Diplomarbeit
Nikolas Hagele
Tabuthema männliche Prostitution Eine Herausforderung an die soziale Arbeit
Diplom.de
Nikolas Hagele Tabuthema männliche Prostitution - Eine Herausforderung an die soziale Arbeit ISBN: 978-3-8366-0344-7 Druck Diplomica® Verlag GmbH, Hamburg, 2007 Zugl. Katholische Stiftungsfachhochschule München, München, Deutschland, Diplomarbeit, 2006
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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung ..................................................................................................................... 3 2. Die mann-männliche Prostitution................................................................................. 5 2.1. Überblick über die aktuelle Situation ............................................................... 5 2.2. Übersicht der vorhandenen Angebote und ihrer Grundmerkmale.................... 6 2.3. Zusammenfassung ............................................................................................ 8 3. Die verschiedenen Seiten der Prostitution.................................................................. 11 3.1. Stricher mit professionellem Bewusstsein...................................................... 11 3.2. Stricher ohne professionelles Bewusstsein..................................................... 11 3.2.1. Sexuelle Identität der Stricher ............................................................ 13 3.2.2. Motivation der Stricher....................................................................... 14 3.2.2. Problemlagen von Strichern ............................................................... 18 3.2.3. Lebenslagen von Strichern ................................................................. 21 3.2.4. Zusammenfassung .............................................................................. 23 3.3. Freier............................................................................................................... 23 3.3.1. Verschiedene Freiertypen ................................................................... 24 3.3.2. Identität der Freier .............................................................................. 25 3.3.3. Zusammenfassung .............................................................................. 26 4. Orte der Prostitution ................................................................................................... 27 4.1. Die reale Stricherszene ................................................................................... 27 4.1.1. Prostitution in öffentlichen Räumen................................................... 27 4.1.2. Prostitution in halböffentlichen Räumen............................................ 28 4.1.3. Prostitution in privaten Räumen ......................................................... 30 4.2. Die virtuelle Stricherszene.............................................................................. 30 4.3. Zusammenfassung .......................................................................................... 31 5. Prostitution und Geld.................................................................................................. 33 6. Prostitution und Recht ................................................................................................ 35 6.1. Das Prostitutionsgesetz................................................................................... 35 6.2. Das Infektionsschutzgesetz............................................................................. 36 6.3. Zusammenfassung .......................................................................................... 39 7. Die qualitative Datenerhebung ................................................................................... 41 1
Inhaltsverzeichnis
7.1. Die Fragestellung............................................................................................ 41 7.2. Die Methodik.................................................................................................. 42 7.2.1. Das Experteninterview ....................................................................... 42 7.2.2. Auswahl und Beschreibung der Interviewpartner .............................. 43 7.2.3. Entwicklung des Interviewleitfadens ................................................. 43 7.3. Die Stichprobe ................................................................................................ 44 8. Auswertung der Ergebnisse ........................................................................................ 47 8.1. Darstellung der verschiedenen Interviews...................................................... 47 8.1.1. Interview in der Einrichtung I, sub/way in Berlin .............................. 49 8.1.2. Interview in der Einrichtung II, looks e.V. in Köln............................ 57 8.1.3. Interview in der Einrichtung III, marikas e.V. in München ............... 65 8.2. Die Interpretation............................................................................................ 72 9. Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit.................................................................. 77 9.1. Ziele der sozialen Arbeit................................................................................. 77 9.2. Notwendigkeiten in der Arbeit mit Migranten ............................................... 78 9.3. Professionalität in der Stricherarbeit .............................................................. 82 9.4. Arbeitsbereich und Methoden in der Stricherarbeit ....................................... 84 9.5. Aussichten ...................................................................................................... 88 10. Literaturverzeichnis .................................................................................................. 89 11. Abbildungsverzeichnis ............................................................................................. 95 12. Interviewleitfaden..................................................................................................... 97 12. Anhang ................................................................................................................... 101
2
Einleitung
1.
Einleitung
Diese Arbeit soll sich nicht nur mit der männlichen Prostitution im Allgemeinen befassen, vielmehr soll es hier um die Probleme gehen, die durch die Migration in der männlichen Prostitution entstehen. Durch die andauernde Erweiterung der EU kann man Veränderungen der Klientel im Stricherbereich beobachten. Migranten, die hauptsächlich aus Osteuropa, Afrika und Südamerika stammen sind nun, verglichen mit der deutschen Klientel, stärker vertreten. 1989, nach dem Fall der Mauer war es ähnlich, als viele Stricher aus der ehemaligen DDR und den Ostblockländern mit dem zunehmenden Strichertourismus in den Westen kamen. Es entstand ein Überangebot an Strichern, welches alsbald zu existenziellen Problemen der Stricher führte. Hinzu kam die rasant ansteigende Gewalt und das Problem, dass Stricher aus der ehemaligen DDR bis zu diesem Zeitpunkt nicht mit HIV und AIDS konfrontiert waren und auf Safer Sex- Praktiken1 keinen Wert legten2. In den darauf folgenden Jahren kamen zunehmend junge Männer aus Polen und Tschechien, zunächst als Wochenendpendler, dann als Touristen, um sich in Deutschland zu prostituieren. Gründe hierfür waren die leicht auszulebende Homosexualität und das große Geld, das sie glaubten in Deutschland verdienen zu können. Die Problematik ähnelt der in der ehemaligen DDR. Angebot und Nachfrage ist im Ungleichgewicht und ein Existenzkampf beginnt. Heute machen den Hauptanteil in Deutschland Jungs3 aus Rumänien und Bulgarien aus. In dieser Arbeit wird nun das Thema der männlichen Prostitution zunächst allgemein erläutert und dann mit Hilfe einer empirischen Untersuchung genauer auf die Migration aus den Ländern Rumänien und Bulgarien in der männlichen Prostitution eingegangen. Es wird untersucht, welche zusätzlichen Probleme mit dieser Klientel entstehen und wie die soziale Arbeit darauf zu reagieren hat und welche Herausforderungen an sie gestellt werden.
1
Bedeutet sexuelle Praktiken, bei denen das Risiko von sexuell übertragbaren Krankheiten minimiert bzw. ausgeschlossen wird. 2 vgl. WERNER, 1993, S. 140. 3 Diese Bezeichnung für Stricher, welche vor allem in der Szene häufig gebraucht wird, wird ebenso in der folgenden Arbeit verwendet.
3
Die mann-männliche Prostitution
2.
Die mann-männliche Prostitution
Unter mann-männlicher Prostitution versteht man das regelmäßige oder gelegentliche Angebot von sexuellen Dienstleistungen durch Jugendliche oder junge Männer. Als Gegenleistung werden Geld oder materielle Werte wie Nahrungsmittel, Unterkunft oder Kleidung, die zum Lebensunterhalt beitragen, geboten. Als Gegenwert kann auch die Bereitstellung oder die Finanzierung von Drogen wie Heroin, Crack, synthetische Drogen, Alkohol, Cannabis und Tabletten gehören. Auch dient Schmuck, teure Designerware als Zahlungsmittel. Die Erfüllung von emotionalen Bedürfnissen wie Geborgenheit, Liebe, Sicherheit und Zuwendung bleibt außen vor.4
2.1. Überblick über die aktuelle Situation Männliche Prostitution ist ein urbanes Phänomen und findet hauptsächlich in Metropolen statt, dort vor allem in den Innenstädten bzw. Bahnhofsbereichen. Eine genaue Angabe zu machen, wie viele Stricher es momentan in Deutschland gibt, ist unmöglich. Es gibt nur grobe Schätzungen der einzelnen Stricherprojekte, da sich die Zahl durch die vielen, nur zeitweise sich hier aufhaltenden Migranten, sowie der hohen Fluktuation und Mobilität der Stricher, immer in Veränderung befindet. Eine weitere Schwierigkeit stellt die hohe Anonymität dar, da nicht die ganze Szene institutionalisiert ist. Ebenso ist der Begriff der „Stricher“ nicht klar zu definieren. Schickedanz gelangte bereits in seiner Untersuchung aus dem Jahre 1979 zur Annahme, dass die Zahl der Stricher, die sich in der damaligen BRD hauptberuflich prostituierten, auf 5000 kommt. Zusätzlich schätzte er, dass sich weitere 15.000 Jungs und junge Männer gelegentlich prostituieren5. Genauere Zahlen, die auf ganz Deutschland zu beziehen sind, sind nicht vorhanden. Die einzelnen Stricherprojekte geben ungefähre Zahlen in deren jeweiligen Regionen. So schätzt SUB/WAY Berlin e.V. die Zahl der anschaffenden jungen Männer auf ca. 1000, Looks e.V. gibt an, dass sie ca. 500 Jungs im Jahr treffen, und schätzen, dass 1000 Jungs im Jahr in Köln anschaffen6. Marikas in München redet von ca. 300 Jungs, die konstant in München ihre Dienste anbieten und 300 Jungs, die sie übers Jahr
4
vgl. WERNER, 1997, S. 182. vgl. SCHICKEDANZ, 1979, S. V. 6 anschaffen bedeutet als männliche oder weibliche Prostituierte(r) zu arbeiten. 5
5
Die mann-männliche Prostitution
in München treffen.7 Einer genaueren Untersuchung zu Folge konnte Wright die Zahl der Stricher, die im Ruhrgebiet und in Düsseldorf anschaffen exakt benennen. So halten sich in Düsseldorf zwischen 488 - 598 und im gesamten Ruhrgebiet zwischen 110 - 130 Stricher auf.8 Diese Stricher sind nicht nur deutscher Herkunft, sondern kommen hauptsächlich aus den Ostblockländern wie Rumänien, Bulgarien, den slawischen Ländern, Polen, Tschechien und der Türkei. Diese Migranten, die hier meist einen ungeregelten Aufenthaltsstatus durch ein Touristenvisum haben und somit illegal arbeiten, machen den größten Anteil der Klienten in den Stricherprojekten aus. Es wird häufig auch von Armutsprostitution gesprochen, da viele der Jungs sich prostituieren, um sich und ihre Familien in den Herkunftsländern durchzubringen9. Beachtenswert ist, dass sich in den einzelnen Städten jeweils unterschiedliche ethnische Hauptgruppen angesiedelt haben. So haben viele Migranten ihren Fixpunkt im Zielland Deutschland, zu dem sie immer wieder zurückkehren, da dieser ihnen Vertrauen in einer Welt gibt, in der sie sich nicht wirklich zurechtfinden.10
2.2. Übersicht der vorhandenen Angebote und ihrer Grundmerkmale Aktuell gibt es in Deutschland sieben Stricherprojekte. Diese Projekte haben einen sehr niedrigschwelligen Zugang, das heißt sie befinden sich fast alle in Bahnhofsnähe bzw. in der Nähe der Stricherszene11. Diese Anlaufstellen haben die Funktion einer Versorgungseinrichtung, die psychische und physische Grundbedürfnisse abdecken soll. So bieten die Anlaufstelle konkrete Überlebenshilfen. Die Stricher haben hier die Möglichkeit zu Beratungen, Gesprächen, medizinischer Versorgung und die Grundbedürfnisse wie Essen, Körperhygiene, Erholung und Regeneration zu befriedigen. Nicht zuletzt dient eine Anlaufstelle aber auch als Informationsvermittlung über HIV/ Aids12, STD13 und, Safer Sex, Safer Use14 und rechtliche Informationen.
7
vgl. Quelle aus persönlichen Gesprächen. vgl. WRIGHT, 2003, S. 64ff. 9 vgl. REICHERT, taz Magazin Nr. 7624, S IV. 10 Quelle aus persönlichen Gesprächen. 11 Deutsche Aidshilfe, AKSD- Leitlinien, 2002, S.158. 12 HIV: human infected virus, so nennt sich der Virus. Aids: so nennt sich die Krankheit, die durch den Virus entsteht. 13 STI aus dem englischen sexual transmitted infections: sexuell übertragbare Infektionen. 14 Safer use aus dem englischen: sicherer Gebrauch von intravenös injizierten Drogen. 8
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Die mann-männliche Prostitution
Es ist wichtig, dass es in den Anlaufstellen täglich eine warme Mahlzeit gibt, da es vielen Strichern nicht möglich ist durch ihre schlechte wirtschaftliche Lage, sich ausreichend zu versorgen - und gerade diese Stricher stellen die Zielgruppe von solchen Anlaufstellen dar.15 Viele Stricher sind oft tagelang auf der Straße unterwegs und deshalb ist ein Angebot zur Körperhygiene ebenso wichtig. Um die allgemein schlechte finanzielle Lage zu entschärfen, gibt es in vielen Einrichtungen eine Kleiderkammer.16 Als weitere Funktion dient eine Anlaufstelle als Schutzraum. Es wird hier vor allem ein konkurrenz- und stressfreier Raum geschaffen, wo ein Austausch untereinander aber auch Gespräche mit den Mitarbeitern stattfinden können. Die Anlaufstellen sind aber auch ein Treffpunkt wo Gemeinschaft erfahren werden kann durch gemeinsame Aktivitäten. Kostenlose Kondome und Gleitmittel, Infobroschüren über sexuell übertragbare Krankheiten, über HIV und Aids und Infos über rechtliche Veränderungen im Asylrecht oder Prostitutionsgesetz17 gehören zur Grundausstattung einer jeden Anlaufstelle. Einige Projekte haben zusätzlich ihre festen Notschlafstellen, die vor allem für minderjährige und obdachlose Stricher gedacht sind. Diese „Notunterkünfte“ sind oft in Form von kompletten Wohnungen ebenfalls in sehr szenenahen Gebieten untergebracht18. 1993 haben sich die bis dahin bestehende fünf deutsche Stricherprojekte zu einem Arbeitskreis für deutschsprachige Stricherprojekte (AKSD) vereint. „Der AKSD versteht sich als Fachgremium von hauptamtlichen Mitarbeitern/ Mitarbeiterinnen in der Stricher- Sozialarbeit. Aufgaben des AKSD sind es die Zusammenarbeit der Projekte zu verbessern, um durch Erfahrungsaustausch und Reflexion eine professionellere Arbeitsweise zu gewähren. Des Weiteren wurde festgelegt, welche Arbeitsbereiche19 die Stricherarbeit einschließt. Gegenseitige Unterstützung der verschiedenen Institutionen und die Zusammenarbeit aller Stricherprojekte sind eine der wichtigsten Aufgaben.20 Der Arbeitskreis bietet interne Fortbildungsmöglichkeiten und Entwicklungsmöglichkeiten an, ist aber auch ein Gremium für Informations- Fort- und Weiterbildung für externe Interessierte, Projekte im Aufbau, Ämter etc.21 Heute sind auch in den Arbeitskreis Projekte aus den Niederlanden und der Schweiz mit einbezogen und der AKSD 15
vgl. SCHLAGHECK, 2002, S.40. vgl. Deutsche Aidshilfe, AKSD- Leitlinien, 2002, Kapitel 158. 17 Eigene Beobachtung durch den Besuch mehrerer Einrichtungen. 18 vgl. SCHLAGHECK, 2002, S. 41f. 19 vgl. Punkt 8.4. dieser Arbeit. 20 vgl. Internationaler Fachkreis für Stricherarbeit im deutschsprachigem Raum, 2002, S.123f. 21 Vgl. Internationaler Fachkreis für Stricherarbeit im deutschsprachigem Raum, 2002, S. 126f. 16
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Die mann-männliche Prostitution
wurde umbenannt in „internationaler Fachkreis für Stricherarbeit im deutschsprachigen Raum“, wobei die Abkürzung AKSD beibehalten wurde. Aktuell existieren Leitlinien, die 2002 entwickelt wurden und erstmals ein einheitliches Konzept und Grundsätze für diesen neuen Bereich beinhalten. Die Inhalte stellen eine Beschreibung der Zielgruppe dar, Ziele und Leitideen der Arbeit, Arbeitsmethoden, Arbeitsbereiche und Rahmenbedingungen für die Stricherarbeit sowie eine Orientierungshilfe für Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen. Im Jahre 1997 wurde auf internationaler Ebene von AMOC/ DHV22 mit Partnern aus 18 verschiedenen Ländern das „European network of male prostitution“23 (ENMP) ins Leben gerufen. Dabei hat jedes teilnehmende Land eine(n) Koordinator/ Koordinatorin, die/ der für den Aufbau eines nationalen Netzwerkes im Bereich der männlichen Prostitution verantwortlich ist und regelmäßig dem nationalen und internationalen Netzwerk Bericht erstattet. ENMP ist in drei Hauptgruppen eingeteilt, nämlich Südeuropa, Mittelund Osteuropa und Nordeuropa. ENMP hat durch Zusammenarbeit der verschiedenen Länder ein Handbuch entwickelt, wo all die unterschiedlichen Erfahrungen, vor allem im Bereich HIV- und STI- Prävention, gesammelt und niedergeschrieben wurden. Bisher wurden verschiedene Netzwerkaktivitäten durchgeführt: eine Pilotstudie, bei der Migration unter Strichern als völlig neues und unbekanntes Phänomen beschrieben wurde, ein Internetstudie, in der herausgefunden werden sollte, wie viele Männer Sex im Internet anbieten, wie der gesamte Sexmarkt im Internet organisiert ist und welche Möglichkeiten es für die soziale Arbeit gibt, mit diesem Sexmarkt umzugehen. Ebenso wurde ein Training für Mitarbeiter in Strichereinrichtungen angeboten, bei dem es vor allem um Methoden und Strategien in der Kontaktaufnahme ging, aber auch um Netzwerk-Zusammenarbeit und um die Entwicklung von Präventionskonzepten.24
2.3.
Zusammenfassung
Der Arbeitsbereich der männlichen Prostitution hat sich in den letzten Jahren, bedingt durch die Erweiterung der EU und der Zunahme an männlichen Migranten in der Stricherszene, ausgeweitet. In Deutschland gibt es mittlerweile sechs anerkannte Stricherprojekte, die im Rahmen des AKSD zusammenarbeiten. Da die Klientel in diesem 22
Stichting Amsterdams Oecumenisch Centrum/ Stichting deutscher Hilfsverein. ENMP: europäisches Netzwerk für männliche Prostitution. 24 Vgl. Deutsche Aidshilfe- ENMP, europäisches Netzwerk, 2003, S. 131- 136. 23
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Die mann-männliche Prostitution
Bereich immer internationaler wird, ist man um eine Zusammenarbeit sowohl im nationalen als auch im internationalen Bereich bemüht. So wird versucht, durch die Erfahrung der einzelnen Projekte das Angebot der Anlaufstellen auf die Klientel zuzuschneiden. Durch diese Zusammenarbeit sollen ebenso neue und dem Klientel angemessene Präventionskonzepte entwickelt werden.
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Die verschiedenen Seiten der Prostitution
3. Die verschiedenen Seiten der Prostitution Zur Prostitution gehören zwei Seiten: Einerseits derjenige, der die sexuellen Dienstleistungen anbietet und als „Stricher“ bezeichnet wird und andererseits derjenige, der die angebotenen sexuellen Dienstleistungen in Anspruch nimmt, dafür bezahlt und als „Kunde“ oder „Freier“ bezeichnet wird. Es gibt „Freierinnen“, diese sind jedoch im Verhältnis zu den Männern in der Minderheit.
3.1. Stricher mit professionellem Bewusstsein Stricher mit professionellem Bewusstsein auch „Callboys“ genannt, sind junge, volljährige Männer, die bewusst und selbstsicher sexuelle Dienste anbieten, um ihren Lebensunterhalt zu verdienen um sich materielle Wünsche erfüllen zu können. Sie stellen hohe Ansprüche an ihren eigenen Körper, an ihre Gesundheit und ihre Bildung. Callboys müssen in ihrer Arbeit eine hohe Flexibilität hinsichtlich der Örtlichkeit als auch des Angebotes der Dienstleistungen aufweisen. Sie zeichnen sich aus durch ihre ausgeprägte Identität in Bezug auf ihre Arbeit als Callboy und vor allem auf ihre sexuelle Orientierung. Die Callboys sind von der Gesellschaft weniger diskriminiert und fühlen sich selbst weniger desorientiert.25 Orte für die Prostitution dieser Strichergruppe sind die eigene Wohnung, Clubs und Apartments, Striptease-Lokale, in der Pornobranche und in Begleitagenturen (Escort-Service). Selten sind sie in öffentlichen Einrichtungen für Stricher zu finden, da sie häufig ein anonymes Leben führen wollen und aufgrund ihrer wirtschaftlichen sozialen Situation die Angebote nicht benötigen. Auch Angebote von Einrichtungen zur Selbsthilfe für Callboys werden selten in Anspruch genommen, da die Tätigkeit der Prostitution eine enorme Konkurrenz mit sich bringt und somit eine Zusammenarbeit oft nicht stattfinden kann.
3.2. Stricher ohne professionelles Bewusstsein Die Gruppe der Stricher ohne professionelles Bewusstsein ist weitaus größer als die der Callboys. In dieser Arbeit wird nur auf diese Gruppe der Stricher eingegangen.
25
vgl. SCHICKEDANZ, 1979, S. 87f.
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Die verschiedenen Seiten der Prostitution
Die Jungs kommen aus unterschiedlichen Lebensräumen und Kulturen in verschiedenen Lebensaltersstufen in die Prostitution, wobei sie sich hier selbst zurechtfinden müssen und die Regeln der Stricherszene eigenständig erfahren und erlernen und die Szenenmitglieder einschätzen müssen.26 Sie gehen der Prostitution nach, um sich kurz- oder langfristig ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Es dreht sich somit alles um das Geld, es wird im Hier und Jetzt und von „der Hand in den Mund“ gelebt ohne Zukunftsplanung und Zukunftsperspektiven. Ein Bewusstsein für die Prostitutionsausübung ist nicht vorhanden, die Prostitution dient eher als Mittel zum Zweck des Überlebens. Viele der Jungs und jungen Männer träumen von der klassischen Normalfamilie mit Frau und Kind. Durch ihre mangelnde Identität, verglichen mit den professionellen Strichern, verfestigen sie ihre Rolle in der unteren Schicht der sozialen Hierarchie in der Szene und sind daher auch einer größeren Diskriminierung ausgesetzt.27 Es kann nicht von dem typischen Strichjungen gesprochen werden, da die Jugendlichen und jungen Männer, die der männlichen Prostitution nachgehen, eine äußerst heterogene Gruppe darstellen. Die einzige Gemeinsamkeit, ist der Verkauf von sexuellen Handlungen. Sie unterscheiden sich aber in ihren Einstellungen, in ihren Identitäten, Nationalitäten und Motivationen.28 Zu den nicht professionellen Strichern zählen auch diejenigen, die auf Grund ihres Alters oder ihres aufenthaltsrechtlichen Status juristisch unselbstständig und ebenso für professionelle Hilfen schwer erreichbar sind29. Oft fliehen die Minderjährigen aus ihren zerrütteten Familien oder aus Heimen und begeben sich auf Trebe,30 um der unerträglichen Situation und den damit verbundenen Problemen zu entkommen31. Als Minderjährige verfügen sie nicht über das Recht, ihren Aufenthaltsort selbst zu bestimmen und werden von der Jugendbehörde meist an den Ort zurückgebracht, von dem sie geflüchtet sind. Aus dieser emotional schwierigen Situation heraus entstehen oft Kontakte zu pädophilen Männern, die den Jungs scheinbar Freiheiten, Anerkennung, Liebe und Geborgenheit geben. Jedoch stehen hier im Gegenzug die sexuellen Handlungen, die diese aufgezählten Bedürfnisse wieder zunichte machen. Der Pädophile, der für den Jungen Vaterersatz oder großer Bruder darstellt, verliert mit zunehmendem Alter des 26
vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 64. vgl. SCHICKEDANZ, 1978, S. 80; WAGNER, 1990, S. 45f. 28 vgl. ASKD Leitlinien, 2002, Kapitel 1, Zielgruppe. 29 vgl. WERNER, 1997, S. 184. 30 So nennt man von zu Hause ausgerissene Jugendliche, die vorübergehend ohne festen Wohnsitz sind und die sich oft an Bahnhöfen und anderen öffentlichen Plätzen aufhalten. 31 vgl. MÖBIUS, 1990, S. 30. 27
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Die verschiedenen Seiten der Prostitution
Jungen das Interesse. In der Regel beginnen diese, ihre Jungs mit ca. 14 Jahren in die Stricherszene einzuführen32. Das Ergebnis ist eine weitere große Enttäuschung des Jungen, der sich nun in einer Notsituation befindet und sich dadurch unfreiwillig prostituiert.
3.2.1. Sexuelle Identität der Stricher Eine klare und stabile sexuelle Identität haben viele Stricher, vor allem die Jüngeren, noch nicht gefunden oder sie ist noch nicht genügend gefestigt, obwohl sich alle durch die Prostitution homosexuell verhalten33. Ihre sexuellen Identitäten sind äußerst widersprüchlich und spiegeln Tendenzen von Männlichkeitsideologien, Wunschdenken und/ oder Homosexuellenhass. So dient der Strich vielen Jungs, bewusst oder unbewusst, als Experimentierfeld auf der Suche nach ihrer sexuellen und persönlichen Identität.34 Durch die sexuellen Handlungen, die zwischen Strichern und Freiern ablaufen, kommt es häufig zu gewalttätigen Auseinandersetzungen, wenn die Männlichkeit der Stricher in Frage gestellt wird. „Diese Jungen verteidigen also ihre sexuelle Identität, wie sie sie begreifen; und diese Identität scheint fest verankert und erduldet nicht einmal eine Relativierung zur so genannten Bisexualität.“35 Dies bedeutet aber nicht, dass es nur heterosexuelle Jungs auf dem Strich gibt. „Unter den Strichjungen wird man Hetero-, Homo- und Bisexuelle finden, aber auch solche, die sich ihrer Sexualorientierung noch unsicher sind, solche, die ihre Heterosexualität unterstreichen, in der Prostitution aber ihre latenten homosexuellen Anteile befriedigen, und solche, die die Prostitution als Hilfe für ihr homosexuelles „Coming Out“ verwenden.36 Ebenso bezeichnen sich viele Jungs als bisexuell. Die Prostitution wird als Geschäft angesehen, bei dem homosexuelle Handlungen nur für eine Gegenleistung praktiziert werden. So haben Stricher auch auf privater Ebene sexuelle Kontakte zu nur Frauen, aber nicht immer aus Überzeugung, sondern auch um sich selbst zu beweisen, für Bezahlung als homosexuell zu gelten.37 Zu beobachten ist jedoch eine gefestigte homosexuelle Identität bei den meisten profes-
32
vgl. FINK/WERNER, 2005, S. 68. vgl. SCHROTT/ PANT/ KLEIBER, 1994, S. 399ff. 34 vgl. TEUERKAUF, 2003, S. 36. 35 LAUTMANN, 1990, S. 8. 36 vgl. TEUERKAUF, 2003, S. 28. 37 vgl. VOLKWEIN/ WERNER, 1998, S. 116f. 33
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Die verschiedenen Seiten der Prostitution
sionell anschaffenden Strichern bzw. Freiern38.Warum für viele der Stricher die Identitätsfindung ein Problem darstellt, ist darauf zurückzuführen, dass viele Jungs unter mangelnde Identifikationsmöglichkeiten, hervorgerufen durch die fehlende Vaterrolle oder die oft daraus entstehende Überbehütung der Mütter leiden. Folgen sind dann Identifikationsverluste, wodurch sie nicht mehr im Stande sind, selbstständig Entscheidungen zu treffen und sich nicht auf eine psychosoziale und psychosexuelle Identität festlegen können.39
3.2.2. Motivation der Stricher Männliche Prostituierte gehen der Prostitution aus sehr unterschiedlichen Gründen nach. Diese variieren je nach Prostitutionsform, ob professioneller/ nicht professioneller Prostitution, Armutsprostitution, Alter, existenzieller Situation und sozialer Herkunft. Über allem steht jedoch immer noch Geld, das alle benötigen, um sich entweder nur ein Taschengeld zu verdienen oder seinen gesamten Lebensunterhalt oder auch eine Drogensucht damit zu finanzieren. Im Folgenden werden nun die häufigsten Motivationsgründe aufgelistet, die Stricher dazu veranlassen, ihren Körper und sexuelle Handlungen zu verkaufen. •
Die Suche nach dem Vater: Immer wieder sind auch in der männlichen Prostitution Jungs zwischen 9 und 14 Jahren anzutreffen, die sich häufig vor Klappen40, schwulen Saunen oder in Schwimmbädern aufhalten. Hier warten sie, da sie wissen, dass Männer diese Orte aufsuchen, um mit Jungs in Kontakt zu kommen. Was diese Jungs dazu motiviert, mit weitaus älteren Männern mitzugehen und auch sexuelle Handlungen über sich ergehen zu lassen, hat unterschiedliche Motive. Die Jungs sind auf der Suche nach einem Vater, da sie ihren eigenen nur kurz oder nie gesehen haben. Es fehlt also die Vaterfigur in der Entwicklung des Jungen, die die Mutter nicht auszugleichen vermag. Der Pädophile ist hier erstrangig die emotionale Bezugsperson, die so lange gesucht wird. Sie steht im Vordergrund und der Junge ist bereit dafür sexuelle Handlungen auszuüben oder über sich ergehen zu lassen41.
38
vgl. Punkt 3.1. dieser Arbeit. SCHICKEDANZ, 1979, S. 151 ff. 40 vgl. Punkt 4.1.1. dieser Arbeit. 41 vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 70. 39
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Die verschiedenen Seiten der Prostitution
•
Die Flucht aus Heimen und der Familie: Viele der Jungs die anschaffen, stammen aus sehr zerrütteten Familien, wachsen in Heimen auf oder kommen aus Familien der „sozialen Unterschicht“. Geprägt durch Alkoholismus in den Familien, Stiefväter ohne Interesse am Stiefkind, sexueller Missbrauch42 und psychische Gewalt sowie die Überbelastung allein erziehender Mütter und die aus allen diesen Missständen resultierende soziale Vernachlässigung, bringt die meisten Jungen dazu, das Leben auf der Straße dem zu Hause vorzuziehen. So vergleichen Jungen das Leben auf dem Strich mit ihrem Leben, das sie zuvor gelebt haben und sehen die neue Lebenssituation als eine mit besseren Perspektiven. Der Kontakt zu anderen Menschen mit Erfahrungen auf der Straße und der Kontakt zu diesen führt schnell dazu, dass sie dieses Milieu sehr rasch als ihre neue Familie bezeichnen43. Hier finden sie aber auch Freier, die ihnen die volle Aufmerksamkeit schenken, die ihnen bessere Wohnverhältnisse bieten und um sie einen „Wettbewerb“ veranstalten. Noch dazu können sie sich ihre „Wahlfamilie44“ aussuchen. Auf sexueller Ebene gesehen, können sie Sex mit Freiern oder anderen Strichern haben ohne als homosexuell abgestempelt zu werden. Das Gefühl, sich den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, das Abenteuer und das Antreffen von Gleichgesinnten, tragen auch zu dieser neuen und scheinbar besseren Perspektive bei. Aber nicht nur materielle Werte sind Motivationsgründe, sondern auch die Abenteuerlust, der Spaß am Sex, die Möglichkeit zu wechselnden Sexualpartnern45 und das Coming Out.
•
Coming Out: Unter Coming Out versteht man den intensiven und lebenslangen Prozess, bei dem sich ein Jugendlicher mit seiner homosexuellen Orientierung auseinandersetzen muss, sich die Homosexualität selbst eingestehen muss und lernen muss, sich so zu akzeptieren. Man teilt das Coming Out in unterschiedliche Phasen ein, nämlich das innere Coming Out, bei dem der Jugendliche erkennt, homosexuell oder bisexuell zu sein, das familiäre Coming Out, bei dem der Jugendliche seiner näheren Umgebung, Familie, und Freunden mitteilt, ho-
42
vgl. STALLBERG, 1990, S. 23f; Nach einer Umfrage von Weissberg zufolge, wurden 29% der von ihr Befragten von eigenen Familienmitgliedern und 15% von nicht Verwandten Personen missbraucht worden zu sein. 43 vgl. PFENNIG, 1994, S. 9. 44 Stricher können sich den Freier aussuchen, bei dem sie sich wohl fühlen, der am ehesten der Vaterrolle gerecht wird und der die von ihnen erwarteten Bedürfnisse nach Aufmerksamkeit und Zuneigung am besten befriedigen kann. 45 vgl. FINK/ WERNER, 2005, S.78 und 225.
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Die verschiedenen Seiten der Prostitution
mosexuell zu sein, das globale Coming Out, bei dem die Einstellung überwiegt, dass es alle Welt wissen soll und letztens, das lebenslange Coming Out.46 Was in dieser Phase passiert, ist abhängig davon, wie die vorherigen Phasen erfahren wurden. Viele Jungs benutzten auch die Stricherszene als Ort des Coming Out, da sie hier nicht dem Druck ausgesetzt sind, Stellung zu ihrer Sexualität zu beziehen und nicht zugeben müssen, schwul oder bisexuell zu sein. So bietet die Stricherszene guten Schutz, da demselben Problem ebenso viele Freier ausgesetzt sind und das Thema tabuisiert wird. Ein großer Nachteil besteht darin, dass Stricher, die ihr Coming Out in der Stricherszene erleben, nicht lernen, ihre eigenen Bedürfnisse nach Liebe und Geborgenheit zufrieden zu stellen und eigene Wünsche anzumelden.47 •
Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch: Spätestens dann, wenn die Jungs einige Zeit anschaffen, erleben diese häufig Missbrauchserfahrungen durch gewaltbereite Freier. Viele von ihnen haben jedoch bereits in ihrer frühen Kindheit sexuellen Missbrauch durch Eltern oder Bekannte erlebt. So handeln diese Jungs nach dem Belohnungsprinzip, das sie durch den Missbrauch sehr früh erlernt und diese Verhaltensweisen verinnerlicht haben. Es besagt, dass sie durch sexuelle Handlungen mit Zuneigung, Liebe und Aufmerksamkeit belohnt werden. Auf dem Strich versuchen sie die genannten Gefühle zu finden, bleiben jedoch weiter in der Opferrolle, da sie den sexuellen Missbrauch noch nicht aufgearbeitet haben. Bisher ist man davon ausgegangen, dass nur deutsche Stricher, geprägt durch sexuelle Missbrauchserfahrungen auch durch Pädophile, in die männliche Prostitution hineingeraten. Nach Jahren berichten nun auch Stricher aus osteuropäischen Ländern von sexuellen Erlebnissen vor ihrem 14ten Lebensjahr mit pädophilen Männern aus Deutschland.48
•
Drogenabhängigkeit: Bei den Junkiestrichern49 ist Beschaffungsdruck Motivation für die Prostitution. Der Drogenkonsum steht im Vordergrund. Die Prostitution ist nur ein Nebeneffekt, bei dem die Tendenz zu riskanten Sexualpraktiken in Bezug auf HIV und STI steigt. Viele dieser Stricher verkaufen sich für sehr wenig Geld und werden somit wiederum von anderen Strichergruppen diskrimi-
46
vgl. EURO-KOPS, 1999, 53ff. vgl. FINK/WERNER, 2005, S. 90. 48 vgl. Protokoll DAH Seminar S. 9. 49 Dieser Begriff wurde 1992 bei einem Konzeptseminar der deutschen Aidshilfe definiert. 47
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Die verschiedenen Seiten der Prostitution
niert und mit Vorurteilen belastet. Die typischen Drogen in dieser Szene sind Partydrogen wie Exctasy, Amphetamine und Kokain und natürlich Haschisch und Marihuana, aber auch Heroin und Crack. Genauso gelten Drogen oft als Zahlungsmittel der Freier. Vor allem Alkohol, dient als zeitliches Überbrückungsmittel, wenn die Stricher in den Kneipen oder auf dem Straßenstrich auf Freier warten. Häufig entstehen aber auch Spielsüchte an Spielautomaten oder mit dem Handy.50 Viele Jungs bezeichnen die Stricherszene an sich als Droge. Der Ausstieg ist schwer, die einzigen Freunde sind in der Szene und neue Freunde distanzieren sich, sobald sie von der Prostitutionsausübung erfahren.51 •
Migration: Migranten nehmen in der Stricherszene einen Anteil von bis 85% ein. Ein ständiger Wandel im Bereich der Migranten ist zu beobachten. Junge Männer entscheiden sich für die Arbeit im Ausland, da sie in ihren Herkunftsländern nicht genügend Förderung oder Möglichkeit haben, ihre physische oder psychische Sicherheit zu erlangen. Es herrscht für sie der Eindruck, dass bestimmte Ziele, z. B. Anbindung an eine medizinische Grundversorgung in ihrer Herkunftsgesellschaft nicht erreicht werden können. Ebenso emigrieren viele junge Männer, da sie sich in den Herkunftsländern nicht verwirklichen können, zum Beispiel auf Grund der strengen Sanktionen des Staates oder der Kirche. So ist es für manche Migranten auch die einzige Chance, ihre Homosexualität ungehindert und ohne gesetzliche Bestrafung auszuleben. Es besteht auch oft nur der Wunsch auszusteigen. Nicht immer ist die politische Situation gesichert und führt dazu, dass sich einzelne Personen oder Gruppen auf die Flucht begeben müssen. Die häufigsten Motivationsgründe sind aber immer noch die schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse, die es nicht zulassen, ein ausreichend gesichertes Leben zu führen.52 Die meisten Migranten stammen momentan aus den Ostblockländern, vor allem aus den Ländern Rumänien und Bulgarien,53 aber auch aus Südamerika, Afrika und aus Nah- und Fernost. Die schlechte wirtschaftliche Lage veranlasst viel junge Männer ins Auslande zu gehen, dahin zu gehen, „wo das Geld auf der Straße liegt“54, um die eigene Familie zu unterstützen. Die schlechten Chancen auf dem deutschen Arbeitsmarkt, auch bedingt durch den il-
50
vgl. Information aus den durchgeführten Interviews. vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 83. 52 vgl. FINK/WERNER, 2005, S. 269f. 53 Informationen aus den durchgeführten Interviews. 54 Zitat aus dem Interview I. 51
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legalen Aufenthaltsstatus, führen bei vielen Migranten als letzte Möglichkeit Geld zu verdienen, zum Einstieg in die mann-männliche Prostitution. •
Abziehen: Einige nutzen die Szene, um an Geld zu gelangen ohne unbedingt als Gegenleistung sexuelle Dienstleistungen anzubieten. Dieses so genannte „Abziehen“ des Freiers hat zum einen den Effekt, dass ein Stricher an mehr Geld kommt und zum anderen eine „Eigenschutzfunktion.“ Vor allem Jungen im Coming Out versperren sich diese dadurch den Rückweg zu manchen Freiern, die sie vielleicht als sympathisch und angenehm empfunden haben und verbieten sich somit, den Freier wieder zu treffen. Ihre Angst, „etwas schön zu finden, was überhaupt nicht schön sein darf.“ ist ebenso von großer Bedeutung. Genauso dient es dem Selbstschutz der Stricher bei unangenehmen Freiern, den aufgekommenen Ekel zu verdrängen und durch das „Abziehen“ zu kompensieren.
3.2.2. Problemlagen von Strichern Stricher, die mit einem unprofessionellem Bewusstsein anschaffen,55 sind häufig einer Vielfalt von psychischen, sozialen und gesundheitlichen Problemen ausgesetzt. Die Jungs leben hauptsächlich auf der Straße, da sie von zu Hause vertrieben wurden oder von dort oder aus Heimen geflüchtet sind. Sie gehen einer von der Gesellschaft verachteten Tätigkeit nach und dadurch entstehen weitere Schwierigkeiten. Hinzu kommt, dass Stricher in einem bestimmten Alter, oft schon Mitte 20, aus der Stricherszene herausfallen, da attraktivere junge Stricher nachkommen und die älteren vom Markt verdrängen.56 Psychische Probleme sind häufig schon vorhanden, da viele aus zerrütteten Familien oder chaotischen Familienkonstellationen kommen, Heim- und Psychiatrieaufenthalte hinter sich haben und frühe kindliche Erfahrungen durch sexuellen Missbrauch gemacht haben. Somit ist bei den meisten die Herkunftsproblematik sehr ähnlich. „Für einige Jungen bedeutet das Anschaffen nichts weiter als das, was sie zuvor schon in der Familie machen mussten. Für etwas Geborgenheit, Aufmerksamkeit oder Zuneigung mussten sie sich gut verkaufen können. Jungen, die anschaffen, sind auf der Suche nach dem, was sie in der Familie nie selbstverständlich bekommen haben und setzen das ein, was sie beispielsweise in den Herkunftsfamilien gelernt haben. Dazu gehört auch, dass
55 56
vgl. Abschnitt 2.2 vgl. LANG, 1989, S. 29.
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in einigen Familien der Mutter oder dem Vater sexuelle Gegenleistungen zu erbringen waren. Jungen erleben dabei vielfältige Rollenkonflikte (...), die sich in der Stricherszene wiederholen.“57 Manche haben noch Kontakte zu ihren Müttern, so gut wie keiner jedoch zu seinem Vater. Eine fehlende Schulausbildung ist bei den meisten Jungs auf ihre frühe Flucht von zu Hause zurückzuführen. Stricher müssen sich zusätzlich der Diskriminierung nicht nur der Gesellschaft allgemein stellen, sondern auch den Ausgrenzungen und Diskriminierungen in der schwulen Szene selbst. Sie müssen mit unterschiedlichen Vorurteilen der Gesellschaft zurechtkommen, wie zum Beispiel damit, dass männliche Prostituierte als moralisch und sozial krank gelten und deswegen hilfebedürftig sind, dass sie körperlich krank sind und als Gefahr gelten, weil sie HIV und andere sexuell übertragbare Krankheiten in der Gesellschaft verbreiten und nicht zuletzt, dass sie kriminell sind.58 Für Außenstehende gelten sie lieber als kriminell, als dass sie die Tätigkeit des Prostituierens zugeben würden. Durch den ständigen Druck, der von der Gesellschaft auf sie einwirkt, das tägliche Bemühen Geld zu verdienen, das zum Leben gebraucht wird, das harte Leben auf der Straße und in der Prostitution, treten viele Stricher in Kontakt zu Drogen. Oft ist Prostitution eine Möglichkeit um ihre Drogensucht zu finanzieren,59 oder sie nehmen Drogen, um überhaupt der Prostitution nachgehen zu können. Durch die Drogenabhängigkeit der Stricher entstehen mannigfache gesundheitliche Probleme, denen die Stricher ausgesetzt sind. Durch den intensiven Beschaffungsdruck lassen sich viele Jungs auf riskante Sexualpraktiken ein, bei denen die Gefahr steigt, sich mit HIV/Aids oder STI60 zu infizieren. Gerade die STI werden oft nicht frühzeitig erkannt und ziehen schwere körperliche Schäden nach sich. So kommt es häufig zu einer Verwahrlosung des eigenen Körpers. Aber nicht nur durch Drogen und deren damit verbundenen Lebenseinstellungen ergeben sich Gesundheitsprobleme, sondern viele leiden auch unter chronischen Erkrankungen. Dazu gehören neben Hepatitis und HIV auch Erkrankungen des Bewegungs- und Verdauungsbereiches sowie der Zähne und des Zahnfleisches auf Grund mangelnder Körperhygiene. Die Scheu der Stricher gegenüber den Ärzten, diesen ihre Erwerbstätigkeit zu offenbaren, aber auch die Unsicherheit der Ärzte selbst, wie mit diesen Jungs 57
VOLKWEIN / WERNER, 1998, S. 115 vgl. AKSD, Leitlinien für die soziale Arbeit mit Strichern, 2002, Kapitel 1. 59 Beschaffungsprostitution 60 sexuell übertragbare Krankheiten, wie Tripper, Syphilis, Hepatitis und Herpes. 58
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umzugehen ist, tragen zu dieser Problematik bei. Stricher lehnen oft Therapieschemata ab oder brechen Therapien ab, da sie sehr schnell den Eifer verlieren. Lieber wählen sie aber den Weg, der ihnen den schnellsten Erfolg verspricht, welcher nicht von Dauer ist. Durch die starke psychische Belastung kommt es häufig zu psychosomatischen Beschwerden in Form von Bauch- Rücken- und Kopfschmerzen bis hin zu autoaggressiven Handlungen wie Suizidversuche, Selbstverstümmelungen durch Ritzen und Branding aber auch zu vermehrten Drogenkonsum.61 Ein weiteres, häufig auftretendes Problem, das in der mann-männlichen Prostitution zu finden ist, ist Gewalt. Hier zeigen die Formen der Gewalt sehr viele Gesichter. So tritt hier vor allem neben psychischer und physischer Gewalt auch verbale und mitunter strukturelle Gewalt62 auf. Die Stricher haben bereits in ihren Familien, in Heimen Gewalt erlebt, vor allem dann, wenn Jungs homosexuelle Tendenzen zeigen, werden sie häufig Opfer von Gewalt und sexueller Ausbeutung. Auch in der Prostitution wird Gewalt durch Freier ausgeübt. Hier werden Stricher zu ungewollten Sexpraktiken gezwungen, werden erpresst oder über längere Zeit festgehalten. Rechtlich sind solche Übergriffe schwer nachzuweisen. Es ist ebenso schwierig für die Jungs darüber zu reden, sich zu wehren oder ihre Schwäche einzugestehen. Dies führt dazu, dass sich Stricher nicht ausreichend vor gefährlichen Freiern warnen. Auf der anderen Seite sind es aber auch Stricher, die Gewalt gegen Freier ausüben. Man spricht von folgenden Hauptgründen: Freier gelten als schwach oder pervers und sind somit leichte Opfer. Durch die Nichtabsprache von sexuellen Dienstleistungen oder finanziellen Vereinbarung kommt es zu Konflikten, die in Gewaltakten enden. Bei Gewaltakten von Minderjährigen bietet das Gesetz Schutz, da diese noch nicht straffähig sind. Viele Gewalttaten durch Stricher sind eine Entladung von Emotionen, die durch Ekel und Hass entstehen. Die Auseinandersetzung mit der eigenen Prostitution, homophobe Tendenzen stehen sich gegenüber und können in Gewaltausbrüche münden.63 Für viele Stricher gilt das Überlebensmotto „der Stärkere hält sich am Schwächeren schadlos.“ Man spricht hier von einer Gewaltspirale.64 So werden vor allem neue und junge Stricher als Konkurrenz gesehen, da sie auf dem Prostitutionsmarkt als „Frisch-
61
vgl. Deutsche Aidshilfe AKSD, Leitlinien für die soziale Arbeit mit Strichern 2002, Kapitel 1. Darunter wird die Beeinträchtigung der Persönlichkeitsentwicklung verstanden. 63 vgl. Deutsche Aidshilfe AKSD Leitlinien für die soziale Arbeit mit Strichern 2002, Kapitel 1. 64 vgl. WERNER, 1993, S. 144 ff. 62
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fleisch65“ sehr erfolgreich sind. Es hat sich aber auch eine klare Hierarchie in der Stricherszene entwickelt, die sowohl die Orte der Prostitution, die Herkunft der Stricher, das Alter und die Motivation der Stricher betreffen. Gemeinsamkeiten entstehen meist dann, wenn man zusammen gegen eine andere Strichergruppe vorgeht. Gegnerische Gruppen sind z. B. deutsche gegen ausländische Stricher, rumänische gegen Rromastricher, Nichtjunkiestricher gegen Junkiestricher oder die Gruppe der schwulen gegen die nicht schwulen Stricher. Der anderen Gruppe wird grundsätzlich die Schuld an schlechten Preisen, Verbreitung von Krankheiten und die Schuld an der eigenen existenziellen Not zugeschoben.66 So werden einzelne Stricher, ja ganze ethnische Gruppen von Strichern aus der Szene vertrieben.
3.2.3. Lebenslagen von Strichern Viele Stricher sind obdachlos und leben auf der Straße. Manche haben ein kleines Apartment, das sie sich mit anderen teilen oder können für einige Zeit bei einem Freier unterkommen. Die Straße ist jedoch der Ort an dem sie sich ihr Leben abspielt. Sie sind auf Kunden angewiesen und müssen deswegen so oft als möglich an den Orten der Prostitution präsent sein. So wird der gesamte Tagesablauf auf die Bedürfnisse der Freier ausgerichtet. Dies hat allerdings zur Folge, dass sie ihre Arbeit und ihr Freizeitleben bzw. ihr privates Leben nicht trennen können. Durch das oftmals beschriebene „Rumhängen“ ist ihr Tag durch Warten, Hoffen und Zeit überbrücken gekennzeichnet.67 Im Gegensatz zur weiblichen Prostitution gibt es kein offensives Anwerben der Prostituierten. Um von der Diskriminierung der Gesellschaft verschont zu bleiben, bedeutet dies, sich diskret und zurückhaltend zu verhalten.68 Meist kommt es in der Stricherszene vor, dass die Jungs nicht als Menschen, sondern als Sexobjekte betrachtet werden. Sie werden auf ihr Äußeres hin taxiert und dementsprechend bewertet. Wenn die Stricher jung sind und gut aussehen, können sie die Geschäfte mit den Freiern steuern, da junge und „unverbrauchte“ Stricher in der Szene am beliebtesten sind. Werden sie dagegen älter, schwindet zunehmend das Interesse der Freier, aber sie müssen trotzdem versuchen, auf dem Markt weiter zu überleben. Sie
65
so werden frisch in der Szene angekommene Jungs bezeichnet. vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 114 -129. 67 vgl. TEUERKAUF, 2003, S. 38. 68 vgl. STALLBERG, 1990, S. 22. 66
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müssen sich umorientieren, Sexpraktiken zulassen, die sie bisher nicht geduldet haben und unter Umständen auch riskanten Sexualpraktiken zustimmen.69 Dadurch schwindet das so kurzzeitig erworbene Selbstwertgefühl und es entstehen neue Probleme. Die Lebenslage der Stricher wird auch bestimmt durch das HIV. Die neuesten Untersuchungen zeigen, dass die Zahlen von Neuinfektionen mit HIV in der Gruppe der Männer, die Sex mit Männern haben (MSM) am meisten zugenommen haben, nämlich im Jahre 2005 um ca. 13%.70 Das Robert- Koch- Institut schätzt im Jahre 2005 den Anteil der homosexuellen Männer auf 58%. So sind vor allem Stricher, die regelmäßigen sexuellen Kontakt zu anderen Männern haben, gefährdet, da viele Freier es als unmännlich ansehen, von Kondomen Gebrauch zu machen. Drogenabhängige, die zu riskanten Sexualpraktiken bereit sind, Spritzbestecke gemeinsam benutzen oder damit tätowieren oder Piercen, sind ebenfalls einem höherem Risiko ausgesetzt.71 Geringes Selbstwertgefühl und mangelndes Selbstbewusstsein, niedriger Bildungstand und die Diskriminierung, der die Stricher ausgesetzt sind, tragen dazu bei, dass sie sich in Risikosituationen nicht ausreichend schützen.72 Die Diskriminierung von männlichen Prostituierten ist im Vergleich zur weiblichen Prostitution sehr viel stärker, da sie zusätzlich mit Homosexualität in Verbindung gebracht werden. Das heißt, sie werden nicht nur in der Gesellschaft wegen ihres prostituiven und homosexuellen Verhaltens diskriminiert, sondern auch in der homosexuellen Subkultur
73
selbst. Stricher werden auch vor allem durch den Anstieg der Beschaf-
fungsprostitution immer mehr in die Kriminalität abgedrängt. So ist die Kriminalität oft Folge des Selbsthasses der Stricher. Stricher werden oft als „Todesboten“ (AIDSVirusträger) dämonisiert.74 Zunächst galten nur Homosexuelle als Hauptrisikogruppe für HIV- Verbreiter, doch bald wurden auch die Stricher als eine weitere Risikogruppe ins Auge gefasst, weil sie ständig wechselnde Sexualpartner haben, ohne sich regelmäßig medizinischen Untersuchungen zu unterziehen.75
69
vgl. VOLKWEIN/ WERNER, 2003, S. 113. vgl. Untersuchungen des Robert- Koch- Institutes und der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung. 71 vgl. BUNDESZENTRALE FÜR GESUNDHEITLICHE AUFKLÄRUNG, 2006, S. 10f. 72 vgl. DEUTSCHE AIDS- HILFE, 2004, S. 15. 73 vgl. SCHICKEDANZ, 1979, S. 198f. 74 vgl. WAGNER, 1990, S. 47. 75 vgl. WAGNER, 1990, S. 47. 70
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3.2.4. Zusammenfassung Im Allgemeinen kann man sagen, dass nur Stricher mit fehlendem Bewusstsein für ihre Tätigkeit und ihre sexuelle Orientierung mit vielen Problemen konfrontiert sind und einer umfassenden Hilfe bedürfen. Diese Probleme spiegeln sich wieder in den unterschiedlichen Motivationen, in der Prostitution tätig zu sein, wie zum Beispiel wirtschaftliche Verhältnisse, sexueller Missbrauch und Coming Out und Drogenabhängigkeit. Ihr Umfeld ist geprägt durch Gewalt, HIV/ STI, Obdachlosigkeit und Diskriminierung. Regeln und Strukturen in der Stricherszene müssen erlernt und akzeptiert werden.
3.3. Freier Die eine Seite der Prostitution sind die Stricher mit professionellem oder unprofessionellem Bewusstsein, die anderen sind diejenigen, die für sexuelle Dienstleistungen bezahlen, die so genannten Kunden oder Freier. „Freier sind Männer aller Altersklassen, die, ungeachtet ihrer eigenen sexuellen Orientierung oder Lebensweise, gelegentlich oder regelmäßig Entlohnung für sexuelle Kontakte und/oder Gesellschaft von Strichern und Callboys bieten.“76 Es wird davon ausgegangen, dass die Mehrzahl der Freier aus der Mittelschicht stammt, jedoch findet man auch Ärzte, Pfarrer und Juristen, die als Freier tätig werden77. Das Basis Projekt in Hamburg geht davon aus, dass sich 20- 30% der Männer, die im geschlechtsfähigen Alter sind, sexuelle Handlungen kaufen.78 Das Prostituiertenprojekt Hydra allerdings ist der Meinung, dass ca. 75% der Männer als Freier gelegentlich oder regelmäßig in der männlichen oder weiblichen Prostitution aktiv sind.79 Es gibt Freier, die kaufen sich ausschließlich professionelle Stricher80, jedoch den größten Teil stellen diejenigen dar, die gelegentlich das Angebot der männlichen Prostitution auf dem Straßen- oder Kneipenstrich wahrnehmen. Man bezeichnet diese Freier auch als „Springer“, da sie kaum für aufeinander folgende sexuelle Interaktionen zum gleichen Stricher gehen, um ihre Anonymität zu wahren.81 Die Kontakte sind oft nur von kurzer Dauer, z. B. der gemeinsame Besuch in einem Sexkino. Im Gegensatz zu den „Springern“ stehen die „Stammkunden“, die bei den 76
vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 96. vgl. SCHICKEDANZ, 1979, S. 90. 78 vgl. http://www.freiersein.de/information/prostitution.php, Stand : 26.08.2006. 79 vgl. BILITEWSKI/ CZAIKA/ FISCHER u. a., 1991, S. 20. 80 vgl. auch Punkt 3.1. dieser Arbeit. 81 vgl. SCHICKEDANZ; 1979, S.89ff. 77
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Strichern die Hingabe und die Vertrautheit suchen und sich aus diesem Grunde meist an die gleichen Stricher wenden. Für diese Kunden ist Sex zweitrangig, viel mehr suchen sie hier enge Beziehungen und intensiven Kontakt zu den Strichern. Diese Kontakte können über mehrere Jahre andauern und sogar in feste Beziehungen übergehen. Jedoch werden viele Stricher durch die überwältigenden Wünsche der Freier nach einer Partnerschaft, nach einem Geliebten und Kind in einem buchstäblich erdrückt und entfliehen aus der Obhut des Freiers. Der Freier steht unter starkem psychischen und sozialen Druck. Das Verlassenwerden durch den Stricher kann bei den Freiern zu schweren Depressionen bis hin zu Suiziden führen. Oft werden die aufgestauten Frustrationen beim nächsten Stricher ausgelassen.82
3.3.1. Verschiedene Freiertypen Auch die Gruppe der Freier ist eine nicht homogene Gruppe, die in zwei Gruppen eingeteilt wird, wobei die Orte, an denen die Prostitution stattfindet, keine Rolle spielt. Die eine Gruppe der Freier sieht die Prostitution ganz klar als Geschäft, die andere Gruppe sucht in der Prostitution nach Zuwendung, engen Kontakten und Beziehungen. In der erstgenannten Gruppe spielt es eine große Rolle, schnellen unkomplizierten Sex zu haben, ohne dabei die Schwulenszene durchlaufen zu müssen. Der Sex wird hierbei als Geschäft angesehen.83 So wollen Freier ihre homosexuellen Anteile ausleben, die sie in ihrem parallel als heterosexuelle Männer geltenden Leben nicht leben können. Oft schützen sich homo- und bisexuelle Männer durch eine Ehe, da sie sich durch den immer noch hohen gesellschaftlichen Druck nicht frei in der Schwulenszene bewegen können. Die versteckte männliche Prostitution bietet für diese Männer guten Schutz. Auch Männer mit pädosexuellen Neigungen suchen hier Schutz.84 Die Flucht aus familiären Bindungen bzw. Männer, die keine engen Beziehungen eingehen wollen oder können, leben in der Stricherszene ihr Sexualleben aus, ohne dabei sich vor der Familie oder der Gesellschaft rechtfertigen zu müssen. Auch der Reiz an perversen Sexpraktiken, die in anderen Beziehungen nicht ausgelebt werden können, wie sadistisch- masochistische oder fetischistische Praktiken, motivieren Freier, zu Strichern zu gehen. Für viele homosexuelle Männer ist Sex mit einem Strichjungen eine Abwechslung im 82
vgl. MÖBIUS, 1990, S.36f. vgl. FINK/ KARIN, 2005, S. 103. 84 vgl. FINK, WERNER, 2005, S. 99 83
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Alltagssex mit ihren Lebensgefährten. Es finden sich auch viele homosexuelle Männer in der Stricherszene, die vorübergehend ohne Partner sind. Die andere Hauptgruppe stellen Freier dar, die auf der Suche nach Liebe, Zärtlichkeit, Geborgenheit, Wärme und Entspannung sind. Sie haben die Illusion, den finanziellen Kontakt zu dem Stricher sobald wie möglich zu beenden und durch eine feste emotionale Bindung zu ersetzen. Häufig entsteht beim Freier das Bedürfnis, den Strichern zu helfen. „Sie belügen sich selber dadurch, dass sie so viel helfen wollen und so viel unternehmen müssen, um die Stricher unterzubringen, weil diese so arm sind. Sie bringen sie auch unter bei sich, Sex dazwischen ist ein reiner Zufall. Das sind Menschen, die nicht sehen, wie sie sich selbst belügen.“85 Diese Freier machen den Zufall dafür verantwortlich, dass sie Sex mit den Jungs haben. Es steht im Vordergrund, den Jungs zu helfen, ihnen den Vater ersetzten zu wollen oder den wohlmeinenden Erzieher. Die Hilfestellungen der Freier werden den Jungs nicht gerecht, da die Altersunterschiede erschwerend hinzukommen und die Hilfen nicht auf den Stricher zugeschnitten sind. Da es trotz allem zu sexuellen Handlungen kommt, werden die Jungs weiterhin ausgebeutet. Hingegen gibt es auch Freier, deren Hilfe konstruktiv ist, zum Beispiel kostenfreier juristischer Beistand.86
3.3.2. Identität der Freier Es gibt wenige Männer, die wie Stricher keine Identität zu ihrem Freierdasein entwickelt haben. Auch in Bezug auf sexuelle Identität der Freier bestehen Unklarheiten.87 Die meisten Männer jedoch trennen strikt zwischen dem Freierleben und dem restlichen Alltagsleben. Natürlich entstehen Konflikte bei der Trennung der verschiedenen Welten, wie zum Beispiel zwischen Sex und Liebe, Strich und Alltag oder Homo- und Heterosexualität. Andere Freier sind unfähig, ihr privates Leben und das in der Stricherszene zu trennen. Durch Ihre Suche nach Liebe und Geborgenheit sind sie verletzlich und werden leicht Opfer.88 Sie werden häufiger von den Strichern ausgeraubt, erpresst oder Opfer von Gewalt. Hinzu kommt, dass sie sich mit ständigen Enttäuschungen über
85
Zitat aus dem Interview I, Zeile 262. Information aus persönlichen Gesprächen. 87 vgl. SCHROTT- BEN- REDJEB, 1990, S. 18f. 88 vgl. Deutsche Aidshilfe AKSD, Leitlinien für die soziale Arbeit mit Strichern 2002, Kapitel 1. 86
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nicht zustande kommende emotionale Beziehungen auseinandersetzen müssen.89. Bei dieser Gruppe fehlt eine Freieridentität und durch die längere sexuelle und emotionale Beziehung die Bereitschaft zu Safer Sex. Die Freier, die eine gefestigte Identität haben und Prostitution rein als Geschäft ansehen, assoziieren Kondomgebrauch automatisch damit. Thomas Möbius schätzt, dass 60% der Freier nach außen heterosexuell leben, verheiratet sind, Kinder haben und hin und wieder zu Strichern gehen.90 So leugnen viele Freier ihre Intentionen und geben an, wie Schickedanz in seinen Untersuchungen herausfand,91 verheiratet zu sein und Kinder zu haben. Der Strich ist somit der einzige Bezugspunkt für deren Homosexualität. Es gibt wenige Kontakte unter den Freiern, obwohl sich diese flüchtig aus den Stricherkneipen kennen, jedoch wird auch hier das Freierdasein tabuisiert.
3.3.3. Zusammenfassung Der Freier oder Kunde kann nicht klar definiert werden. Wie auch bei den Strichern unterscheiden sich diese in Bezug auf ihre sexuelle Identität und auf das Freiersein. Der Strich dient einigen nur dazu, ihre Homosexualität auszuleben und Sex zu haben, andere wiederum suchen nach emotionalen Beziehungen, Liebe und Geborgenheit.
89
vgl. FINK/WERNER, 2005, S. 105. vgl. MÖBIUS, 1990, S. 28. 91 vgl. SCHICKEDANZ, 1979, S.89. 90
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4.
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4.1. Die reale Stricherszene Die reale Stricherszene ist die Szene, wo sowohl Stricher als auch Freier persönlich anwesend sind. Die Kontaktaufnahme findet im Wesentlichen in öffentlichen Bereichen sehr verdeckt und verschleiert statt. Stricher senden nur eindeutige Signale an potentielle Kunden oder überlassen die Annäherungsversuche gänzlich den Freiern. Es wird dabei streng darauf geachtet, dass beide, Stricher und Freier, von der Öffentlichkeit nicht als homosexuell identifiziert werden können auf Grund der Stigmatisierung des prostituiven und homosexuellen Verhaltens durch die Gesellschaft. Die Kontaktaufnahme erfolgt in mehreren Phasen: einer Phase des Anmachens, in der beide Parteien sich fixieren, imponieren und durch Körpersprache verständigen. Nach diesem Prozess kommt es dann meist seitens des Kunden zur persönlichen Kontaktaufnahme mit Hilfe von alltäglichen Fragen. Nun werden die geschäftlichen Fragen besprochen, wobei es hier um das „wo“, „wie“ und „wie viel“ geht. Im Gegensatz zu den öffentlichen Räumen verläuft die Kontaktaufnahme in halböffentlichen Räumen anders ab. In Stricherkneipen zum Beispiel muss nicht so streng auf Anonymität und Diskretion geachtet werden, da es leichter ist, Freier und Stricher als Personen zu identifizieren. Oft reicht hier ein kurzes Augenzwinkern oder Zuwinken und die Mithilfe des Barkeepers um die Kontaktaufnahme in Gang zu setzten.92
4.1.1. Prostitution in öffentlichen Räumen Am häufigsten spielt sich männliche Prostitution auf den Straßen um den Bahnhof oder am Bahnhof selbst ab. In einigen Städten dienen diese Bereiche auch als „cruisingareas“93 von Homosexuellen. Die Prostitution in öffentlichen Gebieten ist gekennzeichnet durch ihre schlechte Organisation und durch sehr hohe Anonymität, die durch das doppelte Tabu Prostitution und Homosexualität bestimmt wird. Prostitution ist für Unwissende unsichtbar, da sich sowohl Stricher und deren Kunden äußerst diskret
92
vgl. SCHICKEDANZ, 1979, S. 168ff. engl./ amerik.: sich an „homosexuellen“ Treffpunkten auf die Suche nach einem Sexualpartner machen, vor allem an öffentlichen Plätzen.
93
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verhalten.94 Auf dem Bahnhofsgelände halten sich die unterschiedlichsten Menschen auf und das ist für viele Jungs der Anfang ihres Stricherdaseins.95 Den meisten jungen Männern, die sich hier prostituieren, fehlt der professionelle Umgang mit Prostitution.96 Gleichzeitig sind aber Bahnhöfe auch Orte der Gewalt. Die Städte versuchen die Bahnhöfe frei von Prostitution zu halten. Dadurch kommt es immer wieder zu Hausverboten, die die Stricher nicht einhalten, was zur Folge hat, dass sie kriminell werden. Auf öffentlichen Toiletten, auch Klappen genannt, sowohl an Bahnhöfen, als auch in anderen Gebieten, sind Homosexuelle auf der Suche nach schnellem Sex. Einige Stricher, vor allem aber sehr junge und drogenabhängige Stricher halten sich hier auf, um anzuschaffen. Klappen sind Orte, an denen es rein um Sex geht. Es wird nicht geredet, Gespräche werden eher als Störung empfunden. Verständigung läuft auf nonverbaler Ebene ab.97 Parkanlagen und Raststätten sind vor allem bekannt als cruising - areas für Homosexuelle. Es gibt Parkanlagen, die zu bestimmten Zeiten dafür bekannt sind, dass dort Prostitution stattfindet. Oftmals können hier Stricher, die schon älter als 30 Jahre sind und auf dem Prostitutionsmarkt nicht mehr viele Chancen haben, noch Geld verdienen. Auch hier läuft Prostitution sehr diskret und anonym ab und Stricher und Freier offenbaren sich nicht. Auch auf den Raststätten findet Prostitution statt. Probleme entstehen durch die hohe Anonymität und Fluktuation, da sich das Aufdecken von gewaltbereiten Freiern als viel schwieriger erweist als zum Beispiel an Bahnhöfen.98
4.1.2. Prostitution in halböffentlichen Räumen
Als halböffentlicher Raum, werden Räumlichkeiten verstanden, die von einem jeweiligen Besitzer oder Pächter zu einem für die Öffentlichkeit zugänglichem Raum genutzt werden. Der jeweilige Besitzer oder Pächter kann letztendlich entscheiden, wer diesen Raum nutzen kann und vor allem sind diese Räume nur beschränkt zugänglich für die
94
vgl. Deutsche Aidshilfe, AKSD- Leitlinien, 2002, S155. vgl. PFENNING, 1996, S.9f; 96 vgl. NICK, 2000, S. 49f. 97 vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 146. 98 vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 144f. 95
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Polizei.99 Hierzu gehören vor allem Clubs, Bars, Diskos und Kneipen, aber auch Bordelle. In Stricherkneipen, meist größerer Städte sind hauptsächlich Stricher und Freier anzutreffen. Der Wirt fungiert als Hausherr und entscheidet über das Ausmaß der Prostitution. Viele Kneipen besitzen einen Raum, in dem Sex stattfinden kann oder sind angekoppelt an Stundenhotels, in die sich Stricher und Kunde zurückziehen können.100 Auch hier findet Gewalt statt. Es treffen oft Stricher, die eine heterosexuelle Identität haben, und aus der untersten sozialen Schicht kommen, auf Freier, die aus denselben Schichten stammen. Konflikte werden dementsprechend gelöst.101 Die im Vergleich zum Bahnhofs- und Straßestrich bessere bestehende Organisation bietet für die Stricher einen Vorteil. So ist das Personal oft Ansprechpartner sowohl für Stricher als auch für Freier, weil es einen guten Überblick über die Kneipengäste hat. Hier werden hauptsächlich Partydrogen wie Kokain, LSD oder Amphetamine konsumiert.102 In Boy - Clubs oder Bordellen arbeiten bis zu 15 Jungs. Bemerkenswert ist die hohe Anzahl von Migranten aus überwiegend südamerikanischen, asiatischen oder afrikanischen Ländern. In vielen Schwulenzeitschriften, im Internet oder in Schwulen- Reisführern wird hier für solche Einrichtungen geworben. In diesen Clubs oder Bordellen gibt es einen so genannten „boys - room“, in dem die Jungs auf ihre Kunden warten und in dem sie die Möglichkeit haben zu essen und zu duschen. Die Jungs, die in Clubs anschaffen, haben eine gesicherte Existenz und es finden sich hier selten Jungs, die von Verwahrlosung oder Verelendung betroffen sind. Oftmals gibt es auch einseitig durchsichtiges Schaufenster, wodurch die Freier sich ihre Sexualpartner aussuchen können. Die Stricher, die hier arbeiten, haben meist eine ausgeprägte homosexuelle Identität, sprechen eine oder mehrere Fremdsprachen, sind gebildet und haben Arbeits- und Mietverträge. Solche Clubs bieten darüber hinaus ein umfangreiches Angebot zur HIV, Aids und STI- Prävention durch ausreichendes Bereitstellen von Kondomen und Gleitmittel. Die Sicherheit der Stricher ist gewährleistet durch feste Arbeitszeiten, klare Trennung zwischen Arbeit und Privatem und das Einlassverbot von alkoholisierten und erkennbar gewaltbereiten Kunden.103 Es wird streng darauf geachtet, dass keiner der
99
vgl. AUSOBSKY, 1997, S. 168f. vgl. SCHICKEDANZ, 1979, S. 171. 101 vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 134. 102 vgl. Deutsche Aidshilfe, ASKD- Leitlinien, 2002, S.155. 103 vgl. GAFFNEY, 2002, S. 34. 100
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Stricher HIV-positiv ist. Die Verträge sind so formuliert, dass die Stricher eine bestimmte Anzahl von Freiern pro Tag haben müssen und für genügend Getränkeumsatz zu sorgen haben. Dadurch stehen die Stricher unter Druck und ein kollegiales Verhältnis unter diesen Strichern wird weitgehend verhindert.104
4.1.3. Prostitution in privaten Räumen Vor allem selbstständige, professionelle Stricher oder Callboys mit einer homosexuellen Identität haben sich darauf spezialisiert Apartments anzumieten, um dort Prostitution ausüben zu können. Das Anschaffen in privaten Räumen hat für die Stricher mehrere Vorteile. Sie sind unabhängig und müssen keine Verträge eingehen, die sie zu bestimmten Umsätzen oder Freierzahlen verpflichten und können ihre Arbeitszeiten selbst einteilen. Außerdem sind sie jederzeit über Handy, Anrufbeantworter und Internet zu erreichen. Die Gefahr an gewaltbereite Freier zu gelangen ist weniger groß, da sich diese auf unbekanntem Gebiet bewegen. Außerdem bietet die Prostitution in eigenen Räumen Schutz vor Diskriminierung oder Erpressung durch andere Stricher. Andererseits besteht für die Callboys die Gefahr von Vereinsamung, da sie nicht mehr aus dem Haus gehen, aus Angst davor, dass genau in diesem Moment ihr Traumfreier anrufen könnte. Oft werden Appartements angemietet, um inoffizielle Boys - Club zu eröffnen. Hier arbeiten sehr häufig Migranten ohne Arbeitserlaubnis, gesichert durch die Anonymität. Diese wiederum verlassen kaum die Appartements aus Angst vor Sanktionen und polizeilichen Kontrollen. Ihre einzigen sozialen Kontakte beschränken sich auf Kollegen und Freier. Es gibt unter diesen Appartementbesitzern so genannten „Handel“, d. h. die Jungs werden von einem Besitzer zum nächsten weitergereicht.
4.2. Die virtuelle Stricherszene Zur virtuellen Stricherszene, die sich hauptsächlich über das Medium Internet abspielt, gehören sowohl sämtliche Foren, in denen man nach Escorts105 suchen kann, die Szene, die sich rein über Handys verständigt und als sichtbare Szene nicht mehr vorhanden ist
104
vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 139. Escort werden bezahlte männliche oder weibliche Begleitpersonen genannt. Im Vergleich zu weiblichen Escorts geht es bei männlichen Escort mehr um sexuelle Dienstleistungen. 105
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Orte der Prostitution
als auch Live-Web-Pornos und Kinderpornographie dazu gezählt. Durch stärkere Polizeikontrollen verlagert sich die Prostitution immer mehr ins Internet. Escorts findet man hauptsächlich im Internet auf Seiten, die homo-, bisexuellen und transsexuellen Männern die Möglichkeit zur Kommunikation in Chats bietet. Jeder „Escort“, hat hier die Möglichkeit, sich durch ein selbst gestaltetes Profil mit Photo darzustellen und für sich zu werben. Es werden Angaben gemacht über Größe, Haarfarbe, Vorlieben oder Tabus und klare Ansagen über Sexpraktiken und Safer Sex. Diese Angebote beziehen sich auch auf Massagen oder Begleitung zu abendlichen Gesellschaften, versehen mit klaren Angaben über Preise. Da viele Escorts von Stadt zu Stadt reisen, oftmals auch im gesamten mitteleuropäischen Raum, zeigen sie an, zu welchen Terminen sie in bestimmten Städten sind. Kontakt wird dann entweder über das Internet durch eine E-Mail aufgenommen oder sie werden auf den angegebenen Handynummern kontaktiert.106 Das Internet bietet natürlich auch eine hohe Anonymität, vor allem für Freier mit einer fehlenden Freieridentität und für solche, die viel zu verlieren haben. „Es gibt Freier, die heterosexuell leben mit Frau und Kindern. Je versteckter ein Freier ist, desto eher wird er das Internet nutzen als Anbahnungsmöglichkeit.“107 Mit dem zunehmenden Einsatz von Handys hat sich vor allem auch die Szene in der Kinder- und Jugendprostitution geändert. Häufig schenken Freier beim Erstkontakt zu neuen Jungs diesen ein Handy, damit sie für sie immer erreichbar sind. Eine Szene ist somit überflüssig, Kneipen oder einschlägige Bars können von beiden Seiten vermieden werden und eine größere Anonymität kann gewährleistet werden.108
4.3. Zusammenfassung Die Szene spielt sich zu gleichen Teilen in realen Räumen, wie öffentlichen und halböffentlichen Räumen ab. Die Anonymität wird gesucht und demnach werden die öffentlichen Räume frequentiert, die diese gewährleisten, wie zum Beispiel der Bahnhof. Je privater die Örtlichkeiten, desto bessere wirtschaftliche Konditionen werden für die
106
vgl. www.gayromeo.com, Stand: 02.09.2006 sowie GAFFNEY, 2002, S. 29. Interview II, Zeile 225- 228. 108 vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 260f. 107
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Orte der Prostitution
Stricher geschaffen. Durch die neuen Medien wie Internet und Handy ist ein virtueller Ort entstanden, der diese Anonymität ebenso sichert.
32
Prostitution und Geld
5.
Prostitution und Geld
Ähnliche Strukturen wie in der weiblichen Prostitution, wo Menschenhandel, Zwangsprostitution und Zuhälterei gängige Phänomene sind, sind bisher in der männlichen Prostitution noch nicht so sehr bekannt. Trotzdem gibt immer häufiger Fälle, bei denen vor allem sehr junge Migranten unter Druck zur Prostitution gezwungen werden. Weder Polizei noch Streetworker haben Einblick in diese Szene, um diesen Menschenhandel entgegen zu wirken.109 Die Nachfrage seitens der pädophilen Freier nach Jungs, die auf Grund ihrer Minderjährigkeit keinen Zugang zu Clubs und Kneipen haben, ist sehr stark gestiegen und deswegen werden diese direkt an Freier vermittelt.110 Die Geschäfte machen hier die Vermittler. Vereinzelt treten die Phänomene auf, dass ausländische Stricher sich als Zuhälter in der weiblichen Prostitution versuchen. So werden einige Frauen aus unterschiedlichen Herkunftsländern nach Deutschland gebracht, und werden hier ebenso zur Prostitution gezwungen.111 In den Bordellen, in denen professionelle Stricher arbeiten, haben diese einen Vertrag mit den jeweiligen Geschäftsführern, worin geregelt ist, wie viel Miete zu zahlen ist und wie hoch der Stricherlohn ist. Oft müssen sie 30- 50% ihres vereinbarten Grundstricherlohns an den Bordellbetreiber weitergeben.112 Sozialarbeiter machen immer wieder die Erfahrung, dass Freier ihre Jungs vor allem in wirtschaftlich benachteiligten Ländern wie Rumänien oder Bulgarien aussuchen, diesen die Fahrtkosten nach Deutschland bezahlen, um sie dann hier für sich in Anspruch zu nehmen. Meistens sind diese Jungs minderjährig und wenn sie nicht mehr „gebraucht“ werden, landen sie auf der Straße oder werden bestenfalls in Stricherprojekten abgegeben.113
109
vgl. FINK/WERNER, 2005, S.126f. vgl. Deutsche Aidshilfe, 2005, S. 11. 111 Information aus den durchgeführten Interviews. 112 vgl. FINK/WERNER, 2005, S. 139. 113 Information aus persönlichen Gesprächen. 110
33
Prostitution und Recht
6.
Prostitution und Recht
Zwei wichtige Gesetzte, nämlich das Prostitutionsgesetz (ProstG) und das Infektionsschutzgesetz (IfsG) haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass sich im Bereich der Prostitution wesentliche Dinge geändert haben. Darin wurde vor allem der Diskriminierung und Kriminalisierung der Prostitution entgegengewirkt, da es immer noch Umstände und Rahmenbedingungen gab, die die Prostitution als kriminelle Handlung gelten ließen, obwohl bereits legalisiert war. Die Fachwelt war sich bewusst, dass durch restriktive Bestimmungen die Prostitution nicht verhindert werden kann, sondern mehr in den Bereich der Illegalität abgedrängt wird, wo keine staatliche Kontrolle gewährleistet werden kann und keine Hilfsangebote möglich sind.114 Im Folgenden wird nun kurz beschrieben, welche Bedeutung diese neuen Gesetze für junge Männer und Jungs haben und welche Auswirkungen die neuen Gesetze für sie bringen.
6.1. Das Prostitutionsgesetz Am 1. Januar 2002 ist das neue Prostitutionsgesetz in Kraft getreten, welches ein Gesetz zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten darstellt. Die Regelung besagt, dass Prostituierte bei Erbringen sexueller Dienstleistungen einen Anspruch auf die Gegenleistung erwerben. Prostituierte können auf der Grundlage dieses Gesetzes ihre Tätigkeit auch im Rahmen sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ausüben. Das Weisungsrecht der Arbeitgeber/ Arbeitgeberinnen ist jedoch eingeschränkt. Prostituierte können jederzeit bestimmte sexuelle Praktiken ablehnen oder gänzlich aus der Prostitution aussteigen.115 Mit diesem Gesetz wurde der Begriff der „Sittenwidrigkeit“ der Prostitution verabschiedet, mit dem Ziel der sozialen Besserstellung von Prostituierten, mehr rechtliche Sicherheit für Prostituierte und die Prostitution aus dem rechtlichen Zwielicht zu befreien. Sowohl Gesetze im Strafgesetzbuch (StGB) und im Ordnungswidrigkeitsgesetz (OWiG) bieten besseren Schutz für Prostituierte hinsichtlich der Ausbeutung Prostituierter oder Zuhälterei. Die Prostitution ist jedoch nach wie vor unter 18 Jahren (§ 180 (2), StGB) und die Unterbringung von Personen unter 18 Jahren zur Ausübung von Prostitution (§ 180a StGB) verboten. Es bestehen bis heute Paragraphen, 114 115
vgl. AKSD- Leitlinien, 2003, S. 140. vgl. http://www.bmfsfj.de/Kategorien/gesetze,did=72948.html, Stand 13.09.2006.
35
Prostitution und Recht
die zur Kontrolle und zur Eindämmung der Prostitution dienen, wie die Sperrgebietsverordnung und das Werbeverbot für Prostituierte.116 Folgendes ist klar im Prostitutionsgesetz geregelt: •
Beschäftigungs- oder Arbeitsverhältnis: Es wurde festgelegt, dass die Prostitution als sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gilt und demnach die Rechte und Pflichten aus dem Sozialrecht. Weiter wurde festgelegt, dass Prostituierte ihre Kunden und Kundinnen selber auswählen dürfen und auch die Art der Dienstleistung selbst bestimmen dürfen. Für vertraglich gebunden Prostituierte wurde festgelegt, dass diese jederzeit fristlos kündigen können und bei „schlechter Leistung“ dürfen diese nicht belangt werden.
•
Das Werbeverbot und Sperrgebietsverordnung: Ziel des Werbeverbots und der Sperrgebietsverordnung (§ 120 OWiG) ist der Schutz der Jugendlichen. Die Sperrgebietsverordnung verbietet in einem bestimmten Gebiet jegliche Art der Prostitutionsausübung, die nicht in Form eines bordellähnlichen Betriebes stattfindet, also auch die Wohnungsprostitution. Trotz der Aufhebung der Sittenwidrigkeit ist es bis heute nicht gestattet, für sexuelle Dienstleistungen zu werben.
•
Migranten in der Prostitution: Das Prostituieren bei ungeregeltem Aufenthaltstatus ist illegal. Zuwiderhandlungen können zu einer Abschiebung und einem Widereinreiseverbot führen. Ebenso macht sich strafbar, wer Prostituierte mit ungeregeltem Aufenthaltsstatus einstellt.
6.2. Das Infektionsschutzgesetz „Das IfSG (Infektionsschutzgesetz) regelt, welche Krankheiten bei Verdacht, Erkrankung oder Tod und welche labordiagnostischen Nachweise von Erregern meldepflichtig sind. Weiterhin legt das Gesetz fest, welche Angaben von den Meldepflichtigen gemacht werden und welche dieser Angaben vom Gesundheitsamt weiter übermittelt werden müssen. Das Gesetz legt die Meldewege fest. Muster der Meldebögen und Informationen über Belehrungen sind abrufbar. Mit der Einführung des IfSG wurden in Deutschland Falldefinitionen zur routinemäßigen Übermittlung der meldepflichtigen
116
36
vgl. Looks e.V., Projektbeschreibung, 2001, S. 3.
Prostitution und Recht
übertragbaren Krankheiten eingeführt.“117 Die Aufklärung der Allgemeinheit über übertragbare Krankheiten und die Möglichkeit zu deren Verhütung sind öffentliche Aufgaben. Entsprechend fordert das IfSG von dem öffentlichen Gesundheitsdienst, Angebote zur Aufklärung aller möglichen übertragbaren Krankheiten zu stellen und diese für die gesamte Bevölkerungsgruppe bereitzustellen. Durch Aufsuchende und effektive Angebote sollen darüber hinaus auch schwer erreichbare Personengruppen erreicht werden (§ 19 (1), S. 2, IfSG).118 Dieses Gesetz trat am 1. Januar als „Gesetz zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten“ in Kraft. Es wurden hier die unterschiedlichen Bestimmungen, z.B. des Bundesseuchengesetzes und des Geschlechtskrankheitengesetzes zu einem einheitlichen Regelwerk zusammengefasst. „Zweck dieses Gesetzes ist es, übertragbare Krankheiten beim Menschen vorzubeugen, Infektionen frühzeitig zu erkennen und ihre Weiterverbreitung zu verhindern“119 durch Prävention (Beratung und Aufklärung, §§ 3, 19 IfSG) Untersuchungen und Behandlungen Kooperation mit anderen medizinischen Einrichtungen. Dies bedeutet vor allem für Gesundheitsämter, Untersuchungen auf Tuberkulose und sexuell übertragbare Krankheiten anzubieten. Diese Angebote, die oft auch durch medizinische Einrichtungen sichergestellt werden, sollen speziell für die Personengruppen zur Verfügung stehen, die einem erhöhten Risiko ausgesetzt sind, sich mit solchen Krankheiten zu infizieren. Alle Angebote können anonym in Anspruch genommen werden. Neu an diesem Gesetz ist die Prävention durch aufsuchende Arbeit, zu der die Information und Aufklärung der Allgemeinheit über Infektionswege und die Möglichkeit zur Verhütung zählen. Meldepflicht: Das neue Infektionsschutzgesetz geht bei der Personengruppe von Prostituierten von 15 Erkrankungen aus, die namentlich meldepflichtig sind, sowohl die Krankheit selbst, als auch der Verdacht der Krankheit. Diese Krankheiten müssen vom behandelnden Arzt/ Ärztin dem zuständigen Gesundheitsamt gemeldet werden. Darunter fallen u. a. „akute Virushepatiden (A-E)“, „die Erkrankung und der Tod einer be117
http://www.rki.de/nn_226458/DE/Content/Infekt/IfSG/ifsg__node.html__nnn=true, Stand 13.09.2006. vgl. MENZE/ WILLEKE, 2002, S. 1 f. 119 FINK, 2003, S. 100. 118
37
Prostitution und Recht
handlungsbedürftigen Tuberkulose, auch wenn ein bakteriologischer Nachweis nicht vorliegt“ sowie „von zwei oder mehr gleichartigen Erkrankungen, bei denen ein epidemischer Zusammenhang wahrscheinlich ist oder vermutet wird, wenn dies auf eine schwerwiegende Gefahr für die Allgemeinheit hinweist und Krankheitserreger als Ursache in Betracht kommen, die nicht in §7 (Meldepflichtige Nachweise von Krankheitserregern“) genannt sind.120 Zu den meldepflichtigen Personen gehören alle behandelnden Ärzte/ Ärztinnen, Heilpraktiker/ Heilpraktikerinnen, Angehörige anderer Heilund Pflegeberufe sowie Leiter/Leiterinnen von Pflegeeinrichtungen, Heimen, Lagern etc. Eine namentliche Meldung muss unverzüglich, innerhalb von 24 Stunden, nach erlangter Kenntnis, bei den Gesundheitsämtern erfolgen. Das Gesundheitsamt darf die personenbezogenen Daten nur für seine eigenen Aufgaben und Nutzen verwenden. Nichtnamentliche Meldungen erfolgen unter anderem bei Infektionen mit HIV oder Syphilis in verschlüsselter Form mit spezifischen Kriterien. Sie muss innerhalb zwei Wochen ergehen und liefert Daten über den Erfolg der Aufklärungsstrategien zum Schutz vor sexuell übertragbaren Krankheiten und lässt verändertes Risikoverhalten erkennen.121 Behandlung von sexuell übertragbaren Krankheiten: Es wird die Pflicht des Betroffenen, sich behandeln zu lassen ersetzt durch die Pflicht der zuständigen Behörde, die drohende Gefahr für den Einzelnen oder die Allgemeinheit abzuwenden. Dieser § 16 des Seuchenrechtsneuordnungsgesetztes bezieht sich also nicht mehr auf die einzelne Person, sondern auf die festgestellten Tatsachen, wobei Vorraussetzungen, die zum Auftreten einer solchen Krankheit führen können, berücksichtigt werden. Damit ist nicht nur die Intervention bei bestehenden Krankheiten gemeint, sondern Prävention, wodurch im Vorfeld Krankheiten reguliert bzw. verhindert werden sollen. Zusätzlich wird in § 19 des Seuchenrechtsneuordnungsgesetztes festgelegt, dass Gesundheitsämter oder andere medizinische Einrichtungen Untersuchungen und Beratungen anbieten. Auch hier gelten diese Angebote den Personen, die einem erhöhtem Risiko ausgesetzt sind, sprich den Prostituierten.122
120
vgl. FINK/ WERNER, 2005, S.190. vgl. FINK, 2003, S. 100ff. 122 vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 191ff. 121
38
Prostitution und Recht
6.3. Zusammenfassung Das neue Prostitutionsgesetz bietet die Möglichkeit, Prostitution als sozialversicherungspflichtiges Verhältnis auszuüben und die Art der Dienstleistungen selbst zu bestimmen. Dies bedeutet für die Prostituierten einen persönlichen und wirtschaftlichen Schutz. Allerdings kann die Mehrzahl der Prostituierten diesen Schutz nicht in Anspruch nehmen, da viele mit ungeregeltem Aufenthaltsstatus in Deutschland arbeiten und viele sich einen Eintritt in die Selbstständigkeit nicht leisten können. Es besteht aber nach wie vor ein Regelungsbedarf, da das ProstG mit strafrechtlichen Bedingungen kollidiert und es letztendlich den Rechtsvertretern/ Rechtsvertreterinnen und Richtern/ Richterinnen überlassen ist, wie sie sich dem Tatbestand gegenüber verhalten. Ziel wäre es, die bestehenden Gesetze dahingehend zu ändern, dass es für die Prostituierten klare Rechtsverhältnisse gibt. Das Infektionsschutzgesetz sieht die Pflicht bei der zuständigen Behörde und setzt vermehrt auf Prävention.
39
Die qualitative Datenerhebung
7.
Die qualitative Datenerhebung
Als Messinstrument der qualitativen Datenerhebung wurde die Form der persönlichen Befragung ausgewählt. Darunter wird ein „planmäßiges Vorgehen mit einer wissenschaftlichen Zielsetzung verstanden, bei der die befragte Person durch gezielte Fragen oder mitgeteilter Stimuli zu verbalen Informationen veranlasst werden soll.“123 Die angekündigten Vereinbarungen über Vertraulichkeit der Angaben und eine vertrauliche Gesprächsführung sollen das Gefühl vermitteln, dass die Antwortreaktionen der Befragten weder in der Interviewsituation noch später in irgendeiner Weise sanktioniert werden. Da der Zugang zu ausländischen Migranten, die in der männlichen Prostitution arbeiten, sehr schwer ist und ebenso die Sprache der verschiedenen Migrantengruppen als ausschlaggebende Barriere besteht, wurde von Interviews mit Klienten abgesehen, dafür aber Experten124 interviewt, die durch ihre jahrelange Erfahrung aus der Arbeit mit Migranten in der Prostitution in unterschiedlichen Strichereinrichtungen und unterschiedlichen Städten, als relevant gelten.125
7.1. Die Fragestellung Im oberen Teil dieser Arbeit wurden im Allgemeinen behandelt, was Stricher und männliche Prostitution bestimmt, welche Motivationsgründe bestehen, welche Problemlagen und welche Aspekte in Bezug auf deren Gesundheit beachtet werden müssen. Die Stricherszene in Deutschland besteht nicht nur aus deutschen Strichern, vielmehr dominieren in dieser Szene Migranten aus unterschiedlichen Ländern, mit unterschiedlichen kulturellen Hintergründen. So treffen die oben beschriebenen Probleme auch auf die Gruppe der Migranten. Im Folgenden soll durch diese qualitative Datenerhebung herausgefunden werden, welchen zusätzlichen Problemen in Bezug auf die Kultur der Herkunftsländer, sexuelle Identität und Stricheridentität, Integration und Gesundheit, speziell diese Gruppen ausgesetzt sind und welche Motive diese haben, sich in Deutschland zu prostituieren. 123
vgl. SCHEUCH, 1973, S. 70f. Es wird hier nur die männliche Form verwendet, da es sich bei den Interviews ausschließlich um männliche Interviewpartner handelt. 125 vgl. LAMNEK, 2005, S. 332. 124
41
Die qualitative Datenerhebung
Anliegen dieser Untersuchung ist die dreifache Stigmatisierung von Migranten, die in der männlichen Prostitution arbeiten, nämlich der Homosexualität, der männlichen Prostitution und der Tatsache, aus dem Ausland zu stammen. Darüber hinaus wird untersucht, wie Migranten aus bestimmten Ländern, in dieser Arbeit aus den Ländern Bulgarien und Rumänien, sich in bestimmten Gebieten in Deutschland etablieren und wie mit den einzelnen Migrantengruppen umzugehen ist. Es wird der Frage nachgegangen, welche Aufgaben die soziale Arbeit mit diesem Klientel übernehmen kann und was notwendig ist, um die Hilfestellungen für diese Klientel gut und spezifisch zu gestalten.
7.2. Die Methodik Um eine klare Subjektbezogenheit, eine Offenheit bezüglich Fragen und Antworten zu gewährleisten, wurde auf die Methode der qualitativen Befragung zurückgegriffen. Dies bietet sich an, da man mittels dieser Methode stärker in die Tiefe gehen kann, die Interviewpartner ausgiebig zu Wort kommen lassen und das gewonnene Material intensiver auswerten kann. Die qualitative Befragung erweist sich auch als gute Methode bei der Erkenntnisgewinnung in der Randgruppen- und Milieuforschung.126 Mit Hilfe dieser Methode sollen empirische Sachverhalte und soziale Prozesse eingefangen werden, Typologien aufgestellt und Informationen anhand des empirischen Materials gewonnen werden.
7.2.1. Das Experteninterview Experteninterviews zählen zu den häufig angewendeten qualitativen Befragungsmethoden zur Rekonstruktion komplexer Wissensbestände über einen zu untersuchenden Gegenstand.127 Die in den Interviews gewonnenen Informationen basieren auf praxisbezogenen Kenntnissen und Einschätzungen von Menschen, in diesem Fall von Sozialarbeitern in der Stricherarbeit, die auf Grund ihrer beruflichen Funktion und sozialen Eingebundenheit in die örtlichen Bedingungen und Entwicklungen auf diesem bestimmten Gebiet als Experten gelten. Diese Erfahrungen helfen, den Zugang zu spezifischen
126 127
42
vgl. DIEKMANN, 1995, S. 444f. vgl. MEUSER/NAGEL, 1997, S. 482f.
Die qualitative Datenerhebung
Erscheinungsformen und Problemen sowie Handlungsmöglichkeiten des untersuchten Gegenstandes zu eröffnen und Zusammenhänge zu erschließen. Die Interviews dauerten zwischen 1,5 und 2h und wurden halbstrukturiert mit einem stichpunktartigen Leitfaden durchgeführt. Jedes Interview wurde von nur einem Interviewer durchgeführt und auf Tonband aufgenommen. Auf einen zweiten Interviewer/ Interviewerin wurde verzichtet. Die folgenden Interviews wurden um der Authentizität willen im weitesten Sinne so transkribiert, wie sie gehalten wurden. Nur in einigen Fällen wurde der Verständlichkeit halber Struktur und Grammatik verändert.
Alle in Frage gekommenen Interviewpartner haben den Befragungen zugestimmt, die in einer angenehmen Gesprächsatmosphäre und sehr positiv verlaufen sind.
7.2.2. Auswahl und Beschreibung der Interviewpartner Vorgestellt werden im Folgenden die Interviews von drei Experten128, die alle im Bereich der sozialen Arbeit mit deutschen und ausländischen Strichern tätig sind. Die Auswahl von nur männlichen Interviewpartnern war nicht beabsichtigt, jedoch war es terminlich nicht möglich, die mitarbeitenden Frauen zu interviewen. Die bewusste Auswahl der zu Befragenden in den Städten Berlin, Köln und München ist darauf zurückzuführen, dass diese Städte einen jeweils sehr hohen Anteil an männlichen Migranten in der Prostitution haben und in den jeweiligen Einrichtungen Experten auf diesem Gebiet arbeiten. Alle drei Interviewpartner sind Sozialarbeiter, wobei einer eine zusätzliche Ausbildung als Sprachwissenschaftler und Dolmetscher absolviert hat. Sie arbeiten zwischen 2,5 Jahren und 12 Jahren in diesem Bereich.
7.2.3. Entwicklung des Interviewleitfadens
Die Interviews129 wurden, in Bezug auf ausländische Stricher, alle leitfadenzentriert durchgeführt, wobei folgende Aspekte angesprochen wurden: männliche Prostitution als Tabuisierung, gesellschaftlich, persönlich und seitens der Stricher und Freier
128 129
hier wird auf die weibliche Form verzichtet, da alle Interviewpartner männlich waren. Der detaillierte Interviewleitfaden befindet sich im Anhang.
43
Die qualitative Datenerhebung
Informationen über Stricher und Freier Problemlagen von Strichern Persönliche Erfahrungen in dieser Arbeit Herausforderungen und Grenzen Aufgabenbereiche für die soziale Arbeit Dieser stichpunktartige Leitfaden wurde entwickelt, da er die Möglichkeit zu einem offenen Gespräch zulässt und ermöglicht, das Gespräch so flexibel wie möglich zu halten. Durch die Komplexität dieses Themas kommt es immer wieder zu Überschneidungen der einzelnen Punkte. Es wurde bewusst auf geschlossene Fragen verzichtet, um an so viele Informationen wie möglich zu gelangen. Der Interviewleitfaden ist halbstrukturiert erstellt, um eine angenehme Gesprächsatmosphäre zu schaffen, ein offenes Gespräch entstehen zu lassen und möglichst fundierte und ausführliche Informationen zu bekommen.130
7.3. Die Stichprobe Die Auswahl der Stichproben ist nicht zufällig erfolgt, sondern wurde bewusst ausgewählt. Aus finanziellen Gründen wurden drei große Städte ausgewählt. Berlin, als Hauptstadt und größte Stadt Deutschlands mit einer großen Stricherszene, Köln, als Stichprobe im Ruhrgebiet mit einer vergleichbaren Schwulen- und Stricherszene und München als Stichprobe in Bayern. Da in den jeweiligen Stricherszenen der oben genannten Städte eine unterschiedliche ethnische Migrantengruppe dominiert, stellten sich Experten dieser Städte als interessante Zielbefragte dar.
130
44
vgl. DIEKMANN, 1995, S.445.
Die qualitative Datenerhebung
Geschlecht Berufserfahrung des des Befragten Befragten
Bestehen der Einrichtung
Anzahl der Durchschnittsalter Migranten der Klienten
männlich
seit 1992
85 %
19 Jahre
2,5 Jahre
männlich
seit 1995
60 %
zwischen 22 und 24 Jahren
6 Jahre
männlich
seit 1994
70 %
zwischen 18 und 21 Jahren
Interview in der
Alter des Befragten
Beruf des Befragten
Einrichtung I, Berlin
40 Jahre
Sprachwissenschaftler, 12 Jahre Sozialarbeiter
Einrichtung II, Köln
28 Jahre
Sozialarbeiter
Einrichtung III, München
34 Jahre
Sozialarbeiter
Abb. 1:Überblick über die Einrichtungen und Interviewpartner
45
Auswertung der Ergebnisse
8.
Auswertung der Ergebnisse
8.1. Darstellung der verschiedenen Interviews Im Folgenden werden die drei verschiedenen Interviews dargestellt. Um ein Verständnis der Thematik und Einblicke in die soziale Arbeit mit Strichern zu ermöglichen, werden direkte und längere Zitate aus den Interviews eingefügt. Die Interviews werden unter folgenden Aspekten näher betrachtet: •
Die Einrichtung
•
Die Klientel
•
Tabuthema „männliche Prostitution“ und „Homosexualität“ in den Herkunftsländern
•
Problemlagen ausländischer junger Männer
•
Motive und Identität männlicher Migranten
•
Gesundheitliche Aspekte
•
Herausforderungen für die Einrichtung
•
Herausforderung an das fachliche Wissen der Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen
Vorweg ist zu sagen, dass seit 2001 in Rumänien Homosexualität nicht mehr strafrechtlich verfolgt wird und Schwule in Großstädten mittlerweile relativ offen leben.131 Auch in Bulgarien war Homosexualität unter Frauen und Männern streng verboten. Seit 2004 existiert hier das Antidiskriminierungsgesetz. Jedoch gilt Homosexualität nach wie vor als etwas Krankhaftes, Abnormales und wird dementsprechend nicht akzeptiert. Homosexualität, vor allem männliche Homosexualität wird noch immer diskriminiert und unter den Rromas noch stärker verurteilt.
131
Vgl. http://www.fgje.de/szenarien/laender/ro.htm, Stand: 19.09.2006.
Die Auswertung
Exkurs132: Rroma133 Als Rroma bezeichnen sich alle Angehörigen einer weltweit verbreiteten ethnischen Minderheit indischer Herkunft. Sie stammen aus dem nordöstlichen Indien. Rroma werden weniger als ethnische Gruppe bezeichnet, viel mehr werden sie von der Gesellschaft als nicht sesshafte Menschen aufgefasst, die in ihren Augen einen hemmungslosen und extravaganten Lebensstil führen und oft abfällig als Zigeuner bezeichnet werden. Vorurteile und Stereotype werden ungeprüft übernommen, ohne dass ein Blick auf die Geschichte und die Kultur der Rroma geworfen wird. Dadurch ist der Alltag dieser Minderheit nach wie vor durch Ausgrenzung und Diskriminierung geprägt. Die Rroma verließen unfreiwillig seit dem fünften Jahrhundert ihre Heimat in Nordindien und zogen von dort über Persien, Kleinasien, in das byzantinische Reich und verweilten im 14. Jahrhundert in Griechenland. Bis Ende des 16. Jahrhunderts verbreiteten sie sich in ganz Europa, wo sie dann vor allem in Frankreich, England, Deutschland, auf dem Balkan und später auch in Spanien vehement vertrieben, versklavt oder diskriminiert wurden. Dagegen genossen diejenigen Rroma, die sich im Balkangebiet aufhielten und zum Islam übertraten, besondere Privilegien. So hat sich auch die türkische Sprache unter den in Bulgarien lebenden Rromas verbreitet und muslimische Namen haben sich speziell im ehemaligen Bosnien - Herzegowina durchgesetzt. Die Diskriminierung und Vertreibung hält allerdings weiter an. Im 20. Jahrhundert wurden schätzungsweise 500.000 Sinti134 und Rroma Opfer der Massenvernichtung im dritten Reich. Die momentane Lage der Rroma in Südosteuropa ist noch immer gekennzeichnet durch starke Diskriminierung, Verelendung, Ghettobildung, schlechte medizinische Versorgung und geringe Schulbildung. Im KosovoKonflikt 1999 kam es abermals zu massiven Übergriffen und Vertreibungen von Rromas.135 Durch die Verteilung der Rroma über die ganze Erde ist keine einheitliche Kultur oder Sozialorganisation entstanden, jedoch besteht unter den Rromas eine starke Gruppenund Familienzusammengehörigkeit, eine starke Traditionsverbundenheit und die Ver-
132
da ein großer Teil der Migranten Rromas sind, soll an dieser Stelle ein kurzer Überblick über den geschichtlichen Hintergrund gegeben werden. 133 Die Schreibweise mit doppeltem „Rr“ ist von der EU als Versuch gestartet, alle Untergruppen von Roma, Sinti, Jenische, Cale, Manouche usw. in einem Begriff zu vereinen und gleichzeitig werden Verwechslungen mit „rumänisch“ oder „römisch“ ausgeschlossen. 134 Sind schon lange in Deutschland und anderen mitteleuropäischen Staaten lebende Rromas. 135 Vgl. Deutsche Aidshilfe- Protokoll, 2005, S. 6 sowie http://www.geocities.com/~Patrin/pariahch1.htm, Stand: 19.09.2006.
48
Die Auswertung
meidung von Kontakten zur Außenwelt, die als unrein gelten. Die Rroma sprechen eine gemeinsame Sprache, die Rromanes - Sprache, die aus einer Vielzahl von Dialekten und Lehnwörtern besteht und je nach Nation variiert, da auch Dialekte der lokalen Sprache angenommen wurden. Auch im Glauben haben sich die Rroma an die Religionen der jeweiligen Länder angepasst. Es gibt unter Ihnen Katholiken, Orthodoxe und Muslime, wobei hier eigene religiöse Zeremonien eine wichtige Rolle spielen und der Kontakt zu den jeweiligen religiösen Institutionen kaum besteht. In den unterschiedlichen Ländern haben sich einzelne Clans gebildet, die aus mehreren Familien der gleichen Abstammung entstanden sind und deren Oberhäupter als König oder Königin bezeichnet werden. Jeder dieser Clans bringt ein bestimmtes Jahrhunderte altes Handwerk mit sich, wie zum Beispiel Pferdehandel, Schmiedekunst und Kupferarbeiten sowie Verarbeitung von Holz und Leder.136 Die meisten Rroma - Gruppen leben heute noch in Rumänien, wo sie einen Bevölkerungsanteil von 12% (ca. 3 Millionen Menschen) ausmachen. In Bulgarien leben ca. 800 000 Rroma, was einen Bevölkerungsanteil von etwa 10% ausmacht.137
8.1.1. Interview in der Einrichtung I 138, SUB/WAY e.V. in Berlin 1. Die Einrichtung Die Einrichtung in Berlin liegt sehr nah an dem Bereich, welcher für die homosexuelle Szene bekannt ist. Diese Einrichtung ist ausschließlich für Jungs, die für Geld Sex bieten. In der Einrichtung tagsüber Essen angeboten und es stehen Räume zur Körperhygiene bereit. Darüber hinaus erweitern Räume zur Erholung und verschiedene Freizeitaktivitäten das Angebot. Die Jungs können hier konkrete Hilfsangebote in Anspruch nehmen wie Jugend-WGs, Ausbildungshilfen Abb. 2: Eingangsbereich von sub/way in Berlin
sowie
Gesundheitsfürsorge
und Gesundheitsvorsorge. Die Bereitstellung von Kondomen und Gleitmitteln ist
136
vgl. http://www.geocities.com/~Patrin/pariah-contents.htm, Stand : 19.09.2006 vgl. DAH-Seminar: unveröffentlichtes Protokoll 05-07.12.2005 138 Die gesamten Interviews befinden sich im Anhang. 137
49
Die Auswertung
selbstverständlich. Es stehen Sozialarbeiter für Beratungsgespräche zur Verfügung, zum Beispiel wenn Jungs Opfer von sexuellen Übergriffen wurden oder Unterstützung bei momentanen Lebenskrisen brauchen. Es arbeiten hier fünf hauptamtliche Sozialarbeiter. Insgesamt engagieren sich hier über 20 Mitwirkende, mit einberechnet auch Ehrenamtliche, Reinigungspersonal, Zivildienstleistende, Praktikanten und Ärzte. Diese Einrichtung erhält über die Senatsverwaltung für Bildung Jugend und Sport und den Landesverband der Berliner Aids-Selbsthilfegruppen (LaBAS) eine Grundförderung. Zusätzlich ist die Einrichtung auf Spenden angewiesen. Eine Möglichkeit ist die Pacht von einem von den 200m² großen Einrichtung zum Preis von monatlich 12,50 Euro zu übernehmen.139 Die Einrichtung fühlt sich ausschließlich für die soziale Arbeit mit Strichern verantwortlich. Dies bedeutet, Freier haben zu dieser Anlaufstelle keinen Zugang und nur die Belange der Stricher zählen. „…ergreife hier auch nur für den Klienten Partei und nicht für die Freier. Ich bin kein Schiedsrichter und bin für die Jungs da und das wissen sie vom ersten Moment an. (…) Es ist von Anfang an klar, dass ich auf der Seite der Jungs bin auch wenn es Ihnen dreckig geht…“140
2. Das Klientel Die Berliner Anlaufstelle tritt im Jahr mit 1000 Jungs in Kontakt, davon sind 85% Migranten. Von diesen 85% Migranten sind 75% rumänische Rromas. Weiterhin wird die Klientel wie folgt beschrieben: „Das Durchschnittsalter der Migranten liegt etwa bei 18,5, kurz über der Volljährigkeit, eher 19 Jahre. Das Mindestalter haben wir hier irgendwo bei 12 Jahren gehabt und nach oben ist es offen. Es gibt Stricher mit 45 Jahren. Das sind Stricher und keine Callboys und das sind Männer mit Glatze, die anschaffen. Es ist nicht vorrangig unsere Zielgruppe; wir kennen diese, geben ihnen Kondome und sehen zu wie sie alt und grau werden, aber es sind nicht so viele. Es sind viele Migranten, die z. B. auch schon frühere ErfahAbb. 3: Karte von Herkunftsstädten der Klienten in Osteuropa 139 vgl. http://www.subway-berlin.org/index.php?id=25, Stand 19.09.2006. 140 Interview I, Z. 563- 568.
50
Die Auswertung
rungen in diesem Bereich haben, die immer wieder, wenn es ihnen dreckig geht, hier ein bisschen Geld verdienen wollen bzw. eine Szene finden wollen, wo sie sich wohl fühlen, wo sie ein bisschen trinken und wenn es sich ergibt, dann auch verdienen. Zwischen 12 und 45 kennen wir sehr viele, aber die Extreme sind sehr selten. Es passiert sehr oft, dass die älteren deutschen Stricher auch selber Freier sind, aber bei den Migranten passiert das eher selten.(…) Kontinuierlich seit 1994 sind Rumänen auf dem ersten Platz, fast gleich viele Bulgaren, es sind immer Wellen von Leuten. Anfänglich gab es sehr viele Polen, gerade aus dem Pendelbereich, das heißt Polen, die übers Wochenende hierher gekommen sind. Diese waren Schüler und Studenten, Schwule Jungs die sich einfach austoben wollten, auch drogenabhängige Polen. Die Zahl der Polen ist allerdings zurückgegangen. Auch die Zahl der Tschechen ist zurückgegangen. Nach Rumänien kommen all die Länder aus dem ehemaligen Jugoslawien. Wir arbeiten differenziert, d. h. wir machen einen größeren Unterschied zwischen dem Kroaten, der hier als Transvestit anschafft und dem kleinen bosnischen Flüchtlingskind, das hier in der Szene auch anschafft. Danach kommen in der Reihenfolge die Polen, Litauer und Tschechen, unterschiedlich nach Saison. Es ist eine große Erleichterung für Leute aus diesen Ländern, dass sie nun die Reisefreiheit haben. Seit 2002 können die Bulgaren und Rumänen frei nach Europa 90 Tage im Jahr reisen und sich praktisch unbegrenzt hier aufhalten. Das macht schon, dass die Fluktuation einerseits konstant ist, fast ein Schichtwechsel, sie kommen in Zyklen, in jeweils etwa 90 Tage zu unterschiedlichen Zeiten. Davor waren diese hier als Asylbewerber und waren keine Pendler. Das ist ein neues Phänomen, das mit dieser Reisefreiheit verbunden ist und damit verbinde ich auch die osteuropäischen, baltischen Länder. Es gibt sehr viele, die gerade deswegen kommen“141
3. Tabuthema männliche Prostitution und Homosexualität in den Herkunftsländern Natürlich wird Prostitution wie überall auf der Welt als etwas Schlechtes, Unreines angesehen. Jedoch kristallisiert sich hier noch ein anderer Aspekt heraus, der für die Migranten von wichtigerer Bedeutung ist: „wir bedenken eine andere Sache, nämlich aus welchen Schichten diese Leute dort kommen. Wenn diese sich anstrengen, werden sie Straßenfeger, was in Rumänien eine Schande ist. Aber wenn man in Rumänien Straßenfeger ist, bekommt man von der Stadt einen Schandzuschlag. Das heißt man bekommt dann 500 Lei142 als Zuschlag. Das ist ein Beruf, wo man sich schämen muss. (…) Wenn sie hierher kommen und sich hier als Sexarbeiter sehen, dann haben sie einen Sprung nach oben gemacht. Deswegen ist ihre Selbstwahrnehmung durchaus positiv. Sie machen was, sie haben Freier, die wer weiß, berühmte Fußballtrainer oder Schauspieler oder durchaus reiche Männer sind. Das macht sie etwas stolz und so ist das auch ein Sprung nach vorne. Finanziell gesehen und auch sozial, denn man darf nicht vergessen, was aus ihnen geworden wäre, wenn sie zu Hause geblieben wären.“143
141
Interview I, Z. 28- 64. entspricht ca. 10 Eurocent. 143 Interview I, Z. 75-89. 142
51
Die Auswertung
So wird Prostitution in diesen Ländern durchaus geduldet, wenn dies eine allgemeine finanzielle Erleichterung für die Familie zur Folge hat. Es wird nicht darüber geredet, aber viele der Angehörigen wissen über das Tun ihrer Söhne und Verwandten Bescheid. „Die Leute haben grundsätzlich die Einstellung in Bezug auf Homosexualität, dass das etwas ganz Böses, Krankhaftes ist, was die Gesellschaft zersetzt und gegen den Willen der Natur und Gottes ist. (…) Sie stellen sich vor dass ihre Kinder diejenigen sind, die den aktiven Teil übernehmen. Man sieht die Sexualität als zwei Sorten von Menschen, Männer und Frauen, Kerle und Weiber, dass heißt die, die den Schwanz reinstecken. Die sind immer erst gut angesehen, da sie die Aktiven sind. In was sie ihren Schwanz reinstecken, das ist weniger wichtig. D.h. es wird durchaus toleriert, wenn jemand den aktiven Part spielt.“144
4. Problemlagen der ausländischen jungen Männer Das gravierende Problem ist die Obdachlosigkeit vieler junger Migranten. Es besteht zwar die Möglichkeit, sich bei Freiern einzumieten, innerhalb der „Rroma- community“145 unterzukommen oder bei anderen Strichern. Jedoch ist immer noch eine beträchtliche Zahl, vor allem von sehr unselbständigen und sehr jungen Migranten obdachlos. „…es gibt viele die es nicht hinkriegen, wo zu schlafen, besonders im Winter ist das dramatisch. Im Sommer schlafen viele draußen, aber im Winter versuchen wir sehr viel zu vermitteln. Das ist eine unserer größten Sorgen.“146
Als weiteres Problem wird die Entwurzelung der Migranten dargestellt, die fernab von ihren Heimatländern nicht mehr integriert sind, keine Kontakte mehr haben, gleichzeitig aber auch nicht in Deutschland Fuß fassen können. Mühsam wurde eine homosexuelle Identität entwickelt, jedoch ging die Identität zu ihrer Heimat verloren. Die Folgen sind oft Depressionen. „Oft kam es vor, dass Stricher mit den Erwartungen schwul zu leben und als solches wahrgenommen zu werden, hierher kommen. Diese stellen aber leider fest, dass sie als Sexobjekt gelten und zum Beispiel durch ihre dunkle Hautfarbe nicht wahrgenommen werden. Dann kommen Dramen und Tragödien zu Stande, da sie zu Hause entwurzelt sind, hier gar nicht akzeptiert sind und mit Anfang 30 werden sie dann für alte Knochen gehalten. Dann kommt es häufig zu Selbstmordversuchen, da sie nirgendwo ihren Platz finden. Hier sind sie nicht mehr jung und knackig genug aber immer noch ein billigeres Sexobjekt. Das heißt, sie kriegen nicht immer ihr Geld zusammen.“147
144
Interview I, Z. 77- 102. die in Deutschland lebenden Rromas haben einen engen Zusammenhalt innerhalb ihres Volkes. So findet man häufig Hilfsnetzwerke, die nicht zu unterschätzen sind. Es werden unselbständige Jungs „durchgefüttert“, Zimmer vermietet und Überlebenshilfe geleistet. 146 Interview I, Z. 233- 235. 147 Interview I, Z. 140-148. 145
52
Die Auswertung
Die Wunschvorstellungen werden nicht erfüllt, viele Jungs können sich hier nicht so ausleben, wie sie sich das vorgestellt haben und bekommen ein falsches Bild von Homosexualität, da sie nur die Stricherszene kennen lernen, die nur durch Sex und den häufigen Wechsel von Sexualpartnern geprägt ist. Dadurch, dass die meisten die deutsche Sprache nicht beherrschen und das Erlernen auch ablehnen, können sie andere Bereiche der homosexuellen Kultur nicht kennen lernen, wo Emotionen von Bedeutung sind. Probleme entstehen auch durch die zeitlich begrenzte Aufenthaltsdauer, da die Mehrheit als Touristen ins Land einreist. Diese beträgt 90 Tage und dabei sind bei längerem Aufenthalt mehrere Ein- und Ausreisen nötig. „Eigentlich findet die Kontrolle nur durch die Heimatbehörden statt und diese sind sehr streng. Wenn Leute einen Tag später kommen als die 90 Tage, wird ihnen der Pass eingezogen und sie bekommen viel Ärger. Man muss dann von Glück reden, dass man dann jemanden kennt, den man vielleicht schmieren kann, um seinen Pass zurückzubekommen oder muss mit Sperre rechnen.“148
Konflikte ergeben sich auch durch unterschiedliche Weltanschauungen. Viele der jungen Migranten stellen fest, dass ihre Einstellung nicht mit der Einstellung der Gesellschaft von Deutschen übereinstimmt. Sie fühlen sich nicht verstanden und werden in die Außenseiterrolle gedrängt. „Während für den Bulgaren Wasser geben das allernormalste der Welt ist, versteht das der deutsche nicht, dass der andere keinen Respekt vor dem Eigentum hat. Kulturelle Konflikte sind meistens der Grund, dass die Leute hier sich nicht immer gut fühlen.“149
5. Gesundheitliche Aspekte Vor allem bei den Rromas, die als Klienten in dieser Einrichtung am häufigsten vertreten sind, besteht eine besondere Verbindung von Psyche und Soma. Auch ist die Angst groß, sich mit HIV zu infizieren und daran zu erkranken, wobei die Vorbeugung gegen andere schwere übertragbare Krankheiten oft leichtfertig gehandhabt wird. „Sie verbinden Körper und Psyche sehr, sie haben keine psychosomatischen Störungen, wie wir dies hier nennen. Sie haben ein Ganzkörpersyndrom. Wir haben zwei Ärzte hier und untersuchen viel. Die Leute sagen, dass ihr Herz weh tut und spüren das. Dann haben sie auch oft Geisterschmerzen am ganzen Körper und das alles kommt von der sehr schlechten Stimmung, die sie in sich tragen. (…) Es wird nie
148 149
Interview I, Z. 154-158. Interview I, Z. 402- 405.
53
Die Auswertung
vorgebeugt, sondern nur interveniert. Man erwartet immer große Intervention seitens des Arztes, d.h. der Arzt ist allmächtig und man erwartet, dass dieser alles heilen kann.“150
In Bezug auf Aids und sexuell übertragbare Krankheiten fehlt den meisten Migranten das notwendige Wissen, um sich risikofrei davor zu schützen. Viele der Jungs haben schon mal von Aids gehört aber die meisten werden in den Anlaufstellen der Zielländer zum ersten Mal mit diesen Themen konfrontiert. „Die meisten von Ihnen waren nie Ziel einer Präventionsarbeit. Alle Migranten, die wir aus dem südlichen Osteuropa antreffen, die aus den unteren sozialen Schichten kommen, die nicht so wirklich die Schule besucht haben, die sind zum ersten mal hier konfrontiert mit einer gezielten Prävention. Das heißt, vieles hören sie zum ersten Mal. Sie haben alle schon mal von Aids gehört, aber sie wissen nicht die Übertragungswege usw. Ausnahme sind das nördliche Osteuropa wie Polen und manchmal Russland, die ab und zu ein Vorwissen aus der Schule mitbringen. Grundsätzlich wird HIV und Aids überbewertet, es wird sehr viel schwärzer gemacht und STI werden minimalisiert. Von Syphilis und Tripper sind die Kenntnisse sehr gering. Die Hepatitiden sind auch kaum bekannt, wir impfen dagegen, aber jedes Mal mit Aufklärungsarbeit verbunden. Ich würde sagen, Safer Sex wird eingehalten. Oft höre ich von den Jungs, dass der Freier sagt, dass es mit Kondom Lust dämpfend ist. Aber oft bekommen die Jungs Angst, dass sie sterben werden. Man hört immer wieder in der Szene, dass einer HIV hat und das ist abschreckend. Wenn sie sich lange in der Szene aufhalten, dann passen sie auf. Die Jungs kaufen sich auch selbstständig Kondome und das nur fürs Blasen, wo das Risiko ja minimalisiert ist. Das heißt, sie haben auch investiert für ihre Gesundheit. Sie passen in ihren privaten Beziehungen nicht auf. Im Sexbusiness passen sie so viel auf wie es nur geht, penetrierende Praktiken ohne Kondom gibt es hoffentlich kaum. Oral ohne Kondom ist es öfters anzutreffen. Im privaten Bereich wird darauf gar nicht mehr geachtet. Sie sind Stricher und haben sich für Liebe infiziert…“151
Gegen Drogenkonsum schützte sie bisher ihre Herkunft aus ehemaligen kommunistischen Ländern, in denen Partydrogen und vor allem intravenös injizierte Drogen nicht zur Verfügung standen. So überwiegt die Angst vor etwas Unbekannten. In den letzten Jahren allerdings ist die Zahl der Drogen konsumierenden Migranten in Migranten gestiegen. Viele Migranten, die hier in eine Drogensucht geraten, schaffen es nicht mehr, sich nach einigen Jahren wieder in ihre Herkunftsländer abzusetzen. Die Drogensucht bringt sie dazu, tiefer in illegale Geschäfte oder kriminelle Handlungen zu verwickelt zu werden. „Je größer die Integration, desto größer und ähnlicher ist der Drogengebrauch wie bei der deutschen Gruppe. Es gibt kulturelle Grenzen. Es gibt viele Völker, die würden sich niemals was injizieren. Rumä-
150 151
54
Interview I, Z. 407- 415. Interview I, Z. 433- 453.
Die Auswertung
nen machen das sehr ungern. Diese rauchen lieber. Russen sind sehr gerne bei Heroin dabei, da gibt es Parallelen zum Wodka. Slawen konsumieren auch sehr gerne Heroin. Diejenigen, die noch was bewahren wollen von diesen Schemen im Leben und auch ein bisschen machomäßig drauf sind, nehmen automatisch Kokain. Es gibt lokale Spezifiken und es ist immer noch weniger Problem wie bei Deutschen.“152
6. Motive und Identitäten junger Migranten Wie schon erwähnt, stellt auch für einige Migranten, abgesehen vom Geld, die offene und leicht auszulebende Homosexualität in Deutschland einen Grund dar, hierher zu emigrieren. „Geld ist die wichtigste Motivation, ein bisschen Abenteuerlust, hin und wieder, nicht die Regel, aber anzutreffen, dass sie selbst schwul sind und das vor Ort nicht ausleben können. Sie wissen, dass es in Deutschland legal ist, dass man sich da austoben kann, ohne dass man negativ abgestempelt wird, ohne jegliche Folgen. Deswegen kommen sie dann auch. Aber das wichtigste ist das Geld, welches fast alles zurück zu den Familien gegeben wird. Die schwulen Jungs machen das meistens nur für sich und schicken nichts zur Familie. Sie übernehmen auch die Wertvorstellungen der westeuropäischen Schwulen sehr schnell.“153
Die fehlende Identität als Stricher und den Hauptmotivationsgrund Geld erkennt man daran, dass viele Migranten einen anderen Job annehmen, sobald sie die Möglichkeit dazu haben. Man könnte hier auch von Gelegenheitsstrichern sprechen. „…wenn in Spanien die Erdbeererntezeit anfängt, ist dies lukrativer als hier rumzuhängen und auf irgendeinen Freier zu warten. Dann macht man sich auf den Weg, man kauft sich zu fünft ein Auto und fährt nach Südspanien und fährt die Farmen ab und bekommt einen Arbeitsvertrag. Genauso im Herbst, wo es hier relativ trübe zugeht, kann man sich ins Auto setzten und nach Italien, Kalabrien fahren und Artischocken ernten. (…) Sie sehen sich als Wanderarbeiter, haben keine reine Stricheridentität; also vorübergehend ansässige Migranten, die eben auch Stricher sind. Sie sind Stricher, heute hier, morgen, in Milano am Bahnhof warten sie auf Arbeit; in der Zeit in der sie warten, machen sie dann eben auch noch einen Freier. Aber sie denken, sie sind Bauarbeiter.“154
Auch die sexuelle Identität ist bei vielen nicht ganz klar. Viele stellen hier fest, dass sie homosexuelle Tendenzen haben, andere bleiben heterosexuell und einige bezeichnen sich als bisexuell. Jedoch ist es für alle sehr wichtig, mit Ausnahme derjenigen, die eindeutig homosexuell sind und sich hier auch der Gesellschaft in Verhalten, Kultur und Sprache anpassen, im Alter eine Familie mit Frau und Kindern zu haben. 152
Interview I, Z. 455- 462. Interview I, Z. 112- 119. 154 Interview I, Z. 180- 191. 153
55
Die Auswertung
„…sie sehen, dass Sex mit Männern Spaß macht, aber es ist nichts für die Zukunft. Man kann kein Haus bauen, nicht im Alter mit dem gleichen Mann zusammenbleiben. Das ist deren Erfahrung. Zu diesem Entschluss kommen sie, nachdem sie hier mehrere Jahre schwul gelebt haben, dass sie niemanden halten können. Sie kennen von der Szene nur den Teil, in dem nur sehr oberflächlich umgegangen wird. Dann kommen sie zu dem Entschluss, dass sie mit Männern zwar Spaß haben, aber sie versuchen, eine Frau zu finden, die Verständnis dafür hat, dass sie mit Männern Spaß haben, aber trotzdem mit dieser Frau leben möchten und Haushalt und Kinder haben möchten.“155
7. Herausforderungen für die Einrichtung Auch hier stellt das fachliche Wissen, die Möglichkeiten, Migranten zu unterstützen, auch wenn ihnen seitens des Staates keine Unterstützungen zustehen, ein Herausforderung für die Einrichtung dar. Flexibilität muss gewährt werden in Bezug auf das Klientel, um so den Hilfebedarf zu decken, der seitens der Klienten besteht. „Man kann sehr viele Erfolgserlebnisse haben, fast tagtäglich. Man kann Schicksaal positiv verändern. Es ist ein Bereich, wo es sehr viel Hilfebedarf gibt, wo niemand etwas anbietet. Man kann unbürokratisch, ohne Anwendung komplizierter Strukturen sofort helfen. Es geht nicht nur um die primären Hilfebedürfnisse, wie waschen und schlafen usw. sondern auch auf der Ebene der nächsten Stufe. Grenzen sind bei Migranten erstmal die finanziellen Grenzen. Es ist tausendfach schwieriger, den, der dringend einen Drogenentzug braucht und ein Notfall ist, irgendwo unterzubringen, als einen, der hier krankenversichert ist. Es gibt hier immer mehr Hilfebrücken in Richtung Drogen oder Medizin insgesamt. Aber es ist unheimlich schwer, da diese Menschen nicht existieren, da sie Touristen sind. Dass sie hier zum Teil seit Jahren leben und eigentlich durchaus hier zu behandeln wären, trifft nicht zu. Es gibt zum Vergleich der 90er viel mehr Möglichkeiten, aber man muss sie kennen.“156
8. Herausforderungen an das fachliche Wissen der Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen Auch die Kompetenz der Sozialabeiter/ Sozialarbeiterinnen wird herausgefordert. So müssen diese durch Beziehungsarbeit eine gute Verbindung zu den Klienten aufbauen, wobei hier eine klare Abgrenzung zwischen Klient und Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterin bestehen muss. Oft werden diese Grenzen seitens der Klienten versucht zu überschreiten und die Beziehung sexualisiert. Professionelles Arbeiten und Abgrenzung ist die Herausforderung und definiert gleichzeitig auch Professionalität. „Es kann sehr oft vorkommen, dass sich ein Klient in einen Sozialarbeiter verliebt. Abgrenzung ist da gang und gäbe. Wir müssen professionell genug sein, um so etwas nicht zu zulassen. Wir haben in unseren Arbeitsverträgen so genannte Keuschheitsklausel, d.h. geringste Kontaktaufnahme führt zur 155 156
56
Interview I, Z. 131- 140. Interview I, Z. 465- 476.
Die Auswertung
sofortigen Kündigung. Das ist bewusst eingebaut, damit jeder weiß, dass dies ein Tabu ist. Das Geschlecht der Sozialarbeiter ist wichtig. Wir arbeiten mit Jungs, die sich meistens ein Vorbild suchen, vielleicht eine Orientierungshilfe. Die sexuelle Identität ist aus der Sicht der Betroffenen durchaus wichtig. Aber ich glaube, es ist durchaus wichtiger zu verstehen, was da läuft. Man muss nicht unbedingt in der Pfanne gelegen haben, um zu wissen, was ein Schnitzel ist. Man kann alles lernen zu verstehen. Wir sind hier gemischt, auch zwei Heteros. Es gibt auch eine Frau. Das Projekt hat schon einen sehr großen Anteil von schwulen Menschen, aber das ist keine Qualifikation an sich. Man muss irgendeine Zusatzqualifikation bringen, um für den Beruf geeignet zu sein. Wenn man weiß, wie das alles mit dem Coming Out ist, ist das super nützlich, wo man sehr viel helfen kann. Nach 10 Jahren weiß ich darüber auch eine Menge, zwar nur theoretisch, aber ich kann trotzdem weiterhelfen. Meine Selbstidentifizierung kommt aus dem Bereich, selbst Migrant zu sein. Die Qualifikation kann aus dem Bereich der Sexualität deswegen auch sehr relevant sein. Das Vorbild wird überwiegend in den Männern gesucht. Die Wirkung einer Frau ist auch positiv und auch oft ein Highlight, da es sich nur um Männer handelt. Da erinnern sie sich an die Kindheit, an die Mutter, sie haben mehr Vertrauen. Man darf nicht vergessen, dass Stricher nicht nur Männer mögen, sondern durchaus auch von Männern Schlechtes erlebt haben. Eine einheitliche Besetzung wäre tragisch. Wir möchten die Gesellschaft widerspiegeln und eine Nische in der Gesellschaft sein und wollen so sein wie die Gesellschaft selbst.“157
8.1.2. Interview in der Einrichtung II158, looks e.V. in Köln 1. Die Einrichtung Die Einrichtung befindet sich nahe der Altstadt, dem Gebiet, in dem sich die Stricherszene befindet. Die Altstadt ist nicht nur den Touristen wegen der historischen Gebäude ein Begriff, sondern auch ein fest eingebürgerter Begriff in der Schwulen- und Stricherszene. Es befinden sich in diesem Bereich viele Stricherkneipen, Boys-Clubs und Bars, sowie der nahe liegende Bahnhof, an dem vor allem der Straßenstrich stattfindet. Durch die zentrale Lage der Einrichtung kann die Abb. 4: Türschild von looks e.V. in Köln
Niedrigschwelligkeit sehr gut gewährt werden. Die Angebote dieser Einrichtungen sind: tägliches Essen und Getränke, Möglichkeit zur Körperhygiene, Wäsche waschen und eine Kleiderkammer. Vor allem obdachlose Klienten haben die Möglichkeit, sich hier 157 158
Interview I, Z. 483- 505. Die gesamten Interviews befinden sich im Anhang.
57
Die Auswertung
ein Postfach einzurichten und haben Zugang zu einem eigenen Schließfach. Einmal pro Woche sucht ein Arzt die Anlaufstelle auf, die Behandlungen sind anonym und kostenfrei. Das Team besteht aus fünf hauptamtlichen Mitarbeitern, darunter zwei Sozialarbeiter und zwei Sozialarbeiterinnen sowie eine bulgarische kulturelle Mediatorin. Die Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen bieten Beratungsgespräche zu Ämterfragen, Drogen, Schlafunterkünfte, über HIV und andere Gesundheitsthemen an sowie Begeleitungen zu Ämtern.159 Finanziert wird diese Anlaufstelle durch öffentliche Gelder der deutschen Aidshilfe (DAH), doch zusätzlich ist auch diese Einrichtung auf Spenden angewiesen. Es wurde ein Konzept entwickelt, das durch Patenschaften einzelner Klienten in Höhe von 10,- 20,- oder 25,- Euro im Monat, zum Beispiel das Bereitstellen von Medikamenten oder Gebühren bei Behörden abdecken soll. Natürlich bleiben auch hier die Spender anonym, um daraus Begegnungen zu verhindern und daraus resultierenden Bevorzugungen zu vermeiden. Jeder Spender erhält regelmäßig den Jahresbericht und Auskunft über die aktuelle Entwicklung dieser Einrichtung.160 Auch diese Einrichtung weist eine klare parteiliche Haltung für die Stricher auf und es dürfen auch nur Stricher die Angebote dieser Anlaufstelle wahrnehmen. „Wir haben bestimmte konzeptionelle Grundsätze, Niedrigschwelligkeit, Parteilichkeit und Akzeptanz sind die wichtigsten. Parteilichkeit heißt parteilich für Stricher sein, für deren Interessen und Anliegen einstehen. Das macht es für uns auch klar, dass wir für die Stricher das sind, wenn wir rausgehen in die Altstadt. Wir wenden uns nicht in erster Linie an Freier. Es besteht immer wieder die Gefahr, dass wir mit einem Freier ins Gespräch kommen und der uns z.B. Sachen über Stricher erzählt, wo es für uns dann schwierig ist zu reagieren.“161
2. Die Klientel Eine genauere Beschreibung der Klientel wird wie folgt dargestellt: „Wir haben im Jahr etwa 480 verschiede Jungs in der Anlaufstelle, beim Streetwork usw. Von den 480 Jungs kennen wir nicht von jedem den kulturellen Hintergrund, aber wir können sagen, dass es sich um 60% Migranten handelt und 40% Deutsche. Wir haben in Köln den größten Anteil von deutschen Jungs in den Stricherprojekten verglichen mit allen anderen Stricherprojekten in Deutschland. Wir rechnen zu den Migranten auch Migranten in der zweiten Generation, immer dann, wenn Migration-Themen eine Rolle spielen. Also sprich, wenn ein libanesischer Junge zu uns in die Anlaufstelle kommt und dieser Stress hat mit dem Thema Anschaffen oder Homosexualität, weil seine Eltern aus einer komplett anderen Tradition
159
Vgl. Looks e.V. Tipps und Infos. Vgl. http://www.looks-ev.org/, Stand: 20.09.2006. 161 Interview II, Z. 226-232. 160
58
Die Auswertung
kommen, dann rechnen wir ihn als Migranten. Wenn jemand hier total assimiliert lebt und keinen Stress mehr hat, rechnen wir den nicht als Migranten.“162
Auch in dieser Stadt hat sich eine bestimmte Gruppe von Migranten etabliert, nämlich Rroma, diese stammen aber überwiegend aus Bulgarien. „Unsere Bulgaren sind auch nicht Bulgaren, sondern sind Rromas. Alles Leute, die selber noch im Inland, im Herkunftsland einer diskriminierten Minderheit angehören. Die würden das auch nicht unbedingt sagen. Aber wir wissen genug über die Jungs, um das von außen beurteilen zu können. Sie sprechen alle türkisch. In Bulgarien gibt es zwei Minderheiten, die sich im Laufe der Geschichte vermixt haben. Das sind die Türken und die Rroma. Die Türken haben es immer noch besser als die Rroma, sind aber auch nicht gut angesehen. Die Jungs haben in Bulgarien selbst wenige Chancen zu einer guten Ausbildung zu kommen, die haben so gut wie keine Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt Arbeit zu finden. Sie leben in Ghettos, den so genannten „Machalas“, die es in Rumänien genauso gibt. Das sind Wohnviertel, die abgetrennt von der bulgarischen Restgesellschaft nur aus Rroma bestehen. Sie haben wenig Zugang zur Gesundheitsvorsorge bzw. überhaupt zur Gesundheitsversorgung. Fast alle haben einen festen Wohnsitz und wandern nicht mehr umher. Die Jungs die hierher kommen, haben fast alle vier bis acht Jahre Schule besucht, die meisten eher vier bis sechs Jahre. Sie sind eher Analphabeten, d. h. sie können wirklich wenig lesen und schreiben, egal ob auf türkisch oder bulgarisch, was ja auch verschiedene Schriften sind, da in Bulgarien kyrillisch geschrieben wird. Sie haben auch ganz wenig Allgemeinbildung.“163
Das Durchschnittsalter liegt hier etwas höher als in Berlin, nämlich bei ca. 19 Jahren. Ebenfalls auffällig ist, dass in Köln der höchste Anteil an deutschen Strichern ist. Dies hat möglicherweise mit der sehr großen und bekannten Schwulenszene in Köln zu tun.
3. Tabuthema männliche Prostitution und Homosexualität in den Herkunftsländern Die große Tabuisierung dieses Themas in den Herkunftsländern bringt natürlich mit sich, dass sich diese schwer tun, eine Identität zu ihrem Stricherdasein bzw. zu ihrer Homosexualität aufzubauen. „Es gibt das Merkmal, dass Homosexualität unbekannt ist und auch als soziales Konstrukt nicht existiert in der Rromagemeinschaft. Das macht es nicht unbedingt leichter in der mann-männlichen Prostitution zu arbeiten. Sie haben dies vielleicht schon einmal gehört, aber das ist ein totales Tabu. Ein zweites Merkmal ist, dass viele der Jungs verheiratet sind und Kinder haben. (…) Im Schnitt sind diese zwischen 20 und 30 die meisten sind so 22 bis 24. Die 22jährigen kommen hierher und haben Kinder und haben zu Hause ne Frau die sie versorgen. Das ist auch noch ein wichtiger Hintergrund. 100% derjenigen sind heterosexuell.
162 163
Interview II, Z. 60-70. Interview II, Z. 84-100.
59
Die Auswertung
Eine Familie haben vielleicht 80%, aber deutlich mehr als 50%. Heterosexuell sind alle. Es gibt „schwul sein“ nicht.“164 „…Bulgarien hat ein relativ liberales Gesetz. Homosexualität und Prostitution ist bekannt in diesen Ländern, z. B. in den Tourismusgebieten am schwarzen Meer ist es ähnlich wie in Rumänien, da gab es auch schon immer mann-männliche Prostitution und es gibt auch Prostitution von Transvestiten. Es gibt eine Gleichung in Bulgarien die heißt: Homosexualität = Transsexuell = Stricher. Es ist tatsächlich so, dass in Bulgarien der Männerstrich der „Transenstrich“ war. Die Jungs die hierher kommen, sind auf keinen Fall transsexuell, das gibt es in Berlin und in Hamburg. Prostitution war und ist gang und gäbe im Sinne von der Tabuisierung dieses Themas.“165
4. Problemlagen der ausländischen jungen Männer Durch die Armut in den Herkunftsländern können sich viele nicht mit ausreichend Nahrungsmitteln versorgen, geschweige denn mit Medikamenten, die von Familienmitgliedern benötigt werden. „Hauptproblem ist die Armut. Es gibt immer mal wieder Jungen die erzählen, wie sie gearbeitet haben. z.B. haben einige Jungs im Schlachthof 10 Stunden am Tag gearbeitet, wovon sie sich von dem verdienten Geld eine Packung Zigaretten kaufen konnten. Das heißt, es reicht nicht um die Familie zu versorgen. Die anderen erzählen eher davon, dass sie keine Arbeit bekommen konnten. Sie stehen auch unter Druck, dass sie Geld mit nach Hause bringen müssen, entweder für die eigene Familie oder für die Eltern. Viele Jungs versuchen hier bestimmte Medikamente zu bekommen, da das Gesundheitssystem verlangt, die Medikamente selbst zu bezahlen. Einige suchen auch bestimmte orthopädische Geräte für ihre Kinder und versuchen so mit dem Geld, das sie hier verdienen, dies zu bezahlen. Die Bulgaren, wenn sie hier herkommen, finden sich in einer komplett anderen Welt vor, für die ist männliche Prostitution ein absolutes Tabu, bei Frauen kennt man das, zwar auch tabuisiert; es verletzt die Männerehre, dass sie so einem Job nachgehen. Sie sprechen die Sprache nicht, sie kennen diese Kneipen nicht, wie sie aussehen, d. h. sie finden sich in einer komplett neuen Welt.“166
Auch hier ist die Armut wieder ein grundlegendes Merkmal, das viele andere Probleme mit sich bringt. Zusätzlich stehen die Migranten unter einem ständigen Druck seitens der Familien zu Hause, die dringend auf Geld angewiesen sind und sich dem Konsumdruck der Gesellschaft anpassen möchten, um einen gewissen Status zu erreichen. Andererseits entsteht ein zusätzlicher Druck durch die Illegalität, in der sie hier leben. „Einzelne werden hier eher unter Druck gesetzt, aber auf einer sehr persönlichen Ebene, nämlich dass jemand ankommt und viel Geld mitbringt aus Deutschland und die Familie sagt, geh doch auch nach
164
Interview II, Z. 105-113. Interview II, Z. 140-148. 166 Interview II, Z. 320-334. 165
60
Die Auswertung
Deutschland und verdien dort Geld. Wenn sie in Deutschland waren, müssen sie auf jeden Fall auch wieder Geld mit nach Hause bringen, sonst sind sie die totalen Versager.“167 „…Sie sind alle illegal hier, ab dem Moment, ab dem sie arbeiten, denn dann würden sie eine Arbeitsgenehmigung brauchen und die bekommt man nicht mit einem Touristenvisum. Sobald klar würde, dass diese anschaffen, wäre das ein Abschiebungsgrund. Es gibt in München Lockfreier, die gezielt Leute suchen, die illegal anschaffen. Hier weiß die Polizei um die Szene und es bestehen gute Kontakte zur Polizei und die Szene wird hier geduldet.“168
In Bezug auf Drogen sind bisher noch keine Probleme entstanden. Die meisten der Jungs aus Bulgarien sind sich bewusst, dass sie bei den kleinsten kriminellen Delikten ausgewiesen werden können, dazu gehören auch Drogendelikte. Auch in Bezug auf Gewalt sind die bulgarischen Migranten sehr vorsichtig, da sie wissen, jeder Kontakt mit der Polizei, könnte eine Abschiebung bedeuten. Es entstehen viele psychische Belastungen durch den Druck, dem sie ausgesetzt sind. „…Wir haben bei den Deutschen 10- 20% psychische Auffälligkeiten, ähnlich bei den Bulgaren. Das können Depressionen, akute Suizidgedanken, massive Zukunftsängste, wo auch Ängste um das Leben bestehen, auffällige Verhaltensstörungen (Tickstörungen), Leute, die Zuckungen haben, welche die ganz anders interagieren als andere, bis hin zu Schizophrenien und schizoiden Auffälligkeiten. Viele sind auch obdachlos. Es hat gedauert, bis sie sich mittlerweile Wohnungen oder Zimmer mit Hilfe der türkischen Community selbst organisiert haben. Es gibt mehrere Wohnungen, wo Vermieter vier Bulgaren in einem Raum schlafen lassen für 50-100 Euro pro Woche.“169
5. Gesundheitliche Aspekte Auch in Bezug auf HIV/Aids fehlt vielen die Vorstellung, was dies bedeutet. Aids ist in Bulgarien noch nicht sehr stark verbreitet, dementsprechend gibt es auch in diesem Land kaum Präventions- und Aufklärungsarbeit. In Deutschland werden diese aufgeklärt über die Grundkenntnisse von HIV/ Aids. „Man muss bestimmte Vorstellungen, die durch die Kultur geprägt sind, erstmal über Bord werfen, wie zum Beispiel, dass man sich ansteckende Krankheiten nur von Frauen holen kann. Wir wissen, dass es eine hohe Anzahl von Syphilisinfektionen in Bulgarien selber gibt, besonders auf dem Strich dort, deutlich höher als in Deutschland. Auch Hepatitis A und B sind sehr häufig. Bisher haben wir noch keinen HIV- positiven Jungen hier gehabt. Die Jungs werden benachrichtigt, dass sie sich auf diese Krankheiten in der Anlaufstelle untersuchen lassen können. Möglicherweise haben wir so wenig HIV, da
167
Interview II, Z. 180-184. Interview II, Z. 375-381. 169 Interview II, Z. 384-393. 168
61
Die Auswertung
Analsex bei den Bulgaren nicht ins Programm gehört, vielleicht auch generell beim Männerstrich keine so große Rolle spielt. Verkaufter Sex bedeutet nicht gleich Analsex. Das ist unser Glück.“170
Fehlende Vorstellungen vor allem von Aids bringen Schwierigkeiten mit sich, die erst einmal behoben werden müssen. „Viele Jungs haben kein Verständnis was ihre Gesundheit angeht und haben komplett andere, sehr archaische Vorstellungen von Gesundheit. (…) Aids ist eine Krankheit, die ist unsichtbar, du hast nicht das eine oder andere Symptom. Das den Jungs zu erklären, ist fast unmöglich; dass du vier oder zehn Jahre nichts davon merkst, aber trotzdem eine sehr schwere Krankheit in dir trägst, das ist für die Jungs fast so gut wie unvorstellbar.“171
6. Motive und Identität junger Migranten Im Vergleich zu einigen Strichern in Berlin findet man in Köln eher selten den Fall, dass die in den Herkunftsländern nicht auszulebende Homosexualität Grund für die Migration ist. Vielmehr ist ihr wichtigster Grund, an Geld zu gelangen, jedoch entspricht die Realität nicht ihren Vorstellungen. Es laufen in den Herkunftsländern bestimmten Muster ab, wodurch viele junge Migranten aus z. B. denselben bulgarischen Gebieten motiviert werden, nach Deutschland zu gehen, um Geld zu verdienen. „Sie kommen mit der Idee hierher, dass sie im reichen Deutschland Arbeit bekommen und werden dann mit der Realität konfrontiert, da es nicht möglich ist. Es ist wichtig, wie sich diese Szenen ausbilden, wieso in Köln nur bulgarische Rroma sind und in Berlin vorwiegend rumänische Rroma und in München nur Rumänen. Wir verwenden das Wort Brückenkopffunktion. Ein Junge kommt hierhin und lernt die Stadt kennen, lernt die Kneipen kennen und den Strich. Dieser fährt wieder zurück nach Bulgarien und bringt seinen Cousin und noch einen Bekannten und diese fahren wieder nach Bulgarien und bringen wieder Freunde und Verwandte mit und sie fahren natürlich wieder in die Stadt, die sie kennen, da es immerhin schon alles fremd genug ist. Die bulgarischen Klienten sind bei weitem nicht so mobil wie die Deutschen oder die Tschechen, die schon seit Jahren nach Deutschland kommen. D. h. sie kommen wirklich wieder dahin, wo sie Freier kennen oder wo sie schlafen können oder weil sie „looks“ kennen. Sie wissen eher nicht, dass sie auf den Strich gehen. Es gibt mit Sicherheit einzelne Jungs, die, wenn sie hier ankommen, schon wussten, dass sie auf den Strich gehen werden. Aber ich würde sagen, die Mehrzahl der Jungs der Bulgaren, die zum ersten Mal nach Deutschland kommt, die wussten es nicht, sondern die haben die Idee, dass sie in irgendeiner Form Geld verdienen. In der Regel denken sie irgendwas auf dem Bau. Aber die Jungs haben auch keine Ausbildung, um dort zu arbeiten. D. h. die Jungs können wirklich nur absolute Hilfstätigkeiten machen und bei fünf Mio. Arbeitslosen haben sie keine Chance, auf
170 171
62
Interview II, Z. 410- 419. Interview II, Z. 335- 342.
Die Auswertung
dem Bau zu arbeiten. Es wird auch nicht untereinander angesprochen, wenn sie ihre Freunde mitbringen.“172
Auch in Bezug auf deren Identität als Stricher herrscht Unklarheit, dagegen deren sexuellen Identität ist in den meisten Fällen klar heterosexuell. „Sie sind alle nicht schwul, verstehen sich auch alle nicht als Stricher und es ist auch schwieriger für sie zu sagen, dass sie anschaffen gehen, als für deutsche Stricher. Sie fliehen nicht vor den schlechten Lebensbedingungen für Schwule aus Bulgarien, sondern fliehen vor der Armut. Natürlich ist es so, dass die, die länger hier sind, Klarheit darüber haben, dass sie anschaffen gehen und wissen, wie das Geschäft läuft. Aber es dauert wirklich lange, nach dem 2. oder 3. Aufenthalt, bis sie sagen können, dass sie anschaffen gehen. Vielleicht auch wenn sie selber in die Rolle kommen des Erklärens, dass sie sich langsam antasten und aussprechen, dass sie Sex mit Männern haben.“173
7. Herausforderungen für die Einrichtung Die größte Hürde ist wohl, auf diese Weise den Zugang zu Migranten zu finden, bei dem von Anfang an Vertrauen vermittelt wird. Die Institutionsscheu ist bei Migranten sehr hoch, da viele mit den Tätigkeiten der sozialen Arbeit nichts anfangen können, da es diese in den Herkunftsländern nur selten gibt. Solche Einrichtungen oder Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen werden viel mehr mit dem Staat assoziiert und der Gefahr, dass ihre Illegalität in Bezug auf die Prostitution aufgedeckt wird. Deswegen ist es seitens der Einrichtung notwendig, diese Vorurteile abzubauen und die erforderlichen Grundlagen bereitzustellen, um das Vertrauen der Migranten zu gewinnen und ihre Schwellenängste abzubauen. „Man muss den Zugang bekommen. Meine Erfahrung hier ist, dass soziale Träger Leute einstellen müssen, die aus dem Land kommen. Das ist das A und O. Es dauerte sehr lange, bis die soziale Arbeit an den Punkt kam, dass es nicht so wichtig ist, einen Sozialarbeiter für z. B. Präventionsarbeit zu haben, sondern, dass es wichtiger ist, eine Person zu haben, die die Themen behandeln kann, die über Themen wie HIV und Safer Sex sprechen kann. Der Zugang zu dieser Gruppe ist aber das schwierigste, die so stigmatisiert und marginalisiert ist.“174
Länderpolitische Aufgaben können durch soziale Arbeit in diesen Einrichtungen nicht gelöst werden, sondern nur auf politischer Ebene.
172
Interview II, Z. 116-136. Interview II, Z. 156- 163. 174 Interview II, Z. 422-428. 173
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Die Auswertung
„Die Armut und Diskriminierung, die die Rromas erleben, können wir hier nicht lösen. Das ist dann eine Frage der Politik. Das, was sich an Flüchtlingsdramen am Mittelmeer abspielt, da können wir froh sein, dass wir nicht am Mittelmeer liegen. Aber natürlich wird man diese ganzen afrikanischen Gruppen in der Prostitution in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien finden. Aktuell durch den Krieg im Libanon haben wir die Verpflichtung auf Grund der Genfer Konvention, dass die Leute hier bleiben können, so lange der Krieg ist. Wir werden mit Sicherheit in einem Vierteljahr Libanesen in der Prostitution haben. Leuten, denen wir in unserer Gesellschaft nichts anderes anbieten, denen bleibt nur die Prostitution.“175
Eine besondere Schwierigkeit stellt die Verbindung von männlichen Prostituierten zum Frauenstrich da. Es gibt Fälle, dass junge Männer Frauen aus ihren Herkunftsländern mitbringen und anschaffen lassen. „Nicht alle Jungs, aber vielleicht fünf bis zehn Männer, und das reicht schon, bringen eine oder vier Frauen mit. Eben auch wegen der Parteilichkeit entsteht hier eine Schwierigkeit, da wir nicht mit Zuhältern zusammenarbeiten. Da kommen wir an unsere Grenzen, da auch dieser Mann oder Junge ein Hilfsangebot benötigen würde, aber gleichzeitig auch andere Frauen in Abhängigkeit bringt. In letzter Zeit haben wir diesen auch den Zugang zur Anlaufstelle verweigert, da wir Prostitution als etwas sehen, das man nicht freiwillig macht. „Du machst das nicht freiwillig und bei den Frauen ist das auch nicht anders, wenn du daran mitverdienst, dann sehen wir das als Ausbeutung an.“176
8. Herausforderungen für das fachliche Können der Sozialarbeiter/Sozialarbeiterinnen Die fehlende Vorstellung davon, was soziale Arbeit und Professionalität bedeutet, ist bei sehr vielen Migranten vorhanden. In vielen Herkunftsländern gibt es nur selten Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen, diesen fehlenden Bezug herzustellen, ist für die Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen in Deutschland eine Herausforderung. „Es ist schwierig, Leuten etwas zu vermitteln, die keine Ahnung davon haben, dass wir professionelle Sozialarbeiter sind, die keine Vorstellung von professioneller sozialer Arbeit haben. Man muss sich immer wieder sehr stark gegenüber den Migranten abgrenzen, vor allem im privaten Bereich und betonen, dass man professionell arbeitet. Die deutschen Jungs sind da schon sehr daran gewöhnt, die kennen Institutionen und haben oft ihre ganze Kindheit schon mit Sozialarbeitern durchlaufen. Gerade für Frauen ist es eine Herausforderung, da „Mann sein“ und das „Heterosein“ unter Beweis gestellt wird. Als Mann oder schwuler Mann muss man all das an Vorurteilen über Schwulsein aushalten, was so grassiert in der Szene, dass man lernt damit umzugehen.“177
175
Interview II, Z. 435-443. Interview II, Z. 553-561. 177 Interview II, Z. 452-461. 176
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Die Auswertung
Nach Aussagen des Interviewpartners ist es wichtig, ein Team beiderlei Geschlechts zu haben. „Wir arbeiten sowohl mit Männern als auch mit Frauen, wobei die Männer schwul sind und die Frauen heterosexuell sind. Zugang haben beide Gruppen, jedoch die größere Attraktion für die Migranten sind die Frauen. Aber bei bestimmten Themen wendet man sich eher an einen Mann oder dementsprechend an eine Frau. Das hängt auch mit der eigenen Biographie zusammen, da man gute oder schlechte Erfahrungen mit dem eigenen Geschlecht verbindet. Ein schwuler Stricher wendet sich eher an einen schwulen Mann. Es hat aber auch eher mit der Männer- Frauenrolle zu tun.“178
8.1.3. Interview179 in der Einrichtung III, marikas e.V. in München 1. Die Einrichtung Die Einrichtung befindet sich im Glockenbachviertel in München, welches bekannt ist für seine Schwulenszene. Da es in München so gut wie keinen Straßenstrich aufgrund der Sperrgebietsverordnung gibt, liegt die Einrichtung nicht so bahnhofsnah wie in anderen Städten. In dieser Einrichtung sind fünf hauptamtliche Mitarbeiter beschäftigt, darunter eine rumänische Mediatorin und eine slowenischsprachige Mitarbeiterin. Die Einrichtung hat einen stark akzeptierenden Ansatz und versucht durch Niedrigschwelligkeit, dem Vorurteil der Kontrollinstanz der Klienten dieser Einrichtung entgegenzuwirken. Der Träger dieser Einrichtung ist das evangelische Hilfswerk München, das dieses Projekt auch finanziert. Zusätzlich erhält dieses Projekt einen Zuschuss des Stadtjugendamtes München.180 Die Einrichtung hat die Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen der Sexarbeiter, die Abwertung stigmatisierter Bewertung und Diskriminierung gegenüber Sexarbeitern und die Entwicklung und Förderung attraktiver Alternativen zur Prostitutionstätigkeit als Ziel. Die Einrichtung in München bietet wie die anderen Einrichtungen auch, die Möglichkeit, die Grundbedürfnisse zu befriedigen. Neben der Streetwork finden in der Anlaufstelle Beratungen über Gesundheit, rechtliche Dinge, Beratungen zum Ausstieg oder zur Professionalisierung in der Prostitution statt sowie Begleitungen zu Behörden oder Ämtern.
178
Interview II, Z. 462-468. Das gesamte Interview befindet sich im Anhang. 180 vgl. http://www.hilfswerkmuenchen.de/sachbericht/JB05_Marikas.pdf#search=%22marikas%20finanzierung%22, Stand 28.09.2006. 179
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Die Auswertung
1. Das Klientel „Wir halten uns mit Zahlen sehr zurück. Wir treffen ca. 300 verschiedene Personen im Jahr, die wir auch mehrmals in den Kneipen treffen. Wir haben unsere Streetwork- Arbeit außerhalb unserer Anlaufstelle. Die durchschnittliche Zahl der Jungs, die hier in München gleichzeitig ihre Dienste anbieten, rechnen wir auch auf die gleiche Anzahl, also 300 Leute. Wir versuchen das zu überschlagen durch die Angebote, die wir per Internet sehen können, durch die Angebote, die wir in der Zeitung sehen können oder die Leute, die wir hier in der Einrichtung treffen. Es ist wirklich nur eine Schätzung und das kann man nur mit wenig Sicherheit sagen. Es sind auch nicht alle Stricher gleich hilfebedürftig, dass diese unser Angebot wahrnehmen müssen oder dass wir sie dort treffen, wo wir glauben, sie antreffen zu müssen. Die Jungs, die wir treffen, sind alle volljährig, es gibt kaum welche, die unter 18 sind eher über 21 sind. Damit sie durchs Anschaffen keine Probleme mit der Polizei kriegen, da unter 21 Prostitution nicht gestattet ist bzw. versucht die Polizei das zu unterbinden, bestraft Leute, die Stricher anstellen über Zuhälterei. Menschenhandel fällt dann unter diesen Paragraphen. Deswegen wird keine Kneipe, Stricher, die jünger als 21 sind, bei sich dulden…“181
Auch hier variiert das Alter der Klientel im Vergleich zu den anderen Einrichtungen und Städten. Die meisten Jungs, die in München anschaffen, sind oft 21 Jahre, mindestens aber volljährig. Durch starke Kontrollen seitens der Polizei wird vielleicht eine Szene verhindert, in der es viele minderjährige Jungs gibt. In anderen Großstädten, wo die Szene toleriert wird und nicht so stark kontrolliert wird wie in München, findet man Jungs jeden Alters. Auch in Bezug auf die Herkunft der Klientel gibt es deutliche Unterschiede zu den anderen Städten. So ist erkennbar, dass sich in jeder Stadt eine bestimmte ethnische Gruppe von Migranten angesiedelt hat, auf die jeweils, bezogen auf die Kultur der Herkunftsländer, agiert werden muss. „…Wir haben die meisten Jungs aus Rumänien, ca. 60- 70%. Dann haben wir Tschechen und Slowaken. Die waren früher die meisten, sind jetzt aber die zweite Gruppe, gefolgt von den Bulgaren. Dann gibt es vereinzelt Ungarn und Brasilianer. Irgendwann kommen die Deutschen. Die Mehrheit der Jungs stammt aus Rumänien aus Familien, wo die Eltern Langzeitarbeitslose sind und sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen. Die Jungs haben eine schlechte oder keine Schulausbildung und wenig Chancen in der Region, aus der sie kommen, Arbeit zu finden. Es sind keine Rromas bei uns. Vielleicht 10% der Jungs die zu uns aus Rumänien kommen sind Rromas. Die anderen sind Rumänen. Die meisten kommen aus dem Kohlebecken bei Lupeni, Betrocham und Petrila. Das sind ca. 60% der Jungs. Dann gibt es welche aus Siebenbürgen und welche aus dem östlichen Teilen, nahe der Moldau, ca. 10%. Dann kommen welche aus Arad und vereinzelt welche aus Bukarest. Die meisten kommen aus Regionen, wo Industrie angesiedelt war, die aber niedergegangen ist.“182 ´
181 182
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Interview III, Z. 87-103. Interview III, Z. 109-121.
Die Auswertung
Wo hingegen in den anderen Städten rumänische und bulgarische Rromas in der Mehrzahl sind, halten sich in München überwiegend Rumänen auf, die aus niedergegangenen Arbeitergebieten stammen, in denen nun eine hohe Arbeitslosenrate besteht. In dieser Einrichtung wird auch von Transmigranten gesprochen: „Wir sprechen von Transmigranten, das heißt, diese haben einen Fixpunkt in ihrem Land in ihrer Stadt, in der sie einen sozialen Status erwerben wollen. Diesen kann man unter den Umständen des wilden Kapitalismus oder Neokapitalismus nur mit Geld in ihrem Land erwerben. Um dieses Geld zu beschaffen, sind sie bereit, jede Arbeit im Ausland anzunehmen. Wichtig ist, dass sie diese Arbeit im Ausland machen, da sie niemand im Ausland kennt und sie sich nicht kompromittiert fühlen. Da kann man dann auch Arbeit machen, die zu Hause tabuisiert ist, wie zum Beispiel Prostitution. Die Familien reden sich ein zu glauben, dass dieses Geld auf ehrliche Weise verdient wurde. Je mehr Geld nach Hause geschickt wurde, desto erfolgreicher ist der Sohn/ die Tochter im Ausland. Je mehr die Familie sich Luxusgüter dafür leisten kann, umso höher ist auch das Ansehen zu Hause. Deutschland ist dabei nur ein Punkt. Viele Rumänen nutzen Deutschland vorwiegend für Prostitution oder vielleicht auch, über die Stricherszene Jobs auf dem Bau oder Wohnungsrenovierungen anzunehmen.“183
3. Männliche Prostitution und Homosexualität in den Herkunftsländern Homosexualität wird nach wie vor tabuisiert. Auch wenn es gesetzlich erlaubt ist, feindet die orthodoxe Kirche Homosexualität, und damit auch die männliche Prostitution sehr stark an. Homosexualität wird als etwas gesehen, was nicht mit einer Gefängnisstrafe kuriert werden kann, da Homosexualität eine Plage ist. Demzufolge wird es noch lange dauern, bis in Rumänien Homosexualität von der Gesellschaft akzeptiert wird.184 „Es war eine Bedingung der EU, dass eben keiner wegen seiner sexuellen Orientierung, Religion oder Nationalität verfolgt werden darf. Deswegen ist es erlaubt, aber es ist eigentlich undenkbar dort, eine offene Beziehung zu leben oder zu heiraten. Insofern ist es natürlich ein Tabu, wenn man Sex mit Männern zugibt. Allerdings glaube ich auch, dass die Leute, die dann von dem hier verdienten Geld leben, nicht wissen wollen, wie das verdient wird. Hauptsache das Geld läuft. Die Jungs, die ich frage, was sie denn daheim erzählen, sagen, dass sie ein bisschen im Service arbeiten oder machen mal dies, mal das. Da denke ich mir auch, wenn da jemand genauer nachfragen würde, würden sich diese sicherlich verstricken in irgendwelche Aussagen. Aber offenbar fragt keiner genauer nach. Das ist Fakt. Es will also keiner wissen, Hauptsache die Kohle stimmt. Gerade in Rumänien und Bulgarien und vielen ärmeren ehemaligen Ostblockländern ist dieser Konsumzwang und Drang so enorm groß, dass man dann so was auch in
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Interview III, Z. 234- 246. EURO.KOPS, 1999, S. 67.
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Die Auswertung
Kauf nimmt, auch wenn niemand darüber spricht, weil es so ein riesiges Tabuthema ist, eben mit der Homosexualität und Prostitution. Aber fürs Geld würde man das trotzdem in Kauf nehmen...“185 „…Dann kommt auch noch die Rolle der Frau, bevor es um die eigene Prostitution geht. Es muss geregelt sein, dass die Frau die Kinder hütet und vor dem Herd steht und Jungfrau ist, dann kommt erst die eigene Sexualität oder die Prostitution. Es wird nicht so offen in den Herkunftsländern über Prostitution geredet, aber wenn sie mit uns darüber reden, dann sagen sie immer, dass sie aktiv sind, um so auch noch die Ehre zu erhalten.“186
4. Problemlagen der ausländischen jungen Männer Hier wird vor allem der Druck als Problem geschildert, der seitens der Familien ausgeübt wird sowie die falsche Vorstellungen von Deutschland. „Den Druck, der durch die Familie entsteht, sehen wir als Problem. Es herrscht Perspektivlosigkeit. Sie bringen kein Potential mit, sprich keine Ausbildung, mit der sie hier oder zu Hause einen Job ausüben könnten. Wenn jemand eine Hotelausbildung hätte, könnte er sicherlich unterkommen. Sie kommen mit falschen oder gar keinen Vorstellungen hierher, was sie hier erwartet, dass hier das Geld nicht auf der Straße liegt, obwohl ihnen das von den Medien und den Freunden suggeriert wird. Um dies dann einzusehen und umzusetzen und dann doch ein anderes Ziel zu verfolgen, fehlt vielen die Einsicht. Der hohe Konsumdrang in den Herkunftsländern ist auch ein Problem. Es steht so über Allem, Geld zu besitzen, sich darüber zu identifizieren und sozial aufzusteigen, mehr als althergebrachte traditionelle Werte aus der rumänisch- orthodoxen oder muslimischen Religion. Geld ist Priorität und dann kommen andere Sachen. (…) Dass die Rumänen keinen guten Stand hier haben, ist klar. Sie werden für Diebe gehalten, gelten als Verbrecher und das bekommen sie auch zu spüren. So bleibt ihnen auch nur die Möglichkeit, sich in der Prostitution zu betätigen. Das gilt nicht nur für Rromas, sondern für alle, die in Rumänien leben. Wobei ist es hier auch wieder unterschiedlich, die Rromas kommen in der Hierarchie nach den Rumänen ganz weit unten.“187 In Bezug auf Drogen ist folgendes zu sagen: „…Alkohol ist bei den Osteuropäern weiter verbreit als intravenöse Drogen. Hier ist es auch so, dass jemand, der offensichtlich drogenabhängig ist, sehr schnell von der Polizei kontrolliert wird. Diese Drogen sind in der Heimat viel weniger verbreitet. Es sind eher die legalen Drogen wie Alkohol und Spielsucht weiter verbreitet. Andere schwere Abhängigkeiten, entstehen dann erst hier. Oft bleiben sie dann trotzdem hier, da sie zu hause auch keine Perspektive mehr haben.“188 „…Zerrüttete Familienverhältnisse über Jahre hinweg, haben Einfluss auf die psychische Verfassung der Jungs. Die Prostitution hier, der Druck hier und von zu Hause, die Doppelstigmatisierung, zeigt sich auch wieder. Wir beobachten Spielsüchte, oder Handysüchte. Auch der Konsumzwang ist ein Punkt, Drogen 185
Interview III, Z. 133-148. Interview III, Z. 434-439. 187 Interview III, Z. 424-444. 188 Interview III, Z. 484-489. 186
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Die Auswertung
(intravenöse Drogen) werden interessanterweise weniger konsumiert, eher ab und zu eine Partydroge. Diese Süchte sind dann Therapie für solche Störungen. Es kommen selbst zerstörerische Tätigkeiten, wie Ritzen und Brandig vor, Selbstverstümmelung, gefährliche sexuelle Handlungen und Bindungsprobleme sind zu beobachten.“189
Ein weiteres Problem stellt die so genannte Szenenhierarchie dar. Hier wird auf Kosten anderer das eigene Selbstwertgefühl aufgebessert. „Jeder versucht sich durch den anderen, durch die starke Stigmatisierung, aufzuwerten, indem man den anderen schlechter macht. Die Rumänen sagen, die Rromas sind die schlechteren, die Tschechen sagen, die Rumänen haben den Markt kaputt gemacht und die Deutschen sagen das von den Tschechen. Die Callboys sagen, dass der Straßenstrich schlecht ist. Aber es ist keine körperliche Gewalt, eher die psychische. Es gibt viele Zukunftsängste und Probleme, die aber verdrängt werden, da sie morgen das große Geschäft machen, wodurch dann alles gelöst ist.“190
5. Gesundheitliche Aspekte Auch hier wurde eine fehlende Aufklärung über sexuell übertragbare Krankheiten und Safer Sex bemängelt. Das Benutzen von Kondomen ist in den Herkunftsländern relativ wenig verbreitet, wodurch wenig Wissen über Safer Sex- Praktiken vorhanden ist. „Sie sind relativ schlecht aufgeklärt in Bezug auf Safer Sex Praktiken. Sie haben alle schon mal was von Aids und HIV gehört, aber wissen nicht wirklich darüber Bescheid. Sie haben eine panische Angst vor Aids und dadurch, dass sie nicht genau wissen, wie man sich davor schützt, gibt es abstruse Ideen, wie Schutz durch Desinfizieren. Da ist ein sehr großes Defizit und es ist wichtig, dass wir diese Arbeit gut und genau machen. Es gibt keine Zahlen, da bei Eintritt der Krankheit die Jungs nicht mehr greifbar sind und nach Hause fahren, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen können. Dadurch, dass sie nicht so sexuell aktiv sind in diesem Job und eher das Geld anderweitig den Freiern aus der Tasche ziehen, sind nicht mehr so viele Positiven unterwegs wie in der Schwulenszene. Vernunft gibt es in diesem Bereich des Safer Sex sehr wenig. Es gibt Freier, die sagen ganz klar, dass sie Safer Sex wollen und es gibt welche, die versuchen das zu umgehen und wollen sehr wenig Geld für zahlen. Es gibt auch Jungs, die sagen, sie machen das nicht, aber je größer der Druck ist, den der Junge hat, desto leichter wird er von seinen Prinzipien abgehen.“191
6. Motive und Identität junger Migranten Wie auch in Berlin berichtet wurde, gilt für einige Jungs das Ausleben von Homosexualität, welches in den Herkunftsländern nicht möglich ist, als Motivationsgrund. Aber auch ein anderes Phänomen trifft immer häufiger zu: 189
Interview III, Z. 454-461. Interview III, Z. 462-469. 191 Interview III, Z. 470-483. 190
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Die Auswertung
„Es gibt durchaus auch die gleichen Phänomene, die es früher bei den Deutschen schon gab, dass Jungs in sehr frühem Alter schon sexuelle Gewalterfahrungen haben. Das kommt sehr häufig vor. Das ist mit ein Grund, dass sie Sexualität so kennen gelernt haben, dass man nur, wenn man eine sexuelle Dienstleistung erbringt, auch eine Entlohnung durch Zuneigung, Geld oder Liebe erhält. Das hatten wir bei den osteuropäischen Jungs erst nicht vermutet, trifft aber doch zu. Dies könnte dann auch ein Motivationsgrund für die Stricher sein, um ihre Erfahrungen aufzuarbeiten.“192
Eine klare Identität der Stricher ist nicht vorhanden. Auch wenn diese der Prostitution nachgehen, sehen sie sich als Gelegenheitsjobber, für die es wichtig ist Geld zu verdienen. „Es ist mit der Identität schwierig, sie würden sich eher als Jobber in unterschiedlichen Bereichen bezeichnen und betätigen sich im In- und Export an möglichen Dingen. Die Dienstleistung Prostitution ist ein Mittel um Geld zu verdienen. Wenn es sich lohnt in einem anderen Job zu arbeiten, würden sie diesen auch annehmen. Das ist aber auch eine Schwierigkeit. Wie hart ist jemand bereit zu arbeiten, für wie wenig Geld- also ab wann lohnt es sich. Ich habe auch festgestellt, dass einige Jungs Angebote zur Arbeit haben und eben glauben, in der Prostitution mehr Geld zu verdienen und deswegen den Job nicht annehmen. Es wird niemand zugeben, dass sie nur hier sind, um ihre Homosexualität auszuleben. Das wird niemand zugeben, weder vor seinem „Outing“ noch danach. Fakt ist, dass einige Jungs, die länger hier sind, eine gewisse homosexuelle Neigung zeigen. Sie trauen sich, das zu leben oder ihr „Schwulsein“ darin offen zu tun oder für sich selbst erst anzuerkennen. Ich glaube bei vielen passiert es so im Unterbewusstsein und während der Tätigkeit erst für sich selber klar werden. Vorher behaupten sie, dass sie nicht schwul sind und wissen es selber nur noch nicht. Wir versuchen, dass die Jungs ein Bewusstsein zum Anschaffen entwickeln. Aber wenn die Jungs keine Identität zum Job haben, dann ist es schwierig, eine Professionalität zu entwickeln oder professionell zu handeln. Das ist das größte Problem im Moment. Einige haben Familie zu Hause, einige versorgen ihre Eltern oder Geschwister mit. Sie haben schon Druck, relativ regelmäßig Geld nach Hause zu schicken. Die Familie hat nicht unbedingt Auswirkung auf den unterbewussten Versuch, irgendwelche homosexuellen Anteile auszuleben. Es ist durchaus möglich, dass jemand, der schon zwei Kinder hat, feststellt, dass er sich auch zu Männern hingezogen fühlt. Hier muss ich aber noch ergänzen, dass die Szene über die Freier relativ wenig Lust bringt, homosexuelle Neigungen mit diesen auszuprobieren. Eher dann, dass sie mit anderen Strichern in Kontakt kommen und es da ausprobieren oder wenn sie länger da sind, dass sie sich trauen über die Schwulenszene Leute kennen zu lernen. Zu 90% ist die Motivation der finanzielle Anreiz. Die meisten Jungs, die wir hier antreffen, betreiben Armutsprostitution, um sich aus ihrer finanziellen Situation zu verbessern. Die Homosexualität ist ein relativ kleiner Bereich, der hier eine Rolle spielt. Nichtsdestotrotz ist es bei uns Thema, bei den Beratungen nachzufragen, ob es da Schwierigkeiten gibt oder ob man darüber reden muss. Ich und mein schwuler Kollege sind da als Person immer wieder Beispiel oder Anhaltepunkt für die Jungs, wenn sie darüber reden wollen oder uns als Vorbild zu nehmen.“193
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Interview III, Z. 446-453. Interview III, Z. 181- 213.
Die Auswertung
Wie auch in den anderen Einrichtungen ist der Hauptmotivationsgrund das Geld. Einige Jungs ändern im Laufe der Zeit ihre sexuelle Identität, andere behalten ihre heterosexuelle Identität bei. Bei den meisten ist aber, egal ob hetero- homo- oder bisexuell, eine fehlende Identität in Bezug auf die Prostitution zu erkennen.
7. Herausforderungen für die Institution „Grenze ist auf jeden Fall die Sprache. Der Verdrängungsmechanismus der Jungs, dass sie sich mit ihren Problemen nicht auseinandersetzten wollen. Die Herausforderung für mich ist eine gute Beziehung aufzubauen, um über diese Themen sprechen zu können. Das wichtigste Ziel ist, die Gesundheit, dass sie sinnvolle Prävention bekommen und dass das Abrutschen in die Kriminalität vermieden wird. Die Beziehung zwischen Sozialarbeiter und Klienten ist sehr wichtig, da hier diese Tabuthemen besprochen werden. Da geht das dann nicht ohne Beziehungsarbeit. Wir grenzen uns ganz klar ab, dass wir keine Freunde sind und dass es ein dienstlicher Auftrag ist. Private Kontakte in die Szene werden nicht gepflegt. Die Leitlinien, die wir zusammen mit dem AKSD erarbeitet haben, sind für uns auch bindend.194
Als Herausforderung wird, wie in allen anderen Einrichtungen auch, die Sprache gesehen, als wichtiger Zugang zu Klienten aus dem Ausland. So sind auch in dieser Einrichtung zwei Mediatorinnen, die fließend rumänisch und slowenisch sprechen können, unabdingbar. Auch die fehlende Identität stellt in dieser Einrichtung eine besondere Herausforderung dar: „Sie haben kein Berufsethos, sehen sich nicht als Stricher. Viele lehnen das ab, haben Probleme damit, wenn sie so betitelt werden. Wenn wir unser Angebot so anpreisen, z. B. Beratungsstelle für Stricher oder Seminare für Stricher, dann finden sie das oft abwertend und identifizieren sich nicht damit. Also wir müssen versuchen, anders an die Jungs ranzukommen. Das ist ein Indikator dafür, dass sie das selber wieder mehr tabuisieren und sich nicht in diese Ecke stellen lassen, die für sie mit Abwertung zu tun hat.“195
8. Herausforderungen an das fachliche Können der Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen Ebenso stellt die Auseinandersetzung mit der sexuellen Identität der Klienten eine Herausforderung dar. Durch die tradierten Vorstellungen von Frau und Mann, die durch die Kultur ihrer Herkunftsländer geprägt ist, entstehen Schwierigkeiten. Für die Sozialarbeiter und Sozialarbeiterinnen ist es ebenso eine Aufgabe, die Rolle der Frau, auch als
194 195
Interview III, Z. 492-502. Interview III, Z. 23-29.
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Die Auswertung
Sozialarbeiterin und die Rolle als Mannes, egal ob hetero- oder homosexuell, zu klären. Weiter wird die Beziehungsarbeit als Herausforderung gesehen. Hier das Vertrauen aufzubauen und gleichzeitig klare Grenzen zu ziehen und diese auch konsequent einzuhalten, ist in der Arbeit mit dieser Klientel eine Schwierigkeit. „Das Geschlecht und die sexuelle Identität der Sozialarbeiter spielt eine große Rolle. Man kann nicht sagen, wer die besseren sind, ob Frauen oder Männer. Das ist situationsbedingt. Frauen haben dann oft die Mutterrolle. Dann ist es auch wichtig, dass wir als schwule Männer positive Beispiele geben, was homosexuelle Männer auch sein können außer Freier. Dann gibt es Themen, die man von Mann zu Mann besprechen will. Dann gibt es Themen, wo man auf Grund ihrer Sozialisierung Frauen nicht als Ansprechpartner akzeptieren will und deswegen einen Mann braucht. Es ist wichtig, dass ein Team dieses alles anbieten kann, eine breite Vielfalt eben, wo das Geschlecht und die sexuelle Orientierung eine Rolle spielt.“196
8.2. Die Interpretation Migration gab es auch schon in der Vergangenheit und ist auch in der heutigen Zeit ein weitreichendes Phänomen. Oft wird es ausgelöst durch schlechte wirtschaftliche Verhältnisse, Überbevölkerung, militärische Verfolgung, Naturkatastrophen etc.197 Eine klare Definition gibt es nicht. Man kann sagen Migration ist „die Wanderung von Personen oder Gruppen – zuweilen geschlossener Volksgruppen - die aus einem anderen Land einreisen und damit einen ständigen oder vorübergehenden Wechsel ihres Wohnsitzes und ihres Lebensmittelpunktes vollziehen, gleichgültig auf welche Verursachung dies zurückzuführen ist.“198 Hier in der männlichen Prostitution werden auch diejenigen als Migranten angesehen, die noch ihren Lebensmittelpunkt in ihren Herkunftsländern haben und in regelmäßigen Abständen nach Deutschland kommen, um dort zu arbeiten oder von hier in andere Länder, wie Spanien, Italien und Frankreich weiterreisen, um dort nach Arbeit zu suchen. Dies bedeutet, dass sich diese Menschen zwar freiwillig in ein anderes Land begeben, jedoch die Bereitschaft zur Integration fehlt. So spricht man von einem „Push - Pull - Modell“, welches in den 60er Jahren entwickelt wurde,199 in dem der Push - Faktor die Ablehnung des eigenen Landes beinhaltet, die durch schlechte Beschäftigungsfaktoren der Herkunftsländer entsteht. Der Pull - Faktor wäre demnach die Situation in den Einreiseländern, die ein besseres Beschäftigungsverhältnis 196
Interview III, Z. 503-511. vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 269f. 198 vgl. MEISTER, 1997, S. 17. 199 Dieses Modell wurde von E.S. Lee entwickelt. 197
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Die Auswertung
aufweisen.200 Es gibt aber auch Migranten, die dauerhaft in Deutschland leben, manchmal bereits in zweiter Generation oder als anerkannte Asylbewerber hier leben. Bei diesen erfolgt eine stärkere Integration, da sie ihren Lebensmittelpunkt in Deutschland sehen und somit auch Interesse haben, die Sprache zu lernen. Zu Konflikten kann es hier innerhalb der Familien kommen, da die nachfolgende Generation soweit integriert ist, dass sie nicht mehr automatisch den ursprünglichen Traditionen und Religionen unterwirft. Die verschiedenen Interviews haben nun gezeigt, dass es sich hier um eine sehr heterogene Klientel handelt. Es zeigt sich, dass sich in den unterschiedlichen Städten unterschiedliche Migrantengruppen aufhalten, dass es hinsichtlich der Motivationen Unterschiede in den verschiedenen Städten gibt und dass man somit spezielle Hilfsangebote für das Klientel entsprechend entwickeln muss.
Einrichtung III Einrichtung II Einrichtung I München Köln Berlin 85% Migranten von ca. 60% Migranten von ca. 70% Migranten von ca. 600 Klienten jährlich 1000 Klienten jährlich 1000 Klienten jährlich Rumänische Rromas
Bulgarische Rromas
Rumänen (10% Rromas)
Bulgarische Rromas
Türken
Tschechen
Ehem. Jugoslawen
Rumänische Rromas
Slowaken
Polen
Polen
Bulgaren
Litauer
Ehem. Jugoslawen
Ungarn
Tschechen
Tschechen
Sonstige
Sonstige
Russen Sonstige
Abbildung 5: Die Tabelle zeigt in absteigender Form, welche Migrantengruppen in den jeweiligen Städten vertreten sind. Nicht mit einbezogen sind hier außereuropäische Migrantengruppen.
Durch die Interviews hat sich gezeigt, dass sich der Klientel in den verschiedenen Städten durch die so genannte Brückenkopffunktion etabliert. Dies bedeutet, dass sich einzelne Migranten in bestimmten Städten niederlassen, nach Ablauf ihres 90ig-tägigen Touristenvisums wieder in die Heimatländer zurückkehren und dort für diese Städte
200
vgl. FINK/WERNER, 2005, S. 270.
73
Die Auswertung
werben, in denen sie ihr Geld verdient haben. Es werden meistens junge Männer, Freunde, Bekannte oder Verwandte aus dem Umfeld der Migranten neugierig gemacht. Bei der Wiedereinreise nach Deutschland gehen fast alle wieder in diese Städte zurück, die ihnen vertraut sind und in denen sie sich in der Szene auskennen. Die „Neuen“ werden mitgebracht und dann sich selber überlassen, da über Prostitution nicht gesprochen wird. Die Gruppen bestimmter Länder in deutschen Städten wachsen dadurch langsam und dominieren die Szene. Dies beweist auch, dass es in der männlichen Prostitution keine festen Strukturen von Menschenhandel gibt. Das Alter der Klienten variiert, wie es scheint, je nach Polizeikontrollen und Sperrgebietsverordnungen in den jeweiligen Städten. Je weniger Polizeikontrollen bestehen, je mehr die Stricherszene in den Städten toleriert wird, desto wahrscheinlicher ist es, dass sich minderjährige Stricher in der Szene aufhalten. In Bezug auf Homosexualität in den Herkunftsländern kann man sagen, dass diese, auch wenn sie mittlerweile in Bulgarien und Rumänien rechtlich geregelt ist, nach wie vor tabuisiert wird. Hier spielen vor allem noch die jeweiligen Religionen eine wichtige Rolle, und ihre Äußerungen bezüglich der Homosexualität. „Homosexualität darf es nicht geben“ und es wird nicht akzeptiert. Dagegen wird Prostitution als Form des Gelderwerbs toleriert, jedoch nur, weil es vielen Familien zu einem besseren Lebensstatus verhilft. Männliche Prostitution wird als Thema nicht verbalisiert, sondern es bleibt ein Tabu. Die Rroma werden bereits in ihren Herkunftsländern stark diskriminiert und gelten als Unterschicht. Viele erreichen durch die männliche Prostitution einen sozialen Aufstieg, der sie weiterhin motiviert, in diesem Geschäft tätig zu bleiben und Bekannte und Verwandte nach Deutschland zu bringen. Auch HIV/ Aids gilt in vielen der Herkunftsländer als Tabu bzw. ist kein Thema, da die Zahl der Infizierten in diesen Ländern noch sehr gering ist. Es gibt weder Aufklärungsnoch Präventionsarbeit. Auf die Frage, wie viele Migranten sich in der prostituiven Tätigkeit mit HIV infizieren, kann man keine klaren Zahlen nennen, da die meisten bei Ausbruch der Krankheit wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Es gibt mit den wenigen örtlichen Einrichtungen, die mit HIV- positiven Menschen arbeiten, so gut wie keine Zusammenarbeit. Allerdings ist klar, dass durch die heterosexuelle Identität vieler Migranten passive penetrative und somit riskante Sexualpraktiken ausbleiben und somit das Risiko vermindert wird. Es ist aber auch eine erhöhte Anpassung von Migranten zu 74
Die Auswertung
beobachten, die auch eine gefestigte homosexuelle Identität entwickelt haben und dadurch auch penetrative Sexualpraktiken eingehen. Ein weiterer Aspekt ist auch die sehr große Angst vieler Migranten vor Aids, die sie vielleicht auch etwas vorsichtiger handeln lässt. Jedoch ist ein entscheidender Aspekt, dass sie durch ihre finanzielle Notsituation und ihrem mangelndem Durchsetzungsvermögen eine gefährdete Gruppe in Bezug auf HIV/ Aids darstellen.201 In den Problemen, die Migranten mit sich bringen, sind keine großen Unterschiede in Bezug auf das Herkunftsland festzustellen. Allgemein gilt, dass alle Migranten eine falsche Vorstellung davon haben, wie die Situation in Deutschland ist, dass sie nicht mit der Idee nach Deutschland reisen, in der Prostitution tätig zu sein, sondern andere Jobs anzunehmen. Die Migranten flüchten vor der Armut in den Herkunftsländern und Deutschland gilt als das Paradies, in dem es grenzenlos Arbeit gibt. So werden viele Migranten obdachlos, weil sie mit der Situation überfordert sind und enttäuscht darüber, dass es hier nicht ihren Vorstellungen entspricht. Es hat sich gezeigt, dass die meisten Migranten, die in der männlichen Prostitution arbeiten, diese Tätigkeit vorübergehend ausüben wollen, um so ihren Traum einer eigenen Familie und einem eigenem Haus erfüllen zu können. Die soziokulturellen Unterschiede zwischen Deutschland und den Herkunftsländern können zu Konflikten führen und bestätigen sie dadurch als Außenseiter in Deutschland. Sie fühlen sich nach wie vor verwurzelt in ihren Heimatländern, was zur Folge hat, dass sie sich nicht integrieren, die deutsche Sprache nicht lernen wollen, dass sie wenig Kenntnisse über Gesetze und Sozialsysteme haben und Deutschland nutzen, um an schnelles Geld zu gelangen. Ein anderes Problem entsteht bei der Anpassung von Migranten in der Szene in der Gesellschaft, da das Risiko in eine Drogenabhängigkeit zu geraten, steigt. Sehr viele deutsche Stricher leiden unter einer Drogenabhängigkeit oder konsumieren regelmäßig und auch die Zahl der drogenabhängigen Migranten steigt. Alle drei Einrichtungen berichteten, dass ein großes Problem sowohl die fehlende Identität in Bezug auf Homosexualität als auch auf Prostitution ist. Es wurde sogar berichtet, dass zum Beispiel ausgeschriebene Seminare für Stricher von den Strichern nicht angenommen werden, da sich diese nicht als solche sehen. Da viele nach kurzer Zeit feststellen, dass das Leben in Deutschland nicht das bringt, was sie sich erwartet
201
vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 270ff.
75
Die Auswertung
haben, kann es zu einer Identitätskrise kommen und in der Folge auch zu einer Lebenskrise. Die Migranten sind in der Jugendphase und können keine Lebensplanung entwickeln. Der ungesicherte Aufenthaltsstatus trägt zusätzlich zu dieser Krise bei. Sich darüber hinaus noch mit der eigenen sexuellen Identität zu beschäftigen, ist für viele eine Überforderung.202 Dies erschwert den Zugang zu dieser Klientel um ein Vielfaches und deshalb muss zunächst Unterstützung bei der Identitätsfindung geleistet werden. Die Klientel in diesem Arbeitsbereich kann relativ schnell wechseln. So ist es durchaus möglich, dass auf Grund der Erweiterung der EU schon bald die Migranten aus den Ländern Russland und Moldawien, die sich im Moment nur als Asylanten in Deutschland aufhalten, in der Prostitution zu finden sind. Viele junge Männer aus dem ehemaligen Jugoslawien haben als Kriegsflüchtlinge in Deutschland Schutz gesucht und sind in der Prostitution gelandet, da die Gesellschaft wenige Möglichkeiten bieten konnte, diesen Menschen Arbeit zu geben. Für die jeweiligen Einrichtungen bedeutet dies eine finanzielle Belastung durch zusätzlich kulturelle Mediatoren dieser Länder und eine hohe Flexibilität in der Arbeit und dem Einbeziehen der jeweiligen Kulturen. Dieses Verständnis für deren Heimatländer und Kulturen ist äußerst wichtig, um die Klienten zu verstehen und professionell mit ihnen arbeiten zu können. Es hat sich in den Interviews gezeigt, dass alle Einrichtungen es für wichtig halten, dass in diesem Arbeitsbereich Frauen, homo- und heterosexuelle Männer arbeiten. Homosexuelle Männer in dieser Arbeit haben eine Vorbildfunktion im Coming Out, sollen Vorurteilen gegen Homosexuelle entgegenwirken und das widerspiegeln was Homosexualität auch sein kann. Der Mann als Ansprechpartner ist wichtig, da bestimmte Themen lieber mit Männern als mit Frauen besprochen werden. Hingegen nimmt die Frau unter anderem die Rolle der Mutter ein, die Vertrauen und Sicherheit für die Klienten schafft. Dies bringt natürlich wieder Probleme mit sich, da Frauen, vor allem in der Arbeit mit Migranten, ihren Status als professionelle Arbeiterinnen und nicht nur als Frau und Mutter klarstellen müssen.
202
76
vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 271f.
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
9.
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
9.1. Ziele der sozialen Arbeit Als Hauptziel aller Projekte steht die gesundheitliche Verbesserung der Situation der Klienten bzw. ein Gesundheitsbewusstsein zu erreichen und Wissen über sexuell übertragbare Krankheiten zu vermitteln, um dadurch deren psychische und physische Lebensverhältnisse zu verbessern. Hier hat der AKSD detaillierte Ziele formuliert, die wiederum für alle Institutionen gelten, die Mitglied des AKSD sind. •
Emanzipation: Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn ein Stricher die Fähigkeit erlangt hat, seine eigenen Bedürfnisse anzumelden, seinen eigenen Willen zu behaupten und die Hoffnung aufgegeben hat, in der Prostitution Liebe und Geborgenheit zu finden. Dies bedeutet auch, mit einem klaren Bewusstsein bzw. Professionalität in Bezug auf ihre Arbeit, sexuelle Identität, Unabhängigkeit von sozialen Hilfesystemen und so eine geregelten Wohnsituation.
•
Psychische Stabilität: Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn ein Stricher zerstörerische Emotionen durch angemessene Bewältigungsstrategien ersetzen kann. Dies bedeutet, die eigenen negativen Erfahrungen aus der Familie, Heim, Straße und Szene erkannt zu haben bzw. zu erkennen. Psychische Stabilität in diesem Zusammenhang bedeutet aber auch die Fähigkeit, Konflikte zu lösen, Gefühle zu zeigen und eine bestimmte Frustrationstoleranz erlernt zu haben.
•
Erfolgreiche Identitätsbildung: Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn ein Stricher gelernt hat, sowohl eine Identität als Stricher als auch zu seiner Sexualität zu bilden, d. h. eine gefestigte sexuelle Orientierung zu haben und sich dadurch auch positiv selbst erleben.
•
Körperbewusstsein: Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn ein Stricher gelernt hat, seinen eigenen Körper und die Gesundheit wertschätzen und seine Körpersignale zu achten. Das bedeutet, dass Safer Sex- Praktiken angewandt werden, dass ein bewusster Umgang mit Drogen besteht und dass bewusst auf Körperhygiene geachtet wird.
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
•
Soziale Stabilität: Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn ein Stricher gelernt hat, ein soziales Umfeld zu schaffen, das sich aus Verbindlichkeiten, Berechenbarkeit und Lebensperspektiven zusammensetzt. Dies bedeutet, dauerhafte Freundschaften und Beziehungen eingehen zu können, in soziale Netzwerke integriert zu sein und das Aufsuchen von Ansprechpartnern bei akuten Problemen.
•
Professionelles Arbeiten in der Prostitution: Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn ein Stricher gelernt hat, bewusst anzuschaffen und die Ausübung nicht dem Zufall überlässt. Auch die Abgrenzung zu Freiern und Wissen über Sexualpraktiken und Safer Sex gehört dazu. Dies bedeutet auch, die Erkenntnis zu gewinnen, den Ort der Prostitution bestimmen zu können, Absprachen mit Freiern zu treffen, sich selbst Grenzen zu setzen und Pläne in Bezug auf Altersvorsorge zu treffen.
•
Entdiskriminierung der männlichen Prostitution: Dieses Ziel ist dann erreicht, wenn ein Stricher gelernt hat anzuschaffen, ohne für sich einen gesellschaftlichen Nachteil zu haben. Dies bedeutet, dass sein Anschaffen nicht verheimlicht wird und seinerseits eine positive und selbstbewusste Haltung gegenüber der Prostitution besteht. Die Prostitution muss als Beruf anerkannt werden und die Leistungen rechtlich abgesichert sein, so dass damit bewusst und vorurteilsfrei mit diesem Thema auf gesellschaftlicher Ebene umgegangen wird. Ziel ist auch eine gegenseitige Akzeptanz innerhalb bestimmter Szenen und Einrichtungen.
9.2. Notwendigkeiten in der Arbeit mit Migranten Im folgenden Abschnitt wird nun genau darauf eingegangen, welche Arbeitsbereiche und Methoden für die Arbeit mit jungen ausländischen Migranten notwendig sind. Natürlich sind bestimmte Arbeitsbereiche und Methoden nicht nur für die Arbeit mit Migranten sinnvoll, sondern allgemein mit der Klientel in der männlichen Prostitution, jedoch werden nun die relevanten Ansätze für professionelles Arbeiten mit Migranten zuerst dargestellt. Besonders wichtig für einen guten Zugang zu jungen Migranten, ist das Medium zu finden, das sowohl Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterin und Migrant miteinander verbindet. Dieses Medium ist die gemeinsame Sprache. Durch den Erstkontakt in der eigenen Landessprache kann Vertrauen geschaffen werden, da der Mensch im Vordergrund steht 78
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
und nicht ihre sexuellen Dienstleistungen. So entsteht eine Verbindung, bei der sich der Klient über sein Land identifizieren kann. Deswegen ist es unabdingbar, kulturelle Mediatorinnen und Mediatoren zu haben, die durch ihr sprachliches Wissen eine Verbindung zu der entsprechenden Klientel aufbauen können. Diese können der Institutionsscheu der Migranten entgegenwirken und sie über Angebote spezieller Einrichtungen aufklären. Aber nicht nur die Sprache ist hier von Nöten, es muss auch kulturelles Wissen über die Herkunftsländer bestehen. Darum machen einige Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter von Stricherprojekten Reisen in die Herkunftsländer, zum Beispiel nach Rumänien und Bulgarien, um sich dort selber einen Überblick über die Situation zu verschaffen, um Kontakte zu knüpfen mit Einrichtungen, die sich mit Prostitution und HIV/Aids befassen und nicht zuletzt um einen Einblick in die Kultur zu bekommen. Besteht guter Kontakt zu Klienten, ist es hilfreich, auch deren Angehörige zu besuchen, um sich ein Bild über die Herkunft und das soziale Umfeld zu verschaffen.203 Wichtig ist es besonders im Umgang mit Migranten, behutsam mit den Themen Homosexualität und Prostitution umzugehen und dabei die kulturspezifischen Besonderheiten zu berücksichtigen. Das gilt vor allem bei den Erstkontakten. Zu dem Aufgabenbereich eines kulturellen Mediators gehört also nicht nur eine Verbindung über das Heimatland herzustellen, sondern sie sollen auch Coming Out-Hilfen für Migranten anbieten, da Information über Sexualität, Männlichkeit, Werte und Normen und ein Verständnis für psychosoziale Entwicklungsprozesse in der eigenen Sprache besser vermittelt werden kann, um damit den Migranten besondere Unterstützung in ihren Coming Out - Versuchen zu bieten. Nur mit Hilfe kultureller Mediatoren/ Mediatorinnen kann so eine kulturell- sensitive Aufklärungsarbeit, abgestimmt auf die jeweilige Kultur, stattfinden.204 Aufklärungsarbeit ist ein wichtiger Aufgabenbereich, mit der sich die soziale Arbeit auseinandersetzen muss. Die meisten Migranten bringen so gut wie kein Wissen über HIV/Aids, STI und die Bedeutung von sozialer Arbeit mit. Hier ist es wichtig, Klarheit darüber zu schaffen, was professionelles Sozialarbeiten in einer Einrichtung bedeutet. Es muss klar definiert werden, was die Aufgabenbereiche einer Sozialarbeiterin und eines Sozialarbeiters sind, und welche Motivationen sie zu dieser Arbeit bewegen. 203 204
vgl. Interview I, Zeile 100ff sowie Interview II, Z. 440ff. Vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 272.
79
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
Besondere Aufklärungsarbeit muss für die Akzeptanz der Frau als Sozialarbeiterin geleistet werden. Da Heterosexualität oft unter Beweis gestellt wird, ein fehlendes Verständnis für soziale Arbeit vorliegt und das Bild der Frau nicht mit dem in Deutschland übereinstimmt, kann es zu Grenzüberschreitungen kommen. Viele Migranten hegen großes Misstrauen gegenüber Einrichtungen und Sozialarbeiterinnen/ Sozialarbeitern. Sie haben Angst von der Polizei aufgefasst, abgeschoben oder ausgewiesen zu werden und ein Wiedereinreiseverbot erteilt zu bekommen. Außerdem drohen ihnen Sanktionen im Heimatland auf Grund ihrer Homosexualität. Deswegen verhalten sie sich häufig sehr unauffällig und meiden Kontakte zu Streetworkern/ Streetworkerinnen, da diese ihrer Meinung nach, der verlängerte Arm des Gesetzes sind.205 Sie tauchen ab in die Illegalität, wo sie dann für Präventionsarbeit nicht mehr greifbar sind.206 Nur mit Hilfe von Aufklärungsarbeit können diese Verurteile behoben werden. Auch bei der physischen Gesundheit ist Aufklärungsarbeit unumgänglich, um dann erst Präventionsarbeit leisten zu können. Viele der Migranten, besonders die Rroma- Jungs haben keine Vorstellung von Safer Sex -Praktiken. So muss ein Verständnis und eine Vorstellung für Safer Sex geschaffen werden, auch hier ist die Hilfe eines kulturellen Mediators unumgänglich. Für eine gelingende HIV/Aids und STI- Prävention ist es wichtig, dass die Migranten eine gefestigte sexuelle Identität haben. So sollen intensive Beratungs- und Betreuungsangebot in den Stricherprojekten stattfinden, in denen sich die Migranten intensiv mit der eigenen Sexualität und Identität auseinandersetzen. Das ist die Grundlage einer effektiven Präventionsarbeit, da Prävention in diesem Bereich immer im Zusammenhang mit der jeweiligen sexuellen Identität vermittelt werden soll.207 Nur über Grundversorgungsangebote in den Stricherprojekten bzw. in den Anlaufstellen208 führt der Weg zu intensiven Beratungs- und Betreuungsangeboten. Hauptsächlich durch aufsuchende Sozialarbeit wird der Zugang zu Migranten geschaffen und findet häufig auf der Straße statt. In einigen Städten haben sich Ärzte dazu bereit erklärt, in einem Wohnmobil medizinische Versorgung anzubieten. Hier können die Klienten behandelt werden, können kostenfreie Impfungen gegen Hepatitis A und B
205
vgl. AKSD- Leitlinien, 2003, S. 144. vgl. AKSD- Leitlinien, 2003, S. 166. 207 vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 273. 208 vgl. Punkt 2.2. dieser Arbeit. 206
80
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
bekommen, sich regelmäßig auf sexuell übertragbare Krankheiten untersuchen lassen und können ärztlichen Rat einholen. Wichtig ist es Printmedien zu verteilen, die Information und Wissen über HIV/Aids, STI und Angebote der Anlaufstellen beinhalten, jeweils in den Sprachen der unterschiedlichen Herkunftsländer der Migranten. Die Übersetzungen müssen so formuliert werden, dass es auf Grund der unterschiedlichen Kulturen nicht zu Beleidigungen oder Missverständnissen kommen kann, über deren Normen und Werte. Vielmehr soll eine kulturgemäße Diskussion herbeigeführt werden und durch aktive Beteiligung der Migranten gemeinsame Lösungsstrategien und Lösungswege erarbeitet werden. Es ergeben sich finanzielle Schwierigkeiten in der medizinischen Versorgung der Migranten, da sie nicht krankenversichert sind Abb. 6: Wohnmobil der Einrichtung SUB/WAY e.V.Berlin
und somit keinen Anspruch auf die üblichen Angebote im Sozial- und Gesundheitswesen
haben. Durch Spenden und Patenschaften von Privatleuten werden in einigen Einrichtungen diese Angebote geschaffen und aufrechterhalten. Ein wichtiger Bestandteil in der Arbeit mit Migranten sind Beratungsgespräche. Wo es in Beratungsgesprächen mit deutschen Strichern häufig um die Themen Professionalisierung im Bereich der Prostitution geht, sexuellen Missbrauch, Sozialhilfeberatungen und Wohnungssucheunterstützung oder um Ausstieg aus der Prostitution, fokussiert sich die Beratung für Migranten auf den ausländerrechtlichen Bereich. Es wird Unterstützung angeboten bei Anträgen von Aufenthaltserlaubnissen jeglicher Art, bei Asylberatung, bei Antrag auf Befristung bei Einreisesperren, über die Möglichkeit zum Studium in Deutschland und Deutschkursen, über Saisonarbeiterregelungen, über spezielle Ausbildungsmöglichkeiten für Migranten, Visumsverlängerung bzw. Überschreitung und juristische Vertretung bzw. Beistand bei gerichtlichen Verfahren. Ebenso werden Information gegeben über weltweite Visumsregelungen, über Arbeitserlaubnisse in Deutschland und über Möglichkeiten eines geregelten Aufenthaltes durch Heirat.209
209
Vgl. DAH-Seminar: Protokoll vom 05.-07.12.2005.
81
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
Dies erfordert gute Kenntnisse der Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen im Ausländerrecht.
9.3. Professionalität in der Stricherarbeit Um seitens der Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen professionell arbeiten zu können, wurden vom AKSD bestimmte Leitideen, basierend auf den Erfahrungen dieser Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen entwickelt, die sowohl Möglichkeiten aber auch Grenzen in der Arbeit mit Strichern aufzeigen. Auch bei der Befragung der einzelnen Einrichtung hat sich gezeigt, dass folgende Merkmale sowohl bei Konzeptentwicklungen aber vor allem bei der praktischen Arbeit im Mittelpunkt stehen müssen. „Professionalität ist das Wichtigste, sonst hält man es nicht aus.“210 Zur Professionalität gehört, wie ein anderer Mitarbeiter einer Einrichtung beschreibt, dass man erkennt, dass die Klientel in dieser Arbeit überwiegend aus Migranten besteht und somit auch die Angebote dementsprechend auf diese Klientel ausgerichtet werden muss. •
Akzeptanz: Diese spielt in der Arbeit mit Strichern eine große Rolle. Es ist wichtig, die Themen der Klienten anzunehmen ohne dass Moral- und Wertevorstellungen der Mitarbeiter hier einfließen und ohne den Lebensstil der Klienten zu beurteilen. Die Ziele des Klienten, der Klient entscheidet über seine Ziele, stehen im Mittelpunkt und müssen berücksichtigt werden.
•
Parteilichkeit: In der Beziehungsarbeit mit Strichern bedeutet Parteilichkeit für den Stricher, dass klar gezeigt wird, dass Sozialarbeiter ausschließlich für die Stricher da sind und somit nur in seinem Auftrag handeln. Es ist aber von großer Bedeutung, dass nicht nur die Interessen des Einzelnen vertreten werden, sondern die der gesamten Zielgruppe. Es muss für die Klientel eine klare Abgrenzung zur Freierarbeit ersichtlich sein. Einige Einrichtungen verzichten sogar gänzlich auf die Arbeit mit Freiern, um sicherzustellen, dass die Parteilichkeit nur den Strichern gilt, und um ihr Vertrauen nicht zu verlieren. Parteilichkeit bedeutet auch, den Strichern zu signalisieren, dass es ihnen erlaubt ist, auf den Strich zu gehen. Respektvolle Kritik kann hilfreich und sinnvoll sein und muss nicht die Parteilichkeit in Frage stellen.
210
82
INTERVIEW I, Zeile 532- 533.
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
•
Abgrenzung: Viele Stricher weisen starke sexualisierte Verhaltensweisen auf, die auch oft gegenüber den Mitarbeitern gezeigt werden. Durch die gesellschaftliche Isolation und die erlebten Grenzverletzungen, hat die Beziehung der Stricher zu den Sozialarbeitern/ Sozialarbeiterinnen einen hohen Stellenwert. Die ständige Auseinandersetzung mit Nähe und Distanz ist hier erforderlich und es muss seitens der Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen klargestellt werden, dass sie nicht als „Flirtpartner“ in Frage kommen. Einige Einrichtungen haben Vertragsklausel, die besagen, dass bei Austausch von privaten Telefonnummern die Kündigung droht. Viele Migranten wollen ihre Heterosexualität unter Beweis stellen und somit sind vor allem Sozialarbeiterinnen Zielobjekte. Professionelle Arbeit bedeutet hier sich klar aus der freundschaftlichen Rolle zu entziehen.
•
Anonymität: Durch die hohe Institutionsscheu sowohl deutscher als auch ausländischer Stricher ist es wichtig für sie, anonym zu arbeiten um den Klienten Sicherheit und Vertrauen zu geben. Es sollten Namen der Klienten nur unter Absprache an Dritte weitergegeben werden.
•
Freiwilligkeit: Es besteht keine Verpflichtung durch Institutionen für Stricher, solche Einrichtungen in Anspruch zu nehmen. Dies bedeutet, den Klienten klar die Möglichkeiten, Angebote und Ziele einer Einrichtung zu offenbaren, um so das Interesse dieser zu wecken.
•
Empowerment: Im Mittelpunkt steht hier die Stärkung des Selbstwertgefühls und die Fähigkeit zur Selbstbehauptung. Viele Stricher zeigen eine defizitäre Selbstbetrachtung, die durch den Ausschluss aus der Gesellschaft und ihre problematische Lebenssituation bedingt ist. Es ist wichtig, dass die Fähigkeiten der einzelnen Klienten hervorgehoben und entsprechend bestärkt werden. Dadurch soll ein eigenverantwortliches und selbstbewusstes Handeln angeregt werden.
•
Verlässlichkeit: Es ist wichtig der Klientel in dieser Arbeit Kontinuität und ein verlässliches Angebot sowie geregelte Zeiten zu bieten. Das heißt, nicht nur die Anlaufstellen sollten ihre festen Zeiten haben, sondern auch die regelmäßige Präsenz der Streetworker/ Streetworkerinnen in der Szene und klare Regeln sind notwendig, um die Verlässlichkeit zu fördern. Der Lebensrhythmus der Stricher ist sehr flexibel, spontan und geprägt von Unsicherheiten und Unregelmäßigkeiten. Deswegen ist seitens der Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen auch Flexibilität und Spontaneität gefragt. Die Klienten müssen sich auf die Mitarbeiter/ Mit83
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
arbeiterinnen verlassen können. Allerdings muss weiterhin genügend Freiraum für die Stricher bestehen, um nicht durch bindende Strukturen die Klienten wieder abzuschrecken. •
Bedürfnisorientierung: Diese setzt den Respekt gegenüber der Lebenswelt der Stricher voraus. Unter bedürfnisorientiertem Arbeiten versteht man eine regelmäßige Bestandaufnahme der Zielgruppe und regelmäßige Evaluation der Angebote, ständige Weiterentwicklung von Konzepten und deren Umsetzung. Die Partizipation der Stricher selbst muss gewährleistet sein, damit so eine Identifikation mit den Projekten erzeugt wird. So richtet sich die Arbeit mit Strichern auf deren Bedürfnisse aus.
9.4. Arbeitsbereich und Methoden in der Stricherarbeit Die Methoden und Arbeitsweisen, die vom AKSD211 entwickelt wurden, gelten nicht speziell für Migranten in der männlichen Prostitution, sondern allgemein für die soziale Arbeit in der männlichen Prostitution. Zu jedem Arbeitsbereich gehören bestimmte Arbeitsmethoden, die bestimmte Handlungen erfordern und die entsprechende Fachkenntnis voraussetzen. Durch die jahrelange Erfahrung der Mitarbeiter, die in dem AKSD zugehörigen Stricherprojekten arbeiten, wurden folgende Arbeitsbereiche und Arbeitsmethoden entwickelt, die in der Arbeit mit Strichern unbedingt erforderlich sind: •
Streetwork: Aufsuchende Sozialarbeit oder Straßensozialarbeit ist die häufigste Kontaktform, bei der die Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen in den Lebensraum der Klienten eintreten, wie Bahnhöfe, Parks, Bars und Kneipen. Diese Mitarbeiter/ Mitarbeiterinnen sollten immer in die Arbeit von Anlaufstellen eingebunden sein, um die Kontinuität zwischen den bestehenden Angeboten zu fördern. Gerade in der Arbeit mit Migranten ist Streetwork erforderlich, da Streetwork oft den einzigen Zugang bedeutet. Hauptziel der Streetwork ist es, Erstkontakte zu Strichern zu knüpfen, auf die Angebote der jeweiligen Anlaufstellen zu verweisen und einen Überblick über die Situation der Stricher zu bekommen. Durch den Einblick in deren Lebenswelt können gezielte Hilfen angeboten werden. Da
211
84
vgl. Punkt 2.2 dieser Arbeit.
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
der Streetworker/ Streetworkerin direkt in die Lebenswelt der Stricher eintreten, ist es wichtig die Stricher in ihrer Anonymität zu belassen und entsprechende Hilfen anzubieten und nicht als Kontrollinstanz zu erscheinen, sondern viel mehr als parteilicher Informationsträger. Die Fortsetzung des Kontaktes in den Anlaufstellen ist notwendig, da Räumlichkeiten der Streetwork nicht die passenden Bedingungen für z. B. eine intensivere Beratung darstellen. •
Anlaufstellen: Als weiteres niedrigschwelliges und szenenahes Angebot dienen die Anlaufstellen. Hier erfolgen Beratungs- und Informationsgespräche und die Grundbedürfnisse in psychischer und physischer Form der Klienten können ebenso befriedigt werden. Es besteht nicht die Notwendigkeit zu Terminvereinbarungen, sondern die Möglichkeit, Beratungen und Angebote in Anspruch zu nehmen, die auf die Lebensweise der Klientel zugeschnitten ist.212 •
Einzelhilfe und Beratung: Diese Methoden werden genutzt, um Strichern in der Bewältigung psychosozialer Probleme zu unterstützen bzw. um eine Verbesserung der Lebenssituation der Stricher zu erreichen. Dies bedeutet, Hilfestellungen und Hilfsangebote zu entwickeln, die gezielt auf den Einzelnen gerichtet sind und dessen Problemlage entsprechen. Hier gilt der Ansatz, Hilfe zur Selbsthilfe zu bieten. Es
Abb. 7: Beratungsraum der Einrichtung looks e. V.
ist eine besondere Feinfühligkeit erforderlich, da diese Klientel immer
noch starke Vorurteile gegenüber den Beratern hegt. Zu diesem Bereich gehört auch die Vermittlung an weiterführende Stellen oder Organisationen sowie die Gefangenenbetreuung oder der Besuch von Klienten in Psychiatrien. Zum wesentlichen Bestandteil der psychosozialen Arbeit zählt die Beziehungsarbeit, welche eine permanente Reflexion erfordert, eine relative Ich-Stärke sowie Fach- und Sachkompetenz auf Grund der hohen emotionalen Belastung. Für den
212
Vgl. Punkt 2.2. dieser Arbeit
85
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
Stricher ist die Beziehungsarbeit sehr wichtig, da hier neue Verhaltensmuster ausprobiert werden und entstehen können. Darüber hinaus können neue Konfliktlösestrategien entwickelt werden, bei denen der Stricher lernt mit Aggression und Wut besser umgehen. •
Medizinische Versorgung: Nicht nur die aktive medizinische Versorgung steht im Vordergrund, sondern es ist auch Ziel, die Hemmschwellen gegenüber ärztlichen Hilfen und institutionellen Organisationen abzubauen. Deshalb ist es wünschenswert, eine enge Kooperation mit den örtlichen Gesundheitsämtern und Ärzten aufzubauen, um so eine effektive medizinische Versorgung und Präventionsarbeit leisten zu können. Hilfreich ist ein ständiges Angebot für Stricher, dass diese sich regelmäßig auf sexuell übertragbare Krankheiten untersuchen lassen können, sich kostenfrei gegen Hepatitis A und B impfen lassen können und der Möglichkeit einer dementsprechenden Behandlung. Zudem soll erreicht werden, dass ein verantwortungsbewusster Umgang mit diesen Krankheiten erzielt wird, um die Lebenssituationen der Stricher zu verbessern. Das Angebot muss freiwillig, anonym und kostenfrei sein, da viele Stricher, nicht nur Migranten, nicht krankenversichert sind und oftmals sehr skeptisch gegenüber repressiven Maßnahmen sind. Auch in diesem Bereich ist die aufsuchende Arbeit in der Szene eine wichtige Methode.
•
Vernetzung auf nationaler und internationaler Ebene: Da es in der männlichen Prostitution häufig zu Wanderungsphänomenen der Klienten in Städte im innerund außereuropäischen Ausland kommt und die Problemkonstellationen der Stricher sehr kompliziert und vielschichtig sind, ist eine Zusammenarbeit der jeweiligen Stricherprojekte und anderen sozialen Einrichtungen sehr wichtig. Um möglichst effektive und für die Klientel erfolgreiche Hilfestellungen bieten zu können, ist eine Vernetzung auf nationaler und internationaler Ebene erforderlich. Damit ist der Erfahrungsaustausch der einzelnen Einrichtungen gemeint, die Empfehlung ausländischer Einrichtungen, die zum Beispiel Hilfe für HIVpositive Klienten im Ausland anbieten.
•
Öffentlichkeitsarbeit: Die Öffentlichkeitsarbeit dient vor allem dem Bewusstmachen von prostitutionsspezifischen Themen in der Gesellschaft. Durch Informationsarbeit und Informationsgespräche für Schüler/ Schülerinnen und Studenten/ Studentinnen, durch Printmedien, Presseberichte und persönliche Einladungen zum Kennen lernen der Einrichtungen. Dadurch soll die Gesellschaft sensibili-
86
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
siert werden, um Stigmatisierung und Diskriminierung abzubauen, die immer noch in unserer Gesellschaft besonders in Bezug auf Prostitution, Homosexualität und Migration vorhanden sind. •
Peer-Involvement: Dies bedeutet, dass Gleiche von Gleichen lernen. Da es in der Stricherszene nur vereinzelt zu Gruppenbildungen kommt, auf Grund der starken Mobilität der Stricher, ist diese Szene eher geprägt durch Vereinzelung. Es muss hier mit Multiplikatoren gearbeitet werden, die in speziellen Schulungen ausgebildet werden und meist aus der Szene stammen. Die Ausgabe von Stricherzeitungen dient weiter als wichtiges und für Stricher relevantes Mittel, um Information verbreiten zu können. Bei den Migranten kommt es häufiger zu Gruppenbildungen auf Grund ihrer gemeinsamen Herkunft, Kultur und Sprache. Einzelne Migranten werden somit als peer-educator genutzt, um auch an schwer erreichbare Migranten Präventionsmaterialien und Informationen weitergeben zu können. Durch peer-involvement soll aber auch das Selbstbewusstsein der Stricher durch die Kenntnis über, z. B. Infektionswege von STI, Sexualpraktiken und HIV-Relevanzen gestärkt werden und durch Training eine Sicherheit gegenüber Freiern eingeübt werden, um Ausbeutung zu verhindern. Jedoch scheitert diese Methode auf Dauer, da viele Jungs wandern und die Multiplikatoren einen Unsicherheitsfaktor im Hinblick auf Verlässlichkeit darstellen.
•
Präventionsarbeit: Der bekannte Ansatz aus der Präventionsarbeit, wo zwischen Primärprävention, Sekundärprävention und Tertiärprävention unterschieden wird, ist auch in der Gesundheitsprävention in der Stricherarbeit zu finden. So wird unter Primärprävention die Verhütung und die Vorbeugung von Infektionen und Krankheiten gesehen. Unter Sekundärprävention werden die Verhütung und die Vorbeugung eines erneuten Auftretens einer Krankheit verstanden und die Tertiärprävention, ist die Verhütung und Vorbeugung einer Verelendung.213 Die Orte, an denen die Präventionsarbeit stattfindet, sind nur durch aufsuchende Sozialarbeit zu erreichen. Man arbeitet mittlerweile nicht nur in der Gesundheitsprävention, sondern hat Präventionskonzepte erarbeitet, die einen Eintritt in die Prostitution verhindern bzw. reduzieren sollen. So war SUB/WAY e.V. in Berlin eine der ersten Einrichtungen, die Präventions- und Aufklärungsarbeit in Schulen ins Leben gerufen
213
vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 198f.
87
Schlussfolgerungen für die soziale Arbeit
hat, um dort Mädchen und Jungen über Pädophilie und deren Strukturen aufzuklären. Es wird gemeinsam mit den Kindern erarbeitet, wie man solche Männer erkennt, was zu tun ist, falls es zu solchen Annäherungsversuchen kommt und man versucht ihnen ihre Hemmung zu nehmen, diese Themen mit Erwachsenen anzusprechen. Durch die immer größer werdende virtuelle Szene im Internet, die für die Sozialarbeiter/ Sozialarbeiterinnen nicht mehr durch persönliches Streetwork erreichbar ist, ist es äußerst sinnvoll, auch in diesen Portalen Präventionsarbeit zu leisten. Man kann auch im Internet klare verlässliche Angebote schaffen, kann Online-Beratungen anbieten oder auch Erstkontakte zu Klienten knüpfen. Deswegen ist es wichtig, auch Seiten einzurichten, auf denen Jungs die Möglichkeit haben, Informationen über relevante Themen zu bekommen. Auch in der Arbeit mit Migranten ist das Internet von Vorteil, da Seiten in bestimmten Portalen eingerichtet werden können, die dann über die Situation in Deutschland aufklären, um zu verhindern, dass junge Männer und Jugendliche durch die große Enttäuschung von Deutschland in die männliche Prostitution gelangen.214
9.5. Aussichten In dem Bereich der männlichen Prostitution wird Migration immer ein Thema bleiben. Die Klientel ist einem ständigen Wandel unterzogen, der abhängig ist von unterschiedlichen Faktoren wie EU-Zugehörigkeit, wirtschaftliche Situation und politische Lage der Herkunftsländer. Noch vor einiger Zeit haben sich vor allem polnische und tschechische junge Männer in dieser Szene aufgehalten. Heute sind es zunehmend Migranten aus Rumänien und Bulgarien. Durch die immer größer werdende materielle Not ist ein Anstieg von russischen und moldawischen jungen Männern zu beobachten. Dies bedeutet für die soziale Arbeit erneut umzudenken und sich wieder in andere Kulturen hinein zu versetzten. Frühzeitige Präventionsstrategien und das Vorbereiten durch kulturelles Wissen auf diese Klientel sind notwendig, um so frühzeitig die geeigneten Hilfestellungen geben zu können.
214
88
vgl. FINK/ WERNER, 2005, S. 263f. sowie INTERVIEW II, Zeile 478ff.
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Anhang 1: Abbildungsverzeichnis
11. Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: graphische Stichprobe. Quelle: eigener Entwurf. Abbildung 2: Abbildung des Bereiches vor der Einrichtung sub/ way in Berlin. Quelle: eigene Photografie. Abbildung 3: Karte von den Ländern in Osteuropa, zu sehen vor allem Rumänien und Bulgarien. Die roten Markierungen sind gekennzeichnete Städte, aus denen Klienten stammen in der Einrichtung sub/ way Berlin. Quelle: eigene Photografie. Abbildung 4: Abbildung des Türschildes von looks e. V. in Köln. Quelle: eigene Photografie. Abbildung 5: Graphik über die Klienten der verschiedenen Länder in absteigender quantitativer Folge. Quelle: eigener Entwurf. Abbildung 6: Wohnmobil für medizinische Zwecke und Kurzerholungsraum für Klienten von sub/ way in Berlin. Quelle: eigene Photografie. Abbildung 7: Abbildung eines Beratungszimmers in der Einrichtung looks e.V. in Köln. Quelle: eigene Photografie.
95
Anhang 2: Interviewleitfaden
12. Interviewleitfaden
Interviewleitfaden für die Befragung zur Diplomarbeit „Tabuthema männliche Prostitutioneine Herausforderung für die soziale Arbeit“ Daten der InterviewpartnerIn Alter Beruf (wie lange) Motivation für diese Arbeit
Tabuisierung männlicher Prostitution persönlich Stricher und Freier Gesellschaft
Stricher Herkunftsländer der Stricher – Situation dieser Länder Aktuelle Zahlen in dieser Stadt, deutschlandweit Kulturelle Hintergründe Homosexualität, Prostitution in diesen Ländern Aufenthaltsstatus ( wie lange bleiben die meisten in D.) Identitäten / Professionalität der Stricher Motivation der Stricher Wanderungsphänomen und Wohnsituation (obdachlos, beim Freier, eigene Wohnung..) Schleuserorganisationen
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Anhang 2: Interviewleitfaden
Freier speziell Freiertypen aktuelle Zahlen Gewalt zwischen Freier und Stricher Identitäten der Freier Geschlechterverteilung Zugang zu Freiern und Zusammenarbeit
Erfahrungen in der Praxis Konkreter Ablauf eines Hilfeprozesses (Kontaktaufnahme, Ziele, Erfolge) Erschwernisse/ Hindernisse in der Kontaktaufnahme verglichen mit deutschen Strichern Umgang mit Erschwernissen Konkrete Beispiele
Problemlagen von Strichern Probleme und Konflikte aus den Herkunftsländern Probleme und Konflikte in Deutschland in Bezug auf -
Integration
-
Gewalt
-
den Aufenthaltsstatus
-
die Wohnsituation
-
psychische Auffälligkeiten oder Störungen
Probleme und Konflikte zwischen deutschen und ausländischen Strichern
Gesundheit Umgang mit HIV/ Aids und STD verglichen zu deutschen Strichern Aufklärung von Safer Sex- Praktiken Drogenabhängigkeit
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Anhang 2: Interviewleitfaden
Herausforderungen und Grenzen für die soziale Arbeit Herausforderungen und Grenzen Ziele Rolle des Geschlechts der SozialarbeiterIn ( Wer hat besseren Zugang; Ängste…) Utopien Defizite
Aufgabenbereiche der SozialarbeiterIn Kooperation mit anderen Institutionen im Inland und Ausland (weiterführende Projekte im Ausland, Zusammenarbeit mit Einrichtungen) Reflexionsmöglichkeiten ( gibt es die Möglichkeit, besteht Bedarf) Zeitlich räumliche Organisation der Arbeit (Flexibilität durch Erreichbarkeit der Klienten, Streetwork, Notschlafstelle) Reflexionsvermögen Parteilichkeit für die Klienten (Was spielt dies für eine Rolle und wie zeige ich mich gegebenenfalls für das Klientel parteilich?) Professionalität (was macht in diesem Bereich Professionalität aus und was sehen sie als unprofessionell?)
Abschließende Worte und Ergänzungen Wünsche Äußerungen Anregungen
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Anhang 3: Interview I
12. Anhang
Interview I, Berlin 5 Tabuthema In meiner Arbeit ist Prostitution Alltag und Gang und Gebe. Ich weiß, dass von Außenseitern männliche Prostitution durchaus noch tabuisiert wird, andererseits wenn man große Städte nimmt wie Berlin, ist das schon Alltag und nur wer es nicht sehen möchte, 10
sieht es nicht. Es ist Tabuthema bei bestimmten Schichten, bei bestimmten Menschen. Es ist viel mehr Tabuthema in den Herkunftsländern der Jungs, als in Deutschland selbst. Man muss sehen, wie angenommen die homosexuelle Lebensweise in Deutschland ist und wie selbstverständlich dies ist. Dann ist auch die dazugehörige Prostitution akzeptiert oder toleriert. Es gibt viele Situationen, wo man sagen kann, dass die Leute
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Vorurteile darüber haben. Das treffe ich oft bei Ämtern. Die Polizei arbeitet täglich mit dieser Zielgruppe und sie zeigen auch ganz klar, dass sie Vorurteile haben. Für ein Tabu halt ich das jetzt nicht. Es hat sich was geändert in den letzten Jahren. Ein Tabu ist es eindeutig noch in den Herkunftsländern. Hier gibt es noch den Grund zu Vorurteilen, was nicht besser ist. Stricher und Freier sehen das selbst sehr unterschiedlich, je nach
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dem wie selbstbewusst sie sind. Es gibt Stricher, die sehr gut damit umgehen und durchaus sehr professionell sind und damit keine Stricher mehr sind. Genauso gibt es Freier, die sehr selbstbewusst damit umgehen, dass sie als Freier leben und käuflichen Sex bevorzugen bzw. damit leben dass sie mit käuflichem Sex glücklich werden. Es gibt wiederum Jungs und erwachsene Männer, die nicht mit ihrer Rolle klar kommen und
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dann die entsprechende Problematik mitbringen. Stricher Das Durchschnittsalter der Migranten liegt etwa bei 18,5, kurz über der Volljährigkeit, eher 19. Das Mindestalter haben wir hier irgendwo bei 12 gehabt und nach oben ist es
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offen. Es gibt Stricher mit 45. Das sind Stricher und keine Callboys und das sind Männer mit Glatze, die anschaffen. Es ist nicht vorrangig unsere Zielgruppe, wir kennen diese, geben ihnen Kondome und sehen zu wie sie alt und grau werden, aber es sind nicht so viele. Es sind viele Migranten, die z. B. auch schon frühere Erfahrungen in 101
Anhang 3: Interview I
diesem Bereich haben, die immer wieder wenn es ihnen dreckig geht, hier ein bisschen 35
Geld verdienen wollen bzw. eine Szene finden wollen, wo sie sich wohl fühlen, wo sie ein bisschen trinken und wenn es sich ergibt, dann auch verdienen. Zwischen 12 und 45 kennen wir sehr viele, aber die Extreme sind sehr selten. Es passiert sehr oft, dass die älteren deutschen Stricher auch selber Freier sind, aber bei den Migranten passiert das eher selten. Oft ist es so, dass viele Leute, die hier wohnen, auch Migranten in zweiter
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Generation, solche Freierstrukturen nachmachen. Aber es handelt sich eher um Ausnahmen. Kontinuierlich seit 1994 sind Rumänen auf dem ersten Platz, fast gleich viele Bulgaren, es sind immer Wellen von Leuten. Anfänglich gab es sehr viele Polen, gerade aus dem Pendelbereich, das heißt Polen, die übers Wochenende hierher gekommen sind. Diese waren Schüler und Studenten, schwule Jungs die sich einfach austoben wollten,
45
auch drogenabhängige Polen. Die Zahl der Polen ist allerdings zurückgegangen. Auch die Zahl der Tschechen ist zurückgegangen. Nach Rumänien kommen all die Länder aus dem ehemaligen Jugoslawien. Wir arbeiten differenziert, d. h. wir machen einen größeren Unterschied zwischen dem Kroaten, der hier als Transvestit anschafft und dem kleinen bosnischen Flüchtlingskind, das hier in der Szene auch anschafft. Danach
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kommen in der Reihenfolge die Polen, Litauer und Tschechen, unterschiedlich nach Saison. Wir unterscheiden in Regionen, d. h. wir haben Südeuropäer, Osteuropäer und jetzt die arabischen Staaten wie Türkei, oder auch Lateinamerikaner. Diese Gruppe ist auch sehr groß. Wenn man die Entwicklung im Laufe der Jahre beobachtet, dann sieht man und merkt, dass auch in Zeiten, als Rumänien und Bulgarien überhaupt nicht nach
55
Europa reisen durften, die Zahlen der Stricher aus den Ländern konstant hoch waren. Es ist eine große Erleichterung für Leute aus diesen Ländern, dass sie nun die Reisefreiheit haben. Seit 2002 können die Bulgaren und Rumänen frei nach Europa 90 Tage im halben Jahr reisen und sich praktisch unbegrenzt hier aufhalten. Das macht schon, dass die Fluktuation einerseits konstant ist, fast ein Schichtwechsel, sie kommen in Zyklen,
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in jeweils etwa 90 Tage zu unterschiedlichen Zeiten. Davor waren diese hier als Asylbewerber und waren keine Pendler. Das ist ein neues Phänomen, was mit dieser Reisefreiheit verbunden ist und damit verbinde ich auch die osteuropäischen, baltischen Länder. Es gibt sehr viele, die gerade deswegen kommen. In Rumänien, Bulgarien und Jugoslawien ist die Religion nicht sehr wichtig in der Weltanschauung der Leute, d. h.
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alle sind sich bewusst, dass sie Orthodoxe sind, wobei aus Bulgarien zur Zeit fast nur Moslems kommen. Die Religion ist nicht entscheidend. Die meisten sind in ihrer Weltanschauung nicht von ihrer Religion getrieben, sondern sie haben ein Weltanschauung, 102
Anhang 3: Interview I
die nur die Wurzeln hat, z.B. haben die Leute, grundsätzlich die Einstellung in Bezug auf Homosexualität, dass das etwas ganz Böses, Krankhaftes ist, was die Gesellschaft 70
zersetzt und gegen den Willen der Natur und Gottes ist. Die kulturellen Unterschiede sind aber auf einer ganz anderen Ebene z. B, was die Lebensplanung betrifft. Wenn man hier sogar als am Rande der Gesellschaft stehender Mensch sich einige Pläne macht, wird dort von heut auf morgen, auch in wirtschaftlichen Aspekten wird von der Hand in den Mund gelebt. Das Wichtigste ist der Bezug zum Geld, zum Vermögen, zum Eigen-
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tum. Prostitution ist schlecht angesehen in diesen Ländern. Es ist eine Sache, die nirgendwo gut angesehen wird, nichts, womit man sich schmücken kann. Aber wir bedenken eine andere Sache, nämlich aus welchen Schichten diese Leute dort kommen. Wenn diese sich anstrengen, werden sie Straßenfeger, was in Rumänien eine Schande ist. Aber wenn man in Rumänien Straßenfeger ist, bekommt man von der Stadt ein Schandezu-
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schlag. D.h., man bekommt dann 500 Lei als Zuschlag. Das ist ein Beruf, wo man sich schämen muss. Das bekommen die meisten da, wenn sie die Rromas bedenken, die Leute aus den untersten Schichten oder im besten Fall, wenn sie Bauern sind, Tagelöhner. Wenn sie hierher kommen und sich hier als Sexarbeiter sehen, dann haben sie einen Sprung nach oben gemacht. Deswegen ist ihre Selbstwahrnehmung durchaus positiv.
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Sie machen was, sie haben Freier, die wer weiß berühmte Fußballtrainer oder Schauspieler sind oder durchaus reiche Männer sind, macht sie das etwas stolz und so ist das auch ein Sprung nach vorne. Finanziell gesehen und auch sozial, denn man darf nicht vergessen, was aus ihnen geworden wäre, wenn sie zu Hause geblieben wären. Es wird zu Hause was ganz anderes erzählt, was man hier macht, meistens reduziert man das auf
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irgendwelche Berufe in der Gastronomie, dass sie in irgendeiner Bar arbeiten oder sogar tanzen, wenn sie etwas mutiger sind und schon Andeutungen auf etwas Erotisches in ihrem Beruf machen wollen. Aber keiner von ihnen sagt, dass er Stricher ist. Mit der Zeit, wenn man die Familien selbst kennt, was mir auch öfters gelungen ist, stellt man fest, dass sie Bescheid wissen, was sie machen. Aber sie stellen sich vor dass ihre
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Kinder diejenigen sind die den aktiven Teil übernehmen. Das ist dann weniger schwer sich das vorzustellen, wie wenn sie passiv wären. Man sieht die Sexualität in Südosteuropa, nicht im Sinne von Osteuropa wie Russland, Polen usw. eher Rumänien, Türkei und Bulgarien, als zwei Sorten von Menschen, Männer und Frauen, Kerle und Weiber, dass heißt die, die den Schwanz reinstecken. Die sind immer erst gut angesehen, da sie
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die Aktiven sind. In was sie ihren Schwanz reinstecken, das ist weniger wichtig. D.h. es wird durchaus toleriert, wenn jemand den aktiven Part spielt. Du machst den Mann 103
Anhang 3: Interview I
glücklich, letztendlich hast du ihn erniedrigt, du hast ihn besessen, dadurch warst du der Stärkere. Vielleicht hast du auch Macht ausgespielt, es soll aber nicht mit Gewalt gleichgestellt werden. Es wird aber nicht so negativ angesehen. Wesentlich schwerer 105
haben es die, die effeminiert sind, die eindeutig den passiven Teil spielen und eindeutig die „Flittchen“ sind. Dann werden sie auch dementsprechend von der Öffentlichkeit bestraft. In jeder Wertvorstellung, sobald sie sich nicht allzusehr integriert haben, ist das ohne Wert, das sehen sie keinesfalls als Berufserfahrung, als Professionalität. Das sehen sie eher in geschlossenen Kreisen, wo sie wissen, wie man anschafft, wie sie Männer
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nach sich verrückt machen. Aber sie würden damit niemals nach außen protzen. Geld ist die wichtigste Motivation, ein bisschen Abenteuerlust, hin und wieder. Nicht die Regel, aber anzutreffen, dass sie selbst schwul sind und das vor Ort nicht ausleben können. Sie wissen, dass es in Deutschland legal ist, dass man sich da austoben kann ohne dass man negativ abgestempelt wird, ohne jegliche Folgen. Deswegen kommen sie dann auch.
115
Aber das wichtigste ist das Geld, welches fast alles zurück zu den Familien gegeben wird. Die schwulen Jungs machen das meistens nur für sich und schicken nichts zur Familie. Sie übernehmen auch die Wertvorstellungen der westeuropäischen Schwulen sehr schnell. Es wird ihnen dann eingeredet, dass Familie scheiße ist usw. und versuchen das zu kopieren. Deswegen verwenden diese fast alles für sich. Die meisten haben
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eine eigene Familie zu Hause mit Frau und Kindern. Ich würde sie nicht unbedingt als homosexuell bezeichnen, sondern bisexuell. Wir haben diese Geschichten, als jemand gesagt hat, dass er bisexuell ist, da er hier homosexuell ist und zu hause heterosexuell ist. So wird es nicht jeder bezeichnen, aber die meisten haben eine Familie, weil sie es so sehen, dass Sex mit Männern Spaß macht, aber es ist nichts für die Zukunft. Man
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kann kein Haus bauen, nicht im Alter mit dem gleichen Mann zusammenbleiben. Das ist deren Erfahrung. Zu diesem Entschluss kommen sie, nachdem sie hier mehrere Jahre schwul gelebt haben, dass sie niemanden halten können. Sie kennen von der Szene nur den Teil, in dem nur sehr oberflächlich umgegangen wird. Dann kommen sie zu dem Entschluss, dass sie mit Männern zwar Spaß haben, aber sie versuchen, eine Frau zu
130
finden, die Verständnis dafür hat, dass sie mit Männern Spaß haben, aber trotzdem mit dieser Frau leben möchten und Haushalt und Kinder haben möchten. Es ist ein falsches Bild, das sie von Homosexualität vermittelt bekommen, aber die Szene ist mit nichts besser. Das was sie in dieser Szene kennen lernen und auch das, was sie am Rande der Szene kennen lernen, wo ohne Geld mit sehr viel Promiskuität, Sex mit Unbekannten
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praktiziert wird, ist das was ihnen zugänglich ist. Die anderen Bereiche des schwulen 104
Anhang 3: Interview I
Lebens, wo durchaus auf den anderen Menschen eingegangen wird, sind ihnen einerseits wegen der Sprache nicht zugänglich, andererseits wegen dem großen Misstrauen der Menschen selbst gegenüber. Und hier kommen die Vorurteile über Stricher ins Spiel. Oft kam es vor, dass Stricher mit den Erwartungen, schwul zu leben und als 140
solches wahrgenommen zu werden, hierher kommen. Diese stellen aber leider fest, dass sie als Sexobjekt gelten und zum Beispiel durch ihre dunkle Hautfarbe nicht wahrgenommen werden. Dann kommen Dramen und Tragödien zu Stande, da sie zu Hause entwurzelt sind, hier gar nicht akzeptiert sind und mit Anfang 30 werden sie dann für alte Knochen gehalten. Dann kommt es häufig zu Selbstmordversuchen, da sie nir-
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gendwo ihren Platz finden. Hier sind sie nicht mehr jung und knackig genug aber immer noch ein billigeres Sexobjekt. D. h. sie kriegen nicht immer ihr Geld zusammen. Die Mehrheit ist hier als Tourist, darauf wird auch akribisch geachtet, dass die Zeiten nicht überschritten werden, damit sie wieder zurück können. Das Visum ist in sechs Monaten, 90 Tage bei mehrmaligen Ein- und Ausreisen, berechnet ab dem ersten Tag der ersten
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Einreise. D. h. die westeuropäischen Grenzbehörden und Polizisten kucken nicht so genau, wann zum ersten Mal eingereist wird, sie kucken nur genau, dass nach der letzten Ausreise nicht gleich wieder eine Einreise kommt. Eigentlich findet die Kontrolle nur durch die Heimatbehörden statt, und diese sind sehr streng. Wenn Leute einen Tag später kommen als die 90 Tage, wird ihnen der Pass eingezogen und sie bekommen
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viel Ärger. Man muss dann von Glück reden, dass man dann jemanden kennt, den man vielleicht schmieren kann, um seinen Pass zurückzubekommen oder muss mit Sperre rechnen. Ich habe sehr viele Jungs, die ein Sperre für zwei drei Jahre zu ihren Heimatländern bekommen haben. Diese Länder haben einen Auftrag von der EU bekommen, ihre eigenen Leute zu kontrollieren und zu bestrafen. Es gibt keine Schleußerorganisati-
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onen, aber es gibt deutsche Freier, die sich Jungs von dort holen, die eindeutig Menschenhändler sind. Aber sie machen das für sich selbst und sitzen deswegen nicht im Knast. Sie werden als Menschen mit zahlreichen Sexualpartnern angesehen, aber wir sehen sie schon als Menschenhändler. Es gibt in ganz Europa ein Wanderungsphänomen, es ist bekannt, dass in Südeuropa im Vergleich zu Nordeuropa viel Arbeit ist, dort
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boomt es, man geht nach Spanien z. B., nicht nur aus Deutschland sondern genauso gut aus Rumänien, vor allem deswegen, da es nicht schwer ist für sie Spanisch in kurzer Zeit zu lernen, wegen der Verwandtschaft der Sprachen. Außerdem bekommt man sofort einen Arbeitsvertrag, der legal ist, vor allem im Agrarbereich und in der Baubranche. Nach den Attentaten vom 11. März in Madrid sind die ganzen Schwarzarbeiter 105
Anhang 3: Interview I
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aus dem Land geschafft worden, wovon die meisten Marokkaner waren. Das waren durchaus Hassaktionen gegen diese Gruppe. Dann gab es extrem viel Arbeit und die Regierung hat akzeptiert, speziell Rumänen, Ukrainern und Bulgaren Saisonarbeitsplätze anzubieten. Das ist unabhängig von der Prostitution, aber wenn in Spanien die Erdbeererntezeit anfängt, ist dies lukrativer als hier rumzuhängen und auf irgendeinen
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Freier zu warten. Dann macht man sich auf den Weg, man kauft sich zu fünft ein Auto und fährt nach Südspanien und fährt die Farmen ab und bekommt einen Arbeitsvertrag. Genauso im Herbst, wo es hier relativ trübe zugeht, kann man sich ins Auto setzten und nach Italien, Kalabrien fahren und Artischocken ernten. Die Stricher, die nicht sehr gut angedockt sind, keine super Wohnung bei einem super Freier haben und nicht sehr gut
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verdienen und nicht sehr viel investiert haben in ihr Aussehen usw., diese sind flexibel und fahren da hin, wo es irgendetwas gibt. Sie sehen sich als Wanderarbeiter, haben keine reine Stricheridentität. Also vorübergehend ansässige Migranten, die eben auch Stricher sind. Sie sind Stricher heute hier, morgen in Milano am Bahnhof warten sie auf Arbeit, in der Zeit in der sie warten, machen sie dann eben auch noch einen Freier. Aber
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sie denken, sie sind Bauarbeiter. Innerhalb Deutschlands ist die Fluktuation natürlich geringer. Bekannt ist, dass Leute für einen Wochenendtrip sich nach Hamburg oder Köln bewegen, um dort zu verdienen. Sie verdienen da an einigen Tagen auch ganz schön, aber sie kommen immer zurück, da wo sie angedockt haben, wo sie Leute kennen, wo sie Freier kennen. Das soziale Umfeld ist entscheidend. Man möchte sich
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immer irgendwie auskennen und das ist das Entscheidende. Die Gruppen werden erstmal örtlich festgelegt, d.h. Leute aus einer bestimmten Gegend, möglichst gleicher Ort und möglichst gleiche ethnische Herkunft und gleiche soziale Herkunft, tun sich zusammen und sind dann als Gruppe sehr stark. Zum Beispiel schaffen Rromas mit ihrer Gruppensolidarität das, was die Bedingung zum Überleben ist. Es gibt viele unter
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ihnen, die nicht überlebensfähig wären in der Sprache, der geistigen Fähigkeit, zu begreifen, was hier los ist, die Fähigkeit, fürs erste Essen und für das schlafen zu sorgen, haben diese nicht. Aber trotzdem kommen diese. Dadurch, dass sie Mitglied in einer Gruppe sind, werden sie sofort aufgenommen, untergebracht, essen wird organisiert, es wird brüderlich geteilt. Sie sind zwar auch sehr hart untereinander, aber sie
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unterstützen sich in ihren inneren Strukturen, die auch weitergehen. Diese Netzwerke sind nicht auf einen Ort bezogen, man hilft sich auch unter den Rromas, die hier in Deutschland aus jugoslawischer Herkunft leben. Es entstehen Hilfsnetzwerke, die nicht zu unterschätzen sind. Diese sind sehr wichtig und machen sehr viel Arbeit, welche wir 106
Anhang 3: Interview I
gar nicht leisten könnten. Konkurrenz ist hier total out. Es ist als sehr schlecht in dieser 205
Szene angesehen, sich wegen eines Freiers zu streiten. Das sind nur Freier und für die streitet man sich nicht. Andererseits in der weiblichen Prostitution ist es unfair, wenn sich jemand vordrängelt, das ist hässlich. Das ist sehr schlecht für deren Ruf und die Karriere ist somit auch beendet. Je nach Saison und je nach Gruppe, schaffen es die großen Gruppen, obwohl sie die wenigsten Chancen hätten, in diesem Land überhaupt
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an irgendein Zimmer zu kommen, schaffen sie es durch das verlängerte Netzwerk der Rromas. Sie wohnen meistens bei anderen Rromas, die sehr billig eine Unterkunft bieten. Sie sind gewohnt auf engem Raum zu wohnen, deswegen werden gerne von drei Zimmern zwei vermietet. Man nimmt dann etwa fünf Euro pro Nacht. Das ist ein Zusatzeinkommen oder eine brüderlich Geste. Dann gibt es noch die Variante der etwas
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selbstständigeren Jungs, wo diese meistens durch Vermittlung eines Freiers eine Wohnung mieten, da sie nicht selber mieten dürfen. Der Freier hat natürlich auch Vorteile davon, sexueller Art, mietet die Wohnung und vermietet diese weiter an die Jungs, die ihn zahlen. Das ist eine andere Variante. Das ist sehr erwünscht bei uns, da dies wie eine Stricher - WG ist. Der Freier ist letztendlich derjenige, der die Kontrolle hat, wer
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reinkommt, aber man kann durchaus sich mit Freunden oder Gleichgesinnten zusammentun und durchaus selbstständig leben. Natürlich muss man immer wieder den Freier zufrieden stellen. Es gibt keinen Freier, der aus humanitären Gründen gehandelt hat. Alle die ich kannte, haben mich irgendwann enttäuscht, weil sie die Jungs ausgenutzt haben und das ist leider so. Es gibt die dritten, die sehr europäisch wirken und deutsch
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sprechen können, die können sich einmieten und sich einen Mietvertrag organisieren. Wenn sie für die Kaution das Geld haben, dann kuckt keiner mehr auf den Pass, ob er jetzt letztendlich Europäer ist, oder übermorgen Europäer, das ist für viele dann egal. Gerade wenn dann noch ein Makler beteiligt ist, der seine Vermittlungsgebühr bekommt, für eine miese Wohnung, ist er sehr glücklich dass er jemanden untergebracht
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hat. Nicht zu vergessen und für uns auch die wichtigste Zielgruppe sind die Obdachlosen. Es gibt sehr viele Obdachlose, es gibt viele, die es nicht hinkriegen, wo zu schlafen, besonders im Winter ist das dramatisch. Im Sommer schlafen viele draußen, aber im Winter versuchen wir sehr viel zu vermitteln. Das ist eine unserer größten Sorgen. Es gibt Obdachlosenheime, die auf einem bestimmten Level jeden unterbringen und es gibt
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Heime, die etwas bessere Einrichtungen sind, wo man Sozialarbeit leisten muss, damit da jemand wohnen darf. Das Durchschnittseinkommen ist wesentlich geringer als in der weiblichen Prostitution, weniger als man sich vorstellt, kann aber auch in Ausnahmefäl107
Anhang 3: Interview I
len sehr hoch sein. Ich würde sagen, Jungs, die in einer Woche ca. 50 Euro verdienen, können sich gut über Wasser halten. Das ist sehr wenig, aber das ist die Regel. Das ist 240
die große dunkle Masse, die versuchen in die Szene rein zu kommen. Sie sind mit 50 Euro essen und schlafen gerade an der Grenze. Es ist sehr wenig, aber hin und wieder, einmal pro Woche gelingt ihnen doch ein 50-Euro extra Gewinn. Wenn man länger dabei ist und die Tipps und die Geheimnisse in der Szene kennt, dann sind 600 Euro pro Monat das Ziel der Jungs, die mehrere Male hierher gekommen sind. Das sind diejeni-
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gen, die relativ regelmäßig kommen. Callboys gibt es aller Art, die 3000 pro Wochenende nehmen, aber das sagen sie nur. Es gibt deutsche oder exotische Callboys, die durchaus sehr viel Geld verdienen. In der Stricherszene sind die Preise so, dass man über 25 fürs blasen nie bekommt. 50 für Analverkehr ist auch ein super Preis. Wenn man bedenkt, dass momentan unheimlich wenig echte Geschäfte zustande kommen, es
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wird zwar sehr viel angefasst und angebandelt in den Bars oder in der Szene, jedoch ohne Bezahlung. Ein Freier pro Abend ist ideal, zwei ist Glück und drei ist paradiesisch. Freier Freier sind meistens Männer über der Lebensmitte, die von der Struktur her Sex für
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Geld bevorzugen. Meistens sind sie beziehungsunfähig. Auch wenn sie mit gutem Willen versuchen eine Beziehung einzugehen, versuchen sie es trotzdem mit einem Stricher. Das heißt, es ist von Anfang an angesichts der beiden Komponenten zum Scheitern verurteilt. Es findet selten konsequent statt. Sie belügen sich selber, dass sie so viel helfen wollen und so viel machen müssen, weil die Stricher so arm sind und sie
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sie unterbringen müssen. Sie bringen sich auch unter bei sich, Sex dazwischen ist ein reiner Zufall. Das sind traurige Gestalten, die nicht sehen, wie sie sich selbst belügen. Damit mache ich ihnen ein Kompliment, da aus meiner Sicht viele sehr bewusst die Jungs ausnutzten. Ich kenne sehr viele, die regelmäßig Reisen nach Osteuropa machen, die Jungs selektieren, sich von anderen Jungs Photos bringen lassen, junge Jungs, sehr
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junge Jungs, diese auch bestellen und Geld für die Fahrt schicken. Dann wird der Junge hergebracht und nach einer Woche kann der Junge gehen und wird auf die Straße gestellt. Im besten Fall, wenn die Beziehung zwischen dem Freier und uns gut ist, bringen sie den Jungen vorbei. Es wird von menschlicher Würde sehr wenig gehalten. Es gibt auch gute Freier, welche, die Anwälte sind und mir Klienten um sonst vertreten, weil sie
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was machen wollen, was gut ist. Es gibt viele, die Lebenspartnerschaften eingehen mit ihren Lieblingsstrichern und auch dadurch helfen. Das ist zwar auch als echte Bezie108
Anhang 3: Interview I
hung nicht zukunftsträchtig. Es gibt die Deutschen, die rein schwul sind und sich auch keine andere Lebensweise vorstellen können und mit denen man auch gut arbeiten kann. Es gibt welche, die nicht bewusst sind, die das absolut ablehnen, gerade im Bereich, wo 275
wir in Sexkinos unser Streetwork machen, die behaupten, verheiratet zu sein und heterosexuell nach außen leben. Das ist so die Regel. Sie sind aber auch nicht in der Lage, die Rolle wahrzunehmen, dass sie Sex kaufen. Sie machen den Zufall dafür verantwortlich und achten auch auf Prävention nicht. Genauso die anderen, die selbstbewussten schwulen Freier, achten auch nicht immer auf Prävention. Meistens, wenn wir da Kon-
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dome verteilen, hör ich Sprüche, die einem Gedanken machen Wie schwer es einem Jungen fällt sich durchzusetzen, dass mit Kondom gearbeitet wird, ist nicht zu vergleichen mit der weiblichen Prostitution. Da ist ganz klar, dass der Freier nichts zu sagen hat. Hier wird immer noch versucht, es ohne zu machen. Da fragt man sich, was diese Leute für einen Selbstrespekt haben, wenn sie in einer sexuellen Interaktion mit einem
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Unbekannten eingehen, der tagtäglich verschiedene Sexpartner wechselt. Sie respektieren sich selbst und andere nicht und diese Gruppe ist extrem gefährlich für alle. Es gibt auch Freierinnen, wenn auch nicht so häufig, die wir auch kennen. Die gaukeln sich noch mehr vor als die Männer, dass sie Helferinnen sind. Es wird noch mehr über die Hilfeschiene gemacht. Es gibt auch selbstbewusste Freierinnen, die sich einen Jungen
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für 40 Euro nehmen und ihn dann vor die Tür stellen. Es gibt auch welche, die gar nicht zahlen wollen, weil sie denken, dass sie den Jungen verführt haben. Der Junge muss dann ein Telefonat vortäuschen, wo die Mama Medizin braucht, um dann an Geld zu kommen. Solche Simulationen kommen auch in der mann- männlichen Prostitution vor, mehr aber noch in der frau- männlichen. Bei Männern vor allem dann, wenn sie sich auf
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eine Zeit einlassen, wo sie mit dem Freier wohnen. So ist das auch in Thailand, wo die Frauen sich auf die Zeit des Urlaub mit einem Mann auf eine Art Ehe einlassen, so lassen sich Stricher auch darauf ein, dass zusammen gekocht wird, dass zusammen ausgegangen wird, wo Liebe eine angebliche Rolle spielt. Zum Schluss kommt dann das Problem, wo etwas simuliert wird, um dann vom Freier Geld rausgepresst wird. Es gibt
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auch Beispiele, wo das klar ausgemacht wird, dann gibt es auch 600- 800 Euro. Ich würde sagen, angesichts der Tatsache, dass es Prostitution ist, wo viele unterschiedliche Menschen aufeinander treffen, wo das meiste nachts passiert, gibt es aus unserer Sicht bemerkenswert wenig Gewalt. Es gibt auch Organisation, die die Interessen der Freier vertreten, wie Maneo, die das Gegenteil behaupten, dass es sehr viel Gewalt gäbe. Es
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gibt Gewalt aus beiden Richtungen, das ist aber eher die Ausnahme. Viele Stricher 109
Anhang 3: Interview I
beklauen Freier. Wenn man hier Stopp macht, dann sind die Schuldigen die Stricher. Wenn man weiter kuckt, wieso es dazu gekommen ist, dann stellt man fest, dass der Junge für seine Dienstleistungen nichts bekommen hat. Oft hört man dann, dass das Portmonee leer ist. Das ist so scherzhaft, wenn man Stricher sieht, die sehr korrekte und 310
reine Menschen sind und es dann irgendwo zum Geschäft hingeht und dann wird den Jungs gesagt, dass die Geldbörse leer ist und dass dieser das Geld geklaut hat. Der Junge hat nicht die Möglichkeit, das Geld einzuklagen. Der Kubaner wird es vielleicht nicht tun, aber die Osteuropäer greifen sehr schnell zur Selbstjustiz und nehmen das in die Hände. Dann kommt es zu Gewalt. Dass Gewalt von der anderen Seite entsteht
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kommt auch vor. Ich kenne Freier, die minderjährige Jungs in den Knast gebracht haben für Jahre, indem sie sie beschuldigt haben, K.O.-Tropfen benutzt zu haben, was nicht der Fall war. Nur weil sie diese loswerden wollten. Es wird nie den Strichern geglaubt. Das ist für mich auch Gewalt, einen Menschen bewusst in den Knast zu bringen. Das ist nicht die Regel, aber zwei dreimal pro Jahr kommt das vor. Gewalt existiert, aber es
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könnte viel mehr geben. Wir arbeiten präventiv auch mit Freiern, beraten nur im Sinne der jungen Leute, d.h. wir nehmen mit diesen Kontakt auf, haben deren Telefonnummern, insoweit wie wir die Interessen der Jungen durchsetzen können. Präventiv geben wir ihnen natürlich nicht vordergründlig Kondome, aber versuchen sie hinzuweisen, dass sie akzeptieren mit Kondom zu arbeiten.
325 Erfahrungen in der Praxis Das Wichtigste aus meiner Sicht, wo ich mich fast ausschließlich auf Migranten konzentriere, findet dadurch statt, dass ich weiß, dass ein Migrant, der nicht in seiner Heimat ist, sich über seinen Heimatort identifiziert. Dann versuch ich anhand meiner Erfah330
rung festzustellen, aus welcher Stadt, aus welcher Gegend er kommt und welcher ethnischen Gruppe er zugehört. Dadurch gehe ich auf ihn zu, indem ich ihn in seiner Heimatsprache anspreche, indem ich sage, „Ach, du bist nicht etwa aus Mardin“ wenn ich einen Kurden sehe. Dann erkenne ich auch Gesichtzüge und Verhaltensweisen die typisch sind für diese Gegend. Dieser ist dann sehr überrascht, vor allem darüber, dass
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ich Türken und Kurden unterscheiden kann und somit hat man eine Brücke geschaffen. Man bekommt Anerkennung und die sind froh, dass sie nicht als Stricher angesprochen werden, sonder als „Mardiner“ und auch als solcher erkannt wurde. Das ist meine Art, an Leute ranzukommen. Zum Beispiel wenn ich Albaner sehe, dann sehe ich, dass dieser zu den Kosovo- Albaner gehören müsste und gehe dann auf ihn zu, indem ich 110
Anhang 3: Interview I
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zeige, dass ich sehr gut weiß, was seinesgleichen hier getrieben hat. Was für Probleme seine Gruppe hat. Es ist ein bisschen schematisch erklärt und ich benutze natürlich ein paar Klischees. Das sind nicht Klischees, die in den Medien sind, sondern welche, die innerhalb der Gruppe entstehen. Das heißt, ich erkenne ihn als das, als was er sich selbst identifiziert in der Gruppe. Ich lasse ihm sofort Platz frei, dass er mir weiter die Spezifi-
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ken seiner Person darlegt. Das machen sie auch alle sehr gerne. Über Anschaffen wird erst gar nicht geredet. Wenn die Verbindung da ist, dann kann man sehr schnell zum Anschaffen, zur Prävention übergehen oder fragen, wie lange er dabei ist, was er so macht usw. So lange man sozusagen einen Namen hat, eine ethnische Zugehörigkeit, einen Charakter, Wünsche und Probleme, dann wird auch übers Anschaffen offen
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geredet. Es wird nicht rumgeeiert. Sie sind nicht anonym, ich kenn sie mit echten Namen. Es ist eine echte Verbindung die sie mit mir eingehen und darauf wird Wert gelegt, dass man keine Geheimnisse hat. Es ist etwas, was sie nicht täglich erleben, dass jemand sie als das wahrnimmt, was sie wirklich sind. Ich stelle mich auch klar vor, sage welche Verbindung ich zu deren Heimat habe und gebe klar an, dass ich Streetworker
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bin. Sie wundern sich natürlich, dass es so einen Job gibt und dass man dafür bezahlt wird. Oft erwarten sie, dass ich auch ein persönliches Interesse an ihnen habe. Das stelle ich auch von Anfang an klar, dass ich nicht interessiert bin und dass meine Interesse rein kultureller Art ist und dass ich mich grundsätzlich für Außenseiter oder Migranten interessiere. Die Sprache ist ein großes Hindernis, wenn ich sie nicht kann. Das Wich-
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tigste ist, dass man sich verständigen kann, sonst kann man nicht arbeiten. Die meisten können auch wenig deutsch. Es gibt wenig, die nach Jahren auch deutsch können, aber die wollen wir jetzt nicht erwähnen. Es gibt viele Beispiele, vom jungen Russen, der hier als Menschenhandelopfer über ein Jahr lang in verschiedenen Häusern eingesperrt wird und sexuell misshandelt und missbraucht wird, bis es nicht mehr geht. Dann
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kommt er raus und man muss mit ihm hinkriegen, dass er erstmal hier bleibt und eine Unterkunft bekommt. Wir schalten uns dann auch als Vormund ein, um seine Interessen zu vertreten. Dann gibt es auch einen jugoslawischen Stricher, der sein Leben lang als Taschendieb ausgebildet wurde, bis zwölf Jahre klauen musste und dann in den Stricherbereich kam. Lebt dann hier eine Weile, kommt in Knast, wird abgeschoben, kann
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kaum serbisch, muss aber in Serbien leben. Dann gibt es die rumänischen Pendler, die bulgarische Transe, die kaum noch eine Selbstwahrnehmung eines Mannes hat, aber gleichzeitig Kinder und Frau zu Hause hat. Er muss sich dann extrem anstrengen, in der kurzen Zeit in der er zu Hause ist, noch männlich zu wirken. Meistens gelingt das nicht, 111
Anhang 3: Interview I
und die Familie muss mit Geld überschüttet werden, damit das Ganze übersehen wird. 375
Es gibt viele tragische aber auch glückliche Situationen. Einige kommen auch regelmäßig in die Psychiatrie, da sie schwul sind, dies aber in ihrer Heimat nicht ausleben können, hier aber nicht akzeptiert werden. Es gibt auch den Junkie, der sich mit 19 eine Überdosis setzt, bevor er begriffen hat, was das Leben bedeutet. Ich würde sagen, wirtschaftliche Aspekte sind die größten Probleme der Herkunftsländer. In den meisten
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gibt es keine politische Verfolgung. Es gibt Folgen von politischen Situation oder Kriegssituationen bei der Gruppe der Ex- Jugoslawen, die gar nicht in die Situationen gekommen, wären, so zu leben wie sie jetzt leben, wenn da nicht der Krieg gewesen wäre, der die ganzen Bevölkerungsgruppen zum Flüchten gebracht hat. Aktuell ist das aber kein Grund. Ich habe keine Stricher zurzeit in Berlin, die politisch geflüchtet sind.
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Es gibt immer eine Konstante, das ist die Homosexualität, die nicht ausgelebt werden kann und es wird entschieden, dies irgendwo in Westeuropa auszuleben. In jedem Bereich gibt es viele Konflikte. Ein Aufenthalt ist nicht erwünscht. Die meisten möchten nicht nach Deutschland übersiedeln und hier bleiben. Nachdem sie eine Zeit hier in Deutschland verbracht haben, stellen sie fest, dass die Weltanschauung so unterschied-
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lich ist, dass sie hier nicht leben möchten. Sie möchten pendeln und viel Geld verdienen, möglichst auch noch zehn Jahre, sich aber dann niederlassen in der Heimat. Ihr Lebensmittelpunkt ist meistens nicht hier sondern in der Heimat. Eine Aufenthaltsgenehmigung ist heute viel einfacher als früher, wenn man schwul ist, wenn man sich einlässt mit einem Einheimischen. Dann kann man eine Lebenspartnerschaft schließen.
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Dann gibt es die Möglichkeit, für die, die ein Abi haben, zu studieren. Dann gibt es für die, die aus Osteuropa kommen, die Möglichkeit eine Firma zu gründen, wenn sie mehr Grips haben. Wenn sie fit sind, können sie durchaus aussteigen aus der Prostitution. Es gibt sehr viele Konflikte in der Weltanschauung. Ich stelle täglich fest, wie die Weltanschauungen aneinander kollidieren (Das Beispiel mit dem Wasser). Bei solchen Sachen
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stellen viele fest, dass sie nicht alles übernehmen können. Das sind Kleinigkeiten. Während für den Bulgaren Wasser geben das allernormalste der Welt ist, versteht das der deutsche nicht, dass der andere kein Respekt vor dem Eigentum hat. Kulturelle Konflikte sind meistens der Grund, dass die Leute hier sich nicht immer gut fühlen. In Bezug auf Gesundheit besteht eine ganz andere Sichtweise. Gerade bei den Rromas,
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welche die größte Gruppe darstellt, haben diese eine viel größere Verbindung zur Psyche und Soma. Sie verbinden Körper und Psyche sehr, sie haben keine psychosomatischen Störungen, wie wir dies hier nennen. Sie haben ein Ganzkörpersyndrom. Wir 112
Anhang 3: Interview I
haben zwei Ärzte hier und untersuchen viel. Die Leute sagen, dass ihr Herz weh tut und spüren das. Dann haben sie auch oft Geisterschmerzen am ganzen Körper und das alles 410
kommt von der sehr schlechten Stimmung, die sie in sich tragen. Das wird schlecht unterschieden, man wendet sich an einen Arzt der im Moment wohl sehr kritisch ist. Es wird ganz anders wahrgenommen. Es wird nie vorgebeugt, sondern nur interveniert. Man erwartet immer große Intervention seitens des Arztes, d.h. der Arzt ist allmächtig und man erwartet, dass dieser alles heilen kann. Es gibt große Unterschiede in dieser
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Sichtweise. Aber nicht vergessen, die meisten dieser Jungs sind Gypsis. Von den 1000 Jungs pro Jahr, mit denen wir im Jahr Kontakt haben, sind es 85% Migranten, davon sind 75% Rroma. Eine sehr hohe Zahl. Mehrere hundert Menschen sind Rroma. Es kommt selten zu Konflikten, aber es ist auch keine Liebe. Es kommt sehr selten zu einer Freundschaft, wenn dann sind die Drogen die Verbindung. Was die Zukunft betrifft,
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gibt es ganz verschiedene Ansätze. Ängste haben sie alle. Während Deutsche, was die Zukunft betrifft, sich keine Sorgen machen, haben Ausländer oft Zukunftssorgen, obwohl sie es nicht beeinflussen können. Sie möchten alle traditionelle Lebensweisen, ein Haus mit Kindern usw. Sie leben zwar von der Hand in den Mund, aber sie denken, dass sie später ein traditionelles Leben führen. Dagegen die deutschen Stricher möchten
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sehr viel Selbstständigkeit, Unabhängigkeit, finanzielle Unabhängigkeit und schmieden auch nicht so viele berufliche Pläne. Die meisten schaffen es auch so ein würdiges Leben zu führen, wenn sie nicht in eine Drogen- oder Alkoholabhängigkeit fallen. Gesundheit
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Die Jungs haben schematische Kenntnisse über HIV. Es wird natürlich verwechselt mit Aids. HIV und Aids lernen sie erst hier kennen. Die meisten von Ihnen waren nie Ziel einer Präventionsarbeit. Alle Migranten, die wir aus dem südlichen Osteuropa antreffen, die aus den unteren sozialen Schichten kommen, die nicht so wirklich die Schule besucht haben, die sind zum ersten mal hier konfrontiert mit einer gezielten Prävention.
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Das heißt: Vieles hören sie zum ersten Mal. Sie haben alle schon mal von Aids gehört, aber sie wissen nicht die Übertragungswege usw. Ausnahme sind das nördliche Osteuropa wie Polen und manchmal Russland, die ab und zu ein Vorwissen aus der Schule mitbringen. Grundsätzlich wird HIV und Aids überbewertet, es wird sehr viel schwärzer gemacht und STI werden minimalisiert. Von Syphilis und Tripper sind die Kenntnisse
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sehr gering. Die Hepatitiden sind auch kaum bekannt, wir impfen dagegen, aber jedes Mal mit Aufklärungsarbeit verbunden. Ich würde sagen Safer Sex wird eingehalten. Oft 113
Anhang 3: Interview I
höre ich von den Jungs, dass der Freier sagt, dass es mit Kondom Lust dämpfend ist. Aber oft bekommen die Jungs Angst, dass sie sterben werden. Man hört immer wieder in der Szene, dass einer HIV hat und das ist abschreckend. Wenn sie sich lange in der 445
Szene aufhalten, dann passen sie auf. Die Jungs kaufen sich auch selbstständig Kondome und das nur fürs Blasen, wo das Risiko ja minimalisiert ist. Das heißt, sie haben auch investiert für ihre Gesundheit. Sie passen in ihren privaten Beziehungen nicht auf. Im Sexbusiness passen sie so viel auf, wie es nur geht, penetrative Praktiken ohne Kondom gibt es hoffentlich kaum. Oral ohne Kondom ist es öfters anzutreffen. Im
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privaten Bereich wird darauf gar nicht mehr geachtet. Sie sind zwar Stricher und haben sich für Liebe infiziert. Die Drogenabhängigkeit kommt nach und nach mit. Vor einigen Jahren hätte ich gesagt, sie ist nahezu null. Inzwischen sage ich, dass die Zahl gefährlich groß ist. Je größer die Integration, desto größer und ähnlicher ist der Drogengebrauch wie bei der deutschen Gruppe. Es gibt kulturelle Grenzen. Es gibt viele Völker, die
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würden sich niemals was injizieren. Rumänen machen das sehr ungern. Diese rauchen lieber. Russen sind sehr gerne bei Heroin dabei, da gibt es Parallelen zum Wodka. Slawen konsumieren auch sehr gerne Heroin. Diejenigen, die noch was bewahren wollen von diesen Schemen im Leben und auch ein bisschen machomäßig drauf sind, nehmen automatisch Kokain. Es gibt lokale Spezifiken und es ist immer noch weniger
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ein Problem wie bei Deutschen. Herausforderungen und Grenzen Man kann sehr viele Erfolgserlebnisse haben, fast tagtäglich. Man kann Schicksaale positiv verändern. Es ist Bereich, wo es sehr viel Hilfebedarf gibt, wo niemand etwas
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anbietet. Man kann unbürokratisch, ohne Anwendung komplizierter Strukturen sofort helfen. Es geht nicht nur um die primären Hilfebedürfnisse, wie waschen und schlafen usw. sondern auch auf der Ebene der nächsten Stufe. Grenzen sind bei Migranten erstmal die finanziellen Grenzen. Es ist tausendfach schwieriger, den, der dringend einen Drogenentzug braucht und ein Notfall ist, irgendwo unterzubringen zum Drogen-
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entzug, als einen, der hier krankenversichert ist. Es gibt hier immer mehr Hilfebrücken in Richtung Drogen oder Medizin insgesamt. Aber es ist unheimlich schwer, da diese Menschen nicht existieren, da sie Touristen sind. Dass sie hier zum Teil seit Jahren leben und eigentlich durchaus hier zu behandeln wären, trifft nicht zu. Es gibt zum Vergleich der 90er viel mehr Möglichkeiten, aber man muss sie kennen. Mein Ziel ist,
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dieses Level halten zu können, welches wir momentan haben. Wir wollen, dass es 114
Anhang 3: Interview I
keinen Zwang zur Prostitution gibt. Wir wollen nicht die Stricher um jeden Preis aus der Szene raus ziehen. Wenn sie damit gut leben können und sie sich bewusst sind, was sie da machen, dann ist da o.k. Wir möchten ihnen nur eine andere Alternative anbieten und sie haben die Wahl. Das oberste Ziel ist, dass sie relativ gesund leben, im weitesten 480
Sinne. Es kann sehr oft vorkommen, dass sich ein Klient in einen Sozialarbeiter verliebt. Abgrenzung ist da gang und gäbe. Wir müssen professionell genug sein, um so etwas nicht zu zulassen. Wir haben in unseren Arbeitsverträgen so genannte Keuschheitsklausel, d.h. geringste Kontaktaufnahme führt zur sofortigen Kündigung. Das ist bewusst eingebaut, damit jeder weiß, dass dies ein Tabu ist. Das Geschlecht der Sozialarbeiter ist
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wichtig. Wir arbeiten mit Jungs, die meistens sich ein Vorbild suchen, vielleicht eine Orientierungshilfe. Die sexuelle Identität ist wichtig aus der Sicht der Betroffenen. Aber ich glaube, es ist durchaus wichtiger zu verstehen, was da läuft. Man muss nicht unbedingt in der Pfanne gelegen haben, um zu wissen, was ein Schnitzel ist. Man kann alles lernen zu verstehen. Wir sind hier gemischt, auch zwei Heteros. Es gibt auch eine Frau.
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Das Projekt hat schon einen sehr großen Anteil von schwulen Menschen, aber das ist keine Qualifikation an sich. Man muss irgendeine Zusatzqualifikation bringen, um für den Beruf geeignet zu sein. Wenn man weiß, wie das alles mit dem Coming Out ist, ist das super nützlich, wo man sehr viel helfen kann. Nach 10 Jahren weiß ich darüber auch eine Menge, zwar nur theoretisch, aber ich kann trotzdem weiterhelfen. Es gibt positive
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und negative Seiten. Meine Selbstidentifizierung kommt aus dem Bereich, selbst Migrant zu sein. Die Qualifikation kann aus dem Bereich der Sexualität deswegen auch sehr relevant sein. Das Vorbild wird überwiegend in den Männern gesucht. Die Wirkung einer Frau ist auch positiv und auch oft ein Highlight, da es sich nur um Männer handelt. Da erinnern sie sich an die Kindheit, an die Mutter, sie haben mehr Vertrauen.
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Man darf nicht vergessen, dass Stricher nicht nur Männer mögen, sondern durchaus auch von Männern Schlechtes erlebt haben. Eine einheitliche Besetzung wäre tragisch. Wir möchten die Gesellschaft widerspiegeln und eine Nische in der Gesellschaft sein und wollen so sein wie die Gesellschaft selbst. Utopien kann man schmieden. Ich bin ein großer Realist. Ich gehe so ran, dass ich möglichst viele Ziele erreiche und deswe-
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gen setze ich sie nicht hoch. Es ist Utopie, wenn man das wieder nicht schafft, was man sich vorgenommen hat. Ein Defizit in der Arbeit mit Migranten ist, dass diese nie Zielgruppe als Menschen sind. Sie werden vokalisiert aus der Sicht der Prävention. Dadurch, dass sie in der Szene aktiv sind. Diesen Arbeitsbereich würde es nicht geben, wenn sie nicht aus der Sicht der Gesundheitsprävention, der HIV und STI –Prävention 115
Anhang 3: Interview I
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wichtig wären. Das heißt, sie als Menschen, interessieren den Staat gar nicht. Es geht nur darum, dass sie Sex mit der hiesigen Bevölkerung haben und dadurch, dass sie mit mehreren Sex haben, können sie Krankheiten übertragen. Somit sind sie die Mücken in den Malariafällen. Manchmal ist es ein bisschen blöd dies zu sagen, aber als Menschen sind sie für niemanden interessant. Trotzdem bin ich dankbar, dass wir die Arbeit aus-
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führen können, da sie im Gesundheitsbereich Akteure sind. Aufgabenbereiche der Sozialarbeiter Wir haben Kooperationen mit anderen Projekten. Es gibt lokal die besten Kooperationen, gerade im Gesundheitsbereich agierende Institutionen. Es gibt internationale Ko-
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operationen, es gibt mehrere EU-Organisationen, die etwas Formelles anstreben. Ich koordiniere nebenberuflich den so genanten national fokal point, die die gesamten Projekte für aids und mobility, die mit Gesundheit und Aids und mit Migranten zu tun haben. International ist es auf theoretischer Ebene. Bundesweit ist es durchaus inhaltlich und lokal wichtig und es findet statt auf sehr konkreter Ebene. Es wird nicht mehr
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gekuckt auf den Background der Institution, d.h. wir arbeiten mit staatlichen, mit nichtstaatlichen Organisationen, mit Polizei, mit Berliner Gesundheitszentren. Während auf den anderen Ebenen es immer abstrakter wird. Es gibt in dieser Hinsicht kaum Organisationen in Rumänien. Ich fände es sehr wichtig, dass man dort präventiv arbeiten würde, dass man vor Ort klar macht, dass in Deutschland nichts auf der Straße herum-
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liegt, dass es hier keine Arbeit, keine Perspektiven gibt, außer in der Prostitution. Viele kommen hierher und hoffen, eigentlich woanders einzusteigen. Das was hier auf sie zukommt, erfahren sie erst hier. Hier fände ich Prävention sehr wichtig. Es gibt Organisationen in Rumänien, die wir kennen, aber wir haben keine Zusammenarbeit mit denen. Aus dem Kreis des AKSD war zum Beispiel aus Hamburg jemand in Rumänien,
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um sich zu informieren. Es ist wichtig, dass man die Länder kennt, dass jeder, der mit der Gruppe arbeitet, die Länder, die Städte und die Hauptproblematiken kennt. Die Organisation aus dem Land, mit denen zu arbeiten ist nicht unsere Aufgabe, wir würden dies schlecht unterbringen. Ich als Rumäne habe natürlich meine Kontakte in den rumänischen Organisationen. Aber die kommen eher aus dem Bereich aids mobility.
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Wir haben viele Möglichkeiten der Supervision. Das Klassische ist Supervision. Wir haben unsere Qualitätsgremien, wo wir sehr viel diskutieren, wie wir das machen, was wir uns vornehmen. Im Team intern gibt’s ausreichend Möglichkeiten, um das Ganze zu reflektieren. Auch im Rahmen von AKSD - Treffen und Seminaren und anderen Tref116
Anhang 3: Interview I
fen, je nach Zusatzqualifikation. Nicht jeder macht alles, sondern jeder ist in einem 545
bestimmten Arbeitsbereich besonders gut. Es sind nicht die gewöhnlichen Bürozeiten, die wir haben. Meistens geht es spät los bis sehr spät. Das ist persönlich hin und wieder belastend, wenn ich bedenke, dass ich in den letzten zehn Jahren nie vor zwei drei Uhr morgens zu Hause war. Es ist aber auch sehr viel positiv. Ich komme, wenn ich meine Termine und die Beratung habe. Wenn ich nichts habe, kann ich früher gehen und das
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Ganze schreiben wir ganz gewissenhaft auf und wir müssen nicht hetzen. Freitagabend ist bei uns der Haupttag, freitagnachts. Sonntag haben wir früher gemacht. Es macht keinen Sinn, dass wir auch Freitag auftreten, da dieselben Leute da sind. Es ist ein großer Unterschied zwischen Dienstag und Freitagabend. Es bekommt nicht jeder Klient eine Akte. Nur für jeden Klient, bei dem was los ist, wo was passiert, wo Schrift-
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verkehr stattfindet, wo es für jeden nachvollziehbar sein muss, was passiert, wird eine Akte angelegt. Bei den meisten Klienten verzichten wir darauf. Wir führen sehr viel Protokoll, wo wir schreiben, dass jeder nachvollziehen kann, was mit den Klienten so los ist, aber eine Akte führen, wäre unmöglich. Ich habe jetzt schon 100 Fälle, wo was los ist. Von Anfang an zeige ich, dass ich für den Klienten Partei ergreife. Das ist eine
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eindeutige Sache. Ich ergreife hier auch nur für den Klienten Partei und nicht für die Freier. Ich bin kein Schiedsrichter und bin für die Jungs da und das wissen sie vom ersten Moment an. Ich beleidige keine Freier vor den Jungs, das ist eine Sache der Ethik, aber es ist von Anfang an klar, dass ich auf der Seite der Jungs bin auch wenn es ihnen dreckig geht. Professionalität ist das Wichtigste, sonst hält man es nicht aus. Dazu
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gehört Distanz, Identifizierung mit der Zielgruppe, sehr viel Wissen, Inhalt über Aids, über Migranten, ihre Länder und ihre Sprachen. Man kann nicht ignorant rangehen und sagen, irgendeiner von irgendwo hat irgendwas gesagt. Man muss sich abgrenzen und alles hier lassen, wenn man nach Hause geht. Unprofessionell wäre, dass man sich persönlich impliziert im Sinne von Verwicklungen in private Kontakte. Das ist sehr
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schlimm, wenn man denkt man hat eine Freundschaft oder man hilft jemandem Besonderes usw. Das ist das gleiche wie bei Ärzten. Das kam hier auch schon vor.
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Anhang 3: Interview II
Interview II, Köln
Tabuthema 5
Also, es ist auf jeden Fall ein unbekanntes Thema und wenn ich hier jemandem erzähle, den ich noch nicht kenne und der mich noch nicht kennt, was ich mach, dann sind die meisten überrascht und die meisten haben überhaupt keine Idee, dass es das gibt in Köln. Das ist schon ein Wunder, also ich meine es ist, und das ist vielleicht auch ein Zeichen für die Tabuisierung, dass einfach niemand Bescheid weiß. Wir sagen, wir
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treffen im Jahr 500 verschiedene Jungs. Das kann ich statistisch belegen und deswegen sagen wir 1000 Jungs schaffen im Jahr an in Köln, weil wir nicht jeden treffen. Eine wie ich finde, realistische Einschätzung und wenn wir sagen 1000 Jungs schaffen an, dann kucken die Leute mich an und sagen, das ist ja unglaublich und wundern sich, dass es das überhaupt gibt. Tabuisierung von Strichern hat auch mit der Tabuisierung von
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Homosexualität zu tun. Wir haben es mit mann- männlicher Prostitution zu tun. Frauen tauchen hier als Freier so gut wie nie auf. Das heißt es spielt schon auch eine Rolle, dass man sich innerhalb von der schwulen Szene noch mal einem Tabuthema nähert. Der Durchschnittshetero hat eigentlich auch schon Schwierigkeiten, sich in schwule Lebenswelten hinein zu finden und dann kommt noch dazu, dass es sich um
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Prostitution handelt. Gibt es eine Veränderung im Stadt Landbereich? In Städten liberaler aufgefasst? Ich glaube nicht, wäre nicht mein Eindruck. Ich glaube dass du Leute, die sehr liberal darüber denken und sich auch schon mal Gedanken
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darüber gemacht haben, in der Stadt genauso triffst wie auf dem Land oder umgekehrt. Ich bin überrascht davon, wie wenig Leute in Köln darüber Bescheid wissen. Eigentlich ist das eine Stadt mit einem sehr liberalen Klima. Ich meine die Leute sagen dann nicht entsetzlich und abschaffen und so, das ist schon mal ganz gut.
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Wie sehen Stricher und Freier das Thema? Sie sehen es als Tabu, wobei sie dieses Wort nicht haben. Sie sagen nicht, ich arbeite im tabuisierten Bereich. Aber man erkennt es an anderen Sachen. Man erkennt es an den Strichern im Wesentlichen daran, dass es häufig Auseinandersetzungen gibt mit der Selbstidentifikation. Also bis ein Stricher sozusagen dahin kommt, dass er von sich 119
Anhang 3: Interview II
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selber sagt, er ist Sexarbeiter oder Stricher, da vergehen in der Regel mehrere Jahre. Ich treffe die Jungs ganz regelmäßig in der Szene, aber dass er dann sagt, ich schaffe an, das braucht mindestens 1- 1,5 Jahre. Das zeigt schon, wie das belegt ist, wenn es nicht so tabuisiert wäre, oder stigmatisiert wäre, dann würde es den Jungs vielleicht einfacher fallen, dazu zu stehen, was sie machen. Bei den Freiern ganz genau dasselbe. Wir
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machen ja in erster Linie keine Freierarbeit. Aber ich weiß so viel, dass, wenn ich in eine Kneipe gehe, sich ein Freier nicht als Freier identifiziert. Er hat eventuell auch noch mehr zu verlieren als ein Stricher. Aber ich glaube, da kommt es wieder sehr auf den Einzelfall an und es gibt einzelne Stricher, die auch sehr viel zu verlieren haben und das ist besonderes bei Migranten der Fall. Bei den Freiern ist es so, wer offen schwul
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lebt, hat weniger Schwierigkeiten als Freier zu gelten, als wenn jemand zu Hause Frau und Kind hat. Der würde niemals sagen, dass er ein Freier ist von männlichen Prostituierten. Die Gesellschaft?
50
Was die Gesetzgebung angeht, ist ganz klar bei dem Gesetzesentwurf zu dem Prostitutionsgesetz angewiesen, dass man immer von Männern und Frauen spricht oder besser, dass man das Geschlecht offen lässt im Gesetzestext. Das ist in anderen Staaten zum Teil anders. Aber natürlich ist es so, dass sich die Bildzeitung mit weiblicher Prostitution auseinandersetzt und nicht mit männlicher. Wir haben ein schönes Beispiel, 10-
55
jährige Jubiläumsfeier, Bürgermeisterin präsent, aber kein Pressevertreter da, obwohl es vereinbart war. Grund dafür war, dass es nicht interessant genug war, zu viel tabuisiert, stigmatisiert. Stricher
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Wir haben im Jahr etwa 480 verschiedene Jungs in der Anlaufstelle, beim Streetwork usw. Von den 480 Jungs kennen wir nicht von jedem den kulturellen Hintergrund, aber wir können sagen, dass es sich um 60% Migranten handelt und 40% Deutsche. Wir haben in Köln den größten Anteil von deutschen Jungs in den Stricherprojekten, verglichen mit allen anderen Stricherprojekten in Deutschland. Wir rechnen zu den Migranten
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auch Migranten in der zweiten Generation, immer dann, wenn Migration-Themen eine Rolle spielen. Also sprich, wenn ein libanesischer Junge zu uns in die Anlaufstelle kommt und dieser Stress hat mit dem Thema Anschaffen oder Homosexualität, weil seine Eltern aus einer komplett anderen Tradition kommen, dann rechnen wir ihn als 120
Anhang 3: Interview II
Migranten. Wenn jemand hier total assimiliert lebt und keinen Stress mehr hat, rechnen 70
wir den nicht als Migranten. So kommt das zu 60- 40%. Eine andere Statistik ist vielleicht noch spannender: Es ist so dass wir 40% Deutsche haben und dann haben wir 20% Migranten, die dauerhaft in Köln leben, weil sie vielleicht zweite Generation sind oder weil sie als anerkannte Asylbewerber hier leben dürfen, für immer. Dann haben wir noch 40% Klienten, die sich nur vorübergehend in Köln aufhalten und diese Leute
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sind Leute, die haben keinen Aufenthaltsstatus in Deutschland und gehen wieder zurück in ihre Herkunftsländer oder reisen weiter nach Italien oder Spanien. Die Herkunftsländer der Stricher haben wir 2005 aufgeteilt von diesen 60% Migranten in 31% Bulgaren, 9% Rumänen, 16% Türken, meistens zweite Generation, Tschechen 5%, Polen 9%, Asien 4%, Nordafrika 8%. Wir sind ein reine Bulgarenstadt, das heißt wir hatten in
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absoluten Zahlen 81 Klienten aus Bulgarien. Das ist eine riesengroße Gruppe. Situation von Bulgarien Unsere Bulgaren sind auch nicht Bulgaren, sondern sind Rromas. Alles Leute, die selber noch im Inland, im Herkunftsland einer diskriminierten Minderheit angehören. Die
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würden das auch nicht unbedingt sagen. Aber wir wissen genug über die Jungs, um das von außen beurteilen zu können. Sie sprechen alle türkisch. In Bulgarien gibt es zwei Minderheiten, die sich im Laufe der Geschichte vermixt haben. Das sind die Türken und die Rromas. Die Türken haben es immer noch besser als die Rroma, sind aber auch nicht gut angesehen. Die Jungs haben in Bulgarien selber wenige Chancen, zu einer
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guten Ausbildung zu kommen, die haben so gut wie keine Chancen auf dem regulären Arbeitsmarkt Arbeit zu finden. Sie leben in Ghettos, den so genannten „Machalas“, die es in Rumänien genauso gibt. Das sind Wohnviertel, die abgetrennt von der bulgarischen Restgesellschaft nur aus Rroma bestehen. Sie haben wenig Zugang zur Gesundheitsvorsorge bzw. überhaupt zur Gesundheitsversorgung. Fast alle haben einen festen
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Wohnsitz und wandern nicht mehr umher. Die Jungs, die hierher kommen, haben fast alle vier bis acht Jahre Schule besucht, die meisten eher vier bis sechs Jahre. Sie sind eher Analphabeten, d. h. sie können wirklich wenig lesen und schreiben, egal ob auf türkisch oder bulgarisch, was ja auch verschiedene Schriften sind, da in Bulgarien kyrillisch geschrieben wird. Sie haben auch ganz wenig Allgemeinbildung. D. h. wenn
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wir hier ankommen mit Präventionsthemen, wenn wir erklären, schütz dich vor Aids, dann müssen wir wirklich bei null anfangen. Da haben die Jungs noch nie was davon
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Anhang 3: Interview II
gehört. Das Thema Aids ist etwas ganz neues für diese. Eher bei den deutschen ist es so, dass diese schon mal was davon gehört haben, aber es nicht genau füllen können. Es gibt das Merkmal, dass Homosexualität unbekannt ist und auch als soziales Kon105
strukt nicht existiert in der Rromagemeinschaft. Das macht es nicht unbedingt leichter in der mann-männlichen Prostitution zu arbeiten. Sie haben dies vielleicht schon einmal gehört, aber das ist ein totales Tabu. Ein zweites Merkmal ist, dass viele der Jungs verheiratet sind und Kinder haben. Im Schnitt sind diese zwischen 20 und 30 die meisten sind so 22 bis 24. Die 22jährigen kommen hierher und haben Kinder und haben zu
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Hause ne Frau, die sie versorgen. Das ist auch noch ein wichtiger Hintergrund. 100% derjenigen sind heterosexuell. Eine Familie haben vielleicht 80%, aber deutlich mehr als 50%. Heterosexuell sind alle. Es gibt Schwul Sein nicht. Motivation
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Sie kommen mit der Idee hierher, dass sie im reichen Deutschland Arbeit bekommen und werden dann mit der Realität konfrontiert, da es nicht möglich ist. Es ist wichtig, wie sich diese Szenen ausbilden, wieso in Köln nur bulgarische Rroma sind und in Berlin vorwiegend rumänische Rroma und in München nur Rumänen. Wir verwenden das Wort Brückenkopffunktion. Ein Junge kommt hierhin und lernt die Stadt kennen,
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lernt die Kneipen kennen und den Strich. Dieser fährt wieder zurück nach Bulgarien und bringt seinen Cousin und noch einen Bekannten und diese fahren wieder nach Bulgarien und bringen wieder Freunde und Verwandte mit und sie fahren natürlich wieder in die Stadt, die sie kennen, da es immerhin schon alles fremd genug ist. Die bulgarischen Klienten sind bei weitem nicht so mobil wie die Deutschen oder die Tschechen, die
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schon seit Jahren nach Deutschland kommen. D. h. sie kommen wirklich wieder dahin, wo sie Freier kennen oder wo sie schlafen können oder weil sie uns kennen. Sie wissen eher nicht, dass sie auf den Strich gehen. Es gibt mit Sicherheit einzelne Jungs, die, wenn sie hier ankommen, schon wussten, dass sie auf den Strich gehen werden. Aber ich würde sagen: Die Mehrzahl der Jungs der Bulgaren, die zum ersten Mal nach
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Deutschland kommt, die wussten es nicht, sondern die haben die Idee, dass sie in irgendeiner Form Geld verdienen. In der Regel denken sie an irgendwas auf dem Bau. Aber die Jungs haben auch keine Ausbildung, um dort zu arbeiten. D. h. die Jungs können wirklich nur absolute Hilfstätigkeiten machen und bei fünf Mio. Arbeitslosen haben sie keine Chance auf dem Bau zu arbeiten. Es wird auch nicht untereinander
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angesprochen, wenn sie ihre Freunde mitbringen. (Bsp. Junge bringt Cousin mit in die 122
Anhang 3: Interview II
Kneipe und sagt, dass er hier also arbeiten kann, aber auch keine klaren Worte von Prostitution und keine Anleitung- alles unausgesprochen.) Das ist dann auch unsere Aufgabe als Institution, das Thema anzusprechen und darüber zu reden, was Prostitution ausmacht. 140
Homosexualität war in Rumänien verboten, in Bulgarien nicht. Bulgarien hat ein relativ liberales Gesetz. Homosexualität und Prostitution ist bekannt in diesen Ländern, z. B. in den Tourismusgebieten am Schwarzen Meer ist es ähnlich wie in Rumänien, da gab es auch schon immer mann-männliche Prostitution und es gibt auch Prostitution von Transvestiten. Es gibt eine Gleichung in Bulgarien die heißt: Homosexualität = Trans-
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sexuell = Stricher. Es ist tatsächlich so, dass in Bulgarien der Männerstrich der Transenstrich war. Die Jungs die hierher kommen, sind auf keinen Fall transsexuell, das gibt es in Berlin und in Hamburg. Prostitution war und ist gang und gäbe im Sinne von der Tabuisierung dieses Themas. Gesetzlich ist Prostitution in Bulgarien momentan etwas unklar geregelt, es gibt kein Verbot, es gibt aber auch kein klares o.k. und es gibt vor
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allem örtliche, Landes- kommunale Gesetze, die die Prostitution auch erschweren. Durch den EU- Beitritt kommen hauptsächlich Rumänen und Bulgaren nach Deutschland, da durch den EU Beitrittsstatus sie die Möglichkeit haben, ein dreimonatiges (90 Tage) Aufenthaltsvisum als Tourist zu bekommen und sie müssen keinen Antrag stellen bei der Botschaft. Dies bedeutet 90 Tage hier und dann wieder 90 Tage zurück nach
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Bulgaren. Sie sind alle nicht schwul, verstehen sich auch alle nicht als Stricher und es ist auch schwieriger für sie zu sagen, dass sie anschaffen gehen, als für deutsche Stricher. Sie fliehen nicht vor den schlechten Lebensbedingungen für Schwule aus Bulgarien, sonder fliehen vor der Armut. Natürlich ist es so, dass die, die länger hier sind, Klarheit darüber
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haben, dass sie anschaffen gehen und wissen wie das Geschäft läuft. Aber es dauert wirklich lange, nach dem 2. oder 3. Aufenthalt bis sie sagen, können dass sie anschaffen gehen. Vielleicht auch wenn sie selber in die Rolle des Erklärens kommen, dass sie sich langsam antasten und aussprechen, dass sie Sex mit Männern haben. Wenn sie eine Chance haben eine andere Arbeit zu bekommen sind sie dabei, aber das
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passiert so selten. Mittlerweile gibt es drei Bulgaren die sind verheiratet mit einer Deutschen Frau, zwei haben Kinder mit deutschen Frauen und es gibt klare Wohnsituationen. Es gibt Leute, die Zimmer vermieten aus der türkischen Community in Köln, wo sie bleiben. Das alles führt dazu, dass sie ein bisschen etablierter sind. Es gibt einen Arbeitgeber, der hin und wieder Jungs in der Gastronomie anstellt, aber im Ruhrgebiet. 123
Anhang 3: Interview II
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Dies könnte man als Arbeitsstrich bezeichnen. Er vergibt dies an vier Bulgaren und das ist nicht die Masse. Sie organisieren sich nicht selbst, um Jobs in Spanien oder Italien als Erntearbeiter anzunehmen. Die anderen Migrantengruppen, z. B. die Tschechen und die Polen, die in Deutschland schon lange anschaffen, seit den 90ern, die sind mobiler und reisen von Frankfurt nach Köln und nach Berlin. Bei den Südamerikanern ist das
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auch so. Sie sind sehr mobil. Barcelona, Frankfurt, London. Dementsprechend auch sehr professionell und sich darüber klar, dass sie anschaffen gehen wollen und kommen teilweise auch aus Clubs oder Bordellen aus Südamerika. Die Clubs zahlen dann auch teilweise die Reisekosten für die Stricher. Es gibt eher keine Schleußerorganisationen, die Stricher nach Deutschland bringen.
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Eher findet diese Brückenkopffunktion statt. Einzelne werden hier eher unter Druck gesetzt, aber auf einer sehr persönlichen Ebene, nämlich dass jemand ankommt und viel Geld mitbringt aus Deutschland und die Familie sagt, geh doch auch nach Deutschland und verdien dort Geld. Wenn sie in Deutschland waren, müssen sie auf jeden Fall auch wieder Geld mit nach Hause bringen, sonst sind sie die totalen Versager. Das Durch-
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schnittseinkommen in drei Monaten ist 400 bis 1000 Euro. Davon können sie ein halbes Jahr zu Hause mit einer fünfköpfigen Familie leben. Das ist das Ideal. In Wirklichkeit verdienen sie viel weniger, das ist aber abhängig, wie professionell ein Junge anschafft. Es gibt mehrere Jungs, die verdienen fast kein Geld. Die verdienen in einer Woche manchmal nur 30 Euro und können somit gerade überleben. Es besteht deswegen aber
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nicht die Gefahr, dass ein erhöhtes Suchtrisiko besteht. Dagegen die deutschen Jungs sind fast alle abhängig und konsumieren, wo hingegen die Bulgaren kaum konsumieren. Wenn dann fangen sie hier an zu konsumieren, aber sehr selten. Weder Alkohol noch andere Drogen, die in der Prostitution eine Rolle spielen.
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Freier Es gibt keine klaren Zahlen über Freier in Köln. Looks kümmert sich nur um Notlagen in der Prostitution, wir kümmern uns nicht um professionelle Stricher, um solche die eigene Homepages haben oder Profile haben, das ist nicht unsere Zielgruppe. Wir arbeiten mit Jungs die keine andere Alternative haben, als sich zu prostituieren und die
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sind vorwiegend in der Altstadt, weil die es in der Regel nicht schaffen im Internet anzuschaffen, da ihnen die Schreib- und Lesefertigkeiten fehlen. Genauso ähnlich verhält es sich mit den Freiern. Die Freier die in die Altstadt kommen, haben sicherlich ein niedriges Bildungsniveau. Das sind auch eher Männer, die eher einfach sind oder die 124
Anhang 3: Interview II
das auch als Stammkneipe nutzen. Ich habe etwas Probleme, Stricher und Freier zu 205
typologisieren. Natürlich gibt es einen, der steht auf irgendwelche SM-Spiele und dann gibt es einen, der ist eher der Kuscheltyp und eher so die Gesellschaft möchte und das schöne Gespräch und ein bisschen streicheln. Es gibt auch einzelne Freier, die die Stricher ausnutzen und abzocken (Vergewaltigung). Aber das ist nicht so häufig und wir erfahren auch nicht so alles. Aber ich glaube auch nicht, dass es so häufig zu Gewaltfäl-
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len kommt. Dagegen Stricher, die Freier abzocken gibt es mit Sicherheit sehr häufig, wenn sich die Gelegenheit bietet, für jemanden, der auf der Straße lebt und der Prostitution nachgeht. Demjenigen ist es ja egal, womit er sein Geld verdient, ob er klaut oder anschafft. Wenn sich eine gute Gelegenheit bietet, dann ist das einfacher verdientes Geld als dafür ne Nacht im Hotel zu verbringen.
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Stricher mit einer heterosexuellen Identität lassen gelegentlich auch ihren Hass aus. Das spielt auch eine Rolle, dass sie es dem Freier heimzahlen wollen, eine Art Genugtuung. Aber es ist auch abhängig von der Gelegenheit. Wenn sich jemand etablieren will in der Szene, dann ist das beschissen und er hat dann auch wenige Chancen, wieder auf den Boden zu kommen. Es gibt die Freier, die ganz klar auf den Strich gehen, die sagen, ich
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will mir einen Jungen kaufen für die Nacht, bis hin zu denjenigen, die in den Kneipen abhängen, deren Stammkneipe das ist, die einmal im Monat einen Jungen mitnehmen. Dann gibt es Freier, die als heterosexuell leben mit ihrer Frau und ihren Kindern, die sehr aufpassen, wenn sie sich einen Jungen holen. Je versteckter ein Freier ist, desto eher wird er das Internet als Anbahnungsmöglichkeit nutzen. Es gibt keine Frauen als
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Freier. Wir haben bestimmte konzeptionelle Grundsätze. Niedrigschwelligkeit, Parteilichkeit und Akzeptanz sind die Wichtigsten. Parteilichkeit heißt parteilich für Stricher sein, für deren Interessen und Anliegen einstehen. Das macht es für uns auch klar, dass wir für die Stricher das sind, wenn wir rausgehen in die Altstadt. Wir wenden uns nicht in erster
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Linie an Freier. Es besteht immer wieder die Gefahr, dass wir mit einem Freier ins Gespräch kommen und der uns z.B. Sachen über Stricher erzählt, wo es für uns dann schwierig ist zu reagieren (der und der hat mich abgezockt usw.). Auf der anderen Seite gibt es in den letzten eineinhalb Jahren eine Entwicklung, dass wir zunehmend Kontakt zu den Freiern aufnehmen, dass wir sie entdecken, als Präventionszielgruppe und dass
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wir sie nicht mehr außer Acht lassen. Es gibt viele Freier, die wir kennen, da sie fast so häufig in der Altstadt sind wie wir oder wie die Jungs und die uns auch ganz wohl gesonnen sind und auch unsere Arbeit schätzen. Es gibt auch Freier, die ganz gute 125
Anhang 3: Interview II
Hilfsangebote machen. Die so genannten Sozialfreier oder Frikadellenfreier, die den Jungs eine Nacht anbieten in einem Bett und dann auch Sex dafür erwarten. Es gibt 240
auch welche, die ganz gute Angebote machen und zum Beispiel einen Job vermitteln. Die Jungs sind häufig darauf angewiesen, dass es solche Möglichkeiten gibt. Zum Teil erfolgen diese Angebote aus schlechtem Gewissen und zum Teil aus der Interesse daran, dem Jungen da herauszuhelfen.
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Erfahrungen in der Praxis Wir lernen in der Regel jemanden in der Altstadt bei der Streetwork kennen. Wir gehen zweimal die Woche, dienstags und donnerstags. Wir kommen in eine Kneipe rein und da stehen dann sieben Jungs von denen ich sechs kenne und einen kenne ich vielleicht nicht. Ich gehe dann erst zu den anderen, verteile Kondome und unterhalte mich mit
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denen, unterhalte mich mit dem Wirt. Das kriegt in der Regel der neue Junge auch mit. Ich stelle es auch so hin, dass er es mitbekommt und dass ich nicht als Freier und auch nicht als Junge unterwegs bin und dass ich schon mal komisch bin, aber trotzdem die Anderen mir vertrauen. Dann geh ich zu ihm und biete ihm Kondome und Gleitmittel an und dann kommt es darauf an, wie er beim ersten Mal darauf reagiert. Häufig ist es so,
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dass die sagen, dass sie es nicht wollen und nicht brauchen und eher zufällig hier sind oder nicht schwul sind oder nicht anschaffen. Dann lasse ich ihn auch erst mal dabei und dränge mich nicht auf. Beim zweiten Mal nimmt er das Kondom und das Gleitmittel und beim dritten Mal ist er so neugierig, dass er auch was wissen will. Dann erzähl ich, wer wir sind, was wir machen, dass wir eine Anlaufstelle haben und auch ärztliches
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Angebot haben, frag ihn wo er herkommt usw. Das kann auch beim ersten Mal sein. Es geht erst mal ganz viel um Smalltalk. Die wissen in der Regel beim ersten Mal nicht darüber Bescheid, dass es solche Angebote gibt. Es gibt auch die Situation, dass Klienten mit anderen Jungs in die Anlaufstelle kommen und die Einrichtung mal vorstellen wollen. Auch beim Streetwork kommen einige Klienten auf uns zu und sagen, dass es
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dort einen Neuen gibt. Bei den Migranten ist es so, da hier in Köln eine relativ stabile bulgarische Gruppe ist, dass neue Bulgaren oft direkt zu looks kommen oder werden direkt von anderen mitgebracht, da diese auf die Hilfsangebote wie duschen, waschen und essen angewiesen sind und in der Regel keine Wohnung haben oder nur sehr begrenzt. Anfangs war es sehr schwierig, Kontakt aufzunehmen, besonders wegen der
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Sprache. Die lernen auch kein deutsch, da sie auch nicht das Ziel haben, in Deutschland zu bleiben. Wir haben am Anfang Kondome und Gleitmittel verteilt, haben in unserer 126
Anhang 3: Interview II
Jungsbroschüre darauf gezeigt, was es für Angebote gibt durch Symbole oder haben jemanden der türkisch konnte, dazu benutzt, zu übersetzten. Das hat sich geändert, seit dem wir eine bulgarische Kollegin haben. Wir haben etwa ein Jahr gebraucht, bis wir 275
eine bulgarische Honorarkraft hatten. Es gab ein Jahr eine bulgarische Szene. Jetzt macht die bulgarische Kollegin den Erstkontakt zu bulgarischen Strichern. Sie ist per se eine Attraktion, da sie Bulgarin ist, eine Frau ist und in der Stricherszene ist. Sie muss nicht viel dafür tun, um in guten Kontakt mit den Jungs zu kommen. Eine Sache ist noch wichtig, dass es nicht darum geht, bei der Kontaktaufnahme, ob du jetzt Stricher
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bist oder nicht. Ich lasse es offen. In der Regel lässt es auch der Junge offen. Je nach dem was mir signalisiert wird im Gespräch, spreche ich es an. Wenn mir jemand sagt, dass er aus Düsseldorf kommt, dann frage ich ihn, ob der die und die Kneipen kennt. Wenn er dann sagt, dass er diese kennt, dann weiß ich, dass er schon mal so ne Vorstellung hat, dass es hier um Strich geht. Dann sage ich, da gibt es ja auch eine Stricheror-
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ganisation. Wenn die sagen, dass sie diese Kneipen nicht kennen, dann werde ich denen auch nicht das Wort Stricherorganisationen vorsetzten. Denen erzähl ich, dass wir eine Organisation sind, für die Jungs hier in der Altstadt. Dann muss er sich seinen Teil selber denken. Da die Frau eine Attraktion ist für die meisten der heterosexuellen Jungs, ist es anderer-
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seits auch eine Erschwernis für die pädagogische Seite. Es bedeutet viel Abgrenzungsarbeit. Sie kennen keine SozialarbeiterInnen. Die beschreiben uns als gute Menschen. Das macht es auch nicht unbedingt einfacher. Unsere Mitarbeiterin muss viel dafür tun, um nicht nur als Frau wahrgenommen zu werden. Also die erste Frage die die Bulgaren haben, ist, ob sie verheiratet ist. Das gilt auch für andere Migrantengruppen. Auch die
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andere Kollegin wird immer erst auf ihre Frauenrolle angesprochen (Freund, Kinder, verheiratet). Wir führen immer beim ersten Besuch in der Anlaufstelle ein Erstgespräch. Da geht es darum, noch mal genau zu erklären was wir machen, was es hier für Hilfsangebote gibt und dann auch etwas über den Jungen zu erfahren, über seine Background und zu überlegen, was für Hilfsangebote er brauchen könnte oder welche Unterstützung.
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Das reicht von Ausruhen hier in der Anlaufstelle bis hin zu Nachfragen zu Therapien. Bei den bulgarischen Jungs ist es im Laufe der zweieinhalb Jahren immer wichtiger geworden, dass wir klarmachen, dass wir ein Stricherprojekt sind. Wo ich sehr vorsichtig bin in der Altstadt beim Streetworken, bin ich hier in der Anlaufstelle umso klarer. D.h. ich oder mein Kollege sagen dem Jungen ganz klar, dass wir ein Stricherprojekt
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sind und fragen ihn ob er anschaffen geht. Dann muss sich der Junge dazu verhalten. 127
Anhang 3: Interview II
Das eine ist, um selber mit dieser Selbstidentifikation zu beginnen- ich gehe selber anschaffen und ich muss mich mit bestimmten Themen auseinandersetzen. Das heißt zum Anschaffen gehört Saver- sex dazu und es gehören klare Absprachen dazu. Das alles kann ich erst mit diesem Jungen bearbeiten, wenn er die Idee hat, dass er tatsäch310
lich anschaffen geht und das auch aussprechen kann. Der Rahmen dieses Erstgesprächs ist immer anonym und es wird klargemacht, dass alles unter uns bleibt. Dadurch sagen sie auch, dass sie Geld durch Sex mit Männern verdienen. Der eine Grund ist, sich zu professionalisieren in der Arbeit. Der andere ist, dass dieser Raum hier von Leuten in Anspruch genommen wurde, die wir zuvor in der Altstadt nie gesehen haben. Es ist
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wichtig, dass die Jungs klar sehen, was wir sind und keine anderen Leute mitbringen, die aus unserer Zielgruppe herausfallen. Problemlagen von Strichern Das Hauptproblem ist die Armut. Es gibt immer mal wieder Jungen, die erzählen, wie
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sie gearbeitet haben. Zum Beispiel haben einige Jungs im Schlachthof zehn Stunden am Tag gearbeitet, wovon sie sich von dem verdienten Geld eine Packung Zigaretten kaufen konnten. Das heißt es reicht nicht, um die Familie zu versorgen. Die anderen erzählen eher davon, dass sie keine Arbeit bekommen konnten. Sie stehen auch unter Druck, dass sie Geld mit nach Hause bringen müssen, entweder für die eigene Familie oder für
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die Eltern. Viele Jungs versuchen hier bestimmte Medikamente zu bekommen, da das Gesundheitssystem verlangt, die Medikamente selbst zu bezahlen. Einige suchen auch bestimmte orthopädische Geräte für ihre Kinder und versuchen so, mit dem Geld, das sie hier verdienen, dies zu bezahlen. Die Bulgaren, wenn sie hier herkommen, finden sich in einer komplett anderen Welt vor, für die ist männliche Prostitution ein absolutes
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Tabu, bei Frauen kennt man das, zwar auch tabuisiert aber es verletzt die Männerehre, dass sie so einem Job nachgehen. Sie sprechen die Sprache nicht, sie kennen diese Kneipen nicht, wie sie aussehen, d. h. sie finden sich in einer komplett neuen Welt. Viele Jungs haben kein Verständnis was ihre Gesundheit angeht und haben komplett andere, sehr archaische Vorstellungen von Gesundheit. Als wir angefangen haben mit
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der Safer- sex Prävention, haben die Jungs häufig gesagt, dass sie sich nur von den Frauen ansteckende Krankheiten holen können aber nicht von Männern. Viele Jungs glauben daran. Aids ist eine Krankheit die ist unsichtbar, du hast nicht das eine oder andere Symptom. Das den Jungs zu erklären, ist fast unmöglich; dass du vier oder zehn
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Anhang 3: Interview II
Jahre nichts davon merkst, aber trotzdem eine sehr schwere Krankheit in dir trägst, das 340
ist für die Jungs fast so gut wie unvorstellbar. Drogenkonsum ist bei den bulgarischen Jungs wenig Thema. Wenn, dann fangen sie hier in Deutschland an Drogen zu konsumieren. Ich habe aber noch keinen erlebt, der abhängig geworden ist. Es ist eine Gefahr in eine Szene zu kommen, wo lauter Drogensubstanzen genommen werden und die Jungs kennen diese von der Wirkung auch nicht.
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Die Jungs werden allerdings auch von den Freiern dazu verführt oder angestiftet, Drogen zu konsumieren. Das weiß ich aber nicht genau, wie sich die Bulgaren dazu verhalten. Bei den Deutschen ist das mit Sicherheit so: Es wird viel gekokst, da Kokain eine Droge ist, die dich sehr enthemmt und du Dinge machst, die du sonst nicht machen würdest.
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Ich finde, dass mit den Migranten erstaunlich wenig Gewalt passiert. Gewalt geht bei uns in der Szene eher aus von den Migranten in der zweiten Generation, die sich auch gegen das „Schwule“ auflehnen müssen in der mann- männlichen Prostitution und die sich auch bedeutend sicherer sind. Die Jungs, die sich vorübergehend hier aufhalten trauen sich nicht gewalttätig zu werden, da sie durch das kleinste Delikt, wie Drogen-
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konsum oder Diebstahl, aus dem Land rausfliegen. Auch dadurch dass sie anschaffen ist das ein Grund abgeschoben zu werden, da sie keine Arbeitserlaubnis haben. D.h. diese sind sehr vorsichtig. Sie erleben auch sehr selten Gewalt, da in der Innenstadt und in zwei anderen sehr multikulturellen Vierteln, in denen sich die meisten aufhalten, rechtsradikale Übergriffe sehr selten sind. Es gibt ein paar Jungs, allerdings die Minderheit,
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die sich vorstellen können, in Deutschland zu leben oder auch wollen. Die meisten wollen aber ihr Leben zu Hause finanzieren und stellen sich vor, zu Hause ein Haus davon zu bauen und dass sie dann irgendwann wieder komplett zurückgehen und nicht mehr nach Deutschland kommen, zum Anschaffen. Das gilt für die Tschechen und Polen im Grunde genauso. Das ist auch die Mehrheit. Die, die dauerhaft hier leben
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wollen, kann ein Grund deren „Schwulsein“ sein und dass sie sich nicht mehr vorstellen können, in ihren Herkunftsländer zu leben. Diesen Aufenthaltsstatus dauerhaft herzustellen geht nur über Heirat. Die andere Möglichkeit ist sich als Prostituierter selbstständig zu machen. Bei Selbstständigkeit bekommt man eine Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis, befristet. Wenn man dann das
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Einkommen erwirtschaftet und die Sprache sprechen lernt, straffrei bleibst usw., dann besteht die Möglichkeit, dass man das Ganze in einen unbefristeten Status überführen kann. Viele Migranten in der zweiten Generation oder Leute im Flüchtlingsstatus haben 129
Anhang 3: Interview II
geringe Möglichkeiten, in einen unbefristeten Status zu gelangen. Von der Gesetzgebung ist das sehr schwer. Sie sind alle illegal hier, ab dem Moment, ab dem sie arbeiten, 375
denn dann würden sie eine Arbeitsgenehmigung brauchen und die bekommt man nicht mit einem Touristenvisum. Sobald klar würde, dass diese anschaffen, wäre das ein Abschiebungsgrund. Es gibt in München Lockfreier, die gezielt Leute suchen, die illegal anschaffen. Hier weiß die Polizei um die Szene und es bestehen gute Kontakte zur Polizei und die Szene wird hier geduldet. Es gibt viele Belastungen von Jungs, die
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hier sind, die sie mitbringen. Sicherlich entstehen auch welche, aber es gibt manifeste und auffällige psychische Störungen, die schon mitgebracht werden. Wir haben bei den Deutschen 10- 20% psychische Auffälligkeiten, ähnlich bei den Bulgaren. Das können Depressionen, akute Suizidgedanken, massive Zukunftsängste, wo auch Ängste um das Leben bestehen, auffällige Verhaltensstörungen (Tickstörungen), Leute, die Zuckungen
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haben, welche die ganz anders interagieren als andere, bis hin zu Schizophrenien und schizoiden Auffälligkeiten. Viele sind auch obdachlos. Es hat gedauert, dass sie sich mittlerweile Wohnungen oder Zimmer organisiert haben mit Hilfe der türkischen Community. Es gibt mehrere Wohnungen, wo Vermieter vier Bulgaren in einem Raum schlafen lassen für 50- 100 Euro
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pro Woche. Es entstehen auch Konflikte zwischen den deutschen und ausländischen Strichern, da die Deutschen sagen, die Ausländer machen den Preis kaputt. Da diese sehr angewiesen sind auf das Geld, bieten diese für deutlich weniger Geld Sex an als die Deutschen. Es wird daher ganz massiv als Konkurrenzkampf gesehen und die Bulgaren waren daher
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auch eine zeitlang die Sündenböcke in der Szene. Freundschaften entstehen äußerst selten. Nur wenn die Deutschen auch die Vorurteile über Bord werfen können. Das was jetzt mit den Bulgaren ist, war vor ca. 7 Jahren mit den Polen und Tschechen so. Man sieht, wenn diese Leute lange in Deutschland sind, passiert was, da diese Leute nun gut ankommen, Freunde haben, in Kneipen als Barkeeper arbeiten usw. Für die meisten
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sieht die Zukunft so aus, dass sie wieder in ihre Heimatländer zurückgehen wollen. Wir hatten auch relativ alte bulgarische Stricher, 28, sehen aber nochmals 8 Jahre älter aus, da sie meistens nicht in guter Gesundheit sind. Geld verdienen die nicht mehr wirklich viel. Jemand der über 35 ist, den treffen wir nicht mehr in der Szene.
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Anhang 3: Interview II
Gesundheit Sie kommen mit keinem Wissen hier an und man muss hier erstmal viel Wissen vermitteln. Man muss bestimmte Vorstellungen, die durch die Kultur geprägt sind, erstmal über Bord werfen, wie zum Beispiel, dass man sich ansteckende Krankheiten nur von 410
Frauen holen kann. Wir wissen, dass es eine hohe Anzahl von Syphilisinfektionen in Bulgarien selber gibt, besonders auf dem Strich dort, deutlich höher als in Deutschland. Auch Hepatitis A und B sind sehr häufig. Bisher haben wir noch keinen HIV-positiven Jungen hier gehabt. Die Jungs werden benachrichtigt, dass sie sich auf die Krankheiten in der Anlaufstelle untersuchen lassen können. Möglicherweise so wenig HIV, da
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Analsex bei den Bulgaren nicht ins Programm gehört, vielleicht auch generell beim Männerstrich keine so große Rolle spielt. Verkaufter Sex bedeutet nicht gleich Analsex. Das ist unser Glück. Herausforderungen und Grenzen für die soziale Arbeit
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Man muss den Zugang bekommen. Meine Erfahrung hier ist, dass soziale Träger Leute einstellen müssen, die aus dem Land kommen. Das ist das A und O. Es dauerte sehr lange, bis die soziale Arbeit an den Punkt kam, dass es nicht so wichtig ist, einen Sozialarbeiter für z. B. Präventionsarbeit zu haben, sondern, dass es wichtiger ist, eine Person zu haben, die die Themen behandeln kann, die über Themen wie HIV und Safer
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Sex sprechen kann. Der Zugang zu dieser Gruppe ist aber das Schwierigste, die so stigmatisiert und marginalisiert ist. Wie schafft man es, jemandem Wissen zu vermitteln, der so gut wie nichts hat und auch bestimmte Barrieren in seinem Kopf hat. Wir werden immer in der Prostitution auf Leute stoßen, die nichts zu verlieren haben und deshalb nach Deutschland kommen, um anzuschaffen. Das gilt momentan für die Bul-
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garen und die Rumänen, da sie relativ leicht nach Deutschland kommen. Wenn die EU weiter erweitert, werden das in einigen Jahren Weißrussen sein, die hierher kommen. Diese Sachen sind nicht hier zu lösen. Die Armut und Diskriminierung die die Rromas erleben, können wir hier nicht lösen. Das ist dann eine Frage der Politik. Das, was sich an Flüchtlingsdramen am Mittelmeer abspielt, da können wir froh sein, dass wir nicht
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am Mittelmeer liegen. Aber natürlich wird man diese ganzen afrikanischen Gruppen in der Prostitution in Portugal, Spanien, Frankreich und Italien finden. Aktuell durch den Krieg im Libanon haben wir die Verpflichtung auf Grund der Genfer Konvention, dass die Leute hier bleiben können, so lange der Krieg ist. Wir werden mit Sicherheit in einem viertel Jahr Libanesen in der Prostitution haben. Leuten, denen wir in unserer 131
Anhang 3: Interview II
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Gesellschaft nichts anderes anbieten, denen bleibt nur die Prostitution. Dieser Bereich kann sich sehr schnell verändern, von der Klientel her. Es gibt immer wieder eine Zusammenarbeit mit Flüchtlingsorganisationen. Es ist schwierig Organisationen zu finden für diejenigen, die sich nur vorübergehend hier aufhalten. Es gibt ein ärztliches Angebot für Illegale in Köln. Es gibt das ION, eine Organisation, die für Migranten auf
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internationaler Ebene arbeiten und die Rückführungen machen, vor allem in der weiblichen Prostitution. Die übernehmen auch die Kosten. Etwas heikel, da die auch an den Rückführungen interessiert sind. Diese müssen versichern, dass sie nicht mehr nach Deutschland kommen. Es ist schwierig, Leuten etwas zu vermitteln, die keine Ahnung davon haben, dass wir
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professionelle Sozialarbeiter sind, die keine Vorstellung von professioneller sozialer Arbeit haben. Man muss sich immer wieder sehr stark gegenüber den Migranten abgrenzen, vor allem im privaten Bereich und betonen, dass man professionell arbeitet. Die deutschen Jungs sind da schon sehr daran gewöhnt, die kennen Institutionen und haben oft ihre ganze Kindheit schon mit Sozialarbeitern durchlaufen.
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Gerade für Frauen ist es eine Herausforderung, da Mannsein und Heterosein unter Beweis gestellt wird. Als Mann oder schwuler Mann muss man aushalten, all das was an Vorurteilen an Schwulsein so grassiert in der Szene, dass man lernt damit umzugehen. Wir arbeiten sowohl mit Männern als auch mit Frauen, wobei die Männer schwul sind
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und die Frauen heterosexuell sind. Zugang haben beide Gruppen, jedoch die größere Attraktion für die Migranten sind die Frauen. Aber bei bestimmten Themen wendet man sich eher an einen Mann oder dementsprechend an eine Frau. Das hängt auch mit der eigenen Biographie zusammen, da man gute oder schlechte Erfahrungen mit dem eigenen Geschlecht verbindet. Ein schwuler Stricher wendet sich eher an einen schwulen
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Mann. Es hat aber auch eher mit der Männer- Frauenrolle zu tun. Als Utopie sehe ich eine verantwortungsvollere Integrationspolitik die nach dem neuen Integrationsgesetz nicht erfolgt ist. Leute die zehn Jahre in Deutschland leben, die brauchen eine Arbeitserlaubnis und die Sicherheit, dass sie hier weiterhin bleiben können, da sie sonst in die illegalen Bereiche abgleiten wie Drogenhandel oder Prostitution,
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Raub usw. Wer hier 15 Jahre ist, der braucht eine Klarheit, um mit ihm auch effektiv arbeiten zu können. 20% Migranten mit denen wir arbeiten, die dauerhaft in Deutschland sind, darunter gibt es so viele, die eine ungünstigen Aufenthaltsstatus haben. Wir müssen uns klarer als Migrationsprojekt sehen, da wir mit 60% Migranten arbeiten. 132
Anhang 3: Interview II
Man bekommt auch keine Gelder für Migranten, sie tauchen nicht im KJHG auf, auch 475
nicht in kommunalen Gesetzen zur Gesundheit, da sie keine Deutschen sind. Ist natürlich Unfug, da sich die Deutschen genauso anstecken wie die Migranten. Für eine gute HIV-Prävention bedeutet dies, dass man auch Gelder locker machen muss, für Gruppen, die offiziell nicht existieren in Deutschland. Natürlich gibt es die zuhauf. Die deutsche Aidshilfe hat dieses Jahr unser Projekt finanziert und damit ganz klar die Migrantenar-
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beit. Aufgabenbereiche der sozialen Arbeit Ziel der Bulgarienreise war kennen zu lernen, wie die Lebenswirklichkeit der Jungs ist, um ein besseres Verständnis zu haben. Das Zweite war, in Bulgarien über die Situation
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aufzuklären und dort zu sensibilisieren für dieses Thema, dass es sich hier um Rroma handelt. Das dritte war Kooperationspartner zu finden. Im Falle, dass ein Bulgare ein positives Testergebnis hat, muss überlegt werden, was mit ihm gemacht wird. Wer kann in Bulgarien positive Klienten übernehmen. Im Inland ist der AKSD ein super Gremium, weil das der Arbeitskreis ist, wo man fachlich am meisten rausziehen kann, sowohl
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an Methodik als auch an Fachwissen. Auf der anderen Seite sind wir vernetzt mit den Frauenprojekten in der Prostitution. Es gibt neuerdings auch Zuhälterei. Jungs die wir als Stricher kennen, sind gleichzeitig auch Zuhälter in der weiblichen Prostitution. Da ist es wichtig auch in die weibliche Prostitution zu kucken. Der Austausch von Informationen über Aids und Hepatitis
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zwischen Deutschland und Bulgarien soll stattfinden, damit die Klienten hier in Deutschland über zuständige Einrichtungen informiert werden können. Es gibt ein Antrag auf Finanzierung über ein gemeinsames Stricherprojekt zwischen Sofia und drei weiteren europäischen Ländern. Hier sollen die Bulgaren erfahren, wie es wirklich ist in der Prostitution in Deutschland sowohl die Sozialarbeiter als auch die Klienten, um
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diese zu desillusionieren, dass man nicht legal arbeiten kann und dass wir all das lernen, wo die kulturellen Unterschiede liegen. Wir haben einmal in sechs Wochen Fallsupervision, wöchentliches Team. Es gibt ein Dokumentationssystem, in dem jeder Klient, der in der Anlaufstelle auftritt dokumentiert wird.
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Kontinuität, verlässliches Angebot, geregelte Zeiten für die Jungs ist wichtig. Der Lebensrhythmus der Jungs ist so flexibel, dass dieses verlässliche Angebot ganz viel wert ist und das über Jahre sagen zu können. Flexibilität natürlich auch, dass wir bereit 133
Anhang 3: Interview II
sind, Informationen nachzugehen. Das Internet ist auch sehr wichtig, nicht für die Migranten, für alles andere was sich mit Prostitution abspielt ist das ein großes Thema, 510
den Schritt zu schaffen, in diesen virtuellen Raum. Es werden da dieselben Angebote gemacht, die auch in der Szene gemacht werden, in der Altstadt. Man kann genau so klare verlässliche Angebote schaffen, kann den Zugang bekommen durch verschiedene Portale und ebenso eine Beratung machen. Am Wochenende gehen wir einmal im Portal Streetworken, eher aber selten, da der Zugang schwer ist und das Geschäft im Mittel-
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punkt steht. Eher um sich einen Überblick zu schaffen, wie die Szene gerade so ist, nicht unbedingt Kontakte herzustellen. Die Parteilichkeit ist sehr wichtig. Wir zeigen dies so, indem wir überwiegend für die Stricher da sind. Es spielt eine große Rolle, auch auf Grund der Stigmatisierung, den Jungs ein klares Signal zu geben, dass wir für sie da sind, wenn sie auf den Strich gehen
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und dass sie das auch dürfen. Ebenso signalisieren wir ihnen, dass sie auch auf den Strich gehen müssen, um in unsere Anlaufstelle kommen zu dürfen. Das alles ist wichtig, um eine Öffnung zu diesen Themen zu erreichen, dass sich die Stricher trauen über Sex mit den Freiern zu reden. Hier ist es ein reiner Kneipenstrich. Es gibt ein Bordell, da gibt es aber auch keine
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Bulgaren, eher Südamerikaner. Wir arbeiten auch mit diesen Bordellbesitzern zusammen und gehen da einmal im Monat hin zum Streetworken. Professionalität macht aus, dass man erkennt, dass die Zielgruppe zum größten Teil aus Migranten besteht. Es gibt sehr interessante Themen mit den Deutschen, aber was Prävention angeht, sind die Migranten viel mehr gefährdet. Deswegen ist es wichtig,
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was man für Angebote schaffen kann für diese Jungs. Man muss inhaltlich gute Angebote haben und wissen welche Gesundheitsversorgung für Migranten möglich ist. Man muss das bestimmte Fachwissen haben (Asylrecht, Gesundheitswesen, Gesetzesregelungen). Man braucht hier in der Niedrigschwelligkeit eine sehr klare Distanz. Wir sind eine Einrichtung, die im Vergleich zu anderen Einrichtungen, sehr nahe an den
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Klienten dran ist, da wir viel privates Wissen über die Klienten und die auch über uns. Dementsprechend ist auch der Umgangston hier in der Einrichtung. Umso wichtiger ist es dann, klar zu wissen, wo die Grenze ist, vor allem aus meinem privaten Bereich aber auch um auszuschließen, dass ich nicht als Flirtpartner in Frage komme. Jedoch fällt Distanz unterschiedlich aus, je nach dem, ob Mann oder Frau, homosexuell oder nicht.
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Wenn ein Klient selber nicht sagt, dass er schwul ist, ist er es auch nicht.
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Anhang 3: Interview II
Akzeptanz ist, das anzunehmen, was der Junge mir an Themen anbietet und das auch nicht zu bewerten. Wichtig auch nicht derjenige zu sein, der den Lebensstil der Stricher beurteilt, sondern zu fragen, was ein Junge will und ihn dabei zu unterstützen. Die Niedrigschwelligkeit spielt ein große Rolle, dahinzugehen, wo die Jungs sind, um 545
es den Jungs leicht zu machen und keine schwierigen Regeln aufzubauen. Anregungen Eine besondere Schwierigkeit in der Migration ist die Verbindung zum Frauenstrich, die es gibt und die alle Projekte kennen. Nicht alle Jungs, aber vielleicht fünf bis zehn
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Männer, und das reicht schon, bringen eine oder vier Frauen mit. Eben auch wegen der Parteilichkeit entsteht hier eine Schwierigkeit, da wir nicht mit Zuhältern zusammenarbeiten. Da kommen wir an unsere Grenzen, da auch dieser Mann oder Junge ein Hilfsangebot benötigen würde, aber gleichzeitig auch andere Frauen in Abhängigkeit bringt. In letzter Zeit haben wir diesen auch den Zugang zur Anlaufstelle verweigert, da wir
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Prostitution als etwas sehen, das man nicht freiwillig macht. „Du machst das nicht freiwillig und bei den Frauen ist das auch nicht anders, wenn du daran mitverdienst, dann sehen wir das als Ausbeutung an.“
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Anhang 3: Interview III
Interview III, marikas e.V., München
Tabuthema? 5
Für mich ist es eigentlich kein Tabuthema. Zuerst mal finde ich, muss jeder selber verantworten was er macht. Das ist meine persönliche Vorstellung von Moralkodex. Ich muss das, was ich selber mache, auch verantworten vor mir, meinem Nächsten, vielleicht auch vor Gott. Insofern ist das auch so bei Prostitution, wenn jemand sich jemanden kaufen will, soll er das machen, wenn er das verantwortungsbewusst tut. Also wenn
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das, was vorher abgesprochen wird, auch eingehalten wird, ist das für mich auch ein ganz legales Geschäft und habe da niemanden zu verurteilen. Ich kenne viele Leute, die mir erzählt haben, dass sie früher Stricher waren oder noch sind, die ich jetzt unabhängig von der Arbeit kennen gelernt habe oder Freunde, mit denen ich früher im Sandkasten gespielt habe. Das passiert gar nicht so selten. Da hab ich kein Problem damit. Es
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ändert sich nichts in der Beziehung zu diesen. Aber auch mit Leuten, die gesagt haben, sie haben sich schon mal als Freier betätigt, oder eine geile Session gekauft, habe ich kein Problem im Umgang. Es gibt alle Formen, also auch alle Möglichkeiten, die man sich vorstellen kann, wie sie Freier sind, wie sie Stricher sind, können vorkommen. Aber die Tendenz ist, dass bei
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den Strichern ein Identitätsverlust stattfindet. Stricher sehen sich nicht mehr als Stricher. Sie haben keine Identität mehr als Stricher. Die Jungs, mit denen wir hier zu tun haben, die brauchen schnell viel Geld und wie sie dieses Geld bekommen, da ist Prostitution ein Mittel zum Zweck. Sie haben keinen Berufsethos, sehen sich nicht als Stricher. Viele lehnen das ab, haben Probleme damit, wenn sie so betitelt werden. Wenn wir
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unser Angebot so anpreisen, z. B. Beratungsstelle für Stricher oder Seminare für Stricher, dann finden sie das oft abwertend und identifizieren sich nicht damit. Also wir müssen versuchen, anders an die Jungs ranzukommen. Das ist ein Indikator dafür, dass sie das selber wieder mehr tabuisieren und sich nicht in diese Ecke stellen lassen, die für sie mit Abwertung zu tun hat. Ich würde sagen, früher war das anders. Deutsche Jungs,
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die zu uns kamen, hatten auch eine politische Meinung dazu und fanden das auch ein Stück weit legitim, dass sie sich da in einer Szene aufhalten. Sie haben sich da beheimatet gefühlt und sich ein ganzes Stück weit damit identifiziert. Natürlich haben diese das nicht nur toll gefunden und es stolz präsentiert. Sie haben sich sicher auch gegenüber 137
Anhang 3: Interview III
anderen Gruppen in der Szene gegenseitig auf und abgewertet, dass sie gesagt haben: 35
die Ausländer sind schlecht, die versauen uns den Preis. Das passiert auch heute so. Aber sie haben sich mehr identifiziert als heute. Bei den Freiern ist es eher umgekehrt. Es gibt mehr Freier, die dazu stehen, dass sie sich ab und zu einen Jungen kaufen. Trotzdem ist es bei der Mehrzahl so, dass sie sich nicht als Freier sehen, sondern eher als besseren Sozialarbeiter, der jemandem, der aus dem
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Osten kommt, kein Geld und kein Dach über dem Kopf hat, von der Straße weghilft und ihn unterstützen und fördern will. Dass sie dann nebenher eine Kleinigkeit an sexuellen Wiedergutmachungen für den Aufwand anfordern, das sehen sie dann nicht so wirklich. Jedoch wenn sie sich als Freier betitelt sehen, wäre ihnen das zu plump und zu krass. Sie würden sich eher so als Helfer sehen wollen und dass man da eine Nettigkeit erwar-
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tet, ist dann selbstverständlich. Ich denke eher so, ist die Argumentationslinie von denen. Ich sehe das als Sozialpädagoge allerdings anders. Da sie doch eine sehr hohe Machtstellung haben, wenn der Junge nicht so spurt, wie sie sich das dann vorstellen oder wenn er als unwillig oder unbelehrbar gilt, fliegt der schnell wieder raus. Die sozialar-
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beiterischen Ambitionen lassen dann doch sehr schnell wieder nach. Also dann doch eher wieder die Richtung des klassischen Freiers. Ich denke in den Metropolen, wo auch große Schwulenszenen sind, wird so was auch eher gesehen oder bemerkt. Es ist aber grundsätzlich so, dass Prostitution, nachdem es in den letzten Jahren relativ liberaler gehandhabt wurde, von dem Rest der Republik
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wahrgenommen wird, vor allem auch durch die neue Gesetzgebung. Zum Beispiel, gehört in Hamburg Prostitution einfach dazu. Da hat schon die Tabuisierung ein bisschen nachgelassen, weil es schon eher anerkannter ist, wenn das ordentlich läuft, dann kann man das auch akzeptieren oder erlauben oder auch Sperrgebietsregelung zu hinterfragen oder zu lockern.
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Jetzt mit der Fußball-WM hat sich das umgekehrt und relativ schnell sind alle wieder von diesem Pferd abgesprungen, dass man es abschaffen und verbieten muss. Wenn das dann auch noch Männer miteinander machen… Überall ist die Mafia und Zwangsprostitution dabei… da wird dies doch eher wieder von der Politik her tabuisiert, um eine Handhabung dagegen zu haben. Es ist eher ein politisches Instrument, diese neuerliche
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Tabuisierung. Diese Befürchtungen, dass es tausende illegale Prostituierte während der WM geben wird, haben sich nicht bewahrheitet. Sicher gibt es Zwangsprostitution, aber man muss da genau hinschauen, wo das ist und eine allgemeine Hysterie hilft weder den 138
Anhang 3: Interview III
Zwangsprostituierten noch sind das geeignete Wege um dieser Problematik her zu werden. Es hat alles nicht so stattgefunden wie es heraufbeschworen wurde. Jetzt hat 70
auf einmal auch keiner mehr behauptet, dass es so eintreffen wird. Aber nichtsdestostrotz schreien alle nach mehr Sicherheit, nach mehr Überwachung, nach Geboten, nach neuen, strengeren Gesetzen usw. Speziell hier in München ist es sowieso so, dass die CSU-Landesregierung versucht, die Umsetzung in Bayern, das Prostitutionsgesetz zu hemmen und zu blockieren. Es versucht auch der Staat aufzuerlegen was zu tun ist
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und auch im Stadtrat selber gab es eine relativ liberale Meinung auch von der SPD. Die Damen und Herren ziehen sich da jetzt zurück und meinen jetzt, man muss da mit Sanktionen reingehen, um die Szene besser kontrollieren zu können, obwohl keine Befürchtungen während der WM eingetroffen sind. Ich glaube auch nicht, dass die Polizei da etwas übersehen hätte. Mit der jetzigen Gesetzesregelung haben sie das
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offenbar gut im Griff und einen Überblick über das, was in München stattfindet. Dennoch ist die Tendenz eher rückwärts reaktionär, das alles zu verschärfen. Als Einrichtung werden wir von der Gesellschaft kaum wahrgenommen, wenn wir uns nicht selber in den Mittelpunkt stellen und Pressearbeit usw. machen würden. Seitens der Gesellschaft gibt es nicht viele Reaktionen.
85 Stricher Wir halten uns mit Zahlen sehr zurück. Wir treffen ca. 300 verschiedene Personen im Jahr, die wir auch mehrmals in den Kneipen treffen. Wir haben unsere Streetworkarbeit außerhalb unserer Anlaufstelle. Die durchschnittliche Zahl der Jungs, die hier in Mün90
chen gleichzeitig ihre Dienste anbieten, rechnen wir auch auf die gleiche Menge, also 300 Leute. Wir versuchen das zu überschlagen durch die Angebote, die wir per Internet sehen können, durch die Angebote, die wir in der Zeitung sehen können oder die Leute, die wir hier in der Einrichtung treffen. Es ist wirklich nur eine Schätzung und das kann man nur mit wenig Sicherheit sagen. Es sind auch nicht alle Stricher gleich hilfebedürf-
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tig, dass diese unser Angebot wahrnehmen müssen oder dass wir sie dort treffen, wo wir glauben, sie antreffen zu müssen. Die Jungs, die wir treffen, sind alle volljährig, es gibt kaum welche, die unter 18 sind eher über 21 sind. Damit sie durchs Anschaffen keine Probleme mit der Polizei kriegen, da unter 21 Prostitution nicht gestattet ist bzw. versucht die Polizei das zu unterbinden,
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bestraft Leute, die Stricher anstellen über Zuhälterei. Menschenhandel fällt dann unter diesen Paragraphen. Deswegen wird keine Kneipe, Stricher, die jünger als 21 sind, bei 139
Anhang 3: Interview III
sich dulden. Ich denke das ist eine bundesweite Einteilung. Es kommt auch darauf an, wie scharf die Polizei da kontrolliert. Wenn die Polizei damit zufrieden ist, dass die Jugendschutzbestimmungen für den Aufenthalt in einer Kneipe erfüllt werden, reicht 18 105
Jahre. Wenn sie denen unterstellen, dass sie der Prostitution nachgehen, würde das nicht reichen. Aber ich denke, das unterstellen sie nicht und das ist das entscheidende Kriterium, welches die Polizei da anwendet. Wir haben die meisten Jungs aus Rumänien, ca. 60- 70%. Dann haben wir Tschechen und Slowaken. Die waren früher die meisten, sind jetzt aber die zweite Gruppe gefolgt
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von den Bulgaren. Dann gibt es vereinzelt Ungarn und Brasilianer. Irgendwann kommen die Deutschen. Die Mehrheit der Jungs stammt aus Rumänien aus Familien, wo die Eltern Langzeitarbeitslose sind und sich mit Gelegenheitsarbeiten durchschlagen. Die Jungs haben ein schlechte oder keine Schulausbildung und wenig Chancen in der Region, aus der sie kommen, Arbeit zu finden. Es sind keine Rromas bei uns. Vielleicht 10%
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der Jungs die zu uns aus Rumänien kommen sind Rromas. Die anderen sind Rumänen. Die meisten kommen aus dem Kohlebecken bei Lupeni und Betrocham und Petrila. Das sind ca. 60% der Jungs. Dann gibt es welche aus Siebenbürgen und welche aus dem östlichen Teilen, nahe der Moldau, ca. 10%. Dann kommen welche aus Arad und vereinzelt welche aus Bukarest. Die meisten kommen aus Regionen, wo Industrie angesie-
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delt war, die aber niedergegangen ist. Es sind keine organisierten Schlepperbanden, die da Menschenhandel treiben, sondern eher, dass irgendwelche Freunde zurückkommen, angeben wieviel Geld sie hier verdienen und sagen, wie locker und toll das Ganze hier ist und sich als tollen Held verkaufen und andere dann wieder mitbringen. Dass diese dann vielleicht über diese Leute, die sie
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mitbringen, sich die Reise finanzieren lassen, sich einen kleinen Bonus bezahlen lassen, kommt schon vor. Aber es ist was anderes als Zuhälterei oder Menschenhandel. Das sind Freundschaftsdienste mit Umkostenbeitrag. Aber ich denke auch, dass es doch sehr oft über Mund zu Mund geht. Dann gibt es aber auch welche, die hier her kommen, versuchen Geld zu verdienen, auch in anderen Bereichen und dann in der Prostitution
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landen. Es ist nicht immer das Ziel, hier in der Prostitution zu arbeiten. Homosexualität ist in Rumänien seit ein paar Jahren erlaubt. Es war eine Bedingung der EU, dass eben keiner wegen seiner sexuellen Orientierung, Religion oder Nationalität verfolgt werden darf. Deswegen ist es erlaubt, aber es ist eigentlich undenkbar dort, eine offene Beziehung zu leben oder zu heiraten. Insofern ist es natürlich ein Tabu, wenn
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man Sex mit Männern zugibt. Allerdings glaube ich auch, dass die Leute, die dann von 140
Anhang 3: Interview III
dem hier verdienten Geld leben, nicht wissen wollen, wie das verdient wird. Hauptsache das Geld läuft. Die Jungs, die ich frage, was sie denn daheim erzählen, sagen, dass sie ein bisschen im Service arbeiten oder machen mal dies, mal das. Da denke ich mir auch, wenn da jemand genauer nachfragen würde, würden sich diese sicherlich verstricken in 140
irgendwelche Aussagen. Aber offenbar fragt keiner genauer nach. Das ist Fakt. Es will also keiner wissen, Hauptsache die Kohle stimmt. Gerade in Rumänien und Bulgarien und vielen ärmeren ehemaligen Ostblockländern ist dieser Konsumzwang und Drang so enorm groß, dass man dann so was auch in Kauf nimmt, auch wenn niemand darüber spricht, weil es so ein riesiges Tabuthema ist, eben
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mit der Homosexualität und Prostitution. Aber fürs Geld würde man das trotzdem in Kauf nehmen. Indirekt werden sie natürlich auch durch Werte der Religion geprägt. Praktisch haben wir sehr selten praktizierende Christen, die dann wirklich beichten gehen oder es als Sünde oder als moralisch verwerflich ansehen, weil es jetzt die Kirche so vorschreibt.
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Aber im Prinzip ist es für sie schon ein Tabu. Bei den Rroma sieht es manchmal ein bisschen anders aus. Da ist Prostitution eher eine Möglichkeit Geld zu verdienen, da es über Jahrhunderte die Rolle der Zigeuner war, alle legalen und illegalen Möglichkeiten auszuschöpfen. Wir hatten schon selber am Telefon mitgehört, wie die Großmutter den Jungen aufgefordert hat, dass er endlich den Arsch
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hinhalten soll, damit das Geld kommt. Ich tue mich schwer, da wir sehr wenige Rromas haben, das zu verallgemeinern, aber ich vermute sehr, dass es legitimierter ist als bei den anderen. Die rumänischen und bulgarischen Jungs haben mittlerweile auch die Freizügigkeit in der EU, d. h. sie können sich als Touristen drei Monate am Stück aufhalten und dann
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müssen sie das Land wieder verlassen. Nach frühestens drei Monaten können sie wieder hierher kommen. In Bayern sieht die Polizei das anders. Sie sagen, diese dürfen drei Monate hier bleiben und müssen doppelt so lang zu Hause sein, wie sie hier sind, um nachzuweisen, dass sie eben ihr Lebensmittelpunkt in ihrem Herkunftsland haben und hier nur als Touristen sind. Wenn sie das nicht glaubwürdig nachweisen können, kann
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man ihnen unterstellen, dass sie der illegalen Erwerbstätigkeit nachgehen, vor allem wenn sie ständig in der Stricherszene entdeckt werden und nicht nachweisen können, wie sie ihr Geld verdienen, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten. Fakt ist, es muss nachweisbar sein, dass die Jungs ihren Lebensmittelpunkt in ihren Herkunftsländern haben. Dann muss nachgewiesen werden, dass sie zu Hause Geld verdient haben, 141
Anhang 3: Interview III
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dass sie sich wieder einen dreimonatigen Aufenthalt leisten können. Auch wenn im Ausweis die Stempel so unregelmäßig drin sind oder ein Junge da ist und keinen Stempel hat und von der Polizei kontrolliert wird und nicht genau nachweisen kann, wann er gekommen ist, wird das gegen ihn verwendet. Wenn er die letzten Zeiten alle gestempelt hat und ständig alle drei Monate hier aufkreuzt und keinen Stempel hat, weil er
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nicht kontrolliert wurde, kann ihm unterstellt werden, dass er schon länger hier ist. Es ist immer wichtig, den Ausreisestempel zu bekommen und auch sich bei der Polizei zu melden, wenn sie keinen Stempel an der Grenze bekommen haben. In Bälde wird sich das jedoch erübrigen, wenn diese Länder in die EU beitreten. Es ist mit der Identität schwierig, sie würden sich eher als Jobber in unterschiedlichen
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Bereichen bezeichnen und betätigen sich im In- und Export an möglichen Dingen. Die Dienstleistung Prostitution ist ein Mittel um Geld zu verdienen. Wenn es sich lohnt in einem anderen Job zu arbeiten, würden sie diesen auch annehmen. Das ist aber auch eine Schwierigkeit. Wie hart ist jemand bereit zu arbeiten für wie wenig Geld. Also ab wann lohnt es sich. Ich habe auch festgestellt, dass einige Jungs Angebote zur Arbeit
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haben und eben glauben, in der Prostitution mehr Geld zu verdienen und deswegen den Job nicht annehmen. Es wird niemand zugeben, dass sie nur hier sind, um ihre Homosexualität auszuleben. Das wird niemand zugeben, weder vor seinem Outing noch danach. Fakt ist, dass einige Jungs, die länger hier sind, eine gewisse homosexuelle Neigung zeigen. Sie trauen sich, das zu leben oder ihr „Schwulsein“ darin offen zu tun oder für
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sich selbst erst anzuerkennen. Ich glaube bei vielen passiert es so im Unterbewusstsein und während der Tätigkeit erst für sich selber klar werden. Vorher behaupten sie, dass sie nicht schwul sind und wissen es selber nur noch nicht. Wir versuchen, dass die Jungs ein Bewusstsein zum Anschaffen entwickeln. Aber wenn die Jungs keine Identität zum Job haben, dann ist es schwierig, eine Professionalität zu
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entwickeln oder professionell zu handeln. Das ist das größte Problem im Moment. Einige haben Familie zu Hause, einige versorgen ihre Eltern oder Geschwister mit. Sie haben schon Druck, relativ regelmäßig Geld nach Hause zu schicken. Die Familie hat nicht unbedingt Auswirkung auf den unterbewussten Versuch irgendwelche homosexuellen Anteile auszuleben. Es ist durchaus möglich, dass jemand der schon zwei Kinder
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hat, feststellt, dass er sich auch zu Männern hingezogen fühlt. Hier muss ich aber noch ergänzen, dass die Szene über die Freier relativ wenig Lust bringt, homosexuelle Neigungen mit diesen auszuprobieren. Eher dann, dass sie mit anderen Strichern in Kontakt
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Anhang 3: Interview III
kommen und es da ausprobieren oder wenn sie länger da sind, dass sie sich trauen, über die Schwulenszene Leute kennen zu lernen. 205
Zu 90% ist die Motivation der finanzielle Anreiz. Die meisten Jungs, die wir hier antreffen, betreiben Armutsprostitution, um sich aus ihrer finanziellen Situation zu verbessern. Die Homosexualität ist ein relativ kleiner Bereich, der hier eine Rolle spielt. Nichtsdestotrotz ist es bei uns Thema, bei den Beratungen nachzufragen, ob es da Schwierigkeiten gibt oder ob man darüber reden muss. Ich und mein schwuler Kollege
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sind da als Person immer wieder Beispiel oder Anhaltepunkt für die Jungs, wenn sie darüber reden wollen oder uns als Vorbild zu nehmen. Anschaffen, wenn’s nicht ums Geld geht. Die meisten haben besonders noch am Anfang die Illusion, dass sie hier schnell Geld machen können und sich zu Hause eine Existenz aufzubauen und zwar eine solche, wo
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sie nicht mehr arbeiten müssen, sondern andere für sich arbeiten lassen. Hier bleiben wollen die Jungs, die dann eine schwule Identität entwickeln. Diese versuchen, sich zu binden oder zu heiraten. Ebenso wollen die Jungs hier bleiben, die nicht mehr attraktiv genug sind, um in der Prostitution zu arbeiten und noch kein Vermögen angehäuft haben, aber in der Heimat auch keine Perspektiven mehr haben. Sie versuchen auch
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einen dauerhaften Aufenthalt hier zu bekommen, um in anderen Bereichen zu arbeiten oder eine Arbeitsgenehmigung zu bekommen. Wir haben auch Stricher, die als Zuhälter in der weiblichen Prostitution gelten. Diese kommen von sich aus nicht mehr in die Anlaufstelle, da sie uns nicht mehr brauchen, weil sie bereits ein Vermögen angehäuft haben. Sie leben davon, dass sie die Frauen hierher bringen oder auch den einen oder
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anderen Jungen. Auch über Zimmervermietung machen diese ihr Geld. Nichtsdestotrotz, wenn wir die in der Stricherszene antreffen, sprechen wir mit diesen und hinterfragen und beraten sie, wenn Bedarf ist. Natürlich versuchen wir sie auch positiv zu beeinflussen, dass sie diese Frauen gut behandeln und nicht ausnehmen. Wir fragen oder hinterfragen auch ihre Einstellung dazu, wie sie das selber finden. Zu den Angeboten,
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wo für andere Jungs ein Schutzraum zur Verfügung steht, werden sie nicht mehr zugelassen. Mitunter schaffen sie auch noch selber bei ihren Stammfreiern an. Wir sprechen von Transmigranten, das heißt diese haben einen Fixpunkt in ihrem Land, in ihrer Stadt, in der sie einen sozialen Status erwerben wollen. Diesen kann man unter den Umständen des wilden Kapitalismus oder Neokapitalismus nur mit Geld in ihrem
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Land erwerben. Um dieses Geld zu beschaffen, sind sie bereit, jede Arbeit im Ausland anzunehmen. Wichtig ist, dass sie diese Arbeit im Ausland machen, da sie niemand im 143
Anhang 3: Interview III
Ausland kennt und sie sich nicht komprimiert fühlen. Da kann man dann auch Arbeit machen, die zu Hause tabuisiert ist, wie zum Beispiel Prostitution. Die Familien reden sich ein zu glauben, dass dieses Geld auf ehrliche Weise verdient wurde. Je mehr Geld 240
nach Hause geschickt wurde, desto erfolgreicher ist der Sohn/ die Tochter im Ausland. Je mehr die Familie sich Luxusgüter dafür leisten kann, umso höher ist auch das Ansehen zu Hause. Deutschland ist dabei nur ein Punkt. Viele Rumänen nutzen Deutschland vorwiegend für Prostitution oder vielleicht auch, über die Stricherszene Jobs auf dem Bau oder Wohnungsrenovierungen anzunehmen. In Italien arbeiten sie viel in der
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Landwirtschaft, in Spanien auch. In Irland kann man auch wieder mehr auf dem Bau arbeiten. Da gibt es auch diese legalen Arbeitsbedingungen, da geht es schneller. Da gibt es kein Arbeitsverbot als Angestellter, sondern da gibt es Möglichkeiten sektional oder längere offizielle Arbeitsverträge zu machen. In Italien ist das so: wenn man da längere Zeit illegal gearbeitet hat und dies funktioniert hat, dann bekommst du einen
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legalen Status mit dem du dann arbeiten darfst. Dass es so wirklich gemeinschaftsorganisierte Gruppen gibt, ist selten. Es gibt Freunde, die sich beim Anschaffen treffen oder auch eine Fahrgemeinschaft bilden. Aber eigentlich ist hier jeder ein Einzelgänger, macht sein Ding alleine und man trifft sich immer wieder an verschiedenen Stationen, die für alle vielleicht gleich verlaufen, vielleicht mal einen Wechsel von hier nach
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Zürich und dann mal nach Hamburg. München, Wien, Zürich ist immer so eine Verbindung, auch mal als Aushilfe in Teilen der Landwirtschaft. Aber dort eher einzeln. Das gibt es schon, dass ethnische Gruppen untereinander einen Verbund bilden. Ich würde aber sagen, wenn es ums finanzielle geht, dann kuckt schon jeder wo er bleibt. Es ist eher so, dass sie ein Stück Heimat sehen, da sie dieselbe Sprache sprechen. Man trifft
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sich dann wieder, da es ein Stück weit Geborgenheit gibt. Aber es ist keine Versicherung dafür, dass sie von den anderen durchgefüttert werden, wenn’s darauf ankommt. Soweit reicht die Zuneigung dann auch nicht. Sie sehen sich schon eher als Konkurrenten. Es gibt immer die Ausnahme, wo welche miteinander Freundschaft schließen. Es gibt schon Zweierreisegruppen, aber größere Gemeinschaften eher selten. Dies sind
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dann meistens auch Verwandte oder Cousins, kommen aus dem gleichem Dorf oder sogar Geschwister. Es gibt durchaus Jungs, die sich tatsächlich ein Bleiberecht erworben haben und in ihrer Wohnung auch an ihre Landsleute untervermieten. Das ist eine Möglichkeit, wo sie sagen, sie wohnen bei Freunden. Dann gibt es aber viele Freier, die aus ihrer Wohnung
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eine kleine Pension machen und immer wieder den interessantesten Jungen einladen. 144
Anhang 3: Interview III
Die kommen dann schon auch über Zuspruch von Strichern, die schon länger bei dem Freier gewohnt haben und empfehlen einem Freund, dass der Freier den auch aufnehmen könnte. Letztendlich entscheidet der Freier, wer bei ihm wohnt. Es wohnen unterschiedlich viele Stricher beim Freier, der interessanteste schläft dann im Bett vom Freier 275
und der nicht so interessante schläft umso weiter weg. Es ist klar, dass es eine ausnutzende Machtposition des Freiers ist, die dies selber so nicht sehen und ablehnen. Wir finden dies sehr problematisch. Aber wir haben keine Möglichkeit, da wir nicht so viele Schlafräume anbieten können, noch sehen wir das auch sinnvoll. Toll ist es für die Jungs nicht, so zu leben. Eine andere Wohnmöglichkeit ist, dass sich die Stricher zu-
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sammen ein Hotelzimmer anmieten. Es gibt Hotels, die Zimmer zu Festpreisen vermieten und es ist dann egal wie viele Jungs da schlafen. Das heißt aber nicht, dass sie dann eine dauerhafte Reiseverbindung haben und zusammen umherreisen. Es wird nur das Zimmer geteilt. Es sind ganz viele, die nicht wissen, wo sie abends hin sollen. Das sind meistens dieje-
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nigen, die am unattraktivsten sind, weil sie zu alt oder zu arm sind und sich nicht pflegen können oder drogenabhängig sind. Auf Grund dieser Drogenabhängigkeit auch wieder weniger attraktiv sind. Eins beeinflusst auch wieder das andere. Das ist mindestens die Hälfte, die nicht wissen wohin sie sollen. Wir vermitteln auch an Obdachlosenwohnheime, aber es kommt meistens keiner an. Im Sommer gibt es so ein Camping-
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angebot, wo es Übernachtung für sechs Euro mit Frühstück gibt, dann vermitteln wir zur Heilsarmee und zu einer Einrichtung vom evangelischen Hilfswerk. Sie suchen sich dann meistens selber Sachen. Obdachlosenunterkünfte sind für sie nur ein Notfall. Wenn sie gut verdienen, verdienen sie mehr als ich, wenn sie jung sind und es gut anstellen. Man kann das durchaus auch in der Stricherszene verdienen, dann ist es schon
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eine gewisse Professionalität. Nur weil man ein Zimmer hat und einen geregelten Aufenthalt hat, heißt das nicht gleich professionell. Wenn man als rumänischer Junge gut aussieht, weiß was man will, bereit ist, Praktiken einzugehen, die der Freier wünscht und das Geschick hat, den Freier um den Finger zu wickeln und dann eine Illusion verkauft, setzt das schon eine Professionalität voraus. Aber auch wenn man Klarheit in
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sich hat und Ziel gerichtet auf dieses Geschäft hinarbeitet. Aber ich denke, das kann durchaus auch ein Stricher machen, wenn er geschickt ist. Aber das schaffen die wenigsten. Da gibt es ein zwei Beispiele. Die anderen haben offensichtlich die Illusion, dass alle so viel Geld verdienen können. Sie denken auch, dass sie das können und wenn sie es heute nicht schaffen, dann morgen. Sie leben von heut auf morgen. „Mor145
Anhang 3: Interview III
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gen hab ich vielleicht die Chance und ich muss weiter in der Szene bleiben, um diese Chance nicht zu verpassen.“ Diese Illusion besteht und jeder glaubt das. Fakt ist, dass die meisten so viel verdienen, dass sie sich ihr essen leisten können, ihre Zigaretten und ab und zu noch ein Bier oder Partydrogen, um zu vergessen, in was für einem Scheiß man sich gerade aufhält. Dass es von der Hand in den Mund reicht, trifft bei den meis-
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ten zu. Einige verdienen auch noch was, dass sie sich was wegsparen können oder es nach Hause schicken. Einige kaufen sich Wohnungen und sichern sich eine Existenz. Das erzählen uns immer wieder welche, dass sie eine Wohnung oder ein Auto kaufen. Nachprüfen können wir das nicht, ob das wirklich stimmt. Aber es ist möglich. Es gibt sicherlich welche, die nicht schwul sind und ihren Job trotzdem sehr gut ma-
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chen. Allerdings müssen sie die Homosexualität des Freiers und die Szene ein Stück weit akzeptiert haben. Wenn sie es wirklich noch sehr negativ bis ablehnend sehen, dann können sie diesen Job weniger gut ausführen. Ein Freier ist dann oft nicht mehr bereit, nochmals einen guten Preis zu bezahlen, weil die Freier sich nicht ernst genommen fühlen und das nicht als toll empfinden.
320 Freier Ich glaube die Freier unterscheiden sich relativ wenig zu Freiern in anderen Städten. Viele Stricher sagen, dass man in München mehr verdienen kann als in anderen Städten und dass die Stricherszene nicht so heruntergekommen ist, da die Freier einen anderen 325
Anspruch haben, dass die Szene noch nicht so heruntergekommen ist. Drogenstrich ist in München nicht so nachgefragt. Den gibt es auch, aber es ist ein kleineres Marktsegment als es vielleicht in Frankfurt oder in Hamburg ist. Aber sonst gibt es die gleichen Typen, die sich eher als Helfer oder als Sozialarbeiter sehen. Es gibt die reichen Freier, die mal mit dem Rolls Royce vorgefahren sind. Es gibt den armen Rentner, der sich das
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vom Mund abspart und sich das nur alle halbe Jahre leisten kann. Es gibt den jungen Schwulen, der etwas ausprobieren will, es gibt alles. In den Kneipen sind es meistens die gleichen Leute, die sich da aufhalten, die sich in der Szene wohlfühlen, die das als ihr soziales Umfeld sehen und sich da verlustieren, ihre Freierfreunde treffen, gerne sich mit dem Barkeeper und dem Stricher unterhalten. Wenn ihnen dann einer gefällt, neh-
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men sie ihn mit heim. Sonst sind viele aber sehr geizig und sparsam und unterhalten sich lieber lange und führen Gespräche, damit sie sich zu Hause selbst befriedigen können. Es ist nicht immer so klar, dass die Freier, die in den Kneipen sind, es unbedingt abgesehen haben auf eine sexuelle Handlung. Es ist in München das Sperrgebiet 146
Anhang 3: Interview III
sehr streng ausgelegt und deswegen ist ein Straßenstrich auch sehr schwierig. Hier ist 340
Prostitution im Sperrbezirk sowohl in Kneipen oder in Puffs als auch in Privatwohnungen und auch auf der Straße verboten. Das heißt, die wenigen Straßen, die in München außerhalb des Sperrbezirks liegen, sind von den Frauen besetzt. Das bedeutet für die mann- männliche Prostitution, die sich immer am Rande der Schwulenszene befindet, die wiederum traditionell in der Innenstadt und um das Hauptbahnhofgebiet angesiedelt
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ist, dass es zu kaum einer Straßenprostitution kommt. Es gibt in München ein Etablissement, das mann- männlich Prostitution anbietet, mit mäßigem Erfolg. Es gibt hier auch Kontrollen von der Polizei, mit Lockfreiern. Meistens kontrolliert die Polizei die ausländerrechtlichen Delikte und Drogen. Es kommt immer wieder zu Gewalt. Wir stellen fest, dass Freier Stricher mit nach
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Hause nehmen und dort beklaut werden aus welchen Gründen auch immer. Wenn die Jungs uns das erzählen, dann sagen sie, dass der Freier das nicht eingehalten hat, was er versprochen hat. Die Freier sagen, dass der Junge nicht das eingehalten hat, was er versprochen hat und die Jungs bedienen sich dann selber. Die Freier sind meistens sehr leichtsinnig, weil sie leichtsinnig Jungs mit nach Hause nehmen und selber betrunken
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sind und einschlafen. Fakt ist, dass der Junge Geld braucht, um zu überleben, der Freier hat das Geld in der Sicht des Jungen und der Freier hat auf jeden Fall auch die Macht zu sagen, ich mach das Geschäft mit ihm oder nicht. Der Freier hat da eine überlegene Position. Aus dieser Sichtweise, aus der Parteilichkeit für Stricher, würde ich auch sagen, dass in den meisten Fällen der Freier schuld ist, wenn’s schief läuft. Es ist sehr
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müßig, für ein Stricherprojekt genaue Fakten aufzulegen und zu sagen, so oder so ist es. Wir vermitteln nicht zwischen Freiern und Stricher bei Gewalttaten. Dadurch, dass der Stricher seinen Lebensunterhalt zusammenkriegen muss, nimmt er unter Umständen auch illegale Möglichkeiten in Anspruch, um an dieses Geld zu kommen. Es gibt sehr selten frau- männliche Prostitution. Wir arbeiten nicht mit den Freiern
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zusammen. Wir bilden schon Multiplikatoren aus über den AKSD und machen da Professionalisierungsseminar. Hier werden Stricher nochmals intensiv geschult, wie professionelles anschaffen ist und auch wie sie mit ihrer Situation klarkommen. Da ist es wichtig, eine gewisse multiplikatorische Wirkung auf die Jungs zu haben, dass sie ihren Stricherfreunden raten und auf sie einwirken können, wenn diese tabulos und
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blauäugig durch die Gegend laufen. Aber eine dauerhafte Arbeit mit geschulten Multiplikatoren, die für uns Präventionsarbeit machen, scheitert daran, dass die Jungs zu sehr wandern und dies für uns ein zu unsicherer Faktor ist. Man kann sich nicht genug darauf 147
Anhang 3: Interview III
verlassen, dass erstens die Inhalte weitergegeben werden, die uns wirklich wichtig sind und nicht verfälscht werden, aber auch, dass man dauerhaft mit den Jungs zusammenar375
beitet. Wenn wir jemanden länger kennen, kann der für uns übersetzten. Das ist schon sehr viel, weil wir nicht nachvollziehen können, wie er wirklich übersetzt. Aber dadurch kann ich ihn einschätzen, was er für eine Haltung hat. Aber ich würde sie nie alleine im Auftrag von unserer Einrichtung losschicken. Freier als Multiplikatoren funktioniert nicht. Da sind wir strenger als andere, weil wir denken, dass die Parteilichkeit verwischt
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wird. Es ist für die Jungs nicht mehr auseinander zu halten, für wen wir da sind, die Freier oder die Jungs. Wir unterhalten uns gerne in den Kneipen mit dem Freier, wenn er eine Frage hat, wir machen auch eine Beratung, wenn er sagt, er hat einen Jungen zu Hause und was er damit machen soll. Dann laden wir ihn außerhalb der Anlaufstellenzeit hier ein. Das sind immer nur Tipps und Hinweise, die wir ihm geben. Wir erledigen
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keine Aufgaben für die Freier und machen auch keine dauerhafte Freierberatung. Wir sagen auch nicht, dass die Freier ihre Jungs zu uns schicken sollen. Es ist schon schwierig für Jungs, einer sozialpädagogischen Beratungsstelle zu vertrauen, ohne eine solche Einrichtung zu kennen, die staatlich unabhängig arbeitet und keine Restriktionen von irgendwelchen Obrigkeiten durchführt. Es ist schwer verständlich, dass diese keine
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moralische Werte durchpresst und nur zum Wohle der Klienten da ist und eine Einrichtung ist, an die sie sich hinwenden können, ohne dass dies ein verlängerter Arm des Gesetztes sind. Das ist schon unverständlich und schwierig genug und deswegen brauchen wir auch nicht mit diesen Verwischungen ankommen.
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Persönliche Praxiserfahrung Für Jungs ist es sehr schwierig zu verstehen, wer wir sind und was wir machen. Bei einer Kontaktaufnahme mit einem z.B. rumänischen Jungen, der wenig deutsch spricht, wenn er hier ankommt, wäre das ohne unsere kulturelle Mediatorin überhaupt nicht möglich. Wir brauchen sie, dass sie ihn in seiner Muttersprache anspricht um erstmal
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ganz viel Eis zu brechen und uns dann auch vorstellt. Dann ist es nicht wichtig, sie direkt auf die Strichsituation anzusprechen. Es geht erst um das Befinden und erst später um die sexuellen Dienstleistungen. Ziel ist die Vermeidung von körperlichen und psychischen Schädigung in der Prostitution. Wenn er diesen Job schon macht, soll er ihn so machen, dass er relativ ungeschädigt
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da wieder raus kommt. Alternativen, zu sagen, dass wir ihn erst gar nicht einsteigen lassen und ihn zum Ausstieg zu beraten oder ihn in dieser Szene nicht verfestigen zu 148
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lassen, das ist blauäugig. Wir können ihnen nicht das Geld bieten und können ihnen keine Jobs anbieten. Wir können nur fragen, ob sie sich sicher sind, das wirklich machen zu wollen, sich den Risiken bewusst sind und wie sie es sicherer machen können 410
zum Beispiel durch Safer Sex. Wir bieten ihnen die Möglichkeit, regelmäßige Arztbesuche wahrzunehmen oder sich nicht illegal zu betätigen, um keine Probleme mit der Polizei zu bekommen. Das ist unsere Aufgabe mit dem Ziel eben, dass er in seinem späteren Leben wenige Probleme damit hat in gesundheitlicher Hinsicht, in psychischer als auch in persönlicher Sache.
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Letztendlich ist es deren Ding, womit sie uns den Auftrag geben. Die Erschwernisse sind ganz klar die Sprache. Ohne die kulturelle Mediatorin wären wir aufgeschmissen. Problemlagen der Stricher Den Druck, der durch die Familie entsteht, sehen wir als Problem. Es herrscht Perspek-
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tivlosigkeit. Sie bringen kein Potential mit, sprich keine Ausbildung, mit der sie hier oder zu Hause einen Job ausüben könnten. Wenn jemand eine Hotelausbildung hätte, könnte er sicherlich unterkommen. Sie kommen mit falschen oder gar keinen Vorstellungen hierher, was sie hier erwartet, dass hier das Geld nicht auf der Straße liegt, obwohl ihnen das von den Medien und den Freunden suggeriert wird. Um dies dann
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einzusehen und umzusetzen und dann doch ein anderes Ziel zu verfolgen, fehlt ihnen die Einsicht. Dieser hohe Konsumdrang ist auch ein Problem. Dies steht so über Allem, Geld zu besitzen, sich darüber zu identifizieren und sozial aufzusteigen, zählt mehr als althergebrachte traditionelle Werte aus der rumänisch- orthodoxen oder muslimischen Religion. Geld ist Priorität und dann kommen andere Sachen. Dann kommt auch noch
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die Rolle der Frau, bevor es um die eigene Prostitution geht. Es muss geregelt sein, dass die Frau die Kinder hütet und vor dem Herd steht und Jungfrau ist, dann kommt erst die eigene Sexualität oder die Prostitution. Es wird nicht so offen in den Herkunftsländern über Prostitution geredet, aber wenn sie mit uns darüber reden, dann sagen sie immer, dass sie aktiv sind, um so auch noch die Ehre zu erhalten. Dass die Rumänen keinen
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guten Stand hier haben, ist klar. Sie werden für Diebe gehalten, gelten als Verbrecher und das bekommen sie auch zu spüren. So bleibt ihnen auch nur die Möglichkeit, sich in der Prostitution zu betätigen. Das gilt nicht nur für Rromas, sondern für alle, die in Rumänien leben. Wobei ist es hier auch wieder unterschiedlich, die Rromas kommen nach den Rumänen in der Hierarchie ganz weit unten.
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Um einen Rroma zu erkennen, braucht man schon eine bessere Kenntnis, um ihn an der Sprache usw. zu erkennen. Alleine vom Aussehen kann man das nicht. Es gibt durchaus auch die gleichen Phänomene, die es früher bei den Deutschen schon gab, dass Jungs in sehr frühem Alter schon sexuelle Gewalterfahrungen haben. Das kommt sehr häufig vor. Das ist mit ein Grund, dass sie Sexualität so kennen gelernt haben, dass man nur,
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wenn man eine sexuelle Dienstleistung erbringt, auch eine Entlohnung durch Zuneigung, Geld oder Liebe erhält. Das hatten wir bei den osteuropäischen Jungs erst nicht vermutet, trifft aber doch zu. Dies könnte dann auch ein Motivationsgrund für die Stricher sein, um ihre Erfahrungen aufzuarbeiten. Zerrüttete Familienverhältnisse über Jahre hinweg, haben Einfluss auf die psychische
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Verfassung der Jungs. Die Prostitution hier, der Druck hier und von zu Hause, die Doppelstigmatisierung, zeigt sich auch wieder. Wir beobachten Spielsüchte oder Handysüchte. Auch der Konsumzwang ist ein Punkt, Drogen (intravenöse Drogen) werden interessanter Weise weniger konsumiert, eher ab und zu eine Partydroge. Diese Süchte sind dann Therapie für solche Störungen. Es kommen selbstzerstörerische Tätigkeiten,
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wie Ritzen und Brandig vor, Selbstverstümmelung, gefährliche sexuelle Handlungen und Bindungsprobleme sind zu beobachten. Es gibt eine Szenehierarchie. Jeder versucht sich durch den anderen, durch die starke Stigmatisierung, aufzuwerten, indem man den anderen schlechter macht. Die Rumänen sagen, die Rromas sind die schlechteren, die Tschechen sagen, die Rumänen haben den
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Markt kaputt gemacht und die Deutschen sagen das von den Tschechen. Die Callboys sagen, dass der Straßenstrich schlecht ist. Aber es ist keine körperliche Gewalt, eher die psychische. Es gibt viele Zukunftsängste und Probleme, die aber verdrängt werden, da sie morgen das große Geschäft machen, wodurch dann alles gelöst ist.
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Sie sind relativ schlecht aufgeklärt in Bezug auf Safer Sex Praktiken. Sie haben alle schon mal was von Aids und HIV gehört, aber wissen nicht wirklich darüber Bescheid. Sie haben eine panische Angst vor Aids und dadurch, dass sie nicht genau wissen, wie man sich davor schützt, gibt es abstruse Ideen, wie Schutz durch Desinfizieren. Da ist ein sehr großes Defizit und es ist wichtig, dass wir diese Arbeit gut und genau machen.
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Es gibt keine Zahlen, da bei Eintritt der Krankheit die Jungs nicht mehr greifbar sind und nach Hause fahren, weil sie ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen können. Dadurch, dass sie nicht so sexuell aktiv sind in diesem Job und eher das Geld anderweitig den Freiern aus der Tasche ziehen, sind nicht mehr so viele Positive unterwegs wie 150
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in der Schwulen Szene. Vernunft gibt es in diesem Bereich des Safer Sex sehr wenig. Es 475
gibt Freier, die sagen ganz klar, dass sie Safer Sex wollen und es gibt welche, die versuchen das zu umgehen und wollen sehr wenig Geld für zahlen. Es gibt auch Jungs, die sagen, sie machen das nicht, aber je größer der Druck ist, den der Junge hat, desto leichter wird er von seinen Prinzipien abgehen. Alkohol ist bei den Osteuropäern weiter verbreit als intravenöse Drogen. Hier ist es
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auch so, dass jemand, der offensichtlich drogenabhängig ist, sehr schnell von der Polizei kontrolliert wird. Diese Drogen sind in der Heimat viel weniger verbreitet. Es sind eher die legalen Drogen wie Alkohol und Spielsucht weiter verbreitet. Andere schwere Abhängigkeiten, entstehen dann erst hier. Oft bleiben sie dann trotzdem hier, da sie zu hause auch keine Perspektive mehr haben.
485 Herausforderungen und Grenzen an die soziale Arbeit Grenze ist auf jeden Fall die Sprache. Der Verdrängungsmechanismus der Jungs, dass sie sich mit ihren Problemen nicht auseinandersetzten wollen. Die Herausforderung für mich ist es, eine gute Beziehung 490
aufzubauen, um über diese Themen sprechen zu können. Das wichtigste Ziel ist, die Gesundheit, dass sie sinnvolle Prävention bekommen und dass das Abrutschen in die Kriminalität vermieden wird. Die Beziehung zwischen Sozialarbeiter und Klienten ist sehr wichtig, da hier diese Tabuthemen besprochen werden. Da geht das dann nicht ohne Beziehungsarbeit. Wir
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grenzen uns ganz klar ab, dass wir keine Freunde sind und dass es ein dienstlicher Auftrag ist. Private Kontakte in die Szene werden nicht gepflegt. Die Leitlinien, die wir zusammen mit dem AKSD erarbeitet haben, sind für uns auch bindend. Das Geschlecht und die sexuelle Identität der Sozialarbeiter spielt eine große Rolle. Man kann nicht sagen, wer die besseren sind, ob Frauen oder Männer. Das ist situati-
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onsbedingt. Frauen haben dann oft die Mutterrolle. Dann ist es auch wichtig, dass wir als schwule Männer positive Beispiele geben, was homosexuelle Männer auch sein können außer Freier. Dann gibt es Themen, die man von Mann zu Mann besprechen will. Dann gibt es Themen, wo man auf Grund ihrer Sozialisierung Frauen nicht als Ansprechpartner akzeptieren will und deswegen einen Mann braucht. Es ist wichtig,
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dass ein Team dieses alles anbieten kann, eine breite Vielfalt eben, wo das Geschlecht und die sexuelle Orientierung eine Rolle spielt.
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Utopie ist die Jungs zu retten oder einen Ausstieg zu vermitteln. Der Junge muss selber für sein Leben entscheiden und das muss ich ihm vermitteln. Defizit ist eindeutig die Sprache, die wir nicht sprechen. Finanzielles Defizit, dass wir unser Angebot nur so 510
weit ausbauen können, wie wir Geld haben. In der Migrantenarbeit werden wir gut gefördert und dies wurde in den letzten Jahren nicht gekürzt. Kurzfristig auf neue Bedingungen zu reagieren ist schwer, weil man einfach die Finanzierung langfristig beantragen muss und innerhalb einer Finanzierungsperiode keine Möglichkeit ist das zu verändern oder Geld dazu zu bekommen. Es geht nicht, sich schnell anzupassen. Wir
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brauchen unbedingt eine Nachtbereitschaft, aber wir können das nicht finanzieren. Aufgabenbereich für die soziale Arbeit Kooperation ist für uns zum Austausch wichtig. Der AKSD ist Austausch mit anderen Stricherprojekten. Supervision ist wichtig und unabdingbar. Es gibt auch Einrichtungen
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in Rumänien, die sich mit HIV beschäftigen, aber eher aus dem AKSD. Flexibilität ist wichtig, dass man schnell reagieren muss, authentisch sein muss und seine Persönlichkeit darauf abstimmen muss. Parteilichkeit ist für den Klienten ganz wichtig, zuhören und sich aber auch abgrenzen von der Freierarbeit. Professionalität ist Authentizität, dass man ihn akzeptiert, aber auch die Tätigkeit, die er ausübt und damit auch Vertrauen
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schafft. Sich aber dann auch abgrenzt und sagt, dass man nicht der Kumpel ist etc. sondern Sozialarbeiter ist und die Distanz wahrt. Im Gegenzug wäre es unprofessionell ein private Beziehung zu führen, oder Desinteresse am Klientel oder Eigeninteresse. Wir führen Akten nur über Beratungsprozesse, damit wir wissen, wie der Stand ist.
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Autorenvorstellung
Autorenvorstellung Nikolas Hagele, geb. 1981,wuchs in der Nähe von Augsburg auf. Er studierte Sozialpädagogik. In seiner Diplomarbeit beschäftigt er sich mit Migranten aus osteuropäischen Ländern, die durch männliche Prostitution ihren Lebensunterhalt bestreiten. Derzeit ist der als Sozialpädagoge tätig.
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Wissensquellen gewinnbringend nutzen Qualität, Praxisrelevanz und Aktualität zeichnen unsere Studien aus. Wir bieten Ihnen im Auftrag unserer Autorinnen und Autoren Diplom-, Bachelor-, Master-, Magister- und Staatsexamensarbeiten sowie Dissertationen, Habilitationen und andere wissenschaftliche Studien und Forschungsarbeiten zum Kauf an. Die Studien wurden an Universitäten, Fachhochschulen, Akademien oder vergleichbaren Institutionen im In- und Ausland verfasst. Der Notendurchschnitt liegt im Prädikatsbereich bei 1,5. Wettbewerbsvorteile verschaffen – Vergleichen Sie den Preis unserer Studien mit den Honoraren externer Berater. Um dieses Wissen selbst zusammenzutragen, müssten Sie viel Zeit und Geld aufbringen. http://www.diplom.de bietet Ihnen unser vollständiges Lieferprogramm mit mehreren tausend Studien im Internet. Neben dem Online-Katalog und der Online-Suchmaschine für Ihre Recherche steht Ihnen auch eine Online-Bestellfunktion zur Verfügung. Eine inhaltliche Zusammenfassung und ein Inhaltsverzeichnis zu jeder Studie sind im Internet einsehbar. Individueller Service – Für Fragen und Anregungen stehen wir Ihnen gerne zur Verfügung. Wir freuen uns auf eine gute Zusammenarbeit.
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