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Butler Parker zieht dem „Tiger“ Zähne Günter Dönges Butler Parker hielt seine Nerven unter Kontrolle. Er stand auf e...
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Butler Parker zieht dem „Tiger“ Zähne Günter Dönges Butler Parker hielt seine Nerven unter Kontrolle. Er stand auf einem Parkplatz und blickte zur Brüstung eines Flachdaches, das gut und gern fünfzehn Meter hoch war. Er beobachtete mit Interesse die junge Frau, die dort oben stand und alle Anstalten traf, sich in die Tiefe zu stürzen. Sie sah selbst aus dieser Entfernung noch attraktiv aus, trug schulterlanges, blondes Haar und ein Kleid, das tief eingerissen war. Die Selbstmordkandidatin sah sich wie gehetzt um, sie schien offensichtlich verfolgt zu werden. Entsprechende Typen erschienen gerade links auf dem Flachdach. Es handelte sich um zwei Männer in schwarzer Lederkleidung, die mit Ziernieten übersät waren. Sie lachten auf gemeine Art und schoben sich langsam an die ängstliche Frau heran, für die es kein Entweichen zu geben schien. »Bleibt stehen«, schrie sie und streckte abwehrend die Arme aus, »bleibt stehen, oder ich springe!« Die Antwort der Männer bestand in einem Lachen, das man nur als niederträchtig bezeichnen konnte. Parker war fast versucht, nach seiner Geheimwaffe zu greifen, nämlich der Gabelschleuder, die sich in der Innentasche seines schwarzen Covercoats befand. Die Hauptpersonen: Ann Lomings arbeitet als Stunt-Frau und soll umgebracht werden. Ken Lifton hängt an einer Dachtraufe und liefert Hinweise. Lew Colbert bildet Stuntmen aus und macht sich verdächtig. Myrna Patway verunglückt bei Stunts und hat einiges gegen ihre Konkurrentin. Der »Tiger« hat eine Frauenstimme und will morden. Lady Agatha Simpson scheucht eine gemischte Raubtiergruppe durch die Manege. Butler Parker weicht Wurfmessern und Bomben aus. Doch dann verzichtete er und beobachtete weiter die Szene, von der eine gewalttätige Faszination ausging.
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Die beiden Männer kamen immer näher. Die junge Frau zog sich zurück und hatte nicht mehr viel Spielraum. Noch wenige Meter, und sie erreichte eine Brandmauer, die sie nicht erklimmen konnte. »Ich… Ich springe!« drohte die Frau mit verzweifelt klingender Stimme. »Guten Flug«, antwortete einer der beiden Männer und zeigte ihr das Messer, das er in der linken Hand hielt. »Mach’s doch«, fügte der zweite Mann hinzu. Parkers Gesicht blieb ausdruckslos wie das eines Pokerspielers. Es zeigte keine Regung. Der Butler ließ sich von der Dramatik der Szene einfangen, wie auch die übrigen Zuschauer auf dem Parkplatz. »Worauf wartest du denn noch?« höhnte der erste junge Mann und hatte die blonde junge Frau fast erreicht. Er wagte einen kleinen Sprung nach vorn und fiel mit dem Messer aus. Sein Opfer wich noch mal zurück, strauchelte aber dabei und schien das Gleichgewicht zu verlieren. Man hörte einen entsetzten Schrei. Die junge Frau kämpfte mit dem Gleichgewicht, glitt mit dem rechten Fuß von der Brüstung ab und rettete sich im letzten Augenblick an der hoch aufsteigenden Brandmauer. Damit aber hatte sie nun keinen Spielraum mehr. Die Verfolger genossen ihre Überlegenheit und nahmen sich Zeit. Sie riefen sich etwas zu, was Parker jedoch nicht verstand. Dann schienen sie Schluß machen zu wollen, drückten sich ab und liefen auf die Verzweifelte zu, die nun nach unten auf den Parkplatz blickte und sich nicht entschließen konnte, auch tatsächlich zu springen. Es war ein Sprung in den Tod, wie man sich leicht ausrechnen konnte. Die beiden Männer waren nahe heran und streckten beide Hände nach dem Opfer aus. Genau in diesem Moment drückte die junge Frau sich von der Ziegelmauer ab und… sprang nach unten. Sie breitete weit die Arme aus, als gäbe es doch noch eine Möglichkeit, dem tödlichen Aufprall zu entgehen. Dann überschlug sie sich fast elegant im Flug und prallte auf. Parker war nicht in der Lage, den Blick abzuwenden. Die junge Frau landete in einem gewaltigen Luftkissen, das über ihrem Körper zusammenschlug. Wenige Sekunden später stand sie schon wieder auf den Beinen und winkte lächelnd nach allen Seiten.
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Beifall prasselte auf. Josuah Parker, der hochherrschaftliche Butler, rührte ebenfalls seine schwarz behandschuhten Hände und spendete Beifall, wenn auch gemessen und durchaus zurückhaltend. Die Blonde rutschte inzwischen über die hohe Kante des Luftkissens und wurde hier von einigen Männern in Empfang genommen, die ihr gratulierten. Josuah Parker wandte sich um und schritt dann hinüber zu der Kamera, die diese Szene aufgenommen hatte. Er ging um sie herum, kümmerte sich nicht weiter um den Regisseur und die Aufnahme-Crew, sondern trat auf ein Wohnmobil zu, dessen Tür geöffnet war. Hier wartete er auf die junge Frau, die sich gerade mit dem Regisseur unterhielt. Es dauerte einige Zeit, bis sie sich endlich von ihm löste und auf Parker zukam. Parker lüftete höflich seine schwarze Melone, als die Blonde ihn erreichte. Sie blieb wie angewurzelt stehen und machte einen völlig verblüfften Eindruck. Sie stand einem alterslos erscheinenden Mann gegenüber, der die Andeutung eines leichten Bauches zeigte und rabenschwarze Kleidung trug. Am angewinkelten linken Unterarm hing ein altväterlich gebundener Regenschirm. »Parker mein bescheidener Name«, stellte der Butler sich vor. »Josuah Parker. Hat man die Ehre mit Miß Ann Lomings?« »Ann Lomings«, erwiderte sie und nickte. »Was kann ich für Sie tun?« »Mister Horace Pickett empfahl Ihnen meine Wenigkeit, wenn ich nicht sehr irre, Miß Lomings.« »Sie sind dieser Mister Parker?« Sie schaute den Butler verdutzt an und lächelte dann ungläubig. »In der Tat«, antwortete Parker, »laut Mister Pickett scheint es Dinge in Ihrem gegenwärtigen Leben zu geben, die Sie ein wenig irritieren, wenn man es mal so ausdrücken darf.« »Das haben Sie sehr schön gesagt«, meinte sie ironisch-bitter, »ich bin tatsächlich ein wenig irritiert. Man will mich nämlich umlegen!« »Sollte es tatsächlich Dinge geben, die Sie in Angst und Schrecken versetzen können?« wunderte sich Josuah Parker andeutungsweise. Er deutete mit der Spitze seines UniversalRegenschirms auf das Flachdach. »Ach so, das meinen Sie?« Sie zuckte die Achseln und lächelte flüchtig, »das ist schließlich mein Beruf, Mister Parker. Sie wissen ja wohl von Mister Pickett, daß ich Stunts mache, nicht wahr?«
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»Sie sind das, was der Laie wohl einen weiblichen Stuntman nennen würde?« »Richtig«, bestätigte sie, »hat es Ihnen übrigens gefallen?« »Meine Wenigkeit war versucht, helfend einzugreifen«, antwortete Josuah Parker in ehrlicher Bewunderung. »Wie nett«, meinte sie schon wieder ironisch, »ich frage mich allerdings, wie Sie das hätten schaffen wollen.« »Nun, es gibt Mittel und Wege, um auch aus gewisser Distanz intervenieren zu können, Miß Lomings.« »Sie glauben also, Mistes Parker, mir helfen zu können?« Skepsis war in ihrer Stimme. »Mister Pickett deutete an, daß Sie sich bisher nicht an die zuständigen Behörden gewandt haben.« »Wie, bitte, will die Polizei mir helfen?« erwiderte sie. »Eine Leibwache kann sie mir schließlich nicht stellen, oder?« »Die erwähnte Polizei könnte aber nach jenem Phantom fahnden, das Ihnen nach dem Leben trachtet.« »Ich könnte der Polizei noch nicht mal sagen, wer verdächtig ist«, äußerte Ann Lomings, »ich habe selbst keine Ahnung. Ich weiß nur, daß ich per Telefon seit einigen Tagen belästigt werde. Und dazu kommen dann noch diese Drohbriefe.« »Die meine Wenigkeit vielleicht einsehen dürfte?« »Sie trauen sich wirklich zu, mir helfen zu können?« Sie musterte den Butler ungeniert und lächelte plötzlich nicht mehr ironisch. »Möglicherweise erzählen Sie meiner Wenigkeit, was sich bisher ereignet hat«, schlug Josuah Parker gemessen vor. »Zudem sollte man wissen, wer bisher von diesen Morddrohungen weiß.« »Kommen Sie mit in den Wagen«, sagte sie, »ich werde Ihnen die Briefe zeigen, Mister Parker. Sie sind wirklich nur ein Butler?« »In Diensten der Lady Simpson«, bestätigte Josuah Parker. »Und Sie beschäftigen sich mit der Aufklärung von Kriminalfällen?« »Wie es sich ergibt«, erklärte der Butler, »Mister Pickett gegenüber bin ich zu Dank verpflichtet.« Parker betrat das Wohnmobil und blickte sich unauffällig um. Das Innere des Wagens war sächlich eingerichtet und aufgeräumt. Im hinteren Teil gab es einen großen Schminktisch, der auf Ann Lomings Beruf hinwies. Parker hatte sich natürlich bereits informiert. Er wußte, daß die
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junge Blondine ein bekanntes und begehrtes Double für weibliche Schauspieler war. In Film- und Fernsehkreisen hatte sie einen Namen. Man sagte Ann Lomings nach, daß sie kein Risiko scheute, um einen guten Stunt abzuliefern. »Nehmen Sie Platz.« Sie deutete auf eine kleine Sitzecke hinter dem Fahrersitz, »möchten Sie etwas trinken?« »Danke, nein.« Parker schüttelte unmerklich den Kopf. »Wer von Ihren Freunden und Bekannten weiß von den Morddrohungen, um diese Frage noch mal aufzugreifen?« »Ich habe bisher keinen Menschen eingeweiht, nur eben Pickett«, entgegnete sie. »Ich lernte ihn vor Monaten bei Außenaufnahmen kennen. Mister Pickett war dort als Berater tätig.« »Meine Wenigkeit hörte andeutungsweise davon«, erwiderte Josuah Parker. »Und seit wann droht man Ihnen mit dem baldigen Tod?« »Seit genau einer Woche«, antwortete Ann Lomings. »Zuerst kamen die Anrufe, dann die Briefe. Hören Sie, Mister Parker, mißverstehen Sie mich bitte nicht, aber trauen Sie sich tatsächlich zu, diesen Kerl zu fassen?« »Sie gehen davon aus, Miß Lomings, daß es sich um einen Mann handelt?« fragte Parker. »Nein, das will ich damit nicht gesagt haben«, erwiderte sie sofort und schüttelte den Kopf, »auf der anderen Seite kann ich mir allerdings nicht vorstellen, daß eine Frau solche Mordbriefe verfaßt haben könnte.« »Briefe, die Sie meiner Wenigkeit sicher zeigen können, Miß Lomings.« »Natürlich.« Sie öffnete einen Wandschrank neben dem großen Schminkspiegel und… stutzte dann sichtlich. »Sie vermissen offensichtlich die gerade erwähnten Schreiben«, stellte Josuah Parker gemessen fest. »Tatsächlich«, gab sie zurück und wandte sich ihm zu. Ihr Gesicht schien ratlos. »Ich weiß genau, daß die Briefe hier im Wandschrank waren… Ich weiß es ganz genau!« »Der Absender, ob männlich oder weiblich, scheint sie wieder an sich genommen zu haben«, glaubte Parker. »Anders kann ich es mir nicht vorstellen.« Ann Lomings nickte. »Sie sollten sich darüber keine unnötigen Gedanken machen«, schlug Josuah Parker vor. »Man kann und muß wohl davon ausgehen, Miß Lomings, daß Ihr Wohnmobil jedem Besucher of-
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fensteht?« »Natürlich schließe ich nie ab«, antwortete sie. »Wir sind hier ja eine große Familie, verstehen Sie, Mister Parker?« »Dennoch scheint diese große Familie das aufzuweisen, was man gemeinhin und im Volksmund ein schwarzes Schaf zu nennen pflegt«, entgegnete der Butler. »Aber wer sollte das sein?« Sie hob ratlos die Schultern. »Ich glaube wirklich nicht, daß ich Feinde habe. Ich tu doch keinem Menschen etwas. Ich nehme keinem etwas weg.« »Wenn Sie erlauben, wird meine Wenigkeit ich um das eben erwähnte schwarze Schaf kümmern«, fuhr Parker fort. »Mißverstehen Sie mich bitte nicht«, wiederholte sie, »aber glauben Sie wirklich, daß Sie es schaffen werden? Bitte, das soll kein Mißtrauen sein.« »Sie sollten sich alles noch mal gründlich durch den Kopf gehen lassen«, schlug Parker vor, lüftete die schwarze Melone und stieg aus dem Wohnmobil. »Meine Adresse haben Sie ja, Miß Lomings. Fühlen Sie sich Mister Pickett gegenüber keineswegs verpflichtet. Meine Wenigkeit würde durchaus verstehen, wenn Sie sich von einem jüngeren Mann größere Hilfe versprechen. In mir sehen Sie einen alten, müden und relativ verbrauchten Mann.« »Ich bin ja so froh, daß Sie Verständnis für mich haben«, meinte sie erleichtert. »Aber Sie müssen verstehen, daß ich viel unterwegs bin. Nach diesem Stunt hier muß ich morgen schon wieder bei anderen Außenaufnahmen sein.« »Wo wird dies sein, Miß Lomings, wenn man sich erkühnen darf, danach zu fragen?« »Wir drehen in Dorking«, berichtete sie, »es geht um einen Auto-Stunt. Ich muß vom Kühler eines Jeeps auf die Ladefläche eines Trucks steigen. Und das alles bei etwa achtzig Kilometer pro Stunde.« »Für Sie bestimmt eine reizvolle Aufgabe.« »Routine«, meinte sie, »ich springe für eine Kollegin ein, die sich den Fuß verstaucht hat.« »Meine Wenigkeit möchte nicht versäumen, Ihnen Hals- und Beinbruch zu wünschen«, beendete Parker die Unterhaltung, »aber nehmen Sie dies möglichst nicht zu wörtlich, wie ich hinzufügen möchte.«
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* Josuah Parker schritt gemessen vom Parkplatz, den die Polizei abgesperrt hatte. Er blickte noch mal zum Flachdach und musterte dann die beiden Männer, die auf der Brüstung Jagd auf Ann Lomings gemacht hatten. Sie winkten sich gerade zu und waren dann zwischen dem technischen Gerät verschwunden, das man für die Aufnahmen benötigte. Parker interessierte sich kurz für das riesige Luftkissen, aus dem gerade die Luft entwich, und blickte dann zurück zum Wohnmobil. Er war keineswegs beleidigt, daß Ann Lomings ihm nicht sonderlich viel zutraute. Er kannte Vorbehalte dieser Art nur zu gut. Sie machten ihm schon lange nichts mehr aus. Parker zuckte unmerklich zusammen, als er einen Lichtblitz wahrnahm, dem ein Scheppern folgte. Er wandte sich um und entdeckte seitlich neben sich ein schweres Wurfmesser, das neben einem daumendicken Elektrokabel auf dem Asphalt des Parkplatzes lag. Es war noch in Bewegung und vibrierte. Parker überprüfte das Gestänge eines Scheinwerfers und entdeckte daran frische Kratzspuren. Ein Zweifel war ausgeschlossen: Dieses Wurfmesser hatte ihm gegolten. Und es war mit großer Wucht geschleudert worden. Parker bückte sich und nahm mit seinen schwarz behandschuhten Fingern die Mordwaffe auf. Er ließ sie in der linken Außentasche seines schwarzen Covercoats verschwinden. Es war müßig, sich nach dem Messerwerfer umzusehen. Parker ging weiter, als wäre nichts geschehen. Diesmal sorgte er dafür, daß er nicht noch mal überrascht wurde. Er wechselte hinüber auf die freie Flache des Parkplatzes und näherte sich seinem hochbeinigen Monstrum, das er knapp vor der Polizei-Absperrung geparkt hatte. Bei diesem sogenannten Monstrum handelte es sich um ein ehemaliges Londoner Taxi, das museumsreif war. Man sah es dem seltsamen Wagen wirklich nicht an, daß er technisch völlig neu gestaltet worden war und so etwas wie eine Trickkiste auf Rädern darstellte. Schon von weitem entdeckte Parker einen unter die Windschutzscheibe geklemmten Zettel. Ohne jede Hast nahm der Butler diesen an sich und überlas die wenigen, aus groben Buchstaben bestehenden Zeilen. Als Schreibgerät schien man einen Lippenstift benutzt zu haben. Parker wurde angeraten, sich um seinen eigenen Dreck zu kümmern.
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Unterschrieben hatte eine Person, die sich schlicht und einfach Tiger nannte. Parker war wenig beeindruckt. Als er sich ans Steuer seines hochbeinigen Monstrums setzte, dachte er über diesen Tiger nach. Die Person, die unter diesem Decknamen auftrat, hatte mit den wenigen Zeilen bereits ihren zweiten Fehler begangen. Sie hatte deutlich zu erkennen gegeben, daß sie ihn, Josuah Parker, also kannte. Der erste Fehler hatte darin bestanden, die Drohbriefe an Ann Lomings verschwinden zu lassen. Auch dies deutete darauf hin, daß der Tiger sehr wohl wußte, daß Parker sich mit der Aufklärung von Kriminalfällen befaßte. Der eindeutig größte Fehler aber war gewesen, ein Messer auf ihn zu werfen. In Parkers Augen kam dies bereits einer Überreaktion gleich. Man schien ihn zu fürchten und hatte die Absicht, ihn so schnell wie möglich aus dem Weg zu räumen. Das schwarze Schaf, von dem Parker erst gesprochen hatte, schien ein Mitglied der großen Familie zu sein, auf die Ann Lomings hingewiesen hatte. Parker nahm sich vor, eine Liste der Personen anzufordern, die zum Aufnahmestab gehörten. Vielleicht ließen sich solchermaßen bereits erste Rückschlüsse ziehen. Es ging seiner Ansicht nach schon nicht mehr um Ann Lomings, sondern um seine eigene Person. Er war herausgefordert worden, und ein Josuah Parker nahm jede Herausforderung an. Er verlangte von seinem hochbeinigen Monstrum nichts Besonderes, als er nach Shepherd’s Market fuhr, wo sich das Haus der Lady Simpson befand, und erweckte den Eindruck, als bewegte sich sein Wagen gerade mit letzter Kraft durch die Straßen. Parker hoffte, verfolgt zu werden. Vielleicht würde der Messerwerfer noch mal versuchen, sich mit ihm zu befassen. Stocksteif, als habe er einen Ladestock verschluckt, saß er am Steuer seines skurril aussehenden Wagens und wartete auf einen Zwischenfall. Nun, er sollte nicht enttäuscht werden… * Im Rückspiegel des Wagens tauchte plötzlich ein niedriger, zweisitziger Sportwagen auf, der mit hoher Geschwindigkeit einige Wagen überholte und sich an Parkers hochbeiniges Monstrum
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heranschob. Dies alles geschah innerhalb weniger Sekunden. Josuah Parker wußte sofort, daß Überholmanöver dieser Art ausschließlich ihm allein galten. Am Steuer saß eine Person mit eng anliegender Lederkappe und großer Schutzbrille. Auf dem Beifahrersitz befand sich eine zweite Gestalt, deren Gesicht ähnlich verhüllt war. Der Sportwagen befand sich bereits in Parkers Höhe. Der Beifahrer stand plötzlich auf und hielt sich mit der linken Hand an der steilen Windschutzscheibe des offenen Wagens fest. In der rechten Hand machte Josuah Parker eindeutig eine Eierhandgranate aus. Der Beifahrer holte geschickt aus und… schleuderte die Eierhandgranate auf Parkers Wagen, dessen Seitenscheibe geöffnet war. Bei dieser Gelegenheit öffnete sich die hüftlange Lederjacke des Werfers, und der Butler konnte nun eindeutig weibliche Formen ausmachen. Die Brust war sehr ausgeprägt, wie er registrierte. Die Eierhandgranate war ungemein beschickt geworfen worden. Der Fahrer des kleinen Sportwagens hatte die Geschwindigkeit seines Wagens der des hochbeinigen Monstrums angepaßt. Nur ein Mann wie Josuah Parker reagierte wohl so, wie es hier geschah. Der Butler hielt wie durch Zauberei seine schwarze Melone in der rechten Hand und fing mit der gewölbten Innenseite den Sprengkörper auf. Dies geschah mit einer Lässigkeit und Beiläufigkeit, die völlig verblüfften. Und verblüfft war die Werferin… Sie blieb stehen und beugte sich sogar ein wenig vor. Vielleicht hatte sie noch gar nicht so recht bemerkt, wo die Eierhandgranate gelandet war. Noch entgeisterter war die Beifahrerin allerdings, als der Sprengkörper sich wieder in der Luft befand und zurückflog! Er nahm Kurs auf den kleinen Sportwagen und damit auch auf sie. Einen Wimpernschlag später landete die Eierhandgranate zwischen ihr und dem Fahrer auf dem Wagenboden. Butler Parker gab Gas und legte eine Distanz zwischen sich und dem Sportwagen. Dann blickte er wieder in den Rückspiegel und verfolgte die Anstrengungen der Beifahrerin, die eindeutig nach dem Sprengkörper suchte. Parker, der die schwarze Melone längst wieder aufgesetzt hatte, rechnete jeden Moment mit dem Hochgehen der Ladung. Seiner Schätzung nach war die Brenndauer des Zünders bereits über-
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schritten. Der kleine Sportwagen wischte gerade in die nächste Querstraße und war dann verschwunden. Parker fädelte sich aus dem Verkehr und hielt am Straßenrand. Er wartete auf die schon überfällige Detonation, doch nichts war zu hören. Der Butler setzte sein hochbeiniges Monstrum wieder in Bewegung und wendete auf der sehr belebten Durchgangsstraße. Er besorgte dies mit einer Autorität, die die übrigen Verkehrsteilnehmer achtungsvoll zur Kenntnis nahmen. Nachdem Parker nach allen Seiten hin knapp mit der Melone gegrüßt hatte, fuhr er in die Seitenstraße, in die der kleine Sportwagen verschwunden war. Doch war er weit und breit nicht zu sehen und schien sich in Luft aufgelöst zu haben. Josuah Parker hielt sich nicht lange mit Vermutungen auf, fuhr weiter und erreichte nach etwa zwanzig Minuten Shepherd’s Market, südöstlich vom Hydepark. Er bog von der Durchgangsstraße aus in den kleinen, fast verschwiegenen und idyllischen Platz, dessen drei Seiten von hübschen, alten Fachwerkhäusern gesäumt wurden. An der Stirnseite dieses Platzes stand das altehrwürdige Fachwerkhaus der Lady Agatha Simpson. Es handelte sich um einen zweistöckigen Bau, der auf den Gewölben einer ehemaligen Abtei errichtet war. Parker hielt vor dem überdachten Vorbau des Hauses an, dessen Fenster im Erdgeschoß mit prachtvollen Ziergittern versehen waren. Ohne jede Hast stieg er aus und öffnete die Tür, durchschritt den verglasten Vorflur, der gleichzeitig als Windfang diente, und erreichte die große Wohnhalle mit dem riesigen Kamin. Parker horchte nach oben, wo Agatha Simpson sich aufhielt. Aber sie hatte sein Kommen nicht zur Kenntnis genommen und hielt sich wahrscheinlich in ihrem Studio auf, um ausgiebig zu meditieren, wie sie ihren ausgedehnten Nachmittagsschlaf nannte. Parker wollte gerade in den hinteren Teil des Hauses gehen, um von dort das ausgedehnte Souterrain zu erreichen, als das Telefon sich meldete. Parker glaubte bereits im vorhinein zu wissen, wer ihn da zu sprechen wünschte. Gemessen begab er sich an den Apparat, hob ab und nannte seinen Namen. »Nicht schlecht, Parker«, sagte eine Frauenstimme, die allerdings ein wenig dunkel klang, »das mit der Eierhandgranate haben Sie wunderbar hinbekommen. Alle Achtung!« »Herzlichen Dank für Ihre Anerkennung«, antwortete der Butler, »spricht man mit dem sogenannten Tiger?«
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»Haben Sie sich nicht gewundert, daß das Ding nicht hochgegangen ist?« »Nun, eine Attrappe dürfte dazu kaum Neigung verspüren«, entgegnete Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Haben Sie’s etwa von Anfang an gewußt? Nein, das können Sie mir nicht einreden!« »Waren Sie es auch, der das Messer auf meine Wenigkeit warf?« erkundigte sich der Butler. »Lassen Sie’s sich gesagt sein, daß ich absichtlich nicht treffen wollte«, erwiderte die dunkle Frauenstimme, »und das mit der Attrappe sollte nur Ihre Reflexe testen.« »Man kann nur hoffen, daß meine Wenigkeit Sie zufriedenstellte.« »Ab sofort kommt alles anders«, redete die dunkle Frauenstimme weiter. Sie klang nun ein wenig schärfer. »Weitere Probeläufe wird’s jetzt nicht mehr für Sie geben.« »Muß man daraus ableiten, daß Sie meiner bescheidenen Wenigkeit gram sind?« »Mich können Sie mit Ihrer Masche nicht täuschen«, behauptete die Frauenstimme, und ein Lachen folgte. »Ich weiß genau, wie gefährlich Sie sind, Parker, und darauf stelle ich mich ein. Noch mal: Das mit der Eierhandgranate war Spitze. Das war filmreif!« »Sie beschämen meine Wenigkeit. Ist es erlaubt, noch mal zu fragen, ob Sie die sogenannte Tigerin sind?« »Natürlich«, lautete die Antwort. »Wie ich Sie einschätze, werden Sie sich nicht nur um Ihren eigenen Dreck kümmern, oder? Sie werden weiterhin versuchen, diese Lomings zu beschützen, nicht wahr?« »Sie scheinen Miß Ann Lomings nicht sonderlich zu schätzen.« »Ich werd sie schlicht und einfach umbringen, Parker! Und Sie werden das nicht verhindern, glauben Sie mir…« »Wie Sie zu meinen belieben«, entgegnete der Butler, »fairerweise sollte man Sie darauf aufmerksam machen, daß Sie bereits einige gravierende Fehler begingen.« »Kommen Sie mir nicht mit diesem uralten Bluff, Parker«, verwahrte sich die dunkle Frauenstimme. »Und welche Fehler sollen das sein?« »Sie sollten darüber nachdenken«, schlug der Butler vor, »soviel aber sei gesagt, es geht nicht um das Kennzeichen des kleinen Sportwagens, das zu merken ich mir erlaubte. Dieser Wagen
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wurde sicher gestohlen oder dient dazu, meine Wenigkeit auf eine falsche Spur zu lenken.« »Wer weiß, Parker, wer weiß?« Die Frau am anderen Ende der Leitung lachte leise. »Man erlaubt sich, Ihnen noch einen harmonischen Verlauf des Resttages zu wünschen«, meinte der Butler und legte dann auf. Er stellte das Telefon nach unten in seine Souterrainwohnung und begab sich dann in seine Gemächer. Es wurde Zeit, den Tee für Mylady zu richten. Er hatte seine Wohnung im Souterrain noch nicht ganz erreicht, als das Telefon schon wieder klingelte. Parker dachte allerdings nicht im Traum daran, erneut zu reagieren. Nach seinen einschlägigen Erfahrungen war ein gereizter Gegner ein relativ leichter Gegner. * »Sie hätten mich selbstverständlich vorher informieren müssen«, räsonierte Agatha Simpson, »wäre ich mitgekommen, Mister Parker, hätte ich diesen sogenannten Tiger bereits ausgeschaltet.« »Meine Wenigkeit wollte Mylady nicht stören.« Parker hatte den Tee und dazu einige kleine Backwaren serviert. Darunter befand sich ein Früchtekuchen, der mit Rum getränkt war. Lady Agatha schnupperte angetan und nickte wohlwollend. »Obst ist immer gesund«, sagte sie und ließ sich ein Stück reichen. Sie befand sich im Salon des Hauses und hatte sich gerade Parkers Bericht angehört. »Dieser Tiger ist also eine Frau«, meinte sie, nachdem sie ausgiebig gekostet hatte, »das schränkt den Täterkreis erheblich ein.« »Eine Feststellung, Mylady, die man nur als trefflich bezeichnen kann«, antwortete der Butler gemessen. »Ich werde mich in diesen Fall selbstverständlich einschalten«, verkündete die passionierte Detektivin, »aber wie gesagt, er wäre bereits gelöst, wenn ich mitgekommen wäre.« »Meine Wenigkeit würde niemals widersprechen, Mylady.« »Warum sollten Sie auch? Tatsachen sind und bleiben Tatsachen, Mister Parker! Aber nachdem Sie alles unnötig verfahren
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haben, braucht dieser Fall jetzt eine ordnende Hand.« »Mylady werden wieder beispielgebend sein.« »Ich weiß, ich weiß.« Sie nickte wohlwollend. »Übrigens würde ich gern noch etwas Obst essen, Mister Parker. Dieses Stückchen Kuchen, aber jetzt etwas dicker, wenn ich bitten darf.« Parker hielt sich an die Anordnung und schnitt dreifingerbreit ab. Lady Agatha nickte wohlwollend, als der Butler ihr den gefüllten Kuchenteller reichte. Sie war eine große, majestätische Erscheinung, die man füllig nennen konnte. Sie hatte das sechzigste Lebensjahr zwar überschritten, doch sie nahm dies einfach nicht zur Kenntnis. Sie verfügte über die Dynamik eines außer Kontrolle geratenen Panzers und genoß es, sich ungeniert und unkonventionell zu geben. Lady Agatha, schon seit vielen Jahren verwitwet, war eine vermögende Frau, die sich jedes noch so ausgefallene Hobby leisten konnte. Seitdem Josuah Parker in ihren Diensten stand, betrachtete sie sich als Amateurdetektivin und nutzte jede sich bietende Gelegenheit, den Kriegspfad zu beschreiten. Ein Gefühl für Gefahr oder Angst war ihr völlig fremd. Wo immer sie sich auch aufhielt, Lady Agatha bestach durch ihre robuste Ungeniertheit und Direktheit. Sie nannte die Dinge stets beim Namen und verblüffte ihre Gegner immer wieder durch ihr Temperament. »Ich werde mir diese Artistin ansehen«, meinte sie, während sie das wirklich sehr große Kuchenstück dezimierte, »wahrscheinlich haben Sie ihr die falschen Fragen gestellt, Mister Parker.« »Dies, Mylady, sollte man nicht ausschließen.« Parker ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Haltung war für ihn oberstes Gebot. »Es wird sich um eine Eifersuchtsgeschichte handeln«, mutmaßte die ältere Dame weiter, »dieses fahrende Volk, ob es nun zum Zirkus, zum Film oder zum Fernsehen gehört, ist doch nur zu bekannt dafür. Man sieht es doch immer wieder in den Kriminalfilmen.« »Möglicherweise verzichtet Miß Lomings auf Hilfe«, warf der Butler ein. »Papperlapapp, Mister Parker! Das steht überhaupt nicht zur Debatte«, grollte sie prompt, »sie wird erst gar nicht gefragt… Natürlich braucht sie meine Hilfe, wenn sie nicht umgebracht werden will. Oder könnte es sich hier um einen raffinierten Reklametrick handeln? Haben Sie auch daran schon gedacht?«
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»Sehr wohl, Mylady«, lautete Parkers Antwort. »Aber Sie glauben natürlich nicht daran, wie? Ich weiß doch, wie schnell Sie sich von einem unschuldigen Gesicht täuschen lassen, Mister Parker. Was Sie brauchen, ist Menschenkenntnis. Nehmen Sie sich an mir ein Beispiel! Eine Lady Simpson kann man nicht hinters Licht führen!« »Dies kann man nur bewundernd zur Kenntnis nehmen, Mylady.« »Wo finde ich diese Artistin?« fragte die ältere Dame noch mal, »ich denke, ich werde sie mir umgehend ansehen.« »Miß Ann Lomings wohnt in Southwark«, beantwortete Parker die Frage, »und morgen wird Miß Lomings einen recht gefährlichen Stunt in Dorking ausführen.« »Sehr interessant. Und um was handelt es sich?« »Miß Lomings hat die feste Absicht, vom Kühler eines Jeeps auf die Ladefläche eines Trucks umzusteigen.« »Was ist denn das schon?« Agatha Simpson schüttelte den Kopf, »ich kann nur hoffen, daß beide Fahrzeuge sich dabei auch bewegen.« »Dies ist allerdings beabsichtigt«, antwortete Parker gemessen. »Wahrscheinlich wird man das alles im Zeitlupentempo drehen«, sagte sie verächtlich, »man kennt doch die Tricks. Sprang sie tatsächlich von diesem Flachdach?« »Unbezweifelbar, Mylady.« »Das müßte ich mal versuchen«, sagte sie nachdenklich, »erinnern Sie mich bei Gelegenheit daran, Mister Parker.« »Mylady können sich fest darauf verlassen«, lautete Parkers Antwort. Sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos. * Das Wohnmobil stand auf einem weiten Hinterhof vor einer Lagerhalle, deren Fassade grau und abweisend aussah. Die Fenster waren von innen weiß gekalkt und dazu noch zusätzlich verschmutzt. Die Lagerhalle gehörte zum Komplex einer ehemaligen Reederei, die sich früher mit Baumwolle befaßte. Eine verwaschene Inschrift dicht unter dem Flachdach des dreistöckigen Gebäudes deutete noch darauf hin. »Hier sollte man einen Kriminalfilm drehen«, sagte Lady Agatha
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und blickte sich interessiert um, »so etwas kriegt selbst der beste Bühnenarchitekt nicht fertig. Was halten Sie davon, Mister Parker, wenn ich meinen Bestseller hier beginnen lasse?« »Damit allein, Mylady, dürfte bereits der Welterfolg garantiert sein«, behauptete Josuah Parker. Er hatte den langen Torbogen schnell passiert und näherte sich dem Wohnmobil, das er bereits kannte. Es war dämmrig geworden. Im Hinterhof herrschte Zwielicht, das unheimlich wirkte. Nur im Wohnmobil brannte ein schwaches Licht. »Sie muß uns doch längst gehört haben«, sagte die ältere Dame, »diese Artistin scheint sehr unhöflich zu sein, Mister Parker.« »Oder ist verhindert, Mylady zu empfangen«, meinte der Butler. »Sie glauben, daß sich inzwischen etwas ereignet hat?« hoffte Lady Agatha sofort. »Man könnte Miß Lomings beispielsweise daran hindern, sich zu zeigen.« »Das wäre ja ausgezeichnet«, freute sich die Detektivin, »dann würde man ja bereits auf mich warten, Mister Parker.« »Man sollte dies nicht ausschließen, Mylady.« Parker fuhr dicht an dem Wohnmobil vorbei und lenkte sein hochbeiniges Monstrum in engem Kreis durch den Hinterhof, steuerte das Fahrzeug dann erneut und hielt dicht neben dem Eingang. Er öffnete die Wagentür und schob sich ins Freie. Der Abstand zwischen seinem Wagen und dem Wohnmobil betrug knapp einen Meter. Parker öffnete die Tür zu Miß Lomings Fahrzeug und… fuhr unmerklich zusammen, als dicht neben ihm ein Geschoß einschlug. Von der Gewalt des Einschusses wurde ihm die Tür aus der schwarz behandschuhten Hand gerissen. »Was war das?« wollte Agatha Simpson umgehend wissen. »Es dürfte sich um einen Schuß gehandelt haben, Mylady«, erwiderte der Butler, »man scheint Mylady in der Tat erwartet zu haben.« »Natürlich«, gab sie zurück, »das möchte ich mir auch ausgebeten haben. Was werde ich jetzt tun, Mister Parker?« »Mylady bleiben im Wagen«, deutete Parker diskret an, »die Scheiben sind erfreulicherweise kugelsicher, wie man versichern darf.« »Sie glauben doch wohl nicht, daß eine Lady Simpson sich verstecken wird«, grollte sie und öffnete die Wagentür auf der Seite, die dem Wohnmobil zugewandt war. Sie schob ihre Fülle nach
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draußen und… fuhr ebenfalls zusammen. Dicht an ihrem Ohr vorbei zirpte ein Geschoß und landete klatschend im Aufbau des Wohnmobils. Lady Agatha duckte sich und blickte den Butler ärgerlich an. »Tun Sie endlich etwas, Mister Parker«, verlangte sie, »man hat sich erfrecht, auf mich zu schießen. Das ist unerhört!« Parker tat etwas… Er drückte seine Herrin sehr ungeniert und zielsicher zurück in den Fond des hochbeinigen Monstrums und schloß nachhaltig die Tür. Dann setzte er sich ans Steuer und schloß die Wagentür. Er hörte hinter sich aufgebrachtes Prusten, das von Lady Agatha herrührte, doch er kümmerte sich nicht weiter darum. Da der Motor noch lief, brauchte der Butler nur den ersten Gang einzulegen, um unmittelbar darauf mehr als nur rasant anfahren zu können. »Was soll denn das?« erregte sich Agatha Simpson inzwischen, »haben Sie mich etwa in den Wagen zurückgestoßen?« »In etwa, Mylady«, bekannte der Butler in seiner höflichen Art, »wenn Mylady gestatten, wird man sich zu einem späteren Zeitpunkt entschuldigen.« Parker visierte den Torweg an und steigerte die Geschwindigkeit. Ihm kam es darauf an, so schnell wie möglich den Hinterhof zu verlassen. Sein Gefühl, auf das er sich bisher stets verlassen konnte, sagte ihm mehr als deutlich, daß bald etwas passieren würde. Das hochbeinige Monstrum schoß, durch den schmalen Torweg wie das Geschoß durch den Lauf. Und Parker hatte die Straße noch nicht ganz erreicht, als plötzlich unsichtbare, riesige und überstarke Hände den Wagen durchschüttelten. Unmittelbar darauf war eine heftige Detonation zu hören, die von grellem Feuerschein begleitet wurde. »Ist das Wohnmobil etwa in die Luft geflogen?« fragte die ältere Dame interessiert. Sie wandte sich um und blickte durch den langen, schmalen Torweg zurück. Sie sah einen grellen Feuerschein, der die Fassade der Lagerhalle zucken ließ. »Man scheint Mylady mehr als nachdrücklich nach dem Leben zu trachten«, kommentierte Parker, der seinen Privatwagen langsam durch die Straße rollen ließ. »Drehen Sie, Mister Parker«, verlangte die ältere Dame, »ich muß mich natürlich um das arme Ding kümmern, das im Wohn-
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mobil war.« »Mylady können davon ausgehen, daß Miß Lomings das gesegnet haben dürfte, was man gemeinhin das Zeitliche zu nennen pflegt«, antwortete der Butler gemessen, »falls Miß Lomings sich im Wohnmobil befand, um diese wichtige Einschränkung machen zu dürfen.« * »Nun? War sie drin?« fragte Mike Rander neugierig. Er war aus der nahen Curzon Street in das Haus der Lady herübergekommen und hatte selbstverständlich Kathy Porter mitgebracht, Agatha Simpsons Sekretärin und Gesellschafterin. Mike Rander erinnerte, was sein Äußeres betraf, an einen bekannten James-Bond-Darsteller. Er war Anwalt und hatte vor Jahren zusammen mit Josuah Parker viele Abenteuer durchgestanden. Nach Randers Rückkehr aus den Staaten war er von Agatha Simpson wie selbstverständlich mit Beschlag belegt worden und arbeitete nun als ihr juristischer Berater und Vermögensverwalter. Er hatte kaum Zeit, sich als Anwalt zu betätigen, obwohl er in der Curzon Street eine eigene Kanzlei unterhielt. Kathy Porter, etwas über mittelgroß, schlank und sportlich, war eine pikante Schönheit mit leicht exotischem Einschlag, wozu ihre mandelförmig geschnittenen Augen und die hohen Wangenknochen noch beitrugen. Die junge Dame hatte braunes, langes Haar mit einem leichten Rotstich und erinnerte an ein scheues Reh. Sie war auch durchaus zurückhaltend, doch sie konnte sich in eine wilde Pantherkatze verwandeln, falls man sie angriff. Sie war in fast allen Künsten fernöstlicher Selbstverteidigung beschlagen und arbeitete mit besonderer Vorliebe mit Mike Rander zusammen, falls es galt, wieder mal einen Kriminalfall zu lösen. Sie und der junge Anwalt waren von Butler Parker mit Sherry versorgt worden und standen rechts am mächtigen Kamin. Die Hausherrin hatte in einem der tiefen und bequemen Sessel Platz genommen und bisher berichtet. »Spannen Sie uns nicht auf die Folter, Mylady«, bat Kathy Porter, als Agatha Simpson sich mit der Antwort auf Mike Randers Frage viel Zeit nahm. »Ich konnte keine Spur von dieser Artistin entdecken«, berich-
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tete Lady Agatha nun genußvoll weiter. »Und ich weiß auch bereits, warum sie nicht im Wagen war.« »Tatsächlich?« staunte Mike Rander mit einem leichten Anflug von Ironie. Er kannte die Phantasie der älteren Dame nur zu gut. »Sie hat jetzt ihre Schlagzeilen«, behauptete Agatha Simpson, »aber Mister Parker glaubt natürlich nach wie vor, daß sie gerade an Schlagzeilen nicht interessiert ist.« »Warum sollte sie Schlagzeilen provozieren, Mylady?« erkundigte sich Kathy Porter. »Um Engagements zu bekommen«, antwortete Lady Agatha auf die Frage ihrer Gesellschafterin, »so etwas kennt man doch. Jüngst erst habe ich einen älteren Kriminalfilm gesehen, in dem es ebenso war. Nein, eine Lady Simpson kann man nicht aufs Glatteis führen.« »Miß Lomings kann sich vor Angeboten kaum retten, Mylady«, ließ Josuah Parker verlauten. »Schnickschnack«, gab sie grollend zurück, »das täuscht sie Ihnen doch nur vor, Mister Parker.« »Mister Pickett ist in der Lage, meinen bescheidenen Hinweis zu erhärten, Mylady«, sagte der Butler. »Woher wußten Sie eigentlich, daß da eine Sprengladung gezündet werden sollte?« warf Mike Rander ein. »Es waren die beiden sehr gut gezielten Schüsse, Sir, die einen ersten Verdacht keimen ließen«, erwiderte der Butler in seiner höflichen Art. »Man schien Mylady und meiner Wenigkeit damit bedeuten zu wollen, den Wagen nicht zu betreten.« »Tatsächlich?« Agatha, Simpson sah ihren Butler entgeistert an. »Der geheimnisvolle Schütze, Mylady, hätte mit letzter Sicherheit zwei tödliche Treffer anbringen können«, redete Josuah Parker weiter. »Unsinn«, widersprach sie umgehend und grollte, »er traf nicht, das war alles.« »Warum hätte er schießen sollen, Mylady?« schaltete der Anwalt sich erneut ein. »Er hätte doch nur auf den Sprengsatz zu setzen brauchen! Ich glaube, daß Parker mit seiner Vermutung da auf dem richtigen Weg ist.« »Falls es so ist, handelte es sich um einen Zufall«, meinte die ältere Dame. »Und warum ist die Ladung erst dann gezündet worden, als ich bereits auf der Straße war?« Sie schaute sich triumphierend um.
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»Eine gute Frage«, ließ Kathy Porter sich vernehmen. »Natürlich, Kindchen«, lobte Lady Agatha huldvoll, »wenigstens Sie merken, worauf es ankommt.« »Derjenige, Miß Porter, der die Ladung zündete, wurde durch die beiden Schüsse offensichtlich irritiert«, schlug Josuah Parker als Begründung vor. »Daraus läßt sich schlußfolgern, daß man es auf dem Hinterhof mit zwei Personen zu tun hatte.« »Richtig«, erklärte Agatha Simpson und änderte blitzschnell wieder ihre Meinung, »das liegt doch auf der Hand. Und das sage ich die ganze Zeit über, aber auf mich will man ja nicht hören!« * »Ich bewundere Ihre Geduld, Parker«, leistete sich der Anwalt ein Lob. Er war mit dem Butler allein in der großen Wohnhalle. Lady Agatha hatte sich in ihr Studio begeben und Kathy Porter mitgenommen. Angeblich wollte sich die Hausherrin noch einige wichtige Notizen zu dem anstehenden Fall machen und brauchte dazu die Hilfe ihrer Sekretärin. »Myladys Bemerkungen, Sir, sind für meine Wenigkeit eine stete Quelle der Herausforderung«, antwortete Josuah Parker auf die Frage des Anwalts. »Was bringt Sie eigentlich mal aus der Ruhe?« Rander lächelte. »Dies, Sir, vermag meine Wenigkeit noch nicht zu überblicken«, gab der Butler zurück. »Ich rechne jedoch damit, daß ich eines Tages ein wenig gereizt reagiere, wenngleich ich natürlich hoffe, daß dieser Tag noch weit entfernt ist.« »Ich werde mit Spannung darauf warten«, versicherte Mike Rander, »aber zurück zu unserem Tiger, Parker. Wer könnte sich da auf dem Hinterhof hilfreich eingeschaltet haben?« »Möglicherweise Miß Lomings, Sir.« »Ann Lomings?« Der Anwalt blickte Parker verblüfft an. »Wie kommen Sie denn darauf?« »Sie rechnete wahrscheinlich damit, daß Mylady und meine Wenigkeit dort erscheinen würden. Dies trifft natürlich auch auf den sogenannten Tiger zu, der eine Frau zu sein scheint.« »Eine ziemlich komplizierte Erklärung, Parker, finden Sie nicht auch? Ann Lomings hat Sie doch ausgeladen, oder?« »Dies trifft in der Tat zu, Sir.« Der Butler deutete ein zustim-
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mendes Kopfnicken an. »Wir können uns nur überraschen lassen«, meinte der Anwalt. »Fest steht, daß dieser Tiger Sie und Mylady kennt.« »Er scheint sich kundig gemacht zu haben, Sir.« »Wer ist Ann Lomings?« fragte Mike Rander nachdenklich. »Was wissen wir von ihr?« »So gut wie nichts, Sir, doch dies wird sich mit Sicherheit schnell ändern. Mister Pickett ist so freundlich, Informationen einzuholen.« »Der gute Pickett!« Rander lachte leise. »Inzwischen ist er schon zum Mitglied unseres Teams geworden, wie?« »So könnte man durchaus sagen, Sir. Seitdem Mister Pickett auf den Pfaden der Tugend wandelt, stellt er sein intimes Hintergrundwissen Mylady zur Verfügung.« Parker spielte auf die Tatsache an, daß Horace Pickett sich schon seit geraumer Zeit nicht mehr für fremde Taschen interessierte. Pickett war Taschendieb gewesen und hatte sich selbst als Eigentumsumverteiler bezeichnet. Es hatte nämlich zu seinen Geschäftsprinzipien gehört, sich nur mit Klienten zu befassen, die einen mehr oder weniger herben Geldverlust durchaus verschmerzen konnten. Nachdem Parker ihm mal das Leben gerettet hatte, weil Pickett in die Tasche eines Mafioso gegriffen hatte, war der ehemalige Taschendieb redlich geworden. Er wollte sein Schicksal nicht ein zweites Mal herausfordern und machte sich nun eine Ehre daraus, Josuah Parker seine Dienste anzubieten. Hinzu kam Picketts Verehrung für Lady Simpson. Sie hatte ihn von Anfang an akzeptiert und behandelte ihn wie einen Gentleman. »Wir fahren morgen raus nach Dorking, nicht wahr?« erkundigte sich Mike Rander. »Ich möchte mir die Artistin mal aus der Nähe ansehen.« »Dort, Sir, ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit mit einem Auftreten des sogenannten Tigers zu rechnen«, erklärte Josuah Parker. »Und man sollte ferner davon ausgehen, daß dieses zweibeinige Raubtier mit Myladys Erscheinen rechnet.« »Das will ich meinen, Parker. Aber was können wir gegen einen heimtückischen Mordanschlag unternehmen?« »Man könnte gewisse Vorsicht walten lassen.« »Können Sie’s nicht präziser ausdrücken? Mit Vorsicht allein wird es wohl nicht getan sein.«
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»Wenn Sie erlauben, Sir, wird man über geeignete Maßnahmen nachdenken müssen«, lautete Parkers Antwort, »es ist übrigens fast erstaunlich, daß der sogenannte Tiger sich bisher noch nicht meldete. Die Ereignisse auf dem Hinterhof dürften für dieses Raubtier ein wenig verwirrend gewesen sein.« »Sind Sie sicher, Parker?« Rander zog ein skeptisches Gesicht. »Sind Sie schon mal auf den Gedanken gekommen, daß man Ihnen dort drüben in Southwark etwas vorgemacht haben könnte?« »Durchaus, Sir.« Parker nickte andeutungsweise. »Der Schütze und der Auslöser der Sprengladung im Wohnmobil könnten in der Tat eine Person gewesen sein, die allerdings im Gegensatz zu Myladys Ansicht nicht mit Miß Lomings identisch sein muß.« * Butler Parker befand sich in seinen Privatgemächern im Souterrain des altehrwürdigen Fachwerkhauses. Er verfügte hier über einen großen Wohnraum, über ein kleineres Schlafzimmer, Bad und Toilette. Die Einrichtung bestand aus ehemaligem Schiffsmobiliar in Mahagoni, das er sehr schätzte. Von einem kleinen Vorflur aus erreichte Parker sein sogenanntes Labor, in dem er viele technische Überraschungen herstellte. Die Einrichtung war perfekt und enthielt alles, was er brauchte. Jeder spezialisierte Handwerker wäre hier auf seine Kosten gekommen. Teilgebiete der Elektrotechnik, der Chemie, der Feinmechanik und der Elektronik konnten von Parker abgedeckt werden. Als begabter Bastler war ihm keines dieser Gebiete fremd. Allein mit seinen vielen Erfindungen hätte Josuah Parker ein kleines Vermögen machen können. Seiner Phantasie schienen keine Grenzen gesetzt zu sein. Parker hatte vor, noch ein wenig in technischen Magazinen zu blättern, um auf dem laufenden zu bleiben. Er hatte sich gerade in einen lederbezogenen Drehsessel gesetzt, als eine kleine rote Lampe über einem Wandschrank aufleuchtete. Ohne jede Hast erhob er sich, öffnete den Wandschrank und stellte anhand weiterer Kontrollämpchen fest, welcher Sektor des Hauses bedroht wurde. Nach wenigen Augenblicken war ihm klar, daß sich auf dem Dach des Hauses ein Fremdkörper befand. Josuah Parker schaltete eine Fernsehkamera ein, die sich oben
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auf dem Dach befand. Er steuerte die Fernbedienung dieser lichtstarken Kamera und suchte das Schieferdach mit den vielen Schornsteinen sorgfältig ab. Er dachte nicht im Traum daran, das Souterrain zu verlassen und auf den Dachboden zu gehen. Nicht umsonst hatte er sich die lückenlose Überwachung des Hauses ausgedacht. Nach wenigen Augenblicken entdeckte er den Fremdkörper auf dem Dach. Es handelte sich um eine schlanke, mittelgroße Gestalt, die ein schwarzes Trikot trug und kaum wahrzunehmen war. Sie verließ gerade die Deckung einer hohen Esse und wechselte hinüber zu einem anderen Schornstein, wobei sie sich schnell und ungemein sicher auf dem steilen, verschieferten Dach bewegte. Die Dunkelheit und auch die Höhe schienen dem zweibeinigen Fremdkörper überhaupt nichts auszumachen. Parker dachte unwillkürlich an einen Artisten, der sich dort oben tummelte. Die Gestalt hatte den anderen Schornstein erreicht und verschwand hinter ihm. Butler Parker wußte selbstverständlich, welche Räume im Hause mit der Esse verbunden waren. Wußte es auch die Gestalt, die nach wie vor in Deckung blieb? Warum traf sie keine Anstalten, an eines der Giebelfenster heranzukommen? Dies wäre nur zu logisch gewesen. Man hatte es doch mit einer Person zu tun, die ins Haus eindringen wollte. Oder ging es hier um einen ganz anderen Plan? Der Schornstein führte eindeutig am Studio der älteren Dame vorüber, verlief dann weiter nach unten und endete im Souterrain in einem Quergang. War es wirklich nur ein Zufall, daß diese Esse anvisiert wurde? In der Vergangenheit hatte man bereits schon mal versucht, Sprengkörper durch einen der vielen Kamine ins Haus zu befördern. Seit dieser Zeit hatte Parker die Fernsehkamera auf dem Dach installiert und für generellen Schutz gesorgt. Ihn konnte er hier von seiner Privatwohnung aus aktivieren. Es handelte sich dabei um eine äußerst einfache, jedoch sinnvolle Einrichtung. Unter dem waagerecht verlaufenden Blitzableiter befand sich ein dunkel gestrichenes Rohr von der Dicke eines normalen kleinen Fingers. Es war an der Unterseite perforiert und so in der Lage, einströmende Flüssigkeit direkt vom First auf die Dachschiefer zu schicken. Diese Flüssigkeit befand sich in einem kleinen Tank auf dem Dachboden des Hauses und bestand nicht nur aus Wasser. Parker
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hatte ihm einen Wirkstoff beigegeben, der sich durch Gleitfähigkeit auszeichnete. Parker langte nach einem der vielen Hebel auf einem Schaltbrett im Wandschrank und wartete darauf, daß die Gestalt sich wieder zeigte. Als sie einige Augenblicke später um den Kamin herumkam, bediente Josuah Parker den kleinen Hebel und genoß die Szene, die sich seinen Augen bot. Der ungebetene Gast auf dem Spitzdach wurde völlig überrascht. Seine Schuhe fanden plötzlich keinen Halt mehr, rutschten ab und brachten den Besucher aus dem Gleichgewicht. Er hatte keine Zeit mehr, nach den Ziegeln des Kamins zu greifen. Der Körper klatschte hart auf die Dachschiefer und trudelte dann unaufhaltsam nach unten in Richtung Dachtraufe. Dies geschah mit einer Schnelligkeit, die selbst den Butler überraschte. Es war schließlich das erste Mal, daß er das Dach in eine Rutschbahn verwandelte. Seine Berechnungen und Vorstellungen wurden weit übertroffen. Parker regelte den Blickwinkel der Fernsehkamera und entdeckte dabei die Gestalt, die endlich mit den Füßen in der Dachtraufe festen Halt fand. Sie preßte sich verzweifelt gegen das schlüpfrige Steildach und blickte nach unten. Bis zum Erdboden waren es mehr als zehn Meter. Für einen Sprung war das eindeutig zuviel. * Josuah Parker nahm sich Zeit. Gemessen und durchaus würdevoll verließ er seine Privatwohnung und begab sich ins Erdgeschoß. Licht schaltete er nicht ein. Obwohl es in den Räumen dunkel war, fand er sich mit traumwandlerischer Sicherheit zurecht. Er durchschritt die große Wohnhalle, passierte den verglasten Vorflur und öffnete dann die schwere Haustür. Er trat hinaus unter das Vordach und blickte zur Dachtraufe. Die Gestalt stand nach wie vor an der Stelle und wagte kaum eine Bewegung. Da ihre Hände seifig und schlüpfrig waren, konnte sie sich nicht herunterhangeln, um so die Distanz zwischen Traufe und Erdboden wenigstens zu verringern. »Man erlaubt sich, Ihnen einen relativ guten Abend zu wünschen«, rief Josuah Parker nach oben. »Hallo?« erwiderte die Gestalt. Die Stimme gehörte eindeutig
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einem Mann. Sie klang verbissen und verzweifelt. »Man kann nur hoffen, daß Sie sich den Umständen entsprechend wohl fühlen«, fügte Parker hinzu. »Verdammt, holen Sie mich hier runter«, erwiderte der Unbekannte. »Darf man höflichst fragen, für wen Sie zu dieser an sich ungewöhnlichen Stunde unterwegs sind?« erkundigte sich Josuah Parker. »Sie glauben’s ja doch nicht. Verdammt, was haben Sie da auf das Dach gespritzt?« »Bleiben wir bei dem ersten Teil Ihrer Antwort«, schlug der Butler vor, »für wen, um es zu wiederholen, haben Sie dem Dach Myladys einen Besuch abgestattet?« »Sie glauben’s ja doch nicht.« »Sie sollten es immerhin auf einen Versuch ankommen lassen.« »Für Ann Lomings«, lautete die Antwort. »Na, glauben Sie’s?« »Nicht unbedingt«, entgegnete der Butler, »und was bitte, sollte dieser Besuch bezwecken?« »Holen Sie mich erst runter, dann pack ich aus.« »Die Nacht ist noch recht lang«, deutete Josuah Parker an, »die Stunden werden Ihnen wie Ewigkeiten vorkommen, um diesen Vergleich mal zu gebrauchen.« »Ich sag kein Wort, bevor ich nicht heil unten bin.« »Oben auf dem Dach machten Sie einen sehr sicheren Eindruck. Früher oder später werden Sie sich bestimmt selbst helfen können. Sie erlauben, daß meine Wenigkeit sich zurückzieht?« »Hallo, Moment noch… Okay ich pack ja aus. Ich sollte ‘ne Rauchbombe in den Kamin werfen, mehr nicht. Das war als Jux gedacht, kapieren sie?« »Und wo befindet sich besagte Rauchbombe jetzt?« »Da drüben in der Traufe. Sie is’ mir aus der Hand gerutscht.« »Und Sie sind sicher, daß Miß Lomings Ihnen diesen ungewöhnlichen Auftrag erteilt hat?« Parker blieb auf der Hut und ließ sich keineswegs unter dem Vorbau hervorlocken. »Klar is’ das die Lomings gewesen«, schallte es vom Dach her. »Sie kennen Miß Lomings?« »Natürlich«, erwiderte der Unbekannte auf dem Dach, »Mann, sonst hätt’ ich mich doch nicht auf das hier eingelassen. Das sollte doch nur ein Jux sein.« »Dies deuteten Sie bereits an«, schickte Josuah Parker voraus. »Wurden Sie von Miß Lomings angerufen, oder aber stand sie vor
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Ihnen?« »Is’ denn das so wichtig? Sie rief an.« »Und präsentierte Ihnen die Rauchbombe in welcher Form?« »Die hat sie geschickt. Hören Sie, können wir das alles nicht unten besprechen? Mir geht’s ziemlich dreckig hier oben.« »Woher kennen Sie Miß Lomings, um auch diese Frage noch anzufügen?« »Wir sind doch Kollegen. Wir arbeiten hin und wieder zusammen. Und im Moment hatte ich ‘ne längere Pause und war verdammt froh, als ich mir ein paar Pfund nebenbei verdienen konnte.« Parker trat unter dem Vordach hervor, jedoch auf der Seite, die die Gestalt oben in der Dachtraufe nicht einsehen konnte. Der Butler hatte aus dem Souterrain einen Maueranker mitgebracht, der an einem langen, mehrfach verknoteten Seil befestigt war, holte kurz aus und warf den fünf-strahligen Anker nach oben. Er landete zielsicher in der Dachtraufe. »Sie können sich vorsichtig abseilen«, rief Parker dann der Gestalt zu, »aber Sie sollten sich Zeit nehmen und nichts überhasten. Sie könnten sich sonst die Innenflächen Ihrer Hände unnötig erwärmen.« * Der Mann plumpste wie ein nasser Sack neben Parker auf das Pflaster vor dem Fachwerkhaus. Dann stöhnte er und hob anklagend die Hände. »Ich hab mir die Hände verbrannt.« »Sie dürften ein wenig übertreiben«, erwiderte der Butler. »Allerdings sind Sie relativ schnell heruntergekommen.« »Wie sollte ich mich denn festhalten?« beschwerte sich der Mann, der tatsächlich ein eng anliegendes, schwarzes Trikot trug. Der Besucher war jetzt gut zu erkennen. Er hatte ein schmales, fast knochiges Gesicht und trug einen bleistiftdünnen Schnurrbart. Die schwarzen Handschuhe waren zerfetzt. »Falls Sie darauf bestehen, könnte man sich Ihrer Hände annehmen«, schlug Josuah Parker vor. »Nee, ich bin bedient«, lehnte der Mann ab, der etwa dreißig Jahre zählte. »Aber für das hier mit meinen Händen, für das wird
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Ann noch ‘ne ganze Menge drauflegen müssen.« »Ihnen kam nicht etwa der Gedanke, getäuscht worden zu sein, was Miß Lomings betrifft?« »Sie meinen, sie hätte gar nicht angerufen?« Echte Verblüffung war in der Stimme. »Eine Stimme kann man relativ leicht nachahmen.« »Na ja, Ann sprach etwas undeutlich«, räumte der junge Mann nun ein. »Aber wenn sie’s nicht gewesen is’, wer verdammt, sollte es sonst gewesen sein?« »Einer Ihrer Berufsfreunde vielleicht?« »Wer sollte mir denn so einen blöden Streich spielen?« »Sie sollten darüber nachdenken. Darf man übrigens nach Ihrem Namen fragen?« Der junge Mann nickte und… attackierte dann aus dem Stand den Butler. Es zeigte sich, daß er wirklich sehr sportlich, stark und geschmeidig war. Er trat mit dem linken Fuß nach dem Butler und wollte ihn auf diese Art gegen die Hauswand befördern. Josuah Parker, dessen Wachsamkeit keinen Moment nachgelassen hatte, konnte diesem Fußtritt leicht ausweichen. Er versetzte dem Angreifer einen Stoß, worauf der ausrutschte und der Länge nach aufs Pflaster fiel. Die Schuhe des Mannes waren nämlich nach wie vor rutschig und boten keinen festen Halt. »Sie verstehen aber auch keinen Spaß«, beschwerte sich der junge Mann und hatte einige Mühe, wieder auf die Beine zu kommen. Er rieb sich die linke Hüfte und stöhnte. »Entschuldigen Sie meine Überreaktion«, bedauerte Josuah Parker in seiner höflichen Art und deutete eine leichte Verbeugung an. »Darf man Sie noch mal daran erinnern, daß Sie Ihren Namen nennen wollten?« »Ich heiße Ken Lifton«, erwiderte der junge Mann, »kann ich jetzt endlich abhauen? Ich hab die Nase nämlich gestrichen voll.« »Man wünscht Ihnen eine gute Heimkehr«, entgegnete der Butler. »Was Ihre momentane finanzielle Situation betrifft, könnten sich für Sie Möglichkeiten eröffnen, eine interessante Geldprämie zu verdienen.« »Geldprämie? Wofür?« Die Stimme verriet deutliches Interesse. »Sie dürften das sein, was man in Frankreich einen Stuntman zu nennen pflegt«, beantwortete Parker die Frage. »Bei diesen Artisten, um sie mal so zu bezeichnen, durfte es sich um einen Personenkreis handeln, der sicher eng begrenzt ist, nicht wahr?«
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»Eng begrenzt? Moment mal, wie meinen Sie das? Ach so, jetzt kapiere ich. Sie meinen, daß es von uns nicht besonders viele gibt, wie?« »Sie treffen den sprichwörtlichen Nagel direkt auf den Kopf.« »Okay, und was soll ich tun?« »Meine Wenigkeit interessiert sich für das, was man gemeinhin Klatsch nennt«, redete Parker weiter. »Bringen Sie das alles zu Papier und richten Sie es an diese Adresse hier.« »Es gibt ‘ne Menge Klatsch und Tratsch sogar«, antwortete Ken Lifton und grinste unwillkürlich. »Und das alles wollen Sie wissen? Was springt denn für mich dabei raus?« »Eine Prämie, wie bereits angedeutet«, wiederholte Josuah Parker. »Sie sollten den Auftrag allerdings äußerst diskret behandeln.« »Und was ist mit Ann Lomings?« »Auch sie sollte nicht ins Vertrauen gezogen werden. Falls sie sich nach dem Ergebnis Ihres Auftrages erkundigt, so erklären Sie, man habe Sie auf dem Dach entdeckt und verscheucht.« »Und wie man mich verscheucht hat!« Ken Lifton blickte auf seine Handinnenflächen. »Hierfür wird sie mir ‘ne Sonderprämie zahlen müssen.« »Haben Sie noch immer nicht gemerkt, daß man Sie getäuscht hat? Miß Lomings dürfte Ihnen diesen Auftrag mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht erteilt haben.« »Aber ich habe doch ihre Stimme… Nee, das heißt, so genau kann ich das eigentlich nicht sagen… Aber die Stimme hat sich als Ann Lomings vorgestellt, und – verdammt, ich bin völlig durcheinander.« »Das wird sich geben«, versprach Josuah Parker. »Falls Sie damit einverstanden sind, könnten Sie noch Ihre Adresse hinterlassen.« »Sie wollen mich wirklich nicht in die Pfanne hauen?« »Dazu besteht kein Anlaß«, meinte der Butler. »Ich betrachte Sie ab sofort als Myladys freien Mitarbeiter.« »Wie wär’s denn dann mit ‘nem kleinen Vorschuß?« »Sie sollen ihn selbstverständlich haben.« Parker langte in eine seiner vielen Westentaschen und holte eine Zwanzigpfundnote hervor. Ken Lifton war völlig verblüfft, als Parker sie in der Mitte zerriß und ihm eine Hälfte reichte. »Den Rest der Note erhalten Sie bei Ablieferung Ihres sicher
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aufschlußreichen Berichts«, erklärte der Butler. »Mit einer zusätzlichen Banknote können Sie fest rechnen.« »Mann, sind Sie aber mißtrauisch«, gab Ken Lifton zurück. »Möge der Rest der Nacht Ihnen noch gewogen bleiben«, verabschiedete Josuah Parker den Stuntman. »Aber bevor Sie gehen, sollten Sie noch Ihre Adresse nennen, Mister Lifton.« Der Stuntman gab die entsprechende Auskunft und schien dabei die Wahrheit zu sagen, so flüssig und ohne Stocken kam sie über seine Lippen. Dann blickte er noch mal kopfschüttelnd auf die halbe Zwanzigpfundnote und ging. Er wandte sich mehrmals um und versuchte dann so schnell wie möglich zur Durchgangsstraße zu kommen. * »Ich hatte Besuch?« wunderte sich Lady Agatha am anderen Morgen, als sie am Frühstückstisch im kleinen Salon Platz nahm. Parker hatte gerade andeutungsweise davon gesprochen und berichtete von Ken Lifton. »Und das erfahre ich erst jetzt?« grollte die Hausherrin, »ich fürchte, Mister Parker, Sie haben mir den Appetit verdorben.« »Bestehen Mylady darauf, daß wieder abgeräumt wird?« erkundigte sich Parker gemessen. »Hüten Sie sich!« Sie blitzte ihn gereizt an. »Nehmen Sie nicht immer alles so wörtlich. Was gibt es denn? Sie wissen, daß ich meine Hungerdiät strikt einhalte.« »Mylady erwarten verschiedene Brotsorten, heiße Pfannkuchen, kroß gebratenen Speck mit Rührei, diverse Wurstsorten und dazu einige Scheiben Roastbeef.« »Ich werde kaum etwas essen können«, behauptete sie, »warum haben Sie diesen Lümmel nicht festgehalten? Es ist Ihnen doch klar, daß der Stuntman Sie nach Strich und Faden belogen hat, nicht wahr? Es gibt selbstverständlich keinen Ken Lifton.« »Mister Pickett konnte die Existenz solch eines Stuntmans nachweisen, Mylady.« »Reiner Zufall, Mister Parker. Dann hat man Ihnen eben eine falsche Adresse genannt.« »Auch sie entspricht der Wahrheit, Mylady«, versicherte der Butler, »Mister Pickett begab sich noch in der vergangenen Nacht
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nach Southwark, wo Mister Lifton eine kleine Dachwohnung sein eigen nennt.« »Und dieser Stuntman hat die Stimme der Artistin erkannt? Ich habe Ihnen ja gleich gesagt, daß ich der Frau nicht über den Weg traue, aber Sie wollten mir ja wieder mal nicht glauben.« »Eine Untugend, Mylady, die meine Wenigkeit im Verlauf der Zeit sicher noch ausmerzen dürfte.« »Ich lasse mich überraschen«, erwiderte Agatha Simpson. »Aber zurück zu meinem Fall! Es steht also fest, daß die Artistin dieses ganze Täuschungsmanöver aufgezogen hat. Wie werde ich sie überführen, Mister Parker?« »Mylady haben sicher die Absicht, Miß Lomings in Augenschein zu nehmen«, vermutete Parker. »Miß Lomings wird im Lauf des Vormittags einen sogenannten Stunt in Dorking ausführen.« »Wie war das noch? Will sie nicht. auf einen Lastwagen springen?« »In der Tat, Mylady. Darf meine Wenigkeit noch auf eine Sache verweisen, die bisher nicht zur Sprache kam?« »Aber nur, wenn es besonders wichtig ist, Mister Parker. Sie wissen ja, daß Details mich nicht interessieren.« Während sie antwortete, befaßte sie sich weiter mit dem frugalen Frühstück und entwickelte einen erstaunlichen Appetit. Natürlich hatte sie ihren Appetit nicht verloren. Genau das Gegenteil war der Fall. »Mister Ken Lifton sagte aus, er habe eine Rauchbombe in den Schornstein werfen wollen«, schickte der Butler voraus. »In diesem Zusammenhang ist eine Korrektur anzubringen.« »Ich ahnte es«, behauptete Lady Agatha. »Es war natürlich eine Sprengladung, nicht wahr? Man wollte mich umbringen.« »Es handelte sich um ein tödliches Gas«, stellte der Butler richtig. »Der sogenannte Tiger, um diese Bezeichnung wieder ins Gespräch zu bringen, greift zu Mitteln, die mehr als ungewöhnlich sind.« »Giftgas?« Agatha Simpson richtete sich steil auf. »Das ist eine ausgemachte Unverschämtheit, Mister Parker. Hätte dieser Stuntman Erfolg gehabt?« »Daran besteht kein Zweifel, Mylady, das Giftgas hätte sich im ganzen Haus ausgebreitet.« »Erstaunlich, wie sehr man mich fürchtet«, meinte die Detektivin mit einem gewissen Stolz. »Ich fühle mich fast geschmei-
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chelt.« »Giftgas im Zusammenhang mit einem sogenannten Reklamegag, Mylady, läßt hellhörig werden.« »Tatsächlich.« Sie nickte und nahm die restlichen drei Roastbeefscheiben von der ovalen Silberplatte. »Ich werde mich sehr wundern.« »Mylady sind der richtigen Ansicht, daß die Verhältnismäßigkeit der Mittel nicht gewahrt wurde.« »Genau das meine ich.« Sie nickte nachdrücklich. »Hier geht es um mehr als nur um Reklame. Ich wußte es ja gleich, Mister Parker.« Parkers Gesicht blieb glatt, als er die Worte seiner Herrin vernahm. Innerhalb weniger Augenblicke hatte sie wieder mal ihre Meinung geändert. Parker wunderte sich nicht mehr darüber. Dies war an der Tagesordnung. Er deutete eine entschuldigende Verbeugung an, als das Telefon anschlug, ging hinüber zum kleinen Wandtisch, hob ab und nannte seinen Namen. »Hier spricht der Tiger«, sagte die ihm bereits bekannte dunkle Frauenstimme. »Sie haben großes Glück gehabt, Parker.« »Dem kann man allerdings nur beipflichten«, antwortete der Butler. »Ich werde Sie noch erwischen«, redete die dunkle Frauenstimme weiter. »Ihre Tricks verfangen bei mir nicht mehr.« »Darf man fragen, warum Sie sich eigentlich Tiger nennen?« erwiderte der Butler. »Würde Hase nicht erheblich besser passen, falls diese Anregung erlaubt ist?« »Wieso Hase?« kam die verblüffte Antwort. »Sie benehmen sich wie das gerade erwähnte Langohr«, erwähnte Josuah Parker. »Sie ergreifen entweder die Flucht, oder aber Sie ducken sich, um so jeder Gefahr zu entgehen.« Auf der Gegenseite wurde kommentarlos aufgelegt. * Lady Agatha meditierte. Sie saß im Fond von Parkers hochbeinigem Wagen und hatte die Augen geschlossen. Hin und wieder waren leichte Schnarchtöne zu vernehmen, die jedoch von Parker, Mike Rander und Kathy
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Porter souverän überhört wurden. Das Quartett aus Shepherd’s Market befand sich auf dem Weg nach Dorking, einer kleinen Stadt im Süden von London. »Sie haben noch immer nichts von Ann Lomings gehört?« fragte Mike Rander. Er saß auf dem Beifahrersitz und konnte sich mit dem Butler unterhalten. Parker hatte die versenkbare Trennscheibe zwischen den Vordersitzen und dem Fond des Wagens per Knopfdruck geschlossen. »Miß Lomings war bisher nicht zu erreichen«, entgegnete der Butler. »Der Aufnahmestab in Dorking bestätigte allerdings meiner Wenigkeit, daß Miß Lomings sich etwa gegen sieben Uhr telefonisch meldete und ihr pünktliches Erscheinen ankündigte.« »Was halten Sie von dieser Frau, Parker?« »Man sollte davon ausgehen, daß Miß Lomings sehr wohl weiß, warum man sie umbringen will, Sir.« »Irgendeine Eifersuchtsgeschichte?« »Im weitesten Sinn des Wortes, Sir.« »Ich denke da sehr gezielt an eine klassische Dreiecksgeschichte, Parker. Zwei Frauen, ein Mann, oder von mir aus auch umgekehrt.« »Ein Motiv, Sir, das man nur als gravierend bezeichnen kann.« »Und woran denken Sie? Sie haben doch bestimmt auch noch etwas auf Lager, oder?« »Man sollte vielleicht nicht ausschließen, Sir, daß man Miß Lomings aus rein geschäftlichen Gründen umzubringen gedenkt.« »Konkurrenzneid, wie? Sie könnte einem Stuntman oder einer Kollegin einen tollen Job vor der Nase weggeschnappt haben«, Rander nickte. »Es bietet sich auch die reine Sache an, Sir«, zählte der Butler weiter auf. »Miß Lomings könnte einen schwerwiegenden Unfall verursacht haben, und ein Angehöriger will jetzt das üben, was er für ausgleichende Gerechtigkeit hält.« »Auch das wird akzeptiert«, meinte der Anwalt. »Wir wissen noch verdammt wenig von dieser Lomings. Freiwillig wird sie uns bestimmt keinen Tip geben.« »Es wurden bereits Bestrebungen eingeleitet, Sir, diesem Mangel zu begegnen«, erwiderte der Butler in seiner höflichen Art. »Vielleicht könnten Miß Porter und Sie am Drehort in Dorking zusätzliche Informationen einholen.« »Worauf Sie sich verlassen können, Parker.« Rander lächelte.
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»Wir werden jeden anbohren, der uns über den Weg läuft. Wir haben es schließlich mit einem Gegner zu tun, der selbst vor Giftgas nicht zurückscheut.« »Und vor einer Sprengladung, die er im Wohnmobil der Miß Lomings anbrachte, Sir.« »Er muß Sie also recht gut kennen, Parker.« »Und selbstverständlich auch Mylady, Sir.« »Na gut, auch Lady Simpson. Er hat Angst vor Ihnen, das steht doch wohl eindeutig fest.« »Und er muß sehr gut informiert sein, Sir. Ihm war bekannt, daß Mylady und meine Wenigkeit mit Miß Lomings auf dem Parkplatz verabredet waren.« »Da ging es um Sie allein, Parker.« Mike Rander schmunzelte. »Seien Sie nicht zu bescheiden! Er warf mit dem Messer nach Ihnen, Parker. Lady Simpson war doch gar nicht mitgekommen. Dieser Tiger mit der dunklen Frauenstimme wußte auf jeden Fall Bescheid. Ich frage mich nur, warum er Ann Lomings nicht längst erwischt hat. Gelegenheit dazu hätte er doch bestimmt mehr als genug.« »Es dürfte sich um einen Tiger handeln, Sir, der ein wenig verspielt ist, wenn man so sagen darf.« »Er spielt wie die Katze mit der Maus.« Rander nickte. »Wahrscheinlich will er die Lomings durch alle Höllen jagen. Er scheint von ihr sehr verletzt worden zu sein.« »Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, Sir«, pflichtete Josuah Parker dem Anwalt bei. »Ein schneller Tod der Miß Lomings dürfte nicht sonderlich gefragt sein.« »Bleiben Sie mal bei diesem weiblichen Tiger mit der dunklen Stimme«, schickte der Anwalt voraus. »Soll diese Frauenstimme uns nur auf eine falsche Spur setzen? Oder haben wir es tatsächlich mit einer Frau zu tun? Wie denken Sie darüber, Parker?« »Ein geschleudertes Messer, Sir, deutete auf eine Person männlichen Geschlechts hin«, entgegnete Josuah Parker. »Hinzu kommt die Bombe im Wohnmobil und das Giftgas, das man in Myladys Haus praktizieren wollte. Alle drei Anschläge, Sir, verraten im Grund eine männliche Hand.« »Würde auch ich sagen, Parker. Aber eine Frau, die Stunts ausführt, könnte durchaus von der üblichen Norm abweichen.« »Dem, Sir, möchte meine Wenigkeit auf keinen Fall unnötig widersprechen«, lautete Parkers Antwort. Während seiner Unterhal-
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tung mit Mike Rander hatte er immer wieder in den Rückspiegel gesehen und Ausschau nach etwaigen Verfolgern gehalten. Bisher hatte er noch nichts ausmachen können. * »Recht nett«, sagte die ältere Dame und blickte auf die Szene, die sich ihren Augen bot. »Natürlich wird man gleich im Schritt fahren, nicht wahr, Mister Parker?« »Nicht unbedingt, Mylady«, erwiderte der Butler, der schräg hinter Agatha Simpson stand und die Vorbereitungen zum geplanten Stunt ebenfalls beobachtete. Man war inzwischen in Dorking angekommen und befand sich nun auf einer Landstraße südlich der kleinen und hübschen Stadt. Ein Lastwagen mit offener Ladefläche wurde von einem Jeep verfolgt, der bereits dicht aufgeholt hatte und sich gerade gefährlich nahe an die hintere Stoßstange des Trucks heranschob. Der Abstand zwischen beiden Wagen betrug nur noch knapp einen Meter. »Weit und breit nichts von Ann Lomings zu sehen«, rief Mike Rander, der zusammen mit Kathy Porter näher kam. »Sie hat sich bisher auch noch nicht gemeldet.« »Und sie wird auch nicht kommen, mein Junge«, erklärte die Detektivin. »Sie fühlt sich von mir durchschaut und fürchtet ihre Entlarvung. Genau das hier hatte ich erwartet.« »Sie halten Ann Lomings jetzt wieder für verdächtig?« staunte Kathy Porter. »Spricht nicht alles gegen sie, mein Kind?« fragte Lady Agatha, um sich dann Parker zuzuwenden. »Wie denken Sie darüber?« »Miß Lomings könnte etwas zugestoßen sein, Mylady.« »Dann hat sie es sich selbst zuzuschreiben«, meinte Agatha Simpson verärgert. »Sie hätte mich ja anrufen und unter meinen persönlichen Schutz stellen können. Dann wäre ihr auch nichts passiert. Aber diese jungen Dinger glauben ja immer, allein zurechtzukommen. Ist es nicht so, Mister Parker?« »Miß Lomings scheint den Schauplatz der Ereignisse zu betreten«, antwortete Parker und deutete mit der Spitze seines Universal-Regenschirms auf den Ford, der bis dicht an das Kamerateam heranfuhr und dann hielt. Ann Lomings stieg aus und lief
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sofort zum Regisseur. »Das ist also meine Täterin«, sagte die ältere Dame und klappte ihre altertümliche, mit Schildpatt belegte Stielbrille auf. Durch diese Lorgnette betrachtete sie dann ungeniert und intensiv die junge Artistin, die jetzt schwarzes Haar zeigte. »Eindeutig Miß Lomings, Mylady«, bekräftigte der Butler, »wenn es erlaubt ist, wird meine Wenigkeit sich mit ihr umgehend ins Benehmen setzen.« »Und ich werde selbstverständlich mitkommen«, erklärte die Detektivin nachdrücklich. »Ich werde einige Erklärungen verlangen.« »Ich glaube, wir alle sind im Moment nicht gefragt«, warf der Anwalt ein. »Man wird sofort mit dem Stunt beginnen, denke ich. Ann Lomings dürfte jetzt umgemodelt werden.« »Etwas deutlicher, wenn ich bitten darf«, verlangte die ältere Dame von Mike Rander. Ihre Stimme grollte. »Man wird sie für den Stunt herrichten«, übersetzte der Anwalt und lächelte. »Ich glaube, wir werden sie gleich wieder mit blonder Haartracht sehen. Sie doubelt die Hauptdarstellerin.« »Ich weiß«, gab Lady Agatha gereizt zurück. »In Filmdingen kenne ich mich schließlich aus. Gleich wird man sehen, wie langsam die beiden Autos tatsächlich fahren.« Josuah Parker verzichtete darauf, seiner Herrin zu widersprechen. Sie hatte sich wieder mal etwas in den Kopf gesetzt und war erfahrungsgemäß durch nichts davon abzubringen. Ann Lomings war inzwischen bereits in einen großen Wohnwagen verschwunden. Die Mitglieder des technischen Stabes richteten die Scheinwerfer ein, der Kameramann ließ das Licht messen. Die beiden Autos waren weit zurückgefahren und gingen in Position. Bis zur eigentlichen Aufnahme konnte es nicht mehr lange dauern. »Sie werden gleich sehen, mit welchen Tricks die Filmleute arbeiten«, meinte Lady Agatha genüßlich. »Wie war das noch, Mister Parker, um diese Autos später schneller wirken zu lassen?« »Man könnte durchaus nur achtzehn Bilder pro Sekunde aufnehmen, Mylady«, antwortete der Butler, der selbstverständlich informiert war. »Wenn man den belichteten Streifen dann später mit der normalen Geschwindigkeit von vierundzwanzig Meter pro Sekunde vorführt, wirken alle Bewegungen wesentlich schneller. Dies gilt natürlich nur für Aufnahmen von Wagen, Kutschen und
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Reitern, um einige Beispiele zu nennen.« »Ich hätte es kaum besser erklären können«, sagte die ältere Dame. »Sie sind ein recht passabler Schüler, Mister Parker.« »Es ist soweit«, rief Kathy Porter dazwischen. »Miß Lomings ist tatsächlich kaum wiederzuerkennen.« Und das entsprach den Tatsachen. Sie trug jetzt Jeans, eine Bluse und hatte genau jenes blonde, schulterlange Haar, das sie bereits auf dem Flachdach getragen hatte. Die Artistin stieg in einen offenen VW, der seitlich vor dem Wohnwagen stand. Erst jetzt entdeckte sie das Quartett aus Shep-herd’s Market, winkte Parker zu und blieb im Wagen stehen. Sie wollte sich zu den beiden Autos bringen lassen, die weit hinten auf der Landstraße standen. »Nun wird man ja gleich sehen, wie einfach das alles ist«, sagte die ältere Dame ein wenig abfällig. »Die Artistin wird nicht im Traum daran denken, Hals und Kopf zu riskieren.« Parker war zum hochbeinigen Monstrum hinübergegangen und setzte sich ans Steuer. Ohne Mylady zu verständigen, schloß er die Wagentür und fuhr wenige Sekunden später dem VW nach. Im Rückspiegel sah er deutlich, wie völlig verblüfft seine Herrin war. Butler Parker kam es darauf an, Ann Lomings so schnell wie möglich zu folgen. Er hatte ein ungutes Gefühl, was sie betraf. Gewiß, sie war wohl ohne jeden Zwischenfall hierher nach Dorking gekommen, doch es ging nach wie vor um ihr Leben. Der Tiger, wer immer es auch sein mochte, hatte gerade hier am Aufnahmeort gute Möglichkeiten, einen Anschlag auf sie auszuführen. Warum hätte er irgendwo auf den Straßen nach Dorking auf Ann Lomings warten sollen? Hier hatte er doch schließlich alle Möglichkeiten, seine Mordandrohungen in die Tat umzusetzen. Der offene VW fuhr über eine Wiese und erreichte die eigentliche Straße. Parkers hochbeiniges Monstrum schloß schnell auf und überholte den VW, dessen Fahrer überrascht auf den Butler blickte, der beim Passieren höflich seine schwarze Melone lüftete. Ann Lomings, die sich inzwischen gesetzt hatte, zog sich an der Windschutzscheibe hoch und winkte Parker zu. Sie lachte und schien von einer drohenden Gefahr nichts zu ahnen. Parker beschloß, den VW umgehend zu stoppen.
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* »Was ist denn?« fragte Ann Lomings und blickte auf Parker hinunter, der seinen Wagen verlassen hatte und auf sie zukam. Sie war aufgestanden und musterte ihn in einer Mischung aus Irritation und Ungeduld. »Darf man sich erlauben, Miß Lomings, Ihnen erst mal einen freundlichen Morgen zu wünschen?« erkundigte sich Parker und lüftete seine schwarze Melone. »Fein«, sagte sie nervös. »Aber halten Sie mich jetzt bitte nicht auf. Man wartet auf den Stunt. Ich bin ohnehin schon zu spät dran.« »Sollten Sie sich verschlafen haben?« fragte Parker in seiner höflichen Art. »Ich… Ich war bei Freunden«, erwiderte sie ausweichend. »Und überhaupt, Mister Parker, was geht Sie das an? Bitte, verschonen Sie mich mit weiteren Fragen, ich habe wirklich keine Zeit. Peter, setzen Sie zurück und fahren Sie weiter.« »Okay, Ann«, antwortete der etwa fünfundzwanzigjährige Fahrer, der zu seinen Jeans eine abgewetzte braune Lederjacke trug. »Bevor Sie den Jeep besteigen, Miß Lomings, sollten Sie vielleicht den Wagen kontrollieren«, schlug Parker vor und deutete mit der Schirmspitze auf den Lastwagen und den Jeep. Die beiden Fahrzeuge waren noch ein gutes Stück entfernt. »Wieso? Was ist mit dem Jeep?« fragte Ann Lomings gereizt. »Mister Parker, ich glaube nicht, daß ich Sie beauftragt habe, auf mich aufzupassen.« »Sind die Fahrer der beiden Wagen Ihnen persönlich bekannt?« forschte der Butler weiter nach, ohne sich beeindrucken zu lassen. »Natürlich sind sie das«, gab Ann Lomings zurück und blickte unwillkürlich zu den beiden Fahrzeugen hinüber, »sie gehören zum Team für die Stunts. Was soll mit den Fahrern sein?« »Dies entzieht sich momentan noch meiner Kenntnis«, räumte Josuah Parker ein, »aber in der Besetzung beider Fahrerhäuser könnte möglicherweise inzwischen eine Änderung eingetreten sein, wenn ich es so ausdrücken darf.« »Sie… Sie meinen?« Ann Lomings sprach ihren Satz nicht zu Ende und blickte erneut zu den Fahrzeugen hinüber. »Die ursprünglichen Fahrer könnten durch neue ersetzt worden
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sein, die nicht Ihre Zustimmung finden, Miß Lomings.« »Hören Sie, wollen Sie mich nervös machen?« »Sie sind es bereits, Miß Lomings«, erwiderte der Butler schlicht. »Weiter, Peter, los weiter«, verlangte sie von ihrem Fahrer ungeduldig und scharf. »Hinter den beiden Fahrzeugen steht ein dritter Wagen«, sagte Parker, der nichts von seiner Gelassenheit verlor. »Sie müssen allerdings schon genau hinsehen, wenn man dies empfehlen darf. Er ist hinter der Windhecke geparkt worden.« »Natürlich habe ich den Wagen gesehen«, meinte Ann Lomings und nagte nun doch beeindruckt und unentschlossen an ihrer Unterlippe. »Sie sollten aussteigen, Miß Lomings, und wenigstens den Anschein erwecken, als hätten Sie die feste Absicht, in mein bescheidenes Fahrzeug überzuwechseln.« »Warum denn dieses ganze Thea…« Sie hatte gerade wieder zu den beiden Fahrzeugen hinübergeblickt und… duckte sich plötzlich. Dann drückte sie sich ab und hechtete aus dem Wagen. Sie landete dicht vor Parkers Füßen, rollte sich weiter ab und nahm hinter dem Heck des VW Deckung. Inzwischen zersplitterte die Windschutzscheibe des Autos. Und ein zweites Geschoß, unmittelbar darauf abgefeuert, stanzte sich in die Karosserie des Wagens. Der junge Mann namens Peter hatte die Fahrertür aufgestoßen und wälzte sich ins Freie. Josuah Parker aber blieb würdevoll und steif stehen, als habe er einen Ladestock verschluckt. Er dachte nicht daran, sich in einer seiner Ansicht nach entwürdigenden Hast in Sicherheit zu bringen. Während seines Dialoges mit der Artistin hatte er einen seiner vielen Patent-Kugelschreiber aus einer Westentasche geholt und warf ihn fast achtlos zu Boden, nachdem er die beiden Hälften dieses eigenartigen Schreibgerätes gegeneinander verdreht hatte. Wie durch Zauberei schoß eine dichte und kompakte Nebelsäule aus dem Rasen und dehnte sich blitzschnell aus. Innerhalb weniger Augenblicke war der VW völlig eingenebelt, und damit auch die drei Personen in seiner Nähe. Nun erst begab sich Parker in Deckung. Dazu nahm er einfach im VW Platz, nachdem er die Beifahrertür geöffnet hatte. »Mister Parker…? Mister Parker, wo stecken Sie? Was war das? Woher kommt der Nebel?« Ann Lomings rief es mit unterdrückter
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Stimme. »Eine kleine, durchaus bescheidene Abwehrmaßnahme«, erwiderte der Butler. »Man kann nur hoffen, daß sie ihren Zweck nicht verfehlt hat.« »Es ist geschossen worden, nicht wahr?« fragte sie überflüssigerweise. »Man bemühte sich, Sie, Miß Lomings, zu treffen.« »Ich glaube, ich habe ein Gewehr gesehen«, rief sie. »Ich war mir nicht sicher, aber ich fühlte plötzlich, daß… Wo stecken Sie?« »Meine Wenigkeit entspannt sich im VW«, erklärte der Butler. »Sie haben es schließlich mit einem müden, alten und verbrauchten Mann zu tun.« »Woher haben Sie von diesem Anschlag gewußt?« fragte sie und war nun in groben Umrissen an der Wagenseite zu sehen. Sie hatte das Heck verlassen und tastete sich weiter nach vorn. »Es war der dritte Wagen, der meine bescheidene Aufmerksamkeit erregte«, antwortete Josuah Parker. »Es dürfte sich wieder mal gezeigt haben, Miß Lomings, daß das Leben ein einziges, großes Risiko ist, wenn man so sagen darf.« * »Ich bin noch völlig fertig«, sagte Ann Lomings eine Viertelstunde später. Sie befand sich im Wohnwagen, in dem sie sich umgekleidet hatte und geschminkt worden war. Sie hielt einen Pappbecher mit heißem Kaffee in beiden Händen, doch Parker entging es nicht, daß diese Hände zitterten. »So schlimm war’s ja nun auch wieder nicht, meine Liebe«, mokierte sich Lady Agatha, die sich ebenfalls im Wohnwagen befand. »Sie haben ja keine Ahnung, wie oft man auf mich schießt.« »Warum will man mich umbringen?« fragte die Artistin leise und nachdenklich. Sie starrte zu Boden. »Warum das alles?« »Vertrauen Sie sich mir an, meine Beste«, riet Lady Agatha eindringlich. »Ich werde Ihnen dann auch helfen können. Sie wissen, daß Ihr Wohnmobil, oder wie immer man auch diese Wohnungen auf Rädern nennen mag, in die Luft gesprengt worden ist?« »Ich weiß davon«, erwiderte Ann Lomings und nickte. »Von welchem Zeitpunkt an?« fragte der Butler höflich. »Peter hat mir davon erzählt«, antwortete Ann Lomings. »Das
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ist mein Assistent.« »Könnte er möglicherweise auf Mylady und meine Wenigkeit geschossen haben?« lautete die nächste Frage des Butlers. »Wie… Wie kommen Sie denn darauf?« fragte sie und nahm den Kopf hoch. »Mylady wurden durch gezielte Schüsse daran gehindert, das Wohnmobil zu betreten«, erklärte Josuah Parker. »Ich weiß von nichts«, behauptete die Artistin, »aber Sie können ja Peter fragen. Er hätte es mir aber bestimmt gesagt, wenn er draußen in Southwark gewesen wäre.« Agatha Simpson wollte eine Frage stellen, doch in diesem Moment erschien der Aufnahmeleiter und blickte Ann Lomings fragend an. »Wir können«, sagte sie und stand auf. Sie stellte den Pappbecher weg und wollte den Wohnwagen verlassen. »Überschätzen Sie sich möglicherweise nicht?« fragte Josuah Parker. »Unsinn«, gab sie zurück, »in meinem Beruf darf man keine Nerven zeigen, Mister Parker, sonst ist man erledigt. Natürlich werde ich den Stunt machen.« »Oder auch nicht«, schaltete Mike Rander sich ein, der dazukam und den Kopf schüttelte, »die beiden Fahrer vom Team müssen erst mal ins nächste Spital: Gehirnerschütterung.« »Wie war das?« fragte Ann Lomings. »Miß Porter und ich waren eben draußen bei den Wagen«, redete der Anwalt weiter, »beide Fahrer lagen im Straßengraben. Sie waren niedergeschlagen worden. Ihre Vermutung, Parker, hat sich wieder mal als richtig erwiesen.« »Das hätte ich Ihnen auch sagen können, mein Junge«, räsonierte Agatha Simpson. »Bestimmt, Mylady«, gab Mike Rander zurück, um sich dann wieder Ann Lomings zuzuwenden. »Aus dem Stunt dürfte nichts werden.« »Vielleicht darf meine Wenigkeit eine gewisse Hilfe anbieten«, ließ der Butler sich vernehmen. »Ihre Hilfe? Wollen Sie etwa einen Wagen fahren, Mister Parker?« Obwohl sie nervös war, mußte sie doch ein wenig lächeln. »Ich werde den Lastwagen übernehmen«, sagte die ältere Dame, »aber bei mir wird es keine Tricks geben, meine Beste.« »Ausgeschlossen«, antwortete die Artistin und hob abwehrend
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die Hände. »So etwas ist nichts für Laien. Solch ein Stunt muß genau geprobt werden.« »So etwas erledigt eine Lady Simpson aus dem Handgelenk«, behauptete die resolute Dame. Ihre Augen funkelten wieder mal unternehmungslustig. »Meine Wenigkeit wird Sie nach menschlichem Ermessen genau zum ‘rechten Zeitpunkt vor der Ladefläche des Lastwagens absetzen«, versprach Josuah Parker. »Zwischen Wollen und Können, Mister Parker, besteht ein erheblicher Unterschied«, erwiderte Ann Lomings. »Ich wiederhole noch mal: so etwas ist nur Spezialisten möglich, die das trainiert haben! Sie schaffen das niemals! Es kommt dabei wirklich auf Zehntelsekunden an…« »Haben Sie etwa Angst, meine Liebe?« forschte die ältere Dame. »Ich werde sofort mit dem Regisseur reden und alles in die Wege leiten. Sagen Sie, meine Gute, was an Honorar kann ich eigentlich verlangen? Umsonst werde ich natürlich nicht einspringen. Eine Frau wie ich muß mit jedem Penny rechnen.« »Ich werde niemals mitmachen«, behauptete Ann Lomings, doch die ältere Dame hörte schon nicht mehr zu, stürmte förmlich hinüber zum Aufnahmeteam und verwickelte den Regisseur in ein Gespräch, das sie fast allein bestritt, wie deutlich zu sehen war. Der Mann, der bisher einen recht energischen Eindruck gemacht hatte, sackte förmlich in sich zusammen. »Ich fürchte, Miß Lomings, Sie werden den Stunt ausführen müssen«, sagte Mike Rander zu der Artistin. »Sie kennen die Überredungskunst Lady Simpsons nicht. Wenn der Regisseur nicht höllisch aufpaßt, wird sogar er es sein, der vom Jeep auf den Truck umsteigt.« »Dem möchte meine bescheidene Wenigkeit sich unbedingt anschließen«, schaltete Josuah Parker sich ein. »Sie werden Mylady noch kennenlernen, Miß Lomings!« * »Lieber Himmel, das geht doch niemals gut«, sorgte sich Mike Rander eine halbe Stunde später und holte tief Luft. »Kathy, sehen Sie lieber nicht hin.« »Ich setze auf Mister Parker«, erwiderte Kathy Porter und lä-
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chelte. »Er wird sich Mylady genau anpassen, Mike. Nur keine Sorge.« »Einer Lady Simpson kann man sich nicht anpassen«, behauptete der Anwalt in einer Mischung aus Ironie und leichter Verzweiflung. »Wo ist das nächste Mauseloch, in das ich mich verkriechen kann?« »Es wird bestimmt Klappen, Mike«, beruhigte Kathy Porter ihren Partner. »Mister Parker hat ja auch eben das Attentat verhindert.« »Und genau das geht mir nicht aus dem Kopf«, meinte der Anwalt. »Man scheint mit Ann Lomings wirklich Katz und Maus spielen zu wollen.« »Schade, daß man die beiden Täter nicht erwischt hat«, bedauerte Kathy. »Aber sie waren ja bereits weg, als Mister Parker eintraf.« »Möglicherweise sind das die beiden Kerle gewesen, die vom Sportwagen aus die Eierhandgranate geworfen haben«, sagte der Anwalt. »Einer dieser Kerle war laut Mister Parker eine Frau«, erinnerte Lady Simpsons Gesellschafterin. »Das kann eine prächtige Täuschung gewesen sein«, antwortete der Anwalt. »Wir haben ja gesehen, wie schnell man Lady Simpson in einen Truckfahrer verwandelte. Also ist auch umgekehrt so etwas möglich, Kathy.« Während er redete, blickte er hinüber zur Landstraße. Der Track, von Mylady gesteuert, setzte sich gerade in Bewegung und nahm schnell Fahrt auf. Der schwere, dreiachsige Wagen schlingerte allerdings ein wenig und zeigte eine deutlich erkennbare Neigung, seine Längsseite an den Alleebäumen scheuern zu wollen. »Sie übertreibt mal wieder«, unkte Mike Rander. »Man hat ihr doch gesagt, nur ein wenig in Schlangenlinien zu fahren.« »Mister Parker kommt«, meldete Kathy Porter begeistert und deutete auf den Jeep, den der Butler steuerte. Er trug eine Lederjacke und hatte die schwarze Melone gegen eine Lederkappe getauscht. Sein weißer Eckkragen und der schwarze Binder wurden von einem Wollschal verdeckt. Auf Parker jedoch achtete man ohnehin nicht. Die Kamera konzentrierte sich ganz auf Ann Lomings, die gerade über die Windschutzscheibe stieg und auf die flache Motorhaube des Jeeps glitt. Sie erledigte das mit katzen-
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hafter Geschmeidigkeit, obwohl Parker die Fahrt des Jeeps gerade beschleunigte. »Sie verpatzt alles«, stöhnte Mike Rander, der sich im Gegensatz zur Kamera ausschließlich auf Lady Agatha konzentrierte. Der schwere Lastwagen absolvierte inzwischen eckige Kurven auf der engen Straße und wurde ebenfalls immer schneller. Agatha Simpson schien inzwischen den wilden Ehrgeiz zu haben, den Jeep abzuhängen. »Das sieht aber alles sehr echt aus«, freute sich Kathy Porter, die nach wie vor auf Parkers Feingefühl und Anpassungsvermögen setzte. Die beiden Wagen jagten jetzt in schnellem Tempo über die schmale Straße. Agatha Simpson hatte schließlich vor Antritt der Fahrt fest versprochen, auf jeden Trick zu verzichten. Der Jeep hatte Mühe, dem wilden Zickzack des Lastwagens zu folgen. Einige Male kam Parker zwar dicht an die Ladefläche heran, doch Ann Lomings konnte einfach nicht übersteigen. Immer dann, wenn sie sich von der Motorhaube abdrücken wollte, sorgte Lady Simpson dafür, daß der Lastwagen einen jähen Schlenker machte. Das alles sah ungemein wirkungsvoll und echt aus. Und es war wohl auch so gemeint, wie es wirkte. Agatha Simpson wollte die Artistin am Übersteigen eindeutig hindern. Doch sie hatte die Rechnung ohne den Butler gemacht. Er brachte den Jeep noch näher an die Ladefläche heran und sorgte dafür, daß Ann Lomings endlich mit weitem Satz auf den Truck springen konnte. Sie rollte sich geschickt auf der Ladefläche ab, stand dann auf und lief nach vorn zum Fahrerhaus. Dabei hielt sie sich an Tauen fest, die die Ladefläche überspannten. »Sie können die Augen wieder öffnen, Mike«, sagte Kathy Porter, »es ist geschafft.« »Oder auch nicht«, stieß Mike Rander hervor. »Sehen Sie doch, Kathy, Lady Simpson bleibt in ihrer Rolle als verfolgter Gauner.« Der Anwalt übertrieb keineswegs. Lady Agatha dachte nicht im Traum daran, das Tempo zu mindern und jagte mit dem Lastwagen weiter die Straße hinunter. Dann verschwand der schwere Wagen in einer Senke, durch die die Landstraße führte. Sekunden später war sehr deutlich ein ungemein lautes Krachen und Scheppern zu vernehmen. Dann stieg eine Rauch- und Staubwolke zum Himmel, die einen gewissen Zwischenfall fürchten ließ.
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* »Eine Unverschämtheit«, entrüstete sich die ältere Dame erneut. Sie saß mit Mike Rander, Kathy Porter, Ann Lomings und Butler Parker an einem Tisch, der im Gästezimmer eines Gasthofes stand. »Sie haben wunderbar reagiert, Mylady«, sagte Ann Lomings. »Ich weiß«, erwiderte die ältere Dame, »aber mein Kreislauf ist doch ein wenig durcheinandergeraten. Das will ich auf keinen Fall verschweigen.« Sie langte nach dem Glas, das mit Rumpunsch gefüllt war und nahm erneut einen kräftigen Schluck. Während sie das Glas absetzte, schaute sie stolz in die Runde. »Ich hatte einfach keine andere Wahl, als in die Scheune zu fahren«, berichtete sie noch mal. »Mister Parker, was hätten Sie an meiner Stelle getan? Ich wette, Sie hätten die Nerven verloren.« »Ein Umstand, den man nicht unbedingt ausschließen sollte«, antwortete der Butler in seiner höflichen Art. »Zwei Schüsse in der Windschutzscheibe«, erwähnte die Detektivin noch mal eindringlich, obwohl sie auf diesen Umstand schon mehrfach hingewiesen hatte. »Zwei gezielte Schüsse. Man wollte mich umbringen.« »Daran dürfte kein Zweifel bestehen, Mylady«, versicherte der Butler. »Nun gut, die Scheune ist zu Bruch gegangen«, redete die ältere Dame weiter, »aber was besagt das schon? Das Farmhaus dahinter ist schließlich nur leicht angekratzt worden.« »Eine Ecke des Hauses fehlt«, präzisierte der Anwalt, »und der ganze Bau ist schräg in sich zusammengerutscht.« »Eigentlich mehr in sich zusammengefallen«, fügte Kathy Porter hinzu. »Was ist das schon gegen ein Menschenleben?« fragte Lady Agatha und stärkte erneut ihren Kreislauf. »Wie gut, daß Miß Lomings rechtzeitig vom Lastwagen gesprungen ist.« »Ich sah nur die Scheune, sonst nichts«, warf die Artistin ein, »von den beiden Schüssen habe ich nichts gehört. Ich merkte, daß da etwas nicht in Ordnung war.« »Ohne mich, meine Liebe, würden Sie jetzt nicht mehr leben«, behauptete Agatha Simpson, »aber Sie brauchen sich nicht zu
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bedanken. Ich bestehe allerdings darauf, daß Sie mir die ganze Wahrheit sagen. Natürlich ahnen Sie, wer Sie umbringen will, nicht wahr?« »Aber nein, wirklich nicht«, versicherte Ann Lomings. »Ich stehe vor einem echten Rätsel, Mylady.« »Nun gut, ich werde es lösen«, versprach die passionierte Kriminalistin. »Ab sofort schalte ich mich ein. Mister Parker allein kann solch einen Fall nicht klären. Sie sind doch hoffentlich meiner Meinung, oder?« Sie schaute ihren Butler streng an. Mike Rander und Kathy Porter hüteten sich, sich gegenseitig in die Augen zu blicken. »Mylady haben den anstehenden Fall eigentlich schon gelöst«, erklärte Josuah Parker ernst und höflich. »Richtig«, erwiderte die ältere Dame. »Es handelt sich nur noch um gewisse Kleinigkeiten, Mister Parker, die Sie übernehmen sollten. Sie wissen ja, daß ich mich mit unwichtigen Dingen nicht abgebe.« »Sie haben den Fall so gut wie gelöst?« wunderte sich Ann Lomings. Sie schaute Lady Agatha bewundernd an. »Natürlich, meine Liebe«, behauptete Agatha Simpson. »Irgend jemand will sich natürlich an Ihnen rächen. Das liegt für mich klar auf der Hand.« »Rächen? Und wer sollte das sein?« »Klären Sie das mit Mister Parker«, meinte die ältere Dame. »Aber ich glaube, daß Sie irgendeinen Menschen zutiefst beleidigt haben müssen, ohne allerdings selbst davon zu wissen.« »Gibt es bei Ihnen nicht so etwas wie Konkurrenzneid?« fragte Kathy Porter. »Natürlich, auch das gibt es. Wo gibt es das nicht?« Ann Lomings zuckte die Achseln. »Gutbezahlte Stunts werden schließlich nicht jeden Tag angeboten.« »Würde das alles reichen, einen Menschen umbringen zu lassen?« schaltete Mike Rander sich ein. »Bestimmt nicht.« Ann Lomings schüttelte energisch den Kopf. »Aber man sprengte, wenn man daran höflichst erinnern darf, Ihr Wohnmobil in die Luft«, ließ Josuah Parker sich vernehmen. »Mylady wäre beinahe das Opfer dieses ruchlosen Attentats geworden.« »Und mit dem Begriff Tiger können Sie nach wie vor nichts anfangen?« wollte der Anwalt wissen. »Wir sprachen ja eben davon,
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Miß Lomings.« »Ich habe noch nie etwas von einem Tiger gehört, bis die Drohbriefe und Anrufe kamen«, entgegnete die Artistin, »natürlich mache ich mir meine Gedanken.« »Wie erfreulich, meine Liebe«, sagte Lady Agatha spitz. »Warum schießt man nicht direkt auf mich?« redete Ann Lomings nachdenklich weiter. »Warum will man mich, ja warum will man mich indirekt umbringen?« »Weil man Sie auf die Folter spannen will, Ann«, vermutete Kathy Porter. »Man will Sie nach allen Regeln der Kunst fertigmachen. Und man hat es mit einem Tiger zu tun, der sich in Ihrer Branche sehr gut auskennt.« »Bestimmt sogar, Kathy«, pflichtete Ann Lomings ihr bei, »manchmal glaube ich, daß dieser Tiger zu den Leuten gehört, die mit Stunts oder mit dem Film zu tun haben.« »Eine Feststellung, der kaum etwas hinzuzufügen ist«, äußerte Josuah Parker. »Wo, wenn man fragen darf, beabsichtigen Sie, den restlichen Tag zu verbringen?« »Bei Freunden«, gab Ann Lomings zurück. Sie wich deutlich aus. »Darf man erfahren, wer die Freunde sind und wo sie wohnen?« »Ach, wissen Sie, Mister Parker, ich werde schon allein zurechtkommen«, meinte die Artistin da und tat optimistisch, was aber deutlich aufgesetzt wirkte. »Ich möchte Sie wirklich nicht weiter mit meinem Problemen belästigen.« »Was soll das heißen, meine Liebe?« fragte die ältere Dame. In ihrer Stimme war ein deutliches Grollen zu vernehmen. »Sie brauchen sich nicht weiter mit mir zu beschäftigen«, redete Ann Lomings weiter. »Ich bringe Sie alle doch nur unnötig in Gefahr.« »Das lassen Sie mal meine Sorge sein, meine Beste«, lautete Myladys Antwort. »Das hier ist längst nicht mehr Ihr Fall. Man hat mehrfach versucht, mich zu ermorden. So etwas faßt eine Lady Simpson sich nicht bieten. Ob es Ihnen nun paßt, meine Liebe, oder nicht, das steht nicht zur Debatte… Man hat mir den Krieg erklärt! Ich nehme diese Herausforderung an! Und ich werde…« Sie kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden, denn in diesem Moment barst die Scheibe eines Fensters. Splitter regneten, die Vorhänge wurden zur Seite geschoben, dann entdeckte Josuah Parker auf dem Fußboden eine Eierhandgranate, die sehr echt
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aussah… * »Lächerlich«, meinte Lady Agatha spöttisch. Sie musterte Ann Lomings, Mike Rander und Kathy Porter, die aufgesprungen waren. Josuah Parker legte hingegen keine Hast an den Tag, wenngleich auch er sich nun erhob. »Wir sollten schleunigst verschwinden«, meinte Rander und zeigte auf die Eierhandgranate. »Unsinn, mein Junge«, antwortete die Detektivin. »Natürlich handelt es sich wieder um eine Attrappe. Das sieht man doch auf den ersten Blick.« »Eine gewisse Vorsicht wäre vielleicht dennoch angebracht«, antwortete der Butler, der sich angesprochen fühlte. Er hob die Eierhandgranate auf und wog sie in der linken, schwarz behandschuhten Hand. Und dann, mit einer Schnelligkeit, die man sonst an Parker nicht beobachten konnte, warf der Butler die Attrappe wieder nach draußen, und zwar so, daß sie seitlich vom eingeworfenen Fenster auf dem Innenhof des Gasthofes landete. »Auch Sie lassen sich ins Bockshorn…« Agatha Simpson kam nicht mehr dazu, ihren Satz zu beenden. Eine Detonation schnitt ihr das Wort ab. Die Vorhänge wurden von der Stange gerissen, Glassplitter wirbelten durch die Luft. »Was war denn das?« fragte die ältere Dame und schien völlig perplex. »Nach Lager der Dinge, Mylady, dürfte es sich um eine durchaus echte Eierhandgranate gehandelt haben«, beantwortete Parker die Frage gemessen und höflich wie stets. Er stäubte mit den Fingerspitzen einige Glassplitter von seinem schwarzen Covercoat. »Es geht eben nichts über Fachkenntnisse«, ließ Mike Rander sich vernehmen und blickte Lady Agatha an, die sich daraufhin explosionsartig räusperte. Sie hatte Glück, auf die Feststellung Mike Randers nicht antworten zu müssen. Die Tür zum kleinen Gästezimmer war inzwischen aufgerissen worden. Der Wirt und einige Gäste aus dem Schankraum schoben sich erwartungsvollvorsichtig herein und blickten konsterniert auf das zerfetzte Fens-
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ter. »Wir hatten es nur mit einer Attrappe zu tun«, meinte der Anwalt ironisch. »Es handelte sich um die Nachbildung einer Eierhandgranate.« »Sind Sie sicher, Sir?« fragte der Gastwirt. »Natürlich, so wurde es mir nämlich erklärt«, redete Mike Rander weiter. »Eierhandgranate?« Der Gastwirt begriff erst jetzt, was passiert war und geriet in eine gewisse Panik. »Ersparen Sie sich weitere Fragen«, meinte Rander, »wir haben auch keine Ahnung, wer sie warum hier ins Zimmer warf.« »Polizei«, meinte der Gastwirt, »ich muß sofort die Polizei anrufen. Eierhandgranate?! So etwas ist hier noch nie passiert.« »Nun reißen Sie sich gefälligst zusammen, junger Mann«, fuhr die ältere Dame ihn an. »Nehmen Sie sich ein Beispiel an mir! Ohne meine Geistesgegenwart wäre tatsächlich doch noch etwas passiert.« »Ich breche zusammen«, flüsterte Mike Rander Myladys Sekretärin zu. »Sie muß einfach recht haben.« »Ich genieße es, Mike«, gestand Kathy Porter. »Mich stört das überhaupt nicht.« »Ohne Parker hätte es uns alle erwischt.« Rander zündete eine Zigarette an und blickte auf den Butler, der würdevoll und beherrscht am Fenster stand. »Aber gleich wird Lady Simpson ihm die Schuld in die Schuhe schieben.« »Ihre Wachsamkeit, Mister Parker, läßt nach«, stellte die Detektivin gerade mißbilligend fest. »Sie hätten doch den Werfer der Handgranate sehen müssen.« »In der Tat, Mylady«, antwortete Parker. »Hoffentlich kann man meiner Wenigkeit noch mal verzeihen.« »Das muß ich mir erst noch mal gründlich überlegen«, sagte Agatha Simpson grollend. »Wie gut, daß wenigstens ich die Nerven behalten habe…« »Mylady sind und bleiben ein Vorbild, das man nur als leuchtend bezeichnen kann.« »Ich weiß«, entgegnete sie schon wesentlich wohlwollender. »Nun, ich denke, man sollte auf diesen Zwischenfall nicht mehr zurückkommen, Mister Parker. Dafür aber werde ich mich jetzt voll und ganz dem Gangster widmen, der mich umbringen wollte. Kommen Sie!«
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»Mylady haben eine Spur, die es aufzunehmen gilt?« erkundigte sich der Butler. »Das wird sich schon ergeben«, meinte sie optimistisch. »Ich werde mich wieder mal von meiner Intuition leiten lassen, Mister Parker. Folgen Sie mir, Sie dürfen keine Zeit verlieren!« »Viel Vergnügen, Mister Spurenleser«, sagte Rander zu Josuah Parker, der daraufhin würdevoll seine schwarze Melone lüftete und seiner Herrin folgte, die ihre respektable Fülle bereits energisch in Bewegung gesetzt hatte. * »Und was haben Sie entdeckt?« fragte Chief-Superintendent McWarden neugierig. Es war inzwischen später Nachmittag geworden. Der Yardbeamte, der ein Sonderdezernat leitete und dem Innenministerium direkt unterstellt war, kam wieder mal ganz zufällig vorbei, wie er fast immer behauptete, wenn er sich im Fachwerkhaus der Lady Simpson einfand. McWarden, ein Fünfundfünfziger, untersetzt, mit leichtem Bauch und angedeuteten Basedowaugen ausgestattet, erinnerte an eine stets leicht gereizte Bulldoge. Der Chief-Superintendent schätzte Parkers Methoden und fand sich immer dann ein, wenn er beruflich mit besonderen Schwierigkeiten zu kämpfen hatte. Er schätzte aber auch Lady Agatha, deren Temperament und angebliche Intuition. McWarden befand sich allein mit Parker in der großen Wohnhalle und nahm dankbar den Sherry entgegen, den der Butler gerade servierte. »Es fanden sich leider noch nicht mal die Andeutungen von brauchbaren Spuren, Sir«, antwortete Josuah Parker auf McWardens Frage. »Der Täter entfernte sich aber offensichtlich in einem kleinen Sportwagen, wie Augenzeugen berichteten.« »Ich bin natürlich nicht zufällig vorbeigekommen«, räumte McWarden nun ein. »Dies unterstellte meine Wenigkeit bereits«, lautete Parkers Antwort. »Man dürfte Sie, Sir, hinsichtlich der geworfenen Eierhandgranate informiert haben.« »Richtig«, sagte der Chief-Superintendent, »als die Polizei draußen in Dorking Myladys Namen hörte, rief man mich umgehend an. Es muß da auch einen Zwischenfall mit einem Lastwa-
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gen gegeben haben, wie?« »Mylady zerlegte notgedrungen eine an sich schon recht baufällige Scheune in ihre Einzelbestandteile«, erläuterte der Butler. »Darüber hinaus sah Mylady sich gezwungen, auch noch ein Farmhaus ein wenig aus dem Gleichgewicht zu bringen.« »Warum habe ich nie das Glück, so etwas sehen zu dürfen«, beschwerte sich McWarden und grinste schadenfroh. »Es wurde auf Lady Simpson geschossen?« »Eindeutig, Sir.« »Was halten Sie davon, mir die ganze Geschichte zu erzählen, Parker?« »Wie Sie wünschen, Sir.« Parker faßte sich relativ kurz und berichtete das, was er berichten wollte. Gewisse Details sparte er allerdings aus. So sagte er zum Beispiel nichts von einem gewissen Ken Lifton, der in der vergangenen Nacht versucht hatte, eine Giftgasbombe ins Haus zu werfen. Auch verschwieg er, daß Horace Pickett, der ehemalige Eigentumsübereigner, sich bereits für Agatha Simpson betätigte. »Eine tolle Geschichte«, faßte McWarden zusammen, als der Butler seinen Bericht beendet hatte. »Von diesem Wohnmobil habe ich übrigens bereits gehört. Der Vorgang ging zur Information über meinen Schreibtisch. Es geht also um eine Ann Lomings. Eigenartig, daß sie sich nicht an die Polizei gewendet hat, wie?« »Man scheint, aus welchen Gründen auch immer, Sir, die Polizei nicht überall und grundsätzlich zu schätzen.« »Wem sagen Sie das, Mister Parker!« McWarden seufzte. »Sie schließen aus, daß die Lomings für sich Reklame machen will?« »Die scharfen Schüsse und die erwähnte Eierhandgranate sprechen wohl dagegen, Sir.« »Nun ja, zumindest auf den ersten und zweiten Blick«, räumte der Chief-Superintendent ein. »Was wissen Sie über den Hintergrund dieser Artistin?« »So gut wie nichts, Sir.« »Ich könnte mich da einschalten. Wir haben hübsche Computer, die alles speichern, was sie bekommen können.« »Ein Thema, Sir, das man nur als brisant bezeichnen kann«, meinte der Butler höflich. »Diese Computer bekommen meiner bescheidenen Ansicht nach bereits zuviel an Informationen.« »Aber ich werde doch wenigstens mal checken lassen dürfen, ob
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wir einen Tiger haben, oder?« »Dies, Sir, könnte in der Tat nicht schaden«, antwortete Josuah Parker. »Und da wäre noch das Kennzeichen eines kleinen Sportwagens. Es dürfte sich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit um ein Fahrzeug der Marke Triumph gehandelt haben.« »Und was war damit?« wollte der Chief-Superintendent wissen. »Aus dem erwähnten Wagen, Sir, wurde eine Eierhandgranate auf meine bescheidene Wenigkeit geworfen«, erwiderte der Butler. »Es handelte sich, wie sich dann herausstellte, erfreulicherweise um eine Attrappe.« »Dazu möchte ich mehr hören, Mister Parker.« »Wenn Sie darauf bestehen, Sir, wird man Ihrem Wunsch nachkommen«, erwiderte Josuah Parker gemessen, der anschließend einige Stichworte zu dem Zwischenfall lieferte. McWarden hörte aufmerksam zu und lächelte flüchtig, als Parker von seiner Reaktion auf die Eierhandgranate berichtete. »Auf diesen Trick mit der Melone können Sie sich etwas einbilden«, meinte er dann. »In ähnlicher Weise äußerte sich bereits jene Person, Sir, die sich Tiger zu nennen beliebt.« »Ich will mich ja nicht in Theorien verlieren«, schickte der ChiefSuperintendent voraus, »aber dieser Tiger, wie er sich nennt, scheint Sie verdammt gut zu kennen.« »Woraus belieben Sie das zu schließen, Sir?« »Nun ja, Sie hatten doch gerade erst Kontakt mit Ann Lomings aufgenommen, oder? Und kurz danach warf man bereits ein Messer auf Sie… und dann diese Eierhandgranate, die Sie endgültig warnen sollte. Dieser Tiger scheint Sie zu fürchten, Mister Parker!« »Er dürfte meiner Wenigkeit in der Tat nicht sonderlich gewogen sein«, entgegnete der Butler. »Dies bezieht sich allerdings auch auf Lady Simpson, was auf keinen Fall verschwiegen werden sollte. Der Anschlag in Dorking galt eindeutig der Person Myladys.« »Ich habe eben das Stichwort Theorien genannt«, schickte der Chief-Superintendent voraus. »Haben Sie bereits so etwas entwickelt, Mister Parker? Haben Sie eine vage Vorstellung davon, wo Sie diesen Tiger zu suchen haben?« »Nur in Umrissen, Sir, wenn man es so ausdrücken darf.« »Stammt er aus den Kreisen dieser Stunt-Leute?« »Solch eine Möglichkeit sollte man sicher nicht ausschließen.«
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»Dieser Personenkreis müßte doch zu kontrollieren sein, oder?« »Ein wertvoller Hinweis, Sir«, behauptete der Butler. »Ich kann das ganz diskret für Sie übernehmen«, bot McWarden seine Hilfe noch mal an. »Solch eine Personenliste, Sir, wäre in der Tat recht nützlich«, antwortete Josuah Parker. »Offiziell werde ich mich nicht einschalten«, redete der ChiefSuperintendent weiter, »diese Handgranatengeschichte in Dorking liegt außerhalb meiner Zuständigkeit. Aber wie gesagt, inoffiziell werde ich mithelfen, damit Sie so schnell wie möglich an den sogenannten Tiger herankommen. Komisch, dieser Spitzname in der kriminellen Szene ist mir fremd. Und was diese Ann Lomings betrifft, so werde ich checken lassen, ob wir etwas über sie haben.« »Es steht meiner Wenigkeit nicht zu, Sir, Ihnen dies zu untersagen«, meinte der Butler. »Eine gewisse Zuständigkeit ist immerhin gegeben«, erklärte McWarden. »Denken Sie an Ann Lomings Wohnmobil, das in die Luft gejagt worden ist. Sie vermuten tatsächlich, daß man Sie durch gezielte Schüsse davon abhalten wollte, diesen Wagen zu betreten?« »Eine andere Erklärung, Sir, bietet sich zur Zeit nicht an«, entgegnete Josuah Parker, der McWarden auch von diesem Detail berichtete hatte. »Alles sehr rätselhaft«, gab der Chief-Superintendent zurück. »Ich werde mich verabschieden, Mister Parker. Ich bin neugierig darauf, was unsere Computer über Ann Lomings gespeichert haben.« »Sie wollen nicht auf Mylady warten, Sir?« »Auf keinen Fall.« McWarden erhob sich. »Zudem weiß nur der Himmel, wann sie ihre Meditation beenden wird. Ich komme mir jetzt vor wie ein Jagdhund, der eine Spur gewittert hat. Diese Ann Lomings interessiert mich. Wo steckt sie übrigens, nachdem ihr Wohnmobil nicht mehr existiert?« »Miß Lomings versprach, Sir, sich zu melden, sobald sie eine passende und neue Unterkunft gefunden hat«, erwiderte Parker. »Doch dieses Versprechen liegt nun schon Stunden zurück. Man kann nur hoffen, daß inzwischen nichts passiert ist.«
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* Der Chief-Superintendent war gerade gegangen, als das Telefon klingelte. Butler Parker begab sich gemessen zum Apparat, hob den Hörer ab und meldete sich. Auf der Gegenseite antwortete Ken Lifton, jener Mann, der während der Nacht auf dem Dach des altehrwürdigen Hauses gewesen war. Liftons Stimme klang aufgeregt. »Ich glaube, ich hab da einen sensationellen Tip für Sie«, sagte er. »Ich bin auf ‘ne Sache gestoßen, die sich gewaschen hat.« »Eine Ankündigung, die hoffen läßt«, antwortete der Butler. »Ich spreche von Ann Lomings«, redete Ken Lifton weiter. »Dies war zu erwarten.« »Hören Sie, interessieren Sie sich eigentlich noch für sie?« wollte Ken Lifton wissen. »In Grenzen und mit Maßen«, lautete Parkers Antwort. »Ließe es sich möglicherweise einrichten, zur Sache zu kommen?« »Mann, Sie haben vielleicht ‘ne komische Art am Leib«, mokierte sich Lifton ein wenig. »Was kann Sie eigentlich aus der Ruhe bringen?« »Es handelt sich um eine überfallartige Frage, die sich aus dem Moment nicht beantworten läßt«, meinte Parker. »Wenn Sie einverstanden sind, wird man darüber nachdenken.« »Ich glaube, Mister Parker, ich kenn’ den Mann, der die Lomings umbringen will.« »Dies klingt verheißungsvoll, Mister Lifton.« »Hören Sie, umsonst ist der Tod! Für meinen Tip will ich natürlich Geld sehen!« »Solch eine Forderung kann man Ihnen unmöglich verdenken. An welche Summe dachten Sie, Mister Lifton?« »Tausend Pfund wenigstens…« »Eine Summe, über die sich diskutieren läßt.« »Bringen Sie das Geld mit. Ich erwarte Sie in etwa einer Stunde in Soho.« »Sie setzen voraus, daß meine Wenigkeit erscheinen wird?« »Klar doch, Mister Parker, Sie brauchen schließlich ‘nen Tip, oder etwa nicht? Hören Sie genau zu! Wir treffen uns also in Soho, und zwar vor dem Break-Hospital…« Bevor Josuah Parker darauf antworten konnte, wurde auf der Gegenseite aufgelegt. Der Butler folgte diesem Beispiel und be-
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gab sich hinauf ins Obergeschoß. An der Tür zum Studio blieb er stehen und registrierte das Rotlicht über dem Rahmen. Mylady zeigte damit an, daß sie auf keinen Fall gestört werden wollte. Dennoch klopfte Parker diskret. »Was ist denn?« fragte die ältere Dame, als sie die Tür öffnete. Ihre Stimme klang wie aufkommendes Gewittergrollen. »Ausgerechnet jetzt müssen Sie kommen, Mister Parker. Ich war gerade dabei, mit meinem Bestseller zu beginnen.« Was einfach nicht stimmte, wie Parker sofort sah. Gewiß, in die moderne Typenrad-Schreibmaschine war ein Blatt Manuskriptpapier eingespannt worden, doch darauf war keine einzige Zeile zu sehen, noch nicht mal ein Buchstabe. Dafür aber war im Gehäuse des Fernsehgerätes ein Knacken zu vernehmen. Mylady mußte den Apparat eben erst ausgeschaltet haben, denn die Wärme im Gehäuse baute sieh noch ab. »Vor wenigen Augenblicken, Mylady, rief der sogenannte Tiger an«, berichtete Parker. »Was Sie nicht sagen?« Die ältere Dame schaltete auf vorsichtiges Wohlwollen um. »Um genau zu sein, Mylady, es handelte sich um Mister Ken Lifton, der aber wohl eindeutig im Auftrag des sogenannten Tigers den Anruf tätigte.« »Wer ist Ken Lifton?« fragte die Hausherrin und runzelte die Stirn. »Jener junge Mann, Mylady, der die Absicht hatte, eine Giftgasbombe in Myladys Haus unterzubringen.« »Ich weiß«, meinte sie ungeduldig, »und ich sage nach wie vor, daß es ein Fehler war, dieses Subjekt gehen zu lassen, Mister Parker.« »Dadurch konnte der Tiger jetzt seinen Köder auslegen, Mylady.« »Reiner Zufall«, meinte sie. »Aber ich will dieses Thema nicht weiter vertiefen, Mister Parker. Sie sollen mich nicht für nachtragend halten.« »Mylady sind zu gütig.« »Und was will der Tiger von mir, Mister Parker?« »Mister Ken Lifton erwarten Mylady und meine Wenigkeit in einer Stunde in Soho.« »Eine Falle, nicht wahr?« »In der Tat, Mylady.«
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»Draußen in Dorking hat dieser Tiger es nicht geschafft, mich umzubringen«, schickte sie grimmig voraus, »jetzt will der Gangster den nächsten Versuch riskieren.« »So sollte man diese Einladung durchaus einschätzen, Mylady.« »Ich werde den Spieß natürlich umdrehen.« Ihre Augen funkelten unternehmungslustig. »Ich selbst werde dem Tiger eine Falle stellen.« »Mylady haben dazu bereits konkrete Vorstellungen?« »Aber nein, da lasse ich Ihnen völlig freie Hand«, sagte sie. »Mit solchen Kleinigkeiten gebe ich mich nicht ab, Mister Parker. Lassen Sie sich etwas Hübsches einfallen!« »Wie Mylady wünschen.« Parker deutete eine knappe Verbeugung an. »Dazu sollte man vielleicht so schnell wie möglich das Haus verlassen.« »Ich bin jederzeit bereit«, behauptete sie. »Ich bin in wenigen Minuten unten, Mister Parker.« Wieder in der großen Wohnhalle, telefonierte Josuah Parker mit Mike Rander, der sich zusammen mit Kathy Porter in der Anwaltskanzlei in der Curzon Street aufhielt. »Sie rechnen fest mit eine Falle, Parker, und Sie wollen dennoch dorthin?« wunderte sich der Anwalt. »In der Tat, Sir«, antwortete Parker. »Vielleicht ergibt sich so endlich eine Möglichkeit, etwas näher an den sogenannten Tiger heranzukommen.« »Sie rechnen doch hoffentlich mit Schüssen aus dem Hinterhalt«, warnte Mike Rander. »Gewiß, Sir«, lautete die Antwort des Butlers. »Man wird sich darauf einstellen, wenn ich es so ausdrücken darf.« * Ken Lifton stand in der Auffahrt zum Hospital und machte einen nervösen Eindruck. Er blickte sich immer wieder in Richtung Zentralgebäude um und beobachtete den Straßenverkehr. Als Parkers hochbeiniges Monstrum sich in sein Blickfeld schob, starrte Ken Lifton den Wagen an, rührte sich jedoch nicht von der Stelle, obwohl Josuah Parker kurz hielt. Er befand sich mit seinem Gefährt auf der gegenüberliegenden Straßenseite und lüftete gerade höflich und einladend die schwarze Melone.
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»Glaubt dieses Subjekt etwa, daß ich aussteigen werde?« entrüstete sich die ältere Dame, nachdem Parker sie auf Ken Lifton aufmerksam gemacht hatte. »Mister Ken Lifton dürfte eine Schußwaffe fürchten, Mylady, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf ihn gerichtet ist«, erklärte Josuah Parker in seiner höflichen Art. »Das dachte ich mir bereits«, behauptete sie natürlich. »Und wo vermute ich diesen Schützen, Mister Parker?« »Er dürfte sich im Treppenhaus des Zentralgebäudes befinden, Mylady. Von dort aus hat er einen guten Blick auf die Einfahrt.« »Natürlich ist er dort«, sagte sie. »Wo sollte er denn sonst stecken, Mister Parker? Ich erwarte, daß Sie mir dieses Subjekt zutreiben.« »Meine Wenigkeit wird alles tun, um Myladys Erwartungen zu erfüllen«, versprach der Butler, der inzwischen weiterfuhr. Lady Agatha wandte sich um und beobachtete den stellungslosen Stuntman, der nach wie vor in der Auffahrt stand und sich nicht vom Fleck rührte. »Was habe ich jetzt vor, Mister Parker?« erkundigte sich Lady Simpson. »Mylady werden sich Mister Lifton von der anderen Straßenseite aus nähern«, erklärte der Butler. »Mylady erwarten, daß der Wagen sich als eine Art Schutzwall zwischen Mister Lifton und dem Treppenhaus aufbaut.« »Das ist völlig richtig«, meinte sie erfreut. »Auf diese Art mache ich gezielte Schüsse unmöglich.« »Mylady werden dann Mister Lifton zu sich in den Fond des Wagens einladen«, redete der Butler weiter, »und Mylady werden Mister Lifton wahrscheinlich keine Möglichkeit geben, das sogenannte Weite zu suchen.« »Darauf können Sie sich verlassen. Und was werden Sie tun, Mister Parker?« »Meine Wenigkeit wird versuchen, dem Treppenhaus einen Besuch abzustatten.« »Was natürlich nichts bringen wird«, vermutete sie abfällig. »Der Tiger wird Zeit genug haben, sich schleunigst abzusetzen. Aber ich lasse Ihnen da völlig freie Hand! Auch Sie sollen ein AhaErlebnis haben, Mister Parker!« »Mylady sehen meine Wenigkeit dankbar«, lautete Parkers Antwort. Er hatte weit hinter dem Hospital gewendet und fuhr nun
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auf der richtigen Seite zurück zur Auffahrt. Bald darauf machte er Ken Lifton aus. Der hagere Mann mit dem knochigen Gesicht stand noch immer in der Auffahrt und schien auf die Rückkehr des hochbeinigen Monstrums zu warten. Josuah Parker handelte jetzt sehr schnell. Er bog von der Straße in die Auffahrt und hielt dicht hinter Lifton. Lady Agatha entpuppte sieh als eine ungemein energische und zupackende Frau, Sie drückte die hintere Wagentür auf und griff nach Lifton, der mit dem blitzschnellen Manöver nicht gerechnet hatte. Bevor er eine Abwehrbewegung machen konnte, lag er bereits fast waagerecht in der Luft und wurde von Lady Agatha nachdrücklich in den Fond des Wagens gezerrt. Er stieß dabei einen unterdrückten Schrei aus und landete mit dem Bauch flach auf dem Wagenboden, Lady Agatha stellte ihre großen Füße samt Schuhen auf seinen Rücken und hielt den etwa Dreißigjährigen auf diese Art am Wagenboden fest. Parker fuhr bereits weiter, preschte mit seinem hochbeinigen Monstrum hinüber zum überdachten Eingang, passierte ihn und visierte einen verglasten Vorbau an, der für die Rettungswagen gedacht war. Parker hielt an, stieg aus und war wenige Augenblick später bereits in einer Vorhalle, die von zwei Lichtschächten beherrscht wurde. Parker betrat einen der beiden Fahrstühle, drückte auf den Knopf für die vierte Etage und fuhr dann nach oben. Aus reicher Erfahrung wußte er, daß er sich um seine Herrin nicht zu sorgen brauchte. Sie befand sich in einem absolut schußsicheren Wagen. Parker hatte die vierte Etage erreicht, stieg aus dem Lift und hielt dabei in der linken Hand einen völlig normal aussehenden Kugelschreiber, dessen Spitze allerdings wie der Lauf einer Waffe waagerecht gehalten wurde. Parker sah sich einem Mann gegenüber, der an einem der dreigeteilten Fenster stand und hinunter zur Auffahrt blickte. Dieser Mann trug einen einfachen Staubmantel und einen weichen Hut. Das Fenster war ein wenig geöffnet. Der Lärm der Straße war deutlich zu vernehmen. Der Mann wandte sich langsam zu Parker um, nachdem der Butler sich diskret geräuspert hatte. »Verzeihung«, entschuldigte sich Parker und lüftete seine schwarze Melone, »meine Wenigkeit sucht eine noch recht junge Frau, die hier gerade vorbeigekommen sein müßte.«
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»Das stimmt«, erwiderte der Mann und sah Parker lächelnd an, »sie hatte es sehr eilig.« »Sie trug eine Lederjacke und Jeans, Sir?« »Auch das ist völlig richtig«, entgegnete der etwa fünfzig Jahre alte Mann. »Die Frau lief nach oben. Sie sind einige Augenblicke zu spät gekommen.« »Wie bedauerlich.« Parker bedankte sich mit flüchtigem Kopfnicken und ging dann hinüber zur Treppe. Er lüftete noch mal die Melone in Richtung des Mannes, der ihm neugierig nachschaute, und stieg dann gemessen und würdevoll nach unten. Nach wenigen Sekunden hörte er, daß der Fünfzigjährige den Fahrstuhl betrat, die Tür sich mit saugendem Geräusch schloß und der Fahrstuhl nach unten fuhr. Parker verließ die Treppe und begab sich zurück zum Fahrstuhl. Er hatte keineswegs die Absicht, zu Fuß nach unten zu gehen, wobei er mit Sicherheit von der abwärts fahrenden Kabine überholt wurde. Er mußte etwa drei Minuten warten, bis der bewußte Fahrstuhl wieder nach oben zurückkam. Die Tür öffnete sich, der Fünfzigjährige trat heraus und blickte suchend nach allen Seiten um. Er konnte den Butler nicht sehen, denn Parker stand seitlich auf den ersten Treppenstufen und war so dem Blick des Suchenden enthoben. Der Mann griff in seine rechte Manteltasche. Genau in diesem Moment machte Josuah Parker sich bemerkbar. Er wollte jedes Risiko ausschalten und setzte den bleigefütterten Bambusgriff seines Universal-Regenschirms auf den rechten Oberarm des Mannes, der von dieser Aktion völlig überrascht wurde. »Darf man mit Ihrem Verständnis rechnen, falls meine Wenigkeit Sie aufgrund einer falschen Einschätzung inkommodiert haben sollte?« fragte Parker in seiner höflichen Art. Während er das sagte, zog er den paralysierten Arm aus der Manteltasche und förderte anschließend eine Automatic zutage, die sich zusätzlich noch im Mantel befand. »Sie verdammter Hund«, schimpfte der Fünfzigjährige verhalten und wollte mit der linken Hand nach Parker schlagen, doch der Butler wich dem Angriff fast beiläufig aus. »Sie sollten Ihren Emotionen tunlichst nicht nachgeben«, schlug Josuah Parker vor. »Sie… Sie haben mich reingelegt.«
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»Das war der Sinn meiner Taktik«, erwiderte der Butler. »Sie muß Ihnen irregulär vorgekommen sein.« »Sie hätten die Treppe rauflaufen müssen«, sagte der Mann und griff mit der linken, intakten Hand nach seinem immer noch paralysierten rechten Unterarm. »Man soll tunlichst nie das tun, was man von einem erwartet«, erklärte Josuah Parker, »darf man Sie nun höflich bitten, sich zum Wagen hinunter zu begeben? Lady Simpson hat Ihnen sicher einige Fragen zu stellen.« »Und wenn ich das nicht mache?« Der Fünfzigjährige sah den Butler abschätzend an. »In solch einem Fall sieht meine Wenigkeit sich gezwungen, Sie freundlichst zu überreden«, meinte der Butler und ließ den Mann für einen Augenblick auf eine kleine Sprayflasche blicken, die sich plötzlich in seiner rechten, schwarz behandschuhten Hand befand. * »Hallo, altes Mädchen«, grüßte der Fünfzigjährige einige Minuten später, als er zu Lady Agatha in den Fond des Wagens stieg. Er blickte desinteressiert auf Ken Lifton, der noch immer bäuchlings auf dem Wagenboden lag und sich nicht rührte. »Hat dieser Flegel etwa getrunken?« wollte die ältere Dame wissen. Sie hob ihre Stielbrille und musterte kühl-abschätzend den Neuzugang. »Der Herr befindet sich in einem Zustand heiterer Grundstimmung«, erklärte der Butler. »Da er nicht freiwillig mitkommen wollte, mußte er dazu überredet werden.« »Ist das der Tiger?« fragte die Detektivin, während Parker sich ans Steuer seines hochbeinigen Monstrums setzte. »Wohl kaum, wie Mylady es bereits ebenfalls vermuten.« »Natürlich ist das nicht der Tiger«, sagte sie schnell, um sich keine Blöße zu geben. »Es wird irgendein Handlanger sein.« »Dem kann auf keinen Fall widersprochen werden«, antwortete Parker und steuerte den Wagen zurück in die eigentliche Auffahrt. »Darf man sich übrigens nach Mister Liftons Befinden erkundigen?« »Dieser Lümmel wollte mich angreifen«, meinte die ältere Dame grimmig. »Er wollte meine Schwäche ausnutzen.«
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»Eine Absicht, die Mister Lifton nicht in die Tat umsetzen konnte.« »Ich habe ihm meinen Glücksbringer um die Ohren geschlagen«, erklärte Lady Agatha. »Wahrscheinlich dröhnt sein Kopf noch. Ich hoffe es wenigstens, Mister Parker. Wohin werde ich jetzt fahren?« »Mylady haben gewiß die Absicht, den Neuzugang zu verhören.« »Das ist richtig.« Sie nickte. »Er weiß doch bestimmt, wer der Tiger ist, oder, Mister Parker?« »Mylady haben da gewiß einige Zweifel.« »Und ob ich die habe!« Sie nickte sehr nachdrücklich. »Wahrscheinlich hat man auch dieses Subjekt per Telefon angeheuert, nicht wahr?« »Dies, Mylady, steht in der Tat zu vermuten.« »Nun, ich werde schon einige Geheimnisse aus ihm herausholen«, sagte sie grimmig. »Dieses Subjekt wird schnell merken, mit wem es zu tun hat.« Der Fünfzigjährige blickte heiter um sich und schien nicht mitzubekommen, worüber Lady Simpson und ihr Butler sich unterhielten. Er hatte sich in die andere Wagenecke gedrückt und bemerkte jetzt den am Boden liegenden Ken Lifton. »Hallo, alter Junge«, sagte er, »was treibst du dich da unten auf dem Wagenboden herum, eh?« »Sie scheinen diesem Lümmel eine ordentliche Dosis verabreicht zu haben«, stellte die ältere Dame fest. Ihr Blick traf sich mit Parkers im Rückspiegel. »Es handelte sich um die übliche Menge Lachgas«, gab Josuah Parker zurück. Was er sagte, entsprach durchaus den Tatsachen. In der kleinen Sprayflasche befand sich das Lachgas, das von Parker noch zusätzlich mit einer entspannenden Chemikalie angereichert worden war. Gesundheitliche Schäden hatte der Fünfzigjährige auf keinen Fall zu befürchten. »Er muß so etwas wie ein Killer sein«, stellte die Detektivin fest und musterte den Mann erneut durch die Lorgnette. »Aber nach einem berufsmäßigen Mörder sieht er eigentlich nicht aus, wie?« »Wenn Mylady gestatten, möchte meine Wenigkeit sich Myladys Einschätzung vollinhaltlich anschließen.« »Wie man sich täuschen kann.« Sie schüttelte den Kopf. »Er hatte immerhin die Absicht, mich zu ermorden.«
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»Vielleicht sollte er diesen Anschein nur erwecken, Mylady.« »Wie soll ich denn das nun wieder verstehen?« Lady Agatha sah ihren Butler leicht entrüstet an. »Möglicherweise wird der Fahrgast bald Details nennen, Mylady, die auf den momentanen Aufenthaltsort des eigentlichen Tigers hindeuten.« »Können Sie sich nicht deutlicher ausdrücken, Mister Parker?« beschwerte sich die ältere Dame umgehend. »Es wäre durchaus denkbar, Mylady, daß dieser Mann nur die Aufgabe hat, Mylady vor die Mündung einer Waffe zu bringen, die vom Tiger gehalten wird.« »Aha.« Sie hatte zwar noch immer nicht so recht verstanden, doch sie verzichtete darauf, noch mal zu fragen. Wie gesagt, sie wollte sich keine Blöße geben. * »Tatsächlich, Mister Parker, eine Art Zirkus«, äußerte Agatha Simpson. »Dieser Lümmel scheint also doch nicht gelogen zu haben.« Man befand sich in Southwark, in der Nähe von Waterloo Station. Parker hatte vor etwa einer halben Stunde auf einem Parkplatz gehalten und hier den Fünfzigjährigen in seiner höflichen Art befragt. Der Mann, der sich Ostion nannte, trug zu dieser Zeit bereits Handschellen, die aus dem Privatbesitz des Butler stammten. Ebenso war auch Ken Lifton außer Gefecht gesetzt worden. Die beiden Männer saßen im Fond des hochbeinigen Monstrums und konnten nicht verstehen, was Lady Simpson und Butler Parker miteinander redeten. Der Butler hatte die versenkbare Trennscheibe hochgefahren und die hinteren Wagentüren elektronisch verschlossen. Ein Aussteigen selbst mit einem Schneidbrenner hätte sich als recht schwierig gestaltet. »Es dürfte sich um eine halbfeste Manege handeln, Mylady«, sagte Josuah Parker und musterte ebenfalls den Zirkusbau, der auf dem weiten Hof einer ehemaligen Fabrik stand. Links und rechts vom Eingang parkten die Wohn- und Materialwagen des Unternehmens. Sie machten durchweg einen bewohnten Eindruck. »Hierher will dieses Subjekt also bestellt worden sein«, redete
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Agatha Simpson interessiert weiter. »Soll ich das tatsächlich glauben, Mister Parker?« »Mylady sollten erst mal davon ausgehen«, gab der Butler zurück und steuerte sein hochbeiniges Monstrum auf den weiten Fabrikhof, der von einer hohen Ziegelmauer eingeschlossen wurde. »Weit und breit kein Mensch zu sehen«, sagte die ältere Dame weiter und blickte enttäuscht nach allen Seiten. »Ich glaube, Mister Parker, ich werde mich wundern.« »Man dürfte in der Fabrikhalle sein, Mylady«, erwiderte Josuah Parker, der sein hochbeiniges Monstrum noch näher an das zweiflügelige Fabriktor heranbrachte. Er senkte die Seitenscheibe und hörte dann plötzlich einen schmetternden Tusch. »Was war das?« fragte die Detektivin erfreut. »Ein sogenannter Tusch, der offensichtlich von einer Blaskapelle intoniert wurde.« »Was denn sonst?« Sie grollte, was ihre Stimme betraf. »Der Tiger scheint mich auf den Arm nehmen zu wollen, wie?« »Vielleicht findet in der Halle eine Vorstellung statt, Mylady. Wenn Mylady erlauben, wird meine Wenigkeit…« »Ich komme selbstverständlich mit«, erklärte die ältere Dame, die einen gefährlich animierten Eindruck machte, »ich kann Sie doch unmöglich allein lassen.« Sie stieg aus und schien vergessen zu haben, daß ein Gangster, der sich Tiger nannte, hier aufhalten sollte. Agatha Simpson witterte eine hübsche Abwechslung und war wieder mal nicht zu bremsen. Energisch marschierte sie auf das große Tor zu, in dem sich im rechten unteren Teil eine Art Pforte befand. Parker beeilte sich diskret, seiner Herrin zu folgen. »Was sage ich denn dazu, Mister Parker?« Sie hatte die schmale Tür geöffnet und blickte entgeistert auf ein Manegenrund, das von einem Gitter umgeben war. Von den oberen Rängen dieser Gittersegmente führte ein Netz zur Decke der Fabrikhalle und wurde dort von einem Haken gehalten, der an einer daumendicken Stahltrosse hing. Eine wahre Lichterflut strahlte das Rund der Manege an. Auf Podesten, die an Gittersegmenten festgemacht waren, saßen Raubkatzen und wirkten wie gehorsame Schoßtiere. In der Mitte der Manege stand eine Art Wippe. Schräg vor dieser übergroßen Wippe lag eine blondhaarige, junge Frau im Sand und
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rührte sich nicht. Ein Tiger auf der anderen Seite der Wippe schien sich für diese Frau lebhaft zu interessieren und in ihr eine Art Leckerbissen zu sehen. Er fauchte, zeigte seine diversen Zähne und schob sich immer näher an die Frau heran, die nach wie vor wie leblos im Sand lag. Sie schien von dem mächtigen Raubtier bereits schon mal attackiert worden zu sein. Die an sich bereits knappe Kleidung der Dompteuse war zerfetzt. »Es dürfte sich um Miß Ann Lomings handeln«, stellte der Butler fest. »Das habe ich auf den ersten Blick gesehen«, behauptete die ältere Dame, »erstaunlich, daß Sie das erst jetzt herausgefunden haben, Mister Parker.« »Ruuuhe!« brüllte in diesem Augenblick eine aufgebrachte Männerstimme. »Wie war das?« Agatha Simpsons Stimme nahm einen, drohenden Unterton an. »Bin etwa ich gemeint, Mister Parker?« »Unter anderem«, bemerkte der Butler. Ihm war jetzt klar, daß die Lady und er eindeutig die Dreharbeiten zu einem Film nachhaltig gestört hatten. »Ich verbitte mir Ihre Frechheit«, donnerte Agatha Simpson in das grelle Licht zurück. »Sie wissen wohl nicht, mit wem Sie es zu tun haben, wie?« »Ruuuhe!« brüllte die Männerstimme noch mal. »Schluß! Ende! Drehpause! Und schmeißt diese Laien raus!« »Geht auch das etwa auf mich?« fragte Lady Agatha. »Unter anderem«, wiederholte Josuah Parker. »Schaffen Sie mir diesen Flegel her«, verlangte die ältere Dame, »ich glaube, ich sollte ihm Manieren beibringen.« Ann Lomings hatte sich inzwischen erhoben, griff nach einer Distanzgabel und nach einer Peitsche. Sie redete auf die große Raubkatze ein und dirigierte sie auf ein Podest zurück. In der Fabrikhalle flammten Lichter auf, während die Scheinwerfer ausgeschaltet wurden. Parker entdeckte die Kamera und den Aufnahmestab, die in einer überhöhten Besucherloge untergebracht waren. Ein junger Mann, es war wohl der Aufnahmeleiter, flankte über eine Brüstung und lief auf Lady Simpson und Parker zu. Er gestikulierte aufgeregt mit den Händen. In diesem Moment fiel ein Schuß…
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* Was sich nun tat, war nur als turbulent zu bezeichnen. Ann Lomings stieß einen Schrei aus, faßte nach ihrer linken Schulter und stürzte zu Boden. Der Aufnahmeleiter blieb wie angewurzelt stehen und starrte auf die Artistin, die wohl bereits die Besinnung verloren hatte. Sie lag wieder regungslos im Sand der Manege. Zusätzliche Schreie und Rufe waren zu vernehmen. Männer in bunten Phantasie-Livreen liefen zum Gitter und wußten nicht so recht, was sie tun sollten. Die Scheinwerfer wurden erneut eingeschaltet, und die Raubtiere wurden mehr als unruhig. Sie witterten endlich eine Möglichkeit, sich in Szene zu setzen. Hilferufe ertönten. Das Durcheinander war perfekt, zumal ausgerechnet in diesem Augenblick wieder ein knalliger Tusch zu hören war. Der Tiger, der von Ann Lomings in Schach gehalten worden war, drehte eindeutig durch, rannte um das Rund des Käfigs und näherte sich dann der Artistin. Er legte sich flach auf den Boden und brüllte. Dann schob er sich immer näher an die Wippe heran und setzte plötzlich zum Sprung auf die Dompteuse an. »Ich hoffe, Sie tun endlich etwas, Mister Parker, bevor ich eingreife«, ließ die ältere Dame sich grimmig vernehmen, doch der Butler handelte bereits, ging hinüber zum Laufgang, durch den die Raubtiere den Käfig betreten und verlassen konnten, öffnete die schmale Gittertür daneben und näherte sich Ann Lomings. Der Tiger war ein wenig irritiert. Solch eine Erscheinung hatte er noch nie in seinem Leben gesehen. Da stand ein Zweibeiner vor ihm, der völlig schwarz gekleidet war und dazu noch eine mehr als seltsame Kopfbedeckung trug. Dieser Zweibeiner nahm nun ein seltsam aussehendes Gerät von seinem angewinkelten linken Unterarm und schien ihn als Parierstange benutzen zu wollen. Das Raubtier fühlte sich bedroht und fauchte. Es zeigte ein wunderbar entwickeltes Gebiß und hatte die feste Absicht, es auch zu benutzen. »Sehr schön«, hörte Butler Parker Mylady sagen. Wenn sie sprach, redete sie stets volltönend und laut, »ich würde es kaum besser machen.« »Mylady beschämen meine Wenigkeit«, erwiderte Parker und lüftete die schwarze Melone. Dabei ließ er allerdings den mächti-
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gen Tiger nicht aus den Augen. Das Raubtier hatte seine Ohren flach an den Kopf gelegt und ging offenbar mit sich zu Rate. Es schien erst mal die Absicht aufgegeben zu haben, den seltsamen Zweibeiner anzugehen, der eindeutig keine Angst zu haben schien. Der Tiger schnupperte, doch er konnte nichts von Angstschweiß feststellen. »Zurück, wenn ich bitten darf«, sagte Parker zu dem Vierbeiner, hielt seinen Universal-Regenschirm waagerecht und beobachtete aus seinen Augenwinkeln die übrigen Raubkatzen, die zu dieser gemischten Gruppe gehörten. Parker hatte Ann Lomings inzwischen erreicht und entdeckt, daß sie erfreulicherweise nur einen leichten Streifschuß davongetragen hatte. Sie war inzwischen wieder zu sich gekommen und blickte ihn an. »Gehen Sie schnell«, rief sie ihm mit leiser, aber eindringlicher Stimme zu. »Später vielleicht, Miß Lomings«, antwortete der Butler, »momentan dürften Sie noch ein wenig Hilfe benötigen.« Zu einer weiteren Unterhaltung kam es nicht. Der mächtige Tiger hatte seine Vorsicht aufgegeben und ging den Butler an. Er kroch über den Sand und wartete darauf, diesen seltsamen Zweibeiner anspringen zu können. Parker wich seitlich aus und nahm wahr, daß es in der ehemaligen Fabrikhalle still geworden war. Alle Anwesenden atmeten nur noch verhalten. Man war gespannt, wie die Hilfsaktion ausgehen würde. Nun, Josuah Parker setzte auf seinen Universal-Regenschirm, drückte auf den Spannknopf oben am Schirmstock und ließ den Schirm sich entfalten. Nach scharfem Knacken wölbte die Bespannung sich auf und wurde für das Raubtier zu einem Gebilde, mit dem es nichts anzufangen wußte. Parker griff mit der linken Hand nach einer Parierstange und redete dann begütigend auf das Raubtier ein. Die übrigen Großkatzen hatten wieder Platz auf ihren Podesten genommen und blickten fasziniert auf den schwarz gekleideten Zweibeiner, von dem eine beherrschende Autorität ausging. Sie spürten instinktiv, daß sie auf ihren Podesten sicher waren und kamen kollektiv zu dem Schluß, in das allgemeine Geschehen nicht einzugreifen. »Nur keine Angst, Mister Parker«, rief Agatha Simpson, »nehmen Sie sich an mir ein Beispiel!« »Sehr wohl, Mylady«, entgegnete der Butler mit beherrschter
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Stimme, »darf man um einige Fleischhappen bitten?« »Wo bleibt das Fleisch?« donnerte Agatha die Zirkusangestellten an, »muß man denn immer alles allein machen?« Der eigentliche Dompteur der Raubtiergruppe stand bereits an der Käfigtür und schob einen Plastikeimer in die Manege. Als er das Rund betreten wollte, wurde er von Agatha Simpson daran gehindert. »Lassen Sie das«, herrschte sie den Mann an, »Mister Parker wird Ihnen zeigen, wie man mit Raubtieren umgeht. Haben Sie mich verstanden?« »Die Tiere sind doch völlig durcheinander«, erwiderte der Dompteur, »sie werden den Mann da zerreißen.« »Papperlapapp, junger Mann«, antwortete Lady Agatha wegwerfend, »er wird den Katzen Manieren beibringen!« Parker hatte sich völlig auf den mächtigen Tiger konzentriert. Die Raubkatze schlug mit der linken Pranke immer wieder nach dem aufgespannten Regenschirm und wich zurück. Mit diesem schwarzen, gewölbten und kreisrunden Gebilde wußte das Tier überhaupt nichts anzufangen. Und völlig verwirrt war es, als dieses Gebilde plötzlich nicht mehr vorhanden war. Parker hatte seinen Schirm wieder zusammengeklappt und pickte mit der Spitze des Regendaches einen saftigen Fleischbrocken aus dem Plastikeimer. Der Tiger kapitulierte und entschied sich für diese kleine Zwischenmahlzeit. Er schnappte nach dem Fleischbrocken und sprang dann elegant zurück auf sein Podest. »Sehen Sie sich in der Lage, das Rund zu verlassen, Miß Lomings?« erkundigte sich Parker bei der Artistin. »Schnell, schnell«, sagte sie und kniete hoch, »gleich wird’s erst richtig losgehen.« Sie beurteilte die allgemeine Lage sehr genau. * »Und es ging richtig los?« fragte Kathy Porter anderthalb Stunden später. Mit Mike Rander war sie im Haus der älteren Dame und wartete voll Spannung auf den weiteren Verlauf des Berichtes. »Mylady sahen sich veranlaßt, die Raubkatzen zur Raison zu
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bringen«, beantwortete der Butler die Frage. »Miß Lomings hatte das Verhalten der Tiere völlig richtig eingeschätzt.« »Sie wollten über Mister Parker herfallen«, bestätigte Lady Agatha zufrieden. »Und damit konnte ich nun wirklich nicht einverstanden sein, meine Liebe.« »So etwas habe ich noch nie erlebt«, warf Ann Lomings ein, die sich als Gast der älteren Dame betrachten durfte. »Davon bin ich überzeugt, meine Liebe«, bestätigte Agatha Simpson in ihrer bescheidenen Art, wie sie glaubte. »Diesen Bestien muß man deutlich zeigen, wer das Heft in der Hand hält.« »Als Miß Lomings und meine Wenigkeit der Gittertür zustrebten, verließen einige Raubkatzen die Podeste und zeigten die Neigung, über Miß Lomings und meine Wenigkeit herzufallen«, berichtete Josuah Parker weiter. »Der Dompteur begab sich ins Rund und sorgte für zusätzliche Irritation, wenn man so sagen darf.« »Er scheuchte die Tiere umher und reizte sie bis aufs Blut«, fügte Ann Lomings hinzu. »Er drosch mit der Parierstange auf die Raubkatzen ein.« »Und dann traten Sie in Aktion, Mylady?« fragte Mike Rander amüsiert. »Sie wissen ja längst, wie bescheiden ich bin«, meinte Lady Agatha und senkte übertrieben den Blick. »Lassen Sie sich von Mister Parker erzählen, wie es weiterging.« »Es war bemerkenswert, Sir«, erzählte Josuah Parker weiter. »Myladys Erscheinen im Käfig allein genügte bereits, die Raubtiere stutzig werden zu lassen. Doch nach kurzer Zeit beabsichtigten sie, Myladys Existenz in Frage zu stellen.« »Sie fielen Mylady an?« erkundigte sich Kathy Porter. »So könnte man es ausdrücken, Miß Porter«, bestätigte der Butler. »Es handelte sich vor allen Dingen um jenen Tiger, der bereits schon mal in Aktion getreten war. Er hatte eindeutig die feste Absicht, Mylady anzufallen.« »Was ich mir natürlich nicht bieten lassen konnte«, ließ die ältere Dame sich vernehmen. »Mylady setzte ihren Pompadour ein«, sagte der Butler, »der darin befindliche Glücksbringer landete zielsicher auf der Nase der Raubkatze, die daraufhin außerordentlich beeindruckt war.« »Ich habe selbstverständlich nur schonend zugeschlagen«, meldete Agatha Simpson sich zu Wort, »an sich liebe ich Tiere, aber in diesem Fall mußte ich doch etwas energisch werden.«
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»Nach dem gelandeten Treffer ging der Tiger in die Knie, um es mal volkstümlich auszudrücken«, übernahm Josuah Parker wieder den Bericht, »daraufhin versenkte Mylady ihre Hutnadel ins Gesäß des Tieres, das daraufhin sofort auf sein Podest flüchtete.« »Wir waren wie erstarrt«, erinnerte Ann Lomings, »normalerweise hätte der Tiger zum tödlichen Angriff übergehen müssen, doch genau das Gegenteil war der Fall.« »Die erwähnte Raubkatze beschäftigte sich nach der Behandlung mit der Hutnadel mit der Einstichstelle und zeigte keine Neigung mehr, sich an dem allgemeinen Chaos zu beteiligen.« »Es gab ein Chaos?« fragte der Anwalt. »War denn eine Steigerung überhaupt noch möglich?« »Das kann man wohl sagen«, erklärte die ältere Dame, »ich mußte dem seltsamen Dompteur zuerst mal eine Ohrfeige verabreichen. Er brachte die armen Tiere ja völlig aus dem Häuschen. Danach nahm ich die Parierstange in die Hand und arbeitete mit den Tieren.« »Wie war das? Sie arbeiteten mit den Tieren?« Mike Rander sah Agatha Simpson ungläubig an. »In der Tat, Sir«, bestätigte der Butler gemessen, »Mylady brauchte nur etwa fünf Minuten, bis die Raubtiergruppe sich ihrem Willen beugte und alle Stadien der einstudierten Dressur vorführten.« »Bis auf diesen schwarzen Panther«, warf Lady Agatha ein, »diese Katze wollte mir auf den Rücken springen und außerdem überhaupt nicht gehorchen. Nun, da mußte ich noch etwas energischer werden.« »Und wie sah das aus?« erkundigte sich Kathy Porter. »Ich trat der Katze gehörig auf den Schwanz«, lautete die Antwort der Lady, »danach gab es dann keine Probleme mehr. Bis auf eine Kleinigkeit.« »Ich ahnte doch, daß da noch etwas war«, sagte Mike Rander halblaut und blickte den Butler an. »Die Raubtiergruppe lehnte ab sofort eine weitere Zusammenarbeit mit dem zuständigen Dompteur rundweg ab«, fügte Butler Parker hinzu, »sie dürfte jetzt eindeutig auf Mylady fixiert sein!« *
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»Das war doch bestimmt der Tiger, wie?« fragte Mike Rander eine Viertelstunde später und blickte Parker an, der vom Telefonapparat zur Sitzgruppe am Kamin zurückkam. Lady Agatha hatte sich zurückgezogen und Kathy Porter mit in ihr Studio genommen. In der großen Wohnhalle des altehrwürdigen Hauses waren nur noch der Butler, der Anwalt und schließlich Ann Lomings. Selbstverständlich war die oberflächliche Wunde an der linken Schulter, die der Streifschuß verursacht hatte, längst verbunden worden. Die Artistin machte einen hellwachen und auch gespannten Eindruck. »Es war der sogenannte Tiger«, antwortete Parker knapp und zustimmend, »besagter Tiger läßt die Anwesenden hier im Haus zuerst mal herzlich grüßen.« »Um danach eine neue Drohung auszustoßen, wie?« fragte der Anwalt. »In der Tat, Sir«, entgegnete Josuah Parker, »er deutete an, ab sofort gezielt schießen zu wollen.« »Damit meint er mich, nicht wahr?« fragte Ann Lomings. »Dies möchte meine Wenigkeit keineswegs verhehlen, Miß Lomings«, gab der Butler zurück, »er läßt sinngemäß mitteilen, daß die Zeit des Geplänkels beendet ist.« »Besonders neu klingt das aber nicht«, meinte der Anwalt ironisch, »hat dieser Tiger nicht schon mal angekündigt, daß er endlich zur Sache kommen wollte?« »In der Tat, Sir«, erklärte Josuah Parker, »es scheint sich um ein recht unentschlossenes, zweibeiniges Raubtier zu handeln.« »Nun ja, Miß Lomings, Sie dürften im Augenblick nichts mehr zu befürchten haben«, schickte Mike Rander voraus. »Wegen Ihrer Schulterverletzung können Sie vorerst keine Stunts mehr ausführen, oder?« »Da haben Sie sich aber gründlich getäuscht«, begehrte sie auf. »Dieser Streifschuß bedeutet doch nichts, so etwas muß man in meinem Job einfach wegstecken. Natürlich werde ich weitermachen. Morgen schon!« »Ist ein neuer Stunt geplant?« »Ich muß von einem Hubschrauber aus auf ein Motorboot umsteigen.« »Kleinigkeit für Sie, wie?« fragte Rander spöttisch. »Es ist kein besonders schwieriger Stunt«, erwiderte sie prompt und nickte lächelnd. »Mein Partner wird das Motorboot steuern.«
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»Und wer den Hubschrauber?« erkundigte sich Rander weiter. »Einer meiner Mitarbeiter«, lautete die etwas vage Antwort. »Ließe es sich einrichten, seinen Namen zu erfahren?« fragte der Butler. »Jack Malwick«, antwortete Ann Lomings. »Ist denn das so wichtig, Mister Parker?« »Welche Personen gehören sonst noch zum ständigen Kreis Ihres Teams?« fragte der Butler. »Lew Colbert«, erwiderte die Artistin, »er ist praktisch mein Lehrmeister gewesen.« »Hatte meine Wenigkeit bisher den Vorzug, die beiden gerade erwähnten Herren je zu sehen?« »Nein«, sagte sie lächelnd, »Jack und Lew bereiten den Stunt mit dem Hubschrauber vor und waren für ein paar Tage unterwegs.« »Ihr Verhältnis zu den Herren Peter, Jack und Lew ist als gut zu bezeichnen, Miß Lomings?« »Aber ja«, entgegnete sie, »jeder ist auf den anderen angewiesen. Diese Stunts müssen bis ins letzte Detail immer wieder durchgespielt werden.« »Sie werden sicher eine Frage verzeihen, Miß Lomings, die Ihnen möglicherweise ungemein indiskret vorkommen könnte«, schickte Josuah Parker voraus. »Meine Wenigkeit aber kann nicht umhin, sie zu stellen, wie Sie verstehen werden.« »Sie wollen fragen, ob ich ein Verhältnis zu einem der drei Mitarbeiter habe, nicht wahr?« fragte sie lächelnd. »Das war in der Tat meine Absicht«, gestand der Butler. »Ich hatte allerdings vor, mich auch nach der Vergangenheit zu erkundigen.« »Ob ich je ein Verhältnis hatte?« »So in etwa wäre meine Frage ausgefallen.« »Nein, es gab kein Verhältnis«, sagte sie, »und es wird auch keines geben. Persönliche Beziehungen dürfen in einem Team nicht mitspielen, sonst gibt es früher oder später Schwierigkeiten, Mister Parker.« »Wer will Sie umbringen, Miß Lomings?« fragte der Anwalt nun rundheraus. »Sie werden sich doch sicher Ihre Gedanken machen. Wer will Sie aus welchem Grund ausschalten? Wem haben Sie mal gründlich auf die Füße getreten? Wer haßt Sie warum?« »Gibt es Konkurrenten, die Ihnen Ihre Erfolge neiden?« fügte
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der Butler hinzu. »Sie könnten weiblichen Geschlechts sein«, meinte Rander. »Nun ja, natürlich gibt es gewisse Eifersüchteleien unter den Teams«, räumte Ann Lomings ein. »Aber deshalb wird man doch keinen Konkurrenten umbringen wollen. Nein, das ist ausgeschlossen. Das sagte ich bereits schon Mister Parker. Ich stehe tatsächlich vor einem Rätsel.« »Schön, versuchen wir’s mal andersherum«, sagte Rander seufzend. »Was sagen denn Ihre Teamfreunde zu den Drohbriefen?« »Peter, Jack und Lew?« fragte sie unnötigerweise. »Zum Beispiel«, gab Mike Rander lächelnd zurück. »Ich gebe zu, daß ich sie eingeweiht habe«, räumte sie ein. »Aber auch sie können sich nicht vorstellen, wer dieser Tiger sein sollte.« »Wo werden Sie in der kommenden Nacht wohnen?« erkundigte sich der Butler und wechselte das Thema. »Bei Lew Colbert«, sagte sie. »Sie brauchen sich keine Sorgen zu machen, dort bin ich völlig sicher.« »Sie sollten dennoch Ihre Adresse hinterlassen«, bat der Butler. »Wird Mister Lew Colbert anwesend sein, oder befindet er sich zusammen mit Mister Jack Malwick am Ort des kommenden Stunts?« »Nein, nein, Jack und Lew sind inzwischen wohl zurück. Wir fahren morgen in aller Frühe raus zur Themse bei Weybridge. Dort finden die Außenaufnahmen statt.« »Noch eine an sich völlig unbedeutende Frage«, schickte Josuah Parker voraus, »wessen Rolle doubeln Sie, Miß Lomings?« »Das wissen Sie nicht?« wunderte sich die Frau. »Ich mache die Stunts für Liz Faddings.« »Eine bekannte Darstellerin aus den Vereinigten Staaten«, meinte Parker. »Ein Superstar«, sagte Ann Lomings, »und eine gute Kollegin dazu. Während meiner Stunts dreht sie im Atelier. Später werden die Aufnahmen dann zusammengeschnitten.« »Wenn Sie erlauben, Miß Lomings, wird meine Wenigkeit Sie jetzt in Ihr Ausweichquartier bringen«, sagte der Butler, »Sie sollten mir diese Bitte nicht abschlagen.« »Ich komme wirklich allein zurecht.« »Sicher, Miß Lomings, aber vergessen Sie nicht diesen sogenannten Tiger, der inzwischen immerhin recht ungeniert auf Sie
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schießt und deutlich erkennen läßt, daß er sein bisheriges Katzund-Maus-Spiel beendet hat.« »Und ich werde mitkommen«, sagte der Anwalt, »irgendwer muß ja schließlich auf Mister Parker aufpassen.« * Das kleine, schmalbrüstige Haus von, Lew Colbert stand im Stadtteil Hammersmith in einer engen Straße, die von ähnlichen Häusern gesäumt wurde. Während der Fahrt hierher hatte Ann Lomings sich schweigend gegeben. Entweder hatte sie inzwischen doch Schmerzen, oder aber sie dachte intensiv nach. Sie saß zusammen mit Mike Rander im Fond des hochbeinigen Monstrums und blickte interessiert zum Fenster hinaus. Parker, der sie hin und wieder im Rückspiegel beobachtete, hatte den festen Eindruck, daß sie zumindest einer Unterhaltung auf diese Art vorbeugen wollte. Als Parker vor dem Reihenhaus hielt, schien sie aus ihrer Versenkung aufzuschrecken. »Vielen Dank«, sagte sie, »Sie sehen, es ist nichts passiert.« »Noch sind Sie nicht im Haus«, meinte der Anwalt, »man sollte erst feststellen, ob Ihr Lehrmeister Colbert schon zu Hause ist.« »Dort drüben auf der anderen Straßenseite steht sein Wagen«, erwiderte Ann Lomings und deutete auf einen alten Austin. »Noch mal vielen Dank! Sie kommen morgen doch sicher raus nach Weybridge, oder?« »Aber natürlich«, erwiderte der Anwalt, »ich werde mir diesen Stunt ansehen, darauf können Sie sich verlassen.« Josuah Parker hatte inzwischen den hochbeinigen Wagen verlassen und schritt auf die Haustür zu. Er streckte seine schwarz behandschuhte Hand nach dem Klingelknopf aus und… zog sie dann wieder langsam und betont zurück. »Was ist los?« fragte der Anwalt, der zusammen mit Ann Lomings folgte. »Man sollte mit gewissen Überraschungen rechnen, Sir«, sagte der Butler, »in diesem Zusammenhang erlaube ich mir, an die Sprengladung in Miß Lomings Wohnmobil zu denken.« »Donnerwetter.« Rander nickte. »Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«
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»Sie glauben, auch hier könnte man…?« Ann Lomings schluckte. »Dann müßte ja Lew etwas passiert sein.« »Auch solch eine Möglichkeit sollte man einkalkulieren.« Parker drückte mit der Spitze seines Universal-Regenschirms die Klappe des in der Tür angebrachten Briefkastens auf und beugte sich dann horchend zu der Öffnung hinunter. »Nichts zu vernehmen, Sir«, meldete er, um sich dann Ann Lomings zuzuwenden, »besteht eine Möglichkeit, das Haus auf einem anderen Weg zu betreten?« »Es gibt da die hintere Küchentür.« Sie nickte. »Und wie kommen wir an die heran?« wollte der Anwalt wissen. »Wir müßten ganz um den Block fahren«, antwortete Ann Lomings, »dann erreichen wir eine schmale Gasse, die zu den Hintergärten führt.« »Ich denke, diesen Weg sollten wir uns mal ansehen«, schlug Mike Rander vor. »Sie glauben wirklich, der Tiger könnte eine zweite Sprengladung angebracht haben?« fragte die Artistin noch mal. »In der Tat«, gab der Butler zurück. »Das mit der Küchentür dauert zu lange«, sagte Ann Lomings und blickte an der Hausfront hoch, »warten Sie, ich weiß einen schnelleren Weg.« Sie verzichtete auf eine weitere Erklärung und war dann die geschickte Artistin, deren Beruf es war, Stunts auszuführen. Sie sprang geschmeidig auf einen vorstehenden Sockel des Hauses, wechselte auf die Fensterbank und stieg dann gewandt an der Hausfront hoch. Ihr Ziel war der Erker im Obergeschoß, dessen Fenster halb geöffnet war. »Hut ab«, sagte Mike Rander beeindruckt, »sie ist gut, Parker, wie?« »Miß Lomings scheint an ihrem ehemaligen Lehrmeister zu hängen, Sir, um es vorsichtig auszudrücken.« »Drei Männer und eine Frau«, erwiderte der Anwalt, »zum Henker, Parker, und da sollte es wirklich keine Spannungen geben?« »Man sollte sie in der Tat unterstellen, Sir, auch wenn Miß Lomings das Gegenteil behauptet«, erwiderte Josuah Parker, um dann mit der Schirmspitze nach oben zu deuten, »Miß Lomings beliebt gerade, durch das Fenster ins Haus zu steigen.« »Jetzt bin ich aber gespannt«, sagte Rander, »hoffentlich ist nichts mit diesem Lew Colbert passiert.«
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Parker wandte sich um und beobachtete die schmale Straße. Das Fassadenbesteigen war überhaupt nicht bemerkt worden. Auf der Straße waren ohnehin nur wenige Menschen zu sehen. Parker richtete seine Aufmerksamkeit auf einen näher kommenden Wagen, der langsam um die Ecke gekommen war. In ihm, es handelte sich um einen Ford, saß nur der Fahrer, der seinerseits auf Parker aufmerksam geworden war. Der Ford hielt in Parkers Höhe, der Fahrer stieg aus. Er mochte etwa dreißig sein, war etwas über mittelgroß und schlank. Er zog das linke Bein nach. Über dem linken Auge war eine große, noch frisch aussehende Narbe zu sehen. »Wollen Sie zu Colbert?« fragte der Mann. »Kennen Sie ihn?« lautete Randers Gegenfrage. »Klar, ich bin… Wer sind Sie eigentlich?« »Das wollte ich Sie gerade fragen«, erwiderte der Anwalt. »Ich heiße Jack Malwick«, entgegnete der Mann, »haben Sie schon geklingelt? Colbert muß zu Hause sein, ich habe erst vor ‘ner halben Stunde mit ihm gesprochen. Er erwartet mich.« »Miß Lomings wird möglicherweise bald öffnen«, schaltete der Butler sich höflich ein, »momentan dürfte sie nach gewissen Sprengkörpern Ausschau halten, wenn ich dies so unverblümt sagen darf.« * »Zwei Ladungen«, bestätigte Ann Lomings, »Sie hatten eine gute Nase, Mister Parker. Ich glaube, ich habe Sie unterschätzt.« Sie hatte die Haustür geöffnet und deutete auf eine mittelgroße Keksdose aus Feinblech. Sie war etwa so groß wie ein Schuhkarton. Zwei bunt umwickelte Drähte führten aus dieser Dose in einen riegelartigen Schieber, den die Artistin vom Türblatt entfernt hatte. »Die zweite Ladung dürfte sich an der hinteren Küchentür befunden haben, nicht wahr?« fragte Josuah Parker. »Richtig«, bestätigte Ann Lomings, »wie gut, daß ich durchs Fenster gestiegen bin, Mister Parker.« »Kann man etwas über den Zustand Mister Colberts erfahren?« »Er lag verschnürt wie ein Paket im Badezimmer«, informierte die Artistin, »man hat ihn niedergeschlagen. Er hat keine Ahnung,
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von wem er überrascht wurde.« »Dies, Miß Lomings, stand zu erwarten.« »Ich werde mir das mal ansehen«, meinte der Anwalt, um dann zusammen mit Ann Lomings ins Obergeschoß zu gehen. Josuah Parker blieb mit Jack Malwick im unteren Wohnraum. »Die Lage spitzt sich aber verdammt zu«, sagte Malwick, der sich eine Zigarette angezündet hatte. »Sie wissen, um was es geht?« »Inzwischen weiß ich Bescheid. Ann hat vor ein paar Stunden mit uns darüber gesprochen. Sie hätte es verdammt früher tun sollen.« »Wahrscheinlich nahm Miß Lomings die diversen Drohbriefe und Anrufe nicht sonderlich ernst«, vermutete der Butler. »Sie hatten einen Unfall?« »Ist bei einem Stunt passiert«, entgegnete Jack Malwick, »halb so schlimm, ist bereits überstanden.« »Sie gehören zum Team der Miß Lomings, Mister Malwick?« »Wir sind dabei, uns durchzuboxen.« »Könnten Sie meiner Wenigkeit erklären, wie man dies interpretieren kann?« fragte der Butler. »Hat dieses Team sich noch nicht etablieren können?« »Die Konkurrenz ist verdammt groß«, äußerte Malwick. »Die Kollegen aus den Staaten und aus Frankreich beherrschen die Szene, und die haben ‘ne Menge auf dem Kasten, muß man ehrlich zugeben. Wir können uns von denen immer noch dicke Scheiben abschneiden.« »Seit wann hat Miß Lomings sich selbständig gemacht?« »Wir alle haben uns selbständig gemacht«, korrigierte Jack Malwick. »Damit Sie nur ja nicht mißverstehen, Mister Parker: Ann Lomings ist nicht unsere Chefin oder so, wir alle sind gleichberechtigt.« »Dies sah meine Wenigkeit bisher allerdings anders.« »Wir haben uns vor einigen Monaten zusammengeschlossen«, redete Jack. Malwick weiter, »Colbert und ich haben früher in einem US-Team gearbeitet, Peter Ostion kommt aus einem französischen Team. Und Ann Lomings war Assistentin in einem englischen Team. Sie ist früher mal von Colbert ausgebildet worden.« »Könnte man Ihre momentanen wirtschaftlichen Verhältnisse als gesichert bezeichnen?« »Wie man’s nimmt, Mister Parker.« Jack Malwick lächelte flüch-
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tig. »Wir boxen uns so durch. Und das ist schon nicht leicht. Die anderen Teams haben eben ihre Beziehungen und Namen.« »Geht meine Wenigkeit recht in der Annahme, daß dieser Auftrag, der momentan ansteht, einem Zufall zu verdanken ist?« »Sie meinen, daß Ann die Faddings doubelt?« »So hätte man natürlich auch fragen können.« Parker deutete ein zustimmendes Nicken an. »Eine bereits engagierte Kollegin fiel aus, ja?« »Reiner Zufall, daß Miß Myrna Patway sich ihren Fuß verstauchte«, bestätigte der Stuntman. »Inzwischen weiß man sogar, daß der Knöchel gebrochen ist. Ohne diese Geschichte hätten wir den Job für diesen Film niemals bekommen. Das stimmt völlig, Mister Parker. Für unser Team war’s ‘ne Chance.« »Die durchaus Ihren Durchbruch einleiten könnte?« »Stimmt, Mister Parker«, entgegnete Jack Malwick. »Mit Anns Stunts dürften wir uns endgültig ‘nen Markennamen gemacht haben.« »Den man zu tilgen gedenkt, bevor er ein echtes Firmenzeichen wird.« »Wie meinen Sie? Ach so, jetzt verstehe ich, diese Sache mit dem Tiger, nicht wahr? Ja, das stimmt. Irgendwer will uns die Luft abschneiden, bevor wir richtig durchatmen können.« »Demnach müßten eigentlich Sie einen vagen Verdacht hegen, wer der so oft zitierte Tiger sein könnte.« »Wer will schon Kollegen anschwärzen?« Jack Malwick schüttelte den Kopf und lächelte flüchtig. »Aber schön, ich könnte mir vorstellen, daß man uns erst gar nicht hochkommen lassen will.« »Namen in diesem Zusammenhang könnten ungemein wertvoll sein und würden diskret behandelt, Mister Malwick.« »Myrna Patway«, erwiderte Malwick ohne Zögern, obwohl er keinen Kollegen anschwärzen wollte. »Myrna ist ein Biest und eifersüchtig, was Erfolge angeht. Zudem können Ann und Myrna sich nicht ausstehen. Ja, ich glaube sogar, daß sie sich bis aufs Blut hassen.« »Dies kann aber auf keinen Fall nur mit rein geschäftlichen Dingen zusammenhängen, Mister Malwick. Könnte und sollte meine Wenigkeit private Gründe unterstellen?« »Nee, das können Sie völlig streichen«, sagte Jack Malwick. »Es geht nur um rein geschäftliche Dinge. Sie hält sich für Sonderklasse. Okay, sie ist auch wirklich gut, besser als Ann, würde ich
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sogar sagen. Aber Ann holt jetzt eben auf und wird ihre Chance nutzen.« »Würde eine Miß Patway sich dazu hinreißen lassen, mit kriminellen Handlungen Miß Lomings Stern zum Verlöschen zu bringen?« »Das ist eine schwierige Frage«, sagte Jack Malwick. »Wissen Sie, ich möchte da nicht vorschnell antworten. Klar, sie ist wie eine Tigerin, wenn es um ihre Interessen geht. Dann kennt sie keine Rücksicht mehr. Nun ja, vielleicht würde sie tatsächlich übers Ziel hinausschießen. Wenn sie erst mal in Fahrt kommt, ist sie nicht mehr zu bremsen.« »Ließe es sich einrichten, meiner bescheidenen Wenigkeit die momentane Adresse von Miß Myrna Patway zu geben?« »Mach ich, Mister Parker… Aber ich warne Sie! Wenn Sie bei ihr auftauchen, geht sie Ihnen glatt an die Gurgel, stellten Sie nur ‘ne einzige falsche Frage!« »Sie machen mich äußerst neugierig«, gestand der Butler. »Darf man Sie übrigens einladen, sich an dieser Fahrt zu Miß Patway zu beteiligen?« »Ich soll mitkommen? Zu Myrna Patway?« »Sie üben möglicherweise einen mäßigenden Eindruck auf sie aus«, meinte der Butler in seiner höflichen Art. »Ein alter, müder und relativ verbrauchter Mann wie meine Wenigkeit braucht eine helfende Hand, wie Sie vielleicht schon festgestellt haben.« * Das schwere Wurfmesser zischte dicht an Parkers Kopf vorbei und blieb dann federnd und vibrierend im Holz der Tür stecken. Der Butler zuckte mit keiner Wimper, lüftete höflich seine schwarze Melone und betrachtete anschließend das Messer. Eine Schneidware ähnlicher Art war ihm bereits schon mal präsentiert worden, und zwar auf dem Parkplatz, als er den ersten Stunt von Ann Lomings beobachtet hatte. Parker zog das Messer aus dem Holz und wog es prüfend in der Hand. »Mann, können Sie denn nicht aufpassen?« fuhr ihn da eine dunkle Frauenstimme an. »Um ein Haar hätte ich Sie erwischt…« »Eine Feststellung, der man nicht widersprechen möchte«, antwortete der Butler. »Man hat den Vorzug, Miß Patway gegenüber-
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zustehen?« »Wer sind Sie?« fragte die große, langbeinige und schlanke Frau, die im Wintergarten des Landhauses saß. Sie stemmte sich aus einem Korbsessel hoch und griff nach Krücken. Sie trug Jeans, eine leichte Bluse und präsentierte einen Gipsverband am linken Fuß. »Mein Name ist Parker, Josuah Parker«, stellte der Butler sich vor. »Meine Wenigkeit hat die Ehre und den Vorzug, Lady Simpson als Butler dienen zu können.« »Sie sind ein richtiger Butler?« fragte Myrna Patway amüsiert und schien in Parker ein Exemplar einer aussterbenden Rasse zu sehen. Sie beugte sich vor und musterte ihn völlig ungeniert. »Ob meine Wenigkeit allen Anforderungen Myladys genügt, läßt sich aus meiner bescheidenen Sicht kaum gültig beantworten«, beantwortete der Butler die Frage. »Welcher Mensch ist schon ohne Fehler, Miß Patway?« »Das ist richtig.« Sie nickte. »Wir alle haben so unsere Macken, Mister Parker. Sie bilden sich zum Beispiel ein, Detektiv zu sein, nicht wahr?« »In der Tat«, pflichtete der Butler ihr bei. »Meine Wenigkeit bemüht sich gewisse Rätsel zu lösen, die Miß Ann Lomings betreffen.« »Ann Lomings?« Sie richtete sich steil auf und langte nach einer der Krücken. »Eine Kollegin von Ihnen, wie man unterstellen darf.« »Diese kleine Schlampe soll eine Kollegin von mir sein?« Ihre Stimme wurde hart. »Dieses Miststück bildet sich doch nur ein, Stunts machen zu können. Was ist mit ihr? Hat sie Sie etwa zu mir geschickt?« »Keineswegs und mitnichten«, versicherte der Butler, »Miß Lomings weiß nichts von meinem Besuch.« »Und was ist mit ihr?« Myrna Patway, die etwa achtundzwanzig sein mochte, hatte ein kantiges, fast männlich geschnittenes Gesicht, das sich im Moment noch zusätzlich verhärtete. »Sie wird von einer Person bedrängt, die sich Tiger zu nennen pflegt«, beantwortete der Butler die Frage. »Dieser Tiger müht sich ab, Miß Lomings in das zu schicken, was man im Volksmund gemeinhin das Jenseits zu nennen pflegt.« »Ach nein? Man will sie umbringen?« Myrna Patway lächelte sogar erfreut.
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»So könnte mein es allerdings auch ausdrücken«, bestätigte der Butler. »Es wurden bereits einige Anschläge auf Miß Lomings ausgeführt. Hinzu kommen noch die Bemühungen dieses Tigers, auch Lady Simpson und meine Wenigkeit umzubringen.« »Man will die kleine Lomings also umbringen… Sieh an, sieh an!« Myrna Patway lächelte versonnen. »Und sie glaubt, daß ich also die Tigerin bin, wie?« »Dies, Miß Patway, deutet sie noch nicht mal an«, stellte der Butler klar. »Hören Sie, Sie Amateurdetektiv«, schickte sie ironisch voraus, »bei mir sind Sie an der falschen Adresse. Die Lomings wird sich früher oder später den Hals brechen. Und wissen Sie auch, warum das passieren wird?« »Meine Wenigkeit geht davon aus, daß Sie eine Erklärung dazu abgeben werden, Miß Patway.« »Weil sie eine blutige Anfängerin ist, die Stunts erst noch lernen muß«, meinte Myrna Patway. »Sie versucht mich zu kopieren, doch das schafft sie einfach nicht.« »Man spricht davon, daß sie als Ihre Vertretung ihren Durchbruch schaffen wird.« »Das ist doch lächerlich«, entgegnete Myrna Patway gereizt. »Man hat die wichtigsten Stunts bereits abgedreht. Was die Lomings jetzt noch zu bringen hat, sind nur Kleinigkeiten.« »Kann man davon ausgehen, daß Sie sie nicht sonderlich schätzen? Und könnte es, wenn dem so ist, dafür Gründe geben?« »Fragen Sie doch Lew Colbert, Mister Parker. Haben Sie sich wirklich noch nicht mit ihm befaßt?« »Er gilt als Lehrmeister der Miß Lomings, nicht wahr?« »Wenn sie was weiß, dann hat er es ihr beigebracht«, bestätigte Myrna Patway. »Und jetzt will sie ihn abschieben.« »Bedarf man des Lehrmeisters nicht mehr?« »Schön ausgedrückt«, sagte sie und lächelte bitter. »Sie sieht in jedem Menschen ‘ne Art Zitrone, die man völlig nach Belieben ausquetschen kann. Lew hat seine Schuldigkeit getan, jetzt hat er abzuhauen. So ist das, Mister Parker.« »Sie kennen Mister Lew Colbert näher, wie man vermuten darf?« »Kein Kommentar«, entgegnete sie scharf. »Gehen Sie jetzt, Mister Parker, aus mir holen Sie nichts mehr heraus! Aber Sie können mir glauben, daß ich mit diesem Tiger nichts zu tun ha-
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be…« »Wie lange wird es dauern, wenn man dies noch fragen darf, bis Sie sich wieder Ihrem Beruf hingeben können?« »Der Knöchel ist gebrochen«, sagte Myrna Patway bitter, »also wird es noch Wochen dauern.« »Sorgen Sie sich nicht, daß Sie den sogenannten Anschluß verpassen werden, was Ihre Tätigkeiten betrifft?« »Sobald ich wieder an Deck bin, wird man sich um mich reißen«, meinte sie. »Dann wird die Lomings wieder in der Versenkung verschwinden.« »Haben Sie früher mal zusammengearbeitet?« »Ja, kurze Zeit«, räumte sie ein, »damals war Lew Colbert unser Chef. Die Lomings war so etwas wie eine Handlangerin und lernte noch. Dann trennten wir uns. Aber Schluß jetzt, Mister Parker!« »Selbstverständlich, Miß Patway, meine Wenigkeit wird Sie nicht weiter inkommodieren. Vielleicht noch eine allerletzte Frage, wenn Sie erlauben?« »Aber wirklich die allerletzte…« Sie nickte und lächelte amüsiert. »Sie sind ganz schön hartnäckig.« »Wer könnte Ihrer Meinung nach ein Interesse daran haben, Miß Lomings töten zu wollen?« »Das ist doch reine Eigenreklame, haben Sie das noch nicht gemerkt?« Sie lachte. »So etwas zieht die doch nur auf, um sich interessant zu machen. Und genau solche Masche paßt zu ihr.« »Sie wird sich wohl kaum selbst unter Beschuß nehmen können, Miß Patway.« »Dann fragen Sie doch mal Jack Malwick«, sagte sie. »Der geht doch für sie durchs Feuer, der tut alles, was immer sie will. Der ist ihr ergeben wie ein kleiner dressierter Hund.« Parker bedankte sich ungemein wortreich und schritt zur Tür. Hier angekommen, blieb er stehen, wandte sich um und zeigte ihr das schwere Wurfmesser. »Eine ungewöhnliche Empfangsgeste«, sagte er. »Ich muß eben in Übung bleiben«, erwiderte sie, »das Messerwerfen gehört auch dazu. Übrigens, Ihnen wäre so oder so bestimmt nichts passiert. Dazu kann ich zu gut mit diesen Messern umgehen. Ich wollte nur mal testen, wie Sie reagieren… Sie haben sich bestens gehalten!« »Was meine Wenigkeit auch von Ihnen erhofft«, erwiderte der
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Butler lind… schleuderte das schwere Messer auf Myrna Patway, die unwillkürlich zusammenfuhr und den Kopf einzog. Das Messer blieb neben ihrem Kopf in einem Balken des Wintergartens stecken. * »Wurfmesser?« fragte Lady Agatha interessiert. Es war inzwischen längst Abend geworden. Sie hatte diniert und hielt sich nun mit Kathy Porter, Mike Rander und dem Butler in der großen Wohnhalle ihres Hauses auf. Josuah Parker hatte von seinem Besuch bei Myrna Patway berichtet und seiner Herrin ungewollt ein Stichwort geliefert, daß sie ungemein animierte. »Wurde solch ein Ding nicht auf Sie geworfen, Parker?« fragte der Anwalt. »Auf dem Parkplatz, als meine Wenigkeit den ersten Kontakt mit Miß Lomings herstellte«, erwiderte der Butler und deutete auf Kopfnicken an. »Dann hat sie das Messer geworfen«, erklärte die ältere Dame sofort. »Und was diese Wurfmesser betrifft, Mister Parker, so werden Sie mir ein paar von diesen Dingern besorgen.« »Mylady haben die Absicht, sich in dieser Kunst zu üben?« fragte Josuah Parker, der durch nichts zu erschüttern war. »Was heißt hier üben?« Sie sah ihn fast empört an. »Selbstverständlich kann ich mit Wurfmessern umgehen. Ich werde mir nur neue Tricks einstudieren.« »Sie können mit Wurfmessern umgehen?« staunte Mike Rander und tat überrascht. »Aber mein lieber Mike«, erwiderte sie mild, »ich war darin sogar mal eine wahre Meisterin.« »Sie können mit jedem Messer werfen?« »Sie zweifeln doch nicht etwa daran, oder?« »Aber nein«, stichelte der Anwalt weiter, »ich kann’s mir nur kaum vorstellen.« »Mister Parker, ein Messer!« Sie richtete sich in ihrem tiefen, bequemen Sessel auf. »Mylady hegen diesbezüglich besondere Wünsche?« Parkers Gesicht blieb undurchdringlich. »Ein Tranchiermesser«, verlangte sie umgehend. »Und dann,
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mein lieber Junge, können Sie sich ein hübsches Ziel auswählen.« »Es muß ja nicht heute sein«, wiegelte Kathy Porter ab, doch sie erntete nur einen unwirschen Blick der älteren Dame, die es wieder mal genau wissen wollte. Josuah Parker hatte sich in das kleine Speisezimmer begeben und holte aus dem Sideboard ein Tranchiermesser. Er servierte es Lady Agatha selbstverständlich auf einem ovalen Silbertablett. »Ich werde eine Serviette an der Tür zum Souterrain anheften«, schlug Mike Rander vor. »Tun Sie sich nur keinen Zwang an, mein Junge.« Sie nickte wohlwollend und nahm das lange, scharfe Tranchiermesser in die rechte Hand. Sie schien nicht recht zu wissen, wie sie es anzufassen hatte. Parker erlaubte sich den diskreten Hinweis, daß es angebracht wäre, das Messer vorn an der Spitze zu ergreifen. »Sagen Sie mir nicht, wie ich ein Messer anzufassen habe«, raunzte sie unwirsch und beeilte sich, Parkers Anregung zu folgen, »als ich bei den Pfadfinderinnen war, Mister Parker, traf ich, was ich wollte.« »Dies, Mylady, würde meine Wenigkeit niemals auch nur andeutungsweise bezweifeln«, lautete Parkers Antwort. Er beobachtete den Anwalt, der bereits dabei war, eine Serviette hinten an der Tür zu befestigen. Danach kam er neutral lächelnd zurück. Natürlich rechnete er damit, daß die ältere Dame eben nicht traf. Ja, er hatte sogar die Absicht, sie ein wenig bloßzustellen. Lady Agatha hob den Arm und visierte die Papierserviette kurz an. Dann ließ sie die erhobene Hand vorzucken und brachte das lange Messer auf die Luftreise. Einen Augenblick später vibrierte die Klinge in der Serviette. Professioneller hätte kein Wurf sein können. »Donnerwetter«, sagte Mike Rander und bot, was sein Gesicht betraf, ein Bild völliger Überraschung. »Nein«, sagte Kathy Porter und blickte bewundernd auf ihre Chefin. »Es drängt meine Wenigkeit, nach Worten tiefer Bewunderung zu suchen«, ließ Butler Parker sich vernehmen. Er wußte, daß dieser Treffer ein reiner Zufall war. Und die ältere Dame wußte es mit Sicherheit auch. Lady Agatha starrte völlig entgeistert auf das Messer und war erst mal sprachlos, was wirklich nicht häufig der Fall war. Dann aber räusperte sie sich und nickte. Sie hatte sich bereits wieder
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voll in der Hand. »Reden wir nicht über Selbstverständlichkeiten«, meinte sie dann. »Entweder kann man es, oder aber man lernt es nie. Nun möchte ich diese beiden Subjekte verhören. Bei dieser Gelegenheit, Mister Parker, können Sie lernen, wie man Fragen stellt. In wenigen Minuten werde ich wissen, was dieser Flegel aus dem Hospital zu gestehen hat. Natürlich wird er sagen, daß er von dieser Patway angestiftet wurde, auf mich zu schießen.« * »Es gibt da einen Punkt, Parker, der mir nicht aus dem Kopf geht«, sagte Mike Rander, als er mit dem Butler allein in der Wohnhalle war. Agatha Simpson war zusammen mit Kathy Porter ins Souterrain des Hauses gegangen, um die beiden Gäste ins Gebet zu nehmen, wie sie sich ausgedrückt hatte. »Sie denken über die Person des sogenannten Tigers nach, Sir?« »Natürlich, Parker. Besonders groß ist unsere Auswahl an möglichen Tätern gerade nicht.« »Dem, Sir, kann und muß man nur beipflichten«, antwortete Parker. »Es sollte allerdings angemerkt werden, daß man bisher kaum Zeit hatte, Informationen einzuholen.« »Will die Lomings nun Eigenreklame machen oder nicht?« sinnierte der Anwalt halblaut. »Falls ja, Parker, müßte sie bald loslegen und mit dem Tiger an die Öffentlichkeit gehen. Bisher hat sie’s nicht getan.« »Den Vorfall in der Probenmanege wird man nicht verschweigen können«, erklärte Parker. »Mit entsprechenden Berichten in den Medien ist fest zu rechnen.« »Das würde ich auch sagen. Aber da ist noch etwas, auf das wir achten sollten. Als wir raus zu Colbert fuhren, wären wir doch normalerweise durch die Haustür gegangen, oder?« »Mit einiger Wahrscheinlichkeit, Sir.« »Die aber und auch die hintere Küchentür waren präpariert«, redete der Anwalt weiter. »Sie wissen, ich spreche von den Sprengladungen. Die können doch unmöglich von Ann Lomings bestellt worden sein. Sie wäre doch sonst zusammen mit uns in die Luft geflogen.«
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»Davon könnte man ausgehen, Sir.« »Wer, zum Henker, hat die beiden Ladungen also angebracht? Und wer konnte wissen, daß wir zu Colbert fahren würden? Sie machten doch diesen Vorschlag praktisch aus dem Stand.« »Dies entspricht durchaus den Tatsachen, Sir.« »Schön, dann ging’s einzig und allein um Ann Lomings«, schränkte Mike Rander ein. »Und noch mal: kann sie dann für die beiden Ladungen gesorgt haben?« »Durchaus, Sir«, entgegnete der Butler höflich, »da sie in diesem Fall von den beiden Sprengladungen wußte, hätte sie sie vermeiden können.« »Stimmt auch wieder. Sie hätte dann später eben meine hübsche Geschichte über Vorsicht und Mißtrauen auftischen können. Hören Sie, Parker, ich denke immer an diesen Lew Colbert.« »Der Lehrmeister und Ziehvater der Miß Lomings.« Parker deutete ein Kopfnicken an. »Von dem die Lomings sich ja laut Myrna Patway trennen will.« »Ein ungemein interessanter Hinweis, Sir, der von Miß Patway gegeben wurde.« »Ob das unser Tiger ist, Parker? Vieles deutet darauf hin.« »Sie hatten den Vorzug, Sir, sich mit Mister Lew Colbert unterhalten zu können, während meine Wenigkeit Mister Malwick befragte.« »Sie wissen ja, daß da nicht viel herauszuholen war«, meinte der Anwalt. »Er will angeblich überrascht und niedergeschlagen worden sein. Als er dann wieder wach wurde, war er gefesselt und geknebelt.« »Demnach könnte also Mister Colbert durchaus selbst die beiden Ladungen an den diversen Türen angebracht haben, Sir.« »Natürlich, daran besteht kein Zweifel, Parker.« »Ein Motiv hätte Mister Colbert durchaus anzubieten«, redete der Butler weiter. »Wie bereits erwähnt, hegt Miß Lomings die Absicht, sich von Mister Colbert zu trennen.« »Laut Myrna Patway.« Rander nickte. »Sie hat früher mal mit der Lomings zusammengearbeitet, nicht wahr?« »Miß Lomings arbeitete als eine Art Assistentin im Team der Miß Patway«, erinnerte der Butler, »und seinerzeit muß es über berufliche Dinge hinaus auch wohl zu privaten Mißverständnissen gekommen sein.« »Also, Parker, entweder baut die Lomings hier auf ‘ne raffinierte
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Art Eigenreklame auf, oder aber die Patway oder Colbert wollen ihr aus privaten Gründen an den Kragen, wie?« »Dies, Sir, wäre die Kurzformel, die sich allerdings nur auf die Tatsachen bezieht, die man bereits in Erfahrung bringen konnte. Darüber hinaus sollte man mit noch anderen Motiven rechnen.« Parker hatte seinen Satz noch nicht ganz beendet, als die Türklingel sich meldete. Er verließ die Sitzgruppe vor dem riesigen Kamin, begab sich zum verglasten Vorbau und öffnete einen Wandschrank daneben. Nachdem er die Fernsehkamera über der Eingangstür eingeschaltet hatte, dauerte es nur wenige Augenblicke, bis auf dem kleinen Monitor ein Bild erschien. Chief-Superintendent McWarden, der die Kamera natürlich kannte, blickte genau in das Objektiv und nickte ungeduldig. »Ihnen wird umgehend geöffnet werden, Sir«, versprach der Butler und betätigte den elektrischen Türöffner. * »Ich weiß, Sie kommen rein zufällig vorbei«, sagte Agatha Simpson ironisch, als sie die Wohnhalle betrat. McWarden hatte gerade den Anwalt und Butler Parker begrüßt, wandte sich um und lächelte die Hausherrin an, die mit Kathy Porter aus dem Souterrain des Hauses kam. Lady Agatha machte einen ungemein zufriedenen Eindruck. Ihre Gespräche mit Ken Lifton und Ostion schienen ein voller Erfolg gewesen zu sein. Sie blickte versonnen auf die Innenfläche ihrer rechten Hand, und Josuah Parker wußte sofort, wie handfest sie wieder mal argumentiert hatte. »Ich komme absolut nicht zufällig vorbei«, meinte der ChiefSuperintendent, »und ich habe auch bereits gegessen, Mylady. Sie haben also nichts zu befürchten.« »Wie beruhigend«, gab sie ungeniert zurück. »Ich hoffe, Sie bringen gute Nachrichten.« »Ich denke schon«, entgegnete McWarden. »Ich habe ein wenig in der Vergangenheit von Ann Lomings herumstochern lassen.« »Einen Sherry, Sir?« fragte Parker den Chief-Superintendent. Lady Agatha stutzte und bedachte den Butler dann mit einem fast mörderischen Blick. »Mister McWarden ist im Dienst«, sagte sie hastig.
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»Aber nein«, widersprach McWarden freundlich, »seit einer halben Stunde laufe ich als Privatmann herum. Gegen einen Sherry hätte ich wirklich nichts einzuwenden.« »Ein Mann wie Sie ist immer im Dienst«, behauptete Agatha Simpson, die um ihren Sherry fürchtete. »Ich trenne das genau, Mylady.« McWarden grinste und blickte dem Butler nach, der in den Salon ging, um den Sherry zu holen. »Nun gut, dann betrinken Sie sich eben«, meinte die ältere Dame bitter. »Ohne Alkohol können Sie ja wohl nicht mehr leben.« »Ihr Sherry ist ausgezeichnet«, lobte der Chief-Superintendent im voraus. »Und teuer«, reagierte die Hausherrin lakonisch. »Aber kommen Sie endlich zur Sache, McWarden, bevor Sie die Übersicht verlieren.« McWarden ließ sich Zeit und wartete, bis Parker den Sherry servierte. Der Chief-Superintendent nahm genießerisch einen Schluck, ließ ihn deutlich auf der Zunge zergehen und übersah den finsteren Blick seiner Gesprächspartnerin. Danach rückte er sich zurecht. »Ann Lomings hat einen deutlich sichtbaren schwarzen Fleck auf ihrer Weste«, schickte McWarden voraus. »Ich werde mich auf ein paar Stichworte beschränken, ja? Bei einem ihrer ersten Stunts als selbständige Unternehmerin, wenn Sie so wollen, hat sie einen Kameramann zusammengefahren. Der Mann liegt mit schweren Lähmungen im Hospital.« »Dann kann dieser Mann ja wohl kaum der Tiger sein«, schlußfolgerte die ältere Dame spitz. »Er ganz sicher nicht«, berichtete McWarden weiter, »aber er hat einen Bruder, der Ken Lifton heißt.« »Aha.« Mehr sagte Agatha Simpson nicht. Mike Rander blickte zu Boden. Kathy Porter hingegen auf ein Bild an der gegenüberliegenden Wand. Butler Parker servierte dem ChiefSuperintendent einen zweiten Sherry. »Wann ist das passiert?« fragte Mike Rander dann gespielt beiläufig. »Vor einigen Wochen. Nach Zeugenaussagen vermasselte Ann Lomings diesen Stunt. Man sagt, sie sei zu leichtsinnig gewesen und habe sich während der Aufnahmen nicht an die vorher getroffenen Absprachen gehalten.« »Wurden gerichtliche Schritte eingeleitet, Sir?« fragte Josuah
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Parker. »Nein, die fielen unter den Tisch. Ein Verschulden war nicht nachzuweisen.« »Und dennoch wurde Miß Lomings weiterbeschäftigt?« »Nach meinen Informationen wollte man sie feuern, doch man hatte keinen Ersatz. Man stand und steht unter Zeitdruck und arbeitete dann notgedrungen mit der Lomings weiter.« »Was halte ich davon, Mister Parker?« erkundigte sich die Detektivin prompt bei ihrem Butler. »Mylady sind beeindruckt, wie mit Sicherheit zu vermuten ist.« »Wer ist Ken Lifton?« fragte sie unschuldig, obwohl sie doch gerade erst unten im Souterrain war und sich mit ihm unterhalten hatte. Es konnte allerdings auch sein, daß sie diesen Namen, bereits wieder vergessen hatte. »Ken Lifton ist ein Stuntman«, beantwortete McWarden die Frage der Lady, »wir bemühen uns zur Zeit, ihn zu finden. Es könnte ja durchaus sein, daß dieser Ken Lifton Rache üben will. Wie gesagt, die Lomings hat diesen schweren Unfall durch Leichtsinn heraufbeschworen, das war und ist die einhellige Meinung aller Beteiligten.« »Nun bin ich doch sehr gespannt, ob Sie diesen Mann auch finden werden«, meinte die ältere Dame süffisant. Sie schien also doch genau zu wissen, mit wem sie sich eben auf ihre spezielle Art unterhalten hatte. »Möglich, daß er der Tiger ist, nicht wahr?« »Es spricht viel dafür«, meinte der Chief-Superintendent. »Dieser Lifton soll kurz nach dem Unfall wüste Drohungen ausgestoßen haben. Nun ja, wie auch immer, Mylady, bevor Sie mir den dritten Sherry aufnötigen, will ich lieber gehen.« »Ich werde Sie bestimmt nicht aufhalten«, raunzte die Gastgeberin. »Sie haben ja schließlich noch eine Menge zu tun, oder?« * »Darf man sich erlauben, nach Ihrem Befinden zutragen?« Parker hatte das sogenannte Gästezimmer im Souterrain des altehrwürdigen Hauses aufgesucht und sah sich den beiden Männern gegenüber, denen man das Gastrecht angeboten hatte. Der fünfzigjährige Ostion stand schon lange nicht mehr unter dem Einfluß der oberflächlichen Lachgas-Dosis und bückte den
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Butler finster an. Ken Lifton hingegen machte einen sehr nervösen Eindruck und schien Angst zu haben. »Kommt die Lady etwa noch mal zurück?« fragte er. »Damit ist jederzeit selbstverständlich zu rechnen«, antwortete der Butler höflich. »Diese Frau ist ja unberechenbar«, beschwerte Ostion sich und fingerte unwillkürlich an seinem linken Schienbein herum. »Wissen Sie, was sie getan hat?« »Sie sehen meine Wenigkeit ahnungslos«, behauptete der Butler. »Sie hat mich grundlos getreten«, meinte der Fünfzigjährige. »Wahrscheinlich handelte es sich um ein Mißverständnis«, antwortete Josuah Parker. »Wie man hört, wissen Sie nicht, wer Sie engagierte, um auf Mylady zu schießen.« »Wieso schießen?« Der Mann aus dem Hospital schüttelte energisch den Kopf. »Wer sagt denn, daß ich schießen sollte?« »Ließen Sie dies nicht durchgingen?« »Niemals, Mann! Die Kanone hab ich nur zu meinem persönlichen Schutz bei mir gehabt.« »Eine Geschichte, mit der Sie die zuständigen Behörden erfreuen sollten«, sagte Parker. »Chief-Superintendent McWarden wird sich glücklich schätzen, Sie begrüßen zu können.« »McWarden?« Der Fünfzigjährige schluckte. »Sie kennen ihn natürlich«, unterstellte der Butler einfach. »Und Ihre Fingerabdrücke dürften in der Zentralkartei sicher längst registriert worden sein.« »Ich hatte ein paarmal Ärger mit der Polizei«, räumte Ostion nun widerwillig ein, »aber das waren alles nur Bagatellen.« »Sie wissen also nach wie vor nicht, wer Sie ins Hospital schickte und warum Sie Mister Lifton hier bedrohten?« »Der quasselt doch nur, um seinen Kopf zu retten.« »Natürlich haben Sie mich abgefangen und bedroht«, behauptete Ken Lifton wütend. »Könnte es vielleicht sein, daß Sie sich von früher her kennen?« »Ich habe diesen Killer vorher noch nie gesehen.« Lifton wich sicherheitshalber einen Schritt zurück, als Ostion die rechte Faust anhob. »Sie sollten die Formen wahren«, schlug Parker vor, um sich dann Lifton zuzuwenden. »Sie haben einen Bruder, der während Außenaufnahmen verunglückte?«
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»Das wissen Sie inzwischen? Na ja, wundert mich nicht weiter.« Lifton nickte zögernd. »Dieser Zwischenfall wurde von Miß Lomings verursacht?« »Das war Pech, nichts als Pech.« Lifton schluckte. »Gerüchten zufolge, Mister Lifton, sollen Sie Drohungen gegen Miß Lomings ausgestoßen haben.« »Was man eben so sagt, wenn die Nerven durchgehen.« Lifton hob die Schultern. »So etwas sollte man nicht auf die Goldwaage legen.« »Sie behaupteten nach Ihrem Dachbesuch, von Miß Lomings engagiert worden zu sein.« »Da bin ich eben reingelegt worden.« »Sie selbst kamen nicht auf die Idee, die angebliche Rauchbombe durch die Esse zu werfen?« »Nein, das alles habe ich Ihnen doch schon längst erklärt. Ich bin angeheuert worden und hab an einen verrückten Ulk gedacht, mehr nicht.« »Sie beide kennen sich wirklich nicht?« Parker warf einen Blick auf den fünfzigjährigen Ostion. »Selbst wenn? Was würde das schon groß bedeuten?« »Sie könnten Mister Ostion gekauft haben, Mylady und meine Wenigkeit durch ihn erschießen zu lassen.« »Das ist doch Humbug«, brauste Ostion auf. »Ich kenn den Mann nicht. Wie oft wollen Sie das noch von mir hören?« »Dies wird man Ihnen rechtzeitig mitteilen«, erwiderte der Butler. »Darf man Sie einladen, einem Stunt beizuwohnen, den Miß Lomings durchführen wird? Bis zur Abfahrt am frühen Morgen können Sie sich noch ein wenig innerlich sammeln.« »Ich… Ich will jetzt hier raus«, brüllte Ostion und griff den Butler unvermittelt mit beiden Fäusten an. Er hätte es besser unterlassen! * »Weder Mister Ostion noch Mister Lifton konnten auf Miß Lomings schießen, als sie sich in der Manege aufhielt«, sagte Josuah Parker zu Lady Agatha, die neben ihm auf dem Beifahrersitz Platz genommen hatte. »Aha! Und warum bin ich dieser Ansicht?« erkundigte sie sich.
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»Die beiden Herren befanden sich zu dieser Zeit im Wagen«, redete der Butler weiter, »Mylady werden diese Tatsache selbstverständlich längst ins Kalkül gezogen haben.« »Und ob«, meinte sie schnell, obwohl ihr gerade dieses Detail entfallen war. »Und was schließe ich also daraus?« fragte sie, nachdem sie sich auf diese Tatsache eingestellt hatte. »Die beiden erwähnten Herren sind demnach nicht mit dem gesuchten Tiger identisch, Mylady.« »Richtig«, sagte sie und nickte wohlwollend. »Sie entwickeln Sinn für Logik, Mister Parker. Nur weiter so!« »Mylady werden weiterhin nach der Person des Tigers suchen müssen.« »Was sonst, Mister Parker? Und ich weiß auch schon, wer es ist…« »Mylady lassen meine bescheidene Wenigkeit stutzen.« »Diese eingegipste Artistin«, redete die ältere Dame weiter. »Für mich liegt das alles klar auf der Hand. Ich habe erst vor kurzem einen Kriminalfilm gesehen, Mister Parker, in dem es um einen Querschnittgelähmten ging. Und wissen Sie, was passierte? Er täuschte diese Lähmung nur vor. Tatsächlich war er der gesuchte Verbrecher.« »Kriminallösungen dieser Provenienz werden den Zuschauern gern und oft angeboten, Mylady.« »Hier habe ich es aber mit der Wirklichkeit zu tun«, sagte sie hartnäckig. »Diese, wie heißt sie noch…?« »… Miß Myrna Patway, Mylady.« »Sagte ich doch. Diese Miß Patway also spielt mir nur etwas vor. Tatsächlich ist sie es gewesen, die als Tiger die Anschläge ausgeführt hat. Aber eine erfahrene Kriminalistin wie mich kann sie natürlich nicht täuschen. Dazu bin ich zu gewieft.« Parker verzichtete auf eine Antwort und steuerte sein hochbeiniges Monstrum weiter hinaus nach Weybridge an der Themse, wo die Außenaufnahmen für den nächsten Stunt gedreht werden sollten. Im Fond des Wagens saßen Ostion und Lifton, die kein Wort miteinander redeten. Wahrscheinlich hatten sie eine unruhige Nacht hinter sich. Sie machten zumindest einen müden Eindruck. Während der Nacht hatte der Tiger sich nicht gerührt. Butler Parker vermutete, daß diese geheimnisvolle Person den Stunt
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benutzen würde, Ann Lomings zu attackieren. Wahrscheinlich würde der Tiger auch versuchen, Mylady und ihn zu ermorden. Die rätselhafte Person mußte längst erkannt haben, wie zäh und beharrlich nach ihr geforscht wurde. »Sie werden sehen, Mister Parker, daß diese Gipsfüßige am Drehort sein wird«, redete die ältere Dame weiter. »Eine Lady Simpson hat sich noch nie getäuscht.« »Möglicherweise, Mylady, werden auch noch andere Personen anwesend sein«, entgegnete der Butler in seiner stets höflichen Art. »Wer denn sonst noch?« fragte sie. »Meine Wenigkeit denkt an die männlichen Mitglieder des Teams der Miß Lomings«, schickte Parker voraus, »die Herren Peter Ostion, Jack Malwick und Lew Colbert.« »Natürlich werden sie dort sein«, gab sie zurück. »Wo sollten sie denn sonst sein? Aber sie sind nur Statisten. Der Tiger ist diese Frau mit dem Gipsfuß! Wie gesagt, ich habe so etwas schon mal in einem Kriminalfilm gesehen. Und noch etwas, Mister Parker: Natürlich ist ihr Fuß überhaupt nicht gebrochen. Das spielt sie mir nur vor.« * »Das kann Sie den Hals kosten«, sagte Jack Malwick, als er mit dem Hubschrauber abhob. Er saß am Steuer der leichten Maschine und konnte sich über die Bordsprechanlage mühelos mit Parker verständigen, der sich auf dem Nebensitz angeschnallt hatte. »Ist dieser geplante Stunt wirklich so gefährlich?« fragte der Butler. »Denken Sie an den Tiger«, meinte Jack Malwick. Die noch frische Narbe über dem linken Auge glühte. »Meine Wenigkeit erlaubte sich an Miß Lomings zu denken«, sagte Parker. »Ich werde schon aufpassen, damit alles hinhaut«, entgegnete der Stuntman und zog den kleinen, schnellen Hubschrauber hoch. »Wir nehmen Ann drüben am Bahndamm auf und bringen sie dann mit der Hängeleiter an das Boot ran. Passieren kann eigentlich nichts.« »Falls Sie sich an die allgemeinen Spielregeln halten, Mister
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Malwick.« »Wie meinen Sie das?« »Sie haben doch sicher die Absicht, Miß Lomings umzubringen, nicht wahr?« »Wie… Wie kommen Sie denn darauf?« Er blickte den Butler kurz an. »Weil Miß Lomings doch auch Sie nicht mehr braucht.« »Wen denn sonst auch nicht?« »Mister Lew Colbert, dessen Kündigung doch bereits beschlossene Sache sein dürfte.« »Sind Sie verrückt, Mister Parker?« »Ich habe mir nur erlaubt, einige Tatsachen zu addieren«, schickte Parker voraus, »Sie waren Ann Lomings treu ergeben, wie ein kleines und dressiertes Hündchen, wie Miß Patway es auszudrücken beliebte. Nun aber sollen Sie plötzlich ausgebootet werden.« »Wer hat Ihnen denn das erzählt?« Er blickte den Butler erneut an. Sein Gesicht war hart geworden. »Ihre Verletzung, Mister Malwick«, erwiderte der Butler, »ist noch sehr frisch. Hängt sie möglicherweise mit jenem Unfall zusammen, bei dem Mister Liftons Bruder eine Art Querschnittlähmung davontrug?« »Stimmt«, antwortete Jack Malwick und grinste plötzlich. »Sie haben das genau erkannt. Okay, sie kann mich abschieben, aber ich werde weitermachen, sobald ich wieder in Ordnung bin, Ann aber nicht.« »Sie will sich tatsächlich von Ihnen trennen?« »Sie hat mich satt«, gab er fast nachdrücklich zurück. »Zuerst Lew Colbert, jetzt ich. Sie denkt nur an sich. Aber wie gesagt, ich werde weitermachen, Parker, Ann nicht! Ich werde zu Myrna Patway überwechseln…« »Haben Sie die bisherigen Attentate ausgeführt?« »War eine Kleinigkeit.« Er nickte und grinste, »ich hab auch geschossen, als Sie in Anns Wohnmobil klettern wollten. Damals wollte ich Sie und die alte Tante noch nicht in die Luft fliegen lassen. Hätte ich’s besser sausenlassen.« »Weiß Miß Patway von Ihrer Rolle als Tiger?« »Nee, die hat keine Ahnung. Und sie wird es auch nie erfahren. Gleich, Parker, wird nun ein kleines Unglück passieren. Ich lasse die Lomings gegen einen Brückenpfeiler klatschen, wenn sie an
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der Leiter hängt. Ganz einfach. Nur ein dummer Zufall.« »Sie haben im Zirkus auf Ann Lomings geschossen?« »Und auch die beiden Sprengladungen angebracht.« Er nickte und grinste erneut. »Und ich habe auch diesen Idioten von Lifton angeheuert, die Giftgasbombe zu werfen. Hat ja leider nicht geklappt, aber dafür haut es eben jetzt hin. Man muß Geduld haben.« »Wie gedenken Sie, sich meiner Wenigkeit zu entledigen?« »Wir werden abstürzen oder so, genau weiß ich das noch nicht.« »Sie wissen hoffentlich, daß Ihr Geständnis unten am Boden sehr gut verstanden worden ist.« »Unten am Boden?« »Meine Wenigkeit war so frei, einen Sender zu benutzen.« Parker langte in, die Innentasche seines schwarzen Covercoats und holte ein kleines Funksprechgerät hervor. »Sie Idiot!« Jack Malwick schüttelte den Kopf. »Jetzt muß ich endgültig Schluß machen.« »Ohne Ann Lomings, Mister Malwick? Haben Sie sie tatsächlich geliebt, wenn diese an sich recht indiskrete Frage erlaubt ist?« »Ich war für sie durchs Feuer gegangen«, sagte er bitter, »aber sie denkt nur an ihre eigene Karriere und an sonst nichts.« »Sie warfen die diversen Eierhandgranaten, Mister Malwick, falls auch diese Frage noch gestattet ist?« »Getarnt als Frau.« Er grinste wieder und nickte. »Sie haben prima reagiert. Sie fragten doch eben nach Ann, wie? Hören Sie, wir werden uns gemeinsam auf sie runterkrachen lassen. Aus und vorbei! Schneller geht’s nicht!« »Sie werden hoffentlich verstehen, daß meine Wenigkeit dagegen gewisse Einwände erheben wird.« »Was wollen Sie denn machen, Parker? Sie sind völlig in meiner Hand. Ich kann uns sofort durchsacken lassen. Dann klatschen wir runter wie ein Stein.« »Falls meine Wenigkeit nicht gewisse Gegenmaßnahmen ergreift«, antwortete der Butler und schritt dann zur Tat über. Er verabreichte Jack Malwick eine Ladung aus der Spraydose und hatte kurz danach alle Hände voll zu tun, den Hubschrauber vor dem Absturz zu bewahren.
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* »Nun sehen Sie sich das an, mein Junge«, sagte die ältere Dame und deutete hinauf zum Hubschrauber, der wie ein welkes Blatt nach unten torkelte. »Mister Parker scheint gewisse Schwierigkeiten zu haben«, erwiderte der Anwalt. »Er wird gleich abstürzen«, meinte die Detektivin. »Ich mache mir Vorwürfe, Mike, ich hätte in diesen Hubschrauber steigen müssen. Mister Parker ist solchen Situationen einfach nicht gewachsen.« »Danach sieht es jetzt aber nicht aus«, schaltete sich Kathy Porter ein. Sie war zusammen mit Mike Rander hinaus zum Drehort gefahren. Sie beobachtete richtig. Der Hubschrauber hatte sich inzwischen wieder gefangen und donnerte jetzt im Tiefflug genau auf Lady Simpson, Kathy Porter und Mike Rander zu. Wenig später wurde Myladys eigenwillige Hutschöpfung vom Wind der Rotoren erfaßt und ihr vom Kopf gerissen. Nach wenigen Augenblicken stieg Parker aus und näherte sich der Gruppe. Er lüftete höflich die schwarze Melone. »Mylady können den Fall als beendet betrachten«, sagte Parker, der die Aufregung ignorierte, die um ihn herum entstand. »Mister Malwick war so entgegenkommend, seine Täterschaft zuzugeben.« »Wollte er Ärger machen?« fragte der Anwalt. »In der Tat, Sir«, sagte Parker. »Ich war so frei, Mister Malwick davon zu überzeugen, daß sein Geständnis per Funk hier auf dem Boden aufgenommen wird. Daraufhin wollte er einen totalen Absturz einleiten.« »Dieses Subjekt ist der Tiger?« wunderte sich die ältere Dame. Sie war zum Hubschrauber hinübergegangen und betrachtete durch ihre Lorgnette Jack Malwick, der entspannt auf dem Sitz des Copiloten saß und mild lächelte. »Ein Einzeltäter, Mylady«, sagte der Butler. »Ich traute diesem Lümmel von Anfang an nicht über den Weg.« Sie stellte sich umgehend auf die neue Situation ein. »Genaugenommen, Mister Parker, wußte ich eigentlich, daß er der Tiger ist.« »Dem man jetzt endlich die Zähne gezogen hat«, warf Mike
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Rander ein, »und damit dürften Myrna Patway und Ann Lomings aus dem Schneider sein.« »Wie ich es ja immer schon sagte«, behauptete die ältere Dame, »die Dinge lagen klar auf der Hand, oder etwa nicht?« »Wie Mylady zu meinen belieben und wünschen«, lautete Parkers höfliche Antwort. Nein, er war einfach nicht aus der Ruhe zu bringen. Und sein Gesicht blieb glatt und ausdruckslos wie immer.
-ENDENächste Woche erscheint BUTLER PARKER Auslese Band 262 Günter Gönges
PARKER sägt am Nerv des »Paten«
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