweise des Wegfallkostenansatzes geht, ist die Vereinfachung Ziel führend. Eine solche Preissetzung ist nur möglich, wenn nur ein Dienst angeboten wird. Im realistischen Mehrproduktfall müssten die End-zu-End-Preise nach der Ramsey-Regel bestimmt werden, vgl. Panzar (1993), S. 97. Ferner wären bei einer weitergehenden Entbündelung Zugangspreise für jeden Zugangspunkt festzulegen. Soll im geöffneten Marktumfeld ein einheitliche End-zu-EndPreis aufrecht erhalten werden, müssen die Zugangspreise zudem nach dem Bestimmungsort der eingelieferten Sendungen differenziert werden, um cream skimming zu verhindern. Vgl. zum sog. Delivery-Area Access Pricing Crew, Kleindorfer (2002a); Panzar (2002); Hill, Robinson (2006).
5 Netzzugang und Effizienz
244
Dieses Prinzip liegt auch der sog. Efficient Component Pricing Rule, kurz ECP-Regel, zu Grunde.533 Sie besagt, dass sich der Netzzugangspreis (im Beispiel PD) ergibt aus den Kosten für die nachgefragte Teilleistung (im Beispiel D) zuzüglich der Opportunitätskosten des Netzzugangsanbieters. Mit Opportunitätskosten ist der Deckungsbeitrag gemeint, der dem Netzzugangsgewährenden dadurch entgeht, dass der Zugangsnutzer mittels des Netzzugangs auf der End-zu-End-Ebene konkurriert. Im Ergebnis führt er zu einem identischen Zugangspreis wie dem oben formulierten.534 Der Wegfallkostenansatz stellt sicher, dass Vorleistungen nur von Unternehmen übernehmen werden, die effizienter als der Netzbetreiber sind. Als Folge steigt ceteris paribus die sektorale Produktionseffizienz. Der Ansatz ist in der Regulierungspraxis verbreitet: Die Zugangspreise in den USA und Großbritannien sind entsprechend formuliert. In Deutschland gilt zwar ein Price-Cap-Regime, allerdings haben auch dort die Teilleistungsentgelte die "anteiligen Kosten der gesamten Beförderungskette"535 zu berücksichtigen. Zudem ist die Anerkennung von Vorleistungen als Teilleistungen an die Realisierung von Kosteneinsparungen beim Netzbetreiber geknüpft. Im Kern wird damit ebenfalls auf den Wegfallkostenansatz Bezug genommen. 5.3.3 Exkurs: Allokative Effizenzwirkungen Netzzugang im eben beschriebenen Sinne kann auch zu einer Erhöhung der allokativen Effizienz führen.536 Das lässt sich an Abbildung 27 verdeutlichen:
533 534 535 536
Vgl. Baumol, Sidak (1994). Vgl. Pieper (1996), S. 173 f. § 28 Abs. 2 S. 3 PostG. Eine Preissetzung nach der ECP-Regel führt allerdings nicht immer zu allokativer Effizienz. Zu den Voraussetzungen vgl. Laffont, Tirole (1996), S. 232.
5.3 Netzzugang und Produktionseffizienz
245
Abbildung 27: Mengen- und Preiswirkungen von Netzzugang Preis, Kosten N
1
PI E PW F
A
D
2
C B
I
LDK W LDK
3
Menge 0
G H XI XW
Quelle: Eigene Darstellung in Anlehnung an KRUSE et al. (2005)
Die Kurve LDKI beschreibt die langfristigen Durchschnittskosten des etablierten Unternehmens I. Durch den Kurvenverlauf werden die Größenvorteile in der Zustellung berücksichtigt (vgl. Kap. 3.5). Der Markteintritt effizienterer Unternehmen W auf den Upstream-Wertschöpfungsstufen führt dazu, dass die langfristigen Durchschnittskosten des Sektors LDKW im Vergleich zur alleinigen Versorgung durch I sinken (Schritt 1). Geht man davon aus, dass die Wettbewerbsintensität zwischen Konsolidierern und Teilleistern hoch ist, werden die niedrigeren Kosten für die Erstellung der teilleistungsrelevanten Eigenleistungen (also Abholung, Abgangssortierung und Einlieferung) an die Versender weitergegeben. Für die Versender sinkt dadurch der Preis PI auf PW (Schritt 2). Bei einer elastischen Nachfrage, wie sie durch die Nachfragekurve N beschrieben wird, steigt die nachgefragte Menge (d. h. die Anzahl verschickter Briefe) von XI auf XW (Schritt 3).537 Durch die Reduzierung der Upstream-Kosten steigt die Produktionseffizienz um die Fläche FBAE. Dies ist eine Umwandlung von Produzenten- in Konsumentenrente. 537
In Kapitel 2.2 wurde auf die vermutlich niedrigen Elastizitäten der Briefnachfrage verwiesen. Ein ausgeprägter Mengeneffekt ist in der Realität daher nicht zu erwarten. Lediglich in Bereichen wie Werbepost, die in einem intensiven intermodalen Wettbewerb stehen, ist mit steigenden Mengen zu rechnen. Allerdings sind Werbesendungen nur bedingt teilleistungsfähig, da bei ihnen der Grad der Vorleistungen per se höher und damit nicht rabattfähig ist. Vgl. zur deutschen Situation Kapitel 3.3.2.
5 Netzzugang und Effizienz
246
Insgesamt erhöht sich die allokative Effizienz um das Dreieck ABC; sie stellt zusätzliche Konsumentenrente dar. Der hier beschriebene Zusammenhang ist empirisch aus den USA belegt. Dort wurden die Upstream-Wertschöpfungsstufen seit 1976 sukzessive für Wettbewerber des United States Postal Service geöffnet. Die Ergebnisse lassen sich allerdings nicht einfach auf andere Länder übertragen: Zum einen stand hinter der Öffnung eine OutsourcingStrategie, auf Grund vergleichsweise niedriger Produktivität von USPS (z. B. niedrige Automatisierung), zum anderen gab es damals keine intermodale Substitutionskonkurrenz durch elektronische Kommunikationsmittel.538 5.4 Netzzugang und Netzwerkeffizienz Das im vorangegangenen Abschnitt vorgestellte Prinzip betrachtet die einzelnen Wertschöpfungsstufen getrennt. Interdependenzen zwischen den Wertschöpfungsstufen werden nicht untersucht. Effizienzgewinne durch Arbeitsteilung bzw. Netzzugang werden ceteris paribus beschrieben. Dem zu Grunde liegt die Annahme, dass Veränderungen auf einer Wertschöpfungsstufe (z. B. Sortierung) keine Veränderungen auf einer anderen Stufe (z. B. Transport) auslösen. Diese Annahme kann sich in Netzwerken als falsch erweisen. In den folgenden Unterkapiteln werden Interdependenzen in Netzwerken beschrieben (Kapitel 5.4.1), die Auswirkungen von Netzzugang auf die Effizienz eines Briefnetzes dargestellt (Kapitel 5.4.2) und die beschriebenen Auswirkungen an einem graphentheoretischen Modell beispielhaft untersucht (5.4.2.2 5.4.2.4). 5.4.1 Interdependenzen in Netzwerken SPULBER et al. (2005b) argumentieren, dass die Natur von Netzwerken im Zusammenwirken der verschiedenen Netzteile liegt. Netzwerke zeichneten sich durch ausgeprägte wertschöpfungsstufenübergreifende Interdependenzen aus: Veränderungen an einer Stelle eines Netzwerkes führten in den meisten Fällen zu Veränderungen bzw. Anpassungen an anderen Stellen des Netzwerkes. Solche Anpassungen hätten wiederum Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit eines Netzwerkes. Die unter Volkswirten vorherrschende isolierte Betrachtungsweise von Netzteilen ist ihrer Ansicht nach un538
Vgl. Cohen et al. (2002a); Pearsall (2005); Cohen et al. (2006b). USPS verfügt bis heute über ein Monopol für die Zustellung.
5.4 Netzzugang und Netzwerkeffizienz
247
zureichend: „Networks are constructed with a view toward the performance and structure of the system as a whole and, thus, cannot be understood solely by examining individual components in isolation.“539
In ihrer Untersuchung des US-amerikanischen Telekommunikationsmarktes kommen SPULBER et al. (2005a) zu dem Ergebnis, dass Netzzugangsverpflichtung und Festlegung von Zugangskonditionen Veränderungen in der Auslastung und Verteilung von Datenvolumina induzieren können. Als Folge würden sich Architektur und Kapazität des Netzwerkes als suboptimal erweisen, was sich in einer abnehmenden Leistungsfähigkeit ausdrücke. Dieses Ergebnis hat ihrer Ansicht nach erhebliche Auswirkungen für die Beurteilung der Regulierung von Netzwerken: Solange Interdependenzen innerhalb eines Netzwerks nicht oder nur unzureichend von der Wettbewerbspolitik berücksichtigt würden, sei die Verpflichtung zur Gewährung von Netzzugang zu hinterfragen. In SPULBER et al. (2005b) schlagen die Autoren einen neuen Ansatz zur Beurteilung von Regulierungseingriffen vor. Er soll „capable of addressing the central shortcomings of the current regulatory framework by reflecting how interactions among network components can cause systemic effects that cannot be understood solely by studying individual network elements in isolation“.540 Die Basis ihres Ansatzes bildet die Graphentheorie, ein mathematisches Teilgebiet, das auf Leonhard Euler zurückgeht und in verschiedenen Disziplinen wie Physik, Biologie, Soziologie und Informatik zur Modellierung von Netzwerken verwendet wird. Die Wirtschaftswissenschaften setzen die Graphentheorie vor allem in den betriebswirtschaftlichen Teilgebieten wie Operations Research oder Produktions- und Standortplanung ein.541 Sie stellt das analytische Instrument dar, um z. B. Ressourcen optimal zu allozieren, kürzeste bzw. billigste Wege in einem Netz aus Standorten zu finden oder den Materialfluss in einem Produktionssystem zu maximieren.
539 540 541
Spulber, Yoo (2005b), S. 4. ebda., S. 6. Für eine umfassende Darstellung vgl. Diestel (2006). Für anwendungsbezogene Darstellungen aus der Betriebswirtschaft vgl. Berens, Delfmann (1995); Günther, Tempelmeier (2000); speziell auf Logistik geht Klose (2001) ein.
5 Netzzugang und Effizienz
248
5.4.2 Netzwerkeffizienz im Briefnetz Die von SPULBER et al. (2005a; 2005b) aufgeworfene Frage, wie sich Netzzugang auf die Effizienz des Netzwerks auswirkt, stellt sich auch in Bezug auf das Briefbeförderungssystem. Arbeiten zu den Auswirkungen von Interdependenzen speziell im Briefnetz liegen bislang nicht vor.542 Im Folgenden soll untersucht werden, unter welchen Bedingungen der Netzzugang Auswirkungen auf das bestehende Netzwerk hat. Dazu wird in einem ersten Schritt verbal beschrieben, wodurch mögliche Veränderungen der Netzwerkeffizienz hervorgerufen werden und wie sich diese auswirken können. Anschließend sollen die Auswirkungen nummerisch untersucht werden. Dazu werden anhand eines graphentheoretischen Modells, das ein sehr vereinfachtes („stilisiertes“) Briefnetz repräsentiert, verschiedene Szenarien simuliert. Am Ende des Kapitels werden die Ergebnisse diskutiert im Hinblick auf sektorale Effizienz und Implikationen für die Netzzugangsregulierung. Da sich die Untersuchung in diesem Kapitel nicht spezifisch auf Deutschland bezieht, werden die Ergebnisse abschließend in Bezug auf die Situation in Deutschland bewertet. 5.4.2.1 Auswirkungen von Interdependenzen Im Briefbeförderungsnetz bestehen zwischen den unterschiedlichen Netzteilen bzw. Wertschöpfungsstufen starke Interdependenzen.543 Lage und Anzahl von Annahmestellen, Sortierzentren und Zustellstützpunkten determinieren jeweils Wegeleistungen und Zeitbedarfe im Transport (also bei Vor-, Haupt- und Nachlauf) und in der Zustellung. Der Grad der Sortierung (die sog. Sortier- oder Ausscheidungstiefe) auf einer Stufe bestimmt den Kapazitäts- und Zeitbedarf für die weitere Sortierung auf den nachgelagerten Stufen. Veränderungen auf einer Stufe ziehen zwangsläufig Anpassungen auf den anderen Stufen nach sich. Da das Netzwerk eines Universaldienstleisters in der Regel auf möglichst kurze Laufzeiten ausgelegt ist, existieren ferner für die Teilprozesse auf jeder Wertschöpfungsstufe spezifische Schlusszeiten. Eine Verände542
543
Van der Lijn, Meijer (2004) verweisen auf negative Auswirkungen auf die Netzwerkeffizienz, ohne diese zu untersuchen. Wertschöpfungsstufenspezifische Mehrkosten als Folge von Netzzugang (z. B. für die Schaffung von Schnittstellen zur Übergabe von Sendungen, Transaktionskosten für die Kontrolle etc.) wurden von CtCon (1998), S. 26, thematisiert. Die Inhalte dieses Kapitels basieren auf Interviews mit der DPAG und dem Deutsche Post Lehrstuhl für Optimierung von Distributionsnetzwerken an der RWTH Aachen sowie Erfahrungen des Autors mit der Optimierung von Logistiknetzen.
5.4 Netzzugang und Netzwerkeffizienz
249
rung der Schlusszeiten erfordern bei deterministischer Qualität ebenfalls Veränderungen auf nachfolgenden Stufen. Wertschöpfungsübergreifende Auswirkungen sind zu erwarten, wenn sich durch Netzzugang Sendungsströme verschieben. Eine Verschiebung kann räumlich oder zeitlich erfolgen:544 - Räumliche Sendungsmengenverschiebungen beschreiben die Einlieferung von Briefen in ein anderes Sortierzentrum als vor der Gewährung von Netzzugang. Dies kann geschehen, wenn ein Konsolidierer die Sendungen mehrerer Versender einer Region bündelt, die vor dem Netzzugang in das Einzugsgebiet unterschiedlicher Sortierzentren fielen. Verschiebungen können auch dadurch hervorgerufen werden, dass computergenerierte Sendungen durch einen Teilleister in einem Lettershop gedruckt, kuvertiert und frankiert werden, der sich in einer anderen Region befindet als der ursprüngliche Einlieferungsort des Absenders. - Zeitliche Sendungsmengenverschiebungen beschreiben eine Situation, in der die Einlieferung von Briefen in das Sortierzentrum zu einem früheren oder späteren Zeitpunkt als vor der Gewährung des Netzzuganges erfolgt. Spätere Einlieferungen sind vor allem bei konsolidierten Sendungen zu erwarten, weil das Geschäftsmodell auf der Zusammenfassung von Briefen mehrerer Versender beruht und die verschiedenen Versender in der Regel an einer möglichst späten Abholung ihrer Sendungen an den Konsolidierer interessiert sind, um die gesamte Tagespost übergeben zu können. Ausgehend von einem optimierten Briefnetz können räumliche oder zeitliche Verschiebungen von Sendungsströmen zu einer Reduzierung der Effizienz des bestehenden Netzwerks führen. Netzwerkeffizienz ist charakterisiert durch die Qualität der Sendungsbearbeitung (v. a. Laufzeit) einerseits und die bei der Beförderung anfallenden Kosten andererseits. Die Netzwerkeffizienz wird gegenüber der Ausgangssituation reduziert, wenn die Beförderung der Sendungen bei gleichbleibender Qualität nur zu
544
Bezogen jeweils auf die Einlieferung in ein (Abgangs-)Sortierzentrum. Dies ist der für die Praxis relevante Fall, weil der Netzzugang fast überall (z. B. Deutschland, Frankreich, Großbritannien) an die Einlieferung in ein Sortierzentrum anknüpft.
5 Netzzugang und Effizienz
250
höheren Kosten möglich ist.545 Die Gründe: Das dem Netzwerk zu Grunde liegende Layout (z. B. Lage von Sortierzentren) und seine Konfiguration (z. B. Maschinenausstattung in Sortierzentren) sowie die Betriebsabläufe (z. B. Schlusszeiten für die Übergabe von Briefen aus der Sortierung an den Transport) sind nicht an die veränderte Sendungszuführung angepasst. In einem optimierten Netzwerk werden Kapazitätsreserven nur vorgehalten, wenn sie ökonomisch sinnvoll sind, z. B. für regelmäßig auftretende Spitzenlasten. Sind keine Kapazitätsreserven zur Abfederung größerer oder späterer Einlieferungen vorhanden, muss das Netzwerk die veränderte Sendungszuführung angepasst werden. Die möglichen Anpassungen auf den Wertschöpfungsstufen Sortierung und Transport beim vorhandenen Netzwerk sind in Abbildung 28 beschrieben. Abbildung 28: Auswirkungen von Netzzugang auf das bestehende Netzwerk Im Fokus**
Mögliche Auswirkungen auf Sortierung
Verschiebung von Sendungsaufkommen
Räumlich (Einlieferung in anderes Sortierzentrum)
• Bei Überschreitung der Maschinenkapazität verstärkter Einsatz Handsortierung bzw. Bedarf zusätzlicher MaschinenAusstattung
• Bei Überschreitung der Zeitlich (spätere* Einlieferung)
Maschinenkapazität vor Schlusszeit verstärkter Einsatz Handsortierung
Transport
• Mehr/größere Fahrzeuge (lineare Reduzierung in Abgangsorten mit weniger Menge unwahrscheinlich wegen sprungfixer Kosten für Transportmittel)
• Vermehrter Einsatz schneller Fahrzeuge bzw. Direktverkehre (kein Hub)
* Frühere Einlieferung ohne negative Auswirkungen auf Effizienz ** Weil Einlieferungsbedingungen in Deutschland eine Vorsortierung vorschreiben, so dass Sendungen nur „durchgeschoben“ werden
Quelle: Eigene Darstellung
Anpassungen in der Sortierung sind eine Erhöhung der Maschinenkapazität oder der vermehrte Einsatz von Sortierung per Hand. Im Transport ist dies bei einer Erhöhung des Sendungsaufkommens der Einsatz von mehr oder größeren Fahrzeugen und bei
545
Eine Ungleichbehandlung von per Netzzugang eingelieferten Sendungen und von durch die DPAG eingesammelten bzw. von Kunden eingelieferten Sendungen ist regularisch nicht gestattet. Konsolidierer wie etwa Freesort werben zudem mit der hohen Laufzeit der DPAG. Ohnehin wäre eine Separierung der Sendungen mit zusätzlichem Aufwand verbunden.
5.4 Netzzugang und Netzwerkeffizienz
251
späterer Einlieferung der Einsatz schnellerer Fahrzeugen oder die Planung von Direktfahrten zur Zielregion ohne Verdichtung in einem Hub. Solche Anpassungen beim Netzbetreiber verursachen einmalige und laufende Kosten. Mehrkosten – und damit eine Reduzierung der Effizienz – im Vergleich zur Ausgangssituation entstehen, wenn in Standorten, in denen weniger Sendungen oder Sendungen früher eingeliefert werden, keine proportionalen Minderkosten anfallen. Grundsätzlich ist die Komplexität der Anpassungen – und damit ihr Umfang – umso größer, je höher die Automatisierung innerhalb eines Netzwerks ist.546 5.4.2.2 Annahmen der Simulation Die beschriebenen Sachverhalte werden anhand eines stilisierten Briefnetzes nummerisch untersucht. Die Untersuchung beschränkt sich auf die Auswirkungen räumlicher und zeitlicher Sendungsmengenverschiebungen auf die Wertschöpfungsstufe Transport. Im Bereich Sortierung lassen sich die Einlieferungsbedingungen für Netzzugangsnutzer so gestalten, dass das bestehende Netzwerk nicht tangiert wird. Hierzu ist notwendig, dass die von Konsolidierern und Teilleistern eingelieferten Briefe eine identische Sortiertiefe aufweisen und so gekennzeichnet sind, dass sie sich ohne zusätzliche Prozessschritte in den Produktionsprozess des Netzbetreibers integrieren lassen. Sortieren die Netzzugangsnutzer die Abgangsmengen auf Leitregionen und damit auf die Briefzentren in den Zielregionen (BZE, Eingangsbriefzentren), können die zugeführten Sendungen im Abgangsbriefzentrum (BZA) „durchgeschoben“ werden. Durchschieben bedeutet, dass keine Sortierung stattfindet, sondern die Sendungen direkt zur Rampe befördert werden, von wo aus sie in die Zielgebiete transportiert werden.547
546
547
Auch wenn die Autoren nicht auf wertschöpfungsübergreifende Wirkungen eingehen, findet sich diese Einschätzung in allgemeiner Form auch bei CtCon (1998), S. 31. Dies dürfte auch die erfolgreiche Upstream-Liberalisierung des US-amerikanischen Marktes erklären: Zum Zeitpunkt der Einführung von Konsolidierung in den 1970er Jahren war der Automatisierungsgrad im Netzwerk von USPS ausgesprochen gering und durch niedrige Produktivität gekennzeichnet. Entsprechende Vorgaben hinsichtlich der Einlieferung existieren etwa in Deutschland, Frankreich und Großbritannien. Gleichwohl sind die im vorangegangenen Kapitel beschriebenen Anpassungen im Bereich der Sortierung relevant: Ändert der Netzbetreiber die Sortiertiefe – z. B. um den Zeitaufwand für die Feinsortierung in der Zielregion zu reduzieren – ist mit Inkompatibilitäten zu rechnen, sofern die Veränderungen nicht 1:1 von den Netzzugangsnutzern nachvollzogen werden.
5 Netzzugang und Effizienz
252
Das stilisierte Briefnetzwerk wird durch einen Graphen repräsentiert. Gemäß der graphentheoretischen Terminologie besteht es aus Knoten und Kanten. Die Knoten verkörpern jeweils das Briefzentrum einer Region. Von jedem Briefzentrum werden Briefe in jede andere Region (also die anderen Briefzentren) geschickt. Entsprechend kann man zwischen Abgangsmengen und Eingangsmengen unterscheiden. Die Sendungen, die zwischen den Briefzentren transportiert werden, heißen Transportmengen. Eigenmengen eines Sortierzentrums müssen dagegen nicht transportiert werden. Die Wege zwischen den Briefzentren werden durch die Kanten repräsentiert, die die verschiedenen Knoten miteinander verbinden. Abbildung 29 zeigt das Netzwerk: Abbildung 29: Briefnetz zur Untersuchung der Netzwerkeffizienz Standort Sortierzentrum Sortierzentrum mit Hubfunktion
3 1
Kein Transport wegen Nutzung Hub
2 5
4 Quelle: Eigene Darstellung
Es handelt sich um einen „unvollständigen“ Graphen, d. h. nicht jeder Knoten mit jedem anderen verbunden ist. Briefzentrum 1 ist in der Ausgangssituation mit den anderen Briefzentren nur über das Briefzentrum 2 verbunden. Briefzentrum 2 fungiert also als Hub.548 Eine solche Verdichtung von Sendungsmengen ist in der Praxis üblich. Um untersuchen zu können, wie sich durch Netzzugang induzierte Verschiebungen von Sendungsströmen auf die Netzwerkeffizienz auswirken, werden den Standorten (Kno-
548
Das heißt: Netzzugang kann sich auch auf die dynamische Effizienz des Netzwerks, seine Evolution, auswirken. In graphentheoretischer Terminologie: Knoten 1 stellt ein Blatt von Knoten 2 dar. Knoten 1 weist den Maximalgrad (d. h. die maximale Anzahl inzidenter Kanten, hier: 4) auf, Knoten 1 den Minimalgrad (minimale Anzahl inzidenter Kanten, hier: 1).
5.4 Netzzugang und Netzwerkeffizienz
253
ten) Abgangs- und Eingangs-Sendungsmengen zugeordnet. Der Graph ist bewertet, wenn jeder Kante ein sog. Kantenwert zugewiesen ist, der die Entfernung zwischen den Knoten bzw. Briefzentren ausdrückt.549 Das im Folgenden zur Simulation verwendete Netzwerk N = (B, M, D) mit B für Briefzentren, M für Transportmengen (d. h. Anzahl der Briefe in Tausend) und D für Distanz zwischen den Briefzentren in Kilometern kann unter Verwendung der Matrizenschreibweise in der Ausgangssituation folgendermaßen beschrieben werden: B (1,...,5)
M
120 0 0 0 · § 0 ¨ ¸ 0 1130 370 710 ¸ ¨120 ¨ 0 1130 0 380 1000 ¸ ¨ ¸ 370 380 0 250 ¸ ¨ 0 ¨ ¸ 710 1000 250 0 ¹ © 0
§ 0 ¨ ¨ 150 D ¨ 270 ¨ ¨ 350 ¨ © 250
150 270 350 250 · ¸ 0 150 260 100 ¸ 150 0 350 200 ¸ . ¸ 260 350 0 320 ¸ ¸ 100 200 320 0 ¹
Im Basisszenario, der Ausgangslage ohne Netzzugang, sind die Sendungsmengen symmetrisch zwischen den Briefzentren verteilt. Die gesamten Transportkosten KT (D, M, t) mit t für die jeweils für den Transport zwischen den Briefzentren verfügbare Zeit und den Indizes i für Quelle und j für Senke (Empfänger) der Relationen lassen sich formal ausdrücken als K T ( D, M , t )
5
5
i 1
j 1
¦ ¦k
T ij
( Dij , M ij , t ) .
Die gesamten Transportkosten KT ergeben sich als Summe der Transportkosten aller Relationen kTij. Die Transportkosten einer Relation hängen ab von der Distanz zwischen den Briefzentren, den zu transportierenden Mengen und den eingesetzten Trans-
549
Für eine formal-analytisch Darstellung von Transportproblemen in der Graphentheorie vgl. Luenberger (1988), S. 117 ff. Eine umfassende Einführung in die Konfiguration von Transportnetzwerken stammt von Rodrigue et al. (2006)
5 Netzzugang und Effizienz
254
portmitteln (Fahrzeugen). Dabei wird davon ausgegangen, dass entweder LKW oder Sprinter zum Einsatz kommen. LKW haben ein höheres Ladevolumen als Sprinter, erreichen dafür jedoch niedrigere Durchschnittsgeschwindigkeiten. Die Kosten der Transportrelationen lassen sich demnach berechnen als
{ kk
kijT ( Dij , M ij , t ) =
LKW
( Dij , M ij )
Spr int er
( Dij , M ij )
falls
Dij VLKW d t Dij VLKW ! t
mit V für die Durchschnittsgeschwindigkeit und k LKW ( Dij , M ij )
ª ª M ij º º «« » » u Dij u p LKW ¬« ¬ Kap LKW ¼ »¼
k Spr int er ( Dij , M ij )
und
ª ª M ij º º «« » » u Dij u pSrpmuter «¬ «¬ KapSpr int er »¼ »¼
mit p für den Kostensatz und Kap für die maximale Zuladung des jeweils gewählten Transportmittels.550 Die für die Simulation verwendeten Parameter sind in der folgenden Tabelle aufgeführt. Die Parameterausprägungen (Kostensätze, Kapazität, Durchschnittsgeschwindigkeiten) orientieren sich an den in der Realität vorzufindenden Werten. Tabelle 19: Parameter im Transport
LKW Sprinter
V in km/h
p in EUR/km
Kap in Sendungen
t in Stunden
60 100
0,8 0,4
400.000 65.000
6 6
Quelle: Eigene Schätzung
Das Layout des Netzwerkes wurde so konstruiert, dass in der Ausgangssituation ohne Netzzugang ein Kostenminimum bei fast vollständiger Auslastung der Transportkapazitäten erreicht wird. Es handelt sich damit um ein effizientes Netzwerk.551
550
551
Vereinfachte Darstellung: In der Modellierung ist auf einer Transportrelation auch die gleichzeitige Verwendung von LKW und Sprintern möglich. Dies kommt zum Tragen, wenn es kostengünstiger ist, mit Restmengen einen Sprinter weitgehend auszulasten als mit einem "leeren" LKW zu fahren. Die Stückkosten eines LKWs liegen bei voller Auslastung unter denen eines Sprinters, die absoluten Kosten pro Kilometer sind jedoch höher. Der Schwellenwert zur Fahrzeugwahl ergibt sich aus den Parametern in Tabelle 19 und liegt bei kleiner/gleich 130 Tausend Sendungen. Die Annahme eines effizienten Netzwerks entspricht dem allgemeinen Befund, dass privatisierte Unternehmen wie die DPAG durch den Druck der Anteilseigner zu Effizienz als Mittel zur Erzielung hoher Renditen angehalten werden, vgl. etwa Megginson, Netter (2001). Ferner sind eine
5.4 Netzzugang und Netzwerkeffizienz
255
5.4.2.3 Szenarien der Simulation Die Untersuchung der Auswirkungen von Netzzugang bzw. der dadurch induzierten Verschiebungen von Sendungsströmen auf die Netzwerkeffizienz erfolgt szenariobasiert. Dazu werden vier Szenarien definiert, die anhand des im vorangegangenen Abschnitt beschriebenen Briefnetzes simuliert werden. Die Szenarien beschreiben die Bandbreite möglicher Auswirkungen von Netzzugang auf die Wertschöpfungsstufe „Transport“. Ein Szenario simuliert eine räumliche Verschiebung, drei Szenarien unterschiedliche Auswirkungen in Folge zeitlicher Verschiebungen. Damit wird dem Umstand Rechnung getragen, dass zeitliche Verschiebungen bei der Konsolidierung nahezu zwangsläufig auftreten, weil bei früher Einlieferung keine ausreichend hohen Sendungsvolumina eingesammelt und gebündelt werden können. Räumliche Verschiebungen treten dagegen nur auf, wenn sich (mindestens) zwei Einlieferungsstandorte in geringer Entfernung voneinander befinden. Die Szenarien sind Abbildung 30 illustriert: Abbildung 30: Szenarien zur Simulation von Netzwerkeffizienz Räumliche Verschiebung
Spätere Einlieferung
3
3
1
1
2
2
M2j
5
M5j
5
4
4
3 1
M3j
M4j,t
3 1
M1j,t 2
2 5
4
Pooling
5
4
Routing-Änderung
Quelle: Eigene Darstellung
Vielzahl an Maßnahmen der DPAG zur Steigerung ihrer Effizienz im Vorfeld der Marktöffnung bekannt, vgl. z. B. Elsenbast, Smit (2000), S. 40 ff.; Cohen et al. (2002b), S. 35 f.; Schwarz (2004), S. 126 ff.; Niederprüm (2007), S. 56 ff.
5 Netzzugang und Effizienz
256
- Räumliche Verschiebung: Der Netzzugangsnutzer liefert einen bestimmten Anteil der Sendungen, die bisher vom Sortierzentrum 2 aus befördert wurden, ins Sortierzentrum 5 ein. Entsprechend sinken die Transportmengen von Sortierzentrum 2 (M2j), während die Transportmengen des Sortierzentrums 5 (M5j) steigen. Eine solche Verlagerung von Sendungsströmen ist plausibel, weil sich bei der angenommenen Entfernung von 100 Kilometern zwischen den Sortierzentren die Einzugsgebiete für einen Konsolidierer überschneiden.552 - Spätere Einlieferung: Der Netzzugangsnutzer liefert einen bestimmten Anteil der Sendungen eine Stunde später ins Sortierzentrum 4 ein. Dadurch sinkt die für den Transport zur Verfügung stehende Zeit im Vergleich zur Ausgangssituation
M
4j
tp
.
Bei deterministischer Qualität sind ggf. Anpassungen notwendig (z. B.
schnellere Fahrzeuge etc.). - Pooling: Der Netzzugangsnutzer fasst Sendungen des Sortierzentrums 3 über einen Zeitraum von 2 Tagen zusammen, um jeweils bei Einlieferung den Höchstrabatt zu erzielen. Dadurch schwanken die Transportmengen im Zeitablauf ' M
3j
. Als Folge
sind die jeweils zu nutzenden Fahrzeuge anzupassen. - Routing-Änderung: Der Netzzugangsnutzer liefert einen bestimmten Anteil der Sendungen eine Stunde später ins Sortierzentrum 1 ein. Dadurch sinkt die für den Transport zur Verfügung stehende Zeit
M
1j
tp
. Da Abgangs- und Eingangsmengen
des Sortierzentrums 1 jeweils über den Hub bzw. Sortierzentrum 2 transportiert werden, sind wegen der Zeitrestriktion bei deterministischer Qualität Direktverkehre einzuplanen. Welche Auswirkungen der Netzzugang in den unterschiedlichen Szenarien jeweils hat, wird im folgenden Kapitel beschrieben. 5.4.2.4 Ergebnisse der Simulation Die Ergebnisse der Simulationen für die vier Szenarien sind in Tabelle 20 dargestellt. Dabei wird für jedes Szenario die prozentuale Veränderung der Transportkosten ge552
Auch ein Teilleister kann große Sendungsmengen eine Versenders in ein anderes Sortierzentrum einliefern, wenn der Lettershop zur Produktion der Sendungen näher an dem anderen Sortierzentrum liegt. Dass Briefzentren verhältnismäßig dicht beeinander liegen, entspricht der Realität. In Deutschland betreibt die DPAG 82 Briefzentren, davon allein 4 in Berlin, 2 in Hamburg und Köln, wobei sich bei Köln auch die Briefzentren Düsseldorf, Bonn und Aachen befinden.
5.4 Netzzugang und Netzwerkeffizienz
257
genüber der Ausgangssituation ohne Netzzugang angegeben, in Abhängigkeit von dem Umfang des Netzzugangs. Der Umfang bezieht sich auf den Anteil der Sendungen, die per Netzzugang in das Netzwerk gespeist werden bezogen auf das ursprüngliche Sendungsvolumen des Netzbetreibers. Für die Szenarien „Räumliche Verschiebung“ und „Pooling“ wurden jeweils zwei Werte berechnet: In beiden Fällen können die Mehrkosten durch Netzzugang reduziert werden, wenn der Netzbetreiber seine Transportmittelwahl optimiert. Dies bedeutet, dass unterhalb gewisser Schwellenwerte der Einsatz kleinerer Fahrzeuge eher lohnt als der eines großen LKW. Solche Anpassungen setzen allerdings voraus, dass der Netzbetreiber entweder über einen entsprechend flexiblen Fuhrpark verfügt oder die Transportdienstleistung auf einem fungiblen Drittmarkt nach Bedarf einkaufen kann – was für die Praxis zu bezweifeln ist. Tabelle 20: Kostenwirkung von Netzzugang im Transport
Szenario
Anteil der durch Netzzugang eingelieferten Sendungen (in %) 10 20 30 40 50 60 Räumliche Veschiebung Ohne Anpassung Mit Anpassung Spätere Einlieferung Änderung Routing Pooling Ohne Anpassung Mit Anpassung
70
2% 1% 10% 4%
6% 4% 17% 4%
3% 3% 20% 4%
3% 2% 27% 4%
10% 6% 27% 4%
14% 9% 36% 4%
11% 11% 40% 4%
5% 3%
3% 1%
4% 4%
5% 5%
6% 6%
4% 3%
5% 5%
Quelle: Eigene Berechnung
Das Netzwerk reagiert in allen Szenarien auf die Veränderungen auf den vorgelagerten Wertschöpfungsstufen: Sendungsmengenverschiebungen auf Grund von Netzzugang verursachen zusätzliche Kosten. Das Ausmaß der beim Transport anfallenden Mehrkosten schwankt je nach Szenario und Menge. Die Auswirkungen sind dabei in der Regel umso größer, je mehr Mengen per Netzzugang eingeliefert werden. Den absolut stärksten Einfluss auf die Kosten hat eine spätere Einlieferung. Zwar lassen sich die Ergebnisse der einzelnen Szenarien nicht direkt miteinander vergleichen lassen – das Ausmaß der Kostenänderungen hängt stets von der Lage des betroffenen Sortierzentrums, den Mengen und den Transportströmen ab. Doch erscheint eine besonders starke Kostenwirkung im Fall späterer Einlieferung plausibel: Auch in der Praxis existiert ein ausgeprägter Kosten-Qualitäts-Trade-Off: Qualitätsverbesserungen in einem optimierten Netzwerk sind mit hohen inkrementellen Kosten verbunden. Auf Veränderungen in
258
5 Netzzugang und Effizienz
der Zuführung reagiert ein auf kurze Laufzeiten ausgelegtes Briefnetz äußerst sensibel.553 Die im Vergleich zur Ausgangssituation gestiegenen Kosten sind in den einzelnen Szenarien auf unterschiedliche Ursachen zurückzuführen: Werden 20 % der Sendungen per Netzzugang eingeliefert, werden im Szenario „räumliche Verschiebung“ vier zusätzliche Sprinterfahrten benötigt, während ein LKW wegfällt. Die Anzahl der gefahrenen Kilometer steigt um 11 %. Im Szenario „spätere Einlieferung“ steigen die gefahrenen Kilometer um 31 %, verursacht durch 6 zusätzliche Fahrten per Sprinter. Im Szenario „Pooling“ fallen per Saldo zwei zusätzliche Fahrten an. Dies ist auf die hohe Auslastung der Transportmittel in der Ausgangssituation zurückzuführen: Wegfallende Mengen an einem Tag reduzieren den Fahrzeugbedarf weniger stark als der zusätzliche Kapazitäts- bzw. Fahrzeugbedarf an den Tagen, an denen die gepoolten Mengen eingeliefert werden. Dies liegt an der Mindestgröße der Fahrzeuge (sie stellen sprungfixe Kosten dar). Im Szenario „Routing-Änderung“ wird eine zusätzliche Direktfahrt vom Sortierzentrum 1 zum Sortierzentrum 4 benötigt. Auf Grund der geringen Transportmengen M14 reicht dafür ein Sprinter, der die gefahrenen Kilometer um 7 % erhöht. Briefzentrum 3 wird weiterhin über den Hub bedient, da die Zeit für ein entsprechend kostenminimales Routing ausreicht. Die Kostensteigerungen resultieren aus der Annahme, dass im Ausgangsszenario ein optimales Netz mit geringen Kapazitätsreserven vorlag. Die absoluten Ergebnisse der Simulation lassen sich nicht ohne Weiteres auf den deutschen Briefmarkt übertragen. Die simple Netzwerkstruktur weicht zu stark von der Realität ab. Beispiele: Die Zahl der Sortierzentren ist mit 82 Standorten in Deutschland erheblich höher, die Hub-Struktur weiter ausgebaut. Es werden mehr als zwei unterschiedliche Fahrzeugtypen verwendet, d. h. eine Vielzahl von LKW mit unterschiedlicher Zuladungskapazität ist im Einsatz. Ferner werden ca. 10 % der Briefe per Flugzeug transportiert. Nicht berücksichtigt wurden außerdem die im Transport verwendeten Briefbehälter: Je mehr Sendungen von Teilleistern und Konsolidierern eingeliefert werden, desto mehr sog. Anbruchbehälter gibt es. Anbruchbehälter bezeichnen den jeweils letzten Behälter eines Einlieferers für einen Zielort (sog. LeitregionsAusscheidung), der nicht zu 100 % gefüllt ist. Pro Relation fällt für jeden Netzzu553
Dies gilt in ausgeprägtem Maße auch für die Wertschöpfungsstufe „Sortierung“, wenn die Sendungen – anders als hier angenommen – auf Grund unterschiedlicher Sortiertiefen noch im Abgang bearbeitet werden müssen.
5.5 Netzwerkeffizienz und Produktionseffizienz
259
gangsnutzer ein Anbruchbehälter an; das sind 95 zusätzliche Behälter, wenn jeweils mindestens ein Behälter je Leitregion eingeliefert wird. Es gibt 95 Leitregionen, d. h. 95 zweistellige Postleitzahlengebiete. Dies reduziert die Transportkapazitäten zusätzlich.554 Dass durch Netzzugang Effizienzverluste auf den der Einlieferung nachgelagerten Wertschöpfungsstufen ausgelöst werden, erscheint robust: Alle genannten Aspekte, die nicht in die Simulation eingeflossen sind, sprechen tendenziell für eine Verstärkung der beschriebenen Effekte. 5.5 Netzwerkeffizienz und Produktionseffizienz Im Folgenden werden die Auswirkungen von Veränderungen der Netzwerkeffizienz auf die Produktionseffizienz diskutiert (Kapitel 5.5.1). Daraus ergeben sich Implikationen für die Gestaltung von Netzzugangsregulierung (Kapitel 5.5.2). Anschließend wird das deutsche Zugangsregime betrachtet (Kapitel 5.5.3). 5.5.1 Effizienzwirkung von Netzzugang Wie im vorangegangenen Abschnitt gezeigt, kann Netzzugang die Netzwerkeffizienz verändern. Ob Netzzugang zu einer Erhöhung der (sektoralen) Produktionseffizienz führt, hängt vom Ausmaß der Effizienzvorteile der Teilleister bzw. Konsolidierer (vgl. Kap. 5.3.1) im Vergleich zu den durch Netzzugang induzierten Mehrkosten auf anderen Stufen des bestehenden Netzwerks ab. Im simulierten Fall – die Einlieferung durch die Netzzugangsnutzer erfolgt in die Abgangssortierzentren, wo die Sendungen „durchgeschoben“ werden können – müssen die mengengewichteten Stückkostenvorteile der Netzzugangsnutzer in der Abgangssortierung größer sein als die Kostenerhöhung im Transport beim Netzbetreiber. Dann sind die sektoralen Kosten im Upstreambereich mit Netzzugang geringer als ohne. Bezeichnet man die absoluten Upstream-Kosten vor Netzzugang mit K und nach Netzzugang mit K, muss also gelten: K < K .
554
Es sei denn, die Behälter werden mit denen der DPAG verdichtet. Dies wäre jedoch mit zusätzlichem Arbeitsaufwand in der Sortierung verbunden.
5 Netzzugang und Effizienz
260
Betrachtet man – wie in der Simulation – nur die Wertschöpfungsstufen Sortierung und Transport, ist dies gegeben, wenn gilt
k
S E
k IS u xES ! D u kiT u xIT
mit k ES als Sortier-Stückkosten der Zugangsnutzer E, k IS als Sortier-Stückkosten des Netzbetreibers I, xE als Anzahl der von Zugangsnutzern eingelieferten Briefe und k IT für die Transport-Stückkosten des Netzbetreibers, xIT für die Anzahl der von I transportierten Briefe und dem Faktor D als prozentualer Änderung der Transportkosten durch Netzzugang. Wenn die Effizienzvorteile der Netzzugangsnutzer (also die Differenz der langfristigen Sortierstückkosten zwischen Netzbetreiber I und Netznutzer E) hoch sind und vom Netzzugang keine oder nur geringe Effekte auf die Netzwerkeffizienz ausgehen (also einen Wert von Null oder nahe Null einnimmt), steigt die Produktionseffizienz durch Netzzugang. Wenn dagegen die Effizienzvorteile nur gering sind, jedoch deutliche Netzwerkineffizienzen ausgelöst werden, sinkt die Produktionseffizienz im UpstreamBereich durch Netzzugang. Solche Effekte werden bei einer separierten Betrachtung der einzelnen Wertschöpfungsstufen nicht berücksichtigt. Oder wie SPULBER et al. (2005b) schreiben: „Graph theory demonstrates the potential flaw in the idea that
costs of interconnection are confined to the network elements that are directly involved.“ 5.5.2 Implikationen für die Netzzugangsregulierung Die Auswirkungen von Netzzugang auf die Produktionseffizienz ergeben sich als Saldo aus den Effizienzgewinnen durch Arbeitsteilung – bedingt durch die Erstellung von Vorleistungen zu niedrigeren Kosten durch Netzzugangsnutzer – und möglichen Effizienzverlusten im bestehenden Netzwerk. Diese interdependente Betrachtungsweise hat Implikationen für die Regulierung von Netzzugang. Werden im Rahmen der Netzzugangsregulierung die Entgelte für den Zugang von der Regulierungsbehörde festgelegt, müssen mögliche Spill-over-Effekte anderer Wertschöpfungsstufen berücksichtigt werden. Andernfalls verzerren die Preissignale die Zutrittsentscheidung potenzieller Netzzugangsnutzer. Als Folge weicht die tatsächliche Nachfrage nach Netzzugang von dem zur Erzielung technischer Effizienz notwendigen Ausmaß ab.
5.5 Netzwerkeffizienz und Produktionseffizienz
261
Die Bepreisung von Netzzugang anhand des Wegfallkostenansatzes führt nicht unbedingt zu einer Erhöhung der Produktionseffizienz. „Cost-based approaches necessar-
ily focus solely on the characteristics of the network element in isolation. As a result they fail to take into account the manner in which that element interacts with the system as a whole. In so doing, the current approach fails to take into account one of the central characteristics of networks, which is how changes to one component can affect the entire system.“555 Ein Netzzugangs-Preisregime, das die Problematik wertschöpfungsübergreifender Interdependenzen aufnimmt, existiert weder in der Praxis noch in der Literatur. Was heißt das für die Regulierung von Netzzugang? Angesichts des komplexen Zusammenspiels der unterschiedlichen Komponenten in Netzwerken ergibt sich die Forderung, die Festlegung von Zugangskonditionen weitgehend dem Markt zu überlassen.556 Verhandlungen zwischen den Marktteilnehmern können am ehesten die tatsächlichen Kosten von Netzzugang berücksichtigen (vgl. dazu allgemein CREW et al. (2002a)). Im Briefmarkt ergäbe sich vermutlich ein Rabattsystem, das die unterschiedlichen Kostenwirkungen der Netzzugangsgewährung reflektiert. Zugangsentgelte würden nach den Kosten der Kapazitätsauslastung im Netzwerk differenziert. Die Folge wären unterschiedliche Zugangsentgelte für verschiedene geographische und zeitliche Sendungsströme je Zugangsebene. Ein solches System böte den Vorteil, dass mit Hilfe von Preissignalen die räumliche und zeitliche Sendungszuführung so gestaltet werden könnte, dass Spill-over-Effekte zwischen den Wertschöpfungsstufen weitgehend verhindert würden. Differenzierte Preise und Einlieferungsbedingungen sind dann nicht Ausdruck einer Diskriminierung zwischen unterschiedlichen Marktteilnehmern, sondern der unterschiedlichen Kosten, die mit Netzzugang verbunden sind.
„[W]orksharing discounts when they are negotiated are by definition potentially nonlinear.“557
555 556
557
Spulber, Yoo (2005b), S. 30. Auf Grund des Fehlens monopolistischer Bottlenecks ist die Regulierung der Zugangsbedingungen auf dem Briefmarkt gänzlich abzulehnen (vgl. Kapitel 3). Gleichwohl unterliegt die Preisgestaltung eines marktbeherrschenden Unternehmens der Missbrauchskontrolle des allgemeinen Wettbewerbsrechts. Billette de Villemeur et al. (2006), S. 135. Die Autoren haben ein Modell mit differenzierten Zugangspreisen für Geschäftspost entwickelt. Netzwerkeffekte fließen allerdings nicht ein. Allgemein zur Preisdifferenzierung in Netzsektoren vgl. Knieps (2007), S. 81 ff.
262
5 Netzzugang und Effizienz
5.5.3 Beurteilung der Netzzugangsregulierung in Deutschland Die Effizienzwirkung von Netzzugang wird wesentlich durch Netzwerkinterdependenzen beeinflusst. Es stellt sich daher die Frage, inwiefern Gesetzgeber und Regulierungsbehörden in Deutschland die Auswirkungen von Netzwerkinterpendenzen bei der Beurteilung des verpflichtenden Netzzugangs vorsehen bzw. berücksichtigen. Konkret: - Sind Auswirkungen von Netzzugang auf das bestehende Netzwerk (z.B. steigende Kosten im Transport) laut PostG zu berücksichtigen? - Ist es den Marktteilnehmer erlaubt, individuelle Vereinbarungen zu treffen (z.B. über die Einlieferungszeiten), um negative Effizienzwirkungen von Netzzugang auszuschließen bzw. die tatsächlichen Kostenwirkungen abzubilden? - Sind differenzierte Netzzugangsbedingungen heute im Markt anzutreffen? Das PostG verpflichtet marktbeherrschende Unternehmen, Teile ihrer Wertschöpfungskette Dritten zur Nutzung anzubieten. Laut Gesetz besteht eine Zugangspflicht, wenn der Netzbetreiber durch Teilleistungen Kosteneinsparungen realisiert, die Teilleistungen im Rahmen der verfügbaren Kapazitäten technisch erbracht werden können und die Qualitätsstandards nicht gefährdet werden.558 Die genannten Kriterien sprechen dafür, dass Netzwerkinterdependenzen zu berücksichtigen sind, wenn über einen verpflichtenden Netzzugang zu entscheiden ist. Andererseits hat der Gesetzgeber in Kauf genommen, dass beim Netzbetreiber durch Netzzugang Kapazitäten ungenutzt bleiben oder sich die Auslastung verändert.559 Entsprechend lässt sich aus dem PostG nicht eindeutig ableiten, welche Auffassung der Gesetzgeber zu Spill-over-Effekten einnimmt. Die Festlegung der Zugangsbedingungen obliegt laut PostG den Marktteilnehmern.560 Die entsprechenden Verträge müssen der Regulierungsbehörde vorgelegt werden und unterstehen der besonderen Missbrauchsaufsicht der Bundesnetzagentur. Entgelte unterfallen seit der vollständigen Marktöffnung einer Ex-post-Kontrolle. Grundsätzlich können Netzbetreiber und Netznutzer Einlieferungsbedingungen und Entgelte individuell vereinbaren. Allerdings müssen unterschiedliche Vereinbarungen sachlich ge-
558 559 560
Vgl. Kapitel 3.3.2.1. Vgl. Gerstner (2004), S. 704, 706, 710. Die folgenden Ausführungen basieren auf schriftlichen Auskünften der Bundesnetzagentur im Jahr 2007 und ebda..
5.5 Netzwerkeffizienz und Produktionseffizienz
263
rechtfertigt sein.561 Dies ergibt sich aus dem Diskriminierungsverbot. Die Auslegung, welche Unterschiede als sachlich gerechtfertigt anzusehen sind, wird im Zweifelsfall durch Gerichte vorgenommen. Die gegenwärtig geltenden Teilleistungsbedingungen sind – bis auf geringfügige Abweichungen bei der Einlieferungszeit – nicht differenziert. Die Bundesnetzagentur hatte im Rahmen ihrer Missbrauchsaufsicht mehrfach über die Einlieferungszeiten von Konsolidierern zu entscheiden: Die Teilleistungsbedingungen der DPAG legen 15 Uhr als Einlieferungszeit fest. Da das Briefbeförderungssystem jedoch einen kontinuierlichen Sendungszufluss benötigt, wurde einigen Zugangsnutzern eine spätere Einlieferungszeit zugestanden. Beschwerden gegen diese Praxis hat die Bundesnetzagentur abgewiesen. Sie hat unterschiedliche Einlieferungszeiten als sachlich gerechtfertigt anerkannt. Allerdings hat die Bundesnetzagentur angekündigt, die Rahmenbedingungen für eine diskriminierungsfreie Vergabe von Einlieferungsslots zu erarbeiten. Dies könnte als ein Indiz für eine künftig eher interventionistische Regulierungspraxis angesehen werden, die differenzierte, von den Marktteilnehmern ausgehandelte Regelungen (nach Zeit und möglicherweise auch nach Preisen gestaffelt) tendenziell unter Diskriminierungsverdacht stellt. Ob sich im geöffneten Marktumfeld eine differenzierte Vertragslandschaft entwickeln wird, die den Besonderheiten des Netzwerkes gerecht wird, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht abschließend beurteilt werden. Dies wird maßgeblich davon abhängen, wie die Bundesnetzagentur individuelle Vereinbarungen künftig bewertet. Dass die Auswirkungen von Netzzugang auf das bestehende Netzwerk derzeit wirklichkeitsgetreu abgebildet werden, muss angesichts weitgehend einheitlicher Zugangsbedingungen bezweifelt werden. 5.5.4 Exkurs: Auswirkungen von Netzzugang auf die Evolution des Netzwerks Die Diskussion hat bislang ausschließlich auf die statischen Aspekte von Netzwerkeffizienz fokussiert. Die Auswirkungen von Netzzugang auf die Evolution eines Netzwerks (ökonomisch: dynamische Effizienz) wurden nicht thematisiert. DE BIJL et al. (2006) argumentieren, dass durch einen verpflichtenden Netzzugang die Möglichkei-
561
Ist dies der Fall, sind abweichende Regelungen laut dem Beck'schen von Regulierungsbehörde und Zugangswilligem gleichermaßen zu akzeptieren, vgl. ebda., S. 702.
264
5 Netzzugang und Effizienz
ten zur Weiterentwicklung des bestehenden Netzwerks erschwert werden562: Wenn Veränderungen des Netzes die Einlieferung von Netzzugangsnutzern betreffen, sei der Netzbetreiber auf die Zustimmung der Netznutzer angewiesen. Während ohne verpflichtenden Netzzugang eine Lösung auf dem Verhandlungswege wahrscheinlich erschiene, sei dies im Fall eines verpflichtenden Zugangsregimes nicht gegeben: Auf Grund des gesetzlich verbrieften Zugangsrechts hätten Netzzugangsnutzer entweder die Möglichkeit, die Weiterentwicklung des Netzes zu blockieren, oder sich dabei entstehende Renten anzueignen. Die Validität der Argumentation soll im Folgenden exemplarisch verdeutlich werden. Dabei sind zwei Ursachen zu unterscheiden, die eine Evolution des Netzwerks bedingen: - Veränderungen von Topologie des Netzes und Abläufen im Beförderungssystem als Reaktion auf externe Veränderungen, konkret die in Kapitel 5.4.2.1 beschriebenen räumlichen und zeitlichen Sendungsmengenverschiebungen - Anpassungen als Folge von Prozessinnovationen, etwa einer Erhöhung der maschinellen Sortiertiefe. Beispiele für den ersten Fall: Durch Konsolidierung steigt der Anteil bereits vorsortierter Sendungen. Dadurch kommt es zu einer rückläufigen Auslastung in den Abgangssortierzentren des bestehenden Netzwerks. Bei einem hohen Automatisierungsgrad sind Kapazitätsanpassungen in einem bestehenden Standort nur eingeschränkt möglich. Als Folge kann die Schließung einzelner Standorte aus Sicht des Netzbetreibers ökonomisch sinnvoll sein. Ein vergleichbarer Effekt kann von räumlichen Sendungsmengenverschiebungen ausgehen, wenn beispielsweise ein Massenversender den Druck- und Einlieferungsort für seine Briefe verändert. Ebenso ist denkbar, dass auf Grund einer veränderten Zuführung Kapazitätsengpässe in der Eingangssortierung auftreten. Anstatt die Kapazitäten aufzustocken – was in der Regel mit (erheblichen) Mehrkosten verbunden sein wird – können alternativ die Schlusszeiten für die Abgangssortierung an einzelnen Standorten vorverlegt werden, wodurch eine frühere Zuführung zum BZE ermöglicht wird. 562
Sie weisen ferner darauf hin, dass das Potenzial für Innovationen von Marktneulingen, die einen Netzzugang nutzen, geringer sei als bei Wettbewerbern mit eigener Netzinfrastruktur. Dies betrifft nach Ansicht des Autors vor allem Produktinnovationen, die sich leichter auf einem eigenen Netz realisieren lassen. Konkret könnte dies eine Leistungsdifferenzierung in der Zustellung sein. Dieses Thema wird aus Platzgründen nicht weiter vertieft.
5.5 Netzwerkeffizienz und Produktionseffizienz
265
Die Schließung von Standorten oder die Vorverlegung von Schlusszeiten obliegt in einer Welt ohne Netzzugang allein dem Netzbetreiber. Im Rahmen einer integrierten Planung kann er Anzahl und Lage seiner Standorte optimieren und Annahme/Einsammlung, Vorlauf und Hauptlauf neu ausrichten. Ein rational handelnder Netzbetreiber wird entsprechende Veränderungen der Netzstruktur immer dann vornehmen, wenn dies wirtschaftlich ist.
Gewährt ein Betreiber als Folge der gesetzlichen Verpflichtung einen Zugang zu seinem Netz, gestaltet sich eine Evolution des Netzes schwieriger: Teilleister und Konsolidierer können sich auf ihr Zugangsrecht berufen.563 Veränderungen des Netzwerkes, die ihre wirtschaftlichen Interessen tangieren, sind dann nur nach Verhandlungen oder – wenn sich die Marktteilnehmer nicht einigen können – nach einem Rechtsstreit möglich. Die eingangs genannten Beispiele dürften allesamt die wirtschaftlichen Interessen der Zugangsnutzer berühren: Frühere Schlusszeiten bedeuten für den Zugangsnutzer zumeist eine Vorverlagerung seiner Arbeitsschritte (also von Einsammlung und Vorsortierung), was wiederum mit seinen Interessen (Teilleister) bzw. den Interessen seiner Kunden (Konsolidier) kollidieren wird, die in der Regel an einer möglichst späten Abholung interessiert sind. Die Schließung von Abgangssortierzentren durch den Netzbetreiber kann dazu führen, dass es einzelnen Zugangsnutzern auf Grund der größeren Entfernung zu ihren Standorten nicht mehr möglich ist, die Sendungen zeitgerecht einzuliefern.564 Im Ergebnis heißt das: Können sich Netzbetreiber und Zugangsnutzer nicht einigen, wird die Evolution des Netzwerks entweder unterbleiben oder nur mit zeitlichen Verzögerungen vollzogen werden. Aus gesamtwirtschaftlicher Perspektive ist das immer dann schädlich, wenn die Veränderungen des Netzes unter sektoralen Kostengesichtspunkten sinnvoll gewesen wären.565
563
564
565
Auch Spulber, Yoo (2005b), S. 47, problematisieren: „[H]ow access requirements can interfere with network owners’ ability to design optimal network architectures.” Ein solch extremer Fall dürfte nur Konsolidierer betreffen, die auf Grund der Einsammlung von Sendungen mehrerer Absender selbst Zeitrestriktionen unterworfen sind. Für einen Teilleister könnte das beschriebene Szenario zwar mit Zusatzkosten verbunden sein, dürfte jedoch das Geschäftsmodell nicht grundsätzlich in Frage stellen. Unter Berücksichtigung der in Kapitel 5 beschriebenen Zusammenhänge gewinnt diese Problematik zusätzlich an Bedeutung: Die Simulation hat gezeigt, dass negative Auswirkungen von Netzzugang auf die Netzwerkeffizienz durch Anpassungen seitens des Netzbetreibers gemindert oder ausgeglichen werden können – allerdings nur, wenn der Netzbetreiber über entsprechende Freiheitsgrade (d.h. Verfügungsgewalt über das Netzwerk) verfügt.
266
5 Netzzugang und Effizienz
Die beschriebene Problematik tritt in verschärfter Form bei Investitionsentscheidungen auf. In Netzwerken bedürfen Investitionen oftmals der Kompatibilität zwischen verschiedenen Netzkomponenten. Lässt sich die Effizienz des Netzes beispielsweise durch den Einsatz einer neuen Sortiertechnologie (d. h. einer Prozessinnovation) steigern, muss auf allen Stufen der Wertschöpfungskette kompatible Technik eingesetzt werden.566 Daher hängen im Fall eines verpflichtenden Zugangsregimes sowohl das (sektorale) Ausmaß der Effizienzsteigerung durch eine Investition als auch der PayOff einer Investition (und damit der Anreiz) für den Netzbetreiber davon ab, ob die Zugangsnutzer ihre Vorleistungen kompatibel ausgestalten. Dies gibt ihnen in Verhandlungen mit dem Netzbetreiber über Anpassungen der Einlieferungsbedingungen Macht, sich zusätzliche Renten anzueignen und eröffnet Spielräume für nachvertraglichen Opportunismus.567 Der Netzbetreiber muss in einer solchen Situation mit „holdup“ rechnen.568 Als Konsequenz wird ein rationaler Netzbetreiber (Investor) sich entweder gegen die Investition entscheiden, oder er führt sie durch, wobei dann im Fall von Inkompatibilitäten nicht das volle (sektorale) Effizienzpotenzial ausgeschöpft wird.569 Ferner kann die Diffusion von Innovationen auf Grund der Verhandlungen zwischen Netzbetreiber und -nutzer verzögert werden. Die in diesem Abschnitt exemplarisch aufgezeigten negativen Auswirkungen von Netzzugang auf die Evolution eines Netzwerkes sind das Resultat von Pfadabhängigkeiten. Die Pfadabhängigkeit umschreibt den Sachverhalt, dass Unternehmen mit be566
567
568
569
Beispiel: Wenn der Netzbetreiber seine Ausscheidungstiefe in der Abgangssortierung von Leitregionen auf Zustellbezirke erhöht, um die Eingangsbearbeitung zu beschleunigen, müssen die Zugangsnutzer Sortiermaschinen besitzen, mit denen ebenfalle eine entsprechende Ausscheidungstiefe erreicht werden kann. Andernfalls können die Sendungen nicht in der Abgangssortierung „durchgeschoben” werden, d.h. die Vorarbeiten der Konsolidierer/Teilleister würden zu keinen oder nur marginalen Kostenreduktionen beim Netzbetreiber führen. Anders im Fall ohne Netzzugangsverpflichtung: Der Netzbetreiber wird die Zugangskonditionen so anpassen, dass sie Kompatibilität mit seiner Netz-Investition gewährleisten. Daraus resultierende Anpassungen auf Seiten der Zugangsnutzer stellen dann die Voraussetzung dar, um den Netzzugang weiterhin zu nutzen. Holdup bezeichnet das opportunistische Ausnutzen von Vertragslücken. Nachvertraglichem Opportunismus liegt die Annahme zu Grunde, dass a) alle Marktteilnehmer unter subjektiv begrenzten Informationen handeln und damit alle ex ante realisierbaren Verträge notwendigerweise unvollständig bleiben und b) dass sich die Marktteilnehmer eigennutzenmaximierend verhalten. Vgl. dazu detailliert Williamson (1996), S. 5 ff. In der neoklassischen Modellwelt vollständiger Information würden sich die Marktteilnehmer im Zuge von Verhandlungen stets auf ein wohlfahrtsoptimales Maß an Netzzugang und Investition einigen. Dies ist in der Praxis allerdings unrealistisch. „Where effective Competition exists, forcing access to facilities […] provide disincentives for efficiency. […] So forcing access […] may be inefficient […] in a Schumpeterian sense.” (Crew, Kleindorfer (2002a), S. 6).
5.6 Fazit
267
reits getätigten Investitionen in Zukunft abhängig vom getätigten Investitionsstock weiter investieren.570 Für die Regulierungsbehörden heißt das, dass nicht nur die in vorangegangenen Kapiteln aufgeworfenen Fragen zur statischen Effizienz zu berücksichtigen sind, sondern auch die Auswirkungen auf die dynamische Effizienz. Ein Netzzugangsregime, das in statischer Sicht zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einer Erhöhung der sektoralen Effizienz führt im Vergleich zu einem Zustand ohne Netzzugang, kann gleichermaßen in dynamischer Sicht einer Situation ohne Zugang unterlegen sein. 5.6 Fazit Die Beurteilung der Auswirkungen von Netzzugang auf die Produktionseffizienz muss unter Berücksichtigung von Netzwerkeffekten erfolgen. Die separierte Betrachtung einzelner Wertschöpfungsstufen greift zu kurz. Interdependenzen sind ein wesentliches Merkmal von Netzwerken. Dies gilt auch für das Briefnetz: Das Briefbeförderungssystem ist durch wertschöpfungsübergreifende Interdependenzen geprägt. Vor allem zwischen Abgangssortierung, Transport (Hauptlauf) und Eingangssortierung bestehen Abhängigkeiten. Verschieben sich durch Netzzugang Sendungsströme zeitlich oder räumlich, sind – um die Effizienz des Netzwerks aufrecht zu erhalten oder wiederherzustellen – Anpassungen notwendig. Solche Anpassungen sind nicht kostenlos. Das Ausmaß der Anpassungskosten ist ex ante nicht oder nur mit erheblichem Aufwand abzuschätzen. Je effizienter ein Netzwerk in der Ausgangssituation ohne Netzzugang konfiguriert war, desto höher dürften die induzierten Effizienzverluste sein. Ein hoher Automatisierungsgrad dürfte die Komplexität von Anpassungen zusätzlich steigern. Eine Bepreisung von Netzzugang mit Hilfe des Wegfallkostenansatzes berücksichtigt die beschriebenen Zusammenhänge nicht. Eine Arbeitsteilung mit effizienteren Unternehmen auf der Vorleistungsebene führt daher per Saldo nicht in jedem Fall zu einer Erhöhung der sektoralen Produktionseffizienz. Vor diesem Hintergrund erscheint es – unabhängig von der normativen Beurteilung des Netzzugangs mit Hilfe der Bottlenecktheorie – angebracht, die Festlegung von Netzzugangsbedingungen und -entgelten weitgehend den Marktteilnehmern zu über-
570
Vgl. Knieps (2007), S. 32 f.
268
5 Netzzugang und Effizienz
lassen. Nur durch die Berücksichtigung von Netzwerkeffekten können anreizkompatible Zugangskonditionen gestaltet werden, die sicherstellen, dass durch Netzzugang eine Erhöhung der sektoralen Produktionseffizienz erzielt wird. Dies gilt vor allem unter Berücksichtigung dynamischer Effizienz: Zur Implementierung von Prozessinnovationen wie z. B. einer „feineren“ Sortierung o. Ä. sind Verträge und Einlieferungsbedingungen zwischen Netzbetreiber und Netznutzer im Zeitablauf anzupassen. Ein Exante-Genehmigungsvorbehalt solcher Anpassungen führt zu Zeitverlusten und ist mit zusätzlichen Transaktionskosten verbunden. Vor allem läuft er Gefahr, Veränderungen der Einlieferungsbedingungen unter dem Schlagwort „Diskriminierungsfreiheit“ auf alle Marktteilnehmer auszudehnen, obwohl gerade die Ausdifferenzierung der Einlieferungsbedingungen Ausdruck effizienter Verhandlungslösungen ist.
6 Schlussbetrachtung Die Öffnung der europäischen Postmärkte ist Teil der Lissabon-Agenda, die darauf zielt, die Europäische Union zum wettbewerbsfähigsten und dynamischsten Wirtschaftsraum der Welt zu machen. Deutschland hat seinen Briefmarkt 2008 vollständig liberalisiert und nimmt damit in der EU eine Vorreiterrolle ein. Durch den Abbau der staatlichen Marktzutrittsschranken wurde eines der letzten großen Infrastrukturmonopole für den Wettbewerb geöffnet. Liberalisierung ist nicht gleichbedeutend mit Deregulierung. Dies gilt auch auf dem deutschen Briefmarkt. Nach der vollständigen Marktöffnung unterliegen die Anbieter weiterhin sektorspezifischen Regulierungsvorgaben, die über das allgemeine Wettbewerbsrecht hinausgehen. So verpflichtet § 28 PostG marktbeherrschende Unternehmen, ihre Dienstleistung zu entbündeln und Kunden sowie Wettbewerbern einen Zugang zu ihrem Netz zu gewähren (Teilleistungsszugang). Diese Verpflichtung stellt einen erheblichen Eingriff in den Marktprozess und in die Eigentumsrechte des regulierten Unternehmens dar. Ein solcher Eingriff bedarf in einer Marktwirtschaft einer fundierten Rechtfertigung. Die vorliegende Arbeit hat drei Fragen untersucht: Erstens, ob ein verpflichtender Netzzugang auf dem deutschen Briefmarkt ordnungspolitisch gerechtfertigt ist. Zweitens, welche Rolle der Netzzugang für die Entwicklung aktiven Wettbewerbs auf dem deutschen Briefmarkt spielt. Drittens, welche Auswirkungen von der Netzzugangsverpflichtung auf die Effizienz des bestehenden Netzwerkes ausgehen. Durch dieses Vorgehen sollte der Zusammenhang von Wettbewerb und Netzzugang auf dem deutschen Briefmarkt umfassend beurteilt werden. Die zentralen Ergebnisse der Arbeit lassen sich entlang der drei Hauptkapitel zusammenfassen: In Kapitel 3 wurde untersucht, ob die Netzzugangsregulierung in Deutschland einer wettbewerbstheoretisch fundierten Überprüfung Stand hält. Netzzugangsregulierung ist nur gerechtfertigt ist, wenn netzspezifische Marktmacht vorliegt. Andernfalls disziplinieren aktiver und potenzieller Wettbewerb den Netzbetreiber. Netzspezifische Marktmacht liegt vor, wenn mindestens ein Element der Wertschöpfungskette durch eine Kombination aus Größenvorteilen und hohen Markteintrittsbarrieren gekennzeichnet ist. Treten Größenvorteile in Kombination mit Irreversibilitäten auf, spricht
270
6 Schlussbetrachtung
man von monopolistischen Bottlenecks. Treten Größenvorteile in Kombination mit hohen nachfrageseitigen Markteintrittsbarrieren auf, wird die Bestreitbarkeit des Marktes ebenfalls verhindert. Die Auswertung der vorhandenen Literatur und die eigene Modellierung der Zustellkosten in Deutschland haben ergeben, dass das Briefbeförderungssystem nicht durch Bottlenecks gekennzeichnet ist: Nur auf der Stufe der Zustellung existieren ausgeprägte Größenvorteile. Sie beruhen auf Dichteeffekten. Diese treten allerdings nicht in Kombination mit irreversiblen Kosten auf. Alle anderen Wertschöpfungsstufen weisen weder nennenswerte Größenvorteile noch Irreversibilitäten auf. Die Kostenstrukturen spiegeln deutlich den Dienstleistungsnetz-Charakter des Beförderungssystems wider: Im Unterschied zu leitungsgebundenen Netzen fallen kaum Investitionen für materielle Infrastruktureinrichtungen an, deren Wert in einer anderen Verwendung verloren ginge. Der Markt ist daher bestreitbar. Ein Unternehmen, das nicht kostenbasierte Preise setzt, muss mit Markteintritten von Wettbewerbern rechnen. Selbst dort (in einigen Regionen), wo die Zustellung die Voraussetzungen eines natürlichen Monopols erfüllt, begrenzt potenzieller Wettbewerb die Marktmacht der DPAG. Dass nachfrageseitige Markteintrittsbarrieren die disziplinierende Wirkung aktiven oder potenziellen Wettbewerbs verhindern, hat sich in der Untersuchung nicht bewahrheitet. Nachfrageträgheit basiert auf Markentreue und/oder Wechselkosten. Übermäßige Markentreue ließ sich bei der Auswertung von Marktforschungen nicht bestätigen. Vielmehr zeigen die Ergebnisse von Marktforschungen eine steigende Wechselbereitschaft von Versendern. Wechselkosten in erheblicher Höhe, die einen Anbieterwechsel ebenfalls verhindern würden, konnte nicht nachgewiesen werden. Dies deckt sich mit Befragungen auf dem seit 2006 liberalisierten britischen Markt, in denen die Versender angeben, keinen übermäßigen Wechselkosten gegenüberzustehen. In Kapitel 4 wurde die Bedeutung von Netzzugang für die Entwicklung aktiven Wettbewerbs empirisch untersucht. Dazu wurden die strukturellen und regulatorischen Rahmenbedingungen analysiert und der Markt im Hinblick auf Ansatzpunkte für Wettbewerber segmentiert. Dabei zeigte sich, dass der deutsche Briefmarkt verhältnismäßig viele Ansatzpunkte für den Eintritt neuer Marktteilnehmer bietet. Diese Einschätzung wurde bei der Auswertung von Daten zur Markt- und Wettbewerbsentwicklung bestätigt: In allen Teilen der Bundesrepublik werden Briefdienste in Konkurrenz zur DPAG angeboten. Der weit überwiegende Teil der Wettbewerber hat in den Aufbau eigener Briefbeförderungssysteme investiert. Unabhängig von der Netzabdeckung
6 Schlussbetrachtung
271
der einzelnen Anbieter existieren heute deutschlandweit lokale und regionale Zustellnetze, die es den Anbietern im Rahmen von Kooperationen ermöglichen, auch ohne Nutzung des Netzes der DPAG Briefe zu jedem Empfänger in der Bundesrepublik zu befördern. Die rasch wachsenden Marktanteile der Marktneulinge in der Vergangenheit belegen, dass Versender in zunehmendem Maße die alternativen Angebote annehmen. Allerdings bewegt sich der Marktanteil der Wettbewerber mit 13 % weiterhin auf niedrigem Niveau, die DPAG bleibt vorerst marktbeherrschend. Die Befragung ausgewählter Anbieter und die Analyse ihrer Wettbewerbsstrategien haben ergeben, dass der Netzzugang für Konkurrenten der Post nur eine untergeordnete Rolle spielt. Lediglich Spezialisten (Konsolidierer) setzen auf diese Form des Wettbewerbs. Damit wurde das theoretisch abgeleitete Ergebnis aus Kapitel 3 empirisch bestätigt. Auch wenn der Netzzugang keine entscheidende Rolle für die Entwicklung aktiven Wettbewerbs spielt, wird er durch die Lohn- und Steuerpolitik erschwert: Die Rahmenbedingungen für Wettbewerber haben sich während des Entstehens dieser Arbeit massiv verschlechtert: Entgegen früherer Ankündigungen wurde das Privileg der Mehrwertsteuerbefreiung der DPAG bislang nicht abgeschafft. Auch eine steuerliche Gleichstellung der Wettbewerber blieb aus. Zudem hat die Bundesregierung zu Januar 2008 einen Mindestlohn von 9,80 Euro für Zusteller bei Briefdiensten in Westdeutschland (Ostdeutschland 9,00 Euro) eingeführt. Durch das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts von März 2008 wurde der Mindestlohn zunächst gestoppt. Wettbewerber können so weiterhin ihren Tarif zahlen, der mit 7,50 Euro dem seit Jahren vom Deutschen Gewerkschaftsbund geforderten gesetzlichen Mindestlohn entspricht. Sollte der Mindestlohn zu einem späteren Zeitpunkt eingeführt werden, ist zu erwarten, dass die Dynamik der Wettbewerbsentwicklung gehemmt wird. Mittelfristig dürfte die DPAG der dominierende Anbieter bleiben. Es existieren zwar weiterhin profitable Wettbewerbsstrategien und TNT Post hat erklärt, bis 2010 einen Marktanteil von 10 bis 15 % erreichen zu wollen. Allerdings stammen diese Ankündigungen aus einer Zeit, bevor der gesetzliche Mindestlohn eingeführt wurde. TNT Post hat als Reaktion auf die Einführung des Mindestlohnes den Aufbau eines Angebotes für kleine Unternehmen und private Versender gestoppt. Somit ist nicht mit einer Ausweitung des Angebots auf kleine Kunden zu rechnen, deren Post höhere Kosten in der Bearbeitung hervorruft. Ob der Mindestlohn Bestand haben wird, ist gegenwärtig
272
6 Schlussbetrachtung
Gegenstand juristischer Auseinandersetzungen und kann hier nicht abschließend beurteilt werden. In Kapitel 5 wurde der Einfluss von Netzzugang auf die Effizienz des bestehenden Netzwerks untersucht. Dazu wurden auf Basis von Interviews mit Produktionsexperten die möglichen Auswirkungen von Netzzugang auf das Briefnetz beschrieben und einige Szenarien anhand eines graphentheoretischen Modells simuliert. Die Ergebnisse zeigen, dass Netzzugang in einem optimierten Netzwerk auf Grund von Interdependenzen zwischen den Wertschöpfungsstufen zu statischen Effizienzverlusten führen kann. Um die Vorteilhaftigkeit von Netzzugang zu beurteilen, müssen diese Spillover-Effekte berücksichtigt werden. Netzzugang führt zu einer Erhöhung der sektoralen Produktionseffizienz, wenn die mengengewichteten Effizienzvorteile von Netzzugangsnutzern möglicherweise auftretende Mehrkosten durch eine Verringerung der Netzwerkeffizienz überkompensieren. Angesichts des komplexen Zusammenspiels der unterschiedlichen Komponenten in Netzwerken ergibt sich daraus die normative Forderung, die Festlegung von Zugangskonditionen weitgehend dem Markt zu überlassen. Untersuchungen aus dem Telekommunikationsmarkt zeigen, dass Netzzugang beim Netzbetreiber zu sinkenden Anreizen zu Prozessinnovationen führt, wenn sich die Zugangsnutzer durch den Zugang einen Teil der Renten sichern können. Dieses Ergebnis dürfte in allgemeiner Form auf den Briefmarkt übertragbar sein und könnte in künftigen Arbeiten modelltheoretisch oder empirisch überprüft werden. Bei Zugangsnutzern kann Netzzugang zu einer Verzerrung der Investitionsentscheidung führen: Sind Zugangsentgelte „zu niedrig“ gesetzt, sinken die Anreize zum Aufbau eigener Infrastruktur. Dieses Thema hat aus Sicht des Autors im Hinblick auf Produktinnovationen große Bedeutung: Da das Briefnetz ein Dienstleistungsnetz ist und entsprechend Netzund Dienstequalität untrennbar miteinander verbunden sind, bedürfen Produktinnovationen stets der Verfügungsgewalt über das Netz. Diesen Zusammenhang für den geöffneten Markt herauszuarbeiten und empirisch zu untersuchen, würde der Diskussion um die Auswirkungen von Netzzugang einen weiteren Aspekt hinzufügen. Zusammenfassend erscheint die Netzzugangsregulierung des PostG aus normativer Sicht verfehlt: Weder ist sie aus wettbewerbstheoretischer Sicht gerechtfertigt noch führt sie zu einer nennenswerten Stimulierung aktiven Wettbewerbs. Sie stellt einen Fehler erster Ordnung im Sinne von Überregulierung dar. Da Regulierung mit direkten und indirekten Kosten verbunden ist, ist sie bei fehlender Rechtfertigung abzulehnen. Dass Netzzugangsregulierung nicht unbedingt zu einem effizienten Maß an Arbeitstei-
6 Schlussbetrachtung
273
lung führt, hat die Analyse von Netzwerkinterdependenzen gezeigt. Gleichzeitig hat ein rationaler Netzbetreiber in einem geöffneten Briefmarkt ein Interesse, möglichst große Mengen in seinem System zu halten. Dass Netzzugang per se verweigert oder nur zu diskriminierenden Konditionen angeboten wird, erscheint nicht plausibel. Regulierungsbehörden sind daher gehalten, das Phasing-Out-Potenzial im liberalisierten Briefmarkt konsequent zu nutzen. Würde diese Deregulierungsmaßnahme begleitet von der Abschaffung weiterer wettbewerbshemmender Eingriffe wie der Umsatzsteuerbefreiung der DPAG oder der Verpflichtung zu einem Mindestlohn, wäre mit einer raschen Ausprägung stabiler wettbewerblicher Strukturen zu rechnen.
7
Schlussbetrachtung
7.1
Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
In der vorliegenden Arbeit wurde die These aufgegriffen, dass die herkömmliche Gesundheitsversorgung in Deutschland ineffizient bzw. ineffektiv ist und somit Optimierungspotenzial bietet.260 Um dieses Potenzial zu adressieren, hat der Gesetzgeber u. a. das Modell der Integrierten Versorgung entsprechend den §§ 140 a ff. SGB V geschaffen. Das Forschungsziel dieser Arbeit ist es, am Beispiel der (ambulanten) künstlichen Ernährung (d. h. der künstlichen Ernährungstherapie für mangelernährte Patienten) zu untersuchen, ob ein Integriertes Versorgungsmodell geeignet ist, die Effizienz und/oder Effektivität der Leistungserbringung zu steigern (vgl. Unterabschnitt 1.2.1). Dazu wurden im Rahmen dieser praxisnahen, theoretischen Studie die Kosten (resp. Erlöse) der ambulanten Leistungserbringung im (1) herkömmlichen Versorgungsmodell (Selbstverwaltung) und in (2) einem hypothetischen Integrierten Versorgungszentrum für ambulante künstliche Ernährung verglichen. Das zweite Modell zielt auf eine rationelle Versorgung von mangelernährten Patienten aus „einer Hand“, im Sinne der Integrierten Versorgung. Dadurch soll eine kompetente, unabhängige261 Betreuung gewährleistet werden, die unnötige Redundanz und medizinische Komplikationen vermeidet. Überdies ist durch die vorgeschlagenen Maßnahmen im Integrierten Versorgungsmodell ein relevanter Rationalisierungseffekt zu erwarten – bei gleichbleibender oder gar gesteigerter Qualität (vgl. zu Qualität bspw. Cicci et al. 1992; Gales et al. 1994b; Martínez et al. 2006).
260
261
Vgl. hier bspw. Wille (1998), der sich eine spürbare Steigerung von Effizienz und Effektivität im Gesundheitswesen, u. a. durch Integration, evidenzbasierte Behandlungspfade und ergebnisorientierte Vergütungssysteme, verspricht. Bspw. agiert das Zentrum unabhängig von Herstellern pharmazeutischer Produkte und vermeidet dadurch ungünstige Anreize hinsichtlich der Dauer und Menge der verschriebenen Ernährungslösungen.
218
Schlussbetrachtung
Für das IV-Modell ist es im Zuge der Arbeit gelungen,262 einen leitlinienbasierten und -konformen integrierten Behandlungspfad zu erstellen, der die drei hauptsächlichen Indikationen und Therapiefelder der künstlichen Ernährung im ambulanten Sektor abdeckt. Dabei handelt es sich um die orale, die enterale und die parenterale Ernährungstherapie. Außerdem war es möglich, mittels einer Prozesskostenanalyse die ökonomischen Konsequenzen (d. h. den Ressourcenverbrauch und die entstehenden Kosten) des Behandlungspfades zu bewerten. Dadurch konnten die Kosten der IVLeistungserbringung für drei typische, hypothetische Modellpatienten, die jeweils einer der drei Hauptindikationen der KE entsprechen, kalkuliert werden. Auf dieser Grundlage was es möglich, einen betriebswirtschaftlich bewerteten Vergleich der Behandlungskosten in der Regelversorgung und im Integrierten Zentrum durchzuführen. Dabei fällt die Gegenüberstellung der primären Kosten263 der beiden Modelle zunächst nachteilig für das IV-Modell aus. Demnach übersteigen die Kosten in diesem Modell diejenigen in der Regelversorgung um 17 bis 179%, abhängig vom Patiententyp (A – C264) und von der Art des Leistungserbringers in der Regelversorgung (Allgemeinoder Facharzt) (vgl. Abbildung 6-8). Für die höheren primären Kosten der Leistungserbringung in der Integrierten Versorgungslösung können im Wesentlichen die folgenden drei Gründe angeführt werden: (1) Die multidisziplinäre Betreuungsleistung entsprechend aktueller ernährungsmedizinischer Empfehlungen (sog. „Goldstandard“) im Integrierten Zentrum ist zeitund kostenintensiv. Die aktuelle Vergütungspraxis der Regelversorgung berücksichtigt die Kosten einer derartigen Behandlung nur unzureichend. Des Weiteren beinhaltet (2) die Versorgung im Integrierten Modell Leistungen, die in evidenzbasierten Richtlinien als unverzichtbare Bestandteile gelten, in der Regelversorgung jedoch nicht abrechenbar sind. Zudem ist die (eher) (3) konservative Berechnung der Kosten in der Regelversorgung anzuführen, ohne Berücksichtigung etwaiger Über-, Unter- und/oder 262 263 264
Vgl. die konkreten Einzelfragen als Ergänzung zur Kernfrage dieser Arbeit in Unterabschnitt 1.2.1. Vgl. Unterabschnitt 2.2.2 für eine Definition der verwendeten Kostenbegriffe. Demnach benötigt Patient A eine orale, Patient B eine enterale und Patient C eine parenterale Ernährungstherapie (vgl. Unterabschnitt 6.2.1).
219
Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
Fehlversorgung.
Diese Vorgehensweise nimmt für die IV „ceteris paribus“-
Bedingungen an, d. h., zunächst wird unterstellt, dass das oben erwähnte Optimierungspotenzial durch das Integrierte Versorgungsmodell nicht genutzt werden kann. Als erstes Zwischenergebnis kann demnach festgehalten werden, dass die Kosten einer leitlinienkonformen Behandlung gemäß „Goldstandard“ durch die derzeitige Vergütungspraxis nach EBM 2000plus nicht gedeckt sind. Damit ist die Versorgung im IV-Zentrum aus Sicht der Kostenträger teurer als eine Behandlung entsprechend der aktuellen Versorgungsrealität, was einen Systemwechsel zunächst unattraktiv erscheinen lässt. Diese Aussage gilt allerdings nur unter der Annahme von „ceteris paribus“-Bedingungen, d. h. ohne die Berücksichtigung des etwaigen Nutzens der Behandlung im IV-Zentrum bzw. der reduzierten sekundären Kosten, bspw. durch verringerte Über-, Unter- und/oder Fehlversorgung. Diese Hypothese trifft vermutlich nicht zu. Vielmehr ist bei der Leistungserbringung der
künstlichen
Ernährungstherapie
durch
ein
spezialisiertes
Zentrum
die
Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sowohl die subjektive als auch die objektive Qualität der Behandlung für die mangelernährten Patienten ansteigt. Bezieht man daher im nächsten Schritt den Nutzen und die sekundären Kosten in die Analyse ein, können drei signifikante Einsparhebel identifiziert und auch quantifiziert werden. Dabei handelt es sich (nach absteigender Wirkung) um: (a) die Ausgaben für Ernährungslösungen. Hier geht es bspw. um die kritische Prüfung der medizinischen Indikation, insbesondere bei der Verordnung von Spezialprodukten, sowohl zu Anfang einer Maßnahme als auch im Behandlungsverlauf. (b) die Komplikationsraten im Zuge der ernährungsmedizinischen Behandlung und damit verbunden die Anzahl kostenintensiver Wiedereinweisungen ins Krankenhaus.
Hier sollen Komplikationen wie Katheterinfektionen, Stoffwechselentglei-
sungen oder persistierende Kachexie265 vermieden werden, die vielfach zu wiederkehrenden und meist kostenintensiven Krankenhausaufenthalten führen.
265
Sog. „Auszehrung“; Bezeichnung für eine „schwere Form der Abmagerung“ (Pschyrembel 2007, Suchwort: Kachexie).
220
Schlussbetrachtung
(c) betriebliche Lerneffekte. Dabei kommt durch die höhere Anzahl der betreuten Patienten in der integrierten künstlichen Ernährungstherapie der Effekt von betrieblichen Lernkurven zum Tragen.
Jeder einzelne dieser drei Hebel ist im Idealfall eigenständig in der Lage, das für die leitlinienkonforme Behandlung ungünstige Verhältnis aus der Betrachtung der primären Kosten umzukehren.
Dies trifft allerdings nicht auf Patient A zu, der
aufgrund der oralen Ernährungstherapie nur eine einmalige Behandlung im IVZentrum benötigt. Daher wurde dieser Patiententyp nicht näher untersucht. Eine weitere Ausnahme zu dieser Aussage findet sich beim dritten Hebel, der den Einfluss von betrieblichen Lernkurven beschreibt. Dessen Wirkung reicht beim Patiententyp C für sich alleine genommen nicht aus, um die Einschätzung der Rangfolge umzukehren. Die Robustheit der Forschungsresultate im Zusammenhang mit Variationen der Modellannahmen wurde durch sogenannte „one-way“- und „multi-way“-Sensitivitätsanalysen bestätigt (vgl. Abschnitt 6.4). Nicht unerwähnt bleiben soll der Umstand, dass neben den quantitativen Vorteilen auch ein qualitativer Nutzen durch die Betreuung im Integrierten Versorgungsmodell zu erwarten ist. Dieser umfasst bspw. eine verbesserte medizinische Versorgung und systematische Qualitätssteigerungen.
Die qualitativen Auswirkungen standen im
Rahmen der vorliegenden Arbeit indes nicht im Betrachtungsfokus.
Angesichts dieser Forschungsergebnisse und unter Berücksichtigung der dabei getroffenen Annahmen lässt sich die Kernfrage der vorliegenden Arbeit, die in Unterabschnitt 1.2.1 wie folgt gestellt wurde, positiv beantworten: Kann mittels einer Integrierten Versorgungslösung die ambulante Leistungserbringung im Bereich der künstlichen Ernährung effizienter und/oder effektiver erbracht werden, als dies in der Regelversorgung möglich ist, wobei zugleich die Versorgungsqualität mindestens auf ebenbürtigem Niveau bleibt?
221
Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen
Demnach bietet eine Integrierte Versorgungslösung die Möglichkeit, die Effizienz und Effektivität bei der künstlichen Ernährungstherapie zu steigern, und das bei zumindest gleichwertigen qualitativen Behandlungsergebnissen.
Folglich ist auch ein
ökonomisch tragfähiges Modell denkbar, in dem sich eine IV-Lösung für KE umsetzen lässt. Diese Einschätzung wird durch Forschungsberichte aus anderen medizinischen Teilgebieten bestätigt. In diesem Zusammenhang berichtet bspw. Dolderer (2006, S. 10) von der Wirtschaftlichkeitsanalyse zu einem Integrierten Versorgungsprojekt in Münster, bei dem die Versorgung von Knie- und Hüft-Endoprothetik im Fokus steht. In seinem Beispiel liegen die vollständigen Versorgungskosten im IV-Modell um durchschnittlich 10% unter denjenigen in der Regelversorgung.266 Allerdings sind die Erkenntnisse und die vorgestellten Potenziale der vorliegenden Arbeit bisher ausschließlich theoretisch validiert bzw. aus Primärstudien abgeleitet. Zunächst entspricht dieses Vorgehen dem Zweck dieser Arbeit, nämlich den Adressaten die Entscheidungsgrundlage für die Investition in derartige Konzepte zu liefern (vgl. Unterabschnitt 1 .2.2). Stellen die Adressaten nun, wie aus Sicht dieser Arbeit angeraten, die notwendigen finanziellen Mittel zur Verfügung, kann der logisch nächste Forschungsschritt unternommen werden: die Überprüfung und Verfeinerung der Studienergebnisse durch eine praktische Umsetzung, idealerweise in Form des dafür methodisch besten Ansatzes – einer doppel-blinden, randomisierten und kontrollierten Studie (vgl. Unterabschnitt 1.3.2). Dies bietet die Chance, dem Forschungsvorhaben eine neue Qualität zu geben. Erst durch die praktische Umsetzung, z. B. im Rahmen eines Modellprojekts, lassen sich die theoretisch getroffenen Annahmen und antizipierten Wirkungen verifizieren.
So
könnte eine etwaige Unter- bzw. Überschätzung der Kostenannahmen und Fallzahlen ebenso korrigiert werden wie eine eventuelle Unter- bzw. Überschätzung des Einsparpotenzials (vgl. Hildebrandt 2004). Tatsächliche Einsparpotenziale könnten aus dem Kostenvergleich von realen Modellpatienten mit vergleichbaren Kontrollpatienten, die 266
Indes ist die direkte Vergleichbarkeit zur KE eingeschränkt, da es sich erstens um eine andere medizinische Indikation handelt und zweitens die Behandlung vorwiegend im stationären Versorgungsbereich durchgeführt wird.
222
Schlussbetrachtung
die traditionelle Versorgung erhalten, ermittelt werden.
Zudem offenbart
erfahrungsgemäß erst der Routineeinsatz in der Praxis etwaige Schwachstellen und/oder Defizite und ermöglicht dadurch entsprechende Anpassungen bzw. Nachbesserungen (vgl. Hensen 2007).
7.2
Ausblick
Wie in der Zusammenfassung angedeutet, ist der nächste Forschungsschritt die praktische Umsetzung des vorgeschlagenen Integrierten Versorgungszentrums. Auf diese Weise können die vorangegangenen Forschungsergebnisse validiert und ggf. der Ansatz/das Vorgehen adaptiert werden. Zudem kann dadurch eine belastbare Datenbasis geschaffen und Aussagen zu qualitativen und ökonomischen Aspekten der Leistungserbringung getroffen werden. Dabei wäre der Einsatz statistischer Analysen und Verfahren möglich. Letztendliches Ziel des nächsten Forschungsabschnittes ist die Entwicklung eines ökonomisch tragfähigen und umsetzbaren Modells für die Leistungserbringung bei KE als Alternative zur Regelversorgung. Sofern die praktische Erprobung positiv ausfällt, ist als nächster Schritt die Ausgestaltung eines risikoadäquaten IV-Vertrages inkl. Vergütungsmodell vorzunehmen (vgl. bspw. Tophoven et al. 2003). Die Herausforderung dieses Unterfangens sollte nicht unterschätzt werden (vgl. Mühlbacher 2007a; Mühlbacher et al. 2007).
Im
Zusammenhang mit der Vergütung ist der juristische Ausgang hinsichtlich der Beschlussvorlage des G-BA zur eingeschränkten Verordnungsfähigkeit enteraler Ernährung und der erstinstanzlich für rechtswidrig erklärten Ersatzvornahme des BMGs von Relevanz (vgl. Abschnitt 6 .1). Weiterhin müssen geeignete ökonomische Anreize etabliert werden, damit der dauerhafte Erfolg der transsektoralen (d. h. integrierten) Versorgungsstruktur für KE gewährleistet ist (vgl. Salfeld et al. 2008). Dazu ist ein leistungsgerechtes Vergütungssystem unabdingbar, also die Kopplung von Vergütung und Leistung (bspw. mittels Komplexpauschalen) (vgl. Abraham et al. 2007; Salfeld et al. 2008).
Kurz gefasst: „Das Geld […] [muss] der guten und
patientengerechten Leistung“ folgen (Wiek 2006, S. 86).
223
Ausblick
Auch ist die Risikoverteilung zwischen den Vertragspartnern zu klären, bevor es zum breiten Einsatz des Modells kommen kann.
Zu Beginn eines Integrierten
Versorgungsprojektes besteht ein hoher Investitionsbedarf, der mit unternehmerischen Risiken behaftet ist (vgl. ausführlich Fritsche 2007; vgl. auch Hildebrandt 2004). Diese Risiken wurden durch die gesetzliche Neuregelung der Anschubfinanzierung bei der IV aus dem Jahr 2004 zwar gemildert, allerdings sind sie nicht vollständig verschwunden (vgl. Wohlgemuth 2007). Die durch die Leistungserbringer getätigten Investitionen267 sind überwiegend als transaktionsspezifisch einzustufen, sodass sie entsprechend der Prinzipal-Agent-Theorie die Gefahr des Hold up mit sich bringen (vgl. dazu ausführlich Gliederungspunkt 2 .3.4.2, insbesondere das Problem der „Verborgenen Absichten“).
Kostenträger könnten demnach einen IV-Vertrag
abschließen, diesen allerdings nach kurzer Laufzeit wieder kündigen oder verbesserte Konditionen vom Leistungserbringer einfordern. Um dieses Risiko zu minimieren, ist ein geeigneter Interessenausgleich notwendig. Dazu kommt bspw. eine Teilung der Investitionssumme und/oder ein Joint Venture infrage. Daneben könnten Vertragslaufzeiten vereinbart werden, über die sich die Anlauf- und Investitionskosten amortisieren können. Eine Lösung bzw. Klärung dieser Fragen ist unumgänglich, da nicht jeder Leistungserbringer bzw. potenzielle Betreiber einer IV-Lösung gewillt sein wird, derartige Risiken uneingeschränkt zu tragen. Sind die Vertragsverhandlungen mit dem (den) Kostenträger(n) erfolgreich, kann die regelmäßige Behandlung von IV-Patienten aufgenommen werden. Je nach Ergebnis der praktischen Umsetzung kann auch eine Adaption des Lösungskonzeptes sinnvoll sein.
Diesbezüglich könnte sich bspw. eine Fokussierung auf
bestimmte Patientensegmente (z. B. Bewohner von Senioren- und Pflegeheimen) als zielführend erweisen (vgl. bspw. Pauly et al. 2006). Dies resultiert aus dem Umstand, dass zunehmend alte und multimorbide Menschen von KE betroffen sind und diese
267
Hierzu zählen bspw. die Opportunitätskosten, der organisatorische Aufwand (z. B. der Entwicklungsaufwand, die Kosten für die Personal- und Patientenrekrutierung sowie für Dokumentation und Qualitätssicherung) und die direkten Investitionen in Geräte, (medizinische) Praxisausstattung sowie Bau- und Umbaumaßnahmen (vgl. Fritsche 2007; Gliederungspunkt 6.2.3.2).
224
Schlussbetrachtung
häufig in geriatrischen Einrichtungen betreut werden (vgl. bspw. Hoischen et al. 2008). Durch diesen Fokus könnte ggf. direkter Einfluss auf die in Abschnitt 6.1 beschriebene Problematik der versteckten Information und der verborgenen Handlungen („hidden information“ und „hidden action“) im Bereich der Pflegeheime genommen werden. In diesem Zusammenhang kann ein adäquates Modell auch ausreichende Anreize268 (bezogen auf die Attraktivität und Rentabilität der KE) für bisher nicht interessierte Mediziner bieten. Gegebenenfalls ist auch eine Kombinationslösung aussichtsreich, bei der die Einrichtung eines spezialisierten IV-Zentrums durch ein Schulungskonzept begleitet wird. Dies zielt darauf ab, Praktiker in der Fläche mit ernährungsmedizinischem Fachwissen zu versorgen.
Neben niedergelassenen (Fach-)Ärzten könnten auch deren
(Arzt-)Helfer geschult werden. Dieser Ansatz entspricht dem neuesten Trend in der ambulanten Behandlung und kann den flächendeckenden Nutzen des Konzeptes sichern (vgl. bspw. Schöneich 2008; vgl. auch Vorschlag bei Buzby et al. 1998; Moriarty et al. 2000; O’Brien et al. 1986; Pennington 2002). Für die weiterführende wissenschaftliche Forschung bieten sich sowohl bei der praktischen Erprobung als auch beim realen Einsatz des IV-Modells interessante Fragestellungen – einerseits verbunden mit der Dokumentation und Interpretation der erzielten Ergebnisse, andererseits im Hinblick auf weitere Gestaltungsempfehlungen.
Auch über den Bereich der künstlichen Ernährung hinaus kann die Arbeit dienlich sein. Die Ergebnisse können der interessierten Fachöffentlichkeit als Ausgangspunkt für weitere Forschungsfragen dienen bzw. das Vorgehen und/oder der Erkenntnisgewinn auf andere medizinische Indikationen übertragen und angewendet werden. Hierbei eignen sich jene Indikationen besonders, die wie die KE durch die Verwerfungen der 268
Die nachfrageseitige Teilung der Kosten zur Überwindung der problematischen Prinzipal-Agent-Beziehungen wurde von der Betrachtung allerdings ausgenommen (vgl. Gliederungspunkt 2.3.4.4). Der Grund dafür ist, dass vorwiegend (hoch-)betagte Menschen, chronisch Kranke, multimorbide Patienten sowie Schwer- und Schwerstkranke von Mangelernährung betroffen sind (vgl. Germis 2006; Menebröcker et al. 2006; Pauly et al. 2006; Volkert et al. 2004). Dieser Gruppe von sozial schwachen Individuen sollten keine zusätzlichen finanziellen Bürden auferlegt werden (vgl. Empfehlung von Kombinationslösungen im Zuge der Ansätze für die Risikoteilung in Gliederungspunkt 2.3.4.4).
Ausblick
225
Versorgungssektoren beeinträchtigt werden und gleichzeitig gesundheitsökonomisch relevant sind (d. h. vergleichsweise hohe Behandlungskosten und eine relevante Anzahl an Betroffenen aufweisen). Vielversprechende Bereiche, bei denen die Koordination stationärer und ambulanter Leistungen eine hohe Bedeutung besitzt, könnten bspw. im Zusammenhang mit geriatrischen und psychiatrischen Patienten oder bei Rehabilitationsmaßnahmen vorgefunden werden. Diese Gebiete bieten ein ergiebiges Feld für künftige Studien.
8
Anhang
8.1
Definition von Versorgungsleistung im Gesundheitssystem
Der Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen thematisiert in seinem Gutachten aus dem Jahr 2000/2001 die Versorgungsleistung im Gesundheitssystem (vgl. SVR 2001b). Dabei bestimmt er die Begriffe der bedarfsgerechten und wirtschaftlichen Versorgung (vgl. Abbildung 8-1) sowie den der defizitären Versorgung (vgl. Abbildung 8-2).
• Bedarfsgerechte Versorgung – Leistungen sind indiziert, – Haben einen positiven medizinischen Netto-Nutzen und – Werden fachgerecht erbracht
• Wirtschaftliche Versorgung – Bedarfsgerechte Leistungen werden in effizienter Form, d.h. mit akzeptabler Kosten-Nutzen-Relation erbracht (vgl. auch § 106 Abs. 2a SGB V)
Abbildung 8-1
Bedarfsgerechte und wirtschaftliche Versorgung
Quelle:
Eigene Darstellung; angelehnt an SVR 2001b, S. 17ff.
228
Anhang
Überversorgung
Unterversorgung
Fehlversorgung
Behandlung, die aus medizinischen Gründen nicht notwendig und
Die teilweise oder gänzliche Verweigerung von Versorgungsleistungen trotz anerkannten Bedarfs
Jede Versorgung durch die ein vermeidbarer Schaden entsteht; z.B. dadurch, dass
• Deren Nutzen hinreichend
deren Nutzen nicht hinreichend gesichert ist,
• Deren Nutzen nicht hinreichend gesichert ist
• Die in unwirtschaftlicher (ineffizienter) Form erbracht wird oder
• Deren geringer Nutzen die Kosten nicht rechtfertigt Beispiele
• Doppeluntersuchungen bei Krankenhausaufnahme
• Überdurchschnittlich hohe
• Leistungen erbracht werden
gesichert ist und
• Deren Einsatz wirtschaftlich
• Behandlungen nicht
vertretbar ist
fachgerecht durchgeführt oder
Beispiele
• Gliedmaßenamputationen
• Leistungen unterlassen oder nicht rechtzeitig erbracht werden,
bei Diabetes-Patienten ggf. nicht notwendig
• Fehlmedikation (z.B. bei
• Deren Nutzen und Wirtschaftlichkeit hinreichend gesichert sind
Diabetes)
Linksherz-KatheterUntersuchungen
• Verordnung unwirksamer
Beispiele
• Einstellen von Risiko-
(nicht evidenter) Arzneimittel
• Zu häufige Verordnung von Antibiotika
Abbildung 8-2
Defizitäre Versorgung
Quelle:
Eigene Darstellung; angelehnt an SVR 2001b, S. 19.
faktoren nach Herz-OP und Krankenhausentlassung ungenügend (Bluthochdruck…)
Definition von Versorgungsleistung im Gesundheitssystem
229
Die in Tabelle 8 -1 dargestellte Übersichtsmatrix erleichtert die Zuordnung einer erbrachten Leistung zu einer der genannten Kategorien.
Tabelle 8-1
Übersichtsmatrix der Versorgungsleistung
Quelle:
* Annahme: Leistung mit gesichertem gesundheitlichen Netto-Nutzen und angemessener KostenNutzen-Relation ** Annahme: Es wird auch keine alternative Leistung erbracht Eigene Darstellung; angelehnt an SVR 2001b, S. 19 & 129.
230 8.2
Anhang
Historie der Sektorentrennung und Gründe für deren Einführung
Die Herkunft der zersplitterten Strukturen in der deutschen Gesundheitsversorgung kann bis zur Sozialpolitik des Deutschen Kaiserreiches zurückverfolgt werden (vgl. BpB 2007b).
1883 gründete Reichskanzler Otto von Bismarck die gesetzliche
Krankenversicherung (GKV) zum Schutz der Industriearbeiter vor elementaren Risiken (vgl. Gabler Wirtschaftslexikon 2008, Suchwort: Reichsversicherungsordnung (RVO)). Hierbei erwies sich das System als überaus rigide – noch heute ist die GKV der maßgebliche Kostenträger im Gesundheitssystem.
Durch ihre Gestaltung als beitrags-
finanzierte Pflichtversicherung für Arbeitnehmer steht die GKV im engen Zusammenhang mit der Lohn-, Gehalts- und Rentenentwicklung. Aus dieser Verbindung zum Arbeits- bzw. Ruhestandseinkommen der Mitglieder resultiert ein erheblicher Teil der aktuellen Finanzierungsproblematik (vgl. Boetius 2000; Kayser et al. 1998). Weiterhin hat die Sektorentrennung das letzte Jahrhundert überdauert. In den Anfangszeiten hatten die Krankenkassen die mächtigste Position im Gesundheitssystem dank der rapide wachsenden Zahl von gesetzlich Versicherten.
Die Kassen schlossen
Einzelverträge mit Ärzten oder eröffneten „Ambulatorien“, in denen sie eigene Ärzte beschäftigten (Blöß et al. 2003, S. A-2195). Dadurch konnten sie die Bedingungen ärztlicher Arbeit, bspw. die Steigerungen der ärztlichen Vergütung und die Zulassung zur kassenärztlichen Versorgung, maßgeblich beeinflussen. Die Ärzte reagierten darauf im Jahr 1900 mit der Konsolidierung ihrer Interessen und Gründung einer Interessenvertretung. Der Leipziger Arzt Hermann Hartmann rief den „Leipziger Verband“ (seit 1924 in „Hartmannbund“ umbenannt) ins Leben, dem bereits im Jahr 1913 circa drei Viertel aller Ärzte in Deutschland angehörten (vgl. BpB 2007b).
Im Anschluss an die Gründung kam es jedoch nicht zu einer gütlichen
Einigung mit den Kassen, sondern zu umfangreichen Auseinandersetzungen in Form von mehr als 700 Arbeitskämpfen und Boykotten. Aus den Auseinandersetzungen bildeten sich schließlich neben anderen Errungenschaften zwei hauptsächliche Besonderheiten des deutschen Systems heraus.
Zum einen die strikte Trennung
zwischen dem ambulanten und dem stationären Leistungssektor, zum anderen die „ausgeprägte doppelte Facharztstruktur“ (BpB 2007b, o. S.).
Die gesetzlichen Änderungen zur Integrierten Versorgung in der Übersicht
8.3
231
Die gesetzlichen Änderungen zur Integrierten Versorgung in der Übersicht
Die nachfolgende Tabelle stellt die Änderungen der gesetzlichen Grundlage der Integrierten Versorgung vor und nach der Reform 2004 detailliert gegenüber (vgl. Tabelle 8-2).
Tabelle 8-2
Gegenüberstellung der gesetzlichen Änderungen bei der Integrierten Versorgung
Integrierte Versorgung
ALT (Bis 31. Dez. 2003)
NEU (Ab 1. Jan. 2004)
Gesetzliche
§§ 140 a-h SGB V
§§ 140 a-d SGB V
Begriffsbe-
„eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende
„eine verschiedene Leistungssektoren übergreifende
stimmung
Versorgung der Versicherten“
Versorgung der Versicherten oder eine inter-
Grundlage
(§ 140 a Abs. 1)
disziplinär-fachübergreifende Versorgung“ Versorgung außerhalb des vertragsärztlichen Sicherstellungsauftrages
Vertragspartner
Abschließende Aufzählung:
Abschließende Aufzählung:
der Kranken-
• KVen
• N/a
kassen (§ 140 b)
• Gemeinschaften von Vertrags-(zahn)ärzten
• Einzelne Vertrags-(zahn)ärzte
• Sonstige Leistungserbringer
• Sonstige Leistungserbringer
• Träger von Krankenhäusern
• Träger von Krankenhäusern
• Träger von stationären Vorsorge- und Reha-
• Träger von stationären Vorsorge- und Reha-
Einrichtungen Träger ambulanter Reha-Einrichtungen
Einrichtungen • Träger ambulanter Reha-Einrichtungen • Träger von Einrichtungen, die integrierte Versorgung mit zugelassenen Leistungserbringern anbieten („Managementgesellschaften“) • Träger Medizinischer Versorgungszentren
• Die jeweiligen Gemeinschaften Beitritt Dritter
Strittig
• Die jeweiligen Gemeinschaften Nur mit Zustimmung aller Vertragspartner (§ 140 b Abs. 5)
zum Vertrag Gesetzliche An-
Medizinische Versorgung, Vergütung, Qualität,
Medizinische Versorgung, Vergütung, Qualität,
forderungen an
Dokumentation, Datenfluss, GKV-zugelassene
Dokumentation, Datenfluss, GKV-zugelassene
die Leistungs-
Leistungen
Leistungen
erbringung (§ 140 b Abs. 3) Berechtigung zur
Vertragspartner der integrierten Versorgung
Leistungs-
können sich auf der Grundlage ihres jeweiligen
232
Anhang
erbringung
Zulassungsstatus für die Durchführung der integrierten Versorgung darauf verständigen, dass Leistungen auch dann erbracht werden können, wenn die Erbringung dieser Leistungen vom Zulassungs- oder Ermächtigungsstatus des jeweiligen Leistungserbringers nicht gedeckt ist (§ 140 b Abs. 4)
Finanzierung
• Vergütung ist vertraglich zu vereinbaren
• Vergütung ist vertraglich zu vereinbaren
bzw. Vergütung
• Bereinigung der vertragsärztlichen Gesamt-
• Keine Bereinigung der Krankenhausbudgets in
(§ 140 c bzw.
vergütung und der Budgets teilnehmender
§ 140 d)
Krankenhäuser
den Jahren 2004 – 2006 • 2004 – 2006: Bis zu 1% Kürzung der vertragsärztlichen Gesamtvergütungen und der Krankenhausrechnungen zur Finanzierung der Integrierten Versorgung „soweit die einbehaltenen Mittel zur Umsetzung von nach § 140 b geschlossenen Verträgen erforderlich sind“. • Bei Finanzierungsvolumen über 1%: Bereinigung der vertragsärztlichen Gesamtvergütungen
Beitragssatzstabi- Beitragssatzstabilität
Ausnahme von der Beitragssatzstabilität für
lität
Verträge, die bis Ende 2006 geschlossen werden (§ 140 b Abs. 4)
Rahmenverein-
Verpflichtende Rahmenvereinbarung GKV-KBV
barungen
(§ 140 d)
Bonusregelung
Bonus für Versicherte möglich (§ 140 g)
Evaluation
Wissenschaftliche Begleitung möglich (§ 140 h)
Rahmenempfehlung GKV-DKG (§ 140 e)
• Aufgehoben für Verträge ab 1. Jan. 2004 • Aufgehoben für Verträge ab 1. Jan. 2004 § 140 g aufgehoben; Ermäßigung Zuzahlung, Bonus für Versicherte nach § 65 a SGB V möglich
Quelle:
Eigene Darstellung; angelehnt an DKG 2004.
Aufgehoben
233
Weitere Abbildungen
8.4
Weitere Abbildungen
Sachleistungs- und Sozialprinzip*
Verantwortungsvakuum der Beteiligten**
Freifahrer-Mentalität Moral-Hazard-Verhalten Angebotsinduzierte Nachfrage
Einnahmenerhöhung (Versichertenkreis und Beitragssatz)
Steigendes Anspruchsdenken der Versicherten
Rationalitätenfalle*** Finanzierungsprobleme der GKV – Einnahmen < Ausgaben Steigende Nachfrage nach Gesundheitsgütern
Steigende Leistungsausgaben der GKV
Abbildung 8-3
Quelle:
Teufelskreis der Gesetzlichen Krankenversicherung
* Versicherte und Leistungserbringer setzten sich nicht mit den monetären Konsequenzen ihres Handelns auseinander ** Der Nutzen der Gesundheitsgüter ist individuell, die Kosten sind jedoch kollektiv *** Keine Kosten-Nutzen-Abwägungen Eigene Darstellung; angelehnt an Oberender et al. 1998, S. 63.
234
Anhang Größe des Gestaltungsspielraums
Seit Juni 1997 – Modellvorhaben
Seit Dezember 1999 – Integrierte Versorgung
• Weitgehende Vertrags• Einzelverträge unter Einbin-
• Begrenzung auf 8 Jahre • Notwendigkeit wissenschaftlicher Evaluation
Seit 2004 – Integrierte Versorgung neu (GMG)
dung der KV im ambulanten Bereich
• Anerkennung der IV durch Gesetzgeber
• Keine IV-spezifische Rege-
freiheit
• Möglichkeit zur Einbehaltung einer Anschubfinanzierung
• Möglichkeit zum Abschluss von Einzelverträgen ohne Beteiligung der KV
lung Inhalt
• Durchführung von Modellvorhaben nach § 63 SGB V (vor GMG)
• Vereinbarung dieser Modellvorhaben mit Leistungserbringern nach § 64 SGB
• Erste Regelung der integrierten Versorgung im Rahmen des § 140 a – h SGB V
• Sehr detaillierte Regelung mit geringem Gestaltungsspielraum
• Reform des §§ 140 a ff. SGB V
• Verbesserter Gestaltungsspielraum der Vertragspartner
• Anschubfinanzierung
Abbildung 8-4
Entwicklung rechtlicher Rahmenbedingungen für die Integration der Versorgung
Quelle:
Möhlmann 2005, S. 4.
Tabelle 8-3
Unterschiede bei Produktkosten für Ernährungslösungen (Beispiele)
Produkt
PZN
Hersteller
Kosten pro Menge pro GesamtEinheit Einheit kosten in EUR in EUR
Parenterale Ernährung: 2 hinsichtlich ihrer Zusammensetzung genau identische 40%-ige Glukoselösungen zur hochkalorischen PE Glucosteril® Traubenzuckerlösung 40% Infusionslösung, 10 x 500 ml (Glasfl.) Glucose 40% pfrimmer Infusionslösungen, 10 x 500 ml (Glasfl.)
2156261
Fresenius Kabi Deutschland
1653313
Baxter Deutschland GmbH
10,59
10
52,94
8,44
10
42,21
-2,15
(20,3%)
Parenterale Ernährung: 2 fast identische Fettemulsionslösungen, vor allem auch zur Zufuhr von essenziellen Fettsäuren Deltalipid® LCT 20% Infusionslösung, 10 x 500 ml (N3) (Glasfl.) Lipofundin® 20% N Emulsion zur i.v. Infusion, 10 x 500 ml (N3) (Glasfl.)
2563606
DeltaSelect GmbH
75,12
10
751,22
6334676
B. Braun Melsungen AG
55,95
10
559,51
-19,17
Quelle:
(25,5%)
Eigene Darstellung; Werte basieren auf den Abgabepreisen öffentlicher Apotheken (Stand: 08/2008); vgl. auch Rote Liste Service GmbH 2008.
Appendix Inhaltsverzeichnis Appendix A1: Vergleich des Liberalisierungsprozess in den USA und der EU
276
A 2: Zustellkosten in Deutschland
277
Details zur Formalisierung des Modells
277
Details zur Parametrisierung des Modells
285
Details zu den Ergebnissen der Modellierung
291
Vereinfachungen und Abweichungen von der betrieblichen Realität
291
Absolute Ergebnisse für Deutschland
294
Sensitivitäten bei Veränderung von Annahmen
295
A 3: Annahmen zur Netzwerksimulation
300
Appendix
276
A 1 Vergleich des Liberalisierungsprozesses in den USA und der EU Die Liberalisierung der Briefmärkte in den USA und der Europäischen Union unterscheidet sich grundlegend. Die folgende Abbildung verdeutlicht dies: Abbildung 31: Vergleich Liberalisierungsregime USA und EU
Annahme Horizontale Marktöffnung
Abgangssortierung
Transport
Eingangssortierung
Monopolisiert
Zustellung
Produktsegment < 50 gr < 100 gr < 200 gr
Vertikale Marktöffnung
Produktsegment < 50 gr < 100 gr < 200 gr
Quelle: Eigene Darstellung
Die USA haben seit 1976 den nationalen Briefmarkt sukzessive für Wettbewerber des staatlichen United States Postal Service geöffnet. Die Öffnung des Briefmarktes erfolgte dabei entlang der einzelnen Wertschöpfungsstufen. Man spricht von vertikaler Marktöffnung bzw. Liberalisierung. Während alle Wertschöpfungsstufen außer der Zustellung mehr oder weniger für den Wettbewerb geöffnet sind, ist Konkurrenz im Bereich der Zustellung nicht zulässig. USPS besitzt ein Zustellmonopol.571 Wettbewerb im US-amerikanischen Briefmarkt beschränkt sich also auf den UpstreamBereich, während downstream nur USPS tätig ist. Dagegen erfolgt die Marktöffnung der EU-Briefmärkte über Gewichts- und Preisgrenzen (horizontale Liberalisierung): Nach und nach werden bzw. wurden immer größere Teile der Sendungsmenge für den Wettbewerb freigegeben. Konkurrenz ist dabei auf allen Wertschöpfungsstufen zulässig.
571
In den USA existieren viele verschiedene Sendungsarten, die jeweils Teilmärkte des Briefmarktes bilden. Diese Teilmärkte sind unterschiedlich stark für Wettbewerber geöffnet.
Appendix
277
Die unterschiedlichen Liberalisierungsregime bedingen voneinander abweichende Formen des Wettbewerbs: Während in den USA Konkurrenten von USPS nur Teile der Wertschöpfungskette übernehmen können (Teilleister), können in der EU Marktneulinge die gesamte Wertkette (End-to-End) abdecken. Zugang zum Netz von USPS ist daher in den USA unabdingbar, um Wettbewerb zu ermöglichen. Ohne Zugang zum Zustellnetz des Incumbents könnten Marktneulinge keine sinnvollen Dienste anbieten. Diese grundlegenden Unterschiede führen dazu, dass eine Übertragung der Erfahrungen des amerikanischen Liberalisierungsprozesses auf Europa nur eingeschränkt möglich ist. Marktentwicklung, Wohlfahrtswirkungen in den USA als auch die Kosten von USPS erlauben keine direkten Rückschlüsse auf die europäischen Briefmärkte. A 2 Zustellkosten in Deutschland Im Folgenden wird die Formalisierung des Strukturmodells aus Kapitel 3.5.2 in Einzelschritten dargestellt, so dass die Berechnung Zustellkosten im Detail nachvollziehbar werden. Anschließend werden die Parameter mit ihren Quellen und Inputgrößen erläutert. Dann werden die Modellergebnisse im Detail dargestellt und in einer Sensitivitätsanalyse auf ihre Robustheit untersucht. DETAILS ZUR FORMALISIERUNG DES STRUKTURMODELLS Jedes Postleitzahlengebiet in Deutschland und jeder Teilprozess (Hin- und Rückwege (HR), Grundwege (G), Stichwege (S) und Zustelltätigkeit (Zt)) werden separat modelliert. Dazu werden die einzelnen Arbeitsschritte der Straßenzustellung mit den jeweils relevanten Kostentreibern funktional verknüpft. Die Kosten K für einen Teilprozess n mit n
^HR, G, S , Zt` eines Postleitzahlengebietes j ergeben sich als Summe aus den
anfallenden Personalkosten PK nj und Sachkosten SK nj . Grundsätzlich könnte noch zwischen verschiedenen Sendungskategorien differenziert werden. Auf eine Trennung zwischen Individual- und Massensendungen wird im Folgenden jedoch verzichtet, weil der Zustellprozess für beide Sendungsarten identisch ist – im Unterschied zu Wurf-Sendungen, die allerdings nicht in der Marktabgrenzung dieser Arbeit enthalten sind.
Appendix
278
Im Folgenden wird die Zustellkostenfunktion des Strukturmodells aus Kapitel 3.5.2.2 hergeleitet. In einem ersten Schritt wird gezeigt, wie sich die Personalkosten für jeden Teilprozess berechnen: - Die Personalkosten für Hin- und Rückwege vom Zustellstützpunkt zur Zustellroute eines Postleitzahlengebietes ergeben sich als Produkt aus dem Zeitbedarf für die Hin- und Rückwege t HR und dem Personalkostensatz k, der einen exogenen Inputj parameter darstellt: t HR uk j
PK HR j
(3.1)
Der Zeitbedarf, um die Strecke vom Zustellstützpunkt zur Zustellroute zurückzulegen, hängt einerseits ab von der Entfernung w HR und andererseits von der Gej schwindigkeit g i . Da die Strecke sowohl auf dem Hin- als auch auf dem Rückweg anfällt, ist die einfache Entfernung mit dem Faktor 2 zu multiplizieren. Zudem ist ein Postleitzahlengebiet jeweils in mehrere Zustellbezirke q ZB unterteilt, so dass j Hin- und Rückwege für mehrere Bezirke anfallen. Dies liegt daran, dass die Zeit eines Zustellers für die Auslieferung begrenzt ist. Daraus ergibt sich: t HR j
HR 2 u q ZB j u wj
gi
(3.1.1)
Die Anzahl der Zustellbezirke q ZB in einem Postleitzahlengebiet ergibt sich durch j Division des Zeitbedarfes für alle Zustelltätigkeiten eines Gebietes t j durch die Z maximal für die Zustellung Z zur Verfügung stehende Zeit t max , wobei diese exo-
gen gegeben ist: q ZB j
tj Z tmax
(3.1.2)
Die Geschwindigkeit ist in dem Modell als Funktion hinterlegt, die abhängt von der Distanz zwischen Start und Zielpunkt und dem gewählten Fortbewegungsmittel, g i ( w HR j ) . Da keine Informationen über die genaue Lage der Zustelldepots vorliegen, wird die Entfernung von Zustellstützpunkt (ZSP) und Zustellroute approximativ bestimmt: Dabei wird davon ausgegangen, dass die Zustellstützpunkte jedes Dichteclusters d jeweils über das Gebiet gleichverteilt sind. Ferner wird angenommen, dass sich die ZSPen jeweils in der Mitte der von ihnen versorgten Zustellbe-
Appendix
279
zirke befinden. Unter diesen Annahmen kann die durchschnittliche Entfernung vereinfacht berechnet werden als zwischen ZSP und Route w HR j Fd w
HR j
qdD , 2 *S
(3.1.3)
wobei Fd die Fläche eines Dichteclusters d und qdD die Anzahl der Depots D bzw. Zustellstützpunkte innerhalb des Dichteclusters darstellt.572 Durch Einsetzen der Formeln aus (3.1.1), (3.1.2), (3.1.3) ergibt sich für die Personalkosten für Hin- und Rückwege folgende funktionale Verknüpfung:
PK HR j
§ Fd ¨ q dD ¨ 2u t j u Z ¨ 2 * PI t max ¨ gi ¨ ¨ ¨¨ ©
· ¸ ¸ ¸ ¸u k ¸ ¸ ¸¸ ¹
(3.1.4)
- Die Personalkosten für Grundwege G innerhalb eines Postleitzahlengebietes sind abhängig von der Zeit t Gj , die die Zusteller für die Zustellrouten in ihren Bezirken benötigen. Sie sind damit von der zu bewältigenden Strecke w und der Geschwindigkeit g des Zustellers abhängig. Die Länge der Grundwege wird in starkem Maße von der geographischen Dichte des Postleitzahlengebietes beeinflusst. In dicht besiedelten Gebieten liegen die Stopps eng beieinander, während auf dem Land längere Distanzen zwischen den Stopps zu überwinden sind. Die Geschwindigkeit eines Zustellers hängt in erster Linie davon ab, ob die Zustellung zu Fuß, per Rad
572
Die Bestimmung der kostenoptimalen Lage von ZSPen ist auf Grund der vielen zu berücksichtigenden Nebenbedingungen äußerst komplex. Rabe (1997) schätzt, dass für Deutschland mindestens 2 Mio. Datensätze benötigt würden. Daher erscheint eine approximative Berechnung zulässig. Zudem liegt der Kostenanteil für Hin- und Rückwege unter 10 %. Ferner sind die Ergebnisse des Modells mit/ohne Berücksichtigung von Hin-/Rückwegen über alle 8244 PLZ-Gebiete äußerst robust: Bei Anwendung von Spearmans Rangfolgekorrelationstests ergibt sich ein Korrelationskoeffizient rS von 0,997, der im 99 %-Intervall signifikant ist.
Appendix
280
oder mit einem PKW erfolgt.573 Berechnen lassen sich die Personalkosten als Produkt aus Zeitbedarf und exogenem Personalkostensatz k: PK Gj t Gj
w Gj
t Gj u k w Gj g iw § Fj · a ¨r u ¸uq , j a ¸ ¨ d q j ¹ ©
(3.2) (3.2.1)
(3.2.2)
wobei F j die Fläche des PLZ-Gebiets beschreibt und die Anzahl der potenziellen Stopps in diesem Gebiet mit q aj bezeichnet wird. F j q aj drückt die durchschnittliche Fläche je Stopp aus, so dass durch Anwendung einer Quadratwurzel die Entfernung zwischen zwei Stopps berechnet wird. Studien aus dem Bereich Operations Research und empirische Untersuchungen ergeben, dass die Annahme einer Gleichverteilung von Stopppunkten in einem gegebenen Gebiet zu einer Überschätzung der Wegeleistungen des Zustellers führt; daher dient der Faktor rd zur Korrektur.574 Der Term in Klammern berechnet entsprechend die durchschnittliche Entfernung zwischen zwei Stopps. Die Gesamtstrecke ergibt sich folglich aus der Multiplikation mit der Anzahl der Stopps.575 Die Personalkosten für Grundwege lassen sich dann berechnen als
573
574
575
Die Entfernung zwischen Stopps spielt ebenfalls eine Rolle, da bei geringen Distanzen wegen des Beschleunigens und Bremsens niedrigere Durchschnittsgeschwindigkeiten erreicht werden. Vgl. Roberts (1968); Hamm et al. (1998). Gleichwohl kommen beide Studien zu dem Ergebnis, dass durch die Anwendung von Korrekturfaktoren eine hohe Übereinstimmung mit Geo-Daten erzielt werden kann. Exakt lassen sich die Grundwege nur berechnen, wenn Geodaten zu allen Straßenabschnitten vorliegen. Dies ist jedoch mit erheblicher Komplexität verbunden und stellt ein eigenes Forschungsgebiet dar. Für Details vgl. Pütz et al. (1996); Roy, Rousseau (1989). Durch die Anwendung dieser Heuristik wird nicht berücksichtigt, dass sich die Routenlänge bei sehr niedrigem Sendungsaufkommen verkürzen kann, wenn ein Zusteller die Distanzen zwischen zwei Empfängeradressen durch Verbindungswege abkürzt. In der Praxis scheint dies allerdings zu vernachlässigbar, da die zu beliefernden Empfänger innerhalb eines Bezirks täglich anders verteilt sind (vgl. die Ausführungen zur Poisson-Verteilung bei den Stichwegen). Die Planung alternativer Zustellrouten für ein Gebiet, die jeweils die aktuellen Empfängeradressen berücksichtigen, ist auf Grund des damit verbundenen Aufwands in der Praxis nicht üblich.
Appendix
281 § Fj ¨r u u q aj ¨ d q aj ¨ gi ¨ ¨¨ ©
PK Gj
· ¸ ¸ ¸uk ¸ ¸¸ ¹
(3.2.3)
- Die Kosten für Stichwege bestehen ausschließlich aus Personalkosten. Sachkosten fallen nicht an, weil dieser Prozessschritt keine Wegeleistungen mit dem Fahrrad oder PKW beinhaltet. Die Kosten lassen sich also als Produkt aus Zeitbedarf t Sj für Stichwege und Personalkostensatz k berechnen: K Sj
t Sj u k
(3.3)
Stichwege fallen immer dann an, wenn ein Zusteller auf seiner Route stoppen muss, um Briefe auszuliefern. Der Zeitbedarf je Stopp für Stichwege setzt sich aus zwei Komponenten zusammen: einer verkehrsmittelabhängigen Grundzeit t iS und einer von der demographischen Dichte abhängigen Komponente t GIS . Die unterschiedlichen Grundzeiten je Fortbewegungsmittel berücksichtigen beispielsweise, dass es länger dauert, Briefe aus dem Laderaum eines Autos zu holen als aus den Satteltaschen eines Fahrrades, dass ein Auto ggf. abgeschlossen werden muss und dass es weiter entfernt vom Hauseingang geparkt wird als eine Sackkarre bei der Fußzustellung etc. Die demographische Komponente berücksichtigt, dass die Zeit für das Suchen und Zuordnen der Post zum richtigen Briefkasten in einem Mehrfamilienhaus größer ist als bei einem Einfamilienhaus. Beide Zeitkomponenten sind exogene Inputparameter, wobei t GIS im Modell als eine Funktion des Grouping Index576 (Abgabestellen/Eingänge) hinterlegt ist. Um die Gesamtzeit für Stichwege in einem PLZ-Gebiet zu berechnen, muss der Zeitbedarf je Stopp multipliziert werden mit der Anzahl der tatsächlich bedienten Stopps in dem Gebiet q aaj : t Sj
576
t
S i
S tGI u q aa j
(3.3.1)
Der Grouping Index (GI) ist ein Maß für die demographische Dichte und wird definiert als das und potenziellen Stopps (Hauseingängen) Verhältnis zwischen Abgabestellen (Briefkästen) q BK j q aj mit GI q BK q aj . j
Appendix
282
Die Anzahl die tatsächlichen Stopps – an denen jeweils Stichwege anfallen – hängt von der Sendungsmenge ab. Definitorisch wird ein potenzieller Stopp zu einem tatsächlichen Stopp, wenn dort Briefe zuzustellen sind. Nach JASINSKI et al. (1977) lässt sich die tatsächliche Belieferung einer Adresse auf einer Zustellroute mit einer Poisson-Verteilung beschreiben. Dadurch wird berücksichtigt, dass eine Adresse nicht jeden Tag genau die Anzahl Sendungen erhält, die dem statistischen Erwartungswert entspricht, sondern an einem bestimmten Tag keine Briefe und an einem anderen Tag mehr Sendungen als den Erwartungswert erhalten kann. Formal ist die Wahrscheinlichkeit, dass ein potenzieller Stopp tatsächlich Post erhält, das Produkt des Erwartungswertes einer Zustellung mit der Anzahl potenzieller Stopps.577 Der Erwartungswert der Zustellung an eine Adresse kann ausgedrückt werden als der Quotient aus der Anzahl zuzustellender Sendungen in einem Gebiet q Sj und der Anzahl potenzieller Stopps in dem Gebiet q aj :578 qj § ß a ¨ qj q u ¨1 e ¨ © s
q
aa j
a j
· ¸ ¸ ¸ ¹
(3.3.2)
Durch den Korrekturfaktor ß werden Abweichungen von einer reinen PoissonVerteilung berücksichtigt. COHEN et al. (1997) haben diesen empirisch für die USA bestimmt. Die daraus resultierende Coverage-Funktion wurde von RABE (1997) für Deutschland bestätigt und wird daher in dem Modell verwendet. Die Annzahl zuzustellender Sendungen in einem Gebiet ist nicht bekannt. Sie wird daher unter der Annahme einer Gleichverteilung auf alle in Deutschland lebenden Personen berechnet. Sie ergibt sich damit als Produkt aus der Anzahl der in einem Gebiet lebenden Personen q Pj und der durchschnittlichen täglichen Sendungsmenge pro Person q PS :
577
578
Für eine formale Herleitung vgl. Bradley, Colvin (1995). Die Annahme einer Poisson-Verteilung bedeutet ferner, dass sich der Charakter der Kosten für Stichwege mit dem Sendungsaufkommen verändert: Während ein zusätzlicher Brief bei niedrigen Sendungsmengen zu einem zusätzlichen Stopp (und damit Stichweg) führt, ist dies bei hohem Aufkommen nicht der Fall. Ein zusätzlicher Brief wird dann vielfach bei einem bereits bestehenden Stopp zugestellt. Damit verschiebt sich der Charakter von einer variablen zu einer fixen Kostenkomponente. Die Wahrscheinlichkeit, dass an Gebäuden mit mehreren Abgabestellen pro Eingang gestoppt werden muss, ist größer als bei Einfamilienhäusern mit nur einer Abgabestelle je Eingang. Die demographische Dichte wird berücksichtigt, weil q Sj q aj q Sj q BK u q BK q aj mit q BK q aj GI . j j j
Appendix
283 S j
q
q
P j
u q
S P
(3.3.3)
Durch Einsetzen der Kostentreiber ergeben sich die Kosten für Stichwege als K
S j
q Pj u q PS § § ß ¨ S ¨ q aj S a ¨ t i t GI u q j u ¨1 e ¨ ¨ © ©
· · ¸ ¸ ¸uk¸ ¸ ¸ ¹ ¹
(3.3.4)
- Die Kosten für die Zustelltätigkeit Zt sind zu 100 % Personalkosten und hängen davon ab, wie lange ein Zusteller benötigt, um eine Sendung auszuliefern:579 K Ztj
t Ztj u k
(3.4)
Kostentreiber ist die Sendungsmenge. Multipliziert man die Anzahl der Briefe eines Gebietes ( q sj ) mit der pro Sendung benötigten Zustellzeit t SZT , ergibt sich die Gesamtzeit für die Zustelltätigkeit: t ZT j
t SZT u q Sj .
(3.4.1)
Damit lassen sich die Kosten für die Zustelltätigkeit ausschreiben als K Ztj
t SZT u q Sj u k .
(3.4.2)
Zusätzlich zu den Personalkosten fallen Sachkosten für Hin-, Rück- und Grundwege an, wenn der Zusteller ein Fahrrad oder ein Auto benutzt. Dabei kann zwischen fixen Sachkosten SKf und variablen Sachkosten SKv unterschieden werden. Während bei der Fahrradzustellung lediglich fixe Sachkosten in Form von Abschreibungen berücksichtigt werden, setzen sie sich beim PKW aus fixen und variablen Bestandteilen zusammen. Fixe Sachkosten bilden die Abschreibungen auf das investierte Kapital, variable Sachkosten fallen an für Treibstoff und Öl, Reifen und Wartung. Die Wahl des Verkehrsmittels i ist abhängig von der durchschnittlichen Entfernung zwischen den tatsächlichen Stopps q aaj eines Postleitzahlengebietes. Sie ist für mehrere Bezirke eines PLZ-Gebietes jeweils identisch, d. h., es existieren im Modell keine PLZ-Gebiete, in denen verschiedene Verkehrsmittel parallel (in verschiedenen Bezirken) zum Einsatz kommen.
579
Die fixen Komponenten der Zustelltätigkeit (z. B. Suchen des richtigen Briefkastens bei mehreren Abgabestellen je Eingang) wurden bereits im Rahmen der Stichwege berücksichtigt.
Appendix
284
Auf Grund ihrer Entfernungsabhängigkeit können die variablen Sachkosten jeweils genau einem dieser Prozessschritte zugeordnet werden. Fixe Sachkosten dagegen treten auf, wenn eines der betreffenden Verkehrsmittel genutzt wird – unabhängig von Entfernungen oder zeitlicher Beanspruchung.580 Variable und fixe Sachkosten werden über Kostensätze abgebildet, die im Modell jeweils als exogene Inputparameter berücksichtigt werden. - Die variablen Sachkosten für Hin- und Rückwege SKv HR j sind kilometerabhängig und ergeben sich als Produkt aus der Entfernung zwischen Zustellstützpunkt und ZB in einem Postleitzahlengebiet und dem KiloRoute w HR j , der Anzahl Bezirke q j
meterkostensatz k iSKv . Dieser Term muss mit dem Faktor 2 multipliziert werden, da sowohl Hin- als auch Rückwege anfallen. Entsprechend gilt: SKv HR j
HR SKv 2 u q ZB j u w j u ki
(3.5)
- Variable Sachkosten für Grundwege entstehen in Gebieten, in denen die Zustellung mittels PKW erfolgt. Sie lassen sich berechnen durch die Multiplikation der Grundwege w Gj mit dem Kostensatz: SKv Gj
wGj u k SKv
(3.6)
- Fixe Sachkosten fallen pro PKW- und Fahrrad-Tour an. Sie sind daher abhängig von der Anzahl Zustellbezirke im Postleitzahlengebiet: SKf j
SKf q ZB j j u ki
(3.7)
Nach Einsetzen von (3.1.4), (3.2.3), (3.3.4), (3.4.2), (3.5), (3.6), (3.7) in (3.8.4) lautet die Zustellkostenfunktion:
580
Zur Berechnung der Gesamtkosten ist eine Zuordnung auf die Teilprozesse nicht notwendig. Sollen jedoch jeweils die gesamten Teilprozesskosten (d. h. Personal- sowie variable und fixe Sachkosten) separat ausgewiesen werden, ist eine Zuschlüsselung der fixen Sachkosten auf Hin- und Rückwege sowie Grundwege erforderlich.
Appendix
285
J
KZ
¦ j
· § Fd ¸ ¨ q dD ¸ ¨ 2u t j u Z ¸ ¨ 2 * PI t max HR Skv ¨ u k ¸ 2 u q ZB j u w j u ki gi ¸ ¨ ¸ ¨ ¸¸ ¨¨ ¹ ©
· § Fj ¸ ¨r u u q aj d a ¸ ¨ qj ¨ u k ¸ w Gj u k iSKv g ¸ ¨ i ¨¨ ¸¸ ¹ © q Pj uq PS § § ß ¨ S ¨ q aj S a ¨ t i t GI u q j u ¨1 e ¨ ¨ © © SKf q ZB j u ki
· · ¸ ¸ ZT S ¸ u k ¸ tS u q j u k ¸ ¸ ¹ ¹
(3.9)
DETAILS ZUR PARAMETRISIERUNG DES MODELLS Im Folgenden werden die Parameter und Annahmen des Modells näher erläutert, die absoluten Zustellkosten für Deutschland in Eurocent ausgewiesen, mögliche Abweichungen zwischen Modellergebnissen und realen Zustellkosten diskutiert und Sensitivitäten für abweichende Parameterwerte berechnet, um die Robustheit des Modells zu prüfen. -
581
Strukturdaten: Die Flächenangaben für die Postleitzahlengebiete stammen von GFK (2006). Der bei der Streckenberechnung verwendete Korrekturfaktor folgt ROBERTS (1968) und HAMM et al. (1998). Die Angaben zum Sendungsaufkommen stammen von der BUNDESNETZAGENTUR (2007a).581 Die Verteilung des Sendungsaufkommens auf die Adressen folgt den Arbeiten von JASINSKI et al. (1977) und BRADLEY et al. (1995) und geht von einer Poisson-Verteilung aus. Abweichungen
Grundsätzlich könnte zwischen verschiedenen Sendungskategorien differenziert werden. Auf eine Trennung zwischen Individual- und Massensendungen wird in der Modellierung verzichtet, weil der Zustellprozess für beide Sendungsarten identisch ist; strukturelle Unterschiede bestehen auf den vorgelagerten Wertschöpfungsstufen. Wurf-Sendungen unterliegen einem abweichenden Zustellprozess, sind allerdings nicht in der Marktabgrenzung dieser Arbeit enthalten.
286
Appendix
von einer reinen Poisson-Verteilung werden durch den ß-Faktor von COHEN et al. (1997) berücksichtigt. Die Zuordnung der einzelnen PLZ-Gebiete zu Dichteclustern orientiert sich an der Raumklassifizierung von EUROSTAT (2004), wobei in Anlehnung an ELSENBAST (1994) noch zusätzlich zwischen Städten und Großstädten unterschieden wird. -
Geschwindigkeiten: Im Modell sind für jedes der drei zur Auswahl stehenden Verkehrsmittel individuelle Geschwindigkeitsfunktionen hinterlegt. Die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Verkehrsmittels hängt dabei von der Entfernung zwischen einem Start- und einem Stopppunkt ab und berücksichtigt implizit den Zeitbedarf für das Beschleunigen und Abbremsen. Die Funktionen orientieren sich an ROY (1999). Die Wahl der Verkehrsmittel richtet sich nach der Entfernung zwischen den Stopps. Die entsprechenden Grenzwerte stammen von RABE (1997). Die Zeitansätze für Stichwege basieren auf ROY (1999), die für die Zustelltätigkeit auf eigenen Beobachtungen.
-
Kostensätze: Um die Kosten eines Anbieters vollständig zu erfassen, wird zusätzlich ein Vertreterzuschlag gemäß RABE (1997) berücksichtigt. Dieser dient zur Abbildung von krankheits-, urlaubs- oder fortbildungsbedingten Ausfallzeiten. Die Sachkosten für Fahrzeuge hat der Autor „bottom-up“ geschätzt, d. h., es wurden jeweils die wesentlichen Kostentreiber erfasst und addiert.
Der Modellierung liegen zudem spezifische Annahmen zu Grunde. Tabelle 21 führt die Ausprägungen und Quellen der im Modell verwendeten Inputparameter auf:
Appendix
287
Tabelle 21: Ausprägung und Quellen Inputparamter OZ Inputparamter Einheit Strukturdaten 1 Sendungsmenge p.a. Mio. 2 Einwohner Mio. 3 Haushalte Mio. 4 Häuser Mio. 5 Gesamtfläche km² 6 Zustelltage Tage 7 Effektive Zustellzeit Stunden 8 Zustelldepots Stück 9 Coverage-Faktor (ß) 10 Korrekturfaktor "Entfernung zwischen den Stopps" 11 Grenze Dichtecluster Land EW/km² 12 Grenze Dichtecluster EW/km² Verdichtungsraum 13 Grenze Dichtecluster Stadt EW/km² 14 Grenze Dichtecluster EW/km² Großstadt Kostensätze 15 Personalkosten Zusteller EUR/h 16 Variable Sachkosten PKW EUR/km 17 Fixe Sachkosten Fahrrad EUR/Tag/Stück 18 Fixe Sachkosten PKW EUR/Tag/Stück Verkehrsmittelwahl 19 Max. Entfernung zwischen Meter zwei Stops: Fuß 20 Max. Entfernung zwischen Meter zwei Stops: Fahrrad 21 Maximale Entfernung Meter zwischen zwei Stops: PKW Geschwindigkeiten und Zeitansätze 22 Hin- und Rückwege: Fuß km/h
Ausprägung Quelle 16.000 82,5 39 17,6 357.093 300 5,4 3405 0,6578 0,7
Bundesnetzagentur (2007) Gfk (2006) Gfk (2006) Gfk (2006) Statistisches Jahrbuch (2007) Eigene Schätzung Eigene Schätzung Angabe im Interview mit DPAG Cohen et al. (1997) Roberts (1968), Hamm et al. (1998)
100 >100 500
Eurostat (2007) Eurostat (2007)
>500 2000 Eurostat (2007) > 2000 Eurostat (2007)
19 0,13 1 23,28
WSI-Tarifarchiv Eigene Schätzung Eigene Schätzung Eigene Schätzung
45
Rabe (1997)
100
Rabe (1997)
> 100
Rabe (1997)
5
Eigene Berechnung auf Basis Roy (1999) und Interviews mit DPAG
23
Hin- und Rückwege: Fahrrad km/h
15
25
Grundwege: Fuß
km/h
4
26
Grundwege: Fahrrad
km/h
11,7
27
Grundwege: PKW
km/h
25,2
28 29
Grundzeit Stichwege: Fuß Sekunden Grundzeit Stichwege: Fahrrad Sekunden
12 25
Eigene Berechnung auf Basis Roy (1999) und Interviews mit DPAG Eigene Berechnung auf Basis Roy (1999) und Interviews mit DPAG Eigene Berechnung auf Basis Roy (1999) und Interviews mit DPAG Eigene Berechnung auf Basis Roy (1999) und Interviews mit DPAG Eigene Berechnung auf Basis Roy (1999) und Interviews mit DPAG Eigene Schätzung auf Basis Roy (1999) Eigene Schätzung auf Basis Roy (1999)
24
Hin- und Rückwege: PKW
45
30
Grundzeit Stichwege: PKW
Sekunden
40
Eigene Schätzung auf Basis Roy (1999)
31
Stichwege in Abhängigkeit von GI Zustelltätigkeit pro Sendung
Sekunden
mathemat. Funktion 4
Eigene Schätzung auf Basis Roy (1999)
32
Quelle: Eigene Darstellung
km/h
Sekunden
Eigene Schätzung auf Basis Beobachtungen
288
Appendix
Im Folgenden werden einige Annahmen erläutert, die den Parameterausprägungen zu Grunde liegen. Die Struktur orientiert sich dabei an den Ordnungszahlen (OZ), die in der Tabelle jeweils zu Beginn einer Zeile aufgeführt sind. 3
Die Anzahl der Haushalte wird im Rahmen des Modells als Proxy benutzt für die Anzahl der Abgabestellen (Briefkästen).
4
Die Anzahl der Häuser dient als Näherungswert für die Anzahl der Eingänge, d. h. Stopps. Durch 3 und 4 wird die Berechnung des Grouping Index (GI) möglich, der die Stopps ins Verhältnis zu den Abgabestellen setzt. Der durchschnittliche GI in Deutschland beträgt 2,21. Tabelle 22 zeigt einen Ausschnitt582 aus dem Datenset zur Bebauung.
6
In Deutschland erfolgt die Zustellung gemäß der PUDLV-Vorgaben an 6 Tagen pro Woche. Dividiert man die Sendungsmenge (1) durch die Zustelltage pro Jahr, erhält man als durchschnittliche Anzahl Briefe pro Zustelltag 5,9 Mio. Stück.
7
Die effektive Zustellzeit bezeichnet die Zeit, die einem Zusteller für die Auslieferung von Sendungen zur Verfügung steht. In dieser Zeit sind der Weg in den Zustellbezirk, die Zustellroute inklusive Stichwegen und Abgabe der Sendungen und der Rückweg zum ZSP zu erledigen. Sie berechnet sich als Residuum aus der wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden und den Tätigkeiten, die täglich im ZSP anfallen (Sendungsvorbereitung). Dabei wurde von einer Fünftagewoche ausgegangen und angenommen, dass der Anteil der „In office“Tätigkeiten rund 30 % der gesamten Zustellzeit ausmacht.583
8
Die Anzahl der Zustelldepots (ZSP) der DPAG ist bekannt. Sie wird im Modell für das Basisszenario mit 100 % Sendungsmenge verwendet. Die Anzahl ZSP bei veränderten Sendungsmengen wird unter der Annahme berechnet, dass die Zahl der von einem ZSP zu versorgenden Bezirke konstant ist. Da sich bei sinkenden Sendungsmengen der Zeitaufwand für die Auslieferung reduziert, kön-
582 583
Jedem PLZ-Gebiet sind 72 Datensätze zugeordnet. Vgl. Kruse, Liebe (2005). Durch eine Ausweitung der Gangfolgesortierung kann der Zeitbedarf allerdings sinken, woduch die effektive Zustellzeit steigt und die Bezirke größer geschnitten werden können.
Appendix
289
nen größere Wegeleistungen von einem Auslieferer erbracht werden, wodurch die Anzahl der Bezirke und damit auch die Anzahl der benötigten ZSP sinkt.584 11-14 Die Einteilung in vier Cluster folgt ELSENBAST (1994). Jedes Postleitzahlengebiet wird dabei genau einem Dichtecluster zugeordnet. Die Zuordnung erfolgt d Landraum für alle j mit d j d 100 Einwohner je Quad-
nach folgender Logik: d
ratkilometer,585 d Verdichtungsraum für alle j mit 100 d j d 500 EW qkm , d Stadt für alle j mit 500 d j d 2000 EW qkm und d Großstadt für alle j mit d j ! 2000 EW qkm . Die Festlegung der Clustergrenzen orientiert sich an EUROSTAT (2004). Das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) unterscheidet in seiner aktuellen Typisierung zwischen drei Grundtypen, die nicht nur an die unterschiedliche Dichte, sondern auch an die sog. Zentrenerreichbarkeit anknüpft. Eine solche Klassifizierung ist zur Untersuchung des Briefmarktes nicht geeignet. Ebenso wenig wie eine Klassifizierung unter Berücksichtigung siedlungsstruktureller Regionstypen (Regions-, Kreis-, Gemeindeebene).586 15
584
585
Der Personalkostensatz ergibt sich als arithmetisches Mittel aus der unteren und oberen Grenze der Vergütung eines Zustellers gemäß aktuellem Tarifvertrag. Die Vergütung setzt sich zusammen aus Bruttogrundvergütung, Beitrag zur Berufsgenossenschaft, vermögenswirksamen Leistungen, Urlaubsgeld und Jahressonderzahlung. Die tarifliche Wochenarbeitszeit beträgt 38,5 Stunden. Zu diesen Kosten für einen Zusteller wird der Vertreteranteil in Höhe von 23,7 % addiert. Dadurch werden Fehlzeiten für Urlaub, Krankheit und Fortbildung be-
Eine Kopplung der Anzahl der ZSP an die Anzahl der Briefzentren wurde vom Autor verworfen, weil a) damit das auf möglichst hohe Qualität ausgelegte BZ-Layout der DPAG zum Referenzmaßstab würde, wodurch Qualitätsdifferenzierungsstrategien von Marktneulingen nicht adäquat berücksichtigt würden und b) eine entsprechende Simulation unplausibel hohe Hin/Rückfahrtkosten bei niedrigen Sendungsmengen ergab. Ob durch die verwendete Heuristik die Ergebnisse verfälscht werden, wird im Abschnitt Alternative Berechnung der Grundwege bei niedrigem Sendungsaufkommen untersucht. Formal lässt sich dj berechnen als Quotient aus der Anzahl q der Einwohner EW und der Fläche F pro Postleitzahlgebiet j, als
586
q EW j Fj
.
Vgl. zu den alternativen Ansätzen Schürt et al. (2005).
Appendix
290
rücksichtigt, die seitens des Arbeitgebers zu entsprechendem Mehrbedarf an Arbeitskräften führt.587 Der vom Autor errechnete Personalkostensatz deckt sich mit der Erhebung von WIK (2007): Addiert man zu dem dort angegebenen Stundenlohn von 11,3 Euro die Kosten für Zusatzvergütungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld, die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und den Vertreteranteil, ergeben sich ebenfalls Kosten von 19 Euro je Stunde. Nicht berücksichtigt in dem Kostensatz ist die Besitzstandsregelung, die DPAG und Gewerkschaften für langjährige Mitarbeiter vereinbart haben. Dies liegt daran, dass keine Informationen vorliegen, wie viele Mitarbeiter von der Regelung profitieren. Die Besitzstandsregelung sichert langjährigen Mitarbeitern ihre im Vergleich zum aktuellen Tarifvertrag höheren Löhne. Entsprechend bildet der dem Modell zu Grunde liegende Lohnkostensatz den langfristig vom Incumbent gezahlten Lohn ab. 16
Variable Sachkosten fallen an für Reifen, Wartung, Sprit und Öl. Kosten für Reifen hängen ab von der Lebensdauer, Anzahl und Preis für Ersatz, wobei im Modell von 0,01 EUR/km ausgegangen wird. Die Spritkosten wurden mit 0,1 EUR/km angesetzt, Öl mit 0,001 EUR/km und Wartung mit 0,02 EUR/km.
17-18 Fixe Sachkosten für die Fahrräder ergeben sich in erster Linie für die Abschreibung der Anschaffungskosten sowie zu einem kleinen Teil für Reparaturen. Fixe Sachkosten für PKW setzen sich zusammen aus Anschaffungskosten und ihrer Abschreibung plus Verkaufswert (Kapitalkosten), Versicherungskosten und Steuern. 22-27 Die angegebenen Durchschnittsgeschwindigkeiten sind Ergebnisse des Modells und basieren auf den hinterlegten Geschwindigkeitsfunktionen. Diese sind an ROY (1999) angelehnt und an deutsche Verhältnisse angepasst. Exemplarisch sind in Abbildung 32 die Geschwindigkeitsfunktionen der verschiedenen Verkehrsmittel für die Zustellroute dargestellt. 28-31 Die Zeit für Stichwege setzt sich aus einer fahrzeugabhängigen und einer demographischen Komponente zusammen. Die demographische Komponente hängt von der Bebauungsstruktur ab und berücksichtigt, wie viele Abgabestel587
Vgl. Rabe (1997), S. 20.
Appendix
291
len an einem Eingang zu bedienen sind. Sie ist unabhängig von der Art der Zustellung. In Tabelle 22 wird der Zusammenhang graphisch gezeigt. Tabelle 22: Ausschnitt Daten zur Bebauungsstruktur PLZ
Name
Einwohner
56112 56130 56132 56133 56154 56170 56179 56182 56191 56203
Lahnstein Bad Ems Becheln, Kemmenau, Nievern Fachbach Boppard Bendorf Vallendar Urbar Weitersburg Höhr-Grenzhausen
18.470 9.577 4.543 1.354 16.425 17.436 10.223 3.169 2.144 9.762
Haus- Wohn- MixGewerbe- 1-2 3-6 7-19 20 halte häuser häuser häuser Familien- Familien- Familien- Familienhäuser häuser häuser häuser 9.016 3.944 36 152 2.712 1.132 87 13 4.797 1.969 35 106 1.413 505 33 18 2.061 1.472 2 38 1.381 88 2 1 655 387 2 8 343 41 1 2 7.676 4.452 34 189 3.820 598 21 13 8.050 3.787 44 166 2.983 748 14 42 5.138 2.678 18 77 2.232 418 8 20 1.554 782 8 29 659 113 1 9 981 603 3 14 525 76 1 1 4.271 2.393 28 133 2.016 350 15 12
Quelle: GFK (2006)
Abbildung 32: Funktionen zu Geschwindigkeiten und Stichwegen Durchschnittsgeschwindigkeit auf Inselroute in Abhängigkeit von der Entfernung zwischen Stopps
Dauer für Stichwege (pro Eingang) in Abhängigkeit von Grouping Index und Verkehrsmittel
Geschwindigkeit in km/h
Dauer in Sekunden
35
80
30
70
Zu Fuß Mit dem Fahrrad Mit dem Auto
60
25
50 20 40 15 30 10
20
5
10
0
0
0
100
200
300
350
0
Entfernung in Metern
10
20
Grouping Index
Quelle: Eigene Darstellung
DETAILS ZU DEN ERGEBNISSEN DER MODELLIERUNG
Vereinfachungen und Abweichungen von der betrieblichen Wirklichkeit Die Modellierung der Zustellkosten in Deutschland im Rahmen dieser Arbeit dient zur Untersuchung der Frage, ob die Zustellung eine monopolistische Bottleneckressource
292
Appendix
darstellt. Einen Schwerpunkt der Analyse bildet die Quantifizierung von Größenvorteilen. Zusätzlich wird das Sendungsaufkommen abgeschätzt, das ein Marktneuling benötigt, um Kostenparität mit dem etablierten Unternehmen zu erreichen. Damit soll eine Einschätzung ermöglicht werden, ob auch in dünn besiedelten Gebieten der Aufbau eines alternativen Zustellnetzes möglich und profitabel ist. Die Qualität der Ergebnisse der Modellierung hängt wesentlich ab von einer realitätsnahen Abbildung des Zustellprozesses sowie der Verwendung akkurater Parameterausprägungen. Anhand der Nutzung detaillierter Daten zur geographischen und demographischen Struktur Deutschlands sowie der Verifizierung von Schätzwerten mit Experten aus der Praxis dürften die in dieser Arbeit vorgelegten Ergebnisse eine hohe Qualität aufweisen, vor allem im Hinblick auf die strukturellen Eigenschaften der Zustellkosten (Größenvorteile, geographische Unterschiede etc.). Die Untersuchung geht damit über die bislang für Deutschland vorliegenden Arbeiten hinaus. Dennoch entsprechen die Modellergebnisse nicht exakt den Zustellkosten der DPAG. Abweichungen zwischen Modellergebnissen und Realität resultieren zum einen aus den Vereinfachungen, die ein Modell mit sich bringt, und zum anderen aus dem hohen Aggregationsniveau der Daten. Beispiele: - Dem Autor liegen keine Geodaten für die Bundesrepublik vor, die eine Modellierung für jeden Straßenabschnitt mit der entsprechenden Bebauung erlauben würde. Diese sind nicht kostenlos öffentlich verfügbar. Entsprechend erfolgen die Berechnungen von Hin- und Rückwegen, Grundwegen und Stichwegen unter Zuhilfenahme von Heuristiken.588 - Es wird eine Gleichverteilung der Sendungsmenge über die Bevölkerung angenommen. Allerdings zeigen Studien (vgl. z. B. ROY (1999)), dass das Sendungsaufkommen der Empfänger abhängt vom Bildungsstand und Einkommen. Hohe Bildung und hohes Einkommen sind positiv korreliert mit hohem Aufkommen. - Verkehrsmittelwahl und Geschwindigkeit des Zustellers werden im Modell durch die durchschnittliche Entfernung zwischen den Abgabestellen determiniert. Mischformen werden entsprechend nicht berücksichtigt. In der Praxis erfolgt die Zustellung in dünn besiedelten Gebieten jedoch teilweise im sog. Park-and-Lloop588
Auf Grund der Komplexität ist eine Routenplanung auf der Ebene der Straßenabschnitte keine wirtschaftswissenschaftliche Aufgabe, sondern gehört zum Forschungsfeld der Mathematik und wird dort im Bereich Lineare Programmierung/Operations Research etc. betrieben.
Appendix
293
Verfahren, d. h. der Zusteller benutzt ein Auto, um verschiedene Orte auf der Route zu erreichen, stellt es vor Ort jeweils ab (park) und läuft dann jeweils eine kleine Tour zu den Abgabestellen in dem Gebiet (loop). - Das Modell berücksichtigt ausschließlich die Briefzustellung. In ländlichen Gebieten liefert die DPAG Briefe und Pakete inzwischen teilweise gemeinsam aus (Verbundzustellung). - In der Modellierung wird von Zusatzleistungen (z. B. Einschreiben, Postzustellaufträge) abstrahiert. Solche Sendungen verursachen höhere Zustellkosten, da die eigentliche Zustelltätigkeit nicht mit dem Einwerfen einer Sendung in den Briefkasten endet, sondern länger dauert. - Kapazitätsrestriktionen werden nur in Form der für eine Zustelltour zur Verfügung stehenden Zeit berücksichtigt, nicht jedoch hinsichtlich des maximal beförderbaren Sendungsvolumens. Wenn das Sendungsaufkommen die maximale Kapazität in Fuß- oder Fahrradbezirken übersteigt, müssen Teilmengen mit speziellen Versorgungsfahrten rechtzeitig an Ablagestellen deponiert werden. - Notwendige Kapazitätsreserven zur Abfederung von Lastspitzen in Folge von schwankendem Sendungsaufkommen sind nicht abgebildet, da mit einer durchschnittlichen täglichen Menge gerechnet wird. In der Realität schwankt die Anzahl zu befördernder Briefe sowohl zwischen den einzelnen Wochentagen als auch saisonal (Ferien, Feiertage etc.). RABE (1997) gibt die Volumenrelation von aufkommensschwächstem zu -stärkstem Tag für den Zustellstützpunkt Düsseldorf mit 1:5,36 an.589 - Über die örtliche Verteilung von Geschäftskunden liegen keine Daten vor. Das Statistische Bundesamt kann solche Daten auch auf Anfrage nicht liefern. Entspre-
589
Allerdings arbeitet auch die DPAG mit einer Durchschnittsbemessung, die Volumenspitzen beinhaltet, vgl. Rabe (1997), S. 14 ff.. Die Einsatzplanung sieht daher eine unterschiedliche Anzahl von Zustellern an unterschiedlichen Tagen/Saisons vor. Zudem ist in der Praxis eine Glättung auf Grund der Durchmischung von Massen- und Individualpost denkbar: Bei Lastspitzen können die laufzeitunkritischen Sendungen ggf. zurückgehalten werden. Dieses Potenzial ist allerdings begrenzt, weil die Versender gewisse Zustellzeiten präferieren, um etwa die nachgelagerten Prozesse wie Call-Center-Einsatzplanung zu optimieren.
Appendix
294
chend wurden diese nicht berücksichtigt, sondern das Sendungsaufkommen auf die Haushalte umgerechnet.590 Zwar werden die Vereinfachungen und fehlenden Daten zu Abweichungen zwischen Modellergebnissen und DPAG-Kosten führen. Allerdings führen diese an einigen Stellen zu einer Unterschätzung, an anderer Stelle jedoch zu einer Überschätzung – dies dürfte das Ausmaß möglicher Abweichungen begrenzen.
Absolute Ergebnisse für Deutschland Zur Beantwortung der Forschungsfragen ist weniger die absolute Höhe der Zustellkosten relevant als ihre Struktur. Gleichwohl werden im Folgenden auch absolute Werte ausgewiesen, um eine bessere Einordnung zu ermöglichen. Es handelt sich – wie im vorangegangenen Abschnitt erläutert – um die Zustellkosten einer effizient arbeitenden Zustellorganisation für Deutschland, nicht jedoch um die Zustellkosten der DPAG. Auf Grund der genannten Vereinfachungen haben die Werte indikativen Charakter. In der Tabelle 23 sind die Zustellkosten je Sendung in Euro ausgewiesen (Stückkosten). Die geographischen Kostenunterschiede sind identisch mit den normierten Angaben, ebenso die anteiligen Kosten für die einzelnen Teilprozesse. Tabelle 23: Zustellstückkosten in Deutschland, in Euro Region
Basisszenario Land 0,196 Verdichtung 0,151 Stadt 0,109 Großstadt 0,078 Durchschnitt 0,128
Anteilige Sendungsmenge (in Prozent vom Gesamtmarkt) 10 20 30 40 50 60 70 80 0,818 0,495 0,386 0,327 0,288 0,261 0,239 0,222 0,529 0,375 0,311 0,264 0,232 0,208 0,190 0,175 0,372 0,243 0,187 0,165 0,151 0,140 0,130 0,122 0,234 0,181 0,152 0,131 0,115 0,103 0,094 0,088 0,453 0,309 0,249 0,214 0,189 0,171 0,157 0,146
90 0,208 0,162 0,115 0,082 0,136
Quelle: Eigene Berechnung
Die durchschnittlichen Zustellstückkosten bei bundesweiter Zustellung betragen im Basisszenario 0,128 Euro. Die Kosten für die Zustellung auf dem Land liegen um den Faktor 2,5 über denen für die Zustellung in Großstädten. Auch an den absoluten Kosten sind deutliche Fixkostendegressionseffekte erkennbar: Die Durchschnittskosten sinken kontinuierlich bei steigenden Sendungsmengen. Bei einem Sendungsaufkom590
Der Einfluss auf die Ergebnisse wird im Abschnitt „Sensitivitäten bei Veränderung von Annahmen und Berechnungsmethoden“ diskutiert.
Appendix
295
men von 20,5 Briefen pro Einwohner und Jahr (entsprechend 10 % Anteil an der heutigen Gesamtsendungsmenge) liegen die Stückkosten bei 0,453 Euro, bei 90 % Marktanteil betragen sie dagegen nur noch 13,6 Eurocent. Zu sehen ist auch, dass dieser Effekt kontinuierlich abnimmt: Während die Durchschnittskosten um fast ein Drittel sinken, wenn die Sendungsmenge von 10 auf 20 % des heutigen Niveaus steigt, führt eine Erhöhung des Sendungsaufkommens von 90 auf 100 % lediglich zu einer Kostensenkung von knapp 6 %. Hinsichtlich der absoluten Höhe der Kosten ist zu beachten, - dass nur der Teilprozess „Zustellung“ berücksichtigt wird, d. h. die Kosten für den Upstream-Bereich mit Einsammlung, Transport und Sortierung nicht enthalten sind, - dass ausschließlich der Zustellprozess auf der Straße abgebildet wird („outdoor delivery“). Circa ein weiteres Drittel der Zustellkosten fällt allerdings bereits bei den Arbeiten im Zustellstützpunkt an („inhouse delivery“),591 - dass keine Kosten für nicht direkt produktionsbezogene Tätigkeiten („overhead“, z. B. Disposition, Einkauf, Marketing, Vertrieb) in die Modellierung einfließen, - dass der zu Grunde gelegte Personalkostensatz keine Besitzstandsregelung (vgl. Kapitel 3.5.2.4) berücksichtigt und daher den langfristig zu erwartenden Lohnkosten der DPAG enstpricht, wenn nach Tarif bezahlt wird. Das Lohnniveau ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt jedoch höher bei der DPAG, - dass ferner der Marktanteil des etablierten Unternehmens in Deutschland inzwischen unter 90 % liegt.
Sensitivitäten bei Veränderung von Annahmen und Berechnungsmethoden Auf die Spezifikation des Modells und die Verifizierung der Annahmen wurde viel Sorgfalt verwendet. Dennoch stellt sich bei nicht-empirischen Modellen stets die Frage, wie robust die Ergebnisse gegenüber Veränderungen von Annahmen und Berechnungsmethoden sind. Beide Aspekte werden im Folgenden untersucht.
591
Vgl. Kruse, Liebe (2005), S. 26.
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Dazu sollen in einem ersten Schritt einige Modellspezifikationen verändert werden. Dies betrifft drei Aspekte: - die Berücksichtigung von Hin- und Rückwegen - die Berücksichtigung von Unternehmen und nicht nur von Haushalten als Empfänger - die Berechnungsmethode von Grundwegen bei sehr niedrigen Sendungsmengen. In einem zweiten Schritt werden alle Inputparameter der Modellierung variiert, die einen direkten Einfluss auf die Zustellkosten haben. Ob sich die Ergebnisse jeweils strukturell wesentlich verändern, lässt sich mit Hilfe des Konzepts der Rangfolgesensitivität analysieren. Spearmans Korrelationstest592 prüft stochastische Zusammenhänge unabhängiger Variablen bei ordinaler Skalierung. Die Variablen müssen nicht normalverteilt sein. Als Ergebnis des Tests ergibt sich der Rangkorrelationskoeffizient rs. Der dimensionslose Koeffizient hat eine Ausprägung zwischen +1 und -1. Der Rangfolgekoeffizient drückt aus, ob die Rangfolge der Stückkosten der n PLZGebiete bei Veränderungen von Inputparametern und/ oder Berechnungsmethoden gegenüber dem Basisszenario stabil bleibt. Dazu werden stets zwei Szenarien verglichen, das Basisszenario und eines, in dem entweder ein Inputparameter oder die Berechnungslogik verändert wurde (Alternativszenario). Für beide Szenarien wird die Rangfolge der Stückkosten für alle PLZ-Gebiete bestimmt. Jedem Gebiet j kann eine Rangnummer für das Basisszenario r jB und für das Alternativszenario r jA zugeordnet werden. Die Berechnung erfolgt aus den Differenzen der Rangfolgenummern aller Wertepaare: 2
J
6 rS
1
¦ r j
B j
r jA
n u n2 1
Die Signifikanz – also die Frage, ob eine Übereinstimmung der Wertepaare zufällig auftritt – wird anhand der Nullhypothese getestet. Wird die Nullhypothese abgelehnt, ist das Ergebnis signifikant. Formal erfolgt die Untersuchung der Signifikanz mittels eines t-Tests: 592
Vgl. Spearman (1904).
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t
rS u n 2 1 rS2
Kosten für Hin- und Rückwege
Auf Grund der eingeschränkten Datenlage werden die Kosten für Hin- und Rückwege mittels einer Heuristik berechnet.593 In den Ergebnissen in Kapitel 3.4. sind diese Kosten der Vollständigkeit halber berücksichtigt. Ob sich die Ergebnisse der Modellierung strukturell verändern, wenn die Hin- und Rückwege bei der Berechnung nicht berücksichtigt werden, wird anhand der Rangfolgesensitivität untersucht: Die Berechnung des Korrelationskoeffizenten und der t-Test ergeben, dass das Alternativszenario eine stark signifikante Rangkorrelation zum Basisszenario aufweist, die Stückkosten also sehr robust sind: Der Wert für rS beträgt 0,998 im 99 %-Konfidenzintervall. Das heißt, ob die Berechnung mit oder ohne Hin- und Rückwege durchgeführt wird, ändert strukturell nichts an den Ergebnissen sinkender Durchschnittskosten. Ein Weglassen führt zu 7 % niedrigeren Stückkosten im Vergleich zum Basisszenario. Berücksichtigung von Unternehmen als Empfängerkunden
Auf Grund fehlender Daten über die geographische Verteilung von Unternehmen in der Bundesrepublik wurden diese bei der Modellierung nicht explizit als Empfängerkunden berücksichtigt. Vielmehr wurde das gesamte Sendungsaufkommen auf die Bevölkerung verteilt. In der Realität werden rund 42 % der Briefe an Unternehmen geschickt. Laut Statistischem Bundesamt gibt es in der Bundesrepublik rund 3,43 Mio. Unternehmen;594 unter Annahme einer Gleichverteilung des Sendungsaufkommens erhält jedes im Schnitt knapp sieben Briefe am Tag. Die Berücksichtigung von Unternehmen als Empfängerkunden sollte zu einer Reduzierung der Zustellkosten gegenüber dem Basisszenario führen. Das ist darauf zurückzuführen, dass die Anzahl der Abgabestellen im Vergleich zum Basisszenario sinkt,
593
594
Wollte man die Wege korrekt für jedes Gebiet berechnen, müsste man nicht nur über entsprechende Geodaten verfügen. Vor allem die Rechenkapazität für eine integrative Betrachtung ist auf Grund der hohen Komplexität beträchtlich. Solche Standortoptimierungsprobleme sind daher ein eigenes Forschungsfeld. Zur Komplexität vgl. Rabe (1997), S. 7 ff., zur Standortoptimierung Klose (2001). 2004; Unternehmen mit sozialversicherungspflichtig Beschäftigten und/oder besteuerbarem Umsatz.
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weil das Sendungsaufkommen auf weniger Empfänger konzentriert ist. Nach einer Abschätzung des Autors liegen die Zustellkosten dann um bis zu 16 % unter den Ergebnissen des Basisszenarios.595 Allerdings ändert sich die Struktur der Ergebnisse nicht wesentlich: Spearmans Rangkorrelationskoeffizient weist einen Wert von 0,885 auf und ist im 99 %-Konfidenzintervall signifikant. Alternative Berechnung Grundwege bei niedrigem Sendungsaufkommen
Die Länge der Grundwege ergibt sich in dem Modell aus dem Produkt aus der Anzahl bedienter Abgabestellen in einem Postleitzahlengebiet und der durchschnittlichen Entfernung zwischen den Abgabestellen. Die Entfernung wird mit Hilfe einer Flächenformel unter Berücksichtigung eines Korrekturfaktors berechnet. Aus der Literatur ist bekannt, dass diese Heuristik bei hohen Berührungsgraden realitätsnahe Ergebnisse liefert. Auch bei einer Variation des Sendungsaufkommens verändern sich die Grundwege nicht oder nur unwesentlich. Lediglich bei sehr niedrigen Mengen ist davon auszugehen, dass die Zusteller die Grundwege durch Abkürzungen reduzieren können, da sie keine festen Wege entlang aller potenziellen Abgabestellen nutzen müssen. Laut RABE (1997) lohnt es sich bei einem Berührungsgrad von unter 10 % (d. h. weniger als 10 % der Abgabestellen erhalten täglich Post) nicht mehr, eine feste Zustellroute zu bedienen, die alle potenziellen Empfängeradressen eines Bezirks berücksichtigt. Stattdessen werden Zusteller sich täglich ändernde Routen benutzen. Damit führt das Modell in der Tendenz zu einer Überschätzung der Kosten bei sehr niedrigen Sendungsmengen.596 Entsprechend stehen den Größennachteilen bei geringem Beförderungsvolumen kostensenkende Prozessanpassungen in Form geänderter Grundwege gegenüber. Im Ergebnis werden die im Rahmen der Modellierung errechneten Marktanteile für Kostenparität bei niedrigen Sendungsmengen möglicherweise geringfügig zu hoch liegen. Gegen eine erhebliche Überschätzung der Eintrittshürden spricht, dass die Größenvorteile des Incumbents bei hohem Marktanteil – einhergehend mit einem niedrigen Marktanteil des Neulings – deutlich ausgeprägt sind. Nur durch erhebliche 595
596
Für die Abschätzung wurden die Unternehmen entsprechend der Bevölkerung auf die PLZGebiete verteilt. Ein Berührungsgrad von unter 10 % ergibt sich bei Sendungsmengen von unter 7 % des heutigen Niveaus. Allerdings ist auch ein gegenläufiger Effekt zu den Einsparungen zu beobachten: Da sich Sendungsmengen sukzessive verändern, die Standortoptimierung von ZSPen äußerst komplex und die Anpassung (Suche von Immobilien etc.) zeitaufwendig ist, wird die Anzahl der ZSP im „nicht-eingeschwungenen“ Zustand tendenziell unter dem optimalen Wert liegen, was zu höheren Kosten für Hin- und Rückwege führen wird.
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299
Faktorkostenvorteile (> 40 %) des Neulings und eine starke Reduzierung der Zustellfrequenz (max. 2 Tage) lassen sich diese Größennachteile ausgleichen. Eine grobe Abschätzung des Autors ergibt, dass die Zustellkosten bei Marktanteilen von unter 7 % circa 20 bis 30 % unter den Modellergebnissen des Basisszenarios liegen.597 Eine Absenkung der Eintrittshürden hat sich im Rahmen der Grobschätzung allerdings für kein Szenario bestätigt. Entsprechend gering dürfte der „Fehler“ der vereinfachten Berechnung gegenüber der Realität sein. Variation Inputparameter
In die Modellierung fließt eine Vielzahl verschiedener Parameter ein. Ihre Ausprägungen basieren auf Informationen zu ausländischen Briefmärkten, Angaben in Interviews und eigenen Schätzungen. Um zu testen, wie robust die Ergebnisse gegenüber Veränderungen dieser Inputgrößen sind, wurden die wesentlichen Parameterausprägungen variiert. Soweit möglich, wurden die Größen jeweils um + und - 25 % verändert. Aus Tabelle 24 lässt sich ablesen, welchen Einfluss diese Veränderungen haben: Tabelle 24: Zustellstückkosten bei Variation der Inputparameter Variation Parameter Stundensatz Loaddauer Access* Sachkosten Geschwindigkeit Route Distanzfaktor Grundzeit Access Obergrenze Distanz zw. Stops f. Verkehrsmittelwahl
Delta plus 25 % minus 25% plus 25 % minus 25% minus 25% plus 25 % minus 25% plus 25 % minus 25% plus 25 % minus 25% plus 25 % minus 25% plus 25 % minus 25%
Ausprägung 23,75 14,25 5 3 1,25, 29,1; 0,161
0,875 0,525 15;31,25;50 9; 18,75; 30 56,25; 125 33,75; 75
Korrelations- t-Wert Stück-kosten Abweikoeffizient** chung 0,9999 8131,8 0,157 23% 0,9999 7353,4 0,099 -23% 1,0000 51880,1 0,134 5% 1,0000 46702,0 0,122 -5% 0,9996 3049,1 0,126 -2% 1,0000 9300,3 0,131 2% 0,9999 6312,7 0,125 -2% 0,9996 3023,2 0,118 -8% 0,9992 2239,8 0,145 13% 0,9660 338,7 0,135 5% 0,9168 208,3 0,12 -6% 0,9995 2977,2 0,14 9% 0,9993 2397,1 0,117 -9% 0,9420 254,6 0,127 -1% 0,9256 221,8 0,136 6%
* andere Funktion ** p < 0,001
Quelle: Eigene Berechnung 597
Eigene Abschätzung: Für die Abschätzung der Kosteneinsparungen bei reduzierten Grundwegen wurde im Modell die Entfernung zwischen den Abgabestellen berechnet auf der Basis der tatsächlichen anstatt der potenziellen Abgabestellen. Der Korrekturfaktor wurde verdoppelt, da bei sehr wenigen Abgabestellen auf Grund der Bebauung keine Gleichverteilung angenommen werden kann, sondern Umwege berücksichtigt werden müssen.
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300
Insgesamt sind die Ergebnisse sehr robust gegenüber Veränderungen, d. h. in ihrer Struktur stabil. Keine Variation hat einen erheblichen Einfluss auf die Rangfolge: Die Korrelationskoeffizienten liegen alle deutlich über einem Wert von 0,9 und sind signifikant im 99 %-Intervall. Den größten Einfluss auf die Zustellkosten hat eine Veränderung der Personalkosten. Wird der Stundensatz für Zusteller um 25 % erhöht (gesenkt), steigen (sinken) die Stückkosten im Basisszenario um 23 %. Dieses Ergebnis ist Ausdruck der hohen Personalintensität des Zustellprozesses. Entsprechend hat eine Veränderung der Sachkosten nahezu keinen Einfluss auf die Zustellkosten. A 3 Annahmen des Netzwerksimulation Zur Berechnung der Kostenwirkungen in den Szenarien ist nicht nur die in der Ausgangssituation dargestellte Transportmenge (M), sondern auch die Gesamtsendungsmenge des Netzwerkes (G) entscheidend. Im Folgenden wird der Zusammenhang zwischen den verschiedenen Briefmengen erläutert: Briefe, die von einem Sortierzentrum aus in andere Destinationen verschickt werden, heißen Abgangsmengen. Formal: 5
Ai
¦M
ij
für i = 1, …, 5
j 1
Als Eingangsmengen werden alle Briefe bezeichnet, die von anderen Briefzentren eingeliefert werden. Formal: 5
Ei
¦M
ji
für i = 1, …, 5
j 1
Eigenmengen R eines Sortierzentrums stammen aus der Region und verbleiben dort: R Gii
Die gesamte Sendungsmenge des Netzwerkes G lässt sich als 5-Feld-Matrix beschreiben:
G
§ G11 ... G15 · ¨ ¸ ¨ ... ¸ ¨ G ... G ¸ 55 ¹ © 51
Konkret liegen dem Netzwerk folgende Sendungsmengen zu Grunde:
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301
G
30 § 50 60 ¨ ¨ 60 950 1100 ¨ 30 1100 1080 ¨ ¨ 20 350 380 ¨ 10 700 1000 ©
10 · ¸ 700 ¸ 380 1000 ¸ ¸ 430 250 ¸ 250 840 ¸¹ 20
350
Die Sendungsströme sind symmetrisch verteilt, d. h., es gilt: Ai
Ei
Die Transportmengen M umfassen nicht die Eigenmengen R. Ferner sind bei Nutzung eines Hubs auch die Hubmengen H zu berücksichtigen, den Sendungen werden dann über ein Hub zum Bestimmungsort gebracht und deshalb – je nach Routing – mindestens zwei Mal transportiert. Die Gesamtsendungsmenge lässt sich für die Ausgangssituation wie folgt in die Transportmatrix überführen:
T
§ ¨ ¨ T21 ¨ ¨ ¨ ¨ ©
0 M 21 M 31 M 41 M 51 0 0 0
T12
0 0 0 M 12 M 13 M 14 M 15 · ¸ 0 T23 M 23 M 13 T24 M 24 M 14 T25 M 25 M 13 ¸ 0 T32 M 32 M 31 T34 M 34 T35 M 35 ¸ . ¸ 0 T42 M 42 M 41 T43 M 43 T45 M 45 ¸ ¸ 0 T52 M 52 M 51 T53 M 53 T54 M 54 ¹
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