Gerhard Hab / Reinhard Wagner Projektmanagement in der Automobilindustrie
Gerhard Hab / Reinhard Wagner
Projektmanag...
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Gerhard Hab / Reinhard Wagner Projektmanagement in der Automobilindustrie
Gerhard Hab / Reinhard Wagner
Projektmanagement in der Automobilindustrie Effizientes Management von Fahrzeugprojekten entlang der Wertschöpfungskette 3., überarbeitete und erweiterte Auflage
Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über abrufbar.
Gerhard Hab ist geschäftsführender Gesellschafter von hab.projekt.coaching. Als Berater und Coach begleitet er Unternehmen der Automobilbranche im Projektmanagement. Er ist Dozent für Projektmanagement an der Universität Augsburg und hat im Rahmen der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. die Regionalgruppe Augsburg, das PM-Forum-Augsburg sowie zusammen mit Reinhard Wagner die Fachgruppe „Automotive-PM“ gegründet. Reinhard Wagner ist Vorstand der Shift Consulting AG und hat sich auf die Themen Projekt-, Prozess- und Key Account Management in der Automobilindustrie spezialisiert. Er ist Dozent für Projektmanagement und Systems Engineering im Masterstudiengang „Technologiemanagement“ der Hochschule Augsburg sowie ehrenamtlich als Vorstand für PM-Forschung und Facharbeit und Leiter der Fachgruppe „Automotive PM“ für die GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e. V. tätig.
1. Auflage 2004 2. Auflage 2006 3. Auflage 2010 Alle Rechte vorbehalten © Gabler Verlag | Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH 2010 Lektorat: Susanne Kramer | Renate Schilling Gabler Verlag ist eine Marke von Springer Fachmedien. Springer Fachmedien ist Teil der Fachverlagsgruppe Springer Science+Business Media. www.gabler.de Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlags unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen, Mikroverfilmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen. Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Werk berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürften. Umschlaggestaltung: KünkelLopka Medienentwicklung, Heidelberg Druck und buchbinderische Verarbeitung: Ten Brink, Meppel Gedruckt auf säurefreiem und chlorfrei gebleichtem Papier Printed in the Netherlands ISBN 978-3-8349-2050-8
Vorwort zur 3. Auflage
Vorwort zur 3. Auflage
Die letzten beiden Jahre waren sicherlich keine guten für die Automobilindustrie. Absatzeinbrüche in nahezu allen Segmenten und Ländern haben Hersteller wie auch Lieferanten enorm unter Druck gesetzt. Chrysler, General Motors und Ford, früher respektvoll die „Großen Drei“ genannt, haben ihren Nimbus verloren und versuchen gerade, ihre Rolle in der Branche neu zu definieren. Aber auch der neue Marktführer Toyota hat gelitten. Der für seine Qualität berühmte Hersteller musste gleich mehrere Millionen Fahrzeuge wegen Qualitätsmängeln in die Werkstätten rufen und umrüsten. Und das in einer Zeit, in der das Wachstum von Toyota aufgrund der Rezession gebremst und erstmals seit der Nachkriegszeit Verluste verkraftet werden müssen. Auch deutsche Hersteller konnten sich den Entwicklungen in der Branche nicht entziehen. Insbesondere Premiumanbieter wie BMW und Mercedes sind betroffen, konnten sie doch wenig von den absatzfördernden Massnahmen der europäischen Regierungen (in Deutschland wenig schmeichelhaft „Abwrackprämie“ genannt) profitieren, weil diese eher kleine, verbrauchsarme bzw. umweltfreundliche Fahrzeuge begünstigten. Porsche wurde von Volkswagen übernommen, Opel durchlebte ein Wechselbad der Gefühle, allein diese Geschichten würden ein weiteres Buch füllen. Welche Rolle spielt nun Projektmanagement in diesen turbulenten Zeiten? Eine große! Innovative und qualitativ hochwertige Fahrzeuge müssen in kurzer Zeit unter Einsatz möglichst geringer Ressourcen auf den Markt gebracht werden. Eine Sisyphusarbeit, die höchste Professionalität erfordert. Leider wird das Projektmanagement aber immer noch nicht in allen Bereichen der Branche mit der erforderlichen Reife praktiziert. Dies kann zu einer ernsthaften Bedrohung der Unternehmen am Standort Deutschland werden. Wir appellieren deshalb an das Top-Management, sich nun des Projektmanagements anzunehmen, die notwendigen Investitionen in eine Professionalisierung zu tätigen und selbst eine aktive Rolle in der Projektarbeit zu übernehmen. Die 3. Auflage des inzwischen als Standard für die Branche akzeptierten Buches greift die aktuellen Entwicklungen in der Branche auf und zeigt praxisorientiert Lösungen für alle relevanten Gruppen. Das Kapitel zum Management unternehmensübergreifender Projekte wurde weiter ausgebaut und um neue Lösungsansätze ergänzt. Ein neues Kapitel zeigt, wie die Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickelt werden kann. Damit wollen wir einen Beitrag zur Sicherung des Standorts Deutschland leisten und hoffen auf eine rege Inanspruchnahme.
Augsburg im Mai 2010
Gerhard Hab Reinhard Wagner
V
Vorwort zur 1. Auflage
Vorwort zur 1. Auflage
Schon wieder ein Buch zum Projektmanagement? So könnte der erste Eindruck bei der flüchtigen Lektüre des Titels sein. Wir wollten aber nicht der großen Zahl an PMFachliteratur noch ein weiteres Grundlagen-Werk hinzufügen. Vielmehr ging es uns darum, einen praxisorientierten Leitfaden über das Projektmanagement in einer spezifischen Branche, nämlich der Automobilindustrie, zu schreiben – ein weißer Fleck in der Fachliteratur, wie wir festgestellt haben! Damit wollen wir den Fach- und Führungskräften bei Automobilherstellern, -zulieferern und -dienstleistern spezifisches Know- how für die Praxis im Projektmanagement zur Verfügung stellen. Die Automobilindustrie ist eine der wichtigsten Industriezweige in Deutschland. Mehr als 5 Millionen Menschen finden direkt oder indirekt ihre Beschäftigung durch das Auto. Auch in Zukunft wird sich an dieser Spitzenstellung sicherlich nicht viel ändern. Dennoch steht die Automobilindustrie auch hierzulande unter großem Druck. Durch eine Sättigung in den wichtigsten Absatzmärkten (USA, Japan, Westeuropa) sind die Automobilhersteller gezwungen, Fahrzeuge in immer kürzeren Abständen zu günstigen Preisen und in hoher Qualität auf den Markt zu bringen. Projektmanagement wird deshalb zur Schlüsseldisziplin. Leider fehlt es aber den meisten Unternehmen der Branche an der konsequenten Umsetzung bekannter Konzepte oder der Anpassung vorhandener Systeme an die veränderten Rahmenbedingungen. Dies stellt eine zunehmende Herausforderung im globalen Wettbewerb dar. In Kapitel 1 haben wir deshalb die wichtigsten Trends in der Automobilindustrie sowie die Anforderungen und Erfolgsfaktoren für das Projektmanagement dargestellt. Auf dieser Basis entwickeln wir dann in den zentralen Kapiteln 2 bis 4 die aus unserer Sicht wichtigsten Aspekte des Projektmanagements in der Automobilindustrie. Kapitel 2 beschäftigt sich mit dem Management von einzelnen Automotive-Projekten („SingleProjektmanagement“), Kapitel 3 mit dem Management von mehreren AutomotiveProjekten („Multi-Projektmanagement“) und Kapitel 4 mit dem Management von unternehmensübergreifenden Automotive-Projekten („Cross-Company-CollaborationProjektmanagement“). Zur besseren Orientierung haben wir einen einheitlichen Aufbau der Kapitel gewählt, der neben den wichtigsten Rahmenbedingungen auch die einzelnen Phasen im Projektablauf wiedergibt. Kapitel 5 fasst die wesentlichen Aussagen des Buches noch einmal zusammen und zeigt die zukünftigen Herausforderungen für das Projektmanagement in der Automobilindustrie auf.
VI
Vorwort zur 1. Auflage
In dieses Buch sind unsere langjährigen Erfahrungen im Projektmanagement in der Automobilindustrie eingeflossen. Dabei haben wir die Erlebnisse aus der operativen Praxis genauso verarbeitet wie die Erkenntnisse aus unserer momentanen Tätigkeit als Berater, Trainer oder Coach in unterschiedlichen Unternehmen der Branche. An verschiedenen Stellen des Buches verweisen wir auf die von uns im letzten Jahr gemeinsam mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) durchgeführten Studie „Automobilentwicklung in Deutschland - wie sicher in die Zukunft?“, die wertvolle Aussagen zum Projektmanagement liefert. Schließlich haben wir auch als Leiter der Fachgruppe „Automotive-Projektmanagement“ der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. von den intensiven Gesprächen mit zahlreichen Experten der Branche profitiert. Dadurch entstand ein rundes Bild von den aktuellen Herausforderungen und sinnvollen Lösungsansätzen in der Automobilindustrie. An dieser Stelle möchten wir uns deshalb bei all denjenigen bedanken, die uns dabei geholfen haben diese Erfahrungen zu sammeln oder mit uns im Dialog über das Thema Projektmanagement waren. Wir würden uns natürlich sehr freuen, diesen Dialog auch in Zukunft weiter fortzuführen. Vieles ist noch nicht zu Ende gedacht und nur durch eine intensive Auseinandersetzung werden wir es gemeinsam zur Reife bringen. Wir freuen uns über alle Anregungen und Rückmeldungen. Besonderer Dank gilt unseren Familien, die es uns ermöglicht haben, neben dem normalen Tagesgeschäft an diesem Buch zu arbeiten. Augsburg, im Oktober 2004
Gerhard Hab Reinhard Wagner
VII
Geleitwort zur 1. Auflage
Geleitwort zur 1. Auflage
Es gibt "zwei Dinge, auf denen das Wohlgelingen in allen Verhältnissen beruht. Das eine ist, dass Zweck und Ziel der Tätigkeit richtig bestimmt sind. Das andere aber besteht darin, die zu diesem Endziel führenden Handlungen zu finden." Das sagte der griechische Philosoph Aristoteles. Offenbar wusste man also schon vor fast 2.000 Jahren, was Projektmanagement im Kern bedeutet. Im Grunde hat diese Definition nichts an Aktualität verloren. Nur die Projekte sind komplexer geworden, wobei dieser Prozess heute durch die Globalisierung kräftig angetrieben wird. Das gilt auch für die Automobilindustrie, die als Global Player diese Entwicklung zum einen mit voranbringt und gestaltet und zum anderen ganz entscheidend von ihr geprägt wird. So durchläuft unsere Branche strukturelle Umwandlungsprozesse, die sich auf alle Bereiche von der Produktentstehung bis hin zum Vertrieb auswirken. Der Wettbewerbsdruck wird stärker. Innovations- und Marktzyklen werden kürzer. Marktspezifische Produkte müssen in kürzerer Zeit zu attraktiven Preisen und in hervorragender Qualität entwickelt und auf den Markt gebracht werden. Zudem gilt es in unserer globalen Branche, geographische, zeitliche, kulturelle und sprachliche Barrieren zu überwinden. Diese neuen Herausforderungen kann man nur schwer oder gar nicht mit klassischen Vorgehensweisen in Angriff nehmen und umsetzen. Genau so, wie sich Produkte verändern und an die Ansprüche der Kunden angepasst werden, müssen auch die Prozesse, die bei der Produktidee beginnen und sich über die Entwicklung und Produktion bis hin zur Vermarktung ziehen, neu gesteuert werden. Was ist heute wichtig? Voraussetzung ist zuerst einmal, dass die Bedeutung eines effektiven Projektmanagements erkannt wird. Außerdem muss das Projekt mit dem entsprechenden Zeitvorlauf in Gang gebracht werden, damit der Projektmanager weil zu spät eingesetzt - nicht zum Trouble Shooter wird. Das würde letztlich wie in einer Kettenreaktion zu noch mehr Feuerlöschaktionen führen. Dann kommt es darauf an, Projektziele klar zu definieren und zeitgemäße Methoden und Organisationsformen zum Einsatz zu bringen. Projektcontrolling, Qualitätsmanagement oder Risikomanagement sind hier wichtige Teilbereiche des Projektmanagements. Es geht aber auch - und das darf nicht unterbewertet werden - um Mitarbeiterführung, Motivation und Kommunikation. All dies stellt neue Herausforderungen an das in unserer Branche weit verbreitete Berufsbild des Ingenieurs, das ohnehin schon lange nicht mehr dem Cliché des einsamen Tüftlers und Entwicklers entspricht. Besonders in global tätigen Unternehmen müssen Ingenieure aber noch weiter über den Tellerrand ihres Fachgebietes hinausschauen und die Aufgaben von Projektmanagern übernehmen.
IX
Geleitwort zur 1. Auflage
Damit sind sie nicht mehr nur für einzelne fachliche Komponenten, sondern für ein Projekt in seiner Ganzheit - für Kosten, Technik, Termine, Qualität und Kundenzufriedenheit - verantwortlich. Das kann nur dann zum Erfolg führen, wenn das Projektmanagement akzeptiert und mit den gewachsenen Strukturen eines Unternehmens in Einklang gebracht wird sowie Projektmanager ausgebildet und gefördert werden. Für die Automobilindustrie sind aufgrund ihrer Internationalität und ihrer Rolle als Schwergewicht in Sachen Wirtschaftskraft, aber auch wegen des scharfen Wettbewerbs und der hohen Taktzahlen, in denen hier agiert wird, effizientes Projektmanagement und fähige Projektmanager der Schlüssel für den künftigen Erfolg. Das Potenzial an fähigen Mitarbeitern ist zweifellos vorhanden und der Bedarf noch nicht gedeckt. Dieses Buch gibt einen Einblick in die zentralen Elemente des modernen Projektmanagements und soll helfen, diese in einem Unternehmen zu etablieren und weiterzuentwickeln. Ich hoffe, dass die Leser den einzelnen Beiträgen viele zündende Ideen entnehmen und diese nutzbringend in die Praxis umsetzen können.
Frankfurt am Main, im Oktober 2004
Prof. Dr. Bernd Gottschalk
Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA)
X
Inhaltsübersicht
Inhaltsübersicht
Vorwort
V
Geleitwort
IX
Inhaltsübersicht
XI
Inhaltsverzeichnis
XIII
Abkürzungsverzeichnis
XXI
1.
2.
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
1.1
Wichtige Trends in der Automobilindustrie
3
1.2
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
9
1.3
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
17
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“) 2.1
3.
23
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
26
2.2
Organisation im Automotive-Projekt
33
2.3
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im AutomotiveProjekt
46
2.4
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
62
2.5
Projektplanungsphase
108
2.6
Projektsteuerungsphase, Änderungs- undmanagement
144
2.7
Projektabschlussphase
188
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
195
3.1
Erklärungsmodell des Multi-Projektmanagements
199
3.2
Organisation des Multi-Projektmanagements
203
3.3
Kommunikation und Zusammenarbeit in der Multi-Projektumgebung
220 XI
Inhaltsübersicht
3.4
Prozess und Methoden des strategischen Multi-Projektmanagements (Projektportfolio-Management)
3.5
3.6
4.
5.
6.
223
Prozess und Methoden des operativen Multi-Projektmanagements (Programm-Management)
238
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
245
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
253
4.1
Bedeutung unternehmensübergreifender Projektarbeit
253
4.2
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
256
4.3
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
267
4.4
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
278
4.5
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
288
4.6
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
298
4.7
Aus unternehmensübergreifenden Projekten lernen
311
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
317
5.1
Organisationale Kompetenz – ein ganzheitlicher Ansatz
317
5.2
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
319
5.3
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
327
5.4
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
347
Fazit und Ausblick 6.1 6.2
353
Mit Projektorientierung und professionellem Projektmanagement zum Erfolg
354
Zukünftige Herausforderungen
356
Literaturverzeichnis
365
Abbildungsverzeichnis
373
Stichwortverzeichnis
385
Die Autoren
393
XII
Inhaltsübersicht
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
V
Geleitwort
IX
Inhaltsübersicht
XI
Inhaltsverzeichnis
XIII
Abkürzungsverzeichnis
XXI
1.
2.
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
1
1.1
Wichtige Trends in der Automobilindustrie
3
1.2
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
9
1.3
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
17
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“) 2.1 2.2
23
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
26
Organisation im Automotive-Projekt
33
2.2.1 Projektleitung als zentrale Führungsfunktion
33
2.2.2 Projektorganigramm als Instrument der Rollenklärung
36
2.2.3 Einbindung in die Unternehmensorganisation
41
2.2.4 Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung der Projektbeteiligten 2.3
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Projekt
44 46
2.3.1 Zusammenarbeit im Team fördern
47
2.3.2 Kommunikation im Projekt regeln
53
2.3.3 Kommunikation in internationalen Teams als Herausforderung
57
2.3.4 Informationsfluss im Projekt gestalten
60
XIII
Inhaltsverzeichnis
2.4
2.5
2.6
XIV
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
62
2.4.1 Einführung und Überblick zur Definitionsphase
62
2.4.2 Frontloading als Projektmanagement-Strategie
66
2.4.3 Auftragsklärung und Projektumfeldanalyse
68
2.4.4 Projektübergabe
70
2.4.5 Projektstartklausur / -workshop
72
2.4.6 Zielklärung und Lastenheft
75
2.4.7 Projektergebnisstruktur (Produkt- bzw. Anlagenstruktur)
85
2.4.8 Phasen- und Meilensteinplan
88
2.4.9 Businessplan, Wirtschaftlichkeit und Angebotskalkulation
96
2.4.10 Auftaktworkshop / externer Kick-Off
103
2.4.11 Interner Projektauftrag
105
2.4.12 Kick-Off Meeting intern
107
Projektplanungsphase
108
2.5.1 Einführung
109
2.5.2 Planungsworkshop
112
2.5.3 Projektstrukturplan
112
2.5.4 Arbeitspakete
115
2.5.5 Terminplan
118
2.5.6 Feinterminplan
124
2.5.7 Kapazitäts-/Ressourcenbedarfsplanung
125
2.5.8 Kostenplanung / Kalkulation
127
2.5.9 Optimierung der Projektplanung
131
2.5.10 Risikomanagement
133
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
144
2.6.1 Überblick Projektcontrolling und Projektsteuerung
144
2.6.2 Systematik der Projektsteuerung
145
2.6.3 Termin- und Fortschrittskontrolle
147
2.6.4 Terminprognose mit der Meilensteintrendanalyse
153
Inhaltsverzeichnis
2.6.5 Kostenkontrolle und Mitkalkulation
156
2.6.6 Reifegradcontrolling Produkt und Prozess
158
2.6.7 Analyse der Abweichungen und Einleiten von Steuerungsmaßnahmen
2.7
3.
162
2.6.8 Steuerungsmaßnahmen
164
2.6.9 Projektstatusbesprechung
169
2.6.10 Projekt-Reporting / Berichtswesen
175
2.6.11 Änderungs- und Claimmanagement
180
Projektabschlussphase
188
2.7.1 Projektabschlussaktivitäten im Überblick
188
2.7.2 Das Projektabschlussgespräch (Review)
190
2.7.3 Der Projektabschlussbericht
193
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
195
3.1
199
Erklärungsmodell des Multi-Projektmanagements 3.1.1 Abgrenzung strategisches und operatives MultiProjektmanagement
3.2
200
3.1.2 Begriffsklärung Projektportfolio-Management
201
3.1.3 Begriffsklärung Programm-Management
202
Organisation des Multi-Projektmanagements
203
3.2.1 Rolle des (strategischen) Multi-Projektmanagers
203
3.2.2 Organisatorische Einbindung des Multi-Projektmanagements im Automobilunternehmen
207
3.2.2.1 Projektmanagement-Office als organisatorische Heimat des Multi-Projektmanagements 3.2.3 Gremien im Multi-Projektmanagement 3.2.3.1 Der strategische Projektausschuss (Projektportfolio-Board)
208 212 213
3.2.3.2 Der Projektsteuerkreis als operatives Lenkungsgremium im Multi-Projektmanagement
216 XV
Inhaltsverzeichnis
3.2.3.3 Die Projektleiter-Runde als Plattform für das projektübergreifende Wissensmanagement 3.3
Kommunikation und Zusammenarbeit in der Multi-Projektumgebung
3.4
Prozess und Methoden des strategischen Multi-Projektmanagements (Projektportfolio-Management)
3.5
218 220
223
3.4.1 Der zyklische Prozess des Projektportfolio-Managements
223
3.4.2 Projektportfolio-Initiierung
224
3.4.3 Projektportfolio-Planung
227
3.4.4 Projektportfolio-Controlling
232
3.4.5 Projektportfolio-Bereinigung
236
3.4.6 Softwareunterstützung
237
Prozess und Methoden des operativen Multi-Projektmanagements (Programm-Management)
238
3.5.1 Struktur und Organisation von Programmen in der Automobilindustrie
3.6
4.
3.5.2 Der Prozess des Programm-Managements
240
3.5.3 Programm-Initiierung
241
3.5.4 Programm-Planung und Programm-Controlling
242
3.5.5 Programm-Abschluss
244
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
245
3.6.1 Systematik und Organisation des Ressourcenmanagements
245
3.6.2 Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Ressourcenmanagement
247
3.6.3 Gezielte Planung von Engpass-Ressourcen
249
3.6.4 Ablauf des Ressourcenmanagements
250
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
253
4.1
Bedeutung unternehmensübergreifender Projektarbeit
253
4.2
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
256
4.2.1 Das Projekthaus als zentrale Drehscheibe XVI
238
258
Inhaltsverzeichnis
4.2.2 Projekte - virtuell realisiert
260
4.2.3 Resident Engineering
263
4.2.4 Instanzen zur übergeordneten Projektsteuerung
264
4.2.5 Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in unternehmensübergreifenden Projekten 4.3
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
266 267
4.3.1. Coopetition – widersprüchliche Interessen in der Projektarbeit balancieren
4.4
4.5
271
4.3.2. Kulturelle Rahmenbedingungen im C3PM
273
4.3.3. Rolle der Verständigung im C3PM
275
4.3.4 Neue Anforderungen an die Mitarbeiter im C3PM
276
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
278
4.4.1 Kooperativer Zielvereinbarungsprozess
278
4.4.2 Collaborative Project Scorecard
281
4.4.3 Vom Zielkonflikt zur Zielverträglichkeit
285
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“) 4.5.1 Synchronisation von Herstellern und Zulieferern
288 289
4.5.2 Von der gemeinsamen Kostenzielermittlung zur individuellen Kostenplanung 4.5.3 Absicherung von Kooperationsrisiken 4.6
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
294 296 298
4.6.1 Übergeordnete Steuerung von unternehmensübergreifenden Projekten
299
4.6.2 Reifegradmessung als Grundlage der integrierten Projektsteuerung
301
4.6.3 Konfigurations- und Änderungsmanagement als Schlüsseldisziplinen im C3PM 4.6.4 Berichtswesen im C3PM
303 309
XVII
Inhaltsverzeichnis
4.7
Aus unternehmensübergreifenden Projekten lernen 4.7.1 Barrieren auf dem Weg zum kooperativen Lernen
311 312
4.7.2 Kompetenzentwicklung in Projekt-Netzwerken der Automobilindustrie 4.7.3 Voraussetzungen für kooperatives Lernen
5.
317
5.1
Organisationale Kompetenz – ein ganzheitlicher Ansatz
317
5.2
Analyse und Bewertung der Organisationale PM-Kompetenz
319
5.2.1 Analyse der Ausgangssituation
320
5.2.2 Abgrenzung des Betrachtungsbereichs
321
5.2.3 Projektmanagement-Assessment
322
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.4
328
5.3.2 Bestandsaufnahme und Standortbestimmung
330
5.3.3 Soll-Konzeption und Realisierungsplanung
333
5.3.3.1 Strategischer Fit des Projektmanagements
334
5.3.3.2 Synchronisation der Prozesslandschaft
338
5.3.3.3 Balancierung von Projekt- und Linienorganisation
339
5.3.3.4 Schaffung einer projektfreundlichen Kultur
340
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
343 347
5.4.1 Wissen in Projekten zur Verbesserung nutzen
349
5.4.2 Wissen über Projekten zur Verbesserung nutzen
349
5.4.3 Wissen aus Projekten zur Verbesserung nutzen
350
Fazit und Ausblick 6.1
327
5.3.1 Organisation und Planung
5.3.4 Implementierung und Erfolgskontrolle
353
Mit Projektorientierung und professionellem Projektmanagement zum Erfolg
XVIII
315
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5.3
6.
313
354
Inhaltsverzeichnis
6.2
Zukünftige Herausforderungen
356
6.2.1. Kontinuierliche Steigerung der Effizienz nötig
356
6.2.2. Internationalisierung der Projektarbeit nimmt zu
358
6.2.3. Multi-Projektmanagement gewinnt an Bedeutung
360
6.2.4. Umgang mit Unplanbarem wird zur Normalität
361
6.2.5. Den „soft skills“ gehört die Zukunft
363
Literaturverzeichnis
365
Abbildungsverzeichnis
373
Stichwortverzeichnis
385
Die Autoren
393
XIX
Abkürzungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
AKV
Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten
AP
Arbeitspaket
APQP
Advanced Product Quality Planning And Control Plan
BRIC
Brasilien, Russland, Indien, China
BSC
Balanced Scorecard
C3PM
Cross-Company-Collaboration-Projektmanagement
CAD
Computer Aided Design
CAQ
Computer Aided Quality Management
CCP
Cross Company Planning
CMMI
Capability Maturity Model Integrated
CPM
Collaborative Project Management
CPS
Collaborative Project Scorecard
CRM
Customer Relationship Management
CSCW
Computer Supported Cooperative Work
DFM
Design for Manufacturing
DMU
Digital Mock-Up
DoE
Design of Experiments
EDL
Entwicklungsdienstleister
EDM
Engineering Data Management
ERP
Enterprise Resource Planning
F+E
Forschung und Entwicklung
FEM
Finite Elemente Methode
FMEA
Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse
GM
General Motors
GPM
Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V.
XXI
Abkürzungsverzeichnis
IPMA
International Project Management Association
IT
Informationstechnik
KBA
Kraftfahrt-Bundesamt
Kfz
Kraftfahrzeug
KM
Konfigurationsmanagement
KPI
Key Performance Indicator
LOI
Letter Of Intent
LOP
Liste offener Punkte
MPM
Multi-Projektmanagement
MTA
Meilensteintrendanalyse
Nfz
Nutzfahrzeug
OEM
Original Equipment Manufacturer
PDM
Product Data Management
PEP
Produktentstehungsprozess
Pkw
Personenkraftwagen
PL
Projektleiter
PLM
Product Lifecycle Management
PM
Projektmanagement
PMM
Programm-Management
PMO
Project-/Program Management Office
PPM
Projektportfolio-Management
PPS
Produktionsplanungssystem
PSC
Project Scorecard
QFD
Quality Function Deployment
QM
Qualitätsmanagement
QSV
Qualitätssicherungsvereinbarungen
SE
Simultaneous Engineering
SOP
Start of Production
VDA
Verband der Automobilindustrie e.V.
XXII
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Die Automobilindustrie hat in den letzten vierzig Jahren eine wahre Erfolgsgeschichte geschrieben. So hat sich beispielsweise der Fahrzeugbestand in Deutschland von ca. 14 Millionen im Jahr 1970 auf heute knapp über 50 Millionen mehr als verdreifacht (vgl. Abbildung 1-1). 1 Damit stieg die Fahrzeugdichte im gleichen Zeitraum von 229 Kfz auf heute über 612 Kfz je 1000 Einwohner an. International ist eine ähnliche Entwicklung zu beobachten. Vor allem durch die hohen Wachstumsraten in Ländern wie China, Indien und Brasilien wuchs der Fahrzeugbestand auf nahezu eine Milliarde Fahrzeuge weltweit an. Diese Entwicklung hat Automobilherstellern wie Zulieferern bislang enorme Wachstumsraten beschert. Insbesondere im Premium-Segment konnten die deutschen Hersteller wie Audi, BMW, Mercedes, Porsche und Co. ihren Marktanteil aufgrund hervorragender Qualität, innovativer Technologien und einer großen Zuverlässigkeit stetig ausbauen. „Made in Germany“ und „German Engineering“ galten dabei immer als Basis für den weltweiten Erfolg deutscher Unternehmen.
Abbildung 1-1:
Fahrzeugbestand in Deutschland (in Mio.)
60 50 40 30 20 10 0 1970
1975
1980
1985
1990
1995
2000
2005
2010
1 Kraftfahrt-Bundesamt (KBA)
1
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Im Herbst 2008 legte die Automobilindustrie allerdings eine „Vollbremsung“ hin. 2 Nach der Finanz- bzw. Immobilienkrise in den USA und dem Zusammenbruch mehrerer großen Banken brach auch die Nachfrage nach Automobilen weltweit drastisch ein. Die deutschen Hersteller konnten sich dieser Entwicklung nicht entziehen. Hatten sie in den vorangegangenen Jahren die Schwäche in den Triade-Märkten USA, WestEuropa und Japan noch durch Wachstum in den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) ausgleichen können, so ging auch hier plötzlich nichts mehr. Die global aufgestellte Branche durchlebt eine der schwierigsten Phasen der letzten (sehr erfolgreichen) Dekaden. Besonders hart traf es die Automobilhersteller in Nordamerika. Die einst so stolzen Unternehmen General Motors und Chrysler konnten sich nur dank staatlicher Hilfen über Wasser halten und mussten im Rahmen eines Insolvenzverfahrens schmerzliche Einschnitte bei Händlern, Zulieferern und Produktionsstandorten hinnehmen. Auch Toyota, der bis zu diesem Zeitpunkt volumenstärkste und profitabelste Massenhersteller, geriet in den Sog der Ereignisse. Aufgrund starker Abhängigkeiten vom Absatz in Nordamerika mussten die sonst so erfolgsverwöhnten Toyota-Manager erstmals Verluste verkünden und ihre Wachstumsziele drastisch nach unten korrigieren. Experten hatten schon längere Zeit vor einem Crash gewarnt. 3 Sie führen strukturelle Probleme in der Autoindustrie und gravierende Managementfehler als Hauptursachen für die Misere an. So werden die Überkapazitäten der weltweiten Automobilindustrie, die verfehlte Modellpolitik mit dem Trend zu immer größeren, wenig umweltschonenden Fahrzeugen und die zu geringe Profitabilität von Volumenherstellern wie auch Zulieferern gerügt. 4 In der Krise mussten dann wohl oder übel die Kapazitäten massiv heruntergefahren und gleichzeitig neue, sparsamere Modelle entwickelt werden. Dies kostet natürlich zusätzliches Geld, Geld das aufgrund einer oft zu geringen Profitabilität fehlte und am Kapitalmarkt nicht mehr zu beschaffen war. Diesem Teufelskreis fielen zahlreiche, auch namhafte, Unternehmen zum Opfer. Die Krise hat auch die deutschen Player hart getroffen. Spezialisiert auf das PremiumSegment, blieben plötzlich zahlungskräftige Kunden weg, was zu Verlustmeldungen bei BMW, Mercedes & Co. sorgte, die daraufhin flächendeckend mit Kurzarbeit und harten Einschnitten reagierten. Volkswagen und Opel konnten temporär von der „Abwrackprämie“ profitieren. Die staatliche Stützungsaktion für 2 Mio. geförderte Fahrzeuge löste eine Sonderkonjunktur bei Klein- und Kleinstwagen aus und half, die Zahl der deutschen Neuzulassungen in 2009 zu stabilisieren.
2 Süddeutsche Zeitung, Ausgabe vom 22. August 2009, S. 25 3 vgl. Becker (2007a) 4 vgl. Becker (2007b)
2
Wichtige Trends in der Automobilindustrie
VDA-Präsident Wissmann geht davon aus, dass die deutsche Autobranche stärker aus der derzeitigen Krise hervorgehen wird und sieht sogar Chancen: „Die weltweite Wirtschafts- und Finanzkrise wirkt sich nun auch schmerzhaft auf die Automobilindustrie aus. Die Unternehmen handeln entschlossen und passen ihre Produktion innerhalb kürzester Zeit an die rückläufige Nachfrage an. Hierzu sind der Abbau von Arbeitszeitkonten, verlängerte Werksferien und teilweise auch Kurzarbeit notwendig. Ich bin allerdings davon überzeugt, dass die deutschen Hersteller und Zulieferer mit ihrer Innovationskraft und ihren hervorragenden Produkten schneller und stärker als andere aus dieser Krise hervorgehen werden." 5
1.1
Wichtige Trends in der Automobilindustrie
Die Automobilindustrie hat sich in den letzten Jahrzehnten weltweit zu einem der wichtigsten Wirtschaftszweige entwickelt. Im Jahr 2008 haben fast neun Millionen Beschäftigte knapp 57 Millionen Autos gefertigt und trugen damit immerhin ca. 15% zum Welt-Bruttosozialprodukt bei. Auch in Deutschland spielt die Automobilindustrie mit einem Umsatz von knapp 284 Mrd. € und annähernd 750.000 Beschäftigten eine gewichtige Rolle im Wirtschaftsleben. 6 Allerdings haben die Auswirkungen der Globalisierung nicht Halt vor der Automobilindustrie gemacht. So hat es in den letzten Jahrzehnten auf Seiten der Automobilhersteller eine dramatische Konzentrationsbewegung gegeben. Existierten 1964 noch 52 selbständige Hersteller, so hat sich deren Zahl bis heute auf ein Dutzend global tätige, unabhängige Konzerne reduziert. In Schwellenländern wie z.B. China und Indien etablieren sich zwar zunehmend neue Anbieter, allerdings sind deren Versuche, sich auf der internationalen Bühne zu betätigen, bislang noch nicht sonderlich erfolgreich. Die Absatzkrise hat den Überlebenskampf der Automobilhersteller verschärft. 7 Experten sehen die Zukunft der Hersteller in Bündnissen und fordern unkonventionelle Kooperationsmodelle. Vor allem das Segment der kleinen Volumenhersteller ist betroffen und muss künftig Partner finden, um die Kosten, die etwa in Forschung und Entwicklung entstehen, besser abdecken zu können. Synergien sind aber auch im Einkauf, in der Produktion oder bei der Realisierung von Skaleneffekten, z.B. durch Nutzung von Plattformen und Gleichteilen, möglich. 8
5 VDA, Pressemitteilung vom 21. Januar 2009 6 vgl. VDA, Jahresbericht 2009 7 vgl. Studie „Automotive Performance 2007/2008“ des FHDW Center of Automotive 8 vgl. Financial Times Deutschland, Ausgabe vom 10. Dezember 2008, S. 4
3
1.1
Die Krise traf auch die Zulieferer hart. So mussten allein in Deutschland 2008 und 2009 mehrere Dutzend Unternehmen Insolvenz anmelden, die Gewinne bei den restlichen Unternehmen fielen zumeist negativ aus. Es wird verstärkt zu Zusammenschlüssen (wie z.B. Continental/Schaeffler oder Webasto/Edscha) kommen und neue Geschäftsmodelle geben. Experten konstatieren, dass deutsche Zulieferer aufgrund ihrer Innovationskraft und ihres unternehmerischen Handelns stärker als ihre Wettbewerber aus der Krise hervorgehen werden. Auch wenn sich Umsatz und Ergebnis erst wieder 2014 auf dem Niveau von 2007 einpendeln werden, so profitieren die Zulieferer vom hohen Anteil an der automobilen Wertschöpfung. 9 Prognosen zu den Wertschöpfungsanteilen von Automobilherstellern und Zulieferern basieren weitgehend auf Zahlen vor Einbruch der Absatzzahlen. Demnach profitieren die Zulieferer vom Outsourcing der Hersteller und können ihren Anteil auf über 70 % ausbauen (vgl. Abbildung 1-2).
Abbildung 1-2:
Wertschöpfungsentwicklung in der Automobilindustrie 10
903
weltweit in Mrd. €
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
645 700 (77%)
Zulieferer inkl. Dienstleister
228 (35%)
203 (23%)
OEM
2002
2015
417 (65%)
Allerdings haben die Original Equipment Manufacturer (OEM) in letzter Zeit wieder verstärkt Kapazitäten ins eigene Unternehmen zurückgeholt, so z.B. Entwicklung und Fertigung von Derivaten wie Sport- und Geländewagen, die keine großen Stückzahlen bringen, nichtsdestotrotz mit einer hohen Flexibilität zusammen mit anderen Modellen auf einem Band montiert werden können.
9 Pressemitteilung von VDA und Oliver Wyman, Frankfurt am Main/München, 19. Mai 2009 10 vgl. die Studie „Future Automotive Industry Structure (FAST) 2015“ von Oliver Wyman
(vormals) Mercer Management Consulting und Fraunhofer Gesellschaft, München, 2003
4
Wichtige Trends in der Automobilindustrie
Technologische Veränderungen bewirken auch ein Umdenken bei den OEM, was die eigenen Kernkompetenzen angeht. Vor allem im Bereich Elektrik/Elektronik nehmen die Hersteller wieder verstärkt selbst das Ruder in die Hand. Der Entwicklungsleiter für Elektrofahrzeuge bei Daimler geht sogar noch einen Schritt weiter: „Getriebesteuerungen entwickeln wir heute zu 100% selbst. Bei Motorsteuerungen wird das ab 2012 der Fall sein und die Power Control Units für Hybrid- und Elektroautos entwickeln wir ebenfalls inhouse.“ 11 Volkswagen reagiert auch bei konventioneller Technik mit einer Erhöhung des Eigenanteils. Durch eine bessere Auslastung der eigenen Komponentenwerke mit Ingenieur-Leistungen, Produktion, Prototypen- und Werkzeugbau soll eine jährliche Produktivitätssteigerung von zehn Prozent realisiert werden. 12 Es bleibt also abzuwarten, wie sich die Wertschöpfungsanteile zukünftig weiter entwickeln werden. Das Stichwort „Elektroauto“ macht deutlich, dass sich für Hersteller wie Zulieferer die strategischen Schwerpunkte verschoben haben. Waren in den letzten Jahren Themen wie z.B. die Ausweitung der Modellpaletten, die Verbesserung der Produktqualität, die globale Aufstellung und Verknüpfung von Wertschöpfungsketten im Zentrum des Interesses, steht die Automobilindustrie heute am Beginn einer technologischen Zeitenwende. „Erstmals in der mehr als hundertjährigen Geschichte des Automobils bestehen realistische Chancen, dass fossile Kraftstoffe beim Antrieb der Fahrzeuge nicht mehr die alleinige Lösung sind. Dafür gibt es im Wesentlichen zwei Treiber: Erstens verlangt die Umwelt- und Klimapolitik – angesichts der Gefahren des Klimawandels – eine Verringerung der CO2-Emissionen von Autos. Zweitens haben der rasante Anstieg des Ölpreises bis zur Jahresmitte 2008 sowie die Erwartung, dass der aktuelle Ölpreisrückgang lediglich ein vorübergehendes Phänomen ist, dazu geführt, dass die Automobilwirtschaft ihre Forschungsanstrengungen im Bereich alternative Antriebe intensiviert hat.“ 13 Primär wurde die Entwicklung also durch externe Einflussfaktoren getrieben, obwohl gerade die deutschen Automobilhersteller schon lange an alternativen Antrieben und umweltfreundlichen Technologien arbeiten. Hinzu kommt, dass sich die Käufer von Fahrzeugen heute eher für sparsame Modelle entscheiden und gesellschaftlich „klein und sauber“ einfach besser ankommt. Die Zulassungszahlen im Zeitraum von Juli 2008 bis Juli 2009 zeigen ein klares Wachstum bei Kleinst- und Kleinwagen sowie im Bereich der Kompaktklasse. Mittelklasse, obere Mittelklasse, Oberklasse und Sportwagen sind die klaren Verlierer dieser Entwicklung (vgl. Abbildung 1-3). Allerdings sind Premium und Umweltverträglichkeit auch kein Widerspruch, das beweist Toyota mit seinen Hybrid-Modellen des Lexus genauso wie deutsche Premiumanbieter.
11 VDI nachrichten Nr. 27, Ausgabe vom 03. Juli 2009, S. 4 12 Meldung der Automobilindustrie in ihrer Online-Ausgabe vom 02.09.2009 13 Deutsche Bank Research, EU-Monitor 62, Ausgabe vom 06. Februar 2009, S. 2
5
1.1
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Abbildung 1-3:
Veränderungen bei Pkw-Neuzulassungen nach Segmenten 14
Die Analyse der Entwicklungen in der Automobilindustrie muss heute mehr denn je auf globaler Ebene vorgenommen werden. Nach einer weitgehenden Sättigung der wichtigsten Absatzmärkte in der Triade (Nord-Amerika, West-Europa und Japan) und dem Erstarken der BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) ist die Automobilindustrie wesentlich komplexer geworden. Der nordamerikanische Markt hatte in den letzten beiden Jahren besonders unter der Rezession zu leiden. So wurden in den USA 2009 nur noch 10,4 Mio. Light Vehicles abgesetzt, 21 Prozent weniger als im Vorjahr. 15 Hohe Kraftstoffpreise, schärfere Kreditbedingungen, fallenden Aktien- und Häuserpreise sowie eine zunehmende Arbeitslosigkeit ließen die Nachfrage nach neuen Fahrzeugen weiter einbrechen. Der Absatz in West-Europa (+1%) konnte nur Dank stattlicher Massnahmen stabilisiert werden, in Japan nahm dagegen die Zahl der Neuzulassungen wie in den Vorjahren ab (-7%). Damit wird deutlich, dass sich die klassischen Absatzmärkte in einer Sättigungsphase befinden.
14 KBA 15 VDA
6
Wichtige Trends in der Automobilindustrie
Die Krise hat aber auch den Absatz in einigen Ländern betroffen, die zu den Wachstumsmärkten der Automobilindustrie zählen. So konnten zwar in Brasilien die Verkäufe um 13 % auf mehr als 3 Mio. Fahrzeuge gesteigert werden, das Nachbarland Argentinien verbuchte hingegen einen Absatzrückgang um ein Fünftel. In Russland hat sich 2009 das Pkw-Geschäft aufgrund der wirtschaftlichen Lage nahezu halbiert, auch in Rumänien und Bulgarien ging der Absatz um mehr als die Hälfte zurück, lediglich in Polen, Tschechien und der Slowakei waren leichte Zuwächse zu verzeichnen. In China und Indien hat sich der Absatz nach einer kurzen Schwächephase Anfang 2009 weiter sehr dynamisch entwickelt, so konnten in China im Gesamtjahr 8,4 Mio. Fahrzeuge abgesetzt werden, fast 50% mehr als im Vorjahr, Indien konnte eine Steigerung um 17 % auf 1,8 Mio. Pkw verzeichnen. In den nächsten Jahren erwarte Analysten für die BRIC-Staaten ein überproportionales Wachstum (vgl. Abbildung 1-4). Dieses Wachstum speist sich überwiegend aus dem wirtschaftlichen Erstarken der Schwellenländer mit einer parallel steigenden Kaufkraft der Bevölkerung und einem erhöhten Bedarf an Transportmitteln. Die Triade wird dagegen rückläufige Absatzzahlen verzeichnen bzw. stagnieren.
Abbildung 1-4:
Wachstum und Absatz nach Regionen 16
16 vgl. Automobilindustrie, Ausgabe 9/2009, S. 26
7
1.1
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Die Automobilhersteller versuchen wie schon in den letzten Jahren mit immer neuen Modellen und Varianten Marktanteile zu halten oder neue hinzu zu gewinnen. BMW hat beispielsweise in den letzten Jahren seine Modellpalette kontinuierlich erweitert (vgl. Abbildung 1-6). Die Ausweitung der Modellvielfalt erhöht allerdings die Komplexität in den Produktentstehungsprozessen - von der Entwicklung über die Fertigung bis hin zu den After-Sales-Services. Vielfältige Abhängigkeiten und die Gefahr der Kannibalisierung, d.h. der Erhöhung der Absatzzahlen eines Modells auf Kosten eines anderen, sind Herausforderungen für das Management. Dabei müssen die international tätigen Automobilhersteller ihre Marken und Modelle auch noch zunehmend auf regionale Käufergruppen abstimmen, was den Aufwand zusätzlich erhöht.
Abbildung 1-5:
Produktportfolio der BMW Group 17 Premium/ high cost Rolls Royce
Coupé Practical, rational
X6 X5 Touring 7er 6er 5er X3 1er 3er Cabrio X1
Z4
M
Enthusiasm, emotional
Compact
Mini
Budget, low cost
Durch die expansive Modellpolitik der letzten Jahre sind die Automobilhersteller gezwungen worden, große Teile ihrer Wertschöpfung an kompetente Zulieferer auszulagern. Zulieferer spielen heute eine wesentliche Rolle bei Entwicklung und Fertigung von Fahrzeugteilen, Modulen und Systemen. Teilweise übernehmen sie komplette Fahrzeuge (Derivate) mit einem geringen Volumen wie z.B. Cabrios, geländegängige Fahrzeuge oder Sportwagen).
17 in Anlehnung an Becker (2003), S. 64
8
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
Die Systemlieferanten sind für große Anteile verantwortlich und steuern die Unternehmen der nachgelagerten Wertschöpfungsstufen aus. Neue Formen der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern entstehen (vgl. Abbildung 1-7). In Zukunft wird die automobile Wertschöpfung in komplexen Netzwerken erbracht.
Abbildung 1-6:
Neue Formen der Zusammenarbeit in der Automobilindustrie 18
Vergangenheit: Unabhängige Lieferanten
Gegenwart: Strategische Partnerschaften unter den Lieferanten
Zukunft: Vernetzte Unternehmen
1.2
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
In gleichem Maße wie sich die Automobilindustrie verändert und die strategischen Herausforderungen für Hersteller und Zulieferer zunehmen, steigen auch die Anforderungen an das Projektmanagement. Eine zunehmend anspruchsvollere Käuferschaft erwartet auf individuelle Bedürfnisse zugeschnittene Autos mit neuesten Technologien und hoher Funktionalität, wie z.B. Komfort, Sicherheit und Fahrleistung, sind allerdings immer weniger bereit, für diese Innovationen auch einen höheren Preis (im Vergleich zum Vorgängermodell) zu bezahlen. Die Hersteller sind im globalen Wettstreit gezwungen, in immer kürzeren Abständen neue Fahrzeuge, Modelle oder technische Neuerungen auf den Markt zu bringen, und zwar zu möglichst hoher Qualität und attraktiven Preisen. 18 Kurek (2004), S. 23
9
1.2
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Das „magische Dreieck“ des Projektmanagements von Qualität, Kosten und Terminen wandelt sich zum „teuflischen Dreieck“ (vgl. Abbildung 1-7). Es stehen immer geringere Budgets für die Erzielung hochwertiger Fahrzeuge bei einem verkürzten „Timeto-market“ zur Verfügung. Damit schränkt sich der Handlungsspielraum deutlich ein und die Anforderungen an Effizienz und Effektivität in der Projektabwicklung steigen.
Abbildung 1-7:
Vom „magischen“ zum „teuflischen“ Dreieck
Standen in den vergangenen Jahren vor allem die Rationalisierungsbemühungen in den Produktionsbereichen im Vordergrund (z.B. Lean Production, Re-Engineering), so rücken heute verstärkt die Prozesse der Produktentwicklung in den Mittelpunkt der Anstrengungen zur Steigerung von Effizienz und Effektivität. Das Potenzial ist gewaltig. So konnten wir schon vor Jahren nachweisen, dass sich die Effizienz in Fahrzeugentwicklungsprojekten um annähernd 30 Prozent (!) steigern lässt. In der Gemeinschaftsstudie mit dem Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) unter dem Titel „Automobilentwicklung in Deutschland – wie sicher in die Zukunft?“ kommt das Autorenteam zu dem Schluß, dass man sich ernsthafte Sorgen um den Entwicklungsstandort Deutschland machen müsse. 19 Dann werden die Probleme klar beim Namen genannt: So wird das Projektmanagement als Schlüsseldisziplin in der Fahrzeugentwicklung offensichtlich nicht mit der erforderlichen Professionalität praktiziert. Es wird deshalb gefordert, den Stellenwert des Projektmanagements zu erhöhen und als zentrale Funktion in der Unternehmensorganisation zu verankern. Würde dem Thema Projektmanagement in den Unternehmen der Automobilindustrie der nötige Stellenwert beigemessen, dann ließen sich die Projekte erheblich effizienter abwickeln und die festgelegten Ziele besser erreichen, so eine der zentralen Aussagen der Studie. 19 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003)
10
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
Voraussetzung für ein professionelles Projektmanagement ist - neben einer projektorientierten Kultur mit einer ausgewogenen Balance zur Linienorganisation und einer starken Position des Projektleiters - vor allem eine standardisierte Vorgehensweise von der Projektdefinition bis zum -abschluss. Unsere regelmäßigen Befragungen zeigen, dass die Effizienz in der Projektabwicklung nicht besser, in manchen Fällen sogar schlechter geworden ist - mit fatalen Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Automobilindustrie. So erfordern nicht nur die steigenden Kundenanforderungen und die Notwendigkeit der Differenzierung zwischen unterschiedlichen Fahrzeugmodellen, sondern auch die kooperative Projektabwicklung eine frühzeitige Abklärung und Formulierung der Ziele im Rahmen des Lastenheftes. In der Praxis existieren allerdings bis weit über den Projektbeginn hinaus unterschiedliche Auffassungen zwischen den Projektbeteiligten über die anzustrebenden Ziele – mit verheerenden Folgen für das Projekt und die Zusammenarbeit. Die zunehmende technologische wie organisatorische Komplexität in der Automobilindustrie erzwingt eine professionelle Projektplanung und deren Abstimmung mit den beteiligten Projektpartnern. Auch wenn noch zahlreiche Unwägbarkeiten bezogen auf die Randbedingungen und den Projektverlauf in der frühen Projektphase bestehen, ist es erforderlich, wesentliche Abläufe und Ereignisse zu planen, um die Transparenz im Projekt zu erhöhen. Dies bietet Orientierung für die Beteiligten und reduziert den tatsächlichen Aufwand in der Realisierung. Kooperative Projektarbeit über Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg erfordert gerade zu Beginn eines Projektes Klarheit bezüglich der jeweiligen Zuständigkeiten (Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten) sowie der organisatorischen Regeln im Netzwerk zwischen Herstellern und Zulieferern. Werden diese nicht klar vereinbart, drohen Doppelarbeiten, Unterlassungen oder Reibungsverluste zwischen den Partnern, was einer notwendigen Steigerung von Effektivität und Effizienz in der Projektabwicklung sicherlich abträglich ist. In Folge der Dynamik in der automobilen Produktentstehung erscheint es ebenfalls notwendig zu sein, ein systematisches Änderungsmanagement zu implementieren. Neben der Vermeidung und Vorverlagerung von Änderungen durch „Frontloading“ (d.h. die frühe Entscheidung über Projektzustände und deren Festschreibung sowie das disziplinierte Festhalten an diesen Vereinbarungen) sollten standardisierte und ITgestützte Abläufe für mehr Effizienz und Effektivität im Umgang mit Änderungen sorgen. Wegen der Komplexität heutiger Projekte, ist das Änderungsmanagement sicherlich kaum mehr von einer einzigen Person zu bewerkstelligen. Die Einrichtung eines interdisziplinär besetzten „change-boards“ scheint deshalb die beste Lösung zu sein, um Änderungen und deren Auswirkungen auf den Projektverlauf durch eine Gemeinschaftsleistung wirksam bearbeiten zu können. Die wesentlichen Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie sind in Abbildung 1-8 noch einmal zusammengefasst.
11
1.2
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Abbildung 1-8:
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
Stellenwert des Projektmanagements erhöhen und als zentrale Funktion in der Unternehmensorganisation verankern
Projektmanagement standardisieren wichtige Partner wie Systemlieferanten und Entwicklungsdienstleister frühzeitig zu Projektbeginn einbeziehen
kein Projektstart ohne klar definierte Ziele und klares Lastenheft frühzeitig die Projektplanung zwischen den Entwicklungspartnern abstimmen zu Projektstart Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten der Partner verbindlich festlegen
klare Messgrößen mit Hilfe von Meilensteinen und Arbeitspaketbeschreibungen definieren Einrichten eines Change-Board, das Änderungen und ihre Auswirkungen auf das Gesamtprojekt bearbeitet
Änderungen so früh wie möglich und offen kommunizieren Die Vielzahl der parallel ablaufenden Projekte bei Herstellern wie Zulieferern erfordert neben der professionellen Abwicklung einzelner Projekte zusätzlich noch ein systematisches Multi-Projektmanagement. Von strategischer Bedeutung ist dabei das bewusste Auswählen von Projekten in das Projektportfolio. Knappe Ressourcen machen deshalb eine Bündelung auf wenige Projekte notwendig. Dies betrifft die finanziellen Ressourcen ebenso wie das spezifische Know-how einzelner Mitarbeiter bzw. die in der Regel nur begrenzt verfügbaren Managementkapazitäten. Eine Verzettelung verursacht sonst unnötig Probleme. Darüber hinaus ist die Planung und Steuerung der vielfältigen Abhängigkeiten im Projektportfolio zentrale Herausforderung des Multi-Projektmanagements. Ob kritische Ressourcen optimal geplant und gesteuert werden, kann überlebenswichtig im Verdrängungswettbewerb der Automobilindustrie sein. Das Aufzeigen der Abhängigkeiten, die vernetzte Planung und das frühzeitige Reagieren auf Probleme in der übergreifenden Projektarbeit sind zentrale Aufgaben für eine übergeordnete (Multi-) Projektmanagementinstanz – oft als „Programm-Management“ bezeichnet. Die Vielzahl der Abhängigkeiten und die Dynamik der Veränderungen im Projektportfolio erfordern sicher auch Unterstützung durch ein leistungsfähiges Multi-ProjektmanagementWerkzeug. Dies kann mit Hilfe vordefinierter Frühindikatoren wertvolle Informationen für die Steuerung der vielen Projekte geben und notwendige Berichte in dem dafür vorgesehenen Format zur Verfügung stellen. Damit kann der verantwortliche Manager den Überblick bewahren und sich auf seine wesentlichen Aufgaben konzentrieren.
12
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
Die Projektarbeit in der Automobilindustrie findet heute überwiegend im Rahmen von unternehmensübergreifenden Kooperationen statt. Dabei gibt es eine Vielzahl an praktizierten Modellen der Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Zulieferern (vgl. Abbildung 1-9).
Abbildung 1-9:
Praktizierte Formen der Zusammenarbeit 20
35 % 29 % 20 %
11 % 5%
Netzwerk mit anderen Zulieferern
Netzwerk mit OEM
eigenes Entwicklungsteam beim OEM
nach Angaben des OEM
kein Simultaneous Engineering
Die Ursache für diese Situation ist sicherlich in der weitgehenden Verlagerung von Wertschöpfungsanteilen vom Automobilhersteller in Richtung der nominierten Zulieferer zu sehen. Teilweise erreicht der Anteil der Zulieferer heute schon mehr als 2/3 der automobilen Wertschöpfung. So widmen sich die Automobilhersteller zukünftig wesentlich stärker den der Produktion nachgelagerten Aufgaben wie z.B. Vertrieb, Service und Kundenbetreuung. 21 Ausgewählte Zulieferer übernehmen als System-, Technologie-, Entwicklungs- oder Produktionsspezialist Aufgaben, die vom Hersteller früher selbst erledigt wurden. 22 Um das Zuliefernetzwerk zukünftig besser steuern zu können, müssen die Hersteller – ausgehend vom Branding bzw. der Modellpolitik Klarheit bezüglich der Differenzierungsmerkmale einzelner Modelle sowie der eingesetzten Technologien schaffen und sich verstärkt um die Fahrzeugintegration kümmern.
20 VDA (2001), S. 68 21 Pressemitteilung der Mercer Management Consulting, München, vom 15. Dezember 2003 22 VDA (2001), S. 11
13
1.2
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Schließlich gewinnt die Auswahl und das Management der strategischen Zulieferer als Partner im Produktentstehungsprozess für den Automobilhersteller eine zentrale Rolle. Die Zusammenarbeit im Netzwerk zwischen Zulieferern und Herstellern stellt eine Reihe neuer Anforderungen an die beteiligten Unternehmen und deren Mitarbeiter (vgl. Abbildung 1-10).
Abbildung 1-10: Voraussetzungen für die Zusammenarbeit im Netzwerk 23 Strategie Organisation - projektbezogene Organisation
Mitarbeiter
- Konzentration auf Kernprozesse
- Interdisziplinäres Arbeiten - wechselnde Aufgaben und Rollen
- Best-in-Class-Communities
- Benefit Sharing
- Unternehmensübergreifende Zielvereinbarungen
- Ergebnisverantwortung OEM 1
SL 2
Wissen - Know-how Sharing
Value Network
Prozesse - unternehmensübergreifende Kernprozesse
- Projektmitarbeit
SL 1
- selbstregulierende Elemente (Regelkreis)
- Partnermanagement EDL
OEM 2
- Standardisierung der Kernprozesse - Reduktion der Schnittstellen durch Aufbau von selbstregulierenden Einheiten
- permanentes Lernen
Kultur - offene Kultur, Vertrauen
Technologiepartner
- Kooperation / Entscheidung durch Konsens - Ergebnisverantwortung
In diesem Szenario werden sich die Unternehmen entlang der Wertschöpfung entsprechend ihrer jeweiligen Kernkompetenzen zu „Best-in-Class-Communities“ zusammenschließen und projektbezogen organisieren. Die möglichst selbständigen Einheiten werden dabei durch unternehmensübergreifende Zielvereinbarungen und eine faire Verteilung von Chancen („benefits“) und Risiken („risks“) ausgesteuert. Prozesse werden unternehmensübergreifend standardisiert und möglichst frei von Schnittstellen an den übergreifenden Wertschöpfungsprozessen ausgerichtet. Für die Mitarbeiter bedeutet die Arbeit in Netzwerken vor allem eine vermehrte Verantwortungsübernahme in der Projektarbeit sowie wechselnde Aufgaben und Rollen in einem interdisziplinären Umfeld. Permanentes Lernen und der offene Austausch von Wissen nehmen im veränderlichen Umfeld der Projektarbeit sicherlich weiter an Bedeutung zu.
23 in Anlehnung an Becker (2003), S. 71
14
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
Wichtig wird es zukünftig sein, die Partner mit Hilfe eines zielgerichteten Managements auf die neuen Aufgaben vorzubereiten und im Verlauf der Kooperation tatkräftig zu unterstützen. Diese Form der Netzwerkarbeit funktioniert allerdings nur bei einer Kultur des gegenseitigen Vertrauens und des offenen Umgangs miteinander, wobei Entscheidungen auf „gleicher Augenhöhe“ und im Konsens getroffen werden, jeder aber für die Erreichung seiner Ergebnisse verantwortlich ist. Eine Untersuchung der Fachgruppe „Automotive-Projektmanagement“ der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. in Zusammenarbeit mit der Universität Augsburg (Prof. Dr. Fritz Böhle) zum Thema „Cross-Company-CollaborationProjektmanagement (C3PM)“ 24 zeichnet allerdings ein ernüchterndes Bild der Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern: im Bereich der Fahrzeugentwicklung schneiden vor allem die für Aufbau und Pflege einer Kooperation wichtigen Aspekte der kulturellen Rahmenbedingungen sowie der individuellen Fähigkeiten mit Abstand am schlechtesten ab (vgl. Abbildung 1-11). Aber auch die Klärung der Projektziele sowie die Prozessteuerung werden in der übergreifenden Zusammenarbeit nur mit mittelmäßigen Noten bewertet.
Abbildung 1-11: Ergebnisse einer Expertenbefragung in der Fahrzeugentwicklung 25 Zufriedenheit (1 = sehr gut; 6 = mangelhaft) Kulturelle Rahmenbedingungen
3,6
Individuelle Fähigkeiten
3,3
Fahrzeugentwicklung
3,0
Prozesssteuerung
3,1
Projektorganisation
2,3
Klärung der Projektziele
2,5 0,0
0,5
1,0
1,5
2,0
2,5
3,0
3,5
4,0
Zu den Defiziten im Bereich der kulturellen Rahmenbedingungen zählen vor allem mangelndes Vertrauen zwischen Herstellern und Zulieferern, die Angst der Zulieferer, aufgrund der ungleichen Machtverhältnisse „unter die Räder zu kommen“ und schließlich der wenig konstruktive Umgang mit Fehlern, der meistens in einseitigen Schuldzuweisungen an die Zulieferer endet.
24 vgl. Pander/Wagner (2005) 25 ebenda, S. 41
15
1.2
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Statt partnerschaftlichem Umgang dominiert in den meisten Fällen die klassische „Kunde-Lieferanten“-Beziehung. Ein Zulieferer formulierte die wahren Grundsätze der Zusammenarbeit wie folgt: „Wir versuchen, mit dem Kunden zu kooperieren, aber im Endeffekt hat der Kunde das letzte Wort.“ Und so endet das Ziel „Partnerschaft“ allzu oft in einem „Partner, schafft!“ Bei den Mitarbeitern fehle es, so die Experten, vor allem an den Fähigkeiten, selbstständig persönliche Netzwerke aufzubauen und richtig zu kommunizieren. Oft fehle die Zeit, „um Verständnis für den Partner zu entwickeln, da man sich zu schnell in die Technik stürze“, so der Tenor vieler Gesprächspartner. Das persönliche Gespräch komme vielfach zu kurz. Im technisch geprägten Umfeld der Automobilindustrie mangele es darüber hinaus an wichtigen sozialen Fähigkeiten. Mitarbeiter würden zwar über eine hervorragende fachliche Ausbildung verfügen, müssten sich soziale Fähigkeiten aber erst mühsam „on-the-job“ erwerben. Reibungsverluste und unnötige Probleme in der Zusammenarbeit seien zwangsläufig die Folge. Der Weg zur Zusammenarbeit in Wertschöpfungsnetzwerken in der Automobilindustrie führt deshalb nur über tiefgreifende Veränderungen bei Herstellern und Zulieferern. Diese betreffen den organisatorischen Rahmen, die Prozesse und die IT-Infrastruktur in der Zusammenarbeit genauso wie die Kultur der Zusammenarbeit (vgl. Abbildung 1-12).
Abbildung 1-12: Notwendige Veränderungen im Netzwerk 26
Rahmenwerk
Prozesse
• rechtliche und qualitative Absicherung wechselnder Partnerschaften
• unternehmensübergreifende Prozessabläufe
• Benefit-Sharing-Modelle über das gesamte Wertschöpfungsnetzwerk
• Spielregeln der Zusammenarbeit
• unternehmensübergreifendes Zielmanagement
Cultural Change Management • gegenseitige Wertschätzung aller Teilnehmer des Netzwerkes
• real-time und unternehmensübergreifender Informationsfluss / -zugriff
IT-Infrastruktur • standardisierte und offene System-Landschaft
• Aufbau einer Vertrauensbasis als Voraussetzung zum Know-How-Sharing
• mandantenfähige Systeme, Sicherheitskonzepte
• neue Anforderungsprofile von administrativer Arbeit zur Projektarbeit
• web-basierte Applikationen
26 AUTOMOBILENTWICKLUNG, Ausgabe 01/2004, S. 8-11
16
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
1.3
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
Kapitel 1.1 hat verdeutlicht, dass die Branche vor großen Herausforderungen steht, die es erfolgreich zu meistern gilt. Wenn die Automobilindustrie in Deutschland so weiter macht wie bisher, wird sie die kommenden Herausforderungen nicht meistern. Um der steigenden Komplexität und dem zunehmenden Druck auf Kosten und Termine zu begegnen, ist ein Umdenken bei Herstellern wie Zulieferern notwendig. Die Fachgruppe „Automotive-Projektmanagement“ der GPM hat in einer Untersuchung zum Status-quo des Projektmanagements in der Automobilindustrie Anfang 2010 gravierende Probleme aufgedeckt. So erreichen zwar die meisten Befragten ihre Projektziele (u.a. Lastenheftvorgaben), allerdings werden in vielen Fällen Termine und Budgets überschritten - teilweise sogar erheblich. Dabei sind unrealistische Terminvorstellungen, Mängel in der Projektorganisation, ambitionierte Anforderungen und Budgetvorgaben die wichtigsten Ursachen für diese Abweichungen. Wie kann eine Branche die Herausforderungen des Marktes bestehen, wenn sie schon jetzt die Projektabwicklung nicht mehr beherrscht? Wunsch und Wirklichkeit klaffen in der Branche weit auseinander. Dabei fehlt es oft nur an der konsequenten Umsetzung. Um die Projektarbeit entscheidend zu verbessern, ist ein Umdenken bei allen Unternehmen der Wertschöpfungskette erforderlich. Nur durch das Zusammenwirken eines ganzen Bündels unterschiedlicher Maßnahmen kann die erwünschte Steigerung von Effektivität und Effizienz auch tatsächlich erreicht werden. Im Sinne eines ganzheitlichen Projektmanagement-Verständnisses ist es notwendig, die in 1.2 aufgezeigten Anforderungen bei der Gestaltung und Optimierung des Projektmanagements zu berücksichtigen und nicht etwa nur einseitig Methoden oder bestimmte Software-Lösungen in den Vordergrund zu stellen. Nach dem Management-Vordenker Peter F. Drucker gilt: „structure follows process follows strategy.“ Demnach leiten sich die organisatorischen Strukturen aus den wertschöpfenden Prozessen ab und diese wiederum orientieren sich an der Strategie eines Unternehmens oder des gesamten Wertschöpfungsnetzwerkes. Die Strategie ergibt sich aus den Marktgegebenheiten und ihren besonderen Anforderungen für das Unternehmen sowie das Netzwerk. Da Projektarbeit immer auch Zusammenarbeit von Menschen bedeutet - innerhalb von Unternehmen oder über Unternehmensgrenzen hinaus – haben wir die oben genannten Aspekte noch um den „weichen“ Aspekt der Kultur ergänzt.
17
1.3
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Mit dem in Abbildung 1-13 aufgezeigten „KI4-Success“-Modell beschreiben wir vier zentrale Schlüssel („keys“) zum erfolgreichen Management von Fahrzeugprojekten. Dabei gehen wir von einem ganzheitlichen Projektmanagement-Verständnis aus, das ausgehend von den Marktanforderungen und den strategischen Vorgaben die Abhängigkeiten zu den wertschöpfenden Prozessen, den organisatorischen Strukturen sowie den kulturellen Einflussfaktoren aufzeigen will. Diese Beschreibung dient uns zugleich als Ausgangsbasis für eine detaillierte Behandlung des Projektmanagements in der Automobilindustrie in den darauf folgenden Kapiteln.
Abbildung 1-13:
18
Vier Schlüssel zum Erfolg („KI4-Success“)
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
Schlüssel 1: Konzentration und Innovation In einem Markt mit typischen Sättigungssymptomen, wie dies im Automobilmarkt mit Verdrängungswettbewerb und Preiskämpfen der Fall ist, liegt der erste Schlüssel für die Projektarbeit in der Konzentration auf den wirklichen Kundennutzen. Die Modelloffensive der Hersteller hat zu einer Vielfalt an neuen Fahrzeugen geführt, die mit Innovationen, technischen Neuerungen und Raffinessen den Kunden umwerben. Jedoch erhält der Endkunde mittlerweile auch Produktmerkmale, die er zum Teil nur noch marginal wahrnimmt und oft nicht einmal nutzt. 27 Hier ist ein Umdenken nötig. Weniger komplexe Produkte können in der Projektabwicklung besser beherrscht werden und haben auch weniger komplexe Prozesse zur Folge. Dabei ist es notwendig, die Erwartungen des Endkunden wieder deutlich stärker in den Mittelpunkt zu rücken. „Wir überfordern den Kunden, wenn wir alles, was technisch realisierbar ist, gleichzeitig ins Auto bringen“, so die Erkenntnis bei einem Automobilhersteller. 28 Die Projektverantwortlichen sollten sich deshalb deutlich früher und intensiver mit dem wahren Kundennutzen auseinandersetzen, um durch eine bessere Klärung der Produktziele unnötigen Aufwand zu vermeiden. Neben der Konzentration auf den Kundennutzen ist auf strategischer Ebene auch die Konzentration auf die eigenen Stärken und Kernkompetenzen notwendig. Ausgehend von einem klaren Markenprofil und -image müssen sich alle Unternehmen der Lieferpyramide - vom Hersteller über die Systemlieferanten bis hin zu den Teileherstellern auf klare technische Kompetenzen fokussieren und diese gezielt im Sinne eines „bestin-class“-Ansatzes in die Zusammenarbeit einbringen. Darauf aufbauend kann der jeweilige Automobilhersteller ein effizientes Netzwerk zusammenstellen, in dem die Aufgaben klar verteilt sind und möglichst wenige Überschneidungen der technischen Kompetenzen vorkommen. Die Zusammenarbeit in unternehmensübergreifenden Fahrzeugprojekten wird auch deutlich effektiver, wenn die Hersteller mit ihren Zulieferern langfristige strategische Partnerschaften eingehen, anstatt diese von Projekt zu Projekt neu zu schließen. Dies spielt vor allem dort eine große Rolle, wo es um komplexe Systeme geht. „Bei einem solchen System überlegen Sie es sich sehr genau, ob Sie die Kompetenz, die ein Zulieferer eingebracht hat, oder die Art des Zusammenspiels, die Sie in einem solchen Projekt lernen, nach einem Modellzyklus einfach wieder über Bord werfen“, so der Einkaufschef eines OEM. 29 Die Zukunft in der Automobilindustrie wird nur den Netzwerken gehören, die es geschafft haben, ihre Kernkompetenzen optimal aufeinander abzustimmen und Kontinuität in der kooperativen Projektarbeit zu wahren.
27 vgl. Spiegel, Ausgabe 19/2004, S. 214 bzw. auto motor sport, Ausgabe 2/2004, S. 32 28 AUTOMOBILINDUSTRIE, Online-Ausgabe vom 27.04.2004 29 Automobilwoche, Ausgabe 10/2004, S. 24
19
1.3
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Schlüssel 2: Koordination und Integration Ausgehend von einem Wertschöpfungsnetzwerk in der Produktentstehung, das den Kundennutzen klar im Blick hat, müssen nun zunächst die Prozesse und dann die Strukturen in der Zusammenarbeit optimal koordiniert und integriert werden. Nur so kann der gewünschte positive Effekt für die Verbesserung in der Projektarbeit erreicht werden. Deshalb steht dieser Schlüssel auch im Mittelpunkt unserer Betrachtungen zum Projektmanagement in der Automobilindustrie. Hierzu ist eine Kombination und Abstimmung der wichtigsten Prozesse aller Beteiligten über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg notwendig. Schnittstellen müssen professionell ausgesteuert und synchronisiert werden. Diese Steuerungs- und Koordinationsaufgaben fallen hauptsächlich in den Aufgabenbereich der Automobilhersteller, ggf. kann aber auch ein spezialisierter Dienstleister bei dieser komplexen Aufgabe mit Hilfe geeigneter Werkzeuge und Ressourcen unterstützen. Die zentrale Botschaft dieses Buches ist die Stärkung des Projektmanagements. Das Projektmanagement hält die Fäden im Projekt zusammen und benötigt daher klare Kompetenzen gegenüber den Fachabteilungen und den beteiligten Partnern. Das Projektmanagement plant und steuert die operative Umsetzung des Projektes in Richtung der vereinbarten Ziele unter Berücksichtigung der vorgegebenen Kosten und Termine. Um diese Koordinationsaufgaben zu optimieren, müssen vor allem das Anforderungsmanagement, die Projektplanungs- und Startphase sowie das Änderungsmanagement deutlich verbessert werden (vgl. hierzu auch Kapitel 1.2). Angesichts der wachsenden technischen Komplexität (z.B. Mechatronik) reicht dies alleine heute jedoch nicht mehr aus. Vielmehr setzt das Erreichen der Sachergebnisse im Produktentstehungsprozess im Sinne eines ganzheitlich stimmigen Endproduktes eine technische Integrationsleistung voraus, die es – im Unterschied zur Luft- und Raumfahrttechnik – in der Automobilindustrie in dieser Konsequenz nicht gibt. In diesen Branchen kümmern sich so genannte „Systems Engineers“ (ergänzend zum Projektmanagement oder ihm unterstellt) um die Integration der verschiedenen technischen Leistungsmerkmale zu einem Gesamtsystem bzw. -produkt. Gesamtfahrzeugfähigkeit kommt nicht alleine dadurch zustande, dass viele Spezialisten in einem Team zusammenarbeiten und Termine und Kosten kontrolliert werden, sondern erst durch eine konsequente und ganzheitliche Integrationsleistung (siehe Abbildung 1-14). Hier kann die Automobilindustrie sicherlich von den Erfahrungen der Luft- und Raumfahrtbranche profitieren.
20
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
Abbildung 1-14: Projektmanagement und Produktintegration
Projektmanagement
Produktentstehung (Wertschöpfungsprozesse)
Produktintegration
Auf Basis abgestimmter Prozesse müssen schließlich die organisatorischen Strukturen zwischen den beteiligten Projektpartnern (flexible Vernetzung) geschaffen sowie die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) geregelt werden. Insbesondere erscheint uns eine Klärung zwischen Linie und Projekt nötig, um unnötige Reibungsverluste in der Zusammenarbeit zu vermeiden.
Schlüssel 3: Kooperation und Interaktion Nach der Abstimmung von Prozessen und Strukturen geht es nun darum, eine Kultur zu schaffen, die eine optimale Zusammenarbeit der Partner über die Projektdauer hinweg gewährleistet. Für eine langfristige Partnerschaft ist eine Vertrauenskultur notwendig, die nur durch gegenseitiges Commitment zu den vereinbarten Zielen und Spielregeln, durch eine faire Verteilung von Chancen und Risiken sowie durch eine gegenseitige Achtung der Autonomie des Partners, entsteht. Das bedeutet aber auch, dass die Zulieferer deutlich früher in die Klärung der Projektziele einbezogen werden müssen als bisher. In der Projektarbeit, die stark vom Wissen und den Erfahrungen der Mitarbeiter abhängt, darf der Mensch nicht nur als „Mittel zum Zweck“ gesehen werden. Er muss vielmehr mit seinen individuellen Wünschen und Fähigkeiten deutlich stärker in den Mittelpunkt der Betrachtungen rücken. 30
30 vgl. Wagner (2003a), S. 179 ff
21
1.3
1
Projektmanagement als Herausforderung in einer dynamischen Branche
Personalinstrumente für Auswahl, Einsatz, Entwicklung und Führung der Mitarbeiter müssen an die besonderen Anforderungen der Projektarbeit und die Situation der unterschiedlichen Rollen im Projekt angepasst werden, damit die Potenziale der Mitarbeiter möglichst optimal zur Wirkung kommen. 31 Damit Kooperationen im Rahmen der internen wie externen Lieferbeziehungen im Projekt funktionieren, ist es notwendig, die persönlichen Kontakte der Mitarbeiter über Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg weiter zu stärken. So sollte Zeit für ein erstes Kennenlernen schon vor dem Projektbeginn eingeplant werden. Auch die Teambildung und –entwicklung sollte einen hohen Stellenwert haben, damit sich die Teams im Projektverlauf voll und ganz auf ihre eigentlichen Aufgaben konzentrieren können. Schließlich sollte die für den Erfolg von Kooperationen so wichtige Vertrauenskultur von den Führungskräften nicht nur gefordert, sondern auch aktiv vorgelebt werden.
Schlüssel 4: Kommunikation und Information Kommunikation ist das A und O einer erfolgreichen Projektarbeit. Der offene Austausch von Projektinformationen und die zur Abwicklung notwendigen Erfahrungen sind über den gesamten Projektverlauf von allen Beteiligten sicher zu stellen. Kommunikation muss über alle Ebenen hinweg funktionieren, d.h. zwischen unterschiedlichen Unternehmen im Rahmen einer Kooperation, zwischen verschiedenen Bereichen eines Unternehmens (z.B. zwischen dem Projektteam und der Linienorganisation) sowie zwischen einzelnen Mitarbeitern (z.B. im Rahmen des Erfahrungsaustausches). Nur so kann sichergestellt werden, dass unnötige Doppelarbeiten vermieden, Probleme frühzeitig erkannt und behoben bzw. Konflikte rechtzeitig gelöst werden können. Dabei spielt die direkte bzw. persönliche Kommunikation eine besondere Rolle. Gerade im Rahmen von Kooperationen ist sie in ihrer Verbindlichkeit und Wirkung durch nichts zu ersetzen. Moderne Informations- und Kommunikations-Technologien können zwar bei der Überbrückung von Barrieren - wie z.B. räumlichen Entfernungen helfen, wirkliche Beziehungen, die später schnelle Problemlösung und unkomplizierte Anpassungsleistungen im Projekt versprechen, entstehen dadurch aber sicherlich nicht. Der offene Dialog, als besondere Form der Kommunikation zwischen gleichberechtigten Partnern, erscheint uns hier besonders geeignet zu sein. Im „KI4-Success“Modell dient die Kommunikation somit als zentrale Drehscheibe und verbindendes Element im Rahmen der Projektabwicklung.
31 vgl. Wagner (2003b), S. 447 ff.
22
Projektmanagement-Erfolgsfaktoren in der Automobilindustrie
2
Management einzelner Automotive-Projekte („SinglePM“)
Projektmanagement in der Automobilindustrie basiert in erster Linie auf einer Vielzahl von Einzel-Projekten und Programmen, die professionell geführt werden wollen. Erst auf dieser Grundlage lassen sich weitere Überlegungen in Richtung MultiProjektmanagement (Kapitel 3) und Management von unternehmensübergreifenden Projekten (Kapitel 4) anstellen. In der Automobilindustrie und auch innerhalb der Unternehmen der Branche herrschen relativ unterschiedliche Vorstellungen über Projekte. Vielfach werden Aufgabenstellungen zum Projekt erklärt, um sie für die Verantwortlichen und Beteiligten interessanter zu machen. Deshalb werden zu Anfang dieses Kapitels einige grundlegende Begriffe in Kurzform geklärt, soweit dies für das Verständnis erforderlich ist. Generelle Projektmanagement-Grundlagen und Methoden werden allerdings nur im Zusammenhang mit den Besonderheiten von Automotive-Projekten erläutert. Insbesondere wird auf Projektmanagement-Vorgehensweisen und Methoden eingegangen, die bei Automotive-Projekten verbreitet sind oder denen aufgrund der Erfahrung der Autoren und der Erkenntnisse aus einschlägigen Untersuchungen 32 besondere Bedeutung zukommt. Nach DIN 69901-5 ist ein Projekt ein Vorhaben, das gekennzeichnet ist durch: 33
Einmaligkeit Zielvorgabe (Kosten, Termin, Qualität) Zeitliche, finanzielle und personelle Begrenzungen Abgrenzung gegenüber anderen Vorhaben (Rahmenbedingungen) Projektspezifische Organisation (Team...) Durch die oben genannten Projektkriterien ergeben sich zwangsläufig besondere Anforderungen an die Führung und das Management eines solchen Vorhabens, das eigentliche „Projektmanagement“.
32 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003) S.26ff 33 DIN (2009b) S. 11
23
1.3
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Projekte sind keine Routinevorgänge, sondern zeichnen sich durch eine gewisse Einmaligkeit aus. Das heißt, dass Anforderung und Aufgabenstellung in aller Regel unterschiedlich sind. Das bedeutet aber nicht, dass Strukturen und Methoden unterschiedlich sein müssen. In der Automobilindustrie geht es auf Herstellerseite immer um gesamte Fahrzeuge und bestimmte Komponenten. Auf der Seite der Zulieferer findet man meist eine relativ große Spezialisierung auf einzelne Produkte/Komponenten oder bestimmte Systeme bzw. Module. Dadurch sind die Strukturen von Projekt zu Projekt relativ ähnlich, auch wenn durch ständige Innovation immer neue Anforderungen und Erkenntnisse in die Projekte einfließen. Damit lassen sich zumindest die Projektmanagement-Prozesse und Methoden zum großen Teil standardisieren. Wir wollen uns in den folgenden Ausführungen auf die klassischen Projektarten in der automobilen Wertschöpfungskette konzentrieren, das sind im Wesentlichen die Fahrzeugentwicklungs- und Betriebsmittel-Projekte. Diese Projektarten sind typisch für die Automobilindustrie und bringen auch die „automotive-spezifischen“ Anforderungen mit sich. Sie finden sich im Modell des VDA wieder. 34
Abbildung 2-1:
Aufgabenfelder im Projektablauf der Automobilindustrie
34 vgl. VDA (2003b), S.13ff
24
Automotive-Projekte dauern in vielen Fällen länger als ursprünglich erwartet, sprengen den Kostenrahmen und benötigen mehr Ressourcen als vorgesehen. Wichtige Termine und entscheidende Arbeitsergebnisse werden nicht systematisch vorbereitet und „wandern“ deshalb auf der Zeitachse. Abhängigkeiten der verschiedenen Aktivitäten untereinander werden zu spät oder gar nicht erkannt. Meist werden aber durchaus hohe Erwartungen mit der Aufgabenstellung verbunden und Auftraggeber wollen konkrete Ergebnisse sehen. Dadurch entstehen Frustration und Konflikte bei allen Beteiligten. 35 Systematisches Projektmanagement kann hier Abhilfe schaffen. Der Prozess, nach dem Projekte ablaufen, ist vielschichtig und komplex. Alle Aktivitäten beeinflussen sich gegenseitig und bauen aufeinander auf. Die Frage ist, auf welchem Weg und wie schnell ein Projektleiter zu einem fundierten Projektplan und dann zu einer erfolgreichen Realisierung des Projekts kommen kann. Dieses Thema steht im Mittelpunkt dieses Kapitels. Nach DIN 69901-5 bildet Projektmanagement die Gesamtheit aller Führungsaufgaben, -organisation, -techniken und –mittel für die Abwicklung eines Projekts. 36 Abbildung 2-2 verdeutlicht diesen Sachverhalt.
Abbildung 2-2:
Projektmanagement als ganzheitliches Führungssystem für Projekte 37
Management (Sache) Systematik und Methodik
Hilfsmittel und Werkzeuge
Führung (Mensch)
Ziele Strukturen Planung Analyse Steuerung
Rollenverteilung Teamarbeit Kommunikation Moderation Zielvereinbarungen
Formulare Checklisten DV-Tools Vorlagen- und Standards
Organigramm Funktionsdiagramm Spielregeln Besprechungen Präsentationstechn.
35 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S.27f 36 DIN (2009b) S. 14 37 Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 21
25
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Projektmanagement ist eine Vorgehensweise zur ergebnisorientierten Planung und Steuerung. Damit steht die Frage nach der „Effektivität“ (die „richtigen“ Dinge tun) im Vordergrund. Denn was nützt es dem Projektleiter, wenn er mit viel Aufwand und Engagement ein perfektes Produkt entwickelt hat, die Anforderungen des Kunden aber nicht ausreichend berücksichtigt sind? In zweiter Linie wird natürlich auch die „Effizienz“ der Projektarbeit gesteigert, indem bewährte Methoden und Tools (Checklisten, Vorlagen...) zur Anwendung kommen, die das Vorankommen erleichtern. Diese ergebnisorientierte Sichtweise wird im folgenden Kapitel erläutert.
2.1
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
Um den gesamten Prozess der Fahrzeugentwicklung und Produktion mit seinen unterschiedlichen Kompetenzschwerpunkten bestmöglich zu koordinieren, ist ein detaillierter Projektmanagement-Prozess erforderlich. Er soll alle Entwicklungsphasen begleiten, alle Abläufe abbilden und steuern, um den hohen Ansprüchen an Qualität, Kosten und Termine gerecht zu werden. Produktdatenmanagement, kontinuierliche Kollisionskontrolle über Digital-Mock-Up (DMU) und Fehlervermeidung durch FMEA (Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse), Änderungs-, Toleranz- und Schnittstellenmanagement sowie Reifegrad-Controlling sind Elemente des technischen Entwicklungsprozesses, die es durch das Projektmanagement zu koordinieren gilt. Die Anforderungen an das Automotive-Projektmanagement und die Art der Vorgehensweise bzw. Systematik lassen sich unabhängig von Projektgröße und Laufzeit auf einen gemeinsamen Nenner bringen. Die korrespondierenden Entwicklungsprozesse laufen unabhängig vom jeweiligen Hersteller und Systemlieferanten nach gewissen einheitlichen Gesetzmäßigkeiten ab, durch die sich vergleichbare Phasen und Meilensteine mit entsprechenden Zwischenergebnissen / Reifegraden ergeben. Damit entsteht die Möglichkeit einen „Projektmanagement-Prozess“ als StandardErklärungsmodell zu definieren. Jedes Projekt lässt sich in die generellen Phasen Definition, Planung, Steuerung/Realisierung mit Änderungen und Abschluss untergliedern. Abbildung 2-3 zeigt diesen Zusammenhang schematisch auf.
26
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
Abbildung 2-3:
Erklärungsmodell zum Automotive Projektmanagement-Prozess
Parallel zu diesen methodischen „Projektmanagement-Phasen“ laufen Führungsprozesse wie Projektorganisation, Kommunikation und Teamarbeit. 38 Sie entscheiden oft mehr über den Erfolg der Projekte als in der technisch dominierten „AutomotiveProjektwelt“ vermutet wird. Viele Überschneidungen gibt es mit dem Qualitätsmanagement. Durch Vorgaben der Automobilhersteller wie VDA 6, QS 9000 mit APQP und ISO 16949, sind viele Projektmanagement-Methoden und Aufgaben über die „Qualitätsschiene“ bei den Unternehmen der Automobilindustrie eingeführt worden. Hier war oft der Zertifizierungsdruck der maßgebliche Treiber. Eine klare Abgrenzung ist deshalb schwierig aber sinnvoll. Generell betrachten die QualitätsmanagementSysteme aber alle Unternehmensprozesse und bilden deshalb eher eine Klammer um alle Prozesse. In den meisten Automotive-Unternehmen wird deshalb auch das Projektmanagement als eigener Prozess mit eigener Verfahrensanweisung im gesamten QM-System geführt. Im Kerngeschäft der Automobilindustrie plant und steuert das Projektmanagement die operative Umsetzung des Fahrzeugentwicklungsprozesses in Richtung der gewünschten Projektziele unter Berücksichtigung der gegebenen Ressourcen und im Rahmen der vorgegebenen Kosten- und Terminziele. Abbildung 2-4 zeigt den Zusammenhang zwischen dem generell gültigen „Projektmanagement-Prozess“ und dem „Technik-Prozess“ der Fahrzeugentwicklung. 38 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 6
27
2.1
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Im Projektmanagement-Prozess werden alle Themen behandelt, die Planung und Steuerung des Projekts betreffen (Managementaufgaben). Hier werden folgende Fragen beantwortet: Wer? Macht Was? Bis Wann? Und damit wird der terminliche Fortschritt gewährleistet. Der fachliche Inhalt, die eigentliche „Arbeit“ wird im „Fahrzeugentwicklungs-Prozess“, geleistet. Hier stellt sich die Frage nach dem Wie.
Abbildung 2-4:
Projektmanagement-Prozess und Fahrzeugentwicklungs-Prozess in Anlehnung an VDA 39
Der Fahrzeugentwicklungsprozess nach VDA gliedert sich in Aufgabenfelder und definiert den technischen Ablauf. Das Projektmanagement plant und steuert diesen Prozess bezogen auf ein konkretes Projekt und erfordert deshalb vor- bzw. nachgelagerte Aktivitäten im Sinne der Definitions- und Abschlussphase.
39 vgl. VDA (2003b)
28
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
Wesentliche Voraussetzung für ein funktionierendes Projektmanagement in der Fahrzeugentwicklung sind stabile technische Prozesse. In den meisten Unternehmen der Automobilindustrie sind diese auch mehr oder weniger standardisiert vorhanden. Problematisch ist, dass die Prozesse bei manchen Automobilzulieferern nur zu „Zertifizierungszwecken“ eingeführt wurden und nicht richtig „gelebt“ werden. Damit wird auch das Projektmanagement erschwert. Besondere Komplexität für das Projektmanagement ergibt sich aus dem Sachverhalt, dass in Fahrzeugentwicklungsprojekten in der Regel parallel am Produkt und an der Produktionsanlage entwickelt wird. Abbildung 2-5 zeigt am Beispiel eines Fahrzeugherstellers den Zusammenhang nochmals deutlich auf.
Abbildung 2-5:
Parallelität von Produkt- und Produktionsanlagenentwicklung 40
Produktentwicklung Design Konstruktion
Freigabe
Vor-Prototypen
Prototypen
PVS
Optimierung
O-S
SOP
Abnahme
Produktionsanlagenentwicklung SET Planung Vergabe Konstruktion Realisierung
PVS
O-S
SOP
Für die Koordination der parallel laufenden Prozesse spielen Meilensteine und Synchronisationspunkte eine wesentliche Rolle. Im Kapitel 2.4 wird auf dieses Thema im Detail eingegangen. Wichtige „Top-Meilensteine“, die sogenannten „Quality Gates“ (nach VDA 6 und QS 9000) und die wesentlichen Prozesse in der Gesamtfahrzeugentwicklung zeigt das folgende Beispiel (Abbildung 2-6). 40 Quelle: Volkswagen AG
29
2.1
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-6:
Gesamtfahrzeugentwicklungsprozess 41
Wie bereits erwähnt, bilden Standard-Entwicklungsprozesse eine wichtige Basis für ein professionelles Automotive-Projektmanagement. Sie regeln die logische Abfolge der Entwicklungs-Aktivitäten und definieren damit einen Großteil der Arbeitspakete von der ersten Anfrage/Idee bis zur laufenden Serienproduktion. Damit liefern sie unabhängig vom einzelnen Projekt die Eingangsinformationen für einen StandardProjektplan. Die Projektstruktur muss nicht mehr neu erfunden werden, sondern ist durch den Standardprozess größtenteils vorgegeben. Es geht im einzelnen Projekt dann um die konkrete Klärung der Ziele, Organisation, Termine, Kosten, Ressourcen und geforderten Ergebnisse. Die große Bedeutung der Meilensteine für ein erfolgreiches Projektmanagement in der Automobilindustrie ist hinreichend bekannt. Besonders wichtig erscheinen uns die Meilensteine in den frühen Phasen eines Projektes. Gerade die strategischen Meilenstein-Entscheidungen in der Angebotsphase wie Anfrageselektion, Angebotsfreigabe und Projektfreigabe werden bei den Automobilzulieferern noch vielfach vernachlässigt. Auf die praktische Umsetzung der Meilensteinplanung im Projekt wird in Kapitel 2.4 vertiefend eingegangen.
41 Quelle: Bertrandt
30
PM-Erklärungsmodell und Einordnung in Prozesse der Automobilindustrie
In der folgenden modellhaften Darstellung des Projektmanagement-Prozess sind die Methoden und Ereignisse zusammengefasst, mit denen der Projektmanager sein Automotive-Projekt planen und steuern kann. Sie lassen sich auf eine Vielzahl von Projektarten und –ebenen anwenden und sind wie die „Tasten eines Klaviers, auf dem der Projektleiter spielt“. Wie bereits am Anfang des Kapitels erwähnt, lässt sich der PM-Prozess in die Phasen Definition, Planung, Steuerung und Abschluss gliedern. Diesen Phasen können dann die entsprechenden Methoden und Ereignisse zugeordnet werden. Damit entsteht ein Modell, das wie ein Baukasten aufgebaut ist und analog zum Entwicklungsprozess als Standard für bestimmte Projektarten im Unternehmen vereinbart werden kann. Ganzheitlich betrachtet fehlt in dieser sachorientierten Darstellung allerdings noch der Faktor „Mensch“. Nachdem empirisch nachgewiesen ist, dass die „weichen Faktoren“ der Führung, Kommunikation, Beziehungen und Zusammenarbeit zu mehr als 50% über den Erfolg von Projekten entscheiden, wurde dieser Aspekt in Abbildung 2-7 besonders hervorgehoben.
Abbildung 2-7:
Wesentliche Methoden und Ereignisse im Projektmanagement-Prozess
Projektmanagement-Prozess
Projektorganisation Kommunikation +
Definition
• Projektübergabe • Machbarkeitsanalyse • Projektorganisation • Funktionsdiagramm • Regelkommunikation • Kalk./Wirtschaftlichkeit • Lastenheftprüfung und Zieldefinition • Vertragsprüfung • Produkt-/Anlagenstrukt. • Meilensteinplan • Projektablage • A (LOP) • Projektauftrag • Kick-Off-Meeting
Teamarbeit
Planung
• Teamentwicklung • Projektstruktur • Arbeitspakete • Ablauf- und Terminplan • Kapazitätsplanung • Kostenplanung • Risikoanalyse • APQPQualitätsvorausplanung • Pflichtenhefterstellung • Planungsklausur
Steuerung+ Änderung
• Teambesprechungen (Jour Fixe) • Termin- und Fortschrittskontrolle • Kostenkontrolle und Mitkalkulation • Risikocontrolling • Reifegradcontrolling • Abweichungsanalysen • Prognosen und Trendaussagen • Steuerungsmaßnahmen + Problemlösungen (8D, PDCA) • Projekt-Statusbesprechungen • Projektreporting • Meilenstein-Reviews und Freigaben • Änderungs- und Claimmanagement
Abschluss
• Abnahme • Nachkalkulation • Projektabschlußgespräch • Projektabschlussbericht (lessons learned) • Archivierung Projektdokumentation • Übergabe an Serienbetreuung bzw. -produktion
31
2.1
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Der „PM-Prozess“ stellt die PM-Methoden und Ereignisse, die in den einzelnen Phasen der Fahrzeugprojekte zur Anwendung kommen im Überblick dar. Werden die hier aufgeführten Methoden konsequent angewandt, so können besonders in der kritischen Anlaufphase von Fahrzeugprojekten die Früchte geerntet werden. Der Nutzen der Investition in professionelles Projektmanagement äußert sich dann in reduzierten Änderungsschleifen, geringerem „Troubleshooting“ und höherer Produktqualität zum Serienbeginn. Faktoren, die gerade in der aktuellen Situation der Automobilindustrie besonders wichtig sind. Abbildung 2-8 visualisiert diesen Zusammenhang.
Abbildung 2-8:
Weniger Probleme zum Serienstart durch Projektmanagement 42
Planungs-/ Koordinationsaufwand
Projektabwicklung ohne PM
Eskalation der Probleme
Projektabwicklung mit PM
Maßnahmen zur Problemlösung
Problemerkennung
Endtermin
Zeit
Die richtige Projektorganisation und die Person des Projektleiters spielen bei all diesen Überlegungen eine zentrale Rolle.
42 Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 7
32
Organisation im Automotive-Projekt
2.2
Organisation im Automotive-Projekt
2.2.1
Projektleitung als zentrale Führungsfunktion
„Der Chef, das ist nicht der, der etwas tut, sondern der, der das Verlangen weckt, etwas zu tun.“ Edgard Pisani, französischer Politiker Die Person des Projektleiters spielt erfahrungsgemäß eine zentrale Rolle in Projekten. In Automotive-Projekten scheinen die Anforderungen besonders hoch zu sein, weil sie durch ihren technologischen Anspruch Projektleiter erfordern, die zum einen gute Manager sind und zum anderen ein Gesamtverständnis für die Prozesse und Technologien der Fahrzeugentwicklung und –produktion besitzen. Damit ist der AutomotiveProjektleiter eher ein Generalist. Abbildung 2-9 zeigt schematisch die Abgrenzung des Kompetenzprofils zu klassischen Fach- bzw. Führungskräften.
Abbildung 2-9:
Projektleiter-Kompetenzprofil
Fachkompetenz
_
_
_
_
Sozialkompetenz _
_
Methodenkompetenz
_
Fachmann
---
Führungskraft ........ Projektleiter
____
_
Persönlichkeitskompetenz
Als Projektleiter sehen wir hier nicht nur die Stars, die auf oberster Ebene eines Fahrzeugprogramms als Gesamtprojektleiter agieren. Den gleichen Anforderungen, wenn auch mit eingeschränktem Verantwortungsbereich, unterliegen auch Projektleiter und Arbeitspaketverantwortliche auf den darunter liegenden Ebenen eines Gesamtprojekts, sei es beim OEM oder bei Zulieferern und Entwicklungsdienstleistern. 33
2.2
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Das organisatorische Zusammenwirken der verschiedenen Projektebenen und Hierarchien, auf denen Projektleiter agieren, wird im folgenden Abschnitt unter „Projektorganisation“ erläutert. Die folgende Auflistung (Abbildung 2-10) zeigt eine unvollständige Auswahl von Projektleiter-Positionen in der Automobilindustrie, die sowohl auf Hersteller- als auch auf Zuliefererseite relevant sind.
Abbildung 2-10: Projektleitungs-Positionen in der Automobilindustrie Beispiele für Projektleitungs-Positionen bei OEMs und Zulieferern
Fahrzeug-/Baureihen-Programm Manager Gesamtfahrzeugprojektleiter/-manager Entwicklungs-Projektleiter/-manager Betriebsmittel-/Produktionsanlagen-Projektleiter/-manager Bereichsprojektleiter Funktionsgruppen-Sprecher / Modul-Teamleiter Teilprojektleiter Bereich xy SE-Teamsprecher, etc. Arbeitspaketverantwortliche Abhängig von der jeweiligen Projektleiter-Rolle, Ebene der Projekthierarchie und vom Unternehmensumfeld sollte für jeden Projektleiter eine klare Funktionsbeschreibung vorliegen. Sie definiert Befugnisse/Kompetenzen, Aufgaben, Verantwortung und notwendigen Fähigkeiten. In Unternehmen der Automobilindustrie mit einer reifen Projektmanagement-Organisation gibt es Standard-Funktionsbeschreibungen für verschiedene Führungsfunktionen im Projekt. Durch den unternehmensspezifischen Standard muss nicht von Projekt zu Projekt neu ausgehandelt werden, was der Projektleiter darf oder nicht. Abbildung 2-11 zeigt beispielhaft eine Auswahl wesentlicher Funktions-Kriterien für Projektleiter in der Automobilindustrie. Sie kann als Checkliste für die Entwicklung eines unternehmensspezifischen Standards verwendet werden. Dabei liegt die schwierigste Aufgabe darin, für die Projektleiter ausreichende Rechte und Kompetenzen durchzusetzen. Die Aufgaben und die Verantwortung sind meist schnell definiert. Widerstände gibt es bei der „Machtfrage“, weil größere Befugnisse der Projektleiter meist zu Lasten des etablierten Linienmanagements gehen. Eine der wichtigsten Aufgaben der Projektleitung ist die Regelung der „Mannschaftsaufstellung“ im Projekt. Begrifflich wird dies oft als Projektorganisation und teilweise fälschlich auch als Projektstruktur bezeichnet. Wir gebrauchen hier den Begriff Projektorganigramm, als Synonym für Darstellung und Inhalt der Projektorganisationsstruktur.
34
Organisation im Automotive-Projekt
Abbildung 2-11: Beispiel: Projektleiter – Funktionsbeschreibung Rechte + Kompetenzen:
Handlungsvollmacht (Unterschrift: i.V.)
für projektbezogenen Verhandlungen gegenüber Kunden und Lieferanten bis zu einer Größenordnung von x-tausend Euro
Freigabe von Kalkulationen für Verhandlungen mit Kunden Verfügungsrecht über das Projektbudget im Rahmen der betrieblichen Erfordernisse Vergabeentscheidung bei Fremdvergaben Projekt aus wichtigem Grund anhalten Fachliche Weisungsbefugnis (Leistungs- und Zielvereinbarung) gegenüber Projektbeteiligten Ressourcenunterstützung bei administrativen Aufgaben Vorschlagsrecht und Mitsprache bei der Teambesetzung Mitsprache bei der Entwicklungs-/Versuchsplanung bzw. Fertigungs-/Betriebsmittelplanung Recht alle projektbezogenen Informationen von allen Stellen einzufordern Einflussnahme auf die betrieblichen Abläufe in Absprache mit Projekt-Steuerkreis Recht auf persönliche Qualifizierungsmaßnahmen, Coaching Verantwortung:
Termin-, Kosten-, Qualitäts- und Leistungsziele (Lastenheft) einhalten Transparenz über Reifegrad / Konfiguration des Produktes sicherstellen Kundenzufriedenheit sicherstellen Wirtschaftlichkeit des Projektmanagement sicherstellen (Effizienz) Gewinnerzielung im Rahmen der vereinbarten Ziele Pflichten + Aufgaben:
Termine, Kosten, Qualität, Leistungen und Reifegrade planen, überwachen + steuern Strategische und technische Entscheidungen koordinieren und frühzeitig herbeiführen Kundenbeziehung pro-aktiv pflegen Informationsfluss hausintern und mit Partnern organisieren und optimieren Alle Vereinbarungen / Festlegungen schriftlich dokumentieren (Lebenslauf, LOP) Team- / Projektorganisation und Zusammenarbeit regeln und optimieren Prioritäten zwischen den Projekten absprechen und kooperieren Änderungsverwaltung mit Kalkulation Reviews und Freigaben mit Projektbeteiligten und Lieferanten durchführen Projektberichterstattung an Auftraggeber und Projektgremien (Steuerkreis) Fähigkeiten + Qualifikation:
Präsentationsgeschick, Humor Fachliche Kompetenz DV-Hilfsmittel anwenden können, Organisationstalent „Rückgrat“ intern und gegenüber Kunden
35
2.2
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.2.2
Projektorganigramm als Instrument der Rollenklärung
„Die richtigen Leute einzustellen ist das Beste, was ein Manager tun kann." Lee Iacocca, USamerikanischer Industriemanager Das Projektorganigramm trägt in Automotive-Projekten wesentlich zur Klärung von Schnittstellen, Aufgabenstellung und zur Verantwortungsabgrenzung bei. Dadurch werden potentielle Konflikte minimiert und die Erledigung der anfallenden Aufgaben sichergestellt. Es empfiehlt sich die Verantwortungsbereiche im Organigramm grafisch darzustellen, mit eindeutigen Beziehungen untereinander, so dass Weisungsbefugnisse, Kommunikations- und Informationswege sowie Berichtspflichten klar erkennbar sind. Hierarchien sind zwar aus der Mode gekommen, doch ohne eine klare Rollenverteilung wird im Projekt nur Chaos erzeugt. Deshalb sind Projektorganigramme vielfach hierarchisch aufgebaut, wie in Abbildung 2-12 schematisch dargestellt ist.
Abbildung 2-12: Projektteam-Struktur auf 2 Ebenen, schematische Darstellung
Projektleiter (PL)
Kernteam / TeilprojektLeiter (TPL)
Erweitertes Team / ArbeitspaketVerantwortliche (APV)
PL
TPL
TPL
TPL
APV
APV
APV
TPL
TPL
ooo APV
APV
Typisch sind die Ebenen „Projektleiter, „Kernteam/Teilprojektleiter“ als Sprecher/Leiter/Vertreter der verschiedenen Bereiche/Module/Funktionsgruppen und „Erweitertes Projektteam / Arbeitspaket-Verantwortliche“ als Ausführende Teamleiter/Gruppenleiter auf der operativen Ebene, sprich in den Fachabteilungen der Linienorganisation oder bei Lieferanten.
36
Organisation im Automotive-Projekt
Das Ganze kann natürlich beliebig um übergeordnete Lenkungsgremien wie den Projekt-Steuerkreis, Auftraggeber, Partner im Projekt bzw. Lieferanten und sonstige projektrelevante Fach-Experten erweitert werden. Das folgende Beispiel (Abbildung 2-13) zeigt die Teamorganisation eines Systemlieferanten.
Abbildung 2-13: Beispiel: Projektrahmenorganisation Systemlieferant 43
Projektrahmenorganisation Product Decision Committee (PDC)
Review-Team
Lenkungskreise (LK)
Projekt-Pate
Projekt-Büro (PB)
Kunde
Projekteinzelorganisation
PL
Contr.
Q
PMA
AV
Vertrieb PMA PMA
Fachteam Entwicklung PMA
Kernteam
AV
PI
PMA
PMA
...
L
Werk PMA
Einkauf
Q
Lieferanten
Die Aufteilung der Verantwortungsbereiche hängt immer von der Art des Projektes ab. Bei Fahrzeugentwicklungsprojekten kann das Kernteam folgende Funktionen beinhalten:
Gesamtprojektleiter/Programm Manager Teilprojektleiter Entwicklung/Design Teilprojektleiter Einkauf/Beschaffung Teilprojektleiter Produktionsvorbereitung/Betriebsmittel Qualitätsmanager Projektcontroller/-supporter 43 Quelle: Webasto
37
2.2
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Das erweiterte Team erfordert neben den klassischen Arbeitspaket-Verantwortlichen bei Fahrzeugentwicklungsprojekten z.B. Vertreter folgender Funktionen:
Vertrieb Logistik Lieferanten Produktion Serienbetreuung/Service Fabrikplanung/Arbeitsvorbereitung Abbildung 2-14 zeigt das Projektorganigramm einer Gesamtfahrzeugentwicklung aus Sicht des Entwicklungsdienstleisters, der in diesem Fall als Integrationspartner des Automobilherstellers auftritt.
Abbildung 2-14: Beispiel: Projektorganigramm Gesamtfahrzeugentwicklung 44
44 Quelle: Bertrandt
38
Organisation im Automotive-Projekt
Abbildung 2-15 zeigt das Projektorganigramm für eine neue Fahrzeug-Baureihe eines Automobilherstellers.
Abbildung 2-15: Beispiel: Projektorganigramm Automobilhersteller 45
Strategischer Projektleiter
Vertrieb
Produktion Fahrzeug
Rohbau, Exterieur
Ausstattung, Interieur
Rohbau
Innenausstattung
Vernetzung, Bordnetz
Sitzanlage
Regelsysteme
Materialeinkauf
Produktion Aggregate
Projektunterstützer
Controlling
Design
Funktionsgruppen mit Teileverantwortung Elektrik/ Elektronik
Fahrwerk
Vorderachse
Rückwandtüren
Hinterachse
Oberfläche
Bremsen Cockpit
Front-, Heckend, Anbauteile, Türen
Klima, Wischer
Leitungssätze MMI
Rückhaltesystem
Federung, Dämpfung, Räder Lenkanlage
Einglasung
Triebstrang
After Sales
Entwicklung
Gesamtfahrzeugintegration Sonderfahrzeuge
Motor- und Getriebekühlung
Einsatzfahrzeuge, Sonderschutz Taxi Kraftstoffanlage Designo Abgasanlage Motoren
Teilprojekte
Triebstrang, Getriebe
AMG Zubehör Allrad
Packaging, Ergonomie Dokumentation Änderungsmanagement Verbrauchsmanagement, Zertifizierung Aufbau Prototypen
Qualität Querschnitt, Mandate Ökologie Qualität Prozess Service/Parts
Absicherung Gesamtfahrzeug
Beschaffung
Passive Sicherheit, Crash, Betriebsfestigkeit Aktive Sicherheit, Fahrdynamik, Aerodynamik Design
Produktionskonzept Produktarchitektur
Auf der Ebene der Teilprojekte innerhalb eines Gesamtfahrzeugprojekts spielt der Bereich Produktionsanlagen eine besondere Rolle. Aufgrund der Komplexität dieses Projektumfangs und der unterschiedlichen Aufgabenstellung im Gegensatz zur klassischen Entwicklung sehen die Verantwortungsbereiche im Projektorganigramm etwas anders aus. Es findet sich häufig folgende Aufteilung:
Projektleiter Projektkaufmann/-controller Teilprojektleiter Engineering Teilprojektleiter Mechanik Teilprojektleiter Elektrik Einkäufer Baustellenleiter Abbildung 2-16 zeigt das fiktive Beispiel für ein Anlagenprojekt.
45 Quelle: Daimler
39
2.2
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-16: Beispiel: Projektorganigramm Produktionsanlagen (fiktiv) Projektorganigramm: Lenkungsausschuß Hubert Helle (Vorstand) Oliver Ohne (Vertrieb)
Projektleiter Franz Fleissig Ass.: Helga Gut
AAF-Roboterzelle mit Laser
Kernteam
Verantwortung/Aufgaben
Erweitertes Team
Verantwortung/Aufgaben
Martin Mechanik
Teilprojektleiter Mechanik Gesamtverantwortung bis Abnahme
Erich Elektrik
Teilprojektleiter Elektrik Gesamtverantwortung bis Abnahme
Heini Zackig
Teilprojektleiter Engineering Konzeption, Schnittstellen, Gesamtsystem
Franz Gscheid Albert Dratig Reiner Konsenz Max Kontroller Elmar Spürer Ute Schuler Hermann Fräser Wilhelm Montes Rudi Neu ...
Vertrieb Projektierung Konstruktion Mechanik Konstruktion Elektrik Logistik, Einkauf Dokumentation Produktion Montage Inbetriebnahme
Maria Fein
Einkauf Fremdumfänge und Großteile Lieferantenkoordination
Bruno Hurtig
Baustellenleiter
Elsa Lieb stv. Projektleitung
Projektcontrolling Terminpläne, Mitkalkulation, Verträge
NN
Qualitätsmanagement
Generell gilt, dass ein Projektorganigramm immer durch Personen definiert ist und deshalb diese auch namentlich dort dokumentiert sein müssen. Eigentlich selbstverständlich, aber die Erfahrung hat uns gelehrt, dies explizit zu fordern. Für jeden Projektleiter und Teilprojektleiter ist eine verbindliche Stellvertreterregelung zu treffen, die auch namentlich im Organigramm dokumentiert sein muss. Damit wird Klarheit geschaffen, Verfügbarkeit sichergestellt (zumindest auf dem Papier) und Mehrfachbelastung von Mitarbeitern offenbar. Das Kernteam sollte nicht mehr als 7 Personen umfassen (Effizienz, Kommunikation und Zusammenarbeit), d.h. bei größeren Projekten muss aus Gründen der Effizienz mehr Verantwortung in Form von Arbeitspaketen delegiert werden. Bei kleineren Projekten müssen mehrere Verantwortungsbereiche von einer Person abgedeckt werden bzw. bestimmte Funktionen in der Linienorganisation durch Arbeitspakete abgewickelt werden. Der Projektleiter erstellt und pflegt das Organigramm. Die Besetzung der einzelnen Verantwortungsbereiche wird im Regelfall im Vorfeld des Projektstarts bzw. des Projektübergabegesprächs mit dem Linienmanagement abgestimmt. Die Art und Weise, wie diese Abstimmung erfolgt und welchen Einfluss das Linienmanagement auf das Projektgeschehen hat, hängt von der generellen Einbindung des Projekts in die Unternehmensorganisation ab.
40
Organisation im Automotive-Projekt
2.2.3
Einbindung in die Unternehmensorganisation
Automobil-Unternehmen stehen in wachsendem Maße vor dem Problem, dass die gegebene Organisationsstruktur nicht den Anforderungen innovativer Produktentwicklungsprojekte gerecht wird. Als Folge wird eine Projektorganisation als zusätzliche Dimension zur Koordination der Produktentwicklung eingeführt. Dadurch steigt natürlich die Komplexität der Gesamtorganisation. Auf die verschiedenen Organisationsformen zur Einbindung des Projektmanagement wird hier nicht im Detail eingegangen. Die einschlägige Literatur zu Projektmanagement-Grundlagen46 gibt darüber erschöpfend Auskunft. Generell werden folgende Möglichkeiten unterschieden:
Reine Projektorganisation (Unternehmen im Unternehmen) Matrixorganisation (Internes Auftraggeber-/Auftragnehmer-Verhältnis) Stabsorganisation (Einfluss-Projektmanagement) Projekte aus der Linienorganisation (Projektmanagement als „Nebenberuf“) Poolorganisation In der Automobilindustrie ist aufgrund der technischen Komplexität und strategischen Wichtigkeit der Projekte die Matrixorganisation am häufigsten anzutreffen und auch am besten geeignet. Sie vereint eine starke Know-how-Bündelung mit einer gewissen unternehmerischen Weisungsbefugnis. Natürlich abhängig von der jeweiligen Unternehmenskultur. Nur die strategischen Projektleiter bei den Fahrzeugherstellern kommen im Regelfall in den Genuss einer reinen Projektorganisation mit disziplinarischer Weisungsbefugnis gegenüber ihren unmittelbaren Teammitgliedern. Abbildung 2-17 zeigt das Schema einer Matrixorganisation mit den funktionalen Linienbereichen (vertikal) und den Projekten als Querschnittsfunktion (horizontal). Die interne Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung zwischen Projekt und Linie wird durch die symbolisch dargestellten Arbeitspaket-Aufträge verdeutlicht. Das Projektmanagement und der PM-Prozess stellen im Regelfall eine zusätzliche (virtuelle) Organisationsform zur klassischen Linienorganisation im Unternehmen dar. Im Sinne dieser Matrix-Struktur werden die Projekte bereichsübergreifend abgewickelt. Der Projektleiter berichtet im Regelfall direkt an die Unternehmensleitung. In immer mehr Unternehmen unterstützt ein PM-Office (siehe 3.3) die Projektleiter zentral bei administrativen Aufgaben und bei der Anwendung der PM-Methoden. Die operative Zusammenarbeit zwischen Projekt- und Linienorganisation erfolgt über die sogenannten Arbeitspakete. Im Sinne eines Kunden/Lieferantenverhältnisses beauftragt der Projektleiter (als Kunde) die Linienabteilungen (als interne Lieferanten) und externe Partner mit Hilfe der definierten Arbeitspakete (siehe 2.5). 46 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 36f
41
2.2
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-17: Projektorientierte Matrixorganisation, schematisch
Unternehmensleitung
Vertrieb
Projekt A
Projekt B
.. .
Musterbau + Versuch
Entwicklung
Produktion
.. .
.. .
.. .
.. .
Konstruk -tion
.. .
.. .
.. .
Abbildung 2-18 zeigt auf 2 Ebenen das Beispiel der Matrixorganisation eines Gesamtfahrzeugentwicklers mit Produktionsanlagensparte. Bereichsübergreifend werden Gesamtfahrzeugprojekte abgewickelt und die Projektleiter berichten direkt an den Vorstand. Bereichsintern werden Dienstleistungs- und Anlagenprojekte abgewickelt. Die Matrixorganisation, wie sie hier dargestellt ist, soll eine Klammerfunktion darstellen, zwischen der Linienorganisation einerseits und der Projektorganisation anderseits. Bedingt durch die unterschiedlichen Zielsetzungen beider Organisationsformen (Linie = fachorientiert; Projekt = ergebnisorientiert), die beide berechtigt und notwendig sind, ergeben sich zwangsläufig Konfliktpotenziale. Diese sollen mit Hilfe von klaren Rollenverteilungen und Spielregeln minimiert werden. Details dazu erläutern wir in Kapitel 3.4. Zur administrativen Unterstützung und zur besseren Umsetzung von Projektmanagement gehen immer mehr Unternehmen dazu über, zentrale Supportfunktionen als PM-Offices bzw. Projektcontrolling-Abteilungen zu etablieren. Die obige Darstellung zeigt eine mögliche Anordnung dieser Funktion im Organigramm. Details werden in Kapitel 3.3 erläutert.
42
Organisation im Automotive-Projekt
Abbildung 2-18: Beispiel: Matrixorganisation eines Gesamtfahrzeugentwicklers 47
Bezogen auf den Fahrzeugentwicklungsprozess, der den Projektablauf in AutomotiveProjekten im Wesentlichen bestimmt, sind aber noch weitere Regelungen zu treffen, um Effektivität zu gewährleisten und Konflikte zu vermeiden. Das wichtigste Instrument in diesem Zusammenhang ist das Funktionendiagramm zur Regelung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) der beteiligten Personen und Fachabteilungen im Projektverlauf.
47 Quelle: EDAG
43
2.2
2.2.4
Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung der Projektbeteiligten
Wesentliche Effizienzverluste in der Projektarbeit entstehen vor allem durch Unklarheit bei Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungsbereichen. Deshalb ist ein klares Rollenkonzept bezogen auf die Aufgabenpakete und Meilensteine im Projekt unabdingbar. Auf dieser Basis kann ein ebenso einfaches wie wirkungsvolles Instrument zur klaren Abgrenzung von Aufgaben und Verantwortungsbereichen eingesetzt werden, das sogenannte Funktionendiagramm. Mit Hilfe einer Matrix werden die Zuständigkeiten der Aufbauorganisation mit den Prozessschritten und Aktivitäten der Ablauforganisation abgestimmt. Doppelarbeit und Verantwortungsvakuum werden durch dieses Instrument vermieden. Es ist einfach in der Handhabung und stärkt das Verständnis für das Zusammenwirken von verschiedenen Beteiligten im Rahmen eines Projekts. Abbildung 2-19 zeigt das Schema.
Abbildung 2-19: Funktionendiagramm, schematische Darstellung
44
Vollständige Zielsetzung
o
Projektstruktur / -Plan
X
Ressourcenplan / -Antrag
X
o
Stimmigkeit Gesamtlösung
o o
o
Istwerterfassung (Projektstatus)
X
o
Ressourcen- / Gesamtfreigabe Erarbeiten Detaillösungen
Projektsteuerkreis
Projektleiter
Grundaufgaben
Teammitglied
o = Mitwirkung
Linienmanager
X = Verantwortlich
Projektcontroller
Aufbauorganisation / Struktur
Ablauforganisation / Prozess
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
X
o
o
X
o
o
Bewertung Projektstatus
X
o
Vorschlag Korrekturen
X
o
Projektsteuer-Entscheidungen
o
Projektberichtswesen
X
X
X
X o
Organisation im Automotive-Projekt
Durch eine frühzeitige Erarbeitung des Funktionendiagrammss (schon in Angebotsphase) und entsprechende Diskussionen im Vorfeld eines Projektes wird die Identifikation des einzelnen Mitarbeiters mit seiner Aufgabe gestärkt und Konflikte vermieden. Abbildung 2-20 zeigt das Beispiel eines Funktionendiagramms für ein „Key 1“Projekt.
Abbildung 2-20: Beispiel eines Funktionendiagramms 48
Konstruktion gesamt
I
Kunde
Kaufmännische Leitung BackOffice/ Verwaltung
Sublieferant
E,P
Teilprojektleiter 2
I
Teilprojektleiter 1
Aufgabenbereich / Aufgaben 1.
Technische Gesamtleitung
(Konstruktion)
Geschäftsführer
»Key-1« - Projekt Informationstransfer
Eg
1x / Woche
1.1
Technische Entwicklung
K
P
I
I
P
1x / Woche
1.2
Fertigungsplanung
K
I
P
I
P
1x / Woche
K
I
I
P
P
1x / Woche
E,P
I
I
I
Eg
1x / Woche
E,P
M
M
M
I
A
I
1x / Monat
M
M
M
I
A
I
1x / Monat
I
1x / Monat
1.3 2. 3.
Sonderprojekte / Mehrleist. (Fuktionsm ., RPS, PDM,DMU)
Schnittstellenbetreuung (Datentransfer ...)
Techn. Berichtwesen gesamt
I
3.1
Intern
E,P
3.2
Extern
E,P
4.
Kalkulation / Preisgestaltung
E, P
M
M
5.
Angebotserstellung
I
K
P
6.
CAD- / EDV- Organisation
E
P
M
M
I
7.
Personal / Ressourceneinsatz
E
M
M
M
P
8.
Projektcontrolling, Konsequenzen
I
E,P
9.
Projekteinkauf (< 50.000 €)
10.
Projekteinkauf (> 50.000 €)
E E
K
P
P
I
bei Bedarf A
bei Bedarf
M
A
1x / Monat
I
A
P
A
P: Prozessverantw., E: Entscheidung, M: Mitsprache, A: Ausführung, I: Information, K: Kontrolle
Konflikte zwischen Entwicklungsbereichen wie Planung, Fertigung, Qualitätswesen usw. können ebenfalls durch Funktionendiagramme geregelt werden. Die Aufgaben sollten so definiert sein, dass alle beteiligten Fakultäten frühzeitig in eine gemeinsame Verantwortung „gezwungen“ werden.
48 vgl. Kurek/Schindler (2002), S. 105
45
2.2
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Das in der Praxis immer wieder auftretende Phänomen, dass nachgelagerte Prozessfunktionen Informationen für vorgelagerte Prozessfunktionen bewusst nicht zur Verfügung stellen, um sich am Ende als „Retter des Projektes“ feiern zu lassen, wird dadurch vermieden. Auch „Kompetenzgerangel“ zwischen Linie und Projekt kann mittels Funktionendiagrammen unterbunden werden. 49 Ein wesentliches Führungsinstrument im Zusammenspiel zwischen Projekt- und Linienorganisation stellen sogenannte Projektsteuergremien dar. Den Autoren ist kein Fahrzeugprojekt bekannt, bei dem diese Gremien nicht eine entscheidende Rolle spielen. In Kapitel 3.3 wird im Rahmen des Multiprojektmanagements auf diese Gremien näher eingegangen.
2.3
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Automotive-Projekt
In den Projekten der Automobilindustrie wird interdisziplinär, meist in sogenannten „SE-Teams“ gearbeitet. 50 Die wichtige Rolle der Teamarbeit und die Schritte, die zu einem erfolgreichen Team führen, werden in diesem Kapitel erläutert. Darüber hinaus spielen Kommunikationsmittel und –wege und ein professioneller Informationsfluss eine wesentliche Rolle für eine erfolgreiche Zusammenarbeit. Abbildung 2-21 auf der nächsten Seite zeigt das Beispiel einer SE-Team-Struktur in der Fahrzeugentwicklung. Im SE-Hauptteam werden Vorgaben, Lösungen und Entscheidungen abgestimmt, die das gesamte Fahrzeug bzw. die Schnittstellen zwischen den Modulen oder Haupt-Funktionsgruppen betreffen. Dies ist die Ebene des technischen Projektmanagements. Innerhalb der Module gibt es je nach Komplexität des Moduls noch eine Unterstruktur, die wieder ein entsprechendes Team erforderlich macht. Für den Entwicklungsprozess eines jeden Submoduls oder einer jeden Funktionsgruppe arbeiten dann die einzelnen Fachabteilungen prozessorientiert zusammen. Deren Koordination erfolgt in einem interdisziplinären, prozessorientierten SE-Team mit je einem Vertreter aus jeder Abteilung.
49 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 37 50 vgl. Dixius (1998), S. 10ff
46
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Automotive-Projekt
Abbildung 2-21: Beispiel: SE-Teamstruktur Gesamtfahrzeugentwicklung 51
Interieur Elektrik
Exterieur
Fachliche Abstimmung
SE-Hauptteam Gesamtfahrzeuge HOP
BIW
Dichtungen
Klappen Türen
Entwicklung
Elektrik
Modulorientierung Prozessorientierung
Modulteam / Funktionsgruppe
CAE Versuch
2.3.1
...
Montageeinrichtungen (Serie) Presswerkzeuge (Serie)
Prototypen Rohbauanlagen (Serie)
Zusammenarbeit im Team fördern
„Wer Menschen führen will, muss hinter ihnen gehen.“ Laotse, chinesischer Philosoph Projektarbeit ist in den meisten Fällen Teamarbeit. Vielfach sind die Beteiligten aber noch kein Team, weil ihnen das Bewusstsein dafür fehlt oder sie mehr oder weniger wegen der „Verfügbarkeit“ oder „Anordnung von oben“ zusammenarbeiten. Zwischenmenschliche Probleme und Konflikte sind dann vorprogrammiert. Aus der Erfahrung vieler schwieriger oder gescheiterter Projekte haben sich einige Erfolgsfaktoren für Teamarbeit herauskristallisiert (siehe Abbildung 2-22).
51 Quelle: EDAG
47
2.3
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-22: Erfolgsfaktoren von Projektteams Ein erfolgreiches Projektteam zeichnet sich im Wesentlichen durch folgende Kriterien aus: 1.
Sorgfältige Auswahl und richtige Zusammensetzung der Teammitglieder
2.
Eindeutiger Auftrag und klare Zielvorstellung
3.
Geklärte Beziehungen, gegenseitige Akzeptanz und Kooperation
4.
Klare Abgrenzung der Verantwortungsbereiche und Rollenverteilung
5.
Vereinbarte und akzeptierte Spielregeln und Abläufe
Je nach Größe und Zusammensetzung (Teammitglieder kennen sich bereits, bzw. arbeiten zum ersten Mal zusammen) eines Projektteams ist eine aktive Teamentwicklungsmaßnahme Voraussetzung dafür, dass ein Team optimal zusammenarbeitet. Der Faktor „Mensch“, also die Fähigkeit zur Kommunikation und Zusammenarbeit, entscheidet zu über 50% über den Erfolg / Misserfolg eines Projektes. Somit ist eine Zeitinvestition in die Teamentwicklung ratsam. Damit die Phasen zügig durchlaufen werden, kann die Teamentwicklung „aktiv“ durch einen professionell moderierten Workshop gefördert werden. Der Weg einer Teamentwicklung läuft im Wesentlichen in 4 Phasen ab: 1. Statik/Entstehung/Forming (Kennenlernen, „Abwarten“ und Zurückhaltung, fehlende Planungs- und Steuerungsinstrumente) 2. Aufbruch/Storming (Auseinandersetzungen, „Teeniealter“, „Hinterfragen“ von Zielen, Werten und Abläufen, persönliche Konflikte Æ konstruktive Konfliktbewältigung) 3. Ordnung/Norming (Richtlinien entwickeln, Konfliktlösung, Kommunikationsregeln, regelmäßige Besprechungen) 4. Leistung/Performing (Übereinstimmung bezüglich Ziele, Rollen, Spielregeln. Eigeninitiative und Verantwortungsbereitschaft) Die Realität zeigt, dass die einzelnen Phasen nicht übersprungen werden können, ohne sich negativ auf das Leistungsniveau des Teams auszuwirken. Es gibt jedoch viele Teams, die in den Phasen 1 oder 2 „stecken bleiben“ und sich in der Folge relativ schlecht zusammenarbeiten und keine Effizienz zeigen.
48
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Automotive-Projekt
In immer mehr Automotive-Projekten kommen „virtuelle Teams“ zum Einsatz, die nicht an einem Standort zusammenarbeiten sondern sich nur temporär persönlich sehen. Bei dieser Art von Teamarbeit sind die Entwicklungsphasen besonders deutlich und müssen, aufgrund der räumlichen Distanz, bewusst gestaltet werden. Ein echtes und tragfähiges Wir-Gefühl, das effiziente Hochleistungsteams charakterisiert, kann ohne das Durchlaufen dieser Phasen nicht entstehen. Hierin liegt jedoch häufig das Problem: Nicht selten wird gerade die “unangenehme“ Aufbruchphase umschifft oder ihr Durchleben unterdrückt bzw. kontraproduktiv abgekürzt. Obwohl gerade in dieser Phase die Grundlage erfolgreicher Teamarbeit geschaffen wird. Die Distanz bei virtuellen Teams „lädt“ förmlich dazu ein, Meinungsverschiedenheiten, Akzeptanzprobleme und Reibungspunkte zu verdrängen und das bewusste Durchleben dieser Phase zu vernachlässigen. Das äußert sich dann in Leistungsabfall, erkennbar u.a. durch folgende Signale: Termine werden nur noch bedingt eingehalten oder geschoben; das Projekt nimmt in der „Prioritätenliste“ der Teammitglieder eine zunehmend nachrangige Position ein; Team-Mitglieder springen ab; Missverständnisse häufen sich; Anzahl von Absprachen aufgrund widersprüchlicher Wahrnehmungen steigt.... Im Rahmen der Teamentwicklung müssen wichtige Kernelemente der Teamarbeit so erarbeitet werden, dass sie eine tragfähige Basis bilden:
Spielregeln Teampositionen und -rollen ein klarer Arbeits- und Ablaufplan echtes Commitment der Teammitglieder zur Rollenverteilung, Aufgabenstellung und Vorgehensweise
Vertrautheit und gute Beziehungen zwischen den Mitgliedern Die Teamentwicklung ist eine wesentliche Führungsaufgabe des Projektleiters. Im Mittelpunkt steht gute Kommunikation und Information sowie ein funktionierendes Konfliktmanagement. Ein Moderator bzw. Coach kann dabei sinnvoll unterstützen. Teamentwicklung ist ein kontinuierlicher Prozess, der im Rahmen der Projektdefinition angestoßen werden soll. Dies erfolgt am besten mit Hilfe eines „TeambildungsWorkshops“. Bei lokalen Teams müssen, je nachdem wie gut sich die Beteiligten bereits kennen und wie groß die Gruppe ist, etwa 6 – 12 Stunden für diese Veranstaltung eingeplant werden. Bei standortübergreifenden oder sogar internationalen Teams ist der Zeitaufwand für die Teambildung und –entwicklung bedeutend höher. Allerdings ist diese Maßnahme dann auch existenziell notwendig (siehe Kapitel 2.3.3). Im Teamentwicklungsworkshop werden unter Anleitung eines Moderators die wesentlichen Kriterien erfolgreicher Teamarbeit erarbeitet und die Grundlagen für eine kooperative Zusammenarbeit und den notwendigen „Teamgeist“ gelegt. Abbildung 2-23 zeigt eine mögliche Tagesordnung. 49
2.3
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-23: Beispiel: Agenda Teamentwicklungs-Workshop Nr.
TOP
Verantwortlich
Dauer
1. 2.
Grundlagen Teamarbeit Persönlichkeit und Verhalten (z.B. mit DISG,HBDI)
Coach Coach/ Teilnehmer
60 min 90 min
3.
Strategien zur Verbesserung der Zusammenarbeit und Kommunikation
Teilnehmer
60 min
4. 5. 6.
Spielregeln und Abläufe vereinbaren Rollen- und Aufgabenverteilung, Organisation Nächste Schritte und Maßnahmen
Teilnehmer Teilnehmer Teilnehmer
90 min 60 min 30 min
Die weiteren Schritte der Teamentwicklung erfolgen automatisch im Rahmen der regelmäßigen Teambesprechungen bzw. gezielt durch gemeinsame Freizeitaktivitäten. Die Abbildungen 2-24 und 2-25 zeigen ein Beispiel für Spielregeln, die zu Beginn des Projekts im Rahmen eines Team-Workshops vereinbart werden können.
Abbildung 2-24: Beispiel: Spielregeln im Projektteam Teil 1 Spielregeln für die Zusammenarbeit im Projektteam Informationsfluss zwischen Projektteam und Kunde
Alle vertragsrelevanten Informationen werden parallel an alle Kernteammitglieder gegeben E-Mail-Kommunikation: „Projekt AAF...“ als erstes Wort vor den Betreff setzen Terminplanung und -steuerung
Es wird ein verbindlicher Grobterminplan für das gesamte Projekt erstellt und gepflegt Die Abstimmung der Arbeitspakete erfolgt auf Basis der Detailtermine, die zwischen den Teilprojektleitern und der Linie vereinbart wurden.
Projektorganisation und Verantwortlichkeiten
Die Verantwortungsbereiche sind aus dem Organigramm ersichtlich. Für PL und Kernteam werden Rechte und Pflichten in Funktionsbeschreibungen definiert Berichterstattung an die Bereichsleitung
Es wird ein monatlicher Statusbericht für die Geschäftsleitung erstellt. Inhalte sind: Grobterminplan (Soll/Ist), Fortschritt an Aktivitäten (Status der Umsetzung, geplante Installationen), aktuelle Risiken, Kostensituation (Soll/Ist) und Abrechnung
50
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Automotive-Projekt
Abbildung 2-25: Beispiel: Spielregeln im Projektteam Teil 2 Projektdokumentation und Ablage
Die Ablagestruktur wird im Intranet einheitlich entsprechend der Projektorganisation geregelt Die Bezeichnung der Dateinamen wird ebenfalls einheitlich geregelt Führungsverantwortung im Kernteam
Es gilt das Motto "Unternehmer im Unternehmen" Themenbezogene Problemlösung und Aktivitäten erfolgen selbständig Die Statusbesprechung wird mit themenbezogenen Problemlösungen nicht belastet. Projektkultur
Wir investieren Vertrauen und reden „mit einander“ und nicht „über einander“ Konflikte werde offen und sofort angesprochen und gemeinsam gelöst Statusbesprechungen im Kernteam
Für Kernteammitglieder ist die Teilnahme an Statusbesprechungen Pflicht (evtl. Vertreter). Unentschuldigtes Fehlen oder Zuspätkommen kostet pro Minute Euro 1,-- in die Projektkasse Handys bleiben während Besprechungen ausgeschaltet (jedes Klingeln Euro 5,--). Aktivitätenliste und Abarbeitung
Wenn eine Aktivität mit Verantwortlichkeit und Termin vereinbart wurde, so kümmert sich der Verantwortliche selbständig und eigenverantwortlich um die Abarbeitung.
Eine Verfolgung der gleichen Aktivität durch mehrere Kernteammitglieder ist nicht effektiv und nur in Ausnahmefällen (nach Abstimmung im Kernteam) möglich.
Bei virtuellen Teams, deren Mitglieder an verschiedenen Standorten – oft weltweit verteilt – arbeiten, ist bedeutend mehr Aufwand zu treiben. Die wesentlichen Merkmale von leistungsstarken, virtuellen Teams sind:
Den Teammitgliedern ist Ziel, Sinn und Zweck des Projektes klar; die einzelnen Personen können sich mit der Aufgabe identifizieren und sehen einen echten persönlichen Sinn in der Mitarbeit – das Verhältnis zwischen individuellen Interessen und den Möglichkeiten, sich in das Projekt einzubringen, sind geklärt.
Der Vorgehensplan des Projektes ist von den Teammitgliedern gemeinsam erarbeitet und verabschiedet worden.
Die Regeln der Zusammenarbeit sind festgelegt und akzeptiert. Alle Teammitglieder haben ihren „Platz“, ihre Rolle gefunden und können sich mit derselben identifizieren; allen Mitgliedern ist jedoch bewusst, dass eine Verschiebung der Herausforderungen oder der Rahmenbedingungen eine Rollenveränderung, -verschiebung nach sich ziehen kann.
51
2.3
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Das Verhältnis der Teammitglieder zueinander kann mit „funktionaler Vertrautheit“ umschrieben werden. Jedes Mitglied hat zu den anderen Teammitgliedern so weit Vertrauen, dass es sich auf die anderen tatsächlich verlässt oder mögliche Probleme aufgrund einer tragfähigen Beziehung sofort ansprechen kann.
Sämtliche Teammitglieder verfügen über ein notwendiges technisches Equipment (Internetanschluss, E-Mail, Mobiltelefon etc.) um standort-unabhängig kommunizieren zu können und nutzen diese optimal.
Kommunikationskanäle sind eingerichtet, deren Einsatz ist eindeutig und für alle Teammitglieder klar definiert. Alle halten sich an die getroffenen Vereinbarungen. Um diesen Anforderungen gerecht zu werden, sind einige Anstrengungen erforderlich. Am besten wird ein systematischer Teamentwicklungsprozess mit professioneller Unterstützung aufgesetzt. Das folgende Schema (Abbildung 2-26) zeigt einen solchen Prozess in 3 Phasen.
Abbildung 2-26: Entwicklungsprozess für virtuelle Teams, Vorgehensmodell
52
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Automotive-Projekt
2.3.2
Kommunikation im Projekt regeln
Ein Großteil der fehlgeschlagenen Projekte scheiterte nicht an der Technik, Organisation oder fehlenden Teamfähigkeit sondern schlichtweg an der Kommunikation. Damit ist die Kommunikation zu einem der größten Risikofaktoren in der Projektarbeit geworden. Wird berücksichtigt, dass für Projekte heute immer weniger Zeit zur Verfügung steht und auch das Budget stark begrenzt ist, wird die Bedeutung einer optimalen Kommunikation schnell deutlich. Auf Feinheiten der zwischenmenschlichen Kommunikation wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen. Hier verweisen wir auf die einschlägige Literatur bzw. Grundlagen-Werke zum Projektmanagement. 52 Für Automotive-Projekte wird allerdings das Thema der Kommunikation im internationalen und multikulturellen Umfeld immer wichtiger, deshalb wird darauf noch gesondert eingegangen. Einen Überblick über die verschiedenen Kommunikationsmöglichkeiten im Projekt, geordnet nach Raum und Zeit, liefert Abbildung 2-27.
Abbildung 2-27: Kommunikationsmöglichkeiten nach Raum und Zeit
Zeit
elektronische Postsysteme spez. Datenbanken
versetzt
spez. Planungssysteme
Groupware
synchron Sitzungen, Besprechungen
Video-, Telefon-, Desktopkonferenzen
Raum zusammen
entfernt
52 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), Schulz von Thun (1983) und Mayershofer (1999)
53
2.3
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Technisch gesehen lässt sich Kommunikation im Projekt unterscheiden nach:
Sprachkommunikation Textkommunikation Bildkommunikation Bei der Sprachkommunikation spielt die klassische persönliche Besprechung und das Telefon sicher noch die größte Rolle. Erfahrungsgemäß wird dies so bleiben, weil gerade im Projektmanagement nicht nur reine Sachinformationen ausgetauscht werden, sondern viele Führungs- und Steuerungsinformationen auf der „nonverbalen“ und „emotionalen“ Ebene fließen. Dafür sind gute Beziehungen und persönliche Begegnungen erforderlich. Ohne diese würde die Arbeit auch wenig Spaß machen... Abbildung 2-28 zeigt die wichtigsten persönlichen Kommunikationsformen im Projekt geordnet nach der Qualität für das Projektmanagement und dem Ressourcenbedarf.
Abbildung 2-28: Persönliche Kommunikationsformen im Projekt 53
Projektmanagement Qualität Projektworkshop
hoch
Projektsitzung
mittel
niedrig
Einzelgespräche
niedrig
53 vgl. Gareis (2000)
54
mittel
hoch
Ressourcenbedarf
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Automotive-Projekt
Damit diese persönlichen Begegnungen auch bei räumlich verteilten Projektteams und trotz des hohen Drucks des Tagesgeschäfts verbindlich stattfinden, braucht es klare Regeltermine, die über einen langen Zeitraum von allen Beteiligten im Terminkalender „geblockt“ werden. Der Aufwand, einen Besprechungstermin ad hoc zu vereinbaren, ist um ein vielfaches höher, als einmal einen Regeltermin abzusagen. Das sollten alle erfahrenen Projektleiter wissen. Abbildung 2-29 zeigt Regeltermine mit entsprechender Frequenz bei einem Automobilhersteller.
Abbildung 2-29: Regelbesprechungen im Projekt 54
Die digitalen Medien spielen durch die zunehmende Internationalisierung und standortübergreifendes Arbeiten eine immer größere Rolle. Die Internet-Technologie bietet hier sinnvolle Möglichkeiten.
54 Quelle: Daimler
55
2.3
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Nach der Offenheit bzw. Sicherheit für die Nutzer lassen sich drei Anwendungsbereiche unterscheiden:
Das Intranet steht einer begrenzten geschlossenen Gruppe zur Verfügung, z.B. einem Unternehmen, oder auch nur einer Projektgruppe.
Im Extranet wird dieser Kreis bereits erweitert, so wird z.B. ein externer Projektpartner oder Kunde in das interne Intranet mit einbezogen.
Das Internet stellt die Möglichkeit einer völligen Öffnung dar, also zur weltweiten Kommunikation und einem entsprechenden Informationsaustausch. Als gängige Kommunikationsform für Text und Bild im Projekt gilt die E-Mail. Das Versenden von „elektronischer Post“ ist heute sicherlich eine der am meisten verbreiteten Kommunikationsmöglichkeiten. Neben der eigentlichen Textnachricht lassen sich Dokumente aller Art als sogenannte „attachments“ anhängen und elektronisch versenden. In der Projektarbeit wird dies insbesondere für den Austausch von elektronischen Formularen und Vorlagen zwischen den Projektmitgliedern genutzt. Auch im Bereich Terminplanung und bietet sich dieses Medium an. So lassen sich z.B. zur Projektorganisation die Termine der Teammitglieder per Rückmeldung mittels E-Mail koordinieren. Über die Zusammenstellung von Gruppen lassen sich für bestimmte Themenbereiche die Empfänger festlegen. Die Auswahl der Gruppe hat dann eine Verteilerfunktion. Der Vorteil dabei ist, dass auch wirklich nur die relevanten Empfänger Nachrichten erhalten. Für die Kommunikation von Sprache und Bild auf analoge oder digitale Weise bietet sich die Videokonferenz an, eine bereits seit längerem bekannte, jedoch aufgrund der Einschränkung hinsichtlich Sprach- und Bildqualität wenig genutzte, Kommunikationsmöglichkeit. Mit den Entwicklungen in der Netzwerktechnologie, insbesondere der Steigerung der Übertragungsleistung, gewinnt diese Kommunikationsart jedoch an Bedeutung. Grundvoraussetzung für eine gelungene Videokonferenz ist immer noch eine ausreichende Übertragungskapazität. Nur mit entsprechenden Bandbreiten lässt sich eine ansprechende Qualität hinsichtlich Bild und Sprache erreichen.
Eine der derzeit wohl innovativsten Neuentwicklungen für die Kommunikation im Projektmanagement stellt die Nutzung virtueller Projekträume dar. Ursprünglich für Weiterbildungsmaßnahmen im Bereich E-Learning entwickelt, lassen diese sich auch sehr gut in der Projektarbeit, insbesondere bei virtuellen Projektteams, einsetzen. Von der Funktionalität bietet ein virtueller Projektraum die Möglichkeit, eine reale Besprechung nachzubilden. Projektportale im Internet sind ebenfalls auf die Unterstützung der Teamarbeit ausgerichtet. Für die Kommunikation im Projekt stehen verschiedene Funktionselemente zur Verfügung:
56
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Automotive-Projekt
Messaging, Calendaring und Scheduling (also gemeinsame Nachrichten und Planungsräume), gemeinsamer „Projektnachrichten-Eingang“;
Diskussionsforen (frei oder moderiert) und Synchrone Chat-Räume; E-Conference, E-Learning, News-Bulletins (mit personalisierter Anzeige der für den Anwender neuen Einträge). Aber die komfortable Kommunikationstechnik hat auch ihre Schattenseiten. Durch die einfache Anwendung wird oftmals zu viel Information an einen zu großen Kreis verteilt. Wer kennt z.B. nicht das Problem einer mit nicht relevanten Daten überlaufenden Mailbox. Eine solche unnötige Informationsflut ist Ressourcenverschwendung und lähmt die Kommunikation. Die Verwendung von unterschiedlichen Formaten und Anwendungen oder auch die Nichterreichbarkeit des Kommunikationspartners führt oft zu Aggressionen, Frust und Konflikten. Das Fehlen des persönlichen Kontakts zwischen den Beteiligten kann ebenfalls durchaus mit Nachteilen verbunden sein. Da die modernen Kommunikationskanäle immer nur einen Ausschnitt der gesamten Kommunikation abbilden, können leicht Irritationen oder Fehlinterpretationen entstehen, die im direkten Gespräch erst gar nicht auftreten bzw. wesentlich leichter ausgeräumt werden können.
2.3.3
Kommunikation in internationalen Teams als Herausforderung
Sind Projektteam und Aufgaben auf verschiedene internationale Standorte verteilt, steht das Projektmanagement vor einer besonderen Herausforderung: Viele Fragestellungen, die in nationalen, standortbezogenen Projekten durch direkte Kommunikation auf dem "kleinen Dienstweg" gelöst werden können, schaffen in internationalen Projektteams große Probleme. Schwierigkeiten bereiten z.B. folgende Punkte:
kulturelle Unterschiede sowie andere Arbeits- und Vorgehensweisen, zum Beispiel das unterschiedliche Meeting-Verhalten verschiedener Nationalitäten
Schwierigkeiten in der Teamkommunikation aufgrund unterschiedlicher Zeitzonen und Sprachfähigkeiten, oft verstärkt durch Probleme mit den verschiedenen Sprachversionen von Software
großer Abstimmungsaufwand zwischen den Standorten, etwa bei der Terminkoordination für übergreifende Statusmeetings und Workshops
die unterschiedliche organisatorische Ausgestaltung der verschiedenen beteiligten Standorte. Damit verbunden ist das Problem, dass der Projektleiter die richtigen Ansprechpartner nur schwer identifizieren kann, da diese an verschiedenen Stellen der lokalen Organisation angesiedelt sein können.
57
2.3
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Wer mit Menschen aus fremden Kulturen zusammenarbeitet, muss deren Sitten und Gebräuche, Gefühle und Befindlichkeiten kennen und respektieren. Und er muss umgekehrt auch dazu fähig sein, seinen Partnern aus anderen Kulturkreisen die eigenen Verhaltensweisen verständlich zu machen. Nur wer Unterschiede bewusst wahrnimmt, vermeidet Kosten, Zeitverluste, „Fettnäpfchen“ und Konflikte. Und er kann die Synergieeffekte multikultureller Zusammenarbeit besser nutzen. "Interkulturelle Kompetenz" heißt das Schlüsselwort im Zusammenhang mit multikulturellen Projekten. Das ist keine neuartige Qualifikation oder Fähigkeit, sondern eine Kombination sozialer, kognitiver und kommunikativer Kompetenzen, gepaart mit Wissen über die eigene Kultur und Partnerkulturen. Wie sollte ein Projektmanager oder Projektmitarbeiter mit kulturellen Unterschieden umgehen?
Der Projektmanager muss sich der kulturellen Unterschiede in der sozialen Etikette (Begrüßungsrituale, Tischrituale, Sitzordnungen...) bewusst sein.
Er sollte soziale Störungen registrieren und ihre Ursachen erforschen. Standards für soziales Verhalten sind abhängig von persönlichen und kulturellen Orientierungen. Die Teilnehmer multikultureller Meetings sollten deshalb voreilige persönliche Urteile über andere vermeiden.
Der Projektmanager muss verstehen, was andere Projektteilnehmer erwarten, damit sie sich während eines Meetings wohl fühlen können. Und er sollte wissen, was sie in ihrem Umfeld brauchen, um die sozialen Verpflichtungen zu erfüllen, mit denen sie in diesem Meeting konfrontiert werden.
Alle Projektteilnehmer sollten das Projekt dazu nutzen, ihr Repertoire an sozialen Verhaltensweisen im Arbeitsumfeld auszubauen. Die Fähigkeit, in multikulturellen Projekten zu arbeiten, kann sich optimal entfalten, wenn die Mitarbeiter sich für kulturelle Unterschiede interessieren und die gemeinsame Suche nach der besten Lösung von allen Projektteilnehmern unterstützt und als gemeinsames Ziel angenommen wird. Kulturelle Unterschiede können die Dynamik von Projektteams außerordentlich bereichern. Sie stellen ein kreatives Potenzial für die gemeinsame Entwicklung innovativer Ideen dar. Andererseits können sie aber auch Missverständnisse, Verärgerung und Misstrauen auslösen und so die Zusammenarbeit erheblich belasten. Der bewusste Umgang kulturell kompetenter Projektmitarbeiter mit diesen Unterschieden ist ein wichtiger Erfolgsfaktor. Multikulturelle Zusammenarbeit kann nur mit gegenseitigem Respekt und Interesse an anderen Meinungen, Sichtweisen und Sitten funktionieren.
58
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Automotive-Projekt
Die vielleicht wichtigste Herausforderung internationaler oder interkulturell besetzter Projekte besteht darin, kulturelle Unterschiede nicht nur zu integrieren, sondern als echten Produktivfaktor im Projekt zu verankern. Gerade die Kreativität und Vielfalt im Vorgehen unterscheiden internationale Projektteams positiv von rein nationalen Teams. So kann z.B. die in Deutschland weit verbreitete Fokussierung auf qualitativ hochwertige Produkte und technische Perfektion mit der in Frankreich eher vorherrschenden Orientierung an den Bedürfnissen des Kunden durchaus eine glückliche Konstellation ergeben. Ob es so weit kommt, hängt letztendlich von den Projektleitern und den Entscheidern im Top-Management ab. Entscheidend ist deren Bereitschaft, internationale Projektteams angemessen zu unterstützen und ihnen – auch über die unmittelbaren operativen Erfordernisse hinaus – Freiraum zur Verfügung zu stellen. Dabei geht es etwa um die Schaffung von Transparenz über die Ziele des Projekts, aber auch um das Aushandeln gemeinsamer Regeln der Zusammenarbeit sowie die Einigung auf Vorgehensweisen und Tools im Projektmanagement. Hinzu kommt der Faktor Vertrauen, auf den international arbeitende Teams aufgrund der geographischen Entfernung und der schwierigen Kommunikationsbedingungen weitaus stärker angewiesen sind als herkömmliche Projektteams. Wird in der Definitionsphase gezielt in dieses Vertrauen investiert, ist in späteren Phasen mit erheblichen Kosteneinsparungen aufgrund von gesteigerter Produktivität zu rechnen. In der Praxis hat es sich bewährt, Start-Workshops mit dem gesamten Kernteam und mit Unterstützung von (internen oder externen) Prozessbegleitern durchzuführen. Während solcher Start-Workshops lernen sich die Teilnehmer persönlich kennen und klären ihre Erwartungen, Ziele, die Kommunikationswege und -medien sowie die Rollen einzelner Teammitglieder im Projekt (siehe 2.3.1). Internationale Projektarbeit ist Projektarbeit unter erschwerten Bedingungen – mit der Chance auf erhöhten Gewinn für alle Beteiligten. Erfolgreiche internationale Projekte leisten oft einen herausragenden Beitrag zum Zusammenwachsen global orientierter Unternehmen in der Automobilindustrie. Voraussetzung ist jedoch, dass den besonderen Umständen im Projekt Rechnung getragen wird. Insbesondere die Projektdefinitionsphase gilt als wichtige Weichenstellung für einen späteren Erfolg. Daneben spielen, wie bereits erwähnt, der Informationsfluss und die entsprechenden technischen Möglichkeiten eine wichtige Rolle.
59
2.3
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.3.4
Informationsfluss im Projekt gestalten
Das klassische Informationsmanagement in den Unternehmen der Automobilindustrie ist häufig noch nicht optimal auf die Projektarbeit ausgerichtet. Bei der Entwicklung der IT-Infrastruktur und Installation entsprechender Software haben in der Vergangenheit die Anforderungen kommerzieller (ERP-System) und technischer Prozesse (CAD, Simulation, DMU) klar dominiert. Über das weit verbreitete „Office-Paket“ sind viele Unternehmen nicht hinausgekommen. Dementsprechend unübersichtlich sind die Ablagen und elektronischen Verzeichnisse der Projektteams. Das Ablegen und Wiederfinden von Dokumenten in der aktuell gültigen Version bereitet Projektleitern und –mitarbeitern immer wieder „Kopfzerbrechen“. Damit alle Projektbeteiligten auf dem aktuellen Informationsstand sind, sollte das Projektmanagement einige Punkte beherzigen: 55
Sorgen Sie dafür, dass die strategische Ausrichtung des Projekts (Vision, Ziele, Planung) dokumentiert und für jeden Mitarbeiter zugänglich ist, zum Beispiel auf einer Projekt-Homepage im Intranet.
Legen Sie sich im Voraus auf die Dokumentationsform der Arbeitsergebnisse fest, die im Projekt erzeugt werden sollen. Orientieren Sie sich dabei an den Projektprozessen. Verwenden Sie standardisierte Dokumentvorlagen.
Arbeitsergebnisse sollten anhand eindeutiger Kriterien identifizierbar sein: Version, Status, Erstellungsdatum, letztes Änderungsdatum, verantwortlicher Bearbeiter.
Führen Sie eine Übersicht der Arbeitsergebnisse, um jederzeit beurteilen zu können, ob ein ausgedrucktes Dokument noch aktuell ist. Dabei unterstützen Sie Dokumentenmanagement- und Konfigurationsmanagementsysteme oder – im einfachsten Fall – ein Programm zur Tabellenkalkulation.
Erstellen Sie eine Übersicht Ihrer Werkzeuglandschaft und bilden Sie Ihren Informationsbedarf darauf ab.
Legen Sie Verteilerkreise für die verschiedenen Ergebnistypen fest. Orientieren Sie sich an diesen, wenn Sie zu Besprechungen einladen. Verteilerkreise können Sie z.B. in einem Groupware-Server einrichten.
Einigen Sie sich auf eine Ablagestruktur und ordnen Sie die Ergebnistypen festen Ablageorten zu. Diese Ordnung erleichtert es speziell Mitarbeitern ohne Detailwissen, Informationen zu finden.
55
60
vgl. Rohr, J. in: Projektmagazin 4/2004
Teamarbeit und Kommunikation als Erfolgsfaktoren im Automotive-Projekt
Erstellen Sie eine Übersicht der Daten, die für die Steuerung nötig sind. Prüfen Sie dann, in welchen Werkzeugen diese Daten vorgehalten werden. Ergänzen Sie die Funktionen der Werkzeuge. Die meisten lassen sich flexibel konfigurieren.
Nutzen Sie grafische Auswertungen, um einen schnellen Überblick zu bekommen. Lassen Sie sich periodische Berichte automatisch erzeugen. Archivieren Sie Informationen, die Sie nicht mehr brauchen. Einen wesentlichen Beitrag zu einem effizienten Informationsmanagement im Projekt spielt die zentrale Ablage aller Projektinformationen, auch „zentrale Projektakte“ genannt. Mit Hilfe einer Datenbank lassen sich die Projektdaten zentral ablegen, so dass jeder Projektbeteiligte auf die gleichen Informationen zugreift. Moderne Systeme basieren mittlerweile vollständig auf der Internet-Technologie. Die Anwender benötigen als Client lediglich einen aktuellen Browser. Über Intra- oder Internet können damit alle Projektbeteiligten immer die aktuellen, verbindlichen Dokumente, Schriftverkehr, Zeit- und Kostenpläne abrufen. So vermeidet die Projektleitung Konflikte zwischen unterschiedlichen lokalen Versionen von Dokumenten. Bearbeitet ein Projektmanager gerade sein Projekt, so ist es in der Datenbank für Änderungen durch andere gesperrt. Diese Datenbank gestützte Verwaltung der Projektinformationen bewirkt zugleich eine starke Formalisierung des Projektmanagements, da sie ein verbindliches und einheitliches Schema für die Projektdokumentation erzwingt. Als Vorteile ergeben sich daraus:
Die Projektbeteiligten brauchen die Daten nur noch einmal einzugeben. Jeder – auch neue – Mitarbeiter findet sich in der Dokumentation schnell zurecht. Der Projektablauf ist systematisch dokumentiert. Nachteil dieser Herangehensweise ist die Festlegung auf die vorgegebenen Informationsstrukturen. Zwischenzeitlich gibt es am Markt auch eine ganze Reihe leistungsfähiger DV-Tools die das Informationsmanagement im Projekt erleichtern. Eine Marktübersicht findet sich im Internet. 56 Sicher ließe sich noch Vieles zu diesem Thema sagen, allerdings sind die Informationsarchitekturen und –standards in den Unternehmen doch recht unterschiedlich, so dass es über die aufgeführten Punkte hinaus wenig generell gültige Regeln gibt. Eine zentrale Projektakte in Form einer datenbankgestützten Ablage aller Projektinformationen ist aber auf jeden Fall empfehlenswert.
56 www.pm-software.info
61
2.3
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.4
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Der richtige Start eines Projekts hat wesentlichen Einfluss auf den Erfolg. Der Spruch „Sag mir, wie dein Projekt startet, und ich sag dir, wie es endet!“ ist ja in der Projektmanagement-Welt hinreichend bekannt. Die Aktivitäten zum Start im Rahmen der Definitionsphase behandelt dieses Kapitel. Besonders in der Zusammenarbeit zwischen Auto-Hersteller und Zulieferer gibt es da viele Hürden zu überwinden. Von der Initiierung über die Klärung der Ziele und Anforderungen (Lastenheft) bis zum KickOff werden die wesentlichen Methoden, die Automotive-Projekten zum Erfolg verhelfen, erläutert.
2.4.1
Einführung und Überblick zur Definitionsphase
Die Erfahrung in vielen Unternehmen zeigt, dass der kritischste Zeitpunkt eines Projektes am Anfang desselben ist. Die ersten Wochen entscheiden darüber, ob ein Projekt planvoll und zielgerichtet abgewickelt wird, oder ob Krisen, Konflikte und Chaos die Abwicklung beherrschen. In den meisten Fällen können Versäumnisse, die am Anfang des Projekts gemacht werden, nur mit großem Aufwand wieder gutgemacht werden. Deshalb ist eine systematische Projektdefinitionsphase ein wesentlicher Erfolgsfaktor für jedes Projekt. Die Projektdefinition beinhaltet die Klärung der Ziele (Lastenheft), Strategien, Strukturen, Verantwortlichkeiten und Zusammenarbeit im Projekt. Die klare Zieldefinition bzgl. Produktergebnissen, Qualität, Termine und Kosten hilft allen Beteiligten „zielgerichtet“ zu arbeiten und sich nicht mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen oder sich zu verzetteln. Eine Projektstrategie, die über die Ziele des Unternehmens informiert, hilft alle Projektmitarbeiter durch „Informationen über den Sinn und Zweck des Projekts“ zu motivieren. Strukturen wie ein Meilensteinplan und eine Produkt- oder Anlagenstruktur bringen Transparenz und Übersichtlichkeit. Die Klärung von Verantwortlichkeiten und Informationsflüssen mit Hilfe von Organigrammen, Funktionendiagrammen (AKV) und Spielregeln liefern die Grundlage für eine reibungsarme, effiziente Zusammenarbeit. In vielen Fällen fehlt vor allem den Zulieferern eine klare Systematik für den Start von Fahrzeugentwicklungsprojekten. Handlungsorientierung bestimmt das Geschäft. D.h., wenn vom Auftraggeber „grünes Licht“ erteilt wurde, wird sofort mit der Entwicklung begonnen. Für die Erarbeitung einer gemeinsamen Strategie und eines entsprechenden Projektplanes haben die Beteiligten vermeintlich „zu wenig Zeit“. Da sie eh zu spät dran sind, darf also „keine Minute verloren werden“. Das führt zu operativer Hektik und Plan- bzw. Ziellosigkeit, das Gegenteil von Effektivität.
62
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Eine Situation, mit der viele Unternehmen der Branche zu kämpfen haben. Spätestens zum Serienanlauf eskalieren dann Probleme, die bei frühzeitiger Klärung gar nicht erst aufgetreten wären. Abbildung 2-30 verdeutlicht diesen Negativ-Kreislauf.
Abbildung 2-30: Negativ-Kreislauf der „operativen Hektik“ in der Projektdefinitionsphase
Reklamationen vom Kunden
Eskalation von Problemen im Serienanlauf
Ressourcen für Brandbekämpfung gebunden
Notlösungen und Improvisation
Anfrage/Auftrag vom Kunden
Nur „Brennendes“ wird erledigt
Machbarkeitsprüfung
Reviews + Freigaben Ressourcenengpässe
Projektselektion
Lastenheftprüfung und -freigabe
Projektplanung
Nicht ausgereifte Technologien
Für einen professionellen Projektstart ist in erster Linie die Projektleitung verantwortlich. Sie muss sich um die notwendigen Ressourcen kümmern (Kernteam) und vollständige Informationen und Unterlagen vom Auftraggeber (Management, Vertrieb,...) einfordern. Gerade beim „Stapellauf“ des Projekts kann ein interner oder externer Projektcoach wertvolle Unterstützung leisten. Die verschiedenen Aktivitäten des Projektstarts lassen sich am besten im Team erledigen. Damit steigt die Akzeptanz und Transparenz für alle Teammitglieder. Hierfür werden verschiedene Gespräche und Workshops organisiert. Das hat gleichzeitig den Vorteil, dass die Planungsarbeit, die ja oft von dringlichem Tagesgeschäft verdrängt wird, einen festen Platz hat. Planungsgespräche und Workshops mit zielgerichteter Moderation erzeugen brauchbare Ergebnisse und Entscheidungen in kurzer Zeit. Es ist wichtig, diesen Zeitaufwand zu investieren, damit alle Projektbeteiligten die gleiche Sprache sprechen und den gleichen Informationsstand bekommen. Generell gilt, dass der Umfang der Aktivitäten zum Projektstart stark von der Projektgröße und Komplexität abhängt.
63
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Bei kleinen Projekten lassen sich viele Dinge zusammenfassen und werden evtl. vom Projektleiter alleine erledigt. Abbildung 2-31 zeigt den systematischen Prozess der Projektdefinition im Überblick.
Abbildung 2-31: Projektdefinition als Prozess
Einen Überblick über die Ereignisse, PM-Methoden und –Unterlagen, die im Rahmen der Projektdefinition zur Anwendung kommen können zeigt beispielhaft die Checkliste in Abbildung 2-32. Checklisten dieser Art helfen dabei, dass keine Aktivität vergessen wird und innerhalb eines Unternehmens eine einheitliche Vorgehensweise herrscht.
64
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Abbildung 2-32: Beispiel: Checkliste Projektdefinitionsphase
Checkliste Projektdefinition Legende : AG = Auftraggeber, PL = Projektleiter, KT = Kernteam, PC = Projektcoach, VT = Vertrieb
47 . . . . . . . (Projekt-Nr.)
(Kunde)
(Projektbezeichnung) Wer
1. Auftragsklärung - kommerziell / Konditionen - technisch / Mengengerüst, Lastenheft (Ergebnisse) - Generelle Anforderungen und Randbedingungen 2. Projektsteckbrief 3. Projektübergabegespräch - Termine / Kapazitätsbedarf / Ablauf - Teamzusammensetzung / Projektorganisation - Vollständigkeitsprüfung der Projektunterlagen - Chancen und Risiken bewerten - Projektleiter-Beauftragung (Kompetenzen)
Erledigt
AG, VT
PL AG, PL (+ KT), PC + betroffene Linienmanager
4. Start Workshop - Projektziele / Abnahmekriterien, Lastenheftvorgaben - Projektorganigramm - Projektergebnisstruktur (Produkt / Anlage) - Phasen-/Meilensteinplan - Ablauf für Änderungs- und Claimmangement - Büro- / Arbeitsmittel - Projektablage + Infofluss
PL + KT, PC
5. Teamentwicklung - Rollenverteilung und Persönliche Stärken - Verantwortung / Aufgaben / Funktionen - Information / Kommunikation - Entscheidungsordnung - Zusammenarbeit / Spielregeln
PL + KT, PC
PL + KT + Kunde 6. Auftaktworkshop + ggfs. - Vorstellung der Projektorganisation und Aufgabenzuordnung Vertragspartner - Abstimmung der Grob-Meilensteinplanung PC - Abstimmung der Lastenheftvorgaben + Rahmenbedingungen 7. Projektauftrag 8. Vertragsprüfung / Auftragsbestätigung 9. Kick-Off Meeting
int. Auftraggeber+PL PL PL + KT+ betr. Abteilungen
65
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.4.2
Frontloading als Projektmanagement-Strategie
Generell beklagen viele Zulieferer eine zu späte und oft nicht klar geregelte Einbindung in die frühen Entwicklungsphasen. In vielen Fällen dominieren noch Ausschreibungen und Vergabeprozeduren wie Wettbewerbe das Verhältnis zwischen Hersteller und Zulieferer. Eine frühzeitige Partnerschaft im Sinne einer gemeinsamen Optimierung des Projektstarts und der Projektplanung ist dadurch nicht möglich. Innovationen werden dabei verhindert. Besonders die Regelung der Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) wird vernachlässigt und führt später zu Schnittstellenproblemen, Fehlern und Konflikten zwischen den beteiligten Partnern. Aus Angst, eine genaue Festlegung könne zu Forderungen der Gegenseite führen, verzichten viele OEMs und Systemlieferanten auf dieses mächtige Instrument. Es fehlt die Verbindlichkeit in der Projektabwicklung. Doppelarbeit und Fehler bzw. Versäumnisse sind vorprogrammiert. 57 Ohne gezieltes „Projektmanagement-Frontloading“ im Sinne von angewandter Projektmanagement-Methodik in der Projektdefinitionsphase lassen sich Projekte nicht strategisch und effektiv einsteuern. Abbildung 2-33 zeigt die Philosophie des „Frontloading“.
Abbildung 2-33: Frontloading als Projektmanagement-Strategie 58
100% Kostenverantwortung
Produktwissen Erweiterung des Produktwissens durch Stärkung der frühen Phase
Freiheitsgrad für Entscheidungen Fertigungsvorbereitung 0%
Konzept Projektvorbereitung
Entwurf
Ausarbeitung
Serienentwicklung
57 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S.71 58 vgl. Gessner (2001), S. 17
66
... Serienlauf
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Ein modifizierter Fahrzeugentwicklungsprozess mit stärkerer Gewichtung der frühen Phasen reduziert das Planungsrisiko durch eine starke Verkürzung der Entwicklungszeit. 59 Dies wird durch die weitgehende Parallelisierung der Entwicklungsprozesse und den (fast) gleichzeitigen Start aller produktdefinierenden Teilprozesse zu Beginn der Projektvorbereitung erreicht. Dieser Denkansatz gilt auch für das Projektmanagement. Untersuchungen in der Elektroindustrie haben gezeigt, dass die Parallelisierung von Entwicklungsprozessen besonders erfolgreich ist, wenn es gelingt, frühzeitig die dem Entwicklungsprozess eigene Unsicherheit zu reduzieren. Ziel des parallelisierten Produktentstehungsprozesses ist daher, bereits in der frühen Phase möglichst großes Produktwissen zu schaffen und gleichzeitig die Entscheidungszeitpunkte so spät wie möglich im Prozess nahe an den Serienanlauf - zu legen. Dieser Ansatz wird in der Automobilindustrie unter dem Begriff „Frontloading“ diskutiert. Zur Erhöhung der Entscheidungsbasis in der frühen Phase sollten so viele alternative Lösungsvorschläge wie möglich untersucht werden (Simulation und virtuelle Absicherung). Dies führt zu fundierteren Entscheidungen, da die Auswirkungen einer Entscheidung auf das Gesamtkonzept besser untersucht und abgeschätzt werden können. Damit reduziert sich auch die Anzahl der notwendigen Änderungsschleifen. Aus Projektmanagement-Sicht müssen zu Beginn des Fahrzeug-Projekts in einer konzentrierten Klausur (Start- und Auftaktworkshop bzw. Kick-Off) die wesentlichen Prämissen, Strukturen und Umfänge eines Projekts mit allen Beteiligten geklärt und verabschiedet werden. Ein wichtiger Tagesordnungspunkt ist dabei die Vereinbarung eines Organigramms und Funktionendiagramms für das Projekt, in dem die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) der einzelnen Partner festgelegt werden. Dadurch sprechen alle „eine Sprache“ und können dann pro-aktiv und selbständig loslegen. Ständige Rückfragen beim Projektleiter und Frust durch „Unwissenheit“ erübrigen sich. In einer Planungsklausur, die bei einzelnen Systemlieferanten bereits vorbildlich praktiziert wird, können Projektleiter und –team dann die Projektplanung verfeinern. Verifizierung der Projektziele, Meilensteinpläne, Projektstrukturen, Termin- und Kostenplanung sowie Risikoanalyse sind die „hard facts“ auf der Tagesordnung. Diese Vorgehensweise wird in den folgenden Abschnitten im Detail erläutert. Die „soft facts“ lassen sich durch parallel mitlaufende Teamentwicklungsaktivitäten unterstützen. Wichtige Themen sind: Spielregeln für die Zusammenarbeit und Klärung von Rollen und Beziehungen. Abgesehen von gezielten Maßnahmen passiert im Rahmen einer „Klausur“ mit dem Projektteam ohnehin sehr viel auf der zwischenmenschlichen Ebene. Wenn die Kollegen mal für ein bis mehrere Tage „eingesperrt“ werden kommen sie sich ganz automatisch nahe. Damit wird eine wesentliche Grundlage für gute Beziehungen und damit kooperative Teamarbeit gelegt.
59 vgl. Gessner (2001), S. 17
67
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.4.3
Auftragsklärung und Projektumfeldanalyse
"Wenn über das Grundsätzliche keine Einigkeit besteht, ist es sinnlos, miteinander Pläne zu schmieden." Konfuzius, chinesischer Philosoph Eine fundierte Auftragsklärung hilft unnötige Risiken und Doppelarbeit zu vermeiden. Je besser die Informationen und Anforderungen des Auftraggebers aufbereitet sind, desto effektiver kann das Projekt gestartet werden. Wenn es sich um Auftragsprojekte handelt, so wird die Auftragsklärung oft schon im Rahmen der Angebotserstellung erfolgen. Ohne Klarheit über die Kundenanforderungen und Eckdaten eines Projekts kann kein qualifiziertes Angebot abgegeben werden. Bei internen Projekten wird diese Aufgabe oft vernachlässigt und damit sind Missverständnisse und Enttäuschungen vorprogrammiert. Abbildung 2-34 zeigt einen Fragenkatalog zur Auftragsklärung.
Abbildung 2-34: Fragenkatalog zur Auftragsklärung bei der Projektdefinition Folgende Fragen helfen bei der Auftragsklärung:
Was wollen / sollen wir erreichen und wozu? Mit welchem Nutzen? Wie lautet das Ziel des Projektes? Wozu leistet das Projekt fachlich einen Beitrag? Wie beeinflusst es Geschäftsziele des Kunden? Welches Problem, welche Frage steht im Mittelpunkt der Projektaufgabe? Wozu leistet das Projekt einen wirtschaftlichen Beitrag? Wie genau soll das gewünschte Ergebnis aussehen? Was soll hinterher neu / da / anders sein? Welche Produkte sollen entstehen? Woran erkennen wir, dass wir unsere Ziele erreicht haben (Messkriterien)? Sind bestimmte Vorstudien, Informationen für das Projekt vorhanden? Was brauchen wir noch, um loslegen zu können? Welche Randbedingungen und Einflüsse kennen wir, die das Projekt einschränken und behindern, aber auch fördern könnten?
Besonders bei komplexen und strategischen Projekten, die viele externe und interne Schnittstellen haben, liefert das Instrument der Projektumfeldanalyse wichtige Informationen zur Auftragsklärung. Darüber hinaus bilden die daraus gewonnenen Erkenntnisse auch eine wichtige Grundlage für die Zielklärung, spätere Risikoanalysen und die Informationspolitik im Rahmen der Projektsteuerung.
68
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Nicht wenige Projekte sind schon an der Missachtung des politischen und sozialen Umfeldes gescheitert oder haben zumindest vermeidbare Störungen und Behinderungen dadurch erlebt. In der Literatur wird in diesem Zusammenhang häufig von der „StakeholderAnalyse“ gesprochen. Stakeholder eines Projektes sind alle Personen, Personengruppen und Institutionen die ein Interesse am Projekt haben oder vom Projekt in irgendeiner Weise betroffen sind. 60 Damit deckt sich diese Definition mit der des Projektumfeldeses, abgesehen von den technischen Randbedingungen. Abbildung 2-35 gibt dazu eine Übersicht.
Abbildung 2-35: Einflussgrößen der Projektumfeldanalyse
Wettbewerber
Kunden Politik
Lieferanten Vertrieb
Technik
Personal
Produktion Projekt
Finanzen
Fachabt.
...
... Partner
Wissenschaft
Unternehmen Gesellschaft
Kapitalgeber
Wichtige Fragen der Projektumfeldanalyse sind u.a.:
Welche Erwartungen haben die Stakeholder an das Projekt? Stehen Sie dem Projekt positiv oder negativ gegenüber? Welchen Einfluss haben die Stakeholder auf das Projekt? Welche Maßnahmen sind zu ergreifen? Sind die grundsätzlichen Fragen der Auftragsklärung soweit behandelt, sollte jetzt der Projektleiter offiziell den Stab übergeben bekommen. Mit der Projektübergabe geht nicht nur die formale Verantwortung auf die Projektleitung über, sondern sie wird im Sinne eines Rituals auch richtig emotional „inthronisiert“, was für die Begeisterung und Einsatzbereitschaft eine große Rolle spielt. 60 Quelle: ISO 10006
69
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.4.4
Projektübergabe
Das Projektübergabegespräch 61 soll einen schnellen und erfolgreichen Projektstart sicherstellen, indem es frühzeitig zur Klärung fehlender Informationen und Entscheidungen beiträgt. Außerdem dient es dazu, langfristig die Disziplin im Vertrieb und die Qualität der Angebotserstellung zu verbessern, weil unvollständige Unterlagen und ungeklärte bzw. ungenaue Vertragsverhältnisse frühzeitig offenbar werden. Für den Projektleiter bietet es die wichtigsten Informationen über das Projekt und seinen Status. Es ist eine Besprechung im kleinen Kreis zwischen dem internen Auftraggeber des Projekts (z.B. Geschäftsleitung bzw. Vertrieb), dem Projektleiter und ggfs. den betroffenen Ressourcenverantwortlichen aus der Linie. Im Focus steht die Informationsweitergabe und den Stabwechsel von der vorgelagerten Phase (z.B. Vorstudie, Vorentwicklung, Akquisition, Vertrieb, Angebotserstellung) zum Projektleiter für die Serienentwicklung, Produktionsanlage oder Auftragsabwicklung. Der Ablauf ist aus folgender Agenda ersichtlich (Abbildung 2-36):
Abbildung 2-36: Beispiel: Agenda Projektübergabegespräch Top
Uhrzeit
Min.
Thema
Sprecher
1
9:30
30
Informationen zum Kundenauftrag/Projekt
Vertrieb
Vertragsumfang (grob) Terminsituation/Kapazitätsbedarf/Ablauf 3
10:00
30
Teamzusammensetzung festlegen Kernteammitglieder (Projektorganisation) Arbeitspaketverantwortliche in der Linie
2
10.30
60
Stellungnahme und Klärungen zum Kundenauftrag
PL, Int. Auftraggeber + Linienmanagement. Projektleiter/ alle
Risiken, offene/unklare Punkte 4
11.30
30
Beauftragung Projektleiter
Interner Auftraggeber
3
12:00
30
Offene Punkte und fehlende Unterlagen gemäß Checkliste
Projektleiter/ alle
4
12:30
15
Terminvereinbarung:
alle
x
Workshop Projektstart
x
Workshop Teamentwicklung
x
Kick-Off-Meeting
61 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 29f
70
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Eine Checkliste zur Projektübergabe ist ein wesentliches Führungsinstrument für den Projektleiter. Mit ihr wird geklärt, welche Informationen für den Start des Projekts vorhanden sind und welche noch fehlen. Abbildung 2-37 zeigt ein Beispiel.
Abbildung 2-37: Beispiel: Checkliste zur Projektübergabe
Checkliste Projektübergabe Kunde/Auftraggeber: Projekt/Kundenauftrag: Projektleiter: übergeben Stand
E
Ü
erstellen/überarbeiten verantwortlich Termin
Angebotsunterlagen • Anfragespezifikation • Angebot mit Anlagen • Angebotsschriftverkehr • Angebotskalkulation • Grobterminplan • Projektsteckbrief • Verhandlungsergebnisse • Auftragssumme + Währung • Zahlungsvereinbarungen/Finanzierung • Ein- und Ausfuhrbestimmungen • Garantievereinbarungen • Verhandelte Stundensätze • Ecktermine, Meilensteine • Standorte • zus. techn. Vereinbarungen • zus. kaufm. Vereinbarungen (z.B. local content) • Projektorganisation vom Kunden, Ansprechpartner • Auftragsnummer des Kunden • letter of intent • Verhandlungsprotokolle • Liefer- und Leistungsumfang: • Verzeichnis und Beschreibungen • Spezifikation/Lasten- und Pflichtenheft • Fremdumfänge mit Angeboten • Projektmanagement • Beistellumfänge vom Kunden • Ersatzteile • Service/Wartung •
Nachdem der Projektleiter jetzt in „Amt und Würden“ ist, muss er seine Projektstrategie erarbeiten, die Mannschaft aufstellen und auf das Projekt einschwören. Dies geschieht am Besten in einer konzentrierten Teamklausur.
71
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.4.5
Projektstartklausur / -workshop
Um wichtige Projekte professionell einsteuern zu können, brauchen Projektleitung und –team eine Phase der Kreativität und Konzentration frei vom Tagesgeschäft. Eine je nach Projektgröße und Komplexität, 1-5-tägige Startklausur kann da wahre Wunder bewirken. In diesem Rahmen wird alles geklärt und erarbeitet, was für eine professionelle Projektdefinitionsphase erforderlich ist. Nicht nur Ziele, Strukturen, Methoden und Strategien, sondern auch die Zusammenarbeit im Team spielen dabei eine wichtige Rolle. Am Ende steht eine Präsentation vor dem internen Auftraggeber des Projekts, dem Projektsteuerkreis und/oder der Geschäftsleitung. Der Startworkshop dient in erster Linie dazu, das Projekt zielgerichtet „in Fahrt zu bringen“. Er informiert alle Projektmitglieder über die Inhalte und Organisation sowie die Ziele des Projekts und trägt somit zum systematischen, zielgerichteten Start bei. Versäumnisse in der Definitionsphase des Projekts können später nur mit unverhältnismäßig großem Aufwand wieder kompensiert werden. Deshalb ist der systematische Projektstart ein Erfolgsfaktor für jedes Projekt. Im Rahmen des Startworkshops sollen mindestens die folgenden Inhalte vorgestellt und vom Projektteam überprüft / ergänzt werden:
Organigramm (Verantwortlichkeiten) Projektziele (Strategische-, Sach-, Termin- und Kostenziele) Liefer- und Leistungsumfang/ Projektergebnisstruktur Meilensteine / Mastertiming Projektinfrastruktur, -ablage Ablauf Änderungsmanagement Mit der guten Vorbereitung durch den Projektleiter, ggf. unterstützt durch einen Moderator, steht und fällt die ganze Veranstaltung. Je mehr Standards in einem Unternehmen schon vorhanden sind, desto weniger Vorarbeit ist natürlich zu leisten. Generell gilt, dass der Umfang der Aktivitäten zur Projektdefinition stark von der Projektgröße abhängt. Bei kleinen Projekten lassen sich viele Dinge zusammenfassen und werden evtl. vom Projektleiter alleine erledigt. Bei größeren Projekten ist eine Vorbereitung des Workshops im Team erforderlich. Abbildung 2-38 zeigt anhand einer Agenda, wie eine Startklausur ablaufen kann.
72
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Abbildung 2-38: Beispiel: Agenda für Projektstartklausur/-workshop
Top
Min.
Thema
Sprecher
1
15
Begrüßung und Organisatorisches
Moderator
2
60
Vorstellung der Teilnehmer (Rolle im Projekt, Erwartungen an den Workshop ...)
Alle
3
120
Diskussion Teamarbeit, Klärung der Rollen und Stärken der Teammitglieder, Verabschiedung der Projektorganisation
Alle
4
120
Definitionen der Funktionen und Verantwortungsbereiche im Detail (Funktionendiagramm) und Vereinbarung von Spielregeln und Abläufen im Projekt
Alle
5
180
Gemeinsames Lastenheft-Review, Projektziele ergänzen und vereinbaren
Projektleiter / Alle
6
?
Gemeinsame Teamaktivität am Abend zur Förderung der guten Beziehungen und Kommunikation
Alle
7
120
Projektergebnisstruktur definieren und offene Punkte bzgl. Pflichtenheft sammeln
Alle
8
60
Ecktermine und Vorgaben des Kunden mit internen Prozessen abstimmen und mit Standard-Terminplan abgleichen. Maßnahmen zur Verkürzung der Zeitachse definieren
Projektleiter / Alle
9
60
Wirtschaftlichkeitsrechnung des Projekts diskutieren, aktualisieren und Maßnahmen zur Kostenminimierung definieren
Projektleiter
10
60
Reporting, Reviews und Regelungen zum Projektcontrolling vereinbaren. Arbeitspakete für die erste Projektphase definieren und abstimmen
Alle
11
60
Änderungsablauf, Projektinfrastruktur, -ablage vorstellen und ergänzen
Projektleiter
12
30
Vorbereitung der nächsten Statusbesprechung/ Kick-Off mit dem Kunden und intern
Alle
13
60
Präsentation der Workshopergebnisse vor dem internen Auftraggeber / Steuerkreis mit Entscheidungsvorlage und Empfehlungen
Projektteam + Steuerkreis
14
30
Abschluss und nächste Termine (Kick-Off, Jour Fixes etc.)
Moderator
Verschiedene Automobilhersteller und Systemlieferanten haben für komplexe Fahrzeugentwicklungsprojekte eigene Workshop-Konzepte als Standardprozesse festgelegt um die Professionalität in der Startphase von Projekten zu steigern.
73
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-39 zeigt das Workshop-Konzept eines Systemlieferanten. „PACT“ steht für „Project Acceleration by Coaching and Teamwork“. Es geht also um eine Beschleunigung des Projektes durch gezielten Einsatz von Coaching und Teamarbeit. In mehreren, aufeinander aufbauenden, moderierten Workshops werden die wesentlichen strategischen und Projektmanagement relevanten Pläne erarbeitet und Entscheidungen vorbereitet. Als Zusammenfassung erfolgt dann eine Präsentation vor dem Management.
Abbildung 2-39: Beispiel: Workshop-Konzept eines Systemlieferanten62
Die einzelnen PM-Methoden und Vorgehensweisen, die in den Startworkshops konzentriert zur Anwendung kommen, werden im Folgenden erläutert.
62 Quelle: Siemens
74
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4.6
Zielklärung und Lastenheft
„Für ein Schiff, das seinen Hafen nicht kennt, weht kein Wind günstig.“ Seneca, römischer Politiker, Redner, Philosoph und Schriftsteller Aus Expertengesprächen mit Systemlieferanten, die die Autoren im Rahmen einer Studie63 geführt haben, hat sich der Eindruck verfestigt, dass Anforderungen an Auftragnehmer/Partner Fahrzeugprojekten seitens einzelner OEMs bewusst spät oder gar nicht festgelegt werden, damit jederzeit „ein Hintertürchen offen bleibt“ und potentielle Nachforderungen vermieden werden. Damit wird beim Entwicklungspartner eine Haltung des „Abwartens“ erzeugt, die dazu führt, dass das Projekt dort zu spät eingesteuert wird. Kaum ein Auftragnehmer fängt zu arbeiten an, wenn die Gefahr besteht, dass ein Großteil der Ergebnisse für den Papierkorb ist. Es leidet die Qualität der Planung und Entwicklung, weil erst zu einem relativ späten Zeitpunkt in großer Hektik Ergebnisse erzielt werden müssen. Wenn trotz fehlender Spezifikationen und Lastenhefte mit der Entwicklungsarbeit begonnen wird, sind unnötige Änderungsschleifen vorprogrammiert. Dies kostet Zeit und Geld. Es belastet die Effizienz des Entwicklungsprojekts. Die Aussage eines Systemlieferanten war in diesem Zusammenhang: „Ein professionelles Requirements-Management seitens der OEMs ist ein zentrales Problem! Lastenhefte des OEM sind oft lückenhaft bzw. gar nicht vorhanden, weil das Wissen fehlt, bzw. mit Unschärfe nicht umgegangen werden kann.“ Die folgende Abbildung verdeutlicht den Zusammenhang zwischen frühzeitiger Klärung der Produktanforderungen und dem Änderungsaufwand im Serienanlauf.
Abbildung 2-40: Frühzeitige Lastenheftabsicherung und reduzierter Änderungsaufwand 64
63 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S.42ff 64 Quelle: Fraunhofer IAO
75
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Die Kette der Erfolgsfaktoren für eine frühzeitige Absicherung von Entwicklungsergebnissen in Fahrzeugprojekten stellt sich wie folgt dar:
Das Lastenheft ist zu Beginn der Entwicklungsphase vorhanden, geprüft und ausreichend detailliert
Es findet eine frühzeitige Erprobung mit ausgereiften Entwicklungsergebnissen statt
Fehler werden im Rahmen der Erprobung systematisch erkannt sowie geeignete Maßnahmen abgeleitet und umgesetzt
Zum Serienanlauf hat das Produkt einen hohen Reifegrad. Zwingend notwendig ist auch eine frühzeitige Festlegung und Vereinbarung eines Lastenhefts zwischen den Partnern im Entwicklungsprojekt. Dabei müssen im Zweifelsfall Annahmen getroffen und eine gewisse „Unschärfe“ in Kauf genommen werden. Legt der Auftraggeber sich nicht fest, sollte der Auftragnehmer im Eigeninteresse ein Lastenheft erstellen, das er als Auftragsgrundlage heranzieht. Eine Projektdefinitionsphase ohne Lastenheft ist jedenfalls höchst uneffektiv und belastet die Beziehung der Entwicklungspartner. Spezifikationen, die ohne Einbindung des Lieferanten allein vom Auftraggeber erarbeitet werden, sollten der Vergangenheit angehören. Der Know-how Schwerpunkt hat sich in der Automobilindustrie ohnehin schon stark auf die Lieferanten verlagert. Einige Systemlieferanten würden sogar gerne die Initiative für die Erarbeitung OEM-übergreifender Komponenten-Standards ergreifen. Weil sie im Regelfall für mehrere OEMs arbeiten, haben sie auch den Überblick und sehen hier große Einsparpotentiale bei den Entwicklungskosten, sofern sich die OEMs einigen könnten. 65 Alle Beteiligten sollen in die gleiche Richtung arbeiten, deshalb ist neben dem Lastenheft eine Konkretisierung weiterer Anforderungen in Form von Projektzielen zu Beginn des Projekts unerlässlich. Die Erfahrung zeigt, dass fehlende Zielklarheit zu Reibungsverlusten, Konflikten und mangelnder Effektivität in der Projektabwicklung führen. Ein Projektziel ist ein nachzuweisendes Ergebnis und / oder eine vorgegebene Realisierungsbedingung der Gesamtaufgabe eines Projektes. 66 Es werden Maßstäbe für den Erfolg des Projektes definiert. Wir sprechen von sogenannten Sachzielen oder Ergebniszielen in den Bereichen Produkt und Prozess (Abnahmekriterien des Auftraggebers), Abwicklungsziele (Kosten, Termine, Organisation), strategische Ziele (Anforderungen des Managements) und Rahmenbedingungen (unumstößliche Gegebenheiten) bzw. Einflüsse des Projektumfeldes. 67 Die folgende Abbildung zeigt die verschiedenen Zielkategorien.
65 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S.53 66 vgl. ISO 10006 67 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 43f
76
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Abbildung 2-41: Zielkategorien im Projekt
Strategische Ziele / Firmenziele
Rendite Markt/Kunde Technologie Unternehmensentwicklung
Sach- / Ergebnisziele
Qualitäts- und Leistungsdaten Abnahmekriterien Ressourcen (Eigen/Fremd)
Termine, Kosten Ablauforganisation
Abwicklungs- / Durchführungsziele
Rahmenbedingungen / Projektumfeldeinflüsse
Normen Gesetze Standort Kultur/Sprache
Die professionelle Formulierung der Ziele ist nicht trivial und hat schon manches Projektteam zum Schwitzen gebracht. Die folgende Abbildung verdeutlicht die Kriterien, die dabei berücksichtigt werden sollten.
Abbildung 2-42: Anforderung an die Formulierung von Projektzielen
lösungsneutral überprüfbar vollständig konkret verständlich widerspruchsfrei attraktiv realistisch akzeptiert schriftlich fixiert priorisiert
S pezifisch M essbar A bgestimmt R ealistisch T erminiert
77
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Die Ziele sollten gemeinsam von Projektleiter und Kernteam im Rahmen der Aktivitäten zur Projektdefinition (Startworkshop) erarbeitet werden. Brainstorming, Mindmaps und Metaplantechnik bieten sich als hilfreiche Methoden an. Die Ziele werden vom internen Auftraggeber freigegeben. Zum Aufstellen der strategischen Ziele (aus Sicht der Unternehmensleitung) helfen folgende Fragen weiter:
Welchen Beitrag zum Unternehmensergebnis soll das Projekt leisten? Welche Ziele sollen im Hinblick auf Kundenzufriedenheit erreicht werden? Welche strategischen/technologischen Ziele sind erstrebenswert? Wie stellt sich die Geschäftsstrategie gegenüber dem Kunden/Wettbewerb dar? Im Gegensatz zu den strategischen Zielen, sind die operativen Ziele sehr konkret zu fassen und zu definieren. Sie leiten sich vielfach aus den technischen und ökonomischen Voruntersuchungen bzw. dem Lastenheft ab. Wir unterscheiden dabei sogenannte Sachziele bzw. Systemziele, die Anforderungen an das Produkt bzw. die Anlage definieren und sogenannte Abwicklungsziele bzw. Durchführungsziele, die Anforderungen an die Projektabwicklung darstellen. 68
Abbildung 2-43: Beispiele für operative Zielkriterien in der Fahrzeugentwicklung 69 Sach-/Systemziele:
Gewicht (kg) Herstellkosten p. Teil/Fahrzeug, Stückkosten (Euro) Anforderungen an Prüfmittel Qualitätskriterien und Kennzahlen (cpk..) pro Teil Prototypen/Musterteile (Anzahl, Funktion, Qualitätsstand) Dokumentation, Datenqualität... Abwicklungs-/Durchführungsziele:
Entwicklungskosten (Euro) Invest-, Anlagen-, Werkzeugkosten (Euro) Ecktermine für Reviews Anforderungen an Kommunikation (Regeltermine) Anforderungen an Entscheidungsprozesse (Gremien, Reporting, Eskalation) Anforderungen an den Infofluss (Medien, Datenaustausch, Turnus) Methodeneinsatz (FMEA, QFD, FEM, Simulation, DMU...) Systemeinsatz (CAD, Test, Termincontrolling) 68 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 43f 69 vgl. Schuh (2000), S. 96
78
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Bei der Definition der Sachziele (Abnahmekriterien, abgeleitet aus dem Lastenheft des Kunden) helfen folgende Fragen weiter:
Welche Kernanforderungen sind an das Werkzeug/ die Anlage gestellt? (nach welchen Kriterien nimmt der Kunde den Liefer- und Leistungsumfang ab?)
Welche Leistungen sollen erbracht werden? Welche Herstellkostenziele sollen erreicht werden? Welche Qualitätsanforderungen werden gestellt? Welche Technologie ist gefragt? Welche Anforderungen werden konzeptionell gestellt? Welche Anforderungen werden an die Prozesstechnik gestellt? Die Abwicklungsziele umfassen die Themen:
Ecktermine (Abnahme, Freigaben)? Organisationsanforderungen? Wie kann das Projekt optimal und kostengünstig abgewickelt werden? Welche Ressourcen sollen eingesetzt werden (Make or Buy)? Fragen zur Klärung der Rahmenbedingungen:
Welche Normen sollen eingehalten werden? Muss auf bestehende Anlagen Rücksicht genommen werden? (Patente, etc.) In welcher Sprache und in welchem Umfang soll die Dokumentation erstellt werden?
Gibt es Sondervereinbarungen (Local Content)? An welchen Standorten soll das Projekt abgewickelt werden? Welche kulturellen Randbedingungen sind zu berücksichtigen? Generell muss auf eine ergebnisorientierte Formulierung der Ziele (mess- und überprüfbar) geachtet werden. Sind die Ziele nicht messbar formuliert, kann der Erfolg in Form der Zielerreichung auch nicht nachgewiesen werden. Projektleiter und –team können dann auch nicht „erfolgreich“ Ziele erreichen. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für einen Zielkatalog.
79
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-44: Beispiel: Zielkatalog eines Betriebsmittelprojekts (fiktiv) Projektziele AAF, Roboterzelle mit Laser 1. Strategische Ziele:
5% Gewinn unter Berücksichtigung aller Änderungen und Nachträge erreichen Komplettvergabe der Vorrichtungen an die ostdeutsche Tochter Marktanteil in Automobil-Dachfertigung auf 30% steigern Erfahrungen aus der Zusammenarbeit mit AAF für weitere Projekte nutzen Pilotprojekt für neuen Projektmanagement-Prozess 2. Produkt- und Prozessziele:
Leistungsmerkmale nach Lastenheft wie z.B.: Audit-Note 1,5 Maßhaltigkeit 0,1 Qualitativ bessere Oberfläche als beim Vorgängermodell Verfügbarkeit 99% Taktzeit 5 min. Abnahmekriterien nach AAF Vorschrift 3. Abwicklungsziele:
Bei Auslieferung: Komplett vormontierte und funktionsgeprüfte Einheiten Komplettvergabe von Vorrichtungen an die ausländische Tochter Erfahrungen und Einsparpotentiale aus dem Vorgängerprojekt nutzen Konstruktion zu 100% in CATIA 30.6. Konstruktionsfreigabe: 30.9. Lieferung Pilotanlage: 31.12. Probebetrieb Produktionsanlage: 31.3. Abnahme: Budget für Grundauftrag (HK): 9 Mio. Euro 4. Rahmenbedingungen:
Schwäbische Zoll- und Einfuhrbestimmungen Dokumentation in Bayrisch AAF-Werknormen Es gilt nur das geschriebene Wort Kulturelle Barrieren Sicherheitsvorschriften der Autoindustrie
In komplexen Fahrzeugentwicklungsprojekten ist es mit einer globalen Zieldefinition nicht getan. Hier müssen die technischen Ziele und Anforderungen auf die einzelnen
80
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Komponenten und Funktionen des Produktes heruntergebrochen werden. Aus der Produktentwicklungsmethodik und dem Qualitätsmanagement gibt es einschlägige Methoden und Vorgehensweisen, die im Folgenden beispielhaft behandelt werden. Abbildung 2-45 zeigt eine Auswahl relevanter Methoden in Fahrzeugentwicklungsprozessen im Überblick
Abbildung 2-45: Methodeneinsatz in der Prozesskette der Fahrzeugentwicklung 70
Die Detaillierung der technischen Projektziele/Sachziele kann auf verschiedene Weise erfolgen. Eine systematische Vorgehensweise liefert die Methode des Quality Function Deployment (QFD). 71 Dabei legen die produktdefinierenden Bereiche die Projektziele in einem zweiphasigen Prozess fest. Zunächst werden im Zielfindungsprozess die Ziele identifiziert. Im nachfolgenden Zielvereinbarungsprozess erfolgt die Erstellung des Projektzielkatalogs, der die Ziele in technische Anforderungen übersetzt und quantifiziert. Anzustreben ist immer eine Konsensentscheidung, da nur so Einigkeit aller Fachbereiche über verbindliche Projektziele besteht. In der ersten Phase (Produktplanung) steht die Erstellung eines „House of Quality“ im Mittelpunkt. Das „House of Quality“ ist ein System von hierarchischen Listen, Tabellen und Matrizen, das im folgenden Schema (Abbildung 2-46) dargestellt ist.
70 Quelle: Fraunhofer IAO 71 vgl. Gessner (2001), S. 18 ff und Gausemeier (2001), S. 65 ff
81
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-46: House of Quality, schematische Darstellung 72
In der horizontalen Marktschiene werden in der hierarchischen Liste kundenrelevante Produktmerkmale abgelegt (1), denen relative Bedeutungen zugeordnet werden (2). In der Wettbewerbs-Tabelle (3) werden diese Kundenmerkmale mit den Wettbewerbern verglichen. In der vertikalen Technikschiene werden in eine hierarchische Liste technische Produktmerkmale eingetragen (4). Konflikte zwischen den technischen Merkmalen lassen sich in der Kopfmatrix darstellen (6). In der Hauptmatrix erfolgt die Verknüpfung der Kundenwünsche mit den technischen Anforderungen (5). Dabei wird ermittelt, wie stark die gewichteten Kundenwünsche die technischen Produktmerkmale beeinflussen. In der Technik-Tabelle (7) kommt es zum Abgleich der technischen Zielwerte in einem technischen Wettbewerbsvergleich. Dies beschreibt den Zielfindungsprozess. Der anschließende Zielvereinbarungsprozess komplettiert den Projektzielkatalog und legt die Zielwerte für die weitere Prozesskette verbindlich fest. Bei der Erstellung des „House of Quality“ sind die Merkmale und Ziele in geeigneter Granularität zu wählen, da die Datenmenge mit jeder Phase der QFD quasi exponentiell ansteigt und die Gefahr besteht, dass das System am Ende nicht mehr handhabbar ist. Die Detaillierung im Projektzielkatalog kann auch als Basis für eine mögliche Fehlermöglichkeitsund Einflussanalyse (FMEA) herangezogen werden. Die Kundenwünsche des „House of Quality“ sind jedoch zu relativieren, da der Kunde nicht alle Wünsche explizit verbalisiert. So unterscheidet man Basisanforderungen, die der Kunde unausgesprochen als Selbstverständlichkeit annimmt und deren Fehlen automatisch zum Nichtkauf führt (Fahrfähigkeit, gesetzliche Zulassung etc.). 72 vgl. Gessner (2001), S. 18ff
82
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Leistungsanforderungen verbalisiert und erwartet der Kunde als Leistung. Das Fehlen empfindet er als negativ (Airbags, Radio etc.). Begeisterungsanforderungen stellen für den Kunden eine unerwartete, aber angenehme Überraschung dar. Diese definieren die Alleinstellungsmerkmale des Produkts. Basis für den Zielvereinbarungsprozess ist die Identifikation der Produktanforderungen im Zielfindungsprozess. Dies erfolgt beispielsweise im Rahmen einer QFD, deren Ergebnis in der ersten Phase die Erstellung der nach Kundenrelevanz gewichteten Produktmerkmale ist. Im konventionellen Fahrzeugentwicklungsprozess wird hieraus ein Projektzielkatalog entsprechend der Unternehmensstrategie abgeleitet. Der Projektzielkatalog stellt aber einen Kompromiss dar, weil aufgrund von Zielkonflikten nicht alle Kundenwünsche gleichermaßen berücksichtigt werden können. Abbildung 2-47 zeigt die hierarchische Gliederung des Zielvereinbarungsprozesses.
Abbildung 2-47: Hierarchische Gliederung der spezifischen Projektziele 73
73 ebenda, S. 59ff
83
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Das Projektmanagement organisiert und moderiert diesen Zielfindungs- und Zielvereinbarungsprozess. Im Projektzielkatalog werden auch wesentliche Meilensteine, wie der Markteinführungstermin, festgelegt. Auf Basis der Produktspezifikationen und den festgelegten Zeitpunkten erstellt das Projektteam dann später den Projektablaufplan, der neben der Bestimmung aller notwendigen Arbeitspakete auch einen detaillierten Zeitplan mit allen Meilensteinen sowie eine Ressourcenplanung enthält. Bei der Definition der Rahmenbedingungen für das jeweilige Projekt spielen vor allem die einschlägigen Normen und Vorschriften der Automobilhersteller und die gesetzlichen Vorgaben eine große Rolle. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel für kundenspezifische Forderungen der Marke Mercedes.
Abbildung 2-48: Beispiel Rahmenbedingungen eines OEM 74
1. Verträge
• LOI (Letters of Intent) • Entwicklungs- und Produktionsvertrag • Einkaufsbedingungen • Grundsatz-QSV (Qualitätssicherungsvereinbarung) • ppm Vereinbarung
2. Design
• Lastenheft • Zeichnungen, CAD-Daten • Spezifikationen DBL, Mercedes-Normen MBN • Grundmuster für Interieurmaterialien • Grundmuster für Lackierungen • Meilensteinplan entsprechend MDS
3. Produktion
• Mercedes-Benz Special Terms (Logistik, PPF-Verfahren, Umwelt, FMEA) • Odette Logistikanforderungen (VDA Band 17) • vereinbarte Grenzmuster • Abruf (Liefertermine, -mengen, Verpackung) • Zusatz QSV auf Produktmerkmalsebene
4. Qualitätsmanagement
• zu berücksichtigen als mitgeltende Unterlagen VDA-Bände (1, 2, 3.1, 3.2, 4.1, 4.2, 4.3, 6, 6.1, 6.2, 6.3, 6.4, 6.5, 7, 10, 19) • Daimler Chrysler Prozessaudit DCPA
5. Kommunikation
• Global Supplier News Journal • Foren mit Zulieferern • Workshops mit Zulieferern
Eine weiter Konkretisierung der Anforderungen an das Projektergebnis, sei es Fahrzeug (-komponente) oder Produktionsanlage, erfolgt mit Hilfe der Projektergebnisstruktur.
74 Quelle: Daimler
84
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4.7
Projektergebnisstruktur (Produkt- bzw. Anlagenstruktur)
Für eine effektive Projektabwicklung ist es unabdingbar, dass sich das Projektteam bereits beim Start auf die wesentlichen, vom Auftraggeber geforderten Projektergebnisse fokussiert. Dieser Ansatz entspricht dem Denken der klassischen Wertanalyse, wo die Frage nach den Funktionen eines Produkts, die auch wirklich vom Kunden wahrgenommen und bezahlt werden, im Vordergrund steht. Die Projektergebnisstruktur 75 stellt den Liefer- und Leistungsumfang des Projekts zum Zeitpunkt der Übergabe (oder Abnahme) an den Auftraggeber graphisch dar. Wir sprechen deshalb je nach Projektart von der Produktstruktur (Entwicklungsprojekt) bzw. Anlagenstruktur (Produktionsanlagen- bzw. Betriebsmittelprojekt). Die Projektergebnisstruktur definiert alle Liefergegenstände (Objekte), die dem Kunden bis zum letzten Meilenstein des Projekts übergeben wurden und Leistungen, die dann noch zu erbringen sind (z.B. Service, Produktionsbetreuung). Für das Projektteam schafft diese Vorgehensweise Transparenz und sie hilft bei der Klärung der Auftragsinhalte mit dem Auftraggeber. Des Weiteren bildet die Projektergebnisstruktur die Basis für die nächsten systematischen Planungsschritte. Abbildung 2-49 zeigt den Zusammenhang auf.
Abbildung 2-49: Von den Zielen zur Projektergebnisstruktur 76
OEM:
Lieferant:
Ziele und Vorgaben
Projektergebnisse
• Fahrzeugkonzept (Rahmenheft)
• Modulkonzept und -struktur
• Designvorgaben des OEM (Außenhaut, geometrische Vorgaben)
• Bauraum und Spezifikation für Komponenten (Pflichtenheft)
• funktionale Anforderungen (Lastenheft incl. Vorschriften)
• Produktions- und Logistikprozess • Dokumentation
• Produkt-/Projektziele • Musterteile
Die Darstellung der Projektergebnisse erfolgt in einer Baumstruktur. Diese ist in mehreren Ebenen gegliedert, wobei jede Ebene aus in sich logisch abgeschlossenen Teilumfängen besteht. Die erste Ebene ist die Grobgliederung des gesamten Produkts (Fahrzeug, Modul...) oder der Anlage. 75 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 49ff 76 vgl. Schuh (2000), S. 126
85
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
In Summe ergeben alle Teilumfänge das gesamte Projektergebnis. Jede weitere, tiefergestufte Ebene ist eine Detaillierung des entsprechenden Teilumfangs. Abbildung 2-50 zeigt das Beispiel eines Systemlieferanten für ein komplettes Fahrzeugmodul.
Abbildung 2-50: Beispiel: Projektergebnisstruktur eines Systemlieferanten
Ergebnisstruktur Frontend
Stoßfänger-Modul
Montageträger-Modul
Stoßleiste Zusatzscheinwerfer Luftführungselemente Kunststoffabdeckung Kühlergitter Markenzeichen Schriftzug Blickleuchte li/re Defo-Element vorn li/re Zugstrebe Halteleisten li/re/mitte Spoilerlippe Luftführungskanal
Montageträger Luftleitteil li/re Schlosszug Anschlagpuffer Dichtung Frontklappe Abdeckung Signalhorn Kabelbaum Aufnahme Motorabschirmung Frontklappenstange Verbindungsteil Längs-/ Querträger Temperaturfühler Stoßfängeraufnahme
Kühler-Modul Kühlerhutze Wasserkühler - Kühlerlager oben - Kühlerlager unten - Kühlwasserschlauch Klima-Kondensator Elektro-Lüfter - Lüfter - Lüfterstern - Unterdruckdose Ladeluftkühler - Ladeluftkühler - Ladeluftrohr - Halter - Dichtung
Scheinwerfer Scheinwerfer li Scheinwerfer re Stellmotor
Prozesse Muster + Prototypen Dokumentation
Die Projektergebnisstruktur wird vom Projektleiter mit dem Projektteam gemeinsam im Projektstart-Workshop gegliedert. Dadurch haben alle Beteiligten das gleiche Verständnis für das Projekt und die geforderten Ergebnisse. Auf Basis der vorliegenden Informationen (Angebot, Referenzprojekte, Vorstudien, Lastenheft...) und unter Berücksichtigung der Projektziele bzw. der Vertragsinhalte werden zunächst alle wesentlichen Objektteile/Elemente aus denen das Produkt bzw. die Anlage besteht gesammelt. Hierbei sind Methoden wie das Brainstorming oder Mindmapping sehr hilfreich. Die Strukturierung erfolgt zunächst am besten Top Down an der Pinwand mit Kartentechnik. Es geht nicht um den Detaillierungsgrad einer Stückliste, bis auf die letzte Schraube, sondern um die wesentlichen Elemente/logischen Einheiten aus (Projekt-) Management-Perspektive. Für die weitere Dokumentation kann das Ergebnis als Baumstruktur dann elektronisch mit Hilfe von PM-Tools oder Grafikprogrammen festgehalten werden. Abbildung 2-51 zeigt als Beispiel die Produktstruktur einer Gesamtfahrzeugentwicklung.
86
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Abbildung 2-51: Produktstruktur Gesamtfahrzeugentwicklung
Entwicklung Derivat-Fahrzeug
Dokumentation CAD-Daten Änderungsdoku
Rohbau Surfaces ICEM
Türen + Klappen Surfaces ICEM
Protokolle
...
Ges. Fahrzeug
Surfaces ICEM
Qualitätsdokumentation
Lieferantenliste
Meilensteindokumentation
Freigabefähigkeit Konstruktionsdaten Prototyp
Freigabefähigkeit Konstruktionsdaten Prototyp Freigabefähigkeit Konstruktionsdaten Serie
Geom. Simulation
Statusberichte
Freigabefähigkeit Konstruktionsdaten Serie
Toleranzen für Bauteile
Meßpläne Produkt u. Prozess BIW...
Toleranzstudien
Lieferantenliste
Stücklisten Spezifikationen
Exterieur
Spann + Fixierkonzept
Spann + Fixierkonzept
Toleranzen für Bauteile
Toleranzen für Bauteile
Toleranzstudien
Toleranzstudien
...
...
...
1 Cubing Aussen 1 Cubing Innen
...
Der große Vorteil dieser, zugegebenermaßen etwas aufwändigen, Strukturierungsmethode besteht darin, dass allen Beteiligten der Auftragsumfang klar wird und sie einen Blick für das Gesamte bekommen. Dadurch wird es später bedeutend leichter die Schnittstellen und die Rollenverteilung im Team zu klären. Insbesondere bei heterogenen Projektteams mit ein oder mehreren „Neulingen“ hilft die Projektergebnisstruktur die „inneren Bilder“ abzugleichen und Klarheit zu schaffen. Wir haben im Rahmen von Startworkshops vielfach schon sehr fruchtbare und intensive Diskussionen an dieser Stelle erlebt. Je nach Projektart sieht die Projektergebnisstruktur völlig unterschiedlich aus. Am stärksten kommt dieser Unterschied zwischen Produktentwicklung und Produktionsanlage zum Tragen. Abbildung 2-52 zeigt das fiktive Beispiel der Projektergebnisstruktur einer Produktionsanlage.
87
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-52: Beispiel Projektergebnisstruktur Produktionsanlage
AAF, Roboterzelle mit Laser (Anlagenstruktur)
Roboter
Vorrichtungen und Infrastruktur
Laser
Zellen-Steuerung
Bauteile
Dokumentation
Mechanik
Greifer
Strahlquelle
Steuerschrank
Pilotteile
Betriebsanleitung
Steuerschrank
Konsolen
Steuerschrank
Installation + Kabel
Probeteile
Wartungsanleitung
Sensorik
Gestelle
Software
Software
i.O. Bauteile
Layout und Pläne
Installation + Kabel
Justiereinrichtungen
Energieversorgung
Sicherheitstechnik
Software
Sicherheitstechnik
Strahlführung
Stücklisten und Zeichnungen Schaltpläne
Software-Doku
Ist das Ergebnis klar definiert und damit eine Vision auf das Projekt-Ende hin geschaffen, kann das Projektteam damit beginnen den Weg dorthin - mit seinen Etappen grob zu planen.
2.4.8
Phasen- und Meilensteinplan
Der Phasen- und Meilensteinplan ist die Gliederung eines Projekts in einzelne „Etappen“. Eine Phase bezeichnet in diesem Zusammenhang den Zeitabschnitt vor einem Meilenstein. Der Meilenstein ist das eigentliche Etappenziel zu dem eine Phase abgeschlossen ist. Die gesamte Projektdauer wird hierbei in logische Abschnitte eingeteilt, die aus dem Standard-Fahrzeugentwicklungsprozess im jeweiligen Unternehmen abgeleitet werden. Projektspezifisch lassen sich beliebig viele Meilensteine ergänzen, sofern sie für das Projektmanagement hilfreich sind. Den einzelnen Meilensteinen sind Zwischenergebnisse zugeordnet, die bis zum jeweiligen Zeitpunkt erreicht werden müssen. Im englischsprachigen Raum spricht man auch vom „Stage (Phase)-Gate (Meilenstein)“-Prozess. 77 Projekte in der Automobilindustrie können heute nicht mehr als serielle Prozessketten angesehen werden, sondern haben aufgrund von Überlappungen und Parallelprozessen vielmehr den Charakter von Prozessnetzen. 77 vgl. Kerzner (2003), S. 59f
88
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Die Endpunkte der Prozessschritte sind als Meilensteine in einem Entwicklungszyklus zu sehen und geben Auskunft über die Erreichung eines gewünschten Zustandes bzw. eines vorgegebenen Ziels. Sie stellen die Übergabepunkte einer Vorleistung zu einer Nachfolgeleistung dar. Wenn sich also ein Meilenstein verschiebt, hat dies direkte Auswirkungen auf den Gesamterfolg, den Projektabschluss. Die Auswirkungen einer Meilensteinverschiebung sind bei dieser Sichtweise umfassender zu sehen als bei einer seriellen Prozesskette. Es verschieben sich zum einen Nachfolgeprozesse, zum anderen aber auch parallele und überlappende Prozesse und haben somit Auswirkungen auf das gesamte Netzwerk. Durch den harten Wettbewerb in der Automobilindustrie müssen Entwicklungszeiten immer mehr verkürzt werden, so dass Pufferzeiten meist gänzlich entfallen und immer mehr Prozessschritte parallel ablaufen. Die Verschiebung eines einzigen Meilensteins kann daher die Überschreitung von Lieferterminen oder die Verzögerung von Folgeaufträgen nach sich ziehen, was im Extremfall direkte Konsequenzen für die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens haben kann. Um frühzeitig auf negative Entwicklungen reagieren zu können, ist es nötig, Meilensteine systematisch zu planen und konsequent zu kontrollieren. Im Produktentwicklungsprozess (PEP) spielen sogenannte Quality Gates und Synchronisationspunkte dabei eine zentrale Rolle. Abbildung 2-53 zeigt den Zusammenhang.
Abbildung 2-53: Quality Gates und Synchronisationspunkte im Produktentwicklungsprozess (PEP) 78
Quality Gates A
B Voraussetzung 1
C
Messgröße 1
Messgröße 1 Messgröße ...
Messgröße ...
Prozessabschnitt
Prozessabschnitt
Voraussetzung 1
Messgröße ... Voraussetzung ...
Synchronisationspunkte
Voraussetzung ...
RP Prozessabschnitt
Prozessabschnitt
Messgröße ...
Quality Gates teilen den PEP in Phasen, an deren Ende der Projektfortschritt und der Reifegrad festgestellt wird. Hierzu werden Voraussetzungen und Messgrößen definiert, die die Anforderungen an das Durchschreiten eines Quality Gates beschreiben.
Synchronisationspunkte unterstützen die Koordination zwischen Herstellern, Zulieferern und Entwicklungspartnern. Zu festgelegten Zeitpunkten werden Entwicklungsstände bewertet, erforderliche Abstimmungen durchgeführt und Entscheidungen getroffen.
78 Quelle: Fraunhofer IAO
89
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Ausgehend vom Standard-Produktentwicklungsprozess des Unternehmens müssen die jeweiligen Meilensteine für die Projekte sauber definiert werden. Abbildung 2-54 zeigt schematisch den Zusammenhang auf.
Abbildung 2-54:
Meilensteindefinition auf Basis der Phasen des Produktentwicklungsprozesses
Zwischen-Gate-Review
1
2
Abschluss-Gate-Review Qualität
Absicherung Prototypen
3 4
Zeit
5 Kosten
6 7
Auftrag
9
8
SOP
Der Phasen- und Meilensteinplan ist ein wesentliches Hilfsmittel für eine koordinierte und systematische Projektdurchführung. Insbesondere bei komplexen Projekten ist es sehr hilfreich, wenn die Beteiligten auf definierte Zwischenergebnisse mit bestimmten Realisierungsterminen hinarbeiten, anstatt nur das komplexe Endprodukt „im Visier“ zu haben. Damit steigt die Motivation und Leistungsbereitschaft aller Projektbeteiligten. „Die Lebenserfahrung lehrt, dass sich die Menschen um fünf vor zwölf schneller bewegen als um halb zwölf.“ 79 Weiterhin dient der Meilensteinplan zum besseren Projektcontrolling, da die Messgrößen in Form von erreichten Ergebnissen am Ende jeder Projektphase durch den Meilensteinplan vorgegeben sind. Grundlage für den Phasen- und Meilensteinplan sind die vertraglichen Vereinbarungen mit dem Auftraggeber, die Abwicklungsziele und die daraus resultierenden Ecktermine.
79 Georg Kofler, Premiere-Geschäftsführer, über die Verhandlungen zur Rettung des Abosenders
(aus: Wirtschaftswoche, Nr. 21 vom 16.05.2002)
90
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Es ist darauf zu achten, dass der Phasen- und Meilensteinplan zu den definierten Meilensteinen konkrete Etappenziele in Form von messbaren und überprüfbaren Ergebnissen enthält, keine Aktivitäten! Diese sind im Terminplan enthalten. Insbesondere für längere Realisierungsphasen ist es sinnvoll, eine Unterteilung in mehrere Unterphasen/Meilensteine vorzunehmen. Meilensteine in einem Fahrzeugprojekt sinnvoll zu definieren, so dass sie auch ihren Zweck erfüllen, ist nicht so einfach. Neben den obligatorischen Phasenendpunkten gibt es auch existenziell wichtige Zeitpunkte innerhalb von Phasen, zu denen der Reifegrad des Projektes anhand von Zwischenergebnissen überprüft werden sollte. Im Regelfall ist das am Ende eines Prozessschrittes der Fall (z.B. A, B, C-Muster, Anlagenkonzeptfreigabe). Abbildung 2-55 zeigt das Beispiel eines Standard-Phasen- und Meilensteinplanes für einen Systemlieferanten auf Basis der VDA-Anforderungen.
Abbildung 2-55: Phasengliederung eines Systemlieferanten 80
Projektstart Projektauftrag Projektfreigabe
Planungsfreigabe
Beschaffungsfreigabe
Interne Serienfreigabe
Kammlinie/ End of ProjektProduction abschluss
Phase 1: Initiierung Phase 2: Konzeption Phase 3: Applikationsentwicklung Phase 4: Produktionsvorbereitung Phase 5: Serienanlauf
Grobkonzeption
Feinkonzeption
Entwicklung B-Muster
(A - Muster)
Bestätigung B-Muster & Entwicklung C - Muster
Design freeze
Absicherung C - Muster & Vorbereitung Erstbemusterung durch Kunden
Entwicklungsfreeze (B - Muster)
Phase 6: Serie
D - Muster
Die modellhafte Darstellung allein schafft natürlich noch keine Klarheit über die Ziele, Detail-Meilensteine und Inhalte einer jeden Phase. Diese Informationen sind in der folgenden Tabelle dargestellt (Tabelle 2-1). Im Sinne eines Standard „Phasen- und Meilensteinschemas“ lässt sich damit eine gute Informationsgrundlage für den Projektmanagement-Prozess im Automobilunternehmen legen. 80 in Anlehnung an VDA (2003b), S.14ff
91
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Tabelle 2-1:
Ziele, Meilensteine und Inhalte des Phasenkonzepts eines Systemlieferanten Applikationsentwicklung
Produktionsvorbereitung
Feinkonzept und geprüftes Lastenheft als Basis für Umsetzungsstrategie (Pflichtenheft) und Projektplanung. Letter of intent
Abgesicherte Entwicklungsergebnisse als Basis für Produktionsplanung und Komponentenbeschaffung
Freigegebene Serienteile, lieferbereite Produktionslogistik, qualifiziertes Personal und zuverlässig laufende Produktionsanlagen
Erreichen der geforderten Produktionsstückzahl (Kammlinie) und systematischer Projektabschluss und Übergabe an die Serie
Projektstart
Kick-Off Projektteam
Entwurfs Review
Funktionsfreigabe
SOP Intern
Kick-Off Konzeptteam
Konzept Review
Planungsfreigabe
SWZ-fallende Zukaufteile
Serienfreigabe Kunde
LastenheftFreigabe
A – Muster
Design Review
C – Muster
SOP OEM
Angebotsabgabe
PflichtenheftFreigabe
B – Muster
Prozessfreigabe
Kammlinie
Projektauftrag
Projektfreigabe
Beschaffungsfreigabe
Interne Serienfreigabe
Projektabschluss
Machbarkeitsanalyse, LastenheftAbstimmung und Verhandlung mit Kunde
PflichtenheftAbstimmung intern und mit Kunde, Konstruktions- bzw. System-FMEA
Detailentwicklung nach Lastenheft zum Prototyp (Design freeze)
Änderungen des Kunden im Entwicklungsablauf umsetzen und dokumentieren
Serienstart intern und beim OEM , Anlaufbetreuung und Optimierung Produktionsprozess
Bewertung der Projektanfrage,
Projektteam bilden und entwickeln, externe Partner einbinden
Detailentwicklung wird vom Kunden akzeptiert (Entwicklungs – freeze)
Aufbau und Inbetriebnahme der Produktionsanlagen, Probebetrieb
Prozesskontrolle und Prozessfähigkeitsuntersuchung
Projektziele, Wirtschaftlichkeit
Projekt planen und einsteuern
Planung Produktionsprozess und Produktionsmittel, Prozess-FMEA
Planung Logistik und Instandhaltung
Produktionskontrollplan und Prüfvorschriften, PPAP
Klärung Projektorganisation und Ressourcen, externe Partner
Prototypenteile und –werkzeuge anfragen
Herstellung und Lieferung Prototypen
Qualifizierung der Lieferanten und des Produktionspersonals
Projektabschluss und Übergabe an die Serie
Interner Projektauftrag
Interne Projektfreigabe
Beschaffungsfreigabe
Interne Serienfreigabe
Phase:
Initiierung
Konzeption
Phasenziele
Grobkonzept und Einschätzung der Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit als Basis für ein Angebot.
DetailMeilensteine
Wesentliche Phaseninhalte nach APQP
Phasenergebnis
Serienanlauf
Projektabschluss
Damit die Meilensteine auch als effektives Hilfsmittel zur Fortschrittskontrolle dienen, müssen klare Messgrößen pro Meilenstein festgelegt werden, die sogenannten „Deliverables“. Sie definieren mess- und überprüfbare Sachergebnisse, die zum jeweiligen Meilenstein vorliegen müssen und wie bei einer Abnahme „abgehakt“ werden können. Abbildung 2-56 zeigt Beispiele von Meilensteinergebnissen. 92
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Abbildung 2-56: Mögliche Meilensteinergebnisse in Fahrzeugentwicklungsprojekten
Produktergebnisse • Konstruktionszeichnungen / -daten • Designmodelle, Berechnungen
Meilenstein
• Prototypen, Funktionsmuster
Produktionsprozessergebnisse • Anlagenlayout • Anlagenspezifikation • Produktionsfreigaben
Ergebnisse:
Testergebnisse • Materialprüfung • Erprobung im Kundenfahrzeug • Werkzeugfreigabe • Nullserienfreigabe
projektbezogene Ergebnisse • Projektkalkulation • Projektterminplan • Projektberichte
Aus Sicht der Autoren ist hier „weniger“ oft „mehr“. Um den Reifegrad eines Fahrzeugentwicklungsprojektes zu beurteilen, sollten pro Meilenstein nur die wesentlichsten Kriterien abgefragt werden. Komplexe „Quality-Gate-Systematiken“, die dann auch noch eigener Software-Tools bedürfen, sollten vermieden werden. Der Phasen- und Meilensteinplan wird vom Projektleiter und -team erstellt. Er muss mit den Linienverantwortlichen abgestimmt werden. Die gemeinsame Abstimmung und Klärung der Etappenziele ist ein wesentlicher Motivationsfaktor im Projekt. Abbildung 2-57 zeigt das Beispiel eines Meilenstein-Schemas für ein Produktionsanlagenprojekt.
93
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-57: Beispiel: Meilensteinplan Projekt „Roboterzelle mit Laser“(fiktiv)
94
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
In Gesamtfahrzeug-Entwicklungsprojekten ist die Welt noch etwas komplexer als in den oben dargestellten Grafiken erkennbar ist. Innerhalb einer Phase gibt es hier eine Vielzahl von funktionalen Meilensteinen, zu denen Aussagen über den Reifegrad des Produktes und den Entwicklungsfortschritt gemacht werden müssen. Darüber hinaus spielen die sogenannten Synchronisationspunkte zur Abstimmung der unterschiedlichen Module, Komponenten und Funktionen eine wesentliche Rolle. Abbildung 2-58 zeigt einen Ausschnitt aus einer Gesamtfahrzeug-Entwicklung.
Abbildung 2-58: Detail-Meilensteine im Fahrzeugentwicklungsprojekt 81
Aufgrund der Komplexität und dem hohen Abstimmungsbedarf der parallel laufenden Prozesse und Entwicklungsaktivitäten in Fahrzeugprojekten ist die Planung und Koordination der Meilensteinketten und Synchronisationspunkte sinnvoll nur mit entsprechenden DV-gestützten PM-Tools zu leisten. Nur wenige Systeme sind am Markt verfügbar, die an dieser Stelle eine entsprechende Funktionalität aufweisen. Hier verweisen wir auf die entsprechenden Marktübersichten für PM-Software. 82 Abbildung 2-59 zeigt die Bildschirmdarstellung von Synchronisationsverbindungen im Terminplan eines Fahrzeugentwicklungsprojekts.
81 Quelle: EDAG 82 www.pm-software.info
95
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-59: Synchronisationspunkte im Fahrzeugprojekt, Screenshot 83
a
e
a age
Synchronisations -Verbindungen
Teilprojektleiter
Externer Engineeringdienstleister
2.4.9
Businessplan, Wirtschaftlichkeit und Angebotskalkulation
Neben den Zielen, Ergebnissen und Eckterminen im Sinne der Meilensteine muss zum Start des Automotive-Projekts auch die Wirtschaftlichkeit geklärt werden. Nur wenige, strategische Projekte müssen nicht über diese Hürde springen. Am Anfang steht die Kostenermittlung bzw. Schätzkalkulation. Dies betrifft zum einen die Produkt- bzw. Stückkosten, d.h. die aus der Entwicklung resultierenden Herstellkosten des Fahrzeugmoduls oder der jeweiligen Komponente. Zum anderen werden auch die Projektkosten, d. h. die Aufwendungen, die im Rahmen der Entwicklung anfallen, festgelegt. Diese Aufteilung der Kostenziele in Herstell- und Entwicklungskostenziele findet sich zudem in den Anforderungen vieler Automobilhersteller wieder, die auch im abzugebenden Angebot einen Preissplit fordern. 83 Quelle: Actano
96
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Bei der Kostenfestlegung kann auf das Konzept des Target Costing zurückgegriffen werden. Der Grundgedanke dabei ist, die Kosten an den Kundenerwartungen zu orientieren, so dass marktseitig erfolgreiche Preise realisiert werden können. Im Rahmen einer Fahrzeugentwicklung legt der Automobilhersteller die Modul- und Komponentenpreise und damit verbunden die Herstellkosten grob fest und entscheidet auch über die Höhe des zur Verfügung stehenden Entwicklungsbudgets. Die Vorgehensweise der Kostenzielermittlung kann vereinfacht in zwei Phasen untergliedert werden. In der ersten Phase werden die Entwicklungs- und Herstellkosten für das System "bottom-up" abgeschätzt. Neben einer Abschätzung der Entwicklungskosten und der Herstellkosten muss ein Systemlieferant zusätzlich die Kosten abschätzen, die aus den koordinierenden Projektmanagementaufgaben bei ihm anfallen. Ist der Systemlieferant zugleich für die Entwicklung und Produktion einer Komponente verantwortlich, so muss er auch die sich hieraus ergebenden Kosten, sprich Investitionen abschätzen. Abbildung 2-60 zeigt das Vorgehensmodell in 2 Phasen.
Abbildung 2-60: Kostenermittlung bei der Fahrzeugentwicklung in 2 Phasen 84 1. Phase Ermittlung des ZielPreises/-budgets des Angebots Aggregation des Angebots
Abgleich des Angebots
Auftraggeber (OEM, Tier1)
Abschätzung der Herstellkosten Abschätzung der Entwicklungskosten
Anfrage
Festlegung des GesamtZielpreises/-budgets Ableitung der Entwicklungskostenziele Ableitung der Herstellkostenziele
Lieferant (Tier1, Tier2) Ankündigung
2. Phase Ermittlung der Detail-Kostenziele
Lieferant
Angebot
Kostencontrolling + Änderungsmanagement
Vertrag
Wenn die Kostenabschätzungen für einzelne Komponenten vorliegen, ist es Aufgabe des Systemlieferanten, die Kosteninformationen zu einem aussagekräftigen Angebot für das Modul zu aggregieren.
84 vgl. Schuh (2000), S. 99
97
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Damit diese Aggregation leicht fällt, sollte bereits die Kostenabschätzung mit Hilfe eines entsprechend standardisierten Vorkalkulationsblattes erfolgen. Auf Basis der aggregierten Gesamtentwicklungs- und Gesamtherstellkosten für das Modul / System werden nun erste Zielpreise und Entwicklungsbudgets berechnet und dem Automobilhersteller angeboten. Mit diesem Schritt ist die erste Phase der Kostenzielermittlung abgeschlossen. Wenn der Auftraggeber das Angebot generell akzeptiert, wird ein Abgleich der Preisvorstellungen zwischen Hersteller und Modullieferant in intensiven Verhandlungsrunden erfolgen. Bei positivem Abschluss ist das Ergebnis ein gemeinsam definiertes, neues Entwicklungsbudget sowie ein neuer Zielpreis, der in der Regel unter dem ersten Angebotszielpreis liegen wird. Beide Kostenziele müssen nun topdown auf die einzelnen Komponenten bzw. Arbeitspakete heruntergebrochen werden. Eine einfache Vorgehensweise, die hierzu angewendet werden kann, zeigt Abbildung 2-61.
Abbildung 2-61: Schema zur Kostenermittlung und -verteilung Bottom-Up EK*
HK/St*
%HK/St %EK/St
M
100
100.000
10%
10%
K1
300
500.000
30%
50%
K2
150
10.000
15%
1%
K3
450
390.000
49%
39%
¦ Gesamt
1.000
1.000.000
100%
100%
• Ermittlung der Herstellkosten • Ermittlung der Entwicklungskosten • Ableitung der prozentualen Kostenstruktur
* in Euro Abgleich der Bottom-Up Angebot ermittelten Entwicklungs1.000 Euro HK/St 1.000.000 Euro EK und Herstellkosten mit dem Auftraggeber
Entwicklungskostenziele
Kostenfestlegung 900 Euro HK/St 850.000 Euro EK
Top-Down
• Kostenlücke entsprechend der prozentualen Kostenstruktur verteilen • Herstellkosten • Entwicklungskosten Legende: HK = Herstellkosten EK = Entwicklungskosten M = Modul K = Komponente
Herstellkostenziele
¦
HK/ST*
EK*
M
90
85.000
10%
10%
K1
270
425.000
30%
50%
K2
135
8.500
15%
1%
K3
405
331.500
49%
39%
900
850.000
100%
100%
Gesamt * in Euro
98
%HK/ST %EK/ST
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Aufbauend auf den Ergebnissen der bottom-up-Abschätzung der Herstell- und Entwicklungskosten wird zunächst die Kostenstruktur des Angebotes, d. h. die prozentuale Zusammensetzung der Herstell- und Entwicklungskosten, ermittelt. Die Kostenlücken, die aufgrund des Abgleichs mit dem Hersteller entstanden sind, werden anschließend gemäß der Kostenstruktur verteilt. Problematisch bei dieser Vorgehensweise ist, dass kein Unterschied zwischen Bereichen bzw. Komponenten mit hohen und niedrigen Kosteneinsparungspotentialen gemacht wird („Gießkannenprinzip“). Eine weniger systematische, dafür aber genauere Vorgehensweise zur komponentenspezifischen Kostenzielermittlung kann unter Zuhilfenahme der Erfahrungswerte aus vergleichbaren Projekten oder von Einkaufs-Know-how realisiert werden. Abhängig von den realisierbaren Einsparpotentialen im Rahmen des Entwicklungs- und Vergabeprozesses werden die Zielpreisreduzierungen unterschiedlich stark vorgenommen. Basis für fundierte Schätzpreise ist eine gut strukturierte Kostenkalkulation. Für Fahrzeugentwicklungsprojekte bedeutet dies, dass die Stückzahlen, die Produktstruktur sowie die relevanten Meilensteine des Entwicklungsprozesses bekannt sind. Das Lastenheft und die vorangegangenen PM-Aktivitäten in der Projektdefinitionsphase sollten alle notwendigen Informationen liefern. Das Kalkulationsblatt wird mit einer Zeitachse und einer Kostenachse als Tabelle aufgebaut. Wichtig ist dabei, dass abhängig von der Projektphase Serienentwicklung oder -produktion verschiedene Zeitskalen verwendet werden. Abbildung 2-62 zeigt ein Schema.
Abbildung 2-62: Prinzipieller Aufbau eines Kalkulationsschemas
(Entwicklungsprozess) t1
Projektmeilensteine Entwicklungskosten • Entwicklung • Konstruktion • Versuch • Simulation • Musterbau • Beschaffung • .......
t
(Serienproduktion) 1
2
3
... t2
Perioden (laufende Produktion)
Entwicklungskosten (EK)
¦ EK
Herstellkosten • Material /Kaufteile • Prod.Personal • Qualitätswesen • Logistik • Abschreibungen • .......
¦
Herstellkosten (HK)
¦øHK
99
2.4
In der Entwicklungsphase werden die vorgegebenen Meilensteine zur Skalierung genutzt. Die Produktionsphase wird hingegen durch feste Perioden gegliedert. Ähnliches gilt auch für die Gliederung der Kosten. Auch hier werden abhängig von der betrachteten Projektphase spezifische Gliederungen der Kostenarten gewählt. Für die Entwicklungsphase wird eine ressourcenorientierte Kostengliederung verwendet (Entwicklung, Versuch, Material, ...). Die Herstellkosten werden klassisch nach dem Produktionsablauf (Fertigungskostenstellen) und dem eingesetzten Material bzw. Kaufteilvolumen gegliedert. Die zwei Kalkulationsbereiche (Entwicklungs-, Herstellkosten) können im Detail folgendermaßen gegliedert werden: Entwicklungskosten
Personalkosten für Entwicklung, Musterbau, Versuch, Serienvorbereitung, PM Arbeits- und Betriebsmittel bzw. Investitionen wie z.B. Vorrichtungen, Werkzeuge, Lehren und Messgeräte sowie technische DV-Einrichtungen
Materialkosten, Kaufteile für z.B. Versuchsaufbauten, Musterteile, Prototypen Flächen und Gebäudekosten wie z.B. Mieten, Infrastruktur Auf der Zeitachse werden pro Meilenstein die jeweiligen Kosten als Schätzgröße ins Kalkulationsblatt eingetragen. Das folgende Schema (Abbildung 2-63) zeigt die Struktur.
Abbildung 2-63: Struktur des Entwicklungskosten-Kalkulationsblattes 85 Zeitachse
KA
Kostengliederung
Entwicklungskosten ressourcenorientiert
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
h
l €/h Euro
€/h
DM/MU Euro
h
€/h
Personal Material Arbeits- und Betriebsmittel Flächen und Gebäude
Nutzungsdauer der Ressource Stundensatz der Ressource Investitionen und ressourcenspezifische Kosten
85 vgl. Schuh (2000), S. 106
100
PH h
= Meilenstein KA = Konzeptabgabe PH = Pflichtenheft DM/MU = Datenmodell/ Muster
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Herstellkosten
Fertigungskosten mit Fertigungseinzelkosten (FEK), im Wesentlichen Löhne bzw. Maschinenstundensätze, Fertigungsgemeinkosten (FGK) wie Hilfslöhne, Hilfsmaterial, Energiekosten sowie kalkulatorische Abschreibungen und Zinsen, Lizenzkosten etc. und Sondereinzelkosten (SdF), wie fertigungsspezifische Werkzeuge und Betriebsmittel, die nicht in den Entwicklungskosten enthalten sind.
Materialkosten als Materialeinzelkosten (MEK) für Rohmaterial, Kaufteile, Hilfsund Betriebsstoffe und Materialgemeinkosten (MGK), in denen Lager-, Logistikund Personalkosten der Beschaffung und Qualitätssicherung verborgen sind.
Verwaltungskosten für das Verwaltungspersonal, Beleuchtung, Miete etc. werden nur anteilig auf das Projekt verrechnet.
Vertriebskosten sind alle für den Vertrieb der jeweiligen Business-Unit anfallenden Kosten für Vertriebspersonal, Akquisition, Werbung, Marketing.
Umlagen für die dem Produkt bzw. Produktionsprozess nicht direkt zuordenbaren Kosten für z.B. Serienbetreuung und -verbesserung, Service, Ersatzteilverwaltung während der Serienproduktion... Anders als bei der Entwicklungsphase wird die Zeitachse der Serienproduktion nicht durch Meilensteine untergliedert, sondern in Perioden (jährlich oder monatlich) unterteilt. Die Abschätzung der einzelnen Kostenblöcke muss dementsprechend periodisch, gemäß der vom Kunden angegebenen Stückzahlen pro Periode ermittelt werden. Abbildung 2-64 zeigt das Schema.
Abbildung 2-64: Struktur des Herstellkosten-Kalkulationsblattes 86 Zeitachse
Herstellkosten
Periode 1
Periode 2
Periode 3
Euro
Euro
Euro
...
Fertigungskosten
Kostengliederung
Fertigungseinzelkosten Fertigungsgemeinkosten Sondereinzelkosten Materialkosten Materialeinzelkosten Materialgemeinkosten Verwaltungskosten Vertriebskosten Umlagen
86 ebenda, S. 108
101
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Im nächsten Schritt müssen die Kalkulationsdaten für die Wirtschaftlichkeitsberechnung zusammengefahren und aufbereitet werden. Aus dem Zielpreis des Kunden, der Stückzahl-Prognose und den Kalkulationsdaten lassen sich dann Margen, Deckungsbeiträge, Amortisationszeiten, Break-Even-Points und weitere Wirtschaftlichkeits-Kennzahlen ermitteln. Für die Entscheidung zur Projektfreigabe bzw. Annahme eines Auftrags sind diese Informationen am besten in einem standardisierten „Businessplan“ aufzubereiten. Einschlägige Tabellenkalkulationsprogramme leisten hierzu im Regelfall gute Dienste. Die folgende Abbildung zeigt ein Beispiel.
Abbildung 2-65: Beispiel: Businessplan für ein Projekt beim Systemlieferanten Wirtschaftlichkeit: VK, HK, Marge, Umsatz Auftrag Ist Vorschau Stückzahl im 1. Jahr (Tsd.) VK € / St. Incl. Umlage Entw./Invest OEM (1.J) Umlage Entw./Invest OEM pro Stück in € Umlagebasis: Stückzahl (Tsd.) HK. € / St. o. Amort. Kunde o. WA (1. J) Bruttomarge in % (Durchschnitt)
300
250
200
29,47
33,15
31,22
0,00
0,00
0,00
0
0
0
26,87
29,07
25,12
-1,18%
Umsatz in T€ p.a. (Durchschnitt)
25.050
Investitionen (T€)
6.972
10.442
3.697
6.394
6.552
Kostenübernahme Kunde (Einmalzahlung)
1.573
4.442
5.333
Netto Invest
2.124
1.952
1.219
Entwicklungskostenosten (T€)
9,54% 24.196
Kostenübernahme Kunde (Einmalzahlung)
2.055
2.548
2.650
0
111
111
Netto Entwicklungskosten
2.055
2.437
2.539
10.802
Summe Entw. + Invest (o. Umlage Teilepreis)
4.179
4.389
3.758
Netto Entw. + Invest (m. Umlage Teilepreis)
4.179
4.389
3.758
Gesamtkosten und Wirtschaftlichkeit Einmalkosten ges.(T€): Invest, Entw, Muster
Invest gesamt
Entwicklungskosten gesamt
2,31% 25.691
Investitionen, Entwicklungskosten, Musterkosten Auftrag Ist Vorschau
Einmalkostenübernahme d. Kunde gesamt (T€)
2.402
5.453
6.444
Netto Einmalkosten gesamt (T€)
4.570
4.989
4.358
Gesamtumsatz (inkl. Produktivität) (T€)
141.456
159.120
149.856
Kalkuliert
1.220
1.500
1.600
Gesamtkosten (Einmal + HK - Produktivität) (T€)
133.546
144.525
124.934
Preis erzielt (Übernahme Kunde)
829
900
1.000
-4%
-1%
7%
Deckung
-391
-600
-600
Nettomarge in % (Durchschnitt)
Musterkosten (T€)
Produktivität, Jahresstückzahlen Jahr 1. Jahr Produktivitätssteigerung Kundenforderung (%)
0
2. Jahr 3
3. Jahr 2
4. Jahr 2
5. Jahr 0
6. Jahr 0
Gesamt 7
0
2
2
0
0
0
4
Auftrags-Stückzahl (Tsd.)
300
1.000
1.000
1.100
800
600
4.800
Vorschau-Stückzahl (Tsd.)
200
600
1.100
1.200
1.000
700
4.800
Produktivitätssteigerung machbar (%)
Für das Management lassen sich die wesentlichen Kennzahlen grafisch aufbereiten. Abbildung 2-66 zeigt ein Beispiel.
102
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
Abbildung 2-66: Beispiel: Projektwirtschaftlichkeit grafisch Kumulierter Deckungsbeitrag In Mio. € 10,0 Auftragsstand Vorschau
8,0
6,0
4,0
2,0
0,0
Break Even Point
Start
SOP
1. Jahr
2. Jahr
3. Jahr
4. Jahr
-2,0
-4,0
-6,0
Ist die Wirtschaftlichkeit gesichert und der Wille zur Zusammenarbeit bekundet (meist durch einen LOI = Letter of Intent / Absichtserklärung), so sollten sich Auftraggeber und Auftragnehmer im Fahrzeugprojekt an einen Tisch setzen und die wesentlichen Informationen und Festlegungen aus der Projektdefinitionsphase abgleichen.
2.4.10
Auftaktworkshop / externer Kick-Off
Der Auftaktworkshop soll die Zusammenarbeit zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer bzw. zwischen den unterschiedlichen Vertragspartnern in Fahrzeugprojekten verbessern und für eine fundierte Klärung von Auftragsinhalten, Schnittstellen und Verantwortlichkeit sorgen. Die intensive Beschäftigung mit dem Lastenheft, den Projektzielen, Spezifikationen und Anforderungen des OEM wirft zumindest auf der Zuliefererseite immer ein ganzes Bündel an Fragen und Abstimmungsbedarf auf, das zeitnah und möglichst persönlich geklärt werden sollte. Durch das gegenseitige Kennenlernen der Projektteams in einem Workshop und die gemeinsame Bearbeitung von Aufgaben wird die Basis für eine kooperative und erfolgreiche Zusammenarbeit gelegt. Neben all den Sachthemen steht dann auch die zwischenmenschliche Komponente im Mittelpunkt.
103
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Ein Auftakt-Workshop dauert in der Regel 1,5 – 2,5 Tage, bei internationalen Projekten muss durchaus mit höherem Aufwand gerechnet werden. Die Veranstaltung beinhaltet z.B. folgende Themen:
Vorstellung der Teilnehmer Vorstellung der Projektorganisation der beteiligten Firmen (Kunde, evtl. Partner) Präsentation der bisherigen Unterlagen zur Projektplanung (Lastenheft/Ziele, Projektergebnisstruktur, Meilensteinplan)
Brainstorming zu potentiellen Konflikten und Risiken im Projektverlauf Gruppenarbeiten und Ergebnispräsentationen zu 1.
Konfliktmanagement
2.
Terminplanung und -steuerung
3.
Information und Kommunikation
4.
Änderungs- und Claimmanagement
5.
Qualitätsmanagement
Gemeinsame Aktivitätenliste („to do“) Spielregeln + Vereinbarungen für die Zusammenarbeit Themenspeicher / offene Punkte Gemeinsame Freizeitaktivität Die Einladung für den Auftakt-Workshop erfolgt durch den Projektleiter. Er ist dafür verantwortlich, dass die Zusammenarbeit mit dem Kunden und den anderen Vertragspartnern möglichst reibungsarm und erfolgreich funktioniert. Die Organisation und Moderation des Workshops kann durch einen internen oder externen Moderator bzw. PM-Coach erfolgen. Sind die grundsätzlichen Themen und die strategischen Fragen im Projekt intern wie extern geklärt, so sollte die Projektleitung darauf dringen, eine klare Zielvereinbarung mit ihrem internen Auftraggeber - meist der Geschäftsleitung - zu treffen. Der Projektauftrag dokumentiert diesen Vorgang und bildet die Basis für das weitere Agieren von Projektleiter und –team.
104
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4.11
Interner Projektauftrag
Der Projektauftrag soll die Absprachen bezüglich Zielen, Aufgabenstellung, Projektergebnissen, Eckterminen, Voraussetzungen und Projektorganisation zwischen dem internen Auftraggeber/ der Geschäftsleitung und dem Projektleiter/-team als schriftliche Vereinbarung eindeutig dokumentieren. Damit stellt er eine Zielvereinbarung zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer (Projektleiter) des Projekts dar. Er dient als Freigabedokument für die Bearbeitung des Projekts und stellt sicher, dass alle Projektbeteiligten und Linienabteilungen darüber informiert sind. Der Projektauftrag fasst die Eckdaten des Projekts und die Kompetenzen des Projektleiters in einem Dokument zusammen. Weitere Informationen und Unterlagen, die Bestandteil des Projektauftrags sind, finden sich in der Anlage:
Projektzielkatalog Projektergebnisstruktur (Produkt/Anlage) Meilensteinplan Projekt-Organigramm Für die Erstellung des Projektauftrags ist der Projektleiter verantwortlich. Die Freigabe erfolgt durch den internen Auftraggeber (i.d.R. die Geschäftsleitung). Abbildung 2-67 zeigt ein Beispiel:
105
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-67: Beispiel: Projektauftrag(fiktiv) Heute
Datum
Projektauftrag
4711 (Auftrags -Nr.)
Aussteller
AAF/Schwaben
Roboterzelle mit Laser
(Kunde/Land)
(P rojektbezeichnung)
Franz Fleissig
Elsa Lieb
Franz Fleissig
Steuerkreis:
Hubert Helle (Vorstand) + Bereichsleiter
Monatlicher Statusbericht an:
Oliver Ohne (Vertrieb), Klaus Kontroller (Controlling)
Sonstige Informationen:
Regelmäßige Abstimmung mit Key Account Manager AAF
Projektziele:
Liefertermin:
30.9., Abnahme 31.3.
Budget:
9 Mio Euro (Grundauftrag)
Strategisch:
5% Gewinn, Komplettvergabe Vorrichtungen an Tochterges. Ungarn Marktposition Dachfertigung ausbauen, Pilotprojekt PM Leistungsmerkmale nach Lastenheft, Auditnote 1,5 Verfügbarkeit 99%, Taktzeit 5 min., Abnahme nach AAF-Vorschrift
Produkt /Qualität: Rahmenbedingungen:
AAF-Werksnorm, Sicherheitsvorschriften, Doku in Bayerisch
Projektspezifische, zusätzliche Kompetenzen, Aufgaben des Projektleiters:
Handlungsvollmacht und Vergabeentscheidung bis 500.000 Euro Vertragsverhandlungen mit Kunden Weisungsbefugnis gegenüber Kernteammitgliedern Budgethoheit und Freigabe aller Beschaffungsvorgänge
Projektteam:
Martin Mechanik Erich Elektrik Heini Zackig Bruno Hurtig NN
Mechanik Elektrik Engineering Montage Qualität
Besondere Vereinbarungen:
Mitgeltende Unterlagen (siehe Anlage):
Controlling Elsa Lieb Beschaffung ...................... ...................... ......................
Die kukturellen Unterschiede und landesspezifischen Besonderheiten sind besonders zu berücksichtigen
o o o o
Lastenheft/Spezifikation des Kunden Angebotsunterlagen Kalkulation Terminplan
Prüfung/Freigabe: (Datum)
(Geschäftsleitung)
(Projektleiter/Stellvertreter)
Ist die Projektleitung offiziell bevollmächtigt worden das Projekt im Unternehmen abzuwickeln, so geht es im nächsten Schritt darum, alle betroffenen und beteiligten Führungskräfte und Fachleute zu informieren und einzubinden. Internes Projektmarketing mit Hilfe einer Kick-Off Veranstaltung verleiht dem Projekt die nötige Rückendeckung im Unternehmen.
106
Definitionsphase als strategische Investition im Automotive-Projekt
2.4.12
Kick-Off Meeting intern
Umfassende Information über das Projekt (technisch oder organisatorisch) ist die Voraussetzung dafür, dass alle „am gleichen Strang ziehen“ und Ideen und Kreativität im Rahmen der Auftragsabwicklung einbringen. Das Kick-Off Meeting ist eine „interne Marketingveranstaltung“ für das Projekt, mit dem Ziel, alle Beteiligten zu informieren und für die Mitarbeit im Projekt zu begeistern. Das Kick-Off Meeting informiert die Linienabteilungen und Arbeitspaketverantwortlichen über die Inhalte, Ziele, Strukturen, Organisation, Terminplanung und Rahmenbedingungen des Projekts. Die wesentlichen Ergebnisse und Festlegungen aus der Projektdefinitionsphase werden in konzentrierter Form präsentiert und diskutiert. Verantwortlich für die Einladung, Durchführung und das Protokoll des Kick-Off Meetings ist der Projektleiter. Die Vorbereitung und Präsentation sollte allerdings durch das Projektteam erfolgen und nicht als „One-Man-Show“. Je nach Projektgröße und –umfang wird der Rahmen der Kick-Off Veranstaltung (Zeit und Örtlichkeit) so gewählt, dass die Projektbeteiligten im Sinne des internen Marketings für das Projekt entsprechend begeistert werden können. Abbildung 2-68 zeigt das Beispiel einer Agenda:
Abbildung 2-68: Beispiel: Agenda Kick-Off Meeting intern Agenda Kick-Off Meeting 1. 2. 3. 4. 5. 6. 7. 8.
Begrüßung/Kundenauftrag/Organisation Ziele/Lastenheft/Auftragsumfang Technische Lösung. (Konzept) Meilensteine, Grobterminplan Kapazitätsbedarf Kostensituation/Kalkulation Änderungs-/Claimmanagement Anregungen, Abschlussdiskussion
GL PL Team Team Team Team Team Alle
20 min 40 min 40 min 20 min 20 min 20 min 20 min
Mit dem Kick-Off Meeting ist das Projekt offiziell in das Unternehmen eingesteuert worden. Die Projektdefinition ist damit abgeschlossen. Im nächsten Schritt geht es um die weitere Ausarbeitung der Projektplanung. Sie bildet die Grundlage für eine erfolgreiche Realisierung des Projekts.
107
2.4
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.5
Projektplanungsphase
„Man sollte mit Prophezeiungen und Vorhersagen, wenn sie die Zukunft betreffen, sehr vorsichtig sein!“ Hermann-Josef Abs, ehemaliger Vorstand Deutsche Bank AG Im Rahmen der Projektplanung werden die Strukturen und Inhalte des Projekts festgelegt und die Vorgaben bzgl. Kosten, Termin und Qualität detailliert. Der systematische Zusammenhang zwischen Projektstruktur, Ablaufplanung, Aufwandsschätzung und Terminplan wird in diesem Kapitel erläutert. Der Projektplan bildet die Basis für Projektsteuerung, Änderungs- und Claimmanagement. Unrealistische Planung wird in der Studie „Automobilentwicklung in Deutschland“ von den Befragten Unternehmen als eine der Hauptursachen für nicht erreichte Projektziele genannt. 87 Abbildung 2-69 zeigt diesen Sachverhalt.
Abbildung 2-69: Wichtigste Gründe für das Nichterreichen von Projektzielen
Zeitplanung unrealistisch Produktkostenziele unrealistisch Mängel in der Projektorganisation Andere technische Ziele unrealistisch Entwicklungskostenplanung unrealistisch Qualifikation der Partner ungeeignet 0%
10%
20%
87 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 53
108
30%
40%
50%
60%
70%
Projektplanungsphase
Aufbauend auf unklaren Anforderungen zum Projektstart werden auch die Projektpläne häufig nicht abgestimmt. Zum einen mangelt es an einheitlichen Vorstellungen und Vorgaben zu den verwendeten PM-Methoden und Systemen, zum anderen werden Ecktermine oft einseitig vom Auftraggeber vorgegeben, ohne dass die Deliverables zu den jeweiligen Terminen klar abgestimmt wären. Der zeitliche Aufwand für die Abstimmung von Projektstrukturen und Terminplänen wird vielfach gescheut. Dadurch entstehen Schnittstellenprobleme und Blindleistung bei allen Beteiligten, sowie unnötige Konflikte im Rahmen der Realisierung. Mit Hilfe von Planungs-Workshops im Projektteam können Projektpläne frühzeitig inhaltlich abgestimmt und gemeinsam optimiert werden. Gleichzeitig lernen sich die Projektteammitglieder immer besser kennen. Besonders bei standortübergreifenden Projekten, die ja in der Automobilindustrie immer häufiger werden, ist dies wichtig. Unternehmensübergreifende Projektmanagement-Systeme mit internetbasierter Kommunikationsplattform ermöglichen eine vernetzte Projektplanung mit allen Lieferanten und Entwicklungspartnern im Projekt (siehe Kap. 4). Auch bei Änderungen und Abweichungen wird allen Partnern der gleiche Informationsstand online zur Verfügung gestellt. Dadurch stehen Termininformationen schneller zur Verfügung und gleichzeitig reduziert sich der Pflegeaufwand für Projektpläne bei den beteiligten Projektteams drastisch.
2.5.1
Einführung
„Der 'richtige' Zeitplan ist der, dessen Einhaltung völlig unmöglich ist, dem man dies aber nicht auf den ersten Blick ansieht.“ Tom DeMarco, Schriftsteller Planung ist die gedankliche Vorwegnahme zukünftigen Handelns. Die wachsende Komplexität von Projekten zwingt zu gezielter und systematischer Planung. Höherer Planungsaufwand senkt den Realisierungsaufwand. Planung ohne Kontrolle ist sinnlos – Kontrolle ohne Planung unmöglich. Die Qualität der Projektplanung hat entscheidenden Einfluss auf den Projekterfolg. Ohne systematische Planung ist ein effektives Projektmanagement nicht machbar. Die Projektplanung ist das Instrument, mit Hilfe dessen die Beteiligten im Projekt (Kernteam, Linienabteilungen, Arbeitspaketverantwortliche und Lieferanten) die Vorgehensweise, Aufgabenstellung und Etappenziele/ Zwischenergebnisse vereinbaren - also ein Führungsinstrument des Projektleiters. Sie bildet auch die Basis für alle Projektsteuerungsaktivitäten und das Änderungs-/ Claimmanagement, da ohne Planung auch keine Abweichungen (Soll / Ist-Vergleich) ermittelt werden können.
109
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Allerdings kann man auch über das Ziel hinaus schießen. Deshalb ist es wichtig, den Planungsaufwand auf das Nötigste zu beschränken, damit sich das Projekt durch die Planung nicht in Selbsthemmung bringt, sondern den oben beschriebenen Nutzen generiert. Abbildung 2-70 zeigt dieses Spannungsfeld auf.
Abbildung 2-70: Spannungsfeld Planungstiefe So detailliert wie nötig, weil Projektplanung...
So einfach wie möglich, weil Projektplanung...
Ö
Komplexität reduziert
Ö vom Handeln abhält
Ö
Effizienz erhöht
Ö Zeit kostet
Ö
Chancen und Risiken aufdeckt
Ö aufwändig ist
Ö
Entscheidungssicherheit erhöht
Ö Flexibilität einschränkt
Ö
Transparenz schafft
Ö zunehmend komplizierter wird
Ö
Unsicherheit reduziert
Ö Kreativität einschränkt
Ö
vernetztes Arbeiten ermöglicht
Die Projektplanung liegt in der Verantwortung des Projektleiters. Aufbauend auf den Ergebnissen der Projektdefinition, werden in der Planungsphase folgende Unterlagen erstellt bzw. projektspezifisch aus den vorhandenen Standards und Templates (Vorlagen) angepasst (siehe Abbildung 2-71 auf der nächsten Seite):
Projektstruktur (5) Arbeitspakete und Aufwandsschätzung (6) Termin- und Kapazitätsplan (7) Detailterminplan und Standard-Durchlaufzeiten(8) Kostenplan / Kalkulation (9) Den Ausgangspunkt für die Projektplanung bilden die Projektinformationen aus dem Angebot und der Projektdefinition, wie z.B.
Angebotsinformationen, Wirtschaftlichkeit, Lastenheft, Projektumfeldanalyse und Vertragsprüfung / Risikoanalyse (1)
Projektziele (2) Projektergebnisstruktur (3) Meilensteinplan (4)
110
Projektplanungsphase
Auf Basis dieser Informationen wird in einem Planungsworkshop die Projektstruktur und die Anzahl und Bezeichnung der Arbeitspakete erarbeitet. Der Schwerpunkt liegt auf der Strukturierung der Aufgaben im Projekt, wodurch die Komplexität von Fahrzeugprojekten wesentlich reduziert wird. Im nächsten Schritt werden Aufgaben logisch und zeitlich zusammengefasst und als Arbeitspakete spezifiziert. Nach Abschätzung der Aufwände und Vereinbarung mit den jeweiligen ArbeitspaketVerantwortlichen ergeben sich verbindliche Werte für die Ressourcen- und Kostenplanung, sowie Dauern / Durchlaufzeiten für den Terminplan. Abbildung 2-71 zeigt den Zusammenhang der einzelnen Planungsschritte.
Abbildung 2-71: Planungssystematik 88
Startworkshop
1
Angebot Wirtschaftlichk. Lastenheft Umfeldanalyse Vertrag/Risiko
2 Projektziele
Meilensteine
Aufwandsschätzung
Projektergebnisstruktur
4
3
Planungsworkshop
Projektstruktur
6
5 Standard Durchlaufzeiten
8 6 Arbeitspakete
Terminplan
Detailterminplan
7
Kalkulation Kapazitätsplan
9
8 7
Eine systematische Projektplanung ist die Basis für die erfolgreiche Steuerung von Projekten. Die Erfahrung zeigt, dass der Wille zur Projektplanung vorhanden ist, jedoch oftmals den aktuellen Anforderungen des Tagesgeschäfts und der „Machermentalität“ zum Opfer fällt. 88 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 95
111
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
„Holzhacken ist deshalb so beliebt, weil man bei dieser Tätigkeit den Erfolg sofort sieht.“ Albert Einstein, deutscher Physiker Deshalb macht es Sinn, wenn das Projektteam für die Planungsarbeit „in Klausur“ geht. Wir bezeichnen diese Veranstaltung dann als Planungsworkshop.
2.5.2
Planungsworkshop
Die Durchführung eines Planungsworkshops ermöglicht die Projektplanung in konzentrierter Form, so dass in kürzester Zeit die wesentlichen Planungsunterlagen erstellt werden können. Zusätzlich bietet der Planungsworkshop den Vorteil, dass das Projektteam gemeinsam plant und somit ein gemeinsames Verständnis für das Projekt entwickelt. Für die Unterstützung bei der PM-Methodik, sowie für die Moderation des Planungsworkshops kann ein Coach eingebunden werden. Abbildung 2-72 zeigt mögliche Inhalte einer solchen Planungsklausur:
Abbildung 2-72: Inhalte und Ablauf einer Projektplanungsklausur Tagesordnung Planungsklausur
Projektstruktur auf Basis der Ergebnisstruktur sowie Phasen- und Meilensteinplans (Ergebnisse des Startworkshops) aufstellen
Arbeitspakete inhaltlich definieren bzw. Standard-Arbeitspakete anpassen Aufwand und Dauer der Arbeitspakete abschätzen Terminplan aufbauen bzw. Standard-Terminplan anpassen (Vorwärtsterminierung) Terminplan entsprechend der Meilensteinvorgaben optimieren Wirtschaftlichkeit bzw. Kostenplanung aktualisieren und optimieren Arbeitspaket-Termine, Budgets und Kapazitätsbedarf als Entwurfsvorlage für die Vereinbarung mit den Fachabteilungen zusammenfassen
Risikoanalyse durchführen
2.5.3
Projektstrukturplan
Die Projektstruktur ist der Dreh- und Angelpunkt für die Projektplanung und – steuerung hinsichtlich Kosten, Terminen und Aufgaben. Sie dient dazu, das Projekt in überschaubare und abgrenzbare Einheiten zu zerlegen. Diese können dann zu Arbeitspaketen zusammengefasst und als solche innerhalb des Unternehmens oder extern delegiert werden. Erst dadurch wird eine erfolgreiche Abwicklung von großen und komplexen Umfängen möglich.
112
Projektplanungsphase
Der Projektstrukturplan enthält alle Aktivitäten, die für die Durchführung eines Projekts notwendig sind. Das wesentliche Merkmal des Projektstrukturplans ist, dass er im Gegensatz zur Projektergebnisstruktur sowie dem Phasen- und Meilensteinplan keine Ziele/Ergebnisse enthält, sondern Aktivitäten. Er umfasst genau die Tätigkeiten, die bezogen auf ein Element der Ergebnisstruktur, bis zu einem bestimmten Meilenstein durchgeführt werden müssen. Hierbei werden bestimmte Aktivitäten zu Arbeitspaketen zusammengefasst. Dadurch lässt sich der gesamte „Arbeitsberg“ in übersichtliche Einheiten gliedern. In Anlehnung an die Teilziele („Etappen“) des Phasenund Meilensteinplans erhält man somit eine strukturierte Planung der Aufgaben. Der Projektstrukturplan wird gemeinsam durch das Projektteam im Rahmen eines Planungsworkshops erstellt. Mit Hilfe der Ergebnisstruktur sowie des Phasen- und Meilensteinplans stellt man die Frage: „Was ist in zum Meilenstein X bzgl. des Elements Y des Liefer- und Leistungsumfangs zu tun?“ Diese Frage wird für jedes Element der Produkt-/Anlagenstruktur, bezogen auf jeden Meilenstein, gestellt. Die Produkt/Anlagenstruktur dient in diesem Fall als Checkliste. Bei zeitlicher Ausdehnung einer Aktivität über mehrere Meilensteine, ist diese dem Meilenstein zuzuordnen, zu dem sie abgeschlossen wird. Abbildung 2-73 zeigt schematisch die Matrix einer Projektstruktur auf Basis der Dimensionen Produktstruktur/Leistungsumfang (horizontal) und Meilensteinplan (vertikal).
Abbildung 2-73: Projektstruktur als Matrix, schematisch
Projektfreigabe
Planungsfreigabe
Beschaffungsfreigabe
Interne Serienfreigabe
Gesamtmodul
Montageträger
Scheinwerfer
• Grobkonzept erst. • Pflichtenheft erst. • System FMEA • Zielkostenengineering
• Pflichtenheft erst. • Kalkulation erst. • Lieferantenanfragen erst. (Werkzeuge)
• Lastenheft erst. • Lieferantenanfragen erst.(Prototypen)
• Integrations-Tests • Prototypenbau • Produktionsprozess planen • Vergabe Anlage
• Detailentwicklung • Versuche • Prototypenbau
• Angebote prüfen • Vergabe durchf. • Entwicklungsergebnisse prüfen
• Angebote prüfen • Vergabe durchf. • Entwicklungsergebnisse prüfen
• Prototypenlieferung • Aufbau Produktionsanlage • Probebetrieb
• Detailentwicklung • Versuche • Prototypenlieferung
• Prototypen abnehmen • Logistikplanung • Lieferantenqualifizierung
• Prototypen abnehmen • Logistikplanung • Lieferantenqualifizierung
Kühlermodul • Lastenheft erst. • Lieferantenanfragen erst. (Prototypen)
113
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Folgende Fragen helfen bei der Strukturierung:
Lassen sich die Strukturelemente zu logischen, sachlichen und technologischen Gruppen (zu Arbeitspaketen) zusammenfassen, die auch terminlich und bezüglich der Verantwortung abgegrenzt werden können?
Sind Dienstleistungen wie Dokumentation, Schulungen, FMEA, Untersuchungen und Tests ausreichend berücksichtigt?
Ist bei der Strukturierung auch die Kalkulation und Kostenverfolgung ausreichend berücksichtigt worden?
Ist eine problemlose Änderungsabwicklung möglich? Grundsätzlich gilt: So viele Arbeitspakete wie nötig, so wenige wie möglich! Ein Beispiel für eine Produktionsanlage zeigt Abbildung 2-74.
Abbildung 2-74: Beispiel: Projektstrukturplan Produktionsanlage (fiktiv)
AAF, Roboterzelle mit Laser
Roboter
Layout optimieren
Fügekonzept erstellen
Angebote verhandeln
Konstruktionsrichtlinie erst.
Angebote verhandeln
Steuerungskon zept erstellen
Lieferanten festlegen
Entwürfe erstellen
Lieferanten festlegen
Schnittstellen definieren
Peripherie komponenten bestellen IR-Simulation durchführen
Detailkonstruktion
Bestellung
Langläufer bestellen
Lieferantenüberwachuung
Aktivität
Simulation + Ablaufplan
Prozessversuche
Aktivität
Start Fertigung/ Beschaffung MS3
Aktivität
Disposition + Beschaffung
Aktivität
Aktivität
MS5 Aktivität MS6
114
ZellenSteuerung
Schweißversuc he durchführen
MS1
MS4
Laser
Greifer- und Spannkonzept
Arbeitspaket Start Realisierung
Start Konstruktion MS2
Vorrichtungen + Infrastruktur
Aktivität
Aktivität
Projektplanungsphase
2.5.4
Arbeitspakete
Mit Hilfe von Arbeitspaketen lässt sich ein Fahrzeugprojekt auf der operativen Ebene in überschaubare fachlich und inhaltlich abgrenzbare Einheiten (Ergebnis, Termin + Kosten) mit eindeutiger Verantwortung gliedern. Auf dieser Ebene in der Projekthierarchie befinden wir uns in der Regel in einem Teilprojekt bzw. Modul oder in einer Funktionsgruppe. In der Zulieferer-Pyramide kann dies allerdings auch die Komponenten- oder Teilsystem-Ebene sein. Für die effiziente Planung und Steuerung sollte eine Anzahl von 30-40 Arbeitspaketen pro Automotive-Teilprojekt nicht überschritten werden. Der Projektleiter kann mit den Zielvereinbarungen für jedes Arbeitspaket effektiv führen und Verantwortung delegieren. Die Auftragnehmer (der Arbeitspakete) haben definierte Aufträge, die eine Kapazitätsplanung bedeutend erleichtern und Schnittstellenprobleme vermeiden helfen. Außerdem sind eindeutig abgegrenzte Arbeitspakete die Basis für das Projektcontrolling, weil die ArbeitspaketVerantwortlichen potentielle Abweichungen über den Statusbericht frühzeitig melden können und definierte Ergebnisse eine objektive Fortschrittskontrolle ermöglichen. Ein Arbeitspaket beinhaltet eine Summe von logisch zusammenhängenden Aktivitäten (minimal eine Aktivität) bzw. eine Summe von Aktivitäten, die in einem Verantwortungsbereich ausgeführt werden. Im Sinne des internen Kunden/Lieferanten-Prinzips, ist ein Arbeitspaket ein Auftrag, den der Projektleiter an einen Verantwortlichen einer Fachabteilung (Linienorganisation), Niederlassung, Firma (internes Kunden / Lieferantenverhältnis) oder einen externen Leistungserbringer/Lieferant erteilt. Jedes Arbeitspaket ist eingebunden in die „Projektstruktur“ und dadurch klar abgegrenzt (Schnittstelle) von anderen Arbeitspaketen. Abbildung 2-75 zeigt die wesentlichen Merkmale.
Kosten
Abbildung 2-75: Die wesentlichen Merkmale eines Arbeitspakets
Budget / Kostendruck
Arbeitspaket XY Verantwortlich: N.N. • • • • • • •
Ergebnis Inhalt / Aufgabenstellung Voraussetzungen Aufwand und Dauer Ressourcen Kosten /Budget Rahmenbedingungen /Schnittstellen
Termindruck
Zeit
115
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Externe Leistungserbringer / Lieferanten erhalten Arbeitspakete in Form von Beauftragungen/Bestellungen. Die Summe aller Arbeitspakete ergibt das Gesamtprojekt. Ein Arbeitspaket wird beschrieben durch ein mess- und überprüfbares Ergebnis, das zu einem bestimmten Termin und Budget erbracht werden soll. Jedes Arbeitspaket hat nur einen Verantwortlichen der als „Unternehmer“ den definierenden Leistungsumfang mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen (Fachabteilung) eigenverantwortlich abwickelt. Die Verwaltung der Arbeitspakete erfolgt innerhalb des Projektstrukturplans und auch im Terminplan durch über ein Nummernsystem, den sog. „PSP–Code“ (ProjektStruktur-Plan-Code). Der PSP-Code dient zur eindeutigen Bezeichnung eines Arbeitspaketes und setzt sich zum Beispiel wie folgt zusammen: PSP-Code: ppp:m.aa(.nn) p:
Projekt
Wertebereich:
p = 3 Zeichen
m:
Meilenstein
Wertebereich:
0dmd9
aa:
Arbeitspaket
Wertebereich:
00 d a d 99
Für die Definition der Arbeitspakete sind der Projektleiter und die Kernteammitglieder zuständig. Die Benennung der Arbeitspaket-Verantwortlichen erfolgt in der Regel durch die Fachabteilung. Bei der Definition der Arbeitspakete müssen im ersten Schritt die Randbedingungen und Zielgrößen für jedes Paket erstellt werden. Folgende Planungsunterlagen liefern hierzu Informationen:
Projektstrukturplan (Anzahl und Gliederung der Arbeitspakete) Zielkatalog/Lastenheft (Ecktermine, Anforderungen des Kunden) Technische Spezifikationen (Budget, Leistungsumfang, Kapazitätsbedarf) Der Projektleiter bzw. das Kernteam definiert mit Hilfe obiger Informationen das Arbeitspaket im Entwurf. Aufwand (Kapazitätsbedarf), Dauer (Durchlaufzeit) und Kosten für Material und Fremdleistungen müssen anhand von Erfahrungswerten abgeschätzt werden. Dabei können Nachkalkulationen abgeschlossener Projekte oder auch die Meinung von Experten aus dem Unternehmen herangezogen werden. In vielen Fällen gibt es eigene „Kalkulatoren“, die bereits im Angebotsstadium Werte ermittelt haben. Diese Informationen müssen dann nur noch entsprechend der Projektstruktur „um“-geschlüsselt werden. Der Entwurf wird dann mit dem AP-Verantwortlichen abgestimmt (Zielvereinbarung), ggf. korrigiert und ergänzt und dann von beiden Seiten unterschrieben (internes Vertragsverhältnis). Je nach Komplexität und Umfang des Arbeitspaketes, erstellt der APVerantwortliche zur besseren Planung und Steuerung einen „ArbeitspaketTerminplan“. Abbildung 2-76 zeigt ein Beispieldokument mit Inhalten.
116
Projektplanungsphase
Abbildung 2-76: Beispiel: Arbeitspaket in einem Produktionsanlagenprojekt (fiktiv)
Arbeitspaket Projekt: Roboterzelle mit Laser Kunde: AAF, Augsburg
Projektleiter: Franz Fleissig Arbeitspaket: Entwurfskonstruktion Mechanik PSP-Code: 319.3.01 Budget (Euro): 50.000 Kapazität (h): 600 Dauer 20 AT
AP-Verantwortlich: Ernst Entwurf Ausführende Abteilung/NL: Konstruktion ME/Ulm Frühester Start-Termin: 15.2. Spätester End-Termin: 15.4.
Aufgabenstellung: Auskonstruierte Entwürfe aller Sondervorrichtungen, Greifer und Spanntechnik erstellen. Geometrien und Zugänglichkeit absichern. Layout-Auswirkungen berücksichtigen. Schlüsselkomponenten und Langlaufteile spezifizieren. Mechan. Schnittstellen zu Roboter und Transporttechnik definieren. Konstruktionsrichtlinie für Detailkonstruktion erstellen. Stücklistenstruktur festlegen. Voraussetzungen: Zellen-Layout, Greiferkonzept, Spannkonzept, Fügekonzept, Bauteildatensätze Ergebnisse (meß- und überprüfbar): Entwurfszeichnungen aller Vorrichtungen, Greifer und Spanntechnik Konstruktionsrichtlinie und Stücklistenstruktur Spezifikationen von Schlüsselkomponenten und Langlaufteilen Randbedingungen/Bemerkungen: AAF-Vorschriften und Werksnormen, Landessprache (Schwäbisch), AAF-Lastenheft, Fertigungsphilosophie und –Standards von AAF Dokumente und Unterlagen zum Arbeitspaket (Anlagen): AAF-Vorschriften und Werksnormen, AAF-Lastenheft, Greifer-, Spann-, und Fügekonzept, Bauteildatensätze, Zellen-Layout Freigabe: 30.1. Projektleiter:
30.1. AP-Verantwortliche(r ):
Wie bei allen PM-Unterlagen gilt auch hier: wenn im Unternehmen für die Fahrzeugprojekte bestimmte Standard-Arbeitspakete und Vorlagen definiert wurden, so müssen diese nur noch projektspezifisch angepasst und ergänzt werden. Das gilt natürlich auch für den Terminplan, der dann im nächsten Schritt erstellt werden kann.
117
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.5.5
Terminplan
Die Terminplanung dient dazu, den Projektfortschritt transparent und überprüfbar zu machen. Es werden kritische Pfade, miteinander kollidierende Vorgänge und zeitliche Puffer sichtbar. Auswirkungen von Planabweichungen auf den Endtermin können frühzeitig erkannt und Korrekturmaßnahmen eingeleitet werden. Eine aktuelle Terminplanung ist die Voraussetzung für die Kapazitätsplanung. Aus diesem Grund sollte eine grobe Terminplanung bereits in der Angebotsphase einsetzen, um Wechselwirkungen mit laufenden Aufträgen schon frühzeitig zu erkennen. Unter Terminplanung versteht man die projektspezifische Planung von:
Abfolge, Dauer und Abhängigkeiten der Arbeitspakete und Vorgänge bzw. intern oder extern zu erbringende Leistungen
Arbeitspaket-Code und Arbeitspaket-Verantwortliche(r) Meilensteinen zur Projektfortschrittsüberwachung Liefertermine Termine für Beistellungen und Leistungen vom Kunden Meilensteine der zu erbringenden Maßnahmen des Kunden basierend auf der Projektstruktur. Die grobe Abfolge der Arbeitspakete im Terminplan ergibt sich aus der Zuordnung zu den Meilensteinen (siehe Abbildung 2-77).
Abbildung 2-77: Zuordnung der Arbeitspakete zu den Phasen/Meilensteinen
Start
Phase 1
MS1
Phase 2
MS2
Phase 3
MS3
Ö Arbeitspaket 2.1 Ö Arbeitspaket 2.2 Ö Arbeitspaket 2.3
Die Terminplanung wird vom Projektleiter mit dem Kernteam erstellt. In den Unternehmen der Automobilindustrie kann vielfach schon auf Standard-Terminpläne zurückgegriffen werden. Diese werden dann projektspezifisch angepasst. Liegt kein Standard vor, so muss der Terminplan von Grund auf neu entwickelt werden.
118
Projektplanungsphase
Ausgehend von der Projektstruktur und der Arbeitspaket-Definition wird der Terminplan dann meilensteinorientiert aufgebaut:
Aktivität für Aktivität bzw. Arbeitspaket für Arbeitspaket zum jeweiligen Meilenstein wird aus der Projektstruktur in den Terminplan übertragen, jedes Arbeitspaket ist mit dem entsprechenden AP-Code (siehe auch Methode ´Arbeitspaket´) zu kennzeichnen
Aktivitäten und Arbeitspakete ablauforientiert anordnen (parallel, nacheinander) und Abhängigkeiten definieren
Aufwand und Durchlaufzeiten aus den Arbeitspaket-Entwürfen übernehmen und „Vorwärts-Terminierung“ , d.h. Verknüpfung entsprechend der logischen Abfolge durchführen
Abgleich mit den Meilensteinen des Kunden und Angebots durchführen und Terminplan optimieren (welche Vorgänge liegen auf dem kritischen Pfad und können wie beschleunigt bzw. verkürzt werden?). Als Darstellungsform hat sich der Balkenterminplan in Automotive-Projekten durchgesetzt. Bei Fahrzeugprojekten kommt die Terminplanung ohne DV-Unterstützung nicht aus. Eine Vielzahl von Systemen sind am Markt, die je nach Projektgröße und Einbindung in die Informationstechnik des Unternehmens mehr oder weniger geeignet sind. 89 Abbildung 2-78 zeigt den Ausschnitt einer Bildschirmdarstellung für ein Fahrzeugentwicklungsprojekt bei einem Systemlieferanten.
Abbildung 2-78: Beispiel: Balkenterminplan eines Systemlieferanten, Screenshot
89 www.pm-software.info
119
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Der besondere Vorteil vernetzter Balkenpläne, bei denen die Beziehungen zwischen den Arbeitspaketen als dynamische Verknüpfung im System gepflegt sind, liegt in der Möglichkeit der Simulation von alternativen Planungsszenarien. Dies ist zum einen für die Optimierung der Planung von Vorteil und zum anderen lassen sich die Auswirkungen von Plan-Aktualisierungen im Rahmen der Projektsteuerung sofort erkennen. Die Visualisierung des kritischen Pfades ist ein weiterer Nutzen des vernetzten Balkenplans. Abbildung 2-79 zeigt dies am Beispiel eines Produktionsanlagenprojekts.
Abbildung 2-79: Beispiel: Vernetzter Balkenterminplan Produktionsanlage (fiktiv)
In größeren und komplexen Fahrzeugprojekten ist es häufig mit einem Terminplan nicht getan. Entsprechend der Projektstruktur, die sich auf oberster Ebene in Teilprojekte für entsprechende Funktionsbereiche, Module oder Komponenten aufbricht, müssen dann auch unterschiedliche Terminpläne für jeden Strukturast und jede Strukturebene aufgebaut und gepflegt werden. Dies geht bis zum einzelnen Arbeitspaket, das je nach Umfang und Dauer einen eigenen Terminplan erfordern kann.
120
Projektplanungsphase
Wichtig ist dabei, dass die wesentlichen Ecktermine (Meilensteine und Synchronisationspunkte) miteinander möglichst dynamisch verknüpft werden, bzw. regelmäßig abgestimmt werden (Terminbesprechung). Abbildung 2-80 zeigt dies schematisch.
Abbildung 2-80: Ebenen von Terminplänen in größeren Projekten (schematisch)
Ebene 1: Masterterminplan
Ebene 2: Teilprojektpläne
Teilprojektpläne Phasenpläne
Ebene 3: Arbeitspaketpläne
Arbeitspaketpläne
(Alle Aufgaben innerhalb eines Arbeitspaketes)
Die komplexe Terminplanstruktur in einem Gesamtfahrzeugprojekt auf mehreren Ebenen zeigt Abbildung 2-81. Zwischen den Ebenen gibt es eine Vielzahl von Informationsbeziehungen zum Abgleich der wesentlichen Ecktermine (Meilensteine, Synchronisationspunkte). Auf der obersten Ebene koordiniert der strategische Projektleiter. Auf der zweiten Ebene sind Teilprojektleiter für 10 Geschäftsbereiche eingesetzt. Auf der dritten Ebene werden für ca. 25 produktbezogene und 25 querschnittsbezogene Funktionsgruppen je ein Terminplan gepflegt. Auf der Ebene darunter existieren pro Funktionsgruppe noch weitere Terminpläne für kritische Bauteile, Werkzeuge, Prototypenaufbau, etc.
121
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-81: Ebenen der Terminplanung im Fahrzeugprojekt eines OEM 90
Strategischer Projektplan
Gesamt Vertrieb Entwicklung Einkauf Prod.-Pl. Werk A Werk B Werk C
Vertrieb Entwicklung
Einkauf
Produktion Gesamtfzg.
Gesamtfzg. Rohbau
Gesamtfzg. Rohbau
Gesamtfzg.
Antrieb
Rohbau Antrieb
Rohbau Antrieb Antrieb
Querschnittsfunktionen
Funktionsgruppen
Komponenten
Prototypfahrzeuge
Werkzeuge
Die dynamische Vernetzung der einzelnen Terminpläne auf unterschiedlichen Ebenen lässt sich in modernen PM-Systemen komfortabel darstellen. Auch die Sicht eines Projektleiters auf Ausschnitte unterschiedlicher Teilpläne, die an bestimmten Stellen vernetzt sind (Synchronisationspunkte), lässt sich problemlos erzeugen. Abbildung 2-82 zeigt das Beispiel einer Bildschirmdarstellung für ein Fahrzeugentwicklungsprojekt:
90 Quelle: Daimler
122
Projektplanungsphase
Abbildung 2-82: Bildschirmdarstellung eines vernetzten Fahrzeugterminplans 91
Projektleitung
CADKonstruktion
Entwicklung
Produktionsplanung
Alle bisherigen Überlegungen zur Terminplanung haben ihre Gültigkeit in den Bereichen und Ebenen eines Projektes, wo es nicht um die Steuerung einzelner Komponenten, Bauteile und Vorgänge im Rahmen der Beschaffungs- und Produktionsprozesse eines Unternehmens geht. Speziell bei Produktionsanlagenprojekten ab dem Start der Beschaffungsaktivitäten und bei Entwicklungsprojekten ab Prototypenbeschaffung sind Feinterminpläne in Tabellen- oder Listenform erforderlich. Die Vielzahl der Parallelaktivitäten würde einen Balkenterminplan völlig unübersichtlich machen. Außerdem geht es meist um die Steuerung der Prozesskette Beschaffung, Fertigung und Montage, deren Prozessschritte sequentiell voneinander abhängen. Diese Abhängigkeit muss in der Terminplanung auch rechnerisch erfasst werden. In großen Unternehmen ist dies die Domäne der PPS-Systeme, die allerdings oft keine vernünftigen Schnittstellen bzw. Berichtsgeneratoren haben, so dass in vielen Fällen die bewährte Excel-Tabelle für einen Feinterminplan die einfachste Lösung darstellt.
91 Quelle: Actano
123
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.5.6
Feinterminplan
Die Feinterminplanung ist ein Hilfsmittel, um alle erforderlichen Projektaktivitäten auf Bauteil- oder Baugruppenebene in der Prozesskette Konstruktion bis Montage/Zusammenbau zu koordinieren. Sie regelt zudem auch die funktionale Zusammenarbeit zwischen den Linienabteilungen entlang der Prozesskette der Auftragsabwicklung im Unternehmen. Die Feinterminplanung ist ein Informations- und Steuerungshilfsmittel vor und während der Realisierungsphase. Die Planung der Feintermine unter Berücksichtigung der Durchlaufzeiten für die einzelnen Komponenten/Baugruppen in den Abteilungen ist ein wesentliches Hilfsmittel zur Priorisierung im Projekt. Durch konsequente Rückwärtsterminierung auf dieser Ebene kann eine Reihenfolgeplanung erfolgen, die es ermöglicht, die Gesamt-Durchlaufzeit eines Projektes drastisch zu verkürzen. Die Feinterminplanung plant alle Prozessschritte ab dem Ende der Konstruktion auf Basis der Projektstruktur und des detaillierten Mengengerüsts (wie z.B. Baugruppen oder Komponenten) in einer sachlogischen und terminlichen Abfolge. Sie ist somit die Feinplanung der Umsetzungsphase eines Projekts. Diese Planung erfordert einen hohen Detaillierungsgrad und berücksichtigt auch Abhängigkeiten, die durch die Prozessabläufe der Linienorganisation (z.B. Planung - Konstruktion - Fertigung) vorgegeben und nicht bzw. nur bedingt beeinflussbar sind. Die Verantwortung für die Durchführung der Feinterminplanung trägt der Projektleiter. Häufig wird sie allerdings auch von einer zentralen Fertigungsplanung und – steuerung im Unternehmen wahrgenommen. Die Planung und Kontrolle einzelner Feintermin-Aktivitäten (Termine, Durchlaufzeiten,...) erfolgt durch ein Teammitglied, das für die Terminkoordination verantwortlich ist oder durch eine zentrale Stelle im Unternehmen. Die Zulieferung der Termine wird durch die ArbeitspaketVerantwortlichen (intern und extern) bzw. Linienabteilungen durchgeführt. Die Struktur des Feinterminplans wird durch das Kernteam, in Abstimmung mit allen Projektbeteiligten, festgelegt. Basierend auf dem detaillierten Mengengerüst werden alle erforderlichen Prozessschritte der einzelnen Linienabteilungen (Arbeitspakete) in einer Tabelle aufgelistet (siehe Abbildung nächste Seite). Hierbei werden alle relevanten Informationen und Teilschritte zu einer Komponente/Baugruppe erfasst. Der Feinterminplan wächst mit dem Projektfortschritt. Begonnen wird mit den Komponenten/Baugruppen aus dem Lieferumfang, die die längste Gesamt-Durchlaufzeit haben (kritischer Pfad) und somit als erste in die Prozesskette eingesteuert werden müssen. Zur Feinterminplanung müssen folgende Schritte durchgeführt werden:
Erstellen des Feintermin-Planungsschemas Ermittlung von Standard-Durchlaufzeiten (z.B. Durchlaufzeit Konstruktion, Beschaffung...) 124
Projektplanungsphase
Festlegung der Reihenfolge aufgrund der Erfordernisse am Ende der Prozesskette und der längsten Durchlaufzeiten (Rückwärtsterminierung)
Ständige Aktualisierung der Feinterminplanung und Informationsweitergabe an den Projektleiter sowie Teilprojektleiter Abbildung 2-83 zeigt das Beispiel einer Tabelle zur Feinterminplanung.
Abbildung 2-83: Beispiel: Feinterminplan-Liste Produktionsanlage (fiktiv) Baugruppe Bezeichnung Nr. 4711 4712 4713 4714 4715 4716 4717 4801 4802 4803 4804 4805 4806 4807 4901 4902 4903 4904 4905 4906 4907
2.5.7
Konsole Tisch Spanner A Spanner B Greifer Ablage ... Gesamt Station 10 Konsole Tisch Spanner A Spanner B Greifer Ablage Gesamt Station 20 Konsole Tisch Spanner A Spanner B Greifer Ablage ... Gesamt Station 30
Fertigstellungstermine der Prozessschritte (Arbeitspakete/Abteilungen) Konstruktion Beschaffung/Fertigung Montage Inbetriebnahme Soll Ist Soll Ist Soll Ist Soll Ist 30.5. 15.7. 22.7. ..... 30.5. 15.7. 22.7. ..... 30.5. 15.7. 22.7. ..... 30.5. 15.7. 22.7. ..... 15.5. 15.7. 22.7. ..... 15.6. 30.7. 6.8. .....
6.6. 6.6. 6.6. 6.6. 15.5. 15.6.
30.7. 22.7. 22.7. 22.7. 22.7. 15.7. 30.7.
6.8. 29.7. 29.7. 29.7. 29.7. 22.7. 6.8.
..... ..... ..... ..... ..... .....
30.5. 30.5. 30.5. 30.5. 15.5. 15.6.
30.7. 15.7. 15.7. 15.7. 15.7. 15.7. 30.7.
6.8. 22.7. 22.7. 22.7. 22.7. 22.7. 6.8.
..... ..... ..... ..... ..... .....
30.7.
6.8.
Kapazitäts- / Ressourcenbedarfsplanung
Die Kapazitäts- und Ressourcenplanung dient der Absicherung der Terminplanung. Im Regelfall konzentriert man sich dabei auf die sogenannten „Engpass-Ressourcen“. Das können bestimmte Abteilungen sein, wie z.B. Entwicklung, Versuch, Test, Prototypenbau, oder auch bestimmte Einrichtungen wie Teststände, Berechnungssysteme, Fertigungseinrichtungen etc. Ziel der Planung des Ressourcenbedarfs ist die Feststellung von projektbezogener Über- bzw. Unterdeckung von Projektressourcen mit den vorhandenen Projektressourcen. Dadurch erhält das Linienmanagement frühzeitig Informationen über den geplanten Ressourcenbedarf und kann entsprechende Vorsorge treffen.
125
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Lässt sich ein Arbeitspaket nicht mit einer dafür vorgesehenen Ressource abdecken, so können bereits im Planungsstadium zur Sicherstellung des Projektablaufs alternative Lösungen erarbeitet werden. Für Entscheidungen zur Annahme von neuen Aufträgen ist eine Kapazitätsplanung unumgänglich, um sicherzustellen, dass Ressourcen für eine Realisierung zur Verfügung stehen. Die Funktion und Aufgabenstellung einer zentralen Ressourcenplanung und –steuerung im Unternehmen wird im Rahmen des Multiprojektmanagement in Kap. 3 erläutert. Im einzelnen Projekt steht zunächst die Ermittlung des Ressourcenbedarfs im Vordergrund. Dafür liefern die Aufwandsschätzungen der Arbeitspakete die wesentlichen Informationen. Abbildung 2-84 zeigt schematisch die meilensteinbezogene Ermittlung des Ressourcenbedarfs auf Basis der Arbeitspakete.
Abbildung 2-84: Ermittlung des Ressourcenbedarfs auf Basis der Arbeitspakete
Start
Phase 1 Arbeitspaket 1.1 Arbeitspaket 1.2 Arbeitspaket 1.3 Arbeitspaket 1.4 Arbeitspaket 1.5
MS B: (3) D: (12) D: (1) A: (4) € 2000,-
Personentage: 20 Kosten: € 2000,-
Phase 2
Ende
Arbeitspaket 2.1 A: (3) Arbeitspaket 2.2 C: (17) Arbeitspaket 2.3 D: (10)
Personentage: 30
Ö A, B, C, D: Ressourcen Ö Ressourcen: Einsatzmittel aller Art wie z.B. Personen, Geräte, Räume Ö (n): Personentage (z.B. à 8 Arbeitsstunden)
Der Projektleiter fordert Ressourcen über die Arbeitspakete bei den Linienabteilungen an. Basis hierfür ist die Aufwandsschätzung der Arbeitspakete, die ja mit dem jeweiligen Auftragnehmer (Arbeitspaketverantwortlicher bzw. Linienmanagement) vorher abgestimmt wurde. Die Dauer und zeitliche Lage des Arbeitspaketes und damit auch des Kapazitätsbedarfes über der Zeit ergibt sich aus dem Terminplan. Gängige PMSysteme bieten vielfältige Möglichkeiten, den Ressourcenbedarf zu erfassen bzw. automatisch aus dem Terminplan in Verbindung mit der Arbeitspaket-Information abzuleiten. Als Entscheidungshilfe lassen sich dann entsprechende Grafiken (z.B. Histogramme) erzeugen. Ressourcenplanung ist generell mit hohem administrativem Aufwand verbunden und sollte deshalb mit aller gebotenen Vorsicht praktiziert werden. Weil die Ressourcenplanung und –steuerung oft selbst sehr viele Ressourcen bindet, wird sie vielfach nur halbherzig praktiziert oder nicht zeitnah gepflegt. Dann sollte gleich darauf verzichtet werden! 126
Projektplanungsphase
Oft sind regelmäßige Termin- und Kapazitätsgespräche zwischen Projekt- und Linienabteilungen, die die Ressourcen verwalten, ohnehin sinnvoller als die Verwaltung von „Zahlenfriedhöfen“. Abbildung 2-85 visualisiert die Ableitung des Ressourcenbedarfs aus dem Terminplan.
Abbildung 2-85: Ressourcenbedarf, abgeleitet aus Terminplan und Arbeitspaketen
Ist der Ressourcenbedarf aus dem Projekt generiert, hat das Linienmanagement alle Informationen, die es zur Kapazitätsplanung benötigt. Jetzt ist es Aufgabe der Linie zu prüfen, ob auch genügend Kapazität verfügbar ist. Bei Engpässen muss die nächste Planungsschleife durchlaufen werden (Fremdvergabe, Änderung des Ablaufs...). Damit ist klar, dass die eigentliche Kapazitätsplanung Aufgabe der Linie und nicht des Projektmanagements ist. Allenfalls im Rahmen eines „Multiprojektmanagements“ kann Ressourcenplanung zentral für alle Projekte unter der Hoheit eines PM-Office oder eines Projektcontrollings praktiziert werden (siehe Kapitel 3).
2.5.8
Kostenplanung / Kalkulation
Eine fundierte Kalkulation ist die Basis für Kostentransparenz im Projekt. Ohne systematische Kostenplanung ist eine Kostenverfolgung im Rahmen des Projektcontrollings unmöglich. Darüber hinaus lassen sich in einer übersichtlichen Kalkulationstabelle die Kostenschwerpunkte recht gut erkennen. Diese Information ist für die Optimierung/Reduzierung der Kosten hilfreich.
127
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Bei der Angebotserstellung, wenn es um die Preisfindung und Beurteilung der Wirtschaftlichkeit geht, ist das Thema Kalkulation erfolgsentscheidend. Mit unscharfen Informationen muss die „Zukunft“ möglichst genau bewertet werden. Das ist vielfach die Sache von Kalkulationsexperten, die über jahrelange Erfahrung in ihrem Geschäft verfügen. Umfangreiche Unterlagen und Datenbanken kommen hier zum Einsatz. Etwas anders verhält es sich, wenn bereits eine systematische Projektplanung erfolgt ist. Im engeren Sinne ist die Projektkalkulation eine Zusammenfassung der Kosteninformationen aus den Arbeitspaketen. Im Zuge der Arbeitspaket-Vereinbarung wurde bereits ein Budget ermittelt, das sich aus unterschiedlichen Kostenarten zusammensetzt. Die folgende Abbildung zeigt die Budgetermittlung auf der Ebene der Meilensteine (1) und Arbeitspaket (2).
Abbildung 2-86: Kostenzuordnung auf Meilensteine und Arbeitspakete 92
1 MasterMeilensteine 2
Funktionale Meilensteine
1
• Arbeitspaket 1 • Arbeitspaket 2 • ...
Meilensteinspezifische Kostenplanung
Jedem Meilenstein wird ein Kostenbudget zugeordnet
2
Arbeitspaketspezifische Kostenplanung
Einem Arbeitspaket wird ein Kostenbudget zugeordnet
Wir unterscheiden grundsätzlich zwischen leistungsbezogenen Kosten und Sachkosten. Diese werden wie folgt ermittelt: Leistungsbezogene Kosten (Planung, Projektierung, Entwicklung, Konstruktion, Versuch, Fertigung, Montage, Inbetriebnahme...):
Geschätzter Aufwand (in Std.) x Stundensatz (Euro/Std.) Der Aufwand ergibt sich aus der Aufwandsschätzung im Rahmen der Arbeitspaketdefinition. Der Stundensatz ist für interne Leistungen als Kalkulationssatz durch das Unternehmenscontrolling vorgegeben. Bei externen Leistungen werden die angebotenen bzw. verhandelten Sätze der Lieferanten zugrunde gelegt. 92 vgl. Schuh (2000), S. 222
128
Projektplanungsphase
Sachkosten (Material, Kaufteile, Fremdleistungen, Reisekosten...):
Der Kalkulationswert wird hier entweder aufgrund vorliegender Angebote oder aufgrund von Erfahrungswerten ermittelt. In den meisten Unternehmen gibt es Kalkulatoren, die als Experten über eine Fülle solcher Erfahrungswerte und entsprechende Archive oder Datenbanken verfügen. Außerdem kann auf die Nachkalkulationen vergleichbarer, abgeschlossener Projekte zurückgegriffen werden. Auch Einkäufer haben häufig ein sehr gutes „Kostengefühl“. Damit liegen alle notwendigen Informationen für die Kostenplanung vor und können in einer Kalkulationstabelle zusammengeführt werden. Es bietet sich an, die Zeilen dieser Tabelle nach den Kostenarten, die das Rechnungswesen des Unternehmens definiert hat, zu gliedern. Damit ist die Basis für einen späteren Soll-Ist-Vergleich im Rahmen der Kostenkontrolle gelegt. Die Spalten der Tabelle sollten nach den verschiedenen Arbeitspaketen gegliedert werden. Neben der Gesamtsumme des Projekts können Zwischensummen für die einzelnen Phasen/Meilensteine ausgewiesen und dann später kontrolliert werden. Mit Hilfe der Zuordnung der Kalkulationswerte zu Meilensteinen und damit zum zeitlichen Verlauf des Fahrzeugprojekts, lässt sich die Kostenentwicklung über der Zeit auch grafisch darstellen (siehe Abbildung 2-87).
Abbildung 2-87: Entwicklung der Projektkosten im Zeitverlauf (fiktiv)
Kosten
Kostensummenlinie (kumuliert) Sachfortschritt n. Meilensteinen (geplant)
Kostenganglinie
(in linearen Zeitabschnitten)
Zeit
129
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Je nach Projektart, Produkt- und Unternehmensstruktur sieht die Gliederung einer Projektkalkulation in die entsprechenden Kostenarten unterschiedlich aus. Die wesentlichen Kostenarten beim Entwicklungsprojekt sind bereits in Kapitel 2.4 im Rahmen der Kostenschätzung erläutert. Abbildung 2-88 zeigt nun das Beispiel einer Projekt-Kalkulationstabelle für Produktionsanlagen mit den spezifischen Kostenarten.
Abbildung 2-88: Beispiel: Projektkalkulation Produktionsanlage
Projektkalkulation
Phase3: Entwurfskonstruktion
Kunde:
Projekt: AAF, Roboterzelle mit Laser
Stand: 28.2.2002
Pos. Nr.
Arbeitspakete: Kostenarten:
1
Beschaffung Roboter + Laser %
Entwurfskonstr. Mechanik
(Euro) 212.000
Fertigungsmaterial / Kaufteile
2
Materialgemeinkosten
3
Fertigungskosten
auf Pos. 1
4
Montage- und Inbetriebnahmekosten
5
Auswärtige Bearbeitung
6 7 8
Fertigungskosten durch Personalleasing Montage- u. Inbetriebnahme durch Personalleasing und Fremdfirmen Fertigungssonderkosten
9
Reisekosten
5%
10.600
2.000
10 Fremdkonstruktion mechanisch
...
%
Kaufteilliste + Lieferantenausw. %
(Euro) 5%
Pro %
(Euro) 0
5.000
5%
0
5%
15.000
20.000
11 Fremdkonstruktion elektrisch 12 Eigenkonstruktion mech. Versuch u. Prozeß
5.000
45.000
12.000
5.000
15.000
17.000
234.600
85.000
51.000
13 Eigenkonstruktion elektrisch
7.000
14 Planung/Projektabwicklung/EDV/CAD 15 Herstellkosten 16 Gemeinkosten
von Pos. 21
17 Fracht 18 Sonst. Vertriebssonderkosten 19 Provision 1
Umsatzerlöse
2
Gewinn / Verlust
von Pos. 21
von Pos. 21
Bemerkungen:
Datum:
17.03.2002
Projektleiter:
Unte
Abhängig vom Stadium, in dem sich ein Projekt befindet, nimmt die Genauigkeit der Kalkulation kontinuierlich zu. Im Rahmen der Projektsteuerung wird auf die Mitkalkulation eingegangen. Abbildung 2-89 zeigt die unterschiedlichen Kalkulationsstadien im Fahrzeugprojekt.
130
Projektplanungsphase
Abbildung 2-89: Stadien der Projektkalkulation in Fahrzeugprojekten 93
Geplante Projektgrößen
Erfahrungsdaten
Aufwandsschätzverfahren
Kostenrechnung + Abschätzung
Kostenrechnung
Geschätzte Projektkosten
Eingetretene Projektkosten
Erreichte Projektkosten
Vorkalkulation
Mitkalkulation
Nachkalkulation
Voka-
Mika-
Naka-
Blatt
Blatt
Blatt
Kostenkontrolle
Kostenanalyse
Kostenplanung
Mit der Kostenplanung ist die Systematik der ersten Projektplanung abgeschlossen. Nur in seltenen Fällen steht damit der Projektplan für unser Fahrzeugprojekt. In der Praxis bedarf es mehrerer Optimierungsschleifen, bis sich die Plangrößen einigermaßen mit den Projektzielen und Vorgaben des Auftraggebers decken.
2.5.9
Optimierung der Projektplanung
Am Ende des ersten Planungsdurchlaufs stellt sich natürlich die Frage, ob die Ziele und Vorgaben des Auftraggebers realistisch erreicht werden können. Bei der systematischen Planungsarbeit haben wir bewusst den Ansatz der „Bottom-Up“ – Planung bzw. der „Vorwärtsterminierung“ gewählt. Damit soll verhindert werden, dass durch „Druck von oben“ das Planungsergebnis mehr dem Wunsch als der Realität entspricht („Was nicht sein darf - auch nicht sein kann“).
93 vgl. Schuh (2000), S. 103
131
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Natürlich steht im Projektmanagement die Erfüllung der Kundenbedürfnisse und – vorgaben an oberster Stelle. Diese Vorgaben können nur mit einer realistischen Planung auch wirtschaftlich und professionell erreicht werden. Deshalb wird die Planung nach dem „ersten Wurf“ noch einmal optimiert, um die Ziele erreichen zu können. Diese „Planungs-Schleife“ hat den Vorteil, dass wir uns jetzt genau auf die Punkte im Projektplan konzentrieren können, die auch das Ergebnis und die Ziele beeinflussen. Weiterhin müssen alle Optimierungsmaßnahmen im überarbeiteten Projektplan dokumentiert werden. Man weiß dann, warum die eine oder andere zusätzliche Anstrengung im Projekt unternommen werden muss. Grundsätzlich unterscheiden wir drei Bereiche der Optimierung:
Die Verkürzung der Zeitachse (Termin-Optimierung) Die Reduzierung der Kosten (Kosten-Optimierung) Die Absicherung der Ressourcen (Ressourcen-Optimierung) Im Folgenden erarbeiten wir einige Optimierungsansätze: Welche Maßnahmen greifen, wenn der Endtermin aus der ersten Planung einige Wochen später als die Vorgabe des Auftraggebers liegt?
Ermittlung der Arbeitspakete, die auf dem kritischen Pfad liegen Parallelisierung kritischer Arbeitspakete (Start mit unreifen Voraussetzungen) Kapazitätserhöhung bei kritischen Arbeitspaketen (Mehrarbeit, Ressourcen) Leistungsbereitschaft und Produktivität der Mitarbeiter in kritischen Arbeitspaketen steigern (Coaching, Arbeitsvorbereitung, Arbeitsumfeld und Infrastruktur...)
Anforderungen (Lastenheft + Pflichtenheft) überprüfen und so weit wie möglich gemeinsam mit dem Auftraggeber vereinfachen Welche Maßnahmen greifen, wenn die Gesamtkosten der ersten Kalkulation 20% über der Vorgabe des Auftraggebers liegen?
Einsparpotentiale beim Produkt und Prozess mit ABC-Analyse gezielt ermitteln Anforderungen (Lastenheft) prüfen und gemeinsam mit dem Auftraggeber vereinfachen (u.a. Wertanalyse)
Vergabeprozess durch Benchmarking und Wettbewerb unterstützen Alternative Materialien, Technologien und Lieferanten suchen
132
Projektplanungsphase
Leistungsbereitschaft und Produktivität der Abteilungen bei kostentreibenden Arbeitspaketen steigern (Coaching, Arbeitsvorbereitung, Infrastruktur...)
Vorhandene Lösungen übernehmen (Standardisierung, Übernahmeteile, Kaufteile) und damit den Entwicklungsaufwand reduzieren Welche Maßnahmen greifen, wenn die geplanten Ressourcen in der Linie, oder bei Lieferanten nicht im entsprechenden Zeitraum zur Verfügung stehen?
Ablauf (Reihenfolge der Arbeitspakete) umplanen bzw. Arbeitspakete splitten Fremdvergabe, Alternativlieferanten suchen Gemeinsam mit den Lieferanten Lösungen ausarbeiten, wie das Projekt beschleunigt werden kann
Vorhandene Lösungen übernehmen (z.B. Norm-, Übernahme- oder Kaufteile), um damit den Entwicklungsaufwand zu reduzieren
Alternative technische Lösungen suchen, um den Ressourcenbedarf zu senken Ist die Planung optimiert und mit allen Beteiligten abgestimmt, so könnten Projektleiter und –team mit ruhigem Gewissen in die Realisierung starten, wenn nicht immer wieder gewisse Risiken, die zu jedem Fahrzeugprojekt gehören, eintreten würden.
2.5.10
Risikomanagement
„Risiko ist die Bugwelle des Erfolges.“ Carl Amery, Schriftsteller und Publizist Fahrzeugentwicklungsprojekte sind per se risikoreiche Projekte. Parallele Abläufe sowie die zunehmende Komplexität durch die verstärkte Vernetzung entlang der Lieferpyramide tragen maßgeblich zur Erhöhung der Risikowahrscheinlichkeit bei. Der hohe Innovationsdruck des Automobilmarktes und die daraus entstehende Gefahr, unreife Produkte in Serie zu bringen, verursachen eine Vielzahl von Risiken. Die aktuellen Rückrufaktionen fast aller großen Automobilhersteller sprechen heute eine deutliche Sprache. Abbildung 2-90 gibt einen Überblick über die generellen Risikoarten, die im Projektverlauf auftreten können.
133
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-90: Generelle Risikoarten im Projektverlauf
Wirtschaftliche Risiken • Währungsrisiko • Bonität des Kunden • Transportrisiken • Lieferantenkonkurs
Idee, Anfrage, Auftrag
Terminliche Risiken
Risiken höherer Gewalt
• Meilenstein-Termine werden nicht eingehalten • SOP verschiebt sich
• Überschwemmungen • Unwetter • Streik, Terroranschläge
Soziokulturelle Risiken • Wertevorstellungen • Kulturelle Konflikte
Projekt-Realisierung
Politische Risiken
Technische Risiken • Neuartigkeit von Tools • Technische Komponenten sind nicht ausgereift • Prozesse nicht stabil
Abnahme
Interpersonelle Risiken • Mitarbeiter sind nicht ausreichend qualifiziert • Konflikte im Team
• Einfluss von Interessengruppen • Importrestriktionen • Neue Gesetze und Vorschriften
Um eine möglichst effektive und effiziente Bewältigung von Projektrisiken in der Automobilindustrie zu ermöglichen, bedarf es eines durchgängigen Risikomanagements. Das Risikomanagement lässt sich gliedern in die Elemente Risikopolitik, Risikoanalyse, Risikomaßnahmen und Erfolgskontrolle. In der Risikopolitik wird die grundsätzliche Risikophilosophie aus Sicht der Geschäftsleitung festgeschrieben und durch risikopolitische Zielvorgaben konkretisiert. Die Teilaufgaben der Risikoanalyse im einzelnen Projekt bestehen in der Risikoidentifizierung und der Risikobewertung. Die identifizierten Risiken werden hinsichtlich ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit und des zu erwartenden Schadenausmaßes vom Projektteam bewertet. Für die nicht tragbaren Risiken werden mögliche Maßnahmen zur Vermeidung oder Minderung erarbeitet. Diese werden dann sowohl hinsichtlich ihrer Effektivität, also der Reduzierung von Schadeneintrittswahrscheinlichkeit bzw. -ausmaß, als auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten priorisiert. Die Wirksamkeit der eingeleiteten Maßnahmen wird im Rahmen einer kontinuierlichen Risikokontrolle überwacht. Die folgende Abbildung zeigt die beschriebenen Elemente des Risikomanagements.
134
Projektplanungsphase
Abbildung 2-91: Elemente des Risikomanagements in Fahrzeugprojekten
Risikopolitik • Aufbau einer Risikophilosophie • Festlegung der prinzipiellen Risikobereitschaft in Abhängigkeit von den Unternehmenszielen • Quantifizierung risikopolitischer Ziele • Dokumentation in einem Risikomanagement-Handbuch
Risikoanalyse Risikoidentifizierung
Risikobewertung
• Ermittlung potenzieller • Risiken • Risikofolgen (Schäden) • Risikoursachen
• Eintrittswahrscheinlichkeit von Schäden • Schadensausmaß
Risikomaßnahmen • Risikovermeidung • Risikominderung • Risikoüberwälzung • Selbsttragen des Risikos
Erfolgskontrolle • kontinuierliche Überwachung der Risikomaßnahmen • Vergleich mit Risikopolitischen Zielen • Transparenz der Risikokosten
Der Risikomanagement-Prozess Der Risikomanagement-Prozess im Projekt beinhaltet alle Aktivitäten, die dazu dienen, potentielle Risiken zu erkennen, zu bewerten und zu vermeiden bzw. den Schaden zu minimieren. Wichtig sind hierbei insbesondere präventive Maßnahmen zur Vermeidung der Risiken. Grundlage bildet die Risikoanalyse, die technische, kommerzielle und organisatorische Risiken bzgl. ihrer Wahrscheinlichkeit und Auswirkung auf Kosten und Termine bewertet und in einer Tabelle darstellt. Als Checklisten für die systematische Identifizierung von potentiellen Risiken können die Produktstruktur, Projektstruktur und Meilenstein-/Terminpläne herangezogen werden. Sind Risiken identifiziert und Maßnahmen definiert, so können diese Auswirkung auf die Projektorganisation, Kosten- und Ablauf-/Terminplanung haben (Abbildung 2-92).
135
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-92: Risikomanagement-Prozess 94
Produktstrukturplan
Projektstrukturplan
Frontend Stoßfänger
Meilensteinplanung
Projekt
Scheinwerfer
Modul
Fabrik
...
...
...
...
...
...
...
...
...
...
Logistik
Design Prototyp FV
Risikomanagement RisikoRisikoidentifikation identifikation
Projektorganisation - Verantwortlichkeiten verändern - Personaleinsatz anpassen - ...
RisikoRisikoanalyse analyse
RisikoRisikomaßnahmen maßnahmen
Kostenplanung
Ablaufplanung
- Kalkulatorische Risikovorsorge treffen - Kostenrahmen für präventive Maßnahmen - ...
- Zeitreserve einbauen - zusätzliche Reviews einfügen - Abhängigkeiten anpassen - ...
Für die Analyse technischer Risiken in der Produktentwicklung hat sich die Methode der FMEA etabliert. Sie wird im Rahmen der QM-Systeme ohnehin gefordert und ist in der einschlägigen Literatur zum Entwicklungs- und Qualitätsmanagement erschöpfend behandelt. Das Automotive-Projektmanagement muss allerdings eine umfassendere Risikobetrachtung auf Management-Ebene anstellen, was wir unter dem Begriff „Risikomanagement“ verstehen. Abbildung 2-93 zeigt die Einordnung des Risikomanagements und seiner Methoden in die verschiedenen Ebenen der Prozesse und Strukturen der Fahrzeugentwicklung.
94 vgl. Schuh (2000), S. 181
136
Projektplanungsphase
Abbildung 2-93: Risikomanagement und FMEA in den Prozessen und Strukturen der Fahrzeugentwicklung 95
Eine Weiterentwicklung der klassischen Prozess-FMEA für die Produktionsprozesse stellt die sogenannte „Entwicklungsprozess-FMEA“ für den gesamten Fahrzeugentwicklungsprozess dar. Sie ergänzt das klassische „Projekt-Risikomanagement“ um die spezifischen Aspekte der Fahrzeugentwicklung. Im Rahmen der Entwicklungsprozessplanung analysiert sie die Risiken im Produktentstehungsprozess und erlaubt somit die frühzeitige Einleitung von Maßnahmen zur Risikovermeidung. Regelmäßig eingesetzt, führt sie zur nachhaltigen Optimierung der Entwicklungsprozesse. Abbildung 2-94 zeigt die Systematik in drei Schritten.
95 ebenda, S. 177
137
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-94: Entwicklungsprozess-FMEA als Instrument des Risikomanagements 96
Prozessstrukturierung
Risikoanalyse und -bewertung
Strukturierung des Entwicklungsprozesses bzgl.:
Ermittlung potenzieller Ereignisse wie z.B.:
• Einbettung in Prozesslandschaft • Aufgaben • Abhängigkeiten, Schnittstellen • Entscheidungspunkte • Quality Gates
• Leistungseinbrüche • Technologiesprünge • Lieferantenausfälle Ermittlung der Prozessfolgen bei Eintritt eines Ereignisses.
Maßnahmen zur Risikominimierung Ableitung von Maßnahmen zur Risikominimierung. Grundlegende Handlungsalternativen: • Präventiv (Risikovermeidung • Reaktiv („fall back“Strategien)
Bewertung der Bedeutung für die Projektzielerreichung
Risikomanagement Durchführung Für die Durchführung der Risikoanalyse im Projekt ist der Projektleiter verantwortlich. Die erste Risikoanalyse sollte bereits in der Angebotsphase durchgeführt werden. Folgende Fragen helfen dabei (siehe auch Risikocheckliste auf der nächsten Seite):
Welche Risiken können auftreten? Worin liegen deren Ursachen? Welche Auswirkungen haben die Risiken? Gibt es Verkettungen einzelner Risiken? Wie entwickeln sich die Risiken im Zeitverlauf? Ist die technische Lösung sicher (neues Produkt oder altbewährtes)? Ändert der Kunde noch seine Vorstellungen (Vertragsumfang fest definiert)? Wie sind Lieferantensituation (Beschaffungsmarkt) und Zusammenarbeit mit den internen und externen Partnern?
Sind die Rahmenbedingungen klar (Restriktionen beim Kunden, ProduktionsStandort, Normen, Vorschriften etc.)?
Wie ist die Kapazitätssituation im Hause (Personal, EDV-Ressourcen, etc.)? Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit mit dem Kunden (Kunden-Projektteam)? Funktioniert die EDV-Kommunikation (E-Mail, Datenaustausch etc.)? Ein Beispiel einer Risiko-Checkliste zeigt Abbildung 2-95.
96 Quelle: Fraunhofer IAO
138
Projektplanungsphase
Abbildung 2-95: Beispiel: Projektrisiko-Checkliste 1.
Technische Risiken - Bereitstellung der Kunden-Infrastruktur - Neuheit von Produkt, Anwendung, Technologie - Reifegrad des Konzepts - zugesicherte Eigenschaften/Leistungen (Abnahmekriterien) - Schnittstellen - Zulieferanten - Logistik, Transport und Verpackung (Maße, Gewichte) - spezifische Normen + Vorschriften - vorgeschriebene Lieferanten
2.
Risiko o o o o
o o o o o
Kommerzielle Risiken in Verbindung mit der technischen Leistung - Pönalen - Zulieferer-Risiko - Produkthaftung/Folgeschäden - Baustelle/Inbetriebnahme innere Risiken - hoher Auftragswert - Kalkulationsrisiko - Abnahmebedingungen und -zeitpunkte Risiken aus dem Umfeld - politisches/wirtschaftliches Risiko - Währungsrisiko - geltendes Recht - Schiedsgerichts-Klausel - Behördenrisiko (Genehmigungsverfahren) - Konsortialrisiko - Finanzierungsrisiko (extern), Zahlungsziel des Kunden - lokale Steuern und Abgaben - höhere Gewalt - Zollabwicklung
3.
i.O.
o o o o o o o o o o o o o o o o o
Organisatorische Risiken intern - verfügbare Ressourcen (Kapazität) - Besetzung Projektleiter/Kernteam - Auslastung der Firma - neue oder geänderte Abläufe - Projektabwicklung überregional extern - Generalunternehmerschaft (Einfluß) - Kundenbeistellungen (Daten, Infrastruktur, etc.) - Projektteam beim Kunden (Zusammenarbeit) - Kommunikation in Fremdsprache - DV-Kommunikation (Datentausch)
o o o o o o o o o o
139
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Im Rahmen der Projektplanung wird die Risikoanalyse aktualisiert und ggf. verfeinert. Hilfreich ist die Befragung von Experten sowie die Analyse des Projektumfeldes und des Projektstrukturplanes. Ergebnisse aus FMEAs, Simulationen und Versuchen können ebenfalls Informationen liefern. Die potentiellen Risiken werden dann am Besten im Rahmen einer Planungsklausur gemeinsam im Team analysiert. Das Projektteam trägt in einem Brainstorming mögliche Risiken zusammen und bewertet sie bzgl. Auswirkung auf Kosten, Termine und Eintrittswahrscheinlichkeit. Dabei helfen zum einen die Risikocheckliste und zum anderen ein systematisches „Abklopfen“ jeder einzelnen Position in der Projektstruktur bzw. im Terminplan. Das Ergebnis wird in einer Risikotabelle dokumentiert (siehe Abbildung 2-96). 97 Die Risikotabelle unterstützt dabei, die Risiken systematisch zu erfassen und zu bearbeiten. Folgender Ablauf ist empfehlenswert:
Risiko erfassen und beschreiben (1. Spalte) Ursache des Risikos dokumentieren (damit die entsprechenden Maßnahmen möglichst an der Ursache und nicht am Symptom ansetzen)
Wahrscheinlichkeit des Eintretens abschätzen (hoch, mittel, gering) Tragweite bzw. Auswirkung für das Projekt beurteilen (hoch=Projektabbruch, mittel=große Abweichungen bei Termin, Kosten, Qualität, gering=kompensierbare Abweichungen bei Termin, Kosten, Qualität)
Risikokennzahl (RKZ) aus Wahrscheinlichkeit (WS) und Tragweite (TW) ermitteln Auswirkungen quantitativ auf die Projektkosten und den Projekttermin abschätzen und dokumentieren
Mögliche Maßnahmen definieren zur Vermeidung / Minimierung des Risikos (präventiv) bzw. Kompensation der Auswirkungen bei Eintritt (korrektiv)
Priorisierung der Risiken vornehmen z.B. anhand der Risikokennzahl (RKZ), damit die Anzahl der Maßnahmen auf ein realisierbares Maß reduziert werden kann
Gründe für die Priorisierung dokumentieren (Nachvollziehbarkeit) Art der Umsetzung der Maßnahmen dokumentieren (zusätzliches Arbeitspaket, Punkt in der Aktivitätenliste...) Im nächsten Schritt werden die Maßnahmen dann in die Projektplanung eingearbeitet bzw. in das Projekt direkt im Rahmen einer Projektbesprechung eingesteuert (Aktivitätenliste). Der Aufwand für die Umsetzung der Maßnahmen und das Restrisiko wird entsprechend in der Kalkulation berücksichtigt. Zusätzliche Arbeitspakte und Aktivitäten müssen in den Ablauf (Terminplan) eingearbeitet werden.
97 vgl. Stein (2004), S. 105ff
140
Projektplanungsphase
Abbildung 2-96: Beispiel: Projekt-Risikotabelle
141
2.5
Entscheidend für ein effektives Risikomanagement ist die Auswahl der größten Risiken, die minimiert werden sollen. Die Klassifizierungsmöglichkeiten in A-, B- und CRisiken verdeutlicht die folgende Abbildung. A-Risiken können den Projekterfolg komplett in Frage stellen B-Risiken beeinträchtigen das Fahrzeugprojekt in seinem Erfolg ganz erheblich C-Risiken führen zu einer geringen Beeinträchtigung des Projekterfolgs
Abbildung 2-97: Klassifizierung von Projektrisiken
hoch
Eintrittswahrscheinlichkeit
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
A möglich
B
gering
unwahrscheinlich
C
geringfügig
spürbar
schwerwiegend
kritisch
Schadensausmaß/Tragweite
Mögliche Maßnahmen zur Minimierung der identifizierten Projektrisiken können sein:
Vermeidung: Durch eine grundsätzliche Änderung oder Alternativlösung. Ist beispielsweise eine gewählte Verbindungstechnik risikobehaftet, so ist eine Eliminierung des Risikos durch den Einsatz einer ausgereiften, zuverlässigen Alternativtechnologie möglich.
142
Projektplanungsphase
Versicherung: Die Versicherung von Risiken beeinflusst nicht die Eintrittswahrscheinlichkeit, reduziert jedoch das Schadensmaß, das bei Eintritt des Ereignisses getragen werden muss. Typische Risikoversicherungen stellen die Produkthaftpflichtversicherung oder eine Rückrufkostenversicherung dar.
Übertragung (auf Auftraggeber, Partner, Lieferanten u.a.): Eine Übertragung von Risiken ist durch eine entsprechende Vertragsausgestaltung möglich, durch die beispielsweise das Risiko einer verzögerten Produkteinführung auf den Auftraggeber übertragen wird.
Verminderung: Eine Verminderung des Risikos senkt die Eintrittswahrscheinlichkeit und/ oder das erwartete Schadensausmaß. Eine Verminderung kann zum einen durch technische Maßnahmen erreicht werden wie der zusätzlichen Einführung weiterer Qualitätsprüfungen oder durch organisatorische Maßnahmen, etwa durch eine Schulung der Mitarbeiter. In bestimmten Fällen macht es durchaus Sinn, ein Risiko zu akzeptieren. Bei der Akzeptanz eines Risikos werden die Konsequenzen eines möglichen Eintretens des Ereignisses bewusst in Kauf genommen. Dies ist besonders sinnvoll, wenn es sich um Risiken einer niedrigen Risikoklasse handelt oder bei Risiken, deren Aufwand zur Vermeidung oder Verminderung unverhältnismäßig groß wäre. Die Wahl der jeweiligen Maßnahmen zur Risikobewältigung muss sich an der Klassifizierung der Risiken orientieren. Im Folgenden ist eine denkbare Zuordnung von Risikoklasse und Dringlichkeit und Art der Maßnahme aufgezeigt:
A-Risiken: nur eine sofortige Eliminierung oder Versicherung ist akzeptabel B-Risiken: Vermeidung anstreben, wenn nicht möglich zumindest Minimieren oder Übertragen
C-Risiken: Überprüfen, ob Verminderung oder Übertragung möglich ist, sonst bewusste Akzeptanz des Risikos Wird das Risikomanagement professionell betrieben, so leistet es einen wertvollen Beitrag zur Projektsteuerung. Potentielle Probleme im Projektverlauf werden frühzeitig erkannt und evtl. sogar vermieden. Im Rahmen der Projektsteuerung sollte die Datenbasis des Risikomanagements kontinuierlich gepflegt werden. Mit zunehmendem Projektfortschritt können immer mehr Risiken ausgeschlossen werden. Die Projektplanung ist entsprechend anzupassen.
143
2.5
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.6
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Einhaltung von Terminen und Kostenbudgets ist nach wie vor ein zentrales Thema in der Fahrzeugentwicklung. Dies zeigen auch die Ergebnisse der Studie „Fahrzeugentwicklung in Deutschland.“ 98 Bei 20% der befragten Unternehmen werden die Anlauftermine nicht eingehalten und 30% der Automobilunternehmen überschreiten die Zielkosten. Um ein Automotive-Projekt auf Kurs zu halten, ist eine Reihe von PMMethoden anzuwenden. Die „Systematik des Projektcontrollings“ zeigt den Zusammenhang der einzelnen Methoden von der Abweichungsanalyse bis zum Berichtswesen. Die Statusbesprechung spielt dabei eine zentrale Rolle. Als wesentlicher Erfolgsfaktor in Automotive-Projekten hat sich ein professionelles Änderungs- und Claimmanagement herauskristallisiert. Dieser Prozess muss eng mit dem Projektcontrolling verzahnt werden.
2.6.1
Überblick Projektcontrolling und Projektsteuerung
„Klug ist nicht, wer keine Fehler macht. Klug ist der, der es versteht, sie zu korrigieren.“ Wladimir Iljitsch Lenin, russischer Revolutionär und sowjetischer Staatsmann Automotive-Projekte laufen in den seltensten Fällen „nach Plan“. Vielfältige Einflüsse des Unternehmens, des Umfelds, des Kunden und der Lieferanten sorgen dafür, dass die Arbeit für Projektleiter und –team in der Realisierungsphase erst richtig spannend wird. Planungsfehler und zwischenmenschliche Probleme tragen dazu bei, dass die Abwicklung des Projekts nicht nur Routine wird. Es gibt also eine Vielzahl von Störgrößen, mit denen gerechnet werden muss. Damit wir nicht all den Störungen in der Projektabwicklung hilflos ausgeliefert sind, brauchen wir eine professionelle Projektsteuerung. Projektsteuerung ist der in der Projektmanagement-Literatur gängige Begriff für alle Anstrengungen von Projektleiter und –team, die dazu dienen, das Projekt „auf Kurs“ zu halten, sprich die vereinbarten Ziele und Ergebnisse zu erreichen. Aus technischer Sicht ist der Begriff der „Steuerung“ unzureichend, weil es um eine „Regelung“ geht. Der engl. Begriff „Projektcontrolling“ bringt den Sachverhalt besser zum Ausdruck. Dem Controlling liegt prinzipiell der Regelkreis- Gedanke zugrunde (engl. to control = regeln). Projektcontrolling ist in vielen Automobil-Unternehmen eine Gemeinschaftsaufgabe von Projektmanagement und dem zentralen Projekt- oder Unternehmenscontrolling.
98 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 46
144
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Der Controller liefert in vielen Fällen, zumindest bei größeren Projekten, die Planungsund Steuerungsdaten und pflegt die entsprechenden Systeme. Er kümmert sich auch um Informationsbeschaffung, die Analyse von Ursachen bei Planabweichungen und Dokumentation der Ergebnisse (Planungsunterlagen, Abweichungs-Berichte, Tabellen etc.). Der Projektleiter trifft Entscheidungen und veranlasst Maßnahmen, die zur Zielerreichung bzw. Kurskorrektur dienen. Abbildung 2-98 zeigt das Regelkreis-Modell der Projektsteuerung.
Abbildung 2-98: Projektsteuerung als Regelkreis-Modell
2.6.2
Systematik der Projektsteuerung
Die Projektsteuerung ist die Methodik / Vorgehensweise, um vorher definierte Ziele (Kosten, Termine, etc.) zu erreichen. Sie liefert regelmäßig Informationen über Abweichungen und Vorschläge für Korrekturmaßnahmen. In größeren Projekten ist in der Regel ein Mitarbeiter als Projektcontroller für Planungs- und Steuerungsinformationen verantwortlich. In kleineren Projekten übernimmt der Projektleiter diese Aufgabe in Personalunion.
145
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Projektsteuerung in einem Fahrzeugprojekt ist ein fortlaufender Prozess. Die prinzipiellen Controlling-Aktivitäten wiederholen sich periodisch (Controlling-Schleife), z.B. in einem monatlichen Rhythmus, so dass immer wieder aktuelle Ist-Daten zur Verfügung stehen. Der Steuerungs-Kreislauf in einem Projekt lässt sich wie folgt darstellen (Abbildung 2-99):
Abbildung 2-99: Systematik der Projektsteuerung
LOP
PB = Projektbesprechung
Liefer- und Leistungsumfang • Strukturen • Kostenplan • Terminplan •
• PB
Qualitätsplan • Aktualisierte Planung
LOP PB
Meilenstein- • Freigabe
Berichtswesen
Statusbericht • /Reporting LOP
•
Claimmanagement
PB
•
LOP = Liste Offener Punkte
Termin- und Fortschrittskontrolle • Terminprognose • Kostenkontrolle / Mitkalk. • Reifegradcontrolling
Vorschau / Kontrolle
PB
LOP
•
Analyse / Maßnahmen
Änderungsmanagement
• •
Abweichungsanalyse Risikomanagement
Steuerungsmaßnahmen
PB
LOP Änderungsliste • Änderungsbewertung • Änderungsentscheidung
Die Projektsteuerung beinhaltet grundsätzlich alle Maßnahmen, die dazu dienen, das Projekt im Sinne der definierten Ziele „auf Kurs“ zu halten. Hierzu gehören im Wesentlichen die Informationen über den Projektstatus (Soll/Ist-Termine, Soll/Ist-Kosten, Soll/Ist-Qualität und Produktreife) und Projektfortschritt (erledigte Arbeitspakete und Vorschau auf das Ende des Projektes). Dann werden Abweichungen von der Projektplanung analysiert, Entscheidungen über Korrekturmaßnahmen getroffen und die Aktivitäten zu deren Umsetzung eingeleitet. Änderungen des Kunden und deren effektive Einsteuerung ins Projekt (Änderungsmanagement) und auch die daraus entstehenden Mehrkostenforderungen (Claimmanagement) gehören ebenfalls in den Bereich der Projektsteuerung. Abbildung 2-100 zeigt mögliche Statusinformationen in einem Fahrzeugprojekt.
146
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Abbildung 2-100: Statusinformationen und Soll-Ist-Vergleiche im Fahrzeugprojekt Stichtag
1. Erfassung Ist-Daten: „Die Aktualität ist wichtiger als die Genauigkeit der Daten!“
Sachfortschritt
Kosten • Entwicklungskosten • Invest • .....
• Entwicklungsstand • Gewicht • Herstellkosten • ...
2. Soll-Ist-Vergleich:
Termine
Plan-Daten
Ist-Daten Sachfortschritt
Kosten
„Nur ein Vergleich auf Basis des Sachfortschritts (Zwischenergebnisse) ist sinnvoll !“
Die wesentlichen Instrumente der Projektsteuerung sind:
Termin- und Fortschrittskontrolle Kostenkontrolle/Mitkalkulation (monatlich) Reifegradcontrolling für Produkt und Prozess Abweichungsanalyse Steuerungsmaßnahmen Projektstatusbesprechung Reporting bzw. der Projektstatusbericht Änderungsmanagement und Claimmanagement Die einzelnen Instrumente werden in den folgenden Kapiteln im Detail erklärt.
2.6.3
Termin- und Fortschrittskontrolle
Die Termin- und Fortschrittskontrolle dient dazu, die zu Beginn des Projekts vereinbarten Meilensteine zu erreichen. Durch regelmäßige Kontrolle der Arbeitsergebnisse wird sichergestellt, dass Abweichungen frühzeitig erkannt und entsprechende Steuerungsmaßnahmen eingeleitet werden. Die Fortschrittskontrolle beinhaltet Maßnahmen, um das Projekt im Sinne der definierten Sachergebnisse und Termine auszusteuern. 147
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Hierzu gehören im Wesentlichen Aussagen über
erledigte Aktivitäten bzw. Arbeitspakete angefangene Arbeitspakete und deren Erfüllungsgrad geplante Arbeitspakete Terminliche Abweichungen von der ursprünglichen Projektplanung änderungsbedingte Terminverschiebungen Die Termin- und Fortschrittskontrolle des Gesamtprojekts liegt in der Verantwortung des Projektleiters, unterstützt durch das Projektteam. Für die einzelnen Teilprojekte und Arbeitspakete sind die jeweiligen Kernteam-Mitglieder verantwortlich. Zunächst werden Informationen über Status, Fortschritt und Abweichungen vom Plan erfasst. Diese Informationen erhält man durch Rückfragen bei den Verantwortlichen der Arbeitspakete, die aktuell in Arbeit sind. Dies kann auch im Rahmen einer regelmäßigen Terminbesprechung erfolgen. Anhand von Meilenstein-Reviews lässt sich der Projektfortschritt am elegantesten ermitteln. Durch die klare Zuordnung von Sachergebnissen kann auch die Erledigung der Aufgaben transparent nachgewiesen werden. Zur Status-Visualisierung dienen dabei in vielen Fällen die sogenannten „AmpelBewertungen“ (siehe Abbildung 2-101):
Abbildung 2-101: Kriterien für die Ampelbewertung von Meilenstein-Messgrößen99 Signal
rot
Definition Der Ist-Wert der Messgröße weicht vom Soll gravierend ab. Es liegt kein abgesicherter Maßnahmenplan vor.
gelb
Der Ist-Wert der Messgröße weicht vom Soll ab. Es liegt ein abgesicherter Maßnahmenplan vor.
grün
Der Ist-Wert der Messgröße stimmt mit dem Soll überein.
Meilensteine oder „Quality Gates“ gehören mit zu den wichtigsten Steuerungsinstrumenten in Fahrzeugentwicklungsprojekten. Weil diese Entscheidungspunkte auch vom jeweiligen Management genau beobachtet werden, ergeben sich in der Praxis vielfältige psychologische Probleme. 99 Quelle: Daimler
148
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Ein Thema ist, dass seitens der Auftraggeber Freigaben oft zu spät oder verzögert erteilt werden, weil es offensichtlich an der Entscheidungsfreude oder am Verantwortungsbewusstsein fehlt (Angst vor Fehlentscheidungen und deren Konsequenzen). Viele Methodiker und QM-Experten haben sich mit der sogenannten Quality-Gate oder Reifegrad-Systematik - vor allem bei den OEMs - beschäftigt. Zahlreiche Messgrößen führen zu einer Bewertung nach den Kategorien rot, gelb, grün. Allerdings wird nach dem Motto „Was nicht sein darf, kann auch nicht sein“ in den meisten Projektkulturen allenfalls „gelb“ akzeptiert. Wenn jemand „rot“ meldet, wird das Thema so lange diskutiert und „gesund gebetet“ bis „gelb“ daraus wird. Damit werden Probleme verschleppt und nicht gelöst. Spätere Eskalationen kosten ein Vielfaches und haben fatale Auswirkungen auf Termine und Qualität. Aussage eines Systemlieferanten im Rahmen der Studie: “ Unternehmer-Geist in frühen Phasen der Fahrzeugentwicklung wird durch die intolerante „Fehlerkultur“ in Deutschland verhindert“. Disziplin, Transparenz, Ehrlichkeit und eine fehlertolerante Projektkultur sind Voraussetzungen, die für eine professionelle Fortschrittskontrolle in Fahrzeugentwicklungsprojekten notwendig sind. Gerade in größeren Unternehmen gibt es dazu massiven Handlungsbedarf. Job-Rotation-Programme und eine Kultur der „weißen Weste“, verbunden mit „Druck von oben“ züchten geradezu angepasste „Ja-Sager“, die kaum Entscheidungen treffen und nur „gewünschte Informationen“ nach „oben“ weitergeben. Eine neue Projektkultur muss im Sinne von mehr Effektivität Raum greifen. 100 Ist eine offene Projektkultur im Automotive-Projekt vorhanden, so lässt sich mit Meilensteinen und Quality Gates als Instrumentarien der Projektfortschrittskontrolle hervorragend arbeiten. Abbildung 2-102 zeigt die Systematik Fortschrittskontrolle mit Quality Gates. Die Sachergebnisse der Arbeitspakete einer Projektphase werden anhand vorher definierter Messkriterien (siehe Kapitel 2.4) in einem Meilenstein-Review, das in diesem Fall „Quality-Gate-Klausur“ heißt, überprüft. Diese ReviewVeranstaltung wird als Entscheidungssitzung organisiert. D.h. es ist seitens des Projektteams eine Statusbesprechung vorzubereiten (siehe „Statusbesprechung“ weiter unten im Kapitel), in der die aktuellen Ergebnisse und Messgrößen präsentiert werden. Anhand einer Ampelbewertung wird pro Kriterium - und dann aggregiert für das gesamte Fahrzeugprojekt - eine Bewertung vorgeschlagen. Das Entscheidungsgremium, meist der Steuerkreis des Projektes evtl. erweitert um Fachexperten, bildet sich anschließend seine eigene Meinung und bestätigt oder korrigiert die Einschätzung des Projektteams. Jetzt muss entschieden werden, wie mit dem Projekt bzw. Teilprojekt, dessen Meilenstein freigegeben werden soll, weiter verfahren wird. Je nach Ampelbewertung stehen drei alternative Wege zur Auswahl:
Grün: Meilenstein/Quality-Gate passieren (ohne weitere Auflagen wird die nächste Phase des Projektes mit ihren Arbeitspaketen freigegeben).
100 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 55f
149
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Gelb: Meilenstein/Quality-Gate unter Auflagen passieren. D.h. es muss ein Maßnahmenplan vorliegen, der notfalls im Meilenstein-Review gemeinsam erarbeitet wurde. Dieser Maßnahmenplan mit konkreten, meist kurzfristigen Terminen ist dann konsequent abzuarbeiten. Parallel können die Arbeitspakete und Aktivitäten der Folgephase gestartet werden.
Rot: Meilenstein/Quality-Gate nicht passieren. Hier gibt es drei Alternativen: 1.
Die Projektziele / –Anforderungen und Messkriterien werden angepasst (Änderung), so dass aus ursprünglich „rot“ dann „gelb“ oder sogar „grün“ wird.
2.
Das Projektteam bekommt die Auflage zur „Nacharbeit“ und einen neuen Termin, zu dem eine neue Bewertung der Messgrößen vorgelegt werden soll (in der Praxis sehr selten, da dadurch das Projekt „angehalten“ wird und das will ja, wie oben erwähnt, kaum jemand verantworten).
3.
Das Projekt wird abgebrochen (diesen Fall haben wir in der Praxis bei Fahrzeugprojekten in der Entwicklungs- bzw. Serienphase ganz selten erlebt).
In Abbildung 2-102 ist die geschilderte Systematik schematisch dargestellt.
Abbildung 2-102: Quality-Gate Systematik101
Projekt abbrechen Rückschritt mit Terminkorrektur
Quality Gate n+1
(rot) nicht passieren
Weiter mit Änderung
Quality Gate n
(grün) passieren
(gelb) passieren mit Maßnahmen
101 Quelle: Daimler
150
Maßnahmen abarbeiten
Quality Gate n-1
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Betrachten wir die Ebene der einzelnen Arbeitspakete, so lässt sich mit gewissem Aufwand auch zwischen den Meilensteinen, innerhalb einer Phase eine einigermaßen objektive Aussage über den Projektfortschritt treffen, wenn die Sachergebnisse der Arbeitspakete und evtl. weitere Messkriterien klar definiert sind (siehe Kap 2.5.4). Aufgrund der Relation zwischen fertigen Ergebnissen/erreichten Messgrößen und den unerledigten/unerreichten Punkten kann zumindest näherungsweise ein Fertigstellungsgrad ermittelt werden. Dazu ist viel Erfahrung und Gespür seitens der Projektleitung erforderlich. Nach Auffassung der Autoren ist diese Vorgehensweise in jedem Fall realistischer und seriöser als viele aufwändige Berechnungsalgorithmen, die in der Projektmanagement-Literatur viel Verbreitung gefunden haben. Im Sinne einer effizienten und pragmatischen Projektsteuerung, die sich nicht durch „ÜberAdministration“ in Selbsthemmung bringt, empfehlen wir „Management by walking around“ und gesunden Menschenverstand statt mathematischer Modelle zur Fortschrittsbewertung. Nach erfolgter Fortschrittsbewertung auf Arbeitspaketebene kann deren Ergebnis im Balkentermin oder in einer Terminliste visualisiert werden. Die Aktualisierung im Balkenterminplan hat den Vorteil, soweit dieser ordentlich vernetzt ist, dass sich die Projektleitung auch über die Konsequenzen der aktuellen Einschätzung für zukünftige Arbeitspakete bzw. den gesamten restlichen Projektverlauf Gedanken machen muss. Abbildung 2-103 zeigt diesen Zusammenhang schematisch auf.
Abbildung 2-103: Termin- und Fortschrittskontrolle visualisiert im Balkenplan
Plan-Werte
Arbeitspaket
Ist-Werte
Verantw.
Entwurf
Fleissig
Musterbau
Praktik Käufer
Materialbesch. Versuch Prototypfreig.
Probe
Pflichtenheft
Hurtig
Vorschau
Kalenderwochen 3 4 5 6 7 8
9
10
Leiter
Sachfortschritt Stichtag
151
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Moderne Projektmanagement-Software-Tools bieten viele komfortable Möglichkeiten, die Fortschrittsdaten zu erfassen und den aktuellen Terminstatus zu visualisieren. Mit Hilfe der Funktion „Überwachung“ kann z.B. in MS Project das ganze Projekt oder einzelne Vorgänge aktualisiert werden. Um Abweichungen vom Basis-Terminplan zu visualisieren, kann dieser in der Balkenplandarstellung mit angezeigt werden. Der obere Balken zeigt dann den ursprünglichen Plan und der untere die neue Situation. Der Fortschritt des jeweiligen Arbeitspaketes wird mit einem dunklen Bereich innerhalb des neuen Balkens visualisiert. Abbildung 2-104 zeigt ein Beispiel als Druckausgabe aus MS-Project.
Abbildung 2-104: Termin- und Fortschrittskontrolle visualisiert, MS Project (fiktiv)
Für die Aktivitäten der Realisierungsphase, die im Prozess Konstruktion - Fertigung/Beschaffung – Montage/Inbetriebnahme ablaufen, wird der Fortschritt durch den Abgleich von Feinterminplan und Fertigmeldungen ermittelt. Eine Fortschrittskontrolle allein auf Ebene der Arbeitspakete reicht hier nicht aus. Die einzelnen Aktivitäten sind hier auf Baugruppenebene zu stark verzahnt. Die Informationen über den aktuellen Stand und Fortschritt der jeweiligen Baugruppen werden in vielen Fällen im Rahmen einer regelmäßigen Terminbesprechung erfasst. Teilnehmer sind die Projektleitung und die betroffenen Linienabteilungen (Konstruktion, Fertigung, Einkauf, Montage) bzw. die Arbeitspaket-Verantwortlichen. Durch diese interdisziplinäre Zusammenarbeit können auch Auswirkungen von Terminverzügen auf den nächsten Prozessschritt sofort diskutiert werden. Maßnahmen zur Gegensteuerung werden dann vereinbart und in einer Aktivitätenliste dokumentiert.
152
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Da ein Feinterminplan aufgrund der Vielzahl der Termine und Komplexität der Abhängigkeiten am Besten in Tabellenform gepflegt wird (siehe Kapitel 2.5), bietet sich diese Darstellung auch für die Kontrolle an. Eine Beispiel-Tabelle für einen Soll-IstVergleich der Termine auf Baugruppen-Ebene zeigt Abbildung 2-105.
Abbildung 2-105: Beispiel: Tabelle zur Feintermin- und Fortschrittskontrolle (fikiv) Baugruppe Bezeichnung Nr. 4711 4712 4713 4714 4715 4716 4717 4801 4802 4803 4804 4805 4806 4807 4901 4902 4903 4904 4905 4906 4907
Konsole Tisch Spanner A Spanner B Greifer Ablage ... Gesamt Station 10 Konsole Tisch Spanner A Spanner B Greifer Ablage Gesamt Station 20 Konsole Tisch Spanner A Spanner B Greifer Ablage ... Gesamt Station 30
AbweiFertigstellungstermine der Prozessschritte (Arbeitspakete/Abteilungen) chung Konstruktion Beschaff./Fertigung Montage Inbetriebnahme Soll Ist/Vorsch. Soll Ist/Vorsch. Soll Ist/Vorsch. Soll Ist/Vorsch. (Tage) 30.5. 6.6. 15.7. 22.7. ..... 5 30.5. 6.6. 15.7. 22.7. ..... 5 30.5. 6.6. 15.7. 22.7. ..... 5 30.5. 6.6. 15.7. 22.7. ..... 5 15.5. 15.5. 15.7. 22.7. ..... 5 15.6. 15.6. 30.7. 6.8. ..... 5 15.6. 6.6. 6.6. 6.6. 6.6. 15.5. 15.6.
6.6. 6.6. 6.6. 6.6. 15.5. 15.6.
30.7. 22.7. 22.7. 22.7. 22.7. 15.7. 30.7.
6.8. 29.7. 29.7. 29.7. 29.7. 22.7. 6.8.
..... ..... ..... ..... ..... .....
0 0 0 0 0 0
15.6. 30.5. 30.5. 30.5. 30.5. 15.5. 15.6.
6.6. 6.6. 6.6. 6.6. 15.5. 15.6.
30.7. 15.7. 15.7. 15.7. 15.7. 15.7. 30.7.
6.8. 22.7. 22.7. 22.7. 22.7. 22.7. 6.8.
..... ..... ..... ..... ..... .....
5 5 5 5 5 5
30.7.
6.8.
15.6.
Eine umfassende Information über den terminlichen Status und Fortschritt des Projekts ist für eine vorausschauende Projektleitung in der Automobilindustrie allerdings nicht ausreichend. Regelmäßig, mindestens zu den Meilenstein-Reviews, sollte sich der Projektmanager Gedanken über den weiteren Projektverlauf und terminlichen Trend machen. Ein Projektsteuerkreis als übergeordnetes Entscheidungsgremium erwartet vom Projektleiter Prognosen unter Berücksichtigung der aktuell bekannten Risiken und Probleme im Fahrzeugprojekt. Ein Instrument das diese Prognose methodisch unterstützt und visualisiert ist die sogenannte „Meilensteintrendanalyse“.
2.6.4
Terminprognose mit der Meilensteintrendanalyse
Im Laufe eines Projekts wird es nicht selten zu kleinen bis mittleren Terminabweichungen kommen. Der Plan wird aktualisiert und es entstehen Differenzen im Soll-IstVergleich, die noch relativ wenig Aussagekraft besitzen.
153
2.6
Bei langjährigen Projekten ist es unwahrscheinlich, dass eine Verzögerung den Abschlusstermin gefährdet, wird der Termin eines Arbeitspaketes sehr oft verschoben, kann man von weiteren Verzögerungen ausgehen. Als Bezugspunkt für eine Trendaussage bieten sich die Meilensteine als projektentscheidende Ereignisse an. Die "Meilenstein-Trendanalyse" (MTA) erfasst die Veränderungen der Plan-Meilensteintermine und bildet sie in grafischer Form ab. "Meilenstein-Trendanalysen" (MTA) werden bereits in vielen Fahrzeugentwicklungsprojekten erfolgreich eingesetzt; allerdings werden sie nach wie vor häufig manuell erstellt und nicht von den eingesetzten PM-Tools erzeugt. Als sehr übersichtliche grafische Form hat sich diese Darstellungsart durchgesetzt (Abbildung 2-106):
Abbildung 2-106: Meilensteintrendanalyse, schematische Darstellung
Berichtszeitraum (X-Achse) 4/04
6/04
10/04 8/04
12/04
2/05 4/05
6/05
6/05 Planungszeitraum (Y-Achse)
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
4/05 5
5
5
5
2/05 4
4
12/04 3
3
2
2
10/04 3
6/04 1
4 3 2
8/04 2 1
5 4
4
3
1
Projektfreigabe
2
Funktionsmuster
3
Konzeptfreigabe
4
Komponentenfreigabe
5
Modulintegration
4/04
Auf der waagerechten Achse des Dreiecksrasters werden die Berichtstermine von links nach rechts aufgetragen, auf der senkrechte Achse von unten nach oben die Plantermine der Meilensteine mit identischem Kalender. Die Meilensteine werden durch Symbole oder Farben unterschieden und an den Berichtszeitpunkten aktualisiert.
154
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Bei jeder Aktualisierung wird die komplette Meilensteinkette in der vertikalen Flucht unterhalb dem Berichtstermin neu eingetragen. Dadurch entsteht für jeden betrachteten Meilenstein ein horizontaler Polygonzug. Weicht der neu berichtete PlanMeilensteintermin von dem ursprünglich geplantem Termin ab, verlässt der Polygonzug den waagerechten Verlauf. Typische MTA-Kurvenverläufe:
Waagerechter Verlauf: Termin wird eingehalten Ansteigender Verlauf: Termin wird überschritten Fallender Verlauf: Termin wird unterschritten Es handelt sich bei der Meilensteintrendanalyse (MTA) also um einen Plan-PlanVergleich. D.h. die Prognose der zukünftigen Meilensteintermine wird von Berichtszeitpunkt zu Berichtszeitpunkt fortgeschrieben. Damit wird auch die Historie der Meilensteinplanung visualisiert. Auswirkungen der Projektsteuerung werden auf eine übersichtliche Art und Weise dargestellt. Als Berichtsinstrument ist die MTA deshalb beim Management sehr beliebt. Die Vorteile einer grafisch visualisierten Meilensteintrendanalyse können sich in Automotive-Projekten bereits nach wenigen Berichtszeitpunkten ergeben. Mitarbeiter entwickeln ein erhöhtes Terminbewusstsein, da ihnen die Terminentwicklung grafisch deutlich gemacht wird. Die Verteilung der Grafiken, egal ob als Hardcopy oder als PDF, ist ein gutes Kommunikationsmittel für alle Projektbeteiligten. Werden Terminverschiebungen rechtzeitig vorhergesehen und mit dem Kunden abgesprochen, können Konflikte und Krisen in der Kundenbeziehung vermieden werden. Zwischenzeitlich gibt es einige PM-Tools, die eine MTA automatisch aus den vorhandenen Termininformationen zu generieren. Abbildung 2-107 zeigt ein Beispiel.
155
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-107: Bildschirmdarstellung Meilensteintrendanalyse 102
2.6.5
Kostenkontrolle und Mitkalkulation
Durch regelmäßige Kostenkontrolle und Mitkalkulation lässt sich die Kostenentwicklung für einzelne Arbeitspakete und das Projekt als Ganzes in den Griff bekommen. Um die Kostenkontrolle im Sinne eines Soll-Ist-Vergleiches objektiv durchführen zu können, ist eine Kenntnis des Sachfortschritts des Projektes erforderlich. Erst wenn klar ist, mit welchem Fortschrittsgrad die angefallenen Ist-Kosten korrespondieren, lässt sich eine Aussage über die absolute Soll-Ist-Abweichung machen. Wie bei der Kostenplanung, so lässt sich auch bei der Kostenverfolgung der Kostenverlauf mit Soll-Ist-Vergleich und Hochrechnung zum Ende des Projekts darstellen. Besonders für Statusberichte mit hohem Informationsgehalt bietet sich diese Form der Visualisierung an. Die wesentlichen Aussagen sind schnell erkennbar, wie Abbildung 2-108 zeigt.
102 Quelle: Project-It
156
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Abbildung 2-108: Zusammenhang Soll-Ist-Kosten mit Hochrechnung und Sachfortschritt
Kum. Istkosten + Hochrechnung
Kosten
Basisplan (Soll) Sachfortschritt n. Meilensteinen (Ist)
Erreicht: 40%
Stichtag
Zeit
Monatl. Istkosten + Hochrechnung
Sachfortschritt Geplant: 50%
Der pragmatische Weg zu einer objektiven Einschätzung der Kostensituation führt über die mitlaufende Kalkulation. Diese Methode liefert eine laufende Hochrechnung der Gesamtkosten der Arbeitspakete und des Projekts, basierend auf den aktuellen IstKosten und einer Restkostenabschätzung durch die jeweiligen Verantwortlichen. Die Mitkalkulation ist also eine mitlaufende Kostenverfolgung für jedes Arbeitspaket, das sich aktuell in Arbeit befindet, ergänzt um eine Abschätzung des Restaufwandes. Durch Summierung der Arbeitspakete ergibt sich die Mitkalkulation für das Gesamtprojekt. Die budgetierten Kosten der Arbeitspakete werden pro Kostenart monatlich den angefallenen Kosten und den Bestellobligos gegenübergestellt. Diese Informationen werden im Regelfall vom Rechnungswesen zu jedem Monatsende zur Verfügung gestellt. Voraussetzung ist, dass eine periodische Rückmeldung der geleisteten Personalstunden erfolgt (z.B. Entwicklung, Versuch, Montage, Inbetriebnahme). Aufgrund des aktuellen Fortschritts schätzt der Arbeitspaket-Verantwortliche den Restaufwand (noch zu erwartende Kosten). Die Summe aus Ist-Kosten, Obligo und noch zu erwartenden Kosten ergibt dann die „Kosten-Vorschau“. Die Gegenüberstellung von Kosten-Vorschau und Budget zeigt dann den aktuellen Status (meist in Form einer Abweichung). Bei negativen Abweichungen (voraussichtlichen Budgetüberschreitungen) können jetzt Steuerungsmaßnahmen ergriffen werden. Entweder kann im aktuellen Arbeitspaket noch gegengesteuert werden, oder zukünftige Arbeitspakete müssen die aktuelle Abweichung auf irgendeine Art „kompensieren“. Die Verabschiedung solcher Maßnahmen erfolgt in der Regel im Rahmen einer Projektstatusbesprechung. Abbildung 2-109 zeigt das fiktive Beispiel einer Mitkalkulations-Tabelle.
157
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-109: Beispiel-Tabelle: Mitkalkulation für ein Arbeitspaket
Mitkalkulation
Arbeitspaket: Entwurfskonstruktion Mechanik
Kunde:
Projekt: AAF, Roboterzelle mit Laser
Pos. Kostenart Nr.
mtl. Istkosten kum. Istkosten Obligo per 28.2. per 28.2. % % %
103
Stand: 28.2.
zu erw. Summe Kosten + Erlöse (Vorschau) % %
1
Fertigungsmaterial / Kaufteile
2
Materialgemeinkosten
3
Fertigungskosten
0
4
Montage- und Inbetriebnahmekosten
0
5
Auswärtige Bearbeitung
0
6 7 8
Fertigung Fremdpersonal Montage- u. Inbetriebnahme durch Personalleasing und Fremdfirmen Fertigungssonderkosten
0 0 0 0
9
Reisekosten
auf Pos. 1
2.500
Auftragsnummer: alle Werte in Euro
5%
10 Fremdkonstruktion mechanisch
125 5%
2.500 125 5%
1.000
1.000
0
0
5.000
10.000
2.500 0 5%
22.000
0 5%
15 Herstellkosten
1.000 50
4.000
5.000
0
22.000
20.000
35.000
45.000
0
13 Eigenkonstruktion elektrisch 14 Planung/Projektabwicklung/EDV/CAD
125 5%
3.000
11 Fremdkonstruktion elektrisch 12 Eigenkonstruktion mech.,Versuch
Budget %
45.000
0 5.000
10.000
13.625
23.625
22.000
7.000
17.000
15.000
45.000
90.625
86.050
In vielen Unternehmen der Automobilindustrie sind heutzutage bereits PM- und Reporting-Systeme installiert, die in der Lage sind, aus den Daten der Kostenrechnung und den periodischen Rückmeldungen der Mitarbeiter und Fachabteilungen Kostenverläufe und Trendaussagen zu generieren. Ein weiterer wichtiger Indikator für die Projektsteuerung ist der Reifegrad des Produktes bzw. des Produktionsprozesses.
2.6.6
Reifegradcontrolling Produkt und Prozess
Ein entscheidender Faktor in der Steuerung von Fahrzeugentwicklungsprojekten ist der eigentliche Entwicklungsfortschritt, messbar gemacht am Reifegrad des Produktes. In den einschlägigen Abhandlungen zum Entwicklungs- und Qualitätsmanagement sind die Details und Systematiken ausgiebig erläutert. Für das Projektmanagement in der Automobilindustrie ergeben sich daraus verschiedene Aufgabenstellungen für die Projektsteuerung. Zum einen müssen die durch den Entwicklungsprozess und das Qualitätsmanagement definierten Messgrößen periodisch bzw. mindestens zu den Meilensteinen erfasst und dokumentiert werden.
103 vgl. Blazek/Zillmer (2001), S. 137ff
158
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Zum anderen müssen Abweichungen analysiert und visualisiert werden und dann entsprechende Steuerungsmaßnahmen erfolgen. Die folgende Abbildung zeigt den Reifegradverlauf in Fahrzeugentwicklungsprojekten und macht die Auswirkungen auf den Projektfortschritt deutlich.
Abbildung 2-110: Reifegradverlauf in Fahrzeugentwicklungsprojekten 104
Zeitverlust
100%
Fortschrittsgrad
Projektfortschritt
Soll-Ablauf
Ist-Ablauf Überarbeitung der Serienentwicklung Reifegradverlust
Risiko • Funktion • Kosten • Zeit
t
ForGrundlagenschung entwicklung
Unbekannte Technologien
Vorentwicklung
Neue, konzepttaugliche Technologien
Serienentwicklung
Serienanlauf
Bekannte, serientaugliche Technologien
Damit das Reifegradcontrolling funktioniert, müssen an erster Stelle entsprechende Indikatoren mit zugehörigen Messgrößen definiert und verwaltet werden. Dabei lassen sich verschiedene Kategorien unterscheiden, wie Abbildung 2-111 zeigt.
104 vgl. Fischer/Dangelmaier (2000), S. 141
159
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-111: Reifegradindikatoren in Fahrzeugprojekten 105
Ist-Verlauf
• Indikatoren mit fixem Zielwert, z.B. Gewicht, Herstellkosten, Qualität (Auditnote), Taktzeit
Zielwert
• Output-Indikatoren mit zeitpunktabhängigem Zielwert (kumulierte Werte), z.B. Freigaben, Anlaufkurven, Erprobungen (Prüffeld)
Zeit
• Input-Indikatoren zur Effizienzbeurteilung der Entwicklung (kumulierte Werte), z.B. Ressourcenverbrauch • Indikatoren für Zeit-/Ablaufbewertung, z.B. Masterterminplan, Checkpoint-Listen, Meilenstein-Trendanalyse, Entscheidungs Meilensteine
Projekt-Ende (100%) PlanVerlauf
IstVerlauf Zeit
• Indikatoren mit komplexem Zielmaßstab, z.B. Expertenbeurteilung für Gesamtprojekt, Gesamtprodukt, Teilumfänge
ProjektEnde
Zeit
Eine Auswahl konkreter Indikatoren zeigt Tabelle 2-2.
Tabelle 2-2:
Reifegradindikatoren für Fahrzeugentwicklungsprojekte
Konstruktionsfreigaben
Service-Beurteilung
Cubing-Beurteilung
Nullserienbeurteilung
Bemusterung Versuchsfreigaben
Prototypenbeurteilung
Anlaufkurve
Produkt-Audit-Note
Packaging
Produktionszeit je Fzg.
Gewicht
Designmodellabsicherung
Crashwagen–Beurteilung
Herstell-Kosten
Lieferantenfestlegung
Heide-Dauerlauf
Zeit / Meilensteine
Festlegungsbeurteilung
Problempunkteliste
Expertenschätzung
Nicht alle Indikatoren sind zu jedem Zeitpunkt im Fahrzeugprojekt relevant. Abbildung 2-112 zeigt die Relevanz ausgewählter Indikatoren über den Projektverlauf.
105 ebenda S. 146 bzw. S. 152
160
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Abbildung 2-112: Zeitliche Relevanz von Reifegradindikatoren im Projektverlauf Vorentwicklung
Definition
Erprobungsträger
Prototyp
106
Produktion Serie
Anlauf
Herstellkosten, Gewicht, Technikinhalte, Problempunkte Lieferantenfestlegung Festlegung, Konstruktions- u. Versuchsfreigaben
Aufbau- u. Erprobungsergebnisse Qualitätsbeurteilungen Anlaufkriterien Produktivität
Aktive Phase eines Indikators (qualitativ)
Zeit
Ein generell hilfreicher Indikator ist die Anzahl der offenen Problempunkte (aus der LOP-Liste) im Projekt. Abbildung 2-113 zeigt dazu eine Grafik.
Abbildung 2-113: Beispiel: Reifegradcontrolling mit “Anzahl der Problempunkte“
Anzahl Problempunkte Kumuliert
erkannte Problempunkte
erledigte Problempunkte
Projektstart
Projekt-Ende
Zeit
Weitere grafisch dargestellte Beispiele von Reifegradindikatoren finden sich weiter unten im Abschnitt Reporting. Um Reifegrade berechnen und visualisieren zu können, müssen die zugehörigen Messgrößen periodisch erfasst und aufbereitet werden. Abbildung 2-114 zeigt das Beispiel einer Erfassungs- und Berechnungstabelle. 106 ebenda, S. 146ff
161
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-114: Datentabelle zur Berechnung eines Gesamtreifegrades (fiktiv)
Indikator
Einheit
1
2
3
4
Ist-Stand
Plan-Stand
Vorschau Projektende
Ziel
1-((4-1)/4)
1-((4-3)/4) 1-((4-3)/4)
IstVormonat Reifegrad Reifegrad in % in %
Prognose Prognose Vormonat Bewertung Reifegrad Reifegrad Reifegrad gegenüber in % in % in % Ziel
Packaging
Anzahl Teile
40
50
90
100
40,0
Lieferantenfestlegung
Anzahl kum.
50
50
50
50
100,0
50,0
100,0 100,0
90,0 90,0
80,0
schlechter beendet
Konstruktionsfreigabe "Stufe 1"
Anzahl kum.
1.800
2.000
1.800
2.000
90,0
90,0 90,0
schlechter
Konstruktionsfreigabe "Stufe 2"
Anzahl kum.
1.400
1.600
1.900
2.000
70,0
65,0
95,0 95,0
90,0
schlechter
Konstruktionsfreigabe "Stufe 3"
Anzahl kum.
800
1.300
1.700
2.000
40,0
35,0
85,0 85,0
90,0
schlechter
Gewicht
kg pro Fzg.
1.282
1.310
1.290
1.300
101,4
95,0
100,0 100,0
99,0
besser
Kosten
Euro pro Fzg.
36.500
35.500
35.080
35.000
95,7
97,0
99,8 99,8
99,0
schlechter
Termintreue / Meilensteine
Wochen
-5
0
-3
0
96,0
95,0
97,0 97,0
95,0
schlechter
Expertenschätzung Projektfortschritt
Wochen
-4
0
-2
0
95,0
98,0
98,0 98,0
100,0
schlechter
Liegen alle Informationen über den aktuellen Projektstatus und die Prognose vor, so muss im Rahmen der Projektsteuerung Ursachenforschung betrieben werden, soweit sich Abweichungen vom Plan und damit verbundene Probleme ergeben haben.
2.6.7
Analyse der Abweichungen und Einleiten von Steuerungsmaßnahmen
Abweichungen und Störgrößen in der Projektabwicklung treten vielfach erst ans Tageslicht, wenn „das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist“. Das heißt, dass die Situation selbst, sprich die Vergangenheit, nicht mehr geändert werden kann. Es geht jetzt darum, systematisch die Abweichung/Störung zu analysieren und dann Steuerungsmaßnahmen abzuleiten, die deren Auswirkung in der Zukunft kompensieren. Diese Analysearbeit erfolgt am besten im Team, im Rahmen der regelmäßigen Projektstatusbesprechung bzw. ad hoc, wenn ein dringliches Problem ansteht (siehe Abschnitt Statusbesprechung). Hilfreich bei der systematischen Analyse ist eine Dokumentation in Tabellenform.107 Diese lässt sich gleichzeitig als „Tagebuch der Projektsteuerung“ nutzen. Bei einem Projektreview leistet solch eine Aufstellung gute Dienste, weil sie die eigentliche „Steuerungsleistung“ von Projektleiter und –team nachvollziehbar dokumentiert. Abbildung 2-115 zeigt ein Beispiel.
107 Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 163f
162
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Abbildung 2-115: Beispiel-Tabelle zur Abweichungsanalyse (fiktiv)
4711 (PSP-Element)
AAF
Roboterzelle mit Laser
Franz Fleissig
(Kunde)
(Projektbezeichnung)
(Projektleiter)
Mögliche SteuerungsMaßnahmen
Art der Umsetzung
N Abweichung/ r Störgröße .
Ursache
1 Bauteildaten des Kunden kommen 4 Wochen später
Kunde hat Fahrzeug noch in der Entwicklung, Geometrie ist noch nicht abgesichert
2 Qualitätsprobleme weil Fügeprozess nicht abgesichert
Auswirkung Technik + Qualität
Kosten (in Euro)
Terminverzug (Wo)
Weniger Zeit für konstruktive Absicherung
50.000
4
Mit Vorabdaten aus altem Bauteilstand beginnen: Änderungsrisiko
Vorabdaten kurzfristig anfordern
Laser in Verbindung mit neuer Oberflächenbeschicht ung noch nicht ausgetestet
Lastenheft nicht erfüllt
500.000
8
Schweißversuche beim Laserhersteller bereits parallel zur Projektierung
Neues Arbeitspaket
3 Qualitäts und Lieferprobleme beim Laserlieferanten
Lieferant überschätzt und bisher keine Geschäftsbeziehung
Verfügbarkeit und Fügequalität nicht zu leisten
50.000
2
Intensive Betreuung vor Ort, Unterstützung durch unsere Prozesstechnik
Einkauf und Prozesstechnik vor Ort
4 Aufstellort beim Kunden nicht rechtzeitig fertig
Neubau des Kunden
100.000
4
Probebetrieb der Anlage beim Hersteller
Projektplan ändern
Für die kontinuierliche Verbesserung der Projektarbeit in der Fahrzeugentwicklung und für die Auswahl der richtigen, nachhaltigen Steuerungsmaßnahmen ist es an erster Stelle wichtig, die Ursachen einer Abweichung zu kennen. Sonst wird im Zweifelsfall mit viel Aufwand das „Symptom“ kuriert und die gleichen Probleme treten immer wieder auf. Häufige Abweichungsursachen in Projekten der Automobilindustrie sind:
unrealistische Ziel- und Lastenheftvorgaben unzureichende Betrachtung des Projektumfeldes (OEM, Entwicklungspartner) unrealistische Projektplanung (Terminvorgaben nicht hinterfragt) technische Probleme (Technologieentwicklung in der Serie) unvorhersehbare Änderungen im Projektverlauf (Design, Crash, Spezifikation) mangelndes Know-how (knappe Ressourcen, junge Mitarbeiter) fehlerhafte Projektabwicklung (Projektleiter überfordert bzw. überlastet) mangelnde Motivation der Teammitglieder (Eskalation der Probleme im Serienanlauf)
163
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
fehlende Transparenz im Projekt (Planung wird nicht gepflegt und nachgehalten) unklare Aufgabenverteilung (keine Funktionspläne, „SE“-Chaos) Ausfall von Spezialisten oder Lieferanten (Krisenmanagement bei Parallelprojekten)
Zusagen von Abteilungen oder Lieferanten nicht eingehalten (Überlastung) Im nächsten Schritt sind die Auswirkungen einer Störung hinsichtlich Termin, Kosten und Qualität bzw. Reifegrad und Sachergebnis zu bewerten. Diese Einschätzung bildet die Grundlage für die Festlegung und Priorisierung von Steuerungsmaßnahmen. Diese müssen dann entweder als Einzelaktivitäten mit Hilfe der Aktivitätenliste im Projektteam vereinbart werden, oder sie fließen als geänderte oder zusätzliche Arbeitspakete in die Projektplanung ein. Der Informationsfluss hierzu ist im Abschnitt Statusbesprechung (vgl. 2.6.9) dargestellt.
2.6.8
Steuerungsmaßnahmen
„An irgendeinem Punkt muss man den Sprung ins Ungewisse wagen. Erstens, weil selbst die richtige Entscheidung falsch ist, wenn sie zu spät erfolgt. Zweitens, weil es in den meisten Fällen so etwas wie eine Gewissheit gar nicht gibt.“ Lee Iacocca, US-amerikanischer Industriemanager Je nachdem, ob die Störungen im Projekt Auswirkung auf Termine, Kosten oder Qualität haben, müssen unterschiedliche Maßnahmen zur Gegensteuerung ergriffen werden. Grundsätzlich werden dabei folgende Kategorien unterschieden:
Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten Maßnahmen zur Steigerung der Produktivität Maßnahmen zur Terminverkürzung Die Tabellen 2-3 bis 2-5 zeigen die wesentlichen Möglichkeiten, die sich dem Projektmanagement in den einzelnen Fällen bieten. 108
108 vgl. Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 164f
164
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Tabelle 2-3:
Steuerungsmaßnahmen zur Reduzierung der Kosten
Steuerungsmaßnahme
Schwierigkeiten / Risiken
• Suche nach technischen Alternativen
• Kurzfristiger Mehraufwand • Unsicheres Ergebnis
• Kauf von Lizenzen und Know-How
• Nicht bei Kernkompetenzen möglich • Führt zu Abhängigkeiten • Produktpflege nicht sichergestellt
• Suche nach weiteren Kooperationspartnern
• Aufwand der Lieferantensuche / -auswahl • Aufwand für Definition / Abnahme • Betreuungsaufwand
• Änderung des Entwicklungsprozesses
• Nicht kurzfristig realisierbar • Umstellungsaufwand • Unsicheres Ergebnis
• Umverteilung der Arbeitspakete unter den Projektbeteiligten
• Qualitätsreduzierung • Koordinationsaufwand
Tabelle 2-4:
Steuerungsmaßnahmen zur Produktivitätssteigerung
Steuerungsmaßnahme
Schwierigkeiten / Risiken
• Ausbildung der Mitarbeiter
• Mittel- / Langfristige Maßnahme • Weiterbildungsbudget
• Integration qualifizierter Mitarbeiter in das Projekt
• Aufwand für Einarbeitung • Spezialisten oft nicht zu finden
• Verbesserung des Informationsflusses
• Zeitaufwand • fehlende Infrastruktur
• Team räumlich zusammenlegen
• Umbau- und Anbaumöglichkeiten • Fehlende Raumreserve / -flexibilität
• Bessere Arbeitsvorbereitung für Test, Montage, Inbetriebnahme, Serienanlauf
• Zeitaufwand • Fehlendes Bewusstsein
• Optimierung der Randbedingungen (Soft-, Hardware, Automatisierung ...)
• Investitionen nötig
165
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Tabelle 2-5:
Steuerungsmaßnahmen zur Terminverkürzung
Steuerungsmaßnahme
Schwierigkeiten / Risiken
• Einstellung neuer Mitarbeiter
• Personalbudget festgelegt • Einarbeitung belastet und dauert lange
• Umverteilung der Kapazität im Projekt
• Verschiebt oder verlagert den Engpass
• Zukauf externer Kapazität
• Geeignetes Know-how schwer zu finden • Zunächst interner Mehraufwand für Know-how-Transfer • nicht bei Kernkompetenzen realisierbar
• Fremdvergabe von Arbeitspaketen
• Qualitätsrisiko • Zusätzliche Betreuungskapazität nötig • Know-how-Abfluss
• Mehrarbeit durch Überstunden
• Kurzfristige, begrenzte Lösung • Evtl. mitbestimmungspflichtig
• Abbau anderer Belastungen bei den Projektmitarbeitern
• Widerstände bei Vorgesetzten und Kollegen
• Umplanung des Ablaufs, der Abfolge von Arbeitspaketen im Projekt (Parallelisierung)
• Schnittstellenprobleme • Unreife Zwischenergebnisse
Zur systematischen Lösung von Problemen, die im Rahmen der Abweichungsanalyse erkannt werden und deren Ursachen noch unklar oder sehr komplex sind, ist in der Automobilindustrie eine systematische Vorgehensweise in „8 Schritten“ (8D-Methode) weit verbreitet. Sie wird von allen Qualitätsmanagement-Systemen in der Automobilindustrie unterstützt. Die 8D-Methode kann dort eingesetzt werden, wo die Ursache des Problems unbekannt ist. Sie erfüllt drei Aufgaben. Sie ist:
ein Problemlösungsprozess eine Standardmethode eine Berichtsform. Die meisten Automobilhersteller und Systemlieferanten haben die 8D-Methode als Standard-Problemlösungsprozess etabliert. Sie taucht als Berichtsinstrument in den meisten Einkaufsrichtlinien und Management-Handbüchern auf. Die Abbildung 2-116 beschreibt die 8 Schritte der Methode anhand des VDA-Formulars.
166
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Abbildung 2-116: Stufen der 8D-Methode 109 Mache dir das Problem klar. Überlege, um welches Problem es geht, und prüfe, ob ein Vorgehen nach 8D angemessen ist.
Gehe das Problem im Team an: Stelle ein kleines Team aus Personen zusammen, mit ent-
sprechenden Prozess/Produktkenntnissen, Zeit, Bereitschaft zur Mitarbeit, Kompetenz und Kenntnisse in den notwendigen Techniken, um das Problem zu lösen und Abstellmaßnahmen umsetzen zu können. Für das Team muss ein offizieller Pate (Champion) ernannt werden.
Beschreibe das Problem: Definiere das Problem des internen/externen Kunden so genau wie möglich. Arbeite den Kern des Problems heraus und quantifiziere es. Sammle und analysiere statistische Daten. Erfasse und bestimme das Ausmaß des Problems (Anzahl betroffener Teile, Versionen, Fahrzeuge etc).
Veranlasse temporäre Maßnahmen zur Schadensbegrenzung und kontrolliere ihre Wirkung:
Veranlasse Maßnahmen, die die Auswirkungen des Problems vom internen/externen Kunden möglichst fernhalten, bis eine dauerhafte Lösung gefunden ist. Prüfe ständig die Wirksamkeit dieser temporären Maßnahmen und veranlasse gegebenenfalls weitere Maßnahmen. Sollten fehlerhafte Teile/Systeme bereits beim "End-Kunden" angelangt sein, müssen entsprechende Service/Kundendienstmaßnahmen eingeleitet werden. Der 8D-Bericht sollte in jedem Falle Stellung zu eventuellen Servicemaßnahmen beziehen!
Ermittle die Grundursache(n) und beweise, dass es wirklich die Grundursache(n) ist/sind:
Suche nach allen möglichen Ursachen, die das Auftreten des Problems erklären könnten. Bestimme die wahrscheinliche(n) Ursache(n) und prüfe durch Vergleiche mit der Problembeschreibung und den vorhandenen Daten, ob eine wahrscheinliche Ursache die Grundursache ist. Beweise die Annahme durch Tests und Experimente.
Lege Abstellmaßnahmen fest und beweise ihre Wirksamkeit: Suche nach allen möglichen
Maßnahmen, durch die die Ursache(n) beseitigt und das Problem gelöst werden könnte: Wähle die optimale(n) dauerhafte(n) Abstellmaßnahme(n) aus und beweise durch entsprechende Versuche, dass diese das Problem aus Kundensicht auch wirklich löst/lösen und keine unerwünschten Nebenwirkungen hat / haben.
Setze die Abstellmaßnahme(n) um und kontrolliere ihre Wirkung: Erstelle einen Aktionsplan
zur Umsetzung der gewählten Abstellmaßnahme(n) und lege gegebenenfalls flankierende Maßnahmen zur Absicherung fest: Bestimme, durch welche laufenden Kontrollen sichergestellt werden soll, dass die Problemursache wirklich beseitigt ist. Führe den Aktionsplan aus, beobachte die Auswirkungen und führe gegebenenfalls die flankierenden Maßnahmen durch. Überprüfe die Wirksamkeit der Abstellmaßnahme beim Endkunden.
Bestimme Maßnahmen, die ein Wiederauftreten des Problems verhindern: Verändere die
Management- und Steuerungssysteme, Anweisungen und üblichen Vorgehensweisen, um zu verhindern, dass gleiche oder ähnliche Probleme wieder auftreten. Erstrebenswert wäre die Einführung eines Systems, das eine Teile-Prozess-Historie erfasst, um sicherzustellen, dass bei Neuentwicklungen oder Design-Überarbeitungen ähnliche Fehler nicht wiederholt werden.
Würdige Leistung und Erfolg des Teams: Schließe die Teamarbeit ab; erkenne die gemeinsamen Anstrengungen und Erfahrungen und freue dich über den Erfolg.
Abbildung 2-117 zeigt das zugehörige Formular.
109 Quelle: VDA
167
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-117: Formular 8D-Report 110
Lieferant (Supplier) Anschrift (Adress/Location) 8 D – REPORT Beanstandung
Beanstand.-Nr.
Eröffnet am:
(Concern Title)
(Ref. No.)
(Start Date)
Berichtsdatum
Teilebezeichnung:
(Status Date)
(Part Name)
Zeichnungsnummer/Index: (Part Number/Index)
1 Team Name,Abt.(Depmt)
2 Problembeschreibung (Problem Description)
Fehlercharakter Teamleit.(Champ.)
(Problem Profile Data)
3 Sofortmaßnahme(n)
% Wirkung (Effect) Einführungsdatum
(Containment Action(s)) 4 Fehlerursache(n) (Root Cause(s))
%Beteiligung (Contribution)
5 Geplante Abstellmaßnahme(n)
(Implem. date)
Wirksamkeitsprüfung (Verification)
(Chosen Permanent Corrective Action(s))
6 Eingeführte Abstellmaßnahme(n) (Implemented Permanent Corrective Action(s))
7 Fehlerwiederholung verhindern (Action(s) to Prevent Recurrence) Implementation in: Product FMEA
Ergebniskontrolle Einsatztermin (Controls)
(Implement. date)
verantwortlich
Einführungstermin
(responsible)
(Implem.date)
Abschlußdatum
Ersteller (Rep.by)
(Close Date)
Tel.,Fax-Nr.
Process FMEA Control Plan Pro-cedure
8 Teamerfolg gewürdigt (Congratulate your Team)
110 Quelle: VDA
168
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
2.6.9
Projektstatusbesprechung
„Es ist kein Drama, wenn das Projekt nicht nach Plan läuft. Es ist ein Drama, wenn der Projektmanager nichts davon weiß.“ Peter Hobbs, Unternehmensberater und Buchautor Die Projektstatusbesprechung ist die (in der Regel) wöchentlich, monatlich oder mindestens zu den Meilensteinen stattfindende Informations- und Entscheidungssitzung des Projektteams. Es empfiehlt sich dafür einen festen Termin (Jour Fixe) zu reservieren. Teilnehmer sind der Projektleiter und das Kernteam (siehe Kap. 2.2 Projektorganisation) ggf. ergänzt um aktuell betroffene Mitarbeiter. Natürlich kann es auch besondere Ereignisse oder Projektkrisen geben, die eine außerordentliche Statusbesprechung notwendig machen. Abbildung 2-118 zeigt dies schematisch auf.
Abbildung 2-118: Anlässe für Projektstatusbesprechungen
Durch die regelmäßigen, wöchentlichen oder monatlichen Intervalle können Informationen zeitaktuell weitergegeben werden, die sonst evtl. zeitaufwändige Telefonate oder Schriftverkehr erfordern würden. Dadurch ergibt sich ein erhebliches Potential für Zeiteinsparung bei den Teammitgliedern. Die gegenseitige Kontrolle der Abarbeitung von vereinbarten Aktivitäten (Aktivitätenliste) in kurzen regelmäßigen Abständen trägt wesentlich zur Disziplin und zum Erfolg des Projektteams bei.
169
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Nicht zuletzt entsteht durch diesen Termin auch eine gewisse Projekt- und Teamkultur. Insbesondere bei räumlich verteilten oder sogar internationalen Projektteams stellt die Projektstatusbesprechung einen wichtigen Kristallisationspunkt dar. Hier werden nicht nur Sachinformationen ausgetauscht und Problemlösungen angestoßen, sondern auch die Kultur und der Geist des Teams gepflegt (siehe Kap. 2.3). Wissensmanagement-Experten haben diese Art von Zusammenkünften bereits als existenziell wichtig für den Know-how-Transfer und für eine Lernende Organisation erkannt. Die Schwerpunkte einer Projektstatusbesprechung sind:
Information der anderen Teammitglieder über aktuelle Ereignisse, Ergebnisse und Vereinbarungen/ Festlegungen im Projekt
Status und Abarbeitung der Aktivitäten des Projektteams (Aktivitätenliste/LOP) Status und Abarbeitungsgrad der aktuellen Arbeitspakete (Fachabteilungen) Terminsituation, Kapazitätssituation, Kostensituation / Kalkulation Konflikte (intern / extern) Änderungen/Claims vom Kunden und Intern Maßnahmen vereinbaren (Aktivitätenliste/LOP) Informationen für Andere veranlassen (Ergebnisprotokoll) Die Projektstatusbesprechung ist keine Diskussionsrunde für fachliche Probleme, sondern eine Entscheidungssitzung, in der vereinbart wird, wer, was bis wann erledigt, bzw. wer sich um eine Lösung kümmert. Die Festlegung eines regelmäßigen Termins für die Projektbesprechung sollte bereits in der Projektdefinitionsphase erfolgen. Ebenfalls in dieser Phase ist die Zuständigkeit für Moderation und Protokoll durch den Projektleiter zu regeln (eine bestimmte Person oder „reihum“). Jedes Teammitglied ist allerdings für die Vorbereitung / Präsentation seiner Beiträge entsprechend seinem Verantwortungsbereich zuständig. Folgende Punkte sind für die Durchführung generell wichtig:
Festen Termin vereinbaren für wöchentliche Sitzungen (max. 2 Stunden) Besprechungsraum festlegen und langfristig reservieren Standard Tagesordnung vereinbaren Moderator und Protokollführer festlegen Generellen Teilnehmerkreis und Verteiler festlegen.
170
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Folgende Punkte sind für die Durchführung der einzelnen Besprechung wichtig:
Jedes Teammitglied bereitet sich so gut als möglich vor (z.B. Präsentationsfolien etc.), damit die Zeit des Teams nicht unnötig in Anspruch genommen wird. Die Projektbesprechung ist eine Entscheidungssitzung und keine Diskussions- oder Problemlösungsrunde!
Der Moderator achtet auf die Zeit! Detailthemen und Problemlösungen müssen mit Hilfe der Aktivitätenliste/LOP verlagert werden (Lösung im kleinen Kreis).
Das Ergebnisprotokoll/Aktivitätenliste/LOP wird möglichst „simultan“ erstellt, d.h. handschriftlich oder am Notebook, so dass am Ende der Besprechung Kopien verteilt werden können.
Maßnahmen und Aktivitäten sind termingerecht abzuarbeiten. Umsetzungskontrolle in der nächsten Besprechung. Die folgende Tabelle zeigt das Beispiel einer Tagesordnung.
Tabelle 2-6:
Beispiel: Tagesordnung Projektstatusbesprechung
Top
Uhrzeit
Min. Thema
Sprecher
1
14:00
30
Aktuelle Informationen der Projektleitung, Infos der Teammitglieder
Alle
2
14:30
30
Aktivitätenliste/LOP: Erledigte und Offene Aktivitäten, Präsentation der Ergebnisse
Projektleiter
3
15:00
15
Statusbericht der Teammitglieder: Termine, Fortschritt, Kapazität, Kosten, Qualität, Status Abarbeitung der Arbeitspakete
Teammitglied
4
15:15
30
Kostensituation, Kalkulation, Änderungen
Projektcontroller
5
15:45
30
Nächste Schritte, Projektplanung bis zum nächsten Meilenstein
Alle
6
16:15
15
Ergebnisprotokoll, Aktivitätenliste/LOP
Projektleiter/Alle
Den Informationsfluss in der Projektstatusbesprechung zeigt Abbildung 2-119.
171
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-119: Informationsfluss und Dokumente in der Projektstatusbesprechung
Aktualisierte Plandaten
Feinterminliste
Mitkalkulation
Terminplan
Statusbesprechung
ErgebnisProtokoll AktivitätenListe/LOP
Analyse der Abweichungen
Feedback
Umgesetzte Maßnahmen
Eine Sonderform der Projektstatusbesprechung stellt das Projektreview dar. In den Fahrzeugprojekten wird dieser Begriff meist für die Entscheidungstermine zu den Meilensteinen gebraucht. Wir sprechen dann auch von Meilenstein- oder QualityGate-Reviews oder -Freigaben. Die Quality-Gate-Systematik haben wir bereits in Kap. 2.6.3 dargestellt. Zum Review-Termin berichtet das Projektteam die definierten Meilenstein-Ergebnisse und Reifegrade an den Projektsteuerkreis als Entscheidungsgremium. Die Mitglieder des Steuerkreises bewerten die vorliegenden Informationen und Unterlagen. Dann erfolgt eine Entscheidung hinsichtlich der Abnahme der bisherigen Ergebnisse mit oder ohne Auflagen (rot, gelb, grün) und der Freigabe der Folgephase. Abbildung 2-120 zeigt die Unterlagen und Informationen, die für ein Projektreview relevant sind und den Entscheidungsprozess.
172
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Abbildung 2-120: Informationen zum Projektreview und Entscheidungsprozess
Review- Unterlagen: • Projektstatusberichte • Projektrisiken /FMEAs • Lastenheft/ Spezifikat. • Kennzahlen /Reifegrad • Zeichnungen / Daten
Projekt-Review
• Wirtschaftlichkeit • QS-Pläne (APQP)
Projekt abbrechen Rückschritt mit Terminkorrektur
Enscheidungsprozess:
(rot) nicht passieren
Weiter mit Änderung
Meilenstein/ Quality-Gate
(grün) passieren
(gelb) passieren mit Maßnahmen
Maßnahmen abarbeiten
Zur Vereinbarung und Dokumentation der Entscheidungen und Steuerungsmaßnahmen in einer Projektstatusbesprechung oder einem Projektreview spielt das Maßnahmen-Protokoll eine große Rolle. Je nach Unternehmen werden hierfür unterschiedliche Begriffe benutzt:
Liste offener Punkte (LOP) To Do Liste Action Item List Open Issue List Aktivitätenliste …. Die Aktivitätenliste/LOP zeigt zum einen die offenen Aktivitäten und zum anderen die erledigten Aktivitäten. Sie ist ein wesentliches Führungselement für Projektleiter zur Sicherstellung des Fortschritts im Projektmanagement.
173
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Sie dient weiterhin zur schriftlichen Information aller Teammitglieder über offene und erledigte Aktivitäten mit Historie des Projektes. In jeder Projektbesprechung dient sie als Checkliste und Erledigungsprotokoll. In der Aktivitätenliste/LOP werden im Sinne einer Zielvereinbarung alle Aktivitäten der Projektteammitglieder, die bei der Verteilung von Aufgaben im Rahmen der Projektstatusbesprechung anwesend sind, festgehalten. Die Aktivitäten werden kurz und präzise formuliert. Für jede Aktivität gibt es genau einen Verantwortlichen und einen fixen Zieltermin (Basistermin). Sie ist folgendermaßen aufgebaut:
Laufende Nummer Aktivität Bearbeiter (ein Verantwortlicher, zusätzlich Mitarbeiter) Termin (Basis und Neu) Status (erledigt/offen ) Ggf. weitere Bemerkungen Der Projektleiter pflegt diese Liste entweder selbst oder delegiert dies an ein Mitglied des Projektteams (z.B. Projektcontroller). In jedem Fall ist die Aktivitätenliste/LOP sein zentrales Steuerungsinstrument, mit dem er Vereinbarungen mit den Teammitgliedern treffen und deren Erfüllung periodisch abfragen kann („Führungsinstrument des Projektleiters“). Weil Projektleiter im Regelfall keine disziplinarische Macht besitzen, ist dieses Führungsinstrument besonders wichtig. Deshalb macht es auch wenig Sinn, wenn wie vielfach praktiziert, jeder Mitarbeiter Punkte in solch eine Liste einstellen darf. Dafür ist eher ein elektronisches “schwarzes Brett“ geeignet. Als Führungsinstrument im Projektteam sollte die Aktivitätenliste/LOP ausschließlich in den gemeinsamen Teambesprechungen gepflegt werden, damit die dokumentierten Aktivitäten auch wirklich als Vereinbarung zwischen den Anwesenden begriffen und gelebt werden. Die Aktivitätenliste/LOP sollte in elektronischer Form simultan während der Besprechung erstellt werden. Jede Aktivität bekommt eine Zeile mit Nummer. Wenn eine Aktivität nicht zum Termin erledigt wurde, dann wird der Basistermin fest geschrieben und ein neuer Termin (Termin neu) vergeben. Grundsätzlich dürfen keine Aktivitäten an Kernteammitglieder vergeben werden, die bei der Verteilung der Aktivitäten nicht anwesend sind. Aktivitäten können von den verantwortlichen Kernteammitglieder an weitere Projektbeteiligte /Linienmitarbeiter delegiert werden, wobei die Verantwortung für die Erledigung der Aufgabe bei dem delegierenden Teammitglied liegt. Um die Effektivität der Aktivitätenliste/LOP zu gewährleisten, müssen sich die Verantwortlichen bei mehrmaliger Verschiebung ihrer Termine hierzu rechtfertigen. Falls sich die Termintreue der Projektmitglieder trotzdem nicht bessert, muss der Projektleiter entsprechende Maßnahmen treffen, um die Disziplin zu steigern. Ein Beispiel einer Aktivitätenliste/LOP zeigt Abbildung 2-121. 174
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Abbildung 2-121: Beispiel einer Aktivitätenliste/LOP Nr. Thema
Verantwortlich
Mitarbeit
Termin Termin Status Basis Neu
Bemerkung
1
Konzeptvorschlag für neues Organigramm
Hr. Unbekannt
Hr. X,
23.08.
23.08.
Erledigt
-
Dokumentation der Projektplanung
Hr. Mustermann Hr. X,
16.08.
25.08.
Offen
Kunde muss noch zustimmen
2
2.6.10
Fr. Y
Fr. Y
Projekt-Reporting / Berichtswesen
Das Berichtswesen gewährleistet den Informationsfluss zwischen Projektteam und Auftraggeber bzw. Steuerkreis. Reporting kann rein formal durch schriftliche Unterlagen erfolgen, oder in Verbindung mit einer Statusbesprechung, Meilensteinfreigabe oder einer ähnlichen Entscheidungssitzung. Je nach Projektphase, -ereignis und Zielgruppe sehen die Berichte dann unterschiedlich aus. Abbildung 2-122 zeigt Berichtsarten eines Systemlieferanten im Projektverlauf der Fahrzeugentwicklung.
Abbildung 2-122: Reporting-Elemente bei einem Systemlieferanten 111 ProjectReview
Project-Review-meeting
Milestone Report
Milestone meeting at the end of a phase
in current phase
Acquisition Phase Phase 1
A
Concept phase
Milestone
Steering Committee
DesignReview
Phase 2
Steering Committee
111 Quelle: Behr
175
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Je nach Unternehmen und Projektart sind für das Berichtswesen die unterschiedlichsten Informationen über den Projektstatus und Reifegrad der Produktentwicklung bis hin zu Wirtschaftlichkeits-Kennzahlen aufzubereiten. Die Abbildungen 2-123 bis 2-125 zeigen Beispiele für Statusberichte in verdichteter Form.
Abbildung 2-123: Integrierter Management-Bericht: Technik-Ziele, Kosten, Termin Gewicht Modul 60 [kg]
Gewichtscontrolling
55 Zielgewicht
50 Herstellkosten Modul 300 [€]
318 € 218 €
Zielkostencontrolling
200 Zielkosten
100 Entwicklungsbudget 600 Modul [T€] 400
Gesamtbudget
Budgetcontrolling
200 4
6
8
10
12
2
4
6
MeilensteinTrendanalyse 4
6
8
10
12
5
5
5
5
4
4
2
4
6
6 4
5
4
4 2
4
12 10
3
2
2
3
8
2
6
1
4
176
3 3
2
1
3
1
Projektfreigabe
2
Funktionsmuster
3
Konzeptfreigabe
4
Komponentenfreigabe
5
Modulintegration
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Abbildung 2-124: Reporting-Inhalte eines Systemlieferanten 112
Einheitliche Kennzahlen zur Beurteilung von Projekten • Up Front Crash • IRR • Payback Business Plan • Operating Margin • EBITDA ...
Monatliche Aussagen zu: • Qualitätsniveau des Produktes (ab Prototypen) • Readiness der Zukaufteile • Readiness der Werkzeuge • Readiness von Produktions- und JIT-Prozessen • Verfolgung Funktionalen Meilensteine & Gate Reviews
Abbildung 2-125: Meilensteinorientierter Statusbericht 113 Projekt: ________________________
Meilenstein: ____________________ Kritische Punkte + Probleme: _______________________________ _______________________________ _______________________________
Sachfortschritt: in te ns le d ei un M e te ss de er ni ra rd b g fo rge eife e E R G
h rc e n du öß e ng Gr d tu ve tho r i e we tat M Be anti % r u Q de o
Entwicklungskosten: Soll
Handlungsempfehlung: ___________ ________________________________ ________________________________ ________________________________
Herstellkosten: Ist
Soll
Ist
Fertigungskosten
Personal
Kundenzufriedenheit: Qualität:
Arbeits- und Betriebsmittel
Materialkosten
Vertrag:
Material
Verwaltungskosten
Kapazität:
Fläche und Gebäude
Logistikkosten
Teamarbeit:
Projektleiter: ____________
Verteiler: __________
Legende:
rot gelb grün
Datum: ____________
______________ ______________
112 Quelle: Faurecia 113 vgl. Schuh (2000), S. 289
177
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Leistungsfähige PM-Tools bieten die Statusinformationen nutzerspezifisch aufbereitet an. So gibt es für verschiedene Rollen im Projekt (Projektleiter, -controller, Teilprojektleiter...) spezielle Online-Reports oder Infoplattformen. Ein Beispiel zeigt Abbildung 2126.
Abbildung 2-126: Beispiel: Projekt-Info-Board als Online-Reporting-Instrument 114
114 Quelle: Planta
178
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Beim DV-gestützten Reporting setzt sich auch immer mehr das sogenannte „Cockpit“ als Visualisierungsinstrument durch. 115 Im „Projekt-Cockpit“ werden die wesentlichen Kennzahlen und Fortschrittsgrößen im Überblick grafisch dargestellt. Abbildung 2-127 zeigt ein Beispiel.
Abbildung 2-127: Beispiel: Projekt-Cockpit 116
Kostenkontrolldiagramm K IST
Zeit
Meilenstein-Trendanalyse Zeit
Maßnahme
Zielvorgabe
Maßnahme
Trend
KI: Kostenüberschreitung (KIST < KSOLL)
KE KE: Kostenunter-
KI
Meilensteine
schreitung (KIST > KSOLL)
I
II
heute
K SOLL
Review-Iterationen
Grad der Fertigstellung Arbeitspakete
Anzahl Iterationen
2 1
100% fertig
AP 1 100%
3
Zeit
100%
90%
95%
70%
90%
65%
1
2
AP 2
57% fertig
AP 3
100% fertig
100% AP 4
57% fertig
100%
90%
AP 5
100%
80%
85%
AP 6
50% fertig Noch nicht begonnen
3
4
5 Review Abfolge
Grad der Fertigstellung 1.2.
1.3.
1.4.
1.5.
1.6.
1.7.
1.8.
1.9.
1.10.
Zeit
Als Weiterentwicklung des klassischen Projektberichtswesens gilt die sogenannte „Projekt-Scorecard“. Abgeleitet von der Balanced Scorecard für das ganzheitliche Unternehmenscontrolling, kann mit dieser Sichtweise ein Reportingtool im Sinne eines „Projekt-Cockpits“ geschaffen werden. Es werden nicht nur Sachinformationen durch „Harte Fakten“ berichtet und beobachtet, sondern auch „Weiche Kennzahlen“, die Aussagen über die Zusammenarbeit und Leistungsfähigkeit des Projektteams machen und auch das Projektumfeld nicht außer Acht lassen. Die folgende Abbildung zeigt die möglichen Betrachtungsdimensionen einer Projekt-Scorecard.
115 vgl. Fiedler (2003), S. 252ff 116 vgl. Wildemann (2004b), S. 63
179
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-128: Dimensionen einer Projekt-Scorecard als Reportinginstrument
Projektziele Projektziele und undRahmenRahmenbedingungen bedingungen
ProjektProjektOrganisation, Organisation, Personal Personal
Projekt-Scorecard Projekt-Scorecard Projektstatus Projektstatus per per......
Internes Internes Projektumfeld Projektumfeld
2.6.11
ProjektProjektergebnisse, ergebnisse, Termine, Termine, Kosten Kosten
Externes Externes Projektumfeld Projektumfeld
Änderungs- und Claimmanagement
In Fahrzeugentwicklungsprojekten sind Änderungen an der Tagesordnung. Bedingt durch Simultaneous Engineering, immer kürzere Entwicklungszeiten und hohen Wettbewerbsdruck bei steigender Innovationsgeschwindigkeit bleiben Änderungen aufgrund neuer Erkenntnisse und Probleme im Entwicklungsprozess nicht aus.
Eine Änderung ist die vereinbarte Festlegung eines neuen Zustands anstelle des bisherigen Zustandes und die zugehörige Transformation. 117
Das Änderungsmanagement umfasst die Prozesse und Regeln für die Änderung von Projektzielen und -prozessen und deren Prioritäten, sichert die Erfassung, Bewertung und Entscheidung über die Änderungen von Projektzielen und steuert deren Umsetzung. 118 Es gibt die verschiedensten Änderungsursachen, die sich grundsätzlich in zwei Kategorien unterscheiden lassen:
Fehlerbedingte Änderungsursachen wie z.B. Funktionsprobleme, Kostenüberschreitungen, Probleme in Montage bzw. Fertigung, Qualitätsprobleme, Lieferschwierigkeiten
117 vgl. Lindemann/Reichwald (1998), S. 325 118 vgl. DIN (2009b), S. 6
180
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Neuerungsbedingte Änderungsursachen wie z.B. neue Kundenanforderungen, veränderte Gesetze, neue Technologien, neue Materialien Änderungen sind an sich nichts Negatives in den Projekten der Automobilindustrie, aber wie damit teilweise umgegangen wird, grenzt an Schlamperei oder schlechtes Geschäftsgebaren, so die Erkenntnisse aus unserer Studie. 119 In den meisten Projekten gibt es zwar einen sauber dokumentierte Änderungsprozess, aber da Änderungen meistens Geld und Zeit kosten, werden sie vielfach von Auftraggeberseite nicht nach den Regeln eingesteuert. So wie das Lastenheft oft zu spät oder gar nicht erstellt wird, so geht es auch mit dem offiziellen Änderungsauftrag. Missverständnisse und eine ineffiziente Bearbeitung sind vorprogrammiert. Ein weiterer Punkt ist die Komplexität von Änderungen und deren Auswirkungen auf das Gesamtprodukt und –projekt. Sowohl ein Produkt als auch ein Projekt ist als kybernetisches System zu verstehen, in dem jede Änderung an einer noch so kleinen Stelle Auswirkungen auf das Gesamte hat. Deshalb ist ein standardisierter Änderungsprozess, der alle Auswirkungen und Schnittstellen berücksichtigt, eine notwendige Voraussetzung für ein professionelles Projektmanagement. Abbildung 2-129 zeigt unser Prozessmodell für das Änderungsmanagement.
Abbildung 2-129: Änderungsprozessmodell
119 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 41
181
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Am Anfang des Änderungskreislaufs steht die Erfassung der Änderungssituation, am besten mit einem formalisierten Dokument (Antrag) in elektronischer Form (Datenbank). Im nächsten Schritt müssen die Auswirkungen auf das Projekt hinsichtlich Kosten, Termin und Qualität/Leistung beurteilt und bewertet werden. Dann kann eine Entscheidung durch die Projektleitung gemeinsam mit dem Auftraggeber erfolgen. Dies erfolgt im Regelfall durch ein Änderungsangebot mit anschließendem Verhandlungsprozess. Wird eine positive Entscheidung gefällt, so müssen alle Projektbeteiligten informiert werden und die betroffenen Dokumente (Lastenheft, Spezifikationen, Zeichnungen...) und Projektpläne angepasst werden. Damit erfolgt die Einsteuerung der Änderungsumsetzung in das Projekt. Laut Aussage einiger Experten führt das beschleunigte Tempo bei der Einführung neuer, komplexer Produkte und die sich wandelnden Anforderungen der Kunden zu einer gestiegenen Bedeutung der Änderungskosten am Gesamtentwicklungsbudget. Darüber hinaus kann sich der Abschluss von Fahrzeugentwicklungsprojekten durch späte Änderungen maßgeblich verzögern. Ziel des Änderungsmanagements ist es, die Reaktionsfähigkeit der Unternehmen zu erhöhen und gleichzeitig die Aktualität von Daten sowie die Information der Beteiligten sicherzustellen. „Man bräuchte wieder den Chefentwickler, der das Gesamte im Blick hat“, so die Aussage eines OEM im Rahmen unserer Studie.120 In der Praxis ist diese Qualifikation leider nicht mehr vorhanden. Das notwendige Know-how für die komplexen Entscheidungsprozesse bei Änderungen muss über ein interdisziplinäres Team generiert werden. Ein sogenanntes „Change-Board“, in dem alle Beteiligten Partner im Entwicklungsprojekt vertreten sind und sowohl Produkt- als auch Projektbelange erörtert und entschieden werden, zeichnet sich als zeitgemäße Lösung ab. Im Rahmen eines Regeltermins (Jour Fixe) werden anstehende Änderungen präsentiert und deren Auswirkungen auf die verschiedenen Bereiche des Fahrzeugs und den Entwicklungsprozess analysiert. Professionell moderiert, kann dieses Change-Board schnelle Entscheidungen liefern und damit die Zeitachse im Änderungsmanagement drastisch verkürzen. Generell gilt, dass Änderungen im Sinne des Frontloading-Gedankens (siehe Kapitel 2.4.) so früh wie möglich in den Entwicklungsprozess einfließen sollten. Mit einer pro-aktiven Änderungskultur lassen sich spätere Eskalationen vermeiden. „pro-aktiv“ heißt in diesem Falle, dass über Änderungen nicht erst gesprochen wird, wenn es nicht mehr vermeidbar ist, sondern dass Änderungen offen und schnell kommuniziert, dokumentiert und entschieden werden. Dazu ist allerdings auch Fairness im Sinne von Win-Win zwischen den beteiligten Partnern Voraussetzung. Wer Änderungen initiiert, muss dafür auch aufkommen. Abbildung 2-130 verdeutlicht dieses Bestreben unter dem Aspekt des „Frontloading“.
120 ebenda, S. 50ff
182
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Abbildung 2-130: Pro-aktive Änderungskultur durch Frontloading
Kosten
„frontloading“ Kostenverlauf durch Verlagerung von Änderungen in frühe Phasen
Definition
Entwicklung
Serienanlauf + Produktion Zeit
Das Änderungsmanagement regelt den Umgang mit Änderungen, die der Kunde oder interne Stellen im Laufe des Projekts einbringen. Diese Änderungen betreffen im Regelfall den Liefer- und Leistungsumfang, die Abwicklung/Terminsituation oder qualitative Merkmale. Im Einzelnen sollte in jedem Fahrzeugprojekt durch einen standardisierten Änderungsprozess der Ablauf der Änderungen von der Initiierung bis zur Durchführung beschrieben sein und ein entsprechender Formalismus gelebt werden.121 In solch einer Beschreibung wird geregelt, wer wen wann zu informieren hat und wer wann über Änderungen entscheidet. Dieses Procedere muss bereits zu Beginn eines Projektes mit allen Beteiligten (vor allem dem Auftraggeber) abgestimmt werden. Abbildung 2-131 zeigt ein Beispiel. Für die Meldung der vom Kunden gewünschten Änderungen sind die Projektteammitglieder bzw. die beteiligten Fachabteilungen verantwortlich. Die administrative Seite des Änderungsmanagement (erfassen, verwalten, bewerten, dokumentieren) erfolgt durch ein hierfür verantwortliches Mitglied im Kernteam (z.B. den Projektcontroller) oder den Projektleiter und bei komplexen Änderungen mit großer Tragweite durch ein übergeordnetes interdisziplinäres Gremium wie z.B. ein „Change-Board“. Die Freigabe von Änderungen erfolgt ausschließlich durch Projektleiter und Auftraggeber, da diese in der Regel die Mehrkosten tragen müssen.
121 vgl. Lindemann/Reichwald (1998), S. 26ff
183
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-131: Beispiel für einen Standard-Änderungsprozess 122
1. Änderungsantrag (Antragsteller) Veranlassung und Beantragung
2.1 Registrierung und formale Prüfung (Änderungsstelle)
2.2 Überprüfung und Stellungnahmen (Betroffene Stellen) Bewertung und Genehmigung
3. Änderungskonferenz (PL, Antragsteller und betroffene Stellen)
Änderungsantrag überarbeiten (Antragsteller) Ja
Antrag durchführen ?
Nein
Ja
4. Änderungsauftrag schreiben (Änderungsstelle) Einführung und Durchführung
Antrag abändern?
Nein
Ablehnung (Projektleitung)
5. Durchführung der Änderung (Betroffene Stellen)
6. Änderungsdienst und Verteilung (Änderungsstelle)
Das Änderungsmanagement sollte in jedem Fahrzeugprojekt nach einem fest definierten Verfahren ablaufen, das zu Projektbeginn mit dem Kunden abgestimmt wird. Der hauptsächliche Aufwand ist bei der technischen Beurteilung der Machbarkeit und Auswirkungen, der Kostenermittlung und Angebotserstellung zu treiben. Hier wird entschieden, ob die Änderung wirtschaftlich durchführbar ist oder nicht. Allerdings unterscheidet sich die Vorgehensweise hier kaum vom normalen Angebotsprozess.
122 Quelle: BMW
184
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
Wichtig ist, dass Änderungen im Tagesgeschäft des Projekts nicht untergehen und der aktuelle, vertragsrelevante Änderungsstand verwaltet und dokumentiert wird. Dies geschieht zum einen über den Änderungsantrag/-auftrag als Formular bzw. Datensatz und zum anderen über eine Änderungsliste oder -datenbank, in der die Historie und der Status der jeweiligen Änderungen verwaltet werden. Die Abbildungen 2-132 und 2-133 zeigen schematische Beispiele dieser Dokumente.
Abbildung 2-132: Beispiel: Formular Änderungsantrag
Änderungsantrag Projekt: Kunde: Antragsteller: Beschreibung der Änderung: (vom Antragsteller auszufüllen)
Bekannte Auswirkungen: (Termin, Kosten, Ablauf etc.)
Datum: (Antragsteller)
Freigabe/Ablehnung der Änderung Freigabe mit folgenden Auflagen:
Ablehnung mit folgender Begründung:
Unterschriften:
Datum:
(Auftraggeber)
(Projektleiter)
185
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-133: Beispiel: Formular Änderungsliste
Änderungsliste
Stand:
Kunde:
Projekt:
Nr. Datum Änderung
Veranlasser
Auftragsnummer:
Freigabe Freigabe Termin Nachtrag durch am Realisierung (€) netto
Da Änderungen meistens mit Mehrkosten bzw. mit Terminverschiebungen verbunden sind, ist es zwingend notwendig, durch ein straffes Änderungsmanagement, Anzahl und Umfang von Änderungen so gering wie möglich zu halten bzw. für Änderungen, die der Kunde verursacht hat, eine Auftragserweiterung zu erhalten. Änderungen bedürfen deshalb der besonderen Aufmerksamkeit, weil sie nicht isoliert betrachtet werden können, sondern meist die gesamte Projektabwicklung beeinflussen. D.h. dass Änderungen am Produkt nicht nur dort Mehrkosten verursachen, sondern durch die Zeitverzögerung auch Mehrkosten (Überstunden, Kapazitätsengpässe...) in der weiteren Abwicklung entstehen. Ein systematisches Änderungsmanagement hilft diese Kosten transparent zu machen und damit auch gegenüber dem Kunden vertreten zu können. Änderungen sollen das Projektergebnis ja nicht verschlechtern. Ein funktionierendes Claimmanagement ist die Voraussetzung dafür. Claimmanagement Es ist ein schwieriges Unterfangen, Mehrleistungen, die durch den Kunden oder andere Vertragspartner verursacht werden, bezahlt zu bekommen. Außerdem muss der Projektleiter auch dafür Sorge tragen, dass Ansprüche von Kunden, Lieferanten und anderen Vertragspartnern abgewehrt bzw. minimiert werden. In Automobilprojekten ergeben sich über die Laufzeit durch Planungsunsicherheiten, Änderung der Absatzzahlen und gesetzlichen Anforderungen eine Reihe von Situationen in denen „geclaimt“ werden muss. Claim (engl.) = offene Forderung / Anspruch gegenüber einem Vertragspartner aufgrund vertraglicher Zusagen / Vereinbarungen (Lastenheft, Terminplan, CAD-Daten...) Claimmanagement ist damit das geplante und kontrollierte Voraussehen, Beobachten, Kontrollieren, Dokumentieren und Geltendmachen oder Abwehren von nicht ur-
186
Projektsteuerungsphase, Änderungs- und Claimmanagement
sprünglich zwischen den Vertragsparteien geregelten Forderungen. Diese ergeben sich oft erst aus Abweichungen zum vorgestellten Vertragsverlauf. 123 In AutomotiveProjekten sind das in den meisten Fällen Design- und Bauteiländerungen aber Terminverschiebungen, Qualitätsprobleme und verzögerte Entscheidungen bzw. Freigaben. Das Claimmanagement definiert, dokumentiert und realisiert die Ansprüche der eigenen Organisation/ des eigenen Projekts gegenüber den Vertragspartnern (im Wesentlichen Kunden und Lieferanten bzw. interne Partner) und dient dazu, externe Ansprüche abzuwehren. Es basiert auf den Informationen des Vertrags, des Änderungsmanagements und der Statusberichte aus den Arbeitspaketen des Projekts. Somit stellt das Claimmanagement eine übergreifende Funktion dar, die Einfluss auf Vertragsgestaltung, Verhandlungen und vor allem das wirtschaftliche Ergebnis des Projekts nimmt. Somit leistet Claimmanagement einen wesentlichen Beitrag zur Verbesserung des Projektergebnisses. Wesentliche Grundlage für ein funktionierendes Claimmanagement ist eine konsequente Planung von Kosten und Terminen auf Arbeitspaket-Ebene. Durch FestpreisVereinbarungen und Budgets mit den Linienabteilungen, AP-Verantwortlichen und Lieferanten wird eine „Deckelung“ des Aufwands erzeugt. Durch regelmäßige Soll/IstVergleiche und Controllinggespräche wird dann offensichtlich, wo ungeplante Mehrkosten angefallen sind. Ziel ist allerdings, dass der AP-Verantwortliche den Mehraufwand direkt in ein „Claim-Erfassungsformular“ dokumentiert und dabei der Verursacher (Kunde oder Lieferant) bereits den Sachverhalt (nicht die Mehrkosten, diese sind Verhandlungssache) mit seiner Unterschrift anerkennt. Abbildung 2-134 zeigt ein solches Formular, die Claimliste.
Abbildung 2-134: Formular zur Claimerfassung
Claimliste - Projekt ............................ Nr.
Datum
Mehraufwand (Beschreibung)
Ursache (Argumente)
Aufwand Aufwand Erfasst (Std.) (Euro) durch:
Anerkennung durch:
123 Vgl. Künel/Pinnels (2002) S.6
187
2.6
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
2.7
Projektabschlussphase
„Verbessern heißt verändern. Perfekt sein heißt demnach, sich oft verändert zu haben.“ Winston Churchill, englischer Politiker und Schriftsteller Mit diesem Slogan sollte die Projektleitung in die Abschlussphase starten. Hier geht es neben kommerziellen und organisatorischen Themen nämlich hauptsächlich um die Erfahrungssicherung und die Realisierung von Lerneffekten im Sinne eines professionellen Qualitäts- und Wissensmanagement. Ein systematischer Projektabschluss dient zum einen der Erfahrungssicherung und zum anderen liefert er einen wesentlichen Beitrag zum Qualitäts- und Wissensmanagement in Automotive Projekten. Die verschiedenen Maßnahmen für den „geordneten Rückzug“ und die Dokumentation der Erkenntnisse werden im Folgenden erläutert. Im Mittelpunkt steht das Projektabschluss-Review. „Der Mensch hat dreierlei Wege, klug zu handeln: erstens durch Nachdenken, das ist der edelste, zweitens durch Nachahmen, das ist der leichteste, und drittens durch Erfahrung, das ist der bitterste.“ Konfuzius, chinesischer Philosoph Die Erfahrung zeigt, dass Projekte, wenn sie nicht aktiv abgeschlossen werden, kein richtiges Ende finden. Das hat zur Folge, dass wichtige Ressourcen (Projektleiter, Teammitglieder, Montageleiter etc.) gebunden werden und damit für neue Projekte nicht zur Verfügung stehen. Außerdem dient der Projektabschluss als Informationsquelle für die kontinuierliche Verbesserung der Projektabwicklung im Sinne des Qualitätsmanagement-Systems. Speziell bei Fahrzeugentwicklungsprojekten ist die Abgrenzung zwischen Entwicklungs- und Produktionsverantwortung ein heikles, aber wichtiges Thema.
2.7.1
Projektabschlussaktivitäten im Überblick
Der Projektabschluss beinhaltet alle Maßnahmen, die dazu dienen das Projekt intern und gegenüber den Kunden zu beenden, gebundene Ressourcen freizugeben und Erfahrungen für Folgeprojekte zu dokumentieren. Er ist ein wesentlicher Baustein des Qualitätsmanagements in der Projektabwicklung. Der Projektleiter und das Projektteam sind verantwortlich für einen kontrollierten Abschluss des Projektes. Dabei ist sicherzustellen, dass die Ergebnisse aus dem Projektabschluss in zukünftige Projekte einfließen (Projektabschlussbericht und Erfahrungsdatenbank). Abbildung 2-135 vermittelt einen Überblick der Aktivitäten zum systematischen Projektabschluss.
188
Projektabschlussphase
Abbildung 2-135: Überblick Projektabschluss 124
1. Bestimmung der Restaktivitäten
2. Übereinkunft mit dem Auftraggeber
Auftraggeber
3. Mitteilung an Projektbeteiligte und Zulieferer
Auftragnehmer
4. Organisation auflösen
STOP
5. Projektabschlussgespräch
6. Erfahrungssicherung
Projektabschlussbericht
124 Wolf/Mlekusch/Hab (2006), S. 200
189
2.7
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Einen Überblick über die einzelnen Aktivitäten zum Projektabschluss gibt die folgende Checkliste.
Termin für Projektabschlussgespräch festlegen Abnahme(n) durchführen Abnahme- / Mängelprotokoll abarbeiten Projektabschlussgespräch durchführen Restaktivitäten planen Schlussrechnung stellen Beteiligte Abteilungen im Haus informieren PSP-Element und Arbeitspakete schließen Informationen und Projektdokumentation an Service übergeben Projektabschlussbericht erstellen Projektbüro / Infrastruktur auflösen Mitarbeiter im Projektteam freigeben Abschlussfest organisieren Projektablage archivieren Wichtig ist, dass der Zeitpunkt für das Projektabschlussgespräch und alle weiteren Aktivitäten frühzeitig festgelegt werden, damit das Projekt zum Ende hin nicht einfach „vor sich hin dümpelt“, sondern kontrolliert und straff beendet wird. Auch das Abschlussgespräch und die Aktivitäten zur Beendigung des Projekts sind als kritischer Meilenstein zu verstehen. Das Projektabschlussgespräch sollte prinzipiell am Anfang der Phase „Abschluss“ stehen und auch dazu dienen, die Vorgehensweise für einen kontrollierten Projektabschluss festzulegen.
2.7.2
Das Projektabschlussgespräch (Review)
„Die Erfahrung besteht darin, dass man erfährt, was man nicht zu erfahren wünscht.“ Kuno Fischer, deutscher Philosoph Im Sinne der „Kontinuierlichen Verbesserung“ müssen die Erfahrungen der einzelnen Projekte in die Organisation kommuniziert werden, damit Fehler bei zukünftigen Projekten vermieden werden und vorbildliche Lösungen übernommen werden.
190
Projektabschlussphase
Das Projektabschlussgespräch hat die Aufgabe, diese Informationen in einer Veranstaltung zu bündeln, damit durch die gegenseitigen Erfahrungsberichte und die Diskussion das Erinnerungsvermögen und das Problembewusstsein gesteigert wird und möglichst alle wichtigen Punkte festgehalten bzw. Probleme gelöst werden. Der „Projektabschlussbericht“ bündelt dann die Ergebnisse in Form von Maßnahmen und bildet die Dokumentationsbasis für den Verbesserungsprozess. Abbildung 2-136 zeigt Beispiele wie Erfahrung aus Projekten genutzt werden kann.
Abbildung 2-136: Beispiele für die Nutzung von Projekterfahrung
• Effizienzsteigerung • Ausbau Marktanteile • Steigerung Wettbewerbsfähigkeit
• • • • •
„soft skills“ Teamgeist Imagegewinn Kompetenz ...
Übernahme von Ergebnissen in die Linienorganisation
Projekterfahrung
Basis für Folgeprojekte Qualifizierung von Mitarbeitern Erfolgreiche Mitarbeiter in neuer Verantwortung Karriere im PM
• Marktkenntnisse • Technologiewissen • Produktwissen
Referenzprojekt Referenzpläne Referenzprozesse Angepasste Standards
Das Projektabschlussgespräch ist eine interne Besprechung, an der das Kernteam, die Arbeitspaketverantwortlichen und das Linienmanagement teilnehmen. Die positiven und negativen Erfahrungen aus dem Projekt werden präsentiert und diskutiert. Aus diesen Erfahrungen werden Maßnahmen für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Projektmanagement abgeleitet. Im Mittelpunkt stehen die Themen des Projektmanagements (Organisation, Zusammenarbeit, Planung, Steuerung....) und nicht so sehr die Technik. Der Projektleiter lädt ein und veranlasst Moderation und Protokollführung. Der Projektleiter, die Teammitglieder und Arbeitspaketverantwortlichen präsentieren ihre Erfahrungen. Mit Hilfe des „Projektabschlussberichts“ wird die Umsetzung der vereinbarten Maßnahmen veranlasst. Folgende Checkliste zeigt die wesentlichen Schritte der Durchführung:
191
2.7
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-137: Vorbereitung der Projektabschlussbesprechung Checkliste: Vorbereitung Projektabschlussbesprechung
Termin festlegen (wenn der wesentliche Leistungsumfang des Projekts erbracht ist, unabhängig von der Abnahme beim Kunden)
Teilnehmerkreis festlegen (Projektteammitglieder, AP-Verantwortliche, Linienmanagement + evtl. „besonders Betroffene“)
Raum reservieren (Anz. Teilnehmer) Einladung versenden Moderator und Protokollführer bestimmen Besprechung effizient durchführen Protokoll in Form des Projektabschlussberichts erstellen Maßnahmen veranlassen und Umsetzung kontrollieren Die folgende Abbildung zeigt das Beispiel einer Agenda.
Abbildung 2-138: Beispiel: Agenda Projektabschlussgespräch
Top
Thema
Sprecher
Dauer
1.
Begrüßung/Statusbericht
Projektleitung
30 min
Projektteam/ Alle
60 min
Abnahme, Gewährleistung, Service, Kalkulation (Ergebnis) etc 2.
Erfahrungsaustausch Projektteam: Was ist gut gelaufen? Was war schwierig/problematisch?
3.
Erfahrungen der Linienabteilungen / Ressourcen- bzw. Abteilungen Arbeitspaketverantwortlichen
max. je 15min
Maßnahmen:
Alle
30 min
30 min
Was soll bei neuen Projekten berücksichtigt werden? Was muss generell verbessert werden? Wer muss über die gesammelten Erfahrungen informiert werden? 4.
Ergebnisprotokoll / Projektabschlussbericht (wer? macht was? bis wann?)
Moderator
5.
Abschlussfeier...
Alle
192
Projektabschlussphase
2.7.3
Der Projektabschlussbericht
Der Projektabschlussbericht dient als Managementinstrument für den kontinuierlichen Verbesserungsprozess des Projektmanagements. Er soll durch seine Form sicherstellen, dass die Themen aus dem Projektabschlussgespräch als konkrete Maßnahmen mit Verantwortlichkeit formuliert und dann auch umgesetzt werden. Außerdem dient er als Informationsinstrument quer über die Projekte hinweg und soll das „Lernen aus Erfolgen und Fehlern der Anderen“ unterstützen. Der Projektabschlussbericht dokumentiert die Ergebnisse und vereinbarten Maßnahmen aus dem „Projektabschlussgespräch“. Er ist tabellarisch aufgebaut im Sinne einer Aktivitätenliste/LOP und zur besseren Auswertung und Verfolgung mit Kategorien versehen. Abbildung 2-139 zeigt die Inhalte.
Abbildung 2-139: Inhalte des Projektabschlussberichts
Gesamtbeurteilung des Projekts
Projektbeteiligte, Randbedingungen
„Wie geht es weiter in der Zukunft?“
gemachte Erfahrung für zukünftige Nutzung
Projektabschlussbericht
Darstellung des ProjektVerlaufs (Lebenslauf, Prozessbetrachtung)
Darstellung der Projektergebnisse (Objektbetrachtung) Besondere Ereignisse (Probleme / Lösungen) Änderungen Zielvorgabe
Für die Erstellung und Verteilung des Berichts, für die Einleitung der Maßnahmen und die Kontrolle der Umsetzung sind in der Regel der Projektleiter, das Projektcontrolling bzw. das PM-Office oder das Qualitätsmanagement verantwortlich. Abbildung 2-140 zeigt das Formular für einen Abschlussbericht in tabellarischer Form.
193
2.7
2
Management einzelner Automotive-Projekte („Single-PM“)
Abbildung 2-140: Beispiel: Formular Projektabschlussbericht
Projektabschlußbericht xxxxx (Auftr.-Nr.)
(Kunde/Land)
(Projektbezeichnung)
Teilnehmer:
Verteiler: Ort:
BZ xx
Kateg.
Verantw Auftr../Abt. Nr.
Protokoll von: Name: Abteilung: Telefon: Datum: 22.09.2004
Teilnehmer Termin: Thema
(Projektleiter)
xx.xx.xx
von xx.xx Uhr bis xx.xx Uhr
Maßnahmen/Vereinbarungen
Ergebnis an
Termin
erl.
Zum Ende dieses Kapitels und passend zum Thema Projektabschluss schließen wir mit einem Zitat, das den kontinuierlichen Verbesserungsprozess im Projektmanagement treffend beschreibt:
„Wer aufhört, besser zu werden, hat aufgehört, gut zu sein.“ Philipp Rosenthal, deutscher Unternehmer und Politiker
194
Projektabschlussphase
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Mehrere parallel laufende Projekte sind in den Unternehmen der Automobilindustrie die Regel. Bezogen auf ein Unternehmen oder einen Unternehmensbereich wird die Summe dieser Projekte als „Projektportfolio“ bezeichnet. Mehrere eigenständige Projekte, die inhaltlich oder strategisch (z.B. gleicher Kunde, gleiche Produktlinie) in Beziehung stehen und gemeinsam koordiniert werden sollen, werden in der Automobilindustrie als „Programm“ bezeichnet. Wir sprechen in den folgenden Kapiteln deshalb von „Projekt-Portfoliomanagement“ und „Programm-Management“. Die Koordination und Abstimmung dieser Projekte stellt für die Unternehmensführung eine große Herausforderung dar. Abbildung 3-1 zeigt die Realität in Unternehmen mit vielen parallel laufenden Entwicklungsprojekten.
Die Multi-Projekt-Realität und ihre Ursachen 125
Abbildung 3-1:
• Projekte werden derzeit nicht bearbeitet
45%
• Keine klare, abgestimmte Zieldefinition
85% 80%
• Rentabilität nicht klar oder zu gering
35%
• Kapazitätsunterdeckung bei den laufenden Projekten 65%
• Priorität 1 bei den laufenden Projekten
60%
• Überschreitung bei den aktuellen Projektkosten > 15%
60%
• Projekte sind aktuell erheblich hinter Terminplan
80%
0%
20%
40%
• Prognose: Terminüberschreitung > 15% Laufzeit 60%
80%
100%
Ursachen • Konflikt zwischen Linien- und Projektorganisation • Informationsdefizite bei Projektteammitgliedern • keine Unterscheidung zwischen Dringlichem und Wichtigem
125 Wildemann (2004b), S. 25
195
2.7
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Das Management von mehreren Projekten im Sinne eines „Projektportfolios“ stellt besondere Anforderungen an die Organisation und die Systeme. Besondere Wichtigkeit hat die Selektion und Priorisierung der „richtigen“ Projekte durch das Management. Die Dramatik der Ressourcenvergeudung durch ein fehlendes strategisches Projektmanagement bei Entwicklungen im Elektronikbereich zeigt Abbildung 3-2.
Abbildung 3-2:
Erfolgswahrscheinlichkeiten von F+E-Projekten 126
Von 100 F&E-Projekten ... Technologie-Strategie führen 57 zum Technischen Erfolg,
techn. Risiko
Wo sind Entwickungsaufwendungen Zur Know-How-Sicherung notwendig? Produkt-Markt-Strategie
werden 31 am Markt eingeführt
Wo ist eine Marktpräsenz für Anschlussentwicklungen notwendig? Sind 12 wirtschaftlich erfolgreich
wirtschaftliches Risiko
Gewinn-Strategie
Neben den klassischen, parallel laufenden Projekten für unterschiedliche Produkte, Kunden und Technologien, gibt es Projekte, die untereinander eine gewisse Verbindung bzw. Abhängigkeit haben, sei es, dass sie das gleiche Produkt, die gleiche Technologie oder den gleichen Kunden betreffen. Diese Projektnetzwerke werden in der Automobilindustrie mehrheitlich als sogenannte „Programme“ bezeichnet und erfordern einen eigenen Koordinations- und Managementaufwand, um Doppelarbeit und Abstimmungsprobleme zu vermeiden. Im Zentrum des Multi-PM steht die Planung und Steuerung der Ressourcen, die Koordination der gegenseitigen Abhängigkeiten (Vernetzung) und die Priorisierung der einzelnen Projekte. Ein MultiProjektcontrolling ermöglicht entsprechende Berichtsstrukturen für die zentrale Steuerung der „Programme“ und des sogenannten „Projektportfolios“. Führt ein Unternehmen viele kleinere oder mehrere große, komplexe Projekte gleichzeitig durch, stellt sich die Frage nach einer übergreifenden Steuerung aller Projekten Denn durch die Vielzahl und die Komplexität der Projekte sowie durch ihre gegenseitige Abhängigkeit entsteht permanenter Koordinierungsbedarf: Abbildung 3-3 verdeutlicht dies anhand der Einflussfaktoren und Restriktionen, die das MultiProjektmanagement zu koordinieren hat. 126 ebenda, S. 26
196
Projektabschlussphase
Abbildung 3-3:
Einflussgrößen und Restriktionen im Multi-PM
Ressourcen, Infrastruktur, Produktionsanlagen
Unternehmensplanung und -strategie
Mitarbeiter
Markt, KundenAnforderungen, Wettbewerb
Hilfsmittel Projekt A Termine
Projekt B MultiPM
Projekt C Projekt D Projekt E Projekt F
Kapazität Kosten (Euro) Innovation, Know-How, Technologien
Folgende Praxisprobleme sind weit verbreitet:
Es gibt zu viele Projekte, die gleichzeitig realisiert werden sollen. Eine Priorisierung fehlt bzw. alles wird mit gleicher (hoher) Priorität vorangetrieben.
Einzelne Projekte sind inhaltlich, zeitlich und personell nicht fundiert genug abgestimmt.
Die Transparenz über den Fortschritt der einzelnen Projekte fehlt. Die Abhängigkeiten zwischen den Projekten werden zu spät erkannt. Die Vernetzung zwischen den einzelnen Projekten während der Projektarbeit ist zu schwach.
Die Projekte konkurrieren um Schlüsselpersonen. Es ist schwierig, die Auswirkungen von Ziel- und Zeitveränderungen eines Projekts auf das Projektportfolio zu erfassen.
Ressortdenken erschwert die Projektarbeit. Die Koordination verschiedener Projekte stößt auf Widerstände.
197
2.7
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Neben der Steuerung der einzelnen Projekte rücken somit die strategische Planung und Steuerung des Projektportfolios in den Vordergrund. Das ProjektportfolioManagement befasst sich mit folgenden Fragen:
Welche Projekte führen wir zurzeit durch, welche werden wir durchführen? Deckt sich unser Portfolio voll mit der Unternehmensstrategie? Wie gut laufen die Projekte in unserem Portfolio? Wer arbeitet jetzt und künftig an welchem Projekt? Decken sich für unsere Ressourcen Angebot und Nachfrage? Was sind die genauen Aufwände und Kosten für jedes Projekt? Welche Risiken gehen wir derzeit ein? Wie sollen wir im Konfliktfall priorisieren? Liefern unsere Projekte den versprochenen Nutzen? Gerade mittelgroße Automobilzulieferer zeichnet im Vergleich zu den großen Konzernen eine höhere Flexibilität bezüglich der Marktanforderungen und eine bessere Reaktionsfähigkeit auf Kundenwünsche aus. Professionelles Multi-Projektmanagement hilft, diesen Wettbewerbsvorteil optimal zu nutzen. Nur ein konsequent auf die Unternehmensstrategie und die Kundenbedürfnisse ausgerichtetes Projektportfolio sichert die Position im Markt und damit den Fortbestand des Unternehmens. Strategische Entscheidungsgremien, wie z.B. ein Projektportfolio-Board oder ein Projektsteuerkreis bringen für die strategische Führung des Projektportfolios im Automobilunternehmen entscheidende Vorteile:
Neue Anfragen oder Projektideen müssen sich vor der Freigabe an objektiven Kriterien der Unternehmensstrategie messen lassen.
Transparenz über die Projektlandschaft durch eine übersichtliche Darstellung und regelmäßige Pflege
Regelmäßige Statusberichte liefern die Grundlage dafür, Ressourcen-Engpässe und Konflikte frühzeitig zu erkennen.
Die direkte Kommunikation zwischen operativem Projektmanagement (Projektleiter/-teams) und Unternehmensleitung bzw. Linienmanagement wird gefördert.
Regelmäßige Projektreviews unter Einbeziehung des Managements stellen sicher, dass mit dem Projekt die ursprünglich spezifizierten Kundenanforderungen realisiert werden.
198
Erklärungsmodell des Multi-Projektmanagements
3.1
Erklärungsmodell des MultiProjektmanagements
Das folgende Modell (Abbildung 3-4) dient der begrifflichen Abgrenzung der verschiedenen Ebenen, Rollen und Bereiche im Multi-Projektmanagement (MPM). Im Mittelpunkt steht die Unterscheidung von Projektportfolio-Management (PPM) als strategischem Ansatz und dem Programm-Management (PMM) als operativem MultiProjektmanagement-Ansatz. Das zentrale Ressourcenmanagement bildet sozusagen die „Klammer“ zwischen der strategischen und operativen Ebene. Die Bereitstellung und Ausrichtung der Ressourcen muss strategisch geplant und gefördert werden, die Nutzung erfolgt durch die operativen Projekte.
Abbildung 3-4:
Erklärungsmodell des Multi-Projektmanagements 127
Rollen
PM-Bereiche
PM-Ebenen
ProjektportfolioProjektportfoliomanagement management
Strategisches Strategisches PM PM
Portfolio-Board/ Portfolio-Board/ Projekt-Ausschuss Projekt-Ausschuss Multi-PM-Office, Multi-PM-Office, Multi-Projektmanager, Multi-Projektmanager, Projektcontrolling Projektcontrolling
ProjektProjektsteuerkreise steuerkreise
ProgrammProgrammmanagement management
Programm-, Programm-,ProjektProjektOffice Office(PMO) (PMO) Projekt-, Projekt-, Programmleitung Programmleitung
Ressourcenmanagement Ressourcenmanagement
Geschäfts-/ Geschäfts-/ Bereichsleitung Bereichsleitung
Operatives Operatives PM PM
Einzel-ProjektEinzel-Projektmanagement management
127 Abgeleitet aus Schmidt/Mertin, projektmagazin 2003
199
3.1
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3.1.1
Abgrenzung strategisches und operatives Multi-Projektmanagement
In der Praxis sind mit Multi-Projektmanagement unterschiedliche Konzepte, Ziele und Organisationsformen verbunden. Prinzipiell müssen zwei Organisationsformen unterschieden werden:
Die strategische Planung und Steuerung vieler Projekte im Projektportfolio des Unternehmens, auch Projektportfolio-Management genannt.
Das Management operative Projektcluster aus einer vernetzten Anzahl von Einzelprojekten, die teilweise parallel aber auch zeitlich versetzt ablaufen können. Der Gesamtprojektleiter ist dann der Multi-Projektmanager. Hierfür hat sich der Begriff Programm-Management durchgesetzt. Um Verwirrung zu vermeiden, ist eine sprachliche Unterscheidung zwischen dem (eigentlichen) strategischen Multi-Projektmanagement und dem operativen Programm-Management sinnvoll. Wir sprechen im Folgenden von Projektportfolio- und Programm-Management. Tabelle 3-1 zeigt eine Gegenüberstellung. 128
Tabelle 3-1:
Multi-Projektmanagement-Aufgabenfelder, Gegenüberstellung
Strategischer Multi-Projektmanager
Operativer Multi-Projektmanager
(Projektportfolio-Manager)
(Programm-Manager)
Navigator der Projektportfolio
Kapitän des Programms
Fokus: Gesamtsicht über die Projekte
Fokus: Das Programm
Koordinationsaufgabe
Führungsaufgabe
Analysiert die Probleme und stellt sie dem Projektleiter, dem Auftraggeber und dem Portfolio-Board dar.
Muss unmittelbar in die Projekte eingreifen, wenn die Situation es verlangt
Hat keine Budgetverantwortung für ein Projekt, muss aber das Gesamtbudget überwachen
Hat die Budgetverantwortung
Analysiert die Personalsituation in der Projektportfolio
Hat Personalverantwortung
Daueraufgabe, solange das Projektportfolio zu koordinieren ist
Endet mit der Beendigung des Programms
Muss sich oft mit der internen Politik, mit Bereichsdenken auseinandersetzen
Ist oft dem rauen Wind ausgesetzt, der vom Kunden kommt
128 vgl. Lomnitz (2001), S. 72
200
Erklärungsmodell des Multi-Projektmanagements
3.1.2
Begriffsklärung Projektportfolio-Management
Alle allein stehenden und zu Programmen zusammengefassten Projekte einer strategischen Geschäftseinheit bilden zusammen ein Projektportfolio. Da Projekte und Programme laufend abgeschlossen, neu priorisiert, verworfen oder der strategischen Ausrichtung des Unternehmens angepasst werden, verändert sich dieses Projektportfolio ständig. PPM kontrolliert und steuert die Summe der Projekte und Programme eines projektorientierten Unternehmens. Es stellt sicher, dass die Unternehmen die richtigen Projekte und Programme zum richtigen Zeitpunkt mit den am besten geeigneten Ressourcen und den notwendigen Finanzmitteln durchführen. Die Aufgaben des Projektportfolio-Managements sind: 129
Optimierung der Ziele / Ergebnisse des Projektportfolios (nicht einzelner Projekte) Auswahl zu startender Projekte Unterbrechung und Abbruch von Projekten Definition von Projektprioritäten Koordination von internen und externen Ressourcen Organisation des Lernens von und zwischen Projekten Als Basis für das Projektportfolio-Management dient in den meisten Unternehmen der Automobilindustrie eine Projektportfolio-Datenbank mit verdichteten Projektdaten wie z.B. Projektart, Projektkennzahlen etc. Für das Projektportfolio-Management sind spezifische Projektportfolio-Berichte notwendig. Typische Projektportfolio-Berichte sind ein Projektportfoliobalkenplan, eine Projektportfolio-Fortschrittsgrafik und verschiedene Kennzahlen, die in einem Multi-PM-Cockpit (siehe auch „Projekt-Cockpit“ als Reportinginstrument in Kapitel 2.6.10) zusammengefasst werden können. In Kapitel 3.4 werden diese im Detail erläutert. Als Management-Summary wird bereits in vielen Unternehmen der Branche die klassische Portfolio-Darstellung aller Projekte und Programme mit Gewinnerwartung und Risikoverteilung genutzt. Abbildung 3-5 zeigt die Portfolio-Darstellung beispielhaft. Das Projektvolumen wird durch die Größe der Kreise visualisiert. Besonders attraktiv sind natürlich Projekte mit hoher Gewinnerwartung und geringem Risiko. Ein wichtiges strategisches Ziel der Portfoliobetrachtung ist es, eine Ausgewogenheit zwischen risikoreichen und risikoarmen Projekten zu gewährleisten und risikoreiche Projekte mit geringer Gewinnerwartung zu vermeiden. Projekt C und E würden in diesem Beispiel dann besondere Aufmerksamkeit bekommen und Projekt E evtl. sogar eliminiert werden, wenn sich das Risiko nicht reduzieren lässt.
129 Quelle: Gareis (2001)
201
3.1
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-5:
Projektportfoliodarstellung als Management-Summary 130 Gewinn hoch
B
C
D
mittel
niedrig
A niedrig
E mittel
hoch
Risiko
Der Projektportfolio-Manager muss Unternehmensziele, Produkt-, Markt- und Technologiestrategien mit Investitionen in Form von Projekten und Programmen permanent abgleichen. Zur Strategieumsetzung führt das Unternehmen dann Projekte und Programme durch.
3.1.3
Begriffsklärung Programm-Management
Ein Programm fasst eine Anzahl von Projekten zusammen, die miteinander in Beziehung stehen. Es ist ein langfristiges Vorhaben und bildet einen übergeordneten Verantwortungsbereich. Die Planung und Steuerung von Programmen ist ein operativer Teilbereich des Multi-Projektmanagement und wird in der Automobilindustrie mehrheitlich als Programm-Management bezeichnet. Die sogenannten Programm-Manager verantworten den Ablauf aller Projekte eines Programms und führen damit auch die jeweiligen Projektleiter. Die Projekte innerhalb eines Programms können funktional oder nach Zielsetzung zusammengefasst werden. Dies geschieht in der Praxis mit Hilfe eines Programmplans. In diesem Plan werden die Arbeitspakete aller Personen aufgeführt, die am Programm beteiligt sind. Er beinhaltet Aufwandswerte, Start- und Endzeitpunkte sowie Vorgänger-Nachfolgerbeziehungen zwischen allen Arbeitspaketen des Programms. Im Gegensatz zum Projektportfolio ist ein Programm zeitlich befristet. 130 ebenda
202
Organisation des Multi-Projektmanagements
Mitarbeiter des Programm-Management-Office (PMO) pflegen den Programmplan zentral. So vermeidet das Unternehmen Doppelarbeiten. Außerdem bewertet und steuert das PMO laufend alle wichtigen Beziehungen zwischen den Projekten eines Programms. Auf diese Weise werden Synergieeffekte genutzt und Doppelarbeit vermieden. Konkret heißt das beispielsweise: Alle Projekte für einen strategischen Kunden (OEM oder Systemlieferant) oder alle Projekte zur Entwicklung, zum Produktionsaufbau und zur Vermarktung einer neuen Technologie bzw. Produktinnovation werden in einem Programm zusammengefasst. Es ist abgeschlossen, sobald die Markteinführung erledigt ist und die ersten Aufträge wieder als operative Projekte im Hause abgewickelt werden. Prozess und Methoden des Programm-Managements werden in Kapitel 3.6 näher erläutert.
3.2
Organisation des MultiProjektmanagements
3.2.1
Rolle des (strategischen) Multi-Projektmanagers
Die Reichweite des Multi-Projektmanagements muss klar definiert sein: 131 Welche Projekte muss der Multi-Projektmanager planen und steuern? Ist er für alle Projekte im Unternehmen verantwortlich oder nur für eine Projektart? Dieser Verantwortungsbereich muss nicht nur klar festgelegt, sondern auch realistisch bemessen sein. Das Multi-Projektmanagement schafft es nicht, alle Projekte im Unternehmen zu koordinieren, wenn diese Aufgabe weder aus zeitlicher Sicht noch politisch machbar ist. Bleiben die Aktionsgrenzen des Multi-Projektmanagements unklar, sind Konflikte und Widerstände aus einzelnen Projekten und der Linie wahrscheinlich. Dann heißt es: "Was mischen sich diese Theoretiker in unsere Projekte ein?" Der Verantwortungsbereich des strategischen Multi-Projektmanagers kann unterschiedlich groß sein:
Der Multi-Projektmanager ist als Projektportfolio-Manager für das gesamte Projektportfolio des Unternehmens verantwortlich. Der Planungs- und Priorisierungsprozess für das Projektportfolio und die Koordination aller Projekte gehören zu seinem Verantwortungsbereich. Diese Funktion kann für Unternehmen mit einem überschaubaren Projektportfolio sinnvoll sein, um Synergieeffekte und eine realistische Ressourcenplanung zu erreichen.
131 vgl. Lomnitz (2001), S. 23ff
203
3.2
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Der Multi-Projektmanager plant und steuert das Projektportfolio eines Unternehmensbereichs oder einer Projektart. In Konzernen mit einer kaum mehr überschaubaren Zahl mehr oder weniger komplexer Projekte und Programme erscheint der Anspruch, alle Projekte einem einzigen Projektportfolio zu koordinieren, unrealistisch. In diesem Fall muss sich das Projektportfolio-Management auf einen bestimmten Bereich oder eine Projektart beziehen, die durch gemeinsame Ressourcen und strategische Ausrichtung eine Vernetzung aufweisen. Beispielsweise sind dies Projekte eines Geschäftsbereichs, Organisations-/IT-Projekte, Forschungs- und Entwicklungsprojekte oder Investitionsprojekte.
Der Multi-Projektmanager beschäftigt sich nur mit dem Portfolio der strategisch besonders relevanten Projekte. Das Unternehmen verzichtet bewusst auf die Koordination der mittleren und kleineren Projekte, um sich gezielt auf die Planung und Steuerung der strategisch relevanten Vorhaben zu konzentrieren. Dieser Ansatz besitzt seine Tücken, denn kleinere oder mittlere Projekte binden Ressourcen und können deshalb erhebliche Auswirkungen auf größere Projekte haben. In jedem Fall sollten die Aufgaben des Multi-Projektmanagers eindeutig definiert und mit klaren Verantwortlichkeiten und entsprechenden Kompetenzen verbunden sein. Der Multi-Projektmanager muss Probleme erkennen, Lösungen einleiten sowie Widersprüche und Blockaden, die durch unrealistische oder unklare Vorgaben entstehen, erkennen und kommunizieren, damit die Geschäftsleitung diese Widersprüche auflösen kann. Seine Kernaufgaben sind im Einzelnen:
Der Multi-Projektmanager muss das Gesamtsystem der Projekte beachten und den Entscheidungsträgern sowie den einzelnen Projektleitern regelmäßig einen Überblick über den Zustand der Vorhaben bieten.
Der Multi-Projektmanager nimmt den Status der Einzelprojekte in intensiver Zusammenarbeit mit den Projektleitern hinsichtlich der inhaltlichen und zeitlichen Zielerreichung sowie der personellen und finanziellen Situation genauer unter die Lupe. Auf diese Weise werden Auswirkungen auf andere Projekte und das Tagesgeschäft transparent.
Der Multi-Projektmanager muss dafür sorgen, dass die Unternehmensleitung oder das Portfolio-Board rechtzeitig über notwendige Änderungen im Projektportfolio entscheiden. Er bereitet die erforderlichen Informationen vor und hat so einen erheblichen Einfluss auf den Entscheidungsprozess.
Der Multi-Projektmanager ist Initiator von und Wächter über Standards, Methoden und Tools. Er definiert die infrastrukturellen Grundlagen für das MultiProjektmanagement und entwickelt sie weiter. So sorgt er dafür, dass ihm die benötigten Informationen aus den einzelnen Projekten vorliegen – denn nur dann kann er sie aufbereiten. Diese Aussage klingt trivial, trifft aber einen wunden Punkt in vielen Unternehmen: Notwendige Informationen werden nicht immer geliefert, bzw. nicht rechtzeitig oder unvollständig. 204
Organisation des Multi-Projektmanagements
Der Multi-Projektmanager ist auch Berater für Projektleitung, für Entscheidungsträger wie Auftraggeber und Projekt-Ausschuss.
Nicht zuletzt sollte der Multi-Projektmanager in regelmäßigen Abständen allen Projektbeteiligten einen Lagebericht zur Situation des Projektmanagements im Unternehmen bieten und Verbesserungsprozesse initiieren. Im Zentrum der Aufmerksamkeit des Multi-Projektmanagers steht das Netzwerk der verschiedenen Projekte. Es geht
um das Erkennen von Redundanzen und Synergien in der Planungsphase um klare Prioritäten um die Auswirkungen von Zieländerungen oder Terminüberschreitungen in einem Projekt auf andere Projekte Der Multi-Projektmanager muss das Projektportfolio zusammenhalten und verhindern, dass einzelne Projekte abdriften oder Vorhaben unproduktiv aufeinanderprallen. Der Multi-Projektmanager hat folgende Hauptaufgaben zu erfüllen:
Projektportfolio planen Projektportfolio steuern Infrastruktur für professionelles Projektmanagement entwickeln einen Pool von erfahrenen Projektleitern zu Verfügung stellen Projektportfolio planen Projektportfolio-Management ist die strategische Aufgabe des Multi-Projektmanagers. Ziel ist, dass diejenigen Projekte in das Projektportfolio kommen, die dem Unternehmen den größten Nutzen bringen. Bei neuen Projekten müssen widersprüchliche Ziele erkannt und aufgelöst werden. Mögliche positive oder negative Einflüsse des geplanten Projekts auf andere Vorhaben sind zu analysieren. Risikomanagement leistet dazu einen wichtigen Beitrag. Auch bei laufenden Projekten ist regelmäßig zu prüfen, ob die festgelegten Prioritäten noch gültig sind und die strategischen Ziele erreicht werden können. Projektportfolio steuern Der Multi-Projektmanager muss auf Basis der Statusberichte der einzelnen Projekte deren Auswirkungen auf das Projektportfolio analysieren und transparent machen. MPM ist auf die Statusberichte der einzelnen Projekte angewiesen. Die Projektleiter müssen deshalb in den vereinbarten Zeitintervallen qualifizierte Informationen über den Projektstatus an das MPM liefern. Dafür gibt es eine standardisierte StatusberichtVorlage. Solange qualifiziertes Projektmanagement im Unternehmen als Fundament fehlt, kann Multi-Projektmanagement nicht funktionieren.
205
3.2
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Infrastruktur für professionelles Projektmanagement entwickeln Erfolgreich ist Projektmanagement dann, wenn alle Projektbeteiligten im Unternehmen es als eine besondere Führungs-, Organisations- und Arbeitsform in und neben der Linienorganisation verstehen und leben. Der Multi-Projektmanager ist verantwortlich für den Projektmanagementprozess. Er muss Projektmanagement als Führungs-, Organisations- und Arbeitsform etablieren. Dazu gehören die folgenden Aufgaben:
Prozesse, Standards, Kennzahlen, Checklisten, Formulare und Regeln muss der Multi-Projektmanager in enger Zusammenarbeit mit den Projektbeteiligten entwickeln und einführen. Dabei sollte er sich von der Maxime leiten lassen: Soviel Struktur wie nötig, soviel Spielraum wie möglich.
Der Multi-Projektmanager muss Projektmanagement-Tool(s) auswählen und einführen mit dem Ziel, die Planungssicherheit zu erhöhen, den Informationsfluss zu gestalten, ein einheitliches Reporting zu erreichen und den Projektleitern ein Instrument zur Verfügung zu stellen, mit denen sie ihre Projekte effizient steuern können. Dabei gilt die Regel, dass der Anwender die Software beherrschen sollte, nicht die Software den Anwender.
Der Multi-Projektmanager ist gemeinsam mit der Personalentwicklung verantwortlich für die Qualifikation der Projektbeteiligten. Er muss Qualifikationsmaßnahmen entwickeln und veranlassen. Im Mittelpunkt dieser Maßnahmen stehen Projektleiter, Teilprojektleiter und Projektmitarbeiter. Aber auch Führungskräfte wie Auftraggeber oder die Mitglieder von Steering Committees müssen qualifiziert werden, um ihre Aufgaben erfüllen zu können.
Unternehmen müssen im zunehmenden Maße interne und externe Netzwerke aufbauen, auf die sie zurückgreifen können, um Leistungen zu erbringen. Der Multi-Projektmanager muss das PM-Netzwerk gestalten. Er organisiert und moderiert den Erfahrungsaustausch zwischen den Projektleitern. Netzwerk- und Lerngruppen gibt es mittlerweile in vielen Unternehmen. In diesen Gruppen werden fachliche und methodische Themen behandelt, aber auch grundsätzliche Fragen zur Situation der Projektarbeit im Unternehmen (z.B. Karriereplanung für Projektleiter, Umgang mit Konflikten) geklärt. Mitglieder des Projekt-Ausschusses sowie interne und externe Experten können bei dieser Gelegenheit über spezielle Themen referieren.
Systematische Projektauswertung/Projektassessment: Projektmanagement ist ein Lernprozess von Personen, Gruppen und der Organisation. Deshalb gehört eine fundierte Projektauswertung zur Projektarbeit. Im Projektassessment hat der Multi-Projektmanager drei Aufgaben: 1.
206
Er muss die Infrastruktur für qualifizierte Projektauswertungen schaffen. Dazu gehören sowohl Checklisten als auch die Einführung von Knowledge Management mit einer entsprechenden Wissensdatenbank.
Organisation des Multi-Projektmanagements
2.
Er arbeitet als Moderator und Methodenberater im Projektabschlussgespräch mit. Dabei bringt er seine Erfahrungen und sein analytisches Know-how ein und informiert die Projektbeteiligten über den Stand des Projektportfolios nach Beendigung des Projekts. Die verdichteten Ergebnisse verschiedener Projektauswertungen sollen mindestens einmal jährlich im Unternehmen präsentiert werden, um die Erfolge gebührend zu feiern und an den Schwachstellen arbeiten zu können.
3.
Bei Projektabbruch und Projektverschiebung ist eine Analyse der Ursachen und eine Darstellung der Konsequenzen nötig. Denn die Probleme in Projekten, die schlecht laufen, werden gerne unter den Teppich gekehrt. Der MultiProjektmanager führt ein Review durch oder er veranlasst eines, um die Konsequenzen eines Abbruchs bzw. einer Verschiebung für die anderen Projekte zu ermitteln.
Einen Pool von erfahrenen Projektleitern zur Verfügung stellen In manchen Firmen bietet das MPM einen Pool von erfahrenen Projektleitern oder Projektberatern an, die den Projekten für einen gewissen Zeitraum zur Verfügung stehen. Sie können
ein Projekt vollständig oder vorübergehend leiten, bei Machbarkeitsstudien unterstützen, auf Wunsch der Auftraggeber, Steuerkreise oder Projektleiter Reviews durchführen bei der Anwendung von Projektmanagement-Tools helfen.
3.2.2
Organisatorische Einbindung des Multi-Projektmanagements im Automobilunternehmen
Der Multi-Projektmanager braucht die organisatorische und persönliche Nähe zur Unternehmensleitung. Er muss in der Aufbauorganisation so positioniert sein, dass er projektübergreifend planen und steuern kann. Die organisatorische Anbindung an die Unternehmensspitze bringt auch den hohen Stellenwert des strategischen MultiProjektmanagements zum Ausdruck. Ein effektives Projektportfolio-Management ist am besten an die Geschäftsführung bzw. den Vorstand angebunden. Das Gremium mit dem der Multi-Projektmanager arbeitet ist das Projektportfolio-Board. Andere Bezeichnungen wie „strategischer Projektausschuss“, „Projekt-Entscheider-Kreis“ oder „Projektportfolio-Führungskreis“ sind ebenfalls gebräuchlich. 132 Abbildung 3-6 veranschaulicht den Zusammenhang.
132 vgl. Patzak/Rattay (1998), S. 408ff
207
3.2
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-6:
Organisatorische Einbindung des Multi-Projektmanagers
GF GF Projektportfolio-Board Projektportfolio-Board (Projekt-Ausschuss) (Projekt-Ausschuss)
MultiMultiProjektmanager Projektmanager Multi-PM-Office Multi-PM-Office
Geschäftsbereich Geschäftsbereich Steuerkreis Steuerkreis
Geschäftsbereich Geschäftsbereich Steuerkreis Steuerkreis
Projektleiter Projektleiter Projektleiter Projektleiter Projektleiter Projektteam Projektleiter Projektleiter Projektteam Projektleiter Projektteam Projektleiter Projektteam Projektleiter Projektteam Projektleiter Projektteam Projektteam Projektleiter Projektteam Projektteam Projektteam Projektteam Projektteam
ProgrammProgrammManager Manager Projektleiter Projektleiter Projektleiter Projektleiter Projektteam Projektteam Projektteam Projektteam
Ist das Multi-Projektmanagement nicht für alle Projekte im Unternehmen zuständig, sondern nur für einen bestimmten Geschäftsbereich oder Funktionsbereich (gleiche Projektart), so kann die organisatorische Anbindung an den jeweiligen Bereichsleiter erfolgen.
3.2.2.1
Projektmanagement-Office als organisatorische Heimat des Multi-Projektmanagements
PM-Offices bilden in Automobilunternehmen meist die organisatorische Heimat des Multiprojekt-Managers und/oder -Controllers. Sie sind allerdings in den Unternehmen auf unterschiedliche Art und Weise installiert. Von der Stabsstelle, die sich auf die Pflege des PM-Handbuches beschränkt, bis zur operativen Einheit mit ProjektleiterPool, Projektcontrolling-Dienstleistung, Vermarktung von Projektmanagement und Coaching, gibt es alle Schattierungen. Im Wesentlichen hängt die Ausgestaltung von den bereits existierenden Controlling- und Projektfunktionen ab und davon, wie stark das Projektmanagement als zentrale Einheit die Organisation dominieren soll. Generell bietet es sich an, das PM-Office (PMO) in Verbindung mit dem Projektcontrolling zu sehen, weil sich hier viele Synergien nutzen lassen, wie z.B. vernetzte Planung, einheitliche Berichterstellung und übergeordneter Erfahrungsaustausch.
208
Organisation des Multi-Projektmanagements
Aus Sicht des Multi-Projektmanagement mit seinem strategischen und operativen Fokus gibt es prinzipiell 3 Ebenen, auf denen ein PMO in der Unternehmensorganisation angesiedelt werden kann. Abbildung 3-7 zeigt diese Ebenen.
Abbildung 3-7:
Organisatorische Anbindung von PM-Offices im Unternehmen 133
GF
GeschäftsBereich A
GeschäftsBereich B
GeschäftsBereich C
MultiPM-Office
Vertrieb
Entwicklung
Produktion
BereichsPM-Office
Projekte
ProjektOffice
Strategische Ebene
BereichsEbene
ProjektEbene
Die organisatorische Verankerung eines strategischen PM-Office sollte direkt bei der Unternehmensleitung erfolgen. Damit wird eine projektorientierte Unternehmensphilosophie dokumentiert. Das PM-Office kann entweder als Stabsstelle oder als operative Einheit im Sinne eines Geschäftsbereiches geführt werden. Bei Großunternehmen macht es Sinn PM-Office-Satelliten je Geschäftsbereich zu installieren, die mit dem zentralen PM-Office im Rahmen des Multi-Projektmanagement/-controlling zusammenarbeiten. Eine wichtige Hilfe für die Arbeit des strategischen PM-Office und für die Umsetzung des PM allgemein, sind dokumentierte PM-Geschäftsprozesse. Sie bilden die Grundlage für Verbindlichkeit und Auditierung der „lebensnotwendigen“ Regeln und Abläufe im Projektmanagement. Abbildung 3-8 zeigt dies beispielhaft am Organigramm eines Gesamtfahrzeugentwicklers. Die Aufgaben eines ProjektManagement-Office (PMO) hängen stark von seiner Position in der Unternehmenshierarchie ab. Je nachdem, ob der Schwerpunkt auf strategischem ProjektportfolioManagement liegt oder auf mehr operativem Programm-Management ergeben sich unterschiedliche Anforderungen. Abbildung 3-9 zeigt schematisch die verschiedenen Ebenen. 133 vgl. Crawford (2002), S. 56
209
3.2
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-8:
Organisatorische Einordnung des strategischen PM-Office bei einem Gesamtfahrzeugentwickler 134
Auf der untersten Ebene beziehen sich die Aufgaben neben allgemeinen Diensten zur Bereitstellung der Infrastruktur, wie z.B. Erstellung und Pflege eines Projektleitfadens, Einrichtung und Betreuung des PM-Tools, Bereitstellung von weiteren PM-Methoden im wesentlichen auf das Einzelprojekt-Coaching und das Einzelprojekt-Controlling. Zielgruppe des PMOs sind die Projektleiter. Als Schnittstelle zwischen der Einzelprojektsicht und der Multiprojektsicht erhält das PMO mit dem Ressourcenmanagement eine übergreifende Aufgabe. Hier gilt es, in Abhängigkeit der hierarchischen Position die Ressourceneinplanung und -steuerung für eine Abteilung oder einen Bereich zu koordinieren. Auf der nächsten (mittleren) Ebene beginnt das eigentliche Multi-Projektmanagement. Hier zählt das Programm-Management zu den Kernaufgaben des PM-Office. Als Programm wird, wie am Anfang von Kapitel 3 beschrieben, ein Bündel von Projekten mit dem gleichen Hauptziel betrachtet. Das PM-Office unterstützt hier bereits das strategische Multi-Projektmanagement durch die Koordination von Ressourcen, Moderation von Projektsteuerkreisen und den Wissenstransfer zwischen den Projekten.
134 Quelle: EDAG
210
Organisation des Multi-Projektmanagements
Auf der obersten Ebene steht die Koordination aller Programme und Projekte im Vordergrund. Hier hat das Projekt-Management-Office die Aufgabe, eine zielgerichtete Steuerung des gesamten Projektportfolios zu gewährleisten.
Projekt-Management-Office-Aufgaben auf verschiedenen Ebenen der Unternehmenshierarchie 135
UnternehmensLeitung
Strategisches PM-Office Portfolio-Management
Programm -Office BereichsLeitung
Programm-Management
Projekt -Office ProjektLeitung
ProjektCoaching
Ressourcen-Management
Abbildung 3-9:
strategische Ebene
operative Ebene
ProjektControlling
Im Großen und Ganzen ergeben sich abhängig von der jeweiligen Ebene in der Unternehmenshierarchie generell folgende Aufgaben für ein Projekt-Management-Office:
Vorbereitung, Moderation und Dokumentation von Projektausschüssen, Projektsteuerkreisen und Projektleiter-Runden
Moderation von Planungsklausuren Mitwirkung bei der Unternehmensplanung Multiprojektcontrolling und –reporting (Programm bzw. Portfolio) Einzelprojektcontrolling und -reporting Operative Projektunterstützung Zentrale Ressourcenplanung und -steuerung PM-Audits, Organisation von Reviews und Freigaben 135 in Anlehnung an: Lappe, Marc, projektmagazin 2003
211
3.2
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Implementierung PM-Abläufe und Methodik, PM-Leitfaden pflegen PM-Coaching und PM-Training
3.2.3
Gremien im Multi-Projektmanagement
Die Vernetzung von Projektorganisationen und die vielfältigen Abstimmungsprozesse zwischen mehreren parallel laufenden Projekten stellen hohe Anforderungen an zentrale Organisationseinheiten wie PM-Offices oder zentrales Projektcontrolling. Darüber hinaus sind Lenkungsgremien als Führungsinstrumente einzusetzen. Verschiedene Gremien im Multi-Projektmanagement dienen dazu, strategische und weitreichende operative Entscheidungen zu treffen und Informationen projektübergreifend auszutauschen. Die wesentlichen Multi-Projekt-Gremien sind:
Der strategische Projektausschuss (Projektportfolio-Board) Die Projektsteuerkreise (Lenkungsausschüsse, Programmkomitees..) Die Projektleiter-Runde Abbildung 3-10 zeigt die Gremienstruktur eines Automobilzulieferers.
Abbildung 3-10: Beispiel Projektgremienstruktur beim Automobilzulieferer
Strategischer Projektausschuss
Moderation: Leiter strategisches PM-Office Teilnehmer: GF, GBL, Controlling, Programm/Projektmanager
Steuerkreis F&E
= Projektportofolio-Management / Strategische Ebene
Steuerkreis GB A Moderation: Leiter Bereichs-PM-Office
Steuerkreis GB B Steuerkreis GB C Steuerkreis IT/Org. Projektleiterkreis GF = Geschäftsführung GB = Geschäftsbereich GBL = Geschäftsbereichsleiter
212
Teilnehmer: GBL A/B/C/IT, Abteilungsleiter des Bereichs, Bereichscontroller, Programm-/Projektmanager
= Programm-/Projekt-Management Operative Ebene Moderation: Leiter strategisches PM-Office Teilnehmer: Alle Programm-/Projektmanager
= Wissensmanagement / Emotionale / Kulturelle Ebene
Organisation des Multi-Projektmanagements
3.2.3.1
Der strategische Projektausschuss (Projektportfolio-Board)
Der strategische Projektausschuss setzt sich im Regelfall aus den für die Projekte und Ressourcen verantwortlichen Vertretern der Unternehmensleitung bzw. Bereichsleitung zusammen. Ergänzt wird er um den Multi-Projektmanager oder Projektcontroller, der meist auch die Vorbereitung (Reporting) und Dokumentation übernimmt. Er stellt die oberste Eskalationsstufe und Entscheidungsinstanz in Konfliktfällen oder bei bereichsübergreifenden strategischen Entscheidungen dar. Abhängig von der Anzahl der Projekte, deren Laufzeit und der Veränderungsgeschwindigkeit des Projektportfolios sollte der strategische Projektausschuss monatlich bis mindestens vierteljährlich zusammenkommen. Bewährt haben sich eher kürzere Meetings im monatlichen Turnus gegenüber langen „Klausuren“ in großen Abständen. Dann wird häufig nur noch „berichtet“ und nichts mehr „entschieden“. Intensive Planungsklausuren sind ohnehin 1-2mal pro Jahr fällig. Details dazu erläutern wir in Kapitel 3.4. Wesentliche Aufgabenund Verantwortungsbereiche des Projektausschuss sind die
periodische Bewertung und Priorisierung des gesamten Projektportfolios strategische Planung der Mitarbeiter aller Projekte und deren Aufgaben projekt- und organisationsübergreifende Koordination der Projektarbeit Prüfung und Freigabe der Projekte für das Projektportfolio (Projektselektion) Überwachung des Projektfortschritts und strategischer Meilensteine (Reviews) Abbildung 3-11 zeigt Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen.
Abbildung 3-11: Projektausschuss: Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen
Strategischer Projektausschuss (Projektportfolio-Board) Aufgaben
Verantwortung
Kompetenzen
• Priorisierung von Projekten • Festlegung des Gesamtbudgets für alle Projekte • Auftragserteilung für Projekte / Budgetfreigabe • Beschluss über kritische Änderungen / Maßnahmen (Eskalation) • Reviews ausgewählter Projekte • Verabschiedung der Projektportfolios in der Unternehmensplanung
• Übergeordnete Steuerungsverantwortung für sämtliche Projekte
• Bereichsübergreifende Entscheidungen • Aufteilung des Budgets auf Projekte • Selektion und Stop von Projekten • Bewilligung von Budgetüberschreitungen
• Einhaltung des Gesamtbudgets • Einleitung strategischer Maßnahmen (F&E, Invest, Personal, Infrastruktur)
213
3.2
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Die wesentliche Basis für die strategischen Entscheidungen des Projektausschuss bilden drei Informationsbereiche, die aus allen Projekten eingefordert werden müssen:
Projektanträge bzw. Kundenanfragen Statusberichte Projektabnahmen, -freigaben bzw. Reviews Abbildung 3-12 gibt dazu einen Überblick:
Abbildung 3-12: Informationsbasis für den strategischen Projektausschuss 136
Projektausschuss Projektantrag
Statusbericht
Anfrage/ Projektidee
Veränderung zum Vormonat Risiken
Projekt – selektion
Probleme Konflikte Maßnahmenvorschläge
Projekt – Priorisierung
Projektabnahme Termingetreue Ergebnisablieferung
Erfüllung der Qualitätsanforderungen
Einhaltung der Kostenvorgaben
Projektrealisierung
Projektantrag/Kundenanfrage: Auf der Basis von Projektideen, die in Projektanträgen formuliert werden, entscheidet der Projektausschuss im Rahmen der jährlichen Unternehmensplanung über das strategische Projektportfolio, das neben den bestehenden Projekten und Kundenanfragen realisiert werden soll. Neue Kundenanfragen und dringende interne Projektideen werden während des laufenden Jahres durch Projektanträge in die turnusmäßigen Entscheidungssitzungen eingesteuert und ggf. freigegeben. Das Projektportfolio beziehungsweise die Prioritäten laufender Projekte müssen dann entsprechend angepasst werden. Regelmäßig beurteilt der Projektausschuss die wichtigsten und kritischen Projekte neu und entscheidet auf dieser Basis über Kapazitäts- oder Ressourcenverschiebungen. Der Projektantrag liefert für jedes Projekt eine Kurzbeschreibung zu bestimmten Kriterien (z.B. strategische Bedeutung, Wirtschaftlichkeit).
136 Quelle: Verspohl, projektmagazin 12/04
214
Organisation des Multi-Projektmanagements
Statusbericht: Anhand einer Ampeldarstellung können die projektspezifischen Statusinformationen für das Gesamtportfolio verdichtet werden. Zu den Entscheidungsterminen des Gremiums wird ein Projektportfolio-Bericht aufbereitet (im Regelfall vom Multi-Projektmanager bzw. Projektcontroller), der mit weiteren Kennzahlen zu Terminen, Kosten und Fortschritt/Reifegrad angereichert ist.
Grün: "Alles im Plan." Gelb: "Abweichungen, mit entsprechendem Maßnahmenplan." Rot: "Das Projekt ist notleidend und braucht Management-Unterstützung." Der Projektausschuss befasst sich in seinen regelmäßigen Sitzungen hauptsächlich mit den rot angezeigten Projekten und weiteren strategisch wichtigen Projekten, die besonderer Aufmerksamkeit des Managements bedürfen. Anhand der Statusinformationen verfügt der Projektausschuss über eine ausreichende Informationsgrundlage, um zeitnah strategische Entscheidungen zum Projektportfolio treffen zu können und Prioritätenkonflikte zwischen Projekten zu lösen. Projektabnahme/Review: Zum Ende jeder Projektphase bzw. zu relevanten Meilensteinen erfolgt in Automotive-Projekten auf Basis vordefinierter Erfolgskriterien eine Freigabe bzw. ein Review als Abnahme von Zwischenergebnissen. Bestimmte strategisch wichtige Freigaben können durch den Projektausschuss durchgeführt werden und vermitteln dadurch ein „ungeschöntes“ Bild. Andere Freigaben erfolgen durch dezentrale Gremien wie den Projektsteuerkreis und werden mit ihren Ergebnissen nur an den Projektausschuss berichtet. So könnte die Tagesordnung für eine Sitzung des Projektausschusses aussehen:
Aktueller Status des Projektportfolios, Detailinformationen zu „roten“ und strategisch besonders wichtigen Projekten
Neue Projektanträge/Kundenanfragen mit Chancen/Risiken und Ressourcenbedarf Aktuelle Ressourcensituation und Konsequenzen für die Projekte Entscheidungen und Maßnahmen zur Einsteuerung neuer Projekte, Priorisierung laufender Projekte und zum Management der Ressourcen
Offene Punkte Der Projektausschuss spielt nicht nur eine rein strategische Rolle im Sinne der Projektauswahl und Priorisierung, sondern er leistet einen ganz entscheidenden Beitrag zur Projektmanagement-Disziplin und -Kultur im Unternehmen. Die Abgrenzung zu dem mehr operativen Gremium des Projektsteuerkreises ist hier je nach Unternehmensgröße und Struktur nicht eindeutig möglich. Für den Steuerkreis gelten vielfach die gleichen Aussagen.
215
3.2
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3.2.3.2
Der Projektsteuerkreis als operatives Lenkungsgremium im Multi-Projektmanagement
Projekte leben oft als Firmen in der Firma, haben eigene Organisationen und Strukturen und entwickeln in vielen Fällen sogar eine eigene Kultur. All das ist wunderbar geregelt - innerhalb der Projektgrenzen. Wie sieht es aber mit der Einbindung in das Gesamtunternehmen aus? Von der Sache her gibt es mehr oder weniger klare Strukturen und Spielregeln, aber emotional fehlt den Projekten vielfach die Heimat. Oft fühlen sich Projektleiter alleingelassen und „verheizt“. Ihnen fehlt die Lobby, die Aufmerksamkeit des Managements, der Zugriff auf Ressourcen und der „Schiedsrichter“ bei Konflikten. So entstehen oft unnötige Reibungsverluste und Frustrationen. Damit Projekte nicht in einem „Führungsvakuum“ ersticken müssen, gibt es im Projektmanagement das Gremium „Steuerkreis“. Der Projektsteuerkreis ist der „Aufsichtsrat“ von Projekten und führt die jeweiligen Projektleiter im Sinne der Unternehmensziele. Steuerkreise werden in größeren Unternehmen der Automobilindustrie meist mit Führungskräften aus dem mittleren Linienmanagement besetzt, meist mit einem Vertreter der Geschäftsleitung oder Geschäftsbereichsleitung als Vorsitzendem. Abbildung 3-13 gibt einen Überblick zu Aufgaben und Kompetenzen.
Abbildung 3-13: Aufgaben und Kompetenzen von Projektsteuerkreisen
Projektsteuerkreise Aufgaben • Priorisierung von Projekten innerhalb eines Geschäftsbereichs • Koordination zwischen Projekt und Linie • Abnahme und Freigabe von Meilensteinen /Projektreviews • Unternehmerische Führung der Projektleiter • Eskalationsstufe bei Konflikten zwischen Projekt und Linie und gegenüber Kunden und Lieferanten
Verantwortlichkeit • Unternehmerische Steuerung aller Projekte des Bereichs • Einhaltung des Bereichsbudgets • Führung und Pflege des Projektpersonals
Kompetenzen • Entscheidungen im Rahmen der Projektportfolio-Vorgaben • Freigabe von Meilensteinen, Änderungen, Abnahmen • Bereichsinterne Projektentscheidungen • Kontrolle kritischer Projekte
Die folgende Abbildung zeigt das Beispiel einer Steuerkreis-Funktionsbeschreibung.
216
Organisation des Multi-Projektmanagements
Abbildung 3-14: Beispiel einer Steuerkreis-Funktionsbeschreibung Funktions- und Aufgabenbeschreibung Projektsteuerkreis
Der Steuerkreis besteht aus drei bis fünf Führungskräften aus der Ebene Geschäftsführung, Bereichsleitung, Abteilungsleitung und dem jeweiligen Leiter des PM-Office als Moderator.
Er stellt das organisatorische Bindeglied zwischen Projekt und Linienorganisation dar. Durch dieses Gremium werden die Projektleiter unternehmerisch geführt.
Die Mitglieder des Steuerkreises repräsentieren die Leitung der am Projekt beteiligten Fachbereiche und die Kundenbeziehung. Bei bereichsübergreifenden Projekten ist ein Geschäftsführungsmitglied Vorsitzender des Gremiums.
Der Steuerkreis ist der interne Auftraggeber des Projektes und beurteilt somit die Ergebnisse des Projekts und das Projektmanagement.
Die Mitglieder werden bei bereichsübergreifenden Projekten durch die Geschäftsführung berufen. Bei bereichsinternen Projekten erfolgt die Berufung durch den Bereichsleiter.
Der Steuerkreis gibt Ziele (Strategie) vor bzw. vereinbart diese mit dem Projektteam. Der Steuerkreis ist die Eskalationsstufe für Konflikte zwischen Projekt/Linie und Projekt/Kunde, die operativ nicht gelöst werden können.
Der Steuerkreis schafft Rahmenbedingungen, damit sich das Projekt im Unternehmensumfeld optimal entwickeln kann und erfolgreich ist (Ressourcen, Infrastruktur, Spielregeln ...).
Der Steuerkreis sorgt für eine langfristige und nachhaltige Entwicklung und Qualifizierung der Projektleiter/Teilprojektleiter. Er beauftragt gezielt Coaching-Aktivitäten und Trainingsmaßnahmen, die dem Projektpersonal helfen erfolgreicher zu sein.
Der Steuerkreis wird zeitnah über Status, Fortschritt, Ergebnisse, Probleme und Konflikte im
Projekt durch die Projektleitung informiert - mindestens aber zu den regelmäßigen Sitzungsterminen. Abweichungen bzw. Risiken bzgl. der Erreichung der vereinbarten Ziele werden von der Projektleitung ohne eigene Aufforderung kommuniziert.
Der Steuerkreis erhält einen monatlichen Statusbericht von der Projektleitung. Der Steuerkreis trifft kritische Entscheidungen im Projekt (Risiken, Vertrag, Technologie). Kritische Meilensteine (Quality Gates) im Projekt werden vom Steuerkreis freigegeben. Teilnehmer an Steuerkreis-Sitzungen:
Steuerkreis-Mitglieder Projektleitung und ggf. Teammitglieder Turnus der Sitzungen: Jeden 1. Montag im Monat, 14:00 Uhr – 18:00 Uhr Ziel und Inhalt der Sitzungen:
Bericht über aktuellen Status und inhaltliche Ergebnisse (Standard Projektstatus-Bericht) Feedback, Problembesprechung, Entscheidungen Vereinbarung weiterer Ziele und Maßnahmen
217
3.2
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3.2.3.3
Die Projektleiter-Runde als Plattform für das projektübergreifende Wissensmanagement
Projektleiter fristen in der Regel ein „Nomaden-Dasein“ im Unternehmen. Sie haben keine richtige Heimat. Als Führungskräfte sind sie zwar für ihre Projekte verantwortlich, aber meist nicht in die üblichen Regelmeetings des Linienmanagements eingebunden. Damit sind sie oft abgeschnitten von wichtigen Informationen und haben als „Einzelkämpfer“ auch untereinander kaum Erfahrungsaustausch. Es fehlt ein Gremium zur gegenseitigen Information und zur Interessensvertretung gegenüber dem etablierten Management. Die Projektleiter-Runde kann als moderne „PM-Tafelrunde“ diese Rolle übernehmen. Diese Idee ist inspiriert von der Sage des König Artus und seiner Tafelrunde, mit der er es geschafft hat, die verfeindeten Ritter Englands an einen Tisch zu bringen und gemeinsame Ziele zu verfolgen. 137 Eine durchaus vergleichbare Situation vieler Projektleiter in unseren Unternehmen heute. Diese Regelbesprechung der Projektleiter mit monatlichem, in manchen Unternehmen auch wöchentlichem Turnus, hat folgende Ziele und damit auch Erfolgsfaktoren:
Erfahrungsaustausch der PL Qualifizierung zu Schwerpunktthemen Einleiten von Verbesserungsprozessen Stärkung der Identität und des Status der PL Kooperation und Absprache bzgl. knapper Ressourcen Bündelung der Interessen und Meinungen gegenüber dem Management Vereinbarung von PM-Standards, Methoden und Tools Abbildung 3-15 zeigt das Beispiel einer Standard-Agenda für eine PL-Runde.
Abbildung 3-15: Beispiel: Standard-Agenda PL-Runde Nr.
TOP
Verantwortlich Dauer
1.
Aktuelle Infos aus dem Projektausschuss, Vertrieb, Entwicklung und PM-Office Erfahrungsbericht eines aktuellen Projektes Pause Fachbeitrag aktuelles PM-Thema / Fachthema Aktuelle Konflikte und Ressourcenprobleme Offene Punkte und Maßnahmen/Aktivitäten
Ltr. PM-Office
30 min
Projektleiter
45 min 15 min 45 min 30 min 15 min
2. 3. 4. 5. 6.
137 Kostner (1998), S. 55ff
218
Experte Teilnehmer Teilnehmer
Organisation des Multi-Projektmanagements
Nicht zuletzt ist die PL-Runde ein wesentlicher Promotor und Multiplikator der PMKultur und somit ein wichtiger Baustein zur Steigerung des Reifegrades des Projektmanagements im Unternehmen. Abbildung 3-16 zeigt das Beispiel einer Funktionsbeschreibung.
Abbildung 3-16: Beispiel: Funktionsbeschreibung PL-Runde Aufgabenstellung und Inhalte der PL-Runde
Know-how-Transfer von Projekt zu Projekt (Erfahrungsaustausch) Informationsaustausch über Unternehmensstrategie und -ziele und daraus resultierende Anforderungen an Projektabwicklung
Informationsplattform über alle Projekte im Unternehmen Erfahrungsweitergabe mit aktuellen Projektberichten (Fachabteilungen, Projektsteuerung, Management, Projektorganisation, Projektabläufe, Probleme + Erfolge)
Supervision einzelner Projektleiter bei aktuellen Projektproblemen Fachbeiträge (z.B. neue Produkte, Normenänderungen, etc.) Knüpfung eines Beziehungs- und Informationsnetzes zwischen Projektleitern Lernumgebung mit Hilfe von Patenschaften für junge Projektleiter Interessensvertretung der Projektleiter gegenüber der Linie und dem Top-Management Vereinbarung von Standards, Tools, Checklisten und Dokumentationsregeln Festigung und Optimierung des Standard-PM-Prozess im Unternehmen (KVP) Organisation der PL-Runde
Teilnehmerkreis: Alle aktiven Projektleiter (inkl. Nachwuchskräfte) im Unternehmen Turnus und Termin: Monatlich, jeweils am 4. Freitag, 14:00 – 17:00 Uhr Moderation und Protokoll: PM-Office Ablauf anhand Standardagenda Vorbereitung und Einladung: PM-Office Spielregeln
Absolute Vertraulichkeit und Offenheit Verbindliche Teilnahme an mindestens 6 Terminen p.a. Kooperations- und Lernbereitschaft Der Erfolg der PL-Runde steht und fällt mit der Bereitschaft der Projektleiter „gemeinsam“ das Projektmanagement und die Stellung Ihrer Rolle im Unternehmen voranzubringen. Diese Kooperationsbereitschaft und Offenheit untereinander zu erzeugen und zu pflegen, ist wohl die größte Herausforderung, weil Projektleiter gerne zum „Einzelkämpfertum“ neigen. Große Veränderung in der Unternehmenskultur, hin zum projektorientierten Unternehmen lassen sich aber nur gemeinsam erreichen.
219
3.2
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3.3
Kommunikation und Zusammenarbeit in der Multi-Projekt-Umgebung
Geht es beim einzelnen Projekt im Wesentlichen um die Zusammenarbeit und Kommunikation im Projektteam und mit den beteiligten Partnern, so liegt der Fokus beim Multi-Projektmanagement auf der Kommunikation und Kooperation zwischen den Projekten. Die oben beschriebenen Gremien wie Projektleiter-Runden, Projektausschüsse und Steuerkreise bilden dazu eine wesentliche Grundlage. Durch regelmäßige Besprechungstermine wird eine sogenannte „Regelkommunikation“ aufgebaut, die dafür sorgt, dass neben den klassischen Reportinginformationen (siehe Kap. 3.4.4) auch ein informeller Informationsfluss gepflegt wird. Viele „weiche“ Informationen über aktuelle Probleme, drohende Risiken und Konflikte in den Projekten und Programmen können dabei ausgetauscht werden. Dies ist die „unsichtbare“ aber nicht minder wichtige Seite des Multi-Projektmanagement. Abbildung 3-17 zeigt das fiktive Beispiel für einen Regelkommunikationsplan bei einem Automobilzulieferer.
Abbildung 3-17: Beispiel: Regelkommunikationsplan Automobilzulieferer (fiktiv) Besprechung
Zweck, Ziel, Inhalt
Teilnehmer
Turnus
Ergebnis
Strategiesitzung Erstellung/ Festlegung des Businessplanes
GL, Bereiche
1x p.a., 2 Tage
Businessplan Strategiepapier
EntwicklungsWorkshop
Erstellung und Festlegung des strategischen F+E-Programms
GL, Entwicklungs- 1x p.a., Ltg, Vertriebs-Ltg 2 Tage
F+EProgramm
Projektportfolio- Erstellung Jahresplan ProjektPlanungsrunde portfolio und Abgleich zum Businessplan
GL, Bereiche, PM- 1x p.a., Office 2 Tage
Projektportfolioplanung
ProjektausStatusbericht Projektportfolio, GL, Bereiche, PM- 2schuss-Sitzung Neue Projektanträge, Selektion Office monatund Freigabe neuer Projekte lich
Multiprojektliste, Akt. Projektportfolio, Projektanträge
Projektsteuerkreise (pro Bereich)
Statusberichte Einzel-Projekte und Programme, Eskalationsentscheidungen
Bereichs-Ltg, Abt.- monatleiter, Projektleiter, lich PM-Office
Statusberichte, Ergebnisprotokoll (LOP)
ProjektleiterRunde
Erfahrungsaustausch, Qualifizierung zu Schwerpunktthemen, Prozessverbesserung
Projektleiter, Programm Manager, PM-Office
Ergebnisprotokoll (LOP)
220
monatlich
Kommunikation und Zusammenarbeit in der Multi-Projekt-Umgebung
Einen weiteren Erfolgsfaktor für die Kommunikation und Zusammenarbeit in der Multiprojektumgebung des Automobilunternehmens bilden klare Vereinbarungen und Spielregeln zwischen der Projekt- und der Linienorganisation. Der MultiProjektmanager hat hier in vielen Fällen die Aufgabe der Moderation, da beide Parteien aus eigener „Kraft“ oft keine Regelungen zustande bringen. Aufgabe der Linienabteilungen ist es, die erforderlichen Ressourcen für die Projekte bereitzustellen und diese Ressourcen (Personal, Werkzeuge und Hilfsmittel) ständig weiterzuentwickeln und an die Erfordernisse anzupassen. Die Linienorganisation vertritt somit die „fach- und funktionsorientierte“ Sicht. Aufgabe der Projektleiter und -teams ist es, mit den zur Verfügung stehenden Ressourcen die Projekte erfolgreich im Sinne der vereinbarten Ziele abzuwickeln. Die Projektorganisation hat somit die „abwicklungs- und ergebnisorientierte“ Sichtweise. Diese zweidimensionale Organisationsform stellt aufgrund ihrer Komplexität bedeutend höhere Anforderungen an Führungskräfte und Mitarbeiter, besonders dann, wenn eine Vielzahl von Projekten parallel abgewickelt wird. Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit haben dann einen sehr hohen Stellenwert. Auch die Regelung von Schnittstellen und die Vermeidung der daraus resultierenden Konflikte ist entsprechend wichtig. Abbildung 3-18 zeigt die Rollenverteilungen an einem Beispiel.
Abbildung 3-18: Beispiel: Rollenverteilung Projektorganisation und Linienorganisation 138
138 Quelle: EDAG
221
3.3
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Es macht Sinn das Zusammenspiel zwischen Projekt und Linie mit Hilfe von generellen Spielregeln zu definieren. In einer sogenannten „Rahmenvereinbarung“ können Erwartungen, Interessen und Strategien zur Konfliktvermeidung unabhängig vom einzelnen Projekt geregelt werden. Dann muss nicht in jedem Projekt das Revier neu abgesteckt werden und die Rechte des Projektleiters gegenüber der Linie neu ausgehandelt werden. Ein Beispiel für mögliche Spielregeln zeigt Abbildung 3-19.
Abbildung 3-19: Beispiel für generelle Spielregeln in einer Multiprojektumgebung Spielregeln zwischen Projekt- und Linienmanagement
Das Projektteam soll unternehmerisch handeln. In Konfliktfällen zwischen Projektzielen und
der Linie soll anhand von Argumenten entschieden werden. Oberste Entscheidungsinstanz ist der Projektsteuerkreis. Das Projektteam entscheidet über die Verwendung des geplanten und mit dem Steuerkreis vereinbarten Projektbudgets.
Projektteammitglieder werden von den Linienabteilungen in Abstimmung mit der Projektlei-
tung benannt. In Ausnahmefällen kann die Teamzusammensetzung auch im Laufe des Projekts einvernehmlich geändert werden. Generell wird aber Kontinuität angestrebt, um das Know-how im Projekt zu erhalten.
Ein guter Projektleiter/Projektmitarbeiter fragt kompetente Ansprechpartner im Haus und spricht über Probleme im Projekt, bevor es zur Eskalation kommt.
Der Projektsteuerkreis ist die erste Eskalationsinstanz bei Konflikten zwischen Projekt und Linie bzw. mit dem Kunden.
Projektmitarbeiter dürfen nur maximal zu 100% ihrer Kapazität verplant werden. Projektteammitglieder müssen zum Projektstart namentlich benannt sein. Für jedes Arbeitspaket das in der Linie abgearbeitet wird gibt es einen namentlich benannten Verantwortlichen mit Kompetenzen. Die Ressourcen sind eindeutig zuzuordnen.
Bei Zielkonflikten zwischen Linienmanagement und Projektmanagement ist generell ein tragfähiger Kompromiss anzustreben. Die Gesamtinteressen des Unternehmens sind zu berücksichtigen. Ist eine Einigung im Steuerkreis nicht möglich, hat die Geschäftsführung eine Entscheidung zu treffen (2. Eskalationsinstanz).
Der Projektleiter oder sein Stellvertreter nehmen an jeder Verhandlung mit dem Kunden bezüglich Auftragsumfang, Preis oder Änderungen teil.
Die Urlaubs- und Reiseplanung für Projektmitarbeiter erfolgt in Abstimmung mit dem Projektleiter.
Die Zielvereinbarungen und Mitarbeiterbeurteilungen für Projektmitarbeiter erfolgen gemeinsam durch Linienvorgesetzte und den jeweiligen Projektleiter.
Diese generellen Regeln dienen dazu, die Zusammenarbeit zwischen Linie und Projekt zu optimieren. Vorfahrtsregelungen im Sinne des Projektes verhindern, dass beispielsweise Linienfunktionen eines Unternehmens den Beweis antreten wollen, weshalb ein Projekt nicht funktionieren kann.
222
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
Das klassisch wohl größte Anliegen des Multi-Projektmanagement ist neben der Auswahl und Priorisierung der „richtigen“ Projekte die Vernetzung und Verdichtung der Projektpläne und Statusinformationen hinsichtlich Ressourcen, Kalkulation (Ergebnisrechnung) und Finanzmittelbedarf. Diese Aufgabe komplexen EDV-Tools zu überlassen, scheitert regelmäßig. Die Verzahnung der Planungsinformationen stellt hohe Anforderungen an eine einheitliche Planungsmethodik in den Einzelprojekten und erfordert die geschickte Hand, systematische Vorgehensweise und intelligente Moderation eines Multiprojektmanagers oder –controllers. Die einzelnen Prozessschritte und Methoden hierzu werden im Folgenden beschrieben.
3.4.1
Der zyklische Prozess des ProjektportfolioManagements
Der zyklische Prozess des Projektportfolio-Managements lässt sich in vier Phasen gliedern: 139
Projektportfolio-Initiierung Projektportfolio-Planung Projektportfolio-Controlling inklusive Berichtswesen Projektportfolio-Bereinigung Am Ende der Planungsphase erfolgt die strategische Projektentscheidung in Form der „Selektion + Freigabe“. Dies ist erfahrungsgemäß der wichtigste und auch kritischste Punkt im Portfoliomanagement. Die Controllingphase stellt den eigentlichen zyklischen Prozess dar. Periodisch werden die aktuell im Portfolio befindlichen Projekte verfolgt und strategische Entscheidungen bzgl. Priorität und Ressourcen getroffen. Das Portfolio wird laufend durch neue Projekte angereichert aber auch bereinigt, wenn ein einzelnes Projekt abgeschlossen ist. Abbildung 3-20 stellt den Projektportfolio-Management-Prozess modellhaft dar.
139 Quelle: Schmidt, Mertin projektmagazin 2003
223
3.4
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-20: Zyklischer Projektportfolio-Management-Prozess
3.4.2
Projektportfolio-Initiierung
Die Projektportfolio-Initiierung umfasst alle notwendigen Schritte, um geeignete Vorhaben auszuwählen und in das Projektportfolio zu integrieren. Projektideen und Projektanfragen der Kunden werden kontinuierlich gesammelt, zu möglichen Projekten und Programmen für das Projektportfolio zusammengestellt und zu den Entscheidungsterminen im Projektausschuss vorgestellt. Dieser Prozess der Selektion ist der entscheidende Hebel für ein effektives Multi-Projektmanagement im Unternehmen. Den Autoren ist kein Unternehmen der Automobilbranche bekannt, dessen Projektmanager und Linienmanagement nicht kontinuierlich über zu knappe Ressourcen klagen. Die Negativspirale dieses Ressourcenmangels, der meist zu unprofessionellem Projektstart führt wurde bereits in Kapitel 2 aufgezeigt. Hier können viele Automotive-Unternehmen noch einen Quantensprung der Performance-Steigerung tun, wenn sie über ein professionelles Projektportfolio-Management die Anzahl der Projekte in der „Pipeline“ auf das „richtige“ Maß beschränken. Abbildung 3-21 zeigt den Zusammenhang am Trichtermodell.
224
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
Abbildung 3-21: Trichtermodell zur Selektion der „richtigen“ Projekte
Selektion
Freigabe
Controlling + Berichtswesen Anfragen, Projektideen
Bereinigung
Als Entscheidungskriterien für die Vorauswahl von Ideen und Anfragen dienen die Geschäftsgrundsätze und strategischen Ziele des Unternehmens. Diese bilden die Rahmenbedingungen für die Initiierung von Projekten oder Programmen durch die jeweiligen Bereichsleiter, Vertriebsleiter, Key Account Manager, Projektleiter oder Programm Manager. Als formales Mittel zur Entscheidungsvorbereitung dient im Regelfall ein sogenannter Projektantrag. Er sollte unter anderem Informationen zum Kunden bzw. Projektziel, Chancen, Risiken, den Beteiligten und der Terminsituation/Dringlichkeit sowie zum Ressourcenbedarf enthalten. Abbildung 3-22 zeigt die Kriterien der Portfoliobildung schematisch auf.
Wirtschaftlichkeit
Strategie
Gesetzliche Auflagen
Gewinn
Abbildung 3-22: Kriterien bei der Bildung des Projektportfolios
Risiko
Projektportfolio
Budgetrestriktionen
Ressourcenrestriktionen
Terminrestriktionen
225
3.4
Aufgabe des strategischen PM-Office ist es, besonders in dieser Initiierungsphase für Transparenz im Projektportfolio zu sorgen. Dazu sind von allen laufenden Projekten und von jedem potentiellen neuen Projekt bestimmte Eckdaten in einer zentralen Datenbasis zu erfassen und zu verwalten. In Tabellenform dargestellt, schaffen diese Daten dann einen Gesamtüberblick über das Portfolio. Zur besseren Übersichtlichkeit empfiehlt es sich, die Projekte nach Projektart in Kategorien einzuteilen und bei größeren Unternehmen den jeweiligen Geschäftsbereichen zuzuordnen. In Verbindung mit den terminlichen und wirtschaftlichen Eckdaten ergeben sich dann viele Auswertungsmöglichkeiten als Entscheidungsgrundlage für die Projektselektion. Abbildung 3-23 zeigt die Multi-Projekt-Liste eines Systemlieferanten.
Abbildung 3-23: Beispiel: Multi-Projekt-Liste eines Systemlieferanten
Türen Elektronik Elektronik Elektronik Elektronik Türen Türen Türen Türen Elektronik Elektronik Elektronik Elektronik Türen Elektronik Türen Elektronik Elektronik Elektronik Elektronik Elektronik Elektronik
E E S S A S E A E S E S S S A A S A A E S S
DC DC DC DC VW Volvo DC Opel DC DC DC DC Rover BMW BMW Opel DC DC Volvo Renault BMW VW
458 381 501 503 376 472 459 471 322 384 380 502 505 496 373 499 331 374 375 382 383 504
Fleissig Stark Lang Lang Stark Schnell Hurtig Hurtig Hurtig Lang Stark Lang Gut Fleissig Fertig Hurtig Schnell Fertig Fertig Lang Lang Gut
Elektronik Elektronik Elektronik Türen
S S S S
Faurecia Bosch VW Ford
Schnell 372 Fertig 506 Gut 422 Fleissig
Projektkategorie:
226
A= Akquise/ Anfrage
GesamtStückzahl Teilepreis Entwickl.Werkzeu SOP umsatz (€) p.a. VP (€) kosten (€) Invest (€) gk. (€) Feb. 04 20.672.000 11.000 304 312.000 688.986 83.116 5 8 1 Mrz. 04 948.000 8.000 24 Apr. 04 19.183.500 35.000 110 100000 ange 650.000 131.861 Mai. 04 39.934.000 40.000 200 170000 ange 910.000 75.000 Jun. 04 12.600.000 15.000 140 250.000 360.000 250.000 8 10 8 Jul. 04 2.591.100 1.000 288 245.000 110.000 0 2 2 5 Sep. 04 19.558.710 27.000 553 920.000 1.620.000 614.000 Okt. 04 4.641.000 3.000 221 39.000 10.000 35.000 3 3 2 in PR459 Apr. 05 513 360.000 enthalten 7 6 6 Jun. 05 12.000.000 20.000 100 559.000 285.000 50.000 5 4 4 Jun. 05 2.520.000 4.000 105 0 0 0 8 2 Jun. 05 9.450.000 15.000 105 120.000 350.000 25.000 8 2 Sep. 05 9.000.000 15.000 100 ?? ?? ?? 8 6 Dez. 05 22.000 220 400.000 900.000 1 10 10 Dez. 05 5.262.611 5.130 293 219.654 190.000 240.000 5 7 7 Jan. 06 41.845.121 26.200 282 300.000 754.820 60.000 Feb. 06 66.717.160 40.000 242 544.000 1.353.000 156.195 1 8 4 Jun. 06 3.300.000 2.000 165 130.000 60.000 155.000 8 5 Jun. 06 2.400.000 4.000 100 50.000 40.000 12.000 2 4 4 Jun. 06 11.880.000 15.000 132 250.000 25.000 50.000 2 8 Sep. 06 196.200 600 109 33.000 45.000 10.000 3 3 Nov. 06 85.170.000 60.000 284 325.000 195.000 2 2 2 Mrz. 07 9.000.000 15.000 100 ?? ?? ?? 1 Mai. 07 5.652.000 3.000 314 380.000 214.100 80.000 Jun. 07 Jun. 07 12.000.000 20.000 100 ?? ?? ?? 1 Jun. 07 6.000.000 20.000 100 ?? ?? ?? 1 Jun. 07 7.356.250 11.000 134 495.000 300.000 26.000 4 6 7 Jun. 07 24.570.000 30.000 117 70.000 300.000 120.000 1 2 Jun. 07 2.214.000 3.000 123 130.000 10.000 20.000 2 2 78,92 32000 4990 31,28 Jun. 07 2 3 4 Dez. 07 10.175.760 9.000 141 Sep. 08 7.931.520 6.000 220 333.000 150.000 26.000 2 4 10.000 460 170.000 79.500 1 5 5
I= Interne Entwicklung
Entwicklung E= Serie/Kunde
S=
Serienbetreuung
Qualität
470 377 426 378 379 309 377
Technik
BMW SVDO Porsche Jaguar BMW Rover DC Bentley
Kosten
S S S S E E S E
Projektleiter Fleissig Fertig Schnell Fleissig Stark Stark Schnell Stark
Kunde
Risiko (1=grün.....1 0=tiefrot)
Wirtschaftlichkeit
Termin
Geschäftsbereich Türen Elektronik Türen Türen Elektronik Elektronik Elektronik Elektronik
Termin
Projekt Nummer
Stammdaten
Projektkategorie
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
5
8 5 5 3 4 2 2
6 6 5 4 8 3 2
7 2 2 2 4
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
Die formale Vorbereitung von Projektanträgen erfolgt meist mit Unterstützung des zentralen PM-Office bzw. Projektcontrolling. Abbildung 3-24 zeigt das Beispiel eines Projektantrags.
Abbildung 3-24: Beispiel Projektantrag
Projektantrag / Anfragenerfassung Projekt:
Kategorie Grundlagen F&E Produktentwicklung
Start-/Endtermin:
Applikationsentw. Serienentwicklung Produktionsanlage
Kurzbeschreibung:
Kurzbeschreibung des Themas + Eckdaten
Anlagen:
IT/Org. Dienstleistung Ersatzteil
Kapazitätsbedarf Abteilungen:
Summe
X = = + = =
3.4.3
A B C
PM
Phase 1
Phase 2
Phase 3
Phase 4
Phase 5
Phase 6
Beschreibung des Ressourcenbedarfs
[MM]
Gesamt-Stückzahl Verkaufspreis Umsatz Herstellkosten X Stückzahl Business Plan Deckungsbeitrag I Entwicklungskosten (versch. Kategorien) Investitionskosten Musterkosten Kostenbeteiligung des Kunden Deckungsbeitrag II` Zuschlag Grundlagenentwicklung Zuschlag für Vertrieb und Verwaltung Verkaufsergebnis (= Umsatzerlöse – Selbstkosten)
Projektportfolio-Planung
Auf Basis der laufenden Projekte und der vorliegenden Projektanträge aktualisiert das strategische PM-Office regelmäßig zu den Entscheidungsterminen des strategischen Projektausschusses die Projektportfolio-Planung mit Szenarien für die neu initiierten Projekte. Dabei liegt besonderes Augenmerk auf der Bewertung der Machbarkeit (Termin, Kosten, Qualität), den wirtschaftlichen und technischen Chancen und Risiken sowie den finanziellen und personellen Ressourcen. Eine erste Analyse des Projektumfeldes ist besonders bei Neukunden angebracht (siehe auch 2.5). Abbildung 3-25 zeigt diesen Zusammenhang schematisch.
227
3.4
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-25: Systematik der Portfolioplanung Vorausgegangenen Planungsperiode
Aktuelle Planungsperiode
Nächste Planungsperiode Aktuelles Projektportfolio
Initiierung
Planung
Selektion
Einsteuerung
Laufende Projekte
ProjektportfolioPlanung
Neue Projektideen/-anfragen Ideenspeicher
Neues Projektportfolio Initiierung
Planung
Selektion
Einsteuerung
Laufende Projekte Neue Projektideen/-anfragen
Ideenspeicher
Sinnvollerweise können diese Informationen dann als Entscheidungsvorlage in Form eines vorläufigen Projektauftrages mit einem aussagekräftigen Businessplan und weitere Informationen als Anlage aufbereitet werden (Abbildung 3-26). Für eine fundierte Planung braucht das strategische Multi-Projektmanagement einen aktuellen Überblick über die zeitliche Lage der laufenden und geplanten Projekte und die Ressourcenauslastung des Unternehmens. Als erster Überblick dient häufig eine strategische Projektübersicht (Abbildung 3-27), die alle Projekte in ihrer zeitlichen Lage auflistet. Mit dieser Information lässt sich leicht erkennen, ob in einem Quartal oder Monat z.B. schon zu viele Serienanläufe geplant sind, so dass jedes weitere Projekt zur Krise führen würde. In der Planungsphase werden Synergien zwischen Projekten erkannt und ausgenutzt. So kann es sein, dass ein Projekt alleine zu aufwändig erscheint, in Kombination mit einem anderen jedoch stark an Bedeutung gewinnt und deshalb in das neue Szenario des Projektportfolios integriert wird. Ist dies geschehen, muss der Projektportfolio-Ausschuss im Rahmen seiner turnusmäßigen Sitzung Entscheidungen über Machbarkeit, Notwendigkeit und Priorität der neuen Projekte treffen und das neue Projektportfolio freigeben.
228
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
Abbildung 3-26: Beispiel Projektauftrag als Entscheidungsvorlage Auftrags-Nr.:
Projektauftrag Projekt:
Name of project
Starttermin
01.07.2004
Kategorie:
Serienentwicklung
Kunde
OEM
Projektleiter
Leiter
Endtermin/SOP
01.07.2007
PLENK Projektziele: Anlagen: Inhalte+ Vereinbarungen:
Anlagen: ProjektantragSteller/Vertrieb Projektauftraggeber/GF
__________________________________________ Datum Unterschrift __________________________________________ Datum Unterschrift
Projektleiter __________________________________________ Datum Unterschrift
Abbildung 3-27: Strategische Projektübersicht eines Automobilzulieferers 2004
Projekt
Kunde
Standort
I.
II.
2005 III.
IV.
I.
II.
2006 III.
IV.
I.
II.
III.
IV.
J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D J F M A M J J A S O N D
Jaguar Rolls Royce DaimlerChrysler Jaguar Audi BMW BMW Volvo Saab GM Opel Faurecia Audi BMW BMW DaimlerChrysler DaimlerChrysler Mitsubishi Bosch DaimlerChrysler BMW BMW Smart Porsche Fiat
229
3.4
Da Businesspläne alleine oft nicht als Entscheidungsgrundlage ausreichen, sollte eine Entscheidungssystematik mit strategischen Kriterien zur Anwendung kommen, wie sie z.B. Abbildung 3-28 zeigt. Dadurch wird der Entscheidungsprozess versachlicht und kann dann oft mit weniger Diskussion und Zeitaufwand erfolgen. Jedes Mitglied des strategischen Projektausschusses bewertet das Projekt subjektiv nach vereinbarten Kriterien mit standardisierter Gewichtung. Wie bei einer Nutzwertanalyse wird dann ein Punktwert ermittelt der dann zur Priorisierung dient. Wesentliche Kriterien wie strategische Bedeutung, wirtschaftlicher Nutzen und das Projektvolumen lassen sich dann im Portfolio visualisieren (Abbildung 3-29).
Abbildung 3-28: Beispiel für eine Systematik zur strategischen Bewertung von Projekten Bewertung:
Gewicht:
Strategische Bedeutung (hohe = 5, keine = 0)
20
W irtschaftlicher Nutzen/Ertragspotential (hoher = 5, kein = 0)
20
Marktrisiko (hohes = 5, kein = 0)
10
Technologischer Nutzen (hoher = 5, kein = 0)
10
Technische Machbarkeit (problemlos machbar = 5, nicht machbar = 0)
20
Entwicklungsrisiko (bei Eigenentwicklung) (kein = 5, hohes = 0)
10
Verfügbare Kapazität (ausreichend = 5, keine = 0)
10
V
E
L
P
ø
¦ PM-Office
Datum / Unterschrift
Vertrieb (V)
Entwicklung (E)
Datum / Unterschrift
Logistik (L)
Datum / Unterschrift
Produktion (P)
Datum / Unterschrift
Datum / Unterschrift
Abbildung 3-29: Portfoliodarstellung der strategischen Bewertung der Projekte 5
Strategische Bedeutung
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
G
4
A
3
I
K
L
J E
2
H F
D 1
B C 0
1
2
3
4
Wirtschaftlicher Nutzen
230
5
Kennzahl
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
In größeren Unternehmen mit mehr als 20 parallel laufenden Projekten bietet es sich an, das Gesamtportfolio nach Geschäftsbereichen bzw. Projektarten aufzuspalten. Abbildung 3-30 zeigt dies schematisch.
Abbildung 3-30: Aufspaltung des Gesamtprojektportfolios nach Projektarten
niedrig
Beitrag zur Marktpositionierung
hoch
Projektportfolio (Gesamt)
Wirtschaftlichkeit
hoch
Projektportfolio Projektportfolio (Produktentwicklung) (Grundlagenentwicklung)
Beitrag Marktpos.
Projektportfolio (Applikationsentwicklung) Beitrag Marktpos.
Beitrag Marktpos.
Projektportfolio (Serienprojekte)
Wirtschaftlichkeit
Beitrag Marktpos.
niedrig
Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit
Wirtschaftlichkeit
Neben diesem rollierenden Planungs- und Selektionsprozess hat die übergeordnete Unternehmensplanung noch einen wesentlichen Einfluss auf das Projektportfolio. Im Rahmen der Geschäftsjahresplanung werden in der Regel strategische Vorhaben und Maßnahmen zur Umsetzung der Unternehmensziele definiert und budgetiert. Im Zuge dieser Geschäftsplanung wird das Projektportfolio besonders intensiv durchleuchtet. Zum Einen liefert es fundierte Aussagen über den Beitrag der laufenden Projekte zum Geschäftserfolg bzw. zur Kostenstruktur des Unternehmens und zum Anderen gibt die Geschäftsplanung den Rahmen für die finanziellen, personellen und technischen Ressourcen (Investitionen) vor. Damit kommt dem strategischen MultiProjektmanagement eine wichtige Rolle in der jährlichen Unternehmensplanung zu. Abbildung 3-31 zeigt beispielhaft einen Planungskalender.
231
3.4
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-31: Beispiel: Planungskalender strategische Projekt-/Programmplanung Verantw.
Apr
Mai
Jun
Jul
Aug Sep
Okt
Nov
Dez
Jan
Feb
Strategische Planung Strategieabgleich = Freigabe
Portfolioplanung 2. Planungsreview (aktuelles Jahr)
F&E-Planung Neue Technologien...
Priorisierungs- und Abstimmungsrunden F&E-Programm fertig Detailplanung Portfolio Genehmigung durch GF 1. Planungsreview (aktuelles Jahr)
3.4.4
Projektportfolio-Controlling
Permanent und unabhängig von der sequenziell ablaufenden Initiierungs- und Planungsphase sowie der Freigabe des Projektportfolios überwacht das zentrale Multiprojekt-Controlling (Projektmanagement Office) das Projektportfolio. Dazu ist eine professionell und systematisch aufgebaute Projektmanagement-Infrastruktur nötig, zu der beispielsweise ein standardisiertes Projektportfolio-Berichtswesen gehört. Im monatlichen Turnus, aber mindestens zu den regelmäßigen Sitzungen des strategischen Projektausschusses (siehe 3.2) wird eine aktuelle Übersicht aller Projekte und Programme des Portfolios erstellt. Die Basisinformationen dafür liefern die Statusberichte der Einzel-Projekte und Programme, die vom PM-Office verdichtet werden. Abbildung 3-32 zeigt das Zusammenspiel im Zeitverlauf.
232
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
Portfolioplanung
P4 P2 P1 P3 Statusberichte
Operative Ebene
Eskalation
Einzelprojekt-/ ProgrammManagement
PortfolioControlling
Konsolidierung Statusberichte
Fachabteilungen Lenkungsausschuss
Strat. Projektausschusssitzung
Portfolioinitiierung
Projekt Management Office
Portfolioinitiierung
Portfolioboard
Portfolioplanung
PortfolioFreigabe
GF/Bereichsleitung
Strategische Ebene
Abbildung 3-32: Zusammenspiel der PM-Ebenen im Portfoliocontrolling
Einzelprojekt-/Programmcontrolling für P1 bis Pn
Das strategische Multi-Projektmanagement überwacht und steuert die Situation in den Projekten und Programmen. Es stößt Maßnahmen zur Reaktion auf Planabweichungen beziehungsweise Veränderungen im Projektumfeld, bei anderen Projekten, in der Linienorganisation oder der Unternehmensstrategie an. Die Vermeidung bzw. Koordination von Eskalationen bei Budget-, Ressourcen- oder Terminkonflikten zwischen Projekten ist eine der wichtigsten Aufgaben des strategischen MultiProjektmanagements. Vielfach wird auch das Änderungsmanagement zentral durch ein PM-Office unterstützt bzw. ein Standard-Verfahren und System zur Verfügung gestellt. Projektziele, Qualitätskriterien, Termine, Kosten und Kapazitäten der Projekte und Programme werden regelmäßig mit den Projektleitern oder Programmdirektoren über die Steuerkreise abgestimmt. Dadurch werden Risiken frühzeitig erkannt, so dass das Multi-Projektmanagement im PM-Office Fehlentwicklungen entgegensteuern und den standardisierten Wissenstransfer innerhalb des Unternehmens sicherstellen kann. Dabei spielt die Vorbereitung und Moderation der PM-Tafelrunde (siehe 3.2) eine wesentliche Rolle. Wichtigstes Instrument in der Controllingphase ist deshalb ein zentrales Reporting, das die wesentlichen Statusinformationen aus den Einzelprojekten in einer Übersicht für das Management verdichtet. Abbildung 3-33 stellt mögliche Reporting-Ebenen schematisch dar.
233
3.4
Abbildung 3-33: Ebenen des Multiprojekt-Reporting
Fachabteilungen
GB1
GB2
GB3
E
V
Multi-Projekt Cockpit
P
ProjektReviews
Geschäftsbereiche
MultiProjektListe
GF
Top Management
Eskaltionsmanagement
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Single-Projekt Cockpit
Kritische Projekte des Portfolios müssen auf den ersten Blick ersichtlich sein (Ampelfunktion), genauso wie Engpassressourcen, die dann in den Steuerungsgremien priorisiert werden. Eine Multiprojektliste eines Systemlieferanten zeigt Abbildung 3-34.
Abbildung 3-34: Beispiel Multiprojektliste mit Ampelbewertung
234
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
Um die Aktualität der Multi-Projekt-Liste sicher zu stellen und kritische Projekte und Programme im Detail verfolgen zu können, ist eine professionelle Vernetzung der Terminpläne auf allen Ebenen des Projektportfolios anzuraten. Leistungsfähige PMTools bieten diese Funktionalität. Allerdings ist darauf zu achten, dass die Vernetzung nicht übertrieben wird, weil damit die Performance der Systeme radikal sinkt und das gesamte System aufgrund der Komplexität nicht mehr beherrschbar ist. In der Praxis hat sich eine Struktur auf 3 Ebenen bewährt: Portfolio-Ebene, Geschäftsbereichs / Programm-Ebene und Projekt-Ebene (Master-Terminplan). Abbildung 3-35 zeigt die Terminplanstruktur eines Systemlieferanten.
Abbildung 3-35: Terminplanstruktur für einen Systemlieferanten
Gesamt-Projektportfolio Projekt 1 Projekt 2 Projekt 3 Projekt 4 Projekt 5 Projekt 6 Projekt 7
Geschäftsbereich BMW
Projekt 8
Geschäftsbereich DC
Projekt 1
Projekt 7
Projekt 2
Geschäftsbereich VW
Projekt 3
Projekt 8
Projekt 4 Projekt 5 Projekt 6
DS [W255] MX [E63]
MX [E85]
DS [S275]
MX [E92] RS [PQ29]
RS [PQ44]
RS [PQ50]
Bezogen auf eine begrenzte Anzahl von Projekten innerhalb eines Geschäftsbereichs oder innerhalb einer Projektart oder eines Programms können aktuelle Statusinformationen über die Projekte natürlich weitaus detaillierter berichtet werden. Das Multiprojekt-Cockpit ist ein Instrument, das analog zum Singleprojekt-Cockpit (siehe 2.7) die vier wesentlichen Reporting-Bereiche Kosten, Termine, Fortschritt und Wirtschaftlichkeit übersichtlich für mehrere Projekte visualisiert. Abbildung 3-36 zeigt das Prinzip.
235
3.4
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-36: Multiprojekt-Cockpit als Berichtsinstrument 140
Kostenverfolgung
Sachfortschritt abgeschlossene Aufgaben Soll
Projekt A
Projekt A
Projekt E bis 02/2006
Projekt B
Projekt B
bis 05/2005
Projekt C
Projekt C
Projekt D
Projekt D 03 2004
05
07
09
11
heute
bis 09/2005
03
2005
2004
Terminverfolgung
05
07
09
11
heute
2005
Wirtschaftlichkeit
Abweichung in KW (Kalenderwochen)
Projekt A
SOP -3 geplant 01.06.04
Projekt B
07.08.04
Projekt C
04.06.05
Projekt D
15.09.05
Verzug
+3
Plan
+2
+1
0
Vorsprung
-1
-2
letzte Periode
Aktuelle +/- % Periode
Break-EvenPrognose letzte Periode
Aktuelle +/- % Periode
Projekt A
Stand aktueller Bericht Stand letzter Bericht
3.4.5
ROI-Prognose
Projekt B Projekt C Projekt D
Projektportfolio-Bereinigung
In der Controllingphase des strategischen Multi-Projektmanagements spielen die Projektreviews zu den Meilensteinen und zum Abschluss der Einzel-Projekte eine wichtige Rolle für den Wissenstransfer zwischen Projekten. Außerdem setzt ein systematischer Abschluss die Ressourcen frei, die das Nachbarprojekt dringend benötigt. Aus Sicht des Projektportfolio-Managements ist der Abschluss eines Einzel-Projektes (siehe 2.7) auch der Zeitpunkt zu dem eine Bereinigung des Portfolios durchgeführt wird. Das abgeschlossene Projekt wird zu diesem Zeitpunkt letztmalig vom Steuerkreis bzw. Projektausschuss begutachtet. Das PM-Office entfernt das Projekt dann aus allen Übersichten und Berichtsstrukturen. Dadurch bleibt das Portfolio langfristig überschaubar, weil nur wirklich aktive Projekte verfolgt werden.
140 vgl. Wildemann (2004b), S. 64
236
Prozess und Methoden des strategischen Multi-PM (Projektportfolio-Management)
3.4.6
Softwareunterstützung
Die Tätigkeiten während der Initiierungs-, Planungs- und Controllingphase des strategischen Multi-Projektmanagements sollte ein leistungsfähiges Werkzeug unterstützen. Es sollte die wesentlichen Stammdaten und Statusinformationen aus den Einzelprojekten zentral verwalten (Einmal-Erfassung). Darüber hinaus bieten verschiedene Tools die Unterstützung von Genehmigungs- und Freigabeprozessen mit entsprechenden elektronischen Vorlagen und Workflows. Für die Projektselektion und die Priorisierung von Vorhaben sind Portfolioauswertungen und flexibel generierbare Berichtslisten und Projektübersichten notwendig. Weiterhin benötigt das Multiprojektcontrolling einen „Cockpit-Generator“ mit Hilfe dessen die Statusberichte der Einzelprojekte zum Multiprojekt-Cockpit (siehe oben) verdichtet werden können. Abbildung 3-37 zeigt das Zusammenspiel der verschiedenen DV-Werkzeuge im Multiprojektcontrolling.
Abbildung 3-37: DV-Werkzeuge für das Multiprojektcontrolling
Legende:
Projektleiter
Projekt-Welt
IST Plan Obligo Stundenerfassung Stammdatenpflege
Rechnungswesen
Terminplanung Fachabteilungen (Ressourcen)
Unternehmens-Welt
Standardterminpläne
Controlling Finanzwesen
Rechnung
Bestellung
Einkauf
Rechnungseingang Materialwirtschaft
KostenKosten- Leistungsverartenstellenrechnung rechnung rechnung MultiProjektReporting Portfoliomanagement
PM-Office
237
3.4
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
3.5
Prozess und Methoden des operativen Multi-PM (Programm-Management)
Ein Programm ist eine Menge von Projekten und zeitlich begrenzter Aufgaben innerhalb eines Unternehmens, die in einem Zusammenhang stehen. Programme sind zeitlich und organisatorisch begrenzt. Die Kopplung der im Rahmen eines Programms zu erfüllenden Projekte erfolgt nicht nur durch gemeinsame Ziele, sondern auch durch ein Programmbudget, Programmtermine, Programmstrategien, organisatorische Regeln und ggf. ein gemeinsames Programmmarketing. Im Gegensatz zum strategisch ausgerichteten Projektportfolio-Management, bei dem der Multi-Projektmanager oder das PM-Office eine reine Koordinations- und Controllingfunktion ausübt, hat der Programm Manager die volle operative Verantwortung für alle Projekte, die seinem Programm zugeordnet sind. Er muss deshalb auch in viel stärkerem Maße Führungsaufgaben wahrnehmen und als Unternehmer im Unternehmen agieren. Folgende Aufgaben nehmen Programm Manager im Regelfall wahr: 141
Gesamtverantwortung für die Planung und Steuerung der Einzelprojekte im Programm
Führung des Programmteams, bestehend aus den Projektleitern der Einzelprojekte und den Mitarbeitern des Programmoffice (sofern vorhanden)
Lösung von Abstimmungsproblemen und Prioritätenkonflikten zwischen den Projekten im Programm
Informationsfluss und Kooperation zwischen den Projekten und zum Programmsteuerkreis hin gestalten
Projektübergreifende Ressourcen- und Budgetplanung und –steuerung Projektübergreifende Terminplanung und Fortschrittskontrolle Vertretung des Programms gegenüber internem und externem Auftraggeber
3.5.1
Struktur und Organisation von Programmen in der Automobilindustrie
Programme haben eine höhere Komplexität, meist eine längere Dauer, ein höheres Budget und ein höheres Risiko als Einzel-Projekte. Sie sind im Vergleich zu Projekten strategisch von höherer Bedeutung, weil sie meist einen sehr viel größeren Beitrag zum Unternehmenserfolg leisten.
141 Vgl. Lomnitz (2001), S. 71
238
Prozess und Methoden des operativen Multi-PM (Programm-Management)
Automotive-Programme haben je nach Projektgegenstand einen unterschiedlichen Aufbau und weisen damit auch verschiedene Strukturen auf. Typische Programme in der Automobilindustrie sind z.B.
die Entwicklung einer neuen Produktgruppe (Allgemein) die Entwicklung einer neuen Fahrzeuggeneration (Baureihe) aus OEM-Sicht die Entwicklung neuer Komponenten/Systeme/Module für eine Plattform oder eine Fahrzeug-Baureihe inkl. Produktionsanlagen aus Sicht eines Zulieferers
der Bau von mehreren Werken/Produktionsanlagen/Werkzeugen für das gleiche Produkt/System/Fahrzeug an verschiedenen Standorten zu verschiedenen Terminen aus Sicht des Anlagenlieferanten Abbildung 3-38 zeigt das fiktive Beispiel einer Automotive-Programmstruktur.
Abbildung 3-38: Programmstruktur bei einem Automobilzulieferer
Programm DC BR 999
Logistik
Produktionsanlage
Plattformentwicklung
Türen W 999
Türen Z 999
Türen V 999
Konzept
Engineering
Konzept + Pflichtenheft
Entwicklung
Entwicklung
Entwicklung
Prozessplanung
Beschaffung
Standards
Produktionsplanung
Produktionsplanung
Produktionsplanung
Implementierung
Inbetriebnahme
Übernahmeteile
Serienanlauf
Serienanlauf
Serienanlauf
Anlauf
Einzel-Projekt Teilprojekt Synchronisation
Um einerseits die unternehmerische Selbständigkeit von Einzel-Projekten zu ermöglichen und andererseits die Vorteile von Synergien zu nutzen, bedarf es einer spezifi239
3.5
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
schen Programmorganisation. Typische Programmrollen sind der Programmauftraggeber, der Programm Manager und das Programmteam, das aus den Projektleitern der Einzelprojekte im Programm besteht. Der Programmauftraggeber kann sich durchaus von den Auftraggebern der Einzel-Projekte im Programm unterscheiden. Abbildung 3-39 zeigt diesen Zusammenhang.
Abbildung 3-39: Programmorganisation 142
ProgrammAuftraggeber (GF)
Pro
gra
m
eam mt
Prog
ProgrammManager
ProgrammOffice
ram
mor
ganis
ation
Strategischer Projekt-Ausschuss
Projekt Z
Projekt W
Projekt V
Projekt A
Typische Kommunikationsstrukturen im Programm sind ProgrammauftraggeberMeetings (Analog Projektsteuerkreis) und Programmteam-Meetings.
3.5.2
Der Prozess des Programm-Managements
Methodisch wird beim Programm-Management genauso vorgegangen wie beim Einzelprojektmanagement (vgl. Kapitel 2). Der Programm-Management-Prozess erfolgt kontinuierlich über die Programmdauer und gliedert sich in Programm-Initiierung, Programm-Planung, Programm-Controlling und Programm-Abschluss. Bezogen auf die einzelnen Projekte im Programm nimmt der Programm Manager gezielten Einfluss auf Projektdefinition, Projektplanung, Projektsteuerung und Projektabschluss. Abbildung 3-40 verdeutlicht schematisch den Prozess des Programm-Managements.
142 vgl. Gareis (2001)
240
Prozess und Methoden des operativen Multi-PM (Programm-Management)
Abbildung 3-40: Programm-Management-Prozess schematisch
3.5.3
Programm-Initiierung
Die Initiierung von Programmen in der Automobilindustrie erfolgt je nach Art des Programms auf unterschiedliche Weise.
Das Programm wird im Rahmen der Projektportfolioplanung „geschnürt“, weil mehrere geplante Projekte (meist eine neue Baureihe, Produktlinie, interne F&Eoder Organisations-/DV-Projekte) Synergien aufweisen und / oder auf gemeinsame Ressourcen zugreifen, so dass eine Bündelung dieser Projekte sinnvoll erscheint.
Die Unternehmensorganisation sieht vor, dass es kunden- oder produktorientierte Geschäftsbereiche gibt, die ihre Projekte als Programme führen (Bereichsleiter = Programmdirektor). In einigen Unternehmen fungieren auch Key Account Manager als Programm Manager für die Projekte, die für ihren Kunden abgewickelt werden.
241
3.5
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Der Kunde fordert einen zentralen Ansprechpartner als Programm Manager (mit entsprechenden Vollmachten und Weisungsbefugnis gegenüber den Projektleitern) für alle Projekte die dieser Kunde beauftragt.
Ein großes Projekt ist aufgrund seiner Komplexität und internen wie externen Schnittstellen so „ausgeufert“ dass es nicht mehr beherrschbar ist und muss jetzt in einzelne separate Projekte zerlegt werden die dann eigenständig vom jeweiligen Projektleiter geführt werden. Die Gesamtkoordination erfolgt dann über einen gemeinsamen Masterplan und den Programm Manager.
Einzelne, bereits laufende Projekte weisen Redundanzen auf und haben eine Vielzahl von Schnittstellen und/oder gemeinsamen Ressourcen. Zur Optimierung wird eine Gesamtsicht angestrebt. Ein Programm Manager wird eingesetzt und ein gemeinsamer Masterplan entwickelt. Methodisch wird der Initiierungsprozess analog dem Einzelprojekt im Projektportfolio gehandhabt (siehe 3.4). Für die Definition der Programmziele und Programmorganisation gelten die gleichen Regeln und Vorgehensweisen wie sie für Einzelprojekte in Kapitel 2.5 beschrieben sind.
3.5.4
Programm-Planung und Programm-Controlling
Die Aufgaben von Programm-Planung und -Controlling beziehen sich im Wesentlichen auf:
Budgetplanung und –controlling als Zusammenfassung aller Einzelprojekte Terminplanung und Fortschrittscontrolling mit besonderer Berücksichtigung aller Abhängigkeiten und Synergien der Projekte untereinander
Programm-Reporting als Gesamtübersicht aller Projekte im Programm. Ein Beispiel für die Terminplanungs- und –controllingstruktur von Programmen eines Automobilzulieferers zeigt die Abbildung 3-41.
242
Prozess und Methoden des operativen Multi-PM (Programm-Management)
Abbildung 3-41: Terminplanungs- und –controllingstruktur von Programmen
BMW-Programm
DaimlerChrysler-Programm
Volkswagen-Programm
Projekt 1
Projekt 1
Projekt 1
Projekt 2
Projekt 2
Projekt 2
Projekt 3
Projekt 3
Projekt 3
RS [E99]
RS [E95]
RS [E77]
LS [S301]
Qualität BetriebsEntwicklung Logistik mittel Anlauf
LS [W310]
GS [T4]
GS [T5]
GS [T6]
BetriebsQualität Entwicklung Logistik mittel Anlauf
Ein wichtiger Erfolgsfaktor liegt dabei in der sinnvollen dynamischen Vernetzung der Einzelprojekte an den Stellen, wo gemeinsame Informationen, Technologien, Ressourcen etc. genutzt werden. Nur so lassen sich die Synergiepotenziale ausschöpfen und Risiken durch gegenseitige Abhängigkeiten minimieren. In Kapitel 2.4.8 sind wir bereits auf das Thema Quality Gates und Synchronisationspunkte eingegangen. Diese Methoden spielen vor allem bei technischen Abstimmungsprozessen zwischen Projekten eines Programms eine große Rolle. Um die Komplexität der wechselseitigen Abhängigkeiten beherrschen zu können, nutzen die Programm-Manager PM-Tools, die eine dynamische Verlinkung zwischen Projekten erlauben. Abbildung 3-42 zeigt das Beispiel eines dynamisch vernetzten Masterplanes für ein Programm als Screenshot.
243
3.5
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-42: Screenshot eines vernetzten Programmmasterplanes 143
3.5.5
Programm-Abschluss
Der Abschluss eines Programms erfolgt sobald dessen letztes Projekt abgeschlossen ist. Analog dem Abschluss eines Einzel-Projektes (siehe 2.7) wird ein ProgrammAbschluss-Review durchgeführt, ein Abschlussbericht dokumentiert und die Programm-Organisation aufgelöst. Eine wesentliche Grundlage für ein funktionierendes Programm-Management bildet das Ressourcenmanagement. Ohne verlässliche Planung und Verfügbarkeit der Ressourcen kann ein komplexes Programm nicht professionell koordiniert werden.
143 Quelle: Actano
244
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
3.6
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
Das Ressourcenmanagement stellt sozusagen die Klammer über alle Hierarchieebenen der Multi-Projektportfolio dar (siehe auch Abbildung 3-4). Aus Sicht eines „Programms“ oder „Projekt-Portfolios“ geht es im Wesentlichen um das Erkennen und Verwalten von „Engpässen“. Den Autoren ist kein Unternehmen in der Automobilindustrie bekannt, deren Projektmanagement nicht regelmäßig mit Ressourcenkonflikten und Engpässen zu kämpfen hat. Ein zentral z.B. durch ein PM-Office koordiniertes Ressourcenmanagement liefert wertvolle Informationen für die Notwendigkeit der Priorisierung von Projekten und ein effektive Einsteuerung neuer Projekte unter Berücksichtigung der verfügbaren Ressourcen.
3.6.1
Systematik und Organisation des Ressourcenmanagements
Generell vertreten die Autoren die Auffassung, dass ein Ressourcenmanagement in der Multiprojektumgebung eines Automobilunternehmens so dezentral wie möglich und so zentral wie nötig aufgebaut werden sollte. In der einschlägigen Fachliteratur wird das Thema unter den Überschriften Kapazitätsplanung und –steuerung, Einsatzmittelmanagement und Ressourcenmanagement unterschiedlich vertreten. Generell fällt aber auf, dass mathematische Modelle und Berechnungsmethoden oft mehr Raum einnehmen als die praktische Organisation und Kommunikation der Zusammenarbeit zwischen den Projekten (Ressourcenbedarf) und den Linienabteilungen (Ressourcenangebot). Die Erfahrung in den Unternehmen der Automobilindustrie und hier speziell auf der Zulieferer-Seite zeigt aber, dass in der Praxis nur einfache und pragmatische Lösungen wirklich gelebt werden. Ein funktionierendes, zentrales Ressourcenmanagement mit einer damit einhergehenden komplexen Administration und DV-Unterstützung ist den Autoren noch in keinem Unternehmen begegnet. Demnach sollte ein praktikables Ressourcenmanagement die wesentliche Verantwortung für die Datenpflege und Ressourcensteuerung bei den Ressourcenverantwortlichen in der Linienorganisation belassen. Im Rahmen des Multi-Projektmanagements hat dann das zentrale PM-Office die Aufgabe, die Informationsplattform und zentrale Standards zur Verfügung zu stellen und die dezentralen Informationen für eine Gesamtübersicht zu verdichten (Abbildung 3-43).
245
3.6
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-43: Organisation des Ressourcenmanagements Unternehmensleitung (strategischer Projektausschuss)
PM-Office / Ressourcenmanagement
Vertrieb
Logistik, Einkauf
.. .
.. .
Projekt A
Entwicklung
Versuch
Produktion
Projekt B
.. .
.. .. . . Arbeitspakete als Leistungsvereinbarung
.. .
.. .
Projekt C
Projekt D
.. .
.. .
Projekt D Projekt C regelmäßige Termin- und Kapazitätsbesprechung pro Engpassressource
Projekt B Projekt A Grundlast Abteilung Entwicklung
Im Wesentlichen geht es darum, bei Prioritätskonflikten und Engpässen aufgrund von Projektproblemen oder Änderungen eine Neukonstellation der Ressourcenzuordnung auf die jeweiligen Projekte anzustoßen. Dies kann nur gemeinsam mit allen Beteiligten in regelmäßigen projektübergreifenden Termin- und Kapazitätsbesprechungen erfolgen. Das zentrale PM-Office spielt dabei die Rolle des Moderators und bereitet die notwendigen Ressourcen- und Terminübersichten in der Gesamtschau auf. Die Vereinbarungen und Entscheidungen müssen einvernehmlich zwischen den Beteiligten aus Projekt und Linie getroffen werden. Maßnahmen für die Verschiebung von Arbeitspaketen, Mehrarbeit, Beschaffung externer Ressourcen oder andere Lösungen müssen ohnehin auf dieser operativen Ebene umgesetzt werden. Wenn hier keine Einigung erzielbar ist, kann das Thema immer noch in die Steuerkreise bzw. den strategischen Projektausschuss eskaliert werden. Abbildung 3-44 zeigt das Beispiel einer dezentralen abteilungsbezogenen Ressourcenplanung.
246
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
Abbildung 3-44: Beispiel: Ressourcenplanung der Abteilung Konstruktion eines Zulieferers Kapazitätsplan Konstruktion mech. Proj.-Nr.
Projektbezeichnung 10
Jahr1 11 12
Jahr 2 1/02
2
3
4
5
6
7
8
9
10
Eigenkapazität
15.000
15.000
15.000
15.000
15.000
15.000
15.000
15.000
15.000
15.000
15.000
15.000
15.000
Sonst. Projekte AB/AE
4.200
11.400
8.400
7.400
5.800
5.500
5.200
4.900
4.600
4.400
4.400
4.400
4.400
521
Daimler (8 Mio)
1.000
3.000
3.000
4.000
2.000
1.000
500
500
1.000
1.000
1.000
500
500
522
VW (5 Mio.)
3.800
3.600
3.600
2.300
1.300
1.300
1.300
500
500
500
500
300
300
617
Volvo (4 Mio.)
1.500
1.500
2.000
5.000
5.000
5.000
3.000
1.000
1.000
1.000
1.000
500
500
803
BMW (6 Mio.)
500
1.000
2.000
2.000
1.000
500
500
500
.........
................
30.000 18.350 26.650
30.000 17.500 27.500
30.000 18.000 27.000
30.000 19.100 25.900
30.000 14.800 30.200
30.000 13.000 32.000
30.000 10.200 34.800
30.000 7.100 37.900
30.000 6.900 38.100
30.000 6.900 38.100
30.000 6.900 38.100
30.000 5.700 39.300
30.000 5.500 39.500
Fremdkapazität Summe Aufträge Konstr. Mech. Freie Kapazität (EK+FK -
25.000
20.000
Eigenkapazität 15.000
10.000
5.000
3.6.2
Aufgaben und Verantwortlichkeiten im Ressourcenmanagement
Grundlage für eine präventiv ausgerichtete, zentrale Moderation des Ressourcenmanagement-Prozesses durch ein PM-Office bildet eine gelebte Multi-Projekt-Kultur mit ihren informellen (Regelbesprechungen) und formellen (Statusberichte) Informationsflüssen.
247
3.6
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Als Querschnittsfunktion im Multi-Projektmanagement hat ein zentraler Ressourcenmanager eine Reihe von Eingangsinformationen zu verarbeiten und Festlegungen mit den Beteiligten zu treffen. Als Ergebnis stehen dann Informationen über die Gesamtauslastung des Unternehmens zur Verfügung. Abbildung 3-45 zeigt diesen Zusammenhang im Überblick.
Abbildung 3-45: Informationsfluss im zentralen Ressourcenmanagement
B
C D E
TTeerm rm in inee Kapazitätsbedarf pro Projekt
en ät ten rit tä io ri PPr rio
A
Basisvorgaben und Kennzahlen (Kalender, Arbeitszeiten, Planungsschema...)
Fachabteilungen (dezentrale Ress.-Mgr.)
Standardkurve für ein Projekt
PPr ro oj je ekkt te e
Zentrales Ressourcenmanagement
Optimierung Multikapazitätsplan
Multikapazitätsplan optimiert
Alternativen
Die einzelnen Informationsbereiche und Aufgaben beschreiben wir im Folgenden näher.
Eine zentrale Aufgabe des zentralen Ressourcenmanagement besteht darin, einen Standard-Kalender und eine Standard Planungsschema für alle dezentralen Ressourcenverantwortlichen im Unternehmen zur Verfügung zu stellen. Dabei sind Restriktionen des Unternehmensumfelds zu berücksichtigen (Mitsprache des Betriebsrats, Arbeitszeitmodelle, Urlaubs- und Schulungszeiten, …).
Aus den Einzelprojekten wird, abgeleitet aus der Aufwandsermittlung der Kapazitätsbedarf ermittelt. Dieser wird in Form von Arbeitspaketen mit den jeweiligen Ressourcenverantwortlichen (i.d.R. Abteilungsleiter) vereinbart (siehe 2.6).
248
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
Aus der Phase Initiierung und Planung des Projektportfolio-Management werden immer wieder neue Projektanträge als Szenarien in die Gesamtressourcenplanung eingelastet, um eine Entscheidungsgrundlage für den strategischen Projektausschuss bei der Selektion und Priorisierung der Projekte zu erhalten (siehe Kap. 3.4)
In den Fachbereichen / -abteilungen werden durch die Ressourcenverantwortlichen dezentral folgende Informationen aufbereitet und gepflegt: 1. Standardauslastungskurven je Projektart 2. Kapazitätsangebot bzgl. Personal (inkl. Skillprofile, soweit erforderlich) und technischen Ressourcen 3. Basisauslastung durch Linienaufgaben, Kleinprojekte, Vertrieb, Kundenbetreuung etc. 4. Bereichs-/Abteilungsspezifische Ressourcenplanung basierend auf den aktuelle eingelasteten Projekten und den Vereinbarungen (Änderungen) mit den Projektleitern und dem zentralen Multi-Projektmanagement (PM-Office) Auf Basis obiger Informationen liefert das zentrale Ressourcenmanagement dann eine Multiprojekt-Ressourcensicht, mit der verschiedene Planungsszenarien simuliert werden können. Die Frage ist in vielen Fällen, ob ein neues Projekt termintreu oder kapazitätstreu eingelastet werden soll. Dies hängt von der Priorität und den Zielen des Projekts ab und ist letztendlich vom Projektausschuss zu entscheiden.
3.6.3
Gezielte Planung von Engpass-Ressourcen
Die Schnittstellen und Abhängigkeiten zwischen Projekten, die auf gemeinsame Ressourcen zugreifen, müssen regelmäßig aus den aktuellen Terminplänen der Einzelprojekte abgeleitet werden. Um den Planungs- und Steuerungsaufwand in Grenzen zu halten, ist dies aber nur bei den strategisch wichtigen Engpassressourcen sinnvoll. Abbildung 3-46 zeigt dies anhand der Terminplanstruktur im Projektportfolio eines Systemlieferanten.
249
3.6
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Abbildung 3-46: Vernetzung von Terminplänen an Engpassressourcen
Projekt BMW E99
Projekt DC V99
i Entwicklung Betriebsmittel Serienanlauf
Mechanik Elektronik
Entw.
Mechanik Elektronik
i i Planung Klimakammer
3.6.4
i
i i Planung Sommertests
i Planung Wintertests
Ablauf des Ressourcenmanagements
Ressourcenmanagement als Querschnittsfunktion braucht klare Regeln und Abläufe damit alle Beteiligten reibungsarm und effizient zusammenarbeiten können. Im Folgenden sind die wesentlichen Erfolgsfaktoren aufgelistet.
Steuerung der eigenen und der externen Ressourcen (z.B. Entwicklungsdienstleister)
kritische Einsatzmittel/Ressourcen detailliert planen und verfolgen schriftliche Vereinbarung der Anforderungen an die Ressourcen (siehe den Arbeitspaketauftrag in Kapitel 2.6)
optimale Verteilung der Einsatzmittel/Ressourcen auf die Projekte nach den Prioritäten des Projektportfolios (Projektausschuss)
systematische Verfolgung der eingesetzten Ressourcen im Rahmen der Projektsteuerung (Statusberichte) und durch die Ressourcenverantwortlichen (Linienmanagement)
250
Prozess und Methoden des Ressourcenmanagements
frühzeitiges Beheben vorhersehbarer Ressourcen-Engpässe durch Regelbesprechungen (Termin- und Kapazitätsbesprechung pro Bereich) mit Moderation (PMOffice)
geregeltes Eskalationsverfahren zum Beheben akuter Engpässe (Steuerkreise, Projektausschuss)
eine Gesamtübersicht der einsetzbaren Ressourcen und deren Belastung durch laufende und geplante Projekte im Zeitverlauf Der dezentrale Ressourcenverantwortliche ist für die termingerechte Erledigung aller projektbezogenen Aufgaben seines Bereichs verantwortlich. Ihn interessieren die bestmögliche Verteilung der Arbeiten auf seine Mitarbeiter und die hohe und gleichmäßige Auslastung seiner Abteilung. Abbildung 3-47 zeigt einen Screenshot der Ressourcenplanung aus Sicht eines Abteilungsleiters.
Abbildung 3-47: Screenshot: Dezentrale, abteilungsbezogene Ressourcenplanung 144
144 Quelle: Actano
251
3.6
3
Management mehrerer Automotive-Projekte („Multi-PM“)
Das zentrale Ressourcenmanagement koordiniert bereichsübergreifend und projektübergreifend die gesamte Ressourcensituation, ohne operativ in die Befugnisse der Ressourcenverantwortlichen einzugreifen. Es bedient sich der dezentralen Informationen und bereitet diese für Planungsszenarien und Portfolioentscheidungen auf. Abbildung 3-48 zeigt ein Ressourcenszenario anhand eines Screenshots.
Abbildung 3-48: Ressourcenszenario aus Sicht der zentralen Ressourcenplanung 145
RPlan Ressourcenmanager Trennung von Anforderungs- und Freigabesichten
SzenarioPlanung
Zusammenfassend können die Autoren dem Thema Multiprojektmanagement in der Automobilindustrie noch großen Handlungsbedarf attestieren. Nur wenige Unternehmen der Branche, vor Allem im Bereich der Zulieferer, sind hier bereits professionell aufgestellt. Allerdings ist auch ein hoher Reifegrad der Organisation und der Projektmanagement-Prozesse erforderlich um hier erfolgreich tätig zu sein. Es besteht also noch viel Potential zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit.
145 Quelle: Actano
252
Bedeutung unternehmensübergreifender Projektarbeit
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Kein anderer Aspekt beeinflusst die Projektarbeit in der Automobilindustrie heute mehr als die zunehmende Vernetzung zwischen den Automobilherstellern und ihren Zulieferern. Unter dem Stichwort „Cross-Company-Collaboration Projektmanagement (C3PM)“ stellen wir in diesem Teil die wichtigsten Aspekte bzw. Besonderheiten des Managements unternehmensübergreifender Projekte vor.
4.1
Bedeutung unternehmensübergreifender Projektarbeit
Das Zukunftsszenario der Deutsche Bank Research „Deutschland im Jahr 2020“ zeigt den Weg in die „Projektwirtschaft“ mit einer engen Kooperation von Spezialisten auf.
Abbildung 4-1:
Wertschöpfungsmuster in 2020 146
146 www.expeditiondeutschland.de
253
4.1
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Die „Projektwirtschaft“ steht für zumeist temporäre, außerordentlich kooperative und oft globale Wertschöpfungsprozesse. Sie fußt auf dem Nährboden klassischen Wirtschaftens, reifer Informationstechnologien und ist insbesondere für den deutschen Mittelstand von Vorteil: „Das Erzeugen und erfolgreiche Vermarkten von Spitzentechnologie und innovativen, wissensintensiven Dienstleistungen erfordert daher heute eine Kompetenz- und Wissensbreite, die von einem Unternehmen nur noch selten allein bereitgestellt werden kann – zumal nicht in der Geschwindigkeit, mit der die Märkte die nächste Produktgeneration verlangen. Zwar gibt es auch zu Beginn des dritten Jahrzehnts noch viele Reibungsverluste, wenn Spezialisten verschiedener Felder eng kooperieren. Nach einer Phase des Experimentierens der Unternehmen hat sich dennoch in vielen dieser Märkte eine flexible, oft temporäre Kooperation spezialisierter Unternehmen als das effizientere und – in einigen Bereichen – sogar als das einzig praktikable Modell erwiesen. Diese Kooperationsprojekte sind meist organisatorisch und oft auch rechtlich eigenständig. Die Mutterunternehmen verleihen ihre spezialisierten Organisationsteile an das Projekt (und stellen oft Kapital zur Verfügung). Ein wachsender Teil der deutschen Wirtschaft ist heute daher als Folge eigenständiger Projekte mit nach Bedarf wechselnden Teilnehmern organisiert. Dieses Wertschöpfungsmuster passt sich der gestiegenen (Wissens-)Dynamik der Wirtschaft flexibler an, beschleunigt den Prozess der „schöpferischen Zerstörung“ und hilft, unnötige Fixkosten zu vermeiden. Zudem reduziert es die Markteintrittsbarrieren für den einzelnen Projektpartner: Die Kapitalkosten können geteilt werden.“ 147 Die Automobilindustrie ist in Sachen „Projektwirtschaft“ Vorreiter. Einerseits bringen die schwierige konjunkturelle Lage und der verschärfte Wettbewerb in der Automobilindustrie enorme strukturelle Veränderungen mit sich, die am besten gemeinsam bewältigt werden. Andererseits verändert sich die Art und Weise der Zusammenarbeit zwischen den Partnern auch durch steigende Überkapazitäten und Konzentrationsprozesse, durch eine Internationalisierung der Absatz- und Beschaffungsmärkte, durch eine selbst auferlegte Innovationsdynamik bei Produkten und Prozessen sowie durch verkürzte Modell-Lebenszyklen. Starre Hierarchien lösen sich zugunsten prozess- bzw. projektorientierter Strukturen auf und klar erkennbare Unternehmensgrenzen werden zunehmend durchlässiger. Wertschöpfungsketten bilden sich über die Unternehmen hinweg neu zu Netzwerken aus (vgl. Abbildung 4-2). Dabei suchen Hersteller wie Zulieferer nach einer geeigneten Position im Netz. Die Automobilhersteller konzentrieren sich zunehmend auf „Downstream“-Aktivitäten (u.a. Branding, Vermarktung und After-Sales-Services) und markenbestimmende Kernkompetenzen wie z.B. das Design, die Innovationen sowie die Gesamtfahrzeugintegration. Und die Zulieferer übernehmen umfangreichere Aufgaben in der Entwicklung und Produktion von Teilen, Komponenten, Modulen, Systemen oder speziellen Technologien.
147 Hofmann/Rollwagen/Schneider (2007), S. 22
254
Bedeutung unternehmensübergreifender Projektarbeit
Abbildung 4-2:
Projektarbeit zwischen Hierarchie und Netzwerk Netzstruktur
hoch
Marktorientierung
Prozessstruktur
Hierarchische Struktur
b tar
zu
ts itä
e hm na
d in
e
eit
ek roj rP
x ple
m Ko
gering
gering
mittel
hoch
Projektkomplexität
Durch die Verschiebung von Schnittstellen im Produktentstehungsprozess und die Zunahme der Integrationskomplexität sind neue Formen der Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern notwendig. 148 Da sich die Wertschöpfung der Automobilhersteller in den letzten Jahren auf ca. 30 Prozent verringert hat, kommt dem Automobilhersteller die Rolle des Netzwerkmanagers zu, der die eigenen Prozesse mit denen der nominierten Zulieferer vernetzt und die Zusammenarbeit koordiniert. Der Netzwerkmanager gestaltet die Netzwerke, er schafft die notwendigen Rahmenbedingungen. Er begleitet und moderiert die Netzwerke und löst sie zum Schluss auch wieder auf. Dabei wird der Hersteller seine Vorstellungen über das Fahrzeugkonzept und die erwünschten Ziele frühzeitig mit den ausgewählten Zulieferern abstimmen müssen. Die Wahl der Partnerunternehmen wird von deren spezifischem Know-how, der Prozessflexibilität und Reaktionsfähigkeit sowie der jeweiligen Unternehmenskultur abhängig sein. 149 Die unternehmensübergreifende Projektarbeit wird also durch die enge Symbiose von Herstellern und Zulieferern bestimmt - die Komplexität der Projektabwicklung steigt.
148 vgl. VDA (2003a), S. 70 149 Wildemann (2004), S. 16
255
4.1
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Das Projektmanagement steht in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit vor neuen Herausforderungen. Wie lässt sich durch die flexible Vernetzung der Projektpartner eine Dynamisierung in den Prozessen erreichen? Welche strukturellen Anpassungsleistungen sind notwendig? Wie kann die Transparenz in der Wertschöpfungskette erhöht und eine Kultur des Vertrauens geschaffen werden? Wann und wie müssen die Zulieferer in die Projekte eingebunden werden? Wie sieht die übergreifende Planung und Steuerung der Projekte aus? Welche Möglichkeiten der Erfahrungssicherung existieren im unternehmensübergreifenden Kontext? Wir beschränken uns im Folgenden auf die operative Ausgestaltung von kooperativen Beziehungen zwischen selbständigen – rechtlich wie wirtschaftlich unabhängigen Unternehmen, die allein im Sinne einer gemeinsamen Zielsetzung bzw. in Form einer Auftraggeber-Auftragnehmer-Beziehung zusammenarbeiten.
4.2
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
Die zunehmende Vernetzung in der automobilen Wertschöpfungskette bedingt eine Öffnung der bislang hauptsächlich nach innen orientierten Unternehmen in Richtung ihrer Projektpartner. In Ergänzung zu den spezialisierten Fachabteilungen („Linie“), die nach dem hierarchischen Prinzip organisiert und meistens zentral geführt werden, entstehen nach außen orientierte und mit den notwendigen Entscheidungsbefugnissen ausgestattete Teams. Diese übernehmen entweder spezifische, kundenorientierte Aufgaben (z.B. Key Account Management) bzw. Aufgaben in der kooperativen Projektabwicklung. Damit entsteht eine hybride Organisationsform und damit zwangsläufig ein Spannungsfeld zwischen der auf die eigentliche Wertschöpfung spezialisierten „Linie“ und den Aktivitäten im „Projekt.“ Ziel der organisatorischen Gestaltungsaufgabe ist es, innerbetrieblich eine vernünftige Balance zwischen „Linie“ und „Projekt“ sowie gleichzeitig eine größtmögliche Effizienz bei der Erreichung der übergeordneten Projektziele zu erreichen. Damit geht eine zunehmende Emanzipation und Professionalisierung des Projektmanagements einher (vgl. Abbildung 4-3). Allerdings nimmt damit auch zwangsläufig die organisatorische Komplexität zu. Wir gehen hier nicht mehr im Einzelnen auf die verschiedenen Gestaltungsformen von Projektorganisationen ein (vgl. hierzu Kapitel 2.3), sondern nur auf die Besonderheiten unternehmensübergreifender Projekte. Dabei stehen spezifische Organisationsformen wie Projekthäuser, virtuelle Zusammenarbeit bzw. Fragen des Informationsaustausches zwischen den Projektpartnern sowie das „Resident Engineering“ im Mittelpunkt der Betrachtungen. Schließlich werden wir auch noch auf die Instanzen zur unternehmensübergreifenden Projektsteuerung eingehen und die notwendige Klärung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten behandeln. 256
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
Abbildung 4-3:
Die „Emanzipation“ des Projektmanagements
Projektmanagement-Form
Autonomes Projektteam Projektbüro/-haus Matrix
Projektleitung Funktionales Team
fe Pro
on ssi
u ier alis
d ng
e
e roj rP
rb kta
eit
Projektkoordination
fachspezifische (Linien-)Projekte
bereichsübergreifende Projekte
unternehmensübergreifende (Gesamtfahrzeug-)Projekte
Projektkomplexität
Unternehmensübergreifende Projekte weisen bezüglich ihrer Organisation deutliche Unterschiede zu unternehmensinternen Projekten auf. So unterscheiden sie sich insbesondere in Bezug auf die Entscheidungs- und Weisungsrechte. Entscheidungen liegen nicht mehr zwangsläufig bei der im Unternehmen hierarchisch übergeordneten Stelle, sondern sind in einem kooperativen Verfahren festzulegen und entsprechend auszuführen. Auch Weisungen unterliegen in unternehmensübergreifenden Projekten nicht mehr automatisch dem Vorgesetzten-Untergebenen-Verhältnis. Verträge und „Deliverables“ werden zum dominierenden Koordinationsmechanismus und helfen, die am Projekt beteiligten Partner in Richtung der vereinbarten Ziele hin auszusteuern. Ferner ist die Zeitdauer von unternehmensübergreifenden Projektorganisationen unterschiedlich zu der von internen Projekten. Orientieren sich diese vor allem an internen Anforderungen und bestehen in der Regel eher mittel- bis langfristig, so wird die für unternehmensübergreifende Projekte begründete Organisation mit Beendigung der Projektziele normalerweise wieder aufgelöst. Nur in begründeten Ausnahmefällen (z.B. bei längerfristigen Joint Ventures) wird diese beibehalten.
257
4.2
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4.2.1
Das Projekthaus als zentrale Drehscheibe
Die fast durchgängige Einführung von „Simultaneous Engineering“ in den Unternehmen der Automobilindustrie hat eine weitgehende Integration der unterschiedlichen Funktionen, wie z.B. Marketing, Design, Produktentwicklung, Erprobung und Fertigung erreicht. „Simultaneous Engineering (SE)“ ist dabei ein ganzheitlicher Lösungsansatz, der besonderen Schwerpunkt auf die Organisation der Beteiligten und den Informationsaustausch legt. 150 Dabei werden Aktivitäten entlang des Produktentstehungsprozesses parallelisiert, um diese Prozesse zu beschleunigen. Der damit einhergehenden Erhöhung der Abstimmungskomplexität wird durch eine Standardisierung von Produkten (Plattformen, Modularisierung und Gleichteilestrategien), Prozessen und Informationssystemen begegnet. Regelmäßige Treffen der am Projekt beteiligten Mitarbeiter schaffen ein gemeinsames Verständnis über das gemeinsame Ziel, erleichtern die Kommunikation und verbessern damit die Lösung von Schnittstellenproblemen. Diese Gestaltungsprinzipien lassen sich ebenfalls auf die Zusammenarbeit in unternehmensübergreifenden Projekten übertragen. Dabei dient das „Projekthaus“ als zentrale Drehscheibe. So hat z.B. BMW mit dem Bau des Projekthauses im Rahmen des Forschungs- und Innovationszentrums FIZ voll auf Simultaneous Engineering gesetzt. 151 Anstatt wie bisher Entwicklung, Fertigung und Einkauf klassisch hintereinander ablaufen zu lassen, arbeiteten alle drei Funktionsbereiche nicht nur parallel, sondern darüber hinaus auch in räumlicher Nähe zueinander. Von Anfang an in den Entwicklungsprozess integriert wurden auch Logistik, Controlling und Personalwesen. Selbst die Zulieferer werden bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt eingebunden. All dies führte zu deutlich weniger Schnittstellen und damit weniger Reibungsverlusten. Die räumliche Organisation des Projekthauses ermöglicht eine neue Dimension der Zusammenarbeit: Die nach Baureihen organisierten Spezialisten aus den unterschiedlichsten Fachbereichen haben ihre Arbeitsplätze rund um ein Atrium, in dessen Mitte ein ovales, verglastes Gebäude steht. Auf den einzelnen Ebenen dieses Studio- und Werkstattgebäudes wird der jeweilige Stand der Entwicklung bei jedem Fahrzeugprojekt in virtuellen Welten und realen Modellen dargestellt. Das stabile Rückgrat in der Produktentwicklung bilden unverändert die Fachbereiche. Die Projektteams wiederum tragen die ressortübergreifende Gesamtverantwortung für definierte Fahrzeugprojekte. Mit dem Arbeitskonzept des Simultaneous Engineering löst BMW ein typisches Problem der Produktentwicklung: die Wahl zwischen der fachbereichs- und der projektorientierten Organisation. Ohne Projektgruppen kann die Entwicklungszeit nicht straff gestaltet werden und ohne Fachbereichsgruppen kommen technologische Fortentwicklung und Kompetenzausbau langfristig zum Stillstand. 150 vgl. Bullinger/Warschat (1997), S. 15 151 www.architekten24.de/projekt/bmw-fiz-projekthaus/uebersicht/1139/index.html
258
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
Im Organisationsmodell von BMW werden Mitarbeiter aus ihren Fachbereichen für die Dauer der Konzeptphase in Projektteams entsandt. In der späteren Umsetzungsphase, die bis zur Serienreife des Fahrzeugs reicht, kehren die Mitarbeiter zu ihren Fachbereichen zurück. Die mit der Projektgruppe geknüpften Bande bleiben dabei erhalten. Die räumliche Nähe zum Automobilhersteller ist auch für die Zulieferer von großem Vorteil. Abgekoppelt von den regulären Organisationsstrukturen des Zulieferers entsteht - in räumlicher Nähe des Automobilherstellers – ein Zentrum, in dem die von den beteiligten Unternehmen entsandten Mitarbeiter über die Projektlaufzeit hinweg unmittelbar zusammenarbeiten. Ein Beispiel: Die Entwicklung des Astra von Opel. „Die kurzen und direkten Kommunikationswege zwischen den, je nach Bauphase, bis zu 200 Mitarbeitern waren ein Schlüssel zum Erfolg der pünktlichen Markteinführung. ... Die Zulieferer arbeiteten mit uns im Astra-Projektzentrum. Wir involvierten sie so weit, dass sie permanent über den Projektstatus des Gesamtfahrzeugs informiert waren.“ 152 Die Mitarbeiter im Projekthaus arbeiten funktions- und unternehmensübergreifend zusammen und stellen den Informationsaustausch (vgl. Abbildung 4-4) mit ihren – räumlich oft weit entfernten - Stammhäusern sicher. Sie können sich voll und ganz auf das Projekt konzentrieren und sind in der Regel auch emotional stärker eingebunden. Durch die intensive Kommunikation im Projekthaus - sozusagen in Echtzeit - erhöht sich die Reaktionsgeschwindigkeit bei auftretenden Problemen oder Konflikten. Notwendige Entscheidungen können frühzeitig zwischen dem Hersteller und seinen Partnern abgestimmt werden, ohne dass es zu suboptimalen Lösungen kommt. Inzwischen wird das Konzept Projekthaus auch verstärkt für die Integration von Hochschulen und Forschungseinrichtungen genutzt. So haben das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) und die Daimler AG Ende 2008 mit der Gründung des "Projekthaus e-drive" am KIT eine Forschungskooperation auf dem Gebiet der Elektroantriebe gestartet: „Mit der erstmaligen Bündelung der Bereiche Leistungselektronik, Steuerungs- und Regelungstechnik sowie elektrische Energiespeicher und Elektromaschinen unter einem Dach im "Projekthaus e-drive" werden wertvolle Synergien generiert, um die Forschungsaktivitäten zur nachhaltigen Mobilität effizient voranzutreiben.“ 153 Allerdings sollten auch mögliche Nachteile des Projekthauses beachtet werden, u.a. der Aufwand für die Einrichtung und die Auflösung des Projekthauses, die aufwendige Synchronisation der elektronischen Daten- und Informationssysteme sowie die Sicherstellung der Geheimhaltung.
152 AUTOMOBILPRODUKTION, Ausgabe 2/2004, S. 14 153 http://idw-online.de/pages/de/news290225
259
4.2
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Abbildung 4-4:
4.2.2
Daten- und Informationsmanagement im Projekthaus 154
Projekte - virtuell realisiert
Im Gegensatz zur physischen Präsenz der Beteiligten im Projekthaus werden durch die virtuellen Organisationsformen die räumlichen und zeitlichen Barrieren in der Zusammenarbeit aufgelöst. Der Einsatz von modernen Informations- und Kommunikations-Technologien ermöglicht die simultane Bearbeitung von Datenmodellen, Dokumenten oder Programmen – quasi „anytime, anyplace.“ 155 Triebkräfte für diese „Virtualisierung“ sind zum einen die schnell wachsenden Möglichkeiten der Tools, die international stark unterschiedlichen Personalkosten und die dadurch verursachte Verschiebung von personalintensiven Arbeiten in Niedriglohnländer. Dabei wird durch die Nutzung international unterschiedlicher Arbeitszeiten (24hours/7-days) eine flexible Auslastung der verfügbaren Ressourcen möglich. Die virtuelle Projektarbeit setzt allerdings die Unterstützung durch eine Vielzahl unterschiedlicher Tools voraus (vgl. Abbildung 4-5).
154 in Anlehnung an Kurek (2004), S. 48 155 vgl. Picot/Reichwald/Wigand (1996), S. 357 ff.
260
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
Abbildung 4-5:
Systemarchitektur zur Unterstützung virtueller Projektarbeit
Moderne Systeme für das Product Data Management (PDM) bzw. Engineering Data Management (EDM) beinhalten neben der Beschreibung der Produkte (Produktmodell) auch eine Abbildung der technisch/organisatorischen Geschäftsprozesse (Prozessmodell) - und damit auch Funktionalitäten für das Projektmanagement. 156 Neben der Planung und Steuerung der Projekte ist vor allem die übergreifende Bearbeitung von notwendigen Änderungen möglich. Der Informationsfluss zwischen den Prozessbeteiligten wird mit Hilfe eines „Workflow Managers“ gesteuert, d.h. die Mitarbeiter erhalten vom System die jeweils relevanten Vorgänge zur Bearbeitung zugewiesen. Alle Vorgänge werden automatisch dokumentiert. Statusreports bzw. ein sogenanntes „Dashboard“ stellen den aktuellen Status von Projekten oder Programmen übersichtlich dar (vgl. Abbildung 4-6). Gerade bei einer Zusammenarbeit mit den amerikanischen Automobilherstellern Ford, GM und Chrysler, die von ihren Zulieferern die Einhaltung der APQP–Richtlinien (Advanced Product Quality Planning And Control Plan157) verlangen, ist es empfehlenswert, den hohen Dokumentationsaufwand systemunterstützt abzuwickeln.
156 vgl. Eigner/Stelzer (2001), S. 22 157 APQP (1994)
261
4.2
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Abbildung 4-6:
Beispiel für ein Dashboard
In der Praxis scheitert die konsequente Umsetzung der virtuellen Projektarbeit an der Vielzahl von unterschiedlichen Systemen, die häufig wenig kompatibel sind oder große Schnittstellenprobleme verursachen. Aber auch die Angst vor Know-howVerlust und die teilweise übertriebene Geheimhaltungspolitik der Automobilhersteller erschweren die Einbindung der Zulieferer in die IT-Infrastruktur und errichten neue Barrieren zwischen den Projektpartnern, was einer effizienten Zusammenarbeit sicherlich abträglich ist. Es gibt aber auch natürliche Grenzen der virtuellen Projektarbeit. Diese liegen einerseits in der immanenten „Distanz“ der Mitarbeiter, die einen persönlichen bzw. informellen Austausch untereinander nur schwer möglich macht. Andererseits gibt es bislang nur begrenzte Möglichkeiten zur Virtualisierung bestimmter Teilschritte des Produktentstehungsprozesses (wie z.B. der Erprobung oder dem Versuch). Schließlich setzt auch die hohe Komplexität der eingesetzten Systeme deren Einsatz Grenzen. In den nächsten Jahren werden sich die jeweils vorteilhaften Elemente der Projekthäuser und der virtuellen Organisationsformen vermischen und zu hybriden Organisationen auswachsen.
262
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
4.2.3
Resident Engineering
Inzwischen hat sich in der Automobilindustrie zur Überwindung der Nachteile einer rein virtuellen Projektarbeit das Resident Engineering durchgesetzt. Für die Dauer der Zusammenarbeit stellt der Zulieferer einen Resident Engineer in die Projektorganisation bzw. in die Fachabteilung des Kunden ab. Er dient als Verbindungsingenieur zwischen dem räumlich dislozierten Zulieferer und dem Projektteam des Kunden. Als Schnittstellenmanager koordiniert er in erster Linie beim Kunden vor Ort alle Aktivitäten, die für eine hochwertige fachliche Ausführung erforderlich sind. Je nach Modell arbeitet der Resident Engineer in unmittelbarer räumlicher Nähe zum Kunde, im "Zimmer nebenan" oder sogar "Schreibtisch-an-Schreibtisch" und erhält somit die Möglichkeit, seinen Ansprechpartner ad-hoc zu kontaktieren und mit ihm gemeinsam anstehende Probleme zeitnah zu lösen. Durch die Anwesenheit des Resident Engineers kann auch der Zugriff auf projektspezifische Daten besser geregelt werden. Der Resident Engineer erhält während seiner Arbeit im Partnerunternehmen definierte Zugriffsrechte auf einen gemeinsamen Datenpool. Diese kontrollierte Form des Zugriffs auf sensible Daten unterstützt das Sicherheitsdenken des Partners und reduziert Misstrauen. 158 Mit Resident Engineering erfolgt auch ein wertvoller Transfer von Know-how zwischen den Partnern und wirkt für die Mitarbeiter des Kunden als auch für den Resident Engineer wie ein informelles Training-on-the-job. 159 Der Resident Engineer benötigt über die fachlichen und methodischen Kompetenzen hinaus eine Vielzahl weiterer Fähigkeiten und Fertigkeiten. So spielen die sozialen Fähigkeiten für die Kontaktaufnahme mit den Kundenmitarbeitern, die Integration in das „soziale System“ des Kunden und die Konfliktprävention bzw. -lösung eine große Rolle. Darüber hinaus muss er auch eine hohe Eigenständigkeit, Initiative und Selbstbewusstsein mitbringen, um als Schnittstellenmanager erfolgreich zu sein. An diesem Punkt macht sich auch der Wandel in der Projektarbeit bemerkbar. Aufgrund der Verschiebung von Schnittstellen im Produktentstehungsprozess und die Zunahme der Integrationskomplexität ist die Entwicklung der bisherigen Resident Engineers hin zum Netzwerkmanager zukünftig für viele Zulieferer von herausragender Bedeutung. Toyota setzt z.B. in der Zusammenarbeit mit Lieferanten auf die sogenannten „Guest Engineers“. Dabei entsenden nicht nur Lieferanten Mitarbeiter in die betreffenden Werke von Toyota, Toyota setzt auch spezielle Mitarbeiter bei seinen Lieferanten vor Ort ein. Diese sind für die langfristige Vernetzung zwischen Toyota und Lieferanten verantwortlich, werden über ein einzelnes Projekt hinaus eingeplant und stellen so eine nachhaltige Lieferantenqualifizierung sicher. 160
158 vgl. Pander/Wagner (2005), S. 43 159 vgl. Pander (2007) 160 vgl. Wagner (2008a), S. 52
263
4.2
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4.2.4
Instanzen zur übergeordneten Projektsteuerung
Gesamtfahrzeugprojekte erfordern einen hohen Koordinationsaufwand. In definierten zeitlichen Abständen finden hierzu (Regel-)Meetings statt, zu denen alle beteiligten Unternehmen Vertreter entsenden, um über den Status des Projektes, mögliche Abweichungen und geeignete Maßnahmen zu sprechen. Abhängig vom jeweiligen Automobilhersteller gibt es unterschiedliche Gremien und Instanzen zur übergeordneten Projektsteuerung. Abbildung 4-7 zeigt ein Beispiel.
Abbildung 4-7:
Beispiel für eine Gremienlandschaft zur übergeordneten Projektsteuerung
Die eigentliche Projektarbeit findet hier auf der Ebene der SE-Teams statt. Diese setzen sich aus den für die fachliche Projektarbeit notwendigen Mitarbeitern aus dem Hause des Automobilherstellers sowie der beteiligten Zulieferer zusammen. In regelmäßigen Sitzungen (SE-Meetings) berichten die Teammitglieder über den Stand der Arbeiten und fassen die Ergebnisse in einem Bericht zusammen. Wichtiges Hilfsmittel ist die „Liste offener Punkte“ (LOP), die den aktuellen Handlungsbedarf widerspiegelt und die Aktivitäten auf die kritischen Punkte fokussiert.
264
Organisationsformen für die Projektarbeit in vernetzten Strukturen
Ein Gesamtfahrzeugprojekt wird in verschiedene - oft bis zu fünfzig verschiedene Module aufgeteilt. Module sind abgegrenzte Baugruppen mit einer technischen Spezifikation und klar definierten Schnittstellen. 161 Modulleiter sind für die Erreichung der spezifizierten Ziele verantwortlich und stimmen sich regelmäßig mit den anderen Modulleitern ab. Eine zentrale Rolle kommt der Projektsteuerung auf der Steuerkreisebene zu (vgl. hierzu auch Kapitel 2.3.6). In unserem Beispiel ist ein Steuerkreis Technik abgebildet, der für alle technischen Belange und die Einhaltung der Qualität zuständig ist sowie ein Steuerkreis Projekt/Prozesse, der die Einhaltung der definierten Termine und Budgets sowie der sonstigen Anforderungen im Projekt überwacht. Beide Steuerkreise sollten sich interdisziplinär aus einflussreichen Vertretern der am Projekt beteiligten Bereiche des Herstellers sowie der wesentlichen Projektpartner zusammensetzen. Der Steuerkreis lässt sich von den (Teil)Projektverantwortlichen den jeweiligen Status melden, bewertet diesen und entscheidet dann über geeignete Maßnahmen. Dabei ist unbedingt darauf zu achten, dass es nicht zu Überschneidungen bei den Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zwischen den Steuerkreisen und den betroffenen (Teil-)Projektverantwortlichen kommt. Die höchste Projektinstanz in unserem Beispiel ist der Lenkungskreis, der sich aus hochrangigen Entscheidungsträgern des Herstellers sowie der wichtigsten Projektpartner zusammensetzt. Der Lenkungskreis wird angerufen, wenn es zu kritischen Situationen im Projekt kommt, die der Steuerkreis und der GesamtfahrzeugProjektleiter nicht mehr alleine lösen können. Der Lenkungskreis kann entweder vom Steuerkreis oder dem Projektleiter angerufen werden. Ansonsten trifft sich der Lenkungskreis in der Regel nur ein- oder zweimal im Jahr. Als letzte Möglichkeit der „Eskalation“ kann im Bedarfsfall noch der „Sponsor“, d.h. der Vorstand des Automobilherstellers als Auftraggeber des Fahrzeugprojektes, eingeschaltet werden. Noch vor Projektbeginn sollte festgelegt werden, in welchem Rhythmus die Treffen der oben genannten Gremien stattfinden, wer welche Entscheidungen treffen darf und welche Spielregeln in der Zusammenarbeit gelten. Dabei können die in Kapitel 2.4 dargestellten Instrumente und Verfahren auch auf die unternehmensübergreifenden Projekte angewandt werden. Ferner ist es unbedingt erforderlich, eine projektorientierte Kultur mit einer ausgewogenen Balance zu den Linienorganisationen zu schaffen und die Position der Projektleiter zu stärken.
161 vgl. Bullinger/Warschat (1997), S. 41
265
4.2
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4.2.5
Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in unternehmensübergreifenden Projekten
Nicht nur im innerbetrieblichen Kontext (vgl. Kapitel 2.3.5) kommt der Klärung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten eine wichtige Rolle zu, sondern vor allem in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit. Unklare organisatorische Zuordnungen und (Vorfahrts-)Regelungen führen in der kooperativen Projektarbeit zu unnötigen Doppelarbeiten bzw. Reibungsverlusten. 162 Vor dem eigentlichen Projektstart müssen deshalb die Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) mit allen Projektpartnern in einem mehrstufigen Verfahren vereinbart, mit Hilfe von geeigneten Hilfsmitteln - wie z.B. dem Funktionendiagramm (vgl. Kapitel 2.2) – dokumentiert und schließlich im Projekthandbuch abgebildet werden. Mit der Unterschrift unter dieses Dokument verpflichten sich die Projektpartner nicht nur dazu, die aufgeführten Aufgaben gewissenhaft zu erfüllen, sondern übernehmen auch die Last aller sich ergebenden Folgen, falls das definierte Ergebnis nicht erreicht wird. Diese Betonung der Ergebnisverantwortung ist gerade im unternehmensübergreifenden Projektgeschäft bei einer Vielzahl von unabhängigen Partnern notwendig. Nur wenn sich alle Beteiligten darauf verlassen können, dass jeder Partner seiner Verantwortung im Projekt gerecht wird, kann die Zusammenarbeit auch langfristig funktionieren. Der Klärung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten kommt zusätzlich für die Steuerung der Informationsflüsse eine wichtige Rolle zu. Das Funktionendiagramm bildet mit der Darstellung der jeweiligen Schnittstellen die Hol- und Bringschuld von Informationen ab. So hat jeder dafür zu sorgen, dass er über alle Informationen verfügt, die zur Erfüllung der Aufgaben in seinem Verantwortungsbereich notwendig sind. Ansonsten muss er sich diese bei seinen Projektpartnern abholen. Umgekehrt ist jeder dazu verpflichtet, ohne Aufforderung die Informationen an diejenigen Projektpartner zu liefern, die diese zur Erfüllung ihrer Aufgaben benötigen. Work-Flow-Management-Systeme (wie in 4.2.2 abgebildet) unterstützen diesen Informationsaustausch, indem sie die gegenseitigen Abhängigkeiten in einem Rollenprofil hinterlegen und die Projektpartner sich dann über automatisch generierte Verteiler mit den notwendigen Informationen versorgen können.
162 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 28
266
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
4.3
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
Um das Klima zwischen Automobilherstellern und ihren Zulieferern ist es in den letzten Jahren nicht sonderlich gut bestellt. Insbesondere das Preisgebaren der OEM bringt die Zulieferer oft auf die Barrikaden. Zielpreisvorstellungen nahe oder sogar unter den Materialpreisen, anonyme Auktionen im Internet mit schwer nachvollziehbaren Verläufen und Vergabeentscheidungen, nachträgliche Preiszugeständnisse im zweistelligen Bereich auf das laufende Geschäft, nachträgliche Rabattforderungen des Kunden auf längst abrechnete Volumina, um im Geschäfts zu bleiben und die Vielzahl an Vertragsklauseln zu Lasten der Zulieferer, um nur einen kleinen Einblick zu geben. Da verwundert nicht, dass Studien immer wieder das schlechte Klima in der Automobilindustrie bemängeln. So zeichnet auch eine Untersuchung der Fachgruppe „Automotive-Projektmanagement“ der GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. mit der Universität Augsburg (Prof. Dr. Fritz Böhle) zum C3PM in der Fahrzeugentwicklung ein ernüchterndes Bild der Zusammenarbeit in der Branche: besonders die für Aufbau und Pflege von kooperativen Beziehungen wichtigen Aspekte der kulturellen Rahmenbedingungen sowie der individuellen Fähigkeiten schneiden mit Abstand am schlechtesten ab (vgl. Abbildung 4-8).
Abbildung 4-8:
Ergebnisse einer Expertenbefragung zum C3PM 163
Kulturelle Rahmenbedingungen
3,6
Individuelle Fähigkeiten
3,3
Fahrzeugentwicklung
3,0
Prozesssteuerung
3,0
Projektorganisation
2,4
Klärung der Projektziele
2,5 0
0,5
1
1,5
2
2,5
3
3,5
4
Zufriedenheit der Experten bezüglich der Einflussfaktoren (von 1 = sehr gut bis 6 = mangelhaft)
163 vgl. Pander/Wagner (2005), S. 43
267
4.3
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Zu den Defiziten im Bereich der kulturellen Rahmenbedingungen zählen mangelndes Vertrauen zwischen Herstellern und Zulieferern, die Angst der Zulieferer, aufgrund der ungleichen Machtverhältnisse „unter die Räder zu kommen“ und schließlich der wenig konstruktive Umgang mit Fehlern, der meistens in einseitigen Schuldzuweisungen an die Zulieferer endet. Statt partnerschaftlichem Umgang dominiert in den meisten Fällen die klassische „Kunde-Lieferanten-Beziehung.“ Ein Zulieferer formulierte die wahren Grundsätze der Zusammenarbeit in der Studie wie folgt: „Wir versuchen, mit dem Kunden zu kooperieren, aber im Endeffekt hat der Kunde das letzte Wort.“ Und so endet das Ziel „Partnerschaft“ allzu oft in einem „Partner, schafft!“. Die Folgen sind verheerend. Viele Zulieferer haben inzwischen eine zu geringe Eigenkapitalbasis, was zu zahlreichen Insolvenzen in den Jahren 2008 und 2009 geführt hat, sie können nicht mehr genügend in Forschung und Entwicklung investieren oder sparen an der Qualität. Das kann alles nicht im Sinne der Automobilhersteller sein. Viel schlimmer: diese müssen im Insolvenzfall Zulieferer finanziell unterstützen, um keinen Bandstillstand zu erleiden, weil die Abhängigkeiten inzwischen schon viel zu groß sind. Große Rückrufaktionen und Qualitätsprobleme sind ebenfalls oft auf das zweifelhafte Geschäftsgebaren der OEM zurückzuführen, was immense Kosten nach sich zieht, Geld, das besser in Prävention und eine partnerschaftliche Zusammenarbeit angelegt worden wäre. Nicht alle Automobilhersteller verhalten sich nach diesem Muster. Toyota wird in diesem Zusammenhang oft als sehr partnerschaftlich gelobt. So zitiert Jeffrey Liker in seinem Bestseller „Der Toyota Weg“ einen Automobilzulieferer wie folgt: „Toyota ist eher zupackend und davon getrieben, seine eigenen Systeme zu verbessern und seinen Partnern dann zu zeigen, wie sie sich selbst dadurch verbessern können … Toyota hat uns geholfen, unsere Produktionsanlagen neu anzuordnen, und Toyota hat unsere Mitarbeiter geschult. Auch im kaufmännischen Bereich greifen sie einem unter die Arme – sie sind gekommen, haben sich alles angesehen und daran gearbeitet, die Systemkosten zu senken … Im Vergleich mit anderen Unternehmen, die wir beliefern, ist Toyota am besten.“ 164 Das Verhalten von Toyota resultiert aus der eigenen Historie (nur mit tatkräftiger Unterstützung der Lieferanten konnte Toyota den Bankrott nach dem Zweiten Weltkrieg abwenden) und einem klaren Respekt den Partnern gegenüber, der für alle verpflichtend im „Toyota Way“ kodifiziert ist. U.a. ist dort zu lesen: „Wir respektieren andere, unternehmen jede erdenkliche Anstrengung, unser Gegenüber zu verstehen, übernehmen Verantwortung für unsere Handlungen und geben unser Bestes, um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen, d.h. allen Stakeholdern wird gleichermaßen Respekt entgegengebracht, wir glauben an gegenseitiges Vertrauen und Verantwortung und bemühen uns um eine ehrliche Kommunikation.“ 165
164 vgl. Liker (2006) 165 Harvard Business Manager, Ausgabe Juli 2007, S. 38
268
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
Dass dies nicht nur frommer Wunsch sondern in der Praxis erlebbares Verhalten ist, wird durch etliche Untersuchungen in Nordamerika und Westeuropa bestätigt. So sieht eine in der europäischen Automobilindustrie von Simon-Kucher & Partners im Jahre 2006 durchgeführte Benchmark-Studie ebenfalls Toyota aus Sicht der Lieferanten ganz weit vorne und macht dies vor allem an der intensiveren Zusammenarbeit zwischen den Lieferanten und Toyota fest. Die Lieferanten fühlen sich demnach respektiert und fair behandelt – Vereinbarungen werden eingehalten und zuverlässig umgesetzt. Es findet ein offener Informationsaustausch statt und beide Seiten sind auf Basis langfristiger Beziehungen auch eher bereit, in die Verbesserung der gemeinsamen Aktivitäten zu investieren. Eine wichtige Rolle spielt darüber hinaus die faire Verteilung von F&E-Kosten (vgl. Abbildung 4-9).
Abbildung 4-9:
Ergebnisse einer Benchmarking-Studie in Westeuropa 166
Dabei spielt die tatkräftige Unterstützung, die Toyota seinen Lieferanten im Tagesgeschäft und bei Problemen gewährt, eine wichtige Rolle bei der Bewertung. Betrachtet man die Unterstützung der Lieferanten als Investition, so zahlt sich diese Investition gleich mehrfach wieder aus. Sie schlägt sich einerseits in der hohen Attraktivität des Automobilherstellers bei den Zulieferern nieder, was insbesondere in Zeiten knapper F&E-Ressourcen und einem konstant hohen Bedarf an Innovationen bei einer eigenen Wertschöpfungstiefe von nur noch 30 Prozent überlebenswichtig sein kann.
166 Quelle: International Pricing Benchmarking Study in the European Automotive Supplier
Industry, Simon-Kucher & Partners, 2006
269
4.3
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Darüber hinaus stärkt es aber auch die Wettbewerbsposition des Automobilherstellers durch leistungsfähige Lieferanten, die auf Basis einer langfristigen und ganzheitlichen Betrachtungsweise in der Lage sind, ihre Kostenstrukturen zu optimieren und das gemeinsame Geschäft auf einem hohen Produktivitätsniveau zu betreiben. Es schafft gleichwohl ein hohes Vertrauen, das den offenen Austausch von Informationen und Know-how sowie eine gegenseitige Unterstützung bei Problemen erleichtert. Das Spannungsfeld zwischen Wettbewerb und Partnerschaft im Hersteller-ZuliefererVerhältnis wird bei Jeffrey Liker durch die Gegenüberstellung von zwei unterschiedlichen Modellen der Zusammenarbeit charakterisiert (vgl. Abbildung 4-10).
Abbildung 4-10: Unterschiedliche Modelle der Zusammenarbeit
167
Liker vergleicht das traditionelle Modell („Wettbewerbsmodell“) des Lieferantenmanagements mit dem „Partnerschaftsmodell“ von Toyota. Dabei steht im traditionellen Modell der niedrige Stückpreis für den Automobilhersteller im Mittelpunkt seiner Bemühungen, da er auf diese Weise relativ schnell Einsparpotenziale erzielen kann.
167 vgl. Liker (2006)
270
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
Allerdings sind mit dieser Vorgehensweise auch unbeabsichtigte und negative Auswirkungen verbunden, nämlich z.B. Qualitätsprobleme und eine geringere Innovationsleistung auf Seiten der Zulieferer. Die Auswahl der Zulieferer erfolgt von Fahrzeugprojekt zu Fahrzeugprojekt mit Hilfe von Ausschreibungen und Auktionen auf Basis des niedrigsten Preises. Dieser Preis wird dann noch mehrfach „nachverhandelt“ und mit einem über die Projektlaufzeit festgelegten, jährlichen Preisnachlass versehen. Teilweise üben Automobilhersteller auch noch rückwirkend Druck auf die Preise ihrer Zulieferer aus, was unweigerlich zu Konflikten und einer aufwändigen Abstimmung führt. Verhandlungen mit den Lieferanten werden mit einem hohen Zeitaufwand geführt. Die in Fahrzeugprojekten üblichen Änderungen dienen den Lieferanten dann auch oft als Anlass, mit saftigen Nachforderungen auf ihre gewünschten Margen zu kommen. Das Klima zwischen Herstellern und Lieferanten leidet unweigerlich. Das „Partnerschaftsmodell“ des Lieferantenmanagements setzt dagegen auf die Beseitigung von Verschwendung in der Zulieferkette. Dabei stehen die Kosten über die gesamte Wertschöpfungskette im Mittelpunkt der Betrachtungen und nicht der niedrigste Stückpreis wie beim traditionellen Modell. Liker beschreibt das Vorgehen wie folgt: „Toyota setzt Zielkosten und nicht Preise fest. Zielkosten bedeuten, dass die Zulieferer mit Kostenstrukturen arbeiten müssen, die ihnen erlauben, mit den Preisen, die ihre Kunden für die gelieferten Teile bezahlen, einen Gewinn zu erzielen.“ 168 Voraussetzung für die erfolgreiche Umsetzung des Modells sind u.a. langfristige Partnerschaften mit einem intensiven Informationsaustausch, gemeinsamen Anstrengungen zur Verbesserung der Wertschöpfung sowie ein straffes Kostenmanagement.
4.3.1
Coopetition – widersprüchliche Interessen in der Projektarbeit balancieren
Als Nalebuff und Brandenburger 1996 das Buch „coopetition“ herausbrachten, da beschrieben sie sehr eindrücklich die Situation, dass Unternehmen auf dynamischen Spielfeldern agieren und oft mehrere Rollen gleichzeitig einnehmen müssen. 169 Mit ihrer Wortschöpfung „coopetition“ (einer Kombination der Wörter „cooperation“ und „competition“) charakterisieren sie eine Beziehung, in der gleichzeitig Kooperation und Wettbewerb auftreten. Die Situation mit folgendem Vergleich auf den Punkt gebracht: „Geschäft ist Zusammenarbeit, wenn es um das Backen von Kuchen geht, und Wettbewerb, wenn es an die Aufteilung des Kuchens geht.” Dabei argumentieren sie spieltheoretisch und zeigen, dass theoretisch alle Spieler gewinnen können, wenn sie ihre eigenen – oft allzu egoistischen - Interessen einer anderen Logik unterwerfen würden.
168 vgl. Liker (2006) 169 vgl. deutsche Ausgabe: Nalebuff/Brandenburger (1996)
271
4.3
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
In der Projektarbeit finden wir Coopetition auf unterschiedlichen Ebenen. Innerbetrieblich („Intra-Coopetition“) z.B. zwischen „Linie“ und „Projekt“ oder zwischen zwei konkurrierenden Projekten. In beiden Fällen sorgen knappe Ressourcen für einen Wettbewerb zwischen den Parteien. Andererseits ist das „Projekt“ natürlich auf die Zusammenarbeit mit der „Linie“ angewiesen, dort kommen nämlich in der Regel die Kapazität und das Know-how für die Projektarbeit her. Auch im zweiten Fall der konkurrierenden Projekte sind beide auf das Know-how des anderen angewiesen. In der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit ist Coopetition („InterCoopetition“) ebenfalls anzutreffen. Ein Beispiel hierfür ist die gemeinsame Entwicklung eines Geländewagens von Porsche (Cayenne) und VW (Touareg). Beide Unternehmen gingen nach der grundlegenden Entwicklungsarbeit getrennte Wege, um das Fahrzeug für die jeweilige Zielgruppe auszulegen und zu vermarkten. Ferner kann es in der Zusammenarbeit zwischen einem Hersteller und einem Systemlieferanten Coopetition geben. Beim X3 von BMW hat der OEM bei Entwicklung und Fertigung des ersten Modells bewusst darauf verzichtet, eigene Kapazitäten aufzubauen. Magna Steyr profitierte von diesem Gesamtfahrzeugprojekt, da eigene Kapazitäten ausgelastet und das Know-how weiter ausgebaut werden konnte. Bei den Überlegungen zum zweiten Modell der Baureihe wurde aber schnell klar, dass BMW wichtiges Knowhow wieder im Haus haben und auch eigene Arbeitsplätze auslasten wollte. Warum gehen Unternehmen trotz widersprüchlicher Interessen eine Zusammenarbeit mit Partnern ein? Eventuell, um eine bessere Möglichkeiten zur Markterschließung zu haben oder Investitionskosten durch die Kooperation mit einem Partner aufteilen zu können. Diesen Chancen steht eine Reihe von Risiken gegenüber, wie z.B. Know-howVerlust oder Abhängigkeit von einem der Partner (vgl. Tabelle 4-1).
Tabelle 4-1:
Chancen und Risiken der Coopetition
Chancen
Risiken
Stärkung der Wettbewerbsposition
Abhängigkeit vom Partner
Möglichkeiten zur Markterschließung
Interessenskonflikte
Know-how-Gewinn
Know-how-Verlust
Synergiepotenziale (u.a. Technologie, Kosten)
Unklarheit bezüglich Erfolgs-/Lastenzuteilung
Höhere Flexibilität durch Ressourcenteilung
Hoher Koordinationsaufwand
Imagegewinn
Identitätsverlust
Möglichkeiten zur Risikoverteilung
Erhöhung der (Haftungs-)Risiken
Erhöhung der (Meinungs-)Vielfalt
unterschiedliche Kulturen
272
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
Damit unterschiedliche Interessen, Chancen und Risiken in der Projektarbeit ausbalanciert werden können, müssen Sie von den Partnern aufgedeckt und anerkannt werden. Gemeinsame Normen und Werte sowie gegenseitiges Vertrauen erleichtern den Auf- und Ausbau kooperativer Beziehungen. Vertrauensbildende Maßnahmen sind u.a.: (1) das klare Commitment der Partner zu den vereinbarten Zielen, (2) Flexibilität und Autonomie der durch Verträge koordinierten Partner, (3) die faire Verteilung von Chancen und Risiken der Zusammenarbeit, (4) die gegenseitige Bevorzugung beim Abschluss von Verträgen, (5) der Ausschluss von gegenseitiger Konkurrenz und Ausbeutung, (6) die demokratische Verfassung des Netzwerks, (7) Möglichkeiten für den Ein-/Austritt von Netzwerkpartnern sowie (8) der Ausschluss von Partnern bei Nichtbeachtung der Regeln. 170 Nalebuff und Brandenburger geben uns zum Schluss noch einen bemerkenswerten Satz mit auf den Weg: „Sie mögen glauben zu wissen, welches Spiel sie spielen, aber dieses Spiel ist unweigerlich Teil eines größeren Spiels.“ 171
4.3.2
Kulturelle Rahmenbedingungen im C3PM
Im C3PM spielen die kulturellen Rahmenbedingungen deshalb eine so wichtige Rolle, weil die Projektarbeit über Unternehmensgrenzen und damit nicht nur über zeitliche und räumliche sondern vor allem über kulturelle Barrieren hinweg stattfindet. Vieles deutet allerdings darauf hin, dass der Umgang mit dem „weichen“ Kultur-Thema der auf Technologie und Effizienz getrimmten Automobilindustrie große Probleme bereitet. So führen die kulturellen Unterschiede immer wieder zu Missverständnissen in der Zusammenarbeit und verhindern den gemeinsamen Erfolg. Ein großes Problem stellt dabei das Machtungleichgewicht zwischen Automobilherstellern und deren Zulieferern, aber auch zwischen Tier-1-Lieferanten und den nachgelagerten Stufen der Lieferpyramide dar. In der oben schon zitierten Untersuchung der GPM-Fachgruppe „Automotive-Projektmanagement“ drückt das ein Zulieferer wie folgt aus: „Man merkt, wenn man an einem Tisch sitzt, wer das Sagen hat: Der mächtigere Partner hat häufiger das Wort und auf ihn wird auch mehr gehört. Er setzt die Ziele.“ Ein anderer Zulieferer wird noch deutlicher: „Bei .... kommt man sich vor wie der geknüppelte Lieferant. Du bist der Lieferant, du hast pünktlich zu liefern. Aus. Schluss.“ Der Verdrängungswettbewerb hinterlässt somit deutliche Spuren. Die meisten Zulieferer nehmen diese Machtunterschiede als Tatsache hin und versuchen das Beste aus der Situation zu machen: „Einerseits geht es sehr partnerschaftlich zu, das ist wie auf einem Tandem, der Kunde sitzt vorne und lenkt und wir sitzen hinten und treten dafür ein bisschen kräftiger in die Pedale.“
170 in Anlehnung an Picot/Reichwald/Wigand (1996), S. 309 ff. 171 Nalebuff/Brandenburger (1996), S. 280
273
4.3
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Der Organisationsanthropologe Hofstede sieht Machtdistanz als wichtige Kulturdimension einer Gesellschaft und versteht darunter das Ausmaß, in dem die Mitglieder einer Gesellschaft eine Ungleichverteilung der Macht erwarten und akzeptieren. „Autorität kann nur dort bestehen, wo sie auf Gehorsam trifft.“ 172 Und manche Hersteller wissen ihre Macht als Auftraggeber bewusst auszunutzen - frei nach dem Motto: „Wer zahlt, schafft an.“ Dies relativiert dann auch die Vision der kreativen Freiräume der Zulieferer bei der Gestaltung von Produkten und Prozessen im automobilen Netzwerk. Sicherlich ist Macht Teil einer jeden kooperativen Beziehung. Die Frage ist nur, wie man mit dieser Macht umgeht: „Der eigene Einfluss in einer Kooperation hängt davon ab, wie wichtig die eigenen Handlungen für den Partner sind und ob man für diesen ersetzbar ist oder nicht.“ 173 Allerdings führen unterschiedliche (implizite) Erwartungen über angemessenes Verhalten oftmals zu Konflikten. Beim Umgang mit Partnern im Rahmen von Netzwerkbeziehungen ist es daher ratsam, durch einen langfristigen Entwicklungsprozess allgemein respektierte Verhaltensnormen auszubilden. Auf dieser Basis wird die Stabilität zwischenbetrieblicher Kooperation gestärkt und der Austausch von Leistungen erleichtert. Wir empfehlen deshalb, beim Umgang mit Machtmitteln im C3PM sehr vorsichtig zu sein. Ein Einsatz ist nur dann ratsam, wenn sie helfen, Blockaden zu überwinden und neue Handlungsoptionen zu eröffnen. Ein weiteres Thema in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit ist das Vertrauen. Fehlendes Vertrauen zerstört eine Kooperationsbeziehung. Der Aufbau und die Pflege des Vertrauens im Netzwerk nimmt daher einen wichtigen Platz im partnerschaftlichen Umgang ein: „Die Vertrauensbasis kann nur über jahrelange und harte Arbeit aufgebaut werden“, so der Projektleiter eines Zulieferers. Auch auf Seiten der OEM wird diese Sichtweise geteilt: „Vertrauen kann durch Zuverlässigkeit und Berechenbarkeit aufgebaut werden. Vertrauen entsteht, wenn Probleme früh angezeigt werden, wenn Rücksprache geführt wird. Kurz: Ob ich von meinem Partner das bekomme, was ich erwarte, entscheidet über das Vertrauen zu ihm. Offenheit und Ehrlichkeit sind hier ganz wichtig.“ In der Realität belasten allerdings nicht nur der knallharte Druck auf Preise und Termine, sondern vor allem auch Misstrauen das kooperative Miteinander. Deshalb sollten sich die Automobilhersteller darum bemühen, durch ein aktives „Partnermanagement“ die Zulieferer frühzeitig mit einzubeziehen, eindeutige Spielregeln für die Zusammenarbeit zu schaffen - die allen Beteiligten eine klare Orientierung für das operative Handeln geben - und Entscheidungen ohne Diktat eines Partners zu treffen, um bei allen anderen Partnern die nötige Akzeptanz zu finden. Transparenz und offene Kommunikation im Netzwerk sind genauso wichtig wie das zuverlässige Einhalten einmal getroffener Absprachen und Vereinbarungen. 172 vgl. Hofstede (2001), S. 33 173 Kühl/Schnelle/Schnelle (2004), S. 75
274
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
Denn auf dem „Beziehungskonto“ einer unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit werden negative Erfahrungen lange gespeichert und erschweren bzw. verhindern so den Aufbau langfristiger Beziehungen. Dabei sollte eine positive Vertrauenskultur von oberster Ebene her gefördert und vorgelebt werden. Bezüglich der praktizierten „Fehlerkultur“ liegt in der Automobilindustrie so einiges im Argen. So impliziert das Wort „Fehler“ häufig die Suche nach einem Schuldigen. Werden die Beteiligten fündig, so haben sie zwar einen Schuldigen, aber das Problem nicht gelöst. Ursache dieser Praxis ist die weit verbreitete Ansicht, dass Abweichungen von Planvorgaben als Unzulänglichkeiten und Versagen betrachtet werden. Sie gelten einerseits als „Fehler“, die nicht auftreten dürften, andererseits werden deren Ursachen individualisiert. Für die Förderung einer positiven unternehmensübergreifenden Kooperationsbeziehung in einem komplexen Umfeld ist es deshalb wichtig, dass Unwägbarkeiten wie auch Fehler eher als Normalität betrachtet und offen mit den Partnern angesprochen werden können, damit sich daraus Lern- und Entwicklungschancen für Verbesserungen ergeben.
4.3.3
Rolle der Verständigung im C3PM
Angesichts unterschiedlicher Denkhaltungen, Kulturen und Sprachen fällt es in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit oft schwer, sich mit den Projektpartnern zu verständigen. Der Austausch von Informationen, Idee und Erfahrungen fällt insbesondere dann schwer, wenn unterschiedliche Sprachen die Verständigung erschweren. Dies muss nicht zwangsläufig nur zwischen Mitarbeitern aus unterschiedlichen Ländern sein. Auch innerhalb Deutschlands haben sich bei den Automobilherstellern und den großen Systemlieferanten unterschiedliche Sprachgebräuche und Terminologien entwickelt. In der Praxis werden unterschiedliche Begriffe für den gleichen Sachverhalt verwendet und die Beteiligten merken oft erst später, dass sie aneinander vorbeireden. Durch eine genaue schriftliche Fixierung der wichtigsten Begriffe (z. B. als Glossar in einem gemeinsamen Projekthandbuch) kann diese Barriere - zumindest in fachlicher Hinsicht – sicher verringert werden. Durch Kontinuität in den Beziehungen kann langfristig eine gemeinsame Terminologie entwickelt werden. Darüber hinaus sind Begriffe oft mit wertenden Bedeutungen besetzt, die bei den Partnern ganz unterschiedliche Assoziationen hervorrufen und die Gedanken bzw. Handlungen in unterschiedliche Richtungen lenken. Deshalb wird empfohlen, sich im Vorfeld einer Kooperationsbeziehung intensiv mit der Unternehmenskultur eines Partners auseinander zu setzen.
275
4.3
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Folgende Fragen können dem Projektleiter dabei helfen, verfestigten Denkhaltungen auf die Spur zu kommen: 174
Welche (Grund-)Auffassungen der einen Gruppe stören mich? Welche Auffassungen passen nicht zueinander? Welche Redeweisen der einzelnen Gruppen verraten deren Geisteshaltung? Welche (eigennützigen) Interessen unterstellt eine Gruppe den anderen? Welche Interessen meldet sie selbst offen an? Welche Gedanken fürchten die Mitarbeiter? Welche Auffassungen widersprechen sich? Ähnlich wie bei der Macht in kooperativen Beziehungen lassen sich diese Denkhaltungen nur schwer verändern. Einfacher ist es, sie aufzudecken, anzuerkennen und zu versuchen, mit ihnen umzugehen, denn „erst durch Annehmen des Anderen entsteht wirklich verändernd wirkende Kommunikation.“ 175 Für den Projektleiter und seine Mitarbeiter heißt deshalb einer der zentralen Herausforderungen in der Projektarbeit: Beziehungen gestalten - nicht nur formell sondern vor allem persönlich zwischen den Beteiligten. Deshalb sollte die informelle Kommunikation wesentlich stärker gefördert werden. 176 So wird von den Mitarbeitern häufig kritisiert, dass ein intensiver Austausch mit den Kooperationspartnern kaum möglich ist, da im Projektplan keine Zeiten für informelle Treffen eingeplant werden. Sie fordern deshalb unabhängig von der Position im Netzwerk den Wunsch nach mehr persönlichen Zusammenkünften, abseits geregelter Meetings. 177
4.3.4
Neue Anforderungen an die Mitarbeiter im C3PM
Kooperation ist personenabhängig. Daher sind die individuellen Fähigkeiten der Mitarbeiter für die unternehmensübergreifende Projektarbeit von entscheidender Bedeutung. Neben der fachlichen und methodischen Qualifikation rücken im C3PM verstärkt die sozialen und persönlichen Kompetenzen in den Vordergrund. So wird die kooperative Projektarbeit nur dann erfolgreich sein, wenn die beteiligten Mitarbeiter auf allen Ebenen und über Unternehmensgrenzen hinweg selbständig persönliche Netzwerke aufbauen und diese systematisch pflegen können.
174 Kühl/Schnelle/Schnelle (2004), S. 75 175 Künkel (2004), S. 64 ff. 176 vgl. Böhle/Bolte (2002) 177 vgl. Pander/Wagner (2005), S. 64ff.
276
Projektarbeit im Spannungsfeld von Kooperation und Wettbewerb
Das setzt vor allem Offenheit, Interesse für andere Menschen bzw. Perspektiven, Toleranz und Risikobereitschaft voraus. Es gelte, „durch Diskussion eine soziale Identität und durch Interaktion eine gemeinsame Wirklichkeit zu schaffen“, so Christian Scholz in einem Essay zur „Formel für den sozialen Klebstoff“ in Netzen. 178 Daniel Golemann beschreibt die für die Kooperation notwendigen Fähigkeiten der Mitarbeiter in seinem Konzept der „Emotionalen Intelligenz“ wie folgt: „Das ist die Fähigkeit, unsere eigenen Gefühle und die anderer zu erkennen, uns selbst zu motivieren und gut mit Emotionen in uns selbst und in unseren Beziehungen umzugehen.“ 179 Neben der Fähigkeit zur Selbstreflexion ist deshalb Empathie (sich in die Lage des anderen versetzen) und die Fähigkeit zur Gestaltung sozialer Beziehungen im Rahmen der Projektarbeit notwendig. 180 In der Praxis stellen wir dagegen fest, dass nicht alle Mitarbeiter „von Natur aus“ über diese Fähigkeiten verfügen. Darüber hinaus drängt die starke Technikorientierung - wie sie in vielen Bereichen der Autoindustrie vorherrscht - die „weichen Faktoren“ noch weiter in den Hintergrund. Bei Personalauswahl und -entwicklung für unternehmensübergreifende Projekte muss deshalb verstärkt auf die persönlichen und sozialen Fähigkeiten der Mitarbeiter geachtet werden. 181 Anforderungsprofile, Funktionsbeschreibungen sowie Beurteilungsund Zielvereinbarungssysteme sollten die neuen Anforderungen in der übergreifenden Projektarbeit klar widerspiegeln. Durch die Förderung der Mitarbeiter durch spezielle Trainings-, bzw. CoachingAngebote, die Förderung von Job Rotation und die Bildung von „gemischten“ Teams kann eine Verbesserung der Kooperationsfähigkeit erreicht werden. Dabei können erfahrene Mitarbeiter mit jungen arbeiten, fachlich spezialisierte mit sozial versierten usw. Schließlich ist auch noch die Unterstützung des Projektleiters bei der Teambildung und -entwicklung in unternehmensübergreifenden Projekten ein Punkt, der über Erfolg oder Misserfolg im C3PM entscheidet. 182 So setzen sich die Projektteams oft aus Mitarbeitern zusammen, die vorher noch nie zusammengearbeitet haben. Kommt die Teamentwicklung in diesem Falle zu kurz, so rächt sich dies im Projektverlauf – nicht nur mit fatalen Folgen für Termine, Kosten und Qualität, sondern vor allem zu Lasten des Klimas in der Zusammenarbeit.
178 Scholz (2001), S. 112 ff. 179 Goleman (1999), S. 387 180 vgl. Porschen (2002) 181 vgl. Wagner (2003b) 182 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 93
277
4.3
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4.4
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
Der Klärung von Projektzielen und Anforderungen kommt gerade im unternehmensübergreifenden Kontext eine hohe Bedeutung zu, da die beteiligten Firmen sehr unterschiedliche Vorstellungen über die Ziele haben können. „Projektziele sollten vor Beginn eines Projektes schriftlich fixiert werden“, so die einhellige Meinung der Experten - allerdings klaffen Anspruch und Realität in der Automobilindustrie in diesem Punkt besonders deutlich auseinander. In der Realität werden die Projektziele vor Projektbeginn zumeist nur unvollständig bzw. recht oberflächlich geklärt. Teilweise gibt es noch weit über den Projektstart hinaus unterschiedliche Zielvorstellungen - mit gravierenden Folgen für die Effizienz in der Zusammenarbeit. „Viele sehen es als lästige Aufgabe an, das Ziel im voraus genau zu definieren“, so der Projektleiter eines Zulieferers. Demgegenüber bemängeln die Hersteller vor allem die hohe Zahl von Ansprechpartnern bei den Zulieferern, mit denen das Projekt abgestimmt werden müsse. Dies mache die Abstimmung umständlich und zeitaufwändig. Selten werden die Zulieferer von Anfang an in die Ausarbeitung des Lastenheftes bzw. bei der Festlegung der Projektziele einbezogen. Dabei könnten sich die Automobilhersteller bei einer frühzeitigen Einbindung aller beteiligten Partner wichtiges Know-how sichern und damit zu insgesamt besseren Lösungen kommen.
4.4.1
Kooperativer Zielvereinbarungsprozess
Fahrzeugprojekte werden auf Basis der Modellpolitik bzw. Programmplanung des Automobilherstellers initiiert und orientieren sich dabei an strategischen Zielgrößen wie z.B. Kundenforderungen, innovativen Technologien oder betriebswirtschaftlichen Vorgaben. Diese werden in Form von Prämissen bzw. einer Zielvision (beschreibt u.a. den Produktlösungsraum, definiert Zielgruppen und Alleinstellungsmerkmale) durch den Automobilhersteller formuliert und stellen die Ausgangsbasis für den Zielvereinbarungsprozess dar. Je nach Hersteller gelten für den Produktentstehungsprozess (PEP) unterschiedliche Vorgehensmodelle. Diese unterscheiden sich zwar in den Teilschritten und Terminologien, besitzen aber i.d.R. eine ähnliche Logik (vgl. hierzu die Aufgabenfelder im Projektablauf der Automobilindustrie nach VDA in Abbildung 2-1). Der VDA fordert die OEM in seinen Empfehlungen dazu auf, schon bei der Besetzung des Konzeptteams die Kooperationspartner zu beteiligen. 183
183 vgl. VDA (2003b), S. 20
278
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
Allerdings gehen die Automobilhersteller hier sehr unterschiedlich vor. Während einige OEM noch in der Konzeptphase auf die Lieferanten zugehen und sich intensiv mit ihnen abstimmen184 arbeiten andere erst einmal das Lastenheft aus und wählen dann über Konzeptwettbewerbe die geeigneten Lieferanten aus.
Abbildung 4-11: Vergabeprozess eines Automobilherstellers
PK
Projektstart
Fahrzeugphase
J
I
H
Konzeptheft
100% Konzeptsetzung
Nachweis Konzepttaugl. Ges.-Fzg.
G
F
1:1 ModellLastenheft bestätigung (Design freeze)
Vergaberoadmap Lieferanten von Innovationen
LOI
Lieferanten, beteiligt an Konzeptklärung
Lieferanten, beteiligt an Konzeptdetaillierung / Komponenten-LH
Entwicklungsbeauftragungen
Serienvergaben
Abbildung 4-11 zeigt den Vergabeprozess eines Automobilherstellers. Dabei werden Entwicklungsbeauftragungen und Serienvergaben für die A- und B-Teile schon frühzeitig in der Vergaberoadmap terminiert. Die Entwicklungsbeauftragung muss dabei nicht automatisch in die Serienvergabe münden, da zwischen den Quality Gates G und F noch einmal eine Bewertung und Auswahl der Lieferanten stattfindet. 185 In der Phase zwischen Konzeptheft (Quality-Gate J) und Lastenheft (Quality-Gate F) wird gemeinsam mit den Lieferanten der Reifegrad des Fahrzeugs abgesichert sowie die Komponenten- und Gesamtfahrzeug-Lastenhefte erstellt.
184 AUTOMOBILENTWICKLUNG, Heft 1/2004, S. 12 185 Quelle: Daimler
279
4.4
Die Lastenhefte spielen gerade in unternehmensübergreifenden Projekten eine zentrale Rolle. Sie legen die Ausführungsqualität von Komponenten, Baugruppen bzw. dem Gesamtfahrzeug (ggf. getrennt in kaufmännische und technische Aspekte) fest und bilden die Grundlage für die Beauftragung der Lieferanten. Dennoch wird heute gerade die Qualität der Lastenhefte heftig kritisiert und dafür plädiert, die Lastenhefte unterhalb der Gesamtfahrzeugebene durch die Lieferanten erstellen zu lassen, da diese ohnehin in vielen Fällen über das System-/Entwicklungs-Know-how verfügen. 186
In Kapitel 2.5 sind wir schon ausführlich auf die Methode der Quality Function Deployment (QFD) und das „House of Quality“ eingegangen (vgl. Abbildung 2-53). Gezielt werden durch die Anwendung der Methode die folgenden Fragen beantwortet: (1) Was wird erwartet bzw. gefordert [WAS?], (2) Wie erfüllen wir die Forderungen [WIE?], (3) Welche Zielwerte sollen konkret erreicht werden [WIEVIEL?] und wie gut erfüllen Wettbewerbsprodukte die eingangs definierten Anforderungen [WARUM?]. In der vierstufigen QFD werden diese Fragen noch für Komponenten, Prozesse sowie die Produktionsplanung beantwortet (vgl. Abbildung 4-9).
Abbildung 4-12: Mehrstufige QFD 187 Produktplanung
Komponentenplanung Prozessplanung Produktions -planung
Produktmerkmale Teilemerkmale
Kundenanforderungen
Prozessmerkmale Produktionsmittel
Zielwerte
Prozessmerkmale
Teilemerkmale
Produktmerkmale
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Zielwerte Zielwerte
Phase I
Zielwerte
Phase II Phase III
Phase IV
186 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 41 187 vgl. Linß (2002), S. 149
280
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
Mit Hilfe von intensiven Workshops, unter Beteiligung der in den einzelnen Phasen betroffenen Partnern, können so frühzeitig Festlegungen getroffen werden, die später eine effiziente Projektabwicklung ermöglichen und unnötigen Änderungsaufwand verhindern („front loading“). Darüber hinaus erhöht dieses Vorgehen sicherlich auch die Akzeptanz der Ergebnisse, an denen man ja schließlich mitgewirkt hat. Die Verpflichtung der am Projekt beteiligten Unternehmen, diese Ziele auch gemeinsam zu erfüllen, beendet schließlich den Zielvereinbarungsprozess und führt zur Umsetzung.
4.4.2
Collaborative Project Scorecard
Arbeiten der Fachgruppe „Automotive-Projektmanagement“ der GPM haben gezeigt, dass eine spezielle Form der Balanced Scorecard hilfreich für die Klärung bzw. Vereinbarung der Ziele in kooperativen Projektsituationen (z.B. zwischen einem Automobilhersteller und Zulieferern) ist und die Kommunikation zwischen den Partnern in der frühen Phase von Projekten wesentlich erleichtern kann. 188 Die Balanced Scorecard (BSC) wurde von Kaplan und Norton als Bewertungs- und Managementsystem zur besseren Planung wie auch Steuerung von Unternehmen entwickelt und hat sich bis heute in vielen Unternehmen bewährt. Die BSC ist das Bindeglied zwischen der Strategie eines Unternehmens und ihrer Umsetzung in den verschiedenen Bereichen und soll dazu beitragen, die Vision und Strategie des Unternehmens zu operationalisieren und umsetzungsfähig zu machen. Ein wesentlicher Vorteil der BSC ist, dass es sich hierbei um ein Tool mit Zukunftsbezug handelt und eine permanente Überprüfung der Ziele in allen Bereichen des Unternehmens möglich ist. Darüber hinaus bezieht die BSC bezieht neben den finanziellen Kennzahlen auch nicht finanzielle Erfolgsfaktoren und Indikatoren wie z.B. Prozessgrößen, Fluktuationsquote, Innovationsprozesse oder Kundenzufriedenheit mit ein. Diese werden üblicherweise in vier Perspektiven abgebildet, nämlich der Finanzperspektive, der Kundenperspektive, der Prozessperspektive sowie der Lern- bzw. Entwicklungsperspektive (vgl. Abbildung 4-13). Jede Perspektive beinhaltet mehrere Ziele mit den dazugehörigen Kennzahlen (Key Performance Indicators KPI) und vorgegebenen Soll-Werten sowie den zur Erreichung notwendigen Massnahmen. Die Nutzung der BSC ermöglicht so einen umfassenden Blick auf das Unternehmen sowie eine ausgewogene Planung und Steuerung über die an der Strategie ausgerichteten Kennzahlen. 189
188 vgl. Niebecker/Plischke/Wagner (2008) 189 vgl. Wagner/Niebecker (2008)
281
4.4
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Abbildung 4-13: Klassische Darstellung der Balanced Scorecard
Verfolgt man den Ansatz der BSC konsequent weiter und überträgt die Methodik auf das Projektgeschäft, so lässt sich eine Project Scorecard (PSC) herleiten. Die PSC ist mit den übergeordneten, strategischen Zielen des Unternehmens verknüpft und definiert die projektspezifischen Ziele ebenfalls in den vier Perspektiven „Kunden“, „Finanzen“, „Prozesse“ und „Lernen“. Durch ihre individuellen Gestaltungsmöglichkeiten kann die PSC sowohl für strategische als auch für operative Projekte nutzbar gemacht werden. Jedes Projekt wird einzeln definiert, gesteuert und kommuniziert. Bei einem konsequenten Einsatz der PSC im Projektgeschäft können die einzelnen Scorecards zu einer Programm- oder Portfolio-Scorecard verdichtet werden und im Sinne eines Multiprojektmanagements als Drehscheibe zwischen strategischer und operativer Ebene dienen (vgl. Abbildung 414). Der Einsatz der Project Scorecard ergänzt das vorhandene ProjektmanagementInstrumentarium um ein Tool, mit dem für die Beteiligten eine gemeinsame Kommunikationsbasis geschaffen und so die Zusammenarbeit vereinfacht wird. Wesentliche Vorteile hierbei sind, dass Projektziele spezifisch und messbar definiert werden und somit leichter gesteuert werden können, dass Transparenz entsteht und die Kommunikation durch eine verbesserte Projektstatuserfassung und ein auf relevante Erfolgskriterien fokussiertes Reporting optimiert wird. 190
190 vgl. Wagner/Niebecker (2008), S. 13
282
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
Abbildung 4-14: Herleitung der Project Scorecard
Die Vorteile des Scorecard-Ansatzes bei der Klärung von Zielen mit den dazugehörigen Kennzahlen, Vorgaben und Massnahmen können auch in der bereichs- oder unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit genutzt werden. Mit einer Collaborative Project Scorecard (CPS) lassen sich unterschiedliche Sichtweisen und Zielvorstellungen der Projektpartner klären und verbindlich vereinbaren. Die CPS kategorisiert die Projektziele auch in vier Perspektiven. Da die finanziellen Ziele in einem partnerschaftlichen Projekt aber oft unterschiedlichen Interessen unterliegen, wurde die Finanzperspektive im Rahmen der CPS in die Perspektive „Projektergebnis“ umbenannt. Hier kann z.B. Produktreifegrad gemäß Lastenhaft als Ziel definiert werden. Darüber hinaus liegt bei der CPS der Fokus nicht mehr auf dem Endkunden, sondern in der Zusammenarbeit zwischen den Projektpartnern. Deshalb hat auch die Kundenperspektive eine neue Bezeichnung bekommen, und zwar „Zusammenarbeit“. Ziel kann z.B. die Effektivität der Kommunikation sein. Die Prozessperspektive wird bei der CPS nicht mehr intern, sondern vor allem extern gesehen, und deshalb auch allgemein „Prozesse“ genannt, ein mögliches Ziel ist die Durchlaufzeit. Die Perspektive „Lernen & Entwicklung“ bleibt erhalten, hier kann beispielsweise der gemeinsame Kompetenzaufbau bewertet werden. Die Partner steigen vor Projektbeginn mit Hilfe ihrer eigenen Vorgaben (z.B. BSC, PSC oder den individuellen Projektzielen) in einen intensiven Dialog ein und versuchen sich mit Hilfe der CPS auf gemeinsame Ziele, Messgrößen, Zielwerte und Maßnahmen zu verständigen. 191
191 vgl. Wagner/Niebecker (2008), S. 14
283
4.4
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Bei einer längerfristigen Zusammenarbeit zwischen den Partnern kann die Methodik auch auf der strategischen Ebene genutzt werden. Mit Hilfe einer „Strategic Collaborative Scorecard“ werden dann für gemeinsame Projekte einzelne Collaborative Project Scorecards abgeleitet (vgl. Abbildung 4-15). 192
Abbildung 4-15: (Strategic) Collaborative Project Scorecard
Da in der Automobilindustrie nicht immer alle Eventualitäten (wie z.B. überraschende Marktveränderungen oder technologische Probleme) geregelt werden können, ist der Umgang mit „weichen“ Zielen ein wichtiges Kulturthema im kooperativen Zielvereinbarungsprozess. Es muss sich die Einsicht durchsetzen, dass auch im technischen Bereich zu Projektbeginn nicht alles mit 100%-iger Sicherheit festgelegt werden kann. Dies ist auch bei der Abstimmung der CPS zu beachten. Allerdings dürfen die Automobilhersteller dann von den Zulieferern auch nicht verlangen, dass diese ohne Bezahlung den Mehraufwand für sie bearbeiten. Im Zweifelsfall lieber eine gewisse „Unschärfe“ in Kauf nehmen und dafür das Änderungsmanagement systematisch und diszipliniert umsetzen, als ständige Konflikte zwischen den Projektpartnern zu riskieren.
192 vgl. Wagner (2008b)
284
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
4.4.3
Vom Zielkonflikt zur Zielverträglichkeit
Obwohl die Vereinbarung der Ziele zwischen den unterschiedlichen Partnern sehr professionell eingefädelt wird, birgt sie dennoch eine latente Gefahr des Zielkonflikts in sich. So kann sich die Bedeutung oder die Bewertung der Ziele im Projektverlauf verändern. Oder es wird erst bei der Projektabwicklung erkannt, dass die Partner tatsächlich sehr unterschiedliche Vorstellungen von ein und demselben Ziel haben. Möglicherweise erkennt man aber auch erst später die wahren Absichten und Ziele des Kooperationspartners und ist mit denen gar nicht einverstanden. Deshalb sollten schon in der Phase der Kooperationsanbahnung bzw. bei der Zieldefinition geeignete Maßnahmen eingeleitet werden, wie solche Konflikte vermieden werden können bzw. wie im Falle des Eintritts damit umzugehen ist. Idealerweise ist eine möglichst hohe Zielverträglichkeit über die gesamte Dauer der Zusammenarbeit anzustreben. Dabei ist die höchste Zielverträglichkeit erreicht, wenn die Ziele der unterschiedlichen Unternehmen im Projekt vollständig deckungsgleich sind („alle ziehen an einem Strang und in die gleiche Richtung“). Bei Zielkonkurrenz (siehe Abbildung 4-10) beeinträchtigen sich die Ziele der Kooperationspartner gegenseitig („alle ziehen an einem Strang, aber in unterschiedliche Richtungen“). Der Fall der Zielneutralität, bei dem die von den Partnern verfolgten Ziele unabhängig voneinander sind und sich gegenseitig nicht stören („alle ziehen an ihrem eigenen Strang“) wird im Rahmen von Kooperationen nur theoretische Bedeutung haben, da per Definition alle über die Kooperation eine gemeinsame Zielsetzung erreichen wollen. Für die Konfliktprävention ist eine Reihe von Faktoren zu berücksichtigen. Zum einen spielen die Wertauffassung und die Motivation der Partner in Bezug auf die Kooperation sowie das Ausmaß an Konflikt- bzw. Konsensfähigkeit eine große Rolle. Wichtige Fragen sind hierbei u.a.: (1) Wie ist meine Einstellung zu Kooperationen im Allgemeinen und zu meinen Kooperationspartnern im Speziellen? (2) Nehme ich die Interessen des Partners als gleichberechtigt wahr oder hat sich dieser meinen Interessen unterzuordnen? (3) Wie viel Handlungsspielraum gewähre ich dem anderen und unter welchen Bedingungen findet die Koordination der Aktivitäten statt? (4) Wie erfolgt die Kommunikation zwischen den Kooperationspartnern, bzw. welche Spielregeln gelten hierbei? Andererseits wird auch die bisherige Erfahrung mit den Partnern die Bereitschaft zur Kooperation prägen. Liegen negative Erfahrungen (z.B. Vertrauensbruch) in der Vergangenheit vor, so wird man sich eher vorsichtig an die Kooperation herantasten oder die eigenen Absichten nur soweit wie nötig offen legen. Versteckte Ziele, die erst im Projektverlauf offenbar werden und sich ggf. gegen einen der Projektpartner richten, erzeugen ein Klima des Misstrauens und provozieren neue Konflikte – ein Teufelskreis. Deshalb sind die frühzeitige Klärung von Einstellungen, Motiven und Wertauffassungen der möglichen Partner sowie der offene Dialog über die eigenen Ziele eine Grundvoraussetzung für die Kooperation in Projektnetzwerken.
285
4.4
Abbildung 4-16: Möglichkeiten zur Zielabstimmung
stark
Berücksichtigung der Interessen anderer
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
schwach
Kooperation „alle können gewinnen (Win-Win)“
Anpassung „dem Anderen nachgeben“
Kompromiss „jeder muss etwas nachgeben“
Vermeidung „Problemen aus dem Weg gehen“
Machteinsatz „mit Autorität siegen“
schwach
stark Durchsetzung der eigenen Interessen
Vielfach werden Zielkonflikte schon durch die Art und Weise, wie die Zielabstimmung zwischen den Projektpartnern erfolgt, verursacht (vgl. Abbildung 4-16). Der Einsatz von Machtmitteln von Seiten des stärkeren Kooperationspartners kann dazu führen, dass sich der „Schwächere“ zwar unterordnet – sich anpasst – später aber seine Energie bzw. seine Ressourcen in andere Vorhaben investiert oder sich nur „halbherzig“ engagiert. Auch die Vermeidung von Zielkonflikten oder die Hoffnung, Differenzen werden sich im Projektverlauf von alleine erledigen, führen zwangsläufig zu Reibungsverlusten im Projektverlauf. Schließlich können auch Kompromisse, bei denen jeder etwas von seiner Position abgegeben hat zu späteren Konflikten führen. Nach Ludwig Erhard ist ein Kompromiss nämlich die Kunst, einen Kuchen so zu teilen, dass jeder meint, er habe das größte Stück bekommen. Entpuppen sich die auf dem Verhandlungsweg erzielten Ergebnisse als „fauler Kompromiss“, so lässt das Folgeproblem nicht lange warten. Deshalb sollten Differenzen in den einzelnen Zielvorstellungen so lange wie nötig diskutiert, die jeweiligen Interessen offen gelegt und Entscheidungsmöglichkeiten (Optionen) zum beiderseitigen Vorteil entwickelt werden. Die Integration aller Beteiligten und das Hinwirken auf eine Win-Win-Lösung helfen, die Nachhaltigkeit von kooperativen Beziehungen zu erhöhen.
286
Projektziele und Anforderungen gemeinsam definieren
Ein Durchbruch auf dem Weg zu einer für alle Seiten optimalen Lösung ist darüber hinaus oft nur dadurch möglich, dass man die Annahme, der „Kuchen“ sei begrenzt, fallen lässt. Eine Annäherung von unterschiedlichen Interessen der Partner in der Zielabstimmung kann mit Hilfe einer Priorisierung der Ziele oder durch die Einteilung in „Muss“-, „Kann“- oder „Wunsch“-Ziele erreicht werden. So können sich die Partner in der Projektarbeit auf die wirklich wichtigen Dinge konzentrieren und vermeiden Ärger an Stellen, die nur geringe Priorität besitzen. Da sich der Inhalt und die Priorität von Zielen über den Projektverlauf hinweg ändern können, ist es notwendig, in regelmäßigen Abständen mit allen Partnern über die möglicherweise notwendige Anpassung der Ziele zu sprechen. Vereinbarte Zielanpassungen müssen zeitnah dokumentiert und an alle Mitarbeiter kommuniziert werden. Treten Konflikte zwischen den Kooperationspartnern auf, so äußern sich diese im Verhalten der Konfliktparteien oft wie folgt: 193
die eigenen Ziele werden überbetont gegenüber der anderen Partei wird „gemauert“ die eigenen Interessen werden nicht dargelegt die gewählten Strategien sind mit Überraschungseffekten verbunden es wird mit Drohungen und Bluff gearbeitet strategisch wichtige Positionen werden mit sachlichen und unsachlichen Argumenten verteidigt Drohende Konflikte zu erkennen und das Problem offen gegenüber seinem Partner anzusprechen, ist der erste Schritt in Richtung Problemlösung. Eine schnelle und kooperative Problemlösung kann erreicht werden, wenn schon zu Beginn der Kooperationsbeziehungen klare Konfliktlösungsmechanismen bzw. Spielregeln vereinbart wurden. Diese sollen sicherstellen, dass keiner der Beteiligten bei der Konfliktlösung benachteiligt und eine für alle Seiten optimale Lösung gefunden wird. Konfliktlösung kann dabei bedeuten, den paritätisch besetzten Lenkungsausschuss anzurufen oder die Möglichkeiten der Mediation bzw. Schlichtung zu nutzen. Bei Projekten mit hohem Kosten- und Termindruck kann evtl. sogar der präventive Einsatz eines neutralen Mediators sinnvoll sein, der aufkommende Konflikte schon frühzeitig erkennt und hilft, eine Eskalation der Probleme zu vermeiden. Möglicherweise einigen sich die Parteien bei der Kooperationsanbahnung auch auf einen neutralen Schlichter, der im Falle von Streitigkeiten eine für beide Seiten bindende Entscheidung fällt, ohne dass ein ordentliches bzw. ein Schiedsgericht angerufen werden muss.
193 Rosenstiel (1992), S. 289
287
4.4
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4.5
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
Auf der Basis gemeinsam vereinbarter Projektziele beginnt die Abstimmung der Planung zwischen den am Projekt beteiligten Unternehmen – hier als „Cross Company Planning (CCP)“ bezeichnet. 194 Dabei ist eine Reihe von Besonderheiten zu beachten:
Einbindung von teilweise mehreren Hundert Zulieferern in den Planungsprozess Berücksichtigung unterschiedlicher Planungsphilosophien und Terminologien Umgang mit einer hohen Planungskomplexität und –dynamik Erzielung einer hohen Planungsqualität bei möglichst geringem Aufwand Heterogenität der Planungstools (Informations- und Kommunikationssysteme bzw. der unterstützenden Programme, Applikationen etc.) In der Praxis ist die Planungsvernetzung noch eher gering ausgeprägt. Oft existieren Planungsinseln zwischen den Automobilherstellern und ihren Zulieferern, aber auch zwischen den Systemlieferanten und deren nachgelagerten (Komponenten-/Teile-) Lieferanten. Darüber hinaus erschweren verschiedenartige Tools und unterschiedliche Kommunikations- und Informationssysteme den Planungsabgleich. Heute werden in der Planung neben dem Einsatz von professionellen Programmen (z.B. von Microsoft oder SAP) immer noch Listen bzw. Pläne mit MS Excel erstellt und per Fax oder E-Mail verteilt. Unnötige Doppelarbeiten und Informationsverluste sind vorprogrammiert. Einer Studie der Fraunhofer-Gesellschaft195 zu Folge liegen die Schwachstellen im kooperativen Entwicklungsprozess vor allem an aufwändigen Absprachen mit externen Partnern (48%), an mangelnder Kommunikation zwischen den Partnern (33%) sowie an einer zu aufwändigen Informationsbeschaffung (24%). So kommt es auch nicht von ungefähr, dass die Qualität der Planung leidet und eine unrealistische Zeit- und Produktkostenplanung als wichtigste Ursache für die Abweichung von den Projektzielen identifiziert wurde. 196 Im Folgenden stellen wir die wesentlichen Aspekte des CCP dar und zeigen mögliche Lösungen für eine vernetzte Planung auf. Dabei sind im Planungsprozess die Besonderheiten der Projektarbeit im Spannungsfeld zwischen Kooperation und Wettbewerb (vgl. Kapitel 4.3) zu berücksichtigen.
194 dieser Begriff wurde maßgeblich durch die Firma Actano in München geprägt 195 Fraunhofer-Studie „Engineering Cooperation“ der Institute IAO und IPA, 2001 196 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 159
288
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
4.5.1
Synchronisation von Herstellern und Zulieferern
Die Synchronisation der Aktivitäten von Automobilherstellern und ihren Zulieferern entlang des Produktentstehungsprozesses erforderte eine Abstimmung auf verschiedensten Ebenen. Die „Collaborative Project Management“- Empfehlung des ProSTEP iViP-Vereins nennt in seinem Referenzmodell explizit die Prozesse, Methoden, Rollen, Informationsaustausch bzw. Kommunikation und die Kultur als relevante Aspekte (vgl. Abbildung 4-17) und schreibt dazu: „This Recommendation focuses on project management (PM) across companies. The document describes the project management tasks within the product development process (PDP) in the automotive industry that extend across the borders of partner enterprises, and focuses on time management, activity management and communication management. It covers the processes, roles, methods, information, language and culture in collaboration projects.” 197
Abbildung 4-17: Referenzmodell für Collaborative Project Management 198
Dabei werden in der Empfehlung produktbezogene Prozesse (Planung, Entwicklung und Herstellung von Fahrzeugen) ganz bewusst von den ProjektmanagementProzessen getrennt, allerdings wird auch hier klar gemacht, dass beide abzustimmen sind und auch zwischen den Partnern eine entsprechende Synchronisation stattfinden muss. Diese Synchronisation läuft entlang des Produktentstehungsprozesses und wird - unabhängig von den verwendeten Prozess- bzw. PM-Standards - über eine gemeinsam definierte Interaktionskette angesteuert (vgl. Abbildung 4-18).
197 vgl. ProSTEP iViP (2007), S. 3 198 ebenda
289
4.5
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Abbildung 4-18: Interaktion zwischen Projektpartnern 199
Ausgangspunkt für die Synchronisation der Wertschöpfungskette sind die Planungen des Automobilherstellers. Dieser erarbeitet auf Basis seiner internen Prozessbeschreibungen einen geeigneten Master-Plan, der als Grundlage für die weitere Planung dient und die Vielzahl der Projektbeteiligten synchronisiert. Spezielle Synchronisationspunkte (vgl. Abbildung 4-18) unterstützen die Abstimmung in der Projektplanung und –steuerung zwischen dem Hersteller und seinen Zulieferern. Synchronisationspunkte sind besondere Steuerungspunkte im Projektablauf, an denen bestimmte Ergebnisse vorliegen, bzw. ein bestimmter Produkt-/Prozessreifegrad erreicht sein muss. Im Rahmen der Projektsteuerung können somit - je nach Bedarf - Entscheidungen über geeignete Maßnahmen getroffen werden. In der Projektplanung dienen die Synchronisationspunkte zur Unterteilung des Produktentstehungsprozesses in grobe Abschnitte, die mittels spezieller Meilensteine oder „Quality Gates“ weiter verfeinert werden können. Damit erhalten alle Beteiligten einen Orientierungsrahmen für die weitere Planung und einen Überblick über die Abhängigkeiten und Anordnungsbeziehungen.
199 vgl. ProSTEP iViP (2007), S. 22
290
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
Abbildung 4-19: Ausschnitt aus einem Synchronisationsplan in der Serienentwicklung
Der Master-Plan sollte für alle Beteiligten zugänglich im Projekthandbuch dokumentiert sein. Mit Hilfe von entsprechenden Steckbriefen können die Synchronisationspunkte bzw. Meilensteine eindeutig beschrieben werden. Inhalt der Steckbriefe: (1) die erwarteten Ziele („deliverables“), (2) die Rahmenbedingungen („constraints“), (3) die Schnittstellen („input/output“-Beziehungen) sowie (4) die Verantwortlichkeiten („responsibilities“). Die ProSTEP iViP-Empfehlung zum CPM stellt für die beiden letztgenannten Punkte hilfreiche Methoden und Tools zur Verfügung, so z.B. die Liste offener Punkte („Issue list“) und eine Kommunikationsmatrix auf Basis von Rollen- bzw. Funktionsbeschreibungen. 200 Diese Vorgaben seitens des Automobilherstellers reichen für eine weitere Detaillierung der Planung durch die Projektpartner völlig aus. Trotz leistungsfähiger Planungstools sind heutzutage nur wenige Automobilhersteller in der Lage, eine zentrale Projektplanung über den gesamten Produktentstehungsprozess und die Wertschöpfungskette hinweg zu bewerkstelligen. Dazu ist die Komplexität und Dynamik des Planungsprozesses viel zu hoch.
200 vgl. ProSTEP iViP (2007)
291
4.5
Die Planungsverantwortung wird im Rahmen der Beauftragung bzw. bei der Klärung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten an die Zulieferer delegiert. Nun übernimmt der Gesamt-Projektleiter auf der Ebene des Systemlieferanten die Planung und informiert alle Arbeitspaketverantwortlichen über die Planungsergebnisse und so weiter und so fort (vgl. Abbildung 4-20).
Abbildung 4-20: Verbreitung der Planungsergebnisse 201 Kunde
zentrale Planung
0. Ebene GPLSL
Top-down
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
1. Ebene PLMEW
PLMF
2. Ebene TKEW_SL
TKPV_SL
PLSW
Legende: TK: Teamkoordinator EW: Entwicklung SL: Systemlieferant PL: Projektleitung
PLMM
MEW: Modulentwicklung PV: Prototypenbau und Versuche GPL: Gesamtprojektleiter
dezentrale Planung MF: Modulfabrik MM: Modul-MontageTräger
Die starre „Algorithmierung“ der Netzpläne wird dabei durch eine dynamische Verknüpfung der Beteiligten ersetzt. Durch die Bereitstellung von relevanten Informationen über automatisierte Kommunikationskanäle (bei einer Änderung in der Planung werden alle betroffenen Projektpartner sofort informiert) kann der Aufwand für die Plananpassung spürbar gesenkt werden (vgl. Abbildung 4-21). Allerdings steigen dadurch die Anforderungen an die Mitarbeiter. Sie bekommen weniger Vorgaben und müssen die ihnen zugewiesenen Aufgaben eigenverantwortlich planen sowie sich mit den Mitarbeitern an den korrespondierenden Schnittstellen abstimmen.
201 in Anlehnung an: Schuh (2000), S. 267
292
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
Abbildung 4-21: Kommunikation/Interaktion statt Algorithmierung 202
Algorithmierung
Zulieferer
Kommunikation/Interaktion
Zulieferer Hersteller
Tool/Algorithmus rechnet, z.B. „Ende-Anfang“, „Muss anfangen am“ ...
... ...
i
Hersteller Tool zeigt Handlungsbedarf, Prozess-Owner entscheiden
Die (inhaltlichen) Ergebnisse der Synchronisations- und Meilensteinplanung werden nun als Basis für die Ausgestaltung des Projektstrukturplanes genutzt. Der Projektstrukturplan bildet den Arbeitsumfang des Projektes ab und gibt den beteiligten Projektpartnern eine Orientierung über die von ihnen zu bearbeitenden Umfänge (mit den entsprechenden Schnittstellen). Eine klare Strukturierung des Projektes mit möglichst wenigen Schnittstellen erleichtert die Projektplanung und –steuerung ungemein. Viele Schnittstellen führen – gerade bei einer Vielzahl an Projektpartnern – zu einem unverhältnismäßig hohen Koordinationsaufwand, organisatorischen Reibungsverlusten bzw. Qualitätsproblemen. Da sich in der Regel der Projektstrukturplan an der Produktstrukturierung orientiert, ist vom Automobilhersteller auf eine möglichst klare Trennung des Produktes (z.B. des Gesamtfahrzeugs) in sinnvolle, und für die weitere Planung nützliche (Teil-) Systeme, Module oder Baugruppen zu achten. 203 Die Art und Weise der Strukturierung und die Beschreibung der Schnittstellen sind ebenfalls im Projekthandbuch für jedermann zugänglich zu beschreiben. Die am Projekt beteiligten Unternehmen können nun mit Hilfe der Termine aus dem Meilensteinplan ihre eigene Ablaufplanung erstellen. Aus den Umfängen des Projektstrukturplanes lässt sich schließlich der Kapazitätsbedarf bestimmen.
202 Quelle: Actano 203 vgl. VDA (2003a), S. 71 ff.
293
4.5
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4.5.2
Von der gemeinsamen Kostenzielermittlung zur individuellen Kostenplanung
Durch den Verdrängungswettbewerb in der Automobilindustrie stehen Hersteller wie Zulieferer unter einem enormen Kostendruck. Deshalb wird an keinem anderen Punkt in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit so hart miteinander gerungen wie bei den Kosten. Die Ermittlung der Zielkosten sowie die Umsetzung in die Kostenplanung erfolgt in der Regel iterativ über mehrere Etappen und ist ein Abstimmungsprozess zwischen der „bottom-up“-Planung der beteiligten Zulieferer und der „top-down“-Planung des Automobilherstellers (vgl. Abbildung 4-22).
Abbildung 4-22: Iterative Zielkostenermittlung zwischen Hersteller und Zulieferern
Angebot Zulieferer
Hersteller
bottom-upPlanung
top-downPlanung
Anfrage
Auftrag
Verhandlung / Auktion
Die „bottom-up“-Planung der Zulieferer kann mit herkömmlichen Aufwandsschätzverfahren204 oder im Rahmen einer unternehmensspezifischen Vorkalkulation erfolgen und orientiert sich dabei vor allem an den technischen Erfordernissen zur Entwicklung und Herstellung der angefragten Produkte bzw. Leistungen (vgl. hierzu auch Kapitel 2.5.9.). Aus Vollkostensicht gehen dabei verursachungsgerecht auch Investitionen, Abschreibungen und Gemeinkostenzuschläge (z.B. für Verwaltung, Vertrieb) in die Kalkulation mit ein.
204 vgl. Burghardt (2002), S. 154 ff.
294
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
Der Hersteller geht dabei im Rahmen seiner „top-down“-Planung marktorientiert vor und ermittelt mit Hilfe der „Target Costing“-Methode die aus seiner Sicht sinnvollen partner- bzw. produktspezifischen Kostenziele. So ergeben sich aus der Analyse des Marktes und der gesammelten Erfahrungswerte wesentliche Informationen über die für das spezifische Fahrzeug (Qualität, Ausstattungsmerkmale, Absatzmenge etc. sind zu berücksichtigen) erzielbaren Preise. Unter Abzug der Gewinnanteile können so die „allowable costs“ ermittelt und mit den Angeboten der Zulieferer verglichen werden (vgl. Abbildung 4-23).
Abbildung 4-23: Vorgehen im Target Costing 205 Marktpositionierung
Zielpreis
Produktanteiliger Gewinn
Allowable Costs (marktorientiert)
Gewinnplanung
Standardkosten (techn. orientiert)
Technologie und Ressourcen
Abgleich - Motivationsaspekte - Wettbewerbsfähigkeit
Kostenreduktionsbedarf
Zielkosten
= zu erreichende Standardkosten
Technologie und Ressourcen
Über intensive Verhandlungen bzw. den Einsatz von (elektronischen) Auktionen werden letztendlich die Zielkosten ermittelt und in einer Beauftragung verbindlich fixiert. Damit ist die Basis für die nun folgende Feinplanung der Projektbeteiligten gelegt. Ausgehend von den vereinbarten Zielkosten werden die Zielkostenanteile für bestimmte Leistungen, Funktionen oder Komponenten - bis zu einem sinnvollen Detaillierungsgrad – ermittelt und in die unternehmensspezifische Kostenplanung übernommen. Im Ergebnis wird durch diese Vorgehensweise schon in einer frühen Phase des Projektes das Kostenbewusstsein geschärft und eine geeignete Basis für die Projektsteuerung gelegt. 205 Bullinger/Warschat (1997), S. 182
295
4.5
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4.5.3
Absicherung von Kooperationsrisiken
In Kapitel 2.6.10 haben wir die grundlegenden Methoden des Risikomanagements beim Management von einzelnen Automotive-Projekten dargestellt. Durch die Einbeziehung von Zulieferern in die Projektabwicklung oder durch die komplette Verlagerung von Entwicklungs- und Produktionsumfängen entstehen für den Automobilhersteller zusätzliche Abhängigkeiten und Risiken. Durch unzureichend qualifizierte Zulieferer kann es z.B. zu Verzögerungen im Projektverlauf oder sogar zum Abbruch kommen. Die Risiken bezüglich Qualität, Kosten und Terminen sind zu berücksichtigen. Eine Vielzahl an Projektbeteiligten erhöht die Komplexität und damit den Koordinationsaufwand in der Projektabwicklung. Risiken durch Informationsverluste und Schnittstellenprobleme sind deshalb bei der Risikobetrachtung mit einzubeziehen. Kostensteigerungen und Terminschwierigkeiten können durch ein unzureichendes Projektmanagement entstehen. Unklare Ziele, Planungsfehler sowie eine mangelhafte Fortschrittskontrolle können sich im Projektverlauf schnell als Problem entpuppen. In unternehmensübergreifenden Projekten können sich zusätzlich Probleme im soziokulturellen Bereich (z.B. die fehlende Bereitschaft und Fähigkeit zur Zusammenarbeit, Sprach- und Kulturbarrieren) auf den Erfolg eines Projektes auswirken. Darüber hinaus existieren aus den vertraglichen Regelungen zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer verschiedene (finanzielle und rechtliche) Risiken. So können unklar ausgestaltete Verträge, Finanzierungsschwierigkeiten bei einem Zulieferer oder der unzureichende Schutz von Know-how für die eine wie die andere Seite zu einem Risiko mit unabsehbaren Folgen werden. Von grundlegender Bedeutung für die Risikoprävention sind die speziellen Regelwerke der Automobilindustrie. Die deutschen Automobilhersteller erwarten in der Regel von ihren Zulieferern die Zertifizierung nach VDA 6.1. Diese Norm besteht aus einem Fragenkatalog mit 23 Elementen zu den Bereichen Unternehmensführung sowie Produkt und Prozess. Darüber hinaus sind in dem VDA-Band 4 die wesentlichen Methoden zur Sicherung der Qualität vor Serieneinsatz zusammengefasst. Darin enthalten sind elementare Werkzeuge zur Risikoabsicherung und Qualitätsplanung wie z.B. die QFD (Quality Function Deployment), FMEA (Fehler-Möglichkeitsund Einfluss-Analyse), Fehlerbaumanalyse sowie die Versuchsmethodik (Design of Experiments). 206 Die drei amerikanischen Automobilhersteller (Ford, Chrysler und GM) haben mit der QS-9000 einen eigenen Standard geschaffen, der neben der FMEA noch weitere Anforderungen an die beteiligten Zulieferer stellt, wie z.B. die Anwendung des Advanced Product Quality Planning and Control Plan (APQP). 207
206 vgl. VDA (2003b) 207 vgl. APQP (1994)
296
Unternehmensübergreifende Planung („Cross Company Planning“)
Die enge Verzahnung des Automobilherstellers mit seinen Zulieferern erfordert eine frühzeitige Einbindung aller Beteiligten in die Risikoabsicherung. 208 Denn auch ein noch so kleines Risiko bei einem Teile-Lieferanten kann sich zum kritischen Engpass für das gesamte Projekt entwickeln. Im Rahmen von Risikoanalyse-Workshops sammeln und bewerten ausgewählte Vertreter der beteiligten Unternehmen die relevanten Risiken und entscheiden gemeinsam über geeignete (Gegen-)Maßnahmen. 209 Die erforderlichen und im Projekt anzuwendenden Verfahren sind zwischen den Projektpartnern mit Hilfe von Qualitätssicherungsklauseln (vgl. Abbildung 4-24) oder speziellen Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) vertraglich zu vereinbaren. Die wichtigsten Regelungen sind für das Projektteam im Rahmen des Projekthandbuchs oder in Form von Qualitäts-/Prüfplänen zu dokumentieren.
Abbildung 4-24: Beispiel für eine Qualitätssicherungs-Klausel 210 „Der Auftragnehmer (AN) unterhält für die Dauer des Vertrages ein Qualitätssicherungssystem das den in der Qualitätssicherungsvereinbarung dargestellten Forderungen genügt. Er hat dieses Qualitätssicherungssystem für sämtliche nach diesem Vertrag zu erbringende Leistungen anzuwenden und fortlaufend auf Verbesserungsfähigkeit zu prüfen. Der AN wird die Anwendung der Qualitätssicherungsmaßnahmen und die gewonnenen Mess- und Prüfergebnisse dokumentieren und für einen Zeitraum von … Jahren aufbewahren. Der Auftraggeber (AG) erhält nach Vorankündigung unverzüglich Zutritt zu den Betriebsstätten des AN, um die Dokumentation der Qualitätssicherungsmaßnahmen sowie die Wirksamkeit der Maßnahmen überprüfen zu können. Der AG wird regelmäßig (mindestens … mal im Kalenderjahr) Qualitätsaudits beim AN durchführen.“
Der Einsatz computerunterstützter Methoden und Werkzeuge (CAQ, d.h. Computer Aided Quality Management) kann gerade bei unternehmensübergreifenden Projekten eine sinnvolle Hilfe zur Prozessabsicherung sein (vgl. Abbildung 4-25). 211 Alle Beteiligten haben so Zugriff auf die notwendigen Dokumente und Hilfsmittel und können diese nach der Umsetzung an die Projektbeteiligten zur Information weiterleiten. Vor allem im Rahmen der APQP-Prozesse (mit ihrem umfangreichen Berichtswesen), ist aus Effizienzgesichtspunkten eine Software-Unterstützung zu empfehlen.
208 vgl. Edenhofer et al (2002), S. 732 ff. 209 vgl. Burghardt (2002), S. 298 ff. 210 in Anlehnung an den Vortrag von RA Dr. Alexander Loos zum Thema „Leistungspflichten
und Haftung“ anlässlich der EUROFORUM-Konferenz „Verträge in der Zulieferindustrie“ in Stuttgart vom 17.-18.01.2000 211 vgl. Linß (2002), S. 439
297
4.5
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Abbildung 4-25: Qualitätswerkzeuge im Produktentstehungsprozess 212
EntwurfsInhalte Produktentwicklung zeichnungen Inhalte Prozessentwicklung Fert.-/Montagekonz. besondere Merkmale
Integration durch CAQ-System frühere FMEAs Produkt-FMEA
Risikofilter
Prozess-FMEA
p
#
MFU Produktionslenkungspläne
Lastenheft Pflichtenheft
PFU
Regelkarten Fehlersammelkarten
Prüfpläne
M Rev.
8DReport
Der Einsatz der FMEA ist nicht nur zur Absicherung der Systeme, Produkte oder Produktionsprozesse sinnvoll, sondern kann genauso gut auch für die spezifischen Risiken der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit nutzbar gemacht werden. Schwachstellen in der Zusammenarbeit können so beleuchtet und Maßnahmen proaktiv eingeleitet werden. Mit den Ergebnissen der FMEA stehen auch wichtige Erkenntnisse für die gemeinsame Abwicklung zukünftiger Projekte bzw. für die strategische Optimierung des Netzwerkes zur Verfügung.
4.6
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
Ziel der integrierten Projektsteuerung ist, die vereinbarten Ziele möglichst effizient und effektiv zu erreichen. Die Vielzahl der am Projekt beteiligten Partner erhöht die Komplexität dieser Aufgabe allerdings ungemein. So werden bei Automobilentwicklungsprojekten zwar in den meisten Fällen die vereinbarten Ziele auch tatsächlich erreicht, gleichwohl werden immer häufiger die geplanten Termine und Budgets überschritten. 213 Dabei kommt der effizienten Projektabwicklung gerade durch den verschärften Verdrängungswettbewerb in der Automobilindustrie eine enorme Bedeutung zu. 214
212 Quelle: Dräxlmaier 213 vgl. hierzu auch Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 102 ff. 214 vgl. VDA (2003a), S. 16
298
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
In Kapitel 1.2 haben wir gezeigt, wie sich der Handlungsspielraum im Projektmanagement innerhalb der wichtigen Bezugsgrößen von Qualität, Terminen und Kosten immer weiter einschränkt. Für das Management von unternehmensübergreifenden Projekten kommen weitere Anforderungen hinzu: Handlungsbedarf besteht bei der Schaffung von Transparenz über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg und bei der Dynamisierung der gemeinschaftlichen Prozesse. Schließlich müssen die beteiligten Zulieferer optimal integriert und flexibel ausgesteuert werden. 215 Vergegenwärtigen wir uns die vielfältigen Beziehungen entlang der Wertschöpfungskette und über den gesamten Lebenszyklus des Fahrzeugs, so wird schnell klar, wie anspruchsvoll diese Aufgabe ist. Projektmanagement wird zum kritischen Erfolgsfaktor.
4.6.1
Übergeordnete Steuerung von unternehmensübergreifenden Projekten
Werden Unternehmen gefragt, wer die Verantwortung für die Steuerung von Projekten hat, so wird diese Frage schnell beantwortet – der Projektleiter ist dafür verantwortlich. Bei Programmen bzw. einem Projekt-Portfolio fällt die Beantwortung der Frage sicherlich nicht mehr ganz so leicht. Hier trägt evtl. ein eigens dafür eingerichtetes Programmmanagement die Verantwortung für die übergeordnete Steuerung bzw. ein Mitarbeiter aus dem Stab oder der Linie hat diese Aufgabe in Zweitfunktion zu erfüllen. Dabei müssen die Abhängigkeiten im Projekt-Portfolio im Sinne einer vorab definierten Zielsetzung und mit klaren Regeln ausgesteuert werden. Verlassen wir die innerbetrieblichen Strukturen und betrachten die Projektsteuerung im unternehmensübergreifenden Kontext, so ist die Frage nach der Verantwortlichkeit ungemein schwerer zu beantworten. So ernennt doch jedes am Projekt beteiligte Unternehmen einen Projektleiter, der gemeinsam mit seinem Projektteam die gestellte Aufgabe erfüllen soll. Überschaubare Strukturen, klare Unterstellungsverhältnisse und kurze Entscheidungswege im Unternehmen erleichtern die Projektsteuerungsaufgabe. Ganz anders die Situation im C3PM. Dort finden wir in der Regel wenig überschaubare Strukturen zwischen relativ unabhängigen Unternehmen vor (vgl. Abbildung 4-26).
215 vgl. Wildemann (2004), S. 41
299
4.6
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Abbildung 4-26: Projekthierarchie im C3PM
OEM
Tier 1
Tier 2
PL PL
PL PL
PL PL
...
PL PL
PL PL
PL PL
... Tier 3
...
PL PL
...
PL PL
PL PL
PL PL
PL PL
...
...
...
...
Kein Wunder, dass die übergeordnete Steuerung von unternehmensübergreifenden Projekten die Unternehmen „bis an die Grenzen“ fordert und das optimale Management der Supply-Chains zu einer der größten Herausforderungen der Branche zählt. Für den Erfolg der übergeordneten Projektsteuerung kommt es maßgeblich darauf an, dass der gesamtverantwortliche Projektleiter über den notwendigen Stellenwert und eine herausragende Qualifikation verfügt. Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten müssen klar geregelt und von anderen Funktionen abgegrenzt sein. Sonst wird der Projektleiter von den Partnern und den internen Linienfunktionen nur als „Kümmerer“ wahrgenommen – mit fatalen Folgen für Durchsetzungskraft und Einflussmöglichkeiten auf den Projekterfolg. Da eine Person mit der übergreifenden Steuerung im C3PM überfordert wäre, wird der Projektleiter in der Regel durch ein kompetentes Team und eine - je nach Projektumfang – mehr oder minder große Zahl von Gremien unterstützt (vgl. hierzu auch 4.2.3). Auf Basis von Projektdefinition und – planung können so gemeinsam die in Kapitel 2 schon ausführlich dargestellten Aufgaben der integrierten Projektsteuerung (Ist-Wert-Erfassung, Soll-Ist-Vergleich mit Bewertung sowie Entscheidung über geeignete Maßnahmen). Im Folgenden greifen wir einige Besonderheiten der integrierten Projektsteuerung im C3PM heraus und stellen geeignete Lösungsansätze vor.
300
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
4.6.2
Reifegradmessung als Grundlage der integrierten Projektsteuerung
Die Komplexität der Steuerungsaufgabe im C3PM erfordert die systematische Erfassung und Kontrolle des Reifegrades anhand von aggregierten Steuerungsgrößen, um jederzeit einen Überblick über den Status des Gesamtprojektes zu haben und fundierte Entscheidungen über geeignete Maßnahmen (evtl. sogar den Abbruch des Projektes) treffen zu können (vgl. auch 2.7.3). Je nach Festlegung kann der Reifegrad über das gesamte Projekt, d.h. über die komplette Wertschöpfungskette und den gesamten Produktlebenszyklus oder nur für einzelne Aspekte ermittelt werden. In der Projektdefinition bzw. -planung werden hierfür geeignete Reifegradindikatoren festgelegt. Dies können u.a. sein: 216
Prozess-Reifegrade (z.B. Qualitätsstände, Produktions- und Lieferfähigkeit) Produkt-Reifegrade (z.B. Qualitätsziele, Erprobungen, Gewicht) Wirtschaftliche Reifegrade (z.B. Kapitalwert, Zielkostenerreichung, -abweichung) Zeitliche Reifegrade (z.B. Meilensteine, Freigaben) Abbildung 4-27: Schematischer Ablauf der Reifegradmessung 217
Expertenprognosen
Reifegradparameter
Reifegradermittlung
Bewertung rot 1
2
gelb 3
4
5
grün 6
7
8
9
Berichterstattung
216 vgl. Hessenberger/Späth (1998), S. 257 217 ebenda, S. 269
301
4.6
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Ausgehend von der Synchronisations- bzw. Meilensteinplanung lassen sich die definierten Reifegrade zum jeweiligen Zeitpunkt oder in regelmäßigen Abständen ermitteln und mit Hilfe geeigneter Bewertungssysteme – z.B. einem Bewertungssystem mit Ampelfunktion – visualisieren (siehe Abbildung 4-27). Dabei können die Ampelfarben rot, gelb und grün noch feiner untergliedert (vgl. Tabelle 4-2) und über dem Zeitablauf abgetragen werden (vergleichbar mit der Meilenstein-Trendanalyse218). In der Praxis werden allerdings - aus psychologischen oder politischen Gründen - oft geschönte Statusberichte abgegeben. Da „Rot“ in den meisten Projektkulturen nicht gerne gesehen wird, beten die Beteiligten das Problem solange „gesund“, bis „Gelb“ herauskommt – mit fatalen Auswirkungen für die Erreichung der Projektziele. 219 Verbindliche Spielregeln (wie z.B. Offenheit, Aufrichtigkeit, Disziplin und Verantwortlichkeit) sind deshalb grundlegende Voraussetzungen für eine ehrliche Bewertung des Gesamtprojekts.
Tabelle 4-2: Farbe
Bewertungsziffern 220 Zielerreichung
Ziffer 1
Ziel nicht mehr erreichbar, Auswirkungen auf Gesamtprojekt
2
Ziel wird nicht erreicht, Auswirkungen auf Teilbereich des Projekts
3
Ziel ist nicht erreicht, Zusatzmaßnahmen greifen nicht, Chancen erkennbar
4
Ziel kann durch Zusatzmaßnahmen erreicht werden, Risiken vorhanden
5
Ziel wird durch Zusatzmaßnahmen erreichbar, Absicherung notwendig
6
Ziel wird mit abgesicherten Zusatzmaßnahmen erreicht
7
Ziel wird erreicht, Zusatzmaßnahmen sind nicht notwendig
8
Ziel ist erreicht
9
Ziel wird übertroffen
Ziel ROT
wird nicht erreicht
Ziel wird mit GELB
Zusatzmaßnahmen erreicht
Ziel GRÜN
wird erreicht
218 vgl. Burghardt (2002), S. 337 ff. 219 vgl. hierzu auch Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 41 220 Quelle: Daimler
302
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
Die Akzeptanz der Reifegradsystematik wird auch wesentlich von der Beteiligung der Partner bei der Implementierung und Ausgestaltung abhängen. So können Hersteller wie Zulieferer profitieren. Der Hersteller wird durch die dezentrale Erfassung und Bewertung der Reifegrade entlastet und erhält dennoch zu den vereinbarten Zeitpunkten die für die Gesamtsteuerung notwendigen Informationen. Die Aufmerksamkeit aller Beteiligten wird auf die wesentlichen (kritischen) Erfolgsfaktoren im Projekt beschränkt und die Komplexität in der Zusammenarbeit entscheidend reduziert. Die Autonomie der beteiligten Zulieferer wird weitgehend gewahrt, da die Einflussnahme des Herstellers sich auf die Vorgabe der Ziele beschränkt. Die Energie aller Beteiligten kann mit Hilfe einer gemeinsam abgestimmten Aktivitätenliste auf die notwendigen Maßnahmen fokussiert werden. Dort werden die wesentlichen Steuerungsmaßnahmen vermerkt (wer macht was bis wann?) und in regelmäßigen Abständen aktualisiert. Geeignete Informations- und Kommunikations-Tools erleichtern diesen Prozess über die Unternehmensgrenzen hinweg.
4.6.3
Konfigurations- und Änderungsmanagement als Schlüsseldisziplinen im C3PM
In Kapitel 1.2 haben wir die Bedeutung des systematischen Umgangs mit Änderungen aufgezeigt. So entscheiden der Umfang von Änderungen nach Fertigungsfreigabe sowie die Dauer der Änderungsbearbeitung über den Erfolg bzw. Misserfolg in Projekten. Der Zugriff auf eine einheitliche (Produkt)-Datenquelle, robuste WorkflowMechanismen für automatisierte Änderungsprozesse und Werkzeuge für Konfigurationsmanagement mit Echtzeit-Management-Reporting gehören demnach zu den wichtigsten Erfolgsfaktoren für Unternehmen der Automobilindustrie. 221 Doch aktuell ist es um das Änderungsmanagement nicht besonders gut bestellt. „Alle reden von Änderungsmanagement, doch kaum einer tut es konsequent und richtig“, so Erfahrungen aus der Praxis. 222 Ferner kommt das Konfigurationsmanagement auch nur in den wenigsten Fällen zur Anwendung. Dabei kann das Konfigurationsmanagement eine bedeutsame Mittlerfunktion im Projektmanagement übernehmen (vgl. Abbildung 4-28). In diesem Sinne wird Konfigurationsmanagement zur zentralen Drehscheibe für die integrierte Projektsteuerung bei hoher Komplexität und Dynamik im Projektverlauf, was gerade charakteristisch für die Zusammenarbeit im unternehmensübergreifenden Kontext ist.
221 Innovationsagenda 2006 des WZL der RWTH Aachen und PTC, April 2004 222 Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 41
303
4.6
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Abbildung 4-28: Mittlerfunktion des Konfigurationsmanagements 223
Projektmanagement
Produktsicherungsdisziplinen wie z.B. Qualitätssicherungs-, Management
Fachlich-inhaltliche Koordination wie z.B. Systems Engineering-, Designoder ProduktionsManagement
Administrative Disziplinen wie z.B. Projektcontrolling, Doku.-Management
Konfigurationsmanagement
Dabei werden die fachlich-inhaltlichen (auf das Produkt bezogenen) Prozesse ebenso einbezogen wie die für die Erreichung der Projektziele (Qualität, Kosten, Termine) notwendigen Disziplinen der Qualitätssicherung und des Managements von Kosten und Terminen. Eine Konfiguration wird nach der DIN EN ISO 10007 wie folgt definiert: „funktionelle und physische Merkmale eines Produkts, wie sie in seinen technischen Dokumenten beschrieben und im Produkt verwirklicht sind“ (vgl. Abbildung 4-29 für die Beschreibung von Konfigurationsmanagement).
Abbildung 4-29: Allgemeine Beschreibung von Konfigurationsmanagement 224 „Konfigurationsmanagement (KM) ist eine Management-Disziplin, die technische und verwaltungsmäßige Regeln auf den Produktlebenslauf einer Konfigurationseinheit von seiner Entwicklung über Herstellung und Betreuung anwendet. KM ist auf Hardware, Software, Dienstleistungen und die zugehörige Dokumentation gleichermaßen anwendbar. KM ist ein integraler Bestandteil des Lebenslauf-Managements... Hauptziel von KM ist, die gegenwärtige Konfiguration eines Produkts sowie den Stand der Erfüllung seiner physischen und funktionellen Forderungen zu dokumentieren und volle Transparenz herzustellen. Ein weiteres Ziel ist, dass jeder am Projekt Mitwirkende zu jeder Zeit des Produktlebenslaufs die richtige und zutreffende Dokumentation verwendet.“
223 Saynisch (2000), S. 367 224 DIN EN ISO 10007: 1996 Leitfaden für Konfigurationsmanagement
304
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
Das Konfigurationsmanagement basiert auf einer Referenzkonfiguration und unterscheidet vier Teildisziplinen. Abbildung 4-30 stellt die Teildisziplinen vor.
Abbildung 4-30: Zweck und Inhalt der Teilgebiete des KM 225
Zweck und Inhalte von Konfigurationsmanagement
Teildisziplinen des Konfigurationsmanagements
Wie komme ich zu einer Konfiguration?
Bezugskonfiguration (Referenzkonfiguration)
Woraus besteht die Konfiguration?
Konfigurationsidentifikation
Wie sind Änderungen zu planen, zu steuern und zu kontrollieren?
Konfigurationsüberwachung (Konfigurationssteuerung)
Welche Änderungen wurden vorgeschlagen und welche realisiert?
Konfigurationsbuchführung (Konfigurationsnachweis)
Wie wurden die Änderungen im Produkt realisiert?
Konfigurationsauditierung (Konfigurationsrevision)
Da im C3PM Änderungen zum Alltag gehören und gravierende Auswirkungen auf die Zielerreichung haben können, wenden wir uns nun schwerpunktmäßig dem Änderungsmanagement zu. Dabei können fehlerbedingte und neuerungsbedingte Änderungen unterschieden werden. Fehlerbedingte Änderungen entstehen aus der Art und Weise der Projektabwicklung und können ihre Ursachen in der schlechten Abstimmung der beteiligten Partner, Schnittstellenproblemen, unklaren Regelungen bezüglich Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten oder in der unprofessionellen Projektplanung und -steuerung über Unternehmensgrenzen hinweg haben. Dennoch lassen sich diese Änderungen nur zum Teil (ca. 40%226) vermeiden. Sie spiegeln sozusagen den normalen „Prozess der Erkenntnisgewinnung“ wider. Neuerungsbedingte Änderungen werden durch veränderte Wünsche oder Ziele des Kunden verursacht und dienen ggf. der Anpassung an veränderte Marktverhältnisse, einer Verbesserung des Produktes oder der Erzielung wirtschaftlicher Effekte. 225 vgl. Saynisch (1999), S. 22 226 vgl. Lindemann/Reichwald (1998), S. 109
305
4.6
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Ziel des Änderungsmanagements im C3PM ist die professionelle Abwicklung unvermeidbarer und neuerungsbedingter Änderungen sowie die möglichst weitgehende Vermeidung fehlerbedingter Änderungen (vgl. hierzu auch Kapitel 2.7.11). Dabei sind eine Reihe von Aktionsfeldern zu beachten (vgl. Tab. 4-3).
Tabelle 4-3:
Problemfelder und Aktionsfelder des Änderungsmanagements 227
Problemfelder
Aktionsfelder
Hohe Häufigkeit der Wiederholung von
Vermeidung und Vorverlagerung von Änderungen
Späte Erkennung von Änderungen
Änderungserkennung
Ausschließliche Betrachtung der Ände-
Problem- und Ursachenanalyse
Unstrukturierte Problemlösung / keine
Synthese von Lösungsalternativen
Hohe Zahl an Folgeänderungen
Auswirkungserfassung und Änderungsplanung
Fehlende Kosten- / Nutzenanalyse
Wirtschaftliche Bewertung und Entscheidung
Lange Durchlaufzeiten von Änderungen
Effiziente Abwicklung von Änderungen
Fehlern
rungssymptome
Lösungsalternativen
Mangelhafte Dokumentation und Auswer- tung
Lernorientierte Auswertung von Änderungsdaten
Die in den vorhergehenden Kapiteln aufgezeigten Methoden des C3PM schaffen – bei konsequenter Umsetzung - gute Voraussetzungen für die Beherrschung von Änderungen. So sollten die Projektpartner ein gemeinsames Verständnis über Änderungen erzielen und schon zu Beginn des Projekts die Methoden, Hilfsmittel und organisatorischen Strukturen für das Änderungsmanagement vereinbaren und implementieren. Eine stringente Steuerung der Reifegradparameter ist ein nützliches Frühwarnsystem und hilft Änderungen zu vermeiden oder nach vorne zu verlagern („Frontloading“). Die Meilensteinplanung gibt allen Beteiligten eine klare Orientierung und synchronisiert die Aktivitäten im Änderungsmanagement in Richtung der vereinbarten Ziele. Treten Änderungen auf, so kann durch synchrone Aktivitäten der Partner im Änderungsablauf wertvolle Zeit eingespart werden (siehe Abbildung 4-27). Entscheidend ist auch hier, alle betroffenen Stellen und Personen in den Entscheidungsprozess mit einzubeziehen. Moderne Informations- und Kommunikationsmittel unterstützen diesen Prozess über Unternehmens- und Standortgrenzen hinweg. 227 vgl. Lindemann/Reichwald (1998), S. 52
306
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
Abbildung 4-31: Änderungsaktivitäten ohne/mit Synchronisation der Partner 228
Analyse Artikelkonstruktion Anfrage
Partner 1
Auftrag
Bemusterung
Bemusterung
Partner 2
Angebot Planung, Durchführung Zeit [Tage] Klärung
10 5 Anfrage-Angebotsphase
21 Durchführung
• Durchlaufzeit beträgt durchschnittlich 21 Tage • Verhältnis von Klärung zu Durchführung der Änderungen etwa 1:1 • Durchlaufzeit wird durch lange Anfrage-Angebotsphase verlängert
Bemusterung
Partner 1
Prüfung der Vorschläge Anfrage
Gemeinsam
Auswertung Versuche
Auftrag
Abstimmung Lösung Bemusterung
Partner 2
Prüfung, Beratung, Richtangebot
Festangebot
Planung, Durchführung Zeit [Tage] 17
4 Klärung
Durchführung
• Abgestimmte Lösungen bei Änderungsbearbeitung • Teilweise Integration der Anfrage-Angebotsphase in die Klärungsphase • Entkopplung der kaufmännischen Abwicklung von der technischen Änderungsabwicklung • Verkürzung der Durchlaufzeit um ca. 4 Tage
228 vgl. Schuh (2000)
307
4.6
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Moderne Engineering Data Management (EDM) bzw. Product Data Management (PDM)-Systeme unterstützen die Abbildung und das Management von Produkt- und Prozessdaten in der Produktentstehung. Beides zusammen erlaubt eine lückenlose Konfiguration beliebiger Konstruktions- und Fertigungsstände über den gesamten Produktlebenszyklus hinweg. Die Grundfunktionen des Systems umfassen u.a.: 229
Stamm- und Strukturdaten Dokumentenmanagement Projektmanagement Workflow-Management Freigabe-/Änderungsmanagement Viewing / Redlining / DMU I/O-Management Archiv / Backup Daten-Replikation Product Lifecycle Management (PLM)-Systeme verfügen sogar noch über eine größere Integrationstiefe / -breite der Anwendungen. So werden insbesondere unternehmensübergreifende Projekte durch Funktionen wie Requirement Traceability Management (Anforderungsmanagement und –nachverfolgung), dem Engineering Warehouse (webbasierter Zugriff auf diverse interne und externe Informationsquellen), Supply Chain Management (Zugriff auf elektronische Marktplätze, Beschaffungskanälen etc.) und (Engineering) Collaboration Tools wie z.B. dem Computer Supported Cooperative Work (CSCW) unterstützt. 230 In Abbildung 4-4 haben wir eine Systemarchitektur abgebildet, die eine integrierte Projektsteuerung im standort- und unternehmensübergreifenden Kontext optimal unterstützt. Die konsequente Dokumentation der bearbeiteten Änderungen mit ihren Auswirkungen bzw. Aufwendungen helfen dem Auftragnehmer, Ansprüche gegenüber dem Auftraggeber transparent zu machen und unnötigen Streit zu vermeiden. Darüber hinaus können mit Hilfe der Dokumentation aber auch systematische Fehler identifiziert und in der laufenden Zusammenarbeit bzw. im Folgeprojekt abgestellt werden.
229 Eigner/Stelzer (2001), S. 18 230 ebenda, S. 23 ff.
308
Integrierte Projektsteuerung im C3PM
Heute beklagen sich viele Hersteller darüber, dass Zulieferer Änderungen zur Preiserhöhung nutzen würden. Andererseits kritisieren die Zulieferer den Hersteller, durch unnötige und späte Änderungen Termin- und Kostenprobleme zu verursachen. Letztlich hilft die konsequente Umsetzung der oben aufgeführten Empfehlungen, Transparenz zu schaffen, Misstrauen zwischen den Partnern abzubauen und das Klima in der Zusammenarbeit zwischen Automobilherstellern und Zulieferern zu entspannen.
4.6.4
Berichtswesen im C3PM
Mit diesem Kapitel wollen wir kurz auf Besonderheiten des Projektreportings und Berichtswesens in unternehmensübergreifenden Automotive-Projekten eingehen. Die grundlegenden Aspekte sind schon ausführlich in Kapitel 2.7.10 dargestellt.
Abbildung 4-32: Berichtswesen in der kooperativen Modulentwicklung 231 Kunde
zentraler Bericht
Bericht ---------------
0. Ebene GPLSL
1. Ebene PLMEW
PLMF Bericht ---------------
Bottom-Up
Bericht ---------------
2. Ebene TKEW_SL
TKPV_SL
PLSW
Legende: TK: Teamkoordinator EW: Entwicklung SL: Systemlieferant PL: Projektleitung
PLMM
MEW: Modulentwicklung PV: Prototypenbau und Versuche GPL: Gesamtprojektleiter
dezentrale Berichte MF: Modulfabrik MM: Modul-MontageTräger
Für ein abgestimmtes Berichtswesen in unternehmensübergreifenden AutomotiveProjekten spielen klare Vereinbarungen bezüglich der Berichtshierarchien und -inhalte eine wesentliche Rolle. Ein kooperationsübergreifender, standardisierter Informationsfluss muss zu jedem Zeitpunkt im Projektverlauf gewährleistet sein. 231 in Anlehnung an: Schuh (2000), S. 284
309
4.6
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Dabei verläuft der Informationsfluss bottom-up, d.h. von den ausführenden Einheiten hinauf bis zum Automobilhersteller (vgl. Abbildung 4-32). Um die Komplexität und Informationsflut zu beschränken, werden die Informationen nach vorab definierten Formaten aggregiert und entsprechend dem Berichtstermin dem Empfänger zur Verfügung gestellt.
Abbildung 4-33: Beispiel: Ablauf eines meilensteinorientierten Berichtswesens 232
232 ebenda, S. 287
310
Aus unternehmensübergreifenden Projekten lernen
Dabei können Berichte bei Erledigung von einzelnen Arbeitspaketen oder bei Erreichung eines Meilensteins eingefordert werden. Wir plädieren aufgrund der Informationsfülle in unternehmensübergreifenden Projekten eher auf die zweite Variante zurückzugreifen. Allerdings kann es – bei zeitkritischen oder kostenintensiven Arbeitspaketen – sinnvoll sein, auch zwischen den geplanten Meilensteinterminen über den jeweiligen Fortschritt zu berichten. Das meilensteinorientierte Berichtswesen muss aufgrund der Vielzahl der Beteiligten stark formalisiert sein und mit großer Disziplin umgesetzt werden, da sonst leicht die Übersicht verloren geht. Abbildung 4-33 zeigt ein Beispiel für den Ablauf eines meilensteinorientierten Berichtswesens in der kooperativen Modulentwicklung.
4.7
Aus unternehmensübergreifenden Projekten lernen
Dem Lernen kommt in unternehmensübergreifenden Projekten eine doppelte Bedeutung zu: einerseits müssen die Beteiligten „kooperieren, um zu lernen“, andererseits aber auch „lernen zu kooperieren.“ 233 Deshalb werden wir in diesem Kapitel kurz auf die Bedeutung des Lernens in unternehmensübergreifenden Projekten, die Barrieren sowie mögliche Gestaltungsansätze eingehen. Unternehmen wollen voneinander lernen. Dies ist zumindest erklärtes Ziel beim Eingehen von projektbezogenen Kooperationen. So sehen gerade viele mittelständische Unternehmen der Automobilzulieferindustrie den Know-how-Gewinn im Rahmen von zwischenbetrieblichen Kooperationen als wichtige Zielsetzung an. 234 Gerade hier bereitet der Know-how-Schutz im Rahmen von Kooperationen in der Praxis vielfach Probleme. 235 So lässt sich der Schutz von unternehmensspezifischem Know-how in überbetrieblichen Projekten nur schwer realisieren. Ein allzu rigider Schutz, z.B. durch vertragliche oder organisatorische Regelungen, würde das arbeitsteilige Arbeiten unverhältnismäßig erschweren. Deshalb ist eine Vertrauenskultur notwendig. Die beteiligten Unternehmen müssen „lernen, zu kooperieren.“
233 Büchel/et al (1997), S.26 234 vgl. Killich/Fahrenkrug (2002b), S. 35f. 235 ebenda, S. 42f.
311
4.7
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
4.7.1
Barrieren auf dem Weg zum kooperativen Lernen
„Wenn wir nur wüssten, was wir wissen...“ oder „Wir wissen viel, aber wir nutzen es nicht ...“, so zwei gängige Aussagen aus der Praxis. 236 Vielfach beginnen die Probleme schon bei dem „know what“ und „know why“. Was ist es, was wir aus Kooperationen wirklich lernen wollen, welche Ziele verfolgen wir damit und welches Wissen benötigen wir für einen nachhaltigen Erfolg in der unternehmensübergreifenden Zusammenarbeit? Ist die Kooperation im Projekt nur auf die Erzielung definierter (Projekt-) Ziele aus, oder sollen konkrete Handlungs- und Problemlösungspotenziale für die weitere Zusammenarbeit erzielt werden? Unsere Erfahrung ist, dass es in der Praxis leider selten eindeutige Antworten auf diese Fragen gibt. Wie können sich die Beteiligten auf das Wesentliche konzentrieren, wie orientieren, wenn sie keine klaren Ziele vor Augen haben? Wie können Prozesse, organisatorische Strukturen und Management-Systeme vernünftig ausgerichtet werden, wenn das entsprechende Wissen bzw. die Fähigkeiten nicht verfügbar sind? Das führt dann allzu oft dazu, dass das Tagesgeschäft zur dominierenden Perspektive im Projekt wird und die Chance zur strategischen Weiterentwicklung ungenutzt verstreicht. Wertvolle Erfahrungen gehen dann unweigerlich durch die „Tyrannei des Dringlichen“ verloren. Darüber hinaus wird der Wissensaustausch zusätzlich dadurch behindert, dass explizitem Wissen Vorrang vor implizitem Wissen gegeben wird. Explizites Wissen ist Wissen, das in kodifizierbarer Form vorliegt, nicht mehr an den Wissensträger gebunden ist und sich deshalb auch leicht in Datenbanken dokumentieren lässt. Implizites Wissen ist dagegen eng an die Personen oder Teams gebunden, und steht in direktem Bezug zur Lernsituation oder zum Erfahrungsumfeld. Implizites Wissen liegt oft unbewusst vor und ist deshalb auch nur schwer zu vermitteln. Statt auf den regelmäßigen Erfahrungsaustausch seiner Projektteams zu setzen – und damit dem impliziten Wissen Vorrang zu geben – installieren Unternehmen mit großem Aufwand komplexe Wissens-Datenbanken, die gar nicht so schnell aktualisiert werden können, wie das Wissen veraltet. Ein reicher Erfahrungsschatz bleibt so meistens ungenutzt. 237 Auch die häufig anzutreffende Null-Fehler-Kultur sowie das übertriebene Wettbewerbsdenken verhindern den Wissenstransfer in der unternehmensübergreifenden Projektarbeit. Probleme im Projektverlauf enden allzu oft in einseitigen Schuldzuweisungen bzw. gegenseitigem Misstrauen und werden nicht zum gemeinsamen Lernen genutzt. Das führt dann dazu, dass sich jedes Unternehmen auf seine Rechtsposition zurückzieht und der offene Dialog über die Probleme unterbleibt.
236 Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 95 237 ebenda, S. 94
312
Aus unternehmensübergreifenden Projekten lernen
Unterschiedliche Machtpositionen in der Lieferpyramide sowie ständig wechselnde Partnerschaften in der Projektarbeit vergrößern dieses Problem noch zusätzlich. Hersteller wie große Lieferanten fordern Know-how und Innovationen von ihren Zulieferern, schotten sich aber selbst relativ stark gegenüber den nachgelagerten Stufen der Lieferpyramide ab. So bleibt der elektronische Zugriff auf die wichtigsten Datenbestände beim Hersteller nur einigen wenigen Zulieferern vorbehalten. Das Misstrauen ist damit vorprogrammiert. Schließlich gilt es noch zahlreiche Barrieren in der Kommunikation zwischen den Projektpartnern zu überwinden. So können z.B. unterschiedliche Sprachen, Zeitzonen oder räumliche Distanzen die gemeinsame Problemlösung und den Erfahrungsaustausch erschweren. Virtuelle Projektarbeit (vgl. 4.2.2) kennt vor allem seine Grenzen dort, wo ein effektiver Erfahrungsaustausch nur noch digital und damit ohne den eigentlichen Wert- bzw. Sinngehalt des impliziten Wissens stattfindet. So kann Wissensmanagement zwar über alle Grenzen hinweg im „cyber space“ organisiert werden (z.B. als „Knowledge Café“ mit Yellow Pages, Knowledge Base, virtueller Bibliothek sowie Diskussions-/Projektdatenbank238), dennoch leidet in diesem Fall die direkte zwischenmenschliche Kommunikation und die emotionale Distanz im Team wächst. 239
4.7.2
Kompetenzentwicklung in Projekt-Netzwerken der Automobilindustrie
Die Zusammenarbeit von unabhängigen, d.h. rechtlich wie wirtschaftlich weitgehend selbständigen Unternehmen in Projekt-Netzwerken erfordert einen besonderen Blick auf die Entwicklung von Kompetenzen. Das Wissen, die Fähigkeiten und Fertigkeiten sind hier nicht nur auf individueller oder innerbetrieblicher Ebene zu entwickeln, sondern über Unternehmensgrenzen hinweg - und das in zeitlich oft nur begrenzt dauernden Partnerschaften. Dabei kommt es in Netzwerken auf drei wesentliche Kompetenzbereiche an, nämlich auf die Markt-, Technologie- und kooperative Kompetenz des Netzwerkes und seiner Mitglieder. 240 Kompetenzentwicklung findet also im Spannungsfeld dieser drei Kompetenzen und über verschiedene Ebenen hinweg statt. Je nach Zielsetzung wird dabei der eine oder der andere Kompetenzbereich verstärkt im Vordergrund stehen.
238 vgl. Herbst (2000), S.179 239 vgl. Kostner (1998) 240 vgl. Sydow (2003), S. 46
313
4.7
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
So sind z.B. bei F&E-Projekten, die eine gemeinsame Entwicklung von Produkten oder Technologien zum Ziel haben, eher technologische Kompetenzen der Partner oder des gesamten Netzwerkes gefragt. Dagegen wird bei Projekten, die eine Verbesserung von Beschaffung oder Absatz zum Ziel haben, eher die Marktkompetenz der Teilnehmer interessant sein. Die kooperative Kompetenz, also die Fähigkeit und Fertigkeit auf individueller, innerbetrieblicher wie überbetrieblicher Ebene Beziehungen aufzubauen und zu pflegen sowie arbeitsteilige Prozesse auch über Unternehmensgrenzen hinweg zu koordinieren, ist sicherlich für alle Arten von Projekt-Netzwerken wichtig (vgl. auch 4.3). Neben der Klärung der eigentlichen Projektziele ist es also auch notwendig, die gemeinsamen Entwicklungs- bzw. Lernziele festzulegen und möglichst weitgehend zu operationalisieren. Welche Kompetenzen sind für die Zusammenarbeit langfristig wichtig? Welche Prioritäten sollen gesetzt werden? Wie verteilen sich die Kompetenzen auf die beteiligten Unternehmen? Hier sind insbesondere die Automobilhersteller bei der Initiierung und dem Aufbau eines Projekt-Netzwerkes gefordert, für die nötige Klarheit zu sorgen. Auf der Basis ihrer eigenen Kernkompetenzen sollten sie die Kompetenzprofile der anderen Unternehmen entsprechend der Zielsetzung aufeinander abstimmen und auf Überschneidungen hin überprüfen. Entsprechende Lücken können so erkannt und durch gezielte Maßnahmen vor, während oder nach dem Projekt beseitigt werden. Die Entwicklungs- bzw. Lernziele sind im Folgenden handlungsleitend. Zunächst müssen die Partner-Unternehmen und deren Mitarbeiter für das Projekt lernen („Lernen für das Projekt.“) 241 Dabei sollten die Beteiligten von anderen Aufgaben befreit werden und die Gelegenheit zu einem ausführlichen Treffen erhalten. In aufgelockerter Atmosphäre können gegenseitig Erfahrungen ausgetauscht, Kompetenzprofile abgeglichen und die Teambildung unterstützt werden. Notwendige Qualifizierungsmaßnahmen können rechtzeitig initiiert und noch vor der Projektdurchführung umgesetzt werden. Darüber hinaus ist es wichtig, Lernerfahrungen aus vorangegangenen Projekten gezielt aufzubereiten und ihre Relevanz für das neue Projekt zu diskutieren. Unternehmen und Mitarbeiter werden viel eher bereit sein, systematisch Erfahrungen zu sammeln und zu verwerten, wenn sie schon zum Projektstart den konkreten Nutzen eines Erfahrungsaustausches spüren.
241 in Anlehnung an Unger (2002), S. 102 ff.
314
Aus unternehmensübergreifenden Projekten lernen
„Lernen im Projekt“ bedeutet, sämtliche Gelegenheiten im Projektverlauf, von der Zielabstimmung, der gemeinsamen Planung, der technischen Realisierung, der Projektsteuerung über die Abschlussphase hinweg als Möglichkeiten zum Lernen zu nutzen. Schon bei der gemeinsamen Formulierung der Projektziele können alle Partner ihre Erfahrungen in die Diskussion mit einbringen und so sicherlich zu einem insgesamt besseren Ergebnis kommen, als wenn nur der Hersteller seine Vorgaben macht. Auch die verschiedenen Gremien zur übergeordneten Projektsteuerung (vgl. 4.2.3) sind ein besonders geeigneter Ort, um über die aufgetretenen Probleme sowie mögliche Lösungsansätze zu sprechen und damit die Lösungskompetenz insgesamt zu verbessern. Protokolle dieser Sitzungen oder die LOP (Liste offener Punkte) dokumentieren den Erkenntnisfortschritt und können später in der Projektabschlussphase hervorragend als Grundlage genutzt werden. Schließlich bietet ein abschließendes Review-Meeting die ideale Plattform für die beteiligten Unternehmen im ProjektNetzwerk, Erfahrungen auszutauschen und notwendige Schlüsse zu ziehen („Lessons learned“.) Diese „Lessons learned“ leiten über zum „Lernen durch das Projekt“, nämlich der Reflexion über die möglichen Konsequenzen, die sich u.a. in einer Anpassung der organisatorischen Strukturen und Prozesse oder in einer Qualifizierung der Mitarbeiter äußern können. Schon das „laute Nachdenken“ - was und wie etwas getan wird kann helfen, Lernprozesse auszulösen und eine Neuausrichtung von Abläufen zu bewirken. Angelehnt an den oben erwähnten Entwicklungs- und Lernzielen kann man die Reflexion kanalisieren und gezielt die Bereiche abfragen, die für eine strategische Weiterentwicklung der Kompetenzen im Projekt-Netzwerk notwendig sind.
4.7.3
Voraussetzungen für kooperatives Lernen
Kooperatives Lernen setzt ein verändertes Kooperationsbewusstsein voraus. Es geht dabei nicht mehr nur um die (kurzfristige) Realisierung von ökonomischen Chancen, sondern darum, „Handlungs- und Problemlösungspotenziale aufzubauen, die sich erst in der Zukunft in konkreten Ergebnissen zeigen.“ 242 Dabei ist für den Fortbestand des Netzwerkes aus unabhängigen Unternehmen wichtig, dass niemand zu Lasten eines anderen lernt und alle einen Vorteil haben. Nur gemeinsam können die Partner ein höheres Entwicklungsniveau erreichen (vgl. hierzu auch 4.3.1).
242 Büchel/et al (1997), S. 223
315
4.7
4
Management unternehmensübergreifender Automotive-Projekte („C3PM“)
Einer der wichtigsten Voraussetzungen für kooperatives Lernen ist der Faktor Zeit. Zum einen benötigen die Partner Zeit, um sich aufeinander einzustellen und eine Vertrauenskultur aufzubauen. Erst wenn das notwendige Vertrauen in der Beziehung zwischen den unterschiedlichen Teammitgliedern erreicht ist, werden diese durch das gemeinsame Lösen von Problemen lernen und sich ständig weiterentwickeln. Zum anderen muss für die gemeinsame Lernerfahrung Zeit investiert werden, was viele Manager heute angesichts des enormen Wettbewerbsdrucks nicht mehr gewillt sind zu tun. Wie soll sich das Netzwerk aber weiterentwickeln und damit Wettbewerbsvorteile verschaffen, wenn keine Zeit dafür da ist? Eine weitere Voraussetzung für das kooperative Lernen ist der sorgsame Umgang mit Fehlern und Problemen im Projektverlauf. Unser Rat lautet, Fehler zu erkennen und daraus zu lernen, anstatt einer „Null-Fehler-Kultur“ zu frönen - die letztlich die Problemlösung verhindert oder zumindest hinauszögert. Das frühzeitige Melden von Problemen und nicht die sonst übliche Suche nach dem Schuldigen sollte in ProjektNetzwerken gefördert werden. Gerade hier kann der Automobilhersteller mit seinem Verhalten ein Vorbild für die gesamte Lieferpyramide sein. Da das implizite Wissen den größten Nutzen bei der Kompetenzentwicklung bietet, eine Übertragung aber nur durch enge persönliche Kontakte möglich ist, sollte die direkte zwischenmenschliche Kommunikation in den Projekt-Netzwerken gefördert werden. Gemeinsame Erfahrungsräume, z.B. im Rahmen eines Projekthauses (vgl. Kapitel 4.2.1), verbessern die Kommunikation und ermöglichen den Mitarbeitern, sich mit der Arbeit des Partners, seinen Problemen und seinen Erfahrungen auseinander zu setzen. Dabei spielt auch die informelle Kommunikation eine große Rolle für das kooperative Lernen. Auf dem Weg zur Kantine oder in kommunikationsfreundlichen Pausenräumen können enge Beziehungen aufgebaut und gepflegt werden – eine wichtige Grundlage für die spätere Problemlösung. Das Management sollte hier eine aktive Rolle einnehmen, denn „so wichtig die aktive Beteiligung der Mitarbeiter ist, so wenig nützt dies, wenn nicht auch das Management selbst solche Veränderungen aktiv trägt, persönlich dafür eintritt und nicht nur anordnet.“ 243 So schließt sich der Kreis bezüglich der eingangs schon erwähnten Doppeldeutigkeit des Lernens in Projekt-Netzwerken. Zum einen gilt es zu „kooperieren, um zu lernen“, zum anderen aber auch „lernen zu kooperieren.“ Die Art und Weise der Kooperation kann nämlich Lernprozesse erschweren oder erleichtern. Gelingt es, die Barrieren zwischen den Projektbeteiligten zu überwinden und eine intensive Kommunikation im Rahmen von persönlichen Netzwerken zu erreichen, so steht dem kooperativen Lernen und damit dem Erfolg im C3PM sicherlich nichts im Weg.
243 Böhle/Bolte (2002), S. 253
316
Organisationale Kompetenz – ein ganzheitlicher Ansatz
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Nachdem in den vorherigen Kapiteln ausführlich das Management von einzelnen, mehreren und unternehmensübergreifenden Projekten vorgestellt wurde, soll an dieser Stelle auch noch auf die Entwicklung der Organisationalen Kompetenz im Projektmanagement eingegangen werden. Die meisten Unternehmen der Branche haben in den letzten Jahren Projektmanagement-Lösungen eingeführt und damit eine wichtige Basis für die Projektabwicklung geschaffen. Allerdings verändern sich die Anforderungen an das Projektmanagement ständig weiter (vgl. 1.2). Die einmal eingeführten Lösungen müssen deshalb kontinuierlich weiterentwickelt werden. Dabei geht es um die wirksame Ausgestaltung aller, für das Projektmanagement relevanten Faktoren im Unternehmen, nicht nur um die Qualifizierung der Projektleiter und die Einführung von Standards, Methoden und Werkzeugen.
5.1
Organisationale Kompetenz – ein ganzheitlicher Ansatz
Der Kompetenzbegriff wird heute in vielen Bereichen verwendet, so auch im Projektmangement. Er lässt sich auf das lateinische Wort „competere = befähigt sein“ zurückführen, wird aber häufig vollkommen unterschiedlich definiert. So wird der Begriff einerseits als Befugnis einer Person für bestimmte Tätigkeiten im Projekt verwendet („dürfen“), andererseits wird darunter auch die Befähigung einer Person zur Bewältigung von Tätigkeiten verstanden („können“). Schließlich wird der Kompetenzbegriff in einem modernen Verständnis auch als Einstellung einer Person zur Aufgabe interpretiert („wollen“). Der Ausbildungsstandard der GPM verwendet den Begriff wie folgt: „Kompetenz meint einerseits formal die Zuständigkeit und Befugnis einer Person innerhalb einer Organisation und andererseits die Fähigkeit („Wissen“, „Können“, „Erfahrung“) sowie Einstellung einer Person.“ 244
244 Gessler (2009), S. 8
317
5.1
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Der Kompetenzbegriff kann aber auch in einem weiteren Sinne verwendet werden, so z.B. als: „Sach- und Fachverstand, den ein Individuum, eine Personengruppe oder eine Organisation, ein Wirtschaftszweig oder eine Gesellschaft auf einem bestimmten Gebiet oder in definierten Bereichen besitzt.“ 245 In dieser Definition werden neue Perspektiven deutlich. So wird neben Individuen auch Gruppen, Organisationen, Wirtschaftszweigen und sogar der Gesellschaft eine Kompetenz zugeschrieben. Im Folgenden fokussieren wir aber ausschließlich auf die Kompetenz einer Organisation, oder kurz: Organisationale Kompetenz. Es ist klar, dass die Organisationale Kompetenz im Projektmanagement mehr ist als die Summe der individuellen Kompetenzen. Was aber ist konkret darunter zu verstehen? Organisationale Kompetenz im Projektmanagement kann als die Fähigkeit(en) einer Organisation verstanden werden, ihre Ziele durch die geschickte Kombination bzw. den Einsatz verfügbarer individueller, strategischer, struktureller und kultureller Kompetenzen sowie von Vermögenswerten im Rahmen der Projektarbeit zu erreichen (vgl. Abbildung 5-1). 246
Abbildung 5-1:
Organisationale PM-Kompetenz 247
MARKT / UMFELD
Kultur
Strategie
€$
Struktur
Prozesse
Organisationale PM-Kompetenz
245 Motzel (2006), S. 100 246 vgl. Cron et al (2010), S. 15 247 ebenda, S. 16
318
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
Organisationen verfolgen einen bestimmten Zweck und stellen hierfür unter anderem Regelwerke, Strategien, Prozesse, Strukturen und Kulturen bereit. So bilden beispielsweise Vision, Mission, Leitbilder sowie die Corporate Identity mit ihren grundlegenden Werthaltungen und Führungsgrundsätzen das strategische Fundament einer Organisation. Auf dieser Basis können übergeordnete „Unternehmensstrategien“ sowie bereichsspezifische „Business-Strategien“ und „Funktions-Strategien“ (z.B. die für das Projektmanagement) abgeleitet werden. Diese orientieren sich am relevanten Markt/Umfeld und den Erwartungen betroffener Stakeholder. Die Koordination der Abläufe („Prozesse“) sowie alle aufbauorganisatorischen Regelungen („Struktur“) schaffen die Voraussetzungen für eine optimale Zusammenarbeit der Beteiligten – hier als strukturelle Kompetenz subsumiert. Schließlich ist eine kulturelle Prägung notwendig, die alle Mitarbeiter im Sinne der übergeordneten Zielsetzung ausrichtet. Die Vermögenswerte einer Organisation können vielfältiger Natur sein, so z.B. die finanziellen (z.B. Eigen-, Fremdkapital), die materiellen (z.B. Anlagen, Rohstoffe) oder die immateriellen (z.B. Patente, Know-how). Je großzügiger die Ausstattung einer Organisation mit diesen Vermögenswerten, umso leichter lassen sich die übergeordneten Ziele erreichen. Wie kann die Organisationale Kompetenz im Projektmanagement analysiert und bewertet werden? Welche Möglichkeiten gibt es zur Ausgestaltung, Implementierung und kontinuierlichen Weiterentwicklung? Welche Rolle spielt das Top Management? Die nächsten Kapitel sollen Antworten auf diese Fragen liefern.
5.2
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
Die Analyse der allgemeinen Ausgangssituation, die Definition und Abgrenzung des relevanten Betrachtungsbereichs sowie die anschließende Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz sind wichtige Aktivitäten, bevor die eigentliche Ausgestaltung beginnen kann. Abhängig von der Komplexität der Organisation und den verfügbaren Kapazitäten kann allein die Analysephase mehrere Monate dauern. Die Analyse kann vom Management oder Mitarbeitern der Organisation selbst vorgenommen werden, allerdings ist es ratsam, einen externen Berater hinzuzuziehen, um den eigenen Ergebnissen eine unvoreingenommene, neutrale Sichtweise gegenüber zu stellen.
319
5.2
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5.2.1
Analyse der Ausgangssituation
Zu Beginn stellt sich die Frage, welche Bedeutung Projekte für eine Organisation (d.h. ein Unternehmen, eine Unternehmenseinheit und so weiter) haben. Wie in Kapitel 2 ausgeführt, sind Projekte keine Routinevorgänge, sondern zeichnen sich durch eine gewisse Einmaligkeit der Bedingungen in ihrer Gesamtheit aus. Dazu zählen einerseits die Anforderungen und Projektziele sowie andererseits Rahmenbedingungen, wie z.B. Termine, Budgets und Ressourcen. Schließlich können auch andere Faktoren darüber entscheiden, ob ein Vorhaben als Projekt umgesetzt wird oder nicht. Die Komplexität einer Aufgabenstellung (z.B. die Einführung eines Fahrzeugs auf einem neuen Markt), die Neuartigkeit eines Themas (z.B. Entwicklung einer neuen Antriebstechnologie) oder die Zusammenarbeit verschiedener Einheiten (z.B. die kooperative Entwicklung einer Fahrzeugkomponente) kann eine Bearbeitung in Form von Projekten bedingen. Dabei ist wichtig, dass nicht alles zum Projekt erklärt wird. Projektmanagement bedeutet nämlich einen Koordinationsaufwand, der sich nicht für alle Aktivitäten lohnt. Fertigt ein Zulieferer beispielsweise einfach Stanzteile nach einer Zeichnung, so kann diese Arbeit auch als „Auftrag“ im Rahmen der üblichen Routine abgearbeitet werden. Wird aber ein komplexerer Zusammenbau gefordert, oder übernimmt der Zulieferer Entwicklungsarbeiten in enger Abstimmung mit dem Kunden, dann empfiehlt sich sicherlich die Definition eines Projekts. Der Anteil von Projekten an der Wertschöpfung von Unternehmen hat in den letzten Jahren signifikant zugenommen. So zeigt eine aktuelle Studie, dass mittlerweile rund ein Drittel aller Arbeitsabläufe in Unternehmen in Form von Projekten organisiert sind, Tendenz weiter steigend. 248 Projekte findet man in den unterschiedlichsten Funktionsbereichen, so z.B. in der IT, im Vertrieb, in der Forschung und Entwicklung sowie der Produktion, also Bereichen, in denen innovatives Handeln, Flexibilität und schnelle Reaktion auf neue, anspruchsvolle Aufgaben gefragt ist. Deshalb ist auch eine differenzierte Betrachtung der Projekte notwendig. Projekte können intern oder extern verursacht sein. Interne Projekte dienen z.B. der Implementierung, der Veränderung bzw. der Verbesserung von Standards und Tools (Projekte zur Einführung neuer IT-Systeme, zur Optimierung, Rationalisierung oder kontinuierlichen Verbesserung von Prozessen usw.), der Entwicklung neuer Produkte und Technologien, oder der Veränderung der Aufbau- und Ablauforganisation. Diese Projekte werden in der Regel von der Geschäftsführung initiiert und mit Hilfe einer Stabsorganisation oder aus der Linienorganisation heraus koordiniert (vgl. 2.2.3). Bei externen Projekten bildet dagegen die Anfrage des Kunden die Initialzündung für ein Projekt. Je nach Komplexität der Aufgabenstellung können die Aufgaben der Projektführung bzw. –koordination in einer reinen Projektorganisation, einer Matrixorganisation oder aus der Linienorganisation abgewickelt werden.
248 vgl. Rump et al (2010), S. 8
320
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.2.2
Abgrenzung des Betrachtungsbereichs
Die Analyse der Ausgangssituation liefert wertvolle Informationen darüber, wo in der Organisation welche Projekte abgearbeitet werden. Damit lässt sich der Betrachtungsbereich für die weitergehende Analyse der Organisationalen Kompetenz definieren. Es reicht für eine fundierte Analyse nicht aus, nur diejenigen Teile einer Organisation zu betrachten, die unmittelbar mit der Projektabwicklung befasst sind. Mittelbar sind nämlich in den meisten Fällen auch die Linienorganisation (Vertrieb, Entwicklung, Fertigung etc.), die Stabsabteilungen (Personal, Einkauf etc.), die Geschäftsleitung und externen Partnern in die Projektabwicklung einbezogen (vgl. Abbildung 5-2). Einerseits stellen diese Stakeholder (vgl. 2.4.3) Anforderungen an das Projekt bzw. das Projektmanagement, andererseits sollten diese über grundlegende Kompetenzen in der Projektabwicklung verfügen.
Abbildung 5-2:
Auswahl des Analyse-/Betrachtungsbereich
Organisation
Geschäftsführung Personal
Projektmanagement
Marketing, Vertrieb
Forschung, Entwicklung
Fertigung, Montage
Lieferung, Logistik
...
Einkauf
...
PL 1
Kunde
PL 2
PL 3
PL 4
Lieferanten und Partner
Analysegegenstand ist das gesamte Projektmanagementsystem, also das „System von Richtlinien, organisatorischen Strukturen, Prozessen und Methoden zur Planung, Überwachung und Steuerung von Projekten.“ 249 Darüber hinaus sollte auch - soweit vorhanden - das übergeordnete System zur Planung, Überwachung und Steuerung von Projektportfolio und Programmen in die Analyse mit einbezogen werden.
249 vgl. DIN (2009b), S. 14
321
5.2
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5.2.3
Projektmanagement-Assessment
Ein Assessment dient zur Analyse und Bewertung des Entwicklungstands, der Reife bzw. der Organisationalen Kompetenz im Projektmanagement. Die Bewertung wird nach bestimmten Kriterien und Bewertungsmaßstäben vorgenommen. 250 Das Assessment orientiert sich an bestimmten Normen, Standards oder Referenzen, die sowohl die Frage, was analysiert wird, als auch die Frage, wie analysiert wird, regeln. Neben dem Begriff „Assessment“ gibt es noch eine Vielzahl weiterer Begriffe abhängig vom Anwendungsbereich, so z.B. Audit, Appraisal, Rating, Diagnose oder Review. Sie verfolgen eine ähnliche Zielsetzung und unterscheiden sich zumeist nur in Details von einem Assessment. Mit dem Projektmanagement-Assessment können verschiedene Ziele erreicht werden, diese sind in Abbildung 5-3 aufgeführt. Sie reichen von der Bestimmung des Status quo bis zur Zertifizierung einer Organisation im Projektmanagement.
Abbildung 5-3:
Ziele eines Projektmanagement-Assessments 251
250 vgl. Motzel (2006), S. 29 251 vgl. Wagner (2010), S. 25
322
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
Oberstes Ziel eines Projektmanagement-Assessments ist die Bestimmung des Status quo, die Ergebnisse sollen der Organisation aufzeigen, wo sie im Projektmanagement steht und was zu tun ist, um einen selbstgewählten SOLL-Zustand zu erreichen. Das Assessment kann hierzu hilfreiche Hinweise liefern, die Umsetzung der Maßnahmen ist allerdings kein Bestandteil des Assessments. Mit Hilfe eines Referenzmodells kann auch der langfristige Handlungsbedarf einer Organisation bestimmt werden. Er dient dem Top-Management dazu, Entscheidungen über die strategische Ausrichtung und hierfür nötige Investitionen zu treffen. Best practices im Projektmanagement können im Zuge der Untersuchungen ans Licht kommen, die den Verantwortlichen bisher nicht bekannt waren und für ein Benchmarking nützlich sind. Dabei vergleicht die Organisation die Daten einer Einheit mit denen einer anderen. Diese kann sowohl intern als auch extern sein. Auch eine Zertifizierung im Projektmanagement wird mit Hilfe eines externen Assessments möglich. Schließlich ist das Assessment Grundlage für die systematische Weiterentwicklung einer Organisation im Projektmanagement. Auf den Ergebnissen des Assessment können interne und / oder externe PM-Berater, PM-Trainer und PM-Coaches aufsetzen und das Projektmanagement auf das gewünschte Ziel hin verbessern. 252 In den letzten Jahren sind eine Vielzahl von Assessment-Ansätzen entwickelt worden, die sich teilweise deutlich hinsichtlich Philosophie, Umfang und Aufwand unterscheiden. Insbesondere die in Nord-Amerika entwickelten Ansätze orientieren sich fast ausschließlich an den Prozessen einer Organisation und messen z.B. der Strategie oder der Kultur wenig Bedeutung bei. Bekannte Assessment-Modelle, wie z.B. das Capability Maturity Model Integrated (CMMI), sind nicht explizit für das Projektmanagement entwickelt worden und fragen deshalb auch nur in einzelnen Aspekten nach Projektmanagement. Sie sind deshalb auch nur bedingt geeignet zur Analyse der Organisationalen Kompetenz im Projektmanagement. Das Assessment-Modell der International Project Management Association (IPMA) berücksichtigt hingegen alle relevanten Aspekte (siehe auch Abbildung 5-4). In einem Selbst-Assessment bewerten ausgewählte Projektleiter, -mitarbeiter und Stakeholder ihre individuelle Kompetenz im Projektmanagement. Bei der Bewertung dient die IPMA Competence Baseline (ICB) Version 3.0 mit insgesamt 46 Kompetenzelementen (PM-, Verhaltens- und Kontextkompetenzen) als Grundlage. 253 Die Befragten bewerten jedes Element in Bezug auf das vorhandene Wissen und die Erfahrungen. Anschließend werden auch noch ausgewählte Projekte bewertet. Dabei kommt das Project Excellence Model der IPMA zum Einsatz. Projekte werden hierbei hinsichtlich der Projektmanagement-Anwendung sowie der Resultate bewertet. Dabei fließen auch die Zufriedenheit der Kunden, der Mitarbeiter und weiterer Stakeholder mit ein. Die Ergebnisse aus beiden Selbst-Assessments dienen den externen Assessoren zur Vorbereitung auf das anschließende Projektmanagement-Assessment vor Ort. 252 vgl. Wagner (2010), S. 25 253 vgl. IPMA (2006)
323
5.2
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Abbildung 5-4:
Aufbau des IPMA Assessment of Organisations 254
Fremd-Assessment Modul O („Organisation“) Organisationale Kompetenz im Projektmanagement
Modul I („Individuum“)
Modul P („Projekt“)
Kompetenz ausgewählter Projektleiter, Mitarbeiter und Stakeholder auf Basis von ICB 3.0
PM-Anwendung und Ergebnisse ausgewählter Projekte auf Basis von „Project Excellence“
Selbst-Assessment
Der vor-Ort Besuch im Assessment dient dazu, die Ergebnisse des Selbst-Assessments zu verifizieren und sich einen Einblick in das Projektmanagement zu verschaffen. Zwei oder mehr Assessoren befragen dazu Geschäftsleitung, Führungskräfte, Projektleiter, -mitarbeiter und für die Projektabwicklung notwendige Unterstützungskräfte (z.B. Vertrieb, Einkauf und Personalentwicklung). Die Assessoren greifen dabei auf einen umfangreichen Fragebogen zurück, der in Abbildung 3-4 als Modul O („Organisation“) bezeichnet wird. Dieser Fragebogen deckt verschiedene Dimensionen der Organisationalen Kompetenz ab (siehe Abbildung 5-5), von der Verankerung des Projektmanagements in der Strategie, über die Prozesse des Projekt-, Programm- und Projektportfoliomanagements bis hin zum Kompetenzmanagement und den Kontextfaktoren. Dabei wird eine Frage immer von mehreren Perspektiven her beleuchtet. Die Frage „Bietet die Organisation Möglichkeiten zur beruflichen Weiterentwicklung für Projektleiter und -mitarbeiter?“ wird demnach der Geschäftsleitung, ausgewählten Projektleitern und –mitarbeitern sowie der Personalentwicklung gestellt, um herauszufinden, welche Standards implementiert sind, wie diese tatsächlich umgesetzt werden und welche Wirkung das auf die Betroffenen hat. Dabei werden stichprobenartig Unterlagen und Dokumente geprüft, so z.B. im vorgenannten Fall Unterlagen über die Projektlaufbahn, die Schulungsmaßnahmen und sonstige Personalentwicklungsmaßnahmen.
254 vgl. Wagner (2010), S. 25
324
Analyse und Bewertung der Organisationalen PM-Kompetenz
Abbildung 5-5:
Dimensionen des IPMA Assessment of Organisations
Dimensions
Areas
Governance
• Mission / Vision & Strategy • Effectiveness & Efficiency • Organisation • Culture • Leadership & Communication • Development
Processes
• PP&P decision making • PP processes • Portfolio processes • Integration & alignment • Cooperation & contracting • Reporting & documenting
People
• Competence of PP&P managers • Competence of Stakeholder • PP&P staff recruitment • Competence development
Context
• Personnel management • HSSE, Finance, Legal • Procurement & logistics • System, products & technology • Business • Knowledge management PP = Projekte und Programme PP&P = Projekte, Programme und Projektportfolio HSSE = Health, Safety, Security, Environment
Die Bewertung des Entwicklungsstandes („Reife“) einer Organisation im Projektmanagement erfolgt anhand von fünf „Stufen“ (vgl. Abbildung 5-6). Am Anfang des Entwicklungspfades sind es vor allem einzelne Mitarbeiter der Organisation, die über den Erfolg im Projektmanagement entscheiden. Mit ihren Vorkenntnissen und Erfahrungen tragen sie zur erfolgreichen Projektabwicklung bei. Die Organisation hat darüber hinaus keine Standards, Strukturen, Prozesse und so weiter für das Management von Projekten, Programmen und Projektportfolios implementiert. Bei Stufe 2 sind in der Organisation teilweise Standards eingeführt, diese werden allerdings nur teilweise umgesetzt. Stufe 3 steht für eine umfassende Verfügbarkeit von Standards, die vom Management als verbindlich kommuniziert und in den meisten Fällen auch angewendet werden. Stufe 4 setzt voraus, dass das Management die Anwendung der Standards regelmäßig - mit Hilfe klar definierter Kennzahlen und Vorgaben - überprüft und bei Bedarf Korrekturmaßnahmen ergreift. Bei der letzten Stufe werden die Standards kontinuierlich weiterentwickelt.
325
5.2
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Abbildung 5-6:
Entwicklungspfad im Projektmanagement
Optimised Managed
Standardised There are fully defined PP&P standards, structures and processes in place which are mostly applied throughout the organisation
There are fully defined PP&P standards, structures and processes in place which are fully applied throughout the organisation, which the Management actively controls
There are fully defined PP&P standards, structures and processes in place which are fully applied throughout the organisation, which the Management actively controls and continuously improves.
Defined There are partially defined PP&P standards, structures and processes in place which are partially applied in the organisation
Initialised The achievements of Project Management are at a personal level. There are individuals who perform well, but PP&P performance is coincidental. The organisation has no formal PP&P standards, structures and processes in place
PP&P = Projekte, Programme und Projektportfolio
Erreicht die Organisation die Stufe 3 („Standardised“), dann verfügt sie schon über eine gute Organisationale Kompetenz im Projektmanagement. Die Stufen 4 und 5 setzen eine enge Führung durch das Top-Managements voraus, die das Projektmanagementsystem mittels Kennzahlen planen, überwachen, steuern und kontinuierlich weiterentwickeln. Es hängt von mehreren Einflussfaktoren ab, welche Entwicklungsstufe eine Organisation im Projektmanagement erreichen kann/will. Hierbei spielt natürlich die generelle Bedeutung von Projekten eine Rolle, die Komplexität des Projektgeschäfts sowie der betroffenen Organisationseinheiten und schließlich auch die Investitionsbereitschaft des Top-Managements eine Rolle. Deshalb sollte vor Beginn eines Assessments auch die Zielsetzung des Top-Managements erfragt werden, damit klar wird, auf welcher Entwicklungsstufe die Organisation sich derzeit selbst sieht und welche Ambitionen sie hat. Assessments sind „Schnappschüsse der Wirklichkeit“ und verlieren mit der Dauer ihre Aussagekraft. Deshalb sollten in regelmäßigen Abständen WiederholungsAssessments durchgeführt werden, um die Veränderungen aufzunehmen und den weiteren Entwicklungsbedarf abzuleiten.
326
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.3
Ausgestaltung der Organisationalen PMKompetenz
Die Ausgestaltung der Organisationalen Kompetenz im Projektmanagement ist ein Projekt und sollte als solches auch realisiert werden. Initiiert wird das Projekt in der Regel von der Geschäftsleitung, die den Handlungsbedarf erkennt und einen internen (oder externen) Projektleiter mit der Aufgabe betraut. Zu Beginn sollte der Auftrag genau hinterfragt werden. Folgende Fragen können u.a. dem Projektleiter dabei helfen, die Ausgangssituation zu klären:
Wie hat sich das Projektmanagement bis heute entwickelt? Was bzw. wer war der Auslöser für das Projekt? Was soll mit dem Projekt erreicht werden (langfristig / kurzfristig)? Was nicht? Wann soll das Ergebnis vorliegen? Was ist, wenn es bis dahin nicht vorliegt? Welche sonstigen Restriktionen (Budget, Ressourcen etc.) gibt es? Welcher Bereich ist von dem Projekt betroffen? Welcher nicht? Wer ist an dem Projekt beteiligt? Wer ist davon betroffen? Wer interessiert? Wer oder was könnte den Projekterfolg behindern? Warum? Welche Erwartungen hat der Auftraggeber an das Projekt / die Projektleitung? Welche Rolle spielt der Auftraggeber selbst im Projekt? Welche Befugnisse und Verantwortlichkeiten hat die Projektleitung? Diese und weitere Fragen helfen von Anfang an, Missverständnisse zu vermeiden und eine klare Basis für den Projektleiter zu schaffen. Die Aussagen des Auftragsklärungsgesprächs sollte dokumentiert und die wichtigsten Rahmendaten in einem Projektauftrag fixiert werden. Im Unterschied zu Produktentwicklungsprojekten handelt es sich bei der Ausgestaltung von Projektmanagementsystemen um ein Veränderungs- bzw. ein Organisationsentwicklungsprojekt, mit weitreichen Auswirkungen auf die Organisation und deren Mitarbeiter. Deshalb ist es von sehr großer Wichtigkeit, eine Umfeld- und Stakeholderanalyse durchzuführen, um mögliche Widerstände und Probleme schon im Vorfeld erkennen und berücksichtigen zu können. Darüber hinaus sollten im Vorfeld auch die eigene Rolle als Projektleiter sowie das Verhältnis zum Auftraggeber und anderen Führungskräften geklärt sein, damit es im Projektverlauf nicht zu unnötigen Problemen kommt.
327
5.3
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5.3.1
Organisation und Planung
Im ersten Schritt bildet der Projektleiter ein (Kern-)Team aus Experten der Fach- und Stabsabteilungen sowie dem Projektmanagement. Umfang und Zusammensetzung des Teams wird von der Zielsetzung und der Komplexität des Projekts abhängen. Für die Einführung einer Projektmanagement-Laufbahn sollten beispielsweise neben dem Disziplinarvorgesetzten (z.B. Leiter Projektmanagement) je ein Vertreter der Personalabteilung und des Controllings sowie ausgewählte Projektmanager in das Projektteam integriert werden. Gegebenenfalls ist auch ein Vertreter des Betriebsrats zu beteiligen, da Laufbahnsysteme in bestimmten Bereichen die Mitbestimmung berühren. Bei der Ausgestaltung von Prozessen, Methoden oder organisatorische Strukturen kann das Projektteam auch noch um je einen Vertreter aus dem Qualitätsmanagement, der Organisationsentwicklung, der IT sowie dem Prozessmanagement erweitert werden. Je umfassender also die Aufgabenstellung, umso größer kann das Projektteam werden. Bevor das Team allerdings zu groß wird, sollte die Bildung von Teilprojektteams erwogen werden. Dies bietet sich z.B. auch bei einer verteilten Organisation an, die an mehreren Standorten Projekte abwickelt. Jeder Standort sollte angemessen im Projekt vertreten sein, sonst läuft der Projektleiter Gefahr, dass die Standorte ein Eigenleben entwickeln und die Projektziele dadurch gefährdet werden. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist die Einbindung der Entscheider in die Organisation. Das kann z.B. durch die Einrichtung eines Steuerkreises mit der Geschäftsführung, den Linienvorgesetzten sowie Vertretern relevanter Stabsabteilungen geschehen (vgl. dazu auch 3.2.3.2) oder die Nutzung schon existierender Steuerkreise auch für diese Art von Projekten (Abbildung 5-7). Wichtig ist dabei, all diejenigen Organisationseinheiten mit einzubinden, die von den Veränderungen betroffen sind, damit vermeidet man unnötige Konflikte Reibungsverluste. Sind vom Gestaltungsprojekt auch externe Partner betroffen (z.B. Kunden oder Lieferanten), so sollten diese selbstverständlich auch eingebunden werden, gegebenenfalls durch die Gründung eines neuen Steuerkreises mit externer Beteiligung. In 2.4.11. wurde schon darauf hingewiesen, wie wichtig klare Absprachen zwischen dem Auftraggeber (der Geschäftsführung) und dem Projektleiter sind. Auch in diesem Fall sollten diese Absprachen in einem Dokument („Projektauftrag“) festgehalten werden, das Ziele, Aufgabenstellung, erwünschte Ergebnisse, Voraussetzungen und Projektorganisation regelt. In diesem Fall kommt es insbesondere darauf an, dass die Rechte („Kompetenzen“) und Pflichten („Verantwortlichkeiten“) zwischen Projekteiter und Steuerkreis klar abgestimmt sind, da es sonst schnell zu Konflikten kommen kann. Zu den wichtigsten Kompetenzen zählen dabei insbesondere die Entscheidungsund Weisungsbefugnisse, Möglichkeiten zur Eskalation in Richtung Steuerkreis oder Geschäftsführung sowie die Zuordnung von bestimmten Ressourcen (z.B. Schlüsselpersonal) für die Dauer des Projekts.
328
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
Abbildung 5-7: Steuerkreis für Gestaltungsprojekt
Organisation
Geschäftsführung Personal
Projektmanagement
Marketing, Vertrieb
Forschung, Entwicklung
Fertigung, Montage
Lieferung, Logistik
...
Einkauf
...
PL 1
Kunde
PL 2
PL 3
PL 4
Lieferanten und Partner
Auch wenn der Projektauftrag in dieser Phase voraussichtlich nur grobe Eckpunkte beinhaltet, stellt er doch eine wichtige Grundlage für die Arbeitsbeziehungen und das Vertrauen zwischen Auftraggeber und Projektleitung dar. Der Projektauftrag sollte in diesem Fall auch Aussagen zu den Risiken, den Auswirkungen auf das Projekt sowie möglichen Konsequenzen beinhalten. Schließlich sollte ein Projektstartworkshop (vgl. 2.4.5) eingeplant werden, in dem der Projektleiter das Kernteam über die wichtigsten Aspekte des Projekts informiert und gemeinsam mit dem Team die (grobe) Planung erstellt. Inhalte der Planung können z.B. die Abgrenzung der Projektergebnisstruktur (vgl. 2.4.7), die Projektstruktur mit den Teilprojekten und Arbeitspaketen (vgl. 2.5.3), ein Meilenstein- und Terminplan (vgl. 2.4.8 und 2.5.5) sowie einen Ressourcenbedarfs- und Kostenplan sein. Auf Basis dieser Planung kann das Projektteam dann detailliertere Betrachtungen von Chancen und Risiken vornehmen. Dabei spielen bei der Veränderung von Aufbau- und Ablauforganisation oft vielfältige Ängste der Beschäftigten und daraus resultierend Widerstände eine Rolle. Deshalb sollte in der Planung auch die Kommunikation mit den Betroffenen berücksichtigt werden. Einerseits erfordert diese Kommunikation Zeit und sollte deshalb großzügig im Terminplan vorgesehen werden, andererseits ist bei Veränderungsprojekten über das normale Maß an Kommunikation hinaus Projektmarketing zu betreiben.
329
5.3
5.3.2
Bestandsaufnahme und Standortbestimmung
Mit der Bestandsaufnahme und der Standortbestimmung wird ein differenziertes Bild der Ausgangssituation im Projektmanagement gezeichnet, auf dem dann die nächsten Schritte der Soll-Konzeption und Realisierungsplanung aufbauen. Dabei sollten die Anforderungen diverser Anspruchsgruppen („Stakeholder“) möglichst vollständig identifiziert und für die Ausgestaltung des Projektmanagements nutzbar gemacht werden. Projekte sind zweckorientierte, soziale, dynamische, offene und komplexe Systeme, deren Verhalten nur im Kontext bzw. im Wechselspiel mit der relevanten Umwelt verstanden werden kann. Dabei sind drei Schichten zu unterschieden: 1.) der unmittelbare Projektkontext, 2.) das Unternehmensumfeld und 3.) verschiedene Umweltsphären (vgl. Abbildung 5-8). Alle drei Schichten haben direkt - und indirekt - Auswirkungen auf die Projektarbeit und sollten deshalb eingehend analysiert werden.
Abbildung 5-8: Einflussfaktoren für die Projektarbeit 255 Gesellschaft Natur
Technologie Wirtschaft
Wettbewerber
Unternehmensumfeld
Kapitalgeber
(Strategie, Prozesse, Struktur, Unternehmenskultur)
Projektkontext n Projektkontext (Auftraggeber/Anspruchsgruppen, Projektauftrag, Risiken, weitere interne und externe Einflüsse)
Projekt
Lieferanten
Definition & Planung
Ressourcen
Steuerung
Kunden Abschluß
Linienorganisation, Tagesgeschäft
Staat
Anspruchsgruppen des Unternehmens
255 Rietiker (2006), S. 53
330
Ressourcen
Produktentstehung
Interaktion
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Rolle im Projekt
Rollen des Individuums
Rolle(n) in Linie
Rollen im Privatleben
Mitarbeitende
Öffentlichkeit
Umweltsphären des Unternehmens
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
Die Anspruchsgruppen bzw. Anforderungen der externen Umwelt an die Projektarbeit sind vielfältig. Die folgende Auflistung zeigt nur einen kleinen Ausschnitt aus den Anspruchsgruppen und deren Anforderungen:
Verbraucher: Qualitativ hochwertige und zuverlässige Fahrzeuge in kurzer Zeit zu günstigen Preisen
Kunden: Qualitativ hochwertige Leistungen in kurzer Zeit zu günstigen Preisen bei einer möglichst reibungslosen Zusammenarbeit
Bewerber: Interessante Aufgaben in einem attraktiven Umfeld mit beruflicher Perspektive
Kapitalgeber: lukrative Investments mit möglichst geringen Risiken und interessanten Entwicklungsperspektiven
Öffentlichkeit: Innovative Technologien mit einer hohen Umweltverträglichkeit und sparsamen Ressourceneinsatz
Staat: Einhaltung von Gesetzen, Richtlinien, Normen und Standards, insbesondere im Hinblick auf Wirtschaftlichkeit, Umweltverträglichkeit und Sicherheit
Lieferanten: Berechenbarkeit in der Zusammenarbeit, klare Vorgaben bezüglich Lieferungen und Leistungen, wirksame Synchronisation bei lukrativen Preisen
Wettbewerb: Differenzierung im Wettbewerbsumfeld in Bezug auf Technologien, Leistungen, Produkte und Preise Damit wird deutlich, dass (wie schon in 1.2 ausgeführt) der Handlungsspielraum für die Unternehmen der Automobilindustrie stark eingeschränkt wird und vor allem Effektivität („Wirksamkeit“) und Effizienz („Wirtschaftlichkeit“) in der Projektabwicklung gefragt sind. Darüber hinaus stellen Kunden projektspezifische Anforderungen, so z.B. den Einsatz des V-Modell XT bei der Entwicklung von elektronischen Systemen mit der dazugehörigen Software unter Einsatz von Automotive SPICE (Software Process Improvement and Capability Determination) geprüften Entwicklungsprozessen. Je nach Einflussstärke der Anspruchsgruppen und projektspezifischen Besonderheiten (u.a. Projektart, -umfang und -inhalt) nimmt der Druck auf die Organisation zu, das Projektmanagement auf diese Anforderungen auszurichten. Auch das unternehmensinterne Umfeld kann Anforderungen an das Projektmanagement stellen, beispielsweise:
Geschäftsführung: Größtmögliche Zufriedenheit der Stakeholder bei bestmöglicher Erreichung der Projektziele unter minimalem Ressourceneinsatz
Mitarbeiter: Interessante Aufgaben in einem herausfordernden Umfeld mit beruflichen Entwicklungsperspektiven
Fachabteilungen: Optimaler Einsatz spezifischen Ressourcen ohne Machtverlust 331
5.3
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Für das unternehmensinterne Umfeld ist demnach besonders wichtig, dass Strategieund Projektarbeit aufeinander abgestimmt, die Ziele gemäß Vorgaben erreicht und wichtige Stakeholder (extern wie intern) zufriedengestellt werden. Natürlich spielen hierbei auch Effektivität und Effizienz eine Rolle. Darüber hinaus sind aber auch Entwicklungschancen für die Mitarbeiter sowie das Miteinander von Linie und Projekten wichtig. Weitere Anforderungen können aus dem Managementsystem des Unternehmens, der Risikopolitik, den Bilanzierungs- und Buchhaltungssystemen sowie der Informations- und Kommunikationstechnologie erwachsen. Damit werden die vielfältigen Wechselwirkungen deutlich, die zwischen der Projektarbeit und dem unternehmensinternen Umfeld bestehen. Schließlich kann auch der unmittelbare Projektkontext Anforderungen an das Projektmanagement stellen, so zum Beispiel:
Auftraggeber: Reibungslose Projektabwicklung bei größtmöglicher Transparenz im Rahmen der Zielvorgaben
Projektmanager: Herausfordernde Projekte im Rahmen der vorgegebenen Projektziele bzw. Anforderungen erfolgreich abwickeln und sich dabei weiterentwickeln können
Projektteam: Klarheit bezüglich der Aufgaben und Verantwortlichkeiten sowie hilfreiche Methoden und Tools, Anerkennung für gezeigte Leistungen, Entwicklungsperspektiven sowie Unterstützung bei auftretenden Problemen Im unmittelbaren Projektkontext spielen also vor allem Aspekte wie Koordination, Kooperation und Kommunikation eine Rolle, darüber hinaus werden aber auch Anforderungen aus dem unternehmensinternen Umfeld oder der externen Umwelt auf das Projekt übertragen. Für die Standortbestimmung sollten alle relevanten Einflussfaktoren und Stakeholder identifiziert, deren Erwartungen an das Projektmanagement analysiert und hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die Gestaltungsaufgabe bewertet werden. Schließlich kann die eigentliche Standortbestimmung („IST-Analyse“) durchgeführt werden. Dies kann im Rahmen eines umfangreichen Fremd-Assessments erfolgen (vgl. 5.2.3) oder mit Hilfe eines „PM-Quick-Check“ (vgl. Abbildung 5-9). Beim „PM-Quick-Check“ beantworten Mitarbeiter der Organisation aus unterschiedlichen Perspektiven (u.a. Mitarbeiter aus Projektgeschäft, Linie, Geschäftsführung und Vertrieb) einen Fragenkatalog mit sieben Dimensionen (Strategie/Struktur/Kultur, Prozesse/Standards, Methoden/Tools, Mitarbeiter, Führung, Partnerschaften sowie Innovation/Lernen) und jeweils sechs Fragen. Dabei wird bei jeder Frage nach der Bedeutung des Themas („Gewichtung“), nach der Existenz von Standards bzw. Lösungsansätzen und der tatsächlichen Umsetzung im Arbeitsalltag gefragt. Das Verfahren benötigt nur einen geringen Aufwand.
332
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
Abbildung 5-9: Beispiel: Ergebnisse eines PM-Quick-Checks
Die Analyse kann aber auch nur einzelne Bereiche abdecken, so z.B. die PM-Prozesse, die organisatorische Strukturen in der Projektarbeit, die eingesetzten PM-Methoden und Tools, die Kommunikation und Kooperation sowie die Projektkultur. 256 Auf die zahlreichen Analysewerkzeuge und –methoden kann an dieser Stelle nicht weiter eingegangen werden, in der einschlägigen Literatur 257 finden sich hier wertvolle Hinweise. Die Ergebnisse aus Bestandsaufnahme und Standortbestimmung als Basis für die SollKonzeption. Sie zeigen (selbst)kritisch Stärken und Schwächen im Projektmanagement sowie den Verbesserungsbedarf auf. Die identifizierten „best practices“ können für die weitere Ausgestaltung des Projektmanagements genutzt werden.
5.3.3
Soll-Konzeption und Realisierungsplanung
Die Soll-Konzeption beschreibt den aus verschiedenen Alternativen ausgewählten und abgestimmten Lösungsansatz, der realisiert werden soll. Die Realisierungsplanung bildet die wichtigsten Aktivitäten unter Berücksichtigung der jeweiligen Rahmenbedingungen sowie die hierfür notwendigen Terminen, Ressourcen und Budgets ab. Die Realisierungsplanung sollte die vielfältigen Risiken und Widerstände berücksichtigen.
256 vgl. Zell (2009), S. 161 257 vgl. Andler (2008)
333
5.3
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Bei der Erarbeitung der Soll-Konzeption kommt es darauf an, das vorhandene Knowhow der Organisation zu nutzen und möglichst viele Mitarbeiter zu beteiligen. Die Implementierung neuer Lösungen scheitert nämlich oft an dem „not invented here“ Syndrom, d.h. die Mitarbeiter identifizieren sich nicht mit den neuen Lösungen bzw. lehnen diese sogar ab. Das Veränderungsprojekt wird erfolgreich sein, wenn die Mitarbeiter möglichst früh in den Veränderungsprozess eingebunden werden, wenn sie den Sinn und den Nutzen für die Organisation und sich selbst verstehen, und wenn ihre Rolle als Experten durch die Beteiligung anerkannt wird. Welche Mitarbeiter in welcher Phase des Projekts mit welcher Rolle eingebunden werden hängt sicherlich von der Analyse der Ausgangssituation, der Abgrenzung des Betrachtungsbereichs, dem Themenbereich sowie den Ergebnissen der Standortbestimmung ab. Im Rahmen dieses Buches können die Gestaltungsansätze nicht erschöpfend behandelt werden, im Folgenden werden deshalb einige Ansätze exemplarisch aufgezeigt, für eine Vertiefung sei auf die Literatur verwiesen.
5.3.3.1
Strategischer Fit des Projektmanagements
Projekte sind kein Selbstzweck, sie dienen in der Regel zur Umsetzung der Strategie. Allerdings wurde erst in den letzten Jahren dem Zusammenspiel von Strategie- und Projektarbeit vermehrt Aufmerksamkeit geschenkt. In der Praxis sind Synergien zwischen beiden Disziplinen eher noch die Ausnahme. Zu unterschiedlich sind wohl die Aufgabenstellungen, Ausbildungen, Kompetenzen, Interessen und Zielsetzungen der Beteiligten (vgl. Abbildung 5-10).
Abbildung 5-10: Unterschiede zwischen Strategie- und Projektarbeit 258 Strategisches Management
Projektmanagement Strategieumsetzung
Unternehmenssicht Wettbewerbsvorteile, Fähigkeiten Top Management
Projekterfolg (Zeit, Kosten, Umfang) Projekt-/Programmleiter
Formierung, „evolutionär“
Implementierung, „linear“
Unpräzise, oft informelle strategische Prozesse
„Handwerk“, Ingenieurwissenschaften
Balance zwischen Stabilität und Wandel
258 Rietiker (2009), S. 39
334
Projektsicht
Veränderung
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
Die Strategie einer Organisation orientiert sich an den Anforderungen des externen Umfeldes und gibt eine „Marschrichtung“ für die anderen Funktionsbereiche vor. Die Aufgabenstellung des Strategischen Managements ist vielfältig und kann wie folgt definiert werden: „Das Strategische Management befasst sich mit der zielorientierten Gestaltung unter strategischen, das heißt langfristigen, globalen, umweltbezogenen und entwicklungsorientierten Aspekten. Es umfasst die Gestaltung und gegenseitige Abstimmung von Planung, Kontrolle, Information, Organisation, Unternehmenskultur und Strategischen Leistungspotenzialen.“ 259 Das Projektmanagement ist dagegen eher mit der operativen Umsetzung der strategischen Vorgaben beschäftigt. Projektarbeit und Projektmanagement werden aber in diesem Sinne in einen weiteren Kontext eingebunden. Projekte hängen von der Strategie ab, werden ausgelöst durch strategische Entscheidungen (z.B. Markteinführung eines neuen Fahrzeuges) und helfen, den „Strategischen Fit“ zwischen der Umwelt einer Organisation und deren langfristigen Ausrichtung herzustellen (vgl. Abbildung 5-11). Die Rolle des Projektmanagements wandelt sich dabei vom „Management von Projekten“, bei dem der Fokus auf der effizienten Abwicklung einzelner Projekte liegt, über das „Management durch Projekte“, bei dem eine Vielzahl von Projekten im Zusammenhang mit der strategischen Ausrichtung gesehen und entsprechend gesteuert wird, hin zu einem projektorientierten Unternehmen, bei dem Projekte als „Kerngeschäft“ und Projektmanagement als Führungskonzeption zur Steuerung des Unternehmens gesehen werden. 260 Begreift man das Projektmanagement als Führungskonzeption, dann ist insbesondere das Top-Management gefordert, Synergien zwischen der Strategie- und Projektarbeit, zwischen dem Strategischen Management und dem Projektmanagement zu schaffen. Hierzu ist eine enge Verknüpfung der operativen und strategischen Aufgaben nötig, und zwar auf personeller, struktureller, methodischer und kultureller Ebene. So sollten sich beispielsweise Vertreter des Top Managements bzw. der Strategieabteilung mit Vertretern des Projektmanagements treffen, um das Verständnis in Bezug auf die Ziele und Aufgaben der jeweils anderen Seite zu verbessern. Auch durch die strukturelle Verknüpfung von Strategie- und Projektarbeit können bestehende Hürden gesenkt und Synergien geschaffen werden, so z.B. durch die Verzahnung von Strategieplanung bzw. -steuerung mit den Planungs- und Steuerungsprozesse im Projektmanagement. So kann u.a. ein Projektmanagement-Office (PMO) diese Verzahnung gewährleisten und die Planung und Steuerung aller Vorhaben aus strategischer wie operativer Sicht koordinieren.
259 Bea/Hass (2005), S. 20 260 Bea/Scheurer/Hesselmann (2008), S. 23
335
5.3
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Abbildung 5-11: Strategischer Fit des Projektmanagements 261
Umfeldbedingungen • Globalisierung bei gleichzeitiger Wahrung lokaler Zusammenhänge • Weltweite Verteilung von Expertenwissen • Kürzere Technologielebenszyklen • Erhöhte wirtschaftliche Dynamik durch wechselseitige Vernetzung der Volkswirtschafen
Fit !
Wettbewerbsstrategische Ausrichtung • Globaler Anbieter • Lokale Markt- und Kundenausrichtung • Technologieführer • Hohes Kostenbewußtsein • Management flexibler Netzwerke • Systemanbieter und Systemintegrator
Anforderungen an die Unternehmen • Systematisches Wissensmanagement und Erhöhung der Innovationskraft • Flexibilität • Offenheit und Transparenz • Steigerung von Lern- und Entwicklungsfähigkeit • Empowerment der Mitarbeiter • Wertsteigerung
Entwicklungskontinuum des Projektmanagements
Management von Projekten
Management durch Projekte
Projektorientiertes Unternehmen
Hilfreich für die Verzahnung ist auch eine Abstimmung der verwendeten Methoden, so kann zum Beispiel die auf strategischer Ebene gebräuchliche Balanced Scorecard auch für die Projektarbeit nutzbar gemacht werden. Die Ziele können so top-down – von der Strategie über das Portfolio auf Projekte – aufeinander abgestimmt und im Gegenzug die Ergebnisse bottom-up verdichtet werden (vgl. Abbildung 5-12). Bei der kulturellen Zusammenführung von Strategie- und Projektarbeit geht es um die Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses, dass (strategische) Planung und (operative) Umsetzung zwei Seiten einer einzigen Medaille sind und dementsprechend zusammen gehören. Durch die funktionale Auftrennung in das strategische Management und das operative Projektmanagement haben sich nämlich Subkulturen gebildet, die nur mit Hilfe eines intensiven Dialogs zwischen den Beteiligten, durch die Erzeugung einer gemeinsamen Vision und die Entwicklung einer gemeinsamen Sprache wieder zusammengeführt werden können.
261 Bea/Scheurer (2009), S. 16
336
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
Abbildung 5-12: Verzahnung von Strategie und Projekten über die Balanced Scorecard
Viele Organisationen sind heute stark durch die Projektarbeit geprägt. Dennoch finden sich nur selten Aussagen zum Projektmanagement in der Vision, der Mission bzw. dem Leitbild. Damit vergibt die Organisation die Chance, die strategische Ausrichtung des Projektmanagements für interne wie externe Beteiligte (Kunden, Lieferanten, etc.) herauszustreichen. Mit Vision, Mission und Leitbildern formuliert das Top-Management, wie sie sich die Zukunft der Organisation vorstellt und zeigt damit den Beteiligten die Richtung auf. Die Vision ist ein Idealbild der Organisation. Sie ist eher langfristig ausgerichtet und deshalb in der Regel eher bildhaft vage. Das Management zeigt damit auf, wohin sich die Organisation zukünftig entwickeln soll. Die Mission beschreibt dagegen die Aufgabenstellung der Organisation und fokussiert die einzelnen Aktivitäten auf ein gemeinsames Ziel hin. Das Leitbild einer Organisation fasst wichtige Werthaltungen, Ansichten und Führungsgrundsätze zusammen. Vision, Mission und Leitbilder entfalten sowohl außerhalb der Organisation also auch intern ihre Wirkung. So prägen sie beispielsweise das Image einer Organisation am Markt: Kunden können erkennen, dass die Organisation projektorientiert ist und professioneller Projektabwicklung großen Wert beimisst, Lieferanten können erkennen, dass sie sich ebenfalls um ihr Projektmanagement kümmern müssen, wenn sie für diese Organisation arbeiten wollen und für Bewerber ist erkennbar, dass die Organisation interessante Aufgaben in Form von Projekten bietet. All das transportiert ein positives Image am Markt. Intern schaffen Vision, Mission und Leitbild Klarheit bezüglich der angestrebten Ziele und motiviert die Mitarbeiter, diese Ziele mit aller Kraft zu erreichen. Für das Management selbst stellen Vision, Mission und Leitbilder Vorgaben für die Strategieentwicklung und für wichtige Entscheidungen dar.
337
5.3
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
5.3.3.2
Synchronisation der Prozesslandschaft
Wenn man die Automobilindustrie mit anderen Branchen vergleicht (z.B. mit der Schienenfahrzeug- oder der Luft- und Raumfahrtindustrie), dann sticht insbesondere die hohe Stückzahl in der Automobilindustrie hervor. Diese sind auch der Grund, warum die auf Wiederholvorgänge ausgelegten Prozesse in der Automobilindustrie so wichtig sind - oft wichtiger als das auf Einmaligkeit ausgelegte Projektmanagement. Die Prozessorientierung ist ein genereller Trend in der Industrie. Hohe Anforderungen an die Flexibilität der Arbeitswelt haben deshalb bei vielen Organisationen die Abkehr von herkömmlichen, starren Strukturen eingeläutet und die Hinwendung zu einer ganzheitlichen, an Prozessen orientierten Sichtweise herbeigeführt. Die Einführung von Managementsystemen auf Basis der DIN EN ISO 9000 hat darüber hinaus zur Verbreitung der Prozessorientierung in Organisationen beigetragen. Prozesse und ihre Vorteile werden dort wie folgt beschrieben: „Jede Tätigkeit oder jeder Satz von Tätigkeiten, die beziehungsweise der Ressourcen verwendet, um Eingaben in Ergebnisse umzuwandeln, kann als Prozess angesehen werden… Ein erwünschtes Ergebnis lässt sich effizienter erreichen, wenn Tätigkeiten und dazugehörige Ressourcen als Prozess geleitet und gelenkt werden.“ 262 Auch im Projektmanagement setzt sich seit einigen Jahren die Prozessorientierung durch. Immer neue Prozessmodelle entstehen und beschreiben die Aktivitäten der Projektabwicklung von der Initiierung bis zum Abschluss. So beschreibt die deutsche Projektmanagement-Norm DIN 69901 im zweiten Teil ein vollständiges Prozessmodell für die Projektabwicklung sowie das Verhältnis dieser Projektmanagement-Prozesse mit den relevanten Führungs-, Unterstützungs- und Wertschöpfungs-Prozessen (vgl. Abbildung 5-13). 263 Obwohl Projekte Einmaligkeitscharakter haben, wiederholen sich einzelne Phasen, Arbeitsabläufe oder Tätigkeiten in Projekten, und lassen sich deshalb in Form von Prozessen abbilden. Der Projektmanager wählt zu Beginn seines Projekts die relevanten Prozesse („tailoring“) aus und passt diese an die projektspezifische Situation an. Projektmanagement-Prozesse können für bestimmte Projektarten (z.B. abhängig vom Projektvolumen, vom Risiko oder von der Bedeutung des Kunden) standardisiert werden. So finden sich bei Automobilzulieferern beispielsweise häufig standardisierte Prozessabläufe für Entwicklungsprojekte, für Serienteilprojekte, für Investitions- und Organisationsentwicklungsprojekte (vgl. hierzu auch 2.1). Allerdings wird vielfach nicht sauber zwischen den Projektmanagement-, den Wertschöpfungsprozessen (das „eigentliche Projekt“) und weiteren, in der Regel unterstützenden Prozessen (z.B. Einkauf, Personalwesen, Logistik) unterschieden. Darüber hinaus ist oft zu beobachten, dass Wertschöpfung und Projektmanagement nicht synchronisiert sind und mit Reibungsverlusten nebeneinander her laufen.
262 vgl. DIN (2005), S. 8 263 vgl. DIN (2009a)
338
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
Abbildung 5-13: Prozessmodell der DIN 69901-2
Die Gestaltungsaufgabe besteht nun darin, die für eine effiziente Projektabwicklung notwendigen Projektmanagement-Prozesse zu modellieren (z.B. auf Basis des umfangreichen Prozessmodells der DIN 69901-2) und anschließend möglichst optimal auf die gesamte Prozesslandschaft abzustimmen. So ist für die Koordination arbeitsteiliger Prozesse die Synchronisation der Projektmanagement-Prozesse mit den FührungsProzessen (z.B. über Freigaben oder Entscheidungspunkte) sowie den Unterstützungsund Wertschöpfungs-Prozessen (z.B. über Meilensteine, Quality Gates oder Synchronisationspunkte) nötig (vgl. 2.4.8). Anschließend sollten auch noch die Prozesse in Richtung externer Partner synchronisiert werden (vgl. 4.5.1).
5.3.3.3
Balancierung von Projekt- und Linienorganisation
In einer aktuellen Umfrage der Fachgruppe „Automotive-PM“ der GPM sind zwar 70% der Befragten der Meinung, dass in ihren Unternehmen eine Projektorganisation existiert, die Verantwortung für die Erreichung der Projektziele hat und über die hierfür nötigen Einsatzmittel (d.h. Budget und Ressourcen) verfügt, allerdings stimmen nur die Hälfte der Aussage zu, dass das Verhältnis zwischen der Projektorganisation und der Linie ausgewogen ist. Vielfach dominiert die Linie, weil sie traditionell über die Ressourcen verfügt, disziplinare Weisungsbefugnisse besitzt und oft eigenständig Aktivitäten entfaltet, die scheinbar in „Konkurrenz“ zur Projektabwicklung stehen. Je nach Bedeutung der Projektarbeit sollten Projekt- und Linienorganisation aufeinander abgestimmt und ausbalanciert werden.
339
5.3
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Arbeitsteilige Prozesse erfordern klare Regeln in Bezug auf die Aufgaben, Befugnisse und Verantwortlichkeiten der Beteiligten. Sonst kommt es unweigerlich zu Reibungsverlusten. Projekte sind zeitlich befristete, temporäre Organisationsformen, die in besonderem Maße mit den permanenten Teilen der Organisation abgestimmt werden müssen. In der Praxis findet man − je nach organisatorischer Komplexität und Reife – unterschiedlichste Formen der Arbeitsorganisation vor. Erwähnenswert sind die formalen Formen der Aufbauorganisation – wie zum Beispiel die Stabs-Projektorganisation, die matrixförmige und die reine Projektorganisation (vgl. 2.2.3), übergeordnete Steuerungsgremien sowie Spezialformen wie das Projekthaus, das Project Office und das Projektmanagement-Office (vgl. 3.2.2). Die Vernetzung mit externen Partnern erhöht die organisatorische Komplexität und erfordert zusätzliche organisatorische Vorkehrungen (vgl. 4.2). Das Organigramm ist der Versuch, die Aufbauorganisation grafisch abzubilden (vgl. 2.2.2), allzu oft sind die horizontalen und vertikalen Abhängigkeiten so verschachtelt, dass visuelle Darstellungsformen schnell an ihre Grenzen stoßen. Die Koordination arbeitsteiliger Prozesse („Ablauforganisation“) in komplexen organisatorischen Strukturen kann durch die Klärung projektspezifischer Rollen mit den dazugehörigen Aufgaben, Befugnissen und Verantwortlichkeiten erfolgen (vgl. 2.2.4). Allerdings stellt sich in der Praxis oft das Fehlen klarer Rollenbeschreibungen mit den wechselseitigen Abhängigkeitsverhältnissen als Defizit heraus. Infolgedessen entscheiden vielfach informelle Strukturen, Machtspiele und Mikropolitik über Erfolg und Misserfolg in der Projektarbeit. Die Gestaltungsaufgabe zielt deshalb auf die frühzeitige Klärung der formalen Arbeitsbeziehungen und der Rollenprofile. Diese können gegebenenfalls für immer wiederkehrende Projektarten standardisiert werden, um die Transparenz zu erhöhen und den Abstimmungsaufwand zu senken. Dabei sollten Anforderungen der Linienorganisation (u.a. effizienter Einsatz knapper Ressourcen) genauso berücksichtigt werden wie die des Projekts (u.a. flexibles Agieren bei dynamischen Veränderungen).
5.3.3.4
Schaffung einer projektfreundlichen Kultur
Kultur kann definiert werden als „die gemeinsam erlernten Werte, Überzeugungen und Annahmen, die für selbstverständlich gehalten werden.“ 264 Sie manifestieren sich auf drei Ebenen (vgl. Abbildung 5-14). Die oberste Ebene beschreibt Artefakte, also alles was man sehen, hören oder spüren kann, wie z.B. ein Logo, ein Slogan, eine bestimmte Farbe oder „offene Türen“. Auf der zweiten Ebene sind öffentlich propagierte Werte zu beobachten, beispielsweise Strategien, Ziele oder Philosophien. Das Verhalten der Mitarbeiter wird stark durch eine tiefer liegende Denk- und Wahrnehmungsebene gesteuert, nämlich die der unausgesprochenen, unbewussten Annahmen.
264 Schein (2003), S. 35
340
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
Abbildung 5-14: Die drei Ebenen der Unternehmenskultur 265
Artefakte
Öffentlich propagierte Werte
Grundlegende unausgesprochene Annahmen
Sichtbare Organisationsstrukturen und –prozesse (schwer zu entschlüsseln)
Strategien, Ziele, Philosophien (propagierte Rechtfertigungen)
Unbewusste, für selbstverständlich gehaltene Überzeugungen, Wahrnehmungen, Gedanken und Gefühle (letztlich die Quelle der Werte und des Handelns)
Durch die Arbeit in und mit Projekten entwickelt sich eine projektspezifische Kultur. Diese wird vor allem von der zeitlichen Begrenzung der Projekte geprägt („temporäre Projektorganisation“). Das Projektteam bearbeitet eine „einmalige“ Aufgabenstellung in einem vorgegebenen Zeitrahmen. In der Linie („permanente Organisation“) werden dagegen Routineaufgaben erledigt, die auf Kontinuität und Wiederholung setzen. Projekte werden deshalb oft als Störgröße erlebt. Sie stören die Kontinuität, bringen „Unruhe“ in die Organisation und unterbrechen „althergebrachte“ Abläufe. Darüber hinaus versucht die Linie, Risiken möglichst zu vermeiden. Zu diesem Zweck werden Regelungen wie z.B. Verfahrensanweisungen, Handbücher und Formblätter eingeführt. In Projekten gehören Risiken dagegen zum Alltag, Risiken werden als etwas Normales betrachtet und entsprechen behandelt. Ähnliche Unterschiede existieren im Umgang mit Veränderungen und Dynamik. Die Linie ist mit ihren Strukturen und Abläufen eher auf Stabilität und Beständigkeit ausgerichtet, wohingegen sich Projekte allein schon durch ihre Aufgabenstellung durch eine hohe Veränderlichkeit auszeichnen. Die jeweiligen Mitarbeiter stellen sich mit ihrem Denken und Handeln darauf ein. Kundenbezogene Projekte erfordern eine weitgehende Außenorientierung des Projektteams und damit eine Umstellung der auf die Innensicht fokussierten Linienkultur. Hierarisch ausgerichteten, oftmals starren Linienorganisationen stehen flexible, nach außen geöffnete Projektorganisationen gegenüber, die sich durch ein hohes Maß an Kundenorientierung auszeichnen. 265 Schein (2003), S. 31
341
5.3
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Aber auch bei der Zusammenarbeit im Inneren gibt es Unterschiede. So setzt Führung in der Linie auf geregelte Unterstellungsverhältnisse und Macht, wohingegen die Projektleiter weitgehend ohne Macht (d.h. disziplinarer Macht) führen. Deshalb wird in Projekten auch verstärkt auf Selbstorganisation und Teamwork gesetzt. Tabelle 5-1 fasst die wichtigsten Unterschiede der beiden Kulturen noch einmal zusammen.
Tabelle 5-1:
Einige Unterschiede zwischen Projekt- und Linienkultur
Projekt
Linie
temporär
permanent
einmalig
wiederholend
riskant
sicher
veränderlich
stabil
offen
geschlossen
nach außen gerichtet
nach innen gerichtet
flexibel
starr
selbstorganisiert
hierarchisch
In Organisationen kommt es aufgrund der aufgezeigten kulturellen Unterschiede zwischen Linien- und Projektorganisation - abhängig von der Entwicklungsgeschichte, der Führungsphilosophie, dem konkreten Führungsverhalten sowie der tatsächlichen Machtverteilung - häufig zu kulturellen Differenzen und Konflikten. Je komplexer die umgebende Organisation (z.B. internationaler Großkonzern), umso gravierender die kulturellen Unterschiede und die daraus resultierenden Reibungsverluste. Eine Studie zur Bedeutung der Unternehmenskultur bestätigt die immer größere Bedeutung der Kultur für den wirtschaftlichen Erfolg, allerdings zeigen die Ergebnisse auch, dass nur selten die nötigen Konsequenzen aus dieser Erkenntnis gezogen werden. 266 Wichtigste Gestaltungsaufgabe ist, die unterschiedlichen Kulturen im jeweiligen Kontext mit deren Bedeutung und Zielsetzung aufzuzeigen und für ein „Nebeneinander“ anstatt dem häufig anzutreffenden „Gegeneinander“ zu werben. Sicherlich ist es nicht leicht, Unternehmenskultur zu analysieren, sie „aufzudecken“ und zu beeinflussen. Die Kultur einer Organisation ist auch nicht so einfach zu verändern wie die Prozesse und die Strukturen. Allerdings gibt es heute eine Anzahl von Verfahren, mit denen sich Kultur über alle drei Ebenen hinweg beschreiben lässt und somit für Veränderungen zugänglich wird. 267 266 Leitl/Sackmann (2010), S. 36-45 267 vgl. Nerdinger (2007)
342
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
Die Verfahren decken unterschiedliche Annahmen und Sichtweisen in den Subkulturen auf und erleichtern die Aufgabe für Management und „Kulturschaffende“ (z.B. Organisations- und Personalentwicklung), kulturelle Unterschiede erklärbar zu machen und im Sinne einer gemeinsamen Zielsetzung aufeinander abzustimmen. So kann beispielsweise das Bild von Linienmanager bezüglich der Projekte („stören“ die Routine und Ordnung der Linie) in den Gesamtkontext der Organisation eingeordnet werden. Auf der anderen Seite sehen Projektmanager und ihre Teams die Linie oft als Hüter der Ordnung, die den Erfolg im Projekt zu „verhindern“ suchen, um ungestört ihren eigenen Geschäften nachgehen zu können, obwohl die Linie doch wichtiger Know-how- und Ressourcenlieferant für das Projekt ist. Es gilt also beide Sichtweisen im Sinne einer „projektfreundlichen Kultur“ in der Gesamtorganisation zu verankern. Dabei sollte oberstes Ziel sein, wichtige Vorhaben im Rahmen der vereinbarten Termine, Kosten und Qualitätsanforderungen zum Wohle der gesamten Organisation realisieren zu können.
5.3.4
Implementierung und Erfolgskontrolle
Die Einführung bzw. Implementierung neuer Projektmanagement-Lösungen ist ein komplexer Veränderungsprozess, der sorgfältig vorbereitet, gemeinsam mit allen Beteiligten geplant und behutsam umgesetzt werden sollte. Die Veränderung einer Organisation bedeutet nämlich Veränderung eines komplexen sozialen Systems, wobei Ansatzpunkte auf unterschiedlichen Ebenen des sozialen Systems liegen: 268
Veränderung einer komplexen Organisation ist immer Veränderung bezüglich der Personen: im Verlauf des Veränderungsprozesses werden einige der bisherigen Stakeholder Einfluss und Macht verlieren, neue Stakeholder werden das System stärker bestimmen
Veränderung einer komplexen Organisation bedeutet stets auch die Veränderung subjektiver Deutungen: die entwicklung einer gemeinsamen Vision, die Identifikation mit der Organisation, die Vermittlung des Veränderungsprozesses an die MitarbeiterInnen, die Entwicklung eines neuen Führungsverständnisses
Veränderung einer komplexen Organisation ist zudem immer Veränderung von Regeln: Das kann die formalen Regeln der Aufbau- und Ablauforganisation betreffen, Veränderung von Regeln betrifft aber immer auch die impliziten Regeln
In jedem Veränderungsprozess spielen auch Werte und Rituale eine Rolle, sei es, Werte bewusst zu machen oder neue Werte in den Mittelpunkt zu stellen, sei es, Veränderungen durch Rituale zu stützen
268 König/Vollmer (2008), S. 374-375
343
5.3
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Veränderung einer komplexen Organisation bedeutet in der Regel Unterbrechung von Regelkreisen: Regelkreise stabilisieren soziale Systeme und stehen damit Veränderungen entgegen. Veränderung einer Organisation schließt damit die Veränderung von Regelkreisen ein: neue Lösungen zu finden und umzusetzen, die die bisherigen Muster unterbrechen
Veränderung einer komplexen Organisation betrifft immer auch die Beziehung zur Systemumwelt: Dazu gehören mögliche räumliche und technische Veränderungen
Veränderung einer komplexen Organisation ist stets gekennzeichnet durch eine unvorhersehbare Entwicklung: Kein Veränderungsprozess verläuft geradlinig, sondern es treten meistens unvorhergesehene Probleme auf. Die Ausgestaltung der Organisationalen Kompetenz im Projektmanagement hat also starke Veränderungen im gesamten Unternehmen zur Folge. Abbildung 5-15 zeigt beispielhaft einen solchen Veränderungsprozess bei einem Systemlieferanten, der von einer Linienorganisation auf ein projektorientiertes Unternehmen umgestellt wird. Der Prozess umfasst insgesamt 18 Schritte, wobei diese nicht linear ablaufen sondern durch Rückkopplungen miteinander verknüpft sind.
Abbildung 5-15: Beispiel: Veränderungsprozess
PM-Kultur 18. PM-Anwendung.... 17. PM-Trainings, -Coaching.... 16. PM-Assessments 15. KickOff/PR für Rollout 14. PM-Geschäftsprozess dokumentieren 13. PM-Office/Projektcontrolling installieren 12. PM-Karriere verankern 11. Lenkungsausschuss f. Projekte einrichten 10. PM-Tafelrunde einrichten 9. Abstimmung Spielregeln 8. Entwicklung PM-Handbuch PM-(Pilot-) 7. Lastenheft Anwendung 6. Coaching Pilotprojekte 5. Stakeholder KickOff 4. Basisworkshops 3. Projektteam 2. Umsetzungskonzept PM-Regelwerk, Prozesse, Methoden, Werkzeuge 1. Analyse
344
Ausgestaltung der Organisationalen PM-Kompetenz
Der Veränderungsprozess sollte zunächst als Projekt aufgesetzt werden, allerdings ist darauf zu achten, dass nach Abschluss des Projekts ein Mitarbeiter für die Nachbetreuung zur Verfügung steht und ggf. weitere Veränderungen vornimmt. Dies ist auch eine wichtige Frage bei der Klärung der Verantwortlichkeiten für die Realisierung des Veränderungsprojekts. Soll das Projekt von einem externen Berater durchgeführt werden, oder mit internen Ressourcen? Für einen externen Berater sprechen die Unbefangenheit des Externen, das Einbringen neuer Ideen und Ansätze sowie die Entlastung eigener Ressourcen. Die Kehrseite der Medaille sind möglicherweise hohe Kosten, unangepasste Lösungsansätze mit Abwehrreaktionen bei den Betroffenen sowie die fehlende Nachbetreuung. Das Top-Management sollte den Veränderungsprozess selbst initiieren, aktiv kommunizieren und sichtbar die Gesamtverantwortung übernehmen. Für die Umsetzung sollte schließlich ein möglichst hochrangiger Ansprechpartner verantwortlich sein. Dafür kommen prinzipiell die Verantwortlichen für Projektmanagement, die Personalund Organisationsentwicklung sowie das Qualitätsmanagement in Frage. Gegebenenfalls auch ein Mitarbeiter aus dem PMO. Diese Person sollte jedenfalls möglichst langfristig für die Nachbetreuung des Projekts zur Verfügung stehen. Die Einbindung wichtiger Stakeholder spielt eine wesentliche Rolle im Veränderungsprozess (vgl. 5.3.2). So stellt sich zum Projektbeginn die Frage, welche Personen von den Veränderungen betroffen sind, welche Erwartungen diese Personen haben, ob sie dem Projekt positiv oder negativ gegenüber stehen und wer in das Projektteam aufzunehmen ist. Nicht zu unterschätzen ist auch die Vergangenheitsbetrachtung: wurde in den letzten Jahren schon Veränderungen am Projektmanagement vorgenommen? Mit welchem Resultat? Sind die Veränderungen erfolgreich abgeschlossen worden? Wenn nicht, warum nicht? Welche Bedeutung spielt das (interne/externe) Umfeld? Gibt es sonstige Einflüsse? Vor der Implementierung neuer Lösungsansätze ist es deshalb unbedingt erforderlich, (nochmals) eine Analyse der Ausgangssituation, der Umwelteinflüsse wie der relevanten Stakeholder durchzuführen, damit im Projektverlauf nicht unnötige Überraschungen oder Widerstände auftauchen. Diese Analyse setzt umfangreiche Kenntnisse in der systemischen Organisationsberatung voraus. 269 Vor Beginn der Implementierung sollte deshalb geklärt sein, ob das Projektteam über die nötigen Kompetenzen verfügt, genügend Zeit für die Implementierung eingeplant hat und auch die Ressourcen (Mitarbeiter, Budgets usw.) zur Verfügung stehen. Je nach Komplexität kann das Veränderungsprojekts auch in mehrere Teilprojekte unterteilt werden, die entweder nacheinander oder parallel abgewickelt werden. Schnelle, sichtbare Erfolge („Quick wins“) fördern die Bereitschaft für Veränderungen und sollten deshalb einer größeren Veränderung vorgelagert sein. Sie erleichtern auch die Bereitschaft des Top Managements, Ressourcen für die Implementierung freizugeben.
269 vgl. König/Vollmer (2008)
345
5.3
Nach Auftragsklärung (vgl. 2.4.3), Teambildung (vgl. 2.3.1) und Projektstartworkshop (vgl. 2.4.5) geht es an die Planung und Abstimmung des Umsetzungskonzepts. Abhängig von der Komplexität der Gestaltungsaufgabe können dabei vielfältige Interventionen, Unterstützungsleistungen (u.a. Consulting, Coaching oder Training) und Kommunikationsformen zum Einsatz kommen (vgl. Abbildung 5-16).
Abbildung 5-16: Beispiel: Umsetzungskonzept
2.Quartal
3.Quartal ----->
Coaching von laufenden Projekten mit Pilotanwendung von PM-Methoden
Internes Coaching Externes Coaching
Umsetzungskonzept
Projekte definieren Briefing + Interviews
Pilotprojekte
1.Quartal
PM-Prozess-Umsetzung
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Projekt Büro installieren (MA-Auswahl)
ProjektleiterWorkshops (Qualifizierung)
PM-Prozeßdoku erstellen (Methoden, Abläufe, Spielregeln etc.)
Definition Standard-PM-Prozess für Angebot und Abwicklung (Kernteam)
Pilottraining PM-Prozess
Trainings PM-Prozess VertiefungsWorkshop
Reviews m. Mgmt
VertiefungsWorkshop
Coaching aller neuen Projekte
Regelmäßige Abstimmung mit Führungskräften aus Projekt und Linie 4wöchentliche Statusbesprechung mit der Geschäftsführung (Auftraggeber)
Die Implementierung sollte eng mit dem Top-Management abgestimmt werden. Dazu bietet sich die Einrichtung eines Steuerkreises an (siehe auch 3.2.3.2 und 5.3.1). Dieser beauftragt den Projektleiter, trifft Entscheidungen, unterstützt den Projektleiter mit Rat und Tat und nimmt zum Schluß das Projekt ab. Der Projektleiter berichtet regelmäßig über den Projektfortschritt und eskaliert gegebenenfalls Konflikte und Probleme in den Steuerkreis. Der Steuerkreis kann insbesondere die Interessen des Projekts in der Linie durchsetzen, falls das Projektteam hier an seine Grenzen stößt. Allerdings sollte dieses Machtmittel nur in letzter Konsequenz zum Einsatz kommen, sonst sind Widerstände und Konflikte vorprogrammiert. Schon vor Beginn der Implementierung sollte das Top-Management klare Erwartungen hinsichtlich der Ergebnisse formulieren: Was soll nach der Implementierung erreicht sein? Woran kann die Organisation den Erfolg erkennen? Mit welchen Kriterien können die Ergebnisse überprüft werden? Welche Abbruchkriterien gelten, sollte die Implementierung nicht erfolgreich verlaufen? Die Erfolgskontrolle findet dann zum Abschluss der Implementierung mit Hilfe definierter Kriterien statt. Schließlich sind noch Abschlussaktivitäten einschließlich einer Erfahrungssicherung durchzuführen.
346
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.4
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
Allzu oft geschieht nach der Einführung oder Anpassung des Projektmanagements nichts mehr – trotz steigender Anforderungen an das Projektmanagement. So zeigt die aktuelle Umfrage der GPM-Fachgruppe „Automotive-PM“ sehr deutlich, dass nur bei einem Viertel der befragten Unternehmen der Reifegrad im Projektmanagement regelmäßig überprüft, kontinuierliche Verbesserungsmaßnahmen umgesetzt und abgeschlossenen Projekten gelernt wird. Als Gründe hierfür werden u.a. fehlende Zeit für die Umsetzung von Verbesserungsaktivitäten, andere Prioritäten im Tagesgeschäft, Angst vor Transparenz bzw. vor der Offenlegung von Schwächen und mangelhafte Nutzung des in Projekten generierten Wissens angeführt. Dabei besteht ein direkter Zusammenhang zwischen der Effektivität des Projektwissensmanagement und dem Projekterfolg: 270 „Unternehmen, die hohe Aktivitäten im Projektwissensmanagement aufweisen, erzielen signifikant höhere Erfolge bei der Durchführung von Projekten.“ Zur Verbesserung der Organisationalen Kompetenz im Projektmanagement können drei Arten von Wissen genutzt werden: Wissen im Projekt, Wissen über Projekte und Wissen aus Projekten (vgl. Abbildung 5-17).
Abbildung 5-17: Wissensarten und -flüsse 271 Allokation/ Anwendung
Projektwissensbasis Wissen aus Projekten ex post
Beispiele: Erfahrungen Problemlösungen Abläufe und Strukturen Endprodukte
Wissen im Projekt aktuell
Beispiele: Arbeitspakete Branchen Vorgehensweisen zur Projektdurchführung (fachlich, methodisch)
Wissen über Projekte aktuell
Beispiele: Fähigkeitsprofile Prozesse Methoden des Multiprojektmanagements
Prozesse organisationalen Lernens Organisatorische Wissensbasis
270 Gleich et al (2008), S. 50 271 Schindler (2001), S. 119
347
5.4
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Die drei aufgezeigten Wissensarten stellen also zentrale Hebel zur Verbesserung dar. Dazu ist es aber nötig, dass das Top-Management zuerst eine Strategie und Ziele für den Umgang und die Nutzung von Wissen in, über und aus Projekten definiert und kommuniziert. Beispielsweise welches Wissen besonders wichtig für die Organisation ist (u.a. Markt-, Kunden, Produkt- oder Prozesswissen), wann, wie, welches Wissen gesammelt und aufbereitet wird, wie dieses Wissen für die Verbesserung des Projektmanagements genutzt werden soll und wer dafür verantwortlich ist. Das TopManagement sollte eine zentrale Stelle einrichten, die alle Aktivitäten im Projektwissensmanagement plant und steuert, z.B. das Projektmanagement-Office, eine Person aus dem Projekt-, Qualitäts- oder Wissensmanagement bzw. eine Stabs- oder Linienfunktion. Darüber hinaus sollten folgende Voraussetzungen geschaffen werden: 272
Eine Vertrauenskultur im und zwischen Projektteams Fördern und Stattfinden von informeller Kommunikation Schaffen von Nutzenverständnis und Akzeptanz von Projektwissensmanagement bei Beteiligten
Einfordern von Wissensmanagement durch das Management Wissenscontrolling: Messen und Steuern der ProjektwissensmanagementAktivitäten und –Ergebnissen
Organisation des Projektmanagements: Projektmanagementmethodik und Qualifizierung der Projektbeteiligten
Organisation des Wissensmanagement: Institutionalisierung von zentralen Verantwortlichkeiten
Definition von Wissensprozessen und Verantwortlichkeiten in Projekten Zweckmäßige und benutzerfreundliche Systeme Systemunterstützung zur Speicherung von Wissen Systemunterstützung zur Kommunikation und Zusammenarbeit in Projekten Mechanismen und Regeln zur Aktivierung von Projekterfahrung Qualitätssicherung des Wissens und des Wissensmanagements Handlungs- und Entscheidungsfreiräume für Mitarbeiter in Projekten Fehlerkultur: konstruktiver Umgang mit Fehlern
272 Gleich et al (2008), S. 51
348
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
5.4.1
Wissen in Projekten zur Verbesserung nutzen
In Projekten wird auf vielfältige Weise Wissen erworben. Bei „Wissen in Projekten“ handelt sich um aktuelles, tätigkeitsbezogenes Wissen aus eine operativ-ausführenden Perspektive, das einerseits in der Projektarbeit selbst, und andererseits auch für die kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen Kompetenz genutzt werden kann. Aufgrund ihrer spezifischen Eigenschaften sind Projekte besonders lernförderlich: 273
Die große Interdisziplinarität von Projektteams begünstigt das Lernen Die Komplexität und Neuartigkeit von Projekten kann das Problemverständnis und die Problemlösungskompetenz innerhalb des Projektteams fördern
Das gemeinsame Projektziel begünstigt das kooperative Lernen und fokussiert die Lernaktivitäten auf dieses Ziel hin
Die weitgehende Autonomie und relativ große Freiräume von Projektteams unterstützen Innovation und Kreativität
Die hohe Interaktionsdichte in Projektteams ermöglicht eine schnelle Rückkopplung von Lernerfahrungen
Die relativ flachen Hierarchien begünstigen schnelle Entscheidungen und eine rasche Umsetzung der Lernerkenntnisse Wie kann nun die Organisation das „Wissen in Projekten“ nutzen? Projekte können bewusst initiiert werden, um spezielle Aufgabenstellungen bzw. Probleme zu lösen und die oben dargestellten Potenziale auszunutzen. Darüber hinaus können Projekte als kreatives Lernfeld zur Entwicklung innovativer Lösungsansätze dienen – eine Form des „learning on the job“. Durch eine geschickte Durchmischung des Projektteams mit erfahrenen und unerfahrenen Mitarbeitern kann Personalentwicklung auf Basis konkreter Projektarbeit („erfahrungsbasiert“) erfolgen. Abhängig vom Reifegrad der Organisation können Projekte auch als Experimentierfeld zur Entwicklung bzw. Erprobung neuer Prozesse, Strukturen, Methoden und Tools genutzt werden.
5.4.2
Wissen über Projekte zur Verbesserung nutzen
Hierbei handelt es sich um aktuelles Wissen aus institutioneller Projektmanagementbzw. operativ-informierender Perspektive, so z.B. Wissen über die Kompetenzen der Mitarbeiter, Projektmanagement-Prozesse, -Standards, -Methoden und -Tools. Dabei ist sowohl die Sicht auf das Management einzelner Projekte wie auch das Management mehrerer Projekte von Interesse.
273 in Anlehnung an: Schindler (2001), S. 46 f.
349
5.4
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Das in 5.2.3 vorgestellte Assessment ist eine Möglichkeit zur Bestimmung des Statusquo im Projektmanagement und zur Ableitung von Verbesserungsmaßnahmen. Je nach Wissenszielen und –strategie können einzelne Bereich besonders intensiv beleuchtet werden, so z.B. die Aufbau- oder die Ablauforganisation. Besonders nützlich ist die Identifikation von „best practices“ in der Organisation. Diese sind sowohl als Referenz für externe Kunden wie auch für interne Verbesserungsaktivitäten hilfreich. So können Vertreter aus dem Bereich der „best practice“ andere Bereiche bei der Verbesserung des Projektmanagements unterstützen. Diese werden aufgrund des Praxisbezugs eine viel höhere Akzeptanz genießen als Stabsmitarbeiter oder externe Berater. Best practices können auch für Schulungszwecke genutzt werden. Eine weitere Möglichkeit zur Erhebung von Wissen über Projekte ist die Methode des „Benchmarking“, ein „Prozess des (ständigen) Vergleichens und Messens der eigenen Organisation oder bestimmter (komplexer) Prozesse mit weltweit führenden anderen Organisationen oder Prozessen mit dem Ziel, die eigene Leistungsfähigkeit kontinuierlich zu verbessern.“ 274 Dazu ist wie beim Projektmanagement-Assessment ein Referenzmodell notwendig, mit dem beide Organisationen bzw. Organisationseinheiten verglichen werden. Aus den Unterschieden werden dann Erkenntnisse über den Verbesserungsbedarf abgeleitet. Schließlich kann auch durch die Verdichtung verfügbarer Messgrößen und –werte im Multiprojekt- bzw. Projektportfoliocontrolling (vgl. 3.4.4) die Performance im Projektmanagement analysiert und verbessert werden.
5.4.3
Wissen aus Projekten zur Verbesserung nutzen
Spätestens in der Projektabschlussphase sollte das „Wissen aus Projekten“ aufbereitet, dokumentiert und nutzbar gemacht werden (siehe 2.7). Der Projektleiter ist dafür verantwortlich, das Wissen direkt an das Top-Management (z.B. im Rahmen einer Abschlusspräsentation) bzw. an die zentrale Stelle (z.B. das ProjektmanagementOffice) zu berichten. Erst dann sollte der Projektleiter aus seiner Verantwortung für das Projekt entlassen werden. Gegebenenfalls kann ein Moderator den Projektleiter bei der Dokumentation bzw. Aufbereitung des Wissens unterstützen. In vielen Unternehmen ist der Begriff „Lessons learned“ für die Aufbereitung des Wissens aus Projekten bekannt. Nur selten wird darunter aber verstanden, dass eine konkrete Liste von Maßnahmen (wer macht was, womit bis wann und mit welchem Ergebnis?) erstellt und an den internen Auftraggeber oder die oben angesprochene zentrale Stelle zur Erledigung weitergegeben wird. Der Projektleiter und sein Team stehen in der Regel für die Umsetzung der „Lessons learned“ nicht mehr zur Verfügung, deshalb muss jemand aus der permanenten Organisation dafür verantwortlich gemacht werden.
274 Motzel (2006), S. 38
350
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
Doch warum das Wissen erst am Ende eines Projektes sammeln und auswerten? Bei lang andauernden Projekten ist vieles schon wieder vergessen, was im Projektverlauf passiert ist. Deshalb sollte das Wissen nicht nur in der Abschlussphase gesammelt und aufbereitet werden, sondern über den gesamten Projektverlauf hinweg. So eignen sich z.B. Statusbesprechungen dazu, das bis dahin gesammelte Wissen aufzubereiten, Verbesserungspotenziale zu identifizieren und konkrete Maßnahmen anzustoßen bzw. umzusetzen. Dazu reichen oft zehn Minuten auf der Agenda einer Statusbesprechung. Schließlich können stichprobenartig durchgeführte Projektaudits bzw. Projektreviews aus einer übergeordneten Perspektive Erkenntnisse über Verbesserungspotenziale in Projekten ergeben und zur Verbesserung des Projektmanagements genutzt werden. Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass die für die Durchführung des Audits verantwortlichen Personen nicht in das Projekt involviert sind und deshalb eine neutrale Perspektive einnehmen können, der Nachteil liegt im zusätzlichen Aufwand und möglicherweise auch im Misstrauen, das beim Projektteam erzeugt wird. Eine Möglichkeit zur Durchführung des Audits bietet das „Project Excellence Model“ der GPM. In den Audits wird nach der Anwendung von Projektmanagement und nach den erzielten Projektergebnissen gefragt. Die Projekte müssen deshalb abgeschlossen sein bzw. kurz vor dem Abschluss stehen. In beiden Bereichen können jeweils 500 Punkte erreicht werden. Das ausführliche Audit mit mehreren Stufen ermöglicht eine kritische Analyse eines einzelnen Projekts aus neutraler Sicht. Die Ergebnisse fließen dann in die Verbesserung des Projektmanagements ein (vgl. Abbildung 5-18).
351
5.4
5
Organisationale Kompetenz im Projektmanagement entwickeln
Abbildung 5-18: Project Excellence Model 275 PROJECT EXCELLENCE (1,000)
Projektmanagement (500)
Projektergebnisse (500)
Führung (80) Zielorientierung (140)
MItarbeiter (70)
Ressourcen (70)
Kundenzufriedenheit (180) Prozesse (140)
Mitarbeiterzufriedenheit (80) Zufriedenheit bei sonstigen Interessengruppen (60)
Innovation und Wissen
275 www.gpm-ipma.de
352
Zielerreichung (180)
Kontinuierliche Verbesserung der Organisationalen PM-Kompetenz
6
Fazit und Ausblick
Am Ende eines Buches über Projektmanagement in der Automobilindustrie wollen wir nicht noch einmal die Bedeutung des Themas für die Unternehmen der Branche hervorheben – wir haben das an vielen Stellen ausführlich getan. Oft fragen wir uns aber, warum es in der Praxis dennoch an der konsequenten Umsetzung scheitert. So haben mehr als die Hälfte der befragten Experten in unserer Studie zur Automobilentwicklung am Standort Deutschland das Projektmanagement als das Gestaltungsfeld mit dem größten Handlungsbedarf gesehen. 276 Dabei ist das Projektmanagement wahrlich keine neue Disziplin mehr. Verfahren und Methoden des Projektmanagements werden in Deutschland schon seit einigen Jahrzehnten gelehrt, in zahlreichen Weiterbildungsveranstaltungen vermittelt und von Beratern in Unternehmen eingeführt. Dennoch hat sich bislang der erwünschte Umsetzungserfolg in der Breite noch nicht eingestellt. Was sind die Gründe für den noch unzureichenden Reifegrad des Projektmanagements in der Automobilindustrie? Einige lassen sich aus unserer Erfahrung anführen, andere sicherlich noch weiter ergänzen: x
zunehmende (technologische wie organisatorische) Komplexität
x
unzureichende Weiterentwicklung der für Großprojekte in der Luft- und Raumfahrt ausgelegten Verfahren und Instrumente des Projektmanagements
x
geringe Anstrengungen zur Spezialisierung des Projektmanagements in der Automobilindustrie
x
veraltete Lehrinhalte/-methoden in der PM-Ausbildung an den Hochschulen ohne konkreten Bezug zur Praxis
x
Top-Managements misst dem Projektmanagement oft zu wenig Bedeutung bei 277
x
operative Hektik und Handlungsorientierung dominieren das Geschäft
Vielleicht konnte sich die Branche diese Versäumnisse bzw. Defizite bis heute noch leisten. Die Herausforderungen der kommenden Jahre werden den Unternehmen schnell deutlich machen, dass nur die konsequente Umsetzung des hier Behandelten sowie die stetige Weiterentwicklung des Erreichten das Überleben in der global konkurrierenden Welt der Automobilindustrie ermöglichen werden.
276 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 107 277 vgl. hierzu auch Schneider/Wagner/Wald (2009)
353
5.4
6
Fazit und Ausblick
6.1
Mit Projektorientierung und professionellem Projektmanagement zum Erfolg
Die Automobilindustrie ist heute immer noch stark von Spezialisierung, Taylorisierung und hierarchischem Denken geprägt, anstatt sich auf die rasanten Veränderungen der Gegenwart einzustellen. Mehr als hundert Jahre nach der Erfindung des Automobils, im Zeitalter der flexiblen Fertigung von immer neuen kundenspezifischen Fahrzeugvarianten, kommt der Projektorientierung immer stärkere Bedeutung zu. Dabei werden sogar Tugenden frühindustrieller Kleinbetriebe in der Herstellung von Automobilen wieder in Erinnerung gerufen: Der Kunde eines solchen Automobils war damals im direkten Kontakt mit dem „handwerklichen“ Betrieb und konnte den gesamten Werdegang „seines Autos“ mit verfolgen. Der Produktionsprozess war unmittelbar auf den Kunden ausgerichtet und hatte damit einen starken Projektcharakter. 278 Die zunehmende Modell- und Variantenvielfalt in der Automobilindustrie sowie die schier endlose Zahl an den vom Kunden beeinflussbaren Ausstattungsmerkmalen lässt die Vorteile der auf Wiederholungseffekten basierenden und mit der Effizienz begründeten arbeitsteiligen Massenproduktion in den Hintergrund treten. Neue, stärker am Kunden ausgerichtete Arbeitsformen sind notwendig und weisen den Weg in Richtung einer zunehmenden Projektorientierung. Schon 1982 haben Peters und Waterman in ihrem Bestseller „In Search of Excellence“279 die Abkehr von den tayloristischen Prinzipien und die konsequente Ausrichtung aller Geschäftsprozesse auf den Kundennutzen propagiert und damit der Projektorientierung den Weg bereitet. Die Veränderungen lassen sich wie folgt auf den Punkt bringen: „Projekte und Projektmanagement sind richtige Antworten der Unternehmen ... auf die Dynamik und die Veränderungen in ihrer Aufgabenumwelt. Die Fähigkeit zur effektiven Steuerung und Kontrolle von Neuerungsprozessen in der Qualität von »Quantensprüngen« und ihren Reaktionen darauf mittels Projekten und Projektmanagement ist kurzfristig für den Erfolg und langfristig für das Bestehen von Organisationen umso entscheidender, je vielschichtiger und dynamischer der Wandel abläuft. Diejenigen Organisationen, die diese Fähigkeiten als eine der ersten entfalten, somit das schnellste »organisationale Lernen« verwirklichen, werden die erfolgreichsten Unternehmen im globalen Wettbewerb sein.“ 280 Ist es nicht genau das, was alle Unternehmen wollen: erfolgreich im globalen Wettbewerb sein, sich einen Vorsprung sichern und damit die Grundlage für langfristiges Überleben in einer von Übernahmen geprägten Branche zu legen?
278 vgl. Balck (1996), S. 4 279 vgl. Peters/Waterman (1984) 280 Saynisch, M. (1995), S. 229 ff.
354
Mit Projektorientierung und professionellem Projektmanagement zum Erfolg
Übertragen wir diese Gedanken auf den bekannten Slogan eines Automobilherstellers, dann lautet die einprägsame Formel: „Vorsprung durch Projektmanagement!“ Wenn die Automobilindustrie so weiterarbeitet wie bisher, wird sie die kommenden Herausforderungen nicht meistern! Deshalb ist eine wirksame Neuausrichtung der Unternehmen im Sinne der Projektorientierung jetzt dringend nötig. Angefangen bei der Strategie, in der die klare Ausrichtung an der Projektarbeit zentral verankert ist und den Prozessen, die sich nicht so sehr der fachlichen Wertschöpfung widmen, sondern die Projektmanagementprozesse deutlicher hervorheben, eventuell sogar priorisieren. Dann gilt es natürlich auch die organisatorischen Strukturen innerhalb des Unternehmens sowie in Richtung der Kunden und Lieferanten an die Bedürfnisse des Projektmanagements anzupassen. Schließlich muss die Unternehmenskultur in der von uns an verschiedenen Stellen aufgezeigten Weise beeinflusst werden, so dass die Projektarbeit in einem positiven internen Klima und auch nach außen ohne größere Komplikationen erfolgen kann. Insgesamt gilt es also, den Stellenwert der Projektarbeit in den Unternehmen der Automobilindustrie deutlich zu erhöhen und dem Projektmanagement eine wesentlich zentralere Funktion zuzuweisen, als dies bislang der Fall ist. Ein Beispiel ist die Positionierung des Projektleiters im Unternehmen sowie entsprechende Kompetenzen und Entwicklungsmöglichkeiten (Karrierepfade). Uns ist bewusst, dass nicht alle Bereiche der Unternehmen von der Projektarbeit dominiert werden und dort noch immer fachliche „Routinearbeiten“ zu erledigen sind. Dies ändert aber nichts an der grundlegenden Aussage, dass wir einen klaren Wandel hin zum projektorientierten Unternehmen brauchen. Wir haben in den zentralen Teilen unseres Buches die grundlegenden Aspekte des Single-, Multi- und des Cross-Company-Collaboration-Projektmanagements aufgezeigt. Diese gilt es nun konsequent umzusetzen und als professionellen Standard in den Unternehmen zu etablieren. Nur wer dies schafft, wird für die kommenden Herausforderungen in der Automobilindustrie genügend vorbereitet sein. Darüber hinaus fragen wir uns, wie lange es sich die Automobilindustrie in Deutschland noch leisten kann, ohne klare PM-Standards - vergleichbar mit denen im Qualitätsmanagement - auszukommen. Gerade im internationalen Wettbewerb würde es der Branche in Deutschland gut anstehen, sich im Rahmen des VDA oder auf einer anderen Ebene zu treffen und einen Dialog über die wichtigsten Standards im Automotive-Projektmanagement zu beginnen. Vielleicht können sich die deutschen Unternehmen damit einen weiteren Vorteil sichern, den sie sich bereits auf Seiten der technologischen Innovationsfähigkeit erworben haben.
355
6.1
6
Fazit und Ausblick
6.2
Zukünftige Herausforderungen
Zum Schluss möchten wir es nicht versäumen, noch einen Blick in die Zukunft zu werfen und die wichtigsten Trends mit ihren Auswirkungen auf das Projektmanagement zu beleuchten. Denn eines ist sicher: die heute schon hohen Anforderungen an die Unternehmen der Branche werden weiter zunehmen, auch wenn nicht genau klar ist, wann welche Entwicklung mit welcher Wirkung zu spüren sein wird. Folgende Trends haben eine hohe Relevanz für das Projektmanagement in der Automobilindustrie:
weiter steigender Kosten- und Zeitdruck starker Zuwachs der internationalen Projektarbeit überproportionales Wachstum der Zahl von Fahrzeugprojekten zunehmende organisatorische wie technologische Komplexität der Projekte vermehrte Beachtung der „weichen“ Aspekte im Projektmanagement Wir nehmen deshalb zu jedem dieser Trends kurz Stellung und zeigen die aus unserer Sicht möglichen Auswirkungen auf.
6.2.1
Kontinuierliche Steigerung der Effizienz nötig
Die zahlreichen Sparprogramme bei Automobilherstellern wie -zulieferern zeigen, dass die Automobilindustrie in Deutschland immer neue Anstrengungen unternehmen muss, um im internationalen Umfeld wettbewerbsfähig zu bleiben. Eine zunehmend anspruchsvollere Kundschaft fordert attraktive Fahrzeugmodelle mit modernster Technik zum Preis des Vorgängermodells oder vergleichbarer Fahrzeuge. Die Hersteller sind deshalb gezwungen, bei steigender Modellvielfalt und sinkenden Seriengrößen immer neue Fahrzeugvarianten in kürzester Zeit auf den Markt zu bringen („Time-to-market“) und die Kosten noch spürbar zu senken. Dabei trennt sich die Spreu vom Weizen. So melden einige Automobilhersteller Absatzrekorde, wohingegen andere Hersteller kräftig Federn lassen müssen. Der Verdrängungswettbewerb wird also anhalten und damit der Druck auf Kosten und Termine in der Projektarbeit weiter steigen. Nur wem es gelingt, die gestiegenen Anforderungen der Märkte durch flexibles und vor allem professionelles Management der Produktentstehungsprozesse zu befriedigen, wird langfristig überleben. Dies betrifft Automobilhersteller wie Zulieferer in gleichem Maß.
356
Zukünftige Herausforderungen
Konsequentes Benchmarking von Prozessen und eingesetzten Technologien kann helfen, den Time-to-market und die Produktkosten spürbar zu senken. So hat z.B. Audi das Sparprogramm „ForMotion“ im VW-Konzern dazu genutzt, jeden Entwicklungsschritt unter Kostengesichtspunkten zu analysieren, um diesen als Benchmark für spätere Projekte zu nutzen und so die Entwicklungszeiten sowie die -kosten spürbar zu senken. 281 Aber auch Benchmarking über die Branchengrenzen hinweg kann hilfreich sein. So hat eine Studie zu „Transferpotentialen im Projekt- und Prozessmanagement von Produktentwicklungsprojekten in den Branchen Automotive, Aerospace und Transportation (A2T)“ der GPM zusammen mit der European Business School interessante Erkenntnisse zu den Unterschieden und Lernfelder der jeweiligen Branche geliefert. Dort zeigt sich z.B., dass die Schienenfahrzeugindustrie in puncto Projektmanagement viel professioneller agiert, als viele Unternehmer der Automobilindustrie. Das sollte zu denken geben! Neben einer professionellen Planung und Steuerung der Fahrzeugprojekte rückt auch die konsequente Auswertung der gesammelten Erfahrungen in der Projektabschlussphase (vgl. Kapitel 2.8) verstärkt in den Mittelpunkt der Betrachtungen. Gelänge es, die kritischen Prozessschritte oder Technologien in der Projektabwicklung eindeutig zu identifizieren und im Rahmen des Folgeprojektes systematisch zu eliminieren, könnte die Effizienz sicherlich spürbar verbessert werden. 282 Die investierte Zeit rechnet sich im Zeitablauf. Viele Unternehmen können allerdings das Verhältnis von Kosten und Nutzen einmal eingeleiteter Maßnahmen oft gar nicht quantifizieren – es fehlt schlicht an den Zahlen bzw. den Messgrößen für die Effizienz. 283 Wie soll aber die Effizienz gesteigert werden, wenn die Fragen nach dem Woher und dem Wohin noch nicht einmal geklärt sind? Zu Beginn von Kapitel 2 haben wir die Einmaligkeit der Aufgaben im Projektmanagement betont und Projekte auch entsprechend definiert. Durch die Vielzahl der Produktprojekte in der Automobilindustrie und den immer wiederkehrenden Abläufen wird die Projektabwicklung eher zur Routine. 284 Gerade dann lohnt es sich aus unserer Sicht, mittels Standardisierung der Prozesse und Professionalisierung des entsprechenden Know-hows die gewünschten Lerneffekte zu erzielen. 285 Ob sich dies nur innerhalb von einzelnen Unternehmen, einem Cluster kooperierender Unternehmen oder in der gesamten Branche umsetzen lässt, wird sich zeigen. Das Beispiel von Toyota zeigt jedenfalls, dass durch kontinuierliche Verbesserungen in allen Bereichen des Produktentstehungsprozesses die Durchlaufzeiten und Kosten reduziert werden können und somit profitables Wachstum möglich ist.
281 vgl. Automobilwoche 16, vom 2. August 2004, S. 2 282 vgl. Wald (2008) 283 vgl. Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 179 284 vgl. Wagner (2008c) 285 vgl. Wagner (2009)
357
6.2
6
Fazit und Ausblick
6.2.2
Internationalisierung der Projektarbeit nimmt zu
Kein Zweifel, die Internationalisierung der Automobilindustrie ist weit fortgeschritten. Die Öffnung der Märkte in Mittel- und Osteuropa im Zeichen der EU-Osterweiterung, das rasante Wachstum in Asien und in Teilen Südamerikas, beides eröffnet neue Chancen für die deutsche Automobilindustrie. Auch wenn die Märkte – mit Ausnahme des Marktes in China - im Vergleich mit der Triade noch relativ klein sind, so investieren die Automobilhersteller schon gewaltige Summen in den Aufbau von Produktionskapazitäten sowie die Ansiedlung von Vertriebs- und Entwicklungszentren in diesen Ländern. Auch der Trend zur Verlagerung von Produktionskapazitäten hält weiter an, teilweise aus Kostengründen, oft aber auch, um näher an den Absatzmärkten zu sein, oder gar, um Ingenieurkapazitäten (z.B. in Indien) an den Produktionsstandorten aufzubauen. Aber nicht nur die Produktion, sondern auch Forschung und Entwicklung sind von der Verlagerung betroffen, wie das Beispiel von Continental zeigt, die vor einigen Jahren mit der Fertigung auch Entwicklungsbereiche nach Rumänien verlagerte. Im gleichen Maß, wie Kapazitäten international verteilt werden, nimmt der Anteil der internationalen Projekte zu. So werden nicht nur Projektteams ins Ausland entsandt, um neue Produktionsstätten zu errichten oder gemeinsam mit Entwicklungsteams vor Ort ein neues Fahrzeugprojekt zu stemmen, sondern vielfältige Verflechtungen in der globalen Automobilindustrie führen zu einer zunehmenden Internationalisierung der Projektarbeit. Da arbeiten deutsche Entwicklungsingenieure eines Automobilherstellers gemeinsam mit einem österreichischen Systemlieferanten und brasilianischen Spezialisten an einem neuen Fahrzeug für die südamerikanischen Länder. Oder die Niederlassung eines deutschen Ingenieurbüros in Detroit erstellt mit Unterstützung seiner brasilianischen Kollegen für einen amerikanischen Fahrzeughersteller die Planung einer Fabrik in Mexiko. Die Liste der Beispiele könnte hier weiter fortgesetzt werden. Die Beispiele haben eines gemeinsam: die Komplexität der Projektabwicklung steigt enorm. Abbildung 6-1 auf der nächsten Seite zeigt die wichtigsten Problemfelder internationaler Projekte. So müssen die Projektbeteiligten nicht nur räumliche, zeitliche und sprachliche Barrieren überwinden, sondern vor allem die kulturellen Unterschiede berücksichtigen, um den Projekterfolg nicht zu gefährden. Dabei können internationale Projekte zwar eine Vielzahl an Problemen verursachen, gleichzeitig bieten sie aber – richtig angepackt - auch die Chance auf deutlich bessere Ergebnisse.
358
Zukünftige Herausforderungen
Abbildung 6-1:
Wichtigste Problemfelder internationaler Projektarbeit 286
50 45 40 35 30 25 20 15 10 5 0
Technische Aspekte
Arbeitskultur
Politischrechtliche Aspekte
Infrastruktur
Projektmanagement
Sprache
andere
Deutsche Projektmanager genießen z.B. aufgrund ihrer hervorragenden Ausbildung, profunden Methodenkenntnissen und einer guten Führungsfähigkeit international einen guten Ruf. „Dabei bleibe mitunter der Gedanke ans Geschäftliche zurück. Sie bewegen sich zu sehr im Spannungsfeld von Qualität und Terminen. Budget und Profitabilität seien mehr Sache anderer Nationen. US-amerikanische Projektmanager sehen sich in erster Linie als Vertragserfüller, dann erst als Macher, die technische Visionen umsetzen.“ 287 Durch die ausgewogene und auf die Aufgabenstellung abgestimmte Kombination von unterschiedlichen (Arbeits-)Kulturen und Verhaltensmustern lässt sich ein optimales Projektteam formen. Allerdings benötigt der Projektleiter ausgeprägte sozio-kulturelle Fähigkeiten zur Auswahl und Entwicklung des Teams (vgl. 2.4.3). So unterscheiden sich z.B. die Inhalte und Ausprägungen der Teamentwicklungsphasen (Forming, Storming, Norming, Performing, Adjourning) gravierend von denen in rein nationalen Teams. 288 Die Teammitglieder müssen sich situativ und flexibel auf andere Kulturen einstellen, ohne die eigene Identität zu verlieren. In Abbildung 6-2 sind die wichtigsten Kulturdimensionen im Überblick dargestellt.
286 projektMANAGEMENT aktuell, Ausgabe 3/2004, S. 13 287 projektMANAGEMENT aktuell, Ausgabe 2/2002, S. 9f. 288 vgl. projektMANAGEMENT aktuell , Ausgabe 3/2004, S. 18
359
6.2
6
Fazit und Ausblick
Abbildung 6-2:
Kulturdimensionen von Trompenaars und Hampden-Turner 289
Every culture distinguishes itself from others by the specific solutions it chooses to certain problems which reveal themselves as dilemmas. It is convenient to look at these problems under three headings: those which arise from our relationships with other people; those which come from the passage of time; and those which relate to the environment. From the solutions different cultures have chosen to these universal problems, we can further identify seven fundamental dimensions of culture:
Universalism vs. Particularism (What is more important – rules or relationships?) Individualism vs. Collectivism (Do we function in a group or as an individual?) Specific vs. Diffuse cultures (How far do we get involved?) Affective vs. Neutral cultures (Do we display our emotions?) Achievement vs. Ascription (Do we have to prove ourselves to receive status or is it given to us?)
Sequential vs. Synchronic cultures (Do we do things one at a time or several things at once?) Internal vs. External control (Do we control our environment or work with it?) Es gilt, die im Projektmanagement bewährten Methoden und Vorgehensweisen an die Internationalisierung anzupassen und entsprechend weiter zu entwickeln. Dabei spielen vor allem kulturelle Aspekte eine wichtige Rolle. 290
6.2.3
Multi-Projektmanagement gewinnt an Bedeutung
Wie wir in Kapitel 1.1 aufgezeigt haben, steigt die Zahl der Fahrzeugmodelle und – varianten an und differenziert sich wohl auch in Zukunft weiter aus. Auch die starke Exportorientierung der deutschen Automobilhersteller hinterlässt seine Spuren. So müssen länderspezifische Anforderungen, Gesetze und Vorschriften berücksichtigt werden. All dies führt unweigerlich zu einer Erhöhung der Komplexität in der Projektbearbeitung. Die professionelle Umsetzung und Anwendung der in Kapitel 3 aufgezeigten Instrumente und Verfahren des Multi-Projektmanagements wird deshalb in Zukunft für die Unternehmen der Automobilindustrie noch wichtiger sein.
289 www.7d-culture.nl 290 Hoffmann/Schoper/Fitzsimons (2004)
360
Zukünftige Herausforderungen
Mit Hilfe vorab definierter Kriterien müssen die Projekte aus dem Portfolio ausgewählt werden, so dass die strategische Erfolgsposition des Unternehmens bzw. Netzwerks im Wettbewerb gestärkt wird. Knappe Ressourcen müssen möglichst optimal den verschiedenen Projekten zugeteilt werden, Ressourcenkonflikte sind übergeordnet im Rahmen von Steuerkreisen anhand von transparenten Kriterien zu lösen. Ein professionelles Multi-Projektmanagement muss insgesamt in der Lage sein, das Projektportfolio sowie die Abhängigkeiten zwischen den einzelnen Projekten aus übergeordneter Sicht professionell zu planen und zu steuern. Dazu benötigt das MultiProjektmanagement den entsprechenden Stellenwert im Unternehmen und die Befugnisse, um im Wirkungsgefüge des Unternehmens sowie in Richtung der Partner optimal zur Wirkung kommen zu können. Ferner müssen noch viele der verfügbaren Software-Tools für den Einsatz im MultiProjektmanagement weiter entwickelt werden. So ist die Unterstützung des Ressourcenmanagements in der Multi-Projektlandschaft noch unzureichend. Eine übersichtliche Darstellung der verfügbaren Ressourcen mit der Einplanung in den verschiedenen Projekten sowie deren tatsächliche Auslastung würden helfen, Kapazitätsprobleme frühzeitig zu erkennen und Steuerungsmaßnahmen ergreifen zu können. Hier besteht noch Handlungsbedarf.
6.2.4
Umgang mit Unplanbarem wird zur Normalität
Steigende Effizienzanforderungen, zunehmende Vernetzung und Multi-Projektlandschaften sind nur einige der Treiber für eine steigende Komplexität und Dynamik in der Projektabwicklung. Viel zu viele Faktoren nehmen Einfluss auf den Ablauf des Projektes und vermitteln dem Projektleiter dann den Eindruck, nicht mehr „Herr der Dinge“ zu sein oder selbst nur noch begrenzten Einfluss auf den Projekterfolg zu haben. Konflikte mit dem Management oder den Fachabteilungen sind dann der berüchtigte „Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt.“ Nun, die Komplexität der Projektabwicklung nimmt tatsächlich zu. Die technologische Komplexität der Fahrzeugprojekte steigt durch die Integration neuer Technologien (z.B. Elektronik oder Infotainment-Systeme) ins Fahrzeug und neue, innovative Verfahren zur Fertigung von immer kleiner werdenden Serien. Darüber hinaus steigt die der Zulieferpyramide, die es später im Projekt wieder zu integrieren gilt. Schließlich führt auch das Simultaneous Engineering zu einer starken Parallelisierung, die – intensiv genutzt – den Koordinationsaufwand und damit die Komplexität erhöht. Das Eintreten von in der Planung nicht berücksichtigten Ereignissen, wie z.B. Gesetzesänderungen, neue Kundenanforderungen oder die kurz vor dem SOP bei einer Probefahrt des Vorstands geänderte Meinung bezüglich technischer Details, fordern das Projektmanagement bis an seine Grenzen.
361
6.2
6
Fazit und Ausblick
Die in der deutschen Mentalität verhaftete Ansicht „erst Denken (Planen), dann Handeln“ hilft zukünftig nur begrenzt weiter. Einerseits erhöht sich der Planungsaufwand ins Unermessliche, um alle Eventualitäten schon vor Projektbeginn zu berücksichtigen, andererseits sind eben Änderungen der Normalfall in Fahrzeugprojekten und können in den wenigsten Fällen vorhergesehen werden. Sie sind nicht „Störgrößen“, die von bestimmten Personen initiiert werden, um den Projektleiter an seiner Aufgabenerfüllung zu hindern. Diese Erkenntnis ist wichtig, um die aus der Projektabwicklung resultierenden Schwierigkeiten nicht auf die zwischenmenschliche Ebene zu verlagern. „Werden Grenzen der Planbarkeit anerkannt, hat dies auch Auswirkungen auf die Definition der Projektziele. Es bleibt nicht nur offen, in welcher Weise ein bestimmtes Ziel erreicht wird, sondern auch, wie das Ergebnis eines bestimmten Projekts aussieht ... damit wird dem Tatbestand Rechnung getragen, dass gerade bei innovativen Projekten praktisches Handeln nicht nur der Vollzug vorangegangener Planungen ist, sondern erst im (!) praktischen Handeln sowohl das Prozedere als auch die (möglichen) Ergebnisse entstehen.“ 291 Das alternative Konzept des „erfahrungsgeleiteten Handelns“ baut auf der Erkenntnis auf, dass theoretisches Wissen, abstraktes Denken und systematisches Vorgehen zwar notwendig sind, zur Bewältigung der Unwägbarkeiten hoch komplexer Systeme bzw. Projekte aber alleine nicht ausreichen. „Neben dem Fachwissen ist dazu auch ein besonderes Erfahrungswissen notwendig. Dieses Erfahrungswissen besteht nicht nur in detaillierten Kenntnissen praktischer Gegebenheiten oder bestimmten Arbeitsroutinen. Vielmehr handelt es sich um ein Wissen, das auf einer besonderen Arbeitsweise beruht und hierin eingebunden ist.“ 292 Folgen wir dieser Argumentation, dann rücken gerade im Projektmanagement der Automobilindustrie die handelnden Personen und deren Handlungen in der konkreten Situation des Projektes in den Mittelpunkt des Interesses: „Sowohl für die Projektleiter als auch für die Mitarbeiter spielt ein analytisches, logisch-formales Denken für die Bewältigung einzelner (Teil-) Aufgaben ebenso wie für das Verstehen tätigkeitsübergreifender Prozesse eine wichtige Rolle. Zugleich ist aber ebenso eine Offenheit für unterschiedliche Sicht- und Denkweisen und nicht-lineare, prozesshaft-vernetzte Entwicklungen von Bedeutung. Die Projektleiter müssen in der Lage sein, die komplexen Wirkungen und Rückwirkungen einzelner Entscheidungen und Handlungen auch ohne exakte Informationen ein- und abzuschätzen. Gleiches gilt auch für die Antizipation zukünftiger Entwicklungen auf der Grundlage von „sticky informations“. Analytisches Denken wird hier ergänzt durch die Assoziation vergleichbarer Situationen sowie die Aktualisierung eines entsprechenden Erfahrungswissens.
291 vgl. Böhle/Meil (2003), S. 36 ff. 292 ebenda
362
Zukünftige Herausforderungen
Des Weiteren aber auch durch das Sich-Einlassen auf „prospektive“ Erfahrungen und imaginative (praktische) Auseinandersetzungen mit möglichen EntwicklungsSzenarien. Man analysiert dabei nicht nur zukünftige Entwicklungen, sondern stellt sie sich konkret vor und erlebt sie.“ 293 Wir betonen gleichwohl, dass dies nicht einem Vernachlässigen der Planung das Wort reden soll. Vielmehr ist das Konzept des „erfahrungsgeleiteten Handelns“ eine sinnvolle Erweiterung der bisher praktizierten Planungsmethoden, die aufgrund der steigenden Komplexität und Dynamik an ihre Grenzen stoßen. Diese müssen – da wo sinnvoll und notwendig - weiter entwickelt und an die neue Situation angepasst werden. Dies betrifft sicherlich auch die einschlägigen Software-Tools, die eine „Beherrschbarkeit“ aller Eventualitäten suggerieren. Damit wird noch einmal deutlich, wie wichtig die Funktion des Projektleiters in Fahrzeugprojekten ist und dass diese Stellung noch weiter gestärkt werden sollte. Darüber hinaus ist bei der Aus- und Weiterbildung der Projektleiter noch mehr Wert auf den Umgang mit Unwägbarkeiten im Projekt zu legen. Vielmehr ist das „Gespür“ für die aktuellen Entwicklungen im Projekt und die richtigen Reaktionen darauf in der jeweiligen Situation beim Projektleiter zu entwickeln. Das schließt das richtige „Händchen“ für den Umgang mit den Stakeholdern (alle, die am Projekt beteiligt oder vom Projekt in irgendeiner Weise betroffen sind) ein.
6.2.5
Den „soft skills“ gehört die Zukunft
Eine Umfrage der GPM unter 23 international renommierten ProjektmanagementExperten aus elf Ländern bezüglich der wichtigsten Trends im Projektmanagement der kommenden zehn Jahre hat ergeben, dass die sogenannten „soft skills“ zukünftig im Projektmanagement weiter an Bedeutung gewinnen werden. 294 Interkulturelles Management, Konfliktmanagement, Kreativität, Motivation, partnerschaftliches Projektmanagement – was bisher eher am Rande des Blickfelds vieler Projektmanager lag rückt zunehmend in die Mitte. Einige der Punkte haben wir bereits beschrieben, so z.B. die durch die Internationalisierung und die Überschreitung der Unternehmensgrenzen notwendigen sozialen Fähigkeiten der Projektmanager zur Kooperation und Kommunikation. Das vorhergehende Kapitel hat deutlich gemacht, dass eine stärkere Berücksichtigung der Menschen aufgrund der steigenden Komplexität unumgänglich ist.
293 ebenda 294 vgl. projektMANAGEMENT aktuell, Ausgabe 4/2002, S. 38
363
6.2
6
Fazit und Ausblick
Die befragten PM-Experten nennen ständige Weiterbildung, Lernfähigkeit und Selbstmanagement, Motivation und Führungsqualifikation, kulturelle Sensibilität sowie Teamfähigkeit und Kreativität als wichtige Erfolgsfaktoren der Zukunft. Dabei spielen die Unternehmen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, diese Faktoren bei ihren Mitarbeitern zu fordern und zu fördern. Doch leider bleiben die Bekundungen vieler Unternehmen, die Mitarbeiter seien das „wertvollste Kapital“, nur Lippenbekenntnisse. „In Wirklichkeit tun die Unternehmen wenig, damit die Potenziale ihrer Mitarbeiter zur Entfaltung kommen. Insbesondere auf Seiten der Projektleiter besteht deutlicher Nachholbedarf an zielgerichteten Instrumenten für deren Auswahl, Einsatz und Entwicklung.“ 295 Fehlende Zeit, knappe Budgets oder ganz allgemein „der Druck“ durch die anspruchsvolle Projektarbeit werden als Gründe angegeben. Nach unserer Meinung sind gerade Investitionen in die Mitarbeiter richtige Entscheidungen hin zu mehr Motivation und damit Effizienz in der Projektarbeit. Erfolgreiche Unternehmen investieren 5-9 Schulungstage pro Jahr für ihre Mitarbeiter. Allerdings müssen die Qualifizierungs-Maßnahmen individuell und bedarfsorientiert ausgelegt werden. Coaching oder „training-on-the-job“ bringen weit mehr als bloße Vermittlung von Inhalten im Rahmen eines Seminars. Insbesondere die „soft skills“ können nur im Tun erlebt und damit erlernt werden. Deshalb sind gerade in diesem Bereich andere Formen des Lernens notwendig. Hier sind besonders die Personalabteilungen gefragt, sich mit den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen der Projektleiter und – mitarbeiter auseinander zu setzen und maßgeschneiderte Lösungen für Auswahl, Einsatz und Entwicklung des Personals zu erarbeiten. Dennoch wird es die integrierte Betrachtung von „harten“ und „weichen“ Aspekten im Projektmanagement 296 bzw. das ausgewogene Verhältnis von fachlichen, methodischen, persönlichen und sozialen Fähigkeiten des Projektleiters sein (vgl. Abbildung 212), die uns dem Ziel ein Stück näher bringt, unsere Projekte möglichst optimal zum Erfolg zu führen. Dann macht Projektarbeit in der Automobilindustrie auch wieder richtig Spaß!
295 Bullinger/Kiss-Preußinger/Spath (2003), S. 72 296 vgl. OrganisationsEntwicklung 2/04, S. 45 ff.
364
Zukünftige Herausforderungen
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371
6.2
Zukünftige Herausforderungen
Abbildungsverzeichnis
Abb. 1-1:
Fahrzeugbestand in Deutschland (in Mio.)
1
Abb. 1-2:
Wertschöpfungsentwicklung in der Automobilindustrie
4
Abb. 1-3:
Veränderungen bei Pkw-Neuzulassungen nach Segmenten
6
Abb. 1-4:
Wachstum und Absatz nach Regionen
7
Abb. 1-5:
Produktportfolio der BMW Group
8
Abb. 1-6:
Neue Formen der Zusammenarbeit in der Automobilindustrie
9
Abb. 1-7:
Vom „magischen“ zum „teuflischen“ Dreieck
10
Abb. 1-8:
Anforderungen an das Projektmanagement in der Automobilindustrie
12
Abb. 1-9:
Praktizierte Formen der Zusammenarbeit
13
Abb. 1-10:
Voraussetzungen für die Zusammenarbeit im Netzwerk
14
Abb. 1-11:
Ergebnisse einer Expertenbefragung in der Fahrzeugentwicklung
15
Abb. 1-12:
Notwendige Veränderungen im Netzwerk
16
Abb. 1-13:
Vier Schlüssel zum Erfolg („KI4-Success“)
18
Abb. 1-14:
Projektmanagement und Produktintegration
21
Abb. 2-1:
Aufgabenfelder im Projektablauf der Automobilindustrie
24
Abb. 2-2:
Projektmanagement als ganzheitliches Führungssystem für Projekte
Abb. 2-3:
Erklärungsmodell zum Automotive ProjektmanagementProzess
Abb. 2-4:
25
27
Projektmanagement-Prozess und FahrzeugentwicklungsProzess in Anlehnung an VDA
28
Abb. 2-5:
Parallelität von Produkt- und Produktionsanlagenentwicklung
29
Abb. 2-6:
Gesamtfahrzeugentwicklungsprozess
30
373
6.2
0
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-7:
Wesentliche Methoden und Ereignisse im Projektmanagement-Prozess
31
Abb. 2-8:
Weniger Probleme zum Serienstart durch Projektmanagement
32
Abb. 2-9:
Projektleiter-Kompetenzprofil
33
Abb. 2-10:
Projektleitungs-Positionen in der Automobilindustrie
34
Abb. 2-11:
Beispiel: Projektleiter – Funktionsbeschreibung
35
Abb. 2-12:
Projektteam-Struktur auf 2 Ebenen, schematische Darstellung
36
Abb. 2-13:
Beispiel: Projektrahmenorganisation Systemlieferant
37
Abb. 2-14:
Beispiel: Projektorganigramm Gesamtfahrzeugentwicklung
38
Abb. 2-15:
Beispiel: Projektorganigramm Hersteller
39
Abb. 2-16:
Beispiel: Projektorganigramm Produktionsanlagen (fiktiv)
40
Abb. 2-17:
Projektorientierte Matrixorganisation, schematisch
42
Abb. 2-18:
Beispiel: Matrixorganisation eines Gesamtfahrzeugentwicklers
43
Abb. 2-19:
Funktionendiagramm, schematische Darstellung
44
Abb. 2-20:
Beispiel eines Funktionendiagramms
45
Abb. 2-21:
Beispiel: SE-Teamstruktur Gesamtfahrzeugentwicklung
47
Abb. 2-22:
Erfolgsfaktoren von Projektteams
48
Abb. 2-23:
Beispiel: Agenda Teamentwicklungs-Workshop
50
Abb. 2-24:
Beispiel: Spielregeln im Projektteam Teil 1
50
Abb. 2-25:
Beispiel: Spielregeln im Projektteam Teil 2
51
Abb. 2-26:
Entwicklungsprozess für virtuelle Teams, Vorgehensmodell
52
Abb. 2-27:
Kommunikationsmöglichkeiten nach Raum und Zeit
53
Abb. 2-28:
Persönliche Kommunikationsformen im Projekt
54
Abb. 2-29:
Regelbesprechungen im Projekt
55
Abb. 2-30:
Negativ-Kreislauf der „operativen Hektik“ in der Projektdefinitionsphase
63
Abb. 2-31:
Projektdefinition als Prozess
64
Abb. 2-32:
Beispiel: Checkliste Projektdefinitionsphase
65
Abb. 2-33:
Frontloading als Projektmanagement-Strategie
66
374
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-34:
Fragenkatalog zur Auftragsklärung bei der Projektdefinition
68
Abb. 2-35:
Einflussgrößen der Projektumfeldanalyse
69
Abb. 2-36:
Beispiel: Agenda Projektübergabegespräch
70
Abb. 2-37:
Beispiel: Checkliste zur Projektübergabe
71
Abb. 2-38:
Beispiel: Agenda für Projektstartklausur
72
Abb. 2-39:
Beispiel: Workshop-Konzept eines Systemlieferanten
73
Abb. 2-40:
Frühzeitige Lastenheftabsicherung und reduzierter Änderungsaufwand
75
Abb. 2-41:
Zielkategorien im Projekt
77
Abb. 2-42:
Anforderung an die Formulierung von Projektzielen
77
Abb. 2-43:
Beispiele für operative Zielkriterien in der Fahrzeugentwicklung 78
Abb. 2-44:
Beispiel: Zielkatalog eines Betriebsmittelprojekts (fiktiv)
80
Abb. 2-45:
Methodeneinsatz in der Prozesskette der Fahrzeugentwicklung
81
Abb. 2-46:
House of Quality, schematische Darstellung
82
Abb. 2-47:
Hierarchische Gliederung der spezifischen Projektziele
83
Abb. 2-48:
Beispiel Rahmenbedingungen eines OEM
84
Abb. 2-49:
Von den Zielen zur Projektergebnisstruktur
85
Abb. 2-50:
Beispiel: Projektergebnisstruktur eines Systemlieferanten
86
Abb. 2-51:
Produktstruktur Gesamtfahrzeugentwicklung
87
Abb. 2-52:
Beispiel Projektergebnisstruktur Produktionsanlage
88
Abb. 2-53:
Quality Gates und Synchronisationspunkte im Produktentwicklungsprozess (PEP)
Abb. 2-54:
89
Meilensteindefinition auf Basis der Phasen des Produktentwicklungsprozesses (PEP)
90
Abb. 2-55:
Phasengliederung eines Systemlieferanten
91
Abb. 2-56:
Mögliche Meilensteinergebnisse in Fahrzeugentwicklungsprojekten
93
Abb. 2-57:
Beispiel: Meilensteinplan Projekt „Roboterzelle mit Laser“
94
Abb. 2-58:
Detail-Meilensteine im Fahrzeugentwicklungsprojekt
95
375
6.2
0
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-59:
Synchronisationspunkte im Fahrzeugprojekt, Screenshot
96
Abb. 2-60:
Kostenermittlung bei der Fahrzeugentwicklung in 2 Phasen
97
Abb. 2-61:
Schema zur Kostenermittlung und –verteilung
98
Abb. 2-62:
Prinzipieller Aufbau eines Kalkulationsschemas
99
Abb. 2-63:
Struktur des Entwicklungskosten-Kalkulationsblattes
100
Abb. 2-64:
Struktur des Entwicklungskosten-Kalkulationsblattes
101
Abb. 2-65:
Beispiel: Businessplan für ein Projekt beim Systemlieferanten
102
Abb. 2-66:
Beispiel: Projektwirtschaftlichkeit grafisch
103
Abb. 2-67:
Beispiel: Projektauftrag
106
Abb. 2-68:
Beispiel: Agenda Kick-Off Meeting intern
107
Abb. 2-69:
Wichtigste Gründe für das Nichterreichen von Projektzielen
108
Abb. 2-70:
Spannungsfeld Planungstiefe
110
Abb. 2-71:
Planungssystematik
111
Abb. 2-72:
Inhalte und Ablauf einer Projektplanungsklausur
112
Abb. 2-73:
Projektstruktur als Matrix, schematisch
113
Abb. 2-74:
Beispiel: Projektstrukturplan Produktionsanlage (fiktiv)
114
Abb. 2-75:
Die wesentlichen Merkmale eines Arbeitspakets
115
Abb. 2-76:
Beispiel: Arbeitspaket in einem Produktionsanlagenprojekt
117
Abb. 2-77:
Zuordnung der Arbeitspakete zu den Phasen/Meilensteinen
118
Abb. 2-78:
Beispiel: Balkenterminplan eines Systemlieferanten, Screenshot
119
Abb. 2-79:
Beispiel: Vernetzter Balkenterminplan Produktionsanlage, Screenshot
120
Abb. 2-80:
Ebenen von Terminplänen in größeren Projekten (schematisch)
121
Abb. 2-81:
Ebenen der Terminplanung im Fahrzeugprojekt eines OEM
122
Abb. 2-82:
Bildschirmdarstellung eines vernetzten Fahrzeugterminplans
123
Abb. 2-83:
Beispiel: Feinterminplan-Liste Produktionsanlage
123
Abb. 2-84:
Ermittlung des Ressourcenbedarfs auf Basis der Arbeitspakete
124
Abb. 2-85:
Ressourcenbedarf, abgeleitet aus Terminplan und Arbeitspaketen 127
Abb. 2-86:
Kostenzuordnung auf Meilensteine und Arbeitspakete
376
128
Abbildungsverzeichnis Zukünftige Herausforderungen
Abb. 2-87:
Entwicklung der Projektkosten im Zeitverlauf (fiktiv)
129
Abb. 2-88:
Beispiel: Projektkalkulation Produktionsanlage
130
Abb. 2-89:
Stadien der Projektkalkulation in Fahrzeugprojekten
131
Abb. 2-90:
Generelle Risikoarten im Projektverlauf
134
Abb. 2-91:
Elemente des Risikomanagements in Fahrzeugprojekten
135
Abb. 2-92:
Risikomanagement-Prozess
136
Abb. 2-93:
Risikomanagement und FMEA in den Prozessen und Strukturen der Fahrzeugentwicklung
Abb. 2-94:
137
Entwicklungsprozess-FMEA als Instrument des Risikomanagements
138
Abb. 2-95:
Beispiel: Projektrisiko-Checkliste
139
Abb. 2-96:
Beispiel: Projekt-Risikotabelle
141
Abb. 2-97:
Klassifizierung von Projektrisiken
142
Abb. 2-98:
Projektsteuerung als Regelkreis-Modell
145
Abb. 2-99:
Systematik der Projektsteuerung
146
Abb. 2-100:
Statusinformationen und Soll-Ist-Vergleiche im Fahrzeugprojekt 147
Abb. 2-101:
Kriterien für die Ampelbewertung von Meilenstein-Messgrößen 148
Abb. 2-102:
Überschrift der Grafik
150
Abb. 2-103:
Termin- und Fortschrittskontrolle visualisiert im Balkenplan
151
Abb. 2-104:
Termin- und Fortschrittskontrolle visualisiert, MS Project Druckausgabe
152
Abb. 2-105:
Beispiel: Tabelle zur Feintermin- und Fortschrittskontrolle
153
Abb. 2-106:
Meilensteintrendanalyse, schematische Darstellung
154
Abb. 2-107:
Bildschirmdarstellung Meilensteintrendanalyse
156
Abb. 2-108:
Zusammenhang Soll-Ist-Kosten mit Hochrechnung und Sachfortschritt
157
Abb. 2-109:
Beispiel-Tabelle: Mitkalkulation für ein Arbeitspaket
158
Abb. 2-110:
Reifegradverlauf in Fahrzeugentwicklungsprojekten
159
Abb. 2-111:
Reifegradindikatoren in Fahrzeugprojekten
160
377
6.2
0
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-112:
Zeitliche Relevanz von Reifegradindikatoren im Projektverlauf
161
Abb. 2-113:
Beispiel: Reifegradcontrolling mit “Anzahl der Problempunkte“ 161
Abb. 2-114:
Datentabelle zur Berechnung eines Gesamtreifegrades (fiktiv)
162
Abb. 2-115:
Beispiel-Tabelle zur Abweichungsanalyse (fiktiv)
163
Abb. 2-116:
Stufen der 8D-Methode
167
Abb. 2-117:
Formular 8D-Report
168
Abb. 2-118:
Anlässe für Projektstatusbesprechungen
169
Abb. 2-119:
Informationsfluss und Dokumente in der Projektstatusbesprechung
172
Abb. 2-120:
Informationen zum Projektreview und Entscheidungsprozess
173
Abb. 2-121:
Beispiel einer Aktivitätenliste
175
Abb. 2-122:
Reporting-Elemente bei einem Systemlieferanten
175
Abb. 2-123:
Beispiel: Integrierter Management-Bericht: Technik-Ziele, Kosten, Termin
176
Abb. 2-124:
Reporting-Inhalte eines Systemlieferanten
177
Abb. 2-125:
Meilensteinorientierter Statusbericht
177
Abb. 2-126:
Beispiel: Projekt-Info-Board als Online-Reporting-Instrument
178
Abb. 2-127:
Beispiel: Projekt-Cockpit
179
Abb. 2-128:
Dimensionen einer Projekt-Scorecard als Reportinginstrument
180
Abb. 2-129:
Änderungsprozessmodell
181
Abb. 2-130:
Pro-aktive Änderungskultur durch Frontloading
183
Abb. 2-131:
Beispiel für einen Standard-Änderungsprozess
184
Abb. 2-132:
Beispiel: Formular Änderungsantrag
185
Abb. 2-133:
Beispiel: Formular Änderungsliste
186
Abb. 2-134:
Formular zur Claimerfassung
187
Abb. 2-135:
Überblick Projektabschluss
189
Abb. 2-136:
Beispiele für die Nutzung von Projekterfahrung
191
Abb. 2-137:
Vorbereitung der Projektabschlussbesprechung
192
Abb. 2-138:
Beispiel: Agenda Projektabschlussgespräch
192
378
Abbildungsverzeichnis
Abb. 2-139:
Inhalte des Projektabschlussberichts
193
Abb. 2-140:
Beispiel: Formular Projektabschlussbericht
194
Abb. 3-1:
Die Multi-Projekt-Realität und ihre Ursachen
195
Abb. 3-2:
Erfolgswahrscheinlichkeiten von F+E-Projekten
196
Abb. 3-3:
Einflussgrößen und Restriktionen im Multi-PM
197
Abb. 3-4:
Erklärungsmodell des Multi-Projektmanagements
199
Abb. 3-5:
Projektportfoliodarstellung als Management-Summary
202
Abb. 3-6:
Organisatorische Einbindung des Multi-Projektmanagers
208
Abb. 3-7:
Organisatorische Anbindung von PM-Offices im Unternehmen
209
Abb. 3-8:
Organisatorische Einordnung des strategischen PM-Office
210
Abb. 3-9:
Projekt-Management-Office-Aufgaben auf verschiedenen Ebenen der Unternehmenshierarchie
211
Abb. 3-10:
Beispiel Projektgremienstruktur beim Automobilzulieferer
212
Abb. 3-11:
Projektausschuss: Aufgaben, Verantwortung und Kompetenzen 213
Abb. 3-12:
Informationsbasis für den strategischen Projektausschuss
214
Abb. 3-13:
Aufgaben und Kompetenzen von Projektsteuerkreisen
216
Abb. 3-14:
Beispiel einer Steuerkreis-Funktionsbeschreibung
217
Abb. 3-15:
Beispiel: Standard-Agenda PL-Runde
218
Abb. 3-16:
Beispiel: Funktionsbeschreibung PL-Runde
219
Abb. 3-17:
Beispiel: Regelkommunikationsplan Automobilzulieferer
220
Abb. 3-18:
Beispiel: Rollenverteilung Projektorganisation und Linienorganisation
221
Abb. 3-19:
Beispiel für generelle Spielregeln in einer Multiprojektumgebung 222
Abb. 3-20:
Zyklischer Projektportfolio-Management-Prozess
224
Abb. 3-21:
Trichtermodell zur Selektion der „richtigen“ Projekte
225
Abb. 3-22:
Kriterien bei der Bildung des Projektportfolios
225
Abb. 3-23:
Beispiel: Multi-Projekt-Liste eines Systemlieferanten
226
Abb. 3-24:
Beispiel Projektantrag
227
Abb. 3-25:
Systematik der Portfolioplanung
228
379
6.2
0
Abbildungsverzeichnis
Abb. 3-26:
Beispiel Projektauftrag als Entscheidungsvorlage
229
Abb. 3-27:
Strategische Projektübersicht eines Automobilzulieferers
229
Abb. 3-28:
Beispiel für eine Systematik zur strategischen Bewertung von Projekten
230
Abb. 3-29:
Portfoliodarstellung der strategischen Bewertung der Projekte
230
Abb. 3-30:
Aufspaltung des Gesamtprojektportfolios nach Projektarten
231
Abb. 3-31:
Beispiel: Planungskalender strategische Projekt-/Programmplanung
232
Abb. 3-32:
Zusammenspiel der PM-Ebenen im Portfoliocontrolling
233
Abb. 3-33:
Ebenen des Multiprojekt-Reporting
234
Abb. 3-34:
Beispiel Multiprojektliste mit Ampelbewertung
234
Abb. 3-35:
Terminplanstruktur für einen Systemlieferanten
235
Abb. 3-36:
Multiprojekt-Cockpit als Berichtsinstrument
236
Abb. 3-37:
DV-Werkzeuge für das Multiprojektcontrolling
237
Abb. 3-38:
Programmstruktur bei einem Automobilzulieferer
239
Abb. 3-39:
Programmorganisation
240
Abb. 3-40:
Programm-Management-Prozess schematisch
241
Abb. 3-41:
Terminplanungs- und –controllingstruktur von Programmen
243
Abb. 3-42:
Screenshot eines vernetzten Programmmasterplanes
244
Abb. 3-43:
Organisation des Ressourcenmanagements
246
Abb. 3-44:
Beispiel: Ressourcenplanung der Abteilung Konstruktion
247
Abb. 3-45:
Informationsfluss im zentralen Ressourcenmanagement
248
Abb. 3-46:
Vernetzung von Terminplänen an Engpassressourcen
250
Abb. 3-47:
Screenshot: Dezentrale, abteilungsbezogene Ressourcenplanung 251
Abb. 3-48:
Ressourcenszenario aus Sicht der zentralen Ressourcenplanung 252
Abb. 4-1:
Wertschöpfungsmuster in 2020
253
Abb. 4-2:
Projektarbeit zwischen Hierarchie und Netzwerk
255
Abb. 4-3:
Die „Emanzipation“ des Projektmanagements
257
Abb. 4-4:
Daten- und Informationsmanagement im Projekthaus
260
380
Abbildungsverzeichnis
Abb. 4-5:
Systemarchitektur zur Unterstützung virtueller Projektarbeit
261
Abb. 4-6:
Beispiel für ein Dashboard
262
Abb. 4-7:
Beispiel für eine Gremienlandschaft zur übergeordneten Projektsteuerung
264
Abb. 4-8:
Ergebnisse einer Expertenbefragung zum C3PM
267
Abb. 4-9:
Ergebnisse einer Benchmarking-Studie
269
Abb. 4-10:
Unterschiedliche Modelle der Zusammenarbeit
270
Abb. 4-11:
Vergabeprozess eines Automobilherstellers
279
Abb. 4-12:
Mehrstufige QFD
280
Abb. 4-13:
Klassische Darstellung der Balanced Scorecard
282
Abb. 4-14:
Herleitung der Project Scorecard
283
Abb. 4-15:
(Strategic) Collaborative Project Scorecard
284
Abb. 4-16:
Möglichkeiten zur Zielabstimmung
286
Abb. 4-17:
Referenzmodell für Collaborative Project Management
289
Abb. 4-18:
Interaktion zwischen Projektpartnern
290
Abb. 4-19:
Ausschnitt aus einem Synchronisationsplan in der Serienentwicklung
291
Abb. 4-20:
Verbreitung der Planungsergebnisse
292
Abb. 4-21:
Kommunikation/Interaktion statt Algorithmierung
293
Abb. 4-22:
Iterative Zielkostenermittlung zwischen Hersteller und Zulieferern
294
Abb. 4-23:
Vorgehen im Target Costing
295
Abb. 4-24:
Beispiel für eine Qualitätssicherungs-Klausel
297
Abb. 4-25:
Qualitätswerkzeuge im Produktentstehungsprozess
298
Abb. 4-26:
Projekthierarchie im C3PM
300
Abb. 4-27:
Schematischer Ablauf der Reifegradmessung
301
Abb. 4-28:
Mittlerfunktion des Konfigurationsmanagements
304
Abb. 4-29:
Allgemeine Beschreibung von Konfigurationsmanagement
304
Abb. 4-30:
Zweck und Inhalt der Teilgebiete des KM
305
381
6.2
0
Abbildungsverzeichnis
Abb. 4-31:
Änderungsaktivitäten ohne/mit Synchronisation der Partner
307
Abb. 4-32:
Berichtswesen in der kooperativen Modulentwicklung
309
Abb. 4-33:
Beispiel: Ablauf eines meilensteinorientierten Berichtswesens
310
Abb. 5-1:
Organisationale PM-Kompetenz
318
Abb. 5-2:
Auswahl des Analyse-/Betrachtungsbereichs
321
Abb. 5-3:
Ziele eines Projektmanagement-Assessments
322
Abb. 5-4:
Aufbau des IPMA Assessment of Organisations
324
Abb. 5-5:
Dimensionen des IPMA Assessment of Organisations
325
Abb. 5-6:
Entwicklungspfad im Projektmanagement
326
Abb. 5-7:
Steuerkreis für Gestaltungsprojekt
327
Abb. 5-8:
Einflussfaktoren für die Projektarbeit
330
Abb. 5-9:
Beispiel: Ergebnisse eines PM-Quick-Checks
333
Abb. 5-10:
Unterschiede zwischen Strategie- und Projektarbeit
334
Abb. 5-11:
Strategischer Fit des Projektmanagements
336
Abb. 5-12:
Verzahnung von Strategie und Projekten über die Balanced Scorecard
337
Abb. 5-13:
Prozessmodell der DIN 69901-2
339
Abb. 5-14:
Die drei Ebenen der Unternehmenskultur
341
Abb. 5-15:
Beispiel: Veränderungsprozess
344
Abb. 5-16:
Beispiel: Umsetzungskonzept
347
Abb. 5-17:
Wissensarten und -flüsse
341
Abb. 5-18:
Project Excellence Model
351
Abb. 6-1:
Wichtige Problemfelder internationaler Projektarbeit
358
Abb. 6-2:
Kulturdimensionen von Trompenaars und Hampden-Turner
359
382
Abbildungsverzeichnis
Tabelle 2-1:
Ziele, Meilensteine und Inhalte des Phasenkonzepts eines Systemlieferanten
91
Tabelle 2-2:
Reifegradindikatoren für Fahrzeugentwicklungsprojekte
160
Tabelle 2-3:
Steuerungsmaßnahmen zur Reduzierung der Kosten
164
Tabelle 2-4:
Steuerungsmaßnahmen zur Produktivitätssteigerung
164
Tabelle 2-5:
Steuerungsmaßnahmen zur Terminverkürzung
165
Tabelle 2-6:
Beispiel: Tagesordnung Projektstatusbesprechung
171
Tabelle 3-1:
Multi-Projektmanagement-Aufgabenfelder, Gegenüberstellung
200
Tabelle 4-1:
Chancen und Risiken der Coopetition
272
Tabelle 4-2:
Bewertungsziffern
302
Tabelle 4-3:
Problemfelder und Aktionsfelder des Änderungsmanagements
306
Tabelle 5-1:
Einige Unterschiede zwischen Projekt- und Linienkultur
342
383
6.2
Zukünftige Herausforderungen
Stichwortverzeichnis
8 8D-Methode 166
A Ablauforganisation 340 Ablaufplanung 293 Abnahme 215 Abweichung 215 Abweichungsanalys 166 Abwrackprämie 2 Action Item List 173 Aktivitäten 115 Aktivitätenliste 152, 169, 173, 193 Amortisation 102 Ampel 302 Ampel-Bewertung 148 Analyse 321, 333, 334, 345 Änderung 180, 303, 305 Änderungsantrag 185 Änderungsauftrag 181 Änderungskosten 182 Änderungskultur 182 Änderungsliste 185 Änderungsmanagement 11, 20, 146, 181, 183, 186, 233, 284, 303 Änderungsprozess 183 Änderungsumsetzung 182 Anforderungen 75, 78, 278 Anordnungsbeziehungen 290 APQP 27, 261, 296 Arbeitspaket 112, 115 Audit 322, 351 Aufbauorganisation 340 Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten (AKV) 43, 66, 266 Auftaktworkshop 103 Auftragsklärung 68, 346
Aufwandsermittlung 248 Aufwandsschätzung 126 Automobilentwicklung 10 Automobilindustrie 1, 3, 17 Automotive SPICE 331
B Balanced Scorecard 179, 281, 336 Balkenterminplan 119, 151 Befugnisse 34 Benchmarking 323, 350, 356 Berichtswesen 175, 223, 309, 311 Best practices 323, 333, 350 Bestandsaufnahme 330 Break-Even-Point 102 BRIC-Staaten 2, 7 Budget 128 Businessplan 102, 228
C Capability Maturity Model Integrated (CMMI) 323 Change-Board 182, 183 Claim 186 Claimliste 187 Claimmanagement 146, 186, 187 Coaching 74, 210, 212, 277, 346, 363 Collaborative Project Management 289 Collaborative Project Scorecard (CPS) 283 Commitment 49, 273 Computer Supported Cooperative Work (CSCW) 308 Coopetition 272 Cross Company Planning (CCP) 288 Cross-Company-Collaboration Projektmanagement (C3PM) 15, 253
385
6.2
Stichwortverzeichnis
D Dashboard 261 Daten 61 Datenbank 61 Differenzierungsmerkmale 13 DIN 69901 338 Dokumentation 60, 191, 308, 350 Dokumentenmanagement 60 Durchlaufzeit 124, 356 DV-Tool 61
E Effektivität 10, 17, 26, 76, 149, 331 Effizienz 10, 11, 17, 26, 256, 331, 353, 356 Einmaligkeit 23 Einsatzmittel 250 Elektroauto 5 Empathie 277 Engineering Data Management (EDM) 261, 308 Engpassressourcen 249 Erfahrungsaustausch 206, 218, 312, 313 Erfahrungssicherung 188, 346 Erfahrungswissen 361 Erfolgskontrolle 346 ERP-System 60 Eskalation 251, 265, 328 Explizites Wissen 312
Frontloading 11, 66, 306 Führungsaufgabe 25 Führungsfunktion 34 Führungsgrundsätze 319 Führungskonzeption 335 Funktionendiagramm 43, 44, 45, 266 Funktionsbeschreibung 34, 291 Funktionsgruppe 46
G Gesamtfahrzeugentwicklung 29, 38 Gesamtprojektleiter 37 GPM Deutsche Gesellschaft für Projektmanagement e.V. 15, 267
I Implementierung 334, 343, 345, 346 Implizites Wissen 312 Informations- und KommunikationsTechnologien 22, 260, 332 Informationsmanagement 60 informelle Kommunikation 276 Innovation 19, 269, 349 Interkulturelle Kompetenz 58 internationale Projekte 59 Internationalisierung 357, 359, 362 IPMA Competence Baseline (ICB) 323 ISO 16949 27 IST-Analyse 332
F Fahrzeugbestand 1 Fahrzeugdichte 1 Fehlerkultur 149, 275, 348 Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (FMEA) 82 Feinterminplan 124, 153 Forming 48 Fortschritt 215 Fortschrittsgrad 156 Fortschrittskontrolle 147 Freigabe 215
386
J Joint Venture 257
K Kalkulation 127, 130, 294 Kalkulationsblatt 99 Kennzahlen 179 Kernkompetenzen 5, 14, 254, 314 Kernteam 37, 40 Key Performance Indicators 281 4 KI -Success 18, 22
Stichwortverzeichnis
Kick-Off 67, 107 Kommunikation 22, 48, 53, 220, 258, 259, 274, 276, 282, 285, 288, 313, 316, 329, 333, 348, 362 Kommunikationsformen 54 Kommunikationsmatrix 291 Kompetenz 317 Kompetenzentwicklung 313 Kompetenzprofil 33 Komplexität 11, 20, 29, 41, 196, 221, 235, 238, 255, 256, 291, 296, 303, 310, 320, 340, 352, 355, 357, 360 Konfiguration 304 Konfigurationsmanagement 60, 303, 304 Konflikt 220, 274, 285, 328, 342, 346 Konfliktmanagement 362 Konfliktprävention 285 Konfliktvermeidung 222 kontinuierliche Verbesserung 188, 347, 356 Konzentration 19 Konzeptwettbewerb 279 Kooperation 13, 15, 22, 218, 253, 254, 272, 274, 276, 277, 285, 288, 311, 316, 333, 362 Koordination 46, 201, 210, 213, 233, 264, 296, 339, 340, 360 Korrekturmaßnahmen 145, 146 Kostenarten 100, 130 Kostenermittlung 96 Kostenkontrolle 156 Kostenplan 127, 294 Kostenschätzung 130 Kostenverlauf 156 kritischer Pfad 124 Kultur 17, 21, 273, 319, 340, 341, 358 Kulturdimensionen 358 Kundennutzen 19
L Lastenheft 75, 76, 78, 278, 279 Leitbild 319, 337 Lenkungskreis 265 Lernen 311, 316
Lernende Organisation 170 Lernziele 314 Lessons learned 315, 350 Liefer- und Leistungsumfang 85 Lieferantenmanagement 270 Linienkultur 341 Linienmanagement 216 Linienmanager 343 Linienorganisation 36, 41, 42, 221, 320, 339 Liste offener Punkte (LOP) 173
M Macht 342 magische Dreieck 10 Maßnahmenplan 215 Master-Plan 290, 291 Master-Terminplan 235 Matrixorganisation 41, 42 Mediation 287 Meilenstein 88, 118, 291, 339 Meilensteinergebnisse 92 Meilensteinfreigabe 175 Meilensteinplan 88, 90, 293 Meilenstein-Review 148, 153 Meilensteintrendanalyse 153, 155 Messgröße 158 Mikropolitik 340 Mission 319, 337 Mitkalkulation 130, 156, 157 Modellpolitik 8, 13 Modellvielfalt 355 Moderation 63, 104, 112, 170, 191, 210, 211, 221, 223, 233, 247, 251 Multiprojekt-Cockpit 235, 237 Multi-Projektcontrolling 196, 211 Multiprojektliste 234 Multi-Projektmanagement 12, 196, 198, 200, 202, 203, 209, 212, 220, 223, 224, 228, 233, 248, 359
N Nachforderung 75
387
Stichwortverzeichnis
Netzwerk 14, 16, 19, 254, 274, 276, 313, 316 Netzwerkmanager 255 Norming 48
O Obligo 157 Open Issue List 173 Organisation 340, 343 Organisationale Kompetenz 318 Organisationsentwicklung 327, 328 Outsourcing 4
P Parallelisierung 132, 360 Partnerschaft 16, 21, 268 Performance 350 Performing 48 Personalentwicklung 206, 324, 343, 349 Planabweichung 145 Planungskalender 231 Planungsklausur 67 Planungsszenarien 120 Planungsworkshop 111, 112 PM-Audits 211 PM-Netzwerk 206 PM-Office (PMO) 41, 42, 193, 208 PM-Quick-Check 332 PM-Software 95 PM-Standards 218, 289, 354 PM-Tafelrunde 218 Priorisierung 196, 215, 223, 230, 237, 245, 249, 287 Product Data Management (PDM) 261, 308 Product Lifecycle Management (PLM) 308 Produktionsanlagen 39 Produktstruktur 85, 86 Professionalisierung 256 Programm 196, 202, 238 Programm Manager 37, 242 Programm-Abschluss 240 Programm-Controlling 240, 242
388
Programm-Initiierung 240 Programm-Management 199, 200, 209, 240, 244 Programm-Management-Office 203 Programm-Manager 202 Programm-Organisation 240, 242 Programmplanung 202 Programm-Planung 240, 242 Programm-Reporting 242 Programm-Ziele 242 Project Excellence Model 323, 351 Project Office 340 Project Scorecard (PSC) 282 Projekt 23, 320 Projektabschluss 188, 190 Projektabschlussbericht 188, 190, 191, 193 Projektabschlussgespräch 190, 191 Projektakte 61 Projektantrag 214, 225, 227 Projektarten 338 Projektauftrag 105, 328, 329 Projektausschuss 214, 215, 224, 232 Projekt-Cockpit 179 Projektcontroller 37, 145 Projektcontrolling 144 Projektdefinition 62, 64, 72 Projektergebnisstruktur 85, 87 Projektfortschritt 146, 151, 346 Projekthandbuch 266, 291, 293 Projekthaus 258, 340 Projektkontext 330 Projektkrise 169 Projektkultur 149, 333 Projektlandschaft 198, 360 Projektleiter 33, 36 Projektleiter-Runde 218 Projektmanagement 10, 18, 23, 25, 28, 256, 320, 335, 338, 352, 354 Projektmanagement-Assessment 322, 323, 350 Projektmanagement-Laufbahn 328 Projektmanagement-Office (PMO) 335, 340
Stichwortverzeichnis
Projektmanagement-Prozess 26, 28, 31, 338 Projektmanagementsystem 321, 327 Projektmarketing 329 Projektorganigramm 34, 36, 39 Projektorganisation 34, 41, 42, 320, 340, 341 Projektorientierung 353, 354 Projektplan 131 Projektplanung 108, 109, 290 Projektportal 56 Projektportfolio 12, 196, 200, 201, 203, 205, 211, 213, 214, 215, 226, 232, 360 Projektportfolio-Ausschuss 228 Projektportfolio-Balkenplan 201 Projektportfolio-Bereinigung 223 Projektportfolio-Bericht 201 Projektportfolio-Board 198, 207, 212 Projektportfolio-Controlling 223 Projektportfolio-Datenbank 201 Projektportfolio-Initiierung 223, 224 Projektportfolio-Management 198, 201, 204, 205, 207, 209, 236 Projektportfolio-Management-Prozess 223 Projektportfolio-Manager 202 Projektportfolio-Planung 223, 227 Projektreview 172, 198, 351 Projektselektion 226 Projektstart 63 Projektstartworkshop 346 Projektstatus 146, 176, 205 Projektstatusbesprechung 169, 170, 172 Projektsteuerkreis 172, 215, 216 Projektsteuerung 109, 144, 145, 146, 151, 158, 298, 300 Projektstrukturplan 113, 293 Projektübergabe 69, 70, 71 Projektumfeld 69 Projektumfeldanalyse 68 Projektwirtschaft 253, 254 Projektwissensmanagement 347 Projektziele 76, 78, 278 Prozess 17, 319, 338 Prozesslandschaft 339
Prozessmanagement 328 Prozessmodell 338 Prozessorientierung 338
Q QS 9000 27, 29 Qualifizierung 218, 317, 363 Qualitätsmanagement 27, 158, 188, 193, 328 Qualitätssicherungsvereinbarungen (QSV) 297 Quality Function Deployment (QFD) 81, 280 Quality Gates 29, 89, 148, 339 Quality-Gate-Review 172
R Realisierungsplanung 333 Regelkommunikation 220 Regelkreise 344 Reife 325, 340 Reifegrad 158, 176, 215, 301, 303, 347, 352 Reifegradcontrolling 159 Reifegradindikatoren 161, 301 Reine Projektorganisation 41 Reporting 213, 233, 282 Requirements-Management 75 Resident Engineer 263 Resident Engineering 263 Ressourcen 250 Ressourcenangebot 245 Ressourcenbedarf 125, 225, 245 Ressourcenmanagement 210, 245, 248, 252 Ressourcenplan 125 Ressourcenplanung 203, 246, 249, 251 Ressourcensteuerung 245 Ressourcenszenario 252 Restkostenabschätzung 157 Review 207, 211, 213, 215, 315, 322 Risiko 133, 296 Risikoanalyse 134, 135, 138
389
Stichwortverzeichnis
Risiko-Checkliste 138 Risikokennzahl 140 Risikokontrolle 134 Risikomanagement 134, 136, 142, 296 Risikopolitik 134 Risikotabelle 140 Rolle 44, 340 Rollenbeschreibung 340
S Schätzpreis 99 Schiedsgericht 287 Schnittstellen 14, 20, 258, 263, 293, 305 Scorecard 179 Selbst-Assessment 323 Selbstorganisation 342 Selektion 196, 249 SE-Team 46 Simultaneous Engineering 258, 360 Soft skills 362 Soll-Ist-Vergleich 153, 156 Soll-Konzeption 333, 334 Spezifikation 75, 76 Spielregeln 49, 50, 67, 221, 222, 265, 287, 302 Sponsor 265 Stabsorganisation 41 Stakeholder 69, 319, 321, 330, 343, 345, 362 Stakeholderanalyse 327 Standard 26, 325 Standardisierung 258, 356 Standortbestimmung 330, 334 Startworkshop 72 Statusbericht 176, 214, 237 Statusbesprechung 149, 175 Steuerkreis 149, 175, 265, 328, 346, 360 Steuerungsmaßnahmen 157, 159, 162, 164 Storming 48 Strategic Collaborative Scorecard 284 Strategie 17, 319, 334, 335 Strategieentwicklung 337 Strategieumsetzung 202
390
strategisches Projektmanagement 196 Struktur 17, 319 Synchronisation 289, 339 Synchronisationspunkte 89, 95, 290, 339
T Tailoring 338 Target Costing 97, 295 Team 47 Teamarbeit 74 Teambesprechung 174 Teambildung 22, 277, 314, 346 Teamentwicklung 48, 67, 358 Teilprojektleiter 36, 37 Temporäre Organisation 340 Terminplan 118 Time-to-market 10, 355 Training 212, 277, 346 Triade 6, 7, 357
U Unternehmenscontrolling 144 Unternehmenskultur 219, 255, 275, 342, 354 Unternehmensplanung 231 Unternehmensstrategie 319 Unternehmensübergreifende Projekte 257 Unternehmensziele 231 Unwägbarkeiten 361
V VDA 24, 27 Veränderung 343 Veränderungsprozess 343, 344, 345 Verantwortung 34 Verdrängungswettbewerb 12, 19, 273, 294, 355 Verfahrensanweisung 27, 341 Vermögenswerte 319 Vernetzung 360 Verständigung 275
Stichwortverzeichnis
Vertrauen 15, 268, 273, 274, 316 Vertrauenskultur 275, 311, 348 Virtualisierung 260 Virtuelle Teams 49 Virtueller Projektraum 56 Vision 319, 336, 343 V-Modell XT 331 Vorkalkulation 98
W Weisungsbefugnisse 36 Wertanalyse 132 Werte 340, 343 Wertschöpfung 9, 13, 14, 255, 320, 338 Wertschöpfungsanteil 4 Wertschöpfungskette 256, 271, 291, 299 Wertschöpfungsnetz 16, 20 Wettbewerbsfähigkeit 11 Win-Win 286 Wirksamkeit 331 Wirtschaftlichkeit 96, 102, 128, 214, 235, 331 Wissen 312, 313, 347, 351
Wissenscontrolling 348 Wissensdatenbank 206 Wissensmanagement 188, 313, 348 Wissenstransfer 210, 233, 236 Wissensziele 350 Workflow 237 Workflow Manager 261
Z Zertifizierung 322 Zieldefinition 285 Zielkatalog 79 Zielklärung 68 Zielkonflikt 285 Zielvereinbarung 105, 115 Zielverträglichkeit 285 Zielvision 278 Zuliefernetzwerk 13 Zusammenarbeit 19, 21, 48, 220, 254, 268, 269, 270, 272, 273, 275, 277, 278, 283, 298, 303, 308, 309, 312, 313, 319, 320, 342, 348
391