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Springers Kurzlehrbücher der Rechtswissenschaft
Christian Bertel Klaus Schwaighofer
Österrei...
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Springers Kurzlehrbücher der Rechtswissenschaft
Christian Bertel Klaus Schwaighofer
Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil I §§ 75 bis 168e StGB 11., vollständig überarbeitete Auflage von Klaus Schwaighofer und Andreas Venier
2010
SpringerWienNewYork
em. Univ.-Prof. Dr. Christian Bertel Univ.-Prof. Dr. Klaus Schwaighofer ao. Univ.-Prof. Dr. Andreas Venier Institut für Strafrecht, Strafprozessrecht und Kriminologie Leopold-Franzens-Universität Innsbruck, Österreich Das Werk ist urheberrechtlich geschützt. Die dadurch begründeten Rechte, insbesondere die der Übersetzung, des Nachdruckes, der Entnahme von Abbildungen, der Funksendung, der Wiedergabe auf photomechanischem oder ähnlichem Wege und der Speicherung in Datenverarbeitungsanlagen, bleiben, auch bei nur auszugsweiser Verwertung, vorbehalten. © 1989, 1991, 1993, 1995, 1998, 2000, 2003, 2004, 2006, 2008 und 2010 Springer-Verlag/Wien Printed in Austria SpringerWienNewYork ist ein Unternehmen von Springer Science + Business Media springer.at Die Wiedergabe von Gebrauchsnamen, Handelsnamen, Warenbezeichnungen usw. in diesem Buch berechtigt auch ohne besondere Kennzeichnung nicht zu der Annahme, dass solche Namen im Sinne der Warenzeichen- und Markenschutz-Gesetzgebung als frei zu betrachten wären und daher von jedermann benutzt werden dürfen. Produkthaftung: Sämtliche Angaben in diesem Fachbuch erfolgen trotz sorgfältiger Bearbeitung und Kontrolle ohne Gewähr. Eine Haftung des Autors oder des Verlages aus dem Inhalt dieses Werkes ist ausgeschlossen. Satz: Jung Crossmedia Publishing GmbH, 35633 Lahnau, Deutschland Druck: Ferdinand Berger & Söhne Gesellschaft m. b. H., 3580 Horn, Austria Gedruckt auf säurefreiem, chlorfrei gebleichtem Papier – TCF SPIN: 12684458 Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. ISSN 0723-5097 ISBN 978-3-211-74135-1 10. Aufl. SpringerWienNewYork
ISBN 978-3-211-99386-6 SpringerWienNewYork
Vorwort Dieses Buch will viele Leser ansprechen. Ansprechen will es vor allem den Studenten, auch den Anfänger. Ein einfacher, klarer, kurz gefasster Text führt ihm die Regeln des Strafrechts vor. Aber wir lassen den Leser nicht mit Regeln allein, sondern erläutern sie durch Beispiele. Da uns die praxisgerechte Ausbildung ein besonderes Anliegen ist, nehmen wir die Beispiele aus der veröffentlichten Judikatur, und wenn sie zu wenig ergiebig ist, aus der nicht veröffentlichten Judikatur des OGH, zum Teil auch der Oberlandesgerichte. Die ausgiebige Verwendung von Entscheidungen wird dem Praktiker entgegenkommen. Und da wir bei aller Kürze doch das ganze StGB behandeln und auch andere Auffassungen berücksichtigen, gibt das Buch jedem akademischen Lehrer Gelegenheit, in seinen Lehrveranstaltungen eine eigene Auswahl zu treffen und eigene Schwerpunkte zu setzen. Wir haben dieses Buch wieder auf den neuesten Stand gebracht und das Strafprozessreformbegleitgesetz I (BGBl I 2007/93), das Strafrechtsänderungsgesetz 2008 (BGBl I 2007/109), das 2. Gewaltschutzgesetz (BGBl I 2009/40) und das Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009 (BGBl I 2009/98) eingearbeitet. Die wichtigsten Neuerungen, die diesen I. Band betreffen, sind die Einführung des neuen Tatbestands „Fortgesetzte Gewaltausübung“ (§ 107b StGB) und die Anfügung zweier Korruptionsdelikte für den privaten Sektor (§§ 168c–168e StGB). Lehre und Rechtsprechung sind bis Juli 2009 berücksichtigt. Herr Univ.-Prof. Dr. Christian Bertel ist im Herbst 2007 emeritiert und hat die Bearbeitung der Vermögensdelikte (§§ 125–168e) an Andreas Venier, die Bearbeitung der §§ 75–93 StGB an Klaus Schwaighofer übergeben. Somit stammen nun die Erläuterungen zu den §§ 75–124 von Schwaighofer, jene zu den §§ 125–168e von Venier. Herr Dr. Florian Messner, Frau Mag. Tanja Schermer, Frau Mag. Eva-Maria Schmiderer und Frau Manuela Seidner haben an dieser Neuauflage in vielfältiger Weise mitgearbeitet. Ihnen allen wollen wir für ihre Mühe danken. Innsbruck, im Juli 2009
Klaus Schwaighofer Andreas Venier
Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
XI 1
Mord (§ 75) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Totschlag (§ 76) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tötung auf Verlangen und Mitwirkung am Selbstmord (§§ 77, 78) . . . . . . . . . . . . . Tötung eines Kindes bei der Geburt (§ 79) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fahrlässige Tötung (§ 80) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81) . . . . . . . . . . . Aussetzung (§ 82) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körperverletzung (§ 83) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwere Körperverletzung (§ 84) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 86) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Absichtliche schwere Körperverletzung (§ 87) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Fahrlässige Körperverletzung (§ 88) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Einwilligung des Verletzten (§ 90) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Raufhandel (§ 91) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen (§ 92) Überanstrengung unmündiger, jüngerer oder schonungsbedürftiger Personen (§ 93) Imstichlassen eines Verletzten (§ 94) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterlassung der Hilfeleistung (§ 95) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
1 4 6 7 8 19 26 28 33 39 41 43 44 49 51 54 57 59 59 67
Schwangerschaftsabbruch
71
Schwangerschaftsabbruch (§ 96) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs (§ 97) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der Schwangeren (§ 98) . . . . . . . . . .
71 75 77
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
79
Freiheitsentziehung (§ 99) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entführung einer geisteskranken oder wehrlosen Person (§ 100) Entführung einer unmündigen Person (§ 101) . . . . . . . . . . . . . Erpresserische Entführung (§ 102) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Überlieferung an eine ausländische Macht (§ 103) . . . . . . . . . . .
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79 84 85 86 92
Inhaltsverzeichnis
Sklaverei (§ 104) . . . . . . . . . . . . . . . . Menschenhandel (§ 104a) . . . . . . . . . . Nötigung (§ 105) . . . . . . . . . . . . . . . . Schwere Nötigung (§ 106) . . . . . . . . . Gefährliche Drohung (§ 107) . . . . . . . Beharrliche Verfolgung (§ 107a) . . . . . Fortgesetzte Gewaltausübung (§ 107b) Täuschung (§ 108) . . . . . . . . . . . . . . . Hausfriedensbruch (§ 109) . . . . . . . . . Eigenmächtige Heilbehandlung (§ 110)
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Strafbare Handlungen gegen die Ehre
135
Üble Nachrede (§ 111) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wahrheitsbeweis und Beweis des guten Glaubens (§ 112) . . . . . . . . . . . . . . . Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung (§ 113) . . . . . Straflosigkeit wegen Ausübung eines Rechtes oder Nötigung durch besondere Umstände (§ 114) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Beleidigung (§ 115) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Öffentliche Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers, des Bundesheeres oder einer Behörde (§ 116) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Berechtigung zur Anklage (§ 117) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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136 142 144
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145 149
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153 154
Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse Verletzung des Briefgeheimnisses und Unterdrückung von Briefen (§ 118) . . . Widerrechtlicher Zugriff auf ein Computersystem (§ 118a) . . . . . . . . . . . . . . Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses (§ 119) . . . . . . . . . . . . . . . Missbräuchliches Abfangen von Daten (§ 119a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten (§ 120) . . . . . . . . . . . . . . Verletzung von Berufsgeheimnissen (§ 121) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Verletzung und Auskundschaftung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses (§§ 122–124) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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157 . . . . . .
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158 159 161 162 163 165
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167
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen Sachbeschädigung (§ 125) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwere Sachbeschädigung (§ 126) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Datenbeschädigung (§ 126a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems (§ 126b) . . . . . Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten (§ 126c) . . . Diebstahl (§ 127) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwerer Diebstahl (§ 128) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen (§ 129) . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbsmäßiger Diebstahl und Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (§ 130) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Räuberischer Diebstahl (§ 131) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entziehung von Energie (§ 132) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Veruntreuung (§ 133) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unterschlagung (§ 134) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
VIII
93 93 96 108 112 116 119 122 124 130
171 . . . . . . . .
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171 174 179 180 181 182 192 195
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201 203 206 207 215
Inhaltsverzeichnis
Dauernde Sachentziehung (§ 135) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen (§ 136) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht (§ 137) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwerer Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht (§ 138) . . . . . . . . . . . . . . . . Verfolgungsvoraussetzung (§ 139) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewaltanwendung eines Wilderers (§ 140) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Entwendung (§ 141) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Raub (§ 142) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwerer Raub (§ 143) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erpressung (§ 144) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwere Erpressung (§ 145) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrug (§ 146) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schwerer Betrug (§ 147) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gewerbsmäßiger Betrug (§ 148) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch (§ 148a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Erschleichung einer Leistung (§ 149) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Notbetrug (§ 150) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Versicherungsmissbrauch (§ 151) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Kreditschädigung (§ 152) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Untreue (§ 153) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geschenkannahme durch Machthaber (§ 153a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Förderungsmissbrauch (§ 153b) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung (§ 153c) . . . . . . . Betrügerisches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz (§ 153d) . . . . . . . . . . . . . . . . . Organisierte Schwarzarbeit (§ 153e) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geld- und Sachwucher (§§ 154, 155) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Betrügerische Krida (§ 156) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Schädigung fremder Gläubiger (§ 157) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begünstigung eines Gläubigers (§ 158) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen (§ 159) . . . . . . . . . . . . Umtriebe während einer Geschäftsaufsicht, im Ausgleichsverfahren oder im Konkursverfahren (§ 160) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Gemeinsame Bestimmungen über die Verantwortlichkeit leitender Angestellter (§ 161) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsvereitelung (§ 162) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Vollstreckungsvereitelung zugunsten eines anderen (§ 163) . . . . . . . . . . . . . . . . . . Hehlerei (§ 164) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Geldwäscherei; Tätige Reue (§§ 165, 165a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Begehung im Familienkreis (§ 166) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Tätige Reue (§ 167) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Glücksspiel (§ 168) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Ketten- oder Pyramidenspiele (§ 168a) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren (§ 168b) . . . . . . . . . Geschenkannahme; Bestechung; Berechtigung zur Anklage (§§ 168c–e) . . . . . . . . .
219 223 230 231 232 233 233 237 242 245 247 248 262 265 266 268 271 271 272 274 281 282 284
304 305 308 308 312 317 320 329 332 333 336
Sachverzeichnis . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
339
285 286 288 290 294 295 297 303
IX
Abkürzungsverzeichnis Paragrafen ohne nähere Bezeichnung beziehen sich auf das StGB. aaO ABGB abl Abs abw aF AIDS-G aM AngG Anm AnwBl AO arg Art ÄrzteG AT Aufl AVG bbl Bd BDG Bezauer Tage BGBl BlgNR BMJ BRD BT BT II Burgstaller Fahrlässigkeitsdelikt B-VG BWG
am angegebenen Ort Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch ablehnend Absatz abweichend alte Fassung AIDS-Gesetz 1993 BGBl 1993/728 (Wv) idgF anderer Meinung Angestelltengesetz 1921/292 idgF Anmerkung Österreichisches Anwaltsblatt Ausgleichsordnung BGBl II 1934/221 idgF argumentum (argumento) Artikel Ärztegesetz 1998 BGBl I 1998/169 idgF Allgemeiner Teil Auflage Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991 BGBl 1991/51 (Wv) idgF Baurechtliche Blätter Band Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979 BGBl 1979/333 idgF Referate der in Bezau veranstalteten Strafrechtsseminare, hrsg vom BMJ Bundesgesetzblatt Beilagen zu den Stenografischen Protokollen des Nationalrats Bundesministerium für Justiz Bundesrepublik Deutschland Besonderer Teil Bertel/Schwaighofer, Österreichisches Strafrecht Besonderer Teil II 8. Aufl (2008) Burgstaller, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht (1974) Bundes-Verfassungsgesetz 1920 idF von 1929 Bankwesengesetz BGBl 1993/532 idgF
Abkürzungsverzeichnis
bzw ca ders dgl dh dies Dok DSchG E EBRV EBRV zum 2. GeSchG EBRV zum SozBeG EBRV zum StRÄG 1996 EBRV zum StRÄG 1998 EBRV zum StRÄG 2001 EBRV zum StRÄG 2002 EBRV zum StRÄG 2004/1 EBRV zum StRÄG 2004/2 EBRV zum StRÄG 2008/1 EBRV zum WaffenG ecolex EDVuR EGMR EGVG EGZPO EMRK EO ErgH ErstG EU EuGRZ EvBl evt f
XII
beziehungsweise circa derselbe dergleichen das heißt dieselben Dokumentation zum Strafgesetzbuch, hrsg vom BMJ (1974) Denkmalschutzgesetz BGBl 1923/533 idgF Entscheidung Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum StGB (1971), 30 BlgNR 13. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum 2. Gewaltschutzgesetz, 678 BlgNR 23. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Sozialbetrugsgesetz, 698 BlgNR 22. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 1996, 33 BlgNR 20. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 1998, 1230 BlgNR 20. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 2001, 754 BlgNR 21. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 2002, 1166 BlgNR 21. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 2003, 294 BlgNR 22. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zu einem Bundesgesetz, mit dem das Strafgesetzbuch geändert wird, 309 BlgNR 22. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum Strafrechtsänderungsgesetz 2008, 285 BlgNR 23. GP Erläuternde Bemerkungen zur Regierungsvorlage zum WaffenG 1996, 457 BlgNR 20. GP ecolex, Fachzeitschrift für Wirtschaftsrecht EDV und Recht Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte Einführungsgesetz zu den Verwaltungsverfahrensgesetzen 1991 BGBl 1991/50 (Wv) idgF Einführungsgesetz zur Zivilprozessordnung RGBl 1895/112 idgF Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten BGBl 1958/210 Exekutionsordnung RGBl 1896/79 idgF Ergänzungsheft Erstgericht Europäische Union Europäische Grundrechte Zeitschrift Evidenzblatt der Rechtsmittelentscheidungen (in der ÖJZ) eventuell folgende
Abkürzungsverzeichnis
ff Fabrizy FinStrG FMedG FN ForstG FS FSG Fuchs AT I F/R BT I GendRdSch GesRZ GeSchG GmbH GP GS GSpG hA Hinterhofer BT II hL hM Hrsg, hrsg hRsp idF idgF idR idS ieS iFamZ immolex insb iS iSd iVm iwS JA JAB JAB zum 2. GeSchG JAB zum StRÄG 1987 JAB zum StRÄG 1996 JAB zum StRÄG 1998 JAB zum StRÄG 2001
fortfolgende Fabrizy, StGB und ausgewählte Nebengesetze, Kurzkommentar 9. Aufl (2006) Finanzstrafgesetz BGBl 1958/129 idgF Fortpflanzungsmedizingesetz BGBl 1992/275 idgF Fußnote Forstgesetz BGBl 1975/440 idgF Festschrift Führerscheingesetz BGBl I 1997/120 idgF Fuchs, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil I 7. Aufl (2008) Fuchs/Reindl, Strafrecht Besonderer Teil I 2. Aufl (2007) Illustrierte Rundschau der Gendarmerie Der Gesellschafter 2. Gewaltschutzgesetz BGBl I 2009/40 Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gesetzgebungsperiode Gedächtnisschrift Glücksspielgesetz BGBl 1989/620 idgF herrschende Auffassung Hinterhofer, Strafrecht Besonderer Teil II 4. Aufl (2005) herrschende Lehre herrschende Meinung Herausgeber, herausgegeben herrschende Rechtsprechung in der Fassung in der geltenden Fassung in der Regel in diesem Sinn im engeren Sinn interdisziplinäre Zeitschrift für Familienrecht Zeitschrift für neues Miet- und Wohnrecht insbesondere im Sinn im Sinne des/der in Verbindung mit im weiteren Sinn Justizausschuss Bericht des JA über die RV zum StGB, 959 BlgNR 13. GP Bericht des JA über die RV zum 2. GeSchG, 106 BlgNR 24. GP Bericht des JA über das StRÄG 1987, 359 BlgNR 17. GP Bericht des JA über das StRÄG 1996, 409 BlgNR 20. GP Bericht des JA über das StRÄG 1998, 1359 BlgNR 20. GP Bericht des JA über das StRÄG 2001, 787 BlgNR 21. GP
XIII
Abkürzungsverzeichnis
JAB zum StRÄG 2002 JAB zum StRÄG 2004 JAB zum StRÄG 2008 JAB zur StGNov 1989 JAB zur StGNov 1993 JABl JAP JBl JGG JR JSt JUS JZ KAKuG Kap KFG KH K/H AT Kienapfel II KO KorrStrÄG 2009 Koziol/Welser I KrimGF krit K/Schm StudB II K/Schm StudB III K/Schr I K/Schr StudB I LandesG Lewisch BT I LGSt lit LJZ LMG L/St
XIV
Bericht des JA über das StRÄG 2002, 1213 BlgNR 21. GP Bericht des JA über das StRÄG 2004, 379 BlgNR 22. GP Bericht des JA über das StRÄG 2008, 331 BlgNR 23. GP Bericht des JA über die StGNov 1989, 927 BlgNR 17. GP Bericht des JA über die StGNov 1993, 1160 BlgNR 18. GP Amtsblatt der österreichischen Justizverwaltung Juristische Ausbildung und Praxisvorbereitung Juristische Blätter Jugendgerichtsgesetz 1988 BGBl 1988/599 idgF Juristische Rundschau Journal für Strafrecht Jus Extra (Jahr/Nummer) Deutsche Juristenzeitung Krankenanstalten- und Kuranstaltengesetz BGBl 1957/1 idgF Kapitel Kraftfahrgesetz 1967 BGBl 1967/267 idgF Plenarbeschlüsse und Entscheidungen des k.k. Obersten Gerichtsals Kassationshofes Kienapfel/Höpfel, Grundriss des österreichischen Strafrechts Allgemeiner Teil 13. Aufl (2009) Kienapfel, Grundriss des österreichischen Strafrechts Besonderer Teil Bd II 3. Auflage (1993) Konkursordnung RGBl 1914/337 idgF Korruptionsstrafrechtsänderungsgesetz 2009 BGBl I 2009/98 Koziol/Welser, Grundriss des Bürgerlichen Rechts Bd I 13. Aufl (2006) Kriminologische Gegenwartsfragen kritisch Kienapfel/Schmoller, Studienbuch Strafrecht Besonderer Teil Bd II (2003) Kienapfel/Schmoller, Studienbuch Strafrecht Besonderer Teil III 2. Aufl (2009) Kienapfel/Schroll, Grundriss des Strafrechts Besonderer Teil Bd I 5. Aufl (2003) Kienapfel/Schroll, Studienbuch Strafrecht Besonderer Teil I 2. Aufl (2008) Landesgesetz Lewisch, Strafrecht Besonderer Teil I 2. Aufl (1999) Landesgericht für Strafsachen litera (Buchstabe) Liechtensteinische Juristenzeitung Lebensmittelgesetz 1975 BGBl 1975/86 idgF Leukauf/Steininger, Kommentar zum Strafgesetzbuch 3. Aufl (1992)
Abkürzungsverzeichnis
Mayerhofer MedG MeldeG MR MRA mwN NBG NJW NotZG Nov Nr NRsp NZ ÖA ÖÄZ ÖBA ÖBB ÖBl OGH ÖGWTZ ÖGZ ÖJT ÖJZ ÖJZ-LS ÖJZ-LSK ÖJZ-MRK OLG Ottenstein ÖVA ÖZW Platzgummer Bewusstseinsform PornG PTA RAO RdA RDG RdM RdW RfR RGBl Rsp
Mayerhofer, Das österreichische Strafrecht Erster Teil Strafgesetzbuch 6. Aufl (2009) Mediengesetz BGBl 1981/314 idgF Meldegesetz 1991 BGBl 1992/9 idgF Medien und Recht Medien und Recht, Archiv mit weiteren Nachweisen Nationalbankgesetz 1984 BGBl 1984/50 (Wv) idgF (deutsche) Neue Juristische Wochenschrift Bundesgesetz vom 24. 5. 1929 BGBl 1929/181 gegen den Missbrauch von Notzeichen Novelle Nummer Neue Rechtsprechung des OGH (in der ÖJZ) Österreichische Notariats-Zeitung Der Österreichische Amtsvormund Österreichische Ärztezeitung Österreichisches Bank-Archiv Österreichische Bundesbahnen Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht Oberster Gerichtshof Zeitung der österreichischen Gesellschaft der Wirtschaftstreuhänder Österreichische Gemeindezeitung Österreichischer Juristentag Österreichische Juristen-Zeitung OGH-Leitsätze (in der ÖJZ) ÖJZ-Leitsatzkartei MRK-Entscheidungen in der ÖJZ Oberlandesgericht Ottensteiner Fortbildungsseminar aus Strafrecht und Kriminologie (früher StPG) Österreichisches Verwaltungsarchiv Österreichische Zeitschrift für Wirtschaftsrecht Platzgummer, Die Bewusstseinsform des Vorsatzes (1964) Pornographiegesetz BGBl 1950/97 idgF Post und Telekom Austria Aktiengesellschaft Rechtsanwaltsordnung RGBl 1886/96 idgF Recht der Arbeit Richterdienstgesetz BGBl 1961/305 idgF Recht der Medizin Österreichisches Recht der Wirtschaft Rundfunkrecht, Beilage zu „Österreichische Blätter für gewerblichen Rechtsschutz und Urheberrecht“ Reichsgesetzblatt Rechtsprechung
XV
Abkürzungsverzeichnis
RZ Rz s SbgK SchöffenG SchwZStR SH SMG sog SozBeG SozSi SPG SSt Stb StG StGB StGG StGNov 1989 StGNov 1993 StPG StPO StPRefBG I
StPRefG StRÄG StRÄG 1987 StRÄG 1996 StRÄG 1998 StRÄG 2001 StRÄG 2002 StRÄG 2004 StRÄG 2006 StVO SWK taxlex TKG 2003 Triffterer AT ua uam uE UFSaktuell
XVI
Österreichische Richterzeitung Randziffer siehe Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg von Triffterer/ Rosbaud/Hinterhofer Schöffengericht Schweizerische Zeitschrift für Strafrecht Sonderheft Suchtmittelgesetz BGBl I 1997/112 idgF sogenannt(e) Sozialbetrugsgesetz BGBl I 2004/152 Soziale Sicherheit Sicherheitspolizeigesetz BGBl 1991/566 idgF Entscheidungen des österreichischen Obersten Gerichtshofes in Strafsachen und Disziplinarangelegenheiten Der Staatsbürger, Beilage der Salzburger Nachrichten Strafgesetz 1945 Strafgesetzbuch 1975 BGBl 1974/60 idgF Staatsgrundgesetz über die allgemeinen Rechte der Staatsbürger 1867 RGBl 1867/142 Strafgesetznovelle 1989 BGBl 1989/242 Strafgesetznovelle 1993 BGBl 1993/527 Strafrechtliche Probleme der Gegenwart Strafprozessordnung 1975 idF des Strafprozessreformgesetzes BGBl I 2004/19 Bundesgesetz, mit dem die Strafprozessordnung 1975, das Strafgesetzbuch und das Jugendgerichtsgesetz 1988 geändert werden (Strafprozessreformbegleitgesetz I) BGBl I 2007/93 Strafprozessreformgesetz BGBl I 2004/19 Strafrechtsänderungsgesetz Strafrechtsänderungsgesetz 1987 BGBl 1987/605 Strafrechtsänderungsgesetz 1996 BGBl 1996/762 Strafrechtsänderungsgesetz 1998 BGBl I 1998/153 Strafrechtsänderungsgesetz 2001 BGBl I 2001/130 Strafrechtsänderungsgesetz 2002 BGBl I 2002/134 Strafrechtsänderungsgesetz 2004 BGBl I 2004/15 Strafrechtsänderungsgesetz 2006 BGBl I 2006/56 Straßenverkehrsordnung 1960 BGBl 1960/159 idgF Österreichische Steuer- und Wirtschaftskartei Zeitschrift für Steuer und Beratung Telekommunikationsgesetz 2003 BGBl I 2003/70 Triffterer, Österreichisches Strafrecht Allgemeiner Teil 2. Aufl (1994) unter anderem und andere(s) mehr unseres Erachtens Zeitschrift für Steuer- und Abgabenrecht
Abkürzungsverzeichnis
UGB usw uU V VbVG VersammlungsG VersRdSch VfGH VfSlg VG vgl Vorbem VStG WaffenG WaffGG WehrG wbl wobl Wegscheider WK WK2 WR Wv Z Zagler BT ZAS zB ZfRM ZfRV ZfV ZIK ziv ZnStR ZPO ZStW zust ZVB ZVR
Unternehmensgesetzbuch (Handelsgesetzbuch) dRGBl 1897, 219 idgF und so weiter unter Umständen Verordnung Verbandsverantwortlichkeitsgesetz BGBl I 2005/151 idgF Versammlungsgesetz 1953 BGBl 1953/98 idgF Die Versicherungsrundschau Verfassungsgerichtshof Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse des VfGH Verbotsgesetz StGBl 1945/13 idgF vergleiche Vorbemerkungen Verwaltungsstrafgesetz 1991 BGBl 1991/52 (Wv) idgF Waffengesetz 1996 BGBl I 1997/12 idgF Waffengebrauchsgesetz 1969 BGBl 1969/149 idgF Wehrgesetz 2001 BGBl I 2001/146 idgF Wirtschaftsrechtliche Blätter Wohnrechtliche Blätter Wegscheider, Strafrecht Besonderer Teil, 2. Aufl (2006) Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, hrsg von Foregger und Nowakowski Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl, hrsg von Höpfel und Ratz „Wiener Judikatur“, Beilage zu „Der Wiener Richter“ Wiederverlautbarung Ziffer Zagler, Strafrecht Besonderer Teil 1. Aufl (2000) Zeitschrift für Arbeitsrecht und Sozialrecht zum Beispiel Zeitschrift für Rechtsmedizin Zeitschrift für Rechtsvergleichung Zeitschrift für Verwaltung Zeitschrift für Insolvenzrecht und Kreditschutz zivilrechtlich Zum neuen Strafrecht, Referate bei der Österreichischen Richterwoche I (1973) und II (1974) Zivilprozessordnung RGBl 1895/113 idgF Zeitschrift für die gesamte Strafrechtswissenschaft zustimmend Zeitschrift für Vergaberecht und Beschaffungspraxis Zeitschrift für Verkehrsrecht
XVII
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben Mord § 75. Wer einen anderen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen. Schrifttum zu §§ 75–79: Bauer, Kausalität und Tötungsdelikt in der Strafrechtsentwicklung Österreichs, RZ 1981, 161; Bernat, Dem Leben ein Ende setzen: Selbstmord und aktive Teilnahme am Suizid – eine rechtsethische Überlegungsskizze, ÖJZ 2002, 92; Eder-Rieder, Lebensbeginn und Lebensende aus strafrechtlicher Sicht, Jahrbuch der Universität Salzburg 1995-97, 131; Felnhofer-Luksch, Irrtümer über privilegierende Deliktsmerkmale, JBl 2004, 703; Frank, Das Strafgesetzbuch für das Deutsche Reich18 (1931); Frank/Eder/Harrer, Doppelselbstmord: Mitwirkung am Selbstmord? Tötung auf Verlangen? ÖJZ 1994, 805; Hirsch, Behandlungsabbruch und Sterbehilfe, in: Lackner-FS (1987), 597; Kert, Sterbehilfe, JAP 2005/2006, 207; Kienapfel, Zur Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen, ÖJZ 1976, 197; Kneihs, Grundrechte und Sterbehilfe (1998); ders, Das Recht auf Leben in Österreich, JBl 1999, 767; Laubichler, Die Problematik der forensisch-psychiatrischen Beurteilung des erweiterten Selbstmordversuches, ÖJZ 1980, 653; Malecky, Wenn Todgeweihte sterben möchten. Sterbehilfe aus strafrechtlicher Sicht, iFamZ 2008, 141; Mayerhofer, Mord und Totschlag in Österreich, ÖJZ 1980, 290; Middendorff, Verkehrskriminalität, in: Die Psychologie des 20. Jahrhunderts, Bd XIV (1981), 419; Moos, Die Tötung im Affekt im neuen österreichischen Strafrecht, ZStW 1977, 796; ders, Mord und Totschlag im neuen Strafrecht, StPG 4 (1976), 34; ders, Sterbehilfe, Selbstmord und die ärztliche Heilbehandlung von Suizidpatienten, in: Birklbauer (Hrsg), Recht zu sterben oder Pflicht zu leben? (2002), 15; Rainer, Die Filter der Strafjustiz am Beispiel Mord und Totschlag, ÖJZ 1986, 302; Rieder, Die strafrechtliche Beurteilung von Organtransplantationen de lege lata et ferenda, ÖJZ 1978, 113; Ratz, Zur strafrechtlichen Haftung des Arztes beim Selbstmord, ÖJZ 1988, 619; Schick, Todesbegriff, Sterbehilfe und aktive Euthanasie, in: Bernat (Hrsg), Ethik und Recht an der Grenze zwischen Leben und Tod (1993), 121; ders, Fremd- und Selbstbestimmung zum Tode im Lichte strafrechtlicher Wertungen, in: Zipf-GS (1999), 393; Schirhakl/Treichl/Kryspin-Exner, Tötung eines Kindes bei der Geburt, JSt 2005, 18; Schmoller, Das voluntative Vorsatzelement, ÖJZ 1982, 249, 281; ders, Euthanasie und Rechtsordnung, Imago Hominis, Bd VI (1999), 115; ders, Lebensschutz bis zum Ende? Strafrechtliche Reflexionen zur internationalen Euthanasiediskussion, StPG 27 (1999), 1 = ÖJZ 2000, 361; ders, Abschaffung der Sonderregelung für „Kindestötung“? in: Gössel-FS (2002), 369; Schwaighofer, Verzweiflungstat mit dem Auto: Mord oder Totschlag? PRESSE-Rechtspanorama 16. 3. 1998, 18; Seiler St., Der
§ 75
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
„dolus generalis“ in Lehre und Rechtsprechung, ÖJZ 1994, 85; Simson, Ein Ja zur Sterbehilfe aus Barmherzigkeit, in: Schwinge-FS (1973), 89; Spiel/Leixnering, Tötungsdelikte aus der Sicht von Kindern und Jugendlichen, RZ 1981, 145; Tschulik, Die vorsätzliche Tötung im österreichischen Recht, KrimGF 14 (1980), 31; Wach, Strafrechtliche Probleme des Selbstmordes, ÖJZ 1978, 479; Wernstedt, Sterbehilfe in Europa (2004); Witter, Grundriss der Psychologie und Psychiatrie (1970); Zerbes, Schuldausschluss bei Affekttaten (1999).
1. Die äußere Tatseite 1 A. Tatobjekt; Tathandlung; Erfolg; Kausalzusammenhang. Der Täter
tötet das Opfer, wenn er dessen Tod verursacht. Das Opfer ist ein anderer Mensch (vgl § 96 Rz 3). Wie die Handlung des Täters zum Tod des Opfers führt, ob zB das Opfer sofort und unmittelbar an der Schussverletzung oder erst später mittelbar an einer Infektion der Wunde stirbt, ist unerheblich (Äquivalenz- oder Bedingungstheorie; JBl 1987, 191; Fabrizy § 75 Rz 3, Fuchs AT I 13. Kap Rz 4f, K/H AT Z 10 Rz 6ff). 2 B. Risikozusammenhang. Die Handlung des Täters und der Tod des Op-
fers müssen im Risikozusammenhang stehen (JBl 1994, 556 mit Anm von Burgstaller): Der Tod des Opfers muss sich aus der besonderen Gefährlichkeit der Täterhandlung ergeben (Fuchs AT I 13. Kap Rz 29; vgl § 86 Rz 1). Der Täter will das Opfer erwürgen. Es wird bewusstlos; der Täter hält es für tot und legt einen Brand, um die Spuren der Tat zu beseitigen; jetzt stirbt das Opfer an einer Rauchgasvergiftung. Das Würgen stünde mit dem Tod durch Rauchgasvergiftung im Risikozusammenhang, wenn das Würgen von Menschen ua auch deshalb gefährlich und verboten wäre, weil der Täter das Opfer für tot halten und bei Beseitigung der vermeintlichen Leiche töten könnte. Aber das ist allzu weit hergeholt (vgl Reindl WK2 § 5 Rz 66). So ist der Täter wegen versuchten Mordes und wegen Brandstiftung mit Todesfolge nach § 169 Abs 3 strafbar (vgl BT II §§ 169, 170 Rz 6). Für vollendeten Mord: EvBl 1982/88; K/Schr I § 75 Rz 22, Triffterer AT 9. Kap Rz 96. 3 C. Unterlassen. Der Mord kann unter den Voraussetzungen des § 2 auch
durch Unterlassen begangen werden. Die Eltern – sie sind Garanten – lassen mit Tötungsvorsatz ihr acht Monate altes Kind verhungern (JBl 1990, 262).
2. Die innere Tatseite 4 Der Täter hat den Vorsatz, das Opfer zu töten (§ 7 Abs 1). Wenn der Täter
den Tod des Opfers ohne Tötungsvorsatz herbeiführt, kann eine Körper2
Mord
§ 75
verletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 86, 87 Abs 2) oder eine fahrlässige Tötung (§ 80) vorliegen. A. Tötungsvorsatz liegt vor, wenn es dem Täter darauf ankommt, das 5 Opfer umzubringen (Absicht; § 5 Abs 2); wenn er weiß, dass seine Handlung zum Tod des Opfers führen wird (Wissentlichkeit; § 5 Abs 3); Tötungsvorsatz liegt aber auch vor, wenn der Täter es lediglich ernsthaft für möglich, dh für sehr wahrscheinlich hält, dass seine Handlung zum Tod des Opfers führen wird, und sich damit abfindet (bedingter Vorsatz; § 5 Abs 1). Vgl auch Triffterer AT 9. Kap Rz 51ff. Während eines gemeinsam verübten Raubüberfalls erschießt einer der Täter das Opfer; der Komplize hat an so etwas gar nicht gedacht. Er hat nicht einmal bedingten Tötungsvorsatz (JBl 1984, 98), selbst wenn er mit der Schießerei eigentlich hätte rechnen müssen (L/St § 5 Rz 18).
B. Dass der Täter den Tod des Opfers für sehr wahrscheinlich hält, ist für 6 den bedingten Tötungsvorsatz notwendig, aber nicht ausreichend: Der Mörder muss sich darüber hinaus mit dem Tod des Opfers abfinden, dh entschlossen sein, den Tod des Opfers hinzunehmen (EvBl 1975/192, 282). Das trifft umso eher zu, je näher die Wahrscheinlichkeit, mit welcher der Täter den Tod des Opfers voraussieht, an Gewissheit heranreicht; und das trifft nicht zu, wenn der Täter, hätte er den Tod des Opfers für gewiss gehalten, die Tat nicht begangen hätte (erste Frank’sche Formel). Wenn der Täter nicht entschlossen ist, den Tod des Opfers hinzunehmen, sondern darauf vertraut, das Opfer werde überleben, liegt nur Tötungsfahrlässigkeit vor (Fuchs AT I 14. Kap Rz 53ff, K/H AT Z 27 Rz 22ff, L/St § 5 Rz 16f, Reindl WK2 § 5 Rz 39, Schmoller ÖJZ 1982, 286, Steininger E. SbgK § 5 Rz 94f, Triffterer AT 9. Kap Rz 43). Der Autofahrer, der auf der linken Straßenseite mit überhöhter Geschwindigkeit in eine unübersichtliche Kurve fährt, handelt nicht mit Tötungsvorsatz, auch wenn die Gefahr eines tödlichen Unfalls sehr groß und der Täter sich ihrer bewusst ist. Wenn der Täter den Unfall für gewiss hielte, würde er so nicht fahren. Kriminologen halten den bedingten Vorsatz für eine bloße, überdies gefährliche „juristische Konstruktion“ (Middendorff Verkehrskriminalität 425). Darum Vorsicht! In der neueren Rsp findet sich die These, der Mörder müsse den Tod des Opfers innerlich „nicht geradezu bejahen oder billigen“ (JBl 2003, 399). Das ist eine gefährliche Verwässerung (vgl K/Schr I § 75 Rz 21).
C. Wer den A vorsätzlich erschießt im Glauben, es sei der B, begeht einen 7 vollendeten Mord (unbeachtlicher error in objecto). Wer aber auf X 3
§ 76
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
schießt, um ihn zu töten, und den Y tödlich trifft (aberratio ictus), begeht einen Mordversuch an X und eine fahrlässige Tötung an Y (Fuchs AT I 14. Kap Rz 15, L/St § 75 Rz 14, Moos WK2 § 75 Rz 18, Reindl WK2 § 5 Rz 82, Zagler BT § 75 Rz 9).
Totschlag § 76. Wer sich in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen lässt, einen anderen zu töten, ist mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu zehn Jahren zu bestrafen. 1 Totschlag ist eine privilegierte vorsätzliche Tötung, zu der sich der Täter
durch eine allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung hinreißen lässt. 2 A. Gemütsbewegungen sind asthenische (zB Verzweiflung, Schrecken)
und sthenische Affekte (zB Zorn, Empörung). Die Gemütsbewegung muss so heftig sein, dass sie den Täter zur Tat hinreißt. Der Affekt kann durch ein unerwartetes, schwerwiegendes Ereignis ausgelöst in einem Sturm ausbrechen und plötzlich den Tötungsentschluss entstehen lassen (K/Schr I § 76 Rz 17). Aber das muss nicht so sein. Eine lang dauernde schwere Belastung kann zu schweren seelischen Spannungen führen, die den Täter schließlich aus einem – für sich betrachtet – unscheinbaren Anlass in schwerer Verzweiflung zusammenbrechen lassen. Auch das ist eine heftige Gemütsbewegung, die den Täter zur Tat hinreißen kann (vgl Moos WK2 § 76 Rz 24). Dass der Täter schon früher daran dachte, das Opfer zu töten, aber diesen Gedanken bisher zurückgewiesen hat, und dass er bei der Ausführung der Tat überlegt vorgeht, schließt den heftigen Affekt zur Tatzeit nicht aus (Moos WK2 § 76 Rz 22f, Zagler BT § 76 Rz 2). Sorgfältige Planung über längere Zeit spricht aber eher dafür, dass sich der Täter zur Tat nicht hat hinreißen lassen. 3 B. Allgemein begreiflich ist die heftige Gemütsbewegung, wenn auch ein
maßgerechter, dh rechtstreuer Mensch auf Grund der gegebenen Situation in eine so heftige Gemütsbewegung geraten könnte. Dem maßgerechten Menschen fehlen Neid, Habsucht, Grausamkeit, Rachsucht; im Übrigen hat er die Eigenschaften des Täters, zB seine Minderwertigkeitsgefühle (Moos WK2 § 76 Rz 33) oder die Abhängigkeit von seinem Lebenspartner. Für die allgemeine Begreiflichkeit kommt es nicht nur auf den letzten, vielleicht unscheinbaren Anlass an, der den Affekt auslöst, sondern auch auf die Vorgeschichte, die dem letzten Anlass erst seine wahre Bedeutung gibt. Freilich hätte der maßgerechte Mensch den Affekt beherrscht und die Tat 4
Totschlag
§ 76
nicht begangen. Die Tat selbst ist immer unbegreiflich. Aber der Affekt kann allgemein begreiflich sein, obwohl es die Tat nicht ist (Fabrizy § 76 Rz 2, K/Schr I § 76 Rz 26f, L/St § 76 Rz 11, Lewisch BT I 19), und allein darauf kommt es an. Der Täter lebt seit Jahren in einem schweren Konflikt mit seinem Vater; nun weigert sich der Vater, ihm eine Reise zu finanzieren; es ist allgemein begreiflich, dass der Täter darüber „außer sich“ gerät (14 Os 76/92). Den „Zorn“ des Täters, weil sich die Mutter weigert, ihm zuzuhören und sich mit ihm auszusprechen, hält der OGH dagegen nicht für allgemein begreiflich (SSt 59/8); hier kommt es auf die Vorgeschichte an. Der 71-jährige Täter hat schon seit langem unter seinem gewalttätigen Enkelsohn zu leiden; nun verlangt der Enkel vom Täter Geld, bedroht ihn, packt und schüttelt ihn; es ist allgemein begreiflich, dass der Täter darüber in einen heftigen „Zorn“ gerät (14 Os 23/91). Nicht allgemein begreiflich ist die „Angst“ des Täters, von dem eben vergewaltigten Opfer angezeigt zu werden (SSt 59/1); die Erregung eines Strafgefangenen, der von einem Mitgefangenen – beide gehören verfeindeten Volksgruppen an – mit einem Faustschlag traktiert wird (EvBl 2000/144). Auch die Erregung, in die der Täter gerät, weil ihn das Opfer eben zu bestehlen versuchte, ist nicht allgemein begreiflich; dass sie infolge der Alkoholisierung des Täters stärker ausfiel, kommt ihm nicht zugute (15 Os 72/97). In seiner Wut und Verzweiflung nach einem heftigen Streit mit dem Vater will der Täter Selbstmord begehen: Er fährt auf der linken Straßenseite mit 140 km/h auf ein entgegenkommendes Fahrzeug zu; dessen Lenker kann ausweichen. Entscheidend für die allgemeine Begreiflichkeit der Gemütsbewegung (also ob versuchter Mord oder Totschlag vorliegt) ist die Vorgeschichte im Verhältnis zwischen Vater und Sohn. Dass das Opfer an der Gemütsbewegung des Täters unschuldig ist, macht sie nicht unbegreiflich (F/R BT I 11). Auch die Frau, die aus Verzweiflung über den Verlust ihrer Wohnung ihr jüngstes Kind tötet, begeht nur einen Totschlag (Mayerhofer § 76 E 15; s auch E 20b). Der OGH hingegen (11 Os 72/07h; EvBl 1996/131) hält eine Gemütsbewegung nur dann für allgemein begreiflich, wenn zwischen Affektanlass und der Person des Opfers ein psychologisch und ethisch allgemein begreiflicher Zusammenhang besteht. Mit dem Wortlaut des § 76 ist das nicht vereinbar.
C. Schuldmerkmal. Der Affekt kommt als schuldmindernder Umstand 4 nur dem zugute, in dessen Person er vorliegt (§ 14 Abs 2).
5
§§ 77, 78
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Tötung auf Verlangen und Mitwirkung am Selbstmord Tötung auf Verlangen § 77. Wer einen anderen auf dessen ernstliches und eindringliches Verlangen tötet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
Mitwirkung am Selbstmord § 78. Wer einen anderen dazu verleitet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. 1 A. Der Sterbewille. Die §§ 77 und 78 behandeln vorsätzliche Tötungen im
Einverständnis mit dem Opfer. Das Opfer ist aus freiem Willen, ohne Zwang entschlossen zu sterben und wird an diesem Entschluss nach menschlichem Ermessen festhalten (K/Schr I § 77 Rz 17, L/St § 77 Rz 4f, § 78 Rz 6, Moos WK2 § 77 Rz 23, 26f, § 78 Rz 20f; 14 Os 2/08p). Unmündige können nach Auffassung des OGH keinen ernsthaften Sterbewillen fassen (JBl 2001, 194 mit Anm Moos). 2 B. Die Tötungshandlung. Bei der Tötung auf Verlangen nimmt der Täter
die Tötungshandlung vor; bei der Mitwirkung am Selbstmord nimmt das Opfer selbst die Handlung vor, die unmittelbar zu seinem Tod führt oder führen soll; der Täter trägt irgendwie dazu bei. Das Opfer will sich in der Badewanne ertränken, doch es gelingt ihm nicht; der Täter drückt ihm nun auf dessen Verlangen, als er auftauchen will, den Kopf wieder unter Wasser: Er ist nach § 77 zu bestrafen (14 Os 39/09f). Der Täter schickt dem Opfer auf dessen Verlangen Tabletten samt Anleitung zum Selbstmord (JBl 2007, 670): ein Fall des § 78. Ein Ehepaar beschließt, gemeinsam aus dem Leben zu scheiden; beide breiten in der Küche Matratzen auf dem Boden aus, die Frau dreht den Gashahn auf; beide werden – schon bewusstlos – gerettet. Die Handlung, die unmittelbar zum Tod der beiden führen soll, ist das Aufdrehen des Gashahnes. So ist die Frau wegen versuchter Tötung auf Verlangen nach §§ 15, 77; der Mann wegen Mitwirkung am versuchten Selbstmord der Frau nach §§ 15, 78 strafbar. Andere wollen auch die Frau nach §§ 15, 78 verurteilen, weil der Mann auch nach dem Aufdrehen des Gashahnes die „Ausführungsherrschaft“ hatte, dh die Küche hätte verlassen können (K/Schr I § 78 Rz 27ff, Moos WK2 § 78 Rz 44, Wach ÖJZ 1978, 481).
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Tötung eines Kindes bei der Geburt
§ 79
C. Euthanasie. Die passive Sterbehilfe ist nach einhelliger Meinung straf- 3 los (s etwa JBl 2009, 100). Hingegen lehnt die hL unter dem Eindruck der Gräueltaten des NS-Regimes jede „aktive direkte Euthanasie“ ab (Moos WK2 Vorbem §§ 75–79 Rz 20). Bei allem Respekt für den „Achtungsanspruch“, den das Leben an sich verdient (Moos WK2 § 78 Rz 3, Schick in Zipf-GS 405), er darf nicht dazu führen, den Respekt vor dem Menschen zu vernachlässigen (vgl Schmoller Euthanasie 122). Wenn die Lage des „Opfers“ so verzweifelt ist, dass sein Wille zu sterben auch für einen geistig gesunden, normal veranlagten und rechtstreuen Menschen verständlich ist, sollte der Täter, der dem „Opfer“ seinen Willen erfüllt, nicht nach §§ 77f strafbar sein (aM Lewisch BT I 14). Ein todkranker Mann in totaler Abhängigkeit von anderen bittet seinen Arzt um eine Injektion, die seinem Leben ein Ende macht. Der Arzt, der dieser Bitte nachkommt, macht sich nach hM nach § 77 strafbar. Die Konsequenz der herrschenden „Sozialethik“: Der Mann muss sich erhängen, solange er dazu noch fähig ist.
Tötung eines Kindes bei der Geburt § 79. Eine Mutter, die das Kind während der Geburt oder solange sie noch unter der Einwirkung des Geburtsvorganges steht, tötet, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren zu bestrafen. A. Das Kind. § 79 verlangt auf der äußeren Tatseite die Tötung eines Kin- 1 des, nicht einer Leibesfrucht. Zum Kind wird die Leibesfrucht – noch im Mutterleib – mit Beginn der Eröffnungswehen (§ 96 Rz 3). B. Ausführungshandlung ist eine Handlung, durch welche die Täterin, 2 die Gebärende, den Tod ihres Kindes wenigstens mitverursacht. Die Täterin handelt mit Tötungsvorsatz. C. Während der Geburt oder unter Einwirkung des Geburtsvorganges. 3 § 79 ist anwendbar, wenn die Gebärende das Kind während der Geburt tötet: also in der Zeitspanne zwischen dem Beginn der Eröffnungswehen und der Ausstoßung der Nachgeburt (K/Schr I § 79 Rz 20, Moos WK2 § 79 Rz 26). Während der Geburt befinden sich Gebärende häufig in einem seelischen Ausnahmezustand, der ihre Zurechnungsfähigkeit mindert. Der Gesetzgeber vermutet diesen Ausnahmezustand. Nachweise, dass der Geburtsvorgang das Seelenleben der Täterin wirklich beeinträchtigt hat, sind nicht notwendig (objektiviertes Schuldmerkmal). 7
§ 80
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Wenn aber die Gebärende erst später (einige wenige Stunden nach Ausstoßung der Nachgeburt) das Kind tötet oder zu dessen Tötung beiträgt, kann § 79 nur angewendet werden, wenn die Täterin sich wirklich und noch immer in jenem seelischen Ausnahmezustand befindet (subjektives Schuldmerkmal: K/Schr I § 79 Rz 4, L/St § 79 Rz 5, Moos WK2 § 79 Rz 30) – eine sehr schwer zu klärende Frage. 4 D. Beteiligung. Der gegenüber § 75 mildere Strafsatz des § 79 kommt nur
der Gebärenden zugute, ihr aber auch dann, wenn sie sich schon vor der Geburt zur Tötung des Kindes entschlossen hat (SSt 53/59, EvBl 2004/ 79). Andere Personen, die an der Tötung des Kindes mitwirken, sind nach § 75 strafbar (§ 14 Abs 2).
Fahrlässige Tötung § 80. Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. Schrifttum zu §§ 80 und 81: Bertel, Schifahren und Bergsteigen in strafrechtlicher Sicht, in: Das österreichische Schirecht (1977), 61; Bierlein/Strasser, Strafrechtliche Konsequenzen des „free riding“, ZVR 2000, 409; Bittmann, Strafrechtliche Probleme im Zusammenhang mit AIDS, ÖJZ 1987, 486; Breycha, Die Verkehrsdelikte im Lichte des neuen Strafgesetzbuches, ZnStR II, 103; Burgstaller, Grundzüge einer neuen Fahrlässigkeitsdogmatik, StPG 1 (1973), 105; ders, Das Fahrlässigkeitsdelikt im Strafrecht (1974); ders, Straßenverkehr und Strafrecht, ZVR 1978 (Sonderheft), 20; ders, Zu den objektiven Grenzen der Fahrlässigkeitshaftung, AnwBl 1980, 99; ders, Erfolgszurechnung bei nachträglichem Fehlverhalten eines Dritten oder des Verletzten selbst, Bezauer Tage 1983, 131; ders, Spezielle Fragen der Erfolgszurechnung und der objektiven Sorgfaltswidrigkeit, in: Pallin-FS (1989), 39; ders, Normative Lehren der objektiven Zurechnung, JAP 1992/93, 136; ders, Erfolgszurechnung ohne Risikoerhöhung gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten? in: Moos-FS (1997), 55; Dirnhofer/ Maurer/Ranner, Das Anflutungsphänomen als „besonderer Umstand“ für die Heranziehung des § 81 StGB, RZ 1983, 168; Gidl, Strafrechtliche Aspekte von Bergunfällen, ZVR 1978, 289; Grafl, Überlegungen zur unterschiedlichen Rechtsprechung in Verkehrsstrafsachen, RZ 2000, 2; Gschöpf, Haftung bei Verstoß gegen Sportregeln – Schwerpunkt Skirecht (2000); Herbich, Alkoholisierung bei Verkehrsunfällen, ZVR 1978, 308; Hollaender, Strukturelle Kommutabilität von zweiaktigem Delikt und Sonderdelikt bei § 81 Abs 1 Z 2 StGB? AnwBl 2005, 497; Kienapfel, Zur Haftung des Hüttenwirts für einen Lawinenunfall des abgewiesenen Quartierwerbers, JBl 1975, 502; ders, Die Fahrlässigkeit unter besonderer Berücksichtigung des Straßenverkehrs, ZVR 1977, 129, 162; Lambauer, Der „tätige“ und der „untätige“ Arzt, RZ 1997, 82; Lewisch, Strafrechtliche Haftung für Verfolgungsschäden, ZVR 1989, 161; ders, Mitverschulden im Fahrlässigkeitsstrafrecht, ÖJZ 1995, 296; ders, Erfolgszurechnung bei nachträglichem Opferfehlverhalten, ZVR 1995, 98; ders, Der Vertrauensgrundsatz im Straßenverkehr, in: Burgstaller-FS (2004), 97; Loebenstein, Die strafrechtliche Haftung des Arztes bei operativen Eingriffen, ÖJZ 1978, 309; Melnizky, Gurtenanlegungspflicht – strafrechtliche Aspekte, ZVR 1976, 67; Middendorff, Verkehrskri-
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Fahrlässige Tötung
§ 80
minalität, in: Die Psychologie des 20. Jahrhunderts Bd XIV (1981), 419; Müller, Verkehrsdelikte im Lichte des neuen Strafgesetzbuches, ZnStR II, 12; Murschetz/Tangl, Neue Beurteilungsmethoden zur Einschätzung der Lawinengefahr und Eigenverantwortlichkeit beim Tourengehen, ZVR 2002, 74; Niermeyer/Vogelsang, Kein Alkohol im Straßenverkehr, Rechtsmedizin – Verkehrsmedizin, Sup. 4, Annales Universitatis Saraviensis Medicinae 1984, 47; Probst, Entziehung der Lenkerberechtigung und Fahrverbot, ZVR 1975, 129; Rabofsky, Das Recht bei Berg- und Schiunfällen, AnwBl 1980, 135; ders, Zur Aufgabe des Sachverständigen und der Rechtsprechung bei Lawinenunfällen, ZVR 1981, 193; Ratz, Zur strafrechtlichen Haftung des Arztes beim Selbstmord, ÖJZ 1988, 619; Rzeszut, Zur Problematik strafbarer Fahrlässigkeit im Wintersport, in: Steininger-FS (2003), 185; Schick, Die „einleitende Fahrlässigkeit“, ÖJZ 1974, 257, 281; ders, Problemaspekte des Verkehrsstrafrechts, ZVR 1974, 353; ders, Der ärztliche Behandlungsfehler in strafrechtlicher Sicht, StPG 10 (1982), 193; ders, Verkehrsstrafrecht in Österreich, in: Verkehrsdelinquenz (1990), 95; Schmoller, Grundstrukturen der Beteiligung mehrerer an einer Straftat – die objektive Zurechnung fremden Verhaltens, ÖJZ 1983, 337, 379; ders, Fremdes Fehlverhalten im Kausalverlauf, in: Triffterer-FS (1996), 223; Schütz, Todeseintritt nach einverständlich verabreichter Suchtmittelinjektion, in: Burgstaller-FS (2004), 177; Schwaighofer, Alkolenker: Wer öfter erwischt wird, ist früher „fahruntauglich“? PRESSE-Rechtspanorama 26. 1. 1998, 7; ders, Diversion nach Straßenverkehrsunfällen, ZVR 2008, 276; Seiler R., Die Aufbauelemente des Fahrlässigkeitsdelikts, in: Wesener-FS (1992), 447; Stabentheiner, Zum Tourenführer aus Gefälligkeit, JBl 2000, 273; Steininger H., Vertrauensgrundsatz und Fahrlässigkeit, ZVR 1963, 57, 89, 120; ders, Die moderne Strafrechtsdogmatik und ihr Einfluss auf die Rechtsprechung, ÖJZ 1981, 365; ders, Freiwillige Selbstgefährdung als Haftungsbegrenzung im Strafrecht, ZVR 1985, 97; ders, Ausgewählte Probleme der Verkehrssicherungspflicht aus strafrechtlicher Sicht, ZVR 1986, 287; ders, „Besonders gefährliche Verhältnisse“ (§ 81 Z 1 StGB) und „fahrlässige Gemeingefährdung“ (§ 177 StGB), in: Pallin-FS (1989), 435; Sulyok, Die Behandlung der tödlichen Verkehrsunfälle in der Gerichtspraxis, ÖJZ 1976, 260; Triffterer, Die Theorie der objektiven Zurechnung in der österreichischen Rechtsprechung, StPG 10 (1982), 239; Wichtl, Die Judikatur zu §§ 80, 81, 88 und 89 StGB im Lichte der modernen Fahrlässigkeitsdogmatik, ZVR 1980, 97; Zipf, Die strafrechtliche Haftung des Arztes, StPG 6 (1978), 1.
I. Die äußere Tatseite Der Täter verursacht den Tod eines Menschen (s § 75 Rz 1). Aber der Täter 1 handelt nicht mit Tötungsvorsatz (§ 75 Rz 5), sondern bloß fahrlässig. Die Fahrlässigkeit setzt sich aus mehreren Begriffselementen zusammen, die der äußeren und inneren Tatseite angehören. 1. Die sozial inadäquate Handlung Dass der Täter für tatbildmäßige Erfolge nur verantwortlich ist, wenn er sie 2 durch eine objektiv sorgfaltswidrige, dh sozial inadäquate Handlung herbeiführt, ist ein allgemeiner strafrechtlicher Grundsatz (Burgstaller WK2 § 6 Rz 37). Bei Vorsatzdelikten bereitet er keine Schwierigkeiten: Mörder 9
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Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
pflegen ihre Opfer durch Verhaltensweisen (Erstechen, Erwürgen usw) umzubringen, deren soziale Inadäquanz sich von selbst versteht. Bei Fahrlässigkeitsdelikten muss man ihr größere Aufmerksamkeit zuwenden (Triffterer AT 13. Kap Rz 41). 3 A. Sozial inadäquat sind Verhaltensweisen, welche die Rechtsordnung
wegen ihrer Gefährlichkeit für ein Rechtsgut, hier Leib und Leben, verbietet. Für manche Lebensbereiche gibt es Gesetze, die ausdrücklich sagen, welche Verhaltensweisen noch toleriert werden und welche als zu gefährlich verboten sind. So ist zB das Autofahren unter Einhaltung der StVO sozialadäquat, auch wenn es zum Tod eines Menschen führt; sozial inadäquat handelt der Fahrer nur, wenn er beim Fahren gegen die StVO verstößt. Für manche Lebensbereiche gibt es zwar keine gesetzlichen, aber andere allgemein anerkannte Verhaltensregeln: zB für das Schifahren die sog FIS-Regeln und der Modellentwurf einer Pistenordnung des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit. Wer, ohne sich umzusehen, in eine Schipiste einfährt und dort mit einem Schifahrer zusammenstößt, der im Schuss zu Tal fährt, handelt sozial inadäquat: Er verstößt gegen die Beobachtungs- und Wartepflicht nach P 5 der FIS-Regeln (EvBl 1987/171). Schifahren ohne Verstoß gegen die FIS-Regeln ist rechtmäßig (ZVR 1991/55). 4 Gesetzliche Bestimmungen und andere Verhaltensregeln sind oft sehr all-
gemein gehalten und müssen konkretisiert oder von anderen Vorschriften abgegrenzt werden. So müssen Fahrzeuglenker nach § 20 Abs 1 StVO die Geschwindigkeit ua den Straßen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen anpassen; andererseits können sie nach § 3 StVO darauf vertrauen, dass Fußgänger auf dem linken Straßenbankett gehen, nicht plötzlich auf die Fahrbahn treten (§ 76 Abs 1 StVO), dass andere Fahrzeuglenker die Halteverbote (§ 24 StVO) und Vorrangregeln (§ 19 StVO) beachten, – mit anderen Worten: dass die Fahrbahn frei ist. Wann also ist Vorsicht geboten und wann Vertrauen angebracht? In anderen Lebensbereichen fehlen formulierte Verhaltensregeln ganz: Was müssen zB Eltern tun, um ihre Kinder angemessen zu beaufsichtigen? Welche Untersuchungen muss zB ein Arzt bei starken Bauchschmerzen vornehmen oder veranlassen? 5 B. Der vorbildliche Mensch. Wenn Gesetze oder andere Verhaltensregeln
unklar sind oder fehlen, muss man darauf abstellen, wie der vorbildliche Mensch, ein einsichtiger, besonnener und rechtstreuer Mensch aus dem Verkehrskreis des Täters – Berufskraftfahrer, Lenker von Einsatzfahrzeugen (LGSt Wien WR 919), Baumeister, Kranführer, Arzt, Sozialarbeiter, 10
Fahrlässige Tötung
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Liftbetreiber (ZVR 1998/126), Skiführer (LG Innsbruck ZVR 2000/87), usw – sich in der Lage des Täters verhalten hätte. Entspricht das Verhalten des Täters dieser Modellfigur, so handelt er sozialadäquat und damit rechtmäßig; wenn es davon abweicht, sozial inadäquat (Burgstaller WK2 § 6 Rz 38, K/Schr I § 80 Rz 14ff). Das Problem wird häufig unter dem Stichwort „Vertrauensgrundsatz“ abgehandelt. Der Täter fährt in eine Vorrangstraße ein, von links nähert sich ein Pkw mit mäßiger Geschwindigkeit und eingeschaltetem rechten Blinker, der Täter stößt mit ihm zusammen. Der Täter handelt sozialadäquat: Auch der vorbildliche Autofahrer hätte unter diesen Umständen darauf vertraut, der Pkw werde rechts abbiegen (ZVR 2000/46). – Der Täter fährt im Ortsgebiet mit annähernd 50 km/h in einem Abstand von 1,5m an einem Bus der Verkehrsbetriebe vorbei; er fährt ein Kind nieder, das eben ausgestiegen ist und vor dem Bus die Straße rasch überquert; der Täter handelt sozialadäquat: Der vorbildliche Autofahrer sorgt durch Herabsetzung der Geschwindigkeit oder durch einen größeren Abstand, dass Fußgänger, die vor dem Bus die Straße betreten, rechtzeitig stehen bleiben oder zurücktreten können; aber mit Fußgängern, die ohne auf den Verkehr zu achten, auf die Straße laufen, rechnet er nicht (JBl 2002, 265) – wenn er nicht etwa durch ein Gefahrenzeichen „Achtung Kinder“ gewarnt wird. Der Täter fährt ganz rechts auf einer fünfspurigen Fahrbahn, gleich nachdem die Ampel auf „Grün“ geschaltet hat, mit 43 km/h in die Kreuzung ein; der Blick nach links ist durch anfahrende Fahrzeuge verdeckt; so kann der Täter den Fußgänger nicht sehen, der den Schutzweg schon bei „Rot“ betreten hat und nun die Straße überquert; er fährt ihn nieder. Der vorbildliche Autofahrer – so der OGH – fährt in den ersten Sekunden der Grünphase langsamer in eine Kreuzung ein, wenn er den Schutzweg nicht überblicken kann (EvBl 1992/47). Die Ampel schaltet auf „Grün“, der Täter fährt in die weiträumige Kreuzung ein und übersieht nach 2,5 Sekunden das Opfer, das aus einer Seitenstraße trotz Rotlichts gleichfalls in die Kreuzung einfährt. Der vorbildliche Autofahrer – so der OGH – beobachtet den Querverkehr auch beim Durchfahren einer ampelgeregelten Kreuzung (ZVR 1994/79). Das ist gerade in einer weiträumigen Kreuzung nicht leicht. Der Täter unterlässt es, an den Treppen seines Althauses Geländer (Handläufe) anzubringen, die in der Benützungsbewilligung aus dem Jahr 1898 nicht vorgeschrieben waren, aber heute selbstverständlich sind. Ein Mieter stürzt und verletzt sich tödlich. Ein vorbildlicher Eigentümer und Hausverwalter versieht sein Haus mit einem modernen Sicherheitsstandard (EvBl 1998/160).
Der vorbildliche Mensch, im Juristenjargon „differenzierte Maßfigur“ ge- 6 nannt, ist wertverbunden, dh gewissenhaft und rücksichtsvoll. Darüber hinaus ist er aber auch intelligent, geschickt, geistesgegenwärtig, besorgt, umsichtig und – seinem Lebenskreis entsprechend – gebildet: wie intelligent, geschickt usw, ist natürlich nicht leicht zu sagen. 11
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Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Der Täter kommt durch einen Schaltfehler mit seinem Moped ins Schleudern und stürzt mit dem Beifahrer: Der vorbildliche Mopedfahrer kann richtig fahren und vermeidet schwere Schaltfehler (ZVR 1989/207). Der Täter fährt mit Abblendlicht auf einen auf der Autobahn unbeleuchtet abgestellten Pkw auf: Der vorbildliche Autofahrer schaltet auf der Autobahn jedenfalls dann das Fernlicht ein, wenn er das tun kann, ohne den Gegenverkehr zu blenden (OLG Graz ZVR 1992/30). Der Täter fährt bei Dunkelheit mit Abblendlicht und 30–40 km/h in eine Kreuzung ein; er übersieht einen dunkel gekleideten Jogger, der – kaum auszumachen – abseits des nahen Schutzweges in schnellem Lauf die Kreuzung überquert; der Täter fährt den Jogger an; nach Meinung des OGH hat er sich strafbar gemacht (ZVR 2003/100). Der vorbildliche Autofahrer ist so umsichtig, dass er auch in der Dunkelheit dunkel gekleidete, schnell laufende Jogger, die sich überdies um die StVO nicht kümmern, rechtzeitig bemerkt und darauf rechtzeitig reagiert! Wer von uns kann da behaupten, er sei ein vorbildlicher Autofahrer?
2. Kausalität und objektive Zurechnung 7 Die sozial inadäquate Handlung des Täters und der Tod des Opfers, den
der Täter durch diese Handlung verursacht, müssen miteinander in einem kausalen und normativen Zusammenhang stehen. Die Kausalität ist nach der Äquivalenztheorie zu prüfen (K/H AT Z 10 Rz 7ff). Für die objektive Zurechnung müssen weitere Voraussetzungen erfüllt sein. 8 A. Adäquanzzusammenhang. Wenn die Handlung des Täters den Tod
des Opfers auf eine Art und Weise verursacht, die außerhalb der allgemeinen Lebenserfahrung liegt, ist dem Täter der Todeserfolg nicht zuzurechnen (Fuchs AT I 13. Kap Rz 24, K/H AT Z 25 Rz 28ff). Beispiele für inadäquate Verursachung sind in der Rsp selten. Vgl auch § 86 Rz 1, § 87 Rz 5. Der Täter fährt zu schnell, fährt einen Fußgänger an und verletzt ihn; die Verletzung infiziert sich mit dem extrem seltenen Gasbrand, das Opfer stirbt. Mit diesen Konsequenzen einer Verletzung rechnet man heute nicht mehr, der Täter haftet nur nach § 88 (ZVR 1976/154). Komplikationen auf Grund des hohen Alters oder allgemein schlechten Gesundheitszustands des Opfers schließen den Adäquanzzusammenhang idR nicht aus (K/Schr StudB I § 80 Rz 55). Das gilt auch für den Tod infolge künstlicher Blutereigenschaft (Blutverdünnung). 9 B. Risikozusammenhang. Die Sorgfaltsnorm, die der Täter übertritt
(Rz 3), muss eben dazu bestimmt sein, Unfälle wie den eingetretenen zu 12
Fahrlässige Tötung
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verhindern. Der Risikozusammenhang fehlt, wenn die vom Täter übertretene Vorschrift gar nicht zum Schutz von Leib und Leben, wenn sie nicht zum Schutz gerade dieses Opfers bestimmt ist oder dieses Opfer nicht vor solchen Unfallverläufen bewahren soll („Schutzzweck der Norm“). Der Täter parkt sein Auto, obwohl keine zwei Fahrstreifen für den fließenden Verkehr frei bleiben; das abgestellte Auto zwingt einen Motorradfahrer zum Ausweichen, sodass er mit einem entgegenkommenden, überholenden Pkw zusammenstößt und getötet wird. Halten wäre erlaubt gewesen. Dennoch soll das Parkverbot des § 24 Abs 3 lit d StVO nicht nur die Flüssigkeit des Verkehrs gewährleisten, sondern darüber hinaus zum Schutz von Leib und Leben beitragen und die Häufigkeit von Unfällen, wie es dieser ist, vermindern. So ist der Täter nach § 80 zu verurteilen (vgl ZVR 1990/126, SSt 53/48). Der Täter fährt mit ca 60 km/h im Bereich einer Baustelle, für die eine Geschwindigkeitsbeschränkung von 30 km/h angeordnet wurde, auf der aber gerade nicht gearbeitet wird; er überfährt ein Kind, das unversehens von rechts in die Fahrbahn hineinläuft; er wird nach § 80 verurteilt (ZVR 1976/91 mit zust Anm von Liebscher). Das ist nicht richtig (Burgstaller ZVR 1978 [SH], 22, Wichtl ZVR 1980, 97): Geschwindigkeitsbeschränkungen aus Anlass von Bauarbeiten sollen die Arbeiter schützen und Gefährdungen Dritter entgegenwirken, die sich aus Sichtbehinderungen, schlechtem Straßenzustand, Verengung der Fahrbahn ergeben können. Diese Gefahren gab es in unserem Fall nicht. Dem Schutz spielender Kinder dienen Geschwindigkeitsbeschränkungen auf Baustellen nicht (Burgstaller WK2 § 6 Rz 66, § 80 Rz 75, K/Schr I § 80 Rz 63, L/St § 80 Rz 14ff). Der Täter fährt mit dem Auto in der Straßenmitte und stößt einen Fußgänger nieder, der von links nach rechts die Straße überquert; der Fußgänger wird getötet. Der Täter verstößt gegen das Rechtsfahrgebot, und das Rechtsfahrgebot schützt nicht nur den Gegenverkehr, sondern soll darüber hinaus im dichten Stadtverkehr Fußgängern das etappenweise Überqueren der Straße ermöglichen. So ist der Täter nach § 80 zu verurteilen (OLG Wien ZVR 1983/23, 1994/54). Der Täter fährt mit dem Auto in der Straßenmitte und stößt mit einem Pkw zusammen, der unter Missachtung des Vorrangs von links die Vorrangstraße überquert; der Beifahrer im Pkw wird getötet. Wäre der Täter weiter rechts gefahren, wäre der Aufprall weiter vorne erfolgt und der Beifahrer hätte überlebt. Dennoch ist der Risikozusammenhang auszuschließen: Das Rechtsfahrgebot dient nicht dem Schutz des Querverkehrs (OLG Wien ZVR 1994/54).
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Mitschuld des Opfers am Unfall schließt den Risikozusammenhang idR 11 nicht aus: Die meisten Bestimmungen der StVO haben den Zweck, auch unvorsichtige Verkehrsteilnehmer zu schützen. Das gilt aber nicht unbeschränkt: Für Unfälle, zu denen das Opfer durch ein ganz ungewöhnliches und schweres Fehlverhalten beigetragen hat und zu denen es sonst mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gekommen wäre, darf man den Täter nicht verantwortlich machen (vgl Rz 13). 13
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Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Der Risikozusammenhang ist auszuschließen, wenn der Täter mit 90 km/h und Abblendlicht einen Fußgänger niederfährt, der sich unbegreiflicherweise nachts auf der Schnellstraße aufhält (aM EvBl 1999/71); einen Fußgänger überfährt, der – kaum sichtbar – betrunken auf der Straße herumtorkelt; oder einen Radfahrer anfährt, der nachts ohne Licht in schwarzem Trikot auf der Straße fährt.
Ob das Opfer oder Dritte für den tatbildmäßigen Erfolg durch ein ganz ungewöhnliches und schweres Fehlverhalten vor (s oben) oder nach dem Unfall (Rz 13) mit ursächlich werden, kann für den Ausschluss des Risikozusammenhanges keinen prinzipiellen Unterschied machen: Nach hM dagegen soll nur ein Fehlverhalten des Opfers oder Dritter nach dem Unfall (Rz 13) den Risikozusammenhang ausschließen können (idS zB K/H AT Z 27 Rz 9, K/Schr I § 80 Rz 70). Zum Teil behilft sich die hM mit der Annahme einer „eigenverantwortlichen Selbstgefährdung“ (s Rz 15). 12 Nachträgliches Fehlverhalten Dritter oder des Opfers selbst. Sozial in-
adäquat können Handlungen unter anderem auch deshalb sein, weil sie die Gefahr erhöhen, dass ein nachträgliches Fehlverhalten Dritter zu Folgeunfällen führt. Die Bestimmungen der StVO zB sollen Verkehrsunfälle auch deshalb verhindern, weil sie Hindernisse schaffen, die anderen aufmerksamen und weniger aufmerksamen Fahrern zum Verhängnis werden können. Der Fahrzeuglenker, der einen Fußgänger anfährt (OLG Wien ZVR 1984/127) oder einen Radfahrer in zu knappem Abstand überholt und zu Sturz bringt (ZVR 1985/146), ist nach § 80 strafbar, wenn der Fußgänger oder Radfahrer von einem nachkommenden Fahrzeug überrollt und getötet wird. Und der Täter, der dem Opfer einen Messerstich in den Bauch versetzt, ist für dessen Tod verantwortlich (§ 87 Abs 2), wenn der Arzt, der die Wunde versorgt, die Verletzung des Dünndarms übersieht und das Opfer darum an einer Bauchfellentzündung stirbt (EvBl 1991/206). 13 Folgen aber, zu denen andere, das Opfer oder Dritte, durch ein grob fahr-
lässiges Verhalten beitragen und zu denen es sonst mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht gekommen wäre, kann man dem Täter nicht zurechnen. Der Täter, der einen Verkehrsunfall verschuldet hat, ist nicht verantwortlich für Folgeunfälle, zu denen es erst nach Absicherung der Unfallstelle kommt (K/Schr I § 80 Rz 74); für den Tod des Opfers, das sich, um die Fahrzeugpapiere zu bergen, in das brennende Auto stürzt (vgl ZVR 1992/14) oder durch einen ganz außergewöhnlichen Fehler des behandelnden Arztes stirbt (Burgstaller WK2 § 6 Rz 72, K/Schr I § 80 Rz 78f; aM L/St § 80 Rz 24).
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Helfer. Der Täter ist idR nicht verantwortlich für Schäden, die Dritte beim 14 Versuch erleiden, eine von ihm geschaffene Gefahrenlage zu beseitigen. Die Bestimmungen der StVO jedenfalls dienen dem Schutz der Verkehrsteilnehmer, nicht dem Schutz von Polizisten und anderen Personen, die Verkehrssünder verfolgen, Gefahrenstellen absichern und Brände löschen müssen. Der betrunkene Autofahrer, der nach langer nächtlicher Verfolgungsjagd endlich von der Polizei gestellt wird und sein Auto mitten auf der Straße stehen lässt, ist nicht nach § 80 strafbar, wenn ein Polizist beim Versuch, den Lenker eines nachkommenden Fahrzeuges zu warnen, von diesem niedergefahren wird (Burgstaller Fahrlässigkeitsdelikt 115f und WK2 § 6 Rz 71, Fuchs AT I 13. Kap Rz 49, K/ Schr I § 80 Rz 84f; aM OLG Wien ZVR 1977/225, L/St § 80 Rz 20).
Mitwirkung an Selbstgefährdungen. Nach hM fehlt der Risikozusam- 15 menhang, wenn der Täter lediglich eine Selbstgefährdung des Opfers veranlasst oder daran mitwirkt; das soll freilich nur gelten, wenn das Opfer das Risiko, in das es sich einlässt, voll überblickt, und soll nur gelten, wenn der Täter nicht etwa aus besonderen Gründen zur Fürsorge für das Opfer verpflichtet ist (Burgstaller WK2 § 80 Rz 83, K/Schr I § 80 Rz 64ff, Lewisch BT I 46f, Schütz Burgstaller-FS 180f). Zu dieser Auffassung kommt die hM, weil sie § 90 einschränkend auslegt (s § 90 Rz 1), der Einwilligung in gewissen Fällen aber doch Rechnung tragen will: So muss sie Einwilligungsprobleme in den Risikozusammenhang einbauen. Sie stellt in Wahrheit nicht mehr darauf ab, ob das Opfer die gefährliche Handlung des Täters geduldet oder selbst vorgenommen hat, sondern immer mehr auf Einwilligungskriterien: Insbesondere darauf, ob beim Opfer „gravierende Beurteilungsmängel“ (K/H AT Z 27 Rz 8, K/ Schr I § 80 Rz 65) vorhanden waren. C. Risikoerhöhung. Das sozial inadäquate Verhalten des Täters muss die 16 Gefahr, dass es zum Tod des Opfers kommt, spürbar erhöhen. Wenn der Tod des Opfers mit annähernd derselben Wahrscheinlichkeit auch eingetreten wäre, wenn sich der Täter rechtmäßig verhalten hätte – er hat zB die zulässige Höchstgeschwindigkeit nur geringfügig überschritten –, kann er nach § 80 nicht bestraft werden. Man kann dieses Ergebnis aus dem Gedanken des Risikozusammenhangs ableiten. Die meisten Autoren aber verwenden dafür eine besondere Bezeichnung: Risikoerhöhung gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten (Burgstaller WK2 § 6 Rz 74ff, K/Schr I § 80 Rz 90ff, L/St § 80 Rz 26ff, Zagler BT § 80 Rz 10).
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Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Wer im Zuge einer Massenkarambolage als Achter auf ein Fahrzeug vor ihm auffährt, haftet für den Tod folgender Kfz-Lenker, die auf seinen Wagen auffahren oder die zwar rechtzeitig stehen bleiben, aber beim Aussteigen von nachfolgenden Fahrzeugen getötet werden (SSt 47/18; Burgstaller WK2 § 80 Rz 80, L/St § 80 Rz 18ff): Das aber nur, wenn der Täter die Gefahr weiterer Unfälle vergrößert hat, zB weil Trümmer seines Autos nun auch die Überholspur blockieren.
II. Die innere Tatseite (Fahrlässigkeitsschuld) 17 Sozial inadäquat (objektiv sorgfaltswidrig) handelt der Täter, wenn sein
Verhalten von dem des vorbildlichen Menschen abweicht. Aber der Täter ist vielleicht nicht so intelligent, geschickt, gebildet, geistesgegenwärtig wie der vorbildliche Mensch. Ein maßgerechter Mensch, dh ein Mensch nur mit den Fähigkeiten des Täters, aber gewissenhaft und rücksichtsvoll, würde sich in seiner Lage vielleicht auch nicht anders verhalten. Dann handelt der Täter zwar sozial inadäquat, aber nicht schuldhaft. Zur Fahrlässigkeitsschuld (§ 6) gehört, dass der Täter subjektiv sorgfaltswidrig (Rz 18– 23) handelt, dass er den Tod des Opfers wenigstens vorhersehen kann (Rz 24) und dass ihm sozialadäquates Verhalten zumutbar ist (Rz 25). 1. Die subjektive Sorgfaltswidrigkeit 18 Subjektiv sorgfaltswidrig handelt der Täter, wenn er die soziale Inad-
äquanz seines Verhaltens kennt oder wenigstens erkennen könnte und wenn ihm sozialadäquates Verhalten möglich wäre. 19 A. Der Täter muss die soziale Inadäquanz seines Verhaltens bei gehö-
riger Aufmerksamkeit wenigstens erkennen können. Wenn es ihm an den dafür nötigen körperlichen oder geistigen Fähigkeiten mangelt, fehlt es an der subjektiven Sorgfaltswidrigkeit. Der Täter will einem Arbeiter, dem Löschkalk ins Auge geraten ist, helfen und wäscht ihm das Auge mit Wasser aus. 20 a) Charaktermängel, Gewissenlosigkeit. Dass der Täter bloß aus Gleich-
gültigkeit, Ungeduld, Aggressivität, Rücksichtslosigkeit nicht erkennt, dass er sich sozial inadäquat verhält, entschuldigt ihn nicht. 21 b) Mindestwissen. Maßgerechte Menschen erwerben sich durch den Fahr-
schulunterricht, durch Berichte der Medien über Verkehrs- und andere Unfälle, durch Gespräche mit anderen Kraftfahrern usw ein gewisses Min16
Fahrlässige Tötung
§ 80
destwissen über Unfallursachen und richten ihr eigenes Verhalten danach aus. Auf das Fehlen dieses Mindestwissens kann sich der Täter nicht berufen (K/Schr I § 80 Rz 110; zurückhaltender Burgstaller WK2 § 6 Rz 87f). Auch wenn er wirklich so unwissend wäre wie er behauptet, wäre seine Unwissenheit doch nur Folge seiner Gleichgültigkeit gegenüber Leben und Gesundheit anderer und damit unbeachtlich. Der Täter kommt bei einer Geschwindigkeit von mehr als 80 km/h auf nasser Fahrbahn ins Schleudern und verursacht einen tödlichen Unfall: Die erhöhte Schleudergefahr bei Geschwindigkeiten über 80 km/h auf nasser Fahrbahn (Aquaplaning) muss jeder Autofahrer kennen (OLG Wien ZVR 1984/145). Behauptungen des Täters, er habe das nicht gewusst, sind unbeachtlich.
B. Der Täter muss nach seinen körperlichen und geistigen Fähigkeiten 22 in der Lage sein, sich sozialadäquat zu verhalten. Der Täter gerät auf der vereisten Straße durch eine Windbö ins Schleudern, es gelingt ihm nicht, das Auto abzufangen, er verletzt einen Fußgänger tödlich. Ein vorbildlicher, also ein erfahrener und geistesgegenwärtiger Autofahrer hätte das Auto abfangen können. Aber wenn der Täter nicht so erfahren und nicht so geistesgegenwärtig war, kann man ihm keinen Vorwurf machen, dass ihm das nicht gelungen ist (SSt 36/12). Nach § 80 strafbar könnte der Täter freilich sein, wenn er zu schnell gefahren ist (Rz 23). Der Autofahrer, der verspätet oder falsch reagiert, weil ein Moped vor ihm plötzlich und unangezeigt vom rechten Straßenrand in die Fahrbahnmitte fährt, handelt vielleicht sozial inadäquat – dem vorbildlichen Autofahrer genügt laut Rsp idR eine Sekunde als Reaktionszeit –, aber jedenfalls nicht subjektiv sorgfaltswidrig (OLG Wien ZVR 1984/58). Für lebensnahe Reaktionszeiten K/Schr I § 80 Rz 43.
Übernahme- oder Einlassungsfahrlässigkeit. Häufig kann man Tätern, 23 die wegen ihrer beschränkten Fähigkeiten mit einer gefährlichen Situation nicht in sozialadäquater Weise fertig werden und dadurch den Tod eines Menschen verursachen, jedoch vorwerfen, dass sie sich überhaupt in die gefährliche Situation eingelassen haben. Dann spricht man von Übernahme- oder Einlassungsfahrlässigkeit (Burgstaller WK2 § 6 Rz 108f, K/ Schr I § 80 Rz 124). Der Täter, der mit seinem schleudernden Auto nicht fertig werden konnte (Rz 22), hätte, eben weil er nicht so gut fahren kann, vielleicht langsamer fahren sollen. Der angetrunkene Autofahrer, der einen tödlichen Unfall verursacht, weil er infolge seiner Trunkenheit nicht rascher reagieren konnte, hätte sich nicht angetrunken ans Steuer setzen sollen. Alkoholbedingte Fehlleistungen entschuldi-
17
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Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
gen den betrunkenen Autofahrer nicht, auch wenn er sie im Augenblick des Unfalls nicht vermeiden konnte (so im Ergebnis auch ZVR 1976/178 mit Anm von Liebscher; Burgstaller WK2 § 6 Rz 89; vgl auch K/Schr I § 80 Rz 120). Ein einfacher Polizeibeamter lässt sich vom Bürgermeister überreden, sich als Mitglied der Lawinenkommission zur Verfügung zu stellen; die Kommission gibt eine Schiabfahrt zur Unzeit frei, bei einem Lawinenabgang werden mehrere Personen getötet. Der in Lawinenkunde ahnungslose Polizist konnte nicht erkennen, dass der Hang, dessen Freigabe auch er zustimmte, lawinengefährlich war. Aber in einer Lawinenkommission ohne Vorkenntnisse mitzuarbeiten, ist ein sozial inadäquates Verhalten, und das hätte der Täter erkennen sollen. Dass er dazu neigte, seine Fähigkeiten zu überschätzen, ist ein Charakterfehler und entschuldigt ihn nicht (aM OLG Innsbruck RZ 1981/33). Freisprechen kann man den Täter allenfalls, weil es ihm als einfachem Beamten nicht zumutbar war, sich dem energischen Drängen des einflussreichen Bürgermeisters zu widersetzen (Rz 25).
2. Die subjektive Vorhersehbarkeit 24 Der Täter muss den Tod des Opfers vorausgesehen haben oder wenigs-
tens im Stande gewesen sein, ihn vorauszusehen. Dieses Erfordernis ist so gut wie immer miterfüllt, wenn der Täter die soziale Inadäquanz seines Verhaltens erkennen kann (Burgstaller WK2 § 6 Rz 97f, Fuchs AT I 26. Kap Rz 9). 3. Die Zumutbarkeit 25 Die Fahrlässigkeitsschuld fehlt, wenn dem Täter sozialadäquates Verhalten
nicht zumutbar ist: wenn auch von einem maßgerechten Mensch in dieser Situation realistischerweise kein anderes Verhalten zu erwarten war. Das kann auch dann zutreffen, wenn die Voraussetzungen des § 10 nicht erfüllt sind. Vgl Rz 23. 4. Die Fahrlässigkeitsschuld in der Rechtsprechung 26 In der Praxis nimmt die Prüfung der Fahrlässigkeitsschuld gewöhnlich nicht
viel Zeit in Anspruch. Die Rsp geht davon aus, dass sozialadäquates Verhalten im Allgemeinen jedem Menschen möglich und zumutbar ist und dass im Allgemeinen jeder Mensch erkennen kann, wenn er im Begriff ist, sich nicht sozialadäquat zu verhalten. Jedes Abweichen vom Verhalten des vorbildlichen Menschen scheint dann Folge mangelnder Rechtstreue des Täters zu sein. In der Regel stimmt das auch (K/Schr I § 80 Rz 103ff; vgl auch Burgstal18
Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen
§ 81
ler WK2 § 6 Rz 91). Schwierigkeiten ergeben sich aber, wenn die Rsp dem vorbildlichen Menschen zu viel zutraut (vgl die Beispiele in Rz 5, 6).
III. Beteiligung Dritter Wegen fahrlässiger Tötung können auch Dritte bestraft werden, die zu der 27 gefährlichen Handlung des Täters bloß beitragen – das allerdings nur, wenn sie gegen eine sie selbst treffende Sorgfaltspflicht verstoßen (Burgstaller WK2 § 80 Rz 101f, K/Schr I § 80 Rz 143, Schmoller ÖJZ 1983, 387). Wer sein Fahrzeug einem Betrunkenen überlässt, ist nach § 80 strafbar, wenn der Betrunkene während der Fahrt und infolge seiner Trunkenheit jemanden tötet: Der Fahrzeughalter ist dafür verantwortlich, wem er sein Fahrzeug überlässt (vgl § 103 Abs 1 Z 3 KFG). Wer dagegen einem Betrunkenen die Schlüssel zu dessen Fahrzeug in die Hand drückt, ist nicht verantwortlich, wenn der Betrunkene jemanden überfährt (Burgstaller WK2 § 80 Rz 103): Was andere am Steuer ihres Fahrzeugs tun, darum braucht man sich nach hM nicht zu kümmern.
IV. Konkurrenz Wenn der Täter durch dieselbe Handlung jemanden tötet und einen ande- 28 ren verletzt, konkurrieren § 80 und § 88. Und wenn der Täter durch dieselbe Handlung mehrere Menschen tötet, begeht er mehrere fahrlässige Tötungen in Idealkonkurrenz (s § 88 Rz 11).
Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen § 81. (1) Wer fahrlässig den Tod eines anderen herbeiführt 1. unter besonders gefährlichen Verhältnissen oder 2. nachdem er sich vor der Tat, wenn auch nur fahrlässig, durch Genuss von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähigkeit nicht ausschließenden Rauschzustand versetzt hat, obwohl er vorhergesehen hat oder hätte vorhersehen können, dass ihm eine Tätigkeit bevorstehe, deren Vornahme in diesem Zustand eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeizuführen oder zu vergrößern geeignet sei, oder 3. dadurch, dass er, wenn auch nur fahrlässig, ein gefährliches Tier entgegen einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag hält, verwahrt oder führt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
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§ 81
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
(2) Der Täter ist nach Abs. 1 Z. 3 auch zu bestrafen, wenn er sich mit einer Rechtsvorschrift oder einem behördlichen Auftrag nicht bekannt gemacht hat, obwohl er seinem Beruf, seiner Beschäftigung oder sonst den Umständen nach dazu verpflichtet gewesen wäre, oder wenn ihm der Irrtum über die Rechtsvorschrift oder den behördlichen Auftrag sonst vorzuwerfen ist. 1 § 80 sieht einen verhältnismäßig niedrigen Strafsatz vor. Mit Recht: Ob
Verkehrsübertretungen zum Tod eines Menschen und zur Bestrafung des Täters nach § 80 führen oder ob sie ohne Folgen und damit unbestraft bleiben, ist reiner Zufall. Für sehr rücksichtslose Fahrer mag der Strafsatz des § 80 vielleicht nicht ausreichen. So führt § 81 für die fahrlässige Tötung Qualifikationen ein; sie spielen auch bei der fahrlässigen Körperverletzung (§ 88 Abs 3 und Abs 4 zweiter Fall) und bei der Gefährdung der körperlichen Sicherheit (§ 89) eine wichtige Rolle.
I. Die Qualifikation des § 81 Abs 1 Z 1 1. Äußere Tatseite 2 Der Täter begeht die fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Ver-
hältnissen, wenn zur Zeit der objektiv sorgfaltswidrigen Handlung (§ 80 Rz 3) ein Unfall mit schweren Folgen nach dem Urteil eines einsichtigen, besonnenen und rechtstreuen Menschen aus dem Verkehrskreis und in der Lage des Täters (§ 80 Rz 5) außerordentlich wahrscheinlich ist (EvBl 2006/186, OLG Wien ZVR 1989/36, OLG Innsbruck ZVR 1991/111). 3 A. Die Zahl der Opfer ist unerheblich. Es genügt, dass der Unfall, der mit
hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, einen Menschen treffen wird (OLG Wien ZVR 1989/145, 175; Burgstaller WK2 § 81 Rz 9, K/Schr I § 81 Rz 10, L/St § 81 Rz 6f). Der Täter fährt mit dem Auto, an dessen Motorhaube sich das Opfer festklammert, drei Kilometer mit einer Geschwindigkeit von 80 km/h (EvBl 1984/127). 4 B. Schon ein einziger Sorgfaltsverstoß kann die Handlung des Täters be-
sonders gefährlich machen (OLG Wien ZVR 1989/175). Der Täter fährt bei starkem Schneetreiben auf der Autobahn nicht auf Sicht, sondern mit weit überhöhter Geschwindigkeit (OLG Wien ZVR 1985/15); der Täter fährt mit einem Pkw, dessen Bremsen so gut wie gar nicht funktionieren, eine leicht abfallende Straße hinunter (OLG Wien ZVR 1989/175); er rast mit 100 km/h durch ein belebtes Ortsgebiet.
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Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen
§ 81
C. „Mosaiktheorie“ (K/Schr I § 81 Rz 18). Gern nimmt die Rsp besonders 5 gefährliche Verhältnisse an, wenn in der Handlung des Täters mehrere Sorgfaltsverstöße oder Risikofaktoren zusammentreffen (Mayerhofer § 81 Anm 2). Als risikoerhöhend wird beim Lenken von Kfz auch eine Alkoholisierung des Lenkers angesehen, die noch keine Fahruntauglichkeit iSd Z 2 bewirkt (Rz 13f) oder die mangels Vorhersehbarkeit nicht zur Anwendung der Z 2 führt (Rz 16, 19; vgl EvBl 2006/186). Beispiele für besonders gefährliche Verhältnisse: Der Täter bricht trotz Gegenverkehrs aus einer Kolonne aus, um drei mit 95 km/h vor ihm fahrende Pkw zu überholen (OLG Wien ZVR 1989/146); der Täter fährt trotz geringer Fahrpraxis (800 km) ein ungewohntes Auto mit 100 statt der noch zulässigen 50 km/h in eine Rechtskurve (OLG Wien ZVR 1998/52); der Täter fährt bei regem Verkehr mit 155 km/h statt der vorgeschriebenen 80 km/h mitten in der Straße auf eine unübersichtliche Kurve zu (OLG Innsbruck ZVR 1991/111).
D. Keine Doppelverwertung. Ein und derselbe Risikofaktor darf dem Tä- 6 ter nicht unter verschiedenen Bezeichnungen mehrfach angelastet werden. Dass der Täter bei Dunkelheit, mit Abblendlicht und relativ überhöhter Geschwindigkeit fährt; dass der Täter alkoholisiert und in alkoholbedingter Schläfrigkeit fährt, stellt nur einen Risikofaktor dar.
E. Gewichtung der Risikofaktoren. Risikofaktoren dürfen nicht bloß ge- 7 zählt, sie müssen gewichtet werden. Risikofaktoren, welche die Gefährlichkeit der Täterhandlung nur geringfügig erhöhen, bleiben außer Betracht. Der Täter fährt etwas alkoholisiert mit 60 km/h im Ortsgebiet bei „Rot“ in eine Kreuzung ein: Das sind keine besonders gefährlichen Verhältnisse (OLG Wien ZVR 1984/351): Bei „Rot“ in die Kreuzung einzufahren, war gefährlich, aber diese Handlung wurde durch die geringe Geschwindigkeitsüberschreitung und die geringe Alkoholisierung nicht viel gefährlicher. Solche Entscheidungen sind leider selten: Stark überhöhte Geschwindigkeit führt in Verbindung mit oft nur minimalen Risiken meist zur Annahme besonders gefährlicher Verhältnisse.
F. Gefahrenmindernde Faktoren. Gefahrenerhöhende und gefahrenmin- 8 dernde Faktoren müssen einander gegenüber gestellt werden. Dass zur Tatzeit wenig Verkehr herrschte und dass der Täter, eben weil er alkoholisiert war, besonders langsam fuhr, sind Umstände, welche die Gefährlichkeit der Täterhandlung vermindern; sie können gefahrenerhöhende Faktoren ausgleichen (K/Schr I § 81 Rz 37). Zu § 81 Abs 1 Z 2 s Rz 17.
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§ 81
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
9 G. Risikozusammenhang. Die besonders gefährlichen Verhältnisse müs-
sen sich im Tod des Opfers ausgewirkt haben (ZVR 1988/144; Burgstaller WK2 § 81 Rz 18f, K/Schr I § 81 Rz 28f; aM Mayerhofer § 81 Anm 2). Der Täter ist mit seinem Elektrokarren am Bahnsteig unterwegs, während der Zug einfährt. Er fährt allzu schnell einen Bogen, der Anhänger – er hat Geld geladen – kippt um; einer der mitfahrenden Sicherheitsbeamten kann rechtzeitig abspringen, der andere wird durch den umfallenden Anhänger verletzt. Das Gericht nimmt wegen des einfahrenden Zuges besonders gefährliche Verhältnisse an (OLG Wien ZVR 1995/147). Zu Unrecht, denn dieses Gefahrenmoment wirkt sich im Unfall und seinen Folgen nicht aus.
2. Innere Tatseite 10 Der Täter handelt mit auffallender Sorglosigkeit (K/Schr I § 81 Rz 14, 36f,
Schick StPG 10, 220; OLG Wien ZVR 1990/25, 1989/36; aM Burgstaller WK2 § 81 Rz 23): Er muss die Umstände, welche die besonders gefährlichen Verhältnisse begründen, kennen oder bei gehöriger Aufmerksamkeit leicht erkennen können, und er muss leicht nachvollziehen können, dass diese Umstände seine Handlung besonders gefährlich machen. Eine besondere Gefährlichkeit, die sich aus der Summierung mehrerer, an sich nicht schwerwiegender Risikofaktoren ergibt, kann der Täter nicht leicht erkennen.
II. Die Qualifikation des § 81 Abs 1 Z 2 11 Abs 1 Z 2 soll alkoholisierte Kraftfahrer treffen (EBRV 200). Aber Be-
rauschte überschätzen gewöhnlich ihre Fähigkeiten und können darum die Gefährlichkeit ihres Tuns nicht so leicht erkennen. So hat das Gesetz die höhere Strafbarkeit nicht einfach vom Lenken eines Kfz in berauschtem Zustand abhängig gemacht – was sehr viel einfacher wäre –, sondern § 81 Abs 1 Z 2 als zweiaktiges Delikt ausgebaut. 1. Der erste Akt 12 A. Äußere Tatseite. Der Täter versetzt sich durch Alkohol und/oder Dro-
gen, Medikamente in einen Rauschzustand, der ihn fahruntauglich, aber nicht zurechnungsunfähig macht („Minderrausch“). Wenn ein voll betrunkener und damit zurechnungsunfähiger Täter (idR bei über 3 ‰ Blutalkohol) fahrlässig den Tod eines Menschen herbeiführt, kommt § 287 Abs 1 iVm §§ 80, 81 Abs 1 Z 2 zur Anwendung (BT II § 287 Rz 6). 22
Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen
§ 81
a) Absolute Fahruntauglichkeit. Der Täter ist absolut fahruntauglich, 13 wenn der Alkoholgehalt seines Blutes mindestens 0,8 ‰ oder der seiner Atemluft mindestens 0,4 mg/l beträgt (§ 5 Abs 1 StVO). Ein Alkoholgehalt des Blutes von mindestens 0,5 ‰ oder der Atemluft von 0,25 mg/l macht absolut fahruntauglich, wenn der Täter das dritte Mal oder öfter innerhalb von 12 Monaten gegen § 14 Abs 8 FSG verstößt (§ 5 Abs 1a StVO); eine kuriose Regel, denn Rückfall und Fahrtauglichkeit haben miteinander nichts zu tun. b) Relative Fahruntauglichkeit. Der Täter ist relativ fahruntauglich, 14 wenn seine Berauschung – unabhängig vom Alkoholwert – in seinem Verhalten sichtbar zum Ausdruck kommt. Der Täter schwankt beim Gehen (ZVR 1989/100), fährt auf dem Motorrad im Zick-Zack, schläft am Steuer seines Pkw ein (OLG Innsbruck ZVR 1990/ 26).
B. Innere Tatseite. Der Täter muss erkennen oder erkennen können, dass 15 er sich derart berauscht, dass er absolut oder relativ fahruntauglich wird. Das Wissen, welche Bier-, Wein- und Schnapsmengen die entscheidenden Alkoholwerte im Blut und in der Atemluft erzeugen, setzt die Rsp bei jedem Kraftfahrer voraus (§ 80 Rz 21). Sorgfältig zu prüfen ist die Erkennbarkeit dann, wenn der Täter vom Vortag einen Restalkoholgehalt im Blut hat, der sich durch den Genuss geringer Alkoholmengen auf 0,8 ‰ erhöht (Burgstaller WK2 § 81 Rz 80, K/Schr I § 81 Rz 71f, 94; vgl auch Lewisch BT I 60), oder wenn der Täter durch eine Kombination geringer Alkoholmengen mit Medikamenten fahruntauglich wird. Der Täter muss schon während des Trinkens vorhersehen oder vorherse- 16 hen können, dass er anschließend eine gefährliche Tätigkeit vornehmen (meist ein Kfz lenken) wird. Es genügt, dass der Täter, obwohl er die Fahrt voraussieht, eine schon bestehende Trunkenheit „durch den Genuss nicht ganz unbedeutender Alkoholmengen“ auf die entscheidenden Alkoholwerte steigert (OLG Wien ZVR 1984/25 und 283; ähnlich K/Schr I § 81 Rz 72 und Burgstaller WK2 § 81 Rz 79). Durch den komplizierten Aufbau der Z 2 müssen sich die Gerichte mitunter mit schwierigen Beweisfragen auseinandersetzen. Da behauptet ein alkoholisierter Autofahrer, er wollte das Auto stehen lassen und mit dem Taxi fahren; erst als er schon betrunken war, sei er auf den Gedanken gekommen, doch nach Hause zu fahren. Ein anderer behauptet, er habe vor Antritt der Fahrt überhaupt nicht getrunken, sein Blutalkohol rühre von einigen Schnäpsen her, die er nach dem Un-
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§ 81
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
fall, im Schrecken darüber, getrunken habe (Nachtrunk). Wenn diese Verantwortungen nicht widerlegt werden können, ist die Z 2 nicht anwendbar (vgl OLG Wien ZVR 1989/46). Einem Täter, der – von einem Freund zum Übernachten eingeladen – mit ihm trinkt, vorzuwerfen, er hätte voraussehen müssen, dass er sich angetrunken doch noch zur Heimfahrt im eigenen Pkw entschließen werde (OLG Innsbruck ZVR 1991/149), scheint uns denn doch zu weit hergeholt. Ein angeheiterter Autofahrer, der nach dem Unfall nachweislich keinen Alkohol trinken konnte, behauptet vielleicht, er habe erst knapp vor Antritt der Fahrt eine größere Menge getrunken („Sturztrunk“), sein Blutalkoholwert habe zur Unfallszeit weniger als 0,8 ‰ betragen und sei erst nachher auf diesen Wert gestiegen (Dirnhofer/Maurer/Ranner RZ 1983, 168f; s auch K/Schr StudB I § 81 Rz 67).
2. Der zweite Akt 17 A. Äußere Tatseite. Der Täter begeht die fahrlässige Tötung, indem er die
Fahrt in berauschtem Zustand antritt und sich in ihrem Verlauf sozial inadäquat verhält. Dass gerade die Alkoholisierung zum Unfall führte, ist nicht notwendig (ZVR 1998/15). Der Täter fährt mit absolut (OLG Wien ZVR 1989/44) oder relativ überhöhter Geschwindigkeit und kommt von der Straße ab; er stößt aus mangelnder Aufmerksamkeit gegen einen Baum (ZVR 1998/15); er fährt in eine Vorrangstraße ein und übersieht einen Motorradfahrer (OLG Innsbruck ZVR 1991/ 31); er reagiert zu langsam und stößt einen Fußgänger nieder, der die Fahrbahn betritt.
Dass der Täter seine durch Alkohol beeinträchtigte Fahrtauglichkeit durch besonders langsames Fahren auszugleichen sucht, dass er also in nüchternem Zustand schneller gefahren wäre und den Unfall dann auch nicht hätte vermeiden können, schließt die Anwendung des § 81 Abs 1 Z 2 nicht aus. 18 B. Innere Tatseite. Für die subjektive Sorgfaltswidrigkeit (vgl § 80 Rz 18ff)
genügt, dass der Täter seine Fahruntauglichkeit bei Antritt der Fahrt erkennen könnte. Dass er die Verkehrssituation, in welcher der Unfall geschieht, bloß wegen seiner Alkoholisierung nicht meistern kann, entschuldigt ihn nicht (Burgstaller WK2 § 81 Rz 86, K/Schr I § 81 Rz 95; s § 80 Rz 23). 3. Abgrenzung und Konkurrenz 19 Die Alkoholisierung allein kann besonders gefährliche Verhältnisse (§ 81
Abs 1 Z 1) nicht begründen. Die Gerichte dürfen, wenn der betrunkene 24
Fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen
§ 81
Autofahrer die Fahrt nicht voraussehen konnte, nicht einfach von § 81 Abs 1 Z 2 auf Z 1 „umsteigen“. Aber die Alkoholisierung kann besonders gefährliche Verhältnisse in Verbindung mit anderen Umständen begründen, welche die Gefährlichkeit, die von der Fahrt des Täters ausgeht, wesentlich erhöhen. (Burgstaller WK2 § 81 Rz 13). Die Täterin unternimmt betrunken eine Fahrt, die sie nicht vorhersehen konnte. § 81 Abs 1 Z 2 ist nicht anwendbar. Dass sie in einer lang gezogenen Rechtskurve mit 112 statt 100 km/h, bei nasser Fahrbahn, nachts und mit Abblendlicht fährt, macht diese Fahrt nicht wesentlich gefährlicher. Die Täterin ist nicht nach § 81 Abs 1 Z 1, sondern nur nach § 80 strafbar (aM EvBl 2006/186 entgegen den Untergerichten). Der Täter mit illegaler Fahrpraxis, aber ohne Lenkerausbildung und schwer betrunken, fährt mit einem Kfz. Das OLG Wien nahm neben § 81 Abs 1 Z 2 auch Z 1 an (ZVR 1995/103; vgl auch ZVR 1995/162; beide OLG Wien). Zu Unrecht: Die Illegalität der Fahrpraxis macht die Fahrt des Täters nicht gefährlicher.
III. Die Qualifikation des § 81 Abs 1 Z 3 A. Der Täter hält, verwahrt oder führt ein gefährliches Tier, er lässt es an 20 der nötigen Beaufsichtigung usw fehlen und führt dadurch fahrlässig den Tod eines Menschen herbei. Zu denken ist vor allem an Kampfhunde, aber auch an gefährliche Schlangen, Spinnen oder Reptilien. B. Abs 1 Z 3 ist verwaltungsakzessorisch (vgl BT II §§ 180, 181 Rz 2): 21 Der Täter ist nach Z 3 nur strafbar, wenn er gegen ein gesetzliches Verbot oder einen behördlichen Auftrag verstößt. Abs 2 übernimmt diesbezüglich die Regeln des Rechtsirrtums nach § 9. Wenn ein mangelhaft beaufsichtigter Hund ein Kind anfällt und tödlich verletzt, ohne dass der Täter gegen einschlägige Gesetze oder Auflagen verstößt, ist er noch immer nach § 80 strafbar: Vorbildliche Menschen beaufsichtigen ihre Hunde in angemessener Weise – auch ohne besondere gesetzliche Regeln (s § 80). Unter Umständen, wenn das Tier besonders gefährlich und Unfälle sehr wahrscheinlich sind, kann die Tat auch nach § 81 Abs 1 Z 1 qualifiziert sein (Mayerhofer § 81 Anm 10). § 81 Abs 1 Z 3, Abs 2 sind wohl entbehrlich.
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§ 82
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Aussetzung § 82. (1) Wer das Leben eines anderen dadurch gefährdet, dass er ihn in eine hilflose Lage bringt und in dieser Lage im Stich lässt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer das Leben eines anderen, der unter seiner Obhut steht oder dem er sonst beizustehen verpflichtet ist (§ 2), dadurch gefährdet, dass er ihn in einer hilflosen Lage im Stich lässt. (3) Hat die Tat den Tod des Gefährdeten zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Kienapfel, Aussetzung (§ 82 StGB) oder Imstichlassen eines Verletzten (§ 94 StGB)? RZ 1978, 4.
§ 82 enthält zwei Tatbilder; sie haben einige Merkmale der äußeren Tatseite (Rz 1) und den Vorsatz gemeinsam, das Opfer am Leben zu gefährden (Rz 4). 1. Die Abs 1 und Abs 2 gemeinsamen Merkmale 1 Das Opfer ist in einer hilflosen Lage, dh in einer Situation, aus der es sich
aus eigener Kraft wahrscheinlich nicht befreien kann. Und der Täter gefährdet (konkret) das Leben des Opfers, indem er es im Stich lässt, dh er unterlässt ihm mögliche Rettungsmaßnahmen (K/Schr I § 82 Rz 9, L/St § 82 Rz 5, 13, Hilf SbgK § 82 Rz 35f). Hilflos und in Lebensgefahr ist ein nicht versorgtes Kleinkind von acht Monaten (EvBl 1990/71); wer bei einem Sturz einen Schädelbruch und eine Gehirnquetschung erlitten hat (EvBl 1979/71); wer nach einem Arbeitsunfall mit einem Bruch des Brustbeins und mit epileptischen Anfällen im Wald liegt (SSt 47/77); nicht aber ein Kind von fünf Jahren, das der Täter bei Nacht, Regen, 10 °C in einem Park allein lässt (JBl 1997, 403 mit Anm von Beclin).
2. Die Aussetzung nach Abs 1 2 Abs 1 ist ein zweiaktiges Delikt (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 82 Rz 4, K/
Schr I § 82 Rz 13, L/St § 82 Rz 5). Der Täter bringt das Opfer (vorsätzlich: Rz 4) in die hilflose Situation und unterlässt es, ihm zu helfen, wodurch Lebensgefahr besteht. Das Opfer kann auch schon vor dem Eingreifen des Täters hilflos sein und der Täter erst eine Lebensgefahr für das Opfer herbeiführen oder eine schon vorhandene Lebensgefahr erhöhen (Burgstaller/ Fabrizy WK2 § 82 Rz 16, K/Schr I § 82 Rz 14f). 26
Aussetzung
§ 82
Der Täter bringt das Opfer, das in einem Gasthaus nachts vor der Toilette lebensgefährlich verletzt wurde, aus dem Gasthaus hinaus und legt es in einem unbeleuchteten Durchgang ab (EvBl 1979/71).
3. Die Aussetzung nach Abs 2 Abs 2 ist ein Unterlassungsdelikt. Das Opfer befindet sich in einer hilflo- 3 sen Lage; der Täter unterlässt es, die Lebensgefahr abzuwenden, obwohl er es könnte und obwohl er aus besonderen Gründen als Garant (§ 2) für Leib und Leben des Opfers verantwortlich ist. Eltern unterlassen es, ihr acht Monate altes Kleinkind ausreichend zu ernähren, obwohl es bereits am Verhungern ist (EvBl 1990/71); der Arbeitgeber lässt den bei einem Arbeitsunfall lebensgefährlich verletzten Arbeitnehmer im Wald ohne Hilfe zurück (SSt 47/77); ein Autofahrer verursacht einen Verkehrsunfall und lässt das lebensgefährlich verletzte Opfer liegen. Der Fahrer hat das Opfer unvorsätzlich in Lebensgefahr gebracht und ist darum als Garant verpflichtet, die Gefahr abzuwenden (Ingerenzprinzip).
4. Die innere Tatseite Im Fall des Abs 1 bringt der Täter das Opfer vorsätzlich in die hilflose und 4 lebensgefährliche Lage (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 82 Rz 17, K/Schr I § 82 Rz 31); und in den Fällen des Abs 1 und Abs 2 bleibt der Täter mit dem Vorsatz untätig, dass das Opfer hilflos ist, dass es in Lebensgefahr ist und in Lebensgefahr bleibt, weil ihm nicht geholfen wird. Eltern, die ihr Kleinkind so schlecht ernähren, dass es bereits am Verhungern ist, sind nach § 82 Abs 2 strafbar, wenn sie die Lebensgefahr für das Kind in ihren Vorsatz aufnehmen (Gefährdungsvorsatz); wenn sie es sogar ernsthaft für möglich halten und sich damit abfinden, das Kind werde sterben (Tötungsvorsatz), begehen sie einen Mord; wenn sie die Lebensgefahr nicht erkennen, kommt § 92 Abs 2 in Frage (§ 92 Rz 3). Der Urheber eines Verkehrsunfalls, der dem lebensgefährlich verletzten Opfer nicht hilft, weil er die Lebensgefahr nicht erkennt, ist nicht nach § 82 Abs 2, vielleicht aber nach § 94 oder § 95 strafbar (§ 94 Rz 2f, § 95 Rz 1f).
5. Die Qualifikation des Abs 3 Wenn das Opfer stirbt, obwohl es der Täter hätte retten können, ist die 5 Aussetzung nach § 82 Abs 3 qualifiziert (Erfolgsqualifikation; § 7 Abs 2). 27
§ 83
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
6. Abgrenzung und Konkurrenz 6 A. Wenn der Täter nach § 82 Abs 1 verurteilt wird, ist Abs 2 nicht anwend-
bar. 7 B. Wenn der Täter das Opfer in die hilflose Lage bringt, indem er es mit Ver-
letzungs-, mit Misshandlungsvorsatz oder bloß fahrlässig lebensgefährlich verletzt und dann im Stich lässt, konkurriert § 82 mit §§ 83f oder § 88 (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 82 Rz 40, K/Schr I § 82 Rz 42f, L/St § 82 Rz 27). Der Täter versetzt dem Opfer einen Faustschlag ins Gesicht, das Opfer stürzt und erleidet einen Schädelbruch und eine Gehirnquetschung; der Täter geht seiner Wege. Er ist für den Schlag nach §§ 83f, und wenn er die Lebensgefährlichkeit der Verletzung erkennt, für das Imstichlassen nach § 82 Abs 2 strafbar. Wenn das Opfer stirbt, ist der Täter nach §§ 83, 86 und nach § 82 Abs 2 verantwortlich (Hilf SbgK § 82 Rz 78). Der OGH will nur §§ 83, 86 anwenden (EvBl 1979/71; Fabrizy § 82 Rz 6).
Körperverletzung § 83. (1) Wer einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer einen anderen am Körper misshandelt und dadurch fahrlässig verletzt oder an der Gesundheit schädigt. Schrifttum zu §§ 83–87: Bauer, Der Begriff der Gesundheitsschädigung in den §§ 83, 84 und 88 StGB, ÖJZ 1984, 350, 372; Bittmann, Strafrechtliche Probleme im Zusammenhang mit AIDS, ÖJZ 1987, 486; Burgstaller, Erfolgszurechnung bei nachträglichem Fehlverhalten Dritter oder des Verletzten selbst, Bezauer Tage 1983, 131; Danek, Peitschenschlagsyndrom – eine „Berufskrankheit“? RZ 1987, 264; Eder-Rieder, Kann eine unerhebliche Körperverletzung zur Versuchsstrafbarkeit führen? ÖJZ 1994, 160; Holczabek/Laubichler, Grundlagen und Praxis der Begutachtung von Verletzungen im Strafverfahren, ÖJZ 1987, 193; Kienapfel, Körperliche Züchtigung und soziale Adäquanz im Strafrecht (1961); Kunst, Ärztliche Heilbehandlung und Einwilligung des Verletzten, RZ 1975, 33; Laubichler, Die Gehirnerschütterung im Spiegel der österreichischen Judikatur, RZ 1982, 114; Loebenstein, Die strafrechtliche Haftung des Arztes bei operativen Eingriffen, ÖJZ 1978, 309; Maleczky, Erziehung und Strafrecht3 (2003); Markowetz, Strafrechtliche Probleme des Dopings, JBl 2004, 409; Monticelli, Beurteilung des Verletzungsgrades respektive Dauer der Gesundheitsschädigung in Theorie und Praxis in Österreich, RZ 2009, 8; Rieder, Die strafrechtliche Beurteilung von Organtransplantationen de lege lata et ferenda, ÖJZ 1978, 113; Schick, Der ärztliche Behandlungsfehler in strafrechtlicher Sicht, in: Haftung des Arztes in zivil- und strafrechtlicher Sicht (1983), 37; ders, Die strafrechtliche Verantwortung des Arztes, in: Arzt- und Arzneimittelhaftung in Österreich (1992), 73; Schmoller, Ist die versuchte Herbeiführung einer qualifizierten Folge strafbar? JBl 1984, 654; Schütz, Todeseintritt nach einverständlich verab-
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Körperverletzung
§ 83
reichter Suchtmittelinjektion, in: Burgstaller-FS (2004), 177; Schwaighofer/Hoinkes-Wilflingseder, Familie und Strafrecht, in: Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 121; Steiner, Zum Problem der Patientenübergabe zwischen Rettung und Krankenhaus, ZVR 1999, 74; Stellamor, Ärztliche Berufsordnung (1977); Velten, Stalking, JSt 2003, 159, 185; Zipf, Die strafrechtliche Haftung des Arztes, StPG 6 (1978), 1.
1. Äußere Tatseite Der Täter verursacht eine Verletzung oder Gesundheitsschädigung des 1 Opfers. A. Verletzungen sind Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit, die nicht ganz geringfügig sind (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 83 Rz 6, Fabrizy § 83 Rz 2, K/Schr I § 83 Rz 6f, L/St § 83 Rz 5f): Schnitte, Hautabschürfungen, Prellungen (Hämatome, Blutergüsse), der Verlust oder die Lockerung von Zähnen (SSt 48/62), Brüche, Verstauchungen, Verrenkungen. Eine lege artis vorgenommene ärztliche Heilbehandlung ist schon begrifflich keine Körperverletzung (für viele: K/Schr StudB I § 83 Rz 25). S § 110 Rz 2. Verletzungen sind zB eine 9 cm lange Schnittwunde (SSt 49/9); eine Platzwunde am Kopf, die genäht werden muss (EvBl 1984/51); die Gehirnerschütterung als Folge einer kräftigen Ohrfeige, die das Opfer kurze Zeit bewusstlos werden lässt (JBl 1984, 622); Prellungen im Gesicht, am Kopf, am Unterkiefer (EvBl 2003/85, 113), eine Zahnverletzung (EvBl 2003/85), heftiges Nasenbluten (SSt 52/28).
Unklar ist, welche Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit 2 ganz geringfügig und darum keine Verletzungen iS des § 83 sind. L/St (§ 83 Rz 7f) und die Rsp wollen nur das Abschneiden von Haaren und das „Hervorrufen bloßen körperlichen Unbehagens“ als geringfügig gelten lassen. Die hL (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 83 Rz 8, Messner SbgK § 83 Rz 49, K/Schr I § 83 Rz 9, Lewisch BT I 25, Zagler BT § 83 Rz 2) sieht zutreffend auch minimale Hautabschürfungen, ein leichtes und kurzes Nasenbluten, geringfügige Schwellungen, Striemen und Zerrungen als geringfügig an. Nicht mehr geringfügig sind Beeinträchtigungen der körperlichen Unversehrtheit, wenn sie Schmerzen verursachen, die über die Handlung des Täters hinaus andauern, wenn sie eine Behandlung oder einen Verband, wenigstens das Anlegen eines Pflasters notwendig oder wenn sie das Opfer bewusstlos machen. Keine Verletzungen sind eine Rötung am Hals, die 1–2 Stunden nach der Tat nicht mehr zu sehen ist (EvBl 1988/70); eine linsengroße Hautabschürfung am
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§ 83
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Daumen (aM SSt 48/20); ein Hauteinriss unter dem Ohr, aus dem Gewebsflüssigkeit austritt (aM JBl 1986, 599); eine bloße Schwellung der Wange (aM ZVR 1987/59), ein 1×1 cm großer Bluterguss (aM 15 Os 121/02). 3 B. Gesundheitsschädigungen sind entweder Folgen einer Verletzung, die
der Täter dem Opfer zugefügt hat, oder Krankheiten, die der Täter beim Opfer herbeiführt oder verschlimmert (EBRV 212; L/St § 83 Rz 9f; vgl auch Burgstaller/Fabrizy WK2 § 83 Rz 9f, K/Schr I § 83 Rz 15f), zB indem er das Opfer vergiftet (EvBl 2006/48) oder mit einer Krankheit ansteckt. Die Ansteckung ist eine Gesundheitsschädigung, auch wenn die Krankheit erst nach einiger Zeit ausbricht (zB AIDS; Rz 6). Ein durch Verabreichung von Schlafmitteln herbeigeführter Schlafzustand ist keine Gesundheitsschädigung (15 Os 131/91). 4 C. Nach hM ist auch das Zufügen seelischer Leiden als Gesundheitsschä-
digung nach § 83 Abs 1 strafbar, wenn sie „Krankheitswert“ haben (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 83 Rz 9f, K/Schr I § 83 Rz 19, Lewisch BT I 25, L/St § 83 Rz 10). Wir sind anderer Meinung (ebenso Messner SbgK § 83 Rz 63). Viele Verhaltensweisen, die sonst nicht oder nach anderen Gesetzesstellen strafbar sind, lösen bei den Betroffenen seelisches Leiden aus, und oft genug ist an dessen „Krankheitswert“ nicht zu zweifeln. Allzu schwere Schularbeiten und Prüfungen lösen bei Schülern schwere Schlafstörungen, Entlassungen bei Arbeitnehmern Depressionen, eine existenzbedrohende üble Nachrede beim Opfer Depressionen und Ängste aus. Viele Menschen in diesen Situationen benötigen eine Behandlung. Aber dass ungerechtfertigte Unterrichtsmethoden, Entlassungen, üble Nachreden nach § 83 oder § 88 verfolgt und bestraft werden, haben weder die Gesetzesverfasser gewollt, noch kann es Aufgabe des Strafrechts sein, Lehrer, Arbeitgeber usw zu disziplinieren (aM K/ Schr I § 83 Rz 20). Wer bei einem Unfall jemanden gefährdet, kann nur nach § 89 strafbar sein. Niemand denkt daran, § 88 anzuwenden, wenn das Opfer vor Autos Angst hat, an Schlafstörungen oder Depression leidet. Die Rechtsprechung zu § 201 geht freilich andere Wege: Sie sieht durch die psychische Traumatisierung der vergewaltigten Person regelmäßig eine schwere Gesundheitsschädigung und damit § 201 Abs 2 verwirklicht (ÖJZ-LSK 2005/35; s BT II § 201 Rz 7). 5 In manchen Fällen hat der Gesetzgeber das Zufügen auch seelischer Leiden
in besonderen Bestimmungen unter Strafe gestellt (§ 92 Abs 1, § 312 Abs 1); in anderen Fällen wird den seelischen Auswirkungen einer Tat in besonderen Qualifikationen Rechnung getragen, insbesondere in dem „qualvollen 30
Körperverletzung
§ 83
Zustand“ der § 106 Abs 1 Z 2, § 107 Abs 2, § 201 Abs 2. Soweit der Gesetzgeber solche Qualifikationen nicht geschaffen hat, müssen seelische Leiden und psychosomatische Beschwerden als Folgen rechtswidrigen Verhaltens strafrechtlich außer Betracht bleiben. 2. Innere Tatseite § 83 Abs 1 verlangt den Vorsatz, das Opfer zu verletzen oder an der Ge- 6 sundheit zu schädigen. Im Fall des § 83 Abs 2 muss der Täter wenigstens den Vorsatz haben, das Opfer zu misshandeln (§ 83 Abs 2); für den Eintritt der Verletzung oder Gesundheitsschädigung durch die Misshandlung genügt Fahrlässigkeit. Der Geschlechtsverkehr eines HIV-Infizierten ohne Kondom ist keine Misshandlung und kann daher als (versuchte) Körperverletzung nur strafbar sein, wenn der Infizierte die Ansteckung des Partners in seinen Vorsatz aufnimmt (Rz 3). Das dürfte gewöhnlich nicht der Fall sein. Der Täter ist aber nach § 178 oder § 179 strafbar (BT II §§ 178, 179 Rz 1, 3). Das Opfer lässt sich von A gelöste Morphiumtabletten injizieren, B stellt Tabletten und Nadel zur Verfügung. Das Opfer, an Morphium nicht gewöhnt, stirbt. A und B werden nach § 83 Abs 1, § 86 verurteilt (EvBl 2003/79). Zu Unrecht. Der Nadelstich ist keine Verletzung (s Rz 2), die Euphorie, die der Täter beim Opfer hervorrufen wollte, keine Gesundheitsschädigung (s Rz 3). So kann der Täter nur nach § 80 bestraft werden (Schütz Burgstaller-FS 183f). Zur Einwilligung des Opfers s § 90 Rz 7.
A. Misshandlungsvorsatz. Unter Misshandlung versteht die hL „die Ein- 7 wirkung physischer Kraft“ (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 83 Rz 23, L/St § 83 Rz 14) oder „jede üble, unangemessene Behandlung, die das körperliche Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt“ (K/Schr I § 83 Rz 65, L/St § 83 Rz 14, Fabrizy § 83 Rz 4). Manche Autoren verweisen auf § 115 (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 83 Rz 23). Aber das kann nicht richtig sein. § 83 und § 115 schützen verschiedene Rechtsgüter. Eine Beleidigung durch Misshandlung liegt auch dann vor, wenn der Täter das Opfer öffentlich „nur“ anspuckt oder mit faulen Eiern bewirft (vgl § 115 Rz 6). Im Fall des § 83 aber muss der Vorsatz des Täters doch wohl auf etwas gerichtet sein, was der Sicherheit von Leib und Leben gefährlich werden kann, die „Erheblichkeitsschwelle“, von der ja auch die hM spricht (Lewisch BT I 28), sollte ernst genommen werden. Misshandlungsvorsatz ist der Vorsatz, dem Opfer für die Dauer der Täterhandlung Schmerzen oder schwere Übelkeit zu bereiten (vgl auch Messner SbgK § 83 Rz 41f). 31
§ 83
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
8 Misshandlung ist ein kräftiger Schlag ins Gesicht, ein kräftiger Schlag oder
Tritt in den Unterleib. Ein mäßiger Boxhieb oder Fußtritt gegen weniger empfindliche Körperteile – gegen den Oberkörper, die Arme, das Gesäß – sind keine Misshandlungen, weil sie nicht ernsthaft wehtun. Auch die Empfindlichkeit des Opfers spielt eine Rolle. Schläge oder Stöße, die an einem Säugling oder an einer alten Frau eine Misshandlung sind, müssen es an einem jungen Mann nicht sein. Wer einem drei Monate alten Säugling einen Schlag mit der flachen Hand gegen den Kopf versetzt und den Kopf zwei Minuten lang kräftig gegen das Wickelkissen drückt (SSt 48/55); wer eine 71-jährige Frau durch einen „aggressiven Stoß“ umstößt (SSt 49/27); und wer ein 15-jähriges Mädchen so lange unter Wasser taucht, bis es in lebensbedrohliche Atemnot gerät (SSt 57/13), misshandelt das Opfer. Ob der Täter das Opfer aus Bosheit oder „zum Scherz“ so behandelt, ist unerheblich (SSt 57/13). Der Täter drückt einen Polizisten gegen eine Hausmauer, der Beamte verletzt sich am rechten Daumen (für Misshandlungsvorsatz EvBl 1983/60); ein Schüler „schupft“ einen Mitschüler, dieser stürzt und der Täter – 100 kg schwer – fällt auf ihn drauf (12 Os 12/88): In beiden Fällen fehlt der Misshandlungsvorsatz, weil der Täter dem Opfer nicht ernsthaft weh tun wollte. In Betracht kommt höchstens eine Bestrafung nach § 88. 9 B. Verletzungs- oder Misshandlungsvorsatz. Wer durch einen Stoß oder
Boxhieb jemanden verletzt, ist nach § 83 strafbar, wenn er es wenigstens ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dem Opfer Schmerzen zu bereiten, ihm ernsthaft weh zu tun. Der Täter muss nicht daran denken und sich damit abfinden, er werde das Opfer verletzen. Wenn er aber mit Verletzungsvorsatz handelt, ist er nach Abs 1 strafbar. Abs 1 und 2 sind rechtlich gleichwertige Begehungsweisen der Körperverletzung nach § 83 (SSt 50/10; aM K/Schr I § 83 Rz 4, 59f). Das ist ein bedeutender Vorteil: Körperverletzungen werden häufig nach einem Streit, in großer Erregung begangen, sodass selbst bei brutalen Schlägen zweifelhaft sein kann, ob der Täter eine Verletzung des Opfers für recht wahrscheinlich gehalten und sich damit abgefunden hat (vgl § 75 Rz 4ff). Immerhin muss der Täter durch die vorsätzliche Misshandlung die Verletzung oder Gesundheitsschädigung des Opfers fahrlässig herbeiführen. An dieser Fahrlässigkeit wird kaum je zu zweifeln sein: Handlungen, die jemandem ernsthaft wehtun, sind sozial inadäquat und lassen idR Verletzungen oder Gesundheitsschädigungen erwarten (Burgstaller WK2 § 7 Rz 21f).
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Schwere Körperverletzung
§ 84
3. Versuch § 83 Abs 1 kann – wie alle Vorsatzdelikte – auch im Versuch begangen wer- 10 den. Aber dann muss dem Täter der Vorsatz nachgewiesen werden, das Opfer zu verletzen oder an der Gesundheit zu schädigen. Eine versuchte Körperverletzung nach § 83 Abs 2 gibt es nicht (aM für gewisse Sonderfälle K/Schr I § 83 Rz 77, Messner SbgK § 83 Rz 92): Der Täter will das Delikt ja nicht vollenden, sondern führt die Verletzung durch eine Misshandlung fahrlässig herbei. Folgenlose Misshandlungen können jedoch nach § 107b (§ 107b Rz 3) oder nach § 115 (§ 115 Rz 6) strafbar sein. Der Täter schleudert einen Blumentopf gegen den Kopf des Opfers und verfehlt ihn: Der Täter ist nach §§ 15, 83 Abs 1 strafbar, wenn er es ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet, dem Opfer eine Verletzung oder Gesundheitsschädigung zuzufügen (vgl SSt 52/58). Wenn er dem Opfer nur wehtun wollte, ist § 83 nicht anwendbar. Wenn sich das Opfer beim Ausweichen verletzt, liegt eine vollendete Körperverletzung nach § 83 Abs 2 vor (Lewisch BT I 29; für Freispruch Burgstaller/Fabrizy WK2 § 83 Rz 38, L/St § 83 Rz 23; für §§ 15, 83 Abs 2 K/Schr I § 83 Rz 77, Messner SbgK § 83 Rz 92).
Schwere Körperverletzung § 84. (1) Hat die Tat eine länger als vierundzwanzig Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit zur Folge oder ist die Verletzung oder Gesundheitsschädigung an sich schwer, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist der Täter zu bestrafen, wenn die Tat begangen worden ist 1. mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, 2. von mindestens drei Personen in verabredeter Verbindung, 3. unter Zufügung besonderer Qualen oder 4. an einem Beamten, Zeugen oder Sachverständigen während oder wegen der Vollziehung seiner Aufgaben oder der Erfüllung seiner Pflichten. (3) Ebenso ist der Täter zu bestrafen, wenn er mindestens drei selbständige Taten ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt begangen hat.
1. Die Qualifikationen des § 84 Abs 1 Der Täter bewirkt durch eine Körperverletzung nach § 83 – sie mag von 1 Verletzungs- (§ 83 Abs 1) oder von Misshandlungsvorsatz (§ 83 Abs 2) ge33
§ 84
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
tragen sein –, dass das Opfer mehr als 24 Tage berufsunfähig oder an seiner Gesundheit geschädigt ist oder eine an sich schwere Verletzung erleidet. Diese schweren Folgen muss der Täter wenigstens fahrlässig herbeiführen (§ 7 Abs 2). 2 A. Die Berufsunfähigkeit. Berufsunfähig ist das Opfer, wenn und solange
es bei der Erfüllung seiner sozialen Funktion wesentlich behindert ist. Berufsunfähig ist der Arbeiter, wenn er nicht zur Arbeit gehen; der Schüler, wenn er nicht schreiben (SSt 42/31); die Hausfrau, wenn sie die Hausarbeit nicht erledigen kann. Entscheidend ist nicht der erlernte Beruf, sondern die zur Tatzeit wirklich ausgeübte Tätigkeit. Für Arbeitslose und Personen, die von illegalen Tätigkeiten leben (zB Zuhälter), kann diese Qualifikation nicht in Betracht kommen; Lehre und Rsp greifen in solchen Fällen doch wieder auf den erlernten Beruf zurück (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 84 Rz 11). Die Berufsunfähigkeit dauert idR – ausgenommen zB bei einem Model oder einer Balletttänzerin – nicht länger als die Gesundheitsschädigung.
3 B. Die Gesundheitsschädigung. An der Gesundheit geschädigt ist das
Opfer, wenn und solange es erhebliche Schmerzen leidet, in der Bewegungsfreiheit wesentlich behindert ist, kaum sehen oder hören kann, Fieber hat oder sich schonen muss. Das Opfer ist an seiner Gesundheit geschädigt, solange es – wenn auch nur zur Vorsicht (SSt 42/31) – einen Gipsverband (OLG Wien ZVR 1995/148) oder eine Schiene tragen muss, sodass es sich nur mühsam ausziehen oder nur humpeln kann. Wenn das Opfer einen Verband trägt, der es nicht wesentlich behindert – zB die „Schanzkrawatte“ nach einem Schleudertrauma –, hört die Gesundheitsschädigung schon mit Abklingen der Schmerzen auf. Unerheblich ist, wie lange der Arzt das Opfer „krank geschrieben“ hat (JAB 17).
Dass das Opfer infolge der Tat längere Zeit an seelischen Störungen leidet, muss außer Betracht bleiben (s § 83 Rz 4f); die Rsp aber sieht bei Anwendung der § 201 Abs 2, § 205 Abs 2, § 206 Abs 3, § 207 Abs 3 auch Depressionen, psychosomatische Belastungsstörungen usw als schwere Körperverletzung iSd § 84 Abs 1 an (JBl 2001, 255, JBl 2002, 129; s BT II § 201 Rz 7, § 206 Rz 8). 4 C. Die an sich schwere Verletzung oder Gesundheitsschädigung. Die
Verletzung oder Gesundheitsschädigung ist nach hM an sich schwer, wenn sie ein „wichtiges Organ“ betrifft, wenn sie „schwere gesundheitliche Nachteile“ bringt, wenn der „Heilungsverlauf ungewiss“ ist oder wenn sie 34
Schwere Körperverletzung
§ 84
„weitere Folgen“ befürchten lässt (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 84 Rz 17, L/ St § 84 Rz 7ff, Zagler BT § 84 Rz 7). Diese Andeutungen lassen alles offen. Das Tatbildmerkmal „an sich schwere Verletzung“ darf aber nicht dazu verwendet werden, die 24-Tage-Grenze zu unterlaufen. Verletzungen, die das Opfer für weniger als 24 Tage an der Gesundheit schädigen, können nur ausnahmsweise, nämlich dann als an sich schwere Verletzungen gelten, wenn sie lebensgefährlich sind (ebenso Messner SbgK § 84 Rz 61). An sich schwere Verletzungen sind ein Stich in die Milz (EvBl 1982/54), ein Stich mit einem 12,5 cm langen Messer in den Bauch (RZ 1989/57, EvBl 1991/206); eine Schnittwunde am Unterarm mit Durchtrennung von 12 Sehnen, der Schlagader und eines Nervs (EvBl 1985/106), weil das Opfer verbluten könnte.
Verletzungen und Gesundheitsschädigungen ohne Lebensgefahr sind keine 5 an sich schweren Verletzungen. Keine an sich schwere Verletzung ist die Abtrennung einer Ohrmuschel; der Verlust der vier oberen Schneidezähne samt den Zahnwurzeln (aM OLG Wien ZVR 1982/40); eine Perforation des Trommelfells (aM JBl 1982, 328); aber hier ist das Opfer mehr als 24 Tage an der Gesundheit geschädigt oder gar § 85 Z 1 oder 2 verwirklicht (s § 85 Rz 1f). Keine an sich schweren Verletzungen sind vor allem Knochenbrüche. Die Rsp sieht Brüche langer und wichtiger Knochen wie zB die der großen Zehe (ZVR 1995/148), des Endgliedes der zweiten Zehe (ZVR 2003/100) oder des Wadenbeins (OLG Wien ZVR 1982/367) immer als schwere Verletzungen an, Brüche „kleiner, unwichtiger Knochen“ – dazu sollen zB das Nasenbein (EvBl 1984/ 108) und das Grundglied des dritten Zehens (OLG Wien ZVR 1977/49) und die 6. Rippe (Mayerhofer § 84 E 14) gehören – nur, wenn es sich um „komplizierte“ oder um „offene“ (EvBl 2002/105) Brüche handelt (s auch die Beispiele bei Messner SbgK § 84 Rz 51ff). Das Opfer kann in Anbetracht eines Gipsverbandes für mehr als 24 Tage an der Gesundheit geschädigt sein (s Rz 3); im Übrigen sollte § 83 genügen.
D. Vorsatz und Fahrlässigkeit. Der Täter hat den Vorsatz, das Opfer zu 6 verletzen (§ 83 Abs 1) oder zu misshandeln (§ 83 Abs 2); im Übrigen genügt es, dass er die an sich schwere Verletzung oder die mehr als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit fahrlässig herbeiführt (§ 7 Abs 2). § 84 Abs 1 ist aber auch anwendbar, wenn der Täter die schweren Folgen 7 vorsätzlich herbeiführt. Im Versuch kann das Vergehen nach § 84 Abs 1 freilich nicht begangen werden (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 84 Rz 38).
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§ 84
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Wer das Opfer zusammenschlägt, ihm aber lediglich einige Platz-, Schnitt- und Schürfwunden zufügt, ist nur nach § 83 Abs 1 strafbar, auch wenn er eine mehr als 24 Tage dauernde Gesundheitsschädigung (aM L/St § 84 Rz 37f) oder eine an sich schwere Verletzung (aM K/Schr I § 84 Rz 10, 31, 48, L/St § 84 Rz 37f, Fuchs AT I 28. Kap Rz 26) ernsthaft für möglich hält und sich damit abfindet (EvBl 1987/141, 1997/14). Dieser Vorsatz ist ohnehin kaum je nachweisbar: Wenige Täter malen sich bei Schlägereien die Verletzungen des Opfers im Detail aus, und nur sehr wenige denken darüber nach, wie lange das Opfer wohl an der Gesundheit geschädigt sein wird. § 84 Abs 1 soll den Gerichten Feststellungen darüber ersparen und lässt darum Fahrlässigkeit hinsichtlich der schweren Folgen genügen. Das spricht dafür, einen Versuch nach § 84 Abs 1 – mit der Rsp und gegen K/Schr, L/St und Fuchs – generell auszuschließen. Auch bestünde sonst die Gefahr, dass aus vielen leichten gleich versuchte schwere Körperverletzungen werden (Messner SbgK § 84 Rz 105).
2. Die Qualifikationen des § 84 Abs 2 8 A. Die lebensgefährliche Misshandlung. Der Täter begeht eine Körper-
verletzung nach § 83 Abs 1 oder 2, indem er das Opfer mit irgendeinem Gegenstand so misshandelt, dass man wenigstens einen Augenblick um das Leben des Opfers fürchten muss (§ 84 Abs 2 Z 1). Ein gezielter Schuss gegen den Oberschenkel des Opfers lässt dessen Tod nicht befürchten und fällt darum nicht unter § 84 Abs 2 Z 1 (SSt 47/40); wohl aber ein Stich, den der Täter mit einem Messer mit 9,5 cm langer, spitzer Klinge gegen den Hals des Opfers führt (EvBl 1983/24). Körperverletzungen, die der Täter mit bloßer Hand verübt – der Täter wirft das Opfer aus dem Fenster (EvBl 1989/ 178) –, gehören nicht hierher.
Für § 84 Abs 2 Z 1 kommt es allein auf die Lebensgefährlichkeit der Misshandlung, also der Täterhandlung an, nicht auf den eingetretenen Erfolg. Wenn das Opfer eine lebensgefährliche Verletzung erleidet, ist der Täter nach § 84 Abs 1 strafbar: Lebensgefährliche Verletzungen sind an sich schwer (Rz 4). Der Täter führt von hinten mit einer Biertulpe einen kräftigen Schlag gegen das Ohr des Opfers; das Glas splittert und hätte beinahe die Halsschlagader durchtrennt. Wer den Verlauf der Halsschlagader kennt, hätte während des Schlages um das Leben des Opfers gefürchtet. Darum ist der Täter nach § 84 Abs 2 Z 1 (s aber Rz 13) strafbar, auch wenn das Opfer glücklicherweise mit einem harmlosen Schnitt davongekommen ist. Wenn nicht nur der Schlag, sondern auch die
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Schwere Körperverletzung
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Schnittverletzung lebensgefährlich ist, ist der Täter nach §§ 83, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 zu verurteilen.
Nach Burgstaller/Fabrizy (WK2 § 84 Rz 41ff) und obiter dicta in OGHEntscheidungen (EvBl 1989/178, SSt 50/64, 48/11) muss der Täter das Opfer nicht mit irgendeinem, sondern mit einem „abstrakt lebensgefährlichen Mittel“ misshandeln. Aber bei bestimmungsgemäßer Verwendung sind nur wenige Gegenstände wirklich gefährlich, und als Waffe verwendet können die meisten Gegenstände, je nachdem, wohin der Täter damit schlägt oder sticht, sehr gefährlich werden. Für § 84 Abs 2 Z 1 muss jedes Mittel genügen, wenn seine Verwendung gerade in diesem Fall lebensgefährlich ist (K/Schr I § 84 Rz 58ff; L/St § 84 Rz 17f für einen Schraubenzieher).
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B. Die verabredete Misshandlung. Drei oder mehr Täter begehen eine 10 Körperverletzung nach § 83 Abs 1 oder 2, nachdem sie sich zur Misshandlung des Opfers verabredet haben (§ 84 Abs 2 Z 2). Die Verabredung muss vor Beginn der Tätlichkeiten erfolgen (EvBl 2002/91), bedarf keiner Worte, sondern kann einfach darin bestehen, dass die Täter das Opfer zB einkreisen (SSt 50/10; vgl JBl 1997, 799). Die Täter müssen nicht alle Hand an das Opfer legen, aber doch am Tatort zusammenwirken, zB indem der eine auf das Opfer einschlägt, der andere ihm den Weg verstellt und der dritte „in Reserve“ bereit steht (SSt 59/42, EvBl 2002/91; L/St § 84 Rz 21f, Zagler BT § 84 Rz 17). Vgl auch § 91 Rz 7. C. Die qualvolle Misshandlung. Der Täter begeht eine Körperverletzung 11 nach § 83 Abs 1 oder 2, indem er das Opfer auf qualvolle Weise misshandelt (§ 84 Abs 2 Z 3). Der Täter drückt einen glühenden Elektrokocher gegen den nackten Oberschenkel des Opfers (SSt 41/49). Der Täter würgt das Opfer, bis es beinahe bewusstlos in Todesangst gerät (SSt 60/35).
Dass dem Opfer die zugefügte Verletzung intensive Schmerzen bereitet, genügt nicht (Messner SbgK § 84 Rz 79). D. Die Misshandlung von Beamten, Zeugen oder Sachverständigen. 12 Der Täter begeht eine Körperverletzung nach § 83 Abs 1 oder 2, indem er einen österreichischen Beamten (BT II § 269 Rz 1) während oder wegen seiner Amtsausübung oder wenn er einen Zeugen oder Sachverständigen während oder wegen seiner Tätigkeit im Verfahren vor einer österreichischen Behörde misshandelt (§ 84 Abs 2 Z 4).
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Der Täter versetzt einem Polizisten während einer Verkehrskontrolle mit dem Vorsatz, ihm ernsthaft weh zu tun (§ 83 Rz 7), einen Schlag. Wenn der Beamte irgendwie verletzt wird (§ 83 Rz 1f), ist der Täter nach §§ 83, 84 Abs 2 Z 4 strafbar; mit dieser Körperverletzung kann der Widerstand gegen die Staatsgewalt konkurrieren (BT II § 269 Rz 19; vgl auch BT II § 270 Rz 5). Bleibt der Polizist unverletzt, kommt nur § 270 in Betracht. 13 E. Innere Tatseite. Der Vorsatz des Täters ist in den Fällen des § 84 Abs 2
darauf gerichtet, das Opfer zu verletzen (§ 83 Abs 1) oder zu misshandeln (§ 83 Abs 2), und erstreckt sich darüber hinaus auch auf die qualifizierenden Umstände. Der Täter, der dem Opfer eine Biertulpe gegen den Kopf schlägt und beinahe die Halsschlagader durchtrennt, kann nach § 84 Abs 2 Z 1 nicht bestraft werden, wenn er vom Verlauf der Halsschlagader keine Ahnung hatte und darum die Lebensgefährlichkeit des Schlages nicht erkannt hat. 14 F. Versuch. Wenn der Täter Verletzungsvorsatz hat, kann er das Verge-
hen nach § 83 Abs 1, § 84 Abs 2 auch im Versuch begehen. Der Täter wirft während einer Amtshandlung einen Blumentopf gegen den Kopf des Polizisten und verfehlt ihn. Wenn er den Beamten verletzen will, versucht er das Vergehen nach § 83 Abs 1, § 84 Abs 2 Z 4 (SSt 52/58); wenn er dem Polizisten nur ernsthaft weh tun will, sind die §§ 83 und 84 nicht anwendbar (vgl Rz 12, § 83 Rz 10). S auch BT II § 270 Rz 2.
3. Die Qualifikation des Abs 3 15 Der Täter begeht drei selbständige Körperverletzungen nach § 83 Abs 1
oder 2 ohne begreiflichen Anlass und unter Anwendung erheblicher Gewalt. Nicht unter Abs 3 fallen Körperverletzungen, die in unmittelbarer zeitlicher Abfolge (EvBl 2002/91) oder in einer verständlichen Erregung begangen werden. Der Täter wendet erhebliche Gewalt an, wenn die Misshandlung für das Opfer sehr schmerzhaft ist oder beträchtliche Verletzungen befürchten lässt (vgl § 142 Rz 13). Hooligans verprügeln aus Langeweile alle paar Tage einen Parkbesucher.
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Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen
§ 85
Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen § 85. Hat die Tat für immer oder für lange Zeit 1. den Verlust oder eine schwere Schädigung der Sprache, des Sehvermögens, des Gehörs oder der Fortpflanzungsfähigkeit, 2. eine erhebliche Verstümmelung oder eine auffallende Verunstaltung oder 3. ein schweres Leiden, Siechtum oder Berufsunfähigkeit des Geschädigten zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
Der Täter fügt dem Opfer durch eine Körperverletzung nach § 83 Abs 1 1 oder 2 bestimmte schwere Schäden zu, an denen das Opfer für immer oder für lange, unabsehbare Zeit leiden wird. Es handelt sich um eine Erfolgsqualifikation zu § 83. 1. Die schweren Folgen A. Das Opfer verliert das Sprech-, Seh-, Hörvermögen oder die Fortpflanzungsfähigkeit oder wird darin schwer geschädigt (Z 1). Die Verletzung mindert das Sehvermögen eines Auges um 70% (EvBl 1997/ 184), um 55% (SSt 59/5) oder doch um 20%. Der Verlust eines Hodens erfüllt die Qualifikation nicht.
B. Das Opfer wird erheblich verstümmelt oder auffallend verunstaltet 2 (Z 2). Erheblich verstümmelt ist das Opfer, wenn es einen auffallenden Körperteil – eine Ohrmuschel (aM EvBl 1984/104), ein Auge, eine Hand, mehrere Finger, einen Fuß – verliert. Der Verlust innerer Organe – dem Opfer muss infolge der Verletzung die Milz entfernt werden – ist mangels äußerlicher Wahrnehmbarkeit keine Verstümmelung (Messner SbgK § 85 Rz 32; aM EvBl 1982/54; Burgstaller/Fabrizy WK2 § 85 Rz 11, K/Schr I § 85 Rz 9), kann aber ein „schweres Leiden“ (Z 3) zur Folge haben.
Auffallend verunstaltet ist das Opfer, wenn sich hässliche Narben im Gesicht, am Hals oder an den Armen bilden (SSt 49/37): an Körperteilen, die wenigstens beim Baden unbedeckt sind; wenn das Opfer auffällig hinkt, eine Hand verkrüppelt ist oder mehrere Vorderzähne fehlen. Manche Verunstaltungen können jedoch wieder beseitigt werden (s die folgenden Beispiele).
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§ 85
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Der Täter übergießt eine Frau mit Nitroverdünnung und zündet sie an; sie erleidet Verbrennungen zweiten und dritten Grades an 35% der Körperoberfläche (EvBl 1989/113). Narben, die sich durch kosmetische Operationen so weit beseitigen lassen, dass sie nur mehr wenig auffallen, sind keine auffallende Verunstaltung; vorausgesetzt, die Operationen liegen im Rahmen dessen, was Verletzte in der Lage des Opfers üblicher- und vernünftigerweise noch auf sich nehmen (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 85 Rz 23, K/Schr I § 85 Rz 11, L/St § 85 Rz 4). Und der Verlust der Vorderzähne ist keine auffallende Verunstaltung, wenn der Zahnarzt das Aussehen des Opfers durch eine Prothese wiederherstellen kann. Verstümmelungen hingegen können nicht (zB durch ein Glasauge) ausgeglichen werden (Messner SbgK § 85 Rz 43). 3 C. Das Opfer wird schwer leidend, siech oder berufsunfähig (Z 3).
Schwere Leiden sind Verletzungsfolgen, die das Opfer in seiner Lebensführung wesentlich beeinträchtigen. Siech bedeutet pflegebedürftig. Beschwerden, die das Opfer durch Medikamente weitgehend lindern kann, sind kein schweres Leiden. Das Opfer erleidet ein „apallisches Syndrom“ (Wachkoma: 12 Os 4/09v); ist seit der Tat an einen Rollstuhl gefesselt (SSt 57/56); kann den verletzten Arm nur mit Schmerzen und nur 30 cm vom Körper abheben (SSt 50/22) oder leidet an epileptischen Anfällen.
2. Die Dauer der Folgen 4 § 85 ist nur verwirklicht, wenn die Folgen (Rz 1–3) für immer oder auf
lange Zeit eintreten. Für immer treten die Folgen ein, wenn sie sich zur Zeit der Urteilsfällung nach menschlichem Ermessen nicht mehr beseitigen lassen; für lange Zeit, wenn bei Urteilsfällung ungewiss ist, ob sich die Folge jemals wieder beseitigen lassen und wie lange das dauern wird. Wenn man annehmen kann, das Opfer werde, wenn auch erst in einigen Jahren und nach einer Operation, wiederhergestellt sein, ist § 85 nicht verwirklicht (idS K/Schr I § 85 Rz 4f, L/St § 85 Rz 2f). Für Messner (SbgK § 85 Rz 23) sind 5 Jahre jedenfalls eine lange Zeit. Der Täter versetzt dem Opfer einen Stich in den Bauch, verletzt den Darm; das Opfer ist drei Jahre im Krankenstand und beginnt dann wieder zu arbeiten: kein Fall für § 85 (EvBl 1979/147). Das Alter des Opfers – hier 40 Jahre – beeinflusst die Wiederherstellungschancen (vgl dazu K/Schr I § 85 Rz 4, Lewisch BT I 36f).
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Körperverletzung mit tödlichem Ausgang
§ 86
3. Vorsatz und Fahrlässigkeit Der Täter handelt mit dem Vorsatz, das Opfer zu verletzen, an der Ge- 5 sundheit zu schädigen (§ 83 Abs 1) oder zu misshandeln (§ 83 Abs 2). Im Übrigen genügt es, dass er die schweren Dauerfolgen fahrlässig herbeiführt (§ 7 Abs 2). Natürlich müssen die schweren Dauerfolgen mit der Handlung, durch die der Täter das Opfer vorsätzlich verletzt oder misshandelt, im Risikozusammenhang stehen (§ 80 Rz 9ff). Daran fehlt es unter anderem, wenn die Misshandlung nur wegen grober Fehler des Opfers oder Dritter zu den schweren Dauerfolgen führt (§ 80 Rz 13, § 86 Rz 1). Der Täter wirft dem Opfer ein Weinglas ins Gesicht und verletzt es am Auge. Das Opfer behandelt es mit Borwasser, obwohl die Ärzte dringend zu einer sofortigen Operation raten. Drei Monate später muss das Auge entfernt werden. Die Operation wäre nicht gefährlich gewesen und hätte dem Opfer das Auge mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erhalten. So kann der Täter nur nach §§ 83, 84 Abs 1 verurteilt werden (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 85 Rz 29). Der OGH dagegen verurteilte den Täter nach §§ 83, 85 Z 1: Er will den Risikozusammenhang nur ausschließen, wenn die Operation das Auge mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit erhalten hätte (SSt 51/25; vgl dagegen § 86 Rz 1).
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4. Konkurrenz Die Verurteilung nach §§ 83, 85 verdrängt § 84 Abs 1 (EvBl 1997/184); mit 7 § 84 Abs 2 besteht echte Konkurrenz.
Körperverletzung mit tödlichem Ausgang § 86. Hat die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
Der Täter führt durch eine Körperverletzung nach § 83 Abs 1 oder 2 fahr- 1 lässig den Tod des Opfers herbei (Erfolgsqualifikation). A. Vorsatz und Fahrlässigkeit. Der Täter hat den Vorsatz, das Opfer zu verletzen (§ 83 Abs 1) oder zu misshandeln (§ 83 Abs 2). Die Handlung, durch die der Täter das Opfer verletzen oder misshandeln will, führt fahrlässig den Tod des Opfer herbei (§ 7 Abs 2). Wenn der Täter auch den Tod des Opfers in seinen Vorsatz aufnimmt, handelt es sich um einen Mord (§ 75 Rz 4). 41
§ 86
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Die Handlung des Täters muss mit dem Tod des Opfers im Risikozusammenhang stehen (§ 80 Rz 9ff). Daran fehlt es unter anderem, wenn die Handlung des Täters nur wegen grober Unvorsichtigkeit des Opfers oder Dritter (vgl § 80 Rz 13) zum Tod des Opfers führt und ohne dieses Fehlverhalten der Tod mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht eingetreten wäre (Fuchs AT I 13. Kap Rz 42f, 47f, K/Schr I § 86 Rz 10ff; vgl SSt 2006/ 79). 2
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Der Täter schlägt das Opfer zu Boden und versetzt ihm mehrere Fußtritte: Sie zerreißen ihm Dünndarm und Gekröse. Zwölf Stunden später lässt sich das Opfer von einem Arzt untersuchen, der es auf seine kritische Situation hinweist. Das Opfer lässt sich nicht operieren, sondern fährt nach Jugoslawien. Dort kommt es zu einem Darmdurchbruch, das Opfer stirbt. Der Risikozusammenhang ist zu verneinen, wenn das Opfer bei einer rechtzeitigen Operation mit überwiegender Wahrscheinlichkeit gerettet worden wäre (EvBl 1987/142; vgl dagegen § 85 Rz 5). Der Täter ist nur nach §§ 83, 84 Abs 1 zu bestrafen. Der Täter versetzt dem Opfer zwei Faustschläge ins Gesicht; das Opfer stürzt nicht einmal, obwohl es betrunken ist; aber das Opfer stirbt an Blutungen im Schädelinneren. Der OGH hat den Täter nur nach § 84 Abs 1 verurteilt: Die Blutung im Schädel ist eine an sich schwere Verletzung, aber eine iS des § 86 „erfolgsspezifische Sorgfaltspflicht“ habe der Täter nicht verletzt (JBl 1989, 395 mit zust Anm von Kienapfel; ähnlich JBl 1988, 395). Das ist schwer verständlich. Vielleicht hat der mäßige Schlag die Gehirnblutung in inadäquater Weise (§ 80 Rz 8) verursacht. Dann ist nicht einmal § 84 Abs 1 verwirklicht. Wenn man aber dem Täter die – lebensgefährliche – Gehirnblutung zurechnet, muss man ihn wohl nach § 86 verurteilen. Vgl § 87 Rz 5.
4 Die Fahrlässigkeitsschuld lässt sich nur selten ausschließen. IdR weiß der
Täter, dass die Handlung, durch die er das Opfer misshandeln oder verletzen will, für Leib und Leben gefährlich und darum sozial inadäquat ist. Natürlich kann man dem Täter zumuten, sie zu unterlassen. Und Erfolge, die mit der – wie der Täter erkennen kann – sozial inadäquaten Handlung im Risikozusammenhang stehen, sind für den Täter voraussehbar (vgl § 80 Rz 22). 5 B. Versuch. § 86 kann im Versuch nicht begangen werden (Erfolgsqualifi-
kation; SSt 57/10; s § 83 Rz 10).
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Absichtliche schwere Körperverletzung
§ 87
Absichtliche schwere Körperverletzung § 87. (1) Wer einem anderen eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) absichtlich zufügt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (2) Zieht die Tat eine schwere Dauerfolge (§ 85) nach sich, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren, hat die Tat den Tod des Geschädigten zur Folge, mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
Nach § 87 macht sich strafbar, wer das Opfer absichtlich schwer verletzt. 1 A. Ausführungshandlung ist die Herbeiführung einer schweren Verletzung iSd § 84 Abs 1 (§ 84 Rz 2–5). Wenn dieser Erfolg nicht eintritt, sondern das Opfer keine oder nur eine leichte Verletzung erleidet, kommt Versuch in Betracht (Rz 4). B. Für die innere Tatseite ist notwendig, dass es dem Täter gerade darauf 2 ankommt (§ 5 Abs 2), das Opfer für mehr als 24 Tage an der Gesundheit zu schädigen, es für mehr als 24 Tage berufsunfähig zu machen oder ihm eine an sich schwere Verletzung zuzufügen (§ 84 Rz 2–5). Solche Fälle sind selten: An § 87 ist vor allem zu denken, wenn der Täter überlegt gehandelt hat. Bei spontan zugefügten (schweren) Verletzungen, womöglich in einem Affekt, ist die geforderte Absicht idR zu verneinen. Der Täter fährt dem Opfer mit einem Messer über das Gesicht; der Schnitt ist ungefährlich, aber die 8 cm lange Narbe entstellt das Opfer für immer. Die bleibende Verunstaltung ist keine an sich schwere Verletzung (JBl 2001, 601 mit Anm Burgstaller). So ist der Täter nach § 83 Abs 1, § 85 Z 2 zu verurteilen. In der E 14 Os 11, 12/01 (JBl 2001, 601) schließt das Gericht aus dem Umstand, dass der Schnitt die Ohrspeicheldrüse und einen Gesichtsnerv leicht hätte erreichen können, auf eine Absicht des Täters, dem Opfer diese oder ähnliche – nach Meinung der Rsp an sich schwere – Verletzungen zuzufügen, und verurteilt den Täter nach § 15, § 87 Abs 1 und 2. Bedenklich ist die Annahme der Absichtlichkeit. Die Annahme nämlich, der Täter habe an Ohrspeicheldrüsen und Gesichtsnerven gedacht und es sei ihm gerade auf deren Verletzung angekommen, ist ziemlich weit hergeholt.
Die Rsp wendet § 87 gerne an, wenn der Täter das Opfer in offensichtlich 3 lebensgefährlicher Weise misshandelt oder verletzt. Der Täter versetzt dem Opfer Fußtritte, die ihm die Leber zerreißen (15 Os 46/ 93), schießt ihm eine Schrotladung gegen den Hals (15 Os 75, 76/93), versetzt ihm 11 Messerstiche (JBl 2003, 399) oder einen Messerstich in den Bauch (EvBl 1991/206), verletzt das Opfer mit einem Tapezierer-(„Stanley“)messer am Hals
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§ 88
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
(EvBl 2002/140). Aber das Wissen um die Gefährlichkeit der Misshandlung und die Absicht, dem Täter eine an sich schwere Verletzung zuzufügen, sind zwei verschiedene Dinge (vgl § 84 Rz 8; Fuchs AT I 14. Kap Rz 10, K/Schr I § 87 Rz 7). 4 C. Versuch. § 87 Abs 1 kann auch im Versuch begangen werden. 5 D. Qualifikationen. Der Täter fällt unter strengere Strafsätze, wenn er
durch die absichtliche schwere Körperverletzung nach § 87 Abs 1 fahrlässig bewirkt, dass das Opfer eine schwere Dauerfolge (§ 85 Z 1–3) erleidet oder stirbt (§ 87 Abs 2; Erfolgsqualifikation). Die absichtliche schwere Körperverletzung muss mit der schweren Dauerfolge oder dem Tod des Opfers im Risikozusammenhang stehen. Der Täter schlägt dem Opfer mit einem Kochtopf zehnmal auf den Kopf, das Opfer verblutet, weil es an einer Blutgerinnungsstörung leidet; der Tod des Opfers ist dem Täter zuzurechnen (15 Os 159/98). Vgl § 86 Rz 1. 6 E. Konkurrenz. § 87 ist ein gegenüber §§ 83f selbständiges Delikt. Wenn
der Täter nach § 87 Abs 1 verurteilt wird, darf dieselbe Tat nicht auch nach §§ 83, 84 Abs 1 und 2 qualifiziert werden (Burgstaller/Fabrizy WK2 § 84 Rz 74, Messner SbgK § 87 Rz 57). Und wenn der Täter nach § 87 Abs 2 verurteilt wird, ist die Anwendung der §§ 85 oder 86 ausgeschlossen.
Fahrlässige Körperverletzung § 88. (1) Wer fahrlässig einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Trifft den Täter kein schweres Verschulden und ist entweder 1. die verletzte Person mit dem Täter in auf- oder absteigender Linie verwandt oder verschwägert oder sein Ehegatte, sein Bruder oder seine Schwester oder nach § 72 Abs. 2 wie ein Angehöriger des Täters zu behandeln, 2. der Täter ein Angehöriger eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes, die Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung in Ausübung seines Berufes zugefügt worden und aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von mehr als vierzehntägiger Dauer erfolgt oder 3. aus der Tat keine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit einer anderen Person von mehr als dreitägiger Dauer erfolgt, so ist der Täter nach Abs. 1 nicht zu bestrafen. (3) In den im § 81 Abs. 1 Z. 1 bis 3 bezeichneten Fällen ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. 44
Fahrlässige Körperverletzung
§ 88
(4) Hat die Tat eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, in den im § 81 Abs. 1 Z. 1 bis 3 bezeichneten Fällen aber mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Bittmann, Strafrechtliche Probleme im Zusammenhang mit AIDS, ÖJZ 1987, 486; Bogner, Wider die Bagatellisierung, ZVR 1992, 247; Burgstaller, Zur Anwendung des § 42 auf Körperverletzungen, JBl 1990, 69; Fucik, „Entkriminalisierung“ und Zivilprozess, RZ 1992, 61; Heufler, Zur Problematik der Anwendung des § 43 Abs 1 StGB bei Verurteilungen nach § 88 StGB, Verkehrsdelikte im Bereich des OLG-Sprengels Wien, AnwBl 1983, 384; Hoinkes-Wilflingseder, Bemerkungen zu Nurscher „Entkriminalisierung“ der fahrlässigen Körperverletzung? in RZ 1991, 227, RZ 1992, 6; Messiner, Zur „Entkriminalisierung“ der fahrlässigen Körperverletzung, ZVR 1992, 75; Nurscher, „Entkriminalisierung“ der fahrlässigen Körperverletzung, RZ 1991, 227; Proske, Grenzen der Straflosigkeit bei Verkehrsunfällen mit Verletzungen, ZVR 1981, 289; Schick, Problemaspekte des Verkehrsstrafrechts, ZVR 1974, 353; Schroll, Zum Anwendungsbereich des § 42 StGB im Straßenverkehr, ÖJZ 1987, 40; ders, Aktives Reueverhalten – Möglichkeiten einer Prozessbeendigung im Vorverfahren, ÖJZ 1989, 42; Schütz, Diversionelle Erledigungen bei Straßenverkehrsdelikten, ZVR 2001, 173; Schwab, Verkehrsrecht wohin? ZVR 1992, 236; Schwaighofer, Ausgewählte Fragen zum StrafrechtsänderungsG 1987, ÖJZ 1988, 587; ders, Zur Anwendbarkeit des § 42 StGB bei Verkehrsunfällen – eine kritische Analyse der E des OGH 14 Os 89/89, ZVR 1990, 97; ders, Die Diversion in Österreich, LJZ 2003, 25; ders, Diversion nach Straßenverkehrsunfällen, ZVR 2008/119, 276; Schwaighofer/Hoinkes-Wilflingseder, Familie und Strafrecht, in: Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 121; Seiler R., Die Aufbauelemente des Fahrlässigkeitsdelikts, in: Wesener-FS (1992), 447; Steininger H., Zur Auslegung des Begriffs „schweres Verschulden“ im § 431 Abs 2 StG nF, ZVR 1972, 65; ders, Zur „Entkriminalisierung“ der fahrlässigen Körperverletzung, ZVR 1992, 185; Tschulik, Besondere Rechtfertigungs-, Entschuldigungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, ZnStR II, 135; Wichtl, Die Judikatur zu §§ 80, 81, 88 und 89 StGB im Lichte der modernen Fahrlässigkeitsdogmatik, ZVR 1980, 97; Wielke/Wielke, Strittige HWS-Verletzungen nach Auffahrunfällen, ZVR 2000, 152; Zagler, Die mangelnde Strafwürdigkeit der Tat, ÖJZ 1975, 346; Zipf, Die mangelnde Strafwürdigkeit der Tat (1975); ders, Kriminalpolitische Überlegungen zu einer Neufassung des § 88 StGB, ÖJZ 1990, 731; weiteres Schrifttum s bei § 80 und § 83.
I. Die fahrlässige leichte Körperverletzung § 88 entspricht § 80. Der Täter verursacht durch eine objektiv sorgfaltswid- 1 rige, dh sozial inadäquate Handlung (§ 80 Rz 2ff) freilich nicht den Tod, sondern eine Verletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 83 Rz 1–5) des Opfers. Die Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung muss dem Täter objektiv zuzurechnen sein (§ 80 Rz 7ff) und auch die Fahrlässigkeitsschuld muss gegeben sein (§ 80 Rz 17ff).
45
§ 88
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
II. Die Strafausschließungsgründe des Abs 2 2 § 88 Abs 2 erklärt fahrlässige leichte Körperverletzungen nach Abs 1 unter
bestimmten Voraussetzungen wieder für straffrei. Für alle Fälle des Abs 2 darf den Täter kein schweres Verschulden treffen; im Übrigen darf die Gesundheitsschädigung eine gewisse Dauer nicht überschreiten. 1. Das schwere Verschulden 3 Nach hM (K/Schr I § 88 Rz 36, L/St § 88 Rz 11) kommt es für das schwere
Verschulden auf eine „ganzheitliche Abwägung aller unrechts- und schulderheblichen konkreten Tatumstände mit Ausnahme des Erfolges“ an. Das schwere Verschulden wird oft mit der groben Fahrlässigkeit des Zivilrechts gleichgesetzt (Fabrizy § 88 Rz 3, Lewisch BT I 67, L/St § 88 Rz 11). Zu beachten ist, dass die Schuld bei Anwendung der Diversion gem § 198 StPO anders auszulegen ist (Rz 10). 4 Wesentlich für das schwere Verschulden sind zwei Elemente (Fabrizy § 88
Rz 3, Burgstaller WK2 § 88 Rz 22f): a) die beträchtliche Wahrscheinlichkeit eines Unfalls. Die Handlung des Täters macht, für den Täter erkennbar, einen Unfall recht wahrscheinlich; und b) die auffallende Sorglosigkeit des Täters. Der Täter kann leicht erkennen, dass er sich unrichtig verhält, und könnte leicht richtig handeln. Mit schwerem Verschulden handelt, wer mit einer Eisenstange die Scheibe eines Pkw einschlägt, sodass der Fahrer durch Glassplitter verletzt wird (vgl OLG Wien ZVR 1989/20); wer auf einer Schipiste im Schuss weiterfährt, obwohl er weiter unten das Opfer auf seine Bahn zufahren sieht (RZ 1984/27); wer mit 40 km/h und unter Missachtung des Vorrangs in eine Kreuzung einfährt, ohne das von rechts kommende Opfer zu beachten (ZVR 1981/284). In diesen Fällen war ein Unfall ziemlich wahrscheinlich, irgendwelche Umstände, die es dem Täter erschwert hätten, sich richtig zu verhalten, lagen nicht vor. Bei besonders gefährlichen Verhältnissen (Abs 3) ist das Verschulden immer schwer (Rz 9). Der Täter übersieht eine Stopptafel und fährt mit 40–50 km/h in die Kreuzung ein; er kennt die Strecke gut, aber seit er sie das letzte Mal befuhr, hat die Behörde die Vorrangverhältnisse geändert und die Stopptafel anbringen lassen (OLG Wien ZVR 1978/220). Die Gewöhnung an die früheren Vorrangverhältnisse erschwert dem Täter, die Stopptafel zu erkennen; den Täter trifft kein schweres Verschulden. 5 Selbst eine krasse Übertretung wichtiger Verkehrsvorschriften ist ein
schweres Verschulden nur, wenn sie in Anbetracht der Verkehrsverhält46
Fahrlässige Körperverletzung
§ 88
nisse am Tatort und zur Tatzeit einen Unfall ziemlich wahrscheinlich macht. Wer auf breiter Bundesstraße knapp nach Beginn des Ortsgebietes mit 75 km/h fährt (ZVR 1976/92); oder wer mit 25 km/h in eine gut einsehbare Kreuzung, aber unter Verletzung des Vorranges einfährt (ZVR 1978/193), handelt nicht mit schwerem Verschulden. Der Täter, der vor einem Schutzweg nicht anhält, obwohl ihn ein Fußgänger überqueren will, handelt nicht notwendig mit schwerem Verschulden (vgl SSt 2006/3, 15 Os 128/07y = SSt 2007/90). S auch Rz 10. Der Täter hält bei „Rot“ vor einer Kreuzung und bezieht, als die Ampel für Rechtsabbieger auf „Grün“ schaltet, das Grünlicht auch auf sich, obwohl er geradeaus fährt; bei einem Zusammenstoß wird ein anderer Fahrer leicht verletzt. Auch die Missachtung des Rotlichts ist nicht immer ein schweres Verschulden (aM LGSt Wien ZVR 2001/80 mit Anm Schroll): Es kommt auf die Dichte des Verkehrs, auf die Geschwindigkeit, mit welcher der Täter in die Kreuzung einfährt, auf seine prompte oder weniger prompte Reaktion an, als er den Irrtum bemerkt.
2. Die Dauer der Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit a) Bagatellfolgenprivileg. Täter, die kein schweres Verschulden trifft, 6 bleiben straffrei, wenn ihre sozial inadäquate Handlung das Opfer höchstens drei Tage an der Gesundheit schädigt. Die Drei-Tage-Grenze (§ 88 Abs 2 Z 3) ist freilich sehr niedrig (über die Dauer der Gesundheitsschädigung und der Berufsunfähigkeit s § 84 Rz 2f). Wenn bei einem Unfall eine Person für mehr als drei Tage und andere Personen für nicht so lange an der Gesundheit geschädigt werden, kann der Täter nur für die Verletzung der ersten und nicht auch der letzteren bestraft werden (Burgstaller WK2 § 88 Rz 42; aM K/Schr I § 88 Rz 52; EvBl 1997/23, RZ 1997/10).
b) Angehörigenprivileg. Wenn das Opfer ein naher Angehöriger iSd 7 § 88 Abs 2 Z 1 ist, bleibt der Täter – kein schweres Verschulden vorausgesetzt – straffrei, solange die Tat nicht qualifiziert ist, also sofern keine schwere Verletzung iSd § 84 Abs 1 eingetreten ist: Die Verletzung naher Angehöriger belastet den Täter ohnehin. c) Medizinerprivileg. Ist der Täter Arzt, Apotheker, Krankenpfleger 8 oder ein anderer Angehöriger eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes, der einen Patienten unsachgemäß behandelt, bedient oder pflegt, bleibt er nach § 88 Abs 2 Z 2 straffrei, wenn der Patient eine Gesundheitsschädigung oder Berufsunfähigkeit von höchstens 14 Tagen Dauer erleidet. 47
§ 88
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Ein Chirurg vergisst nach einer „Bypass“-Operation eine Klemme an einem der eingesetzten Gefäße. Eine weitere Operation wäre notwendig, aber der Patient stirbt schon vorher aus anderen Gründen. Schweres Verschulden nahmen die Gerichte nicht an. Die Veränderungen am Herzen infolge der Klemme sind eine Gesundheitsschädigung (§ 83 Rz 3), aber sie dauerte keine 14 Tage und ist – entgegen dem OGH (EvBl 1998/161) – nicht notwendig an sich schwer (§ 84 Rz 4). So wurde der Arzt von den Untergerichten freigesprochen.
III. Die qualifizierte fahrlässige Körperverletzung (Abs 3, 4) 9 A. Der Täter der fahrlässigen leichten Körperverletzung (Rz 1) ist nach
§ 88 Abs 3 strafbar, wenn er unter den besonders gefährlichen Verhältnissen des § 81 Abs 1 Z 1 bis 3 handelt. B. Wenn die sozial inadäquate Handlung des Täters eine schwere Verletzung des Opfers iSd § 84 Abs 1 zur Folge hat (§ 84 Rz 1–5), ist der Täter nach § 88 Abs 4 zu bestrafen. Wenn überdies die Voraussetzungen des § 81 Abs 1 Z 1 bis 3 vorliegen, kommt der zweite Strafsatz des § 88 Abs 4 zur Anwendung.
IV. Diversion; Einstellung wegen Geringfügigkeit 10 Nach § 198 Abs 2 Z 2 StPO ist ein diversionelles Vorgehen (neben anderen
Voraussetzungen) zulässig, wenn die Schuld des Verdächtigen nicht als schwer anzusehen wäre. Diese „nicht schwere Schuld“ iSd § 198 Abs 2 Z 2 StPO geht über das „nicht schwere Verschulden“ iSd § 88 Abs 2 hinaus, weil § 198 StPO ja auf alle Deliktstypen – auch auf Vorsatzdelikte – Anwendung findet, die überhaupt diversionsfähig sind (Schwaighofer ZVR 2008/119, 280 mwN; 15 Os 162/08z, 15 Os 42/07a = SSt 2007/40, 15 Os 128/07y = SSt 2007/90). So kann ein fahrlässiges Handeln mit schwerem Verschulden iSd § 88, das zu einer schweren Verletzung des Opfers führt, durchaus mit Diversion erledigt werden, solange nicht gerade besonders gefährliche Verhältnisse vorliegen (K/Schr StudB I § 88 Rz 63f mwN). Der Autofahrer, der an einer Kreuzung geradeaus fährt, weil er glaubt, das „Grün“ für Rechtsabbieger gelte auch für ihn, handelt nach der Rsp mit schwerem Verschulden iSd § 88 (s Rz 5); aber eine Diversion ist bloß darum nicht ausgeschlossen. Gleiches gilt, wenn ein Fußgänger auf Grund eines missverständlichen Handzeichens am Zebrastreifen mit geringer Geschwindigkeit niedergestoßen wird (15 Os 128/07y = SSt 2007/90).
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Gefährdung der körperlichen Sicherheit
§ 89
Bei vielen Verkehrsunfällen ist das Verschulden minimal. Wenn überdies das Opfer nicht mehr als eine Woche an der Gesundheit geschädigt oder berufsunfähig ist, kann man von unbedeutenden Folgen und somit einem geringen Störwert der Tat sprechen (vgl zum aufgehobenen § 42 StGB: K/Schr I § 88 Rz 58, Schroll ÖJZ 1989, 44, Schwaighofer ZVR 1990, 99; aM JBl 1990, 124; Burgstaller WK2 § 88 Rz 47); dann ist die Einstellung wegen Geringfügigkeit nach § 191 StPO geboten. Leider glauben die Rsp und ein Teil der Lehre, § 191 StPO auf seltenste Ausnahmefälle beschränken zu müssen.
V. Konkurrenz Wenn der Täter durch dieselbe Handlung mehrere Personen verletzt, be- 11 geht er mehrere ideal konkurrierende Körperverletzungen nach § 88 (ZVR 2005/68, JBl 2000, 327 mit Anm Burgstaller; K/Schr I § 88 Rz 28).
Gefährdung der körperlichen Sicherheit § 89. Wer in den im § 81 Abs. 1 Z. 1 bis 3 bezeichneten Fällen, wenn auch nur fahrlässig, eine Gefahr für das Leben, die Gesundheit oder die körperliche Sicherheit eines anderen herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. Schrifttum: Kienapfel, Vorschläge zur Abänderung des Besonderen Teils, RZ 1981, 117; Wichtl, Die Judikatur zu §§ 80, 81, 88 und 89 StGB im Lichte der modernen Fahrlässigkeitsdogmatik, ZVR 1980, 97; weiteres Schrifttum s bei §§ 80, 83 und 88.
Unter besonderen Voraussetzungen ist nicht bloß die fahrlässige Tötung oder Verletzung, sondern schon die konkrete Gefährdung einer anderen Person gerichtlich strafbar. 1. Die äußere Tatseite A. Die Herbeiführung einer „konkreten“ Gefahr. Der Täter bringt 1 durch eine sozial inadäquate Handlung einen anderen in Gefahr. Die Handlung des Täters führt zu einer Situation, in der ein verständiger, nicht übermäßig ängstlicher Beobachter sagte: „Ein Wunder, wenn das Opfer unverletzt bleibt“ (K/Schr I § 89 Rz 15, Lewisch BT I 69). Dass die Handlung des Täters „abstrakt gefährlich“ ist, also bloß eine Gefahrenquelle eröffnet, genügt nicht: Nur wenn ein Opfer sich im Wirkungsbereich der gefährlichen Handlung befindet oder dorthin gerät, führt die gefährliche 49
§ 89
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Handlung zu einer „konkreten“, dh zu einer wirklichen Gefahr für einen anderen. Wer in einer unübersichtlichen Kurve überholt, handelt gefährlich; aber wenn die Gegenfahrbahn zufällig frei ist, kommt es nicht zur Gefährdung anderer; der Täter kann nach § 89 nicht bestraft werden. „Konkret“ gefährdet ist das Opfer, wenn bei einem Unfall die Scheiben am Pkw des Opfers bersten und Glassplitter ins Wageninnere fliegen (ZVR 1990/ 137); wenn das Opfer dem drohenden Frontalzusammenstoß mit dem Täter nur durch starkes Bremsen oder durch Ausweichen auf das Bankett; dem drohenden Zusammenstoß mit einem Geisterfahrer auf der Autobahn nur durch Bremsen oder Ausweichen entgehen kann. 2 B. Besonders gefährliche Verhältnisse. Die Gefährdung anderer ist nur
strafbar, wenn die Voraussetzungen des § 81 Abs 1 Z 1 bis 3 vorliegen (s § 81 Rz 2ff, 11ff, 20ff). 3 Sonstige konkrete Gefährdungen ohne besonders gefährliche Verhältnisse,
nicht im Rausch, und Handlungen unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Abs 1 Z 1 bis 3) ohne konkrete Gefährdung anderer bleiben straffrei. Ein Bauer überquert bei dichtem Nebel mit Traktor und Beifahrer einen ungesicherten Bahnübergang; ein Zug rammt den Traktor, der Beifahrer bleibt unverletzt. Der Täter bleibt straffrei (SSt 53/39): Der Beifahrer wurde konkret gefährdet, aber nicht unter besonders gefährlichen Verhältnissen; die Wahrscheinlichkeit, dass gerade während der wenigen Sekunden des Überquerens ein Zug kommen werde, ist nur gering. Der Autofahrer, der in einer unübersichtlichen Kurve auf einer viel befahrenen Straße mit weit überhöhter Geschwindigkeit zu einem Überholmanöver ansetzt, handelt unter besonders gefährlichen Verhältnissen (§ 81 Rz 4): Ein Unfall ist mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten. Aber wenn die Gegenfahrbahn zufällig doch frei ist, bleibt die konkrete Gefährdung eines anderen aus (Rz 1), der Täter ist nach § 89 nicht strafbar.
2. Die innere Tatseite 4 Fahrlässigkeit genügt. Der Täter ist aber auch dann nach § 89 strafbar,
wenn er bei Vornahme der gefährlichen Handlung die Gefährdung eines anderen ernsthaft für möglich hält und sich damit abfindet (K/Schr I § 89 Rz 22, L/St § 89 Rz 13). Im Versuch kann § 89 nicht begangen werden (Burgstaller WK2 § 89 Rz 44; aM K/Schr I § 89 Rz 23, L/St § 89 Rz 14).
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Einwilligung des Verletzten
§ 90
3. Konkurrenz Wenn die Gefährdung, die der Täter durch eine sozial inadäquate Hand- 5 lung herbeigeführt hat, zur Verletzung des Opfers führt, ist der Täter nur nach § 88 (Abs 3 oder Abs 4 2. Fall) zu verurteilen. Wenn eine riskante Handlung zur Verletzung einer und zur Gefährdung anderer Personen führt, kommen §§ 88 und 89 nebeneinander zur Anwendung (SSt 46/65). Wenn der Täter gleichzeitig mindestens 10 Personen gefährdet, ist § 176 oder § 177 anzuwenden (s BT II §§ 176, 177 Rz 1ff).
Einwilligung des Verletzten § 90. (1) Eine Körperverletzung oder Gefährdung der körperlichen Sicherheit ist nicht rechtswidrig, wenn der Verletzte oder Gefährdete in sie einwilligt und die Verletzung oder Gefährdung als solche nicht gegen die guten Sitten verstößt. (2) Die von einem Arzt an einer Person mit deren Einwilligung vorgenommene Sterilisation ist nicht rechtswidrig, wenn entweder die Person bereits das fünfundzwanzigste Lebensjahr vollendet hat oder der Eingriff aus anderen Gründen nicht gegen die guten Sitten verstößt. (3) In eine Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen, kann nicht eingewilligt werden. Schrifttum: Bernat, Die Forschung an Einwilligungsunfähigen, RdM 2001, 99; Brandstetter, Strafrechtliche und rechtspolitische Aspekte der Verwendung von Organen Verstorbener, Lebender und Ungeborener, in: Organtransplantationen (1987), 90; ders, Aktuelle Probleme des Rechtfertigungsgrundes der Einwilligung, StPG 21 (1993), 171; Burgstaller, Zur Einwilligung im Strafrecht, RZ 1977, 1; Eder-Rieder, Die In-vitro-Fertilisation (IVF) aus rechtlicher Sicht, GynäkolRundsch 1988, 198; Hauptmann, Psychochirurgie an Triebkranken – ein Rechtsproblem? RZ 1975, 144; Hinterhofer, Die Einwilligung im Strafrecht (1998); Kern, Limitierte Einwilligung (1999); Kunst, Ärztliche Heilbehandlung und Einwilligung des Verletzten, RZ 1975, 33; Loebenstein, Die strafrechtliche Haftung des Arztes bei operativen Eingriffen, ÖJZ 1978, 309; Lotheissen, Das ärztliche Aufklärungsproblem nach dem StGB, RZ 1975, 2; Markowetz, Strafrechtliche Probleme des Dopings, JBl 2004, 409; Melnizky, Gurtenanlegungspflicht – strafrechtliche Aspekte, ZVR 1976, 67; Messner, Strafrechtliche Verantwortung bei riskantem Zusammenwirken von Täter und „Opfer“, ZVR 2005, 43; Murschetz/Tangl, Neue Beurteilungsmethoden zur Einschätzung der Lawinengefahr und Eigenverantwortlichkeit beim Tourengehen, ZVR 2002, 74; Nowakowski, Probleme der Strafrechtsdogmatik, JBl 1972, 19, 30; Rieder, Die strafrechtliche Beurteilung von Organtransplantationen de lege lata et ferenda, ÖJZ 1978, 113; Schick, Strafrechtliche und kriminologische Aspekte der In-vitro-Fertilisation (IVF) und des Embryo-Transfers (ET) in: Lebensbeginn durch Menschenhand (1985), 183; ders, Strafrechtliche Aspekte der medizinisch-assistierten Fortpflanzung, StPG 15 (1987), 111; ders, Die Einwilligungsfähigkeit aus strafrechtlicher Sicht, in: Kopetzki (Hrsg), Einwilligung und Einwilligungsfähigkeit (2002),
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§ 90
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
54; Zipf, Zur Einwilligung im neuen Strafrecht, insbesondere beim Zusammentreffen mehrerer Rechtsgüter in einem Straftatbestand, RZ 1976, 192; ders, Die Bedeutung und Behandlung der Einwilligung im Strafrecht, ÖJZ 1977, 379 = StPG 5 (1977), 26.
§ 90 Abs 1 ist ein spezieller Rechtfertigungsgrund für vorsätzliche und fahrlässige Delikte gegen Leib und Leben; die Einwilligung kann aber auch sonst rechtfertigend oder tatbestandsausschließend (s zB § 136 Rz 3ff) wirken. 1. Der Gegenstand der Einwilligung 1 Nach hM muss das Opfer in den eingetretenen Erfolg einwilligen (Burg-
staller Fahrlässigkeitsdelikt 162f, Burgstaller/Schütz WK2 § 90 Rz 20, K/ Schr I § 90 Rz 8, L/St § 90 Rz 10, Zagler BT § 90 Rz 2; OLG Wien ZVR 1995/147). Damit wird § 90 Abs 1 für fahrlässige Verletzungsdelikte praktisch unanwendbar. Natürlich sind Opfer mit Handlungen, die sie gefährden, idR nur einverstanden, weil sie erwarten, es werde schon nichts passieren. Aber Umstände, von denen die Rechtmäßigkeit einer Handlung abhängt, müssen zur Zeit der Handlung vorliegen: Der Täter kann die Entscheidung „darf ich oder darf ich es nicht tun“ nicht aufschieben, um die Folgen abzuwarten! 2 Gegenstand der Einwilligung kann daher in Wahrheit nur die mehr oder
weniger riskante Handlung des Täters sein (Brandstetter Organtransplantationen 107 und StPG 21, 180ff, Nowakowski JBl 1972, 28): Wenn die Einwilligung des Opfers wirksam ist, ist die Handlung des Täters rechtmäßig und kann später, wenn es zu einer schweren Verletzung oder gar zum Tod des Opfers kommt, nicht wieder rechtswidrig werden (Fuchs AT I 16. Kap Rz 11ff). Und wenn die Handlung des Täters trotz der Einwilligung unvertretbar riskant ist, ist die Einwilligung unwirksam, die Handlung rechtswidrig, auch wenn sie schließlich nur zu einer kleinen Verletzung führt (aM Fuchs AT I 16. Kap Rz 13). 2. Die Voraussetzungen 3 A. Die Fähigkeit zur Einwilligung. Wirksam ist die Einwilligung nur,
wenn das Opfer das Ausmaß der Gefahr überblickt und fähig ist, es zu würdigen. Diese Fähigkeit kann auch bei Jugendlichen und nicht gerade voll Berauschten vorhanden sein (K/Schr I § 90 Rz 16, L/St § 90 Rz 7). Ein Bub und ein Mädchen, beide 14 Jahre alt, fahren gemeinsam auf einer Rodel eine zunächst nicht einsehbare, steile und eisige Piste hinunter, von der sie nur
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Einwilligung des Verletzten
§ 90
gehört haben, das Rodeln sei dort „toll“; das Mädchen kommt ums Leben. Der Bub begeht eine fahrlässige Tötung. Das Opfer erkennt die Gefährlichkeit der Fahrt nicht, so fehlt es an einer wirksamen Einwilligung. Der Bub wird aber nach § 4 Abs 2 JGG freigesprochen (EvBl 2003/174).
B. Die guten Sitten. Die Einwilligung des Opfers rechtfertigt die gefährli- 4 che Handlung, wenn sie nicht etwa trotz der Einwilligung den guten Sitten widerspricht. Sie widerspricht den guten Sitten, wenn dem vorbildlichen Menschen die Sorge um die Gesundheit des Opfers wichtiger wäre als die Rücksicht auf dessen Wünsche. Je größer die Gefahr und je schwerer die zu befürchtenden Folgen der gefährlichen Handlung sind, desto eher entfällt die Rechtfertigung. Auf eine Handlung, die jemand der beträchtlichen Gefahr schwerer Folgen aussetzt, lässt sich der vorbildliche Mensch auch mit Zustimmung des Betroffenen nur ein, wenn die Handlung einem sozial anerkannten Zweck dient. Das Opfer stellt sich für eine Organtransplantation oder für wichtige medizinische Versuche zur Verfügung (Fuchs AT I 16. Kap Rz 19, Lewisch BT I 49). Täter und Opfer unternehmen gemeinsam eine äußerst gefährliche Raftingfahrt; das Opfer ertrinkt. Der Täter ist gerechtfertigt: Auch gefährliche Sportausübung ist ein sozial anerkannter Zweck. Manche Autoren begründen die Straffreiheit damit, das Opfer habe sich selbst gefährdet und der Täter bloß daran mitgewirkt (s § 80 Rz 15).
Im Übrigen sind gefährliche Handlungen mit Zustimmung des Opfers 5 rechtmäßig, was auch immer die Motive der Beteiligten sein mögen (Brandstetter Organtransplantationen 105, Burgstaller Fahrlässigkeitsdelikt 161, K/Schr I § 90 Rz 50ff). Gerechtfertigt sind durch Zustimmung Piercings aller Art (auch an den Genitalien: Mayerhofer § 90 Anm 9); Misshandlungen aus sadistischen oder masochistischen Motiven (Mayerhofer § 90 E 4a; vgl aber 11 Os 134/06z); und gerechtfertigt ist der Täter, der dem Freund auf sein Verlangen mit dem Baseballschläger auf den Arm schlägt, damit ihn seine Freundin bemitleide (EvBl 1997/14); ob die Verletzung zufällig leicht oder schwer ausfällt, kann freilich keinen Unterschied machen (s Rz 2). Der Traktorfahrer, der jemanden auf dem Trittbrett mitfahren lässt, der Autofahrer, der mit einem nicht angegurteten Beifahrer fährt, handeln, wenn sie im Übrigen vorschriftsmäßig fahren, rechtmäßig. Dass der Autofahrer rechtmäßig nur handle, wenn er den Beifahrer auffordert, sich anzugurten (K/H AT Z 27 Rz 15, Melnizky ZVR 1976, 67), ist nicht einzusehen. Heute weiß jeder, dass man sich angurten sollte, und Autofahrer
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§ 91
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
haben Beifahrern gegenüber keine besondere Fürsorgepflicht. Der Arbeitgeber dagegen, der den Betrieb einer Werkstätte weiterführt, obwohl Arbeitnehmer Arbeitsschutzvorschriften nicht einhalten, handelt rechtmäßig nur, wenn er die Einhaltung dieser Vorschriften nachdrücklich eingemahnt hat. 7
Ein betrunkener Autofahrer nimmt einen Zechgenossen in seinem Auto mit. Das Zusteigen in Kenntnis der Alkoholisierung des Täters ist eine Einwilligung (Fabrizy § 90 Rz 5); die Fahrt des betrunkenen Lenkers ist zwar im Hinblick auf ihre Gefährlichkeit für die Allgemeinheit, nicht aber dem Zechgenossen gegenüber sittenwidrig. Der Zechgenosse kennt die Gefährlichkeit der Fahrt, jeder kennt sie. Wenn der Täter die Verkehrsregeln (Geschwindigkeitsbeschränkungen, Vorrang usw) einhält, ist er nicht strafbar, wenn er aus alkoholbedingter Ungeschicklichkeit den Beifahrer gefährdet oder verletzt. Die hL hält die Einwilligung des Beifahrers für unerheblich (SSt 52/55, OLG Wien ZVR 1988/21 und 1989/ 39; Burgstaller/Schütz WK2 § 90 Rz 31, K/H AT E 1 Rz 79). Das an Morphium nicht gewöhnte Opfer lässt sich vom Täter gelöste Morphiumtabletten injizieren und stirbt daran. Der Täter ist nach § 80 strafbar, wenn er die Überdosierung erkennen konnte (s § 83 Rz 6). Die Voraussetzungen des § 90 liegen nicht vor: Die Injektion ist für das Opfer sehr gefährlich, dient keinem sozial anerkannten Zweck, das Opfer kennt die Größe der Gefahr nicht.
3. Sonderfälle (Abs 2, 3) 8 Eine besondere Vorschrift für die Einwilligung in die Sterilisation enthält
§ 90 Abs 2. Und im Abs 3 will der Gesetzgeber gegen bestimmte Formen der Beschneidung an Frauen „ein Zeichen setzen“; dass sie auch bei Einwilligung der Betroffenen rechtswidrig sind, ist in Österreich aber nie bestritten worden.
Raufhandel § 91. (1) Wer an einer Schlägerei tätlich teilnimmt, ist schon wegen dieser Teilnahme mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wenn die Schlägerei oder der Angriff mehrerer eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) eines anderen verursacht, wenn sie aber den Tod eines anderen verursacht, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren. (2) Wer an einem Angriff mehrerer tätlich teilnimmt, ist schon wegen dieser Teilnahme mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, wenn der Angriff eine Körperverletzung eines anderen verursacht, wenn er aber eine schwere Körperverletzung eines anderen verursacht, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, wenn er den Tod eines anderen verursacht, mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren.
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Raufhandel
§ 91
(2a) Wer an einer Schlägerei oder einem Angriff mehrerer in einem Sicherheitsbereich bei einer Sportgroßveranstaltung (§ 49a SPG) tätlich teilnimmt, ist schon wegen dieser Teilnahme mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (3) Der Täter, dem aus der Teilnahme kein Vorwurf gemacht werden kann, ist nicht zu bestrafen. Schrifttum: Messner, Zur Abgrenzung zwischen Schlägerei und Angriff mehrerer beim Raufhandel (§ 91 StGB), ÖJZ 2001, 134; Schwaighofer, Strafbarer Raufhandel ohne Folgen, causa Sport 2/2008, 140; Tipold, Vom „Schwachsinn“, JSt 2009, 118.
1. Allgemeines § 91 ist als subsidiärer Auffangtatbestand zu den Verletzungsdelikten ge- 1 dacht, wenn bei einer Rauferei der Verursacher einer Verletzung nicht zu ermitteln ist (vgl Rz 7). Grundlage der Strafbarkeit ist allein die schuldhafte Teilnahme; der in Abs 1 und 2 zusätzlich verlangte Eintritt eines Erfolges (beachte jedoch Abs 2a!) ist eine sog objektive Bedingung der Strafbarkeit, die eine allzu häufige Anwendung verhindern soll.
2. Ausführungshandlung Ausführungshandlung des § 91 ist die tätliche Teilnahme an einer Schläge- 2 rei oder einem Angriff mehrerer. Die schuldhafte Teilnahme allein begründet die Strafbarkeit. Bei einer Schlägerei schlagen wenigstens drei Personen aufeinander ein. Angriff mehrerer ist ein Vorgehen von wenigstens zwei Personen gegen eine dritte Person mit dem Vorsatz, diese zu misshandeln. An einem Angriff oder an einer Schlägerei nimmt tätlich teil, wer aktiv körperlich auf einen anderen einwirkt, indem er zB auf den Gegner einschlägt, ihn mit Füßen tritt oder mit Biergläsern, Aschenbechern usw bewirft (EvBl 1982/89). Anfeuernde Zurufe sind nicht strafbar (JAB 19; aM Hauptmann/Jerabek WK2 § 91 Rz 7, K/Schr I § 91 Rz 25).
3. Der Erfolg als objektive Bedingung der Strafbarkeit a) Die tätliche Teilnahme an einer Schlägerei ist nach § 91 Abs 1 strafbar, 3 wenn bei der Schlägerei ein Teilnehmer schwer verletzt wird. Der Verletzte selbst ist nicht strafbar. Wenn ein Teilnehmer getötet wird, fallen die anderen unter einen strengeren Strafsatz. 55
§ 91
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
b) Die tätliche Teilnahme an einem Angriff mehrerer ist nach § 91 Abs 2 bereits dann strafbar, wenn ein Angegriffener zumindest leicht verletzt wird. Wenn ein Angegriffener schwer verletzt oder getötet wird, fallen die Angreifer unter strengere Strafsätze. Wenn der Angegriffene sich wehrt und die Grenzen der Notwehr überschreitet, wird der Angriff zur Schlägerei (Lewisch BT I 77). Ob der Täter diese Erfolge vorhersehen konnte, ist unerheblich: Es handelt sich eben um verschuldensunabhängige Strafbarkeitsvoraussetzungen. Der Täter ist wegen der Teilnahme selbst dann strafbar, wenn er nachweislich nichts mit der Verletzung zu tun hat, weil er zB erst später in die Rauferei eingestiegen oder schon vorher ausgestiegen ist. S auch Rz 7. 4 c) Wer an einer Schlägerei oder einem Angriff mehrerer in einem Sicher-
heitsbereich bei einer Sportgroßveranstaltung (§ 49a SPG) tätlich teilnimmt, macht sich nach § 91 Abs 2a selbst dann strafbar, wenn niemand dabei verletzt wird: Abs 2a wurde anlässlich der Fußball-EM 2008 eingefügt und ist ein schönes Beispiel weit überzogener Strafbarkeit (Schwaighofer causa Sport 2/2008, 140ff). 4. Der Vorsatz des Täters 5 Der Täter hat den Vorsatz, sich an einer Schlägerei oder an einem Angriff
mehrerer tätlich zu beteiligen: Darin ist ein Misshandlungsvorsatz (§ 83 Rz 7) enthalten. Wer an einer Balgerei teilnehmen will, bei der niemand misshandelt werden, also niemand Schmerzen leiden soll, handelt ohne den notwendigen Vorsatz des § 91. 5. Mangelnde Vorwerfbarkeit 6 Der Täter ist nicht strafbar, wenn ihm aus der Teilnahme kein Vorwurf ge-
macht werden kann (§ 91 Abs 3). Das ist der Fall, wenn der Täter die Streitteile schlägt oder stößt, bloß um die Rauferei zu beenden (Zagler BT § 91 Rz 8; nach K/Schr StudB I § 91 Rz 12 handelt der Streitschlichter mangels feindseliger Absicht gar nicht tatbildlich). 6. Abgrenzung 7 Wer für die Tötung oder schwere Verletzung des Opfers nach §§ 12, 75, 76,
83, 84, 85, 86 oder 87 bestraft wird, kann nicht nach § 91 verurteilt werden. So bleibt für § 91 nur ein bescheidenes Anwendungsgebiet. 56
Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen
§ 92
Zwei Täter schlagen das Opfer zusammen, es wird tödlich verletzt. Die Täter wirken als Mittäter an der Misshandlung des Opfers zusammen, sie sind beide nach §§ 83, 86 für den Tod des Opfers verantwortlich. § 91 Abs 2 ist nicht anwendbar. Drei Täter schlagen auf das Opfer ein, es schlägt zurück und verletzt sich an der Brille eines Angreifers schwer an der Hand. Das Opfer handelt in Notwehr und darum rechtmäßig; so liegt keine Schlägerei, sondern ein Angriff mehrerer vor. Aber die Angreifer wirken bei ihren Tätigkeiten zwangsläufig als Mittäter zusammen. Ihre Tätlichkeiten stehen mit der Verletzung des Opfers im Risikozusammenhang: Angriffe sind ua auch deshalb verboten, um das Opfer vor Schäden aus einer Abwehrhandlung zu bewahren (s § 83 Rz 10). So muss man die Täter als Mittäter nach §§ 83, 84 Abs 1 und nicht nach § 91 Abs 2 2. Fall verurteilen (aM 14 Os 105/06g = SSt 2006/71). Mehrere Angreifer schlagen auf das Opfer ein. Das Opfer wehrt sich. Da zieht einer der Angreifer ein Messer und ersticht das Opfer. Mittäter sind die Angreifer nur hinsichtlich der Schläge, darauf beschränkt sich der gemeinsame Misshandlungsvorsatz. Für den Stich und seine Folgen kann man nur den Messerstecher nach §§ 83, 86 verantwortlich machen. Aber die anderen Angreifer werden durch diesen – für sie nicht vorhersehbaren – Messerstich nach § 91 Abs 2 dritter Fall strafbar. Wenn nicht geklärt werden kann, wer gestochen hat, sind alle Angreifer nach § 91 Abs 2 dritter Fall strafbar.
Quälen oder Vernachlässigen unmündiger, jüngerer oder wehrloser Personen § 92. (1) Wer einem anderen, der seiner Fürsorge oder Obhut untersteht und der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlos ist, körperliche oder seelische Qualen zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer seine Verpflichtung zur Fürsorge oder Obhut einem solchen Menschen gegenüber gröblich vernachlässigt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, dessen Gesundheit oder dessen körperliche oder geistige Entwicklung beträchtlich schädigt. (3) Hat die Tat eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85) zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, hat sie den Tod des Geschädigten zur Folge, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Maleczky, Erziehung und Strafrecht (2003); Schick, Der strafrechtliche Schutz des Kindeswohls, in: Rauch-Kallat/Pichler (Hrsg), Entwicklungen in den Rechten der Kinder im Hinblick auf das UN-Übereinkommen über die Rechte des Kindes, Schriften zur Rechtspolitik Bd 8 (1994), 479.
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§ 92
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
1 A. Das Opfer ist noch nicht 18 Jahre alt oder wegen Gebrechlichkeit,
Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlos. Es untersteht der Fürsorge oder Obhut des Täters (§ 92 Abs 1). Täter können insb Eltern, Adoptiv- und Pflegeeltern (JBl 1987, 259), Babysitter (EvBl 1984/104), Kindergärtner und Pfleger in Altersheimen und dgl sein. 2 B. Das Begehungsdelikt des § 92 Abs 1. Der Täter fügt dem Opfer vor-
sätzlich körperliche oder seelische Qualen zu. Ein Vater fesselt sein Kind für die Nacht an einen Tisch (SSt 55/58), sperrt es stundenlang in eine Kiste. 3 C. Das Unterlassungsdelikt des § 92 Abs 2. Der Täter unterlässt es, etwas
zu tun, was er aufgrund seiner Pflicht zur Fürsorge oder Obhut (Garantenstellung) geradezu offensichtlich tun müsste. Auf die Gröblichkeit der Vernachlässigung muss sich auch der Vorsatz des Täters beziehen (13 Os 5/08x = EvBl 2008/99). Durch die Unterlassung bewirkt der Täter fahrlässig, dass die Gesundheit oder die körperliche oder seelische Entwicklung des Opfers beträchtlich geschädigt wird. Eine Gesundheitsschädigung ist beträchtlich, wenn sie mehr als 14 Tage dauert (Fabrizy § 93 Rz 3). Eltern lassen ihr eineinhalb Jahre altes Kind wochenlang unterversorgt, bringen es trotz seines offensichtlich bedrohlichen Gesundheitszustandes nicht zum Arzt (RZ 1995/27). Eltern, die ihr krankes Kind nicht zum Arzt bringen, weil sie glauben, dass man in solchen Fällen den Arzt noch nicht zu holen brauche, fehlt der Vorsatz, ihre Pflichten gröblich zu verletzen; sie können allenfalls nach § 88 strafbar sein. Gleiches gilt für eine Sozialarbeiterin der Jugendwohlfahrt, die nach dem Verdacht einer Kindesmisshandlung bloß ambulante Stützmaßnahmen ergreift, weil sie dies für ausreichend hält, um das Kind zu schützen. Vgl auch 13 Os 5/08x = EvBl 2008/99. 4 D. Qualifikationen, Konkurrenz. Der Täter fällt unter einen strengeren
Strafsatz, wenn er durch die Quälerei nach Abs 1 oder durch die Unterlassung nach Abs 2 vorsätzlich oder fahrlässig beim Opfer eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85) oder fahrlässig dessen Tod herbeiführt (§ 92 Abs 3). Andere Verletzungen und Gesundheitsschädigungen werden durch die Anwendung des § 92 abgegolten: Die §§ 83ff sind nicht anwendbar. Zu Konkurrenzfragen mit § 107b s § 107b Rz 5, 9. 58
Imstichlassen eines Verletzten
§ 94
Überanstrengung unmündiger, jüngerer oder schonungsbedürftiger Personen § 93. (1) Wer einen anderen, der von ihm abhängig ist oder seiner Fürsorge oder Obhut untersteht und der das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder wegen seines Gesundheitszustandes offensichtlich schonungsbedürftig ist, aus Bosheit oder rücksichtslos überanstrengt und dadurch, wenn auch nur fahrlässig, die Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung des Überanstrengten herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (2) Hat die Tat eine der im § 92 Abs. 3 genannten Folgen, so sind die dort angedrohten Strafen zu verhängen.
Das Opfer ist noch nicht 18 Jahre alt oder wegen seines Gesundheitszu- 1 standes offensichtlich schonungsbedürftig und untersteht der Fürsorge oder Obhut des Täters (vgl § 92 Rz 1). Der Täter überanstrengt es vorsätzlich und aus Bosheit oder Rücksichtslosigkeit; er bringt es dadurch vorsätzlich oder fahrlässig in Lebensgefahr oder in die Gefahr einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (§ 93 Abs 1). Als Täter kommen Eltern, Arbeitgeber, Vorgesetzte (zB beim Bundesheer), Lehrer oder Sporttrainer in Betracht. § 93 Abs 2 sieht eine Qualifikation vor. Der Paragraf ist totes Recht. Ein Vater nimmt sein Kind auf eine sehr anstrengende Bergtour mit; das Kind stirbt an Erschöpfung. Da der Vater das Kind kaum vorsätzlich und gewiss nicht aus Bosheit oder Rücksichtslosigkeit überanstrengt, scheidet § 93 aus. Dass er die Anstrengung für das Kind unterschätzt, kann zu einer Verurteilung nach § 80 führen.
Imstichlassen eines Verletzten § 94. (1) Wer es unterlässt, einem anderen, dessen Verletzung am Körper (§ 83) er, wenn auch nicht widerrechtlich, verursacht hat, die erforderliche Hilfe zu leisten, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Hat das Imstichlassen eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs. 1) des Verletzten zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, hat es seinen Tod zur Folge, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (3) Der Täter ist entschuldigt, wenn ihm die Hilfeleistung nicht zuzumuten ist. Die Hilfeleistung ist insbesondere dann nicht zuzumuten, wenn sie nur unter der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung oder unter Verletzung anderer überwiegender Interessen möglich wäre. 59
§ 94
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
(4) Der Täter ist nach Abs. 1 und 2 nicht zu bestrafen, wenn er schon wegen der Verletzung mit der gleichen oder einer strengeren Strafe bedroht ist. Schrifttum: Cede, Das Imstichlassen eines Verletzten und die Unterlassung der Hilfeleistung; Besprechung der §§ 94, 95 des neuen Liechtensteinischen Strafgesetzbuches, LJZ 1989, 3; Fuchs, Probleme des Deliktsversuchs, ÖJZ 1986, 257; Kienapfel, Zur Gleichwertigkeit von Tun und Unterlassen, ÖJZ 1976, 197; ders, Imstichlassen eines Verletzten (§ 94 StGB), ÖJZ 1977, 425; ders, Dogmatische Probleme der Unzumutbarkeit, JBl 1977, 530; ders, Die Unzumutbarkeit der Hilfeleistung beim Imstichlassen eines Verletzten (§ 94 Abs 3 StGB), RZ 1977, 65; ders, Aussetzung (§ 82 StGB) oder Imstichlassen eines Verletzten (§ 94 StGB)? RZ 1978, 4; Nowakowski, Bemerkungen zu §§ 94, 95 StGB, in: Reimer-FS (1976), 253; Reindl, Die Hilfeleistungspflicht beim Verkehrsunfall und die Kenntnis „Lebensrettender Sofortmaßnahmen“, ZVR 1977, 321; Schick, Problemaspekte des Verkehrsstrafrechts, ZVR 1974, 353; Scrinzi, Die Fahrerflucht in forensisch-psychiatrischer Sicht (Vortragsbericht), ÖJZ 1982, 546; Venier, Die „erforderliche“ Hilfeleistung nach § 94 StGB, ZVR 1991, 129; ders, Das Verhalten nach der Tat ein erschwerender Umstand? ÖJZ 1991, 697; Wegscheider, Versuch und Rücktritt beim schlichten Unterlassungsdelikt? JBl 1976, 353; Zartl, Die Hilfeleistungspflicht nach § 94 StGB (1999).
1. Allgemeines 1 § 94 verpflichtet den Verursacher einer Verletzung am Körper, die erforder-
liche Hilfe zu leisten. § 94 ist ein echtes Unterlassungsdelikt und wegen der Einschränkung des Täterkreises ein Sonderdelikt; sein Hauptanwendungsbereich liegt im Straßenverkehr. 2. Täter nach § 94 2 A. Verursachung. Täter kann nur sein, wer eine Verletzung am Körper
verursacht hat. Wenn man dafür an die Äquivalenztheorie anknüpft, ist der Täterkreis uferlos. Zur Beschränkung bietet es sich an, eine sozial inadäquate Handlung (s § 80 Rz 2ff) zu verlangen, die die Verletzung in objektiv zurechenbarer Weise (s § 80 Rz 7ff) verursacht hat (K/Schr I § 94 Rz 13ff, Murschetz SbgK § 94 Rz 12; aM Hauptmann/Jerabek WK2 § 94 Rz 12ff; differenziert Lewisch BT I 81f und Zartl Hilfeleistungspflicht 78ff). Dass der Täter – zB durch Notwehr – gerechtfertigt oder entschuldigt ist, entbindet ihn nicht von seiner Hilfeleistungspflicht nach § 94 (EBRV 225; OLG Wien ZVR 1984/105; K/Schr I § 94 Rz 19f). A muss aufgrund eines vorschriftswidrigen Verhaltens des B sein Auto plötzlich abbremsen. Ein nachfolgender Mopedfahrer fährt dadurch hinten auf den Pkw des A auf und verletzt sich: Wenn A einfach weiterfährt, kann er – mangels eines sorgfaltswidrigen Verhaltens – nicht nach § 94, sondern nur nach § 95 bestraft werden (aM OLG Wien ZVR 1981/47, OLG Innsbruck ZVR 1977/245 mit abl
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Imstichlassen eines Verletzten
§ 94
Anm von Kienapfel; F/R BT I 51). B hingegen kann – entsprechender Vorsatz vorausgesetzt (Rz 10f) – nach § 94 haften.
B. Eintritt einer Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung. Die 3 Vorhandlung muss zu einer wenigstens leichten Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung (zB Pilzvergiftung) iSd § 83 Abs 1 geführt haben. Wenn die Folgen ganz geringfügig sind (s § 83 Rz 2), scheidet § 94 von vornherein aus. 3. Tathandlung Der Täter unterlässt die erforderliche Hilfeleistung.
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A. Möglichkeit der Hilfeleistung. Hilfeleistungspflichtig ist nur, wem die Hilfeleistung tatsächlich möglich ist (K/Schr I § 94 Rz 40, L/St § 94 Rz 17; SSt 56/70). Das Herbeirufen der Rettung (zB per Handy) ist in aller Regel möglich. Wer selbst so schwer verletzt ist, dass er sich nicht um das Unfallopfer kümmern kann, wer einen derart schweren Schock erlitten hat, dass seine Dispositionsfähigkeit ausgeschlossen ist (ZVR 1994/144), oder wer vom Opfer oder anderen an der Hilfeleistung gehindert wird, handelt gar nicht tatbestandsmäßig. Vgl auch Rz 9, 19.
B. Erforderlichkeit der Hilfeleistung (Hilfsbedürftigkeit). 5 a) Eine Hilfeleistung ist erforderlich, wenn ein vernünftig denkender Mensch in der betreffenden Situation (ärztliche) Hilfe in Anspruch nehmen würde (Venier ZVR 1991, 131f; vgl auch L/St § 94 Rz 11). Das ist keineswegs bei jeder Körperverletzung iSd § 83 Abs 1 der Fall (Murschetz SbgK § 94 Rz 20). Die Rsp verneint die Hilfsbedürftigkeit lediglich bei Bagatellverletzungen (ZVR 1990/38, 1991/11). Hilfsbedürftig ist, wer bewusstlos ist; wer aufgrund einer Prellung oder eines Knochenbruches nur unter Schmerzen oder gar nicht mehr gehen kann (ZVR 1981/69, 1991/136); wer eine stark blutende, klaffende oder verunreinigte Wunde (vgl OLG Wien ZVR 1996/54) erlitten hat oder – etwa aufgrund einer Zerrung der Halswirbelsäule (OLG Wien ZVR 1994/55) – starke Schmerzen verspürt (Venier ZVR 1991, 132). Hingegen erfordern eine schillingstückgroße Hautabschürfung am Knie (ZVR 1978/91), Schrammen, leichte Prellungen, Verstauchungen, kleine Schnittwunden (ZVR 1982/122) oder eine Beule an der Stirn (SSt 55/61) – sofern es sich
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§ 94
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
dabei überhaupt um Verletzungen iSd § 83 Abs 1 handelt – keine Hilfe (K/Schr I § 94 Rz 23). Die objektive Hilfsbedürftigkeit fehlt auch, wenn das Opfer sofort tot ist (ZVR 1984/299) oder wenn es bewusstlos ist und zehn Minuten später stirbt (ZVR 1990/6).
b) Daneben kann sich die Hilfsbedürftigkeit eines (zumindest leicht) verletzten Unfallopfers daraus ergeben, dass es sich in einer gefährlichen Lage befindet, aus der es sich nicht selbst befreien kann. Das Opfer ist in einem Fahrzeug eingeklemmt, das in einer unübersichtlichen Kurve steht oder droht, Feuer zu fangen. Ein 70 kg schweres Moped liegt auf dem Fuß des Unfallopfers (ZVR 1991/11). Wenn es unverletzt geblieben ist, ist der Verursacher des Unfalls nur nach § 95 handlungspflichtig. 6 C. Die Hilfe. Unter Hilfeleistung versteht man alle Maßnahmen, die dazu
dienen, den Eintritt schwererer Folgen zu verhindern oder die Lage des Unfallopfers zu erleichtern (hM: vgl für viele Fabrizy § 94 Rz 3, Lewisch BT I 83; ZVR 1982/70, 1984/352, 1989/208; aM Venier ZVR 1991, 130). Die gebotene Hilfe besteht in erster Linie darin, den Verletzten aus dem Gefahrenbereich zu bringen, ihn vor Kälte und Nässe zu schützen und die Rettung zu verständigen. Auch zu einfachen medizinischen Maßnahmen (zB Anlegen eines Notverbandes) ist der Verletzer verpflichtet. Sterbenden ist nach hA durch Anwesenheit psychischer Beistand zu leisten (K/Schr I § 94 Rz 26, Murschetz SbgK § 94 Rz 25; ZVR 1984/299). Ein Autofahrer stößt einen Mopedlenker nieder, der dabei einen Knöchelbruch erleidet; das Opfer humpelt an den Straßenrand, setzt sich auf eine Mauer und klagt über Schmerzen. Während ein Zeuge kurz weggeht, um zu telefonieren, fährt der Autofahrer fort. Er ist nach § 94 zu bestrafen: Er hätte beim Verletzten bleiben und ihm allenfalls durch tröstende Worte Beistand leisten müssen (ZVR 1978/222; s auch ZVR 1989/208). 7 D. „Persönliche Hilfeleistungspflicht“. Die Rsp (ZVR 1989/208, 1990/
138, 139) verpflichtet den Verursacher zur persönlichen aktiven Anwesenheit, bis die Rettung mit dem Opfer in Richtung Krankenhaus abgefahren ist. Das ist nicht richtig: Wenn die notwendigen Sofortmaßnahmen (Rz 6) ergriffen sind und sich Dritte bereits so um das Opfer kümmern, wie es auch der Verletzer selbst nicht anders oder besser könnte, ist dieser von der Hilfeleistungspflicht entbunden (Venier ZVR 1991, 133f; ebenso nun auch Hauptmann/Jerabek WK2 § 94 Rz 21). Freilich darf er nicht im Vertrauen auf zukünftige Hilfeleistung durch andere untätig bleiben. 62
Imstichlassen eines Verletzten
§ 94
Ein Motorradfahrer wird bei einem Unfall schwer verletzt. Mehrere Passanten, unter ihnen ein Arzthelfer, kümmern sich um ihn; ein mit dem Unfalllenker weitschichtig verwandter Mann sagt zu diesem, er werde den Verletzten zum Arzt bringen, darauf verlässt der Lenker die Unfallstelle. Er ist nicht nach § 94 zu bestrafen, weil er nichts anderes und nicht mehr als die freiwilligen Helfer hätte tun können (aM ZVR 1990/138). Ein Schifahrer stößt einen anderen nieder. Obwohl das Opfer verletzt ist und über Schmerzen klagt, lässt er es allein auf der Piste zurück: Er ist nach § 94 strafbar, auch wenn die Unfallstelle von der Liftstation einsehbar und deshalb Hilfe von dritter Seite zu erwarten ist (SSt 54/49; vgl auch ZVR 1994/55).
Sind mehrere Verursacher hilfeleistungspflichtig, muss jeder persönlich seiner Verpflichtung nach § 94 nachkommen. Keiner darf sich auf den anderen verlassen.
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E. Verzicht. Das Opfer kann auf die Hilfeleistung verzichten (ZVR 1978/ 223, 295). Allerdings sind spontane Erklärungen von Kindern, alkoholisierten oder geschockten Unfallopfern („Es geht schon!“) kein wirksamer Verzicht (K/Schr I § 94 Rz 46f; NRsp 1990/117). Wenn das Opfer nur die persönliche Hilfe des Verletzers ablehnt, besteht dennoch die Verpflichtung, die Hilfeleistung durch Dritte zu veranlassen.
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Der Täter fährt eine Frau auf der Schipiste nieder; sie erleidet eine Quetschung und einen ausgeprägten Bluterguss am Oberschenkel und klagt über Schmerzen. Auf die Frage, ob sie allein zur Liftstation abfahren könne, erklärt sie: „Ich meine, es geht schon!“, worauf der Täter weiterfährt. Die Frau hat nicht wirksam auf Hilfeleistung verzichtet (SSt 54/49; vgl auch ZVR 1991/136).
4. Innere Tatseite Der Vorsatz des Täters muss sich darauf beziehen, dass von ihm eine Ver- 10 letzung verursacht wurde (Rz 2f) und dass Hilfeleistung erforderlich ist (Rz 5; ZVR 1984/350, 1982/41). Nach der Rsp (SSt 54/49, OLG Wien ZVR 1996/54) und einem Teil der Lehre (Fuchs ÖJZ 1986, 257, K/Schr I § 94 Rz 28f, L/St § 94 Rz 14, Zagler BT § 94 Rz 8) besteht eine Nachschaupflicht (zweifelnd Fabrizy § 94 Rz 4; eher aM nun Hauptmann/Jerabek WK2 § 94 Rz 27f, 32). Danach ist der Verletzer strafbar, wenn er ein Unfallgeschehen wahrgenommen hat, sich aber nicht weiter darum kümmert und deshalb fahrlässig die Hilfsbedürftigkeit des Opfers nicht erkannt hat (15 Os 53/08w).
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§ 94
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
11 Diese Abänderung des Tatbestands zu einer Vorsatz-Fahrlässigkeits-Kom-
bination verstößt gegen das Analogieverbot (§ 1): Die Verletzung der Nachschaupflicht ist lediglich eine Verwaltungsübertretung nach § 4 StVO: Wer (mangels Nachschau) irrtümlich annimmt, es sei nichts passiert oder das Opfer habe höchstens eine geringfügige Verletzung erlitten, die keine Hilfe erfordert (Rz 5), handelt nicht vorsätzlich und kann daher nicht nach § 94 bestraft werden (ebenso Lewisch BT I 86, Zartl Hilfeleistungspflicht 129, Murschetz SbgK § 94 Rz 32; SSt 55/61). Die Glaubwürdigkeit einer derartigen Behauptung ist eine Frage der Beweiswürdigung. Wer weiterfährt, weil das Opfer selbst angibt, es sei unverletzt, und auch nach dem äußeren Erscheinungsbild des Unfallopfers nichts Gegenteiliges erkennbar ist (vgl ZVR 1982/122, 1989/207); oder wer sogar einige Minuten am Unfallort bleibt und dann weiterfährt, weil scheinbar außer einer kleinen blutenden Risswunde nichts passiert ist, unterlässt die erforderliche Hilfeleistung allenfalls fahrlässig, aber nicht vorsätzlich (RZ 1980/61; s auch Mayerhofer § 94 E 33, 34; K/ Schr I § 94 Rz 48f). Ein Autolenker A gerät durch überhöhte Geschwindigkeit auf die Gegenfahrbahn und zwingt den Lenker eines entgegenkommenden Fahrzeugs zu einem Ausweichmanöver. Dieses gerät ins Schleudern und prallt schließlich gegen einen Baum, wodurch der Lenker schwer verletzt wird. Im Rückspiegel hat A zwar erkannt, dass das andere Fahrzeug schleudert, der Aufprall auf den Baum war für ihn allerdings nicht wahrnehmbar. Für einen Schuldspruch nach § 94 StGB muss dem A der bedingte Vorsatz nachgewiesen werden, dass sich jemand ernsthaft verletzt hat und Hilfe erforderlich war (vgl aber ZVR 1987/118).
5. Versuch 12 Wer nach einem Unfall mit dem Vorsatz, dass Hilfe erforderlich ist, ohne
anzuhalten weiterfährt, doch das Glück hat, dass das Unfallopfer unverletzt geblieben ist, begeht wegen Untauglichkeit des Subjekts (Rz 2f) nur einen straflosen Versuch nach § 15 Abs 3 (Fuchs AT I 37. Kap Rz 86). Straflos ist der Versuch auch, wenn das Opfer entgegen den Vorstellungen des Unfalllenkers nicht hilfsbedürftig ist, weil es nur geringfügige Verletzungen erlitten hat oder sofort tot war. Es fehlt an einem tauglichen (hilfsbedürftigen) Tatobjekt (Fuchs ÖJZ 1986, 262 sowie FN 35, K/Schr I § 94 Rz 76, Venier ZVR 1991, 133, Hauptmann/Jerabek WK2 § 94 Rz 46; ebenso SSt 54/49, ZVR 1989/207, 1990/6). 13 Im Übrigen bleibt für die Annahme eines Versuchs (und damit auch eines
Rücktritts) bei § 94 kein Raum. Wer verspätet Hilfe leistet, hat die erforderliche Hilfeleistung bereits unterlassen und damit § 94 vollendet. 64
Imstichlassen eines Verletzten
§ 94
Allerdings setzt die Hilfeleistungspflicht erst nach einer Überlegungsfrist ein: Wer innerhalb von fünf Minuten, nachdem ihm die Hilfsbedürftigkeit eines anderen bewusst geworden ist, die gebotene Hilfe leistet, hat § 94 noch gar nicht versucht (vgl auch K/Schr I § 94 Rz 50, 77, Murschetz SbgK § 94 Rz 56, Venier ZVR 1991, 134, Lewisch BT I 85f; s auch ZVR 1989/208). 6. Der Entschuldigungsgrund nach § 94 Abs 3 § 94 Abs 3 normiert einen besonderen Entschuldigungsgrund bei Unzu- 14 mutbarkeit der Hilfeleistung. Das Gesetz führt einige Beispiele an („insbesondere“): A. Bei konkreter Lebensgefahr oder Gefahr einer beträchtlichen Kör- 15 perverletzung oder Gesundheitsschädigung – auch für Dritte, insb Angehörige (EBRV 226). Beträchtlich ist eine Gesundheitsschädigung in der Dauer von 14 Tagen (Fabrizy § 94 Rz 7 iVm § 93 Rz 3, Hauptmann/Jerabek WK2 § 94 Rz 39; gegen eine starre Grenze K/Schr I § 94 Rz 57, L/St § 94 Rz 22). Entschuldigt kann auch sein, wer wegen einer beim Unfall erlittenen erheblichen Eigenverletzung keine Hilfe leistet (ZVR 1980/109). Dass das Fahrzeug, in dem das Opfer eingeklemmt ist, zu brennen anfangen könnte, genügt nicht. Entschuldigt ist der Täter aber, wenn es aus dem Auto raucht oder es gar schon brennt. Entschuldigt ist auch, wer einem verletzten Fußgänger keine Hilfe leistet, weil er seinen Vater, der einen Herzanfall erlitten hat, dringend ins Krankenhaus bringen muss. Wer bei einem Unfall zB einen Bänderriss erlitten hat, ist zwar iSd § 84 Abs 1 schwer verletzt, er riskiert bei einer Hilfeleistung aber kaum eine wesentliche Verschlechterung seines Zustands (vgl Kienapfel RZ 1977, 65) und ist darum nicht entschuldigt.
B. Bei Verletzung anderer überwiegender Interessen. Der Täter bleibt 16 straflos, wenn ein mit den rechtlich geschützten Werten verbundener Mensch das zu rettende Interesse über die Verpflichtung zur Hilfeleistung stellen würde (K/Schr I § 94 Rz 61). Der Täter überlässt einer Frau 20 Tabletten eines Hustenmittels und sieht zu, wie sie danach noch Opiumtinktur einnimmt. Die Frau erleidet eine schwere Gesundheitsstörung und schwebt in Lebensgefahr, doch der Täter holt aus Furcht vor strafrechtlicher Verfolgung wegen eines Suchtgiftdelikts keine ärztliche Hilfe, sodass die Frau stirbt: Er ist nicht entschuldigt, weil das Interesse an der Abwendung der Lebensgefahr eindeutig überwiegt (ZVR 1977/46 mit Anm von Liebscher).
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§ 94
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
Dass ein Unfalllenker wegen seiner Alkoholisierung eine unbedingte Freiheitsstrafe und den Verlust seines Führerscheins befürchten muss, kann Unzumutbarkeit begründen, wenn dem Verletzten nur ein geringer Schaden droht (eher aM ZVR 1980/27; gegen eine Entschuldigung K/Schr I § 94 Rz 64, L/St § 94 Rz 23, Lewisch BT I 88). Dem Lenker, der mit einem unbefugt gebrauchten Auto und alkoholisiert drei Fußgänger auf einem Gehsteig niedergestoßen und schwer bis schwerstens verletzt hat, ist die Hilfeleistung zuzumuten, auch wenn er eine strenge Strafe zu erwarten hat (ZVR 1992/32). Doch ist § 94 hier ohnehin subsidiär (Rz 21). 17 Rein wirtschaftliche Interessen können nur ausnahmsweise das Imstich-
lassen eines Verletzten entschuldigen. Dass geradezu der wirtschaftliche Ruin drohen muss (so aber ZVR 1977/29), ist aber sicher zu viel verlangt. Einem Schilehrer, der ein Kind niedergestoßen und verletzt hat, ist auch eine längere Unterbrechung des Schikurses zumutbar (ZVR 1976/383).
7. Die Qualifikation nach Abs 2 18 Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn das Imstichlassen
eine schwere Körperverletzung iSd § 84 Abs 1 bzw den Tod des Verletzten zur Folge hat. Hinsichtlich der Folgen muss der Täter fahrlässig gehandelt haben (§ 7 Abs 2; SSt 47/77). Entscheidend ist, dass sie durch das Imstichlassen eingetreten sind. Wären die schweren Folgen voraussichtlich trotz entsprechender Hilfeleistung genauso eingetreten (Sterbender), ist § 94 Abs 2 unanwendbar (keine Risikoerhöhung gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten; ZVR 1985/52, 1978/254; K/Schr I § 94 Rz 72). 8. Konkurrenzfragen 19 a) § 94 Abs 4 enthält eine – wenig verständliche – Subsidiaritätsklausel:
Der Täter ist nach § 94 nicht zu bestrafen, wenn er schon wegen des Verletzungsdelikts mit gleicher oder strengerer Strafe bedroht ist. Demnach ist § 94 Abs 1 nur neben einer fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1, 3 und 4 erster Fall anwendbar (ZVR 1990/6). Auch wenn der Täter deshalb zB nur nach § 88 Abs 4 zweiter Fall verurteilt wird, wertet die Rsp das Imstichlassen dennoch als gewichtigen Erschwerungsgrund (s ZVR 1990/6, 95, 1994/143). 20 b) Ist dem Täter die Todesfolge auch durch das Imstichlassen zuzurechnen
(vgl hingegen Rz 18 letzter Satz), haftet der Täter wegen fahrlässiger Körperverletzung nach § 88 Abs 1, 4 und § 94 Abs 2 zweiter Fall (Burgstaller 66
Unterlassung der Hilfeleistung
§ 95
JBl 1978, 403 FN 74, Fabrizy § 94 Rz 6, L/St § 94 Rz 35): Der Todeserfolg darf nicht doppelt nach § 80 und § 94 Abs 2 angelastet werden (so aber K/Schr I § 94 Rz 85, Hauptmann/Jerabek WK2 § 94 Rz 50). c) Wer einen anderen verletzt hat, ist zugleich auch Garant iSd § 2. Unter- 21 lässt der Täter die Hilfeleistung mit Lebensgefährdungsvorsatz, kann er nach § 82 Abs 2 (vgl § 82 Rz 4), bei Tötungsvorsatz nach §§ 2, 75 haften; § 94 wird diesfalls verdrängt (K/Schr I § 94 Rz 82, Lewisch BT I 80). d) Zur Abgrenzung zu § 95 s § 95 Rz 9.
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Unterlassung der Hilfeleistung § 95. (1) Wer es bei einem Unglücksfall oder einer Gemeingefahr (§ 176) unterlässt, die zur Rettung eines Menschen aus der Gefahr des Todes oder einer beträchtlichen Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung offensichtlich erforderliche Hilfe zu leisten, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, wenn die Unterlassung der Hilfeleistung jedoch den Tod eines Menschen zur Folge hat, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass die Hilfeleistung dem Täter nicht zuzumuten ist. (2) Die Hilfeleistung ist insbesondere dann nicht zuzumuten, wenn sie nur unter Gefahr für Leib oder Leben oder unter Verletzung anderer ins Gewicht fallender Interessen möglich wäre. Schrifttum: Bernat, Dem Leben ein Ende setzen: Selbstmord und aktive Teilnahme am Suizid – eine rechtsethische Überlegungsskizze, ÖJZ 2002, 92; Feichtinger/Griebnitz/Mitterauer, Strafrechtliche Probleme eines Doppelselbstmordversuches, RZ 1991, 164; Kienapfel, Die Unterlassung der Hilfeleistung (§ 95 StGB), ZVR 1977, 289; Wach, Strafrechtliche Probleme des Selbstmordes, ÖJZ 1978, 479; weitere Literatur s bei § 94.
1. Täter Täter nach § 95 kann jedermann sein. Ungeschriebenes Tatbildmerkmal ist 1 freilich, dass dem Täter die Hilfeleistung möglich ist (K/Schr I § 95 Rz 6, 39; vgl § 94 Rz 4). 2. Tathandlung Der Täter unterlässt bei einem Unglücksfall oder einer Gemeingefahr 2 (§ 176) die zur Rettung eines Menschen offensichtlich erforderliche Hilfe.
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§ 95
Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
A. Unglücksfall ist jedes Ereignis, bei dem eine Person erheblich am Körper zu Schaden gekommen ist. In Betracht kommen Unfälle aller Art im Straßenverkehr, bei der Sportausübung, am Arbeitsplatz; schwere Verletzungen, die Dritte dem Opfer vorsätzlich zugefügt haben; schwere Krankheitszustände wie ein Schlaganfall, Herzinfarkt, ein epileptischer Anfall (EvBl 1977/155), eine akute Lungenentzündung, Bewusstlosigkeit durch eine Überdosis Suchtgift (vgl ZVR 1977/46) und dgl (K/ Schr I § 95 Rz 7f). 3 Ein Unglücksfall ist auch eine Situation, bei der die konkrete Gefahr eines
erheblichen Schadens am Körper besteht, ohne dass bereits eine Verletzung eingetreten ist. Wenn wenigstens 10 Personen zugleich gefährdet sind (BT II §§ 176, 177 Rz 2), wird aus einem Unglücksfall eine Gemeingefahr. Ein Unglücksfall liegt vor, wenn ein schwer Alkoholisierter bei Nacht auf der Fahrbahn liegt (s aber Mayerhofer § 95 E 2); wenn ein unter Medikamentenund Alkoholeinfluss stehender Mann bei Schnee und Kälte zu Sturz kommt und nicht mehr aufsteht (ZVR 1986/58); wenn ein Schifahrer von einer Lawine verschüttet wird, unverletzt bleibt, sich aber nicht selbst befreien kann; wenn ein neugeborenes Kind von der Mutter unversorgt zurückgelassen wird; wenn jemand einen Selbstmordversuch unternimmt (Moos WK2 § 78 Rz 34, vgl auch Wach ÖJZ 1978, 482, Bernat, ÖJZ 2002, 96; aM Murschetz SbgK § 95 Rz 10). 4 B. § 95 verlangt ein Eingreifen dann, wenn bei den genannten Ereignissen
eine konkrete Gefahr des Todes oder wenigstens einer beträchtlichen Körperverletzung besteht. Bei einem Unglücksfall mit schweren Verletzungsfolgen ist diese Gefahrenlage meist durch die eingetretenen Folgen indiziert (Kienapfel ZVR 1977, 292, L/St § 95 Rz 9, Lewisch BT I 91). Sonst kommt es darauf an, ob der Eintritt einer zumindest 14-tägigen Gesundheitsschädigung zu befürchten ist (vgl § 94 Rz 15). Für einen Motorradfahrer, der zu Sturz kommt und auf der Fahrbahn liegen bleibt, besteht die konkrete Gefahr in einem möglichen Folgeunfall (SSt 52/37). 5 C. Unterlassen der offensichtlich erforderlichen Hilfe. Die Ausführun-
gen zu § 94 (Rz 4–9) gelten auch hier. Der entscheidende Unterschied zu § 94 besteht in der Offensichtlichkeit: Nach § 95 macht sich nur strafbar, wer geradezu weiß (§ 5 Abs 3), dass seine Hilfe (noch) benötigt wird (Murschetz SbgK § 95 Rz 22; vgl hingegen § 94 Rz 10f). Andere meinen, dass bei § 95 lediglich die (in Wahrheit auch für § 94 gar nicht existierende) Nachschaupflicht entfalle (Fabrizy § 95 Rz 2, K/Schr I § 95 Rz 33f; noch strenger Hauptmann/Jerabek WK2 § 95 Rz 19). 68
Unterlassung der Hilfeleistung
§ 95
Wer sieht, dass sich schon einige Personen um das Unfallopfer kümmern, und deshalb weiterfährt, oder wer eine Person für tot hält und deshalb nichts mehr unternimmt (vgl 14 Os 126/00), macht sich nicht nach § 95 strafbar (JAB 19); anders, wenn er erkennt, dass tatsächlich nicht geholfen wird (ZVR 1977/46 mit Anm von Liebscher; L/St § 95 Rz 12).
3. Der Entschuldigungsgrund nach § 95 Abs 2 Wie nach § 94 ist auch der Hilfeleistungspflichtige nach § 95 entschuldigt 6 (Kienapfel JBl 1977, 531), wenn ihm die Hilfeleistung nicht zuzumuten ist. Die Zumutbarkeitsschwelle ist gegenüber § 94 Abs 3 aber deutlich herabgesetzt: a) Jede, nicht erst eine beträchtliche Gefahr für Leib oder Leben entschuldigt den Täter. Die Gefahr muss konkret sein (vgl § 94 Rz 15). Eine Güterabwägung zwischen den Nachteilen, die dem Verunglückten, und jenen, die dem Hilfeleistungspflichtigen drohen, findet nicht statt (Fabrizy § 95 Rz 3). Die Verständigung der Rettung oder eines Arztes ist freilich nie unzumutbar.
b) Die Verletzung anderer Interessen entschuldigt bereits, wenn sie „ins 7 Gewicht fallen“, sie brauchen nicht zu überwiegen. Ob diese Interessen gewichtig genug sind, kann nicht völlig losgelöst von den dem Verunglückten drohenden Gefahren und Nachteilen beurteilt werden. Auch finanzielle oder ideelle Nachteile (zB Versäumen der Geburt des eigenen Kindes) können den Täter entschuldigen (Lewisch BT I 92). Ein Rechtsanwalt, der zu einem Verkehrsunfall mit Verletzten kommt, aber weiterfährt, weil er mehrere erste Tagsatzungstermine bei Gericht versäumen würde (vgl ZVR 1977/29), ist entschuldigt, wenn hinter ihm weitere Fahrzeuge kommen und er wenigstens bei nächster Gelegenheit die Rettung verständigt.
4. Qualifikation Wenn die Unterlassung der Hilfeleistung den Tod eines Menschen zur 8 Folge hat (s § 94 Rz 20), kommt der höhere Strafsatz des § 95 Abs 1 zur Anwendung.
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Strafbare Handlungen gegen Leib und Leben
5. Abgrenzung und Konkurrenz 9 §§ 94 und 95 schließen einander aus: Wer Verursacher einer Verletzung iSd
§ 94 (§ 94 Rz 2) ist, kann nur nach § 94 haften. Der Beifahrer eines Unfalllenkers macht sich nach § 95 strafbar, sofern der Lenker nicht einfach weiterfährt und ihm die Hilfeleistung auf diese Weise unmöglich macht (s Rz 1). Bestimmt der Beifahrer den Unfalllenker, keine Hilfe zu leisten, ist er nach §§ 12, 94 zu bestrafen (Hauptmann/Jerabek WK2 § 94 Rz 44). 10 Gegenüber der Unterlassung der Verhinderung einer mit Strafe bedrohten
Handlung (§ 286) ist § 95 materiell subsidiär (BT II § 286 Rz 12). Eine Frau erfährt, dass ihre Begleiter eben einen Taxilenker überfallen haben und nun planen, diesen – falls er noch am Leben sein sollte – zu ermorden. Die Frau, die nichts dagegen unternimmt, den Mord zu verhindern, und sich auch nicht um Hilfe für den verletzten Taxilenker kümmert, ist „nur“ nach § 286, nicht auch nach § 95 zu bestrafen (SSt 55/36).
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Schwangerschaftsabbruch Schwangerschaftsabbruch § 96. (1) Wer mit Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, begeht er die Tat gewerbsmäßig, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Ist der unmittelbare Täter kein Arzt, so ist er mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, begeht er die Tat gewerbsmäßig oder hat sie den Tod der Schwangeren zur Folge, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (3) Eine Frau, die den Abbruch ihrer Schwangerschaft selbst vornimmt oder durch einen anderen zulässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. Schrifttum zu §§ 96–98: Barth, Wer entscheidet bei Minderjährigen über einen Schwangerschaftsabbruch, PRESSE-Rechtspanorama 22. 3. 1999, 8; Bernat, Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der Schwangeren? JBl 1998, 464; ders (Hrsg), Die Reproduktionsmedizin am Prüfstand von Recht und Ethik (2000); ders, Pränatale Diagnostik und Präimplantationsdiagnostik: Gibt es ein Recht auf informierte Fortpflanzung? in: Kern ua (Hrsg), HUMANIORA – Medizin – Recht – Geschichte, Laufs-FS (2006), 671; Bernat/Schick, Embryomanipulation und Strafrecht, AnwBl 1985, 632; Dearing, Probleme der Beteiligung am Schwangerschaftsabbruch, ÖJZ 1980, 421; Eder-Rieder, Auswirkungen eines „Embryonenschutzgesetzes“ auf die „kapselgeschützte“ Organtransplantation, Beiträge zur gerichtlichen Medizin Bd 48 (1990), 643; dies, Strafrechtliche Aspekte der „kapselgeschützten“ Organtransplantation, ÖJZ 1990, 627; dies, Spätabtreibung: Zur österreichischen Rechtslage und europäischer Rechtsvergleich, in: Unger (Hrsg), Medizinische Ethik II (2006), 9; Enigl/Perthold (Hrsg), Der weibliche Körper als Schlachtfeld: neue Beiträge zur Abtreibungsdiskussion (1993); Eser/Koch (Hrsg), Schwangerschaftsabbruch im internationalen Vergleich, Teil 1 (1988), Teil 2 (1989); Grimm, Die Fristenlösungsurteile in Österreich und Deutschland und die Grundrechtstheorie, JBl 1976, 74; Groiss/Schantl/Welan, Der verfassungsrechtliche Schutz des menschlichen Lebens, ÖJZ 1978, 1; Kienapfel, Der rechtfertigende Notstand, ÖJZ 1975, 421; Köck, Recht und Praxis des Schwangerschaftsabbruchs im internationalen Vergleich, ZStW 97 (1985), 1043; dies, Der (straf)rechtliche Schutz des Embryos, ÖJZ 2006/ 40, 631; Nowakowski, Zur Neuregelung des Abtreibungsstrafrechts in Österreich, in: Abtreibung pro und contra (1971), 44; Platzgummer, Der Ungeborene im österreichischen Strafrecht, in: Der Status des Embryos (1989), 185; Pletzer, „Recht auf ein Kind?“ Überlegungen anlässlich der jüngsten Entscheidung des OGH zu „wrongful birth“, JBl 2008, 490;
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§ 96
Schwangerschaftsabbruch
Pscheidl/Gerstner, Die Bedeutung der Geburt im Strafrecht, RdM 2006/90, 132; Schauer, „Wrongful birth“ in der Grundsatzentscheidung des OGH. Eine rechtsethische Betrachtung, RdM 2004/5, 18; Schick, Die Einwilligung in den Schwangerschaftsabbruch, in: Jesionek-FS (2002), 467; Schild, Die strafrechtliche Regelung des Irrtums, ÖJZ 1979, 173; Schmoller, Grundstrukturen der Beteiligung mehrerer an einer Straftat – die objektive Zurechnung fremden Verhaltens, ÖJZ 1983, 337, 379; Waldstein, Rechtserkenntnis und Rechtsprechung – Bemerkungen zum Erkenntnis des VfGH über die Fristenlösung, JBl 1976, 505, 574.
I. Allgemeines 1 A. Überblick über die österreichische Regelung. Der Schwangerschafts-
abbruch ist in Österreich grundsätzlich strafbar, sofern er vorsätzlich erfolgt. Die Höhe der Strafdrohung hängt davon ab, ob er von einem Arzt oder einem Nichtarzt und ob er mit (§ 96) oder ohne Zustimmung der Schwangeren (§ 98) durchgeführt wird. Das Gesetz sieht jedoch eine Reihe von Ausnahmen von der Strafbarkeit vor: Innerhalb der ersten drei Schwangerschaftsmonate (Fristenlösung) kann die Schwangere praktisch frei entscheiden, ob sie das Kind austragen will oder nicht. Ein späterer Schwangerschaftsabbruch ist nur straflos, wenn er aus einem der Gründe gem § 97 Abs 1 Z 2 und 3 indiziert ist (Indikationenlösung). 2 B. Tatobjekt der §§ 96–98 ist die lebende Leibesfrucht; geschützt ist sie
erst ab der Nidation, das ist die Einnistung des befruchteten Eies in der Gebärmutter (Schmoller SbgK § 96 Rz 5 mwN). Dadurch sind alle Methoden zur Verhinderung einer Schwangerschaft (insb nidationshemmende Mittel, die die Abstoßung bereits befruchteter Eier bewirken) sowie die Vernichtung von Embryonen, die bei einer in-vitro-Fertilisation „übrig geblieben“ sind (s auch § 17 FMedG), nicht tatbildlich. Die Nidation erfolgt spätestens zwei Wochen nach der Befruchtung. Der Einfachheit halber wird die Drei-Monats-Frist daher ab dem Ausbleiben der Regelblutung (ca vier Wochen nach der letzten Menstruation) berechnet (K/Schr I Vorbem §§ 96ff Rz 4f, Eder-Rieder WK2 § 96 Rz 4f). 3 Die Schwangerschaft endet mit dem Beginn der Geburt: mit dem Einset-
zen der Eröffnungswehen bzw mit der Öffnung der Bauchdecke beim Kaiserschnitt (Moos WK2 Vorbem §§ 75–79 Rz 12 mwN; s auch § 79 Rz 1). Nach diesem Zeitpunkt fallen Tötungshandlungen am – wenn auch noch im Mutterleib befindlichen – Kind unter §§ 75ff bzw § 80 (vgl SSt 53/62). 4 C. Tathandlung ist der Abbruch der Schwangerschaft, das ist jede Ein-
wirkung auf die Schwangere bzw die Leibesfrucht, die das Absterben der 72
Schwangerschaftsabbruch
§ 96
Leibesfrucht oder ihr Abgehen in nicht lebensfähigem Zustand bewirkt (JAB 22). Ob dies mechanisch oder etwa durch Einnahme von Tabletten (zB die Abtreibungspille „Mifegyne“) geschieht, ist gleichgültig.
II. Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Schwangeren (§ 96) 1. Die Einwilligung § 96 kommt nur zur Anwendung, wenn die Schwangere in den Schwanger- 5 schaftsabbruch einwilligt oder ihn selbst vornimmt. Für die Einwilligung genügt es, dass die Frau in freier Entscheidung dem Eingriff (der Tötung der Leibesfrucht) zustimmt. Eine mangelhafte Aufklärung über die möglichen Risiken des Eingriffs für die Frau ändert nichts an der Rechtswirksamkeit der Einwilligung, macht aber § 97 unanwendbar (§ 97 Rz 2; ebenso K/Schr I § 96 Rz 9, Schmoller SbgK § 96 Rz 12; vgl jedoch § 110 Rz 6f). Fehlt die Zustimmung überhaupt oder erfolgt der Schwangerschaftsabbruch gegen den Willen der Frau, ist § 98 heranzuziehen (s § 98 Rz 2). Die Einwilligung muss von der Schwangeren selbst erteilt werden. Das gilt grundsätzlich auch für mündige Minderjährige. Nur wenn ihnen die nötige Einsichts- und Urteilsfähigkeit offensichtlich fehlt, sowie bei Unmündigen entscheidet der gesetzliche Vertreter. Bei Meinungsverschiedenheiten zwischen gesetzlichem Vertreter und dem Kind bedarf es für einen Schwangerschaftsabbruch aber wohl der Entscheidung des Gerichts (vgl K/ Schr I § 96 Rz 10, Eder-Rieder WK2 § 96 Rz 14f). Wenn einer Person jegliche Einsichts- und Urteilsfähigkeit fehlt (Komapatientin), kann nach Ansicht des OGH an ihrer Stelle der Sachwalter mit Genehmigung des Gerichts die Einwilligung erteilen (JBl 1998, 443; dagegen Bernat JBl 1998, 464ff). 2. Täterschaft und Beteiligung § 96 enthält in Abs 1–3 Sonderregeln, die den allgemeinen Vorschriften gem 6 §§ 12, 14 vorgehen: a) § 96 Abs 1 kommt zur Anwendung, wenn der Abbruch von einem Arzt durchgeführt wird (arg aus Abs 2). In diesem Fall haften auch andere, die in irgendeiner Form dazu beitragen, nach § 96 Abs 1 iVm § 12 (Eder-Rieder WK2 § 96 Rz 32). Arzt ist jeder, der zur ärztlichen Tätigkeit befugt ist. Eine einschlägige Facharztausbildung (Gynäkologie) ist nicht notwendig. Die Einnahme des Medikaments
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§ 96
Schwangerschaftsabbruch
„Mifegyne“ auf Verschreibung eines Arztes hin ist ebenfalls § 96 Abs 1 zu unterstellen (Eder-Rieder WK2 § 96 Rz 35). 7 b) Wenn ein Nichtarzt („Engelmacher“) den Schwangerschaftsabbruch
vornimmt, haften dieser und alle Beteiligten nach § 96 Abs 2: Die höhere Strafdrohung ist durch das größere Risiko des Eingriffs begründet. 8 c) Die Schwangere selbst ist – gleichgültig, ob sie den Schwangerschafts-
abbruch selbst vornimmt oder durch einen anderen (auch einen Nichtarzt) zulässt – immer nur nach dem milderen Strafsatz des § 96 Abs 3 zu bestrafen. Die Gefährdung ihrer eigenen körperlichen Sicherheit kann ihr nicht angelastet werden. Soweit die Schwangere den Abbruch selbst vornimmt, ist sie (regelmäßig) kein Arzt, sodass Dritte, die sich an der Tat beteiligen, unter § 96 Abs 2 fallen (L/St § 96 Rz 23). S aber Rz 6 („Mifegyne“). Auf Andringen ihres Mannes geht eine Frau zu einer Pfuscherin, um ihr Kind abtreiben zu lassen; doch das Kind überlebt den Eingriff. Die Pfuscherin haftet als unmittelbare Täterin nach §§ 15, 96 Abs 2, der Mann als Bestimmungstäter nach §§ 12, 15, 96 Abs 2, die Frau nach §§ 15, 96 Abs 3 (Fabrizy § 96 Rz 2, K/ Schr I § 96 Rz 25f; aM EvBl 1981/14).
3. Qualifikationen 9 a) Der Schwangerschaftsabbruch mit Einwilligung der Schwangeren ist
qualifiziert, wenn der Täter gewerbsmäßig (§ 70) handelt (§ 96 Abs 1 und 2, jeweils 2. Fall; s § 130 Rz 3ff). 10 b) (Nur) § 96 Abs 2 enthält noch eine weitere Qualifikation für den Fall,
dass der von einem Nichtarzt vorgenommene Schwangerschaftsabbruch den Tod der Schwangeren zur Folge hat. Die Todesfolge muss fahrlässig herbeigeführt worden sein (§ 7 Abs 2). Wenn eine Schwangere infolge einer verbotenen Abtreibung durch einen Arzt stirbt, kommt Idealkonkurrenz von § 96 Abs 1 und § 80 in Betracht (K/Schr I § 96 Rz 31 uam). 4. Innere Tatseite 11 Der Täter muss den Vorsatz haben, eine lebende Leibesfrucht (Rz 2) zu
töten. Die Schwangere, die ihr Kind durch Ausübung einer schädlichen Sportart verliert, macht sich nicht strafbar. Wer irrtümlich an eine Einwilligung der Schwangeren glaubt, fällt unter § 96 und bleibt daher unter den Voraussetzungen des § 97 straflos (Schmoller SbgK § 96 Rz 23; s auch § 98 Rz 2). 74
Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs
§ 97
Straflosigkeit des Schwangerschaftsabbruchs § 97. (1) Die Tat ist nach § 96 nicht strafbar, 1. wenn der Schwangerschaftsabbruch innerhalb der ersten drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft nach vorhergehender ärztlicher Beratung von einem Arzt vorgenommen wird; oder 2. wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Abwendung einer nicht anders abwendbaren ernsten Gefahr für das Leben oder eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren erforderlich ist oder eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich schwer geschädigt sein werde, oder die Schwangere zur Zeit der Schwängerung unmündig gewesen ist und in allen diesen Fällen der Abbruch von einem Arzt vorgenommen wird; oder 3. wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Rettung der Schwangeren aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr unter Umständen vorgenommen wird, unter denen ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist. (2) Kein Arzt ist verpflichtet, einen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder an ihm mitzuwirken, es sei denn, dass der Abbruch ohne Aufschub notwendig ist, um die Schwangere aus einer unmittelbar drohenden, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr zu retten. Dies gilt auch für die im Krankenpflegefachdienst, in medizinisch-technischen Diensten oder im Sanitätshilfsdienst tätigen Personen. (3) Niemand darf wegen der Durchführung eines straflosen Schwangerschaftsabbruchs oder der Mitwirkung daran oder wegen der Weigerung, einen solchen Schwangerschaftsabbruch durchzuführen oder daran mitzuwirken, in welcher Art immer benachteiligt werden.
§ 97 Abs 1 enthält insgesamt fünf Fälle, in denen der Schwangerschaftsab- 1 bruch nicht strafbar ist. Bei Vorliegen der Voraussetzungen bleiben die Schwangere selbst, die den Eingriff durchführende Person (nach Z 1 und 2 zwingend ein Arzt) sowie alle Tatbeteiligten straflos. Die dogmatische Einordnung ist reichlich umstritten: Bei den Z 2 und 3 handelt es sich vorwiegend um Rechtfertigungsgründe. Die Z 1 ist eine Einschränkung des Tatbestands (Mayerhofer § 97 Anm 1, Schmoller SbgK § 97 Rz 19, 34, Fuchs AT I 27. Kap Rz 16, Eder-Rieder WK2 § 97 Rz 3, Schick Jesionek-FS 476); von manchen wird sie als Rechtfertigungsgrund (K/Schr I § 97 Rz 1, L/St § 97 Rz 1), von Lewisch (BT I 94) als Strafausschließungsgrund angesehen.
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§ 97
Schwangerschaftsabbruch
1. Die Fristenlösung (§ 97 Abs 1 Z 1) 2 Der Schwangerschaftsabbruch ist straflos, wenn er innerhalb der ersten
drei Monate nach Beginn der Schwangerschaft (§ 96 Rz 2) nach ärztlicher Beratung von einem Arzt (auch dem beratenden) durchgeführt wird. S dazu auch § 96 Rz 6. Die Beratung muss zumindest der allgemeinen Aufklärungspflicht über die Risiken des Eingriffs entsprechen (§ 110 Rz 6). Ein Schwangerschaftsabbruch in der irrigen Meinung, die Drei-MonatsFrist sei noch gewahrt, ist straflos. Der Widerspruch des Kindesvaters gegen eine Abtreibung ist unbeachtlich. 2. Indikationen für einen Schwangerschaftsabbruch (§ 97 Abs 1 Z 2, 3) 3 A. Durch einen Arzt (Z 2). Während der gesamten Dauer der Schwan-
gerschaft ist ein Schwangerschaftsabbruch durch einen Arzt zulässig: a) wenn der Abbruch allein die ernste Gefahr eines schweren Schadens für die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren abwenden kann (medizinische Indikation). Durch die Fortschritte in der Medizin gibt es kaum mehr Krankheiten, die zu einem Schwangerschaftsabbruch nötigen. In Frage kommen allenfalls Unterleibkarzinome, die rasch operiert werden müssen, aber auch schwere Depressionen, wenn die Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand der Frau verschlechtert. Die Sorge, ein schwer geschädigtes Kind zur Welt zu bringen (Rz 4), führt nicht selten auch zu einer medizinischen Indikation. 4 b) wenn eine ernste Gefahr besteht, dass das Kind geistig oder körperlich
schwer geschädigt sein werde (eugenische oder embryopathische Indikation). Die Schädigung muss so schwer sein, dass das Kind voraussichtlich nicht zu einer einigermaßen selbständigen physischen Existenz in der Lage sein wird (zB Wasserkopf: 5 Ob 148/07m). Mit Hilfe der modernen Pränataldiagnostik sind die meisten Schädigungen des Fetus einigermaßen verlässlich feststellbar. Die Straffreiheit der embryopathischen Indikation wird teilweise heftig kritisiert, insb wenn das Kind bereits lebensfähig ist (s etwa Eder-Rieder WK2 § 97 Rz 18). Doch darf eine Frau in einer derart schwierigen Konfliktsituation nicht durch Strafdrohungen zum Austragen des Kindes gezwungen werden. Die (ärztliche und soziale) Beratung wäre hier wesentlich wichtiger als bei der Fristenlösung.
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Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der Schwangeren
§ 98
c) wenn die Schwangere zur Zeit der Schwängerung unmündig (§ 74 5 Abs 1 Z 1) war: Derart junge Mädchen sind im Allgemeinen nicht reif für die Mutterschaft. B. Durch einen Nichtarzt (Z 3). Wenn der Eingriff der Rettung der 6 Schwangeren aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr dient und ärztliche Hilfe nicht rechtzeitig zu erlangen ist, ist auch der Schwangerschaftsabbruch durch einen Nichtarzt während der gesamten Schwangerschaftsdauer gerechtfertigt (besondere medizinische Indikation). 3. Gewissensklausel und Diskriminierungsverbot § 97 Abs 2 stellt fest, dass grundsätzlich kein Arzt zur Durchführung 7 eines Schwangerschaftsabbruchs verpflichtet ist, es sei denn zur Rettung einer Schwangeren aus einer unmittelbar drohenden, anders nicht abwendbaren Lebensgefahr. Nach § 97 Abs 3 darf auch niemand wegen der Durchführung oder der Verweigerung von Schwangerschaftsabbrüchen benachteiligt werden (Diskriminierungsverbot).
Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der Schwangeren § 98. (1) Wer ohne Einwilligung der Schwangeren deren Schwangerschaft abbricht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, hat die Tat den Tod der Schwangeren zur Folge, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (2) Der Täter ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen, wenn der Schwangerschaftsabbruch zur Rettung der Schwangeren aus einer unmittelbaren, nicht anders abwendbaren Lebensgefahr unter Umständen vorgenommen wird, unter denen die Einwilligung der Schwangeren nicht rechtzeitig zu erlangen ist.
A. Die fehlende Einwilligung. Die fehlende Einwilligung der Schwange- 1 ren in den Schwangerschaftsabbruch erhöht den Unrechtsgehalt der Tat, weil zur Tötung der Leibesfrucht und zur Verletzung der körperlichen Integrität der Schwangeren auch noch die Verletzung ihres Selbstbestimmungsrechts hinzutritt (vgl Dearing ÖJZ 1980, 422). In welcher Phase der Schwangerschaft der Eingriff vorgenommen wird, ist gleichgültig: § 97 gilt nur für die Fälle des § 96.
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§ 98
Schwangerschaftsabbruch
2 Der Schwangerschaftsabbruch erfolgt ohne Einwilligung, wenn die Ein-
willigung überhaupt fehlt oder wenn sie erschlichen oder erzwungen wurde. War bloß die Aufklärung mangelhaft, ist der Schwangerschaftsabbruch nicht nach § 98, sondern nach § 96 zu bestrafen (s § 96 Rz 5). Zum Irrtum s § 96 Rz 11. Wer eine Frau durch gefährliche Drohung nötigt, sich von einem Arzt (innerhalb der ersten drei Monate) die Leibesfrucht abtreiben zu lassen, ist nach § 98 Abs 1 und § 105 zu bestrafen. Die Nötigung verletzt zwar wichtige Interessen iSd § 106 Abs 1 Z 3 (s § 106 Rz 5), dieser Umstand wird aber bereits durch § 98 Abs 1 vollständig erfasst (Schmoller SbgK § 98 Rz 12, Eder-Rieder WK2 § 96 Rz 4f; aM EvBl 1984/93). Der Arzt, der eine rechtswirksame Einwilligung angenommen hat, und die Schwangere selbst bleiben nach § 97 Abs 1 Z 1 straffrei. 3 B. Täter. Als Täter nach § 98 Abs 1 kommen sowohl Ärzte als auch Nicht-
ärzte in Betracht. 4 C. Qualifikation. Die Tat ist qualifiziert, wenn durch den Eingriff fahrläs-
sig der Tod der Schwangeren herbeigeführt wird (§ 98 Abs 1 zweiter Fall). 5 D. Rechtfertigung. Der Schwangerschaftsabbruch ohne Einwilligung der
Schwangeren ist nur bei besonderer medizinischer Indikation gerechtfertigt (vgl § 97 Abs 1 Z 3): zur Rettung der Schwangeren aus einer unmittelbaren Lebensgefahr, die nur durch den Schwangerschaftsabbruch abwendbar ist, wenn die Einwilligung der Schwangeren nicht rechtzeitig zu erlangen war (§ 98 Abs 2).
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Strafbare Handlungen gegen die Freiheit Freiheitsentziehung § 99. (1) Wer einen anderen widerrechtlich gefangen hält oder ihm auf andere Weise die persönliche Freiheit entzieht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Wer die Freiheitsentziehung länger als einen Monat aufrecht erhält oder sie auf solche Weise, dass sie dem Festgehaltenen besondere Qualen bereitet, oder unter solchen Umständen begeht, dass sie für ihn mit besonders schweren Nachteilen verbunden ist, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393, 459; Kienapfel, Entscheidungsanmerkungen, JBl 1979, 553, JBl 1987, 394; Premissl, Strafrechtsschutz und Grundrechte (2008); Sautner, Straflose „Kindesentführung“? ÖJZ 2001, 175; Stigelbauer, Nötigung und Erpressung im neuen Strafrecht, ZnStR II, 81; Triffterer, Zur strafrechtlichen Beurteilung von polizeilichem Verhalten gegenüber „Fans“ einer „gegnerischen“ Fußballmannschaft, JBl 1996, 431.
§ 99 schützt die (Fort-)Bewegungsfreiheit – genauer die Freiheit zu will- 1 kürlichen Ortsveränderungen – und ist damit das klassische Freiheitsdelikt ieS (vgl EvBl 1985/48). 1. Tatobjekt Als Deliktsobjekte des § 99 kommen nur Personen in Betracht, die im Tatzeitpunkt zu willkürlichen Ortsveränderungen fähig sind. Daher kann an Säuglingen keine Freiheitsentziehung begangen werden (EvBl 1985/48; kritisch Sautner ÖJZ 2001, 180f). Wesentlich ist auch, dass dem Opfer die Freiheitsbeschränkung bewusst wird. Das Einsperren eines Schlafenden oder Volltrunkenen für die Dauer seines Schlafs bzw seiner Trunkenheit fällt daher nicht unter § 99 (JBl 1992, 662; L/St § 99 Rz 1, 9, Schwaighofer WK2 § 99 Rz 6f; aM Schmoller SbgK § 99 Rz 13, Lewisch BT I 98, K/Schr StudB I § 99 Rz 11). Dass die eingesperrte Person den Raum ohnehin nicht 79
§ 99
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
verlassen oder einen Mittagsschlaf halten wollte (JBl 1992, 662), ist hingegen unerheblich. 2. Tathandlungen 2 A. Die beiden Begehungsweisen des § 99 Abs 1.
a) Der Täter hält das Opfer gefangen, wenn er es daran hindert, einen umgrenzten Ort zu verlassen (EvBl 1976/172; K/Schr I § 99 Rz 7). Er sperrt das Opfer in einem Zimmer oder einer Kiste ein (EvBl 1989/97, 1990/ 119) oder hindert es durch Drohungen am Verlassen eines Raumes (EvBl 1983/ 43). 3 b) Der Täter entzieht dem Opfer auf andere Weise die persönliche Frei-
heit, wenn er es sonst in seiner Fortbewegungsfreiheit beeinträchtigt. Der Täter hält das Opfer gewaltsam fest (JBl 1982, 269); fesselt es mit Handschellen oder Stricken, sodass es sich nicht fortbewegen kann (vgl SSt 55/58, EvBl 1980/55, JBl 1994, 56); betäubt es mit einem Schlafmittel (JBl 1992, 622); nimmt einem Behinderten den Rollstuhl weg (L/St § 99 Rz 1). Die bloße Fesselung der Hände, ohne die Fortbewegungsmöglichkeiten zu beschränken, ist nicht tatbildlich (Schmoller SbgK § 99 Rz 5, Lewisch BT I 97). 4 § 99 kann auch durch Unterlassen begangen werden, sofern der Täter Ga-
rant iSd § 2 ist. Der Täter hat zB einen anderen versehentlich eingesperrt und befreit ihn nicht. 5 B. Schwierige Befreiung. Von einem Gefangenhalten oder einer Freiheits-
entziehung kann man nur sprechen, wenn der Wiedererlangung der Freiheit ein ernstliches und gewichtiges Hindernis entgegengesetzt wird (JBl 1994, 56, 15 Os 25/95). Das ist der Fall, wenn sich das Opfer gar nicht, nur mit erheblichem Kraftaufwand oder Geschick oder nur unter der Gefahr einer Körperverletzung befreien kann (Schwaighofer WK2 § 99 Rz 17f). Der Täter sperrt seine Lebensgefährtin, die er zuvor schwer verletzt hat, in den Keller, aus dem sie sich nur mühsam durch ein mit einer Leiter erreichbares Fenster nach Zwängen durch einen Schacht und Abheben eines Gitterrostes befreien kann (EvBl 1976/172; vgl auch 13 Os 17/01: ein 5-jähriges Kind muss im Dunkeln über einen Holzstoß zum Fenster klettern); er hindert das Opfer durch Drohungen am Verlassen der im 2. Stock gelegenen Wohnung (15 Os 25/95). Wenn sich das Opfer trotz eines solchen Hindernisses gleich befreien kann (zur
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Freiheitsentziehung
§ 99
Mindestdauer unten Rz 6), haftet der Täter wegen versuchter Freiheitsentziehung. Nicht tatbildlich handelt der Täter, wenn das Opfer aus einem ebenerdig gelegenen Fenster steigen kann (13 Os 23/97); wenn er sein Opfer zwar einsperrt, sich aber zur sofortigen Freilassung bereit erklärt, sofern es ihm Alkohol besorgt (RZ 2002/14). Auch der „Spaßvogel“, der einer nackt im See badenden Frau die Kleider wegnimmt, bleibt straflos: Die Gefahr, ausgelacht zu werden, genügt nicht (Schmoller SbgK § 99 Rz 38, Lewisch BT I 99; aM K/Schr I § 99 Rz 9, L/St § 99 Rz 5a; vgl auch 12 Os 131, 132/00: Verlassen der Wohnung nur mit Slip und Unterhemd).
C. Mindestdauer. Ein Gefangenhalten verlangt notwendig eine gewisse 6 Dauer und Schwere des Angriffs (EvBl 1976/172). Freiheitsentziehungen auf andere Weise müssen so intensiv sein, dass sie mit dem Gefangenhalten vergleichbar sind (RZ 1978/77). HL und Rsp lassen – je nachdem, wie gravierend die Tat und wie unangenehm die Lage für das Opfer ist – schon ganz kurze Zeitspannen genügen (Schmoller SbgK § 99 Rz 35f; JBl 1982, 269; 13 Os 17/01). Im Hinblick auf die hohe Strafdrohung sollte jedoch eine Mindestdauer verlangt werden: Sinnvoll erscheint eine Zeitspanne von mehr als zehn Minuten (Schwaighofer WK2 § 99 Rz 23). Wenn sich das Opfer vorzeitig befreien kann, kommt Versuch in Betracht. Das kurzfristige Festhalten einer Person während einer Misshandlung (SSt 56/ 20) oder um einem Komplizen die Wegnahme einer Sache zu erleichtern (vgl JBl 1982, 550), kurzfristiges Einschließen oder bloßes Zuhalten der Türe (EvBl 1979/145) ist nach § 99 nicht tatbildlich. Auch die zwei Jugendlichen, die einen gleichaltrigen Arbeitskollegen „10 bis 15 Minuten“ in einen Duschraum sperren, sind (im Zweifel) nicht nach § 99 zu bestrafen (Kienapfel JBl 1979, 554; aM EvBl 1979/145).
D. Dauerdelikt. § 99 ist ein Dauerdelikt; Täter nach § 99 ist daher auch 7 derjenige, der das Gefangenhalten oder die Freiheitsbeschränkung aufrecht erhält: zB wer eine von einem anderen eingesperrte Person bewacht oder sie – trotz Garantenstellung – nicht befreit (JBl 1987, 259). E. Einwilligung. Da das Gefangenhalten und die Freiheitsentziehung be- 8 grifflich die Ausschaltung oder zumindest Beeinträchtigung des Willens voraussetzen, wirkt die (auch erschlichene) Einwilligung des Opfers tatbestandsausschließend (K/Schr I § 99 Rz 17). Die weitere Anhaltung ab dem Widerruf der Einwilligung verwirklicht den Tatbestand des § 99. 81
§ 99
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
3. Innere Tatseite 9 Der Vorsatz des Täters muss sich auf alle tatbildmäßigen Voraussetzungen
beziehen: insb dass die Freiheitsentziehung kaum ein Entweichen erlaubt (Rz 5), dass sie mehr als zehn Minuten dauert (Rz 6) und keine Einwilligung vorliegt (Rz 8). 4. Rechtfertigung 10 Als Rechtfertigungsgründe kommen vor allem die verschiedensten Formen
amtlicher Anhaltungen nach der StPO, dem StVG, dem VStG und dem SPG (s dazu Triffterer JBl 1996, 432ff), das private Anhalterecht, Selbsthilfe (15 Os 71/07s = SSt 2007/66), Notwehr, rechtfertigender Notstand und das elterliche Erziehungsrecht (§§ 146, 146a ABGB) in Betracht. Eine rechtmäßige Anhaltung nach § 80 Abs 2 StPO kann durch unangemessene Dauer rechtswidrig werden (K/Schr I § 99 Rz 24; vgl auch EvBl 1980/55).
5. Die Qualifikationen nach Abs 2 11 Die Freiheitsentziehung ist qualifiziert, wenn der Täter sie länger als einen
Monat aufrecht erhält, wenn sie dem Opfer besondere Qualen bereitet oder mit besonders schweren Nachteilen für das Opfer verbunden ist. Der Täter muss diese besonderen Tatumstände in seinen Vorsatz aufnehmen (Fabrizy § 99 Rz 4). 12 A. Die Monatsfrist ist nach § 68, also nach dem Kalender zu berechnen.
B. Besondere Qualen sind Schmerzen, Leiden oder Angstzustände, die entweder außergewöhnlich intensiv sind (vgl 11 Os 64/05d) oder über längere Zeit andauern (ÖJZ-LSK 1985/61; vgl auch ÖJZ-LSK 1996/147). Die für die Beurteilung der Qualen maßgebliche Zeitspanne ist nur die Dauer der Freiheitsentziehung (vgl § 106 Rz 4). Eine Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung braucht daraus nicht zu resultieren. Der Täter fesselt einen 15-jährigen, zarten Knaben viele Stunden mit Handschellen so an einen Fernsehtisch, dass er dabei starke Schmerzen an der linken Hand und Schulter hat (SSt 55/58); er lässt eine Frau, der er mit kochendem Wasser schwere Verbrennungen zugefügt hat, eine Stunde lang an Händen und Füßen gefesselt nackt auf einem Sofa liegen (SSt 51/43); er sperrt ein Pflegekind bei eisiger Kälte ohne warme Kleidung eine Woche in einen ungeheizten Keller (JBl 1987, 259). Zu den Qualen s auch § 84 Rz 11, BT II § 201 Rz 8, § 312 Rz 4.
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Freiheitsentziehung
§ 99
C. Besonders schwere Nachteile liegen vor, wenn die Freiheitsentziehung 13 (vor allem gesundheitliche) Folgeschäden nach sich zieht oder das Opfer zB eine besonders günstige, nicht wiederkehrende Gelegenheit für sein berufliches Fortkommen versäumt (EBRV 230). Der Allgemeinzustand des Opfers verschlechtert sich durch nächtelanges Anketten; das Opfer erleidet durch die Kälte in dem Raum, in dem es gefangen gehalten wird, eitrige und blutige Erfrierungen sowie eine Unterleibsverkühlung (JBl 1987, 259). Wenn sich das Opfer bei einem Befreiungsversuch schwere Verletzungen zuzieht, ist Abs 2 (echte Qualifikation! anders § 104a Abs 4) idR nicht anwendbar, weil dem Täter in dieser Hinsicht nur Fahrlässigkeit anzulasten ist.
6. Abgrenzung und Konkurrenz A. Freiheitsentziehung als Mittel zur Begehung anderer Straftaten. 14 Kurzfristige Freiheitsentziehungen sind mit den verschiedensten Delikten verbunden. Sie sind zum Teil iSd § 99 überhaupt nicht tatbestandsmäßig (Rz 6). Übersteigt die Freiheitsentziehung die Erheblichkeitsschwelle, dient sie aber lediglich der Verfolgung eines anderen strafgesetzwidrigen Zwecks, wird sie im Allgemeinen konsumiert (typische Begleittat; SSt 56/20): So kann § 99 von den Delikten nach §§ 100, 101, 102, 142, 144, 201, 202, 205 oder auch von einer schweren Körperverletzung nach §§ 83, 84 verdrängt werden (vgl Burgstaller JBl 1978, 404, K/Schr I § 99 Rz 37, L/St § 99 Rz 26ff). S auch § 100 Rz 5. Der Täter droht einer Frau, sie so lange nicht aus dem Zimmer zu lassen, bis sie mit ihm schlafe: Er ist „nur“ nach § 201 und nicht auch nach § 99 zu bestrafen (vgl 11 Os 8/06w; EvBl 1990/119; s BT II § 201 Rz 10). Der Täter fesselt sein Opfer, um es ungestört quälen und verletzen zu können. Wenn die Körperverletzung unter § 84 fällt und der Täter seinem Opfer nur für die Dauer der Misshandlungen die Freiheit entzieht, wird § 99 Abs 1 verdrängt (vgl SSt 51/43 sowie RZ 1978/77).
Gesondert zuzurechnen ist dem Täter jedoch eine Freiheitsentziehung, 15 wenn sie länger aufrecht erhalten wird als für die Erreichung dieses anderen Zwecks notwendig (vgl 11 Os 8/06w; vgl auch JBl 1982, 550, RZ 1978/ 77). Der Täter fesselt sein Opfer, um es (schwer) zu verletzen, und hält die Fesselung danach noch mehr als eine Stunde aufrecht: Er ist nach §§ 83, 84 und § 99 zu bestrafen (SSt 51/43; vgl auch EvBl 1979/46, JBl 1994, 56, EvBl 1994/147).
83
§ 100
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
16 Freiheitsbeschränkungen zur Durchsetzung einer Nötigung sind dem Tä-
ter neben § 105 gesondert zuzurechnen. Die Täter sperren einen Mann drei Tage lang ein, um ihn dazu zu bewegen, seinen Bruder in Ägypten anzurufen, damit dieser eine Strickmaschine weitergebe. Die Täter haften nach § 105 und § 99: Diese Freiheitsentziehung ist keine typische Begleittat (EvBl 1989/97). Der Täter, der seine Tochter gefesselt zum Flughafen transportiert und sie anschließend unter Androhung der Tötung zwingt, in das Flugzeug zu steigen, ist nach § 99 und §§ 105, 106 Abs 1 Z 1 zu bestrafen, weil die Nötigung nicht bloß der Aufrechterhaltung der Freiheitsentziehung dient (11 Os 64/05d). 17 B. Freiheitsentziehung als „Selbstzweck“. Wenn das Opfer durch die
Freiheitsentziehung (zB Fesselung) am Körper leicht verletzt wird, verantwortet der Täter nur § 99; eine schwere Körperverletzung nach § 84 wird nicht konsumiert (EvBl 1983/43). Das gleiche gilt für die Nötigung, die mit einer Freiheitsentziehung verbunden ist, ohne dass der Täter einen besonderen Zweck (Rz 16) verfolgt. Der Täter hindert das Opfer mit Gewalt oder durch Drohungen, einen Raum zu verlassen: Die Nötigung geht in § 99 auf (12 Os 5/01; Schmoller SbgK § 99 Rz 72). Droht der Täter dem Opfer aber mit dem Tod (vgl § 106 Abs 1 Z 1), ist § 99 gegenüber der schweren Nötigung (materiell) subsidiär (ÖJZ-LSK 1981/4). 18 C. § 99 ist bei rechtswidrigen Freiheitsentziehungen von Beamten nicht
anzuwenden: Derartige Taten im hoheitlichen Bereich werden exklusiv von §§ 302 und § 303 erfasst (näher Schwaighofer WK2 § 99 Rz 31f; s auch BT II § 303 Rz 2, Bertel WK2 § 303 Rz 4; für § 99 iVm § 313: RZ 2002/19 ziv E; Schmoller SbgK § 99 Rz 22).
Entführung einer geisteskranken oder wehrlosen Person § 100. Wer eine geisteskranke oder wehrlose Person in der Absicht entführt, dass sie von ihm oder einem Dritten sexuell missbraucht werde, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. 1 A. Allgemeines. Die §§ 100 und 101 sind eine Kombination von Frei-
heits- und Sexualdelikt, wobei der Eingriff in die Freiheit im Vordergrund steht; der Eingriff in die Geschlechtssphäre betrifft nur die innere Tatseite. Im Hinblick auf die §§ 99, 205, 206 und 207 wären diese Tatbestände entbehrlich. 84
Entführung einer unmündigen Person
§ 101
B. Tathandlung, Tatobjekt. Nach § 100 macht sich strafbar, wer eine geisteskranke oder wehrlose Person entführt (s BT II § 205 Rz 3), gleich welchen Geschlechts. Bei Unmündigkeit des Opfers kommt § 101 zur Anwendung. Unter Entführung versteht man die Verbringung des Opfers an einen anderen Ort gegen dessen Willen, wodurch es seinem bisherigen Schutzbereich entzogen wird (Mayerhofer § 100 Anm 5). Besondere Tatmittel sind für die Entführung nicht gefordert. Die Einwilligung des Opfers, die sich auf die Ortsveränderung und die sexuelle Handlung beziehen muss, schließt den Tatbestand aus. Auch geisteskranke Personen können die Einwilligung rechtswirksam erteilen (Schmoller SbgK § 100 Rz 28f, Schwaighofer WK2 § 100 Rz 12).
2
C. Innere Tatseite. Der Vorsatz des Täters muss sich insb auf die Geistes- 3 krankheit bzw Wehrlosigkeit des Opfers beziehen. Die Entführung muss in der Absicht geschehen, dass das Opfer vom Täter selbst oder einem Dritten sexuell missbraucht werde. Unter „sexuellem Missbrauch“ versteht man alle geschlechtlichen Handlungen iS der §§ 201 und 202 (s näher BT II § 202 Rz 2). Dass es tatsächlich zu Missbrauchshandlungen kommt, ist nicht notwendig. D. Abgrenzung und Konkurrenz. 4 a) Die Sexualdelikte nach §§ 201ff stehen im Allgemeinen in echter Konkurrenz zu § 100 (K/Schr I § 100 Rz 16). Schließt sich ein Missbrauch aber unmittelbar an die Entführung an, so geht § 100 im Missbrauchstatbestand nach §§ 201ff auf (vgl L/St § 100 Rz 14; aM Schmoller SbgK § 100 Rz 52). b) Ist das Opfer unmündig (vgl § 101 Rz 1), ist der Täter ausschließlich 5 nach § 101 zu bestrafen (L/St § 101 Rz 10; aM K/Schr I § 101 Rz 13).
Entführung einer unmündigen Person § 101. Wer eine unmündige Person in der Absicht entführt, dass sie von ihm oder einem Dritten sexuell missbraucht werde, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
A. Tathandlung; Opfer; innere Tatseite. Der Täter entführt (s § 100 Rz 2) 1 eine unmündige Person gegen ihren Willen mit der Absicht, sie sexuell zu missbrauchen (s § 100 Rz 3). Ihre Einwilligung ist – selbst wenn der Ortswechsel gegen den Willen des Erziehungsberechtigten erfolgt (s BT II § 195 Rz 9) – wirksam, wenn sie die nötige körperliche und geistige Reife zur Disposition über das Rechtsgut Freiheit aufweist (Schwaighofer WK2 § 101 85
§ 102
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
Rz 3; s auch Schmoller SbgK § 101 Rz 11; aM Fabrizy § 101 Rz 1, K/Schr I § 101 Rz 7). Ein Bursche fährt mit seiner 13-jährigen Freundin mit ihrem Einverständnis auf eine Almhütte, um sexuell mit ihr in Kontakt zu kommen. Am Ziel angekommen gibt er sein Vorhaben wieder auf. Der Bursche bleibt straflos: Die Freundin wurde nicht entführt, gleichgültig, ob der gesetzliche Vertreter in die Fahrt eingewilligt hat oder nicht. 2 B. Der Erziehungsberechtigte oder Dritte, die die unmündige Person mit
Zustimmung des Erziehungsberechtigten an einen anderen Ort bringen, „entführen“ sie rechtmäßig (Erziehungsrecht: § 146b ABGB), sodass § 101 auch bei Vorliegen der geforderten Absicht (Rz 1) nicht greift (überzeugend Schmoller SbgK § 101 Rz 15f). 3 C. Konkurrenzfragen. Gegenüber § 100 ist § 101 lex specialis (§ 100 Rz 5).
Wenn eine unmündige Person gegen ihren Willen und den des Erziehungsberechtigten entführt wird, liegt echte Konkurrenz von § 101 und § 195 Abs 2 vor (BT II § 195 Rz 9). Der Täter, der gleich im Anschluss an die Entführung mit der unmündigen Person eine geschlechtliche Handlung vornimmt, ist nur nach § 206 oder § 207 zu bestrafen (vgl § 100 Rz 4).
Erpresserische Entführung § 102. (1) Wer einen anderen ohne dessen Einwilligung mit Gewalt oder nachdem er die Einwilligung durch gefährliche Drohung oder List erlangt hat, entführt oder sich seiner sonst bemächtigt, um einen Dritten zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer 1. in der im Abs. 1 genannten Absicht eine unmündige, geisteskranke oder wegen ihres Zustands zum Widerstand unfähige Person entführt oder sich ihrer sonst bemächtigt oder 2. unter Ausnützung einer ohne Nötigungsabsicht vorgenommenen Entführung oder sonstigen Bemächtigung einer Person einen Dritten zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. (3) Hat die Tat den Tod der Person zur Folge, die entführt worden ist oder deren sich der Täter sonst bemächtigt hat, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen. (4) Lässt der Täter freiwillig unter Verzicht auf die begehrte Leistung die Person, die entführt worden ist oder deren sich der Täter sonst bemächtigt
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Erpresserische Entführung
§ 102
hat, ohne ernstlichen Schaden in ihren Lebenskreis zurückgelangen, so ist er mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Linke, Das Europäische Übereinkommen zur Bekämpfung des Terrorismus vom 27. Jänner 1977, ÖJZ 1977, 232; Sautner, Straflose „Kindesentführung“? ÖJZ 2001, 175; Schima, Erpressung und Nötigung (1973); Stigelbauer, Nötigung und Erpressung im neuen Strafrecht, ZnStR II, 81; Wach, Die Beschaffenheit der „Drittbeziehung“ bei Nötigung (§ 105 StGB) und Raub (§ 142 StGB), ÖJZ 1987, 715.
I. Allgemeines § 102 enthält drei verschiedene Deliktstypen, an die schwerste Strafdro- 1 hungen geknüpft sind. Allen drei Fällen ist gemeinsam, dass das Opfer eine gravierende Freiheitsbeschränkung erleidet und der Täter diese Lage des Opfers ausnützt oder ausnützen will, um einen Dritten zu einem bestimmten Verhalten zu nötigen. Eine Schädigung am Vermögen verlangt der Tatbestand nicht.
II. Die drei Deliktsfälle des § 102 1. Die erpresserische Entführung nach § 102 Abs 1 A. Tathandlungen. Der Täter entführt eine Person oder bemächtigt sich 2 ihrer. a) Beim Entführen wird das Opfer von einem Ort an einen anderen verbracht, wobei es voll in den Machtbereich und die Gewalt des Täters gelangt: Das Opfer selbst und Dritte müssen um sein Leben fürchten („qualifizierte“ Entführung: EvBl 1997/204; Schwaighofer WK2 § 102 Rz 7f; aM Schmoller SbgK § 102 Rz 23). b) Beim Sich-Bemächtigen bringt der Täter das Opfer gegen dessen Willen an Ort und Stelle in seine Gewalt, stellt eine physische Herrschaft über sein Opfer her („Geiselnahme“; EvBl 1981/165). Die Todesangst muss auch hier vorliegen. Das Entführen und Sich-Bemächtigen müssen von der Intensität her gleich- 3 wertig sein (vgl Dok 143). Eine Entführung iSd § 102 verlangt schon begrifflich eine Freiheitsbeschränkung über längere Zeit (vgl auch K/Schr I § 102 Rz 7); entsprechendes muss daher für das Sich-Bemächtigen gelten: Das Opfer muss sich uE mehr als zehn Minuten (vgl § 99 Rz 6) in der Gewalt 87
§ 102
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
des Täters befinden. Für eine Mindestdauer spricht auch das Wort „Lebenskreis“ in § 102 Abs 4 (dagegen K/Schr I § 102 Rz 7 und EvBl 1990/86). Nach § 102 strafbar sind die Täter (Häftlinge), die mehrere Personen in ihre Gewalt bringen und stundenlang mit deren Tötung drohen, um die Bereitstellung eines Fluchthubschraubers zu erzwingen (EvBl 1998/200); nicht aber der Bankräuber, der einem Bankkunden 40 Sekunden lang eine Pistole vor das Gesicht hält, um die Kassierin zur Ausfolgung von Geld zu nötigen (aM EvBl 1997/204, SSt 55/73; vgl auch ÖJZ-LS 2007/21); der flüchtende Dieb, der einen Polizisten eine Minute lang mit einer Pistole in seine Gewalt bringt, um einen zweiten Polizisten dazu zu zwingen, die Waffe fallen zu lassen (aM EvBl 1990/86); und auch nicht der Vater, der sein neun Monate altes Kind aus dem Gitterbett reißt, einige Augenblicke aus dem offen stehenden Fenster seiner im dritten Stock gelegenen Wohnung hält und ankündigt, es hinunterzuwerfen, falls die Polizisten zu nahe kämen (aM EvBl 1981/165). Säuglinge und Kleinstkinder fallen unter § 102 Abs 2 Z 1 (Rz 7).
4 B. Besondere Tatmittel. Im Fall des § 102 Abs 1 muss der Täter Gewalt (s
§ 105 Rz 2ff) anwenden, das Opfer gefährlich bedrohen (s § 105 Rz 9ff) oder listig handeln, um seiner habhaft zu werden. Gewalt liegt ua vor, wenn der Täter das Opfer (zB durch ein Schlafmittel) betäubt (SSt 47/74; K/Schr I § 105 Rz 17). Bei deliktsspezifischer Auslegung des Gewaltbegriffs wird man auch das überraschende Einsperren des Opfers (etwa in einem Fahrzeug, wodurch es in die unmittelbare Herrschaftsgewalt des Täters gerät) als Gewalt iSd § 102 ansehen müssen, zumal das Gesetz ja sogar List genügen lässt (Schmoller SbgK § 102 Rz 28, Schwaighofer WK2 § 102 Rz 13). Mit List handelt, wer das Opfer über seine wahren Absichten täuscht, ohne dass dafür besonders raffiniertes Vorgehen notwendig wäre: Der Täter täuscht zB eine Spazierfahrt vor, in Wahrheit bringt er das Opfer aber in ein Versteck (L/St § 102 Rz 9).
5 C. Innere Tatseite. Auf der inneren Tatseite verlangt § 102 Abs 1 die Ab-
sicht des Täters, einen Dritten (er muss keine Sympathieperson sein) zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung zu nötigen. Es ist weder ein Vermögensschaden beim Dritten noch Bereicherungsvorsatz beim Täter gefordert. Die Absicht muss schon bei der Entführung oder Bemächtigung vorliegen. Der Dritte muss gerade durch die Bemächtigung eines anderen zu einem Verhalten veranlasst (eben „genötigt“) werden. Nötigt der Täter nur das Entführungsopfer selbst, scheidet § 102 aus (s aber §§ 105, 144). 88
Erpresserische Entführung
§ 102
Die Täter, die Besatzung und Insassen eines Flugzeugs in ihre Gewalt bringen und den Piloten zwingen, einen anderen Flughafen anzufliegen, sind wegen Luftpiraterie nach § 185, aber nicht (auch) nach § 102 zu bestrafen, weil kein Dritter genötigt werden sollte (vgl EvBl 1981/63; ebenso Lewisch BT I 101).
D. Vollendung. Der Tatbestand nach § 102 Abs 1 ist mit der Entführung 6 bzw Bemächtigung des Opfers in der notwendigen Dauer (Rz 3) vollendet, auch wenn der Täter wegen seiner raschen Festnahme gar nicht mehr dazu kommt, eine (Lösegeld)Forderung zu stellen. Zugleich ist § 102 ein Dauerdelikt, das erst mit der Freigabe des Opfers beendet wird (SSt 50/23).
2. Die erpresserische Entführung nach § 102 Abs 2 Z 1 § 102 Abs 2 Z 1 unterscheidet sich von Abs 1 vor allem im Tatobjekt: Der 7 Täter entführt mit der entsprechenden Nötigungsabsicht (Rz 5) eine unmündige (s § 101 Rz 1), geisteskranke oder widerstandsunfähige Person (vgl § 100 Rz 2) bzw bemächtigt sich ihrer; eine besondere Begehungsweise (Gewalt, Drohung, List) ist für diesen Fall nicht gefordert. Auch Säuglinge können Opfer einer erpresserischen Entführung nach § 102 Abs 2 Z 1 sein: Mag das Opfer selbst auch keine Angst verspüren (vgl Rz 2), so ist die Sorge des Genötigten doch umso größer (Schwaighofer WK2 § 102 Rz 23). Der Vater, der sich seines eigenen Kindes bemächtigt, um seine Verhaftung abzuwenden, wird kaum nach § 102 zu bestrafen sein: Im Allgemeinen ist nicht ernstlich zu besorgen, dass er seinem Kind etwas antun wird (vgl aber EvBl 1994/173).
3. Die erpresserische Entführung nach § 102 Abs 2 Z 2 § 102 Abs 2 Z 2 erfasst den Fall, dass sich der Täter ohne Nötigungsab- 8 sicht einer Person bemächtigt (zB im Zuge eines Raubes) und erst zu einem Zeitpunkt, da er die Person bereits in seiner Gewalt hat, diese Situation ausnützt und einen Dritten zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt. Die genötigten Dritten sind häufig herbeigerufene Sicherheitsorgane. Tathandlung ist hier nicht die Entführung, sondern die Nötigung eines 9 Dritten. Erst damit ist die Tat vollendet. Geht der Dritte auf die Forderung nicht ein, liegt Versuch vor (L/St § 102 Rz 27). Hinsichtlich der Nötigung genügt bedingter Vorsatz. 89
§ 102
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
Der Täter dringt mit einer Maschinenpistole in ein Haus ein, bringt das anwesende Ehepaar in seine Gewalt und zwingt es, ihn zu bewirten. Als vor dem Haus die Polizei auftaucht, verlangt er unter Androhung der Tötung des Ehepaares die Bereitstellung eines Fluchtautos (SSt 47/33).
III. Die Qualifikation nach Abs 3 10 § 102 Abs 3 enthält eine Erfolgsqualifikation für den Fall, dass das Entfüh-
rungsopfer stirbt. Der Täter muss die Todesfolge wenigstens fahrlässig (§ 7 Abs 2) herbeigeführt haben: zB Tod bei einem missglückten Fluchtversuch. Wenn der Täter sein Opfer vorsätzlich tötet, verantwortet er Mord und erpresserische Entführung nach § 102 Abs 1 oder 2.
IV. Die Privilegierung nach Abs 4 11 Der geringere Strafsatz nach § 102 Abs 4 gelangt zur Anwendung, wenn
der Täter sein Opfer freiwillig unter Verzicht auf die begehrte Leistung ohne ernstlichen Schaden in seinen Lebenskreis zurückgelangen lässt. Es handelt sich der Sache nach um eine tätige Reue (§ 102 Abs 1 und Abs 2 Z 1) bzw einen Rücktritt vom Versuch (§ 102 Abs 2 Z 2), die aber nur zur Strafmilderung führen. Die allgemeine Rücktrittsregelung nach § 16 wird von § 102 Abs 4 verdrängt (L/St § 102 Rz 37). Der Täter handelt freiwillig iSd § 102, wenn er sein Opfer freilässt, obwohl er seine Herrschaft über das Opfer weiter aufrechterhalten könnte; dass der Täter kaum Aussicht hat, die verlangte Leistung zu bekommen, weil seine Forderung dezidiert abgelehnt wurde, ist unerheblich: Abs 4 soll schließlich dem Täter einen Anreiz geben, die Geisel(n) freizulassen (Schmoller SbgK § 102 Rz 84f, Schwaighofer WK2 § 102 Rz 36; aM EvBl 1994/126). Zugleich muss der Täter auf die begehrte Leistung verzichten, dh von seinen Forderungen Abstand nehmen oder bereits erbrachte (Sach-)Leistungen zurückgeben. Die Freilassung des Opfers, ohne die Leistung weiter zu fordern, ist ein schlüssiger Verzicht (EvBl 1994/126; L/St § 102 Rz 32). Bereits geschehene Duldungen oder Unterlassungen (zB Stoppen weiterer Amtshandlungen) hindern die Anwendbarkeit des Abs 4 nicht. Ein ernstlicher Schaden liegt vor, wenn das Opfer schwer verletzt (§ 84 Abs 1) worden ist.
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Erpresserische Entführung
§ 102
V. Abgrenzung und Konkurrenz a) Nötigungen und gefährliche Drohungen gegen das (die) Opfer selbst 12 sowie die mit einer erpresserischen Entführung regelmäßig verbundene Freiheitsentziehung nach § 99 werden von § 102 konsumiert (SSt 47/33; L/St § 102 Rz 45, Burgstaller JBl 1978, 461). Entsprechendes gilt hinsichtlich des Dritten: Dass er das vom Täter beabsichtigte Verhalten setzt, kann dem Täter ebenfalls nicht gesondert als Nötigung (§ 105), Erpressung (§ 144) oder Widerstand gegen die Staatsgewalt (§ 269) angelastet werden (Schwaighofer WK2 § 102 Rz 41f; SSt 50/23, EvBl 1990/86). Häftlinge bringen mehrere Personen in ihre Gewalt, um Geld und einen Fluchthubschrauber zu bekommen. Für den Fall eines Befreiungsversuches drohen sie einem Wachebeamten mit der Tötung der Geiseln: Sie haften nur nach § 102 und nicht auch wegen schwerer Nötigung des Beamten (EvBl 1998/200).
b) Schwierige Abgrenzungsfragen ergeben sich zum Raub: Der Täter, der 13 im Zuge eines Banküberfalls zwecks Erlangung von Geld einen anderen bedroht, haftet grundsätzlich nach §§ 142f: Ob die bedrohte Person der Sachinhaber selbst (Kassier) oder eine andere Person (Kunde) ist, macht keinen Unterschied: Bankkunden sind „Sympathiepersonen“ der Bankbediensteten (s § 142 Rz 7, § 105 Rz 13; vgl EvBl 1997/204; L/St § 142 Rz 8a, K/Schm II § 142 Rz 21, Eder-Rieder WK2 § 142 Rz 27, 33; aM SSt 55/73 sowie Wach ÖJZ 1987, 718). Wenn allerdings die Bemächtigung eines Kunden zwecks Erlangung von Geld mehr als 10 Minuten dauert, verantwortet der Täter das Verbrechen nach § 102; dann wird der Raub konsumiert (Schwaighofer WK2 § 102 Rz 43; aM EvBl 1997/204). Echte Konkurrenz von § 102 und §§ 142f ist denkbar, wenn sich der Täter 14 nach Vollendung (oder Versuch) eines Raubes noch einer Person bemächtigt, um eine dritte Person zu weiteren Handlungen usw zu nötigen. Der Täter betritt eine Bank, schreit: „Überfall, Geld her, sonst passiert etwas!“, setzt einer Bankkundin ein 25 cm langes Messer im Rücken an und droht, die Frau umzubringen, wenn der Kassier ihm nicht sofort Geld übergebe: Der Täter hat sich „nur“ wegen Raubes und nicht (auch) nach § 102 oder §§ 105, 106 strafbar gemacht, wenn er die Frau sofort nach Erhalt des Geldes freilässt (aM SSt 55/73). Ein Bankräuber will mit dem erbeuteten Geld gerade die Bank verlassen, da trifft die Polizei ein. Wenn er daraufhin Kunden und Bankbeamte eine halbe Stunde weiter in Schach hält, um die Bereitstellung eines Fluchtautos zu erzwingen, begeht er zum Raub auch noch eine erpresserische Entführung.
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§ 103
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
Überlieferung an eine ausländische Macht § 103. (1) Wer einen anderen ohne dessen Einwilligung mit Gewalt oder nachdem er seine Einwilligung durch gefährliche Drohung oder List erlangt hat, ebenso wer eine unmündige, geisteskranke oder wegen ihres Zustands zum Widerstand unfähige Person einer ausländischen Macht überliefert, ist, wenn der Täter oder der Überlieferte ein Österreicher ist oder sich der Überlieferte zur Zeit der Tat im Inland aufgehalten hat, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen. (2) Wird das Opfer durch die Tat keiner erheblichen Gefahr ausgesetzt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu zehn Jahren zu bestrafen. 1 Der Tatbestand nach § 103 pönalisiert eine Entführung besonderer Art:
Das Opfer wird einer ausländischen politischen Macht (Behörde, Partei) ausgeliefert, wodurch es den Schutz des Aufenthaltsstaates verliert (K/Schr I § 103 Rz 1; vgl EvBl 1972/353). Die Mafia ist keine politische Organisation (EBRV 233; aM Schmoller SbgK § 103 Rz 7f). 2 Sofern das Opfer nicht unmündig, geisteskrank oder widerstandsunfähig
ist, muss der Täter Gewalt, gefährliche Drohung oder List anwenden (vgl § 102 Rz 4). Dass das Opfer Organen der ausländischen Macht förmlich übergeben wird, ist nicht notwendig; es genügt, dass ihnen der Zugriff auf das Opfer ermöglicht wird. Ein Spitzel lockt eine Österreicherin, die nicht ausgeliefert wird, über die Grenze, sodass sie von ausländischen Sicherheitsorganen verhaftet werden kann. Geheimdienstmitarbeiter betäuben ihr Opfer im Ausland und bringen es eigenmächtig über die Grenze, damit es strafrechtlich verfolgt werden kann. 3 § 103 ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt (EBRV 234): Die mit der Tat
typischerweise verbundene Gefahr für das Opfer braucht nicht einzutreten. Wenn das Opfer aber im konkreten Fall keiner erheblichen Gefahr ausgesetzt wird und auch der Vorsatz darauf gerichtet war, kommt der niedrigere Strafsatz nach § 103 Abs 2 zur Anwendung. 4 § 103 verlangt einen Bezug zu Österreich: Der Täter oder das Opfer muss
(zur Tatzeit) österreichischer Staatsbürger sein oder das Opfer muss sich zur Tatzeit in Österreich befunden haben (objektive Bedingungen der Strafbarkeit).
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Menschenhandel
§ 104a
Sklaverei § 104. (1) Wer Sklavenhandel treibt oder sonst einer anderen Person in Form von Sklaverei oder einer sklavereiähnlichen Lage die persönliche Freiheit entzieht, ist mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer bewirkt, dass ein anderer versklavt oder in eine sklavereiähnliche Lage gebracht wird oder dass sich ein anderer in Sklaverei oder eine sklavereiähnliche Lage begibt. Schrifttum: Schwaighofer, Lebenslang für Josef F.: Ein – fast zu – klarer Fall, Die Presse – Rechtspanorama 23. 3. 2009, 9; Tretter, Entwicklung und gegenwärtige Bedeutung der internationalen Sklavereiverbote, in: Ermacora-FS (1988), 527.
Österreich hat mit der Ratifizierung des Internationalen Übereinkom- 1 mens betreffend die Sklaverei (BGBl 1928/17 idF BGBl 1956/183) und des Zusatzübereinkommens über die Abschaffung der Sklaverei, des Sklavenhandels und sklavereiähnlicher Einrichtungen und Praktiken (BGBl 1964/66) die Verpflichtung übernommen, derlei Praktiken zu verhindern und unter Strafe zu stellen. Das ist durch § 104 geschehen. Der durch das 2. GeSchG neu gefasste Abs 1 pönalisiert jetzt auch den Fall, dass jemand eine andere Person wie einen Sklaven hält, weil nach Abs 2 nur das Bewirken, dass eine andere Person in eine sklavereiähnliche Lage gebracht wird, strafbar war. Deshalb erscheint der (von Inkrafttreten des 2. GeSchG) erfolgte Schuldspruch im berühmten Fall F. nach § 104 Abs 2 verfehlt.
Menschenhandel § 104a. (1) Wer 1. eine minderjährige Person oder 2. eine volljährige Person unter Einsatz unlauterer Mittel (Abs. 2) gegen die Person mit dem Vorsatz, dass sie sexuell, durch Organentnahme oder in ihrer Arbeitskraft ausgebeutet werde, anwirbt, beherbergt oder sonst aufnimmt, befördert oder einem anderen anbietet oder weitergibt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Unlautere Mittel sind die Täuschung über Tatsachen, die Ausnützung einer Autoritätsstellung, einer Zwangslage, einer Geisteskrankheit oder eines Zustands, der die Person wehrlos macht, die Einschüchterung und die Gewährung oder Annahme eines Vorteils für die Übergabe der Herrschaft über die Person. (3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat unter Einsatz von Gewalt oder gefährlicher Drohung begeht.
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§ 104a
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
(4) Wer die Tat gegen eine unmündige Person, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, unter Anwendung schwerer Gewalt oder so begeht, dass durch die Tat das Leben der Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gefährdet wird oder die Tat einen besonders schweren Nachteil für die Person zur Folge hat, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Flora, Bekämpfung des Menschenhandels im Straf- und Strafprozessrecht – Die Rechtslage in Österreich, Menschenrechtsmagazin 2007, 20; Menschenhandel – Herausforderungen und Bekämpfungsstrategien (Symposium der AIDP am 25. 4. 2008).
1. Allgemeines 1 § 104a wurde durch das StRÄG 2004 neu eingefügt, um mehrere interna-
tionale Rechtsakte der VN und der EU umzusetzen. Das besondere Unrecht des neuen § 104a liegt im Ausbeutungsvorsatz; der Tatbestand erfasst nicht nur die sexuelle Ausbeutung, sondern auch die Ausbeutung der Arbeitskraft und durch Organentnahme. 2. Tatobjekt 2 § 104a schützt grundsätzlich jedermann vor Handlungen im Vorfeld von
Ausbeutungen. Uneingeschränkt werden nach Abs 1 Z 1 aber nur minderjährige Personen geschützt. Wenn das Opfer volljährig ist, muss der Täter zusätzlich „unlautere Mittel“ anwenden (Abs 1 Z 2). Richtet sich die Tat gegen Unmündige, fällt der Täter unter die Qualifikation des Abs 4. 3. Tathandlungen 3 Strafbar ist das Anwerben, Beherbergen, Aufnehmen, Befördern, Anbie-
ten und Weitergeben einer Person: also durchaus neutrale, sozialadäquate Handlungen, deren Strafwürdigkeit sich erst aus dem geforderten Ausbeutungsvorsatz (s Rz 5) ergibt (näher dazu Schwaighofer WK2 § 104a Rz 5). Der Täter gewährt einer Person dauerhaft oder auch bloß vorübergehend Unterkunft, transportiert sie mit seinem Pkw oder vermittelt sie an einen Arbeitgeber oder an ein einschlägiges Etablissement. 4 Bezieht sich die Tat auf volljährige Personen, ist der Täter nur strafbar,
wenn er überdies ein unlauteres Mittel einsetzt. Nach der taxativen Aufzählung in Abs 2 kommen Täuschungen, die Ausnützung einer Autoritätsstellung, einer Zwangslage, einer Geisteskrankheit, eines Zustands, der die Person wehrlos macht, Einschüchterung sowie die Gewährung oder An94
Menschenhandel
§ 104a
nahme eines Vorteils für die Übergabe der Herrschaft über die Person in Betracht. Der Täter täuscht das Opfer über Tatsachen, wenn er dem Opfer zB eine ganz andere (Arbeits)Situation vorspiegelt als dieses tatsächlich vorfindet. Die bloße Forderung oder Annahme von Geldern vom Opfer für dessen Unterbringung oder Beförderung oder das Kassieren einer Prämie vom Arbeitgeber für die erfolgreiche Vermittlung dieser Person stellt keine Anwendung unlauterer Mittel iSd Abs 2 dar, weil der Vorteil nicht für die Übergabe der Herrschaft über die Person gewährt wird. Dies liegt nur bei einem regelrechten Verkaufen der Person vor (EBRV zum StRÄG 2004/1, 14). Der Täter schüchtert das Opfer ein, wenn er es in einen solchen Angstzustand versetzt, dass es nicht mehr frei entscheiden kann. Um eine gefährliche Drohung braucht es sich nicht zu handeln (s Abs 3: Rz 6).
4. Innere Tatseite Die Strafwürdigkeit der Taten liegt im geforderten Ausbeutungsvorsatz: 5 Der Täter muss den Vorsatz haben, dass das Opfer entweder – sexuell oder – durch Organentnahme oder – in ihrer Arbeitskraft ausgebeutet werde. Das Ausbeutungselement, das in allen Fällen verlangt wird, liegt in der weitgehenden und nachhaltigen Unterdrückung vitaler Interessen (EBRV zum StRÄG 2004/1, 12; s auch BT II § 216 Rz 3), verlangt also einen längeren Zeitraum. Ob die Ausbeutung durch den Täter selbst oder Dritte erfolgen soll, macht keinen Unterschied. Das Opfer soll zB mehrere Wochen lang sexuelle Leistungen erbringen oder für sexuelle Handlungen (auch pornografische Fotos oder Filme) zur Verfügung stehen; dem (lebenden) Opfer soll ohne dessen rechtswirksame Einwilligung oder den guten Sitten widersprechend (s § 90) ein Organ oder Teile davon (§ 62a KAKuG; s Schwaighofer WK2 § 104a Rz 10) entnommen werden; oder es soll die Arbeitskraft der Person rücksichtslos ausgenützt werden: zB durch völlig unzureichende Entlohnung, exzessive Überschreitung der zulässigen Arbeitszeiten oder völlig unzumutbare Arbeitsbedingungen.
5. Qualifikationen Wenn der Täter gegen das minderjährige oder auch schon volljährige Opfer 6 Gewalt oder gefährliche Drohung (s § 105 Rz 2ff, 9ff) anwendet, ist der Täter nach Abs 3 strafbar. 95
§ 105
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
Noch höhere Strafdrohungen sind in Abs 4 vorgesehen, wenn das Opfer unmündig ist, wenn der Täter im Rahmen einer kriminellen Vereinigung (s § 278) handelt, schwere Gewalt anwendet (s § 106 Rz 7), wenn das Leben der Person vorsätzlich oder grob fahrlässig konkret (s § 89 Rz 1) gefährdet wird oder die Tat einen besonders schweren Nachteil (s § 99 Rz 13) für die Person zur Folge hat. Zu den Voraussetzungen auf der inneren Tatseite s § 106 Rz 7f. 6. Konkurrenzfragen 7 a) Dem Täter eines Menschenhandels, der im Anschluss daran dieselbe
Person selbst durch Prostitution ausbeutet, ist die Zuhälterei nach § 216 nicht gesondert anzulasten. b) Andere Sexualdelikte (zB eine geschlechtliche Nötigung oder der Missbrauch einer unmündigen Person) stehen in echter Konkurrenz zu § 104a. c) Der neue § 217 (grenzüberschreitendes Zuführen zur Prostitution) konsumiert § 104a, wenn der Täter dabei einen Vorsatz auf Ausbeutung des Opfers hat (EBRV zum StRÄG 2004/1, 27).
Nötigung § 105. (1) Wer einen anderen mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. (2) Die Tat ist nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. Schrifttum: Auer, Nötigung durch Zufahren auf Fußgänger, die eine „Parklücke“ freihalten? JBl 1997, 357; ders, Streik und Strafrecht (1999); Birklbauer, Die Strafbarkeit von arbeitsrechtlichen Konflikten, RdA 2000, 228; Burgstaller, Der Ladendiebstahl und seine private Bekämpfung im österreichischen Strafrecht (1981); ders, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393, 459; Dearing, Sitzblockade und Gewaltbegriff – ein Vergleich der deutschen und österreichischen Judikatur zur Nötigung, Strafverteidiger 1986, 125; Fehervary, Gewaltkriminalität im Straßenverkehr, ARBÖ-Verkehrsjurist 1990 (2), 6; Hochmayr/ Schmoller, Die Definition der Gewalt im Strafrecht, ÖJZ 2003/36, 628; Riccabona-Zecha, Drängeln auf Autobahnen. Nötigung durch dichtes Auffahren und Lichthupen? ZVR 2004/ 10, 31; Sautner, Die Gewalt bei der Nötigung (§ 105 StGB), JBl 2001, 361; dies, Die Gewalt bei der Nötigung (2002); Schick, Die strafrechtliche Beurteilung von Demonstrationsschäden, in: Schick/Funk/Posch (Hrsg), Demonstrationsschäden (1989), 1; Schwaighofer, Plötzli-
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Nötigung
§ 105
ches Losreißen – Gewalt im Sinn des § 269 StGB? ÖJZ 1981, 120; ders, Straßensperre als strafbare Nötigung: OGH tut dem Gewaltbegriff Gewalt an, PRESSE-Rechtspanorama 28. 10. 1996, 8; ders, Gefährliche Drohung oder Warnung? – Zur Strafbarkeit des Vortäuschens einer Gefahr, JSt 2005, 86; Seiler R., Die Gewalt als Mittel zur Nötigung, in: PallinFS (1989), 381; Stigelbauer, Nötigung und Erpressung im neuen Strafrecht, ZnStR II, 81; Velten, Stalking, JSt 2003, 159, 185; Venier, „Kunsterpressung“ – ein vermögensstrafrechtliches Paradoxon? JSt 2004, 73; Wach, Die Beschaffenheit der „Drittbeziehung“ bei Nötigung (§ 105 StGB) und Raub (§ 142 StGB), ÖJZ 1987, 715; Wegscheider, Plötzliches Entreißen einer Sache – Raub oder Diebstahl? ÖJZ 1975, 516.
I. Allgemeines Die Nötigung nach § 105 schützt die Freiheit der Willensbildung und 1 Willensbetätigung: Der Täter zwingt sein Opfer zu einem bestimmten Verhalten, beugt seinen Willen. Strafbar ist der Täter aber nur, wenn er zu diesem Zweck Gewalt oder gefährliche Drohung (§ 74 Abs 1 Z 5) anwendet. Beide Begehungsweisen sind rechtlich gleichwertig (alternatives Mischdelikt: SSt 54/79, K/Schr I § 105 Rz 9; Fabrizy § 105 Rz 5a).
II. Tatmittel 1. Gewalt A. Körperliche Einwirkung. „Gewalt“ ist eine erhebliche Einwirkung 2 auf den Körper eines anderen, dh der Täter muss selbst oder mithilfe eines Werkzeugs tatsächlich am Opfer „Hand anlegen“. Die hA versteht unter Gewalt den „Einsatz nicht unerheblicher physischer Kraft“, die auch durch ein Werkzeug oder andere technische Hilfsmittel entfaltet werden kann (JBl 1990, 807, SSt 56/43 uam; Fabrizy § 105 Rz 3, K/Schr I § 105 Rz 11, 16, L/St § 105 Rz 4, Jerabek WK2 § 74 Rz 35; ähnlich Hochmayr/Schmoller ÖJZ 2003, 634f). Zum speziellen Gewaltbegriff des § 107b s § 107b Rz 3. Das bloße Herbeiführen einer psychischen Zwangswirkung ist noch 3 keine Gewalt. Die Errichtung eines Hindernisses (Sitzstreik auf der Straße, sonstige Blockade) zwingt zwar den herankommenden Lenker zum Anhalten, das Blockieren der Überholspur zwingt ihn zum Langsamer-Fahren, aber derartige psychische Zwänge werden von § 105 nicht erfasst (Seiler SbgK § 105 Rz 23ff, 32, K/Schr I § 105 Rz 20f, Schwaighofer WK2 § 105 Rz 21ff, 38ff, Lewisch BT I 106; anders die deutsche hL und Rsp aufgrund eines „vergeistigten“ Gewaltbegriffs). Das Querstellen eines Fahrzeugs ist daher keine „tatsächlich ausgeübte Gewalt“ (so aber EvBl 1997/15; dagegen Schwaighofer PRESSE-Rechtspanorama 28. 10.
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Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
1996, 8); ebenso wenig das Blockieren eines Autos durch Mopeds (vgl 14 Os 24/00 – offen gelassen) oder das „Drängeln“ auf der Autobahn unter Betätigung der Lichthupe (für Gewalt Riccabona-Zecha ZVR 2004, 31 sowie in schwerwiegenden Fällen auch Sautner JBl 2001, 373). 4 B. Vis absoluta – vis compulsiva. Ob der Täter das Opfer durch die Ein-
wirkung auf seinen Körper in eine rein passive Rolle drängt, sodass es sich nicht mehr wehren kann („vis absoluta“), oder ob es zu einem aktiven Verhalten gezwungen werden soll („vis compulsiva“), spielt keine Rolle: In beiden Fällen liegt Gewalt vor (K/Schr I § 105 Rz 4, 9, 14f, Seiler SbgK § 105 Rz 12ff, Sautner JBl 2001, 374; unklar Jerabek WK2 § 74 Rz 36; aM SSt 60/55, RZ 1997/50 uam; L/St § 105 Rz 15). Beispiele für vis absoluta: Der Täter schlägt das Opfer zu Boden (SSt 52/40, 50) oder stößt es mit einem voll beladenen Einkaufswagen nieder (vgl JUS 1987 [33], 14), um es an der Verfolgung zu hindern. Er zerrt es aus einem Auto heraus (13 Os 149/00), stößt es in einen Bach (aM SSt 60/55), schiebt es mit seinem Auto beiseite, um in eine Parklücke einfahren zu können (OLG Wien EvBl 1996/88; Auer JBl 1997, 358), betäubt es mit Äther oder fesselt es. Beispiele für vis compulsiva: Der Täter traktiert sein Opfer mit Faustschlägen (EvBl 1984/108, 1994/147) oder würgt es (vgl EvBl 1976/98), um es zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Die Wirkung beruht hier auf der dahinter stehenden Drohung, der Täter werde mit der Übelszufügung fortfahren, falls das Opfer sich nicht entsprechend verhält. 5 C. Erheblichkeitsschwelle. Die Einwirkung auf den Körper muss so er-
heblich sein, dass sie dem Opfer Schmerzen bereitet, es zu Boden wirft oder ihm sonst Widerstand unmöglich macht (Schwaighofer WK2 § 105 Rz 35f; vgl auch § 142 Rz 3). Gewalt liegt demnach vor, wenn der Täter sein Opfer misshandelt (s § 83 Rz 7f: zB ein Faustschlag ins Gesicht, ein fester Schlag gegen eine empfindliche Körperregion, Würgen), so kräftig stößt, dass es zu Boden stürzt, oder betäubt (JAB 16; EvBl 1978/117; s auch oben Rz 4). Keine Gewalt iSd § 105 liegt vor, wenn der Täter dem Opfer bloß einen leichten Stoß versetzt oder es mit den Händen wegschiebt, ohne dass es hinfällt (Seiler Pallin-FS 387; aM ZVR 1992/74 zu § 269); ihm einen Schlüssel aus der Hand reißt; sich plötzlich von jemandem, der ihn festhält, losreißt (vgl BT II § 269 Rz 4, Schwaighofer ÖJZ 1981, 120; aM Danek WK2 § 269 Rz 44); wenn dem Opfer ein berauschendes Mittel verabreicht wird, ohne dass die Fähigkeit zur Willensbildung dadurch ausgeschaltet wird (EvBl 2006/48). Auch das Zuhalten oder Zusperren einer Türe (aM EvBl 1990/119) oder Umringen einer Person (aM EvBl 1974/200, NRsp 1990/21) ist mangels Handanlegung keine Gewalt (s hingegen § 102 Rz 4 sowie § 99 Rz 2).
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D. Sachgewalt. Gewalt iSd § 105 muss wenigstens mittelbar auf den Kör- 6 per des Opfers einwirken. Reine Sachgewalt kann uU eine gefährliche Drohung darstellen (Fabrizy § 105 Rz 4), sonst ist die Anwendung des § 105 ausgeschlossen (Schwaighofer WK2 § 105 Rz 30ff; aM Seiler PallinFS 395, Hochmayr/Schmoller ÖJZ 2003, 630f). Wer mit seinem Pkw einen anderen Pkw seitlich touchiert und in den Straßengraben drängt oder seinem Opfer eine Sache so heftig entreißt, dass es zu Boden gerissen wird, wirkt mittelbar auf den Körper des Opfers ein und wendet daher Gewalt an (Sautner JBl 2001, 372). Nicht aber, wer den Autoreifen eines Pkw zersticht, um sein Opfer am Wegfahren zu hindern; wer den Telefonapparat einer Person zerstört, um sie an der telefonischen Erstattung einer Anzeige zu hindern (EvBl 1988/36); wer ein Fahrrad festhält, um jemanden an der Weiterfahrt zu hindern (aM EvBl 1974/200; ebenso K/Schr I § 105 Rz 25, Seiler SbgK § 105 Rz 27). Der Täter, der mit einem Stein ein Fenster einschlägt, um das Opfer zum Öffnen der Türe zu veranlassen, verantwortet Nötigung durch gefährliche Drohung (für Gewalt Hochmayr/Schmoller ÖJZ 2003, 630).
E. Versuchte Gewalt. Wenn es zu keiner Einwirkung auf den Körper 7 kommt (sie unterbleibt durch Geistesgegenwart, Geschick des Opfers oder durch Glück), kann versuchte Gewalt vorliegen: Voraussetzung dafür ist, dass der Täter den (zumindest bedingten) Vorsatz hat, erheblich auf den Körper des Opfers einzuwirken (Seiler Pallin-FS 387f, Schwaighofer WK2 § 105 Rz 37). S auch BT II § 269 Rz 5. Sautner (JBl 2001, 373) und Hochmayr/Schmoller (ÖJZ 2003, 632; s auch Seiler SbgK § 105 Rz 31) nehmen bereits vollendete Gewalt an, wenn es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer körperlichen Einwirkung kommt bzw das Opfer der konkreten Gefahr einer physischen Krafteinwirkung ausgesetzt wird. Der Täter fährt mit seinem Pkw oder einem Einkaufswagen auf das Opfer zu und will es niederstoßen, doch kann es rechtzeitig zur Seite springen (vgl BT II § 269 Rz 5). Wenn der Täter das Opfer nicht niederstoßen, sondern bloß den Eindruck erwecken will, es werde niedergestoßen, falls es nicht ausweicht, liegt eine gefährliche Drohung vor (s Rz 9ff, 19). Der Autofahrer, der sein Fahrzeug nach einem Überholvorgang abrupt abbremst, um den Hintermann zum Anhalten zu nötigen, wendet idR keine Gewalt an, weil er nicht auf den Körper des Opfers einwirken will (aM ZVR 1989/20, Hochmayr/Schmoller ÖJZ 2003, 629f): Mit einem Auffahrunfall wird sich der Täter kaum je abfinden. Es liegt auch keine gefährliche Drohung vor (s Rz 9). Zu denken ist freilich an § 89.
F. Gewalt gegen Dritte. Die Gewalt kann sich auch gegen dritte Personen 8 richten. Eine Nötigung liegt aber nur vor, wenn diese Dritten dem Opfer 99
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so nahe stehen, dass ein entsprechendes Verhalten des Opfers zu erwarten ist (Sympathieperson; vgl § 74 Abs 1 Z 5; Rz 13; EvBl 1978/82; für gefährliche Drohung Fabrizy § 105 Rz 4). 2. Gefährliche Drohung 9 A. Definition – Abgrenzung zur Warnung. Die gefährliche Drohung ist
in § 74 Abs 1 Z 5 definiert als eine Drohung mit einer Verletzung an Körper, Freiheit, Ehre oder Vermögen, die geeignet ist, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels begründete Besorgnisse einzuflößen. Die Drohung mit Selbstmord fällt daher nicht unter § 74 Abs 1 Z 5 (15 Os 148/07i = JBl 2009, 127). Die Drohung muss den Eindruck erwecken, der Eintritt des (künftigen) Übels sei vom Willen des Drohenden abhängig (K/Schr I § 105 Rz 31, Schwaighofer JSt 2005, 86ff; JBl 2007, 64, 11 Os 60/04; s auch § 107 Rz 3, § 108 Rz 4). Sonst liegt bloß eine Warnung vor (s § 107 Rz 3). Wer einem anderen die Strafe Gottes oder sonst ein Übel ankündigt, dessen Eintritt außerhalb der Einflusssphäre des Täters liegt, warnt nur (Schwaighofer WK2 § 105 Rz 48; vgl 11 Os 36/05m). Der Autofahrer, der einen anderen Pkw überholt und plötzlich abbremst, um diesen zum Anhalten zu zwingen, begeht allenfalls das Delikt nach § 89, aber keine Nötigung (für Nötigung durch Gewalt ZVR 1989/20, 1990/77; Sautner JBl 2001, 373, Hochmayr/Schmoller ÖJZ 2003, 629f; s auch Rz 3): Er hat eine Gefahr herbeigeführt, aber kein Übel in Aussicht gestellt; der Eintritt des Übels (Sachschaden, Verletzung) hängt nicht mehr vom Täter, sondern von der Reaktion des Opfers ab (ebenso Lewisch BT I 106). Bloß eine Warnung liegt vor, wenn der Täter andere vom Betreten seines Grundstücks abhalten will, indem er auf einer Tafel ankündigt, es werde sich im Fall des Zuwiderhandelns automatisch ein Schuss lösen (Schwaighofer JSt 2005, 86ff). Der Täter droht mit einer Verletzung am Körper, wenn er dem Opfer nach Verabreichung einer kräftigen Ohrfeige ankündigt: „Ich mach’ dich fix und fertig“ (EvBl 1984/93); wenn er seinen Eltern, gegen die er schon oft gewalttätig war, ankündigt: „Es wird euch schlecht ergehen“ (SSt 48/52); wenn er schreit: „Ich bring’ dich um“ oder „Ich werde ernst machen“ und gleichzeitig mit einem Schussapparat hantiert (SSt 54/79); wenn er dem Opfer eine Pistole, ein Messer oder ein Bajonett vorhält (EvBl 1981/174); wenn er mit einem Auto auf das Opfer zufährt, um es zum Ausweichen zu zwingen (s auch BT II § 269 Rz 5). Die Ankündigung von Misshandlungen fällt nur dann unter § 74 Abs 1 Z 5, wenn sie einen Verletzungserfolg iSd § 83 befürchten lassen (12 Os 88/07v, 11 Os 117/04, 15 Os 5/91; vgl EvBl 1982/11; L/St § 74 Rz 22; eher aM K/Schr I § 105 Rz 40). Das trifft für die Drohung eines Zuhälters gegenüber einer Prostituierten „Sonst werden die einmal heraufkommen!“ zu (RZ 1993/92). – Die An-
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drohung einer Ohrfeige kann als Drohung mit einer Ehrverletzung gewertet werden, sofern die Ohrfeige öffentlich (§ 115) verabreicht werden soll. Eine Drohung mit einer Verletzung der Freiheit liegt beispielsweise vor, wenn der Täter dem Opfer ankündigt, es so lange gefangen zu halten, bis es seine Forderungen erfülle (EvBl 1989/97; vgl aber RZ 2002/14: § 99 Rz 5); wenn der Täter einem Suchtgifthändler ankündigt: „Ich lass dich hochgehen!“ (EvBl 1985/177). Auch Drohungen mit einem Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmungsfreiheit fallen unter § 74 Abs 1 Z 5 (vgl § 107 Rz 4). Eine Drohung mit einer Verletzung der Ehre ist die Ankündigung, eine Handlung zu setzen, die die Achtung und das Ansehen einer Person in einer den §§ 111ff entsprechenden Weise – also mit der geforderten Publizität (Schwaighofer WK2 § 105 Rz 59; 12 Os 88/07v) herabsetzen kann: zB die Drohung mit ehrenrührigen Enthüllungen (vgl RZ 1999/48), die Drohung, ein intimes Video im Internet zu veröffentlichen (11 Os 77/06t; vgl SSt 52/9, 54/30, EvBl 1976/147) oder die Telefonnummer des Opfers indiskret weiterzugeben, sodass es telefonisch sexuell belästigt wird (EvBl 1993/40). Mit einer Verletzung am Vermögen droht der Täter, wenn er die Wegnahme oder Beschädigung von Sachen (zB „die Bude anzuzünden“: SSt 53/35) oder ein Verhalten ankündigt, das Vermögenseinbußen für das Opfer befürchten lässt: zB eine Anzeige (vgl RZ 1992/83, 1998/68, JBl 1989, 260) oder die Veranlassung der Zwangspensionierung (14 Os 130/06h). Je nach den Umständen kann die Drohung mit einer Anzeige auch als Verletzung der Freiheit oder der Ehre anzusehen sein. Im Angebot, eine gestohlene oder geraubte Sache (meist ein Kunstgegenstand) gegen Bezahlung einer bestimmten Summe zurückzugeben, steckt zugleich die Ankündigung, die Sache andernfalls zu behalten oder zu verwerten. Dabei handelt es sich aber um keine Drohung mit einer Verletzung am Vermögen: Wer wegen Diebstahls oder Raubes verurteilt wird, dem wird bereits damit der gesamte Wert der entzogenen Sache angelastet; die Nicht-Herausgabe ist keine zusätzliche Schädigung (vgl Venier JSt 2004, 73, Eder-Rieder WK2 § 144 Rz 27; aM EvBl 2007/86; Lewisch BT I 222).
B. Besorgniseignung. Die Drohung muss mit Rücksicht auf die Verhält- 10 nisse und die persönliche Beschaffenheit des Bedrohten oder die Wichtigkeit des angedrohten Übels geeignet sein, dem Opfer begründete Besorgnisse einzuflößen (gemischt objektiv-individueller Maßstab: K/Schr I § 105 Rz 44f). Ob der Täter wirklich in der Lage und willens war, die Drohung wahr zu machen, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass die bedrohte Person nach den Umständen des Falles den Eindruck haben musste, der Täter könne und wolle das angekündigte Übel tatsächlich zufügen (SSt 48/20; Fabrizy § 105 Rz 4, L/St § 105 Rz 11).
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11 Zu berücksichtigen ist insbesondere, wie schwer und konkret das ange-
drohte Übel und wie realistisch seine Verwirklichung ist (vgl Rz 9, § 107 Rz 4); das hängt wesentlich von den Verhältnissen – insb Alter, Milieu, Sprachgebrauch, frühere Vorfälle zwischen den Beteiligten – ab (vgl Jerabek WK2 § 74 Rz 33; SSt 48/20). Bloße milieubedingte Unmutsäußerungen sind, selbst wenn es sich wörtlich genommen um Todesdrohungen handelt (Lewisch BT I 110f), straflos. Der Umstand, dass die Drohung auf das Opfer nicht wirkt, dass es sich nicht einschüchtern lässt, ist allenfalls ein Indiz für eine fehlende Besorgniseignung, aber nicht entscheidend (SSt 54/79): Eine Drohung mit einem Messer kann eine gefährliche Drohung sein, auch wenn das Opfer angibt, keine Angst gehabt zu haben (13 Os 91/ 04; vgl auch 12 Os 128/08b). Gleiches gilt umgekehrt für übergroße Ängstlichkeit des Opfers (SSt 50/17). Die briefliche Drohung des X gegenüber einem Rechtsanwalt, er bekomme eine, wenn X noch etwas von ihm höre, ist höchstens eine Drohung mit Misshandlungen und daher keine gefährliche Drohung iSd § 74 Abs 1 Z 5 (15 Os 5/91). Die Ankündigung: „Jetzt gibt es Krieg!“ ist für eine gefährliche Drohung zu unbestimmt. Die Drohung gegenüber einer Frau, er werde sie „dem Herrgott zeigen“, ist eine gefährliche Drohung, wenn der Täter ihr gleichzeitig mit einem Messer Schnittverletzungen zufügt (vgl 11 Os 101/00). 12 C. Form der Drohung. Die Drohung kann ausdrücklich oder konklu-
dent (durch eindeutige Gesten) erfolgen. Es genügt auch die konkludente Bekräftigung einer verbalen Drohung eines anderen, etwa durch Nicken (SSt 56/5). 13 D. Drohung gegen Dritte. Das angekündigte Übel muss sich nicht unbe-
dingt gegen die zu nötigende Person selbst richten (vgl oben Rz 8). Es kann auch Angehörige, ihr nahe stehende oder unter ihrem Schutz stehende Personen (Sympathiepersonen) treffen. Entscheidend ist, ob auf Grund einer nach den Umständen gegebenen Verantwortung für andere ein entsprechendes Verhalten des Opfers zu erwarten ist (vgl Jerabek WK2 § 74 Rz 27): Je gravierender das angedrohte Übel ist, desto weniger spielt die Beziehung zu der vom Übel betroffenen Person eine Rolle (vgl EvBl 1978/82; s auch § 102 Rz 12). Der Sohn droht seinem Vater, in die Küche zu gehen und die Mutter zu würgen (vgl SSt 48/52); der Kindesvater droht der Mutter, das gemeinsame Kind zu töten (EvBl 1995/117); der Täter droht einer Frau, deren Freund abzustechen (14 Os 50/99); der Täter droht dem Innenminister, österreichische Seen mit Plutonium zu verseuchen (EvBl 1997/99): In all diesen Fällen liegt eine gefährliche Drohung
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vor. Die Drohung des Flugzeugentführers, Hotels in die Luft zu sprengen, falls der Flugkapitän nicht seine Flugroute ändere, ist dagegen keine gefährliche Drohung: Die Besitzer und Gäste der Hotels sind keine Sympathiepersonen (EvBl 1981/63; s auch BT II §§ 185, 186 Rz 1).
III. Nötigungserfolg A. Qualität des abgenötigten Verhaltens. Das abgenötigte Verhalten 14 kann in einer Handlung, Duldung oder Unterlassung bestehen. Es muss weder von besonderer Relevanz sein (Lewisch BT I 106; aM SSt 50/17, K/ Schr I § 105 Rz 57, Fabrizy § 105 Rz 6, L/St § 105 Rz 17; vgl auch Seiler SbgK § 105 Rz 60) noch braucht es willensgesteuert zu sein (aM EvBl 1991/8; s Rz 4); wesentlich ist aber die Setzung des Verhaltens im Bewusstsein, dass es nicht gewollt ist. Das bloße Erdulden der Gewaltanwendung ist kein nötigungsrelevanter Erfolg (Schwaighofer WK2 § 105 Rz 68). Zu einer Handlung wird genötigt, wer durch Drohungen gezwungen wird, eine Anzeige zurückzuziehen (EvBl 1982/121), eine Tablette zu schlucken (13 Os 91/ 04) oder eine Geldsumme zu zahlen, auf die der Täter einen Anspruch zu haben glaubt (EvBl 1987/141). Zu einer Duldung wird genötigt, wer von einem Autofahrer mit der Stoßstange von seinem Platz gedrängt (ZVR 1978/92); wer aus einem Auto (ZVR 1988/159) oder einer Spielhalle (aM SSt 60/55) gezerrt wird. Zu einer Unterlassung wird genötigt, wer durch Drohungen von der Erstattung einer Anzeige (RZ 1998/68; vgl EvBl 1988/36), von der Verfolgung des Täters (EvBl 1980/33, 148), von der Einbringung der geplanten Scheidungsklage Abstand nimmt (SSt 54/79).
B. Vollendung. Die Nötigung ist vollendet, wenn das Opfer zumindest 15 begonnen hat, sich in der vom Täter gewünschten Weise zu verhalten (EvBl 1988/36, SSt 46/79; EBRV 236), mag auch die Gewalt bloß versucht sein (s Rz 7). Eine Unterlassung ist vollendet, wenn die vom Opfer beabsichtigte Handlung nicht bloß geringfügig verzögert wird (ÖJZ-LSK 1996/190).
IV. Straflosigkeit nach § 105 Abs 2 Nach dem Wortlaut des § 105 Abs 2 ist eine Nötigung nicht rechtswidrig, 16 wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. Die hA versteht § 105 Abs 2 deshalb als besonderen Rechtfertigungsgrund, der voraussetzt, 103
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dass das eingesetzte Mittel, der angestrebte Zweck und die Verknüpfung von beidem (Mittel-Zweck-Relation) nicht „sozial unerträglich“ sind (vgl EBRV 236; K/Schr I § 105 Rz 61, Lewisch BT I 108, Auer Streik 53). Den Vorstellungen des Gesetzgebers dürfte es jedoch eher entsprechen, § 105 Abs 2 als Tatbestandsausschließungsgrund zu verstehen: Dh es entfällt nur das strafrechtliche Unrecht, ohne dass eine Aussage über die Rechtswidrigkeit getroffen wird. Sofern kein Rechtfertigungsgrund (zB Notwehr, Selbsthilfe, Erziehungsrecht, Streikrecht) eingreift, bleibt die Tat rechtswidrig und kann zB Anlass für eine vorzeitige Entlassung (§ 27 AngG) sein. Diese Konstruktion erlaubt eine etwas großzügigere Auslegung des § 105 Abs 2 (s näher zum Ganzen Schwaighofer WK2 § 105 Rz 82ff). Man kann zwei große Fallgruppen unterscheiden: 1. Berechtigtes Verlangen 17 Den Hauptanwendungsbereich hat § 105 Abs 2 in jenen Fällen, in denen
der Täter ein Recht auf das vom Opfer verlangte Verhalten hat oder das zumindest glaubt, wenn also der Nötigungszweck nicht sittenwidrig ist. Der Täter will zB einen säumigen Zahler zu rascher Rückzahlung seiner Schulden, einen Arbeitgeber zur Auszahlung ausständiger Provisionen (11 Os 56/96) oder zur Schaffung angemessener Arbeitsbedingungen (Auer Streik 54), einen Dieb zur Rückgabe des Diebsguts, einen Ladendieb zur Bezahlung von Schadenersatz, einen Fußgänger zur Freigabe einer in unzulässiger Weise „reservierten“ Parklücke bewegen (OLG Wien EvBl 1996/88), einen ungebetenen Gast aus der Wohnung entfernen (vgl auch 15 Os 71/07s = SSt 2007/66). 18 Verfolgt der Täter einen solchen „positiven“ Zweck, bleibt er nach § 105
Abs 2 straflos, a) wenn der Täter mit einem Übel droht, auf dessen Realisierung er ein Recht hat. Auf die Sittenkonformität der Mittel-Zweck-Relation kommt es in diesem Fall nicht an. Zur Durchsetzung der oben genannten Ziele droht der Täter dem Geschäftspartner mit dem Abbruch der Geschäftsbeziehungen oder einem Konkursantrag, dem Arbeitgeber mit Streik (Auer Streik 53ff) oder einer Anzeige beim Finanzamt (aM 11 Os 56/96), dem Ladendieb mit einer Anzeige bei der Polizei (K/Schr I § 105 Rz 70). Straflos sind auch Drohungen, sich scheiden zu lassen oder die Partnerschaft aufzulösen. 19 b) Straflos bleibt der Täter weiters dann, wenn er zwar ein Übel androht,
das er nicht realisieren dürfte, oder Gewalt anwendet, diese eingesetzten 104
Nötigung
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Tatmittel aber nicht als schwer einzustufen sind (aM die hL: vgl etwa Seiler SbgK § 105 Rz 68): Die Gewalt muss so maßvoll sein, dass keine erhebliche Gefahr einer schweren Körperverletzung oder gar Lebensgefahr besteht. Die Drohung darf nur eine gefährliche Drohung, nicht aber eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben sein: Wer seinem Opfer ankündigt, es sofort erheblich zu verletzen (s § 142 Rz 5ff) oder eines der in § 106 Abs 1 Z 1 genannten Übel zuzufügen (s § 106 Rz 2), verwirklicht das tatbestandsmäßige Unrecht des § 105. Der Täter kann freilich dennoch zB wegen Notwehr, Selbsthilfe oder durch das Waffengebrauchsrecht gerechtfertigt sein. Straffrei bleibt der Täter somit nach § 105 Abs 2, wenn er den die Parklücke reservierenden Fußgänger mit seinem Fahrzeug langsam beiseite schiebt, um in die Parklücke einfahren zu können (OLG Wien EvBl 1996/88; aM K/Schr I § 105 Rz 60, Lewisch BT I 108, Auer JBl 1997, 360f) – die Verletzungsgefahr ist nicht allzu groß; wenn er einen Eindringling mit angemessener Gewalt aus seiner Wohnung befördert (er übt überdies rechtmäßige Selbsthilfe: Fuchs AT I 17. Kap Rz 80); oder wenn er zB droht, einen Zaun niederzufahren, der die Zufahrt zum eigenen Grundstück versperrt. Hingegen greift § 105 Abs 2 nicht ein, wenn der Täter einem anderen ein Messer vorhält, um die von diesem gestohlenen Zigaretten zurückzuerlangen (Lewisch BT I 108; der Täter kann aber durch Notwehr gerechtfertigt sein); wenn er einen ohne Beute fliehenden Dieb mit der Pistole zum Anhalten zwingt; wenn er ausdrücklich oder konkludent droht, das Opfer sofort niederzuschlagen, um Schulden einzutreiben, oder glaubhaft ankündigt, es „über den Haufen zu fahren“, um zu einem Grundstück zufahren zu können (K/Schr I § 105 Rz 68). In allen hier geschilderten Fällen handelt es sich um eine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bzw Drohungen mit Übeln iSd § 106 Abs 1 Z 1.
2. Unberechtigtes Verlangen Ein Täter, der mit Gewalt oder gefährlicher Drohung ein Verhalten er- 20 zwingen will, auf das er kein Recht hat und auch nicht zu haben glaubt, ist in der Regel strafbar. Straflos bleibt er nach § 105 Abs 2 ausnahmsweise nur dann, wenn er mit Übeln droht, die er rechtmäßig „zufügen“ dürfte (Anzeige, Klage, Kündigung, usw: s Rz 18) und überdies das erzwungene Verhalten weder besonders wichtige Interessen des Opfers verletzt (§ 106 Abs 1 Z 3) noch es am Vermögen schädigt (s § 144 Rz 2f). Strafbar ist der Täter, der einen Fußgänger mit seinem Pkw beiseite schiebt, um sich in der Warteschlange vor der Prüfanstalt vorzudrängen, oder ihm das kon-
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kludent androht (vgl ZVR 1978/92); wer einer Frau droht, sie zu verprügeln, falls sie die gegen ihn erstattete Anzeige nicht zurückziehe. Wer sein Opfer durch die Drohung mit einer Diebstahlsanzeige zu einer falschen Beweisaussage zwingt, macht sich nach §§ 12, 288 und § 105 strafbar: Die falsche Aussage verletzt besonders wichtige Interessen des Opfers (näher Schwaighofer WK2 § 105 Rz 87). 22
Straffrei bleibt hingegen beispielsweise der Arbeitgeber, der einer Küchengehilfin die Kündigung androht, falls sie seiner Frau etwas von dem mit ihr vollzogenen Geschlechtsverkehr erzählt (SSt 29/81).
V. Innere Tatseite 23 Der Vorsatz des Täters muss sich einerseits auf die Tatmittel beziehen. Ein
exaktes Wissen über die Bedeutung von Gewalt oder gefährlicher Drohung ist nicht erforderlich. Noch viel weniger muss der Täter (wie für § 107) die Absicht haben, sein Opfer nachhaltig zu ängstigen (vgl § 107 Rz 6). Ein Polizist stellt sich auf die Fahrbahn, um einen Autofahrer anzuhalten. Der Autofahrer will ausweichen und davonfahren, streift den Polizisten dabei aber leicht mit seinem Pkw: Er hat keinen Vorsatz, Gewalt anzuwenden. 24 Hinsichtlich des angestrebten Nötigungserfolges genügt ebenfalls beding-
ter Vorsatz (für Absicht K/Schr I § 105 Rz 75); der Täter muss aber einigermaßen konkrete Vorstellungen haben, wie sich das Opfer verhalten soll. Mangels Vorsatzes kann auch derjenige nicht nach § 105 bestraft werden, der die Voraussetzungen des § 105 Abs 2 irrtümlich annimmt. Wer in einem Drohbrief (Geld-)Forderungen stellt, ohne irgendwelche Übergabemodalitäten zu nennen, denkt vermutlich gar nicht ernstlich daran, das Opfer könnte dieser Forderung nachkommen (s § 107 Rz 7).
VI. Rechtfertigung 25 Nach der hier (Rz 16) vertretenen Position schränkt § 105 Abs 2 den Tatbe-
stand ein. Greift § 105 Abs 2 nicht ein, kann das Verhalten immer noch gerechtfertigt sein. In Betracht kommen vor allem Notwehr, rechtfertigender Notstand, Selbsthilfe, die Ausübung einer Amtspflicht und das allgemeine Anhalterecht.
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VII. Abgrenzung und Konkurrenz A. Spezialität. Eine ganze Reihe von Delikten pönalisiert die Anwendung 26 von Gewalt oder gefährlicher Drohung zu bestimmten Zwecken. Solche Spezialdelikte wie zB Raub (EvBl 1980/148, 13 Os 171/99, 13 Os 108/00), Erpressung, räuberischer Diebstahl, erpresserische Entführung (SSt 47/33, EvBl 1978/82; s auch § 102 Rz 12f), die Sexualdelikte nach § 201 (vgl EvBl 1980/26), § 202 (vgl EvBl 1980/54) und der Widerstand gegen die Staatsgewalt (SSt 47/21, EvBl 1978/49) verdrängen das allgemeine Delikt der Nötigung. Zur Abgrenzung zum Raub und zur Erpressung s § 142 Rz 10, § 144 27 Rz 1ff. Der Täter begeht nur eine Nötigung, wenn er auf die weggenommene oder abgenötigte Sache einen Anspruch hat oder zu haben glaubt. Wer seinem Opfer durch Drohung eine Bankomatkarte abnötigt und die Bekanntgabe des Codes erwirkt, verantwortet § 241e Abs 1 und § 105. Eine Erpressung kommt nach Ansicht des OGH dann in Betracht, wenn der Täter sofort damit Geld am Bankomaten behebt (12 Os 88/07v = SSt 2007/62). Der Täter heuert zwei Männer an, die bei jemandem mit der Drohung, ihm sonst die Knochen zu brechen, Schulden eintreiben sollen (EvBl 1987/141). Er ist nach §§ 12, 105 zu bestrafen, wenn er einen Anspruch auf das Geld hat oder wenigstens zu haben glaubt (s Rz 19).
Zur Abgrenzung zum räuberischen Diebstahl s § 131 Rz 5f.
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Der betretene Dieb, der Gewalt oder gefährliche Drohung bloß anwendet, um seine Anhaltung zu verhindern, doch ohne an die Beute bzw deren Erhaltung zu denken, verantwortet nur (versuchten) Diebstahl in Konkurrenz mit Nötigung (EvBl 1980/33).
Tritt der Täter vom Versuch eines spezielleren Delikts zurück, bleibt er 29 hinsichtlich des versuchten Delikts straffrei, die Nötigung bleibt übrig (qualifizierter Versuch: L/St § 16 Rz 13). Der Täter zwingt eine Frau, die er zum Beischlaf nötigen will, ein Verhütungsmittel in die Scheide einzuführen, überlegt es sich dann aber anders und lässt von ihr ab: Er ist von der versuchten Vergewaltigung strafbefreiend zurückgetreten, verantwortet aber hinsichtlich der erzwungenen Einführung des Verhütungsmittels vollendete Nötigung (vgl EvBl 1980/54).
B. Konsumtion. 30 a) Nötigungen, die in unmittelbarem Zusammenhang mit der Vollendung eines spezielleren Delikts stehen, werden konsumiert. 107
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Der Räuber, der sein Opfer durch weitere Drohungen zur Unterlassung von Hilferufen nötigt (14 Os 76/08w = EvBl 2008/184) oder nach Erhalt des Geldes Personen beiseite stößt oder bedroht, um unbehelligt das Bankgebäude verlassen zu können, ist nur nach §§ 142f zu bestrafen (vgl EvBl 1980/148). Nach der Rsp des OGH werden Nötigungen, die sich gegen andere Personen als das Raubopfer richten, nicht konsumiert (13 Os 171/99, 13 Os 108/00). 31 b) Zur Konkurrenz von Nötigung und Freiheitsentziehung s § 99 Rz 16f,
zur Konkurrenz mit fortgesetzter Gewaltausübung s § 107b Rz 9. 32 c) Leichte Körperverletzungen gem § 83 oder § 88 Abs 1, die mit der Ge-
waltausübung im Zuge der Nötigung verbunden sind, werden als typische Folge von § 105 konsumiert (Burgstaller JBl 1978, 460, Fabrizy § 105 Rz 9, Schwaighofer WK2 § 105 Rz 100; aM 14 Os 18/08s, EvBl 1980/33, 1979/ 145, 13 Os 43/01; K/Schr I § 105 Rz 88, L/St § 105 Rz 39, Seiler SbgK § 105 Rz 78). Ein Ladendieb, der am Ausgang aufgehalten wird, versetzt einer Angestellten (ohne an die Beute zu denken: s Rz 28) einen Schlag gegen den Hals, um zu entkommen. Die Hautabschürfung, die die Angestellte dadurch erleidet, ist dem Täter neben § 127 und § 105 nicht als Körperverletzung nach § 83 anzulasten (aM EvBl 1980/33). 33 C. Nötigung zu strafbaren Handlungen. Wenn die Handlung, zu der das
Opfer genötigt wird, eine über die Willensfreiheit des Opfers hinausgehende Rechtsgutsbeeinträchtigung darstellt, haftet der Täter zugleich als Bestimmungstäter zu einem weiteren Delikt. Der Täter zwingt sein Opfer durch gefährliche Drohung zu einer falschen Beweisaussage (vgl Rz 21): Er ist nach §§ 12, 288 (289) und § 105 zu bestrafen (SSt 56/52, EvBl 1979/245). S auch § 98 Rz 2.
Schwere Nötigung § 106. (1) Wer eine Nötigung begeht, indem er 1. mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, mit einer Brandstiftung, mit einer Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht, 2. die genötigte oder eine andere Person, gegen die sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtet, durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt oder
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3. die genötigte Person zur Eheschließung, zur Prostitution oder zur Mitwirkung an einer pornografischen Darbietung (§ 215a Abs. 3) oder sonst zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung veranlasst, die besonders wichtige Interessen der genötigten oder einer dritten Person verletzt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (2) Hat die Tat den Selbstmord oder einen Selbstmordversuch der genötigten oder einer anderen Person, gegen die sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtet, zur Folge, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. (3) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Nötigung zur Prostitution oder zur Mitwirkung an einer pornografischen Darbietung gegen eine unmündige Person, im Rahmen einer kriminellen Vereinigung, unter Anwendung schwerer Gewalt oder so begeht, dass durch die Tat das Leben der Person vorsätzlich oder grob fahrlässig gefährdet wird oder die Tat einen besonders schweren Nachteil für die Person zur Folge hat.
I. Die Qualifikationen des Abs 1 § 106 enthält in Abs 1 echte Qualifikationen, dh die in den Z 1–3 genannten 1 qualifizierenden Umstände müssen zumindest vom bedingten Vorsatz des Täters umfasst sein (für Absicht bei der Z 3: K/Schr I § 106 Rz 11). 1. Drohung mit besonders schweren Übeln (Abs 1 Z 1) Nach Abs 1 Z 1 qualifiziert sind Drohungen mit dem Tod, einer erheb- 2 lichen Verstümmelung oder auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, einer Brandstiftung, Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung (taxative Aufzählung). Eine Morddrohung ist zB anzunehmen, wenn der Täter schreit: „Dein Leben ist zu Ende!“ und sich anschickt, ein Messer aus der Küche zu holen (12 Os 95/07y; vgl auch SSt 54/79, 52/9). Häufig droht der Täter mit einer Waffe oder einem anderen lebensgefährlichen Mittel; unbedingt notwendig ist das aber nicht. Eine rein verbale Todesdrohung ohne begleitende gefährliche Gesten fällt jedoch in aller Regel nicht unter § 106 Abs 1 Z 1 (14 Os 42/07v; anders 15 Os 159/08h). Mit einer auffallenden Verunstaltung droht, wer einer Frau ankündigt, ihr das Gesicht zu zerschneiden (SSt 48/44, EvBl 1980/54), Säure ins Gesicht zu schütten (EBRV 237) oder die Kniescheiben zu zertrümmern (JUS 1988 [44], 25); mit einer Brandstiftung, wer droht, die „Bude anzuzünden“ (SSt 53/35, 14 Os 81/01); mit einer Entführung, wer der Mutter seines 20 Monate alten außerehelichen Kindes droht, er werde das Kind zu seinen Eltern in ein anderes Bundesland bringen und sie werde es dann nie mehr wieder sehen (EvBl 1987/62).
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§ 106
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
Die Drohung mit der Entlassung kann als Drohung mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz zu verstehen sein, wenn der Arbeitnehmer kaum mehr Aussicht hat, eine Anstellung zu finden und er auch vom sozialen Netz nicht hinlänglich aufgefangen wird (vgl EBRV 237; Schwaighofer WK2 § 106 Rz 7; 12 Os 95/08z). Nach der E ÖJZ-LSK 1996/243 kann die Drohung gegenüber einer Behinderten, sie aus der geschützten Werkstätte zu entfernen, die Qualifikation erfüllen. S auch JBl 1989, 260. Wer einem Politiker die Veröffentlichung von Nacktfotos in eindeutiger Pose mit seiner Sekretärin oder dem Gemeindepfarrer die Verteilung von Fotos über gleichgeschlechtliche Unzuchtsakte in der Kirche ankündigt (11 Os 150/91), droht mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung. Die Drohung mit einer Strafanzeige, die zur Verhaftung führen kann, genügt für sich allein nicht (RZ 1992/83 = SSt 61/85). 3 Besonders bei Morddrohungen müssen die Ernstlichkeit und die Gefähr-
lichkeit der Drohung genau geprüft werden. Äußerungen wie: „Ich bring’ dich um!“ fallen bei Streitereien häufig, ohne auch nur im Entferntesten geeignet zu sein, das Opfer an eine Tötung glauben zu lassen. In Wahrheit handelt es sich häufig bloß um eine Drohung mit Körperverletzungen oder gar nur mit Misshandlungen (vgl K/Schr I § 106 Rz 4; EBRV 237; EvBl 2006/8, 14 Os 42/07v). 2. Versetzung in einen qualvollen Zustand (Abs 1 Z 2) 4 Nach Abs 1 Z 2 ist die Nötigung qualifiziert, wenn die genötigte oder die
von der Gewalt oder gefährlichen Drohung betroffene Person dadurch längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt wird, dh Schmerzen, Leiden oder Angstzustände ertragen muss (s § 99 Rz 12). „Längere Zeit“ bedeutet – abhängig von der Intensität der Qualen – idR zumindest einige Stunden. In Extremfällen (Schlinge um den Hals, die zu Atemnot führt) können auch bereits zehn Minuten genügen (Seiler SbgK § 106 Rz 25, Schwaighofer WK2 § 106 Rz 11). Auch starke Schmerzen, die über die Nötigungshandlung hinaus andauern, können zur Anwendung dieser Qualifikation führen (vgl hingegen § 99 Rz 12).
3. Nötigung zu besonders belastenden Handlungen (Abs 1 Z 3) 5 Abs 1 Z 3 qualifiziert Nötigungen zu Handlungen, die besonders wichtige
Interessen der genötigten oder einer dritten Person verletzen. Dazu gehören auf Grund ausdrücklicher Nennung jedenfalls die Eheschließung (s dazu 12 Os 79/06v = SSt 2006/68), die Prostitution (§ 74 Abs 1 Z 9) und 110
Schwere Nötigung
§ 106
die Mitwirkung an einer pornografischen Darbietung (§ 215a Abs 3). Für die beiden letzten Fälle ist in Abs 3 ein noch höherer Strafsatz vorgesehen, sofern zusätzliche Voraussetzungen erfüllt sind (s Rz 7f). Der Täter nötigt das Opfer, sich bei einer Peep-Show zur Schau zu stellen; fordert eine Frau zur Herausgabe des gemeinsamen 2-jährigen Kindes, für das sie allein sorgeberechtigt ist, auf (EvBl 1995/117); zwingt das Opfer zur Aufrechterhaltung (11 Os 69/01) oder zur Wiederaufnahme von Liebesbeziehungen (OLG Innsbruck 8 Bs 186/88) oder zur Aufgabe seiner beruflichen Stellung (Fabrizy § 106 Rz 4); er nötigt das Opfer, sich selbst eines Verbrechens (Verleumdung) zu bezichtigen (RZ 1993/92) oder eine strafbare Handlung zu begehen (vgl SSt 50/ 40; L/St § 106 Rz 9f, Schwaighofer WK2 § 106 Rz 17). Zur Nötigung einer Frau zur Abtreibung eines Kindes s § 98 Rz 2.
II. Die Erfolgsqualifikation des Abs 2 Gem § 106 Abs 2 fällt die Tat unter den höheren Strafsatz, wenn sie den 6 Selbstmord oder einen Selbstmordversuch der genötigten Person oder des Adressaten der Gewalt oder Drohung zur Folge hat. Hinsichtlich dieser Folgen muss der Täter zumindest fahrlässig handeln (§ 7 Abs 2).
III. Die Qualifikationen des Abs 3 § 106 Abs 3 enthält eine Reihe weiterer (dogmatisch unterschiedlicher) 7 Qualifikationen: Allen gemeinsam ist, dass das Opfer zur Prostitution oder zur Mitwirkung an einer pornografischen Darbietung genötigt wird. Der Strafsatz bis zu zehn Jahren Freiheitsstrafe kommt zur Anwendung, wenn – das Opfer unmündig ist; – der Täter im Rahmen einer kriminellen Vereinigung handelt (s § 278); – die Tat unter Anwendung schwerer Gewalt begangen wird; – die Tat so begangen wird, dass das Leben der genötigten Person vorsätzlich oder grob fahrlässig (konkret; s § 89 Rz 1) gefährdet wird; oder – die Tat einen besonders schweren Nachteil für die Person zur Folge hat. In den ersten drei Fällen muss sich der Vorsatz auf die qualifizierenden 8 Umstände beziehen; hinsichtlich der Lebensgefährdung (4. Fall) genügt grobe Fahrlässigkeit; der letzte Fall des Abs 3 (besonders schwere Nach111
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Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
teile) ist eine Erfolgsqualifikation iSd § 7 Abs 2, für die einfache Fahrlässigkeit genügt. Schwere Gewalt liegt vor, wenn der Täter besonders brutal handelt oder mit lebensgefährlichen Mitteln gegen das Opfer vorgeht (EBRV zum StRÄG 2004/1, 14).
IV. Konkurrenzfragen 9 Einige spezielle Nötigungsdelikte (zB § 145 Abs 1 Z 1, § 269) enthalten
Qualifikationen, die den Fällen des § 106 entsprechen; dann wird § 106 verdrängt. Die Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 schließt im Hinblick auf das Tatmittel und die hohe Strafdrohung auch das Unrecht von Todesdrohungen mit ein, sodass der Täter nicht auch nach § 106 Abs 1 Z 1 zu bestrafen ist. Und weil durch eine Vergewaltigung immer besonders wichtige Interessen des Opfers verletzt werden, kommt auch die Qualifikation nach § 106 Abs 1 Z 3 neben § 201 nicht zur Anwendung. Nötigung zur Prostitution (§ 106 Abs 1 Z 3) verdrängt das Delikt nach § 215, für das bloßes Zuführen genügt (11 Os 39/08g).
Gefährliche Drohung § 107. (1) Wer einen anderen gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. (2) Wer eine gefährliche Drohung begeht, indem er mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, mit einer Brandstiftung, mit einer Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht oder den Bedrohten oder einen anderen, gegen den sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtet, durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (3) In den im § 106 Abs. 2 genannten Fällen ist die dort vorgesehene Strafe zu verhängen. Schrifttum: Nowakowski K., Zur Angehörigeneigenschaft Geschiedener im Strafrecht, ÖJZ 1987, 752; Schmoller, Zum Tatbestand der Täuschung – § 108 StGB nach dem StrafrechtsänderungsG 1987, JBl 1989, 10, 87; Schwaighofer, Gefährliche Drohung oder Warnung? – Zur Strafbarkeit des Vortäuschens einer Gefahr, JSt 2005, 86; Schwaighofer/Hoinkes-Wilflingseder, Familie und Strafrecht, in: Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 121; Soyer, Angehörigeneigenschaft des geschiedenen Ehegatten im Strafrecht, ÖJZ 1987, 586; Velten, Stalking, JSt 2005, 159, 185.
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Gefährliche Drohung
§ 107
1. Allgemeines Drohungen sind im täglichen Leben recht häufig; aus dem Sprachgebrauch 1 mancher Bevölkerungsschichten sind sie gar nicht wegzudenken. Das Strafrecht als „ultima ratio“ soll hier nur in schwerwiegenden Fällen eingreifen. Der Täter des § 107 bedroht einen anderen; er will aber – im Gegensatz zur 2 Nötigung – kein Verhalten erzwingen, sondern es kommt ihm darauf an, einen anderen in Furcht und Unruhe zu versetzen. S Rz 6, 12. § 107 ist jetzt in allen Fällen ein reines Offizialdelikt. Die Beseitigung der absolut vernünftigen Ermächtigungsvoraussetzung zur Verfolgung gefährlicher Drohungen zwischen Ehegatten und nahen Angehörigen durch das StRÄG 2006 ist sehr bedauerlich (s Schwaighofer WK2 § 107 Rz 20f). Wenn die bedrohte Ehefrau jetzt die Polizei ruft, wird das idR zur Verurteilung des Mannes führen, auch wenn sich die beiden inzwischen wieder versöhnt haben. Ist das etwa sinnvoll?
2. Tathandlung A. Drohung – Warnung. Die Tathandlung des § 107 Abs 1 besteht darin, 3 dass der Täter einen anderen gefährlich bedroht. Die Drohung muss den Voraussetzungen des § 74 Abs 1 Z 5 entsprechen (s näher § 105 Rz 9ff): Der Täter muss ein (in der Zukunft liegendes) Übel ankündigen und den Eindruck erwecken, dessen Eintritt sei von seinem Willen abhängig (Seiler SbgK § 107 Rz 20, Schwaighofer WK2 § 107 Rz 4, ders JSt 2005, 86ff). Der Täter, der seinem Opfer per Post eine „Blitzlichtfalle“ schickt, die das Opfer beim Öffnen durch Zünden mehrerer Blitzlichtlampen erschreckt (EvBl 1982/ 108), der (wahrheitswidrig) einer Frau mitteilt, der Ehegatte habe einen Unfall gehabt und liege im Krankenhaus (EvBl 1997/76), oder der einem anderen die „Strafe Gottes“ ankündigt, droht nicht. Die verärgerte Mutter, die von der Fluggesellschaft keine Auskunft über die Ankunftszeit ihrer Tochter bekommt, sagt am Telefon: „Meine Tochter könnte eine Bombe an Bord haben; sie ist bei der Al Kaida!“ Es handelt sich bloß um eine Warnung (11 Os 60/04). Die (telefonische) Äußerung, es sei irgendwo eine Bombe versteckt, fällt nur dann unter § 107, wenn der Täter den Umständen nach den Eindruck erweckt, er könne das Übel abwenden (Schwaighofer WK2 § 107 Rz 3, Jerabek WK2 § 74 Rz 24, Lewisch BT I 111, K/Schr StudB I § 107 Rz 5; s auch § 108 Rz 4).
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§ 107
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
4 B. Ernstlichkeit und Gefährlichkeit der Drohung. Viele Äußerungen,
die wörtlich genommen das Allerschlimmste befürchten lassen, sind nicht viel mehr als lockere Redeweisen: Sie sind nicht ernst zu nehmen und objektiv nicht geeignet, begründete Besorgnisse einzuflößen (K/Schr StudB I § 107 Rz 6f). Ob eine Äußerung oder Geste als (straflose) harmlose Unmutsäußerung oder als gefährliche Drohung (evt mit dem Tod iSd § 107 Abs 2) anzusehen ist, hängt von zahlreichen Faktoren wie Milieu, Ort, Anlass, Alter und dgl ab (ebenso K/Schr I § 107 Rz 7, Seiler SbgK § 107 Rz 12, 14f, Jerabek WK2 § 74 Rz 33). Dass die Drohung das Opfer überhaupt nicht beunruhigt oder umgekehrt mit großer Sorge erfüllt hat, ist nicht entscheidend (11 Os 59/07x), wohl aber indiziell. Der Täter droht zwei jungen Mädchen, die er bereits einmal sexuell missbraucht hat: „Euch passiert noch was!“: Die Drohung ist den Umständen nach geeignet, den Eindruck zu erwecken, er werde sie noch einmal missbrauchen (SSt 52/54). S § 105 Rz 9. Der Täter sagt zu einem Arzt im Krankenhaus, er sei ein „Terminator“ und habe den Auftrag, den Bürgermeister von St. Pölten zu erledigen. Selbst wenn der Täter den Vorsatz hatte, dass diese Äußerung dem Bürgermeister zukommt, ist sie wohl kaum gefährlich (aM 15 Os 154/96). 5 C. Vollendung. Die gefährliche Drohung ist vollendet, wenn sie dem Be-
drohten zugekommen ist und er sie zur Kenntnis genommen hat (K/Schr I § 107 Rz 16, Seiler SbgK § 107 Rz 19; ÖJZ-LSK 2000/153).
3. Innere Tatseite 6 Für die Tathandlung, die gefährliche Drohung, genügt bedingter Vorsatz
(EvBl 1982/108, 1976/120). Darüber hinaus muss der Täter aber mit der Absicht handeln, den Bedrohten in Furcht und Unruhe, dh in einen die Gedanken beherrschenden, peinvollen und nachhaltigen Angstzustand zu versetzen (EvBl 1976/120, 1982/29, RZ 1979/93; Fabrizy § 107 Rz 1, K/Schr I § 107 Rz 9, L/St § 107 Rz 6). Darin unterscheidet sich § 107 von der gefährlichen Drohung als Tatmittel der Nötigung, für die das Einflößen begründeter Besorgnis ausreicht (vgl § 105 Rz 10, 23). 7 Wer – ohne daran zu denken, dass sich das Opfer fürchten könnte – bloß
aus Zorn (EvBl 1976/120) oder zum Scherz Drohungen ausstößt oder jemandem nur einen kurzen Schrecken einjagen will (EvBl 1982/29), handelt ohne diesbezügliche Absicht. 114
Gefährliche Drohung
§ 107
Zwei Schüler rufen den Direktor ihrer Schule an und drohen: „Im Klosett im neuen Turnsaal ist eine Bombe; 70 000 S oder Ende“ (EvBl 1982/29). Die Gefährlichkeit der Drohung ist wohl zu bejahen. Erpressung scheidet aber aus, weil die beiden gewiss nicht an eine Bereicherung dachten (s § 105 Rz 24); und wenn sie bloß einen Jux machen wollten, ohne daran zu denken, dass sich die Verantwortlichen Sorgen machen werden, scheidet auch § 107 aus. S weiter § 108 Rz 4.
Keine Absicht, einen anderen nachhaltig in einen peinvollen Seelenzustand zu versetzen, hat auch der Täter, der seine Drohung gleich realisiert (K/ Schr I § 107 Rz 10, 20). Ein Teil des Schrifttums (Fabrizy § 107 Rz 7, L/St § 107 Rz 11) und die Rsp (RZ 1976/9) nehmen in einem solchen Fall Scheinkonkurrenz zugunsten des Verletzungsdelikts an.
8
Der Täter schreit: „Du wirst gleich meine Faust schmecken!“ und schlägt zu: Er handelt gar nicht tatbildlich iSd § 107 und umso mehr fehlt ihm die geforderte Absicht (Schwaighofer WK2 § 107 Rz 12).
Insbesondere bei Äußerungen gegenüber Dritten kann der Täter die geforderte Absicht nur haben, wenn er auch die Absicht hat, dass die Drohung dem Bedrohten zukommt (Schwaighofer WK2 § 107 Rz 7 und nun auch der OGH: 11 Os 26/09x uam; s das Beispiel in Rz 4).
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4. Die Qualifikationen nach § 107 Abs 2 und 3 Die gefährliche Drohung ist nach Abs 2 qualifiziert, wenn der Täter beson- 10 ders schwerwiegende Drohungen ausstößt (§ 106 Abs 1 Z 1; vgl § 106 Rz 2f) oder der Bedrohte längere Zeit in einen qualvollen Zustand versetzt wird (§ 106 Abs 1 Z 2; vgl § 106 Rz 4). Zur Ernstlichkeit und Gefährlichkeit von Todesdrohungen s § 106 Rz 3. § 107 Abs 3 verweist direkt auf § 106 Abs 2 (s § 106 Rz 6). 5. Abgrenzung und Konkurrenz A. Körperverletzungen, die der Täter seinem Opfer zufügt, um seine 11 Drohungen zu bekräftigen, sind dem Täter neben § 107 gesondert zuzurechnen (L/St § 107 Rz 12, Seiler SbgK § 107 Rz 42). B. § 107 wird jedoch verdrängt, wenn die gefährliche Drohung einem über 12 die Erregung von Furcht und Unruhe hinausgehenden strafrechtlich verpönten Zweck dient, etwa der Erzwingung eines bestimmten Verhaltens (Nötigung), der Aufrechterhaltung der Macht über eine entführte Person 115
§ 107a
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
(§ 102; SSt 47/33), einer Erpressung oder der Einschüchterung bei einem Sexualdelikt (vgl EvBl 1977/184; K/Schr I § 107 Rz 22, L/St § 107 Rz 10).
Beharrliche Verfolgung § 107a. (1) Wer eine Person widerrechtlich beharrlich verfolgt (Abs. 2), ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. (2) Beharrlich verfolgt eine Person, wer in einer Weise, die geeignet ist, sie in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen, eine längere Zeit hindurch fortgesetzt 1. ihre räumliche Nähe aufsucht, 2. im Wege einer Telekommunikation oder unter Verwendung eines sonstigen Kommunikationsmittels oder über Dritte Kontakt zu ihr herstellt, 3. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Waren oder Dienstleistungen für sie bestellt oder 4. unter Verwendung ihrer personenbezogenen Daten Dritte veranlasst, mit ihr Kontakt aufzunehmen. Schrifttum: Beclin, § 107a StGB – Bekämpfung von „Stalking“ auf Kosten der Rechtssicherheit? Ottenstein 2006 (Schriftenreihe des BMJ Bd 127), 103; Bettermann/Feenders (Hrsg), Stalking. Möglichkeiten und Grenzen der Intervention (2004); Heissenberger, Strafund zivilrechtliche Aspekte der „Beharrlichen Verfolgung“ gem § 107a StGB, AnwBl 2006, 634; Maleczky, Das neue Anti-Stalking-Gesetz, FamZ 2006, 27; Mitgutsch, Die geplante „Stalking“-Bestimmung des § 107a StGB, JSt 2006, 11; Sadoghi, Stalking – eine differenzierte Betrachtung dogmatischer Probleme, AnwBl 2007, 340; Seling, § 107a StGB – Eine Strafvorschrift gegen Stalking (2006); Stadler, Viktimologie des Stalking (2006); Velten, Stalking, JSt 2003, 159, 185; Venier, Anti-Stalking-Gesetz: Gefährlicher Schutz gegen Belästigung, PRESSE – Rechtspanorama 14. 11. 2005, 7; Wolfrum/Dimmel, Das „Anti-StalkingGesetz“, ÖJZ 2006/29, 475.
1. Allgemeines 1 Ausländische Vorbilder haben auch den österreichischen Gesetzgeber be-
wogen, einen Straftatbestand gegen das sog „Stalking“ (in der Jägersprache: Heranpirschen) zu schaffen. § 107a enthält viele unbestimmte Gesetzesbegriffe und ist deshalb im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz bedenklich. Die Konzeption als reines Offizialdelikt erscheint verfehlt. 2. Äußere Tatseite 2 A. § 107a ist als schlichtes Tätigkeitsdelikt konzipiert. Tathandlung ist das
widerrechtliche beharrliche Verfolgen einer Person, das in Abs 2 durch vier taxativ aufgezählte Fälle konkretisiert wird. Gemeinsame Vorausset116
Beharrliche Verfolgung
§ 107a
zung ist die Fortsetzung des Verhaltens über längere Zeit und die Eignung, die betroffene Person in ihrer Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen (potenzielles Gefährdungsdelikt). B. Strafbar sind folgende vier Verhaltensweisen: 3 – Das Aufsuchen der räumlichen Nähe (Abs 2 Z 1): Der Täter geht seinem Opfer zB gezielt ständig nach, passt es an seinem Arbeitsplatz ab, steht täglich stundenlang vor dessen Haus. Zufälliges oder beruflich bedingtes regelmäßiges Zusammentreffen fällt natürlich nicht darunter; ebenso wenig die Beobachtung der Wohnung des Opfers mit einem Fernglas (Wach SbgK § 107a Rz 28). – Das Herstellen von Kontakten zum Opfer (Abs 2 Z 2): zB durch Telefon, SMS oder E-Mail, unter Verwendung eines anderen Kommunikationsmittels (Brief, Zettel an der Haustüre oder Windschutzscheibe) oder durch Dritte (Bekannte, Arbeitskollegen des Opfers). Die Übermittlung von Blumen ohne begleitende Botschaften ist nicht tatbildlich (Schwaighofer WK2 § 107a Rz 21; s auch Rz 5; aM Beclin, Ottenstein 2006, 118f, Seling, Stalking 64, Wach SbgK § 107a Rz 34). – Die Bestellung von Waren oder Dienstleistungen für das Opfer unter Verwendung von dessen personenbezogenen Daten (Abs 2 Z 3): Der Täter gibt zB eine Zeitungsannonce unter dem Namen des Opfers auf, bestellt wiederholt Sex-Artikel unter dessen Namen. – Die Veranlassung Dritter zur Kontaktaufnahme mit dem Opfer (Abs 2 Z 4): Der Täter gibt zB eine Kontaktanzeige unter seinem eigenen Namen auf, in der er Dritte auffordert, mit dem Opfer (telefonisch) in Kontakt zu treten. C. Beharrlichkeit. Der Täter muss sein Verhalten über längere Zeit hin- 4 durch fortsetzen; darin liegt ein wesentliches Unrechtselement des Stalkings. Darüber bedarf es einiger Intensität: Notwendig ist ein wiederholtes, hartnäckiges Handeln, also nicht bloß zwei, drei SMS oder Telefonanrufe. Hier fehlt es auch an der geforderten Eignung, die Lebensführung unzumutbar zu beeinträchtigen (Rz 5). Für harmlosere Fälle wird man mindestens 10 Einzelhandlungen über mehrere Wochen verlangen müssen. Bei schwereren Fällen (etwa Abs 2 Z 3) können schon drei Handlungen über einen kürzeren Zeitraum genügen (näher Schwaighofer WK2 § 107a Rz 10; vgl auch Wach SbgK § 107a Rz 57f; strenger Beclin, Ottenstein 2006, 115f). Zwar ist grundsätzlich auch ein Versuch möglich, der Vorsatz auf eine Fortsetzung über längere Zeit wird aber nur schwer nachzuweisen sein.
117
§ 107a
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
5 D. Das geschilderte Verhalten muss überdies geeignet sein, das Opfer in sei-
ner Lebensführung in unzumutbarer Weise zu beeinträchtigen. Diese Eignung muss objektiv begründet sein: Das Verhalten muss auf Grund seiner Dauer und Intensität so unerträglich sein, dass sich ein Durchschnittsmensch vorstellen könnte, sie zum Anlass für eine Veränderung der Lebensumstände zu nehmen. Nicht entscheidend ist, wie das Opfer tatsächlich darauf reagiert. Von einer unzumutbaren Beeinträchtigung in der Lebensführung kann man sprechen, wenn sich das Opfer beispielsweise nicht mehr anders zu helfen weiß als die Telefonnummer oder E-Mail-Adresse zu ändern, wenn es die Wohnung nicht mehr ohne Begleitung verlässt oder gar seinen Wohnsitz verlegt. Die Zusendung von Blumen wäre gewiss auch kaum geeignet, das Opfer zu solchen Schritten zu veranlassen (Rz 3; vgl auch Wach SbgK § 107a Rz 64).
3. Innere Tatseite 6 § 107a ist ein Vorsatzdelikt. Es genügt bereits bedingter Vorsatz, der sich
vor allem auf die Eignung beziehen muss, die Lebensführung des Opfers unzumutbar zu beeinträchtigen. Auch wer aus brennender Liebe handelt, kann einen solchen Vorsatz haben. 4. Widerrechtlichkeit 7 Die Einschränkung auf „widerrechtliches“ Verhalten soll darauf hinwei-
sen, dass es gesetzliche Erlaubnisnormen gibt, die derartiges Handeln rechtfertigen (zB Tätigkeit der Polizei oder der Gerichtsvollzieher). Im Übrigen soll es für die Widerrechtlichkeit ausreichen, dass der Täter gegen den ausdrücklich oder schlüssig erklärten Willen des Opfers handelt (kritisch dazu Schwaighofer WK2 § 107a Rz 28). 5. Abgrenzung und Konkurrenz 8 § 107a ist ein Auffangtatbestand für Verhaltensweisen, die nicht unter
einen anderen Tatbestand fallen: Wenn die Tat als gefährliche Drohung (§ 107), Nötigung (§ 105), Hausfriedensbruch (§ 109) oder als Körperverletzung nach §§ 83ff strafbar ist, tritt § 107a zurück (teilweise aM Wach SbgK § 107a Rz 85f).
118
Fortgesetzte Gewaltausübung
§ 107b
Fortgesetzte Gewaltausübung § 107b. (1) Wer gegen eine andere Person eine längere Zeit hindurch fortgesetzt Gewalt ausübt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Gewalt im Sinne von Abs. 1 übt aus, wer eine andere Person am Körper misshandelt oder vorsätzliche mit Strafe bedrohte Handlungen gegen Leib und Leben oder gegen die Freiheit mit Ausnahme der strafbaren Handlungen nach §§ 107a, 108 und 110 begeht. (3) Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer 1. die Tat gegen eine unmündige oder wegen Gebrechlichkeit, Krankheit oder einer geistigen Behinderung wehrlose Person begeht oder 2. durch die Tat eine umfassende Kontrolle des Verhaltens der verletzten Person herstellt oder eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung der verletzten Person bewirkt. (4) Wer eine Tat nach Abs. 3 auf qualvolle Weise begeht oder im Rahmen einer fortgesetzten Gewaltausübung nach Abs. 3 wiederholt Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung und Integrität begeht, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Hat eine Tat nach Abs. 3 eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85) zur Folge oder wird die Gewalt nach Abs. 3 länger als ein Jahr ausgeübt, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren, hat sie aber den Tod der verletzten Person zur Folge, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren zu bestrafen. (5) Der Täter ist nicht nach den vorstehenden Bestimmungen zu bestrafen, wenn die Tat nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist. Schrifttum: Starzer, Zur Genese des § 107b StGB idF der RV bzw des IA, in: Mitgutsch/ Wessely (Hrsg), Jahrbuch Strafrecht Besonderer Teil 09 (2009), 79.
1. Allgemeines Der durch das 2. GeSchG neu eingeführte Deliktstypus will länger an- 1 dauernde Gewaltbeziehungen in einem eigenen Straftatbestand erfassen. Es erfolgt eine Art Zusammenrechnung von Gewalttätigkeiten über einen längeren Zeitraum: Wiederholte – wenn auch folgenlose und daher für sich allein straflose – Misshandlungen oder vorsätzliche leichte Körperverletzungen, Nötigungen und dgl über eine längere Zeit werden zu einer strafbaren Handlung mit beträchtlicher Strafdrohung verschmolzen. Der Deliktstypus ist nicht minder bedenklich als § 107a, weil er ähnliche unbestimmte Gesetzesbegriffe enthält. Auch die Strafdrohungen sind zum Teil stark überzogen. Nur in einem kleinen Bereich ist tatsächlich ein Bedarf an diesem neuen Deliktstypus zu erkennen, weil fast alle Verhaltens119
§ 107b
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
weisen schon bisher ausreichend durch andere Deliktstypen erfasst werden konnten. 2. Tathandlung 2 Tathandlung nach Abs 1 ist die fortgesetzte Gewaltausübung über eine
längere Zeit; der Eintritt eines (Verletzungs)Erfolges ist nicht notwendig (schlichtes Tätigkeitsdelikt). 3 Gewalt wird in Abs 2 für diesen Deliktstypus eigens definiert; die Defini-
tion ist nicht auf andere Gewaltdelikte übertragbar. Darunter fallen (folgenlose) Misshandlungen iSd § 83 Abs 2 (s § 83 Rz 10), vorsätzliche Verletzungsdelikte (insb §§ 83ff, § 92 StGB) und Freiheitsdelikte (§§ 105 bis 107, 109 StGB). Somit gelten interessanterweise auch Drohungen (iSd § 105) als Gewalt iSd § 107b. Fortgesetzte Gewaltausübung bedeutet wiederholtes Handeln von einiger Intensität und entspricht damit in etwa der Beharrlichkeit des § 107a (s auch Starzer, Jahrbuch Strafrecht 105f): Hierfür sind zumindest mehrere – mindestens fünf – Aggressionsakte zu unterschiedlichen Zeitpunkten zu verlangen. Längere Zeit sind mehrere Wochen (vgl auch § 107a Rz 4). Der Gesetzgeber wollte in erster Linie intensive körperliche Misshandlungen im Familien- und Partnerschaftsbereich erfassen (EBRV zum 2. GeSchG, 25). Mehrmaliges Anspucken oder Übergießen mit Wasser fällt, weil nicht intensiv genug, nicht darunter. Hingegen sollen auch wiederholte Misshandlungen eines Pflegers gegen einen Pflegling oder eines Mitschülers gegen einen Klassenkameraden unter § 107b fallen. 3. Innere Tatseite 4 Der zumindest bedingte Vorsatz muss sich auf die fortgesetzte Ausübung
von Gewalt beziehen, also auf wiederholte Aggressionsakte über längere Zeit. 4. Qualifikationen (Abs 3 und 4) 5 a) Das Opfer ist eine besonders schützenswerte (unmündige oder wehr-
lose) Person (Abs 3 Z 1). Wer sein eigenes Kind oder Stiefkind schlägt, macht sich nach § 92 Abs 1 strafbar. Nun kommt bei wiederholten Schlägen ein Strafsatz von bis zu 5 Jahren Freiheitsstrafe zur Anwendung; die qualvolle Begehungsweise führt zu einem Straf-
120
Fortgesetzte Gewaltausübung
§ 107b
satz von bis zu 10 Jahren Freiheitsstrafe (Abs 4), und wer sein Kind länger als ein Jahr immer wieder schlägt, dem droht eine Freiheitsstrafe bis zu 15 Jahren (Abs 4 vierter Fall)!
b) Durch die Tat wird eine umfassende Kontrolle über das Opfer herge- 6 stellt oder eine erhebliche Einschränkung der autonomen Lebensführung bewirkt (Abs 3 Z 2). Die beiden Fälle der Z 2 lassen sich nicht voneinander unterscheiden. Maßgeblich ist eine massive Beschränkung der Selbstbestimmungsfreiheit des Opfers: Es wird quasi in Abhängigkeit gebracht, darf zB nicht ohne Genehmigung außer Haus gehen und dgl. Bei eigenen unmündigen Kindern ist das eine rechtmäßige Maßnahme, weshalb Abs 3 Z 1 hier natürlich nicht zur Anwendung kommen kann.
c) Die Qualifikationen nach Abs 4 setzen Taten voraus, die bereits nach 7 Abs 3 qualifiziert sind, und sehen noch deutlich strengere Strafen vor, wenn zusätzlich - die Misshandlung/Gewaltausübung auf qualvolle Weise verübt wird (1. Fall), dh die Zufügung selbst muss intensive Schmerzen, Leiden oder Angstzustände bewirken; - dabei wiederholt Sexualdelikte begangen werden (§§ 201, 202, 206, 207); - die Gewalt länger als ein Jahr ausgeübt wird; oder - eine Tat nach Abs 3 eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen oder den Tod zur Folge hat (wofür Fahrlässigkeit genügt).
5. Konkurrenzfragen a) § 107b Abs 5 enthält eine Subsidiaritätsklausel gegenüber Delikten, die 8 mit strengerer Strafe bedroht sind. Wer im Rahmen einer fortgesetzten Gewaltausübung eine andere Person absichtlich schwer verletzt oder dies versucht, ist nur nach § 87 Abs 1 (§ 15) zu bestrafen. Eine länger als einen Monat dauernde Freiheitsentziehung an einer mündigen und nicht wehrlosen Person geht dem § 107b ebenfalls vor.
b) § 107b Abs 1 verdrängt die im Rahmen der Gewaltbeziehung begange- 9 nen unqualifizierten Verletzungs- und Freiheitsdelikte nach §§ 83, 105, 107 Abs 1 und 109 Abs 1. § 107b Abs 3 Z 1 verdrängt insb § 92 Abs 1; der erste und dritte Fall des § 107b Abs 4 2. Satz verdrängen § 92 Abs 3. Schwierig zu beurteilen ist die Konkurrenz mit Sexualdelikten. Minder schwere Sexualdelikte, die mit nicht mehr als 5 Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind (insb § 202 Abs 1, § 207 Abs 1 und 2, § 207b Abs 1, § 212 Abs 1) 121
§ 108
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
sollten von § 107b Abs 4 2. Fall verdrängt werden. Bei schwereren Sexualdelikten ist echte Konkurrenz anzunehmen.
Täuschung § 108. (1) Wer einem anderen in seinen Rechten dadurch absichtlich einen Schaden zufügt, dass er ihn oder einen Dritten durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die den Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. (2) Hoheitsrechte gelten nicht als Rechte im Sinn des Abs. 1. (3) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des in seinen Rechten Verletzten zu verfolgen. Schrifttum: Baritsch/Helmreich, Der fingierte Krankenstand – zur Strafbarkeit von Gefälligkeitsattesten, ZAS 2003, 171, Kienapfel, Vorschläge zur Abänderung des Besonderen Teils, RZ 1981, 117; Schmoller, Zum Tatbestand der Täuschung – § 108 StGB nach dem StrafrechtsänderungsG 1987, JBl 1989, 10, 87; Seiler R., Kritische Anmerkungen zum StRÄG 1987 betreffend den Besonderen Teil des StGB, JBl 1989, 746; Weiß, Kritische Betrachtung des Täuschungstatbestandes aus straf- und verfassungsrechtlicher Sicht – zugleich ein Beitrag zur Bestimmtheit von Strafnormen, AnwBl 1989, 185, 246.
1. Allgemeines 1 § 108 ist ein nur schwer eingrenzbarer Tatbestand. Manche halten ihn
wegen fehlender Bestimmtheit und Verstoßes gegen den Gleichheitsgrundsatz überhaupt für verfassungswidrig (Weiß AnwBl 1989, 248ff). Durch die Ausklammerung der Hoheitsrechte (§ 108 Abs 2) ist die Irreführung von Behörden nicht tatbestandsmäßig. Dies macht § 108 nach der hier vertretenen Auffassung weitgehend bedeutungslos; die Rsp zu § 108 ist allerdings unberechenbar (Rz 3). § 108 ist ein Ermächtigungsdelikt (§ 108 Abs 3). 2. Die Tatbestandsvoraussetzungen 2 Die Tathandlung des § 108 Abs 1 entspricht dem Betrug nach § 146 (s
§ 146 Rz 1ff): Der Täter täuscht einen anderen über Tatsachen, erweckt in ihm falsche Vorstellungen über tatsächliche Gegebenheiten. Aufgrund dieses Irrtums wird die getäuschte Person zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet; dieses Verhalten muss bei ihr oder einer dritten Person unmittelbar einen Schaden in ihren Rechten herbeiführen. Für die Zufügung dieses Schadens verlangt das Gesetz Absichtlichkeit (§ 5 Abs 2). 122
Täuschung
§ 108
Die EBRV (239) erwähnen als einen möglichen Anwendungsfall des § 108 3 die Verletzung der Intimsphäre: Wer vorgibt, Arzt zu sein, und dadurch bewirkt, dass sich eine Frau vor ihm entkleidet, soll nach § 108 strafbar sein. Aber das kann nicht richtig sein: Die Frau wurde nur in ihrer Dispositionsfreiheit verletzt, und das ist noch kein Schaden iSd § 108 (vgl K/Schr I § 108 Rz 31f, Schmoller JBl 1989, 16, Lewisch BT I 115). Auch Beeinträchtigungen der Sexualsphäre – zB die täuschungsbedingte Gewährung des Beischlafs – fallen nicht unter § 108, weil sie in den §§ 201ff abschließend erfasst sind (K/Schr I § 108 Rz 12, Schmoller JBl 1989, 17; aM EvBl 1986/ 72, JBl 2007, 64; Fabrizy § 108 Rz 5, L/St § 108 Rz 10f, Mayerhofer § 108 Anm 7). Aus dem gleichen Grund scheiden eine Reihe weiterer geschützter Rechte (Gläubigerrechte, Hausrecht, körperliche Integrität, Selbstbestimmungsrecht des Patienten – aM jedoch SSt 55/59) aus dem Anwendungsbereich des § 108 aus (eingehend Bertel WK2 § 108 Rz 10ff; Schmoller SbgK § 108 Rz 19ff). Vermögensrechte werden von § 108 ebenfalls nicht geschützt (Bertel WK2 § 108 Rz 4ff, K/Schr I § 108 Rz 24ff, Schmoller JBl 1989, 18, Lewisch BT I 115; aM EvBl 1987/197, JBl 1989, 191; Fabrizy § 108 Rz 4, L/St § 108 Rz 9, Mayerhofer § 108 Anm 7): Die Beeinträchtigung von Vermögensrechten mit Bereicherungsvorsatz wird von § 146 erfasst; dann kann eine solche Schädigung ohne Bereicherungsvorsatz doch nicht mit strengerer Strafe bedroht sein. Auch die Unanwendbarkeit der §§ 166 und 167 ist inakzeptabel (Schmoller SbgK § 108 Rz 21). Im Übrigen sind für denjenigen, der andere bloß zu sinnlosen Ausgaben verleiten will, zivilrechtliche Sanktionen in aller Regel ausreichend. Handelt der Täter mit Bereicherungsvorsatz, kommt Betrug in Betracht. Jemand bestellt seine Bekannte aus dem Nachbarort zu einem Rendezvous, kommt aber selbst nicht hin. Er will sich nur dafür rächen, dass er schon öfter von ihr versetzt worden ist. Der Täter hat die Bekannte zwar dazu verleitet, sich durch die Kosten für die Fahrt am Vermögen zu schädigen, strafbar ist er deshalb aber weder nach § 146 noch nach § 108. Ein „Pornojäger“ bestellt unter falschem Namen und der Adresse des Finanzamts Pornohefte, damit sie beschlagnahmt und für verfallen erklärt werden; obwohl er den Lieferanten der Hefte womöglich um beträchtliche Summen schädigt, kann er nur wegen Urkundenfälschung bestraft werden.
3. Rechtspolitische Konsequenzen Nach der hier vertretenen Auffassung ist § 108 praktisch unanwendbar und 4 sollte in der jetzigen Fassung keinesfalls beibehalten werden. 123
§ 109
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
Um § 108 dennoch einen vertretbaren Anwendungsbereich zu verleihen, schlägt Schmoller (JBl 1989, 89ff sowie SbgK § 108 Rz 30ff) vor, § 108 auf spezifisch „freiheitsbeschränkende“ Täuschungen anzuwenden, die das Opfer zum Handeln „zwingen“, weil es sonst ein Übel befürchten muss. Aber auch dieser Vorschlag überzeugt nicht, weil die bloße Beeinträchtigung der Willensfreiheit eben noch kein Schaden iSd § 108 ist (vgl EBRV 239; Bertel WK2 § 108 Rz 13). Die meisten strafwürdig erscheinenden Fälle lassen sich unter andere Tatbestände subsumieren. Zwei Schüler rufen den Direktor ihrer Schule an und drohen: „Im Klosett im neuen Turnsaal ist eine Bombe; 70 000 S oder Ende!“, ohne an eine Bereicherung auch nur zu denken. Die geforderte Absicht vorausgesetzt, sind sie nach § 107 zu bestrafen (EvBl 1982/29; s § 105 Rz 24, § 107 Rz 7): Sie erwecken den Eindruck, den Eintritt des Übels verhindern zu können. Die schlichte Ankündigung: „In einer Stunde wird eine Bombe explodieren“ (anonyme „Bombendrohung“) ist hingegen keine gefährliche Drohung (vgl § 107 Rz 3). Natürlich ist der „Spaßvogel“ aber schadenersatzpflichtig, wenn es zu finanziellen Aufwendungen gekommen ist. Wer durch die falsche Anzeige einer strafbaren Handlung einen Polizeieinsatz auslöst, begeht eine Verleumdung nach § 297 oder das Delikt nach § 298 (s BT II § 298 Rz 4). Wer grundlos den Einsatz von Rettung oder Feuerwehr veranlasst, ist nach § 1 NotZG zu bestrafen (für § 108 Schmoller JBl 1989, 92 FN 116a).
Hausfriedensbruch § 109. (1) Wer den Eintritt in die Wohnstätte eines anderen mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt erzwingt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. (2) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des in seinen Rechten Verletzten zu verfolgen. (3) Wer auf die im Abs. 1 geschilderte Weise in ein Haus, eine Wohnstätte, einen abgeschlossenen Raum, der zum öffentlichen Dienst bestimmt ist oder zur Ausübung eines Berufes oder Gewerbes dient, oder in einen unmittelbar zu einem Haus gehörenden umfriedeten Raum eindringt, wobei 1. er gegen eine dort befindliche Person oder Sache Gewalt zu üben beabsichtigt, 2. er oder mit seinem Wissen ein anderer Beteiligter (§ 12) eine Waffe oder ein anderes Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer Person zu überwinden oder zu verhindern, oder 3. das Eindringen mehrerer Personen erzwungen wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393, 459; Kastner, Der Schutz des Hausrechts (1994); Kunst, Unbestimmte Zahl- und Maßbegriffe im neuen
124
Hausfriedensbruch
§ 109
StGB, ÖJZ 1975, 561; Marschall, Unbestimmte geldwerte Grenzbeträge, insbesondere Wertgrenzen, im StGB, ÖJZ 1975, 459; Marschall/Vlcek, „In dubio mitius“ als Auslegungsgrundsatz im neuen Strafrecht, ÖJZ 1974, 389, 425; Premissl, Strafrechtsschutz und Grundrechte (2008); Schmoller, Zum Tatbestand der Täuschung, JBl 1989, 10, 87, ders, Unzureichender Schutz des Hausrechts in Österreich, in: Jesionek-FS (2002), 483.
§ 109 schützt das Hausrecht, allerdings nur beschränkt: Lediglich der un- 1 befugte Zutritt unter Einsatz von Gewalt oder Drohung ist pönalisiert, nicht aber das unbefugte Verweilen in einer geschützten Räumlichkeit. Ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal ist die Anwesenheit eines Berechtigten zur Tatzeit.
I. Der einfache Hausfriedensbruch (§ 109 Abs 1) A. Geschützte Räumlichkeit. Der Täter nach Abs 1 muss den Eintritt in 2 die Wohnstätte eines anderen erzwingen: Das sind alle Räumlichkeiten, die wenigstens vorübergehend zum Wohnen dienen, einschließlich der dazugehörigen Nebenräume (Bad, Abstellraum), sofern sie mit den Wohnräumen eine Einheit bilden. Es kann in einer Wohnung auch mehrere Wohnstätten geben (einzelne Zimmer in einer WG). Wohnstätten sind Wohnungen, Einfamilienhäuser, Jagd-, Alm- und Schutzhütten, Wohnwägen und sogar Zelte, wenn sie der Übernachtung dienen (Bertel WK2 § 109 Rz 15ff, K/Schr I § 109 Rz 8, L/St § 109 Rz 3ff, Schmoller SbgK § 109 Rz 40). Von Abs 1 nicht erfasst werden Kellerräume, Dachbodenabteile, die nicht in eine Wohnung integriert sind, Garagen, Geschäftsräume sowie dauernd unbewohnte Häuser und Wohnungen (Bertel WK2 § 109 Rz 15). Eine Garage oder ein versperrter Dachboden wird aber zu einer Wohnstätte, wenn sich ein Obdachloser dort einnistet und die Nächte verbringt (SSt 56/26). Das – wenn auch gewaltsame – Eindringen in die eigene Wohnstätte ist nicht tatbildlich.
B. Tathandlung. Der Täter erzwingt den Eintritt in die Wohnstätte, dh er 3 betritt mit dem ganzen Körper die geschützte Räumlichkeit (EBRV 240; JBl 1978, 160). Wer durch die Drohung, die Türe einzuschlagen, erreicht, dass die Wohnungsinhaberin die Tür einen Spalt öffnet, und gleich seinen Fuß hineinklemmt, am weiteren Eindringen aber durch Nachbarn gehindert wird, hat einen Hausfriedensbruch nach § 109 Abs 1 nur versucht (vgl aber Rz 13).
125
§ 109
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
4 C. Tatmittel. Der Täter muss den Eintritt durch Gewalt oder Drohung
mit Gewalt erzwingen. a) Zum Begriff der Gewalt s § 105 Rz 2ff; doch ist eine deliktsspezifische Besonderheit zu beachten: Für die Gewalt iSd § 109 genügt auch bloße Sachgewalt (Bertel WK2 § 109 Rz 3, Schmoller SbgK § 109 Rz 51, K/Schr I § 109 Rz 17, L/St § 109 Rz 9, Lewisch BT I 113; aM Burgstaller JBl 1978, 460f). Der Täter stößt den Besitzer, der die Türe geöffnet hat, beiseite; schlägt ein Fenster oder tritt die Türe ein (JBl 1978, 160; vgl auch EvBl 1980/67). Eine Nötigung des Wohnungsbesitzers muss mit der Gewaltanwendung nicht verbunden sein; § 109 ist auch erfüllt, wenn der Berechtigte gerade in der Badewanne sitzt (Bertel WK2 § 109 Rz 3f). 5 Wer durch ein offenes Fenster in eine Wohnung einsteigt oder die Türe mit
einem Dietrich oder Nachschlüssel aufsperrt, wendet keine Gewalt an und macht sich daher nicht nach § 109 strafbar, auch wenn er in der Wohnung anschließend alles kurz und klein schlägt (vgl SSt 48/31); er haftet „nur“ wegen Sachbeschädigung. Selbstverständlich handeln ungebetene Gäste, die sich weigern, das Haus zu verlassen, rechtswidrig und können vom Berechtigten mit angemessener Gewalt entfernt werden (Selbsthilfe: §§ 19, 344 ABGB; SSt 40/31; Bertel WK2 § 109 Rz 9; vgl auch § 105 Rz 19, K/Schr I § 109 Rz 23). 6 b) Unter Drohung mit Gewalt versteht man die Ankündigung von Sach-
beschädigungen, Verletzungen, aber auch Misshandlungen (s § 105 Rz 9; K/ Schr I § 109 Rz 19), die geeignet ist, begründete Besorgnisse einzuflößen (vgl § 105 Rz 9ff). Dass die Sache (zB die Wohnungstüre), deren Beschädigung angedroht wird, einem Dritten gehört, ist unwesentlich (EvBl 1997/37). Zwei (hausfremde) Männer bewegen einen Sandler, der in einem versperrbaren Dachbodenabteil schläft, zum Öffnen der Türe, indem sie ihm drohen, er werde etwas zu sehen kriegen, schlagen mit einer Eisenstange gegen die Tür und kündigen an, ihn auszuräuchern, während sie vor der Tür Papier anzünden. Die Ankündigung, er werde etwas zu sehen kriegen, ist in Anbetracht der Begleitumstände eine Drohung mit Gewalt, die durchaus geeignet ist, begründete Besorgnisse einzuflößen (SSt 56/26). 7 c) Wer sich durch Täuschung Zutritt zu einer Wohnstätte verschafft, kann
weder nach § 109 noch nach § 108 bestraft werden (§ 108 Rz 3). 8 D. Entgegenstehender Wille eines Anwesenden. Um die Strafbarkeit des
Hausfriedensbruchs auf ein kriminalpolitisch vernünftiges Maß zu be126
Hausfriedensbruch
§ 109
schränken, ist in § 109 als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal hineinzulesen, dass der Täter den Eintritt gegen den Willen einer in der geschützten Räumlichkeit anwesenden Person erzwingen muss (Bertel WK2 § 109 Rz 10ff, K/Schr I § 109 Rz 14, L/St § 109 Rz 13, Lewisch BT I 112, Fabrizy § 109 Rz 1a; aM Kastner Hausrecht 140f, Schmoller SbgK § 109 Rz 65 und Jesionek-FS 491ff). Die anwesende Person kann ein Berechtigter (Hauseigentümer, Mieter, Untermieter) sein, eine andere Person, die sich mit Zustimmung des Berechtigten in der Wohnstätte aufhält (Hausangestellte, Kinder), aber auch ein unechter (fehlerhafter) Besitzer, der zB gewaltsam in den Besitz eingedrungen ist oder sich ihn erschlichen hat: Auch er genießt Besitzschutz, freilich nur gegenüber Dritten (§ 345 ABGB; SSt 56/26). Der Berechtigte bekundet seinen dem Eintritt entgegenstehenden Willen, indem er die Tür versperrt oder zuhält. E. Vorsatz. Der Vorsatz des Eindringenden muss sich insb darauf beziehen, dass eine geschützte Person (Rz 8) anwesend ist. Wer irrtümlich annimmt, es halte sich niemand in der Wohnung auf oder ein Nichtberechtigter verwehre ihm den Eintritt, kann nicht nach § 109 bestraft werden.
9
F. Ermächtigungsdelikt. Der einfache Hausfriedensbruch wird nur auf 10 Ermächtigung des Verletzten verfolgt (§ 109 Abs 2).
II. Der schwere Hausfriedensbruch nach § 109 Abs 3 1. Gemeinsamkeiten mit dem einfachen Hausfriedensbruch Der Hausfriedensbruch nach Abs 3 hat mit Abs 1 gemeinsam, dass der Tä- 11 ter mit Gewalt oder durch Drohung mit Gewalt („. . . auf die im Abs. 1 geschilderte Weise . . .“) gegen den Willen eines anwesenden Berechtigten eindringt. 2. Besonderheiten A. Keine Beschränkung auf Wohnstätten. Durch Abs 3 sind nicht nur 12 Wohnstätten geschützt, sondern jede Art von Gebäuden und Teilen davon (Fabrikshallen, Gasthäuser, Scheunen, Garagen, Keller, Dachböden, usw: SSt 48/31), abgeschlossene Räume, die zum öffentlichen Dienst bestimmt sind (zB Räume einer Polizeiinspektion) oder zur Ausübung eines Berufs oder Gewerbes dienen (Büros, Ordinationen usw), sowie jeder umfriedete 127
§ 109
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
Raum, der unmittelbar zu einem Haus gehört (Gärten, Lagerplätze, Parkplätze usw). 13 B. Eindringen. Der Täter nach Abs 3 muss eindringen (vgl Rz 3). Trotz
der Verwendung eines anderen Begriffes muss der Täter ebenfalls den Eintritt erzwingen (Rz 3; s EBRV 241; vgl auch Schmoller SbgK § 109 Rz 57); nach der Rsp genügt es, wenn bloß ein Körperteil in den geschützten Bereich gelangt (JBl 1978, 160). 14 C. Besondere Tatumstände. Der größere Unrechtsgehalt der Tat, an den
die höhere Strafdrohung des Abs 3 anknüpft, liegt in den besonderen Tatumständen der Z 1–3: 15 a) Z 1. Der Täter beabsichtigt, gegen eine dort (im geschützten Bereich)
befindliche Person oder Sache Gewalt zu üben (Z 1). Zweck des Eindringens muss gerade sein, am geschützten Ort (aM SSt 56/26) entweder auf den Körper dort anwesender Personen in nicht unerheblicher Weise einzuwirken, also sie zu schlagen, zu misshandeln usw (§ 105 Rz 2, 5), oder dort befindliche Sachen zu beschädigen oder zu zerstören. Die Z 1 ist nicht erfüllt, wenn der Täter Gewalt gegen Personen oder Sachen anwenden will, die sich außerhalb des geschützten Bereichs aufhalten (L/St § 109 Rz 26), wenn er zB in eine Wohnung eindringt, um von dort auf Passanten zu schießen. 16 b) Z 2. Der Täter – oder mit seinem Wissen (§ 5 Abs 3) ein anderer Betei-
ligter – führt eine Waffe oder ein anderes Mittel bei sich, um den Widerstand einer Person zu überwinden oder zu verhindern. Waffen sind alle Gegenstände, die unter das WaffenG fallen. Andere Mittel sind Geräte, mit denen man andere angreifen oder sich gegen Angriffe verteidigen kann (s § 129 Rz 17), zB Brechstangen, Stöcke und dgl. Stricke gehören nicht dazu (aM K/Schr I § 109 Rz 43). Die Waffe muss gerade zu dem Zweck mitgeführt werden, um allfälligen Widerstand zu brechen (SSt 47/33). Wer sich erst nach dem Eindringen, als er auf Gegenwehr stößt, seines Einbruchswerkzeugs besinnt und es als Schlaginstrument benützt, haftet nicht nach Z 2 (Bertel WK2 § 109 Rz 28).
17 c) Z 3. Es wird das Eindringen mehrerer Personen erzwungen; das sind –
auch im Hinblick auf die hohe Strafdrohung – zumindest drei (Bertel WK2 § 109 Rz 29, Marschall/Vlcek ÖJZ 1974, 430, Lewisch BT I 114; s auch § 115 Abs 2). Die Rsp (EvBl 1980/67) und ein Teil der Lehre (Fabrizy § 109 Rz 3, K/Schr I § 109 Rz 44, Mayerhofer § 109 Anm 9; im Ergebnis zust Schmoller SbgK § 109 Rz 68) lassen hingegen zwei genügen. 128
Hausfriedensbruch
§ 109
D. Offizialdelikt. Der schwere Hausfriedensbruch ist ein reines Offizial- 18 delikt.
III. Rechtfertigung Der Hausrechtsberechtigte selbst kann sich nicht nach § 109 strafbar ma- 19 chen (ÖJZ-LSK 1982/119). Andere in Betracht kommende Rechtfertigungsgründe sind vor allem die Ausübung einer Amts- oder Dienstpflicht (zB Hausdurchsuchung nach § 117 Z 2 lit b StPO, Zwangsvollstreckung) sowie rechtfertigender Notstand.
IV. Abgrenzung und Konkurrenz A. § 109 Abs 1 und Abs 3. Abs 3 ist ein eigenständiger Deliktstypus und 20 schließt die Anwendung des Abs 1 aus (JBl 1998, 804; K/Schr I § 109 Rz 29, 51). B. Begleittaten. „Einfache“ Nötigungen, die bloß dem Erzwingen des 21 Eintritts oder dem Eindringen in die Wohnung dienen, sind im Unrechtsgehalt des Hausfriedensbruchs mit enthalten und daher dem Täter nicht gesondert nach § 105 anzulasten (K/Schr I § 109 Rz 49). Entsprechendes gilt für unqualifizierte Sachbeschädigungen, die mit dem gewaltsamen Eindringen verbunden sind (für echte Konkurrenz EvBl 1980/67, SSt 56/ 83, 15 Os 99/04); auch leichte Körperverletzungen (arg „Gewalt“) sind mit der Verurteilung nach § 109 Abs 1 oder 3 abgegolten (Bertel WK2 § 109 Rz 33, 36; aM 15 Os 99/04, SSt 56/83, K/Schr I § 109 Rz 52f, L/St § 109 Rz 35, Zagler BT § 109 Rz 15). Qualifizierte Nötigungen (§ 106), schwere Sachbeschädigungen (§ 126) und schwere Körperverletzungen (§§ 84f) sind dem Täter gesondert zuzurechnen (Bertel WK2 § 109 Rz 37, 39). C. Straftaten nach Vollendung des Hausfriedensbruchs. 22 a) Wer schon in der Absicht, gegen eine im geschützten Raum befindliche Person oder Sache Gewalt zu üben, eindringt und dann auch tatsächlich eine unqualifizierte Körperverletzung, Sachbeschädigung, Nötigung oder gefährliche Drohung begeht, dem sind diese Taten ebenfalls nicht gesondert zuzurechnen: Er ist nur nach § 109 Abs 3 Z 1 zu bestrafen (Bertel WK2 § 109 Rz 38; aM K/Schr I § 109 Rz 53f). Echte Konkurrenz ist anzunehmen, wenn diese Taten nach §§ 84f, § 126, § 106 oder § 107 Abs 2 qualifiziert sind. 129
§ 110
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
23 b) Wer den Eintritt ohne Absicht auf Ausübung von Gewalt erzwingt und
dann Personen verletzt oder Sachen beschädigt, haftet nach § 109 Abs 1 und § 83 bzw § 125 in echter Konkurrenz. 24 c) Einbruchsdiebstähle erfolgen mitunter, obwohl sich jemand in der
Wohnung aufhält. Der Täter, der das in seinen Vorsatz aufnimmt (Rz 9), erfüllt zwar den Tatbestand des § 109, doch ist ihm dieser Hausfriedensbruch neben § 129 Z 1 nicht gesondert anzulasten (Bertel WK2 § 109 Rz 35). Auch wenn der Täter mit Gewalt oder Drohung in eine Wohnstätte eindringt, um jemanden zu berauben oder eine Frau zu vergewaltigen, geht der Hausfriedensbruch in der Verurteilung wegen Raubes bzw Vergewaltigung auf, weil er nur ein Durchgangsstadium zur Erreichung des eigentlichen Tatzieles darstellt (Bertel WK2 § 109 Rz 41; SSt 47/53, EvBl 1978/7; aM K/Schr I § 109 Rz 56, L/St § 109 Rz 36f).
Eigenmächtige Heilbehandlung § 110. (1) Wer einen anderen ohne dessen Einwilligung, wenn auch nach den Regeln der medizinischen Wissenschaft, behandelt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Hat der Täter die Einwilligung des Behandelten in der Annahme nicht eingeholt, dass durch den Aufschub der Behandlung das Leben oder die Gesundheit des Behandelten ernstlich gefährdet wäre, so ist er nach Abs. 1 nur zu bestrafen, wenn die vermeintliche Gefahr nicht bestanden hat und er sich dessen bei Aufwendung der nötigen Sorgfalt (§ 6) hätte bewusst sein können. (3) Der Täter ist nur auf Verlangen des eigenmächtig Behandelten zu verfolgen. Schrifttum: Bernat, Selbstmord, Selbstmordverhütung und aktive Teilnahme am Suizid – eine rechtsethische Überlegungsskizze, in: Birklbauer (Hrsg), Recht zu sterben oder Pflicht zu leben? (2002), 45; Bruckmüller/Schumann, Die Heilbehandlung im österreichischen Strafrecht, in: Roxin/Schroth (Hrsg), Handbuch des Medizinstrafrechts3 (2007), 647; EderRieder, Die gesetzliche Grundlage zur Vornahme von Transplantationen, ÖJZ 1984, 289; Harrer, Die ärztliche Aufklärung aus der Sicht des Arztes, Juristen und Patienten, Forensia 1988, 53; Hirsch, Zur Frage eines Straftatbestands der eigenmächtigen Heilbehandlung, in: Zipf-GS (1999), 353; Kathrein, Das Patientenverfügungs-Gesetz, ÖJZ 2006/34, 555; Kert, Sterbehilfe, JAP 2005/06/34, 207; Kneihs, Die „tobende Psychose“ und die Rolle des Rettungsdienstes, RdM 2005, 35; Kopetzki, Zum Begriff der („besonderen“) Heilbehandlung aus juristischer Sicht, RdM 1997, 6; Kunst, Ärztliche Heilbehandlung und Einwilligung des Verletzten, RZ 1975, 33; Loebenstein, Die strafrechtliche Haftung des Arztes bei operativen Eingriffen, ÖJZ 1978, 309 (Vortragsbericht: ÖJZ 1978, 318); Lotheissen, Das ärztliche Aufklärungsproblem nach dem Strafgesetzbuch, RZ 1975, 2; Maleczky, Unvernünftige Verweigerung der Einwilligung in die Heilbehandlung, ÖJZ 1994, 681; Markowetz, Strafrechtliche Probleme des Dopings, JBl 2004, 409; Mazal (Hrsg), Grenzfragen der ärztlichen Behand-
130
Eigenmächtige Heilbehandlung
§ 110
lung (1998); Menardi, Zustimmungs- und Genehmigungspflichten bei der medizinischen Behandlung Minderjähriger, ÖA 1998/1, 3; Moos, Sterbehilfe, Selbstmord und die ärztliche Behandlungspflicht, in: Birklbauer (Hrsg), Recht zu sterben oder Pflicht zu leben? (2002), 15; Rieder, Die strafrechtliche Beurteilung von Organtransplantationen de lege lata et ferenda, ÖJZ 1978, 113; Schick, Der ärztliche Behandlungsfehler in strafrechtlicher Sicht, StPG 10 (1982), 193; ders, Die strafrechtliche Verantwortung des Arztes, in: Holzer/Posch/ Schick (Hrsg), Arzt und Arzneimittelhaftung in Österreich (1992), 73; ders, Die Einwilligungsfähigkeit aus strafrechtlicher Sicht, in: Kopetzki (Hrsg), Einwilligungsfähigkeit und Heilbehandlung (1999), 26; Schmoller, Strafrechtliche Folgen einer unterlassenen oder übermäßigen ärztlichen Aufklärung, in: Mayer-Maly/Prat (Hrsg), Ärztliche Aufklärungspflicht und Haftung (1998), 75; Sautner, Die religiös motivierte Verweigerung der ärztlichen Heilbehandlung bei Minderjährigen, JAP 1999/2000, 14; Schneider/Greiner, Die Einwilligung des Patienten in die ärztliche Heilbehandlung, ÖÄZ 1989 (6) 31; Triffterer, Zu den verfassungs- und strafrechtlichen Grenzen einer Sexualerziehung in den Schulen, JBl 1990, 409; Steiner, Die ärztliche Aufklärungspflicht nach österreichischem Recht, JBl 1982, 169; Wach, Strafrechtliche Probleme des Selbstmords, ÖJZ 1978, 479; Zankl, Eigenmächtige Heilbehandlung und Gefährdung des Kindeswohls, ÖJZ 1989, 299; Zipf, Die Bedeutung und Behandlung der Einwilligung im Strafrecht, ÖJZ 1977, 379; ders, Die strafrechtliche Haftung des Arztes, StPG 6 (1978), 1.
1. Allgemeines; Täterkreis § 110 schützt das Selbstbestimmungsrecht des Patienten (hM: für viele 1 K/Schr I § 110 Rz 3). Ob die ohne seinen Willen durchgeführte Behandlung erfolgreich war oder nicht, spielt für § 110 keine Rolle. Täter können nicht nur Ärzte und medizinisches Personal sein, sondern auch Wunderheiler oder Laien, zB Angehörige (Bertel WK2 § 110 Rz 1, K/Schr I § 110 Rz 5). 2. „Behandlung“ A. Heilbehandlungen sind alle Maßnahmen zur Feststellung, Heilung und 2 Linderung von Krankheiten, Leiden, Körperschäden und Beschwerden (Kopetzki RdM 1997, 7): Operationen, therapeutische Maßnahmen, Blutabnahme, die Verabreichung von Medikamenten, usw. Die Heilbehandlung kann nie als Körperverletzung nach § 83 strafbar sein (näher Rz 12). B. § 110 erfasst nach hM auch sonstige „Behandlungen“, die keine Heil- 3 behandlungen sind (in § 110 ist schlicht von „Behandlung“ die Rede). Das sind Maßnahmen und Eingriffe, die der Ästhetik oder Versuchs- und Forschungszwecken dienen, sowie die Entnahme von Organen bei Gesunden, um sie anderen einzupflanzen (Schmoller SbgK § 110 Rz 30f uam; einschränkend Fabrizy § 110 Rz 1, L/St § 110 Rz 5; SSt 55/59). 131
§ 110
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
Ein Arzt legt gesunden Säuglingen ohne Zustimmung der Eltern (bzw nachdem er ihre Zustimmung erschlichen hat) zu Forschungszwecken Magensonden durch die Nase, wobei die Säuglinge in Rechtslage fixiert werden. Wenn die Tat zu keiner Körperverletzung oder Gesundheitsschädigung iSd § 83 Abs 1 geführt hat (s Rz 14), ist der Arzt nach § 110 zu bestrafen (für Strafbarkeit wegen Täuschung nach § 108: SSt 55/59); s auch § 108 Rz 3. 4 Die Behandlung kann, muss aber nicht den Regeln der medizinischen Wis-
senschaft entsprechen; auch unkonventionelle Methoden von Laien oder Ärzten sollen von § 110 erfasst werden (K/Schr I § 110 Rz 9). 3. Die fehlende Einwilligung 5 A. Entscheidendes strafbarkeitsbegründendes Tatbestandsmerkmal ist die
fehlende Einwilligung des Behandelten. Die Einwilligung kann ausdrücklich oder auch konkludent (indem sich der Patient behandeln lässt) erfolgen; rechtswirksam ist sie nur, wenn sie schon im Zeitpunkt der Behandlung vorliegt, der Patient entscheidungsfähig ist und ausreichend aufgeklärt wurde. 6 B. Die Aufklärungspflicht. Der Patient muss wissen, wie die Behandlung
abläuft, welche Folgen tatsächlich und möglicherweise damit verbunden sind und welche Behandlungsalternativen es gibt. Auf seltene Komplikationen, die für eine Behandlung nicht typisch sind, braucht die behandelnde Person nicht hinzuweisen. Die Aufklärungspflicht umfasst nur jene Umstände, die die Entscheidung eines vernünftigen Menschen beeinflussen können (JBl 1990, 459; Bertel WK2 § 110 Rz 19f, K/Schr I § 110 Rz 25, L/St § 110 Rz 10, Zipf StPG 6, 14; Schmoller SbgK § 110 Rz 62 will hingegen auf den individuellen Patienten abstellen). Als Grundsatz gilt: Je gefährlicher und schwerwiegender und je weniger dringlich der Eingriff ist, umso sorgfältiger muss die Aufklärung sein. Andererseits bedarf es einer gründlichen Aufklärung umso weniger, je selbstverständlicher ein vernünftiger Mensch der medizinisch indizierten Behandlung zustimmen würde. Der Patient kann auf die angebotene Aufklärung auch verzichten. Der Arzt, der aufgrund der gegebenen Situation irrtümlich glaubt, den Patienten hinreichend aufgeklärt zu haben, handelt nicht vorsätzlich (detailliert Schmoller SbgK § 110 Rz 73). 7 C. Die Erteilung der Einwilligung. Grundsätzlich muss der Patient selbst
in die Behandlung einwilligen. Die Verweigerung (zB durch eine gültige Patientenverfügung oder aus religiösen Gründen: Zeugen Jehovas) ist grundsätzlich zu respektieren, selbst wenn das mehr oder weniger sicher zum Tod führt (s auch Bernat JBl 2009,129). 132
Eigenmächtige Heilbehandlung
§ 110
Hinsichtlich der Einwilligungsfähigkeit ist zu unterscheiden: Unmündige können nur in Bagatelleingriffe selbst wirksam einwilligen (Schmoller SbgK § 110 Rz 43). Bei mündigen Minderjährigen kommt es auf die Einsichts- und Urteilsfähigkeit des Kindes an; im Zweifel wird sie vermutet. Nur bei schweren Eingriffen ist neben der Einwilligung des Kindes auch die Zustimmung der Person erforderlich, die mit der Pflege und Erziehung betraut ist (§ 146c Abs 1, 2 ABGB). Auf die Zustimmung dieser Person kommt es auch an, wenn das Kind selbst nicht ausreichend einsichts- und urteilsfähig ist. Verweigern die Eltern – nach Ansicht des Arztes grundlos – die Zustimmung, muss der Arzt nach § 176 ABGB das Pflegschaftsgericht anrufen; wenn dazu keine Zeit bleibt, ist die Behandlung ohne Einwilligung gerechtfertigt (s dazu eingehend Schmoller SbgK § 110 Rz 48ff, EvBl 1989/80; vgl auch Rz 8). 4. Rechtfertigung Wer einen Patienten ohne dessen Einwilligung (nicht aber gegen den erklärten Willen: EBRV 242) behandelt, weil durch einen Aufschub das Leben oder die Gesundheit des Behandelten tatsächlich ernsthaft gefährdet wäre, ist nach § 110 Abs 2 gerechtfertigt (Bertel WK2 § 110 Rz 31, K/Schr I § 110 Rz 32).
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Der (erwachsene) Patient wird bewusstlos eingeliefert; die Zustimmung eines Obsorgeberechtigten zur Behandlung eines verunglückten Kindes kann nicht rechtzeitig eingeholt werden (Schmoller SbgK § 110 Rz 83): In beiden Fällen ist der Arzt gerechtfertigt. Zur mutmaßlichen Einwilligung bei Operationserweiterungen 10 Ob 50/07m = RdM 2007/125).
Unter den Voraussetzungen des § 69 StVG ist die zwangsweise Untersuchung und Behandlung Strafgefangener gerechtfertigt.
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5. Die Tatbestandsvariante nach § 110 Abs 2 Wenn die Gefährdung (Rz 8) in Wahrheit nicht vorlag, der Arzt aber irr- 10 tümlich davon ausging und deshalb vor der Behandlung keine Einwilligung mehr einholte, könnte er gemäß § 8 nicht nach § 110 Abs 1 bestraft werden. § 110 Abs 2 korrigiert dieses Ergebnis: Der Arzt ist dennoch nach § 110 Abs 1 zu bestrafen, wenn er das Bestehen der Gefahr für Leib oder Gesundheit fahrlässig angenommen hat.
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§ 110
Strafbare Handlungen gegen die Freiheit
6. Privatanklagedelikt 11 Die eigenmächtige Heilbehandlung ist ein Privatanklagedelikt (§ 110
Abs 3): Es wäre unsinnig, einen Arzt nach erfolgreicher Behandlung gegen den Willen des (dankbaren) Patienten zu verfolgen. Stirbt der Patient, hat der Arzt Glück gehabt: Das Privatanklagerecht ist nach hA unvererblich. 7. Konkurrenzfragen 12 a) Eine Heilbehandlung, die medizinisch indiziert ist und den Regeln der
medizinischen Wissenschaft entsprechend durchgeführt wird, erfüllt mangels eines tatbestandsmäßigen Unrechts kein Körperverletzungsdelikt nach §§ 83ff oder § 88. Das gilt selbst dann, wenn der Patient nicht eingewilligt hat oder die Behandlung misslungen ist (EBRV 241; Burgstaller WK2 § 83 Rz 30, Schick Arzthaftung 90f, Schmoller SbgK § 110 Rz 4ff; für Rechtfertigung Fuchs AT I 16. Kap Rz 43ff). War die Heilbehandlung aber eigenmächtig, haftet der Arzt nach § 110 Abs 1 (Bertel WK2 § 110 Rz 38, K/ Schr I § 110 Rz 42, L/St § 110 Rz 22). 13 b) Wurde die Heilbehandlung nicht lege artis durchgeführt, ist im Fall
ihres Misslingens § 88 anwendbar; war sie überdies eigenmächtig, ist der Täter nach § 88 und § 110 zu bestrafen (Bertel WK2 § 110 Rz 38, K/Schr I § 110 Rz 41, Lewisch BT I 116). 14 c) Behandlungen, die keine Heilbehandlungen sind (Rz 3f), sind bei feh-
lender Einwilligung und Eintritt einer Körperverletzung – auch wenn sie „gelingen“ – nach §§ 83ff strafbar. In diesem Fall tritt § 110 zurück (Schmoller SbgK § 110 Rz 29, 108; für echte Konkurrenz K/Schr I § 110 Rz 41, 8, L/St § 110 Rz 22).
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Strafbare Handlungen gegen die Ehre Schrifttum zu §§ 111–117: Berka, Die Freiheit der Kunst (Art 17a StGG) und ihre Grenzen im System der Grundrechte, JBl 1983, 281; ders, Aktuelle Probleme des Persönlichkeitsschutzes im Medienbereich, JRP 1996, 232; Berka/Höhne/Noll/Polley, Mediengesetz2 (2005); Brandstetter/Schmid, Mediengesetz2 (1999); Foregger, Ehrenbeleidigungen und Ehrenkränkungen (1957), ders, Ehrenschutz unter Hinblick auf die Massenmedien, 3. ÖJT 1967 Bd II/ 5, 7; Hager/Zöchbauer, Persönlichkeitsschutz im Straf- und Medienrecht4 (2000); Hanusch, Kommentar zum Mediengesetz (1998); Hartmann/Rieder, MedienG (1985); Hollaender, Der Wahrheitsbeweis und seine Grenzen, MuR 2006, 243; ders, Rechtswidrigkeitsvorwurf als üble Nachrede? MuR 2006, 353; Hubner, Der strafrechtliche Schutz der Ehre und der Privatsphäre, ZnStR II, 29; Kienapfel, Der rechtfertigende Notstand, ÖJZ 1975, 421; Korn, Die öffentliche Aufgabe des ORF unter dem Gesichtspunkt des Ehrenschutzes, RfR 1982, 1; Liehr, Ehrenbeleidigungen und Ehrenkränkungen, ÖVA 1976, 97; Litzka/Strebinger, Mediengesetz5 (2005); Löffler, Ehrenschutz unter Hinblick auf die Massenmedien, Gutachten zum 3. ÖJT 1967; Maleczky, Erziehung und Strafrecht3 (2003); Manquet, Einige Anmerkungen zum Urteil des OGH vom 18. 5. 1993, 11 Os 25/93-6, ÖJZ 1994, 196; Mayerhofer, Die Freiheit der Kunst und die Schranken des Strafrechts, ÖJZ 1986, 577; Nowakowski, Üble Nachrede oder Schmähung? ÖJZ 1955, 494; Ozlberger, Ehrenschutz und Medienstrafrecht2 (1997); Pallin, Persönlichkeitsschutz und Massenmedien, JBl 1972, 393; Platzgummer, Ehrenschutz unter Hinblick auf die Massenmedien, 3. ÖJT 1967 Bd II/5, 30; Probst, Vergleichsbehörde in der Strafgerichtsbarkeit, KrimSozBibl 1980 (28/29) 65; ders, Aspekte der privaten Beteiligung am Strafverfahren, StPG 14 (1986), 237; ders, Die strafprozessuale Stellung des Beleidigten im „Offizialverfahren“ nach § 117 (2) StGB, in: Sutter-FS (1983), 325; Proske, Der strafrechtliche Ehrenschutz im Lichte des Entwurfes eines Mediengesetzes, ÖJZ 1977, 1; Schmid, Ehrenbeleidigung: „Rechtfertigungslösung“ contra „Tatbestandslösung“, MR 1990, 122; ders, Grenzen der Meinungsfreiheit – fallbezogen erörtert, MR 1994, 2; Ratz, Schutz der freien Meinungsäußerung und Schutz vor ihr im Straf- und Medienrecht durch den OGH, ÖJZ 2007/81, 948; Schwaighofer, Die Beleidigungsfähigkeit periodischer Medien nach § 42 MedienG, MR 2001, 16; ders, Zum Ausschluss des Wahrheitsbeweises bei Privatanklagedelikten nach § 112 zweiter Satz StGB, MR 2001, 219; Swoboda, Zitate, MedienG und EMRK, MR 2003, 13; Steiner, Die Straßburger Rechtsprechung zu diffamierenden Werturteilen, in Karl/ Berka (Hrsg), Medienfreiheit, Medienmacht und Persönlichkeitsschutz (2008), 47; Triffterer/Schmoller, Die Freiheit der Kunst und die Grenzen des Strafrechts, ÖJZ 1993, 547, 573; Tschulik, Besondere Rechtfertigungs-, Entschuldigungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, ZnStR II, 135; Weiß, Zur straf- und medienrechtlichen Haftung für Ehrenbeleidigungen, MR 1990, 10; Zeiler, Persönlichkeitsschutz (1998); Zöchbauer, Grundfragen des Medienstrafrechts (1992); ders, Persönlichkeitsschutz und Mediengesetz-Novelle 1992, MR 1994, 42; ders, Sachliche Kritik und strafbare Handlungen gegen die Ehre, MR 1996, 46;
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§ 111
Strafbare Handlungen gegen die Ehre
ders, Erneut: Zum straflosen Werturteil, MR 1997, 5; ders, Zu den Grenzen der journalistischen Sorgfalt und des Redaktionsgeheimnisses, MR 1997, 186; ders, Die „Zitatenjudikatur“ – ein Zwischenbericht, MR 2001, 149; ders, Medieninhaltsdelikte im Internet, MR 2002, 363; ders, MedienG-Nov 2005 – Was ist neu? MR 2005, 164; ders, Der Wahrheitsbeweis und seine angeblichen Grenzen – eine Replik, MR 2007, 65.
Üble Nachrede § 111. (1) Wer einen anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung zeiht oder eines unehrenhaften Verhaltens oder eines gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigt, das geeignet ist, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen oder herabzusetzen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer die Tat in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begeht, wodurch die üble Nachrede einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (3) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Behauptung als wahr erwiesen wird. Im Fall des Abs. 1 ist der Täter auch dann nicht zu bestrafen, wenn Umstände erwiesen werden, aus denen sich für den Täter hinreichende Gründe ergeben haben, die Behauptung für wahr zu halten.
1. Rechtsgut „Ehre“; Tatobjekt 1 Die §§ 111ff schützen die Ehre eines Menschen im objektiven Sinn: Da-
runter versteht man das Ansehen, die Wertschätzung und die Achtung einer Person in der Gesellschaft (vgl RZ 1999/48). Opfer eines Ehrendelikts kann grundsätzlich nur eine natürliche Person sein; auch Kinder kommen in Betracht. An juristischen Personen und Kollektiven als solchen kann die Tat nicht begangen werden (s aber § 116 und § 283 Abs 2). Bei kleineren, eingrenzbaren Personenmehrheiten bis etwa 20 Personen (zB „die Bischofskonferenz“) kann aber jeder Einzelne in seiner Ehre verletzt werden; bei größeren Kollektiven ist zu prüfen, ob der Vorwurf nach den Umständen evt auf einige bestimmte Angehörige des Kollektivs (Anwesende) zu beziehen ist (Foregger WK2 Vorbem §§ 111–117 Rz 15, K/Schr I Vorbem §§ 111ff Rz 62ff, Lambauer SbgK Vorbem §§ 111ff Rz 26, 28). Der Täter schreibt in einer Zeitung: „Die Wiener SPÖ bleibt im Verdacht: Gelder nach Liechtenstein!“: Diese Kollektivanschuldigung kann auf die leitenden Funktionäre des Landesparteivorstands bezogen werden, nicht aber auf alle 70 Funktionäre der Wiener SPÖ (aM SSt 49/2 und auch Lewisch BT I 122): Sie
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sind ein zu großes Kollektiv, um eine persönliche Betroffenheit zu erzeugen. Vgl auch OLG Wien MR 1991, 144. Wenn der Täter in Gegenwart eines Rechtsanwalts alle Rechtsanwälte als Gauner bezeichnet und den Umständen nach vor allem den anwesenden meint, dann haftet er wegen übler Nachrede gegenüber diesem (vgl K/Schr I Vorbem §§ 111ff Rz 64).
2. Tathandlungen der üblen Nachrede A. Schmähung (§ 111 Abs 1 erster Fall). Der Täter zeiht einen anderen 2 einer verächtlichen Eigenschaft oder Gesinnung („Schmähung“), wenn er ihm Charaktermerkmale oder innere Einstellungen zuschreibt, die von einem wertverbundenen Menschen wegen ihrer diffamierenden Wirkung als untragbar empfunden werden, den anderen als schlechten, nichtswürdigen Menschen erscheinen lassen (vgl OLG Wien MR 1995/6). Entscheidend ist der Sinngehalt der Äußerung: Geht es dem Täter nicht um einen Charaktervorwurf, sondern um eine pauschale Herabsetzung, so liegt – trotz gleich lautender Äußerung – eine Beleidigung nach § 115 vor (vgl § 115 Rz 2ff; Lewisch BT I 123, 127). Der Täter schmäht, wenn er unsubstanziiert behauptet, ein Staatsanwalt sei korrupt, jemand sei ein Gauner, gehöre zur Mafia, sei ein Nazi (OLG Wien MR 1989/18) oder ein Rechtsextremist (EvBl 1981/94). S aber Rz 3. Keine Schmähung ist der Vorwurf, jemand sei lästig (EvBl 1976/131), unfähig, ein Querulant (Hager/Zöchbauer Persönlichkeitsschutz E 46), sei nicht parteitreu (RZ 1963, 129; K/Schr I § 111 Rz 14), gehöre einer Sekte an (OLG Innsbruck 8 Bs 546/93), habe einen Posten nur durch Protektion und nicht aufgrund seiner Qualifikation bekommen (OLG Wien MR 1995/6): Darin steckt nicht der Vorwurf, es handle sich um schlechte Menschen.
Kritik, also die persönliche Wertung von Handlungen, Arbeiten, (künst- 3 lerischen) Werken, Urteilen, politischen Entscheidungen und Äußerungen anderer, ist – auch aufgrund Art 10 EMRK – erlaubt, solange sie auf einem Sachverhalt aufbaut, der entweder mitgeteilt wird oder dem Empfänger bekannt ist („Werturteil“; Zöchbauer MR 1997, 7; OLG Wien MR 2001, 364). Unter diesen Voraussetzungen kann sie auch scharf, ja sogar schockierend sein. Das gilt besonders für Personen, die selbst öffentlich Kritik üben (zB Journalisten: OLG Wien MR 2003, 295 uam) oder im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehen (insb Politiker: ÖJZ-MRK 1991/15; OLG Wien MR 2005, 10, MR 2008, 287; K/Schr I Vorbem §§ 111ff Rz 21). Es handelt sich noch um erlaubte Kritik, wenn ein Journalist ein „Enthüllungsbuch“ über den Bundespräsidenten als „letztklassigen Kloakenjournalismus“
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bewertet; wenn ein Politiker einem anderen vorwirft, er agiere wie ein „wild gewordener Bluthund“ (MR 2008, 287). Auch wer die (wiedergegebenen) Äußerungen eines anderen als dumm, Unsinn oder „faschistoid“ (OLG Wien MR 2002, 284) bezeichnet, verwirklicht nicht den Tatbestand des § 111. Unter besonderen Voraussetzungen kann sogar die Bezeichnung eines anderen, der öffentlich eigenwillige Auffassungen vertreten hat, als „Trottel“ ein strafloses Werturteil darstellen (EGMR im Fall Oberschlick – Haider: ÖJZ-MRK 1997/29; idR wird es sich aber um eine strafbare Beleidigung handeln). S weiters Fall Oberschlick ÖJZ-MRK 1991/15 (für Strafbarkeit in diesem Fall der OGH MR 1992/15 = AnwBl 1992, 922 mit Anm von Graff); ÖJZ-MRK 2004/17, MR 2006, 355. 4 Hingegen wird § 111 erfüllt, wenn das Tatsachensubstrat fehlt und auch
nicht bekannt ist (EvBl 1993/173) oder wenn die Kritik den Sachverhalt verlässt und sich die Äußerungen – zB in unzulässiger Verallgemeinerung – als Angriffe gegen die Person darstellen („Schmähkritik“: Berka JRP 1996, 242; häufig auch „Wertungsexzess“ genannt: K/Schr I Vorbem §§ 111ff Rz 14f, Lambauer SbgK Vorbem §§ 111ff Rz 70ff, 28; 15 Os 6/ 08h = MR 2008, 180). Exakte Grenzen sind freilich nur schwer zu ziehen. S auch § 114 Rz 5ff. 5
Wer eine Politikerin, die für die Liberalisierung von Drogen eintritt, als „Süchtlerin“ bezeichnet, macht sich nach § 111 Abs 1 strafbar (aM MR 1996, 26). Das gleiche gilt für einen Journalisten, der in einem Artikel behauptet, ein Richter behandle jeden Angeklagten von vornherein so als wäre er bereits verurteilt und lege menschenverachtendes, schikanöses Verhalten an den Tag: Das ist eine unzulässige Verallgemeinerung (ÖJZ-MRK 1995/41).
6 B. Beschuldigung eines unehrenhaften Verhaltens (§ 111 Abs 1 zweiter
Fall). Der Täter wirft einem anderen konkret bestimmte unehrenhafte oder gegen die guten Sitten verstoßende Verhaltensweisen vor: ein Verhalten, das der herrschenden Vorstellung vom moralisch Richtigen so stark widerspricht, dass die soziale Wertschätzung darunter leidet (Foregger WK2 § 111 Rz 11ff, Lewisch BT I 123; EvBl 1987/126). Der Vorwurf einer vorsätzlich begangenen strafbaren Handlung ist regelmäßig tatbildlich (EBRV 245; JBl 1989, 596, OLG Wien MR 1998, 268; K/Schr I § 111 Rz 20); die Äußerung eines bloßen Tatverdachts genügt nicht (EvBl 1997/194: Beteiligung an Bombenattentaten), es sei denn er wird ohne Tatsachensubstrat herbeigeredet (OLG Wien MR 1998, 232; Ratz ÖJZ 2007/81, 952). 7
Der Täter behauptet, der Bürgermeister habe eine Bausache bewusst verzögert (OLG Innsbruck MR 1997, 74); ein Polizist habe ein Kind gestoßen und geschlagen (JBl 1984, 210); ein Rechtsanwalt habe Gelder veruntreut (SSt 53/21); ein
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Landesrat habe Schmiergeld genommen (JBl 2006, 739); ein Lehrer beschimpfe seine Schüler (JBl 1998, 62 mit Anm Ozlberger; s auch OLG Wien MR 2000, 218). Tatbildlich handelt auch, wer eine (sich nicht selbst dazu bekennenden) Person als homosexuell, schwul oder lesbisch bezeichnet: Dieser Vorwurf ist durchaus (noch) geeignet, das Ansehen herabzusetzen (15 Os 138/06t; Lambauer SbgK § 111 Rz 28; vgl SSt 55/3, MR 1995, 137). Der Vorwurf der Begehung von Verwaltungsübertretungen, des Nichtbezahlens von Schulden (OLG Wien MR 1998, 8) oder eines „Verhältnisses“ einer unverheirateten Frau mit einem anderen fällt im Allgemeinen nicht unter § 111 (K/ Schr I § 111 Rz 23; differenziert Lambauer SbgK § 111 Rz 35). Das OLG Wien konnte auch im (falschen) Vorwurf, ein Verdächtiger entziehe sich durch Vortäuschen einer Krankheit einem Gerichtstermin, nichts Ehrenrühriges erblicken (MR 2008, 7; dagegen kritisch Höhne MR 2008, 67 und Rami MR 2008, 179). Wer behauptet, Primarärzte „mögen“ chronisch kranke, nicht aber normale Patienten, wirft diesen gar kein Verhalten (s aber ÖJZ-MRK 1990/1) und wohl auch keine verächtliche Gesinnung vor.
C. Begehungsweisen. Das Zeihen (Abs 1 erster Fall) oder Beschuldigen (Abs 1 zweiter Fall) geschieht im Allgemeinen durch eine mündliche oder schriftliche Behauptung, mitunter auch auf subtilere Weise (zB Frage, Karikatur).
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Die Wiedergabe und Weiterverbreitung von Schmähungen und Beschuldigungen eines Dritten erfüllt ebenfalls das Tatbild des § 111 (sog „Rechtfertigungslösung“: OLG Wien MR 1988/16, MR 2002, 79, JBl 1989, 596; ebenso Schmid MR 1990, 122ff, Zöchbauer MR 1994, 44, Lewisch BT I 124, Swoboda, MR 2003, 13): Auch bei neutraler Wiedergabe wird die Rufschädigung dadurch erheblich verstärkt (zum Vorsatz s Rz 14). Die Gegenmeinung, die die Tatbestandsmäßigkeit hier verneint (L/St § 111 Rz 21, Weiß MR 1990, 10f; vgl K/Schr I Vorbem §§ 111ff Rz 39ff), steht im Widerspruch zu § 6 Abs 2 Z 4 MedG und engt den Anwendungsbereich des § 29 MedG unvertretbar ein. Zur Rechtfertigung („Zitatenjudikatur“) s § 114 Rz 7.
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3. Publizitätserfordernis A. Wahrnehmbarkeit. Strafbar ist die üble Nachrede nur, wenn sie in einer 10 für einen Dritten wahrnehmbaren Weise geschieht, insb in einer mündlichen oder schriftlichen an einen Dritten gerichteten Behauptung (JBl 2006, 739: E-Mail). Dass der Dritte den Vorwurf tatsächlich wahrgenommen hat, ist nicht erforderlich (K/Schr I § 111 Rz 25; vgl auch MR 1997, 205). 139
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Das Opfer der Schmähung braucht selbstverständlich nicht anwesend zu sein (EvBl 2005/198 = SSt 2005/57). Wahrnehmbarkeit für einen Dritten liegt vor, wenn sich ein Dritter in Hörweite befindet, auch wenn er nicht aufgepasst und die Äußerungen deshalb nicht verstanden hat; wenn ein Brief, der eine üble Nachrede enthält, der Sekretärin diktiert wird; wenn ein solcher Brief an eine Behörde adressiert wird, wo er von mehreren gelesen wird (K/Schr I § 111 Rz 26). 11 B. Gemeinsamer Vorwurf. An einem unbeteiligten Dritten fehlt es, wenn
mehrere Personen wegen eines gemeinsamen Verhaltens gleichzeitig durch ein und dieselbe Äußerung in ihrer Ehre angegriffen werden (Foregger WK2 § 111 Rz 25, K/Schr I § 111 Rz 29, L/St § 111 Rz 17). Sind die Vorwürfe trennbar, ist auch der „Mitbeleidigte“ Dritter. Wer seinem Steuerberater und seinem Rechtsanwalt wegen ihrer Honorarforderungen für den gemeinsam errichteten Vertrag vorwirft: „Sie sind beide Gauner!“, macht sich nicht nach § 111 strafbar. 12 C. „Beleidigungsfreie Intimsphäre“. Wer sich im engen Familienkreis
über Dritte abfällig äußert, macht sich nicht strafbar. Der hier stattfindende freie Meinungsaustausch entspringt dem natürlichen Mitteilungsbedürfnis und ist Bestandteil des Rechts auf Privat- und Familienleben (Art 8 EMRK; im Ergebnis ebenso Foregger WK2 § 111 Rz 27, K/Schr I Vorbem §§ 111ff Rz 45, L/St § 111 Rz 19; MR 1997, 205). Die Frau, die ihrem Mann erzählt, die (verheiratete) Nachbarin habe ein Verhältnis mit einem anderen; der Mann, der seiner Frau mitteilt, sein Vorgesetzter habe Gelder unterschlagen, machen sich nicht nach § 111 strafbar. 13 Hingegen genügt es für eine üble Nachrede, dass die nächsten Angehöri-
gen des „Beleidigten“ sie wahrnehmen können (Foregger WK2 § 111 Rz 26, K/Schr I § 111 Rz 31). Bloß wenn die Gefahr einer Rufschädigung den Umständen nach geradezu auszuschließen ist, ist das Verhalten nicht tatbildlich (vgl SSt 50/9). Die A behauptet gegenüber Frau B, sie hätte mit dem Ehemann der B eine Liebesbeziehung (vgl RZ 1999/48): A erfüllt das Tatbild des § 111.
4. Innere Tatseite 14 Der Täter muss den Vorsatz haben, (eine) bestimmte Person(en) in einer
für einen Dritten wahrnehmbaren Weise (Rz 10) zu schmähen oder zu be140
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schuldigen. Daran kann es bei der distanzierten Weitergabe von Schmähungen oder Beschuldigungen eines Dritten fehlen (s Rz 9). Am Publizitätsvorsatz fehlt es, wenn ein beleidigender Brief an jemanden persönlich gerichtet wird, selbst wenn der Empfänger den Brief einer dritten Person zeigt. Hier kommt nur eine Ehrenkränkung (Verwaltungsübertretung nach den Landespolizeigesetzen) in Betracht.
5. Die Qualifikation nach § 111 Abs 2 Die üble Nachrede ist mit strengerer Strafe bedroht, wenn sie qualifiziert 15 öffentlich begangen wird, nämlich in einem Druckwerk (Zeitung, Postwurfsendung), im Rundfunk oder sonst auf eine Weise, wodurch sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird: zB Verbreitung über das Internet (vgl JBl 2002, 605 mit Anm Kert), durch Massen-E-Mails (vgl OLG Wien MR 2003, 81), Plakatierung an belebten Orten (EvBl 1989/146), verbale Behauptungen bei Großveranstaltungen. Meist handelt es sich um ein Medieninhaltsdelikt (s § 112 Rz 6, § 114 Rz 6ff). Der Vorsatz des Täters muss sich auch auf die Öffentlichkeit beziehen 16 (MR 2005, 369). Wer einen Vorwurf in einem vertraulichen E-Mail erhebt, haftet nur nach Abs 1, auch wenn das E-Mail vom Empfänger auf seiner Homepage veröffentlicht wird (JBl 2006, 739). 6. Straflosigkeit der üblen Nachrede A. Zur Rechtfertigung s bei § 114.
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B. Zum Wahrheitsbeweis und zum Beweis des guten Glaubens (§ 111 Abs 3) s bei § 112. 7. Abgrenzung und Konkurrenz A. Wer durch einen Vorwurf eine Verleumdung begangen hat, haftet nur 18 nach § 297. Die üble Nachrede ist ihr gegenüber subsidiär (SSt 48/97, EvBl 1978/117). B. Zur Abgrenzung zur Beschimpfung § 115 Rz 1f. C. § 113 ist gegenüber § 111 lex specialis (L/St § 111 Rz 33). D. Mit der Kreditschädigung (§ 152) kann die üble Nachrede echt konkurrieren. 141
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Wahrheitsbeweis und Beweis des guten Glaubens § 112. Der Wahrheitsbeweis und der Beweis des guten Glaubens sind nur aufzunehmen, wenn sich der Täter auf die Richtigkeit der Behauptung oder auf seinen guten Glauben beruft. Über Tatsachen des Privat- oder Familienlebens und über strafbare Handlungen, die nur auf Verlangen eines Dritten verfolgt werden, sind der Wahrheitsbeweis und der Beweis des guten Glaubens nicht zuzulassen.
1. Der Wahrheitsbeweis 1 Der Täter einer üblen Nachrede (§ 111 Abs 1 und Abs 2) bleibt straflos,
wenn es ihm gelingt, die Wahrheit seiner Vorwürfe zu beweisen (sachlicher Strafausschließungsgrund: SSt 51/12). Der Täter muss das Gericht davon überzeugen, dass die inkriminierten Vorwürfe ihrem wesentlichen Inhalt nach wahr sind (Foregger WK2 § 112 Rz 9, L/St § 111 Rz 29): Beim Verhaltensvorwurf (§ 111 Rz 6ff) muss er beweisen, dass das Opfer dieses Verhalten tatsächlich an den Tag gelegt hat; bei der Schmähung (§ 111 Rz 2ff) muss er Tatsachen beweisen, die den erhobenen Charaktervorwurf berechtigt erscheinen lassen (RZ 1996/16, MR 2002, 378; K/Schr I § 112 Rz 8f). Das Werturteil selbst ist einem Wahrheitsbeweis natürlich nicht zugänglich (EvBl 1993/173, EGMR ÖJZ-MRK 2006/15; Lambauer SbgK § 112 Rz 8, 11). Ein Journalist berichtet in der Zeitung, zwei Männer hätten durch vorgetäuschte Verkehrsunfälle 100.000 € ergaunert. Der Wahrheitsbeweis ist gelungen, auch wenn der Betrug teilweise beim Versuch geblieben ist und der Schaden nur 80.000 € betrug (OLG Wien MR 1994/5). In einer Zeitung heißt es: „Die wegen Anstiftung zum Mord zu zweieinhalb Jahren verurteilte . . .“; in Wahrheit wurde die Frau „nur“ wegen Bestimmung zur absichtlichen schweren Körperverletzung nach §§ 12, 87 Abs 1 verurteilt: Der Wahrheitsbeweis ist nicht gelungen, auch wenn das Strafausmaß stimmt (vgl MR 1997, 72). Wer einen anderen unsubstanziiert als „Nazi“ bezeichnet, muss insb auch die damit verknüpfte innere Einstellung des Betreffenden beweisen. Der Beweis, dass dieser alte Orden aus der NS-Zeit sammelt, reicht für den Wahrheitsbeweis nicht aus (s auch § 114 Rz 6). Wer einen anderen einen „Verleumder“ nennt, muss auch dessen Vorsatz auf die falsche Bezichtigung beweisen.
2. Der Beweis des guten Glaubens 2 Durch den Gutglaubensbeweis kann der Täter trotz objektiver Unrichtig-
keit seiner Vorwürfe Straffreiheit erlangen. Hiefür muss er nachweisen, 142
Wahrheitsbeweis und Beweis des guten Glaubens
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dass er im Zeitpunkt der Erhebung des Vorwurfs subjektiv an dessen Richtigkeit glaubte und dass dafür objektiv hinreichende Gründe vorlagen, so dass auch ein wertverbundener Dritter zu diesem Urteil hätte gelangen können (persönlicher Strafausschließungsgrund: EvBl 1980/196; EBRV 246; Mayerhofer § 111 Anm 10). Gem § 111 Abs 3 führt der Gutglaubensbeweis nur im Fall des § 111 Abs 1 zur Straflosigkeit, nicht aber bei qualifiziert öffentlicher Begehungsweise (vgl EvBl 1989/146); doch gilt für Medieninhaltsdelikte § 29 Abs 1 MedG (s Rz 7). 3. Voraussetzungen der Beweisaufnahme A. „Vorrang“ der Rechtfertigung nach § 114. Wenn die üble Nachrede 3 nach § 114 gerechtfertigt ist, erübrigt sich der Beweis der Wahrheit bzw des guten Glaubens. B. Die Beweisaufnahme. Nach hM muss der Täter den Wahrheits- oder 4 Gutglaubensbeweis bereits in erster Instanz anbieten (SSt 58/75; Zöchbauer MR 2007, 65, Lambauer SbgK § 112 Rz 36f mwN) – was nicht überzeugt, weil es bei der Schuldberufung kein Neuerungsverbot gibt. Wenn sich der Täter darauf beruft, muss das Gericht von Amts wegen entsprechende Nachforschungen anstellen. Weil aber das Misslingen des Beweises zur Verurteilung des Täters führt, liegt es natürlich in seinem größten Interesse, dem Gericht selbst entsprechende Beweise vorzulegen: Zweifel gehen hier ausnahmsweise zu Lasten des Täters. C. Einschränkungen. Tatsachen des Privat- und Familienlebens und Um- 5 stände, derentwegen ein Dritter Privatanklage erheben könnte (JBl 1998, 62 mit Anm Ozlberger) dürfen nicht zum Gegenstand des Wahrheits- und Gutglaubensbeweises gemacht werden: Ihr Vorwurf ist somit grundsätzlich (s aber Rz 7) strafbar, selbst wenn die Behauptungen stimmen: Niemand soll höchstpersönliche Dinge anderer weiterverbreiten (EvBl 2001/ 107; Schwaighofer MR 2002, 220f). 4. Medieninhaltsdelikte Anstelle der §§ 111 Abs 3 und 112 StGB gilt im Medienbereich § 29 MedG 6 (§ 29 Abs 4 MedG). Danach ist eine üble Nachrede in einem Medium nicht nur bei erbrachtem Wahrheitsbeweis straflos, sondern auch, wenn ein überwiegendes Interesse der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung bestand und die gebo143
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Strafbare Handlungen gegen die Ehre
tene journalistische Sorgfalt (der Sache nach ein Beweis des guten Glaubens) aufgewendet wurde (§ 29 Abs 1 MedG): Sie verlangt eine hinreichende Recherche, Ausgewogenheit der Darstellung und das Anhören der Gegenseite (näher Hartmann/Rieder Mediengesetz 181f uam; OLG Wien MR 2004, 240). Hinsichtlich des höchstpersönlichen Lebensbereichs ist zwar der Beweis der journalistischen Sorgfalt ausgeschlossen (§ 29 Abs 1 letzter Satz MedG); der Wahrheitsbeweis ist aber zulässig und führt zur Straffreiheit, wenn die Behauptung „in unmittelbarem Zusammenhang mit dem öffentlichen Leben“ steht (näher dazu OLG Wien MR 2005, 232, JBl 1998, 62 mit Anm Ozlberger). Eine restriktive Auslegung ist hier dringend geboten (K/Schr I § 112 Rz 18; kritisch auch Lewisch BT I 131). 7 Die Rsp ist recht großzügig, was die Rechtfertigung übler Nachreden be-
trifft (§ 114 Rz 5ff). Dadurch bleibt für § 112 StGB und § 29 MedG kaum ein Anwendungsbereich.
Vorwurf einer schon abgetanen gerichtlich strafbaren Handlung § 113. Wer einem anderen in einer für einen Dritten wahrnehmbaren Weise eine strafbare Handlung vorwirft, für die die Strafe schon vollzogen oder wenn auch nur bedingt nachgesehen oder nachgelassen oder für die der Ausspruch der Strafe vorläufig aufgeschoben worden ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. 1 A. Schutzbereich. Um seine Resozialisierung nicht zu gefährden, darf
einem Rechtsbrecher, der wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung bereits abgeurteilt wurde, seine Verfehlung nicht wieder vorgehalten werden (EBRV 247). Geschützt sind rechtskräftig verurteilte Personen, sofern die verhängte Strafe bereits vollzogen (vollständige Verbüßung bzw Bezahlung der Strafe), bedingt nachgesehen (bedingte Strafnachsicht oder Entlassung) oder erlassen (endgültige Nachsicht der Strafe oder des Strafrestes, Amnestie, Begnadigung) oder der Strafausspruch für eine Probezeit vorbehalten worden ist (§ 13 JGG). Der Vorwurf einer strafbaren Handlung, die diversionell erledigt wurde, fällt nicht unter § 113. Nachvollziehbar ist das nicht (K/Schr I § 113 Rz 10, Lambauer SbgK § 113 Rz 6). 2 B. Tathandlung. § 113 verlangt den Vorwurf einer strafbaren Handlung,
dh ein tadelndes „Zeihen“ oder „Beschuldigen“ (vgl § 111 Rz 8). Dies 144
Straflosigkeit wegen Ausübung eines Rechtes
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kann durch die Nennung des betreffenden Delikts geschehen, aber etwa auch durch unmissverständliche Anspielungen auf die Verbüßung einer Freiheitsstrafe („Wie war der Urlaub in Stein?“: vgl Foregger WK2 § 113 Rz 3f; NRsp 1991/179). Die Anwesenheit des Verletzten ist hiezu nicht erforderlich (EBRV 247; EvBl 1989/78, OLG Innsbruck 7 Bs 101/95; Mayerhofer § 113 Anm 3, K/Schr I § 113 Rz 4). Nach jüngerer Rsp ist auch § 113 im Licht des Rechts auf freie Meinungsäußerung (Art 10 EMRK) auszulegen (EGMR im Fall Schwabe ÖJZ 1993, 67): Im Zusammenhang mit der kritischen Beurteilung einer (im öffentlichen Leben stehenden) Person sei auch die Erwähnung von Vorstrafen zulässig (OLG Wien MR 2003, 295; krit Mayerhofer § 113 Anm 4). Damit bleibt vom Tatbestand des § 113 nicht mehr viel übrig (K/ Schr I § 113 Rz 6f), obwohl in besonderen Fällen ohnehin Rechtfertigung nach § 114 in Betracht käme (§ 114 Rz 6f). C. Publizität. Wie die üble Nachrede muss die Tat in einer für einen Drit- 3 ten wahrnehmbaren Weise begangen werden (s § 111 Rz 10ff). D. Innere Tatseite. Der Vorsatz des Täters muss auf ein Tadeln des Betrof- 4 fenen gerichtet sein (OLG Wien MR 1990/9). E. Kein Wahrheitsbeweis; Abgrenzung. § 113 pönalisiert wahre Behaup- 5 tungen; einen Wahrheitsbeweis kann es daher nicht geben. Wer einem anderen eine strafbare Handlung vorwirft, derentwegen er (noch) nicht rechtskräftig verurteilt, freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt worden ist, begeht eine üble Nachrede nach § 111, für die der Wahrheits- und Gutglaubensbeweis zulässig ist (vgl § 112 Rz 1ff; EBRV 247).
Straflosigkeit wegen Ausübung eines Rechtes oder Nötigung durch besondere Umstände § 114. (1) Wird durch eine im § 111 oder im § 113 genannte Handlung eine Rechtspflicht erfüllt oder ein Recht ausgeübt, so ist die Tat gerechtfertigt. (2) Wer durch besondere Umstände genötigt ist, eine dem § 111 oder dem § 113 entsprechende Behauptung in der Form und auf die Weise vorzubringen, wie es geschieht, ist nicht zu bestrafen, es sei denn, dass die Behauptung unrichtig ist und der Täter sich dessen bei Aufwendung der nötigen Sorgfalt (§ 6) hätte bewusst sein können.
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I. Der Rechtfertigungsgrund nach § 114 Abs 1 1 Nach § 114 Abs 1 ist gerechtfertigt, wer eine in § 111 oder § 113 genannte
Handlung in Erfüllung einer Rechtspflicht oder Ausübung eines Rechts begeht. Wer gerechtfertigt ist, braucht den Wahrheitsbeweis nicht anzutreten (EvBl 1981/51, 56, SSt 48/97; s § 112 Rz 3). 1. Erfüllung einer Rechtspflicht 2 Rechtspflichten iSd § 114 sind vor allem die Aussagepflicht von Zeugen,
Parteien, Auskunftspersonen und Sachverständigen, dienstrechtliche Meldepflichten sowie die Anzeigepflicht der Behördenleiter nach § 78 StPO (näher Schwaighofer WK-StPO § 78 Rz 3ff). Auch die Pflicht des Richters und des Beamten zur Begründung von Entscheidungen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) und die Pflicht des Rechtsanwalts zur Parteilichkeit gehören hierher (§ 9 RAO; Foregger WK2 § 114 Rz 3). Die in Rz 4 genannten Einschränkungen gelten hier entsprechend. Eine Frau gibt als Auskunftsperson im Außerstreitverfahren an, ihre Schwiegertochter habe sich an ihrem Sohn sexuell vergangen (vgl SSt 52/62); der Richter bezeichnet einen Zeugen als übel beleumundet und daher unglaubwürdig; der Verteidiger bezichtigt einen Belastungszeugen der Lüge: Sie alle sind nach § 114 Abs 1 gerechtfertigt.
2. Ausübung eines Rechts 3 A. Recht auf Anzeige, Verteidigung.
a) Ein Recht übt aus, wer bei einer Strafverfolgungsbehörde, einer Disziplinar-, Aufsichts- oder Standesbehörde Anzeige erstattet (vgl § 80 Abs 1 StPO, § 13 Abs 1 AVG; Schwaighofer WK-StPO § 80 Rz 2ff); wer eine Dienstbeschreibung über seine Untergebenen verfasst; wer Privatanklage erhebt; wer sich in einem Prozess gegen Vorwürfe verteidigt. Der Vater, der in einer Anzeige (nicht wider besseres Wissen) behauptet, ein Polizist habe seinen Sohn gestoßen und geschlagen (JBl 1984, 210), und der Verteidiger, der einem Zeugen Vorstrafen vorhält, um dessen Glaubwürdigkeit zu erschüttern (MR 1988/22), üben ein Recht aus. 4 b) Einschränkungen: Der Täter ist nach § 114 Abs 1 nur gerechtfertigt,
wenn die ehrverletzende Äußerung objektiv notwendig oder der Sache zumindest dienlich und zweckmäßig sein kann (15 Os 85/07z = SSt 2007/ 67). Subjektiv darf die Anschuldigung nicht wider besseres Wissen erho146
Straflosigkeit wegen Ausübung eines Rechtes
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ben werden (13 Os 117/94, EvBl 2001/107; Lambauer SbgK § 114 Rz 5; s aber unten). Die Partei im Zivilprozess bleibt straflos, solange sie ihren Gegner bloß bedingt vorsätzlich falsch beschuldigt (EvBl 1994/20). Ein Beschuldigter hingegen darf im Rahmen seines Verteidigungsrechts einen Zeugen sogar wissentlich falsch der Lüge bezichtigen und bleibt dennoch straflos (SSt 52/62, 38/32; K/Schr I § 114 Rz 14). Ein Rechtsanwalt, der in einem Zivilprozess zum Beweis der Unbrauchbarkeit eines Gutachtens den Sachverständigen im guten Glauben als „egozentrisch, rechthaberisch, nicht objektiv, ungeeignet als Gutachter“ bezeichnet und behauptet, „er begehe auch anderswo Aggressionsakte“, hat mit dem Vorwurf von Aggressionsakten die Grenzen des Notwendigen wohl überschritten (aM EvBl 1981/51).
B. Rechtfertigung durch Wahrnehmung berechtigter Interessen. Nach 5 einem Teil der Lehre und Rsp ist Rechtfertigung auch durch Wahrnehmung berechtigter Interessen möglich: Das Interesse muss anerkannt, der Eingriff in die Ehre muss erforderlich sein und sich im Rahmen des Angemessenen halten (K/Schr I § 114 Rz 23ff; OLG Wien MR 1990/9, 1991/5). a) Recht auf freie Meinungsäußerung (Art 13 StGG, Art 10 EMRK). 6 Wegen der großzügigen Auslegung der §§ 111 und 113 im Licht des Art 10 EMRK, die auch die Voraussetzungen des § 29 MedG weitgehend unterläuft, bleibt nach der Rsp nur mehr wenig Raum für eine Rechtfertigung: Kritik ist ja grundsätzlich erlaubt; nur Vorwürfe ohne Tatsachensubstrat und „Schmähkritik“ sind tatbildlich nach § 111 (s § 111 Rz 3f und § 113 Rz 2). Derartiges ist aber nicht im Informationsinteresse der Öffentlichkeit, weshalb Rechtfertigung nach § 114 Abs 1 in diesen Fällen nicht in Betracht kommt (ebenso L/St § 114 Rz 6; vgl auch K/Schr I § 114 Rz 21ff). Wer einem anderen fälschlich ein unehrenhaftes Verhalten vorwirft, sollte nur straflos bleiben, wenn er wenigstens mit hinreichender Sorgfalt recherchiert hat (vgl § 112 Rz 6): Das Recht auf freie Meinungsäußerung erlaubt keine leichtfertig angenommenen oder gar wissentlich unwahren Behauptungen (vgl Proske ÖJZ 1977, 5). b) Zitatenjudikatur. Eine Rechtfertigung nach Art 10 EMRK kommt bei 7 der Weiterverbreitung ehrenrühriger Äußerungen Dritter (§ 111 Rz 9) in Betracht: Das Zitat muss korrekt sein, neutral wiedergegeben werden, und das Interesse an der Weiterverbreitung muss das Interesse des Verletzten am Schutz seines guten Rufes überwiegen (vgl § 6 Abs 2 Z 4 MedG; 147
§ 114
Strafbare Handlungen gegen die Ehre
Schmid MR 1990, 123, Zöchbauer MR 1994, 44, Ozlberger Ehrenschutz 49ff, Litzka/Strebinger MedienG § 6 Rz 19). Im Allgemeinen muss sich der Verbreiter erkennbar und ernsthaft vom Vorwurf distanzieren. Die Ausstrahlung oder der Abdruck eines Interviews (s MR 1992/ 14) oder eines Leserbriefs oder die sachliche Wiedergabe einer (falschen) amtlichen Presseaussendung (OLG Graz MR 1995/11; JBl 1989, 596 mit Anm von Kienapfel) stellt bereits für sich eine hinreichende Distanzierung dar (s aber OLG Wien MR 2003, 373: verkürzte und dadurch verzerrende Zitierung). 8 c) Die Freiheit der Wissenschaft und Lehre und der Kunst. Auch diese
beiden Grundrechte (Art 17 und 17a StGG) können ehrenrührige Angriffe gegen andere rechtfertigen, sofern das Interesse an der Wissenschafts- bzw Kunstfreiheit das Interesse des Einzelnen am Schutz seiner Ehre überwiegt (vgl dazu Berka JBl 1983, 291f, Mayerhofer ÖJZ 1986, 579f). Schmähungen (§ 111 Abs 1 erster Fall) und Beschimpfungen lassen sich aber mit dem Begriff der Wissenschaft nicht vereinbaren (OLG Wien MR 1995/5, EvBl 1981/94; L/St § 114 Rz 6). Kunst setzt nach der Rsp erkennbares, ernsthaftes künstlerisches Streben voraus (OLG Wien MR 1992, 17, 19; wesentlich hilfreicher sind die Kriterien bei Triffterer/Schmoller ÖJZ 1993, 550). Die leicht auf eine lebende Person zu beziehenden Verunglimpfungen in Thomas Bernhards Roman „Holzfällen“ sind auch nicht durch die Freiheit der Kunst gerechtfertigt (OLG Wien MRA 1985 H 1, 9; ebenso K/Schr I § 114 Rz 27; vgl hingegen OLG Wien MR 1986/1; Mayerhofer ÖJZ 1986, 579f). 9 C. Parlamentsberichterstattung. Durch wahrheitsgetreue Berichte über
öffentliche Sitzungen des Nationalrats, Bundesrats, Landtags und der Ausschüsse kann sich nach § 30 MedG niemand strafbar machen.
II. Straflosigkeit nach § 114 Abs 2 10 Nach § 114 Abs 2 ist nicht zu bestrafen, wer durch besondere Umstände
zu einer Straftat nach § 111 oder § 113 genötigt ist und die ehrverletzende Behauptung in angemessener Weise vorbringt (Entschuldigungsgrund: MR 1997, 83; K/Schr I § 114 Rz 34). Die Bestimmung hat kaum praktische Bedeutung.
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Beleidigung
§ 115
Beleidigung § 115.
(1) Wer öffentlich oder vor mehreren Leuten einen anderen beschimpft, verspottet, am Körper misshandelt oder mit einer körperlichen Misshandlung bedroht, ist, wenn er deswegen nicht nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Eine Handlung wird vor mehreren Leuten begangen, wenn sie in Gegenwart von mehr als zwei vom Täter und vom Angegriffenen verschiedenen Personen begangen wird und diese sie wahrnehmen können. (3) Wer sich nur durch Entrüstung über das Verhalten eines anderen dazu hinreißen lässt, ihn in einer den Umständen nach entschuldbaren Weise zu beschimpfen, zu misshandeln oder mit Misshandlungen zu bedrohen, ist entschuldigt, wenn seine Entrüstung, insbesondere auch im Hinblick auf die seit ihrem Anlass verstrichene Zeit, allgemein begreiflich ist.
1. Allgemeines Bei der Beleidigung vermittelt der Täter keine negativen Informationen 1 über den Charakter oder Gesinnungen, sondern gibt allgemein seine Missachtung kund (§ 111 Rz 2). Das Gesetz zählt vier verschiedene Begehungsweisen auf und verlangt eine größere Publizität als für die üble Nachrede. Weil in der Beleidigung kein Vorwurf enthalten ist, gibt es keinen Beweis der Wahrheit oder des guten Glaubens. In engen Grenzen können Beschimpfungen und Verspottungen als Ausdruck des Rechts auf freie Meinungsäußerung gem Art 10 EMRK angesehen werden und den Tatbestand ausschließen (Lambauer SbgK § 115 Rz 19; s Rz 2). Eine Rechtfertigung kommt nur sehr eingeschränkt in Frage (Rz 11); dafür gibt es einen speziellen Entschuldigungsgrund (§ 115 Abs 3; Rz 12ff). 2. Die Begehungsformen der Beleidigung nach § 115 Abs 1 A. Beschimpfen kann man einen anderen durch beleidigende Worte oder 2 Handlungen: Ihre Bedeutung kann je nach dem Milieu und der Art und Weise des Vorbringens verschieden sein. Wer Polizisten anschreit: „Ihr Scheißbullen!“ (ZVR 1985/149); zu einem anderen sagt: „Du bist der ärgste Trottel!“ (JBl 1984, 212) oder ihn „Scheiß-Neger“ (EvBl 2004/105) „Schwein“, „Arschloch“, „Fettsau“, „Nazi“ und dgl nennt, beschimpft (EvBl 1992/197). Nach Ansicht des OLG Wien stellt die Bezeichnung anderer als „seelenhygienisch heruntergekommene Politemporkömmlinge“ eine
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§ 115
Strafbare Handlungen gegen die Ehre
Beschimpfung dar (MR 2002, 79). Die Bezeichnung eines Spitzenfunktionärs einer Partei in einer Karikatur als „Arsch mit Ohren“ könnte noch durch Art 10 EMRK gedeckt sein (15 Os 10/08x = MR 2008, 239). 3 Bloße Unhöflichkeiten oder Grobheiten – mögen sie auch krass sein – fal-
len nicht unter § 115 Abs 1 (Foregger WK2 § 115 Rz 10; vgl K/Schr I Vorbem §§ 111ff Rz 36). Äußerungen wie „Leck mich am Arsch!“, „Rutschen Sie mir den Buckel herunter!“ (aM Foregger WK2 § 115 Rz 8), „Bist deppat?“, unberechtigtes Duzen, das Zeigen des Vogels und Herausstrecken der Zunge sind straflose Unhöflichkeiten (ebenso Lambauer SbgK § 115 Rz 15, Lewisch BT I 127).
4 B. Verspotten heißt einen anderen lächerlich machen und ihn dadurch in
der öffentlichen Meinung herabsetzen. Das geschieht häufig dadurch, dass man bestimmte Eigenschaften, das Aussehen oder Gebrechen eines anderen, die an sich die Ehre nicht mindern, übersteigert hervorhebt (vgl EvBl 1970/ 385). Strafbar macht sich zum Beispiel, wer einen Stotterer übertrieben nachmacht (Foregger WK2 § 115 Rz 12). Die Bezeichnung eines anderen als „Brockn“ ist keine Verspottung (vgl EvBl 2003/86). 5 Witze, Karikaturen und Parodien dienen geradezu der Unterhaltung
durch Spott. Bei deren strafrechtlicher Beurteilung ist Zurückhaltung geboten; Verspottung liegt erst vor, wenn die Karikatur usw geradezu als gehässig anzusehen ist. Geschmacklosigkeiten genügen nicht. Maßgeblich ist die Auffassung eines Lesers oder Zuhörers, der sich geistig auch mit den Zusammenhängen befasst und der Darbietung insgesamt verständnisvoll gegenübersteht (vgl OLG Wien MR 1986/1): Was bloß lachen macht, aber nicht lächerlich, ist keine Verspottung (OLG Wien MR 1992/16). Die Darstellung eines bestimmten Offiziers als uniformiertes Schwein bzw uniformierter Esel erregt nicht bloß Heiterkeit, sondern macht den Betroffenen lächerlich (vgl SSt 48/13, OLG Wien MR 1996/5). Die zeichnerische Darstellung eines Schauspielers ohne Haare ist hingegen höchstens geschmacklos, aber nicht gehässig (EvBl 1998/90).
6 C. Misshandlung am Körper iSd § 115 ist eine Einwirkung auf den Kör-
per eines anderen, die das Wohlbefinden nicht unerheblich beeinträchtigt, ohne dass ein Erfolg iSd § 83 Abs 1 (s § 83 Rz 1ff) eintritt. Gegenüber einer Körperverletzung nach § 83 Abs 1 oder 2 ist die Beleidigung aus150
Beleidigung
§ 115
drücklich subsidiär. Die Beleidigung braucht nicht die Qualität einer Misshandlung iSd § 83 Abs 2 zu erreichen (vgl § 83 Rz 7f), muss aber aufgrund der Art und Umstände der Begehung einen entehrenden Gehalt haben (Foregger WK2 § 115 Rz 13, 17, K/Schr I § 115 Rz 12). Der Täter gibt einem anderen eine Ohrfeige oder einen Fußtritt ins Gesäß (SSt 33/54), reißt ihn an den Haaren, spuckt ihm ins Gesicht, bewirft ihn mit einer Torte, Tomaten oder faulen Eiern, schlägt ihm eine Speisekarte um die Ohren (EvBl 1974/229). Bloßes Wegschieben oder Drängen ist keine Misshandlung (vgl SSt 33/54). Wer einem Polizisten die Dienstmütze vom Kopf schlägt, beeinträchtigt nicht dessen körperliches Wohlbefinden (Lewisch BT I 127, Lambauer SbgK § 115 Rz 28; aM K/Schr I § 115 Rz 12).
D. Bedrohung mit einer körperlichen Misshandlung. Mit einer körperlichen Misshandlung droht, wer einem anderen eine der in Rz 6 geschilderten Einwirkungen auf den Körper in Aussicht stellt. Auch gefährlicher klingende Drohungen, denen jedoch die Eignung, begründete Besorgnis zu erwecken (§ 105 Rz 10f), fehlt, können nach § 115 Abs 1 tatbildlich sein (Foregger WK2 § 115 Rz 16). Ganz unbestimmte Drohungen („Wehe dir!“) sind überhaupt straflos (K/Schr I § 115 Rz 13).
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3. Mindestpublizität Die Beleidigung ist nach § 115 Abs 1 nur strafbar, wenn sie öffentlich oder vor mehreren Leuten erfolgt. Dieser Umstand muss vom Vorsatz des Täters umfasst sein. Andernfalls liegt nur eine Ehrenkränkung nach den Landespolizeigesetzen vor.
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A. Öffentlichkeit setzt nach § 69 unmittelbare Wahrnehmbarkeit von einem größeren Personenkreis, das sind mindestens zehn Personen, voraus (vgl Fabrizy § 69 Rz 2; L/St § 69 Rz 3 und Zagler BT § 115 Rz 12 lassen „unter Umständen“ auch acht, Jerabek WK2 § 69 Rz 2 gar sechs genügen).
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B. Vor mehreren Leuten verlangt die Gegenwart von mindestens drei 10 unbeteiligten, vom Täter und Angegriffenen verschiedene Personen, die die Beleidigung wahrnehmen können (§ 115 Abs 2). Bloß sukzessive Wahrnehmung genügt nicht. Dass sie die Beleidigung tatsächlich nicht wahrgenommen haben, weil sie zB in ein Gespräch vertieft waren, ist unerheblich (Foregger WK2 § 115 Rz 4; s § 111 Rz 10). Wer aber bewusst so leise spricht, dass höchstens zwei am gleichen Tisch sitzende Gäste die Beleidigung hören können, handelt mangels Vorsatzes nicht tatbildlich, mag auch ein Dritter lauschen. 151
§ 115
Strafbare Handlungen gegen die Ehre
Wer alle Anwesenden einer geschlossenen Stammtischrunde als „Schweine“ beschimpft, handelt in Ermangelung unbeteiligter Dritter nicht vor mehreren Leuten (L/St § 115 Rz 9f; Foregger WK2 § 115 Rz 3 und K/Schr I § 115 Rz 16 nehmen hier Öffentlichkeit an). S auch § 117 Rz 4.
4. Rechtfertigung 11 Selbst wenn man eine analoge Anwendbarkeit des § 114 bejaht (so zB K/
Schr I § 115 Rz 20 in Grenzfällen), wird es regelmäßig am berechtigten Interesse des Ehrverletzers fehlen (Zöchbauer MR 1994, 44). 5. Entrüstungsbeleidigung 12 Nach § 115 Abs 3 ist entschuldigt, wer sich nur durch eine allgemein be-
greifliche Entrüstung über das Verhalten eines anderen zu einer Beschimpfung, Misshandlung oder Drohung mit Misshandlung hinreißen lässt. § 115 Abs 3 ist analog auch auf Verspottungen anzuwenden (K/Schr I § 115 Rz 28, Lambauer SbgK § 115 Rz 39; aM Foregger WK2 § 115 Rz 18). 13 Die Entrüstung muss allgemein begreiflich sein, dh auch ein rechtstreuer
Mensch hätte sich über das Verhalten des anderen sehr erregt bzw wäre zum Zeitpunkt, als der Täter handelte, noch so erregt gewesen (Fabrizy § 115 Rz 3; vgl auch § 76 Rz 3). Die Reaktion des Täters (die Beschimpfung, Misshandlung bzw Drohung) muss in einer den Umständen nach entschuldbaren Weise erfolgen: Sie muss im Vergleich zum Anlass angemessen sein. Der Gastwirt, dem die Kellnerin mitteilt, ein Gast habe seine Preise kritisiert, und der daraufhin in aller Ruhe einen Rundgang durch das Lokal macht und dem unangenehmen Gast die Speisekarte um die Ohren schlägt, ist nicht entschuldigt (EvBl 1974/229): Selbst wenn die Kritik ihm persönlich gegenüber geäußert worden wäre und er sofort zugeschlagen hätte, fehlte es an der allgemeinen Begreiflichkeit seiner Entrüstung. Eine Ehefrau beobachtet, dass sich ihr Mann mit einer anderen Frau trifft. Einige Zeit später passt sie die Rivalin am Bahnhof ab und hält ihr ehestörerische Beziehungen vor. Auf die Bemerkung: „Was wollen Sie von mir, lassen Sie mich in Ruhe, Sie sind ja nicht normal!“ versetzt sie der Rivalin drei Ohrfeigen (EvBl 1966/391). Sie ist nicht nach § 115 Abs 3 entschuldigt: Die Beobachtung war für eine Entrüstung zu vage, sie lag schon einige Zeit zurück, und die Bezeichnung „Sie sind ja nicht normal!“ hätte einen Durchschnittsmenschen nicht dermaßen erregt.
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Öffentliche Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers
§ 116
Öffentliche Beleidigung eines verfassungsmäßigen Vertretungskörpers, des Bundesheeres oder einer Behörde § 116. Handlungen nach dem § 111 oder dem § 115 sind auch strafbar, wenn sie gegen den Nationalrat, den Bundesrat, die Bundesversammlung oder einen Landtag, gegen das Bundesheer, eine selbständige Abteilung des Bundesheeres oder gegen eine Behörde gerichtet sind und öffentlich begangen werden. Die Bestimmungen der §§ 111 Abs. 3, 112 und 114 gelten auch für solche strafbare Handlungen.
A. Grundsätzlich sind nur natürliche Personen taugliche Objekte strafba- 1 rer Handlungen gegen die Ehre (§ 111 Rz 1). § 116 macht von dieser Regel für die wichtigsten Staatsorgane Ausnahmen: Durch § 116 wird auch dem Nationalrat, dem Bundesrat, der Bundesversammlung, den Landtagen, dem Bundesheer, selbständigen Abteilungen des Bundesheeres und Behörden die sog passive Beleidigungsfähigkeit zuerkannt, dh an ihnen kann eine üble Nachrede nach § 111 oder eine Beleidigung nach § 115 begangen werden. Der Bundespräsident ist wie jede Einzelperson geschützt (EBRV 250). B. Behörden iSd § 116 sind die mit Hoheitsgewalt ausgestatteten Organe 2 der Gebietskörperschaften sowie die dazugehörigen Ämter und Dienststellen; auch Gerichte und Staatsanwaltschaften gehören dazu. Öffentliche Schulen und sonstige Anstalten sind keine Behörden (K/Schr I § 116 Rz 11, Foregger WK2 § 116 Rz 8). Der Ausruf „Diese Polizei ist ein Trottelverein“ nach Zustellung einer Strafverfügung ist eine Beleidigung der betreffenden Bundespolizeidirektion; meist wird es aber an der Öffentlichkeit fehlen. Der gleiche Ausspruch gegenüber einem Beamten während einer Fahrzeugkontrolle ist eine Beleidigung dieses Beamten.
C. Selbständige Abteilungen des Bundesheeres sind zB Regimenter oder 3 Kompanien, nicht aber das Offizierskorps (SSt 48/13). D. Strafbar ist eine üble Nachrede oder eine Beleidigung nach § 116 nur, 4 wenn sie öffentlich (s § 115 Rz 9) begangen wird. E. Nach § 116 letzter Satz sind die Vorschriften über die Entlastungsbe- 5 weise (§ 111 Abs 3, § 112) und die Rechtfertigung nach § 114 sinngemäß anzuwenden. Das gilt freilich nur für üble Nachreden. Bei Beleidigungen einer Behörde ist der Entschuldigungsgrund nach § 115 Abs 3 analog anzuwenden (§ 115 Rz 12f). 153
§ 117
Strafbare Handlungen gegen die Ehre
Berechtigung zur Anklage § 117. (1) Die strafbaren Handlungen gegen die Ehre sind nur auf Verlangen des in seiner Ehre Verletzten zu verfolgen. Sie sind jedoch von Amts wegen zu verfolgen, wenn sie gegen den Bundespräsidenten, gegen den Nationalrat, den Bundesrat, die Bundesversammlung oder einen Landtag, gegen das Bundesheer, eine selbständige Abteilung des Bundesheeres oder gegen eine Behörde gerichtet sind. Zur Verfolgung ist die Ermächtigung der beleidigten Person, des beleidigten Vertretungskörpers oder der beleidigten Behörde, zur Verfolgung wegen einer Beleidigung des Bundesheeres oder einer selbständigen Abteilung des Bundesheeres die Ermächtigung des Bundesministers für Landesverteidigung einzuholen. (2) Wird eine strafbare Handlung gegen die Ehre wider einen Beamten oder wider einen Seelsorger einer im Inland bestehenden Kirche oder Religionsgesellschaft während der Ausübung seines Amtes oder Dienstes begangen, so hat die Staatsanwaltschaft den Täter mit Ermächtigung des Verletzten und der diesem vorgesetzten Stelle innerhalb der sonst dem Verletzten für das Verlangen nach Verfolgung offenstehenden Frist zu verfolgen. Das gleiche gilt, wenn eine solche Handlung gegen eine der genannten Personen in Beziehung auf eine ihrer Berufshandlungen in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begangen wird, dass sie einer breiten Öffentlichkeit zugänglich wird. (3) Der Täter ist wegen einer im § 115 mit Strafe bedrohten Handlung mit Ermächtigung des Verletzten von der Staatsanwaltschaft zu verfolgen, wenn sich die Tat gegen den Verletzten wegen seiner Zugehörigkeit zu einer der im § 283 Abs. 1 bezeichneten Gruppen richtet und entweder in einer Misshandlung oder Bedrohung mit einer Misshandlung oder in einer die Menschenwürde verletzenden Beschimpfung oder Verspottung besteht. (4) In den Fällen der Abs. 2 und 3 ist der Verletzte jederzeit berechtigt, sich der Anklage anzuschließen. Verfolgt die Staatsanwaltschaft eine solche strafbare Handlung nicht oder tritt sie von der Verfolgung zurück, so ist der Verletzte selbst zur Anklage berechtigt.
1. Privatanklagedelikte 1 Grundsätzlich sind die Ehrendelikte Privatanklagedelikte (§ 117 Abs 1
erster Satz): Sie werden nur auf Verlangen des in der Ehre Verletzten verfolgt (§ 71 StPO). Die Anklageberechtigung für nahe Angehörige von Verstorbenen wurde durch das KorrStrÄG 2009 beseitigt. Für jugendliche Täter gilt § 44 Abs 1 JGG.
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Berechtigung zur Anklage
§ 117
2. Ermächtigungsdelikte In den folgenden Fällen sind strafbare Handlungen gegen die Ehre Er- 2 mächtigungsdelikte: A. Strafbare Handlungen nach § 116 und gegen die Ehre des Bundespräsidenten (§ 117 Abs 1 zweiter und dritter Satz). Zur Verfolgung durch den Staatsanwalt ist die Ermächtigung der beleidigten Institution bzw des Bundespräsidenten erforderlich; für das Bundesheer und dessen Abteilungen erteilt der Bundesminister für Landesverteidigung die Ermächtigung. B. Strafbare Handlungen gegen die Ehre eines Beamten (s BT II § 302 3 Rz 1–5) oder Seelsorgers (§ 117 Abs 2). Die Tat muss entweder a) während der Ausübung seines Amtes oder Dienstes begangen werden; Notwendig ist die Begehung von Person zu Person, wenn auch nur per Telefon (in Gegenwart mehrerer Zuhörer): Wer gegen einen abwesenden Beamten Anzeige erstattet und ihn darin beleidigt, erfüllt nicht § 117 Abs 2 erster Fall (JBl 1984, 210); ebenso wenig ein Untersuchungshäftling, der in einem sog Hausbrief an einen Mitgefangenen beleidigende Witze über Justizwachebeamte macht: Der Beamte, der das Schreiben zur Weiterleitung an das Gericht übernimmt, wird zwar während der Ausübung seines Dienstes beleidigt, doch fehlt es hier an der gleichzeitigen Wahrnehmbarkeit durch mehr als zwei unbeteiligte Personen (vgl § 115 Rz 10; aM EvBl 1988/55). Bloßes „Im-Dienst-Sein“ ist noch keine „Ausübung“ des Dienstes (EvBl 1995/105).
oder b) sich auf eine Berufshandlung eines Beamten oder Seelsorgers be- 4 ziehen („wegen einer Amtshandlung“) und in einem Druckwerk, im Rundfunk oder sonst auf eine Weise begangen werden, dass sie einer breiten Öffentlichkeit (vgl § 111 Rz 15f) zugänglich wird. Der Täter wirft einem Diplomaten in einem veröffentlichten Leserbrief vor, als Botschafter politisch verfolgte Asylwerber in menschenverachtender Weise behandelt zu haben. Die üble Nachrede ist nur dann mit Ermächtigung zu verfolgen, wenn der Beamte im Zeitpunkt der Veröffentlichung noch aktiv war (EvBl 2000/133).
Doppelte Ermächtigung. Zur Verfolgung der beiden in § 117 Abs 2 ge- 5 nannten Deliktsfälle bedarf es der Ermächtigung des Verletzten und der ihm vorgesetzten Stelle, sofern er eine solche hat. Vorgesetzte Stelle ist der Leiter der Behörde bzw Dienststelle bzw der Vorgesetzte, zB der Direktor der Schule, der Präsident des Gerichts (Lambauer SbgK
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§ 117
Strafbare Handlungen gegen die Ehre
§ 117 Rz 12). In Angelegenheiten der Gemeindeverwaltung ist dem Bürgermeister keine andere Stelle vorgesetzt (EvBl 1981/135). 6 C. Beleidigung eines anderen (§ 115) wegen seiner Zugehörigkeit
zu einer der in § 283 Abs 1 genannten religiösen und ethnischen Bevölkerungsgruppen (§ 117 Abs 3). Besteht die Beleidigung in einer Beschimpfung oder Verspottung, ist sie nur dann ein Ermächtigungsdelikt, wenn sie in einer die Menschenwürde verletzenden Weise erfolgt, dh die Betroffenen als minderwertige Wesen hinstellt (s BT II § 283 Rz 7). Polizisten, die einen bei einer Lenkerkontrolle angehaltenen Afrikaner mit „Scheiß-Neger“ beschimpfen, begehen die Tat in einer die Menschenwürde verletzenden Weise, weil sie die Rasse als minderwertig darstellen (EvBl 2004/105).
3. Die rechtliche Stellung des Nebenklägers 7 Bei den Ermächtigungsdelikten nach § 117 Abs 2 und 3 hat der Verletzte
„jederzeit“ (bis zum Schluss der Hauptverhandlung erster Instanz) die Möglichkeit, sich der Anklage des Staatsanwalts anzuschließen, und erlangt damit die prozessuale Stellung eines „Nebenklägers“ (§ 117 Abs 4). Der Anschluss als Privatbeteiligter genügt dafür nicht (OLG Innsbruck ÖJZ-LSK 1986/37). Der Nebenkläger hat die Rechte eines Privatanklägers, ist insb auch zur Erhebung von Rechtsmitteln legitimiert, trägt aber kein Kostenrisiko (Probst Sutter-FS 343). Wenn der Staatsanwalt – gleichgültig aus welchem Grund (EvBl 2002/ 92) – von der Verfolgung absieht oder von ihr zurücktritt, kann der Beleidigte selbst subsidiär als Privatankläger auftreten, trägt dann aber natürlich das Kostenrisiko (§ 117 Abs 4). Das Anklagerecht ist nicht mehr befristet. 4. Sühneversuch 8 Nach Art II des Gesetzes vom 27. 2. 1907 RGBl 59 muss Privatanklagen
wegen eines Beleidigungsdeliktes unter bestimmten Voraussetzungen ein Sühneversuch vor dem zuständigen Gemeindevermittlungsamt vorangehen, sofern ein solches existiert. Die Parteien können dazu aber nicht gezwungen werden (s näher Foregger WK2 Vorbem §§ 111–117 Rz 43ff; Lambauer SbgK § 117 Rz 27).
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Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse Schrifttum: Aichhorn, Das Problem der ärztlichen Schweigepflicht bei AIDS, RZ 1992, 200; Arnold, Einschränkungen des Berufsgeheimnisses – Ausnahmen vom Geheimnisschutz, ÖJZ 1982, 1; Bindschedler, Der strafrechtliche Schutz wirtschaftlicher Geheimnisse (1981; Buchbesprechung von Zipf: ÖJZ 1982, 223); Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393, 459; ders, Der strafrechtliche Schutz wirtschaftlicher Geheimnisse, in: Ruppe (Hrsg), Geheimnisschutz im Wirtschaftsleben (1980), 5; Himberger, Fernmeldegeheimnis und Überwachung (2004); Hochmayr/Schmoller, Zur Reichweite der Verschwiegenheitspflicht von Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten beim Verdacht des sexuellen Kindesmissbrauchs, in: Schmoller/Holz-Dahrenstaedt (Hrsg), Sexueller Missbrauch von Kindern (2000), 15; Klaus, Ärztliche Schweigepflicht (1991); Kienapfel, Privatsphäre und Strafrecht (1969); Koberger, Grenzenloser Schutz der Privatsphäre vor Tonbandgeräten? ÖJZ 1990, 330; Krejci, Wettbewerbsbeschränkungen und Geheimhaltungspflichten ausgeschiedener Arbeitnehmer, ÖZW 1975, 1; Laimer/Mayr, Zum Spannungsverhältnis von Arbeitgeber- und Arbeitnehmerinteressen rund um die EDV-Nutzung, RdA 2003, 410; Lichtenstrasser/Mosing/Otto, Wireless LAN – Drahtlose Schnittstelle für Datenmissbrauch? ÖJZ 2003/14, 253; Nowotny, Ist das Aufzeichnen eines geschäftlichen Telefonates verboten? RdW 1989, 214; Neudorfer/Wallner, Die Durchbrechung des ärztlichen Berufsgeheimnisses zum Schutz höherwertiger Interessen, ÖÄZ 1989 H 17, 18; Obereder, E-Mail und Internetnutzung aus arbeitsrechtlicher Sicht, RdA 2001, 75; Otto/Parschalk, Spam- und Virenfilter – eine Notwendigkeit im Graubereich des Rechts, wbl 2005, 10; Plöckinger, Internet und materielles Strafrecht, in: Plöckinger/Duursma/Helm (Hrsg), Aktuelle Entwicklungen im Internet-Recht (2002), 113; Probst, Wirtschaftsverrat und Wirtschaftsspionage (1976); Reindl, E-Commerce und Strafrecht (2003); Reichertz/Kilian, Arztgeheimnis – Datenbanken – Datenschutz (1982); Schindler, Bestechung und Wirtschaftsspionage, RZ 1980, 93; Schmidt G., Der strafrechtliche Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses in der Republik Österreich, in: Oehler (Hrsg), Der strafrechtliche Schutz des Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses in den Ländern der Europäischen Gemeinschaft sowie in Österreich und der Schweiz Bd II (1981); Schmoller, Heimliche Tonbandaufnahmen als Beweismittel im Strafprozess? Bemerkungen zu OGH 2. 7. 1992 15 Os 3/92, JBl 1994, 153; ders, Zur Reichweite der Verschwiegenheitspflichten von Ärzten, Psychologen und Psychotherapeuten, RdM 1996, 131; Schwaighofer/Steiner, Die Anzeigepflicht der Ärzte und Rechtsträger von Krankenanstalten, RdM 2000, 45; Seiler R., Der strafrechtliche Schutz der Geheimsphäre (1960); Stolzlechner, Der Schutz des Privat- und Familienlebens (Art 8 MRK) im Licht der Rechtsprechung des VfGH und der Straßburger Instanzen, ÖJZ 1980, 85; Thiele, Unbefugte Bildaufnahme und ihre Verbreitung im Internet – Braucht Österreich einen eigenen Paparazzi-Paragrafen?
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§ 118
Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse
RZ 2007, 2; Wagner, Unbefugter Zugriff auf e-Mail, ecolex 2000, 273; Wessely, Das Fernmeldegeheimnis – ein unbekanntes Grundrecht? ÖJZ 1999, 491.
Verletzung des Briefgeheimnisses und Unterdrückung von Briefen § 118. (1) Wer einen nicht zu seiner Kenntnisnahme bestimmten verschlossenen Brief oder ein anderes solches Schriftstück öffnet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer, um sich oder einem anderen Unbefugten Kenntnis vom Inhalt eines nicht zu seiner Kenntnisnahme bestimmten Schriftstücks zu verschaffen, 1. ein verschlossenes Behältnis, in dem sich ein solches Schriftstück befindet, öffnet oder 2. ein technisches Mittel anwendet, um seinen Zweck ohne Öffnen des Verschlusses des Schriftstücks oder des Behältnisses (Z. 1) zu erreichen. (3) Ebenso ist zu bestrafen, wer einen Brief oder ein anderes Schriftstück (Abs. 1) vor Kenntnisnahme durch den Empfänger unterschlägt oder sonst unterdrückt. (4) Der Täter ist nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen. Wird die Tat jedoch von einem Beamten in Ausübung seines Amtes oder unter Ausnützung der ihm durch seine Amtstätigkeit gebotenen Gelegenheit begangen, so hat die Staatsanwaltschaft den Täter mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen. 1 A. § 118 schützt das Briefgeheimnis (Art 10 StGG, Art 8 EMRK) und
stellt drei Verhaltensweisen unter Strafe: 2 B. Tathandlungen.
a) Der Täter öffnet einen verschlossenen Brief oder ein verschlossenes Schriftstück, der oder das nicht zu seiner Kenntnis bestimmt ist (§ 118 Abs 1). Auf den Inhalt kommt es nicht an, allein ein Gedankeninhalt ist wesentlich (Lewisch WK2 § 118 Rz 6). Mit dem Öffnen ist das Delikt vollendet. E-Mails fallen mangels körperlicher Beschaffenheit nicht unter § 118 (Lewisch WK2 § 118 Rz 5, Thiele SbgK § 118 Rz 44; im Ergebnis ebenso Wagner ecolex 2000, 273: E-Mails sind nicht verschlossen). Wer versehentlich einen nicht für ihn bestimmten Brief öffnet, handelt ohne den nach § 118 Abs 1 erforderlichen Vorsatz. Straflos ist auch das unbefugte Lesen eines geöffneten Briefes. 3 b) Der Täter öffnet ein verschlossenes Behältnis (§ 118 Abs 2 Z 1) oder
durchleuchtet Behältnis, Brief oder Schriftstück mit einer Spezialvor158
Widerrechtlicher Zugriff auf ein Computersystem
§ 118a
richtung (§ 118 Abs 2 Z 2) in der Absicht (§ 5 Abs 2), sich oder Dritten Kenntnis vom Inhalt des Briefes oder Schriftstücks zu verschaffen (EBRV 253). Zum Behältnis s § 129 Rz 11. Das Aufsperren mit dem steckenden oder offen herumliegenden Schlüssel ist kein Öffnen, weil dadurch kein hinreichendes Hindernis zum Schutz des Briefes überwunden wird (vgl L/ St § 118 Rz 11; aM Lewisch WK2 § 118 Rz 21, Thiele SbgK § 118 Rz 56). c) Der Täter unterschlägt oder unterdrückt einen Brief oder ein Schrift- 4 stück, bevor der Empfänger den Inhalt erfahren hat (§ 118 Abs 3). Brief oder Schriftstück müssen verschlossen sein (Verweis auf Abs 1). C. Rechtfertigungsgründe. In Betracht kommen vor allem die Ausübung 5 amtlicher Befugnisse (zB nach der StPO oder nach § 90 StVG) oder die stillschweigende oder mutmaßliche Einwilligung des Empfängers (näher Lewisch WK2 § 118 Rz 32). D. Verfolgungsvoraussetzungen. Die strafbaren Handlungen nach § 118 6 sind Privatanklagedelikte. Wenn der Täter die Tat als Beamter unter den Voraussetzungen des § 313 begeht, handelt es sich um ein Ermächtigungsdelikt (§ 118 Abs 4). Durch die Privatisierung der Post sind Bedienstete im Post- und Fernmeldebereich nur mehr ausnahmsweise funktionell Beamte (s BT II § 302 Rz 5).
Widerrechtlicher Zugriff auf ein Computersystem § 118a. (1) Wer sich in der Absicht, sich oder einem anderen Unbefugten von in einem Computersystem gespeicherten und nicht für ihn bestimmten Daten Kenntnis zu verschaffen und dadurch, dass er die Daten selbst benützt, einem anderen, für den sie nicht bestimmt sind, zugänglich macht oder veröffentlicht, sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen, zu einem Computersystem, über das er nicht oder nicht allein verfügen darf, oder zu einem Teil eines solchen Zugang verschafft, indem er spezifische Sicherheitsvorkehrungen im Computersystem überwindet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen. (3) Wer die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
A. § 118a dient der Bekämpfung der Computerkriminalität und pönalisiert 1 Verhaltsweisen, die herkömmlich als „Hacking“ bezeichnet werden (näher dazu Reindl E-Commerce 146). 159
§ 118a
Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse
2 B. Tathandlung. Der Täter dringt in ein Computersystem, über das er
nicht oder nicht allein verfügen darf, ein, indem er spezifische Sicherheitsvorkehrungen im System überwindet (Fabrizy § 118a Rz 2; näher ReindlKrauskopf WK2 § 118a Rz 10ff, 22ff). Ein „Computersystem“ sind sowohl einzelne Computer als auch Netzwerke und das Internet (§ 74 Abs 1 Z 8; s auch § 126b Rz 1). Die Tat ist vollendet, wenn der Täter in das System eingedrungen ist, dh Zugang zu Daten und Informationen hat, die im System gespeichert sind. Der Täter knackt das Passwort oder den Zugangscode und verschafft sich dadurch Zugang zu einer fremden Datenbank. Das Aufbrechen einer Tür, um auf einem fremden Computer befindliche Informationen zu erlangen, oder die unbefugte Verwendung eines dem Täter zufällig bekannten fremden Passworts ist keine Überwindung einer Sicherheitsvorkehrung im System und fällt deshalb nicht unter § 118a (EBRV zum StRÄG 2008/1, 6; Mayerhofer § 118a Anm 5f, Reindl-Krauskopf WK2 § 118a Rz 28). 3 C. Innere Tatseite. Über den allgemeinen tatbestandsmäßigen Vorsatz hi-
naus muss der Täter mit einer doppelten Absicht handeln: – Es muss dem Täter darauf ankommen, sich oder einem anderen Unbefugten Kenntnis von den Daten zu verschaffen, und – es muss ihm überdies darauf ankommen, sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen, indem er die Daten selbst benutzt, einem anderen zugänglich macht oder veröffentlicht. Strafbar ist also zB, wer plant, die derart erlangten Daten selbst wirtschaftlich zu verwerten oder einem anderen (zB einem Konkurrenten) zu verkaufen. Computerfreaks, die nur ausprobieren wollen, ob es ihnen gelingt, in ein fremdes System einzudringen, aber gar kein Interesse an den Daten haben oder bloß ihre Neugierde befriedigen wollen, sind nicht strafbar (Thiele SbgK § 118a Rz 68). 4 D. § 118a ist ein Ermächtigungsdelikt (§ 118a Abs 2). 5 E. Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn er die Tat als Mit-
glied einer kriminellen Vereinigung begeht (§ 118a Abs 3). S dazu § 130 Rz 1f.
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Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses
§ 119
Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses § 119. (1) Wer in der Absicht, sich oder einem anderen Unbefugten vom Inhalt einer im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems übermittelten und nicht für ihn bestimmten Nachricht Kenntnis zu verschaffen, eine Vorrichtung, die an der Telekommunikationsanlage oder an dem Computersystem angebracht oder sonst empfangsbereit gemacht wurde, benützt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen.
A. § 119 schützt das Telekommunikationsgeheimnis, aber nur in Bezug 1 auf Nachrichteninhalte (Thiele SbgK § 119 Rz 33); andere Daten werden durch § 119a geschützt (Rz 3; § 119a Rz 1). B. Tathandlungen. Der Täter benützt unbefugt eine Vorrichtung, die – 2 rechtmäßig oder rechtswidrig, gleichgültig von wem – an der Telekommunikationsanlage oder einem Computersystem (§ 118a Rz 2) angebracht oder empfangsbereit gemacht wurde: In Betracht kommen Geräte zum Abhören von Endgeräten (Telefon, Fax) und Sendestationen (vgl EvBl 1998/191), Geräte zur Aufzeichnung von Gesprächen (Lewisch WK2 § 119 Rz 5) und zum Empfang fremder E-Mails. Das Abhören des Funkverkehrs durch normale Radioapparate ist nicht tatbildlich (EBRV 255). Das bloße Anbringen einer Abhöranlage ist noch straflose Vorbereitungshandlung (EBRV zum StRÄG 2002, 9).
C. Innere Tatseite. Der Täter muss die Absicht haben, sich oder einem an- 3 deren Unbefugten Kenntnis vom Inhalt von Nachrichten zu verschaffen, die im Wege einer Telekommunikation oder eines Computersystems übermittelt wurden und nicht für ihn bestimmt sind. Die Verschaffung anderer Daten (zB Programme, Verkehrsdaten einer Telekommunikation: § 92 Abs 3 TKG) kann nach 119a strafbar sein. D. Als Rechtfertigungsgrund kommt vor allem die Ausübung amtlicher 4 Befugnisse (Überwachung gem §§ 134f StPO) in Betracht. Straflos ist auch die erlaubte Analyse von E-Mails durch Systemadministratoren. E. Strafbare Handlungen nach § 119 werden nur auf Ermächtigung des 5 Verletzten verfolgt (Abs 2). „Verletzt“ ist sowohl der Absender als auch der Empfänger der Nachricht (EBRV zum StRÄG 2002, 9). Zur Abgrenzung zu § 120 Abs 2a s § 120 Rz 5, 7. 161
§ 119a
Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse
Missbräuchliches Abfangen von Daten § 119a. (1) Wer in der Absicht, sich oder einem anderen Unbefugten von im Wege eines Computersystems übermittelten und nicht für ihn bestimmten Daten Kenntnis zu verschaffen und dadurch, dass er die Daten selbst benützt, einem anderen, für den sie nicht bestimmt sind, zugänglich macht oder veröffentlicht, sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen, eine Vorrichtung, die an dem Computersystem angebracht oder sonst empfangsbereit gemacht wurde, benützt oder die elektromagnetische Abstrahlung eines Computersystems auffängt, ist, wenn die Tat nicht nach § 119 mit Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen. 1 A. § 119a unterscheidet sich von § 119 vor allem dadurch, dass er sich auf
Daten aller Art im Sinn des § 74 Abs 2 bezieht. Auf Grund der Subsidiaritätsklausel fällt die Verschaffung von Nachrichteninhalten nur unter § 119, es sei denn, dies geschieht durch Auffangen der elektromagnetischen Abstrahlung eines Computers. 2 B. Tathandlungen. Zwei Fälle sind zu unterscheiden:
a) Der Täter benützt unbefugt eine Vorrichtung, die am Computersystem angebracht oder sonst empfangsbereit gemacht wurde (vgl § 119): Er schaltet ein Gerät an, durch das er sich Daten eines anderen Computers verschaffen kann. b) Der Täter fängt die elektromagnetische Abstrahlung eines Computersystems auf. Durch spezielle Geräte ist es möglich, aus den Emissionen Daten zu rekonstruieren. Die Datenübertragung durch WLANs ist keine „Abstrahlung“ (Reindl-Krauskopf WK2 § 119a Rz 10; aM Thiele SbgK § 119a Rz 29). 3 C. Innere Tatseite. § 119a verlangt über den tatbildmäßigen Vorsatz hi-
naus eine doppelte Absicht: – sich oder einem anderen Unbefugten Kenntnis von den übermittelten Daten zu verschaffen, und – durch Benützung, Zugänglichmachen oder Veröffentlichen der Daten sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen (s dazu § 118a Rz 3). 4 D. Zur Rechtfertigung s oben § 119 Rz 4.
E. § 119a ist ein Ermächtigungsdelikt (§ 119a Abs 2). 162
Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten
§ 120
F. Konkurrenz. Wenn sich die Tat auf Nachrichteninhalte bezieht, ist nur § 119 anzuwenden (s Rz 1).
Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten § 120. (1) Wer ein Tonaufnahmegerät oder ein Abhörgerät benützt, um sich oder einem anderen Unbefugten von einer nicht öffentlichen und nicht zu seiner Kenntnisnahme bestimmten Äußerung eines anderen Kenntnis zu verschaffen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer ohne Einverständnis des Sprechenden die Tonaufnahme einer nicht öffentlichen Äußerung eines anderen einem Dritten, für den sie nicht bestimmt ist, zugänglich macht oder eine solche Aufnahme veröffentlicht. (2a) Wer eine im Wege einer Telekommunikation übermittelte und nicht für ihn bestimmte Nachricht in der Absicht, sich oder einem anderen Unbefugten vom Inhalt dieser Nachricht Kenntnis zu verschaffen, aufzeichnet, einem anderen Unbefugten zugänglich macht oder veröffentlicht, ist, wenn die Tat nicht nach den vorstehenden Bestimmungen oder nach einer anderen Bestimmung mit strengerer Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen zu bestrafen. (3) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen.
A. § 120 schützt in Abs 1 und 2 die Vertraulichkeit mündlicher Äuße- 1 rungen, im neuen Abs 2a wiederum (partiell) das Telekommunikationsgeheimnis. B. Tathandlungen; innere Tatseite. 2 a) Nach Abs 1 strafbar ist, wer unbefugt ein Tonbandgerät oder ein Mikrofon („Wanze“) in Betrieb nimmt, dh nicht für ihn bestimmte Äußerungen anderer aufnimmt oder abhört („großer Lauschangriff“; s Rz 6). Die Installation einer Wanze begründet Versuch. Der Täter lässt ein Mikrofon zum Fenster der darunter wohnenden Nachbarin hinunter, um dort geführte Gespräche aufzuzeichnen (EvBl 1992/197). Der Kommandant einer Polizeiinspektion installiert eine Wanze um herauszufinden, wer ein anonymes Schreiben mit Anschuldigungen gegen ihn verfasst hat (14 Os 76/07v). Wer hingegen ein Gespräch mitschneidet, an dem er selbst teilnimmt (zB auch ein verdeckter Fahnder: „kleiner Lauschangriff“), fällt nicht unter § 120 Abs 1, weil die Äußerung ja für ihn bestimmt ist (vgl JBl 1993, 338 ziv E). Die Weitergabe kann aber nach Abs 2 strafbar sein (s Rz 4).
163
§ 120
Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse
3 Der Täter muss in der Absicht handeln, sich oder einem Dritten von einer
nicht öffentlichen und nicht für ihn bestimmten Äußerung Kenntnis zu verschaffen. 4 b) Nach Abs 2 strafbar ist, wer die Tonaufnahme einer nicht öffentlichen
Äußerung eines anderen veröffentlicht oder sie jemandem zugänglich macht, für den sie nicht bestimmt ist. Das Einverständnis des anderen schließt den Tatbestand aus, sofern es sich nicht bloß auf das Aufnehmen, sondern auch auf die Weitergabe der Aufzeichnung bezieht. „Aufzeichnung“ ist nach hA nur die Tonaufnahme selbst. Strafbar ist demnach nur das Vorspielen des Inhalts oder das Überlassen des Tonbands, nicht aber (wegen des geringeren Beweiswerts) die Veröffentlichung des Transkripts einer Tonbandaufnahme (1 Ob 172/07m = MR 2008, 242, RZ 1989/64, EvBl 1991/42, VwGH ZfVB 2001/1250; ebenso Fabrizy § 120 Rz 3, Lewisch WK2 § 120 Rz 9, Thiele SbgK § 120 Rz 53). Das ist schwer verständlich: Die Veröffentlichung der schriftlichen Übertragung eines Tonbandmitschnitts ist kaum minder strafwürdig als die Veröffentlichung der Aufnahme selbst. Dennoch bleibt ein derart handelnder Redakteur nach der Rsp straflos; und der Lauscher, der dem Medium die heimliche Tonbandaufnahme zugespielt hat, ist durch das Redaktionsgeheimnis (§ 31 MedG) faktisch vor Verfolgung geschützt. Hinsichtlich des Inhalts amtlicher Überwachungen ist nun allerdings auf § 301 Abs 3 hinzuweisen (s BT II § 301 Rz 4). 5 c) Nach Abs 2a macht sich strafbar, wer Nachrichten, die im Wege einer
Telekommunikation übermittelt wurden und nicht für ihn bestimmt sind, aufzeichnet, einem anderen zugänglich macht oder veröffentlicht (Reindl-Krauskopf WK2 § 120 Rz 31a ff). Er muss dabei in der Absicht handeln, sich oder einem anderen Unbefugten Kenntnis von der Nachricht zu verschaffen. Nach Abs 2a können sich in erster Linie Mitarbeiter von Telekommunikationsdiensten strafbar machen, die Nachrichten ohne Zustimmung der Beteiligten an Dritte weitergeben. Auch die Weitergabe eines fehlgeleiteten E-Mails an Dritte ist tatbildlich. Die unbefugte Aufzeichnung von Telefongesprächen durch „Vorrichtungen“ fällt unter § 119; § 120 Abs 2a ist subsidiär. 6 C. Rechtfertigung.
a) § 136 StPO erlaubt den kleinen und den großen Lauschangriff. Nach § 54 Abs 4 SPG darf ein verdeckter Ermittler – entgegen § 120 Abs 2 – die Aufzeichnungen eines (präventiven) kleinen Lauschangriffs seiner Behörde zugänglich machen.
164
Verletzung von Berufsgeheimnissen
§ 121
b) Im Übrigen kann der Täter durch mutmaßliche Einwilligung oder rechtfertigenden Notstand gerechtfertigt sein (eingehend Schmoller JBl 1994, 157 mwN). Wer im Verdacht einer falschen Zeugenaussage steht, darf zum Beweis seiner Unschuld Tonbandmitschnitte vorlegen (vgl EvBl 1977/118 und die Anm von Neutzler RZ 1977, 52). Im Übrigen sieht die Rsp die Verwendung heimlicher Tonbandaufnahmen in Gerichtsverfahren nur in besonderen Ausnahmefällen nach Vornahme einer Interessenabwägung als gerechtfertigt an (1 Ob 172/07m = MR 2008, 242 mwN; eingehend Lewisch WK2 § 120 Rz 26ff).
D. § 120 ist ein Ermächtigungsdelikt.
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E. Konkurrenz. § 120 Abs 2a enthält eine Subsidiaritätsklausel zugunsten anderer Bestimmungen, die mit strengerer Strafe bedroht sind. Vor allem § 119 dürfte Abs 2a häufig verdrängen (s Rz 5).
Verletzung von Berufsgeheimnissen § 121. (1) Wer ein Geheimnis offenbart oder verwertet, das den Gesundheitszustand einer Person betrifft und das ihm bei berufsmäßiger Ausübung eines gesetzlich geregelten Gesundheitsberufes oder bei berufsmäßiger Beschäftigung mit Aufgaben der Verwaltung einer Kranken-, der Unfall-, der Lebensoder der Sozialversicherung ausschließlich kraft seines Berufes anvertraut worden oder zugänglich geworden ist und dessen Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein berechtigtes Interesse der Person zu verletzen, die seine Tätigkeit in Anspruch genommen hat oder für die sie in Anspruch genommen worden ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer die Tat begeht, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (3) Ebenso ist ein von einem Gericht oder einer anderen Behörde für ein bestimmtes Verfahren bestellter Sachverständiger zu bestrafen, der ein Geheimnis offenbart oder verwertet, das ihm ausschließlich kraft seiner Sachverständigentätigkeit anvertraut worden oder zugänglich geworden ist und dessen Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein berechtigtes Interesse der Person zu verletzen, die seine Tätigkeit in Anspruch genommen hat oder für die sie in Anspruch genommen worden ist. (4) Den Personen, die eine der in den Abs. 1 und 3 bezeichneten Tätigkeiten ausüben, stehen ihre Hilfskräfte, auch wenn sie nicht berufsmäßig tätig sind, sowie die Personen gleich, die an der Tätigkeit zu Ausbildungszwecken teilnehmen.
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§ 121
Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse
(5) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Offenbarung oder Verwertung nach Inhalt und Form durch ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse gerechtfertigt ist. (6) Der Täter ist nur auf Verlangen des in seinem Interesse an der Geheimhaltung Verletzten (Abs. 1 und 3) zu verfolgen. 1 A. § 121 schützt Geheimnisse, die den Gesundheitszustand einer Person
betreffen, sowie geheime Umstände, die einem Sachverständigen in dieser Funktion bekannt geworden sind. 2 B. Die beiden Tatbilder des § 121.
a) Der Täter offenbart oder verwertet ein den Gesundheitszustand einer Person betreffendes Geheimnis (Abs 1 und 2). Täter nach Abs 1 sind Personen, die berufsmäßig einen der in § 121 Abs 1 aufgezählten Berufe (Krankenbetreuung iwS, Verwaltungstätigkeit in Krankenhäusern, Tätigkeit in bestimmten Sparten des Versicherungswesens) ausüben, sowie deren Hilfskräfte und in Ausbildung stehende Personen (Schreibkräfte, Famulanten: § 121 Abs 4). 3 Die Tatsachen dürfen nur einem eingeschränkten Personenkreis bekannt
sein und müssen dem Täter bei seiner Berufsausübung anvertraut worden oder zugänglich geworden sind. Offenbaren heißt, die geheime Tatsache an jemanden weitergeben, der sie noch nicht kennt; verwerten heißt, das Geheimnis für eigene Zwecke ausnützen (EBRV 260; s BT II § 310 Rz 2). Die Offenbarung oder Verwertung muss geeignet sein, ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung zu verletzen. Eine Krankenschwester teilt dem Dienstgeber eines Patienten dessen HIV-Infektion mit. Schon die Tatsache eines Arztbesuches (insb Psychiater) gehört zu den geschützten gesundheitsbezogenen Geheimnissen (Thiele SbgK § 121 Rz 50). 4 Der Täter fällt nach § 121 Abs 2 unter einen strengeren Strafsatz, wenn er
mit der Absicht handelt, sich oder anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder jemandem einen Nachteil zuzufügen. 5 b) Ein gerichtlich oder behördlich bestellter Sachverständiger offenbart
oder verwertet ein Geheimnis (Abs 3). Um welche Art von Geheimnis es sich handelt, spielt keine Rolle; es muss ihm aber ausschließlich in seiner Funktion als Sachverständiger bekannt geworden sein. Hilfs- und Ausbildungskräfte sind ihm nach Abs 4 gleichgestellt. Handelt der Sachverständige in der Absicht, jemandem zu nützen oder zu schaden, ist er nach dem höheren Strafsatz des Abs 2 zu bestrafen (Lewisch WK2 § 121 Rz 17). 166
Verletzung und Auskundschaftung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen §§ 122–124
C. Rechtfertigung. 6 a) Die Einwilligung der geschützten Person in die Geheimnisoffenbarung schließt bereits den Tatbestand aus (L/St § 121 Rz 27; für Rechtfertigung Mayerhofer § 121 Anm 10). b) Die Tat kann durch Meldepflichten, zB nach dem Geschlechtskrank- 7 heitenG oder AidsG, oder durch die Pflicht des Zeugen oder Sachverständigen zur Aussage gerechtfertigt sein (vgl EvBl 1980/82). Nach Abs 5 ist der Täter gerechtfertigt, wenn er im öffentlichen oder berechtigten privaten Interesse handelt und dieses Interesse das an der Geheimhaltung überwiegt. S näher dazu Lewisch WK2 § 121 Rz 26ff, 31ff, Thiele SbgK § 121 Rz 107ff. Der Anstaltsarzt informiert den Anstaltsleiter von der HIV-Infektion eines Häftlings (§ 72 StVG); der behandelnde Arzt informiert die Ehegattin oder Partnerin eines Patienten über dessen HIV-Infektion (Aichhorn RZ 1992, 202ff); ein Arzt legt im Zivilprozess über die Höhe des Honorars das Operationsprotokoll vor: Sie alle sind gerechtfertigt.
D. Konkurrenz. Wenn der Täter Beamter und das Geheimnis ein Amtsge- 8 heimnis ist, kommt nur § 310 zur Anwendung (SSt 48/21; L/St § 121 Rz 37; aM Burgstaller JBl 1978, 403). E. Die Tat ist ein Privatanklagedelikt; anklageberechtigt ist, wer in seinem 9 Interesse an Geheimhaltung verletzt worden ist.
Verletzung und Auskundschaftung von Geschäftsoder Betriebsgeheimnissen (§§ 122–124) Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses § 122. (1) Wer ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis (Abs. 3) offenbart oder verwertet, das ihm bei seiner Tätigkeit in Durchführung einer durch Gesetz oder behördlichen Auftrag vorgeschriebenen Aufsicht, Überprüfung oder Erhebung anvertraut oder zugänglich geworden ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer die Tat begeht, um sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (3) Unter Abs. 1 fällt nur ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, das der Täter kraft Gesetzes zu wahren verpflichtet ist und dessen Offenbarung oder Verwertung geeignet ist, ein berechtigtes Interesse des von der Aufsicht, Überprüfung oder Erhebung Betroffenen zu verletzen.
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§§ 122–124
Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse
(4) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Offenbarung oder Verwertung nach Inhalt und Form durch ein öffentliches oder ein berechtigtes privates Interesse gerechtfertigt ist. (5) Der Täter ist nur auf Verlangen des in seinem Interesse an der Geheimhaltung Verletzten (Abs. 3) zu verfolgen.
Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses § 123. (1) Wer ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis mit dem Vorsatz auskundschaftet, es zu verwerten, einem anderen zur Verwertung zu überlassen oder der Öffentlichkeit preiszugeben, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Beide Strafen können auch nebeneinander verhängt werden. (2) Der Täter ist nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen.
Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslandes § 124. (1) Wer ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis mit dem Vorsatz auskundschaftet, dass es im Ausland verwertet, verwendet oder sonst ausgewertet werde, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Daneben kann auf Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen erkannt werden. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer ein Geschäfts- oder Betriebsgeheimnis, zu dessen Wahrung er verpflichtet ist, der Verwertung, Verwendung oder sonstigen Auswertung im Ausland preisgibt. 1. Das Geschäfts- und Betriebsgeheimnis (§ 122 Abs 3) 1 Die §§ 122–124 dienen dem Schutz von Geschäfts- und Betriebsgeheimnis-
sen; das sind wirtschaftliche und technische Tatsachen und Gegebenheiten eines Unternehmens, die nur einem beschränkten Personenkreis bekannt und zugänglich sind und an deren Geheimhaltung der Geschäftsoder Betriebsinhaber ein wirtschaftliches Interesse hat. Grundsätzlich sind auch illegale Geheimnisse geschützt, ihre Offenbarung wird aber häufig gerechtfertigt sein (Lewisch WK2 § 122 Rz 12, Thiele SbgK § 122 Rz 37; vgl § 122 Abs 4). Ein Betriebsgeheimnis ist zB ein spezielles Produktionsverfahren und das dafür verwendete Material (SSt 41/32).
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Verletzung und Auskundschaftung von Geschäfts- oder Betriebsgeheimnissen §§ 122–124
2. Verletzung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses (§ 122) A. Täter nach § 122 können nur Personen sein, die aufgrund des Gesetzes 2 oder eines behördlichen Auftrags eine Aufsichts-, Überprüfungs- oder Erhebungstätigkeit entfalten, denen dabei solche Geheimnisse anvertraut worden oder zugänglich geworden sind und die kraft Gesetzes zu deren Wahrung verpflichtet sind (§ 122 Abs 3; vgl die Aufstellung der in Betracht kommenden Gesetze bei Lewisch WK2 § 122 Rz 14). Ein nach dem AktienG bestellter Wirtschaftsprüfer gibt Zahlungskonditionen der Aktiengesellschaft preis.
B. Tathandlungen nach § 122 sind die Offenbarung und Verwertung des 3 Geheimnisses (s § 121 Rz 2f). C. Qualifikation. Der Täter fällt nach § 122 Abs 2 unter einen höheren 4 Strafsatz, wenn er mit der Absicht handelt, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zuzuwenden oder einem anderen einen Nachteil zuzufügen. D. Der Rechtfertigungsgrund nach Abs 4 entspricht wörtlich § 121 Abs 5 (§ 121 Rz 7).
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E. Die als Täter in Betracht kommenden Personen sind häufig Beamte; dann kommt § 310 zur Anwendung, der § 122 verdrängt (L/St § 122 Rz 16, Lewisch WK2 § 122 Rz 19). Auch sonstige spezielle Geheimnisschutzdelikte (zB §§ 11 und 12 UWG, § 101 BWG) gehen § 122 vor.
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F. § 122 ist ein Privatanklagedelikt (§ 122 Abs 5).
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3. Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses (§ 123) A. Täter nach § 123 kann jedermann sein.
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B. Tathandlung ist das Auskundschaften von Geschäfts- und Betriebsgeheimnissen, die sog Wirtschaftsspionage. Darunter versteht man jede Tätigkeit, die darauf gerichtet und geeignet ist, das Geheimnis in Erfahrung zu bringen. Der Täter muss nicht in den Besitz des Geheimnisses kommen (vgl SSt 41/32).
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§§ 122–124
Verletzungen der Privatsphäre und bestimmter Berufsgeheimnisse
Der Täter tritt an Angestellte eines Betriebes heran und verspricht ihnen für die Beschaffung von Unterlagen eine hohe Belohnung (SSt 41/32). Kritisch zur Weite des Tatbildes Lewisch WK2 § 123 Rz 4ff. 10 C. Der Täter hat den (erweiterten) Vorsatz, das Geheimnis (selbst) zu
verwerten (vgl § 121 Rz 2), es einem anderen zur Verwertung zu überlassen oder der Öffentlichkeit preiszugeben. Soll die Verwertung im Ausland erfolgen, greift § 124 ein. 11 D. Die Tat ist ein Privatanklagedelikt (§ 123 Abs 2).
4. Auskundschaftung eines Geschäfts- oder Betriebsgeheimnisses zugunsten des Auslands (§ 124) 12 A. § 124 Abs 1 unterscheidet sich nur geringfügig von § 123. Der Täter
muss das Geheimnis mit dem erweiterten Vorsatz auskundschaften, dass es im Ausland (durch den Täter selbst oder einen Dritten) benützt oder angewendet wird („wirtschaftlicher Landesverrat“: L/St § 124 Rz 1, Lewisch WK2 § 124 Rz 1). 13 B. § 124 Abs 2 pönalisiert den Geheimnisträger, der ein Geheimnis trotz
der Verpflichtung, es zu wahren, der Verwertung oder Verwendung im Ausland preisgibt. Täter nach § 124 Abs 2 können Personen sein, die gesetzlich oder auch nur vertraglich (Angestellte) zur Wahrung des Geheimnisses verpflichtet sind (vgl dagegen Rz 2). 14 Unter „Ausland“ iSd § 124 dürfen nur Nicht-EU-Staaten verstanden
werden, um einen sonst bestehenden Widerspruch zum Gemeinschaftsrecht zu beseitigen (vgl Lewisch WK2 § 124 Rz 4ff, Thiele SbgK § 124 Rz 4, 16). 15 C. Die beiden Tatbilder des § 124 sind reine Offizialdelikte, weil Interes-
sen der Allgemeinheit geschützt werden (Schindler RZ 1980, 96f).
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Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen Sachbeschädigung § 125. Wer eine fremde Sache zerstört, beschädigt, verunstaltet oder unbrauchbar macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Schrifttum zu §§ 125, 126: Graczol, Sachbeschädigung durch Unbrauchbarmachen, JBl 1982, 292; Löschnig-Gspandl, Sachbeschädigung durch „Unbrauchbarmachen“ (§ 125 StGB), JAP 1992/93, 12; Moos, Die Strafbarkeit von Graffiti-Sprayern in Österreich und der Schweiz, JR 2001, 93; Triffterer/Schmoller, Die Freiheit der Kunst und die Grenzen des Strafrechts, ÖJZ 1993, 547, 573.
1. Gegenstand Gegenstand der Sachbeschädigung sind fremde Sachen, die nicht ganz 1 wertlos sind. Fremd sind Sachen, die im Allein- oder Miteigentum eines anderen stehen. Zum Wert s Rz 7, § 126 Rz 11f. 2. Die Ausführungshandlung Der Täter führt die Sachbeschädigung aus, indem er die fremde Sache be- 2 schädigt, zerstört, unbrauchbar macht oder verunstaltet. In allen diesen Fällen wirkt der Täter auf die Substanz der Sache ein. A. Beschädigen. Der Täter beschädigt die Sache, wenn er ihre stoffliche Unversehrtheit beeinträchtigt. Der Täter schlägt ein Fenster ein (ZVR 1989/20) oder reißt das Telefonanschlusskabel aus der Wand (ZVR 1987/87).
Die Beschädigung geht in eine Zerstörung über, wenn sie die Sache unbrauchbar macht und eine Reparatur nicht möglich ist. 171
§ 125
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Wer in einem fremden Park Bäume fällt, zerstört die Bäume und beschädigt den Park. S § 126 Rz 11. 3 B. Unbrauchbarmachen. Der Täter macht die Sache unbrauchbar, wenn
er sie so verändert, dass sie die Funktionen, die ihr der Berechtigte zugedacht hat, nicht mehr (voll) erfüllen kann. Notwendig ist aber auch hier, dass der Täter auf die Sache oder auf Teile einwirkt, die fest mit ihr verbunden sind. Der Täter lässt an einem Auto die Luft aus den Reifen (EvBl 1979/90), verbiegt einen Regenschirm (JBl 1987, 801), wirft auf einer Landstraße die zur Orientierung der Schneepflüge aufgestellten Stangen um (ZVR 1977/275). Er macht sich nach § 125 strafbar. 4 C. Verunstalten. Der Täter verunstaltet die Sache, wenn er das Aussehen,
das ihr der Berechtigte zugedacht hat, verändert. Der Täter beschmiert Gebäude, Kirchen, Mauern mit Hakenkreuzen und ausländerfeindlichen Parolen (JBl 2000, 469). Der Täter besprüht ausgestellte Bilder mit Kunstharzlack; der Künstler und Eigentümer, ein Aktionist, glaubt, seine Werke werden erst durch die Reaktion des Publikums vollendet, und will die Beschmierung bestehen lassen. So sind die Bilder in Wahrheit nicht verunstaltet, der Täter begeht den absolut untauglichen Versuch einer Sachbeschädigung; das Gericht sprach ihn – sehr vernünftig – frei (OLG Wien MR 2000, 220).
3. Die Schädigung des Eigentümers 5 § 125 ist einschränkend auszulegen. Beeinträchtigungen der Substanz, der
Brauchbarkeit und der äußeren Erscheinung werden durch § 125 nur erfasst, wenn sie den Eigentümer am Vermögen schädigen (Bertel WK2 § 125 Rz 8, K/Schm StudB II § 125 Rz 35). A. Unbedeutende Beschädigung. Beschädigungen, die eine Sache so wenig beeinträchtigen, dass vernünftige Menschen für die Wiederherstellung kein Geld ausgäben, sind nicht strafbar. Wer aus einem fremden Blumenbeet eine Pflanze ausreißt, verwirklicht nicht einmal das Tatbild des § 125; der OGH (SSt 54/25) nahm „mangelnde Strafwürdigkeit der Tat“ an (s jetzt § 191 StPO).
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Sachbeschädigung
§ 125
B. Flüchtige Beschädigung. Ein Unbrauchbarmachen oder Verunstalten, das sich ohne nennenswerten Aufwand rückgängig machen lässt, fällt nicht unter § 125 (L/St § 125 Rz 8, Seiler SbgK § 125 Rz 17f, 21, 35).
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Das Wechseln eines PKW-Rades – der Täter hat die Luft aus dem Reifen gelassen – ist ein schon nennenswerter Aufwand.
C. Wertlose Sachen (K/Schm StudB II § 125 Rz 4, 22), Urkunden und unbare Zahlungsmittel können nicht Gegenstand eines Vermögensdeliktes sein (s näher § 127 Rz 3, 7).
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4. Innere Tatseite Der Täter handelt vorsätzlich, ua auch mit dem Vorsatz, den Berechtigten zu schädigen.
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Wer eine Sache mit einer Farbe beschmiert, die er für leicht abwischbar hält, ist nach § 125 nicht strafbar.
Der Schädigungsvorsatz fehlt ua, wenn der Täter fähig und entschlossen ist, den Eigentümer für den Schaden zu entschädigen (Bertel WK2 § 125 Rz 13). Nach hM kommt es darauf nicht an (K/Schm StudB II § 125 Rz 60, Seiler SbgK § 125 Rz 20).
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5. Abgrenzung und Konkurrenz A. Die Sachbeschädigung kann auch durch Anzünden begangen werden. 10 Zur (versuchten) Brandstiftung (§ 169) wird eine solche Tat, wenn der Täter mit dem Vorsatz handelt, eine Feuersbrunst, dh ein ausgedehntes Feuer, herbeizuführen (s BT II §§ 169, 170 Rz 1). Das Anzünden einer frei stehenden Scheune ist nur eine Sachbeschädigung, auch wenn der Schaden sehr groß ist (JBl 1976, 602).
B. Wenn der Täter für das Wegnehmen und Wegwerfen einer Sache wegen 11 dauernder Sachentziehung verurteilt wird, wird auch die Beschädigung und Zerstörung mitabgegolten (Zagler BT § 125 Rz 22; § 135 Rz 11). C. Das Ein- oder Aufbrechen, um eine Sache wegzunehmen oder um ein 12 Kfz in Gebrauch zu nehmen, ist nur als Einbruchsdiebstahl oder nur nach § 136 Abs 2 strafbar (EvBl 1976/249). Die Beschädigung von Fenstern und Türen ist eine „typische Begleittat“ des Einbruchsdiebstahls. 173
§ 126
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Um Fotoapparate im Wert von 2 300 € zu stehlen, schlägt der Täter eine Auslagenscheibe ein und richtet dadurch einen Schaden von 2 400 € an. Er begeht einen – wenn es zur Wegnahme der Apparate nicht gekommen ist – versuchten Einbruchsdiebstahl (RZ 1978/64). 13 Eine Konkurrenz von Einbruchsdiebstahl und Sachbeschädigung liegt
vor, wenn der Einbrecher eine der in § 126 Abs 1 Z 1–6 aufgezählten Sachen beschädigt oder wenn er Schäden anrichtet, die zur Verübung des Diebstahls nicht notwendig waren. Der Täter bricht einen Münzfernsprecher auf und nimmt das darin befindliche Geld weg: Er begeht Einbruchsdiebstahl und schwere Sachbeschädigung (§ 126 Rz 8f). Der Einbrecher, der in der Wohnung, die er ausräumt, vorsätzlich einen Spiegel zerschlägt, begeht Einbruchsdiebstahl und Sachbeschädigung. 14 D. Über Sachbeschädigung durch Abbrechen, Abreißen von Teilen und
Diebstahl der Teile s § 126 Rz 11. E. Wenn der Täter durch unerlaubtes Fahren das fremde Kfz – vorsätzlich oder fahrlässig – beschädigt, ist er nur nach § 136 Abs 1, vielleicht auch Abs 3 strafbar (ZVR 1983/349; s § 136 Rz 23ff).
Schwere Sachbeschädigung § 126. (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen ist zu bestrafen, wer eine Sachbeschädigung begeht 1. an einer Sache, die dem Gottesdienst oder der Verehrung durch eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft gewidmet ist, 2. an einem Grab, einer anderen Beisetzungsstätte, einem Grabmal oder an einer Totengedenkstätte, die sich in einem Friedhof oder einem der Religionsübung dienenden Raum befindet, 3. an einem öffentlichen Denkmal oder an einem Gegenstand, der unter Denkmalschutz steht, 4. an einer Sache von allgemein anerkanntem wissenschaftlichem, volkskundlichem, künstlerischem oder geschichtlichem Wert, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung oder sonst an einem solchen Ort oder in einem öffentlichen Gebäude befindet, 5. an einer Einrichtung, Anlage oder anderen Sache, die der öffentlichen Sicherheit, der Verhütung oder Bekämpfung von Katastrophen, dem öffentlichen Gesundheitsdienst, der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft oder dem öffentlichen Verkehr dient, oder an einer für diesen Verkehr oder sonst für öffentliche Zwecke bestimmten Fernmeldeanlage, 174
Schwere Sachbeschädigung
§ 126
6. an einem Wehrmittel oder an einer Einrichtung oder Anlage, die ausschließlich oder vorwiegend der Landesverteidigung oder dem Schutz der Zivilbevölkerung gegen Kriegsgefahren dient, und dadurch die Landesverteidigung oder die Einsatzbereitschaft des Bundesheeres gefährdet, einen den Zweck eines Einsatzes gefährdenden Mangel an Menschen oder Material herbeiführt oder den Schutz der Zivilbevölkerung gefährdet, oder 7. durch die der Täter an der Sache einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt. (2) Wer durch die Tat an der Sache einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
1. Besonders geschützte Sachen Die Sachbeschädigung fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn sie an 1 einer der in Abs 1 Z 1–6 aufgezählten Sachen begangen wird. Diese Sachen sind: A. Dem Gottesdienst oder der Verehrung gewidmet (Z 1). Dem Gottesdienst sind Altar und Messgeräte, der Verehrung sind Gnadenbilder gewidmet (s § 128 Rz 3). Wer eine Kirchenmauer mit Farbe besprüht, fällt nicht unter diese Qualifikation (aM Fabrizy § 126 Rz 2, K/Schm StudB II § 126 Rz 6, Lewisch BT I 197; Seiler SbgK § 126 Rz 3); auch die E EvBl 1999/102 zog sie nicht in Betracht.
B. Gräber und Beisetzungsstätten (Z 2), dh Orte, wo die Leiche oder die 2 Asche eines Toten bestattet ist. Zum Grab gehört das Grabmal (Kreuz, Stein) und alles, was mit dem Grab auf Dauer verbunden ist, zB die Grabbepflanzung, nicht aber ein auf dem Grab liegender Kranz (vgl § 190 Abs 2; s BT II §§ 190, 191 Rz 6).
C. Totengedenkstätten (Z 2), dh Zeichen der Erinnerung an Tote, die hier nicht bestattet sind (Kriegerdenkmäler, Gedenkkreuze). Ihre Beschädigung fällt unter Abs 1 Z 2 nur, wenn sie sich auf einem Friedhof oder in einem der Religionsausübung dienenden Raum befinden. D. Öffentliche Denkmäler (Z 3), dh Denkmäler, die von einer Behörde 3 oder einer öffentlichen Stelle errichtet wurden. E. Unter Denkmalschutz gestellte Sachen (Z 3; s DSchG). Ihre Beschädigung ist nach Abs 1 Z 3 nur strafbar, wenn die Beschädigung gerade in den 175
§ 126
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Teilen erfolgt, derentwegen die Sache unter Denkmalschutz steht (EBRV 268). Die Beschädigung denkmalgeschützter Sachen, die dem Täter gehören, ist nach § 37 Abs 1 DSchG gerichtlich strafbar. 4 F. Sachen von allgemein anerkanntem wissenschaftlichem, volkskund-
lichem, künstlerischem oder geschichtlichem Wert (Z 4). Sie müssen sich an einem allgemein zugänglichen Ort oder in einem öffentlichen Gebäude befinden. Der Täter reißt in einer Universitätsbibliothek aus einem Buch einige Seiten heraus. Die Bibliothek ist allgemein zugänglich, weil jeder, der gewisse Voraussetzungen erfüllt, sie benützen kann; sie befindet sich überdies in einem öffentlichen Gebäude. Aber die Z 4 ist für unersetzliche Sachen bestimmt: Wenn das Buch noch erhältlich ist, ist die Z 4 nicht verwirklicht (12 Os 82/05h, 83/05f). 5 G. Sachen, die der öffentlichen Sicherheit dienen (Z 5). Das sind Sachen,
die Kriminalpolizei, Zoll- und Justizwache brauchen. Der Täter schneidet beim Ausbruch aus einer Justizanstalt ein 80 × 50 cm großes Loch in den Außenzaun (ÖJZ-LSK 2005/59).
H. Sachen, die der Katastrophenverhütung und -bekämpfung dienen (Z 5). Dazu gehören die Einrichtungen der Feuerwehr, aber auch die von Privaten aufgestellten Feuermelder und Feuerlöscher, Hochwasserschutzbauten, Vorratslager, Staudämme und Wehre. 6 I. Sachen, die dem öffentlichen Gesundheitsdienst dienen (Z 5). Das sind
Sachen zur medizinischen Versorgung der Bevölkerung, zB Krankenhäuser, Rettungswagen, gleich wem sie gehören. Apotheken und Arztpraxen gehören nicht dazu. J. Sachen, die der öffentlichen Versorgung mit Wasser, Licht, Wärme oder Kraft dienen (Z 5), zB das zur Versorgung der Bevölkerung bestimmte Wasser-, Strom- und Gasnetz (L/St § 126 Rz 18), nicht aber Anlagen zur Versorgung Einzelner. 7 K. Sachen, die dem öffentlichen Verkehr dienen (Z 5), dh Massenver-
kehrsmittel und öffentliche Straßen mit ihren Hilfseinrichtungen. 176
Schwere Sachbeschädigung
§ 126
Dazu gehören Verkehrszeichen, Verkehrsampeln, Straßenlampen, die zur Orientierung der Schneepflüge auf einer Landstraße aufgestellten Stangen (ZVR 1977/272); Eisenbahnwaggons, Autobusse, Seilbahnen, Schilifte – gleich wem sie gehören – samt ihrem Zubehör; nicht aber Werksbahnen und Werksseilbahnen.
L. Fernmeldeanlagen, die dem öffentlichen Verkehr oder sonst öffentlichen Zwecken dienen (Z 5). Fernmeldeanlagen sind Telefon-, Telegrafen-, Hörfunk- und Fernseheinrichtungen. Sie müssen allgemein zugänglich oder zur Versorgung der Bevölkerung bestimmt sein.
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Wer einen Fernsprechautomaten aufbricht, um die eingeworfenen Münzen zu stehlen, begeht, wenn der Automat ausfällt, neben dem Einbruchsdiebstahl eine qualifizierte Sachbeschädigung; der Einbrecher dagegen, der in einer Wohnung das Telefonanschlusskabel herausreißt, eine Sachbeschädigung nur nach § 125 (K/Schm StudB II § 126 Rz 19, L/St § 126 Rz 24).
Zu G.–L.: Beeinträchtigung der Einsatzbereitschaft oder des sicheren Funktionierens. Die Beschädigung der in Rz 5–8 genannten Sachen fällt nur dann unter § 126 Abs 1 Z 5, wenn ihre Einsatzbereitschaft oder ihr sicheres Funktionieren nicht mehr voll gewährleistet ist (K/Schm StudB II § 126 Rz 20, L/St § 126 Rz 25f).
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Wer in einem Wartehäuschen der Straßenbahn ein Fenster einschlägt (ZVR 1975/ 231), nur eine Lampe aus einer Reihe von Straßenlampen zerschießt (JBl 1977, 214), nur den Fußboden oder eine Betonlamelle des Fenstergitters in einer Strafanstalt beschädigt (für § 126 Abs 1 Z 5: 13 Os 68/05g, EvBl 1990/149), an einem Fernsprechautomaten nur den Geldrückgabemechanismus blockiert (für § 126 Abs 1 Z 5: EvBl 1997/24), begeht eine Sachbeschädigung nur nach § 125.
M. Wehrmittel oder Einrichtungen und Anlagen, die der Landesvertei- 10 digung oder dem Zivilschutz dienen. Ihre Beschädigung fällt unter § 126, wenn sie die in Z 6 umschriebenen Auswirkungen hat (L/St § 126 Rz 27ff). 2. Der größere Schaden Die Sachbeschädigung fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn sie einen 11 Schaden von mehr als 3 000 € (Abs 1 Z 7) bzw 50 000 € (Abs 2) anrichtet. Als Schaden hat der Täter zu vertreten:
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§ 126
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
A. Die Reparaturkosten und eine allfällige Wertminderung, wenn die Reparatur möglich und sinnvoll ist. Reparaturkosten sind der Aufwand, der notwendig ist, um den Zustand vor der Tat wiederherzustellen. Wenn der Täter auf einer Baustelle die Vermessungspflöcke ausreißt, besteht der Schaden in den Kosten einer Neuvermessung (SSt 26/4). Wenn der Täter in einem fremden Park Bäume fällt (s § 125 Rz 2), besteht der Schaden in den Kosten der Wiederbepflanzung und einem Zuschlag dafür, dass die neu gepflanzten Bäume erst nach Jahren die Größe und das Aussehen der gefällten erlangen; dass das Opfer den gerodeten Park als Baugrund besser verkaufen kann, bleibt außer Betracht (idS EvBl 1990/67). Der Täter reißt in einer Bibliothek einige Seiten aus einem Buch und nimmt sie mit. Er begeht eine Sachbeschädigung, hat als Schaden die Reparaturkosten, allenfalls, wenn die fehlenden Seiten nicht zu ersetzen sind, den Wert des Buches zu vertreten. Der Schaden durch die Wegnahme der herausgerissenen Seiten ist darin enthalten und darf dem Täter nicht ein zweites Mal nach § 127 oder § 135 angelastet werden (aM 12 Os 82/05h, 83/05f).
Der Täter hat nur einen Teil der Reparaturkosten zu vertreten, wenn auch der Geschädigte die Reparatur in absehbarer Zeit hätte vornehmen müssen. 12 B. Den Zeitwert – dh den Neuanschaffungspreis zur Tatzeit abzüglich
eines Teils, der sich nach dem Grad der Abnützung der zerstörten Sache richtet –, wenn eine Reparatur nicht möglich oder wirtschaftlich nicht sinnvoll ist. Schäden, die für den Berechtigten daraus entstehen, dass er die beschädigte Sache eine Zeit lang nicht benützen kann (zB die Kosten eines Leihwagens), sind keine Schäden an der Sache selbst und bleiben deshalb außer Betracht. 13 C. Vorsatz. Der Schaden ist dem Täter nur zuzurechnen, soweit sein Vor-
satz reicht (K/Schm StudB II § 126 Rz 31ff, L/St § 126 Rz 35). An irgendeine Ziffer braucht der Täter nicht zu denken, es genügt, dass ihm die Höhe des Schadens über 3 000 € bzw 50 000 € „mitbewusst“ ist (EvBl 1983/167, JBl 1984, 269). Mitbewusst ist dem Täter das Ausmaß des Schadens, wenn er, hätte man ihn zur Tatzeit gefragt, ob der Schaden mehr als 3 000 € bzw 50 000 € ausmachen werde, die Frage auf Anhieb hätte beantworten können (vgl Fuchs AT I 14. Kap Rz 29, K/H AT Z 15 Rz 6, Platzgummer Bewusstseinsform 87f; s auch § 128 Rz 10f).
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Datenbeschädigung
§ 126a
Datenbeschädigung § 126a. (1) Wer einen anderen dadurch schädigt, dass er automationsunterstützt verarbeitete, übermittelte oder überlassene Daten, über die er nicht oder nicht allein verfügen darf, verändert, löscht oder sonst unbrauchbar macht oder unterdrückt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer durch die Tat an den Daten einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, wer einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt oder die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begeht, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Schrifttum §§ 126a–126c: Bergauer, Phishing im Internet – eine kernstrafrechtliche Betrachtung, RZ 2006, 82; ders, Kritische Anmerkungen zu § 126c StGB, ÖJZ 2007, 532; Fuchs, Zum Entwurf von Strafbestimmungen gegen die Computerkriminalität, RdW 1985, 11; ders, Neue Formen rechtswidriger Vermögensschädigung, StPG 12 (1984), 63; Gantner, Computerviren: Technik und Recht (1995); Jaburek/Schmölzer, Computer-Kriminalität (1985); Jaeschke, „Frühstück ohne SPAM“: Fortschritte im Kampf gegen unerwünschte E-MailWerbung, ÖJZ 2005, 441; Lichtenstrasser/Mosig/Otto, Wireless LAN – Drahtlose Schnittstelle für Datenmissbrauch, ÖJZ 2003, 253; Otto/Parschalk, Spam- und Virenfilter – eine Notwendigkeit im Graubereich des Rechts, wbl 2005, 10; Plöckinger, Internet und materielles Strafrecht – Die Convention on Cyber-Crime, in: Plöckinger/Duursma/Helm (Hrsg), Aktuelle Entwicklungen im Internet-Recht (2002), 113; Proske, Hacking im Strafprozess, EDVuR 1990, 102; Reindl, E-Commerce und Strafrecht (2003); dies, Computerstrafrecht im Überblick (2004); dies, Das Phänomen „Phishing“, SIAK-Journal 2007, H 1, 2; Seiler R., Kritische Anmerkungen zum StRÄG 1987 betreffend den Besonderen Teil des StGB, JBl 1989, 746; Schick/Schmölzer, Das österreichische Computer-Strafrecht – eine Bestandsaufnahme, EDVuR 1992, 107; Schmölzer, Das neue Computerstrafrecht, EDVuR 1988, 20; dies, Entwicklung und Tendenzen in Computer-Strafsachen, StPG 16 (1988), 195; dies, Strafrecht, in: Jahnel/Schramm/Staudegger, Informatikrecht2 (2003), 335; Schwaighofer Ch., Zur Strafbarkeit des Missbrauchs fremder Bankomatkarten, ÖJZ 1990, 457; Wegscheider, Computerstrafrecht, StPG 17 (1989), 127; Zeder, Internet und Strafrecht, in: Internet und Recht (2002), 73.
A. Gegenstand dieses Delikts sind Programme und Daten (§ 74 Abs 2), 1 die von einem Computer verarbeitet, übermittelt oder überlassen werden (§ 126a Abs 1), also alle Daten, die auf einem Datenträger vorhanden sind. Ob sie eine bestimmte Person betreffen (personenbezogene Daten), spielt keine Rolle (§ 74 Abs 2). B. Die Ausführungshandlung besteht darin, dass der Täter die Daten un- 2 befugt verändert, löscht, unbrauchbar macht oder unterdrückt (§ 126a Abs 1). Der Berechtigte kann seine Daten zumindest vorübergehend nicht oder nicht bestimmungsgemäß verwenden (L/St § 126a Rz 13, Triffterer 179
§ 126b
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
SbgK § 126a Rz 65). Es kann sein, dass einzelne Daten nicht mehr verfügbar sind oder dass die gesamte Anlage ausfällt (EBRV zum StRÄG 2002, 12). Der Empfänger ist berechtigt, eingehende Mails durch ein Filterprogramm zu löschen (Otto/Parschalk wbl 2005, 12f). C. Der Schaden. Die Tat ist nur strafbar, wenn sie den über die Daten Verfügungsberechtigten am Vermögen schädigt (§ 126a Abs 1). Der Schaden besteht in den Kosten, die der Berechtigte aufwenden muss, um seine Daten wieder verwenden zu können oder sie sich wieder zu beschaffen (Bertel WK2 § 126a Rz 5). Das Löschen von Daten, an denen der Berechtigte nicht mehr interessiert ist, schädigt ihn nicht. Das Löschen von Daten, die der Berechtigte auf einem anderen Datenträger gespeichert hat oder die er anderswo abrufen kann, schädigt ihn nur, wenn er für die Wiederbeschaffung eine Summe auslegen muss, die für vernünftig denkende Menschen bereits ins Gewicht fällt (vgl Kienapfel II § 126a Rz 22f, Reindl E-Commerce 104). 3 D. Qualifikation. Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn die
Tat einen Schaden von mehr als 3 000 € bzw 50 000 € mit sich bringt. Das Ausmaß des Schadens ist dem Täter zumindest mitbewusst (s § 126 Rz 13). 4 E. Konkurrenz. Einwirkungen auf den Computer oder Datenträger, die
sich darauf beschränken, die Verarbeitung oder Übermittlung von Daten zu stören oder die verarbeiteten oder überlassenen Daten zu verändern – zB der Täter löscht eine Diskette, ändert das Passwort –, sind ihm nur nach § 126a anzulasten (Wegscheider BT 179). Wenn der Täter darüber hinaus am Computer oder Datenträger Schäden anrichtet – er zerstört zB die Festplatte –, konkurrieren Daten- und Sachbeschädigung.
Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems § 126b. (1) Wer die Funktionsfähigkeit eines Computersystems, über das er nicht oder nicht allein verfügen darf, dadurch schwer stört, dass er Daten eingibt oder übermittelt, ist, wenn die Tat nicht nach § 126a mit Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer durch die Tat eine längere Zeit andauernde Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, wer die Tat als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begeht, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. 180
Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten
§ 126c
§ 126b gewährleistet, dass alle Fälle schwerer Computersabotage strafbar werden. A. Der Täter führt das Delikt aus, indem er Daten eingibt oder übermit- 1 telt. Er bewirkt dadurch, dass ein fremder Computer oder mehrere fremde zu einem System verbundene Computer (§ 74 Abs 1 Z 8) schwer gestört werden: Die gesamte Anlage oder bestimmte Dienste funktionieren nicht mehr oder sie funktionieren so langsam, dass sie für den Betroffenen unbrauchbar sind (EBRV zum StRÄG 2002, 12). Soweit der Täter schon nach § 126a strafbar ist (s § 126a Rz 4), kommt § 126b nicht zur Anwendung (Reindl-Krauskopf WK2 § 126b Rz 16). B. § 126b dürfte kaum je anwendbar sein. Wenn der Täter durch die Ein- 2 gabe oder Übermittlung von Daten (zB Computerviren, Überschwemmung mit zahllosen E-Mails) bewirkt, dass das System ausfällt, macht er die darin gespeicherten Daten unbrauchbar oder unterdrückt sie wenigstens vorübergehend (s § 126a Rz 2). Der Berechtigte kann sie nicht mehr verwenden; er muss die Störung beheben, die Auslagen dafür sind ein Schaden; damit ist der Täter nach § 126a strafbar. Und wenn der Berechtigte auf seinem Computersystem alle seine Daten, wie er will, verwenden kann, kann man nicht behaupten, der Täter habe dieses System schwer gestört.
Missbrauch von Computerprogrammen oder Zugangsdaten § 126c. (1) Wer 1. ein Computerprogramm, das nach seiner besonderen Beschaffenheit ersichtlich zur Begehung eines widerrechtlichen Zugriffs auf ein Computersystem (§ 118a), einer Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses (§ 119), eines missbräuchlichen Abfangens von Daten (§ 119a), einer Datenbeschädigung (§ 126a), einer Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems (§ 126b) oder eines betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs (§ 148a) geschaffen oder adaptiert worden ist, oder eine vergleichbare solche Vorrichtung oder 2. ein Computerpasswort, einen Zugangscode oder vergleichbare Daten, die den Zugriff auf ein Computersystem oder einen Teil davon ermöglichen, mit dem Vorsatz herstellt, einführt, vertreibt, veräußert, sonst zugänglich macht, sich verschafft oder besitzt, dass sie zur Begehung einer der in Z 1 genannten strafbaren Handlungen gebraucht werden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Nach Abs. 1 ist nicht zu bestrafen, wer freiwillig verhindert, dass das in Abs. 1 genannte Computerprogramm oder die damit vergleichbare Vorrich-
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§ 127
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
tung oder das Passwort, der Zugangscode oder die damit vergleichbaren Daten in der in den §§ 118a, 119, 119a, 126a, 126b oder § 148a bezeichneten Weise gebraucht werden. Besteht die Gefahr eines solchen Gebrauches nicht oder ist sie ohne Zutun des Täters beseitigt worden, so ist er nicht zu bestrafen, wenn er sich in Unkenntnis dessen freiwillig und ernstlich bemüht, sie zu beseitigen.
§ 126c bestraft gewisse Vorbereitungshandlungen zu den Delikten der § 118a, § 119, § 119a, § 126a, § 126b, § 148a. 1 A. Gegenstand des Deliktes sind Programme, die „ersichtlich“ zur Bege-
hung eines dieser Delikte geschaffen oder adaptiert wurden (Abs 1 Z 1), die also keinem anderen legalen Zweck dienen können, oder Zugangsdaten (Abs 1 Z 2; zB Passworte: Reindl-Krauskopf WK2 § 126c Rz 10). Der Täter führt das Delikt aus, indem er die Programme oder Zugangsdaten herstellt, einführt, vertreibt, veräußert, sonst zugänglich macht, sich verschafft oder besitzt. Er hat den Vorsatz, dass unter Verwendung der Programme oder Zugangsdaten eines der aufgezählten Delikte begangen wird (Reindl Computerstrafrecht 33). Der Täter fordert in Mails, die scheinbar von einer Bank kommen, die Empfänger auf, ihm Kontonummern und Passworte zurückzumailen („Passwortfischen“); er will die fremden Konten durch einen betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauch plündern. Der Täter ist vorerst nach § 126c Abs 1 Z 2, und wenn er die Daten eingibt, um von den fremden Konten Abbuchungen zu bewirken, nach § 148a strafbar. Die Verurteilung nach § 148a gilt das Vorbereitungsdelikt des § 126c mit ab. 2 B. Der Täter wird durch tätige Reue straffrei, wenn er freiwillig verhin-
dert, dass Programme oder Zugangsdaten zur Begehung der aufgezählten Delikte verwendet werden (§ 126c Abs 2), zB indem er Programme oder Zugangsdaten vernichtet.
Diebstahl § 127. Wer eine fremde bewegliche Sache einem anderen mit dem Vorsatz wegnimmt, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Schrifttum zu §§ 127–131: Avancini, Die Sparurkunde aus zivil- und strafrechtlicher Sicht, ÖJZ 1986, 353; Bertel, Die freiwillige Herausgabe der Beute, AnwBl 1979, 383; ders, Einbruchsdiebstahl und bewaffneter Raub, StPG 7 (1979), 37; Birklbauer, Die Wegnahme und
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Diebstahl
§ 127
Verwertung von Sparbüchern und Bankomatkarten aus strafrechtlicher Sicht, ÖJZ 1996, 775; Burgstaller, Diebstahl, Veruntreuung und Unterschlagung, ÖJZ 1974, 540 = ZnStR II, 7; ders, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393, 459; ders, Der Ladendiebstahl und seine private Bekämpfung im österreichischen Strafrecht (1981); Felnhofer-Luksch, Irrtum über privilegierende Deliktsmerkmale, JBl 2004, 703; Felnhofer-Luksch/Beclin, Aktuelles zur gewerbsmäßigen Begehung des Diebstahls nach § 130 StGB, in: Burgstaller-FS (2004), 493; Fuchs, Diebstahl und Dauernde Sachentziehung eines Fahrzeuges im Anschluss an einen unbefugten Gebrauch? RZ 1980, 5; ders, Neue Formen rechtswidriger Vermögensschädigung, StPG 12 (1984), 63; Geyer, Gewerbsmäßig ungerecht, RZ 2006, 37; Hochmayr/Schmoller, Die Definition von Gewalt im Strafrecht, ÖJZ 2003, 628; Hockl, Deliktseinheit oder -mehrheit bei Zusammenrechnung gem § 29 StGB? JBl 1996, 560; Höpfel, Die „Bankomat“-Karte: Wertträger? Schlüssel? Urkunde? ÖJZ 1983, 234; Kienapfel, Zur Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, ÖJZ 1975, 654; Koziol/Welser, Grundriss des Bürgerlichen Rechts I13 (2006); Kurschel, „Verdoppelte“ und verlorene Bankomatkarten, ecolex 1990, 79; Messner, Gewerbsmäßige Begehung einer Straftat (2001); Plöckinger, Die neuen Tatbestände zum Schutz unbarer Zahlungsmittel und deren Verhältnis zu den Urkunden- und Vermögensdelikten, ÖJZ 2005, 256; Reindl, E-Commerce und Strafrecht (2003); dies, Computerstrafrecht im Überblick (2004); Rzeszut, Vermögensdeliktische Tatbestandstradition – rechtsstaatlicher Bestimmtheitszwang oder entbehrliche „Denkmalpflege“, RZ 2004, 50; Sautner, Neue Straftatbestände zum Schutz unbarer Zahlungsmittel, RZ 2004, 26; Scheil, Zueignung und Preisgabe eines unbefugt gebrauchten Fahrzeugs, ZVR 1979, 161; Schwaighofer Ch., Zur Strafbarkeit des Missbrauchs fremder Bankomatkarten, ÖJZ 1990, 457; Schwaighofer K., Entwendete Wertkarte: 24-facher Strafrahmen? PRESSE-Rechtspanorama 23. 5. 2005, 7; Segelhuber, Zur Gewahrsamsproblematik bei Nachlassgegenständen, ÖJZ 1994, 480; Steininger E., Strafrechtliche Probleme des Selbstbedienungstankens, RZ 1988, 233; Steininger H., Der Ladendiebstahl und die damit verbundenen Fragen der Bagatellkriminalität, RZ 1981, 22; Venier, „Kunsterpressung“ – ein vermögensstrafrechtliches Paradoxon? JSt 2004, 73; Wach, „Unbare Zahlungsmittel“ iS des § 74 Abs 1 Z 10 StGB – droht eine Ausuferung der Strafbarkeit? RZ 2005, 130; Wegscheider, Plötzliches Entreißen einer Sache – Raub oder Diebstahl? ÖJZ 1975, 516; ders, Die Gewerbsmäßigkeit im Strafrecht, ÖJZ 1979, 65; Wegscheider/Sautner, Diebstahl und Veruntreuung zwischen Mitgewahrsam und Vertrauensverhältnis, RZ 2001, 11.
I. Gegenstand des Diebstahls Stehlen kann man fremde bewegliche Sachen, die nicht ganz wertlos sind 1 und im Gewahrsam eines anderen stehen. 1. Fremde Sachen Fremd sind Sachen, die im Allein- oder Miteigentum eines anderen stehen 2 (vgl § 125 Rz 1). Sachen, die der Berechtigte in den Hausmüllcontainer wirft, sind derelinquiert und stehen in niemandes Eigentum. Der Inhalt von Altpapier- und Altglascontainern dagegen steht nach der Rsp (EvBl 1989/100) und zT nach Landesgeset-
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zen im Eigentum dessen, der den Container aufgestellt hat (Bertel WK2 § 127 Rz 3). Aber der Berechtigte dürfte idR gegen die Wegnahme einzelner Stücke nichts einzuwenden haben und keinen Wert darauf legen, um Erlaubnis gefragt zu werden (mutmaßliche Einwilligung). Ähnlich K/Schm StudB II § 127 Rz 54.
2. Wertlose Sachen 3 A. Wertlos sind Sachen, für die ein wirtschaftlich denkender Mensch kein
Geld ausgibt oder für die sich das Opfer ohne nennenswerten Aufwand Ersatz verschaffen kann (Wiederbeschaffungswert). Nur wenige Sachen sind wirklich wertlos; an ihnen können Vermögensdelikte nicht begangen werden. Kein Diebstahl ist die Wegnahme beschriebener Postkarten, einer alten Zeitung, einer Sozialversicherungskarte (12 Os 134/00). 4 B. Tauschwert? Nach hL und Rsp sind diebstahlsfähig nur Sachen, die
einen Tauschwert haben (F/R BT I 107f, K/Schm StudB II § 127 Rz 19, L/ St § 127 Rz 6), die man also verkaufen kann. Die hM nimmt den Tauschwert nicht sehr ernst: Sie hält Sachen für diebstahlsfähig, die man – im redlichen Verkehr oder überhaupt – kaum zu Geld machen kann. Der Rsp zufolge können Kfz-Kennzeichen (ZVR 1989/209), Münzattrappen (ÖJZ-LSK 1996/148), altes Brot (14 Os 106/99), Rauschgift (EvBl 1981/174) gestohlen werden.
3. Urkunden und unbare Zahlungsmittel 5 Die Wegnahme oder widerrechtliche Erlangung von Urkunden und unba-
ren Zahlungsmitteln sieht das Gesetz teils als Vermögensdelikt nach dem 6. Abschnitt an, teils hat es sie in den § 229, § 241e abschließend vertypt. Unbare Zahlungsmittel (§ 74 Abs 1 Z 10) sind Wechsel, Schecks, Bankomat- und Kreditkarten und elektronische Geldbörsen, dh Wertkarten mit Zahlungsfunktion, die im allgemeinen Zahlungsverkehr und nicht nur bestimmten Firmen gegenüber verwendbar sind (Schroll WK2 §§ 241a–241g Vorbem Rz 14f; s BT II § 241a Rz 2f). 6 A. Die Wegnahme von Urkunden und Wertkarten, die jeder Inhaber,
ohne einen Code einzugeben und ohne sich ausweisen zu müssen, verwenden kann, um Leistungen zu erhalten oder Ausgaben zu bezahlen („Wertträger“), ist als Diebstahl strafbar; die Urkundenunterdrückung 184
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(§ 229) oder Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e) tritt dem gegenüber zurück. Der Grund leuchtet ein: Die Wegnahme einer Wertkarte mit einem Guthaben von 10 € kann nicht anders strafbar sein als die Wegnahme von 10 € in bar (EBRV zum StRÄG 2004/2, 15, Bertel WK2 § 127 Rz 9b, Schwaighofer K., PRESSE-Rechtspanorama, 7; aM Schroll WK2 § 241e Rz 24, Plöckinger ÖJZ 2005, 259: für § 241e; Sautner RZ 2004, 31: für § 241e und § 127). Die Wegnahme von Fahrkarten, Eintrittskarten, übertragbaren Netzkarten der Verkehrsbetriebe (SSt 60/42), Gutscheinen, die jeder Inhaber einlösen kann, von Lottoquittungen mit Nummern, die einen Gewinn erzielt haben (EvBl 2002/ 126), Inhaberschecks; die Wegnahme elektronischer Geldbörsen, Telefon-, Park-, Kopier- und anderer Wertkarten ist ein Diebstahl. § 229 oder § 241e tritt dem gegenüber zurück. Die Wegnahme leerer oder verbrauchter Wertkarten ist, wenn sie der Täter noch für verwendbar hält, ein Diebstahlsversuch.
B. Die Wegnahme anderer Urkunden und anderer unbarer Zahlungs- 7 mittel ist nach § 229 oder § 241e strafbar. Hier tritt das Vermögensdelikt zurück. Kein Diebstahl und keine dauernde Sachentziehung ist die Wegnahme von Reisepässen (EvBl 1975/215); Führerscheinen (EvBl 1990/120); von Sparbüchern – ohne Unterschied, ob nur der Berechtigte persönlich abheben kann oder auch ein Inhaber, der sich durch ein Losungswort legitimiert (JBl 1991, 808, EvBl 1994/29); von Bankomat- und Kreditkarten. Die Wegnahme der Urkunden ist eine Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs 1), die Wegnahme von Bankomat- und Kreditkarten eine Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e; EvBl 2005/71). Wenn der Täter später von dem weggenommenen Sparbuch abhebt, bleibt er nach § 229 und wird nach § 146 strafbar (s § 146 Rz 7); wenn er die weggenommene Kreditkarte verwendet, um sich für den Berechtigten auszugeben und Rechnungen oder Waren zu bezahlen, wird er nach § 147 Abs 1 Z 1 strafbar (s § 147 Rz 10); wenn er die weggenommene Bankomat- oder Kreditkarte zu elektronischen Bestellungen oder Abhebungen verwendet, bleibt er nach § 241e und wird nach § 148a strafbar (s § 148a Rz 7). Die Konkurrenzfragen sind leider nicht einfach. Der Täter, der eine Bankomatkarte wegnimmt, die auch als elektronische Geldbörse (quick-chip) verwendbar ist, ist nach § 241e strafbar; der damit verbundene Diebstahl des Wertträgers ist eine bloße Begleittat (Bertel WK2 § 127 Rz 9; vgl aber § 142 Rz 1). Der Studentenausweis der Universität Innsbruck dagegen ist eine Urkunde; er kann aber – an einem Bankomaten aufgeladen – als elektronische Geldbörse verwendet werden; dann wird der Ausweis auch zu einem unbaren Zahlungsmittel und Wertträger, seine Wegnahme ist dann nach § 229 und § 127 strafbar.
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9 Die §§ 232–241e schaffen für die Fälschung barer und unbarer Zahlungs-
mittel vergleichbare Straftatbestände und reihen sie unter die Delikte gegen die Allgemeinheit ein. Das ist vernünftig. Aber wer jemandem Geldscheine wegnimmt oder gestohlene Geldscheine an sich bringt, begeht kein Delikt gegen die Allgemeinheit, sondern ein Vermögensdelikt, einen Diebstahl oder eine Hehlerei. Und wer jemandem dessen Bankomatkarte wegnimmt (§ 241e Abs 1 erster Fall) oder eine weggenommene Bankomatkarte mit dem Vorsatz an sich bringt (§ 241f erster Fall), sich durch deren Verwendung unrechtmäßig zu bereichern, beeinträchtigt gleichfalls kein Rechtsgut der Allgemeinheit, sondern das Vermögensinteresse des Berechtigten, der sich eine neue Karte beschaffen und bis zur Sperre seines Kontos fürchten muss, jemand werde sein Konto plündern. Auch § 241e Abs 1 erster Fall, § 241f erster Fall und § 241e Abs 3, der häufig nur eine Begleiterscheinung jener Delikte ist (s BT II § 241e Rz 10), sind ihrer rechtlichen Natur nach Vermögensdelikte (vgl Plöckinger ÖJZ 2005, 258), welche freilich absurderweise in das 13. Hauptstück eingereiht wurden. Die Sicherheit des Zahlungsverkehrs (Schroll WK2 § 241e Rz 3) beeinträchtigen diese Delikte so wie der Diebstahl von Bargeld. Die Frage ist nicht nur für die Behandlung von Konkurrenzproblemen, sondern vor allem für die Anwendung der §§ 166 und 167 wichtig (s § 166 Rz 2, § 167 Rz 4). 4. Sachen im Gewahrsam eines anderen 10 Im Gewahrsam eines anderen stehen Sachen, die ein anderer unmittelbar
innehat (s dazu Koziol/Welser I 257f). Sachen, die der Täter selbst unmittelbar innehat, kann er nicht stehlen, wohl aber veruntreuen oder unterschlagen. 11 A. Sachen, die jemand in seiner Kleidung, einer Tasche usw bei sich
trägt oder die sich in seiner Wohnung, in seinem Auto oder in seinem Geschäftslokal befinden, stehen in seinem Gewahrsam. Sachen in der Wohnung des Mieters stehen in seinem Alleingewahrsam, auch wenn sie dem Vermieter gehören (aM SSt 59/56). Ein Kellner nimmt eine Handtasche, die ein Gast im Gastlokal hat liegen lassen, an sich und behält sie: Er begeht einen Diebstahl, weil er sie aus dem Gewahrsam des Wirtes entzieht (RZ 1981/70). Wer dagegen eine Geldtasche aufhebt, die in der Schalterhalle des Dorotheums (aM RZ 1980/17), in einer Bahnhofshalle, in einem öffentlichen Verkehrsmittel (aM SSt 17/157) oder sonst in einem allgemein zugänglichen, viel be-
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suchten und kaum überwachten Raum herumliegt, begeht keinen Diebstahl, sondern allenfalls eine Unterschlagung: Geldtaschen, die an öffentlichen Orten herumliegen, stehen in niemandes Gewahrsam (Lewisch BT I 150; für Gewahrsam der Bahnverwaltung, der Verkehrsbetriebe usw K/Schm StudB II § 127 Rz 79).
Wer seine Wohnung verlässt, behält wenigstens Mitgewahrsam an allem, 12 was sich darin befindet. Das Opfer verreist und lässt dem Täter die Wohnungsschlüssel: Der Täter stiehlt, wenn er Sachen aus der Wohnung entfernt und verkauft (JBl 1991, 808).
B. Wer sich von einer Sache entfernt, behält Gewahrsam, wenn er sie so 13 verlässt, wie man solche Sachen üblicherweise zurückzulassen pflegt. Zeitungen in einem am Straßenrand aufgestellten Zeitungsständer (EvBl 1990/ 92); der am Straßenrand – wenn auch unversperrt oder beschädigt – abgestellte Pkw (EvBl 1971/13); das vor der Haustüre – wenn auch unversperrt – abgestellte Fahrrad stehen im Gewahrsam dessen, der sie dort zurückgelassen hat. Ein anderer, der sie von dort entfernt, nimmt sie weg. Wer auf der Straße seine Brieftasche fallen lässt, behält den Gewahrsam daran, solange er sich noch in Reichweite befindet. Der Täter, der gleich den Fuß auf die Brieftasche setzt, um sie sich zuzueignen, sobald das Opfer weggegangen ist, stiehlt sie. Wer die Brieftasche dagegen aufhebt, nachdem das Opfer weggegangen ist, kann sie nicht mehr stehlen, aber doch unterschlagen. Brieftaschen auf der Straße herumliegen zu lassen, ist nicht üblich, und deshalb hat der Eigentümer, sobald er außer Reichweite ist, den Gewahrsam daran verloren. Ob er sich später erinnert, wo er die Brieftasche verloren haben muss, spielt keine Rolle. Auch die Hoffnung, eine Sache wieder zu finden, ändert nichts daran, dass man sie vorerst verloren hat.
C. Mitgewahrsam. Eine Sache steht im Mitgewahrsam mehrerer, wenn je- 14 der von ihnen, ohne auf den guten Willen der anderen angewiesen zu sein, auf sie greifen kann. Wenn ein Mitinhaber die Sache aus dem gemeinsamen Machtbereich wegbringt, seinen Mitgewahrsam in einen Alleingewahrsam verwandelt, nimmt er sie dem anderen weg. Der Vorgesetzte, der eine Sache aus dem Mitgewahrsam eines Untergebenen entzieht, handelt idR nicht rechtswidrig. Der Jugendliche, der einem Gleichaltrigen das Handy leiht, damit er in seiner Nähe telefoniere, behält Mitgewahrsam. Der Entlehner stiehlt, wenn er mit dem Handy davonläuft (14 Os 51/03). – Der Freier dagegen, der einer Prostituierten eine 100 €-Note zum Wechseln in der Nachbarschaft gibt, verliert den Gewahr-
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sam, sobald die Frau sich mit dem Geld entfernt. Sie veruntreut das Geld, wenn sie es behält (SSt 37/51). 15 Werkzeuge, Materialien, Waren und Gelder, die der Arbeitgeber seinen Ar-
beitnehmern überlässt, bleiben nur dann in seinem Mitgewahrsam, wenn die Arbeitnehmer in Räumen arbeiten, in denen wenigstens idR ein Vorgesetzter anwesend ist. Nur die Aufsicht erhält dem Vorgesetzten einen Mitgewahrsam; Weisungen, was der Arbeitnehmer mit den Sachen zu tun habe, genügen nicht (K/Schm StudB II § 127 Rz 88f; aM L/St § 127 Rz 31, 33). Der Garagenarbeiter, der allein in der Garage Parkgebühren einkassiert und das Geld am nächsten Tag einem Kollegen zur Einzahlung an die Bank übergeben soll, hat Alleingewahrsam am Geld (EvBl 1979/215). Der Filialleiter hat idR Alleingewahrsam an den in der Filiale befindlichen Waren und Geldern (SSt 46/43, 60, 11 Os 172/01); dasselbe müsste für den Leiter eines Zolleigenlagers gelten (aM SSt 53/27). Der Bote, der für seine Firma Geld auf der Post einzahlen soll (EvBl 1973/58), hat am Geld, der Lkw-Fahrer am Benzin im Tank des Firmenwagens (JBl 1969, 225) Alleingewahrsam. Arbeitnehmer, die Werkzeuge, Materialien, Gelder des Arbeitgebers in ihrem Alleingewahrsam haben, können daran keinen Diebstahl, aber eine Veruntreuung begehen (s § 133 Rz 3).
II. Die Ausführungshandlung 16 Der Täter führt den Diebstahl aus, indem er die fremde Sache gegen den
Willen des Inhabers wegnimmt: Der Diebstahl ist vollendet, wenn der Täter Alleingewahrsam an der Beute erlangt. 17 A. Der Diebstahl kleinerer Sachen, die man in oder unter der Kleidung,
in einer mitgeführten Hand- oder Aktentasche gut verbergen kann, ist vollendet, sobald der Täter sie eingesteckt oder verborgen hat (K/Schm StudB II § 127 Rz 114, Zagler BT § 127 Rz 11; aM Lewisch BT I 156f). Wenn der Täter im Warenhaus zB ein Lederetui, einige Tafeln Schokolade, eine Sonnenbrille in seine Mantel- oder Handtasche steckt, ist der Diebstahl vollendet. Die Rsp dagegen hält den Diebstahl nur für versucht, wenn der Bestohlene oder einer seiner Angestellten den Täter beim Einstecken beobachtet hat (SSt 53/ 12, 12 Os 103/06y; L/St § 127 Rz 60f), und der Diebstahl soll versucht bleiben, selbst wenn der Täter mit der Beute auf die Straße läuft und erst dort von dem Angestellten zur Rede gestellt wird (JBl 1995, 737; vgl 11 Os 145/07v). Das ist nicht richtig: Am Inhalt seiner Taschen hat man Alleingewahrsam, gleich ob und
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von wem man beobachtet wird (F/R BT I 114f, K/Schm StudB II § 127 Rz 119), und der Machtbereich von Kaufleuten endet jedenfalls an der Geschäftstüre (Lewisch BT I 136). Die Rsp will die tätige Reue beschränken (s § 167 Rz 16). Der Täter, der in einem Teppichgeschäft einen kleinen Teppich versteckt, um ihn bei Gelegenheit hinauszubringen, hat den Diebstahl nur versucht (EvBl 2000/131).
B. Der Diebstahl größerer Sachen ist erst vollendet, wenn sie der Täter 18 aus den Räumen des bisherigen Inhabers entfernt hat (K/Schm StudB II § 127 Rz 121). C. Das Einverständnis des Inhabers. Wenn der Inhaber der Sache mit der 19 Wegnahme einverstanden ist, scheidet Diebstahl aus. Wer einer Garderobefrau vortäuscht, ein bestimmter Mantel gehöre ihm, und die Frau dazu bringt, dass sie ihn den Mantel vom Haken nehmen lässt oder ihm den Mantel übergibt, begeht keinen Diebstahl (EvBl 1975/194; K/Schm StudB II § 127 Rz 223), sondern einen Betrug. Die Frau dagegen, die Kosmetika in den Einkaufskorb legt, sie mit ihrer Handtasche zudeckt und an der Kasse nicht angibt, schließlich aber doch entdeckt wird, versucht einen Diebstahl (EvBl 1984/105). Die Kassiererin sollte der Wegnahme nicht zustimmen, sondern sie bloß nicht bemerken. Zum Abheben mit einer fremden Bankomatkarte s § 148a Rz 2.
III. Die innere Tatseite Der Vorsatz des Diebes erstreckt sich auf alle bisher besprochenen Tatbild- 20 merkmale. Darüber hinaus hat er den Vorsatz, die weggenommene Sache sich oder Dritten zuzueignen (Rz 21–24) und dadurch sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern (Rz 25–27). 1. Der Zueignungsvorsatz Der Dieb will die weggenommene Sache verkaufen, verpfänden, gegen 21 andere Sachen eintauschen, sie verbrauchen, für immer behalten oder sie anderen für immer überlassen (Bertel WK2 § 127 Rz 32f, Burgstaller ÖJZ 1974, 541, K/Schm StudB II § 127 Rz 143ff, 147f, L/St § 127 Rz 50, Mayerhofer § 127 Anm 5). Er kann auch den Vorsatz haben, sie dem Berechtigten gegen einen „Finderlohn“, ein „Lösegeld“ zurückzuverkaufen (Venier JSt 2004, 73). 189
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22 A. Der Vorsatz, die weggenommene Sache nur vorübergehend zu ge-
brauchen, ist ein Zueignungsvorsatz nur bei kurzlebigen Konsumgütern; Kfz gehören nicht dazu. Wer ein Auto wegnimmt, um es mehrere Wochen einige hundert oder tausend Kilometer zu fahren und dann stehen zu lassen, handelt ohne den Vorsatz, sich durch Zueignung zu bereichern: Eine Abnützung ist noch kein Verbrauch (vgl aber K/Schm StudB II § 127 Rz 149, Fabrizy § 127 Rz 9, L/St § 127 Rz 52). Diebstahl ist die Wegnahme eines Kfz nur, wenn der Täter es gebrauchen will, bis es fast wertlos ist (§ 136 Rz 16). 23 B. Der Vorsatz, die weggenommene Sache wegzuwerfen oder sie unter
Umständen stehen zu lassen, die eine Rückgabe an den Eigentümer nicht erwarten lassen, ist kein Zueignungsvorsatz (K/Schm StudB II § 127 Rz 150, L/St § 127 Rz 58). Wer eine Handtasche wegnimmt, fest entschlossen, nur das Geld zu behalten und die Tasche samt übrigem Inhalt wegzuwerfen, begeht nur am Geld einen Diebstahl, an der Tasche und am übrigen Inhalt eine dauernde Sachentziehung (vgl SSt 46/34). Geld, Tasche und sonstiger Inhalt sind aber gestohlen, wenn der Täter bei der Wegnahme den Vorsatz hat, allenfalls, wenn brauchbar, auch die Tasche und den gesamten Inhalt zu behalten oder zu verkaufen; dabei bleibt es, auch wenn er sie später doch wegwirft (vgl RZ 1982/37). Vgl auch SSt 52/28 in Rz 28. Schwieriger wird es, wenn sich in der Tasche etwa auch ein Führerschein, eine Bankomat- oder Kreditkarte befindet: s § 135 Rz 12. 24 C. Der Vorsatz, die weggenommene Sache zu beschädigen oder zu zer-
stören, ist kein Zueignungsvorsatz. Der Täter begeht keinen Diebstahl, sondern eine dauernde Sachentziehung.
2. Der Bereicherungsvorsatz 25 Der Dieb will den in der Sache repräsentierten Wert in sein Vermögen
überführen. Dass er aus der Wegnahme sonst einen Vorteil ziehen will, genügt nicht. Dieser Vorsatz ist mit einem Zueignungsvorsatz idR verbunden; aber es gibt Ausnahmen. 26 A. „Selbsthilfe“-Diebstahl. Wer auf die Übereignung der weggenomme-
nen Sache ein Recht hat oder zu haben glaubt; oder wer sich aus deren Wert für eine wirkliche oder vermeintliche Gegenforderung bezahlt machen will, hat nicht den Vorsatz, sich durch Zueignung dieser Sache un190
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rechtmäßig zu bereichern; er begeht keinen Diebstahl (K/Schm StudB II § 127 Rz 175f, L/St § 127 Rz 57). Der Täter nimmt dem Opfer ein Handy weg, weil ihm das Opfer das Entgelt für eine sexuelle Handlung nicht bezahlen will (EvBl 2002/19).
B. Der Vorsatz, das Opfer für den Verlust der weggenommenen Sache 27 zu entschädigen, schließt den Vorsatz, sich durch Zueignung dieser Sache zu bereichern, aus (Bertel WK2 § 127 Rz 40). Wer den Wert der weggenommenen Sache nur vorübergehend nutzen will, hat nicht den Vorsatz, sich um ihren Wert schlechthin zu bereichern. HL und Rsp lassen das nur gelten, wenn der Täter das Opfer Zug um Zug mit der Wegnahme entschädigt (L/St § 127 Rz 55); zu Unrecht: Soweit der Entschädigungswille den Bereicherungsvorsatz bei der Veruntreuung ausschließt (§ 133 Rz 17f), muss er das auch beim Diebstahl tun (K/Schm StudB II § 127 Rz 164f). Der Täter nimmt aus einem Warenlager Gummimatten weg und ersetzt sie durch andere; wenn sie den weggenommenen Matten gleichwertig sind, scheidet Diebstahl aus (SSt 54/54). Gleichwertig sind sie freilich nur, wenn sie für den Eigentümer brauchbar sind oder wenn der Erlös ausreicht, den Eigentümer für die weggenommenen Matten zu entschädigen. Wenn die hinterlegten Matten weniger wert sind, will der OGH dem Täter den Diebstahl aller Matten anlasten (SSt 54/54). Das entspricht nicht der wirtschaftlichen Realität: Der Täter will sich nur um den Wert der Gummimatten bereichern, soweit er durch den Erlös der hinterlegten Matten nicht gedeckt ist.
3. Der Bereicherungsvorsatz im Augenblick der Wegnahme Der Vorsatz, sich durch Zueignung der Beute unrechtmäßig zu bereichern, 28 muss im Augenblick der Wegnahme vorhanden sein. Die einzelnen Beutestücke braucht der Täter noch nicht zu kennen. Der Einbrecher nimmt ein Etui mit dem Vorsatz weg, den Inhalt, wenn er nur brauchbar ist, zu behalten. Dass das Etui 160 € enthält, entdeckt er erst später. Dennoch ist das Geld gestohlen (SSt 52/28). Wer aber mit einem unbefugt gebrauchten Auto wegfährt und sich erst dann entschließt, das Autoradio zu behalten, begeht keinen Diebstahl (RZ 1980/42 mit Anm von Kienapfel, ZVR 1989/209). Der Täter nimmt das Radio weg, indem er mit Auto und Radio wegfährt (Fuchs RZ 1980, 6f, Scheil ZVR 1979, 162); in diesem Augenblick hat er noch nicht den Vorsatz, sich durch Zueignung des Radios unrechtmäßig zu bereichern. Später, als er diesen Vorsatz fasst, hat er das Radio schon in seinem Gewahrsam, kann es also nicht mehr wegnehmen. Der Täter begeht eine Unterschlagung nach § 134 Abs 2.
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IV. Abgrenzung 29 A. Komplizen, die dem Dieb – ohne vorhergehende Zusage – erst nach
Vollendung des Diebstahls beim Transport oder bei der Verwertung der Beute helfen, begehen eine Hehlerei. Die Diebe reißen einen Tresor aus der Verankerung, transportieren ihn weg und verstecken ihn in einer Garage. Ein Komplize hilft ihnen beim Öffnen. Das Geld teilen sie sich, den Tresor lassen sie verschwinden. Die Diebe vollenden den Diebstahl am Geld mit Abtransport des Tresors (Rz 16, 18). Wenn der Komplize seine Unterstützung schon vorher zugesagt hat, beteiligt er sich am Diebstahl, sonst begeht er eine Hehlerei (SSt 56/51). S auch § 164 Rz 3. 30 B. Der Diebstahl von Grabschmuck ist nicht nach § 127, sondern als Stö-
rung der Totenruhe nach § 190 Abs 2 strafbar (s BT II §§ 190, 191 Rz 5f). 31 C. Raub und Diebstahl s § 131 Rz 1f, § 142 Rz 4; Betrug und Diebstahl s
Rz 19, § 146 Rz 18; Veruntreuung und Diebstahl s § 133 Rz 4; Unterschlagung und Diebstahl s Rz 28, § 134 Rz 3; betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch und Diebstahl s § 148a Rz 2.
Schwerer Diebstahl § 128. (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer einen Diebstahl begeht 1. während einer Feuersbrunst, einer Überschwemmung oder einer allgemeinen oder doch dem Bestohlenen zugestoßenen Bedrängnis oder unter Ausnützung eines Zustands des Bestohlenen, der ihn hilflos macht, 2. in einem der Religionsübung dienenden Raum oder an einer Sache, die dem Gottesdienst oder der Verehrung durch eine im Inland bestehende Kirche oder Religionsgesellschaft gewidmet ist, 3. an einer Sache von allgemein anerkanntem wissenschaftlichem, volkskundlichem, künstlerischem oder geschichtlichem Wert, die sich in einer allgemein zugänglichen Sammlung oder sonst an einem solchen Ort oder in einem öffentlichen Gebäude befindet, oder 4. an einer Sache, deren Wert 3 000 Euro übersteigt. (2) Wer eine Sache stiehlt, deren Wert 50 000 Euro übersteigt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
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Schwerer Diebstahl
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1. Besonders geschützte Personen, Sachen, Orte A. Bedrängnisdiebstahl. Der Dieb fällt unter einen strengeren Strafsatz, 1 wenn er bei der Wegnahme die Bedrängnis oder Hilflosigkeit des Opfers ausnützt (§ 128 Abs 1 Z 1). Bedrängnis ist ein Zustand, auf den sich der Inhaber der gestohlenen Sache nicht vorbereiten konnte und der es ihm wesentlich erschwert, sie zu schützen. Hilflosigkeit ist ein Zustand, der das Opfer wehrlos macht, auch wenn es ihn selbst verursacht hat. In Bedrängnis ist das Opfer eines schweren Verkehrsunfalls oder eine Frau, die der Täter eben zum Beischlaf genötigt hat (SSt 59/23). Hilflos sind Gelähmte, stark Sehbehinderte, Bewusstlose, schwer Betrunkene. Dass der Täter aus der Wohnung eines Abwesenden stiehlt – er ist auf Urlaub, im Krankenhaus (JBl 1979, 331) –, genügt nicht.
Der Täter nützt die Bedrängnis oder Hilflosigkeit des Opfers aus, wenn sie 2 ihm die Wegnahme erleichtert. Wer den querschnittgelähmten Mann im Rollstuhl bestiehlt, während er schläft (SSt 50/57), oder aus der Wohnung der sehbehinderten Frau stiehlt, während sie im Bad ist (13 Os 84/97), fällt nicht unter die Qualifikation. Wer aus der Wohnung einer gehbehinderten Frau stiehlt, während ein Komplize sie ablenkt, nützt nur ihre Unaufmerksamkeit aus (14 Os 66/08z).
B. Kirchendiebstahl. Der Dieb fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn 3 er die Tat in einem der Religionsübung dienenden Raum oder an Sachen (§ 126 Rz 1) begeht, die dem Gottesdienst oder der Verehrung gewidmet sind (§ 128 Abs 1 Z 2). Einen Kirchendiebstahl begeht, wer in der Kirche einen Messbesucher bestiehlt oder Geld aus dem Opferstock fischt; nicht aber wer ein Kruzifix aus einer Gasthausstube stiehlt (RZ 1997/8): Es ist kein Gnadenbild (§ 126 Rz 1), und die Stube kein allen Gläubigen zum Gottesdienst oder zur Andacht offenstehender Raum.
C. Museumsdiebstahl. Der Dieb fällt unter einen strengeren Strafsatz, 4 wenn er eine Sache von anerkanntem wissenschaftlichem, volkskundlichem, künstlerischem oder geschichtlichem Wert an einem öffentlichen Ort oder in einem öffentlichen Gebäude stiehlt (§ 128 Abs 1 Z 3). S dazu § 126 Rz 4.
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§ 128
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
2. Der höhere Wert 5 Der Dieb fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn er Sachen stiehlt, de-
ren Wert 3 000 € (§ 128 Abs 1 Z 4) bzw 50 000 € (§ 128 Abs 2) übersteigt. Wenn der Täter eine Sache stiehlt, die er für sehr wertvoll hält, die in Wahrheit aber keine 3 000 € wert ist, nimmt die Rsp idR einen Diebstahl nur nach § 127 an (s Rz 10). Mit Recht: Hier ist der Versuch, eine Sache mit einem Wert von mehr als 3 000 € zu stehlen, absolut untauglich (§ 15 Abs 3; F/R BT I 116; aM K/Schm StudB II § 128 Rz 50).
Für den Wert der gestohlenen Sache kommt es auf ihre Funktion im Vermögen des Bestohlenen an (zum Folgenden: Bertel WK2 § 128 Rz 7ff, Fabrizy § 128 Rz 4, K/Schm StudB II § 128 Rz 29ff, L/St § 128 Rz 20f). 6 A. Handelsware. Sachen, die das Opfer zum Weiterverkauf bestimmt hat,
sind den Preis wert, zu dem sie das Opfer anbietet (Verkaufspreis), vorausgesetzt, er ist noch angemessen. Die gestohlenen Sachen sind also den Großhandelsverkaufspreis wert, wenn der Bestohlene Großhändler, den Detailhandelsverkaufspreis, wenn er Detailhändler ist (JBl 1996, 402), den Aktionspreis, wenn das Opfer die Waren zu einem herabgesetzten Preis anbietet, einschließlich Mehrwertsteuer und Gewinnspanne (EvBl 1982/132, SSt 48/89). Rabatte sind vom Verkaufspreis abzuziehen, wenn sie das Opfer unaufgefordert oder auf Verlangen jedem Kunden gewährt (vgl EvBl 1994/ 106); sie zeigen, dass der Verkaufspreis höher als angemessen ist. 7 B. Gebrauchsgüter. Für Sachen, die das Opfer gebraucht hat und die
durch den Gebrauch an Wert verlieren, ist ihr Zeitwert maßgebend, dh der Betrag, den das Opfer am Ort und zur Zeit des Diebstahls für eine neue gleichartige Sache auslegen müsste (EvBl 1994/106, EvBl 1995/70), abzüglich einer Summe, deren Höhe von der Abnützung und Veralterung der gestohlenen Sache abhängt. 8 C. Andere Sachen sind die Summe wert, die der Bestohlene am Ort und
zur Zeit des Diebstahls für ein gleichwertiges Ersatzstück hätte auslegen müssen (Wiederbeschaffungswert). Das gilt zB für Antiquitäten, Schmuck, alte Teppiche. 9 Der Täter hat nur einen Teil des Wertes der gestohlenen Sache zu vertreten,
wenn sie in seinem Miteigentum stand oder wenn er schon bei der Wegnahme den Vorsatz hatte, einen Teil ihres Wertes an den Eigentümer zurückgelangen zu lassen. 194
Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen
§ 129
D. Vorsatz. Der Wert der gestohlenen Sache muss vom Vorsatz des Täters 10 umfasst sein. Für den bedingten Vorsatz ist unerlässlich, dass der Täter bei der Wegnahme wirklich daran denkt (vgl § 75 Rz 5) und sich damit abfindet, die Beute könnte mehr als 3 000 € bzw 50 000 € wert sein. Wenn der Täter an eine ziffernmäßig bestimmte Summe nicht denkt, muss 11 ihm der Wert der Beute wenigstens mitbewusst sein: Der Täter muss zur Tatzeit von der weggenommenen Sache so viel wissen, dass er, wenn man ihn nach ihrem Wert fragte, auf Anhieb und mit Sicherheit sagen könnte, sie sei mehr als 3 000 € bzw 50 000 € wert. Wenn das nicht zutrifft oder wenn der Täter den Wert der Beute geringer einschätzt, ist § 128 Abs 1 Z 4 bzw Abs 2 nicht anwendbar. Spekulationen, ob der Täter die Sache auch dann gestohlen hätte, wenn er gewusst hätte, sie sei mehr als 3 000 € bzw 50 000 € wert, sind verfehlt (K/Schm StudB II § 128 Rz 49, Lewisch BT I 162; aM SSt 41/65, ÖJZ-LSK 1995/82; Fabrizy § 128 Rz 4a, L/St § 128 Rz 32).
Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen § 129. Mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren ist zu bestrafen, wer einen Diebstahl begeht, 1. indem er in ein Gebäude, in ein Transportmittel, in eine Wohnstätte oder sonst einen abgeschlossenen Raum, der sich in einem Gebäude oder Transportmittel befindet, oder in einen Lagerplatz einbricht, einsteigt oder mit einem nachgemachten oder widerrechtlich erlangten Schlüssel oder einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug eindringt, 2. indem er ein Behältnis aufbricht oder mit einem der in Z. 1 genannten Mittel öffnet, 3. indem er sonst eine Sperrvorrichtung aufbricht oder mit einem der in Z. 1 genannten Mittel öffnet oder 4. bei dem er oder mit seinem Wissen ein anderer Beteiligter (§ 12) eine Waffe oder ein anderes Mittel bei sich führt, um den Widerstand einer Person zu überwinden oder zu verhindern.
I. Der Einbruchs-, Einsteig- und Nachschlüsseldiebstahl (§ 129 Z 1) Für den Diebstahl nach § 129 Z 1 müssen drei Momente zusammentreffen: 1 Die Beute befindet sich in einem besonders geschützten Raum, nämlich in einem Gebäude, in einem Transportmittel, in einem abgeschlossenen 195
§ 129
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Raum in einem Gebäude oder Transportmittel, in einer Wohnstätte oder auf einem Lagerplatz; der Täter dringt dort in bestimmter Weise ein, dh er bricht ein, steigt ein, öffnet den Raum mit einem nachgemachten oder widerrechtlich erlangten Schlüssel oder dringt mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug ein; und der Täter nimmt von dort die Beute weg. Der Täter steigt über einen Zaun auf einen Lagerplatz, geht durch eine offene Türe in ein Haus und stiehlt dort etwas: In das Haus ist er nicht eingestiegen: So begeht er nur einen einfachen Diebstahl (13 Os 165, 170/93).
1. Die besonders geschützten Räume 2 A. Gebäude sind fest mit dem Erdboden verbundene Bauwerke, zB Häu-
ser, Baracken, Schuppen. Ein mit einer Plache abgedeckter Verkaufsstand ist kein Gebäude (aM 11 Os 122/96).
B. Transportmittel sind Eisenbahnwaggons, Lkw, Pkw, Anhänger, Boote. Das Transportmittel, in das der Täter einbricht, kann selbst Gegenstand des Diebstahls sein. C. Abgeschlossene Räume in einem Gebäude oder Transportmittel sind Geschäftslokale, Wohnungen, Zimmer, Keller- und Dachbodenabteile, Eisenbahnabteile. D. Wohnstätten sind Räume, in denen jemand wohnt: Wohnungen, Wohnwagen, nicht aber Terrassen und offene Balkone. 3 E. Lagerplätze sind wirksam eingezäunte Flächen, die ständig zum Ab-
stellen von Waren, Rohstoffen und Verpackungsmaterial benützt werden (Bertel WK2 § 129 Rz 2). Waren sind Sachen, die zum Verkauf, Rohstoffe Sachen, die zur Verarbeitung bestimmt sind. Lagerplatz ist das Gelände, auf dem ein Unternehmer Leergutkisten stapelt (EvBl 1998/151), ein Autohändler seine zum Verkauf bestimmten Autos abstellt (K/Schm StudB II § 129 Rz 25); nicht aber der Parkplatz vor einer Möbelfabrik (ZVR 1984/330), eine Baustelle, eine Gärtnerei (SSt 50/25), Hausgärten.
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Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen
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2. Das Eindringen A. Der Täter bricht ein, wenn er sich durch eine gewaltsame Sachbeschä- 4 digung einen Weg in den geschützten Raum bahnt, um ihn zu betreten oder um hineinzulangen. Andere stellen auf die Anwendung „nicht unerheblicher körperlicher Kraft“ oder technischer Hilfsmittel ab (K/Schm StudB II § 129 Rz 29, L/St § 129 Rz 11; vgl auch Fabrizy § 129 Rz 4). Das Aufdrücken einer Türe ist ein Aufbrechen nur, wenn der Täter Türe oder Schloss beschädigt (aM SSt 59/43). Das Gesetz spricht von Einbrechen und nicht von Kraftanwendung (Wegscheider BT 194). Und eine Kraftanwendung ohne Beschädigung kann nicht als erheblich gelten. Vgl Rz 12.
B. Der Täter steigt ein, wenn er in den geschützten Raum hineinkriecht 5 oder hineinklettert, zB über einen mannshohen Zaun. Andere lassen eine nicht ganz unerhebliche Veränderung der gewöhnlichen Körperhaltung genügen (Fabrizy § 129 Rz 4, L/St § 129 Rz 12, Zagler BT § 129 Rz 10). § 129 Z 1 ist nicht anwendbar, wenn der Täter über eine Leiter auf einen Dachboden steigt, den auch der Berechtigte nur so erreichen kann (L/St § 129 Rz 13). Das Überspringen eines Zaunes, das Bücken, um zwischen den Drähten hindurch zu steigen, ist kein Einsteigen.
C. Der Täter öffnet den Raum mit einem nachgemachten oder wider- 6 rechtlich erlangten Schlüssel. Zu den Schlüsseln gehören auch codierte Steckkarten (K/Schm StudB II § 129 Rz 36). Nachgemacht sind Schlüssel, die ohne Zustimmung des über das Schloss Verfügungsberechtigten angefertigt wurden. Widerrechtlich erlangt hat der Täter Schlüssel, die er weggenommen, abgenötigt oder herausgelockt hat (K/Schm StudB II § 129 Rz 38, Bertel WK2 § 129 Rz 7). Widerrechtlich erlangt ist der Autoschlüssel, den der Täter bei einem Einbruchsdiebstahl in eine Tankstelle erbeutet (ZVR 1993/67); den er vom Schlüsselbrett in der Wohnung, die er mit dem Opfer gemeinsam bewohnt, wegnimmt (RZ 1983/50); den er sich – schon mit Diebstahlsvorsatz – unter einem Vorwand geben lässt (SSt 48/95). Nicht widerrechtlich erlangt sind Schlüssel, die der Täter bloß findet (idS RZ 1983/50; aM OLG Wien ZVR 1978/95), die dem Täter selbst gehören, aber zufällig ins fremde Schloss passen (SSt 48/37), oder die das Opfer oder sonst jemand dem Täter anvertraut hat (ZVR 1991/22, SSt 44/21). Schlüssel, die der Täter am Tatort vorfindet – der Haustürschlüssel liegt unter der Matte, der Autoschlüssel im Handschuhfach (aM SSt 48/56), der Kassetten-
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schlüssel in einer Schublade (aM 13 Os 2/09g) –, sind nicht widerrechtlich erlangt: Der Täter nimmt sie dem Berechtigten nicht weg, er benützt sie nur, auch wenn er das mit dem Vorsatz tut, die Schlüssel hinterher wegzunehmen, sie vielleicht zu behalten (vgl 13 Os 102/08m). 7 D. Der Täter dringt mit einem nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung
bestimmten Werkzeug ein. Der Täter sperrt das Schloss an der Tür zum geschützten Raum mit einem Gerät auf, das kein Schlüssel ist, aber den Sperrmechanismus wie ein Schlüssel betätigt (K/Schm StudB II § 129 Rz 43, L/St § 129 Rz 20), also mit einem Sperrhaken oder Dietrich. 8 Das Einbrechen usw muss der Wegnahme stets vorausgehen. Vgl Rz 14.
3. Innere Tatseite 9 Der Täter handelt vorsätzlich. Er hat insbesondere schon während des Ein-
brechens, Einsteigens usw den Vorsatz, anschließend einen Diebstahl zu begehen. Wer mit Diebstahlsvorsatz in ein Haus einsteigt, begeht einen Diebstahl nach § 129 Z 1; wer in das Haus einsteigt, um dort zu schlafen, und sich erst dann zum Diebstahl entschließt, ist nur nach § 127 strafbar. Wer glaubt, den Schlüsselbund, an dem sich auch der Autoschlüssel befindet, für die Dauer einer Besorgung mitnehmen zu dürfen, hat nicht den Vorsatz, das Auto mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel zu öffnen (ZVR 1990/140). Wer sich mit einem Sperrhaken an einer vermeintlich verschlossenen Türe zu schaffen macht, sie dann unversperrt findet, in das Haus hineingeht und etwas mitnimmt, ist nach § 127, § 129 Z 1 strafbar. Im Grunddelikt (§ 127) ist der Diebstahl vollendet, in der Qualifikation (§ 129 Z 1) versucht. Der Versuch ist nur relativ untauglich.
II. Der Diebstahl aus einem verschlossenen Behältnis oder unter Überwindung einer anderen Sperrvorrichtung (§ 129 Z 2, 3) 10 Der Täter bricht das Behältnis oder die Sperrvorrichtung auf, schließt sie
mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel oder mit einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug auf und nimmt dann eine Sache weg, die sich im Behältnis befindet oder durch die Sperrvorrichtung gesichert wird.
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Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen
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A. Behältnisse sind Behälter, die einen Verschluss haben, zur Tatzeit ver- 11 schlossen sind; der Verschluss muss dazu bestimmt und geeignet sein, Dieben den Zugriff auf den Inhalt wesentlich zu erschweren. Behältnisse sind Geldkassetten (13 Os 2/09g), verschließbare Schubladen, der Benzintank eines Pkw (EvBl 1979/236), Münzfernsprecher (11 Os 74/08d), Bankomaten. Keine Behältnisse sind Schubladen mit Zierschlössern und Koffer mit Verschlüssen, die man ohne Mühe aufreißen kann – sie sollen bloß verhindern, dass sich der Koffer von selbst öffnet. Andere Sperrvorrichtungen sind zB Kfz-Zündschlösser (EvBl 1977/164); Lenkradsperren (RZ 1984/64); das Schloss eines Fahrrads; die Kette mit Vorhängeschloss, welche die Geldkassette eines Zeitungsverkaufsstandes sichert. Keine Sperrvorrichtung sind Schnüre, mit denen zB ein Rucksack festgebunden ist (RZ 1994/67).
B. Aufbrechen. Der Täter bricht das Behältnis oder die Sperrvorrichtung 12 auf, indem er sie durch eine gewaltsame Sachbeschädigung öffnet (vgl Rz 4). Wer eine Lade „unter Anwendung minderer Gewalt“ herunterdrückt, so dass sie unbeschädigt bleibt, bricht nicht ein (OLG Wien WR 2003/959). Vgl Rz 4.
Der Täter öffnet die Sperrvorrichtung oder das Behältnis, indem er sie mit einem nachgemachten oder widerrechtlich erlangten Schlüssel oder mit einem anderen nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmten Werkzeug (Rz 6, 7) aufschließt. Zur Öffnung eines Behältnisses gehört, dass der Täter in das Innere hineingreifen kann. Tricks, mit denen der Täter eine Sperrvorrichtung umgeht oder mit denen 13 er den Freigabemechanismus eines Waren- oder Geldautomaten auslöst (Automatenmissbrauch), fallen nicht unter § 129 (K/Schm StudB II § 129 Rz 68, L/St § 129 Rz 32, Fabrizy § 129 Rz 6, 8). Wer das Zündschloss eines Autos kurzschließt (ZVR 1976/241), fällt nicht unter § 129: Er schließt den Sperrmechanismus nicht auf, sondern umgeht ihn. Wer einen Automaten durch Einwurf wertloser Metallstücke oder durch Einführen eines Drahtes in den Münzeinwurfschlitz (EvBl 1994/132) dazu bringt, eine Zigarettenpackung auszuwerfen; oder wer mit einer Drahtschlinge Münzen aus einem Automaten „herausangelt“ (13 Os 24/90), begeht einen Diebstahl nur nach § 127: Der Automat wird durch diese Tricks nicht geöffnet (JBl 1992, 605 mit Anm von E. Steininger, JBl 1997, 741).
C. Die zeitliche Reihenfolge. Das Einbrechen, Aufbrechen oder das Öff- 14 nen mit einem jener Schlüssel oder Werkzeuge muss der Wegnahme vo199
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Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
rangehen (Fabrizy § 129 Rz 9, K/Schm StudB II § 129 Rz 70f, L/St § 129 Rz 33). Der Täter fährt mit einem unversperrt abgestellten Motorrad weg, um erst dann die Sitzbank aufzubrechen und den Inhalt zu behalten: ein Diebstahl nur nach § 127 (SSt 52/1). Der Täter bricht das Schloss, mit dem die Geldkassette an dem Zeitungsverkaufsständer befestigt ist, auf, trägt die Kassette weg, bricht sie auf und nimmt das Geld heraus: ein Diebstahl nach § 129 Z 3; das Aufbrechen des Schlosses ging der Wegnahme voraus, das Aufbrechen der Kassette folgte ihr nach (14 Os 6/01). 15 D. Innere Tatseite. Der Täter handelt vorsätzlich. Er hat schon während
des Aufbrechens oder Öffnens den Vorsatz, anschließend einen Diebstahl zu begehen (s Rz 10).
III. Der bewaffnete Diebstahl (§ 129 Z 4) 16 Ein an der Ausführung Beteiligter führt eine Waffe oder ein anderes Mittel
bei sich, um bei einer Betretung auf frischer Tat den Widerstand einer Person zu überwinden oder zu verhindern (vgl § 131 Rz 2). 17 A. Waffen sind Gegenstände nach § 1 WaffenG (s § 143 Rz 2). Andere
Mittel sind Gegenstände, die keine Waffen sind, die man aber als Waffen verwenden kann: Brech- und Stemmeisen, Schraubenzieher, Zaunlatten, Stöcke, Küchenmesser. 18 B. Der Täter führt die Waffe oder das andere Mittel bei sich, wenn er sie/
es während der Ausführung des Diebstahls bei sich hat (K/Schm StudB II § 129 Rz 90, Fabrizy § 129 Rz 10, L/St § 129 Rz 37). 19 C. Innere Tatseite. Der Täter muss die Absicht haben, die Waffe oder das
andere Mittel, wenn nötig, einzusetzen, um den Diebstahl auszuführen oder zu fliehen. Z 4 ist auch auf andere Beteiligte anzuwenden, wenn sie wissen, dass einer ihrer Komplizen bewaffnet und entschlossen ist, von der Waffe oder dem anderen Mittel Gebrauch zu machen. Wenn der auf frischer Tat ertappte Dieb die Beute liegen lässt und erst jetzt auf den Gedanken kommt, sich mit einem mitgebrachten Stemmeisen zu wehren, um unerkannt zu entkommen, ist § 129 Z 4 nicht anwendbar. 20 D. Konkurrenz. Der bewaffnete kann mit dem räuberischen Diebstahl
konkurrieren (vgl § 131 Rz 2). 200
Gewerbsmäßiger Diebstahl, Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung
§ 130
Gewerbsmäßiger Diebstahl und Diebstahl im Rahmen einer kriminellen Vereinigung § 130. Wer einen Diebstahl gewerbsmäßig oder als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Wer einen schweren Diebstahl (§ 128) oder einen Diebstahl durch Einbruch oder mit Waffen (§ 129) in der Absicht begeht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
I. Der Diebstahl in krimineller Vereinigung A. Eine kriminelle Vereinigung ist eine Verbindung von wenigstens drei 1 Personen, die sich auf längere Zeit zur Begehung von Diebstählen zusammenschließen. Die Diebstähle müssen Verbrechen (zB Einbruchsdiebstähle) oder dürfen nicht nur geringfügig sein (§ 278 Abs 2). Geringfügig sind Diebstähle, wenn der Wert der Beute aus jeder einzelnen Tat den geringen Wert des § 141 nicht deutlich übersteigt (Plöchl WK2 § 278 Rz 22). Zwei Diebe, die immer wieder miteinander stehlen, und ein Händler, der ihnen immer wieder die Beute abnimmt, sind noch keine kriminelle Vereinigung. Ständige kriminelle Geschäftsverbindungen genügen dafür nicht. Entscheidend ist die Unterordnung unter einen Gesamtwillen. Diebe und Hehler werden zu einer kriminellen Vereinigung, wenn sich die Diebe versprechen, einander bei gewissen, mehr oder minder bestimmten Diebstählen zu helfen, und der Händler ihnen verspricht, die Beute abzunehmen. Näheres BT II § 278 Rz 1, 4; Bertel WK2 § 130 Rz 8b.
B. Der Diebstahl wird im Rahmen einer kriminellen Vereinigung be- 2 gangen, wenn wenigstens zwei Mitglieder der Vereinigung sich irgendwie daran beteiligen (K/Schm StudB II § 130 Rz 42). Die Verurteilung nach § 127, § 130 gilt die Mitgliedschaft in der kriminellen Vereinigung (§ 278) ab (s BT II § 278 Rz 8).
II. Der gewerbsmäßige Diebstahl Den gewerbsmäßigen Diebstahl begeht der Täter in der Absicht, sich selbst 3 durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (§ 70). 201
§ 130
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
4 A. Eine Einnahme beabsichtigt der Täter, wenn es ihm auf einen Gewinn
in Geld ankommt: Wenn er die Absicht hat, Geld zu stehlen oder die gestohlenen Sachen in Geld umzusetzen. Diebstähle von Sachen zum eigenen Gebrauch geschehen nicht gewerbsmäßig (Pallin WK § 70 Rz 9, Messner Begehung 72ff; aM Jerabek WK2 § 70 Rz 10). Wer bloß für den eigenen Bedarf stiehlt, macht das Stehlen nicht zum Gewerbe (vgl K/Schm StudB II § 130 Rz 6f). Die hM dagegen sieht jede Bereicherung als Einnahme an (EvBl 2000/132; Fabrizy § 70 Rz 1, K/Schm StudB II § 130 Rz 16, L/St § 70 Rz 5, Lewisch BT I 169f), obwohl das Gesetz zwischen der Bereicherung im § 127 und der Einnahme im § 70 deutlich unterscheidet. 5 B. Eine laufende Einnahme beabsichtigt der Täter, wenn es ihm darauf
ankommt, Diebstähle (s Rz 4) „längere Zeit“ (L/St § 70 Rz 3, K/Schm StudB II § 130 Rz 12f) zu begehen. Der OGH lässt „einige Wochen“ genügen (RZ 1997/84), es sollten mehr (Geyer RZ 2006, 38), wenigstens drei Monate, sein. Wer stiehlt, um sich einen bestimmten Warenvorrat oder eine bestimmte Summe Geldes zu verschaffen, handelt nicht gewerbsmäßig (s § 148 Rz 1). 6 C. Die vom Täter insgesamt beabsichtigte Einnahme muss die „Bagatell-
grenze“ übersteigen (13 Os 139/06z), darf „wirtschaftlich nicht ganz unbedeutend“ sein (L/St § 70 Rz 5, K/Schm StudB II § 130 Rz 14). Das wurde bisher so gut wie immer bejaht. Neuerdings scheint der OGH die Bagatellgrenze mit dem geringen Wert des § 141 (s § 141 Rz 4) gleichzusetzen (15 Os 1/06w). Der Täter stiehlt zweimal mit Wiederholungsabsicht Geldtaschen mit einem Inhalt von insgesamt 25 bis 35 €. Das genügt zur Annahme der Gewerbsmäßigkeit nicht (13 Os 110/98). Vgl auch 13 Os 24/90; ganz anders dagegen EvBl 1991/103 (s § 148 Rz 1).
7 D. Schon der erste Diebstahl ist gewerbsmäßig begangen, wenn der Täter
mit der entsprechenden Absicht handelt: Als Indizien für diese Absicht gelten Vorstrafen, Fehlen regelmäßiger legaler Einkünfte (zB bei Asylwerbern), schlechte Vermögensverhältnisse und die Begehung mehrerer Diebstähle in relativ kurzer Zeit (Bertel WK2 § 130 Rz 4). Der Täter, ein Ausländer, öffnet mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel einen Münzfernsprecher und stiehlt daraus 33,90 €. Das Gericht nimmt gewerbsmäßige Absicht an, in der E 11 Os 74/08d werden nicht einmal Indizien erwähnt.
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Räuberischer Diebstahl
§ 131
E. Eine Notlage schließt gewerbsmäßiges Handeln nicht aus (L/St § 70 Rz 4); aber § 141 kann trotz der Gewerbsmäßigkeit anwendbar sein (§ 141 Rz 6).
8
F. Beteiligte. Nach § 130 strafbar ist nur, wer selbst gewerbsmäßig handelt. Auf den Gelegenheitsdieb, der sich am Diebstahl eines gewerbsmäßig handelnden Täters beteiligt, ist § 130 nicht anwendbar (K/Schm StudB II § 130 Rz 20; aM Wegscheider ÖJZ 1979, 66; vgl § 14 Abs 2).
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G. Qualifikation. § 130 Satz 2 ist auf gewerbsmäßige Diebe zugeschnitten, 10 die sich auf eine bestimmte, nach § 128 oder § 129 qualifizierte Art von Diebstählen spezialisiert haben (L/St § 130 Rz 14). Dem Dieb kommt es darauf an, auf längere Zeit Geschäftseinbrüche zu begehen.
H. Prozessuales. Nach hM kann man die meisten Ladendiebe verdächti- 11 gen, sie beabsichtigen „für längere Zeit“ weitere Diebstähle zu begehen. Die Täter werden, vor allem wenn sie Ausländer sind, wegen Verdachts des gewerbsmäßigen Diebstahls und Tatbegehungsgefahr in Haft genommen, was bei unqualifizierten Diebstählen unzulässig ist (§ 170 Abs 1 Z 4 StPO). Viele Richter erwarten sich davon mehr Abschreckung. Die meisten Urteile stellen lediglich fest, „der Täter hatte die Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung von Diebstählen eine laufende Einnahme zu verschaffen“. Solchen Urteilen kann man weder entnehmen, was das Gericht zB unter „laufend“ verstanden hat, noch kann man ihnen entnehmen, welche und wie viele Diebstähle der Täter nach der Überzeugung des Gerichtes beabsichtigt hat (Bertel WK2 § 130 Rz 8f). Zur Begründung der gewerbsmäßigen Absicht berufen sich die Gerichte idR pauschal auf die in Rz 7 genannten Indizien, manchmal nicht einmal darauf (s ebendort).
Räuberischer Diebstahl § 131. Wer, bei einem Diebstahl auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen eine Person anwendet oder sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) bedroht, um sich oder einem Dritten die weggenommene Sache zu erhalten, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn die Gewaltanwendung jedoch eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85) oder den Tod eines Menschen zur Folge hat, mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen.
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§ 131
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
1 A. Raub und räuberischer Diebstahl. Beide Delikte haben einige Merk-
male gemeinsam: Der Täter wendet Gewalt gegen jemanden an oder bedroht ihn mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben. S dazu § 142 Rz 3f, 5f. Der Ladendieb, der sich von einer Verkäuferin, die ihn „mit geringer Intensität“ am Arm festhält, losreißt und mit der Beute davonläuft, wendet keine Gewalt an (EvBl 1995/33, 12 Os 103/06y; Zagler BT § 131 Rz 5). Hier ist weder an § 131 noch an § 142 zu denken. 2 Der Räuber hat den Vorsatz, das Opfer gerade durch räuberische Mittel zu
zwingen, eine Sache herauszugeben oder sie sich wegnehmen zu lassen (§ 142 Abs 1). Der räuberische Dieb denkt an räuberische Mittel vorerst gar nicht oder will sie nur bei Betretung auf frischer Tat anwenden. Wenn er sich für diesen Fall mit einer Waffe oder einem „anderen Mittel“ ausrüstet, liegt ein bewaffneter Diebstahl vor (§ 129 Rz 16). Der Diebstahl wird (auch) zum räuberischen Diebstahl, wenn der Dieb bei Betretung auf frischer Tat die räuberischen Mittel in der Absicht einsetzt, die weggenommene Sache sich oder einem Dritten zu erhalten (§ 131). Der räuberische Dieb, der räuberische Mittel nur „im Notfall“ einsetzt, ist weniger gewaltbereit als der Räuber; darum der geringere Strafsatz (vgl EBRV 278). Der Täter will mit dem Handy verschwinden, das er soeben dem Opfer unter einem Vorwand herausgelockt hat, das Opfer wehrt sich, der Täter versetzt ihm einen wuchtigen Schlag auf den Kopf; für den OGH ein Raub, weil der Täter den „logisch“ zu erwartenden Widerstand des Opfers „einkalkuliert“ hat (14 Os 113/08m). Das ist nicht richtig, denn auch der räuberische Dieb kann mit dem Widerstand des Opfers rechnen, aber im Unterschied zum Räuber will er Gewalt nur als „Mittel der zweiten Wahl“ einsetzen (Bertel WK2 § 131 Rz 1, 6), zB nur für der Fall, dass ihn das Opfer festhält. Doch dazu traf das Gericht keine Feststellungen. Der Täter lässt sich als angeblicher Kunde von einem Haschischhändler dessen Ware zur Ansicht in die Hand geben und überzeugt ihn mit vorgehaltenem Messer, dass er keine Aussicht hat, sie zurückzuerhalten. Hier war die Drohung offensichtlich Mittel der ersten Wahl, darum ein Raub (EvBl 1981/174, EvBl 1979/149). 3 B. Betretung auf frischer Tat. Der Täter wird bei einem Diebstahl über-
rascht und wendet jetzt Gewalt gegen das Opfer an oder bedroht es mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, um sich Alleingewahrsam an der Beute zu verschaffen. Dass der Täter mit der Möglichkeit einer Betretung schon gerechnet hat, schadet nicht (Bertel WK2 § 131 Rz 6). Der Täter 204
Räuberischer Diebstahl
§ 131
muss nicht geradezu „aus allen Wolken fallen“, wenn sich das Opfer wehrt (s auch Rz 2). C. Die weggenommene Sache. Der räuberische Dieb hat die Beute im Au- 4 genblick der Gewaltanwendung oder Drohung bereits „weggenommen“, dh hier Mitgewahrsam daran erlangt (RZ 1999/55, JBl 1995, 737; Burgstaller Ladendiebstahl 37, F/R BT I 119f, Lewisch BT I 173f, Wegscheider BT 196). Die räuberischen Mittel dienen ihm dazu, den Mitgewahrsam zu erhalten, freilich auch, ihn in Alleingewahrsam zu verwandeln. K/Schm (StudB II § 131 Rz 7f) und L/St (§ 131 Rz 3) wollen hier Raub an- 5 nehmen: Räuberischer Diebstahl komme nur in Frage, wenn der Täter nach Vollendung des Diebstahls zu räuberischen Mitteln greift, um sich die Beute zu erhalten. Das entspricht weder dem Wortlaut – in § 131 ist von Betretung „bei“ und nicht „nach“ einem Diebstahl die Rede – noch dem Sinn des Gesetzes (s Rz 2). Ein Ladendieb wird vom Kaufhausdetektiv auf den Parkplatz verfolgt und stößt ihn dort zur Seite, um mit der Beute zu fliehen (JBl 1995, 737; s § 142 Rz 4); der OGH hielt den Diebstahl nur für versucht. Dennoch und mit Recht hat der OGH räuberischen Diebstahl angenommen. Der Täter will dem Opfer die Handtasche, die es locker in der Hand hält, unvermutet entreißen; das Opfer bemerkt den Zug an der Tasche und hält sie fest; jetzt reißt der Täter mit aller Kraft, reißt das Opfer um und entkommt mit der Tasche. Für den OGH sind solche Fälle Raub (§ 142 Rz 4); in Wahrheit sind sie räuberische Diebstähle: Der Täter will die Tasche stehlen und wendet Gewalt erst an, als das Opfer die Wegnahme bemerkt und durch Festhalten der Tasche darauf reagiert (s Rz 2).
D. Frisch ist die Tat von der Ergreifung der Beute an über die Vollendung 6 des Diebstahls hinaus, bis der Täter die Beute in Sicherheit gebracht, dh bis er sie versteckt oder in Räumen untergebracht hat, an denen er oder Dritte Hausrecht haben. Wenn der Dieb die Beute, nachdem sie schon in Sicherheit gebracht ist, verteidigt, liegt kein räuberischer Diebstahl, sondern eine Konkurrenz von Diebstahl und Nötigung vor. Eine Frau lädt einen Mann zum Übernachten in ihre Wohnung ein, nimmt ihm die Brieftasche weg, versteckt sie und zwingt ihn, als er des Morgens danach sucht, mit vorgehaltener Pistole zum Verlassen der Wohnung. Mit dem Verstecken der Beute in ihrer Wohnung hat die Täterin den Diebstahl vollendet und die Beute in Sicherheit gebracht. Sie begeht durch die Drohung keinen räuberischen Diebstahl, sondern eine Nötigung in Konkurrenz zum Diebstahl (EvBl 1974/241).
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§ 132
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
7 E. Innere Tatseite. Der räuberische Dieb greift zu Gewalt oder Drohun-
gen gerade in der Absicht (§ 5 Abs 2), die Beute sich oder Dritten zu erhalten. Es muss dem überraschten Dieb auch darauf und nicht bloß auf die Flucht ankommen. Der überraschte Dieb, der die Beute wegwirft oder liegen lässt und sich erst dann gegen die Verfolger wendet; und der Ladendieb, der ein Feuerzeug in seine Manteltasche steckt und, von zwei Verkäuferinnen gestellt, die Frauen gleich zurückstößt, weil er seine Flucht durch das Auspacken der Beute nicht gefährden will (EvBl 1980/33), begehen keinen räuberischen Diebstahl, sondern eine Nötigung in Konkurrenz zum Diebstahl. Zweifelhaft ist die Gewaltanwendung (s § 142 Rz 3), und es fehlt die Absicht des § 131: Dass dem Ladendieb während der Flucht die Beute in der Manteltasche mitbewusst ist, genügt dafür nicht. 8 F. Beteiligung. Wenn von mehreren an einem Diebstahl Beteiligten einer
gegen den Störer Gewalt anwendet oder ihn mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben bedroht, haften auch die anderen wegen räuberischen Diebstahls, wenn auch sie mit der Absicht des § 131 (s Rz 7) dazu beitragen oder sich darüber vor der Tat verabredet haben. Dass die Gewaltanwendung eines Beteiligten den anderen bloß willkommen war, macht sie noch nicht nach § 131 strafbar (K/Schm StudB II § 131 Rz 25, Fabrizy § 131 Rz 1a, L/St § 131 Rz 13). Wer die Gelegenheit, dass sich ein Mittäter unvermutet in eine Rauferei mit dem Opfer einlässt, benutzt, um mit der Beute zu fliehen, macht sich nicht nach § 131 strafbar (so aber die ältere Rsp, zB EvBl 1963/79). 9 G. Qualifikation. Wenn der räuberische Dieb Gewalt anwendet und da-
durch fahrlässig dem Opfer eine Verletzung mit schweren Dauerfolgen zufügt (§ 85) oder es gar tötet, ist er nach dem zweiten Strafsatz des § 131 zu bestrafen. Wenn die Gewaltanwendung geringere Verletzungen zur Folge hat, sind sie durch die Anwendung des § 131 erster Strafsatz mitabgegolten. Die §§ 83ff sind nicht anwendbar (K/Schm StudB II § 131 Rz 33, L/St § 131 Rz 23).
Entziehung von Energie § 132. (1) Wer mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, aus einer Anlage, die der Gewinnung, Umformung, Zuführung oder Speicherung von Energie dient, Energie entzieht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
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Veruntreuung
§ 133
(2) Wer Energie entzieht, deren Wert 3 000 Euro übersteigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer Energie im Wert von mehr als 50 000 Euro entzieht, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Jaburek/Schmölzer, Computer-Kriminalität (1985).
Nach § 132 macht sich strafbar, wer mit Bereicherungsvorsatz bestimmten 1 Anlagen elektrische Energie entzieht. Gas und Warmwasser kann der Täter „nur“ stehlen. A. Die Anlage, der die Energie entzogen wird, dient der Gewinnung, Umformung, Zuführung oder Speicherung von Energie. Solche Anlagen sind das Stromnetz, Akkumulatoren und Batterien, nicht aber Kabelfernsehen und Telefonnetz. Wer sein Fernsehgerät „schwarz“ an das Kabelfernsehen anschließt (SSt 56/93) oder wer ein fremdes Telefon ohne Erlaubnis benützt (vgl JBl 1977, 274), ist nicht nach § 132 strafbar. S auch § 148a Rz 3.
B. Der Täter entzieht Energie, indem er den Zähler überbrückt oder un- 2 erlaubt ein Verbrauchsgerät an eine fremde Dose anschließt (Bertel WK2 § 132 Rz 2). Die unbefugte Benützung eines Gerätes, von dem der Inhaber weiß, dass es nur auf seine Kosten benützt werden kann, fällt nicht unter § 132 (Lewisch BT I 174; aM L/St § 132 Rz 3, Kienapfel II § 132 Rz 3f). Der Untermieter, der ohne Erlaubnis in der Küche des Vermieters kocht, und der Täter, der mit wertlosen Metallstücken einen Fernsprechautomaten in Betrieb setzt (vgl § 149 Abs 2), sind nach § 132 nicht strafbar.
C. Innere Tatseite. Der Täter handelt mit dem Vorsatz, sich oder Dritte un- 3 rechtmäßig zu bereichern. Am Bereicherungsvorsatz fehlt es, wenn der Wert der entzogenen Energie nicht messbar (Kienapfel II § 132 Rz 6) ist oder wenn der Täter das Opfer in Kürze entschädigen will (vgl § 127 Rz 27).
Veruntreuung § 133. (1) Wer ein Gut, das ihm anvertraut worden ist, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zueignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer ein Gut veruntreut, dessen Wert 3 000 Euro übersteigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer ein Gut im Wert von mehr als 50 000 Euro veruntreut, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
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§ 133
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Schrifttum: Baumgartner, Der Schutz zivilrechtlicher Forderungen durch Veruntreuung, Untreue und Unterschlagung (1996); Bertel, Der „Amtsmissbrauch“ des Paketverladers, AnwBl 1978, 337; Brandstetter, Die Fragwürdigkeit der wirtschaftlichen Betrachtungsweise und andere aktuelle Fragen des Wirtschaftsstrafrechts, StPG 26 (1998), 127; Burgstaller, Diebstahl, Veruntreuung und Unterschlagung, ÖJZ 1974, 540; Friedrich, „Giralgeld“ – wirklich kein „Gut“? Bemerkungen zu einer Entscheidungskritik, ÖJZ 1985, 713; Fuchs, Neue Formen rechtswidriger Vermögensschädigung, StPG 12 (1984), 63; Hoyer, Veruntreuung und Eigentumsvorbehalt, JBl 1969, 50; Karollus, Veruntreuung der Pfandsache durch den Eigentümer, RdW 1988, 39; Kienapfel, Zur Veruntreuung und Unterschlagung von „Giralgeld“, ÖJZ 1985, 487; ders, Zur strafrechtlichen Problematik des Giralgeldes, ÖJZ 1986, 338; ders, Probleme des strafrechtlichen Geldbegriffs, ÖJZ 1986, 423; Leitner/Eckhard, Irrtum des Finanzamtes zugunsten des Abgabepflichtigen – Verfügung über das daraus entstehende Guthaben – Veruntreuung, Unterschlagung, Betrug? RdW 1994, 88; Liebscher, Veruntreuung und Eigentumsvorbehalt, JBl 1969, 106; Olscher, Untreue und Veruntreuung bei der Gesellschaft bürgerlichen Rechts, GesRZ 1981, 18; Rosbaud, Veruntreuung und Unterschlagung eigener Sachen? (1998); Scheil, Zur Einwilligung beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen nach § 136 StGB, ZVR 1984, 129; Schick, Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot, in: Walter-FS (1991), 625; Schwaighofer, Unterschlagung von Treibstoff nach Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle? ZVR 1989, 1; Steininger E., Strafrechtliche Probleme des Selbstbedienungstankens, RZ 1988, 233; Steininger H., Typische Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität und ihre Bekämpfung, ÖJZ 1982, 589; Wegscheider/ Sautner, Diebstahl und Veruntreuung zwischen Mitgewahrsam und Vertrauensverhältnis, RZ 2001, 11.
1. Gegenstand der Veruntreuung 1 Der Täter veruntreut anvertrautes Gut. Das anvertraute Gut kann eine
fremde bewegliche Sache (§ 127 Rz 1f) sein; unter Umständen aber auch eine Sache, vor allem Geld, die dem Täter gehört und nur „wirtschaftlich“ einem anderen zusteht (Rz 7), oder ein Bankguthaben (Rz 10). 2 Wertlose Sachen können nicht Gegenstand eines Vermögensdeliktes sein
(§ 127 Rz 3). Urkunden und Wertkarten, die Wertträger sind (s § 127 Rz 6), können veruntreut werden. Andere Urkunden und andere unbare Zahlungsmittel kann der Täter bloß zur Begehung anderer Delikte benützen (§ 127 Rz 7f). Das Opfer beauftragt den Täter, eine Rechnung zu zahlen, gibt ihm sein Sparbuch und nennt ihm das Losungswort; der Täter hebt die gesamte Einlage ab und verwendet sie für sich. Der OGH hat eine Veruntreuung der Einlage angenommen (JBl 1991, 808; ebenso K/Schm StudB II § 133 Rz 41). Aber für die widerrechtliche Verwertung fremder Sparbücher, ob anvertraut oder weggenommen (s § 127 Rz 7), sollte es eine einheitliche Lösung geben. Der Täter begeht einen Betrug: Wenn die Bediensteten der Sparkasse wüssten, dass der Täter zur Abhebung nicht berechtigt ist, müssten sie die Auszahlung verweigern.
208
Veruntreuung
§ 133
Wenn der Täter dagegen bloß den Rechnungsbetrag abhebt und für sich verwendet, veruntreut er ihn. Diesen Betrag hat ihm das Opfer „mittelbar“ (s Rz 4) durch die Bank anvertraut.
A. Körperliche Sachen (§ 127 Rz 1f) sind dem Täter anvertraut, wenn der 3 Täter sie in den Alleingewahrsam übernimmt und sich dem Übergeber verpflichtet, die Sache – auf jeden Fall oder unter bestimmten Bedingungen – zurückzugeben, an jemanden weiterzugeben oder für jemanden zu verwenden. a) Die Übergabe. Der Übergeber kann dem Täter Sachen unmittelbar 4 oder über Dritte anvertrauen. Der Arbeitgeber vertraut dem Filialleiter auch die Waren und Gelder an, die Lieferanten in der Filiale abgeben und Kunden dort zahlen (SSt 46/43; idS SSt 53/46).
Sachen, die schon immer im Gewahrsam des Täters waren; Sachen, die er eigenmächtig an sich gebracht, und Sachen, an denen er nur Mitgewahrsam erlangt hat (§ 127 Rz 14), sind ihm nicht anvertraut. Dass der Täter eine Sache herausgeben muss, macht sie noch nicht zum anvertrauten Gut (Bertel WK2 § 133 Rz 4, Lewisch BT I 178f). Die Motorjacht, die der Täter seiner Bank zur Sicherstellung übereignet, die er aber weiter benützen darf, ist ihm nicht anvertraut (ÖJZ-LSK 1998/45; vgl aber Brandstetter StPG 26, 143). Die Bank hat sie ihm nicht übergeben. Überdies ist die Sicherungsübereignung ohne Übergabe zivilrechtlich gar nicht wirksam.
b) Die Rückgabe- oder Verwendungspflicht kann sich aus einem privat- 5 rechtlichen Rechtsgeschäft oder aus dem öffentlichen Recht ergeben (Bertel WK2 § 133 Rz 6ff). Anvertrautes Gut sind zB Sachen, die der Täter gemietet (EvBl 1977/12), entlehnt (JBl 1970, 482), zur Verwahrung, zur Erfüllung eines Auftrags (SSt 37/51) oder als Pfand übernommen hat; Sachen, die der Täter geleast (11 Os 26/08w) oder die er unter Eigentumsvorbehalt gekauft, aber noch nicht voll bezahlt hat (RZ 1976/77); Sachen, die der Arbeitgeber dem Täter überlassen hat, damit er sie während der Arbeitszeit, aber ohne ständige Aufsicht verwahre, benütze oder verarbeite (JBl 1969, 225). – Sachen des Arbeitgebers, die der Arbeitnehmer unter den Augen Vorgesetzter benützt oder verarbeitet, sind ihm nicht anvertraut: Sie stehen im Mitgewahrsam des Arbeitgebers (§ 127 Rz 15).
Sachen, an denen ein Beamter in Ausübung seines Dienstes Alleingewahr- 6 sam erlangt, sind ihm vom Staat anvertraut (K/Schm StudB II § 133 Rz 47, 209
§ 133
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Lewisch BT I 179). Wenn er sie sich mit Bereicherungsvorsatz zueignet, begeht er eine Veruntreuung (s BT II § 302 Rz 19). Sachen, die der Täter ohne Rückgabe- oder Verwendungspflicht übernimmt, sind ihm nicht anvertraut. Das Benzin, das der Täter an einer Selbstbedienungstankstelle in den Tank seines Autos füllt (EvBl 1988/77), und Sachen, die jemand dem Täter übergibt, um eine Schuld zu erfüllen, sind ihm nicht anvertraut. Vgl § 134 Rz 10f. 7 c) Geld ist dem Täter anvertraut, wenn er ständig eine gleich hohe
Summe zur Rückzahlung, Weiterleitung oder Verwendung im Interesse des Auftraggebers bereithalten muss. Das trifft idR auf Treuhänder, Verwahrer, Beauftragte und Inkassobevollmächtigte zu. Ob das Geld im Eigentum der Übergeber bleibt, ob es bei der Übergabe oder später durch Vermischung in das Eigentum des Täters übergeht, ist unerheblich. Darum schreiben viele Autoren, das anvertraute Gut müsse für den Täter keine juristisch, sondern nur eine „wirtschaftlich“ fremde Sache sein (K/Schm § 133 Rz 22f, L/St § 133 Rz 2). Anvertraut sind dem Täter Gelder, die er aufgrund einer Inkassovollmacht von Firmenkunden einnimmt (11 Os 164/95, 8 Ob A 80/07h), die er übernimmt, um bestimmte Schulden des Übergebers zu bezahlen (12 Os 90/97) oder um sie an eine Druckerei weiterzuleiten (EvBl 1998/17). Anvertraut ist dem Täter auch das Geld, das er für einen Pkw erhält, den er übernommen hat, um ihn für den Übergeber zu verkaufen (EvBl 1987/85). Nicht anvertraut sind dem Gläubiger, der seine Forderung zediert hat, Gelder, die ihm der ahnungslose Schuldner zahlt (15 Os 56, 57/01). 8 Darlehen sind kein anvertrautes Gut, selbst wenn sie für einen bestimmten
Zweck gegeben werden. Gelder, die der Täter als Kaution erhalten hat, sind ihm anvertraut, wenn er einen Betrag in der Höhe des übernommenen ständig bereithalten muss. Wenn er sie bis zur Rückzahlung in eigenen Geschäften anlegen darf, sind sie kein anvertrautes Gut, sondern haben Darlehenscharakter (L/St § 133 Rz 8, 10). Vorschüsse, die als Anzahlung auf den Preis einer Ware oder eines Werks gegeben werden, sind kein anvertrautes Gut. Zum Förderungsmissbrauch vgl § 153b Rz 1ff. 9 d) Anvertraute Waren, anvertraute Erlöse. Waren, die ein Kaufmann
unter Eigentumsvorbehalt, aber zum Weiterverkauf erhält, sind ihm anvertraut (s Rz 3). Mit dem Weiterverkauf geht der Eigentumsvorbehalt an den Waren unter. Der Erlös, den der Kaufmann für die Waren einnimmt, ist ihm vom Lieferanten anvertraut, wenn er die Waren im Auftrag, als Kommissionär des Lieferanten verkauft (ÖJZ-LSK 1995/24). Das ist anzuneh210
Veruntreuung
§ 133
men, wenn der Täter die Waren nur bezahlen muss, wenn und soweit er sie weiterverkauft; und wenn er im Fall eines Verkaufs das Geld, das er dem Lieferanten schuldet, ständig für ihn bereithalten muss („verlängerter Eigentumsvorbehalt“). Ein Tankstellenpächter erhält Treibstoff unter Eigentumsvorbehalt, ein Trafikant Autobahnvignetten in Kommission, er hat ihn/sie zu verkaufen und den Erlös nach Abzug einer Provision an den Lieferanten abzuführen. Der Täter begeht eine Veruntreuung, wenn er den gesamten Erlös für sich behält (SSt 43/10, 12 Os 85/05z). Der Bodenleger dagegen, der sich Fliesen unter Eigentumsvorbehalt liefern lässt, sie verlegt und den Erlös für sich verwendet (SSt 39/19), und der Bauer, der Ferkel unter Eigentumsvorbehalt erwirbt, sie auffüttert, verkauft und den Erlös für sich verwendet (JBl 1968, 435), begehen keine Veruntreuung. Der Bauer zB muss die Ferkel auch dann bezahlen, wenn er sie nicht verkaufen kann oder wenn sie eingehen.
B. Bankguthaben sind ein dem Täter anvertrautes Gut, wenn sie ihm im 10 Rahmen eines Auftragsverhältnisses überwiesen wurden (SSt 56/17; Friedrich ÖJZ 1985, 715f, Lewisch BT I 183, Schick Walter-FS 641f); andere Autoren (Kienapfel ÖJZ 1985, 488, K/Schm StudB II § 133 Rz 10, 15, L/St § 133 Rz 1a, Wegscheider/Sautner RZ 2001, 16) dagegen wollen unter anvertrautem Gut nur körperliche Sachen verstehen. Beträge, die ein Kommittent dem Täter zum Kauf von Waren auf sein Konto überweist, und Beträge, die Dritte dem Täter als Treuhänder überweisen, sind dem Täter anvertraut. Er begeht eine Veruntreuung, wenn er die Beträge an seine Gläubiger weiter überweist und den Auftrag nicht erfüllen kann. Straffreiheit wäre eine unnötige und unverständliche Strafbarkeitslücke. Eine Steuergutschrift des Finanzamts ist dem Täter nicht anvertraut. Er begeht keine Veruntreuung, wenn er sie sich auszahlen lässt, anstatt sie – wie vereinbart – einem Dritten zur Verfügung zu stellen (15 Os 63/99).
2. Die Ausführungshandlung Der Täter eignet das anvertraute Gut sich oder Dritten zu, indem er es 11 verkauft (SSt 53/55), verpfändet, gegen andere Sachen eintauscht, verbraucht oder es sonst zu eigenem oder fremdem Vorteil verschwinden lässt (s § 127 Rz 21ff). – Nach anderer Meinung ist Zueignung jede Handlung, in der sich der Zueignungswille „objektiv“ manifestiert (K/Schm StudB II § 133 Rz 72). Aber was die Zueignung ist, auf die sich der Zueignungswille bezieht, bleibt dabei offen. 211
§ 133
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Zueignung ist es, wenn der Täter eine ihm anvertraute Sache verbirgt (SSt 40/66), ihren Verlust vortäuscht, mit ihr untertaucht oder sich verborgen hält (vgl Fabrizy § 133 Rz 3, L/St § 133 Rz 14f); versuchte Zueignung ist es, wenn der Täter die anvertraute Sache einem Dritten zum Kauf anbietet (für Vollendung K/Schm StudB II § 133 Rz 77). Keine Zueignung ist es, wenn der Täter den Typenschein des Pkw, den er zum Verkauf in Kommission übernommen hat, einem Dritten zum Pfand gibt (JBl 1985, 247); wenn der Geschäftsführer zweier Gesellschaften das Fahrzeug, das auf den Namen der einen GmbH geleast ist, der anderen zur Nutzung überlässt (11 Os 26/08w). 12 Wer die anvertraute Sache vom Täter kauft, kann als Beteiligter (§ 12) an
der Veruntreuung mitschuldig werden (für Hehlerei K/Schm StudB II § 133 Rz 124). 13 Anvertrautes Geld (Rz 7f) eignet sich der Täter zu, indem er es ausgibt, ein
anvertrautes Guthaben (Rz 10), indem er es an seine Gläubiger überweist oder Forderungen der Bank damit abdeckt (SSt 56/17), ohne einen gleich hohen Betrag anderweitig bereit zu halten. 14 Dass der Täter ein ihm anvertrautes Gut nicht herausgibt (L/St § 133
Rz 15) oder die Herausgabe geradezu verweigert, genügt für die Zueignung nicht (K/Schm StudB II § 133 Rz 65, 80, Lewisch BT I 184). Wenn der Täter den Leihwagen über die vereinbarte Zeit hinaus benützt, sein Aufenthalt dem Vermieter bekannt ist und der Täter keine Anstalten macht, das Auto zu verbergen oder – zB durch Wechseln der Kennzeichen – unkenntlich zu machen, fehlt es an einer Zueignungshandlung, auch wenn der Täter hofft, das fremde Auto lange benützen zu können.
3. Die innere Tatseite 15 Der Täter der Veruntreuung handelt mit dem Vorsatz, durch Zueignung
des anvertrauten Gutes sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern: Er hat den Vorsatz, sich oder Dritte um den Wert der Sache zu bereichern. Diesen Vorsatz hat der Täter, wenn er das anvertraute Gut verkaufen, gegen andere Sachen eintauschen, verpfänden, verbrauchen oder für immer behalten will. Das zu § 127 (Rz 21ff) Gesagte gilt sinngemäß auch hier. 16 A. Rückgabevorsatz. Der Vorsatz, das anvertraute Gut in noch brauchba-
rem Zustand zurückzugeben, schließt den Zueignungsvorsatz aus (Bertel WK2 § 133 Rz 33ff).
212
Veruntreuung
§ 133
Wer mit einem Auto, das er für eine halbe Stunde entliehen hat, vierzehn Tage herumfährt (ZVR 1978/93); wer einen zur Reparatur übernommenen Pkw anderen für eine Fahrt von Stockholm nach Ungarn überlässt (EvBl 1993/151), will das Auto sich bzw anderen noch nicht zueignen; das gilt auch dann, wenn der Täter für die Dauer des unbefugten Gebrauchs das Auto mit anderen Kennzeichen versieht. Der unbefugte Gebrauch kann aber zur Strafbarkeit nach § 136 Abs 1, 3 führen. S § 136 Rz 9.
B. Entschädigungsvorsatz. Der Wille des Täters, den Wert des anvertrau- 17 ten Gutes dem Berechtigten zukommen oder an ihn zurückgelangen zu lassen, schließt den Bereicherungsvorsatz aus. Der Täter verkauft eine unter Eigentumsvorbehalt gekaufte Sache und führt einen Teil des Erlöses an den Vorbehaltseigentümer ab. Wenn damit der noch ausstehende Kaufpreisrest – wenigstens nach Überzeugung des Täters – getilgt ist, fehlt es am Bereichungsvorsatz (vgl dagegen SSt 56/92). Der Postbeamte, der aus Bequemlichkeit einen Teil der Gelder, die er durch den Verkauf von Briefmarken eingenommen hat, zur Bezahlung einer Autoreparatur verwendet und sie am nächsten Tag aus seinen Ersparnissen ersetzen will, begeht keine Veruntreuung (JBl 1979, 608). Der Leiter eines Seniorenheimes verwendet Gelder, die er von Bewohnern übernommen hat und an die Stadtkasse weiterleiten sollte, teils für sich, teils für das Heim; veruntreut sind nur die Gelder, die der Täter für sich verwendet, die für das Heim verwendeten Gelder kommen ja der Stadt zugute.
Nach Meinung des OGH ist der Täter straffrei nur, wenn er den Wert des 18 anvertrauten Gutes aus einem präsenten Deckungsfonds ersetzen will: aus eigenen und jederzeit verfügbaren Barmitteln; aus einem eigenen und jederzeit verfügbaren Bank- oder Sparkassenguthaben; aus Mitteln, die ihm binnen weniger Tage „verfügbar sind“ (ÖJZ-LSK 1979/342); aus Mitteln, um die er sein Lohn- oder Gehaltskonto legal überziehen kann (SSt 50/34; Fabrizy § 133 Rz 6, K/Schm StudB II § 133 Rz 97ff, L/St § 133 Rz 25). Den Vorsatz dagegen, den Wert des anvertrauten Gutes aus einem erwarteten Kredit oder aus dem Verkaufserlös zB einer Liegenschaft zu ersetzen, lässt der OGH nicht genügen (JBl 1989, 665). Das ist nicht überzeugend. Wenn der Vorsatz, den Wert des anvertrauten Gutes zu ersetzen, den Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz ausschließt, kann es nicht darauf ankommen, ob der Täter den Gegenwert in einem Sparbuch, in Wertpapieren oder in einer Liegenschaft angelegt hat. Entscheidend kann nur sein, ob der Entschädigungsvorsatz im Augenblick der Zueignung wirklich vorhanden war oder bloß hinterher behauptet wird (Lewisch BT I 187). 213
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Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
19 C. „Selbsthilfe“-Veruntreuung. Wer das anvertraute Gut beiseite schafft,
um den Berechtigten zu zwingen, eine Gegenforderung zu erfüllen, oder wer das anvertraute Gut verkauft oder verbraucht, um sich für eine Gegenforderung bezahlt zu machen, hat nicht den Vorsatz, sich durch Zueignung des Gutes unrechtmäßig zu bereichern, er begeht keine Veruntreuung. Der Täter, der einen Kaufvertrag vermittelt, den Kaufpreis zu treuen Handen übernimmt und sich einen Teil davon zueignet, begeht keine Veruntreuung, wenn er Anspruch auf eine Provision in derselben Höhe hat oder zu haben glaubt (EvBl 1977/243). 20 Dass der Täter sofort die Aufrechnung erklärt, kann man nicht verlangen
(so aber Fabrizy § 133 Rz 6, L/St § 133 Rz 23): Eine Aufrechnung iSd ABGB liegt ja nicht vor (§ 1440 ABGB). Die Verheimlichung der Zueignung kann aber ein Indiz dafür sein, dass der Täter die Gegenforderung trotz der Zueignung geltend machen will (8 Ob A 80/07h): Dann ist er nach § 133 strafbar (JBl 1976, 47). 21 D. Der Vorsatz, das anvertraute Gut preiszugeben, ist kein Bereiche-
rungsvorsatz. Wer einen Mietwagen unter Umständen stehen lässt, die eine Rückgabe an den Eigentümer nicht erwarten lassen, begeht keine Veruntreuung (s § 135 Rz 7).
4. Qualifikationen 22 Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn der Wert des verun-
treuten Gutes 3 000 € bzw 50 000 € übersteigt (§ 133 Abs 2). Für die Wertberechnung gelten dieselben Regeln wie beim Diebstahl (§ 128 Rz 6ff). 5. Abgrenzung und Konkurrenz 23 A. Wenn sich der Täter das Gut mit Zueignungsvorsatz anvertrauen lässt,
handelt es sich um Betrug (Fabrizy § 133 Rz 5, K/Schm StudB II § 133 Rz 120f, L/St § 133 Rz 37f). Veruntreuung liegt nur vor, wenn der Täter sich erst nach der Übernahme zur Zueignung entschließt (s § 146 Rz 18). 24 B. Wenn der Täter, um eine Veruntreuung zu verschleiern, Urkunden
(ver)fälscht, konkurriert mit der Veruntreuung die Urkundenfälschung. Ein Wirtschaftsunteroffizier verdeckt Veruntreuungen, indem er auf der Bestätigung des Empfängers, 50 Garnituren Essbestecke erhalten zu haben, aus 50 Garnituren 350 macht. Er wird nach § 133 und § 223 verurteilt (SSt 53/55).
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Unterschlagung
§ 134
C. Diebstahl und Veruntreuung s § 127 Rz 10ff; Untreue und Veruntreu- 25 ung s § 153 Rz 7f; Amtsmissbrauch und Veruntreuung s § 133 Rz 6, BT II § 302 Rz 19; Hehlerei und Veruntreuung s Rz 12.
Unterschlagung § 134. (1) Wer ein fremdes Gut, das er gefunden hat oder das durch Irrtum oder sonst ohne sein Zutun in seinen Gewahrsam geraten ist, sich oder einem Dritten mit dem Vorsatz zueignet, sich oder den Dritten dadurch unrechtmäßig zu bereichern, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer ein fremdes Gut, das er ohne Zueignungsvorsatz in seinen Gewahrsam gebracht hat, unterschlägt. (3) Wer ein fremdes Gut unterschlägt, dessen Wert 3 000 Euro übersteigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, wer ein fremdes Gut im Wert von mehr als 50 000 Euro unterschlägt, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Birklbauer, Ist die Verwendung irrtümlich erlangter Abgabengutschriften strafbar? JSt 2004, 145; Burgstaller, Diebstahl, Veruntreuung und Unterschlagung, ÖJZ 1974, 540; Fellner, Gelegenheit macht Diebe – Auswirkungen der Umstrukturierung der Bundesfinanzverwaltung: Guthaben aufgrund fehlerhafter Abgabenbescheide, SWK 2004, T 113, 749; Fuchs, Diebstahl und dauernde Sachentziehung eines Fahrzeugs im Anschluss an einen unbefugten Gebrauch, RZ 1980, 5; ders, Neue Formen rechtswidriger Vermögensschädigung, StPG 12 (1984), 63; Gitschthaler, Betrug an der Tankstelle? ÖJZ 1984, 512; Rosbaud, Veruntreuung und Unterschlagung an eigenen Sachen (1998); Scheil, Zueignung und Preisgabe eines unbefugt gebrauchten Fahrzeugs, ZVR 1979, 161; ders, Worin besteht die Tathandlung der Dauernden Sachentziehung nach § 135 StGB? ÖJZ 1982, 421; Schmoller, Fehlüberweisungen und Fehlbuchungen im Strafrecht, in: Weber-FS (2004), 251; Schwaighofer, Unterschlagung von Treibstoff nach Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle? ZVR 1989, 1; Segelhuber, Zur Gewahrsamsproblematik bei Nachlassgegenständen, ÖJZ 1994, 480; Steininger E., Strafrechtliche Probleme des Selbstbedienungstankens, RZ 1988, 233. – Die Aufsätze zur Unterschlagung von Forderungen sind bei der Veruntreuung angeführt.
1. Gegenstand der Unterschlagung Der Täter unterschlägt ein fremdes Gut. Fremdes Gut ist jede bewegliche 1 Sache, die nicht gerade wertlos ist (§ 133 Rz 2) und die der Täter herausoder zurückgeben muss – unter Umständen also auch Sachen, die ihm selbst gehören. Für die Unterschlagung an Urkunden und unbaren Zahlungsmitteln gilt dasselbe wie bei der Veruntreuung (s § 133 Rz 2). Bankguthaben können nicht unterschlagen werden (Rz 11). Das bloße Nichterfüllen von Schulden soll nicht gerichtlich strafbar sein. 2 Darum hat der Gesetzgeber die Zueignung fremden Gutes nur für strafbar 215
§ 134
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
erklärt, wenn das Gut eine gefundene Sache ist (Rz 3–5), durch Irrtum eines anderen (Rz 6f) oder sonst ohne Zutun des Täters in seinen Gewahrsam geraten ist (Rz 8) oder wenn es der Täter selbst, aber ohne Zueignungsvorsatz in seinen Gewahrsam gebracht hat (Rz 9f). 3 A. Gefunden sind Sachen, an denen das Opfer Gewahrsam verloren und
die der Täter dann an sich genommen hat: Also Sachen, die jemand dem Opfer weggenommen und dann irgendwo hat stehen oder liegen lassen (K/Schm StudB II § 134 Rz 24; aM Lewisch BT I 189), und Sachen, von denen sich das Opfer entfernt hat und die dann in einer Lage zurückbleiben, in der man solche Sachen nicht zu verlassen pflegt (Bertel WK2 § 134 Rz 3ff, K/Schm StudB II § 133 Rz 25). Sachen im Gewahrsam eines anderen kann man nicht finden, sondern nur stehlen (§ 127 Rz 10f). Finden kann der Täter die Geldtasche, die einer Bäuerin während einer Traktorfahrt aus der Manteltasche fällt (EvBl 1970/321), die Brieftasche, die jemand, ohne es zu merken, in einer Bahnhofshalle (aM EvBl 1971/170) oder in der Schalterhalle des Dorotheums (aM RZ 1980/17) hat fallen lassen. Die Handtasche dagegen, die ein Gast im Gasthaus liegen lässt, steht im Gewahrsam des Wirtes (Bertel WK2 § 134 Rz 4, 6). Vgl § 127 Rz 11. 4 Dass der Täter an gefundenem Geld durch Vermischung mit eigenem Geld
Eigentum erwirbt, schließt Unterschlagung nicht aus (Rz 1). 5 Sachen, die der Berechtigte weggeworfen oder sonst aufgegeben hat (dere-
linquierte Sachen), sind kein fremdes Gut. Sie gehören niemandem, ihre Zueignung ist nicht strafbar (§ 127 Rz 2). 6 B. Durch Irrtum eines anderen in den Gewahrsam des Täters geraten
sind Sachen, die jemand dem Täter übergeben hat, ohne es zu wissen; weil er den Täter mit einer anderen Person oder die Sache mit einer anderen Sache verwechselt hat (vgl Bertel WK2 § 134 Rz 9f, K/Schm StudB II § 134 Rz 54f). Irrtümlich zugekommen ist dem Täter die Postsendung, die der Briefträger versehentlich ihm statt einem Nachbarn aushändigt; die Banknote, welche die Verkäuferin dem Täter beim Wechseln zuviel herausgibt; der teurere Plattenspieler, den der Händler dem Täter aus Versehen statt des bestellten billigeren einpackt (10 Os 43/85). Da der Täter nicht „im Besonderen“ (§ 2) verpflichtet ist, das Opfer aufzuklären, kommt ein Betrug durch Unterlassen (§ 146 Rz 13) nicht in Betracht. 7 Dass der Übergeber glaubt, die übergebene Sache schuldig zu sein; dass er
den der Übergabe zugrunde liegenden Vertrag wegen Irrtums anfechten könnte; dass er über den Wert der übergebenen Sache oder den der erwar216
Unterschlagung
§ 134
teten Gegenleistung irrt, sind keine Irrtümer iSd § 134 Abs 1. Diese Irrtümer sind zum Teil nicht einmal nach bürgerlichem Recht erheblich, und die Nichterfüllung von Restitutions- und Bereicherungsansprüchen kann nicht generell strafbar sein. C. Ohne Zutun des Täters in seinen Gewahrsam geraten sind Sachen, an denen er Gewahrsam erlangt hat, ohne daran mitzuwirken.
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Dazu gehören zB Sachen, die jemand in der Wohnung, im Geschäft oder im Auto des Täters hat liegen lassen; Sachen, die jemand in den Mantel des Täters gesteckt hat, weil er ihn mit seinem eigenen Mantel verwechselte (SSt 30/45); der Hund, der dem Täter zugelaufen ist.
D. Ohne Zueignungsvorsatz in seinen Gewahrsam gebracht (§ 134 Abs 2) hat der Täter Sachen, die er jemandem ohne Zueignungsvorsatz weggenommen oder abgenötigt hat (Anschlussunterschlagung). Nach einer anderen Auffassung dagegen (K/Schm StudB II § 134 Rz 79, L/St § 134 Rz 15f, Lewisch BT I 192) kann der Täter alle Sachen unterschlagen, die er auf welche Weise immer ohne Zueignungsvorsatz in seinen Gewahrsam gebracht hat; § 133 wäre nur ein Sonderfall der Unterschlagung.
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Der Täter nimmt in einem Gasthaus einen fremden Mantel mit im Glauben, es sei der eigene, behält ihn aber auch dann, nachdem er erkannt hat, dass er jemand anderem gehört. Der Täter unternimmt in einem fremden Auto eine Spazierfahrt und entschließt sich dann, das Auto oder wenigstens das Autoradio zu behalten (ZVR 1989/209). Beide Täter begehen eine Unterschlagung nach Abs 2. S auch § 127 Rz 28.
E. Sachen, die jemand dem Täter übergeben und die der Täter mit Wis- 10 sen des Übergebers in Empfang genommen hat, können nicht unterschlagen werden (11 Os 39/05b): Der Täter hat sie nicht „in seinen Gewahrsam gebracht“ (Rz 9), und der Übergeber war nicht in einem Irrtum iSd Abs 1 (Rz 6) befangen. Solche Sachen können veruntreut werden, wenn sie durch die Übergabe zu einem anvertrauten Gut werden (s § 133 Rz 4). Wenn der Täter die Übergabe mit Schädigungsvorsatz erschleicht, kann Betrug vorliegen. Wenn nichts davon zutrifft, bleibt der Täter straffrei (Bertel WK2 § 134 Rz 15; aM K/Schm StudB II § 134 Rz 79). Ein Gastwirt führt Aufenthaltsabgaben, die er von Gästen eingenommen hat, nicht an den Fremdenverkehrsverband ab, sondern behält sie für sich (SSt 43/ 30); ein zahlungsfähiger und -williger Autofahrer tankt bei einer Selbstbedienungstankstelle – mit stillschweigender Zustimmung des Tankwarts natürlich –
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§ 134
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
und fährt, als dieser ihn warten lässt, weg, ohne gezahlt zu haben (für § 134 Abs 2: EvBl 1988/77; für § 133: F/R BT I 151f, K/Schm StudB II § 127 Rz 218; für § 127: Lewisch BT I 192). – Abgaben und Benzin sind dem Täter übergeben, also in seinem Gewahrsam, ein Diebstahl scheidet damit aus; ein Irrtum nach § 134 Abs 1 liegt nicht vor, daher scheidet Unterschlagung aus. Abgaben zahlen die Gäste, um eine Schuld zu erfüllen (§ 133 Rz 6); der Wirt ist nicht Beauftragter des Fremdenverkehrsverbandes (§ 133 Rz 7), der Autofahrer soll das Benzin nicht zurückgeben oder für andere verwenden (§ 133 Rz 3); so kommt auch Veruntreuung nicht in Frage. Wenn der Autofahrer den Tankwart über seine Zahlungsbereitschaft täuscht, kann Betrug vorliegen, sonst bleibt er straffrei (Schwaighofer K. ZVR 1989, 1). 11 F. Bankguthaben können nicht unterschlagen werden. Sie sind zwar ein
fremdes Gut (vgl § 133 Rz 10), aber Guthaben kann man nicht finden (Rz 3), sie können auch nicht in jemandes Gewahrsam geraten (Rz 6, 8) oder von jemandem in seinen Gewahrsam gebracht werden (Rz 9; F/R BT I 129, K/Schm StudB II § 134 Rz 51, L/St § 134 Rz 12a, Fuchs StPG 12, 70ff, Lewisch BT I 183). Das Opfer setzt beim Schreiben der Überweisung den Dezimalpunkt unrichtig, sodass dem Täter statt 9 755,29 € nicht weniger als 9 755 290 € überwiesen werden. Der Täter verwendet das Geld für sich. Eine grobe Unredlichkeit, aber entgegen dem OGH (12 Os 135/96) keine Unterschlagung (Reindl Computerstrafrecht 89).
2. Die Ausführungshandlung 12 Der Täter unterschlägt das fremde Gut, indem er es sich oder Dritten
zueignet (vgl § 133 Rz 11f). Er eignet das fremde Gut sich oder Dritten zu, indem er es – zu eigenem oder fremdem Vorteil (Rz 14) – verschwinden lässt, insbesondere indem er es verkauft, eintauscht, verpfändet, es verbirgt, seinen Verlust vortäuscht, es verschenkt. Bloßes Vorenthalten dagegen ist keine Zueignung (L/St § 134 Rz 20; aM Fabrizy § 134 Rz 2). Dass der Finder eine gefundene Sache an sich nimmt, ist rechtmäßig und darum keine Zueignung. Eine Zueignung liegt aber vor, wenn er die Sache verkauft, sie im Keller versteckt, dem Eigentümer gegenüber, der danach fragt, abstreitet, sie gefunden zu haben, wenn er grob – etwa 4 Wochen – gegen seine Anzeige- oder Abgabepflicht verstößt (§ 390 ABGB). Der Täter eignet sich die Jacke zu, indem er sie im unbefugt gebrauchten Auto entdeckt und mitnimmt, um sie bei Gelegenheit zu verkaufen (ZVR 1989/ 209). Wer ein fremdes Auto unbefugt gebraucht und sich dann entschließt, es zu behalten, eignet es sich zu, wenn er es versteckt oder die Motor- und Fahrgestell-
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Dauernde Sachentziehung
§ 135
nummer auskratzt. Dass er es – vielleicht mit anderen Kennzeichen – nur weiter benützt, ist Fortsetzung des unbefugten Gebrauchs (§ 136 Rz 9), ein Vorenthalten, aber keine Zueignung.
Mit der Zueignung ist die Unterschlagung vollendet.
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3. Die innere Tatseite Der Täter handelt mit dem Vorsatz, durch Zueignung des fremden Gutes 14 sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern: Der Täter will sich oder Dritte um den Wert der Sache bereichern (s dazu § 127 Rz 25ff, § 133 Rz 15ff). Das gilt sowohl für die Unterschlagung nach § 134 Abs 1 als auch für die nach Abs 2 (K/Schm StudB II § 134 Rz 85, L/St § 134 Rz 21; EvBl 1976/244; aM Fabrizy § 134 Rz 2). Der Bereicherungsvorsatz fehlt, wenn der Täter beim Aussteigen aus dem unbefugt gebrauchten Auto einen fremden Mantel entdeckt und mitnimmt, um ihn einen Abend zu tragen und dann wegzuwerfen (EvBl 1976/244; vgl § 133 Rz 21); oder wenn der Finder die gefundene Sache mit dem Vorsatz, sie in den nächsten Wochen zum Fundamt zu bringen, einstweilen behält und benützt (vgl § 127 Rz 22).
4. Qualifikationen Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn der Wert der unter- 15 schlagenen Sache 3 000 € bzw 50 000 € übersteigt (§ 134 Abs 3). Zur Wertberechnung s § 128 Rz 6ff. 5. Abgrenzung Wer eine Sache kauft, die der Verkäufer gerade durch den Verkauf unter- 16 schlägt, macht sich – den entsprechenden Vorsatz vorausgesetzt – an der Unterschlagung mitschuldig (vgl § 133 Rz 12). Wer eine Sache kauft, die der Verkäufer bereits unterschlagen hat, begeht eine Hehlerei.
Dauernde Sachentziehung § 135. (1) Wer einen anderen dadurch schädigt, dass er eine fremde bewegliche Sache aus dessen Gewahrsam dauernd entzieht, ohne die Sache sich oder einem Dritten zuzueignen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
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§ 135
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
(2) Wer die Tat an einer der im § 126 Abs. 1 Z. 1 bis 6 genannten Sachen oder an einer Sache begeht, deren Wert 3 000 Euro übersteigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen, wer die Tat an einer Sache begeht, deren Wert 50 000 Euro übersteigt, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Burgstaller, Diebstahl, Veruntreuung und Unterschlagung, ÖJZ 1974, 540; ders, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393, 459; Fuchs, Diebstahl und Dauernde Sachentziehung eines Fahrzeugs im Anschluss an einen unbefugten Gebrauch? RZ 1980, 5; ders, Zur Tathandlung der Dauernden Sachentziehung, ÖJZ 1983, 206; Scheil, Zueignung und Preisgabe eines unbefugt gebrauchten Fahrzeugs, ZVR 1979, 161; ders, Worin besteht die Tathandlung der Dauernden Sachentziehung nach § 135 StGB? ÖJZ 1982, 421.
1. Gegenstand und Ausführungshandlung 1 A. Gegenstand der dauernden Sachentziehung sind fremde Sachen, die
nicht ganz wertlos sind (§ 127 Rz 3) und im Gewahrsam eines anderen stehen (Rz 2). Über Urkunden und unbare Zahlungsmittel s § 127 Rz 5ff. 2 B. Die Ausführungshandlung besteht darin, dass der Täter die Sache aus
dem Gewahrsam eines anderen entzieht: IdR handelt es sich um eine Wegnahme (§ 127 Rz 16); aber das ist – im Gegensatz zum Diebstahl – nicht unbedingt notwendig. Der Täter wirft ein am Ufer abgestelltes Fahrrad in den Fluss. Er entzieht es dem Opfer, aber nimmt es nicht weg, denn eigenen Gewahrsam erlangt er am Fahrrad nicht. 3 An Sachen, die der Täter selbst unmittelbar innehat (vgl § 127 Rz 10), kann
er eine dauernde Sachentziehung nicht begehen (Bertel WK2 § 135 Rz 3, Fabrizy § 135 Rz 5, K/Schm StudB II § 135 Rz 6, Lewisch BT I 201, Scheil ÖJZ 1982, 424, Zagler BT § 135 Rz 4). Der Täter wirft eine Sache weg, die er entliehen, die er gefunden oder die er jemandem ohne Zueignungsvorsatz weggenommen hat (Rz 10); hier kann allenfalls eine Sachbeschädigung vorliegen. 4 Andere glauben, die dauernde Sachentziehung könne auch dadurch began-
gen werden, dass der Täter eine fremde Sache aus seinem Gewahrsam wegwirft oder preisgibt (Burgstaller ÖJZ 1974, 541, Fuchs RZ 1980, 9, ders ÖJZ 1983, 206, L/St § 135 Rz 5). Mit dem Wortlaut des § 135 ist das nicht mehr vereinbar (§ 1).
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Dauernde Sachentziehung
§ 135
C. Schaden. Der Verlust der weggenommenen Sache muss den Berechtigten schädigen: Das ist immer der Fall, wenn die entzogene Sache nicht ganz wertlos ist und das Opfer für den Verlust nicht entschädigt wird.
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D. Vollendung. Die dauernde Sachentziehung ist mit der Entziehung vollendet (Bertel WK2 § 135 Rz 14f, Fuchs RZ 1980, 10, L/St § 135 Rz 14, Scheil ÖJZ 1982, 425; EvBl 2002/217). K/Schm (StudB II § 135 Rz 27) halten die dauernde Sachentziehung für vollendet, wenn „keine konkreten Anhaltspunkte für eine wahrscheinliche Rückerlangung bestehen“. Das ist, wenn der Täter die Sache entzogen hat und sie nicht etwa zurückgeben will (s Rz 9), so gut wie immer der Fall.
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2. Innere Tatseite Der Täter entzieht die fremde Sache vorsätzlich aus dem Gewahrsam des anderen. Er hat darüber hinaus den Vorsatz, den Berechtigten „dauernd“, dh für immer um die entzogene Sache zu bringen und ihn dadurch zu schädigen.
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A. Kein Bereicherungsvorsatz. Der Täter hat nicht den Vorsatz, sich oder Dritte um den Wert der entzogenen Sache zu bereichern: Sonst beginge er einen Diebstahl.
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Der Täter nimmt dem Opfer eine Handtasche weg; das Geld, das er darin erhofft, will er behalten, die Handtasche wegwerfen; der Täter nimmt ein Fahrrad weg, um eine Zeit lang damit herumzufahren und es dann irgendwo stehen zu lassen. Der Täter begeht am Geld einen (versuchten) Diebstahl, an der Handtasche und am Fahrrad eine dauernde Sachentziehung (s § 127 Rz 23).
B. Rückgabe-, Entschädigungsvorsatz. Der Vorsatz, die weggenommene Sache zurückzugeben, ist gerade kein Vorsatz, sie auf Dauer zu entziehen, und der Vorsatz, das Opfer für den Verlust zu entschädigen, schließt den Schädigungsvorsatz aus (s § 127 Rz 27).
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C. Schädigungsvorsatz im Augenblick der Wegnahme. Die Wegnahme 10 einer Sache, von welcher der Täter vorerst gar nichts weiß, ist keine dauernde Sachentziehung. Der Täter nimmt einer Prostituierten gewaltsam die Handtasche ab, um sich das Geld zuzueignen und die Tasche wegzuwerfen. Er findet in der Tasche Schmuck und wirft auch ihn weg. Der Täter hat das Geld geraubt und an der Handtasche eine dauernde Sachentziehung begangen; die Wegnahme des Schmucks ist straf-
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§ 135
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
frei (SSt 46/34). Vertreter der in Rz 4 beschriebenen Auffassung sehen das Wegwerfen des bereits entzogenen Schmucks als dauernde Sachentziehung an.
3. Abgrenzung und Konkurrenz 11 A. Die Aneignung, Beschädigung, Zerstörung und der unbefugte Gebrauch
der Sache, an welcher der Täter eine dauernde Sachentziehung begangen hat, ist nur mehr straflose Nachtat (Burgstaller ÖJZ 1974, 462, L/St § 135 Rz 17). Wer ein fremdes Moped wegnimmt, um es nach vorübergehendem Gebrauch in einem Fluss zu versenken, ist nur nach § 135 strafbar: Die Verurteilung nach § 135 konsumiert die Beschädigung und den unbefugten Gebrauch. Andere lassen § 135 mit § 136 konkurrieren (K/Schm StudB II § 135 Rz 62, L/St § 135 Rz 22; vgl auch SSt 59/14). 12 B. Bei der Wegnahme einer fremden Urkunde oder eines fremden unbaren
Zahlungsmittels ist zu unterscheiden: Die Wegnahme eines Wertträgers ist eine dauernde Sachentziehung; sonst liegt eine Urkundenunterdrückung (§ 229 Abs 1) oder eine Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e) vor (s § 127 Rz 7f; BT II § 241e 13). Der Täter nimmt eine Geldtasche weg; das Geld will er behalten, die Tasche mit dem übrigen Inhalt – zu dem, wie der Täter weiß, auch ein Führerschein und eine Bankomatkarte gehören könnten – will er wegwerfen. Der Täter begeht am Geld einen Diebstahl, an der Tasche eine dauernde Sachentziehung (§ 127 Rz 23), an dem Führerschein eine Urkundenunterdrückung (§ 229) und an der Bankomatkarte eine Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e Abs 3). Für die Strafe kommt es auf den Schaden an, den der Täter verschuldet hat (§ 32 Abs 3), die Zahl der Konkurrenzen sollte nicht ins Gewicht fallen.
4. Qualifikationen 13 Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz (§ 135 Abs 2), wenn Gegen-
stand der dauernden Sachentziehung eine der besonders geschützten Sachen des § 126 Abs 1 Z 1–6 (§ 126 Rz 1ff) oder eine Sache ist, deren Wert 3 000 € bzw 50 000 € übersteigt. Zur Wertberechnung § 128 Rz 6ff. 14 Die dauernde Sachentziehung an einem Teil einer Anlage nach § 126 Abs 1
Z 5 ist nach § 135 Abs 2 nur qualifiziert, wenn die Einsatzbereitschaft oder das sichere Funktionieren der Anlage wenigstens für einige Zeit nicht mehr voll gewährleistet war (vgl § 126 Rz 9). 222
Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen
§ 136
Wer an einem Polizeiauto den Zündschlüssel abzieht und wegwirft, begeht am Schlüssel eine dauernde Sachentziehung. Auto und Schlüssel sind Sachen, die der öffentlichen Sicherheit dienen (EvBl 1980/114). Dennoch ist § 135 Abs 2 nicht anwendbar, wenn die Polizisten andere Schlüssel zur Hand hatten.
Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen § 136. (1) Wer ein Fahrzeug, das zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet ist, ohne Einwilligung des Berechtigten in Gebrauch nimmt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer die Tat begeht, indem er sich die Gewalt über das Fahrzeug durch eine der in den §§ 129 bis 131 geschilderten Handlungen verschafft, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (3) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist der Täter zu bestrafen, wenn der durch die Tat verursachte Schaden am Fahrzeug, an der Ladung oder durch den Verbrauch von Betriebsmitteln insgesamt 3 000 Euro übersteigt; wenn jedoch der Schaden 50 000 Euro übersteigt, ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (4) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn die Berechtigung, über das Fahrzeug zu verfügen, seinem Ehegatten, einem Verwandten in gerader Linie, seinem Bruder oder seiner Schwester oder einem anderen Angehörigen zusteht, sofern er mit diesem in Hausgemeinschaft lebt, oder wenn ihm das Fahrzeug von seinem dazu berechtigten Dienstgeber anvertraut war. Eine bloß vorübergehende Berechtigung kommt nicht in Betracht. An einer solchen Tat Beteiligte (§ 12) sind ebenfalls nicht zu bestrafen. Schrifttum: Fuchs, Diebstahl und Dauernde Sachentziehung eines Fahrzeugs im Anschluss an einen unbefugten Gebrauch? RZ 1980, 5; Scheil, Zueignung und Preisgabe eines unbefugt gebrauchten Fahrzeugs, ZVR 1979, 161; ders, Zur Einwilligung beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen nach § 136 StGB, ZVR 1984, 129; Schwaighofer, Zur Straflosigkeit des unbefugten Fahrzeuggebrauchs nach § 136 Abs 4 StGB, ZVR 1993, 1, ders, Zur Qualifikation des unbefugten Fahrzeuggebrauchs nach § 136 Abs 2 StGB, ZVR 2000, 187.
1. Gegenstand und Ausführungshandlung A. Fahrzeuge, die zum Antrieb mit Maschinenkraft eingerichtet sind, 1 sind Lkw, Pkw, Motorräder, Mopeds, Motorboote, Straßenwalzen (EvBl 1963/61), Laderaupen (JBl 1970, 45), Triebwagen der ÖBB (ZVR 1985/118). B. In Gebrauch nehmen. Der Täter führt das Delikt aus, indem er das 2 Fahrzeug in Gebrauch nimmt, dh es mit der Kraft des Motors fährt (Bertel WK2 § 136 Rz 2ff, K/Schm StudB II § 136 Rz 13, Lewisch BT I 203f, Triff223
§ 136
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
terer SbgK § 136 Rz 13; aM Fabrizy § 136 Rz 2, L/St § 136 Rz 6, Zagler BT § 136 Rz 3). Wer ein Kfz ein Stück schiebt, abrollen lässt oder abschleppt, nimmt es nicht in Gebrauch. Auch das Einschalten des Motors ist noch kein In-Gebrauch-Nehmen, aber immerhin ein Versuch, wenn der Täter mit dem Kfz gleich wegfahren will (ZVR 1983/350). 3 C. Ohne Einwilligung des Berechtigten. Die Fahrt in dem Kfz wird zum
unbefugten Gebrauch, wenn sie ohne Einwilligung des Berechtigten erfolgt. Wer sein Auto in einer Werkstätte reparieren lässt, kann verbieten, dass irgendjemand damit fährt; dann ist jede Fahrt mit diesem Auto strafbar. Wenn der Auftraggeber ein solches Verbot nicht ausspricht, willigt er stillschweigend in eine Überstellungsfahrt, die zur Durchführung der Reparatur etwa notwendig ist, und in eine Probefahrt üblicher Länge ein (OLG Wien ZVR 1982/422, ZVR 1973/141). Fahrten eines Mechanikers zu anderen Zwecken, zB zur Beschaffung von Ersatzteilen für dieses oder ein anderes Fahrzeug, bleiben strafbar (JBl 1970, 583). 4 Eine erschlichene oder abgenötigte Einwilligung ist unwirksam.
Der Täter verleitet als angeblich interessierter Kunde Autohändler, ihn Probefahrten mit teuren Autos machen zu lassen. Das Tatbild des § 136 Abs 1 ist verwirklicht (K/Schm StudB II § 136 Rz 23; vgl dagegen Triffterer SbgK § 136 Rz 19); dennoch wurde der Täter zu Unrecht verurteilt: Wer sich von einem Händler Waren zeigen oder vorführen lässt, handelt sozialadäquat; für Kfz kann nichts anderes gelten (Bedenken auch bei Scheil ZVR 1984, 134f). 5 Die mutmaßliche Einwilligung rechtfertigt den Täter, wenn man nach
den Umständen zur Zeit der Tat annehmen kann, der Berechtigte würde dem Täter die Fahrt erlauben, wenn dieser Zeit und Gelegenheit hätte, ihn darum zu bitten. Eine solche Annahme wird vor allem dann in Betracht kommen, wenn der Täter eine Fahrerlaubnis nur mäßig überschreitet, für die Benützung ohnehin eine Miete zahlt oder mit dem Berechtigten gut bekannt oder befreundet ist (Fuchs AT I 16. Kap Rz 42, K/H AT E 1 Rz 87f). Dass die Täterin das Auto einer Bekannten, das sie für eine Woche ausgeliehen hat, nicht pünktlich zurückbringt, macht sie noch nicht nach § 136 strafbar (EvBl 2002/29). Strafbar ist sie aber, wenn sie nach Ablauf dieser Woche weiter mit dem Auto fährt, obwohl sie weiß, dass die Berechtigte es dringend braucht, oder obwohl die Berechtigte inzwischen die sofortige Rückgabe verlangt hat.
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Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen
§ 136
2. Auch ohne Wegnahme Nach § 136 strafbar ist jedes Fahren ohne Einwilligung des Berechtigten, 6 ein Gewahrsamsbruch muss damit nicht verbunden sein (K/Schm StudB II § 136 Rz 11, Triffterer SbgK § 136 Rz 15). Daraus ergeben sich einige, zum Teil längst anerkannte Konsequenzen: A. Auch kurze Fahrten. Wie weit der Täter mit dem fremden Fahrzeug 7 fährt, ob der Berechtigte den Gewahrsam daran verliert, ist unerheblich. Wer mit dem fremden Kfz in der Tiefgarage „eine Runde dreht“, vollendet das Delikt des § 136 (ARD 5370/5/2003; Triffterer SbgK § 136 Rz 12ff; vgl K/Schm StudB II § 136 Rz 15).
B. Beteiligung. Die Ausführungshandlung dauert fort, solange der Täter das fremde Fahrzeug fährt, auch wenn der Berechtigte den Gewahrsam daran längst verloren hat. Darum macht sich am Vergehen nach § 136 auch mitschuldig, wer an der Wegnahme nicht beteiligt war, sondern erst später eine Fahrt mit dem fremden Fahrzeug veranlasst oder daran mitwirkt.
8
So ist nach § 136 strafbar, wer den Täter lange nach der Wegnahme in der Lenkung des unbefugt gebrauchten Fahrzeugs ablöst (EvBl 1976/244) oder sich von ihm in diesem Fahrzeug herumfahren lässt (RZ 1976/104) – vorausgesetzt natürlich, dass der Zusteigende es ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (§ 5 Abs 1), das Fahrzeug werde unbefugt gebraucht. Wer dem Täter in einem anderen Fahrzeug vorausfährt, um ihn durch den Verkehr zu leiten, beteiligt sich am unbefugten Gebrauch (SSt 59/62). Wer dagegen in einem unbefugt gebrauchten Fahrzeug, ohne es zu lenken, lediglich eine Strecke mitfährt, die der Täter ohnehin gefahren wäre, macht sich nicht strafbar (Fabrizy § 136 Rz 3a, L/St § 136 Rz 35); ob er schweigend mitfährt oder sich mit der Fahrt ausdrücklich „einverstanden erklärt“, macht keinen Unterschied (OLG Wien ZVR 1980/173 mit abl Anm von Mayerhofer; K/Schm StudB II § 136 Rz 65).
C. Überschreitung einer Fahrerlaubnis. Der unbefugte Gebrauch kann auch durch Überschreitung einer Fahrerlaubnis an Fahrzeugen begangen werden, die der Berechtigte dem Täter anvertraut hat (Bertel WK2 § 136 Rz 5, K/Schm StudB II § 136 Rz 24, Scheil ZVR 1984, 132f, Triffterer SbgK § 136 Rz 17; aM SSt 45/29, 13 Os 91/01; L/St § 136 Rz 8a). Eben darum musste der Gesetzgeber im Abs 4 den unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen, die dem Täter „von seinem dazu berechtigten Dienstgeber anvertraut“ wurden, für straffrei erklären. Straffrei ist der Täter ferner, wenn ihm eine mutmaßliche Einwilligung zugute kommt (s Rz 5). 225
9
§ 136
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
So macht sich nach § 136 strafbar, wer mit dem Auto, das ihm der Berechtigte für eine halbe Stunde geliehen hat, tagelang herumfährt (§ 133 Rz 16). 10 D. Herausgelockte Fahrzeuge. Wer sich ein fremdes Fahrzeug unter
einem Vorwand geben lässt – zB um Rostschäden auszubessern –, in Wahrheit um damit herumzufahren, ist nach § 136 strafbar (RZ 1997/84); er begeht nicht etwa einen Betrug (Bertel WK2 § 136 Rz 8; aM K/Schm StudB II § 136 Rz 77ff). 3. Besondere Strafausschließungsgründe 11 A. Fahrzeuge, die der Arbeitgeber dem Täter anvertraut hat. Der Täter
ist nicht strafbar, wenn er eine Fahrerlaubnis des Dienstgebers überschreitet (§ 136 Abs 4). Ein Angestellter soll mit dem Firmenauto Waren zustellen; er benützt die Gelegenheit, um mit dem Auto eine Freundin zu besuchen. Er ist nicht strafbar.
Dem Lehrling dagegen, der vom Arbeitgeber die Kfz-Schlüssel erhält, um Waren auszuladen, ist das Kfz nicht anvertraut: Der Lehrling macht sich nach § 136 strafbar, wenn er mit dem Kfz in der Tiefgarage herumfährt (ARD 5370/5/2003). 12 Straffrei bleibt der Arbeitnehmer nur, wenn der Arbeitgeber berechtigt ge-
wesen wäre, ihm die unbefugt unternommene Fahrt zu erlauben; „eine bloß vorübergehende Berechtigung“ des Arbeitgebers „kommt nicht in Betracht“. Der Mechaniker, dem der Arbeitgeber das Auto des Kunden für eine Probefahrt anvertraut, ist nach § 136 strafbar, wenn er damit spazieren fährt: Das hätte ihm auch der Arbeitgeber nicht erlauben können. Dass der Mechaniker für die Probefahrt eine Strecke wählt, die ihm eine private Besorgung ermöglicht, ist nicht zu beanstanden (im Ergebnis ebenso OLG Wien ZVR 1982/422). 13 B. Fahrzeuge Angehöriger. Der Täter ist nicht strafbar, wenn ihm ein An-
gehöriger die Fahrt erlauben könnte (§ 136 Abs 4). Verschiedentlich bewirkt das Angehörigenverhältnis Straffreiheit nur, wenn Täter und Opfer in Hausgemeinschaft leben. Dazu § 166 Rz 4. 14 C. Beteiligung. Dritte, die den Dienstnehmer oder Angehörigen zum un-
befugten Gebrauch veranlassen, sich zB von ihm im unbefugt gebrauchten Auto herumfahren lassen, und Dritte, die das Fahrzeug mit Zustimmung 226
Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen
§ 136
des Dienstnehmers oder des Angehörigen gebrauchen (K/Schm StudB II § 136 Rz 51f, Lewisch BT I 206f, Schwaighofer ZVR 1993, 6f; aM Triffterer SbgK § 136 Rz 38; vgl auch SSt 57/18), beteiligen sich an der Tat des Dienstnehmers oder Angehörigen und bleiben nach § 136 Abs 4 letzter Satz gleichfalls straffrei. 4. Abgrenzung und Konkurrenz Wenn der Täter ein fremdes Fahrzeug ohne wirkliche oder mutmaßliche 15 Einwilligung des Berechtigten aus dessen Gewahrsam wegfährt, kann es sich um einen Diebstahl, eine dauernde Sachentziehung oder um einen unbefugten Gebrauch des Fahrzeugs handeln. Welche dieser Alternativen vorliegt, hängt vom Vorsatz des Täters ab (Bertel WK2 § 136 Rz 20ff, Fabrizy § 136 Rz 2f, K/Schm StudB II § 136 Rz 68ff, L/St § 136 Rz 16ff). Mit der Verurteilung wegen Diebstahls oder dauernder Sachentziehung am Kfz ist auch der unbefugte Gebrauch abgegolten. A. Ein Diebstahl liegt vor, wenn der Täter im Augenblick, da er mit dem 16 fremden Fahrzeug wegfährt, den Vorsatz hat, es zu verkaufen, gegen andere Sachen einzutauschen, zu verpfänden, zu verschenken oder für immer (ZVR 1978/195) zu behalten (§ 127 Rz 21). Wer ein Fahrzeug wegnimmt, um es zu fahren, bis der Tank leer ist (ZVR 1978/ 94), für eine Fahrt von Bad Goisern nach Wien, ca 300 km (ZVR 1988/163), um damit von Stockholm nach Ungarn zu fahren (vgl EvBl 1993/151; § 133 Rz 16), um damit zu fahren, bis das nächste Pickerl fällig wird, begeht noch keinen Diebstahl. Ein Diebstahl liegt aber vor, wenn der Täter das Fahrzeug „so lange als möglich“ benützen will.
B. Eine dauernde Sachentziehung liegt vor, wenn der Täter bei der Weg- 17 nahme keinen Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz, aber doch den Vorsatz hat, das Fahrzeug nicht wieder an den Berechtigten zurückgelangen zu lassen (§ 135 Rz 7). Eine dauernde Sachentziehung liegt vor, wenn der Täter ein fremdes Moped mit dem Vorsatz wegnimmt, es einige Zeit zu fahren und dann in einem Fluss zu versenken, in einem Wald zu verstecken oder anzuzünden (§ 135 Rz 11).
C. Ein unbefugter Gebrauch liegt vor, wenn der Täter bei der Wegnahme 18 den Vorsatz hat, das weggenommene Fahrzeug nur vorübergehend zu gebrauchen und es dann auf einer öffentlichen Verkehrsfläche oder sonst in 227
§ 136
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
einer Weise stehen zu lassen, die eine Rückgabe an den Berechtigten erwarten lässt (ZVR 1978/195, RZ 1997/84; Fabrizy § 136 Rz 2, L/St § 136 Rz 18). Dabei bleibt es, auch wenn das am Straßenrand abgestellte Fahrzeug später doch verloren geht. Dieser Vorsatz liegt vor, wenn der Täter das Fahrzeug auf einer öffentlichen Verkehrsfläche im Inland (ZVR 1978/94, JBl 1977, 388), in Frankreich (ZVR 1977/ 319), in einem anderen EU-Land; wenn er es in einer Waldschneise unmittelbar neben einer Landstraße (ZVR 1978/94), mit den Original- oder mit fremden Kennzeichen, versperrt oder unversperrt (RZ 1977/35) abstellen will. In EULändern ist damit zu rechnen, dass die Polizei jedes als verloren gemeldete und unter diesen Verhältnissen abgestellte Kfz findet und dem Berechtigten zurückgibt (Bertel WK2 § 136 Rz 25). 19 D. Wenn sich der Täter nach der Wegnahme entschließt, das unbefugt ge-
brauchte Fahrzeug zu behalten oder zu verkaufen, kommt zum Vergehen nach § 136 eine Unterschlagung hinzu (OLG Wien ZVR 1989/209; § 134 Rz 9). 20 E. Zur Abgrenzung gegenüber der Sachbeschädigung s Rz 21–25.
5. Qualifikationen 21 A. Die Qualifikationen nach §§ 129–131. Wenn der Täter das Fahrzeug
vorsätzlich durch eine der in §§ 129–131 geschilderten Handlungen in seine Gewalt bringt, fällt er unter den Strafsatz des § 136 Abs 2. Von praktischer Bedeutung sind nur die Qualifikationen des § 129. Der Autoschlüssel ist dem Täter bei einem Einbruchsdiebstahl in eine Tankstelle in die Hände gefallen (ZVR 1993/67) oder er hat ihn während eines Besuches (ZVR 1992/32) in der Wohnung des Opfers an sich genommen. Wenn er damit das fremde Auto startet, erlangt er die Gewalt über das Fahrzeug, indem er eine Sperrvorrichtung, das Zündschloss, mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel öffnet (§ 136 Abs 2, § 129 Z 3). Wer später in das Kfz, das der Täter mit einem widerrechtlich erlangten Schlüssel gestartet hat, zusteigt und sich vom Täter herumfahren lässt (Rz 8), ist nur nach § 136 Abs 1 strafbar. Der Täter nimmt dem Opfer das Auto mit vorgehaltener Waffe ab. Er ist nach § 136 Abs 1 und § 105, § 106 Abs 1 Z 1 strafbar. Manche nehmen auch § 136 Abs 2 an (L/St § 136 Rz 15); zu Unrecht: Zweimal darf man dem Täter die Drohung mit dem Tod nicht anlasten (Schwaighofer ZVR 2000, 190f). Andere wollen den Täter gar nach § 144, § 145 Abs 1 Z 1 bestrafen, wenn die Fahrt den Berechtigten „messbar“ am Vermögen schädigt (Eder-Rieder WK2 § 144 Rz 44, K/Schm StudB II
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Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen
§ 136
§ 136 Rz 83); zu Unrecht: Diesen Schaden hat das Gesetz im § 136 abschließend erfasst.
Wenn der Täter die Gewalt über das Fahrzeug durch Ein- oder Aufbrechen 22 (§ 129 Z 1, 3) erlangt, werden durch die Verurteilung nach § 136 Abs 2 auch die Schäden, die durch das Aufbrechen von Türen, Fenstern oder Schlössern an der Garage oder am Fahrzeug entstanden sind, abgegolten, mögen sie auch beträchtlich sein. B. Der Schaden. Wenn der unbefugte Gebrauch am Fahrzeug, an der La- 23 dung oder durch den Verbrauch von Betriebsmitteln einen Schaden von mehr als 3 000 € bzw 50 000 € herbeiführt, fällt der Täter unter einen der Strafsätze des Abs 3. Der Schaden muss durch den unbefugten Gebrauch entstehen, ob ihn der Täter vorsätzlich oder fahrlässig herbeiführt, macht keinen Unterschied (K/Schm StudB II § 136 Rz 42; ZVR 1983/349). Der Schaden ist nach den in § 126 Rz 11f erklärten Regeln zu berechnen. Wenn er die Wertgrenze von 3 000 € nicht übersteigt, wird er durch die Verurteilung nach § 136 Abs 1 mitabgegolten. Wer das unbefugt gebrauchte Moped auf unwegsamen Straßen kaputt fährt, ist nur nach § 136 Abs 1 (allenfalls auch Abs 3) zu verurteilen. Wer dagegen das Moped, das er anfangs nur vorübergehend gebrauchen wollte, schließlich in einen Fluss wirft, begeht neben dem unbefugten Gebrauch nach § 136 Abs 1 eine Sachbeschädigung (vgl § 125 Rz 14): Versenken ist kein unbefugter Gebrauch. Wenn der Täter mit dem Moped wegfährt, um es anschließend zu versenken, begeht er eine dauernde Sachentziehung (s § 135 Rz 11).
Nach § 136 Abs 3 sind dem Täter anzulasten: Schäden am Fahrzeug oder 24 an der Ladung, die durch einen bestimmungswidrigen oder ruinösen Gebrauch oder durch Verkehrsunfälle entstehen, die der Täter durch verkehrswidriges Verhalten verschuldet hat (EvBl 1985/166); die Wertminderung, die das Fahrzeug durch einen bestimmungsgemäßen, aber langen unbefugten Gebrauch erfährt (K/Schm StudB II § 136 Rz 44; aM Triffterer SbgK § 136 Rz 28; vgl § 133 Rz 16); der Wert des Treibstoffs, den der Täter unbefugt verbraucht, mag er sich im Benzintank oder in einem Reservekanister befinden. Schäden, die der Täter durch den unbefugten Gebrauch an anderen Fahrzeu- 25 gen, Zäunen, Verkehrszeichen, Leitplanken usw anrichtet; die Kosten des Leihwagens, den der Berechtigte benützen muss; oder der Verdienst, der ihm entgeht, weil ihm das unbefugt gebrauchte Fahrzeug eine Zeitlang nicht zur Verfügung steht, bleiben für § 136 Abs 3 außer Betracht (13 Os 77/05f). 229
§ 137
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Der Täter entdeckt auf einem eingezäunten Parkplatz ein fremdes Auto und fährt damit die Umzäunung nieder. Für die Schäden, die dabei am Auto entstehen, ist er nach § 136 Abs 1 und allenfalls Abs 3, für die Beschädigung des Zauns nach § 125 verantwortlich (ZVR 1986/23).
Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht § 137. Wer unter Verletzung fremden Jagd- oder Fischereirechts dem Wild nachstellt, fischt, Wild oder Fische tötet, verletzt oder sich oder einem Dritten zueignet oder sonst eine Sache, die dem Jagd- oder Fischereirecht eines anderen unterliegt, zerstört, beschädigt oder sich oder einem Dritten zueignet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Schrifttum zu §§ 137–140: Hager, Wertberechnung bei Eingriffen in fremdes Jagd- und Fischereirecht, ÖJZ 1976, 487.
1 A. Gegenstand des Delikts sind wild lebende Tiere (Wild), Tiere in offe-
nen Gewässern (Fische) und andere Sachen, die dem Jagd- oder Fischereirecht unterliegen. Welche Tiere als Wild und Fische und welche anderen Sachen dem Jagd- oder Fischereirecht unterliegen, regeln die einschlägigen Landesgesetze. Die Tötung oder Verletzung von Haustieren oder Tieren, die von einem Eigentümer in einem eingezäunten Gehege, Wildpark, Fischteich (11 Os 122/05h) usw gehalten werden, ist Sachbeschädigung, ihre Wegnahme mit Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz Diebstahl (vgl Wach SbgK § 137 Rz 12ff). 2 B. Der Täter führt das Delikt aus, indem er dem Wild nachstellt, fischt,
Wild oder Fische verletzt oder tötet, sie oder andere Sachen, die dem Jagd- oder Fischereirecht unterliegen (zB abgeworfene Geweihe), sich oder Dritten zueignet. Dem Wild Nachstellen oder Fischen ist jede Tätigkeit, die unmittelbar in das Fangen, Verletzen oder Töten von Wild und Fischen übergehen soll. Nach § 137 strafbar ist, wer mit einem Moped Hasen hetzt und überfährt (EvBl 1980/27), wer auf dem Anstand steht oder angelt (Fabrizy § 137 Rz 2). Handlungen, die dem Fangen und Töten von Wild und Fischen weit vorangehen – der Wilderer fährt ins Revier –, sind als Vorbereitungshandlungen straffrei.
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Schwerer Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht
§ 138
C. Die Verletzung fremden Jagd- oder Fischereirechts. Wer am Tatort 3 jagdberechtigt ist oder mit Zustimmung des Jagdberechtigten jagt, kann sich nach §§ 137f nicht strafbar machen. D. Innere Tatseite. Der Täter muss auch die Verletzung fremden Jagd- 4 oder Fischereirechts in seinen Vorsatz aufnehmen. Der Täter stellt ein Tellereisen auf, um einen Marder zu fangen, weiß aber nicht, dass Marder jagdbare Tiere sind. Immerhin weiß er, dass Hasen jagdbar sind, und nimmt es mit bedingtem Vorsatz hin, das Tellereisen werde allenfalls einen Hasen verletzen oder töten. Das reicht zur Verurteilung nach § 137 (RZ 1987/22).
E. Konkurrenz. Der Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht kann 5 auch als Tierquälerei strafbar sein (s BT II § 222 Rz 11).
Schwerer Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht § 138. Mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren ist zu bestrafen, wer die Tat 1. an Wild, an Fischen oder an anderen dem fremden Jagd- oder Fischereirecht unterliegenden Sachen in einem 3000 Euro übersteigenden Wert, 2. in der Schonzeit oder unter Anwendung von Eisen, von Giftködern, einer elektrischen Fanganlage, eines Sprengstoffs, in einer den Wild- oder Fischbestand gefährdenden Weise oder an Wild unter Anwendung von Schlingen, 3. in Begleitung eines Beteiligten (§ 12) begeht und dabei entweder selbst eine Schusswaffe bei sich führt oder weiß, dass der Beteiligte eine Schusswaffe bei sich führt oder 4. gewerbsmäßig begeht.
Der Täter des Vergehens nach § 137 unterliegt in den folgenden Fällen 1 einem strengeren Strafsatz: A. Der höhere Wert. Der Täter begeht die Tat an Wild, Fischen oder anderen Sachen, deren Wert 3 000 € übersteigt (§ 138 Z 1). Die Lehre stellt für den Wert des Wildes auf die Kosten ab, die der Jagdberechtigte aufwenden müsste, um ein Tier gleicher Gattung und Güte an den Tatort zu bringen (Hager ÖJZ 1976, 490, Kienapfel II § 138 Rz 3, L/St § 138 Rz 5): Das kann nicht richtig sein: Kein Jäger ersetzt Gämsen, indem er Gämsen aufzieht oder anderswo einfängt und an den Tatort bringt. IdR kommt es auf die Kosten an, die der Jagdberechtigte durchschnittlich, 2 zB für Futter, auf ein Tier von der Art und dem Alter des gewilderten auf231
§ 139
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
wendet (Hegekosten). Ältere Tiere, welche die Hege schon länger genießen, sind wertvoller als jüngere. Eine „sachverständige Schätzung“ der österreichischen Jagdverbände gibt Zahlen an, aber niemand weiß, wie sie berechnet wurden. Tiere, für deren Hege der Berechtigte keine Kosten aufwendet, sind den Preis wert, den der Berechtigte durch Verkauf der verwertbaren Teile erzielen könnte (Fleischwert). Näheres s Bertel WK2 § 138 Rz 1ff. Vgl auch Wach SbgK § 138 Rz 4ff. 3 B. Schonzeit, besonders gefährliche Begehungsweise. Der Täter begeht
die Tat in der Schonzeit oder unter Verwendung von Eisen (vgl § 137 Rz 4), Ködern, Schlingen, einer elektrischen Fanganlage, von Sprengstoff oder in einer den Wild- oder Fischbestand gefährdenden Weise (§ 138 Z 2). 4 C. Schusswaffe. Der Täter begeht die Tat in Begleitung eines Beteiligten
(§ 12) und führt entweder selbst eine Schusswaffe mit sich oder weiß, dass der Begleiter das tut (§ 138 Z 3). – Selbstverständlichkeiten wie die Verwendung eines Gewehrs bei der Jagd sollten keinen höheren Strafsatz auslösen. 5 D. Gewerbsmäßigkeit. Der Täter begeht das Vergehen nach § 137 ge-
werbsmäßig. Wilderer, die nicht um einen laufenden Gewinn zu erzielen, sondern aus Leidenschaft jagen, handeln nicht gewerbsmäßig (vgl § 130 Rz 3f).
Verfolgungsvoraussetzung § 139. Begeht der Täter den Eingriff in fremdes Jagdrecht an einem Ort, wo er die Jagd, oder den Eingriff in fremdes Fischereirecht an einem Ort, wo er die Fischerei in beschränktem Umfang ausüben darf, so ist er wegen der nach den §§ 137 und 138 strafbaren Handlungen nur mit Ermächtigung des Jagd- oder Fischereiberechtigten zu verfolgen. 1 Wenn ein nur beschränkt Jagdberechtigter, zB ein Jagdgast, mehr oder an-
deres Wild erlegt als er erlegen dürfte, macht er sich zwar auch nach §§ 137f strafbar, kann aber nach § 139 nur mit Ermächtigung des Jagdberechtigten verfolgt werden. Wenn der Täter dagegen außerhalb „seines“ Reviers jagt, ist die Tat von Amts wegen zu verfolgen.
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Gewaltanwendung eines Wilderers
§ 140
Gewaltanwendung eines Wilderers § 140. Wer, bei einem Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht auf frischer Tat betreten, Gewalt gegen eine Person anwendet oder sie mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) bedroht, um sich oder einem Dritten die Beute zu erhalten, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wenn die Gewaltanwendung jedoch eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85) oder den Tod eines Menschen zur Folge hat, mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen.
Der Täter des Vergehens nach § 137 wird auf frischer Tat betreten, dh im 1 Revier oder in seiner unmittelbaren Umgebung überrascht. Er wendet Gewalt an oder droht mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 142 Rz 3f, 5f) in der Absicht, sich oder Dritten die Beute zu erhalten (vgl § 131 Rz 7). Wenn nur einer von mehreren Wilderern Gewalt anwendet oder droht: s § 131 Rz 8.
Entwendung § 141. (1) Wer aus Not, aus Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes eine Sache geringen Wertes einem anderen entzieht oder sich oder einem Dritten zueignet, ist, wenn die Tat sonst als Diebstahl, Entziehung von Energie, Veruntreuung, Unterschlagung, dauernde Sachentziehung oder Eingriff in fremdes Jagdrecht oder Fischereirecht strafbar wäre und es sich nicht um einen der Fälle der §§ 129, 131, 138 Z. 2 und 3 und 140 handelt, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Monat oder mit Geldstrafe bis zu 60 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen. (3) Wer die Tat zum Nachteil seines Ehegatten, eines Verwandten in gerader Linie, seines Bruders oder seiner Schwester oder zum Nachteil eines anderen Angehörigen begeht, sofern er mit diesem in Hausgemeinschaft lebt, ist nicht zu bestrafen. (4) Die rechtswidrige Aneignung von Bodenerzeugnissen oder Bodenbestandteilen (wie Baumfrüchte, Waldprodukte, Klaubholz) geringen Wertes ist gerichtlich nicht strafbar. Schrifttum: Burgstaller, Diebstahl, Veruntreuung und Unterschlagung, ÖJZ 1974, 540; ders, Der Ladendiebstahl und seine private Bekämpfung im österreichischen Strafrecht (1981); Felnhofer-Luksch, Irrtum über privilegierende Deliktsmerkmale, JBl 2004, 703; HoinkesWilflingseder, Geringwertigkeit und unbedeutende Tatfolgen nach dem StrafrechtsänderungsG 1987, AnwBl 1988, 77; Kunst, Unbestimmte Zahl- und Maßbegriffe im neuen StGB, ÖJZ 1975, 561; Marschall, Unbestimmte geldwerte Grenzbeträge, insbesondere Wertgrenzen, im StGB, ÖJZ 1975, 549; Nowakowski, Die Sonderdelikte, beurteilt nach ihrer Begehbarkeit durch Extranei, ZnStR II, 147; Schwaighofer, Zur Strafwürdigkeit der Entwen-
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§ 141
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
dung nach § 141 StGB, JBl 1997, 155; Steininger H., Der Ladendiebstahl und die damit verbundenen Fragen der Bagatellkriminalität, RZ 1981, 22.
I. Die Privilegierung kleiner Vermögensdelikte 1 Die Strafsätze für unqualifizierte Vermögensdelikte führen idR zu hohen
Geldstrafen auch bei Bagatelldelikten. Darum privilegiert § 141 kleinere Vermögensdelikte. 1. Für welche Deliktstypen? 2 Nach § 141 Abs 1 können Diebstähle, Entziehungen von Energie, Verun-
treuungen, Unterschlagungen, dauernde Sachentziehungen und Eingriffe in fremdes Jagd- oder Fischereirecht als Entwendungen privilegiert sein. § 141 Abs 1 ist auf Sachbeschädigungen und Hehlereien analog anzuwenden (Bertel WK2 § 141 Rz 1f, K/Schm StudB II § 141 Rz 12, Tipold SbgK § 141 Rz 10f; aM L/St § 141 Rz 4; SSt 54/25). Diebstähle, die nach §§ 129, 131, und Eingriffe in fremdes Jagd- oder Fischereirecht, die nach § 138 Z 2 und 3, § 140 qualifiziert sind, sind von der Privilegierung ausgeschlossen. 2. Voraussetzungen 3 Der Täter muss eines dieser Vermögensdelikte an einer Sache geringen
Wertes aus Not, Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes begehen. 4 A. Von geringem Wert sind Sachen, deren Wert – objektiv (s § 142 Rz 14)
– 300 € nicht übersteigt. Die hM dagegen will nur 100 € als geringen Wert gelten lassen (11 Os 53/09t; K/Schm StudB II § 141 Rz 18, Tipold SbgK § 141 Rz 16), und auch das nur, wenn das Opfer nicht in Not ist. In den Jahren nach 1980 hat sich der OGH für 500 S als geringen Wert ausgesprochen, damals ein Zehntel der Wertgrenze. Inzwischen hat der Gesetzgeber die Wertgrenzen mehr als versiebenfacht, der OGH den geringen Wert aber nur etwas mehr als verdoppelt (Bertel WK2 § 141 Rz 3). Das entspricht den Wertungen des Gesetzes nicht! Beträge unter 300 € sind dann mehr als ein geringer Wert, wenn der Verlust ein Opfer trifft, das in Not lebt (Bertel WK2 § 141 Rz 3a mwN).
5 Der Wert der Beute aus mehreren Delikten, die der Täter an Sachen gerin-
gen Wertes aus Not, Unbesonnenheit oder zur Befriedigung eines Gelüstes 234
Entwendung
§ 141
begeht, wird nicht zusammengerechnet. § 29 ist hier nicht anwendbar. So bleiben die mehreren Delikte Entwendungen, auch wenn der Wert der Beute insgesamt nicht mehr gering ist (Fabrizy § 141 Rz 5, K/Schm StudB II § 141 Rz 20, L/St § 141 Rz 9). B. Aus Not delinquiert, wer von einem Einkommen leben muss, das unter 6 dem Existenzminimum des § 291a EO oder der Ausgleichszulage des § 292 ASVG liegt (Schwaighofer JBl 1997, 157, Tipold SbgK § 141 Rz 37): Sie betragen derzeit 772 €. Die Not auf einen Mangel „der zum Leben notwendigen Bedarfsgegenstände“ zu beschränken (L/St § 141 Rz 11), ist entschieden zu eng: Die Not des § 141 hat nichts mit dem Notstand des § 10 zu tun. Der Täter, ohne Einkommen und Vermögen, hat schon drei Tage nichts gegessen; so stiehlt er in einem Supermarkt zwei Tafeln Kochschokolade und eine Kaffeeroulade. Der OGH hätte ihn nicht nach § 141 verurteilen (SSt 53/12), sondern nach § 10 freisprechen sollen (K/Schm StudB II § 141 Rz 30).
Dass der Täter Geld stiehlt; dass er stiehlt, um die Beute zu verkaufen; dass er gewerbsmäßig stiehlt, schließt ein Handeln aus Not nicht aus. C. Aus Unbesonnenheit handelt der Täter, wenn er die Tat aus einer au- 7 genblicklichen Eingebung heraus, spontan und ohne lang zu überlegen begeht (Fabrizy § 141 Rz 3, K/Schm StudB II § 141 Rz 32, L/St § 141 Rz 13). Ob er Geld oder andere Sachen erbeutet, ob er sie gebrauchen oder verschenken will, macht keinen Unterschied. Bei Taten, vor denen die Täter sich besprechen, denen eine längere Planung 8 oder Vorbereitung vorausgeht oder deren Ausführung längere Zeit in Anspruch nimmt, verneint der OGH die Unbesonnenheit (EvBl 1980/7, JBl 1980, 272). Er verneint sie weiter, wenn der Täter einschlägig vorbestraft ist (SSt 60/78, SSt 46/71); aber spontanes Handeln hat mit Vorstrafen nichts zu tun! D. Zur Befriedigung eines Gelüstes handelt der Täter, wenn er sich Sa- 9 chen verschaffen will, um sie selbst in Kürze zu gebrauchen (K/Schm StudB II § 141 Rz 34, L/St § 141 Rz 15; vgl dagegen Burgstaller Ladendiebstahl 21). Zur Befriedigung eines Gelüstes können nicht nur Nahrungs- und Genussmittel, sondern auch Kosmetika, Blumen (SSt 41/6), Sonnenbrillen, Musikkassetten, Radios (EvBl 1980/7, 106), Zeitungen und Spielzeugautos gestohlen werden. Nahrungs- und Genussmittel, Kosmetika werden zur Befriedigung eines Gelüstes gestohlen, wenn der Täter die kleinste leicht greifbare Einheit (Schwaighofer
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§ 141
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
JBl 1997, 157, Tipold SbgK § 141 Rz 49) – zB eine Zigarettenpackung (EvBl 1978/169), ein Netz mit fünf Semmeln (aM 12 Os 60, 61/97), eine Flasche mit Paracodein (OLG Innsbruck in 11 Os 86/07t, 87/07i) – nimmt, mag er damit auch mehrere Tage versorgt sein. 10 Dass der Täter ein Geschäft schon mit Diebstahlsvorsatz betritt, schließt
ein Handeln aus Unbesonnenheit, nicht aber zur Befriedigung eines Gelüstes aus (L/St § 141 Rz 15a, Zagler BT § 141 Rz 14). Aber der Täter handelt nicht zur Befriedigung eines Gelüstes, wenn er auf Vorrat Nahrungs-, Genussmitteln, Kosmetika stielt; wenn er Sachen stiehlt, um sie zu verkaufen; wenn er Geld oder wenn er für andere stiehlt. 3. Rechtliche Auswirkungen 11 Der Täter fällt unter einen niedrigeren Strafsatz und kann nur mit Ermäch-
tigung des Verletzten verfolgt werden (§ 141 Abs 2). 12 Die Entwendung ist straffrei, wenn sie der Täter lediglich zum Nachteil
eines Angehörigen (§ 72) begeht. Verschiedentlich bewirkt das Angehörigenverhältnis Straffreiheit nur, wenn Täter und Opfer in Hausgemeinschaft leben (§ 141 Abs 3). Dazu § 166 Rz 4.
II. Die Aneignung von Bodenbestandteilen und Bodenerzeugnissen (Abs 4) 13 § 141 Abs 4 nimmt die Aneignung von Bodenbestandteilen und Bodener-
zeugnissen geringen Wertes (s Rz 4) vom Anwendungsbereich aller Vermögensdelikte aus: Sie ist, gleich aus welchen Motiven der Täter handelt, gerichtlich nicht strafbar. 14 A. Boden iSd Gesetzes sind – eingezäunte oder nicht eingezäunte (EvBl
1983/8) – Wälder, Felder, Äcker, Wiesen und Weiden; nicht aber Hausund Schrebergärten. Wer einen fremden Schrebergarten aberntet, macht sich nach § 127 oder § 141 Abs 1 strafbar.
15 B. Bodenbestandteile sind zB Mineralien, der Schotter aus einer fremden
Schottergrube; Bodenerzeugnisse Obst, Gemüse, Beeren, Pilze, Reisig, Gras, Blumen, Bäume. Ob der Täter das Obst vom Baum pflückt oder schon geerntetes, aber noch auf dem Feld abgestelltes Obst mitnimmt, macht keinen Unterschied. 236
Raub
§ 142
Raub § 142. (1) Wer mit Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben (§ 89) einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz wegnimmt oder abnötigt, durch deren Zueignung sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. (2) Wer einen Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Wertes begeht, ist, wenn die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143) handelt, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Burgstaller, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393, 459; Eder-Rieder, Gewaltanwendung in der Vollbringungsphase eines Raubes, RZ 1994, 268; dies, Die Strafbarkeit des Anwerbens von Raubkomplizen, JBl 2000, 69; Hochmayr/Schmoller, Die Definition von Gewalt im Strafrecht, ÖJZ 2003, 628; Hoinkes-Wilflingseder, Geringwertigkeit und unbedeutende Tatfolgen nach dem StrafrechtsänderungsG 1987, AnwBl 1988, 77; Mayerhofer, Die Raubkriminalität in Österreich, ÖJZ 1979, 231; Schwaighofer, Plötzliches Losreißen – Gewalt im Sinn des § 269 StGB? ÖJZ 1981, 120; Wach, Die Beschaffenheit der „Drittbeziehung“ bei Nötigung (§ 105 StGB) und Raub (§ 142 StGB), ÖJZ 1987, 715; Wegscheider, Plötzliches Entreißen einer Sache – Raub oder Diebstahl? ÖJZ 1975, 516; Zipf, Raub und Erpressung, LJZ 1991, 24.
I. Der einfache Raub (§ 142 Abs 1) 1. Gegenstand des Raubes Rauben kann man diebstahlsfähige Sachen. Urkunden und unbare Zah- 1 lungsmittel können geraubt werden, soweit sie Wertträger sind (s § 127 Rz 6). Der Täter zwingt das Opfer mit vorgehaltener Pistole, ihm eine Bankomatkarte zu geben und den PIN-Code zu nennen: kein Raub (11 Os 168/08b), er begeht vorerst eine schwere Nötigung (§ 105, § 106 Abs 1 Z 1) und eine Entfremdung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e Abs 1). Wenn er später mit der Bankomatkarte Geld behebt, begeht er überdies das Delikt nach § 148a (s § 148a Rz 2, 7). Rauben kann der Täter die Bankomatkarte, wenn sie auch als elektronische Geldbörse verwendet wird (12 Os 88/07v), aber daran muss der Täter beim Rauben denken (s Rz 10).
2. Die Ausführungshandlung Der Raub kann durch Gewalt gegen eine Person oder durch Drohung mit 2 gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben begangen werden. 237
§ 142
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
3 A. Der Täter wendet gegen eine Person Gewalt an, wenn er gegen sie
„nicht ganz unerhebliche physische Kraft einsetzt“ (Eder-Rieder WK2 § 142 Rz 20). Das ist anzunehmen, wenn der Täter das Opfer bewusstlos macht oder wenn er so Hand an das Opfer legt, dass ihm ein Widerstand unmöglich wird, dass es Schmerzen leidet oder zu Boden stürzt (s § 105 Rz 2, 5). Andere wollen sich für die Erheblichkeit der Kraftentfaltung mit weniger zufrieden geben (Eder-Rieder WK2 § 142 Rz 20, Hintersteininger SbgK § 142 Rz 14, K/Schm StudB II § 142 Rz 19, L/St § 142 Rz 6). Einwirkungen jedenfalls, die nur Erfolg haben können, weil sie das Opfer überraschen, sind keine Gewalt, sondern Tricks (Bertel WK2 § 131 Rz 2f). Gewalt übt, wer jemandem mit der Faust in den Magen schlägt (13 Os 135/07p), ihn würgt, zu Boden stößt; nicht aber, wer das fliehende Opfer zurückhält (aM RZ 1999/47), ihm eine Tasche ruckartig wegzieht (aM L/St § 142 Rz 21) oder es stößt, dass es „fast“ hinfällt (aM 13 Os 129/00). 4 Das Entreißen einer Handtasche ist (versuchter) Raub, wenn der Täter
schon im ersten Zugriff Gewalt gegen das Opfer übt (üben will). Wenn der Täter Gewalt erst anwendet, als ihn das Opfer beim Diebstahl ertappt und sich durch Festhalten gegen die Wegnahme wehrt, liegt ein räuberischer Diebstahl vor (s § 131 Rz 5). Der Täter entreißt dem Opfer im Vorbeigehen die Handtasche; das ist nach Meinung des OGH ein Raub, wenn der Täter dem Opfer die Tasche nicht unvermutet entreißt, sondern einen „Sachbehauptungswillen“ überwindet (15 Os 156/00, JBl 1990, 805). In Wahrheit kommt es darauf an, ob der Täter schon beim ersten Zugriff damit rechnet, das Opfer umzureißen (§ 142), ob er sich dazu erst entschließt, als er den Widerstand des Opfers merkt (§ 131), oder ob er an so etwas gar nicht denkt (§ 127). 5 B. Der Täter droht mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben,
wenn er in Aussicht stellt, jemanden unverzüglich zu töten oder erheblich zu verletzen. Wenn das angedrohte Übel nicht so schwer ist oder nicht sofort ausgeführt werden soll, liegt Erpressung vor. 6 Die Drohung muss nicht ausgesprochen werden, unmissverständliche Ge-
sten genügen. Ob der Täter die Drohung verwirklichen kann und verwirklichen will, ist ohne Bedeutung. Wesentlich ist ihre Eignung, vom Opfer ernst genommen zu werden (§ 105 Rz 10f). Der Täter hält dem Opfer eine Pistole mit den Worten vors Gesicht „Überfall, Geld her“ (EvBl 1989/126). Die Täterin drückt dem Opfer ein Handy mit Antenne in den Rücken und fordert Geld; das Opfer glaubt an eine Pistole und
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Raub
§ 142
fürchtet um sein Leben (JBl 2000, 128). Beide Taten sind Raubüberfälle. Wenn das Opfer die Herausgabe verweigert, weil es den Bluff der Täterin erkennt, liegt versuchter Raub vor. Die Drohung dagegen, das Opfer „zu schlagen“, durch Worte (JUS 2004/3592) oder Gesten (EvBl 2007/24) ausgedrückt, ist keine Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (12 Os 88/07v; vgl § 105 Rz 9); die Drohung, es „zusammenzuschlagen“ unter Umständen schon (vgl 12 Os 41/07g).
Die Tötung oder erhebliche Verletzung, mit der der Täter dem Opfer droht, muss nicht dem Inhaber der zu erbeutenden Sache, sie kann auch einer „Sympathieperson“ (§ 105 Rz 13) oder einem Dritten gelten, der die Beute verteidigt.
7
C. Die sofortige Wegnahme oder Herausgabe. Der Täter erreicht durch die Anwendung der Gewalt oder durch die Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben, dass das Opfer eine Sache auf der Stelle herausgibt oder sich wegnehmen lässt.
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D. Vollendung. Der Raub ist vollendet, wenn der Täter an der Beute Alleingewahrsam erlangt. Bis dahin kann er vom Raubversuch zurücktreten. Wenn er die Beute erst später zurückgibt, bleibt er nach § 142 strafbar; tätige Reue gibt es beim Raub nicht (§ 167).
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Der Täter zwingt das Opfer mit vorgehaltenem Taschenmesser, ihn in die Wohnung einzulassen und ihm Geld zu geben. Der Täter legt es auf den Küchentisch, später gibt er es zurück. Nach Meinung des OGH ist der Raub vollendet, Rücktritt vom Versuch ausgeschlossen (RZ 1988/6). Das ist nicht richtig: An Sachen in der Wohnung des Opfers erlangt der Täter frühestens mit dem Einstecken Alleingewahrsam (s § 127 Rz 17).
3. Innere Tatseite Der Räuber handelt vorsätzlich hinsichtlich aller besprochenen Merkmale. 10 Und er hat – wie der Dieb – den Vorsatz, sich durch Zueignung der Beute unrechtmäßig zu bereichern (§ 127 Rz 21ff). Die Täter lauern dem Opfer vor dem Hotel auf, schlagen es mit einem Baseballschläger nieder, nehmen ihm den Tresorschlüssel ab und damit das Geld aus dem Hoteltresor. Geraubt wird nicht der Schlüssel – ihn wollen sich die Täter nicht zueignen –, sondern das Geld aus dem Tresor, weil es sofort (Rz 8) nach der Gewaltanwendung weggenommen wird (EvBl 1998/70).
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§ 142
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Der Bereicherungsvorsatz fehlt ua dann, wenn der Täter auf die weggenommene oder abgenötigte Sache ein Recht hat oder zu haben glaubt oder sich für eine Forderung bezahlt machen will (§ 127 Rz 26). Der Täter nimmt dem Opfer nach einem gemeinsamen Gasthausbesuch mit Gewalt das für die eigene Zeche ausgelegte Geld ab, weil ihm das Opfer – wie der Täter glaubt – versprochen hat, die gemeinsame Zeche zu bezahlen: Dem Täter fehlt der Vorsatz, sich durch das abgenötigte Geld unrechtmäßig zu bereichern, er begeht darum weder Raub noch Erpressung, sondern bloß eine Nötigung (Eder-Rieder WK2 § 142 Rz 45).
4. Abgrenzung und Konkurrenz 11 A. Über die Abgrenzung von Raub und räuberischem Diebstahl s Rz 4,
§ 131 Rz 1f. B. Über die Abgrenzung von Raub und Erpressung s § 144 Rz 6; und erpresserischer Entführung s § 102 Rz 13. C. Wenn die Verletzungen, die aus der Gewaltanwendung des Räubers entstehen, schwere Verletzungen (§ 84 Abs 1) sind, kommt § 143 zur Anwendung (§ 143 Rz 5); sonst werden sie durch die Anwendung des § 142 Abs 1 mitabgegolten (K/Schm StudB II § 142 Rz 83; vgl § 131 Rz 9). D. Wenn der Täter das Opfer bedroht oder einsperrt, um es von einer Verfolgung abzuhalten, gilt die Verurteilung nach § 142 auch die Nötigung (§ 105 Abs 1; 15 Os 87/06t) und – nach der Rsp – „in der Regel“ auch die Freiheitsentziehung (§ 99 Abs 1; 12 Os 118, 119/99, 11 Os 168/08b) mit ab.
II. Der minderschwere Raub (§ 142 Abs 2) 12 Der Strafsatz des § 142 Abs 1 ist sehr hoch, und der weite Gewaltbegriff
lässt kleine Vermögensdelikte zu Raubüberfällen werden. Darum sieht § 142 Abs 2 einen milderen Strafsatz für Raube vor, welche die folgenden vier Voraussetzungen erfüllen: 13 A. Der Raub wird ohne Anwendung erheblicher Gewalt begangen. Das
ist der Fall, wenn der Täter nur droht oder Gewalt ohne Brutalität anwendet. Gewalt, die dem Opfer erhebliche Schmerzen bereitet oder es der Gefahr einer beträchtlichen Gesundheitsschädigung (s § 92 Rz 3) aussetzt, ist erheblich (K/Schm StudB II § 142 Rz 97). Der OGH nimmt erhebliche Ge240
Raub
§ 142
walt an, wenn der Täter „beachtliche physische Kräfte in vehementer Weise einsetzt“ (RZ 1997/36). Nach § 142 Abs 2 strafbar kann ein Räuber sein, der das Opfer mit Umbringen bedroht (SSt 55/68); es festhält und ihm die Hosentaschen ausräumt (JBl 1985, 248); das Opfer gegen einen Postkasten drückt, ihm einen Schlag auf den Kopf versetzt und ihm mit weiteren Schlägen droht (EvBl 2001/170); oder ihm die Handtasche so kräftig entreißt, dass es hinfällt (vgl Rz 4). Kräftige Faustschläge in Gesicht (SSt 60/46) oder Magen (13 Os 135/07p) sind erhebliche Gewalt. Keine erhebliche Gewalt sind ein mäßiger Schlag oder Stoß gegen die Schulter eines rüstigen 81-jährigen Mannes (12 Os 61/07y); ein leichter Stoß gegen die Schulter einer 66-jährigen Frau, die daraufhin stürzt und sich Prellungen zuzieht (14 Os 30/08f). In diesen Fällen war es wenig wahrscheinlich, dass die Opfer wegen der Stöße hinfallen und sich erheblich verletzen werden. Dass die Täter einen Betrunkenen mit geringer Mühe am Boden festhalten, ist gleichfalls keine erhebliche Gewalt (aM RZ 1997/36).
B. Der Raub wird an einer Sache geringen Wertes begangen. Der ge- 14 ringe Wert ist hier wie im § 141 zu verstehen (Fabrizy § 142 Rz 7, K/Schm StudB II § 142 Rz 101, L/St § 142 Rz 31; vgl auch Hoinkes-Wilflingseder AnwBl 1988, 78). Wir halten 300 € für einen noch geringen Wert; die hM dagegen nur 100 € (11 Os 38/08k; Hintersteininger SbgK § 142 Rz 50; s § 141 Rz 4). § 142 Abs 2 ist eine objektive Bedingung geminderter Strafbarkeit: Es kommt auf den Wert der Beute an, die der Täter wirklich geraubt hat, auch wenn er mit mehr gerechnet hat (Eder-Rieder WK2 § 142 Rz 55, Fabrizy § 142 Rz 6, Felnhofer-Luksch JBl 2004, 708; aM K/Schm StudB II § 142 Rz 93). C. Die Tat hat nur unbedeutende Folgen. Mehr als unbedeutende Folgen 15 sind Gesundheitsschädigungen von mehr als einer Woche (s § 88 Rz 10), nach Meinung des OGH von mehr als drei Tagen (SSt 60/46); psychosomatische Beschwerden (zB Schlafstörungen) müssen auch hier außer Betracht bleiben (s § 83 Rz 4f). Vermögensschäden oder der – gar nur vorübergehende – Verlust des Führerscheins sind keine „Folgen“ des Raubes (aM L/St § 142 Rz 32). Der Täter hat dem Opfer die Handtasche entrissen, das Opfer stolpert, stürzt und verstaucht sich den Fuß. Die Gewalt ist unerheblich (Rz 13), aber die Folge, die Verletzung, kann bedeutend sein. Der Täter entreißt dem Opfer eine Handtasche, das Geld in der Tasche (40 €) will er behalten, die Tasche im Wert von 120 € wegwerfen. Der Täter raubt das
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§ 143
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Geld und begeht an der Tasche eine dauernde Sachentziehung (s § 127 Rz 23). Der OGH betrachtet den Verlust der Handtasche als eine bedeutende Folge „der Tat“ und schließt darum § 142 Abs 2 aus (JBl 1990, 805). Das ist nicht richtig: „Die Tat“ ist der Raub, und Schäden, die der Täter durch eine dauernde Sachentziehung anrichtet, sind keine Folge des Raubes (Eder-Rieder WK2 § 142 Rz 61, Lewisch BT I 219; aM K/Schm StudB II § 142 Rz 103f). Zweifelhaft war in diesem Fall auch die Gewaltanwendung (s Rz 4). 16 D. Der Raub ist kein schwerer Raub iSd § 143. Da der OGH die unbe-
deutenden Folgen in § 142 Abs 2 zu eng auslegt (Rz 15) und den bewaffneten Raub in § 143 maßlos ausweitet (s § 143 Rz 3f), spielt § 142 Abs 2 in der Praxis eine nur bescheidene Rolle. Der Gesetzgeber sollte § 142 Abs 2 neu fassen.
Schwerer Raub § 143. Wer einen Raub als Mitglied einer kriminellen Vereinigung unter Mitwirkung (§ 12) eines anderen Mitglieds dieser Vereinigung begeht oder wer einen Raub unter Verwendung einer Waffe verübt, ist mit Freiheitsstrafe von fünf bis zu fünfzehn Jahren zu bestrafen. Ebenso ist der Täter zu bestrafen, wenn durch die ausgeübte Gewalt jemand schwer verletzt wird (§ 84 Abs. 1). Hat die Gewaltanwendung jedoch eine Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen (§ 85) zur Folge, ist der Täter mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren, hat sie aber den Tod eines Menschen zur Folge, mit Freiheitsstrafe von zehn bis zu zwanzig Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe zu bestrafen. Schrifttum: Bertel, Einbruchsdiebstahl und bewaffneter Raub – Über den Sinn und die Auslegung strafrechtlicher Qualifikationen, StPG 7 (1979), 37; Krückl, Der Waffenbegriff des schweren Raubes, ÖJZ 1981, 566; Marschall, Waffenrechtliche Grundbegriffe, ÖJZ 1979, 421; Wach, Herbeiführung schwerer Raubfolgen nach vollendetem Gewahrsamswechsel? ÖJZ 2003, 750.
1. Der Raub in krimineller Vereinigung 1 Eine kriminelle Vereinigung ist eine Verbindung von wenigstens drei Per-
sonen, die sich auf längere Zeit zur Begehung eines oder mehrerer Raubüberfälle zusammenschließen (BT II § 278 Rz 1, 3, 5). Der Raub wird im Rahmen einer kriminellen Vereinigung begangen, wenn wenigstens zwei Mitglieder sich daran beteiligen (vgl § 130 Rz 2).
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Schwerer Raub
§ 143
2. Der bewaffnete Raub Ein bewaffneter Raub liegt vor, wenn der Täter mit einer Waffe Gewalt 2 gegen das Opfer übt oder es mit einer Waffe bedroht (SSt 56/73). A. Waffen sind Gegenstände, die dazu bestimmt sind, andere anzugreifen oder sich zu verteidigen. § 1 WaffenG betrachtet als Waffen darüber hinaus auch Geräte, mit denen bei Jagd und Sport geschossen wird. Alle diese Gegenstände sind nach hL und Rsp Waffen auch iSd § 143 (Fabrizy § 143 Rz 5, K/Schm StudB II § 143 Rz 12, L/St § 143 Rz 8ff, Eder-Rieder WK2 § 143 Rz 16). Waffen sind demnach: Dolche, Revolver, Pistolen (SSt 53/38, EvBl 1984/19), Gaspistolen (EvBl 1995/54) – Keine Waffen sind Spielzeugpistolen, die echten Pistolen täuschend ähnlich sehen, auch wenn man damit Plastikkugeln einige Meter weit schießen kann („Softgun“; 15 Os 87/06t, 12 Os 101/07f); mit Schreckschusspistolen kann man nicht einmal das, dennoch sieht sie der OGH als Waffen an (15 Os 70/06t, 12 Os 33/09h).
B. Funktionsfähigkeit. Für die hL macht es keinen Unterschied, ob die 3 Pistole, die der Räuber dem Opfer vors Gesicht hält, geladen oder ungeladen (RZ 1981/31, EvBl 1980/107) oder vielleicht nicht einmal funktionstüchtig ist (15 Os 70/06t, 12 Os 33/09h). Das ist nicht richtig: Der Grund für den strengeren Strafsatz des § 143 ist nicht die Furcht des Opfers. Das Opfer fürchtet um sein Leben, auch wenn ihm der Täter eine Waffe nur vortäuscht – die Täterin drückt ihm ein Handy in den Rücken und verlangt Geld –, und das genügt für die Anwendung des § 143 nicht (JBl 2000, 128). Der Grund für den strengeren Strafsatz des § 143 liegt darin, dass die Waffe in der Hand des Räubers objektiv gefährlich ist: Der Räuber kann, wenn die Tat nicht nach Plan verläuft, von der Waffe Gebrauch machen. Eine ungeladene Waffe aber ist nicht gefährlicher als eine Waffenattrappe – vorausgesetzt natürlich, dass der Täter die Munition nicht bei sich hat. Darum sollten Räuber, die mit ungeladenen oder funktionsuntüchtigen Schusswaffen drohen, nur nach § 142 strafbar sein (K/Schm StudB II § 143 Rz 21, F/R BT I 123f). C. Gleichwertige Gegenstände. Der OGH und ein Teil der Lehre sieht als 4 Waffe iSd § 143 auch Gegenstände an, die keine Waffen nach dem WaffenG, sondern einer Waffe lediglich „gleichwertig“ sind (K/Schm StudB II § 143 Rz 13, Eder-Rieder WK2 § 143 Rz 18f, Lewisch BT I 216f, Zagler BT § 143 Rz 2; dagegen mit Recht L/St § 143 Rz 9f, Wegscheider BT 224; vgl auch Fabrizy § 143 Rz 5). 243
§ 143
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Als „Waffe im Sinn des § 143“ hat der OGH angesehen: ein Tapezierer-(„Stanley“)messer (12 Os 9/00), ein Klappmesser (RZ 1993/31, 11 Os 112/07s), einen Hammer (EvBl 1976/119, RZ 1977/122), eine 60 cm lange Holzlatte (11 Os 27/ 08t), ein abgeschlagenes Bierglas mit zackigem Rand (SSt 53/22), einen Stock (SSt 56/73), einen Schürhaken (SSt 60/7), eine angeblich aidsinfizierte Injektionsnadel (EvBl 2001/169), Benzin, das der Täter neben dem Opfer ausgeschüttet hat und das er nun anzuzünden droht (12 Os 108/02; missverständlich ÖJZ-LSK 2003/44).
Taschenmesser, Stöcke usw sind nach dem WaffenG keine Waffen. Dass sie dieser oder jener Waffe – welcher eigentlich? – „gleichwertig“ sind, kann für die Anwendung des § 143 nicht genügen, da das Gesetz im § 143 die „anderen Mittel“ (vgl § 129 Rz 17) den Waffen gerade nicht gleichstellt. 3. Der Raub mit schweren Folgen 5 Ein Raub mit schweren Folgen liegt vor, wenn der Räuber durch eben die
Gewaltanwendung, durch die er in den Besitz der Beute gelangen will, eine schwere Verletzung (§ 84 Abs 1), eine schwere Verletzung mit Dauerfolgen (§ 85) oder den Tod des Opfers fahrlässig herbeiführt. Der Räuber, der das Opfer nur bedroht, ist, wenn das Opfer doch verletzt wird, dafür nach § 143 nicht verantwortlich. Die Täterin drückt dem Opfer ein Handy in den Rücken und verlangt Geld; das Opfer glaubt an eine Pistole und fürchtet um sein Leben; die Täterin hält das Opfer fest, es kommt zu einem Gerangel; später leidet das Opfer längere Zeit an Angst und Depressionen. Der OGH schließt § 143 aus: Nur das Festhalten und das Gerangel können Gewalt sein; aber darauf seien Angst und Depressionen nicht zurückzuführen (JBl 2000, 128). Davon abgesehen sind Angst und Depressionen keine schweren Verletzungen iSd § 84 Abs 1 (s § 83 Rz 4f, § 84 Rz 3). 6 Wenn der Räuber das Opfer ermordet oder zu ermorden versucht, um sich
der Beute zu bemächtigen, liegt eine Konkurrenz von Raub und (versuchtem) Mord (§ 75) vor; der Raub kann als bewaffneter Raub qualifiziert sein; die Verletzung oder der Tod des Opfers aber wird dem Täter nicht auch als Raub mit schweren Folgen (§ 143 zweiter oder dritter Satz) angelastet (SSt 55/37; Fabrizy § 143 Rz 9, K/Schm StudB II § 142 Rz 80f). Und wenn der Täter für die schwere Verletzung oder für den Tod des Opfers nach § 143 zweiter oder dritter Satz bestraft wird, ist die Anwendung auch der §§ 84, 85, 86, 87 Abs 1 oder 2 ausgeschlossen (SSt 55/43; Eder-Rieder WK2 § 143 Rz 28). Über leichte Verletzungen, die das Opfer durch die Gewaltanwendung des Räubers erleidet, s § 142 Rz 11. 244
Erpressung
§ 144
Erpressung § 144. (1) Wer jemanden mit Gewalt oder durch gefährliche Drohung zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist, wenn er mit dem Vorsatz gehandelt hat, durch das Verhalten des Genötigten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (2) Die Tat ist nicht rechtswidrig, wenn die Anwendung der Gewalt oder Drohung als Mittel zu dem angestrebten Zweck nicht den guten Sitten widerstreitet. Schrifttum: Burgstaller, Der Ladendiebstahl und seine private Bekämpfung im österreichischen Strafrecht (1981); Essl, Domain-Grabbing als Straftatbestand, ÖBl 2000, 250; Koziol, Haftpflichtrecht Bd I3 (1997), Plöckinger/Gassner, Strafrechtliche Überlegungen zum Domain-Grabbing, MR 2001, 180; Stigelbauer, Nötigung und Erpressung im neuen Strafrecht, ÖJZ 1974, 645 = ZnStR II, 81; Venier, „Kunsterpressung“ – ein vermögensstrafrechtliches Paradoxon? JSt 2004, 73; Welser, Die Ersetzbarkeit von Detektivkosten beim Warenhausdiebstahl, ÖJZ 1977, 645; Zipf, Raub und Erpressung, LJZ 1991, 24.
1. Unterschiede gegenüber der Nötigung Die Erpressung ist ein Sonderfall der Nötigung. Sie unterscheidet sich 1 von der Nötigung durch das Hinzutreten zweier weiterer Merkmale: Die abgenötigte Handlung, Duldung oder Unterlassung schädigt das Opfer oder Dritte am Vermögen und soll nach dem Vorsatz des Täters ihn oder Dritte unrechtmäßig bereichern. A. Der Vermögensschaden. Die abgenötigte Handlung, Duldung oder 2 Unterlassung führt bei der Erpressung einen Vermögensschaden herbei wie die erschlichene Handlung, Duldung oder Unterlassung beim Betrug: Das Opfer wird zu einer Leistung genötigt, für die es weniger oder nichts erhält (§ 146 Rz 19). Die Regeln, die für die Ermittlung des Schadens beim Betrug gelten (§ 146 Rz 21ff), sind sinngemäß auch hier anzuwenden (K/ Schm StudB II § 144 Rz 50, Stigelbauer ÖJZ 1974, 647). Vollendet ist die Erpressung nicht schon, wenn das Opfer Zahlung verspricht, sondern erst wenn es wirklich zahlt (EvBl 1997/205). Der Täter zwingt das Opfer durch Faustschläge, den PIN-Code seiner Bankomatkarte zu nennen: keine Erpressung, weil das Opfer sich dadurch nicht schädigt, sondern der Täter es durch die Abhebung erst schädigen wird (15 Os 2/07v; s § 146 Rz 18). Zu den Konsequenzen s auch § 142 Rz 1.
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§ 144
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
3 B. Der Vorsatz, sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern. Wer an-
dere zur Herausgabe von Geld oder Sachen nötigt, auf die er ein Recht hat oder wenigstens zu haben glaubt, begeht keine Erpressung, sondern allenfalls eine Nötigung (Fabrizy § 144 Rz 2, L/St § 144 Rz 13). Wer einem Zechgenossen Faustschläge und Fußtritte versetzt, um ihn zur Erfüllung seines Versprechens zu zwingen, die gemeinsame Zeche zu bezahlen, begeht weder einen Raub (s § 142 Rz 10) noch eine Erpressung, aber vielleicht eine Nötigung (s § 105 Rz 27). Der Sohn, der der Mutter 200 € abpresst, indem er ihr droht, er bringe sie um, begeht keine Erpressung, wenn er überzeugt ist, die Mutter sei ihm dieses Geld als Unterhalt schuldig. Hier liegt nur eine Nötigung vor (RZ 2003/1). Der Bestohlene, der dem Dieb mit einer Anzeige droht, um ihn zur Herausgabe der Beute zu zwingen, bleibt straffrei (§ 105 Rz 18). 4 C. Die guten Sitten. Drohungen des Täters, die wirtschaftlichen Beziehun-
gen zu einem Partner im Einklang mit dem bürgerlichen oder mit dem Arbeitsrecht aufzulösen, wenn dieser nicht günstigere Bedingungen gewährt, sind als Erpressung nicht strafbar. Solche Drohungen sind in einer freien Wirtschaft ein sittlich erlaubtes Mittel, die eigene wirtschaftliche Lage zu verbessern (§ 144 Abs 2). Arbeitnehmer, die durch eine Streikdrohung höhere Löhne erzwingen wollen; Vermieter, die mit Kündigung drohen, um die Zahlung höherer Mieten zu erzwingen; Produzenten, die mit einem Lieferstopp drohen, um höhere Preise zu erzielen; Zwischenhändler, die mit der Drohung, künftig bei anderen Produzenten einzukaufen, höhere Rabatte durchsetzen wollen, sind nach § 144 nicht strafbar. Der Ordnung des Wettbewerbs dienen zB das UWG und das KartellG mit besonderen Strafbestimmungen. 5 Im Übrigen sind Gewalt und gefährliche Drohung kein sittlich erlaubtes
Mittel, sich unrechtmäßig zu bereichern (§ 105 Rz 20f). Wer einem Rechtsbrecher mit Anzeige droht und ein Schweigegeld fordert, ist nach § 144 strafbar (JBl 1988, 126). Der Geschäftsinhaber hat dem ertappten Ladendieb gegenüber Anspruch auf Herausgabe der Beute, auf Ersatz der Prämie, die er allenfalls Angestellten für die Entdeckung des Diebes zahlen muss, und auf angemessenen Ersatz für die Arbeitszeit, die Angestellte durch die Befassung mit dem Dieb verlieren (vgl Koziol Haftpflichtrecht I Rz 3/18f, Welser ÖJZ 1977, 650f). Um diese Ansprüche durchzusetzen, darf der Geschäftsinhaber dem Dieb mit Anzeige drohen. Wenn er ihn durch Drohung mit Anzeige zu überhöhten oder zu anderen Zahlungen zwingt („Regien“, „Bußgeldern“), kann er nach § 144 strafbar sein (Burgstaller Ladendiebstahl 84; EvBl 1985/55).
246
Schwere Erpressung
§ 145
2. Abgrenzung und Konkurrenz A. Für die Erpressung genügt eine gefährliche Drohung (s § 105 Rz 9), der 6 Räuber droht mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben (s § 142 Rz 5ff); der Erpresser kann das Opfer auch zu einer künftigen Handlung nötigen, der Räuber zwingt es, eine Sache sofort herauszugeben oder sie sich wegnehmen zu lassen (s § 142 Rz 8). Wer das Opfer mit Gewalt zwingt, eine Sache sofort herauszugeben oder sie sich wegnehmen zu lassen, begeht jedenfalls einen Raub (Hintersteininger SbgK § 142 Rz 70). B. Zur Abgrenzung von Erpressung und Diebstahl. Der Dieb, der dem Be- 7 stohlenen anbietet, ihm die gestohlene Sache (nur) gegen ein „Lösegeld“ zurück zu geben, begeht neben dem Diebstahl nicht etwa eine Erpressung (so aber 11 Os 3/07m, L/St § 144 Rz 9, Lewisch BT I 222; für Diebstahl und Nötigung K/Schm StudB II § 144 Rz 44); der Dieb kann dem Bestohlenen nicht mit dem Verlust der gestohlenen Sache drohen (§ 105 Rz 9). Angebote zum „Rückkauf“ liegen häufig sogar im Interesse des Opfers. C. Zur Abgrenzung von Erpressung und Betrug s § 146 Rz 16. D. Mit der Verurteilung wegen Erpressung sind auch leichte Körperver- 8 letzungen mitabgegolten, die durch die Gewaltanwendung des Täters entstanden sind (Burgstaller JBl 1978, 460; aM SSt 46/79; L/St § 144 Rz 23).
Schwere Erpressung § 145. (1) Wer eine Erpressung begeht, indem er 1. mit dem Tod, mit einer erheblichen Verstümmelung oder einer auffallenden Verunstaltung, mit einer Entführung, mit einer Brandstiftung, mit einer Gefährdung durch Kernenergie, ionisierende Strahlen oder Sprengmittel oder mit der Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz oder gesellschaftlichen Stellung droht oder 2. den Genötigten oder einen anderen, gegen den sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtet, durch diese Mittel längere Zeit hindurch in einen qualvollen Zustand versetzt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine Erpressung 1. gewerbsmäßig begeht oder 2. gegen dieselbe Person längere Zeit hindurch fortsetzt. (3) Ebenso ist der Täter zu bestrafen, wenn die Tat einen Selbstmord oder Selbstmordversuch des Genötigten oder eines anderen zur Folge hat, gegen den sich die Gewalt oder gefährliche Drohung richtet.
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§ 146
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
1 Die Umstände, welche die Nötigung nach § 106 Abs 1 Z 1, 2 und nach
Abs 2 zu einer schweren Nötigung machen (§ 106 Rz 2–4, 6), lassen auch den Erpresser nach § 145 Abs 1 Z 1, 2 und nach Abs 3 unter strengere Strafsätze fallen. Im Übrigen ist die Erpressung qualifiziert, wenn sie längere Zeit hindurch gegen dieselbe Person fortgesetzt oder wenn sie gewerbsmäßig begangen wird (§ 145 Abs 2 Z 1, 2). Zur Gewerbsmäßigkeit s § 130 Rz 3ff. Beide Qualifikationen können konkurrieren (SSt 59/95).
Betrug § 146. Wer mit dem Vorsatz, durch das Verhalten des Getäuschten sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, jemanden durch Täuschung über Tatsachen zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung verleitet, die diesen oder einen anderen am Vermögen schädigt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Schrifttum: Avancini, Die Sparurkunde aus zivil- und strafrechtlicher Sicht, ÖJZ 1986, 353; Baritsch/Helmreich, Der fingierte Krankenstand, ZAS 2003, 171; Bartos, Millionenschaden durch Sozialbetrug, SozSi 2006, 119; Bertel, Der Prozessbetrug, AnwBl 1976, 203; ders, Der Schaden des Betrogenen, ÖJZ 1977, 201; ders, Der Verkauf verfälschten Weins, AnwBl 1987, 325; ders, Zum Problem des „Behördenbetrugs“, ÖJZ 1989, 44; Burgstaller, Zur Beurteilung des Verkaufs von „Glykol-Wein“ als Betrug, RZ 1987, 26; Engin-Deniz/Grünzweig, PayTV-Piraterie im Strafrecht, ecolex 2001, 587; Flora, Die Anwendung nicht-wissenschaftlicher Behandlungsmethoden durch Ärzte – ein Betrug? RdM 1997, 109; Fuchs, Probleme von Untreue und Betrug, StPG 11 (1983), 197; ders, Neue Formen rechtswidriger Vermögensschädigung, StPG 12 (1984), 63; Gitschthaler, Betrug an der Tankstelle? ÖJZ 1984, 512; Hartig, Strafbarkeit des Gebrauchs verfälschter Anwohnerparkkarten als Betrug? JBl 1997, 23; Karollus, Zum Versuchsbeginn beim Betrug, JBl 1989, 627; Kessel, Belastung mit einer Verbindlichkeit als Betrugsschaden?, JBl 1999, 12, 28; Kienapfel, Zur Abgrenzung von Betrug und Diebstahl, ÖJZ 1975, 654; Leitner/Eckhard, Irrtum des Finanzamtes zugunsten des Abgabepflichtigen – Verfügung über das daraus entstehende Guthaben – Veruntreuung, Unterschlagung, Betrug? RdW 1994, 88; Lewisch, Wirtschaftliche Betrachtungsweise und Vermögensschaden beim Betrug, RdW 1990, 369; Liebscher, Selbstherrliches Mieten-Strafrecht, JBl 1975, 522; Löschnigg, Anstellungsbetrug – Anstellungstäuschung, Amtserschleichung, JSt 2009, 73; Maleczky, Missbrauch von Selbstbedienungseinrichtungen in strafrechtlicher Sicht, ÖJZ 1994, 416; Messner, Erschleichung von Wohnbauförderungsdarlehen straflos? wobl 2006, 353; Murschetz, Erschleichung der Verfahrenshilfe im Strafverfahren: ein Betrug? ÖJZ 2001, 836; Proske, Die strafrechtliche Beurteilung des Scheckkarten- und Kreditkartenmissbrauchs, ÖJZ 1979, 598; ders, Der Weinskandal im Licht der oberstgerichtlichen Judikatur, StPG 15 (1987), 45; Reindl, E-Commerce und Strafrecht (2003); dies, Computerstrafrecht im Überblick (2004); Schick, Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität in Österreich mit den Mitteln des Strafrechts, StPG 5 (1977), 98; ders, Kriminalpolitische Erwägungen zum Wirtschaftsstrafrecht in Österreich, ÖJZ 1975, 537; ders, Ärztemustermanipulationen – die Grenzen der Betrugsstrafbarkeit, in: Ärztemuster auf Kassenkosten? (1985),
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Betrug
§ 146
79; ders, Der Allgemeine Teil des StGB und das Wirtschaftsstrafrecht, RZ 1980, 100; Schmoller, Betrug bei bewusst unentgeltlichen Leistungen, JZ 1991, 117; ders, Ermittlung des Betrugsschadens bei Bezahlung eines marktüblichen Preises, ZStW 1991, 92; Schwaighofer, Der Prozessbetrug, RdW 1984, 272; ders, Unterschlagung von Treibstoff nach Tanken an einer Selbstbedienungstankstelle? ZVR 1989, 1; Schwaighofer/Steiner, Strafrechtliche Überlegungen zur Einhebung von Arzthonoraren an öffentlichen Krankenanstalten, RdM 1999, 8; Steininger E., Strafrechtliche Probleme des Selbstbedienungstankens, RZ 1988, 233; Stohanzl, Die Auflösung des bisherigen Betrugsbildes, ZnStR II, 19; Velten, Betrug durch (massenhaften) Ankauf von Prepaid-Handys, JSt 2006, 123. – S auch das Schrifttum zu § 168b.
Der Täter täuscht über Tatsachen. Der Irrtum verleitet den Getäuschten zu 1 einer Handlung, Duldung oder Unterlassung: Er gibt Sachen heraus, erbringt Leistungen, verzichtet auf Rechte, unterlässt es, sie geltend zu machen. Dadurch schädigt der Getäuschte sich oder andere am Vermögen. Der Täter will sich oder andere unrechtmäßig bereichern.
I. Die Täuschung über Tatsachen Tatsachen sind Umstände, Rechtsverhältnisse und Rechtslagen, ja sogar Absichten des Täters (Fabrizy § 146 Rz 14, K/Schm StudB II § 146 Rz 36ff, L/St § 146 Rz 5ff). Der Täter täuscht, indem er beim Opfer einen Irrtum über eine Tatsache hervorruft. Einen Irrtum kann der Täter hervorrufen durch: A. Falsche Behauptungen. Der Täter behauptet etwas Unwahres. Ob 2 die Unrichtigkeit der Behauptung für das Opfer schwer oder leicht erkennbar ist, macht keinen Unterschied (L/St § 146 Rz 24, K/Schm StudB II § 146 Rz 49). Wenn das Opfer sich nicht täuschen lässt, ist der Betrug versucht. Der Täter meldet der Versicherung einen Schaden, den er in Wahrheit vorsätzlich selbst herbeigeführt hat (14 Os 151/99). Ein Apotheker bestätigt der Sozialversicherung die Abgabe von Medikamenten, die er in Wahrheit nicht abgegeben hat (SSt 59/32). Ein Arbeitnehmer behauptet, er sei nicht arbeitsfähig (Baritsch/ Helmreich ZAS 2003, 171). Ein Angestellter erstattet dem Sparkassenvorstand einen unwahren Bericht über Kreditwerber: eine Täuschung, auch wenn der Vorstand den Bericht hätte überprüfen sollen (RZ 1997/47). Die Täter werben für einen „gemeinnützigen Verein“ zur Unterstützung von Katastrophen-, Unfall- und Verbrechensopfern, obwohl zunächst 70%, später 40% der Beiträge an eine Werbefirma fließen sollen. Kann ein solcher Verein noch als gemeinnützig gelten? Wenn nicht, liegt eine Täuschung vor (EvBl 1998/ 117).
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§ 146
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
3 Verkäufer, die ihren Waren Eigenschaften zuschreiben, die sie nicht haben,
täuschen die Käufer. Allgemeine Anpreisungen dagegen sind keine Täuschung. Wer beim Verkauf seines Autos der Wahrheit zuwider behauptet, es habe noch nie einen Unfall gehabt, täuscht (vgl aber Rz 8); nicht aber, wer bloß behauptet, seine Waren seien „einmalig“, „besser als alles, was auf dem Markt ist“. 4 B. Die Vorlage unwahrer Bestätigungen, gefälschter oder verfälschter
Urkunden, falscher Beweismittel. Der Täter täuscht dem Opfer Zahlungen vor, indem er ihm gefälschte Einzahlungsbelege (14 Os 146/98) oder einen Überweisungsauftrag faxt, von dem er weiß, dass ihn die Bank nicht durchführen wird (14 Os 103, 105/00). Der Täter erschwindelt ein Darlehen, indem er eine unwahre Lohnbestätigung vorlegt (JBl 1994, 56). S auch § 147 Rz 4.
5 C. Täuschung durch schlüssiges Verhalten. Der Täter nimmt eine Hand-
lung vor, obwohl er einer daran geknüpften verkehrsüblichen Erwartung nicht entspricht. Der Täter behauptet dann nicht ausdrücklich, aber immerhin „konkludent“ etwas Unwahres (K/Schm StudB II § 146 Rz 52, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 146 Rz 20, L/St § 146 Rz 16). 6 a) Der Täter täuscht, wenn er einen Vertrag schließt, obwohl er ihn
nicht halten kann oder halten will. Von Vertragspartnern erwartet man, dass sie fähig und entschlossen sind, den Vertrag zu halten. Wer ein Moped verkauft, obwohl er nicht der Eigentümer ist (SSt 55/5; s auch Rz 22); wer im Gasthaus ein Essen bestellt, obwohl er weiß, dass er es nicht bezahlen kann (EvBl 1991/103); wer bei Versandhäusern bestellt, obwohl er weiß, dass er die bestellten Waren nicht bezahlen kann (EvBl 1985/7); wer ein Telefon anmeldet, obwohl er die Grundgebühr nicht bezahlen kann, täuscht (s auch Rz 18). 7 b) Der Täter täuscht, wenn er Leistungen verlangt, als hätte er ein Recht
darauf, obwohl er in Wahrheit nichts oder weniger zu fordern hat. Der Täter legt der Bank ein Sparbuch vor und nennt das Losungswort, obwohl er zur Abhebung nicht berechtigt ist; ein Hausverwalter verrechnet Eigentümern oder Mietern vertragswidrig berechnete Heizkosten oder Honorare; Angestellte fordern von Kunden höhere Preise, als sie nach Weisung des Geschäftsinhabers dürften; auch sie täuschen, aber es fehlt am Schaden, wenn die Waren oder Leistungen die höheren Preise wert sind (s Rz 28).
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Betrug
§ 146
Ärzte, die in einem Krankenhaus Patienten anbieten, sie für ein Honorar persönlich zu betreuen, täuschen nicht – selbst wenn das Honorar gesetzlich unzulässig ist (aM EvBl 2003/189; vgl Schwaighofer/Steiner RdM 1999, 10). Die Ärzte täuschen aber, wenn sie Patienten solche Angebote machen, ohne ihnen zu sagen, dass eine Behandlung durch andere Ärzte möglich und qualitativ gleichwertig ist; und sie täuschen, wenn sie mit Patienten vor der Behandlung über Honorare gar nicht reden, sondern sie später fordern, als müsste jeder Patient Honorare zahlen. Der Täter stellt in einem Supermarkt ein dort stehendes volles Gebinde in den Leergutrückgabeautomaten, der Automat druckt einen „Bon“ aus, als hätte der Täter ein leeres Gebinde zurückgegeben. Diesen „Bon“ weist der Täter an der Kassa vor, als hätte er ein Recht auf den Einsatz für ein wirklich zurückgegebenes Leergebinde. Der Täter täuscht die Kassiererin. – Ein Diebstahl am Bon kommt nicht in Frage, er ist kein Wertträger (aM JSt 2003/9), sondern dient lediglich dem Nachweis der Rückgabe im selben Geschäft.
Überhöhte Angebote dagegen sind keine Täuschung. Keine Täuschung liegt vor, wenn jemand Waren oder Dienstleistungen zu überhöhten Preisen anbietet oder Waren anbietet, die nicht so gut sind, wie man nach dem geforderten Preis vermuten könnte. Jeder weiß, dass Anbieter ihre Preise für Waren und Dienstleistungen gewöhnlich selbst bestimmen. Auf die Angemessenheit von Anboten kann man sich nicht verlassen.
8
Dass der Verkäufer eines Teppichs einen überhöhten Preis verlangt (SSt 48/76); dass der Verkäufer eines Gebrauchtwagens – Privatmann oder Händler (aM L/ St § 146 Rz 19) – einen Unfall verschweigt (vgl aber Rz 3); dass ein Kaufmann Lebensmittel oder Wein (aM EvBl 1988/28, JBl 1987, 462, EvBl 1987/36) mit Zusätzen verkauft, die nach dem LMG oder nach dem WeinG verboten sind, ist keine Täuschung. Ein Treibstoffhändler mischt dem Diesel, den er an Kunden liefert, 10 Prozent Spindelöl bei; das ist eine Täuschung, wenn das Gemisch den Motor schädigt (vgl 14 Os 72/08g), dann ist die Ware nicht nur überteuert, sondern unbrauchbar (s Rz 26).
c) Der Täter täuscht, wenn er dem Vertragspartner nach einer mündlichen Einigung eine Urkunde zur Unterschrift vorlegt, obwohl ihr Inhalt vom mündlich Vereinbarten abweicht.
9
Täter und Opfer sprechen über eine Hypothek von 230 000 €. Dann lässt der Täter das Opfer einen Vertrag unterschreiben, in dem es eine Schuld von 400 000 € anerkennt und eine Hypothek bis zu 500 000 € einräumt (SSt 55/75).
d) Der Täter täuscht, wenn er Kunden statt echter Ware Imitationen an- 10 bietet. 251
§ 146
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Der Täter bietet jemandem, der Gold kaufen will, Messingwaren zu Goldpreisen an (SSt 55/65); ein Weinhändler liefert anstelle von Wein ein Kunstweingemisch (EvBl 1987/39). In beiden Fällen liegt eine Täuschung der Kunden vor. 11 D. Behördenbetrug. Täuschung sind auch unwahre Behauptungen und
Aussagen, die jemand als Partei in einem behördlichen Verfahren aufstellt oder ablegt (L/St § 146 Rz 30ff). Das gilt auch für unwahre Parteibehauptungen in Zivilprozessen („Prozessbetrug“), und auch, wenn sie der Täter nicht gerade durch gefälschte oder irreführende Beweismittel belegt (13 Os 122/07a, 15 Os 73/00, vgl dagegen noch SSt 59/21, JBl 1995, 467 mit Anm von Bertel). Der Geschäftsführer einer Baufirma beantragt beim Arbeitsamt die Auszahlung von Schlechtwetterentschädigungen auch für Zeiten, in denen die Arbeiter trotz des schlechten Wetters gearbeitet haben; der Vizebürgermeister beantragt bei der Landesregierung einen Beitrag zu den Kosten der Wiederherstellung von Gemeindewegen, obwohl die Gemeinde für diese Projekte gar kein Geld hat (EvBl 1998/8). In beiden Fällen begeht der Täter einen Betrug. 12 Freilich müssen Parteien und Rechtsanwälte auch zweifelhafte Rechte gel-
tend machen können. Hier gelten die Grundsätze, die der OGH im Anschluss an § 9 RAO zur üblen Nachrede entwickelt hat (§ 114 Rz 2). Behauptungen, die Parteien und Rechtsanwälte in Mahnschreiben aufstellen, in einem Zivil- oder Verwaltungsverfahren vorbringen, und Aussagen bei der Parteienvernehmung sind rechtmäßig, wenn sie nicht geradezu wider besseres Wissen erfolgen (vgl Bertel AnwBl 1976, 203; dazu L/St § 146 Rz 31, Bertel ÖJZ 1989, 44f). Der Beschuldigte macht unwahre Angaben über sein Vermögen und erhält deswegen die Verfahrenshilfe bewilligt. Er ist nicht strafbar (12 Os 24/08h), weil er im Strafverfahren nicht die Wahrheit sagen muss und der Staat durch die Pauschalabgeltung der Verfahrenshilfe idR keinen Vermögensschaden erleidet (Murschetz ÖJZ 2001, 840ff). 13 E. Täuschung durch Unterlassen. Nach § 2 kann Betrug auch durch Un-
terlassen begangen werden, aber die pflichtwidrige Nichtaufklärung einer unrichtigen Vorstellung wird einer aktiven Täuschung nur selten (Fabrizy § 146 Rz 15, K/Schm StudB II § 146 Rz 92, Mayerhofer § 146 Anm 4), ja nur ausnahmsweise (Fuchs AT I 37. Kap Rz 66) gleichwertig sein (sehr viel weiter Lewisch BT I 229). An einen Betrug durch Unterlassen wird man etwa denken können, wenn ein Unternehmer es unterlässt, Angestellte zu hindern, Kunden zum Vorteil der
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Betrug
§ 146
Firma zu betrügen. – Die Nichterfüllung gesetzlicher Meldepflichten dagegen – der Arbeitslose arbeitet schwarz – ist einer aktiven Täuschung nicht gleichwertig (aM L/St § 146 Rz 20).
F. Beginn des Versuchs. Der Versuch beginnt mit der Täuschungshand- 14 lung, die das Opfer nach den Vorstellungen des Täters unmittelbar zu der schädigenden Handlung, Duldung oder Unterlassung verleiten soll. Bloß vorbereitende Täuschungen genügen nicht (Karollus JBl 1989, 634; EvBl 1993/39, JBl 1990, 329 mit Anm von Kienapfel; vgl K/Schm StudB II § 146 Rz 241f). Die Täterin kauft Wohnungen, die sie nie wird bezahlen können; zur Übertragung des Eigentums und zur Übergabe der Wohnungen wird es erst nach Bezahlung kommen. Wenn die Täterin beides erst durch weitere Täuschungen herbeiführen muss, ist der Wohnungskauf nur eine vorbereitende Täuschung (aM 11 Os 149/03). Der zahlungsunfähige Täter kauft eine Motorjacht und will den Verkäufer später überreden, sie ihm auf Kredit zu überlassen. Hier ist der Abschluss des Kaufvertrages nur eine vorbereitende Täuschung, weil zur Herbeiführung der schädigenden Übergabe eine weitere Täuschung notwendig ist; erst mit der zweiten Täuschung beginnt der Betrugsversuch (vgl EvBl 1993/39). Der Versicherungsbetrug beginnt mit der unwahren schriftlichen Schadensmeldung an die Versicherung, auch wenn der Täter über seinen „Schaden“ schon vorher mit der Versicherung telefoniert hat oder, um die Versicherungssumme zu erhalten, noch weitere Unterschriften wird leisten müssen.
II. Die Verleitung des Getäuschten A. Geschäfts- und Motivirrtümer. IdR verleitet der Irrtum den Ge- 15 täuschten zu der schädigenden Handlung, weil er infolge des Irrtums nicht erkennt, dass er für seine Leistung weniger oder gar nichts erhalten wird. Bei unentgeltlichen Rechtsgeschäften aber genügt ein Irrtum über motivierende Umstände. Die Heiratsschwindlerin, die einem Mann 25 000 € herauslockt, indem sie ihm weismacht, sie wolle ihn heiraten und brauche das Geld, um sich scheiden zu lassen (JBl 1985, 631); der Täter, der eine Spende erschleicht, indem er vorgibt, er sammle für das Rote Kreuz, betrügen die Opfer, obwohl diese wissen, dass sie für ihr Geld keine Gegenleistung erhalten werden (K/Schm StudB II § 146 Rz 185, L/St § 146 Rz 49, Lewisch BT I 234, Zagler BT § 146 Rz 12).
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§ 146
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
16 B. Betrug und Erpressung. Wenn der Irrtum das Opfer fürchten lässt, der
Täter werde eine – in Wahrheit nicht ernst gemeinte – Drohung ausführen, liegt nicht Betrug, sondern Erpressung vor (K/Schm StudB II § 144 Rz 77). Wer dem Opfer vortäuscht, er werde es anzeigen, und es so verleitet, ihm Geld zu geben, begeht eine Erpressung (SSt 56/5); desgleichen die Täter, welche die Eltern eines vermissten Mädchens anrufen, eine Entführung vortäuschen und Lösegeld verlangen (für Betrug EvBl 1977/119). 17 C. Betrug als Selbstschädigungsdelikt. Das Verhalten des Getäuschten
führt unmittelbar den Schaden herbei, weil er eine Leistung erbringt und dafür nichts oder weniger erhalten wird. Wenn der Schaden schon vor der erschlichenen Handlung usw des Getäuschten eingetreten ist, kann kein Betrug vorliegen. Der Täter tankt und kann nicht zahlen. Wenn er schon von vornherein weiß, dass er kein Geld hat, betrügt er (Rz 6). Wenn der Täter erst nach dem Tanken bemerkt, dass er zu wenig Geld hat, und nun verspricht, in den nächsten Tagen zu zahlen, obwohl er das nicht tun will, liegt kein Betrug vor: Das Benzin geht schon mit dem Auftanken in den Gewahrsam des Täters über (aM Lewisch BT I 194), das Opfer verliert das Benzin schon vor der Täuschung (EvBl 1984/17; vgl § 134 Rz 10). 18 Wenn der Täter den Schaden nach der erschlichenen Handlung usw des
Getäuschten durch eine weitere Aktion herbeiführt, liegt kein Betrug, idR aber ein anderes Vermögensdelikt vor (K/Schm StudB II § 146 Rz 109). Das Opfer, das vom Täter verleitet, ihm Gelegenheit zu einem Diebstahl, einer Veruntreuung oder einer Untreue gibt, schädigt sich nicht, es wird erst durch den Diebstahl usw geschädigt werden. Vorbereitungshandlungen zu einem vielleicht erst in Aussicht genommenen Vermögensdelikt können nicht bloß deshalb, weil sie der Täter durch Täuschung verbirgt, zum Betrug werden. Die Kellnerin, die eine Anstellung annimmt, um am Ende des ersten Tages mit der Tageslosung durchzugehen, begeht keinen Betrug, sondern stiehlt die Tageslosung (EvBl 1973/286). Wer sich eine Vollmacht einräumen, eine Inkassovollmacht oder einen Blankowechsel geben lässt, schon mit dem Vorsatz, sich damit zum Nachteil des anderen Teils unrechtmäßig zu bereichern, begeht nicht schon dadurch einen Betrug (aM Kirchbacher/Presslauer WK2 § 146 Rz 72, L/St § 153 Rz 56; EvBl 1996/ 113, JBl 1999, 543 mit abl Anm von Burgstaller), sondern eine Veruntreuung, wenn er sich das einkassierte Geld zueignet, oder eine Untreue, wenn er die Vollmacht missbraucht.
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Betrug
§ 146
Der Täter eröffnet bei einer Bank ein Konto, schon mit dem Vorsatz, es durch Missbrauch der Bankomatkarte zu überziehen; das ist kein Betrug, denn nicht die Bank schädigt sich durch die Eröffnung des Kontos, sondern der Täter schädigt sie, indem er es überzieht. Auch das Kreditkarteninstitut, das einen Vertrag mit einem zahlungsunfähigen Kunden eingeht, schädigt sich dadurch nicht (so aber JBl 2008, 539 mit abl Anm von Kienapfel), der Kunde schädigt es, wenn er die Karte benützt (s auch § 153 Rz 3). Der Täter meldet ein Handy an, schon mit dem Vorsatz, gar nichts zu bezahlen; er betrügt die Betreiberfirma um die Grundgebühr; im Übrigen schädigt sich nicht die Betreiberfirma, sondern der Täter schädigt sie durch seine Telefongespräche, diese Schäden können ihm weder nach § 146 noch nach § 148a angelastet werden (s § 148a Rz 2). Der Täter mietet ein Auto schon mit dem Vorsatz, es zu verkaufen oder sich sonst zuzueignen: Das Opfer schädigt sich durch die Übergabe des Autos; das Auto in den Händen des zueignungswilligen Täters ist für den Vermieter schon so gut wie verloren; der Täter begeht also einen Betrug (K/Schm StudB II § 133 Rz 120, L/St § 133 Rz 39; EvBl 1988/23). Wenn der Täter den Vorsatz, sich das Auto zuzueignen, erst nach der Übernahme fasst, begeht er durch die Zueignung eine Veruntreuung (§ 133 Rz 23).
III. Der Vermögensschaden Die erschlichene Handlung, Duldung oder Unterlassung des Getäuschten 19 führt bei ihm oder anderen einen Vermögensschaden herbei. Der Schaden besteht nicht immer und nicht notwendig im Verlust von Rechten, sondern ist nach einer „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ zu ermitteln (K/Schm StudB II § 146 Rz 117ff). Er besteht in einem Missverhältnis zwischen dem Wert der Leistung, die das Opfer erbringt, und dem der Gegenleistung, die das Opfer – allenfalls – erhält (Fabrizy § 146 Rz 8b, K/Schm StudB II § 146 Rz 161ff, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 146 Rz 66f, Lewisch BT I 232). 1. Leistungen ohne Aussicht auf Rückzahlung oder Gegenleistung Das Opfer ist geschädigt, wenn es zu Aufwendungen und Leistungen ver- 20 leitet wird ohne greifbare Aussicht auf die versprochene Rückzahlung oder Gegenleistung, selbst wenn die Gegenleistung in einer unsittlichen oder unerlaubten Handlung besteht (SSt 55/6). A. Das Ausmaß des Schadens. Der Schaden macht den gemeinen Wert 21 der Leistung aus, die das Opfer erbracht hat. Ob und was es hätte verdienen können, wenn es sich nicht mit dem Täter eingelassen, sondern andere 255
§ 146
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Geschäfte abgeschlossen hätte („entgangener Gewinn“), bleibt außer Betracht (Bertel ÖJZ 1977, 205, K/Schm StudB II § 147 Rz 86, Lewisch BT I 233, L/St § 147 Rz 33). Der Kaufmann, dem der Täter Waren herauslockt, die er nicht bezahlen kann, ist um den üblichen Verkaufspreis geschädigt, also einschließlich Gewinnspanne und Mehrwertsteuer (JBl 1987, 536), gleichgültig, ob er die Waren sonst hätte verkaufen können. Der Eigentümer eines Gebrauchtwagens, dem der Täter das Auto abschwindelt, ist um dessen marktüblichen Verkaufspreis geschädigt (15 Os 152, 153/00), auch wenn der Täter zum Schein einen höheren Preis geboten oder wenn das Opfer ein höheres Angebot ausgeschlagen hat, um das scheinbar noch bessere des Täters anzunehmen (EvBl 1969/386). Und der Eigentümer, den der Täter zur Übereignung einer Liegenschaft verleitet, ist um deren „marktgerechten“ Preis geschädigt, nicht aber um den vielleicht höheren vereinbarten Kaufpreis und nicht um die Mietzinsen und Ablösen, die der Täter nach der Tat aus der Liegenschaft erzielen konnte (12 Os 142/82). Die Täter versprechen die Errichtung von Fertigteilhäusern zu einem bestimmten Preis und nehmen dafür Anzahlungen entgegen. Die Häuser werden, wie die Täter vorhergesehen haben, nicht fertiggestellt. Geschädigt sind die Kunden nicht etwa um den Betrag, den sie jetzt für die Fertigstellung mehr ausgeben müssen, geschädigt sind sie – vorerst – um die Anzahlung, aber davon muss man den „Marktwert“ der Leistungen abziehen, welche die Täter erbracht haben (13 Os 85/06h). Die Leihwagenfirma, die ein Auto an einen Täter vermietet, der die Miete nicht bezahlen und das Auto irgendwo stehen lassen will, ist um die übliche Miete bis zur tatsächlichen Übernahme des Fahrzeugs geschädigt (EvBl 1971/ 302). Über das Erschwindeln von Versicherungen s Rz 32. 22 B. Fremde Sachen als Gegenleistung. Der Täter, der eine Sache, die ihm
nicht gehört, einem ahnungslosen Opfer verkauft, schädigt es idR nicht: Das Opfer erhält für sein Geld die Sache, und darauf kommt es bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise (Rz 19) an. Geschädigt und damit betrogen wird das Opfer nur, wenn es wahrscheinlich ist, dass es die Sache dem Eigentümer wird herausgeben müssen. K/Schm (StudB II § 146 Rz 173) wollen stets Betrug annehmen, wenn der Käufer nicht etwa kraft guten Glaubens Eigentum erwirbt. Der Täter verkauft ein Moped, das er unbefugt gebraucht, mit dem Originalkennzeichen einem gutgläubigen Käufer: Der Käufer ist um den Kaufpreis betrogen (SSt 55/5). Der Täter aber, der dem Opfer einen gestohlenen CD-Player verkauft, schädigt es nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Opfer den CDPlayer wird herausgeben müssen, ist so gut wie nicht vorhanden.
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C. Durchsetzbare Rechte. Das Opfer ist nicht um seine Leistung betro- 23 gen, wenn es seine Rechte auf Rückzahlung oder Gegenleistung mit Aussicht auf Erfolg geltend machen kann. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn die Forderungen des Opfers durch einen tauglichen Bürgen, einen Eigentumsvorbehalt (EvBl 1985/7), ein Pfand oder eine Hypothek (SSt 57/90) gesichert sind (K/Schm StudB II § 146 Rz 163). Hier kommt nur ein Verzögerungsschaden in Betracht (L/St § 146 Rz 46f; s Rz 25). Der Autohändler, der sich zum Verkauf eines Autos auf Raten und unter Eigentumsvorbehalt an einen zahlungsunfähigen Täter verleiten lässt, schädigt sich lediglich um die allfällige Differenz zwischen dem noch ausstehenden Kaufpreis und dem Wert, den das Auto im Zeitpunkt der Zwangsvollstreckung noch hat. Das gilt, auch wenn der Täter lange säumig ist; in der E JBl 1985, 176 will der OGH die Rückgabe dann nur mehr als teilweise Schadensgutmachung ansehen.
Ein Eigentumsvorbehalt an „kurzlebigen Konsumgütern“ (EvBl 1985/7), 24 dh an Sachen, die gebraucht nicht mehr verwertbar sind, kann die Forderungen des Opfers nicht sichern und bleibt darum außer Betracht. D. Die bloß verspätete Rückzahlung oder Gegenleistung. Auch die Ver- 25 spätung der Rückzahlung oder Gegenleistung kann ein Schaden iSd § 146 sein; darum heißt es, der Betrugsschaden müsse „kein dauernder“ Schaden sein (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 146 Rz 74, L/St § 146 Rz 44). Leistungsverzug darf aber nur ausnahmsweise zur Bestrafung führen, nur wenn die Verspätung die Geschäfts- oder Lebensführung des Opfers empfindlich beeinträchtigt (für Straflosigkeit Lewisch BT I 235). Die verspätete Rückzahlung kurzfristiger privater Darlehen wird eher als Schaden anzusehen sein als die verspätete Rückzahlung langfristiger Darlehen gewerbsmäßiger Darlehensgeber (vgl L/St § 146 Rz 45). Wer bei seiner Bank einen Personalkredit aufnimmt; wer bei einem großen Autohändler ein Auto auf Raten und unter Eigentumsvorbehalt kauft, obwohl er weiß, dass er die Raten zwar sicher, aber doch nur mit Verspätung wird zahlen können, schädigt den Partner nicht. Bank und Autohändler sind für ihre Geschäftsführung auf die pünktliche Zahlung gerade dieses Kunden nicht angewiesen. Im Übrigen erhalten sie für den Verzug die gesetzlichen oder vertraglichen Verzugszinsen.
2. Unbrauchbare und minderwertige Gegenleistungen Das Opfer erhält für seine Leistung nicht die versprochene Gegenleistung, sondern etwas anderes. Hier ist zu unterscheiden: 257
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Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
26 A. Die Gegenleistung ist unbrauchbar. Das Opfer erhält für seine Leis-
tung eine Gegenleistung, die es gar nicht haben wollte. Auf die Wünsche des Opfers also kommt es an, sofern sie für einen wirtschaftlich denkenden Menschen gerade noch verständlich sind. Das Opfer ist um die Differenz zwischen dem ausgelegten Preis und dem Erlös geschädigt, den es durch die Weiterveräußerung der Gegenleistung allenfalls erzielen kann (Fabrizy § 146 Rz 9, K/Schm StudB II § 146 Rz 177, L/St § 146 Rz 41f; vgl Lewisch BT I 233). Wenn mehrere Möglichkeiten der Verwertung in Frage kommen – Verpfändung im Dorotheum oder Verkauf bei einer Auktion –, entscheidet die ergiebigere (JBl 1968, 323 mit Anm von Liebscher). Eltern, die von einem Vertreter Schulbücher kaufen, die in der Schule in Wahrheit nicht verwendet werden (SSt 43/25); Hausfrauen, die Kaufverträge über Waschmaschinen unterschreiben, weil ihnen der Vertreter vortäuscht, es handle sich um etwas ganz anderes (SSt 37/52), sind um die Differenz zwischen dem Preis, den sie für Bücher und Waschmaschinen bezahlen müssen, und dem Erlös, den sie beim Verkauf der Bücher und Waschmaschinen erzielen können, geschädigt. Weinhändler, die ihren Kunden Kunstwein als echten Wein verkaufen, begehen einen Betrug (EvBl 1987/39, SSt 48/5). Wein und Kunstwein sind verschiedene Dinge. Der Schaden besteht im Kaufpreis, die Konsumenten können den Kunstwein nicht weiterverkaufen. Produzenten dagegen, die Konsumenten Wein mit Zusätzen verkaufen, die nach dem WeinG verboten sind, aber dazu beitragen, den Geschmack des Weines zu verbessern, schädigen sie nur, wenn der Wein gesundheitsschädlich ist. Wenn das nicht der Fall ist, wenn der Zusatz zB in Zucker und einer Spur Glykol besteht, das den Nachweis der Zuckerbeigabe erschwert, haben sie eine brauchbare Gegenleistung, aber vielleicht zu einem überhöhten Preis erhalten (s Rz 27). Die Zwischenhändler, denen der Produzent den aufgezuckerten Wein verkauft, will er nicht schädigen: Nach seinem Vorsatz sollen sie als gutgläubige Werkzeuge den „verbesserten Wein“ an Konsumenten verkaufen. Der OGH hält gerade die Zwischenhändler stets für geschädigt, weil sie den verfälschten Wein nicht verkaufen dürfen (JBl 1987, 261, 436, EvBl 1987/36; anders noch SSt 52/20). Den Verkauf unbeschauten Fleisches dagegen hält der OGH, auch wenn er an Zwischenhändler erfolgt, nicht durchwegs für einen Betrug: Hier kommt es auch nach dem OGH darauf an, ob das Fleisch gesundheitsschädlich ist (RZ 1997/59). Nicht weiterverkaufen können die Abnehmer Diesel, dem der Händler motorschädigendes Spindelöl beigemischt hat (s Rz 8); sie sind um den Kaufpreis geschädigt. Die Erschleichung einer privaten Anstellung (vgl § 315) ist als Betrug strafbar, wenn der Täter die Arbeit, für die er eingestellt wurde, nicht leisten kann (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 146 Rz 75, L/St § 146 Rz 50): Dann ist der getäuschte Arbeitgeber um den Lohn geschädigt.
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B. Die Gegenleistung ist minder wertvoll. Das Opfer erhält für seine 27 Leistung zwar nicht die versprochene Gegenleistung, aber immerhin etwas, was es zu einem geringeren Preis auch genommen hätte. Das Opfer ist um die Differenz zwischen dem ausgelegten Preis und dem wahren Wert der Gegenleistung geschädigt (Bertel ÖJZ 1977, 201f, L/St § 146 Rz 41). Wenn die Gegenleistung, die das Opfer erhalten soll, der versprochenen gleichwertig ist, ist ein Schaden auszuschließen. Kunden, die Waren zu den üblichen Preisen kaufen, weil ihnen der Täter verspricht, sie seien „in Aktion“ oder aus anderen Gründen besonders günstig zu haben, sind nicht geschädigt (K/Schm StudB II § 146 Rz 76, 183, Lewisch BT I 233). Über Betrug durch Preisabsprachen s § 168b Rz 5. Ein Gebrauchtwagenhändler dreht die Kilometerzähler einiger Autos um einige 10 000 km zurück. Die Kunden, die einen günstigen Gebrauchtwagen suchten, sind um die Differenz zwischen dem Kaufpreis und dem wahren Wert der Autos geschädigt. Wenn der Preis dem wahren Wert der Autos entspricht, der Händler also nur ein besonders günstiges Angebot vortäuscht, ist ein Schaden auszuschließen (JBl 2004, 804, K/Schm StudB II § 146 Rz 181). S auch Rz 28. Der Produzent verkauft normale als angebliche Biokartoffeln. Wenn zwischen den angeblichen und wirklichen Biokartoffeln Unterschiede im Geschmack bestehen oder wenn die angeblichen Biokartoffeln gesundheitsschädliche Rückstände enthalten, sind sie für den Konsumenten unbrauchbar. Wenn solche Unterschiede nicht bestehen, sind sie für die Konsumenten brauchbar, aber vielleicht zu teuer gekauft. Wenn der Preis der angeblichen Biokartoffeln dem normaler Kartoffeln entspricht, liegt kein Schaden vor. Zwischenhändler sollen nach dem Vorsatz des Täters – wie in dem Beispiel in Rz 26 – nicht geschädigt werden (aM JSt 2003/1). Der Täter verkauft angeblich österreichisches Rindfleisch; in Wahrheit stammt es aber aus dem Ausland; die Konsumenten sind um die Differenz der Preise für österreichisches und ausländisches Rindfleisch geschädigt (15 Os 151/03).
C. Ausbleiben von Preisnachlässen, Rabatten. Wenn das Opfer aufgrund 28 des erschlichenen Vertrages einen höheren Preis bezahlen muss, als ihm der Täter vorgetäuscht hat, ist es geschädigt, wenn es wegen der Mehrauslagen seinen gewohnten Lebensstandard spürbar einschränken muss (Bertel ÖJZ 1977, 203f). Ein Vertreter verleitet Kunden zum Kauf von Elektrogeräten, indem er ihnen niedrigere Preise oder indem er ihnen vortäuscht, sie könnten ihre alten Geräte um eine bestimmte Summe in Zahlung geben. Geschädigt sind diese Kunden nicht einfach um die vorgetäuschte Einsparung (so EvBl 1968/133): Dass man eine Sache nicht so billig erhält wie man glaubte, ist noch kein Schaden. Wenn die Geräte ihren Preis wert sind und wenn die Kunden die Mehrauslagen ohne
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besondere Schwierigkeiten verkraften können, sind sie nicht geschädigt. Sonst sind sie um die Differenz zwischen dem Preis und dem Erlös geschädigt, den sie durch einen Weiterverkauf erzielen können (EvBl 1966/412).
3. Nicht geschuldete Leistungen 29 Das Opfer ist geschädigt, wenn es zu einer nicht geschuldeten Leistung
verleitet wird. Ärzte eines Krankenhauses fordern von Patienten Honorare, die sie mit ihnen nicht vereinbart haben, als ob jeder Patient sie bezahlen müsste (s Rz 7). Der Arzt gibt Patienten Medikamente aus seinem Vorrat an Ärztemustern, stellt aber dennoch ein Rezept aus; der Apotheker bestätigt die Abgabe und lässt die Sozialversicherung die Medikamente bezahlen. Arzt und Apotheker begehen einen Betrug (SSt 59/32; aM Schick Ärztemustermanipulationen 93f). Medikamente, die der Arzt den Patienten schenkt, braucht die Krankenkasse nicht zu bezahlen. 30 Um Leistungen dagegen, die das Opfer – allenfalls bei Einhaltung einiger
Formalitäten – auch aufgrund der wahren Sachlage erbringen müsste, kann es nicht geschädigt sein. Der Täter meldet nach einem Unfall der Haftpflicht- und Kaskoversicherung, das Auto sei ihm gestohlen worden; die Kaskoversicherung ersetzt den Wert des Autos. Das hätte sie auch aufgrund einer wahren Schadensmeldung tun müssen. So ist die Versicherung um diese Zahlung nicht geschädigt; geschädigt ist sie aber insofern, als sie ihren Anspruch auf höhere Prämien (Malus) gegen den Täter nicht geltend macht (ZVR 1994/159; vgl Rz 31). Der Arzt verschreibt Patienten nicht benötigte Medikamente und lässt ihnen dafür andere zukommen, die sie wirklich brauchen, welche die Krankenkasse aber nur aufgrund einer besonderen Genehmigung bezahlt. Wenn die Voraussetzungen für die Genehmigung vorliegen, ist die Krankenkasse nicht geschädigt (Schick Ärztemustermanipulationen 90f; aM EvBl 1987/197).
4. Unterlassene Rechtsverfolgung 31 Der Schaden kann darin bestehen, dass das Opfer verleitet wird, Ansprü-
che, die ihm zustehen und die es mit Erfolg geltend machen könnte, nicht geltend zu machen. Die Täter melden der Kaskoversicherung, X habe das Firmenauto bei einem Unfall beschädigt; in Wahrheit hat es der betrunkene Y zur Unfallszeit gelenkt. Die Versicherung soll davon abgehalten werden, bei Y Regress zu nehmen. Vollendet
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wäre der Betrug, wenn die Versicherung nach Auszahlung der Schadenssumme den Fall abschlösse. Aber der Schwindel wird schon vorher entdeckt: So ist der Betrug nur versucht (JBl 1996, 468).
5. Vollendung Der Betrug ist mit Eintritt des Schadens vollendet. Geschädigt ist das Op- 32 fer nicht schon mit Abschluss des erschlichenen Vertrages, sondern erst, wenn es aufgrund dieses Vertrages eine Leistung erbracht hat (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 146 Rz 76, 130, L/St § 146 Rz 61f; zweifelnd K/ Schm StudB II § 146 Rz 160). Der betrogene Verkäufer einer Liegenschaft ist geschädigt, wenn er das Grundstück übergeben hat (SSt 55/71). Die Täterin täuscht Angestellte einer Versicherung über ihre Zahlungsfähigkeit und verleitet sie zum Abschluss einer Kfz-Haftpflicht-, einer Rechtsschutz-, Eigenheim- und Krankenversicherung. Der OGH hält die Tat für straffrei (11 Os 106/07h, 13 Os 151/04). Offenbar geht der OGH davon aus, dass die Täterin nicht einmal den bedingten Vorsatz hat, die Versicherung werde zahlen müssen. Das erscheint uns wenig lebensnah. Wenn die Täterin jenen Vorsatz hat, liegt jedenfalls ein – vorerst versuchter – Betrug vor (s auch § 153d Rz 1).
IV. Die innere Tatseite Der Vorsatz des Täters muss sich auf alle besprochenen Tatbildmerkmale, 33 natürlich auch auf den Eintritt des Schadens, erstrecken. Darüber hinaus hat der Betrüger den Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern. A. Sinnlose Ausgaben. Der Bereicherungsvorsatz fehlt, wenn der Täter das Opfer bloß zu einer sinnlosen Ausgabe verleiten will (Beispiele s § 108 Rz 3). Diese Fälle sind weder als Betrug noch als Täuschung strafbar. B. „Selbsthilfe“-Betrug. Der Vorsatz, sich oder Dritte unrechtmäßig zu 34 bereichern, fehlt dem Täter, wenn er auf die erschlichene Leistung ein Recht zu haben glaubt oder sich durch die erschlichene Leistung für eine Gegenforderung bezahlt machen will. Genau genommen hat der Täter in solchen Fällen nicht einmal den Vorsatz, jemandem zu schaden. C. Unmittelbarkeit. Die vom Täter gewollte Bereicherung muss sich aus 35 einer der Handlungen, Duldungen oder Unterlassungen ergeben, durch 261
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Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
welche der Getäuschte sich oder einen Dritten schädigt. Von „Stoffgleichheit“ (L/St § 146 Rz 59, K/Schm StudB II § 146 Rz 230) sollte man dabei besser nicht sprechen. Schaden und Bereicherung brauchen nicht identisch zu sein (vgl etwa die Beispiele in Rz 26).
V. Abgrenzung und Konkurrenz 36 Betrug und Diebstahl s Rz 18, § 127 Rz 19; Veruntreuung s Rz 18; unbe-
fugter Gebrauch von Fahrzeugen s § 136 Rz 10; Erpressung s Rz 16; Untreue s Rz 18, § 153 Rz 6; Datenverarbeitungsmissbrauch s § 148a Rz 4; wettbewerbsbeschränkende Absprachen s § 168b Rz 5ff. 37 Die Hinterziehung von Abgaben ist kein Betrug, auch wenn der Täter Fi-
nanzbeamte und Aufsichtsorgane täuscht. Dieser Grundsatz kommt zB in § 22 Abs 2 FinStrG zum Ausdruck. Der Täter verfälscht das Gültigkeitsdatum auf seiner Anrainerparkkarte und legt sie hinter die Windschutzscheibe. Er begeht keinen Betrug, sondern zB eine Verwaltungsübertretung nach § 14 Abs 1 lit a Tiroler ParkabgabeG 2006 und eine Urkundenfälschung nach § 224 (JBl 1997, 57). 38 Schwindeleien, um sich oder andere vor einem Strafverfahren zu be-
wahren, sind kein Betrug, können aber als Delikt gegen die Rechtspflege strafbar sein.
Schwerer Betrug § 147. (1) Wer einen Betrug begeht, indem er zur Täuschung 1. eine falsche oder verfälschte Urkunde, ein falsches, verfälschtes oder entfremdetes unbares Zahlungsmittel, falsche oder verfälschte Daten, ein anderes solches Beweismittel oder ein unrichtiges Messgerät benützt, 2. ein zur Bezeichnung der Grenze oder des Wasserstands bestimmtes Zeichen unrichtig setzt, verrückt, beseitigt oder unkenntlich macht oder 3. sich fälschlich für einen Beamten ausgibt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer einen Betrug mit einem 3 000 Euro übersteigenden Schaden begeht. (3) Wer durch die Tat einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Kienapfel, Zur Vereinheitlichung des Beweismittelbegriffs im StGB, in: ZipfGS (1999), 375; Sautner, Neue Straftatbestände zum Schutz unbarer Zahlungsmittel,
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Schwerer Betrug
§ 147
RZ 2004, 26; Schmoller, Urkunden als „falsches Beweismittel“, JBl 1993, 223; Schwaighofer, Der Beschuldigte darf schriftlich lügen, PRESSE-Rechtspanorama 8. 1. 1995, 14.
A. Urkunden-, Beweismittel-, Zahlungsmittel-, Daten- und Messgerä- 1 tebetrug (Abs 1 Z 1). Diese Form des Betruges ist strafwürdiger, weil der Täter seine unwahren Behauptungen durch die in Rz 2–5 erwähnten Mittel glaubwürdiger macht. a) Falsch sind eine Urkunde oder ein unbares Zahlungsmittel oder Da- 2 ten, wenn sie nicht von dem Aussteller stammen, von dem sie zu stammen scheinen; verfälscht, wenn jemand den Inhalt der Urkunde, die Schriftzeichen oder Daten auf dem unbaren Zahlungsmittel (s BT II § 223 Rz 13) oder den Inhalt des Datensatzes verändert hat (s BT II § 225a Rz 3); entfremdet ist ein unbares Zahlungsmittel, wenn jemand den Berechtigten nach § 241e Abs 1 oder 3 darum gebracht hat. Der Täter legt der Bank ein Sparbuch vor, in dem er die Einlage von 600 € auf 300 000 € verfälscht hat (JBl 2001, 63); einen Überweisungsauftrag (14 Os 80/ 06f), einen Scheck (14 Os 20/06g), den er oder ein Dritter gefälscht hat. Der Täter legt dem Verkäufer eine Kreditkarte vor, die jemand dem Berechtigten weggenommen hat, und unterschreibt den Rechnungsbeleg mit dem Namen des Karteninhabers. Der Täter täuscht den Verkäufer auch durch die Vorlage der Karte über seine Identität. Der Täter, er ist nicht versichert, weist beim Arzt eine fremde Sozialversicherungskarte (E-Card) vor. Die Karte ist keine falsche oder verfälschte Urkunde, ist kein unbares Zahlungsmittel, auch keine Lugurkunde (s Rz 4). So ist § 147 Abs 1 Z 1 nicht anwendbar (15 Os 6/07g).
b) Falsches oder verfälschtes Beweismittel ist jeder Gegenstand, der et- 3 was Falsches zu beweisen scheint (vgl BT II §§ 293, 294 Rz 1). Der Täter faxt dem Opfer gefälschte Einzahlungsscheine und täuscht damit Zahlungen Dritter vor; getäuscht wird das Opfer nicht durch die gefälschte Urkunde (aM 14 Os 146/98), sondern durch das falsche Fax (s BT II § 223 Rz 8). Der Bon, den der Täter erhält, nachdem er im Supermarkt ein dort stehendes volles Gebinde in den Leergutrückgabeautomaten gegeben hat (s das Beispiel in § 146 Rz 7), ist kein falsches Beweismittel; ein Automat, der volle und leere Gebinde nicht unterscheiden kann, bestätigt nur, dass er ein Gebinde übernommen hat (JSt 2003/9).
Unwahre Urkunden (Lugurkunden) sind keine falschen Urkunden (s BT 4 II § 223 Rz 12), aber falsche Beweismittel (EvBl 1995/21, ÖJZ-LSK 1998/ 67; Fabrizy § 147 Rz 4, L/St § 147 Rz 8, 16, Lewisch BT I 237f; aM K/ Schm StudB II § 147 Rz 69f). 263
§ 147
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Der Kreditschwindler lässt sich von jemandem eine Lohnbestätigung geben, der nicht sein Arbeitgeber ist. Ein Lkw-Fahrer bestätigt, eine bestimmte Menge Benzin getankt zu haben; die Bestätigung ist unwahr, die getankte Menge geringer. Der Tankstelleninhaber legt die Bestätigung der Firma des Lenkers zur Zahlung vor (OLG Wien EvBl 1996/89). Die unwahren Bestätigungen sind falsche Beweismittel. 5 c) Unrichtig ist ein Messgerät, wenn es so angebracht oder verändert
wurde, dass es ein unrichtiges Ergebnis zeigt. Der Täter dreht vor dem Verkauf seines Gebrauchtwagens dessen Kilometerzähler zurück (15 Os 152, 153/00), manipuliert einen Wasserzähler (15 Os 137/ 06w). 6 d) Dass der Täter das Opfer (auch) schriftlich belügt, genügt für § 147
Abs 1 Z 1 nicht. Schriftliche Erklärungen und Daten, von denen das Opfer weiß, dass sie vom Täter stammen, machen seine unwahren Behauptungen nicht glaubwürdiger und sind darum nicht strafwürdiger als die bloß mündliche Täuschung. Der Täter erstattet der Versicherung schriftlich eine unwahre Schadensmeldung (12 Os 131/98); der Täter erschwindelt Arbeitslosenentgelt und Notstandshilfe, indem er in seinen Anträgen Einkünfte verschweigt (12 Os 2/05v); der Täter „bezahlt“ eine Hotelrechnung, indem er, ohne eine Kreditkarte vorzulegen (s Rz 2), nur den Rechnungsbeleg unterschreibt und eine fremde Kreditkartennummer angibt (aM 12 Os 14/06k); der Täter trägt sich im Gästeblatt mit „unrichtigem Namen“ ein, schon mit dem Vorsatz, die Hotelrechnung nicht zu bezahlen (13 Os 123/07y, 12 Os 3/08w). § 147 Abs 1 Z 1 ist hier nicht anwendbar. Schadensmeldung, Anträge, Beleg und Gästeblatt enthalten unwahre Behauptungen der Täter, aber sie beweisen sie nicht (vgl BT II §§ 293, 294 Rz 4). 7 B. Grenzzeichenbetrug (Abs 1 Z 2). Der Betrüger täuscht das Opfer, in-
dem er ein zur Bezeichnung der Grenze oder des Wasserstands bestimmtes Zeichen unrichtig setzt, verrückt, beseitigt oder unkenntlich macht. 8 C. Amtsbetrug (Abs 1 Z 3). Der Betrüger täuscht dem Opfer vor, er
nehme als Beamter eine Amtshandlung vor. Der Polizist, der – ohne dazu ermächtigt zu sein – „Strafmandate“ ausstellt und die Opfer zur Zahlung von „Strafgeldern“ verleitet, begeht einen Betrug nach § 147 Abs 1 Z 3. Für § 302 ZVR 1985/148. Der Täter gibt sich als Beamter der Landesregierung aus, mietet ein Hotelzimmer und erklärt, seine Dienststelle werde die Rechnung bezahlen; er täuscht
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Gewerbsmäßiger Betrug
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keine Amtshandlung vor und begeht einen Betrug nur nach § 146 (EvBl 1994/89, EvBl 1990/57).
D. Höherer Schaden (Abs 2, 3). Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn der Schaden aus der erschlichenen Handlung, Duldung oder Unterlassung 3 000 € bzw 50 000 € übersteigt. Zur Berechnung des Schadens s § 146 Rz 20ff. Das Ausmaß des Schadens muss vom Vorsatz des Täters umfasst sein.
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E. Konkurrenz. Durch die Verurteilung nach § 147 Abs 1 Z 1 wird auch 10 die (Ver-)Fälschung der zur Täuschung verwendeten privaten oder öffentlichen Urkunde (K/Schm StudB II § 147 Rz 33, 36, L/St § 223 Rz 45, Mayerhofer § 147 Anm 3), des Beglaubigungszeichens (§ 225), des Beweismittels (§ 293; 12 Os 51/06a), die (Ver-)Fälschung, Entfremdung oder Annahme des unbaren Zahlungsmittels (§ 241a, 241b, § 241e Abs 1 oder 3, § 241f) mitabgegolten (13 Os 53/06b, EvBl 2006/70).
Gewerbsmäßiger Betrug § 148. Wer einen Betrug gewerbsmäßig begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, wer jedoch einen schweren Betrug in der Absicht begeht, sich durch dessen wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. A. Die gewerbsmäßige Absicht. Dem Täter kommt es darauf an, immer 1 wieder zu betrügen und dadurch sich selbst eine „laufende Einnahme“ zu verschaffen (§ 70). Sachen zum eigenen Gebrauch und Dienstleistungen sind keine Einnahme (§ 130 Rz 4), eine von vornherein bestimmte Summe keine laufende Einnahme. Der zahlungsunfähige Täter erschwindelt innerhalb eines Monats dreimal ein Essen, Getränke und Zigaretten im Gesamtwert von 30 € (EvBl 1991/103). Der zahlungsunfähige Täter mietet innerhalb von vier Monaten viermal ein Hotelzimmer (JBl 1995, 63; zweifelnd die E 14 Os 46/08h). Die Täter wurden zu Unrecht nach § 148 verurteilt (s § 130 Rz 4ff). Der Täter täuscht innerhalb zweier Monate mehreren Versicherungen einen Betriebsunfall vor, um Versicherungsleistungen zu erschwindeln; sie sind auf eine bestimmte Summe beschränkt und können darum keine laufende Einnahme sein, § 148 scheidet aus (13 Os 42/06k). Betrügereien eines Angestellten zum Vorteil seiner Firma geschehen nicht gewerbsmäßig (L/St § 70 Rz 6a, Rainer SbgK § 70 Rz 29).
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§ 148a
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
2 B. Qualifikation. Der zweite Strafsatz des § 148 ist auf gewerbsmäßige Be-
trüger zugeschnitten, die sich auf eine bestimmte, nach § 147 qualifizierte Art von Betrügereien spezialisiert haben, zB auf Betrügereien unter Verwendung falscher Beweismittel (OLG Wien EvBl 1996/89) oder auf Betrügereien, die das Opfer jeweils um mehr als 3 000 € schädigen (13 Os 1/07g). Zu den auch hier bestehenden Missständen s § 130 Rz 11.
Betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch § 148a. (1) Wer mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern, einen anderen dadurch am Vermögen schädigt, dass er das Ergebnis einer automationsunterstützten Datenverarbeitung durch Gestaltung des Programms, durch Eingabe, Veränderung, Löschung oder Unterdrückung von Daten oder sonst durch Einwirkung auf den Ablauf des Verarbeitungsvorgangs beeinflusst, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer die Tat gewerbsmäßig begeht oder durch die Tat einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer durch die Tat einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Schrifttum: S bei §§ 126a–126c.
1 A. § 148a erfasst „Datenverarbeitungsvorgänge“, dh elektronische Abbu-
chungen von fremden Geschäfts- und Kreditkonten und elektronische Zubuchungen auf fremde Verbrauchskonten, für die es keinen rechtlichen Grund gibt. Der Täter bewirkt sie, indem er das Programm anders gestaltet als er sollte oder indem er Daten pflichtwidrig eingibt, verändert, löscht oder indem er die automatische Übermittlung von Daten stört. Geschädigt ist der Inhaber des fremden Kontos. Da der Täter die unrichtigen Buchungen vornimmt, ohne einen Menschen zu täuschen, liegt kein Betrug, und da er für die unrichtigen Buchungen eine Vollmacht nicht braucht, auch keine Untreue vor. Der Buchhalter einer Bank bucht von einem fremden Konto Geld ab und seinem eigenen Konto zu. Er löst einen Datenverarbeitungsvorgang aus – die intensivste Form, ihn zu beeinflussen (aM L/St § 148a Rz 12, Lewisch BT I 241f) – und ist nach § 148a strafbar (JAB zum StRÄG 1987, 15f). Der Täter versieht nicht angemeldete Mobiltelefone mit den Ruf- und Seriennummern angemeldeter Geräte und verwendet sie als deren Duplikate, sodass die Gebühren für Gespräche über die Duplikate unter den Nummern der angemeldeten Geräte erfasst werden (JBl 1998, 738 mit Anm von Bertel und Burg-
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Betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch
§ 148a
staller). Die Präparierung der Telefone ist Gestaltung des Programms, sie löst elektronisch Buchungen aus, welche die Inhaber der angemeldeten Geräte mit Gebühren für Gespräche belasten, die sie nichts angehen, und die Benützer der Duplikate werden unrechtmäßig bereichert.
B. Nach § 148a macht sich aber auch strafbar, wer mit einer fremden 2 Bankomatkarte widerrechtlich an einem Bankomaten Geld abhebt oder an einer Bankomatkassa Waren oder eine Fahrkarte (15 Os 135/05z) bezahlt; wer mit einer fremden Kreditkarte Waren per Internet im „gesicherten Zahlungsverfahren“ bestellt. In beiden Fällen veranlasst der Täter, ohne dass seine Berechtigung von einem Menschen geprüft wird, elektronisch Abbuchungen von einem fremden Konto (Reindl E-Commerce 32, 46f, 77ff, Triffterer SbgK § 148a Rz 22). Vgl dagegen § 147 Rz 2. Der Täter lädt mit einer fremden Bankomatkarte – den Code kennt er – ohne Wissen des Berechtigten sein Handy auf (SSt 2005/70); hebt 400 € ab; zwei Datenverarbeitungsmissbräuche zum Nachteil des Karteninhabers (Reindl E-Commerce 23ff, F/R BT I 114, 156, Triffterer SbgK § 148a Rz 22). Der OGH dagegen nimmt im zweiten Fall einen Diebstahl an Geldscheinen der Bank an (RZ 1997/ 50, JBl 1992, 605 mit zust Anm von Steininger E.; ebenso K/Schm StudB II § 127 Rz 102f, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 148a Rz 28, L/St § 148a Rz 21, Lewisch BT I 242). Der Täter verwendet eine fremde Kreditkarte für eine Bestellung per Internet: Er macht sich nach § 148a strafbar, indem er die Daten der Karte elektronisch über den Verkäufer dem Kreditkarteninstitut übermittelt, dort eine Buchung zum Nachteil des Karteninhabers und die Übermittlung einer Zahlungsgarantie an den Verkäufer auslöst. Der Täter zahlt mit einer fremden Kreditkarte, indem er sie in den Automaten einer Parkgarage einschiebt. Er macht sich nach § 148a strafbar, indem er durch das Einschieben der Karte die darauf gespeicherten Daten eingibt und so die Buchung zum Nachteil des Karteninstitutes auslöst (vgl aber Rz 4).
Die Überziehung eines eigenen Bank-, Kreditkarten- oder Verbrauchskontos ist auch nach § 148a nicht strafbar. Wer mit seiner Bankomatkarte sein Konto um Beträge überzieht, die er nicht wird zurückzahlen können; wer mit der eigenen Kreditkarte Rechnungen über Beiträge bezahlt, die er dem Karteninstitut nicht wird ersetzen können; wer mit seinem Handy Gespräche führt, für die er die Gebühren nicht wird bezahlen können, ist auch nach § 148a nicht strafbar (s § 146 Rz 18, § 153 Rz 3).
C. Der bloße unbefugte Gebrauch digital gesteuerter Elektrogeräte ist 3 nach § 148a nicht strafbar. 267
§ 149
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Arbeitnehmer, die am Arbeitsplatz unerlaubt telefonieren oder im Internet surfen, sind nach § 148a nicht strafbar. Das Gebührenkonto des Arbeitgebers wird zu Recht mit den Gebühren für die Benützung seiner Anschlüsse belastet. Das unterscheidet diesen Fall von dem in Rz 1 besprochenen. An § 148a ist dagegen zu denken, wenn der Täter das Gespräch durch Drücken einer Taste als Privatgespräch deklarieren sollte, das aber nicht tut, sodass es als Dienstgespräch deklariert wird (Reindl E-Commerce 197f). 4 D. Betrug und betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch. Der Tä-
ter des § 148a nimmt die Zu- oder Abbuchung mit Schädigungsvorsatz vor; andere können ihn dazu bestimmen oder einen Beitrag leisten. Wer aber andere durch Täuschung verleitet, in gutem Glauben eine schädigende Zu- oder Abbuchung vorzunehmen, begeht einen Betrug (L/St § 148a Rz 23, Triffterer SbgK § 148a Rz 39). Der Täter legt dem Verkäufer eine entfremdete Kreditkarte vor, unterschreibt den Rechnungsbeleg mit dem Namen des Karteninhabers und verleitet den Verkäufer so, in gutem Glauben durch Eingabe der Daten eine Abbuchung vom Konto des Karteninhabers bei dessen Bank herbeizuführen. Der Täter begeht einen Betrug nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 (s § 147 Rz 2). Zur Konkurrenz mit § 241e s Rz 7. 5 E. Der Täter hat den Vorsatz, das Opfer durch die elektronisch ausgelöste
Buchung zu schädigen, und darüber hinaus den Vorsatz, sich oder Dritte unrechtmäßig zu bereichern. 6 F. Qualifikation. Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn er
die Tat gewerbsmäßig (§ 70; s § 130 Rz 3ff) begeht oder durch die Tat einen Schaden von mehr als 3 000 € bzw 50 000 € herbeiführt (§ 148a Abs 2). 7 G. Konkurrenz. Wenn der Täter die Bankomat- oder Kreditkarte jeman-
dem mit dem Vorsatz wegnimmt, sie für einen Datenverarbeitungsmissbrauch zu verwenden und das wirklich tut, konkurrieren – nach hM (K/ Schm StudB III § 241e Rz 41mwN) – § 241e Abs 1 und § 148a.
Erschleichung einer Leistung § 149. (1) Wer die Beförderung durch eine dem öffentlichen Verkehr dienende Anstalt oder den Zutritt zu einer Aufführung, Ausstellung oder einer anderen Veranstaltung oder zu einer Einrichtung durch Täuschung über Tatsachen erschleicht, ohne das festgesetzte Entgelt zu entrichten, ist, wenn das Entgelt nur gering ist, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Monat oder mit Geldstrafe bis zu 60 Tagessätzen zu bestrafen.
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Erschleichung einer Leistung
§ 149
(2) Wer sich oder einem anderen die nicht in einer Ware bestehende Leistung eines Automaten verschafft, ohne das Entgelt dafür zu entrichten, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (3) Ist im Falle des Abs. 2 das Entgelt nur gering, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu einem Monat oder mit Geldstrafe bis zu 60 Tagessätzen zu bestrafen. (4) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen. Schrifttum: Marek, Die Problematik der Strafbarkeit des Schwarzfahrens in schaffnerlosen Verkehrsmitteln, ÖJZ 1975, 261; Schmölzer, Geldspielautomaten im österreichischen Strafrecht, ÖJZ 1993, 507; Wängler, Der Schwarzfahrer im schaffnerlosen Beiwagen, ZVR 1975, 225.
§ 149 Abs 1, § 141, § 150 privilegieren kleine Vermögensdelikte. § 149 Abs 2 dagegen erfasst Verhaltensweisen, die sonst nicht strafbar wären. 1. Der privilegierte Betrug (§ 149 Abs 1) Der Täter täuscht einen Kontrollor über seine Berechtigung und verleitet 1 ihn so, ihm den Zutritt zu einer Aufführung usw zu gestatten oder ihn in einem öffentlichen Verkehrsmittel (vgl § 126 Rz 7) fahren oder weiterfahren zu lassen. Das Entgelt, das sich der Täter erspart, muss gering sein. Das geringe Entgelt entspricht dem geringen Wert des § 141 (s § 141 Rz 4f). A. Der Täter täuscht einen Kontrollor (Schaffner). Schwarzfahren ohne 2 Täuschung eines Kontrollors ist gerichtlich nicht strafbar (Fabrizy § 149 Rz 2, L/St § 149 Rz 5, 7, Kienapfel II § 149 Rz 11, Lewisch BT I 243), aber der Täter begeht eine Verwaltungsübertretung nach Art III Abs 1 Z 2 EGVG. Wer in einem schaffnerlosen Straßenbahnwagen mitfährt, ohne eine Fahrkarte zu entwerten (SSt 40/41); wer eine ermäßigte Fahrkarte kauft, ohne einen Ermäßigungsausweis zu haben, und im Zug nicht kontrolliert wird (EvBl 1995/141), täuscht niemanden und kann nach § 149 Abs 1 nicht bestraft werden.
B. Der Täter erschleicht den Zutritt oder die (Weiter-)Beförderung. 3 Wenn der Täter bei der nächsten Haltestelle ohnehin aussteigen will und den Kontrollor nur täuscht, um sich die Bezahlung der Strafgebühr zu ersparen, ist § 149 Abs 1 nicht anwendbar. C. Konkurrenz mit § 223? Schwarzfahrer, die dem Kontrollor eine Fahr- 4 karte vorweisen, auf der sie oder andere die Entwertung wegradiert haben, 269
§ 149
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
sind nur nach § 149 Abs 1 strafbar (s BT II § 224 Rz 8): Das Vergehen nach § 223 wird durch den Urkundenbetrug verdrängt (§ 147 Rz 10), der Urkundenbetrug durch § 149 Abs 1 (im Ergebnis ebenso Kienapfel II § 149 Rz 28). Anders als durch Manipulationen an Ausweisen kann man § 149 Abs 1 kaum begehen. Manche Autoren (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 149 Rz 12, L/St § 149 Rz 9) und der OGH (14 Os 2/06k) wollen § 149 Abs 1 mit § 223 Abs 2 konkurrieren lassen. Der Täter ändert auf seinem Schülerausweis das Geburtsdatum, um eine verbilligte Saisonkarte für den Eislaufplatz zu bekommen. Er ist nur nach § 149 Abs 1 strafbar. Das OLG Linz (JBl 1994, 423) nahm auch eine Urkundenfälschung an, sprach aber wegen „mangelnder Strafwürdigkeit der Tat“ frei (s jetzt § 191 StPO). 5 D. § 149 Abs 1 ist ein Ermächtigungsdelikt (Abs 4).
2. Der Automatenmissbrauch (§ 149 Abs 2, 3) 6 Nach § 149 Abs 2 ist der Missbrauch von Leistungsautomaten strafbar.
Dieser Deliktstypus hat mit § 146 nichts zu tun. A. Automaten sind Geräte, die man bestimmungsgemäß durch Einwerfen oder Einschieben von Münzen, Marken oder Geldscheinen in Betrieb setzt (L/St § 149 Rz 14, Lewisch BT I 244). Private Telefonanschlüsse, die der Täter unerlaubt benützt oder die er benützt, ohne dass der Zähler läuft (EvBl 1985/19); das Kabelfernsehen, an das der Täter sein Fernsehgerät „schwarz“ anschließt (SSt 56/93), sind keine Automaten. 7 B. Der Täter missbraucht den Automaten, indem er ihn in Betrieb setzt,
ohne die vorgeschriebenen Münzen, Marken oder Geldscheine einzulegen. Nach § 149 Abs 2 ist nur der Missbrauch von Leistungsautomaten (zB Telefon-, Musik-, Spielautomaten) strafbar. Wer einem Automaten, ohne das vorgeschriebene Entgelt einzuwerfen, Waren (zB Zigaretten) entnimmt, stiehlt sie (§ 129 Rz 13). 8 C. Privilegierung. Wenn das Entgelt, das sich der Täter durch den Miss-
brauch des Automaten erspart, gering ist (s dazu § 141 Rz 4f), ist der Täter nur nach § 149 Abs 3 strafbar. 9 D. Der Automatenmissbrauch ist ein Ermächtigungsdelikt (Abs 4).
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Notbetrug
§ 150
Notbetrug § 150. (1) Wer einen Betrug mit nur geringem Schaden aus Not begeht, ist, wenn es sich nicht um einen der Fälle der §§ 147 und 148 handelt, mit Freiheitsstrafe bis zu einem Monat oder mit Geldstrafe bis zu 60 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Der Täter ist nur mit Ermächtigung des Verletzten zu verfolgen. (3) Wer die Tat zum Nachteil seines Ehegatten, eines Verwandten in gerader Linie, seines Bruders oder seiner Schwester oder zum Nachteil eines anderen Angehörigen, sofern er mit diesem in Hausgemeinschaft lebt, begeht, ist nicht zu bestrafen. § 150 enthält einen privilegierten Fall des Betruges. Er unterscheidet sich 1 vom Betrug nach § 146 dadurch, dass der Schaden gering ist (s § 141 Rz 4f) und dass der Täter aus Not (s § 141 Rz 6) betrügt. § 150 ist nicht anwendbar, wenn der Betrug nach § 147 Abs 1 qualifiziert 2 oder gewerbsmäßig begangen ist. So ist § 150 eine Fehlkonstruktion: Täter in Not handeln häufig gewerbsmäßig (vgl dagegen § 141 Rz 6). Der Notbetrug ist ein Ermächtigungsdelikt (§ 150 Abs 2) und ist straffrei, 3 wenn ihn der Täter ausschließlich zum Nachteil eines Angehörigen begeht (§ 150 Abs 3, § 72). Zur Hausgemeinschaft s § 166 Rz 4.
Versicherungsmissbrauch § 151. (1) Wer mit dem Vorsatz, sich oder einem anderen eine Versicherungsleistung zu verschaffen, 1. eine gegen Zerstörung, Beschädigung, Verlust oder Diebstahl versicherte Sache zerstört, beschädigt oder beiseite schafft oder 2. sich oder einen anderen am Körper verletzt oder an der Gesundheit schädigt oder verletzen oder schädigen lässt, ist, wenn die Tat nicht nach den §§ 146, 147 und 148 mit Strafe bedroht ist, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Nach Abs. 1 ist nicht zu bestrafen, wer, bevor die Versicherungsleistung erbracht worden ist und bevor eine Behörde (Abs. 3) von seinem Verschulden erfahren hat, freiwillig von der weiteren Verfolgung seines Vorhabens Abstand nimmt. (3) Unter einer Behörde im Sinn des Abs. 2 ist eine zur Strafverfolgung berufene Behörde in dieser ihrer Eigenschaft zu verstehen. Ihr stehen zur Strafverfolgung berufene öffentliche Sicherheitsorgane in dieser ihrer Eigenschaft gleich. Schrifttum: Höpfel, Zu Sinn und Reichweite des sogenannten Analogieverbotes, JBl 1979, 505, 575; Wieser, Der Versuch beim Vorbereitungsdelikt, JBl 1987, 497, 556.
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§ 152
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
1 § 151 vertypt bestimmte Vorbereitungshandlungen zum Versicherungsbe-
trug. 2 A. Die Ausführungshandlung besteht im Fingieren bestimmter Versi-
cherungsfälle: Der Täter zerstört oder beschädigt die versicherte Sache oder lässt sie verschwinden (§ 151 Abs 1 Z 1); der Täter verletzt die versicherte Person oder schädigt sie an der Gesundheit (§ 151 Abs 1 Z 2). Der Täter tut das mit dem Vorsatz – nach Höpfel (JBl 1979, 517) mit der Absicht –, der Versicherung den fingierten als echten Versicherungsfall zu melden und sie zur Zahlung zu verleiten. Da er die schriftliche Schadensmeldung noch nicht erstattet hat, ist der Betrug noch nicht versucht (s § 146 Rz 14). Wenn der Täter die versicherten Schi, deren „Diebstahl“ er anzeigt, nicht beiseite schafft, sondern auf seinem Auto (SSt 53/24) oder zu Hause im Keller stehen lässt, ist § 151 nicht anwendbar. Der Täter ist aber nach § 298 strafbar. 3 B. Tätige Reue. Wenn der Täter einen Versicherungsmissbrauch begangen
hat, dann aber freiwillig (s § 167 Rz 15) die Schadensmeldung an die Versicherung unterlässt, bevor eine Strafverfolgungsbehörde oder ein -organ von Tat und Täter erfahren hat (s § 167 Rz 13), wird er straffrei (Abs 2). 4 C. Subsidiarität. Mit Beginn des Versicherungsbetruges, sobald also der
Täter die unrichtige, schriftliche Schadensmeldung an die Versicherung erstattet, ist § 151 nicht mehr anwendbar (SSt 46/51; Fabrizy § 151 Rz 1, L/St § 151 Rz 22). Wenn der Täter vom versuchten Versicherungsbetrug zurücktritt (§ 16) oder nach Vollendung des Versicherungsbetruges tätige Reue übt (§ 167), kann er auch nach § 151 nicht bestraft werden. 5 D. Konkurrenz. § 151 Abs 1 kann mit § 298 konkurrieren (s BT II § 298
Rz 1).
Kreditschädigung § 152. (1) Wer unrichtige Tatsachen behauptet und dadurch den Kredit, den Erwerb oder das berufliche Fortkommen eines anderen schädigt oder gefährdet, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Die Freiheits- und die Geldstrafe können auch nebeneinander verhängt werden. (2) Der Täter ist nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen. Schrifttum: Schönherr, Kreditschädigende Tatsachenbehauptungen, ÖBl 1975, 77; Zeiler, Persönlichkeitsschutz (1998).
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Kreditschädigung
§ 152
A. Ausführungshandlung. Der Täter behauptet unrichtige Tatsachen. 1 Tatsachen sind Umstände, auch Charaktereigenschaften, Erfahrungen, Pläne und Vorhaben (vgl § 146 Rz 1). Negative Werturteile sind Tatsachenbehauptungen, wenn der Täter damit zum Ausdruck bringt, es liegen Tatsachen vor, die dieses Urteil rechtfertigen. Tatsachenbehauptungen sind die Äußerungen: „Die Firma X ist zugrunde gegangen“ (SSt 43/54), „Der Tischler X ist kein Fachmann“ (SSt 29/9), „Überall haut man die Öfen des X heraus“ (SSt 37/10), „Die Farben des X sind nichts wert“ (SSt 24/40).
B. Schädigung oder Gefährdung. Die unrichtige Tatsachenbehauptung 2 muss zumindest eine wirkliche (konkrete) Gefahr für den Erwerb, den Kredit oder für das berufliche Fortkommen des Opfers zur Folge haben. Es muss eine wirkliche Gefahr bestehen, dass von den unwahren Behauptungen des Täters Leute erfahren, zu denen das Opfer geschäftliche Beziehungen unterhält, anbahnt oder die auf das berufliche Fortkommen des Opfers Einfluss haben; und es muss eine wirkliche Gefahr bestehen, dass diese Leute sich durch die unwahren Behauptungen zum Nachteil des Opfers beeinflussen lassen (Fabrizy § 152 Rz 3, Hinterhofer SbgK § 152 Rz 5, 28). C. Innere Tatseite, Rechtfertigung. Der Täter handelt vorsätzlich; be- 3 dingter Vorsatz genügt für alle Tatbildmerkmale (§ 5 Abs 1). Wer kreditschädigende Tatsachen gutgläubig behauptet, bleibt straffrei. Der Rechtfertigungsgrund der § 1330 Abs 2 Satz 3 ABGB, § 7 Abs 2 UWG gilt auch für § 152: Vertrauliche Mitteilungen, an denen der Täter oder der Empfänger ein berechtigtes Interesse hat, sind nicht rechtswidrig, solange der Täter deren Unrichtigkeit nicht geradezu kennt. D. Die Kreditschädigung ist ein Privatanklagedelikt (§ 152 Abs 2). Wenn 4 es dem Privatankläger nicht gelingt, das Gericht zu überzeugen, dass die Behauptungen des Angeklagten unrichtig sind und jener ihre Unrichtigkeit in seinen Vorsatz aufgenommen hat, muss der Angeklagte freigesprochen werden (vgl dagegen § 112 Rz 1ff). So ist § 152 von beschränkter praktischer Bedeutung.
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§ 153
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Untreue § 153. (1) Wer die ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch dem anderen einen Vermögensnachteil zufügt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Wer durch die Tat einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen. Schrifttum zu §§ 153, 153a: Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht I (1987); Bertel, Untreue und Geschenkannahme durch Machthaber (§§ 153, 153a), Rivista trimestrale di diritto penale dell’ economia 1988, 54; Friedrich, Triffterers Beteiligungslehre – eine vermittelnde Lösung? RZ 1986, 258; Fuchs, Probleme von Untreue und Betrug, StPG 11 (1983), 197; ders, Neue Formen rechtswidriger Vermögensschädigung, StPG 12 (1984), 63; ders, Wirtschaftsordnung durch Strafrecht? in: Steininger-FS (2003), 57; Hoinkes-Wilflingseder, Geringwertigkeit und unbedeutende Tatfolgen nach dem StrafrechtsänderungG 1987, AnwBl 1988, 77; Höpfel, Einige Fragen der subjektiven Tatseite bei Beteiligung mehrerer, ÖJZ 1982, 314; Hörlsberger/Schröckenfuchs, Können strafrechtliche Konsequenzen „zu hoher“ Prämien an den Vorstand vermieden werden? ecolex 2004, 373; Kienapfel, Der bestechliche Machthaber (§§ 153, 153a StGB), RZ 1988, 74; Kind, Ärzte zwischen Sponsoring und Korruption, RdM 2003, 10; Krejci/Ruppe/Schick (Hrsg), Unerlaubte Provisionen (1982); Kunst, Ausbau des Korruptions- und Wirtschaftsstrafrechts, in: Probleme der Korruptionsbekämpfung (1985), 53; ders, Legislative Überlegungen, in: Wirtschaftskriminalität und Korruption (1984), 137; Lewisch, Strafrechtliche Beurteilung der Rückzahlung Eigenkapital ersetzender Gesellschafterdarlehen in der Krise, RdW 2000, 584; Liebscher, Grundfragen des Wirtschaftsstrafrechts, JBl 1979, 225; Mayerhofer, Das zweite Antikorruptionsgesetz, in: Rechtliche Grenzen der Kreditgewährung (Sondertagung des ÖJT 1983), 17; Pallin, Die neuen Bestimmungen gegen Korruption und Vergabemissbrauch, ÖJZ 1982, 337; Proske, Die strafrechtliche Beurteilung des Scheckkarten- und Kreditkartenmissbrauchs, ÖJZ 1979, 598; Schick, Die Korruption im Spiegel des Strafrechts, in: Brünner (Hrsg), Korruption und Kontrolle (1981), 573; ders, Strafrechtliche Probleme, in: Funk (Hrsg), Die Besorgung öffentlicher Aufgaben durch Privatrechtssubjekte (1981), 361; ders, Strafrechtliche Probleme der Bau-Arge, in: Krejci (Hrsg), Das Recht der Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft (1979), 351; ders, Die Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität mit den Mitteln des Strafrechts, StPG 5 (1977), 98; Steiner, Drittmitteleinwerbung im Krankenhaus, RdM 2005, 132; Steininger H., Die neuere Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu den Amts- und Bestechungsdelikten, in: Probleme der Korruptionsbekämpfung (1985), 119; ders, Typische Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität und ihre Bekämpfung, ÖJZ 1982, 589.
1. Der Täter 1 A. Die Untreue ist ein Sonderdelikt. Der unmittelbare Täter hat die Be-
fugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu ver274
Untreue
§ 153
pflichten. Diese Befugnis ist eine Vollmacht (K/Schm StudB II § 153 Rz 40). Täter ist der Bevollmächtigte, Opfer der Vertretene. Im strafrechtlichen Schrifttum wird der Täter gewöhnlich als Machthaber, das Opfer als Machtgeber bezeichnet. Die Befugnis (Vollmacht) kann durch Gesetz, durch behördlichen Auftrag 2 (Bestellung) oder durch Rechtsgeschäft begründet werden (Kirchbacher/ Presslauer WK2 § 153 Rz 6–10, L/St § 153 Rz 5ff). Die Eltern sind kraft Gesetzes Machthaber ihrer Kinder; Komplementäre, Prokuristen, Geschäftsführer, Handlungsbevollmächtigte (zB manche Verkäufer), Mitglieder von Vorständen und Aufsichtsräten sind auf Grund von Rechtsgeschäften Machthaber ihrer Unternehmen und Gesellschaften.
B. Wer keine Vollmacht hat, kann Untreue als unmittelbarer Täter 3 nicht begehen (s auch Rz 6). Das gilt insb für den indirekten Stellvertreter, der ja in Wahrheit nur Beauftragter ist (K/Schm StudB II § 153 Rz 26, 46, L/St § 153 Rz 13; aM Pfeifer SbgK § 153 Rz 9), sowie für Angestellte und Beamte, die Vertretungshandlungen lediglich vorbereiten (K/Schm StudB II § 153 Rz 39, Lewisch BT I 248f). Auch wird eine Tat nicht schon darum zur Untreue, weil andere für die Schäden aufkommen müssen, die der Täter anrichtet. Der Täter übernimmt den Auftrag, Wohnungen mit Sonderausstattungen zu versehen; er lässt die Arbeiten im eigenen Namen durchführen und verrechnet den Wohnungsinhabern mehr als er verrechnen dürfte. Er begeht keine Untreue (aM SSt 42/11), sondern Betrug. Der Abteilungsleiter im Amt der Landesregierung lässt den gutgläubigen Landesrat ein Schriftstück unterschreiben, in dem dieser ein Wohnbauförderungsdarlehen zusichert, obwohl die Voraussetzungen dafür fehlen. Der Täter missbraucht keine Vertretungsmacht (aM SSt 57/57), sondern begeht einen Betrug. Der Täter, der mit einer Kreditkarte einkauft, ist kein Bevollmächtigter des Kreditkarteninstitutes. Er kann also keine Untreue begehen (aM 14 Os 69/07i; K/Schm StudB II § 153 Rz 38). Wenn er eine fremde Kreditkarte verwendet, macht er sich nach § 146 (s § 147 Rz 2) oder § 148a strafbar; wenn er die eigene Kreditkarte verwendet, um Rechnungen über Beträge zu bezahlen, die er dem Kreditkarteninstitut nicht wird ersetzen können, bleibt er straffrei (s § 148a Rz 2). Der Kontoinhaber ermächtigt seine Bank, von seinem Konto Beträge abzubuchen, die ein Dritter fordern wird (Abbuchungsauftrag, Lastschriftverfahren). Der Dritte lässt die Bank mehr abbuchen als ihm zusteht. Da er die Beträge in eigenem Namen (Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht I 376) und nicht etwa als Vertreter des Kontoinhabers fordert, begeht er keine Untreue, aber er betrügt
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§ 153
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
die Bank. Für Untreue F/R (BT I 164), weil der Täter „rechtliche Wirkungen für andere erzeugen kann“; aber rechtliche Wirkungen für andere erzeugt auch der Dieb, wenn eine Versicherung für den Wert der gestohlenen Sache aufkommen muss. Der Verkäufer einer Trafik verlangt, dass der Kaufpreis vor der Übergabe sichergestellt wird. So garantiert im Auftrag des Käufers eine Bank dem Verkäufer, ihm auf Abruf 200 000 € zu zahlen. Nach dem Kaufvertrag darf der Verkäufer das Geld erst nach der Übergabe abrufen. Der Verkäufer missbraucht die Bankgarantie und ruft das Geld schon vorher ab. Der Verkäufer fordert – wie vorhin – in eigenem Namen, er ist Bevollmächtigter weder des Käufers noch der Bank, er begeht keine Untreue (aM RZ 1995/65), aber wahrscheinlich betrügt er den Käufer oder die Bank. Banken räumen ihren Kunden manchmal die Möglichkeit ein, Wertpapiere direkt über ein Computerprogramm an der Börse zu kaufen und zu verkaufen („Direkt Broking“). Die Kunden verpflichten sich, Käufe nicht über einen gewissen Wert zu tätigen. Wenn sich Kunden an diese Beschränkung nicht halten, begehen sie nicht etwa eine Untreue (so aber 14 Os 54/08k): sie kaufen die Wertpapiere ja im eigenen Namen; sie begehen aber auch keinen betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauch, weil sie nicht von fremden Konten abbuchen (s § 148a Rz 1). Die Bank kann unerwünschte Käufe durch elektronische Sicherheitsbarrieren leicht verhindern.
2. Die Ausführungshandlung 4 A. Ausführungshandlung ist ein Vollmachtsmissbrauch. Der Täter
nimmt als Machthaber im Namen des Machtgebers eine Rechtshandlung vor, die er nicht vornehmen dürfte; oder er unterlässt es, als Machthaber im Namen des Machtgebers eine Rechtshandlung vorzunehmen, die er vornehmen sollte. Wenn der Machthaber keine anderen Direktiven hat, ist er verpflichtet, die Rechtshandlungen vorzunehmen, die dem Machtgeber maximalen Nutzen bei vertretbarem Risiko versprechen, und alle Rechtshandlungen zu unterlassen, die dem zuwiderlaufen (K/Schm StudB II § 153 Rz 60, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 153 Rz 28, 30, L/St § 153 Rz 15). Komplementäre, Prokuristen, Geschäftsführer usw missbrauchen ihre Vollmacht, wenn sie Waren zu billig verkaufen; von Firmenkonten Geld an Leute überweisen, die darauf keinen Anspruch haben; vom Firmenkonto Geld für eigene Zwecke abheben (s Rz 7); Schecks zu Lasten ihrer Firma ausstellen und als Parteispende weitergeben (SSt 56/88); Schuldnern ungerechtfertigte Zahlungsaufschübe oder Nachlässe gewähren; unrichtige Rechnungen anerkennen (EvBl 1987/37); unnötig Zwischenverkäufer einschalten (EvBl 1983/112); das Stamm-
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Untreue
§ 153
kapital einer Tochterfirma erhöhen, obwohl deren Vermögens- und Ertragslage ungewiss ist (JBl 1991, 465); Mitarbeiter anweisen, während der Dienstzeit Privatarbeiten für den Täter zu verrichten (12 Os 90/05k); es als Heimleiter unterlassen, von den Bewohnern Benützungsentgelte einzufordern (EvBl 2001/144). Auch die Befugnis, einen zur Sicherstellung übernommenen Blankoscheck auszufüllen, ist eine Vollmacht: Der Täter begeht eine Untreue, wenn er den Scheck vertragswidrig ausfüllt und weitergibt (SSt 52/12).
Machthaber, die den Machtgeber nicht durch einen Vollmachtsmissbrauch, 5 sondern auf andere Weise schädigen, begehen vielleicht ein anderes Delikt, aber jedenfalls keine Untreue. B. Vertretungshandlungen, die der Täter bloß vortäuscht oder die er 6 wirksam gar nicht vornehmen kann, sind keine Untreue, können aber als Betrug strafbar sein. Der Leiter der Teppichabteilung eines Großkaufhauses bestellt Teppiche, aber der Händler soll die Ware nicht liefern, sondern bloß fakturieren. Aufgrund der unrichtigen Fakturen zahlt die Buchhaltung den Kaufpreis. Die Bestellungen waren keine wirklichen, sondern bloß scheinbare Vertretungshandlungen, um die Buchhaltung zu täuschen. Der Täter begeht keine Untreue (aM SSt 53/57), sondern einen Betrug (Lewisch BT I 246). Der Leiter einer Bankfiliale erstellt eine Bankgarantie. Dazu war er weder als Filialleiter (§ 54 Abs 1 UGB) noch aufgrund einer ihm persönlich erteilten Vollmacht ermächtigt. Er begeht keine Untreue, vielleicht aber einen Betrug (JBl 1993, 125).
C. Untreue und Veruntreuung. Bei der Veruntreuung schädigt der Täter 7 das Opfer durch Zueignung eines anvertrauten Gutes, bei der Untreue durch einen Vollmachtsmissbrauch (K/Schm StudB II § 153 Rz 132ff, L/St § 153 Rz 49). Ein Filialleiter begeht eine Untreue, wenn er Kunden ungerechtfertigte Preisnachlässe gewährt (SSt 39/27); er begeht eine Veruntreuung, wenn er sich Waren und Gelder aus der Filiale aneignet (SSt 46/43, 60; für Untreue auch hier SSt 39/ 27), selbst wenn er die Entnahme durch Ausstellen unrichtiger „Retourbelege“ vertuscht. Der Obmann eines Elternvereins begeht eine Veruntreuung, wenn er sich Geld aus der Handkasse des Vereins zueignet, eine Untreue dagegen, wenn er Geld vom Vereinskonto auf sein Privatkonto überweisen (13 Os 113/08d) oder sich auszahlen lässt. Ohne die Unterschrift des Täters – sie ist eine Vertretungshandlung (Bertel WK2 § 133 Rz 50) – würde die Bank weder überweisen noch auszahlen.
277
§ 153
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
8 Die Rsp neigt dazu, Untreue- und Veruntreuungshandlungen eines Macht-
habers in einen Topf zu werfen und als Untreue zu qualifizieren (zB SSt 38/ 4, 39/27, SSt 51/46). Richtig ist das nicht (K/Schm StudB II § 153 Rz 8ff, 56, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 153 Rz 25, L/St § 153 Rz 49ff). 9 D. Unerlaubte Provisionen. Machthaber, die für Vertragsabschlüsse uner-
laubt Provisionen nehmen, missbrauchen ihre Vollmacht nicht: Sie nehmen die Provision im eigenen Namen. Die unerlaubte Annahme von Provisionen ist keine Untreue. Aber die Provision kann Belohnung für eine Untreue sein: Vielleicht hat der Machthaber, um vom Vertragspartner eine Provision zu erhalten, irgendwelche Nachteile zu Lasten seiner Firma akzeptiert oder auf irgendwelche Vorteile verzichtet. Der Täter vereinbart zum Nachteil seiner Firma mit deren Vertragspartnern einen Aufschlag zu den bisher gültigen Preisen und lässt sich den Aufschlag als Provision auf ein Privatkonto überweisen; eine Untreue (EvBl 1997/32). Der Täter schließt für seine Firma einen verkehrsüblichen Vertrag und lässt sich eine Provision geben; sie beeinflusst die Preise nicht und wird vom Vertragspartner intern als „Sonderverkaufskosten“ behandelt. Das ist keine Untreue (aM EvBl 1997/32). Wenn der Täter keine Provision nähme, zahlte seine Firma ebensoviel. Freilich darf der Täter die Provision nicht behalten, eben darum § 153a. Untreue liegt vor, wenn der Vertragspartner der Firma des Täters einen Rabatt gewährte, wenn der Täter nur danach verlangte und auf die Provision verzichtete. Eben das muss dem Täter nachgewiesen werden. Die sittliche Entrüstung über die Annahme einer Provision ist kein Grund für eine Beweislastumkehr (Lewisch BT I 253; vgl Fuchs Steininger-FS 59f, K/Schm StudB II § 153 Rz 73ff). Immerhin kann der Vertragspartner gute Gründe haben, lieber dem Täter eine Provision als dessen Firma einen Rabatt zu gewähren. 10 Der OGH dagegen will für die Verurteilung wegen Untreue genügen las-
sen, dass der Machthaber für einen Vertragsabschluss vom Vertragspartner eine Provision annimmt (SSt 54/42, EvBl 1998/17). Der OGH vermutet, dass die Provision den Vertrag zum Nachteil des Machtgebers beeinflusst hat. Nur wenn der Täter die Provision ohne vorhergehende Verabredung erst nach Vertragsschluss genommen hat, soll Untreue ausscheiden (JBl 1989, 122; L/St § 153 Rz 24f). – Das ist die eben kritisierte Beweislastumkehr. 3. Die Schädigung des Machtgebers 11 Die missbräuchliche Vertretungshandlung führt zu einem Schaden im Ver-
mögen des Machtgebers. Für die Schadensberechnung gelten die beim Be278
Untreue
§ 153
trug besprochenen Grundsätze (§ 146 Rz 21ff). Geschädigt ist der Machtgeber insb um die Differenz zwischen dem Wert der Leistung, die er aufgrund des missbräuchlichen Vertrages erbringt, und dem Wert der Gegenleistung, die er dafür erhält. Geschädigt ist der Machtgeber aber auch um den Gewinn, den er erzielt hätte, wenn der Täter statt der missbräuchlichen die pflichtgemäße Handlung vorgenommen hätte (aM K/Schm StudB II § 153 Rz 88f). Der Täter sagt im Namen des Landes Wohnbauförderungsdarlehen zu, obwohl die Bewerber die gesetzlichen Voraussetzungen nicht erfüllen. Nach Meinung des OGH wird das Land nicht geschädigt, wenn die Bewerber kreditwürdig sind (SSt 57/57). Das kann nicht richtig sein: Die Gewährung geförderter Darlehen schädigt das Land um die Differenz zwischen den vereinbarten und den verkehrsüblichen Zinsen. Der Prokurist, der Arbeiter der Firma missbräuchlich (Rz 4) anweist, Arbeiten für ihn persönlich zu erledigen, schädigt die Firma, wenn die Arbeiter von dienstlichen Aufgaben abgehalten werden (Mayerhofer § 153 E 64); wenn sie ohnehin nichts zu tun hatten, liegt kein Schaden vor. Untreuehandlungen zum Nachteil einer GmbH, deren Kapitalanteile ausschließlich dem Täter zustehen, führen keinen Schaden herbei: GmbH und Täter sind wirtschaftlich ident (14 Os 107/99).
Wenn die missbräuchliche Vertretungshandlung oder das Unterbleiben der 12 pflichtgemäßen Vertretungshandlung dem Vertretenen Vor- und Nachteile gebracht hat, sind sie gegeneinander aufzurechnen. Der Vorstand einer Versicherungs-AG lässt aufgrund fingierter Schadensmeldungen Gelder auszahlen, die einem gesponserten Sportverein zugute kommen. Er missbraucht seine Vollmacht, aber er schädigt die Gesellschaft nicht, wenn die Zuwendungen an den Sportverein als Werbeaufwand sinnvoll waren, sodass sie auch der Aufsichtsrat hätte genehmigen können (JBl 1991, 532).
Die Untreue ist mit Eintritt des Schadens vollendet. Wenn die missbräuch- 13 liche Vertretungshandlung den Machtgeber zu einer Leistung verpflichtet, tritt der Schaden ein, sobald der Machtgeber die Leistung erbringt. Wenn der Schaden 3 000 € bzw. 50 000 € übersteigt, kommen strengere Strafsätze zur Anwendung (Qualifikationen). Der Schaden muss vom Vorsatz umfasst sein. 4. Die innere Tatseite A. Der Täter missbraucht seine Vollmacht wissentlich (§ 5 Abs 3), dh er 14 muss bei Vornahme der Vertretungshandlung wissen, dass er sie nicht vornehmen darf. Riskante Geschäfte, die im Rahmen des noch Vertretbaren 279
§ 153
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
liegen, sind kein Missbrauch. Wenn sie nicht mehr vertretbar sind, der Täter sie aber immerhin für vielleicht noch vertretbar hält, sind sie kein wissentlicher Missbrauch. Dass es der Heimleiter „aus Überlastung“ unterlässt, von den Bewohnern Benützungsentgelte einzufordern, schließt wohl nicht die Wissentlichkeit, sondern die Gleichwertigkeit dieser Unterlassung mit einer Untreue durch aktives Tun aus (vgl EvBl 2001/144; BT II § 302 Rz 16). 15 B. Für die Schädigung des Machtgebers genügt bedingter Vorsatz (§ 5
Abs 1). Angestellte eines Kreditbüros vergeben Kredite, ohne die Kreditwürdigkeit der Empfänger angemessen zu überprüfen. Sie missbrauchen ihre Vollmacht wissentlich, wenn sie wissen, dass die Überprüfung unzureichend ist; und sie handeln mit Schädigungsvorsatz, wenn sie es ernsthaft für möglich halten und sich damit abfinden, der eine oder andere Darlehensnehmer sei wirklich kreditunwürdig. Mit Auszahlung des Darlehens an einen Kreditunwürdigen ist die Untreue vollendet. 16 Der Täter handelt ohne Schädigungsvorsatz, wenn er seine Vollmacht
missbraucht, um sich Gelder zuzuwenden, auf die er ein Recht hat oder zu haben glaubt, oder wenn er sie in vertretbarer Zeit, zB innerhalb einiger Wochen, zurückzahlen will (vgl § 127 Rz 26f, § 133 Rz 16ff). Der Geschäftsführer einer GmbH weist einen Geschäftspartner an, Gelder, die der Gesellschaft zustehen, auf sein Privatkonto zu überweisen, „um seine Gehaltsansprüche zu sichern“: Er handelt ohne Schädigungsvorsatz, wenn seine Gehaltsansprüche schon fällig sind oder wenn er sich einen Gehaltsvorschuss für einen angemessenen Zeitraum verschaffen und als Geschäftsführer weiter arbeiten will (JBl 1989, 330; Lewisch BT I 252).
5. Beteiligung 17 Wer sich an der Untreue eines anderen beteiligt, weiß, dass der unmittelbare
Täter seine Vollmacht missbraucht (JBl 1988, 392), und hält es ernsthaft für möglich und findet sich damit ab, dass auch der unmittelbare Täter weiß, dass er seine Vollmacht missbraucht (Fuchs AT I 35. Kap Rz 24f, Lewisch BT I 255; vgl BT II § 302 Rz 29); natürlich handelt auch er mit Schädigungsvorsatz. Wer den Machthaber dahin bringt, dass er gutgläubig ein dem Machtgeber nachteiliges Geschäft schließt, betrügt ihn (L/St § 153 Rz 47); er bestimmt ihn nicht etwa zu einer unvorsätzlich begangenen Untreue (so aber K/Schm StudB II § 153 Rz 121, Triffterer AT 16. Kap Rz 123). Miss280
Geschenkannahme durch Machthaber
§ 153a
brauch iSd § 153 ist mehr als die objektiv missbräuchliche Vertretungshandlung. Andere verlangen, der Bestimmungs- oder Beitragstäter müsse wissen, dass der Machthaber die Vollmacht irgendwie vorsätzlich missbraucht (14 Os 96/05g, JBl 2003, 330 mit Anm Sautner; Kirchbacher/Presslauer WK2 § 153 Rz 44). Aber wie kann der Missbrauch iSd § 153 durch einen nicht tatbildmäßigen Vorsatz des Machthabers zustande kommen? Und was der Machthaber über die objektive Missbräuchlichkeit der Vertretungshandlung denkt, kann der Bestimmungs- oder Beitragstäter in Wahrheit nur wissen, wenn er mit dem Machthaber gerade darüber gesprochen hat; aber dann wissen beide davon. Wer einen Vertrag mit dem Machthaber schließt, durch den dieser seine Voll- 18 macht missbraucht, kann sich an der Untreue des Machthabers beteiligen. Der Vertragspartner einer Firma gibt dem Prokuristen für den Vertragsschluss eine Provision. Beide wissen, dass die Provision die Preise verteuert, welche die Firma laut Vertrag zu bezahlen hat. Der Prokurist begeht Untreue als unmittelbarer Täter (Rz 9f), der Vertragspartner als Bestimmungs- oder Beitragstäter.
Geschenkannahme durch Machthaber § 153a. Wer für die Ausübung der ihm durch Gesetz, behördlichen Auftrag oder Rechtsgeschäft eingeräumten Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil angenommen hat und pflichtwidrig nicht abführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. A. Der Täter ist wie bei § 153 ein Machthaber (s § 153 Rz 1).
1
B. Die Ausführungshandlung besteht aus zwei Akten, einer Handlung 2 und einer Unterlassung (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 153 Rz 11, L/St § 153a Rz 12): Der Täter nimmt für eine Vertretungshandlung einen nicht nur geringfügigen Vermögensvorteil an, zB: Geld und andere körperliche Sachen, Forderungen (Bankguthaben), kostenlose Urlaubsaufenthalte. Ob die Vertretungshandlung, für die der Täter den Vorteil erhält, pflichtgemäß oder pflichtwidrig erfolgen soll, ist hier unerheblich. Der Täter unterlässt es, den angenommenen Vermögensvorteil an den Machtgeber abzuführen. Vorteile von nicht mehr als 300 € sind geringfügig; näher Bertel WK2 § 304 Rz 19. C. Versuch. Die Annahme des Vermögensvorteils mit dem Vorsatz, ihn 3 nicht abzuführen, begründet Versuch (für Vollendung Lewisch BT I 257). 281
§ 153b
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Vollendet ist das Delikt, wenn der Täter den Vorteil nicht unverzüglich an den Machtgeber abführt (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 153a Rz 15, L/St § 153a Rz 18). 4 Machthaber, die für Vertretungshandlungen Vermögensvorteile fordern
oder sich versprechen lassen, versuchen das Vergehen nach § 153a (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 153a Rz 16), wenn die Annahme des Vorteils gleich auf das Fordern oder Sich-versprechen-Lassen folgen soll. Sonst fehlt es an der nach § 15 Abs 2 erforderlichen Ausführungsnähe (Pfeifer SbgK § 153a Rz 24). 5 D. Der Geber des Vorteils ist nach § 153a nicht strafbar. Eine Beteili-
gung nach § 12 gibt es an § 153a ebenso wenig wie an § 305, und eine dem § 307 entsprechende Bestimmung gibt es für § 153a nicht (s Fuchs Steininger-FS 60, Lewisch BT I 257f, L/St § 153a Rz 19). Machthaber können Provisionsangebote sehr leicht ablehnen, aber in einem Wirtschaftssystem mit scharfer Konkurrenz können Unternehmer es nicht so leicht riskieren, dass Provisionen der Konkurrenz sie um Aufträge bringen. 6 E. Abgrenzung und Konkurrenz. Wenn der Machthaber den Vermö-
gensvorteil für eine pflichtwidrige Rechtshandlung erhält, begeht er entweder eine Untreue nach § 153 (§ 153 Rz 9f) oder eine Geschenkannahme nach § 168c, § 153a ist dann nicht anwendbar (näher §§ 168c–e Rz 5).
Förderungsmissbrauch § 153b. (1) Wer eine ihm gewährte Förderung missbräuchlich zu anderen Zwecken als zu jenen verwendet, zu denen sie gewährt wurde, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Nach Abs. 1 ist auch zu bestrafen, wer die Tat als leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) einer juristischen Person oder einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit, der die Förderung gewährt wurde, oder zwar ohne Einverständnis mit demjenigen, dem die Förderung gewährt wurde, aber als dessen leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) begeht. (3) Wer die Tat in Bezug auf einen 3 000 Euro übersteigenden Betrag begeht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (4) Wer die Tat in Bezug auf einen 50 000 Euro übersteigenden Betrag begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (5) Eine Förderung ist eine Zuwendung, die zur Verfolgung öffentlicher Interessen aus öffentlichen Haushalten gewährt wird und für die keine angemes-
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Förderungsmissbrauch
§ 153b
sene geldwerte Gegenleistung erbracht wird; ausgenommen sind Zuwendungen mit Sozialleistungscharakter und Zuschüsse nach § 12 des Finanz-Verfassungsgesetzes 1948. Öffentliche Haushalte sind die Haushalte der Gebietskörperschaften, anderer Personen des öffentlichen Rechts, mit Ausnahme der Kirchen und Religionsgemeinschaften, sowie der Gesamthaushaltsplan der Europäischen Gemeinschaften und die Haushalte, die von den Europäischen Gemeinschaften oder in deren Auftrag verwaltet werden. Schrifttum: Gangl, Strafbarer Förderungsmissbrauch (2004); Marqués/Kert, Strafrechtsänderungsgesetz 1998: Umsetzung des EU-Betrugs-Übereinkommens in Österreich, ÖJZ 1999, 213.
Nach § 153b strafbar ist der Missbrauch von Förderungen, die aus öffentlichen Haushalten gewährt werden. A. Förderungen sind Zuwendungen aus öffentlichen Haushalten, für die 1 der Empfänger keine gleichwertige Gegenleistung erbringt, für die er sich aber doch zu dem geförderten Tun oder Unterlassen verpflichtet (EBRV zum StRÄG 1998, 19). Die Familienbeihilfe, Arbeitslosenunterstützung, Sozialhilfe sind keine Förderungen, weil sich der Empfänger dafür nicht zu einem bestimmten Verhalten verpflichtet. Abs 5 stellt das klar.
B. Öffentliche Haushalte sind die der EU, der Gebietskörperschaften und 2 anderer Personen des öffentlichen Rechts – die Kirchen ausgenommen (Abs 5). Die Förderung kann mit Bescheid zugesprochen oder durch Vertrag gewährt werden. C. Missbräuchlich verwendet werden Förderungen, wenn sie der Täter zu 3 Zwecken verwendet, für die sie nicht gewährt wurden (Abs 1). So können nur „Projektförderungen“ missbraucht werden: Der Täter erhält zB ein gefördertes Darlehen für die Errichtung einer Hofstelle, Schlachtstelle usw. Die Förderung besteht in der Differenz zwischen den Zinsen und Annuitäten, die der Täter zurückzahlen muss, und den Beträgen, die er aufgrund eines marktüblichen Kredites bezahlen müsste. Der Täter missbraucht die Förderung, indem er sie zu anderen Zwecken verwendet (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 153b Rz 20f). Dass er das fragliche Projekt nicht verwirklicht, ist nicht strafbar, wenn er die Darlehenssumme jederzeit zurückzahlen kann (Lewisch BT I 258). Andere Förderungen werden dafür gegeben, dass der Täter einige Zeit eine weniger gewinnbringende Tätigkeit ausübt oder auf Gewinnchancen verzichtet.
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§ 153c
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Er erhält zB Geld dafür, dass er eine gewisse Zeit hindurch Bergwiesen bewirtschaftet, eine Grundfläche unter Verzicht auf ertragsteigernde Betriebsmittel (zB Kunstdünger) oder nach strengen biologischen Richtlinien bewirtschaftet. Da solche Förderungen zur freien Verwendung gegeben werden, können sie nicht missbraucht werden; und die bloße Unterlassung des geförderten Verhaltens ist auch hier nicht strafbar. 4 D. Der Förderungsmissbrauch ist dem Betrug gegenüber subsidiär und
darum kaum von praktischer Bedeutung. Wenn der Täter zur Zeit, da er um die Förderung ansucht, nicht bereit ist, das geförderte Verhalten vorzunehmen, täuscht er die fördernde Stelle und verleitet sie zur Auszahlung; er begeht einen Betrug. Förderungsmissbrauch kann nur vorliegen, wenn der Täter mit besten Vorsätzen um die Förderung ansucht und sich dann erst entschließt, das geförderte Verhalten nicht vorzunehmen. 5 E. Wer Förderungen vor mehr als 3 000 € bzw 50 000 € missbraucht, fällt
unter einen strengeren Strafsatz (Abs 3, 4).
Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung § 153c. (1) Wer als Dienstgeber Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung dem berechtigten Versicherungsträger vorenthält, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (2) Trifft die Pflicht zur Einzahlung der Beiträge eines Dienstnehmers zur Sozialversicherung eine juristische Person oder eine Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit, so ist Abs. 1 auf alle natürlichen Personen anzuwenden, die dem zur Vertretung befugten Organ angehören. Dieses Organ ist berechtigt, die Verantwortung für die Einzahlung dieser Beiträge einzelnen oder mehreren Organmitgliedern aufzuerlegen; ist dies der Fall, findet Abs. 1 nur auf sie Anwendung. (3) Der Täter ist nicht zu bestrafen, wenn er bis zum Schluss der Verhandlung 1. die ausstehenden Beiträge zur Gänze einzahlt oder 2. sich dem berechtigten Sozialversicherungsträger gegenüber vertraglich zur Nachentrichtung der ausstehenden Beiträge binnen einer bestimmten Zeit verpflichtet. (4) Die Strafbarkeit lebt wieder auf, wenn der Täter seine nach Abs. 3 Z 2 eingegangene Verpflichtung nicht einhält. Schrifttum zu §§ 153c–153e: Bartos, Millionenschaden durch Sozialbetrug, SozSi 2006, 119; Derntl, Strafbarkeit gem. § 153c StGB nach Zahlungsanfechtung, ZIK 2007, 9; ders,
284
Betrügerisches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen
§ 153d
Strafbarkeit des Vorenthaltens von Nebenbeträgen gem § 153c StGB und Buchung von ungewidmeten Zahlungen, ÖJZ 2007, 232; ders, § 153c StGB: Täterkreis, Liquiditätsprobleme, Ratenvereinbarungen und Spezialfragen, SozSi 2008, 439; Filzmoser, Gewerberechtliche Aspekte des Sozialbetrugsgesetzes, ecolex 2005, 547; Fuchs, Strafrecht im Wandel, StPG Bd 33 (2005), 5; Huber, Die Nichtanmeldung von Haushaltshilfen weiterhin gerichtlich nicht strafbar! Zweifelsfragen des neuen Sozialbetrugsgesetzes, SWK 2005 W 93, 787, Mayer, Keine Tatbestandsmäßigkeit des § 153c StGB nach Zahlungsanfechtung, ZIK 2007, 44; Reindl, Sozialbetrug aus strafrechtlicher Sicht, RdA 2008, 389; Wonisch, Die gerichtlichen Straftatbestände des Sozialbetrugsgesetzes (SozBeG, BGBl I 2004/152), ZAS 2008, 14.
Der Täter ist Dienstgeber. Er bezahlt einem Dienstnehmer Lohn, unter- 1 lässt es aber vorsätzlich, den Beitrag des Dienstnehmers zur Sozialversicherung in voller Höhe dorthin abzuführen (Abs 1). Der Täter wird straffrei, wenn er bis zum Schluss der Hauptverhandlung die ausstehenden Beiträge nachzahlt oder sich der Sozialversicherung gegenüber zur Nachzahlung in bestimmter Höhe und binnen bestimmter Frist verpflichtet (Abs 3); er wird wieder strafbar, wenn er die Vereinbarung nicht einhält (Abs 4). Das Gesetz lässt hier die tätige Reue – entgegen den sonst geltenden Regeln (s § 167 Rz 13) – bis zum Schluss der Hauptverhandlung zu. Leitende Angestellte können nicht Täter sein (s dagegen § 161 Rz 1f). Aber 2 wenn der Täter eine juristische Person ist, kommen als Täter die Personen in Betracht, die dem vertretungsbefugten Organ angehören, zB der Geschäftsführer einer GmbH (Abs 2). Die juristische Person kann nach dem VbVG strafbar sein.
Betrügerisches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem BauarbeiterUrlaubs- und Abfertigungsgesetz § 153d. (1) Wer als Dienstgeber Beiträge zur Sozialversicherung dem berechtigten Versicherungsträger oder Zuschläge nach dem Bauarbeiter-Urlaubsund Abfertigungsgesetz der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse betrügerisch vorenthält, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Betrügerisch handelt, wer schon die Anmeldung zur Sozialversicherung oder die Meldung bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse mit dem Vorsatz vorgenommen hat, keine ausreichenden Beiträge oder Zuschläge zu leisten. (2) Wer Beiträge oder Zuschläge in einem 50 000 Euro übersteigenden Ausmaß vorenthält, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (3) Nach Abs. 1 und 2 ist gleich einem Dienstgeber zu bestrafen, wer die Tat als leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) einer juristischen Person oder einer Per285
§ 153e
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
sonengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit, oder zwar ohne Einverständnis mit dem Dienstgeber, aber als dessen leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) begeht. 1 A. Der Täter ist Dienstgeber. Er meldet Dienstnehmer bei der Sozialversi-
cherung oder bei der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse schon mit dem Vorsatz an, die Beiträge oder Zuschläge nicht oder nicht in ausreichender Höhe zu bezahlen, und tut das in der Folge wirklich nicht (Abs 1). Bestimmungs- und Beitragstäterschaft sind möglich: Der Täter veranlasst den Geschäftsführer einer Briefkastenfirma – er ist leitender Angestellter (Abs 3) – Arbeitnehmer anzustellen und bei der Sozialversicherung anzumelden, obwohl beide wissen, dass die vermögenslose Briefkastenfirma keine Beiträge zahlen wird; dann „leiht“ der Täter die Arbeiter aus und zahlt ihnen den Nettolohn. Möglich wäre (versuchter) Betrug, falls die Täter schon bei der Anmeldung den Vorsatz haben, die Sozialversicherung werde wirklich zB für Krankenstände der Arbeitnehmer zahlen müssen (vgl § 146 Rz 32). Der OGH dagegen will Betrug von vornherein ausschließen, weil die Übernahme eines Versicherungsrisikos „kein effektiver Verlust an Vermögenssubstanz“ sei (6 Ob 190/04s). So bleibt nur die Anwendung des § 153d. 2 B. Die Unterschiede zu § 153c. Der Kreis der nicht bezahlten Beiträge ist
bei § 153d größer: Es kann sich um Dienstnehmer- oder um Dienstgeberbeiträge zur Sozialversicherung oder um Zuschläge nach dem BauarbeiterUrlaubs- und Abfertigungsgesetz handeln. Der Täter muss schon bei der Anmeldung den Vorsatz haben, die Beiträge nicht (vollständig) zu bezahlen. Die Tat ist qualifiziert, wenn die nicht entrichteten Beiträge oder Zuschläge 50 000 € übersteigen (Abs 2). Und der Täter kann durch tätige Reue nur nach allgemeinen Regeln straffrei werden (§ 167 Abs 1). Neben dem Dienstgeber können auch dessen leitende Angestellte strafbar sein. Wenn der Dienstgeber eine juristische Person ist, kommen sie als Täter in Frage (Abs 3; s § 161 Rz 1f), die juristische Person kann nach dem VbVG strafbar sein.
Organisierte Schwarzarbeit § 153e. (1) Wer gewerbsmäßig 1. Personen zur selbstständigen oder unselbstständigen Erwerbstätigkeit ohne die erforderliche Anmeldung zur Sozialversicherung oder ohne die erforderliche Gewerbeberechtigung anwirbt, vermittelt oder überlässt, 2. eine größere Zahl illegal erwerbstätiger Personen (Z 1) beschäftigt oder mit der selbstständigen Durchführung von Arbeiten beauftragt oder
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Organisierte Schwarzarbeit
§ 153e
3. in einer Verbindung einer größeren Zahl illegal erwerbstätiger Personen (Z 1) führend tätig ist, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (2) Nach Abs. 1 ist auch zu bestrafen, wer eine der dort genannten Handlungen als leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) einer juristischen Person oder einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit begeht.
A. Der Täter nach Z 1 ist Personalbereitsteller. Er „wirbt“ Schwarzarbei- 1 ter an, indem er sie unter Vertrag nimmt; er „vermittelt“ sie, wenn sie von dem Unternehmer oder Kunden entlohnt werden, für den sie letztlich arbeiten; er „überlässt“ sie, wenn er sie entlohnt und der Unternehmer oder Kunde, für den sie letztlich arbeiten, das Arbeitsentgelt an den Täter entrichtet. Schwarzarbeiter sind bei der Sozialversicherung nicht angemeldet oder es fehlt ihnen die nötige Gewerbeberechtigung. Auf die Zahl der vermittelten oder überlassenen Schwarzarbeiter kommt es hier nicht an. Das Anwerben ist zwar eine Vorbereitungshandlung zum späteren Vermitteln und Überlassen der Schwarzarbeiter, aber auch sie macht den Täter strafbar, wenn er das Vermitteln oder Überlassen zur Schwarzarbeit in seinen Vorsatz aufnimmt (idS EBRV SozBeG 10). – Personalbereitstellungsfirmen spielen ua im Bau- und im Reinigungsgewerbe eine große Rolle. B. Der Täter nach Z 2 ist Arbeit- oder Auftraggeber und beschäftigt 2 gleichzeitig eine größere Zahl von Schwarzarbeitern. Eine größere Zahl sind mindestens zehn. Offenbar sollen Bauunternehmer, die typischerweise eine größere Zahl von Schwarzarbeitern beschäftigen, bestraft, und Gastwirte, die typischerweise eine geringere Zahl von Schwarzarbeitern beschäftigen, und erst recht natürlich Private, die sich von Schwarzarbeitern zB ihre Wohnung putzen oder herrichten lassen, von Strafe verschont werden. C. Der Täter nach Z 3 gehört einer Verbindung von wenigstens 3 zehn Schwarzarbeitern an. Er ist dort führend mit dem Vorsatz tätig, die Schwarzarbeit der Verbindungsmitglieder fortzusetzen. Führend ist der Täter tätig, wenn er anderen Weisungen gibt, zB wann und wo gearbeitet werden oder wie hoch der Lohn sein soll. Zu A.–C. In allen Fällen handelt der Täter gewerbsmäßig (s § 130 Rz 3ff): 4 Es kommt ihm darauf an, sich durch die Bereitstellung (Z 1), die Beschäftigung (Z 2) oder die führende Tätigkeit in der Verbindung von Schwarzarbeitern (Z 3) eine laufende Einnahme zu verschaffen.
287
§§ 154, 155
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Geld- und Sachwucher Geldwucher § 154. (1) Wer die Zwangslage, den Leichtsinn, die Unerfahrenheit oder den Mangel an Urteilsvermögen eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine Leistung, die der Befriedigung eines Geldbedürfnisses dient, insbesondere für die Gewährung oder Vermittlung eines Darlehens oder für die Stundung einer Geldforderung oder die Vermittlung einer solchen Stundung einen Vermögensvorteil versprechen oder gewähren lässt, der in auffallendem Missverhältnis zum Wert der eigenen Leistung steht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine solche Forderung, die auf ihn übergegangen ist, wucherisch verwertet. (3) Wer Geldwucher gewerbsmäßig begeht, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (4) Neben der Freiheitsstrafe kann in allen Fällen auf Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen erkannt werden.
Sachwucher § 155. (1) Wer außer den Fällen des § 154 gewerbsmäßig die Zwangslage, den Leichtsinn, die Unerfahrenheit oder den Mangel an Urteilsvermögen eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für eine Ware oder eine andere Leistung einen Vermögensvorteil versprechen oder gewähren lässt, der in auffallendem Missverhältnis zum Wert der eigenen Leistung steht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wenn er jedoch durch die Tat eine größere Zahl von Menschen schwer geschädigt hat, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine solche Forderung, die auf ihn übergegangen ist, gewerbsmäßig wucherisch verwertet. (3) Neben der Freiheitsstrafe kann in allen Fällen auf Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen erkannt werden. Schrifttum: Liebscher, Grundfragen des Wirtschaftsstrafrechts, JBl 1979, 225.
1 A. Geld- und Sachwucher. Geldwucher sind wucherische Geschäfte, die
dem Opfer Geld oder Kredit verschaffen oder ihm die sofortige Bezahlung einer Schuld ersparen sollen. Sachwucher sind wucherische Geschäfte, die dem Opfer zu einer Sache oder Dienstleistung verhelfen sollen (Fabrizy § 155 Rz 2, L/St § 154 Rz 4f, § 155 Rz 2). Geldwucher ist die Gewährung eines Darlehens zu weit überhöhten Zinsen; die Vermittlung eines Darlehens gegen eine weit überhöhte Provision; die Stundung
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Geld- und Sachwucher
§§ 154, 155
einer Forderung gegen übermäßige Erhöhung der Zinsen. Sachwucher ist die Vermietung einer Wohnung gegen eine weit überhöhte Miete an ein Opfer, das eine Wohnung dringend braucht.
B. Gewerbsmäßigkeit. Der Geldwucher ist strafbar, auch wenn der Täter 2 nicht gewerbsmäßig handelt (§ 154 Abs 1, 2); bei gewerbsmäßiger Begehung fällt der Täter unter einen strengeren Strafsatz (§ 154 Abs 3). Der Sachwucher dagegen ist nur strafbar, wenn er gewerbsmäßig betrieben wird (§ 155 Abs 1, 2). C. Wucherisch ist ein Geschäft, wenn zwischen Leistung und Gegenleis- 3 tung ein auffallendes, dh ein Missverhältnis besteht, das jenseits dessen liegt, was im anständigen, redlichen Verkehr noch üblich ist (Fabrizy § 154 Rz 2, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 154 Rz 14). Ortsübliche Preise, Mieten, Zinsen sind nicht wucherisch: Sozialen Missständen kann man mit den §§ 154f nicht abhelfen. Und wenn ortsübliche Preise usw fehlen, kann man ein Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung gar nicht feststellen (vgl ÖJZ-LSK 1996/272). So ist die praktische Bedeutung der §§ 154f sehr gering. D. Ausbeutung. Durch das wucherische Geschäft beutet der Täter eine 4 Zwangslage, den Leichtsinn, die Unerfahrenheit oder den Mangel an Urteilsvermögen des Opfers aus. In einer Zwangslage ist das Opfer, wenn es seiner wirtschaftlichen Bedrängnis nur abhelfen kann, indem es sich in das Wuchergeschäft einlässt (ÖJZ-LSK 1977/296). Unerfahren ist es, wenn es an eine Zwangslage glaubt, die in Wahrheit gar nicht vorliegt; wenn es das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung nicht erkennt oder nicht weiß, dass es das dringend benötigte Darlehen anderswo günstiger bekommen kann (L/St § 154 Rz 11; idS wohl auch ÖJZ-LSK 1977/297). Leichtsinnig oder ohne Urteilsvermögen ist das Opfer, wenn es das Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung zwar erkennt, aber sich davon aus Sorglosigkeit, Gedankenlosigkeit oder Dummheit nicht beeindrucken lässt (ÖJZ-LSK 1978/188; Fabrizy § 154 Rz 3, L/St § 154 Rz 10). E. Die Ausführungshandlung besteht darin, dass der Täter im eigenen 5 Namen oder als Vertreter anderer das wucherische Geschäft abschließt oder abwickelt (§ 154 Abs 1, § 155 Abs 1) oder als Rechtsnachfolger (Zessionar oder Erbe) Forderungen aus dem Wuchergeschäft wucherisch geltend macht (Nachwucher; § 154 Abs 2, § 155 Abs 2).
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§ 156
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Betrügerische Krida § 156.
(1) Wer einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (2) Wer durch die Tat einen 50 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren zu bestrafen.
Schrifttum zu §§ 156–163: Arnold, Strafrechtliche Organhaftung bei Kridadelikten, GesRZ 1973, 58; Auer, Die Ahndung von Verletzung der kaufmännischen Buchführungspflicht durch strafrechtliche Normen, GesRZ 1975, 84, 121; Bertel, Mitschuld an Kridadelikten, RdW 1981, 134; ders, Fahrlässige Krida und freie Wirtschaft, wbl 1995, 60; Breiter, Fahrlässige Krida nach Zahlungsunfähigkeit (1998); Brandstetter, Der „Strohmann-Geschäftsführer“ im Kridastrafrecht, ecolex 1992, 244; ders, Die Fragwürdigkeit der „wirtschaftlichen Betrachtungsweise“ und andere aktuelle Fragen des Wirtschaftsstrafrechts, StPG 26 (1998), 127; Burgstaller, Wirtschaftsstrafrecht in Österreich, JBl 1984, 577; Doralt P., Mitschuld von Gläubigerschutzverbänden an fahrlässiger Krida? RdW 1991, 287; Fuchs, Wirtschaftsordnung durch Strafrecht? in: Steininger-FS (2003), 57; Helmreich, Rückzahlung eines Darlehens als betrügerische Krida? JAP 2004/05, 145; Hochmayr, Betrügerische Krida durch Verschiebung von Schulden zwischen Privat- und Geschäftskonten, ÖJZ 2000, 674; Holeschofsky, Zur Haftung für den fehlgeschlagenen Sanierungsversuch, GesRZ 1987, 37; ders, Zur „deliktstypischen objektiven Sorgfaltspflicht“ des Beitragstäters zur fahrlässigen Krida, RdW 1985, 3; Hollaender, Betrügerische Krida nach § 156 StGB und ihre Reichweite, AnwBl 2007, 289; Honsell, Bankenhaftung bei Unternehmenssanierung, JBl 1987, 146; Kindel/Wengeler, Die strafrechtliche Verantwortung des GmbH-Geschäftsführers bei der Rückzahlung eines Eigenkapital ersetzenden Darlehens, AnwBl 2004, 276; König, Die Anfechtung nach der Konkursordnung (1985); Koren, Die insolvenzrechtliche Problematik bei der Sanierung, ÖGWTZ 1985, 47; Lewisch, Neues vom Wirtschaftsstrafrecht: Quo vadis „Betrügerische Krida“? ÖJZ 1998, 455; ders, Strafrechtliche Beurteilung der Rückzahlung Eigenkapital ersetzender Gesellschafterdarlehen in der Krise, RdW 2000, 584; Liebscher, Die Wirtschaftsdelikte im österreichischen Strafrecht, ZStW 88 (1976), 261; ders, Grundfragen des Wirtschaftsstrafrechts, JBl 1979, 225; ders, Das zweite Antikorruptionsgesetz, JBl 1982, 617; Luschin, Beteiligung an fahrlässiger Krida (1998); Mayerhofer, Das zweite Antikorruptionsgesetz, in: Rechtliche Grenzen der Kreditgewährung (Sondertagung des ÖJT 1983), 17; ders, Keine Mitschuld des Gläubigers an der Krida des Schuldners – ein Beitrag zur Beihilfe am Sonderdelikt, ÖJZ 1989, 238; Novacek, Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Aufsichtsratsmitglieder für fahrlässige Konkursverzögerung, RdW 1992, 166; Olscher, Kridadelikte und Organhaftung nach dem Strafgesetzbuch, GesRZ 1975, 80; Pallin, Erneuerung des Wirtschaftsstrafrechts, Bezauer Tage 1981, 77; ders, Die neuen Bestimmungen gegen Korruption und Vergabemissbrauch, ÖJZ 1982, 337; ders, Die kridastrafrechtliche Beurteilung wirtschaftlich riskanter Entscheidungen in Großbetrieben der verstaatlichten Wirtschaft, ÖJZ 1986, 102; Platzgummer, Unternehmerrisiko und Strafrecht, JBl 1987, 757; Rainer, Strafrechtliche Verfolgung bei Unternehmensinsolvenzen, RZ 1994, 127; Schick, Keine Mitschuld des Gläubigers an der Krida des Schuldners? ÖJZ 1990, 205; ders, Die wirtschaftliche Betrachtung im Wirtschaftsstrafrecht am Beispiel des § 159 StGB, in: Pallin-FS (1989), 355;
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Betrügerische Krida
§ 156
ders, Strafrechtliche Risken der Sanierung in: Jelinek (Hrsg), Insolvenz- und Wirtschaftsstrafrecht (1987), 117; ders, Strafrechtliche Probleme der Bau-Arge, in: Krejci (Hrsg), Das Recht der Arbeitsgemeinschaften in der Bauwirtschaft (1979), 351; Schmoll, Handbuch der Kreditüberwachung (1990); Schumacher, Konkursverschleppung und Gesellschafterhaftung, RdW 1987, 394; Seicht, Der Inhalt der Begriffe „Zahlungsunfähigkeit“ und „Überschuldung“, GesRZ 1990, 179; Steininger H., Strafrechtliche Verhaltenspflichten im Zusammenhang mit Insolvenzen, in: Jelinek (Hrsg), Insolvenz- und Wirtschaftsstrafrecht (1987), 95; ders, Typische Erscheinungsformen der Wirtschaftskriminalität und ihre Bekämpfung, ÖJZ 1982, 589; ders, Privatkonkurs und fahrlässige Krida nach § 159 Abs 1 Z 2 öStGB, in: Triffterer-FS (1996), 391; Schick, Die „fahrlässige Krida“ (§ 159 StGB alt) – eine gefährliche Drohung oder ein Mittel des Krisenmanagements? in: Krejci-FS (2001), 1865; Strigl, Kridahaftung des Geschäftsführers wegen Uneinbringlichkeit von Gewährleistungsforderungen gegen die insolvente GmbH, wbl 1989, 203; Tschulik, Die Kridadelikte des StGB, LJZ 1991, 34; Winalek, Verstaatlichte Unternehmungen – eine kridastrafrechtliche Betrachtung, RZ 1987, 54; ders, Ein Fall von Wirtschaftskriminalität, RZ 1983, 236. – S auch das Schrifttum zu § 159.
1. Der Täter Die betrügerische Krida ist ein Sonderdelikt: Der unmittelbare Täter ist 1 Schuldner wenigstens zweier Gläubiger oder ein leitender Angestellter des Schuldners, zB Prokurist oder Geschäftsführer (s § 161). Dass der Schuldner zahlungsunfähig ist oder von den Gläubigern schon bedrängt wird, ist nicht notwendig. Der Täter hat ein fremdes Unternehmen heruntergewirtschaftet. Die Gesellschaftsgläubiger werden Schadenersatz von ihm fordern. So ist auch der Täter ein Schuldner mehrerer Gläubiger und macht sich nach § 156 strafbar, wenn er eine Liegenschaft seiner Frau schenkt (vgl Rz 6; EvBl 1986/130).
2. Die Ausführungshandlung Die betrügerische Krida kann durch jede Handlung begangen werden, die 2 das Vermögen des Schuldners, das den Gläubigern zur Verfügung steht, wirklich oder scheinbar mindert. Solche Handlungen sind: A. Das Verheimlichen oder Beiseiteschaffen von Vermögensbestandtei- 3 len. Der Täter schafft sie beiseite, wenn er dafür sorgt, dass sie nicht gepfändet werden können; er verheimlicht sie, wenn er dafür sorgt, dass sie den Gläubigern – nach Konkurseröffnung dem Masseverwalter – unbekannt bleiben oder doch nicht als Bestandteil seines Vermögens erkannt werden. Der Täter verheimlicht Einkünfte, indem er Firmenkunden anweist, Zahlungen nicht auf das Geschäftskonto, sondern auf sein privates, anonymes Sparkonto zu
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§ 156
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
leisten (15 Os 150/07h). Häufig gehen Verheimlichen und Beiseiteschaffen Hand in Hand: Der Täter schafft aus seinem Geschäft Waren weg und verschleiert das durch unrichtige Eintragungen in die Geschäftsbücher (SSt 48/47). Wenn er nach Konkurseröffnung dem Masseverwalter Vermögensbestandteile – zB Einkünfte, die er während des Konkurses erzielt – verschweigt, verheimlicht er sie durch Unterlassen (SSt 48/47). 4 Vermögensbestandteile sind alle Sachen und Rechte, welche die Gläubiger
– jetzt oder in absehbarer Zeit – in einem Exekutionsverfahren verwerten können (Fabrizy § 156 Rz 3, L/St § 156 Rz 6f, Liebscher WK § 156 Rz 11, Rainer SbgK § 156 Rz 25). 5 Sachen, die nach § 250 EO nicht gepfändet werden dürfen (EvBl 1984/66),
und rechtlich begründete Aussichten, auf welche die Gläubiger nicht Exekution führen können – zB die Aussicht, von der Straßenverwaltung ein Ergänzungsgrundstück kaufen zu können (SSt 56/87) –, gehören nicht zum Vermögen des Schuldners. An ihnen kann eine betrügerische Krida nicht begangen werden. Ein Baumeister übernimmt während des Konkurses Aufträge und verschweigt dem Masseverwalter die dabei erzielten Einkünfte. Er verheimlicht die Einkünfte nur, wenn sie den ordentlichen Unterhalt für ihn und seine Familie übersteigen. Diesen Unterhalt hätte ihm ja auch der Masseverwalter überlassen müssen (SSt 47/47; L/St § 156 Rz 8). 6 B. Die Veräußerung von Vermögensbestandteilen unter ihrem Wert
oder an zahlungsunfähige Personen. Der Täter verkauft und übergibt am Tag vor der Konkursanmeldung zwei Pkw an seinen Sohn. Er macht sich nach § 156 strafbar, wenn der vereinbarte Preis unter dem Wert der Autos liegt oder wenn der Sohn den Kaufpreis nicht bezahlen kann (SSt 55/44). 7 C. Das Beschädigen von Vermögensbestandteilen. Der Täter zerstört
oder beschädigt Sachen, die ihm gehören. D. Das Vorschützen oder Anerkennen einer nicht bestehenden Verbindlichkeit. Der Schuldner nennt in seinem Vermögensverzeichnis als Gläubiger einen Komplizen, dem er in Wahrheit nichts schuldig ist; oder er lässt sich von einem Komplizen klagen und ein Versäumungsurteil gegen sich ergehen (Zagler BT § 156 Rz 12).
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Betrügerische Krida
§ 156
E. Andere Fälle wirklicher oder scheinbarer Vermögensverminderung. Der Schuldner vermietet eine ihm gehörende oder ihm als Hauptmieter zustehende Sache gegen einen viel zu geringen Mietzins (EvBl 1982/157); er verzichtet auf Rechte; er zahlt aus den Mitteln einer GmbH Schulden einer anderen (15 Os 13, 14/00) oder lässt Kunden einer GmbH Rechnungen auf das Konto einer anderen GmbH einzahlen (15 Os 35, 36/00). Der Täter räumt an einer Liegenschaft, die ihm gehört, seinem Sohn ein Veräußerungs- und Belastungsverbot ein. Auch so wird die Summe der Vermögensbestandteile, die den Gläubigern zur Verfügung stehen, vermindert und das Tatbild des § 156 verwirklicht (JBl 2003, 952; aM Fuchs Steininger-FS 65). Die Gläubiger können das Geschäft zwar anfechten – aber das können sie auch bei Schenkungen und Verkäufen zu Schleuderpreisen, die ohne Zweifel von § 156 erfasst werden. Der Gesellschafter einer OHG entnimmt der Gesellschaft hohe Summen; das ist keine Vermögensverminderung (EvBl 2001/215), wenn der Täter dafür andere Sachen kauft, auf welche die Gläubiger greifen können. Der geschäftsführende Gesellschafter einer zahlungsunfähigen GmbH überweist Gelder, die er der GmbH als Darlehen gegeben hat, vom Gesellschaftsauf sein Privatkonto. Zivilrechtlich werden solche Darlehen in dieser Situation als Eigenkapital der Gesellschaft behandelt. Die Überweisung vermindert dieses Kapital und damit das Vermögen, das den Gläubigern zur Verfügung steht: Der Täter ist nach § 156 strafbar (JBl 2003, 592 mit Anm Köck, Brandstetter StPG 26, 141, Fuchs Steininger-FS 64; aM Kindel/Wengeler AnwBl 2004, 276, Lewisch BT I 273) – Sonst ist das Zahlen von Schulden keine Vermögensverminderung: Die Verminderung der Aktiven wird durch die Verminderung der Passiven ausgeglichen.
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Wer seine Schulden, zB Unterhaltsschulden (14 Os 22/08d), bezahlt (vgl § 157 Rz 1); wer es aus Faulheit oder Bosheit unterlässt, Einkünfte zu erzielen (SSt 47/47); wer auf Rechte verzichtet, auf welche die Gläubiger nicht Exekution führen können (Rz 5), vermindert sein Vermögen nicht und begeht darum keine betrügerische Krida.
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3. Die Schädigung wenigstens eines Gläubigers Die wirkliche oder scheinbare Vermögensverminderung muss dazu führen, 10 dass die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers vereitelt oder geschmälert wird. Damit ist das Delikt vollendet. Die Befriedigung wenigstens eines Gläubigers wird zumindest geschmä- 11 lert, wenn der Täter zur Tatzeit schon zahlungsunfähig ist oder es infolge der Vermögensverminderung wird (Lewisch ÖJZ 1998, 459). Solange der Täter seine fälligen Schulden zahlt, ist die Befriedigung der Gläubiger nicht beeinträchtigt. Ob der Täter sein Vermögen wirklich oder zum Schein ver293
§ 157
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
mindert, kann dabei keinen Unterschied machen (aM L/St § 156 Rz 16, Rainer SbgK § 156 Rz 41). Der Täter, Geschäftsführer einer zahlungsunfähigen GmbH, verhindert jahrelang die Verwertung einer Liegenschaft, indem er behauptet, er habe sie von der Gesellschaft gemietet. Mit dieser scheinbaren Vermögensverminderung steht zwangsläufig fest, dass die Gläubiger „effektiv einen Befriedigungsausfall erleiden“ (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 156 Rz 19). § 156 ist also vollendet (aM 15 Os 120/05v). Wenn es wider Erwarten doch einmal gelingen sollte, das Grundstück zu verkaufen und den Erlös den Gläubigern zuzuwenden, wäre das eine nachträgliche Schadensgutmachung.
4. Der Vorsatz des Täters 12 Der Vorsatz des Täters muss auf die wirkliche oder scheinbare Vermögens-
verminderung (Rz 3ff) und auf die Schädigung der Gläubiger (Rz 11) gerichtet sein. Dass sich der Täter bereichern will, ist nicht notwendig. 5. Qualifikationen 13 Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn die Gläubiger einen
Ausfall von mehr als 50 000 € erleiden (15 Os 38/08i). Der OGH (15 Os 120/05v) will offenbar auf die Differenz der Werte im Vermögen des Gemeinschuldners vor und nach der (scheinbaren) Vermögensverminderung abstellen: in dem Beispiel in Rz 11 auf die Differenz im Verkehrswert der Liegenschaft unvermietet und vermietet. Da sie vermietet unverkäuflich war – selbst eine Versteigerung war erfolglos geblieben – hätte man den Schaden mit dem gesamten Wert der Liegenschaft ansetzen müssen.
6. Abgrenzung 14 Zur Abgrenzung von der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläu-
bigerinteressen s § 159 Rz 13, von der Vollstreckungsvereitelung s § 162 Rz 3f.
Schädigung fremder Gläubiger § 157. Ebenso ist zu bestrafen, wer ohne Einverständnis mit dem Schuldner einen Bestandteil des Vermögens des Schuldners verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt oder ein nicht bestehendes Recht gegen das Vermö-
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Begünstigung eines Gläubigers
§ 158
gen des Schuldners geltend macht und dadurch die Befriedigung der Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen vereitelt oder schmälert.
A. § 157 unterscheidet sich von § 156 dadurch, dass der Täter des § 157 1 nicht im Einverständnis mit dem Schuldner mehrerer Gläubiger handelt. Im Übrigen stimmen beide Tatbilder weitgehend überein. Die Frau des Schuldners schafft angesichts des drohenden Konkurses im Einverständnis mit ihrem Mann einen wertvollen Teppich beiseite: Beide begehen gemeinsam eine betrügerische Krida. Die Frau schafft den Teppich ohne Wissen des Schuldners beiseite; sie ist nach § 157 strafbar. Wenn sie den Teppich verkauft und mit dem Erlös eine Schuld ihres Mannes, zB den Schwiegereltern gegenüber, bezahlt, vermindert sie sein Vermögen nicht und bleibt straffrei (s § 156 Rz 8).
B. Konkurrenz. Wer zum Nachteil des Schuldners eine Sachbeschädi- 2 gung, einen Diebstahl, eine Veruntreuung usw begeht, kann daneben nicht auch nach § 157 bestraft werden (Zagler BT § 157 Rz 10; aM Kirchbacher/ Presslauer WK2 § 157 Rz 6, L/St § 157 Rz 12). Dass Vermögensdelikte zum Nachteil des Schuldners auch das Vermögen schmälern, das den Gläubigern zur Verfügung steht, versteht sich von selbst.
Begünstigung eines Gläubigers § 158. (1) Wer nach Eintritt seiner Zahlungsunfähigkeit einen Gläubiger begünstigt und dadurch die anderen Gläubiger oder wenigstens einen von ihnen benachteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (2) Der Gläubiger, der den Schuldner zur Sicherstellung oder Zahlung einer ihm zustehenden Forderung verleitet oder die Sicherstellung oder Zahlung annimmt, ist nach Abs. 1 nicht zu bestrafen.
A. Der Täter. Der unmittelbare Täter ist entweder Schuldner wenigstens 1 zweier Gläubiger und zahlungsunfähig oder leitender Angestellter eines solchen Schuldners (§ 161 Rz 1f). Zur Zahlungsunfähigkeit s § 159 Rz 7f. Die Frau, die ohne Wissen ihres zahlungsunfähigen Mannes dessen letztes Geld zusammenrafft und damit eine Schuld des Mannes an ihre Eltern bezahlt, macht sich auch nach § 158 nicht strafbar (vgl § 157 Rz 1).
B. Die Ausführungshandlung. Der Täter begeht das Delikt, indem er 2 einen Gläubiger begünstigt. Er begünstigt ihn, wenn er dessen Forderungen in einem Maß befriedigt oder – zB durch ein Pfand oder eine Hypo295
§ 158
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
thek – sicherstellt, das die Quote übersteigt, die der Gläubiger in einem Konkursverfahren erhielte (Kienapfel II § 158 Rz 3f). Die Befriedigung eines Gläubigers, dessen Forderung nur vorgetäuscht ist, mindert das Vermögen des Schuldners und ist daher eine betrügerische Krida (§ 156 Rz 7). Ein Geschäftsmann schenkt seiner Frau trotz Konkurseröffnung die gesamte Geschäftseinrichtung, „um sie für ihre langjährige Mitarbeit zu entschädigen“. Wenn die Frau wirklich Forderungen in dieser Höhe an ihren Mann hat oder wenn die beiden das wenigstens glauben, begeht der Mann das Vergehen nach § 158 Abs 1, die Frau bleibt straffrei (Abs 2). Wenn die Frau nichts oder weniger zu fordern hat und die beiden das ernsthaft für möglich halten und sich damit abfinden, begehen sie eine betrügerische Krida (§ 156 Rz 3, 7). 3 Die Befriedigung eines Gläubigers, der auch im Konkurs voll befriedigt
würde, ist nicht strafbar. Ein Unternehmer im Konkurs kassiert hinter dem Rücken des Masseverwalters Forderungen ein: 4 600 € verwendet er, um für die Durchführung eines Auftrags einen Bagger anzumieten, Löhne zu zahlen und für Reparaturen an Betriebsfahrzeugen; 930 € zahlt er an andere Gläubiger. Die 4 600 € werden für Masseforderungen ausgegeben, die auch der Masseverwalter bezahlen müsste; insoweit werden Gläubiger weder begünstigt noch benachteiligt. Nur durch die Zahlung der 930 € kann sich der Täter nach § 158 strafbar machen (SSt 34/28). 4 C. Die Schädigung wenigstens eines Gläubigers. Da der Täter zahlungs-
unfähig ist, beeinträchtigt die Begünstigung eines Gläubigers idR die Befriedigung der anderen, und damit ist das Delikt vollendet. Ein Gläubiger will dem außergerichtlichen Ausgleich nicht zustimmen. Der Täter befriedigt ihn zur Gänze mit Geldern, die er von Angehörigen unter der Bedingung erhalten hat, dass ein Ausgleich zustande komme. Hier begünstigt der Täter den einen Gläubiger, ohne die anderen zu schädigen (Rainer SbgK § 158 Rz 16, Zagler BT § 158, 161 Rz 6). 5 D. Der Vorsatz. Der Täter muss das Vorliegen der Zahlungsunfähigkeit,
die Begünstigung des einen und die Schädigung des anderen Gläubigers in seinen Vorsatz aufnehmen. Der zahlungsunfähige Schuldner, der einen Gläubiger voll befriedigt, weil er seine Zahlungsunfähigkeit für eine bloße Zahlungsstockung hält, ist nach § 158 nicht strafbar (s § 159 Rz 7f).
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Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen
§ 159
E. Ein Strafausschließungsgrund. Der Gläubiger, seine leitenden Ange- 6 stellten (Rainer SbgK § 158 Rz 21) und Vertreter, die einen zahlungsunfähigen Schuldner drängen, mehr als die Quote zu bezahlen, machen sich nach § 158 nicht strafbar (§ 158 Abs 2). So können Gläubiger durch Drohung mit dem Konkursantrag den Schuldner zwingen, sie voll zu befriedigen. Praktisch wirkt sich das vor allem zugunsten der Großgläubiger aus. Der Gläubiger dagegen, der nach Konkurseröffnung den Masseverwalter durch Täuschung zu einer Zahlung verleitet, um keinen Ausfall zu erleiden, begeht einen Betrug (EvBl 2004/133).
Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen § 159. (1) Wer grob fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit dadurch herbeiführt, dass er kridaträchtig handelt (Abs. 5), ist mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer in Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis seiner Zahlungsunfähigkeit grob fahrlässig die Befriedigung wenigstens eines seiner Gläubiger dadurch vereitelt oder schmälert, dass er nach Abs. 5 kridaträchtig handelt. (3) Ebenso ist zu bestrafen, wer grob fahrlässig seine wirtschaftliche Lage durch kridaträchtiges Handeln (Abs. 5) derart beeinträchtigt, dass Zahlungsunfähigkeit eingetreten wäre, wenn nicht von einer oder mehreren Gebietskörperschaften ohne Verpflichtung hiezu unmittelbar oder mittelbar Zuwendungen erbracht, vergleichbare Maßnahmen getroffen oder Zuwendungen oder vergleichbare Maßnahmen anderer veranlasst worden wären. (4) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren ist zu bestrafen, wer 1. im Fall des Abs. 1 einen 800 000 Euro übersteigenden Befriedigungsausfall seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen bewirkt, 2. im Fall des Abs. 2 einen 800 000 Euro übersteigenden zusätzlichen Befriedigungsausfall seiner Gläubiger oder wenigstens eines von ihnen bewirkt oder 3. durch eine der in den Abs. 1 oder 2 mit Strafe bedrohten Handlungen die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen schädigt oder im Fall des Abs. 3 geschädigt hätte. (5) Kridaträchtig handelt, wer entgegen Grundsätzen ordentlichen Wirtschaftens 1. einen bedeutenden Bestandteil seines Vermögens zerstört, beschädigt, unbrauchbar macht, verschleudert oder verschenkt, 2. durch ein außergewöhnlich gewagtes Geschäft, das nicht zu seinem gewöhnlichen Wirtschaftsbetrieb gehört, durch Spiel oder Wette übermäßig hohe Beträge ausgibt, 297
§ 159
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
3. übermäßigen, mit seinen Vermögensverhältnissen oder seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch stehenden Aufwand treibt, 4. Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeichnungen zu führen unterlässt oder so führt, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird, oder sonstige geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen, die ihm einen solchen Überblick verschaffen, unterlässt oder 5. Jahresabschlüsse, zu deren Erstellung er verpflichtet ist, zu erstellen unterlässt oder auf eine solche Weise oder so spät erstellt, dass ein zeitnaher Überblick über seine wahre Vermögens-, Finanz- und Ertragslage erheblich erschwert wird. Schrifttum zu § 159: Brandstetter, Aktuelle Fragen des Insolvenzstrafrechts, StPG 29 (2001), 77; ders, Die Reichweite der Kridatatbestände nach der Reform des § 159 StGB in: Fuchs/Keppert (Hrsg), Grundfragen des Kridastrafrechts (2001), 35; Braun, Zahlungsunfähigkeit im Strafrecht – Auswirkungen der Kridareform, ecolex 2001, 381; Breiter, Die grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, AnwBl 2000, 658; Dannecker, Insolvenzstrafrecht – notwendiger Gläubigerschutz oder Wirtschaftshemmnis? in: Fuchs/Keppert (Hrsg), Grundfragen des Kridastrafrechts (2001), 73; Dellinger, Zahlungsunfähigkeit und kridaträchtige Verhaltensweisen in: Fuchs/Keppert (Hrsg), Grundfragen des Kridastrafrechts (2001), 49; Flora, § 159 StGB – Die grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, ecolex 2001, 176; dies, § 159 StGB – Reform des Kridastrafrechts in Österreich, Rivista trimestrale di diritto penale dell’ economia 2001, 34; Keppert, Die (vorläufige) Reform des Kridastrafrechts aus der Sicht des Buchsachverständigen, SWK 2001, W57; Koppensteiner, Zur Haftung der Gesellschafter bei Zahlungsunfähigkeit der GmbH, JBl 2006, 681; Lendl, Die Reform der „fahrlässigen Krida“ – eine erste Analyse, RZ 2001, 30; Medigovic, Das neue Delikt der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen gemäß § 159 StGB, ÖJZ 2003, 161; dies, Nach der Reform: Was bleibt von der fahrlässigen Krida? StPG 31 (2003), 311; Rosbaud/Manquet, Die „fahrlässige Krida“ geht – was bleibt? Zur Reform des § 159 StGB, wbl 2001, 97; Schick, Die „fahrlässige Krida“ (§ 159 StGB alt) – eine gefährliche Drohung oder ein Mittel des Krisenmanagements? in: Krejci-FS (2001), 1865; Siart, Die Feststellung der Zahlungs(un)fähigkeit im Hinblick auf § 159 StGB „NEU“, taxlex 2006, 459; Wegscheider, „Fahrlässige Krida“ neu! JBl 2001, 287. – S auch das Schrifttum zu §§ 156–163.
1 § 159 bestraft die Vornahme kridaträchtiger Handlungen (Abs 5), wenn der
Täter dadurch grob fahrlässig seine Zahlungsunfähigkeit (Abs 1) oder Sanierungsbedürftigkeit (Abs 3) herbeiführt oder wenn er – schon zahlungsunfähig geworden – grob fahrlässig die Befriedigung eines Gläubigers beeinträchtigt (Abs 2). 1. Die kridaträchtige Handlung (Abs 5) 2 Kridaträchtig handelt der Täter in den folgenden Fällen:
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Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen
§ 159
A. Der Täter zerstört, beschädigt, macht unbrauchbar, verschleudert oder verschenkt einen bedeutenden Bestandteil seines Vermögens. Verschleudern ist ein Verkauf weit unter dem Wert. Billigverkaufsaktionen können ein Verschleudern sein (EvBl 2002/152), das aber nur, wenn die Summe der Nachlässe einen bedeutenden Teil des Schuldnervermögens ausmacht.
B. Der Täter gibt für ein außerordentlich gewagtes Geschäft, das nicht 3 zu seinem ordentlichen Geschäftsbetrieb gehört, für Spiel und Wette übermäßig hohe Beträge aus. Das Geschäft muss für das Unternehmen des Täters ganz und gar untypisch und es muss – unabhängig vom Eigenkapital (Medigovic ÖJZ 2003, 170; s Rz 4) – außerordentlich riskant sein. Die dafür aufgewendeten Mittel müssen weit über das hinausgehen, was sich der Täter leisten kann. Andere wollen schon „gesteigert risikoreiche“ Tätigkeiten genügen lassen (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 159 Rz 28f). Bauaufträge sind für Bauunternehmen typisch; anders wenn sich ein mittelgroßes Bauunternehmen in Österreich auf Großprojekte in Übersee einlässt. Das Risiko hängt vom Vertragspartner und von den Verhältnissen am Bauort ab.
C. Der Täter treibt übermäßigen Aufwand, der mit seinen Vermögens- 4 verhältnissen oder seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit in auffallendem Widerspruch steht. Der Aufwand kann ein persönlicher oder ein geschäftlicher sein (14 Os 143/04). Aber geschäftlichen Aufwand „treibt“ der Täter nur, wenn der Aufwand wirtschaftlich sinnlos ist und nur dem Geltungsbedürfnis des Täters dient (idS Medigovic ÖJZ 2003, 171). Und der Aufwand muss weit über das hinaus gehen, was sich der Täter leisten kann. Die Gründung oder Fortführung eines Unternehmens mit zu geringem Eigenkapital, die Aufnahme zu hoher oder zu teurer Kredite, hat der Gesetzgeber in den Katalog der kridaträchtigen Handlungen bewusst nicht aufgenommen (EBRV 92 BlgNR 21. GP 11). Auch Fehlinvestitionen für Projekte noch im Rahmen des ordentlichen Geschäftsbetriebes, Ausgaben für eine Produktion auf Grund fehlerhafter Kalkulationen (Dellinger in Grundfragen des Kridastrafrechts 56f; s dort auch Brandstetter 41, Dannecker 89, Flora ecolex 2001, 177), Finanzierungskosten (EvBl 2004/16) sind kein „Treiben“ übermäßigen Aufwandes. In anderen E dagegen findet der OGH an Verurteilungen, die „zu hohe Fremdfinanzierungs-, Personal- und Materialkosten“ ohne weitere Unterscheidungen als Treiben übermäßigen Aufwandes ansehen, nichts auszusetzen (14 Os 143/04; Kirchbacher/Presslauer WK2 § 159 Rz 14, 50); den Intentionen des Gesetzes (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 159 Rz 4) entspricht das nicht.
299
§ 159
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Wenn das Unternehmen in eine Krise gerät, muss der Täter Entnahmen für persönliche Zwecke auf das „zur allereinfachsten Lebensführung“ (EvBl 2002/ 152; Kirchbacher/Presslauer WK2 § 159 Rz 50) Nötige beschränken. 5 D. Der Täter unterlässt es, Geschäftsbücher oder geschäftliche Aufzeich-
nungen zu führen, oder unterlässt andere notwendige Kontrollmaßnahmen, um sich einen Überblick über seine Vermögensverhältnisse zu verschaffen. 6 E. Der Täter unterlässt es entgegen einer gesetzlichen Verpflichtung, recht-
zeitig einen Jahresabschluss zu erstellen, und erschwert sich dadurch den Überblick über seine Vermögenslage (§ 193 Abs 2 UGB). Der Täter, Geschäftsführer einer GmbH, begnügt sich, einen ungetreuen Mitarbeiter zu ermahnen, missbräuchlich abgehobene Geldbeträge zurückzuzahlen; er verschleudert sie nicht (aM EvBl 2004/8), er unterlässt auch nicht etwa „geeignete und erforderliche Kontrollmaßnahmen“ (aM EvBl 2004/8), sondern etwas ganz anderes (Felnhofer-Luksch Anm zu JBl 2005, 473), zB dem Mitarbeiter die Bankvollmacht zu entziehen und eine Zivilklage einzubringen.
2. Die Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit (Abs 1) 7 Im Fall des Abs 1 führt der Täter durch die kridaträchtige Handlung seine
Zahlungsunfähigkeit herbei. Zahlungsunfähig ist der Schuldner, wenn er die fälligen (Geld-)Schulden innerhalb angemessener Zeit und bei redlicher Geschäftsführung nicht bezahlen kann (JBl 1991, 465). Die Zahlungsunfähigkeit zeigt sich regelmäßig im wirtschaftlichen Zusammenbruch: Der Schuldner kann viele, auch elementare Schulden, zB die Löhne seiner Mitarbeiter, die Miete für sein Geschäftslokal, nicht bezahlen. 8 Wenn der Schuldner einzelne, vielleicht bedeutende Schulden bloß vorüber-
gehend nicht bezahlen kann, spricht man von einer Zahlungsstockung. Der Schuldner kann versuchen Kredite aufzutreiben, diesen oder andere Gläubiger einstweilen etwas warten lassen. Aber wenn die Aussichten, alle fälligen Schulden innerhalb angemessener Zeit zu bezahlen, schwinden, geht die Zahlungsstockung in die Zahlungsunfähigkeit über. 9 Eine schwere Krise, die dem Schuldner wenig Aussicht auf wirtschaftliches
Überleben lässt, macht ihn noch nicht zahlungsunfähig, solange er von seiner Hausbank Kredit erhält, also fällige Schulden noch bezahlen oder die Gläubiger – ohne sie zu täuschen (JBl 1991, 465) – zur Stundung bewegen kann. Noch nicht fällige Schulden bleiben bei Beurteilung der Zahlungsun300
Grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen
§ 159
fähigkeit außer Betracht (idS Fabrizy § 159 Rz 4, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 159 Rz 60, L/St § 159 Rz 20f, Rainer SbgK § 159 Rz 29, Platzgummer JBl 1987, 758). Mit Überschuldung hat die Zahlungsunfähigkeit nichts zu tun (JBl 2007, 10 333). Viele Unternehmer sind hoch verschuldet und haben Erfolg. Umgekehrt kann ein Schuldner ausnahmsweise trotz einer aktiven Vermögensbilanz zahlungsunfähig sein (EvBl 1978/42), wenn einzelne seiner Aktiven nur schwer verwertbar sind (vgl Zagler BT § 159 Rz 7). Wenn der Täter zahlungsunfähig wird, bleibt er idR auch der Sozialversi- 11 cherung die Dienstnehmerbeiträge schuldig. Dann wird er, auch wenn ihm weder eine kridaträchtige Handlung noch grobe Fahrlässigkeit an der Zahlungsunfähigkeit vorzuwerfen ist, regelmäßig nach § 153c verurteilt. Das ist sehr unbefriedigend (Brandstetter StPG 29, 91ff). 3. Die Herbeiführung der Sanierungsbedürftigkeit (Abs 3) Im Fall des – praktisch wenig bedeutsamen – Abs 3 führt der Täter durch 12 eine kridaträchtige Handlung eine wirtschaftliche Krise herbei, die so schwer ist, dass seine Zahlungsunfähigkeit unmittelbar bevorstünde, wenn nicht eine Gebietskörperschaft dem Täter freiwillig hülfe und die Zahlungsunfähigkeit, zB durch eine Haftungsübernahme, abwendete. Dass eine Gebietskörperschaft ein Unternehmen aus sozialen oder politischen Gründen erhalten will, soll dem Täter, der es heruntergewirtschaftet hat, nicht zugute kommen. 4. Die Herbeiführung der Gläubigerschädigung (Abs 2) Im Fall des Abs 2 ist der Täter bereits zahlungsunfähig und schädigt durch 13 eine kridaträchtige Handlung wenigstens einen Gläubiger, zB indem er durch übermäßigen Aufwand (Abs 5 Z 3) den Gesamtstand der Masse, die den Gläubigern zur Verfügung steht, weiter vermindert; oder indem er die Übersicht über seine Situation verliert (Abs 5 Z 4, 5) und deshalb einzelnen Gläubigern mehr auszahlt, als er ihnen zahlen dürfte, oder weitere Geschäfte zum Nachteil neuer Geschäftspartner abschließt. Der zahlungsunfähige Täter verkauft sein Auto weit unter seinem Wert an seinen Sohn: Wenn der Täter seine Zahlungsunfähigkeit kennt, ist er nach § 156 Abs 1; wenn er sie kennen sollte, nach § 159 Abs 2, Abs 5 Z 1 strafbar. Der Schuldner führt nur schlampige Aufzeichnungen, er verliert den Überblick, hält seine Zahlungsunfähigkeit bloß für eine Zahlungsstockung und zahlt
301
§ 159
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
einen Gläubiger voll aus; oder er kauft weiter Waren auf Kredit und kann sie nicht bezahlen: Der Täter ist nach § 159 Abs 2, Abs 5 Z 4 strafbar. Wenn der Täter von seiner Zahlungsunfähigkeit gewusst hätte, hätte er den Gläubiger vorsätzlich begünstigt (§ 158 Abs 1) oder den Verkäufer der Waren betrogen (§ 146; s dort Rz 6).
5. Vorsatz und Fahrlässigkeit 14 A. Die kridaträchtige Handlung kann der Täter vorsätzlich oder fahr-
lässig vornehmen (Medigovic ÖJZ 2003, 166f, Zagler BT § 159 Rz 24; aM Wegscheider JBl 2001, 289). 15 B. Im Abs 2 kennt der Täter seine Zahlungsunfähigkeit oder könnte sie
bei gehöriger Sorgfalt erkennen. Insofern genügt Fahrlässigkeit. 16 C. Die Zahlungsunfähigkeit (Abs 1), Gläubigerschädigung (Abs 2) oder
Sanierungsbedürftigkeit (Abs 3) muss der Täter mit grober Fahrlässigkeit herbeiführen. Um überhaupt fahrlässig zu handeln, muss der Täter ein Verhalten setzen, das von dem eines ordentlichen Unternehmers abweicht: Aber auch der Risikozusammenhang und die Risikoerhöhung gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten (s § 80 Rz 16) dürfen nicht vernachlässigt werden. Der Täter entnimmt seinem Geschäft, das keinen Ertrag abwirft, mehr als zur allerbescheidensten Lebensführung notwendig ist (s Rz 4). Aber nach Abs 1 strafbar kann der Täter, wenn er schließlich zahlungsunfähig wird, nur sein, wenn die Entnahmen die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit deutlich vergrößert haben. 17 Grob fahrlässig handelt der Täter, wenn die Zahlungsunfähigkeit, Sanie-
rungsbedürftigkeit oder Gläubigerschädigung als Folge der kridaträchtigen Handlung mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (ein Unrechtselement); und wenn der Täter die Wahrscheinlichkeit eines dieser Erfolge leicht erkennen und sich leicht richtig verhalten kann (ein Schuldelement). Nicht alles, was der Sachverständige hinterher als unrichtig beanstandet, war zur Tatzeit leicht erkennbar. Dass der Täter, wenn hohe Schäden möglich sind, besonders vorsichtig sein muss, ist nur beschränkt richtig: Auch der Großunternehmer muss Risiken eingehen können. Dass der eingetretene Schaden groß ist, bedeutet nicht, dass ihn der Täter grob fahrlässig herbeigeführt hat (zu all dem Medigovic ÖJZ 2003, 163ff).
302
Umtriebe während einer Geschäftsaufsicht
§ 160
6. Beteiligung An der grob fahrlässigen Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen durch 18 den Schuldner nach § 159 Abs 1–4 machen sich nur Personen mitschuldig, die selbst verpflichtet sind, sich um die Vermögensverhältnisse des Schuldners zu kümmern und für die gleichmäßige Befriedigung der Gläubiger zu sorgen (JBl 1991, 465; Burgstaller WK2 § 6 Rz 122, Kienapfel II § 159 Rz 31). Das wird regelmäßig nur auf Personen zutreffen, die maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftsführung des Schuldners haben. Da die Rsp alle Personen mit maßgeblichem Einfluss auf die Geschäftsführung als leitende „Angestellte“ des Schuldners und damit als Täter des § 159 ansieht (s § 161 Rz 2), bleibt in der Praxis für eine Beteiligung nicht viel Raum. 7. Qualifikationen (Abs 4) Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn die Zahlungsunfähig- 19 keit (Abs 1) oder die Gläubigerschädigung (Abs 2), die er durch die kridaträchtige Handlung herbeiführt, einen Ausfall von mehr als 800 000 € mit sich bringt. Und der Täter nach Abs 1, 2 oder 3 fällt unter einen strengeren Strafsatz, wenn die Tat die wirtschaftliche Existenz vieler Menschen schädigt oder ohne Hilfe der Gebietskörperschaft (Abs 3) geschädigt hätte.
Umtriebe während einer Geschäftsaufsicht, im Ausgleichsverfahren oder im Konkursverfahren § 160. (1) Mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr ist zu bestrafen: 1. wer eine nicht zu Recht bestehende Forderung oder eine Forderung in einem nicht zu Recht bestehenden Umfang oder Rang geltend macht, um dadurch einen ihm nicht zustehenden Einfluss im Konkurs- oder Ausgleichsverfahren zu erlangen; 2. ein Gläubiger, der für die Ausübung seines Stimmrechts in einem bestimmten Sinn oder für das Unterlassen der Ausübung seines Stimmrechts für sich oder einen Dritten einen Vermögensvorteil annimmt oder sich versprechen lässt, und auch wer einem Gläubiger zu diesem Zweck einen Vermögensvorteil gewährt oder verspricht; 3. ein Gläubiger, der für die Zustimmung zu einem Ausgleich im Ausgleichsverfahren oder zu einem Zwangsausgleich ohne Zustimmung der übrigen Gläubiger für sich oder einen Dritten einen Sondervorteil annimmt oder sich versprechen lässt, und auch wer einem Gläubiger zu diesem Zweck einen Sondervorteil gewährt oder verspricht. (2) Ebenso sind eine zur Geschäftsaufsicht bestellte Person, der Ausgleichsverwalter, ein Mitglied des Beirats im Ausgleichsverfahren, der Masseverwalter
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§ 161
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
und ein Mitglied des Gläubigerausschusses im Konkurs zu bestrafen, die für sich oder einen Dritten zum Nachteil der Gläubiger einen ihnen nicht gebührenden Vermögensvorteil annehmen oder sich versprechen lassen. 1 A. Manipulation von Abstimmungen im Konkurs- und Ausgleichsver-
fahren. Nach § 160 Abs 1 Z 1 macht sich strafbar, wer ein Stimmrecht erschleicht, nach Z 2 oder 3, wer einen Gläubiger besticht oder sich als Gläubiger bestechen lässt, in einer bestimmten Weise zu stimmen oder einer Abstimmung fernzubleiben. Wenn die Tat nach den §§ 156–158 strafbar ist, kommt eine Anwendung auch des § 160 nicht in Frage (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 160 Rz 4; für Idealkonkurrenz Fabrizy § 160 Rz 2, L/St § 160 Rz 13, Zagler BT § 160 Rz 5). 2 B. Funktionäre des Konkurs- oder Ausgleichsverfahrens machen sich
nach § 160 Abs 2 strafbar, wenn sie sich „zum Nachteil der Gläubiger“, dh für eine pflichtwidrige Benachteiligung wenigstens eines Gläubigers, bestechen lassen. Die Funktionäre des Konkurs- und Ausgleichsverfahrens sind Machthaber und sind, wenn sie sich für pflichtwidrige Rechtshandlungen bestechen lassen, idR nach § 153 oder § 168c strafbar (vgl Kirchbacher/ Presslauer WK2 § 160 Rz 8, L/St § 160 Rz 9, Rainer SbgK § 160 Rz 14). § 160 Abs 2 ist diesen Gesetzesstellen gegenüber subsidiär.
Gemeinsame Bestimmungen über die Verantwortlichkeit leitender Angestellter § 161. (1) Nach den §§ 156, 158, 159 und 162 ist gleich einem Schuldner, nach § 160 gleich einem Gläubiger zu bestrafen, wer eine der dort genannten Handlungen als leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) einer juristischen Person oder einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit begeht. Ebenso ist nach den genannten Bestimmungen zu bestrafen, wer zwar ohne Einverständnis mit dem Schuldner oder Gläubiger, aber als dessen leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) handelt. (2) Nach § 160 Abs. 2 ist auch zu bestrafen, wer eine der dort genannten Handlungen als leitender Angestellter (§ 74 Abs. 3) einer juristischen Person oder einer Personengemeinschaft ohne Rechtspersönlichkeit begeht, der eine der dort bezeichneten Aufgaben übertragen worden ist. 1 A. Unmittelbare Täter nach §§ 156, 158, und 159 können neben dem
Schuldner auch dessen leitende Angestellte sein. Sie können sich also durch eine tatbestandsmäßige Handlung nach § 156 oder § 158 strafbar machen, auch wenn sie ohne Einverständnis mit dem Schuldner handeln (vgl § 157 304
Vollstreckungsvereitelung
§ 162
Rz 1, § 158 Rz 1). Wenn der Schuldner eine juristische Person ist, können die leitenden Angestellten nach §§ 156, 158 und § 159, und die juristische Person nach dem VbVG strafbar sein. B. Leitende Angestellte des Schuldners sind Personen, die als seine Ge- 2 schäftsführer, Prokuristen, als Mitglieder des Vorstands oder Aufsichtsrats bestellt sind, auch wenn sie faktisch in der Unternehmensleitung nicht viel zu sagen haben (§ 74 Abs 3 Satz 2; JBl 2007, 333). Und leitende Angestellte sind darüber hinaus Angestellte des Schuldners (L/St § 161 Rz 6), die auf seine Geschäftsführung maßgeblichen Einfluss haben (§ 74 Abs 3 Satz 1). Die Rsp dagegen sieht alle Personen mit maßgeblichem Einfluss auf die Geschäftsführung als leitende „Angestellte“ des Schuldners an, gleichgültig woraus sich dieser Einfluss ergibt und in welchem rechtlichen Verhältnis sie zum Schuldner stehen (s § 159 Rz 18). Leitender Angestellter ist der bestellte Geschäftsführer, auch wenn er sich in allen wichtigen Fragen nach Weisungen der Mutterfirma richten muss; die Geschäftsführer der Mutterfirma werden durch diese Weisungen zu leitenden Angestellten auch der Tochterfirma (SSt 55/76). Als leitenden Angestellten hat die Rsp angesehen: den Sohn, der als freier Mitarbeiter praktisch die Geschäfte der GmbH führt, die seinem Vater gehört (JBl 1987, 798); den Gesellschafter, der für den Ein- und Verkauf sorgt, Inkasso und Barzahlungen durchführt, Arbeitskräfte aufnimmt, auch wenn die Zeichnungsberechtigung gegenüber der Bank jemand anderem zusteht (RZ 1995/4); den Kreditgeber, der Geschäftsanteile der kreditnehmenden GmbH übernimmt (idS JBl 1986, 713 mit Anm von Reich-Rohrwig) oder die Kreditgewährung von Weisungen abhängig macht, welche den Handlungsspielraum des Schuldners wesentlich einschränken (idS ecolex 1999/7).
Leitende Angestellte können von ihrer Funktion als Geschäftsführer usw 3 zurücktreten und ihren maßgeblichen Einfluss aufgeben: Dann kommen sie als Täter nicht mehr in Betracht (RZ 1995/75).
Vollstreckungsvereitelung § 162. (1) Ein Schuldner, der einen Bestandteil seines Vermögens verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt, eine nicht bestehende Verbindlichkeit vorschützt oder anerkennt oder sonst sein Vermögen wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers durch Zwangsvollstreckung oder in einem anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahren vereitelt oder schmälert, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen.
305
§ 162
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
(2) Wer durch die Tat einen 3 000 Euro übersteigenden Schaden herbeiführt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
1. Der Täter 1 Der unmittelbare Täter ist Schuldner eines oder mehrerer Gläubiger (vgl
dagegen § 156 Rz 1) oder ein leitender Angestellter des Schuldners (§ 161 Rz 2). Andere Personen können sich an der Vollstreckungsvereitelung des Schuldners oder eines leitenden Angestellten beteiligen (§ 12). Die Frau des Schuldners, die eine gepfändete Sache ihres Mannes mit seinem Wissen beiseite schafft und so die Befriedigung des betreibenden Gläubigers verhindert, macht sich als Beteiligte an der Tat ihres Mannes nach § 162 strafbar. Wenn sie die Sache ohne Wissen ihres Mannes beiseite schafft, ist sie nach § 163 zu bestrafen.
2. Die Ausführungshandlung 2 Die Ausführungshandlung des § 162 entspricht der des § 156 (Kienapfel II
§ 162 Rz 1, L/St § 162 Rz 7, Rainer SbgK § 162 Rz 12ff; vgl dagegen Kirchbacher/Presslauer WK2 § 162 Rz 5): eine Handlung, die das Vermögen des Schuldners, das den Gläubigern zur Verfügung steht, wirklich oder scheinbar vermindert (§ 156 Rz 2ff). Ob der Täter in Erwartung einer künftigen Exekution oder erst nach deren Bewilligung handelt, macht keinen Unterschied (JBl 1991, 53; L/St § 162 Rz 12, Zagler BT §§ 162, 161 Rz 7). Der Täter vermindert sein Vermögen durch Beiseiteschaffen oder Verheimlichen von Vermögensstücken, wenn er einen Pkw zum Schein verkauft und übergibt (JBl 1991, 53). Wer die Anmerkung der Rangordnung für den Verkauf einer Liegenschaft erwirkt, vermindert sein Vermögen (noch) nicht (EvBl 1998/183). Und wer das Eigentum an seiner Liegenschaft gegen einen angemessenen Kaufpreis überträgt, vermindert sein Vermögen gar nicht. Wer eine Exekution verhindert, ohne sein Vermögen zu vermindern, bleibt straffrei.
3. Der tatbildmäßige Erfolg 3 Die wirkliche oder scheinbare Vermögensverminderung führt zur Schädi-
gung eines Gläubigers oder zur Vereitelung eines Exekutionsverfahrens. A. Der Täter vereitelt oder schmälert die Befriedigung eines Gläubigers durch Zwangsvollstreckung, wenn ein Gläubiger ganz oder teilweise leer 306
Vollstreckungsvereitelung
§ 162
ausgeht, also einen Schaden erleidet. Das ist der Fall, wenn der Täter schon zur Tatzeit zahlungsunfähig ist oder es durch die Vermögensverminderung wird (s § 156 Rz 11). Von der betrügerischen Krida unterscheidet sich diese Form der Exekutionsvereitelung lediglich dadurch, dass der Täter bloß einen Gläubiger hat. Der Gläubiger hat einen Exekutionstitel erlangt; darauf verkauft und übergibt der Schuldner zum Schein das einzige Vermögensstück, einen Pkw, der Gläubiger geht leer aus (JBl 1991, 53).
Wenn der Schaden mehr als 3 000 € beträgt, fällt der Täter unter einen strengeren Strafsatz (§ 162 Abs 2). B. Der Täter vereitelt oder schmälert die Befriedigung eines Gläubigers 4 in einem anhängigen Exekutionsverfahren. Hier erleidet der Gläubiger – anders als bei der betrügerischen Krida (§ 156 Rz 10) – keinen Schaden, er kommt zu seinem Geld, aber es sind dafür weitere Verfahrensschritte notwendig (Fabrizy § 156 Rz 6). Der Täter lässt eine schon gepfändete Sache verschwinden: Er macht sich nach § 162 strafbar, wenn der Gläubiger, um zu erhalten, was ihm gebührt, einen weiteren Vollzug der Fahrnisexekution oder andere Exekutionsmittel beantragen muss.
Wenn der Gläubiger trotz der wirklichen oder scheinbaren Vermögensver- 5 minderung im selben Exekutionsverfahren erhält, was ihm gebührt, kann nur eine versuchte Exekutionsvereitelung vorliegen (vgl aber Rz 6). 4. Innere Tatseite Der Täter handelt vorsätzlich. Wenn er sich darauf verlässt, der Gläubiger 6 werde trotz der Vermögensverminderung im selben Exekutionsverfahren erhalten, was ihm gebührt, fehlt der nach § 162 erforderliche Vorsatz. Wenn der Schuldner, der vor einer Pfändung Sachen beiseite schafft, darauf vertraut, dass andere Sachen gepfändet werden und der Gläubiger daraus voll befriedigt wird, bleibt er straffrei. Und wenn er eine von mehreren schon gepfändeten Sachen beiseite schafft und darauf vertraut, die anderen gepfändeten Sachen (L/St § 162 Rz 20) oder eine neben der Fahrnisexekution bewilligte Gehaltspfändung werden zur Befriedigung des Gläubigers ausreichen, ist er nicht nach § 162, sondern nach § 271 zu bestrafen (s BT II § 271 Rz 7).
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§ 164
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Vollstreckungsvereitelung zugunsten eines anderen § 163. Ebenso ist zu bestrafen, wer ohne Einverständnis mit dem Schuldner einen Bestandteil des Vermögens des Schuldners verheimlicht, beiseite schafft, veräußert oder beschädigt oder ein nicht bestehendes Recht gegen das Vermögen des Schuldners geltend macht und dadurch die Befriedigung eines Gläubigers durch Zwangsvollstreckung oder in einem anhängigen Zwangsvollstreckungsverfahren vereitelt oder schmälert. 1 § 163 unterscheidet sich von § 162 dadurch, dass der Täter des § 163 nicht
im Einverständnis mit dem Schuldner handelt (s § 162 Rz 1). Im Übrigen stimmen beide Tatbilder weitgehend überein. § 163 ist dem § 157 nachgebildet.
Hehlerei § 164. (1) Wer den Täter einer mit Strafe bedrohten Handlung gegen fremdes Vermögen nach der Tat dabei unterstützt, eine Sache, die dieser durch sie erlangt hat, zu verheimlichen oder zu verwerten, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer eine solche Sache kauft, sonst an sich bringt oder einem Dritten verschafft. (3) Wer eine Sache im Wert von mehr als 3 000 Euro verhehlt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (4) Wer eine Sache im Wert von mehr als 50 000 Euro verhehlt oder wer die Hehlerei gewerbsmäßig betreibt, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. Ebenso ist der Hehler zu bestrafen, wenn die mit Strafe bedrohte Handlung, durch die die Sache erlangt worden ist, aus einem anderen Grund als wegen gewerbsmäßiger Begehung mit einer Freiheitsstrafe bedroht ist, die fünf Jahre erreicht oder übersteigt, und der Hehler die Umstände kennt, die diese Strafdrohung begründen. Schrifttum zu §§ 164, 165, 165a: Bertel, Die Anzeigepflicht der Banken bei Geldwäschereiverdacht, ÖBA 1994, 228; Birklbauer, Finanzvergehen als Vortat zur Geldwäscherei, JSt 2006, 67; Burgstaller, Die neuen Geldwäschereidelikte, ÖBA 1994, 173; ders, Geldwäscherei durch Annahme eines Rechtsanwaltshonorars? AnwBl 2001, 574; Fuchs, Gewinnabschöpfung und Geldwäscherei, ÖJZ 1990, 544; Kathrein, Geldwäscherei – Internationale Initiativen und deren Umsetzung, RZ 1990, 221; Kienapfel, Dauerdelikt und Dauerstraftat am Beispiel der Begehungsformen der Hehlerei, JBl 1991, 435; ders, Die Geldwäscherei – Überlegungen de lege ferenda aus Anlass des MEntw eines Geldwäschereigesetzes, ÖJZ 1993, 80; Klippl, Geldwäscherei (1994); Kremslehner, Semper olet oder Geldwäscherei für alle, ecolex 1993, 832; Lausegger/Likar, Die Geldwäschebestimmungen der RAO und das Berufsbild des Rechtsanwaltes, AnwBl 2004, 132; Lewisch, Geldwäscher, Geldhäscher und reuige Täter,
308
Hehlerei
§ 164
RdW 1994, 3; Schick, Die Bekämpfung der Geldwäscherei in Österreich, LJZ 1994, 122; Schwaighofer, Die Bekämpfung der Geldwäsche, Rivista trimestrale di diritto penale dell’economia 1992, 964; Weber, Die „Geldwäsche“-Richtlinie (Vorschlag der Kommission der EG) und mögliche Anpassungserfordernisse im österreichischen Recht, wbl 1990, 294; Wöß, Geldwäscherei und Banken (1994).
A. Täter der Hehlerei kann nur sein, wer an der Vortat nicht beteiligt ist 1 (L/St § 164 Rz 9, Lewisch BT I 280). B. Gegenstand der Hehlerei ist eine körperliche Sache, die der Vortäter 2 durch ein Vermögensdelikt erlangt hat (Beute). Der Vortäter hat mit dem entsprechenden Vorsatz gehandelt (K/Schm StudB II § 164 Rz 51, Rainer SbgK § 164 Rz 8); ob er auch entdeckt und bestraft wird, ist unerheblich. Eine Hehlerei kann zB an einem gestohlenen Teppich oder an gestohlenen Geldscheinen begangen werden. Am Erlös aus dem Verkauf des Teppichs dagegen; an Scheinen, die gegen die gestohlenen Scheine eingetauscht wurden; an dem Betrag, den der Betrüger mit einem gefälschten Überweisungsauftrag vom Konto des Opfers auf ein anderes Konto hat überweisen lassen (14 Os 80/06f), ist nur eine Geldwäscherei möglich (s §§ 165, 165a Rz 3).
Sachen, an denen jemand gutgläubig Eigentum erworben hat, kommen von da an als Gegenstand der Hehlerei nicht mehr in Frage (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 164 Rz 8). C. Die Ausführungshandlung kann darin bestehen, dass der Täter den 3 Vortäter unterstützt (Abs 1) oder die Sache selbst an sich bringt oder sie einem anderen überträgt (Abs 2). a) Der Hehler hilft dem Vortäter, die Sache zu verheimlichen oder zu verwerten. Verheimlichen heißt: die Sache verbergen, wegschaffen, unkenntlich machen, einen Aufbewahrungsort für sie finden. Verwerten heißt: die Sache zu Geld machen, sie verkaufen, vertauschen oder verpfänden (idS K/Schm StudB II § 164 Rz 143f, L/St § 164 Rz 21f). Der Hehler transportiert die gestohlenen Sachen aus einem Versteck in eine Wohnung (SSt 59/62), nennt dem Dieb einen Kaufinteressenten für das gestohlene Moped; bringt eine Zange, mit welcher der Dieb die erbeutete Kassette öffnet (12 Os 1, 2/98); bestellt im Gasthaus Gerichte, die der Dieb mit den gestohlenen Geldscheinen bezahlt (12 Os 1, 2/98).
Der Hehler hilft dem Vortäter erst nach Vollendung der Vortat. Wenn der Täter seine Hilfe schon vor Vollendung leistet oder zusagt, begeht er keine Hehlerei, sondern beteiligt sich (§ 12) an der Vortat (s § 127 Rz 29). 309
§ 164
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
4 b) Der Hehler lässt sich die Sache entgeltlich oder unentgeltlich überge-
ben oder gibt sie an einen Dritten weiter (K/Schm StudB II § 164 Rz 13, Lewisch BT I 283; vgl aber Kirchbacher/Presslauer WK2 § 164 Rz 25, Rainer SbgK § 164 Rz 28). Eine Übergabe nur für kurze Zeit genügt nicht. Darum verlangen K/Schm (StudB II § 164 Rz 69f), der Hehler müsse eine „eigentümerähnliche Verfügungsmacht“ erlangen. Der Täter nimmt gestohlene Geldscheine an, isst die gestohlenen Lebensmittel auf (ÖJZ-LSK 1996/105), übernimmt gestohlenen Schmuck zum Verkauf. Dass er sich den gestohlenen Schmuck zur Ansicht geben lässt, mit dem gestohlenen Moped eine Probefahrt macht, ist ein Hehlereiversuch, wenn der Täter daran denkt, Schmuck und Moped, wenn sie ihm gefallen, gleich zu kaufen und zu übernehmen. Wer dem Dieb die gestohlene Sache stiehlt, begeht Diebstahl, keine Hehlerei (zur Rsp s Rz 9). Die Frau, die lediglich zusieht, wie ihr Mann einen gestohlenen Fernseher in der gemeinsamen Wohnung aufstellt, bringt ihn nicht an sich. Sie ist nicht verpflichtet, für die Rückstellung zu sorgen. Durch das bloße Benützen des Fernsehers, der ohne ihr Zutun in ihren Mitgewahrsam geraten ist, kann sie eine Hehlerei nicht begehen (K/Schm StudB II § 164 Rz 75, Lewisch BT I 282). 5 Ob der Hehler die Sache unmittelbar vom Vortäter, von einem anderen
Hehler (Kettenhehlerei), ob er sie zum Gebrauch, zum Transport, zur Verwahrung, gegen Entgelt oder nur aus Gefälligkeit, vielleicht gar nur übernimmt, um den Vortäter, einen nahen Angehörigen, vor der Entdeckung durch die Polizei zu schützen, ob die Übernahme die Aussichten des Berechtigten, die Sache zurückzuerhalten, wirklich mindert, all das ist ohne Bedeutung. 6 Wer eine Sache im guten Glauben übernimmt, dann erfährt, dass sie ge-
stohlen sei, und sie dennoch behält, vielleicht auch unkenntlich macht, ist nicht strafbar (EBRV zur StGNov 1993, 8). Das Ansichbringen der gestohlenen Sache geschieht unvorsätzlich und ist darum keine Hehlerei, und das bloße Benützen nach § 164 nicht tatbildmäßig (Rainer SbgK § 164 Rz 34). Das Unkenntlichmachen einer gestohlenen Sache ist nach § 164 Abs 1 tatbildmäßig nur, wenn es im Einvernehmen mit dem Vortäter, zu dessen Unterstützung, geschieht. Aber der gutgläubige Übernehmer einer gestohlenen Sache, der erst nach der Übernahme von ihrer Herkunft erfährt, wird nach § 164 Abs 2 strafbar, wenn er, ohne Eigentümer zu sein (Lewisch BT I 282), sie an einen Dritten weitergibt, sie ihm „verschafft“ (für Straflosigkeit K/Schm StudB II § 164 Rz 11, 79).
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Hehlerei
§ 164
D. Innere Tatseite. Der Hehler hat den Vorsatz, dh er hält es wenigstens 7 ernsthaft für möglich und findet sich damit ab (§ 5 Abs 1), dass die Sache von einem Vortäter durch ein Vermögensdelikt erbeutet wurde (K/Schm StudB II § 164 Rz 82). Wer die Vortäter waren, ob die Vortat ein Diebstahl oder eine Veruntreuung war, braucht der Hehler nicht zu wissen, ein Irrtum darüber ist unbeachtlich (SSt 56/94). Wer eine gestohlene, veruntreute usw Sache bloß fahrlässig erwirbt, ist nicht strafbar (vgl aber Rz 6). E. Qualifikationen. In folgenden Fällen ist der Täter nach einem stren- 8 geren Strafsatz zu bestrafen: a) Der Wert der verhehlten Sachen übersteigt 3 000 € bzw 50 000 € (§ 164 Abs 3, 4). Der Wert muss vom Vorsatz des Täters mitumfasst sein. Zur Wertberechnung s § 128 Rz 6ff. b) Der Hehler handelt gewerbsmäßig (§ 164 Abs 4). S dazu § 130 Rz 3ff. c) Die Vortat ist – nicht bloß wegen gewerbsmäßiger Begehung – mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit einer längeren Freiheitsstrafe bedroht. Der Hehler muss die Umstände, welche die Vortat qualifizieren, „kennen“, dh davon wissen (§ 5 Abs 3; aM 13 Os 66/07s; K/Schm StudB II § 164 Rz 100). Wenn auch für die dritte Qualifikation des § 164 Abs 4 bedingter Vorsatz genügte, hätte der Gesetzgeber darüber kein Wort zu verlieren brauchen (vgl § 7 Abs 1). F. Abgrenzung. Wer Sachen, die der Vortäter durch oder für die Vortat er- 9 langt hat, ihm oder einem Hehler raubt, stiehlt, veruntreut, unterschlägt oder ihn durch Erpressung oder Betrug darum bringt, ist wegen eines dieser Delikte zu verurteilen (JBl 1990, 597), das Tatbild der Hehlerei wird idR gar nicht verwirklicht (s Rz 4); im Übrigen ist die Hehlerei diesen Delikten gegenüber subsidiär. Für Idealkonkurrenz zwischen Raub, Diebstahl usw und Hehlerei: SSt 57/35; Kirchbacher/Presslauer WK2 § 164 Rz 39, L/St § 164 Rz 87, Rainer SbgK § 164 Rz 49. Über Hehlerei und Beteiligung an der Vortat s Rz 3. Wer eine gestohlene usw Sache verbirgt, kann nur wegen Hehlerei und nicht auch nach § 295 bestraft werden (aM EvBl 1993/113; s BT II §§ 295, 296 Rz 7). Über Hehlerei und Geldwäscherei s §§ 165, 165a Rz 8.
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§§ 165, 165a
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Geldwäscherei; Tätige Reue (§§ 165, 165a) Geldwäscherei § 165. (1) Wer Vermögensbestandteile, die aus einem Verbrechen, einem Vergehen nach den §§ 168c, 168d, 223, 224, 225, 229, 230, 269, 278, 278d, 288, 289, 293, 295 oder 304 bis 308 oder einem in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden Finanzvergehen des Schmuggels oder der Hinterziehung von Eingangs- oder Ausgangsabgaben eines anderen herrühren, verbirgt oder ihre Herkunft verschleiert, insbesondere indem er im Rechtsverkehr über den Ursprung oder die wahre Beschaffenheit dieser Vermögensbestandteile, das Eigentum oder sonstige Rechte an ihnen, die Verfügungsbefugnis über sie, ihre Übertragung oder darüber, wo sie sich befinden, falsche Angaben macht, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer wissentlich solche Vermögensbestandteile an sich bringt, verwahrt, anlegt, verwaltet, umwandelt, verwertet oder einem Dritten überträgt. (3) Wer die Tat in Bezug auf einen 50 000 Euro übersteigenden Wert oder als Mitglied einer kriminellen Vereinigung begeht, die sich zur fortgesetzten Geldwäscherei verbunden hat, ist mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen. (4) Ein Vermögensbestandteil rührt aus einer strafbaren Handlung her, wenn ihn der Täter der strafbaren Handlung durch die Tat erlangt oder für ihre Begehung empfangen hat oder wenn sich in ihm der Wert des ursprünglich erlangten oder empfangenen Vermögenswertes verkörpert. (5) Wer wissentlich Bestandteile des Vermögens einer kriminellen Organisation (§ 278a) oder einer terroristischen Vereinigung (§ 278b) in deren Auftrag oder Interesse an sich bringt, verwahrt, anlegt, verwaltet, umwandelt, verwertet oder einem Dritten überträgt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren, wer die Tat in Bezug auf einen 50 000 Euro übersteigenden Wert begeht, mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.
Tätige Reue § 165a. (1) Wegen Geldwäscherei ist nicht zu bestrafen, wer freiwillig und bevor die Behörde (§ 151 Abs. 3) von seinem Verschulden erfahren hat, durch Mitteilung an die Behörde oder auf andere Weise die Sicherstellung wesentlicher Vermögensbestandteile, auf die sich die Geldwäscherei bezogen hat, bewirkt. (2) Wenn ohne Zutun des Täters wesentliche Vermögensbestandteile, auf die sich die Geldwäscherei bezogen hat, sichergestellt werden, ist der Täter nicht zu bestrafen, wenn er sich in Unkenntnis dessen freiwillig und ernstlich um die Sicherstellung bemüht hat.
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Geldwäscherei; Tätige Reue
§§ 165, 165a
1. Die Geldwäscherei des § 165 Abs 1, 2 Die §§ 164, 165 Abs 1, 2 verfolgen dasselbe kriminalpolitische Ziel: Der 1 Vortäter soll das aus seiner Tat Erlangte nicht verwerten können. Aber § 165 tut das umfassender als § 164 (s Rz 3) und in anderer Weise (s Rz 4). A. Täter der Geldwäsche kann nur sein, wer an der Vortat nicht beteiligt 2 ist. Die „Eigengeldwäsche“ ist in Österreich nicht strafbar. B. Gegenstand der Geldwäscherei sind Vermögensbestandteile, die aus 3 einem Verbrechen, aus bestimmten angeführten Vergehen (insb §§ 304–308) oder aus gewissen gerichtlich strafbaren Finanzvergehen „herrühren“ (§ 165 Abs 1). Es kann sich dabei – wie bei der Hehlerei (s § 164 Rz 2) um Vermögenswerte handeln, die der Täter durch die Vortat erlangt hat, oder – im Gegensatz zur Hehlerei – um Vermögenswerte, die er für die Vortat erhalten hat (zB Schmiergelder für eine Untreue), oder um Ersatzobjekte (s Rz 4). a) Aus einem Verbrechen usw rühren Vermögensbestandteile her, 4 wenn und solange sich in ihnen der wirtschaftliche Wert verkörpert, den der Vortäter durch die Vortat erlangt oder für die Vortat erhalten hat (§ 165 Abs 4). Für die Hehlerei kommt es auf die Identität der gestohlenen usw Sache an; sie bleibt gestohlen, durch wie viele Hände sie auch gehen mag. Für die Geldwäscherei kommt es auf die Identität des wirtschaftlichen Wertes an, den der Vortäter aus der Tat erlangt hat; er verkörpert sich einmal in diesen, dann in jenen Sachen, aber immer im Vermögen des Vortäters oder eines Strohmannes. Der Dieb stiehlt ein Auto im Wert von 55 000 €. Der Wert, den er dadurch erlangt, verkörpert sich zunächst im Auto; wenn er es verkauft, in den Geldscheinen, die er dafür erhält; wenn er dafür Wertpapiere kauft, in diesen; wenn er sie verkauft, in dem Erlös (Gutschrift), den er sich auf sein Konto überweisen lässt.
b) Entgeltlicher Erwerb. Eine Sache hört auf, den wirtschaftlichen Wert 5 aus der Vortat zu verkörpern, wenn sie gegen ein mehr als fiktives Entgelt in das Vermögen eines Erwerbers übergeht. Der Erwerber kann wegen Geldwäsche bestraft werden. Aber Dritte, welche die Sache vom Geldwäscher übernehmen, begehen keine Geldwäsche mehr. So kann eine Geldwäsche, die durch einen entgeltlichen Erwerb begangen wird, nicht Vortat zu weiteren Geldwäschereien sein (idS Lewisch BT I 287). Wer dem Autodieb (Rz 4) die Geldscheine abnimmt, die er beim Verkauf des Autos erhalten hat, und ihm dafür Wertpapiere verkauft, begeht – Wissentlichkeit
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§§ 165, 165a
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
vorausgesetzt – an den Geldscheinen eine Geldwäsche. Damit scheiden die Geldscheine aus dem Vermögen des Autodiebes und damit als Gegenstand der Geldwäscherei aus. Aber jetzt ist Geldwäsche an den Wertpapieren möglich, die der Autodieb für die Geldscheine erhält. Der Käufer, der die Wertpapiere dem Autodieb abnimmt und ihm dafür einen Kaufpreis überweist, begeht – Wissentlichkeit vorausgesetzt – an den Wertpapieren eine Geldwäsche. Wer sie dem Käufer in weiterer Folge abnimmt, begeht keine Geldwäsche: Sie haben ja infolge des entgeltlichen Erwerbs durch den Geldwäscher aufgehört, den wirtschaftlichen Wert aus der Vortat zu verkörpern. Der wirtschaftliche Wert aus der Vortat, der Wert des gestohlenen Autos, verkörpert sich jetzt in der Gutschrift im Vermögen des Vortäters, usw. 6 c) Unentgeltlicher Erwerb und Kettengeldwäscherei. Wenn der Erwer-
ber die Sache, in der sich der wirtschaftliche Wert aus der Vortat verkörpert, vom Vortäter unentgeltlich übernimmt, verkörpert sie diesen Wert weiter: Der Erwerber ist hier wirtschaftlich nur „Strohmann“ des Vortäters. Der Erwerber kann wegen Geldwäsche strafbar sein. Aber auch Dritte, welche die Sache vom Erwerber übernehmen, können wegen Geldwäscherei strafbar werden. In diesen Fällen kann es zu einer Kettengeldwäscherei kommen: Geldwäsche, die durch einen unentgeltlichen Erwerb vom Vortäter begangen wird, kann Vortat zu einer weiteren Geldwäsche sein. Zu a–c s Kienapfel II § 165 Rz 17, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 165 Rz 8, Rainer SbgK § 165 Rz 21, 47. 7 d) Vermögensbestandteile, die zum Teil aus einer Vortat und zum Teil
aus legalen Einkünften herrühren, können Gegenstand der Geldwäscherei sein, wenn der aus der Vortat herrührende Wertanteil überwiegt. Der ungetreue Prokurist legt Schmiergelder von 100 000 € auf ein Sparbuch mit legalen Ersparnissen von 10 000 €. Die Schmiergelder und die Ersparnisse bilden von jetzt an eine ununterscheidbare Einheit. Dennoch begeht derjenige, der von dieser Einheit abhebt, eine Geldwäscherei. Sonst könnte die Anwendung des § 165 allzu leicht ausgeschlossen werden. Wenn der Prokurist dagegen Schmiergelder von 10 000 € auf ein Sparbuch mit legalen Ersparnissen von 100 000 € legt, gehen die aus der Vortat herrührenden Werte in den legalen Ersparnissen auf. Kleine Werte aus einer Vortat sollen nicht ganze Vermögen unverwertbar machen. 8 e) Körperliche Sachen, die der Täter durch ein Vermögensdelikt erlangt
hat, sind Gegenstand der Hehlerei. Die Geldwäsche ist der Hehlerei gegenüber subsidiär (idS auch Lewisch BT I 279).
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Geldwäscherei; Tätige Reue
§§ 165, 165a
Der Käufer des gestohlenen Autos (Rz 4) begeht eine Hehlerei und nicht etwa (auch) eine Geldwäsche. Für Konkurrenz von Hehlerei und Geldwäsche Kirchbacher/Presslauer WK2 § 164 Rz 42; nur für Geldwäsche Burgstaller ÖBA 1994, 177, Schick LJZ 1994, 125; für Hehlerei oder Geldwäsche, je nach dem Strafsatz K/Schm StudB II § 164 Rz 121.
C. Die Geldwäscherei nach Abs 1 begeht der Täter, indem er den Vermögensbestandteil verbirgt oder seine Herkunft verschleiert. Verbergen heißt: eine körperliche Sache an einem ungewöhnlichen Ort, in einem Versteck, aufbewahren. Verschleiern heißt: Nachforschungen über die Herkunft des Vermögensbestandteils, insb durch Täuschung über die in § 165 Abs 1 aufgezählten Umstände, erschweren. Der Täter handelt vorsätzlich.
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Der Täter bringt 6 Mio SFR in drei Kartons über die Grenze (EvBl 1996/32); der Täter verbrennt Unterlagen oder macht als Zeuge vor dem Finanzamt unwahre Angaben über ein Konto (idS 14 Os 150/02) Unwahre Angaben vor dem Finanzamt können „Verschleiern“ freilich nur sein, soweit das Finanzamt zur Anzeige berechtigt ist (Steuergeheimnis).
Das Ansichbringen, Anlegen, Übertragen usw von Vermögensbestandtei- 10 len kann Nachforschungen über die Herkunft derselben auch erschweren, ist aber keine Täuschung und darum nur nach Abs 2 strafbar (Burgstaller ÖBA 1994, 175). D. Die Geldwäscherei nach Abs 2 begeht der Täter, indem er den Vermö- 11 gensbestandteil an sich bringt, verwahrt, anlegt, umwandelt, verwertet oder an Dritte überträgt. Diese Verhaltensweisen überschneiden sich: Um Vermögensbestandteile anzulegen, zu verwahren und zu verwerten, muss sie der Täter idR an sich bringen; Umwandeln, Verwerten und Übertragen gehen häufig Hand in Hand. Die Verhaltensweisen des Abs 2 sind idR geschäftsüblich. Sie werden des- 12 halb nur bestraft, wenn der Täter geradezu weiß, dass der Vermögensbestandteil, den er an sich bringt usw, aus einem Verbrechen usw herrührt; das Wissen des Täters muss sich auch auf die Umstände erstrecken, welche die Vortat zum Verbrechen usw machen. Der ungetreue Prokurist hat sich Schmiergelder von mehreren 100 000 € auf ein ausländisches Konto überweisen lassen. Eine Angehörige hebt von diesem Konto Geld ab („Ansichbringen“), überweist es auf ein anderes Konto („Übertragen an Dritte“) oder kauft von diesem Geld Wertpapiere („Umwandeln“). Sie
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§§ 165, 165a
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
ist nach § 165 strafbar, wenn sie weiß, dass es sich um die Belohnung für eine Untreue handelt. Ein Kunde eröffnet bei einer Bank ein Konto und lässt sich dort einen hohen Geldbetrag, den er in kleinen Scheinen mitgebracht hat, gutschreiben. Der Bedienstete hält es für möglich, dass es sich um Drogengelder handelt, aber da er das nicht weiß, bleibt er straffrei. 13 E. Qualifikationen. Der Täter fällt in den folgenden Fällen unter einen
strengeren Strafsatz: a) Wert. Der Täter begeht die Geldwäscherei an Vermögensbestandteilen, deren Wert zu mehr als 50 000 € aus Vortaten (s Rz 3f) herrührt (§ 165 Abs 3). Der hohe Wert muss vom Vorsatz des Täters umfasst sein. Wenn der Täter Geldwäschereihandlungen an mehreren Vermögensobjekten begeht, werden ihre Werte, soweit sie aus Vortaten (s Rz 3f) herrühren, nach § 29 zusammengerechnet (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 165 Rz 27). b) Kriminelle Vereinigung. Der Täter begeht die Geldwäscherei als Mitglied einer kriminellen Vereinigung, die sich zur fortgesetzten Geldwäscherei verbunden hat (§ 165 Abs 3). S dazu BT II § 278 Rz 8f. 2. Die Geldwäscherei des § 165 Abs 5 14 Einen ganz anderen Typ von Geldwäsche findet man im § 165 Abs 5. Er
will kriminellen Organisationen (s BT II § 278a Rz 1ff) und terroristischen Vereinigungen (s BT II § 278b Rz 1) jede wirtschaftliche Tätigkeit unmöglich machen. Er ist von praktisch sehr geringer Bedeutung, zumal er den schwierigen Nachweis erfordert, dass der Vermögensbestandteil (zB Zinsen, Unternehmensgewinne) der kriminellen Organisation und nicht etwa dem „Privatvermögen“ einzelner Mitglieder zusteht. 15 Wer Führern oder Mitgliedern der kriminellen Organisation oder terroris-
tischen Vereinigung Vermögensbestandteile durch Diebstahl, Veruntreuung, Betrug usw abnimmt, handelt nicht im Auftrag oder im Interesse der Organisation oder Vereinigung und ist darum nur nach § 127, § 133, § 146 usw strafbar. 3. Tätige Reue (§ 165a) 16 Der Täter ist nicht strafbar, wenn er rechtzeitig und freiwillig (s § 167
Rz 13, 15) alles tut, was ihm möglich ist, damit alle Werte, die Gegenstand 316
Begehung im Familienkreis
§ 166
der Geldwäscherei waren, sichergestellt werden können, und wenn zumindest ein wesentlicher Teil davon wirklich sichergestellt wird. Ob das Bemühen des Täters (§ 165a Abs 1) oder ob letztlich andere Umstände zur Sicherstellung führen (§ 165a Abs 2), macht keinen Unterschied. S dazu Lewisch RdW 1994, 7.
Begehung im Familienkreis § 166. (1) Wer eine Sachbeschädigung, eine Datenbeschädigung, eine Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems, einen Diebstahl mit Ausnahme der in den §§ 129 Z. 4, 131 genannten Fälle, eine Entziehung von Energie, eine Veruntreuung, eine Unterschlagung, eine dauernde Sachentziehung, einen Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht mit Ausnahme der in den §§ 138 Z. 2 und 3, 140 genannten Fälle, einen Betrug, einen betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauch, eine Untreue, eine Geschenkannahme durch Machthaber oder eine Hehlerei zum Nachteil seines Ehegatten, eines Verwandten in gerader Linie, seines Bruders oder seiner Schwester oder zum Nachteil eines anderen Angehörigen begeht, sofern er mit diesem in Hausgemeinschaft lebt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen, wenn die Tat jedoch sonst mit einer Freiheitsstrafe bedroht wäre, die drei Jahre erreicht oder übersteigt, mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis 360 Tagessätzen zu bestrafen. Ein Vormund, Kurator oder Sachwalter, der zum Nachteil desjenigen handelt, für den er bestellt worden ist, wird jedoch nicht begünstigt. (2) Ebenso ist zu bestrafen, wer sich an der Tat bloß zum Vorteil eines anderen beteiligt (§ 12), der zum Verletzten in einer der genannten Beziehungen steht. (3) Der Täter ist nur auf Verlangen des Verletzten zu verfolgen. Schrifttum: Burgstaller, Diebstahl, Veruntreuung und Unterschlagung, ÖJZ 1974, 540; Durl, Die privilegierte Behandlung der familieninternen Vermögenskriminalität gem § 166 StGB, StPG 29 (2001), 145; Graczol, Diskussionsbericht, ÖJZ 1983, 123; Hauptmann, Die Rechtsprechung zum Scheckbetrug in der Familie, ÖJZ 1983, 119; Hoinkes-Wilflingseder, Begehung im Familienkreis – § 166 StGB, AnwBl 1984, 311; Nowakowski, Die Sonderdelikte, beurteilt nach ihrer Begehbarkeit durch Extranei, ZnStR II, 147; Schick, Bestimmtheitsgrundsatz und Analogieverbot, in: Staatsrecht in Theorie und Praxis, Walter-FS (1991), 625; Schild, Die strafrechtliche Regelung des Irrtums, ÖJZ 1979, 173; Schwaighofer, Das Angehörigenverhältnis durch gemeinsame Elternschaft zu einem Kind – personenstandsrechtlich oder/und biologisch begründet? ÖJZ 2001, 661; Schwaighofer/HoinkesWilflingseder, Familie und Strafrecht, in: Harrer/Zitta (Hrsg), Familie und Recht (1992), 121.
A. Materielle und formelle Privilegierung. Wer eines der in § 166 Abs 1 1 aufgezählten Vermögensdelikte zum Nachteil eines Angehörigen begeht, ist zweifach privilegiert: Er fällt unter einen niedrigeren Strafsatz (Abs 1) 317
§ 166
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
und kann nur auf Privatanklage des verletzten Angehörigen verfolgt werden (Abs 3). Der unbefugte Gebrauch von Fahrzeugen (§ 136) und die Entwendung (§ 141) zum Nachteil Angehöriger sind überhaupt straffrei (§ 136 Rz 13, § 141 Rz 12). 2 B. Entfremdung unbarer Zahlungsmittel. § 241e Abs 1 erster Fall,
§ 241f erster Fall und § 241e Abs 3 sind im § 166 nicht aufgezählt; und eine dem § 166 entsprechende Regel fehlt im 13. Hauptstück. Aber auch diese Delikte sind ihrer rechtlichen Natur nach Vermögensdelikte (s § 127 Rz 9). So ist es nur sachgerecht § 166 auch auf sie analog anzuwenden. Der Sohn, der die Bankomatkarte der Mutter aus der Handtasche nimmt, damit 100 € abhebt und die Karte zurücklegt, kann nach § 148a nur auf Privatanklage der Mutter verfolgt werden; dasselbe muss für das Vergehen nach § 241e Abs 1 1. Fall gelten. Eine Verfolgung des Sohnes durch den Staatsanwalt und gegen den Willen der Mutter wäre ein unerträglicher Wertungswiderspruch. 3 C. Der Familienkreis. Immer privilegiert sind Delikte zum Nachteil des
Ehegatten, des Lebensgefährten (§ 72 Abs 2; EvBl 1997/37), der Eltern und Großeltern, eines Kindes oder Enkels, eines Bruders oder einer Schwester (§ 166 Abs 1). Delikte zum Nachteil des Ehegatten sind privilegiert, auch wenn der Täter die Ehe nur eingeht, um das Opfer zu betrügen und dann zu verschwinden (aM JBl 1999, 543 mit Anm Burgstaller). Auch bei der Lebensgemeinschaft kommt es nicht darauf an, aus welchen Gründen sie der Täter eingegangen ist. Ein Zusammenleben, das der Täter schon nach wenigen Wochen beendet, indem er mit der Beute verschwindet, ist noch keine Lebensgemeinschaft; ein Zusammenleben, das bis zum Verschwinden des Täters eineinhalb Jahre dauerte, ist es sicherlich (aM 11 Os 15/96). Delikte zum Nachteil der ehemaligen Lebensgefährtin sind nicht privilegiert (EvBl 2003/124). 4 Delikte zum Nachteil anderer Angehöriger iSd § 72 Abs 1 sind nur privile-
giert, wenn Täter und Opfer in Hausgemeinschaft, dh zur Tatzeit im selben Zimmer oder in derselben Wohnung wohnen. In Hausgemeinschaft leben Schwäger, die während eines Urlaubs ein Zimmer im Haus eines Verwandten (EvBl 1980/34); Onkel und Nichte, die einige Tage ein Hotelzimmer teilen (SSt 55/26). Nicht in Hausgemeinschaft leben Onkel und Neffe, die in verschiedenen Wohnungen desselben Hauses wohnen (SSt 53/49).
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Begehung im Familienkreis
§ 166
Die Tat ist nicht privilegiert, wenn der Täter Vormund, Kurator oder Sachwalter des Opfers ist (L/St § 166 Rz 7, Kienapfel II § 166 Rz 15, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 166 Rz 2, Fabrizy § 166 Rz 9; EvBl 1979/27). D. Die Begehung zum Nachteil eines Angehörigen. Der Täter begeht 5 das Delikt zum Nachteil eines Angehörigen, wenn die rechtswidrig zugeeignete, beschädigte oder dauernd entzogene Sache dem Angehörigen gehört oder wenn der tatbestandsmäßige Schaden im Vermögen des Angehörigen eintritt. § 166 ist nicht anwendbar, wenn die zugeeignete usw Sache auch einem Fremden gehört oder wenn der tatbestandsmäßige Schaden auch einen Fremden trifft (EvBl 1997/119; Kirchbacher/Presslauer WK2 § 166 Rz 17, L/St § 166 Rz 10; vgl Rz 7). Die Untreue zu Lasten einer GmbH, deren Kapitalanteile dem Täter und seiner Frau zustehen, begeht er zum Nachteil der Frau (SSt 53/45); wenn auch ein Fremder an der GmbH beteiligt ist, ist § 166 nicht anwendbar (14 Os 107/99). Betrügereien (§ 146) und betrügerische Datenverarbeitungsmissbräuche (§ 148a), durch die der Täter Auszahlungen oder Überweisungen von einem Konto erreicht, werden zum Nachteil des Kontoinhabers begangen (JBl 1986, 801, JBl 1987, 669), auch wenn das Konto durch die Tat überzogen wird (aM JBl 1986, 801, JBl 1987, 669). Der Missbrauch einer fremden Kreditkarte dagegen wird zum Nachteil des Kreditkarteninstituts begangen (§ 148a oder § 146; s § 148a Rz 2, 4). Nach den Vertragsbedingungen kann das Institut den Betrag in der Folge vom Konto des Berechtigten abbuchen, aber jener kann dem widersprechen und damit die Abbuchung verhindern oder rückgängig machen. So bleibt das Institut geschädigt. Das unterscheidet diesen Fall vom Missbrauch der fremden Bankomatkarte in Rz 2, wo das Konto der Angehörigen jedenfalls belastet wird. Einen Betrug, bei dem der Täter Postbedienstete durch Täuschung über seine Identität verleitet, ihm einen Betrag auszuzahlen, der für einen Angehörigen bestimmt ist, begeht der Täter zum Nachteil der Post (JBl 1997, 191). Einen Diebstahl, den der Sohn an Sachen seines Vaters begeht, verübt er zum Nachteil des Vaters, auch wenn in weiterer Folge eine Versicherung für den Schaden aufkommen muss. Und einen Betrug, den der Täter begeht, indem er im Prozess um die Richtigkeit des Vaterschaftsanerkenntnisses einen Geschlechtsverkehr mit seiner früheren Lebensgefährtin bestreitet und einen Freund zum Vaterschaftstest schickt, der sich dort für den Täter ausgibt, verübt der Täter zum Nachteil des Kindes; das Ausbleiben der Unterhaltszahlungen ist ein Schaden zunächst im Vermögen des Kindes, auch wenn in weiterer Folge die ehemalige Lebensgefährtin Unterhalt leisten muss (aM EvBl 2003/124).
E. Beteiligung Angehöriger und Fremder. Wenn von mehreren an einer 6 Tat Beteiligten nur einer Angehöriger des Verletzten ist, ist der Angehörige 319
§ 167
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
nach § 166 begünstigt. Die Fremden sind begünstigt, wenn sie „bloß zum Vorteil“ des Angehörigen handeln, dh wenn durch die Tat ausschließlich der Angehörige bereichert wird (§ 166 Abs 2). Wer einem Freund hilft, dessen Vater zu bestehlen, ist nach § 166 strafbar, wenn das gestohlene Geld nur für den Freund bestimmt ist; nicht aber, wenn der Täter weiß, dass es der Freund mit Dritten teilen wird (SSt 47/64). 7 Auf Fremde, die sich an einer Sachbeschädigung oder dauernden Sachent-
ziehung beteiligen, die jemand zum Nachteil eines Angehörigen begeht, ist § 166 Abs 2 analog anzuwenden (L/St § 166 Rz 18): Diese Delikte bereichern niemanden. 8 F. Irrtum über den Geschädigten. Der Täter begeht ein Vermögensdelikt
im Glauben, er schädige einen Angehörigen; in Wahrheit schädigt er (auch) einen Fremden. Der Täter stiehlt seiner Mutter eine Nähmaschine in der Meinung, sie gehöre ihr; in Wahrheit besteht an der Maschine ein Eigentumsvorbehalt des Verkäufers. 9 § 166 Abs 3 ist nicht anwendbar, der Täter wird von Amts wegen verfolgt.
Aber da er infolge seines Irrtums nur die Schuld eines Familiendiebstahls, -betrugs usw auf sich geladen hat, darf er keine strengere Strafe erhalten als die im § 166 vorgesehene (Rainer SbgK § 166 Rz 22, F/R BT I 193, Triffterer AT 12. Kap Rz 123; aM JBl 1997, 191; L/St § 166 Rz 12). 10 Dass der Täter glaubt, nach § 166 seien auch Vermögensdelikte zum Nach-
teil anderer Angehöriger privilegiert oder gar straffrei, ist unbeachtlich (JBl 1985, 307).
Tätige Reue § 167. (1) Die Strafbarkeit wegenSachbeschädigung, Datenbeschädigung, Störung der Funktionsfähigkeit eines Computersystems, Diebstahls, Entziehung von Energie, Veruntreuung, Unterschlagung, dauernder Sachentziehung, Eingriffs in fremdes Jagd- oder Fischereirecht, Entwendung, Betrugs, betrügerischen Datenverarbeitungsmissbrauchs, Erschleichung einer Leistung, Notbetrugs, Untreue, Geschenkannahme durch Machthaber, Förderungsmissbrauchs, betrügerischen Vorenthaltens von Sozialversicherungsbeiträgen und Zuschlägen nach dem Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, Wuchers, betrügerischer Krida, Schädigung fremder Gläubiger, Begünstigung eines Gläubigers, grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen, Vollstreckungsvereitelung und Hehlerei wird durch tätige Reue aufgehoben.
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Tätige Reue
§ 167
(2) Dem Täter kommt tätige Reue zustatten, wenn er, bevor die Behörde (§ 151 Abs. 3) von seinem Verschulden erfahren hat, wenngleich auf Andringen des Verletzten, so doch ohne hiezu gezwungen zu sein, 1. den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden gutmacht oder 2. sich vertraglich verpflichtet, dem Verletzten binnen einer bestimmten Zeit solche Schadensgutmachung zu leisten. In letzterem Fall lebt die Strafbarkeit wieder auf, wenn der Täter seine Verpflichtung nicht einhält. (3) Der Täter ist auch nicht zu bestrafen, wenn er den ganzen aus seiner Tat entstandenen Schaden im Zug einer Selbstanzeige, die der Behörde (§ 151 Abs. 3) sein Verschulden offenbart, durch Erlag bei dieser Behörde gutmacht. (4) Der Täter, der sich um die Schadensgutmachung ernstlich bemüht hat, ist auch dann nicht zu bestrafen, wenn ein Dritter in seinem Namen oder wenn ein anderer an der Tat Mitwirkender den ganzen aus der Tat entstandenen Schaden unter den im Abs. 2 genannten Voraussetzungen gutmacht. Schrifttum: Bertel, Die freiwillige Herausgabe der Beute, AnwBl 1979, 383; Brandstetter, Zur tätigen Reue beim fahrlässigen Verhandeln nach § 165 StGB, ÖJZ 1987, 161; ders, Die tätige Reue in der Judikatur des OGH, JBl 1987, 545; ders, Tätige Reue ohne Reue, RdW 1987, 365; Burgstaller, Der Ladendiebstahl und seine private Bekämpfung im österreichischen Strafrecht (1981); ders, Die Scheinkonkurrenz im Strafrecht, JBl 1978, 393, 459; ders, Aktuelles zur tätigen Reue gemäß § 167 StGB, in: Platzgummer-FS (1995), 97; Eder-Rieder, Schadensgutmachung im Strafrecht und im Nebenstrafrecht, JBl 1990, 341; Höpfel, Die strafbefreiende Tätige Reue und verwandte Einrichtungen des österreichischen Rechts, in: Eser/Kaiser/Madlener (Hrsg), Neue Wege der Wiedergutmachung im Strafrecht (1990), 171; Hoinkes-Wilflingseder, Tätige Reue bei Sachbeschädigung? RZ 1981, 71; Huber/Brandstetter, Zum Umfang der „Schadenersatzpflicht“ bei tätiger Reue (§ 167 StGB), in: Moos-FS (1997), 129; Kienapfel, Vorschläge zur Abänderung des Besonderen Teils, RZ 1981, 117; Moos, Der Außergerichtliche Tatausgleich für Erwachsene als strafrechtlicher Sanktionenersatz, JBl 1997, 337; Müller-Dietz, Kriminalpolitische und dogmatische Probleme des Strafaufhebungsgrundes der tätigen Reue (§ 167 StGB), ÖJZ 1977, 343; Schroll, Zu den reuefähigen Delikten des Vermögensstrafrechts, ÖJZ 1985, 357; Steininger E., Wiedergutmachung als dritte Spur neben Strafen und Maßnahmen, JBl 1990, 137; Steininger H., Der Ladendiebstahl und die damit verbundenen Fragen der Bagatellkriminalität, RZ 1981, 22; Tschulik, Besondere Rechtfertigungs-, Entschuldigungs-, Strafausschließungs- und Strafaufhebungsgründe, ZnStR II, 135; ders, Die tätige Reue nach der Regierungsvorlage, ÖJZ 1973, 653; Venier, Der Fortsetzungszusammenhang im österreichischen Strafrecht (1989).
Die tätige Reue ist – wie der Rücktritt vom Versuch – ein Strafaufhebungs- 1 grund im Interesse des Verletzten (Burgstaller Platzgummer-FS 116, Kienapfel II § 167 Rz 5, Müller-Dietz ÖJZ 1977, 345): Der Täter eines vollendeten Delikts wird straffrei, wenn er rechtzeitig (Rz 13) und freiwillig (Rz 15) den Schaden gutmacht (Rz 6f), durch andere gutmachen lässt (Rz 24f) oder einen rechtzeitig mit dem Opfer geschlossenen Vertrag einhält (Rz 18f). Wenn der Täter das Delikt nur versucht hat, kann er durch einen Rücktritt nach § 16 straffrei werden. 321
§ 167
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
I. Die reuefähigen Delikte 2 A. Die in § 167 Abs 1 genannten Delikte werden durch tätige Reue straf-
frei. Ausgeschlossen ist die tätige Reue bei Raub und Erpressung. Für Diebstähle und Veruntreuungen Beamter beschränkt der OGH die tätige Reue, indem er die Tat als Amtsmissbrauch qualifiziert (vgl zB EvBl 1994/ 107; s BT II § 302 Rz 17, 19). 3 B. § 167 ist analog auf andere Vermögensdelikte anwendbar. Für den
unbefugten Gebrauch von Kfz (§ 136) liegt das auf der Hand: Wenn selbst der Autodieb durch tätige Reue straffrei wird, dann erst recht der unbefugte Gebraucher (Rz 9; Huber/Brandstetter Moos-FS 139f, Kienapfel II § 167 Rz 17f, Lewisch BT I 295, Schroll ÖJZ 1985, 361; aM L/St § 167 Rz 8, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 21, Rainer SbgK § 167 Rz 6). 4 § 167 ist analog auch auf die Entfremdung unbarer Zahlungsmittel
(§ 241e Abs 1 erster Fall), die Annahme usw entfremdeter unbarer Zahlungsmittel (§ 241f erster Fall) und die Unterdrückung unbarer Zahlungsmittel (§ 241e Abs 3) anzuwenden. Auch diese Delikte sind ihrer Natur nach Vermögensdelikte (s § 127 Rz 9). Soweit der Täter nicht schon nach § 241g straffrei wird, kann er es nach § 167 werden. Der Täter nimmt seiner Mutter deren Bankomatkarte weg, gibt sie seiner Freundin, die damit 300 € abhebt. Die Mutter lässt das Konto sperren, stellt den Sohn zur Rede, er und die Freundin zahlen das abgehobene Geld zurück und ersetzen die Kosten, die durch die Kontosperre und das Ausstellen einer neuen Karte entstanden sind. Damit wird nicht nur die unbefugte Abhebung (s § 148a Rz 2), sondern – erst recht, sollte man meinen – auch die Wegnahme der Karte durch den Sohn und die Annahme der Karte durch die Freundin straffrei (s § 148a Rz 7). 5 C. Auch qualifizierte Vermögensdelikte werden durch tätige Reue straf-
frei. Die Rechtsgutsbeeinträchtigung, die der Qualifikation zugrunde liegt, kann allenfalls nach einem anderen, sonst verdrängten Strafgesetz strafbar bleiben (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 176 Rz 134, Lewisch BT I 302, L/ St § 167 Rz 9, 13). Wer einen Betrug unter Verwendung eines gefälschten Postaufgabescheins begeht und den Schaden gutmacht, ist nicht nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, aber immerhin nach § 223 strafbar (SSt 56/98). Der räuberische Dieb, der die Beute zurückgibt, kann wegen Nötigung strafbar bleiben. S auch Rz 8.
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Tätige Reue
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II. Tätige Reue durch Schadensgutmachung (Abs 2 Z 1) 1. Der gutzumachende Schaden A. Der ganze Schaden, den der Täter nach Abs 2 gutmachen muss, ist der 6 Wert der gestohlenen, veruntreuten, unterschlagenen usw Sache oder – bei Delikten wie Betrug und Untreue – der tatbestandsmäßige Schaden. Es handelt sich also um dieselben Beträge und Werte, die auch bei der Beurteilung, ob der Täter eine Wertgrenze überschritten hat, mitzuzählen sind. Der Schaden ist insofern „deliktsspezifisch“ (Huber/Brandstetter MoosFS 137, Kienapfel II § 167 Rz 28, 31a). B. Begleit- und Folgeschäden braucht der Täter nicht zu ersetzen. Sie 7 zählen ja auch für die Ermittlung der Wertgrenze nicht mit (§ 128 Rz 6ff; vgl § 146 Rz 21, § 153 Rz 11). Wenn die Begleit- und Folgeschäden ein anderes Vermögensdelikt verwirklichen, kann der Täter wegen dieses Delikts strafbar sein. Der Täter wird durch Rückgabe der gestohlenen Sache straffrei, auch wenn das Opfer, weil es sich einen Ersatz gekauft hat, daran nicht mehr interessiert ist (Huber/Brandstetter Moos-FS 138, Kienapfel II § 167 Rz 29; vgl SSt 48/62, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 95). Und die Rückstellung der veruntreuten Summe genügt zur Straffreiheit, auch wenn der Täter noch die Zinsen schuldig ist (SSt 59/86; Huber/Brandstetter Moos-FS 134, Lewisch BT I 300f; aM wohl Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 53, 56). Der Täter nimmt eine Geldkassette mit dem Vorsatz weg, das Geld zu behalten und die Kassette wegzuwerfen; später gibt er das Geld zurück; der Diebstahl am Geld wird straffrei, die Strafbarkeit wegen dauernder Sachentziehung an der Kassette bleibt bestehen (SSt 52/36; L/St § 167 Rz 30f; vgl § 127 Rz 23).
Dieselben Grundsätze gelten für den Einbruchsdiebstahl.
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Der Einbrecher, der die Beute zurückbringt, kann wegen Diebstahls nach §§ 127, 129 nicht mehr bestraft werden. Aber der Schaden, den er durch das Einbrechen angerichtet hat, ist ihm als Sachbeschädigung anzulasten. Um ganz straffrei zu werden, muss er auch diesen Schaden ersetzen (Burgstaller Ladendiebstahl 39, Hoinkes-Wilflingseder RZ 1981, 71, Kienapfel II § 167 Rz 22, Rainer SbgK § 167 Rz 7). Andere halten tätige Reue beim Einbruchsdiebstahl nur für möglich, wenn der Täter auch den Einbruchsschaden ersetzt; die Rückgabe nur der Beute sei unerheblich (Fabrizy § 167 Rz 10, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 58, L/ St § 167 Rz 30). Der Täter versucht einen Einbruchsdiebstahl und gibt auf, nachdem er die Alarmanlage ausgelöst hat; später ersetzt er den an der Türe entstandenen Schaden. Er bleibt nach §§ 15, 127, 129 Z 1 strafbar (EvBl 1999/62). Eben weil es auf
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Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
den Ersatz von Begleit- und Folgeschäden nicht ankommt, ist tätige Reue bei bloß versuchten Delikten ausgeschlossen (Rz 1). 9 Beim unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen (§ 136) muss der Täter das
Fahrzeug dorthin zurückbringen, wo er es weggenommen hat, den Berechtigten oder die Polizei verständigen und Schäden am Fahrzeug, an der Ladung oder durch den Verbrauch von Betriebsmitteln (s § 136 Rz 24) ersetzen. Für tätige Reue durch Zahlung des amtlichen Kilometergeldes Huber/Brandstetter Moos-FS 140. 2. Die Schadensgutmachung 10 A. Der Täter macht den Schaden gut, wenn er dem Opfer die Rückgabe
der Beute, die Entschädigung durch einen Geldbetrag, ein leicht verwertbares Pfand (Schmuckstücke, Wertpapiere) wenigstens anbietet; wenn er dem Opfer eine sofort einziehbare Forderung, zB ein Lohnguthaben (EvBl 1979/243), zur Verfügung stellt; wenn er den Schaden mit Gegenforderungen an das Opfer aufrechnet oder die Aufrechnung dem Opfer, zB durch ein Geständnis, ermöglicht; wenn er der Behörde die Sicherstellung der Beute ermöglicht (EvBl 1977/23) oder die Beute bei einer Behörde hinterlegt und ihr den Geschädigten, so gut er kann, bezeichnet. Seine Schuld braucht der Täter dabei nicht zu offenbaren (EvBl 1977/23). Eine gerichtliche Hinterlegung iSd § 1425 ABGB ist nicht notwendig. Dass der Täter die Entschädigung für Geschädigte, falls sie sich melden sollten, bereithält (SSt 50/65), ist keine Schadensgutmachung; der Täter müsste den Geschädigten die Schadenssumme zumindest anbieten. 11 B. Das Opfer weigert sich. Dass das Opfer die – sofortige und vollstän-
dige – Schadensgutmachung vorläufig oder für immer zurückweist, schadet dem Täter nicht, wenn er die Beute oder die Entschädigung auf Abruf für das Opfer bereithält oder bei einer Behörde hinterlegt (L/St § 167 Rz 27; EvBl 1996/68). Der Täter will dem Opfer (Arbeitsmarktverwaltung) 2 300 € als Schadenersatz übergeben. Das Opfer weigert sich, zuerst müsse die Schadenshöhe festgestellt werden. Nachdem das Opfer einen Schaden von 1 200 € ermittelt hat, zeigt es den Täter an. Der OGH hat den Täter verurteilt (EvBl 1996/68): Der Täter hätte dem Opfer erklären müssen, dass er ihm das Geld auf Abruf bereithalte. Aber daran konnte das Opfer hier nicht zweifeln.
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Tätige Reue
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C. Das Opfer verzichtet. Dass sich das Opfer mit einer teilweisen Ent- 12 schädigung begnügt oder sie dem Täter ganz erlässt, schließt tätige Reue nicht aus, wenn der Täter dem Opfer die vollständige Entschädigung wenigstens angeboten hat (Kienapfel II § 167 Rz 37, L/St § 167 Rz 29, Rainer SbgK § 167 Rz 17). 3. Die Rechtzeitigkeit Keine tätige Reue, weil verspätet, ist die Schadensgutmachung, sobald eine 13 Behörde, eine Behördenabteilung, die sich ausschließlich der Strafverfolgung widmet (zB Landeskriminalamt, Staatsanwaltschaft, Strafsenat eines Gerichtes) oder ein Sicherheitsorgan vom „Verschulden“ des Täters erfahren hat (§ 167 Abs 2, § 151 Abs 3). Das sind mehr als „konkrete Anhaltspunkte“ (aM Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 31), das ist ein dringender Verdacht (L/St § 167 Rz 15f, Rainer SbgK § 167 Rz 23). Solange mehrere Personen als Alleintäter in Frage kommen oder solange die Identität des Verdächtigen der Polizei nicht bekannt ist, kann von einem dringenden Verdacht nicht die Rede sein. Die X-GmbH zeigt ihren ehemaligen Geschäftsführer W bei der Staatsanwaltschaft an, er habe für schon bezahlte Bodenverlegearbeiten „nicht nachvollziehbar“ noch einmal Zahlungen auf das Konto der „Firma K“ geleistet. Dringend verdächtig ist (vorerst) nur W, der Geschäftsführer K der Firma K, die eigentlich R-GmbH heißt, ist es nicht, auch wenn sich hinterher das Konto als Privatkonto des K und der Vorgang als Beteiligung an der Untreue des W herausstellt. Tätige Reue war also möglich (aM 13 Os 10/08g). Der Täter dagegen, der am 12. 3. von Arbeitskollegen bei der Polizei des Diebstahls verdächtigt wird, ihn der Polizei noch am selben Tag gesteht und den gestohlenen Ring am 19. 3. zurückgibt, wird nicht straffrei (EvBl 1983/141), sein Verschulden ist offenkundig. Das Konkursgericht ist keine Strafverfolgungsbehörde (JBl 2005, 742).
Schäden aus mehreren Einzelakten eines fortgesetzten Verbrechens bil- 14 den eine Einheit (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 67, L/St § 167 Rz 33). Wenn es der Täter von vornherein auf eine bestimmte Summe oder auf mehrere Sachen abgesehen hat (Gesamtvorsatz) und sie sich nach und nach, etappenweise, zueignet, muss er den gesamten Schaden gutmachen, bevor er – wenn auch nur wegen einzelner Akte – angezeigt wird. Darüber hinaus sollen mehrere Delikte auch dann eine Tat bilden, wenn ihnen nur ein „einheitlicher Willensentschluss“ (12 Os 10/09a) mit einer „vorhergehenden konkreten Planung“ zugrunde liegt (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 68, 70). Wenn die konkrete Planung sich auch auf den 325
§ 167
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Gesamterfolg erstreckt, nähert sie sich dem Gesamtvorsatz an. Der Vorsatz aber, auch künftig ähnliche Delikte auf dieselbe Weise zu begehen, kann sie nicht zu einer Tat machen (Burgstaller Platzgummer-FS 116, Anm zu JBl 2003, 667): Dafür fehlt die gesetzliche Grundlage. Gewerbsmäßig begangene Delikte kann man bloß darum nicht als eine Tat ansehen (JBl 2003, 667 mit Anm Burgstaller, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 72). Der Täter entschließt sich, zwei ihm anvertraute Sachen zu verkaufen: Das ist ein Gesamtvorsatz, die beiden Verkäufe sind eine Veruntreuung. Der Täter hat jahrelang aus dem Magazin des Dienstgebers die verschiedensten Waren gestohlen; das sind viele Diebstähle; der Täter wird wegen Diebstahls dreier Konservendosen angezeigt und macht einen Schaden von 4 000 € gut, von dem die Polizei keine Ahnung hat. Er kann nicht wegen schweren Diebstahls (so aber SSt 46/47), sondern bloß wegen Diebstahls der drei Konservendosen verurteilt werden: Nur insoweit war die Schadensgutmachung verspätet. Kritik auch bei Kienapfel II § 167 Rz 38. Der Täter hebt mit einer fremden Bankomatkarte mehrmals insgesamt 3 080 € ab und zahlt später 3 000 € als Schadensgutmachung. Es handelt sich um mehrere Taten, die durch den Schadenersatz bis auf eine straffrei werden. Auf welche Taten die 3 000 € zu beziehen sind, kann man § 1416 ABGB entnehmen (Mayerhofer § 167 E 31, Rainer SbgK § 167 Rz 21). Nach der neueren Rechtsprechung (15 Os 99/05f) und Kirchbacher/Presslauer (WK2 § 167 Rz 26f) dagegen liegt keine tätige Reue vor, weil der Täter es unterlassen hat, die 3 000 € „erkennbar zu widmen“. Also keine Schadensgutmachung? Dann konnte der Täter das Geld wohl zurückfordern?
4. Die Freiwilligkeit 15 Die Schadensgutmachung muss freiwillig, dh ohne Zwang erfolgen (§ 167
Abs 2; vgl auch § 151 Abs 2). Unfreiwillig ist sie, wenn der Täter – zu Recht oder infolge eines Irrtums – fürchtet, man werde ihm sonst die Beute gewaltsam abnehmen (LG Wien AnwBl 1995/5026). Damit muss der Täter auch bei Betretung auf frischer Tat nicht immer rechnen. Dass der Täter die Beute zurückgibt oder den Schaden ersetzt, weil ihm der Verletzte mit einer Anzeige droht, die sicher zur Verurteilung führen müsste, schließt tätige Reue nicht aus (Kienapfel II § 167 Rz 58, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 46, Lewisch BT I 296, L/St § 167 Rz 22, Rainer SbgK § 167 Rz 27). Der Sparkassenleiter sagt dem Täter die Untreuehandlungen auf den Kopf zu; nur er kann der Täter sein. Leugnen ist zwecklos; darauf macht der Täter mit Hilfe Angehöriger den Schaden gut. Er wird straffrei (SSt 56/49; im selben Sinn SSt 60/6).
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Tätige Reue
§ 167
Für den Ladendiebstahl beschränkt der OGH die tätige Reue, indem er 16 den Zeitpunkt der Vollendung hinausschiebt (s § 127 Rz 17).
III. Tätige Reue durch Selbstanzeige (Abs 3) Der Täter wird straffrei, wenn er den gesamten Schaden (Rz 6) im Zusam- 17 menhang mit einer Selbstanzeige gutmacht (Rz 10). Dass die Behörde durch die Selbstanzeige vom Verschulden des Täters erfährt, bevor er die Beute auf den Tisch legt, schadet ihm nicht (vgl Rz 13). Der Täter erstattet bei der Polizei Selbstanzeige, verspricht Schadensgutmachung und erlegt die Entschädigung vier Tage später bei der Polizei. Er wird straffrei (Kienapfel II § 167 Rz 65). Der OGH schließt tätige Reue aus, weil die Selbstanzeige mit Verlassen der Amtsräume abgeschlossen sei (SSt 49/4; L/St § 167 Rz 50). – Wenn der Täter die Beute bei der Polizei unter einem Vorwand abgibt, ohne sein Verschulden einzugestehen, liegt tätige Reue nach Abs 2 Z 1 vor, wenn der Täter den Geschädigten so deutlich wie möglich bezeichnet (Rz 10).
IV. Tätige Reue durch Vertrag (Abs 2 Z 2) Der Täter wird straffrei, wenn er eine Schadensgutmachung mit dem 18 Opfer rechtzeitig nur vereinbart, vorausgesetzt, dass sich das Opfer auf eine solche Vereinbarung einlässt und der Täter sie dann einhält (Abs 2 Z 2). Solche Verträge werden immer freiwillig geschlossen: Dass der Täter den Vertrag schließt, weil ihm das Opfer mit Anzeige droht, schließt tätige Reue nicht aus (vgl Rz 15). Eine Vereinbarung nach Abs 2 Z 2 liegt ua vor, wenn sich das Opfer vom Täter einen Wechsel geben lässt (SSt 56/98) oder ihm einen Kredit in der Höhe des Schadens gewährt (vgl SSt 56/49).
A. Bestimmtheit des Vertrages. Der Vertrag muss die Leistung, die der Tä- 19 ter erbringen soll, zB die Höhe der Entschädigungssumme, und die Frist, innerhalb derer das zu geschehen hat, festlegen (Fabrizy § 167 Rz 13, Kienapfel II § 167 Rz 41f, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 107f, L/St § 167 Rz 37f, Rainer SbgK § 167 Rz 38). Vereinbarungen, den Schaden „in Kürze“ zu ersetzen, genügen nicht. B. Der gutzumachende Schaden. Der im Vertrag angegebene Betrag 20 muss dem vollen Schaden entsprechen (Rz 6, 12). Wenn sich später heraus327
§ 167
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
stellt, dass der Schaden die im Vertrag festgelegte Summe übersteigt, scheidet tätige Reue aus: So kann der Täter kein Interesse haben, den von ihm angerichteten Schaden in Verhandlungen mit dem Opfer als möglichst gering hinzustellen. 21 Wenn die Höhe des Schadens sich noch nicht beziffern lässt, genügt es, dass
der Täter sich zur Begleichung des geschätzten Schadens und allfälliger Mehrbeträge verpflichtet (Kienapfel II § 167 Rz 44, Lewisch BT I 302; ähnlich Brandstetter JBl 1987, 550, Rainer SbgK § 167 Rz 38). Die schriftliche Vereinbarung, „den Schaden von mehr als 80 000 Euro“ innerhalb eines Jahres gutzumachen, genügt. Der OGH will das nur gelten lassen, wenn mündliche Nebenabreden über die genaue Höhe der Entschädigung vorliegen (EvBl 1985/84). 22 C. Die Rechtzeitigkeit. Der Vertrag muss rechtzeitig, also vor dem in
Rz 13 bezeichneten Zeitpunkt, geschlossen sein. Den einmal geschlossenen Vertrag können die Parteien nach Belieben ändern. Der OGH freilich hält Änderungen, zumindest was die Art und Höhe der Entschädigung und was die Frist angeht, innerhalb derer der gesamte Schaden gutgemacht werden muss, nur für beachtlich, wenn auch sie „rechtzeitig“ erfolgen (EvBl 1986/143). Das ist wenig zweckmäßig (Brandstetter JBl 1987, 552). 23 D. Nichteinhalten. Wenn der Täter den Vertrag nicht einhält, lebt seine
Strafbarkeit wieder auf; nach hM auch dann, wenn der Täter daran keine Schuld hat (Kienapfel II § 167 Rz 47f, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 167 Rz 116, L/St § 167 Rz 47, Rainer SbgK § 167 Rz 45).
V. Tätige Reue durch andere (Abs 4) 24 Der Täter kann straffrei werden, wenn Mittäter oder Dritte, zB Angehö-
rige, aus ihrem Vermögen rechtzeitig den gesamten Schaden gutmachen oder rechtzeitig einen Vertrag nach Abs 2 Z 2 (Rz 18f) mit dem Opfer schließen und ihn dann einhalten. Diese Personen müssen das für den Täter tun, und in allen Fällen muss sich der Täter irgendwie um die Schadensgutmachung bemühen. Die Versicherung des Opfers, die ihm den Schaden ersetzt, handelt nicht für den Täter. – Ein Rechtsanwalt hat als Masseverwalter eine Untreue begangen; auf seine Bitte hin verpflichtet sich die Kammer, dem neuen Masseverwalter gegenüber, 50 000 € als Schadenersatz zu zahlen; der Täter wird straffrei, wenn der
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Glücksspiel
§ 168
wirkliche Schaden darunter liegt (EvBl 2004/124). – Ein Verkäufer stellt Mutter und Tochter zur Rede, die eben einen Ladendiebstahl begangen haben; die Tochter gibt die Beute heraus, die Mutter macht sich davon: Nur die Tochter wird straffrei (SSt 47/10). Die Mutter hätte die Tochter zur Herausgabe wenigstens auffordern müssen.
Der Mittäter, der seinen Beuteanteil zurückbringt, wird noch nicht straf- 25 frei. Straffrei wird er erst, wenn auch die anderen Mittäter ihre Anteile zurückgeben (EvBl 1996/89) oder wenn er oder jemand für ihn auch den restlichen Schaden gutmacht.
Glücksspiel § 168. (1) Wer ein Spiel, bei dem Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen oder das ausdrücklich verboten ist, veranstaltet oder eine zur Abhaltung eines solchen Spieles veranstaltete Zusammenkunft fördert, um aus dieser Veranstaltung oder Zusammenkunft sich oder einem anderen einen Vermögensvorteil zuzuwenden, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass bloß zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib und um geringe Beträge gespielt wird. (2) Wer sich gewerbsmäßig an einem solchen Spiel beteiligt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen. Schrifttum: Bramberger/Hauptmann, Zivilrechtliche Aspekte der Immobilienverlosung, immolex 2009, 70; Burgstaller, Grundfragen des Glücksspielstrafrechts, RZ 2004, 214; Deisenberger, „Rufen Sie 0900 . . . und gewinnen Sie . . .“, MR 2003, 71; Erlacher, Glücksspielgesetz (1993); Fuchs G., Die Immobilienverlosung, ecolex 2009, 118; Fuchs Hu., Hausverlosung durch eine Privatperson, UFSaktuell 2009, 132; Graf P., (Un-)zulässige Hausverlosung?, immolex 2009, 76; Höpfel, Probleme des Glücksspielstrafrechts, ÖJZ 1978, 421, 458; ders, Zum Beweisthema der Abhängigkeit eines Spiels vom Zufall, in: Jahrbuch Überblicke Mathematik (1978), 185; Ertl/Niesner, Zur rechtlichen Zulässigkeit von TV-Gewinnspielen über Mehrwertnummern, MR 2006, 274; Kummer, Zur rechtlichen Situation der Bagatellspielautomaten in Österreich, ÖJZ 1980, 346; Kunst, Unbestimmte Zahl- und Maßbegriffe im neuen StGB, ÖJZ 1975, 561; Leidenmühler/Plöckinger, Grenzüberschreitende Internet-Glücksspiele, ÖJZ 2006, 842; Marschall, Unbestimmte geldwerte Grenzbeträge, insbesondere Wertgrenzen, im StGB, ÖJZ 1975, 459; Pressl, Hausverlosung als Glücks-Glücksspiel, PRESSERechtspanorama 20. 1. 2009; Schwartz/Wohlfahrt, Der glücksspielrechtliche Ausspielungsbegriff, ÖJZ 1999, 339; Thiele, Rien ne va plus – Glücksspiele im Internet, RdW 2000, 332; Wegscheider, Strafbares und erlaubtes Glücksspiel, in: Moos-FS (1997), 145.
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Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
1. Glücksspiele und verbotene Spiele 1 A. Glücksspiele sind alle Spiele, bei denen es nicht nur von der Erfahrung
und von der Geschicklichkeit der Spieler abhängt, wer gewinnt. Wie viele Prozente der Gewinnerwartung auf Geschicklichkeit und wie viele auf Zufall zurückzuführen sind, ist kaum je feststellbar (vgl Höpfel ÖJZ 1978, 423, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 168 Rz 4). Glücksspiele sind so gut wie alle Kartenspiele, weil auch gute Spieler mit „schlechten“ Karten nicht gewinnen können. Viele bekannte und beliebte Kartenspiele, wie zB das Schnapsen, sind also Glücksspiele (aM EvBl 1959/325; Kienapfel II § 168 Rz 10, L/St § 168 Rz 3). Wenn sie ohne Bereicherungsabsicht (Rz 6) oder wenn sie harmlos gespielt werden (Rz 8f), bleiben sie straffrei. 2 Dass die in der außer Kraft getretenen Glücksspielverordnung (BGBl 1923/
253 idF BGBl 1933/6) angeführten Spiele Glücksspiele sind, ist gerichtsbekannt und braucht darum nicht in jedem einzelnen Fall bewiesen zu werden (Fabrizy § 168 Rz 1, L/St § 168 Rz 5; anders Höpfel ÖJZ 1978, 463). 3 Glücksspiele, die aufgrund des staatlichen Glücksspielmonopols mit be-
hördlicher Bewilligung betrieben werden (Casino, Zahlenlotto), sind gerechtfertigt (Höpfel ÖJZ 1978, 458). 4 B. Verbotene Spiele sind alle Spiele, die durch Bundes- oder Landesrecht
(vgl Burgstaller RZ 2004, 222) untersagt werden. 2. Die Ausführungshandlung 5 A. Der Täter veranstaltet das Spiel, wenn er es vorschlägt, die Teilnehmer
zusammenruft oder das Spiel leitet. B. Der Täter fördert eine Zusammenkunft, die zur Abhaltung des Glücks- oder des verbotenen Spiels veranstaltet wird, wenn er auf andere Weise beiträgt, dass es zum Spiel kommt oder dass es fortgesetzt werden kann, zB indem er Räume oder Spielkarten zur Verfügung stellt (Höpfel ÖJZ 1978, 461). 6 Veranstalter und Förderer müssen die Absicht (§ 5 Abs 2) haben, sich oder
einen Dritten aus dem Spiel zu bereichern. Wenn alle Einsätze als Gewinn den Spielern zufallen und wenn die Mitspieler einander annähernd gleichwertig sind, kann eine solche Absicht kaum vorliegen. Jemand verlost sein Haus unter einer gewissen Zahl von Interessenten, die vorher Lose zu je 99 € gekauft haben. Er ist nicht nach § 168 strafbar, wenn er nur
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Glücksspiel
§ 168
einen Erlös beabsichtigt, der – nach Abzug aller Kosten – annähernd dem Wert des Hauses entspricht (Fuchs Hu. UFSaktuell 2009, 134f, Bamberger/Hauptmann immolex 2009, 70). Für viele Eigentümer ist die Verlosung die einzige Möglichkeit, einen annehmbaren Preis zu erzielen, und die Vermeidung von Verlusten ist kein „Vermögensvorteil“ (aM anscheinend Pressl PRESSE-Rechtspanorama 20. 1. 2009). Im Übrigen sind Hausverlosungen vom Schutzzweck des § 168, der sich gegen die Gefahren sozialschädlicher Ausbeutung richtet (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 168 Rz 1), nicht erfasst.
C. Mitspielen ist nach Abs 2 nur strafbar, wenn der Täter gewerbsmäßig handelt. Zur Gewerbsmäßigkeit s § 130 Rz 3ff.
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3. Strafausschließungsgründe Die Täter bleiben straffrei: – wenn zu gemeinnützigen Zwecken gespielt wird, dh wenn der Ertrag des Spiels einem Verein zugute kommen soll oder zur Deckung der Kosten einer Sportveranstaltung, eines Balls usw bestimmt ist. Auf die Höhe der Einsätze kommt es dann nicht an. – wenn um geringe Beträge und bloß zum Zeitvertreib gespielt wird. Um geringe Beträge wird gespielt, wenn keiner der Spieler bei dem einzelnen Spiel mehr als 20 € einsetzt (200 S nach OGH in 9 Os 137/82 und VwGH in ZfVB 2001/580, für 10 € Kirchbacher/Presslauer WK2 § 168 Rz 12, für 5 € Burgstaller RZ 2004, 224). Zum Zeitvertreib wird gespielt, wenn die Einsätze und Gewinne, welche die Spieler während der gesamten Veranstaltung machen, im Verhältnis zu ihrem Einkommen nicht ins Gewicht fallen (vgl dagegen Burgstaller RZ 2004, 224). Dass die Spieler des Gewinns wegen mitspielen, schließt ein Spielen zum Zeitvertreib nicht aus (L/St § 168 Rz 18, Kirchbacher/Presslauer WK2 § 168 Rz 11).
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4. Spielautomaten Spielautomaten sind fast immer Glücksspielautomaten, und selbstver- 10 ständlich stellt sie der Unternehmer in Gewinnabsicht auf. Automaten mit einem Einsatz von mehr als 0,5 € oder einem Gewinn von mehr als 20 € fallen unter das Glücksspielmonopol des Bundes (§ 4 Abs 2 GSpG); ohne behördliche Genehmigung ist ihr Betrieb rechtswidrig und allenfalls verwaltungsbehördlich strafbar. Aber § 168 kommt nicht in Frage: Einsätze von 0,5 € und 1 € sind gering, sie und Gewinne bis zu 200 € können Spieler 331
§ 168a
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
kaum in Versuchung führen, mehr als nur zum Zeitvertreib (Rz 9) zu spielen. Die E EvBl 1984/39 tolerierte Gewinne bis zu 3 500 S. Der Täter stellt Automaten auf, die für Spiele mit Einsätzen zwischen 0,5 und 4 € eingerichtet sind; Gewinne werden dem Täter aber nicht ausgefolgt, sondern als Einsätze für weitere Spiele gutgeschrieben, ermöglichen also ein Weiterspielen. Der OGH hält das Aufstellen auch solcher Automaten für strafbar nach § 168 StGB (12 Os 49/02). Aber diese Automaten sind keine Glücksspielautomaten iSd § 2 Abs 3 GspG, und das spricht dafür, dass „Gewinne“ bloß von Freispielen keine Gewinne (Erlacher GlücksspielG 15) und Spiele bloß um Freispiele keine Glücksspiele iSd § 1 Abs 1 GspG, § 168 Abs 1 sind (Kirchbacher/Presslauer WK2 § 168 Rz 3b).
Ketten- oder Pyramidenspiele § 168a. (1) Wer ein Gewinnerwartungssystem, dessen Teilnehmern gegen Einsatz ein Vermögensvorteil unter der Bedingung in Aussicht gestellt wird, dass diesem oder einem damit im Zusammenhang stehenden System unter den gleichen Bedingungen weitere Teilnehmer zugeführt werden, und bei dem die Erlangung des Vermögensvorteils ganz oder teilweise vom bedingungsgemäßen Verhalten jeweils weiterer Teilnehmer abhängt (Ketten- oder Pyramidenspiel), 1. in Gang setzt oder veranstaltet oder 2. durch Zusammenkünfte, Prospekte oder auf eine andere zur Anwerbung vieler Teilnehmer geeignete Weise verbreitet oder 3. sonst die Verbreitung eines solchen Systems gewerbsmäßig fördert, ist mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Monaten oder mit Geldstrafe bis zu 360 Tagessätzen zu bestrafen, es sei denn, dass das System bloß zu gemeinnützigen Zwecken veranstaltet wird oder bloß Einsätze geringen Wertes verlangt werden. (2) Wer durch die Tat eine größere Zahl von Menschen schwer geschädigt hat, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. Schrifttum: Battlogg, Die zivilrechtlichen Aspekte des Pyramidenspiels, ÖJZ 1998, 547.
1 A. Kettenspiele im Sinn des § 168a sind bestimmte Anlage- und Vertriebs-
formen nach dem Schneeballsystem. Der Kunde oder „Teilnehmer“ (Anleger, Käufer) leistet einen „Einsatz“ (Einlage, Kaufpreis). Ihm wird dafür ein „Vermögensvorteil“ (Rendite, Ware, Prämie) versprochen. Aber die Rendite, Ware oder Prämie soll der Kunde nur unter zwei Bedingungen erhalten: Er muss wenigstens zwei andere Kunden werben, die an dem „Spiel“ zu denselben Bedingungen teilnehmen; und diese Kunden müssen ihren Einsatz leisten („sich bedingungsgemäß verhalten“). Werden diese Bedingungen nicht erfüllt, erhält der Kunde weniger oder gar nichts. 332
Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren
§ 168b
B. Ausführungshandlung. Nach § 168a Abs 1 ist strafbar: 2 a) wer das Spiel veranstaltet (Z 1), dh die Spielbedingungen festlegt und die Werbung so weit vorbereitet, dass das Spiel gleich in Gang gesetzt werden kann; b) wer das Spiel in Gang setzt (Z 1), dh zum ersten Mal Interessenten Gelegenheit gibt, sich an dem Spiel zu beteiligen; c) wer das Spiel auf eine Weise verbreitet, die zur Anwerbung vieler Teilnehmer geeignet ist (Z 2), zB durch Werbeveranstaltungen oder durch Versendung von Werbematerial; d) wer gewerbsmäßig mitspielt (Z 3), dh einen Einsatz leistet in der Absicht, das immer wieder zu tun, um immer wieder Renditen zu erzielen (JAB zum StRÄG 1996, 9). Zur Gewerbsmäßigkeit s § 130 Rz 3ff. C. Strafausschließungsgründe. Der Täter ist straffrei, wenn das „Spiel“ 3 nur zu gemeinnützigen Zwecken veranstaltet wird oder wenn die „Einsätze“ gering sind. Dazu s § 168 Rz 8f. D. Der Täter fällt unter einen strengeren Strafsatz (Abs 2), wenn eine 4 größere Zahl von Menschen schwer geschädigt wird. Mindestens zehn Personen müssen einen Schaden von „deutlich“ (JAB zum StRÄG 1996, 9) mehr als 3 000 € erleiden. Müssen Gesetz und Materialien so undeutlich sein? E. Konkurrenz. Wenn der Kunde durch Täuschung über die Gewinn- 5 chancen zur Leistung der Einlage verleitet wird, konkurrieren die §§ 146 und 168a.
Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren § 168b. (1) Wer bei einem Vergabeverfahren einen Teilnahmeantrag stellt, ein Angebot legt oder Verhandlungen führt, die auf einer rechtswidrigen Absprache beruhen, die darauf abzielt, den Auftraggeber zur Annahme eines bestimmten Angebots zu veranlassen, ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen. (2) Nach Abs. 1 ist nicht zu bestrafen, wer freiwillig verhindert, dass der Auftraggeber das Angebot annimmt oder dieser seine Leistung erbringt. Wird ohne Zutun des Täters das Angebot nicht angenommen oder die Leistung des Auftraggebers nicht erbracht, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Annahme des Angebots oder das Erbringen der Leistung zu verhindern.
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§ 168b
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
Schrifttum: Brandstetter, Preisabsprachen: Kartellstrafrecht geht der strengeren Betrugsbestimmung vor, PRESSE-Rechtspanorama 22. 6. 1998, 10; Frotz, Vom organisierten Vergehen zum organisierten Verbrechen – Submissionskartelle als organisierte Kriminalität im Bereich des Kartell-, Vergabe- und Strafrechtes, in: Organisierte Kriminalität und Wirtschaftsrecht (1998), 78; Fuchs, Wirtschaftsordnung durch Strafrecht?, in: Steininger-FS (2003), 57; Hochmayr, Wirtschaftskriminalität und Vergaberecht, in: Wirtschaftsstrafrecht (hrsg von der Studiengesellschaft für Wirtschaft und Recht, 2008), 100; Köck, Submissionsabsprachen: Betrug oder Strafbarkeit nach dem Kartellgesetz? wbl 1999, 529; Lurger, Die strafrechtliche Beurteilung von Submissionsabsprachen seit der KartG-Nov 2002, ecolex 2003, 109; Manquet, Neuer § 168b StGB: Vom Kartellmissbrauch zu den wettbewerbsbeschränkenden Absprachen im Vergabeverfahren, ZVB 2002/84; Müller, Betrug durch Preisabsprachen, PRESSERechtspanorama 29. 6. 1998, 21; Pock, Vergaberecht: Geheimhaltungspflicht des Auftraggebers versus Rechtsschutz der Bewerber, RdW 2004, 2; Rosbaud, Das Kartellstrafrecht ist tot! Lang lebe das Kartellstrafrecht! JBl 2003, 907; Steininger H., Zur Strafbarkeit von Preisabsprachen im Baugewerbe, RZ 2000, 116; Stifter, Bewertung von Bietergemeinschaften nach dem Kartellgesetz 2005, bbl 2006, 51; Stockenhuber, Kartellrecht: Mehr Schutz für den Staat, weniger für den Bürger, PRESSE-Rechtspanorama 1. 7. 2002, 18; Zeder, Die österreichischen Kartellbußen am Maßstab des Kriminalrechts, JBl 2007, 477.
1 A. Ein Vergabeverfahren besteht darin, dass jemand, der einen Auftrag
vergeben will – zB über die Lieferung von Waren, die Errichtung eines Baues, die Durchführung bestimmter Arbeiten –, Angebote einholt. Der Auftraggeber kann Unternehmer öffentlich auffordern, Angebote vorzulegen, er kann einzelne Unternehmer zu Angeboten einladen oder – zunächst einmal mit einem Unternehmer – zu verhandeln beginnen. 2 B. Die Absprache. Die Unternehmer, die Angebote vorlegen oder damit
rechnen, zu Verhandlungen eingeladen zu werden, verabreden, wer wie viel für die zu erbringenden Leistungen verlangt. Die Absprache zielt darauf ab, den Inhalt der Angebote oder Verhandlungen zu bestimmen. IdR steht mit der Absprache fest, wer den Auftrag als „Bestbieter“ erhalten wird. 3 C. Der Täter führt das Delikt aus, indem er ein Angebot macht oder Ver-
handlungen führt, die von der Absprache bestimmt sind. 4 D. § 168b ist ein abstraktes Gefährdungsdelikt. Häufig führen Preisab-
sprachen zu höheren Preisen für den Auftraggeber. Das muss aber nicht so sein: Hauptanliegen der Täter mag es sein, sich regelmäßig ohne Kalkulationskosten bewerben zu können; Großaufträge erhält nur, wer sich regelmäßig bewirbt, und Angebote erfordern zB in der Bauwirtschaft teure Kalkulationen (Frotz Vergehen 90, 93f). 5 E. Abgrenzung und Konkurrenz. Angebote auf Grund einer Preisab-
sprache können Betrug sein: Wer ein Angebot vorlegt, erklärt stillschwei334
Wettbewerbsbeschränkende Absprachen bei Vergabeverfahren
§ 168b
gend, es nicht verabredet zu haben (s § 146 Rz 5), und verleitet den Auftraggeber, das Angebot des „Bestbieters“ anzunehmen; wenn die Preise des Angebotes überhöht sind, ist der Auftraggeber betrogen (Lewisch BT I 232). Der Betrugsschaden ist auch hier nach den allgemeinen Regeln zu ermit- 6 teln: Es kommt auf die Angemessenheit von Preis und Leistung an (s § 146 Rz 27f). Freilich haben eine Gleisstrecke und eine Autobahnbrücke keinen Marktpreis, nach dem man sich richten könnte. So weicht der OGH dem Problem aus: Es komme nicht auf die Preisangemessenheit des Angebotes an, der Auftraggeber sei vielmehr um die Differenz betrogen zwischen dem Preis des „Bestbieters“ und dem Preis, der sich bei freiem Wettbewerb gebildet hätte (H. Steininger RZ 2000, 116). Damit schafft der OGH ein Betrugssonderstrafrecht für Preisabsprachen: Das Vortäuschen eines besonders günstigen Angebots gilt sonst nicht als Betrug (s § 146 Rz 8); und Gewinne, die das Opfer hätte erzielen können, wenn es sich nicht auf das Geschäft mit dem Täter eingelassen hätte, gelten sonst als unerheblich (s § 146 Rz 21). Niemand kann seriöserweise sagen, wie die Bewerber bei einer zweiten Ausschreibung kalkuliert und welche Angebote sie dann vorgelegt hätten (Frotz Vergehen 88ff, Fuchs Steininger-FS 69, Lurger ecolex 2003, 110, Zeder SbgK § 168b Rz 110). Vielleicht hätten sie in Anbetracht des höheren Risikos teurer kalkuliert. In manchen Branchen ist es üblich, dass der Auftraggeber auch den Bestbieter noch herunterhandelt (vgl SSt 63/100). Die ÖBB schreiben eine Bahnstrecke aus; es bewerben sich mehrere Bauunternehmer, die ihre Angebote abgesprochen haben. Der OGH verurteilt sie wegen Betruges, weil die Preise, die sich im freien Wettbewerb gebildet hätten, unter denen des „Bestbieters“ lägen. Der OGH stellt teils auf Angebote ab, die gar nicht vorgelegt wurden, zB auf das Angebot eines „unabhängigen Kalkulanten“ (JBl 2001, 198 mit abl Anm Köck); auf das Angebot, das ein Mitbewerber vorgelegt hätte, wenn es nicht zu der Absprache gekommen wäre (SSt 63/100); teils will der OGH den „hypothetischen Wettbewerbsschaden“ „unter Beachtung des Zweifelsgrundsatzes“ schätzen (SSt 63/100), teils bleibt er ganz unbestimmt (EvBl 2002/39). Dass ein Bewerber einen Mitbewerber durch eine Abstandszahlung von 40 000 € veranlasst, ein Angebot zu legen, das um 200 000 € über dem des Täters liegt, bedeutet noch lange nicht, dass der Auftraggeber ohne diesen Schwindel um 40 000 € besser abgeschlossen hätte (so aber EvBl 2002/141). Eine Bahnstrecke hat keinen Marktpreis; einen Marktpreis aber haben die Einzelleistungen, die zur Errichtung der Bahnstrecke notwendig sind. So musste man sie heranziehen, um die Angemessenheit des Bestbieter-Angebots zu prüfen (Lurger ecolex 2003, 111).
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§§ 168c –168e
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
7 Preisabsprachen in einem Vergabeverfahren könnten Betrug nur sein,
wenn eine Nachprüfung der Kalkulation ergäbe, dass die Preise für die Einzelleistungen jenseits dessen liegen, was im redlichen Verkehr noch üblich ist, aber selbst dann bleiben Zweifel an der Anwendbarkeit des § 146 (s Rz 6). Manche halten einen Betrug durch Submissionsabsprachen für gar nicht möglich (Fuchs Steininger-FS 69, Zeder SbgK § 168b Rz 111f).
Geschenkannahme; Bestechung; Berechtigung zur Anklage (§§ 168c–e) Geschenkannahme durch Bedienstete oder Beauftragte § 168c. (1) Ein Bediensteter oder Beauftragter eines Unternehmens, der im geschäftlichen Verkehr für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung von einem anderen für sich oder einen Dritten einen Vorteil fordert, annimmt oder sich versprechen lässt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen. (2) Übersteigt der Wert des Vorteils 3 000 Euro, so ist der Täter mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren zu bestrafen.
Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten § 168d. Wer einem Bediensteten oder Beauftragten eines Unternehmens im geschäftlichen Verkehr für die pflichtwidrige Vornahme oder Unterlassung einer Rechtshandlung für ihn oder einen Dritten einen nicht bloß geringfügigen Vorteil anbietet, verspricht oder gewährt, ist mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren zu bestrafen.
Berechtigung zur Anklage § 168e. Die strafbaren Handlungen nach § 168c Abs. 1 sowie nach § 168d sind nur auf Verlangen des Verletzten oder eines der nach § 14 Abs. 1 erster Satz des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb 1984 – UWG, BGBl. Nr. 448, zur Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs Berechtigten zu verfolgen. Schrifttum: Bertel, Werbung ist keine Bestechung, SN-Staatsbürger 24. 9. 2009, 17; Brandstetter M./Rauch, Korruptionsbekämpfung im privaten Bereich, 11, in: Mitgutsch/Wessely (Hrsg), Strafrecht Besonderer Teil Jahrbuch 2009 (2009), 11; Brandstetter M./Rauch/Wegscheider, Korruptionsstrafrecht NEU – Struktur und Grundzüge der relevanten Tatbestände, JSt 2008, 155; Plöckinger, Bestechungs-, Provisions- und Schmiergeldzahlungen im geschäftlichen Bereich, ÖJZ 2009, 207; Ploier/Werinos, Ärzte-Kongress als Korruption? – Schifahren muss jeder selbst zahlen, PRESSE-Rechtspanorama 3. 3. 2009.
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Geschenkannahme; Bestechung; Berechtigung zur Anklage
§§ 168c –168e
Die §§ 168c, d bestrafen die Korruption im privaten, geschäftlichen Bereich; 1 die §§ 304ff decken den öffentlichen Sektor ab. § 168e macht aus der Bestechung (§ 168d) und aus der unqualifizierten Geschenkannahme (§ 168c Abs 1) Privatanklagedelikte. Wenn bei der Geschenkannahme der Wert des Vorteils 3 000 € übersteigt (§ 168c Abs 2), fällt die Tat unter einen höheren Strafsatz und wird von Amts wegen verfolgt. 1. Geschenkannahme durch Bedienstete oder Beauftragte (§ 168c) A. Der Täter. § 168c ist ein Sonderdelikt, der Täter ist Bediensteter oder 2 Beauftragter eines Unternehmens. Bedienstete des Unternehmens sind Arbeitnehmer und Geschäftsführer, soweit sie nicht selbst der Unternehmer sind (Brandstetter M./Rauch Korruptionsbekämpfung 23, Plöckinger ÖJZ 2009, 209). Beauftragte sind Personen, die, ohne Bedienstete zu sein, für das Unternehmen Rechtshandlungen vornehmen dürfen, zB Vorstände, Aufsichtsräte, Masseverwalter. Dass sie „Einfluss auf betriebliche Entscheidungen“ nehmen (so die EBRV zum StRÄG 2008, 9), genügt nicht: Einfluss macht sie noch nicht zu Beauftragten (weiter wohl Brandstetter M./Rauch Korruptionsbekämpfung 23, Plöckinger ÖJZ 2009, 209). B. Die Ausführungshandlung. Der Täter fordert für die Vornahme oder 3 Unterlassung einer pflichtwidrigen Rechtshandlung (Rz 4) einen Vorteil, nimmt ihn an oder lässt ihn sich versprechen. Wenn der Täter das Geschenk nicht für eine bestimmte Rechtshandlung erhält, sondern weil der Geschenkgeber mit der Geschäftsbeziehung allgemein zufrieden ist, ist § 168c nicht anwendbar. Die Annahme von Geschenken, die darauf abzielen, künftige, vielleicht noch gar nicht absehbare Geschäfte „anzubahnen“, fallen gleichfalls nicht unter § 168c: Ein dem § 306 vergleichbares Delikt gibt es im privaten Bereich nicht. Vorteile sind zB Geldgeschenke, Gratiseinladungen; auf den Wert des Geschenks usw kommt es hier nicht an. Mit dem Fordern usw ist die Tat vollendet. Rechtshandlungen „im geschäftlichen Verkehr“ sind Vertretungshand- 4 lungen (s § 153 Rz 4), zB die Stellung oder Annahme von Angeboten, die Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen (vgl Bertel WK2 28. Lfg [2001] § 305 Rz 4). Auf andere Weise können Bedienstete und Beauftrage für das Unternehmen „rechtlich relevant“ (EBRV zum StRÄG 2008, 9) nicht handeln. Handlungen, die Rechtshandlungen nur vorbereiten oder die Grundlage für sie schaffen, zB Preiskalkulationen, sind „faktische Tä337
§§ 168c –168e
Strafbare Handlungen gegen fremdes Vermögen
tigkeiten“ (vgl EBRV zum StRÄG 2008, 9) und geschehen gerade nicht im geschäftlichen Verkehr. Der Täter nimmt den Vorteil mit dem Vorsatz an, eine Rechtshandlung pflichtwidrig, also entgegen einer Weisung, vertraglichen Verpflichtung oder Rechtsvorschrift, vorzunehmen oder zu unterlassen (Bertel WK2 28. Lfg [2001] § 305 Rz 5f). Wenn die Rechtshandlung nach den Vorstellungen des Täters rechtlich gerade noch vertretbar ist, kommt § 153a in Frage (s § 153a Rz 2). 5 C. Abgrenzung und Konkurrenz. Die Anwendung des § 168c schließt
jene des § 153a aus (für § 305 Abs 1 idF vor dem StRÄG 2008 Bertel WK2 28. Lfg [2001] § 305 Rz 11). Gegenüber § 153 ist § 168c materiell subsidiär: § 168c soll Fälle erfassen, die nicht als Untreue betraft werden können (EBRV zum StRÄG 2008, 9), da aber der OGH die Annahme unerlaubter Provisionen regelmäßig als Untreue ansieht (s § 153 Rz 10), wird § 168c – wie im Übrigen § 153a – kaum je angewandt werden. Wenn der Täter ein Amtsträger (§ 74 Abs 1 Z 4a) ist, geht der speziellere § 304 dem § 168c vor. Der Prokurist einer Firma lässt sich von Geschäftspartnern „Provisionen“ auf sein Privatkonto überweisen. Wenn er das Geld für Geschäfte nimmt, die er rechtswidrig abgeschlossen hat, haftet er nach § 168c; wenn die „Provisionen“ die Geschäfte zum Schaden der Firma verteuern, nach § 153 (§ 153 Rz 9f). Die Geschäftspartner haften im ersten Fall nach § 168d, im zweiten nach § 12, § 153 (s § 153 Rz 18). Wenn die Geschäfte pflichtgemäß abgeschlossen werden, kommt für den Prokuristen § 153a in Frage, die Geschäftspartner sind straflos (s § 153a Rz 5).
2. Bestechung von Bediensteten oder Beauftragten (§ 168d) 6 Strafbar nach § 168d macht sich der Geber, wenn er den Vorteil mit dem
Vorsatz anbietet, verspricht oder gewährt, dass der Nehmer eine bestimmte Rechtshandlung (Rz 3f) pflichtwidrig vornehme oder unterlasse. Wenn die Rechtshandlung nach den Vorstellungen des Gebers rechtlich gerade noch vertretbar ist, bleibt er straffrei (s Rz 5). Straffrei bleibt er auch, wenn der Vorteil bloß geringfügig ist (dazu § 153a Rz 2). 7 Auch § 168d wird durch § 153 verdrängt, wenn sich der Geber an der Un-
treue des Nehmers beteiligt (EBRV zum StRÄG 2008, 14; aM Plöckinger ÖJZ 2009, 212); wegen der Rsp des OGH zu § 153 wird auch § 168d kaum eine Rolle spielen. Wenn der Nehmer ein Amtsträger (§ 74 Abs 1 Z 4a) ist, macht sich der Geber nach § 307 strafbar.
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Sachverzeichnis Die fetten Zahlen beziehen sich auf die Paragrafen, die mageren auf die Randziffern
A Abblendlicht 81 19 Abbuchungsauftrag 148a 4, 153 3 aberratio ictus 75 7 Abfangen von Daten 119a 1ff abgeschlossener Raum 129 2 Abhören 119 2, 120 2 Abnötigen 105 14, 142 8 Abnützung 127 22, 133 16, 136 24 absichtliche schwere Körperverletzung 87 1ff –, Versuch 87 4 absolut untauglicher Versuch 94 12, 125 4, 128 5 Abstrahlung –, elektromagnetische 119a 2 abstrakte Gefahr 89 1, 103 3 Abtreibung s Schwangerschaftsabbruch Adäquanz, soziale 80 2ff, 159 16, s auch Sorgfaltswidrigkeit Adäquanzzusammenhang s Risikozusammenhang Affekt 76 2 AIDS 83 3, 6 Alkoholisierung 81 11ff, 88 9, 89 2, 90 7 Alleineigentum s Eigentum Alleingewahrsam s Gewahrsam allgemein begreifliche heftige Gemütsbewegung 76 3 Altar 126 1 Altpapier(-glas)container 127 2 Amtsanmaßung und Betrug 147 8 Amtsbetrug 147 8 Amtshandlung 147 8
Amtsmissbrauch 99 18, 133 6 Amtspflicht 109 19, 114 2 Analogie 115 11, 116 5 Analogieverbot 94 11, 135 4, 143 4, 153a 5 Aneignung von Bodenbestandteilen und -erzeugnissen 141 15 Anerkennen nicht bestehender Verbindlichkeiten 156 7 Angebot, überhöhtes 146 8 Angehörige 88 7, 136 13, 141 12, 150 2, 166 3, 167 24 Angestellter 127 15, 153 3 –, leitender 153b 5, 153d 2, 161 2f, 162 1, 163 1 Angriff mehrerer 91 2 Angst 83 4f – vor Strafverfolgung 76 3, 94 16 Ängstlichkeit des Opfers 105 11 Anklageanschluss 117 7 Anlage zur Gewinnung, Umformung usw von Energie 132 1 Anschlussunterschlagung 134 9f Ansichbringen 164 4 Ansteckung mit einer Krankheit 83 3 anvertrautes Fahrzeug 136 9f anvertrautes Gut 133 1ff, 134 10 Anzeige, Drohung mit 105 9, 18, 20, 21, 106 2, 144 5 –, falsche 114 4 Anzeigepflicht 114 2, 134 12, 14 – gem § 390 ABGB 134 12 Anzeigerecht 105 18, 21, 114 3ff Apotheke 126 6 Aquaplaning 80 21
339
Sachverzeichnis
Äquivalenztheorie 75 1 Arbeitgeber –, Mitgewahrsam 127 14f, 133 4 –, vom – anvertrautes Fahrzeug 136 11 Arbeitnehmer, Alleingewahrsam 127 11, 15, 133 3, 6 Arzt 88 8, 96 6, 98 3, 110 1ff, 121 7 Ärztemuster 146 30 ärztliche Beratung 97 2 ärztlicher Kunstfehler s Kunstfehler Arztpraxis 126 6 Assistenten, medizinisch-technische 88 8 Aufbrechen 129 12, 136 22 Auffahrunfall 80 16, 94 2 Aufführung 149 1 Aufklärung, ärztliche 96 5, 97 2, 98 2, 110 6 –, Verzicht 110 6 Aufrechnung 133 20, 146 34, 167 8 Aufsichtsrat 153 2, 161 2 Auftrag 133 5 Aufzeichnung 120 4 Ausbeutung 104a 1, 5 Ausgaben, sinnlose 146 23 Ausgleichsverfahren, Umtriebe im 160 1f Auskundschaftung eines Geschäftsgeheimnisses 122–124 9, 12 ausländische Macht 103 1 Aussagepflicht 114 2, 121 7 Aussetzung 82 1ff – und Körperverletzung 82 6 – und Mord 82 4 Ausübung eines Rechts 114 1ff Ausweichschäden 83 10 Ausweise 127 7, 135 12 Autokennzeichen s Kennzeichentafel Automatenmissbrauch 129 13, 149 6f Autoradio 134 9 Autoritätsstellung, Ausnützung 104a 4
B Bagatell– betrug 149 1ff, 150 1ff – delikt 141 1ff – verletzung 83 1f, 94 5 Bahnhofshalle 127 11, 134 3 Bankgarantie 153 3 Bankguthaben 133 10, 13, 134 11, 148a 2, 164 2
340
Bankomat 129 13, 148a 2 Bankomatkarte 127 7f, 135 12, 148a 2, 166 2, 167 4 Bankomatkassa 148a 2 Bankvollmacht 153 4, 159 2 bargeldloser Zahlungsverkehr 148a 2 Beamtenbeleidigung 117 3f Beamter 84 12, 99 18, 102 12, 116 2, 117 3f, 118 6, 121 7, 122 8, 133 6, 153 3 –, sich ausgeben als 147 8 Bearbeitungsgebühr 144 5 Beauftragte 168c–e 2 Bedienstete 168c–e 2 bedingter Vorsatz s Vorsatz Bedingungstheorie 75 1 Bedrängnisdiebstahl 128 1 Beeinflussen einer elektronischen Datenverarbeitung 148a 1 Beeinträchtigung, seelische 83 4 Befriedigung eines Gelüstes 141 9f Befugnis über fremdes Vermögen zu verfügen s Vollmacht Begehung im Familienkreis 166 1ff Beglaubigungszeichen s Fälschung von Beglaubigungszeichen Begleitschaden 167 7ff Begleittat s typische Begleittat Begünstigung eines Gläubigers 158 1ff – und betrügerische Krida 158 2 Behältnis 118 3, 129 11 Behandlung 110 2ff Beharrliche Verfolgung 107a 1ff Behauptung, falsche 146 2f, 152 1 Behörde 103 1, 108 1, 111 10, 114 2f, 116 1ff, 117 5, 120 6, 167 13 Behördenbetrug 146 11f Beiseiteschaffen 151 2, 156 3, 162 2, 163 2 Beisetzungsstätten 126 2 Beistand, psychischer 94 6f Beleidigung 115 1ff –, Entschuldigung 115 12f – und Körperverletzung 115 6f Beleidigungsfähigkeit 111 1, 116 1f beleidigungsfreie Intimsphäre 111 12f Benzintank 129 11 Beobachtung bei der Wegnahme 127 17 Berechtigter beim Hausfriedensbruch 109 8 Berechtigung zur Anklage 117 1ff, 168c–e 1
Sachverzeichnis
Bereicherungsvorsatz s Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz Berufsgeheimnis 121 1ff Berufsunfähigkeit 84 2, 85 3 Beschädigen 125 2 Beschimpfung 115 2f – und üble Nachrede 111 18 Besitzer 109 8 besonders gefährliche Verhältnisse 81 2ff, 88 9, 89 2f Besorgniseignung 105 10f, 107 4, 115 7 Bestätigung, falsche 146 4, 147 4 Bestbieter 168b 6 Bestechung 160 2, 168c–e 1ff, s auch Provision Beteiligung – am Raub 143 1 – am Raufhandel 91 2ff – an der Vortat 164 1 – bei Begehung im Familienkreis 166 6f – bei betrügerischer Krida 157 1 – bei bewaffnetem Diebstahl 129 16 – bei Diebstahl 127 29 – bei grob fahrlässiger Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen 159 18 – bei Fahrlässigkeitsdelikten 80 27 – bei Geschenkannahme durch Machthaber 153a 5 – bei Glücksspiel 168 7 – bei räuberischem Diebstahl 131 8 – bei Schwangerschaftsabbruch 96 6ff – bei schwerem Eingriff in fremdes Jagdoder Fischereirecht 138 4 – bei unbefugtem Gebrauch von Fahrzeugen 136 8, 14 – bei Untreue 153 17f – bei Vollstreckungsvereitelung 162 1 Betrag, geringer – bei Glücksspiel 168 9f – bei Ketten- oder Pyramidenspiel 168a 3 Betretung auf frischer Tat 131 3, 140 1 Betriebsgeheimnis 122–124 1ff Betriebsmittel, Verbrauch 136 23 Betrug 146 1ff – durch Unterlassen 146 13 –, gewerbsmäßiger s Gewerbsmäßigkeit –, Privilegierung 149 1ff, 150 1ff
–, –, – –
Qualifikation 147 1ff, 148 1f schwerer s schwerer Betrug und Amtsanmaßung 147 8 und betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch 148a 1, 4 – und Diebstahl 127 19 – und Erpressung 146 16 – und Fälschung oder Entfremdung unbarer Zahlungsmittel 147 10 – und Fälschung von Beglaubigungszeichen 147 10 – und Förderungsmissbrauch 153b 4 – und Hehlerei 164 9 – und Ketten- oder Pyramidenspiel 168a 5 – und Täuschung 108 3 – und unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen 136 10 – und Unterschlagung 134 6, 10 – und Untreue 153 3 – und Urkundenfälschung 147 10 – und Veruntreuung 133 23, 146 18 –, Versuch 146 14 –, Vollendung 146 32 betrügerische Krida 156 1ff – und Begünstigung fremder Gläubiger 158 2 – und grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen 159 13 – und Vollstreckungsvereitelung 162 3f betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch 148a 1ff – und Betrug 148a 1, 4 – und Diebstahl 148a 2 – und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel 127 7, 148a 7 – und Untreue 148a 1f, 4 Betrügerisches Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen 153d 1f Betrunkener 81 11ff bewaffneter Diebstahl 129 16ff –, Beteiligung 129 19 – und räuberischer Diebstahl 131 1 bewaffneter Raub 143 2ff Bewegungsfreiheit 99 1 Beweis der journalistischen Sorgfalt 112 6, 114 6 Beweis des guten Glaubens 112 2f, 113 5, 114 4, 115 1
341
Sachverzeichnis
Beweismittel, falsches, verfälschtes 147 3f Beweismittelbetrug 146 4, 147 3f Beweisthemenverbot 112 5 Bewusstlosigkeit 83 2, 105 5, 142 3 Bioprodukte 146 27 Blankoscheck 153 4 Blutabnahme 110 2 Bodenbestandteile 141 15 Bodenerzeugnisse 141 15 Bote 127 15 Brandstiftung 75 2, 125 10 –, Drohung mit 106 2 Brief 118 2ff Briefgeheimnis 118 1ff Briefkastenfirma 146 31, 153d 1 Briefträger 118 6, 134 6 Brutalität 87 3, 142 13 Buchhalter 148a 1 Bundesheer 116 1, 117 2 Bundespräsident 116 1, 117 2 Bundesrat 116 1 Bundesversammlung 116 1 Bürge 146 23
C Charakter 111 2 Charaktermängel 80 20 Cash-Chip s elektronische Geldbörse Computer 118a 2, 119a 1f, 126a 1, 126b 1 Computersystem 118a 2, 119 2f, 119a 2, 126b 1f Cyber-Crime-Konvention 118a 1
D Darlehen 133 8, 146 4, 25, 153 15, 153b 3, 159 4 Daten 118a 2f, 119 3, 119a 1ff –, falsche 147 2 Datenbeschädigung 126a 2f Dauerdelikt 99 7, 102 6 Dauerfolgen s Körperverletzung dauernde Sachentziehung 135 1ff –, Privilegierung 141 2ff – und Diebstahl 127 23, 135 2, 8 – und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel 135 12 – und Sachbeschädigung 125 11, 135 11
342
– und unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen 136 17 – und Urkundenunterdrückung 135 12 –, Vollendung 135 6 –, Wertqualifikation 135 13 Deckungsfonds, präsenter s präsenter Deckungsfonds Denkmal, öffentliches 126 3 Denkmalschutz 126 3 Depressionen 83 4f, 143 5 derelinquierte Sache 127 2, 134 5 Diebstahl 127 1ff – aus einem verschlossenen Behältnis 129 10ff –, Bedrängnisdiebstahl 128 1 –, bewaffneter s bewaffneter Diebstahl –, gewerbsmäßiger s Gewerbsmäßigkeit – in krimineller Vereinigung 130 1 –, Privilegierung 141 1ff –, räuberischer s räuberischer Diebstahl –, schwerer s schwerer Diebstahl – und betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch 148a 2 – und Betrug 127 19 – und dauernde Sachentziehung 127 23, 135 2, 8 – und Einbruchsdiebstahl s Einbruchsdiebstahl – und Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht 137 1 – und Entfremdung unbarer Zahlungsmittel 127 7ff – und Entziehung von Energie 132 1 – und Hehlerei 127 29, 164 9 – und Nötigung 131 6 – und Raub 131 1ff, 142 4 – und Sachbeschädigung 127 24 – und Schädigung fremder Gläubiger 157 4 – und unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen 136 16 – und Unterschlagung 127 10, 28, 134 3 – und Urkundenunterdrückung 127 7f – und Veruntreuung 127 14 – unter Überwindung einer Sperrvorrichtung 129 10ff – unter Verwendung eines widerrechtlich erlangten Schlüssels 129 6 –, Versuch 127 17
Sachverzeichnis
–, Vollendung 127 17f –, Wertqualifikation 128 5ff Dienstgeber, vom – anvertrautes Fahrzeug 136 11f Dienstgeberbeiträge 153d 2 Dienstnehmerbeiträge 153c 1 Dienstpflicht 109 19, 114 2 Dietrich 129 7 Diskette 126a 2, 5 Diskriminierungsverbot 97 7 Dispositionsfreiheit 108 3f, s auch Willensfreiheit Diversion 88 10 dolus eventualis s Vorsatz, bedingter Drohung s auch gefährliche Drohung –, Ernstlichkeit 105 9ff, 106 3, 107 4 –, konkludente 105 12 – mit Anzeige 105 9, 18, 20, 21, 106 2, 144 5 – mit Brandstiftung 106 2 – mit dem Tod 106 2f, 142 5 – mit Entführung 106 2 – mit Existenzvernichtung 106 2 – mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben 142 5ff – mit Gewalt 109 6 – mit Kündigung des Mieters 144 4 – mit Lieferstopp 144 4 – mit Misshandlungen 105 9, 115 7 – mit Streik 144 4 – mit Verletzung am Körper 105 9, 142 5 – mit Verletzung am Vermögen 105 9 – mit Verletzung an der Ehre 105 9 – mit Verletzung an der Freiheit 105 9 – mit Verunstaltung 106 2 – zum Scherz 107 7 Druckwerk 111 15
E E-Card 147 3 Ehegatte 166 3 Eheschließung, Nötigung zur – 106 5 Ehre 111 1ff Ehrenkränkung 111 14 Eigengeldwäsche 164 2 eigenmächtige Heilbehandlung 110 1ff – und Körperverletzung 110 2, 12ff – und Täuschung 108 3, 110 3
Eigenschaft, verächtliche 111 2ff Eigentum 125 1, 127 2, 134 4 Eigentumsvorbehalt 133 5, 146 24 Einbrechen 129 4, 136 22 Einbruchsdiebstahl 129 1ff – und Hausfriedensbruch 109 24 – und Sachbeschädigung 125 12f Eindringen 109 13 – mehrerer 109 17 einfacher Raub 142 1ff Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht 137 1ff – und Diebstahl 137 1 – und Sachbeschädigung 137 1 –, Privilegierung 141 1ff –, Verfolgungsvoraussetzung 139 1f –, Wertqualifikation 138 1 Einlassungsfahrlässigkeit 80 23 Einmietbetrug 147 6 Einreisehilfe s Schlepperei Einsatzfahrzeug 126 5, 135 14 Einsperren 99 2, 102 4 Einsteigdiebstahl s Einbruchsdiebstahl Einsteigen 129 5 Einverständnis s auch Einwilligung – bei Diebstahl 127 19 –, fehlendes 157 2, 163 1 – in Tonbandaufnahme 120 4 Einwilligung – des Jagd- oder Fischereiberechtigten 137 3 – in Entführung 100 2, 101 1f – in Freiheitsentziehung 99 8 – in Geheimnisoffenbarung 121 6 – in Geschlechtsverkehr 100 2 – in Heilbehandlung 110 5ff – in Körperverletzung 80 15, 90 1ff – in Schwangerschaftsabbruch 96 5, 98 1ff – in unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen 136 3ff – in Verletzung des Briefgeheimnisses 118 5 –, mutmaßliche 110 10, 118 5, 120 6, 136 5 Eisenbahn 126 7, 136 1 elektromagnetische Abstrahlung 119a 2 elektronische Geldbörse 127 6f
343
Sachverzeichnis
E-Mail 118 2, 119 2, 4, 120 5, 126b 2, 126c 1, 147 6 embryopathische (eugenische) Indikation 97 4 Empfangsgerät 119 2, 119a 2 Energie, elektrische 132 1 Entfremdung unbarer Zahlungsmittel – und Begehung im Familienkreis 166 2 – und Betrug 147 2 – und dauernde Sachentziehung 135 12 – und Diebstahl 127 7f – und Raub 142 1 – und tätige Reue 167 4 Entführung einer unmündigen Person 101 1ff Entführung einer geisteskranken oder wehrlosen Person 100 1ff – und Freiheitsentziehung 99 14 – und Sexualdelikte 100 4 Entführung 100 2, 101 1, 102 2f, 103 1 –, Drohung mit 106 2 –, vorgetäuschte 146 16 entgangener Gewinn 146 21 Entgelt, geringes 149 1, 8 entlehnte Sache 133 4 Entreißen einer Handtasche 142 4 Entrüstungsbeleidigung 115 12f Entschädigung s Entschädigungsvorsatz, tätige Reue Entschädigungsvorsatz – bei dauernder Sachentziehung 135 9 – bei Diebstahl 127 27 – bei Sachbeschädigung 125 9 – bei Veruntreuung 133 17f Entscheidungsfreiheit s Willensfreiheit entschuldigender Notstand s Notstand Entschuldigung s Notstand, Zumutbarkeit Entwendung 141 1ff – und gewerbsmäßiger Diebstahl 130 8, 141 6 Entziehen einer Sache aus dem Gewahrsam 135 2ff Entziehung von Energie 132 1ff –, Privilegierung 141 1ff – und Diebstahl 132 1 Epilepsie 85 3 Erforderlichkeit der Hilfeleistung s Hilfeleistung
344
Erheblichkeit – der Gewalt 105 5 – der Körperverletzung 83 1f – der Sachbeschädigung 125 5ff Erlös, anvertrauter 133 9 Ermächtigungsdelikt 108 1, 109 10, 117 2ff, 118 6, 118a 4, 119 5, 119a 4, 120 7, 139 1, 141 11, 149 5, 9, 150 2 Ernstlichkeit der Drohung s Drohung Eröffnungswehen 79 1, 3, 96 3 Erpresserische Entführung 102 1ff –, Privilegierung 102 11 –, Qualifikation 102 10 – und Erpressung 102 12 – und Freiheitsentziehung 102 12 – und gefährliche Drohung 102 12, 107 12 – und Mord 102 10 – und Nötigung 102 12, 105 26 – und Raub 102 13 –, Vollendung 102 6, 9 Erpressung 144 1ff –, schwere s schwere Erpressung – und Betrug 146 16 – und erpresserische Entführung 102 12 – und gefährliche Drohung 107 7, 12 – und Hehlerei 164 9 – und Körperverletzung 144 8 – und Nötigung 105 26f, 144 1 – und Raub 144 6 error in objecto 75 7 Erschleichung einer Leistung 149 1ff – und Urkundenbetrug 149 4 Erschleichung einer privaten Anstellung 146 26 Erschrecken 107 7 Erziehungsberechtigter 101 1f Erziehungsrecht 99 10, 101 2 Euthanasie 77, 78 3 Exekutionsverfahren 162 4 Experiment, medizinisches 110 3f
F Fahrerflucht s Imstichlassen eines Verletzten Fahrerlaubnis, Überschreitung 136 9 Fahrkarte 148a 2, 149 4 fahrlässige Körperverletzung 88 1ff –, Ärzte, Krankenpfleger usw 88 8
Sachverzeichnis
–, –, –, –, –
Angehörige 88 7 besonders gefährliche Verhältnisse 88 9 schwere Verletzung 88 9 schweres Verschulden 88 3ff, 10 und eigenmächtige Heilbehandlung 110 12f – und fahrlässige Tötung 80 28 fahrlässige Tötung 80 1ff – und fahrlässige Körperverletzung 80 28 – und Raub 143 5 fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen 81 1ff –, Alkohol am Steuer 81 11ff –, besonders gefährliche Verhältnisse 81 2ff –, Beteiligung 81 19 –, Konkurrenz von § 81 Abs 1 Z 1 und 2 81 20 Fahrlässigkeit 80 1ff, 83 9, 84 6, 85 5, 86 1f, 88 1ff, 159 14ff –, grobe 88 3ff, 13, 159 16 Fahrlässigkeitsschuld 80 17, 81 10, 15f, 18, 86 2, 88 3f Fahrrad 135 2, 8 Fahruntauglichkeit 81 13f Fahrzeug –, anvertrautes 136 9 –, herausgelocktes 136 9 falsche Beweisaussage und Nötigung 105 33 falsche – Daten 147 2 – unbare Zahlungsmittel 147 2 – Urkunde 147 2 falsches Beweismittel 147 3f Fälschung von Beglaubigungszeichen und Betrug 147 10 Fälschung von Beweismitteln s Beweismittelbetrug Fälschung von unbaren Zahlungsmitteln und Betrug 147 2 Fälschung von Urkunden s Urkundenbetrug, Urkundenfälschung falsus procurator 153 3 Familienkreis, Begehung im – 166 1ff Fehlverhalten, nachträgliches 80 12f Fernmeldeanlage 126 8, s auch Telekommunikationsanlage Fernsehapparat 132 1
Fernsprechautomat 125 13, 126 8, 132 2, 149 7 Fesselung 99 3, 12 Festhalten 99 3 Festnahmerecht 99 10 Feuerlöscher 126 5 Feuermelder 126 5 Feuersbrunst 125 10 Filialleiter 127 15, 133 4, 153 7 Finanzierungskosten 159 4 Finden 134 3 Fingieren bestimmter Versicherungsfälle 151 2, s auch Versicherungsbetrug Fischen 137 2f FIS-Regeln 80 3 Folgen, unbedeutende 142 15 Folgeschaden 167 5ff Folgeunfall 80 12f, 95 4 Forderung 133 1, 10, 134 1, 146 7 Förderung 153b 1 Förderungsmissbrauch 153b 1ff –, Qualifikation 153b 6 – und Betrug 153b 4 Fortgesetzte Gewaltausübung 107b 1ff fortgesetztes Verbrechen 167 14 Fortpflanzungsfähigkeit 85 1 freie Meinungsäußerung 111 3f, 114 6 Freiheit – der Kunst 114 8 – der Wissenschaft 114 8 Freiheitsentziehung 99 1ff, 102 2f –, Aufrechterhalten 99 7 –, Mindestdauer 99 6 –, Qualifikation 99 11ff –, Rechtfertigung 99 10 – und Amtsmissbrauch 99 18 – und Entführung einer geisteskranken oder wehrlosen Person 99 14 – und erpresserische Entführung 102 12 – und Erpressung 99 14 – und Körperverletzung 99 14f, 17 – und Nötigung 99 17 – und Raub 99 14 – und Sexualdelikte 99 14 freiwillige Sanierung durch Gebietskörperschaft 159 12 Freiwilligkeit – bei der tätigen Reue 165, 165a 19, 167 15
345
Sachverzeichnis
– der Beendigung einer erpresserischen Entführung 102 11 fremde Sache 125 1, 127 2, 133 1, 135 1, 142 1 fremdes Gut 134 1, 5, 11 frische Tat s Betretung auf frischer Tat Fristenlösung 96 1, 97 2 Führerschein 127 7, 135 12 Fund 134 3 Fundanzeige 134 12 Furcht und Unruhe 107 6
G Garantenstellung 82 3 Garderobefrau 127 19 Garten 129 3, 141 14 Gas 132 1 Gaspistole 143 2 Gästebuch 147 6 Gastlokal 127 11, 134 3 Gebäude 109 12, 129 2 –, öffentliches 126 4 Gebietskörperschaft 126 4, 153b 2, 159 12ff Gebrauch, unbefugter 136 1ff Gebrauchsdiebstahl 127 22 Gebrauchsgüter 128 7 Gebrauchsverhinderungsvorsatz 135 7ff Gebrauchtwagen 146 21, 27 Geburt 79 3 Gefahr 89 1 –, abstrakte 89 1, 103 3 – des Todes s Lebensgefahr – einer beträchtlichen Körperverletzung 94 15, 95 4 –, erhebliche 103 3 –, ernste – für Schwangere oder Patient 97 3f, 110 8 –, irrtümliche Annahme 110 10 –, konkrete 89 1, 94 15, 95 4, 104a 6, 106 7, 152 2 Gefährdung der körperlichen Sicherheit 89 1ff –, abstrakt und konkret gefährliche Handlungen 89 1 –, besonders gefährliche Verhältnisse 89 2 – und fahrlässige Körperverletzung 89 5 Gefährdung des Wild- oder Fischbestandes 138 3
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Gefährdungsdelikt 82 1ff, 89 1ff, 103 3, 152 2 Gefährliche Drohung 105 9ff, 107 3ff –, Straflosigkeit 105 16 ff – und erpresserische Entführung 102 12, 107 12 – und Erpressung 107 12 – und Körperverletzung 107 11 – und Menschenhandel 104a 6 – und Nötigung 107 12 – und Stalking 107a 8 – und Täuschung 108 4 –, Vollendung 107 5 gefährliches Tier 81 21 Gefangenhalten 99 2 gefundene Sache 134 3 Gegenforderung 127 26, 133 19f, 142 10, 146 34, 153 16, 167 10 Gegenleistung bei Betrug –, minder wertvolle 146 27 –, unbrauchbare 146 26 –, unerwartet teuere 146 28 –, verspätete 146 25 Gehaltsbestätigung s Lohnbestätigung Gehaltsvorschuss 153 16 Geheimnis 121 1f, 122–124 1ff Gehörverlust 85 1 Geiselnahme 102 2 Geisterfahrer 89 1 geisteskranke Person 100 2, 102 7, 104a 4 Geld- und Sachwucher 154, 155 1ff Geldautomat 129 13, 148a 2 Geldkassette 129 11 Geldwäscherei 165, 165a 1ff –, Qualifikation 165, 165a 13 –, tätige Reue 165, 165a 19 – und Hehlerei 165, 165a 3f Gelegenheitsdieb 130 9 Gelüste s Befriedigung eines Gelüstes Gemeindevermittlungsamt 117 8 Gemeingefahr 95 3 gemeinnütziger Zweck 168 8 gemietete Sache 133 3 Gemütsbewegung, heftige 76 2f Genussmitteldiebstahl 141 9f geringer Schaden 150 1 geringer Wert 141 4f, 13, 142 14 geringes Entgelt 149 1, 8
Sachverzeichnis
geringfügiger Diebstahl 130 1 Geringwertigkeit beim Glücksspiel 168 9f Gesamtvorsatz 167 14 Geschäftsaufsicht, Umtriebe während einer – 160 1f Geschäftsführer 153 2, 4, 16, 159 18f, 161 2 Geschäftsgeheimnis 122–124 1ff Geschäftslokal 127 11, 134 8 Geschenkannahme 153a 1ff, 168c–e 2ff Geschwindigkeitsbeschränkungen 80 4, 10 Geschwister 166 3 gesetzlicher Vertreter 96 5, 110 7, 153 2 Gesinnung, verächtliche 111 2 Gesundheitsdienst, öffentlicher 126 6 Gesundheitsschädigung 83 3f, 84 3ff –, beträchtliche 94 15 –, Hilfeleistungspflicht 94 3 Gesundheitszustand 121 2 Gewahrsam 127 10ff, 131 4, 133 3, 134 3, 135 2, 136 6f, 142 1, 8, 164 4 –, Mitgewahrsam s Mitgewahrsam –, ohne Zutun des Täters in den – geraten 134 8 Gewalt 102 4, 104a 6, 105 2ff, 107b 2, 109 4ff, 15, 131 1, 142 2ff –, erhebliche 84 15, 142 13 –, Erheblichkeit 105 5 –, fortgesetzte 107b 1f – gegen Dritte 105 8 –, Rechtfertigung 105 16, 19 –, schwere 104a 6, 106 7f –, versuchte 105 7 Gewaltanwendung eines Wilderers 140 1 Gewerbsmäßigkeit 130 3ff – bei betrügerischem Datenverarbeitungsmissbrauch 148a 6 – bei Betrug 148 1ff – bei Diebstahl 130 3ff – bei Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht 138 5 – bei Erpressung 145 1 – bei Hehlerei 164 8 – bei Organisierter Schwarzarbeit 153e 4 – bei Schwangerschaftsabbruch 96 9 –, Beteiligung 130 9 – und Entwendung 130 8, 141 6 – und tätige Reue 167 14 Gewinn, entgangener 146 21
Gleichwertigkeit mit einer Waffe 143 4 Glücksspiel 168 1ff Gnadenbild 128 3 Grab 126 2 grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen 159 1ff – und betrügerische Krida 159 13 Grobheit 115 3 Großhandelsverkaufspreis 128 6 Gut, anvertrautes s anvertrautes Gut Gut, fremdes s fremdes Gut gute Sitten – und Einwilligung des Verletzten 90 4ff – und Erpressung 144 4 – und Nötigung 105 16ff – und üble Nachrede 111 6 Gute-Sitten-Klausel 105 16ff guter Glaube 164 6 Gutglaubensbeweis s Beweis des guten Glaubens Guthaben s Bankguthaben
H Hacking 118a 1 Haftpflichtversicherung s Versicherungsbetrug Hämatom 83 1 Handeln, sozial inadäquates 80 2ff Handelsware 128 6 Handtaschenraub 131 5, 142 4 Handy 127 14, 146 18, 148a 1f Hausfriedensbruch 109 1ff –, Rechtfertigung 109 19 – und Einbruchsdiebstahl 109 24 – und Körperverletzung 109 21 – und Nötigung 109 21 – und Vergewaltigung 109 24 – und Raub 109 24 – und Sachbeschädigung 109 5, 21ff Hausgemeinschaft 136 13, 141 12, 150 2, 166 4 Haushalt, öffentlicher 153b 2 Hausrecht 109 1 Hausverlosung 168 6 Hausverwalter 80 5, 146 7 Hautabschürfung 83 1f Hehlerei 164 1ff –, Privilegierung 141 2
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– und Betrug 164 9 – und Diebstahl 127 29, 164 9 – und Erpressung 164 9 – und Geldwäscherei 165, 165a 5 – und Raub 164 9 – und Unterschlagung 134 16, 164 9 – und Veruntreuung 164 9 Heilbehandlung 110 2, 12ff Heiratsschwindler 146 15, 166 3 Herausreißen des Telefonanschlusskabels 125 2, 126 8 Hilfeleistung 94 4ff – bei mehreren Verursachern 94 8 – bei Sterbenden 94 6 – durch Dritte 94 7 –, Erforderlichkeit 94 5, 95 5 –, Unmöglichkeit 94 4 –, Unzumutbarkeit 94 14ff, 95 6f –, Verzicht 94 9 Hilflosigkeit 82 1, 128 1f Hilfsbedürftigkeit 94 5 Hinterlegung, gerichtliche 167 10 Hoheitsrechte 108 1 Hoheitsverwaltung 133 6 Hörvermögen, Verlust 85 1
I Idealkonkurrenz, gleichartige 88 11 Imitation 146 8 Immobilienverlosung s Hausverlosung Imstichlassen 82 1f Imstichlassen eines Verletzten 82 4, 94 1ff –, Qualifikation 94 18 –, Subsidiarität 94 19 – und Körperverletzung 94 19f – und Unterlassung der Hilfeleistung 95 9 –, Versuch 94 12f Inadäquanz, soziale 80 2ff Indikation –, eugenische (embryopathische) 97 4 –, medizinische 97 3, 98 5 Indikationenlösung 96 1 Informationsinteresse 114 5ff Ingebrauchnahme fremder Kfz 136 2 Ingerenzprinzip 82 3 Innehabung s Gewahrsam Interessen –, berechtigte 114 5, 121 7
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–, besonders wichtige 106 5, 107 10 – der Allgemeinheit 122–124 15 –, ins Gewicht fallende 95 7 –, öffentliche 112 6, 121 7 –, überwiegende 94 16f, 112 6, 120 6 –, wirtschaftliche 94 17, 122–124 1 Interessenabwägung 114 5ff, 11 Internet –, Einkauf im 148a 2 –, unbefugtes Surfen im 148a 3 Intimsphäre 108 3, 111 12, 112 6 Irrtum – bei Begehung im Familienkreis 166 8f –, durch – eines anderen in den Gewahrsam geraten 134 6f –, pflichtwidrige Nichtaufklärung 146 13 – über Hilfsbedürftigkeit 94 11 – über Kausalverlauf 75 2 – über Vortat bei Hehlerei 164 7
J Jagdberechtigung 139 1 Journalist 111 3f, 112 1 journalistische Sorgfalt 112 6, 114 6 Jugendliche 92 1, 93 1, s auch Minderjährige juristische Person 111 1, 153c 2, 153d 2, 161 1
K Kabelfernsehen 132 1, 149 6 Kampfhund 81 21 Karikatur 111 8, 115 5 Kaskoversicherung s Versicherungsbetrug Katastrophenverhütung 126 5 Kaufhausdiebstahl s Ladendiebstahl Kaufmann, ordentlicher 159 16 Kaufpreis s Verkaufspreis Kausalität 75 1, 94 2, 20 Kaution 133 8 Kellner 127 11, 146 18 Kennzeichentafel 127 4 Kettengeldwäscherei 165, 165a 6 Kettenhehlerei 164 5 Kettenspiel 168a 1ff Kilometerzähler von Gebrauchtwagen 147 5 Kind 79 1, 82 1, 3, 92 3, 99 1, 102 7, 107b 5, 7, 9, 111 1, 166 5 – als Objekt übler Nachrede 111 1
Sachverzeichnis
Kindesmisshandlung 92 1ff, 107b 5, 7ff Kirchendiebstahl 128 3 Kirchenmauer 126 1 Knochenbrüche 84 5 Koffer 129 11 kollektive – Beleidigung 116 1f – üble Nachrede 111 1 Komapatientin 96 5 Kommissionsware 133 9, 11 Komplementär 153 2, 4 konkludentes Verhalten s schlüssiges Verhalten konkrete Gefahr 89 1, 94 15, 95 3, 104a 6, 106 7, 152 2 Konkurs 156 3, 157 1, 158 2f, 160 1f Konsumgüter –, kurzlebige 127 22, 146 24 –, langlebige 128 6 Konto 164 2, s auch Bankguthaben Kontoinhaber, Angehöriger 166 5 Kontrollor 149 2ff Körperverletzung 83 1ff, 94 3, 107b 1, 7ff –, absichtliche schwere s absichtliche schwere Körperverletzung –, an sich schwere 84 4f –, fahrlässige s fahrlässige Körperverletzung –, Gesundheitsschädigung 83 3 – mit Dauerfolgen 84 4f, 85 4 –, schwere s schwere Körperverletzung – und Beleidigung 115 6f – und eigenmächtige Heilbehandlung 110 2, 12ff – und Erpressung 144 8 – und Freiheitsentziehung 99 14, 17 – und gefährliche Drohung 107 11 – und Hausfriedensbruch 109 21ff – und Imstichlassen eines Verletzten 94 19f – und Nötigung 105 32 – und räuberischer Diebstahl 131 9 – und Raub 143 5 –, Verletzungs-, Misshandlungsvorsatz 83 6ff –, Versuch 83 10 Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen 85 1ff –, Risikozusammenhang 85 5
Körperverletzung mit tödlichem Ausgang 86 1ff – und Mord 75 4, 86 1 –, Risikozusammenhang 86 1 –, Versuch 86 3 Kraftfahrzeugkennzeichen 127 4 Krankenhaus 126 6 Krankenpfleger 88 8 Krankheit 83 3 Kredit s Darlehen Kreditkarte 127 7f, 147 2, 6, 148a 2, 4, 153 3, 166 5 Kreditschädigung 152 1ff – und üble Nachrede 111 18 Kreditschwindler 146 4, 147 4 Kreuzung 80 5f, 10, 81 7 Krida, betrügerische s betrügerische Krida Krida, fahrlässige s grob fahrlässige Beeinträchtigung von Gläubigerinteressen Kriegerdenkmal 126 2 kriminelle Vereinigung 104a 6, 106 7, 130 1f, 143 1, 165, 165a 13 Kritik, (un-)erlaubte 111 3f Kruzifix 128 3 Kunstfehler, ärztlicher 80 12, 110 13 Kunstfreiheit 114 8 Kunstwein 146 8, 26
L Ladendiebstahl 127 18f, 131 11, 141 6, 9 Lagerplatz 129 3 Landesverrat, wirtschaftlicher 122–124 12 Landesverteidigung 126 10 Landtag 116 1 Lastschriftverfahren s Abbuchungsauftrag Lauschangriff 120 2, 6 Lawinenkommission 80 23 Lebensgefahr 82 1, 84 4f, 8, 90 2, 94 15, 21, 95 4, 97 6, 104a 6, 106 7f, 110 8 – für Schwangere 97 6, 98 5 Lebensgefährdungsvorsatz 82 4 Lebensgefährte 166 3 Lebensmitteldiebstahl 141 9f Lebensstandard, Einschränkung 146 28 Leichtsinn 154, 155 4, s auch Unbesonnenheit Leiden, schweres 85 3 Leihwagen 133 14, 136 9, 146 18, 21
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Leistung –, nicht geschuldete 146 29f – ohne Aussicht auf Rückzahlung oder Gegenleistung 146 20f Leistungsautomat 149 7 Leistungsverzug 146 25 leitender Angestellter 153b 5, 161 2ff, 162 1, 163 1 Lehrfreiheit 114 8 Lenkradsperre 129 11 Lieferant 133 4 Liegenschaft 156 11, 13 List 102 4, 103 2 Lohnbestätigung 146 4, 147 4 Löschen von Daten und Programmen 126a 1 Lösegeld 144 7, 146 16 Losreißen 105 5 Losungswort 127 7, 133 2 Luftauslassen aus Autoreifen 125 3 Luftpiraterie 102 5 Lugurkunde 147 4
M Machtgeber 153 1, 153a 3 Machthaber 153 1, 153a 1 Maßfigur bei Fahrlässigkeitsdelikten 80 5f, 159 16f maßgerechter Mensch 80 17 Medien 111 15, 112 6f Mediengesetz 112 6f Medieninhaltsdelikte 111 15, 112 6f Medikamente 81 12, 15, 110 2, 146 30 medizinisches Experiment 110 3 medizinische Wissenschaft 110 4 medizinisch-technische Assistenten 88 8 mehrere Leute 115 10 Mehrgebrauch, vertragswidriger 133 14, 16, 136 9 Meinungsfreiheit 114 6ff Meldepflicht bei Krankheiten 121 6 Mensch –, maßgerechter 80 17 –, vorbildlicher 80 5f, 27, 90 4 Menschenhandel 104a 1ff – und Zuhälterei 104a 7 – und Sexualdelikte 104a 7 – und Prostitutionshandel 104a 7
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Menschenwürde 117 6 Messer 84 8, 91 7, 129 17, 143 4 Messbetrug 147 5 Mietwagen s Leihwagen Mifegyne 96 6, 8 Mikrofon 120 2 Minderheit, ethnische, religiöse 117 6 Minderjährige 96 5, 104a 2, 110 7, s auch Jugendliche Minderrausch 81 12 minderschwerer Raub 142 12ff Mindestpublizität s Publizität Mindestwissen 80 21, 81 15 Mischdelikt 105 1 Missbrauch – einer Vollmacht 153 4ff – von Abhörgeräten 120 1ff –, sexueller 100 3, 101 1 missbräuchliches Abfangen von Daten 119a 1ff Misshandlung 83 8, 10, 84 8ff, 115 6f –, Drohung mit 105 9, 115 7 Misshandlungsvorsatz 83 7ff, 91 5 Mitbeleidigte 111 11 Mitbewusstsein 126 13, 128 10 Miteigentum s Eigentum Mitgewahrsam 127 14f, 131 4f, 133 4, 142 8f, s auch Gewahrsam Mitschuld des Opfers 80 11, 13, 15 Mittäter s Beteiligung – bei tätiger Reue 167 25 Mittel-Zweck-Relation 105 16 Mitwirkung am Selbstmord 77, 78 1ff, 80 15 –, Euthanasie 77, 78 3 Mitwirkung an Selbstgefährdung s Selbstgefährdung Mobiltelefon 127 14, 146 18, 148a 1f Mord 75 1ff –, Risikozusammenhang 75 2 – und Aussetzung 82 4 –, Versuch 75 2, 7 Morddrohung 106 2f Mosaiktheorie 81 5 Münzfernsprecher 125 13, 126 8, 129 11, 132 2, 149 7, s auch Fernsprechautomat Museumsdiebstahl 128 4 mutmaßliche Einwilligung s Einwilligung
Sachverzeichnis
N Nachricht(eninhalte) 119 1ff, 119a 1, 120 5 Nachschaupflicht 94 10f, 95 5 Nachschlüsseldiebstahl 129 6 Nachtat, straflose bei dauernder Sachentziehung 135 11, s auch straflose Vor-, Nach- oder Begleittat Nachteile, besonders schwere 99 11, 13, 104a 6, 106 7f nachträgliches Fehlverhalten 80 12f Nachtrunk 81 16 Nachwucher 154, 155 5 Nahrungsmitteldiebstahl 141 9f Narben 85 2 Nationalrat 116 1 Nazi 111 2, 112 1 Nebenkläger 117 7f Neuanschaffungspreis 126 12 Nichterfüllung einer Schuld 133 9, 14, 134 7 Nidation 96 2 Not 141 6, 150 1 – und gewerbsmäßiges Handeln 130 8, 141 6, 150 1 Notbetrug 150 1ff Nötigung 105 1ff, 107b 1, 9 –, Erfolg 105 14f – im Straßenverkehr 105 3f, 6f, 14, 19, 21 –, Sittenwidrigkeit 105 16ff – und Diebstahl 105, 28 – und erpresserische Entführung 102 12, 105 26 – und Erpressung 105 26f, 144 1 – und falsche Beweisaussage 105 33 – und fortgesetzte Gewaltausübung 107b 9 – und Freiheitsentziehung 99 16f – und gefährliche Drohung 105 9ff – und Hausfriedensbruch 109 21f – und Körperverletzung 105 32 – und räuberischer Diebstahl 105 26, 28, 131 6 – und Raub 105 26f, 30, 142 10 – und Sexualdelikte 105 26, 29, 106 9 – und Widerstand gegen die Staatsgewalt 105 26 –, Vollendung 105 15 – zum Schwangerschaftsabbruch 98 2, 106 5 – zur Eheschließung 106 5
– zur Prostitution 106 5, 7 Nötigungsabsicht 102 8 Notstand –, entschuldigender 94 14ff, 95 6f –, rechtfertigender 105 25, 109 19 Notwehr 91 7, 105 16, 19, 25
O Objektive Bedingung der Strafbarkeit 91 1, 3, 103 4 Objektive Sorgfaltswidrigkeit s Sorgfaltswidrigkeit Objektive Zurechnung 94 2 Offenbarung eines Geheimnisses 121 1 Offensichtlich erforderliche Hilfeleistung 95 5 Öffentliche Beleidigung eines Vertretungskörpers 116 1ff Öffentlichkeit, s auch Interesse, öffentliches –, breite 111 15f, 117 4 – der Beleidigung 115 9f, 116 4 – der üblen Nachrede 111 15f Offizierskorps 116 3 Öffnen mit nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmtem Werkzeug 129 7, 12 – mit widerrechtlich erlangtem Schlüssel 129 6, 12 Operation 85 2, 4, 88 8, 110 2 Opferstock 128 3 Organentnahme 110 3 Organisierte Schwarzarbeit 153e 1ff Ort, allgemein zugänglicher 126 4 –, besonders geschützter 128 2f
P Parkscheinautomat 148a 2 Parlamentsberichterstattung 114 9 Parodie 115 5 Parteilichkeit 114 2 Parteivorbringen, unwahres 146 11f Passwort 118a 2, 126a 5, 126c 1 Personalbereitsteller 153e 1 Personalkredit 146 25 Pfand 133 5, 146 23 Pflegschaftsgericht 96 5, 110 7 Phishing 126c 1 PIN-Code 142 1, 144 2,
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Sachverzeichnis
Pistenregeln 80 3 Pistole 143 2f Politiker 106 2, 111 3, 4, 6 Polizei 94 6, 108 4, 115 2, 116 2, 117 6, 126 5, 164 5, 167 13 pornographische Darbietung 106 5, 7 Postbeamter 133 17 präsenter Deckungsfonds 133 18 Preis, angemessener 146 8, 168b 5 Preisabsprachen 168b 2ff Preisgabe des anvertrauten Gutes 133 21 Prepaid Card s Wertkarte Privatanklage 112 5, 117 1, 7, 166 1f Privatanklagedelikt 110 11, 117 1, 118 6, 121 9, 122–124 7, 11, 152 4, 168c–e 1 Privilegierung –, Begehung im Familienkreis 166 1ff –, Entwendung 141 1ff –, erpresserische Entführung 102 11 –, Erschleichung einer Leistung 149 1ff –, Notbetrug 150 1ff –, Raub 142 12ff –, Tötung bei der Geburt 79 1ff Probefahrt 136 3f, 12 Projektförderung 153b 3 Prokurist 153 2, 4, 11, 161 2, 164 2 Prostitution 106 5, 7 Prothese 85 2 Provision 133 19, 153 9f, 153a 2, 8, 168c–e 5 Prozessbetrug 146 11f psychische Beeinträchtigung s seelische Beeinträchtigung Publizität – der Beleidigung 115 8ff – der üblen Nachrede 111 10ff Pyramidenspiel 168a 1ff
Q Qualen 84 11, 92 2 –, besondere 99 12 Quälen oder Vernachlässigen Unmündiger usw 92 1ff qualifizierter Versuch 105 29
R Rabatt 128 6, 144 4, 146 28, 153 9 Ratenvereinbarung 146 23
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Raub 142 1ff –, bewaffneter s bewaffneter Raub –, einfacher 142 1ff –, minderschwerer 142 12ff – mit schweren Folgen 143 5f –, Qualifikation 143 1ff –, schwerer s schwerer Raub – und erpresserische Entführung 102 13f – und Erpressung 144 6 – und Freiheitsentziehung 99 14 – und Hausfriedensbruch 109 24 – und Hehlerei 164 9 – und Körperverletzung 142 11, 143 5 – und Mord 143 6 – und Nötigung 105 26f, 30, 142 9 – und räuberischer Diebstahl 131 1ff –, Vollendung 142 9 –, Vorsatz 131 1, 142 4, 10 räuberischer Diebstahl 131 1ff –, Beteiligung 131 8 – und bewaffneter Diebstahl 131 2 – und Körperverletzung 131 9 – und Nötigung 105 28, 131 6 – und Raub 131 1ff Raufhandel 91 1ff, 131 8 – und (schwere) Körperverletzung 91 7 Raum, abgeschlossener 109 12, 129 2 Rauschgift 111 4, 127 4, 131 3 Rauschzustand s Alkoholisierung Reaktionszeit 80 22 Recht – auf Anzeige s Anzeigerecht – auf erschlichene Leistung 146 34 – auf freie Meinungsäußerung 111 3, 114 6 – auf Verteidigung s Verteidigungsrecht – auf weggenommene oder abgenötigte Sachen 127 26, 142 10, 144 3 –, hoheitliches 108 1 rechtfertigender Notstand s Notstand Rechtfertigung – der Freiheitsentziehung 99 10 – der Kreditschädigung 152 3 – der Nötigung 105 16, 25 – der üblen Nachrede 114 1ff – der Verletzung des Briefgeheimnisses 118 5 – der Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses 119 4
Sachverzeichnis
– des missbräuchlichen Abfangens von Daten 119a 4 – der Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses 122–124 5 – der Verletzung von Berufsgeheimnissen 121 6f – des Gebrauchs von Abhörgeräten 120 6 – des Schwangerschaftsabbruchs 97 1, 98 5 Rechtsanwalt 114 2, 4, 146 11 Rechtsextremist 111 2 Rechtsfahrgebot 80 10 Rechtsgeschäft 133 5 Rechtshandlungen 153 4 Rechtspflicht 114 2f Rechtzeitigkeit bei tätiger Reue 167 13f, 22 Regressansprüche 146 31 Reisepass 127 7 Reklame 146 3 Religion 117 6, 126 1f, 128 3 Reparaturkosten 126 11 Resozialisierung 113 1 Restalkohol 81 15 Rettungswagen 126 6 Reue, tätige s tätige Reue Revolver 143 2 Risikoerhöhung gegenüber rechtmäßigem Alternativverhalten 80 16, 159 16 Risikofaktoren 81 5ff Risikozusammenhang 75 2, 80 7ff, 81 9, 85 5, 86 1 Rückgabe der Beute 167 10, 25 Rückgabepflicht 133 3 Rückgabevorsatz 133 16, 135 9 Rücktritt vom Versuch 94 13, 105 29, 142 9, 151 4 Rufschädigung s üble Nachrede Rundfunk 111 15
S Sachbeschädigung 125 1ff –, schwere s schwere Sachbeschädigung – und Brandstiftung 125 10 – und Datenbeschädigung 126a 5 – und dauernde Sachentziehung 135 11 – und Diebstahl 127 24 – und Einbruchsdiebstahl 125 12f – und Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht 137 1
– und Hausfriedensbruch 109 5, 21ff – und Schädigung fremder Gläubiger 157 4 – und unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen 136 22ff –, Wertqualifikation 126 11ff Sache –, anvertraute s anvertrautes Gut –, besonders geschützte 126 1ff, 128 3f –, derelinquierte s derelinquierte Sache –, diebstahlsfähige 127 1ff –, entlehnte s entlehnte Sache –, fremde s fremde Sache –, gefundene s gefundene Sache –, gemietete s gemietete Sache –, wirtschaftlich fremde s wirtschaftlich fremde Sache Sachentziehung, dauernde s dauernde Sachentziehung Sachgewalt 105 6, 109 4 Sachhehlerei s Hehlerei Sachverständiger 84 12, 121 5, 159 17 Sachwucher 154, 155 1ff Sanitätshelfer 88 8 Säugling s Kind Schaden – bei betrügerischem Datenverarbeitungsmissbrauch 148a 1ff – bei betrügerischer Krida 156 10f – bei Betrug 146 19ff – bei Datenbeschädigung 126a 3 – bei dauernder Sachentziehung 135 5 – bei Erpressung 144 2 – bei Sachbeschädigung 125 5ff, 126 11f – bei tätiger Reue 167 6ff – bei unbefugtem Gebrauch von Fahrzeugen 136 23ff – bei Untreue 153 11ff – bei Vollstreckungsvereitelung 162 3f –, ernstlicher 102 11 –, geringer s geringer Schaden – in einem Recht 108 2f Schadensgutmachung s tätige Reue Schadensmeldung –, schriftliche 151 2 –, unrichtige 146 2, 151 2 Schädigung fremder Gläubiger 157 1ff – und Diebstahl 157 4 – und Sachbeschädigung 157 4
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Sachverzeichnis
– und Veruntreuung 157 4 Schädigungsabsicht bei Täuschung 108 2 Schädigungsrisiko für den Fetus 97 4 Schädigungsvorsatz 125 8f, 126 13, 135 10, 148a 5, 153 15f, 156 12, 158 5, 162 6, s auch Entschädigungs- und Rückgabevorsatz Schaffner 149 2 Scheck 127 6, 147 2, 153 4 Scherz 107 7 Schifahrer 80 3 Schlafender 99 1 Schlafstörung 83 4 Schlägerei 91 2 Schlechtwetterentschädigung 146 11 Schlüssel, nachgemachter und widerrechtlich erlangter 129 6f, 136 21 schlüssiges Verhalten 146 5ff Schmähkritik 111 4 Schmähung 111 2ff Schmerzen 83 2f, 84 3, 15 –, Hilfeleistungspflicht 94 5 Schmiergeld 153 9f, 153a 2, 7, 164 2 Schneeballsystem 168a 1 Schock 94 4, 9 Schonzeit 137 3, 138 3 Schrecken 107 7 Schreckschusspistole 143 2f Schublade 129 11 Schuldgrundsatz 91 7 Schuldmerkmal, objektiviertes 79 3 Schuldner – eines oder mehrerer Gläubiger 162 1 – wenigstens zweier Gläubiger 156 1, 157 2, 158 1 Schule 107 7, 108 4, 111 6, 116 2 Schusswaffe 138 4 –, funktionsuntaugliche 143 3 –, ungeladene 143 3 Schutzweg 88 5, 10 Schutzzweck 80 9f Schwangerschaft –, Beginn 96 2 –, Ende 96 3 Schwangerschaftsabbruch 96 1ff, 97 1ff, 98 1ff –, Beteiligung 96 6ff, 97 1 – mit Einwilligung der Schwangeren 96 5
354
–, Nötigung zum – 98 2, 106 5 – ohne Einwilligung der Schwangeren 98 1ff –, Qualifikationen 96 9f, 98 4 –, Straflosigkeit 97 1ff – und fahrlässige Tötung 96 10 – und Mord 96 3 Schwarzarbeit s Organisierte Schwarzarbeit Schwarzfahren 149 1ff Schwarzsehen 132 1, 149 6 Schweigegeld 144 5 schwere Erpressung 145 1 schwere Gewalt 104a 6, 106 7f schwere Körperverletzung 84 1ff –, an Beamten 84 12 –, an sich schwere Verletzung 84 4f –, Berufsunfähigkeit 84 2 –, drei selbstständige Taten 84 15 –, Gesundheitsschädigung 84 3 –, innere Tatseite 84 6, 13 –, lebensgefährliche Misshandlung 84 8 – mit Dauerfolgen s Körperverletzung mit schweren Dauerfolgen –, qualvolle Misshandlung 84 11 –, verabredete Misshandlung 84 10 –, Versuch 84 7, 14 schwere Nötigung 106 1ff – und Raub 142 1 schwere Sachbeschädigung 126 1ff –, Vorsatz 126 13 schwerer Betrug 147 1ff schwerer Diebstahl 128 1ff schwerer Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht 138 1ff schwerer Raub 143 1ff seelische Beeinträchtigung 83 4 Seelsorger 117 3 Sehvermögen, Verlust des – 85 1 Seilbahn 126 7 Selbstanzeige bei tätiger Reue 167 17 Selbstbedienungstankstelle 133 6, 134 10, 146 17 Selbstbestimmungsrecht der Schwangeren 98 1 Selbstgefährdung 80 15, 90 4ff Selbsthilfe 109 5 Selbstmord 77, 78 1ff – als Folge einer Nötigung 106 6
Sachverzeichnis
Selbstschädigungsdelikt 146 17f Sexualdelikte – und Entführung einer geisteskranken oder wehrlosen Person 100 4 – und Freiheitsentziehung 99 14 – und Hausfriedensbruch 109 24 – und Nötigung 105 26, 29 Sexualsphäre 108 3 sexuelle Ausbeutung 104a 1, 5 sexueller Missbrauch 100 3, 101 1 Sicherheit –, die Beute in – bringen 131 6 –, öffentliche 126 5, 135 14 Sicherstellung der Forderung 133 4, 146 27 Sitten, gute s gute Sitten Sklaverei 104 1 Software 126a 1, 126c 1 Sonderdelikt 94 1, 153 1, 156 1 Sorgfaltswidrigkeit, objektive 80 2ff, 159 16 –, subjektive 80 18ff Sozial(in)adäquanz 80 2ff sozialinadäquate Handlung s Sorgfaltswidrigkeit, objektive Sozialversicherungsbeiträge 146 31, 153c 1, 153d 1 Sparbuch 127 7, 133 2, 146 7, 147 2 Spendenbetrug 146 15 Sperrhaken 129 7 Sperrvorrichtung 129 11, 136 21 Spielautomat 168 10 Spielzeugpistole 143 2 Sprachverlust 85 1 Sprechfunkgerät 126 5 Staatsanwaltschaft 116 2 Stalking 107a 1ff Staudamm 126 5 Steckkarte, codierte 129 6 Stellvertreter, indirekter 153 3 Sterbender 94 6 Sterilisation 90 8 Steuerschuld 158 4 Stiftung 126 4 Stoffgleichheit von Schaden und Bereicherung 146 35 Strafaufhebungsgrund 167 1
Strafausschließungsgrund – bei Begünstigung eines Gläubigers 158 6 – bei Entwendung 141 12 – bei unbefugtem Gebrauch von Fahrzeugen 136 11ff straflose Vor-, Nach- oder Begleittat – bei Betrug 147 10, 151 4 – bei dauernder Sachentziehung 135 11f, 125 11 – bei Diebstahl 127 23 – bei Einbruchsdiebstahl 125 12 – bei Erpressung 144 6 – bei Erschleichung einer Leistung 149 4 – bei räuberischem Diebstahl 131 9 – bei Raub 142 11 – bei unbefugtem Gebrauch von Fahrzeugen 136 22, 125 14 Strafmandat 147 8 Strafverfolgung 146 38 Strafverfolgungsbehörde 151 3, 167 13 Straßenlampe 126 7, 9 Streikdrohung 105 18, 144 4 Streikrecht 105 16 Stromnetz 126 6, 132 1 Sturztrunk 81 16 subjektive Sorgfaltswidrigkeit s Sorgfaltswidrigkeit Subsidiaritätsklausel 94 19, 107b 8, 119a 1, 120 7, 151 4 Subvention s Förderungsmissbrauch Sühneversuch 117 8 Sympathieperson 105 8, 13, 142 7
T Tanken 133 6, 134 10, 146 17 Tankstellenpächter 133 9 Taschendieb 131 5 Taschenmesser 143 4 Tat –, frische s Betretung auf frischer Tat –, spontan begangene 141 7 Tätige Reue 167 1ff – bei betrügerischem Vorenthalten von Sozialversicherungsbeiträgen 153d 2 – bei entfremdeten unbaren Zahlungsmitteln 167 4 – bei Geldwäscherei 165, 165a 19
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Sachverzeichnis
– bei Versicherungsmissbrauch 151 3f – bei Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung 153c 1 Tatsache 146 1, 152 1 – des Privat- und Familienlebens 112 5 Tatsachenbehauptung 152 1 Tauschwert 127 4 Täuschung 108 1ff, 146 1ff, 153 6 – durch schlüssiges Verhalten 146 5ff – durch Unterlassen 146 13, 153b 4 – eines Kontrollors 149 2f – über Tatsachen 146 1ff – und eigenmächtige Heilbehandlung 108 3, 110 3 – und gefährliche Drohung 108 4 – und Hausfriedensbruch 109 7 – und Menschenhandel 104a 4 –, Vortäuschen eines günstigen Angebotes 146 27 Telefon 107a 3, 119 2, 132 1, 148a 1, 3, 149 6f Telefonautomat s Fernsprechautomat Telefonieren, unbefugtes 132 1, 148a 1, 3, 149 6 Telefonterror 107a 3ff Telekommunikationsanlage 119 2, 120 5 Telekommunikationsgeheimnis 119 1, 120 1 Tiere, geschützte 137 1 Todesfolge 82 5, 86 1, 87 5, 92 4, 94 18, 20, 95 8, 96 10, 98 4, 102 10, 143 5 Tonband 120 2ff Töten von Wild und Fischen 137 2 Totengedenkstätte 126 2 Totschlag 76 1ff –, allgemein begreifliche Gemütsbewegung 76 2f –, Beteiligung 76 4 Tötung auf Verlangen 77, 78 1ff –, Euthanasie 77, 78 3 –, Sterbewille 77, 78 1 Tötung eines Kindes bei der Geburt 79 1ff –, Beteiligung 79 4 Tötung, fahrlässige s fahrlässige Tötung Tötung, fahrlässige unter besonders gefährlichen Verhältnissen s fahrlässige Tötung unter besonders gefährlichen Verhältnissen Tötungsvorsatz 75 5ff
356
Transkript 120 4 Transportmittel 129 2 Treibstoff 146 8 Treuhänder 133 7, 10 typische Begleittat 99 14, 16, 125 12, 127 23, s auch straflose Vor-, Nach- oder Begleittat
U Überanstrengung Unmündiger 93 1 Überlegungsfrist bei Hilfeleistung 94 13 Überlieferung an eine ausländische Macht 103 1ff Übernahmefahrlässigkeit s Einlassungsfahrlässigkeit Überschreitung der Fahrerlaubnis 136 9 Überschuldung 159 10 Überstellungsfahrt 136 3 Überwachung der Telekommunikation 119 4 überwiegende Interessen s Interessen Üble Nachrede 111 1ff –, Rechtfertigung 114 1ff –, Straflosigkeit 112 1ff – und Kreditschädigung 111 18 – und Verleumdung 111 18, 114 4 – und Vorwurf einer schon abgetanen strafbaren Handlung 111 18 Umtriebe während einer Geschäftsaufsicht 160 1f unbares Zahlungsmittel 127 5ff, 133 2, 142 1 –, Entfremdung 127 7ff, 135 12, 147 2, 10, 166 2, 167 4 –, falsches, verfälschtes 147 2, 10 unbedeutende Folgen bei Raub 142 15 Unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen 136 1ff –, Beteiligung 136 8, 14 –, Qualifikation 136 21ff – und Betrug 136 10 – und dauernde Sachentziehung 136 17 – und Diebstahl 136 16 – und Sachbeschädigung 125 14, 136 22ff – und Unterschlagung 136 19 Unbesonnenheit 141 7f Unbrauchbarmachen 125 3 – bei Datenbeschädigung 126a 1 Unehrenhaftigkeit 111 6
Sachverzeichnis
Unerfahrenheit 154, 155 4 unerlaubte Provision s Provision Unglücksfall 95 2f Unhöflichkeit 115 3 Unmittelbarkeit des Schadens 146 17f Unmündige 92 1, 93 1, 96 5, 100 5, 101 1, 102 7, 104a 2, 6, 106 7, 110 7 Unmutsäußerungen 105 11, 107 4 Unruhe 107 2, 6 untauglicher Versuch 94 12 Unterdrücken – bei Datenbeschädigung 126a 1 – einer Urkunde 127 7, 135 12 – eines Briefs 118 4 Unterlassen, Betrug durch 134 6, 146 13 Unterlassung der Befreiung 99 4 Unterlassung der Hilfeleistung 94 1ff, 95 1ff Unterlassung der Verhinderung einer strafbaren Handlung 95 10 Unterlassungsdelikt 82 3, 92 3, 94 1, 95 2 Unterschlagung 134 1ff – eines Briefs 118 4 –, Privilegierung 141 1ff – und Betrug 134 6, 10 – und Diebstahl 127 11, 28, 134 3 – und Hehlerei 134 16, 164 9 – und unbefugter Gebrauch von Fahrzeugen 136 19 – und Veruntreuung 134 10 Unterstützen des Vortäters 164 3 Untreue 153 1ff – und betrügerischer Datenverarbeitungsmissbrauch 148a 4 – und Betrug 153 6 – und Geldwäscherei 165, 165a 8, 12 – und Veruntreuung 153 7f Unversehrtheit, stoffliche 125 2 unwahre Urkunde 147 4 Unzumutbarkeit s Zumutbarkeit Urkunden 127 5ff, 133 2, 135 12, 142 1 –, falsche 147 2 –, unwahre 147 4 –, verfälschte 147 2 Urkundenbetrug 146 4, 147 2ff – und Erschleichung einer Leistung 149 4 Urkundenfälschung – und Betrug 147 10
– und Veruntreuung 133 24 Urkundenunterdrückung – und dauernde Sachentziehung 135 12 – und Diebstahl 127 7 Ursächlichkeit s Kausalität Urteilsbegründung 114 2
V Verabredung zur Misshandlung 84 10 verächtliche Eigenschaft 111 2ff verächtliche Gesinnung 111 2ff Verändern von Daten 126a 1 Veräußerungs- und Belastungsverbot 156 7 Verbergen 133 11, 134 12, 156 3, 162 2, 163 2, 164 3, 165, 165a 10 Verbrauch 127 22, 133 15, 136 23 Verbrechen, fortgesetztes s fortgesetztes Verbrechen Vereinbarung bei tätiger Reue 167 18ff Vereinigung, kriminelle 104a 6, 106 7, 130 1f, 143 1, 165, 165a 13 verfälschte – Beweismittel 147 3 – Daten 147 2 – unbare Zahlungsmittel 147 2 – Urkunde 147 2 Verfolgung von Ehrendelikten 117 1ff Verfügungsbefugnis s Vollmacht Vergewaltigung und schwere Nötigung 106 9 Verhalten, schlüssiges 146 5 Verhältnis 111 7, 12 Verheimlichen s Verbergen Verkaufspreis 128 6, 146 8 Verkehr, öffentlicher 126 7 Verkehrsampel 126 7 Verkehrsfläche, öffentliche 136 18 Verkehrsmittel, öffentliches 127 11, 149 1 Verkehrszeichen 126 7 Verletzung am Körper s Körperverletzung Verletzung des Amtsgeheimnisses 121 8 Verletzung des Briefgeheimnisses 118 1ff –, Rechtfertigung 118 5 Verletzung des Telekommunikationsgeheimnisses 119 1ff –, Rechtfertigung 119 4 Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses 122–124 1ff
357
Sachverzeichnis
Verletzung fremden Jagd- oder Fischereirechts 137 1ff Verletzungsvorsatz 83 6 Verletzung von Berufsgeheimnissen 121 1ff –, Rechtfertigung 121 6f Verleumdung – und üble Nachrede 111 18, 114 4 Verlieren s Fund Vermischung von Geld 133 7, 134 4 Vermögensbestandteil 156 4ff, 165, 165a 3f Vermögensrecht 108 3 Vermögensschaden s Schaden Vermögensverfügung des Getäuschten 146 17f Vermögensvorteil 118a 3, 119a 3, 153a 2 Veröffentlichung einer Tonbandaufzeichnung 120 4 Verschleiern der Herkunft 165, 165a 10, s auch Verbergen Verschwiegenheitspflicht 122–124 2, 13 Versicherungsbetrug 146 30, 151 4 –, Rücktritt vom Versuch 151 4 – und Versicherungsmissbrauch 151 4 Versicherungsmissbrauch 151 1ff – und Versicherungsbetrug 151 4 – und Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung 151 2 Versorgung, öffentliche – mit Wasser, Licht, Kraft 126 6 Verspätung – bei Schadensgutmachung 167 13 – der Rückzahlung kurzfristiger Darlehen 146 25 Verspottung 115 4f Verstorbener 117 1 Verstümmelung 85 2, 4 Versuch – bei Geschenkannahme durch Machthaber 153a 3f – bei Imstichlassen eines Verletzten 94 12f – bei Vollstreckungsvereitelung 162 5 – der Erfolgsqualifikation 84 7 –, qualifizierter 105 29 –, untauglicher 94 12, 125 4, 128 5 Verteidigungsrecht 114 4 Vertrag, Schadensgutmachung durch – 167 18ff Vertrauensgrundsatz 80 5
358
Vertretungskörper 116 1 Verunstaltung, auffallende 85 2, 4, 125 4 –, Drohung mit 106 2 Veruntreuung 133 1ff –, Beteiligung 133 12 –, Privilegierung 141 1ff – und Amtsmissbrauch 133 6 – und Betrug 133 23, 146 18 – und Diebstahl 127 10 – und Hehlerei 164 9 – und Schädigung fremder Gläubiger 157 4 – und Unterschlagung 134 10 – und Untreue 153 6f – und Urkundenfälschung 133 24 –, Vorsatz 133 15ff –, Wertqualifikation 133 22 Verursachung s Kausalität Verwahrung 133 4, 164 5 Verwandter s Angehöriger Verwechslung 134 6f Verwendungspflicht 133 3 Verzicht – auf Aufklärung 110 6 – auf die Einhaltung von Schutzvorschriften 90 6 – auf Hilfeleistung 94 9 vis absoluta 105 4 vis compulsiva 105 4 Vollmacht 153 1ff –, Missbrauch 153 4ff Vollrausch 81 12 Vollstreckungsvereitelung 162 1ff – und betrügerische Krida 162 4f Vollstreckungsvereitelung zugunsten eines anderen 163 1ff Voraussehbarkeit des Kausalverlaufs 75 2, 80 8, 11, 13, 22, 81 18, s auch Risikozusammenhang vorbildlicher Mensch 80 5f, 90 4 Vorenthalten von Dienstnehmerbeiträgen zur Sozialversicherung 153c 1 Vorenthalten einer Sache 133 14, 134 12 Vorhängeschloss 129 11 Vorrangverletzung 88 4f Vorratslager 126 5 Vorsatz, bedingter 75 5f, 112 1f, 152 3, 153 15, 164 8 Vorschuss 133 8
Sachverzeichnis
Vorschützen nicht bestehender Verbindlichkeiten 156 7 Vorstandsmitglieder 153 2, 161 2 Vortäter 164 2, 165, 165a 1 Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung und Versicherungsmissbrauch 151 2, 5 Vorteil eines Angehörigen 166 6f Vorwurf einer schon abgetanen strafbaren Handlung 113 1ff – und üble Nachrede 111 18 –, Rechtfertigung 114 1ff
W Waffe 84 9, 109 16, 129 17f, 131 1, 138 4, 143 2ff Waffenattrappe 143 2f Wahrheitsbeweis 112 1, 6, 113 5, 115 1, 116 5 Wahrnehmbarkeit – der Beleidigung 115 10 – der üblen Nachrede 111 10 – des Vorwurfs einer schon abgetanen strafbaren Handlung 113 3 Wanze 120 2 Warenautomat, Missbrauch 129 13, s auch Automatenmissbrauch Warenimitationen 146 10 Warmwasser 132 1 Wartehäuschen 126 9 Wasserzähler 147 5 Wegnehmen 127 16ff, s auch Gewahrsam Wehr 126 5 Wehrlose 92 1, 100 2, 104a 4 Wehrmittel 126 10 Weinhändler 146 8, 26 Weiterverkauf 133 11 Werksbahn 126 7 Werkzeug, nicht zur ordnungsgemäßen Öffnung bestimmtes 129 7 Wert 127 3f, 133 2, 22, 134 1, 135 1, 13, 142 1 –, allgemein anerkannter, wissenschaftlicher usw 126 4, 128 4 –, Berechnung 128 5ff –, geringer s geringer Wert Wertkarte 127 5 Wertminderung 126 11 – durch unbefugten Gebrauch von Fahrzeugen 136 24
Wertpapier 127 7, 165, 165a 6, 167 10 Wertqualifikation – bei betrügerischem Datenverarbeitungsmissbrauch 148a 6 – bei Betrug 147 9 – bei dauernder Sachentziehung 135 13 – bei Datenbeschädigung 126a 4 – bei Diebstahl 128 5ff – bei Eingriff in fremdes Jagd- oder Fischereirecht 138 1 – bei Geldwäscherei 165, 165a 13 – bei Hehlerei 164 8 – bei Kridadelikten 156 13, 162 3 – bei Sachbeschädigung 126 11ff – bei unbefugtem Gebrauch von Fahrzeugen 136 23 – bei Veruntreuung 133 22 Wertungsexzess 111 4 Widerstand gegen die Staatsgewalt 84 12, 105 26 – und Nötigung 105 26 widerstandsunfähige Person 102 7 Wiederbeschaffungswert 127 3, 128 8 Wiederbeschaffung von Daten 126a 3 Wiederherstellung 125 5 Wiederholungsvorsatz 167 14 Wild 137 1 Willensfreiheit 105 1, 110 1 wirtschaftlich fremde Sache 133 1, 7 wirtschaftliche Betrachtungsweise 144 2, 146 19ff wirtschaftlicher Landesverrat 122–124 12 Wirtschaftsspionage 122–124 9 Wirtschaftsunteroffizier 133 24 Wissenschaftsfreiheit 114 8 Wissentlichkeit 75 5, 95 5, 114 4, 153 14 Witz 115 5 Wohnbauförderung 153 11 Wohnstätte 109 2, 129 2 Wohnung 125 13, 127 11, 128 1f, 129 2, 131 6, 134 8, 153 3, 164 3, 166 3 Wucher 154, 155 1ff
Z Zahlungsmittel s unbares Zahlungsmittel Zahlungsstockung 159 8 Zahlungsunfähigkeit 146 25, 148 1, 159 7ff, 13, 15
359
Sachverzeichnis
Zahlungsverkehr, bargeldloser 148a 2, 4 Zahnverlust 84 4 Zeitungsständer 129 11 Zeitwert 126 12, 128 7 Zerstörung 125 2 Zeuge 114 2, 3, 4, 121 7 Zeugungsfähigkeit s Fortpflanzungsfähigkeit Zivilschutz 126 10 Zueignen 133 11ff, 134 12ff Zueignungs- und Bereicherungsvorsatz 127 21ff, 132 3, 133 15ff, 134 9, 14, 142 10, 144 3, 146 33ff, 148a 5 zufällig passender Schlüssel 129 6 Zugänglichmachen einer Tonbandaufzeichnung 120 5
360
Zugangscode 118a 2 Zugangsdaten 126c 1f Zumutbarkeit 80 25, 26, 94 14ff, 95 6f Zündschloss 129 11, 13 Zurechung, objektive s objektive Zurechnung Zurechnungsfähigkeit 79 3, 100 2 Zusammenrechnungsgrundsatz 141 5, 167 14 Zustimmung s Einwilligung Zwang s Freiwilligkeit Zwangslage 104a 4, 154, 155 4 Zwangsvollstreckung 162 2ff, 163 3 Zweck – gemeinnütziger 168 8 –, sittenwidriger s gute Sitten zweiaktige Delikte 81 11ff, 82 2