PARKER leimt die Parkplatz-Geier
Ein Roman von Günter Dönges
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PARKER leimt die Parkplatz-Geier
Ein Roman von Günter Dönges
Butler Parker ließ sich nicht anmerken, daß er innerlich alar miert war. Der Junge Mann in Jeanshosen und Lederweste machte einen sehr aufmerksamen und gespannten Eindruck. Er stand vorn an der Zufahrt zum Parkplatz, rauchte nervös eine Zigarette und schien die nahe Durchgangsstraße sehr genau zu beobachten. Er war nicht allein. Neben einem kleinen Kastenlieferwagen hielten sich zwei eben falls junge Männer auf, die ähnlich gekleidet waren. Sie beschäf tigten sich mit dem Inhalt des Kastenaufbaus und hielten immer wieder Blickkontakt mit dem jungen Mann am Parkplatz. Natürlich rechnete der Butler mit einem Überfall. Lady Agatha Simpson saß im Fond seines hochbeinigen Wagens und blätterte gelangweilt in einem Magazin. Sie wartete auf seine Rückkehr und auf die Päckchen, die er gerade in einer Parfümerie abgeholt hatte. Und dann war es plötzlich soweit. Die Hauptpersonen: Mike Blanders vermietet Kleinlaster und erlebt Lady Simpson, die ihn für einen Drahtzieher hält. James Finnegan erzählt eine haarsträubende Geschichte und sieht sich Myladys Hutnadel gegenüber. Clive Boarding bietet Rasenmäher und Schläger an. Charly Stalling handelt mit Heizöfen und gerät an Parker. Will Natersham verkauft Hundefutter und hetzt einen Dober mann auf den Butler. Lady Agatha Simpson hat wieder mal den genauen Durch blick. Butler Parker spielt mit den Parkplatz-Geiern Katz und Maus. Die jungen Männer schoben ihre Oberkörper aus dem Kasten aufbau ins Freie und hielten direkt auf Parkers Wagen zu, der mal als Taxi hier in London gedient hatte. Josuah Parker, das Urbild eines hochherrschaftlichen Butlers, geriet keineswegs in Panik. Er stand relativ günstig zu seinem Wagen, denn er hatte einen schmalen Fußweg genommen, der
durch eine Grünanlage führte. Die beiden Männer befanden sich, ohne ihn zu sehen, in der Reichweite seiner etwaigen Gegenmaß nahmen. Sie hatten es tatsächlich auf Lady Agatha abgesehen, daran war nicht mehr zu zweifeln. Sie hatten den Wagen fast erreicht und schienen sich auf den Überfall vorzubereiten. Einer von ihnen langte unter seine Weste und löste damit bei Josuah Parker eine blitzschnelle Reaktion aus. Von der kleinen Begrenzungshecke aus, die er erreicht hatte, schoß er einen bunt gefiederten Blasrohrpfeil auf den jungen Mann ab. Angetrieben von komprimierter Kohlensäure, die sich in einer Stahlpatrone im Schirmgriff befand, jagte der stricknadellange Pfeil durch den hohlen Schirmstock, nahm Kurs und landete wip pend im Oberarm des jungen Mannes. Worauf der soeben Getroffene verständlicherweise zusammen zuckte und den Gegenstand zu Boden fallen ließ, nach dem er offensichtlich gegriffen hatte. Zu Parkers Überraschung handelte es sich um eine Whiskyflasche, die auf dem Asphalt zerschellte. Der zweite junge Mann war beim überraschten Aufschrei seines Begleiters herumgefahren und starrte ungläubig auf den kleinen Blasrohrpfeil. Dann geriet er eindeutig in Panik und lief plötzlich zurück zum Kastenwagen. Der Getroffene folgte seinem Begleiter, aber schon die ersten Schritte wirkten ein wenig steif und unkoordiniert. Er taumelte wie ein Angetrunkener und schien bereits die Kontrolle über sich verloren zu haben. Was den Butler keineswegs wunderte. Er selbst hatte das Präparat zusammengestellt, das sich im Blutkreislauf des Mannes befand. Gesundheitliche Schäden waren nicht zu befürchten. Parker war es bei diesem Präparat nur darum gegangen, den Gegner möglichst schnell unschädlich zu machen. Der Sprinter in Richtung Kastenwagen hatte das Fahrerhaus noch nicht erreicht, als Parker den Lauf auf seine Art stoppte. Dazu benutzte er eine hart gebrannte Ton-Erbse, die er mit seiner Patent-Gabelschleuder verschossen hatte. Dieses an sich harmlos aussehende Gerät war in seinen Händen eine sehr effektive Waf fe. Seine Zielsicherheit war frappierend. Der junge Mann, am Hinterkopf getroffen, drückte sich mit den Füßen vom Asphalt ab und flog auf den Kastenaufbau. Hier ende
te der Freiflug und ging in eine Bruchlandung über. Mit einer schraubenartigen Drehung ging der junge Mann zu Boden. »Darf man sich erlauben, sich nach Myladys wertem Befinden zu erkundigen?« fragte Parker, der seinen Wagen erreicht hatte. »Sie haben mir alles verdorben, Mister Parker«, grollte Lady Agatha und blitzte ihn aus ihren grauen Augen an. »Wie konnten Sie diese jungen Burschen nur so vergrämen?« »Mylady sehen meine Wenigkeit überrascht.« »Es geht um Whisky«, fügte Lady Agatha hinzu. »Ein einmaliges Sonderangebot. Sogar Zigaretten sind mir angeboten worden. Alles zum halben Preis. Ich hätte diese Sache bestimmt noch wei ter herunterhandeln können.« »Mylady sehen meine Wenigkeit untröstlich«, meinte der Butler. »Dafür kann ich mir nichts kaufen«, räsonierte sie. »Versuchen Sie wenigstens, die beiden Burschen versöhnlich zu stimmen, Mister Parker. Vielleicht kann doch noch etwas aus dem Geschäft werden.« * Josuah Parker nahm eine kleine Visitation vor, da die beiden jungen Männer noch nicht ansprechbar waren. Er hatte sie neben ihrem Kastenwagen auf den Boden gesetzt und konnte sich unge hindert mit den Kartons befassen, die sich im Aufbau befanden. Es handelte sich um besten schottischen Whisky und um Ta bakwaren aller Art. Es gab bekannte Markenzigaretten, Zigarren aus Kuba und Zigarillos aus der Schweiz. »Das ist ja wunderbar«, sagte Lady Agatha, die ebenfalls einen prüfenden Blick in den Wagen warf. »An und für sich sollte ich dies alles als Konterbande betrachten und daher beschlagnah men.« »Man bot Mylady Whisky zum halben Ladenpreis an?« erkundig te sich Parker. »Und darunter.« Sie nickte und lächelte versonnen. »So billig komme ich nie wieder an dieses teure Zeug, Mister Parker. Brin gen Sie die Burschen schleunigst wieder zu sich. Ich muß mit ih nen im Gespräch bleiben.«
»Mylady ahnen natürlich, daß es sich mit an Sicherheit gren zender Wahrscheinlichkeit um Diebesgut handelt?« fragte Parker zurück. »Ich ahne überhaupt nichts, Mister Parker. Und ich will auch nichts wissen«, reagierte sie verärgert. »Und ich bin auch nicht verpflichtet, Fragen nach der Herkunft der Ware zu stellen.« Sie war eine sparsame Frau. Agatha Simpson galt zwar zu Recht als eine ungemein vermögende Dame, die dazu noch mit dem Blut- und Geldadel der Insel eng verschwistert und verschwägert war, doch es war allgemein bekannt, daß sie mit ihrer Sparsam keit einen geizigen Schotten glatt in den Schatten stellte. Auf der anderen Seite warf sie allerdings das Geld mit beiden Händen zum Fenster hinaus, wenn es darum ging, ihrer Leiden schaft zu frönen. Sie hielt sich nämlich für eine einmalig begabte Amateurdetektivin und scheute keine Ausgaben, um Kriminelle jeden Kalibers zu verfolgen und zu stellen. Mylady war groß, stattlich, eine majestätische Erscheinung. Sie trug mit Vorliebe Tweed-Kostüme, die aus Gründen der Bequem lichkeit zu weit geschnitten waren. Und sie trennte sich fast nie von ihrem perlenbestickten Pompadour, in dem ihr sogenannter Glücksbringer lagerte. Dabei handelte es sich schlicht und einfach um ein mächtiges Hufeisen, das von einem stämmigen Brauerei pferd stammte. Diese bemerkenswerte Frau witterte hier und jetzt eine Mög lichkeit, auf billige Art und Weise an Genußmittel zu kommen, die im freien Handel bemerkenswert teuer waren. Der Butler kam übrigens nicht mehr dazu, sich mit Lady Agatha über die Pflichten eines Staatsbürgers zu unterhalten. Der junge Mann, den die Ton-Erbse erwischt hatte, war wieder zu sich ge kommen und blickte Mylady und Parker verwirrt an. Er mußte den Butler optisch erst richtig einordnen. Parker war eine alterslose Erscheinung mit einem glatten, un durchdringlichen Gesicht. Er trug unter dem leicht geöffneten Co vercoat einen schwarzen Zweireiher und hatte sich über den an gewinkelten linken Unterarm den Bambusgriff seines altväterlich gebundenen Regenschirmes gelegt. Auf seinem Kopf mit dem eisgrauen Haar saß ein ebenfalls schwarzer Bowler, im Volksmund Melone genannt. Wie gesagt, er war das Urbild eines englischen Butlers und hätte jeden Regisseur eines Kostümfilmes entzückt.
»Stehen Sie noch zu Ihrem Angebot, junger Mann?« erkundigte sich die ältere Dame inzwischen bei dem mühsam Aufstehenden. »Da hat mich was von den Beinen gehauen«, sagte der junge Mann und faßte erneut nach der Beule, die sich bereits prächtig ausbildete. »Lenken Sie nicht vom Thema ab, junger Mann«, forderte Myla dy ihn unwirsch auf. »Ich nehme einen Karton Whisky. Es bleibt bei dem Preis, den Sie genannt haben?« »Klar doch.« Der junge Mann mit dem etwas unsteten Blick musterte mißtrauisch den Butler. »Zahlen Sie ihn aus, Mister Parker«, verlangte Lady Agatha. »Ich fürchte, ich habe meine Geldbörse zu Hause gelassen.« Parker kam dem ausdrücklichen Wunsch seiner Herrin nach, fragte nach dem Preis und erfuhr eine Summe, die ihn wirklich stutzig werden ließ. Der Whisky war ungemein billig. »Ein höchst günstiger Preis«, stellte der Butler höflich fest. »Wir machen ‘nen Ausverkauf«, erwiderte der junge Mann und langte nach einem Karton, den er nach vorn an die Ladekante zog. Parker zahlte den verlangten Preis und deutete dann mit der Schirmspitze auf seinen hochbeinigen Wagen. Dabei hielt er Aus schau nach dem dritten jungen Mann, der ihm aufgefallen war. Er war aber nicht mehr zu sehen. »Tragen müssen Sie schon selbst, sonst zahlen wir noch drauf«, meinte der junge Mann und langte erneut nach der Beule am Hin terkopf. »Ich bin noch schwach auf den Beinen. Verdammt, ich weiß genau, daß mich da was von den Beinen gehauen hat.« Parker nahm den Karton in die Arme und war auf der Hut. Er rechnete mit einem plötzlichen Angriff, doch der blieb aus. Der junge Mann kümmerte sich um seinen Partner und tastete dessen Oberarm ab. »Da war doch eben so was wie’n Pfeil drin«, rätselte er und blickte Parker an. »Möglicherweise wurden Sie das Opfer einer sogenannten Hallu zination«, schlug der Butler als Erklärung vor. Er hatte den klei nen Blasrohrpfeil längst wieder an sich genommen und in den Falten seines Universal-Regenschirmes verschwinden lassen. »Ich weiß genau, daß ich das Ding gesehen habe.« Der junge Mann zuckte mit den Achseln und schleifte seinen Partner zur Tür des Fahrerhauses.
»Für mich ist dieser Fall damit erledigt, Mister Parker«, ent schied die ältere Dame und nickte Parker auffordernd zu. Er deu tete eine Verbeugung an und trug den Karton zum Kofferraum seines Wagens. Bei dieser Gelegenheit machte Parker den dritten jungen Mann aus, der oben zwischen den Sträuchern der Grünflä che stand und alles beobachtete. Josuah Parker verstaute den Karton im Kofferraum seines Wa gens und lieh Mylady seine hilfreiche Hand, als sie in den Fond stieg. Sie machte einen sehr zufriedenen Eindruck. »So kauft man ein, Mister Parker«, sagte sie und lächelte wis send. »Man muß die Gunst der Stunde nützen, sonst kommt man zu nichts. Das sollten Sie sich merken.« »Mylady verfügen offensichtlich, was dies betrifft, über eine un gemein glückliche Hand«, erwiderte der Butler. »Ich weiß, ich weiß«, folgte ihre bereits sattsam bekannte Selbstschätzung. »Nehmen Sie sich für die Zukunft ein Beispiel an mir, Mister Parker.« * Der Butler stand vor dem Wandschrank links vom Vorflur und hatte die hausinterne Fernsehanlage eingeschaltet. Er regulierte das Zoom-Objektiv mit der Fernbedienung ein und hatte dann auf dem Bildschirm den Motorradfahrer, der ihn vom Parkplatz aus bis hierher nach Shepherd’s Market verfolgt hatte. Parker ging davon aus, daß es sich dabei um den dritten jungen Mann handel te. Dieser Motorradfahrer saß auf seiner Maschine, hatte den JetHelm nicht abgesetzt, beobachtete das zweistöckige, altehrwürdi ge Fachwerkhaus der Lady Simpson und fuhr wieder an. »Gibt es etwas, was mich interessieren müßte, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson, die in die große Wohnhalle kam. »Mylady wurden vom Parkplatz bis hierher beschattet«, antwor tete Parker. »Wie schön, Mister Parker. Und was schließe ich daraus?« »Die Verkäufer des Whiskys wollen möglicherweise in Erfahrung bringen, mit wem sie es als Käuferin zu tun haben.«
»Um mir weitere Sonderangebote zu machen?« Sie nickte wohlwollend. »Ich bin wirklich nicht abgeneigt, Mister Parker, noch ein wenig einzukaufen.« »Mylady wünschen einen Blick auf die Flaschen zu werfen?« »Selbstverständlich.« Sie blickte zu dem Karton hinüber, der auf einem Beistelltisch stand. Parker, der die TV-Anlage inzwischen abgeschaltet hatte, entfernte das Packband und schlug die De ckelhälften auf. Im Grund erwartete er alles andere als Whisky, doch er wurde eines Besseren belehrt. Die Banderolen waren unversehrt, der Inhalt der Flaschen schien echt zu sein. »Was kostet solch eine Flasche, Mister Parker?« fragte die älte re Dame. Sie ließ sich von Parker eine reichen und überlas laut den Markennamen. »Bei dieser Qualität, Mylady, müßte man in einem regulären Geschäft zwischen zehn und zwölf Pfund ausgeben«, antwortete der Butler. »Und ich habe noch nicht mal fünf Pfund gezählt«, freute sie sich. »Ich hätte mehrere Kartons nehmen sollen.« »Wie Mylady bereits anzudeuten geruhten, dürfte man Mylady in Kürze weitere Angebote unterbreiten. Darf meine Wenigkeit noch mal darauf verweisen, daß es sich möglicherweise um Die besgut handelt?« »Sie haben eine zu üppige Phantasie, Mister Parker«, tadelte sie umgehend. »Man kann sein Mißtrauen aber auch wirklich über treiben.« »Man sollte vielleicht sicherheitshalber noch den Inhalt der Fla schen kontrollieren, Mylady.« »Sie nehmen mir das Wort von den Lippen«, gab sie zurück. »Übrigens werde ich diese jungen Männer fragen, ob sie mir nicht auch französischen Cognac anbieten können.« Parker schraubte den versiegelten Drehverschluß der Flasche auf und schnupperte diskret am Inhalt. »Nun, Mister Parker?« fragte sie. »Es handelt sich überraschenderweise tatsächlich um echten Whisky«, gestand Josuah Parker. »Womit hatten Sie denn gerechnet?« Leichter Spott war in ihrer tiefen, sonoren Stimme.
»Der Wahrheit die Ehre, Mylady, meine Wenigkeit rechnete mit eingefärbtem Wasser. Mylady wurden in der Vergangenheit schon mal auf ähnliche Art und Weise düpiert.« »Weil Sie seinerzeit nicht richtig aufgepaßt haben, Mister Par ker«, schob sie ihm umgehend die Schuld zu. »Ich werde dieses Thema aber nicht weiter vertiefen.« Sie ließ sich einen ordentlichen Schluck aus der Flasche servie ren und kostete dann intensiv. »Ausgezeichnet«, meinte sie und nickte anerkennend. »Aber was ist, wenn die jungen Männer sich nicht mehr melden soll ten?« »Mylady könnten sie aufsuchen«, schlug Josuah Parker vor. »Ü ber das Kennzeichen des kleinen Kastenlieferwagens müßte man die Adresse der Verkäufer in Erfahrung bringen können.« »Leiten Sie das umgehend in die Wege, Mister Parker«, verlang te Lady Agatha. »Einmalige Gelegenheiten muß man beim Schop fe fassen.« Weder sie noch Parker konnten zu diesem Zeitpunkt auch nur ahnen, was da alles noch auf sie zukam. * Es hatte Parker nur einen kurzen Anruf bei der zuständigen Be hörde gekostet, um den Halter des kleinen Kastenlieferwagens in Erfahrung zu bringen. Es handelte sich um einen Mann namens Mike Bianders, der eine Firma für Schnelltransporte aller Art un terhielt und seinen Wohnsitz in Bloomsbury hatte. Butler Parker hatte die Absicht, diesen Mike Blanders aufzusu chen, wofür natürlich auch Lady Agatha war. Sie dachte selbst verständlich nur an weitere Sonderangebote. Die ältere Dame befand sich oben in ihren Räumen und bereite te sich für die Ausfahrt vor. Parker wollte gerade ins Souterrain des Hauses gehen, um für Mylady eine kleine Zwischenmahlzeit zu bereiten, als die Alarmanlage sich meldete. Er kehrte in die große Wohnhalle zurück und schaltete die Fern sehanlage ein. Die Kamera oben am Haus erfaßte sofort einen Morris, der sich in schneller Fahrt dem altehrwürdigen Fachwerk haus näherte. Am Steuer saß ein Mann, der nach Parkers Ein schätzung etwa fünfundvierzig Jahre zählte.
Er stieg ohne jede Hast aus, als er den giebelgekrönten Vorbau des Fachwerkhauses erreichte, und benahm sich völlig zivil. Die Optik der Kamera, die unter dem Vordach angebracht war, zeigte ein rundes, offenes Gesicht mit kleinen, schnellen und wachsamen Augen. »Zu Ihren Diensten«, meldete sich Parker über die Wechsel sprechanlage, nachdem der Mann geläutet hatte. »James Finnegan«, stellte der Mann sich vor. »Ich habe da ein kleines Problem, das ich gern mit Ihnen besprechen möchte.« »Darf man nähere Einzelheiten erfahren, Sir?« gab Parker’ zu rück, drückte aber bereits auf den Auslöser für den elektrischen Türöffner. Der Mann, der sich James Finnegan nannte, schob die Tür auf und merkte wohl kaum, wie schwer sie tatsächlich war. Sie hätte es, was ihre Solidität betraf, ohne weiteres mit dem Eingang zu einem besonders gut gesicherten Tresor aufnehmen können. Parker stand vor dem verglasten Vorflur und deutete eine Ver beugung an. Er blickte dann unauffällig zum Türsturz, doch die Kontroll-Lampe des Detektors leuchtete nicht auf. Der Eintretende trug demnach keine größere Waffe bei sich. Dieses Detektor-System arbeitete nach dem Prinzip einer Kon trollanlage, wie man sie auf internationalen Flughäfen antrifft. Parker ließ James Finnegan nähertreten und öffnete die Tür des Windfangs. Finnegan lächelte unsicher und blickte dann beein druckt in die Tiefe der großen Wohnhalle. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Wie Sie sicher bereits wissen oder aber gesehen haben, ist meine Wenigkeit der Butler des Hauses, dem Sie sich durchaus offenbaren können.« »Ich komme sofort zur Sache«, meinte Finnegan. »Sie haben da draußen auf einem Parkplatz Whisky gekauft, nicht wahr?« »Sollte dies Ihre Mißbilligung gefunden haben, sofern Ihre Be hauptung den Tatsachen entspricht, Mister Finnegan?« »Nein, nein, mißverstehen Sie das nur nicht«, bat Finnegan und rang die Hände. »Ich soll Ihnen nur sagen, daß dieser Whisky aus meinem Laden stammt und mir unterschlagen wurde.« »Möglicherweise von Mitarbeitern?« »Stimmt, Mister Parker«, redete Finnegan weiter. »Ich hatte meine beiden Mitarbeiter schon seit Monaten in Verdacht, verste
hen Sie? Diesmal aber ließ ich sie beschatten und kann sie fest nageln.« »Sie haben Ihren Mitarbeitern bereits die Tat auf den Kopf zu gesagt, Mister Finnegan? »Und die Leute haben gestanden«, meinte der Mann mit den schnellen und wachsamen Augen. »Worauf ich hinaus will, Mister Parker, ist ganz einfach: Sie sollten mir den Whisky entweder zurückgeben oder ihn mir bezahlen.« »Sie haben die Absicht, die beiden Täter anzuzeigen, Mister Fin negan?« »Das lohnt sich doch nicht.« Er machte eine wegwerfende Handbewegung und lächelte dünn. »Das bringt nur unnötige Scherereien. Nein, nein, ich habe sie gefeuert und werde in Zu kunft eben besser aufpassen.« »Sie können sich ausweisen, Mister Finnegan?« »Selbstverständlich«, gab der Mann zurück. »Hier ist meine Ge schäftskarte. – Und hier ist meine Lizenz für den Spirituosenhan del. Mit Lichtbild, wie Sie sehen.« Während er redete, griff er langsam nach seiner Brieftasche. Butler Parker machte sich bereit, einem plötzlichen Angriff be gegnen zu können. * »Das glaube ich einfach nicht«, protestierte die ältere Dame wenig später. James Finnegan war bereits wieder gegangen, und Parker hatte seiner Herrin kurz Bericht erstattet. »Sie haben die sem Gauner den Differenzbetrag gezahlt?« »Seine Unterlagen waren durchaus echt und hätten jeder weite ren Prüfung standgehalten, Mylady.« »Dieser Differenzbetrag geht zu Ihren Lasten, Mister Parker«, meinte sie streng. »Ich kann mir solche Auslagen nicht leisten. Wenn Sie schon großzügig sein wollen, dann bitte auf Ihre Kos ten.« »Mylady werden zu dem Resultat gelangen, daß dieser an sich kleine Betrag durchaus gewinnträchtig angelegt wurde.« »Das sollten Sie mir erklären«, gab sie spöttisch zurück. »Der Besuch des Mister Finnegan diente eindeutig der Ablen kung, Mylady«, antwortete Parker in seiner höflichen Art. »Man
darf an den dritten jungen Mann erinnern, der die Szene auf dem Parkplatz beobachtete und Mylady dann bis hierher nach Shepherd’s Market folgte.« »Gut, Sie haben mich jetzt daran erinnert«, grollte sie verhal ten. »Und was schließe ich daraus?« »Man hat die Absicht, Mylady zu desinteressierten, wenn meine Wenigkeit es mal so ausdrücken darf.« »Sie dürfen, Mister Parker, Sie dürfen«, sagte sie. »Ich bin also wieder einem neuen Fall auf der Spur?« »In der Tat, Mylady. Man erfand eine an sich nicht ungeschickte Geschichte, um die einmalige Preiswürdigkeit der Alkoholika zu erklären. Man will Mylady suggerieren, daß dieser Whisky das Resultat einer firmeneigenen Unterschlagung ist.« »Woran ich natürlich nicht glaube, wie?« Sie blickte ihren Butler in gespannter Erwartung an. »Keineswegs und mitnichten, Mylady«, erwiderte Josuah Parker. »Mylady geruhen sicher an die vielen Kartons und auch an die Tabakwaren im Kastenlieferwagen zu denken.« »Das alles fiel mir selbstverständlich sofort auf, Mister Parker. Ich dachte schon, Ihnen wäre das entgangen.« »Diese Dinge können nach Myladys Einschätzung wohl nur aus einem großen Diebstahl stammen.« »Selbstverständlich.« Sie nickte nachdrücklich. »Woher sollte das Zeug wohl sonst stammen, Mister Parker?« »Nun aber glaubt man, eine plausible Erklärung für den billigen Whisky geliefert zu haben und hofft, daß Mylady diesen Zwi schenfall auf dem Parkplatz vergessen werden.« »Worin die Gauner sich aber täuschen werden, Mister Parker.« Ihr Gesicht nahm einen grimmigen Ausdruck an. »Sie dürfen mir sagen, was ich ab sofort unternehmen werde.« »Mylady haben sicher bereits erwogen, der Firma des Mister Finnegan einen Besuch abzustatten. Darüber hinaus werden My lady zusätzlich den Halter des Kleinlasters aufsuchen.« »Genau das, Mister Parker, ist meine Absicht.« Sie nickte. »Eine Lady Simpson ist so ohne weiteres nicht abzuschütteln. Das wer den die Subjekte umgehend merken.« »Darüber hinaus sollte man vielleicht vorsichtig bei der Polizei behörde nachfragen, ob es in jüngster Zeit zu größeren Diebstäh len von Tabakwaren und Spirituosen gekommen ist, Mylady.«
»Tun Sie, was ich für richtig halte, Mister Parker«, entschied sie erstaunlich freundlich. »Und nun zum Wagen, ich will keine Zeit verlieren.« Agatha Simpson vibrierte förmlich vor Energie. Parker war klar, daß ab sofort wieder unruhige Stunden auf ihn zukommen wür den. Wenn Lady Agatha sich engagierte, war sie erfahrungsge mäß nicht mehr zu stoppen. * James Finnegans Firma nannte sich zwar eine Großhandlung, doch besonders umfangreich schien sein Handel nicht zu sein. Die Firmenräume befanden sich in einem Gewerbehof, der hinter ei nem grauen Wohnblock lag. Butler Parker steuerte sein hochbeiniges Monstrum bis dicht an eine Rampe heran, stieg aus und half Lady Simpson in butlerhaf ter Würde hinaus. Ihm war klar, daß Mylady und er bereits beo bachtet wurden. Eine Gardine vor einem Bürofenster bewegte sich ein wenig. Die passionierte Detektivin und er stiegen über eine schmale Betontreppe hinauf zur Rampe und betraten durch eine geöffnete Schiebetür gleich den ersten Lagerraum. Von Vorräten konnte hier nun wirklich keine Rede sein. Weit im Hintergrund standen ein paar mittelgroße Weinfässer und stapel ten sich einige Flaschen-Kartons. Es roch allerdings durchaus nach Spirituosen. »Sie, Mister Parker?« fragte James Finnegan, der aus einer Sei tentür trat. Er tat sehr erstaunt. »Mylady hat den inzwischen regulär bezahlten Whisky geprüft und verfolgt die Absicht, sich einen kleinen Vorrat anzulegen«, sagte der Butler. »Mylady, dies ist Mister Finnegan, von dem meine Wenigkeit berichtete.« »Ich nehme etwa zehn Kartons«, sagte die ältere Dame und nickte ihm wohlwollend zu. »Über den Preis müssen wir uns aber noch unterhalten, junger Mann.« »Ich fürchte, äh, ich fürchte, Lady, daß ich, äh, ausverkauft bin«, stotterte Finnegan und rang wieder die Hände. »Eben erst ist der letzte Posten davon weggegangen. Tut mir leid.«
»Sie sind ein Gauner, junger Mann«, grollte Agatha Simpson. »Gestehen Sie schon, daß Sie mich von der Spur ablenken wol len. Und beeilen Sie sich damit, bevor ich ärgerlich werde.« »Wie meinen Sie?« James Finnegan war unsicher und fast ängstlich geworden. Er wandte sich halb um und blickte zur Tür, durch die er gerade gekommen war. Prompt erschien dort einer der beiden jungen Männer vom Parkplatz. Er hielt eine schallgedämpfte Pistole in der Hand und machte ei nen sehr nervösen Eindruck. Es war jener junge Mann, dem die Landung einer Ton-Erbse eine Beule am Hinterkopf verursacht hatte. »Flossen hoch«, bellte er gespielt lässig, »und zwar ein bißchen plötzlich, Leute, sonst gibt’s ein Unglück.« Sein Partner erschien ebenfalls im Lagerraum. Er war über die Außentreppe und Rampe gekommen, war eben falls bewaffnet und schob die Schiebetür zu. »Das Sprichwort, wonach die Welt klein ist, bestätigt sich wie der einmal«, sagte Josuah Parker. »Darf man erfahren, wie man diesen Auftritt zu deuten hat?« »Das wird gleich erklärt«, erwiderte der. erste junge Mann und deutete mit dem Lauf seiner Waffe nach hinten in Richtung Wein fässer. »Wir bringen euch erst mal bei, daß man nicht neugierig sein soll.« »Danach werdet ihr’s nie wieder sein«, meinte der zweite junge Mann und grinste. »Und dann is’ da noch die Sache mit dem Pfeil. Darüber werden wir uns auch mal’n paar Takte unterhalten, klar?« »Muß man davon ausgehen, daß Sie mit diesem Besuch ge rechnet haben?« fragte Parker, der übrigens wie Lady Agatha keineswegs die Hände gehoben hatte. »Eigentlich schon«, meinte der Wortführer der beiden Männer. »Wir haben nämlich ‘rausbekommen, wer Sie sind.« »Und welche Auskunft erteilte man Ihnen hinsichtlich Lady Simpsons, wenn man höflich fragen darf?« »Ihr macht auf Detektive, wie?« Der junge Mann grinste abfäl lig. »Aber das werden wir euch gleich austreiben.« »Daher das Ablenkungsmanöver des Mister Finnegan?« wollte der Butler wissen. »Diente es möglicherweise dazu, Mylady und meine Wenigkeit hierher zu locken?«
»Daß wir noch hier sind, is’ reiner Zufall«, kam die überra schend freimütige Antwort, aus der Parker sofort gewisse Schlüs se zog. »Die Herren haben Mister Finnegan in irgendeiner Form überre det, als geschädigter Firmeninhaber aufzutreten?« »War doch ‘n guter Trick, wie?« Der Wortführer lachte geküns telt und war nicht in der Lage, seine Nervosität zu überspielen. Er deutete jetzt noch mal nach hinten in den Lagerraum. »Los, Leu te, bringen wir’s hinter uns.« »Vielleicht noch eine letzte Frage«, bat Parker. »Darf man sich nach Ihrem dritten Mann erkundigen, der Mylady vom bewußten Parkplatz aus bis nach Shepherd’s Market verfolgte?« »Neugierig, wie?« lautete die spöttische Antwort. »In zehn Mi nuten werdet ihr keine Fragen mehr stellen.« Genau in diesem Moment erlitt Mylady einen Schwächeanfall und stieß ein bemerkenswertes Röcheln aus, das in ein verzwei feltes Schnappen nach Luft überging. Parker war tief beeindruckt. * Die beiden jungen Männer zeigten ebenfalls Wirkung. Ihre Wachsamkeit ließ für einen Augenblick nach. Sie blickten auf A gatha Simpson, die sich mit tragisch anmutender Geste ans Herz griff und dabei die Augen verdrehte. Dabei wankte und röchelte sie erneut. Der Wortführer der Männer senkte die Schußwaffe und wandte sich an Parker. »Machen Sie schon was, sonst kratzt sie uns noch ab«, forderte er den Butler auf. »Mit Ihrer gütigen Erlaubnis.« Parker schlug ihm mit der Schirmspitze die Waffe aus der Hand. Sie flog in hohem Bogen durch die Luft und landete auf dem Betonfußboden weit hinten im Lagerraum. Agatha Simpson war eine wehrhafte Frau, die sich keineswegs immer damenhaft benahm. Sie, die eben noch verzweifelt gerö chelt und nach Luft geschnappt hatte, wurde plötzlich aktiv und trat dem zweiten jungen Mann, der ebenfalls abgelenkt worden war, mit geballter Kraft gegen das linke Schienbein.
Durch ihre majestätische Fülle hatte sie viel Energie anzubieten und ließ sie über ihre Schuhspitze auf das Schienbein des Geg ners fließen. Das Resultat war frappierend. Der Getroffene heulte auf und krümmte sich. Bevor er sich auf die ältere Dame konzentrieren konnte, verabreichte sie ihm eine ihrer gefürchteten Ohrfeigen. Daraufhin knackten diverse Na ckenwirbel des Mannes, der Kopf flog herum und schien sich aus dem Rumpf drehen zu wollen. Agatha Simpson fand aber, daß ihr Gegner noch nicht restlos ausgeschaltet war. Sie trat erneut zu und traf das rechte Schien bein des jungen Mannes, der daraufhin einen halberstickten Laut ausstieß und sich in Richtung Betonboden begab. »Wagen Sie es nicht noch mal, eine hilflose Frau zu bedrohen«, mahnte sie dann. »Ich könnte sonst ärgerlich werden.« Sie trat noch ein drittes Mal zu, beförderte die Schußwaffe mit einem Kick in die Tiefe des Lagerraumes und blickte dann Parker an, der die Spitze seines Schirmes auf den Hals des Wortführers gestellt hatte. »Mylady waren wieder mal bewunderungswürdig«, meinte Par ker. »Was sonst, Mister Parker?« Sie nickte wohlwollend und lächelte ein wenig, wobei sie zu James Finnegan blickte. Finnegan war zurückgewichen und hob beide Arme zur Aufgabe, anschließend versicherte er Mylady und Parker, er hätte mit der ganzen Sache wirklich nichts zu tun. »Das überzeugt mich nicht, junger Mann«, erwiderte die ältere Dame. »Ich erwarte ein Geständnis auf der ganzen Linie.« »Die… die da haben mich gezwungen, zu Ihnen zu fahren«, ver teidigte sich James Finnegan. »Was hätte ich tun sollen? Sie ha ben doch mitbekommen, wie gefährlich die Leute sind.« »Lächerlich, junger Mann«, blaffte Lady Agatha. »Sind Sie nun wirklich bestohlen worden oder nicht?« »Mylady bezweifelt, daß der Whisky aus Ihren Firmenbeständen stammt«, fügte der Butler hinzu. »Und auch die Tabakwaren«, erinnerte Agatha Simpson streng. »Ich hab keine Ahnung, woher das Zeug stammt«, erwiderte Finnegan hastig und blickte die beiden Stöhnenden an.
»Sie kennen aber die jungen Männer?« Lady Agatha näherte sich dem Mann, dessen Hals von Parkers Schirmspitze belagert wurde. »Barry Luters und Joe Limmick«, erfolgte prompt die Antwort. »Die wo beschäftigt sind?« schaltete der Butler sich ein. »Keine Ahnung«, behauptete Finnegan hastig. »Ich glaube, die sind arbeitslos.« »Und wie lautete der Name des dritten jungen Mannes?« setzte der Butler hinzu. »Dritter junger Mann?« echote Finnegan und blickte verständ nislos. »Ihr Partner vom Parkplatz, meine Herren!« Parker wandte sich an die beiden Whiskyverkäufer. »Pete Bannister«, sagte der Mann, der sich von der Schirmspit ze bedroht fühlte. »Der hat sich abgesetzt. Wahrscheinlich haut er uns in die Pfanne, wenn das mit Finnegan nicht klappt.« Parker wollte eine weitere Frage stellen, doch er spürte plötz lich, daß Gefahr in der Luft lag. Finnegan blickte nämlich verstoh len hinüber in die Tiefe des Lagerraumes. Gleichzeitig verstärkte sich der Geruch nach Alkoholika in Parkers Nase. Ein plötzlich aufkommender Wind schien den lagernden Dunst durch das ver stohlene Öffnen einer Tür weit hinten im Lagerraum in Bewegung versetzt zu haben. Parker reagierte. * Als der erste schallgedämpfte Schuß fiel, befanden Mylady und Parker sich bereits in Sicherheit. Agatha Simpson war von Parker ohne jede Vorwarnung jäh zur Seite gedrückt worden. Sie wurde durch die Tür befördert, durch die Finnegan gekommen war. Der zweite Schuß landete im Rahmen und riß einige beachtliche Splitter aus dem Holz. Lady Agathas Busen wogte, als sie sich aufrichtete. »Was soll denn das, Mister Parker?« fragte sie streng. »Ich bin fast geneigt, dies mißzuverstehen.« »Es handelte sich um eine Art Notstand, Mylady«, erklärte Jo suah Parker und deutete mit der Schirmspitze auf einen weiteren
Einschlag im Türrahmen. »Man sollte vielleicht das antreten, was man einen geordneten Rückzug zu nennen pflegt.« »Schüsse, nicht wahr?« Sie schien das bekannte »Plopp« schallgedämpfter Waffen gar nicht wahrgenommen zu haben. »Schüsse, die wohl von Mister Pete Bannister stammen, dem dritten jungen Mann«, antwortete der Butler. Er dirigierte seine Herrin bereits durch einen schmalen Verbindungsgang, nachdem er die Tür mit dem Bambusgriff des Schirmes zugezogen hatte. »Sie glauben doch wohl nicht, daß ich die Flucht ergreife, Mister Parker«, protestierte sie. »Eine rein taktische Maßnahme, Mylady«, versicherte der Butler ihr. Man hatte inzwischen ein Büro erreicht, von dem aus man einen zweiten Raum erreichte. Durch die Fenster ließ sich auf den Innenhof blicken. »Das ist doch unerhört«, beschwerte Lady Agatha sich. Die bei den jungen Männer namens Barry Luters und Joe Limmick hatten bereits die Treppe der Rampe hinter sich gelassen und hielten auf Parkers hochbeinigen Wagen zu. Sie hatten wohl die Absicht, sich in den Besitz dieses betagt aussehenden Gefährts zu bringen, doch Parker hatte nach dem Verlassen die Türen abgeschlossen. Barry Luters rüttelte wütend verzweifelt an der Klinke der Fahrerseite, merkte, daß sie sich nicht öffnen ließ, und rannte dann weiter in Richtung Torweg, gefolgt von Joe Limmick. Parker hatte eines der beiden Fenster hochgeschoben und hielt bereits seine Gabelschleuder schußbereit in Händen. In der Le derschlaufe der Zwille befand sich eine hart gebrannte Ton-Erbse. Der Butler rechnete mit dem Auftauchen des dritten Mannes, der laut Finnegan Pete Bannister hieß. Luters und Limmick waren bereits im Torweg verschwunden. Parker hatte auf sie keinen Schuß mehr anbringen können, dazu war die Zeit zu knapp gewesen. Pete Bannister ließ auf sich warten. Auch von James Finnegan war nichts zu sehen. »Langsam werde ich ungeduldig, Mister Parker«, räsonierte A gatha Simpson. »Mister Bannister scheint sich zusammen mit Mister Finnegan durch eine hintere, noch nicht bekannte Tür, abgesetzt zu haben, Mylady«, vermutete der Butler.
»Ich hätte das unterbunden, falls Sie mich nicht daran gehin dert hätten, Mister Parker«, gab sie leicht gereizt zurück. »Sie haben wieder vorschnell gehandelt.« »Hoffentlich vermögen Mylady meiner Wenigkeit noch mal zu verzeihen«, lautete des Butlers Antwort. Sein glattes Gesicht zeigte nicht die Andeutung einer Regung. * Josuah Parker merkte schon nach wenigen Minuten, daß sie ver folgt wurden. Er machte Lady Agatha diskret darauf aufmerksam und wies sofort auf den VW-Golf hin, in dem sich zwei Männer befanden, die Monteur-Overalls trugen. »Sie fielen mir sofort auf, Mister Parker«, behauptete sie umge hend. »Es ist dieser rote Golf, nicht wahr?« »Fast, Mylady«, korrigierte der Butler in seiner höflichen Art. »Es handelt sich um ein Rot, das in ein Elfenbein übergeht.« »Oder so«, meinte sie leichthin. »Klammern Sie sich nicht im mer an Kleinigkeiten. Die beiden Männer sind natürlich die Sub jekte aus der Firma, die ich gerade verlassen habe, oder?« »Die beiden Insassen dürften ein wenig älter sein, Mylady.« »Wennschon, dann haben sie eben Maske gemacht.« Sie ließ sich nicht beirren. »Ich werde die Gelegenheit nutzen und die Individuen stellen.« »Haben Mylady dazu besondere Vorstellungen? « »Ich verbitte mir jede unnötige Höflichkeit, Mister Parker«, ant wortete die ältere Dame. »Ich will wissen, woher die Spirituosen und die Tabakwaren stammen.« Parker schaute in kurzen Abständen immer wieder in den Rück spiegel seines hochbeinigen Monstrums. Natürlich hatte man es nicht mit Barry Luters und Joe Limmick zu tun. Sie waren wesent lich jünger als die beiden Monteure im VW-Golf. Diesen beigefarbenen Wagen hatte er gleich hinter dem Torweg vorn an der Straße ausgemacht. Die Verfolgung war sofort aufge nommen worden. Um welche Personen es sich handelte, wußte Parker nicht, doch er dachte über das Ablenkungsmanöver nach, das Luters, Limmick und Bannister inszeniert hatten. Die drei Männer vom Parkplatz hatten sich alle Mühe gegeben, eine Erklärung für den billigen Verkauf des Whiskys zu liefern.
Dazu hatten sie sogar James Finnegan nach Shepherd’s Market geschickt. Warum hatten die jungen Männer sich derart engagiert? Warum hatten sie solch einen Aufwand getrieben? Weshalb fürchteten sie mögliche Recherchen Lady Simpsons und seiner Wenigkeit. Hing dies alles nur mit der Tatsache zusammen, daß sie in Er fahrung gebracht hatten, an wen sie beim Verkaufgeraten waren? Warum waren die drei jungen Männer nicht einfach für ein paar Tage untergetaucht? »Denken Sie an meine Verfolger, Mister Parker«, machte Lady Agatha sich bemerkbar. »Wo werde ich diese Subjekte stellen?« »Die nahen Docklands bieten sich dazu förmlich an, Mylady.« »Richtig«, bestätigte sie. »Ich lasse Ihnen übrigens wieder mal freie Hand, Mister Parker, damit Sie sich freischwimmen können, was diese Dinge betrifft.« »Mylady sind zu gütig«, gab Josuah Parker zurück. »Man könnte vielleicht einige Krähenfüße einsetzen.« »Genau die wollte ich Ihnen gerade vorschlagen«, lautete ihre wohlwollende Antwort. Sie rückte sich in ihrer Wagenecke zurecht und war mit sich und der Welt völlig zufrieden. Für Parker war es keine Schwierigkeit, den VW-Golf in die nahen Docklands zu locken. Der kleine, wendige Wagen folgte beharrlich dem hochbeinigen Gefährt. Die Insassen legten es darauf an, nicht entdeckt zu werden. Sie sorgten stets dafür, daß sich zwi schen ihnen und Parkers Wagen ein paar neutrale Fahrzeuge be fanden. Später allerdings mußten sie Farbe bekennen. Man hatte die Region der Lagerschuppen und Bürogebäude, der Werften und Reparaturwerkstätten erreicht. Der Straßenverkehr dünnte sich von Minute zu Minute immer mehr aus, bis es für den VW-Golf schließlich keine Deckung mehr gab. Da gingen die beiden Overallträger zum Angriff über, schlossen dichter auf und versuchten ihr erstes Überholmanöver, das ihnen jedoch restlos mißlang. Parker streichelte mit der Schuhsohle nur oberflächlich das Gaspedal, worauf der mächtige Rennmotor un ter der eckigen Haube lustvoll aufröhrte und den Wagen nach vorn schleuderte. Der Fahrer des Golf reagierte mit erheblicher Verspätung, er hatte sich erst mal von seiner Verblüffung erholen müssen. Par
kers Wagen sah wirklich nicht wie ein Auto aus, das in der Lage war, etwas mehr als mittelmäßige Beschleunigung zu bringen. Der VW-Golf suchte und fand mit Parkers Billigung wieder Anschluß, setzte erneut zum Überholen an und blieb erneut quasi stehen. Der Butler hatte wieder ein wenig Gas gegeben und brachte durch diese Taktik den Fahrer dazu, mehr zu riskieren, als es seinem Wagen bekam. Schließlich war es soweit. Der Fahrer des Golfs übersah die Krähenfüße, die plötzlich auf der Fahrbahn lagen und aus einem speziellen Behälter unter dem Heck von Parkers Wagen stammten. Die Reifen des Golfs suchten und fanden den innigen Kontakt mit diesen kreuzweise verschweißten Stahlstiften und reagierten entsprechend. * Die Vorderreifen des Golfs explodierten förmlich und machten den Wagen unbeherrschbar. Der Fahrer kurbelte verzweifelt das Steuerrad und wollte den ausbrechenden Wagen unter Kontrolle bringen, doch er schaffte es nicht. Der Golf, der bereits auf zwei Felgen rollte, schlitterte quer über die Straße und krachte mit der rechten Breitseite gegen die Zie gelmauer einer ehemaligen Werft. Die Scheiben gingen klirrend zu Bruch, das Wagenblech wurde aufgeschlitzt und produzierte dabei erstaunlich schrille Töne. Dann schoß Wasserdampf aus dem Kühler und sorgte für einen Nebelvorhang. Parker hatte gehalten, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr zurück zur Unfallstelle. Er hatte die Wolke aus Wasserdampf noch nicht ganz erreicht, als die beiden Männer aus dem Dunst hervor kamen. Sie waren nicht sehr sicher auf ihren Beinen und schienen benommen. Erst mit einiger Spätzündung merkten sie, daß ihr Opfer bereits vor ihnen stand. Bevor sie allergisch reagieren konnten, langte der Butler mit dem bleigefüllten Bambusgriff seines Schirmes zu. Er pochte ge gen die Stirn der Männer und veranlaßte sie auf diese Art, zu Bo den zu gehen.
Parker öffnete den Kofferraum seines hochbeinigen Monstrums, wie sein Wagen spöttisch genannt wurde, und lud die beiden Männer ein, darin Platz zu nehmen. Er faßte ihr Schweigen als Zustimmung auf und verstaute die Überraschten im nicht gerade großen Kofferraum. Dabei zeigte sich, daß er auch über beachtli che Körperkräfte verfügte. Es machte ihm keine Schwierigkeit, die beiden Overallträger ohne fremde Hilfe zu verladen. Bei dieser Gelegenheit hatte er sie noch schnell durchsucht und je eine Schußwaffe gefunden. Brieftaschen oder sonstige Dinge, die auf ihre Identität hätten schließen lassen, konnte er nicht entdecken. »Darf man hoffen, daß Mylady mit meiner bescheidenen Wenig keit in etwa zufrieden waren?« erkundigte sich Parker, als er wie der am Steuer Platz nahm. »Nun ja«, räumte die ältere Dame ein. »Gewisse Fortschritte sind durchaus erkennbar, Mister Parker.« »Mylady erfüllen meine Wenigkeit mit Zuversicht, was die Zu kunft betrifft«, meinte Josuah Parker. Er wußte natürlich aus Er fahrung, daß sie nur selten zugab, beeindruckt zu sein. »Und was plane ich nun, Mister Parker?« fragte sie. »Da war doch noch etwas, nicht wahr?« »Mylady hatten die Absicht, dem Eigner des Kastenlieferwagens einen Besuch abzustatten.« »Manchmal weiß ich wirklich nicht, wo mir der Kopf steht«, be dauerte sie sich, allerdings ohne jeden Nachdruck. »Wo werde ich nicht gebraucht, Mister Parker?« .»Mylady sind unersetzbar«, erklärte der Butler. »Das ist richtig.« Sie nickte. »Nun gut, ich werde mein Los tra gen, Mister Parker.« Sie blickte noch mal kurz auf den zerbeulten Golf, als Parker ihn mit seinem Wagen passierte und lächelte boshaft. »Das kommt davon, wenn man sich mit mir anlegt«, stellte die ältere Dame fest. »Ich freue mich schon auf das Gespräch mit den beiden Individuen. denke, ich werde es sehr hart führen.« * »Sie wünschen einen Mietwagen?« wunderte sich Mike Blan ders. Der untersetzte, ein wenig krummbeinige Mann mit den
überraschend breiten Schultern und dem rundlichen Gesicht blick te zweifelnd auf Lady Simpson und Butler Parker. Mike Blanders mochte vierzig sein, zeigte eine veritable Stirn glatze und langes Nackenhaar, das zu einer Art Zopf gebunden war. »Haben Sie daran etwas auszusetzen, guter Mann?« fragte die resolute Dame sofort aggressiv zurück. »Nein, nein, ganz sicher nicht«, antwortete Mike Blanders, »a ber ich kann Ihnen natürlich einen Fahrer zur Verfügung stellen. Wir übernehmen auch Transporte aller Art, ganz gleich wohin.« »Sie lassen sich selbstverständlich die Personalien jener Perso nen geben, denen Sie einen Kleinlaster mietweise anvertrauen, Mister Blanders?« erkundigte sich Parker. »Natürlich«, lautete die Antwort. »Bei mir hat alles seine Ord nung. Sehen Sie sich mal meinen Wagenpark an. Alles in Schuß. Ich biete nur Qualität.« »Sollten Ihnen die Namen Barry Luters und Joe Limmick etwas sagen, Mister Blanders?« »Barry Luters und Joe Limmick?« Der Vermieter von Kleinlas tern runzelte die Stirn. »Wer soll das denn sein?« »Zwei junge Männer, die sich einen Ihrer Kleinlaster ausliehen, Mister Blanders«, informierte Parker. »Kann sein«, sagte der Vermieter achselzuckend. »Dazu müßte ich erst mal in meinen Unterlagen nachsehen. Aber warum sollte ich?« »Mylady legt Wert darauf, Mister Blanders«, erwiderte der But ler. »Aber ich nicht.« Blanders wandte sich um und ließ Agatha Simpson und Parker einfach stehen. Er schien sie bereits verges sen zu haben. Mylady erinnerte ihn nachdrücklich daran, daß es sie gab. Sie holte mit ihrem Pompadour weit aus und klatschte ihn auf den Rücken des Lastwagenverleihers, der sofort ins Stolpern ge riet und Fahrt nach vorn aufnahm. Er landete vor der Ladefläche eines Kleinlasters und drehte sich nach einer Schrecksekunde langsam um. »Wagen Sie es nicht noch mal, junger Mann, mich zu ignorie ren«, herrschte sie ihn an. »Ich könnte womöglich ärgerlich wer den.« »Haben Sie mir etwa das Ding verpaßt?« fragte Mike Blanders beeindruckt.
»Brauchen Sie dafür eine Bestätigung, junger Mann?« »Schon gut, Lady, schon gut.« Mike Blanders gab sich einen in neren Ruck und rang sich ein Lächeln ab. »Sie waren verdammt nicht schlecht, Madam.« »Mylady vermag sich durchaus noch zu steigern«, schaltete Jo suah Parker sich ein. Er traute dem bulligen Mann nicht über den Weg. Das Lächeln war zu dünn. »Sie brauchen also ein paar Angaben«, schickte Mike Blanders voraus. »Kommen Sie mit ins Büro, ich werde nachsehen, wer die beiden Burschen sind und ob sie überhaupt hier aufgekreuzt sind.« Diesmal wartete er mit dem Umdrehen, ließ Agatha Simpson passieren und folgte ihr. An Parker verschwendete er keinen Blick. Der Butler schien für ihn nicht zu existieren. Im Büro angekommen, deutete er auf eine Sitzgruppe am Fens ter und baute sich dann breitbeinig vor Lady Agatha auf. »Jetzt zu uns, Lady«, sagte er drohend. »Ich glaub, ich hab kei ne Hemmungen, Ihnen ein Ding zu verpassen.« Während er noch redete, holte er mit dem Arm aus und wollte die ältere Dame mit einem Fausthieb überraschen. Er schaffte es natürlich nicht. Josuah Parker benutzte den Schirm als Bremse und blockierte den Unterarm. Er hakte mit dem Griff hinter das Gelenk und hielt die Faust fest. Mike Blanders wirbelte herum und wollte sich mit dem Butler befassen. Er vergaß es aber, als Parker ihm die stahlblechgefütterte Wöl bung seiner Kopfbedeckung grüßend auf die Nase setzte. * »Ich konnte doch nicht ahnen, was mit Ihnen los ist«, entschul digte sich Mike Blanders einige Minuten später. Er saß entnervt und abgeschlafft in einem Besuchersessel und verstand die Welt nicht mehr. Er sah sich zwei nicht gerade taufrischen Personen gegenüber, die ihn ohne weiteres und fast wie beiläufig außer Gefecht gesetzt hatten. Seine Nase schmerzte, er hatte Tränen in den Augen, seine rechte Hand war verstaucht, und in seinem rechten Ober
schenkel hatte sich eben noch die Spitze einer Nadel befunden, die aus Myladys Hut gekommen war. »Der Schein trügt hin und wieder, Mister Blanders«, meinte Jo suah Parker. »Sind Sie möglicherweise jetzt in der richtigen Ver fassung, Mylady Rede und Antwort zu stehen?« »Das hier nimmt mir kein Mensch ab«, erklärte Blanders kopf schüttelnd. »Sie sollten sich mit den Tatsachen abfinden, Mister Blanders. Die Herren Luters, Limmick und auch Bannister sind Ihnen also bekannt, wie man wohl unterstellen darf, nicht wahr?« »Ich kenne die Jungens«, antwortete Blanders und fingerte äu ßerst vorsichtig an seiner Nase herum, die ihre ursprüngliche La ge noch nicht wieder eingenommen hatte. »Die mieten oft diese Kleinlaster.« »Einen oder mehrere, junger Mann? « blaffte Lady Agatha. »Mehrere« entgegnete der Verleiher, »und das ziehen die einige Male pro Woche durch.« »Mister Parker, Sie merken hoffentlich wie hellhörig ich gewor den bin«, wandte Agatha Simpson sich an ihren Butler. »Eine Reaktion, Mylady, die man nur bemerkenswert finden kann.« »Die nächste Frage geht an Sie, Mister Parker.« Sie nickte ihm wohlwollend zu. »Wie lange benutzen die erwähnten Herren Ihre Kleinlaster, Mister Blanders«, lautete Parkers Frage, »und welche Anzahl von Kilometern werden pro Anmietung im Durchschnitt gefahren?« »Das steht alles in den Büchern«, antwortete Blanders. »Dann sehen Sie gefälligst nach, junger Mann«, forderte Lady Agatha von dem Wagenverleiher. »Und von mir aus können Sie mich ruhig noch mal angreifen. Ich habe nichts dagegen.« »Wenn es erlaubt ist, Mister Blanders, wird man Ihnen folgen«, schlug der Butler vor. Er setzte Blanders nach hinter eine kleine Theke und war bereit, einen Angriff sofort im Keim zu ersticken. Blanders schien jedoch keine Lust mehr zu verspüren, sich mit dem Paar aus Shepherd’s Market anzulegen. Er beeilte sich, ein großes Hauptbuch an sich zu ziehen, blätterte darin und gab dann die gewünschten Auskünfte. Danach benutzten Luters, Limmick und Bannister die gemiete ten Kleinlaster im Schnitt etwa sechs Stunden pro Vertrag und
legten erstaunlicherweise dabei fast identische Fahrkilometer zu rück. »Demnach müssen die Fahrzeuge im Großraum von London be wegt worden sein, Mister Blanders«, sagte der Butler. »Das ist durchaus möglich.« Blanders gab sich kooperativ. »Man scheint ein gemeinsames Ziel angesteuert zu haben und zwar in einer Art Konvoi, um es mal so auszudrücken.« »Sieht so aus«, räumte Blanders ein. »Heute ist ein Kleinlaster noch unterwegs, der von Luters gemietet wurde. Er kam allein.« »Die erwähnten Personen wohnen hier in der engeren Region, Mister Blanders?« »Das weiß ich nicht«, lautete die Antwort. »Die waren plötzlich hier, mieteten und zahlten prompt. Mehr interessiert mich nicht.« »Die Adressen der Mieter, Mister Blanders«, forderte der Butler. »Hören Sie, das kann ich doch nicht machen. Das sind meine Kunden. Was sollen die von mir denken?« »Die Adressen, junger Mann«, ließ Agatha Simpson sich grol lend vernehmen. »Oder muß ich erst deutlich werden?« Mike Blanders war daran nun wirklich nicht interessiert. Er nannte dem Butler die Adressen, nachdem er in einer Rollkartei danach gesucht hatte. Parker schrieb sie sich auf und ahnte, daß Blanders doch noch versuchen würde, ihn zu attackieren. Seine Ahnung bestätigte sich. »Sehr interessant«, sagte Agatha Simpson nach etwa fünf Minu ten. »Er ruft von einer Telefonzelle aus an, dabei weiß ich genau, daß sein Apparat heil geblieben ist. Was schließe ich daraus, Mis ter Parker?« »Mister Blanders scheint zu befürchten, abgehört zu werden, Mylady«, antwortete der Butler. »Demnach dürfte er für die Poli zei kein unbeschriebenes Blatt mehr ein.« Josuah Parker und Lady Agatha hatten sich mit dem hochbeini gen Wagen an der Straßenecke aufgebaut und beobachteten Blanders, der von der Telefonzelle aus ein Gespräch führte. Es dauerte nicht lange. Schon nach wenigen Minuten legte er wieder auf und hinkte zurück zum Autohof seiner Firma. Nach seiner versuchten Attacke auf Parker war es ihm nicht be sonders gut ergangen. Der Butler hatte ihn vornehm nachdrücklich in die Schranken gewiesen und die Nase des Ver mieters in eine andere, neue Lage gebracht. Mylady hatte die Gelegenheit genutzt, ihm ihre Hutnadel in die linke Gesäßhälfte
zu rammen. Dabei war ein wenig vom Mobiliar zu Bruch gegan gen. »Wen mag er angerufen haben, Mister Parker?« wollte Lady A gatha wissen, als Parker anfuhr. »Er könnte einen der Herren Luters, Limmick oder Bannister benachrichtigt haben, Mylady.« »Wen sonst?« gab sie mokant zurück. »Das liegt doch wohl auf der Hand, Mister Parker, oder?« »Man dürfte also wissen, daß Mylady früher oder später bei den jungen Männern erscheinen werden.« »Worauf diese Individuen sich verlassen können, Mister Parker. Ich werde die Probe aufs Exempel machen.« Parker hatte dagegen keine Einwände vorzubringen, zumal My ladys Wunsch sich mit seiner Absicht deckte. Er hatte sein hoch beiniges Gefährt wieder in Bewegung gesetzt und brauchte sich nicht auf eine lange Fahrt einzurichten. Luters, Limmick und Ban nister wohnten ebenfalls im Stadtteil Bloomsbury. »Was halte ich überhaupt von den bisherigen Ermittlungen, Mis ter Parker?« fragte Agatha Simpson nach einer Weile. »Mir sind da sehr interessante Ideen gekommen.« »Darf man Einzelheiten erfahren, Mylady?« »Später, Mister Parker, später«, erwiderte sie. »Ich will Sie nicht beeinflussen. Reden Sie also frei von der Leber weg.« »Luters, Limmick und Bannister, Mylady, mieten mehrmals pro Woche Kleinlaster, bleiben für lange Zeit weg und dürften nach der Anzahl der gefahrenen Kilometer stets ein gemeinsames Ziel gehabt haben.« »Sehr richtig«, bestätigte die passionierte Detektivin. »Man könnte also gemeinsam einen bestimmten Auftrag erledi gen, den Mylady und meine Wenigkeit allerdings noch nicht ken nen. In diesem Zusammenhang aber sollte man an die Spirituo sen und an die Tabakwaren denken, die diese Ermittlungen aus lösten.« »Ausgezeichnet, Mister Parker«, lobte Lady Simpson ihren But ler. »Man befördert also Alkohol und Rauchwaren.« »Dem sollte man nicht widersprechen, Mylady.« »Gestohlenes Zeug«, fügte sie an. »Und jetzt frage ich mich, wo man diese Waren stiehlt? Ist Ihnen dazu bereits etwas eingefal len?« »Noch nicht, Mylady.«
»Dann wird es langsam Zeit, sich darüber Gedanken zu ma chen, Mister Parker«, verlangte sie grollend. »Wohin die Getränke und die Rauchwaren geschafft werden, weiß ich ja inzwischen.« »Mylady denken an Mister James Finnegan?« forschte Parker nach. »Selbstverständlich«, gab sie zurück. »Er steckt mit den jungen Lümmeln unter einer Decke.« »Mylady können sich natürlich auch eine andere Konstellation vorstellen«, tippte der Butler an. »Jederzeit«, pflichtete sie ihm sofort bei. »Man muß flexibel sein, Mister Parker, merken Sie sich das. Und was also könnte ich mir sonst noch vorstellen?« »Daß Mister James Finnegan mit den eigentlichen Machenschaf ten der drei jungen Männer nichts zu tun hat und nur dazu be nutzt oder gezwungen wurde, für ein Ablenkungsmanöver zu sor gen.« »Was ist nicht möglich in dieser Welt?« seufzte sie tragisch. »Nun, ich werde es ja bald genau wissen, Mister Parker.« Der Butler hatte die Straße erreicht, in der Barry Luters und Joe Limmick unter der gleichen Hausnummer wohnten. In wenigen Minuten mußte es sich erweisen, ob sie zu Hause und von Mike Blanders alarmiert worden waren. * Sie wohnten in einem der beiden Hinterhäuser, wie man ihnen vorn an der Straße erklärte. Der Auskunftgeber war ein Flick schuster, der in einer kleinen Werkstatt neben einem Torweg ar beitete. Doch er kannte Luters und auch Limmick. Sie besaßen dort im Hinterhaus je eine kleine Wohnung, galten als arbeitslos und waren als ziemlich gewalttätig bekannt. Ob sie zu Hause waren, wußte der Flickschuster allerdings nicht zu sa gen. Er strahlte, als Parker ihm eine Pfundnote zum Dank für die Hinweise auf die schmale Ladentheke legte. »Halt, da wäre noch was, Sir«, rief der ältere Mann dem Butler nach. »Sie sind sehr entgegenkommend«, meinte Josuah Parker. »Da waren vor ‘ner Viertelstunde bereits zwei Männer hier, die ebenfalls nach Luters und Limmick gefragt haben.«
»Sie gaben freundlicherweise Auskunft, nicht wahr?« »Natürlich, Sir. Man hilft ja, wo man kann.« »Ist Ihnen möglicherweise auch noch ein gewisser Pete Ban nister bekannt?« »Bannister? Und ob ich den kenne! Der wohnt drüben in der Seitenstraße und steht immer unter Dampf, wenn Sie wissen, was ich meine.« »Könnte man ihn als aggressiv bezeichnen?« Parker reichte eine weitere Pfundnote. »Das ist es genau, Sir«, bestätigte der Flickschuster umgehend. »Bannister ist auch ohne Arbeit. Was er früher getrieben hat, weiß ich nicht.« »Gibt es vielleicht eine Möglichkeit, in das Hinterhaus zu gelan gen, ohne den Hinterhof betreten zu müssen?« »Ich frag mich die ganze Zeit, wer Sie wohl sein könnten?« »Sehen Sie in meiner Person den Mitarbeiter eines Anwalts«, schlug der Butler vor. »Es gilt, eine Vorladung zu überbringen, die nur von Angesicht zu Angesicht erfolgen kann.« Parker reichte dem Mann eine dritte Pfundnote und erfuhr, daß man durchaus auf einem etwas verschlungenen Weg in das be wußte Hinterhaus gelangte. Der Flickschuster erklärte sich bereit, die Führung zu übernehmen. Er war zwar ein wenig irritiert, als Lady Simpson sich ihnen anschloß, stellte jedoch keine Fragen und führte das Paar aus Shepherd’s Market durch ein wahres Labyrinth von Korridoren, Treppenhäusern, Fluren und Passagen. Dann blieb er auf einem Treppenabsatz stehen und zeigte mit der rechten Hand in einen düsteren Gang. »Die beiden letzten Türen rechts«, flüsterte er. »Aber ich habe nichts gesagt, ja?« »Man hat Ihre Existenz bereits völlig vergessen«, beruhigte der Butler den Mann und übernahm den Rest der Führung. Dabei langte er in etliche Innentaschen seines schwarzen Covercoats und versorgte sich mit einigen harmlos aussehenden Gegenstän den, die der Überraschung dienen sollten. Hinter welcher der beiden bezeichneten Türen die Besucher sich aufhielten, fand Josuah Parker schnell heraus. Er drückte die Klappe des tief in die Tür eingebauten Briefkastens auf und ließ eine perforierte Plastickkapsel in die Wohnung fallen. Vorher hatte
er die kleine Glasampulle in dieser Kapsel noch nachhaltig einge drückt. Was dann in der Wohnung geschah, wußte der Butler. Zuerst wallten kleine Rauchschwaden auf, die sich schnell ver größerten und einen Brand vortäuschten. Entsprechende Geruch stoffe unterstrichen noch diesen Eindruck und lösten stets Reakti onen bei jenen Personen aus, die betroffen waren. So auch jetzt und hier. Parker und Lady Simpson hatten sich links und rechts von der Tür postiert, hörten Hüsteln, Rufe und schnelle Schritte. Wenig später wurde eine Sicherheitskette ausgehakt, dann die Tür ge öffnet. Man wollte nachsehen, ob es irgendwo im Korridor brann te. Parker wartete nicht, bis er sein Zielobjekt vor sich hatte. Er warf sich gegen das Türblatt und wurde dabei von Mylady nach drücklich unterstützt. Ihrer majestätischen Fülle war es zu ver danken, daß die Person vom Türblatt voll erwischt und gegen die Wand geschmettert wurde. Parker hörte Stöhnen, Ächzen und Knirschen. Er stand bereits in der geöffneten Tür und schoß einen seiner gefürchteten Blasrohr pfeile auf den zweiten Mann ab, der gerade nach seiner Schulter halfter greifen wollte. Der Pfeil landete zielsicher in der Armbeuge des Mannes, der zusammenzuckte und ungläubig auf das unheimlich wirkende Ge schoß starrte. Als er sich wieder seiner Schulterhalfter widmen wollte, war es für ihn bereits zu spät. Parker legte den bleigefüllten Griff seines Schirmes auf die Stirn des Mannes und veranlaßte ihn, sich vom allgemeinen Geschehen zu verabschieden. Lady Agatha aber beschäftigte sich mit dem Mann, der von der auffliegenden Tür gegen die Wand geschmettert worden war. Die Person stand eindeutig unter einem Schock. Die Nase war lädiert und hatte sich seitlich verschoben. Der Türknauf hatte wie die Faust eines Schwergewichtlers gewirkt und dem Mann einen Tiefschlag versetzt. Als die Tür ihn dann freigab, sackte er zu Bo den und war vorerst nicht ansprechbar. Parker suchte und fand bei den beiden Besuchern je eine schall gedämpfte Pistole, Klappmesser und Schlagringe. Persönliche Papiere waren nicht vorhanden.
»Man dürfte es wohl mit sogenannten Profis zu tun haben, My lady«, sagte Parker. »Und wie Mylady bereits anzunehmen geruh ten, werden sie kaum als gute Freunde gekommen sein.« »Sondern als was, Mister Parker?« »Wahrscheinlich wollte man sich mit den Herren Luters und Limmick über Alkoholika und Rauchwaren unterhalten, Mylady.« »Worüber auch sonst, Mister Parker?« Sie hatte es wieder mal vorher gewußt. Die ältere Dame baute sich vor dem Mann auf, der von der Tür außer Gefecht gesetzt worden war. Der Betroffe ne war wieder zu sich gekommen und blickte Mylady in einer Mi schung aus Irritation und Wut an. »Nun haben Sie sich gefälligst nicht so, junger Mann!« fuhr sie ihn umgehend an. »Ich verbitte mir jede Wehleidigkeit, reißen Sie sich gefälligst zusammen.« »Auf die Herren Luters und Limmick werden Sie noch warten müssen«, warf Josuah Parker ein. »Es könnte sogar sein, daß sie erst mal darauf verzichten werden, ihre Wohnungen aufzusu chen.« Parker, der die beiden Fenster geöffnet hatte, damit die Rauch schwaden abziehen konnten, warf einen Blick auf die Straße. »Verdammt, wer sind Sie?« fragte der Profi. »Sie haben die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson Rede und Antwort stehen zu dürfen«, erwiderte der Butler. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker.« »Was haben Sie mit Luters und Limmick zu tun?« lautete die nächste Frage des Mannes. »Mylady beschäftigt sich mit Sonderangeboten, die Spirituosen und Tabakwaren betreffen.« »Warum lauerten Sie hier herum, junger Mann?« wollte Agatha Simpson wissen. »Ich erwarte eine ehrliche und schnelle Ant wort.« »Da können Sie lange warten«, erwiderte der Profi. »Haut lieber ab, bevor ihr Ärger bekommt.« »Sie scheinen den Ernst Ihrer Lage noch nicht völlig erkannt zu haben«, warnte Josuah Parker den Mann. »Im übrigen legt Myla dy großen Wert auf Manieren.« Der Profi fühlte sich wieder einigermaßen fit und hatte die feste Absicht, das Blatt noch mal zu wenden. Er hatte sich während der kurzen Unterhaltung mit dem Rücken an der Wand hochgedrückt
und stürzte sich auf Parker. Mylady nahm er leichtsinnigerweise überhaupt nicht ernst. Diese Fehleinschätzung sollte sich rächen. Agatha Simpson stellte ihm gekonnt ein Bein. Als der Mann nach vorn schoß, stoppte sie die unkontrollierte Bewegung mit ihrem Pompadour. Der Mann wurde zurückgeworfen und passierte Parker, der diskret zur Seite ging, um den Mann ungehindert an die Wand zurückfliegen zu lassen. »Sie neigen zu spontanen Handlungen«, urteilte Josuah Parker. »Daran sollten Sie noch im Sinn einer Korrektur arbeiten, wenn man Ihnen einen Rat geben darf.« Der Profi schielte Mylady an, dann den Butler, schloß die Augen und rutschte zurück zu Boden. * Josuah Parker hatte eine seiner privaten Handschellen geopfert und damit die beiden Profis am Zuleitungsrohr des Heizkörpers befestigt. Das Mittelteil der Handschelle befand sich hinter dem sehr solide aussehenden Rohr, die verschiedenen Handgelenke hingegen davor. Den beiden Kriminellen war es also unmöglich, ohne fremde Hilfe loszukommen. Dies erkannten sie auch, nachdem sie wieder ansprechbar wa ren. Sie merkten, wie aussichtslos man sie festgesetzt hatte und erfanden umgehend neue Wortschöpfungen, die man auch Flüche und Drohungen nennen konnte. »Sie lassen sich gehen, meine Herren«, tadelte Parker verhal ten. »Sie sollten sich mit der Realität abfinden.« »Und mit meiner Hutnadel«, warf Lady Agatha ein. Sie hatte den bratspießähnlichen Gegenstand aus ihrem skurril anmuten den Hutgebilde hervorgeholt und prüfte die Spitze mit der Kuppe ihres linken Zeigefingers. Daraufhin wurden die beiden Männer erstaunlich kleinlaut. »Sollte man die Herren vorher nicht knebeln, Mylady?« erkun digte sich der Butler bei seiner Herrin. »Sie glauben, Mister Parker, man könnte ihre Schreie unten auf der Straße hören?«
»Darf man Mylady höflichst daran erinnern, daß während der letzten Befragung selbst ein sehr laut laufender Motor übertönt wurde?« »Das stimmt allerdings«, meinte Lady Agatha und nickte. »Nun gut, Mister Parker, tun Sie, was ich für richtig halte.« »Moment mal«, sagte der Mann, dessen Nase lädiert war. »Mo ment mal… Worauf wollen Sie ‘raus, Lady? Was ist mit der Hutna del?« »Sie sollten sich nicht unnötig sorgen«, beruhigte Parker den Kriminellen. »Ich mach mir aber Sorgen«, erwiderte der Mann. »Was ist mit der Hutnadel?« »Mylady pflegt damit die Aussagebereitschaft zu fördern«, lau tete die Antwort des Butlers. »Aussagebereitschaft?« Der Gangster schluckte bereits vor Auf regung. »Oder auch Geständnisbereitschaft«, übersetzte Parker. »Myla dy wünscht natürlich zu erfahren, warum und für wen Sie auf die Herren Luters und Limmick warten.« »Der… der schuldet uns Geld«, schaltete der zweite Profi sich nun ein. »Und genau das wollen wir uns von denen zurückholen.« »Knebeln Sie die verlogenen Lümmel, Mister Parker«, verlangte die ältere Dame resolut. »Ich verliere nur meine kostbare Zeit.« »Halt… Warten Sie noch«, stieß der erste Profi hervor. »Sie wol len wirklich zustechen?« »Aber ja doch«, gab Mylady gespielt unschuldig zurück. »Wenn ich belogen werde, fühle ich mich stets beleidigt. Und auf Beleidi gungen reagiere ich sehr empfindlich.« »Vielleicht sollten Mylady diesmal darauf verzichten, bestimmte Extremitäten zu behandeln«, schlug Parker vor. »Extremitäten?« Die ‘Gangster schnappten synchron nach Luft. Was immer sie sich auch unter Extremitäten vorstellten, sie schwitzen bereits Blut und Wasser. »Gut… okay«, meinte der erste Gangster schließlich mit schon leicht versagender Stimme. »Wir… wir sollten Luters und Limmick abholen.« »Und zu wem bringen?« erfragte der Butler. »Zu Clive Boarding«, lautete die umgehende Antwort. »Der sicher unter einer bestimmten Adresse zu erreichen ist, nicht wahr?«
»Boarding wohnt in Whitechapel. Der hat da ‘nen Laden für Ra senmäher.« Nach diesem Hinweis lieferte der schwitzende Mann noch zusätzlich die genaue Adresse. »Wurde ich gerade belogen, Mister Parker?« erkundigte sich La dy Simpson bei ihrem Butler. Sie durchstach mit der Hutnadel wirkungsvoll und auch durchaus lautstark einige Seiten aus einem Fernsehmagazin, das sie von einem Beistelltisch genommen hat te. Die beiden Kerle zuckten zusammen. »Das is’ die Wahrheit«, wiederholte der Profi seine Aussage has tig und sehr eindringlich. »Boarding hat uns um ‘nen Gefallen gebeten, mehr nicht. Wir sollten Luters und Limmick zu ihm brin gen.« »Es handelte sich demnach um einen reinen Freundschafts dienst?« »Klar doch, wir wollten ihm nur ‘nen Gefallen tun.« »Mylady wird geruhen, dies zu verifizieren«, gab Josuah Parker zurück. »Ich möchte nicht in Ihrer Haut stecken, falls Sie mich belogen haben sollten«, meinte die ältere Dame. »Ich werde bald wieder zurück sein.« »Noch haben Sie die Gelegenheit, Ihre Aussage zu korrigieren«, sagte Parker zu den beiden Profis. Sie schworen Stein und Bein, die Wahrheit und nichts als die Wahrheit gesagt zu haben. * »Ich glaube, ich bin sehr überzeugend in meiner Rolle als rach süchtige Dame«, lobte sich Lady Agatha wenig später. Sie saß im Fond von Parkers hochbeinigem Gefährt und lächelte versonnen. »Mylady sind die geborene Tragödin«, erklärte der Butler. »Irgendwann, Mister Parker, werde ich in einer klassischen Rolle auf der Bühne erscheinen«, meinte sie. »Erinnern Sie mich daran, daß ich mir dieses Vergnügen noch bereite.« Josuah Parker deutete ein zustimmendes Kopfnicken an und steuerte seinen Wagen in Richtung Whitechapel. Während der Fahrt dachte er an die beiden Profis, die man an der Heizung zu rückgelassen hatte.
Es war immer wieder erstaunlich, wie selbst eiskalte Burschen auf Mylady und ihn reagierten, wenn sie ihr kleines Spiel trieben und sich psychopathisch gaben. Gangster jeden Zuschnitts kapitulierten in der Regel sehr schnell und streckten die Waffen. Sie trauten aus ihrem Ver ständnis heraus Mylady und Parker durchaus zu, daß sie ihre höf lich vorgetragenen Drohungen auch tatsächlich in die Tat umsetz ten. Agatha Simpson und der Butler waren für solche Personen Erscheinungen, die sie nicht kannten und die ausgesprochen un heimlich wirkten. »Ich denke, Mister Parker, ich habe eben entscheidende Hinwei se bekommen«, ließ die Detektivin sich vernehmen. »Die Herren Luters, Limmick und wohl auch Bannister dürften sehr gesuchte Personen sein, Mylady.« »Und warum wohl, Mister Parker? Welche Gedanken mache ich mir dazu?« . »Die drei jungen Männer könnten vermutlich in irgendeinem Zusammenhang Fehler gemacht haben, die man nicht tolerieren will.« »Das ist es.« Sie nickte nachdrücklich. »Man will sie zur Re chenschaft ziehen. Und warum, Mister Parker? Was drängt sich mir förmlich auf?« »Die Herren Luters, Limmick und Bannister dürften Spirituosen und Rauchwaren verkauft haben, die ihnen nicht gehörten.« »Jetzt haben Sie endlich begriffen, woran ich die ganze Zeit ü ber denke«, meinte sie wohlwollend. »Diese jungen Subjekte sind die Spitze eines Eisberges.« »Besser könnte man es nicht ausdrücken, Mylady.« »Ich werde den ganzen Eisberg zum Schmelzen bringen, Mister Parker.« »Meine bescheidene Wenigkeit würde sich niemals erlauben, daran auch nur einen Augenblick zu zweifeln.« Für Parker war es längst klar, daß Luters, Limmick und Ban nister nicht ohne triftigen Grund ihre Show mit James Finnegan abgezogen hatten. Sie wußten, wer Mylady und Parker waren. Sie fürchteten Nachforschungen und wollten Spuren verwischen. Ge wöhnliche Diebe hätten sich solch eine Mühe nie gemacht. Man konnte also davon ausgehen, daß sie für eine Organisation arbeiteten, die im großen Stil Diebstähle ausführte. Wahrschein
lich gehörten sie dieser Organisation an und fürchteten nun, daß man ihre Machenschaften entdeckte. Parker dachte an die beiden Kerle im Kofferraum seines Wa gens. Sie hatten vor Finnegans Lager gewartet und waren sicher auf die jungen Männer angesetzt worden. Die beiden Profis, die man an der Heizung zurückgelassen hatte, waren ebenfalls auf Luters und Limmick angesetzt worden. Die Organisation müßte also bereits wissen, daß sie hintergangen worden war. »Ein schöner Tag heute«, meldete die ältere Dame sich wieder zu Wort. »Ich denke, daß ich bisher sehr erfolgreich gewesen bin, Mister Parker.« »Mylady werden noch eine zusätzliche Steigerung erreichen«, gab Josuah Parker höflich zurück. * Der Rasenmäher-Service befand sich in zwei mittelgroßen Wohn-Containern auf dem Gelände einer abgewrackten Schreine rei. Clive Boarding entpuppte sich als ein kleiner, drahtiger Mann von etwa fünfundvierzig Jahren, der keineswegs Arbeitskittel oder Overall trug. Er zeigte sich in einem etwas zu modischen Anzug, hatte langes Haar und gepflegte Hände, die mit Zierringen be steckt waren. Obwohl die Sonne nicht gerade verschwenderisch schien, trug er eine Sonnenbrille. Er lag in einem Liegestuhl, las in der Zeitung und blickte nur beiläufig auf, als Mylady und Parker den hochbeinigen Wagen verließen. Anschließend las er weiter und schien die beiden Kun den bereits wieder vergessen zu haben. Daß es sich um Boarding handelte, hatte Parker bereits vorn an der Straße von einem Anwohner erfahren, der seine Haustür strich. »Kurieren Sie ein Rückenleiden aus, junger Mann?« erkundigte sich Lady Simpson einigermaßen höflich, als sie den Liegestuhl erreicht hatte. »Wie kommen Sie denn darauf?« erwiderte Boarding arglos.
»Weil Sie es versäumen aufzustehen, wenn eine Dame Sie an spricht«, warf Josuah Parker gemessen ein. »Nun mach keinen Wind, Mann«, erwiderte Boarding und ließ das Magazin sinken. »Wann ich aufstehe, bestimme noch immer ich selbst. Ist das klar?« Etwa anderthalb Sekunden später lag er neben seinem Liege stuhl und spuckte Staub. Der Butler hatte die hintere Schrägabstützung des Liegestuhls mit seinem Schirmgriff ausgehakt und Boarding zu Fall gebracht. Der Rasenmäher-Spezialist blickte fast ungläubig in die Höhe, erhob sich gefährlich langsam und… wollte den Butler anspringen. Es blieb bei diesem Versuch. Lady Agatha klatschte ihm ihren Pompadour zwischen die Schul terblätter und veranlaßte ihn auf diese Art, sich bäuchlings wieder in den Staub zurückzubegeben. »Falls Sie nach Ihren abhanden gekommenen Manieren suchen, Mister Boarding, sollten Sie sich Zeit lassen«, schlug Parker ihm vor. »Das glaub ich einfach nicht«, meinte der Spezialist in Sachen Rasenmäher und wischte sich durchs Gesicht. Er stand erneut auf und schielte dabei nach Lady Simpson, die ihren Handbeutel in Bereitschaft hielt. »Und dies, Mister Boarding, ist erst der Anfang«, prophezeite Parker ihm. »Darf man Sie dazu einladen, sich in die Firmenräu me zu begeben?« »Wer sind Sie? Was wollen Sie?« Er stand inzwischen wieder auf den Beinen und blickte für einen Augenblick fast angeekelt auf seinen Anzug, der beschmutzt war. »Sie haben die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson mit einigen Auskünften dienen zu dürfen«, meinte der Butler. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker.« »Lady Simpson… Parker…?« Er runzelte die Stirn. »Verdammt, davon hab ich schon mal gehört…« »Nach zehn Minuten werden Sie Mylady und meine Wenigkeit mit Sicherheit nie wieder vergessen, Mister Boarding. Sie baten zwei Männer, die Herren Luters und Limmick hierherzubringen?« »Wer behauptet das?« Boardings Augen verengten sich. Er wußte sehr wohl, wer die beiden Profis und wer Luters und Lim mick waren.
»Nähere Details dazu in Ihren Firmenräumen«, schlug der But ler vor. »Ihr Image könnte sonst empfindlich leiden. Möglicher weise werden Sie bereits von Anwohnern beobachtet.« »Nun gehen Sie schon, junger Mann!« Lady Agatha verabreichte ihm unvermittelt einen Stoß, der seine Brust traf. Die Körperfülle, die hinter diesem Stoß steckte, veranlaßte ihn, durch die nahe Tür in sein Büro zu stolpern. Er bekam derart viel Schwung mit, daß er über einen Sessel flog und dann zusammen mit ihm auf dem Bretterboden landete. »Das… das machen Sie nicht noch mal mit mir«, drohte er wü tend, als er kniete. »Ganz sicher nicht, junger Mann«, antwortete die ältere Dame genußvoll. »Bei einem Mal wird es bestimmt nicht bleiben. Rich ten Sie sich bereits jetzt darauf ein.« * »Schön, Mylady, Sie zu sehen«, sagte Chief-Superintendent McWarden, als Parker seinen Wagen vor dem überdachten, säu lengetragenen Eingang des Hauses stoppte. Lady Agatha nickte huldvoll und ließ sich von McWarden die Hand reichen. »Warten Sie schon lange?« fragte sie. »Ich habe seit Stunden versucht, Sie zu erreichen, Mylady«, erwiderte der hohe Yard-Beamte. Er leitete ein Sonderdezernat, das sich mit der Bekämpfung des organisierten Verbrechens be faßte. McWarden war ein guter Freund des Hauses und schätzte die ungewöhnlichen Methoden der beiden Amateurdetektive unge mein. Er war an Richtlinien gebunden, Mylady und Butler Parker hingegen konnten völlig unkonventionell vorgehen. Hinzu kamen die finanziellen Mittel der älteren Dame, die ihm einfach nicht zur Verfügung standen. Daß Josuah Parker die eigentliche Kriminalarbeit leitete, war McWarden bekannt. Er wußte aber auch, wie Mylady auf Kriminel le aller Schattierungen wirkte. Das skurrile Paar aus Shepherd’s Market war für ihn stets eine große Hilfe. »Wenn Mylady gestatten, wird man den Wagen in die Garage schaffen«, entschuldigte sich der Butler.
»Und danach dann den Tee und einen kleinen Imbiß vor dem Dinner«, mahnte die ältere Dame an. Ihr war klar, daß Parker die Bewohner des Kofferraumes in die diversen Gästezimmer des Hauses schaffen wollte. Zu den beiden Golf-Benutzern war noch Clive Boarding hinzugekommen. Aus Gründen einer intensiveren Unterhaltung hatte man ihn einfach mitgenommen. .»Sie brauchen mich wieder mal, nicht wahr?« fragte Agatha Simpson spöttisch, als sie mit McWarden die große Halle ihres Hauses betrat. »Und es scheint sehr dringend zu sein.« »Haben Sie schon von den Parkplatz-Geiern gehört, Mylady?« tippte der Yard-Beamte an. McWarden war untersetzt, ein wenig füllig und erinnerte auch wegen seiner leicht hervorstehenden Augen an einen stets gereizten Bullterrier. Er mochte etwa fünf undfünfzig sein. »Parkplatz-Geier?« Die ältere Dame schüttelte den Kopf. »Wer soll denn das sein?« »Eine Bande, die sich auf Groß-Diebstahl spezialisiert hat«, er klärte McWarden. »Es geht um Sattelschlepper mit wertvollen Ladungen. Diese Trucks werden von Rastplätzen gestohlen und restlos ausgeplündert.« »So einfach ist das, mein Lieber McWarden?« wunderte sich die ältere Dame. »Und was haben Sie bisher dagegen getan?« »Verstärkte Streifen, Mylady, Warnungen an die einschlägigen Transportunternehmen, Blitzkontrollen und Suche nach den Ab nehmern der Ware.« »Erreicht haben Sie selbstverständlich nichts, oder?« Agatha Simpson freute sich ehrlich, wie man ihr deutlich ansah. »Aus der Unterwelt war bisher kein Tip zu bekommen, Mylady«, gestand McWarden. »Die Spirituosen und Rauchwaren versickern auf dem grauen Markt.« »Normalerweise gebe ich mich mit solchen Lappalien nicht ab, mein Guter«, schickte Lady Agatha genußvoll voraus. »Aber in Ihrem Fall werde ich vielleicht eine Ausnahme machen.« »Sie arbeiten momentan an einem Fall, Mylady?« fragte der Y ard-Beamte beiläufig. »Irgendwie bin ich immer tätig«, antwortete sie. »Ich werde schließlich überall gebraucht. Ist es nicht so, Mister Parker?« Sie wandte sich an den Butler, der gerade die Wohnhalle betrat.
»Mylady sind nicht zu ersetzen«, erklärte Parker, der anschlie ßend von McWarden erfuhr, aus welchem Grund er gekommen war. »Habe ich bisher etwas von Parkplatz-Geiern gehört?« fragte Lady Simpson dann und blickte Parker ernst an. »Ein Begriff, Mylady, der Shepherd’s Market noch nicht erreich te«, antwortete Parker. Er war selbstverständlich sofort hellhörig geworden und dachte an die Vorfälle in den vergangenen Stun den. »Wären Sie möglicherweise in der Lage, Mylady Details nennen zu können?« »Es kam bisher zu keinen Gewalttätigkeiten«, berichtete der Chief-Superintendent. »Die Sattelschlepper wurden auf eine ver gleichsweise simple Art und Weise gestohlen. Wie gesagt, von Parkplätzen, während die Fahrer in den Raststätten saßen und sich erfrischten. In einigen Fällen scheint man mit Betäubungs mitteln gearbeitet zu haben. Verschiedene Fahrer berichteten erst nach eingehender Befragung, sie wären unerklärlicherweise müde geworden und für kurze Zeit eingeschlafen. Als sie dann wieder zu ihren Fahrzeugen gingen, waren die inzwischen verschwun den.« »Kennt man bereits annähernd die Dimension dieser Diebstähle, Sir?« »Uns sind bisher weit über ein Dutzend Diebstähle gemeldet worden, Mister Parker. Der Schaden geht in die Millionen.« »Wie denn das, mein lieber McWarden?« wunderte sich Lady Agatha. Wenn es um Geld ging, wurde sie immer sehr wachsam und horchte auf. »Nun ja, nehmen wir an, Mylady, man stiehlt einen Sattel schlepper mit Zigaretten und sonstigen Rauchwaren. Es geht da um Millionen von Zigaretten, um nur bei diesem Beispiel zu blei ben. Entsprechend ist der Wert dieser Ware.« »Die man wo absetzt, Sir?« »Auf dem grauen Markt«, lautete McWardens Antwort. »Denken Sie an die vielen kleinen Geschäfte, an kleinere Supermärkte, an Vereine, Pubs und Bars. Billige Spirituosen und Rauchwaren sind beliebt, denken Sie an die regulären Preise, die ganz schön be achtlich sind.« »Haben Sie eine vage Vorstellung, Sir, was ein mit Zigaretten beladener Sattelschlepper an Geld einbringt?«
»Ich biete Ihnen eine Modellrechnung an, Mister Parker«, erwi derte der Chief-Superintendent. »Gehen wir mal davon aus, daß der Wert einer Truckladung etwa dreihundertfünfzigtausend Pfund darstellt. Auf dem grauen Markt erzielen Sie dann immer noch achtzig- bis hunderttausend Pfund. Ein toller Schnitt, nicht wahr?« »Und zwar steuerfrei«, seufzte die ältere Dame. »Das kommt noch dazu, Mylady«, gab McWarden zurück. »Die Parkplatz-Geier wissen sehr wohl, warum sie sich auf die Trucks Spezialist haben.« »Sie scheinen darüber hinaus sehr genau zu wissen, welcher Sattelschlepper welche Ladung hat, Sir«, warf der Butler ein. »Das kommt ebenfalls noch dazu«, bestätigte der ChiefSuperintendent und nickte. »Diese Geier sind ungewöhnlich gut informiert und haben bisher immer nur Ladungen erwischt, die viel Geld einbringen.« »Verfügt die Polizei bereits über gewisse Verdachtsmomente, Sir?« »Wir befassen uns natürlich mit allen Personen, die schon ein schlägig gearbeitet haben«, entgegnete McWarden. »Neu ist diese Diebstahlsmasche ja nun wirklich nicht, aber in dem vorliegenden Fall haben wir es mit generalstabsmäßig durchgezogenen Aktio nen zu tun. Und ob wir bereits gewisse Verdachtsmomente ha ben, Mister Parker? Nun ja, es gibt da zwei Personen, die viel leicht in Betracht kommen.« »Die Mylady kennen sollte, Sir, um überhaupt tätig werden zu können.« »Sie heißen Charly Stalling und Will Natersham, Mister Parker. Aber ich will nichts gesagt haben, verstehen Sie?« »Ich habe die Namen bereits wieder vergessen, mein lieber McWarden«, ließ die Detektivin sich vernehmen. Parker zweifelte keinen Augenblick daran. * Das Fachwerkhaus der Agatha Simpson stand auf den mächti gen Gewölben einer ehemaligen Abtei und verfügte über eine Vielzahl von Kellerräumen, die einem kleinen Labyrinth gleichka men.
Einige dieser Räume waren in Gästezimmer umgewandelt wor den und boten durchaus den Komfort eines Hotelzimmers der mittleren Preisklasse. Die Lüftung war hier ausgezeichnet, es gab jede sanitäre Einrichtung und sogar Fernsehen, allerdings keine Fenster und damit keinen direkten Kontakt zur Außenwelt. Parker hatte seine Fahrgäste aus dem Kofferraum des hochbei nigen Monstrums eingeladen, für eine noch nicht absehbare Zeit Urlaub zu machen. In einem Doppelzimmer konnten die beiden Golf-Fahrer entspannen, in einem Einzelzimmer Clive Boarding, der sich auf Rasenmäher spezialisiert hatte. Die Golf-Benutzer machten noch einen leicht verschlafenen Ein druck, als Parker sie in ihrem Gästezimmer aufsuchte. Vor ihrem Transport in die Gewölbe des Hauses hatte der Butler sie mit ei nem Spray behandelt, um Komplikationen aus dem Weg zu ge hen. Sie lagen auf ihren Bettcouches und blinzelten den Butler an. »Man erlaubt sich, Ihnen geruhsame Stunden zu wünschen«, grüßte Parker und stellte ein Tablett ab, auf dem er einen Imbiß mitgebracht hatte. Er hatte Tee und Sandwiches anzubieten. »Wie sind wir hier ‘reingekommen?« fragte einer der GolfBenutzer mit schläfriger Stimme. »Eine Frage, die Sie nicht vertiefen sollten«, schlug Josuah Par ker vor. »Sie dürfen sich jedoch nach wie vor als Myladys Gäste betrachten.« »Das is’ Kidnapping«, erklärte der Mann, der sich langsam auf richtete. »Eine Frage der Auslegung«, meinte Parker. »Sie können sich daran erinnern, daß Sie Mylady und meine Wenigkeit verfolgten?« »Unsinn«, behauptete der Mann, der langsam immer wacher wurde und damit auch aufmerksamer. »Das bilden Sie sich doch nur ein, Mann.« »Sie strandeten mit Ihrem VW-Golf, um auch daran noch zu er innern.« »Na und?« Der Overallträger fuhr sich durchs Haar. »Wir wissen verdammt genau, was passiert ist. Und wie soll’s jetzt weiterge hen? Sie können uns hier nicht festhalten. Wir werden ‘ne Show abziehen, die sich gewaschen hat. Wir bringen Sie vor Gericht.« »Dort wird man sich mit letzter Sicherheit wiedersehen«, pflich tete der Butler ihm höflich bei. »Die Zeit der Parkplatz-Geier dürf te sich dem Ende zuneigen.«
»Parkplatz-Geier?« Der Mann stutzte und warf seinem Partner schnell einen warnenden Blick zu. Der Kollege hatte sich inzwi schen ebenfalls erhoben und massierte seine Ohren. »Es handelt sich um eine Organisation, die sich auf den Dieb stahl von Sattelschleppern spezialisiert hat, meine Herren«, er läuterte der Butler. »Dabei geht es hauptsächlich um teure Spiri tuosen, und Tabakwaren aller Art, aber dies braucht man Ihnen ja wohl nicht im Detail zu erklären.« »Wovon reden Sie eigentlich?« brauste der erste Overallträger auf. »Was haben wir damit zu tun?« »Sie hatten eindeutig den Auftrag, die Herren Luters und Lim mick zu beschatten«, antwortete Josuah Parker. »Hinzu kommt noch ein dritter junger Mann namens Bannister. Als Sie jedoch Mylady und meine Wenigkeit ausmachten, reagierten sie und ori entierten sich neu.« »Mann, was reimen Sie sich da eigentlich zusammen?« »Mister Clive Boarding wird erstaunt sein, wenn er hört, daß Sie diese Aussage gemacht haben, meine Herren.« »Boarding? Wer ist das nun wieder?« »Ein Mann, der von sich behauptet, für Rasenmäher zuständig zu sein«, entgegnete der Butler. »Er dürfte aber einen direkten Draht zu den Parkplatz-Geiern haben.« »Wir kennen keinen Boarding.« Sie blickten sich wechselseitig an und nickten dann bekräftigend und synchron. »Sie werden ihn sicher bald kennenlernen«, kündigte der Butler an. »Mister Clive Boarding lud sich ebenfalls hier ins Haus ein und genießt Myladys Gastfreundschaft.« »Boarding ist hier?« staunte der erste Golf-Fahrer. »Er konnte und wollte der Einladung einfach nicht widerstehen«, sagte der Butler. »Sollten Sie sich im Kofferraum des Wagens nicht unter- und miteinander ausgetauscht haben, meine Her ren?« Josuah Parker deutete eine höfliche Verbeugung an und verließ das Doppelzimmer genau in dem Augenblick, als die beiden Over allträger aktiv werden wollten, was ihn betraf. *
Auch Clive Boarding wirkte noch ein wenig verschlafen, als Par ker bei ihm erschien. Der Rasenmäher-Spezialist saß aber bereits auf der Kante seiner Bettcouch und blickte den Butler abwartend an. »Eine kleine Erfrischung, Mister Boarding«, grüßte Parker und stellte auch hier ein Tablett ab. »Leider wird man Ihnen kaum für eine längere Zeit Gastfreundschaft anbieten können.« »Das fehlte gerade noch«, antwortete Boarding, der längst nicht mehr so überheblich wirkte wie in Whitechapel vor seinen WohnContainern. »Sagen Sie mal, wie bin ich hier ‘reingekommen?« »Es handelte sich um ein durchaus lösbares Transportproblem, Mister Boarding«, antwortete der Butler. »Womit man übrigens bereits beim Thema wäre, das Mylady zu einem noch auszuma chenden Zeitpunkt mit Ihnen diskutieren wird.« »Transportproblem?« staunte Boarding. »Es geht um Spirituosen und Rauchwaren aller Art, die von so genannten Parkplatz-Geiern weggeschafft und anschließend ver teilt werden«, redete der Butler weiter. »Parkplatz-Geier?« wunderte sich auch Boarding. »Keine Ah nung, wer das sein soll.« »Jene Personen, für die Sie zwei Profis in die Wohnung eines gewissen Mister Barry Luters schickten«, übersetzte der Butler in gewohnter Höflichkeit. »Moment mal, was wollen Sie mir da andichten? Ich soll für die se Parkplatz-Geier arbeiten? Machen Sie sich doch nicht lächer lich!« »In Ihren bescheidenen Firmenräumen wollten Sie dies aber nicht ausschließen, Mister Boarding.« »Weil Ihre Lady mich mit ihrer Hutnadel bedroht hatte, Parker. Guter Gott, ich fürchtete, sie würde tatsächlich zustechen. So etwas habe ich noch nie erlebt. Diese Frau ist ja brandgefähr lich.« »Sie treffen den sprichwörtlichen Nagel genau auf den Kopf, Mister Boarding«, pflichtete der Butler ihm bei. »Sie haben Myla dy allerdings nicht mehr zu fürchten. Die Dinge regelten sich in zwischen von selbst.« »Ach ja?« Boarding staunte. »Das heißt, wie soll ich das verste hen?« »Mylady weiß inzwischen von den Herren Charly Stalling und Will Natersham, Mister Boarding.«
»Nie von gehört.« Er log und konnte es nicht verbergen. Für ei nen Moment hatten seine Augen sich geweitet und waren dann starr im Blick geworden. »Auch dies spielt keine Rolle mehr, Mis ter Boarding. Man wird den beiden genannten Personen berich ten, daß Sie ihre Namen genannt haben.« »Sind Sie verrückt?« empörte sich Boarding und verlor die Selbstkontrolle. »Die bringen mich doch glatt um. Ich meine… äh…« »Deutlicher konnten Sie in der Tat nicht zum Ausdruck bringen, wie vertraut Ihnen die Namen Stalling und Natersham sind, Mis ter Boarding.« »Verdammt, Sie haben mir da ‘ne Falle gestellt«, beschwerte sich der Rasenmäher-Spezialist wütend. »Okay, ich kenn die bei den Männer, aber was hat das mit den Parkplatz-Geiern zu tun?« »In wessen Auftrag sollten Ihre Profis Mister Luters zu Ihnen nach Whitechapel schaffen, Mister Boarding?« »Der… der schuldet mir Geld. Aber das habe ich Ihnen doch schon gesagt, Parker.« »Man kann nur hoffen, daß Sie überzeugender sind, wenn die Herren Stalling und Natersham sich mit Ihnen befassen werden, Mister Boarding.« »Warum sollen die sich mit mir befassen?« »Man wird Sie für einen Verräter an der Sache der ParkplatzGeier halten, Mister Boarding.« »Was springt für mich ‘raus, wenn ich richtig auspacke, Par ker?« »Was stellen Sie sich denn vor, Mister Boarding?« »Ich will sofort abhauen, ich brauche einen ordentlichen Vor sprung.« »Meine Wenigkeit wird Mylady diesen Wunsch überbringen«, erwiderte der Butler. »Sie sollten allerdings präzise erklären, was Sie an Details anzubieten haben.« »Ich weiß, wo die Ware gelagert wird und wer der Boß der Parkplatz-Geier ist.« »Mister Stalling oder Mister Natersham, Mister Boarding?« er kundigte sich der Butler. »Nee, so nicht, Parker. Noch mal falle ich nicht auf Sie ‘rein. Erst die Zusage Ihrer Lady, dann werde ich deutlich.«
»Sie werden sich in Geduld üben müssen«, machte Parker dem Gast des Hauses klar. »Sie sollten die Zeit vielleicht nutzen, Ihre Taktik noch mal gründlich zu überdenken.« Der Butler verbeugte sich andeutungsweise und verließ den Raum. Er begab sich zurück ins Souterrain des Hauses und richte te das Dinner her. Es war inzwischen recht spät geworden. Als Parker eine halbe Stunde später die wenigen Kleinigkeiten servierte, die die Hausherrin sich ausgebeten hatte, erkundigte sie sich nach den Subjekten, wie sie sich ausdrückte, denen sie freie Kost und Logis bieten mußte. Josuah Parker berichtete kurz von seinen diversen Gesprächen und verwies noch mal auf Stalling und Natersham. »Sie sind hoffentlich meiner Meinung, daß ich die beiden Krimi nellen aufsuchen muß, Mister Parker, nicht wahr?« fragte sie. »Man könnte die Herren auch anrufen und ins Bild setzen, My lady«, schlug Josuah Parker vor. »Es wird dann zu gewissen Re aktionen kommen, die durchaus verräterisch sein könnten.« »Tun Sie, was ich für richtig halte«, meinte sie großzügig. »Ich glaube nämlich nicht, daß ich noch das Haus verlassen werde. Im Fernsehen läuft ein Kriminalfilm, den ich unbedingt analysieren muß.« »Mylady haben die Absicht, wieder am geplanten Drehbuch zu arbeiten? « fragte der Butler höflich. »Natürlich«, antwortete sie. »Es geht einfach nicht an, daß ich mich weiterhin von meiner literarischen Arbeit ablenken lasse, Mister Parker. Ich kann mein Talent nicht verschleudern. Ich schreibe ja auch noch einen Roman.« Parker hielt es für angebracht, dazu nichts zu sagen. * Josuah Parker hatte gerade abgeräumt und, begab sich in seine privaten Räume im Souterrain des Hauses, als das Telefon sich meldete. Er nahm nach einer angemessenen Frist ohne jede Hast ab und nannte seinen Namen. »Luters hier«, sagte eine ihm bekannte Stimme. Sie gehörte eindeutig zu einem der jungen Männer, die Mylady den preiswer ten Whisky verkauft hatten.
»Sie haben die Absicht, meiner Wenigkeit einen sogenannten Tip anzubieten und zu verkaufen?« »Woher wissen Sie das?« lautete die verblüffte Antwort. »Warum sollten Sie sonst wohl anrufen, Mister Luters?« gab der Butler höflich zurück. »Ich steige aus und setz mich ab«, schickte Barry Luters vor aus. »Mir ist der Boden zu heiß geworden.« »Sie fürchten sicher von den Parkplatz-Geiern zur Rechenschaft gezogen zu werden, nicht wahr?« »Das kann man wohl sagen! Moment mal, Sie wissen bereits von den Geiern?« »Es ergab sich so«, erwiderte Parker vage. »Sie möchten sich Ihr Wissen hinsichtlich der Geier bezahlen lassen, Mister Luters?« »Das is’ doch wohl klar, Mister Parker«, antwortete Barry Lu ters. »Ich brauche Geld, wenn ich abhauen will, viel Geld.« »Sie haben bestimmte Vorstellungen?« »Fünftausend Pfund in bar und in kleinen Scheinen, Mister Par ker. Unter dem mach ich das nicht.« »Dann werden Sie ohne Zehrgeld reisen müssen, Mister Lu ters«, meinte der Butler. »Ihre Vorstellungen sprengen den mög lichen Rahmen. Doch Sie sollten jetzt andeuten, was Sie verkau fen wollen.« »Ich weiß, wer die Parkplatz-Geier organisiert hat und sie steu ert«, erwiderte Barry Luters. »Das ist kein Bluff. Ich, Limmick und Bannister haben schließlich für sie gearbeitet.« »Dies fand Lady Simpson bereits heraus.« »Ich, Limmick und Bannister haben die Sattelschlepper mit leergeräumt und die Ware in ein Versteck gekarrt.« »Auch dies wurde bereits ermittelt, Mister Luters. Mister Lim mick, Mister Bannister und Sie dürften dabei einige Warenposten für den eigenen Verbrauch abgezweigt haben, was Sie jetzt wohl sehr bereuen.« »Kommen wir nun ins Geschäft oder nicht, Mister Parker?« »Sie wissen, daß Sie bereits gejagt werden, Mister Luters?« fragte der Butler. »Ein gewisser Mister Boarding verfügt über Pro fis, die Sie auf keinen Fall unterschätzen sollten.« »Boarding ist hinter uns her?« »Unter anderem, Mister Luters«, bluffte der Butler. »Die Geier dürften Ihnen bereits seit einiger Zeit nicht mehr so recht getraut
haben. Sie haben in den vergangenen Stunden ihre Wohnung aufgesucht?« »Ich werde mich hüten, dort aufzukreuzen.« »Sie sollten davon auch weiterhin Abstand nehmen«, sagte der Butler. »An einem der Heizungsrohre sind zwei Männer befestigt, die Sie dort erwarten.« »Tausend Pfund, Mister Parker, und ich gebe Ihnen einen wich tigen Tip.« »Sie haben sich von Ihren Partnern Limmick und Bannister in zwischen getrennt?« »Wir sind ausgeschwärmt, damit man uns nicht so schnell er wischt, Mister Parker. Ich könnte Ihnen aber sagen, wo die ste cken.« »Wie stellen Sie sich den Informationsaustausch vor, Mister Lu ters?« »Kommen Sie nach Soho. Die genaue Adresse gebe ich Ihnen noch durch. Bringen Sie das Geld mit. Dann läuft alles wie ge schmiert über die Bühne.« »Meine Wenigkeit wird versuchen, Mylady von der Wichtigkeit dieser nächtlichen Ausfahrt zu überzeugen. Und wie lautet die genau Adresse?« »Warten Sie im >Kleeblatt< auf meinen nächsten Anruf.« »Es dürfte sich um einen Spielsalon handeln, nicht wahr?« »Klar doch. Ich werd’ Sie da zwischen Mitternacht und ein Uhr anrufen und Ihnen dann sagen, wohin Sie kommen sollen.« Bevor Parker eine weitere Frage stellen konnte, wurde auf der Gegenseite aufgelegt. Parker tat es ebenfalls, um dann sofort einen gewissen Horace Pickett anzurufen. * »Verdammt, wo waren Sie denn?« beschwerte sich Luters am anderen Morgen. Er hatte wieder angerufen und schien sehr unter Druck zu stehen. »Meine Wenigkeit bedauert nachträglich ungemein, daß es zum verabredeten Stelldichein nicht kommen konnte«, antwortete der Butler. »Mylady hatte anderweitig zu tun.« »Und ich jetzt auch, Parker«, gab Luters gereizt zurück. »Aus unserem Geschäft wird nichts.«
»Wie bedauerlich für Ihre Reisekasse, Mister Luters.« »Ich werd’ mich schon durchschlagen, Mister Parker. Aber ohne meine Tips werden Sie an die Parkplatz-Geier nie herankommen.« »Vielleicht erweist sich dabei Mister Boarding als wertvolle Hil fe.« »Wieso ausgerechnet Boarding?« Verblüffung war in Luters’ Stimme. »Mister Boarding hat die Ehre, sich als Myladys Gast betrachten zu dürfen.« »Als Gast? Wie soll ich das verstehen?« »Mister Boarding ist gerade dabei, sein Frühstück einzunehmen. Wie übrigens auch zwei Männer, die einen VW-Golf benutzten.« »Sie haben die Leute kassiert?« »Eine sprachlich etwas saloppe Formulierung, die aber den Tat sachen entspricht, Mister Luters.« »Ich werd’ verrückt, Parker.« »Sie sollten sich damit Zeit lassen, Mister Luters, Sie werden Ih re Sinne noch dringend benötigen. Denken Sie an die ParkplatzGeier, denen Sie großen Schaden zugefügt haben.« »Gut, ich werde Ihnen noch eine letzte Chance geben, Parker.« Er verzichtete diesmal grundsätzlich auf das »Mister« und wollte sich wohl hart geben. »Sie sind ungemein gütig, Mister Luters.« »In einer Stunde sind Sie in Soho, und zwar in einem kleinen Andenkenladen gleich neben der Olympic-Spielhalle. Dort werde ich Sie dann anrufen und Ihnen sagen, wo wir uns treffen kön nen.« »Sie haben vergessen, an das Geld zu erinnern.« »Verdammt, das wollte ich ja gerade tun, Parker.« Die Stimme klang verärgert. »Haben Sie etwas dagegen, wenn Mylady meine Wenigkeit be gleitet?« »Ist mir völlig schnuppe«, schloß Luters seinen Anruf und legte dann auf. Parker tat es ihm nach und telefonierte erneut mit ei nem gewissen Horace Pickett und informierte ihn. Anschließend kümmerte sich der Butler um Mylady, die tatendurstig die ge schwungene Treppe herunterkam und dabei fröhlich ihren perlen bestickten Pompadour schwenkte. »War das gerade ein Anruf für mich, Mister Parker?« wollte sie wissen.
»Mister Luters meldete sich erneut, Mylady, und hofft auf eine Begegnung.« »Hoffentlich ist es kein Fehler, Mister Parker, auch dieses Ange bot auszuschlagen«, sagte sie warnend. »Es dürfte sich in beiden Fällen um den Versuch handeln, Myla dy und meine Wenigkeit in eine Falle zu locken. Mister Luters wird von den Parkplatz-Geiern längst aufgegriffen worden sein.« »Wieso sind Sie eigentlich so schrecklich sicher, daß er mir nichts zu sagen hat, Mister Parker?« »Die Herren Luters, Limmick und auch Bannister sind nach Lage der Dinge nichts als kleine Handlanger der Geier gewesen, Myla dy, die man zum Abtransport der gestohlenen Spirituosen und Tabakwaren benutzte. Sie wissen natürlich nicht, wer die Park platz-Geier sind und wo man die gestohlene Ware versteckt hält.« »Eine gewagte Hypothese, Mister Parker.« »Mylady kennen die Summen, die im Spiel sind«, schickte der Butler voraus. »In Anbetracht dieser Dimension wird man Hand langer mit Sicherheit nicht in die Geheimnisse der Parkplatz-Geier eingeweiht haben.« »So denke ich natürlich auch, Mister Parker«, erwiderte die älte re Dame. »Also was werde ich unternehmen? Wozu habe ich mich entschieden? « »Mylady haben die Absicht, die Herren Stalling und Natersham zu interviewen«, lautete die Antwort des Butlers. »Währenddes sen kann Mister Boarding mit sich zu Rate gehen und über seine Aussage nachdenken.« »Wie ich es gewünscht habe.« Agatha Simpson nickte nach drücklich, obwohl sie sich daran nicht zu erinnern vermochte. »Ich glaube, Mister Parker, dieser Tag wird wieder mal sehr posi tiv für mich verlaufen.« * Charly Stalling sah auf keinen Fall aus wie ein Gangster. Er war groß, schlank und wirkte so seriös wie der Manager einer Bank. Er mochte etwa fünfzig sein und verdiente sein Geld nach außen hin mit dem Verkauf von Elektro-Kaminen und Stilöfen. Sein Geschäft befand sich im Stadtteil Paddington und war von beachtlicher Größe. In drei Verkaufsräumen bot er eine Fülle von
Modellen an. Zwei Verkäufer assistierten ihm dabei, zwei junge Männer, die ebenfalls nicht wie Kriminelle aussahen. »Ich wünsche etwas in Majolika oder auch Gußeisen«, sagte La dy Simpson. »So genau weiß ich es noch nicht. Nur preiswert muß es sein.« »Sie werden bestimmt etwas finden, Madam«, erwiderte Charly Stalling, der sich vorgestellt hatte. »Welche Preisklasse bevorzu gen Sie denn, wenn man fragen darf?« »Noch billiger«, reagierte Lady Agatha. »Gestern wurde mir erstklassiger Whisky angeboten, der etwas um die Hälfte billiger war als in einem regulären Geschäft. Haben Sie auch so etwas?« »Billigen Whisky, Madam?« fragte Stalling, ohne mit der Wim per zu zucken. »Warum eigentlich nicht, junger Mann?« Lady Agatha blieb munter. »Ich bin grundsätzlich an jedem Sonderangebot interes siert.« »Es können auch Rauchwaren aller Art sein, Mister Stalling«, warf Josuah Parker ein. »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.« Stalling schüttelte den Kopf. »Wollen Sie nun einen Ofen oder…?« »Eigentlich lieber Whisky«, erwiderte die ältere Dame und zwin kerte Stalling zu. »Man hat mir gesagt, daß Sie so etwas in grö ßeren Mengen anzubieten haben.« »Dann hat man sich einen üblen Scherz mit Ihnen erlaubt«, sagte Charly Stalling. »Der gerade erwähnte Hinweis stammt von einer Unterneh mensgruppe, die sich die Parkplatz-Geier nennt, Mister Stalling.« »Ich denke, jetzt sollten wir aber erst mal in mein Büro gehen«, schlug der Fachhändler vor und bemühte sich nachdrücklich und fast verzweifelt um ein neutrales Lächeln. Er wartete die Zustim mung seiner Kunden nicht ab, sondern setzte sich in Bewegung und steuerte auf eine Tür im Hintergrund zu. »Sie wollen mich provozieren, nicht wahr?« fragte er, als er mit Lady Agatha und Parker in seinem Büro war. »Man sagt Ihnen nach, daß Sie sich auf dem Gebiet des grauen Markts recht gut auskennen, Mister Stalling.« »Gerüchte, nichts als Gerüchte. Wieso kamen Sie eben auf die Parkplatz-Geier? Offen gesagt, ich habe von ihnen gehört. Aber vorher möchte ich mal wissen, wer sie sind!«
»Vielleicht war die Nennung der Namen ein wenig undeutlich«, schickte der Butler voraus. »Sie haben den Vorzug, Lady Simpson informieren zu können. Mein Name ist Parker, Josuah Parker.« »Moment mal, sind Sie nicht diese beiden Amateure, die sich für Detektive halten?« fragte Stalling amüsiert. »So denken erfreulicherweise viele Vertreter der sogenannten Unterwelt«, antwortete der Butler. »Mylady genießt immer wieder diese Unterschätzung.« »Wer hat mich da im Zusammenhang mit den Parkplatz-Geiern ins Spiel gebracht?« verlangte Stalling zu wissen. »Diskretion gehört zu den Grundprinzipien einer Ermittlung, Mister Stalling«, machte der Butler ihm klar. »Das werden wir ja sehen.« Stalling stand auf, öffnete die Tür und rief seinen Mitarbeitern vorn im Ladengeschäft zu, sie möch ten sich doch mal herbemühen. Sie taten es umgehend. * »Sie werden gleich ‘ne Treppe ‘runterfallen«, kündigte Stalling gefährlich freundlich an. »Falls Mylady und meine Wenigkeit nicht Ihrer Forderung ent sprechen sollten, Mister Stalling?« »Ich will wissen, wer mich da ins Spiel gebracht hat. Wer be hauptet, ich hätte was mit diesen Parkplatz-Geiern zu tun?« Während er seine Fragen stellte, hatten die beiden Verkäufer sich bereits an der Tür aufgebaut und zogen sich die weißen Kittel aus. Drohender hätte eine solche Geste nicht ausfallen können. »Es geht keineswegs um Sie allein, Mister Stalling«, erklärte Jo suah Parker. »Auch ein gewisser Mister Will Natersham wurde in diesem Zusammenhang genannt.« »Natersham?« Stalling schüttelte den Kopf. »Verdammt, jetzt sollten Sie sich aber beeilen, auszupacken.« »Sie wollen sich an einer wehr- und hilflosen Frau vergreifen?« fragte Lady Agatha interessiert. »Rechnen Sie mit ‘nem Aufenthalt in ‘nem Hospital, Lady. Sie können’s aber auch einfacher haben und schleunigst reden.« »Wie denke ich darüber, Mister Parker?« Sie wandte sich an ih ren Butler.
»Nach einer immer wieder zitierten Regel soll der Angriff die beste Form der Verteidigung sein, Mylady.« Josuah Parker hatte diesen Satz noch nicht ganz beendet, als er die Regel bereits zur Anwendung brachte. Mit einer ruckartigen Bewegung seines linken Unterarmes ließ er seinen altväterlich gebundenen Universal-Regenschirm senk recht in die Luft steigen und versetzte ihm dabei eine Drehung, die das Regendach veranlaßte, waagerecht wieder nach unten zu fallen. Genau im rechten Zeitpunkt faßte Parker zu und wandelte den Regenschirm in einen Kendo-Stab um. Seine Hände hatten das obere und untere Viertel der Schirmstange gepackt und lösten damit einen Wirbel von gezielten Schlägen und harten Stößen aus. Die beiden Heizofen-Verkäufer hatten mit dieser Entwicklung nicht gerechnet. Und es zeigte sich, daß sie die Handhabung und Wirkungsweise eines Kendo-Stocks wohl nur von einschlägigen Fernost-Filmen her kannten. Sie hatten Parker nichts entgegenzusetzen. Der Butler trieb die Männer in eine Ecke des Büros und brauchte nur wenige Augenblicke, bis sie entnervt und stöhnend auf dem Boden Platz nahmen. Stöße und Schläge hatten Muskelpartien getroffen, die notwendig waren, um Arme und Hände zu bewe gen. »Sie sollten meiner Wenigkeit verzeihen, falls man ein wenig zu impulsiv reagierte, Mister Stalling«, wandte der Butler sich an den Chef der Firma. »Man konnte sich aber nicht des Eindrucks er wehren, als wäre es die Absicht Ihrer beiden Mitarbeiter gewesen, Mylady und meine Wenigkeit zu involvieren, volkstümlich gesagt – zu schnappen.« Stalling wollte zwar antworten, doch er schaffte es nicht. Lady Agatha hatte sich inzwischen seiner angenommen und ihm ihren perlenbestickten Pompadour auf die Brust gesetzt. Sein Brustbein vibrierte noch, seine Lungen lechzten nach Luft. Stal ling hatte einen hochroten Kopf und saß im Besuchersessel vor seinem Arbeitstisch. »Von mir aus können Sie mir ruhig noch mal mit einer Treppe drohen, junger Mann«, bot Lady Agatha ihm an. »Ich werde auf jeden Vorschlag von Ihnen eingehen.«
»Nein, nein«, japste Stalling und zog förmlich den Kopf ein wie eine bedrohte Schildkröte. »Das war… doch nur ‘n Scherz.« »Zurück zu den Parkplatz-Geiern«, meinte der Butler. »Sie räumten ein, Mister Stalling, von dieser Kriminellen-Vereinigung gehört zu haben.« »Gehört.« Stalling nickte und hatte endlich wieder ausreichend Luft in den Lungen. »Die sollen im großen Stil abräumen.« . »Diese Aktivitäten werden gewiß Ihr Interesse erregt haben, Mister Stalling«, vermutete der Butler. »Mylady brachten in Er fahrung, daß Sie und Mister Natersham sich mit der Verwertung von Diebesgut befassen und zusätzlich auch gezielte Diebstähle in der Hafen-Region initiieren.« »So was müßte man Natersham und mir erst mal beweisen«, antwortete Stalling. »Dazu wird ein gewisser Mister Clive Boarding mit Sicherheit beitragen, Mister Stalling.« »Keinen blassen Schimmer, von wem Sie da reden.« »Das wird sich schnell ändern, junger Mann«, warf die ältere Dame genußvoll ein und brachte ihren Pompadour in Pendelbe wegung. »Moment mal, ich glaube, daß ich von Boarding doch schon ge hört habe«, erinnerte sich Stalling umgehend. »Der vermietet Schläger oder so… Ich glaube, er wohnt in Whitechapel und ver leiht oder repariert Rasenmäher.« »Man sollte Mister Stalling zu einer kleinen Ausfahrt einladen, Mylady«, schlug der Butler vor. »Während oder auch nach dieser Ausfahrt wird er sicher geneigt sein, sich noch präziser über die Parkplatz-Geier zu äußern.« »Halten Sie sich an Natersham«, kam umgehend die fast be schwörende Antwort. »Der hat schon nachgebohrt.« »Sie werden Mylady den Weg weisen«, meinte der Butler. »Ü berlassen Sie Ihren beiden Mitarbeitern ruhig den weiteren Ver kauf.« Stalling war mit diesem Vorschlag zwar überhaupt nicht einver standen, doch er fügte sich. Fassungslos schaute er zu, wie Par ker die beiden jungen Männer mittels einer einzigen Handschelle daran hinderte, tätig zu werden. Er benutzte sie in der Art, wie er die beiden Schläger in Barry Luters’ Wohnung außer Gefecht ge setzt hatte. Diesmal schloß er sie allerdings an eine Wasserleitung an.
*
Stalling saß im Fond des hochbeinigen Monstrums und interes sierte sich verstohlen für die beiden Griffe der hinteren Türen. Lady Agatha hatte vorn neben Parker Platz genommen und genoß sichtlich diese Ausfahrt. Der Butler hatte sich die Adresse von Will Natersham geben las sen und steuerte sie an. Weit hatte man nicht zu fahren. Will Na tersham hatte sein Geschäft im Stadtteil Soho und verkaufte ZooArtikel. »Hören Sie, Mylady, Sie brauchen Natersham ja nicht gerade auf die Nase zu binden, daß ich seinen Namen genannt habe«, schlug Stalling vor. »Sie fürchten eine mehr oder weniger heftige Reaktion Mister Natershams?« fragte Parker. Die Trennscheibe zwischen dem Wagenfond und den Vordersitzen war noch versenkt. Für Stalling existierte sie nicht. Er hatte keine Ahnung, wie blitzschnell sie aus ihrer Versenkung nach oben katapultieren konnte. Diese Grundausstattung eines Taxis hatte Parker modifiziert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht. »Natersham ist cholerisch«, warnte Stalling. »Ihren Worten zufolge hat Ihr Bekannter Natersham sich bereits mit den Parkplatz-Geiern befaßt«, erinnerte der Butler. »Zu wel chen Ergebnissen ist er gekommen, wenn man fragen darf.« »Keine Ahnung, Mister Parker«, lautete Stallings Antwort. »Wir sind nicht gerade miteinander befreundet.« »Aber nach Myladys Auskünften arbeiten Sie in der gleichen Branche, um es mal so auszudrücken.« »Was meinen Sie damit?« Er hatte sich inzwischen für die linke Wagentür entschieden und wartete wohl darauf, daß Parker vor einer Ampel halten mußte. »Sie setzen Diebesgut um, Mister Stalling«, präzisierte Josuah Parker. »Auf Wunsch besorgen Sie und Mister Natersham auch Waren aller Art.« »Was Natersham macht, weiß ich nicht, aber ich habe eine sau bere Weste.« »Seitdem die zuständige Behörde sich für Ihre Arbeitsmethoden interessiert, Mister Stalling.«
»Wenn das so ist, wie Sie sagen, Mister Parker, kann ich mit den Parkplatz-Geiern ja nichts zu tun haben«, bot Stalling eine Erklärung an. »Wie sollte ich unter den Augen der Polizei als Heh ler arbeiten?« »Sie könnten über Mitarbeiter und Handlanger verfügen, die für Sie diese Arbeit erledigen, Mister Stalling.« »Damit kann man alles erklären, Mister Parker.« Stalling beo bachtete die Schaltungen einer Ampel und machte sich sprungbe reit. Parker registrierte dies alles auf dem Umweg über den Rück spiegel seines Wagens. Er stoppte vor einer Ampel, die gerade auf Rot geschaltet hatte, und rührte sich nicht, als Stalling sich nach vorn warf und nach dem Türgriff langte. Er drückte ihn hinunter und wollte die Tür aufstoßen. Doch sie rührte sich nicht. Josuah Parker hatte die beiden hinteren Wagentüren vom Fah rersitz aus zentral verriegelt. Stalling stieß mit dem Kopf gegen die schußsichere, sehr solide Scheibe und sorgte für eine Beulen bildung an der rechten Schläfe. Doch er gab noch nicht auf. Er orientierte sich blitzschnell neu und wollte seine Hände um den Hals der älteren Dame legen. Mit dem geplanten Würgegriff wollte er Parker dazu zwingen, die Tür zu öffnen. Er hatte seine Rechnung aber ohne die Technik des Wagens gemacht. Die versenkte Trennscheibe schoß förmlich nach oben und klemmte Stallings Handgelenke fest. Der Mann schrie auf, stöhn te, riß und zerrte an seinen eingespannten Händen. Nach der ers ten Überraschung und nach dem ersten Schmerz belegte er Myla dy und Parker dann mit wüsten Flüchen. »Man kann nur hoffen, daß Sie noch steigerungsfähig sind, was Ihre Wortwahl betrifft«, meinte der Butler gelassen und höflich. »Bisher lieferten Sie wirklich nur billigsten Standard, Mister Stal ling.« * Er sah aus wie ein gutmütiger Onkel, war um die fünfundfünfzig Jahre alt und hatte ein fleischiges Gesicht mit dunklen Augen. Er stand inmitten von kleinen Boxen, in denen Hunde-Welpen sich
sichtlich langweilten. In Regalen hinter der Verkaufstheke lager ten Hundefutter-Konserven. Neben Will Natersham saß ein ausgewachsener Dobermann, der Josuah Parker und Lady Agatha sehr wachsam anblickte. Naters ham musterte die beiden Kunden mit abschätzendem Blick und entschied sich für ein umsatzförderndes Lächeln. »Im Auftrag Lady Simpsons erlaubt sich meine Wenigkeit, Ihnen fast freundliche Grüße zu überbringen.« Parker lüftete die schwarze Melone. »Wie war das?« fragte Will Natersham, der sich noch als freund licher Onkel gab. Erste Zweifel zeichneten allerdings sein Gesicht. »Grüße eines gewissen Charly Stalling«, präzisierte Josuah Par ker. »Er war so entgegenkommend, auf Sie zu verweisen, und zwar im Zusammenhang mit gewissen Parkplatz-Geiern, die Ih nen kaum unbekannt sein dürften.« »Stalling? Läßt Grüße ausrichten?« Will Natershams Wandlung war erstaunlich. Eben noch ein freundlicher Onkel, wurde sein Gesicht plötzlich zu einer Gleisanlage, auf der Gesichtszüge ent gleisten. Ohne jede Vorwarnung gab er seinem Dobermann einen Befehl, auf den das mächtige Tier umgehend reagierte. Aus dem Sitz schnellte der Dobermann vor und produzierte einen heiseren Knurrlaut. Dann öffnete der Vierbeiner seinen Fang und zeigte prächtig entwickelte Zähne. Der Dobermann konzentrierte sich auf Josuah Parker und sollte es wenig später tief bereuen. Butler Parker wich einen halben Schritt seitlich zurück und griff in ein Regal. Anschließend versorgte er den Hund mit delikatem Futter, wie auf der Dose stand. Er schob die Großkonserve in den Fang des Dobermanns und hörte anschließend das Knirschen von Reißzähnen auf dem Blech. Der Dobermann schaffte es erstaunlicherweise ohne weiteres, das dünne Blech zu durchbeißen, hatte jedoch erhebliche Schwie rigkeiten, die Reißzähne wieder aus dem Blech zu lösen. Agatha Simpson war selbstverständlich nicht untätig geblieben. Mit einem energischen Rundumschlag ihres Pompadours traf sie die rechte Schulter des Hunde-Ausstatters und ließ ihn in die Knie gehen. Anschließend versorgte sie ihn noch mit einer ihrer ge fürchteten Ohrfeigen.
Will Natersham bewegte sich zur Seite, stolperte über die Sei tenwand einer Box und gesellte sich zu einigen Welpen, die quie kend zur Seite stoben. Als Natersham benommen in der Box sit zen blieb, trauten sie sich wieder vor und beknabberten rauflus tig-freudig seinen weißen Verkaufskittel. Ein besonders energisches Kerlchen stakste auf seinen Bauch, krabbelte mühsam über die Brust nach oben und leckte ihm Mund und Nase. Durch diese fast von Mund-zu-Mund-Beatmung des Welpen kam Natersham schnell wieder zu sich und schielte die ältere Dame an. »Ich habe absolut nichts dagegen, wenn Sie mich noch mal an greifen würden, junger Mann«, sagte Agatha Simpson gefährlich freundlich. »Genieren Sie sich nur nicht.« Der Dobermann mühte sich inzwischen weiter mit der Weiß blechdose und hatte jedes Interesse an Butler Parker verloren. Der Vierbeiner kam sich beobachtet vor, schämte sich möglicher weise und schlich aus dem Ladenlokal. Er trottete nach hinten und Verschwand hinter einer halbgeöffneten Schiebetür. »Darf man vielleicht noch mal auf die erwähnten Parkplatz-Geier zu rückkommen?« schlug der Butler in Richtung Natersham vor, der endlich damit begann, sich aus der Welpenbox zu stemmen. »Wer sind Sie?« kam die obligate Frage des Mannes, der laut Chief-Superintendent McWarden eindeutig ein Gangster war. »Lady Simpson. Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler Mylady und sich vor. »Es geht das Gerücht um, daß Sie zusammen mit Mister Charly Stalling eine Organisation leiten, die sich die Parkplatz-Geier nennt.« »Das soll doch wohl ein Witz sein, wie?« gab Natersham zurück und wischte sich übers Gesicht. »Ausgerechnet mit Stalling, ja? Mann, wir sind uns nicht besonders grün. Ich würde doch nie mit einem Gauner zusammenarbeiten.« »Ein hehrer Grundsatz aus Ihrem Mund. Laut Mister Stalling sind Sie immerhin in der Lage, Angaben zu den gesuchten Park platz-Geiern zu machen, Mister Natersham.« »Ich will Ihnen mal was sagen«, schickte Natersham voraus. »Ich selbst würde gern wissen, wer die Geier sind und wer sie fliegen läßt, „aber ich hab’ keine Ahnung. Und überhaupt, ich werde von der Polizei verdammt scharf überwacht. Glauben Sie wirklich, ich würde mir die Finger verbrennen? Man überwacht
doch jeden Schritt von. mir und wahrscheinlich sogar mein Tele fon. Wie soll ich da was aufziehen, selbst wenn ich wollte?« Während seiner Ausführungen hatte Natersham immer wieder die Gesichtshälfte abgetastet, auf der Myladys Hand gelandet war. Seine Artikulation war noch leicht gehemmt. »Vielleicht sollten Sie sich über dieses Thema mal mit Mister Charly Stalling unterhalten«, schlug Josuah Parker vor. »Er steht zu’ ausgiebiger Diskussion sofort zur Verfügung.« »Wir würden uns doch nur an die Kehle gehen«, prophezeite Natersham. »Tun Sie Ihren’ Gefühlen keinen Zwang an, junger Mann«, schaltete die ältere Dame sich ein und nickte ihrem Butler zu. »Mister Parker, sorgen Sie dafür, daß es zu einer hübschen Un terhaltung kommt. Man soll einer Lady Simpson nicht nachsagen, sie würde Diskussionen im Keim ersticken.« * Im Fond des Wagens saßen Stalling und Natersham. Sie schauten sich immer wieder aus verhangenen Augen an, doch zu mehr reichte es nicht. Parker hatte eine lachgasähnliche Substanz in den rückwärtigen Teil des Wagens geleitet, um vor zeitige Aggressionen zu unterbinden. Die beiden Gangster hatten darauf reagiert und gingen sich vor erst noch nicht an die Kehlen, wie Natersham prophezeit hatte. »Mein Haus verwandelt sich wieder in eine Pension, Mister Par ker«, räsonierte die ältere Dame. »Ich frage mich manchmal, wer das alles bezahlen soll.« »Es handelt sich nur um kurzfristige Einladungen«, wiegelte der Butler ab. »Myladys großzügige Gastfreundschaft dient zudem der Entlarvung der Täter.« »Nun ja«, gab sie zurück. »Dafür muß man wohl gewisse Opfer bringen, Mister Parker, aber manchmal frage ich mich, ob ich in Zukunft nicht Bewirtungskosten erheben sollte.« »Eine Anregung, Mylady, die sich zu vertiefen lohnt.« »Nicht wahr?« Sie erwärmte sich an ihrem Gedanken. »Ich könnte doch gut und gern pro Tag etwa fünfzig bis hundert Pfund verlangen. Das deckt dann in etwa die anfallenden Unkosten.«
Josuah Parker lenkte seine Herrin ab und verwies auf einige Zei tungsverkäufer am Straßenrand. Die Männer wedelten mit Einzel exemplaren und riefen Schlagzeilen aus, die man im Wagen aller dings nicht verstand. Parker steuerte den Straßenrand an, kurbelte das Fenster nach unten und winkte einem Verkäufer. Er erstand zwei Zeitungen und handelte sich damit sofort einen Tadel der älteren Dame ein. »Ich werde nur ein einziges Exemplar bezahlen, Mister Parker«, machte sie ihm klar. »Verschwendung kann ich mir nicht leisten.« »Sehr wohl, Mylady.« Parker hatte automatisch geantwortet und befaßte sich bereits mit der Schlagzeile auf der ersten Seite. In übergroßen Lettern wurde von einem Coup berichtet. Unbekannte hatten in einer Art konzertierten Aktion drei Sattel schlepper gestohlen, die Rauchwaren und Spirituosen in den Nor den der Insel transportieren sollten. Den Wert der gestohlenen Ware bezifferte man nach ersten Schätzungen auf über eine Milli on Pfund. »Da kann man, ja, direkt neidisch werden«, meinte die Detekti vin, die sich ebenfalls informiert hatte. »Von den Tätern keine Spur.« »Die Art der Diebstähle läßt auf die Arbeit einer bestimmten Or ganisation schließen«, stellte Parker fest, der den Artikel diagonal überflogen hatte. »In allen drei Fällen sind die Fahrer und Beifah rer betäubt worden, als sie ihre erste Rast machten.« »Handelte es sich um eine ganz bestimmte Firma, Mister Par ker, die diese Transporte durchgeführt hat?« erkundigte sich Lady Agatha. »Durchaus nicht, Mylady«, konnte der Butler ihr mitteilen. Im Gegensatz zu seiner Herrin las er weiter. Sie hatte ihre Zeitung bereits gefaltet und ließ sich von Parker informieren. »Es handelt sich um drei verschiedene Transportunternehmen.« »Ich frage mich also noch mal, woher die Gangster von der Wa re wußten«, meinte sie. »Da muß doch Verrat im Spiel sein.« »Falls die Transporte von einer bestimmten Lieferfirma ausgin gen, Mylady, sollte man dies in der Tat nicht ausschließen.« »Ist diese Firma genannt, Mister Parker?« »Dies ist leider nicht der Fall, Mylady. Vielleicht kann aber Chief-Superintendent McWarden ein wenig weiterhelfen.«
»Keine Sorge, er wird sich von selbst melden, Mister Parker. Ich könnte mir vorstellen, daß der gute McWarden bereits nach mir telefoniert.« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Mylady«, er widerte Josuah Parker und legte die Zeitung aus den Händen. »Im Artikel wird übrigens zum ersten Mal der Begriff ParkplatzGeier erwähnt. Diese Bezeichnung scheint von der Polizei lanciert worden zu sein, um die Unterwelt hellhörig werden zu lassen.« »Wie das, Mister Parker?« wollte sie wissen. »Die Millionenbeute wird weitere Geier aktivieren, die sich leich te Beute versprechen, Mylady. Die Polizei braucht Hinweise aus der kriminellen Szene.« »Im Gegensatz zu mir«, stellte sie fest. »Eine Lady Simpson hat noch nie fremde Hilfe benötigt, Mister Parker, sie klärt ihre Fälle immer aus eigener Kraft.« »Wie wahr, Mylady«, lautete Parkers höfliche Antwort. Wieder mal blieb sein Gesicht glatt und ausdruckslos. * Agatha Simpson nahm den Lunch und begnügte sich mit weni gen Kleinigkeiten, wie sie sich ausdrückte. Mit wachsamen Augen verfolgte sie Parkers Angebot. Er servierte kalten Braten, dazu eine Kräutersauce, ein wenig Fisch in Form von Lachs, einige nicht gerade dünne Scheiben einer Nierenpastete, zwei gebackene Kartoffeln mit einem entsprechenden Dressing, einen Salat, den Mylady übrigens nicht anrührte, und schloß mit einer Scheibe Plump-Pudding, die mit Rum getränkt war. »Alles mit Maßen, Mister Parker«, dozierte sie. »Ich kann es mir einfach nicht leisten, dick zu werden.« »Mylady sollten sich in dieser Hinsicht keine unnötigen Sorgen machen«, beruhigte der Butler sie. »Dennoch«, erwiderte sie. »Selbstdisziplin ist alles, Mister Par ker. Daran sollten Sie sich ein Beispiel nehmen.« »Wie Mylady zu wünschen geruhen.« Parker ließ sich grundsätz lich nicht aus der Fassung bringen, mochte seine Herrin auch sa gen, was immer sie wollte. »Wie sind die beiden Lümmel untergebracht, die ich unterwegs eingesammelt habe, Mister Parker?« erkundigte sie sich.
»Die Herren Stalling und Natersham bewohnen ein gemeinsa mes Gästezimmer, Mylady«, meldete Josuah Parker. »Noch sind sie nicht im Vollbesitz ihrer Kräfte.« »Hoffentlich schlagen sie sich gegenseitig die Nasen ein«, hoffte die ältere Dame. »Ihnen ist doch klar, Mister Parker, daß die bei den diese Parkplatz-Geier organisiert haben, nicht wahr?« »Selbst solch eine Möglichkeit sollte man grundsätzlich nicht ausschließen«, entgegnete der Butler, »wenngleich Mylady an die Worte der beiden Gangster denken, wonach sie von der Polizei gründlich observiert werden. Mister Natersham vermutete sogar, daß seine Gespräche abgehört werden. Unter diesen Vorausset zungen ist es recht schwer, eine Gangster-Organisation zu lei ten.« »Ich ziehe grundsätzlich alles in Betracht, Mister Parker«, be hauptete sie. »Und wer kommt meiner Ansicht nach sonst noch als Bandenchef in Betracht? Ich glaube, ich hatte mich dazu be reits mehrfach geäußert.« »Mylady erwähnten tatsächlich Mister Blanders«, lautete Par kers Antwort. »Richtig, Mister Parker.« Sie nickte und lächelte versonnen. »Und wer ist das?« »Mister Blanders ist der Vermieter von kleinen Schnelltranspor tern, Mylady. Er konnte sich an die Herren Luters und Limmick erinnern, die sich in regelmäßigen Abständen Schnelltransporter ausliehen. In diesem Zusammenhang fiel auch der Name des Mis ter Pete Bannister:« »Ich weiß, ich weiß«, gab sie ungeduldig zurück. »Keine Na men, wenn ich bitten darf. Mich interessieren nur die großen Zu sammenhänge.« »Mister Blanders rief von einer Telefonzelle aus an, als Mylady und meine Wenigkeit seine Firma verließen.« »Das fiel mir sofort auf.« Sie nickte. »Es muß sich um einen sehr wichtigen und prekären Anruf ge handelt haben, Mylady. Mister Blanders wollte jedes Risiko aus schalten, abgehört zu werden.« »Daran dachte ich selbstverständlich sofort. Sagte ich Ihnen das nicht bereits, als ich ihn beobachtete?« »Mylady wiesen meine Wenigkeit in der Tat bereits nachdrück lich darauf hin.«
»Ich werde dieses Subjekt noch mal aufsuchen, Mister Parker. Erinnern Sie mich rechtzeitig daran. Habe ich sonst noch etwas vor?« »Mister Boarding dürfte inzwischen Zeit genug gehabt haben, sich gewisse Dinge zu überlegen, Mylady.« »Zu diesem Lümmel muß ich ebenfalls noch hin, Mister Parker.« »Er betrachtet sich bereits als Myladys Gast und wartet in ei nem Gästezimmer.« »Was macht das für einen Unterschied, Mister Parker?« Die äl tere Dame sah ihren Butler leicht gereizt an. »Wichtig ist und bleibt, wo die gestohlene Ware versteckt ist. Daran sollten Sie immer denken.« Lady Agatha ließ sich noch einen Mokka mit Cognac servieren und entschied sich dann für eine Stunde der inneren Einkehr. Sie wollte über den Fall meditieren, wie sie es nannte, ging hinauf in ihre privaten Räume und war ab sofort nicht mehr erreichbar, wie sie sich ausbat. Der Butler hatte jetzt die Möglichkeit, sich noch mal mit Clive Boarding zu unterhalten. * Clive Boarding wirkte wie ein sprungbereiter Tiger. Er saß auf der Kante seiner Bettcouch und blickte den eintre tenden Butler gespielt desinteressiert an. »Eine kleine Zwischenmahlzeit«, sagte Parker und stellte das Tablett ab. »Möglicherweise kann sie auch zu einer Art Henkers mahlzeit werden, Mister Boarding.« Der Spezialist für Rasenmäher setzte alles auf eine Karte. Er drückte sich kraftvoll von der Couchkante ab und warf sich auf den Butler, der ihn allerdings geschickt und nachdrücklich mit einer gebackenen Kartoffel stoppte. Sie landete auf seinem linken Auge und verunsicherte den An greifer ungemein. Die Kartoffel platzte auseinander, sorgte für eine Sichttrübung und verhinderte ein genaues Zielen des geplan ten Rammstoßes mit der rechten Faust. Parker ließ diese Faust gegen die Wand des Apartments knallen, griff nach dem Pfefferstreuer, der eigentlich für die Kartoffelwür
zung gedacht war und schloß mit einer gehörigen Prise dann auch noch das rechte Auge des Angreifers. Boarding gab umgehend auf. Er greinte ein wenig und tastete sich dann mit Parkers Hilfe zur Bettcouch zurück. Er machte plötzlich einen sehr zivilen Eindruck. »Meine Wenigkeit wird diesen kleinen Zwischenfall selbstver ständlich übergehen und vergessen, Mister Boarding«, sagte der Butler. »Dies alles ist nichts gegen Ihre sehr nahe Zukunft.« »Nahe Zukunft?« fragte Boarding stöhnend. »Die Herren Stalling und Natersham brennen darauf, sich mit Ihnen zu unterhalten«, redete der Butler weiter. »Sie folgten ei ner eindringlichen Einladung Myladys und befinden sich bereits in einem benachbarten Apartment.« »Stalling und Natersham?« wiederholte und staunte Boarding. Er entfernte vorsichtig die zerquetschte Kartoffel aus seinem Au ge. »Die Herren Stalling und Natersham wissen inzwischen, wem sie im Grund diese Einladung zu verdanken haben.« »Haben Sie etwa gesagt, ich hätte sie verpfiffen?« »Nicht mit diesen Worten, Mister Boarding«, verwahrte sich der Butler gemessen. »Es gibt, wie Sie zugeben müssen, eine erhebli che andere Wortwahl.« »Aber ich hab sie doch überhaupt nicht verpfiffen!« Ein Stück Kartoffelschale war ins Nasenloch geraten. Boarding nieste explo sionsartig, worauf Parker ihm ausdrücklich Gesundheit für die nächste halbe Stunde wünschte. »Die Herren Stalling und Natersham werden Ihre Erklärungen mit großem Interesse verfolgen«, sagte der Butler dann. »Hof fentlich sind Sie in der Lage, Mister Boarding, überzeugend zu wirken.« »Sie… Sie hatten mir einen Handel angeboten«, erinnerte Boar ding hastig. Er schien überhaupt nichts davon zu halten, sich mit Stalling und Natersham unterhalten zu müssen. »Sie wollen für ein Entgelt Angaben zu den Parkplatz-Geiern machen, wenn meine Wenigkeit sich nicht sehr täuscht, Mister Boarding?« »Angenommen, ich könnte Ihnen ein paar Tips geben, wie sieht’s dann mit mir aus?« Sein gepfeffertes Auge machte ihm noch gewisse Schwierigkeiten. Es produzierte Tränen am laufen den Band.
»In solch einem Fall ist Lady Simpson durchaus geneigt, Ihnen auch für die kommenden Tage noch Gastfreundschaft zu gewäh ren.« »Sind Sie verrückt? Ich will hier ‘raus und abhauen. Und zwar mit ‘ner Menge Geld.« »Sie würden kaum die Straße erreichen, Mister Boarding«, er widerte der Butler. »Inzwischen dürfte es sich bei den ParkplatzGeiern herumgesprochen haben, daß Sie sich in diesem Haus aufhalten. Gehen Sie also davon aus, daß man Sie bereits für einen Verräter hält und dafür erschießen wird.« Boarding senkte den Kopf. »Je schneller Sie einen Hinweis auf die Parkplatz-Geier liefern, Mister Boarding, desto sicherer wird man die Bande ausschalten und festnehmen. Nur so können Sie für Ihre eigene Sicherheit sorgen.« »Und anschließend lande ich bei der Polizei, wie?« »Man könnte Ihre Existenz für einige Stunden vergessen, Stun den, die Sie nutzen sollten und könnten.« »Wer die Geier steuert, weiß ich natürlich nicht«, sagte Boar ding nach einer Weile langsam. »Aber ich weiß, wo die Ware ist. Reicht das für den Deal?« »Auf welche Art, Mister Boarding, erhielten Sie Ihre Anweisun gen, was die Herren Luters, Limmick und Bannister betrifft?« »Na, wie wohl? Per Telefon natürlich. Und die Zahlung kam mit ‘nem Boten. Ich weiß wirklich nicht, wer die Geier lenkt.« »Mister Luters sollte zu Ihnen geschafft werden. Was sollte da nach mit ihm geschehen?« »Ich sollte angerufen werden, und dann wollte man Luters bei mir abholen. Glauben Sie etwa, ich hätte Fragen gestellt? Mich hat nur das Honorar interessiert. Mann, Sie wissen doch, wie das so ist, oder? Man muß sich schließlich nach der Decke strecken.« »Was sagt Ihnen der Name Blanders?« tippte Parker an. »Vermietet der nicht Klein-Transporter?« fragte Boarding wie beiläufig. »Sie sollten vielleicht doch umgehend das Apartment räumen«, schlug Parker höflich vor und deutete auf die Tür. »Moment noch«, gab Boarding hastig zurück. »Lassen Sie mich doch erst mal nachdenken… Blanders… Blanders… Natürlich, Klein-Transporter und so sein Laden ist da drüben in Bloomsbury, oder?«
»Eigentlich sollten Sie Myladys Haus bereits verlassen haben«, deutete der Butler diskret an. »Darf man um etwas Eile bitten?« »Blanders war früher mal Fernfahrer«, erinnerte sich Boarding plötzlich wesentlich besser. »Dann arbeitete er in der TransportVermittlung und machte sich selbständig.« »Von welcher Transport-Vermittlung sprachen Sie gerade?« »Die sitzt draußen in Tilbury«, lautete die Auskunft. »Die küm mert sich um Frachten und Fuhren, zentral, verstehen Sie?« »Sie sind überraschend gut informiert, Mister Boarding, wie meine Wenigkeit erfreut feststellen kann.« »Also schön«, räumte Boarding ein. »Ich glaube, daß er die Geier herumflattern läßt. Ihn habe ich schon lange im Verdacht. Er ist ein gerissener Hund, und ich frage mich, wie er so schnell an das große Geld gekommen ist.« * Er hieß Richard Loomers, war der Manager der TransportVermittlung in Tilbury und machte einen sehr cleveren und dy namischen Eindruck. Sein Büro im Gebäude der TransportVermittlung war ein großer Glasverschlag, der wie eine Komman dobrücke wirkte. Vom Schreibtisch aus, der mit Computern und Bildschirmen bestückt war, konnte er hinunter in das Großraum büro blicken. Auch hier herrschte die moderne Kommunikations technik. Seine Mitarbeiter bedienten Telefone, PC-Computer und standen per Sprechfunk mit Trucks in Verbindung, die bereits unterwegs waren. »Entschuldigen Sie die Hektik, Mylady«, sagte Loomers nach der Begrüßung seiner Gäste. »Bei uns ist der Teufel los, seitdem die Parkplatz-Geier wieder zugeschlagen haben. Sie dürften da von ja in den Zeitungen gelesen haben, nicht wahr?« Loomers war um die Vierzig, mittelgroß, schlank und machte ei nen sportlichen Eindruck. Er hatte Mylady und Parker bereits ver stohlen gemustert und abzuschätzen versucht. »Sie vermitteln Transporte aller Art?« fragte Parker und kam sofort auf den Punkt. »Wir, sind ein Unternehmen der Transport-Union«, antwortete Loomers und nickte. »Wir sammeln Aufträge für den Gütertrans port auf der Straße und leiten sie an unsere Mitglieder weiter. Es
geht darum, Leertransporte zu vermeiden, die ja unheimlich teuer würden.« »Eine hübsche Schlüsselstellung, junger Mann«, fand Agatha Simpson. »Die Nerven kostet«, fügte Loomers hinzu. »Natürlich fühlen sich Mitglieder unserer Transport-Vermittlung immer wieder mal übergangen und beschweren sich.« »Können Mylady davon ausgehen, daß Ihnen und Ihren Mitar beitern durchaus bekannt ist, welche Art von Waren transportiert werden?« wollte Josuah Parker wissen. »Das läßt sich überhaupt nicht vermeiden«, bestätigte Loomers und nickte. »Nach der Art der Ware, die transportiert werden soll, müssen wir ja die entsprechenden Lastwagen aussuchen.« »Man kann sicher davon ausgehen, daß die Polizei sich mit Ih nen bereits in Verbindung setzte, nicht wahr?« »Das ist richtig. Sie war bereits mehrfach hier und hat Fragen gestellt. Mir ist völlig klar, daß sie hier einen Mittelsmann der Parkplatz-Geier vermutet.« »Für Ihre Mitarbeiter würden Sie die sprichwörtliche Hand ins Feuer legen, Mister Loomers?« »Auf keinen Fall«, lautete die ein wenig verblüffende, aber auch wohl sehr, ehrliche Antwort. »Ich weiß doch nicht, was sich in ihren Köpfen abspielt, mal ganz zu schweigen von gewissen klei nen Gefälligkeiten.« »Was stelle ich mir darunter vor, junger Mann?« schnappte die Detektivin sofort zu. »Meine Mitarbeiter könnten bestimmte Firmen bevorzugen, My lady«, lautete Loomers’ Antwort. »Ob sie’s tun, weiß ich nicht, vermute es aber.« »Sie trennten sich seinerzeit von einem gewissen Mister Mike Blanders, nicht wahr?« Parker kam wieder auf das eigentliche Thema zurück. »Blanders!« Loomers nickte und machte eine wegwerfende Handbewegung. »Der langte gnadenlos zu und überging Trans port-Unternehmen, die ihm nicht gefällig waren. Er trieb es zu toll, wir mußten uns von ihm trennen.« »Mister Blanders hat sich inzwischen selbständig gemacht, wie man hört, Mister Loomers.« »Ich weiß, aber mit uns arbeitet er nicht zusammen.«
»Könnte er dennoch gewisse Beziehungen zu Ihren Mitarbeitern haben, Mister Loomers?« »Durchaus möglich, weiß ich aber nicht.« Loomers’ Hände führ ten eine bedauernde Bewegung aus. »Wie gesagt, ich lege für meine Leute bestimmt nicht die Hand ins Feuer. Wir alle arbeiten in einer Branche, die verdammt gnadenlos ist. Viele Kleinunter nehmer, die nur einen oder zwei Trucks laufen haben, kämpfen um ihre Existenz. Die Konkurrenz ist groß, da wird mit harten Bandagen gekämpft.« »Mylady gehen davon aus, daß die soeben erwähnten ParkplatzGeier möglicherweise von dieser Vermittlung aus mit Informatio nen versorgt werden, Mister Loomers.« »Das nimmt wohl auch die Polizei an«, gab der Manager zurück und lächelte dünn. »Ich kann nichts dagegen machen. Wahr scheinlich liegt sie sogar richtig, falls die Geier nicht ihre Leute in den einzelnen Mitgliedsfirmen sitzen haben. Wäre ja auch mög lich.« »Man dankt für dieses informative Gespräch«, sagte Josuah Parker. »Sie waren das, was man gemeinhin eine wertvolle Hilfe zu nennen pflegt.« »Tatsächlich?« lautete Loomers’ Antwort. »Würde mich freuen. Wissen Sie, Mister Parker, ich bin mir im klaren darüber, daß ich ganz oben auf der Liste der verdächtigen Personen stehe. Ich mache mir da überhaupt keine Illusionen.« »Eine durchaus kluge Einschätzung Ihrer Situation«, meinte der Butler. »Im Endeffekt wissen Sie sehr genau Bescheid, welche Ware wohin verbracht werden soll. Sie kennen die Routen der Fahrer, ihre Gewohnheiten und Schwächen.« »Darauf können Sie sich verlassen. Wenn ich zu ermitteln hätte, würde ich mich auf mich konzentrieren.« »Vielleicht zum Abschluß noch eine Frage, die sich auf einen gewissen Mister James Finnegan bezieht.« »James Finnegan? Wer sollte das denn sein?« »Eine Person, die sich mit Spirituosen aller Art befaßt und eine kleine Firma in Limehouse besitzt.« »Nie von gehört«, bedauerte Loomers und schüttelte den Kopf. »Dieser Finnegan ist aber auf jeden Fall nicht Mitglied unserer Transport-Vermittlung, das weiß ich genau.«
»Das wär’s bereits, junger Mann«, schaltete die ältere Dame sich ein wenig grimmig ein. »Sie werden noch von mir hören. Sie haben mich auf der ganzen Linie keineswegs überzeugt.« Sie lächelte Loomers gefährlich freundlich an und setzte ihre majestätische Fülle in Bewegung. Man sah ihr deutlich an, wie unzufrieden sie war. * »Ich werde tatsächlich verfolgt?« freute sich die energische Dame, als man wenige Minuten unterwegs war. »Das hört sich aber recht gut an, Mister Parker.« »Es handelt sich um einen…« »… Austin, ich weiß, Mister Parker. Zwei Männer sitzen in dem Wagen und tun so, als wären sie sehr beschäftigt.« »Oder um einen Toyota, Mylady«, korrigierte Josuah Parker in seiner unnachahmlich höflichen Art. »Oder auch das«, meinte sie. »Auch diesen Wagen habe ich selbstverständlich längst im Visier.« »Die Parkplatz-Geier dürften engeren Kontakt suchen, Mylady.« »Wer sonst, Mister Parker?« Sie räusperte sich explosionsartig. »Ich werde den Kriminellen einfach zu unbequem und zu gefähr lich. Die Subjekte haben erstaunlich lange Ruhe gegeben.« »Sie könnten von der Transport-Vermittlung aus alarmiert wor den sein, Mylady.« »Nur von dort aus«, wußte sie mit letzter Sicherheit. »Ihnen ist natürlich klar, wer die Verfolgung veranlaßt hat, nicht wahr?« »Mylady denken an Mister Richard Loomers?« »An wen?« Sie stutzte ein wenig. »Mylady denken an den Manager der Transport-Vermittlung, wie zu vermuten ist.« »Richtig«, bestätigte sie. »Er hatte ja Zeit genug, seine Geier zu alarmieren. Und genau das wird ihn früher oder später überführen, Mister Parker.« Der Butler deutete ein Kopfnicken an und widmete sich dem Straßenverkehr. Man befand sich auf einer Art Überlandstraße, auf der die Sattelschlepper mit ihren aufgesetzten Containern den
Ton angaben. Tilbury war Londons großer Containerhafen und wurde entsprechend frequentiert. Im von Parker ausgemachten Toyota saßen ebenfalls zwei Män ner, die seriös wie Geschäftsleute aussahen. Sie hielten stets auf einen gewissen Abstand und schienen auf die günstige Gelegen heit zu warten, um ihren Überfall ausführen zu können. Nach Par kers Ansicht mußten die Parkplatz-Geier jetzt zur Sache kommen. Mylady und er hatten bereits zu intensiv ermittelt und einen ge wissen Täterkreis ausgemacht. Der Butler setzte auf die Technik seines hochbeinigen Wagens. Ihm ging es nur darum, die Verfolger außer Gefecht zu setzen. Seinem Gefühl nach hatte man es bei den beiden Toyota-Fahrern mit Profis zu tun, die man von Fall zu Fall anheuern konnte. Der Flugleiter der Geier konnte sich seiner Schätzung nach nicht im verfolgenden Wagen aufhalten. Parker bog bei passender Gelegenheit nach Norden ab, benutzte eine gut ausgebaute Seitenstraße und lockte den Toyota auf die ses Terrain. Der Fahrer des folgenden Wagens sah wohl ein, daß er Farbe bekennen mußte. Er hatte keine Möglichkeit mehr, sich von anderen Fahrzeugen abdecken zu lassen. Und der Fahrer reagierte… Er wurde schneller, steuerte den Toyota stramm an Parkers hochbeiniges Monstrum heran und… eröffnete plötzlich das Feuer. Genauer gesagt war es der Beifahrer, der sich aus dem geöffne ten Wagenfenster beugte und die ersten Geschosse auf Parkers Wagen abfeuerte. In einem Fall schrammte ein Projektil am rech ten hinteren Kotflügel vorüber. »Was war das, Mister Parker?« fragte Agatha Simpson animiert. »Man erlaubt sich, auf Mylady zu schießen«, erwiderte Josuah Parker, der etwas Gas gab und sein Gefährt schneller werden ließ. »Eine Unverschämtheit, Mister Parker«, empörte sich Lady A gatha. »Das wird selbstverständlich Konsequenzen haben, Mister Parker. Reichen Sie mir eine Schußwaffe nach hinten. Ich werde sofort zurückfeuern.« Der Butler schien nichts gehört zu haben. Seine linke Hand schob sich nach vorn auf das Armaturenbrett, seine Finger legten einen kleinen Kipphebel um. *
Unter dem Heck des hochbeinigen Monstrums schoß eine tief schwarze, ölig-fette Rußwolke hervor, die den gletscherweißen Toyota augenblicklich umfärbte. Der Wagen nahm eine schwarz graue Tönung an und verschwand dann in der Wolke. Parker hatte zusätzlich noch einige sogenannte Krähenfüße ak tiviert, die aus einem speziellen Behälter unter dem Wagen stammten und auf dem Straßenbelag herumpurzelten. Wie sie auch schließlich zur Ruhe kamen, wenigstens zwei Spitzen der kreuzweise übereinander verschweißten Stahldornen warteten darauf, sich in Autoreifen zu bohren. Es dauerte nicht lange. Parker erwartete das Erscheinen des Toyotas, der die Rußwolke längst hatte durchbrechen müssen. Als dies nun nicht der Fall war, wußte er, daß die Krähenfüße gegriffen hatten. Er hielt, legte den Rückwärtsgang ein und fuhr sein hochbeini ges Gefährt zurück bis an den Rand der sich noch geringfügig ausbreitenden Rußwolke. Als er den Motor abstellte, hörte er ein scharfes Zischen, das auf einen defekten Kühler hindeutete. Nicht nur der Kühler war lädiert. Der ganze Wagen machte ei nen traurigen Eindruck. Er hatte den Versuch unternommen, ei nen Kilometerstein aus seiner Verankerung zu reißen, was ihm allerdings nur im Ansatz gelungen war. Dabei hatte die Kühlerhaube sich hochgeschoben und wie der Balg einer Ziehharmonika verformt. Der Kühler, der Wasser und eine Dampffontäne ausspuckte, war vom Motorblock gelöst wor den und hing windschief im Raum. Die beiden seriös aussehenden Fahrer saßen bereits neben ih rem Wagen und wischten sich Glasperlen von ihren Anzügen. Die se Glasperlen hatten eben noch die Windschutzscheibe gebildet. Josuah Parker, der um seinen schneeweißen Eckkragen fürchte te, bemühte die Gabelschleuder, um die beiden Männer außer Gefecht zu setzen. Mit je einer Ton-Erbse, die er wegen der ge ringen Entfernung allerdings nur mit geminderter Kraft verschoß, veranlaßte er die beiden Männer, sich auf dem Rasen des Ban ketts auszustrecken. »Richtige Galgenvögel«, meinte die ältere Dame. »Ich überlege mir bereits, was ich mit ihnen machen werde, Mister Parker. Wenn Sie wollen, können Sie mir geeignete Vorschläge unterbrei ten.«
»Diese beiden Verfolger dürften wohl kaum in der Lage sein, Angaben zur Person ihres Auftraggebers zu machen, Mylady. Es handelt sich mit Sicherheit um gedungene Mörder.« »Sehr richtig, Mister Parker. Genau das wollte ich gerade sa gen.« »Man könnte sie am Wagen fixieren und die Polizei verständi gen.« »Die sie dann festnehmen wird.« Sie nickte. »Auf der anderen Seite würde ich mich ja gern mal mit diesen Subjekten auf meine Art unterhalten. Immerhin wollte man auf mich schießen.« »Man tat es bereits, wenn man höflich daran erinnern darf.« »Eben, Mister Parker, eben.« Sie schnaufte ein wenig. »Mylady würden allerdings kostbare Zeit einbüßen.« »Die ich nicht verschenken darf und kann, Mister Parker.« Sie wandte sich ab. »Ich werde mich überwinden, Mister Parker. Tun Sie, was ich eben angeregt habe.« Der Butler wartete noch einige Minuten, um dann zwei seiner privaten Handschellen zu opfern. Er verband mit der ersten die beiden Gangster miteinander. Die zweite sorgte dann dafür, daß sie nicht mehr vom Mittelholm des Toyotas loskamen. Mit spitzen Fingern hatte Parker ihre Waffen aus den Schulter halftern geholt. Er warf sie in den Kofferraum des Toyotas und folgte Mylady, die bereits zum hochbeinigen Gefährt zurückging. Dabei winkte er den ersten entgegenkommenden Wagen ab und setzte sich mit dem Fahrer in Verbindung. Er bat ihn, umgehend die Polizei zu verständigen. Der Fahrer war aufgeregt, nickte mehrfach und preschte sofort weiter. Parker tat ein übriges und belegte die nächste Telefonzelle, die ihre Dienste anbot. Er rief den Yard an, ließ sich mit ChiefSuperintendent McWarden verbinden und teilte ihm mit, daß man zwei schießlüsterne Profis einsammeln könnte. »Sind Sie es, Mister Parker?« wollte McWarden wissen. »Kein Kommentar«, antwortete der Butler und legte auf. * »Ich kenne Sie, junger Mann«, sagte Lady Agatha. »Wenn ich ein Gesicht erst mal gesehen habe, vergesse ich es nie wieder.«
»Mylady«, erwiderte James Finnegan und wich sicherheitshalber zurück. Er wußte ja inzwischen, wie streitbar die ältere Dame war. »Sie hatten auf mich geschossen, nicht wahr?« Agatha Simpson brachte ihren perlenbestickten Pompadour bereits in erste Schwingung. »Nein, nein, Mylady«, antwortete Finnegan und hob die Hände. »Das muß Bannister gewesen sein.« »Aha.« Sie zog die Stirn kraus und wandte sich an ihren Butler. »Was sage ich dazu, Mister Parker?« »Mister Finnegan wurde nach einem Schuß offenbar von dem gerade erwähnten Mister Bannister entführt.« »So ist es gewesen«, bestätigte Finnegan. »Dieser Kerl hat mich gezwungen, mit ihm zu gehen, er hätte mich sonst bestimmt nie dergeschossen.« »Sie konnten Mister Bannister inzwischen entkommen?« fragte der Butler. »Entkommen wäre zuviel gesagt, Mister Parker«, sagte der Mann, der das Whisky-Sonderangebot hatte legalisieren wollen. »Der ließ mich einfach laufen, nachdem ich ihn durch ein paar Hinterhöfe auf die Parallelstraße gebracht hatte. Als ich wieder zurückkam, waren Sie und die Lady bereits weg.« »Sie haben bisher nichts von den Herren Luters und Limmick gehört?« erkundigte sich der Butler. »Nichts«, gab Finnegan zurück. »Die sind wie vom Erdboden verschwunden. Hören Sie, ich will mit denen auch nichts zu tun haben. Noch mal halte ich das alles nicht durch.« »Man hatte Sie gezwungen, zu mir ins Haus zu kommen, nicht wahr?« Agatha Simpsons Erinnerung kehrte stückweise zurück. »Wegen der Whiskyflaschen«, bestätigte Finnegan. »Ich mußte da doch diese Show abziehen. Mein Bedarf ist gedeckt.« »Das kommt davon, junger Mann, wenn man sich mit solchen Subjekten abgibt«, tadelte die Detektivin. »Halten Sie sich in Zu kunft von solchem Gesindel fern.« »Darauf können Sie sich verlassen, Mylady«, versicherte Finne gan ihr umgehend und blickte sie treuherzig an. »Mylady fragen sich weiter, wie es zu dieser Bekanntschaft ü berhaupt kommen konnte«, nahm Josuah Parker den Ball auf, den die ältere Dame ihm sicher ungewollt zugespielt hatte. »Ich… ich verstehe nicht«, behauptete Finnegan.
»Sie müssen die drei jungen Männer namens Luters, Limmick und Bannister doch schon vorher gekannt haben, Mister Finne gan.« »Ach so, das meinen Sie, Mister Parker.« Finnegan nickte. »Lu ters und Limmick haben für mich manchmal als Aushilfsfahrer gearbeitet.« »Gilt das auch für Mister Bannister?« »Der hat nur hin und wieder mal ausgeholfen, Mister Parker.« »Sie besitzen eigene Fahrzeuge, Mister Finnegan? « »Zwei alte Lieferwagen, drüben hinter dem Lager«, antwortete der sogenannte Großhändler leichthin. »Viel Staat ist damit nicht mehr zu machen. Meine Geschäfte laufen nicht gerade blendend. Irgendwann werde ich dichtmachen müssen, ich komme gegen die Konkurrenz nicht mehr an. Ich kann deren Preise einfach nicht halten.« »Ihnen ist inzwischen endgültig klar, daß die drei jungen Män ner zu den Parkplatz-Geiern gehören, Mister Finnegan?« »Das habe ich mir inzwischen zusammengereimt, Mister Par ker«, räumte Finnegan sofort ein und nickte. »Und wahrscheinlich verdächtigen Sie auch mich, mit diesen Leuten etwas zu tun zu haben, wie?« »Aber selbstverständlich, junger Mann«, ließ Lady Agatha sich vernehmen. »Auf meiner Liste stehen Sie weit oben.« »Ich will nicht abstreiten, daß Luters und Limmick mir manch mal enorm billige Spirituosen verkauft haben«, sagte Finnegan und tat verschämt. »Ich hab natürlich nie gefragt, woher sie das Zeug hatten.« »Aber Sie haben es sich gedacht, junger Mann, nicht wahr?« grollte Lady Agatha. »Na ja, gedacht hab ich mir schon etwas«, sagte Finnegan. »Wenn einem das Wasser bis zum Hals steht, stellt man aber keine Fragen.« »Wie sind Sie, wenn man fragen darf, an die jungen Männer ge raten, Mister Finnegan?« erkundigte sich der Butler. »Die kreuzten hier eines Tages auf und boten mir den Sprit und auch Tabakwaren an. Ich habe schnell zugegriffen. Tun andere ja auch, oder?« Er blickte Lady Simpson ein wenig unverschämten und lächelte. »Wenn Sie mich meinen, junger Mann, dann sind Sie auf dem Holzweg«, verwahrte, sich die ältere Dame sofort. »Ich ging auf
dieses Sonderangebot nur ein, um einen neuen Fall aufrollen zu können. Das macht ja wohl einen Unterschied.« »Ich hatte Sie nicht gemeint, Mylady.« »Das möchte ich mir aber auch ausgebeten haben«, reagierte Mylady deutlich. »Ich könnte sonst sehr unangenehm werden.« »Es dürfte gesichert sein, daß die drei jungen Männer ParkplatzGeier sind«, wechselte Parker diskret das Thema und blickte Fin negan an. »Ist Ihnen in diesem Zusammenhang der Name Mike Blanders untergekommen, Mister Finnegan?« »Blanders… Blanders…« Finnegan wich Parkers Blick aus. »Ein Mann wie Sie wird doch festgestellt haben, wem die klei nen Kastenlieferwagen gehörten, mit denen die Herren Luters, Limmick und auch Bannister von Fall zu Fall hier bei Ihnen er schienen.« »Ach so, das meinen Sie.« Finnegan schien erst jetzt zu begrei fen, was Parker meinte. »Ja, Blanders… Der hat einen LKWVerleih in Bloomsbury.« »Wo Ihre drei Zulieferer wohnen, Mister Finnegan. Auch dies ist Ihnen sicherlich längst bekannt.« »Natürlich… natürlich.« Finnegan nickte erneut. »Ich bin natür lich neugierig gewesen.« Er wiederholte sich, merkte es jedoch nicht. »Und haben sich danach für Mister Blanders näher interessiert, wie weiter zu vermuten ist.« »Nein, eigentlich nicht«, erklärte Finnegan. »Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß.« »Sie waren Mylady das, was man eine wertvolle Hilfe zu nennen pflegt«, schloß Parker die Unterhaltung. »Aber Sie haben keine Erklärung dafür, warum die Herren Luters, Limmick und Bannister ausgerechnet zu Ihnen kamen, um billige Spirituosen und Rauch waren abzusetzen?« »Keine Erklärung«, lautete die knappe Antwort. * »Ich habe gute Nachrichten«, sagte Horace Pickett, der sich mit Mylady und Parker getroffen hatte. Pickett, eine beeindruckende Erscheinung wie ein ehemaliger Offizier, war vor vielen Jahren in Sachen Taschendiebstahl tätig gewesen, stand nun aber längst
auf der Seite des Gesetzes und war der älteren Dame und dem Butler zutiefst verbunden. Er war Meister der diskreten Observa tion und machte sich eine Ehre daraus, für das Paar in Shepherd’s Market tätig sein zu können. Parker hatte von einer Telefonzelle aus per Fernabfrage den An rufbeantworter abgefragt und auf diesem Weg erfahren, daß Pi ckett sich unbedingt mit ihnen treffen wollte. Der Treffpunkt war genau bezeichnet worden. Nun stand man sich vor einem Waren haus in der östlichen City gegenüber. Pickett, groß, schlank, etwa sechzig Jahre alt, trug einen Trenchcoat und einen Travellerhut. Er hatte Mylady mit einem perfekten Handkuß bedacht. »Ich sollte Sie irgendwann wieder mal zum Tee einladen, Mister Pickett«, sagte sie daraufhin huldvoll. »Es soll mir dann auch nicht auf etwas Gebäck ankommen.« »Zu gütig, Mylady«, dankte Pickett, um sich danach dem Butler zuzuwenden. »Ich sollte mich ja um Blanders und Finnegan kümmern, nicht wahr, Mister Parker?« »Sie werden sicher zu interessanten Ergebnissen gekommen sein, Mister’ Pickett«, vermutete der Butler. »Ich falle sofort mit der Tür ins Haus«, redete Pickett weiter. »Blanders war früher mal bei der Transport-Vermittlung in Tilbury beschäftigt und hat dort eine Freundin sitzen.« »Eine Verbindung, die allerdings überraschend ist«, antwortete der Butler. »Seine Freundin heißt Joan Latwick und ist in der TransportVermittlung als Disponentin tätig.« »Und was schließe ich daraus, Mister Pickett?« wollte die Detek tivin wissen. »Blanders könnte von dieser Joan Latwick aus erster Hand über gewisse Transporte informiert werden, Mylady.« »Das dachte ich mir.« Agatha Simpson glühte vor Eifer. »Damit sind die Fronten klar, nicht wahr, Mister Parker?« »Sie zeichnen sich ab, Mylady«, gab Josuah Parker zurück. »Mister Blanders gerät in die Schußlinie, um es mal so zu sagen.« »Finnegan hat eine ziemlich bewegte Vergangenheit«, berichte te der ehemalige Eigentumsumverteiler weiter. »Er ist ein paar mal vorbestraft, was ja noch nichts heißen muß, aber er wurde immer wieder wegen Hehlerei verurteilt.« »Ist er auf diesem Gebiet nach wie vor tätig, Mister Pickett?«
»Jetzt eigentlich nur noch am Rand, Mister Parker. Er ist sehr vorsichtig geworden und gibt sich nur mit kleinen Sachen ab, die kaum ins Gewicht fallen.« »Konnten Sie herausfinden, Mister Pickett, ob es eine Verbin dung zwischen den Herren Finnegan und Blanders gibt?« »Bisher nicht, Mister Parker. Und nach Luters, Limmick und Bannister suchen meine Freunde noch.« »Die jungen Lümmel sind doch völlig unwichtig«, entschied La dy Simpson umgehend. »Dieser Lastwagenverleiher ist der ge suchte Drahtzieher der Geier, Mister Parker. Ist Ihnen das noch nicht aufgegangen?« »Mister Blanders war immerhin so entgegenkommend, die Ad resse der drei jungen Männer zu nennen, Mylady.« »Nachdem ich ihn ohrfeigte«, wandte die resolute Dame ein. »Freiwillig hätte dieses Individuum niemals Farbe bekannt, Mister Parker.« »Er hat die kleinen Lieferwagen, um die Beute wegschaffen zu lassen«, meinte Horace Pickett. »Wahrscheinlich hat er auch ein sicheres Versteck, um die Spirituosen und Rauchwaren zwischen zulagern.« »Ich werde sofort zu diesem Subjekt fahren«, entschied Lady Agatha und setzte bereits ihre Fülle in Bewegung. »Man muß das Eisen schmieden, Mister Parker, solange es heiß ist.« * Es war ein beachtlicher Geländewagen, der die Einfahrt zum Lastwagen-Verleih blockierte. Als Parker sich mit seinem hochbeinigen Gefährt genähert hatte war dieser Geländewagen in Bewegung gesetzt worden. Er stand jetzt so unglücklich am Straßenrand neben einer alten, gußeiser nen Laterne, daß Parker halten mußte. Zwei nicht gerade unterentwickelte Männer, die erstaunlicher weise Nadelstreifenanzüge trugen, stiegen aus und gestikulierten. Sie schienen Ärger mit ihrem Wagen zu haben. Parker reagierte bereits. Er betätigte einen der vielen Kipphebel auf dem Armaturenbrett und hörte ein leichtes Klicken, als einige Krähenfüße auf der Stra ße landeten. Er stieg aus und lüftete höflich die schwarze Melone.
Dabei fischte er mit der Schirmspitze einen dieser Krähenfüße zu sich heran. Er tat dies aus Instinkt, sein inneres Alarmsystem hatte sich nämlich bereits deutlich geregt. Gefahr lag in der Luft. »Kann und darf man Hilfe anbieten?« erkundigte sich Parker und lüftete die schwarze Melone. »Verdammter Karren«, sagte einer der beiden Männer in einer Tonart, die so gar nicht zu seinem Nadelstreifenanzug paßte. »Wollen Sie ‘rüber zum LKW-Verleih?« »Dies war und ist allerdings die Absicht meiner Wenigkeit«, antwortete der Butler. Während er sprach, dirigierte er mit der Schirmspitze einen Krähenfuß vor den Vorderreifen des Gelände wagens. Er hatte dies gerade bewerkstelligt, als er plötzlich in die Mün dung einer schallgedämpften Pistole blickte. »Muß ich überhaupt noch was sagen?« fragte der Mann, der sich über seinen Geländewagen eben hoch beschwert hatte. »Diese Situation kann man nur als eindeutig bezeichnen«, ant wortete der Butler. »Sie agieren im Auftrag der Parkplatz-Geier, wenn man fragen darf?« »Ich denke, wir machen jetzt ‘ne gemeinsame Ausfahrt«, erwi derte der Mann und lächelte gefährlich. »Winken Sie die alte Schachtel aus dem Wagen. Die darf uns begleiten.« »Wie Sie wünschen.« Parker wandte sich um und gab seiner Herrin ein Zeichen, die ihn zwar sah, aber nicht reagierte. »Myladys Sehschärfe läßt einige Wünsche offen«, erklärte der Butler. »Dann werd ich ihr Beine machen«, sagte der zweite Mann läs sig. »Die hüpft gleich wie ‘ne Heuschrecke.« »Denken Sie an Myladys Herz«, bat Josuah Parker. Der Krähen fuß lag bereits genau dort, wo er sein sollte. Beim Anfahren muß ten wenigstens zwei Stahlstifte sich in den Reifen bohren. Der zweite Mann ging mit schaukelnden Schritten zu dem hoch beinigen Gefährt des Butlers und sah keine Schwierigkeiten, Lady Simpson aus dem Wagen zu holen. Für ihn war sie kein Problem. »Sie haben schon lange auf Mylady und meine Wenigkeit ge wartet?« erkundigte sich Parker in seiner höflichen Art. »Ziemlich, aber irgendwann mußten Sie ja mal aufkreuzen«, lautete die Antwort. »Und wir haben Zeit. Wir arbeiten im Stun denlohn.«
Er hatte die Waffe mit einer Zeitung verdeckt. Sie war nur noch zu erahnen. Die Mündung war aber nach wie vor auf Parker ge richtet. »Darf man fragen, wohin Sie Mylady und meine Wenigkeit zu verbringen gedenken?« wollte Parker wissen. »Das merkt ihr schon.« Der Mann fühlte sich überlegen. »Im eigentlichen Sinn des Wortes dürften Sie aber kein Park platz-Geier sein«, tippte Parker an. Er blickte zu seinem Wagen hinüber. Der zweite Gangster stand bereits an der hinteren Tür und schien mit Lady Agatha zu diskutieren. »Zum Henker, was macht die alte Schachtel denn?« ärgerte der Mann sich, der Parker bedrohte. »Myladys Gehör entspricht ebenfalls nicht der gängigen Norm«, entschuldigte sich der Butler. »Sollte meine Wenigkeit sich viel leicht nicht erklärend einsetzen, bevor es zu Handlungen kommt, die nicht geplant sein dürften?« »Okay, gehen Sie«, lautete die leichtsinnige Antwort. »Aber keine Mätzchen, Mann, sonst lege ich Sie um!« Nun, Butler Parker verzichtete auf Mätzchen, er schritt gezielt zur Tat. * Der Pistolenträger wurde völlig überrascht. Parkers Regenschirm erwies sich wieder mal als eine Waffe, die es in sich hatte. Bevor der Mann überhaupt reagieren konnte, schlug der Butler ihm die Pistole aus der Hand und stach dann umgehend zu. Die Schirmspitze erwischte ihn in der Armbeuge und lähmte seinen Arm. Der Mann brüllte auf, versuchte Parker mit einem Fußtritt zu erwischen und handelte sich einen Stich in der Gegend der Knie scheibe ein. Daraufhin knickte der ehemalige Waffenträger ein und landete auf dem Gehweg. Bevor der Mann sich sammeln konnte, streichelte der bleigefütterte Bambusgriff des Schirmes seine Stirn. Der andere Gangster litt inzwischen unter grimmigen Bauch schmerzen.
Lady Agatha hatte wieder mal ihr ungestümes Temperament gezeigt und ihm beim ruckartigen Öffnen der Wagentür den Griff in die Weichteile gerammt. Dies war ihm überhaupt nicht bekommen. Der Mann krümmte sich, stöhnte und wollte dann mühsam die Flucht ergreifen, als Parker sich näherte. Der Butler setzte erneut seinen Schirmgriff ein und unterband die Fluchtbestrebungen. Der Länge nach schoß der Mann hinunter auf den Gehweg und bekam schon nicht mehr mit, daß es seine Nase war, die den Schwung auf den Steinplatten bremste. »Was wären Sie ohne mich, Mister Parker«, lobte sich Lady A gatha und stieg erstaunlich leichtfüßig aus. Sie schwang ihren Pompadour und war bereit, ihn zusätzlich einzusetzen. Sie hatte den Eindruck gewonnen, daß der Gangster noch zu munter war. »Als ich den Wagen sah, wußte ich natürlich sofort, daß es sich um eine Falle handelte, Mister Parker«, fuhr sie fort. »Aber Ihnen ist das nicht aufgefallen.« »Vielleicht ein wenig zu spät, Mylady.« Parker blieb höflich wie stets. »Sie werden es noch lernen, Mister Parker. Was ist das da?« Sie deutete auf den Krähenfuß, den Parker gerade geborgen hatte. »Ein Hilfsmittel zum Stoppen des Geländewagens, Mylady.« »Haben Sie ihn auf die Straße gegeben, Mister Parker?« »Prophylaktisch, Mylady«, gestand der Butler. »Nun ja.« Sie räusperte sich explosionsartig. »Nun aber zur Sa che. Was wollte ich denn noch hier?« »Mister Blanders einen Besuch abstatten, Mylady.« »Richtig«, bestätigte sie, »und er wird sich einiges von mir an hören müssen.« * »Nein, ich hab’ überhaupt nichts mitbekommen«, sagte Mike Blanders und schüttelte den Kopf. Er stand am Fenster und blick te auf die beiden Männer im Fond des hochbeinigen Gefährts. »Sie rechneten mit Myladys Erscheinen, Mister Blanders?« frag te der Butler.
»Aber überhaupt nicht«, lautete die Antwort. »Was könnte die Lady noch von mir wollen? Was ich zu sagen hatte, habe ich ge sagt.« »Mylady hält Sie für den Drahtzieher der Parkplatz-Geier, Mister Blanders«, sagte der Butler. »Immerhin haben Sie eine Freundin, die in der Transport-Vermittlung in Tilbury als Disponentin tätig ist.« »Sie wußten stets genau, wann welche Frachten unterwegs sind«, sagte die ältere Dame ihm auf den Kopf zu. »Besser konn te man gar nicht informiert werden.« »Meine bescheidene Wenigkeit schließt sich Myladys Verdacht an«, ließ der Butler sich vernehmen und… wurde plötzlich sehr aktiv. Er verzichtete diesmal auf seine Würde und langte mit dem Schirmgriff hart zu. Man hörte an der Tür zu Blanders’ Büro ein dumpfes Ächzen und ersticktes Aufstöhnen. Sekunden später öffnete sich die Tür, und… James Finnegan fiel herein. Er schielte Mylady und Parker an, um dann hart auf dem Boden zu landen. Bei dieser Gelegen heit fiel die Waffe aus seiner Hand, deren Einsatz er sich wohl anders vorgestellt hatte. »Mister Finnegan«, stellte Parker vor, als Mylady etwas sagen wollte. »Er ist Mylady und meiner Wenigkeit gefolgt.« »Was will denn dieses Subjekt hier?« wunderte sich die ältere Dame. »Mister Finnegan hatte sicher die Absicht, einen Schlußstrich zu ziehen«, sagte Parker. »Er ist der Drahtzieher der ParkplatzGeier, wie Mylady stets vermuteten.« »Das ist allerdings wahr«, sagte sie. »Das dachte ich mir gleich.« »Mister Blanders hingegen dürfte in diesem Fall unschuldig sein«, erklärte Josuah Parker weiter, »auch wenn seine Freundin als Disponentin bei der Transport-Vermittlung tätig ist.« »Aber woher wußte dieses Individuum denn von den Transporten?« wollte Lady Agatha wissen. »Mylady wird nicht entgangen sein, daß die Lastwagen und Sat telschlepper per Sprechfunk von der Vermittlung über neue Frachten informiert werden. Diesen Sprechfunk muß Mister Fin negan abgehört haben.« »Das ist richtig.« Sie nickte nur, sagte aber sicherheitshalber nichts.
»Ein entsprechendes Funkgerät wird man in den Räumen Mister Finnegans mit Sicherheit finden«, sagte Parker, »zumal auf dem Dach seines Lagers eine beachtliche Antenne angebracht ist.« »Die ich sofort gesehen habe, Mister Parker. Und wo ist nun das Diebesgut?« »Dazu wird Mister Finnegan sicher einige nähere Auskünfte ge ben können, auch was den momentanen Aufenthalt der Herren Luters, Limmick und Bannister betrifft.« »Aber wieso kam dieses Subjekt zu mir ins Haus?« staunte Lady Agatha nun doch. »Um bereits die ersten Spuren zu verwischen, Mylady«, sagte der Butler. »Mister Bannister muß von ihm auf die beiden jungen Männer namens Luters und Limmick angesetzt worden sein, weil Mister Finnegan sie in Verdacht hatte, daß sie gestohlene Waren abzweigten und auf eigene Rechnung verkauften. Mister Ban nister arbeitete im erklärten Auftrag Mister Finnegans und war keineswegs ein Komplice von Luters und Limmick. Nur so ist es zu erklären, daß besagter Mister Bannister so großzügig war, Mis ter Finnegan wieder freizulassen, obgleich dieser Herr doch an geblich entführt wurde.« Finnegan war wieder zu sich gekommen und starrte den Butler giftig an. »Würden Sie so freundlich sein, Mister Finnegan, die Worte meiner Wenigkeit in etwa zu bestätigen?« fragte Parker. »Die Beute findet ihr nie«, behauptete Finnegan wütend. »Aber ja doch, mein Lieber«, meinte Lady Agatha gefährlich freundlich. »Sie wissen es nur noch nicht. Ich habe viel Zeit. Üb rigens, Mister Parker, sorgen Sie dafür, daß diese Subjekte in meinem Haus der Polizei übergeben werden.« »Was umgehend geschehen wird, Mylady?« »Und dann lassen Sie mich endlich mit diesem Lümmel allein«, forderte sie und zog eine Hutnadel aus dem skurrilen Putzma chergebilde auf ihrem Kopf. »Ich will diesen Fall endlich abschlie ßen, ich habe schließlich noch andere Dinge zu tun.« Josuah Parker deutete eine zustimmende Verbeugung an und räumte mit Blanders das Feld. »Sollte man sicherheitshalber einen Notarzt verständigen?« fragte er dann noch von der Tür her. »Lassen Sie sich Zeit damit«, gab die ältere Dame und näherte sich bereits Finnegan, der in sich zusammenrutschte.
»Würden fünfzehn Minuten reichen, Mylady?« fragte Parker. »Völlig, Mister Parker«, lautete ihre Antwort. Der Butler lüftete die schwarze Melone und blickte Blanders an, der wissen wollte, ob Agatha Simpson wirklich zustechen würde. »Rechnen Sie mit allem«, sagte Parker. »Mylady ist stets gut für jede Überraschung.« -ENDENächste Woche erscheint BUTLER PARKER Band 398 Curd H. Wendt PARKER läßt sich nicht einfrieren Roastbeef, Steaks und Rinderfilet zu einmalig günstigen Preisen – da kann die sparsame Agatha Simpson natürlich nicht widerste hen. Josuah Parker, ihr Butler, wird jedoch sofort stutzig, denn der Handzettel mit den verlockenden Sonderangeboten trägt kei nen Absender, sondern nur eine Postfachnummer, unter der Be stellungen aufgegeben werden können. Diskret erinnert Parker an einen blutigen Fund, auf den die passionierte Detektivin einige Zeit vorher bei einem Weekend-Ausflug gestoßen war. Postwen dend nimmt Mylady in ihrer unkonventionellen Art die Ermittlun gen auf und sorgt für beträchtliche Turbulenzen. Der Inhaber des Postfachs ist schnei! gefunden, doch Ed Stoker ist kein Metzger, sondern betreibt eine zwielichtige Kneipe. Mit Beharrlichkeit und Phantasie gelingt es Parker schließlich, den »schwarzen Schlächtern« das Handwerk zu legen und seine Herrin aus tödlicher Gefahr zu retten. Gönnen Sie sich jede Wo che einen BUTLER PARKER!